Rechtspopulismus und Rechtsextremismus: Erscheinung, Erklärung, empirische Ergebnisse
Von Susanne Rippl und Christian Seipel
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Buchvorschau
Rechtspopulismus und Rechtsextremismus - Susanne Rippl
Inhalt
Cover
Titelei
1 Einleitung
2 Rechtspopulismus, Rechtsextremismus – ein Gegensatz?
2.1 Rechtspopulismus und Rechtsextremismus – eine Begriffsklärung
2.1.1 Populismus und Rechtspopulismus
2.1.2 Rechtsextremismus
2.2 Die empirische Erfassung von rechten Orientierungen
2.2.1 Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in Umfragen
2.3 Zur Nutzung der Begrifflichkeiten
2.4 Fazit
3 Ideologische Grundlagen, Narrative und die Neue Rechte
3.1 Das »Volk« als zentrales ideologisches Narrativ der Rechten
3.1.1 Volk und Staat – Carl Schmitt als Vordenker
3.1.2 Ethnopluralismus – altes Denken in neuem Gewand
3.1.3 Weitere rechte Narrative
3.2 Die Neue Rechte und die strategische Modernisierung des Rechtsextremismus
3.3 Fazit
4 Erklärungsansätze für den aktuellen Rechtspopulismus
4.1 Theorien und Analyse-Ebenen
4.1.1 Normativität in der Forschung
4.1.2 Bestandteile einer umfassenden Theorie
4.2 Gesellschaftliche Ursachen des Rechtspopulismus – die Makroebene
4.2.1 Neoliberalismus, Meritokratie und die Rückkehr der sozialen Frage
4.2.2 Desintegration und autoritäre Regression
4.2.3 Cultural Backlash und kulturelle Spaltungen
4.2.4 Politische Repräsentationslücken und Postdemokratie
4.3 Ansätze auf der Individualebene
4.3.1 Sozialisation, Lernen und Persönlichkeit
4.3.2 Deprivation, Desintegration und Anerkennung
4.4 Fazit: Neoliberalismus, politische Krise und individuelle Regression
4.5 Einige empirische Befunde und Irritationen
5 Wichtige Erscheinungsformen des Rechtspopulismus in Deutschland
5.1 Die AfD – der politisch organisierte Rechtspopulismus in den Parlamenten
5.2 Rechtspopulismus auf der Straße: Die Identitäre Bewegung, Pegida und die Querdenker-Bewegung
5.2.1 Die Identitäre Bewegung
5.2.2 Pegida
5.2.3 Querdenker:innen – Corona-Leugnung und das populistische Moment
5.3 Zur Verbreitung rechter Einstellungen in der Bevölkerung
5.3.1 Ost-West-Unterschiede
5.3.2 Problem des »Othering« und normativer Wertung am Beispiel des Umgangs mit AfD-Wähler*innen
5.4 Gewalt und Rechtspopulismus
5.4.1 Straftaten und Gewalt mit rechtem Hintergrund
5.4.2 Der strategische Umgang rechtspopulistischer Akteur:innen mit Gewalt
5.5 Fazit
6 Jugend und Rechtspopulismus
6.1 Jugend als gefährdete Phase
6.2 Wandel des jugendkulturellen Umfeldes
6.3 Die Verbreitung rechter Einstellungen in der jugendlichen Bevölkerung
6.4 Fazit
7 Frauen, Antifeminismus und Anti-Gender-Diskurse im Rechtspopulismus
7.1 Der Wandel der Geschlechterverhältnisse – »Männlichkeit« unter Druck
7.2 Gender als Feindbild und symbolischer Kitt rechter Bewegungen
7.3 Frauen als Akteur:innen
7.4 Was macht rechte Ideologien für Frauen attraktiv
7.4.1 Die Dominanzkulturthese
7.4.2 Zumutungen und Verunsicherung durch die »doppelte Vergesellschaftung«
7.4.3 Alltägliche Gewalterfahrungen und die Ethnisierung von Gewalt
7.5 Fazit
8 Soziale Medien – wichtige Aktionsarenen des Rechtspopulismus
8.1 Fake News und Shitstorms – die Infrastruktur des Internets
8.2 Echokammern, Filterblasen und virale Effekte
8.2.1 Echokammern und Filterblasen – digitaler Tribalismus?
8.2.2 Enthemmung, Beschleunigung und virale Effekte
8.3 Rechte Strategien im Netz
8.4 »Burkas? Wir stehen auf Bikinis« – Die AfD und die neuen sozialen Medien
8.5 Fazit
9 Rechtspopulismus als Gefahr für die Demokratie
Anhang
Anhang A: Items der Bielefelder und der Leipziger Studie zur Messung rechtsextremer Einstellungen
Anhang B: Items der Bielefelder Studie zur Messung neurechter Mentalitäten
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Kastenverzeichnis
Literatur
emptyDie Autor:innen
Dr. Susanne Rippl ist Professorin für politische Soziologie am Institut für Soziologie der Technischen Universität Chemnitz. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Autoritarismus und Rechtsextremismus, neue rechte Bewegungen sowie der Vorurteilsforschung und der politischen Sozialisation. Weitere Interessensgebiete liegen im Bereich der kulturvergleichenden Forschung sowie der Sozialstrukturanalyse.
Dr. Christian Seipel ist Akademischer Rat am Institut für Sozialwissenschaften der Universität Hildesheim. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen politische Soziologie, Kriminologie, Hochschul- und Partizipationsforschung, Autoritarismus und Rechtsextremismus. Weitere Interessensgebiete liegen im Bereich der Methoden der empirischen Sozialforschung.
Susanne Rippl, Christian Seipel
Rechtspopulismus und Rechtsextremismus
Erscheinung, Erklärung,
empirische Ergebnisse
Verlag W. Kohlhammer
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1. Auflage 2022
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-038789-8
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-038790-4
epub: ISBN 978-3-17-038791-1
1 Einleitung
Der Rechtspopulismus ist weltweit im Aufschwung. In vielen Ländern Europas waren rechtspopulistische Parteien bereits erfolgreich, bevor in Deutschland im Jahre 2013 mit der AfD eine vergleichbare Akteurin die politische Arena betrat. Auch wenn es rechte Aktivitäten und Rechtsextremismus seit der Gründung der Bundesrepublik mit wechselndem Erfolg gab, hat es mit der AfD 2017 erstmals eine Partei rechts der CDU/CSU in den Bundestag geschafft, mit einem beachtlichen Ergebnis von 12,6 Prozent der Wählerstimmen. Rechte Parteien sind offenbar in Deutschland wieder wählbar geworden. Rechtspopulistischen Akteur:innen ist es gelungen, sich vom Image der »ewig gestrigen Nazis« zu distanzieren und als weniger gefährlich als der alte Rechtsextremismus zu erscheinen. Die neuen Akteur:innen haben einen Modernisierungsprozess vollzogen, der sich in neuen Strategien und einem neuen Auftreten zeigt. Die neuen sozialen Medien stellen eine Mobilisierungsplattform dar, die neue Dynamiken auslöst. Inwieweit jedoch eine Distanzierung von der alten Ideologie stattgefunden hat, ist fraglich. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig zu klären, was Rechtspopulismus ist, was ihn von Rechtsextremismus unterscheidet oder eben auch nicht und inwiefern es sich um eine verharmlosende Begrifflichkeit handelt. Der vorliegende Band gibt Einblicke in diese aktuellen Entwicklungen, zeichnet Modernisierungsprozesse nach und beleuchtet wichtige Mobilisierungsfelder.
Was will dieses Buch? Es gibt bereits eine Vielzahl von Einführungsbüchern zum Thema Rechtsextremismus, die sehr umfassende Darstellungen wichtiger Akteur:innen seit der Gründung der Bundesrepublik vorlegen. Der Fokus des vorliegenden Buches soll daher ganz explizit »nur« auf den aktuellen Entwicklungen des Rechtspopulismus in Deutschland liegen und Akteur:innen betrachten, die für die Entwicklungen der letzten zehn Jahre von besonderer Relevanz sind. Ausgangspunkt der Analysen ist eine definitorische Einordnung und die Klärung der Relationen der Begriffe Rechtspopulismus, Rechtsextremismus und Konservatismus (▶ Kap. 2). Darauf folgt die Darstellung ideologischer Kernelemente und zentraler neuer Akteur:innen. Für den Aufschwung des deutschen Rechtspopulismus ist die ideologische »Hintermannschaft« bedeutsam, die seit dem Scheitern der NPD an neuen Strategien arbeitete. Dazu gehört der intellektuelle Think Tank, die sogenannte Neue Rechte und das Institut für Staatspolitik. In Kapitel 3 betrachten wir ideologische Kernelemente und deren Verbindungen zur Konservativen Revolution der Weimarer Republik und zum Nationalsozialismus (▶ Kap. 3). Es werden zentrale Narrative und Strategien der Neuen Rechten vorgestellt und Kontinuitäten werden herausgearbeitet. Im Weiteren stellt das Buch neuere theoretische Ansätze dar, die versuchen, den weltweiten Aufschwung des Rechtspopulismus zu erklären. Dabei werden Verbindungen zu gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte wie dem Aufschwung des Neoliberalismus und der Globalisierung hergestellt. In diesem Kontext wird ein theoretischer »Baukasten« vorgestellt, der es ermöglicht diese Phänomene der Makroebene mit Entwicklungen und Theorien auf der individuellen Ebene zu verbinden (▶ Kap. 4). Es folgt eine Betrachtung der neuen Akteur:innen in der politischen Landschaft Deutschlands. Als wichtigste und politisch einflussreichste Akteurin wird die Entwicklung der AfD genauer beleuchtet. Es folgt ein Blick auf den bewegungsförmigen Rechtspopulismus auf der Straße, hier werden Pegida und die Identitäre Bewegung betrachtet und es wird ein Blick auf die Bewegung der sogenannten »Querdenker« geworfen. In diesem Kontext wird auch die Verbreitung rechter und rechtspopulistischer Einstellungen und damit verknüpfter Verhaltensweisen analysiert und der Frage nach der Ausbreitung dieser Haltungen bis in die Mitte der Gesellschaft nachgegangen (▶ Kap. 5). Im zweiten Teil des Buchs werden thematische Bereiche analysiert, die sich als relevant und dynamisch im Kontext aktueller Entwicklungen erweisen. Um die Modernisierung des Rechtsextremismus zu fassen, wird ein Blick auf die Thematik Jugend und Rechtsextremismus geworfen (▶ Kap. 6). In Kapitel 7 wird die Instrumentalisierung der Geschlechterverhältnisse im Rahmen rechtspopulistischer Anti-Gender-Diskurse analysiert (▶ Kap. 7). Dabei werden die ideologischen Strategien der neuen Akteur:innen nachgezeichnet. Schließlich wird in Kapitel 8 die zentrale Rolle der neuen sozialen Medien und die damit verbundenen Entwicklungsdynamiken dargestellt (▶ Kap. 8). Der vorliegende Band arbeitet in diesen zentralen Bereichen den aktuellen Forschungsstand auf und präsentiert die Befunde in einer kompakten Form.
Rechtspopulismus wird in diesem Buch nicht als ein vom Rechtsextremismus zu trennender Phänomenbereich behandelt. Rechtspopulismus ist in unserem Verständnis eine spezielle Ausdrucksform rechter Ideologien, die inhaltlich von rechtsextremen bis zu moderateren Formen rechter Orientierungen reichen können. Diese Herangehensweise sowie die Kritik an der Extremismustheorie werden ausführlich in Kapitel 2 erläutert (▶ Kap. 2).
Das Buch wendet sich an Studierende, Wissenschaftler:innen und auch Praktiker:innen sowie interessierte Laien, die sich einen kompakten, aktuellen Überblick zum Thema Rechtspopulismus in Deutschland verschaffen wollen.
Wir danken Dr. Rainer Barczaitis, Dresden, Dr. Per Holderberg, Hildesheim, Lisa Korell, Hildesheim, und Olesja Miljuchin, Chemnitz, für wichtige und wertvolle Hinweise und Rückmeldungen zum Manuskript, die weitere Überarbeitungen und auch Diskussionen zwischen den beiden Autor:innen ausgelöst haben. Die Forschungsliteratur zum Thema Rechtspopulismus hat in den letzten Jahren enorm zugenommen. Insofern können in diesem Buch nicht jede empirische Studie und Veröffentlichung zum Thema dargestellt und besprochen werden. Wir haben versucht, die aus unserer Sicht wichtigen Autor:innen, theoretischen Erklärungsansätze, Diskursfelder und empirischen Studien auszuwählen. Leider können wir bei dieser Auswahl nicht so selbstsicher wie Guy Debord in seinem Vorwort zur Gesellschaft des Spektakels formulieren, dass wir uns nie irren, deshalb obliegen Verkürzungen und Auslassungen selbstverständlich den beiden Autor:innen. Wir freuen uns insofern mit den Leser:innen in Kontakt zu treten und sind für Hinweise, Ergänzungen und Kritik dankbar.
2 Rechtspopulismus, Rechtsextremismus – ein Gegensatz?
Rechtsextremismus und Rechtspopulismus gehören heute zur Normalität der politischen Arena in allen europäischen Ländern. Auch wenn das nicht neu ist, so haben diese beiden Phänomene heute im Vergleich zur Nachkriegszeit bis in die 1990er Jahre ein neues Level erreicht, was die quantitative Verbreitung aber auch die Ausdifferenzierung angeht. Wie in anderen gesellschaftlichen Feldern auch, hat ein Prozess der Pluralisierung und Modernisierung stattgefunden, der in den letzten Jahren zahlreiche neue Akteur:innen hervorgebracht hat. Es besteht ein heterogenes Netzwerk, das internationale Bezüge zeigt (Fuchs & Middelhoff 2019; Gürgen et al. 2019). Im folgenden Kapitel werden zentrale Begriffe definitorisch eingeführt. Hierbei geht es darum, zu klären, was sich unter dem Begriff des Rechtspopulismus verbirgt und in welcher Beziehung dieser zum Rechtsextremismus steht. Im weiteren Verlauf werden zentrale ideologische Grundlagen, Begriffe und Narrative eingeführt, um abschließend auf die Rolle der Neuen Rechten als ideologische Denkfabrik im modernen deutschen Rechtsextremismus einzugehen.
2.1 Rechtspopulismus und Rechtsextremismus – eine Begriffsklärung
Rechtspopulismus ist zu einem Sammelbegriff für rechte Parteien und Bewegungen in der ganzen Welt geworden. Was darunter zusammengefasst wird, ist sehr unterschiedlich. Eine klare Definition fehlt. Oftmals soll der Begriff eine Abgrenzung zum Begriff des Rechtsextremismus suggerieren, ohne klar zu definieren, worin der Unterschied besteht. Lewandowsky (2017) bemerkt, dass der Begriff Rechtspopulismus in Deutschland inzwischen teilweise synonym mit dem Begriff des Rechtskonservatismus verwendet wird und damit die Grenze zum rechten Spektrum des Konservatismus, etwa dem rechten Flügel der CDU, verschiebt und die Abgrenzung zum Rechtsextremismus aufweicht. Fraglich ist, inwieweit diese begriffliche Einordnung zutrifft. Konservatismus steht für die Bewahrung der staatlichen Ordnung, wohingegen die Akteur:innen des Rechtspopulismus in einer Gegnerschaft zur liberalen Ordnung stehen, den Staat teilweise als Diktatur darstellen und durch diese begriffliche Verschiebung sich selbst als Bewahrer:innen und Widerstandskämpfer:innen darstellen. Die sich ständig wandelnde und radikalisierende AfD hat zu einer Verwischung der Grenzen beigetragen.
Die Diskussion um eine angemessene Grenzziehung und Differenzierung spiegelt auch die gesellschaftlichen Wandlungsprozesse in der Wahrnehmung des Phänomens Rechtspopulismus wider. Die Präsenz rechter Akteur:innen und ihrer Themen ist im öffentlichen Diskurs deutlich gestiegen. Damit verbunden ist eine Verschiebung dessen, was als »normal«, legitim oder irgendwie akzeptabel erscheint (Heitmeyer 2018; Salzborn 2017; Gessenharter 2017). Es scheint also notwendig, zu Beginn einer Abhandlung zum Thema, die Begrifflichkeiten zu klären.
2.1.1 Populismus und Rechtspopulismus
Es lassen sich zwei definitorische Richtungen zur Fassung des Begriffs Rechtspopulismus unterscheiden (Minkenberg 2018). Auf der einen Seite der Ansatz, der unter Rechtspopulismus neuere Entwicklungen des Parteien- und Akteursspektrums rechts der traditionellen konservativen Akteur:innen fasst, die dem Netzwerk der sogenannten Neuen Rechten zugerechnet werden (▶ Tab. 1). Oft wird damit implizit eine ideologische Abgrenzung vom Rechtsextremismus verbunden, die aber nicht zwangsläufig vorliegen muss. Es handelt sich eher um Akteur:innen, die neue Strategien verfolgen, z. B. ideologische Distanzierungsversuche und sich als Stimme der besorgten Bürger:innen darstellen. Diese Sicht herrscht in der alltäglichen Verwendung des Begriffs vor.
Tab. 1: Alte und neue Akteur:innen der rechten Bewegung
Auf der anderen Seite steht eine Sichtweise, die eine stärker inhaltlich-analytische Eingrenzung vorlegt. Der Populismus wird dabei als »dünne Ideologie« bezeichnet (Mudde 2007; Spier 2014), mit einer sehr begrenzten programmatischen Ausrichtung (Mudde & Rovira Kaltwasser 2018, S. 1669). Populismus tritt dementsprechend immer in Verbindung mit weiteren ideologischen Elementen auf, z. B. mit rechten Ideologien. Populist:innen auf der linken oder rechten Seite des politischen Spektrums teilen ein zentrales ideologisches Element, das zur Mobilisierung verwendet wird, die Unterscheidung in das »wahre Volk« und die »korrupte Elite« (Mudde & Rovira Kaltwasser 2018). Die Definition, wer zum wahren Volk gehört und wer nicht, markiert dann bereits klare ideologische Differenzen zwischen linkem und rechtem Populismus. In der rechten Variante werden völkische, identitäre Definitionen verwendet. In beiden Fällen ist mit populistischem Denken ein problematisches Verständnis einer liberalen Demokratie verbunden. Zentrale Elemente wie ein liberaler Pluralismus, die Rechtsstaatlichkeit und die Gewaltenteilung werden angegriffen (Mudde & Rovira Kaltwasser 2018, S. 1670).
So verstanden, beinhaltet der Begriff des Populismus eine Mobilisierungspraxis, die wenig über den konkreten Inhalt oder den Extremismus der politischen Richtung aussagt, die vertreten wird. Abbildung 1 veranschaulicht die zwei angesprochenen Aspekte, die im Rechtspopulismus zusammenkommen: der Populismus und die rechte Ideologie (▶ Abb. 1).
emptyAbb. 1: Rechtspopulismus
Mit Populismus ist demnach eine Mobilisierungsstrategie gemeint, innerhalb derer versucht wird durch Mittel der Angst, Übertreibung und Vereinfachung, Menschen zu mobilisieren. Decker und Lewandowsky (2017, S. 22) schreiben:
»[...] mit Populismus (wird) in erster Linie eine Haltung umschrieben, die für das sogenannte ›einfache‹ Volk und gegen die herrschenden gesellschaftlichen und politischen Eliten Partei ergreift. Der Populismus befindet sich also in Opposition zum (angeblichen) Establishment und verzichtet deshalb bewusst auf die Zustimmung relevanter Bevölkerungsanteile. Gerade dieser Außenseiterstatus verschafft ihm Glaubwürdigkeit unter seinen Anhängern«.
Populismus ist also geprägt von einem gemeinsamen Feindbild wie Regierungen, Konzerne, Parteien oder Lobbyverbände, kurz gefasst von einer Feindlichkeit gegenüber den Machteliten eines Landes. Oft nach dem Motto »der kleine Mann« oder »das einfache Volk« gegen »das Establishment«. Zudem fordern Populist:innen oft die Besinnung auf den »gesunden Menschenverstand« und stellen sich als die sogenannte »Stimme des Volkes« dar, ohne darauf zu beharren, tatsächlich eine Mehrheit zu sein. Man empfindet sich selbst als »Speerspitze«, als Kreis von Personen, der die Mechanismen der Macht durchschaut und nun den Rest des Volkes überzeugen muss. Damit verbunden ist die vage Vorstellung der Zugehörigkeit zu einer homogenen Gruppe, mit der sich der Einzelne identifizieren kann, die als »das Volk« imaginiert wird und deren Wille von einer charismatischen Figur repräsentiert wird. In diesem Sinne ist Populismus eine »Abgrenzungsideologie« (Decker & Lewandowsky 2017; Spier 2014), die mühelos mit rechten Ideologieelementen zu verbinden ist. Rechte Ideologieelemente wären hier die Abgrenzung von ethnischen oder religiösen Minderheiten, die neben der »oben»- versus »unten«-Trennung ein weiteres Feindbild aufruft und dies in einer emotionalisierten Weise als Bedrohung für das eigene Volk, die eigene Kultur oder die eigene Nation nutzt. Ein weiteres Element rechten Populismus ist die Hinwendung zu einer autoritären Führungspersönlichkeit, im Sinne »einer starken Hand«.
Offensichtlich ist, dass das Label »Populismus« allein noch keinen Hinweis auf die genaue Ausprägung spezifischer politischer Inhalte gibt. Die Zuschreibung einer Partei als rechtspopulistisch gibt somit keinen Hinweis darauf, inwieweit rechtskonservative Orientierungen abgedeckt werden oder die Grenze zum Rechtsextremismus überschritten wird (▶ Kasten 1). Häusler (2018, S. 87) hält die Bezeichnung »rechtspopulistisch« für unterkomplex zur Einordnung rechter Parteien, denn unter dem Label könnten sich sowohl nationalliberale/konservative wie extrem rechte Parteien finden. Um systemkonforme Gruppierungen zu fassen, wäre alternativ die Verwendung des Begriffs des Rechtskonservatismus möglich, – wobei hier das Merkmal des Populismus zumeist nicht zutrifft, da es solchen Parteien um das Bewahren der staatlichen Ordnung und Normen geht. Rechtskonservative nehmen eher eine elitäre Position ein und beäugen das »gemeine Volk« kritisch. Heitmeyer (2018) ersetzt den Begriff des Rechtspopulismus, den er für nicht trennscharf und verharmlosend hält, durch den Begriff des autoritären Nationalradikalismus. Häusler (2018) spricht von völkisch autoritärem Populismus. Heitmeyer und Häusler beziehen sich auf den völkischen Autoritarismus der Gruppierungen, wobei durch die klare Benennung der völkischen und der autoritären Ausrichtung auf die Gefahr und Gegnerschaft zur pluralen Demokratie verwiesen wird, die diese Gruppierungen für die liberale Demokratie darstellen. Ein zentraler Unterschied zum linken Populismus liegt im biologistischen Volksbegriff, den die Rechtspopulist:innen verwenden, der eine exkludierende Solidarität erzeugt, die zu einer Abgrenzung von Fremden führt (Dörre et al. 2018, S. 70) und sich klar vom inklusiven Politikansatz linker Populist:innen unterscheidet (vgl. Mouffe 2018). Vertreter:innen einer linkspopulistischen Bewegung geht es um den Abbau von extremen Ungleichheiten, sie setzen sich für marginalisierte Gruppen ein und streben eine Veränderung innerhalb des bestehenden Systems an. »Ohne die Institutionen des demokratischen Regimes in Frage zu stellen, muss ein hegemonialer Übergang stattfinden« (Mouffe 2018, S. 14).
Kasten 1:
Rechtspopulismus
Rechtspopulismus wird als »dünne Ideologie« verstanden – diese ist durch die Grundunterscheidung »wir = das Volk« gegen »die da Oben« gekennzeichnet, verbunden mit einer völkischen Definition dessen, was unter dem »Volk« verstanden wird bzw. wer dazugehört. Die völkisch exklusive Unterscheidung trennt den Rechtspopulismus von anderen populistischen Bewegungen. Der Begriff differenziert aber nicht hinsichtlich des Extremismus der Ideologie. Rechtspopulist:innen können zugleich Rechtsextremist:innen sein.
2.1.2 Rechtsextremismus
Die gerade dargelegte unterschiedliche inhaltliche Auffüllung des Begriffs Rechtspopulismus verweist auf die Notwendigkeit einer begrifflichen