Alice Sendera, Martina Sendera-Borderline - Die Andere Art Zu Fühlen - Beziehungen Verstehen Und Leben-Springer (2009)
Alice Sendera, Martina Sendera-Borderline - Die Andere Art Zu Fühlen - Beziehungen Verstehen Und Leben-Springer (2009)
Alice Sendera
Martina Sendera
SpringerWienNewYork
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
IX
Geleitwort
XI
1.
1
1
7
2.
Die Borderline-Strung
Der Begriff
Kriterien der Borderline-Strung (BLS)
Komorbiditt
Diagnose und Differentialdiagnose
Diagnosestellung bei Kindern und Jugendlichen
Symptomatik und Problembereiche
Die andere Seite von Borderline
Neurobiologie
Psychoeducation
Psychopharmakotherapie
9
9
10
13
15
17
19
26
29
34
35
3.
43
43
45
49
51
53
4.
Emotionen
Die Bedeutung der Gefhle
Primr- und Sekundrgefhle
Emotionsregulation
Emotionen und Gesundheit
Emotionen bei Posttraumatischer Belastungsstrung (PTSD)
Die Borderline-Gefhlswelt
Anregungen zum Umgang mit Gefhlen
59
59
62
63
68
69
69
76
5.
81
81
87
94
Inhaltsverzeichnis
Persnlichkeit
Beziehungsverhalten
Bindung
Bindungsmuster
98
100
104
109
6.
Schemata
Schematheorie
Entwicklung dysfunktionaler Schemata
Lebensfallen
Maladaptive Bewltigungsstile
Schemamodus
Das Schemamodell der Borderline-Strung
117
118
121
128
131
134
135
7.
139
143
8.
151
151
156
159
165
168
170
177
179
182
184
9.
Kommunikations-Stile
Wahrnehmung
bungen zur Realittsberprfung
DEAR und SET
191
191
192
193
10. Achtsamkeit
Achtsamkeit in der Therapie
Achtsamkeit und therapeutische Haltung
Achtsamkeit und ZEN
ZEN-Gedichte und -Sprche zum Nachdenken
199
199
201
206
214
Literaturverzeichnis
217
Stichwortverzeichnis
223
VI
VII
Vorwort
Trotz vieler Aufklrungskampagnen und neuer Literatur ber das Thema
Borderline hat es den Anschein, dass die zahlreichen Mythen und Horrorbilder, die es dazu gibt, noch immer in Medien propagiert werden und im
Glauben der Menschen verhaftet sind.
Bei der Recherche im Internet zum Thema Borderline und Beziehung mussten wir mit Entsetzen feststellen, wie viele Artikel, Ratgeber und chat-rooms
die Menschen, die mit dieser Diagnose leben mssen, diskriminieren und
vllig realittsfremd darstellen. Verwandte, Partner und Freunde werden
verunsichert und bleiben mit ihren Fragen und ngsten auf der Strecke.
Ratschlge wie Finger weg, blo nicht auf solche Menschen einlassen oder
gar verlassen Sie einen Borderliner nie ohne Polizeischutz, haben uns motiviert, unsere Erfahrungen einerseits und den wissenschaftlichen Hintergrund
andererseits in einem Buch zusammenzufassen.
Whrend es in unserem ersten Buch Skills-Training bei Borderline- und Posttraumatischer Belastungsstrung hauptschlich um Information ber Therapiemglichkeiten, DBT und Skills-Training geht, soll das vorliegende Buch,
schulenunabhngig, die Beziehungsaspekte und Probleme von Menschen
mit Borderline- und Posttraumatischer Belastungsstrung beleuchten und
verstndlich machen.
Auch konkrete Ratschlge fr Angehrige sind wichtig, sollen aber aus einem grundlegenden Verstndnis resultieren fr Menschen, die einen besonders schwierigen Lebenskampf fhren, hochsensibel und verletzlich sind,
Achterbahnen der Gefhle ertragen und Ambivalenzen leben mssen und
trotzdem, wie wir alle, die Sehnsucht nach einer harmonischen Beziehung
in sich tragen.
Das Ziel jeder Therapie mit Borderline-Patienten1 ist unter anderem diese
Beziehungsfhigkeit und die Mglichkeit, trotz der ein Leben lang bestehenden erhhten emotionalen Verletzlichkeit, ein erflltes Leben zu fhren.
Dem Therapeuten sind jedoch Grenzen gesetzt, die nur Partner, die dem
Patienten nahe stehen, berschreiten knnen.
Die Sicherheit einer haltbaren therapeutischen Beziehung soll eines Tages
die Chance erffnen, Geborgenheit und Liebe in einer Partnerschaft geben
und zulassen zu knnen.
Aus Grnden der Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsneutrale Formulierung verzichtet und
alternierend die mnnliche und weibliche Form verwendet. Das andere Geschlecht ist dabei
immer mitgemeint.
IX
Vorwort
Wir bedanken uns an diese Stelle bei alles Mitgliedern der sterreichischen
Gesellschaft fr Dialektisch Behaviorale Therapie und Skills-Training (DBT),
die uns geholfen haben, den Verein aufzubauen, ein Borderline-Netzwerk
zu errichten und die Dialektisch Behaviorale Therapie so zu verbreiten, dass
mglichst viele Patienten Zugang dazu finden knnen.
Herzlichen Dank an unsere Freundin Sylvia Pinteritsch fr Ihre Zeit und Geduld beim Korrekturlesen.
Besonderer Dank gilt auch Herrn Univ. Prof. Dr. Gerhard Lenz fr die Zusammenarbeit und stndige Bereitschaft, neue Wege mit uns zu gehen.
Ein ganz persnlicher Dank geht an Herrn Dr. Robert Schigutt, der mit viel
Geduld, Humor und Zaubersprchen seit vielen Jahren ein verlsslicher
Wegbegleiter ist.
Unseren Kindern danken wir fr ihre Liebe, ihr Vertrauen und dafr, dass sie
so sind, wie sie sind.
Geleitwort
Das vorliegende Buch gibt einerseits sehr viel praxisrelevante Information
ber Ursachen, Erscheinungsbild, Diagnostik und Therapie bei BorderlineStrung und gibt andererseits wichtige Einblicke in die subjektiven Erfahrungen von Betroffenen, Partnern und anderen Angehrigen. Im Vordergrund
der Beschreibungen stehen die Schilderung von allgemeinen Beziehungserfahrungen und spezifischen Beziehungsschwierigkeiten bei Menschen mit
Borderline-Strung. Dieses Buch soll helfen, Vorurteile zu reduzieren, gesunde Anteile und Strken besser wahrzunehmen und eine optimistischere
Sichtweise im Umgang mit Schwierigkeiten von Menschen mit dieser Erkrankung zu ermglichen.
Selbstverletzungen und andere selbstschdigende Verhaltensweisen, Wutausbrche, Stimmungsschwankungen, Angst vor dem Verlust und vor dem
Verlassenwerden und ein Wechsel zwischen Wunsch nach Nhe und schroffer Ablehnung verunsichern Partner, Angehrige und die Umgebung.
Der reiche Erfahrungsschatz der Autorinnen in diesem Buch gibt Hilfestellung und Anleitung wie Betroffene und Angehrige einen guten Umgang finden und auch in bedrohlichen Situationen zurecht kommen knnen. Dazu
verbinden sich subjektive Schilderungen von Betroffenen, Angehrigen und
TherapeutInnen zu einem eindrucksvollen Gesamtbild, welches zu einem
besseren Verstndnis von Menschen mit dieser Erkankung beitragen wird.
Ich wnsche diesem Buch und den Autorinnen, dass damit Betroffenen und
Angehrigen neue Hoffnung und Inspiration fr eine bessere Bewltigung
von Alltagsproblemen, Krisensituationen und Beziehungsproblemen gegeben wird.
Wien, August 2009
XI
Im Film Durchgeknallt zeigen Winona Ryder und Angelina Jolie sowie Vanessa Redgrave und Whoopi Goldberg mit hohen Sympathiewerten und
groer berzeugungskraft die Strung als jugendtauglich und in.
Die Originalausgabe des Buches von Susanna Kaysen erschien unter dem
Originaltitel Girl, Interrupted, die deutsche Erstausgabe 1994 unter dem Titel
Seelensprung. Bericht aus einer parallelen Welt.
Die Textstellen sind aus der Ausgabe Susanna Kaysen, Durchgeknallt, das
Buch zum Film,3 entnommen.
Die Leute fragen: Wie bist du da reingekommen? Was sie eigentlich wissen wollen, ist, ob sie mglicherweise auch da drin landen werden. Die
eigentliche Frage kann ich nicht beantworten. Ich kann nur sagen: Es ist
leicht.
Und es ist ebenso leicht, in eine parallele Welt hineinzugleiten. Es gibt
so viele davon: die Welten der Geisteskranken, der Kriminellen, der
Verkrppelten, der Sterbenden, vielleicht auch der Toten. Jene Welten
existieren neben dieser Welt und sind ihr hnlich, sind aber nicht in ihr.
(ebd. S. 9)
Sowohl im Buch als auch im Film wird deutlich, wie wichtig Freundschaften
fr Borderline-Betroffene sind. Mangels Verstndnis und Einfhlvermgen
Auenstehender ist es meist so, dass Freundschaften untereinander geschlossen werden, eine peer-group entsteht, ein Zusammengehrigkeitsgefhl,
das einerseits sttzt und Sicherheit vermittelt, andererseits hufig typisches
Borderline-Verhalten verstrkt und gerade im Bereich der Selbstverletzung
durch Nachahmung und Austausch ber Methoden negative Einflsse ausbt. Auch die Wahrscheinlichkeit sich in der parallelen Welt mit Gleichgesinnten besser zurecht zu finden und den Wunsch nach Normalitt und
Heilung zurckzudrngen ist gro.
Das heit, die Bedeutung von Freundschaften mit Nicht-Betroffenen ist gro
und sie sollten neben den Bordie-Freundschaften, deren Wert keinesfalls geschmlert werden soll, bestehen.
Lisa wurde aus dem Isolierzimmer herausgelassen, bekam ihren Grtel wieder und ihre Ngel begannen wieder zu wachsen, aber sie kam
nicht wieder. Sie sa einfach da und guckte mit denen von uns, die am
schlimmsten dran waren, Fernsehen
Lisa wusste immer, was sie brauchte. Sie sagte etwa: Ich brauche Ferien
von diesem Ort, und dann haute sie ab. Wenn sie zurckkam, fragten
wir sie jedes Mal, wie es drauen war. Die Welt ist bse, sagte sie
3
Kaysen S (2000) Durchgeknallt, das Buch zum Film; Columbia Pictures. Genehmigte Lizenzausgabe Weltbild Verlag, Augsburg
Berhmte Persnlichkeiten
dann. Normalerweise war sie heilfroh, dass sie wieder da war. Da drauen kmmert sich niemand um dich. (ebd. S. 30/31)
In unserer parallelen Welt ereignen sich Dinge, die sich in der Welt, aus
der wir gekommen waren, noch nicht ereignet hatten. Wenn sie sich
dann schlielich drauen ereigneten, kamen sie uns bekannt vor, weil
wir Varianten davon schon vorgefhrt bekommen hatten (ebd. S. 39)
Susanna hat auch ihre eigenen Vorstellungen von Therapie, sie lernt sich
anzupassen, lernt, was von ihr erwartet wird:
Realittsberprfung als ersten Ausstiegsversuch aus ihrer parallelen Welt.
Freud hat gesagt, Psychotiker seien nicht analysierbar, weil sie nicht zwischen Phantasie und Realitt unterscheiden knnen (Tiger gegen Schreibtisch) und die Analyse arbeitet mit eben dieser Unterscheidung. Der Patient muss die oft phantastischen Annahmen des ersten Dolmetschers
offenlegen und sie mit Hilfe des zweiten berprfen. Die Hoffnung ist,
dass der zweite Dolmetscher genug Verstand und Klugheit besitzt oder
sich aneignen kann, um einige der lcherlichen Behauptungen, die der
erste Dolmetscher ber die Jahre gemacht hat, zu widerlegen.
Sie sehen, warum es als gutes Zeichen gilt, wenn man an seiner eigenen Verrcktheit zweifelt: Das ist eine Art wild fuchtelnder Reaktion des
zweiten Dolmetschers. Was geht hier vor? fragt der zweite Dolmetscher.
Der sagt, das sei ein Tiger, aber das berzeugt mich nicht. Darin liegt
genug Zweifel, um der Wirklichkeit einen Ansatzpunkt zu geben
(ebd. S. 184/185)
Ihre Ansichten und Ideen ber Seele und Gehirn wurden lange vor den jetzt
gltigen neurobiologischen Forschungsergebnissen geschrieben und beinhalten doch die Vorstellung, die viele unserer Patienten haben, wenn sie das
erste Mal ber die Vorgnge in ihrem Gehirn und ihrer Psyche hren.
Wenn die Biochemiker zeigen knnten, wie Neurosen oder Phobien
oder Schwierigkeiten, Freude am Leben zu haben, physisch funktionieren, wenn sie genau bestimmen knnten, welche Chemikalien und
Impulse, welche Unterhaltungen und welcher Informationsaustausch
innerhalb des Gehirns diese Gefhle ausmachen, wrden die Psychoanalytiker dann ihr Es und ihr Ich einpacken und sich aus dem Gebiet
zurckziehen? (ebd. S. 184/185)
Fast ein Jahrhundert lang haben die Psychoanalytiker Kommentare ber
die Vorgnge in einem Land geschrieben, das sie nie bereist haben, das,
wie China, Sperrgebiet war. Pltzlich hat das Land seine Grenzen geffnet und wimmelt vor auslndischen Korrespondenten; Neurobiologen
schreiben wchentlich zehn Artikel mit neuen Erkenntnissen. Diese beiden Gruppen von Verfassern scheinen jedoch die Arbeiten der jeweils
Heute wissen wir, dass Neurobiologen, rzte, Psychologen, Psychotherapeuten verschiedener Schulen, Sozialarbeiter und Pflegepersonal ein Team
sein knnen, das in einem Land arbeitet und gemeinsam den Patienten zurck ins Leben helfen will.
Neurobiologische Erkenntnisse helfen, die Strung besser zu verstehen und
strungsspezifische psychotherapeutische Anstze zu finden. Es hat sich
auch gezeigt, dass Medikamente in der Borderline-Therapie nur einen geringen Stellenwert im Vergleich zur Psychotherapie aufweisen.
Susannas Angst, dass die Analytiker einpacken und die Forschung an der
Krankheit vorbei geht, hat sich nicht bewahrheitet.
Das Interview der Sddeutschen Zeitung mit Brigitte Schwaiger Erfolgsautorin und Borderline-Persnlichkeit erhlt den Titel Heillose Traurigkeit.
Die Interviewerin, Brigitte Lahann4, beschreibt auch ihre eigenen Gedanken
und Gefhle dazu:
Das fngt ja gut an. Borderliner sind schwere Kaliber. Ihre Welt ist
schwarz-wei, ihre Stimmungen schlagen in Sekunden um, sie idealisieren und verteufeln, sind impulsiv und fordernd, neigen zum Suizid, verletzen sich die Haut, hren Stimmen, leben zwischen Chaos und Leere.
Ich habe mir die Borderline-Persnlichkeit von einem Psychoanalytiker
erklren lassen und wei, dass ich auf alles gefasst sein muss.
Brigitte Schweiger spricht offen ber ihre Hhen und Tiefen, ber Psychiatrie, ber Borderline. Sie wollte so stark wie Elfriede Jelinek sein. Diese habe
ihr einmal geschrieben:
Brigitte, sauf nicht so viel! Nimm Psychopharmaka und schreib! Du
kannst es.
Dem ersten Erfolg Wie kommt das Salz ins Meer folgten viele andere wie
zum Beispiel Der Himmel ist s, Ich suchte das Leben und fand nur Dich,
Die Galizierin.
Schon Jahre vor dem Erfolg habe sie sich Wunden zugefgt damit die Seele
nicht so weh tut, schreibt sie, damit man das Seelenkleid zumindest vorbergehend einmal nicht sprt.
4
Berhmte Persnlichkeiten
In ihrem Buch Fallen lassen5 setzt sich Brigitte Schwaiger mit ihren Aufenthalten auf diversen psychiatrischen Abteilungen, mit ihrem Leben und mit
der Krankheit auseinander.
Man sagt ja auch beim Psychiater landen, beim Psychiater enden,
es klingt nach unentrinnbarem Schicksal und dann ist man auch gesellschaftlich erledigt, wie es so schn heit, man ist stigmatisiert, ein
psychisch Kranker wird oft von seiner Familie gemieden, vielleicht weil
es unangenehm ist; es gibt unangenehme Patienten, unangenehme Menschen, in jedem Land, in jedem Beruf, in jeder Stadt (ebd. S. 28)
Von psychischen Krankheiten knnen alle sozialen Schichten befallen
werden, darum saen wir auch beisammen, der Brieftrger, der Universittsprofessor, die Designerin, die Schriftstellerin, die Prostituierte, es war
ja oft gar nicht uninteressant (ebd. S. 32)
Wo man Dnkel ablegt, wo man durch eine harte Schule geht, wo man
manchmal alle Hoffnungen fahren lsst, der Weg in die Psychiatrie kann
von Schmerzen gepflastert sein, und es werden dir neue zugefgt, und
so manche Seele erleidet einen Zusammenbruch, begeht dann drauen
Selbstmord, weil sie nicht wieder hinein will. Viele wollen aber auch wieder hinein, weil das Leben drinnen leichter ist, einfacher, weil wir schon
wie eine groe, informelle Familie sind. (ebd. S. 32/33)
Peter Detert, Borderline-Betroffener und Autor, mchte mit seinem autobiografischen Buch Auf der Kippe6 die Gesellschaft wachrtteln, ber seine
Strung aufklren, Leidensgefhrten helfen mglichst frh zur richtigen Diagnose und entsprechender Therapie zu kommen.
Peter Detert erzhlt von seiner Kindheit einer Mutter, die die Familie ohne
Ankndigung pltzlich verlsst, ein berforderter Vater, Verwahrlosung,
Heime, Pflegeeltern Selbstschdigung, Schneiden, mit achtzehn Jahren
der erste Selbstmordversuch und psychiatrische Behandlung. Es folgen weitere spektakulre Suizidversuche, mit Rattengift, Bremsflssigkeit und vielem
mehr.
Der Weg in die Kriminalitt beginnt mit einem Einbruch in eine rztliche
Ordination, um sich Medikamente zu beschaffen. Von verschiedenen Psychiatrien gelingt ihm immer wieder die Flucht. Um seinen Plan, sich zu erschieen, mglich zu machen, entwendet er von einer Polizeistation Waffen
und wird dadurch zum gesuchten Verbrecher.
5
6
Er ist monatelang auf der Flucht, muss drei Jahre Gefngnis absitzen, findet
aber einen verstndnisvollen Richter, der Zugang zu einer Therapie ermglicht.
In der Westflischen Klinik Warstein wird ihm geholfen und er beschliet,
seine Erfahrungen und seinen Leidensweg zu Papier zu bringen.
Kahle ste, die der Wind peitscht. Dunkelgraue Wolkenfetzen jagen
ber den blassen Himmel. Regen, mit ein paar Schneeflocken vermischt.
Durch den Sehschlitz ber meinem Sitz kann ich an diesem nasskalten
Wintertag nur Ausschnitte von Landschaften und Orten erkennen. Sowieso nur graue de. Ich gleite in diese Lethargie, die dich berkommt,
wenn du in einem Bus von A nach B transportiert wirst und dich selbst
nicht aktiv an der Fahrt beteiligen kannst. Ich bin dreiundzwanzig Jahre
alt und sitze an diesem 3. Februar 1990 in einem Gefangenenbus, der
mich aus der U-Haft in der Justizvollzugsanstalt Brackwede in das Zentrum fr Forensische Psychiatrie in F. bringt. Darunter kann ich mir zu
diesem Zeitpunkt nichts vorstellen. Und ich habe mir noch keinen Kopf
gemacht, was forensische Psychiatrie eigentlich bedeutet (ebd. S. 7)
Um zweiundzwanzig Uhr ist Einschluss. Jeder muss in sein Zimmer, dann
wird die schwere Gittertr abgeschlossen, die unsere Abteilung von der
anderen trennt (ebd. S. 14)
Fr einen Borderliner wie mich ist das eigentlich eine Traumsituation, so
komisch das klingen mag. Die stndig empfundene Bedrohung durch
Mitpatienten, durch Pfleger und rzte schafft eine Atmosphre, in der
ich kmpfen und mich wehren muss. In dieser Krankheit steckt auch viel
Kraft. So haben mir die Strukturen geholfen, F. ohne grere Verletzungen zu berstehen (ebd. S. 17)
All dies hat es vielen Menschen mit der Diagnose Borderline mglich gemacht, sich damit auseinanderzusetzen, dazu zu stehen, sich ihrem Umfeld
verstndlich zu machen. Aber auch Angehrige und Freunde haben eine
Chance bekommen, das Strungsbild zu verstehen und ihren Partnern, Kindern, Eltern und Freunden zu helfen.
Die Autoren, die den Mut haben, ber ihre Erlebnisse authentisch zu berichten, knnen zustzlich bewirken, dass die Gesellschaft aufhorcht und
mit wachsendem Interesse auch das Verstndnis und damit die Integration
der Betroffenen in den Alltag, das Berufsleben und in funktionierende Beziehungen mglich wird.
2. Die Borderline-Strung
Der Begriff
Der Begriff Borderline hat seine Wurzeln in der Psychoanalyse und in der
Psychopathologie. Er wurde in den Dreiigerjahren von dem Psychoanalytiker Stern fr ein Krankheitsbild geprgt, das rzte, Therapeuten und Wissenschaftler weder der Gruppe der Neurosen noch der Psychosen zuordnen
konnten7. Nach dem Verstndnis der damaligen psychiatrischen Krankheitslehre wurden Geisteskrankheiten den Psychosen, entwicklungsbedingte Erkrankungen den Neurosen und Persnlichkeitsstrungen den Psychopathien
zugeordnet. In den siebziger und achtziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts wurde der Borderline-Begriff als Sonderform der schizophrenen
Psychose verstanden. Patienten in diesem Grenzbereich wurde ein Krankheitsbild zugeordnet, das bereits vor mehr als einhundert Jahren unter dem
Begriff Hysterie beschrieben worden war. Ursprnglich wurden damit vor allem Strungen benannt, die durch emotionale Konflikte ausgelst werden.
In der heutigen Zeit spiegelt Borderline das zunehmende Interesse der
Menschen an einem Strungsbild, das angesichts seiner Komplexitt und
Schwierigkeit die Suche nach Erklrungsmodellen fordert. Der Begriff selbst
wird zunehmend inflationr verwendet. Fehlendes Wissens und mangelnde
Informationen ber Ursachen, Symptomatik und Behandlungsmglichkeiten
haben einen hohen Preis.
Der Trend den Borderliner plakativ zu beschreiben, so genannte selbst- und
fremd-gefhrdende Verhaltensmuster in den Vordergrund zu rcken und das
Aufzeigen von chaotischen Beziehungen, lsst Mythen, Vorurteile und Stigmatisierung erkennen.
Der Aufklrungsbedarf ist gro, denn zunehmend lassen Studien ber die
Krankheitshufigkeit (Prvalenz) aufhorchen. So ist die Borderline-Strung
in der allgemeinen Bevlkerung hufiger vertreten als bisher angenommen.
Die Lebenszeit Prvalenz betrgt ca. 5,9 %, wobei kein Unterschied bezglich der Prvalenzrate zwischen Mnnern und Frauen festgestellt wurde.8
Von den Betroffenen suchen 80 % psychiatrische und/oder psychotherapeutische Hilfe auf, davon stehen ca. 20 % in ambulanter und 15 % in stationrer
Behandlung.
7
8
2. Die Borderline-Strung
Die Neigung zu Suizidversuchen ist sehr hoch und liegt bei 60 %, das Suizidrisiko bei 7 %.
Suizidversuche sind nicht immer als Impulsdurchbrche zu sehen, Borderline-Patienten leben oftmals in einer Form der chronischen Suizidalitt, die
das Leben unertrglich macht.
Selbstmord ist eine Form des Mordes des vorstzlichen Mordes. Man
begeht ihn nicht gleich, wenn er zum ersten Mal in den Sinn kommt.
Man muss sich an den Gedanken gewhnen. Und man braucht die
Hilfsmittel, die Gelegenheit und das Motiv. Ein erfolgreicher Selbstmord
erfordert gute Organisation und einen khlen Kopf und beides ist normalerweise mit der selbstmrderischen Gemtsverfassung nicht vereinbar.
Es ist wichtig Distanz zu entwickeln. Eine Methode dazu besteht darin,
dass man bt, sich vorzustellen, man wre tot oder wrde gerade sterben. Wenn man vor einem Fenster steht, muss man sich vorstellen, wie
der eigene Krper aus dem Fenster fllt. Wenn man ein Messer in der
Hand hat, muss man sich vorstellen, wie es sich in die Haut bohrt. Wenn
gerade ein Zug kommt, muss man sich den eigenen Rumpf platt gefahren
unter den Rdern vorstellen. Diese bungen sind notwendig, um den
richtigen Abstand zu gewinnen. Das Motiv ist die Hauptsache. Ohne ein
zwingendes Motiv ist man aufgeschmissen. (Kaysen)9
Kaysen S (2000) Durchgeknallt, das Buch zum Film; Columbia Pictures. Genehmigte Lizenzausgabe Weltbild Verlag, Augsburg
10
Das Klassifikationssystem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (Diagnostisches und Statistisches Handbuch Psychischer Strungen
DSM) wird von der amerikanischen psychiatrischen Vereinigung in den
USA herausgegeben. Der Inhalt des DSM wird von Experten festgelegt, um
Diagnosen reproduzierbar und behandelbar zu gestalten. 1980 erfolgt die
Aufnahme der Borderline-Persnlichkeitsstrung in das DSM-III. Eine Erweiterung erfolgt durch die deutsche Publikation und durch ein zustzliches
Item, die kurze, situativ bedingte paranoide oder dissoziative Symptomatik
sowie die Hierarchisierung der diagnostischen Kriterien im DSM-IV (1994)10
Die Diagnose Borderline-Persnlichkeitsstrung kann anhand eines Kriterienkataloges von neun Kriterien gestellt werden, wobei fr eine Diagnosestellung fnf Kriterien erforderlich sind:
Tabelle 1. DSM-IV (BLS)
Mindestens 5 der folgenden Kriterien mssen erfllt sein:
(1) Verzweifeltes Bemhen, ein tatschliches oder vermutetes Verlassenwerden zu vermeiden. (Hier werden keine suizidalen oder selbstverletzenden Handlungen bercksichtigt, die im Kriterium 5 enthalten
sind)
(2) Ein Muster von instabilen und intensiven zwischenmenschlichen
Beziehungen, das sich durch einen Wechsel zwischen extremer Idealisierung und Abwertung auszeichnet
(3) Identittsstrung: eine ausgeprgte und andauernde Instabilitt des
Selbstbildes oder der Selbstwahrnehmung
(4) lmpulsivitt in mindestens zwei potentiell selbstschdigenden
Bereichen (zum Beispiel Geldausgeben, Sex, Substanzmissbrauch,
rcksichtsloses Fahren, Fressanflle)
(5) Wiederholte suizidale Handlungen, Suiziddrohungen oder -andeutungen oder selbstverletzendes Verhalten
(6) Affektive Instabilitt, die durch eine ausgeprgte Orientierung an der
aktuellen Stimmung gekennzeichnet ist (zum Beispiel starke episodische Niedergeschlagenheit, Reizbarkeit oder Angst, blicherweise
wenige Stunden bis (selten) wenige Tage anhaltend
(7) Chronisches Gefhl der Leere
(8) Unangemessene, starke Wut oder Schwierigkeiten, Wut oder rger
zu kontrollieren (zum Beispiel hufige Wutausbrche, andauernder
rger, wiederholte Prgeleien)
(9) Vorbergehende, stressabhngige paranoide Vorstellungen oder
schwere dissoziative Symptome
10
APA American Psychiatric Association (1994) Diagnostic and statistical manual of mental
disorders (DSM-IV). APA, Washington, DC
11
2. Die Borderline-Strung
14
Dilling H, Mombour W und Schmidt MH (1993) ICD-10. Internationale Klassifikation psychischer Strungen. Huber, Gttingen
Loranger AW (1999) International Personality disorder (IPDE): DSM-IV and ICD-10 modules.
Psychological Assessment Resources, Odessa, FL
Zanarini MC, Gunderson JG, Frankenburg FR and Chauncey DL (1989) The revised Diagnostic
Interview for Borderlines: Discriminating BDP from other Axis II disorders. Journal of Personality Disorders, 3 (1)
Bohus M, Limberger MF, Frank U, Chapman A, Khler T and Stieglitz RD (2007) Psychometric
proberties of the borderline symptom list (BSL). Psychopathologie, 40
12
Komorbiditt
Diagnostik von Persnlichkeitsstrungen15 als diagnostisches Instrumentarium, wie es derzeit an eine wissenschaftlich fundierte Psychotherapieforschung gestellt wird, zur Verfgung.
Doch die Forschung steht nicht still. Es werden weiterhin SubgruppenKlassifizierungen und die Zuordnung der Borderline-Strung diskutiert. Fest
steht, dass es ein breites Spektrum von Borderline-Strungen gibt, die genaue diagnostische Unterteilung ist noch nicht abgeschlossen. So weisen
Daten darauf hin, dass zwischen zweiundsechzig und neunundachtzig Prozent16 der Borderline Patientinnen traumatisiert sind und daher auch an einer
Posttraumatischen Belastungsstrung leiden knnen17.
Von klinischer und therapeutischer Relevanz ist die Unterscheidung in
Subgruppen, da Beziehungsgestaltung, Abbruchrisiko, Auswahl der Vernderungsstrategien und Verlaufsprognose davon abhngig gemacht werden
knnen, ob Patientinnen der dependenten, ngstlich-unsicheren oder narzisstischen Subgruppe angehren18.
Komorbiditt
Die hohe Komorbiditt mit anderen psychischen Erkrankungen erfordert
eine Erweiterung und Ergnzung der Therapie. Im DSM-IV werden fnf Achsen zur Diagnosestellung herangezogen:
Achse I: Klinische Strungen und andere klinisch relevante Probleme: Zustandsstrungen und schwere mentale Fehlstrung wie
zum Beispiel Angststrungen, Schizophrenie, Essstrungen
Achse II: Persnlichkeitsstrungen wie Borderline-, Schizoide, Schizotypische- oder Paranoide-, Narzisstische-, Vermeidende-, Selbstunsichere-, Dependente-, Zwanghafte-, Anti-soziale Persnlichkeitsstrung
Achse III: Medizinische Krankheitsfaktoren wie krperliche Probleme, die bedeutsam fr die psychische Erkrankung sein knnen
Achse IV: Psychosoziale und umgebungsbedingte Probleme
Achse V: Globale Beurteilung des Funktionsniveaus
15
16
17
18
13
2. Die Borderline-Strung
19
20
21
14
Der Betroffene merkt selbst, dass die Erscheinung und die Stimme keine
echten Wahrnehmungen sind.
Die Hufigkeit der halluzinatorischen Symptomatik liegt bei 14 %, der Pseudohalluzinationen bei 26 %.
22
Einige der Patientenaussagen sollen auf Wunsch der Betroffenen anonym bleiben, deshalb
Bezeichnungen mit Buchstaben des Alphabets.
15
2. Die Borderline-Strung
Argwohn, magisches und paranoides Denken findet sich bei fast allen diagnostizierten Borderline-Patienten23.
Diagnosestellung
Fr eine sorgfltige Diagnosestellung sind auer den Kriterien der Borderline-Strung die Erfassung der psychischen und krperlichen Komorbiditten
(Essstrungen, Angst- und Zwangstrungen, Schlafstrungen u. s. w.) sowie
die Erfassung des Schweregrades der Strung von Bedeutung. Wie erwhnt,
weisen viele Patienten mit einer BLS zustzliche psychiatrische Strungen
auf. Zu einem hohen Prozentsatz werden die Kriterien von affektiven Erkrankungen und Angststrungen erfllt.24 Die sorgfltige Differentialdiagnose ist
vor allem fr die Entscheidung, welche psychotherapeutischen Verfahren
fr die Patienten indiziert sein knnten, von Bedeutung. Ein individueller
Therapieplan kann nur nach einer sorgfltig durchgefhrten psychodiagnostischen, neurologischen und allgemeinmedizinischen Untersuchung sowie
aufgrund der aktuellen Symptomatik erstellt werden.25
Borderline-Patientinnen suchen hufig primr wegen Panikattacken, depressiven Episoden oder somatoformen Schmerzstrungen therapeutische Hilfe.
In diesen Fllen verfhrt die scheinbare Kompetenz der situationsbedingten
augenblicklichen Problematik dazu, dass bei der Diagnosestellung die Borderline-Strung nicht erkannt wird. Oft wird aufgrund der vordergrndigen
Symptomatik wie Angst und Panik diesem Krankheitsbild der diagnostische
Vorrang eingerumt. Therapiemanahmen wie zum Beispiel Expositionsverfahren ohne ausreichende Stabilisierung, die bei diesen Strungsbildern
durchaus sinnvoll und hilfreich sind, knnen bei Borderline-Patientinnen zu
einem Aufflammen der Borderline-Symptomatik und zur Dekompensation
fhren. Das kann zum Beispiel bei Patientinnen mit Missbrauchserfahrungen
ein, bei Panikattacken durchaus hilfreiches Atem- und Entspannungstraining,
sein. Gerade die typischen verhaltenstherapeutischen Vorgehensweisen bei
Agoraphobie und Zwangsstrungen (Exposition, flooding) knnen zu heftigen Emotionen fhren, die ein Patient mit Borderline-Persnlichkeitsorganisation nicht mehr regulieren kann.26
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17
2. Die Borderline-Strung
gen zurckzufhren und nicht die Folge einer organischen Schdigung oder
Erkrankung sein.
Die Diagnose einer Borderline-Strung im Jugendalter kann dann gestellt
werden, wenn mindestens zwei der folgenden Kriterien berdauernd zutreffen:
Mangelhafte oder fehlende Impulskontrolle
Affektinstabilitt
Eine unzureichende Handlungsplanung
Neigung zu aggressivem oder streitschtigem Verhalten
Wutausbrche, insbesondere wenn impulsives Verhalten behindert
oder kritisiert wird
Zustzlich muss ein weiteres Kriterium erfllt werden:
Unsicherheit ber das eigene Selbstbild und die Identitt (einschl.
der sexuellen)
Intensives, unbestndiges (in heterosexuellen Beziehungen hufig promiskuitives) Beziehungsverhalten, das nicht selten Auslser
emotionaler Krisen ist
Parasuizidale oder selbstverletzende Handlungen
18
19
2. Die Borderline-Strung
Scham ist laut Linehan Primrgefhl und Auslser fr das sekundre Gefhl
Wut, da dieses meist leichter auszuhalten ist. (siehe: Emotionen)
Scham- und Schuldgefhle stehen wieder in einem engen Zusammenhang
mit dem Selbstwert und der Selbstabwertung (siehe: Bindungstheorien) und
werden zum Motor fr inneres Chaos, chronische Suizidalitt und zwischenmenschliche Probleme.
Scham- und Schuldgefhle lassen die Welt und die anderen Menschen
als richtig handelnd erscheinen, der Patient selbst entwickelt dadurch die
Grundannahme: Ich bin nicht in Ordnung. (siehe: Schemata)
Hochstress und kognitive Beeintrchtigung
Die mit Hochstress in Zusammenhang stehenden Symptome beeintrchtigen die Fhigkeit, neue Erfahrungen zu machen, denn Realitt kann oft
nicht situationsadquat wahrgenommen werden. Dissoziative Phnomene,
Scham- und Schuldgefhle erschweren die Gesprchsfhrung bzw. machen
sie in diesem Augenblick unmglich.
Neurobiologische Studien haben ergeben, dass unter Hochstress die Lernfhigkeit deutlich herabgesetzt ist, sodass in diesen Situationen kein neues
Verhalten gelernt oder eingebt werden kann. M. Linehan verwendet im
Skills-Training dafr die Metapher der Feuerwehr, die auch nur dann bt,
wenn es NICHT brennt.
Bei der Beziehungsgestaltung muss daher sowohl der Hochstresssymptomatik als auch der Selbstverletzung Beachtung gewidmet werden, denn die
21
2. Die Borderline-Strung
Motivation sich selbst zu verletzen ist auch unter dem Aspekt des Kontrollverlustes zu sehen. Wie schon beschrieben, unterbricht sie einerseits unertrgliche Spannungszustnde, andererseits unterliegt sie auch einer mystisch
magischen Vorstellung von Selbstbestrafung und Kontrolle.
Viele Betroffene haben Erfahrungen mit Ohnmacht und Kontrollverlust gemacht. Der daraus resultierende niedrige Selbstwert, der Selbsthass und die
Selbstverachtung lassen wenig Handlungsspielraum. Durch Selbstverletzung
kann mglicherweise der Kontrollverlust unterbrochen werden. In der Therapie sollten jedoch andere Mglichkeiten erarbeitet werden, das gleiche
Ziel zu erreichen.
Das fr die jede Beziehung notwendige Vertrauen muss in vielen Fllen erst
aufgebaut werden. Der achtsame Umgang mit sich selbst sowie den eigenen
Gefhlen und Bedrfnissen ist sicher ein Weg fr ein positives Gelingen
(siehe: Achtsamkeit)
Spannungszustand
Wir knnen davon ausgehen, dass keinem anderen Strungsbild das klinische Leitsymptom der intensiven uerst unangenehmen Anspannung
(Spannung) zugeordnet werden kann. Betroffene setzen unterschiedliche
oft selbstschdigende Manahmen um die Anspannung zu beenden und
unangenehmen Gefhle zu verbessern. Sie berichten von sportlicher Bettigung (Schwimmen und Laufen bis zum Umfallen), Hochrisikoverhalten
(Autorasen, gefhrliche Balancebungen ), bis hin zu Essstrungen (Hungerphasen, Essanflle, Ess- und Brechsucht) und Selbstverletzungen.
Schmerzwahrnehmung
Forschungsberichte zeigen, dass Borderline-Patienten Schmerzen in der
Regel weniger intensiv wahrnehmen als gesunde Personen. Sie fgen sich
unter Hochstress selbst Verletzungen zu und berichten dabei von reduzierter Schmerzwahrnehmung. Im Zustand hoher Anspannung kann sich die
Schmerzempfindlichkeit bis hin zu vlliger Schmerzlosigkeit reduzieren.
Selbstverletzendes Verhalten dient bei einem Teil der Patienten dazu, den
unangenehmen Zustand der Anspannung und die Unfhigkeit der Schmerzwahrnehmung zu beenden, sich selbst wieder zu spren.
und dann schneide ich mich, tief, sehr tief und wenn der Schmerz
endlich kommt, wird es wieder ertrglich, ich spre mich wieder (C.)
Betroffene berichten, dass sie sich oft schon im Volksschulalter selbst verletzt haben.
Im Laufe der Zeit gewhnt sich der Krper an den Schneideeffekt, es muss
immer tiefer geschnitten werden um die Spannungsreduktion zu erreichen.
22
Zu erwhnen ist, dass die Selbstverletzung nicht immer Verlust der Impulskontrolle ist, Patienten nehmen sich oft Zeit fr die genaue Vorbereitung.
Es ist wie ein Ritual, ich richte mir alles her: Klopapier, das Messer,
Verbandzeug, Desinfektionsmittel und dann schneide ich mich, tief, sehr
tief ich sehe das Blut flieen und beruhige mich (D.)
Interessierte Leser finden weitere Informationen in den Publikationen von Dr. Christian
Schmahl, Oberarzt der Klinik fr Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin, Zentralinstitut fr Seelische Gesundheit, J 5, 68 159 Mannheim, Deutschland
23
2. Die Borderline-Strung
nherungs-Prozessen, begleitet durch eine ausgeprgte Angst vor dem Alleinsein und dem Verlassen werden, finden. Auf der anderen Seite zeigen
Langzeitverlufe, dass viele Borderline-Beziehungen selten ganz aufgelst
werden, lange bestehen, jedoch sehr turbulent sind.
Zu den so genannten typisch destruktiven (zerstrerischen) Beziehungsmustern zhlen Idealisierung und Entwertung, Spaltung, Projektion und projektive Identifizierung,32 die in der psychoanalytischen Literatur ausfhrlich beschrieben werden.
Ferner finden sich in der Literatur detaillierte oft stigmatisierende Beschreibungen ber die Unberechenbarkeit, Aggressivitt, das Misstrauen, die Depressivitt und das manipulative Verhalten von Borderline-Patienten.
Doch neben den etikettierenden Beschreibungen der Borderline-Beziehungsmuster finden wir viele ermutigende und positive Eigenschaften die
Fhigkeit zur Leidenschaft, Offenheit, ein ausgeprgter Gerechtigkeitssinn,
ein gutes Gespr fr zwischenmenschliche und emotionale Prozesse machen den Borderline-Menschen zu einem Partner, der facettenreich ist und
den man nicht missen mchte.
Die Forscher Kuhl und Kazn33 konnten die Spontaneitt als positive Ressource der Borderline-Menschen erfassen und benennen. Wichtig ist es
daher, nicht zu stigmatisieren und die Eigenschaften hervorzuheben, die
zwischenmenschliche Beziehungen erschweren, sondern die Destruktivitt
und Unkontrollierbarkeit negativer Tendenzen zu erkennen und zu durchbrechen.
So kann es sein, dass berlebensnotwendige destruktive Strategien in bestimmten Situationen geholfen haben. Der weitreichende Mangel an Akzeptanz von Geborgenheits- und Anerkennungsbedrfnissen und/oder auch
Missbrauchserfahrungen haben zu einem verminderten Selbstwertgefhl
und verminderter Selbstakzeptanz gefhrt. Das schliet eine Strung der
Beziehung zu sich selbst und zu anderen mit ein. Wie im Kapitel Schemata
nher erklrt wird, finden sich hufig Selbstberzeugungen wie
32
33
Kernberg OF (1998) Borderlinestrung und pathologischer Narzissmus. 10. Auflage, Suhrkamp, Frankfurt/Main
Kuhl J und Kazn M (1997) Persnlichkeitsstil- und Strungsinventar (PSSI). Testzentrale, Gttingen
24
Diese berzeugungen, die frheren Erfahrungen entsprechen knnen, stimmen meist mit der gegenwrtigen Realitt nicht mehr berein. Dennoch
wird unbewusst so gehandelt, als htten sie auch noch in der Gegenwart
Gltigkeit.
Die Angst vor dem Alleinsein und die berzeugung Allein bin ich nicht berlebensfhig ist der Motor bei der Suche nach dem verstndnisvollen Partner,
der Stabilitt gibt und die innere Leere fllt, einem Partner der immer da ist,
der umsorgt und der einen immer so liebt, wie man ist.
So kann es sein, dass Menschen mit einer Borderline-Strung dem Partner zuliebe alles mit sich geschehen lassen, um ein Verlassenwerden zu
verhindern. Es kann aber auch sein, dass nur die totale Kontrolle ber den
Partner, bis hin zur Suiziddrohung, Sicherheit gibt. Allein die Abwesenheit
von wichtigen Bezugspersonen, die hufig als Verlassenwerden interpretiert
wird, aktiviert unertrgliche Spannungszustnde.
Die Entweder-oder-Haltung, das heit, die borderline-typische Kompromisslosigkeit, die zu Schwierigkeiten im sozialen Bereich, in zwischenmenschlichen Beziehungen, Kommunikation, Schule, Beruf und Leistungsfhigkeit
fhrt, ist oft einzig mglicher Kompensationsversuch um die innere Spannung zu verhindern. Die aktive Demonstration von Hilflosigkeit und Leid,
die aktive Passivitt34, resultiert aus der Vorstellung
wenn mein Gegenber erkennt, wie schlecht es mir geht, hat es auch
die Macht, mein Befinden zu verbessern.
Die Beziehungsgestaltung wird sowohl von Betroffenen als auch von Bezugspersonen als Achterbahn der Gefhle erlebt. Das Gefhl, nicht verstanden zu werden auf der einen und das Gefhl, nicht verstehen zu knnen auf
anderen, bringt beide Seiten an die Grenzen der Belastbarkeit.
Dabei kommt es zu Problemen mit Nhe- und Distanzregulation. So dominiert auf der einen Seite der Wunsch nach Nhe und Verschmelzung und
gleichzeitig wird die Angst, verletzt und ausgelscht zu werden, aktiviert.
Erschwert wird die Situation durch eine mangelnde Wahrnehmung der eigenen Emotionen, fallweiser Verzerrung des Raum-Zeit-Gefhls sowie eines
34
25
2. Die Borderline-Strung
Voitsmeier A (2001) Stationre psychodynamische erfahrungs-orientierte Therapie bei Borderline-Strungen. In: Das Grnenbacher Modell. Psychotherapie der Borderline-Strungen.
(Dammann G und Janssen Pl, Hrsg.). Thieme, Stuttgart
26
Foto 1.
Der Kaktus
Sie lernen einen wunderschnen, blhenden Kaktus kennen. Seine
strahlende Schnheit und Einzigartigkeit zieht Sie strker an, als Sie es
jemals fr mglich gehalten htten, er scheint Sie schier zu blenden und
Sie wollen ihn kennen lernen, Sie wollen ihm nahe sein.
Je nher Sie ihm kommen, desto grer scheint die Glckseligkeit zu
werden, in der Sie schweben, desto berauschender ist das Gefhl, in
gemeinsamer Umarmung scheinbar in den siebenten Himmel hinauf zu
fliegen.
Doch dann passiert, was Sie niemals fr mglich gehalten htten: in Ihrem Glck haben Sie bersehen, dass dieser Kaktus gefhrlich spitze
Stacheln hat, die sich nun tief in Ihr Fleisch bohren.
Erschrocken lassen Sie den Kaktus jh los, verwirrt, wtend und traurig.
Was war passiert? Haben Sie etwas falsch gemacht? Waren Sie zu nahe,
haben Sie den Kaktus zu fest gedrckt?
36
Die DBT koordiniert die Aus-, Fort- und Weiterbildung borderlinespezifischer Therapiekonzepte, so wie den Austausch von Erkenntnissen und Erfahrungen aus Klinik, Forschung und
Praxis, vermittelt Supervisionen, frdert Information ber Skills-Gruppen, DBT- und SkillsTherapeutInnen im stationren und ambulanten Setting
27
2. Die Borderline-Strung
So wie Sie gemeinsam in das hchste Glck hinauf gestiegen sind, so
fallen Sie nun beide getrennt voneinander hinunter auf den harten, kalten Boden.
Sie sehen, dass Sie bluten und knnen nicht verstehen, wie Ihnen der
schne Kaktus das antun konnte. Sie wenden sich ab, mchten ihn zurcklassen (wie er Sie im Stich gelassen hat).
Doch nach einer Weile blicken Sie noch einmal zurck und sehen ihn.
Diesen wunderschnen, blhenden Kaktus, der wie Sie zu Boden gefallen und verletzt ist, verstrter wahrscheinlich noch als Sie selbst.
Er kann nicht begreifen, warum er das getan hat, fhlt sich schuldig und
gleichzeitig selbst verdammt. Er hat Angst verlassen zu werden, will vor
dem Chaos in seinem Inneren fliehen, einfach nur noch sterben.
Whrend Sie zurcksehen, beginnen sich Ihre Wunden bereits zu schlieen, der Schmerz verblasst zu einer Erinnerung, diese zu einem Nichts.
Sie sehen nur noch diesen hilfsbedrftigen, bezaubernden blhenden
Kaktus, strahlend wie die Sonne, welche uns die Sterne nicht sehen lsst
und verspren den Wunsch, ihm nahe zu sein, ihn in den Arm zu nehmen und
die Geschichte wiederholt sich.
Mag sein, dass es beim nchsten Mal bereits lnger dauert, bevor sie
zurck sehen und wieder auf den herrlichen Kaktus zugehen. Sie haben
Angst, wieder und wieder verletzt zu werden, glauben, nun aus Erfahrung klug geworden zu sein schlielich mssen Sie sich selbst schtzen
und verhindern, dass Sie eines Tages nicht mehr die Kraft haben, zurckzuspringen und an den Stacheln verbluten.
Oder Sie verschlieen Ihr Herz und werden wtend, lernen, sich zu
wehren und dem Kaktus Ihrerseits Schaden zuzufgen. Sie beginnen zu
kmpfen.
Gut mglich, dass Sie gewinnen viel mehr Schutz als seine Stacheln hat
der Kaktus nicht. Wenn Sie dann aber sehen, um welchen Preis sie gewonnen haben, die Zerstrung des geliebten und bewunderten Kaktus,
wird dieser Sieg bitter werden und Sie wahrscheinlich verzweifelter als
vorher zurck lassen.
Die sich immer wiederholende Schleife mag wie eine ausweglose Situation erscheinen und die einzige Lsung ein Vermeiden jeglichen Kontaktes zu sein und auf das erfahrene Glck zu verzichten.
Vielleicht gibt es aber einen anderen Weg vielleicht knnen Sie dem
Kaktus zeigen, dass er auf seine Stacheln verzichten kann, wenn Sie bei
ihm sind.
Vielleicht knnen Sie selbst lernen, die Stacheln schon im Vorhinein zu
sehen und aufzupassen, sich nicht zu verletzen
Sonja K. Sutor
28
Neurobiologie
Vielleicht knnen wir Ihnen in diesem Buch Mglichkeiten und Anstze zeigen, wie Sie und Ihr Kaktus Ihr Glck leben knnen ohne an den Stacheln
zu verbluten.
Eine Garantie, dass keiner von Ihnen verletzt wird gibt es nicht, aber eine
Chance auf ein erflltes garantiert nie langweiliges Leben.
Neurobiologie
In allen unseren Kursen, aber auch in Einzeltherapien erklren wir Patienten
und oft auch auf deren Wunsch Angehrigen die Grundlagen neurophysiologischer Vorgnge und die entsprechenden Vernderungen, die im Gehirn von Borderline- und traumatisierten Menschen statt finden. Wie schon
erwhnt, kann dies eine enorme Entlastung bringen, Schuldgefhle reduzieren und Verhalten plausibel machen.
Die Ent-schuldigung bedeutet jedoch nicht, dass der Patient nicht Verantwortung trgt, sein Wissen und seine Kraft einzusetzen um Vernderung zu
erreichen fr sich selbst, seine Lebensqualitt, aber auch die Menschen in
seinem Umfeld.
In der Neurobiologie wurden vor allem in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht.
Fr die Arbeit in der Borderline-Forschung sind vor allem die Bereiche des
limbischen Systems mit all seinen Verbindungen wichtig.
Der Mandelkern (Nucleus Amygdalae)
Der Mandelkern setzt sich aus mehreren Anteilen zusammen, steht einerseits mit dem olfaktorischen System (Riechhirn) in Verbindung, wird andererseits mit seinen medialen und zentralen Anteilen dem limbischen System
zugeordnet. ber die Striae terminales bestehen Verbindungen zum Thalamus, dem Tor zum Bewusstsein.
Wie man im sensorischen Regelkreis (Abb. 1) sehen kann, ist der Mandelkern
sozusagen die Emotionszentrale. Die andere Art der Borderline-Menschen
zu fhlen, findet hier ihr anatomisches beziehungsweise physiologisches
Substrat.
Die Verbindung von Thalamus zum Mandelkern ist vor allem bei der Emotion
Furcht wichtig, da auf diesem Weg eine wesentlich raschere Informationsvermittlung erfolgt. Schdigungen des Mandelkernes oder lokale Infusionen
von Anxiolytika (Angst lsenden Medikamenten) blockieren die blichen,
angeborenen Reaktionen auf Angst auslsende Reize. Eine elektrische Reizung des Mandelkernes ruft beim Menschen Gefhle von Furcht und unheilvollen Ahnungen hervor.
29
2. Die Borderline-Strung
Im Hippocampus und Mandelkern befindet sich nicht nur das Zentrum der
Gefhle, sondern auch das emotionale Gedchtnis. Die allgemeine Funktion
des limbischen Systems besteht in der Bewertung dessen, was das Gehirn
tut. Dies geschieht nach dem Grundprinzip Lust und Unlust.
In Hochstress- oder Grenzsituationen, in denen ein rasches Reagieren das
berleben sichert, findet nicht der normale Weg der Erregungsleitung ber
das Grohirn und den Hippocampus statt, sondern ein so genannter Kurzschluss fhrt direkt vom Thalamus zum Mandelkern, der den Verstand umgeht und so eine sofortige adquate Reaktion ermglicht. Auf diese Weise
kann berleben gesichert werden.
Abbildung 1. Regelkreis
Bei Patienten mit PTSD und Borderline-Symptomatik war dieser Mechanismus zur Zeit der Traumatisierung notwendig um physisches und psychisches
berleben zu sichern. Wird dieses Verhalten chronifiziert, dann findet die
Reaktion auch im spteren Leben, wenn die reale Gefahr nicht mehr vorhanden ist, statt.
Wird ein entsprechender Trigger gesetzt, fllt die kognitive Kontrolle aus, die
Gefahr wird nicht als real oder nicht real erkannt, die Erregungsleitung geht
direkt zum Mandelkern und erzeugt dort ein unspezifisches Panikgefhl, das
oft nicht zugeordnet werden kann.
Der Hippocampus
Der Hippocampus (Ammonshorn) hat die hchste Krampfbereitschaft des
gesamten Gehirnes. Er ist verantwortlich fr psychomotorische Anflle,
Dmmerzustnde, Absenzen, Entfremdungserlebnisse sowie DEJA VUE. Hu-
30
Neurobiologie
37
38
39
Henson RN, Shallice T and Dolan RJ (1999) Right prefrontal Cortex and episodic memory
retrieval: a functional MRI test of monitoring hypothesis. Brain, 122
Rugg MD, Fletcher PC, Frith CD et al. (1996) Differential activation of the prefrontal cortex in
successful and unsuccessful memory retrieval. Brain, 119
Rauch SL, van der Kolk BA, Fisler RE, Alpert NM, Orr SP, Savage CR, Fischman AJ, Jenike MA
and Pitman RK (1996) A Symptom provocation study of posttraumatic stress disorder using
positron emission tomography and script driven imagery. Archives of General Psychiatry, 53
31
2. Die Borderline-Strung
Durch den Nachweis der tatschlich vorhandenen unterschiedlichen Erregungsablufe von Borderline-Patienten und Patienten mit Posttraumatischer
Belastungsstrung zu einer Kontrollgruppe konnten bisher oft unverstndliche Emotionen und Handlungsweisen erklrbar gemacht und Therapeuten
und Patienten eine groe Brde abgenommen werden. Fr Therapeuten bedeutet es, leichter verstehen und sich einfhlen zu knnen, fr Patienten,
nicht mehr als verrckt angesehen zu werden und ihre eigene Welt und die
Ursachen fr ihr Anderssein begreifen zu knnen.
Nachfolgende Abbildung zeigt die Unterschiede im Erregungsablauf bei
Borderline-Patienten und Patienten mit PTSD und Kontrollpersonen:
Abbildung 2. Erregungsablauf
Miltner W (2009) Hauptvortrag, Neurobiologische Korrelate der Psychotherapie von Angststrungen. Kongress Neurobiologie der Psychotherapie, Salzburg
32
Neurobiologie
41
Craig AB (2009) Perspektiven. Wie fhlst du dich jetzt? Die vordere Insula und das menschliche Bewusstsein. Nature Reviews. Neuroscience. Vol 10
33
2. Die Borderline-Strung
Psychoeducation
Der Begriff Psychoeducation gewinnt in der Psychotherapie immer mehr
an Bedeutung. Gerade bei Krankheitsbildern, die sowohl fr Betroffene als
auch Angehrige eine Vielzahl von Verwirrungen und unverstndlichen
Handlungen bereit halten, ist es besonders wichtig, Ursachen und Ablufe
klar zu machen, um Verstndnis gewinnen zu knnen.
Bei Menschen mit Borderline-Diagnose spricht man oft vom Namenlosen
Grauen, weil Worte nicht beschreiben knnen, was in diesen Menschen
vorgeht.
Auch den Betroffenen selbst ist es meist nicht mglich, sich anderen mitteilen und verstndlich machen zu knnen.
Die Dialektisch Behaviorale Therapie geht auf dieses Problem ein und bietet nicht nur Theorien, sondern klrt die Patienten ber neurobiologische
Grundlagen und die Besonderheit der Vorgnge im Gehirn von BorderlinePatienten auf.
Dies kann eine ungeheure Entlastung sein, da sich damit vieles logisch erklren lsst. Mit diesem Verstndnis knnen sowohl Patienten als auch Angehrige und Therapeuten ganz anders an die Problembereiche heran gehen.
Im Modul der Achtsamkeit lernen die Patienten zuerst Dinge, spter auch
Gedanken und Gefhle bewertungsfrei zu beschreiben und zu benennen.
Auch in Angehrigengruppen- und Gesprchen kann es wertvoll sein, Achtsamkeit zu vermitteln, nicht nur, um Betroffene besser untersttzen zu knnen, sondern auch fr die eigene Befindlichkeit und Ausgeglichenheit von
Angehrigen.
Daher wollen wir auch in diesem Buch auf Achtsamkeit eingehen, hier vor
allem auf die Mglichkeiten, die Menschen fr sich entdecken knnen, die
im stndigen Umgang mit Borderline-Patienten und -Angehrigen Untersttzung brauchen.
Eine ausfhrliche Beschreibung der DBT, des Skills-Trainings und seiner Module, des Konzeptes der TFP sowie Neurophysiologische Grundlagen finden
Interessierte im ersten Band dieser Reihe.42
Trotzdem soll hier in kurzer Form auf diese Themen eingegangen werden,
da vieles davon sowohl in Patienten- als auch in Angehrigengruppen gebracht wird.
42
Sendera A und Sendera M (2007) Skillstraining bei Borderline- und Posttraumatischer Belastungsstrung. Springer, Wien
34
Psychopharmakotherapie
In Patientengruppen erfolgt die Psychoedukation im Rahmen des therapeutischen Konzeptes, fr Angehrige gemeinsam mit Erfahrungsaustausch, Besprechen der Umsetzbarkeit und praktischen bungen im Bereich Achtsamkeit und Kommunikation.
Psychopharmakotherapie
Bei der Borderline- und Posttraumatischen Belastungsstrung ist Psychotherapie das erste Mittel der Wahl.
Eine gleichzeitige Pharmakotherapie ist bei schwereren Strungen, vor allem
ausgeprgten depressiven Stimmungsschwankungen, schweren Strungen
der Impulskontrolle und psychotischen Symptomen, sinnvoll.
Fr die bei Borderline-Patienten mglichen kurzfristigen psychotischen Episoden haben sich Olanzapin (Zyprexa) und Quetiapin (Seroquel) bewhrt,
wobei gerade bei jungen Frauen die Gewichtszunahme nicht auer Acht
gelassen werden darf. In diesen Fllen wre die Gabe von Aripiprazol (Abilify) gnstiger.
Bei Schlafstrungen wird oft Trazodon (Trittico retard) empfohlen. Bei im
Allgemeinen guter Wirksamkeit muss darauf geachtet werden, dass eventuell vermehrt Albtrume auftreten knnen.
Impulsdurchbrche, ein typisches Symptom von Borderline-Patienten, knnen am besten durch niedrige Dosierung von typischen Neuroleptika (Haloperidol, Thioridazin) und atypischen Neuroleptika (Olanzapin, Aripiprazol),
weniger durch SSRI (Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) beeinflusst werden.
Bei der Behandlung einer emotionalen Dysregulation und verstrkten Stimmungslabilitt im Rahmen der Borderline-Strung ist der Einsatz von Antidepressiva sinnvoll (vor allem SSRI und SNRI).
Auch Stimmungsstabilisatoren knnen hier zum Einsatz kommen:
Valproat (Depakine chrono retard) und Lamotrigin (Lamictal) zeigen gnstige Effekte auf Impulsivitt, rger, Irritabilitt und Dysphorie.
Topiramat (Topamax) ist wirksam bei rger und Feindseligkeit.
Bei typischen depressiven Episoden ist die Gabe von Antidepressiva indiziert (vor allem SSRI und SNRI)
In der Behandlung akuter ausgeprgter Angstzustnde sind Benzodiazepine wirksam, sollten aber auf Notfallsituationen beschrnkt werden. Missbrauch und Gewhnung kommen hufig vor, bei bekannten Abhngigkeitsproblemen besteht eine klare Kontraindikation.
35
2. Die Borderline-Strung
36
Psychopharmakotherapie
2. Die Borderline-Strung
Pflanzliche Psychopharmaka wie Johanniskrautprparate knnen bei leichten Verstimmungszustnden gegeben werden. Zu beachten ist vermehrte
Lichtempfindlichkeit und Interaktionen mit anderen Medikamenten.
Monoaminooxidasehemmer (MAO-Hemmer) und tetrazyklische Antidepressiva werden nur in Ausnahmefllen bei schweren sonst therapieresistenten Fllen verwendet.
Neuroleptika
Neuroleptika werden vor allem in der Behandlung der Schizophrenie verwendet. Bei der Borderline-Strung knnen sie im Rahmen von psychotischen Episoden eingesetzt werden, fallweise auch bei extremen selbst- oder
fremdgefhrdendem Verhalten.
Man unterscheidet einerseits klassische und atypische, andererseits niedrig-,
mittel- und hochpotente sowie Depot-Neuroleptika.
Hochpotente Neuroleptika werden vor allem bei Wahnvorstellungen und
Halluzinationen verwendet, niedrigpotente eher zur Beruhigung.
Bei Patienten mit Borderline-Strung verwendet man primr atypische Neuroleptika, um Nebenwirkungen mglichst gering zu halten.
Mgliche Nebenwirkungen:
bei vielen Neuroleptika Appetit- und Gewichtszunahme
Bewegungsstrungen, vor allem bei hochpotenten Prparaten im
Sinne von Frh- oder Sptdyskinesien und Parkinson-artiger Symptomatik
Mdigkeit und Konzentrationsstrungen
Verwirrtheitszustnde
Blutdrucksenkung, Pulsanstieg
Erhhte UV-Empfindlichkeit
Unruhe, Schlaflosigkeit bei einigen der atypischen Prparate
Da die Nebenwirkungen mit Art des Medikamentes und der Dosierung sehr
schwanken und divergieren knnen, ist es in jedem Fall notwendig, ein ausfhrliches Gesprch mit dem verschreibenden Arzt zu fhren.
Ohne Anspruch auf Vollstndigkeit werden folgende gngige Prparate angefhrt (Stand 2008):
Die Handelsnamen beziehen sich auf in sterreich (A), Deutschland (D)
und der Schweiz (CH) zugelassene Medikamente
38
Psychopharmakotherapie
Tabelle 3. Medikamente
Trizyklische Antidepressiva
Amitriptylin
Clomipramin
Anafranil A, D, CH
Nortriptylin
Nortrilen A, D, CH
Tetrazyklische AD
Maprotilin
Ludiomil A, D, CH
Mianserin
Atypische AD
Mirtazapin
Trazodon
Opipramol
Insidon A, D, CH
MAO-Hemmer
Moclobemid
Aurorix A, D, CH
SSRI
Citalopram
Escitalopram
Cipralex A, D, CH
Fluoxetin
Paroxetin
Seroxat A, D
Sertalin
A = sterreich
D = Deutschland
CH = Schweiz
39
2. Die Borderline-Strung
SNRI
Venlafaxin
Efectin A, Efexor CH
Duloxetin
Cymbalta A, D, CH
Milnacipran
Ixel A
NaRI
Reboxetin
Edronax A, D, CH
SNDRI
Bupropion
Haldol A, D, CH
Flupenthixol
Fluanxol A, D, CH
Fluphenazin
Lyogen D
Nipolept A, D
Zuclopenthixol
Cisordinol A
Truxal A, D, CH
Promethazin
Atosil D
Levomepromazin
Nozinan A, CH
Prothipendyl
Dominal A, D
40
Psychopharmakotherapie
Abilify A, D, CH
Olanzapin
Zyprexa A, D, CH
Pimozid
Orap A
Risperidon
Risperdal A, D, CH
Ziprasidon
Zeldox A, D
Fluspirilen
Imap D
Perphenazin
Decentan D
Sertindol
Serdolect A, D, CH
Leponex A, D, CH
Quetiapin
Seroquel A, D, CH
Melperon
Buronil A
Solian A, D, CH
Sulpirid
Dogmatil A, D, CH
Klassische Depot-Neuroleptika
Flupentixol
Fluanxol-(Depot) A, D, CH
Atypische Depot-Neuroleptika
Risperidon
41
43
44
45
Stern A (1938) Psychoanalytic investigation of and therapy in the borderline group of neuroses.
Psychoanalytic Quaterly, 7
Winnicott DW (1965/1974/1984) Reifungsprozesse und frdernde Umwelt. Kindler, Mnchen
Winnicott DW (1971/1973) Vom Spiel zur Kreativitt. Klett-Cotta, Stuttgart
43
Illusion ist eine Vorstufe der Symbolbildung und erfordert die Abwesenheit
des anderen Objektes.
Beim Sugling haben die Erfahrungen im illusionren Raum halluzinatorischen Charakter. Er schafft sich whrend seiner Entwicklung Objekte, die
Grundlage fr die Symbolbildung sind. Sobald das Kind beginnt, zwischen
Ich und Nicht-Ich zu unterscheiden, bekommen so genannte bergangsobjekte Bedeutung. So vermittelt zum Beispiel der Geruch der Mutter an
Dingen, die an sie erinnern, das Gefhl, dass es diese wirklich gibt. Nimmt
die Mutter das Kind ernst, hat Verstndnis fr die Bedrfnisse des Kindes, so
entwickelt das Kind die Sicherheit eigene Gefhle und Wnsche auszudrcken. Es kann sich in dem Kind das so genannte wahre Selbst entwickeln.46
Foto 2. bergangsobjekt
46
47
44
Analytisches Konzept
Unfhigkeit Bindungen einzugehen. Daher fallen diese Patienten durch Bindungs- und Trennungsproblematik auf.48
Borderline-Patienten haben demnach einen Mangel an Erfahrungen mit
bergangsobjekten. Sie mssen sich mit dem Gefhl der inneren Leere und
des Nichtseins auseinandersetzen.
Analytisches Konzept
Otto F. Kernberg entwickelte bereits in den Sechziger Jahren ein Modell zur
Erklrung der Borderline-Persnlichkeitsstrung.
Bereits 1967 betonte er die Eigenstndigkeit des klinischen Syndroms gegenber der psychotischen und neurotischen Organisation. Die Symptombildung wird nicht mehr alleine unter dem Gesichtspunkt der Konfliktverarbeitung gesehen, sondern auch im Sinne der psychischen Funktionsebene, auf
der die Persnlichkeit funktioniert.
Kernbergs Konzept der Borderline-Persnlichkeits-Organisation (Borderline
personality organization) ist nicht nur deskriptiv, sondern strukturell angelegt.
Die Diagnosestellung kann durch den Nachweis folgender Kriterien erfolgen:
Niveau der Abwehrmechanismen
Fhigkeit zur Realittsprfung
Identittsdiffusion
Erhrtet wird die Diagnose durch die Ich-Strung, typischerweise begleitet
von einer diffusen, frei flottierenden Angst, deren Ausma die Bewltigungsmechanismen bersteigt, sowie mangelnde Impulskontrolle und mangelnde
Fhigkeit zur Sublimierung.
Bei Borderline-Patienten hat eine ausreichende Differenzierung zwischen
Selbst- und Objektbildern (Imagines) stattgefunden, womit die Integritt der
Ich-Grenzen in den meisten Bereichen gesichert ist.
In den Lebenssituationen, in denen es zur Verschmelzung mit idealisierten
Objekten kommt, zeigt sich jedoch die Labilitt.
48
45
Als Ursache fr die mangelnde Fhigkeit zur Integration guter und schlechter
Anteile (Introjektionen) wird ein berma an primrer, frustrationsbedingter
Aggression und mangelhafte Angsttoleranz angefhrt.
Das Ich von Borderline-Patienten enthlt vllig widersprchliche und unrealistische Selbstbilder, sodass die Entstehung eines integrierten Selbst nicht
mglich ist. (vgl. Kapitel: Selbstwert)
Auch die realistische Einschtzung von uern Objekten ist nicht gewhrleistet.
Dies kann dazu fhren, dass Mitmenschen mitunter als fremd erlebt werden,
vor allem dann, wenn starke Emotionen beteiligt sind inneres Erleben und
uere Realitt klaffen oft weit auseinander, was im Extremfall zu vlliger
Verwirrung und der zuvor erwhnten Identittsdiffusion fhren kann.
Bei der Beschreibung der Borderline-Persnlichkeits-Organisation unterscheidet Kernberg spezifische, unspezifische und primre Abwehrformen.
Als unspezifische Zeichen werden niedrige Angsttoleranz, geringe Impulskontrolle und mangelnde Fhigkeit zur Sublimierung angefhrt.
Der Patient hat kein stabiles Selbstkonzept, sondern aufgrund der fortbestehenden Spaltung in nur gute und nur bse Introjekte entsteht die sogenannte
Identittsdiffusion.
Das bedeutet, der Patient kann unter Hochspannung und groer emotionaler
Belastung nicht zwischen Selbstbild und anderen Personen unterscheiden
und neigt einerseits zu Verschmelzungswnschen, andererseits zu primren
Affektdurchbrchen und Entfremdungserlebnissen.
Als ein weiteres Strukturmerkmal beschreibt Kernberg die mangelnde Integration des ber-Ich. Diese ist nicht an realistischen Geboten und Verboten
der primren Bezugspersonen orientiert, sondern an sadistischen ber-IchVorlufern aus der frhen Entwicklungsphase.
Typische Abwehrmechanismen
Die zentrale Abwehrform ist die Spaltung.
Diese entsteht nach Kernberg dadurch, dass ein Kleinkind noch nicht fhig ist, Selbst- und Objekt-Reprsentanz zu integrieren, diese Integration
im Laufe des weiteren Lebens jedoch stattfindet. Bei der Entwicklung einer Borderline-Strung findet diese Integration nicht statt, sondern Spaltung
wird weiterhin als Abwehrmechanismus eingesetzt, um das Ich vor diffusen
ngsten und aggressiven Affekten zu schtzen.
Die Spaltung ist insofern der zentrale Mechanismus, als alle anderen Mechanismen ihr zugrunde liegen. Sie stellt die aktive Trennung positiver und
46
Analytisches Konzept
47
Analytisches Konzept
52
Kernberg OF (1989) Psychodynamische Therapie bei Borderline-Patienten. Verlag Hans Huber, Bern
Clarkin J, Yeomans F, Kernberg O, Buchheim P und Damman G (2001) Psychotherapie der
Borderline-Persnlichkeitsstrung, Manual zur psychodynamischen Therapie. Schattauer Verlag, Stuttgart
Clarkin JF, Yeomans FE, Kernberg OF (1999) Psychotherapy for Borderline Personality. Wiley,
New York
49
noch kein krisenhaftes Verhalten dar, sondern zeigt auch eine gute
Selbsteinschtzung und Kompetenz des Patienten, sich in einer fr
ihn bedrohlichen Situation in den Schutz eines Krankenhauses zu
begeben. Ist die Aufnahme als Teil des Agierens oder des Protestes
gegen den Therapeuten zu sehen, muss die Situation geklrt und
gedeutet werden.)
Selbstschdigendes Verhalten und Suizidalitt sind das hufigste Problem,
Phasen affektiver Strungen (zum Beispiel Depressionen) erhhen das Risiko
betrchtlich.
In diesem Fall ist das Einbinden der Angehrigen unerlsslich, eine stationre Aufnahme oft nicht zu vermeiden.
Millon T (1987) On the geneses and prevalence of the borderline personality disorder: A social
learning theses. Journal of Personality Disorders, 1
51
erungen des Kindes reagieren oder diese negieren. Das Kind lernt daher
nicht, eigene Erfahrungen und Gefhle adquat zuzuordnen, zu benennen,
Vertrauen in die eigenen emotionalen und kognitiven Erfahrungen zu entwickeln und diese als adquate Reaktionen auf Ereignisse zu sehen. Es entwickelt keine effektive Emotionsregulationsfhigkeit und lernt daher auch
keine Fertigkeiten zur Emotionsregulation. Somit wird die Diskrepanz zwischen den persnlichen Erfahrungen und dem, was die Umwelt besttigt,
immer grer und adquates emotionales Lernen wird verhindert. Stattdessen lernt das Kind, aktiv eigene Erfahrungen zu unterdrcken und Auenbesttigungen oder Auenwahrnehmungen zu bernehmen. Die Sensibilitt
dieser Wahrnehmung wird derart perfektioniert, dass minimalste Hinweise
und Auenwahrnehmungen gengen, um diese zu bernehmen und darauf
zu reagieren. Das Kind wird zum Seismographen fr die Gefhle anderer
Personen.
Als weitere empirisch gesicherte psychosoziale Risikofaktoren fr die Entwicklung einer Borderline-Strung gelten frhe Erfahrungen mit sexueller
Gewalt, krperlicher Gewalt, Gewalterfahrung im Erwachsenenalter und
Vernachlssigung durch primre Bezugspersonen. Die Bedeutung fehlenden
Schutzes und einer Sicherheit gebenden weiteren Bezugsperson, die Wahrnehmungen teilt und Gefhle besttigt, wurde von Heffernen nachgewiesen54.
Die in vielen Fllen enge Beziehung zum Tter verhindert eine klare Abgrenzung zu diesem und frdert die Entstehung inkonsistenter und widersprchlicher Schemata und Grundannahmen, die wiederum eine Strung der Emotionsmodulation auf kognitiver Ebene zur Folge haben (siehe: Entwicklung
dysfunktionaler Schemata).
Auf der kognitiven und emotionalen Ebene entwickelt sich eine der Posttraumatischen Belastungsstrung hnliche Angststruktur. Durch den Verlust der
Realittswahrnehmung wird das berlernen alter Erfahrungen verhindert.
Die traumatischen Erfahrungen werden durch die Lernprozesse der Gegenwart nicht relativiert, sind lschungsresistent und knnen jederzeit durch
externe oder interne Stimuli aktiviert werden. Die kognitive und emotionale
berprfung, ob alte Erfahrungen in der Gegenwart noch gelten, sowie eine
Schema-Anpassung an die Realitt, ist blockiert.
Als zustzliche Vulnerabilittsfaktoren gelten unter anderem Schlafstrungen, Drogen- oder Alkoholabusus, Essstrungen, somatische Erkrankungen, Bewegungsmangel, Partnerschaftsprobleme, finanzielle Probleme und
Wohnprobleme.
54
Heffernen K and Cloitre M (2000) A comparison of posttraumatic stress disorder with and
without borderline personality disorder among women with a history of childhood sexual
abuse Etiological and clinical characteristics. Journal of Nervous and Mental Desease
52
Die borderline-typischen Verhaltensmuster werden zunchst zur Reduzierung von unertrglichen Spannungszustnden sowie zur Beendigung aversiver Affekte eingesetzt und werden schlielich zum eigenstndigen Problem.
Dieses Bild zeigt uns, wie wichtig es sein kann, vorhandene Mittel und Ressourcen zu erkennen und richtig zu nutzen.
Auch hier knnen Angehrige wie Patienten lernen Kraft zu schpfen und
mgliche Ziele zu erreichen.
Da unsere Arbeit mit Borderline-Patienten als Grundlage die Ideen der Dialektisch Behavioralen Therapie hat, mchten wir diese in ihren Grundzgen
kurz vorstellen. Im weiteren Verlauf werden uns Teile der DBT, vor allem das
Skills-Training, begleiten.
53
Kabat-Zinn J (1994) Wherever you go there you are. Hyperion, New York
54
die Emotionsregulation
Mechanismen Trauma-assoziierter Stimuli
Lschungsresistenz traumatischer Erinnerungen
Automatisierung szenischer Erinnerungen und Trauma-Gedchtnis
Symptomaktivierung unter Hochstress
bewirkt, dass das Konzept laufend von vielen Arbeitsgruppen modifiziert
und erweitert wird.
Die Grundannahmen der Dialektisch Behavioralen Therapie (DBT)
Ein Hauptanliegen der DBT ist die Therapie-Compliance, wobei die von
Linehan formulierten Grundannahmen eine bedeutende Rolle spielen. Sie
zeigen die grundstzliche Willensbereitschaft der Betroffenen ihre Situation
zu verndern, neue Wege zu gehen und zu versuchen, das Beste aus ihrer
verheerenden Situation zu machen. Es wird versucht, Betroffenen rckzumelden, dass ihr Verhalten im subjektiven Kontext Sinn macht, dass aber
auch anderes Verhalten mglich ist, das heit im objektiven Kontext mehrere
Mglichkeiten zur Verfgung stehen und dass es wichtig ist, die jeweiligen
Auslser, Schemata und Konsequenzen fr Probleme herauszuarbeiten.
Die Grundannahmen in der DBT richten sich gegen bestehende Vorurteile.
Grundannahmen55
1. Borderline-Patientinnen wollen sich ndern.
2. Borderline-Patientinnen haben im Allgemeinen ihre Probleme nicht
selbst herbeigefhrt, mssen sie aber selbst lsen.
3. Borderline-Patientinnen mssen sich strker anstrengen, hrter arbeiten und hher motiviert sein als andere. Das ist ungerecht!
4. Das Leben suizidaler Borderline-Patientinnen ist so, wie es ist, nicht
auszuhalten und unertrglich.
5. Borderline-Patientinnen mssen im Allgemeinen in allen Lebensbereichen neues Verhalten lernen.
6. Borderline-Patientinnen knnen in der DBT nicht versagen.
7. Therapeutinnen, die mit Borderline-Patientinnen arbeiten, brauchen
Untersttzung.
56
55
56
Konflikte zwischen Therapeutin und Patientin werden daher nicht gedeutet, sondern angesprochen. Wenn man davon ausgeht, dass jeder Therapeut
fehlbar ist und dass Patientinnen auf jeden Fall die Grenzen ihrer Therapeutin herausfinden, gilt auch hier der Grundsatz der Dialektik:
Die DBT geht dabei von der Voraussetzung aus, dass jedes Fehlverhalten
wieder in Ordnung gebracht werden kann. Die Art und Weise, wie dies geschieht, kann als hilfreiches und wirksames Modell dienen, dass Betroffene
erkennen, wie sie mit eigenen Problemen in Beziehungen umgehen knnen.
Dabei ist es wichtig, dass Helfer Fehler zugeben knnen und Betroffenen
mit (radikaler) Offenheit begegnen.
Um das Therapiekonzept zu skizzieren verwenden wir eine von Linehans
Metaphern, die sich wie ein roter Faden durch die Therapie zieht:
Die Patientin und ich stehen auf einer Wippe einander gegenber; die
Flche der Wippe verbindet uns miteinander. Die Therapie ist wie das
Auf und Ab der Wippe, bei dem die Patientin und ich stndig vor und
zurck rutschen und versuchen, die Balance zu halten, um gemeinsam
zur Mitte zu gelangen und sozusagen auf eine hhere Ebene klettern
zu knnen. Dort beginnt derselbe Ablauf von vorne: Wir sind auf einer
neuen Wippe und versuchen erneut, in die Mitte zu gelangen und auf
die nchste Ebene aufzusteigen und so weiter. Whrend die Patientin
auf der Wippe vor- und zurckrutscht, vom Ende in die Mitte und von
der Mitte an das Ende, bewege ich mich ebenfalls, um die Balance zu
halten58.
Abbildung 3. Balance
58
57
Die Enden der Wippe symbolisieren die fr die Dialektik typische Terminologie: These und Antithese und das Erreichen der nchsten Ebene steht fr
die Integration bzw. Synthese dieser Gegenstze, die dort sofort wieder in
These und Antithese gespalten werden.
Die Dialektik ist eine hilfreiche Art die Welt zu betrachten und Dinge zu
sehen.
Borderline-Patientinnen sind nicht in der Lage zu glauben, dass zwei Positionen gleichzeitig wahr sein knnen. Die Welt wird in Schwarz und Wei
aufgeteilt, es gibt keine Abstufungen und Grauzonen. Die Menschen darin knnen nur gute oder schlechte Eigenschaften haben, werden idealisiert
oder entwertet und abgelehnt, es erscheint unmglich, dass ein Mensch im
Innersten gut sein kann, wenn er auch nur einen kleinen Fehler macht.
Bei Enttuschung durch ursprnglich idealisierte Menschen kann es sein,
dass die Beziehung sofort beendet wird; wenn ein Mensch einmal einen
Fehler begangen hat, wird er immer fehlerhaft bleiben. Verstrkt wird diese
Problematik durch einen starren Denkstil, der selbst die Vorstellung der
Mglichkeit einer Vernderung verhindert. Therapieabbrche haben hier
ihren Ursprung.
Linehan bezeichnet die borderline-typischen Verhaltensweisen als Scheitern
an der Dialektik. Dichotomes Denken und Spaltung werden in der Dialektik
unter dem Blickwinkel These und Antithese gesehen, gekennzeichnet durch
die augenblickliche Unfhigkeit zu einer Synthese zu gelangen. So ist der
Mensch entweder gut (These) oder bse (Antithese), er kann unmglich
beides sein (Synthese).
Aufgabe und Ziel der Therapie ist es, die Balance zu halten um eines Tages
die Synthese zu erreichen und ein stabiles Selbstbild zu entwickeln, als Voraussetzung fr Beziehungsfhigkeit und ein erflltes Leben.
58
4. Emotionen
Die Bedeutung der Gefhle
Der Titel dieses Buches Die andere Art zu fhlen kommt einerseits daher,
dass das zentrale Problem der Borderline-Problematik die Emotionsregulationsstrung ist, andererseits aus dem Wunsch, die zugrunde liegenden
Mechanismen klar und mglichst vielen Menschen zugnglich zu machen,
um die Diagnose zu entmystifizieren und das Anders Sein nicht unntig zu
pathologisieren.
Die einzige Wahrheit auf der Erde ist unser Gefhl
Gustav Mahler
59
4. Emotionen
den von Strukturen ausgelst, die tief im Hirnstamm liegen und sich der
willkrlichen Kontrolle entziehen59
Schauspieler zum Beispiel sind dann gut, wenn sie das Zusammenspiel von
Stimme, Tonfall, Mimik und Krperhaltung so beherrschen, dass die Emotionen fr das Publikum stimmig erscheinen.
Abhngig vom kulturellen Hintergrund haben wir gelernt, Emotionen zu unterdrcken, das heit im besten Fall, den Ausdruck der Emotion nicht nach
auen zu tragen, die inneren Vernderungen bleiben bestehen.
Als teilweise Ausnahme davon knnen wir zum Beispiel in der Achtsamkeit lernen, Kontrolle ber die Atmung zu erhalten und dadurch unsere
Emotionen zu beeinflussen, ebenso kann Krperhaltung und Mimik Einfluss
nehmen.
Auch Umweltfaktoren, Wetter, Ernhrung, Hormone und vieles mehr knnen auf Emotionen wirken.
Damasio schlgt vor, den Begriff Emotion und Gefhl zu trennen, indem er
den Ausdruck Gefhl fr die private mentale Erfahrung einer Emotion verwendet. Das heit, Emotionen knnen von anderen wahrgenommen werden, whrend zu ihren Gefhlen nur die Person selbst Zugang hat.
Emotionen bestehen aus einem Netzwerk neuronaler Verknpfungen mit
den dazu gehrigen Impulsen und krperlichen Reaktionen, vertreten in
den Bereichen des Stammhirnes, vor allem der Amygdala (Mandelkern) und
des Hippocampus (Ammonshorn) mit seinen expliziten Gedchtnisinhalten. ber die Achse Hypothalamus-Hypophyse-Nebennierenrinde wird in
Stress-Situationen vemehrt Cortisol ausgeschttet, was bei lnger dauerndem Stress bedeutet, dass es zu einer Schdigung des Hippocampus kommen kann. Bei Borderline-Patienten wurde eine Volumsreduktion des Hippocampus festgestellt (Brambilla et al., 2004), die jedoch laut K. Grawe nicht
irreversibel ist.
Emotionen geben Information ber unser Befinden, warnen vor Gefahr, helfen uns bei der Orientierung und sind, mit Hilfe von biologisch vorhandenen
Handlungstendenzen und Impulsen, da um unser berleben zu sichern.
Im sozialen Leben geben Emotionen die Mglichkeit zwischenmenschliche
Beziehungen zu gestalten, Mimik, Krperhaltung, Stimme und Tonfall knnen, gemeinsam mit Worten, Gefhle ausdrcken und diese anderen mitteilen, mit dem Ziel, einerseits Bedrfnisse kund zu tun und andererseits die
Bedrfnisse des Gegenbers wahrzunehmen.
59
Damasio AR (1994) Descartes Irrtum Fhlen, Denken und das menschliche Gehirn. List,
Mnchen
60
Trauer
Angst
Wut
Begeisterung
Verzweiflung
Furcht
rger, Zorn
Glck
Sehnsucht
Anspannung
Ungeduld
bermut
Einsamkeit
Schreck
Missmut
Leidenschaft
Leere
Ekel
Widerwille,
Trotz
Lust
Langeweile
Sorge
Abneigung
Stolz
Mitgefhl
Reue
Hass
Vertrauen
Beleidigt-Sein
Scham
Neid, Eifersucht
Dankbarkeit
Unterlegenheit
Misstrauen
Zufriedenheit
Hiflosigkeit
Verachtung
Foto 7. Angst
Foto 8. Wut
Zuneigung,
Liebe
Foto 5. Freude
Foto 6. Trauer
Jeder Mensch hat bevorzugte Gefhlsreaktionen. Wenn Sie sich selbst besser kennen wollen, ist es wichtig, dass Sie sich damit auseinander setzen.
Welche Gefhle kennen Sie?
Welche haben Sie hufig?
Welche Impulse werden ausgelst?
61
4. Emotionen
60
Damasio R A (2003) Ich fhle, also bin ich, die Entschlsselung des Bewusstseins. 4. Auflage.
List Verlag, Mnchen
62
Emotionsregulation
Emotionsregulation
Till Eulenspiegel wandert ber das Mittelgebirge, ein Fremder begleitet
ihn. Sie wandern schweigend bergauf und bergab. Das Wetter ist schn
und die Sonne scheint warm. Pltzlich beginnt Till Eulenspiegel zu weinen und zu klagen.
Der Fremde fragt, was los sei. Oh, antwortet Till die Sonne scheint
und wir sind im Mittelgebirge!
Der Fremde wundert sich und die beiden wandern weiter.
Pltzlich beginnt es zu strmen und zu regnen, sodass man kaum die
Hand vor Augen sieht. Till freut sich, beginnt zu lachen und zu singen.
Der Fremde wundert sich wieder und fragt: Till, was ist los? Wenn die
Sonne scheint, weinst du und wenn es strmt, springst du wie toll umher?
Till antwortet:
Wenn im Mittelgebirge die Sonne scheint, wei ich, dass es bald wieder
regnen wird. Daher muss ich weinen, wenn die Sonne scheint.
4. Emotionen
Diese Regulation kann bewusst oder unbewusst stattfinden. Ob sie berhaupt mglich ist, zeigt die Dauer, die Intensitt der Gefhle und die darauf
folgenden Handlungskonsequenzen.
Bei bewusst unterdrckten Emotionen findet trotzdem die Reaktion des
autonomen Nervensystems statt (zum Beispiel Vernderung von Puls, Blutdruck, Muskelanspannung usw.) und kann dadurch langfristig zu psychosomatischen Erkrankungen fhren.
Bei Lazarus finden wir ein verhaltenstherapeutisch orientiertes Emotionsmodell, das vor allem die eingesetzten Coping-Strategien bercksichtigt.
Marsha Linehan betont in ihrem Konzept die Bedeutung der Fhigkeit, Emotionen wahrnehmen, sie zu erkennen und benennen zu knnen. Die Regulation besteht in der Fhigkeit des Menschen, die aufsteigenden Bilder,
Erinnerungen, entstehenden Bewertungen ebenso wie den resultierenden
Handlungsimpuls zu erkennen und die Entscheidung treffen zu knnen, ob
dem Impuls nachgegeben, oder entgegen gesetzt gehandelt werden soll.
64
Emotionsregulation
Abbildung 5. Handlungsimpuls
Gedanken
Gefhl
Handlungsimpuls
Bedrfnis
Handlung
Konsequenz
Gedanken
65
4. Emotionen
Gefhl
Handlungsimpuls
Bedrfnis
Handlung
Adquat?
Konsequenz
Hier setzt in der DBT das Skills-Training ein, das Erlernen von Steuerungsmglichkeiten der Impulse nicht der Gefhle, denn die sind in diesem Fall
durchaus stimmig und verstndlich und sollten bei der therapeutischen Aufarbeitung des aktuellen Problems immer validiert werden. Der Lernprozess
bezieht sich also auf den Punkt, an dem wir entscheiden, ob die nachfolgende Handlung sinnvoll ist oder langfristig mehr Schaden anrichtet.
Im eigentlichen Sinn sprechen wir also nicht von einer Emotions- sondern
Impulsregulation.
66
Emotionsregulation
Das bedeutet nicht, dass ein stndig ungerecht schreiender Chef ein gesundes Umfeld darstellt, im Gegenteil, die Hemmung von emotional stimmigem
Verhalten wird fr die Enstehung psychosomatischer Erkrankungen verantwortlich gemacht. Die berlegung einer Vernderung ist nach Abklingen
der ersten Emotion sicher einfacher, langfristig auch sinnvoll.
In diesem Beispiel haben wir bis jetzt noch nicht beachtet, was hinter der
enormen Wut und dem eventuellen Ausrasten stehen knnte. Erinnert der
Chef an eine Situation, in einem ganz anderen Zusammenhang, in einer
ganz anderen Zeit? Welches Gefhl sprt man nach Abklingen der Wut?
Hilflosigkeit? Ohnmacht? Angst? Vielleicht Trauer? Vor welchen Gefhlen
schtzt die Wut?
4. Emotionen
61
Liebe
Freude
Trauer
Stolz
Scham
Angst
Wut
Ekel
68
Die Borderline-Gefhlswelt
Was macht die Gefhle einer Borderline-Persnlichkeit so anders?
Wieso diese enorme Intensitt und Vulnerabilitt, Impulsdurchbrche, Stimmungsschwankungen und Beziehungs-Chaos?
Wie auch im Kapitel Neurobiologie besprochen, gibt es in bildgebenden
Verfahren nachweisbare Unterschiede zwischen emotionalen Ablufen bei
Borderline-Patienten und Patienten mit PTSD und gesunden Versuchspersonen.
So konnte zum Beispiel in PET62-Befunden gezeigt werden, dass beim Lesen aversiver Texte oder Ansehen brutaler Filme der Erregungsablauf bei
Borderline-Patienten unterschiedlich zu dem anderer Menschen verluft.
(siehe: Neurobiologie)
Das bedeutet, dass das Gefhl nicht nur rascher und intensiver vorhanden
ist, sondern sich auch der kognitiven Kontrolle entzieht und ebenfalls der
Rckmeldung des Hippocampus, der den aktuellen Input mit Erfahrungsinhalten vergleicht und dadurch wenn keine aktuelle Gefahr im Verzug ist
als Bremse auf die entstehende Emotion wirken kann.
Positronen-Emissions-Tomographie
69
4. Emotionen
70
Die Borderline-Gefhlswelt
Wut
Tabelle 8. Borderline-Grundgefhle
Wut
Nach dem analytischen Konzept Kernbergs ist das dynamische Unbewusste
die Motivation der Psyche und umfasst , Aggression, Liebe und Hass. Diese
werden in internalisierte Objektbeziehungen integriert. Bei Borderline-Patienten sind diese inneren Reprsentanzen unreif und rigide. Abhngig von
der Schwere der Strung setzen entsprechende Abwehrmechanismen wie
Spaltung und projektive Identifizierung ein, um heftige Affekte zu bewltigen. Die TFP (vgl. Kapitel: Analytisches Konzept) setzt sich zum Ziel, dem
Patienten zu ermglichen seine starre und fragmentierte Welt zu verlassen,
um besser mit den inneren Affekten und der ueren Realitt umgehen zu
lernen.
Die eigentliche ursprngliche Funktion der Wut zielt darauf ab, ein Hindernis zwischen Selbst- und Bedrfnisbefriedigung und somit die Ursache der
Frustration zu beseitigen. Bei Chronifizierung des Bildes kommt es zu Hass
und dem Wunsch das bse Objekt zu zerstren auf hherem Entwicklungsniveau leiden zu lassen (Sadismus) oder zu kontrollieren und dominieren, um die eigene Sicherheit zu garantieren.
Eine besonders schwere Form der Spaltung findet sich in der Dissoziativen
Strung und in der Extremform der Entwicklung einer multiplen Persnlichkeit.
Im Verhalten von Borderline-Patienten sind Auslser fr Wut und Hass oft
Krnkung. Daher ist es wichtig, Gefhle in jedem Fall zu validieren, das
heit als subjektiv berechtigt anzuerkennen, bevor ein in Fragestellen des
Verhaltens oder Vernderung mglich ist.
Ich ziehe meine Laufschuhe an und hetze meinen Krper den Berg hinauf, spre wie es in meinen Gliedern brennt, wie es zu schmerzen beginnt. Der Schmerz verschafft mir Genugtuung, treibt mich weiter.
Solange es schmerzt, wei ich, ich bin am Leben. Der Schmerz berdeckt alle anderen Gefhle. Das Stechen in der Lunge macht das Atmen schwerirgendwann breche ich nieder, spre mich nicht mehr,
sehe nichts, hre nichts, fhle nichts. Jetzt bin ich frei. Frei von Schmerz,
Trauer, Hass, Wut. Frei von mir selbst. (D.)
71
4. Emotionen
Angst
Hoffmann spricht von der typischen frei flottierenden, diffusen und imperativen Borderline-Angst.
Diese Angst setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen:
Angst vor Kontrollverlust, davor, dass die eigenen Phantasien, Affekte und Impulse bermchtig werden und nicht mehr kontrolliert
werden knnen
72
Die Borderline-Gefhlswelt
Angst vor dem Verlust des Ich, der Identitt (Brchigkeit des Ich)
Angst vor Verlust, Trennung, Einsamkeit
Angst vor zu groer Nhe, vor Verletzung und davor, sich selbst zu
verlieren
Die beiden letzten Punkte machen klar, dass die Nhe-Distanz-Regulation
eine der schwierigsten Herausforderungen in der Borderline-Therapie ist, da
einerseits die Verlustangst den Wunsch nach einer symbiotischen Beziehung
nhrt, andererseits die Angst verschlungen zu werden genau diese Nhe
verhindert.
Als Abwehr all dieser ngste knnen verschiedene unbewusste Mechanismen einsetzen von vlliger Emotionslosigkeit bis zu depressiven Verstimmungen, Wut und Affektdurchbrchen, Suchtverhalten, high-risk-Verhalten
und Selbst- sowie Fremdaggression.
Alles ist besser als diese unertrgliche Angst
Bowlby (siehe: Bindungstheorien) sieht Bindung als Grundbedrfnis an, deren Gefhrdung zur sogenannten Primrangst fhren kann. Trennung von
der Mutter ruft zuerst Protest mit akuten Angstsymptomen hervor, der bei
lngerer Dauer in Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit mndet.
Angst ist immer die erste Reaktion auf eine vitale Bedrohung
und hat damit eine sinnvolle Schutzfunktion.
Wenn bei traumatisierten Menschen im Unterbewusstsein die frhe, vernichtende primre Angst gespeichert ist, kann es zu einer berwltigenden Angstreaktion kommen, die in der momentanen Situation nicht adquat
ist und ein sinnvolles Handeln blockiert.
Als Mglichkeit der Entlastung kann Dissoziation eingesetzt werden, Selbstverletzung oder Affektumkehr im Sinne von Wut und Aggression. Insofern
kann Angst als Auslser fr die Opfer-Tter-Umkehr gesehen werden und
stellt die zugrunde liegende Emotion fr Wut und Hass dar, wobei die Form
der Traumatisierung mageblich ist fr fr die Art der Aggression.
Krperliche Misshandlung fhrt eher zu Fremdaggression, sexueller Missbrauch zu Autoaggression.63 Dazu kommt, dass Opfer sexuellen Missbrauchs
sich oft schuldig fhlen und als Grundgefhl Scham entwickeln.
63
Dulz B und Jensen M (1997) Vom Trauma zur Aggression von der Aggression zur Delinquenz. Einige berlegungen zu Borderline-Strungen.
73
4. Emotionen
Auch die Entwicklung sado-masochistischer Tendenzen hat in der Borderline-Pathologie vor allem mit Reduktion der unertrglichen Angst zu tun,
im Sinne von Verhinderung zu groer Nhe und Verhinderung der Angst
verlassen zu werden durch einerseits aggressive Handlungen, andererseits
einer Form der Verschmelzung.
Borderline-Betroffene leben in der stndigen Angst, wieder verlassen, misshandelt oder vernachlssigt zu werden, hnlich der frhen archaischen Vernichtungsangst, dem Verlust des Primrobjektes.
Auch der Ausdruck namenlose Angst, fr eine Angst, fr die es keine Worte
gibt, deren Ursache den Betroffenen meist verborgen ist, die pltzlich und
ohne Vorwarnung da ist, wird gerne verwendet.
Manchmal kann es auch schon eine Entlastung sein, die Erfahrung zu machen, zum Beispiel in einer Gruppe, dass andere genau so fhlen und zu
versuchen, Worte zu finden, Bilder oder andere Formen des Ausdruckes.
Es lutet und lutet und lutet. Keine Antwort. Nichts, niemand. Nichts
als ein Gefhl der Verzweiflung. Es breitet sich aus, geht durch alle Glieder. Schnrt mir die Kehle zu.
Warum blo, warum? Warum leide ich? Nur weil du nicht fr mich erreichbar bist? Das ist so lcherlich. Und doch schmerzhaft.
Ich will das nicht lnger so, ich ertrage es nicht, kenne mich selbst nicht
mehr, verachte mich selbst dafr und kann einfach nichts dagegen tun,
bin komplett machtlos ohnmchtig.
Warum habe ich solche Angst, dass du eines Tages fort bist. Fr immer.
Ohne Ankndigung.
Anzeichen gibt es keine und doch windet sich mein Herz. (D.)
Leere
Das Gefhl der Leere ist so borderline-typisch, dass es als Kriterium in das
DSM IV aufgenommen wurde. Es ist allerdings auch das Gefhl, das am
schwierigsten zu beschreiben und fr Nicht-Betroffene kaum zu verstehen
ist.
Wenn Linehan von patients out of hell spricht, kann man erahnen, was all
die Gefhle, die wir bereits besprochen haben, gemeinsam mit dem Gefhl
einer unendlichen nie enden wollenden Leere, in einer Borderline-Seele anrichten. Nur allzu verstndlich wird dadurch, dass alles unternommen wird
um dieser Hlle zu entkommen, auch wenn die Handlungsweisen oft nur
kurzfristige Erleichterung bringen und langfristig schaden.
Lang hab ich sie nicht mehr vernommen, doch nun sind sie wieder da.
Die Bilder, die Stimmen, die Sinneseindrcke die, die Worte nicht be74
Die Borderline-Gefhlswelt
schreiben knnen, die mich vor Jahren beinahe in den Wahnsinn, in den
Tod getrieben haben. Ganz leise kommen sie, schleichen sich heran.
Dann werden sie immer lauter und lauter, bis sie mich komplett ausfllen, in mir drhnen, mit unbeschreiblicher Gewalt.
Ich atme tief durch, versuche mich zu besinnen, ich wei, dass sie nur in
meinem Kopf sind NUR in meinem Kopf! Genau dort qulen sie mich
und versuchen mich zu brechen. Aber ich gebe ihnen nicht nach.
Endlich glaube ich sie bewltigt zu haben, starten sie einen neuen Versuch. Wie eine Lawine rollen sie an, wollen mich in tausend Stcke reien. Aber ich bleibe stark. So schnell zwingt mich keiner in die Knie. Auf
solche Tricks meines kranken Gehirns will ich erst gar nicht eingehen. So
sple ich die Stimmen, diese Bilder und all ihre Grausamkeit aus meinem
Kopf.
Diesmal ist es mir gelungen. Zurck bleibt eine eisige unendliche Leere.
(E.)
75
4. Emotionen
Einsamkeit
Die Einsamkeit ist wie ein Regen.
Sie steigt vom Meer den Abenden entgegen;
von Ebenen, die fern sind und entlegen,
geht sie zum Himmel, der sie immer hat.
Und erst vom Himmel fllt sie auf die Stadt.
Regnet hernieder in den Zwitterstunden,
wenn sich nach Morgen wenden alle Gassen
und wenn die Leiber, welche nichts gefunden,
enttuscht und traurig von einander lassen;
und wenn die Menschen, die einander hassen,
in einem Bett zusammen schlafen mssen:
dann geht die Einsamkeit mit den Flssen
Rainer Maria Rilke
76
sich verstecken
Krperreaktion
errten
Blickkontakt vermeiden
Arme verschrnken
Kopf senken
entgegengesetztes Handeln
offen auftreten
sich zeigen
entgegentreten
entgegengesetzte
Krperhaltung
Blickkontakt halten
Krper aufrichten
Hnde in die Hfte stemmen
Kopf heben
ein Leichtes Lcheln einsetzen
Gegengedanke
77
4. Emotionen
Angst
Tabelle 10. Angst
Handlungsimpuls
und
dysfunktionale
Gedanken
Flucht
Krperreaktion
entgegengesetztes Handeln
entgegengesetzte
Krperhaltung
Krper aufrichten
Fuste ballen
tief atmen
Eventuell starke Sinnesreize einsetzen, um die Dissoziation aufzulsen (Eiswrfel, Chilischote...)
Gegengedanke
78
Wut
Tabelle 11. Wut
Handlungsimpuls
und
dysfunktionale
Gedanken
Krperreaktion
aktiviertes Herz-Kreislaufsystem
Muskelanspannung
Ballen der Fuste
Heben der Schultern
Zusammenpressen des Kiefers
entgegengesetztes Handeln
freundlich sein
etwas Vershnliches sagen
time out nehmen
zurckziehen
entgegengesetzte
Krperhaltung
Kiefermuskulatur lockern
Schultern senken
ruhig atmen
lcheln
Gegengedanke
79
Abbildung 6. Beziehungen
81
Die Muster haben ihre Wurzeln oft in der Kindheit. Wir unterscheiden Eltern-Kind-Beziehungen, Partnerschaftsbeziehungen, Geschwisterbeziehungen, Freundschaften, Arbeitsbeziehungen u. a. m.
Von Beziehungsfhigkeit sprechen wir, wenn ein Mensch in der Lage ist,
eine Beziehung zu einem anderen Menschen einzugehen. Enge Beziehungen, wie zum Beispiel Freundschaften oder Partnerschaften weisen oft
Parallelen zu der frhkindlichen Eltern-Kind-Beziehung auf und in der Beziehungsgestaltung findet sich eine Kontinuitt von der Kindheit bis zum
Erwachsenenalter.
Die Ursachen fr zwischenmenschliche Probleme bestehen oft darin, dass
das Kind nicht gelernt hat den Anforderungen in emotional besetzten Situationen gerecht zu werden.
Kinder brauchen bei der Entwicklung sozialer Beziehungen und sozialer Interaktionen Untersttzung, denn Schwchen und Strken im Umgang miteinander kristallisieren sich bereits im Zusammenleben mit den familiren
Bezugspersonen heraus.
In der Eltern-Kind-Beziehung spielen Vertrauen, Sich-Verstanden-Fhlen,
Verlsslichkeit, Liebe und Offenheit eine entscheidende Rolle. Die Beziehungen in der sogenannten Ursprungsfamilie haben Einfluss auf das sptere
Beziehungsverhalten. So finden wir einerseits hnliche, andererseits auch
kontrre Beziehungsmuster, weil wir es als Kinder und Jugendliche unertrglich fanden, wie die Erwachsenen miteinander umgingen.
Doch selbst gute Beziehungs-Erfahrungen in der Ursprungsfamilie schtzen
nicht davor, in manchen sozialen Situationen berfordert zu werden und unangemessen zu reagieren. Besonders komplexe schwierige Situationen knnen Defizite, wie eigene Bedrfnisse und Gefhle wahrnehmen, kommunikative Signale verstehen und die Fhigkeit zur Selbstreflexion, aufzeigen.
Ein Kind, das familir gut eingebunden, jedoch ngstlich und schchtern ist,
braucht zustzlich Kompetenzen, um sich unter Mitschlern behaupten zu
knnen. Die daraus resultierenden Schwierigkeiten im zwischenmenschlichen Bereich deuten auf einen Mangel frherer Untersttzung hin.
Doch wir sind den Familienmodellen und den Interaktionen in spteren Beziehung nicht hilflos ausgeliefert. Die Dynamik der zwischenmenschlichen
Beziehungsgestaltung und viele ihrer Probleme entstammen aus frheren
Erfahrungen, doch die Verantwortung etwas zu verndern, liegt bei jedem
einzelnen Menschen. Konzepte, die Vorgnge im zwischenmenschlichen
Bereich verdeutlichen, helfen uns, damit wir uns von alten Vorstellungen
lsen und neue Wege gehen knnen.
82
In engen Paarbeziehungen werden die elementaren Bedrfnisse nach Geborgensein, Symbiose, Schutz und Umsorgung wieder aktiviert. In unserem
Inneren hoffen wir, dass es einen Partner gibt, mit dem wir eine vollkommene und harmonische Beziehung haben knnen.
In der Phase des Verliebtseins scheinen diese Sehnschte und Phantasien
wahr zu werden. Das Paar schwebt im so genannten siebenten Himmel
nach auen ist es als zusammengehrig zu erkennen, es plant und gestaltet
gemeinsam sein Leben. Die Grenzen zwischen ihnen scheinen sich aufzulsen, die inneren Grenzen verblassen.
Dabei hat die Erhaltung und Klarheit von Grenzen in Paarbeziehungen einen
wichtigen Stellenwert und ist auch spter ein Indikator fr das Funktionieren
einer Familie.
Nach S. Minuchin und J. Haley, die besonderen Wert auf die Grenzen in
familiren Systemen, sowie auf eine klare Regelung bei der elterlichen Verantwortung und Entscheidungskompetenz legen, unterscheiden wir durchlssige (gesunde) Abgrenzung, unflexible oder diffuse Grenzen.
Diffuse, verwischte Grenzen bedeuten, dass die Autonomie des Einzelnen
beeintrchtigt ist. Schon geringe Konflikte werden als Bedrohung gesehen
und aktivieren die Angst vor Trennung.
Unflexible und starre Grenzen isolieren alle Beteiligten, die Kommunikation
und Empathiefhigkeit untereinander erstarrt. Kontakte ber die Beziehungsgrenze hinaus werden unterbunden.
Wie nah kann sich ein Paar kommen, ohne dass sich die Partner als Individuum aufgeben muss und wie stark soll sich ein Paar nach auen hin
abgrenzen?
83
Bildet das Paar eine totale Symbiose und dabei ein gemeinsames Selbst,
grenzt es sich meist stark von der Auenwelt ab. In vielen Beziehungen wird
um jeden Preis die anfngliche Symbiose aufrechterhalten. Es kommt zu einer berintimitt und dem Verlust der eigenen Ich-Grenzen. Hufig wird
dann versucht, alles Negative von der Beziehung fernzuhalten.
Sie lachen in der ffentlichkeit und doch unter deren Ausschluss. Oder
lcheln, wie Verschwrer, die andere nicht wissen lassen wollen, dass die
Spielregeln bald auer Kraft gesetzt werden. (Ingeborg Bachmann)64
Dies soll helfen, Angst zu vermeiden, denn Alleingelassen fhlen sich symbiotische Menschen nicht allein, sondern einsam. Der Schritt aus der Symbiose bedeutet daher Angstbewltigung und ffnet den Weg zu einer inneren
Zusammengehrigkeit, in der es ein ICH und DU gibt.
Das extreme Gegenteil ist die Aufrechterhaltung einer unnatrlichen Distanz
und strenger Abgrenzung. Die Partner frchten sich vor Selbstverlust und
vor zu groer Intimitt. Zu anderen Menschen sind die Grenzen oft diffus
und unklar, die enge Beziehung zu Drittpersonen dient oft als Schutz vor zu
groer Nhe zum Partner.
Um eine gesunde Abgrenzung zu ermglichen, mssen beide Partner ihre
Ideale, Wnsche, Rollen und Beziehungsmuster modifizieren, mssen sich
gleichwertig fhlen und in ihrem Selbstwertgefhl ebenbrtig.
Das Erkennen der Unterschiedlichkeit fhrt zu gegenseitigem Verstndnis
und Untersttzung ohne den Anspruch gleich sein zu mssen.
Innerhalb des Paares gibt es klare Grenzen und sie respektieren gegenseitig
die Grenzen des jeweils anderen.
Die Vision von der wahren Liebe muss sich befreien von der Vorstellung,
dass Zusammengehren immerwhrende Bedrfnisbefriedigung und Verschmelzung bedeutet. Partner neigen manchmal dazu, ein regressives Verhalten zu zeigen, das heit, sie erwarten einseitig vom anderen die Erfllung
von Bedrfnissen, die sie als Kind vermissen mussten.
Es gibt aber auch Partnerschaften, in denen ein Partner stets bemht ist,
die Rolle des Erwachsenen und so genannten Starken zu behalten und sich
damit berfordert. Er sucht sich oft Aufgaben, in der er sich als Hilfeleistender bettigen kann. Dieses Bedrfnis zeigt jedoch nicht echte Strke und
Reife, sondern ist ein Versuch, durch Progression die eigene Kindlichkeit und
Schwche zu berspielen. In gestrten Beziehungen verstrken und fixieren
64
Bachmann I (2005) Der gute Gott von Manhattan. Der Hrverlag, Mnchen
84
sich die Partner gegenseitig in diesem einseitigen Verhalten, weil sie sich
wechselseitig in diesen Funktionen bentigen.65
Kinder, die ihre Eltern lieben, tun dies oft aus einer Abhngigkeitssituation
heraus, ohne zu unterscheiden und entscheiden zu knnen, wie ihre Gefhle wirklich aussehen. Oft steckt das frhkindliche Bedrfnis dahinter, wo
die Begriffe lieben und brauchen gleichbedeutend gewesen sind. Spter knnen Liebe und Zuwendung Machtmittel sein, die Eltern benutzen um Kinder
zum Gehorchen zu bringen. Kinder verlieren dadurch ihr Urvertrauen und
reagieren mit Anpassung, um sogenannte Liebe zu erhalten. Sie machen die
Erfahrung, dass man sich Zuneigung verdienen muss und dass man ohne
Bezahlung nicht wert ist, diese zu bekommen.
Auch in Partnerbeziehungen ist es wichtig, sich seiner primren Gefhle
bewusst zu sein und nicht aus anderen Motiven, wie etwa Angst vor Einsamkeit, vor Verlassenwerden ein Leben in Abhngigkeit und Resignation
zu verbringen.
Doch was ist Liebe wirklich?
65
85
Ganz allgemein gesehen ist Liebe ein Gefhl, das wir mit etwas Angenehmen und Gutem und Wertvollem verbinden. Bei der zwischenmenschlichen
Liebe, besonders in der Phase des Verliebt-Seins, handelt es sich, neurobiologisch gesehen, um ein hchst komplexes Zusammenspiel von neuronalen
Vorgngen.
Dopamin in Verbindung mit Adrenalin und Endorphinen erzeugen euphorische Glcksgefhle, die Menschen, die Welt und den Partner durch die
rosarote Brille sehen lassen.
Im Griechischen unterscheidet man vorab schon zwischen der selbstlosen,
aufopfernden Zuwendung, der Agape und dem Eros, einem Gefhl des Begehrens und der Leidenschaft. Romantisch gesehen, ist Liebe ein Gefhl, das
uns in eine andere Welt versetzt und verborgene Wnsche aktiviert. Wer
kennt nicht auch die Sehnsucht nach Geborgenheit, nach einer Schulter zum
Anlehnen, und wie viel nehmen wir oft auf uns, im Glauben, ohne diese
Schulter nicht stehen zu knnen.
Wenn wir ber dieses Gefhl nachdenken und -spren, stehen wir pltzlich
vor einer Vielzahl von Empfindungen und Gedanken. Was ist mit der Liebe
und wo bleibt sie, wenn wir das, was wir begehren und lieben mchten,
nicht verwirklichen knnen? Aus tiefer Zuneigung und Liebe knnen Liebeskummer, Trauer, Hass, Enttuschung oder Resignation entstehen.
Wie fast alle Menschen tragen auch Borderline-Patienten das Bedrfnis
nach Geborgenheit, Sicherheit und einer glcklichen Beziehung, die das Leben bereichert, in sich. Doch die typischen Borderline-Grundschemata, die
Angst vor Nhe und Abhngigkeit einerseits und vor dem Verlassen-Werden
andererseits, aktivieren vordergrndig Abwehr und Rckzugstendenzen, wo
das sehnschtige Verlangen nach Liebe geheim gehalten werden muss, um
vor Enttuschung und Zerstrung geschtzt zu sein.
ich spre nur Hass in mir, Liebe gibt es fr mich nicht (F.)
Hier kann Therapie dem Borderline-Menschen helfen, statt Hass seine Sehnsucht nach und Bereitschaft zur Liebe zu erkennen und zu verstehen, dass
die hohe Intensitt seiner Hassgefhle eigentlich Sehnsucht nach Liebe bedeutet.
86
Kernberg misst den Persnlichkeitsmerkmalen des Therapeuten bei der Behandlung der Borderline-Strung groe Bedeutung zu. Er setzt bei diesem
87
Die Fhigkeit des Therapeuten wird oft auf eine harte Probe gestellt, denn er
hat zustzlich noch die Verantwortung die therapeutische Beziehung auch
unter frustrierenden Bedingungen aufrecht zuhalten.
Grenzen der Therapie
Entgegen manchen Meinungen sind wir strikt der Auffassung, dass das Gefhl Liebe den Beziehungen der Patienten im Privatleben vorbehalten ist
und nicht Bestandteil der Therapie sein kann und darf. Die therapeutische
Beziehung darf nicht zum Selbstzweck werden, Empathie nicht zielgerichtete Liebe.
In der Dialektisch Behavioralen Therapie (DBT) nach M. Linehan wird weitgehend auf die so genannte in der TFP (Transference Focused Therapy) geforderte technische Neutralitt verzichtet, der Therapeut soll sich als emotional authentisches Gegenber zur Verfgung stellen. Ein wertschtzender
Beziehungssaufbau hilft beim Aufbau von Vertrauen und Sicherheit, dies
soll whrend der ganzen Therapiedauer gewhrleistet sein.
In der DBT ist es Voraussetzung, dass jeder Borderline-Therapeut eine Supervisionsmglichkeit hat.
66
88
Am Ende einer Therapie ist es wichtig, dass der Therapeut dem Patienten
hilft sich lsen zu knnen, loszulassen und das internalisierte Bild einer sicheren Beziehung fr sich zu bewahren.
Dies ermglicht dem Patienten in der Welt der realen Beziehungen zu bestehen und eventuell einen Partner zu finden, den er lieben und mit dem er
sein Leben teilen kann.
Das Abnabeln ist fr Patienten und Therapeuten gleichermaen eine Herausforderung, die Verantwortung fr einen geglckten Abschluss der Therapie liegt jedoch gnzlich beim Therapeuten.
Der gelungene Abschluss bedeutet aber auch, dass nach jedem jahrelangen, oft sehr schwierigem Kampf, den eine Borderline-Therapie zweifellos
darstellt, auch ein Stck der therapeutischen Seele den Patienten ins Leben
begleiten kann.
Um das Bild abzurunden haben uns dankenswerter Weise rzte, Therapeuten und Menschen aus dem Pflege- und Sozialbereich Texte ber ihre Gedanken und Gefhle zur Verfgung gestellt:
89
90
Ich selbst bekam vor Jahren die Diagnose Borderline Persnlichkeitsstrung gestellt. Ich machte erfolgreich eine Psychotherapie. Ich arbeitete
bei einem groen Verein als mobiler Betreuer und untersttzte Menschen zu Hause vor allem mit Hilfe zur Selbsthilfe. Ich hatte neben
geriatrischen Klienten auch viele Patienten mit psychiatrischen Diagnosen zu versorgen.
Mein Einsatz fhrte mich zu einer jungen Dame um die 30 Jahre. Die
Frau wurde schon von sehr vielen Vereinen abgegeben. Wir bernahmen sie nach einem stationren Psychiatrieaufenthalt wegen eines Suizidversuches.
Kolleginnen berichteten von verbalen Beschimpfungen mit krperlichen
Attacken wie schmeien von Aschenbechern nach ihnen, wenn sie die
Wohnung betreten wollten. Die Klientin bestand auf mnnlicher Betreuung.
Somit wurden nur noch mein Kollege und ich zu dieser Dame eingeteilt.
In der Betreuungsmappe las ich dann schon die Diagnose BorderlinePersnlichkeit.
Ich war schon sehr gespannt, wie es mir bei dieser Klientin gehen
wrde.
In meiner Ausbildung lernte ich nichts ber dieses Krankheitsbild. Deshalb wunderte es mich nicht, dass meine Kolleginnen klglich scheiterten.
Ich hoffte fr mich, dass es mir besser ergehen wrde, schlielich kannte
ich ja das Krankheitsbild und einige Facetten dessen von mir selbst.
91
92
93
Bedrfnisse
Nach dem Psychologen Abraham Maslow folgt der Mensch bei dem Streben
nach Erfllung seiner Bedrfnisse einem hierarchisch angeordneten 5-stufigen Pyramidenmodell. Demnach mssen zuerst die grundlegenden Bedrfnisse befriedigt werden, bevor die nchste Stufe angestrebt werden kann.
Maslows Hierarchie beginnt mit physiologischen Grundbedrfnissen. So
stehen Nahrung, Schlaf, Wrme und Sexualitt auf der ersten und grten
Stufe.
Auf der zweiten folgen Schutz- und Sicherheitsbedrfnis, Gesundheit, Abgrenzung, Recht und Ordnung.
Auf der dritten stehen soziale Bedrfnisse wie Liebe, Partnerschaft, Freundschaft, Kommunikation und Gruppenzugehrigkeit.
Zur vierten Stufe gehren Geltungsbedrfnisse wie Selbstbesttigung,
Macht, Einfluss, Selbstachtung, Wertschtzung, Respekt durch andere, Aufmerksamkeit und Anerkennung.
Die fnfte und letzte Stufe gehrt dem Bedrfnis nach Individualitt, Gerechtigkeit, Selbstentfaltung und Selbstfindung.
94
Bedrfnisse
Abbildung 7. Bedrfnispyramide
Heute geht man von einer whrend der ganzen Lebensspanne fortdauernden
Weiterentwicklung des Menschen aus. Dem Entwicklungs- bzw. Reifungsprozess werden physische und psychische Faktoren (Krperbau, Temperament, neurobiologische Grundlagen, Persnlichkeitseigenschaften u. a. m.)
zugeordnet und mit unterschiedlichen Lernprozessen verknpft. Die Vielfalt
und das Tempo der Prozesse sind abhngig von sozialen, kulturellen und
interpersonellen Bedingungen. Im Laufe seines Lebens durchwandert der
Mensch verschiedene Entwicklungsstufen und hat jeweils bestimmte Entwicklungsaufgaben zu erfllen. Die Bedeutung der psychosozialen Entwicklung spiegelt sich im Stufenmodell von Erik Erikson wider und erstreckt sich
ber das ganze Leben.
95
Urvertrauen
versus (vs.)
Misstrauen
0 ca.
1. Lebensjahr (Lbj.)
Stufe 2
Autonomie vs.
Selbstzweifel
und Scham
2. 3. Lbj.
Stufe 3
Initiative vs.
Schuld
3. 6. Lbj.
Stufe 4
Kompetenz
vs. Minderwertigkeitsgefhl
6. Lbj.
Pubertt
Stufe 5
Identitt vs.
Identittsdiffusion
Jugendalter
(Adoleszenz)
Stufe 6
Intimitt vs.
Isolierung
Junges
Erwachsenenalter
Stufe 7
Generativitt
vs. Stagnation
Mittleres
Erwachsenenalter
Interesse an Familie, Gesellschaft und knftigen Generationen, das ber das eigene
Belangen hinaus geht vs.
selbstbezogene Interessen,
fehlende Zukunftsorientierung
Stufe 8
Ich-Integritt
vs. Verzweiflung
Hohes
Erwachsenenalter
96
Bedrfnisse
97
Persnlichkeit
Die Behauptung: Ich kann nicht SEIN, was ich nicht BIN67 soll mit folgender
Geschichte untermauert werden:
Eines Tages findet ein armes Mdchen eine verletzte und fast verhungerte Schlange auf der Strasse. Sie berwindet ihren Ekel, erbarmt sich
und nimmt die Schlange mit nach Hause, nhrt und pflegt sie gesund.
Die Schlange erholt sich rasch und wird wieder gesund. Eines abends
kommt das Mdchen wie gewohnt zur Schlange um sie zu fttern und
zu wrmen. Da beit die Schlange zu
Sterbend sinkt das Mdchen zu Boden und flstert: Warum?
Erstaunt zischt die Schlange: Weit du nicht, dass ich eine Schlange bin
und beie?
und schlngelt sich davon
67
98
Persnlichkeit
Nach dem Interpersonellen Modell von D. J. Kiesler68, 69 findet bei Persnlichkeitsstrungen ein Wechselspiel zwischen innerpsychischen und zwischenmenschlichen Dynamiken statt, das Menschen dazu fhrt schdigende
Beziehungsmuster aufrechtzuerhalten.
Dies geschieht einerseits, weil keine anderen Gefhls-, Denk- und Verhaltensmuster zur Verfgung stehen beziehungsweise nicht gelernt wurden, andererseits, weil damit das Selbstbild aufrecht erhalten werden kann.
Die eine Dimension bei Kiesler reicht von feindseligem zu bis liebevollem
Verhalten, die andere von unterwrfigem bis zu dominantem Verhalten.
Kiesler ist der Meinung, dass zwei miteinander in Beziehung stehenden Personen ihr Verhalten gegenseitig beeinflussen.
Nach Horowitz70 gibt es Interaktionsmuster in folgenden Bereichen:
Abbildung 8.
Interaktionsmuster
nach Horowitz
Bestimmte Persnlichkeitsmerkmale sind manchmal der Grund, dass Menschen immer wieder in die gleichen Beziehungsfallen stolpern. Doch nicht
jede fr den anderen nicht nachzuvollziehende Erlebens- und Verhaltensweise ist als Persnlichkeitsstrung zu bezeichnen.
68
69
70
Kiesler DJ (1983) The 1982 interpersonal circle: A taxonomy for complementarity in human
transactions. Psychological Review, 90
Kiesler DJ (1986) The 1982 interpersonal circle: An analysis of DSM-III personality disorders.
In: Contemporary directions in psychopathologie. Toward the DSM-IV (Millon T und Klermann GL, eds.). The Guilford Press, New York
Horowitz LM, Strauss B und Kordy H (1994) Inventar zur Erfassung interpersoneller Probleme
(IIP-D). Hogrefe, Gttingen
99
Beziehungsverhalten
In Beziehungen treffen Menschen mit verschiedenen Persnlichkeitseigenarten und Interaktionsmustern aufeinander. Dabei knnen wir annehmen,
dass jeweils zwei gegenstzliche Bedrfnisse zwischenmenschlicher Beziehungen aufeinander treffen.
Abbildung 9.
Bedrfnisse in
Beziehungen
Der Arzt und Psychotherapeut J. Bauer geht davon aus, dass menschliches
Handeln primr durch das Streben nach Zuwendung und Wertschtzung
motiviert ist71. Spannungen im zwischenmenschlichen Bereich treten auf,
wenn unterschiedliche Interessen, Bedrfnisse und Gewohnheiten aufeinandertreffen. Viele Bezugspersonen knnen wir nicht frei whlen und viele
Konflikte ergeben sich aus unbefriedigten Bedrfnissen.
Doch selbst die freie Partnerwahl ist kein Garant fr die Erfllung aller Bedrfnisse. Die Sehnsucht nach Harmonie und Stabilitt hat ihre Wurzeln im
Bedrfnis nach sicherer Bindung und in der gegenseitigen Erwartung, dass
dieses vom Partner gestillt wird. Partner fhlen sich bei Nichterfllung von
Bedrfnissen missverstanden, vernachlssigt oder sogar angegriffen.
Im Beziehungsverhalten von Borderline-Menschen finden wir ein Wechselspiel zwischen Nhe- und Distanzproblemen, von Bindungsstreben und Autonomiebedrfnis. So gibt es einerseits den Wunsch nach absoluter Bedrfnisbefriedigung durch andere, ein sich Binden-Wollen, Beziehungen suchen,
anderseits stt die Angst vor seelischen Verletzungen den anderen weg.
71
Bauer J (2008) Prinzip der Menschlichkeit. Warum wir von Natur aus kooperieren. Heyne
Verlag, Mnchen
100
Beziehungsverhalten
sprche an sich selbst als auch an nahe stehende Personen stellt. Sie mchten grenzenlos alle Wnsche ihnen nahe stehender Personen erfllen und
machen dabei Zugestndnisse, die sie nicht halten knnen. Dahinter steht
der Wunsch, dass diese Hingabe andere dazu bringt, die Bedrfnisse des
Borderline-Betroffenen wahrzunehmen und zu erfllen.
Die Erwartung, dass die eigene grenzenlose Aufopferung mit wahrer und
echter Liebe beantwortet wird, in der es keine Verletzung gibt, kann nur
zu Missverstndnissen und zu Frustrationen fhren. Die daraus entstehende
Enttuschung fhrt zur fehlerhaften Einschtzung der Realitt, Angst, Hilflosigkeit und Wut lassen die Spannung hochschieen, deren Hintergrnde
und Zusammenhnge nicht erkannt und zugeordnet werden knnen.
Der Borderline-Bertroffene klammert sich an Grnde und Auslser wie zum
Beispiel eine vermeintliche Kritik, die eine Entladung der Affekte mglich
machen.
Diese frustrierenden und dysfunktionalen Interaktionen erhhen die Selbstzweifel und mnden in einen Teufelskreis, der wieder mit unerfllbaren Zugestndnissen beginnt.
102
Beziehungsverhalten
Der Bildhauer in Ovids Erzhlung verschmilzt mit seinem von ihm geschaffenen Kunstwerk, das scheinbare Lebendigkeit erlangt. Dabei handelt es sich
keineswegs um eine frderliche Bindung. Borderline-Beziehungen zahlen
oft den Preis durch eine scheinbare Einheit die eigene Individualitt und
Integritt zu unterdrcken. Das verminderte Selbstwertgefhl und die Identittsproblematik frdern den Wunsch nach Verschmelzung und der Abgabe
von Verantwortung fr sich selbst:
Wenn der andere so fhlt und denkt wie ich, wird er erkennen, was ich
brauche und meine Bedrfnisse stillen.
In seinem tiefsten Inneren ist ein Borderline-Betroffener wie ein kleines Kind
und fhlt sich noch immer von einer Bezugsperson abhngig und mit dieser
symbiotisch verschmolzen. Das typische Schwarz-Wei-Denken stammt aus
dieser Zeit. Dazu muss gesagt werden, dass in der symbiotischen Phase das
Kind sowohl materielle Versorgung, als auch viel Liebe und bedingungslose
Zuwendung braucht. Ein Kind fhlt sich gut, wenn die Versorgung gelingt
und fhlt sich schlecht, wenn die Versorgung misslingt. Fr das Kind gibt es
nur ganz gut, das heit, die Bezugsperson ist anwesend und versorgend oder
ganz schlecht, die Bezugsperson ist abwesend und wird als bse erlebt sie
ist schwarz oder wei. Das jeweilige Erleben von Versorgung oder Nichtversorgung lst nicht nur kontrre Affekte aus, die durch Spaltung voneinander
getrennt werden sondern aktiviert auch ein Lust- oder Unlusterleben.
Um sich selbst als eigenstndigen Menschen wahrzunehmen und Verantwortung fr sich selbst bernehmen zu knnen, ist es wichtig, belastende
und nicht gelste Erfahrungen zu erkennen. Diese ergeben sich aus frhen
Bindungs-Erfahrungen, erlernten Schemata, inszenierten, wiederkehrenden
Konflikten und fehlender Achtsamkeit fr sich selbst und andere im Hier und
103
Jetzt. Obwohl die Erfahrungen der Kindheit die Menschen formen, behalten
sie das ganze Leben hindurch ein groes Potential fr Vernderungen.
Theorien ber Beziehung, Bindungsverhalten und Schemata liefern einen
wesentlichen Beitrag, Ursachen und Zusammenhnge in Beziehungen verstehen zu knnen, um zu entscheiden:
Was muss ich akzeptieren?
Was kann ich verndern?
Bindung
Seit vielen Jahren suchen Bindungsforscher Erklrungsmodelle fr die Entstehung von Bindung und die Neigung des Menschen enge, von innigen
Gefhlen getragenen Beziehungen zu anderen Menschen zu entwickeln.
Das Vorhandensein von Bindungssignalen, das Erleben von Bindung und
von Bindungsgefhlen gehren zum Menschen, zu seiner Kultur und zu seiner Entwicklung. Menschen sind existenziell darauf angewiesen, emotionale
Bindungen einzugehen. Diese sind in den Emotionen verankert und setzen
Individuen zueinander in Beziehung ber Raum und Zeit hinweg und ber
den Tod hinaus.
Wie reagieren Eltern auf ihre Kinder?
Bindungstheorien geben uns heute einen Einblick in die Dynamik und die
Interaktionen von elterlichem Pflegeverhalten und frh festzustellenden Eigenschaften des Kindes. Hinter dem Bindungsmotiv liegt das Bedrfnis des
neugeborenen Lebewesens nach Schutz, Sicherheit und Untersttzung um
berleben zu knnen. Forschungen haben jedoch gezeigt, dass ein Kind
seine Mutter nicht deswegen liebt, weil es seine Bedrfnisse nach Nahrung
erfllt, sondern dass ein ureigenstes Bedrfnis eines jeden Neugeborenen
nach Nhe, Schutz und Beruhigung besteht.
Zur modernen Bindungsforschung gehren daher sowohl das Bindungs- und
Betreuungsverhalten als auch Temperamentsmerkmale und Umweltbedingungen.
104
Bindung
Das Temperament
Schon bei Suglingen knnen signifikante Temperamentsunterschiede hinsichtlich seiner Emotionalitt und seiner Reaktionen beobachtet werden.
Zu Beginn der Bindungsforschung herrschte die Auffassung, dass die Qualitt einer Bindung allein vom mtterlichen Betreuungsverhalten abhngig sei.
John Bowlby (1973) sieht ursprnglich in der Mutter die hauptschliche Bindungsperson, rumt spter aber auch anderen Personen wie Vtern oder
Gromttern die Mglichkeit Bindungsperson zu sein, ein.
Nach J. Bowlby72 ist die frhe Beziehung des Kindes zu seiner Mutter eine
notwendige Voraussetzung fr seine spteren sozialen Beziehungen. Heute
wei man, dass die mtterliche Betreuung nicht allein verantwortlich fr die
sptere Bindungsfhigkeit ist.
In unseren Anlagen ist die Voraussetzung zur Bindung stammesgeschichtlich
so verankert, dass das Kind zu jeder Pflegeperson, die beruhigend und verstndnisvoll mit ihm umgeht und aktiv auf die kindlichen Signale reagiert,
positive Beziehungen aufbauen kann.
72
Bowlby J (2008) Bindung als sichere Basis. Grundlagen und Anwendung der Bindungstheorie. Reinhardt, Mnchen
106
Bindung
Die Entwicklung und Qualitt der Bindung ist daher abhngig von der Feinfhligkeit und dem Eingehen auf die emotionalen Bedrfnisse und die Interaktion zwischen Kind und primrer Bezugsperson.
John Bowlby und Mary Ainsworth konnten nachweisen, dass bei Kindern
ein typisches Bindungsverhalten, wie rufen, weinen, hinterherlaufen, einsetzt, wenn sie den Kontakt zur Mutter verlieren. Sie beruhigen sich wieder, wenn der Kontakt wieder hergestellt ist. Die Mutter dient demnach als
emotionale Tankstelle. Sie hilft Stress abzubauen und ffnet den Weg, ohne
Angst die Welt zu erkunden und zu erobern.
Um berhaupt eine Bindung aufbauen zu knnen, ist das Neugeborene mit
kommunikativen Fhigkeiten wie Signalverhalten und Orientierungsfhigkeit
ausgestattet. Das mtterliche Pflegeverhalten und das Signalverhalten des
Kindes sind aufeinander abgestimmt und frdern in weiterer Folge die Ausbildung von emotionalen Beziehungen. Wichtige Bindungspersonen knnen
durch ein so genanntes feinfhliges Verhalten die Bindungserfahrungen beeinflussen.
Das Konzept der Feinfhligkeit gegenber den Signalen des Kindes wurde
von Mary Ainsworth entwickelt und bedeutet die Signale des Kindes wahrzunehmen, richtig zu interpretieren und prompt und stimmig darauf zu reagieren, bedeutet aber auch das Autonomiebestreben zu frdern und das
Bedrfnis nach Selbstregulation und Selbstbestimmung zu respektieren.73
Bowlby sieht darin auch die Mglichkeit, auf dem Fundament einer sicheren
Basis, in der Beziehung zur Mutter Verhaltensmuster zu lernen, die das Kind
in seiner Rolle in der Gemeinschaft braucht.
Diese interaktive Feinfhligkeit (Containment) wird auch als Fhigkeit der
Bezugsperson verstanden, die Affekte des Kindes nicht nur verstehen und
beantworten zu knnen, sondern diese auch so zu verndern, dass vor allem die negativen Gefhle fr das Kind ertrglich werden74.
Feinfhlige Bezugspersonen erkennen, wenn das Kind zornig ist, signalisieren (spiegeln) diesen Affekt mit ihrer Mimik und beruhigen danach mit ihrer
Stimme (modifizieren). Unsichere Bezugspersonen wie in unsicheren, distanzierten oder unsicher verstrickten Beziehungen versuchen das Kind mit
anderen Reizen (Essen, Spielzeug, ) abzulenken oder bleiben selbst in den
negativen Affekten haften und vermitteln keine Coping-Strategien.
Die heutige Forschung hat ein weiteres Phnomen entdeckt ein unbewusstes Simulationsprogramm. Durch neurobiologische Mechanismen, so
73
74
107
75
Bauer J (2006) Warum ich fhle, was du fhlst. Intuitive Kommunikation und das Geheimnis
der Spiegelneurone. Heyne, Mnchen
108
Bindungsmuster
Die Bezugsperson drngt dem Kind nicht die eigenen Bedrfnisse auf. Sie akzeptiert, dass sie nicht beliebig ber Krper
und Seele des Kindes verfgen kann. Sie berbehtet es nicht,
sondern achtet seine Autonomie, indem sie ihm nichts aufdrngt, was es nicht braucht und mchte, und ihm nichts
abnimmt, was es selbst tun kann und will.
Bindungsmuster
Wie schon erwhnt, schtzt das Bindungsverhalten und das Senden von
Bindungssignalen das Kind vor mglichen Gefahren, gewhrleistet das berleben und stillt seine Bedrfnisse nach Nhe und Zuwendung.
Das Bedrfnis nach Nhe und Schutz steuert das Bindungsverhalten und
die Neugier das Explorationsverhalten. Sowohl Bindungsverhalten als auch
Explorationsverhalten gewhrleisten die emotionale Sicherheit des Kindes.
Es muss sich sicher sein, dass die Bezugsperson zugnglich ist, wenn es sich
unsicher fhlt, und es muss den Rckhalt spren, wenn es die Welt erkundet.
76
Bauer J (2008) Warum ich fhle, was du fhlst. Intuitive Kommunikation und das Geheimnis
der Spiegelneurone. Heyne Verlag, Mnchen
109
Kinder werden bindungssicher, wenn sie die Erfahrung machen, dass ihre
emotionalen, psychischen und physischen Bedrfnisse Beachtung finden
und gestillt werden.
Die Mitarbeiterin von John Bowlby, die Psychologin Mary Ainsworth, lieferte durch Verhaltensbeobachtungen einen wertvollen Forschungsbeitrag.
Sie suchte Familien zu Hause auf und beobachtete Mtter und Kinder in
ihrer natrlichen Umgebung (Feldstudie), um herauszufinden, wie Kinder in
fremden Situationen reagieren.
Die unterschiedlichen Reaktionsweisen der Kinder lassen bestimmte Bindungstypen erkennen, die Rckschlsse auf die Qualitt der Bindung zwischen Mutter und Kind ermglichen.
Wir unterscheiden:
sichere Bindung
unsicher-vermeidende Bindung
unsicher-ambivalente Bindung
unsicher-desorganisierte Bindung
Sicher gebundene Kinder nutzen ihre Bezugsperson als sichere Basis und zeigen in fremden Situationen eine ausgewogene Balance zwischen Bindungsbestreben und der Neugier, die Umgebung zu erkunden. Bei Trennungen
suchen sie aktiv die Nhe der Bindungsperson, die angemessen und prompt
Beruhigung und Trost spendet und ein neuerliches Erkunden zulsst.
110
Bindungsmuster
Die unsicher-vermeidende Bindung ist gekennzeichnet durch ein ausgeprgtes Explorationsverhalten, in der aber kaum Bindungsverhalten auftritt. Auf
die Trennungen von der Bezugsperson wird kaum reagiert, obwohl diese
Kinder physiologisch genau so erregt sind wie sicher gebundene. Sie versinken in die augenblickliche Bettigung und in stereotype Bewegungen. Die
zurckkehrende Bezugsperson wird scheinbar kaum wahrgenommen, ignoriert und ihre Nhe vermieden. Physiologisch brauchen diese Kinder sehr
lange um sich wieder beruhigen zu knnen. Es liegt die Vermutung nahe,
dass die Bezugsperson ursprnglich das Bedrfnis nach Nhe in kritischen
Situationen entweder zurckweist oder mit Ablenkung auf die Gefhle des
Kindes reagiert.
Bei der unsicher-ambivalenten Bindung zeigen Kinder starkes Bindungsverhalten, aber kaum Explorationsverhalten. Bei Trennung von der Bindungsperson reagieren sie heftiger, diese stellt eine starke Belastung dar. Bei Rckkehr
kann das Kind kaum beruhigt werden. Die Anwesenheit der Bezugsperson
bringt keine Sicherheit. Kinder reagieren in manchen Fllen sogar aggressiv, wollen losgelassen, dann gleich wieder gehalten werden. Sie erleben
ambivalente Gefhle in Bezug auf die Angebote der Bezugsperson. Hier
scheinen die Bezugspersonen nur dann verfgbar zu sein, wenn es sich mit
den eigenen Bedrfnissen vereinbaren lsst. Das Reaktionsmuster reicht von
berfrsorglich bis kontrollierend und emotional unerreichbar.
Unsicher-desorganisierte Kinder zeigen ein bizarres Verhalten, das auf hochgradige Verstrung hinweist. Sie zeigen widersprchliche Verhaltensmuster,
kurz hintereinander oder auch gleichzeitig, wie pltzliches Erstarren, zielloses Umherirren, eine erstarrte Mimik, Gestik und Krperhaltung. Ein Kind
rennt beispielsweise nach der Trennung auf die Mutter zu, bleibt dann aber
pltzlich stehen und starrt ins Leere. Das Verhalten wirkt desorganisiert, das
Kind scheint keine Strategie zu haben um mit der Stresssituation umzugehen.
Es wird darin ein Zusammenhang zwischen widersprchlichen BindungsErfahrungen und der weiteren emotionalen Entwicklung gesehen.
Das Kind zeigt Anzeichen dafr, dass es sich vor der Bezugsperson frchtet. Diese Kinder mssen mit dem Dilemma fertig werden, dass sie vor den
Menschen Angst haben, an die sie gebunden sind. Es kann sich auf die Bezugspersonen und deren Reaktionen nicht verlassen.
Die Bezugsperson verhlt sich einerseits behtend, bietet vermeintliche Sicherheit und Nhe, andererseits zeigt sie unberechenbares Verhalten, lst
Angst aus und ist bedrohlich oder hat selbst unerklrliche Angst. Das Kind
gert auf seiner Suche nach Schutz durch diese Ambivalenz und in eine un-
111
77
78
Brisch KH (2003) Bindungsstrungen und Trauma. Grundlagen fr eine gesunde Bindungsentwicklung. In: Bindung und Trauma. Risken und Schutzfaktoren fr die Entwicklung von
Kindern (Brisch KH und Hellbrgge T, Hrsg.). Klett-Cotta, Stuttgart
Vgl. Cichetti und Beeghly, 1987; Main und Hesse, 1990
112
Bindungsmuster
Bindung in Partnerschaften
Auch in Partnerschaften spielen Bindungsaspekte eine bedeutende Rolle.
Besonders in Zeiten von Krisen zeigen Erwachsene typische Bindungs-Verhaltensweisen.
Die moderne Bindungsforschung unterscheidet vier Bindungsstile in Partnerschaften:
sicher
ngstlich-ambivalent
ngstlich-vermeidend
gleichgltig vermeidend
In der sicheren Partnerschaftsbindung kann Nhe zugelassen werden und
die Partnerschaft wird als emotional untersttzend empfunden. Beiden Partner fhlen sich gleichwertig.
In der ngstlich-ambivalenten Bindung gibt es eine negative Sichtweise des
Selbst und eine positive Sichtweise des Partners. Die Person fhlt sich zum
Partner emotional stark hingezogen, ist jedoch ngstlich und verunsichert.
Die Bestndigkeit der Beziehung wird angezweifelt.
In der ngstlich-vermeidenden Bindung gibt es eine negative Sichtweise des
Selbst und des Partners. Die Person hat Angst vor Nhe und Intimitt und
vermeidet tiefergehende Beziehungen.
In der gleichgltig-vermeidenden Bindung gibt es eine positive Sichtweise
des Selbst und eine negative Sichtweise des Partners, zu dem es keine starke
Emotionalitt gibt. Die Person vermeidet Nhe und Intimitt in der Partnerschaft. Die eigene Autonomie hat einen besonderen Stellenwert.
113
79
80
Hauenstein S und Bierhoff HW (1999) Zusammen und getrennt wohnende Paare. Unterschiede in grundlegenden Beziehungsdimensionen. In: Zeitschrift fr Familienforschung, 1
Roisman GI, Clausell E, Holland A, Fortuna K and Elieff C (2008) Adult romantic relationships
as contexts of human development: A multi-method comparison of same-sex couples with
opposite-sex dating, engaged, and married dyads. Developmental Psychology, 44
114
Bindungsmuster
115
6. Schemata
Es war einmal
So fangen Mrchen an und Mrchen gehen gut aus, auch wenn es zu
Beginn anders aussieht.
Unser Mrchen beginnt heute.
Ein Menschen-Junge verliebt sich in ein wunderschnes, kluges, facettenreiches Mdchen. Es ist nicht leicht sein Herz zu erobern, doch es gelingt
ihm und die beiden wollen fr immer und ewig zusammen bleiben.
Die bsen Mchte haben nur auf diesen Augenblick des Glcks gewartet, jetzt knnen sie zu wirken beginnen.
Denn das Mdchen ist kein einfaches Menschen-Mdchen, ein bser
Fluch lsst Vampirblut in seinen Adern flieen. Und immer wenn es
glcklich ist, beginnt das Blut zu rauschen und zu flstern: Du bist bse!
Du musst zerstren! Du bist verflucht! Dann beginnt sich die Stimme
des Mdchens zu verwandeln, sein Mund spricht bse Worte und ihre
Ksse werden giftig.
Verletzt sinkt der Menschen-Junge zu Boden, nur noch ein Kuss und er
ist tot!
Doch etwas hlt das Mdchen zurck. Ist es Liebe? Es kann den Jungen
nicht tten, doch auch nicht bleiben.
Das Mdchen verlsst den Jungen und beide sind unendlich traurig.
Die bsen Mchte triumphieren. Sie machen sich im Kopf des Mdchens
breit: Du bist ein Vampirmdchen, deine Ksse bringen den Tod! Du
bist bse! Du bist gemein! Du bist hsslich! Du bist absolut als Mensch
nichts wert!
Die Verzweiflung, der Selbsthass, die Selbstzerstrung, die Leere und
Unruhe legen ihre klebrigen kalten Arme um das Mdchen und beginnen das Mdchen zu erdrcken und zu ersticken. Es sinkt zu Boden, die
Sinne schwinden da greift eine warme, runzelige Hand nach ihm.
Eine Alte steht vor ihm und sagt: Hier trink davon, es wird dir helfen.
Das Mdchen tut, was ihm die Alte befiehlt und sprt, dass seine Menschenkraft zurckkehrt. Es kann sich befreien und die bsen Stimmen
werden leiser.
Wer bist du?, fragt es die Alte.
Ich bin die Hoffnung. Allein kann ich die bsen Stimmen nicht besiegen. Geh und such den Mut, das Vertrauen und die Liebe, gemeinsam
werden wir dich retten.
117
6. Schemata
Gemeinsam mit der Hoffnung macht sich das Mdchen auf den schwierigen, steinigen Weg.
Jahre ziehen ins Land, doch das Mdchen gibt nicht auf, bis es zuerst den
Mut, dann das Vertrauen und schlielich die Liebe gefunden hat.
Die bsen Stimmen sind besiegt.
Ja, jetzt braucht das Mrchen noch einen Schluss, denn Mrchen gehen
gut aus.
Wo ist der Menschen-Junge?
Die Liebe bernimmt die Regie und
denk dir den Schluss selbst aus.
Schematheorie
Der Begriff Schema wird in vielen wissenschaftlichen Disziplinen benutzt. Er
stammt aus dem Griechischen und bedeutet generell Struktur oder Grundgerst.
Die Psychologie versteht unter Schema innerpsychische Prozesse, die helfen,
Informationen und Interaktionen ber die Sinnesorgane wahrzunehmen, in
bereits gewonnene Erfahrungen einzugliedern und zu speichern. Hier finden wir den Begriff Schema Anfang des 20. Jahrhunderts in Arbeiten von
Bartlett81 und Piaget82, letzterer beschreibt die Rolle von Schemata in den
verschiedenen Phasen der kognitiven Entwicklung des Kindes.
In der kognitiven Psychologie und der kognitiven Therapie versteht man unter Schema spezifische Regeln, die die Informationsverarbeitung und das
Verhalten bestimmen.84
81
82
83
84
118
Schematheorie
Eine zentrale Idee der kognitiven Therapie besagt, dass die Wahrnehmung
eines Ereignisses die emotionale und physiologische Reaktion sowie das
Verhalten beeinflusst.
Beck bezeichnet als Schema eine kognitive Struktur, die Informationen, die
auf den Organismus einwirken, untersucht, auswertet und einordnet. Die
psychophysiologischen Reaktionsmuster knnen als Strategien verstanden
werden, die das so genannte berleben und die Bewltigung von Situationen garantieren.
119
6. Schemata
Schemata vereinfachen demnach die komplexe Wahrnehmung und verleihen unseren Vorstellungen Festigkeit und Dauer.85 Schemamodelle beschreiben, in welcher Weise Denken, Fhlen und Handeln im Gedchtnis
abgespeichert, welche Informationen ausgefiltert und welche selektiv verarbeitet werden. Es sind absolut wichtige Glaubensstze und bedingungslose
berzeugungen ber uns selbst, unsere Umgebung, wie wir die Welt sehen
und wie die Welt uns sieht. Sie dominieren unsere Handlungen und die Art
und Weise Probleme zu lsen. Sie garantieren die Anpassung an Umweltbedingungen und somit das berleben. Im Laufe der Zeit entstehen Muster,
die ein rasches Einschtzen der Situation und eine bestimmte Reaktion gewhrleisten.
Affektive Schemata
Der Begriff des affektiven Schemas basiert auf der Auffassung, dass vergangene Ereignisse in einer unbewussten emotionalen Reaktion gespeichert
sind. Diese Erfahrungen verdichten sich im Laufe des Lebens. Bei Aktivierung, meist durch Situationen, die an die Kindheit erinnern, in denen das
betreffende Schema entstanden ist, werden die Betroffenen von starken Affekten berflutet. Diese fhren zu diffusen Gefhlen von Bedrohung, Unzufriedenheit sowie zu krperlichen Reaktionen wie Verspannungen, Kopfschmerzen u. a. m. ohne Worte dafr zu haben oder Auslser zu erkennen.
Es lassen sich auch depressive Verstimmungen, Angst, Vermeidungsverhalten und Selbstabwertung davon ableiten.
Nach Greenberg sind frhe Lernerfahrungen nur in emotionalen Schemata
gespeichert und knnen erst bei Aktivierung in der Gegenwart kognitiv verarbeitet werden.
85
Schmidt SJ (1992) Der Kopf, die Welt, die Kunst. Konstruktivismus als Theorie und Praxis.
Bhlau-Verlag, Kln
120
86
Ciompi L (1982, 1998) Affektlogik. ber die Struktur der Psyche und ihre Entwicklung. Ein
Beitrag zur Schizophrenieforschung. 5. Auflage. Klett-Cotta, Stuttgart
121
6. Schemata
Young JE, Klosko JS und Weishaar ME (2005) Schematherapie. Ein praxisorientiertes Handbuch. Junfermann, Paderborn
122
berbehtung, Verwhnung
Selektive Internalisierung oder Identifikation mit wichtigen Bezugspersonen
Die Defizite durch das Nichterfllen von Grundbedrfnissen wie Stabilitt,
Wertschtzung und Liebe fhren zu emotionaler Entbehrung oder dem Gefhl von Verlassenheit und Instabilitt.
Traumatische Erfahrungen frdern die Entwicklung von Schemata wie Misstrauen, Unzulnglichkeit und Scham oder die Anflligkeit fr physiologische
Schdigung und Krankheit.
Wchst ein Kind in einem Klima auf, wo es keine realistischen Grenzen
gibt, es zu sehr verwhnt und bewundert wird, bekommt es ein Zuviel an
Autonomie. Schemata der Abhngigkeit und Inkompetenz oder Anspruchshaltung und Grandiositt entstehen.
Der vierte Bereich weist darauf hin, dass Kinder selektiv Verhaltensweisen,
Gedanken oder Gefhle wichtiger Bezugspersonen verinnerlichen, einige
davon werden zu Schemata oder Bewltigungsstilen.
Ein weiterer Faktor bei der Entstehung von Schemata im Zusammenhang mit
traumatischen Ereignissen in der Kindheit ist das emotionale Temperament.
Temperamentunterschiede beeinflussen die jeweilige Interaktion zwischen
Kind und Umwelt. So reagieren Kinder mit unterschiedlichem Temperament
auf hnliche Ereignisse verschieden. Schchterne, ngstliche Kinder entwickeln daher andere berlebensregeln und Schemata als gesellige oder aggressive Kinder. Young konnte nachweisen, dass zum Beispiel Geselligkeit
ein wichtiger Wesenszug ist, der Kindern trotz Misshandlungen und Vernachlssigung hilft, sich positiv zu entwickeln.
Eine extrem gnstige oder negative Umgebung kann jedoch auch das angeborene Temperament neutralisieren, zum Beispiel kann ein schchternes
Kind durch einen liebevollen Umgang aus sich herausgehen, whrend ein
heiteres Kind sich durch stndige Vernachlssigung zurckzieht und passiv
und reizbar werden kann.
Im Laufe der Zeit entwickeln sich bedingungslose berzeugungen ber die eigene Person. Frhe maladaptive
Schemata stellen eine Wahrheit dar, die vertraut ist, dem
Selbstkonzept entspricht und dadurch schwer vernderbar ist.
123
6. Schemata
124
Soziale Isolierung/Entfremdung
Diese Menschen haben das Gefhl anders als andere Menschen, nicht Teil
einer Gemeinschaft zu sein.
2. Domne: Beeintrchtigte Autonomie
Das Schema unterliegt der Auffassung, dass man selbst nicht in der Lage ist
autonom zu entscheiden und alleine und unabhngig zu berleben.
In der Herkunftsfamilie wurde jegliches Autonomiebestreben unterbunden.
Bezugspersonen waren entweder berfrsorglich oder trauten dem Kind
nichts zu. Das Kind wurde nie ermutigt auerhalb des Familiensystems kompetente Leistungen zu erbringen.
Die Schemata umfassen die Bereiche:
Abhngigkeit/Inkompetenz
Dieses Schema vermittelt das Gefhl, unfhig zu sein und das Alltagsleben
nicht ohne Untersttzung von anderen bewltigen zu knnen.
Anflligkeit fr Schdigung oder Krankheit
Diese Menschen entwickeln eine bertrieben Furcht vor Katastrophen, die
man nicht verhindern kann (Katastrophisieren, sinnloses Grbeln).
Verstrickung mit anderen/Unentwickeltes Selbst
Hier geben die Menschen ihre Autonomie auf, entwickeln eine starke emotionale Bindung zu Bezugspersonen. Sie entwickeln das Schema, ohne stndige Untersttzung der anderen nicht glcklich sein zu knnen. Sie haben
oft das Gefhl mit dem anderen verschmolzen sein. Die unzureichende Eigenstndigkeit wird oft als Leere und dem Gefhl der mangelnden Identitt
begleitet.
Versagen
Es entsteht die berzeugung stndig zu versagen, dumm und nicht gut genug zu sein.
3. Domne: Abgrenzungsprobleme
Unzulnglichkeit im Bezug auf eigene Grenzen, Verantwortung anderen
gegenber und der Fhigkeit der langfristigen Zielsetzung sind die Folge.
Schwierigkeiten die Rechte anderer zu respektieren und zu akzeptieren,
Verpflichtungen zu bernehmen, sich persnliche Ziele zu setzen und einzuhalten und Abmachungen einzugehen, kommen hinzu.
Das typische Familienverhalten war Nachgiebigkeit und bertriebene Nachsicht, keine Motivation und Untersttzung langfristige Ziele zu erreichen,
125
6. Schemata
126
127
6. Schemata
Lebensfallen
Jeffrey Young88 bezeichnet die in der Kindheit entstandenen negativen Muster als Lebensfallen, die sich wie ein roter Faden durch das Leben eines Menschen ziehen.
Sie werden geprgt werden durch traumatisierende und schdliche Erfahrungen mit den primren Beziehungspersonen und spter mit anderen Kindern und Peer groups.
Als Erwachsene rekonstruieren wir immer wieder diese Muster. Sie lassen
uns immer wieder in Situationen geraten, die die traumatischen Erfahrungen
der Kindheit reaktivieren, entziehen sich jeder kognitiven Einsicht, wirken
impulsiv und automatisch und unterliegen somit unrealistischen Vorstellungen, Erwartungen und Forderungen. Sie produzieren dadurch immer wiederkehrende Fehlschlge und sind selbstschdigend.
Bei der Partnerwahl gert man durch so genannte Lebensfallen in Beziehungen, die den Erfahrungen in der Kindheit hnlich sind. Diese werden so
organisiert, dass man zum Beispiel immer wieder schlecht behandelt und
ignoriert wird oder von anderen abhngig ist.
88
Young JE und Klosko Janet S (2006) Sein Leben neu erfinden. Wie Sie Lebensfallen meistern.
Junfermann, Paderborn
128
Lebensfallen
Partnerwahl
Verlassenheit/Instabilitt
Misstrauen/Missbrauch
Emotionale Entbehrung
Abhngigkeit
Emotionale Gehemmtheit
Unterwerfung
Bestrafen
Menschen mit einer Borderline-Strung haben eventuell die Erfahrung gemacht, dass das Angebot von Frsorge und Liebe verknpft ist mit Missbrauchserlebnissen.
Oft wiederholt sich in der Partnerschaft dieses Muster und es werden Partner gewhlt, die zu potentieller Gewalt neigen. Es kann aber auch sein, dass
ehemalige Opfer selbst zum Tter werden und auf Liebe und Frsorge mit
Verletzungen reagieren, im Vordergrund kann dabei das Gefhl von Wut
stehen, um das primre Gefhl von Trauer zu berdecken.
Die aufkommende Wut dominiert in vielen Fllen so sehr das Denken und
Handeln, dass jede nahe Bezugsperson durch diese Wut bedroht wird. Die
129
6. Schemata
Betroffenen selbst fhlen sich oft berfordert und von ihren Partnern in
wichtigen Situationen im Stich gelassen.
Beispiel fr eine Lebensfalle:
Frau N. hat intensive und unkontrollierbare Wutausbrchen in der Auseinandersetzung mit ihrem 15jhrigen Sohn und ihrem Partner. Sie erlebt
den Sohn als sehr provozierend und fordernd. Diese Wahrnehmungen
lsen bei ihr unkontrollierbare Wut aus. Besonders wenn Frau N. mde
und berlastet ist, kommt es zu eskalierendem Verhalten, wobei Frau N.
ihren Sohn beschimpft und bedroht. Weitere Wut-Auslser sind Konflikte
mit dem Partner, der kalt und unerreichbar ist. Wenn sich Frau N. ungerecht behandelt und berfordert fhlt, reagiert sie mit massiver Wut und
bedroht ihn. Sie kann diese Wut nicht steuern.
Ihr Sohn verschwindet Tren knallend in sein Zimmer und der Partner
verlsst meist die Wohnung und geht auf ein Bier. Dies fhrt bei Frau
N. zu Panikzustnden, massiven Schuldgefhlen und unertrglichen
Spannungsgefhlen. Sie fhlt sich als Versagerin. Sie ist der berzeugung
nichts zu taugen, ein sinnloses Leben zu fhren und nicht mehr leben
zu wollen. Meist kann Frau N. diesen Zustand und die Spannung mit
Selbstverletzung durchbrechen.
Gedanken:
Ich werde immer provoziert. Meine Grenzen werden nicht beachtet. Ich
bin keine gute Mutter. Niemand nimmt mich ernst.
berzeugungen/Schemata:
Ich bin eine Versagerin. Ich bin nichts wert.
Gefhle:
Angst, Hilflosigkeit, Scham, Wut
Ursprungsfamilie:
Im Laufe der Lebensgeschichte hat Frau N. eine negative Selbstsicht entwickelt. Sie hat gelernt, dass ihre eigenen Bedrfnisse von der Umwelt
ignoriert werden.
Als Kind fehlten stabile Bezugspersonen, die ihr frsorglich und wertschtzend begegneten. Sie war bereits sehr frh auf sich selbst gestellt.
Das Klima in der Ursprungsfamilie war geprgt von unvorhersehbaren
Reaktionen, strafendem, beleidigendem und ablehnendem Verhalten
von Seiten des Vaters, der Alkoholiker war. Die Mutter stellte sich nie
schtzend vor die Tochter.
Aktuelle Situation:
Im Umgang mit dem eigenen Sohn, der eine verlssliche Mutter bruchte,
werden diese alten Muster aktiviert, da sie glaubt, die Bedrfnisse ihres
Sohnes nicht erfllen zu knnen.
130
Maladaptive Bewltigungsstile
Der aktuelle Partner ist Alkoholiker, unkontrollierbar und in Konfliktsituationen nicht erreichbar, das lst bei ihr Angst aus.
Die Schemata verlassen zu werden, allein nicht berleben zu knnen
und nichts wert zu sein werden aktiviert.
Frau N. sitzt in der Lebensfalle, wo sich Bekanntes und Vertrautes in
ihre Schemata einfgen und diese besttigen. Die innere Verarbeitung,
Interpretation und Bewertung ihrer Situation ist geprgt von Ziellosigkeit,
berforderung, Anspannung und Selbstabwertung.
Maladaptive Bewltigungsstile
Wie bereits erwhnt, ist die Entstehung der frhen maladaptiven Schemata
mit destruktiven oder traumatischen Ereignissen in der Kindheit oder im Jugendalter verknpft.
Um sich an das Schema anzupassen, entwickeln Menschen berlebensstrategien, um mit dem Schema fertig zu werden, so genannte Bewltigungsstile oder Bewltigungsreaktionen. Durch den Bewltigungsstil entsteht in
bestimmten Situationen immer wieder eine hnliche Interaktion. Wir unterscheiden Prozesse, die der Aufrechterhaltung, der Vermeidung und der
Kompensation von maldaptiven Schemata dienen. Diese Strategien werden
meist unbewusst, alternierend und in Kombination angewendet.
Strategien zur Schemabewltigung
berkompensation
Schema Vermeidung
Schema Erfllung (Sich-fgen)
berkompensation
berkompensation eines Schemas bedeutet, sich kontrr zum Schema zu
verhalten, das Denken, Fhlen und Handeln so zu gestalten, als ob das Gegenteil des Schemas wahr wre. Menschen, die in der Kindheit zum Beispiel
das Schema nichts wert zu sein durch emotionale Vernachlssigung entwickelt haben und dadurch einen verminderten Selbstwert haben, versuchen
mit einem bermigen Zur-Schau-stellen von Strke und bertriebenem
Geltungsstreben die Anerkennung von anderen zu erlangen.
Manchmal kann berkompensation ein gesunder Versuch sein, gegen das
Schema anzukmpfen. In den meisten Fllen bleibt die darunter liegende
Verletzlichkeit erhalten und das ursprngliche Schema wird immer wieder
aktiviert (getriggert) und fordert intensiv nach Bewltigung.
131
6. Schemata
132
Maladaptive Bewltigungsstile
berkompensation
SchemaVermeidung
Schema-Erfllung
(Sich-fgen)
berkompensation
SchemaVermeidung
Schema-Erfllung
(Sich-fgen)
Hat unrealistische
Erwartungen an
den Partner, dass
dieser alle Bedrfnisse abdecken
und erfllen muss.
berkompensation
SchemaVermeidung
Schema-Erfllung
(Sich-fgen)
mglicher Gedanke:
Ich werde verlassen werden.
Gefhl:
Angst, Panik
Schema
Emotionale
Entbehrung
mglicher Gedanke:
Ich werde nie die
Liebe bekommen,
die ich brauche.
Ich muss immer
stark sein.
Menschen sind
unberechenbar
und gefhrlich.
Gefhl:
Einsamkeit
Verbitterung
Schema
Unterwerfung
Mglicher Gedanke:
Ich muss die
Wnsche anderer
erfllen, sonst
werde ich bestraft
oder verlassen.
Gefhl:
Angst, rger, Wut
133
6. Schemata
Schemamodus
Das Konzept der Schemamodi ist ein Konstrukt der Schematherapie.
Ein Schemamodus beschreibt den momentanen Zustand des Menschen,
dessen Schemata und Bewltigungsreaktionen, die gleichzeitig zu einem
bestimmten Zeitpunkt und in einer bestimmten Situation aktiviert werden.
Durch den schnellen Wechsel von einem Schemamodus in einen anderen
werden unterschiedliche Schemata aktiviert. Zu jedem Zeitpunkt sind daher
bestimmte Schemata aktiv, whrend andere inaktiv sind.
Im Zustand eines Modus werden bestimmte Schemata oder Bewltigungsreaktionen sowie die dazugehrigen Affekte gleichzeitig aktiviert.
Young fasst die Schemamodi in vier Kategorien zusammen:
Kind-Modus
verletzbares, verrgertes, impulsives oder glckliches Kind
Der Modus verrgertes Kind gleicht dem Affekt eines sehr wtenden Kindes.
Mgliche aktivierte Schemata:
Verlassenheit/Instabilitt
Misstrauen/Missbrauch
Emotionale Entbehrung
Unterwerfung
Dysfunktionaler Bewltigungsmodus
sich fgender, distanzierter oder berkompensierender Beschtzer
Dazu zhlt der Modus distanzierter Beschtzer, der jegliche Emotion blockiert und Nhe meidet (Rckzugsverhalten).
Mgliche aktivierte Schemata:
Abgetrenntheit und Ablehnung
Dysfunktionaler Eltern-Modus
strafender/kritischer Elternteil oder fordernder Elternteil
Mgliche aktivierte Schemata:
Unterwerfung
Unzulnglichkeit/Scham
134
Bestrafen
Misstrauen/Missbrauch im Sinne von Tterverhalten
Modus Gesunder Erwachsener
Kein dysfunktionales Schema ist aktiviert.
135
6. Schemata
Der gesunde Erwachsene dieser Modus soll gefrdert und gestrkt werden.
Young setzt in seinem Schemamodell die diagnostischen Kriterien der Borderline-Strung mit den jeweils aktivierten Schemamodi in Beziehung:
Tabelle 14. nach Young (2003)
Diagnostische Kriterien nach
DSM-IV
Aktueller Schemamodus
Einerseits der Modus distanzierter Beschtzer andererseits stndiger Modi-Wechsel, sodass kein
stabiles Selbstbild entstehen kann
136
Aktueller Schemamodus
Vorbergehende, stressabhngige
paranoide Vorstellungen oder
schwere dissoziative Symptome
137
6. Schemata
Der Weg ist lang und durch manche Fallstricke erschwert, doch Betroffene
werden ermutigt, authentisch Bedrfnisse und Emotionen auszudrcken,
echte Nhe und Vertrauen zu entwickeln und stabile Beziehungen zu Partnern einzugehen.
Eine Gruppe von Psychotherapeuten89 in sterreich berprft zur Zeit die
Mglichkeit, die Dialektisch Behaviorale Therapie und das Skills-Training mit
Anstzen der Schematherapie zu erweitern.
89
138
Das Selbst besteht demnach aus Gedanken und berzeugungen, die wir
ber uns haben. Es ist zum Teil die Spiegelung dessen, was Menschen im
Laufe ihrer Entwicklung an Rckmeldungen ihrer sozialen Umgebung erfahren haben.
Virginia Satir versteht unter Selbst ein dynamisches Zusammenspiel verschiedener Ebenen, sie geht dabei von krperlichen, intrapsychischen, spirituellen, interpersonalen, kontextuellen und sozialen Faktoren aus.
Die Inhalte der Erfahrungen sind verantwortlich fr die Entwicklung des individuellen Selbstkonzeptes oder Selbstbildes. Dieses wird zum Gegenstand
der eigenen Betrachtung und Bewertung. Die Ausbildung eines Selbstkonzeptes setzt voraus, dass sich das Ich von seiner sozialen und physischen
Umwelt abgrenzt.
Nach Cooley hngt der Selbstwert davon ab, wie viel soziale Untersttzung
und Anerkennung ein Mensch erhlt.91 Er betont, dass sich das Individuum
im Laufe der Entwicklung zunehmend kritisch mit sozialen Einflssen bzw.
90
91
139
1. Selbstakzeptanz
2. Selbstvertrauen
3. Soziale Kompetenz
4. Soziales Netz
140
Selbstakzeptanz
Selbstakzeptanz bedeutet sich selbst, das heit seine Meinung, Eigenschaften, Fhigkeiten, Einstellung, den eigenen Krper wertzuschtzen, auf seine
eigenen Bedrfnisse zu achten und diese zu respektieren.
Unbewusste dysfunktionale Schemata und Glaubensstze hemmen die
Selbstakzeptanz und fhren zu einem Verzicht auf eigene Bedrfnisse und
Rechte. Auch stndig berzogene Kritik frdert die falsche Selbsteinschtzung. Ebenso hilft hufiges unberechtigtes Lob nicht die Selbstakzeptanz
zu strken. Wenn ein Kind nicht wei, warum es gelobt wird, lernt es nicht
seine Strken und Schwchen realistisch einzuschtzen und wird verunsichert.
Selbstvertrauen
Menschen mit hohem Selbstvertrauen haben eine positive Einstellung zu den
eigenen Leistungen, zum eigenen Knnen und den eigenen Fhigkeiten.
Dazu gehren auch die reale Selbsteinschtzung, sowie Frustrationstoleranz
und Durchhaltevermgen. Ein gesundes Selbstvertrauen ist eine wichtige
Voraussetzung fr unser seelisches und krperliches Wohlbefinden. Dadurch sind wir in der Lage Kritik anzunehmen, uns zu wehren, unsere Meinung zu vertreten, auf andere zu zugehen, Kontakte zu knpfen und unsere
Fhigkeiten adquat zu nutzen.
Oft haben traumatische Kindheitserfahrungen oder abwertende Aussagen
von Bezugspersonen eine tiefe Unsicherheit manifestiert.
Darber hinaus kann auch das Versagen in einer wichtigen Situation oder
das Verlassenwerden von einer engen Bezugsperson zu einem mangelndem
Selbstvertrauen fhren.
141
Soziale Kompetenz
Unter sozialer Kompetenz wird der Kompromiss zwischen Anpassungsfhigkeit und Durchsetzungsvermgen verstanden, wobei sich derjenige sozial kompetent verhlt, der in der Lage ist, eigene Interessen in sozialen
Interaktionen zu verwirklichen, ohne dabei die Interessen der anderen zu
verletzen.
Zur Interaktionsfhigkeit gehrt, die Konsequenzen des eigenen Handelns
beim Interaktionspartner abschtzen zu knnen. Damit dies gelingt, ist es
notwendig, sich in die Perspektive des Interaktionspartners zu versetzen zu
knnen. Aus der Interaktionsfhigkeit entsteht nach Petermann und Petermann92 die Selbstbehauptungsfhigkeit. Sie definieren zwei Voraussetzungen fr sozial kompetentes Verhalten:
1. Frei sein von sozialer Angst
2. Verfgbarkeit ber soziale Fertigkeiten
In unterschiedlichen Kulturkreisen, aber auch in unterschiedlichen Milieus,
knnen jedoch in vergleichbaren sozialen Situationen unterschiedliche Verhaltensweisen als kompetent gelten.
Soziales Netz
Ein gutes soziales Netz zu haben, bedeutet in soziale Beziehungen eingebunden zu sein, zum Beispiel in eine befriedigende Partnerschaft und familire Beziehungen, gute Freunde zu haben, sich mit Kollegen gut zu verstehen
und lose Bekannte zu haben.
Die Qualitt von Beziehungen lsst sich nicht durch die Anzahl an Beziehungen oder die Dauer einer Beziehung messen. Menschen, die sich zu sehr
92
Petermann U und Petermann F (1989) Training mit sozial unsicheren Kindern. PVU, Mnchen
142
anpassen, um ein groes soziales Netz zu haben, verleugnen sich selbst und
schwchen dadurch ihren Selbstwert.
Menschen, die andere beherrschen wollen, nur ihre eigenen Ziele durchsetzen wollen und die Schwchen und Fehler anderer stndig kritisieren,
opfern fr diese Werte ihre Beziehungen.
Wie schon bei der sozialen Kompetenz erwhnt, ist es in Beziehungen wichtig, die Balance zwischen der Erfllung eigener Bedrfnisse und den Bedrfnissen anderer herzustellen.
Freunde treffen
Krperpflege
einfach den Tag genieen
sich selbst eine Freude machen
Schulen Sie ihre Sinne fr Positives und Angenehmes
Suchen Sie bewusst nach Sinneseindrcken, die angenehme Gefhle hervorrufen, zum Beispiel:
Betrachten Sie bewusst die Natur beim Spazierengehen.
Hren Sie Musik.
Bereiten Sie sich ein feines Essen zu oder gehen Sie in ein gutes
Restaurant.
Nehmen Sie bewusst wahr, wer Ihnen heute zulchelt und freundlich ist.
Schreiben Sie diese positiven Ttigkeiten in ein Genuss-Tagebuch.
Planen Sie diese positiven Aktivitten und Auszeiten.
Nehmen Sie sich tglich fr einen bestimmten Genuss Zeit.
Versuchen Sie, Angenehmes in ihren Alltag einzubauen und wahrzunehmen.
Beachten Sie
Genuss braucht Zeit!
Gnnen Sie sich den Genuss!
Schulen Sie Ihre Sinne!
Genieen Sie wenig, doch bewusst!
berlassen Sie Ihren Genuss nicht dem Zufall! Machen Sie tglich
etwas!
Genieen Sie kleine Dinge des Alltags! Durchbrechen Sie Ihre starren Gewohnheiten!
bung 2
Der Energiezeitkreis
Unterteilen Sie den Kreis in folgende Kreissegmente und whlen Sie fr jedes Segment eine bestimmte Farbe:
144
145
bung 3
Sich erreichbare Ziele stecken (Priorittenliste)
Erstellen Sie zuerst einen Tagesplan, dann einen Wochenplan und nach einiger Zeit weiten Sie die Terminplanung aus.
Stecken Sie sich konkrete und realistische Ziele zum Beispiel:
zeitgerecht aufstehen
bestimmte Termine einhalten
pnktlich sein
Rechnungen sofort bezahlen
eine Einkaufsliste machen
Ordnung halten
auf die Ernhrung achten
regelmig Bewegung machen
bung 4
Sich selbst annehmen lernen Selbstakzeptanz
Diese bung zeigt, dass man ein und dieselben Dinge unterschiedlich beurteilen kann.
Sie kennen sicher den Vergleich, wie man ein halb geflltes Glas beurteilen
kann:
a. das Glas ist halb voll
b. das Glas ist halb leer
Wie sehen Sie das Glas?
Wenn Sie andere Menschen beurteilen, sehen Sie mehr die positiven oder
negativen Eigenschaften?
Wenn Sie sich selbst beurteilen, was sehen Sie ?
Starten Sie den nchsten Schritt und whlen Sie zwei positive Eigenschaften
a. fr ihren Partner, ihre Freundin, Bekannte
b. fr sich
Wandeln Sie die bung ein wenig ab, indem Sie festhalten, was Sie gut
knnen
Nehmen Sie sich tglich ein paar Minuten Zeit und halten Sie fest, was Ihnen
heute gut gelungen ist.
Schreiben Sie in ein Tagebuch:
Heute ist mir gut gelungen
Heute habe ich erreicht
bung 5
Leichtes Lcheln
148
Ich habe das Recht etwas abzulehnen und kann es aushalten, wenn
jemand bse auf mich ist.
3. Schritt
Setzen Sie die Gegengedanken so oft wie mglich im Alltag als Strategie ein.
149
Partner
Wie whlen wir unsere Partner?
Ann Loulan, feministische Psychologin, sagte in einer Diskussion:
Es ist, als wren wir alle in einem groen Wartesaal.
Jemand hebt die Hand und sagt Ich bin Alkoholiker. Ich suche eine
Co-Abhngige.
Die nchste hebt die Hand und sagt Ich bin als Kind misshandelt worden. Steht hier jemand auf Gewalt? Eine dritte ruft Ich habe wahnsinnige Angst verlassen zu werden. Ich suche jemanden, der bindungsunfhig ist
Ich wei nicht, wie wir uns finden, aber wir schaffen es anscheinend
immer wieder
151
Auch Angehrige knnen Fehlverhalten an den Tag legen, Streit provozieren u. v. m. Eine Entschuldigung ist hier ganz besonders wichtig um dem
bei Borderline-Menschen besonders ausgeprgten Gerechtigkeitssinn Rechnung zu tragen.
Ebenfalls kann es in so genannten gesunden Beziehungen Probleme und
Scheitern geben und zu Fehlkommunikation kommen.
Eltern pubertierender Kinder werden an dieser Stelle sicher besttigen, dass
man nicht borderline sein muss um manchmal auszuzucken, zu schreien,
Tren zu knallen oder das Bedrfnis zu haben zu flchten.
Partner von Borderline-Betroffenen haben oft viele Gemeinsamkeiten und
wie wir am Verhalten der Menschen im Wartesaal erkennen knnen oft
eine gemeinsame Persnlichkeitsstruktur.
Wir nehmen hier Stellung zu drei mglichen Varianten von Partnerbeziehungen:
1. Partner, die selbst in einem destruktiven oder defizitren Umfeld
aufgewachsen sind
Viele haben bereits andere Beziehungen hinter sich, in denen sie unter Umstnden schlecht behandelt, entwertet wurden, Achterbahnfahrten der Gefhle erlebt haben.
Wenn es ihnen dabei nicht gelungen ist, ihre eigenen Anteile zu erkennen
und daran zu arbeiten, sind die Chancen gut, immer wieder in die gleiche
Falle zu tappen.
Hufig sind Borderline-Partner selbst in Familien aufgewachsen, in denen sie
sich nicht entfalten konnten, nicht gesehen wurden oder groe emotionale
Defizite hatten.
Die dadurch entstandene Identittsschwche kann dazu fhren, dass sie sich
in der gleichen Rolle wie in ihrer Kindheit wieder finden.
Wenn Sie jetzt an unseren Kaktus denken, der so wunderschn im Sonnenlicht blht, verstehen Sie, wie stark sich diese Partner von der oft schillernden, verfhrerischen Seite der Borderline-Menschen angezogen fhlen.
Dazu kommt, dass Borderline-Menschen in der Lage sind, subtil Bedrfnisse
des anderen zu erspren, sich ihnen anzupassen und dem Partner das Gefhl einer Nhe zu vermitteln, die er noch nie zuvor erlebt hat.
Diese Nhe und das Gefhl der Seelenverwandtschaft kann bis zur Verschmelzung fhren und ist ein Erlebnis, das nie wieder vergessen werden
kann.
152
Partner
Unsere Seelen sind einem Ei entsprungen, waren irgendwann eins. Wer
wei, wie lange sie getrennt waren, jetzt haben sie zusammen gefunden.
Nie mehr soll man sie trennen, gemeinsam sind wir eins, sind wir vollkommen. (G.)
153
Andere wieder bleiben in besonders ruhigen, vernunftgeleiteten Beziehungen und vermeiden alles, was sie wieder in tiefe Emotionen fhren knnte.
An diesen Partnern ist es dem Borderline-Menschen nicht mglich Halt zu
finden, da sie sich gegenseitig spiegeln und das gegenseitige Verstehen und
Einlassen auf heftige Gefhlsschwankungen eine falsche Sicherheit vermittelt.
Wir haben einige hufige Gemeinsamkeiten von Borderline-Partnern zusammen gefasst.
Das heit nicht, dass man diese alle erfllt und bedeutet nicht, dass eine
Bewertung vorgenommen werden soll.
Wenn man darber nachdenkt, kann es vielleicht helfen, in einigen Punkten
eigene Anteile am Beziehungsgeschehen zu sehen.
Schwierigkeiten eigene Bedrfnisse wahrzunehmen, zu artikulieren
und umzusetzen
das Bemhen alles richtig zu machen und mglichst perfekt zu
sein
Scheuen von Streit und Konflikten
Probleme Grenzen zu setzen und sich gegen Grenzverletzungen zu
wehren
die Ansprche des Partners immer ber die eigenen stellen
Ausreden fr jedes Fehlverhalten des Partners finden
geringes Selbstwertgefhl und Verlust der Selbstachtung
Selbstaufgabe fr die Beziehung
Schwierigkeiten negative Gefhle zuzulassen und einzugestehen
Verantwortung fr alles und alle bernehmen
Wert legen auf Auenmeinungen
Rettungsphantasien (fr den Partner)
der Wunsch die Probleme des Partners zu lsen
Hinnehmen emotionaler oder physischer Misshandlungen
die Borderline-Strung als Entschuldigung fr alles gelten lassen
154
Partner
bedingungslose Akzeptanz
Verleugnung der Diagnose und Verhaltensweisen
Isolation und Vermeidung, dass Konflikte von auen bemerkt werden
Borderline-Verhalten als unkorrigierbare Krankheit sehen
Phasen der Verwirrung vor allem zu Beginn der Beziehung
Verlust der Selbstachtung
Schuld- und Schamgefhle
Ohnmacht und Hilflosigkeit
Rckzug
krperliche Erkrankungen, Stress-Symptome
eigene Stimmungsschwankungen durch bernahme der Borderline-Gefhle
Co-Abhngigkeit
Wenn Sie von sich jetzt feststellen, dass Sie dieser Gruppe angehren, heit
das nicht, dass es keine Chance auf ein erflltes Leben mit Ihrem BorderlineMenschen gibt.
Im Gegenteil, wir glauben absolut daran, dass es mglich ist und hoffen,
dass Ihnen dieses Buch hilft, die Hrden zu nehmen.
2. Stabile Partner
Natrlich gibt es auch Beziehungen, in denen der Partner von vorne herein
eine stabile und selbstsichere Persnlichkeit hat, sich abgrenzen kann und
nicht Gefahr luft, co-abhngig zu werden oder selbst zu erkranken.
3. Partner als Tter
Eine Gruppe von mglichen Borderline-Partnern soll hier nicht unerwhnt
bleiben, auch wenn sich dieses Buch nicht an sie richtet, da infolge des
fehlenden Leidensdruckes der Zugang zu einer Vernderung oder Therapie
meist blockiert ist.
Vor allem Borderline-Patientinnen vom dependenten Typ, fast immer mit
Missbrauchs- und Gewalt-Erfahrungen, neigen dazu, in der Partnerwahl immer wieder an einen Tter zu gelangen, der sie emotional ausntzt, unterdrckt und sich aufgrund ihrer Schwche stark fhlen kann.
bernahme der bekannten Opferrolle, Schweigen aus Scham und die hilflose
Angst, sich nie befreien zu knnen, verstrken die Borderline-Symptomatik,
155
Weil jeder sehen kann, dass ich bald ganz verloren sein werde, und fhlen kann, dass ich ohne Stolz bin und vergehe nach Erniedrigung: dass
ich mich jetzt hinrichten liee von dir oder wegwerfen wie ein Zeug
nach jedem Spiel, das du ersinnst. (Ingeborg Bachmann)93
Bachmann I (2005) Der gute Gott von Manhattan. Der Hrverlag, Mnchen
156
Partner
beachten, weil sie in der Kindheit selbst oft missachtet wurden und
bergriffen ausgesetzt waren.
Emotionale Grenzen sollen unsere Gefhle schtzen, Verwundbarkeit verringern und dadurch auch die Mglichkeit erffnen, sich jemandem anzuvertrauen und zu ffnen.
Menschen mit gesunden emotionalen Grenzen respektieren sich
selbst und kennen ihr Recht auf eigene Gefhle und Gedanken sowie ihr Recht Nein zu sagen.
Borderline-Menschen mssen diese Erfahrung erst machen und in
harter Arbeit lernen.
Wenn Sie als Partner beginnen Grenzen zu setzen, kann das durchaus negative Gefhle, wie z. B. Angst oder Wut bei Ihrem Partner
hervorrufen. Bleiben Sie hier unbedingt konsequent, Sie helfen damit nicht nur sich selbst, sondern auch Ihrem Partner.
Wenn Sie sich selbst verleugnen und auf Ihre Bedrfnisse verzichten, knnen Sie dadurch Ihren Partner nicht heilen, im Gegenteil,
auf Dauer ist die Beziehung so nicht mglich und dann tritt das
ein, was Borderline-Menschen am meisten frchten sie werden
verlassen.
Achtsamer Umgang mit eigenen Gefhlen und Bedrfnissen (vgl.
Kapitel: Achtsamkeit)
Die heftigen und oft lange anhaltenden Emotionen der BorderlinePersnlichkeit knnen auch zur Emotionsberflutung des Partners
fhren. Wenn er selbst nicht gelernt hat, auf seine Gefhle und Bedrfnisse zu achten, kann es dazu kommen, dass er in die Achterbahn mit hinein gezogen wird. Achtsamer Umgang kann daher
berforderung, Dauerstress und die daraus folgenden Konsequenzen verhindern.
Lese ich die letzten Seiten meines Tagebuches erscheinen sie mir
so fremd und unwirklich, als htte sie wer anderer geschrieben,
wer anderer diese Dinge erlebt. Was ist das, was von mir Besitz
ergreift, wenn ich so leiden muss? was ist es, was mich meiner
Sinne und meines Verstandes so beraubt, dass ich nur noch sterben will? Ich wei es nicht, aber ich will es von nun an als es
bezeichnen und hoffen, dass es sich dann besser kontrollieren
lsst, wenn ich es nicht als einen Teil von mir akzeptiere. (G.)
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Selbstachtung
Alle Menschen haben das Recht respektiert zu werden, auf eine
eigene Meinung, eigene Gedanken, eine geschtzte Privatsphre,
krperliche und emotionale Unversehrtheit. Auch in einer Borderline-Beziehung knnen Sie dies von Ihrem Partner verlangen.
Stehen Sie dazu und machen Sie sich klar, dass langfristig Vermeidungs-Verhalten, aus Angst vor Wut und Aggression, nicht zum Ziel
fhrt.
Eigenverantwortung an den Borderline-Partner zurck geben
Die Unfhigkeit hinter Emotionsausbrchen das Defizit und die
wahren Bedrfnisse zu sehen kann dazu fhren, dass der Partner
sich hilflos fhlt und mit der Anschuldigung es geht mir schlecht,
weil du eine Verantwortung bernimmt, die nicht ihm gehrt.
Dadurch nimmt er auch der Partnerin die Mglichkeit, Zugang zur
Eigenverantwortung zu finden.
Aggressives Verhalten und Impulsdurchbrche nicht persnlich
nehmen, sondern der Strung zuordnen.
Wenn Sie Wut und Aggression als Deckmantel der zugrunde liegenden Gefhle Angst und Trauer sehen knnen, fllt Ihnen dies
bestimmt leichter.
bernahme der eigenen Verantwortung und Anteile an der Beziehung
Vernderung ist schwierig und braucht Mut, Zeit und Konsequenz.
Vergessen Sie dabei nicht, dass es fr Ihren Borderline-Partner ungleich schwieriger ist sich zu ndern!
Nicht jede Reaktion und jedes Problem der Borderline-Strung zuordnen
Auch gesunde Partner machen Fehler!
Nicht jedes Verhalten zeigt Borderline-Tendenzen Aggression,
Frustration, Wut und andere heftige Gefhle mssen nicht immer
pathologisch sein.
Die BL-Strung im Streit nie als Waffe benutzen!
Ihr Wissen ber Symptome und Probleme des Strungsbildes sollte
Sie nie dazu verleiten, diese Ihrem Partner vorzuwerfen und zu
verwenden um sich im Streit Oberhand zu verschaffen oder fr
Verletzungen zu rchen (auch wenn Ihre momentane Wut nachvollziehbar ist).
158
Partner
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Time out
Ziehen Sie sich so lange zurck, wie Sie und Ihr Partner brauchen
um wieder auf einer erwachsenen Ebene kommunizieren zu knnen, sprechen Sie aber vorher in einer ruhigen Phase darber und
vereinbaren Sie Signale, damit Ihr Partner wei, time out bedeutet
nicht verlassen zu werden. Versichern Sie ihm vorher, dass sie auf
alle Flle wieder kommen, auch wenn das fr Sie selbstverstndlich
ist. In der Phase der Regression, in der Ihr Partner sich mglicherweise befindet, kann er das nicht erkennen, sondern verhlt sich
emotional wie ein Kleinkind, wenn die lebenswichtige Bezugsperson den Raum verlsst.
Nicht persnlich nehmen!
Vermeiden von auslsenden Faktoren oder Situationen, falls Ihnen
diese bewusst sind und spter das Thema in Ruhe ansprechen.
Gewaltfreie Kommunikation, DEAR, SET (vgl. Kapitel: Kommunikation)
Fhren Sie keine Diskussion ber Recht und Unrecht darum geht
es in diesem Moment nicht!
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Partner
Validierung
Validieren zeigt dem Gesprchspartner, dass seine Reaktionen, Gefhle und Gedanken Sinn machen und in der bestimmten Situation
nachvollziehbar sind.
Spiegeln Sie ihrem Gesprchspartner den Sinn, die Richtigkeit oder
den Wert seiner emotionalen, kognitiven oder verhaltensbezogenen Reaktionen wider.
Erkennen Sie die Gefhle, Wnsche und Bedrfnisse der anderen
Person an.
Auf diese Weise knnen Sie nicht helfen, sondern werden zum Wassertrger
und verstrken das Borderline-Verhalten.
Anstatt den Schmerz zu bernehmen und sich vllig, bis zur Erschpfung
hin, zu verausgaben, geben Sie die Ihnen mgliche Hilfe und Zuversicht, die
Ihr Partner braucht um in einer Therapie zu lernen, wie er seine Leere selbst
fllen und sich aus dem Loch befreien kann.
Vielleicht kann der Helfer die Leiter tief genug hinunter lassen oder kommt
nahe genug heran um die Hand zu reichen, vielleicht braucht es ein gutes
Team, um Erfolg zu haben
Vermeiden von Verarbeitung frhkindlicher Themen bei traumatisierten Partnern das gehrt in eine Therapie!
Umgang mit emotionaler Erpressung
Dieser Begriff ist eng mit der den Borderline-Patienten nachgesagten Fhigkeit zur Manipulation verbunden.
uerungen wie wenn du gehst, dann verletze ich mich bis
zu bringe ich mich um oder du bist schuld, wenn ich krank werde
wenn es mir schlecht geht oder wenn du mich wirklich liebst,
dann knnen Partner sehr unter Druck setzen und Angst vor
dem Eintreten der angekndigten Handlungen oder Konsequenzen
machen.
Manchmal reichen auch schon Blicke, Mimik oder Seufzer um den
Partner unter Druck zu setzen schlielich wei man ja nie, ob sies
nicht doch macht
Zur Erpressung gehren immer zwei der Erpresser und derjenige,
der es zulsst.
Ihr Partner kann nur so weit gehen, wie Sie es zulassen.
162
Partner
Es gibt viele Szenarien, die Sie erwarten knnen von offener Wut
und Drohungen, subtiler Art des Rckzuges und passiver Aggression, Erzeugen von Schuldgefhlen oder dem Versuch jegliche Verantwortung auf Sie abzuwlzen.
Vergessen Sie aber trotz allem bitte nicht, dass emotionale Erpressung aus einem Zustand der Hilflosigkeit und oft groer Angst heraus entsteht.
Der Wunsch einerseits sich selbst zu schtzen, andererseits Angst
und Sorge um den Partner aushalten zu mssen, kann ein groes
Dilemma darstellen.
Die Punkte Grenzen setzen, Stabilitt geben und Eigenverantwortung ansprechen sind hier ganz wichtig.
Die Grenzsetzung muss bereits beginnen, wenn Sie achtsam an
sich wahrnehmen, dass zum Beispiel Ihr Krper stopp signalisiert
der Magen schmerzt, das Genick ist verkrampft, die Herzfrequenz
steigt, Sie schwitzen und so weiter.
Achten Sie zu spt auf die Signale oder schieben Sie sie ganz zur
Seite (Verdrngung), knnen Ihre Grenzen langsam aber sicher
berschritten und erweitert werden ohne dass Sie es gleich merken.
Versuchen Sie, Invalidierungen zu vermeiden, da diese hchst
zielsicher zu Problemen fhren werden und Schemata triggern (vgl.
Kapitel: Biosoziale Theorie und Kapitel: Entwicklung dysfunktionaler Schemata)
Vermeiden Sie Doppelbotschaften, so genannte double binds
Widersprchliche Aussagen machen Angst, erzeugen Verwirrung
und Hilflosigkeit.
Da gerade Borderline-Patienten in ihrer Kindheit oftmals diesen
double binds ausgesetzt waren, reagieren sie entsprechend heftig
darauf und empfinden diese als ernsthafte Bedrohung.
Wenn Sie solche Botschaften senden, wird bald jedes Vertrauen
verloren sein, Ihr Partner wird Ihre Aussagen anzweifeln und sich
unter Umstnden verwirrt zurck ziehen oder wtend sein.
Dabei sind nicht nur die verbalen Botschaften wichtig, sondern vor
allem auch die non-verbalen wie Mimik, Krperhaltung, Stimme
und Tonfall.
In Krisen professionelle Hilfe suchen!
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Partner
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Wir glauben, dass wir als erwachsene Menschen unsere Partner frei whlen und doch spielen frhkindliche Erinnerungen und Erfahrungen, Vorbilder, Persnlichkeitsstruktur und daraus resultierende Wiederholungszwnge
eine groe Rolle: wir suchen immer wieder Partner, die hnlichkeiten mit
primren Bezugspersonen haben und Verhaltensweisen zeigen, die wir in
der Zeit unserer Individuation haben.
Im Sinne einer versuchten Bewltigung inszenieren Borderline-Betroffene
frher erlebte Traumata mit dem aktuellen Partner wieder, das heit ambivalente Konflikte aus der Kindheit werden auf den Partner projiziert. Wenn
dieser nun eine hnliche Prgung erlebt hat, entsteht eine hchst problematische Beziehung.
Um auf den Beginn dieses Kapitels zurck zu kommen es gibt keine falschen Partner, auch keine prinzipiell falschen Beziehungen.
Es gibt problematische Beziehungs-Konstellationen, die zum Scheitern fhren, wenn nicht beide Partner bereit sind an sich zu arbeiten und zu reifen.
Der Begriff der Co-Abhngigkeit wurde zu Beginn vor allem fr Suchterkrankungen, speziell Alkoholabhngigkeit, geprgt als Summe einer bestimmter
Persnlichkeitsstruktur, von Einstellungen und Verhaltensweisen.
Das zugehrige Rollenverhalten verstrkt vielmehr das Suchtpotential statt,
wie der Partner glaubt, zu helfen. Whrend ein Sucht-Erkrankter seine Probleme vor dem Partner nicht lange verbergen kann, dauert es bei traumatisierten und Borderline-Patienten sehr viel lnger bis die Zusammenhnge
klar werden.
Es handelt sich um eine enge persnliche, aber destruktive Beziehung zu
einem suchtkranken beziehungsweise traumatisierten und/oder BorderlineMenschen.
Ein Co-Abhngiger definiert sich selbst und seinen Wert ber andere Menschen und orientiert sich an der Meinung anderer.
Er ist bemht, dass es anderen gut geht, fhlt sich verantwortlich fr das
Wohlergehen des Partners und vergisst und verzichtet auf seine eigenen Bedrfnisse.
Diese Helfer-Rolle kann zur totalen Selbstverleugnung fhren.
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Partner
Co-Abhngigkeit in einer Borderline-Beziehung unterliegt einer eigenen Dynamik. Nach Diagnose-Stellung ist der Partner oft sehr motiviert zu helfen
und den anderen zu retten. Das Gefhl durch Aufgabe der eigenen Bedrfnisse, besondere Nachgiebigkeit, Konflikt-Vermeidung und Anpassung
den Borderline-Partner heilen zu knnen, fhrt rasch in die Position der
Co-Abhngigkeit.
Die lngerfristigen Folgen beim Retter sind oftmals Beeintrchtigung der Lebensqualitt und der Lebensfreude, der Leistungsfhigkeit bis hin zu schwerwiegenden seelischen Problemen, psychosomatischen Erkrankungen und
chronischen Schmerzzustnden.
Oft wird das Problem vor Freunden und dem Berufsumfeld verheimlicht,
der Angehrige meint, den Partner decken zu mssen und nimmt sich damit
selbst die Chance Untersttzung zu finden und isoliert sich komplett von
der Auenwelt.
Fehlverhalten des Borderline-Partners wird immer verziehen, Ausreden dafr gesucht. Das kann so lange gehen, bis der gesunde Partner selbst zusammenbricht seelisch oder krperlich oder mit Frustration und nachfolgender Wut, Hass und schlielich Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit
aufgibt.
Der Borderline-Partner sprt die schleichend entstehenden Gefhle des
Partners lange bevor dieser sich derer bewusst ist und reagiert darauf mit
Panik, Wut und letzen Endes mit totaler Entwertung der zuvor idealisierten
Person.
Diese Falle muss aber nicht zuschnappen!
Mit der Bereitschaft beider Partner zur Selbstreflexion, Vernderung und einer eventuell erforderlichen Therapie kann es auch anders laufen.
Fr den Betroffenen ist es wichtig einen Borderline-erfahrenen Therapeuten
und ein spezifisches Therapiekonzept zu bekommen.
Fr Angehrige kann eine Therapie entlasten und helfen, eigene Anteile und
Defizite zu klren.
Vorab sollen folgende Punkte fr Sie Hinweis und Anregung sein:
Befreien Sie sich von der Vorstellung, dass Sie Ihren BorderlinePartner heilen und retten knnen!
Nehmen Sie sich und Ihre Bedrfnisse wahr und respektieren Sie
diese (Achtsamkeit)!
bernehmen Sie nicht die gesamte Verantwortung fr die Beziehung!
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Verlangen Sie von Ihrem Partner, dass auch er an sich und der Beziehung arbeiten muss Eigenverantwortung!
Verleugnen Sie die Tatsache, dass Ihr Partner eine Borderline-Strung hat nicht und versuchen Sie nicht, alle Probleme zu verbergen
und nach auen hin zu decken!
Machen Sie sich klar, dass Sie Ihrem Partner so nicht helfen, sondern ihn daran hindern sich adquate Hilfe zu suchen!
Selbsthilfegruppen von Angehrigen oder therapeutisch gefhrte
Angehrigengruppen knnen Sie untersttzen.
Wenn Sie allein nicht mehr zurecht kommen, suchen Sie therapeutische Hilfe.
Beachten Sie folgende Trias:
Nur so bekommt Ihr Partner eine Chance auf adquate Untersttzung und
Heilung und Sie eine Mglichkeit auf eine erfllte Beziehung ohne Schaden
zu nehmen und sich selbst aufzugeben.
Partner
Krankheit machen die Trennung oft lange Zeit nicht mglich. Die stndige
gedankliche und emotionale Fixierung auf den Betroffenen hlt gefangen.
Die Erinnerung an Hhenflge, wie sie nie zuvor erlebt wurden, einer intensiven Nhe und Verbundenheit lassen den Partner weit ber seine eigenen
Grenzen gehen und in so genannten schlechten Zeiten ausharren, wenn nur
zwischendurch auch die guten kommen.
Doch das Gleichgewicht kann kippen und die Zeiten anhaltender Probleme
und vernichtender Streitsitationen immer lnger und mehr werden.
Angst vor den Reaktionen des Partners, vor verbalen und krperlichen Angriffen, knnen die Beziehung begleiten.
Mglicherweise sind auch Kinder involviert, die geschtzt werden mssen.
Wenn der Borderline-Betroffene nicht bereit ist an sich zu arbeiten oder
eine Therapie zu machen, ist der Partner alleine nicht in der Lage, auf Dauer
die Situation zu ertragen ohne psychische und krperliche Symptome zu
bekommen.
Stress-Symptome, psychosomatische Erkrankungen, Resignation und Depression knnen die Folge sein.
Suchen Sie in diesem Fall unbedingt therapeutische Hilfe!
Wenn Sie beginnen ber Trennung zu sprechen oder diese zu vollziehen,
mssen Sie mglicherweise mit hchst aversiven Reaktionen rechnen:
Drohungen, emotionale Erpressungen, Selbstverletzungen bis hin zu Suizidversuchen werden Ihnen groen Druck machen und auch berechtigte Sorge
um den Ex-Partner erschwert Ihr Vorhaben.
Erstellen Sie unbedingt einen Notfallsplan, versichern Sie sich, dass andere
Familienangehrige, Freunde oder Therapeuten fr Ihren Partner da sind,
wenn Sie ihn verlassen, damit nicht Angst und Schuldgefhle Ihnen den
notwendigen Schritt verwehren.
Wenn Ihr Partner mehr zum Ausagieren als zur Selbstverletzung neigt, mssen Sie damit rechnen, dass Sie verleumdet werden, dass eventuell versucht
wird, Ihnen beruflichen Schaden zuzufgen oder Gefahr fr Ihre Sicherheit
besteht.
In diesem Fall kann es notwendig sein, einen Anwalt zuzuziehen und Schutzmanahmen zu ergreifen.
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Partner
Hinterfragen Sie Ihre eigenen Gefhle und Motivationen, erleben Sie Ihren
Verlust bewusst mit allen emotionalen und realen Konsequenzen.
Wenn Sie dazu professionelle Hilfe brauchen, ist das ganz normal.
Das Ende einer Borderline-Beziehung, egal wie und durch wen sie endet,
ist nicht mit einer blichen Trennung gleichzusetzen. Tiefe Gefhle, gemeinsame Hhen und Tiefen von enormer Intensitt, positive und negative Extreme fordern beide Partner bis zur Grenze des Ertrglichen und manchmal
auch darber hinaus.
Wenn Sie gelernt haben sich selbst zu respektieren, Ihre Gefhle anzuerkennen und Ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen, wird es Ihnen auch
mglich sein, nicht das Strungsbild, sondern Ihren ehemaligen Partner in
allen seinen Facetten zu sehen, die schnen Erinnerungen zu bewahren und
neu zu beginnen.
Sollten Sie in den Medien, in Gesprchen und leider auch manchmal noch
unter sogenannten Experten den Borderliner als zerstrerisches Monster dargestellt finden, dann sind wir sicher, dass Sie es besser wissen und auch zu
den Menschen gehren, die helfen, diesem falschen und diskriminierenden
Mythos ein Ende zu setzen.
Als ich meine Frau kennen lernte, hatte ich bereits viele Beziehungen
hinter mir. Doch pltzlich war alles anders! Es war als wre die Welt
bunter, aufregender; ich war fasziniert und rund um die Uhr mit ihr zusammen und beschftigt. Sie war total anschmiegsam, wollte nur mit mir
zusammen sein und berraschte mich stndig.
Wir hatten sogar genau die gleichen Interessen. Ich htte nie gedacht,
dass ich eine Frau finden wrde, die Bergsteigen und Motorradfahren
genau so begeistert wie mich.
Wir heirateten nach drei Monaten und ich war unendlich glcklich.
Ich hatte meine Arbeit lange vernachlssigt und so musste ich in den
nchsten Monaten viel und oft auch spt abends arbeiten.
Anfangs war meine Frau unglcklich, wenn ich spt heim kam, dann fing
sie an, mich zu verdchtigen, dass ich eine andere htte, mir nachzuspionieren und mich mehrmals vor meinen Kollegen zu blamieren. Alle Liebesbeteuerungen halfen nicht, sie wurde immer wtender und fing sogar
an mich zu beschimpfen und mit Gegenstnden nach mir zu werfen.
Ich war wie vor den Kopf gestoen, ich erkannte meine Frau nicht wieder.
Zwischendurch war sie verzweifelt, beschuldigte sich selbst und schwor,
nie wieder so zu sein.
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Partner
hin zu krperlicher Gewalt. In Erwartung der tglichen Katastrophen
entwickelte sich ein intaktes Zusammenleben auf all den Beziehungstrmmern. Bei all der Anarchie gab es feste Regeln, die zu umgehen, das
grte Sakrileg darstellte. Schwierig wurde unser Verhltnis, wenn allzu
viel Nhe entstand. Das Leben in zuknftigen Projekten half ber die
unertrgliche Gegenwart hinweg. Dass alles schlussendlich scheiterte,
berraschte niemand wirklich. Es lag nicht an dem gegenseitigen Bemhen, wohl aber an der Unmglichkeit die Verantwortung freinander
bernehmen zu knnen, denn man(n) konnte es ja nicht einmal fr einen selbst. Alltag, Beruf, Familie, mit den damit verbundenen Aufgaben
und Verpflichtungen, taten ein briges, dass Monotonie und Routine das
Zusammenleben auf eine Zweckgemeinschaft des Nebeneinanders verkommen lie.
Warum nicht trennen, wenn alles so schrecklich ist?
Warum nicht zu der beschaulichen Normalitt von frher zurckkehren?
Weil diese Adhsionskrfte doch so stark waren, dass Trennung einer
Flucht gleichgekommen wre. Dieses Aufgeben des geliebten Menschen,
dieses Eingestndnis, die Liebe zu ihr sollte einer Vernunft des Weiter- und
berlebens weichen mssen, setzte rationale Handlungsmglichkeiten
auer Kraft. Keine Erniedrigung war so gro, keine Verletzung so schwer,
dass dieser Kampf zu Ende gehen durfte. Es drohte das riesige Loch
der Sinnlosigkeit, die mit der Vertreibung aus dem Paradies einhergehen musste. Diese Angst zwang uns,sicher aus verschiedenen Grnden,
aneinander festzuhalten. Dieses Klammern perpetuierte die Konflikte,
die immer weniger ausgetragen, geschweige denn ausdiskutiert wurden.
Auch zwischenzeitliche Trennungsversuche brachten keine Besserung.
Das Ende war banal, blieb ohne Pointe. Die dritte Person (3.Mann)
erffnete den Weg zu Entclinchung(grauenhaftes Wort), sodass ein
Aufatmen meinerseits die Folge war. Es tut so gut(Vorsicht: Reim) als
der Verlassene die Walstatt, als offizieller Verlierer, in Wirklichkeit als
der heimliche Gewinner, verlassen zu drfen. Des Mitleids der anderen
sicher(wir haben dich immer gewarnt!) musste ich mir auch lange nicht
eingestehen, dass ohne diesen Trennungsgrund ich es bis heute nicht
geschafft htte, von ihr zu gehen!
(XY)
Meine groe Jugendliebe war eine Borderlinerin. Ich habe zwei Jahre
lang Himmel und Hlle erlebt, war nach dem unvermeidlichen Ende
der Beziehung am Boden zerstrt und hatte pltzlich viele Symptome
meiner Exfreundin selbst. Ich konnte die Leere spren, die sie hinterlassen hatte, den Schmerz, versuchte es selbst mit Schneiden und anderen
Verletzungen. Zum Glck habe ich meine Musik und viele Freunde. Ich
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Partner
darkness defeats the ray of light,
youre cast away, you lost the fight,
no chance was there to have ever won,
but you know for sure,
were alone
see what Im seeing
together on we go
bleed when Im bleeding
forever I am you, all alone
I look in the mirror
and all I see
a faint reflection
of what I used to be
the sun has risen
shining in my face
just another day
gone to waste
forgotten the future
forgotten the past
a miraculous present
fading at last
numbed by depression
my deep obsession
vivid imagination
drifting into hallucination
no more tears to shed
nothing to confess
all the lines Ive read
its all a mess
the sheets are stained
ringing shallow
void remains
poisons swallowed
cause I lost my heart
I lost my soul
I lost my temper
now Im losing control
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Als ich gebeten wurde, einen Text ber die Beziehung mit meiner Borderline-Partnerin zu schreiben, dachte ich, das ist doch ganz einfach
ich bin glcklich und wir haben eine tolle Beziehung!
Dann habe ich versucht das Besondere in Worte zu fassen:
Der Beginn unserer Beziehung war wie so oft beschrieben ein Hhenflug der Gefhle, und doch war es mehr. Es verband und verbindet
uns noch immer eine Liebe mit der Bereitschaft gemeinsam ein Leben zu
starten mit allen Hhen und Tiefen.
Die Tiefen kamen, manchmal mit einer Heftigkeit, die uns den Boden
unter den Fen weg zog. Nachtrglich betrachtet, gab es zwar Auslser,
doch die Dynamik war sehr oft nicht zu steuern.
Wir gaben beide nicht auf wir sprten unsere Zusammengehrigkeit
und unsere Liebe und wir wussten, wenn wir beide nicht aufgeben, werden wir die Dmonen besiegen.
Wir nahmen beide professionelle Hilfe in Anspruch!
Wir scheuten uns nicht Dinge, auch wenn sie nicht angenehm waren,
beim Namen zu nennen und unsere Individualitt nicht aufzugeben.
Wir sind nun schon viele Jahre ein Paar, wir haben viele Gemeinsamkeiten und das wirklich Schne ist es gibt Augenblicke, da verstehen wir
einander ohne Worte und
die Partnerschaft wird zur Quelle fr unsere Schaffenskraft!
Unser Leben ist voll Dynamik und Kurzweil, manchmal turbulent und
wie eine Freundin sagt, facettenreich.
Soll ich nun sagen, wir haben es geschafft?
Ich denke, das sind nicht die richtigen Worte dafr denn
Meine Beziehung schaffe ich nicht meine Beziehung lebe ich!
Ich liebe meine Partnerin und ich mchte keine Sekunde unseres gemeinsamen Lebens missen.
(A.)
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Freunde
Freunde
Freunde sind zwar nicht tglich und rund um die Uhr mit Borderline-Verhalten konfrontiert, knnen aber durchaus Impulsdurchbrche und Emotionsstrme miterleben und involviert werden. Stimmungsschwankungen,
pltzlicher Rckzug und die stndige Nhe-Distanzproblematik knnen die
Freundschaft belasten.
Einerseits wendet sich mglicherweise der Betroffene um Hilfe und Verstndnis an Sie, andererseits auch der Partner oder auch die Kinder.
Es ist nicht leicht dazwischen zu stehen und Stellung beziehen zu mssen,
vor allem, wenn nach der Vershnung auf alle Flle eine Partei bse ist.
Freunde knnen sich leichter emotional abgrenzen als Partner, aber Verantwortung und oft auch Vereinnahmung fhren zur berforderung vor allem
enger Freunde.
Im Grunde ist es auch hier wichtig wie in der Partnerbeziehung Grenzen
zu setzen, aber auch herauszufinden, wie weit man sich einlassen mchte.
Sollte in irgendeiner Form Gefahr fr einen der Beteiligten bestehen, ist
ein Einschreiten auch ohne Einwilligung der Betroffenen notwendig eine
schwierige Entscheidung zwischen Loyalitt und Verantwortungsbewusstsein.
Wenn Sie sich allerdings auf eine Borderline-Freundschaft einlassen, knnen
Sie trotz der sicher immer wieder kehrenden schwierigen Zeiten damit rechnen, dass Ihr Freund fr Sie da ist, wenn Sie ihn brauchen.
Die Basis einer sicheren Freundschaft kann fr einen Borderline-Betroffenen
in strmischen Zeiten Halt bedeuten und in manchen Fllen sein Leben retten.
Ich bin 16 und gehe ins Gymnasium. In meiner Klasse ist ein Mdchen,
das sich schneidet, manchmal sogar am WC in der Schule. Eigentlich
war sie seit der Volksschule meine Freundin, aber seit sie angefangen
hat, sich bei Partys zu betrinken und heimlich Gras zu rauchen, kann ich
mit ihr nicht mehr so gut. Eigentlich macht sie mir voll Angst. Manchmal
wird sie ohne Grund urwtend, dann heult sie wieder tagelang oder
ignoriert uns alle. Die anderen wollen mit ihr nichts mehr zu tun haben,
aber ich kenne sie schon so lange, dass ich mir echt Sorgen mache. Die
Mutter einer anderen Freundin ist rztin und wir haben mit ihr darber
gesprochen. Sie meint, dass sie dringend Therapie braucht, aber ihre Eltern merken nichts und ich will sie auch nicht vertratschen. Da habe ich
dann im chat gefragt, ob jemand auch solche Erfahrungen hat und einer
hat mir geschrieben, dass meine Freundin wohl ein Bordie ist und mir
einen chat-room darber empfohlen. Eigentlich sieht es so aus, als wrde
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Ich habe einen zwlfjhrigen Sohn, der als Kind schon als hyperaktiv galt
und in letzter Zeit immer rger wurde. Er ist gewhnt, dass er fast immer
alles bekommt, da ihn sein Vater, mein Ex, sehr verwhnt, wenn er bei
ihm ist. Wenn ich oder mein Lebensgefhrte dann einmal nein sagen,
bricht das Chaos aus. Er zerstrt sogar seine eigenen Sachen, nichts ist
vor ihm sicher und auf mich schlgt und tritt er hin.
Wir waren beim Kinderpsychologen, in einer Spieltherapie und an der
Klinik.
Die Diagnose Borderline bekommt man angeblich in dem Alter nicht,
aber ich habe mich viel erkundigt und glaube, dass es das ist.
Zuerst war ich entsetzt und dann habe ich mir riesige Vorwrfe gemacht,
was ich alles falsch gemacht habe. Vielleicht htte ich mich nicht scheiden lassen drfen oder einen neuen Mann nach Hause bringen? Vielleicht waren wir zu gutmtig, zu streng sicher nicht, das wsste ich ja.
Wenn ich meinem Ex sage, er soll ihn nicht so verwhnen, dann streiten
wir nur. Letztes Mal hat er mich vor meinem Sohn angebrllt, dass ich an
allem Schuld wre, weil ich ihn verlassen htte und dass sich niemand
auf mich verlassen knne. Darum sei er ja fr seinen Sohn da. Der wurde
so zornig, dass er anfing gegen die Tre zu treten und sich dabei den Fu
verstauchte. Wir fuhren gemeinsam ins Spital und ich dachte mir, dass er
trotz der Schmerzen zufrieden war. Leider verletzt er sich seither immer
wieder. Es scheint ihm nichts auszumachen, wenn es weh tut. Ich fhle
mich dann schrecklich. Mein Partner ist sauer, weil ich fr ihn gar keine
Zeit mehr habe. Manchmal denke ich, mein Sohn legt es darauf an, uns
zu stren.
Nchste Woche fangen wir eine Familientherapie an. Das ist meine letzte
Hoffnung. (N.)
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Geschwister
Geschwister-Bindungen sind die lngsten, die wir im Leben haben. Die Bedeutung dieser Bindung wird oft unterschtzt, doch bietet sie von Beginn an
Lernerfahrung fr sptere Beziehungen und Sozialverhalten, gibt die Mglichkeit positive wie negative Erfahrungen gemeinsam zu erleben und sich
darber oft erst viel spter auszutauschen.
Manchmal wird der Kontakt im Erwachsenen-Leben aus Zeitmangel, Karriere, Familie und vielem mehr, loser, oft erlebt man aber dann im Alter, wie
Geschwister wieder zusammen finden und sich gegenseitig untersttzen.
Geschwister von Borderline-Betroffenen oder verhaltensaufflligen Kindern
fhlen sich oft im Stich gelassen und mit ihren Gefhlen alleine.
Die Aufmerksamkeit der Eltern ist auf das andere Kind gerichtet, Grenzverletzungen bis zum Zerstren der Sachen der Geschwister passieren, stndiger Streit in der Familie macht das Leben auch fr Geschwister manchmal
zur Hlle.
Es ist wichtig, dass auch diese Kinder Zeit mit den Eltern oder einem Elternteil verbringen knnen, in der sie ungeteilte Aufmerksamkeit bekommen und
frei ber ihre Gefhle und Probleme sprechen knnen. Sie mssen wissen,
dass es in Ordnung ist, wenn sie Wut empfinden und dass sie das Fehlverhalten des Geschwisterkindes nicht kompensieren knnen und mssen,
damit es den Eltern besser geht.
Sie brauchen einen sicheren Ort, wo sie sich jederzeit zurckziehen knnen
und auch Dinge aufbewahren, die ihnen wichtig sind.
Wenn sie alt genug dazu sind, sollte man das Krankheitsbild und die Bordeline-Verhaltensmuster erklren, ohne jedoch zu erwarten, dass dadurch
negative Gefhle von selbst verschwinden.
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Geschwister
Mglicherweise kommt es dazu, wenn die Geschwister erwachsen sind, Garantie dafr gibt es keine. Je mehr Zuwendung das gesunde Kind bekommen
hat und je weniger Verantwortung es bernehmen musste, desto eher wird
es im Erwachsenenalter in der Lage sein nicht nur kognitiv, sondern auch
emotional hinter der Borderline-Betroffenen zu stehen.
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Meine Schwester ist heute eine Frau mit einem interessanten Beruf, Familie und eigenen Kindern. Ich bin sehr stolz auf sie und wir haben eine
innige Beziehung zu einander.
Als sie vierzehn Jahre alt war, begann sie sich zurckzuziehen und ihre
Frhlichkeit, die sie als Kind immer hatte, war dahin. Ich bin selbst nur
ein Jahr jnger und wir hatten frher immer alles gemeinsam gemacht.
Eines Tages fand ich sie im Bad mit einer Rasierklinge, als sie sich ritzen
wollte. Ich war total verngstigt und wusste nicht, was ich tun sollte. Sie
flehte mich an, nichts zu sagen. Einige Monate ging das so, dann hielt
ich es nicht mehr aus. Ich sagte ihr, dass ich furchtbare Sorgen htte und
zwang sie, gemeinsam mit mir zu den Eltern zu gehen. Es war gar nicht
so schlimm und sie bekam sofort Therapie. In den folgenden Jahren gab
es viel Auf und Ab, aber ich stand zu ihr und sie hatte groes Vertrauen
in mich.
Auch wenn sie jetzt voll im Leben steht, wenn sie Sorgen hat oder Angst,
in das altbekannte Loch zu fallen, dann stehen wir das gemeinsam durch.
(A.)
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Ich bin 24 Jahre alt und seit acht Jahren in Therapie, weil ich eine Essstrung habe. Anfangs war ich stationr, weil ich so wenig Gewicht hatte,
jetzt kann ich bereits studieren und lebe alleine.
Ich wurde ersucht ber meine Gefhle zu meiner Mutter zu schreiben.
Das ist viel schwieriger als ich gedacht habe, weil ich sie einerseits sehr
liebe und verstehe, aber andererseits manchmal die Wnde hoch gehen
mchte, wenn sie mich nur anruft und auf megabesorgt tut.
Als ich klein war, gab es nur sie und mich. Meistens lieferte sie mich
jedoch irgendwo ab und es kam auch vor, dass sie tagelang wegblieb.
Das wusste ich vorher nie und hatte immer furchtbare Angst, dass sie
nicht wieder kommen wrde. Wenn sie dann zurck war, weinte sie,
drckte und ksste mich und versprach, mich nie wieder zu verlassen.
Bald schon wusste ich, dass das nicht stimmte.
Spter wohnte dann ein Mann bei uns, sehr bald ein anderer, irgendwann habe ich mich daran gewhnt. Jetzt war sie nicht mehr so oft
weg und manche waren auch recht nett zu mir. Mit meiner Mutter und
diesen Mnnern gab es sehr viel Streit, ich hrte sie nchtelang schreien
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Das Erleben einmal die Beste und dann wieder das Letzte zu sein, verunsicherte mich schon als Kind. Es fiel mir dadurch schwer ein Bild von
mir selbst zu bekommen.
Meine Mutter gab mir z. B. zu verstehen, dass ich aufgrund meines Aussehens und Charakters wohl nie einen Mann finden wrde. Ich sei einfach zu dick und sehr kalt.
Anderseits lobte sie mich dann vor einer Nachbarin, wie gescheit ich
doch sei. Einerseits fhlte ich mich stndig hsslich, dick und unfrmig
anderseits wurde ich es auch zumindest in meinen Augen und in den
Augen meiner Mutter. Dann wieder fhlte ich mich gut und stark und
empfand tiefe Freude ber ihr Lob.
Als Kind glaubte ich ihr das alles. Es war aber verwirrend.
Es machte mich z. B. traurig, dass nun meine Firmung vorbei war das
letzte schne Fest in deinem Leben da ich ja nie heiraten wrde
so wie meine Mutter es prophezeite. Anderseits freute ich mich ber
das Lob gescheit zu sein, erfuhr aber auch, dass wenn ich spter
im Gymnasium eine Note schlechter als gut heimbrachte ich der
grte Trottel sei, so wie sie mich dann bezeichnete.
Ich sehe und hre sie noch heute, wie sie dann den ganzen Nachmittag
vor sich hinredete, lauter negative Stze, die ich damals versuchte nicht
188
189
190
9. Kommunikations-Stile
Wahrnehmung
Ein Problem in der Borderline-Kommunikation ist die unterschiedliche Wahrnehmung verschiedener Situationen und Tatsachen.
Menschen ohne Borderline-Strung erleben eine bestimmte Situation, entwickeln dazu ein Gefhl und handeln danach adquat.
Ein Borderline-Mensch kann pltzlich einem oder mehreren Gefhlen ausgesetzt sein ohne dass es dafr einen momentanen Grund im Hier und Jetzt
gibt. Wut, Angst bis zu Panik, Scham und anderen aversiven Gefhlen sind
pltzlich da. Um diesen oft heftigen und irrationalen Gefhlen einen Namen
zu geben, findet er eine Realitt, die den Gefhlen entspricht also genau
der umgekehrte Vorgang.
191
9. Kommunikations-Stile
Dadurch kann ein und dieselbe Situation von beiden Partnern vllig unterschiedlich wahrgenommen werden.
Daraus resultiert auch das Phnomen, dass beide Partner vllig unterschiedliche Erinnerungen derselben Situation haben knnen bei spteren Diskussionen ein weiteres Konfliktpotential.
192
describe
express
assert
reinforce
beschreiben
ausdrcken
sich behaupten
verstrken
Beschreiben:
Die Beschreibung sollte bewertungsfrei erfolgen, so sachlich und objektiv
wie mglich. Von der Wortwahl her wird darauf geachtet, keine entwertenden, dem anderen etwas unterstellenden oder hoch emotionalen Ausdrcke
zu verwenden.
Sich ausdrcken:
Wnsche, Ansichten, Gefhle mssen deutlich und verstndlich geuert
werden und ich-bezogen sein.
Vermeide Ausdrcke wie:
Du hast schon wieder immer bist du nie kannst du
Sondern sage genau wie es dir geht:
Ich habe Angst, wenn ich nicht wei wann du kommst wenn du so
mit mir sprichst, fhle ich mich
Sich behaupten:
Hier geht es um Grenzen setzen und darauf bestehen, dass diese eingehalten werden.
Das bedeutet auch, dass der Angehrige sich fr seine persnlich notwendigen Grenzen nicht rechtfertigen muss, sondern das Recht hat darauf zu
bestehen.
Verstrken:
Einerseits ist es wichtig, die Folgen negativen Verhaltens klar zu machen,
andererseits positives Verhalten, wie zum Beispiel das Einhalten von Vereinbarungen, auch entsprechend positiv zu verstrken.
193
9. Kommunikations-Stile
Oft kommt es dazu, dass, wenn der Angehrige lange und konsequent genug diese Technik verwendet, der Borderline-Partner ebenfalls beginnt diese
anzunehmen.
Eine Erweiterung dieser Methode finden wir in folgender Sequenz:
DEAR MAN, GIVE FAST: a set of acronyms where each letter represents a behavior one should employ to be more effective during a conflict resolution process95. DEAR stands for: Describe, express, assert,
and reinforce. MAN stands for: (Be) Mindful, appear confident, and
negotiate. GIVE stands for (be) gentle, (be) interested, validate, and
(use an) easy manner. FAST stands for (be) fair, (dont) apologize, stick
to your own values, and (be) truthful
sei selbstsicher
appear confident:
sei achtsam
negotiate:
verhandle
be gentle:
sei hflich
be interested:
zeig Interesse
validate:
validiere, zeig,
dass es stimmig
ist
use an easy
manner:
sei entspannt
be fair:
sei fair
do not apologize:
rechtfertige
dich nicht
stick to your
own values:
bewahre deine
eigenen Werte
be truthful:
95
Linehan MM (1993) Skills-Training manual for Treating Borderline Personality Disorder. Guilford, New York
194
Empathy: durch Einfhlsamkeit will man die Gefhle des Patienten respektieren und anerkennen, hnlich den Validierungs-Strategien in der DBT.
Truth in der Phase der Wahrheit Offenheit muss dem Patienten klar
gemacht werden, dass er selbst die Verantwortung fr sich hat und niemand
ihm diese abnehmen kann, die Konsequenzen seines Verhaltens werden
sachlich besprochen ohne Schuldzuweisungen oder Strafandrohungen.
Die ersten beiden Aussagen sind subjektive Aussagen, die dritte zielt bereits
auf Problemlsung ab.
Es ist wichtig, dass alle drei Phasen in der richtigen Reihenfolge durchlaufen
werden, da zum Beispiel ein Borderline-Patient auf das direkte Ansprechen
von Lsungsstrategien wahrscheinlich mit der Beschuldigung, der Partner
habe kein Verstndnis, reagiert.
Generell und bei allen Gesprchstechniken ist es von grter Bedeutung,
dass Sprache, Inhalt, Mimik und Krperhaltung bereinstimmen, das heit
fr den Borderline-Partner stimmig herber kommen.
Durch die Borderline-typische Fhigkeit inkongruente und nicht authentische Botschaften wahrzunehmen sowie intuitiv zu erfassen, kann das Gesprch, das eigentlich der Klrung dienen sollte, zu groer Verwirrung und
entsprechenden aggressiven Reaktionen fhren.
195
9. Kommunikations-Stile
Eine dritte Kommunikationsform, die wir hier darstellen wollen, ist die gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg.96
M. B. Rosenberg ist der Grnder des Center for Nonviolent Communication
in Sherman, Texas. Seine Arbeit wurde von seinem Lehrer Carl Roger (klientenzentrierte Gesprchstherapie) beeinflusst und enthlt Teile der Philosophie der Gewaltfreiheit Gandhis.
Er versteht seine Methode als Mglichkeit zur Verbesserung zwischenmenschlicher Beziehungen. Sein Konzept findet in Familientherapien, Schulen, Beratungen, aber auch bei Coaching von Firmen, Geschftsleuten und
in diplomatischen Kreisen Verwendung.
Da zwischenmenschliche Kontakte ein Hauptproblem der Borderline-Strung sind, ist es wichtig, dass alle Menschen, die mit Borderline-Partnern
leben, selbst lernen, richtig und gewaltfrei zu kommunizieren.
Kommunikation soll so verndert werden, dass aus automatischen Reaktionen bewusste Antworten werden, die auf dem Boden unseres Bewusstseins
ber dem stehen, was wir wahrnehmen, fhlen und brauchen.
Nach Rosenberg ist der Anspruch an eine gewaltfreie Kommunikation
Auflsung der alten Muster von Verteidigung, Rckzug und Angriff
Reduzierung von Widerstand, Abwehr und gewaltttigen Reaktionen
Frderung der Wertschtzung und Aufmerksamkeit
Lenkung der Aufmerksamkeit in eine Richtung, wo die Mglichkeit
besteht, das zu bekommen, wonach wir suchen
Entdeckung der Kraft unseres Einfhlungsvermgens durch die Klrung von Beobachtung, Gefhl und Bedrfnis statt Diagnose und
Verurteilungen
Im Prinzip ist die Methode in vier Schritte geteilt.
1. Beobachtung: Beschreibung von Situationen und Tatsachen, bewertungsfrei, neutral und ohne eigene Interpretation
2. Beschreibung der Gefhle, die das Problem oder die Situation ausgelst haben ohne die Ursache dafr anzusprechen oder Schuld zu
zuweisen. Es gibt dabei keine schlechten Gefhle, sondern lediglich
Gefhle, die uns sagen, dass ein Bedrfnis nicht erfllt wurde.
96
196
Beziehungskreis
In zwischenmenschlichen Situationen gibt es drei Aspekte:
1. das Ziel, das erreicht werden soll
2. die Beziehung
3. den Selbstwert
197
9. Kommunikations-Stile
Bei diesem Beispiel wird groer Wert auf die Beziehung gelegt.
Die Erreichung des Zieles hat nicht Prioritt.
Die Selbstachtung wird hintangestellt.
Sie mssen in jeder Situation neu entscheiden, was Ihnen jeweils am Wichtigsten ist.
Sie knnen sich jedes Mal anders festlegen, denn es gibt kaum Situationen,
in denen alle drei Aspekte zu gleichen Teilen abgedeckt werden knnen.
bung 1
berprfen Sie mit Hilfe des Beziehungskreises, welcher Aspekt vorherrscht
und welcher gestrkt werden muss.
Gibt es Faktoren, die Sie hindern, dass Sie sich so verhalten knnen, wie Sie
gerne mchten:
1. Wissen Sie nicht, was und wie Sie etwas sagen knnen?
2. Gibt es dysfunktionale Gedanken?
3. Knnen Sie Ihre Gefhle nicht steuern?
4. Gibt es sonst Hindernisse?
bung 2
Erkennen und verndern von dysfunktionalen Gedanken wie zum Beispiel:
Ich halte es nicht mehr aus.
Nichts hilft mir.
Es wird immer schlimmer.
Ermutigende Selbstgesprche fhren:
Ich akzeptiere die momentane Situation.
Ich beruhige mich.
Ich werde es schaffen, morgen ist es vielleicht wieder besser.
Ruhe/Ablenkung/ hilft am besten.
Ich lenke meine Aufmerksamkeit auf andere Dinge.
Ich konzentriere mich auf ein angenehmes Vorstellungsbild (Imagination).
198
10. Achtsamkeit
Achtsamkeit in der Therapie
Dem Thema Achtsamkeit widmet M. Linehan im Therapiekonzept der DBT
viel Aufmerksamkeit. Durch die Integration und Anpassung dieser Methode,
aus dem ZEN entnommen, hat sie die Borderline-Therapie revolutioniert.
Sie hat die deutlich strukturbildenden Elemente gentzt und diese in das
Manual des Skills-Trainings eingebaut.
Sie kombiniert Achtsamkeit mit Expositionstechniken, um einerseits den Patienten aufzufangen, andererseits ein ffnen der speziellen Gefhlswelt von
Borderline-Patienten mglich zu machen.
Fr uns stellt die Achtsamkeit das zentrale Modul des Skills-Trainings dar,
das, nachdem es eingefhrt wurde, die Therapie laufend begleitet und auch
danach nie in Vergessenheit geraten sollte.
Auch in der Traumatherapie nach Luise Reddemann werden Teile der Achtsamkeit bernommen: die Akzeptanz der Vergangenheit und Realitt als Voraussetzung fr die Traumabewltigung.
Achtsamkeit ist nicht nur Teil vieler spiritueller Disziplinen des Ostens wie
Zen, Vipassana oder Yoga, sondern hat auch Eingang in unterschiedliche
Therapieschulen gefunden wie in die Dialektisch Behaviorale Therapie, die
Achtsamkeits-basierte Stress Reduktion nach Kabat-Zinn, die MBCT (Mindfulness-Based Cognitive Therapy), speziell fr depressive Patienten, die
Akzeptanz-Verhaltenstherapie bei generalisierter Angststrung, krpertherapeutische Anstze wie zum Beispiel die Hakomi-Methode nach Ron Kurtz,
schmerztherapeutische Konzepte und Anstze in der Suchtforschung97
Stressbewltigung durch Achtsamkeit nach Kabat-Zinn
MBSR im Englischen Mindful-Based Stress Reduction wurde von Jon Kabat-Zinn98, 99 entwickelt, der an der Universitt von Massachusets die Stress
Reduction Clinic grndete und viele Jahre leitete.
Paul Grossmann100 fhrte eine Metaanalyse zur Wirksamkeit von Mindfulness durch und bezeichnet diese als kostengnstige und zugleich effektive
Therapie bei chronischen Strungen. Der Therapieerfolg hlt nachweislich
97
98
99
100
199
10. Achtsamkeit
ber einen lngeren Zeitraum an, es kommt zu Vernderungen der Beschwerden, aber auch zu Vernderungen in der Selbstwahrnehmung und
Einstellung zur Krankheit.
Darber hinaus findet MBSR Anwendung im pdagogischen Bereich, im
Spitzensport und bei vielen Menschen, die lernen wollen mit vorhandenem
Stress umzugehen oder diesem vorzubeugen.
Nach Kabat-Zinn ist das Ziel, dass ein Mensch zur Heilung sein eigenes Potential entdecken und ntzen lernt.
Die Grundpfeiler sind Bewusstheit und Gelassenheit.
MBSR-Methode
Der Atem ist immer prsent und ermglicht es sich jederzeit im Hier und
Jetzt zu verankern.
Ziel ist zunchst Ruhe. Darauf folgend werden Gerusche, Gedanken, Gefhle und Krperempfindungen wahrgenommen. Diese werden weder analysiert noch bewertet, sondern betrachtet wie sie entstehen, vorber ziehen und vergehen knnen.
Dies ermglicht den Unterschied zu erkennen zwischen dem augenblicklichen Standpunkt und der Wunschvorstellung, die Realitt richtig einzuschtzen und zu erkennen, wohin und wie sehr wir getrieben sind.
Stress wirkt sich auf Krper und Seele aus, die resultierenden Beschwerden
und Erkrankungen sind zahlreich.
MBSR wird eingesetzt in der Behandlung von chronischen Schmerzerkrankungen, Depressionen (MBCT), Borderline-Strung, Abhngigkeitserkrankungen sowie Aufmerksamkeitsstrungen und chronischer Erschpfung.
200
Es gibt heterogene Gruppen, das heit, die Teilnehmer haben unterschiedliche Stress-Symptome, eventuell ist auch die Teilnahme an einer symptomspezifischen Gruppe sinnvoll.
Eine weitere Mglichkeit ist die Prophylaxe von Burn out mit ein Grund,
warum wir auf dieses Progamm in unserem Buch nher eingehen.
Zielsetzung sowohl fr Patienten als auch alle, die das Programm als Vorbeugung oder Verbesserung der Lebensqualitt ansehen:
Verminderung oder Vorbeugung psychischer oder somatischer
stress-bedingter Beschwerden
Akzeptanz von Situationen, Beschwerden oder Erkrankungen, die
im Moment nicht vernderbar sind
bessere Stress-Bewltigung und Selbstkontrolle
Erkennen der jeweils situativ richtigen Distanz und Abgrenzung
bessere Wahrnehmung von Emotionen und Krperempfindungen
Erlernen von individuell stimmigen Entspannungsmglichkeiten
MBCT (Mindfulness-Based Cognitive Therapy) ist ein spezielles Programm
um das Rckfallrisiko depressiver Patienten zu senken. Im Vordergrund steht
der Ansatz, negative Gedankenspiralen (Grbeln) rechtzeitig zu erkennen,
die Gedanken zu akzeptieren ohne sich mit ihnen zu identifizieren.
In der DBT gilt fr Borderline-Patienten der Leitsatz Ich bin nicht mein Gefhl, auch hier mit dem Ziel, nicht mit dem Gefhl zu verschmelzen und
berrollt zu werden.
101
201
10. Achtsamkeit
empathischer Kontakt mit dem Patienten bei gleichzeitiger Wahrung der richtigen beobachtenden Distanz und Achtsamkeit auf
eigene Gefhle und Gedanken
Auseinandersetzung mit eigenen Mglichkeiten und Ressourcen
Geduld und Herstellen einer heilsamen Beziehung mit der Mglichkeit, den inneren Weg des Patienten mitzugehen und ihn seine
eigenen Lsungen finden zu lassen
Gerade Borderline-Patienten stellen ihre Therapeuten auf eine harte Probe,
da sie dessen Schwchen oft auf subtilste Weise erspren knnen.
Fr Galen (2006) bedeutet Achtsamkeit eine laufende Beobachtung des eigenen Erlebens, das den ganzen Therapieverlauf begleitet und Interventionen aus dieser Selbstwahrnehmung entstehen lsst.
Alle Menschen, die unter Druck stehen, Stress aushalten, eine chronische
Krankheit, Schmerzen ertragen mssen, berfordert sind, brauchen Untersttzung.
Zweifellos stehen Angehrige, Freunde und alle Menschen, die therapeutisch oder im Sinne von Pflege und Sozialarbeit mit Borderline-Patienten zu
tun haben, in einem Spannungsfeld, das oft Eigentherapie, Gruppenerfahrung und laufende Supervision notwendig macht.
Im folgenden Kapitel mchten wir die Geschichte und Methode des ZEN
nher darstellen, Chancen sich selbst helfen zu lernen, zur inneren Ruhe
zu finden, den inneren Beobachter zu aktivieren und die richtige Distanz
zu finden, um im Spannungsfeld von Borderline-Beziehungen leben und
berleben zu knnen.
Wir haben unabhngig von den meditativen und philosophischen Aspekten der Zen-Meditation einige pragmatische Punkte zusammengestellt,
wie man zur Umsetzung der Achtsamkeit im Alltag finden kann.
1. Konzentrieren Sie sich mglichst oft auf den Augenblick.
Sagen Sie strenden Gedanken ein energisches Stopp!
Kommen Bilder oder Szenen, von denen Sie wissen, dass sie sich
negativ auf Sie auswirken und Ihr Stopp reicht nicht aus, versuchen
202
Sie sich vorzustellen, Sie htten Karten fr einen Kinofilm, den Sie
absolut nicht sehen wollen geben Sie die Karten an der Kassa
zurck und verweigern Sie den Film.
2. Genieen Sie das, was Sie im Moment zufrieden macht und versuchen Sie zumindest vorbergehend anfangs nur fr kurze Zeit
Sorgen loszulassen, die Vorstellung wie etwas oder jemand zu sein
hat, vorber ziehen zu lassen. Finden Sie etwas, das im Moment
mglich ist (eine Pflanze, eine Landschaft, eine alltgliche Ttigkeit) und betrachten Sie diese mit allen Ihren Sinnen.
3. Im Zustand der Achtsamkeit fhlen wir uns mit allem in Kontakt
statt einsam.
4. Bewerten Sie das Verhalten Ihrer Mitmenschen nicht. Versuchen
Sie auch hier Ihre Sinne einzusetzen und zum Beispiel Ihren Partner als Ganzes und vorurteilsfrei wahrzunehmen.
5. Bewerten Sie eine Situation nicht als richtig oder falsch, sondern
versuchen Sie einen Schritt zurck zu machen und sie von auen
zu betrachten.
6. Achtsamkeit und Eile sind nicht vereinbar.
7. Multi-tasking ist ein Begriff, der uns noch mehr und schneller in
den Burn out treibt. berlegen Sie, wann es wirklich notwendig ist,
mehrere Dinge gleichzeitig zu tun.
8. Nehmen Sie alltgliche kleine Freuden nicht als selbstverstndlich,
sondern dankbar an.
Bei der Rosinenbung, zum Beispiel, betrachtet man zuerst
die Rosine, dann betastet man sie, riecht daran und zerkaut sie
anschlieend langsam, um den Geschmack bewusst zu genieen.
9. Ein Achtsamkeitstagebuch kann helfen, sich bewusst zu machen,
wie viel oder wie wenig Zeit notwendig ist, um ihrem Leben
eine neue Qualitt zu geben.
10. Schulung des intuitiven Wissens
Beobachten Sie, ob Sie mehr
a. auf Ihr Gefhl
b. mehr auf Ihren Verstand hren
Gehen Sie innerlich einen Schritt zurck und versuchen Sie die
Balance herzustellen.
203
10. Achtsamkeit
204
Nach circa zwei Minuten beginnen Sie die Gedanken wahrzunehmen, die Ihnen durch den Kopf gehen.
Versuchen Sie nun
Gedanken
Gefhle
Impulse
Krper-Empfindungen
auseinander zu halten.
Lassen Sie diese wie auf einem Flieband vorbeiziehen, damit
diese jeweils der richtigen Schachtel zugeordnet werden knnen.
Graphik. Flieband
Vorberziehen lassen
205
10. Achtsamkeit
Achtsamkeit ist kein bestimmtes Tun, sondern eine Lebenshaltung, bei der unsere Aufmerksamkeit, bewertungsfrei, auf den
gegenwrtigen Augenblick gerichtet ist.
102
103
Thich Nhat Hanh (2002) Das Wunder der Achtsamkeit. Theseus-Verlag, Berlin
Daisetz Teitaro Suzuki (2004) Leben aus Zen: Wege zur Wahrheit. Inselverlag, Frankfurt
206
Zen, wie es heute bekannt ist, wurde von vielen Kulturen beeinflusst.
Im 6. Jahrhundert kam Zen als Meditationsbuddhismus nach China, wo er
zum CHAN-Buddhismus wurde und Elemente des Daoismus und Konfuzianismus enthlt. Eine groe Zahl von Schriften, Gesprchen und Koans
stammt aus dieser Zeit.
Die Lehre wurde im 12. Und 13. Jahrhundert von Eisai und Dogen nach
Japan gebracht, wo eine weitere Wandlung stattfand.
Im 19. Und 20. Jahrhundert kam es zu einschneidenden Vernderungen in
Japan und zur Begrndung einer neuen Art des Zen, der Europa und Asien
erreichte, wo im 20. Jahrhundert sogar christliche Mnche und viele Laien
sich dieser Meditationsform zuwandten.
Zur Zeit wirken die im Westen am bekanntesten Zen-Lehrer wie Thich Nhat
Hanh, Claude AnShin Thomas und Tetsugen Bernard Glassman Roshi.
Ethik des Zen
Im Mittelpunkt des Zen steht die berzeugung, dass man anderen Lebewesen nur dann helfen kann, wenn man sich selbst befreit hat.
Die Zuwendung zu allen Lebewesen erwchst aus der inneren Einsicht im
Laufe der Zen-Praxis von selbst durch die Erkenntnis, dass im Kosmos alles
miteinander verbunden ist und jede helfende wie auch jede zerstrende Tat
auf einen selbst zurck fllt.
Es gibt kein falsch und richtig, gut und bse, auch keine Gebote und Verbote,
mit Ausnahme der Verpflichtung Leben zu schtzen:
Wie zahlreich auch immer die fhlenden Wesen sein mgen, ich gelobe,
sie alle zu retten
Es muss in jeder Situation einzeln entschieden werden eine groe Verantwortung fr den Handelnden selbst.
207
10. Achtsamkeit
Die Lehre
Oft heit es, dass Zen nichts biete keine bestimmte Lehre, keine Religion,
keine Geheimnisse, keine Antworten.
Damit soll die Illusion genommen werden etwas Ntzliches zu erwerben.
Es entzieht sich jeder Vernunft, wird oft als irrational empfunden und gleichsam zieht es doch viele Intellektuelle und Wissenschafter an.
Zen bedeutet, das Leben in all seiner Flle zu leben und mit geschrften
Sinnen wahrzunehmen zu essen, wenn man hungrig ist, schlafen, wenn
man mde ist.
Zen hat kein Ziel, es bietet einerseits nichts, adererseits alles, das ganze
Universum.
Der Buddha sagt, der beste Weg, sich eine gute Zukunft zu sichern, liege
darin, sich so gut wir knnen, um die Gegenwart zu kmmern.
Deshalb ist es wichtig, jeden Moment unseres Alltags mit Achtsamkeit zu
verbringen und Verstndnis und Mitgefhl fr alle Wesen zu entwickeln.
Im Buddhismus wird der Zustand der Zerstreutheit als Mangel an Achtsamkeit bezeichnet, ein Zustand, in dem unser Geist in der Vergangenheit oder
Zukunft weilt, whrend der Krper in der Gegenwart ist.
Die Meditation dient dazu, Geist und Krper zu vereinen um im gegenwrtigen Moment zu leben. Achtsamkeit ist die Energie, die wir dafr brauchen.
Praxis des Zen
Ein Zenmeister des 11. Jahrhunderts, Yan-Wu, sagt ber die Zen-Erfahrung:
Mach dich innerlich leer und bring dich in bereinstimmung mit dem ueren. Dann wirst du auch im hektischen Treiben dieser Welt in Frieden sein.
Die Praxis besteht einerseits im Zazen (japanisch: za = sitzen, zen = Versenkung), andererseits aus der Konzentration auf den Alltag.
Eine Variante des Zazen ist Kin-hin, Zazen im Gehen.
Beim Zazen geht es nicht darum, dass wir Gedanken gewaltsam ausschalten
mssen, sondern sie bewusst machen, beobachten und vorber ziehen lassen wie Wolken am Himmel. Wir haben Gedanken, aber wir identifizieren
uns nicht damit.
Ebenso haben wir Gefhle, aber wir sind nicht unsere Gefhle.
Es geht darum Vorstellungen und alte Muster loszulassen um frei zu werden.
208
Beim Zazen, dem Sitzen in Versunkenheit auf einem Kissen, gibt es zwei
Mglichkeiten.
Das Sitzen im Lotussitz ist wie im Yoga, gerader, vollkommen entspannter
Rcken. Nacken und Kopf sollten in einer Linie mit der Wirbelsule verlaufen, die Hnde ineinander gelegt sein, wobei sich die Daumenspitzen leicht
berhren. Die Augen sind geschlossen oder leicht geffnet und zum Boden
gesenkt.
Auch der Halblotussitz ist mglich, nach einigen Wochen bung finden Sie
diese Haltung vielleicht bequem.
10. Achtsamkeit
Foto 29.
In Gruppen kann es auch durchaus mglich sein auf einem harten Sessel
zu ben.
Bei allen Varianten sollte man versuchen die Gesichtsmuskeln zu entspannen und ein leichtes Lcheln zu zeigen.
Whrend der Atembungen versucht man zu entspannen, die aufrechte
Haltung zu bewahren und alles andere los zu lassen.
Fr den Anfang werden zwanzig bis dreiig Minuten ausreichen um zur
Ruhe zu kommen.
Koans
Ein Koan ist ein Zen-Rtsel, dessen unmittelbare Erfahrung zur Erleuchtung
fhren kann. Es wird jedes logische Denken durchbrochen und herkmmliche Denkstrukturen werden verlassen.
Am Beispiel erklrt ist es so als ob eine groe Kuh durch ein vergittertes
Fenster ginge. Hrner, Kopf und vier Beine sind schon durch. Warum
kann ihr Schwanz nicht auch noch durchkommen?
210
211
10. Achtsamkeit
Im Umgang mit rger schlgt er folgendes Mantra, eingebaut in eine Atembung, vor:
Einatmend bin ich mir meines rgers bewusst.
Ausatmend lchle ich meinem rger zu.
In Plum Village wurde ein Friedensvertrag entwickelt, den wir mit unseren
Partnern, aber auch mit uns selbst abschlieen knnen.
Mglicherweise finden Sie dies bertrieben, aber auch wenn Sie nur Teile
davon oder den Denkansatz mitnehmen, kann das bereits hilfreich sein.
Borderline-Persnlichkeiten sind durchaus vertragsfhig, wie wir ber viele
Jahre hinweg erfahren konnten. So ist oft auch in der Therapie die Unterzeichnung eines Therapievertrages104 vorgesehen.
Sprechen Sie mit Ihrem Partner ber diese Gedankenanstze, vielleicht ist
die eine oder andere Umsetzung auch fr ihn mglich oder Sie knnen Ihre
eigenen Variationen des Vertrages gemeinsam erstellen und noch andere
Vereinbarungen mit hinein nehmen, wie zum Beispiel eine time out-Regelung.
104
Sendera A, Sendera M (2007) Skillstraining bei Borderline- und Posttraumatischer Belastungsstrung. Springer.Wien
212
105
213
10. Achtsamkeit
106
De Smedt M (Hrsg.) (1994) Notizen der Weisheit ZEN. St. Gabriel, Mdling. Derdak F (Hrsg.)
(1995) Notizen der Weisheit TAO. St. Gabriel, Mdling
214
Unser Ausatmen
Ist das des ganzen Universums.
Unser Einatmen
Ist das des ganzen Universums.
In jedem Augenblick vollziehen
wir so das ganze Schpfungswerk.
Das zu begreifen bedeutet,
jedes Unglck auszuschalten
und das absolute Glck hervorzubringen.
(Meister Kodo Sawaki)
215
10. Achtsamkeit
ber etwas urteilen, das heit
Licht werfen auf das, was man sieht.
Sprechen, das ist ausdrcken,
was man im Herzen hat.
Wer wirklich etwas zu sagen hat,der wird auch gehrt.
Ein Sprichwort lautet:
Was hilft das Streiten,
viel besser ist es zuzuhren.
(Wang Fu)
216
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222
Stichwortverzeichnis
Abgrenzung 52, 83, 84, 94, 201
Abhngigkeit 36, 72, 85, 86, 123,
125, 129
Abilify 35, 41
Ablenkung 111, 198
Abwehr 47, 49, 73, 86, 196
Abwehrmechanismen 45, 46, 47, 48,
49, 71
Abwertung 11, 90, 136, 141, 180
Achse-II-Strung 13
Achse-I-Strung 13, 14
Achterbahn IX, 25, 152, 157
Achtsamkeit 22, 34, 35, 60, 103, 157,
167, 192, 199, 200, 201, 202, 203,
204, 206, 208, 211, 212, 219, 222
Adjuvin 39
Adoleszenz 96
Adrenalin 86
Affektdurchbrche 46, 73
Affekte 46, 53, 71, 72, 102, 103, 107,
120, 121, 134, 137
Affektive Erlebnisse 121
Affektive Instabilitt 11, 137
Affektives Bezugssystem 121
Affektive Schemata 19, 119, 120, 121
Affektive Strungen 51
Affektlogik 121, 217
Affektregulation 19
Agape 86
Aggression 13, 46, 47, 68, 71, 73,
126, 158, 159, 163, 186, 218
Agieren 50, 51
Akkomodation 119
Aktive Passivitt 25
Akzeptanz 24, 56, 126, 127, 137, 155,
159, 199, 201, 219
Albtrume 35
Alkoholmissbrauch 52, 90
Allergische Reaktionen 37
Allmacht 48
Alprazolam 36
Ambivalenz IX, 87, 111, 185
Ambulantes Setting 27, 54
Amisulprid 41
Ammonshorn 30, 60
Amnesie 20
Amygdala 23, 29, 60
Anafranil 39
Analgesie 20
Angehrigengruppen 34, 36, 168
Angststrung 13, 14, 16, 32, 199
Angststruktur 52
Angsttoleranz 46
Anspruchshaltung 123, 126
Antidepressiva 35, 36, 37, 38, 39
Antisoziale Persnlichkeitsstrung 14
Antithese 58
Argwohn 16, 98
Aripripazol 41
Assimilierung 119, 124
Atembungen 210, 212
Atosil 40
Attachment 107, 217
Atypische Neuroleptika 35, 38, 41
Aufmerksamkeit 43, 50, 94, 98, 182,
196, 198, 199, 204
Aurorix 39
Ausagieren 49, 169, 184, 186
Autoaggression 73
Autodestruktivitt 1, 117
Autonomes Nervensystem 64
Autonomie 83, 85, 96, 97, 109, 113,
123, 124, 125, 137
Aversive Spannungszustnde 19, 135
Balance 57, 58, 85, 90, 97, 110, 143,
203
Basistechniken 49
Bedrohung 6, 20, 78, 83, 120, 163
Bedrfnisbefriedigung 71, 84, 100
223
Stichwortverzeichnis
Behandlungsplan 13, 16
Behandlungsstrategien 54
Benzodiazepine 35, 36
Bestrafung 62, 127, 129, 135
Bewltigungsmechanismen 45
Bewltigungsreaktionen 131, 134
Bewltigungsstrategien 20
Bewegungsstrungen 38
Bewertung 23, 30, 62, 64, 109, 131,
139, 146, 154, 164
Bewusstheit 200, 211
Bewusstsein 29, 31, 33, 47, 62, 119,
132, 196, 218
Beziehungsfhigkeit IX, 50, 58, 82
Beziehungsfalle 99
Beziehungsgestaltung 13, 19, 21, 25,
56, 81, 82, 87, 98, 128
Beziehungs-Konstellationen 166
Beziehungsstrungen 81, 98, 166
Beziehungsverhalten 18, 81, 82, 87,
100, 105, 106, 112, 185
Bezugsperson 25, 26, 46, 51, 52, 63,
82, 91, 100, 103, 105, 106, 107,
108, 109, 110, 111, 112, 113, 123,
125, 126, 129, 130, 132, 141, 160,
166
Bindung 33, 45, 73, 81, 96, 97, 100,
103, 104, 106, 107, 110, 111, 112,
113, 114, 125, 182, 217, 218
Bindungserfahrung 81, 103, 107, 111,
112, 114
Bindungsforschung 104, 106, 113,
222
Bindungsmodell 112
Bindungsmuster 109, 112, 114
Bindungsreprsentation 112, 113
Bindungssicherheit 114
Bindungsstile 113, 114
Bindungstheorien 21, 73, 104, 106,
217
Bindungstypen 110
Bindungsverhalten 104, 106, 107,
109, 111, 112, 113
Biosoziales Modell 113
224
Stichwortverzeichnis
Deeskalation 159
Defizitres Umfeld 152
Depakine chrono retard 35
Dependente Persnlichkeitsstrung
13, 14
Depersonalisation 26, 67
Depot-Neuroleptika 38, 41
Depression 37, 51, 68, 169, 170, 200
Derealisation 26, 67
Destruktives Umfeld 152
Destruktivitt 24
Deutung 49, 50
Diagnostik XI, 6, 12, 13, 15, 17, 90, 91
Dialektik 57, 58
Dialektisch Behaviorale Therapie X,
16, 25, 27, 34, 53, 54, 55, 57, 88,
138, 186, 197, 199, 220
DIB-R 12
Dilemma 111, 163
Dissoziation 47, 70, 73, 78
Dissoziative Phnomene 21
Dissoziative Strung 14, 71
Dissoziative Symptome 11, 15, 20, 91,
137
Dogmatil 41
Dominal 40
Dominanz 126
Doppelbotschaften 163
Double binds 163
Drogen 52, 90
DSM III 11, 14, 99, 220
DSM IV 9, 11, 12, 13, 14, 23, 74, 91,
98, 99, 136, 189, 217, 220
Duloxetin 40
Dynamik 82, 90, 99, 104, 167, 176
Dysfunktionale Grundannahmen 148
Dysfunktionale Interaktionen 102
Dysfunktionaler Bewltigungsmodus
134
Dysfunktionale Schemata 52, 121,
135, 141, 143, 163
Dysfunktionales Denken 77, 78, 79,
198
Dysphorie 35, 67
Edronax 40
Efectin 40
Efexor 40
Ego 1
Eigentherapie 164, 202
Eigenverantwortung 158, 163, 164,
168
Einsamkeit 61, 68, 73, 76, 85, 96, 133
Einzeltherapie 29, 50
Ekel 61, 68, 69, 87, 98
Eltern-Kind-Beziehung 82
Eltern-Modus 134
Emo 7
Emotionale Entbehrung 123, 124, 129,
133, 134
Emotionale Entwicklung 111
Emotionale Erpressung 162, 163, 169
Emotionale Resonanz 109
Emotionales Gedchtnis 30
Emotionales Temperament 123
Emotionale Taubheit 136
Emotionale Vulnerabilitt IX, 26, 51,
59
Emotionsmodell 64
Emotionsregulation 19, 33, 51, 52, 54,
55, 63, 66, 67
Emotionsberflutung 20, 157
Emotionszentrale 29
Empathie 88, 106, 109, 113, 124,
195
Empathiefhigkeit 83, 112
Endorphine 1, 86
Entfremdung 30, 46, 48, 125
Entwertung 7, 24, 43, 48, 167
Entwicklung 37, 43, 44, 46, 52, 56,
63, 71, 74, 81, 82, 95, 97, 104, 107,
111, 112, 113, 118, 121, 123, 139,
163, 180, 217, 218
Eros 86
Erregbarkeit 105
Erschpfung 162, 172, 200
Es 3
Escitalopram 39
Eskalation 135, 159
225
Stichwortverzeichnis
Gladem 39
Glaubensstze 120, 141
Grenzen IX, 3, 25, 48, 53, 56, 57, 72,
83, 84, 88, 97, 101, 123, 125, 130,
137, 154, 156, 157, 163, 164, 169,
170, 177, 179, 193
Grenzverletzungen 154, 182
Grohirn 30
Grbeln 125, 170, 201
Grundannahmen 52, 55, 89, 148, 156
Grundgefhle 68, 70, 73
Grundlagenforschung 19
Gruppen-Setting 50
Hakomi-Methode 199
Halblotussitz 209
Halbwertszeit 36
Haldol 40
Halluzinationen 15, 38
Haloperidol 35, 40
Handlungsebene 121
Handlungsimpuls 59, 62, 64, 65, 66,
76, 77, 78, 79, 139
Handlungsmuster 109
Hardcore-Punk 7
Hass 61, 68, 71, 73, 86, 101, 167, 218
Helfer-Rolle 166
Hemmung 36, 67, 98, 124, 127
Herkunftsfamilie 125, 126, 127
Herzrhythmusstrungen 37
Hierarchie 94
Hier und Jetzt 20, 49, 50, 103, 191,
200
High risk 73, 179
Hilfestellung XI, 19, 94, 179, 186,
197
Hilflosigkeit 20, 25, 67, 68, 69, 72,
90, 92, 101, 102, 130, 135, 155,
163, 170, 181
Hippocampus 30, 31, 60, 69
Hirnforschung 31
Hirnstamm 60
Hochrisikoverhalten 22
Hypersthesie 20
Stichwortverzeichnis
Hypophyse 60
Hypothalamus 60
ICD-10 12, 220
Ich-Integritt 96
Ich-Strung 45, 48
Idealisierung 11, 24, 47, 48, 90, 136
Identifikation 48, 123
Identitt 18, 63, 73, 96, 125, 140
Identittsdiffusion 45, 46, 48, 96
Identittsentwicklung 186
Identittsstrung 11, 136
Illusion 43, 44, 208
Imagination 198, 221
Imagines 45
Imap 41
Imigran 37
Immunabwehr 68
Immunsystem 68
Impuls 3, 60, 61, 64, 66, 72, 76, 126,
127, 205
Impulsdurchbruch 10, 35, 36, 37, 59,
66, 69, 158, 159, 177
Impulsivitt 1, 35, 101
Impulskontrolle 18, 19, 23, 35, 45, 46,
186
Innerer Beobachter 160, 192, 202
Insidon 39
Instabilitt 11, 98, 101, 123, 124, 129,
133, 134, 136, 137
Integration 7, 46, 58, 199
Intensitt 51, 64, 69, 86, 101, 136,
153, 171, 172, 184, 185
Interaktion 38, 51, 56, 82, 97, 102,
104, 105, 107, 118, 121, 123, 131,
142
Interaktionsfhigkeit 142
Interaktionsgestaltung 98
Interaktive Feinfhligkeit 107
Interpersonelles Modell 99
Intervention 199, 202, 219
Introjektion 46, 47
Intuitives Wissen 203
Invalidierendes Umfeld 72
Invalidierung 163
IPDE 12, 220
Isolation 155
Isolierzimmer 2
Ixel 40
Johanniskrautprparate 38
Kashyapa 206
Katastrophisieren 125
Kick 1
Kind-Modus 134
Kin-hin 208
Klrung 49, 195, 196
Klassifizierung 13
Koan 207, 210
Kognitionen 62, 218, 222
Kognitive Beeintrchtigung 19, 21
Kognitive Psychologie 118
Kognitiver Plan 119
Kognitives Bezugssystem 121
Kognitive Schemata 19, 119, 121
Kognitive Struktur 119
Kognitive Therapie 118, 119, 217
Kognitive Umstrukturierung 54
Kollektive Bewertung 62
Kommunikation 6, 25, 35, 83, 94,
101, 108, 109, 160, 164, 165, 191,
192, 193, 196, 211
Kommunikationsmuster 81, 115
Kommunikations-Stile 140, 191
Komorbide Essstrung 16, 50
Komorbiditt 12, 13, 14, 15, 16,
36
Kompetenz 16, 51, 78, 82, 96, 97,
142, 143
Konflikt 9, 20, 47, 57, 83, 100, 103,
114, 127, 130, 135, 154, 155, 166,
173, 185, 186
Konfliktverarbeitung 45
Konflikt-Vermeidung 167
Konfrontation 49, 101
Konfuzianismus 207
Kontraindikation 35
227
Stichwortverzeichnis
Lymphozyten 68
Lyogen 40
Maladaptive Bewltigungsstile 131
Maladaptive Schemata 121, 122, 123,
124, 128, 131, 135, 137
Mandelkern 29, 30, 60
Manipulation 162
Manisch-depressives Kranksein 37
Mantra 212
MAO-Hemmer 38, 39
Maprotilin 39
MBCT 199, 200, 201
MBSR 199, 200
MBSR-Methode 200
MDK 37
Medikamente 4, 5, 29, 36, 37, 38, 39,
172, 192
Melperon 41
Metaanalyse 199, 219
Metamorphosen 103
Metaphern 21, 53, 56, 57, 161, 165
Mianserin 39
Milnacipran 40
Mindfulness 199, 220
Mindfulness-Based Cognitive Therapy
199, 201
Mirtazapin 39
Missbrauch 6, 26, 35, 73, 87, 91, 112,
122, 124, 129, 134, 135, 179, 190
Misstrauen 24, 61, 96, 98, 123, 124,
129, 134, 135
Moclobemid 39
Modul 34, 199
Modus 134, 135, 136, 137
Mortalitt 68
Motivation 22, 71, 125, 171, 185
MRI 31, 219
Multiple Persnlichkeitsstrung 71
Mundtrockenheit 37
Muster 11, 31, 82, 120, 121, 128, 129,
130, 136, 165, 196, 206, 208
Mutan 39
Mutismus 67
Stichwortverzeichnis
Opiatantagonist 36
Opipramol 39
Orap 41
Orientierung 11, 60, 114, 137
Paare 83, 84, 114, 176, 219
Panik 16, 20, 133, 167, 183, 191
Panikattacke 16
Paranoide ngste 47
Paranoide Persnlichkeitsstrung 14
Parasuizidales Verhalten 18
Parkinson 38
Paroxetin 39
Partnerwahl 100, 128, 129, 132, 151,
155, 165
Passiv-aggressive Persnlichkeitsstrung 14
Patients out of hell 74
Peer group 2, 105, 122, 128
Perphenazin 41
Persnlichkeit 1, 4, 45, 66, 69, 70, 71,
81, 91, 98, 101, 105, 155, 157, 164,
185, 212, 220
Persnlichkeitsmerkmale 87, 95, 99,
100
Persnlichkeitsstrung 1, 9, 11, 12, 13,
14, 16, 25, 45, 47, 49, 50, 55, 57,
91, 98, 99, 113, 118, 217, 218, 220,
221
PET 69
Phantasie 3, 43, 72, 83
Pharmakotherapie 35
Phobie 3
Physiologische Grundbedrfnisse 94
Pimozid 41
Plum Village 211, 212
Posttraumatische Belastungsstrung
IX, 13, 14, 19, 20, 31, 32, 34, 35,
37, 52, 54, 69, 115, 165, 180, 190,
212, 218, 221
Posttraumatisches Stress-Syndrom 31,
52, 219, 221, 222
Prfrontaler Kortex 31
Pram 39
229
Stichwortverzeichnis
Primgefhl 67
Primre Bezugsperson 46, 52, 107,
128, 166
Primrgefhl 21, 62, 65
Primrobjekt 74
Primitive Abwehrformen 48, 49
Primitive Idealisierung 47, 48
Prioritten 6, 190, 198
Problembereiche 17, 19, 34, 51
Progression 84
Projektive Identifizierung 24, 47, 48,
71
Promethazin 40
Prothipendyl 40
Pseudohalluzinationen 15
Psychische Funktionsebene 45
Psychoanalyse 9, 49, 222
Psychodynamische Therapie 26, 49,
217, 219, 222
Psychoeducation 34, 35, 179
Psychopathie 9
Psychopathologie 9, 12, 14, 99, 220
Psychopharmaka 4, 38
Psychopharmakotherapie 35
Psychose 9, 48
Psychosomatische Symptome 26, 140
Psychosoziale Entwicklung 95
Psychotherapie 4, 16, 17, 26, 32, 34,
35, 36, 45, 49, 87, 91, 115, 217,
218, 219, 221, 222
Psychotische Episoden 35, 36, 38, 50
Psychotische Organisation 45
PTSD 30, 31, 32, 33, 69
Pyramidenmodell 94
Quetiapin 35, 41
Radikale Akzeptanz 159
Radikale Offenheit 57
Reaktionsbereitschaft 105
Reaktionsmuster 111, 119
Realittsprfung 3, 43, 45, 48, 159,
192
Realittsverlust 20, 26, 101
230
Stichwortverzeichnis
Stichwortverzeichnis
Spiegelsysteme 109
Sprachlosigkeit 6, 20
SSRI 35, 36, 37, 39
Stabilisierung 16
Stabilitt 19, 25, 100, 101, 114, 123,
124, 156, 163, 179, 185
Stammhirn 60
Stationre Aufenthalte 91
Stationres Setting 27, 50, 54
Stigmatisierung 9
Stimmungen 4, 11, 12, 59, 137, 148
Stimmungsschwankung XI, 35, 37, 69,
101, 155, 170, 177
Stimmungsstabilisatoren 35
St. Johns Mercy Medical Center 194
Stress 19, 20, 60, 68, 107, 109, 112,
114, 200, 202
Stress-Forschung 68
Stress Reduction Clinic 199
struktur 210
Struktur 6, 45, 60, 94, 118, 119, 121,
156, 217, 219
Strukturmerkmal 46
Stupor 67, 75
Sublimierung 45, 46
Substanzmissbrauch 11, 14, 136
Suchterkrankung 50, 165, 166
Suchtverhalten 73, 186
Suizid 4, 17, 20, 156
Suizidalitt 10, 21, 37, 51, 156
Suiziddrohungen 11, 12, 25, 136
Suizidgefhrdung 36
Suizidrisiko 10
Suizidversuch 5, 10, 17, 91, 101, 169
Sulpirid 41
Supervision 27, 93, 189, 202
Support 194
Supportiv 49
Symbiose 83, 84
Synthese 58
Tagebuch 147, 153, 157
Tterverhalten 129, 135
Technische Neutralitt 49, 88
232
Stichwortverzeichnis
233