Free Family: Alltag einer nicht alltäglichen Familie
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Über dieses E-Book
Die Rainers leben frei von Konventionen: Friederike und Ewald lassen ihre Tochter Ronja ohne Windeln, Schnuller, Babybrei und Kinderwagen aufwachsen. Ronja muss nicht, sie darf. Will sie keine Unterwäsche oder Schuhe anziehen, geht sie eben ohne. Das stößt bei anderen schon mal auf Unverständnis und Kopfschütteln.
Das bedürfnisorientierte und regelfreie Familienleben ist nicht immer einfach, denn bei aller Freiheit müssen auch Ronja manchmal Grenzen aufgezeigt werden. Mama Friederike berichtet aufrichtig vom Familienalltag, in dem nicht immer alles glatt läuft. Sie erzählt von gescheiterten Versuchen, Zweifeln, Erfolgen und Aha-Erlebnissen und davon, wie sich ihre Tochter zu einer selbstbewussten Persönlichkeit entwickelt.
" Bedürfnisorientiertes "Nicht-Erziehen"
" Ungeschminkt und ehrlich
" Frei von Dogmen und Perfektionismus
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Buchvorschau
Free Family - Friederike Rainer
belehren.
Wie? Ohne Kinderwagen? Ihr hattet gar keinen Kinderwagen? Und jetzt beim Zweiten wollt ihr auch keinen? So oder so ähnlich reagieren die meisten Bekannten, mit denen wir auf dieses Thema zu sprechen kommen. Ganz ehrlich – es war nicht immer die genialste Lösung, aber wirklich vermisst haben wir den Kinderwagen noch nie.
Ich fange von vorne an: Meine „Geschichte" mit dem Tragen begann schon, bevor mein Mann und ich ein Paar wurden. Als ich noch als Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin auf der Intensivstation arbeitete, trugen wir die Frühchen und leiteten die Eltern dazu an. Unglaublich, wie praktisch das sein kann! Du bindest dir das motzende Kind einfach um und kannst die anderen weiterversorgen – und das Baby schlummert oder kuschelt zufrieden!
Schon da war mir klar, dass ich meine Kinder, die ich mir schon damals wünschte, auf jeden Fall auch tragen würde.
Affen sind ja evolutionsgeschichtlich gesehen unsere nächsten Verwandten. Und auch sie machen es uns vor, das Tragen. Affenbabys klammern sich den ganzen Tag an ihre Mama und werden so mitgenommen und herumgetragen. Wirft man einen genaueren Blick auf unsere Evolution und Genetik, scheint das Tragen absolut normal und natürlich, eben unserer Art beziehungsweise der Gattung Mensch „gerecht". Menschenkinder werden sehr unreif geboren. Fluchttiere wie zum Beispiel Pferde können wenige Stunden nach der Geburt aufstehen, Menschenkinder können das erst nach circa zwölf Monaten. Und nicht nur die Fortbewegung ist unterentwickelt: Auch unsere Kommunikationsfähigkeit und jeglicher Selbstschutz sind so wenig ausgereift, dass ein Menschenkind ein völlig hilfloses Wesen ist. Nicht einmal für seine Ernährung kann ein Menschenkind selbst sorgen. Anders gesagt: Würden wir ein Menschenkind liegen lassen, also nicht am Körper mit uns tragen, würde es von einem wilden Tier gefressen, würde verhungern, verdursten und erfrieren. Klar, die Zeiten, in denen man Angst haben musste, das Baby könnte von einem Tiger gefressen werden, sind eigentlich vorbei – für unsere Gene aber eben nicht, denn die haben das gleiche Programm wie eh und je. Erst hast du dein Baby vierzig Wochen lang unter deinem Herzen schaukelnd immer dabei. Und kaum ist das Menschenkind geboren, muss es selbst essen (auch wenn wir es füttern), selbst die Temperatur halten (auch wenn wir es kleiden) und ist oft allein – das ist eine ziemlich extreme Umstellung! Das Tragen am Körper wiegt dein Baby in ähnlicher Art und Weise, wie es schon im Bauch passiert ist. Es vermittelt deinem Baby Liebe und Geborgenheit und zeigt ihm, dass es keine Ängste haben muss, zurückgelassen zu werden (Denkt an den Tiger! Euer Baby ist ein schutzloses Wesen – würde es in der Natur allein zurückgelassen, würde es vom Tiger gefressen). Gleichzeitig wärmt das Tragen dein Baby, zeigt ihm seine Umwelt auf Augenhöhe und gibt ihm dabei die Möglichkeit, sich jederzeit vor äußerlichen Einflüssen zu schützen, indem es sich bei dir versteckt. Das Beste daran kommt aber noch: Du hast dabei die Hände frei für etwas anderes und der Papa kann es auch übernehmen (im Gegensatz zu manch anderen Dingen in der Versorgung eines Babys).
All diese Vorstellungen inspirierten mich und aufgrund meiner medizinischen Vorbildung wollte ich auch anatomisch und ergonomisch geschult werden sowie alles Hintergrundwissen zum Tragen erwerben. Also wurde ich Trageberaterin. Ab diesem Zeitpunkt durfte ich andere Familien auf ihrem Weg zum Tragen begleiten.
Als wir dann unsere Räubertochter erwarteten, waren wir uns aus verschiedenen Gründen von Anfang an einig, so wenig wie möglich kaufen zu wollen. Kein Plastik, keinen Plunder. Was braucht ein Baby schon außer Nahrung, etwas Kleidung und viel Liebe und Nähe? Gut, wir waren sicherlich in mancherlei Hinsicht etwas naiv, trotzdem kamen wir mit dieser Idee super zurecht. Schließlich leben wir in einer Welt, in der man nahezu jederzeit alles kaufen kann.
So sahen wir es auch beim Kinderwagen. Wir verstanden nicht, wozu wir den gebrauchen könnten. Ich war bereits Trageberaterin, hatte ein sehr großes Sortiment an Tragehilfen und -tüchern fürjeden Geschmack zu Hause und war mir sicher, auch für uns und unser Baby etwas Passendes zu finden. Ich war von Anfang an überzeugt: Das Tragen ist nicht nur ein „Spleen" meinerseits, sondern wird wirklich funktionieren. Im Gegensatz zu den meisten Außenstehenden, Verwandten oder Bekannten.
Ich fragte mich einfach: Warum sollte es nicht funktionieren? Auch wenn der Vergleich hinkt: In Afrika gibt es keine andere Möglichkeit, als sich sein Kind bei der Feldarbeit umzubinden. Das Babytragen hat eine jahrtausendealte Tradition in fast allen Kulturen, so gesehen sind Kinderwagen neumodischer Schnickschnack.
Das erste Mal in der Trage war unsere Räubertochter etwa acht Stunden nach der Geburt. Ich wollte unbedingt ambulant entbinden, aus Personalmangel im Kreißsaal wurden wir gebeten, noch auf Station zu gehen und bis zum Morgen zu bleiben (ich habe Ronja um 0:30 Uhr geboren, in der Regel muss man im Anschluss vier Stunden im Kreißsaal bleiben oder wird nach knapp zwei Stunden auf Station verlegt). Wir haben also brav bis zum nächsten Morgen gewartet, ich konnte in Ruhe duschen und frühstücken und dann sind wir wieder heim. Doch meine Lust auf Tiramisu war so groß, dass mein Mann mich zum nächsten Supermarkt gefahren hat und wir mit Frischling in der Trage eingekauft haben. Und gefühlt ging es genauso weiter. Wir haben ja nur so darauf gebrannt, beide endlich tragen zu dürfen! Drinnen und draußen und oft. Die ersten Wochen hat die Räubertochter nahezu in der Trage gewohnt. Ich merkte schnell: So ein Baby, noch dazu das eigene, ist schon anders als eine Puppe in der Trage. Keine Sorge also, auch ich brauchte einiges an Übung