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Love me, heal me: Mein Leben, meine Träume und ich
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Love me, heal me: Mein Leben, meine Träume und ich
eBook293 Seiten4 Stunden

Love me, heal me: Mein Leben, meine Träume und ich

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Über dieses E-Book

Miriam wird in ihrer Familie nur noch wie das Heimchen am Herd behandelt. Doch jeder Versuch auszubrechen, wird mit Ignoranz und Vorwürfen bestraft. Sie weiß, dass sie es niemals ohne fremde Hilfe schaffen kann, ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Doch dann trifft sie auf die Bestsellerautorin Josephine Hopkins, die ihr nicht nur eine helfende Hand reicht, sondern auch den Schlüssel, zu einer neuen Zukunft. Selbstbewusstsein, Hoffnung und Liebe und zudem eine alte längst vergessene Leidenschaft, das Schreiben.
Wird Miriam in der Lage sein, sich zu befreien und einem neuen aufregendem Leben zu stellen?
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum1. Jan. 2023
ISBN9783347810808
Love me, heal me: Mein Leben, meine Träume und ich
Autor

Bianka Mertes

Um meinem Alltag ab und zu entfliehen zu können, schreibe ich bereits seit meiner Schulzeit und lasse mich in Fantasiewelten einladen. Neben fantastischen Welten greife ich auch gern alltägliche Themen und die Liebe in meinen Projekten mit auf. Im Vordergrund stehen fast immer weibliche Charaktere, die sich behaupten können. Geboren wurde ich 1968 in einem kleinen Ort namens Unkel, der am wunderschönen Rhein gelegen ist. Derzeit lebe ich mit zwei von vier Kindern und meinem Enkelkind mitten im Naturpark des Westerwaldes und widme mich neuen Herausforderungen und Abenteuern. Solariya ist mein Herzensprojekt, das bereits viele Hürden meistern musste, bis es endlich seinen würdigen Auftritt erhalten konnte. Ohne die Hilfe eines ganz bestimmten Menschen, würde es Solariya nicht mehr geben.

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    Buchvorschau

    Love me, heal me - Bianka Mertes

    Kapitel 1

    Miriam saß in der Küche an dem kleinen Tisch, der gerade für zwei Personen Platz bot. Der Tisch, an dem sich in ihrem Leben mittlerweile alles drehte. An dem Miriam alles peinlichst genau organisierte und der einzige Ort, an den sie sich einmal zurückziehen konnte. Von den anderen würde sich keiner freiwillig in die Küche verirren, schließlich hieß das ›Arbeit‹, vor der sie sich in dieser Familie, jedenfalls zu Hause, alle drückten.

    Jetzt saß sie hier wie jeden Sonntag, mit einer Tasse Kaffee und ihrem Terminkalender vor sich ausgebreitet. Es war mittlerweile 23 Uhr und außer ihr schlief schon alles. Ihr Kopf schmerzte und ihre Beine fühlten sich an wie Blei, jedoch ließ sich diese Arbeit nicht aufschieben. Sie stöhnte und sah sich die folgenden Tage an, die bereits voll ausgefüllt waren. Termine über Termine, keine Zeit dazwischen, die sie einmal für sich nutzen konnte. Ihre einzige Freizeit lag darin, einen Kaffee zu trinken, wenn alle anderen schliefen. Nur dann konnte Miriam einmal durchschnaufen und die Seele baumeln lassen.

    Montag stand noch ein Besuch in der Schule ihrer jüngsten Tochter an, den sie irgendwie dazwischenschieben musste. Der Klassenlehrer ihrer jüngsten Tochter bestand darauf. Es ging um die Klassenfahrt und war daher wichtig, da musste sie einfach hin. Miriam schnaufte und ließ den Kopf auf die Hand sinken. Warum hatte der Tag keine 48 Stunden? Aber auch dann wäre der Kalender wahrscheinlich überfüllt. Wenn sie zum vereinbarten Termin da sein wollte, musste wohl ihr Termin beim Arzt ausfallen. Schweren Herzens nahm sie den Kugelschreiber zur Hand, strich den Arzttermin im Kalender und trug den Schulbesuch ein. Somit konnte sie alle wichtigen Termine unterbringen, nur keine Zeit für sich. Sie blätterte völlig fertig durch den Kalender, in dem es kaum einen Tag in der Zukunft gab, der nicht markiert war.

    Miriam nahm einen Schluck aus ihrer Tasse, setzte sich im Stuhl zurück und streckte die schmerzenden Beine unter dem Tisch aus. Sie legte den Kopf in den Nacken, während sie in Gedanken an früher schwelgte. Wann bitte hatte sich das eigentlich alles so entwickelt? Früher war das noch alles anders. Nachdem sie ihren Mann Robert kennenlernte, was übrigens nur ein seltsamer Zufall war, traf Miriam sich mit Freunden und zusammen unternahmen sie auch viel. Sie gingen feiern, lachten ausgelassen und verfügten über viele Gemeinsamkeiten. Damals ging sie auch noch ihrer geregelten Arbeit nach. Es gab kaum einen Tag, an dem sich Miriam nicht glücklich fühlte. Sie vermisste diese alten Tage, an denen sie noch ausgelassen lachen konnte und mit einem Gefühl durch die Gegend lief, als könnte sie nichts und niemand aufhalten.

    Doch nach der Hochzeit fing alles an, sich zu ändern. Robert war kaum noch zu Hause, ging lieber arbeiten und war oft mit seinen Kollegen unterwegs. Dann kam das erste Kind und alles war vorbei. Nach und nach wurde sie zur Einsiedlerin. Arbeiten hatte Robert ihr strengstens verboten, sie sollte sich ausschließlich um den Haushalt und das Kind kümmern. Eine echte Lebensaufgabe, wenn die nicht so einsam machen würde. Denn durch den Umbau des Hauses, den Miriam zum größten Teil selbst erledigen musste, kam sie auch kaum noch vor die Tür. Gern hätte sie sich einmal mit anderen Müttern ausgetauscht, doch durch die ganze Arbeit, die sie erledigen musste, wurde ihr selbst das kaum noch möglich. Anfangs versuchte sie noch, mit ihrem Kind, so oft es ging, den Park zu besuchen. Sie liebte es, die Sonne zu genießen, den Vögeln zuzuhören und den anderen Kindern beim Spielen zuzusehen, während sie mit ihrer Tochter auf einer Bank kuschelte. Doch mit der Zeit wurde die Arbeit mehr und ihre Zeit für sich immer weniger.

    Es folgten Kind zwei und drei. Und schließlich die kleine Nachzüglerin, mit der keiner gerechnet hatte. Und somit wandelte sich Miriams Schicksal komplett. Aus dem Haus kam sie nur noch zum Einkaufen und wenn die Termine es von ihr verlangten. Ansonsten Haushalt, die Kinder versorgen und dem Mann den Hintern hinterhertragen. Ein Leben, das sie so nicht vorhergesehen oder geplant hatte.

    Jetzt war sie zweiundvierzig und vollkommen auf die Familie und ihre Bedürfnisse fixiert. Keine Freizeit, kein eigenes Leben. Doch ihre Wünsche und Sehnsüchte trug sie noch immer tief in sich verborgen.

    Auch wenn ihre Kinder jetzt fast alle in einem Alter waren, in dem sie schon für sich allein sorgen konnten, hieß das noch lange nicht, dass sie die Bequemlichkeit ablegen würden. Im Gegenteil, es war nirgends so schön wie im ›Hotel Mama‹.

    Luisa war mittlerweile dreiundzwanzig und ihre Ausbildung als Anwaltsgehilfin schon lange erfolgreich hinter sich gebracht. Sie arbeitete als Sekretärin in einer angesehenen Kanzlei. Kurzerhand verknallte sie sich in ihren Chef Tim und die beiden waren seit geraumer Zeit ein Paar. Doch von zu Hause ausziehen kam für sie nicht in Frage. Sie war das Modepüppchen in der Familie und wurde ihrem aufbrausenden Charakters wegen liebevoll Hexe genannt.

    Ein Jahr später kam dann Marc auf die Welt. Er wusste noch nicht wirklich, etwas mit seinem Leben anzufangen. Hing lieber mit seinen Freunden ab und musste sich mit seinem Auftreten als Punk immer wieder in den Mittelpunkt stellen. Nach der Hauptschule hieß seine Lebensweisheit: Erst einmal etwas chillen. Doch mittlerweile wurden aus diesem ›etwas‹ schon fast sechs Jahre, in denen er nicht einmal Anstalten machte, sein Leben in den Griff zu bekommen, geschweige sich nach einem Job umzusehen. Wenn Miriam aber mal etwas sagte, weil sie damit absolut nicht zurechtkam, kam von Robert nur: ›Lass den Jungen mal machen, der braucht seinen Freiraum.‹

    Leona, von allen Leni genannt, wurde gerade einundzwanzig. Sie war total aus der Art geschlagen. Nach ihrem Studium wollte sie unbedingt Kinderärztin werden, was ja an sich auch nicht schlecht war. Sie war genauso arbeitswütig wie ihr Vater und daher bekam Miriam sie eher selten zu Gesicht. Jedoch änderte sich das nach ihren sprunghaften Bekanntschaften. Sie musste sich ausgerechnet mit einem der Oberärzte einlassen, was seiner Frau gar nicht gefiel. Seit dem Tag, an dem alles rauskam, lebte sie auch wieder unter dem Dach ihrer lieben Familie.

    Dann unerwartet für uns, kam die Nachzüglerin Sylvana zur Welt. Mit ihren fünfzehn Jahren wusste sie, im Gegenteil zu allen anderen, genau was sie wollte. Seit einem schweren Autounfall war sie allerdings an den Rollstuhl gefesselt. Und auch wenn sie etwas übergewichtig war und von allen in der Klasse Pummelchen genannt wurde, ließ sie sich von ihren Zielen nie abbringen. Mit ihrer Gutherzigkeit brachte sie sich zwar oft in Schwierigkeiten und war daher etwas zurückhaltender geworden, aber gerade sie war diejenige, die Miriam in allem unterstützte. Ein Mädchen aus dem einmal eine wunderbare Frau werden würde.

    Über Robert gab es nicht mehr viel zu erzählen. Arbeitswütig wie eh und je. Manchmal bekam Miriam eher das Gefühl, als würde er sich nur drücken, ein Teil der Familie zu sein. War ja auch einfacher, die ganze Verantwortung abzugeben, anstatt sich selbst einmal zu kümmern.

    Seitdem Sylvana auf der Welt war, nahm er nicht nur nicht mehr am Familienleben teil, nein, er hatte sich sogar aus dem gemeinsamen Schlafzimmer zurückgezogen. Robert schlief lieber im Wohnzimmer auf der Couch. Also war Miriam auch im Bett allein. Sie fühlte sich mittlerweile wie ein Hausmädchen, das auf ihren nächsten Einsatz wartete. Sie fühlte sich schon lange nicht mehr glücklich oder geliebt in ihrer Beziehung, eher einsam und unattraktiv. Natürlich hatten ihre vier Kinder ihren Körper in Richtungen geformt, die sie am liebsten nicht gehabt hätte. Vom ständigen zu- und abnehmen blieben Dellen und Schwangerschaftsstreifen, dennoch kein Grund, sie wie eine Aussätzige zu behandeln und einfach links liegen zu lassen. Es tat verdammt weh, vom eigenen Mann nicht mehr beachtet zu werden. Nur in ihren Träumen war sie noch der Mensch, der von ihrem Mann einmal begehrt wurde. In der Realität gab es keine Schmuseeinheiten oder Zärtlichkeiten. Küsse komplette Fehlanzeige. Sie fühlte sich nur noch wie eine Leibeigene, die keinen eigenen Willen mehr haben durfte. Miriam musste einfach nur funktionieren, Tag und Nacht. Ob sie es wollte oder nicht.

    Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es schon fast eins war. Höchste Zeit, ins Bett zu gehen, denn um sechs klingelte der Wecker wieder und der ganze eintönige Trott würde von vorn beginnen.

    Sie stöhnte und ging ins Badezimmer, um sich bettfertig zu machen, wobei Miriam ihr Spiegelbild genauer betrachtete. Ihre dunklen schulterlangen Haare hatte sie bereits aus dem Zopf gelöst, in Locken fiel es über die schlaffen Schultern. Jedoch sah sie eine matte, blasse Person im Spiegel, die nichts mehr von der Lebendigkeit aufwies, die sie früher einmal besaß.

    Der Tag war anstrengend und hatte sie völlig geschafft. Sie legte sich eine Hand auf ihre fahle Wange und stöhnte. Wenn ihr Leben weiter so voranschreiten würde, wäre ihr Gesicht bald mit Sorgenfalten übersät.

    Miriam griff nach der Creme, die ihr Gesicht wenigstens über Nacht regenerieren sollte und verteilte sie großzügig im Gesicht. Sie gähnte und streckte ihre verkrampften Muskeln, während sie ins Schlafzimmer schlurfte, ins Bett fiel und anschließend das Licht löschte. Es dauerte nicht lange, bis sich ihr Körper die Ruhe nahm, die er brauchte und sie im Land der Träume verweilte.

    Es war erst 6:15 Uhr. Miriam war bereits gewaschen, fertig angezogen und der Kaffee lief auch schon. Gerade als sie den Frühstückstisch deckte, kam ihr Mann aus dem Wohnzimmer ins Esszimmer geschlurft.

    Wie jeden Morgen standen seine Haare in alle Himmelsrichtungen ab, wobei ihm selbst das nicht schlecht stand. Auch mit seinen fünfundvierzig Jahren und dem leichten Ansatz von Grau, sah er noch gut aus.

    Aber es war nur das trügerische Bild, das er aufrecht erhielt und stand in keinem Zusammenhang zu seinem Wesen. Er war ein Schauspieler, der nach außen hin den perfekten Ehemann und liebenden Vater mimte. Auch wenn das alles andere als der Wahrheit entsprach, beherrschte er seine Rolle perfekt. Wahrscheinlich war Miriam der einzige Mensch, der ihn auch ohne seine Maske kannte.

    »Ich komme heute später nach Hause.« Ohne auf eine Antwort zu warten, trottete er weiter Richtung Badezimmer, wo er sein allmorgendliches Ritual in Angriff nahm. Die Zeitungen stapelten sich bereits auf dem kleinen Schränkchen neben dem Waschbecken.

    Miriam seufzte genervt. Konnte er nicht wenigstens einmal früher daheim sein und etwas Zeit mit der Familie verbringen? Zudem konnte auch Miriam dringend etwas Unterstützung gebrauchen. Im Haus waren so viele Reparaturen angefallen, die sie nicht alle allein bewältigen konnte. Zudem geriet ihr Sohn mittlerweile völlig aus der Bahn und ihre Jüngste hätte bestimmt auch gern einmal wieder etwas mit der gesamten Familie unternommen. Doch das alles kümmerte ihn einen feuchten Kehricht. Hauptsache er konnte Überstunden schieben und dem allen entfliehen, sozusagen vor der Verantwortung drücken. Es war nicht leicht, die Familie zusammenzuhalten, wenn nicht alle an einem Strang zogen und jeder nur noch das machte, was er für richtig hielt. Sie waren eine Familie, warum kümmerte das keinen? Doch mittlerweile quälte Miriam noch ein ganz anderer Verdacht, den sie bis jetzt für sich behielt. Handelte es sich wirklich nur um Überstunden, oder existierte eine andere Frau, die ihn glücklich machte und Miriams Platz einnahm? Doch das waren nur Spekulationen und sie verfügte über keinerlei Beweise.

    Ein schmerzhafter Stich fuhr durch ihr Herz, der allein nur bei dem Gedanken daran immer heftiger wurde. Auch wenn sie sich mittlerweile auseinandergelebt hatten, gab es ja einmal eine Zeit, in der sie sich liebten. Wobei sich bei ihr das Gefühl so allmählich verabschiedete. Denn die glückliche Zeit war schon längst zurückgelassen, während sie die Realität schneller einholte, wie ein D-Zug fahren konnte. Zurück blieben nur ein trauriges Gefühl und eine Sehnsucht, die Robert jedenfalls nicht mehr stillen wollte.

    Miriam sah auf die Uhr. In zehn Minuten würden auch die anderen eintrudeln und ihr Frühstück einfordern. Keine Zeit, sich jetzt über ihren Mann Gedanken zu machen.

    Es folgte der gleiche Trott wie jeden Wochentag. Alle setzten sich an den Tisch, schaufelten das Frühstück in sich hinein und verschwanden wieder. Miriam blieb allein mit dem Chaos zurück, das sie auch ohne ein weiteres Wort erledigte, schließlich hatte sie auch keine große Wahl.

    »Soll ich dir helfen, Mama?« Ausgerechnet Sylvana, die mit ihrem Rollstuhl schon mehr als genug Schwierigkeiten in der kleinen Wohnung hatte, bot ihre Hilfe an. Sie kam eindeutig nicht nach ihrem Vater und darauf war Miriam am meisten stolz. Wobei sie mehr Grips im Kopf besaß, als manch anderer in dieser Familie. Auf der Stelle wurde Miriams Herz schwer wie ein Stein und sie hockte sich zu ihrer Tochter.

    »Nein, bin schon fertig.« Sie lächelte die Kleine an und versuchte, ihren Unmut und die Enttäuschung zu überspielen. Sylvana musste schon genug ertragen, da brauchte sie sich nicht auch noch um die Probleme ihrer Mutter zu sorgen.

    Doch Sylvana war nicht auf den Kopf gefallen, sie hatte bereits schon zu viel mitbekommen, wie Miriam schließlich erfahren musste. Das Gesicht ihrer Tochter verzog sich zu einem grimmigen und sie stemmte die Hände in die Hüften, während sie Miriam böse ansah.

    »Glaubst du wirklich, ich merke nicht, wie es dir geht? Mama, du solltest endlich auch einmal an dich denken.«

    Auch wenn Miriam immer die Harte spielte, was ihr nicht besonders leicht viel, öffneten sich bei den Worten ihrer Tochter jedoch die Pforten der Tränen. Schnell strich sie sie wieder aus dem Gesicht und nahm Sylvanas Hand in ihre, die sie liebevoll streichelte.

    »Hör zu, Schatz. Ich freue mich, dass du an mich denkst, aber hier gibt es so viel zu tun und ich bin nun mal die Einzige, die sich um alles kümmert. Mir geht es gut und es reicht mir, wenn ich weiß, dass ihr an mich denkt.« Seicht streichelte sie den dunklen Lockenkopf, während Sylvana sie misstrauisch beäugte.

    Miriam war keine gute Lügnerin, doch Sylvana beließ es erst einmal dabei. Sie wusste, dass sie ihre Mutter nicht so schnell umstimmen konnte. Außerdem war es langsam allerhöchste Zeit, in die Schule zu kommen.

    Kapitel 2

    Alle waren bereit und warteten nur noch auf Miriam, die sich noch die Jacke überzog, dann konnte das allmorgendliche Ritual weiter seinen Lauf nehmen. Die ganze Familie quetschte sich in den blauen Mini und hoffte, ohne Blessuren wieder aussteigen zu können. Nur Marc blieb verschont, der anstatt sich Arbeit zu suchen, lieber bis in die Puppen schlief.

    Zuerst lieferte Miriam ihren Mann ab, danach folgte Leona, kurz darauf Luisa und zum guten Schluss fuhr Miriam Sylvana zur Schule. Nur gut, dass sie dort einen zweiten Rollstuhl deponiert hatten, denn es war schlicht unmöglich, den auch noch in den Mini zu quetschen.

    »Bis später, mein Schatz«, verabschiedete Miriam sich von ihrer Tochter, die sie ganz fest in die Arme nahm. Miriam wusste, dass sie ihren Kummer spürte und umso schwerer fiel es ihr, die gute Miene aufrecht zu erhalten. Schweren Herzens gab sie Sylvana noch einen Kuss, bevor sie in das Schulgebäude rollte. Sie sah Sylvana noch nach, bis sie verschwunden war, seufzte schwer und setzte sich dann hinter das Lenkrad.

    Drei Sunden später schloss sie endlich die Haustür auf. Nicht mehr lange und sie konnte schon wieder losfahren und ihre Familie wieder einsammeln. Der Einkauf nahm diesmal mehr Zeit in Anspruch als sonst. Nachdem sie Sonntags bereits alle Angebote herausgeschrieben hatte, wurde Miriam schon bewusst, dass an der Fleischtheke eine Horde von wildgewordenen Hausfrauen auf sie warten würde. Rinderrouladen und Hackfleisch zu einem unschlagbaren Preis, da schlug wohl jeder zu. Der Schlange nach zu urteilen, war sie wirklich nicht die Einzige, die so dachte. Alle waren bereits früh auf den Beinen, nur um das beste Stück Fleisch zu ergattern. Am liebsten wäre sie allein bei dem Anblick der Schlange von Kunden wieder herumgedreht. Doch das I-Tüpfelchen war, als diese dicke, alte, schnaufende Frau meinte, sie könnte sie einfach über den Haufen rennen und sich vordrängeln. Auch wenn Miriam sich zu Hause nicht durchsetzen konnte, bei den Angeboten wurde sie zur Furie. Da ließ sie sich nichts streitig machen und wunderte sich jedes Mal über sich selbst, warum sie das bei ihrer Familie nicht konnte. Aber insgeheim wusste Miriam warum. Es war einfach nur pure Angst, irgendwann allein dazustehen. Kein Beruf, kein Geld, keine Hoffnung, auf eigenen Beinen stehen zu können. Zudem kamen noch die Sorgen um Sylvana, die sie brauchte und sich auf Miriam verließ.

    Sie stöhnte sorgenvoll und ließ sich auf einen der Küchenstühle fallen. Ihre Beine schmerzten und sie war bereits jetzt total geschafft. Doch noch war der Tag nicht vorüber. Das Mittagessen wartete noch darauf, vorbereitet zu werden, und ihre Kinder musste sie auch nachmittags wieder einsammeln. Ein langer Tag, den sie gern anders verbracht hätte. Sie wollte gar nicht darüber nachdenken, was sie alles mit dieser Zeit anstellen könnte, denn dann würde sie in Selbstmitleid verfallen und das konnte sie absolut nicht gebrauchen. Sie musste stark sein, auch wenn ihr das nicht immer leicht fiel. Nur ihr Mann kam ja später nach Hause und so wie es aussah, würde er wohl gebracht werden. Ansonsten müsste sie später noch einmal ins Auto steigen und losfahren.

    Wie gern hätte sie nur einmal einen Tag erlebt, der sich nur um sie drehte. Sie lachte kurz bei dem Gedanken daran, denn in diesem Leben würde das wohl nicht mehr geschehen.

    Lustlos stand sie wieder auf und verstaute die Einkäufe, bevor sie sich einen Kaffee aufsetzte, um wach zu bleiben. Denn ohne den würde sie den Tag nicht überstehen.

    »Guten Morgen.« Erschrocken drehte sie sich zu ihrem Sohn um. Ein Blick auf die Wanduhr verriet ihr, dass das absolut noch nicht seine Zeit war. Normalerweise schlief er mindestens bis fünfzehn Uhr.

    »Bist du aus dem Bett gefallen?«, wollte sie erstaunt wissen, während sie sich eine Tasse aus dem Schrank holte.

    »Nein, Peter hat einen dreitägigen Ausflug geplant und ich weiß echt nicht, warum ich da so früh antanzen muss.«

    Er stand gähnend im Türrahmen und zerwühlte sich seine ohnehin schon in alle Himmelsrichtungen abstehenden Haare.

    Miriam sah ihn verdattert an. Nicht nur, dass sie davon überhaupt nichts wusste, aber was sie noch nachdenklicher werden ließ, war die Frage, woher er das Geld dafür hatte. Sie glaubte nicht, dass Peter das übernehmen würde, denn so viel konnte er in seiner Ausbildung schließlich auch nicht verdienen.

    »Und woher hast du das Geld dafür?«, fragte sie geradeheraus. Mit Arbeit das Geld verdienen, kam für ihn absolut nicht in Frage, da musste man ja früh aufstehen und was noch schlimmer war, sich bewegen.

    »Papa hat es mir gegeben. Er meinte, ich soll mir eine schöne Zeit machen«, erklärte er Miriam trocken, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt.

    Er gähnte erneut und setzte sich schlaksig an den Tisch.

    Miriam blieb der Atem im Hals stecken. Sie musste das ganze Wochenende damit Zeit verbringen, die Sonderangebote zu durchforsten, damit sie den Monat über die Runden kamen und Robert warf Marc das Geld in den Rachen? Also irgendwie lief in dieser Familie ganz gewaltig etwas falsch. Das ging eindeutig zu weit. Vor allem würde Marc sich so nie eine Arbeit besorgen. Warum auch, er bekam ja alles von seinem Vater in den Hintern geschoben. Wie gern hätte sie ihn zur Rede gestellt, doch da Robert das Geld nach Hause brachte, war dieses Thema tabu für Miriam, das stellte er von Anfang an klar. Anfang des Monats knallte er ihr das Haushaltsgeld auf den Tisch, das bei normalen Familien gerade für eine Woche reichte. Wenn sie Mehrausgaben hatte, wie zum Beispiel bei der Klassenfahrt ihrer Tochter, hieß es: »Spare es beim Haushaltsgeld ein. Du bekommst ja genug.«

    Klar, für eine Person vielleicht, jedoch musste sie damit einen fünf Personenhaushalt ernähren. Sie fragte sich echt manchmal, wie er sich das vorstellte.

    Sie verstand weder Marc, der so faul wie ein Faultier war, noch ihren Mann, der sie bei allem knapp hielt. Wie gern hätte sie selbst etwas dazu verdient, um Sylvana und sich selbst auch mal etwas zu gönnen, aber selbst das hatte er ihr ja verwehrt.

    »Du bist wohl wahnsinnig. Kümmer dich um den Haushalt und die Kinder, dann hast du genug zu tun«, war seine Antwort, nachdem sie in der Zeitung eine freie Stelle, als Verkäuferin gefunden hatte und sich bewerben wollte.

    Nachdem sie ihm erklärte, dass sie das Geld gut gebrauchen konnten, flippte er völlig aus.

    »Du bekommst genug, dann musst du eben besser haushalten«, waren seine abfälligen Worte.

    Noch weniger und es blieb nicht mal mehr etwas für ihren Kaffee übrig, ohne den sie die ganze Tortur nicht überleben würde.

    Sie hatte keinen Überblick über die Finanzen, wie viel Geld verdiente ihr Mann im Monat wirklich?

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