Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Ganzheitliches Produktionsmanagement: Strategischer Rahmen und operative Umsetzung
Ganzheitliches Produktionsmanagement: Strategischer Rahmen und operative Umsetzung
Ganzheitliches Produktionsmanagement: Strategischer Rahmen und operative Umsetzung
eBook1.201 Seiten9 Stunden

Ganzheitliches Produktionsmanagement: Strategischer Rahmen und operative Umsetzung

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Die Produktion stellt einen entscheidenden Wettbewerbsfaktor zur Herstellung diversifizierter, kundenindividueller Produkte dar. Wesentlich sind die Kundenorientierung, die Vermeidung von Verschwendung und die kontinuierliche Verbesserung der Produktionsprozesse. Hierfür ist eine ganzheitliche Betrachtung des Produktionsmanagements notwendig, wobei es vielzählige Handlungsfelder zu berücksichtigen gilt. 

In diesem Fachbuch werden diese Handlungsfelder des Produktionsmanagements praxisgerecht und methodisch-strukturiert beschrieben. Ausgehend von der Ausarbeitung einer Produktionsstrategie erfolgt die Beschreibung der Umsetzung und Verbesserung des operativen Produktionsmanagements. Detailliert wird auf die elementaren Grundlagen wie Technologiemanagement, Lean Production, Supply Chain Management, Facility Management, Human Resource Management und weiteres eingegangen. Da sich die Produktionsmethoden und -verfahren in den vergangenen Jahren maßgeblich verändert haben, erhält der Leser darüber hinaus fundiert beschriebene Einblicke in aktuelle Weiterentwicklungen des Produktionsmanagements. Eine besondere Rolle nehmen hierbei Informations- und Kommunikationstechnologien bzw. die Industrie 4.0 ein.

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Vieweg
Erscheinungsdatum21. Juli 2021
ISBN9783662624524
Ganzheitliches Produktionsmanagement: Strategischer Rahmen und operative Umsetzung

Ähnlich wie Ganzheitliches Produktionsmanagement

Ähnliche E-Books

Management für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Ganzheitliches Produktionsmanagement

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Ganzheitliches Produktionsmanagement - Uwe Dombrowski

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021

    U. Dombrowski, P. Krenkel (Hrsg.)Ganzheitliches Produktionsmanagementhttps://doi.org/10.1007/978-3-662-62452-4_1

    1. Einleitung

    U. Dombrowski¹, P. Krenkel²   und M. Hermann³

    (1)

    Institut für Fabrikbetriebslehre und Unternehmensforschung (IFU), Technische Universität Braunschweig, Braunschweig, Deutschland

    (2)

    HOFFMANN Maschinen- und Apparatebau GmbH, Lengede, Deutschland

    (3)

    Wolfsburg, Deutschland

    Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dombrowski, U.

    nach 12-jähriger Tätigkeit in leitenden Positionen der Medizintechnik- und Automobilbranche erfolgte 2000 die Berufung zum Universitätsprofessor an die Technische Universität Braunschweig und die Ernennung zum Geschäftsführenden Leiter des Instituts für Fabrikbetriebslehre und Unternehmensforschung (IFU). Diese Position bekleidete er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2019.

    Dr.-Ing. Krenkel, P.

    begann nach seinem Maschinenbaustudium zunächst als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Fabrikbetriebslehre und Unternehmensforschung (IFU) der Technischen Universität Braunschweig. Anschließend war er dort Akademischer Rat und Stellvertretender Geschäftsführender Leiter. Seit 2019 ist er Technischer Leiter und Mitglied der Geschäftsleitung der Firma HOFFMANN Maschinen- und Apparatebau GmbH.

    Hermann, M., M. Sc.

    studierte Wirtschaftsingenieurwesen/Maschinenbau sowie Technologie-orientiertes Management an der Technischen Universität Braunschweig. Ab 2018 war sie als Consultant und später Senior Consultant bei der Strategieberatung Kearney im Bereich Produktion und Industrie 4.0 tätig. 2021 wechselte sie zur Volkswagen AG als Project Manager Digital Innovation, VW Group Production. 

    Die Bedingungen von produzierenden Industrieunternehmen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten signifikant verändert. Wettbewerbsvorteile sind in der heutigen Zeit oft nur noch temporär, es entstehen oft innerhalb kurzer Zeit neue Absatzmärkte, während gerade noch aktuelle Absatzmärkte rasch wieder verschwinden. Kunden haben diversifizierte und spezifische Produktanforderungen, wodurch das Produktangebot und die Variantenvielfalt für die Unternehmen kontinuierlich zugenommen haben. Es ist erforderlich, mit unterschiedlichen Produktgruppen unterschiedliche Märkte zu bedienen. Insgesamt ergeben sich daraus völlig neue Anforderungen an die Produktionsstrategien, da oft eine anpassungsfähige Wettbewerbsstrategie zu verfolgen ist. Dazu ist die permanente Produkt- und Prozessinnovation zu einer zwangsläufigen Voraussetzung zum Auf- und Ausbau von Wettbewerbsvorteilen geworden. Dies erfordert ein deutlich stringenteres Verfolgen von Ressourcen und Fähigkeiten durch ein entsprechendes Produktionsmanagement.

    Der Produktionssektor hat nach wie vor einen besonderen Stellenwert für die gesamte Volkswirtschaft. Der Anteil des produzierenden Gewerbes (ohne Baugewerbe) machte in 2019 in Deutschland laut statistischem Bundesamt etwa 24 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus (Statistisches Bundesamt 2020). Ein intakter und innovativer Produktionsstandort ist damit ein entscheidender Faktor für die Entwicklung von Wohlstand und Wirtschaft. Nicht umsonst streben viele Länder eine ähnlich starke Rolle des produzierenden Gewerbes an. Im Vergleich zum Großteil anderer europäischer Industrienationen hat der Produktionssektor in Deutschland eine besonders starke Position. Er ist in besonderem Maße wettbewerbsfähig und wird diese weiter ausbauen.

    Trotz des hohen Anteils an der Gesamtwirtschaftsleistung eines Landes zeigt sich, dass die Produktion für Unternehmen zur Schaffung von Wettbewerbsvorteilen oft eine eher untergeordnete Rolle spielt (Westkämper und Löffler 2016). Viel häufiger erfolgt eine Ausrichtung der Produktion anhand kurzfristiger Erfordernisse am Markt. Diese reaktive Haltung der Produktion beschränkt sich auf das Erfüllen und Erreichen von Plandaten und Vorgaben anderer unternehmensinterner Funktionsbereiche (Moos 2009; Freibichler 2006; Voss 1992; Hill 1992). Ein Beispiel hierfür ist die Vorgabe über die zu produzierenden Produkte oder die Vorgabe über Investitionen und Desinvestitionen aufgrund von finanziellen Überlegungen (Moos 2009). Daraus folgt, dass der Beitrag der Produktion zum Unternehmenserfolg zumeist auf eine hohe Effizienz, d. h. die Reduzierung der negativen Effekte, reduziert wird (Foschiani 1995). Es verwundert daher auch nicht, dass die Umsetzung einer proaktiven Rolle der Produktion zur Gestaltung von Wettbewerbsvorteilen in den Unternehmen nur gering fortgeschritten ist (Gagnon 1999). Dies ist gefährlich, da nur die industrielle Produktion und nicht der Service die Beschäftigung langfristig sichern kann (Friedli 2006).

    Soll die Produktion als strategische Ressource gesehen werden, durch welche Wettbewerbsvorteile erhalten oder aufgebaut werden, ist ein strategisches Produktionsmanagement notwendig. Dieses beeinflusst die Unternehmensstrategie proaktiv, in welche die Produktionsstrategie integriert ist und mit den anderen Funktionsbereichsstrategien koordiniert wird (Dombrowski et al. 2016).

    Dazu muss die Produktion zahlreiche interne und externe Wandlungstreiber berücksichtigen und proaktiv ein Vorgehen zur Reaktion auf diese entwickeln. Externe Wandlungstreiber sind vom Markt getrieben und entstehen durch Turbulenzen im Umfeld des Unternehmens (Zahn und Westkämper 2009; Westkämper und Löffler 2016). Sie betreffen wirtschaftliche, technische und politisch-rechtliche Umweltaspekte (Westkämper und Löffler 2016). Wirtschaftliche Wandlungstreiber beziehen sich auf die Veränderungen von Kunden, Wettbewerbern sowie Arbeits- und Finanzmärkten. Außerdem ist die Veränderung von Nachfrage- und Wettbewerbsstrukturen den wirtschaftlichen Wandlungstreibern zuzuordnen. Technische Wandlungstreiber betreffen neue Technologien oder relevante technologische Errungenschaften. Zudem sind politisch-rechtliche Wandlungstreiber externer Herkunft (Westkämper und Löffler 2016).

    Innerbetriebliche Veränderungen in Produktionsunternehmen, wie bspw. Auftragsschwankungen, personelle Veränderungen der Unternehmensführung oder der Einsatz neuer Technologien, erfordern eine innerbetriebliche Wandlungsfähigkeit. Hierbei können unterschiedliche interne Wandlungstreiber unterschieden werden, welche sich auf Produkte, Fähigkeiten, Ressourcen oder die innere Organisation beziehen. In Bezug auf Produkte können sowohl neue Varianten als auch die Änderung der Produktionsmenge die Produktion zur Anpassung zwingen. Zudem können Veränderungen der unternehmensinternen Fähigkeiten vorgegeben werden. Hierbei können Veränderungen in Bezug auf die Personalstruktur, die Unternehmenskultur oder das Technologieportfolio Wandlungstreiber der Produktion sein (Stowasser und Jeske 2015; Zahn und Westkämper 2009). Letztlich gehören auch die Veränderungen der betrieblichen Ressourcen, wie Personal, Infrastruktur, Kapazität oder Betriebsmittel sowie die Änderung der Organisationsform zu dem Bereich der internen Wandlungstreiber (Westkämper und Löffler 2016).

    Die genannten und in Abb. 1.1 dargestellten internen und externen Wandlungstreiber machen deutlich, dass zur Reaktion auf diese ein ganzheitliches Produktionsmanagement erforderlich ist. So ist die erfolgreiche Adaption der Produktion auf die Wandlungstreiber im wesentlichen Maße davon abhängig, inwieweit entsprechende Wandlungsbefähiger vorhanden sind und aufgebaut werden (Westkämper und Löffler 2016). Dieses Buch soll Verantwortlichen aus der Produktion Methoden und Werkzeuge an die Hand geben, um Maßnahmen abzuleiten und die Produktion strategisch wettbewerbsfähig auszurichten.

    ../images/461302_1_De_1_Chapter/461302_1_De_1_Fig1_HTML.png

    Abb. 1.1

    Wandlungstreiber der Produktion (Westkämper und Löffler 2016)

    Vor diesem Hintergrund untergliedert sich dieses Buch in vier Hauptkapitel.

    Im ersten Kapitel werden die Wandlungstreiber des Produktionsmanagements durch eine nähere Betrachtung der Megatrends sowie die Rolle der Produktion zur wettbewerbsfähigen Ausrichtung eines Unternehmens detailliert aufgearbeitet.

    Das zweite Kapitel fokussiert das strategische Produktionsmanagement. Wesentlich sind dabei der Prozess zur Entwicklung einer Produktionsstrategie und die allgemeinen Inhalte der Produktionsstratgie.

    Das dritte Kapitel beinhaltet die verschiedenen Handlungsfelder, um der ganzheitlichen Aufgabe des Produktionsmanagements gerecht zu werden. Damit erfolgt eine Trennung zur Produktionsstrategie, indem die jeweiligen Handlungsfelder die operative Umsetzung fokussieren.

    Das vierte Kapitel beschreibt die Weiterentwicklungen des Produktionsmanagements. Dabei werden in dem Kapitel die Rolle der Organisation, der Technik und des Menschen gleichermaßen berücksichtigt.

    1.1 Megatrends beeinflussen die Produktion

    U. Dombrowski, P. Krenkel und M. Hermann

    Die genannten Kategorien von Wandlungstreibern werden maßgeblich durch die Megatrends beeinflusst, welche das Umfeld produzierender Unternehmen ständig verändern. Wesentlich sind dabei der Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt, die zunehmende Globalisierung, die rückläufige Marktentwicklung in vielen Branchen sowie das gewachsene ökologische Bewusstsein der Kunden. In den vergangenen Jahren nahm hierdurch die Komplexität für produzierende Unternehmen stetig zu. Sinkende Losgrößen durch kundenindividuelle und länderspezifische Produkte, kürzer werdende Produktlebenszyklen und ein zunehmender internationaler Wettbewerb sind nur einige Folgen, die daraus resultierten (Foschiani 1995; ElMaraghy et al. 2013; Waltl und Wildemann 2014; Dombrowski et al. 2014). Als Reaktion hierauf gewinnen die Digitalisierung und die Vernetzung der Produktionsprozesse eine wettbewerbsentscheidende Rolle.

    Zur Ableitung von Anforderungen an eine Produktionsstrategie und der sich daraus ergebenden Ausgestaltung der Handlungsfelder werden vielfach Megatrends herangezogen. John Naisbitt, der die Megatrendforschung seit dem Jahr 1984 prägt, definiert Megatrends als besonders tiefgreifende und nachhaltige Trends, die große gesellschaftliche, ökonomische, politische und technologische Veränderungen betreffen. Im Vergleich zu kurzfristigen Mode- und Konsumtrends haben Megatrends eine Wirkkraft die sich meist langsam über mehrere Jahrzehnte erstreckt (Westkämper und Löffler 2016; Naisbitt und Aburdene 1990; Aburdene 2007; Horx 2011; Tisch et al. 2014). Im Genauen können Megatrends anhand bestimmter Kriterien von anderen Trends abgegrenzt werden. Abb. 1.2 zeigt die von Horx definierten Kriterien eines Megatrends sowie deren Beschreibung (Horx 2011). Hierbei stellt das Kriterium Ubiquität deutlich heraus, dass Megatrends weitreichende Folgen haben, beispielweise auf den Konsum und die Art des Produzierens. Erkennen Unternehmen die sich hieraus ergebenden weitreichenden Herausforderungen, können sie diesen erfolgreich begegnen.

    ../images/461302_1_De_1_Chapter/461302_1_De_1_Fig2_HTML.png

    Abb. 1.2

    Kriterien eines Megatrends (Horx 2011)

    1.1.1 Zusammenfassung der Megatrends

    U. Dombrowski, P. Krenkel und M. Hermann

    Anpassung an Umweltveränderungen ist für Unternehmen der Schlüssel zum Erfolg. Ohne eine stark ausgeprägte Anpassungsfähigkeit hat heutzutage ein Unternehmen kaum Aussicht auf langfristigen Erfolg (Dombrowski et al. 2013). Dabei ist es für Unternehmen zwingend erforderlich, Veränderungen der Umwelt frühzeitig zu erkennen und diesen zielgerichtet zu begegnen. Unternehmen sind hierdurch in der Lage, schneller als der Wettbewerb auf Veränderungen zu reagieren, wodurch sich Wettbewerbsvorteile ergeben können. Entscheidend ist hierbei das Erkennen von Megatrends.

    Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Studien, die sich mit dem Thema Megatrends beschäftigen und gleichermaßen eine Fülle an verschiedenen identifizierten Megatrends. Diese fokussieren je nach Autor unterschiedliche Schwerpunkte, beschreiben im Wesentlichen aber zumeist dieselbe Thematik. Zusammenfassend lassen sich fünf Megatrends gruppieren. Dabei handelt es sich um die „Individualisierung und Flexibilisierung, den „Demografischen Wandel, die „Globalisierung, den „Klimawandel und die Ressourcenverknappung sowie die „Technologie und Innovation".

    1.

    Individualisierung und Flexibilisierung: Menschen streben zunehmend nach Einzigartigkeit und Differenzierung (Horx 2011). Im Gegensatz zu früher bezieht das Individuum seine Stärke weniger aus den Institutionen Kirche, Staat und Familie, sondern geht zu neuen individuellen Treibern über. Die Individualisierung bringt damit eine erhöhte Wertevielfalt mit sich, sodass es zu einem Wertewandel in der Gesellschaft kommt (Heß 2008). Ähnlich individuell verändern sich die Konsummuster. Neue Technologien erlauben das Identifizieren individueller Kundenwünsche und zeigen auf, wo die Produkte erhältlich sind (PricewaterhouseCoopers LLP 2007). Dementsprechend wird zukünftig auch eine neue Stufe der Individualisierung erreicht, die sich durch Mikro- statt Massenmärkte auszeichnet (Heß 2008). Außerdem kommt es zu neuen Mobilitätsmustern, die sich beispielsweise durch eine digitale Vernetzung des Verkehrs oder neue Fahrzeugkonzepte kennzeichnen (Bullinger 2012). Ein weiterer Aspekt dieses Megatrends ist der zunehmende Wunsch nach Selbsterfüllung und -entfaltung in der beruflichen Karriere (Hay Group 2011; PricewaterhouseCoopers LLP 2007). Dies ist insbesondere durch die sich annähernden Erwerbsquoten männlicher und weiblicher Arbeitnehmer notwendig (Gerster et al. 2008), was eine individualisierte, lebensphasenorientierte Personalpolitik erforderlich macht (Hay Group 2011; Szebel Habig 2010). Durch diesen Wandel der Arbeitswelt werden Arbeitsverhältnisse deutlich flexibler. Neue Organisations- und Führungskonzepte oder kollaborative Arbeitsformen werden Einzug halten (Heß 2008).

    2.

    Demografischer Wandel: Der demografische Wandel beschreibt die Veränderung der Gesellschaft. So beschreiben verschiedene Quellen den Anstieg der Weltbevölkerung aufgrund der steigenden durchschnittlichen Lebenserwartung (Horx 2011; Roland Berger Strategy Consultants GmbH 2011) und Geburtenboom in den Entwicklungsländern (Siemens Schweiz AG 2007). Im Ergebnis wird die Weltbevölkerung auf 8,3 Milliarden Menschen zunehmen (Roland Berger Strategy Consultants GmbH 2011). Dieser Trend ist allerdings nicht überall in der Welt zu erkennen. Während die Bevölkerungen in Entwicklungsländern boomen, kommt es in den westlichen Ländern zu einer Stagnation oder Abnahme. (Hay Group 2011) Für eine gleichbleibende Bevölkerung ist nach der United Nations (UN) eine Geburtenrate von etwa 2,1 Kindern je Frau notwendig. Für die Welt hat sich diese Zahl von 4,45 Kindern je Frau zwischen 1970 und 1975 auf 2,52 zwischen 2005 und 2010 reduziert. In Europa lag die durchschnittliche Geburtenrate im Zeitraum 1970–1975 bei 2,17 Kindern je Frau, im Zeitraum 2005–2010 dagegen nur noch bei 1,53 (United Nations: Department of Economic and Social Affairs: Population Division 2011). In Deutschland kommt es neben der zunehmenden Alterung der Gesellschaft zu einer Abnahme der Anzahl an Erwerbspersonen (Gerster et al. 2008). So sinkt in der deutschen Bevölkerung der Anteil der unter 20-Jährigen, während der Anteil der über 59-Jährigen steigt. Insbesondere die sinkende Geburtenrate einhergehend mit dem Anstieg der Lebenserwartung hat einen erheblichen Einfluss auf den demografischen Wandel in Deutschland (Knauth et al. 2009). In Folge der steigenden Lebenserwartung, der medizinischen Versorgung und des materiellen Wohlstandes steigt der Wunsch nach Erhaltung und Optimierung der Gesundheit. Damit gewinnt das Thema Gesundheit für zukünftige Produkte und Dienstleistungen an Bedeutung (Heß 2008; Amlan et al. 2010). Neben den Herausforderungen im Bereich der Medizin resultieren aus den demografischen Entwicklungen weitere in den Bereichen Umweltschutz, Verkehr sowie Sozialversicherungen (Siemens Schweiz AG 2007).

    3.

    Globalisierung: Im Allgemeinen „lässt sich Globalisierung als die raum-zeitliche Ausdehnung sozialer Praktiken über staatliche Grenzen, die Entstehung transnationaler Institutionen und die Diffusion kultureller Muster beschreiben." Durch den steigenden Wohlstand der Schwellenländer wird die Globalisierung zunehmend beschleunigt (Kalkbreier et al. 2009). Durch die Stärkung der „BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) und der „Next Eleven (Ägypten, Bangladesch, Indonesien, Iran, Mexiko, Nigeria, Pakistan, Philippinen, Südkorea, Türkei, Vietnam) werden neue Märkte entstehen, welche für die Wirtschaft und den Handel von Interesse sind (Roland Berger Strategy Consultants GmbH 2011). Durch die wohlhabendere und wachsende Mittelschicht in den Schwellenländern erhöht sich das verfügbare Einkommen und somit die Nachfrage nach differenzierenden und hochwertigen Produkten (Kalkbreier et al. 2009; Keating et al. 2010). Verstärkt wird die Globalisierung durch den beschriebenen Anstieg der Weltbevölkerung. So lebten bereits im Jahr 2007 mehr Menschen in Städten als auf dem Land (Siemens Schweiz AG 2007). Bis zum Jahr 2030 werden neue Megastädte für bis zu 2 Milliarden Menschen entstehen (Hay Group 2011). Hierdurch ergibt sich eine neue politische Weltordnung. Asiatische Länder steigen zu Weltmächten auf, während sich die westlichen Demokratien in der Krise befinden (Heß 2008). Das führt zu neuen strategischen Allianzen und Strukturen, die von Unternehmen zu berücksichtigen sind (Hay Group 2011).

    4.

    Klimawandel und Ressourcenverknappung: Der Klimawandel ist vor allem durch die globale Erderwärmung und die Gefährdung des Ökosystems beschrieben (Roland Berger Strategy Consultants GmbH 2011; Bundesministerium für Umwelt 2008). Es wird ein Temperaturanstieg um bis zu 6,5 °C prognostiziert, der regelmäßige Unwetter, Dürreperioden und den Anstieg des Meeresspiegels um etwa einen halben Meter zur Folge haben wird (Heß 2008). Ursache ist vor allem der zunehmende Ressourcenverbrauch, der dem massiven Anstieg der Konsumentenanzahl in den Industrie- und Schwellenländer zuzuschreiben ist (Kalkbreier et al. 2009; Amlan et al. 2010; Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMU) 2011). Neben dem erheblichen Anstieg an CO2-Emissionen hat der weltweit zunehmende Verbrauch eine Reduzierung verfügbarer Ressourcen zur Folge (Kalkbreier et al. 2009; Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMU) 2011). Viele Ressourcenquellen kommen damit an ihre Grenzen (Hay Group 2011). Die Ressourcenverknappung betrifft hierbei Energie, Wasser und andere Rohstoffe, wie beispielsweise einige Metalle (Roland Berger Strategy Consultants GmbH 2011; Bundesministerium für Umwelt 2008) Dementsprechend wird es unter anderem eine wichtige Aufgabe sein, Wasser in ausreichender Menge zu einem fairen Preis aufbereiten und anbieten zu können (Roland Berger Strategy Consultants GmbH 2011; Siemens Schweiz AG 2007; Bundesministerium für Umwelt 2008). Auch am Beispiel des steigenden Strombedarfs werden zukünftige Herausforderungen deutlich, da dieser im Jahr 2009 noch zum Großteil aus fossilen Energien wie Kohle, Gas oder Öl gedeckt wurde (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMU) 2011). Da für die nächsten 20 Jahre die Internationale Energieagentur (IEA) einen Anstieg des Energieverbrauchs um mehr als ein Drittel prognostiziert (International Energy Agency (IEA) 2012), werden hier deutliche Handlungsfelder sichtbar (Roland Berger Strategy Consultants GmbH 2011; Kalkbreier et al. 2009; Amlan et al. 2010).

    5.

    Technologie und Innovation: Der Megatrend Technologie und Innovation zielt auf die zunehmende Technologieverbreitung und die Auswirkungen von Innovationen auf das tägliche Leben ab. Die wesentlichen Innovationen der nächsten Jahre sind allerdings nur schwer vorhersehbar, können aber das private und unternehmerische Leben dramatisch verändern. So werden Technologien für einen größeren Personenkreis zugänglich und neue Technologien erfahren eine schnellere Annahme durch die Nutzer (Kalkbreier et al. 2009). Zudem kommt es zu einer zunehmenden Verkürzung der Produktlebenszyklen (Roland Berger Strategy Consultants GmbH 2011). Verwertbare Kenntnisse komplexer Technologien werden in Zukunft Schlüsselkompetenzen und damit Wettbewerbsfaktor für Unternehmen sein, auch in nicht-technischen Bereichen (Hay Group 2011). Gerade auch im Zuge der Globalisierung versuchen aufstrebende Entwicklungsländer internationale Führungspositionen bei wichtigen Technologien zu erreichen. Diesem globalen Wettbewerb müssen Unternehmen durch Innovationen entgegentreten (Heß 2008). Als unbestrittenen Trend können die Miniaturisierung von Produkten, die Verbreitung der Nanotechnologie aber auch die Gentechnik und Biotechnologie gesehen werden (Roland Berger Strategy Consultants GmbH 2011; Heß 2008; Kalkbreier et al. 2009). Eine zunehmend wichtige Rolle werden aber auch die Vernetzung elektronischer Systeme zu einer intelligenten Umgebung und die Robotik haben (Roland Berger Strategy Consultants GmbH 2011; Heß 2008). Um diese zukünftigen Herausforderungen zu meistern, gewinnt die Zusammenarbeit mit externen Partnern noch mehr an Bedeutung (IBM Deutschland GmbH 2012).

    1.1.2 Auswirkungen der Megatrends auf die Produktion

    U. Dombrowski und P. Krenkel

    Aus den Megatrends ergeben sich vielschichtige Auswirkungen auf die Produktion, die im Nachfolgenden erörtert werden.

    1.

    Individualisierung und Flexibilisierung:

    Durch den Megatrend der Individualisierung und Flexibilisierung müssen sich Entwicklungszeiten verkürzen, um der steigenden Anzahl an Entwicklungsprojekten gerecht zu werden. Produkte sind in kurzer Zeit und kundenspezifisch zu entwickeln. Um diesen Veränderungen gerecht zu werden, ist eine verstärkte Kooperation zwischen den Produktionsbereichen anzustreben. Auf diese Weise kann schnell und kundenindividuell entwickelt und gefertigt werden. Darüber hinaus kann die Integration externer Partner zur Innovationsbeschleunigung und zur Verkürzung von Entwicklungszeiten beitragen. Interdiszplinäre Produktionsprozesse sind entsprechend integrierend und simultan zu gestalten sowie durch durchgängige Informations- und Kommunikationstechnologien zu unterstützen. Darüber hinaus können die Standardisierung und Modularisierung (bspw. in Form von Produktionsbaukästen und Plattformstrategien) die Entwicklungsprozesse vereinfachen. Auch sind Wissen und Kompetenzen wesentliche Einflussfaktoren der Innovationsgeschwindigkeit im produzierenden Unternehmen. Dazu sind ein geeignetes Wissensmanagement und qualifizierte Beschäftigte erforderlich (Abele und Reinhart 2011). Auch kann sich die Nähe eines Entwicklungsstandortes zu einem Innovationszentrum/-lab positiv auf die Innovationsfähigkeit und -geschwindigkeit auswirken (Meyer-Krahmer 2003). Aufgrund der Individualisierung besteht die Herausforderung der Fertigung, innerhalb kurzer Zeit wechselnde kleine Lose unterschiedlicher Produktvarianten zu fertigen (Abele und Reinhart 2011). Hieraus ergeben sich häufige Produktionsanläufe, die aufgrund einer zunehmenden Funktionsintegration viele Fachdisziplinen beinhalten. Innerhalb der Produktherstellung sind häufige Umrüstvorgänge effizient umzusetzen, um die Prozessstabilität zu gewährleisten (Abele und Reinhart 2011). Zur Unterstützung des Anlaufmanagements und der Verbesserung der Effizienz der Rüstvorgänge ist die Produktionstechnik wandlungsfähig auszugestalten (Krebs et al. 2011; Abele und Reinhart 2011). Um die Komplexität aus einer hohen Variantenvielfalt und häufigen Produktionsanläufen zu reduzieren, konzentrieren sich viele Unternehmen auf Kernkompetenzen. Dementsprechend kommt einem wandlungsfähigen Lieferantennetzwerk und einer entsprechenden Lieferantenentwicklung oft eine große Rolle zu (Abele und Reinhart 2011). Insgesamt stellt die Bewältigung von Informationsumfang und -vielfalt zukünftig eine Herausforderung für Produktionsunternehmen dar (Abele und Reinhart 2011). Weitere Chancen bietet der intensive Austausch zwischen Wirtschaft und Universitäten/Hochschulen (Tisch et al. 2014).

    2.

    Demografischer Wandel:

    Der demografische Wandel gewann in den vergangenen Jahren in Deutschland zunehmend an Bedeutung. Eine kontinuierlich steigende Lebenserwartung und die Auswirkungen einer niedrigen Geburtenrate sind hierfür kennzeichnend. Dies wirkt sich einerseits auf die Entwicklung der Bevölkerung im Erwerbsalter und damit auf den Mangel an jungen Fachkräften aus (Abele und Reinhart 2011). Insgesamt stehen Unternehmen damit vor der Herausforderung, auf eine alternde Belegschaft zu reagieren. In diesem Zusammenhang gewinnt der Aspekt des betrieblichen Gesundheitsmanagements zunehmend an Bedeutung. Aufgabe der Unternehmen ist es, die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten über die gesamte Lebensarbeitszeit auszubauen oder wenigstens zu erhalten. Ein bedeutendes Handlungsfeld bildet in diesem Zusammenhang die alter(n)sgerechte Arbeitsgestaltung. Dies ist bereits bei der Gestaltung von Produktions- bzw. Arbeitssystemen und damit im Rahmen Ganzheitlicher Produktionssysteme (VDI 2870-1 2012) zu berücksichtigen. Dazu sind Methoden und Werkzeuge der alter(n)sgerechten Arbeitsgestaltung in der Struktur der Ganzheitlichen Produktionssysteme zu verankern (Dombrowski et al. 2012, 2018b).

    3.

    Globalisierung:

    In den letzten Jahren verfestigten sich zunehmend die global verteilten Produktionsstrukturen (Abele und Reinhart 2011). Gründe für eine Verlagerung von Produktionsstandorten oder die Suche nach internationalen Lieferanten sind vielschichtig. Dies können bspw. Lohnkostenvorteile, die Nähe zu (neuen) Absatzmärkten oder der Zugang zu Innovationen und Ressourcen sein (Abele und Reinhart 2011; Kinkel und Maloca 2008). Meist gilt es bei einer global verteilten Produktion abzuwägen, inwieweit Kernkompetenzen geschützt werden müssen und Flexibilitäts-, Kosten- oder Qualitätseinbußen zu befürchten sind (Abele und Reinhart 2011). In der jüngeren Vergangenheit zwingen jedoch zunehmend mehr Länder zu entsprechenden Mindestproduktionsmengen (Krugman und Obstfeld 2009). Hier kann dann oft nur eine Verlagerung von Produktionsstandorten oder der Aufbau einer CKD-Fertigung verfolgt werden. Durch die globale Verteilung von Produktionsaktivitäten kommt es zu einer zunehmenden Komplexität und Schnittstellen (Abele und Reinhart 2011). Von besonderer Relevanz sind hierbei dementsprechend die Standardisierung von Entwicklungs- und Fertigungsprozessen, um ein unternehmensweites Qualitätsniveau sicherzustellen. Eine nicht zu unterschätzende Herausforderung im Zuge der Globalisierung ist die erforderliche Zusammenarbeit internationaler Beschäftigter (Abele und Reinhart 2011). Fremdsprachen, interkulturelle Kompetenzen und kontinuierliches Lernen werden für Beschäftigte in global agierenden Produktionsunternehmen wichtiger (Abele und Reinhart 2011). Auch führt die Globalisierung zu einem Wettbewerb zwischen den Unternehmen um hochqualifizierte Fachkräfte (Abele und Reinhart 2011).

    4.

    Klimawandel und Ressourcenverknappung:

    Zuletzt erhöhte sich unter anderem der weltweite Ausstoß an CO2 und führte zu einer kontinuierlichen Verstärkung des Treibhauseffektes und damit zu einer Veränderung des Klimas (vgl. Rothenbücher 2011). Aufgrund der umfassenden negativen Auswirkungen eines Klimawandels entwickelte das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMUB) im Jahr 2008 die „Deutsche mittelfristige Anpassungsstrategie an die Folgen des Klimawandels (Bundesregierung 2008). Ergänzend besteht der „Aktionsplan Anpassung mit dem Ziel, die Berücksichtigung der Klimawandelrisiken in den Unternehmensprozessen anzuregen (vgl. Nagel 2011). Mit dem so genannten Klimaschutzplan 2050 wird eine treibhausgasneutrale Zukunft Deutschlands angestrebt (Dombrowski et al. 2018a). Auch ist durch den zunehmenden globalen Ressourcenverbrauch die Verfügbarkeit von Energie und bestimmten Rohstoffen in der Zukunft nicht sicher (Fresner et al. 2014). Dies kann besonders prekär werden, wenn auf neue Technologien reagiert werden soll, die mit einem veränderten Bedarf an seltenen Rohstoffen einhergehen. Zusammenfassend ist festzuhalten: Der Ressourcen- und Energieverbrauch ist durch die produzierenden Industrieunternehmen umfassend zu reduzieren. Sowohl das Produkt als auch der Prozess haben energie- und ressourcenschonend zu sein. Bei (Weiter-)Entwicklungen sind demenstprechend Produkt- und Prozesstechnologien mit nachhaltigem Rohstoff- und Energieumgang zu fokussieren. In diesem Zusammenhang sind auch Möglichkeiten des Recyclings sowie der sekundären Rohstoffnutzung am Ende des Produktlebenszyklus auszuschöpfen (Neugebauer 2017; Abele und Reinhart 2011).

    5.

    Technologie und Innovation:

    Für viele Unternehmen ist die permanente Produkt- und Prozessinnovation zu einer zwangsläufigen Voraussetzung zum Auf- und Ausbau von Wettbewerbsvorteilen innerhalb eines turbulenten Unternehmensumfeldes geworden (Dombrowski et al. 2013). Zur Realisierung dieser Produkt- und Prozessinnovation sind spezifische Produkt- und Prozesstechnologien notwendig (Dombrowski et al. 2013). Zur Auswahl und (Weiter-)Entwicklung von Technologien ist ein systematisches Technologiemanagement erforderlich (Abele und Reinhart 2011). Dabei ist festzustellen, dass der Innovations- und Entwicklungsprozess in den vergangenen Jahren zunehmend komplexer wurde (Abele und Reinhart 2011) Dies hängt insbesondere mit der oft gestiegenen Produktkomplexität zusammen. Aufgrund der zunehmenden Individualisierung des Produktangebots und einer Internationalisierung des Wettbewerbs ist die technologische Innovationsgeschwindigkeit maßgeblich gestiegen. Einerseits resultiert eine gestiegene Vielfalt an Produktvarianten. Andererseits bestehen innovative Produkte aus einer weitaus stärkeren Zunahme elektronischer Komponenten und der zugehörigen „embedded software" (Mechatronik) (Eigner 2017). Weitergehend werden Methoden der Künstlichen Intelligenz bzw. des Maschinellen Lernens zunehmend wichtiger. Diese sind in der Lage, mithilfe spezifischer Lernprozesse Zusammenhänge in bestehenden Datensätzen zu erkennen, um darauf aufbauend Vorhersagen verschiedener Arten treffen zu können (Buxmann und Schmidt 2019). Eine besondere Herausforderung stellt hierbei die Etablierung von Prozessen und Vorgehensmodellen für die disziplinübergreifende Entwicklung von Produkten und Systemen dar (Eigner 2017). Denn in vielen Projekten sind zur Entwicklung innovativer Technologien viele Fachdisziplinen zu integrieren (Abele und Reinhart 2011). Dabei verändert sich auch die Situation am Arbeitsplatz durch ein erforderliches vernetztes Arbeiten an komplexen, multidisziplinären Systemen (Abele und Reinhart 2011). Dies hat Folgen für die Organisation der Produktentstehungsprozesse. Beispiele sind die Forschung und Entwicklung an mehreren Innovationszentren, um auf Veränderungen der heterogenen Märkte schnell reagieren zu können (Meyer-Krahmer 2003) oder die gestiegene Relevanz einer agilen Organisation (Baltes und Freyth 2017). Hierunter kann die Fähigkeit verstanden werden, sich schnell, flexibel und kontinuierlich an komplexe, dynamische und unsichere Umweltbedigungen anzupassen (Baltes und Freyth 2017). Eine besondere Unterstützung können hierbei Wertschöpfungspartnerschaften bieten, um den Megatrends zu begegnen (Abele und Reinhart 2011). Chancen bieten vor allem auch Kooperationen mit Dienstleistungsunternehmen, sodass technologische Produkte in Kombination mit unterstützendem Service angeboten werden (Abele und Reinhart 2011). Zusammenfassend zeigt sich immer wieder, dass Kooperationen zwischen Industrie und Wissenschaft für alle Beteiligte einen besonderen Mehrwert darstellen (Abele und Reinhart 2011).

    1.2 Die Produktion als Wettbewerbsfaktor

    U. Dombrowski und P. Krenkel

    Produktionsunternehmen sind dazu aufgefordert, ganzheitlich zu agieren, da der Wandel durch die Megatrends alle Bereiche des Unternehmens betrifft. Es ist notwendig, die eingeschlagenen strategischen Stoßrichtungen einzelner Bereiche stets im Einklang mit der übergeordneten Unternehmensstrategie zu treffen. Insgesamt ist festzustellen, dass es nicht mehr genügt, die Produktion nur anhand von kurzzyklischen Effektivitätszielen zu steuern und anzupassen (Samson 1991; Bellgran und Säfsten 2010; Skinner 1986). Zusätzlich wird die Relevanz der Produktion für die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens und damit für langfristige strategische Entscheidungen innerhalb der Produktion deutlich. Die Produktion ist ein strategischer Wettbewerbsfaktor, durch den sich Unternehmen von den Wettbewerbern differenzieren können (Waltl und Wildemann 2014; Blecker und Kaluza 2004; Foschiani 1995).

    Um den speziellen Anforderungen, die dieses strategische Produktionsmanagement mit sich bringt, gerecht zu werden, ist ein zielorientiertes ganzheitliches Produktionsmanagement notwendig. Zu berücksichtigen sind dabei das strategische, taktische und operative Produktionsmanagement.

    Die Abb. 1.3 zeigt, wie sich die Relevanz der industriellen Produktionsprozesse in den vergangenen dreißig Jahren erheblich verändert hat. In den siebziger Jahren hatten die Produktionsprozesse aus strategischer Sicht ein geringeres Gewicht in der Gesamtstrategie des Unternehmens. Der Produktionsprozess musste laufen und wurde im Wesentlichen als Kostenverursacher betrachtet. In den achtziger Jahren, angeregt durch die Erfolge japanischer Unternehmen, wurden Wettbewerbsvorteile durch eine innovative Produktionsorganisation gesucht. Es wurden Konzepte wie Simultaneous Engineering, Just in Time, Gruppenarbeit oder kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) in der Praxis umgesetzt. Darüber hinaus wurde die strategische Bedeutung der Produktion langsam bewusst und daher zunehmend als strategischer Erfolgsfaktor erkannt und zielgerichtet entwickelt. Durch die Förderung einer prozessorientierten Sichtweise setzte sich dieser Trend in den neunziger Jahren fort. Diese Entwicklung wurde durch eine wachsende Tendenz zur Ressourcenorientierung in Unternehmen unterstützt. Hierbei werden in Unternehmen einzigartige, strategisch wertvolle Ressourcen entwickelt, die ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber dem Wettbewerb darstellen. So hatte zum Beispiel der Einrichtungskonzern IKEA einen wesentlichen Erfolgsfaktor generiert, als sie zerlegbare Möbel konstruierten, die in flachen Kartons für jedermann transportierbar waren. Auf diese Weise werden Ressourcen zu strategisch wertvollen Erfolgsfaktoren entwickelt.

    ../images/461302_1_De_1_Chapter/461302_1_De_1_Fig3_HTML.png

    Abb. 1.3

    Entwicklungslinie der Produktionsstrategischen Zielsetzungen nach (Schneider 2000)

    Das derzeitige Jahrtausend ist durch eine fortschreitende Internationalisierung gekennzeichnet, die eine prozessorientierte Organisation über die bestehenden Unternehmensgrenzen hinweg erfordert. Außerdem wird der Produktionsbegriff heutzutage so definiert, dass neben den direkten Fertigungsprozessen auch die vor- und nachgelagerten indirekten Produktionsabläufe integriert sind.

    Die Produktionsunternehmen erleben momentan einen tiefgreifenden Wandel. Dieser wird durch zwei wesentliche Eigenschaften charakterisiert, die wie Druck- und Zugkräfte auf die Produktion wirken und neue Herausforderungen an das Unternehmen stellen, wie in Abb. 1.4 dargestellt ist. Zurzeit stellen Marktveränderungen größere und neue Herausforderungen an die Produktion. Diese Marktveränderungen sind durch stärkere Nachfragedifferenzierungen, kürzere Produktlebenszyklen, wachsende Kundenanforderungen und einem zunehmenden internationalen Wettbewerb geprägt. Die Produktion soll jedoch ihrer neuen strategischen Rolle bei der Gewinnung und Sicherung von Wettbewerbsvorteilen gerecht werden und sich vor allem schnell an Marktbedingungen und Kundenanforderungen anpassen. Aufgrund der zunehmenden Verlagerung des Wettbewerbs auf Leistungen vor und nach dem Herstellungsprozess sind neue Kompetenzen gefragt. Diese Kompetenzen in Form von Beratungen und Dienstleistungen bezüglich Design, Konstruktion, Einsatz von Produkten, Reorganisation und Automatisierung von Prozessen sowie in Form von Beratung bei der Einführung eines Umweltmanagements sollen eine bessere Kundenorientierung und Kundenbindung ermöglichen. Während die Marktveränderungen die Produktion zwingen neue Wege zu gehen, liefert der technische Fortschritt durch die Mikroelektronik sowie die Informations- und Kommunikationstechnik Mittel zur Bewältigung dieser Wege. Darüber hinaus wirken die Druck- und Zugkräfte im Wandel der Produktion gemeinsam und selbstverstärkend (Zahn und Huber-Hoffmann 1990).

    ../images/461302_1_De_1_Chapter/461302_1_De_1_Fig4_HTML.png

    Abb. 1.4

    Druck- und Zugkräfte im Wandel der Produktion (Zahn und Huber-Hoffmann 1990)

    Literatur

    Abele E, Reinhart G (2011) Zukunft der Produktion: Herausforderungen, Forschungsfelder, Chancen. Carl Hanser, München

    Aburdene P (2007) Megatrends 2010: the rise of conscious capitalism. Hampton Roads Pub Co Inc, Charlottesville

    Amlan R et al (2010) Megatrends: demographics. Credit Suisse, Zürich, S 1–50

    Baltes G, Freyth A (2017) Die radikal neuen Anforderungen unserer Zeit und die Konsequenz für Veränderungsarbeit. In: Baltes G, Freyth A (Hrsg) Veränderungsintelligenz: Agiler, innovativer, unternehmerischer den Wande unserer Zeit meistern. Springer Gabler, Wiesbaden

    Bellgran M, Säfsten K (2010) Production development: design and operation of production systems. Springer, London

    Blecker T, Kaluza B (2004) Produktionsstrategien – ein vernachlässigtes Forschungsgebiet? In: Braßler A, Corsten H (Hrsg) Entwicklungen im Produktionsmanagement. Franz Vahlen, München, S 5–21

    Bullinger H-J (2012) Leben und Arbeiten in der Stadt von morgen. Max-Syrbe-Kolloquium – Anthropomatik und Automatisierung Fraunhofer Gesellschaft, Karlsruhe

    Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, (BMU) (2008) Megatrends der Nachhaltigkeit: Unternehmensstrategie neu denken. s.n, Berlin, S 8–10

    Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMU) (2011) Erneuerbare Energien: Innovationen für eine nachhaltige Energiezukunft. s.n, Berlin, S 9–14

    Bundesregierung (2008) Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel. Vom Bundeskabinett am 17. Dezember 2008 beschlossen. s.n., Berlin

    Buxmann P, Schmidt H (2019) Grundlagen der Künstlichen Intelligenz und des Maschinellen Lernens. In: Buxmann P, Schmidt H (Hrsg) Künstlichen Intelligenz: Mit Algorithmen zum wirtschaftlichen Erfolg. Springer Gabler, Berlin

    Dombrowski U, Hellmich E-M, Mielke T (2012) Alter(n)sgerechte Arbeitsgestaltung mit Ganzheitlichen Produktionssystemen. ZWF 107(12):944–948

    Dombrowski U, Krenkel P, Ebentreich D (2013) Erfolgsfaktoren zur strategischen Anpassungsfähigkeit. ZWF 108(11):860–863

    Dombrowski U, Krenkel P, Ebentreich E (2014) Adaptability within a variant serial production. In: ElMaraghy H (Hrsg) Variety management in manufacturing: proceedings of the 47th CIRP conference on manufacturing systems. Elsevier, Windsor, S 124–129

    Dombrowski U, Intra C, Zahn T, Krenkel P (2016) Manufacturing strategy – a neglected success factor for improving competitiveness. In: Research and innovation in manufacturing: key enabling technologies for the factories of the future – proceedings of the 48th CIRP conference on manufacturing systems, Bd 41. Ischia, Italy, S 9–14

    Dombrowski U et al (2018a) Einleitung. In: Dombrowski U, Marx S (Hrsg) KlimaIng – Planung Klimagerechter Fabriken. Springer, Berlin

    Dombrowski U, Reimer A, Wullbrandt J (2018b) An approach for the integration of non-ergonomic work design as a new type of waste in lean production systems. In: Nunes IL (Hrsg) Advances in human factors and systems interaction: proceedings of the AHFE 2017 international conference on human factors and system interactions reimer. Springer International Publishing, Florida, S 9–19

    Eigner M (2017) Ausgangsituation. In: Eigner M, Koch W, Muggeo C (Hrsg) Modellbasierter Entwicklungsprozess cybertronischer Systeme: Der PLM-unterstützte Referenzentwicklungsprozess für Produkte und Produktionssysteme. Springer, Berlin

    ElMaraghy H et al (2013) Product variety management. CIRP Ann Manuf Technol 62(2):629–652

    Foschiani S (1995) Strategisches Produktionsmanagement: Ein Modellsystem zur Unterstützung produktionsstrategischer Entscheidungen. Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main

    Freibichler W (2006) Competitive Manufacturing Intelligence: Systematische Wettbewerbsanalyse zur Entscheidungsunterstützung im strategischen Produktionsmanagement der Automobilindustrie, 1. Aufl. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden

    Fresner J, Bürki T, Sittel H (2014) Ressourceneffizienz in der Produktion: Kosten senken durch Cleaner Production. Symposium Publishing GmbH, Düsseldorf

    Friedli T (2006) Technologiemanagement: Modelle zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit. Springer, Berlin

    Gagnon S (1999) Resource-based competition and the new operations strategy. Int J Oper Prod Manag 19(2):125–138

    Gerster F et al (2008) Arbeitswelt 2030. Stabsabteilung, Friedrich Ebert Stiftung, Bonn, S 1–30

    Hay Group (2011) Building the new leader: leadership challenges of the future revealed. Hay Group, Philadelphia, S 1–11

    Heß W (2008) Ein Blick in die Zukunft acht Megatrends, die Wirtschaft und Gesellschaft verändern. Allianz Dresdner Economic Research, München, S 1–30

    Hill TJ (1992) Incorporating manufacturing perspectives in corporate strategy. In: Voss CA (Hrsg) Manufacturing strategy: process and content. Chapman & Hall, London, S 3–12

    Horx M (2011) Das Megatrend-Prinzip – Wie die Welt von morgen entsteht. Deutsche Verlags-Anstalt, München

    IBM Deutschland GmbH (2012) Führen durch Vernetzung: Ergebnisse der Global Chief Executive Officer (CEO) Study. IBM Corporation, New York, S 44

    International Energy Agency (IEA) (2012) World Energy Outlook 2012: Zusammenfassung. OECE/AIE, Paris, S 1

    Kalkbreier L et al (2009) Megatrends: sustainability. Credit Suisse AG, Zürich, S 1–30

    Keating G et al (2010) Megatrends: multipolar world. Credit Suisse AG, Zürich, S 1–54

    Kinkel S, Maloca S (2008) FuE-Verlagerungen ins Ausland – Ausverkauf deutscher Enwticklungskompetenz? Fraunhofe-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe

    Knauth P, Elmerich K, Karl D (2009) Risikofaktor demografischer Wandel. Generationsvielfalt als Unternehmensstrategie. Symposion Publishing GmbH, Düsseldorf, S 18

    Krebs M et al (2011) Standardisierung im wandlungsfähigen Produktionssystem Einfluss der Prozess- und Ressourcenstandardisierung auf die Wandlungsfähigkeit. ZWF 106(12):912–917

    Krugman PR, Obstfeld M (2009) Internationale Wirtschaft: Theorie und Politik der Außenwirtschaft, 8. Aufl. Pearson, München

    Meyer-Krahmer F (2003) Lead-Märkte und Innovationsstandorte. In: Warnecke H-J, Bullinger H-J (Hrsg) Kunststück Innovation: Praxisbeispiele aus der Fraunhofer-Gesellschaft. Springer, Berlin

    Moos C (2009) Komplexität, Flexibilität und Erfolg als Herausforderungen marktorientierter Fertigungsstrategien. In: Strohhecker J, Größler A (Hrsg) Strategisches und operatives Produktivitätsmanagement: Empirie und Simulation, 1. Aufl. Gabler, Wiesbaden, S 47–70

    Nagel A (2011) Der Aktionsplan Anpassung zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel. Wasser Abfall 13(7–8):10–13

    Naisbitt J, Aburdene P (1990) Megatrends 2000 – Zehn Perspektiven für den Weg ins nächste Jahrtausend. ECON, Düsseldorf

    Neugebauer R (2017) Ressourceneffizienz: Schlüsseltechnologien für Wirtschaft und Gesellschaft. Springer, Berlin

    PricewaterhouseCoopers LLP (2007) Managing tomorrow’s people: the future of work to 2020. s.n, London, S 1–34

    Roland Berger Strategy Consultants GmbH (2011) Trend compendium 2030. Roland Berger Strategy Consultants GmbH, München, S 1–145

    Rothenbücher T (2011) Globaler Klimawandel. Ursachen, Folgen, Handlungsmöglichkeiten, 3., überarb. Aufl., Neuaufl. Aufl. Germanwatch, Bonn/Berlin

    Samson D (1991) Manufacturing and operations strategy. Prentice Hall, New York

    Schneider H (2000) Produktionsmanagement in kleinen und mittleren Unternehmen. Schäffer-Poeschel, Stuttgart

    Siemens Schweiz AG (2007) Globale Megatrends und ihre Wachstumschancen: Die Welt von morgen gemeinsam gestalten. Siemens Schweiz AG, Zürich, S 1–27

    Skinner W (1986) The productivity paradox. Harv Bus Rev 64(4):55–59

    Statistisches Bundesamt, Stat (2020) Bruttoinlandsprodukt, Rechenstand: 25.02.2020. s.n, Wiesbaden

    Stowasser S, Jeske T (2015) Arbeitswelt der Zukunft. In: Schlick C (Hrsg) Arbeit in der digitalisierten Welt. Beiträge der Fachtagung des BMBF. Campus, Frankfurt am Main

    Szebel Habig A (2010) Was passiert in unserer globalisierten Welt? Megatrends in der Arbeitswelt. Kongress Mixed Leadership: mit hochqualifizierten Frauen in die Führung. Hochschule Luzern, Luzern, S 1–35

    Tisch M et al (2014) Innovative Ansätze zur Kompetenzentwicklung für die Produktion der Zukunft. ZWF 109(9):587–590

    United Nations: Department of Economic and Social Affairs: Population Division (2011) World population prospects: the 2010 revision. United Nations, New York, S 11 (Bd I: Comprehensive Tables)

    VDI 2870-1 (2012) VDI 2870-1: Ganzheitliche Produktionssysteme – Grundlagen, Einführung und Bewertung. VDI – Verein Deutscher Ingenieure e.V./Beuth, Berlin

    Voss CA (1992) Manufacturing strategy formulation as a process. In: Manufacturing strategy: process and content, 1. Aufl. Chapman & Hall, London, S 121–132

    Waltl H, Wildemann H (2014) Modularisierung in der Produktion in der Automobilindustrie. TCW Transfer-Centrum GmbH & Co. KG, München

    Westkämper E, Löffler C (2016) Strategien der Produktion. Technologien, Konzepte und Wege in die Praxis, 1. Aufl. Springer, Berlin

    Zahn E, Huber-Hoffmann M (1990) Die Produktion als Wettbewerbskraft. In: Bullinger H-J (Hrsg) Produktionsmanagement im Spannungsfeld zwischen Markt und Technologie. Gesellschaft für Management und Technologie, München, S 133–155

    Zahn E, Westkämper E (2009) Wandlungsfähige Produktion: Das Stuttgarter Unternehmensmodell. Springer, Berlin

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021

    U. Dombrowski, P. Krenkel (Hrsg.)Ganzheitliches Produktionsmanagementhttps://doi.org/10.1007/978-3-662-62452-4_2

    2. Strategisches Produktionsmanagement

    U. Dombrowski¹, P. Krenkel²   und C. Löffler³

    (1)

    Institut für Fabrikbetriebslehre und Unternehmensforschung (IFU), Technische Universität Braunschweig, Braunschweig, Deutschland

    (2)

    HOFFMANN Maschinen- und Apparatebau GmbH, Lengede, Deutschland

    (3)

    Stuttgart, Deutschland

    Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dombrowski, U.

    nach 12-jähriger Tätigkeit in leitenden Positionen der Medizintechnik- und Automobilbranche erfolgte 2000 die Berufung zum Universitätsprofessor an die Technische Universität Braunschweig und die Ernennung zum Geschäftsführenden Leiter des Instituts für Fabrikbetriebslehre und Unternehmensforschung (IFU). Diese Position bekleidete er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2019.

    Dr.-Ing. Krenkel, P.

    begann nach seinem Maschinenbaustudium zunächst als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Fabrikbetriebslehre und Unternehmensforschung (IFU) der Technischen Universität Braunschweig. Anschließend war er dort Akademischer Rat und Stellvertretender Geschäftsführender Leiter. Seit 2019 ist er Technischer Leiter und Mitglied der Geschäftsleitung der Firma HOFFMANN Maschinen- und Apparatebau GmbH.

    Dr.-Ing. Löffler, C.

    promovierte nach ihrem Maschinenbaustudium an der Universität Stuttgart mit Auszeichnung auf dem Gebiet der strategischen Produktionsstrukturplanung. Nach Funktionen in der Planung für Auslandsproduktionen und in der strategischen Produktionsentwicklung wechselte sie in die Instandhaltung und verantwortet diese für die Montage Taycan bei der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG in Stuttgart.

    Grundlegende Ziele der strategischen Ausrichtung eines Unternehmens sind die Schaffung von Erfolgspotenzialen und die Erhaltung bzw. Schaffung der Wettbewerbsfähigkeit. Wirtschaftlicher Wettbewerb besteht dann, wenn Marktteilnehmer unabhängig voneinander ökonomische Ziele verfolgen, nach denen andere Marktteilnehmer ebenfalls streben. Damit werden die Erfolge des einen zur Last des anderen. Die konkurrierenden Wettbewerber kämpfen somit um Vorteile am Markt bzw. um Ressourcen, Kunden, Umsatzzuwächse, Marktanteile, Renditen etc. (Westkämper et al. 2013).

    Von entscheidender Bedeutung ist dabei das Produkt- oder Dienstleistungsangebot. Der Kunde muss den Mehrwert der Produkteigenschaft wahrnehmen. Idealerweise sollte die Produkteigenschaft, die einen Wettbewerbsvorteil ausmacht, langfristig und von Wettbewerbern nur schwer imitierbar sein (Gronau und Lindemann 2010). Aus Sicht des Produktionsmanagements ist es wichtig, zusätzlich zu den Produkteigenschaften, die Wettbewerbsfähigkeit der Wertschöpfung zu berücksichtigen (Porter 2014). Wie das vorherige Kapitel zeigt, hat die Komplexität für produzierende Unternehmen in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Sinkende Losgrößen durch kundenindividuelle und länderspezifische Produkte, kürzer werdende Produktlebenszyklen und ein zunehmender internationaler Wettbewerb sind nur einige Folgen, die daraus resultierten. Es genügt nicht mehr, die Produktion nur anhand von kurzzyklischen Effektivitätszielen zu steuern und anzupassen (Skinner 1986; Samson 1991; Bellgran und Säfsten 2010). Die Produktion ist ein strategischer Wettbewerbsfaktor, durch den sich Unternehmen von den Wettbewerbern differenzieren können (Foschiani 1995; Blecker und Kaluza 2004; Waltl und Wildemann 2014). Um den speziellen Anforderungen gerecht zu werden, ist ein strategisches Produktionsmanagement notwendig. Das Kapitel 2 soll die Aufgaben dieses strategischen Produktionsmanagements näher beleuchten. Dazu wird in Abschn. 2.1 zunächst das Produktionsmanagement im Allgemeinen betrachtet. In Abschn. 2.2 wird der Prozess zur Entwicklung einer Produktionsstrategie beschrieben. Darauffolgend werden in Abschn. 2.3 die unterschiedlichen allgemeinen Produktionsstrategien erläutert. Abschließend wird in Abschn. 2.4 ein Einblick in die praxisgerechte Entwicklung und Umsetzung einer Produktionsstrategie gegeben.

    2.1 Produktionsmanagement

    U. Dombrowski und P. Krenkel

    Die unterschiedlichen Definitionen und Beschreibungen der Produktion machen es erforderlich, die Verwendung des Begriffs in diesem Buch näher zu beschreiben. Dies erfolgt im Allgemeinen zunächst in Abschn. 2.1.1. Aufbauend darauf wird in Abschn. 2.1.2 das allgemeine Management von Produktionsprozessen erläutert.

    2.1.1 Die Produktion

    In der Literatur sind unterschiedliche Ausprägungen des Produktionsbegriffes zu finden. Die industrielle Produktion ist nach Westkämper im Allgemeinen ein „Transformationsprozess, bei dem aus natürlichen Ressourcen unter Verwendung von Wissen in Fabriken höherwertige Produkte erzeugt werden, für die es eine Nachfrage in Haushalten und in Industriebetrieben gibt" (Westkämper und Löffler 2016). Detaillierter definiert die CIRP (Internationale Forschungsgemeinschaft: franz. College International pour la Recherche en Productique) die Produktion: Demnach stellt sie „die Gesamtheit wirtschaftlicher, technologischer und organisatorischer Maßnahmen, die unmittelbar mit der Be- und Verarbeitung von Stoffen zusammenhängen, das heißt alle Funktionen und Tätigkeiten, die unmittelbar an der Güterherstellung beteiligt sind, als Produktion dar" (CIRP 2004). Die industrielle Produktion beschränkt sich damit auf die Herstellung von Sachgütern, das heißt materielle, stofflich greifbare Outputgüter (Steven 2007). Die grundsätzliche Aufgabe dieses Produktionsprozesses ist die Umwandlung von materiellen und nicht materiellen Inputgütern in wertgesteigerte materielle, stofflich greifbare Outputgüter (Wiendahl 2014; Warnecke et al. 2010). Demnach ist Produktion das Mittel zur Leistungserstellung basierend auf den Elementarfaktoren menschliche Arbeitsleistung, Werkstoffe und Fertigungsmittel, die durch die derivativen Faktoren Planung und Organisation begleitet werden (Gutenberg 1983) (Abb. 2.1).

    ../images/461302_1_De_2_Chapter/461302_1_De_2_Fig1_HTML.png

    Abb. 2.1

    Produktion als Wertschöpfungsprozess nach (Wiendahl 2014)

    Wird der Oberbegriff Produktion weiter detailliert, ergibt sich die in Abb. 2.2 dargestellte Einordnung der Produktion in einem allgemeinen Industrie- bzw. Fabrikbetrieb nach Dombrowski. Die nach Dombrowski zur Produktion gehörenden Teilprozesse Produktentstehungsprozess und Auftragsabwicklungsprozess sind in der Abb. 2.2 grau hinterlegt.

    ../images/461302_1_De_2_Chapter/461302_1_De_2_Fig2_HTML.png

    Abb. 2.2

    Abgrenzung des Produktionsbegriffes

    Demnach sind die Entwicklung und Konstruktion, die Arbeitsvorbereitung, die Produktionsplanung (und -steuerung) sowie der Einkauf und die Fertigung Teilbereiche der Produktion, das heißt dem Wertschöpfungsprozess eines Industriebetriebes zuzuordnen. Ergänzend lassen sich Unterstützungsprozesse definieren, die sich über alle übrigen Prozesse erstrecken und gewissermaßen Dienstleistungen für die Geschäftsprozesse zur Verfügung stellen. Diese Führungs- und Unterstützungsprozesse sind:

    Rechnungswesen und Controlling

    Finanzierung und Investition

    Managementsysteme und Methoden (insbesondere Qualitäts- und Umweltmanagement)

    Personalmanagement

    Forschung

    Logistik

    Damit ermöglicht dieses Referenzmodell für einen Produktionsbetrieb eine integrierte Sicht auf die idealtypischen Prozesse und Bereiche eines Industriebetriebs der Fertigungstechnik.

    Im Folgenden werden die einzelnen Teilprozesse der Produktion näher erläutert.

    Der Ausgangspunkt des Produktionsprozesses ist die Entwicklung und Konstruktion. Aufgabe dieses Bereiches ist die Festlegung der Produkteigenschaften ausgehend von externen oder internen Produktanforderungen (Westkämper und Schloske 2011). Dies erfolgt häufig nach einer Marktstudie, die den Kundenbedarf analysiert. Hieraus werden für das Produkt die entsprechenden „Funktionen, die Anforderungen, die Qualität, der Preis und sonstige Rahmenbedingungen definiert (Warnecke et al. 2010). Ziel ist, ein „fertigungs- und verkaufsfähiges Produkt (Westkämper und Schloske 2011) zu entwickeln, das möglichst langfristig zu wettbewerbsfähigen Preisen und mit Gewinn am Markt angeboten werden kann (Ehrlenspiel 2009).

    Die Arbeitsplanung arbeitet basierend auf diesen Produktspezifikationen die auftragsneutralen Fertigungsunterlagen aus (Westkämper und Schloske 2011; Eversheim 1997). Die Arbeitsplanung gestaltet und plant damit „den Inhalt und die Einzelprozesse der Fertigung" (Eversheim 1997) und bestimmt damit, was, wie und womit zu produzieren ist (Eversheim 1997; Westkämper und Schloske 2011).

    Basierend auf diesen auftragsneutralen Fertigungsunterlagen werden in der Produktionsplanung (und -steuerung) die konkreten Fertigungsaufträge generiert. Die Kundenaufträge werden damit in der Fertigung eingebunden und die Fertigungsprozesse entsprechend der Fertigungsmenge und -termine ausgelastet (Westkämper und Schloske 2011). Hierbei soll die Arbeitssteuerung einen „störungsfreien Informations- und Materialfluss" innerhalb der Fertigung gewährleisten (Warnecke et al. 2010).

    Von zentraler Bedeutung innerhalb des Produktionsprozesses ist die Fertigung bzw. sind die darin ausgeführten Fertigungsverfahren. Diese haben die Aufgabe, die zuvor entwickelten „Werkstücke mit definierter geometrischer Gestalt und vorgegebenen Eigenschaften herzustellen" (Warnecke et al. 2010). Nach DIN 8508 werden diese Fertigungsverfahren in die sechs Hauptgruppen „Urformen, „Umformen, „Trennen, „Fügen, „Beschichten und „Stoffeigenschaft ändern eingeteilt (DIN 8580 2003). Vereinfacht wird im Folgenden die Abfolge der zur Produktherstellung notwendigen Fertigungsverfahren als Fertigungsprozesse beschrieben. Zur Ausführung dieser Fertigungsprozesse sind, wie in Abb. 2.1 dargestellt, unter anderem Menschen bzw. Personal, Fertigungsmittel, Material und Energie sowie Informationen notwendig. Im Zusammenhang mit den in dieser Arbeit betrachteten Fertigungsprozessen stehen vor allem Fertigungsmittel im Zentrum des Interesses. Nach Eversheim können Fertigungsmittel beispielsweise maschinelle Anlagen, Werkzeugmaschinen, Werkzeuge, Vorrichtungen, Modelle oder Formen sein (Eversheim 1997).

    2.1.2 Management der Produktionsprozesse

    Zur Herstellung von Gütern ist es erforderlich, die Prozesse sowie Ressourcen und Fähigkeiten der Produktion zu planen, zu überwachen und zielorientiert zu steuern. Unter Ressourcen und Fähigkeiten werden im Umfeld der Produktion insbesondere physische (zum Beispiel Maschinen, Anlagen, Informationstechnik) und immaterielle Vermögenswerte (zum Beispiel Patente und Lizenzen), aber auch im Unternehmen vorhandene (Kern-)Kompetenzen und organisationale Prozesse verstanden. Damit berücksichtigen die Ressourcen und Fähigkeiten auch wettbewerbswirksame Strukturen zur Koordination und Organisation von Mitarbeitern sowie die konkrete Anwendung von Wissen und anderen praktischen Fähigkeiten (Grant 1991; Barney 1991; Dutta et al. 2005; Sammerl 2006; Schulte-Gehrmann et al. 2011). Die Ressourcen und Fähigkeiten sollen dabei so gestaltet werden, dass „Produkte und Dienste (…) in der erforderlichen Menge und Qualität zum festgelegten Zeitpunkt unter geringstem Kosten- und Kapitalaufwand" hergestellt werden können (Schuh und Schmidt 2014). Hierfür dient das Produktionsmanagement, das sich mit der zielkonformen Durchsetzung von Maßnahmen im Bereich der Leistungserstellung eines Unternehmens beschäftigt (Zäpfel 2000; Schuh und Schmidt 2014).

    Dies wird durch das Produktionsmanagement beschrieben, das sich nach Zäpfel mit der „Willensbildung und -durchsetzung im Bereich der Leistungserstellung eines Unternehmens" beschäftigt, um Sachgüter und Dienstleistungen zu erstellen sowie menschliche Bedürfnisse zu befriedigen (Zäpfel 2000). Nach Schuh wird durch das Produktionsmanagement die „zielkonforme Gestaltung und Lenkung der Transformationsprozesse" erreicht (Schuh und Schmidt 2014).

    Diesen Prozess stellt der Regelkreis des Produktionsmanagements von Zäpfel in Abb. 2.3 dar. Die Stellgrößen des Produktionsmanagements (zum Beispiel Produktionsziele und Planvorgaben) und der Input an Elementarfaktoren (menschliche Arbeitsleistung, Betriebsmittel und Werkstoffe), die die Auslöser zur Realisierung eines Fertigungsgeschehens im Produktionssystem darstellen, sind mit einem Pfeil von links nach rechts abgebildet. Output dieses Produktionssystems sind die Leistungen, die am Markt verwertbaren Produkte und die damit korrespondierenden Rückmeldegrößen/-informationen. Diese Rückmeldegrößen werden als Ist-Werte mit den Soll-Werten der Führungsgröße verglichen. Darüber hinaus sind Abweichungen zu identifizieren und es werden neue Stellgrößen definiert, die ein erneutes Durchlaufen des Regelkreises anstoßen. Das übergeordnete Produktionsmanagement – der Regler – umfasst die Prozesse zur zielorientierten Gestaltung und Lenkung des gesamten Produktionssystems (Zäpfel 2000; Schuh und Schmidt 2014).

    ../images/461302_1_De_2_Chapter/461302_1_De_2_Fig3_HTML.png

    Abb. 2.3

    Regelkreis des Produktionsmanagements (Zäpfel 2000)

    Das grundlegende Ziel des Produktionsmanagements ist die Herstellung bestimmter Erzeugnisse zu minimalen Kosten bei entsprechender Qualität und Termineinhaltung (Schuh und Schmidt 2014). Die Konkretisierung dieser Ziele leitet sich aus dem übergeordneten strategischen Produktionsmanagement ab. Diese strategische Stoßrichtung wird durch das operative Produktionsmanagement konkretisiert und die operative Umsetzung der Produktionsstrategie erfolgt.

    Durch die Einteilung des Produktionsmanagements in das strategische und operative Produktionsmanagement ergibt sich eine Differenzierung nach der Reichweite von Entscheidungen und der Dauer der Auswirkungen. In den folgenden Kapiteln wird die hierarchische Struktur des Produktionsmanagements, die sich in das strategische und operative Produktionsmanagement aufteilt, näher beschrieben.

    Strategisches Produktionsmanagement

    Der Begriff Strategie stammt aus dem Griechischen: „stratrós (Heer) und „ágein (führen), was zusammen „strategos" (Kriegskunst, Feldherrnkunst oder Heeresführung) bedeutet (Corsten 2012; Paul und Wollny 2014; Hungenberg 2014). Der ursprüngliche Grund für die Betrachtung einer Strategie bestand vor allem in der Notwendigkeit eines strukturierten Vorgehens zur Planung und Organisation kriegerischer Auseinandersetzungen (Paul und Wollny 2014). Die Strategie wurde dabei nur den Obersten eines Heeres zugesprochen. In den 1940er-Jahren wurde der Begriff Strategie im Rahmen der Spieltheorie von Neumann und Morgenstern im Jahre 1944 erstmals im betriebswirtschaftlichen Zusammenhang betrachtet. Weiterhin wurde die Entwicklung des Strategiebegriffes maßgeblich von den Autoren Chandler, Ansoff und Andrews geprägt (vgl. Paul und Wollny 2014). Es ist zudem eine Unterscheidung zwischen der Strategie im Rahmen der Spieltheorie und der Strategie im unternehmerischen Kontext vorzunehmen. Im Gegensatz zur Spieltheorie, die klare Regeln vorgibt und einen eindeutigen Rahmen absteckt, ist das unternehmerische Umfeld nicht so eindeutig abgegrenzt (Corsten 2012). Dieser Umstand verlangte nach einem klareren Verständnis der Strategie im unternehmerischen Umfeld. Weiterhin erkannten in den 1970er-Jahren viele Unternehmen, dass konventionelle Strategien und Konzepte den zunehmenden Herausforderungen einer turbulenter werdenden Umwelt nicht mehr gerecht wurden (Paul und Wollny 2014). In den Folgejahren und bis zum heutigen Zeitpunkt umfassen Unternehmensstrategien daher immer mehr Aspekte, vor allem hinsichtlich neuer Wettbewerber, Ressourcen, Kompetenzen und Technologien (Paul und Wollny 2014).

    „Die Unternehmensstrategie ist die Gesamtheit aller Maßnahmen, die einen wesentlichen Einfluss auf den Ausgang des Wettbewerbs haben. Sie umfasst die Gesamtheit von Methoden, Handlungshilfen und Einstellungen, mit denen eine Unternehmung (…) Wettbewerbsvorteile erzielen und ihren Wert nachhaltig erhöhen kann." (Gronau und Lindemann 2010)

    Diese Definition zeigt, dass Unternehmensstrategien vorwiegend das Ziel verfolgen, die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu schaffen und zu sichern. Um dieses Ziel zu erreichen, können unterschiedlichste Maßnahmen ergriffen werden, um letztlich den Wert des Unternehmens nachhaltig zu steigern. Einen wesentlichen Einfluss hierauf hat die Produktionsstrategie bzw. das Produktionsmanagement, durch das die produktionsstrategischen Ziele verfolgt werden.

    Das strategische Produktionsmanagement ist dabei hierarchisch am höchsten angesiedelt und hat die Aufgabe, die Wettbewerbsfähigkeit der Produktion zu sichern und auszubauen (Zäpfel 2000; Corsten 2012). Dazu besitzt die Identifikation künftiger Trends, Perspektiven und Handlungsfelder einen großen Einfluss auf die Schaffung von Wettbewerbsvorteilen (REFA 2016). Basierend darauf muss das strategische Produktionsmanagement entsprechende interne und externe Analysen durchführen, um die Position im Wettbewerb zu identifizieren und strategische Ziele festzulegen, die in einer agilen Produktionsstrategie resultieren. Produzierende Unternehmen müssen sich aufgrund häufiger und plötzlicher Umweltveränderungen reaktionsfähig und flexibel zeigen. Diesen Anforderungen gerecht zu werden, ist von zentraler Bedeutung und stellt das strategische Produktionsmanagement vor große Herausforderungen (Spath et al. 2013; Westkämper und Löffler 2016).

    „Das strategische Produktionsmanagement beobachtet die Umwelt des Produktionssystems, antizipiert relevante Veränderungstreiber, stößt die Anpassung der Organisation auf veränderte (Umwelt-)Rahmenbedingungen an und gestaltet somit die strategische Ausrichtung des Unternehmens auf Basis der im normativen Produktionsmanagement definierten Ziele, Prinzipien und Normen." (Schuh und Schmidt 2014)

    Die genannten Aufgaben des strategischen Produktionsmanagements zur Analyse der Umwelt und zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit äußern sich in unterschiedlichen Handlungsfeldern. Dabei münden alle Erkenntnisse aus den unterschiedlichen Handlungsfeldern des strategischen Produktionsmanagements letztendlich in der Ausarbeitung und Formulierung einer Produktionsstrategie. Sie ist das wesentliche Ziel des strategischen Produktionsmanagements, denn in ihr werden alle Resultate aus unterschiedlichsten Analysen in Bezug auf das unternehmerische Umfeld berücksichtigt und in einer zur Unternehmensstrategie konsistenten Produktionsstrategie vereint (Zäpfel 2000; Lebefromm 2003; Schuh und Klappert 2011)

    Ein wichtiger Aspekt ist, dass das strategische Produktionsmanagement Teil der Unternehmensstrategie sein muss und dementsprechend stets im Zusammenhang mit dem Unternehmensmanagement zu sehen ist. Die Ausrichtung der Produktionsstrategie muss daher konsistent zu anderen Bereichsstrategien des Unternehmens sein und letztlich im Einklang mit den normativen Vorgaben und der übergeordneten Unternehmensstrategie stehen (Zäpfel 2000; Friedli und Schuh 2012; Schuh und Schmidt 2014).

    Operatives Produktionsmanagement

    Das strategische Produktionsmanagement bildet den Rahmen für das operative Produktionsmanagement, das in erster Linie die Funktion besitzt, laufende Anpassungsentscheidungen zu treffen. Damit weist das operative Produktionsmanagement, dessen Aufgaben von Führungskräften der unteren Führungsebenen durchgeführt werden, einen kurzfristigen Bezug auf. Die Aufgaben beinhalten die Planung von Fertigungslosgrößen und Bestellmengen oder den Personaleinsatz in der Fertigung (Zäpfel 2000). Bei der operativen Planung werden überwiegend quantitative Ziele benannt wie zum Beispiel Produktionsziele in Form der Durchlaufzeit. Die Planungsebenen sind als hierarchisch verknüpft anzusehen. Dies heißt, dass Planungen einer höheren Planungsebene zugleich Vorgaben für die Planungen der darunter angeordneten Ebenen darstellen (Wall 1999).

    2.2 Prozess zur Entwicklung einer Produktionsstrategie

    U. Dombrowski und P. Krenkel

    Grundsätzlich muss eine Produktionsstrategie festlegen, welche Ressourcen und Fähigkeiten im Bereich der Leistungserstellung geschaffen bzw. bewahrt werden müssen, damit die Produktion ihren Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens leisten kann (vgl. Skinner 1986; Hayes und Wheelwright 1984; Zäpfel 2000).

    Die grundsätzlichen Anforderungen an eine Produktionsstrategie lauten nach DOMBROWSKI et al. dabei:

    1.

    Die Produktionsstrategie muss so formuliert sein, dass die Produktion einen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens leistet.

    2.

    Die Produktionsstrategie muss mit anderen Funktionalstrategien abgestimmt sein.

    3.

    Zur Implementierung einer Produktionsstrategie sind unternehmensindividuelle Inhalte bzw. Teilstrategien zu berücksichtigen.

    4.

    Die Produktionsstrategie muss so formuliert sein, dass zu den Inhalten unternehmensspezifische Ressourcen und Fähigkeiten geschaffen bzw. bewahrt werden, die zu einer Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Produktion und damit zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit beitragen (Dombrowski et al. 2016).

    Die einzelnen Anforderungen werden im Folgenden erläutert:

    1)

    Den Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens leistet die Produktionsstrategie, indem sie in die ihr übergeordnete Unternehmensstrategie integriert ist und zur Gesamtzielsetzung des Unternehmens beiträgt. Die Produktionsstrategie ist damit als Funktionalstrategie, das heißt auf die Funktion der Produktion beschränkt, zu sehen (Blecker und Kaluza 2004; Freibichler 2006; Foschiani 1995). Die Unternehmensstrategie umfasst dabei die Festlegung der generellen Stoßrichtung des Unternehmens. Die Funktionalstrategie dient der strategischen Orientierung innerhalb eines individuellen Funktionsbereichs (Foschiani 1995; Freibichler 2006; Dombrowski et al. 2016).

    2)

    Da die Produktionsstrategie auf die Funktion der Produktion beschränkt ist, muss diese mit anderen Funktionalstrategien abgestimmt sein (Blecker und Kaluza 2004; Freibichler 2006; Foschiani 1995). Unterschiedliche Autoren sehen dabei Abstimmungsbedarf mit verschiedenen Funktionalstrategien. Foschiani hebt die Strategie der Forschung und Entwicklung, die Personalstrategie, die Beschaffungsstrategie, die Finanzierungsstrategie und die Marketingstrategie hervor (Foschiani 1995). Samson hebt allein die Abstimmung der Produktionsstrategie mit der Marketing- und Finanzstrategie hervor (Samson 1991; Dombrowski et al. 2016).

    3)

    Bei der Umsetzung der Produktionsstrategie sind die darin verankerten unternehmensindividuellen Inhalte in Teilstrategien herunterzubrechen. Freibichler kommt zu dem Ergebnis, dass verschiedene Inhalte in einer Produktionsstrategie berücksichtigt werden sollten (Freibichler 2006). Diese sind unter anderem die Technologiestrategie, die Standortstrategie, die Strategie zur Fertigungstiefe und die Kapazitätsstrategie:

    Die Technologiestrategie legt fest, mit welchen zukünftigen Entwicklungsmaßnahmen bezüglich der Produkt- und Fertigungsprozesstechnologien Wettbewerbsvorteile erzielt werden können. Abhängig von der Neuheit der notwendigen Produkt- und Fertigungsprozesstechnik sind unterschiedliche Vorgehensweisen zu wählen.

    Die Standortstrategie bestimmt die Anzahl, die Größe und die Lage der einzelnen Betriebsstätten sowie deren technologische Fokussierung.

    Die Strategie zur Fertigungstiefe definiert die eigene Position in der Wertschöpfungskette. Wichtige Inhalte sind dabei das Treffen von Make-or-Buy-Entscheidungen sowie die Beziehungen zu den Lieferanten.

    Innerhalb der Kapazitätsstrategie wird das kapazitive Leistungsvermögen der Produktion festgelegt. Wichtige Entscheidungen sind dabei zu Prognosen der zukünftigen Nachfrage und vorzuhaltender Kapazitäten zu treffen (Fine und Hax 1985; Zäpfel 2000; Foschiani 1995; Dombrowski et al. 2016).

    4)

    Zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Produktion, durch die sich Unternehmen von den Wettbewerbern differenzieren können, sind unternehmensspezifische Ressourcen und Fähigkeiten zu schaffen bzw. zu wahren. Wie zuvor erläutert sind die Ressourcen und Fähigkeiten physische (zum Beispiel Maschinen, Anlagen, Informationstechnik) und immaterielle Vermögenswerte (zum Beispiel Patente und Lizenzen), aber auch im Unternehmen vorhandene (Kern-) Kompetenzen und organisationale Prozesse. Damit werden allgemeine Zielgrößen wie Qualität, Kosten, Zeit und Flexibilität, die bei den Inhalten der Produktionsstrategie zu berücksichtigen sind, durch vorhandene Ressourcen und Fähigkeiten beeinflusst. Kann durch eine geschickte Kombination von Ressourcen und Fähigkeiten auf die in Kapitel 1 genannten Marktveränderungen und gestiegenen Anforderungen an die Produktion effizienter als andere Unternehmen reagiert werden, resultieren Wettbewerbsvorteile (Grant 1991; Barney 1991; Sammerl 2006; Dutta et al. 2005; Schulte-Gehrmann et al. 2011; Teece et al. 1997). Da Ressourcen und Fähigkeiten unternehmensspezifisch entwickelt werden müssen und nicht frei auf dem Markt verfügbar sind, können sie kurz- bis mittelfristig nicht auf einfachem Wege von der Konkurrenz kopiert werden. Im Ergebnis resultieren nachhaltige Wettbewerbsvorteile (Dombrowski et al. 2014; Sammerl 2006; Dierickx und Cool 1989; Skinner 1986; Blecker und Kaluza 2004; Dombrowski et al. 2016).

    Unter Berücksichtigung dieser vier grundsätzlichen Anforderungen ist eine Produktionsstrategie abzuleiten. Auf Basis des normativen Managements sind im ersten Schritt der Entwicklung einer Produktionsstrategie die externe und interne Situation der Produktion zu analysieren. Dies ist erforderlich, um adäquate Inhalte der Produktionsstrategie und die dabei aufzubauenden oder zu erhaltenden Ressourcen und Fähigkeiten ableiten zu können. Damit durch die hierbei identifizierten Ressourcen und Fähigkeiten ein Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit erfolgt, ist eine Analyse der Wettbewerbsposition notwendig. Die so analysierten produktionsstrategischen Inhalte sind anschließend innerhalb des Unternehmens abzustimmen. Erst im Anschluss kann die Festlegung der produktionsstrategischen Ziele und die Festlegung der Produktionsstrategie erfolgen. Im letzten Schritt erfolgt die Implementierung der festgelegten produktionsstrategischen Inhalte. In allen Phasen muss eine kontinuierliche Bewertung der erarbeiteten Schritte erfolgen. Dieses entwickelte Vorgehen ist in Abb. 2.4 dargestellt. Die Kreisform soll insbesondere die Kontinuität des Prozesses verdeutlichen und zeigen, dass mit der Entwicklung und Implementierung einer Produktionsstrategie der Prozess nicht abgeschlossen, sondern fortlaufend ist. Umweltveränderungen treten plötzlich, teilweise unvorhergesehen auf und müssen stets in allen Prozessschritten berücksichtigt werden (Dombrowski et al. 2016). An dieser Stelle sei besonders auf die Handlungsfelder des Produktionsmanagements in Kap. 3 verwiesen, die innerhalb dieses Kreislaufs an unterschiedlichen Stellen Berücksichtigung finden müssen. Diese einzelnen Schritte zur Ableitung einer Produktionsstrategie werden in den folgenden Abschnitten detailliert beschrieben.

    ../images/461302_1_De_2_Chapter/461302_1_De_2_Fig4_HTML.png

    Abb. 2.4

    Prozessschritte zur Entwicklung einer Produktionsstrategie (Dombrowski et al. 2016)

    2.2.1 Normatives Management als Grundlage

    Die Grundlage im Prozess zur Entwicklung einer Produktionsstrategie bildet das normative Management. Das normative Management ist als ein übergeordnetes Regelwerk des Unternehmens zu verstehen, das aufzeigt, nach welchen Grundsätzen die Lebens- und Entwicklungsfähigkeit des Unternehmens gesteuert wird. Durch die Formalisierung des normativen Managements soll erreicht werden, dass die wesentlichen Grundsätze eines Unternehmens an wichtige Anspruchsgruppen bzw. Stakeholder kommuniziert und im täglichen Handeln im Unternehmen berücksichtigt werden. Zusammenfassend umfasst das normative Management die Unternehmensethik, die Vision und Mission, die Unternehmenspolitik und die Unternehmenskultur (siehe dazu Abb. 2.5) (Hungenberg 2014;

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1