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Detecon Management Report

DMR

blue
Ausgabe 1 / 2013

Leading digital!

Digitale Transformation : Mit Architecture as a Strategy zielgerichtet steuern und umsetzen Digitale Geschftsmodelle : Neue Rolle als Manager des Kundenerlebnisses Digitaler Kundenkontakt : Customer Self Services bedingen fundiertes Kundenverstndnis

leading digital!
Liebe Leserinnen und Leser, herzlich willkommen zu einer Ausgabe unseres Kundenmagazins mit neuem Gesicht: DMR BLUE zeigt zu aktuellen Themen wichtige Diskussionen aus u nserer Beratung und interessante Erkenntnisse aus dem Austausch mit Kunden und Experten. Fragen, wie Unternehmen verschiedenster Branchen die digitale Transformation nutzen, um im Wettbewerb zu gewinnen, diskutieren und beantworten wir in unseren Projekten tglich. Wir sehen in der Digitalisierung den Treiber im Wettbewerb von morgen. Der Einfluss von Informations- und Kommunikations technologie auf Geschftsmodelle sowie Arbeits- und Privatleben wchst unaufhaltsam und verndert Unternehmen und Mrkte fundamental. Wo der Wettbewerber nur einen Klick entfernt ist, sind Geschwindigkeit und spezifische Kompetenzen gefragt. Digitale Technologien avancieren zum Schlsselfaktor und sind untrennbar mit der Unternehmensstrategie verbunden. Die wieder aufgeflammte Diskussion um Datenschutz wird diese Entwicklung nicht stoppen. Sie wird aber das Thema Sicherheit nachhaltig ganz nach vorne rcken und davon profitieren wir am Ende alle. Wir wnschen Ihnen neue Erkenntnisse und eine gute Unterhaltung!

Ihr Francis Deprez


CEO, Detecon International GmbH

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Inhalt

Leading digital
Digitale Transformation

Mit Architecture as a Strategy zielgerichtet steuern und umsetzen


Digitale Geschftsmodelle im Dienstleistungssektor

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Neue Rolle als Manager des Kundenerlebnisses


Future Store Concept

ICT als integraler Bestandteil der Filiale der Zukunft


Vom TK-Dienstleister zum IT-Dienstleister

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Neue Geschftsfelder fr Telekommunikationsunternehmen


Reinhard Clemens, CEO, T-Systems

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Die Cloud ist kein Selbstbedienungsladen


Die neue Nhe zum Kunden

Zero Distance
IT-Abteilung im Fokus

Einfach einfacher machen


Mobile Payment

Auslaufmodell oder Erfolgsgeschichte?


Managementmodell fr Industrieunternehmen

Digitale Landkarte bildet Vernetzung von Kunden, Produkten und Unternehmen ab


Impressum: Herausgeber: Detecon International GmbH Sternengasse 14-16 50676 Kln www.detecon.com [email protected] Aufsichtsrat: Klaus Werner (Vorsitz) Geschftsfhrung: Francis Deprez (Vorsitz) Dr. Jens Nebendahl Handelsregister: Amtsgericht Kln HRB 76144 Sitz der Gesellschaft: Kln Druck: Kristandt GmbH&Co.KG Frankfurt/Main Fotos: Fotolia iStockphoto

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Connected Car

Erfolgsfaktoren fr das vernetzte Auto


Gut vernetzt

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Smart Business Networks bieten neue Chancen fr Energieversorger


Digitalisierung auf dem Vormarsch

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Modernisierung der Verwaltung von Bund, Lndern und Kommunen durch E-Government 42
Detecon Events

Detecon verleiht ICT Award


Interview: Professor Bernd Benninghoff, FH Mainz-Gestaltung

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Wie kommuniziert ein Raum?


Erfolg im digitalen Zeitalter

Wie CEOs das Potenzial der Informations- und Kommunikationstechnologie sehen


Social CRM

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Von der digitalen Kommunikation zu Social Customer Excellence


Digitaler Kundenkontakt

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Customer Self Services bedingen fundiertes Kundenverstndnis


Wer braucht da noch einen Hund?

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ber Mobilitt und die Bedeutung von Mobile Phones


Wir bedanken uns bei den Co-Autoren: Philipp Bodenbenner Patrick Eberwein Bernd Ettelbrck Stephanie Felgentreff Andreas Maisack Andr Seltitz

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leading digital!
Jede Branche denkt heute ber die nchste Generation von vernetzten Produkten und Services nach, will die vernetzten Konsumenten bedienen. Jedes Unternehmen wird heute von der enormen Geschwindigkeit der weltweiten Entwicklung digitaler Technologien herausgefordert und muss seinen Platz im Wettbewerb vernetzter Unternehmen behaupten. Digitale Technologien sind nicht mehr Enabler von Geschftsmodellen Webservices, Apps, Cloud-IT und Breitbandnetze sind Kern des Geschfts modells und bestimmen die Performance. Whrend der Digitalisierungsgrad der Unternehmensumwelt zunimmt, fehlen vielen Unternehmen noch spezifische Kompetenzen und eine konkrete digitale Agenda, um im Wettbewerb zu gewinnen. Und im Wettbewerb gewinnen heit: Leading digital.

Always-On
Mobile Computing verndert die Geschftszusammenhnge und die Verbindung zwischen Menschen und Unternehmen fundamental. Online- und Offline-Welten verschmelzen durch Smartphones und Tablets zu einer einzigen Welt, die digital untersttzt ist. Whrend das reale Leben passiert, stellen mobile digitale Endgerte den Kontext bereit. Die mobile Welt bedeutet Always-on-Computing: personalisiert, immer dabei und auf Knopfdruck online. ber 1,5 Milliarden Smartphone-Nutzer gibt es bereits weltweit, das Wachstum b etrgt immer noch mehr als 30 Prozent pro Jahr. Seit 2011 werden mehr Smartphones und Tablets verkauft als PCs und Notebooks. Apple OS und Google Android haben heute mit 65 Prozent einen hheren Anteil bei PC-Plattformen als Microsoft. Beeindruckende 30 Prozent der US-Amerikaner besitzen heute ein Tabletund das nur drei Jahre nach Einfhrung des iPad! Auch Wearables gewinnen an Bedeutung. Hierzu zhlen Fitness Devices wie Fitbit oder Jawbone oder auch Google Glasses.

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Beschleunigung
Die Digitalisierung beschleunigt soziale Interaktionen und wirtschaftliche Trans aktionen zwischen vernetzten Unternehmen, vernetzten Produkten und vernetzten Konsumenten. Dabei vervierfacht sich der weltweite Datenverkehr in den nchsten 5 Jahren: Heute werden tglich mehr als 500 Millionen Fotos ins Netz geladen, ber 1 Milliarde Facebook-Nutzer generieren tglich 2.5 Milliarden neue Inhalte, ber Whatsapp werden tglich rund 10 Milliarden Messages geschickt. Weiterhin verbin den sich immer mehr Maschinen und Gerte mit dem Internet. Heute werden mehr Daten von sogenannten M2M-Anwendungen zwischen Maschinen und Waren erzeugt als zwischen Menschen. Das Internet der Dinge entsteht. Big Data heit die Heraus forderung der Unternehmen, um aus dem Volumen und der Detailtiefe der Produktions-, Distributions- und Kundendaten Wettbewerbsvorteile zu ziehen. Der verfgbare Content im Internet hat sich in den letzten 5 Jahren verneunfacht. Und dieser Content befinden sich derzeit berwiegend im Besitz der Top Internet Assets wie Facebook, Amazon, Google und Microsoft, die in den USA die Drehscheibe des welt weiten Datenverkehrs sind. Verantwortlich fr diese Zentralisierung sind die winnertakes-all-Logik und die Netzwerkeffekte des Internets.

Sicherheit
Unter dem Druck der mangelnden Datensicherheit und zunehmender Sicherheitslcken ist die Zentralisierung risikoreich. Die Entwicklung lokaler Internet Assets wird sich rasant beschleunigen, sowohl in Europa als auch vor allem in Asien wohl auch mit zunehmender politischer und staatlicher Untersttzung. Jedes Unternehmen stellt sich dieser Tage die Frage, wie gro die Auswirkungen durch Wirtschafts spionage sind, wie teures Know-how geschtzt werden kann und welche Konsequenzen daraus fr die Cloud-Strategien erwachsen. Die Cloud zu meiden ist keine Lsung. Der Druck von Privat- und Geschftsnutzern hinsichtlich Verschlsselung und Sicherheit von Datentransport und -speicherung wird die Ortslosigkeit des Internets teilweise auf heben, da der ortsabhngige Schutz der Daten kurzfristig bedeutend wird. Mittelfristig ist jedoch durch die weltweite wirtschaftliche und gesellschaftliche Verflechtung die Frage der Informationssicherheit in den Mittelpunkt zu stellen: das heit Ende-zuEnde- Sicherheit und Hochverschlsselungstechnologien, die global funktionieren, aber auch zu einem Wettrsten zwischen berwachungs- und Verschlsselungsmechanismen fhren. Da IT immer mehr Kern des Produkts und des Geschftserfolgs ist, wird fr viele Unternehmen der Werksschutz zur Cyber Security. Und hier muss systematisch analysiert und intelligent investiert werden. IT-Sicherheit und Risikomanagement gehren auf das Niveau des CEO, denn es geht um strategische Entscheidungen.

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leading digital!

Demographischer Wandel
Bei weitem ist nicht nur die junge Generation dabei, sich zu digitalisieren. In den Industrienationen wchst heute auf Facebook die Gruppe der ber 45jhrigen am schnellsten, in den USA sind es gar die Rentner. Fr den immer grer werdenden Anteil der lteren Generation bietet die Digitalisierung enorme Vorteile bei der sozialen Interaktion, der Verbreitung von Wissen und Erfahrung und der Organisation des tglichen Lebens. Auch die Einfachheit von Endgerten wie Tablets machen ltere Menschen digital. Und das wird zunehmend wichtig, da Wissen und Erfahrung dieser Generation in Wirtschaft und Gesellschaft immer strker und immer lnger bentigt werden. ltere Menschen knnen sich mit digitalen Technologien einfacher und effektiver in angepassten Arbeitsformen engagieren. Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien sind essentiell, um soziale Dienste und Gesundheitsdienste in Zukunft wirtschaftlich leisten zu knnen. Das Wachstum von eHealth wird sich bereits in den nchsten vier Jahren verdreifachen.

Megacities
Die Alterung der Bevlkerung in entwickelten Lndern geht einher mit dem Wachstum von Stdten und Ballungsgebieten. 2030 werden 82 Prozent der Menschen aus entwickelten Lndern in Stdten leben. Stdte verwandeln sich zu groen Datenfabriken. Urbanitt, Datenproduktion und Datennutzung verstrken sich gegenseitig. Zugang und Bandbreite sind Lebensqualitt und Wettbewerbsfaktor und werden in Stdten flchendeckend verfgbar sein, ebenso der Zugang zu relevanten lokalen und sozialen Echtzeit-Daten. In Peking beispielweise knnen Produkte, die bei JD.com bestellt wurden, innerhalb von einer Stunde geliefert werden, mit Echtzeit-Verfolgung auf Google Maps und Fahrrad-Crews, mit denen Kunden whrend der Auslieferung noch flexibel Ort und Zeit abstimmen knnen. Menschen, Maschinen, Fahrzeuge, Infrastruktur und Gebude sind in Stdten eng zusammengepackt: Stdte werden zu Open-Air-Computern.

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Politik und Demokratie


Soziale Interaktionen und konomische Transaktionen lassen sich technologisch beschleunigen. Diese Beschleunigung sozialer und konomischer Prozesse durch digitale Technologien ist aber immer weniger kompatibel mit demokratischen Diskussions- und Entscheidungsprozessen, die sich nicht in gleichem Mae beschleunigen lassen. Deutlich wird dies insbesondere dann, wenn schnell gehandelt werden muss, beispielsweise in der Eurokrise 2012, und die politische Legitimation nachgereicht wird. Durch Informations- und Kommunikationstechnologien gewinnen grundstzlich groe Stdte im fderalen System erheblich an Macht. Und zwar einerseits indirekt durch den Innovationseffekt als Datenfabrik, andererseits durch die unmittelbare Nhe zu Brgern und Unternehmen mit der potenziellen Fhigkeit der Stdte, relevante politische Entscheidungen in Echtzeit in der real-digitalen Welt umzusetzen: mobile Brgerservices, digitale Schnittstellen fr Unternehmen, Mobilittsmanagement und Votings. Der Grad der Digitalisierung von Stdten entscheidet ber deren Erfolg im Wettbewerb um Jobs und Investitionen.

Telco als Plattform


Das Rckgrat der digitalen Welt sind breit verfgbare Web-Services, Telekommunikationsdienste und Netzwerkinfrastrukturen. Das heit: Telekommunikationsunternehmen stellen die Plattform fr die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft bereit! Dazu mssen sie nicht nur eine effiziente IT sowie entsprechende Prozesse fr das breite Angebot ihrer eigenen Telco (Web)Services und der Partnerservices leisten. Sie mssen sich auch gleichzeitig als Plattform fr die Unternehmen aufstellen, die ihre digitalen Produkte und Services anschlieen und verbinden wollen. Eines ist klar: Das Produkt- und Serviceerlebnis von Unternehmen basiert immer strker auf der Qualitt von IT und Breitbandnetzwerk der Telekommunikationsanbieter. Die Umsetzung der digitalen Strategien der Unternehmen hngt von den Infrastrukturen und Plattformen dieser Anbieter ab. Hochentwickelte Fhigkeiten in IT und standardisierte Programmierschnittstellen fr Entwickler und Netzbetrieb sind die Grundvoraus setzung, um Business IT, digitale Prozesse und Kommunikationsdienste der Unternehmen einbinden und verbinden zu knnen. Telekommunikationsanbieter mssen jetzt die Kernkompetenz IT weiterentwickeln, entsprechende Partnerschaften eingehen und mit einer intelligenten Technologiekombination effiziente Breitbandnetze bauen.

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Digitaler Hub
In der letzten Dekade hat die Unternehmens-IT wenig Vernderung durchlaufen im Vergleich zu den riesigen Entwicklungssprngen, die die Consumer-IT gemacht hat. Whrend wir am Samstag und Sonntag nahtlos unser Leben digital meistern knnen, erleben wir von Montag bis Freitag eine Zeitreise in eine eher analoge Welt. Konsumenten wie Angestellte erwarten aber von Unternehmen und deren Produkten die gleiche Flexibilitt, Vernetzung und Einfachheit, die Apple iPhone und Samsung Galaxy uns allen erffnen: sie mchten S ervices im Smartphone und Web nutzen, Feedback in Echtzeit haben und ihre Ideen in die Produktentwicklung einbringen jederzeit und berall. Immer strker fliet deshalb heute Risikokapital in Start-ups, die mobile, soziale und verbundene Applikationen und Web-Services fr Unternehmen und Entscheider im mittleren Management entwickeln. Startups wie Zendesk, Tidemark oder Asana sind Beispiele fr Applikationen, die exakt die Anforderungen mobil vernetzter Kunden, vernetzter Produkte und vernetzter Unternehmen bedienen. Diese neuen Softwareanbieter bersetzen die Paradigmen der Consumer-IT in UnternehmensApps und Infrastrukturen eine der Kernaufgaben der kommenden Jahre fr alle Unternehmen.

E-Company
Fr alle Unternehmen entsteht durch die Digitalisierung der Gesellschaft eine vllige Nhe zum Kunden und zu eigenen Mitarbeitern. T-Systems nennt das Zero Distance. Einfachheit, Echtzeit und Flexibilitt in Prozessen ist gefragt und nur durch eine systematische Transformation hin zur E-Company vor dem Hintergrund von Sicherheit und Datenschutz realisierbar. Interne Prozesse und Ablufe mssen so kundenzentriert, flexibel und performant gestaltet sein, als wrden sie im externen Wettbewerb stehen. Die Unternehmens-IT muss sich mit den Besten im Markt messen lassen. Denn IT-Infrastruktur und IT-Services sind auf einer as-need-basis fr die Wettbewerber jederzeit verfgbar. ber diese Services verbinden sich Unternehmen zu globalen Wertschpfungsnetzen, sogenannten Smart Business Networks. Wie Li & Fang aus Hongkong beispielweise: Das Unternehmen orchestriert 15.000 weitere Unternehmen, die zusammen etwa 40 Prozent aller Kleidungsstcke in US-amerikanischen Malls bereitstellen. Dies funktioniert nur, weil Liefer- und Leistungsketten miteinander verbunden sind und sich Partner ber Software-Steckdosen einfach anschlieen und verbinden knnen.

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Kollaboration
Immer schneller entstehen Wertschpfungsnetze zwischen spezialisierten Unternehmen. Und wenn ein Groteil der Wertschpfung auerhalb der eigenen Firma liegt, ist Kollaboration absolut existenziell. Nicht mit Telepresence-Meetings, sondern mit verbundenen Kernapplikationen wie ERP Software. Die Vernetzung von Inven tar- oder Produktionsdaten zwischen Unternehmen fhrt zu Anforderungen an die Kollaboration, die fr viele Unternehmen neu sind. Eine aktuelle Umfrage der BITKOM zum Stand der Entwicklung von Social Collaboration ergab, dass knapp 60 Prozent der Befragten zwar Social-Collaboration-Initiativen gestartet haben, sich hier aber noch ganz am Anfang sehen. Viele dieser Initiativen sind noch nicht strategisch geplant. Gleichzeitig mchten Kunden in die Zusammenarbeit einbezogen werden. Die digitale Kommunikation baut auf Mitsprache und Beteiligung: Produktbewertungen auf der Unternehmenshomepage, Vernetzung und Austausch mit anderen Kunden in diversen Communities und Mitgestaltung von Produktmerkmalen generieren eine Flle an Informationen, die Unternehmen einfangen und in konkrete Aktionen bersetzen mssen.

leading digital!

Integral Business
Umfassende Transparenz durch Zero Distance zwischen Unternehmen, Mitarbeitern und Kunden erfordert nachhaltiges und werte orientiertes Wirtschaften erfolgreicher Unternehmen. Integral Business beschreibt genau diese Konsistenz zwischen Werten, finanzieller Performance und sozialer Verantwortung, die Kundenloyalitt treibt und eine hohe Attraktivitt als Arbeitgeber im Kampf um Talente sichert. In einer vernetzten Welt mssen Unternehmen strker denn je Kunden und Mitarbeiter begeistern und zu Fans machen. Daher muss nicht nur klar sein, was und wie ein Unternehmen produziert, sondern auch warum und welchen Wertbeitrag das Unternehmen fr die Gesellschaft leistet. Die Nutzung digitaler Technologien ist wesentlich fr die Kommunikation zwischen Produkten, Kunden und Unternehmen und macht positive soziale und kologische Effekte wie flexible Arbeitswelten, effiziente Produktion und verteilte Wertschpfung erst mglich. Integral Business und digitale Transformation sind untrennbar miteinander verbunden.

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Digital Mindset
Wenige Top-Manager sind selbst digital und nutzen Hashtags, verstehen APIs und verfolgen die Entwicklung von Wearables. Wenige CEOs verantworten die digitalen Ambitionen ihrer Unternehmen selbst. Es fehlt an der systematischen Analyse der logischen Abfolge der Digitalisierung und vollstndigen Auswirkung auf das Geschftsmodell. Dies schliet die Umsatzund Kostenseite entlang aller Elemente der Wertschpfung mit ein und umfasst die Formulierung der digitalen Strategie entlang klarer Prioritten sowie die tglichen Umsetzungskontrolle auf Geschftsfhrungsebene. Erfolgreiche Management-Teams verbinden Management und Technologie zu einer einzigen Perspektive und fhren die digitale Transformation ihrer Unternehmen selbst. Unternehmen bentigen eine neue Generation von Chief Digital Officern, die die Umsetzung der digitalen Strategien treiben. Nur wer selbst digital ist, kann im digitalen Wettbewerb gewinnen!

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Neue Wettbewerbsregeln
Die digitale Transformation schafft neue Geschftspotenziale, bestimmt die Performance und verndert langfristig die Grundlagen des Wettbewerbs: mit neuen Marktbedingungen, neuen Kundenanforderungen, neuen digitalisierten Produkten und Services. Prozesse mssen neu gedacht und viel flexibler und dynamischer gestaltet werden, um in globalen Wertschpfungsnetzen zu funktionieren. Markeintrittsbarrieren fallen weg, Kunden entscheiden jederzeit ber die Markenposition und den Geschftserfolg. Die Rolle und Art der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien hat sich fundamental gendert. ICT Management ist nicht mehr nur Enabler fr das Geschft, sondern mageblich fr die Differenzierung und zentral, um das Geschft zu betreiben. IT wird Bestandteil des Produkts und Software zunehmend die Basis vieler Geschftsmodelle. Technologiefirmen wie Apple, Amazon und Google industrialisieren Technologie und legen den Mastab fr Unternehmen vieler Branchen fest. Die Industrialisierung von Technologie feuert den Wettbewerb an und definiert die Voraussetzungen fr Performance von Unternehmen und Organisationen neu.

Digitale Agenda
Digital Leadership und IT-Management sind bereits heute entscheidend, um morgen im Wettbewerb zu gewinnen. Leading Digital heit: das richtige Top-Down-Mindset, ein ganzheitlicher Ansatz und die Umsetzung in allen Funktionsbereichen und Wertschpfungsstufen. Eine klare Enterprise Architektur liefert die Basis fr die Business Transformation. Leading Digital bedeutet nicht, hier und dort ein digital Projekt zu starten. Leading Digital verlangt von den Unternehmen, eine hohe und andauernde Transformationsfhigkeit zu besitzen, mit klaren Visionen und Zielen des Unternehmens und seiner Organisation, aber vor allem mit konkreten digitalen Strategien, aus einer Hand getrieben und umgesetzt. Jede Branche, jedes Unternehmen ist durch die Digitalisierung herausgefordert. Aufgabe des Topmanagements ist es, die richtigen IT-Innovationen zu priorisieren und die richtigen Fhigkeiten aufzubauen, um in der digitalen Welt relevant zu bleiben. Erst dann sind Unternehmen in der Lage, sich vom Wettbewerb abzusetzen und zu differenzieren, mit hoher Geschwindigkeit die Norm des Wettbewerbs zu erreichen und zu neutralisieren oder durch hohe Effizienz und IT-Einsatz einen Kostenvorsprung zu erzielen. Vernetzte Unternehmen, vernetzte Kunden und vernetzte Produkte sind die Basis der digitalen Agenda, die jeder CEO jetzt mit Hochdruck entwickeln muss.

Stefan Wilhelm leitet als Mitglied des Executive Board das Operating Office sowie das Knowledge Management. [email protected]

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Digitale Transformation

Mit Architecture as a Strategy zielgerichtet steuern und umsetzen


Das Internet hat sich als weltumspannende, soziale, tech nische und wirtschaftliche Plattform etabliert. Im I nternet der Menschen werden in unvorstellbarem Mae Infor mationen ausgetauscht, Angebote fr Waren und Dienst leistungen erkundet und bestellt sowie persnliche wie berufliche Netzwerke geknpft. Immer mehr Menschen nutzen zudem auf sie selbst zugeschnittene Minianwen dungen, die sogenannten Apps, um noch einfacher be stimmte Informationen zu erhalten und damit eigene, persnliche Ablufe zu beschleunigen. Laut einer aktuellen Studie von Canalys verzeichneten die vier fhrenden AppVerkaufspltze der Welt Google Play, Apples App Store, Blackberry World und Microsofts Windows Phone ins gesamt 13,4 Milliarden Downloads im ersten Quartal des laufenden Jahres.

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W arum sollten Unternehmen diese erfolgreichen Technolo-

gien nicht noch konsequenter auch fr ihr Kerngeschft nutzen? Was ist, wenn Produkte internetfhig werden, also Informa tionen austauschen und im Internet der Dinge sogar selbststndig dazu lernen knnen? Wenn Services, mit oder ohne Verbindung zu diesen Produkten, einfach in die bestehenden Ablufe der Firmen integrierbar werden und aus der Kombination von diesen Produkten und Dienstleistungen neue Geschftsmglichkeiten entstehen? Das Internet der Dienste! Lassen sich dann noch aktuelle Informationen ber Einsatzziele und Zustand der Produkte in ihren Lebenszyklus integrieren, knnen Unternehmen zeitnah auf vernderte Bedingungen reagieren und zum Beispiel kostengnstigere prventive Wartung an Stelle teurer und vielleicht gefhrlicher Schadensbehebung durchfhren? Potenziale vielfach unausgeschpft In einer aktuellen Studie des Gartner Executive Program (Q4 2012) sah mehr als die Hlfte von 2.000 zu ihren Top-Prioritten gefragten CIOs zwar auch digitale Technologien auf ihrer eigenen Agenda, stellten aber gleichzeitig keine groe Vernderung ihrer eigenen Rolle im Unternehmen fest. Auch Budgets wrden eher weiter schrumpfen. Zudem nutzen laut Aussage der Studienteilnehmer die Unternehmen nur 43 Prozent der Potenziale, die aus der Technologie fr das Geschft mglich wren.

Woran kann das liegen? Um erfolgreich das Unternehmen auf eine sich verndernde Geschftswelt anzupassen, brauchen Entscheider Transparenz ber die Auswirkungen von Vernderungen. Und das nicht nach langen Analyseprojekten, sondern mglichst ad hoc mit ersten Aussagen ber den Business Case. Weill, Ross und Robertson haben in ihrem Buch Enterprise Architecture as Strategy die Ergebnisse ihrer Untersuchung von mehr als 100 Unternehmen verffentlicht. Ein wichtiges Ergebnis war, dass diejenigen den grten Geschftserfolg hatten, die ausgehend vom Business Operational Model die Balance von Standardisierung und geschftsbedingter Flexibi litt optimal gestalten. Dabei kann der Standardisierungsgrad durchaus bei bis zu 70 Prozent liegen. Eine weitere wichtige, durch die digitale Welt erzeugte Herausforderung liegt darin, aus der Flle von strukturierten und unstrukturierten Daten zeitnah neue wertschpfungsrelevante Informationen zu erzeugen und in Wettbewerbsvorteilen zu realisieren. Auch hierzu ist eine Transformation der Prozesse und deren technischer Untersttzung notwendig. Hierzu ein Beispiel: Auf der Hannover Industriemesse 2013 hat die Firma Claas eine gemeinsam mit der Deutschen Telekom entwickelte Lsung vorgestellt, mit der auf Basis von Informationen des Erntesystems ein Landwirt seine Ablufe b esser steuern kann. So kann durch GPS-Einsatz die Ernteflche ge nauer befahren und abgeerntet werden bei groen Flchen

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wie in den USA bedeutet dies eine Zusatzernte von mehreren Tonnen. Doch auch vllig neuer Geschftsnutzen entsteht: ber die Schnittmenge in Kombination mit der genauen Feldposition des Mhers lsst sich feststellen, ob bestimmte Flchen unterdurchschnittlichen Ertrag erzielen und der strkere Einsatz von Dnger hier wirtschaftlich wre. Claas hat sich damit bei bestimmten landwirtschaftlichen Betrieben einen Wettbewerbsvorteil geschaffen, hierzu aber auch das eigene Unter nehmen transformiert und im Bereich Software und Elektronik investiert, wo heute mehr als 500 Experten beschftigt sind. Industrie 4.0 erfordert stringente Unternehmensarchitekturen Auch im Produktionsbereich kann die Digitalisierung Nutzen stiften: Die Hannover Messe 2013 stand unter dem Leitmotiv der integrierten Fertigung. Bereits am ersten Messetag wurden der Bundeskanzlerin die Handlungsempfehlungen des Forschungsrats zur Umsetzung des Zukunftsprojekts Industrie 4.0 bergeben. Dieses Projekt hat unter anderem die Zielsetzung, Deutschland als Produktionsstandort im internationalen Wettbewerb zu strken, aber auch die fhrende Rolle der deutschen Fabrikausrster auszubauen. Zuknftig werden Unternehmen ihre Maschinen, Lagersysteme und Betriebsmittel als Cyber Physical Systems weltweit vernetzen. Intelligente Maschinen tauschen selbstndig Informationen aus, Produktionssysteme sind vertikal in Wertschpfungsketten integriert und horizontal zu verteilten, in Echtzeit steuerbaren Wertschpfungsnetzwerken verknpft. Gerade die vertikale und horizontale Integration erfordert den ganzheitlichen Ansatz der Enterprise Architektur. Denn die Integrationsfhigkeit darf nicht einseitig nur technisch gesehen werden. Prozess, Informationen, Applikationen und Infrastruktur mssen ganzheitlich geplant werden beziehungsweise mit internen und externen Standards versehen werden. Ersichtlich

wird dies vor allem dann, wenn fachbereichsbergreifend integrierte, digitalisierte Prozesse entlang des Lebens-Zyklus zu etablieren sind. Die vollstndige digitale Untersttzung der Geschftsprozesse ist eine Voraussetzung, um die Vorteile, die aus dem Umbau von Prozess- und Produktionsmodellen entstehen, auch komplett nutzen zu knnen. Idealerweise geschieht dies von der technischen Entwicklung bis zum After-Sales-Prozess, also der Wartung und Kundenbetreuung. Nur dann wre es beispielsweise mglich, dass bereits nach den ersten Entwrfen der technischen Entwicklung in einem 3-D-Raum die Ergonomie fr den Nutzer oder fr Wartungsarbeiten simuliert werden kann, etwa mit dem Ziel, Fachpersonal daran zu schulen oder Fehlerquellen leichter zu lokalisieren. Starten heit: Komplexitt verringern Unbestritten ist sicher, dass die Digitalisierung sehr viele neue Geschftschancen erffnet. Doch gleichzeitig wirken die Konsequenzen und Zusammenhnge uerst komplex. Wo kann man anfangen? Wie knnen Unternehmen die Auswirkungen digitaler Herausforderungen in ihrer eigenen Prozesslandschaft konkret prfen und umsetzen? Das hohe Tempo der digitalen Transformation von Geschftsprozessen erzeugt bei vielen Akteuren groe Unsicherheit: Was muss ich tun, damit ich meine Produkte vllig flexibel konfigurieren kann? Wo und wie will ich digitale und reale Welten verbinden? Wie lassen sich Geschftsfhigkeiten etwa fr eine mobile, partnerbergreifende Kundenkommunikation aneignen? Die Antwort von Detecon lautet: Nutzen Sie das, was sowieso schon da ist. Denn jedem Unternehmen wohnt eine Architektur inne, also die Logik, welche Geschftsprozesse und Technologie organisiert. Doch ist diese Logik selten genug den Handelnden explizit transparent. Um zu verstehen, ob und wo neue digitale Geschftsideen sinnvoll umsetzbar sind, ist ein Gesamtbild

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hilfreich, das die Sicht der Akteure von der Strategie bis zum Betrieb mit genau der Detailtiefe ausstattet, die jeweils wichtig ist. Das Detecon Digital Business Transformation Framework besteht im Wesentlichen aus drei Elementen: Ein einfaches, modulares Fhigkeiten-Modell (CapabilityBased Planning), skalierbar fr den jeweiligen Einsatzzweck, um nur die jeweils fr eine Aufgabe erforderliche Komplexitt zu betrachten. Hier wird etwa untersucht, welche Fhigkeiten ein Werk braucht, um die geplanten Produkte herzustellen. Jede Capability umfasst drei Dimensionen: Die Materialdimension beschreibt beispielsweise die Anforderungen an Maschinen und Embedded Systems. Die Prozessdimension definiert, welcher konkrete Bedarf fr Informationsaustausch und Prozessintegration besteht. Die Dimension People beschreibt die organisatorischen Aspekte und das notwendige Wissen und Knnen. Ein Informationsmodell, welches das modulare Modell der Fhigkeiten verwendet, um daraus spezielle Aspekte und Perspektiven zu betrachten zum Beispiel die Entwicklung der Betriebs- und Investitionskosten im Bereich des CRM ber Organisationsgrenzen und ber alle Architekturebenen hinweg. Dies jeweils im Ist-Zustand, wenn die geplanten und begonnenen Projekte umgesetzt sind, und im Soll-Zustand, wenn aktuell diskutierte nderungen an der Strategie in Angriff genommen werden. Eine gemeinsame Vorgehensweise fr die Transformation, damit konsistente und aktuelle Informationen erzeugt werden, anhand derer der aktuelle Arbeitsstand der Projekte beurteilt werden kann. Hierfr empfiehlt sich etwa die Architekturentwicklungsmethode von TOGAF (Open Group Architecture Framework).

Was passiert nun praktisch? Wo ist mit welcher Prioritt zu investieren? Wie rechnet sich die Integration neuer Unterneh menspartner? Um die strategischen Anforderungen zu sammeln, bieten sich Tools wie das frei im Web verfgbare Business Model Canvas an. Die Ergebnisse einer Methode wie Canvas lassen sich leicht in eine toolgesttzte Capability Map, der Landkarte an Fhigkeiten, bersetzen. Als Informationsaufzug, der aus dem modularen Modell des Unternehmens Informationen passender Detailtiefe und Umsetzungsstufe liefert, bieten sich BusinessIT-Management-Tools wie etwa planningIT an. Hierin lassen sich Zielbilder und Szenarien der knftigen IT- und Prozessorganisation gut diskutieren. Will ein Unternehmen beispielsweise fr eine digitale Strategie neue Kollaborationsmodelle mit Partnern auswhlen und einfhren, knnte ein konkretes Ergebnis dieses Vorgehens lauten, dass neue Fhigkeiten im Bereich Mobility Service Management entscheidend und hierfr ein Neubau der bisherigen CRMLandschaft notwendig ist. Die Analysen der Szenarien wrden dann anzeigen, dass damit zwar ein etwas hheres Projektrisiko als mit einem Umbau einhergeht, dafr jedoch deutlich mehr Integrationsmglichkeiten mit knftigen externen Partnern entstehen. Letztendlich fllt auch die digitale Welt nicht vom Himmel, sondern ist mitunter pragmatisch in die Wege zu leiten. Der Ansatz von Detecon, passend zur jeweiligen Situation jederzeit erfolgreich auf ein transparentes Enterprise Architecture Management zurckgreifen zu knnen, soll ein Unternehmen befhigen, in kurzer Zeit Auswirkungen von Vernderungen zu bewerten. blicherweise eine hochkomplexe Aufgabe, da oft wenig Transparenz ber konkrete operative Folgen in Unternehmens bereichen vorhanden ist. Doch nur so sind Unternehmen dafr gewappnet, erfolgskritische Innovationen zeitnah aufzuspren und in Gang zu setzen.

Uwe Weber ist Managing Partner und Grnder des EAM-Beratungsbereichs bei Detecon, mit dem er seit acht Jahren internationale Unternehmen verschiedenster Branchen bei der Einfhrung und Umsetzung von EAM bert. [email protected]

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Digitale Geschftsmodelle im Dienstleistungssektor

Neue Rolle als Manager des Kundenerlebnisses


Dienstleistungsunternehmen mssen sich in der digitalen Welt neu positionieren. Die Kundeninteraktion rckt in den Mittelpunkt und erfordert eine Anpassung existierender Assets und Kompetenzen sowie eine massive Investition in die Faktoren Information und digitales Vertrauen.

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nsbesondere im Dienstleistungssektor erwarten Kunden I heute von Anbietern Flexibilitt auf Basis individualisierter

Angebote und Leistungen, gnstige Preise, einen exzellenten Kundenservice sowie die Verknpfung mit der digitalen Welt der Smartphones und Tablets. Verbraucher mchten selbst bestimmt, schnell und bequem mit den Anbietern interagieren. Die Digitalisierung ebnet hierfr den Weg und forciert dieses Verhalten. Erkennen: Konkurrenz aus der digitalen Welt Traditionellen und groen, prozesslastigen Dienstleistungsunternehmen machen diese Kundenanforderungen hufig zu schaffen. Im Handel mussten ehemals klangvolle Namen wie Neckermann oder Quelle im Werben um den Kunden aufgeben und neuen Online-Versandhndlern wie Amazon und Zalando das Feld berlassen. Auch im Bereich der Finanzdienstleistungen vermgen neue Anbieter, beispielsweise Paypal und Smava, besser auf Kunden einzugehen, die untereinander vernetzt sind, als Bestandteil der Always-On-Gesellschaft mobile Endgerte fr ihre Finanzgeschfte nutzen und flieend zwischen Online- und Offline-Kanlen wechseln. Fr viele Finanzdienstleister besteht die reale Gefahr, mit ihrem Leistungsangebot unzureichend oder zu spt auf die neuen Kundenbedrfnisse zu reagieren. Darber hinaus sind viele traditionelle Dienstleistungsunternehmen hufig infrastrukturgeprgt. Energieversorgungs- und Telekommunikationsunternehmen sowie Banken und Handels unternehmen mit einem breiten Filialnetz ist gemein, dass ihr Geschftsbetrieb durch eine groe, kapitalbindende Flchenprsenz geprgt ist und sie gegenber neuen, vornehmlich Internet-basierten Unternehmen zunehmend unter Kosten- und Finanzierungsdruck geraten. Der Dienstleistungssektor ist also besonders von der rasanten Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT) betroffen und somit ein Vorreiter der digitalen Transformation. Kennzeichnend ist, dass ICT nicht

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mehr nur eine effiziente Leistungserstellung (Produktion) be fhigt, sondern mageblich die Leistungswahrnehmung und die Kundeninteraktion prgen. Leading Digital ist in den Dienstleistungsbranchen keine Option, sondern zwingende Geschftsnotwendigkeit im Kampf um die Aufmerksamkeit und Treue des Kunden. Neue, agile Geschftsmodelle knnen jederzeit entstehen und vermeintlich etablierte Akteure existenziell bedrohen. Umdenken: Geschftsmodelle und Leistungsangebote neu definieren Aus diesen Trends erwarten wir signifikante Vernderungen in den zuknftigen Marktrollen und in den Faktoren zuknftiger Wertschpfung. Rein vertikale Geschftsmodelle werden an Bedeutung verlieren, stattdessen werden sich horizontale Marktrollen entwickeln. Im Einzelnen sind dies der Manager der Kundenschnittstelle, der die Sprache des Kunden versteht, eine intensive Vertrauensbasis mit dem Kunden entwickelt und ihn in die Leistungserstellung mit einbezieht, der Plattforman-

bieter, der die Rolle eines Koordinators im Wertschpfungsnetz einnimmt, und der Infrastrukturbetreiber, der Brancheninfrastruktur und ICT-Infrastruktur in sich vereint und Basisdienstleistungen fr andere Anbieter zur Verfgung stellt. Unter Brancheninfrastruktur verstehen wir zum Beispiel Ladengeschfte und Logistik im Handel oder die Energie- und Bahnnetze. Aufgrund ihrer bestehenden Assets und der damit verbundenen Trgheit im Agieren werden traditionelle Unternehmen schnell in die Rolle des Betreibers der Brancheninfrastruktur gedrngt. Dieser Teil der Wertschpfung wird voraussichtlich wenig Wachstumspotenzial bieten und zeichnet sich durch hohen Effizienzdruck und Skaleneffekte aus. Um an Wachstums mrkten zu partizipieren, mssen sich Unternehmen daher damit beschftigen, wo in ihren Mrkten zuknftig die Wertschpfung generiert wird und welche weitere Rolle sie einnehmen mchten und knnen. Um aus dem Standardgeschft, das heit der Rolle des Betreibers der Brancheninfrastruktur, auszubrechen und mit der erwarteten Marktentwicklung Schritt zu halten, ergeben sich grundstzlich zwei Storichtungen:

Zuknftige horizontale Marktrollen

faktoren zuknftiger Wertschpfung Information Vertrauen

Manager der Kundenschnittstelle

Plattformbetreiber

Infrastrukturbetreiber Brancheninfrastruktur ICT-Infrastruktur Transaktion

Quelle: Detecon

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Zum einen knnen sich Dienstleistungsunternehmen in eine Marktrolle entwickeln, die sich um den Betrieb einer Plattform kmmert (siehe dazu auch den Artikel Gut vernetzt zur Energiewirtschaft auf Seite 38), zum anderen knnen sie die Rolle des Managers der Kundenschnittstelle anstreben. Verstehen: Neue Kompetenzen fr die Interaktion mit den Kunden Beobachtet man die Entwicklungen im Markt und die Charakteristika erfolgreicher (neuer) Unternehmen im Dienst leistungssektor, so ist erkennbar, dass die Rolle des Managers der Kundenschnittstelle durch drei Erfolgsfaktoren geprgt wird: (1) Transaktion: Der Faktor Transaktion stellt fr die meisten traditionellen Unternehmen des Dienstleistungssektors die Ausgangsposition dar. Er reprsentiert die Struktur des heutigen Kerngeschfts, das sowohl auf Brancheninfrastruktur, das heit physischen Assets, als auch auf Prozesskompetenz basiert. Fr den Manager der Kundenschnittstelle kommt es darauf an, von einer angebotsorientierten Unternehmensausrichtung zu einer nachfrage- beziehungsweise kundenorientierten Geschftslogik zu wechseln. Durch eine umfassende Kenntnis der Kundenbedrfnisse gestaltet er sich immer wieder neu erfindend die Customer Experience und orchestriert Infrastrukturbestandteile, um daraus innovative Angebote fr die Kunden zu ent wickeln. Dabei legt er ein besonderes Augenmerk auf die einfache Nutzbarkeit des Leistungsangebots und eine Einbeziehung des Kunden in die Leistungserstellung, beispielsweise durch Mass Customization, Customer Self Care und Prosumer-Angebote. (2) Information: Der Faktor Information gewinnt zunehmend an Bedeutung. Er ist die Whrung der digitalen Welt und beschreibt die Nutzung und Analyse interner und externer Informationsquellen fr die Anreicherung des eigenen Leistungs angebots. Das Spektrum reicht dabei von der Fhigkeit zur geschftsfrdernden Datenanalyse blicherweise die Domne von Business Intelligence ber die Verknpfung von klassischen Leistungen mit Mehrwertdiensten in Form von Zusatzinformationen, beispielsweise ber die Nutzung und Bereitstellung von QR-Codes, bis hin zum Angebot von reinen In-

formationsprodukten wie die Bereitstellung von Finanzmarktdaten in unterschiedlicher Auflsung und Aktualitt. (3) Vertrauen: Der Faktor Vertrauen muss beim Kunden erzeugt werden, bevor dieser sich zu einer Kaufentscheidung oder Vertragsbeziehung entscheidet. Vertrauen kann dem Unternehmen direkt entgegengebracht werden ein Kernelement jeder Markenstrategie oder, in den Zeiten von Social Media, ber Communities erzeugt werden. Als Negativbeispiel fr die erste Variante stehen Banken, die in der Finanzkrise einen enormen Vertrauensverlust hinnehmen mussten. Tragfhiger ist das Vertrauen aus Netzwerken, die Unternehmen entweder selbst gestalten oder denen sie beitreten knnen. Beispiele sind Beziehungen von Kufern und Verkufern auf Amazon oder E-Bay oder Netzwerke wie Facebook oder Twitter, auf denen Unternehmen und Kunden in Dialog treten. Diese drei Faktoren bilden das Spannungsfeld, in dem sich Unternehmen in der digitalen Welt positionieren mssen. Bislang ist es nur wenigen Unternehmen gelungen, zwei oder sogar drei dieser Faktoren zu adressieren. Alle Faktoren beherrscht und bedient zum Beispiel Amazon: Transaktion: Pflege der Kundenbeziehungen und Verkauf von Waren, Information: eindeutige Identifikation von Artikeln durch die AmazonID sowie Bereitstellung und Aufbereitung zahlreicher Zusatzinformationen zu den Produkten in Form von Bildern und Beschreibungen, Vertrauen: Bereitstellung personalisierter Empfehlungen, Rezensionen, ffnen des Marktplatzes fr Kleinanbieter. Um die Erfolgsfaktoren fr sich zu nutzen, mssen Unternehmen der Dienstleistungsbranche neue Kompetenzen aufbauen und ihre Geschftsmodelle verndern. Leading Digital bedeutet einerseits die Neubewertung von existierenden Assets und Transaktionskompetenz und andererseits massive Investitionen in die Faktoren Information und digitales Vertrauen.

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Lernen: Kompetenzen aufbauen


In einem Praxisbeispiel zeigen wir die notwendigen Vernderungen und bentigten Kompetenzen, die Unternehmen befhigen, die digitale Transformation erfolgreich zu meistern und sich als Manager der Kundenschnittstelle zu etablieren. Im Handel, insbesondere im E-Commerce, beobachten wir einen Trend von transaktionsorientierten hin zu service orientierten Geschftsmodellen. Ein Beispiel hierfr ist Abo-Commerce, also die bedarfsgerechte Pauschalisierung von Angeboten fr regelmig gekaufte Verbrauchsgter. Amazon bietet solche Flatrate-Modelle beispielsweise fr Windeln und Rasiercremes an. Mit diesem neuen Geschftsmodell entwickeln Handelsunternehmen eine dauerhaftere Geschftsbeziehung mit einer strkeren Kundenbindung. Dies fhrt zu einem konstanten Erlsstrom und einer Erhhung des Share-of-Wallet bei diesen Kunden. Darber hinaus ergeben sich Cross-Selling-Potenziale durch die genauere Kenntnis der Kundenbedrfnisse. Welche Kompetenzen muss ein Handelsunternehmen aufbauen, um diese Form von Geschftsmodellen realisieren zu knnen? Wie zeigen dies anhand der drei Dimensionen Transaktion, Information und Vertrauen: (1) Transaktion: Die bisherigen Geschftsmodelle im Handel fokussieren auf den einmaligen Produktverkauf an einen traditionell anonymen Kunden und sind stark angebotsorientiert. Abo-Commerce erfordert die Fhigkeit, Dauerschuldverhltnisse zu managen und stellt den Kunden in den Mittelpunkt. Neben den notwendigen Prozess- und System voraussetzungen, um Dauerschuldverhltnisse abrechenbare Vertragsbeziehungen, massenmarktfhiges Stammdaten- und Kreditorenmanagement, automatisches Auslsen von Prozessen und Bezahlvorgngen abwickeln zu knnen, sind vor allem CRM- und Multikanal-Kompetenzen neu und erfolgskritisch. (2) Information: Grundlegende Elemente eines Leistungsangebots, das die jeweilige individuelle Lebensphase des Kunden bercksichtigt beispielsweise Verbrauchsprognosen oder Wechsel der Gre erfordern intelligentes Datenmanagement und -analyse. Im Beispiel der Windel-Flatrate stehen junge Familien als Zielkunden im Mittelpunkt, das Angebot ist nach sozio-konomischen Kriterien ausdifferenziert. ber das Basis-CRM hinaus ist eine exzellente Wissensbasis ber die Kunden und ihre (Familie!) Bedrfnisse Stichwort Kundenprofile essentiell. Dies ist die Grundlage fr eine kompetente Hotline, regelmige Informationen an den Kunden, digitale Einkaufs-und Kassenzettel inklusive Mobile Apps, Produkt- und Lieferbersichten. Die dabei gewonnenen Daten knnen ausgewertet und fr Kundenwertanalysen, Cross- und Upselling-Kampagnen und Verbrauchsprognosen herangezogen werden. (3) Vertrauen: Whrend bei den traditionellen transaktions orientierten Geschftsmodellen die Geschftsbeziehung bei jeder Transaktion neu auflebt und das Vertrauen des Kunden sich im wesentlichen auf die Produktqualitt bezieht, zielt der Abo-Commerce auf dauerhafte Beziehungen mit dem Endkunden. Dieser gibt durch das Abo und die in diesem Zusammenhang erforderlichen persnlichen Daten weit mehr von sich preis als in blichen Einkaufssituationen. Dementsprechend setzt das Geschftsmodell ein hheres Vertrauen des Kunden zum Handelsunternehmen voraus: Der Kunde ffnet sich dem Hndler und muss darauf vertrauen knnen, dass der Handelspartner die bedarfsgerechte Zustellung der Produkte zu dauerhaft preislich attraktiven Konditionen sicherstellt und hierbei auch sich ndernde Lebensphasen des Kunden bercksichtigt. Der Kunde muss sich somit keine Gedanken mehr ber die Erfllung eines gewissen Bedrfnisses machen, sondern vertraut dem Hndler, dieses bedarfsgerecht und wettbewerbsfhig zu befriedigen. Dieses vertrauensbasierte Geschftsverhltnis stellt hhere Anforderungen an den Hndler in Bezug auf die Betreuung der Kunden, die Erweiterung der Angebotspalette und die Preisattraktivitt des Angebots. Fr eine durchgngige kundenfreundliche Dienstleistung mssen viele Partner wie zum Beispiel Lieferdienste unter einen Hut gebracht werden und sowohl technisch wie auch organisatorisch und kommerziell integriert werden, beispielsweise durch Anreizsysteme fr die Partner oder Schnittstellen fr Datenaustausch. Der Hndler brgt nicht nur fr die Erbringung seiner Leistung, sondern insbesondere auch fr die Dienstleistungsqualitt seiner Partner. Folglich muss er ein durchgngiges Qualittsmanagement fr sein Wertschpfungsnetzwerk etablieren.

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Agieren: Was ist zu tun und wo fngt man an? Der Wandel der Mrkte und damit der traditionellen Geschftsmodelle im Dienstleistungssektor hat bereits begonnen. Auch wenn aus heutiger Perspektive noch nicht in Gnze abzusehen ist, wohin diese Wandlung letztlich fhren wird, so ist diese Entwicklung nicht aufzuhalten. Fr traditionelle Dienst-

leistungsunternehmen kommt es nun darauf an, diese digitale Transformation aktiv mitzugestalten und frhzeitig zukunftsfhige Positionen in diesen sich neu gestaltenden Mrkten zu besetzen. Um den sich ndernden Kundenanforderungen und dem zunehmenden Kosten- und Finanzierungsdruck bei den bestehenden Assets zu stellen und die neuen technischen Mglichkeiten zu nutzen, ist bei Unternehmen des Dienstleistungssektors ein Umdenken bei der Definition ihres Geschftsmodells erforderlich. Entscheidungstrger in den Dienstleistungsunternehmen sollten deshalb Antworten auf folgende Kernfragen finden, um die Reife des eigenen Geschftsmodells zu ermitteln und notwendige Handlungsbedarfe abzuleiten: Wie weit hat die digitale Transformation in den relevanten Mrkten fr mein Unternehmen bereits Einzug gehalten? Wo will sich das Unternehmen in der neu entstehenden Marktumgebung positionieren: raus aus der Rolle des fach seitigen Infrastrukturbetreibers und hin zur Rolle des dynamischen Managers der Kundenschnittstelle? Wie stark ist mein Unternehmen in den Dimensionen, die die Rolle Manager der Kundenschnittstelle voraussichtlich definieren werden: Transaktion, Information und Vertrauen? Wie kann mein Unternehmen die vorhandene Infrastruktur und Kundenbasis mit den Faktoren Information und Vertrauen so anreichern, dass neue Geschftsmodelle und Leistungsangebote mglich werden? Welche Rolle wird die ICT-Infrastruktur fr meine knftigen Geschftsmodelle spielen? Wie verbinde ich die beiden Infrastrukturbereiche?

Workshop Neue Geschftsfelder identifizieren.


Mit der Erarbeitung konkreter Geschftsmodellanstze fr den jeweiligen Sektor begleiten wir Unternehmen bei der digitalen Transformation ihres Kerngeschfts. Im Rahmen von Workshops bieten wir unseren Klienten: Impulse: Anregungen aus anderen Branchen in anderen Reifephasen entlang der digitalen Transformation Modellierung und Visualisierung: Teamorientiertes Erarbeiten von neuen digitalen Geschftsmodellen mit interaktiven und kundenzentrierten Methoden wie Design Thinking und dem Business Model Canvas Bewertung: Gemeinsame Abschtzung der Marktpotenziale der neuen Geschftsmodelle Umsetzbarkeit: Prfung der neuen Geschftsmodelle auf Umsetzbarkeit Handlungsbedarfe: Identifikation von Anforderungen entlang der neuen Wertschpfungsfaktoren Implementierungsanstze: Zeitstrahl mit ersten konkreten Schritten

Dr. Volker Rieger, Managing Partner, bert Klienten aus den Energie- und Telekommunikationssektoren zu neuen Geschftsmodellen im Rahmen der digitalen Transformation.

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Future Store Concept

ICT als integraler Bestandteil der Filiale der Zukunft


Informations- und Kommunikationstechnologien treiben die strukturelle Transformation ganzer Industrien voran. Im Handel lsst das grte Warenhaus der Welt, Amazon.com, Versandhndler wie Quelle und Neckermann von der Bildflche verschwinden.

elekommunikations- und Medienunternehmen waren die T ersten, die sich dem Innovationsdruck und der Agilitt von

nternetunternehmen wie Skype und Google stellen mussten. I Auch im stationren Handel hat die ICT-getriebene Transformation des Kerngeschfts begonnen. Gem dem Motto Handel ist Wandel sind Handelsunternehmen aller Segmente gefordert, zgig Kompetenzen in neuen Technologien aufzubauen, Anwendungen zu identifizieren, die ihre Kunden begeistern, und diese dann effizient in bestehende Strukturen und Prozesse zu integrieren. Es gilt also, heute die Weichen fr die Filiale der Zukunft zu stellen!

Die entsprechenden Technologien erreichen bereits den notwendigen Reifegrad samt entsprechender Kostendegression, Beispiel RFID, oder eine signifikante Marktdurchdringung, Beispiel Smartphones. Andere, wie NFC im Hinblick auf mPayment, werden durch Interessen branchenfremder Unternehmen gefrdert oder sind Weiterentwicklungen existierender Anstze, beispielsweise Big Data in der Datenanalyse. Oft kommt es auf eine geschickte Kombination von verschiedenen Technologien an.

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Kundenseitig steigt die Erwartung, die Vorteile des Online handels auch in der Filiale zu erleben. Diese erfllt der stationre Handel, indem er eigene Strken wie haptische Reize mit den umfassenden Informations- und Bewertungsmglichkeiten digitaler Kanle verbindet, um kaufkrftige Zielgruppen wie Digital Divas in der Filiale zu halten. Im Ergebnis versprechen die vollstndige digitale Abbildung aller filialbezogenen Geschftsprozesse und die damit nahezu jederzeit verfgbaren Informationen ber alle Ressourcen erheb liche Effizienzsteigerungen in allen Aspekten des Filialbetriebs von der Bestellung bis zur Sortimentsoptimierung. Generieren Handelsunternehmen mit den technologischen Mglichkeiten sogar einen kanalbergreifenden Mehrwert, wirkt dies positiv auf Kundenbindung und neue Umsatzquellen. Neue Technologien erffnen auch Mglichkeiten, das Kunden erlebnis zu verbessern, indem der Komfort fr den Kunden erhht wird (Convenience). Ein Beispiel hierfr sind persnliche Einkaufsassistenten, die im Wesentlichen in zwei Ausprgungen existieren: im Geschft installiert, zum Beispiel am Einkaufs wagen, oder als digitale, oft auch mobile Lsung in Form von Ratgebern oder Einkaufslisten als Smartphone App. Den Komfort fr den Kunden erhht auch die Augmented Reality. Nach Ladenschluss knnen Kunden weiter im virtuellen Schaufenster einkaufen oder Kleider virtuell anprobieren, wenn die reale Welt mit zustzlichen digitalen Informationen angereichert ist. Moderne Videoconferencing-Lsungen in Modegeschften lassen den Freund am Erlebnis teilhaben ob auf dem Handy, via Skype oder in HD-/3D-Qualitt auf dem heimischen TV. Mobilitt und der zunehmende Gebrauch von mobilen Endger ten erffnen den Hndlern auerdem einen neuen Interaktionskanal fr Beratung, Marketing oder auch den Verkauf. Auch den Anreiz wechselnder Sortimente untersttzen neue Technologien und Kanle auf der Einkaufsseite. Online-Plattformen wie Seedyaa dienen als Grohandel fr Designer, kleine Labels und Manufakturen. Fr Hndler ermglichen sie eine individuelle Sortimentserweiterung mit einzigartigen Produkten, die bisher nur unter hohem Zeit- und Geldaufwand fr Recherche und Bestellung mglich war. Und immer wieder heit das Zauberwort Individualisierung! Mit entsprechender Datenanalyse ist es denkbar, fr Cross-Selling via Smartphone-App oder Personal Shopping Assistant profilbasierte Empfehlungen zu erstellen, die dank echtzeitfhiger Warenwirtschaftssysteme mit einem kundenindividuellen Preis basierend

auf der tatschlichen Verfgbarkeit in der Filiale versehen werden knnen. Fr den stationren Hndler ist es heute ein Muss, auf weiteren Kanlen zumindest auffindbar zu sein besser noch, diese aktiv zu gestalten. Dazu bentigt er die Fhigkeit, die eigene Wertschpfung kanalbergreifend zu orchestrieren. Darber hinaus zeichnet sich ab, dass die ICT-getriebene Transformation ber die Integration neuer Dienste hinaus neuartige Geschftsmodelle samt zu besetzender Rollen mit sich bringt. Kritische Erfolgsfaktoren hierfr sind die Verfgbarkeit aller notwendigen Informationen und Daten als Asset des Hndlers, strategisches Partnermanagement und schlielich die tatschliche Kollaboration mit externen Partnern ber alle Ebenen hinweg. ICT-getriebene Geschftsmodelle bedeuten fr einen Hndler also einen erheblichen Mind Change. Zur Realisierung des vollstndigen Potenzials der Informations- und Kommunikationstechnologien fr das Kerngeschft des Handels bedarf es eines bergreifenden Konzepts. Zunchst gilt es, die spezifischen strategischen Rahmenbedingungen fr ICT-getriebene Vernderungen im eigenen Unternehmen zu definieren (Wie stehe ich zur ICT-getriebenen Transforma tion?), kontinuierlich den Markt und technologische Trends zu beobachten (Was ist mglich?) und anschlieend eine unter nehmensspezifische, qualitative und kommerzielle Bewertung der neuen Dienste und Geschftsmodelle vorzunehmen (Was ist sinnvoll fr mich?). Ergebnis ist eine kurz- und mittelfristige Roadmap der fr das Unternehmen relevanten ICT-getriebenen Dienste und Technologien. Die Spiegelung der sich ergebenden Anforderungen an den vorhandenen Ressourcen und Kompetenzendes Unternehmens in den Bereichen Strategie, Organisation, Prozesse, Daten und Architektur deckt existierende Lcken auf (Wie kann ich es umsetzen?). Hier kommt einer integrierten ICT-Architektur besondere Bedeutung zu. Diese muss, viel mehr als existierende, tendenziell heterogene Systemlandschaften, die neuen Anforderungen abbilden knnen, Daten aus einer Vielzahl von Quellen (echt-)zeitnah aufnehmen, verarbeiten und mittels flexibel konfigurierbaren Berechtigungskonzepten an einer Vielzahl von Schnittstellen zur Verfgung stellen.

Dr. Britta Cornelius ist Managing Consultant und bert vor allem Handelsunternehmen zu strategischen und organisatorischen Fragestellungen.

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Vom TK-Dienstleister zum IT-Dienstleister

Neue Geschftsfelder fr Telekommunikationsunternehmen


Die Welt wird digital. Den wachsenden Bedarf an IT-Basisdienstleistungen knnten knftig Telekommunikationsunternehmen decken.
rotz kontinuierlicher Innovation im Produktportfolio T vieler Mobilfunk- und Festnetzdienstleister stagnieren

elekommunikationsumstze weltweit. Massiver Wettbewerb T und eine Sttigung in vielen Mrkten treiben die Preise nach unten und reduzieren die Gewinne. Neue Quellen fr U mstze und Gewinne werden fieberhaft gesucht. Auch das renommierte TeleManagement-Forum hat in seiner Jahresvorschau Perspectives 2013 smart services smart business die Suche nach neuen Geschftsfeldern in den Mittelpunkt gestellt. Neuausrichtung anstoen Die digitale Transformation von Gesellschaft und Wirtschaft, die Detecon als einen zentralen Zukunftstrend identifiziert hat, bietet groe Chancen. Digitale Transformation bezieht sich auf den umfassenden Wandel in Unternehmen und in der Gesellschaft durch die Nutzung von Software, Netzen und Informationstechnologie. Dies ermglicht neue Produkte und Formen

des Konsums, verndert aber auch die Regeln und die Rollen im Wettbewerb: Immer mehr Unternehmen, deren Kernkompetenz auf ganz anderen Gebieten liegt, mssen sich heute mit Informationstechnologie auseinandersetzen und bentigen d abei Hilfe durch kompetente Partner. Telekommunikationsunternehmen besitzen in der Regel groe IT-Abteilungen, die sich mit hoher Zuverlssigkeit um den laufenden Betrieb und die Entwicklung von L sungen fr CRM, Billing und Netzbetrieb kmmern. Diese Dienstleistungen sind auch fr externe Kunden interessant. Die Deutsche Telekom AG hat mit ihrer Tochter T-Systems gezeigt, dass sich profitable IT-Leistungspakete fr Grokunden weltweit schnren lassen; Tochter STRATO bedient die Bedrfnisse kleiner und mittlerer Unternehmen nach Cloud-Services. Auch das amerikanische Mobilfunkunternehmen Verizon hat sich mit Cloud-Dienst leistungen ein weiteres Standbein geschaffen.

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Geschftsmodell schrfen Sind IT-Dienstleistungen im Rahmen der digitalen Trans formation eine echte Wachstumschance fr Telekommunika tionsunternehmen? Und was sind die Erfolgsfaktoren? Wie bei jedem Business-Case lsst sich diese Frage nicht pauschal beantworten, sondern muss, unter verschiedenen Blick winkeln betrachtet werden: Wie knnte ein entsprechendes Produktportfolio aussehen? Im Kern stehen Leistungen, die im gesicherten Rechenzentrum mit hoher Zuverlssigkeit erbracht werden, also Cloud-Services. Dazu zhlen die Bereitstellung von Server-Infrastrukturen, Plattformen mit Basisfunktionen oder komplette Anwendungsumgebungen, die eine Funktion, zum Beispiel eine CRM- Lsung, betriebsbereit liefern. Hinzu kommen Dienstleistungen, die eher von greren Unternehmen nachgefragt werden, wie die Vermietung von Platz im Rechenzentrum (Co-Location), Outsourcing von Betriebsaufgaben und Systemintegration. Alle diese Leistungen mssen im harten Wettbewerb mit hoher Effizienz und maximaler Zuverlssigkeit und Sicherheit produziert werden. Welche Kundensegmente sollen ber welche Vertriebskanle angesprochen werden? Die meisten Telekommunikationsunternehmen bedienen sowohl Endkunden wie auch Geschftskunden und haben daher Kontakte zu allen Arten von Unternehmen, unterschiedlichsten Branchen, groen wie kleinen Unternehmen. Daraus ergeben sich vielfltige Geschfts chancen, aber auch eine komplexe Struktur von Kundenbeziehungen, die ganz unterschiedliche Teile des Leistungsspektrums ansprechen: auf der einen Seite kleine Unternehmen, die standardisierte, vorkonfektionierte Cloud-Lsungen wie WebShops ber Self-Service-Portale einkaufen, auf der anderen Seite groe Unternehmen, die individuelle Betreuung und Leistungen, Outsourcing und Systemintegration bentigen. Hinzu kommt eine Vielzahl von Faktoren, die das Geschftsmodell beeinflussen: Werden Partner bentigt? Gibt es zustzliche Einnahmequellen, beispielsweise aus Werbung? Welches Marktvolumen und -potenzial ist vorhanden und wie sieht der Wettbewerb aus? Herausforderungen meistern Insbesondere der CIO erhlt durch den Aufbau eines neuen ITGeschftsfelds die Chance, seinen Bereich und sich selbst als Business-Partner neu zu positionieren. Dabei muss er sich einer Vielzahl von Herausforderungen stellen. Die zentralen Fragen

drehen sich um die Nutzung von Synergien und den Knowhow-Transfer aus der internen IT-Abteilung in die Produktionseinheit fr externe Kunden. Wir knnen heute davon ausgehen, dass alle Telekommunikationsunternehmen mehrere Kostensenkungswellen hinter sich haben. Das Personal ist im IT-Bereich auf ein Minimum reduziert worden und Aufgaben, die nicht zum Kerngeschft gehren, wurden oftmals ausgelagert. Der CIO muss also zunchst geeignete Personalressourcen wiederaufbauen oder ber Partner verfgbar machen, bevor er bei externen Kunden handlungsfhig ist. Untersttzung bekommt er primr von seinen leitenden Mitarbeiter, die allerdings auch im Tagesgeschft verhaftet sind, was wiederum ein Konfliktpotenzial darstellt. Der Aufbau der neuen Produktionskapazitten beginnt mit der Wahl einer Organisationsstruktur. Sollen interne und externe IT-Leistung auf gemeinsame Strukturen bauen oder strikt getrennt werden? Die erste Variante erlaubt gerade in einer Aufbauphase eine effiziente Nutzung von technischen und personellen Ressourcen und ein organisches Wachstum. Bei dnner Personaldecke kann aber gerade in der Startphase die Priorisierung von internen gegen externe Leistungen ein Auslser fr Konflikte werden. Auch das Controlling ist hufig nicht auf die exakte Erfassung von Kosten auf Projekt- oder Kundenbasis eingerichtet, sondern untersttzt Analysen auf Kostenstellenebene. Langfristig fhrt dies zum Aufbau eigener Organisationseinheiten fr externe IT-Leistungen. Dies erfordert eine eigenstndige strategische und operative Business- und Investitions planung, geeignete Monitoring- und Controlling-Instrumente, hoch automatisierte Bereitstellung von Leistungen, leistungs fhige Sicherheitsmechanismen und Mitarbeiter, die eine ausgeprgte Kundenorientierung zeigen. Erfolg haben Der Wandel vom Telekommunikationsdienstleister zum ITDienstleister im Rahmen der digitalen Transformation bietet viele Chancen fr eine wirtschaftliche Entwicklung. Der Weg ist nicht einfach. Das Beispiel der Deutschen Telekom zeigt aber den Erfolg des Geschftsmodells, den man mit strategischen Analysen und Entscheidungen gezielt ansteuern kann.

Johannes Ewers bert als Managing Consultant interna tionale Kunden in den Bereichen IT-Strategie, Architektur und Service Management.

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Reinhard Clemens, CEO T-Systems, ber die Cloud


Reinhard Clemens ist Vorstandsmitglied der Deutschen Telekom AG und CEO von T-Systems. Seit 1. Januar 2012 v erantwortet der diplomierte E lektrotechniker zudem alle IT-Aktivitten des Konzerns. Zuvor war Clemens seit 2001 bei der EDS in Deutschland als Vorsitzender der Geschfts fhrung fr den Vertrieb, Business Operations und Strategie in Zentraleuropa verantwortlich.

Die Cloud ist kein Selbstbedienungsladen


Wenn neue Technologien auf den Markt kommen, landen sie in der ICT-Branche schnell im Gartnerschen Hype-Zyklus. Hier rutschen sie nach dem Gipfel der berzogenen Erwartungen in das Tal der Enttuschungen, bevor eine Innovation in den Pfad der Erleuchtung einbiegt. Bis dahin schaffen es jedoch nur wenige. Cloud Computing, Big Data und Mobilitt gehren dazu. Mit zunehmend einfachem Zugang zur Technologie verndern sie die Beziehung zwischen IT-Abteilungen, Fachbereichen und Kunden.

W ann ist eine Innovation disruptiv? Wenn sie bestehen-

Selbstbedienung in der Cloud Um ihre Geschftsmodelle anzupassen und nher am Kunden auszurichten, brauchen die Fachbereiche IT-Lsungen, mit denen sie die Anforderungen umsetzen knnen. Diese Technologien verndern somit in den Unternehmen das Rollenverstndnis. Wenn die IT-Abteilungen ihnen diese Lsungen nicht bereitstellen, dann nehmen die Fachbereiche das Heft selbst in die Hand und gehen in der Cloud auf Einkaufstour. Laut IDCExperten kaufen Fachbereiche bereits heute zu 25 Prozent die bentigte Software komplett selbst die IT-Abteilungen stehen auen vor. Und rund 60 Prozent aller IT-Ausgaben erfolgen gemeinsam mit den Lines of Business. So mancher CIO sprt die Vernderung. In Zukunft werden Cloud-Anbieter zum Beispiel IT-Komponenten nicht mehr an CIOs verkaufen, glaubt Phil Colman, CIO von British American Tobacco. Stattdessen verkaufen sie umfassende Geschftslsungen gleich an unsere Marketing- und Supply-Chain-Geschftsfhrer. Diese wollen Informationen und Analysen in

de Technologien, Produkte oder Dienstleistungen verdrngt, sagt Wikipedia. Disruption ist auflsend, aufspaltend, zerstrend, verrt das Synonymlexikon. Die IT-Branche neigt dazu, Innovationen allzu schnell als disruptiv zu bezeichnen. Denn die meisten IT-Technologien geraten so schnell, wie sie gekommen sind, in Vergessenheit. Was die IT-Branche jedoch aktuell erlebt, ist in mehrfacher Weise disruptiv. Cloud Computing, mobile Lsungen, Social Media oder Big Data sind Entwicklungen, die sich in groem Mae auf Unternehmen jeglicher Gre und Branche durchschlagen. Sie rcken die IT noch strker als bisher in das Zentrum von Wirtschaft und Gesellschaft. Sie ermglichen neue Geschftsmodelle und zustzliches Geschft. Sie verndern aber auch die Beziehung zwischen ITAbteilungen und Fachbereichen, indem sie der IT durch zunehmende Consumerization ein gutes Stck ihrer Aura nehmen. Die disruptiven Technologien Cloud, Big Data, Social Media und Mobility haben die Kraft, unsere klassische Geschftswelt radikal zu verndern, ist auch Gartner-Analyst Dennis Gaughan berzeugt.

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Echtzeit erhalten, Marketingkampagnen gezielter steuern oder Produktdefizite direkt in die Entwicklung zurckgeben knnen. Kurzum: den Kunden in die Geschftsprozesse einbinden, um ihn bedrfnisgerecht bedienen zu knnen. Dafr brauchen sie Lsungen, die immer hufiger aus der Cloud kommen. IT-Verantwortliche als Treiber des Business Vor diesem Hintergrund mssen IT-Dienstleister und CIOs in den Unternehmen erkennen und verstehen, was die Fachbereiche voranbringt. Statt starre IT-Systeme zu verwalten, steuern und managen IT-Verantwortliche knftig dynamische IT- Services aus der Cloud, werten mit Big Data geschftsrelevante Informationen aus und entwickeln sich zum Treiber des Business. Sie fhren Millionen von unstrukturierten Informa tionen aus Social-Media-Kanlen zusammen und verknpfen sie mit vorhandenen Daten etwa aus CRM- und ERP- Systemen und analysieren sie gemeinsam. Stichwort: Big Data. In der IT stehen Daten fr Wissen. Angesichts der Datenmassen und -vielfalt 90 Prozent aller gespeicherten Daten entstanden erst in den vergangenen zwei Jahren blieb dieses Wissen bisher jedoch meist ungenutzt. 85 Prozent der 500 umsatzstrksten Unternehmen sind heute nicht in der Lage, sinnvolle Analysen dieser meist unstrukturierten Datenmengen durchzufhren, geschweige denn in Echtzeit. Aber genau darauf kommt es knftig an, wollen Unternehmen ihren Kunden standortbezogene und individuell zugeschnittene Services anbieten. Bei Online-Hndlern fallen Millionen von Daten an, die bisher nur wenige in Echtzeit auswerten. Wer diese mit Nutzerinformationen aus Internet-Foren, Blogs und sozialen Medien kombiniert, leitet neue Impulse fr Produktentwicklung und Services ab. Ein weiteres Beispiel fr Big Data bietet die Energiewende. Die von der Europischen Union geforderte Ausstattung der Haushalte mit intelligenten Stromzhlern sowie der steigende Anteil regenerativer und dezentral erzeugter Energie, stellen ganz neue Anforderungen an die Energieerzeuger. Wenn allerdings 40 Millionen Smart Meter wie geplant im Viertelstundentakt Verbrauchsdaten an die Versorger senden, mssen sie pro Stunde rund 3,8 Milliarden Datenstze vereinbaren. Ohne Big Data ist dies kaum zu realisieren. Auf Basis der Analysen steuern die Stromproduzenten die Produktion in Echtzeit, informieren ihre Kunden zeitnah oder bieten ihnen gezielt neue Tarifmodelle an. Zwei Beispiele, die zeigen warum Big Data eines der wichtigsten IT-Themen der nchsten Jahre ist. 2012 wurde bei Big Data vor allem in Hard- und Software investiert. Bis 2016 soll der Anteil der Big-Data-Services auf 43 Prozent steigen. Der Gesamtumsatz zum Thema Big Data wird bis dahin schnell und berproportional wachsen und sich auf 15,7 Milliarden Euro verdreifacht haben.

Enges Zusammenspiel von Business und IT Die beste Analyse ist noch kein Wettbewerbsvorteil. Die Differenzierung entsteht bei Produkten und Services. Amazon revolutionierte den Buchhandel, der eReader das Buch an sich. Digitalkameras brachten den Fotopionier Kodak in die Insol venz. Apple, Spotify und Juke setzen der Musikindustrie zu. Google News bringt den Nachrichtenmarkt durcheinander. Neckermann und Quelle gibt es nicht mehr, dafr florieren OTTO und Zalando. Hinter allem steckt Kundennhe kombiniert mit einem auergewhnlichen Nutzererlebnis. Erfolgreiche Geschftsmodelle gehen den Weg zum Kunden schnell, transparent und direkt, sagt Wolfgang Schwab von der Experton Group. Unternehmen mssen ihre IT-Prozesse darauf abstimmen. Denn die Performance der Fachbereiche ist ohne Technologien im Hintergrund kaum mglich. Dafr mssen die IT-Verantwortlichen, so Schwab, Anforderungen aufnehmen und sie in technische Lsungen berfhren. Beispiele wie Zalando oder Amazon haben eines gemeinsam: Sie basieren auf engem Zusammenspiel von Business und IT und schaffen Kundennhe in neuer Dimension auf Zero Distance zum Kunden sozusagen. Fr Unternehmen ist diese Nhe die Basis fr Customer Excellence. Sich mit besseren Informa tionen aus tausenden von Datenquellen ein perfektes Bild vom Kunden zu machen, ihn in die Geschfts- und Marketingprozesse zu integrieren, immer schneller auf seine Bedrfnisse zu reagieren: Das ist die neue Welt, fr die IT-Abteilungen ihren Beitrag leisten mssen. Die Zeit der unverstandenen IT-Abteilungen und des dummen Anwenders ist dank Cloud, Apps und Mobilitt vorbei. Immer mehr Entscheider setzen sich selbst damit auseinander, Geschftspotenziale von ICT zu erschlieen. Sptestens 2015 investieren die Fachbereiche mehr als 100 Milliarden Euro in die IT ohne Umweg ber die IT-Abteilung. Dies fordert die zentralen IT-Abteilungen zustzlich, macht sie aber auch zum wichtigen Bindeglied. Genau dieser Trend wird im klassischen IT-Bereich das Thema Standardisierung und Automatisierung zusammen mit Cloud-Services weiter vorantreiben. Aber wie erfolgt die dafr ntige Transformation der Unternehmens-IT? Wie werden Legacy-Systeme in die Cloud berfhrt, bestehende Systeme um Cloud-Ressourcen erweitert sowie Applikationen modernisiert und mobilisiert? Und das alles bei laufendem Betrieb? Diese Fragen kann in der Regel nur die IT-Abteilung beantworten. Und dieser Wissensvorsprung gibt der IT die Chance, das langjhrige Beziehungsgefge zu den Fachbereichen zu korrigieren. Vom traditionellen Auftragnehmer von Marketing, Vertrieb oder HR hin zu einem Enabler des Business. Der CIO kennt nicht nur Businessprozesse und strategische Ziele. Er beobachtet auch neue Entwicklungen, die Einfluss auf die Geschftsziele haben knnen, ist ExpertonAnalyst Schwab berzeugt: So bewahrt er Fachbereiche vor Fehlentscheidungen.

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Die neue Nhe zum Kunden

Zero Distance

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Gestern noch Start-up, heute bereits Umsatzmilliardr. Jahrzehntelang traditioneller Marktfhrer, heute Online-Primus. Die Gewinner haben eines gemeinsam: Sie agieren radikal kundenzentriert. Verlierer dagegen, darunter namhafte Traditionsfirmen, haben verkannt, dass der Kunde und seine Bedrfnisse die neue Marktmacht sind. Und gehen oft in die Insolvenz.

W enn der Berliner Schuh- und Modeversand Zalando rund


vier Jahre nach dem Start schon eine Milliarde Euro umsetzt, in 14 Mrkten Europas Fu gefasst hat und in seiner Heimat eine Markenbekanntheit von 95 Prozent erreicht, bringt das etablierte Platzhirsche schnell in Bedrngnis. Mit seiner Ausrichtung auf die Marktmacht Kunde hat auch der Versandhndler Otto rechtzeitig reagiert und ist mittlerweile zweitgrter Versandhndler hinter Amazon. Gleichzeitig gehen traditionelle Hndler wie Neckermann in die Insolvenz.

Unternehmen, die heute erfolgreich sind, agieren schnell, einfach, direkt und transparent. Sie sind im Zeitalter des Kunden angekommen und schaffen eine radikal neue Nhe zu Kunden, Mitarbeitern und Daten. Der Shop oder die Dienstleistung kommt direkt zum Kunden nach Hause. Tablets, Smartphones und Co. sind die neue Ladentheke, und Social Media wird Teil der Wertschpfungskette Zero Distance. Wenn der Shop zum Kunden kommt Beispiel: Die britische Supermarktkette Tesco. Sie stellt mit ihren virtuellen Supermrkten in Sdkoreas U-Bahnen den Kunden in den Mittelpunkt. Bestellt wird per QR-Code und geliefert direkt nach Hause. So entwickelte sich das Unternehmen innerhalb weniger Wochen zum Marktfhrer des Landes im Lebensmittel-Internethandel. Das Fundament: Hinter dem Bestellprozess der Zahlungsabwicklung und der genauen Auslieferungssteuerung steht eine durchgngige ICT-Kette. Oder im Banking: Mit einem reinen Onlinebanking-Ansatz ist INGDiBa mit heute 7,5 Millionen Privatkunden die Nummer eins unter den Online-Brokern und drittgrte Privatkundenbank Deutschlands. Und das ohne eine einzige stationre Filiale, aber mit 1.200 Geldautomaten im ganzen Land. Das Erfolgsrezept all dieser Unternehmen ist der konsequente Einsatz von so genannten disruptiven Technologien. Die

nalysten von Gartner sagen, dass Cloud Computing, Big A Data, Social Media und Mobility gebndelt die Kraft haben, unsere klassische Geschftswelt radikal zu verndern. Weil sie Distanzen auflsen und Wege zum eigenen Mitarbeiter, zu verfgbaren Daten und zum potenziellen Kunden Richtung Null verkrzen. Nie war Informations- und Kommunika tionstechnik fr den Erfolg von Businessstrategien so entscheidend wie heute. Dies haben auch die Fachbereiche erkannt und greifen immer mehr zu IT-Selbsthilfe in Form von Cloud- basierten Lsungen. Wer trifft zuknftig IT-Kaufentscheidungen? De facto werden CIOs von zwei Seiten in die Zange genommen: Zum einen von den eigenen Usern jenen, die immer und berall egal mit welchem Device arbeiten wollen , sowie von den Fachbereichen, die, getrieben von ihren Aufgaben, eigenes Budget fr IT-Lsungen einsetzen. Zum anderen vom IT-Consumer befeuerten Marktgeschehen vor der Tr. Besonders an der Geschwindigkeit, mit der IT-Abteilungen ihre Aufgaben lsen, wird bemessen, welche Rolle sie zuknftig in Unternehmen spielen. Zum Beispiel bei Investitionen. So wird die Frage Wer erkennt schneller, was dem Business ntzt der Fachbereich oder die IT? zum Kriterium dafr, wer zuknftig IT-Kaufentscheidungen trifft. IDC-Experten jedenfalls gehen davon aus, dass schon in diesem Jahr fast 60 Prozent aller IT-Ausgaben in Unternehmen unter direkter Einbindung der Lines of Business vorgenommen werden. Der CIO muss daher seine Unternehmens-IT in dyna mische Bereitstellungsmodelle und in die Cloud transformieren. Denn damit kann er die Legacy-Systeme um Cloud-Ressourcen erweitern, Applikationen modernisieren und schlielich mobilisieren. Gelingt diese Anstrengung, wchst die IT vom traditionellen Auftragnehmer von Marketing, Vertrieb oder HR hin zu einem Enabler des Business und ermglicht so Zero Distance.

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IT-Abteilung im Fokus

Einfach einfacher machen


Der Wunsch, Business-Anwendungen so unkompliziert und mobil zu nutzen wie Consumer-Apps, konfrontiert Mitarbeiter und Fachbereiche zunehmend mit der ITAbteilung. Fest steht: CIOs mssen eine Antwort auf den Simplification-Virus finden.
llein in Deutschland drngen jhrlich mehr als 300.000 A Hochschulabsolventen auf den Arbeitsmarkt. Sie bringen feste

Erwartungen an Arbeitgeber und ihren Aufgabenbereich mit auch in die IT-Ausstattung ihrer Arbeitspltze. Hier gilt fr viele der Digital Natives oder Generation Y das Motto: Keep it simple. Dieses Simplification-Virus, so Thomas Spreitzer, Lei ter Marketing T-Systems, hat lngst nicht nur die Generation Y infiziert, sondern User aller Altersklassen im Unternehmen. Sie alle fordern IT-Anwendungen am Arbeitsplatz oder mobil, die so schnell verfgbar und einfach bedienbar sind, wie die Apps, die sie auch privat nutzen. Wir halten das fr keine Modeerscheinung, die Unternehmen aussitzen knnen, sondern einen ernstzunehmenden Trend und haben dafr den Begriff der Generation Easy geprgt. Diese Generation will einfach mit Kollegen, Partnern und Kunden zusammenarbeiten, wie sie es etwa mit Skype, Facebook, WhatsApp oder Dropbox gewohnt ist beliebige Smartphone- oder Tablet-Versionen inklusive.
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Die vllige IT-Durchdringung des privaten und beruflichen Alltags durch Apps, Cloud Computing und leistungsfhige Endgerte hat inzwischen auch das Verhalten und die Bedrfnisse der Mitarbeiter beeinflusst, die anderen Generationen angehren. Verbote fhren nicht weiter Auf die Forderungen nach der neuen Freiheit mssen CIOs sich erst noch einstellen. Und zwar schon bald. Denn ihre Wnsche nach einfachen IT-Werkzeugen setzt die Keep-it-simple-Fraktion schon ohne die IT-Abteilung um. Verbote helfen CIOs nicht, sagt PAC-Analyst Dr. Andreas Stiehler, und alle Wnsche bedingungslos zuzulassen schon mal gar nicht. Noch fllt es den IT-Chefs daher schwer, unterschiedlichste mobile Endgerte unabhngig von Hersteller und Betriebssystem zu akzeptieren und zu managen. Auch wenn es technisch mglich ist dank Unified Communication & Collaboration-Tools (UCC),

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irtuellen Desktop-Lsungen (Mobile Device Management) v aus der Cloud oder Mobile Enterprise Solutions. Doch dafr mssen Unternehmen ihre Infrastrukturen erst berfhren. Stiehler: Es bleiben zwei Varianten: Entweder Social-MediaTools und Bring-your-own-device-Lsungen sicher zu integrieren und k lare Unterscheidungshilfen vorzugeben, ob Businessdaten etwa Dropbox-vertrglich sind oder nicht. Oder sie bieten den Mitarbeitern Enterprise-IT-Alternativen fr Facebook, Skype und Co an. Denn ohne Schutz der geschftskritischen Applikationen sowie Unternehmens- und Kundendaten, ber die Mitarbeiter dann ortsunabhngig und rund um die Uhr Zugriff haben, sind die Risiken vorprogrammiert. Daher heit es, attraktive Alternativen anzubieten: S harepoint statt Dropbox und WebEx anstelle von Skype. Aufzuhalten ist die Keep-it-simple-Entwicklung nicht, wie ein Beispiel aus einer Branche zeigt, die tglich mit wichtigen Kundendaten umgeht und eher als vorsichtig gilt. Als Samet Yilmaz 2011 bei KPMG einstieg, waren Skype, Dropbox oder USBSticks strikt verboten. Doch immerhin erlaubte das Unternehmen den Mitarbeitern mit dem ersten Arbeitstag von Yilmaz, ein iPhone statt Blackberry als Firmenhandy zu nutzen. KPMG hatte erkannt, was das Unternehmen daran hat, Mitarbeitern ihre gewohnten Arbeitsbedingungen weitgehend zu erhalten: Das schafft Identifikation, motiviert und erhht die Produktivitt, ist Yilmaz sicher. Wollen der Senior Associate und sein Team gemeinsam Excel-Dateien fr einen Kunden bearbeiten, mit MS Project Prsentationen abstimmen oder via Visio ihre Workflows codieren und modifizieren, bietet ihnen KPMG das Sharepoint-Upload Live Meeting als Alternative zu Skype. Ab Oktober fhrt das Unternehmen zudem den Social Media Service tippr ein: eine Crowd-Information-Sourcing-Plattform, die das Teamwork der Mitarbeiter entscheidend vereinfachen wird. Auf den Firmen-iPhones der KPMG fungiert eine passwortgesicherte Good App als Schleuse zum unternehmensinternen VPN-Tunnel. Sie kapselt und verschlsselt Unternehmens- und Kundendaten und hlt geschftliche von privaten Anwendungen ihrer User strikt auseinander. Geht ein Handy verloren, wird es remote abgeschaltet und alle Business-Daten stehen fr das Ersatzgert sofort wieder zur Verfgung. Genau so nutzt der Wirtschaftsprfer auch sein privates iPad mit Genehmigung und Zugangskarte von KPMG. Risiko der Self-Service-Mentalitt IT-Chefs mssen sich ffnen, sagt auch Dr. Markus Mller. Andernfalls, so der CIO der Deutschen Telekom, droht uns eine einzige Selbstbedienungswelle, in der jeder Mitarbeiter an Applikationen und Devices ins Unternehmen holt, was ihm ge-

rade sinnvoll, praktisch und zielfhrend erscheint. Dieser SelfService-Mentalitt lsst sich entgegensteuern, indem IT-Chefs heute schon wissen, welche Begehrlichkeiten das Netz morgen bei Mitarbeitern wecken wird, und entsprechende Alternativen anbieten, die die Konkurrenz der Public Tools nicht frchten mssen. Wo liegen aber die Grenzen zwischen Wunsch der Mitarbeiter und der Machbarkeit aus CIO-Sicht? Die Grenzen seien vor allem bei der Integration in die Legacy-Architektur und bei der Bercksichtigung von Sicherheitsaspekten schnell erreicht. Prioritt muss daher haben, was dem Unternehmen und damit letztlich den Kunden ntzt. Dazu gehren effektive Tools zur Zusammenarbeit genauso wie rumliche Flexibilitt bei der tglichen Arbeit. Hier bin ich als IT-Chef auch offen fr Innovationen. Um das keep-it-simple vieler Apps und Devices aus der Consumer-Welt in die Enterprise-IT zu berfhren, muss die Usability auch fr einen CIO ganz oben auf der Liste stehen. Dabei gilt neben Eigenentwicklungen die Devise, wenige wirklich gute Beispiele, die es auf dem Markt gibt und die viele nutzen und kennen auszuwhlen und diese intelligent aber umsichtig in die Enterprise-IT zu integrieren. Dazu gehrt bei Applikationen aus dem Netz auch, unberechtigte Datenabfragen unmglich zu machen und Mitarbeiter mit modernen Endgerten und mit einer berschaubaren, getesteten Software-Auswahl auszustatten, um unntige Komplexitt zu vermeiden. hnlich sieht das auch Dr. Andreas Stiehler. Obwohl Tools & Services aus dem Social-Media-Bereich mehr Schnelligkeit und einfachere, transparente Bedienung suggerieren, wrden viele von ihnen eine Tauglichkeitsprfung frs Business gar nicht bestehen: CIOs mssen diese Tools aus dem Flohzirkus des SoMe-Spektrums so in ihre Infrastrukturen, Security und Prozesse integrieren, dass sie dort keinen Schaden anrichten knnen, oder Enterprise-IT-Alternativen anbieten. Dies funktioniert nur, wenn Unternehmen und ihre IT-Dienstleister die sichere Integration einzelner Consumer-Anwendungen beherrschten und wssten, wie sich IT-Funktionalitten in der Administration entschlacken lassen. Das kostet Zeit, ITRessourcen und Geld, gibt Stiehler zu bedenken, rechne sich aber: Wenn die Mitarbeiter gern arbeiten, weil auch die IT reibungslos funktioniert, erhht das die Motivation und damit die Produktivitt. Bei dem heutigen Kampf um qualifizierten Nachwuchs werden Mitarbeiter kompliziertere Prozesse und Anwendungen nicht akzeptieren. Dann wandern sie fort zur Konkurrenz.

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Mobile Payment

Auslaufmodell oder Erfolgsgeschichte?

Die Skepsis der Deutschen als Hrde fr das Handy-Bezahlen so beurteilt aktuell eco, der Verband der deutschen Internetwirtschaft, den Markt fr Mobile-Payment-Lsungen in Deutschland. Auch wenn am Markt noch nicht so viel zu sehen ist, tut sich hinter den Kulissen einiges. Den berblick ber den Status Quo hat Armin Fischer, Experte fr Mobile Payment bei Detecon.

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DMR: Herr Fischer, was tut sich im deutschen Payment-Markt? A. Fischer: Der wichtigste Event in diesem Jahr ist der Launch der MyWallet, ein Produkt der Deutschen Telekom, in den kommenden Wochen. Daneben wurden in den letzen Monaten viele weitere Mobile-Payment-Lsungen gelauncht Yappital von der Otto-Gruppe zum Beispiel oder richtige Start-ups wie PayCash. Die Sparkassen integrieren jetzt NFC-Chips in ihre Bankkarten, um unter dem Namen Girogo kontaktloses Bezahlen mit der Geldkarte zu ermglichen. In Zukunft soll das auch mit dem Handy gehen. Auch der Online-Payment-Riese PayPal hat mit PayPal QR Shopping eine neue mobile Lsung an den deutschen Markt gebracht. DMR: Wie unterscheiden sich die einzelnen Anstze? A. Fischer: Zum einen danach, wo man damit bezahlen kann,

abattgutscheine und Gutschriften in ihre jeweiligen BezahlverR fahren integrieren knnen Google Wallet, ein NFC-gesttztes Verfahren, das 2011 in den USA gelauncht wurde, macht heute schon vor, wie so etwas in einer einzigen Transaktion gebndelt werden kann. Bei den Kosten kommt es darauf an, wie oder ber welchen Anbieter die Zahlung abgewickelt wird. Bei einer Kredit kartentransaktion sind die Transaktionskosten typischerweise hher als bei Prepaid-Verfahren wie Girogo. Allerdings sind auch andere Kostenfaktoren zu bercksichtigen, beispielsweise die Kosten fr die Kassenterminals, Personalschulungsaufwand oder auch die Frage, wer das Risiko eines Zahlungsausfalls trgt. Was die technischen Verfahren betrifft, sehe ich das Bezahlen per QRCode eher als bergangstechnologie, bis NFC von der Mehrheit der Smartphones untersttzt wird. Eine aktuelle Studie des EHI Retailinstitute im deutschen Einzelhandel zeigt NFC heute schon in der Favoritenrolle: 65 Prozent der befragten Hndler sehen NFC als aussichtsreiche Bezahltechnologie, an QR-Codegesttzte Verfahren glauben nur knapp 30 Prozent. 22 Prozent der groen Hndler haben bereits NFC eingefhrt oder pilotiert. Ein anderes zentrales Thema ist natrlich die Kundenakzeptanz: Kein Hndler wird dauerhaft eine Bezahlmethode anbieten, die nur von ganz wenigen Kunden genutzt wird.
DMR: Und was sind fr die Kunden die entscheidenden Kriterien? A. Fischer: Die Entwicklung, die sich abzeichnet, sieht die Nutzung aller Bezahlformen und Ausweise, die wir heute in Kartenform mit uns herumtragen, mittelfristig ber das Smartphone vor. Die Frage ist also nicht so sehr, welche Zahlverfahren wir in Zukunft nutzen, sondern eher, fr welche Brieftasche Wallet Application wir uns entscheiden. Da werden hnliche Kriterien gelten wie bei der Brieftasche aus Leder: Es mu viel reingehen, sie mu gut aussehen und praktisch sein. Das heit bertragen, es sollten sich mglichst viele Karten integrieren lassen, das User Frontend muss sexy programmiert sein und einfach zu bedienen sein. Was als neues Thema hinzukommt ist die Datensicherheit. Damit ist nicht nur der Schutz der Kartendaten und Kontoverbindung gemeint, sondern auch die Frage, wie der Anbieter der Wallet Application mit den Transaktionsdaten umgeht Stichwort Glserner Kunde.

also im Internet oder aber im physischen Einzelhandel, Proximity Payments genannt. Desweiteren gibt es Unterschiede in der Art der Bezahlung. Bei der Telekom Wallet wird man neben anderen Verfahren einfach per Kreditkarte bezahlen knnen, wobei die Kartendaten dann in der Wallet hinterlegt sind, sodass man die eigentliche Karte nicht mehr bentigt. Bei Paypal QR Shopping wird die Mobile Payment App einfach mit dem Paypal-Konto des Kunden verknpft. Bei PayCash wird ein Pre paid-Konto per Bankberweisung oder per Kreditkarte aufgeladen. Bei den Proximity Payments stellt sich noch die Frage, wie die Daten an der Kasse bermittelt werden. Die einen, Beispiel Telekom Wallet, setzen dabei auf die Funktechnologie NFC, die heute schon in einigen Kreditkarten oder den Girogo-Karten der Sparkasse eingebaut ist. Man hlt das Handy nur noch kurz gegen einen Hndlerterminal fertig. Ein anderes Verfahren ist die bermittlung der Daten per Bar-Code oder QR-Code zur Bezahlung wird von der App ein Code generiert, der dann vom Hndler mit einem speziellen Reader oder einem anderen Smartphone ausgelesen wird.

DMR: Welche Chancen rechnen Sie den Anbietern zu? A. Fischer: Die Jury steht noch aus, es gibt aber viele aktuelle Studien dazu, die einige Trends erkennen lassen. Bei den neuen Zahlverfahren fr den Einzelhandel zeichnet sich ab, welche Kriterien fr die Hndler besonders wichtig sind: Sicherheit ist mit Abstand das wichtigste Kriterium, aber Kosten und die Geschwindigkeit der Transaktion sind ebenfalls von Bedeutung. Whrend die meisten Verfahren in Punkto Sicherheit berzeugen, gibt es bei den beiden anderen Punkten Unterschiede. Fr den schnellen, reibungslosen Ablauf der Transaktion wird vor allem entscheidend sein, wie gut die Anbieter Treuekarten,

Insgesamt sehe ich die Telekommunikationsanbieter hier in Deutschland in einer fhrenden Rolle. Sie verfolgen von vorneherein einen Wallet-Ansatz, der sehr offen ist fr eine Vielzahl von unterschiedlichen Partnern wie Kreditkartenunter nehmen, Banken, Loyalty-Partnern und Einzelhndlern.

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Managementmodell fr Industrieunternehmen

Digitale Landkarte bildet Vernetzung von Kunden, Produkten und Unternehmen ab


Unternehmen mssen ihren Vernderungsbedarf in drei Dimensionen planen, wenn sie die Chancen der digitalen Transformation zur Steigerung von Wertschpfung und Performance nutzen wollen.

nternet, Smartphones und Social Media integrieren das digiI tale Zeitalter bereits fest in unserem privaten Alltag. Vieles, was

vor einigen Jahren undenkbar war, ist fr uns heute schon zur Gewohnheit geworden. Wikipedia als Ersatz fr den Brockhaus, Google mit der Antwort auf jede Frage oder persnliche Erreichbarkeit in fast jedem Winkel der Erde. Die digitale Evolution verndert aber nicht nur unser privates Umfeld. Vor allem fr Unternehmen ndern sich Produkte und Leistungsportfolios, deren operative Geschftsprozesse sowie der Umgang mit Geschftspartnern fundamental. Viele der Vernderungen sind absehbar vieles bersteigt zum heutigen Zeitpunkt allerdings noch unser Vorstellungsvermgen. Der Kontext Unternehmen wird durch die digitale Transformation komplexer und einem schnelleren Wandel unterworfen. Folglich wird es zunehmend schwieriger, die Konsequenzen fr

Handlungen und Entscheidungen im Blick zu halten. Neue digitale Geschftsmodelle versetzen Unternehmen in die Lage, Potenziale auf der Kunden-, der Produkt- oder Service seite, aber auch im operativen Bereich zu heben. Stellen Sie sich beispielsweise vor, Sie betreten ein Autohaus und verndern dort alleine mit der Gestik ihrer Hnde das Aussehen des Autos auf dem Grobildschirm. Alle Details von Motor und Technik betrachten und verstehen Sie, mit einem Wisch fgen Sie jede denkbare Wunschkonfiguration lebensecht hinzu, ja Sie entscheiden sogar, welche Einstellungen fr sportliches, komfortables oder effizientes Fahren fr welche Strecken, Jahreszeiten oder Fahrer gelten sollen. Kann das mglich sein? Ja. Im Rahmen der digitalen Transformation wird vieles real, was man in der Vergangenheit nur in Filmen kopfschttelnd als ferne Zukunft zur Kenntnis nahm.

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Teilweise schon heute, auf jeden Fall aber bald, werden durchgngig digitalisierte Prozesse von Design & Entwicklung bis hin zum Kundenservice abgestimmte Informationen erzeugen und weiterverarbeiten. Flexible, teilweise virtuelle Fertigungs- und Logistikverbunde stellen die Produkte zeitnah, kostengnstig und in hoher Qualitt her und ihre Verteilung weltweit sicher. Kann ich Werbeflchen als virtuelle Schaufenster mit QRBestellcodes ausstatten? Knnen Sensoren in der Produktion sofort kommunizieren, ob sich Bohrerhrten wegen des Austauschs von Kleinteilen verndern mssen? Und warum nicht die Smart Factory immer voll auslasten mit der Mglichkeit, vllig unterschiedliche Produkte darin zu fertigen, gespeist mit elektronisch Bauplnen aus der ganzen Welt? Unrealistisch? Nein. Hchste Zeit also, sich mit der eigenen digitalen Geschftsstrategie zu beschftigen und deren Vorteile fr die eigene Wettbewerbsposition festzulegen. Treiber wie der demographische Wandel, das Wachstum von Megacities und disruptive Technologien wie Big Data und Social Media fordern wie viele weitere Megatrends die Unternehmen heraus. Vielfach ist aber vllig unklar, welche Bedeutung und welche Tragkraft ihnen tatschlich inne wohnen. Klar ist: Der kluge Einsatz von ICT, also Informations- und Kommunikationstechnologien entscheidet knftig ber Gewinner und Verlierer im Marktgeschehen.

Zwar haben einige Unternehmen schon Forschungs- und Entwicklungsprojekte zum Ausbau der digitalen Fhigkeiten aufgesetzt. Viele sind aber dennoch kaum in der Lage, die Chancen optimal fr sich zu nutzen sowie Wechselwirkungen abzuschtzen. Und es reicht nicht aus, pragmatisch Prozesse zu digitalisieren oder IT-Systeme zu transformieren. Es geht vielmehr um neue Ideen und wegweisende Geschftsmodelle. Entscheidend ist daher ein Managementmodell, das die neue Komplexitt der Vernetzung von Kunden, Produkten und Unternehmen abbildet und als Wegweiser im Kosmos der Mg lichkeiten fungiert. Klienten sollten eine Digitale Landkarte, also ihren digitalen Vernderungsbedarf, ganzheitlich in drei Dimensionen zu planen. Diese Digitale Landkarte erlaubt es dem Unternehmen, im spezifischen Kontext des kosystems die Dimensionen Kunde, Produkte & Dienstleistungen sowie Unternehmen und Zusammenarbeit darzustellen sowie Wechselwirkungen abzuschtzen: Denn digitale Transformation ist weit mehr als reine Technologie sie ist der Treiber zur Steigerung von Wertschpfung und Performance im Unternehmen.

Gnter Krieglstein ist Mitglied des Executive Board von Detecon und leitet den Beratungsbereich Industry.

Digitale Landkarte Customer Experience Management Cloud Services No Touch Services Data Analysis Security Agile Supply Chain Customer Insight

Products & Services Customers Individualization Digital Products & Services M2M Communication Collaboration Crowd Sourcing Service-Orientation Quelle: Detecon Connected Enterprise & Partnering Digital Business Models

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Connected Car

Erfolgsfaktoren fr das vernetzte Auto


Technologie, Partner, Geschftsmodell der Erfolg des vernetzten Autos hngt davon ab, wie sich Automobilhersteller in diesen drei Faktoren positionieren.

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das auch Facebook? Auch im Auto wollen Konsumenten Kann nicht auf Smartphone, mobiles Internet und Apps verzichten

vernetzte Dienste und ein komfortables Infotainment-System bestimmen hier zunehmend die Kaufentscheidung. Erfolgreiche Automobilhersteller differenzieren sich daher mit End-to-EndStrategien, die erstmals den direkten Kanal zum Kunden im Fahrercockpit realisieren. Vor allem dem Kundenbeziehungsmanagement verleihen Connected Cars neuen Rckenwind und untersttzen ber Vertriebs- und Serviceorganisationen hinweg ein einheitliches Customer Experience Management bis ins Fahrzeug. Welche Faktoren entscheiden darber, wie erfolgreich OEMs die neuen Marktchancen nutzen? Faktor Technologie: Autohersteller mssen heute darber entscheiden, wie sie ihre Fahrzeuge vernetzen und welche Funktionalitten sie ihren Kunden im Auto konkret bieten wollen. Eine groe Herausforderung, denn mit dieser Einfhrung von Konnektivitt betreten die Automobilhersteller ein Terrain, in dem ihr Wissen begrenzt und hochspezifisch ist. So stellt sich die Frage, wie Konnektivittsmodule zu integrieren sind, damit die im Rahmen von On-Board-Diagnosen erhobenen Fahrzeugzustandsdaten fr intelligente Kundenkommunikation wie etwa aktuelle Ersatzteilangebote zur Verfgung stehen. Umgekehrt sollen Multistreaming-Dienste den Fahrer beispielsweise aufgrund seines gemessenen Fahrverhaltens ber passende Services informieren. Konnektivitt ist unweigerlich mit Fragen nach der Bandbreitenkapazitt verbunden. Der immer hhere Bedarf nach Mobilfunkdiensten zieht komplexe Infrastrukturinvestitionen mit sich. Sollen sich Autohersteller daher berhaupt die Mhe machen, Hardware-basierte Infotainment-Optionen anzubieten oder ist es nicht einfacher, alle Dienste aus einer Cloud heraus zu beziehen? Nicht zuletzt der Kundenwille spielt hier eine entscheidende Rolle. Die Art und Weise, wie Daten erhoben und beispielsweise in einer Cloud verarbeitet werden, knnte, falls dies schlecht ausgefhrt wird, die Betriebssicherheit des Autos und damit auch das Image eines Automobilherstellers gefhrden. Faktor Partner: Um die steigenden technologische Anforderungen und Kundenwnsche zu erfllen, mssen die Hersteller ihr Automotive-kosystem fr Partner ffnen. Neue und alte Marktteilnehmer aus der Elektronik-, Telekommunikationsund Softwareindustrie und sonstige Service-Provider bis hin zu Verkehrsbetrieben und Tourismus- und Freizeitanbietern werden sich knftig an der Wertschpfung beteiligen. Kolla-

boration, Cloud-Services und Architekturmanagement gewinnen damit weiter an Bedeutung. Deutlich werden die Abstimmungshrden unter anderem auch an der Tatsache, dass die Automobilindustrie den Lebenszyklus ihrer Produkte noch in Jahren bemisst, whrend die Softwareindustrie ihre Dienste oft schon in Monaten oder gar Wochen erneuert. Es wird deutlich: Vernetzung ist weit mehr als nur ein neues Feature fr Prozesse und Systeme. Autobmobilbauer mssen vllig neue Kooperationsmodelle und -prozesse sowie Modelle fr Produktdatenaustausch und Partnernetzwerke entwickeln. Faktor Geschftsmodell: Hier gilt es vor allem, das Produkt, seinen Mehrwert und die zugehrigen Prozess- und Umsetzungskosten zu analysieren. Vernetzte Infotainment-Systeme sind nicht nur ein attraktives Verkaufsargument, sondern liefern Mehrwertinformationen, mit denen Autobauer ihre Kunden genauer segmentieren, kostenpflichtige Services entwickeln und die Qualittssicherung verbessern knnen. Sensoren fr Diagnose und Navigationsuntersttzung liefern przise Daten ber einen Fahrer, seine Fahrgewohnheiten und den Zustand seines Wagens. Identifiziert ein Hersteller mittels Sensordaten den Wartungsbedarf eines Verschleiteils, bietet er dem Fahrer einfach einen Werkstattbesuch beim nchsten Vertragspartner an. Weitere Mehrwertdienste knnten ein digitaler Fahrtrainer, Wettbewerbe mit Community-Freunden in den jeweiligen Social Networks oder informative Hinweise zu eingesetzten lund Khlmitteln oder Nachrstservices und Podcasts fr den eigenen Bordcomputer eins sein. Doch fr all diese Ideen sind geschftliche Strukturen fr Margen und Distribution zu analysieren. Und beim Blick auf den Verbraucher gilt: Auch bei den Kosten orientieren sich die Nutzer zunehmend an Preisstrukturen, die sie aus den TelcoMrkten von ihren gewohnten Mobilfunkgerten kennen. Dort war beispielsweise die Flatrate populrer als Zusatzfeatures mit Aufpreis, wie sie im Fahrzeugkonfigurator blich sind. Last but not least: Konnektivitt wird die breite Masse nur akzeptieren, wenn auch der gesetzlich geforderte Datenschutz gewhrleistet wird.

Mark Heinrich ist Partner und bert Unternehmen der Automobilindustrie zu Strategie- und Innovations themen.

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Gut vernetzt

Smart Business Networks bieten neue Chancen fr Energieversorger


Die digitale Transformation fhrt zu starken Vernderungen der Geschftsmodelle in vielen Branchen, einschlielich der Energiewirtschaft. Ein erfolgreicher Ansatz, diesen Herausforderungen zu begegnen, ist die Bildung neuer Partnerschaften zu Wertschpfungsnetzwerken: den Smart Business Networks.

ie digitale Transformation bewirkt seit einiger Zeit m assive D Vernderungen in zahlreichen Industrien. Telekommunika-

tions-, Medien- und Handelsunternehmen waren als erste dem Innovationsdruck von Internetunternehmen wie Skype, Google und Amazon ausgesetzt. Zunehmend greifen die neuen Geschftsmodelle auf Branchen wie Banken und Versicherungen, Touristik, Automobil und auch die Energiewirtschaft ber. Ein wesentliches Element der Vernderungen ist die Umgestaltung einfacher Wertschpfungsketten in Richtung komplexer Wertschpfungsnetzwerke. Damit einher geht die Auflsung von Branchengrenzen. Es entstehen neue, dynamische Verbindungen zwischen bisher branchenfremden Unternehmen. Diese so genannten Smart Business Networks (SBNs) sind darauf aus-

gerichtet, unterschiedliche Geschftskompetenzen durch den Einsatz smarter Technologien zusammenzufhren. So verbinden sich im gerade entstehenden Markt fr intelligente Haushaltslsungen, der blicherweise mit den Begriffen Smart oder Connected Home bezeichnet wird, derzeit Unternehmen aus vormals klar getrennten Branchen wie zum Beispiel Energie, Unterhaltungselektronik, Gebudesystemtechnik und Telekommunikation. In hnlicher Weise entstehen Partnerschaften zwischen Automobilherstellern oder -zulieferern mit Energieversorgern und Telekommunikationsunternehmen, um im neuen Geschftsfeld der Elektromobilitt (E-Mobility) Produkte und Lsungen gemeinsam auf den Markt zu bringen.

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Anpassung der Geschftsmodelle als Voraussetzung fr den Erfolg In den neuen Mrkten kann sich der Erfolg nur ber eine gemeinschaftliche Wertschpfung innerhalb eines komplexen Netzwerks einstellen. Dafr werden alle Beteiligten ihre bisherigen Geschftsmodelle verndern mssen. Werden Energieversorgungsunternehmen ein subventioniertes Auto als Dreingabe zur Stromlieferung anbieten, so wie Telekommunikationsunternehmen heute bei Vertragsabschluss kostenfrei Handys ausgeben? Werden Automobilhersteller Stromvertrge als Teil des Wartungspakets anbieten? Oder werden neue Dienstleister Gesamtpakete aus Fahrzeug, Energie, Parkplatz und Wartung vertreiben? Allen diesen Szenarien ist gemeinsam, dass Produkte und Dienstleistungen aus heute unterschiedlichen Branchen gebndelt durch ein Partnernetzwerk angeboten werden. Andere, fr Energieversorger relevante Mrkte, in denen wir hnliche Konstellation erwarten, sind Stdte oder Regionen mit intelligenten Infrastrukturen (Smart Cities), die Bereiche Gebude- und Energiemanagement sowie der Ausbau dezentraler Infrastrukturen, Versorgungs- und Kommunikationsnetze sowie Stromerzeugung, beispielsweise mit Blockheizkraftwerken.

Smart Business Networks in drei Rollen In verschiedenen Studien und Analysen haben wir herausgefunden, dass Unternehmen in Smart Business Networks hufig eine von drei grundlegenden Rollen einnehmen: die des Infrastrukturbetreibers, die des Orchestrators, der eine Plattform bereitstellt, die es wiederum anderen Unternehmen ermglicht, intensive Kundenbeziehungen einzugehen und die Kunden des Netzwerks durch Innovationen zu begeistern. Die Rolle der Infrastrukturanbieter: Infrastrukturanbieter (Infrastructure as a Service, IaaS) stellen fr nachgelagerte Anbieter grundlegende, typischerweise wenig differenzierte Basisdienstleistungen (Commodities) bereit. Hierzu zhlen wir Energie- sowie auch Kommunikations- und IT-Infrastrukturen. Geschftsmodelle im Infrastrukturbereich sind hufig kapitalintensiv, zeichnen sich durch hohe Effizienz anforderungen und Skaleneffekte aus und erfordern ausgeprgte Trans aktions- und Betriebskompetenzen. Die Rolle des Plattformanbieters: Eine zentrale Rolle in Smart Business Networks spielen Plattformanbieter (Business as a Service, BaaS). Diese stellen Geschftsprozess-Artefakte bereit,

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die es anderen Unternehmen ermglichen, komplette Wertschpfungsstrukturen mit geringem Aufwand zu komponieren. Hufig beteiligt sich der Plattformanbieter an der Orchestrierung des Wertschpfungsnetzes. Aufgrund dieser Rolle nennen wir das Geschftsmodell von Plattformanbietern Business as a Service. Hufig ist der Plattformanbieter das dominante Unternehmen in einem Wertschpfungsnetz, das vielen kleineren Marktteilnehmern erst ihre Geschfts modelle ermglicht. Bekannte Plattformgeschftsmodelle finden sich in der IT-Industrie, das bekannteste Beispiel ist Apple, das ber den App Store unzhligen kleinen Software- und Spiele-Unternehmen einen unkomplizierten Marktzugang ermglicht. Ein Plattformanbieter sorgt fr die notwendige Standardisierung von Schnittstellen und Architekturen. Die Partnermodelle mssen dabei so gestaltet sein, dass sie den Akteuren gengend Flexibilitt fr andere Kooperationsformen oder eigenstndige Geschftsaktivitten bieten. Die Rolle an der Schnittstelle zum Verbraucher: Am Ende der meisten Wertschpfungsketten und -netze s tehen Konsumenten,

auf die Erfllung deren Bedrfnisse die gesamte Leistungserbringung ausgerichtet ist oder sein sollte. Bei zunehmender technischer Komplexitt vieler Produkte und Dienstleistungen kommt der bersetzung des technischen Produkts an die Bedrfnis- und Erlebniswelt der Verbraucher eine im Wettbewerb entscheidende Rolle zu ( Consumer Interface). Unternehmen, die besondere Fhigkeiten im Bereich Innovation, Dienstleistungsqualitt (Customer Experience) und Markenfhrung ausprgen, sind besonders erfolgreich, die Schnittstelle zum Kunden zu besetzen und damit die Kundenbeziehung zu managen. Amazon als Best Practice-Beispiel Betrachtet man Unternehmen unterschiedlichster Branchen im Rahmen des oben skizzierten Modells, so stellt man fest, dass die meisten nur eine der Rollen erfolgreich ausgestalten knnen und sich dementsprechend auf diese fokussieren. Das ist hufig dann auch genau die richtige strategische Entscheidung. Bei einigen wenigen Unternehmen stellen wir jedoch fest, dass es

Best practice

Kernfhigkeiten

EVU 2020

Waren/Produkte Digitale Gter (Medien, App Store) Endgerte (Kindle) Marktplatz Auslieferung Abrechnung/Bezahlung Logistik EC2/S3 Cloud Drive

Informationen Innovationen (Kunden-)Service Consumer Interface (Einzelhandel) Informationen Vertrauen (B2B) Partnerschaften Business as a Service Transaktionen Skaleneffekte Finanzierung Infrastruktur

Endgerte (Smart Home, Smart Meters) Lsungen (Anwendungen) Dienstleistungen (Privathaushalte, Gebude) Kundendienst (Field Force) Marktplatz (App Store) Abrechnung/Bezahlung Demand/Response, Virtual Power Plants Beratung, Roll-out und Betrieb Gas und Strom Distribution/Verteilnetze Infrastruktur-/Grid Management Erzeugung und Handel

Amazon hat sein auf Einzelhandel und Verbraucher ausgerichtetes Geschftsmodell bis hin zu Infrastrukturleistungen ausgedehnt. Der Mechanismus lag in der Bereitstellung von Schnittstellen und Plattformen (Enabling) und in Wholesale-Geschftsmodellen. Quelle: Detecon

Energieversorger knnen ihre bestehenden Geschftsfelder durch Dekomposition ihrer Wertschpfungskette und durch den Aufbau interner und externer Wertschpfungsnetzwerke ausbauen.

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ihnen gelingt, zwei oder sogar alle drei der oben beschriebenen Rollen einzunehmen. Diese Unternehmen sind dann insgesamt besonders erfolgreich, so dass eine Analyse ihres Erfolgsrezepts wichtige Hinweise auch fr andere Unternehmen liefern kann. Ein besonders geeignetes Beispiel ist Amazon. Das ursprnglich als Internet-Versandbuchhndler gestartete Unternehmen hat sich ber Verkaufsplattformen und Zahlungslsungen (Business as a Service) zu einem weltweit fhrenden Infrastrukturanbieter entwickelt. Mit Blick auf die Kompetenzfelder ist es Amazon gelungen, sein Geschftsmodell von einem reinen Internet-Versandhndler fr Konsumentenprodukte (Consumer Interface) durch zustzliche Plattformdienste signifikant auszuweiten. Amazon bietet seit einiger Zeit mit dem Marktplatz und damit verbundenen Diensten wie Fulfillment und Payment Plattformdienste im B2B- Bereich fr Partner an. Kleine Hndler knnen damit sowohl ihre Verkaufsplattform (Shop), als auch ihre Logistik und die Zahlungsabwicklung von Amazon durchfhren lassen und sich dadurch vor allem auf Vertrieb, Produktauswahl und Einkauf konzentrieren. Zustzlich profitieren sie von dem Vertrauen, dass hinter der Marke Amazon steht. Mit seiner Sparte Amazon Web Services hat sich Amazon dann in einem zweiten Schritt als Infrastrukturanbieter im Bereich Cloud Computing etabliert. Das grundlegende Prinzip, das dieser Entwicklung zugrunde liegt, ist die strategische Entscheidung, alle intern genutzten Dienste wie Logistik oder auch die Rechenzentrumsinfrastruktur Dritten zugnglich zu machen. Zuknftige Rollen fr Energieversorgungsunternehmen Was bedeuten nun diese Erkenntnisse und die zunehmend komplexer werdenden Wertschpfungsnetzwerke fr EVUs? Ohne Zweifel werden sie weiterhin einen wesentlichen Teil ihrer Ertrge aus dem angestammten Infrastrukturgeschft r ealisieren und auf eine investitionsintensive Erzeugungs- und Netzbasis zurckgreifen. Dieses Geschft steht jedoch bereits heute unter einem sehr groen Kosten- und Finanzierungsdruck. Wie in den Beispielen am Anfang des Artikels e rlutert, liegen Wachstumspotenziale vor allem in den komplexeren Geschftsmodellen, die auf Basis von Partnerschaften realisiert werden. Die werthaltigste Rolle ist die des Platt formanbieters, der als zentraler Player des Netzwerks Business as a Service-Dienstleistungen fr andere Unternehmen bereitstellt. Fr Energieversorger bieten sich dementsprechend Chancen, durch die ffnung von bereits

heute existierenden Leistungselementen zentraler Player bei energiebezogenen Wertschpfungsnetzen zu werden. Hierzu sind allerdings auch neue Kompetenzen erforderlich, die rechtzeitig aufgebaut werden mssen. Neben den Fhigkeiten, Partnerund Kundenbeziehungen zu gestalten, gehren dazu insbesondere der Umgang mit Informationen im Wertschpfungsnetz und der gezielte Aufbau und die Monetarisierung von Vertrauen in ihre Marke. Dies sei abschlieend noch einmal am Beispiel Smart Cities i llustriert. Getrieben von der Urbanisierung 2050 werden 70 Prozent aller Menschen in Stdten wohnen werden nachhaltige Stadtentwicklungskonzepte essentiell sein, um die Lebensqualitt der Stadtbewohner sicherzustellen. Wird heute das Thema Smart City noch stark von Unternehmen wie IBM oder Siemens besetzt, bieten sich hier insbeson dere fr EVUs Chancen fr neue Geschftsmodelle. Sie knnen ihr Know-how in den Bereichen Energieerzeugung, dem E nergiemanagement und der Energieeffizienz einbringen und ihre Managementkompetenz Stdten, Brgern und weiteren Dienstleistern anbieten. Innerhalb der Aktionsfelder intelligente Energieversorgung, integrierte Verkehrssysteme, Gebudetechnik, Gesundheitswesen, Sicherheit und Bildung knnen Energieversorgungsunternehmen sich als Partner der Brger und Kommunen etablieren. Partnerschaften fhren zum Erfolg Nach der vertikalen Desintegration, das heit dem Aufbrechen der linearen Wertschpfungskette Stichwort: Unbundling , steht die Energiebranche nun vor der Herausforderung, neue Wertschpfungskonstellationen zu schaffen. Der Ansatz der Smart Business Networks liefert ein Modell, das neue Mglichkeiten in Verbindung mit der digitalen Transformation aufzeigt. Den Energieversorgungsunternehmen bietet sich dabei die Chance, durch eine intelligente Ausdehnung ihres Geschftsmodells ber die Bildung partnerschaftlicher Netzwerke mit Unternehmen anderer Branchen neue Kunden und neues Wertschpfungspotenzial zu erschlieen. Je aktiver EVUs diese Rolle fr sich entwickeln, desto hher kann ihr Anteil an der Wertschpfung des Netzwerks sein.

Dr. Volker Rieger, Managing Partner, bert Klienten aus den Energie- und Telekommunikationssektoren zu neuen Geschftsmodellen im Rahmen der digitalen Transformation.

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Digitalisierung auf dem Vormarsch

Modernisierung der Verwaltung von Bund, Lndern und Kommunen durch E-Government
Welche Potenziale der Informations- und Kommunikationstechnologien zur Modernisierung des ffentlichen Sektors gibt es? Wir sprachen mit Prof. Dr. Jrn von Lucke, Lehrstuhl fr Verwaltungs-und Wirtschaftsinformatik an der Zeppelin Universitt Friedrichshafen, ber Mglichkeiten des E-Government in der ffentlichen Verwaltung.

DMR: Herr von Lucke, wie profitieren Brger, Verwaltungen und Unternehmen von einer Digitalisierung durch E-Government? Es geht beim Electronic Government auch darum, elektronische Ablufe und Prozesse als infrastrukturelle Grundlage des Regierungs- und Verwaltungshandelns einzurichten. Durch die Verwendung digitaler Vertriebskanle knnen die Transak tionskosten reduziert werden. Dabei darf es nicht nur um ein horizontales Mehrkanalmanagement von Kanlen neben einander gehen. Ganz im Sinne des vertikalen Mehrkanalmanagements muss der Aufbau einer gemeinsamen digitalen Basisinfrastruktur zur intelligenten Bndelung verschiedener Vertriebskanle im Mittelpunkt stehen. So knnen die persnliche Beratung, Call Center oder der Briefwechsel auf dem elektronischen Kanal aufsetzen. Wenn der Strategieansatz des vertikalen Mehrkanalmanagements verstanden und konsequent umgesetzt wird, sind mittelfristig fr Behrden nachhaltige Einsparungen mglich. DMR: Der Fokus von E-Government-Manahmen liegt also auf Kostensenkung und Effizienzsteigerung? Ziel ist die optimale Erfllung ffentlicher Aufgaben bei gleichzeitiger Effizienzsteigerung. Einsparmanahmen sind dabei ein wichtiger Aspekt. E-Government wird helfen, mit den anstehenden Herausforderungen des demografischen Wandels umzugehen. In den nchsten 10-15 Jahren werden ca. 40 Prozent der ffentlich Beschftigten die Verwaltung aus Altersgrnden

verlassen, whrend es wegen der neuen Pensionslasten kaum finanzielle Mittel fr Neueinstellungen geben wird. Schlielich mssen auch Beamte im Ruhestand weiterhin ihre Besoldung erhalten. Daher ist es notwendig, ber einen frhzeitigen Wissens transfer an knftige Generationen nachzudenken. E-Government kann in diesem Zusammenhang geeignete Wissens- und Archivierungsformate bereitstellen. DMR: Inwieweit knnen durch E-Government zustzlich ffentliche Einnahmen generiert werden und ist dies politisch berhaupt gewollt? Satzungen und Gebhrenordnungen bieten in Zeiten geringer Einnahmen durchaus die Mglichkeit, neue Einkommensmodelle zu definieren. Ist dies aber sinnvoll, wenn durch die kostenlose Bereitstellung von offenen Daten Existenzgrnder neues Wirtschaftswachstum generieren? Beispielhaft mchte ich die Bereitstellung von offenen Geodaten im Sinne des Open Data-Ansatzes nennen. Gebhren erweisen sich als Barriere zur Nutzung und Wiederverwertung von Daten. Eine Rckkehr zur indirekten Steuerfinanzierung bei einem Verzicht auf Gebhren wrde die Nachfrage nach Geodaten nachhaltig erhhen, das bestehende Geschftsmodell der Vermessungsverwaltung aber vllig auf den Kopf stellen. Jung unternehmer nutzen diese Daten und entwickeln Apps, die sie am Markt verkaufen. Dadurch schaffen sie Arbeitspltze und zahlen so Lohn- und Mehrwertsteuer. EUKommissarin Nelly Kroes e rwartet einen Wachstumsschub von 40 Milliarden Euro durch offene Verwaltungsdaten. Vor diesem

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Hintergrund muss darber nachgedacht werden, welche Konsequenzen sich aus Open Data fr die bewhrten Geschftsmodelle wie etwa in der Vermessungsverwaltung ergeben. Im Kontext von E- und Open Government gibt es also erhebliche Handlungsfelder, um ber neue Geschftsmodelle nachzudenken. DMR: Es knnte der Eindruck entstehen, dass Verwaltungskosten meist direkt oder indirekt von den Brgern zu tragen sind? Sicherlich werden sich Brger und Unternehmen an den Kosten von Verwaltungsleistungen zu beteiligen haben. Dennoch muss hinterfragt werden, wieso sich die Gebhrenkalkulation immer noch an der persnlichen Beratung als teuerstem Vertriebs kanal orientieren muss, wenn die elektronische Variante fr alle Beteiligten deutlich gnstiger wre. Eine persnliche Betreuung halte ich weiterhin fr wichtig, auch um es gar nicht erst zu einer digitalen Spaltung kommen zu lassen. Dennoch knnten Gebhren ber ein vertikales Mehrkanalmanagement anders und kostengnstiger kalkuliert werden. DMR: Wie wirkt sich die Abkehr von der persnlichen Betreuung hin zu einer strkeren Digitalisierung auf die Servicequalitt ffentlicher Leistungserbringung aus? Es gibt Bereiche, in denen auf eine persnliche Betreuung nicht verzichtet werden kann, beispielsweise bei der Integration von Arbeitssuchenden oder bei der Betreuung von Menschen

in echten Problemsituationen. Dies sind Bereiche, in denen Dienstleistungen als ffentliche Aufgabe wahrzunehmen sind und wo ein direkter Bezug zum Brger unerlsslich ist. In Alten- und Krankenpflege kann selbstverstndlich untersttzend mit IT-Technologien gearbeitet werden. Es gibt aber auch viele klassisch administrative Verfahren, deren inhaltlicher Schwerpunkt die Informationsverarbeitung ist und die elektronisch abgewickelt werden knnen. Ich bin der berzeugung, dass ITTechnologien den Mitarbeitern die Arbeit erleichtern, sie in ihren Ttigkeiten untersttzen und sie von diesen Diensten profitieren. Entscheidend ist, dass sich die Leute auf die IT verlassen knnen. DMR: Auf welche Handlungsschwerpunkte sollte sich die ffentliche Verwaltung im Rahmen von E-Government fokussieren? Auf Ebene der Lnder und Kommunen wird eine IT-gesttzte Bndelung und Abwicklung von Aufgaben und Diensten im Rahmen von Dienstleistungszentren (Shared Service Centern) knftig eine wichtige Rolle spielen. Durch die Verbesserung und Intensivierung der interkommunalen Zusammenarbeit knnen so Kosten gesenkt und neue Gestaltungsrume geschaffen werden, wenn sich mehrere Verwaltungseinheiten dieselbe Infrastruktur teilen. Open Budget 2.0 wird ein weiteres wichtiges Thema werden, also der transparente Umgang der Verwaltung mit unseren Steuermitteln.

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Detecon verleiht ICT Award


In Kooperation mit dem Bundesministerium fr Wirtschaft und Technologie wrdigt Detecon auergewhnliche Leistungen und Produkte von Unternehmen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie. Der ICT Award wird in den Kategorien Innovation, Leistung und Frderpreis vergeben. Die Premiere der Preisverleihung fand im Rahmen einer Feier zur Erffnung des neuen DeteconHauptsitzes in Kln statt. Eine unabhngige Jury hatte die Preistrger aus 24 nominierten Unternehmen in geheimer Wahl gewhlt. Am 26. September 2013 wird der ICT Award zum zweiten Mal verliehen. Die Jury-Mitglieder: Hansjrg Baur (T-Venture), Dr. Andreas Bereczky (ZDF), Prof. Dr. Peter Buxmann (TU Darmstadt), Dr. Bettina Horster (VIVAI Software AG), Thomas Lnendonk (Lnendonk GmbH), Dr. Pero Micic (FutureManagementGroup), Prof. Dr. Arnold Picot (LMU Mnchen), Prof. Dr. Radu P opescu-Zeletin (FraunhoferInstitut FOKUS), Daniel Schleidt (F.A.Z.-Institut), Dr. Christian Schmidt (DLR), Andreas G. Scholz (Freier Journalist), Rudolf Schulze (VDI-Nachrichten), Harald Stber (Vodafone D2 GmbH), Dr. Alexander Tettenborn (BMWi), Heinrich Vaske (Computerwoche), Prof. Dr.-Ing. habil. Anette Weisbecker ( Fraunhofer-Institut IAO).
In Kooperation mit

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Die Preistrger:
Innovationspreis: Die testCloud.de GmbH aus Berlin-Friedrichshain bietet einen innovativen Weg zur Qualittssicherung, indem sie Apps, Webseiten, E-Commerce-Plattformen oder mobile Anwendungen nach dem Crowdsourcing-Prinzip testet: Fast 3.000 registrierte Nutzer, darunter sowohl IT-Spezialisten als auch normale Hobby-Internetnutzer, prfen die Funktionalitt, Usability und Sicherheit der Software von Start-ups bis DAX-Unternehmen. Auf diese Weise werden klassische Testverfah ren ergnzt, weil nun auch die Nutzergruppen testen, fr die eine Anwendung tatschlich entwickelt wurde.

Leistungspreis: Die Dresdener Transinsight GmbH bietet intelligente semantische Suchtechnologien, die Suchanfragen auf logische Weise mit Hintergrundwissen verknpfen und damit wissenschaftliche Recherchen im Internet deutlich verkrzen. ffentliche Internet-Datenbanken halten derzeit Tausende 3-D-Proteinstrukturen, Hunderttausende von Sequenzen und Millionen wissen schaftlicher Dokumente bereit. Von der einfacheren Suche profitieren vor allem die Medizin-, Biotechnologie- und Pharmaforschung, aber auch Mrkte wie der Energie-, Automobil- und der Finanzsektor.

Frderpreis: Den Frderpreis fr ein Start-up-Unternehmen mit selbst entwickelter ICT-Technologie erhlt das Berliner Unternehmen UPcload GmbH. Es entwickelt Software zur Erfassung von Krpermaen per Webcam, damit Online-Shopper hiermit die Mae ihrer gewnschten Kleidungsstcke in Online-Shops vergleichen knnen. Der Versandhandel kann auf diese Weise die Retourkosten von zurckgesandter Ware verringern, whrend die Nutzer kostenlos am Bildschirm prfen knnen, ob und wie das Kleidungsstck zum eigenen Krperbau passt.

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Die Diskussion um die vollstndige, weltweite Kommunikationsberwachung und Datenmanipulation bringt das Thema Informationssicherheit wieder in die erste Reihe. Und das sagen unsere Gewinner dazu:

Information ist der Schlssel fr die nchsten 100+ Jahre. Wir mssen von Anfang an darauf achten, dass sich der rechtliche Rahmen parallel, idealer Weise sogar einen Schritt vor der technischen Machbarkeit bewegt. Das gilt insbesondere hinsichtlich Cloud Computing. So lange diese Erkenntnis noch nicht bei allen angekommen ist, mssen Sicherheitskonzepte, die zumindest zum heutigen Zeitpunkt nicht ausspionierbar sind, helfen, Daten zu schtzen. Sogenannte homomorphe Verfahren oder steganographische Methoden knnen untersttzen, Daten so zu sichern, dass sie per s nicht fr Unberechtigte lesbar sind. Neben unserer starken Kompetenz in semantischen Technologien bietet Transin sight auch Lsungen an, die Kunden bei der IT-Sicherheit helfen. Als eines von 12 ausgewhlten Projekten im BMWi Programm TrustedCloud arbeiten wir in GeneCloud speziell an Hochsicherheitslsungen fr die Medikamentenentwicklung. Hier geht es buchstblich um Milliarden und Entwicklungszeiten von bis zu 12 Jahren pro Medikament da ist Datensicherheit von enormer Bedeutung. Besonders kleine und mittelstndische Unternehmen profitieren von unseren hochsicheren bioinformatischen Cloud-Lsungen, unter anderem auch bei der Entwicklung von Bauchspeicheldrsenkrebswirkstoffen, die eine bislang ungesehene lebensverlngernde Wirkung zeigen. Das Gute daran: Aufgrund der extrem hohen Anforderungen der Pharmaindustrie haben wir nun Lsungen entwickelt, die auch anderen Industrien helfen, sicher Daten auszutauschen und zu speichern. Dr. Michael R. Alvers CEO Transinsight GmbH

Die Vorgnge um Prism und die Spionage praktiken der NSA rufen zurecht Emprung hervor, verdeutlichen aber vor allem eines: Der richtige Umgang mit Daten jedweder Art wird immer wichtiger. Das betrifft nicht nur den Datenschutz, den UPcload natrlich sehr ernst nimmt, da unsere Nutzer ihre persnlichen Krpermae in einem Profil speichern knnen. Mit diesen Daten muss man sensibel umgehen und sie vor Missbrauch schtzen. Die aktuelle Debatte zeigt aber vor allem, wie wichtig digitale Daten geworden sind und welche Masse an relevanten Informationen daraus gewonnen werden knnen. Der Umgang mit Daten wird in den kommenden Jahren ein Dauerthema bleiben. Asaf Moses CEO UPcload

Unsere Tester sehen hufig P rototypen und Software, wenn sie noch in alpha oder beta sind. Das Thema Daten sicherheit und Vertraulichkeit nehmen wir daher sehr ernst, denn es ist das Fundament unseres Geschftsmodells. Oft testen wir fr Unternehmen Websites, Mobile Apps, aber auch Enterprise Applikation in sehr frhen Phasen der Entwicklung meistens, bevor sie fr die ffentlichkeit sichtbar sind. Um dort sogenannte leaks zu vermeiden, haben wir besondere Mechanismen wie Ge heimhaltungserklrungen zwischen uns und den Testern oder auch zwischen K unden und Testern. Sollte das nicht r eichen, knnen wir VIP-Tester zur Verfgung stellen, die besondere Sicherheitskonditionen erfllen. Ob Online-Shop oder Unternehmenssoftware, generell lautet unser Ansatz: Es gibt keinen Grund, sich einer berprfung nicht zu unterziehen. Man kann einen Check intern implementieren, sollte aber darber hinaus einen unabhngigen Dienstleister hinzuziehen, gerade so, wie man sein Auto zum TV bringt. Bei unseren Security-Checks suchen wir nach Fehlern, um Unternehmen zu schtzen und weniger angreifbar zu machen. Thomas Grderich CSO testCloud

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Wie kommuniziert ein Raum?


Interview mit Professor Bernd Benninghoff, FH Mainz-Gestaltung
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resonate ist eine Licht- und Klanginstallation. Sie besteht aus mehreren Kilometern Klangsaiten und acht Interaktionskrpern, die insgesamt 1600 steuerbare LEDs beinhalten. Zupft man an den Saiten, verndern sich Spannung und Schwingung der Seile. Besucher knnen auf diese Weise individuelle Klnge generieren, die visuell in Lichtwellen bersetzt werden. Die Oberflche der Objekte ist Schnittstelle zwischen Klang und Licht. Im Rahmen der Luminale 2012 war resonate im Innenraum eines Containerboots in Frankfurt am Man zu sehen, spter am ZKM in Karlsruhe, einem der bedeutensten Orte zeitgenssischer Medienkunst. Resonate wurde 2012 beim internationalen Designwettbewerb Commaward in der Katagorie Raum als Gewinner mit Gold ausgezeichnet und gewann in diesem Jahr den Goldenen Nagel als Hauptpreis des ADC-Wettbwerbs in der Kategorie Nachwuchs/Rumliche Inszenierung.

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Themen der rumlichen Kommunikation stehen im Mittelpunkt des Masterstudiengangs, den Professor Benninghoff an der FH Mainz-Gestaltung betreut. Interaktion und die Integration von ICT spielen in den Projekten eine tragende Rolle. Mit dem DMR sprach er ber seine Forschungsarbeit.

Professor Bernd Benninghoff leitet den Innenarchitektur-Masterstudiengang Kommunikation im Raum an der FH Mainz-Gestaltung. Als Professor fr Mbel- und Raumdesign, aber auch als selbstndiger Designer, stehen fr ihn Produkt und umgebender Raum in wechselseitiger Beziehung und werden deshalb beim Gestaltungsprozess ganzheitlich betrachtet. Die von ihm initiierten Hochschulprojekte sind geprgt von ihrer interdisziplinren Ausrichtung und der Zusammenarbeit mit externen Kooperationspartnern aus Industrie und Handwerk.

DMR: Was ist unter rumlicher Kommunikation zu verstehen und welche Aufgabe soll die Innenarchitektur hier erfllen?

B. Benninghoff: Das Ttigkeitsfeld der Innenarchitektur hat sich in den vergangenen Jahren stark erweitert und ist sehr vielschichtig geworden. Neben den klassischen Aufgabenbereichen der Raumgestaltung bewegen sich Innenarchitekten heute in einem interdisziplinren Arbeitsfeld zwischen Architektur, Produkt- und Kommunikationsdesign. Die Erzeugung von Stimmungen durch Licht, Farbe und Materialitt sowie die Gestaltung von Raumstrukturen waren schon immer Kernkompetenzen das Szenographische, also die Inszenierung rumlicher Atmosphre und die Kommunikation zwischen Raum und Benutzer, wird immer wichtiger.

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An der Fachhochschule Mainz- Gestaltung haben wir deshalb vor drei Jahren den Master-Studiengang Kommunikation im Raum gegrndet. Seither setzen wir uns intensiv mit den Mglichkeiten kommunikativer und interaktiver Raum- und Produktgestaltung auseinander. 2011 haben wir beispielsweise im Rahmen der Klner Passagen die Kellerbar eines traditionellen Klner Hotels unter dem Titel Interactive Klsch zu einem atmosphrisch starken Interaktionsraum umgeplant, in dem die Besucher gemeinsam die Lichtstimmung beeinflussen konnten.
DMR: Digitale Medien verndern Rume und auch das Verhalten der Menschen in den Rumen. Welche Anforderungen stellt dies an die Innenarchitektur und welche Entwicklungen zeichnen sich hier bereits fr die Zukunft ab?

B. Benninghoff: Im Zeitalter der Digitalisierung wird die Auseinandersetzung mit neuen Medien und deren Bedeutung fr die Raumgestaltung zu einem wichtigen Aspekt der Gestaltung. Zuknftige Rume werden immer strker interaktiv auf die Bedrfnisse ihrer Benutzer reagieren knnen. Was wir momentan noch vorwiegend im Bereich der Ausstellungsgestaltung und bei der Messearchitektur sehen, wird nach und nach auch Einzug in die privaten und ffentlichen Rume finden. Entscheidend fr das Wohlbefinden der Benutzer wird dabei sein, dass die verwendete Technik im Hintergrund luft und sich intuitiv und benutzerfreundlich bedienen lsst.

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Fotos: Martina Pipprich

DMR: Wie sieht das Entwerfen und Planen im digitalen Zeitalter aus?

DMR: In Ihrem Studiengang dominiert Gruppenarbeit, meist sogar interdisziplinr. Liegt hier der Schlssel fr Innovation?

B. Benninghoff: Natrlich stehen dem Entwerfer heute ganz andere Werkzeuge als noch vor zehn Jahren zur Verfgung. Mit leistungsstarken Programmen knnen inzwischen extrem komplexe, parametrische Raumstrukturen erzeugt und visualisiert werden. Auch im Bereich des Modellbaus hat sich sehr viel getan mit Hilfe von computergesteuerten Frsen, Lasern und 3d Druckern lassen sich digitale Rume und Produkte unmittelbar in physische Modelle verwandeln. Allerdings ist diese ganze Technik auch weiterhin nur untersttzendes Werkzeug und letztendlich nur so gut wie derjenige, der es bedient und einsetzt. Starke Konzepte entstehen deshalb in der ersten Phase nach wie vor oftmals auf dem Skizzenpapier und nicht am Rechner.
DMR: Verraten Sie uns Ihre Vorstellung von einer atmosphrischen Browelt! Kann Gestaltung bereits die Kommunikationslsung sein?

B. Benninghoff: In Zukunft wird es immer wichtiger, transdisziplinr arbeiten zu knnen. Neben der eigenen Fachkompetenz ist der Blick ber den Tellerrand hinaus in angrenzende Arbeitsbereiche von groer Bedeutung. Dieses interdisziplinre Denken versuchen wir deshalb bereits whrend des Studiums zu frdern. Viele unserer Projekte finden in Zusammenarbeit mit angrenzenden Fachbereichen oder in Kooperation mit Industrieunternehmen statt. Ein sehr schnes Beispiel hierfr ist das Projekt resonate welches wir gemeinsam mit der Hochschule fr Musik Mainz entwickelt haben. Erst die intensive experimentelle Auseinandersetzung mit einer zustzlichen Disziplin und die Verknpfung unterschiedlicher Fachkompetenzen hat der Installation die letztendlich berzeugende Tiefe und Innovation beschert.
DMR: Viele Ihrer Projekte, insbesondere resonate, haben die Anmutung von Kunst und Performance. Existiert dennoch immer ein Praxisbezug oder geht es Ihnen hier mehr um den experimentellen Charakter?

Benninghoff: Die Gestaltung von Rumen ist sicherlich kein Allheilmittel fr ein gesundes, kommunikatives Arbeitsklima aber gut geplante Rume knnen eine positive Arbeitsatmosphre untersttzen und den Austausch unter den Mitarbeitern verstrken. Das ist gar nicht so einfach, denn die Mglichkeiten der individuellen, elektronischen Vernetzung bieten beste Voraussetzungen, um Kommunikation nur noch in Form von E-Mails, SMS oder Smart-Phone-Gesprchen stattfinden zu lassen. Die technischen Mglichkeiten des Home Office sind damit Segen und Fluch zugleich. Voraussetzung fr eine rege Kommunikation im Bro sind deshalb die Arbeitsablufe innerhalb eines Unternehmens. Sie mssen so definiert sein, dass sie Teamwork und Kommunikation zwischen den Mitarbeitern frdern. Wenn diese Strategie dann auch noch durch die gezielte Raumplanung und -atmosphre untersttzt wird, dann erkennen und schtzen Mitarbeiter auch wieder die Qualitt einer persnlichen Begegnung.

B. Benninghoff: Das Umfeld der Hochschule bietet uns und unseren Partnern die Mglichkeit, experimentell und forschend an neue Themen der rumlichen Kommunikation heranzugehen. Dabei steht fr uns, bei der Zusammenarbeit mit unseren Studierenden, die Entwicklung eines eigenstndigen, starken konzeptionellen Ansatzes immer im Vordergrund. Wenn man die wirtschaftlichen und technischen Zwnge einer Realisierung zunchst bei Seite legen kann, entstehen oftmals berraschend innovative Ideen. Wir haben allerdings den Anspruch, mehr zu leisten als konzeptionelle Luftschlsser zu bauen. Deshalb sind wir bestrebt, mglichst viele Hochschulprojekte auch zu realisieren zumeist in enger Zusammenarbeit mit Industriepartnern und Sponsoren. Denn erst bei der Umsetzung der Ideen zeigt sich, wie erfolgreich ein Konzept wirklich ist und welche Schwierigkeiten es beinhaltet. Fr alle Beteiligten oftmals ein aufreibender, aber auch extrem lehrreicher Prozess.

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DMR: Gibt es Ideen, Ihre Gestaltungselemente dort einzusetzen, wo Interaktion ntig wre, aber aus unterschiedlichsten Grnden kaum mehr im erforderlichen Umfang stattfindet beispielweise im Pflegebereich?

DMR: Haben Sie so etwas wie ein Wunschprojekt?

B. Benninghoff: Im Rahmen unseres Master Programms packen wir durchaus auch soziale und gesellschaftliche zuweilen auch unangenehme Themen an. Ein Projekt im vergangenen Jahr beschftigte sich mit dem Thema Tod. Wie gehen Rume und Produkte mit diesem Tabu-Thema um? Welche Mglichkeiten der Gestaltung gibt es? Im kommenden Wintersemester ist ein Projekt mit der Fraport in Frankfurt geplant. Es wird dabei um Andachtsrume am Frankfurter Flughafen gehen. Wie knnen Rume fr unterschiedliche Glaubensrichtungen aussehen? Wie msste ein Raum aussehen, der verschiedene Religionen in sich vereint? Wie kommuniziert dieser Raum ohne religise Symbole?
DMR: Wie fliet das Thema Nachhaltigkeit in Ihre Arbeiten ein?

B. Benninghoff: Nein nicht wirklich. Es klingt zwar etwas abgedroschen, aber das nchste Projekt ist tatschlich immer das spannendste und bringt wieder neue Herausforderungen mit sich. Schn ist, dass durch den Erfolg unserer bisherigen Installationen inzwischen auch externe Firmen und Museen auf unseren Studiengang aufmerksam geworden sind und neue Themen an uns herantragen, die wir dann in Form von Kooperationsprojekten realisieren knnen.
DMR: Und welche Projekte drfen wir demnchst erwarten?

B. Benninghoff: Am Thema Nachhaltigkeit kommt heute kein verantwortungsbewusster Gestalter vorbei. Im Rahmen unserer Lehre vermitteln wir unseren Studierenden ein Bewusstsein fr den Einsatz langlebiger Materialien, Konstruktionen und Gestaltungskonzepte. Gerade in unserer Branche ist das allerdings kein einfaches Thema, denn wenn man temporre Ausstellungen, Installationen oder Messeauftritte plant, dann wird es mit der Nachhaltigkeit schwierig. Es ist nicht einfach, einen Kunden von einem langfristigen Ausstellungskonzept zu berzeugen, denn schlielich will sich dieser immer wieder neu nach auen darstellen. Wer schon einmal nach Beendigung einer Fachmesse in die groen Mllcontainer geschaut hat, der wei wovon ich spreche. Hier gilt es, ein Bewusstsein bei den Firmen zu wecken und Konzepte zu liefern, die eine langfristige rumliche Nutzung ermglichen ohne sich zu wiederholen. Neue Medien und Technologien, die langlebige Raumstrukturen mit wechselnden Inhalten bespielen knnen, bieten hierfr intelligente Mglichkeiten.

B. Benninghoff: Nachdem sich unsere bisherigen Masterprojekte in erster Linie mit der Kommunikation und Interaktion von Rumen und deren Benutzern auseinandergesetzt haben, wird unser Fokus in diesem Semester strker auf dem Objekt und dessen Mglichkeiten der Kommunikation liegen. Die Frage ist: Welche Lebenssituationen verlangen nach interaktiven Produkten? Welche Objekte erhalten einen echten Mehrwert durch eine bewusste interaktive Gestaltung oder die sinnvolle Integration von Informationstechnologie? Gesucht werden diesmal Objekte im Spannungsraum zwischen Mbel und Raum, die mit dem Benutzer in Kontakt treten, ihn zur Kommunikation anregen, die seine Sinne ansprechen und dabei mglichst einfach und intuitiv funktionieren. Eine Gruppe von 18 Studierenden befindet sich aktuell in der Konzept- und Entwicklungsphase gemeinsam mit einer Reihe von Projektpartnern aus Industrie und Handwerk. Sie drfen auf die Ergebnisse gespannt sein, die im September prsentiert werden.

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Erfolg im digitalen Zeitalter

Wie CEOs das Potenzial der Informations- und Kommunikationstechnologie sehen

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In verschiedenen Branchen und Geschftsmodellen sind Daten heute der Schlssel zum Unternehmenserfolg. Dazu muss der Kunde im Mittelpunkt stehen.

er sich in den letzten dreiig Jahren mit dem innovativen W Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie in Unternehmen beschftigt hat, kann ein Lied von der Schwierigkeit singen, hierber auf Geschftsleitungsebene zu sprechen. Das Thema kam in der Regel nur dann auf die Agenda, wenn sich entweder geschftliche Katastrophen ereigneten, zum Beispiel nach dem Zusammenbruch des E-Business, oder wenn Projekte vllig aus dem Ruder liefen.

Seit kurzem jedoch stellen wir fest, dass sich mehr und mehr Geschftsleitungen, vor allem CEOs, mit Fragen rund um den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien beschftigen. Vor diesem Hintergrund haben Rupert Stadler, Vorstandsvorsitzender der Audi AG, sowie zwei Professoren der Universitt St. Gallen Andreas Herrmann und ich dreizehn Vorstandsvorsitzende und Mitglieder des Vorstandes grosser deutscher Aktiengesellschaften sowie zwei weitere Professoren eingeladen, fr ein gemeinsames Buch einen Beitrag ber ihren Umgang mit den innovativen Potenzialen der Informationsund Kommunikationstechnik zu schreiben. Im Folgenden fasse ich einige der Kernaussagen zusammen. Die Position der CEOs: Der Kundenkontakt hat oberste Prioritt Alle angesprochenen Unternehmensfhrer sind sich einig: Die Informations- und Kommunikationstechnologie verndert Produkte und Prozesse nachhaltig. Das Kommunikationsverhalten des Kunden hat erste Prioritt bei der Nutzung neuer Technologien. Jeder der Topmanager, der in diesem Buch zu Wort kommt, argumentiert in die gleiche Richtung. So schreibt beispielsweise Rupert Stadler, dass der Kunde knftig erwartet, dass sein berufliches und privates Leben auf und abseits von vier Rdern mit Hilfe von Seamless Connectivity abgebildet und durch eine Kombination von Always on sowie Data in the Cloud untersttzt wird.1 Ren Obermann, Vorstandsvorsitzen-

der der Deutsche Telekom AG, fhrt aus, dass durch die sozialen Medien eine neue Kundenmacht entsteht. Online-Kaufempfehlungen, Service- und Produktbewertungen spielen eine immer wichtigere Rolle.2 Michael Frenzel, Vorsitzender des Aufsichtsrates der TUI Travel PLC, beschreibt in seinem Beitrag, wie soziale Medien die Kundenbeziehung und Geschftsmodelle der Touristikbranche nachhaltig verndert haben.3 Herbert Hainer, Vorstandsvorsitzender der adidas AG, spricht gar von einer Revolution der Kommunikation, die durch die neuen digitalen Medien ausgelst wurde. Johannes Teysenn, Vorsitzender des Vorstandes der E.ON AG, fhrt aus, dass ein wesentlicher Treiber der Wettbewerbsdynamik auf dem Energiemarkt das Internet sei.4 Mathias Dpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG, betont vor dem Hintergrund der tiefgreifenden Vernderungen in seiner Branche, dass es den Medienunternehmen gelingen muss, sich in den digitalen Kanlen als Vorreiter und Spezialist fr Kundenbindung und -orientierung zu etablieren, wie dies im Print-Geschft ber Jahrzehnte der Fall war.5 Erstaunlicherweise argumentieren nicht nur CEOs,
1 Vgl. Stadler, R. Kunden- und Produktbeziehungen fr individuelle Mobilitt der Zukunft, in: Stadler, Brenner, W. Herrmann, A., Erfolg im digitalen Zeitalter, FAZ-Verlag, Frankfurt am Main 2012, S. 64 2 Vgl. Obermann, R., Like oder Fail? Kundenbeziehungen mit der Generation Facebook, in: Stadler, Brenner, W. Herrmann, A., Erfolg im digitalen Zeitalter, FAZ-Verlag, Frankfurt am Main 2012, S. 88 3 Frenzel, M., Wie die Touristik die neuen sozialen Netzwerke nutzen kann, in: Stadler, Brenner, W. Herrmann, A., Erfolg im digitalen Zeitalter, FAZ-Verlag, Frankfurt am Main 2012, S. 151 ff. 4 Teyssen, J., Intelligent vernetzt im Haus der Zukunft Der Umbau des Energiesystems verndert die Rolle der Verbraucher und der Kunden grundlegend, in: Stadler, Brenner, W. Herrmann, A., Erfolg im digitalen Zeitalter, FAZ-Verlag, Frankfurt am Main 2012, S. 110 5 Dpfner, M., Leser- und Kundenorientierung in einer digitalisierten Medienwelt Eine Zwischenbilanz, in: Stadler, Brenner, W. Herrmann, A., Erfolg im digitalen Zeitalter, FAZ-Verlag, Frankfurt am Main 2012, S. 167 ff.

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deren Unternehmen primr im Business-to-Consumer-Bereich ttig sind, in diese Richtung. Auch Topmanager aus dem Business-to-Business-Umfeld sind sich der strukturverndernden Kraft der neuen Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnik bewusst. Rolf Buch, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Arvato AG, bringt auf den Punkt, was viele seiner Kollegen denken: Amazon hat vorgemacht, wie man auf den neuen, ebenso flexiblen wie anspruchsvollen Kunden zugeht, ihm zuhrt und sich technologisch auf seine Bedrfnisse einstellen kann.6 Heinrich Hiesinger, Vorstandsvorsitzende der ThyssenKrupp AG, spricht in seinem Beitrag von einer Objektivierung der Kundenbeziehung durch den Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologie.7 Zusammenfassend lsst sich ber alle Beitrge erkennen: Die moderne Informations- und Kommunikationstechnologie verndert die Beziehungen zum Kunden tiefgreifend und wird damit zur Chefsache. Daten als l des 21. Jahrhunderts Die mitwirkenden CEOs beschreiben zahlreiche Felder der Informations- und Kommunikationstechnik, die Auswirkungen auf die Schnittstelle zum Kunden haben werden. Das Spektrum der von den CEOs angesprochenen Technologien reicht von Cloud Computing ber neue Benutzerschnittstellen und Social Media bis zur Informations- und Kommunikationstechnologie in Produkten. Die meisten CEOs erwhnen, dass der Nutzung der Daten entscheidende Bedeutung zukommen wird. Die Abbildung illustriert auf der Grundlage dieser berlegungen ein

Modell des Managements in der digitalen vernetzten Welt, basierend auf den Entitten Unternehmen, Kunde sowie Produkte und Dienstleistungen. Es existieren sowohl Daten im Unternehmen, beispielsweise Artikeldaten, als auch bei den Kunden, beispielsweise zu Internetbestellungen, und in Produkten und Dienstleistungen in den Embedded Systems8, beispielsweise ber Verschleiss oder Wartungsintervalle. Auch zwischen den Daten gibt es interessante Informationen, ber die Kaufprferenzen von Kunden oder die Verwendung von Produkten oder Dienstleistungen. Integriert in das Modell ist auch die Umwelt, denn in viele Informationssysteme werden Umweltdaten wie die geographische Position oder Wetterinformationen einbezogen. Das Modell zeigt, dass der traditionelle Datenbegriff ausgeweitet werden muss. Als Unternehmensdaten drfen in Zukunft nicht nur die Datenbestnde, die in strukturierten Datenbanken abgelegt sind, verstanden werden. Hierzu gehren Kundendatenbanken oder CRM-Systemen im SAP-System. Vielmehr gehren auch unstrukturierte Daten wie Videos oder Inhalte aus Social Media innerhalb und ausserhalb des Unternehmens dazu, ebenso wie Daten, die in Embedded Systems in Produkten entstehen. An den Schnittstellen zwischen Kunden, ihren Produkten und Dienstleistungen sowie dem Unternehmen entstehen somit innerhalb und ausserhalb des Unternehmens gewaltige Datenmengen. Durch systematische Auswertungen dieser Daten Data Analytics knnen neue Erkenntnisse ber das Verhalten der Kunden gewonnen werden. Unternehmen wie Google, Amazon, Ebay oder Apple zeigen, wie weit datenorientierte Geschftsmodelle gehen knnen. Das Kundenverhalten wird in diesen Unternehmen bereits ber viele Jahre verfolgt und alle Daten gespeichert. Auf dieser Grundlage sind sehr przise Vorhersagen ber das Verhalten von Kunden mglich. Jeder, der schon einmal einer Kaufempfehlung bei Amazon erlegen ist, wei, wie genau Amazon die individuellen Lese- und Informationsbedrfnisse kennt und in Umsatz verwandelt. Bei der Verwendung der Daten ist ein Trend zur sogenannten Echtzeitverarbeitung zu erkennen. Immer mehr Daten werden so gespeichert, dass sie nahezu verzgerungsfrei zur Verfgung stehen. Die Kenntnis ber die fr ein Unternehmen relevanten Daten, deren Sammlung und Qualittsprfung sowie schlielich ihre Verwendung fr Entscheidungen wird sich zu einem zentralen Bestandteil der Unternehmensfhrung in unterschiedlichen Bereichen und auf unterschiedlichen Hierarchieebenen entwickeln. Marketingleiter von Konsumgter-

6 V Buch, R., Der zersplitterte Markt Dienstleistungen im Zeichen der Digitalisierung, in: Stadler, Brenner, W. Herrmann, A., Erfolg im digitalen Zeitalter, FAZ-Verlag, Frankfurt am Main 2012, S. 210 7 Hiesinger, H., Die Mrkte der Zukunft erschliessen Wie die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien das B2B-Geschft verndern, in: Stadler, Brenner, W. Herrmann, A., Erfolg im digitalen Zeitalter, FAZ-Verlag, Frankfurt am Main 2012, S. 252 8 Als Embedded Systems werden Systeme bezeichnet, die in physischen Produkten integriert sind und eine berwachung oder gar Steuerung der Produkte ermglichen. Beispiele lassen sich sowohl in Anlagen von Produktionsstrassen als auch Gegenstnden des alltglichen Gebrauchs finden.

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unternehmen sind die ersten Fhrungskrfte, die sich aktiv um ihre Daten kmmern mssen. Der Kontakt mit dem Kunden wird heute ber viele Kanle abgewickelt. In jedem dieser Kanle entstehen Daten, die Rckschlsse auf offensichtliche oder latente Kundenbedrfnisse zulassen oder die Hinweise darauf geben, warum ein Kunde ein Produkt oder eine Dienstleistung gekauft hat oder nicht. Wer alle Beitrge der CEOs gelesen hat, erhlt den Eindruck, dass in Zukunft Daten beziehungsweise Information gleichberechtigt neben Arbeit und Kapital als Ressource steht. Diese Forderung ist zwar nicht neu. Im Lichte der neuen Entwicklungen Social Media, Industrie 4.0, Internet der Dinge wird jedoch deutlich, dass aus der einst khnen Forderung unternehmerische Realitt geworden ist. Konsequenzen fr die Unternehmensfhrung Das gestiegene Bewusstsein der CEOs fr die zuknftige Bedeutung der Informations- und Kommunikationstechnologie, vor allem der Daten, ist ein erster Schritt, um in einem Un-

ternehmen eine digitale Strategie zu entwickeln. Gesprche auf Managementebene zeigen, dass sehr schnell kritische Fragen gestellt werden: Haben wir einen berblick ber die Daten, die ber unsere Kunden in den unterschiedlichen Vertriebsund Kommunikationskanlen vorliegen?, Wissen wir, wann und warum unsere Kunden unterschiedliche Vertriebskanle nutzen? oder Kennen wir ausreichend die Prferenzen unserer Kunden?. Aufgabe der Geschftsleitungsmitglieder ist es, die richtigen Fragen zu stellen und die Antworten richtig zu interpretieren. Aufgabe der IT-Abteilung und weiterer Funktionsbereiche ist es, die Daten in der geforderten Qualitt auswertbar bereitzustellen. Es zeigt sich immer wieder, dass in Unternehmen Unklarheit darber besteht, wer fr welche Aufgabe im Umfeld der Daten verantwortlich ist. Oft wird die Aufgabe ohne groes berlegen an die Informatikabteilung delegiert. Diese zunchst naheliegende Entscheidung wird der Komplexitt eines zukunfts orientierten Einsatzes von Informations- und Kommunikationstechnologie nicht gerecht. Wenn beispielsweise Produkte durch elektronische Dienstleistungen ergnzt oder erweitert werden, ist die

Modell des Managements in der vernetzten Welt

Quelle: Brenner, W., Herrmann, A., Das Modell des Managements in der digitalen vernetzten Welt, in: Stadler, Brenner, W., Herrmann, A., Erfolg im digitalen Zeit alter, FAZ-Verlag, Frankfurt am Main 2012, S. 20

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Informatikabteilung in den meisten Unternehmen heute berfordert. In einem Automobilunternehmen muss beispielsweise geklrt werden, ob die Informatikabteilung oder die Forschung und Entwicklung die Verantwortung dafr trgt, wenn ein Auto nicht mehr mit einem Schlssel, sondern durch eine App auf einem Smartphone geffnet wird. Die Zustndigkeiten fr Innovation sind in vielen Branchen neu zu regeln, denn immer mehr Innovationen sind Softwareinnovationen. Und damit gilt: Ohne Kenntnisse des Softwareerstellungsprozesses und der Herausforderung im Betrieb von Software sind keine Entscheidungen ber sinnvolle und nutzbringende Innovationen mglich. Aus dieser zunchst trivialen berlegung resultieren zahlreiche weitere Konsequenzen: Welche Qualifikationen sind bei den Fhrungskrften notwendig? Welche organisatorische Einheit ist fr diese Art von Innovationen verantwortlich? Bei welchem Geschftsleitungsmitglied laufen die Fden zusammen? Jedes Unternehmen muss individuelle Antworten auf diese Fragen finden. Ihre Beantwortung setzt einen intensiven Lern-, Diskussions- und Transformationsprozess voraus. Fortschrittliche Unternehmen haben mit diesem Prozess bereits begonnen.
Prof. Dr. Walter Brenner ist Professor fr Wirtschaftsinformatik an der Universitt St. Gallen und geschftsfhrender Direktor des Instituts fr Wirtschaftsinformatik. Zuvor hatte er Professuren an der Universitt Essen und der TU Berkakademie Freiburg inne. Seine Forschungsschwerpunkte sind Industrialisierung des Informationsmanagements, Management von IT-Service-Providern, Customer Relationship Management, Einsatz neuer Technologien und Design Thinking. Daneben ist er freiberuflich als Berater in Fragen des Informationsmanagements und der Vorbereitung von Unternehmen auf die digitale, vernetzte Welt ttig. Gemeinsam mit Rupert Stadler und Andreas Herrmann verffentlichte er im Oktober 2012 das Buch Erfolg im digitalen Zeitalter: Strategien von 17 Spitzenmanagern.

Ende der Entwicklung ist nicht absehbar Immer wieder hrt man von vermeintlichen Experten die Aussage: Social Media und mobile Verarbeitung sind der letzte Quantensprung der Informations- und Kommunikationstechnologie. Die Entwicklung wird sich bald beruhigen. Es gibt im Moment kein Anzeichen dafr, dass diese Aussagen stimmen knnten. Die Innovationsgeschwindigkeit nimmt eher zu. Nach wie vor fliesst weltweit sehr viel Kapital in Neugrndungen mit digitalen Geschftsideen, die positive Stimmung im Silicon Valley ist ungebrochen. Zudem zeigt sich, dass der Konsument das mobile Internet immer strker in den Alltag integriert, unabhngig vom Alter. Fr viele und nicht nur fr jngere Menschen ist die Nutzung von Internet, App-Welt und Smartphones eine Selbstverstndlichkeit geworden. Unternehmen, die Geschftsmodell, Prozesse und Strukturen nicht auf diese neue Zeit einstellen, werden groe Probleme kommen. Die CEOs und Forscherinnen und Forscher, die an unserem Buch mitgewirkt haben, zeigen auf, wie eine konstruktive und zukunftsorientierte Auseinandersetzung mit Informations- und Kommunikationstechnologie aussehen kann.

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ANZEIGE

Erfolg im digitalen Zeitalter: Strategien von 17 Spitzenmanagern


Rupert Stadler, Walter Brenner, Andreas Herrmann

Fast scheint es, als habe sich der frische Wind der Revolution im Internet in eine laue Brise verwandelt. Die neue Machtposition des Kunden ist lngst bekannt. Fr die Wirtschaft rangieren ein eigener Facebookund Twitter-Account sowie eine attraktive Website auf den obersten Pltzen propagierter Erfolgsrezepte. Doch reicht das wirklich aus? Erfolg im digitalen Zeitalter versammelt erstmalig die Erfolgsgeschichten und Erfahrungsberichte von 17 CEOs und Top-Managern aus unterschiedlichsten Branchen sowie von fhrenden Wissenschaftlern.

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Social CRM

Von der digitalen Kommunikation zu Social Customer Excellence

MVNO giffgaff wickelt 99% des Kunden service ber die Community ab und bentigt dadurch 25 MA im gesamten Unternehmen!
Quelle: Lithium Case Study, http://www.lithium.com/customer-stories/giffgaff

McDonalds lsst Burger durch Kunden entwickeln und generiert hchsten jemals erzielten Kampagnenumsatz in D!
Quelle: Agentur Razorfish, http://www.razorfish.de/projects/mcd_mein_burger

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Viele Unternehmen sind in sozialen Plattformen aktiv, begegnen diesem Medium aber noch mit einem hohen Ma an Zurckhaltung. Der konsequente Aufbau von Social CRM ist nicht die Regel. Dabei besteht gerade jetzt die Chance, sich hier positiv vom Wettbewerb abzuheben.
mmerhin 88,7 Prozent der befragten Unternehmen e iner I BVWD-Studie gaben letztes Jahr an, ein Profil in den Sozia eaktions- und R Adaptionsgeschwindigkeit erwarten. Gut- wie Schlecht leistungen werden nicht nur vom betroffenen Kunden, sondern vom erweiterten Publikum wahrgenommen, bewertet und auch kommentiert. Diese Transparenz sowie die Tatsache, dass Nutzer nicht eindeutig als Kunden identifizierbar und auch nicht authentifizierbar sind, begrenzt auch das Angebot, der direkt darstellbaren Geschftsflle. Die Gestaltung eines sinnvollen, einfachen Kanalbergangs in diskretere Kanle ist hier ein wichtiger Effizienzfaktor. Social Media bietet als Kanal die Chance stetig steigender Reichweiten, vor allem die Partizipation externer Multiplikatoren, und damit verbundener Kostenvorteile in der Kommunikation. Der Preis dafr ist die limitierte Steuerungsfhigkeit und der damit einhergehende Bedarf an bersicht und Interventionsfhigkeit. Neben Kostenvorteilen verbessert sich aber auch die Glaubwrdigkeit der transportierten Information (siehe auch Studienergebnisse aus: How Do Social Recommen dations Influence Shopping Behaviour? A Field Experiment, Grahl/Rotlauf/Hinz, Working Paper, April 2013). Vielfalt an Mglichkeiten mit groer Reichweite Social Media als Kanal mit besonderen Eigenschaften und extrem hoher Adaptionsgeschwindigkeit hat Einfluss auf alle Bereiche des CRM: Sales, Service und Marketing. Das Unternehmen kann die Beziehung zu seinen Kunden durch Social Media um ein Vielfaches aktiver gestalten, um den Absatz zu steigern und die Kundenbindung zu erhhen. Hierzu werden die Insights aus Social Media nutzbar gemacht, um die Kunden besser zu verstehen, aber auch um Kunden effizient zu helfen und zu loyalisieren. Die Produkte, Leistungen und Marke erlebbar zu machen, beeinflusst Kaufentscheidungen positiv und erschliet neue Absatzpotenziale. Fr einige Branchen stellt Social Media sogar die Chance dar, erstmals direkten, qualifizierten Kundenkontakt in grerem Umfang zu erlangen. In der Automobilbranche beispielsweise hielten bisher vornehmlich die Hndler den direkten Kundenkontakt. ber Social Media investieren Hersteller nun selbst in den produkt- und

len Netzwerken zu fhren (Einsatz und Nutzung von Social Media in Unternehmen, Carola Lopez, 2012). Dieses Ergeb nis zeugt von einer mittlerweile grundstzlich hohen Akzeptanz des M ediums. Die Mglichkeiten von Social Media fr Kundenkommunikation und CRM gehen allerdings weit ber eine Facebook-Seite hinaus. Mehr als nur ein weiterer Kanal Auch Social Media nur als einen weiteren Kommunikationskanal zu betrachten, der neben anderen an das Service Center oder die Marketingagentur angebunden wird, greift viel zu kurz und trgt sogar erhebliche Risiken in sich. Vielfach ist zu beobachten, dass in verschiedenen Social-Media-Plattformen Reprsentanzen als Insellsungen unterschiedlicher Unternehmensbereiche abgebildet sind, zum Beispiel Recruiting durch HR, Kampagnen durch Marketing und ein Kundenserviceangebot durch das Servicecenter. Bisweilen ist dann noch nicht einmal die Unternehmensdarstellung konsistent. Die vom Nutzer erwartete bergreifende Handlungsfhigkeit, zum Beispiel die Beantwortung von Servicefragen auf der FacebookUnternehmensseite, und eine schnelle Reaktion sind in diesem Setup nicht realisierbar, von der Auswertung der Daten und ih rer bersetzung in konkrete Aktionen ganz zu schweigen. Der Schritt vom Social Media Management zu Social CRM verlangt zu allererst ein einheitliches Bild vom Medium selbst sowie ein angepasstes Zielbild fr die eigenen Social-MediaAktivitten. Insbesondere folgende Spezifika sind zu beachten:

Social Media ist ein Medium, dass sich mageblich von proprietren Kanlen unterscheidet. Es existiert eine Vielfalt potenziell relevanter Plattformen, deren individuelle Bedeutung ber die Zeit variiert. Damit einher geht auch eine Vernderung der jeweils vertretenen Ziel- oder Kundengruppen. Socia Media beziehungsweise Social CRM ist immer eine many-to-many-Kommunikation. Die Reprsentanten des Unternehmens interagieren in einem direkten Dialog mit Nutzern, welche hohe Transparenz sowie eine hohe

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servicebezogenen Austausch mit ihren Kunden und initiieren gezielte Aktionen zur Kundenbindung und zur Brand-Awareness: 2010 entwickelte MINI zur Einfhrung des MINI Countrymans in Schweden ein Social Game, das die Online- und Offline-Welt verschmelzen lsst. In der iPhone App sieht der Nutzer einen virtuellen MINI in Stockholm. Nhert er sich dem Auto, kann er das virtuelle Auto klauen. Wer am Ende der Woche den virtuellen MINI besitzt, hat ein echtes Modell gewonnen. Auch in Branchen mit intensivem direkten Kundenkontakt wie der Telekommunikation wirkt Social Media nicht nur ergnzend zu den bisherigen Kanlen, sondern kann auch in online- und offline-Kooperation die Kanaleffizienz und das Kundenerlebnis bergreifend verbessern. Zum Beispiel knnen Inbound-Servicekontakte durch Predictive Servicing reduziert werden. Hierbei werden Wortmeldungen ber das Unternehmen in Social Media (Share of Buzz) analysiert, um relevante Servicethemen zu erkennen. Diese Erkenntnisse werden mit einer Analyse der Anrufgrunderfassung aus dem Call Center gekoppelt. Zu den identifizierten Themen wird aktiv Kommunikation in den Kanlen gestreut und gegebenenfalls betroffene Kunden direkt kontaktiert. Unternehmen knnen auf diese Weise zum Beispiel Kunden bei einer Massenstrung aktiv informieren, gegebenenfalls bevor diese die Strung wahrnehmen. Das beugt Unzufriedenheit vor und transportiert schnell und zielgerichtet die

Botschaft: Problem erkannt und in Bearbeitung!. Unternehmen punkten durch transparente Kommunikation und hohe Kompetenzanmutung. Gleichzeitig knnen auch Kunden selbst Mechanismen in Social Media nutzen und die Beziehung zu Unternehmen aktiv gestalten. Die Flle der Mglichkeiten reicht von der Teilnahme an einer Community zu einem bestimmten Produkt ber Vernetzung und Austausch mit anderen Kunden, der online Bewertung von Leistungen des Unternehmens bis hin zur Gestaltung von Produktmerkmalen. Unternehmen geben damit zwar die Hoheit ber die Informationspolitik ein gutes Stck weit an ihre Kunden ab. Diese honorieren jedoch Beteiligung und Mitsprache im besten Fall mit einer positiven Botschaft an tausende Follower. Die Herausforderung auf dem Weg zur Social Customer Excellence besteht allerdings darin, diese Vielzahl an Mglichkeiten zu koordinieren und zu steuern sowie ein konsistentes Kundenerlebnis nachhaltig sicherzustellen. Roadmap zu Social Customer Excellence Aus unserer Erfahrung heraus empfehlen wir fr den Auf- und Ausbau der Social-CRM-Kapazitten einen evolutorischen Ansatz, der die besonderen Herausforderungen des Mediums Social Media bercksichtigt. Die Aktivitten unterteilen wir in drei Phasen: Listen, Talk, Co-Create.

Unternehmen

Koordination

Produkte und Marke(n) erlebbar machen

Kaufentscheidung positiv beeinflussen/neue Absatzpotenziale erschlieen

Kunden effizient helfen und loyalisieren

Kunden besser verstehen

Insights kanalbergreifend nutzbar machen

Andere Bereiche: R&D, PLM, HR, IR

Andere Kanle: E-Mail, SMS, Info Mail, Call, Shops, Mobile Sales, techischer Auendienst

Legende: = Reaktiv = Aktiv und Reaktiv

Quelle: Detecon

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Listen Das Unternehmen nimmt zunchst noch eine passive, beobachtende Rolle ein. Es beobachtet die Aktivitten seiner Kunden in den diversen Social-Media-Plattformen und identifiziert Aktivitts- und Reichweitenschwerpunkte sowie thematische Hotspots. Die bentigten analytischen Kapazitten werden aufgebaut und verfeinert. Gewonnene Erkenntnisse aus dem Kundenfeedback flieen aber in die Verbesserung der Prozesse, beispielsweise im Service und Vertrieb, ein. Auch Reputationsrisiken werden so frhzeitig erkannt. Kennzeichende Aktivitten dieser Phase sind beispielsweise intensive Nutzung von Portalen zur Bewertung von Produktleistungen oder auch das Monitoring von Kundenmeinungen im Social Web. Talk Das Unternehmen nimmt eine aktivere Rolle ein und geht einen wichtigen Schritt von Social Media Management zu Social CRM. Es tritt in den Dialog mit dem Kunden. Hierzu zhlen Reaktionen auf Anfragen in Social Media, Nutzung von Plattformen zur Abwicklung des Kundenservices und zur Bereitstellung von Informationen. Die transparente Kommunikation beeinflusst Reputation und wahrgenommene Servicequalitt. Co-Create Kunden werden zunehmend in die Unternehmensprozesse eingebunden. Beispielhafte Aktivitten hierfr sind die Integration von Kundenwissen und -erfahrungen in die Produktentwicklung und das Testen von neuen Produkt konzepten und Funktionalitten. Eine weitere Ausprgung ist der sogenannte Peer-to-Peer Support: Kunden wirken aktiv im Service mit und untersttzen zum Beispiel andere Kunden bei der Lsung deren Probleme. Dies kann durch Bewertungsfunktionen und Incentivierung in Form von Gamification oder Bonusoder Prmiensystemen unterlegt werden. Fr die Realisierung dieser Entwicklung sind Vernderungen in unterschiedlichen Bereichen des Unternehmens notwendig. Diese beginnen bei der strategischen Verankerung von Social CRM ber die Einbindung in Prozesse und die Anbindung von Social-Media-Funktionalitten an die CRM-Systemlandschaft. Ein wesentlicher Punkt ist die Aus- beziehungsweise Weiterbildung von Mitarbeitern mit dem fr Social Media notwendigen Skill-Profil: Ausdrucksform, Kenntnisse der relevanten Prozesse, Empathie fr den Kunden und excellentes Wissen ber die eigenen Produkte und Servicefunktionen. Speziell fr die Kommunikation sind auch gemeinsam mit der Unternehmenskommunikation und anderen Bereichen Vorgaben zu erarbeiten, um selbstinduzierte Shitstorms zu vermeiden. Weiter ist zu klren, wo die Social-Media-Aktivitten organisatorisch aufgehngt und koordiniert werden und wer die Verantwortung trgt.

Auch eine Reihe konzeptioneller, prozessualer und technischer Fragen sind zu klren: Die Herausforderung der Authentifizierung ist zu lsen, damit Inhalte Nutzern zugeordnet werden knnen. Bei unternehmensinternen Angeboten kann diese Hrde durch einen Login, ber den sich der Kunde identifiziert, gelst werden. Externe Plattformen bieten meist mehr Informationen, die Kundenzuordnung fllt jedoch ungleich schwerer. Hier sind vor allem die Bestimmungen zum Datenschutz und zur Datennutzung zu Werbezwecken zu beachten. Der beste Zeitpunkt fr die digitale Positionierung ist jetzt! Um vom Social Media Management zum Social CRM zu gelangen und die bereits laufenden sowie geplanten Aktivitten effizient und konsistent mit der bestehenden Kanallandschaft zu vernetzen, ist nun der richtige Handlungszeitpunkt. Die Positionierungschancen im Wettbewerb sind existent, allerdings ist die Dynamik im Markt hoch und damit auch das Window of Opportunity berschaubar. Unternehmen sollten dieses jetzt nutzen, um die notwendigen Fhigkeiten evolutorisch, konzeptionell durchdacht und auf ihre Markt- und Unternehmens situation zugeschnitten aufzubauen. Eine reaktive Herangehensweise wird aufgrund des schnellen Reichweitenwachstums von Social Media bald den Kundendruck massiv erhhen. Der dann erforderliche, schnelle Aufbau der Fhigkeiten ist risikobehaftet und wird nur noch mit wenig Positionierungspotenzial verbunden sein.

Joachim Hauk ist Managing Consultant und bert Unternehmen unterschiedlicher Branchen zum Themenkomplex CRM, Sales und Service. Sein besonderer Fokus liegt dabei auf Fragestellungen zu Kanalmanagement, Customer Experience Management und Kundenbindung.

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Digitaler Kundenkontakt

Customer Self Services bedingen fundiertes Kundenverstndnis


Vom Plakat mit dem Smartphone einkaufen in Sdkorea ist die digitale Transformation des Kundenkontakts bereits Realitt. Genaueste Kenntnisse von Kunden und Marktumfeld sind die Basis eines erfolgreichen Self Services. Ein Fakt, der hufig unterschtzt wird.
er Feierabend kommt wieder einmal viel spter als geplant. D Auf dem Weg vom Bro zur U-Bahn fllt Ihnen ein, dass Sie dringend den Khlschrank auffllen mssten. Fr den Umweg ber den nchstgelegenen Supermarkt ist aber eigentlich keine Zeit, weil Sie schon zum abendlichen Fitnessprogramm oder Restaurantbesuch verabredet sind. Sie kennen diese Situation? Dann stellen Sie sich doch bitte Folgendes vor: Die Haltestelle, an der Sie auf die Bahn warten, ist von beleuchteten, virtuellen Einkaufsregal Plakaten gesumt. Im Vorbeigehen knnen Sie jeden gewnschten Artikel mit dem Smartphone oder Tablet ganz einfach scannen und die Bestellung per Knopfdruck abschicken, so dass die Ware am nchsten Tag zu Ihnen nach Hause geliefert wird. Den flligen Einkauf also sprichwrtlich mal eben im Vorbeigehen erledigen! Fiktion? Wunschvorstellung? Nein. Bedarf an Self-Service-Lsungen steigt Was fr uns noch wie entfernte Zukunftsmusik klingt, ist woanders schon Realitt. In Seoul, Sdkorea wurde ein solches Geschftsmodell bereits erfolgreich pilotiert und von den Konsumenten begeistert angenommen. Der virtuelle Supermarkt in der U-Bahn-Station zeigt einen wichtigen Trend: Zunehmende Mobilitt und Vernetzung von Arbeitswelt und Privatleben lassen den Bedarf an automatisierten, mobilen Selbstbedienungsprozessen und -systemen steigen. Dinge des tglichen Bedarfs sollen dadurch schneller und einfacher verrichtet werden, dazu unabhnigig, also mglichst reibungslos in den Alltag integriert, ohne gesonderten Aufwand. Der Wunsch nach Customer Self Services lsst sich in Zahlen ganz eindeutig belegen: Laut einer weltweiten Studie von Nuance (Achieving Maxinmum Impact through Self-Service, in: Nuance Customer Experience Experts Block, 2013) wollen nur noch rund 33 Prozent aller Konsumenten im Bedarfsfall persnlich Kontakt mit einem Unternehmen aufnehmen. Diesen Trend zu einer hheren Automatisierung von Dienstleistungen prognostizierte Detecon bereits 2010 in der Studie Kundenservice der Zukunft. Kollaboration und Kundenerlebnis schaffen Differenzierung Die weit verbreitete Nutzung mobiler Endgerte weckt Begehrlichkeiten und verndert das Konsumverhalten beim Verbraucher nachhaltig. Und nicht nur das. Mit den steigenden interaktiven Mglichkeiten wandelt sich die Rolle des Endkunden

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Fotos: Tesco.com

generell. Ohne bertreibung kann hier von einem digitalem Evolutionsprozess gesprochen werden: War der Kunde im Ursprung ein berwiegend passiver Empfnger von Kampagnen, Informationen und Dienstleistungen seitens des Unternehmens, hat sich mit steigender Digitalisierung der Grad der Interak tion sowie seine unmittelbare aktive Einbindung in Marketing-, Vertriebs- und Serviceprozesse kontinuierlich intensiviert bis hin zur vorlufig hchsten Stufe im Evolutionsprozess, der Kollaboration. Der Kunde wird zum Prosumer, was bedeutet, dass er nicht mehr nur als Konsument, sondern gleichzeitig auch als Produzent agiert. Er produziert Feedback auf Produkte und Dienstleistungen, Anregungen zur Verbesserung von Geschftsprozessen oder sonstige wertvolle Informationen, die er dem Unternehmen mitteilt. Unternehmen erhalten auf diese Weise eine wertvolle Gegenleistung des Kunden, die sie wiederum in die Produktentwicklung oder in die Optimierung des Service investieren knnen. Der Kunde gewinnt in dieser Rolle deutlich an Autonomie und entwickelt ein dynamisches, selektives Kaufverhalten, was Markentreue und Loyalitt zu einzelnen Anbietern abschwchen kann. Mit den technischen Mglichkeiten und dem permanenten Informationszugang erhhen sich die verbrau-

cherseitigen Ansprche: Ob es um ein Kaufvorhaben oder ein Serviceanliegen geht prinzipiell erwartet die Mehrheit der Kunden heute einen zeitlich und rtlich unbegrenzten Zugang zum Anbieter sowie zuverlssigen, schnellen und kompetenten Response. Dazu individuell auf ihn zugeschnittene, ntzliche Angebote statt flchendeckender Kampagnen. Und natrlich grtmgliche Sicherheit der persnlichen Daten und Transparenz ber Prozesse. Der co-produzierende digitale Kunde definiert selbstbestimmt, wann und wie er mit dem Unterneh men interagiert. Seine persnlichen Prferenzen rcken fr ihn bei der Entscheidung fr oder gegen einen bestimmten Anbieter weiter in den Vordergrund. Dies erweitert das klassische Customer Relationship Management um eine bedeutende Dimension: dem Custo mer Experience Management (CEM). Da eine Differenzierung ber Produkte und Dienstleistungen selbst kaum noch mglich ist, mssen Unternehmen Kundenerwartungen und -wnsche noch besser verstehen und umsetzen, um den gewissen Unterschied zwischen zahlreichen Wettbewerbern zu machen. Customer Experience Management ist der Schlssel zur emotionalen Kundenbindung und Umsatzsicherung in jeder Phase des Kundenlebenszyklus, wei Detecon-Berater und

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CEM-Experte Patrick Eberwein, der 2010 eine Studie zu diesem Thema mit verfasst hat. Self Service berbrckt Spannungsfeld von Kundenerlebnis und Effizienz Besonders in gesttigten Mrkten herrscht ein verschrfter Wettbewerb - stagnierende Umstze sorgen fr intensiven Kostendruck auf Unternehmensseite. Gleichzeitig mssen die weniger loyalen Bestands- und Neukunden besser gebunden werden. Der Erfolg einer Geschftsstrategie entscheidet sich letztendlich dort, wo ein Kunde mit Produkten und Dienstleistungen eines Anbieters in Berhrung kommt. Dieser Zeitpunkt ist der Moment Of Truth, in dem eine Kundenbeziehung positiv intensiviert oder aber zerstrt werden kann. Eine zweite Chance gibt es fr das Unternehmen nur selten, denn das Alternativangebot des Marktes ist fr den Kunden heute gro. Unternehmen finden sich in einem Spannungsfeld wieder zwischen notwendigem Kundenerlebnismanagement zur besseren Bindung ihrer Kunden einerseits und effizienter Kostenbalance andererseits. Die digitale Transformation des Kundenkontaktmanagements bildet die strategische Brcke, um diese Herausforderung erfolgreich zu gestalten. Unternehmen werden die Automatisierung ihrer Dienstleistungsprozesse vorantreiben mssen und in ihrem gesamten Leistungsangebot entlang der Customer Journey von Pre Sales ber Vertrieb bis hin zu Service und Retention Management zunehmend auf intelligente SelfService-Lsungen setzen. Dies ist zum einen eine technische Herausforderung und mit Sicherheit eine nicht unwesentliche wirtschaftliche Investition. Zum anderen geht es aber wesentlich darum, die Transformation kundenfokussiert zu gestalten, damit sie langfristig wettbewerbsfhig funktioniert. Noch immer herrscht die Meinung vor, Zufriedenheit und Loyalitt von Kunden speise sich aus dem bertreffen von Erwartungen. Das Credo lautet: Ein konsistentes Erlebnis und Begeisterung an allen Touchpoints schaffen. Keine Frage, welcher Kunde lsst sich nicht gern wie ein Knig hofieren? Entscheidend ist jedoch vielmehr die Frage, ob diese Begeisterung wirklich Loyalitt und langfristige Bindung schafft. Und das ist leider nicht ganz so einfach. Bereits 2010 kam eine weltweite Studie mit 75.000 Teilnehmern zum Thema Kundenloyalitt, durchgefhrt von der Beratung Corporate Executive Board (CEB), zu dem Ergebnis, dass das bloe bertreffen von Erwartung zwar Begeisterung schafft, dabei jedoch nicht die Loyalitt der Kunden steigert (Shifting

the loyalty curve, CEB 2010). Das Geheimnis der Loyalitt ist die Basis: die Einfachheit und Schnelligkeit von Dienst leistungen! Bill Price, frherer Kundenservice-Revolutionierer beim Onlinehndler Amazon, hat bereits vor vielen Jahren erkannt: The best service is no service (Bill Price/David Jaffe: The Best Service Is No Service). Kunden wollen grundstzlich erst einmal gar keinen Service, sondern selbsterklrende und zuverlssige Produkte und Dienstleistungen, die mglichst den Servicefall ausschlieen. Hat der Kunde dennoch einen Grund, das Unternehmen zu kontaktieren, sollten effektive Self-ServiceAngebote zur Verfgung stehen, die eine schnellstmgliche, bequeme Lsung des Anliegens fr den Kunden ermglichen. Doch auch die Formel der Einfachheit scheint noch zu simpel. Kundenzielgruppen sind je nach Branche und Unternehmen vielschichtig, differenziert und haben ganz unterschiedliche Bedrfnisse. Beispielsweise sind die Kunden der Generation Y, sogenannte Digital Natives, sehr empfnglich fr Self Services, sie akzeptieren quasi gar nichts anderes. Ein Versand unternehmen mit Produkten fr das Best-Ager-Segment hingegen muss Einfachheit fr seine Klientel hingegen gnzlich anders definieren. Kundenfokussierte Transformation bedingt ausfhrliche Analyse Der fruchtbare Boden fr die digitale Transformation des Kundenkontaktes ist geebnet, da Kunden die Vereinfachung durch Automatisierung von Kauf- und Serviceprozessen heutzutage mehrheitlich begren, wenn nicht sogar fordern. Die vorangestellte Analyse von Kunden und ihren Prferenzen wird im digitalen Zeitalter jedoch noch bedeutsamer und komplexer. ber Kauf- und Serviceinteressen hinaus mssen sich Unternehmen ein umfassenderes Bild des Kunden und seiner gesamten Lebenswelt verschaffen. Wer den Arbeitsalltag in Sdkorea kennt, versteht sofort die Zielsetzung von Tesco, dem Anbieter des virtuellen Supermarktes: einerseits Kunden den Einkauf erleichtern und die eigenen stationren Mrkte entlasten, andererseits die Marktpenetration verbessern, ohne dabei jedoch die Anzahl stationrer POS erhhen zu mssen. In Sdkorea sind sehr lange Arbeitszeiten die Regel, so dass sich whrend der Feierabendstunden sehr viele Kunden zur gleichen Zeit in die stationren Supermrkte der Grostdte drngen. Riesige Warteschlangen an den Kassen sind ein alltgliches Bild, der Einkauf ist fr den arbeitenden Verbraucher dort oft ein erheblicher und nicht selten belastender Zeitaufwand. Darber hinaus ist Sdkorea im Lebensmitteleinzelhandel ein stark umkmpfter Markt, sodass insbesondere die ertragsreichen Einzugsgebiete

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Die Transformation zur Self Service Company ist ein mittel- bis langfristiger Weg. Ob das Ziel eine 100-prozentige E-Company ist oder ein Self-Service-orientiertes Multi-Channel-Konzept, hngt ganz von Branche, Zielgruppe, Wettbewerbsumfeld und auch der eigenen Unternehmensphilosophie ab. Der Handel, mit seinen meist standardisierten Geschftsvorfllen, wird im Kern leichter den Weg zur reinen Online-Company gehen knnen. Fr die Telekommunikation dagegen wird sich aufgrund ihrer zum Teil komplexen Tarifstrukturen und Produkt- und Leistungsvielfalt tendenziell eher ein konvergenter Self-ServiceMix mit der Option einer persnlichen Beratung fr komplizierte Kundenfragen empfehlen. Je komplexer und unbersichtlicher das Geschft ist, desto behutsamer sollte ein Unternehmen seine Kunden im Transformationsprozess mitnehmen und an die neue, digitalisierte Servicewelt heranfhren.

Interessiert an weiteren Informationen? Detecon untersucht den Reifegrad von Self Services aus K undenund Unternehmenssicht. Diese branchenbergreifende Markt studie erscheint Anfang 2014. Sprechen Sie mit unserem Experten und registrieren Sie sich fr den exklusiven Erhalt dieser Studie!
Andreas Penkert ist Managing Consultant und bert Unter nehmen zu den Themen Organisation & Prozesse, Service Management und CRM.

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Foto: Tesco.com

von der nationalen Konkurrenz durch Hypermrkte bereits erschlossen sind. Aus dieser Situation heraus ist letztlich das Konzept des virtuellen Einkaufs auf dem Heimweg nach der Arbeit entstanden.

Die digitale Transformation bedeutet nicht das Ende des persnlichen Dialogs zwischen Unternehmen und Kunden. Sie zielt vielmehr auf die nchste Entwicklungsstufe der Kommunika tion mit autonomen, kollaborierenden Kunden und einfachen, effizienten Prozessen ab. Und zeigt dadurch, dass Unternehmen verstanden haben, was Kunden wirklich wollen.

Wer braucht da noch einen Hund?

ber Mobilitt und die Bedeutung von Mobile Phones


Mobilitt und Erfolg gehren heute irgendwie zusammen. Doch war das schon immer so? Und was hat der Wohnwagen mit dem Mobile Phone gemeinsam? Ein Essay.

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ner lauen Nacht in Kairo, kss ich die Tchter des Pharao In und bin trotzdem irgendwie so traurig. Udo Lindenberg kam viel herum im Jahre 1989: Istanbul, New York, Athen Sein Heimweh nach der Hamburger Reeperbahn lie ihn dabei nicht los.1

Er erzhlt in diesem Song von einem mobilen Menschen des vergangenen Jahrtausends, den weder die schnsten Begleiterinnen noch Alkohol ber ein Gefhl der Fremde, das ihn auerhalb seiner Wahlheimat berkam, hinweg trsten konnten. Weniger bekannte Zeitgenossen nutzten fr ihre Reisen sogenannte Wohnmobile, eine nicht nur damals weit verbreitete Strategie, das Leben von Schnecken zu kopieren, das eigene Heim also immer dabei zu haben und sich so vor Heimweh und auch der Erfahrung von Fremde in der Fremde zu schtzen. Irgendwie so traurig.ein wenig klingt das schon an in einigen der Bedeutungen des lateinischen Adjektivs mobilis, das auch wankelmtig und unbestndig heit.2 Folgt man den Darlegungen des amerikanischen Philosophen Michael Walzer, der Mobilitt nicht nur als Fortbewegung im Raum versteht, fhrt sie dazu, dass unsere Gesellschaften unstet geworden sind. Walzer nennt zur Begrndung dieser These einerseits geografische Mobilitt, die Ortswechsel und damit das Verlassen vertrauter Rume vor allem aus beruflichen Grnden notwendig macht, zweitens soziale Mobilitt zwischen gesellschaftlichen Schichten, die dazu fhren kann, dass Kinder andere Positionen und Rollen in der Gesellschaft einnehmen knnen als ihre Eltern, drittens Beziehungsmobilitt, die sich unter anderem in hohen Scheidungsraten niederschlgt und schlielich politische Mobilitt, die sich im generellen Schwund von Loyalitten ausdrckt.3 Walzers Argumentation ist aber im Grunde tautologisch und sie klammert die Unabhngigkeit, die Freiheit, die wir durch die Auflsung zum Teil auch bedrckender Bindungen gewinnen, aus.

Mobilitt ist daher heute berwiegend positiv konnotiert. Mobilitt ist cool; sie ist die Voraussetzung fr die Entwick lung von Intelligenz schlechthin. Pflanzen, die sich von Tieren vor allem durch ihre fehlende Beweglichkeit unterscheiden, entwickeln keine Intelligenz. Biegsam, beweglich und schnell bedeutet mobilis vor allem. Und der rumlich und intellektuell flexible, der anpassungsfhige, der schnell-schaltende und sich mit groer Geschwindigkeit durch verschiedene Welten bewegende Mensch ist die Ikone unserer Zeit. Nie waren wir mobiler als heute zumindest kommt uns das so vor. Und doch war Mobilitt ber Jahrtausende die Voraussetzung fr Existenzsicherung. Jger und Sammler mussten weite Strecken zurck legen, um berleben zu knnen. Ganze Vlker wanderten auf der Suche nach neuen und besseren Lebensgrundlagen. Mit der Entwicklung von Sesshaftigkeit blieb Mobilitt fr viele Berufszweige Hndler und Kaufleute zum Beispiel notwendige Bedingung ihres wirtschaftlichen Erfolges.4 Schnelligkeit und Beweglichkeit spielen auch bei der Entwicklung von Machtstrukturen eine entscheidende Rolle, man denke nur an die berlegenheit von Berittenen gegenber dem Fuvolk. Mit der Erfindung des Reittiers etabliert sich ein Bedingungsgefge aus Mobilitt, Macht und sozialer Differenzierung. Dieser strukturelle Zusammenhang erhlt sich bis in unsere Zeit.5 Auch wenn wir dabei nicht mehr an Pferde denken: Wie hufig haben wir nicht schon gehrt, dass nicht der Groe den Kleinen, sondern der Schnelle den Langsamen besiegt? Mobilitt und Erfolg gehren also zusammen, aber auch Mobilitt und ein Gefhl von Heimweh, von Einsamkeit, das irgendwie so traurig macht. Wie knnen wir uns davor schtzen? Wohnwagen, das haben wir schon behauptet, sind uncool, ein Signum einer vergangenen Epoche. Vor allem aber helfen sie nicht weiter, wenn wie es Michael Walzer beschreibt

1 Udo Lindenberg, Reeperbahn 89 aus dem Album Bunte Republik Deutschland, 1989 2 Vgl. www.pons.eu 3 Vgl. Michael Walzer: Sphren der Gerechtigkeit. Frankfurt, 1992

4 Vgl. Gabriele Geiger: Wo ich nicht bin, da ist das Glck. In: Der Brger im Staat, Heft 3, 2002 5 Vgl. Andreas Schinkel. Das Bedrfnis nach Mobilitt und die Kunst des Mggangs. Universitas Online

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innergesellschaftliche und interpersonelle Mobilitt uns auch zu Hause einholen und uns stndig begleiten. Wenn wir den Wohnwagen neu denken, kommen wir zum Mobile Phone. Mit unseren Handys haben wir unser gesamtes (soziales) Inventar immer dabei. Sie sind fr uns zu Beschtzern geworden. Sie schtzen uns vor Heimweh und Unbehaustheit, in dem sie uns vertraute Bilder an jeden Ort liefern, sie schtzen uns vor Einsamkeit, in dem sie uns den stndigen Kontakt mit Freunden und Bekannten ermglichen, sie fangen uns auf in unseren sozialen Netzen, sie schtzen vor Langeweile, indem sie uns mit Musik, Spielen und Videos unterhalten, sie schtzen uns auch davor, uns zu verlaufen oder zu verfahren, denn sie sind ja nebenbei auch Navigationsgerte. Gleichzeitig zeigen sie anderen, wer wir sind. Sie sind mehr als nur ein Accessoire, sie sollen unseren persnlichen Stil, ja sogar unsere Individualitt ausdrcken. So gesehen gleichen sie bunt bemalten Campingbussen, deren Fahrer ihre vertraute Umgebung genauso mit in die Fremde nehmen wie Wohnwagen- Piloten, dabei aber viel lssiger wirken. Das allein reicht aber noch nicht aus, um die schier unglaubliche Faszination von Mobile Phones im Kern zu verstehen. Vielleicht spren wir schon, dass Mobile Phones beginnen, einen eigenen Charakter zu entwickeln, dass sie die schon unsere Gefhrten geworden sind sogar das Potential haben, unsere Freunde werden zu knnen. Freunde in jeder Lebenslage, immer in unserer Nhe, stilprgend, unterhaltsam, mit einem schier unerschpflichen Zugang zu Wissen ausgestattet und gleichzeitig der Kristallisationskern unserer sozialen Netzwerke. Bei der Entwicklung neuer Funktionalitten geht es nicht darum, ein jeweils neues Karussell auf dem Jahrmarkt der technischen Unntigkeiten6 aufzustellen. Erfolgreich werden diejenigen Funktionen sein, die die Aura des Mobile Phones als eigene Persnlichkeit strken. Schon jetzt knnen wir via Spracherkennung mit unseren Handys kommunizieren, sie hren uns zu, bemhen sich, uns gut zu verstehen und sind dabei ungemein lernfhig. Sieh mich an, wenn ich Dir etwas zeige, scheint ein Smartphone einer neuen Generation zu sagen, das das Abspielen von Videos stoppt, sobald der Betrachter seine Augen von ihm abwendet. Schon jetzt wissen unsere Mobile Phones manchmal besser als wir selbst, wie es uns krperlich geht, sie sind nher an unserem Puls als wir selbst. Knnen sie bald auch unsere Gefhle verstehen?
6 Florian Heinen: Der Zeigefinger: Schlssel einer neuen Kultur. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.05.2013

Die Gesten unseres Zeigefingers verstehen sie bereits. Das Slide-to-unlock, das Apple 2005 fr seine iPhones eingefhrt hat und das in der Folge unseren Zeigefinger zu einem digitalen Dirigierstock gemacht hat, war eine bahnbrechende Erfindung. Keine neuronale Verbindung wird in der Entwicklung des embryonalen und frhkindlichen menschlichen Gehirns so frh und mit so hohen Leitungsgeschwindigkeiten fest verdrahtet, wie diejenige zwischen Gehirn und Hand, zwischen Gehirn und Zeigefinger. Deren technische Umsetzung durch Zeige- und Wischbewegungen, durch die direkte Interaktion zwischen unserem Zeigefinger und den mobilen Gerten, dieser berspringende Funke zwischen Zeigen, Berhren und Verfgen kommt der technischen Einlsung des Bildes Die Erschaffung von Adam von Michelangelo gleich7, begeistert sich der Neurologe Florian Heinen in der FAZ. Auch ihre Dialogfhigkeit werden die Mobile Phones ausbauen. Wir werden uns mit ihnen unterhalten knnen, sie werden dabei Positionen einnehmen und ganz nach unserem Wunsch und unserem Bedrfnis nach Auseinandersetzung unsere Meinungen entweder mit neuen Argumenten bestrken oder widerlegen. Sie werden uns trsten, wenn wir traurig sind, mit treffenden Worten, mit der richtigen Musik. Vor spontanen finanziellen Ausgaben, die unser Budget bersteigen, werden sie uns bewahren knnen. Was sie uns gleichzeitig an neuen Bedrfnissen einflstern knnten, steht auf der Rckseite desselben Blattes. Diejenigen, die einem Handy-Betriebssystem den Namen Android gegeben haben, haben all das intuitiv vorhergesehen. Laut Wikipedia ist ein Android die Bezeichnung fr einen Roboter, der einem Menschen tuschend hnlich sieht und sich menschenhnlich verhlt. Nun sehen Handys nicht menschenhnlich aus, zum Glck, denn das schtzt uns davor, durch das Uncanny Valley, das unheimliche Tal, gehen zu mssen, ein Phnomen, das Masahiro Mori, ein japanischen Robotiker, als erster beschrieben hat: Werden die Roboter in ihrem Auftreten zu menschenhnlich, sinkt unsere Akzeptanz fr sie erheblich, sie sind uns dann nicht mehr geheuer. Bei Mobile Phones steht das nicht zu befrchten. Wirklich nicht? Gibt es nicht doch etwas, was uns an der oben beschriebenen Entwicklung unheimlich ist? Michel Foucault beschftigt sich in seinem Buch berwachen und Strafen die Geburt des Gefngnisses, das 1975 in Paris
7 Florian Heinen, a.a.O.

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erschien, mit der Entstehung von Macht und der Rolle von Disziplin. Die Gesellschaft erscheint ihm von vielfltigen, ungreifbaren Machtlinien durchzogen Menschen besitzen dabei keine Macht, knnen sie jedoch von bestimmten Positionen aus in begrenztem Umfang steuern. Die Architektur des vom englischen Philosophen Jeremy Bentham entwickelten Panoptikums, eines Gefngnisses, scheint Foucault dazu geeignet, die sich seit dem 16. Jahrhundert entwickelnden Machtforma tionen zu charakterisieren. Das Panoptikum ist ein Rundbau, im dem alle Zellen offen stehen. Die Zellen knnen auf diese Weise von Wrtern, die sich in einem in der Mitte des Panoptikums stehenden Turm befinden, eingesehen werden.8 Ein Gefangener konnte so kaum noch Geheimnisse und keine Privatsphre mehr bewahren. Geht es uns freien Brger des 21. Jahrhunderts mit unseren Mobile Phones heute anders? Offen stehende Zellen was verraten wir unseren neuen Freunden, unseren cell phones, ber uns, was erzhlen sie davon weiter, wem erzhlen sie es weiter? Wenn wir nicht aufpassen, erzhlen unsere neuen Freunde und die Daten, die wir hufig unbewusst liefern, mehr von uns, als wir uns vorstellen knnen und uns recht sein kann. Daher sollten wir den Kantschen Wahlspruch zur Aufklrung auf den Umgang mit unseren Handys bertragen: Habe den Mut, dich deines eigenen Mobile Phones mit Verstand zu bedienen.

Christof Strohkark, Mitglied im Partnerteam Financial Services, ist seit mehr als 15 Jahren im Bereich Financial Services ttig und bert Banken und Versicherungen zu strategischen Themen, Kundenservice und Nachhaltigkeit. 8 Michel Foucault: berwachen und Strafen. Die Geburt des Gefngnisses, Deutsche Erstausgabe, Frankfurt 1994

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Mission Zukunft: ICT 2032


45 Thesen fr den Weg ins Morgen
In 20 Jahren wird es die IT in klassischer Form nicht mehr geben. Doch welche Konsequenzen leiten sich daraus ab? Wie wirken sich die ICT-Entwick lungen auf die Gesellschaft, Individuen und Unternehmen aus? Wie beeinflussen nichttechnologische F aktoren die ICT-Landschaft 2032? Welche Nutzen bieten diese technologischen und nichttechnologischen Vernderungen? Und wo l iegen die Chancen und Risiken? 45 Thesen umreien mal provokant, mal berraschend wie die Informations- und Kommunikationstechnologie Leben, Gesellschaft und Wirtschaft im Jahre 2032 beeinflussen wird. Anwendungsbereiche wie Automotive, Energiewirtschaft, Finanzdienstleistungen, Leben und Wohnen sowie Gesundheit werden sich unter dem Einfluss von ICT radikal verndern und weiterentwickeln. ICT fr jeden und berall, in nahezu jedem Gegenstand, das ist das c harakteris tische Merkmal der Welt von Morgen.

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