Geformt mit göttlichem Atem: Römisches Glas
Von Andrea Rottloff
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Buchvorschau
Geformt mit göttlichem Atem - Andrea Rottloff
Andrea Rottloff
Geformt mit göttlichem Atem – Römisches Glas
Impressum:
128 Seiten mit 108 Abbildungen
Titelbild:
unten: © GDKE_Ursula Rudischer (Landesmuseum Mainz);
links oben: © Museo Archeologico di Milano, Wikimedia Commons: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Coppa_diatreta_Trivulzio.TIF?uselang=de;
rechts oben: © Marie-Lan Nguyen (2011), Wikimedia Commons: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Lycurgus_Cup_red_BM_MME1958.12-2.1.jpg?uselang=de
Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-945751-56-5
© 2015 Nünnerich-Asmus Verlag & Media GmbH, Mainz am Rhein
Idee: Andrea Rottloff
Lektorat: Natalia Thoben, Carolin Witte
Gestaltung des Titelbilds: Sebastian Ristow
Satz: Design Depot Ltd
Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Autors, der Herausgeber und des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf fotomechanischem Wege (Fotokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten und zu verbreiten.
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Inhalt
Cover
Titel
Impressum
Einleitung: Glas – zerbrechliche Schönheit
Das Material – Quarzsand, Flussmittel und Stabilisator
Farbe und Irisierung
Chronologie – seit wann gibt es den Werkstoff Glas?
Forschungsgeschichte – das „Who is Who" der Glaswelt
Herstellung – vom Rohglas zum fertigen Gefäß
Literarische und bildliche Quellen
Herstellung des Rohglases (primäre Glasproduktion)
Wannenofen vs. Kuppelofen (sekundäre Glasverarbeitung)
Woher kam das Rohglas?
Der Handel bis zu den Verarbeitungsorten
Gefäßproduktion – Techniken
Sandkerngefäße
Geformte Gefäße
Auf der Glasmacherscheibe rotierend geformt
Geblasenes Glas – Seit wann wird Glas zu Gefäßen geblasen?
Formgeblasene Gefäße
Halbformgeblasene Gefäße
Optisch geblasene Gefäße
Gestaltung / Dekor / Verzierung
Gefäßaufbau und Formdetails
Rand
Henkel
Boden
Oberflächenverzierung
Heiß aufgebrachte Verzierung
Kalt aufgebrachte Verzierung
Der sekundäre Glasofen und seine Werkzeuge
Ofenbauten
Schmelztiegel
Werkzeuge
Produktionsreste und Abfälle
Die Glasmacher – was weiß man über die GlasbläserInnen?
Quellen
Bodenmarken nennen Glasmacher?
Glasregionen umschreiben Verarbeitungsgebiete
Konnte man antikes Glas recyceln?
Hellenistisches Glas
Canosa und Antikythera
Kurzer Überblick über die Formen des 3.−1. Jhs. v. Chr.
Römisches Glas
Ostmittelmeer / Westmittelmeer – Verlagerung der Glashütten
Über Herstellungszentren, Handelswege und den Einzelhandel
Beinahe an jedem Ort – Glasverarbeitung in den römischen Provinzen
Hauptsache billig?
Handel, Verpackung und Läden
Bezeichnungen der Gefäße –
Einige Vorbemerkungen zum formenkundlichen Teil
Feines Tafelgeschirr in verschiedenster Herstellungstechnik
Geblümt, gestreift und gebändert – das Mosaikglas
Cameoglas – die Portlandvase
Das etwas andere Essgeschirr – Gläser mit Keramikprofilen
Entfärbt-überschliffenes Geschirr – die Weiterentwicklung der TS-imitierenden Gläser in farbloser Glasmasse
Geschliffen wie Bergkristall? Facettschliffbecher und Verwandtes
Souvenirs, Souvenirs – Zirkusbecher und Gläser der „Marke" Ennion
…nicht nur „Kölner Schnörkel" – Schlangenfadengläser
Rippenschalen, Rippenschalen!
Allgegenwärtig und doch rätselhaft – die Rippenschalen
Rippenschale ist nicht gleich „Zarte Rippenschale"
Vierkantkrüge und -töpfe – halbformgeblasenes Vorratsgeschirr
Massenware über Jahrhunderte – das freigeblasene Alltagsgeschirr
Opak, buntgefleckt und gefiedert – das farbenfrohe 1. Jh. n. Chr.
Schliffrillengruppen ohne Ende – die Becherfamilie Is12/29/30
Schiefe Schälchen – Schalen, Teller und Schüsseln
Phantasievoll verziert und doch praktisch – die freigeblasenen Krüge
Transparente Leuchter – die Glaslampen
Ein Dauerbrenner in jeder Hinsicht – die Balsamarien
Momentaufnahme Pompeji
Glas als Grabbeigabe
Antike und moderne Imitationen – Freie Nachschöpfung und auf Genauigkeit abzielende experimentelle Archäologie
Gläserne Kleinfunde – Perlen, Gerät und Fensterglas
Schmuck und Schutz – Perlen und Anhänger
Perlen verschiedener Typen
Anhänger und Amulette
Rotes Glas und echte Perlen
Goldglasperlen
Schwarzes Glas als Imitation von Gagat
Ein komplizierter Haarschmuck
Gläserner Luxus? Geräte und Einlagen
Spinnwirtel aus Glas – die Wirtelperlen
Spieglein, Spieglein – die gläsernen Spiegel
In Stäbchenform – Nadeln, Rührstäbchen und Wanddekorationen
Geometrische und figürliche Einlagen, Mosaiken
Ludus latrunculorum und Rechenbrett – die Spielsteine
Gläserne Orden – die Phaleren
Lange noch ohne Durchblick – das antike Fensterglas
Gegossenes Fensterglas
Zylindergeblasenes Fensterglas
Runde geschleuderte Scheiben
Farbe und Befestigung der Fenstergläser
Die Spätantike – eine andere Welt
Veränderte Tischsitten
Kaum noch verziert
Luxus pur? Diatrete, Schliffschalen und Goldgläser
Gläserne Netzbecher – die Diatrete
Bilder für Heiden und Christen – Szenisch verzierte Schliffschalen
Mottogläser
Goldgläser
Ausblick ins (frühe) Mittelalter
Wie unterscheidet man römisches und mittelalterliches Glas?
Epilog – Glasforschung heute
Zum Weiterlesen
Glossar – Fachbegriffe der Glastechnologie
Abbildungsnachweis
„Es dürfte sich als notwendig erweisen, Form für Form – bei Glas immer gekoppelt mit Technik und Farbe – genau zu studieren und daraus die notwendigen Schlüsse zu ziehen."
(Thea Elisabeth Haevernick, 1958)
Einleitung: Glas – zerbrechliche Schönheit
Glas ist seit seiner Entdeckung in vorgeschichtlicher Zeit einer der faszinierendsten Werkstoffe der Welt – er bietet beinahe unendliche Variationen der Bearbeitung, von heiß bis kalt, von geformt bis geblasen, von gefleckt bis gewickelt: Myriaden von Verzierungsmöglichkeiten, die auch heute noch angewendet und weiterentwickelt werden. Man denke an die eleganten Jugendstilgläser der Zeit um 1900, die Murano-Gläser der 1940er- und 50er-Jahre, an die internationale Studioglasbewegung der 1960er- und 70er-Jahre oder die modernen Arbeiten des amerikanischen Glaskünstlers Dale Chihuly, der mit seinen riesigen hängenden Objekten auf der ganzen Welt Aufsehen erregt.
War Glas in vorgeschichtlicher Zeit noch ein überaus seltener Werkstoff, der vor allem für Perlen und andere Schmuckstücke oder als Einlage von Möbeln oder Wänden verwendet wurde, begann sein Siegeszug in griechischer, besonders hellenistischer Zeit, als man erste größere, offene Gefäße in bunten Farben zu fertigen verstand. Diese verbreiteten sich vor allem im Ostmittelmeerraum, gelangten aber gelegentlich auch in den Westen – man denke etwa an die Fragmente von Mosaikgläsern, die im keltischen Oppidum von Manching bei Ingolstadt gefunden wurden. Ab der späten Republik und frühen Kaiserzeit schließlich entwickelte sich um die Zeitenwende das Glas im gesamten Römerreich zum Allgemeingut, welches vielfach als Luxusware hohe Preise erzielte, später jedoch dank der Erfindung des Glasblasens zur allgegenwärtigen, nun erschwinglichen Massenware wurde.
Das Material – Quarzsand, Flussmittel und Stabilisator
Glas ist eine Mischung aus Quarz, Natron oder Soda sowie Kalk, die bei Temperaturen ab 800° C Hitze formbar wird. Gießflüssig wird sie allerdings erst bei etwa 1.200° C, einer Temperatur, die mit antiken Mitteln noch nicht zu erreichen war. Mit welcher Temperatur man arbeitete, hing von der chemischen Zusammensetzung der Schmelze ab, den technischen Möglichkeiten des offenen Feuers oder Ofens sowie davon, welche Art von Glasobjekt man daraus zu schaffen gedachte – besonders in der Römerzeit kamen neue, nie zuvor gesehene Verarbeitungs- und Verzierungstechniken auf, die in diesem Band schlaglichtartig besprochen werden sollen.
Der Legende nach (Plin. nat. 36, 190f.) wurde das Glas zufällig „an einem Levantestrand" entdeckt, dessen Sandzusammensetzung die Glasschmelze begünstigte, und in Verbindung mit dem Lagerfeuer die ersten amorphen Glasbrocken hervorbrachte. Dies fiel auf und so wurde von da an das neue Material mittels Versuch und Irrtum über Jahrhunderte hinweg erprobt. Die erfolgreichen Rezepte gab man an die nächste Generation weiter, hielt sie aber wohl noch nicht schriftlich fest. Wichtigstes Grundelement ist demnach Quarzsand, der, abhängig von seinem natürlichen Vorkommen, so rein sein sollte wie nur möglich. Dazu kommt ein Flussmittel zum Senken des Schmelzpunktes – in der Antike verwendete man hierzu fast immer Natriumkarbonat bzw. Soda –, sowie einen sog. Stabilisator, der verhindert, dass sich das Glas in Wasser auflöst. Dazu wurde normalerweise Kalk verwendet, der idealerweise bereits mit im Sand enthalten war und dementsprechend nicht eigens zugesetzt werden musste.
Farbe und Irisierung
Die natürliche Farbe der Glasschmelze ist das sog. Blaugrün, dessen Schattierung vom natürlichen Eisengehalt des Sandes abhängig ist. Alle anderen, bunteren Farben müssen durch die Zugabe von Mineralien erzeugt werden. Dabei ergibt beispielsweise eine Beimischung von Mangan Rotviolett, die Kombination von Antimon und Blei ein opakes Gelb oder – sicher am bekanntesten – Kobalt, ein leuchtendes Dunkelblau. Rein rote Gläser sind dagegen in der Antike sehr kostbar und selten und werden erst im Mittelalter häufiger. Sie besitzen einen hohen Kupferanteil, der bedingt, dass sich die Glasmasse der Oberfläche unter bestimmten Umständen zu Grün hin verändert: eine noch nicht oft nachzuweisende Reaktion.
Völlig farbloses Glas war lange Zeit sehr selten, da es ebenfalls schwer herzustellen war. Erst in der zweiten Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. wurde es möglich, durch die Zugabe bestimmter Mineralien auch farbloses Glas in größerer Menge zu produzieren. Dabei ist im Nachhinein nur schwer festzustellen, ob ein Glas nun bewusst entfärbt wurde oder nicht. Zwar existieren ganze Gattungen absichtlich entfärbter Gläser (die Facettbecher oder das „bessere geformte Tafelgeschirr, s. u.), aber oftmals ist es neutraler, den Terminus „farblos
zu verwenden, vor allem dann, wenn ein Glas nicht chemisch analysiert wurde.
Ähnlich problematisch ist die Bezeichnung „schwarzes Glas, das in der Antike ebenfalls noch nicht herzustellen war. Daher muss man sehr genau hinsehen (am besten durch den Bruch einer Scherbe oder eines Armreifens), um zu erkennen, ob an sich schwarz wirkende Gefäße oder Schmuckstücke eigentlich dunkelst Rotviolett, Braun oder aber Oliv sind. Inzwischen gibt es umfangreiche Studien, die sich mit den „schwarzen
Gläsern des 1. und des 3. Jhs. befassen, die jeweils eine eigene Gruppe mit charakteristischen Gefäßformen bilden.
Von der eigentlichen Glasfarbe zu unterscheiden ist die sog. Iris, ein Verwitterungsprodukt, das entsteht, wenn ein Glas Umwelteinflüssen, etwa im Boden, unterworfen ist. Dabei kommt die Dichte der Verwitterung zum einen auf die beeinflusste Glasmasse an, zum anderen auf die chemischen Bedingungen, unter denen das Glas im Boden lagert. In den Nordwestprovinzen ist die Irisschicht oft sehr dünn und bei frührömischen Gläsern kaum zu erkennen. Dagegen bildet sich an Gläsern aus dem (östlichen) Mittelmeerraum in der Regel eine dichte, leuchtend regenbogenfarbig schillernde Irisschicht, die es ermöglicht, auch Gläser in Museums- oder Sammlungsbesitz, die keine Fundortangaben mehr besitzen, eindeutig einer östlichen bzw. allgemein mediterranen Provenienz zuzuschreiben.
Chronologie – seit wann gibt es den Werkstoff Glas?
Glas ist seit der Bronzezeit (ca. 2500 v. Chr.) als eigenständiger Werkstoff bekannt, der zunächst nur für geformte Perlen, Schmuckstücke, Geräte und Intarsien verwendet wurde. Erst später wagte man sich an die ersten kleinen Gefäße wie den Kelch mit Königskartusche des Thutmosis III. (um 1450 v. Chr) in der Ägyptischen Staatssammlung München, das älteste sicher datierte Glasgefäß der Welt. Bekannt sind außerdem u. a. die figürlichen ägyptischen Einlagen für Möbel