Die Familienstiftung: Ein steuerlicher Praxisleitfaden
Von Thorsten Klinkner und Christian Jaenecke
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Buchvorschau
Die Familienstiftung - Thorsten Klinkner
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019
Thorsten Klinkner und Christian JaeneckeDie Familienstiftunghttps://doi.org/10.1007/978-3-658-25172-7_1
1. Errichtung einer Familienstiftung
Thorsten Klinkner¹ und Christian Jaenecke¹
(1)
Meerbusch, Deutschland
1.1 Einleitung
1.1.1 Begriffsabgrenzungen
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) und die Stiftungsgesetze der Länder enthalten keine gesetzliche Definition des Begriffs „Stiftung".
Eine selbstständige Stiftung im Sinne der §§ 80 bis 89 BGB¹ ist eine juristische Person, die (vergleichbar mit einer natürlichen Person) keine Anteilseigner, Gesellschafter oder Mitglieder hat. Es handelt sich um eine verselbstständigte Vermögensmasse. Mit den laufenden Erträgen des Stiftungsvermögens ist ein bestimmter Zweck² zu erfüllen, den der Stifter in der Satzung festlegt.
Ist laut Satzung keine zeitliche Begrenzung vorgesehen, kann die Stiftung so lange bestehen, wie ihr Zweck erfüllbar ist. Im Fall der Familienstiftung handelt es sich bei dem Zweck der Stiftung um die Förderung und Unterstützung der laut Satzung begünstigten Familienmitglieder. Anschließend wird die Stiftung entweder aufgelöst oder es tritt ein durch den Stifter festgelegter Anschlusszweck in Kraft. Bei einem solchen Anschlusszweck kann es sich typischerweise um einen gemeinnützigen Zweck handeln, der im Fall des Versterbens des letzten begünstigten Familienmitglieds in Kraft tritt.
Der Wert des in der Satzung festgelegten Grundstockvermögens³ darf nicht vermindert werden. Zulässig sind reine Vermögensumschichtungen, im Zuge derer der Wert des Grundstockvermögens erhalten bleibt. Typischer Anwendungsfall der Vermögensumschichtung ist die Bargründung einer Stiftung, die mit ihrem Barvermögen anschließend Immobilien oder Unternehmensbeteiligungen erwirbt. Umgekehrt können auch Teile des Grundstockvermögens gewinnbringend veräußert werden. Als zu erhaltender Wert kann in der Satzung entweder der nominale oder der reale Wert des Grundstockvermögens festgelegt werden.
Beraterhinweis
Anders als bei anderen Rechtsformen, wie der GmbH, AG oder Personengesellschaften können die anlässlich der Gründung eingezahlten Barmittel des Grundstockvermögens einer Stiftung nur zur Vermögensumschichtung, nicht aber für laufende Aufwendungen genutzt werden. Gerade im Hinblick auf die Anfangszeit einer Stiftung ist sorgfältig zu planen, dass mit dem Stiftungsvermögen ausreichend laufende Erträge erzielt werden, um laufende Aufwendungen, wie Personalkosten, Miete oder Kontoführungsgebühren zu finanzieren.
Da der Zweck der Stiftung aus den laufenden Erträgen heraus finanziert wird, gibt es keinen „Schwellenwert" des Vermögens, ab dem sich die Errichtung einer Stiftung lohnt.⁴ Maßgebend ist, ob die Höhe der laufenden Erträge des Stiftungsvermögens dazu ausreicht, den Zweck der Stiftung zu erfüllen und laufende Aufwendungen zu finanzieren.
Alternativ kann der Bestand der Stiftung auf einen bestimmten Zeitraum von mindestens zehn Jahren begrenzt werden. Es handelt sich dann um eine Verbrauchsstiftung.⁵ Ihrem Namen entsprechend darf die Verbrauchsstiftung neben den laufenden Erträgen auch ihre Vermögenssubstanz verbrauchen, um den Stiftungszweck zu erfüllen. Typischer Anwendungsfall von Verbrauchsstiftungen sind Stiftungen, die anstelle von Unternehmensbeteiligungen, Immobilien oder anderen Ertragsquellen mit hohen Barvermögen ausgestattet sind. Aus der Substanz des Barvermögens heraus können die Familienmitglieder über einen längeren Zeitraum hinweg in dosierter Form unterstützt werden. Eigentümer des Vermögens ist die Verbrauchsstiftung als juristische Person. Anders als im Fall der Dauertestamentsvollstreckung⁶ ist das Vermögen damit nicht an das persönliche Schicksal eines oder mehrerer Testamentsvollstrecker gebunden.
Anders als die selbstständige Stiftung nach §§ 80 bis 89 BGB ist die nicht-rechtsfähige Stiftung, die synonym auch als „Treuhandstiftung, „unselbstständige Stiftung
oder „fiduziarische Stiftung" bezeichnet wird, keine Rechtsform im eigentlichen Sinne, sondern ein Treuhandvermögen. Daher setzt die Handlungsfähigkeit jeder nicht-rechtsfähigen Stiftung einen Stiftungsträger (= Treuhänder) voraus.
Beraterhinweis
Soll ein zeitlich unbegrenzter Bestand des Treuhandvermögens erreicht werden, empfiehlt sich eine bereits bestehende selbstständige Stiftung als Treuhänderin. Auf diese Weise bietet auch die nicht-rechtsfähige Stiftung die Möglichkeit, die rechtsformbedingten Vorteile einer selbstständigen Stiftung zum Beispiel gegenüber einer Dauertestamentsvollstreckung⁷ zu nutzen, ohne dabei selbst eine selbstständige Stiftung errichten zu müssen.
Folgen der fehlenden Rechtsfähigkeit sind, dass die Regelungen des BGB und der Landesstiftungsgesetze keine Anwendung finden, kein behördliches Anerkennungsverfahren durchlaufen wird und der Stiftungsträger nicht der Aufsicht durch die Stiftungsbehörde unterliegt.
Der Stiftungszweck⁸ kann entweder vorsehen, dass die Erträge des Stiftungsvermögens einem bestimmten Personenkreis oder der Allgemeinheit zu Gute kommen. Bei einem abgeschlossenen Personenkreis handelt es sich um eine privatnützige Stiftung, bei einer Begünstigung der Allgemeinheit um eine Stiftung zur Erfüllung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke.
Eine gängige Form der privatnützigen Stiftung ist die Familienstiftung. Merke: Die Familienstiftung ist damit weder gemeinnützig, noch fällt sie in den Anwendungsbereich der steuerbegünstigten Zwecke i.S.d. §§ 51 bis 68 AO. Die Unterscheidung von Stiftungen anhand der verschiedenen Zwecke ist in der Abb. 1.1 zusammengefasst:
../images/476891_1_De_1_Chapter/476891_1_De_1_Fig1_HTML.pngAbb. 1.1
Kategorisierung von Stiftungszwecken
Bislang gibt es keine einheitliche gesetzliche Definition der „Familienstiftung". Laut den jeweiligen Landesstiftungsgesetzen muss eine Familienstiftung
ausschließlich oder überwiegend dem Wohle der Mitglieder einer oder mehrerer bestimmter Familien dienen.⁹
ausschließlich dem Wohle der Mitglieder einer oder mehrerer bestimmter Familien dienen.¹⁰
überwiegend dem Wohle der Mitglieder einer oder mehrerer bestimmter Familien dienen.¹¹
Das Steuerrecht enthält lediglich im Außensteuergesetz in § 15 Abs. 2 AStG die Definition, dass es sich bei Familienstiftungen um Stiftungen handelt, bei denen der Stifter, seine Angehörigen und deren Abkömmlinge zu mehr als der Hälfte bezugsberechtigt¹² oder anfallsberechtigt¹³ sind.
Das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz enthält in §§ 1 Abs. 1 Nr. 4 und 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG zwar Regelungen für Familienstiftungen, jedoch wird der Begriff der Familienstiftung nicht explizit verwendet oder definiert. Stattdessen spricht das ErbStG lediglich von einer Stiftung, die wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien errichtet ist.
1.1.2 Ablauf des behördlichen Anerkennungsverfahrens
Die Errichtung einer rechtsfähigen Stiftung setzt ein Stiftungsgeschäft und die Anerkennung durch die zuständige Stiftungsbehörde¹⁴ voraus.¹⁵
In dem Stiftungsgeschäft verpflichtet sich der Stifter dazu, der Stiftung bestimmte Teile seines Vermögens (Grundstockvermögen) zur Erfüllung eines von ihm vorgegebenen Zwecks zu widmen. Nach § 81 Abs. 1 S. 3 BGB muss die Stiftung eine Satzung mit den folgenden Mindestinhalten erhalten:
Name der Stiftung,
Sitz der Stiftung,
Zweck der Stiftung,
Vermögen der Stiftung und die
Bildung des Stiftungsvorstands (mit zumindest einem Mitglied).
Hinsichtlich der Form des Stiftungsgeschäfts ist ausschließlich die Schriftform¹⁶ vorgeschrieben.¹⁷
Nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob bei der Übertragung von GmbH-Anteilen¹⁸ und inländischen Grundstücken¹⁹ eine zusätzliche notarielle Beurkundung²⁰ des Stiftungsgeschäfts erforderlich wird. Nach der vorherrschenden Meinung ist das einfache Schriftformerfordernis nach § 81 Abs. 1 S. 1 BGB anstelle der in §§ 15 Abs. 4 S. 1 GmbHG und 311b Abs. 1 S. 1 BGB vorgesehenen Formvorschriften anzuwenden, sodass eine notarielle Beurkundung des Stiftungsgeschäfts nicht erforderlich ist.²¹ Das anschließende dingliche Erfüllungsgeschäft ist unstrittigerweise notariell zu beurkunden: bei den GmbH-Anteilen ist die dingliche Abtretung notariell zu beurkunden,²² bei dem Grundstück²³ die Auflassung.²⁴
Das (formale) Stiftungsgeschäft ist der Stiftungssatzung vorangestellt.
Beraterhinweis
Die Stiftungssatzung kann und sollte mit einer Präambel beginnen. Hierin schreibt der Stifter in seinen eigenen Worten seine Motivation und Ziele der Stiftungserrichtung nieder. Hier kann er auch Grundwerte und -prinzipien formulieren, die von den späteren Stiftungsorganen zu beachten sind.
Auf die Präambel folgen dann die Satzungsvorschriften, in denen beispielsweise Regelungen getroffen werden über die Vermögensverwaltung, die Beschlussfassung des Stiftungsvorstands und gegebenenfalls weiterer Organe sowie zur Organbesetzung. Möchte der Stifter auch künftig die Möglichkeit haben, bestimmte Satzungsreglungen abzuändern, sind hierfür entsprechende Änderungsvorbehalte in die Satzung aufzunehmen. Im Gegensatz zu Gesellschaftsverträgen bzw. zur Satzung einer AG, die unter der Voraussetzung der notwendigen Stimmrechtsmehrheit stets abänderbar sind, können die Regelungen des Stiftungsgeschäfts und der Satzung einer Stiftung nach deren Anerkennung grundsätzlich nicht mehr geändert werden. Dies bedeutet zum einen, dass für künftige Generationen keine Möglichkeit besteht, Stiftungsgeschäft oder Satzung gegen den Willen des Stifters zu ändern. Für den Stifter ergibt sich jedoch auch die Notwendigkeit, sich vor Anerkennung der Stiftung darüber im Klaren zu sein, welche Regelungen er „für die Ewigkeit" vorsieht und welche Anpassungsmöglichkeiten er sich durch entsprechende Änderungsvorbehalte offenhalten möchte.
Stiftungsgeschäft und Satzung bilden zusammen die Stiftungsverfassung. Zu Beginn des Anerkennungsverfahrens ist der Entwurf der Stiftungsverfassung mit der örtlich zuständigen Stiftungsbehörde in einem formlosen Vorprüfungsverfahren abzustimmen. Gegenstand des Vorprüfungsverfahrens sind insbesondere folgende Punkte:
Die laufenden Erträge der vorgesehenen Vermögensausstattung müssen ausreichen, um den Stiftungszweck dauerhaft und nachhaltig zu erfüllen.
Die Struktur und Mechanismen der Mitgliederbestellung der Stiftungsorgane müssen die stetige Handlungsfähigkeit gewährleisten.
Ist das Vorprüfungsverfahren erfolgreich abgeschlossen, bestätigt die Stiftungsbehörde die Anerkennungsfähigkeit der Familienstiftung. Nun wird der Antrag auf Anerkennung gestellt und die Familienstiftung kann von der Stiftungsbehörde anerkannt werden. Ab dem Tag ihrer behördlichen Anerkennung existiert die rechtsfähige Stiftung als juristische Person. Anders als bei einer Kapitalgesellschaft in Form einer Vorratsgesellschaft scheidet die Möglichkeit einer käuflichen „Vorratsstiftung rechtsformbedingt aus, da die Stiftung keine Anteilseigner haben kann. Das Anerkennungsverfahren kann also nicht verkürzt werden. Ein weiterer Unterschied zwischen Kapitalgesellschaft und Stiftung besteht darin, dass es weder zivil- noch steuerrechtlich eine mit der Vor-Gesellschaft einer Kapitalgesellschaft vergleichbare „Vor-Stiftung
geben kann.²⁵
In den einzelnen Phasen des Anerkennungsverfahrens bestehen folgende Möglichkeiten zum Widerruf eines Stiftungsgeschäfts unter Lebenden:
Bevor der Antrag auf Anerkennung bei der zuständigen Behörde gestellt wurde, ist ein Widerruf des Stiftungsgeschäfts formlos möglich.
Nachdem der Antrag auf Anerkennung bei der zuständigen Behörde gestellt und bevor dem Stifter die Anerkennungsurkunde wirksam bekannt gegeben wurde, ist ein Widerruf noch durch eine amtsempfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber der Behörde möglich.
Mit der wirksamen Bekanntgabe der Anerkennungsurkunde erlischt das Recht zum Widerruf.²⁶
Als Alternative zum Stiftungsgeschäft unter Lebenden bietet das BGB die Möglichkeit einer Stiftungserrichtung von Todes wegen.²⁷ Geregelt werden kann das Stiftungsgeschäft von Todes wegen innerhalb des Testaments²⁸ oder in einem separaten Erbvertrag.²⁹
Die Kosten der Anerkennung durch die zuständige Landesbehörde richten sich nach der Gebührenordnung des jeweiligen Bundeslands. Beispielsweise sieht die Allgemeine Gebührenordnung des Bundeslands Niedersachsen eine Gebühr zwischen EUR 300 bis 1000 für die Anerkennung einer Stiftung als rechtsfähig vor.³⁰
1.1.3 Vermögensübertragung
Allgemein kann der Stifter sein Vermögen unentgeltlich, entgeltlich oder teilentgeltlich an die Stiftung übertragen.
Verpflichtet sich der Stifter in einem Stiftungsgeschäft unter Lebenden³¹ oder einer Verfügung von Todes wegen³² dazu, sein Vermögen unentgeltlich zu übertragen, handelt es sich bei dem Vermögen um Grundstockvermögen der Stiftung. Wird Vermögen ohne Verpflichtung in dem Stiftungsgeschäft an eine bestehende Stiftung vererbt³³ oder verschenkt,³⁴ handelt es sich um sogenannte Zustiftungen. Das zugestiftete Vermögen kann wahlweise dem wertmäßig zu erhaltenden Grundstockvermögen zugeordnet oder der Stiftung zum freien Verbrauch in Erfüllung des Stiftungszwecks zur Verfügung gestellt werden.
Entgeltliche Übertragungen liegen typischerweise bei einem Verkauf³⁵ von Vermögen an bzw. durch die Stiftung vor, wenn der Veräußerer des Vermögens entweder Geld als Gegenleistung erhält oder an den Erwerber eine bestehende Darlehensschuld abtritt.³⁶ Ein Tausch³⁷ scheidet meist aus, weil die Stiftung noch nicht über eigenes Vermögen verfügt. Soll eine voll entgeltliche Übertragung durchgeführt werden, ist die Höhe des Kaufpreises, den der Veräußerer erhält, in Höhe des Verkehrswerts des veräußerten Vermögens festzulegen.
Da eine Stiftung als verselbstständigte Vermögensmasse keine Gesellschafter, Anteilseigner oder Mitglieder hat, können dem Stifter im Gegenzug für Vermögensübertragungen keine Gesellschaftsrechte gewährt werden. Rechtsformbedingt sind damit keine nach dem Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) begünstigten Einbringungen von Betrieben, Teilbetrieben oder Mitunternehmeranteilen gegen Gewährung neuer Anteile in eine Stiftung möglich. Ebenso ausgeschlossen sind offene³⁸ oder verdeckte³⁹ Einlagen in das Stiftungsvermögen.
1.2 Besteuerung
1.2.1 Erbschaft- und Schenkungsteuer
1.2.1.1 Steuerpflicht
Nach dem Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) sind unentgeltliche Vermögensübertragungen an eine Familienstiftung steuerpflichtig.⁴⁰ Bei den Vermögensübertragungen aufgrund des Stiftungsgeschäfts handelt es sich entweder um Stiftungserrichtungen von Todes⁴¹ wegen oder Stiftungserrichtungen durch ein Stiftungsgeschäft unter Lebenden.⁴² Unentgeltliche Vermögensübertragungen, zu denen sich der Stifter nicht in dem Stiftungsgeschäft verpflichtet hat, sind als freigebige Zuwendungen unter Lebenden steuerpflichtig.⁴³
Entscheidend für die anzuwendende Fassung des ErbStG,⁴⁴ die steuerliche Wertermittlung,⁴⁵ die Prüfung der Anwendungsvoraussetzungen der steuerlichen Verschonungsabschläge⁴⁶ und die anzuwendende Steuerklasse⁴⁷ ist jeweils der Tag der Entstehung der Steuer:
Stichtag der Entstehung der Erbschaftsteuer ist nicht bereits der Tag des Erbfalls des Stifters, sondern erst der Tag der behördlichen Anerkennung