Markt- und Kundenorientierung: Ein übergreifender Prozess
Von Jürgen Kaack
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Ausgehend von der Zielgruppen-Festlegung erfolgt die Produktentwicklung in einem markt- und kundenorientierten Prozess, zu dem Produktnutzen, Produktpositionierung, die Auswahl geeigneter Kommunikationsinstrumente und die Preisgestaltung gehören. Für den Vertrieb ist eine Vertriebsstrategie zu erstellen und zu Produkt und Zielgruppen passende Vertriebskanäle auszuwählen. Der Online-Vertrieb gehört selbstverständlich auch dazu. Ein effizientes Vertriebscontrolling ist unerlässlich, um die sehr unterschiedlichen Kosten im Griff zu behalten und Vorgaben für eine Vertriebsoptimierung abzuleiten. Ein Risikomanagement-Prozess ist unumgänglich und schließt Markt- und Kundenentwicklungen ein.
Im Sinne einer durchgehenden Kundenorientierung werden Organisation und Prozesse kundenorientiert ausgerichtet. Kundenorientierung wird von den Mitarbeitern vermittelt. Da Ziele in der Regel von Mitarbeiter-Teams erreicht werden, gehören Team-Building und Mitarbeiterförderung zu einem kundenorientierten Unternehmen.
Die vorgestellten Inhalte zur Markt- und Kundenorientierung im Unternehmen basieren auf eigenen operativen Erfahrungen des Autors in Managementfunktionen und auf erfolgreich durchgeführten Beratungsprojekten. Teile der Inhalte wurden bereits in einzelnen Fachartikeln veröffentlicht und für Vorträge genutzt.
Jürgen Kaack
Dr. rer. nat. Jürgen Kaack promovierte auf dem Gebiet der Festkörperphysik. In seiner Berufslaufbahn hat er in operativer Verantwortung sowohl bei international tätigen Konzernen wie bei Mittelständlern Managementfunktionen wahrgenommen und Unternehmen erfolgreich mit aufgebaut. Er konzipierte Europas größten Mobilfunk Service-Provider debitel. Als Geschäftsleitungsmitglied führte er debitel zur Marktführerschaft. Als Managementberater lhat er langjährige Erfahrung. Seit 1995 ist Dr. Kaack selbständig tätig und baute als Gesellschafter und Geschäftsführer das Competence Center Telekommunikation der MCN Group auf. Das Konzept für den spezialisierten Netzbetreiber mcn-tele.com AG geht auf seine Initiative zurück. Als Vorstandsvorsitz führte er das Unternehmen von der Gründung bis 2002. Heute unterstützt er mit seiner STZ-Consulting Group Gebietskörperschaften und Unternehmen bei Änderungsprozessen, Wachstumsvorhaben, dem Aufbau von Kooperationen, der Gestaltung von Geschäftsmodellen und dem Management von Innovationsvorhaben. Im Innovationsprojekt T-City hatte er interimsweise die Projektleitung inne. In den letzten Jahren bilden Projekte zur Schaffung von nachhaltigen Breitband-Infrastrukturen einen Schwerpunkt der Projektarbeit. Dr. Kaack ist Autor mehrerer Fachbücher, u.a. "Schnelles Internet in Deutschland".
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Markt- und Kundenorientierung - Jürgen Kaack
Autor
1. Vorbemerkung
Markt- und Kundenorientierung sind eine Selbstverständlichkeit für ein im Wettbewerb stehendes Unternehmen. Tatsächlich? Wenn dies so wäre, müsste es eigentlich viel weniger erfolglose Produkte geben und auch die Zahl der Insolvenzen müsste niedriger sein. Ein Fehler ist, Marktorientierung auf Marketing und Vertrieb zu beschränken. Erfolgreiche Markt- und Kundenorientierung erstreckt sich auf alle Bereiche und Funktionen im Unternehmen. Schon die Festlegung der Unternehmensstrategie sollte grundsätzliche Fragen der Positionierung im Markt und der Ausrichtung auf Kundengruppen erlauben. Eine unklare Strategie führt zu fehlenden Rahmenbedingungen für Planung und Produktgestaltung. Ein Unternehmen kann sich auf diesem Wege in zu vielen Bereichen verzetteln und den Fokus verlieren. Für Kunden kann das „Bild" des Unternehmens verschwimmen und zur Abwanderung zu Wettbewerbern führen.
Dabei gibt es nicht einen alleine erfolgreichen Weg und nahezu unendlich viele strategische Ausrichtungen für ein Unternehmen. Der Aufbau einer exklusiven Luxus-Marke kann ebenso erfolgreich sein wie eine „No-Name"-Strategie. Allerdings sollte eine bewusste und nachvollziehbare Ausrichtung als Grundlage dienen und dann konsequent in allen Teilen der Wertschöpfung verfolgt werden. Die unternehmerische Aktivität setzt auf einer Definition der für das Unternehmen relevanten Zielgruppen auf, wobei es für die Festlegung grundsätzlich keine Einschränkung gibt. Verschiedene Kriterien, nach denen eine Zielgruppen-Segmentierung erfolgen kann, werden im Folgenden erläutert.
Ausgehend von der Zielgruppen-Festlegung erfolgt die Produktentwicklung in einem markt- und kundenorientierten Prozess, zu dem auch eine entsprechende Preisgestaltung gehört. Rückkopplungen mit Vertretern der Zielgruppe geben Bestätigung oder zeigen Korrekturbedarf auf. Grundlegend für alle Entscheidungen im Umfeld des Produktangebotes sind Analysen zum Produktnutzen. Für das gleiche Produkt kann sich je nach Zielgruppe ein unterschiedlicher Produktnutzen einstellen. Da der Produktnutzen wesentlichen Einfluss auf Kaufbereitschaft und akzeptierte Preise hat, sollte der Produktnutzen nicht nur einmal ermittelt, sondern regelmäßig überprüft werden. Passen Nutzen und Herstellkosten nicht zusammen, dürfte der Vermarktungserfolg gering bleiben. Möglicherweise helfen Anpassungen im Geschäftsmodell bei der Wiederherstellung von Wirtschaftlichkeit. Ein in vielen Fällen erfolgversprechender Ansatz sind Kooperationen und Allianzen. Neben dem unmittelbaren Wettbewerb wirken technologische, rechtliche und regulatorische Einflüsse ein und können das Kaufverhalten beeinflussen.
Für die meisten Produktgruppen ist eine gezielte Ansprache der potenziellen Käufer erforderlich. Wie im Prozess der Produktgestaltung gilt es auch hierbei, die Kommunikationsinstrumente und Maßnahmen kundenorientiert und unter Berücksichtigung der Marktgegebenheiten auszuwählen. Mit Kommunikationsmaßnahmen können hohe Budgetansätze verbunden sein, wobei nicht immer ein Mehr an Mitteleinsatz zu höheren Umsätzen und besseren Ergebnissen führt. Regelmäßige Erfolgskontrollen sind hilfreich.
Der Vertrieb sorgt für die Realisierung der angestrebten Umsätze. Im Falle des Vertriebes ist eine Kundenorientierung am ehesten zu erwarten. Aber auch für den Vertrieb gilt es zunächst eine Vertriebsstrategie zu erstellen und Vertriebskanäle gezielt auszuwählen. Dabei sind nur solche Vertriebskanäle erfolgversprechend, die die Zielgruppen des Unternehmens erreichen. An der Nutzung des Online-Vertriebs führen kaum noch Wege vorbei, aber daneben gibt es weitgehende Gestaltungsmöglichkeiten. Unterschiedliche Vertriebskanäle bedingen unterschiedliche Vertriebskosten und Absatzerfolge. Ein effizientes Vertriebscontrolling ist somit unerlässlich. Es sollte selbstverständlich sein, dass Kommunikationsmaßnahmen und Vertriebsstrategien sich gegenseitig unterstützten sollten und in die gleiche Richtung wirken. Bei der Aufstellung der Vertriebsstrategie sind neben den Kundenpräferenzen die Marktbedingungen von hoher Bedeutung. Nur wenige Unternehmen haben keinen Wettbewerb im direkten Vergleich oder mit Substitutionsprodukten.
Der eigentliche Vertriebsprozess muss kundenorientiert gestaltet sein, um Kaufabschlüsse zu erzielen. Allerdings endet der Vertriebsprozess in der Regel nicht mit dem Erstkauf. Bedingt durch Kommunikations- und Vertriebskosten ist der Erstkauf weniger profitabel, als Folgekäufe und die Entwicklung zum Stammkunden. Kundenbindungs-Maßnahmen sind daher für viele Produktgruppen sinnvoll. Wie die Vertriebsstrategie und der Vertriebsprozess müssen auch Kundenbindungsmaßnahmen zu den ausgewählten Zielgruppen passen, um im gewünschten Sinne zu wirken. Analog zum Produktnutzen ist der Kundenwert ein Steuerungsinstrument, mit dem überprüft werden kann, ob die Ziele bei der Vermarktung erreicht werden. Anhand der Kundenwertanalyse lässt sich ermitteln, welche Kundenbindungsmaßnahmen aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll sind, ob eine Intensivierung der Maßnahmen eine Erhöhung des Kundenwertes erwarten lässt oder eher eine Verringerung. Wie beim Produktnutzen kann auch der Kundenwert in Szenarien schrittweise optimiert werden.
Im Sinne einer durchgehenden Kundenorientierung müssen die Organisation und die internen Prozesse kundenorientiert ausgerichtet sein. Unverträglichkeiten können den unternehmerischen Gesamterfolg gefährden. Es sollte selbstverständlich sein, dass Kundenorientierung von den Mitarbeitern vermittelt wird. Dabei ist fast immer ein Team von Mitarbeitern erforderlich, um die Ziele zu erreichen. Team-Building und Mitarbeiterförderung gehören daher zu einem kundenorientierten Unternehmen. Neben Qualifikationsmaßnahmen sind allerdings auch Ergebniskontrollen unerlässlich, um den in der Planung abgeleiteten Unternehmenserfolg in der täglichen Praxis zu realisieren.
Markt- und Kundenorientierung ist meistens aufwändiger als eine technologisch basierte oder auf Fortschreibung der Vergangenheit aufsetzende Unternehmensplanung. Auch gibt es selbst bei Beachtung der Prämissen markt- und kundenorientierten Handelns keine Erfolgsgarantie. Allerdings können Risiken im Vorfeld leichter vermieden und im laufenden Geschäft schneller erkannt werden.
2. Strategie und Ziele marktorientiert festlegen
Die Unternehmensstrategie wird erstmalig bei der Gründung des Unternehmens von Gründern und Gesellschaftern definiert. Welche Ziele man dem Unternehmen dabei gibt, hängt von vielfältigen Faktoren ab und ergibt sehr unterschiedliche Ausrichtungen. Ist das Unternehmen bereits seit einiger Zeit am Markt, sollten Überprüfungen in Form von Reviews erfolgen. Spätestens dabei sollten die Ansätze zur Zielgruppenauswahl und Positionierung mit der erreichten Realität abgeglichen werden. Ergeben sich Abweichungen, besteht Handlungsbedarf, entweder in Form einer revidierten Planung oder einer Anpassung der strategischen Ausrichtung.
Die marktorientierte Unternehmensführung erweitert die herkömmliche, auf Kosten- und Vergangenheitsbetrachtungen aufsetzende Planung um die Gegebenheiten des Marktes und die Bedürfnisse der Zielgruppen. Dabei stellt die Vorgehensweise eine Ergänzung, aber keine Alternative zur etablierten GuV (Gewinn- und Verlust-Rechnung) Planung dar. Die Umsetzung der Planergebnisse kann dabei immer nur so gut sein wie die gesetzten Eingangswerte. Ein häufiges Problem – und dies nicht nur bei mittelständischen Unternehmen – ist die systematische Ableitung der Eingangsgrößen für die Planung. Nicht selten werden diese Größen aus den Werten der vergangenen Jahren hochgerechnet und sowohl die Absatzentwicklung als die unterstellten Kosten über das Jahr linear verteilt.
Mit unrealistischen Annahmen zum Markt, zu hohen Absatzerwartungen oder am Markt nicht durchsetzbaren Preisen kann auch eine betriebswirtschaftlich korrekte Planung nur falsche Ergebnisse liefern. Die für den Planungszeitraum angesetzten Werte müssen nicht nur im Kunden- und Wettbewerbsumfeld realistisch, sondern mit den vorhandenen Mitteln im Unternehmen darstellbar sein. Dieser Abgleich und die frühzeitige Identifikation von zusätzlich erforderlichen Investitionen oder zusätzlichem Personalbedarf kann auf das Planungsergebnis erhebliche Auswirkungen haben. Die Methodik der marktorientierten Planung hilft, die für die Unternehmensplanung relevanten Größen:
Absatzpotenzial nach Zielgruppen
Preismodelle nach Zielgruppen
Zielableitung für Produkt, Preis, Vertrieb und Kommunikation
Umsatzverteilung über den Planungszeitraum nach Vertriebskanälen und Zielgruppen
Vertriebskosten nach Vertriebskanälen
notwendige Kosten für Marketing-Maßnahmen
Aufwand bei der Umsetzung
Risiken für die Zielerreichung
systematisch und nachvollziehbar aus vorhandenen Informationen oder unter Zuhilfenahme von Annahmen abzuleiten. Damit das Ergebnis später verifizierbar ist, werden zunächst systematisch die erforderlichen Informationen gesammelt und als Basis für die weitere Bearbeitung aufbereitet. Nach einer Analyse der Ist-Situation des Unternehmens und seiner Produkte im Wettbewerbsvergleich erfolgt die Festlegung einer realistisch erreichbaren Positionierung im Markt.
Mit Hilfe der übergeordneten Unternehmens-Ziele, die selber nicht aus einem operativen Planungsprozess abgeleitet werden können, sondern oft vom Gesellschafter vorgegeben werden und der angestrebten Positionierung im Marktumfeld werden die operativen Ziele für den Planungszeitraum abgeleitet und in einzelne Maßnahmen umgesetzt, die jeweils in ihrem Kosten- und Personalaufwand quantifiziert werden. Der Abgleich der so ermittelten Aufwende mit den vorhandenen Ressourcen zeigt mögliche Unstimmigkeiten auf, die vor dem Abschluss der Planung ausgeräumt werden müssen. Entweder müssen Maßnahmen – und damit Ziele - zurück genommen werden oder es können zusätzliche Ressourcen bereitgestellt werden. Nur so ist sichergestellt, dass die geplanten Kosten und Investitionen mit den zur Erreichung der Ziele erforderlichen Maßnahmen korrespondieren. Der Planungsprozess lässt schon bei der Erstellung erkennen, welche Ziele in Anbetracht der Ausgangsposition des Unternehmens oder der zur Verfügung stehenden Ressourcen erreichbar sind. Ziele, die auch mit veränderten Strategien nicht umsetzbar sind, müssen nach unten korrigiert oder gänzlichen gestrichen werden.
Auch eine auf der Basis von vollständigen Informationen realistische Absatz- und Umsatzplanung kann durch unvorhergesehene und zum Zeitpunkt der Planung nicht bekannte Ereignisse beeinträchtigt werden. Bei einer konsequenten Durchführung werden aber die Unsicherheiten und potenzielle Risiken offensichtlich, so dass sich für diese Vorkehrungen treffen lassen. Dies trifft auf Veränderungen im Kundenverhalten zu, für technologische Voraussetzungen und die Aktivitäten der Wettbewerber.
Ziele/Strategien
Eine wichtige Eingangsgröße für die Planung ist das vorhandene Budget und die verfügbaren Personal-Ressourcen. Eine marktorientierte Planung ist so aufgebaut, dass vorhandene Ressourcen bestmöglich nach den gesetzten Zielen eingesetzt werden können. Der umgekehrte Planungsprozess ist zwar prinzipiell auch möglich, aber mit zusätzlichen Risiken verbunden. Die Vermarktung eines Produktes kann meistens mit höheren Ausgaben für Werbung und Verkaufsaktionen gesteigert werden. Durch technische Weiterentwicklungen lassen sich möglicherweise neue Zielgruppen adressieren. Dies lässt sich vermutlich sogar wirtschaftlich darstellen, aber nur dann umsetzen, wenn die vorhandenen finanziellen Mittel hierfür vorhanden sind. Ist auf der anderen Seite der Markt für das betrachtete Produkt bereits weitgehend ausgeschöpft, dann wird sich auch durch zusätzliche Ausgaben für Werbung und neue Produkt-Funktionalitäten kaum eine Wirkung erzielen und die Mittel hätten besser an anderer Stelle investiert werden sollen, z.B. für Nachfolgeprodukte.
2.1. Randbedingungen für die Planung
Die Methodik der marktorientierten Planung lässt trotz der Berücksichtigung begrenzter Budgets zusätzliche Marktchancen erkennen. Wenn sich ein Weg findet, die vorhandenen Budgets entsprechend zu erhöhen, z.B. indem die Hausbank auf Basis der planerisch unterlegten Chancen zusätzliche Mittel bereitstellt, so lassen sich diese Potenziale trotzdem erschließen. Die Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern oder Änderungen im Geschäftsmodell können weitere Alternativen eröffnen, um die erkannten Marktchancen zu nutzen. Meist trifft man in Unternehmen allerdings auf das umgekehrte Vorgehen, es wird zunächst geplant, wie die Produktion modernisiert oder erweitert werden kann, und anschließend soll die Marketingplanung die zusätzlich produzierten Stückzahlen am Markt absetzen. Der Aufbau eines Fertigmaterial-Lagers oder Preis- und Margenverfall sind die mögliche Folge eines solchen Vorgehens. Nach Schaffung der Voraussetzungen werden im nächsten Schritt anhand der resultierenden Stückzahlen die technischen Anforderungen geprüft und gegebenenfalls notwendige Erweiterungen oder Modernisierungen der technischen Einrichtungen geplant.
Marktentwicklung/Zielgruppen
Die marktorientierte Planung ist ein aus praktischen Erfahrungen bei einer Vielzahl von Unternehmen entstandenes und praxisbewährtes Arbeitsinstrument. Sie erfüllt die Anforderungen nach Transparenz und Nachvollziehbarkeit durch ihre analytischen Grundregeln. Das Ergebnis ist eine sichere Entscheidungsbasis zur Maßnahmenplanung und Budgetverteilung. Da die marktorientierte Planung deutlich mehr Informationen beinhaltet als die reine Zusammenfassung von Zahlenwerten zu einem Formelwerk, ist sie für die laufende Unternehmensführung eine wichtige Hilfe. Die Entscheidung zur Einführung eines neuen Produktes, für den Aufbau einer neuen Vertriebslinie oder gar die Gestaltung eines neuen Unternehmenszweiges kann unter Nutzung der beschriebenen Methodik sicherer erfolgen. In diesen Fällen sind die Ziele und Strategien in der Regel noch nicht gefestigt und die Informationen basieren meistens noch nicht auf fundierten Erfahrungswerten. Dies stellt die Anwendung allerdings nicht in Frage, da der Handlungsbedarf schrittweise ermittelt wird und die noch vorhandenen Risiken im Laufe des Prozesses einschätzbar bleiben. Die entscheidenden Vorteile einer marktorientierten Planung sind:
alle vorhandenen und relevanten Informationen werden berücksichtigt
Informationslücken können durch Plausibilitätsannahmen gefüllt werden
die Identifikation der eigenen Positionierung erfolgt analytisch anhand der vorhandenen Informationen
die übergeordneten Ziele werden nachvollziehbar in operative Ziele umgesetzt
der Abgleich der erforderlichen Maßnahmen mit den vorhandenen Ressourcen stellt sicher, dass die gesetzten Ziele erreichbar sind
Risiken und Unsicherheiten werden deutlich und können in der Folge beobachtet werden
durch die Einbeziehung aller Führungskräfte in den Prozess ist eine höhere Identifikation mit den vereinbarten Zielen gegeben
das Ergebnis wird in Einzelmaßnahmen und Aktionen dargestellt, damit eine laufende Überwachung des Umsetzungs-Fortschrittes möglich ist
die Priorisierung der Maßnahmen erfolgt deduktiv und im Rahmen des vorhandenen Budgets
bei erkennbaren Abweichungen vom Plan können bereits unterjährig Gegenmaßnahmen getroffen werden
der Planungsprozess wird in den einzelnen Schritten dokumentiert und ist damit auch für Dritte transparent
Entsprechend der Maxime effizient Planen und marktorientiert Handeln
verfolgt die marktorientierte Planung drei Hauptziele:
Bereitstellung und Aufbereitung aller notwendigen und erreichbaren Informationen für operative Entscheidungen und Maßnahmen in Marketing und Vertrieb
Straffung und Vereinfachung des Marketing-Planungsprozesses für das Produktmanagement (Planungsaufwand im eingespielten Zustand ca. eine Mannwoche je Durchgang)
systematische Entwicklung marktorientierter Maßnahmen und Aktionen für den Planungszeitraum
Die marktorientierte Planung folgt immer der Dynamik der betrachteten Märkte. Einflussparameter wie Markt, Wettbewerb und Kundenbedürfnisse bedingen einen dynamischen Prozess. Bei der Durchführung werden „Wenn-Dann" Beziehungen geprüft, die Abhängigkeiten deutlich machen: welche Ziele werden nur erreicht, wenn man Mittel an anderer Stelle einspart. Hieraus ergibt sich eine Priorisierung der Maßnahmen mit der Folge, dass manche Maßnahmen nicht – oder erst später – umgesetzt werden. Die Analyse verschiedener aus Markt- und Unternehmens-Sicht realistischer Szenarien ermöglicht, die Alternativen zu prüfen und gegeneinander abzuwägen, bevor eine gezielte Entscheidung für die Ziele getroffen wird.
Die übergeordneten unternehmerischen Ziele setzten die Rahmenbedingungen für den Planungsprozess und geben die Grundrichtung vor. Sollten dabei zunächst Hypothesen zu den Zielen erforderlich sein und sich aufgrund der späteren Analysen ergeben, dass diese Ziele nicht erreichbar sind, so können iterativ die Auswirkungen von Alternativen auf die Ergebnisse der Planung geprüft werden. Hat das Unternehmen bislang noch keine strategischen Ziele definiert, sollte die Analyse der Auswirkungen abgeleiteter Strategien zunächst zurückgestellt und erst nach der Festlegung der Ziele erfolgen. Für jedes Unternehmen unabhängig von der Größe und Branche ist die Aufstellung einer strategischen Unternehmensplanung als Grundlage für die operative Umsetzung sinnvoll. Die Marketingplanung ist dabei ein integraler Bestandteil für die Umsetzung der strategischen Ziele.
Das Ergebnis der marktorientierten Planung kann zu dem Erfordernis einer Überprüfung der unternehmerischen Strategien führen, wenn unternehmerische Vorstellungen und die nach der Szenarienbetrachtung erreichbare Position zu weit auseinander liegen. In dieser Hinsicht dient die Planung gleichzeitig als Realitätscheck für die übergeordneten Unternehmensziele.
2.2. Der Planungsprozess
Marktorientierte Planung setzt eine ausreichende Informationsbasis zu internen und externen Einflussbereichen voraus. Durch eine systematische Erfassung aller wichtigen Informationsquellen wird eine einheitliche, verbindliche Datenbasis für die Planung geschaffen, die bei zukünftigen Planungsrunden durch ein Informationsupdate laufend verbessert wird. Da die gesamte Planung auf der Basis der vorhandenen Informationen erfolgt, wird die Qualität der Ergebnisse zu wesentlichen Teilen von der Qualität der zugrunde liegenden Informationen bestimmt.
Von hoher Bedeutung ist daher die Einschätzung der Glaubwürdigkeit und Aktualität der Informationen. Divergierende Informationen sind zu analysieren und abzugleichen, um die Unstimmigkeiten zu beseitigen. Dabei sollten die eigenen Erwartungen an das Ergebnis außer acht bleiben, damit keine Informationen unterdrückt werden, die das Wunschergebnis infrage stellen. Eigene Einschätzungen und Interpolationen sind aber ebenfalls wichtige Informationen und können bei richtiger Bewertung zur Ergänzung externer Daten genutzt werden. Da nur in den seltensten Fällen alle benötigten Informationen aus externen Quellen zur Verfügung stehen, wird kaum eine Planung ohne Annahmen auskommen. Diese sollten aber so weit wie möglich durch andere Quellen bestätigt und sukzessive durch externe Informationen bestätigt oder ersetzt werden. Hierzu kann gegebenenfalls die Beauftragung einer Marktforschung oder der Kauf einer entsprechenden Studie notwendig sein. Beispiele für externe Quellen sind:
Geschäftsberichte von Wettbewerbern
Studien von Marktforschungsunternehmen
Artikel in Fachzeitschriften
Agenturberichte
wissenschaftliche Studien
Verbände / IHK
Statistische Jahrbücher
Internetportale
Informationen von Kunden
Auf Basis der bewerteten Informationen wird in einem ersten Schritt eine grundsätzliche Bestandsanalyse durchgeführt, die sowohl externe Marktgrößen als auch interne Daten umfasst, damit neben den Entwicklungs- und Produktionskosten sowie absehbaren Auswirkungen durch neue Technologien auch alle den Markt und die Vermarktung betreffenden Faktoren ermittelt werden. Zur strukturierten Arbeit sollten die für die Planung relevanten Größen in unterschiedlichen Formblättern dokumentiert werden. Wenn es noch keine Strukturierung hierfür gibt, empfiehlt sich für eine erste Einführung die Einbeziehung externen Berater. Die Formblätter können in Form von Flipcharts während der Workshops mit den Führungskräften ausgefüllt werden. Die Mitwirkung aller Führungskräfte ermöglicht ein unmittelbares Hinterfragen einzelner Größen und einen ganzheitlichen Bewertungsansatz. Die für die Bestandsanalyse heranzuziehenden Bereiche werden im Folgenden beispielhaft aufgelistet. Je nach Geschäftsmodell müssen individuelle Anpassungen und Ergänzungen vorgenommen werden. Das Vorgehen bei der Ermittlung der Kosten aus dem Bereich der Technik ist je nach Produkt sehr unterschiedlich.
Beispielhafte Elemente der Bestandsanalyse
Produktnutzen ermitteln, beschreiben und bewerten
Kundenbedürfnisse ermitteln
Grundbedürfnis (kundenbezogen)
Zusatzbedürfnisse (kundenbezogen)
Kaufeinflussgrößen (produkt- bzw. anbieterbezogenen)
Prioritäten festlegen
Direkte und indirekte Wettbewerber identifizieren und priorisieren
Marktentwicklung und Zielgruppenveränderungen aus- und bewerten
Kaufentscheidungsprozesse analysieren und beschreiben
Beeinflusser
Entscheider
Einkäufer
Nutzer
Geschäftsrelevante Einflussfaktoren identifizieren
Rechtliche Rahmenbedingungen
Steuerliche Verordnungen
Allgemeine Wirtschaftslage
Technologische Fortschritte
Marktanteile ermitteln
Zielgruppen bezogen
Anzahl Wettbewerber für das betrachtete Produkt
Marktanteile über alle Anbieter
Marktanteile der direkten Wettbewerber
Bedeutung indirekter Wettbewerber
Effizienz der Vertriebslinien erfassen
Belegung der Vertriebslinien analysieren und die eigene Stärke in den Vertriebskanälen ermitteln
Konditionen im Vertrieb vergleichen und analysieren
Aufwandsentschädigungen
Prämienstaffel für Vertriebspartner
Werbekostenzuschüsse, Vorführgeräte, Prospektmaterial, Schulungen für
Vertriebspartner
Großhandelskonditionen und Rückgabemöglichkeiten
Bedingungen bei Kommissionsgeschäften
Abschluss-Prämie
Vorführgeräte, Events, Schulungen für die Vertriebsmitarbeiter
Staffelpreise für Großkunden
Leistungsgeschenke
Umsatzgenerierende Zusatzleistungen
Kommunikation (Werbung, PR, Promotion, Messen, Verkaufsaktionen)
Zielgruppenfokus
Kommunikationsziele
Medien
Kernaussagen
Schaltfrequenz und -dauer
Budget
Verkaufsförderungs-Aktionen
Ergebnisrechnung aufstellen
Umsatz mit dem eigenen Produkt
Kosten (direkte und indirekte)
Schlüssel für Verteilung der Overheadkosten
Betriebsergebnis
Nach einem ersten Durchlauf der Planung liefert eine offene Analyse der Ergebnisse eine Bewertung der Situation. Dabei wird mit Konsistenzprüfungen hinterfragt, ob die Informationen und Teilergebnisse stimmig sind. Hier sind Fragen zu klären wie z.B.:
„Passen die Angaben zu Marktvolumen und Marktanteilen zusammen?"
„Sind Absatzzahlen für das Folgejahr erreichbar, wenn dies eine erhebliche Ausweitung des Marktanteils erforderlich macht?"
„Wie kann der Marktanteil ausgeweitet werden, wenn der Markteintritt eines starken Wettbewerbers