Meine Organisation leistet Hilfe für Kriegsbetroffene. Mir graut vor den Folgen von COVID-19 für diese Menschen
AFP/Aaref Watad

Meine Organisation leistet Hilfe für Kriegsbetroffene. Mir graut vor den Folgen von COVID-19 für diese Menschen

Als Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz weiss ich, mit wie unglaublich harten Erlebnissen Menschen im Krieg konfrontiert sind. Wir stellen Nahrung für schwer unterernährte Menschen bereit. Wir hören den Überlebenden sexueller Übergriffe zu. Wir bringen zerstückelte Familien wieder zusammen und nähen unvorstellbare Kriegswunden.

Mit anderen Worten: Wir sehen die Welt von ihrer schlimmsten Seite. Aus diesem Grund wünsche ich mir dringend, dass die weltweiten Führungsverantwortlichen und Regierungen mir jetzt aufmerksam zuhören: Ich habe Angst.

Ich habe Angst, weil COVID die Kapazitäten des Gesundheitswesens in den westlichen Staaten mit ihrer fortschrittlichen medizinischen Infrastruktur überlastet.

Ich habe Angst vor dem Moment, wenn COVID die unzureichend ausgestatteten Gefängnisse erreichen wird, in denen die bereits angeschlagene Gesundheit der Insassen zusammen mit der beschränkten medizinischen Versorgungskapazität zu weitreichenden Erkrankungen führen wird.

Ich habe Angst vor dem Moment, an dem das Virus die überfüllten Flüchtlingslager und die prekären Behelfsunterkünfte dieser Welt erreichen wird, in denen Abstand halten unmöglich und die medizinischen Ressourcen knapp sind.

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Die Kinder, Eltern und vor allem die Grosseltern, die dort leben, werden bald auf sich allein gestellt gegen COVID-19 kämpfen müssen. Deshalb fordere ich die Regierungen und humanitäre Einrichtungen wie die meine dringend auf, ihr Möglichstes zu tun, um diesen so verletzlichen Menschen zu helfen.

Schon seit Langem ist diese Hilfe unabdingbar. Heute jedoch ist die Unterstützung derjenigen Menschen, die sich am wenigsten gegen Erkrankungen wehren können, ein moralischer und politischer Imperativ, selbst – oder gerade – während der lähmenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen einer weltweiten Gesundheitskrise. Wir können und müssen das Leiden lindern, das diese Krankheit unter denjenigen auslösen wird, die eine solche Situation am wenigsten bewältigen können.

Eine 2016 von der Rand Corporation durchgeführte Studie nannte Afghanistan, Haiti, Jemen und 22 Länder in Afrika als die 25 Länder, die bei einem Ausbruch einer ansteckenden Krankheit am meisten gefährdet wären. Unter den 10 anfälligsten Ländern befanden sich mehrheitlich Konfliktgebiete.

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Das IKRK nimmt derzeit eine umfassende Neuausrichtung seiner Hilfseinsätze vor, um die bestehende Tätigkeit an die aktuelle Realität des Virus anzupassen. In den von uns unterstützten medizinischen Einrichtungen etwa in Syrien, in Somalia und im Irak stocken wir die Vorräte an entscheidender Ausrüstung auf und verstärken die Massnahmen zur Infektionsprävention und -bekämpfung.

In Hafteinrichtungen in mehr als 50 Ländern arbeitet das IKRK mit den Behörden daran, Neuankömmlinge, Besucherinnen und Besucher, Gefängnispersonal und Mitarbeitende von Lieferdiensten verstärkt medizinisch zu untersuchen und aktivere Prävention zu betreiben. Zudem unterstützen wir Desinfektionsmassnahmen und verteilen Hygieneausrüstung. Ein entsprechendes Vorgehen hat bereits bei Cholera und Ebola dazu beigetragen, die Ausbreitung in Hafteinrichtungen in Guinea, Liberia und der Demokratischen Republik Kongo zu verhindern. Gegen COVID-19 sind ähnliche Massnahmen erforderlich.

All diese Initiativen sind derzeit von entscheidender Bedeutung. Doch eine weitere wesentliche Handlungsachse darf nicht vergessen gehen: Das IKRK und andere Akteure müssen auch diejenige Arbeit, die nicht mit COVID-19 in Zusammenhang steht, fortsetzen. Etwa die Spitäler, die wir im Südsudan unterstützen: In den letzten Wochen wurden dort mehr als 145 Patientinnen und Patienten mit Schussverletzungen eingeliefert. Auch sie müssen versorgt werden.

Es ist eine traurige Wirklichkeit, dass COVID-19 für Menschen in Konfliktgebieten möglicherweise nur eine weitere tödliche Bedrohung darstellt. Es gibt einen guten Grund, weshalb der UN-Generalsekretär zu einer weltweiten Feuerpause aufgerufen hat: Die humanitären Akteure benötigen so viel Raum wie möglich für die Bewältigung der aktuellen Pandemie.

Unser zweifacher Einsatz in Konflikten und gegen COVID-19 erweist sich als besonders schwierig aufgrund der lebenswichtigen Massnahmen, die zur Eindämmung der Pandemie ergriffen wurden. Reisebeschränkungen verhindern das Abholen humanitärer Hilfe und die Einreise unserer Teams in gewisse Länder oder die Auslieferung von Ausrüstung. Wir werden uns dafür einsetzen, diese Herausforderungen zu überwinden, aber wir bitten auch die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger, für humanitäre und gesundheitsbezogene Arbeit Ausnahmen vorzusehen.

Hilfe zu leisten ist ein moralischer Imperativ. Daher müssen die Regierungen und andere bewaffnete Akteure in Konfliktsituationen einen neutralen und unparteiischen humanitären Raum schützen, und sie dürfen diesen nicht durch Vorschriften und Einschränkungen überlasten. Jede und jeder hat die Menschenwürde zu schützen. Wir dürfen niemanden ausgrenzen, stigmatisieren oder an den Rand der Gesellschaft drängen.

Ich habe Angst, dass die Ausbreitung von COVID unter den verletzlichsten Menschen dieser Welt verheerend sein wird. Es bleibt nicht viel Zeit, aber wir müssen uns jetzt gemeinsam dafür einsetzen, einen möglichst grossen Teil des Leides, das sie erwartet, abzuwenden. Regierungen, Konfliktparteien und Behörden müssen ihr Verhalten ändern. Ein Virus kennt keine Grenzen; die Folgen eines Nicht-Handelns und fehlender Ressourcen für Inhaftierte und Flüchtlinge könnten die gesamte Welt verfolgen.

Die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung hat einen Aufruf in Höhe von 800 Millionen Schweizer Franken (688 Millionen Pfund) gestartet, um die vulnerabelsten Menschen der Welt im Kampf gegen Covid-19 zu unterstützen.

Abosaleh Hasan- Alajmi

Ambassador and Commissioner General

4 Jahre

Cooperation is required of all countries, especially large companies, to reduce their products, governments and businessmen with the help of each other

Alessandra Kellermann

Shining a light on our shared humanity. Veteran and military family advocate in thanks for our freedoms. Education consultant and disability & mental health advocate esp for children and teens, behavior specialist.

4 Jahre

Thank you for reminding us.

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