Römisch-katholische Kirche in Lettland

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Die Basilika Mariä Himmelfahrt, das bedeutendste katholische Heiligtum in Lettland

Die römisch-katholische Kirche in Lettland gliedert sich kirchenrechtlich in ein Erzbistum und drei Suffraganbistümer.

Die Mission begann im Gebiet des heutigen Lettland zur Zeit von Meinhard von Segeberg, am Ende des 12. Jahrhunderts. Im 13. Jahrhundert wurden die beiden ersten Bistümer (Riga und Kurland) sowie ein Netz von Pfarreien errichtet. Bezeichnend ist, das die lettischen Christen in kirchlichen Schriftstücken teils bis ins 16. Jahrhundert als „Neophyten“ bezeichnet werden, also als diejenigen, die erst vor kurzem zum christlichen Glauben gekommen sind.[1] Aus dieser Wortwahl spricht der Zweifel, ob das Christentum in Lettland tatsächlich verwurzelt ist.

Von den vier historischen Landschaften Lettlands (Livland, Kurland, Semgallen und Lettgallen) blieb nach der Reformation nur Lettgallen römisch-katholisch geprägt.

Während der Zugehörigkeit Lettlands zum Zarenreich unterstanden die lettischen Katholiken und ihr Klerus zum größten Teil dem Erzbistum Mogilew, zum kleinen Teil (in Kurland) dem Bistum Kaunas. Wenige Monate bevor Lettland unabhängig wurde, wurde am 22. September 1918 das römisch-katholische Bistum Riga wiedererrichtet. 1922 schlossen Lettland und der Heilige Stuhl ein Konkordat.[2] Im Jahr darauf wurde das Bistum Riga zum Erzbistum erhoben.[3] Apostolischer Nuntius in Lettland ist seit Juni 2024 Erzbischof Georg Gänswein.

Der Volkszählung von 1935 zufolge waren 25 % der Einwohner Lettlands katholisch, mit großen Unterschieden zwischen den Landesteilen hinsichtlich des Anteils der Katholiken an der Bevölkerung:[4]

Nachdem die Sowjetunion 1940 die Republik Lettland besetzt hatte, wurden 29 katholische Priester verhaftet und gefoltert. 12 von ihnen wurden hingerichtet.[5] Nachdem die Wehrmacht 1941 Lettland besetzt hatte, verfügte die deutsche Besatzungsbehörde im „Generalbezirk Lettland“ am 19. Juni 1942, dass ohne Zustimmung des Gebietskommissars die Bischöfe künftig keine Pfarrer mehr ernennen dürfen. Das Alte Testament im Religionsunterricht zu behandeln, wurde verboten.[6] Nach der zweiten Besetzung Lettlands durch die Sowjetunion 1944/1945, die bis 1990 dauerte, nahmen die sowjetischen Behörden die Verfolgung missliebiger katholische Priester und Laien wieder auf.[7]

Nach der Wiederherstellung der lettischen Unabhängigkeit schloss die Republik Lettland mit dem Heiligen Stuhl am 8. November 2000 eine Vereinbarung über die Rechtsstellung der katholischen Kirche. Darin wurden die Bestimmungen des Konkordates von 1922 teils bestätigt, teils modifiziert und ergänzt, unter anderem hinsichtlich der Militärseelsorge und des Religionsunterrichtes in den Schulen.[8] Demgemäß wurde im Herbst 2004 der Religionsunterricht an staatlichen Schulen eingeführt,[9] sofern dort Lehrer bereitstanden. 1997 gab es für mehr als 1000 Schulen in Lettland nur rund 300 katholische Religionslehrer.[10]

Infolge der geschichtlichen Entwicklung bestehen hinsichtlich des Anteils der Katholiken an der Bevölkerung weiterhin große Unterschiede zwischen den Landesteilen:[11]

  • 50 % in Latgale
  • 26 % in Zemgale
  • 15 % in Riga
  • 9 % in Kurzeme
  • 7 % in Vidzeme
Die vier Bistümer Lettlands: orange das Erzbistum Riga, Liepāja im Westen, Jelgava im Süden und Rēzekne-Aglona im Osten.

Seit 1997 besteht die Lettische Bischofskonferenz.

Statistik der katholischen Kirche und Konfessionsstatistik

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2014 bekannten sich in Lettland 407.333 Menschen zum Katholizismus.[12] Die römisch-katholischen Christen werden in 316 Kirchengemeinden von 139 Priestern (davon 126 Diözesanpriester und 23 Ordenspriester), 115 Ordensschwestern und 31 Ordensbrüdern seelsorglich betreut.[13]

Die Katholiken stellten im Jahr 2016 mit einem Anteil von 19,5 % unter den insgesamt 2.090.280[14] Einwohnern des Landes die zweitgrößte christliche Glaubensgemeinschaft. Die meisten Einwohner Lettlands sind evangelisch-lutherische Christen. Zur drittgrößten christlichen Glaubensgemeinschaft des Landes, der Orthodoxie, bekennen sich überwiegend russischstämmige Letten. Sie werden in der russisch-orthodoxen Kirche Lettlands pastoral betreut.

  • Ernst Benz: Die römisch-katholische Kirche in Lettland 1918–1940. In: Boris Meissner, Dietrich André Loeber, Detlef Henning (Hg.): Die deutsche Volksgruppe in Lettland während der Zwischenkriegszeit und aktuelle Fragen des deutsch-lettischen Verhältnisses. Bibliotheca Baltica, Tallinn 2000, ISBN 9985-800-21-4, S. 162–174.
  • Dzintra Iliško: Die katolische Kirche in Zeiten des Wandels in Lettland. In: Diakonia, Jg. 36 (2005), S. 288–293.
  • Markus Nowak: Katholisch im Baltikum. Estland und Lettland. Wiedergeburt einer Kirche. Bonifatiuswerk, Paderborn / Renovabis, Freising 2012; zur katholischen Kirche in Lettland S. 20–33.

Einzelnachweise

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  1. Ludvigs Adamovičs: Die Letten und die katholische Kirche. In: Die Letten. Aufsätze über Geschichte, Sprache und Kultur der alten Letten. Walters & Rapa, Riga 1930, S. 215–239, hier S. 222.
  2. Orbis Terrarrum: Latvia. In: The Tablet, 3. März 1928, S. 31.
  3. Rigensis erectionis in Archiepiscopatum Decretum. In: Acta Apostolicae Sedis, Jg. 1923, S. 585–586.
  4. Ernst Benz: Die römisch-katholische Kirche in Lettland 1918–1940. In: Boris Meissner, Dietrich André Loeber, Detlef Henning (Hg.): Die deutsche Volksgruppe in Lettland während der Zwischenkriegszeit und aktuelle Fragen des deutsch-lettischen Verhältnisses. Bibliotheca Baltica, Tallinn 2000, S. 162–174, hier S. 163.
  5. Arveds Schwabe: Histoire du peuple letton. Bureau d’Information de la Légation de Lettonie à Londres, Stockholm 1953, S. 237.
  6. Arveds Schwabe: Histoire du peuple letton. Bureau d’Information de la Légation de Lettonie à Londres, Stockholm 1953, S. 238.
  7. Jānis Cakuls: Latvijas Katoļu baznīca okupācijas varu jūgā. In: Tadeušs Puisāns (Red.): Okupācijas varu nodarītie postījumi Latvijā 1940–1990. Memento, Stockholm / Daugavas Vanagi, Toronto 2000, ISBN 91-87114-35-6, S. 378–389 (über die Verfolgung der katholischen Kirche im besetzten Lettland, mit einer Namensliste von Opfern).
  8. Katholische Nachrichten-Agentur, 20. Dezember 2000.
  9. Paulis Apinis: Katholiken wollen sich aktiver in die Gestaltung der Gesellschaft einbringen. Erster Laienkongress von Katholiken in Lettland erfolgreich beendet. Renovabis, 27. April 2004.
  10. Sonntagsblatt, 4. Juli 1997.
  11. Ernst Benz: Zwischen konfessioneller, regionaler und nationaler Identität. Die Katholiken in Lettgallen und Lettland im 19. und 20. Jahrhundert. In: Nordost-Archiv, Jg. 7 (1998), Heft 2: Konfession und Nationalismus in Ostmitteleuropa. Kirchen und Glaubensgemeinschaften im 19. und 20. Jahrhundert, S. 443–495, hier S. 491.
  12. Annuario Pontificio, Ausgabe 2016, Addition der Angaben zu den vier lettischen Bistümern auf den Seiten 332 (Bistum Jelgava), 402 (Bistum Liepāja), 608 (Bistum Rēzekne-Aglona) und 610 (Erzbistum Riga).
  13. Annuario Pontificio, Ausgabe 2016, S. 1125 und Addition der Angaben auf den Seiten 332 (Bistum Jelgava), 402 (Bistum Liepāja), 608 (Bistum Rēzekne-Aglona) und 610 (Erzbistum Riga).
  14. vgl. Latvijas iedzivotaju skaits pašvaldibas (Memento vom 20. Oktober 2016 im Internet Archive), Datenbank des Amtes für Statistik der Republik Lettland, Stand: 1. Januar 2016.
Commons: Römisch-katholische Kirche in Lettland – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien