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Später Kinderwunsch: Chancen und Risiken
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eBook394 Seiten3 Stunden

Später Kinderwunsch: Chancen und Risiken

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Über dieses E-Book

Spätgebärende haben andere Fragen
Viele Frauen entscheiden sich oft erst spät, Kinder zu bekommen. Bücher über "normale" Schwangerschaften gibt es viele, die besonderen Fragen Spätgebärender werden nur selten umfassend beantwortet. "Das Buch möchte die Frauen in ihrer Entscheidung bestärken, sich auch noch spät für ein Kind zu entscheiden und das beglückende Gefühl der Mutterschaft zu erleben und dabei - wie viele Frauen berichten - eine ganz neue Dimension des Lebens und der Liebe zu erfahren. Es soll aber auch ausdrücklich auf die Risiken hinweisen und aufzeigen, wie diesen bei älteren Erstgebärenden entgegengewirkt werden kann."
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum19. Aug. 2015
ISBN9783863711771
Später Kinderwunsch: Chancen und Risiken

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    Buchvorschau

    Später Kinderwunsch - Petra Ritzinger

     Quellennachweis

    Einführung

    In Deutschland und anderen westlichen Ländern hat sich ein klarer Trend abgezeichnet, nach dem immer mehr Frauen ihren Kinderwunsch hinauszögern und erst mit Mitte/Ende dreißig oder sogar Anfang vierzig ein Kind planen. Eine Frau um die vierzig ist sowohl psychisch als auch physisch voll leistungsfähig, steht häufig auf dem Höhepunkt ihres Lebens. Sie stellt eine ausgereifte Persönlichkeit dar und gilt als sehr attraktiv. Die Mutterrolle wird nicht nur als einzige Lebenserfüllung angestrebt.

    In unserer Gesellschaft, die weitgehend von den Medien beeinflusst wird, erfüllen Frauenidole aus Film, Fernsehen, Politik und Wirtschaft, die spät ihr Mutterglück erfahren, eine große Vorbildfunktion. Frauen mit Charisma und Persönlichkeit wie die Schauspielerinnen Ornella Muti, Isabelle Adjani und Susan Sarandon oder Cherie Blair, Staranwältin und Frau des britischen Premierministers Tony Blair, bekamen alle Anfang oder sogar Mitte vierzig noch ihr Baby.

    Mit einem Kind wird die eigene Kindheit wieder wach. Man erlebt die Unbekümmertheit, kindliche Freude und Spontaneität wieder und lernt mit dem Kind gemeinsam den Augenblick, das Hier und Jetzt zu genießen. Gerade in unserer leistungsorientierten Gesellschaft geben uns Kinder die Kraft, unsere Gefühle zu leben. „Ein Kind denkt mit dem Herzen, und ich wage zu behaupten, dass es auf die gleiche Weise sieht…" Dieser Satz stammt von dem kirgisischen Dichter Tschingis Aitmatov und enthält viel Wahrheit.

    Ab dem 35. bzw. 40. Lebensjahr ist eine Schwangerschaft in der Regel mit höheren Risiken verbunden, einerseits auf Grund der drastisch zunehmenden Chromosomen-Aberrationen (insbesondere des Down-Syndroms), andererseits auf Grund von Komplikationen in Folge des Alters. Deshalb sollten Frauen in diesem Alter zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu einer Schwangerschaftsuntersuchung gehen und alle weiteren Vorsorgetermine gewissenhaft wahrnehmen, um eine komplikationslose Schwangerschaft und Geburt zu erleben. Nach Studien aus jüngerer Zeit [8,13] haben ältere Erstgebärende eine genauso große Chance ein gesundes, normal entwickeltes Kind zur Welt zu bringen wie jüngere Frauen, wenn sie medizinisch optimal betreut werden.

    Als ideales Gebäralter gilt allerdings nach wie vor die Zeit zwischen dem 20. und 29. Lebensjahr. Mit zunehmendem Alter nimmt die Fruchtbarkeit ab, und dies trifft ganz besonders auf Frauen über 35 Jahre zu. Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch kann die assistierte Reproduktionsmedizin in vielen Fällen jedoch noch zu ihrem ersehnten Wunschkind verhelfen. Trotzdem müssen viele Frauen die schmerzhafte Erfahrung machen kinderlos zu bleiben.

    „Späte" Mütter gab es zu allen Zeiten der Geschichte. Die Zahl der Frauen in Deutschland, die jenseits der 50 noch ein Kind bekommen, ist jedoch verschwindend gering (im Jahr 2004 waren 11 ehelich geborene Kinder von Müttern über 50 Jahre), auch wenn die Boulevardpresse Einzelfälle hochspielt und uns damit suggeriert, die sehr späten Mutterschaften nähmen zu. Schwangerschaften jenseits der fünften Lebensdekade sind aus ethischen und sozialen Gründen sehr umstritten und sollen nicht Thema dieses Buches sein. Wenn man der Bibel glauben soll, hat Sarah noch im hohen Alter von 90 Jahren ihren Sohn Isaak zur Welt gebracht.

    Eine Studie der Harvard Universität von 1998 [90] sorgte für Schlagzeilen in den Zeitungen. Sicherlich ist sie nicht repräsentativ, gibt aber doch einen weiteren Anreiz für eine späte Mutterschaft. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass Frauen, die spät gebären, häufig eine sehr hohe Lebenserwartung haben. Unter den Hundertjährigen ist der Anteil der Frauen, die nach ihrem 40. Lebensjahr noch ein Kind bekamen, deutlich erhöht. Es wird vermutet, dass die Fähigkeit ohne Hilfe der Reproduktionsmedizin, im fünften Lebensjahrzehnt noch Kinder zu gebären, Ausdruck einer Verlangsamung des Alterungsprozesses ist, der es wiederum ermöglicht, ein hohes Alter zu erreichen. Möglicherweise ist dabei auch eine späte Menopause von Bedeutung. Es handelt sich hierbei jedoch um eine Hypothese, die von den Gerontologen erst noch durch weitere, umfassendere Studien belegt werden muss, um zu beweisen, dass späte Mütter tatsächlich länger Sexualhormone bilden und genetisch langsamer altern.

    Dieses Buch möchte die Frauen in ihrer Entscheidung bestärken, sich auch noch spät für ein Kind zu entscheiden und das beglückende Gefühl der Mutterschaft zu erleben und dabei – wie viele Frauen berichten – eine ganz neue Dimension des Lebens und der Liebe zu erfahren. Es soll aber auch ausdrücklich auf die Risiken hinweisen und aufzeigen, wie diesen bei älteren Erstgebärenden entgegengewirkt werden kann.

    Späte Mütter sind in der Schwangerschaft disziplinierter

    Ältere Mütter unterscheiden sich in mancher Hinsicht von den jüngeren. Studien belegen, dass die typischen Erstgebärenden häufig in finanziell gesicherten Verhältnissen leben und selbstständige und unabhängige Frauen sind. Viele haben bereits beruflich Karriere gemacht, die sie sich allerdings oft hart erkämpfen mussten. Sie sind nicht mehr auf der Suche nach ihrer Identität, sondern haben ihren Weg gefunden und damit auch innere Ruhe. Die so genannten Spätgebärenden verfügen in der Regel über einen qualifizierten Bildungs- und Ausbildungsstand, arbeiten überdurchschnittlich viel in akademischen Berufen und gehören sozial privilegierten Schichten an. Auffällig ist auch, dass sie sich weniger Traditionen verpflichtet fühlen als Jüngere und häufig ein unkonventionelles Leben führen. Viele leben ohne Trauschein mit ihrem Partner, haben teilweise jüngere Partner oder sich gar entschieden, ihr Kind alleine großzuziehen [46].

    Erfahrungsgemäß gehen „ältere" Schwangere gewissenhafter zu allen Vorsorgeuntersuchungen und verhalten sich disziplinierter. Sie rauchen weniger oder hören ganz damit auf, verzichten auf alkoholische Getränke, ernähren sich gesund und schonen sich mehr, das heißt sie gönnen sich genügend Schlaf und vermeiden jeden Stress. Reife Frauen erleben ihre Schwangerschaft häufig sehr bewusst, möglicherweise deshalb, weil sie wissen, dass sie unter Umständen nur dieses eine Kind haben werden und sich ihm nun ganz widmen möchten. Die positive Einstellung ist auch ein wichtiger Faktor für den Verlauf der gesamten Schwangerschaft.

    Zwei Tage nach der Geburt

    Der Trend zur späten Mutterschaft nimmt zu

    Gründe für den Aufschub des Kinderwunsches

    Warum immer mehr Frauen die Schwangerschaft weiter hinausschieben, hat verschiedene Beweggründe. Zum einen hat sich das Frauenbild stark gewandelt. Nach längeren Bildungs- und Ausbildungszeiten üben immer mehr Frauen Berufe mit einer hohen Qualifikation aus. Der Kinderwunsch ist bei den Frauen heute deshalb häufig von sehr ambivalenten Gefühlen begleitet: Habe ich den richtigen Partner für eine Familie bzw. ist die Partnerschaft stabil genug? Berufstätige Frauen fragen sich: Schaffe ich den beruflichen Wiedereinstieg? Habe ich ein gutes Betreuungsangebot für mein Kind/meine Kinder? Gelingt es mir, Karriere und Familie zu vereinbaren? Frauen, die ihren Beruf aufgeben, um sich ausschließlich um die Familie zu kümmern, haben andere Ängste: Ist auch ohne eigenen Verdienst das Familieneinkommen sichergestellt? Ist der Arbeitsplatz meines Mannes krisenfest oder muss ich Zukunftsängste haben? Ist es ein zu hohes Risiko, in der Abhängigkeit vom Mann zu leben?

    In Deutschland wird ca. jedes vierte Baby von einer Frau über 35 Jahre geboren

    Allein in den letzten beiden Jahrzehnten ist die Zahl der Spätgebärenden von 1,3 Prozent auf 27,5 Prozent im Jahr 2005 gestiegen [110]. Eine stetig wachsende Zahl von Frauen (und Männern) genießt ihr Leben erst einmal als Single. Allein im früheren Bundesgebiet hat sich die Zahl der Alleinlebenden zwischen 25 und 45 Jahren von 1976 bis heute verdreifacht. Während Anfang der 70er Jahre nicht einmal acht Prozent der Westdeutschen zwischen 25 und 35 allein lebten, waren es um die Jahrtausendwende schon etwa 25 Prozent. In Großstädten vollzieht sich diese Entwicklung noch rasanter. Die Zahl der Einpersonenhaushalte steigt ständig. So lebt beispielsweise in Frankfurt oder München bereits in mehr als der Hälfte aller Haushalte nur eine Person.

    Drastisch stieg auch der Anteil der jungen Leute an, die in nichtehelichen Lebensgemeinschaften wohnen. Besonders im Alter von 25 bis 35 wird diese Lebensform der traditionellen Ehe vorgezogen. Viele Singles entscheiden sich, später doch mit einem Partner zusammenzuziehen und dann zu heiraten. Viele nichtehelichen Lebensgemeinschaften werden noch legalisiert. Die Entscheidung für eine Heirat wird nur in einer späteren Lebensphase getroffen als früher. Heirateten 1991 in Deutschland ledige Männer mit 28,5 Jahren und ledige Frauen mit 26,1 Jahren, so taten sie dies 2004 erst mit 32,4 bzw. 29,4 Jahren [17, 117].

    In den alten Bundesländern wird heute jedes fünfte Kind nicht ehelich geboren. In den 1970er Jahren war es nur jedes 20. Im Osten sind nicht eheliche Geburten mit über 50 Prozent inzwischen der Normalfall. Die Zahl der Alleinerziehenden nahm seit Mitte der 1970er Jahre um die Hälfte zu. So lebten im Jahr 2000 in Deutschland 1,8 Millionen Alleinerziehende.

    Da fast jede zweite Ehe geschieden wird, ergeben sich heutzutage ganz neue Familienstrukturen: die Patchworkfamilie, die Ein-Eltern-Familie der Alleinerziehenden, die Stief- bzw. Adoptivfamilie. Auch wenn die jeweiligen Ehepartner schon Kinder haben, entsteht der Wunsch, mit dem neuen Partner ein gemeinsames Kind zu haben. Die Frauen sind dann häufig schon Mitte/Ende dreißig oder Anfang vierzig, wenn sie ihre zweite Familie gründen [46]. Bedingt durch diese demographischen Veränderungen und andere Gründe (siehe unten) steigt in der Bundesrepublik Deutschland und vielen anderen Industriestaaten seit etwa 30 Jahren der Prozentsatz spätgebärender Mütter. Heute sind bereits 7 Prozent aller Lebensgemeinschaften Stieffamilien.

    Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes [117] nimmt seit Jahren die Anzahl der Mütter, die bis zu ihrem 29. Lebensjahr ihr erstes Kind bekommen, ständig ab und die Anzahl, die zwischen ihrem 30. und 45. Lebensjahr ihr erstes Kind bekommen, steigt kontinuierlich an. Im Jahr 1997 wurden zum ersten Mal die meisten Kinder von Müttern im Alter von 30 bis 34 Jahren geboren und nicht mehr wie in den Jahren zuvor von Müttern im Alter von 25 bis 29 Jahren. Heute wird ca. jedes vierte Baby von einer Mutter geboren, die über 35 Jahre alt ist. Heutzutage ist es nichts Besonderes mehr, mit 45 Jahren Mutter von Kleinkindern zu sein.

    Innerhalb der letzten 13 Jahre ist das Durchschnittsalter der Frau bei der Geburt des ersten Kindes um ca. drei Jahre gestiegen und liegt heute bei knapp 30 Jahren. Kurz vor der Wende bekamen die Frauen im Osten ihr erstes Kind noch mit knapp 24 Jahren, während im Westen der Mittelwert schon damals bei knapp 27 Jahren lag. Sowohl im Westen als auch im Osten wünscht sich jede dritte Frau um die vierzig mehr Kinder als sie hat. Fast jedes dreißigste Neugeborene der Republik hat schon eine Mutter jenseits der vierzig. Das rapide Ansteigen des Alters der Erstgebärenden im ehemaligen Osten lässt vermuten, dass die wirtschaftlich unsichere Situation und Zukunftsängste dafür verantwortlich sind, obwohl die Frauen ja bessere Voraussetzungen für einen beruflichen Wiedereinstieg haben, da die Betreuungsangebote für Kleinkinder wesentlich besser sind als im Westen.

    Demographische Entwicklung

    Die Geburtenrate, das heißt die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau betrug im Jahr 2004 in Deutschland 1,36. Die meisten Frauen bekommen zwei Kinder, viele, zu viele, bleiben jedoch kinderlos. Für eine stabile Bevölkerung wären 2,1 Kinder nötig, eine Zahl, die zuletzt in den 1970er Jahren erreicht wurde [69].

    Während die Geburtenzahl in Deutschland stetig fällt, ist in München als einziger Ausnahme in der Bundesrepublik seit 1995 ein leichter Geburtenzuwachs zu beobachten. Im Jahr 2005 wurden so viele Babys geboren wie zuletzt in den 60er Jahren. Eine Erklärung für diesen Trend ist zum einen ein Ausländeranteil von ca. 23 Prozent, zum anderen ziehen immer mehr junge Leute zurück in die Stadt. München geht es wirtschaftlich immer noch am besten in Deutschland und die Stadt bietet viele Arbeitsplätze. Eine traurige Tatsache bleibt jedoch: Nur in jedem siebten Münchner Haushalt - ähnlich wie in anderen Großstädten – lebt ein Kind. Eine Erklärung ist, dass sich zunehmend gut situierte Familien drei bis vier Kinder „leisten" und andere Paare bewusst ganz auf Kinder verzichten.

    Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren in München im Jahr 2005 ca. 29 Prozent der Gebärenden älter als 35 Jahre. Auch die Zahl der Mütter, die bei der Geburt die vierzig überschritten haben, steigt allgemein rapide. In München zählten im Jahr 2005 schon fünf Prozent zu dieser Gruppe.

    Die Suche nach dem richtigen Partner für eine Familie

    Eine Studie ergab, dass Frauen als Hauptgrund, weshalb sie sich so spät für ein Kind entscheiden, antworteten, noch nicht den richtigen Lebenspartner gefunden zu haben. Die einen waren vorher noch nicht verheiratet, die anderen lebten in einer unbefriedigenden Partnerschaft, in der sie sich keine Kinder vorstellen konnten [115].

    Auch eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa unter 40 000 Männern und Frauen im Alter zwischen 18 und 49 Jahren ergab als Hauptgrund, keine Kinder zu wollen, noch nicht den richtigen Partner gefunden zu haben. Diese Auffassung teilt auch der Soziologe Francois Höpflinger von der Universität Zürich. Er bezeichnet die heutige Generation der 30- bis 39-jährigen als „Spätzünder. Laut Umfragen hätten die jungen Leute deshalb noch keine Kinder, weil sie trotz ihres fortgeschrittenen Alters noch immer nicht den richtigen Partner gefunden hätten. Auch das deutsche Institut für Wirtschaftsforschung befasste sich kürzlich auf einer Krisensitzung mit den stetig sinkenden Geburtenzahlen. Der Soziologe Thomas Klein von der Universität Heidelberg wies auf die „Instabilität der Beziehungen hin. In neuen Beziehungen müsse der Kinderwunsch immer wieder erst neu entstehen.

    Vereinbarung von Karriere und Familie

    Zum anderen hat sich in den letzten Jahrezehnten das Frauenbild stark gewandelt. Der Anteil beruflich gut ausgebildeter Frauen hat in den vergangenen vierzig Jahren kontinuierlich zugenommen. Berufliches Engagement wird als zweithäufigster Grund für eine späte Schwangererschaft genannt [101, 115].

    Anders als in Dänemark oder Frankreich, wo die Geburtenrate deutlich höher, nämlich bei 1,7 bzw. 1,9 liegt, ist es für Mütter in Deutschland noch immer schwer, Beruf und Familie in Einklang zu bringen. In Skandinavien und Frankreich ist es selbstverständlich, dass Kinder von staatlich geprüften Tagesmüttern oder in Ganztagskrippen versorgt werden.

    „Frankreich ist ein Staat, der Kinder will, Lust auf Kinder hat und kollektiv das Kindersein begehrt", so die Professorin Barbara Vinken. Kinder stehen einer Karriere nicht im Weg: Direkt nach dem Mutterschutz können Eltern ihre Kinder in die Kinderkrippe geben. Die staatliche Kinderbetreuung hat in Frankreich eine lange Tradition. Bereits 1881 wurden die ersten französischen Vorschulen für Kinder ab drei Jahren gegründet, weil der Staat meinte, die Familien schützen zu müssen. Seit Mitte der 80er Jahre gibt es außerdem ein umfangreiches Beihilfesystem für private Tagespflege. Die Nationale Familienkasse übernimmt in Frankreich die Sozialversicherungsbeiträge und zahlt gegebenenfalls auch einen Lohnzuschuss, wenn Familien eine anerkannte Tagesmutter einstellen. Die Betreuung in der eigenen Wohnung hat sich nach der Krippe als beliebteste Lösung für die unter Dreijährigen durchgesetzt. So wurden seit 1991 immerhin 250 000 Arbeitsplätze in Privathaushalten geschaffen. Finanziert wird die Familienkasse aus Steuergeldern sowie Beiträgen der Arbeitgeber. Heute arbeiten über 70 Prozent der französischen Frauen mit zwei Kindern den ganzen Tag.

    Ein gutes Beispiel für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie liefert auch Dänemark. In drei von vier dänischen Familien verdienen Vater und Mutter. Nach dem Mutterschutz folgt eine 46-wöchige Elternzeit, in der Mutter oder Vater Elterngeld erhalten, dessen Höhe vom vorigen Einkommen abhängig ist und dem vollen Arbeitslosengeld entspricht. So können sich gut qualifizierte Frauen – oder auch Männer – leichter für eine „Kinderpause" entscheiden. Außerdem sorgte die dänische Regierung schon vor etwa zehn Jahren für zusätzliche Betreuungsangebote für Kleinkinder. Heute ist etwa die Hälfte aller Ein- bis Zweijährigen in Tagespflege.

    In der BRD beklagen dagegen viele Mütter zu wenig qualifizierte Betreuungsangebote in Krippen für Kinder unter drei Jahren, starre Öffnungszeiten der Kindergärten, mangelnde qualifizierte Betreuungsangebote für Grundschüler und fehlende Ganztagsschulen. Nur Berlin bildet da eine erfreuliche Ausnahme: Fast jedes zweite Kind unter drei Jahren besucht eine Krippe. In Köln dagegen bekommt nicht einmal jedes 20. Kind unter drei Jahren einen Krippenplatz.

    Frauen sind zunehmend weniger bereit, nach der Geburt eines Kindes Elternzeit zu nehmen, da sie einen Karriereknick befürchten. Mehr als zwei Drittel der Mütter in Deutschland nehmen allerdings nach wie vor Erziehungsurlaub.

    Nach dem Soziologen Hans Bertram gibt es in Deutschland derzeit unter den Müttern eine Vielfalt weiblicher Lebensentwürfe, die sich auf drei weibliche Lebensstile reduzieren lassen: Etwa 60 Prozent der Frauen bevorzugen Teilzeitarbeit und wollen den Beruf mit einem Familienleben verbinden. Etwa ein Viertel der Frauen sind „berufsorientiert" und etwa 15 Prozent wollen die traditionelle Mutterrolle übernehmen und sich ausschließlich um den Haushalt und die Versorgung und Betreuung der Kinder kümmern. Bei den Männern ist es umgekehrt. Etwa zwei Drittel legen den Schwerpunkt auf ihren Beruf, ein Drittel vereinbart Beruf und Familienleben und der Hausmann bleibt ein Mythos [41].

    Dr.Waltraud Cornelißen, Leiterin der Abteilung Geschlechterforschung und Frauenpolitik am Deutschen Jugendinstitut e.V. München, untersuchte die Lebensentwürfe junger Frauen. In der Nachkriegszeit war es für junge Frauen selbstverständlich, eine Familie zu gründen. Das traditionelle Versorgermodell war der Mann als Allein-Ernährer und die Nur-Hausfrau. Zunehmend mehr Frauen wollten jedoch nicht die Entscheidung Familie oder Beruf treffen, sondern beides miteinander verbinden. So entstand das Drei-Phasen-Modell. Nach einer anfänglichen Berufszeit widmeten sich die Frauen der Familie und versuchten dann, wieder ihre berufliche Tätigkeit aufzunehmen. Heute sind viele Frauen nicht mehr bereit, das hohe Beschäftigungsrisiko zu tragen. Angesichts der hohen Scheidungsrate wollen sich die Frauen auch nicht mehr auf den Mann als Hauptverdiener verlassen. Sie möchten finanziell unabhängig sein. In der früheren BRD ist ein Fünftel aller Familien mit Kindern unter 18 Jahren alleinerziehend und in den neuen Bundesländern ist es sogar schon ein Drittel. Die meisten berufstätigen Mütter nehmen die Elternzeit nach dem Erziehungsgeldgesetz, weil ihnen eine gute Betreuung und Versorgung ihres Kindes wichtig ist. Gleichzeitig möchten sie beruflich kein Risiko eingehen. Die Sicherheit trügt jedoch. So sind drei Jahre nach der Geburt eines Kindes 16 Prozent der vormals berufstätigen Frauen – im Osten ca. ein Fünftel – arbeitslos bzw. suchen Arbeit. Oft gelingt der Wiedereinstieg in den Beruf auch nur auf einer Stelle mit niedrigerer Qualifikation und geringerem Einkommen. Alice Schwarzer äußerte gar in einem Spiegel-Interview im Mai 2006, der dreijährige Erziehungsurlaub sei die größte Frauenfalle überhaupt. Er habe die Frauen in Scharen aus dem Beruf gelockt. Nicht einmal jede zweite kehre nach den drei Jahren zurück. Und nur jede fünfte erhielte einen Job wie zuvor.

    In der gegenwärtigen unsicheren wirtschaftlichen Situation mit befristeten Arbeitsverträgen, hohen Anforderungen an zeitliche Flexibilität und Mobilität fällt es immer mehr Paaren schwer, sich bewusst für ein Kind zu entscheiden, da auch die finanzielle Belastung nicht zu unterschätzen ist. Ein Kind bis zum 18. Lebensjahr großzuziehen, kostet rund 150 000 Euro. Die Zahl der vielen Schwangerschaftsabbrüche ist ebenfalls alarmierend und zeigt, dass sich viele Eltern zu bestimmten Zeiten mit einem Kind überfordert fühlen. Auf sieben Lebendgeborene kam im Jahr 2000 in Deutschland ein Schwangerschaftsabbruch. Immer mehr Frauen verzichten ganz auf ein Kind. So ist schon jede vierte Frau, die nach 1960 geboren wurde, kinderlos. Insbesondere angesichts der fehlenden Betreuungsangebote für Kleinkinder, die es Frauen unmöglich machen, weiter Vollzeit oder nicht einmal Teilzeit zu arbeiten, verschieben immer mehr Paare den Kinderwunsch. Die Zahl der Spätgebärenden ist in den letzten zwei Jahrzehnten deshalb überproportional gestiegen. Insbesondere Frauen mit einem hohen Bildungsabschluss stehen in einem großen Konflikt zwischen Beruf und Familie, da sie auch einen hohen Anspruch an die Rolle als Mutter haben. Ein wiederholtes Aufschieben des Kinderwunsches birgt aber die Gefahr, dass aus einer ursprünglich gewollten, zeitlich begrenzten Kinderlosigkeit eine endgültige, ungewollte Kinderlosigkeit wird. Die Mehrzahl der jungen Frauen und Männer in Deutschland wünscht sich jedoch Kinder. Bei jungen Frauen ist der Wunsch ausgeprägter als bei jungen Männern und im Osten stärker als im Westen. Heutzutage stehen den Frauen bei ihrer Lebensgestaltung viele Möglichkeiten offen. So ist ein weiterer Teil der Frauen weder auf Vereinbarkeitsproblematik noch auf Familiengründung oder Karriere fixiert. Sie suchen ihren eigenen Weg zur Selbstfindung oder einen gemeinsamen Weg mit dem Partner – mit oder ohne Kinder.

    Zwei Drittel aller Frauen bekommen heutzutage ein Kind. Von den Müttern sind wiederum zwei Drittel berufstätig. Die Bereitschaft, die Berufstätigkeit zugunsten der Kinder aufzugeben wie noch Anfang der 1990er Jahre, hat zwar deutlich nachgelassen, aber ein nicht unbeträchtlicher Teil der Frauen übernimmt nach wie vor gerne die traditionelle Familienrolle. Im Jahr 2000 war in der BRD die Hälfte der Frauen mit Kindern unter drei Jahren bis unter sechs Jahren erwerbstätig, während dies 1986 nur 38 Prozent in Westdeutschland waren [20].

    Die meisten jungen Frauen sind sich heute sehr bewusst, dass Bildung und Ausbildung eine wichtige Voraussetzung für ihre zukünftige Lebensplanung sind. Mittlerweile besuchen mehr Mädchen (54 Prozent) als Jungen (46 Prozent) das Gymnasium. Nach dem Abitur entscheiden sich dann allerdings mehr Jungen als Mädchen für ein Studium. Damit ist der Vorsprung der Mädchen wieder vergeben und sie begrenzen ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt, denn die Arbeitslosigkeit unter den Nicht-Akademikern ist tatsächlich deutlich höher.

    Die Einstellung zur Berufstätigkeit von Müttern mit kleinen Kindern aller Altersstufen hat sich in den vergangenen 25 Jahren deutlich geändert. So war Anfang der 80er Jahre eine überwältigende Mehrheit der Frauen der Ansicht, dass ein Kleinkind darunter leidet, wenn seine Mutter berufstätig ist. Im Jahr 2004 waren nur noch etwas mehr als die Hälfte

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