Gemälde, eine Frau sitzt in einem großen Sessel
Benno Walldorf Porträt Hanna Bekker vom Rath, 1968 Öl auf Leinwand, 65 x 85 cm Bildrechte: VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Sammlerin Kunsthandel in der Männerdomäne: Ausstellung "Hanna Bekker vom Rath" in Chemnitz

07. Juli 2024, 13:29 Uhr

Die Ausstellung "Eine Aufständische für die Moderne" in den Kunstsammlungen Chemnitz zeigt Werke aus der Sammlung der Malerin, Mäzenin und Kunsthändlerin Hanna Bekker vom Rath, eine der bedeutendsten Privatsammlungen des deutschen Expressionismus. Gezeigt werden Gemälde aber auch Grafik, Plastiken und Textilien mit Augenmerk auf Schmidt-Rottluff, mit dem Hanna Bekker eine lebenslange Freundschaft verband.

Es leuchtet mal wieder im großen Oberlichtsaal der Kunstsammlungen sowie in weiteren Räumen – revolutionär und farbig im Geschmack der 1920er und 30er, gefasst in die expressiven Formensprachen Alexej von Jawlenskys oder Karl Schmidt-Rottluffs, letzterer geboren in Rottluff, heute Stadtteil von Chemnitz, Mitbegründer der "Brücke", und Hausheiliger am Theaterplatz.

Noch 1937 besaß man hier 105 seiner Werke, was der Bildersturm der Nazis zunichtemachte. Seit 1989 schließt das Museum seine Wunden, müht sich jedoch weiter um noch nicht in Chemnitz gesehene Schmidt-Rotluffs.

Und hat nun unter anderem Werke des Berliner Brücke-Museums als auch aus der Sammlung Hanna Bekker vom Rath zu Gast, der Kunsthändlerin in Frankfurt/Main ist die Ausstellung gewidmet.

Kuratorin Sabine Maria Schmidt betont, dass die Ausstellung "Hanna Bekker vom Rath – eine Aufständische für die Moderne" heißt und "eine ganz wichtige Persönlichkeit der Klassischen Moderne würdigt". Atemberaubende Bilder von Schmidt-Rotluff seien natürlich auch zu sehen, darunter der "Nächtliche Mittelmeerhafen", es sei das erste Gemälde, das Hanna Bekker von Schmidt-Rotluff erworben habe, so Schmidt.

Gemälde, eine verschlungene Straße, überall stehen Bäume
Karl Schmidt-Rottluff Wegkehre im Taunus, 1935 Öl auf Leinwand, 76,2 x 102,7 cm Bildrechte: Kunstsammlungen Chemnitz/May Voigt

Bedeutende Privatsammlung des Expressionismus

Es sind Teile einer der bedeutendsten Privatsammlungen des deutschen Expressionismus, mit Textilien sowie Plastiken, die man nun in Chemnitz sehen kann. Anfangs als Malerin, pflegte Hanna Bekker in den 20ern Kontakte zu den Kunst-Heroen ihrer Zeit. Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Max Beckmann, Wilhelm Lehmbruck, Käthe Kollwitz oder auch Ida Kerkovius förderte sie später und kaufte ihre Werke.

Meine Linie hat sich nie auf ein Spezialgebiet konzentriert. Ich habe eben gekauft, wie ich konnte und was mich einfach vom Herzen her ansprach.

Hanna Bekker vom Rath

Zu Schmidt-Rotluff verband die gut Situierte lebenslang eine Freundschaft. Sie stellte ihm gar ein eigenes Atelierhaus im Garten ihres heute berühmten "Blauen Hauses" im Taunus zur Verfügung. Wo Schmidt-Rotluff malte, in den 50ern, leuchtende Gartenszenen oder Stillleben, mit Ortsbezug.

Gemälde einer Frau im expressionistischen Stil mit flächiger Maltechnik.
Ein Portrait von Hanna Bekker, gemalt von Karl Schmidt-Rottluff, 1952 Bildrechte: VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Ko-Kuratorin Marian Stein-Steinfeld, seit Ende der 70er mit der Sammlung ihrer Großmutter be- und vertraut sowie im Blauen Haus aufgewachsen, erklärt: "Das ist ein Fachwerkhaus mit blauem Holzwerk und man sieht hier das Geländer vom Balkon im 1. Stock und im Hintergrund die blühende Kastanie mit ihren Kerzen, die eben da vom Balkon aus zu sehen war."

Gemälde mit einer Veranda auf der ein Tisch, eine Vase und ein Sonnenschirm stehen.
Karl Schmidt-Rottluff: Veranda mit Sonnenschirm, 1958 Öl auf Leinwand, 76 x 112 cm Bildrechte: VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Mächtige Familienbande

Hanna Bekker, Enkelin eines Mitbegründers der Höchster Farbwerke, ihr Vater Walther vom Rath saß bis zu seinem Tod 1940 im Aufsichtsrat der IG Farben, blieb ihren Künstlerfreunden auch in jenen Jahren treu als das, was nach dem Krieg und heute teuer gehandelt wird, als "entartet" verfemt war.

Stein-Steinfeld erklärt hierzu: "Ja, es gibt diesen Hintergrund, der natürlich auch ein Hintergrund auf finanzielle Situationen ist. Nur Hanna Bekker hat sich recht früh gegen die Konventionen und Traditionen ihrer Familie gewandt, sie hat beschlossen, einen eigenen Weg zu gehen und hatte eigentlich nicht mehr den Kontakt zur Familie."

EIne Frau steht an einem Tisch, in dem Zimmer sind Gemälde und Plastiken von Köpfen
Hanna Bekker vom Rath im Roten Zimmer des Blauen Hauses mit Kunstwerken von Alexej von Jawlensky, Ida Kerkovius, Alexander Archipenko, Wilhelm Lehmbruck sowie dem Wuzhiqi, 1946 Bildrechte: Estate Marta Hoepffner

Traumumsätze im Millionenbereich

So besaß Hanna Bekker als der Krieg zu Ende ging eine ansehnliche Kollektion expressionistischer Meisterwerke. 1947 gründete sie ihr Kunstkabinett am Börsenplatz in Frankfurt/Main als reines Ausstellungszentrum, um später jahrzehntelang als renommierte Galerie mit Traumumsätzen im Millionenbereich agieren zu können.

Gemälde mit einem stilisierten rennenden Menschen.
Paul Klee: Läufer – Haker – Boxer, 1920, Aquarell auf Papier, 21,6 x 30,5 cm Bildrechte: Museum Wiesbaden

Eine Kunsthändlerin im kaufmännischen Sinne wurde Hanna Bekker jedoch nie. 1969 erzählt sie dem Hessischen Rundfunk: "Meine Linie hat sich nie auf ein Spezialgebiet konzentriert. Ich habe eben gekauft, wie ich konnte und was mich einfach vom Herzen her ansprach. Gerade bei einer Frau ist ja das Gefühlsmäßige sehr vorherrschend."

Aufständisch oder geschäftstüchtig?

Mit dem Gefühl allein ist jedoch kein Geschäft zu machen. Dass das Kunsthaus profitabel war, verdankte es der besonnenen Verwaltung seiner Mitarbeiter, natürlich seinem Fundus an klassischer Moderne wie auch der ungebrochenen Reiselust Hanna Bekkers, der auch die Ausstellung in Chemnitz Ausstellungsräume widmet.

Eine Frau hält ein Kunstwerk in der Hand, vor ihr stehen Koffer.
Hanna Bekker vom Rath mit selbstbemaltem Bilderkasten auf dem Balkon des Blauen Hauses vor der Abreise, 1955 Bildrechte: Fridolin Frenzel

Den Künstlern und ihren Werken, für die sie damals weltweit warb, ist in der Schau ein historisches, groß aufgezogenes, Schwarz-weiß-Foto von Hanna Bekker samt Koffern vorangestellt. Man sieht eine bürgerliche Frau. Ob sie auch eine "Aufständische für die Moderne" war, wie im Ausstellungstitel propagiert, sei dahingestellt. Die Chemnitzer Schau ist jedoch – allein durch ihre vielen kunsthistorischen Querverweise – ein Muss für Expressionismus-Fans.

Quelle: MDR KULTUR (Ulrike Thielmann)
Redaktionelle Bearbeitung: op

Weitere Informationen

"Hanna Bekker vom Rath. Eine Aufständische für die Moderne"
Ausstellung

Werke aus der Sammlung Hanna Bekker vom Rath: Mit Werken u.a. von Jawlensky, Nolde, Kollwitz, Kerkovius und Schmidt-Rottluff.

7. Juli bis zum 20. Oktober 2024

Kunstsammlungen am Theaterplatz
Kunstsammlungen Chemnitz
Theaterplatz 1, 09111 Chemnitz

Öffnungszeiten:
Dienstag, Donnerstag–Sonntag, Feiertag: 11 bis 18 Uhr
Mittwoch: 14 bis 21 Uhr

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 05. Juli 2024 | 07:40 Uhr

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