Polizei.Wissen.: Polizei und Recht
Von Jonas Grutzpalk und Martin Klein
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Über dieses E-Book
a) eine Mannigfaltigkeit an Sichtweisen
b) in kurzen Texten
zusammenzuführen. Dadurch soll eine Diskussion möglich werden, die ansonsten nur schwer zu organisieren wäre und die sehr lange dauern könnte.
Grundsätzlich wird in den Themenheften, ein Thema von verschiedenen Seiten beleuchtetet. Dabei wird jeweils besonders der polizeilichen Lehre als auch der polizeilichen Praxis Raum zur Aussprache eingeräumt.
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Buchvorschau
Polizei.Wissen. - Jonas Grutzpalk
Vorwort der Redakteurin zum Heft „Polizei und Recht"
Stefanie Haumer*
Der Polizei werden vom Gesetzgeber im Wesentlichen zwei große Aufgabenbereiche übertragen: die Strafverfolgung und die Gefahrenabwehr. Keine dieser beiden Aufgaben geht grundsätzlich der anderen Aufgabe vor. Denn es gibt weder einen allgemeinen Vorrang der Strafprozessordnung gegenüber dem Gefahrenabwehrrecht noch umgekehrt.¹
Im Rahmen dieser Aufgabenbereiche werden die Möglichkeiten, Rechte und Pflichten der Polizei in zahlreichen unterschiedlichen Regelungssystemen näher ausgestaltet. Auf eine Auswahl dieser Gesetze und Vorgaben soll dieses Heft ein Schlaglicht werfen. Dabei reicht die Bandbreite von denjenigen rechtswissenschaftlichen Disziplinen, die einen Kernbestandteil der polizeilichen Ausbildung ausmachen, wie das Eingriffs-, Staats-, Straf- und Verkehrsrecht, über Spezialgebiete, wie das Versammlungs-, das Datenverarbeitungs- oder das Waffenrecht, bis hin zu einem Blick ins niederländische Ausland bzw. auf internationale Vorgaben, die für die Polizeiarbeit von Bedeutung sind.
Besonders erfreulich ist, dass es daneben gelungen ist, in diesem Heft auch die Perspektive der Rechtsanwender sowie aus Rechtspolitik und Rechtsphilosophie wiederzugeben.
Durch das Verbinden dieser verschiedenen Puzzleteile in einem Heft ist es gelungen, das Bild der rechtlichen Grundlagen der Polizeiarbeit zusammenzusetzen und aufzuzeigen. Das Heft enthält eine kompakte Darstellung, die es ermöglicht, einen Überblick über die Vielseitigkeit der rechtlichen Vorgaben zu gewinnen, die die Polizei im Rahmen ihrer Aufgabenbewältigung täglichen Dienst zu beachten hat.
* Stefanie Haumer lehrt das Fach Eingriffsrecht im Studiengang Polizeivollzugsdienst an der HSPV NRW, Abteilung Münster.
¹ BGH 2 StR 247/16 - 26. April 2017 (LG Limburg).
Staatsrecht in der Polizeiausbildung
Frank Braun*
Das Grundgesetz der Bundesrepublik ist seit mehr als sieben Jahrzehnten Garant einer freiheitlichen Demokratie. Vor dem Hintergrund von zwölf Jahren Nationalsozialismus setzten sich es die Väter und Mütter des Grundgesetzes zum Ziel, der neuen Bundesrepublik eine Verfassung zu geben, deren Dreh- und Angelpunkt die Menschenwürde und die nachfolgenden Grundrechte sind; flankiert von den Staatsstrukturprinzipien, die die grundlegenden Leitlinien der nationalen Staatsverfasstheit abbilden: Rechtsstaat, Republik, Demokratie, Bundesstaat und Sozialstaat. Dass diese Grundsätze schlichtweg konstituierend für die Verfassung unseres Landes sind, bedarf keiner besonderen Erwähnung; eben so wenig, dass polizeiliches Handeln in einer freiheitlichen Demokratie stets von den besagten Prinzipien und der grundgesetzlichen Werteordnung als Ganzes gesteuert werden muss. Das Fach Staatsrecht, in dem diese Grundfesten der Demokratie, insbesondere die Achtung der Grund- und Menschenrechte und die Grundsätze verhältnismäßigen und rechtsstaatlich domestizierten Eingriffshandelns den Studierenden vermittelt werden, prägt insoweit – mehr als jedes andere Fach – das Berufsbild des Polizeibeamten.
Vorab: Verfassungspatriotismus als deutsche Besonderheit
Das Grundgesetz genießt in der Bevölkerung ein Ansehen und eine nahezu sakrale Wirkkraft, die im Vergleich zu anderen demokratischen Staaten recht ungewöhnlich sind. Die Verfassung scheint mittlerweile als abstrakter Gründungsmythos der Bundesrepublik das deutsche Volk und seine Zusammengehörigkeit mehr oder weniger alternativlos zu repräsentieren. Es ist zwar Anliegen jeder Verfassung, „die Selbstidentifikation der Nation fortzuschreiben, sie durch die Kraft repräsentativer Symbole, Personen, Verfahren und Institutionen zu einer politischen Einheit zusammenzuhalten; dass aber die Verfassung selbst zum Symbol wird und quasi als Nullpunkt und nicht als „Fortschreibung
die Einheit eines Volkes kennzeichnen soll, ist einzigartig.
„Das Grundgesetz genießt in der Bevölkerung ein Ansehen und eine nahezu sakrale Wirkkraft."
Es ist zwei Phänomenen geschuldet, dass eine solche Art von Verfassungspatriotismus als spezifisch deutscher Ersatz für ein demokratisches Nationalbewusstsein entstehen konnte. Zum einen stand den Deutschen in Anbetracht des nationalsozialistischen Unrechts, das rückwirkend auf die gesamte deutsche Vergangenheit ausstrahlt, kein unumstrittenes historisches Ereignis mit Symbolkraft für einen Gründungsmythos zur Verfügung. Zum anderen scheint man sich in der Diskussion um eine deutsche Leitkultur nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner – die tragenden Verfassungsgrundsätze – einigen zu können.
„In der Diskussion um eine deutsche Leitkultur scheint man sich nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen zu können."
Nachdem die Bevölkerung zunehmend heterogener zusammengesetzt ist, da verbindende Elemente, wie gemeinsame traditionelle und religiöse Strukturen, sich aufgelöst haben, bietet wohl nur das Grundgesetz Halt für eine „offene Gesellschaft". Die in der Verfassung verankerte Menschenwürde, die Gewährung von umfassenden Freiheitsrechten, Rechtsstaat, Demokratie, Gleichberechtigung, sozialem Schutz sowie die Trennung von Staat und Religion könnten als identitätsstiftend für das deutsche Volk empfunden werden. Derart verstandener Verfassungspatriotismus ist ein staatsbürgerschaftliches Konzept, das sich als Alternative zu einem ethnischen Staatsverständnis sieht. Die Staatszugehörigkeit soll auf grundgesetzlich garantierten Werten beruhen und nicht auf Abstammungs- oder Sprachgemeinschaften.
Verfassung und Polizei
Prägend für die tägliche Polizeiarbeit sind die Grundrechte und das Rechtsstaatsprinzip. Rechtsstaat bedeutet, dass die Ausübung staatlicher Macht nur auf Grundlage der Verfassung und im Rahmen der Gesetze mit dem Ziel der Gewährleistung von Menschenwürde, Freiheit, Gerechtigkeit und Rechtssicherheit zulässig ist. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG sowie Art. 1 Abs. 3 GG enthalten mit der Gewaltenteilung und der Bindung aller Staatgewalt an „Recht und Gesetz" wichtige Teilelemente des Rechtsstaatsprinzips. Darüber hinaus bestehen eine Reihe weiterer Einzelausprägungen, die eine rechtsstaatliche Polizei prägen: Effektiver Rechtsschutz (vor allem bei heimlichen polizeilichen Maßnahmen), Normenklarheit und -bestimmtheit, Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns oder das Recht eines jeden Bürgers auf ein faires Verfahren.
„Rechtsstaat bedeutet, dass die Ausübung staatlicher Macht nur auf Grundlage der Verfassung und im Rahmen der Gesetze zulässig ist."
Die Grundrechte und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kommen bei allen polizeilichen Eingriffsmaßnahmen zur Geltung. Aufgrund der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe wie „öffentliche Sicherheit und „Gefahr
im Tatbestand von Eingriffsbefugnissen sowie dem auf der Rechtsfolgenseite eröffneten Ermessen ist das Polizeirecht nichts anderes als ein durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bestimmtes System von grundrechtlich determinierten Abwägungsentscheidungen. Dabei bewegt sich die Polizei ständig zwischen Schutz und Eingriff. Einerseits soll sie die Freiheit der Bürger vor staatlichen Eingriffen wahren, andererseits sie vor Übergriffen Dritter schützen.
„Die Grundrechte und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kommen bei allen polizeilichen Eingriffsmaßnahmen zur Geltung."
Aktuelle Herausforderungen: Der Umgang mit Minderheiten
Art. 3 Abs. 3 GG verbietet eine Bevorzugung oder Benachteiligung aufgrund des Geschlechtes, der Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft, sowie des Glaubens und der religiösen oder politischen Anschauungen. Grundsätzlich ist eine Ungleichbehandlung aufgrund der genannten Differenzierungskriterien verboten; jeder Verstoß führt zur Verfassungswidrigkeit. Allerdings lässt das Bundesverfassungsgericht im Einzelfall Ausnahmen unter strikter Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips und nur zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter zu. In Bezug auf sog. verdachtsunabhängige Kontrollen wurden diese Grundsätze in bemerkenswerter Weise von der Rechtsprechung präzisiert und die umstrittene Frage zu beantworten versucht, unter welchen Voraussetzungen polizeiliche Maßnahmen