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Vom Einfachen das Beste: Essen ist Politik oder Warum ich Bauer werden musste, um den perfekten Genuss zu finden
Vom Einfachen das Beste: Essen ist Politik oder Warum ich Bauer werden musste, um den perfekten Genuss zu finden
Vom Einfachen das Beste: Essen ist Politik oder Warum ich Bauer werden musste, um den perfekten Genuss zu finden
eBook249 Seiten3 Stunden

Vom Einfachen das Beste: Essen ist Politik oder Warum ich Bauer werden musste, um den perfekten Genuss zu finden

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Über dieses E-Book

Das Beste vom Einfachen ist das Beste
Er kochte für die Queen, für Staatsoberhäupter, und Angela Merkel war mit Wladimir Putin in seiner "Adler Wirtschaft" in Hattenheim zu Gast. Doch nicht nur deshalb sagt Franz Keller, einer der meistdekorierten Sterneköche in Deutschland, der sein Handwerk bei Kochlegenden wie Jean Ducloux und Paul Bocuse erlernte: Essen ist Politik. Franz Keller, der neben Eckard Witzigmann zur ersten Generation der Starköche zählte, die die deutsche Küche revolutionierten, verabschiedete sich schon Ende der 1990er Jahre ganz bewusst von der übertriebenen Sterne-Jagd und verfolgt seither konsequent seine eigene Philosophie: vom Einfachen das Beste. Artgerecht und naturnah züchtet er heute die Rinder, Schweine und Hühner selbst, die er in seiner Küche verarbeitet, und fordert in seinem neuen Buch ein radikales Umdenken: Schluss mit einer sinnentleerten Sterneküche, in der ahnungslose Kritiker das luxuriöse Ambiente höher bewerten als die Qualität der Produkte. Und Schluss mit einer industriellen Nahrungsmittelproduktion, die den Respekt vor Tieren und Pflanzen verloren hat und den Menschen krank macht.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum3. Apr. 2018
ISBN9783864896965

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    Buchvorschau

    Vom Einfachen das Beste - Franz Keller

    Westend Verlag

    Ebook Edition

    Franz Keller

    Vom Einfachen das Beste

    Essen ist Politik

    oder

    Warum ich Bauer werden musste,

    um den perfekten Genuss zu finden

    Westend Verlag

    Mehr über unsere Autoren und Bücher:

    www.westendverlag.de

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig.

    Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

    ISBN 978-3-86489-696-5

    © Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2018

    Redaktion: Johannes Bröckers

    Fotos: Peter Knaup (Rezeptfotos), Céline Keller (Falkenhof), Markus Basaler (Umschlag)

    Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin

    Satz und Datenkonvertierung: Publikations Atelier, Dreieich

    Inhalt

    Vom Einfachen das Beste

    Schnell, billig, effizient – so muss Essen heut’ sein. Eine Katastrophe!

    Ein Schwein, das nicht fett sein darf, ist eine arme Sau

    Sterne schnuppern – Wie der erste Stern zum Schwarzen Adler kam

    Star Wars – Mein Aufstieg zu den Sternen

    Von Vätern und Söhnen

    Der am besten bezahlte Koch in Deutschland

    Zurück zu den Wurzeln und ein richtiger Schritt nach vorn

    Wer Fleisch isst, sollte Tiere lieben

    Vom ersten Tag bis zur letzten Stunde

    Keine Angst vorm Kochen

    Endiviensalat mit Kartoffel, Speck und Ei

    Lauchgratin

    Lauchgratin mit Fleisch

    Pot-au-feu

    Pot-au-feu, die einfache Variante

    Champignonragout

    Die Linsensuppe

    Der Graupensalat

    Bratkartoffeln mit Garnelen

    Rosenkohl

    Auf dem Weg zu einer ehrlichen Küche

    Danke!

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    Seit fünf Jahrzehnten verbindet mich mit dem Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann eine tiefe Freundschaft.

    Vom Einfachen das Beste

    Vorwort von Eckart Witzigmann

    Liebe Leser, lieber Franz,

    viele Kollegen behält man in Erinnerung. Mit wenigen aber teilt man Gemeinsamkeiten, Erlebnisse und Erkenntnisse. Mit Franz und seiner Familie verbindet mich bis heute ein inniges Verhältnis zu Herd und Teller, vor allem jedoch weit darüber hinaus. Ich lernte ihn 1964, in der Zeit, als ich bei den Haeberlins war, als einen rebellischen Jugendlichen kennen. Ich fuhr damals an meinem freien Tag immer wieder mit meinem Rennrad nach Oberbergen, um Franz Keller sen. auf ein Glas Champagner zu besuchen. Franz jun. war damals erst vierzehn und Fritz, sein jüngerer Bruder gerade sieben Jahre alt. Ich kann mich noch gut erinnern, als ich mit Franz jun. im Weinberg saß und er mir erzählte, dass er Koch werden wolle. Er hatte wohl die Gene seiner Mutter Irma aufgesogen. Sie war die erste Sterneköchin in Deutschland und sein Vater Franz Keller sen. war für mich der kompletteste Gastronom, den ich bis dahin kannte. Er war Winzer, Gastronom, Metzger und Weinimporteur. Somit war klar, Franz wird Koch und Fritz eines Tages Winzer.

    Als er nach seinen »Wanderjahren« auf Wunsch seines Vaters nach Oberbergen zurückkam, holte er sich die Hummerkarkassen bei den Haeberlins, um eine Soße zu kochen. In Hinblick auf Soßen hatte wahrscheinlich seine Lyoner Zeit bei Paul Bocuse prägenden Einfluss. Er servierte großartige Fischgerichte mit wunderbaren Soßen. Das war auf den ersten Blick einfach oder puristisch – es war »Reduce to the max.«, eine Art Formel, die ziemlich exakt für die Küche von Franz Keller gilt und er erkochte sich zwei Sterne.

    Später, als ich schon im Tantris war, nahm ich Franz gerne zu unseren gemeinsamen »Kochevents« mit, wie in der Villa Hammerschmidt, als wir für die englische Königin kochten, oder zu unseren kulinarischen Ausflügen: Sieben deutsche Spitzenköche flogen damals nach China und Hongkong in Begleitung des ZDF, oder unsere Reisen mit »Disciples de Bocuse« in die USA, um nur ein paar zu nennen. Auch die intensiven Diskussionen mit Franz rund um die Produktqualität sind mir bis heute unvergesslich. Er machte natürlich auch gerne »Ausflüge« in andere Geschmackssphären. Von einer Indienreise brachte er die Idee mit, orientalische Gewürze zu integrieren. Simples Curry zum Beispiel, das in der Top-Küche damals eher kein Thema war, mit Quark aber eine kleine Innovation darstellte.

    Ich betrachte Franz als einen »Bruder im Geiste«, als kongenialen Mitstreiter, wenn es um Produktqualität und die Philosophie unseres Berufsstandes geht. Soll heißen: Wir begegnen uns als kochende Freunde auf Augenhöhe. Und damit meine ich nicht gelegentliches Schulterklopfen oder ein zögerliches Hallo, sondern tiefgehende Übereinstimmung bei den elementaren Dingen des Lebens. Franz bewegt sich souverän in jener Liga von »Naturalisten«, die den Garten auf den Teller bringen – ohne Schnörkel, dafür mit 100 Prozent Geschmack. Molekular ist und bleibt für ihn ein Begriff aus dem Chemieunterricht. Seine Welt ist die der Röstaromen und nicht die der Dampfgarer. Würden Aufnahmen seiner Gerichte gemacht und der Fotograf hätte einen »Foodstylisten« samt Pinzettenkoffer dabei, der Franz würde sich amüsieren. Denn das wäre der Versuch, Dinge besser aussehen zu lassen, als sie schmecken. Zu jener Zeit hat Johann Willsberger alles dokumentiert. So schnell konnten wir gar nicht kochen, wie er »abgedrückt« hat.

    »Back to the roots« taucht pro Jahrzehnt ein- bis zweimal als ultimativ neuer Trend im Journalismus auf. Seit der Franz in Oberbergen ganz selbstverständlich Sellerie- und Petersilienwurzel gekocht hat, ist er in gewisser Weise seinen Wurzeln treu geblieben und brauchte sich nicht immer wieder neu zu erfinden. Was er davon hielte, den Kaiserstuhl nach irgendwelchen Moosen abzusuchen oder essbare Farne in den Tannenwäldern zu zupfen – das müssten Sie ihn schon selber fragen.

    Franz Keller, der als angesehener Sternekoch schon vorher gewiss kein Qualitätsverächter war, vollzog damals für sich und anschließend für seine Adler Wirtschaft in Hattenheim eine radikale Wende. Eine artgerechte Haltung, die Sicherheit und Qualität seiner Grundprodukte wurden zu zentralen Themen seiner Küche. In den vergangenen 25 Jahren ist Franz Keller auf seinem Weg mit einer Konsequenz vorangeschritten, die seinesgleichen sucht. Nicht der artistische Aufwand zählt heute in der Keller-Küche von Vater und Sohn, denn hier ist das Produkt die eigentliche Kunst und es wäre höchst widersinnig, durch Verkomplizierung beim Kochen von dieser seltenen Qualität abzulenken.

    Nicht weit entfernt von seiner Adler Wirtschaft, in der mittlerweile sein Sohn Franz jun. als Küchenchef Regie führt, hat er seinen Falkenhof gegründet, wo er seine Rinder und Schweine naturnah und artgerecht selber züchtet. Seine Tiere haben hier ein gutes Leben und den Aufwand, den er betreibt, schmeckt man, wenn sein Fleisch in der Adler Wirtschaft auf dem Teller liegt. Wenn Sie Ihr Schnitzel in dem Bewusstsein essen, dass dafür ein ganzes Tier geschlachtet wurde, wissen Sie viel mehr: zum Beispiel, dass Fleisch nicht jeden Tag sein muss und dass andere, oft unterschätzte Stücke wie Kalbsbacken, Ochsenschwanz und Schweinepfoten ebenso Delikatessen sind, wie etwa ein Filet. Man muss sie nur richtig behandeln und zubereiten können! Hier sage ich nur: »Nose to tail!«

    In erster Linie möchten die meisten von uns erst einmal ein schönes, saftiges Steak auf dem Teller haben. Und glücklicherweise sind viele wieder bereit, dafür etwas mehr Geld auszugeben und bei einem guten Metzger zu kaufen, der sein Handwerk richtig versteht. Einem Metzger also, der das Fleisch nicht nur perfekt zuschneidet, sondern auch genau weiß, wo es herkommt – und das heißt im Idealfall: von einem Biohof aus der Region, wo Schweine noch suhlen und Rinder frei grasen dürfen. Kurz: Wo Tiere artgerecht leben und nicht nur als Lieferanten abgepackter Massenware dienen.

    Vor mehr als zehn Jahren habe ich in einem Interview die Behauptung aufgestellt, der größte Luxus der Zukunft wird sein, den Produzenten seiner Lebensmittel persönlich zu kennen. Heute würde ich ergänzen, beim Wort »Lebensmittel« dem Begriff »Leben« mehr Bedeutung zu schenken. Bedingt durch die inflationären Lebensmittelskandale habe ich vermehrt den Eindruck, dass Lebensmittel mehr und mehr ein Mittel zum Zweck werden. Zum Zweck, sich verantwortungslos und kriminell, schnell die Taschen zu füllen und dabei gesundheitliche Schäden nonchalant zur Kenntnis zu nehmen. Hier ist unser Berufsstand gefragt, laut und deutlich den Finger in die Wunde zu legen und nicht alleine darauf zu vertrauen, dass die chronisch überlasteten Lebensmittelkontrolleure wieder einmal ein schwarzes Schaf auf stinkender Tat erwischen.

    Ich halte es für dringend notwendig, dass wir die aktuelle Beliebtheit von Köchen und ihrem Handwerk nicht nur zur Steigerung der eigenen Popularität nutzen, sondern sie auch verantwortungsvoll in den Dienst unserer Lebensmittel stellen. Dazu gehören die Erkenntnis, dass gewisse Produkte nicht unendlich zur Verfügung stehen, und ebenso die unbequeme Wahrheit vom fairen Preis für ein fair produziertes Produkt. Es ist unendlich traurig, dass unsere Überflussgesellschaft Tonnen von Lebensmitteln auf den Müll kippt und in anderen Zonen unseres Planeten Tag für Tag Menschen mangels Nahrung verhungern. Auch das gehört zu unserer Verantwortung und auch hier werden wir uns die Frage gefallen lassen müssen, was wir außer betroffenen Gesichtern dagegen getan haben. Mein scheuer Blick in die Zukunft lässt da jede Hoffnung auf schnelle Besserung sausen und reduziert sich am Ende des Tages auf eine einfache Erkenntnis: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!

    Dafür bewundere ich meinen Freund Franz Keller und seine Familie. Denn Franz Keller ist als Kritiker kein Maulheld, der laute Töne spuckt und wartet, bis die Welt eine bessere geworden ist. Er sagt, was er denkt und er tut, was er sagt. Er hat ganz einfach angefangen, die Welt für sich und seine Gäste zu verändern. Ganz einfach? Nein. Vom Einfachen das Beste!

    Ich wünsche Franz und seiner Familie alles Gute und weiterhin viel Erfolg und Ihnen – geschätzte Leser – viel Spaß mit diesem Buch.

    Ihr

    Eckart Witzigmann

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    Schwein gehabt! Meine Bunten Bentheimer fühlen sich auf dem Falkenhof sauwohl, denn sie leben hier eben noch ein echtes Schweineleben. Das sollte selbstverständlich sein. Schon aus Respekt vor der Kreatur, von der wir leben. Ist es aber nicht. Die vielen Millionen Schweine, die pro Jahr in Deutschlands Mastfabriken produziert werden, haben nie die Sonne oder eine grüne Wiese gesehen.

    Schnell, billig, effizient – so muss Essen heut’ sein. Eine Katastrophe!

    Die Weltbevölkerung nimmt zu. Vor allem an Gewicht. Das ist leider kein Witz, sondern adipöse Realität. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit sterben auf unserem Planeten mehr Menschen an Fettleibigkeit und falscher Ernährung als an Hunger. Was hier eigentlich der größere Skandal ist, vermag ich kaum zu entscheiden. Aber Nachrichten wie diese bringen mich in manchen Momenten an den Rand der Verzweiflung. Fast mein ganzes Leben habe ich der Suche nach dem perfekten Genuss gewidmet. Bis hoch hinauf in den kulinarischen Sternehimmel und wieder zurück auf den fruchtbaren Boden auf meinem Falkenhof in Heidenrod-Dickschied im Wispertal, wo ich inzwischen meine Rinder, Schweine und Hühner selbst züchte, weil ich die Qualität, die ich mir auf dem Teller meiner Küche vorstelle, nicht mehr kaufen kann.

    Leiden wir inzwischen tatsächlich an einer kollektiven Essstörung? Gemessen an den Kochshows, Küchentalks und Food-Blogs, die sich im TV und in den Social-Media-Kanälen inflationär verbreitet haben, könnte man ja denken, wir Deutschen entwickeln uns allmählich zu einem Volk der Gourmets und Genussköche. Tatsächlich aber läuft der Trend komplett in die entgegengesetzte Richtung: Weg von frisch zubereitetem Essen und hin zu industriell produzierten Fertiggerichten und Lebensmitteln, die ich eher als Sterbemittel bezeichnen würde. Oder wundert sich noch jemand, warum durch Nahrungsmittelunverträglichkeiten provozierte Allergien und deren Folgeerkrankungen ständig zunehmen? Eine gesunde Ernährung favorisieren zwar die meisten Menschen – doch leider nur in Meinungsumfragen. Die Realität sieht anders aus: Mehr als zwölf Prozent der Deutschen nehmen niemals einen Kochlöffel in die Hand. Über ein Drittel kocht, wenn es hoch kommt, zwei Mal in der Woche. Und während die Promiköche in der Glotze um die Wette witzeln, schaufelt sich eine zunehmende Zahl der Zuschauer offensichtlich Tiefkühlpizza und Fertigfutter aus der Mikrowelle rein oder lässt sich das Fastfood durch unterbezahlte Kuriere vom Lieferservice nach Hause bringen. Schnell, effizient und billig muss das Essen heute sein. Eine Katastrophe! Dafür nehmen wir eine extreme Massentierhaltung in Kauf, die jeden Respekt vor den Tieren verloren hat, die nie das Sonnenlicht oder ein Fleckchen echte Natur gesehen haben. Denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal auf einem zähen Stück Billigfleisch kauen. Sie kauen auf der Todesangst eines auf barbarische Weise gezüchteten und geschlachteten Tieres. Wir akzeptieren mit Gülle überdüngte Böden, die unser Trinkwasser mit Nitrat verseuchen und vergiften unsere mit Monokulturen bepflanzten Äcker mit Glyphosat, obwohl das massive Insekten- und Vogelsterben inzwischen nicht mehr geleugnet werden kann. Wir diskutieren ernsthaft, ob wir nicht schon unsere Grundschulen digitalisieren sollen, aber die Grundlagen einer vernünftigen Ernährung sind an unseren Schulen bis heute ein völlig unterbelichtetes Thema.

    Ja, ich weiß, mit Pauschalangriffen dieser Art mache ich mir keine Freunde. Aber die Wut und Traurigkeit, die ich empfinde, wenn ich mir unser gestörtes Verhältnis zum Essen anschaue, muss einfach auch mal raus. Selbst auf die Gefahr hin, dass es so einige geben wird, denen nicht schmeckt, was ich zu sagen habe. Doch damit kann ich gut leben, denn ehrlich gesagt, war ich noch nie einer, der es allen recht gemacht hat.

    Im Grunde ist die Sache doch ganz einfach: Der Mensch ist, was er isst. Doch wenn ich über die Qualität und Inhaltsstoffe unserer sogenannten Lebensmittel nachdenke, dann mache ich mir ernsthafte Sorgen. Wir produzieren Unmengen fast inhaltsleerer Nahrungsmittel und davon landen alleine in Deutschland achtzehn Millionen Tonnen pro Jahr gleich wieder im Müll. Mehr als 85 Kilo pro Kopf oder umgerechnet, Lebensmittel für rund 400 Euro im Jahr pro Einwohner vom Baby bis zum Greis. Als Zyniker könnte ich sagen, »gut so, da gehört ein Großteil des Industriefoods aus unseren Supermarktregalen auch wirklich hin«. Doch ich bin kein Zyniker. Es tut mir in der Seele weh, wenn ich den Niedergang unserer Ess- und Kochkultur in den letzten Jahrzehnten beobachte. Wir sind dabei, unsere Zeit zum Kochen und für eine vernünftige Ernährung wegzurationalisieren. In unseren nach strengen Zeitplänen getakteten Lebensentwürfen ist offensichtlich kein Platz mehr für eine selbst zubereitete Mahlzeit. In diesem alten Wort steckt eine tiefe Wahrheit: Die Zeit, die wir uns nehmen müssen, um ein gutes Essen zuzubereiten und gemeinsam zu genießen. Denn neben der überlebenswichtigen Zufuhr von Kohlenhydraten, Fetten, Proteinen, Vitaminen und Mineralien, hat Essen eben auch eine sehr wesentliche soziale Funktion. Liebe geht durch den Magen, schon mal gehört diesen Spruch? Mich wundert es jedenfalls nicht, dass Ehen und Familien heutzutage immer häufiger scheitern, wenn wir noch nicht mal mehr in der Lage sind, uns einmal am Tag für eine Stunde am Tisch zu versammeln, um gemeinsam zu essen. (Okay, diesen Satz werden mir jetzt meine eigenen Kinder sofort um die Ohren hauen, die ich in all den Jahren, die ich im Sterne-Zirkus für meine Gäste geopfert habe, sträflich vernachlässigt habe. Höchste Zeit, euch alle mal um Verzeihung zu bitten.) Trotzdem, ich kann die gängigen Argumente nicht akzeptieren, wonach die hohe Arbeitsbelastung und der zunehmende Stress die Gründe dafür sein sollen, dass wir keine Zeit mehr haben, um vernünftig zu kochen und gemeinsam zu essen. Ich habe das noch mal nachgelesen: Der Durchschnittsdeutsche verbringt noch immer pro Tag mehr als 220 Minuten vor dem Fernseher. Und die Zeit, die wir im Netz oder mit Online-Medien wie Facebook, Twitter und Co verbringen, ist da noch nicht einmal mitgerechnet. Leute, das ist doch total meschugge! Eine Stunde weniger Medienkonsum und dafür ein leckeres Essen gemeinsam mit Familie oder Freunden gekocht und gegessen, das ist nicht nur wesentlich kommunikativer und gesünder, sondern auch preiswerter. Und zwar nicht nur für den privaten Geldbeutel. Die Kosten, die aufgrund von falscher Ernährung für unser Gesundheitssystem anfallen, liegen inzwischen bei jährlich rund siebzehn Milliarden Euro. Deshalb behaupte ich: Essen ist Politik. Alles, was in Sachen Mangel- oder Überflussernährung falsch läuft, haben wir uns selbst eingebrockt. Und es liegt an uns, die Dinge zum Besseren zu verändern. Ich will und kann nicht akzeptieren, dass Geschmacksverstärker uns weiterhin eine Illusion von gutem Essen vorgaukeln, aber in Wahrheit unseren Gaumen ruinieren. Dass wir verlernen, wie gutes Essen wirklich schmeckt oder wie wir ein solches Essen zubereiten können.

    Fast noch mehr nervt mich, dass man heute übers Essen nur noch in hysterischen Extremen reden kann. Auf der einen Seite wird in immer kürzeren Abständen ein neuer modischer Ernährungstrend nach dem anderen durchs mediale Dorf getrieben – Low Carb, makrobiotisches Functional Food, Superfood, Clean Eating, Paleo, wie in der Steinzeit, oder noch besser, gleich in Pulver- oder Pillenform mit plakativen Gesundheits- und Hochleistungsversprechen. Auf der anderen Seite verstricken sich Veganer, Vegetarier, Flexitarier oder auch Old-School-Fleischfresser immer weiter in wahren Glaubenskriegen. Es gibt nur noch Gut oder Böse, Schwarz oder Weiß, aber vor allem eine Menge Ratlosigkeit darüber, was man überhaupt noch essen darf. Esst endlich wieder normal! Lasst uns doch mal etwas entspannt und sachlich besprechen, wie es mit unserer Ernährung weitergehen soll. Und anstatt uns gegenseitig die Ohren mit skurrilen bis ideologischen Debatten zu verstopfen, sollten wir wieder lernen, auf unseren Körper zu hören, der uns ziemlich genau erzählen kann, was

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