Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer: Wege zu einem Management 4.0 und einer digitalen Architektur
Von Timothy Kaufmann und Hans-Gerd Servatius
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Buchvorschau
Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer - Timothy Kaufmann
Timothy Kaufmann und Hans-Gerd Servatius
Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer
Wege zu einem Management 4.0 und einer digitalen Architektur
../images/483138_1_De_BookFrontmatter_Figa_HTML.pngTimothy Kaufmann
SAP Deutschland AG & Co KG, Walldorf, Deutschland
Prof. Dr.Hans-Gerd Servatius
Competivation Consulting, Düsseldorf, Deutschland
Universität Stuttgart, Stuttgart, Deutschland
ISBN 978-3-658-28399-5e-ISBN 978-3-658-28400-8
https://doi.org/10.1007/978-3-658-28400-8
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Vorwort
Während Deutschlands Vorzeigebranche, die Automobilindustrie, vor dem größten Umbruch in ihrer Geschichte steht, der durch das Zusammenwirken von Dekarbonisierung, Digitalisierung und Disruption geprägt ist, wird den an Vollbeschäftigung gewöhnten Bürgern dieses Landes allmählich bewusst, was auf dem Spiel steht [1]. Möglicherweise sind Stellenstreichungen bei Herstellern und Zulieferern lediglich die Vorboten von noch viel schwerer wiegenden Veränderungen.
Dieser Wandel geht unter anderem von den Technologien der Künstlichen Intelligenz (KI) aus, der allmählich auch die Unternehmenszentralen mit ihren kostenintensiven Verwaltungen erreicht. Parallel zu einer neuen Welle der Digitalisierung von Prozessen verbunden mit einem Abbau von Personal entstehen auch neue Aufgabenfelder, die aber andere Qualifikationen erfordern [2].
Leider ist Deutschland bei der Digitalisierung selbst in Europa nur Durchschnitt. Beim Digital Economy and Society (Desi-) Index, der den Fortschritt der EU-Mitgliedstaaten auf dem Weg zur digitalen Wirtschaft und Gesellschaft misst, erreicht das Land der Ingenieure und Hidden Champions nur Rang 12, bei der Kategorie digitale öffentliche Dienste sogar nur Rang 24 [3].
Umso wichtiger ist es, dass die Unternehmen die Chancen nutzen, die neue datenbasierte Geschäftsmodelle ausgehend vom Internet der Dinge (Internet of Things; IoT) in einer Vielzahl von Anwendungsgebieten eröffnen. Eine bedeutende Rolle z. B. in der Produktion können dabei lokale Campusnetze spielen, die auf dem Mobilfunkstandard der fünften Generation (5G) basieren [4]. Die Ausschöpfung dieser Möglichkeiten erfordert jedoch eine verbesserte Zusammenarbeit von Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft.
Ein Beispiel liefert das deutsche Finanzministerium, das darauf drängt, die Zahlungen für lokale Campusnetze zu erhöhen. Gerade für Mittelständler könnte dies eine abschreckende Wirkung haben [5]. Parallel dazu formieren sich mobilfunkkritische Initiativen, die gegen den 5G-Ausbau zu Felde ziehen [6]. Es bleibt abzuwarten, ob und wann es gelingt, bei diesem wichtigen Zukunftsthema einen gesellschaftlichen Konsens zu finden.
Seit 2013 hat die OECD das Thema Data driven Innovation als Quelle für Wachstum und Wohlstand erkannt. Daten sind zu einer wichtigen Basis für Geschäftsmodell-, Produkt-, Service- und Prozess-Innovationen geworden. Natürlich ist dies auch mit Risiken verbunden, wie die vielen Beispiele von Datenmissbrauch zeigen. Aber Unternehmen und Staaten, die das Potenzial datengetriebener Innovationen nicht nutzen, werden wahrscheinlich in den nächsten Jahrzehnten zu den Verlierern gehören [7].
Während wir an diesem Buch arbeiten, haben sich die weltweiten Handelskonflikte verschärft. Nach Meinung von Reinhard Ploss, dem Vorstandvorsitzenden des größten deutschen Halbleiterproduzenten Infineon, muss Europa aufpassen, nicht in dem Wettstreit um die Technologieführerschaft zwischen den USA und China zerrieben zu werden. Deutschland solle sich mit seinen europäischen Nachbarn auf strategische Schwerpunkte einigen, auf die wir dann in Zukunft gemeinsam setzen [8].
Einer dieser Schwerpunkte könnte das Projekt Gaia-X sein, mit dem die Bundesregierung versucht, die Abhängigkeit deutscher Unternehmen von den weltweit führenden Cloud-Anbietern Amazon, Microsoft, Alibaba und Google zu verringern. Neben SAP engagieren sich dabei die Deutsche Telekom und der Automatisierungsspezialist Festo. Bei dieser Initiative wirkt auch die Friedhelm Loh Group mit. Gaia-X strebt an, dass Mittelständler bei der Digitalisierung eine weitgehende Kontrolle ihrer Daten behalten. Die Daten werden in verteilten Rechenzentren der Partner gespeichert. Nach Einschätzung des Marktforschers IDC werden im Internet der Dinge bis 2020 rund 45 % der Daten per Edge Computing verarbeitet. Die KI-Edge-Cloud, die Loh entwickelt, wird gegenwärtig bei dem wichtigsten Unternehmen seiner Gruppe erprobt, dem Schaltschrankhersteller Rittal [9]. Initiativen wie diese verdeutlichen, welche neuen Aufgaben Unternehmen gegenwärtig zu meistern haben.
Die zentrale These dieses Buches ist, dass digitale Technologien, wie das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz, über datengetriebene Innovationen die Spielregeln des Wettbewerbs grundlegend verändern, dass sie zu Game Changern werden. Dieser Wandel geht sowohl von Digital-Champions als auch von Start-ups aus, von denen einige in relativ kurzer Zeit Milliardenbewertungen erzielt haben. Etablierte Unternehmen müssen den neuen Herausforderungen mit Management-Innovationen und digitalen Architekturen begegnen.
Die Autoren des Buches sind zum einen ein für das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz verantwortlicher Experte bei SAP, Europas größtem Softwareunternehmen, und zum anderen ein erfahrener Managementberater und Hochschullehrer. Im Rahmen unserer praktischen Tätigkeit, z. B. bei der von SAP mitinitiierten Open Industry 4.0 Alliance (OI 4) [10], haben wir gelernt, wie wichtig es ist, verschiedene Akteure in einem Innovationsökosystem zusammenzuführen. Außerdem ist es für ein Unternehmen erfolgsentscheidend, die Herausforderungen des digitalen Wandels mit einem zur jeweiligen Situation passenden Managementkonzept zu bewältigen. Dieses Buch soll Ihnen als Leser hierfür einen Orientierungsrahmen geben. Unser Dank geht daher an unsere Kunden, Kollegen und die Studierenden der Universität Stuttgart, der RWTH Aachen und der zur Klett Gruppe gehöhrenden European University of Applied Sciences (EUFH), die mit ihren Anregungen wichtige Beiträge zur Entstehung des Buches geleistet haben.
Das Buch besteht aus vier Teilen. Im ersten Teil (Kap. 1 ) legen wir die Grundlagen und erläutern wichtige Begriffe. Im zweiten Teil (Kap. 2 bis 6 ) beschreiben wir die Entwicklung zum neuen Management 4.0-Paradigma und dessen Bausteine. Diese Bausteine sind:
die Kooperation mit IoT- und KI-Plattformpartnern,
agile Strategie- und Innovationsprozesse,
der digitale Wandel in einer evolutionären Organisation,
die Produktivitätssteigerung mit KI.
Der dritte Teil (Kap. 7 bis 12 ) beschäftigt sich mit dem Wandel der Informations- und Kommunikationstechnik hin zu einer durch IoT- und KI-Technologien geprägten digitalen Architektur. Wir erläutern die Bausteine dieser Architektur 4.0, in deren Mittelpunkt die Unterstützung von neuen Innovationsökosystemen steht. Im abschließenden vierten Teil (Kap. 13 ) skizzieren wir die Bausteine einer Innovationspolitik 4.0 für den digitalen Wandel, die den Rahmen für Management- und Architektur-Innovationen liefert.
Literatur
1.
Schütte C (2019) Auto-Land unter. Manager Magazin, August , S 90–93
2.
Fröndhoff B, Menzel S, Kerkmann C (2019) Roboter erobern die Firmenzentralen. Handelsblatt, 5./6./7. Juli, S 16–17
3.
Europäische Kommission (2019) Deutschland belegt Mittelfeld im digitalen Wirtschafts- und Gesellschaftsindex, 11. Juni
4.
Höpner A, Scheuer S (2019) Mit 5G auf der Überholspur. Handelsblatt, 25. Juli, S 18–19
5.
Scheuer S (2019) Industrie muss länger auf 5G-Frequenzen warten. Handelsblatt, 4./5./6. Oktober, S 22
6.
Alvares Souza Soares P, Sommer C (2019) Mast-Hass. Manager Magazin, Oktober, S 100–115
7.
OECD (2017) Data-driven innovation – big data for growth and well-being
8.
Ploss R (2019) „Die USA versuchen, China auf Abstand zu halten" (Interview). Handelsblatt, 14. August, S 4–5
9.
Kerkmann C, Müller A, Koch M, Specht F (2019) Deutsche Alternative zu US-Plattformen. Handelsblatt, 11./12./13. Oktober, S 16–17
10.
Kerkmann C (2019) Smarte Maschinen, verschiedene Sprachen – eine Allianz der Praktiker will das ändern. Handelsblatt, 3. April
Timothy Kaufmann
Hans-Gerd Servatius
Im Herbst 2019
Inhaltsverzeichnis
1 Digitale Technologien verändern den Wettbewerb 1
1.1 Game-Changer-Beispiele 1
1.2 Künstliche Intelligenz als Sammelbegriff 3
1.3 Das Internet der Dinge und seine Technologien 5
1.4 Wachstum der IoT- und KI-Märkte 7
1.5 Anwendungsgebiete von IoT und KI 9
1.6 Unterschiede zwischen B2C- und B2B-Geschäften 11
1.7 Fragen beim Start von IoT- und KI-Initiativen 14
Literatur 15
2 Das neue Management 4.0-Paradigma 17
2.1 Entwicklungsstufen des Managements 17
2.2 Rationalitätsorientiertes Management 1.0 18
2.3 Verhaltensorientiertes Management 2.0 19
2.4 Systemorientiertes Management 3.0 19
2.5 Management 4.0 zur Bewältigung des digitalen Wandels 22
Literatur 28
3 Digitale Geschäftsmodelle gemeinsam mit IoT- und KI-Plattformpartnern 31
3.1 Disruption durch datenbasierte IoT- und KI-Geschäftsmodelle 31
3.2 IoT-Produkte, -Services und -Geschäftsmodellmuster 34
3.3 Segmentation des IoT- und KI-Plattformmarktes 37
3.4 Wichtige IoT- und KI-Plattformanbieter 39
3.5 Entscheidungssituation eines Unternehmens 42
3.6 Auswahl von IoT- und KI-Plattformpartnern 45
3.7 Technologieanbieter und weitere Akteure 47
Literatur 49
4 Integration der Objectives and Key Results (OKR-) Methode in agile Strategie- und Innovationsprozesse 51
4.1 Erfolgsfaktoren der Digitalgiganten 51
4.2 Vorteile der OKR-Methode 52
4.3 IoT-Strategie für Smart Cities 54
4.4 Innovationsstrategieprozess 56
4.5 Agiler Innovationsprozess für ein IoT-Geschäftsmodell 61
4.6 Integration von OKR-Zyklen in einen End-to-End-Prozess 67
4.7 Verschiedene strategische Verhaltensmuster 68
Literatur 70
5 Digitaler Wandel in einer evolutionären Organisation 73
5.1 Corporate Digital Units als Treiber und Impulsgeber 73
5.2 Veränderungen der traditionellen Organisation 75
5.3 Agilität als Teil des Mindsets einer evolutionären Organisation 77
5.4 Nutzung der Stärken eines etablierten Unternehmens beim digitalen Wandel 79
5.5 Disruption in der Management Education 81
5.6 Die neue Rolle des Chief Learning Officer 85
5.7 Evolution des Organisationssystems als Lernprozess 87
Literatur 91
6 Produktivitätssteigerung mit Künstlicher Intelligenz 93
6.1 KI in deutschen Unternehmen 93
6.2 Verbesserte Vorhersagen 94
6.3 Zerlegung von Arbeitsabläufen und Neugestaltung von Arbeitsplätzen 95
6.4 Mensch-Maschine-Zusammenarbeit in komplementären Prozessen 96
6.5 Entwicklung eines KI-Managementsystems 97
Literatur 99
7 Eine IT-Architektur 4.0 unterstützt IoT und KI 101
7.1 Entwicklungsstufen der IT-Architektur 101
7.2 Insellösungen prägen die IT-Architektur 1.0 102
7.3 Eine Enterprise-Architektur unterstützt die IT-Architektur 2.0 103
7.4 Eine bimodale IT prägt die IT-Architektur 3.0 103
7.5 Die digitale Architektur als IT-Architektur 4.0 105
7.6 Beispiel für die digitale Architektur 109
Literatur 112
8 IoT- und KI-Architektur 113
8.1 Durch IoT und KI steigen die Anforderungen an die IT-Architektur 113
8.2 IoT- und KI-Architekturen im Überblick 115
8.3 IoT- Zielarchitektur für B2C 119
8.4 IoT-Zielarchitektur für B2B 123
8.5 KI-Architektur 129
8.6 Kombinierte Edge- und Cloud-Architekturen 132
8.7 Connectivity 134
8.8 Zusammenspiel von Plattform und Automatisierungspyramide 139
8.9 Der Digitale Zwilling 142
Literatur 148
9 Datengetriebene Services und die Architektur 4.0 151
9.1 Der Kundenservice rückt stärker in den Mittelpunkt 151
9.2 Datengetriebene Services 152
9.3 Der Weg vom Produkthersteller zum digitalen Service-Provider 156
9.4 Zusammenspiel zwischen datengetriebenen Services und der Architektur 4.0 160
Literatur 163
10 Geschäftsprozesse und die Architektur 4.0 165
10.1 Prozessmethodik 165
10.2 Geschäftsprozesse des Betreibers 166
10.3 Geschäftsprozesse des Herstellers 169
10.4 Zusammenarbeit zwischen Betreiber und Hersteller 171
10.5 Zusammenspiel zwischen Geschäftsprozessen und der Architektur 4.0 173
Literatur 176
11 Das Wertversprechen und die Architektur 4.0 177
11.1 Der Werttreiberbaum 177
11.2 Werttreiber für den Betreiber 178
11.3 Werttreiber für den Hersteller 180
11.4 Der Business Case 183
11.5 Wertgenerierung bei IoT- und KI-Lösungen 184
11.6 Das Wertpotenzial in datengetriebenen Services 188
11.7 Zusammenspiel zwischen Wertversprechen und der Architektur 4.0 191
Literatur 193
12 IoT- und KI-Innovationsökosysteme und die Architektur 4.0 195
12.1 Überblick wichtiger IoT- und KI-Innovationsökosysteme 195
12.2 Auswahl relevanter IoT- und KI-Innovationsökosysteme 198
12.3 Zusammenspiel zwischen IoT- und KI-Innovationsökosystemen und der Architektur 4.0 200
Literatur 202
13 Auf dem Weg zu einer Innovationspolitik 4.0 203
13.1 Entwicklungsstufen der Innovationspolitik 203
13.2 Defizite der deutschen Innovationspolitik 205
13.3 Bausteine einer Innovationspolitik 4.0 206
Literatur 211
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
T. Kaufmann, H.-G. ServatiusDas Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changerhttps://doi.org/10.1007/978-3-658-28400-8_1
1. Digitale Technologien verändern den Wettbewerb
Timothy Kaufmann¹ und Hans-Gerd Servatius², ³
(1)
SAP Deutschland AG & Co KG, Walldorf, Deutschland
(2)
Competivation Consulting, Düsseldorf, Deutschland
(3)
Universität Stuttgart, Stuttgart, Deutschland
Timothy Kaufmann (Korrespondenzautor)
Email: [email protected]
Hans-Gerd Servatius
Email: [email protected]
Zusammenfassung
Wenn wir vom Internet der Dinge und von Künstlicher Intelligenz als Game Changer sprechen, so meinen wir damit, dass gegenwärtig digitale Technologien die Spielregeln des Wettbewerbs grundlegend verändern. Diesen „Game-Changer-Effekt" verdeutlichen wir zunächst anhand einiger Beispiele. Anschließend erläutern wir die Begriffe Internet of Things (IoT) und Künstliche Intelligenz (KI) und ihre Technologien. Die Märkte für IoT und KI wachsen weiterhin stark. Wir skizzieren wichtige industrielle Anwendungsgebiete von IoT und KI und gehen auf die Unterschiede zwischen B2C- und B2B-Geschäften ein. Am Ende des Kapitels fassen wir Fragen zusammen, die sich einem Unternehmen beim Start von IoT- und KI-Initiativen stellen.
1.1 Game-Changer-Beispiele
Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz sind komplementäre Technologiefelder. Während IoT-Technologien Geräte vernetzen und große Datenvolumina generieren, liefern KI-Technologien wie das Machine Learning immer bessere Analysen der Daten und Vorhersagen. Zusammen ergeben sich hieraus neuartige Nutzenkategorien in einer Vielzahl von Anwendungsgebieten wie Produktion und Logistik, Mobilität, Wohnen und Gesundheit. Digital-Champions wie Amazon haben diese Nutzenkategorien zunächst im eigenen Unternehmen erschlossen und dann ihren Kunden mithilfe von IoT- und KI-Plattformen der Tochter Amazon Web Services (AWS) zugänglich gemacht. Daneben nutzt Amazon den Game-Changer-Effekt von IoT und KI zur weiteren Disruption von Branchen wie dem Handel und zur Erschließung neuer Branchen wie dem Smart-Home-Markt.
Das von Jeff Bezos gegründete Unternehmen setzt dabei unter anderem auf seinen intelligenten Lautsprecher Echo mit der integrierten Assistenzfunktion Alexa. Im ersten Quartal 2019 lag der Marktanteil von Amazon Echo und Alexa in Deutschland bei 71 % gefolgt von Google Home und Google Assistant (19 %) und dem Apple HomePod mit Siri (6 %). Der in Kooperation mit dem türkischen Konzern Arcelik und dessen Marke Grundig realisierte Fernseher verfügt über Alexa-Fähigkeiten und wird zu einer weiteren Verbreitung der Sprachsteuerung beitragen [1].
Ein Mensch, der sich an das Zusammenleben mit Alexa gewöhnt hat, wird eine Unterstützung durch digitale Assistenten auch bei seinen Hotelbesuchen erwarten. IoT und KI sind daher zu einem wichtigen Differenzierungsmerkmal im Innovationswettbewerb der Tourismusbranche geworden. Für große Hotelketten wie Marriott ermöglicht die Branchenlösung Alexa for Hospitality sowohl neue Kundenerlebnisse als auch Kostensenkungen. Dabei übernimmt Alexa klassische Concierge-Aufgaben und Smart-Home-Funktionen. In Verbindung mit einer Personalisierung des Hotelzimmers z. B. durch individuelle Musik wirken Amazon und seine Hotelpartner so als Game Changer [2].
Das in Deutschland wohl bekannteste industrielle IoT-Anwendungsgebiet ist die sogenannte Fabrik der Zukunft. 2011 prägten Henning Kagermann, Wolf-Dieter Lukas und Wolfgang Wahlster für das Internet of Production (IoP) den Begriff Industrie 4.0. Gemeint ist damit die vierte industrielle Revolution, die zu gravierenden Veränderungen der Produktionsfunktion führt [3]. Der Stuttgarter Professor Thomas Bauernhansl sieht hierin einen Paradigmenwechsel von einer eher angebotsorientierten zu einer nachfrageorientierten Produktion mit hoher Flexibilität und einer kostengünstigeren Individualisierung der Produkte [4].
Der Game-Changer-Effekt zeigt sich jedoch auch bei weniger gravierenden Innovationen. Ein Beispiel für ein gelungenes IoT-Geschäftsmodell hat die HARTING-Technologiegruppe mit ihrer Plattform MICA© (Modular Industry Computing Architecture) geschaffen [5]. MICA© richtet sich an Kunden mit älteren Anlagen und Maschinen, die keine modernen Steuerungen und Kommunikationssysteme haben, trotzdem aber ohne großen Rüst- und Umbauaufwand an das Internet der Dinge angeschlossen sein möchten. MICA© bietet hierzu eine offene Entwicklungsplattform für Hard- und Software. Das modulare Hardware- und Open-Source-Software-Konzept ermöglicht Kunden und Partnern, eigene Lösungen genau abgestimmt auf die spezifischen Bedürfnisse zu entwickeln mit dem Ziel, Maschinen und Anlagen schnell und effizient in ein IoT-System zu integrieren [6]. Dabei ist insbesondere die Konnektivität im Fokus. Das Geschäftsmodell basiert auf zwei Säulen, der Nutzung von IoT-Technologien und dem offenen Konzept für Software und Hardware.
Kennen Sie Farmers Cut? Das Hamburger Start-up hat Mark Korzilius, der Gründer der Vapiano-Restaurants, ins Leben gerufen. Farmers Cut beschäftigt sich mit Vertical Farming. Der Begriff wurde erstmals von dem amerikanischen Mikrobiologen Dickson Despommier beschrieben [7]. Dabei wachsen Nahrungsmittel ohne Erde in speziellen städtischen Räumen, um die knappe Ressource Boden und die Transportlogistik vom Erzeuger zum Endkunden einzusparen. Dies ermöglicht frischere Nahrungsmittel. Das Konzept nutzt Farmers Cut, um Salate und Kräuter lokal in Städten in eigenen Fabriken zu produzieren und die Pflanzen mit Wurzeln an Kunden wie Restaurants und Kantinen zu liefern [8]. Dort werden die Pflanzen erst kurz vor dem Verzehr gepflückt und sind so jederzeit frisch. Dabei verwendet man keine künstlichen Düngemittel. In einem ersten Schritt wird der Produktionsprozess mit Sensoren überwacht, die Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Wasser, Luftzirkulation, CO2 und Licht messen. Diese Daten werden gesammelt und mit den Informationen über Saatgut und Wachstumsverhalten zusammengebracht. In einem zweiten Schritt setzt man Machine-Learning-Algorithmen ein, um das Wachstumsverhalten der Pflanzen zu optimieren und jederzeit gleiche Produktionsbedingungen unabhängig von Standorten und Mitarbeitern zu ermöglichen. Das Geschäftsmodell basiert auf drei Säulen: Der speziellen, von Farmers Cut entwickelten Indoor-Kultivierungstechnologie „Dryponics", dem Einsatz eines IoT-Systems und der Nutzung von Technologien der Künstlichen Intelligenz.
Kaiserwetter Energy Asset Management ist ein Start-up aus Hamburg. Das Unternehmen bietet eine technische und finanzielle Anlagenverwaltung für Solar- und Windparks an. Dabei wird das klassische Erneuerbare-Energien-Geschäft mit IoT- und Machine-Learning-Technologien kombiniert. Ein IoT-System liest die technischen Parameter der Anlage aus und bringt