Netzfeminismus: Digitale Bildkulturen
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Rosafarbene Slips, babyblau gefärbtes Achselhaar, Schmollmünder auf Selfies: Was sich nach Männerphantasien anhört, ist bei Netzkünstlerinnen feministisches Statement. Sie betreten damit den Kampfplatz um das "richtige" Bild der Frau, das in den Sozialen Medien nicht nur metaphorisch zur Debatte steht. Handelt eine Frau emanzipatorisch, wenn sie sich beim Stillen zeigt – oder reduziert sie damit sich selbst und andere Frauen auf die Mutterrolle? Bestätigt ein "Girl Power"-T-Shirt die Rolle des naiven kleinen Mädchens – oder stellt es sie infrage?
Die Medienwissenschaftlerin Annekathrin Kohout hat eine ebenso kurze wie prägnante Kultur- und Diskursgeschichte der weiblichen Bildpolitik verfasst, die von den Emanzipationsbewegungen im frühen 20. Jahrhundert bis zum netzfeministischen Bilderstreit der Gegenwart alle wesentlichen Phänomene weiblicher Bildpolitik in den Blick nimmt.
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Buchvorschau
Netzfeminismus - Annekathrin Kohout
Ullrich
#brelfie vs. #bressure: Ein Bilderstreit im Social Web
Kaum wurde das Foto auf Instagram hochgeladen, schon hatten es die Nutzer*innen zum Symbolbild erklärt und als Ausdruck eigener Wünsche und Empfindungen verwendet. »Ich als Mutter.«, »Ikonisch!«, »Herausforderungen einer Mama«, »Wenn ich mal ein Kind bekomme…«, »Legendär!«, »Eine echte Inspiration!« lauteten erste euphorische Kommentare. Auf dem im Dezember 2013 veröffentlichten Foto sieht man Supermodel Gisele Bündchen im weißen Bademantel und mit übereinandergeschlagenen Beinen. (# 1) Sie hat den Kopf leicht nach hinten geneigt, die Augen sind geschlossen, denn ein Make-up-Artist macht sich gerade an ihrem Lidstrich zu schaffen. Zwei andere Stylisten wenden sich ihren Nägeln und ihren Haaren zu, im Schoß der Umringten liegt ihr Baby Vivian, das gerade gestillt wird. Doch auch Bündchens Tochter ernährt sich eher passiv und spielt mit der Kette ihrer Mutter, während sie an deren Brust saugt.
# 1
Die Beiläufigkeit, mit der sich Bündchen für ein Shooting zurechtmachen lässt und mit der ihr Baby trinkt, suggeriert Alltäglichkeit. Hier wurde – so die Aussage des Bildes – nicht viel gestellt, sondern genauso sieht eine berufstätige Mutter aus. Ja, so sieht eine Frau aus, die ihren Job keinesfalls aufgeben muss, nur weil sie ein Kind bekommen hat, selbst dann nicht, wenn der eigene Körper das Arbeitsmittel ist. Es ist demnach ein »Alles-ist-möglich«– oder »Lebe-Deinen-Traum«-Bild und soll ermutigend wirken. Wer unsicher ist, ob sich Karriere mit Mutterschaft vereinbaren lässt, dem antwortet das Bild mit einem entschiedenen ›ja‹.
Es überrascht daher nicht, dass es in den folgenden Jahren immer wieder Nachahmer*innen fand oder persifliert wurde, auch von prominenten Kolleginnen wie Alyssa Milano oder Tess Holliday. 2014 avancierte es zum Aufmacherbild einer Kampagne in den Sozialen Medien, die sich gegen Bestimmungen von Facebook richtete, wonach Bilder stillender Frauen gelöscht werden. Die Beteiligten, feministisch motiviert, interpretierten die Löschung als Tabuisierung stillender Frauen im öffentlichen Raum, auch wenn sie von der Plattform nur deshalb entfernt wurden, weil Bilder von Nacktheit dort generell nicht erlaubt sind. 2015 etablierte sich schließlich der Hashtag #normalizebreastfeeding und dann die verkürzte Version #brelfie, unter der zahlreiche Frauen ›Selfies‹ beim ›Breastfeeding‹ veröffentlichten. Als auf dem Cover der australischen Modezeitschrift Elle im Juni 2015 das Supermodel Nicole Trunfio beim Stillen abgebildet wurde, schien die in den Sozialen Medien initiierte Bewegung ihrem Ziel, öffentliches Stillen zu normalisieren, näher gekommen zu sein. Sosehr einige Betrachterinnen von dem Bild inspiriert waren und sich begeistert mit der berufstätigen Mutter identifizierten, so viele – ihrerseits feministisch motivierte – Kritiker*innen rief es auf den Plan. Richteten sich diese zunächst gegen die privilegierte Situation eines superreichen Topmodels, das sich genügend Unterstützung bei Arbeit wie Kindererziehung leisten kann und demnach unrealistische Vorstellungen einer berufstätigen Mutter vermitteln würde, fühlten sich schließlich auch jene ›diskriminiert‹ (so die in zahlreichen journalistischen Beiträgen verwendete Formulierung), die aus gesundheitlichen Gründen nicht stillen können oder nicht stillen wollen. Für sie seien derartige Bilder ein Affront, wiesen sie die Betroffenen doch auf ihre körperlichen oder moralischen Schwächen hin: Gilt eine stillende Mutter nicht als liebe- und hingebungsvoller, das Stillen selbst nicht als gesünder?
Unter dem Hashtag #bressure – ähnlich wie bei ›brelfie‹ ein Wortspiel, diesmal aus ›breastfeed‹ (Stillen) und ›pressure‹ (Druck) – initiierten betroffene Mütter eine Gegenaktion, mit der sie auf ihr Beschämtsein aufmerksam machten sowie unrealistische Vorstellungen vom Stillen anprangerten. Während sich die #brelfie-Kampagne aus der Dokumentation der Sache selbst, aus dem fotografisch festgehaltenen Augenblick des Stillens ergab, musste für die #bressure-Aktion erst ein Bildprogramm entwickelt werden, das zum Nach- und Mitmachen motiviert. Mit diesem Ziel organisierte der Instagram-Account »Channel Mum« eine Selfie-Protestaktion und leitete Frauen dazu an, auf einem weißen Blatt Papier (mit dem Logo der Community) in einem Wort zu beschreiben, wie sich das Stillen ›wirklich‹ anfühlt, um anschließend damit für ein Bild zu posieren. Von ›befriedigend‹ bis ›quälend‹ wurden sehr unterschiedliche Emotionen versammelt, und anders als die ›Brelfies‹ wurden sie nicht (überwiegend) mit Humor, sondern mit großer Ernsthaftigkeit vermittelt. (# 2) Dieser Ernst kam nicht zuletzt wegen des Bildmotivs zustande, das an die Ästhetik von Demonstrationen erinnerte, bei denen ebenfalls Schilder mit Statements ein wichtiges Ausdrucksmittel sind.
Damit wurden die soeben noch als inspirierend wahrgenommenen ›Brelfies‹ zum Politikum; ein Kampf um das, was gezeigt werden soll und was nicht gezeigt werden darf – ein Streit um das ›richtige‹ Bild der Mutter, der Frau, der Weiblichkeit im Allgemeinen brach aus. Verschiedene Auffassungen von Feminismus gerieten in einen offenen Konflikt miteinander. Solche Auseinandersetzungen haben heute vornehmlich in den Sozialen Netzwerken ihren Ort. Dabei