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BNE-Journal

Magazin zur Bildung fr nachhaltige Entwicklung, Nr. 10

Corporate Social Responsibilty und die Rolle der Bildung Beitrge, Interviews, Beispiele

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Inhalt

Editorial
Prof. Dr. Gerhard de Haan

Beitrge
Ganzheitliche, praxisorientierte Bildung als Voraussetzung fr erfolgreiche CSR Dr. Lothar Rieth und Oliver Glindemann Beruflich-betriebliche Bildung und Corporate Social Responsibility Dr. Thomas Schrder Nachhaltigkeitsberichte: Raus aus den Kinderschuhen! Prof. Dr. Frank Figge, Dr. Tobias Hahn, Lydia Illge und Andrea Liesen CSR - Verpflichtung auf globaler Ebene? Prof. Dr. Beate Zimpelmann und Dr. Dirk Wassermann CSR statt global gltiger Gesetze? Klaus Werner-Lobo
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Verankerung von CSR in der universitren Bildung Dr. Felicitas Mocny

Pro und Contra Schulsponsoring


Gemeinsame Verantwortung fr die Bildung unserer Kinder Prof. Dr. mult. Wassilios Kaminski Schulen werden zu Produktionssttten von Humankapital Prof. Dr. Ingrid Lohmann 16 17

Interviews
Leuchtpol- eine Kooperation von ANU und E.ON Annette Dieckmann Das Changemaker-Manifest von utopia Claudia Langner Nachhaltigkeitsberichte fr kleine und mittlere Unternehmen Claudia Kornahrens 19 20 22

Praxisbeispiele
Dies ist die Printversion des Online-Magazins www.bne-journal.de

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Editorial
Tu Gutes und sprich darber!- nach diesem Grundsatz handeln immer mehr Unternehmen. Viele richten eigene Abteilungen fr Corporate Social Responsibility (CSR) ein. Ist CSR mehr als ein Marketingkonzept, mit dem Unternehmen ihr Image aufpolieren? Kann CSR zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen?

Von Prof. Dr. Gerhard de Haan In der wrtlichen bersetzung steht CSR fr unternehmerische (Sozial-)Verantwortung. Unternehmen engagieren sich fr Umwelt und soziale Belange. Sie stiften Krankenhuser und Professuren, untersttzen Aufforstungsaktionen und stellen kostenlose Unterrichtsmaterialien zur Verfgung. Einige organisieren Wettbewerbe, die nach Ideen fr eine bessere Welt suchen und verpflichten sich, ihre SchadstoffEmissionen zu verringern. Unternehmerische Verantwortung ist trotz des modischen Etiketts CSR nicht neu: Soziales Engagement fr die eigenen Mitarbeiter, aber auch fr die Region waren und sind vor allem bei Inhaber gefhrten Betrieben keine Seltenheit. Kritiker bezweifeln aber, dass alle Aktivitten, die Unternehmen als CSR titulieren, wirklich im Sinne der Nachhaltigkeit wirken. Wie nachhaltig handelt eine Firma, die die Lhne ihrer Arbeiter krzt und das Geld in eine teure grne Image-Kampagne investiert? Oder ein Unternehmen, das ein soziales Projekt in seiner Heimatstadt untersttzt, aber in anderen Lndern seine Abwsser direkt in die Flsse leitet? Wie effektiv sind Verpflichtungen zu freiwilligen Umwelt- und Sozialstandards, wenn niemand sie kontrolliert? Unternehmen verffentlichen oft eine Flut von Daten ber ihre Aktivitten. Nachhaltigkeitsberichte und Aktionsbriefe haben oftmals einen ganz unterschiedlichen Tenor. Das Engagement einer Firma zu beurteilen fllt damit nicht leicht, auch weil verbindliche Standards fr Berichte fehlen. Dabei haben wir zugleich zahlreiche Standards, die im europischen Raum wie international im Umlauf sind. Sie knnen die Skepsis aber nicht verschwinden machen. Zwischen Darstellung und Selbstbild von Unternehmen und der Vermutung darber, was in Wahrheit geschieht, sehen mehr und mehr Menschen eine manchmal unberwindbar scheinende Diskrepanz. Bildung fr nachhaltige Entwicklung (BNE) setzt genau hier an. Diese Art des Lernens vermittelt die ntigen Kompetenzen, um Informati-

onen richtig einzuordnen, kritisch zu betrachten und sich eine eigene Meinung zu bilden. Schler lernen, bei Materialien zu schauen, von wem die Informationen stammen und welche Daten fehlen. Verbraucher fragen nach, wenn Produkte keine ko-Siegel tragen oder wenn bestimmte Deklarationen nicht erfolgen. Arbeitnehmer nehmen ihre Rolle als wichtige Stakeholder ihrer Unternehmen wahr und fordern Mitbestimmung. Es geht darum, zu erkennen, dass das eigene Handeln Auswirkungen auf Menschen in anderen Lndern und kommende Generationen hat. Erst wenn jeder Einzelne wei, wie nachhaltiges Handeln funktioniert, knnen wir Lsungen fr die Herausforderungen der Zukunft finden. Die Wirtschaft muss einen Beitrag fr eine nachhaltige Entwicklung leisten. Neben gesetzlichen Regeln und Eigeninitiativen spielen aufgeklrte, kritische Brger dabei eine wesentliche Rolle. Wenn Verbraucher zunehmend Produkte von Unternehmen kaufen, die sich fr Nachhaltigkeit einsetzen, wird nachhaltiges Handeln zum Wettbewerbsvorteil. Dann lohnt es sich fr Unternehmen, in Nachhaltigkeit zu investieren. Dafr sind gut informierte Verbraucher wichtig, die bewusst und eigenstndig Entscheidungen treffen. Auerdem brauchen Unternehmen Manager und Mitarbeiter, die nachhaltiges Denken in die Betriebe bringen. In beiden Fllen ist Bildung fr nachhaltige Entwicklung das zentrale Instrument. Diese Ausgabe des BNE-Journals klrt, wie Bildung fr nachhaltige Entwicklung und Corporate Social Responsibility zusammenpassen. Mit Beitrgen zu den Vor- und Nachteilen von Schulsponsoring, Nachhaltigkeitsberichten und betrieblicher Bildung fr CSR schildern Experten, wie vielfltig das Thema ist. Kritische Stimmen hinterfragen die Wirksamkeit von CSR und zeigen alternative Wege zu einer nachhaltigen Entwicklung auf. Insgesamt bietet die Publikation fr Neueinsteiger einen berblick ber die verschiedenen Aspekte des Themas und ermglicht neue Blickwinkel.

Zum Autor Prof. Dr. Gerhard de Haan ist Vorsitzender des Nationalkomitees der UNDekade Bildung fr nachhaltige Entwicklung.

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Ganzheitliche, praxisorientierte Bildung als Voraussetzung fr erfolgreiche CSR


Im Zuge der Diskussion um Corporate Social Responsibility (CSR) gilt es fr Unternehmen, ihre Geschftspraktiken sowohl an konomischen, als auch an sozialen und kologischen Zielen auszurichten. Weil Bildungskonzepte zu diesen Themen fehlen, sind Entscheidungstrger in Unternehmen dabei hufig berfordert. Interdisziplinre und praxisorientierte Bildungsanstze knnen Abhilfe schaffen. Von Dr. Lothar Rieth und Oliver Glindemann Seit dem Ende des Kalten Krieges hat die Bedeutung nichtstaatlicher Akteure in der internationalen Politik stetig zugenommen. Insbesondere in den 1990er Jahren hat der Globalisierungsprozess an Dynamik gewonnen, vor allem multinational agierende Unternehmen haben ihn angetrieben. Diese Entwicklung hat dazu gefhrt, dass Wissenschaftler soziale, wirtschaftliche und politische Prozesse kaum noch separat voneinander diskutieren und analysieren knnen. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges standen vorwiegend Nationalstaaten im Mittelpunkt gesellschaftlicher Diskussionen. . Heute prgen zunehmend zivilgesellschaftliche und privatwirtschaftliche Akteure die ffentliche Meinung und politische Entscheidungsprozesse mit. Multinationale Konzerne entscheiden aus Kostengrnden ber Investitionen und darber, Arbeitspltze von einem Land ins andere zu verlagern. Sie verhandeln mit Nationalstaaten auf Augenhhe, wie zuletzt beispielsweise wieder im Falle von General Motors whrend der Wirtschafts- und Finanzkrise zu sehen war. Andererseits gibt es starke transnationale soziale Bewegungen. Besonders ber gut organisierte zivilgesellschaftliche Gruppen, wie den Nicht -Regierungsorganisationen (NGOs), sind sie in der Lage, Themen wie Umweltschutz, Entschuldung der Dritten Welt oder die Verbannung von Landminen auf die politische Agenda zu setzen. CSR: Einhaltung von Gesetzen oder freiwillige soziale und kologische Ausrichtung? Wie sich nationale Gesellschaften soziokonomisch entwickeln, hngt stark vom jeweiligen Zustand der Wirtschaft ab. Deshalb trgt jedes einzelne Unternehmen immer mehr gesellschaftliche Verantwortung. Dieser Befund gilt weltweit und trifft auf Nationen und Gesellschaften in der Welt der OECD (Organisation fr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) wie auch in der Nicht-OECD-Welt zu, wenn auch mit unterschiedlichen Vorzeichen. So bedeutet die bernahme gesellschaftlicher Verantwortung in OECD-Staaten qualitativ etwas anderes als in Nicht-OECD-Staaten. Groe deutsche Unternehmen wie BASF, RWE oder Siemens zeichnen sich in ihren Corporate Social Responsibility-Strategien in Deutschland im Allgemeinen durch Manahmen und Aktivitten aus, die ber das bloe Einhalten geltender Gesetze hinausgehen. Sie bemhen sich zum Beispiel, den Energieverbrauch stark zu senken, Weiterbildungsmanahmen fr Mitarbeiter zu frdern oder den Frauenanteil im hheren Management zu steigern. Ernstgemeinte CSR-Aktivitten orientieren sich dabei am Triple-Bottom-Line-Prinzip. Es besagt, neben konomischen Aspekten auch soziale und kologische Gesichtspunkte mglichst gleichgewichtig einzubeziehen. In nicht-entwickelten Lndern oder Staaten, die sich in einem Transformationsprozess befinden, gelingt das oft nur zum Teil. Denn hier verstehen Unternehmen darunter meistens primr bestehende nationale Gesetze und internationale Vorgaben einzuhalten. Viele Staaten vernachlssigen aber im Kampf um eine mglichst hohe Standortattraktivitt im globalen Wettbewerb die soziale und kologische Sule. Unternehmen in diesen Lndern stehen daher besonders im Fokus, einen aktiven Beitrag zur sozio-konomischen Gesellschaftsentwicklung zu leisten. Schwache Staaten ohne Durchsetzungsmacht Unternehmen stehen in der Nicht-OECD-Welt hufig vor der Wahl: Entweder sie nutzen zu ihren Gunsten aus, dass Staaten unttig sind oder sie etablieren Mindeststandards - alleine, mit Regierungen oder gemeinsam mit Wettbewerbern. In diesem Fall haben die jeweiligen Gesellschaften eine faire Chance, sich nachhaltig weiterzuentwickeln. Viele Regierungen verfgen in diesen teilweise sehr fragilen Staaten nicht ber eine umfassende Verhandlungs- und Durchsetzungsmacht. Zudem knnen Unternehmen mit exklusivem Wissen und besonderen Kompetenzen Staaten im Entwicklungsprozess 4

BNEJOURNAL BNEJOURNAL untersttzen. Auch wenn die CSR-Debatte in der Regel immer von freiwilligen Manahmen von Unternehmen spricht, so betrifft dies in der Realitt fast ausschlielich unternehmerische Aktivitten in Staaten der OECD-Welt. In der Nicht-OECD-Welt geht es hufig zunchst darum, nationale und internationale Gesetze einzuhalten. Die Anfnge der CSR-Bewegung Bis vor 10 Jahren standen Entscheidungstrger in Unternehmen generell vor der Frage, ob sie sich mit so genannten weichen Themen wie kologie und Soziales aktiv auseinandersetzen sollten. Denn diese Bereiche tragen scheinbar wenig oder gar nicht zum konomischen Geschftserfolg bei. Dabei stand intern zur Debatte, ob das Unternehmen neue Planstellen einrichtet und wo es diese ansiedelt. Auerdem stellte sich die Frage, wie ein Unternehmen mit finanziell geringen Mitteln der interessierten ffentlichkeit vermitteln kann, dass es sich auch um gesellschaftliche Belange kmmert. Insbesondere bis Ende der 1990er Jahre und Anfang dieses Jahrhunderts dominierten in der Folge strker Greenwashing- als langfristig ausgerichtete, im Unternehmen verankerte CSR -Aktivitten. Unternehmen waren (und sind zum Teil bis heute) mit diesen vermeintlichen CSR-Manahmen weniger darauf bedacht, ihre Geschftsmodelle zu hinterfragen und neue sozial und kologisch verantwortliche Strategien zu entwickeln und umzusetzen. Im Vordergrund standen geschickt inszenierte Marketing-Manahmen, die das ffentliche Image des Unternehmens in der ffentlichkeit aufpolieren sollten. Dass die Veredelung von Produktbotschaften mit Zustzen wie Bio, ko und Fair aus einem gewhnlichen Unternehmen noch kein umweltbewusstes und sozial verantwortliches Unternehmen macht, war nicht nur vielen Konsumenten klar. Vor allem den NGOs war diese Taktik ein Dorn im Auge. Sie fhlten sich in ihren Befrchtungen besttigt, dass die Industrie ihre auf dem Umweltgipfel der Vereinten Nationen in Rio im Jahre 1992 gemachten Versprechen nicht mit Taten untermauerte. In Rio hatten viele Unternehmen zugesichert, ihre Manahmen im Rahmen von Umweltberichten (den Vorlufern von Nachhaltigkeitsberichten) zu dokumentieren. Doch setzten in der Folge nur wenige Unternehmen diese Zusagen in die Tat um. Die Unternehmen brachen also ihre Versprechen von Rio. Ein Verhalten, das Wissenschaftler wiederholt damit erklren, dass Manager und Kaufleute soziale und kologische Themen bei der Planung von Geschftsttigkeiten generell ablehnen oder ignorieren. Diese Begrndung greift aber vielleicht ein wenig zu kurz. Denn hufig ist es diesen fast ausschlielich betriebswirtschaftlich ausgebildeten Managern prinzipiell fremd, neuen nicht rein-betriebswirtschaftlichen Herausforderungen ganzheitlich und interdisziplinr zu begegnen. Neue (Bildungs-)Konzepte notwendig Die bernahme von gesellschaftlicher Verantwortung durch Unternehmen ist ein komplexer Prozess, der viele Manager in Unternehmen bereits beim Erstkontakt irritiert. Im ersten Moment sehen viele Manager eher die Gefahren als die Chancen, die das Thema CSR bietet. Ob sie sich ernsthaft dafr einsetzen, ihr Unternehmen schrittweise am Prinzip der nachhaltigen Entwicklung auszurichten, hngt von vielen (Rahmen-)Bedingungen ab. Die Manager mssten sich dafr entscheiden, einen potentiell langfristig lohnenden, zunchst aber beschwerlichen CSR-Weg einzuschlagen. Ein mageblicher Faktor fr oder gegen CSR-Aktivitten ist nicht zuletzt der Ausbildungshintergrund der Entscheidungstrger. Unternehmer knnen, wie oben beschrieben, unterschiedliche Strategien verfolgen. Sie knnen ausschlielich zum Wohle des Unternehmens oder im erweiterten Sinne auch zum Wohle von Unternehmen und jener Gesellschaften, in denen Unternehmen ber ihre Wertschpfungskette prsent sind, handeln. Entscheidungen hngen nicht zuletzt stark von der jeweiligen disziplinren Sozialisation der Manager in der Ausbildung zusammen. Ein konom denkt strker in Angebot- und Nachfrage-Zusammenhngen, ein Jurist wgt die Einhaltung unterschiedlicher gesellschaftlicher Regeln und Normen ab. Ein Politikwissenschaftler analysiert gesellschaftliche Prozesse und untersucht, welche Bedeutung Institutionen und welche Motivation Akteure haben. Ein Umweltwissenschaftler hingegen prft, wie sich Prozesse auf Mensch und Natur auswirken. Kurzum, jeder Mitarbeiter in einem Unternehmen fokussiert bei seinen Handlungen bestimmte Aspekte und blendet andere aus. Die jeweils vorliegenden Dilemmata sind fr viele auf den ersten Blick nicht sichtbar und daher oft nur schwer nachvollziehbar. Um Chancen der nachhaltigen Entwicklung zu erkennen, muss es gelingen, diesen disziplinren Tunnelblick aufzubrechen. Langfristig gesehen ist es fr Unternehmen schlicht notwendig, komplexe Problemsituationen ganzheitlich zu betrachten, um

BNEJOURNAL auch in Zukunft erfolgreich wirtschaften zu knnen. Es bedarf also besonderer Bildungskonzepte, damit Entscheider in Unternehmen diesen berblick ber Handlungsoptionen erhalten, mit denen sie Herausforderungen bearbeiten und lsen knnen. Dieses Bildungsverstndnis bezieht sich nicht nur auf bestimmte Ausbildungsphasen, sondern erstreckt sich auf alle Lebensphasen von der Schule ber die duale Ausbildung und das Universittsstudium bis hin zur Weiterbildung. Speziell im Kontext der Bildung fr nachhaltige Entwicklung ist klar begrndet, weshalb lebenslanges Lernen notwendig ist. Die starke Vernderung der sozialen, kologischen und politischen Rahmenbedingungen in den letzten 20 Jahren hat dazu gefhrt, dass interdisziplinre Fhigkeiten wichtiger sind. Dies ist auch zentral, um CSR zielgerichtet und zweckmig in Unternehmen zu verankern. Pldoyer fr interdisziplinre CSR-Bildung Bisherige Bildungskonzepte konzentrieren sich primr darauf, Wissen zu vermitteln und richten sich darber hinaus bisher fast ausschlielich an .klaren Disziplingrenzen aus. Anwendungsorientierte Bildungskonzepte, die zudem nicht nur auf interdisziplinre Aspekte hinweisen, sondern diese aufgreifen, sind noch die Ausnahme. Das gilt generell, aber auch in Hinblick auf Themen wie CSR und Nachhaltigkeit. CSR-Bildung ist jedoch kaum mglich, ohne Herausforderungen umfassend zu bearbeiten und ohne Disziplingrenzen zu berschreiten. berdies stt die rein abstrakte theoretische Wissensvermittlung ohne direkten Praxisbezug an ihre Grenzen. Um CSR und Nachhaltigkeit zu verstehen ist es zentral, interdisziplinre Fragestellungen anhand von konkreten Anwendungsbeispielen zu illustrieren. Die direkte projektbasierte Auseinandersetzung mit Dilemmata-Situationen ist noch sinnvoller, wenn es darum geht, Konsequenzen einzelner Entscheidungen fr konomie, Umwelt und Gesellschaft zu verstehen. Ein nachhaltiges Verstndnis, dass die Grundlage fr nachhaltiges Handeln legt, ist nicht mglich, ohne die notwendigen Kompetenzen zu vermitteln. Am Beispiel der Wirtschafts- und Finanzkrise in den Jahren 2008/2009 lsst sich sehr gut zeigen, dass viele Entscheidungstrger (nicht nur, aber insbesondere) in der Wirtschaft die Konsequenzen ihrer kurzfristigen, zum Teil sehr riskanten und verantwortungsbegrenzenden Geschftsausrichtung nicht erkannten. Eine zweckmige CSR-Ausbildung muss daher das Ziel verfolgen, Schlern wie auch Universittsabsolventen und Unternehmensmitarbeitern die Tragweite ihres Handelns bewusst zu machen. Das bedeutet, dass sie nicht nur konomische, sondern auch die sozialen und kologischen Auswirkungen ihres Handelns bercksichtigen und in ihre Entscheidungen mit einflieen lassen. Hier sind interdisziplinre Kurse, Seminare und Projektveranstaltungen mit offenen Diskussionen und der praktischen Anwendung des gelernten Wissens auf aktuelle, realittsbezogene Fragestellungen eine geeignete Lernform. Nur wenn Menschen ihr eigenes Handeln reflektieren und auch ber die Grenzen des eigenen Faches hinaus vertreten mssen, verstehen sie, welche individuelle Verantwortung gegenber Natur, Gesellschaft und nachkommenden Generationen sie haben. Ausblick: CSR als Chance verstehen lernen CSR-Bildung erfordert aufgrund der Komplexitt des Themas einen integrierten vernetzten und anwendungsorientierten Lernansatz. Die Zunahme gesellschaftlicher Verantwortung von Unternehmen im 21. Jahrhundert hat zur Folge, dass wir uns mit interdisziplinren Fragestellungen auseinandersetzen mssen, um das Verhalten von Unternehmen bewerten zu knnen. Unternehmen stehen vor vielfltigen Herausforderungen, auf die einige bisher nur mit Greenwashing-Aktivitten reagiert haben. Einzelne verffentlichen jhrlich Nachhaltigkeitsberichte, andere orientieren sich an freiwilligen globalen Standards, wiederum andere bernehmen verstrkt philanthropische Manahmen wie die Frderung von Kunst und Kultur: Das CSRThema ist vielschichtig. Wir mssen es jeweils auf groe und kleine Unternehmen anpassen und es aus verschiedenen individuellen Blickwinkeln als Manager, Verbraucher, Kunde, NGO-Mitarbeiter oder als Elternteil betrachten. Um unternehmerische Manahmen fair einordnen zu knnen, die gesellschaftliche Verantwortung bernehmen, mssen wir zunchst interdisziplinre Zusammenhnge verstehen, damit wir die richtigen Fragen stellen knnen.

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Zu den Autoren Dr. Lothar Rieth ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut fr Politikwissenschaft an der Technischen Universitt Darmstadt. Oliver Glindemann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Kompetenzzentrum Lehre plus an der Hochschule Darmstadt.

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Beruflich-betriebliche Bildung und Corporate Social Responsibility


Die beruflich-betriebliche Ausbildung und Weiterbildung bilden den Rahmen fr zahlreiche formelle und informelle Bildungsprozesse. Dank der groen Reichweite sind sie gut geeignet, die Ideen der Nachhaltigkeit in Unternehmen zu verankern. Von Dr. Thomas Schrder Trotz der Gemeinsamkeiten unterscheiden sich Aus- und Weiterbildung auch grundlegend. Die betriebliche Ausbildung ist zeitlich begrenzt und fr junge Menschen hufig der Einstieg in das Berufsleben. Mit der Ausbildung legen sie die Grundlage fr ihre individuelle Existenzsicherung. Die betriebliche Weiterbildung bezieht sich auf das gesamte Erwerbsleben. Auerdem umfasst sie die gesamte betriebliche Bildungshierarchie vom angelernten Arbeitnehmer ber die Facharbeiterschaft und mittlere Fhrungsebene bis zum Management. Zentraler Ansatzpunkt fr CSR . dieser Reichweite ist die beruflichAufgrund betriebliche Bildung ein zentraler Ansatzpunkt, um eine nachhaltige kologische, soziale und konomische Perspektive zu verankern. Die beruflich-betriebliche Bildung ist geradezu dazu prdestiniert, Corporate Social Responsibility (CSR) fr ein Unternehmen zu etablieren. Dabei stehen zwei Fragen im Mittelpunkt: Welche didaktisch-methodischen Gestaltungslinien tragen dazu bei, das Verhalten von Individuen und Organisationen zu ndern? Inwieweit kann die beruflich-betriebliche Bildung selbst zu einem wichtigen Bereich werden, in dem Betriebe gesellschaftliche Verantwortung bernehmen? dass Menschen ber Bildungs- und Erkenntnisprozesse und den daraus resultierenden Einsichten zu Handlungsalternativen gelangen. Dies kann geschehen, bevor Gewinnstreben oder Leidensdruck die handlungsleitenden Impulse bilden. Aufgabe von Vertrautem Fr jedes Individuum sind bewusstseins- und verhaltensverndernde Lernprozesse zweifelsfrei sehr anstrengend. Denn er oder sie muss das Gewohnte, die Handlungsroutinen und das damit verbundene professionelle Selbstverstndnis teilweise aufgeben und durch etwas Unbekanntes ersetzen. Wenn andere die bisherigen Leistungen im beruflichen und sozialen Umfeld eher gering schtzen und ablehnen, knnen Verweigerungshaltungen und Widerstnde eine unerwnschte Folge sein. Zur Handlungsfhigkeit Aufgrund der Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten die Arbeitsorganisation in den Unternehmen verndert. Fr die Berufs- und Betriebspdagogik bedeuten die Vernderungen, dass sich auch die Ziele des beruflichen Lernens nderten. Heute ist das Ziel die berufliche Handlungskompetenz im Sinne einer individuellen, wertegebundenen und selbstveranlassten Handlungsfhigkeit. Berufliche Handlungskompetenz bedeutet: der Einzelne verfgt ber die Fhigkeit und die Bereitschaft, in beruflichen Situationen sowohl fachlich als auch sozial und personal kompetent zu handeln. Auerdem geht es darum, die Handlungsfhigkeit im Sinne von beruflicher und gesellschaftlicher Verantwortung weiterzuentwickeln (vgl. Dehnbostel 2007). Die Kompetenzen sind transferierbar der Einzelne kann sie auch auerhalb seines Berufes anwenden. Es geht also gerade nicht um eine ausschlielich verwendungsorientierte Utilitarisierung der Kompetenzentwicklung.

Nur Gain und Pain? Die Frage nach den geeigneten didaktischmethodischen Gestaltungslinien, um Individuen und Organisationen in ihrem Verhalten zu ndern, berhrt eine kontrovers diskutierte pdagogische Kernfrage. Dennis Meadows spitzte 2006 in einem Vortrag in Hamburg die Antwort auf die Begriffe Gain oder Pain zu - nur persnlicher Gewinn oder Leidensdruck fhre tatschlich zu Verhaltensnderungen. Diese Zuspitzung bezieht sich auf ein behavioristisches Menschenbild. Sie bercksichtigt nicht,

BNEJOURNAL Aktive Verantwortung der Lernenden Die ganzheitliche berufspdagogische Zielsetzung ist nicht ausschlielich darauf gerichtet, Kenntnisse und Qualifikationen zu erwerben und zu reproduzieren. Wichtig ist auch, eine dauerhafte Verhaltensnderung zu erreichen. Dies gelingt am besten durch ein erfahrungsbezogenes Lernen in Handlungssituationen. In der betrieblichen Bildungsarbeit findet diese Form des Lernens oft statt, indem die Lernenden in Lernarrangements berufstypische Handlungssituationen simulieren. Eine weitere wichtige Form ist das Lernen im Prozess der Arbeit, das in realen Handlungsvollzgen am betrieblichen Arbeitsplatz stattfindet. Betriebe knnen damit verbinden, Arbeitsprozesse und organisation kontinuierlich zu verbessern. Beiden Formen des erfahrungsbezogenen Handlungslernens liegt in Anlehnung an John Dewey die organisatorische Abfolge Planung Durchfhrung Erfahrung Reflexion zugrunde (vgl. Schrder 2009). Die prozessuale Lernorganisation ist partizipativ. Die Lernenden bernehmen eine aktive Verantwortung: nicht nur fr die Durchfhrung,. sondern auch fr die Planung ihrer Aufgaben und die Reflexion ihrer Erfahrungen. Bildungsarbeit fr eine nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung Die berufliche Bildung in Deutschland bercksichtigt traditionell betriebliche, individuelle und gesellschaftliche Interessen gleichermaen. Der Betrieb als ein Stakeholder und seine betriebliche Bildungsarbeit knnen im Sinn von Corporate Social Responsibility einen Beitrag zur nachhaltigen gesellschaftlichen Entwicklung leisten - insbesondere die betriebliche Weiterbildung kann hier viel beitragen. Dazu mssen Betriebe individuelle und gesellschaftliche Interessen in die betrieblichen Bildungsprozesse integrieren und das ber alle Bildungsniveaus hinweg. Unternehmen begreifen sich dann und der demografische Wandel mag diesen Trend befrdern neben ihrem Kerngeschft auch als Bildungstrger. Wann ist berufliche Bildung CSR? Noch fehlen detaillierte Forschungsergebnisse, die zeigen, wann und wie betriebliche Bildungsarbeit eine CSR-Aktivitt ist (vgl. Schrder 2010). Folgende Anforderungen stehen zur Diskussion: Die beruflich-betrieblichen Bildungsan gebote gehen ber den tatschlichen betrieblichen Personalbedarf hinaus. Das betriebliche Bildungsmanagement etabliert ein Bildungscontrolling, das die Wirksamkeit der Bildungsmanahmen hinsichtlich der Erweiterung und Verbesserung der individuellen Handlungsfhigkeit und der Transferfhigkeit des Gelernten erfasst. Alle Mitarbeiter der betrieblichen Bildungs- und Qualifizierungsebenen vom angelernten Arbeiter bis zur Fhrungskraft erhalten Angebote fr Bildungsund Entwicklungschancen. Das Unternehmen bernimmt verstrkt Benachteiligte am Ausbildungsmarkt in die Ausbildung und frdert sie angemessen. Die angebotenen Bildungsabschlsse sind berufsbezogen, erffnen weitere Bildungsperspektiven und sind durch entsprechende Zertifikate gesellschaftlich anerkannt. Sie erffnen auch auerhalb des Betriebs berufliche Aufstiegschancen. Die Lernorganisation richtet sich auf eine umfassende Kompetenzentwicklung, die Fach-, Sozial- und Personalkompetenz gleichermaen bercksichtigt. Es besteht eine konzeptionelle Integration des erfahrungsbezogenen Handlungslernens und des informellen Lernens, das sich beim Lernen im Prozess der Arbeit vollzieht. Die Lerninhalte bercksichtigen zentral die Inhaltsbereiche einer nachhaltigen Entwicklung. Es existiert eine Vernetzung und Kooperation mit akkreditierten Bildungsanbietern wie Berufsschulen, Fachschulen, Universitten und Zertifizierungsstellen. Das Unternehmen ffnet die Bildungsangebote fr betriebsfremde, externe Lerner, auch in Kooperation mit der Bundesagentur fr Arbeit. Transnational ttige Unternehmen wenden diese Anforderungen ebenfalls in ihren auslndischen Niederlassungen an.

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BNEJOURNAL Nachhaltige Entwicklung Eine detaillierte Bestimmung der Anforderungen vorzunehmen ist noch eine wichtige Aufgabe der weiteren Forschung. Aber Unternehmen, die oben beschriebenen Kategorien in der betrieblichen Bildungsarbeit folgen, bercksichtigen gleichwertig gesellschaftliche und individuelle Interessen. Sie leisten einen Beitrag zur nachhaltigen kologischen, sozialen und konomischen Entwicklung der gesamten Gesellschaft. Diese Entwicklung kann aber nur gelingen, wenn auch das lernende Individuum seine gesellschaftliche Verantwortung als Lerner wahrnimmt. Die geschilderten Anforderungen an die beruflich-betriebliche Bildung sind die Voraussetzung, um eine Bildungsarbeit im Sinne eines Corporate Social Responsibility zu erreichen.

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Literaturliste siehe www.bne-portal.de Zum Autor Dr. Thomas Schrder ist Dozent fr Berufsund Arbeitspdagogik an der Helmut-SchmidtUniversitt Hamburg.

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Nachhaltigkeitsberichte: Raus aus den Kinderschuhen!


Nachhaltigkeitsberichte gehren inzwischen bei vielen Unternehmen zum allgemeinen Standard. Die Frage ist aber, ob die Berichte wirklich zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen. Von Prof. Dr. Frank Figge, Dr. Tobias Hahn, Lydia Illge und Andrea Liesen In der Ausbildung angehender konomen steht traditionell der effiziente Einsatz des Kapitals im Vordergrund. Beispielsweise entspricht der Unternehmenswert dem Wert des Unternehmens aus Sicht der Kapitalgeber. Eine hhere erwartete Kapitalverzinsung bedeutet einen hheren Unternehmenswert. Die Berichterstattung der Unternehmen ist daher traditionell auch kapitalorientiert. Um ein den tatschlichen Verhltnissen entsprechendes Bild der Unternehmensleistung zu ermglichen, entstanden ber die Jahrzehnte dichte Regelwerke. Sie sollen nicht zuletzt den Unternehmenseignern zeigen, wie sinnvoll das Unternehmen sein Kapital eingesetzt hat. Kritische Auseinandersetzung Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass sich die relevanten Stakeholder, also auch die Eigenkapitalgeber, kritisch mit der Unternehmensleistung auseinandersetzen knnen. Der Druck dieser Stakeholder treibt die Unternehmen an, mit der knappen Ressource Kapital immer effizienter umzugehen. Diese Analyse gilt in ihrer Einfachheit allerdings nur, wenn man sich auf eine einzige Ressource beschrnkt, nmlich das konomische Kapital. Die Erkenntnis, dass der Verbrauch natrlicher Ressourcen an Grenzen stt und die Gesellschaft erhebliche Anstrengungen unternehmen muss, um eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen, ndert das. So rckt auch in den Vordergrund des Interesses, welche kologischen Ressourcen das Unternehmen verbraucht. Unternehmen und Stakeholder gefragt Will man das oben genannte Erfolgsmodell kopieren, um kologische Belastungen zu reduzieren, mssen sich die Stakeholder der Unternehmen auch mit dem Verbrauch kologischer Ressourcen kritisch auseinandersetzen knnen. Dies stellt nicht nur die akademische Ausbildung, sondern auch die Unternehmen und deren Stakeholder vor erhebliche Herausforderungen. Das traditionelle Bild, in dem sich ein positiver Beitrag von Unternehmen einzig und allein durch ihre Kapitalrendite ergibt, wandelt sich. Die Gesellschaft erwartet zunehmend von Unternehmen, dass sie auch einen positiven kologischen und sozialen Beitrag leisten. Die Hoffnung ist daher, dass sich die Stakeholder kritisch mit der kologischen und sozialen Unternehmensleistung auseinandersetzen und die Unternehmen zu immer besserer Leistung anspornen. Hierzu braucht es das Wechselspiel zwischen Unternehmen und Stakeholdern. Auf der einen Seite mssen Unternehmen entsprechende Informationen verffentlichen. Den Stakeholdern kommen auf der anderen Seite zwei Aufgaben zu: Sie mssen einerseits die Unternehmen dazu anhalten, vergleichbare und qualitativ hochwertige Informationen zu publizieren. Andererseits mssen die Stakeholder diese Informationen nutzen und den Unternehmen entsprechende Signale geben, damit diese weniger kologische Ressourcen verbrauchen. Der Praxistest Was in der Theorie einfach und logisch klingt, gelingt in der Praxis aber nur selten. Wrde dieses Wechselspiel zwischen Unternehmen und Stakeholdern funktionieren, msste sich die Qualitt der Berichterstattung im Laufe der Zeit verbessern. Grobe, einfach zu erkennende Fehler drften nicht auftauchen, da die Stakeholder sie erkennen und die Unternehmen sie beseitigen wrden. Bilanztricksereien, wie es sie auch im Finanzbereich gibt, wrden Stakeholder erkennen und in ihren Analysen bereinigen. Dies ist allerdings nicht der Fall. Einige anekdotenhafte Beispiele knnen hier zur Illustrierung dienen. Irrtmer in Nachhaltigkeitsberichten So hat British Telecom mehrfach Preise fr seine Nachhaltigkeitsleistung erhalten und ist zum Beispiel auch Teil des Dow Jones Sustainability Index. Das Unternehmen berichtet, dass es in den Jahren 2007 und 2008 in den Benelux-Lndern jeweils ber 600.000 Tonnen Abfall exklusive Bauschutt verursacht habe.

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BNEJOURNAL Pro Arbeitnehmer und Arbeitstag wren dies rund 1.400 Kilogramm Abfall. Dies hiee auch, dass mehr als 99 Prozent aller Abflle auerhalb d es Ver eini gten K nigr eich s in Belgien anfielen. Wie vom Unternehmen im Jahr 2007 besttigt, handelt es sich hierbei um eine Falschinformation, die die Stakeholder und das hochkartig besetzte Beratergremium auch im Folgejahr nicht erkannt haben. ABB berichtete jahrelang Schwefeloxid- und Stickstoffoxid -Emissionen, die um den Faktor 1.000 ber den wirklichen Emissionen lagen. Dies erkannte auch die unabhngige Zertifizierungsgesellschaft Det Norske Veritas nicht. Verschwundene Emissionen Einen ausgefeilten Bilanzierungstrick setzt Volkswagen ein. Das Unternehmen betreibt ein Kraftwerk, das zu 95 Prozent dem deutschen Energieriesen E.ON gehrt. Diese Aufteilung hat fr beide Unternehmen Vorteile. Volkswagen kann argumentieren, dass die Kohlenstoffdioxid-Emissionen nicht in den Nachhaltigkeitsbericht gehren, da es das Kraftwerk nur zu 5 Prozent besitzt. E.ON kann anfhren, dass es das Kraftwerk nicht betreibt. Mit diesen Ar. gumenten lsst sich fr Volkswagen und E.ON begrnden, dass sie die KohlenstoffdioxidEmissionen nicht in den jeweiligen Nachhaltigkeitsberichten ausweisen. Es verschwinden auf diese Weise circa 2,5 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid und damit mehr als die gesamten Kohlenstoffdioxid-Emissionen Islands. Fehler, falsche Informationen, Tricksereien Problematisch ist nicht so sehr die Tatsache, dass man Fehler und Falschinformationen oder Tricksereien in Nachhaltigkeitsberichten findet. Problematisch ist, dass die Stakeholder diese offensichtlich nicht erkennen und sanktionieren. Dies lsst darauf schlieen, dass die Stakeholder diese Informationen entweder nicht nutzen oder die Fehler nicht erkennen und mit falschen Daten arbeiten. All das weist darauf hin, dass der Informationskreislauf zwischen Unternehmen und Stakeholdern nicht funktioniert. Ein Grund hierfr auf der Unternehmenseite mag sein, dass es im Kontrast zur Finanzberichterstattung kein rechtlich bindendes Regelwerk fr Nachhaltigkeitsberichte gibt. Durch die zahlreichen Richtlinien fr die Nachhaltigkeitsberichterstattung und die vielfltigen Nachhaltigkeitsrankings und -preise verffentlichen Unternehmen viele Informationen auf unterschiedliche Weise und in unterschiedlicher Tiefe. berforderung der Stakeholder Auf der Seite der Stakeholder ist dadurch bedingt eine latente berforderung zu beobachten. Die kologischen Informationen liegen in vielen verschiedenen Dimensionen und auf unterschiedliche Arten vor, so dass Stakeholder sie nicht einfach beurteilen knnen. Um die Informationen interpretieren zu knnen, brauchen sie geeignetes Fachwissen, strker noch als bei finanziellen Informationen. Ob der Aussto von 2,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid erheblich ist, knnen Stakeholder nur beurteilen, wenn sie es mit einer natur- oder sozialwissenschaftlichen Referenzgre sinnvoll vergleichen knnen. Einfacher ausgedrckt: Welche Kohlenstoffdioxid-Emission ist eigentlich normal oder akzeptabel? Und in einem zweiten Schritt: Welche Aktivitten umfasst diese Zahl? Und was sind ihre Konsequenzen? Diskussion fokussiert auf Rendite Managementausbildungen beantworten leider nur sehr selten solche Fragen. Wenn Personen diese Frage diskutieren, steht schnell im Vordergrund, was die Umweltbelastung fr den konomischen Erfolg der Unternehmen bedeutet. Oft reduziert sich auf diese Weise die Diskussion auf die Perspektive der Kapitalgeber und die Rendite des Kapitals. Diese Perspektive rechtfertigt jegliche Emission von Kohlenstoffdioxid, solange sich die Kapitalrendite erhht. Wie absurd eine solche Orientierung an einer einzigen Kennzahl aus Sicht des Umweltschutzes ist, zeigt sich, wenn man die Logik einmal anders betrachtet. Die Forderung, dass ein Unternehmen unbegrenzt viel Geld investieren darf, solange es die kologischen Ressourcen ausreichend effizient einsetzt, wrden wohl alle marktwirtschaftlich orientierten konomen ablehnen. Die Aufgabe der Managementforschung ist es daher, das Verhltnis zwischen konomischem Kapital und kologischen Ressourcen neu zu berdenken. Zu den Autoren Prof. Dr. Frank Figge hat die Professur der Queens University Management School in Belfast fr Management and Sustainability inne. Dr. Tobias Hahn ist Associate Professor an der Euromed Management School in Marseille. Lydia Illge arbeitet am Institut fr Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) in Berlin. Andrea Liesen ist Studentin der Queens University Management School in Belfast (Nordirland).

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Corporate Social Responsibility Verpflichtung auf globaler Ebene?


Corporate Social Responsibility (CSR) gewinnt in der globalisierten Welt immer mehr an Bedeutung. bernehmen die Unternehmen damit politische Verantwortung in einem System, das zunehmend ber nationale Grenzen hinweg funktioniert und das neben Staaten auch andere Akteure prgen? . Von Prof. Dr. Beate Zimpelmann und Dr. Dirk Wassermann Sicher ist, dass im Bereich der internationalen Umwelt- und Sozialstandards dringender Handlungsbedarf besteht. Damit ist, neben den Unternehmen, die Zivilgesellschaft gefordert und insbesondere die Gewerkschaften. Keine nationalen Lsungen kologische und soziale Problemlagen erfordern zunehmend internationale Lsungen und damit eine Regulierung im Rahmen eines internationalen Mehrebenen-Systems, der so genannten Multi Level Governance: Erderwrmung, AIDS, Korruption oder die Verletzung . von Menschenrechten sind keine Probleme, die an den Grenzen des Nationalstaates Halt machen. Staaten knnen sie alleine nicht befriedigend lsen. Die Probleme haben eine inter- und transnationale Dimension und erfordern eine ebenenbergreifende Politik. Diese Politik muss sowohl private, ffentliche und zivilgesellschaftliche Akteure als auch neue und informelle Interaktionsformen einschlieen. Internationale Standards und Compliance, Im Bereich der Sozialstandards existiert auf internationaler Ebene bereits eine Flle von Regeln, die Arbeitnehmerrechte absichern. Auerdem verwirklichen sie ein breitgespanntes Spektrum von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten. Neben den Menschenrechtsvertrgen der Vereinten Nationen und insbesondere den Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation knnen Arbeitnehmer auf Urteile der jeweiligen Gerichte zurckgreifen. Schutz der Schwachen Internationale Vereinbarungen schaffen eine Vielzahl von Normen, die sich zunchst an die Staaten als Adressaten richten und eine innerstaatliche Umsetzung brauchen. Der Staat hat nicht nur die Pflicht, Freiheitsbereiche zu respektieren. Staaten haben insbesondere Schutzund Organisationspflichten. Das heit, sie mssen Schwache vor bergriffen oder Einschrnkungen von konomisch und sozial strkeren Krften schtzen. Staatliche Leistungspflichten sind aber nur subsidir begrndet. Der Staat kann daher seine Leistungspflichten ohne weiteres auf gesellschaftliche Krfte abwlzen und insbesondere die konomisch strkeren Akteure in die Pflicht nehmen. Reiner Etikettenschwindel? Handelt es sich bei den freiwilligen sozialen Unternehmensstandards nun um wirklich eigenstndige Normen? Tatschlich machen zahlreiche dieser Codes of Conduct bei den erwhnten internationalen Standards Anleihen. Ein allgemeiner Trend ist, die Kernnormen der Internationalen Arbeitsorganisation weitgehend in die freiwilligen Unternehmensstandards aufzunehmen. Freiwillige CSR-Standards entpuppen sich damit zumindest teilweise als Etikettenschwindel. Denn derartige Standards enthalten lediglich Regeln, die in den meisten Lndern fr auslndische Unternehmen, ihre inlndische Tchter oder Zulieferer ohnehin rechtlich verbindlich gelten. Potentielle Wirkung Solche freiwilligen Selbstverpflichtungen laufen also in Lndern mit hohem sozialen Schutzniveau ins Leere. Eine potentielle Wirkung entfalten sie erst in einigen Lndern des Sdens beziehungsweise Ostens, die diese Normen entweder nicht als rechtlich verbindlich anerkennen oder sie nicht richtig umsetzen. Unternehmensstandards knnen auch ein Weg sein, um soziale Rechte in diesen Lndern gegenber unwilligen oder unfhigen Regierungen zumindest teilweise durchzusetzen und die ffentliche Regulierung zu strken (Ward 2004). Vertrge mit Gewerkschaften Seit einigen Jahren ergnzen Konzerne ihre einseitigen Unternehmenserklrungen wie Verhaltenskodizes oder Codes of Conduct durch 12

BNEJOURNAL BNEJOURNAL internationale Rahmenabkommen. Diese Vereinbarungen schlieen Unternehmen oft mit gewerkschaftlichen Akteuren, vorwiegend globalen Gewerkschaftsfderationen wie dem Internationalen Metallarbeiterbund oder Euround Weltbetriebsrten. Mittlerweile existieren zahlreiche Instrumente, um diese Vereinbarungen tatschlich durchzusetzen. Dennoch ist die Umsetzung oft mangelhaft (Kocher 2008). Motivation fr CSR Um die CSR-Politik transnationaler Unternehmen zu beurteilen, lohnt sich der Blick auf die dahinter stehenden Interessen. In Anlehnung an und Erweiterung von Kocher (Kocher 2008) geht es um vier Typen von CSR-Politik: Unternehmen mit konomischer Motivation, die CSR im Zusammenhang mit einer konomischen Strategie entwickeln. Das geschieht oft, wenn ein Unternehmen neue Mrkte erschlieen oder Marken positionieren will. Unternehmen, die ihre CSR-Politik in Reaktion auf vorangegangene Skandalisierungen durch Nichtregierungsorganisationen (NGOs) entwickeln und diese als Teil des Risikomanagements betrachten (Management des ffentlichen Rufs). Unternehmen, die ihre CSR-Politik in Reaktion auf wirtschaftliche und staatliche Akteure wie Lieferanten, Abnehmer, Aktienmrkte, politische Vorgaben entwickeln (so genannte Sogeffekte). Unternehmen, die CSR-Politik aufgrund moralisch-weltanschaulicher Motive entwickeln, die meist herausragende Einzelfiguren, insbesondere Unternehmensgrnder oder Vorstandsvorsitzende, reprsentieren. Dialog mit Stakeholdern Viele Befrworter von CSR pldieren dafr, die Debatte um CSR in gesamtgesellschaftliche Prozesse einzubetten. Dabei geht es vor allem darum, alle wichtigen Stakeholder zu beteiligen, statt CSR-Vorhaben und Regeln dafr zu diktieren. Rund die Hlfte der Unternehmen geben an, sie stnden im regelmigen Kontakt mit kritischen Gruppen. Die andere Hlfte sagte, sie diskutierten mit ihren Stakeholder fallweise, wenn konkreter Bedarf auftrete. Das heit aber nicht, dass die Unternehmen regelmige unternehmensbezogene Stakeholderdialoge durchfhren. Viele beteiligen sich lediglich an verbandsbezogenen Dialogforen. Wichtige Stakeholder wie die Mitarbeiter und die Kunden vernachlssigen die Unternehmen (Leitschuh-Fecht 2006). NGOs knnen CSR-Agenda bestimmen Empirische Studien zeigen (Kocher 2008, Zimpelmann et.al. 2010), dass der Typ der CSRPolitik wesentlich prgt, wie Unternehmen mit Stakeholdern und Arbeitnehmervertretungen u mg e h e n . U n t e r n e h me n d e s T yp s Management des ffentlichen Rufs stehen oft im intensiven Dialog mit NGOs bis dahin, dass diese die CSR-Agenda fr die Unternehmen mitbestimmen. Beschftigtenvertretungen beziehen solche Firmen kaum ein. Dagegen scheinen die Mitarbeiter vor allem bei Unternehmen mit konomischer Motivation eine grere Rolle zu spielen. Freiwillig oder staatlich? Wie glaubwrdig und effektiv CSR ist, hngt stark davon ab, wie das Unternehmen mit zivilgesellschaftlichen Akteuren und betrieblicher Interessensvertretung umgeht. Wichtig ist auch, ob die Unternehmen und Gewerkschaften eine Annherung von CSR und betrieblicher Mitbestimmung begren. Eine staatliche Rahmensetzung fr CSR wre nur durch einen demo- . kratischen Prozess legitimiert, an dem sich Mitarbeiter und Gewerkschaften beteiligen. Ansonsten knnte der Vorwurf entstehen, dass es sich um politischen Lobbyismus handelt. Gesetze oder andere Normen fr CSR mssten unter anderem folgende Fragen klren: Wie sehen verbindliche Standards fr sinnvolles CSR aus? Wie und in welchem Umfang mssen Unternehmen ihr Engagement ffentlich darstellen? Was geschieht, wenn Unternehmen sich nicht an die Regeln halten? Noch ist kein Ende der Kontroverse zwischen freiwilliger CSR auf der einen und staatlicher Rahmensetzung oder staatlichen Anreizstrukturen auf der anderen Seite abzusehen.

Zu den Autoren Prof. Dr. Beate Zimpelmann ist Hochschullehrerin im internationalen Studiengang Politikmanagement der Hochschule Bremen und Vorsitzende des Kompetenzzentrums Nachhaltigkeit im globalen Wandel. Dr. Dirk Wassermann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in dem von Prof. Zimpelmann geleiteten Forschungsprojekt CSR in TNC Arenen, AkteurInnen, Prozesse. Literatur: siehe www.bne-journal.de

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CSR statt global gltiger Gesetze


Von A wie Adidas bis Z wie Zara bekennen sich heute so gut wie alle groen Konzerne zur Sozialen Unternehmensverantwortung, der so genannten Corporate Social Responsibility. Abkrzung: CSR. In den meisten Konzernen dient das Engagement jedoch lediglich den Eigeninteressen des Unternehmens. Von Klaus-Werner Lobo Sie stecken Millionen in Werbekampagnen, die beweisen sollen, dass das eigene Unternehmen zu seiner sozialen und kologischen Verantwortung steht. Ganze Abteilungen werden beschftigt, um sich um Menschenrechts- und Umweltangelegenheiten zu kmmern. Da werden Straenkinder untersttzt, Kinderspielpltze angelegt und manchmal Schulen und Krankenhuser in rmeren Lndern gebaut. Groe Firmen betonen, ein verantwortungsbewusster Teil der Gesellschaft zu sein, und er-klren die nachhaltige Wirtschaftsweise zu ihrem obersten Ziel. Meistens haben sie auch einen Code of Conduct, einen Verhaltenskodex. Darin stehen Dinge wie das Bekenntnis zu Ar. beits-, Gewerkschafts- und Menschenrechten, zum Umweltschutz und gegen Kinderarbeit. CSR statt menschenrechtlicher Auflagen Das klingt gut. Aber was steckt wirklich dahinter? Warum investieren Unternehmen heute Millionen in aufwndige Werbeprospekte und Nachhaltigkeitsberichte, um zu betonen, wie moralisch sie handeln? Die Antwort ist leicht. Durch die freiwillig auferlegte Unternehmensverantwortung wollen Konzerne verhindern, dass man sie mit global gltigen Gesetzen zur Einhaltung menschenrechtlicher Auflagen zwingt. Wir brauchen keine Gesetze, argumentieren sie, wir betreiben CSR. Ebenso gut knnte man sagen: Schaffen wir doch berhaupt alle Gesetze ab. Wir fahren auch freiwillig nicht bei Rot ber die Kreuzung und begehen auch keinen Bankberfall. Ob das funktionieren wrde? Ein anderer Grund liegt bei den Konsumenten. Die wollen nmlich heute mit gutem Gewissen einkaufen und dafr mssen die Konzerne ihr Image aufpolieren. Lohnkrzungen und teure CSR-Kampagnen Jeff Ballinger war einer der ersten, die Ende des zwanzigsten Jahrhunderts globale Konzernverbrechen aufdeckten und an die ffentlich-

keit brachten. Im Oktober 2007 besuchte ich den 53-jhrigen Amerikaner in seiner Wohnung in Wien. Ich wollte wissen, ob sich seit damals wirklich etwas verbessert hat. berhaupt nichts, sagte der grauhaarige freundliche Mann. Im Gegenteil: Die Konzerne geben ihr Geld nun fr teure CSRKampagnen aus, statt endlich faire Lhne zu bezahlen und die Situation in den Produktionslndern zu verbessern. Und fr uns ist es schwieriger geworden, diese furchtbaren Zustnde zu kritisieren, weil viele Konsumenten und Medien den Firmen ihre CSR-Lgen glauben. Die CSR-Manahmen haben unsere Lage sogar noch verschlechtert, erzhlte mir auch eine thailndische Arbeiterin, die Sportbekleidung fr groe Markenfirmen nhte. Weil die Konzerne unseren Arbeitgebern fr diese Manahmen nicht mehr bezahlen, wurden unsere Lhne gekrzt. 75 Cent mehr pro Turnschuh Fr einen Sportschuh, der bei uns 100 Euro kostet, erhlt eine Nherin in China oder Vietnam rund 40 Cent. Wenn jede Arbeiterin 75 Cent mehr bekme, wre das Problem gelst, sagt Jeff Ballinger. Doch das wrde Konzerne wie Nike 210 Millionen Dollar kosten. Stattdessen zahlen sie lieber 10 Millionen, damit ihre CSR-Leute von Konferenz zu Konferenz reisen und ihre Firma als verantwortungsvolles Unternehmen prsentieren knnen. Stellen wir uns vor, ich berfalle jemanden und raube ihm alles, was er hat. Wenn das Verbrechen ffentlich bekannt wrde, htte ich damit zweifellos einen gewissen Imageverlust zu erleiden. Stellen wir uns nun vor, ich zahle meinem Opfer nun mit grozgiger Geste einen Euro - und alle applaudieren. So in etwa ist die CSRPraxis der meisten Konzerne zu sehen. Zum Autor Klaus Werner-Lobo ist Autor und Kandidat der Grnen Wien zur Gemeinderats- und Landtagswahl 2010. 14

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Verankerung von CSR in der universitren Bildung


Hochschulen, die verantwortungsbewusste Manager ausbilden, mssen Unternehmensethik und Corporate Social Responsibility (CSR) in ihre Curricula integrieren. Ein Beispiel dafr bietet die Steinbeis Hochschule Berlin . von Dr. Felicitas Mocny Seit dem Sommersemester 2010 bietet das Institut Corporate Responsibility Management (ICRM) an der privaten Steinbeis Hochschule Berlin den Master-Studiengang in Responsible Management an. Der Lehransatz des ICRM geht davon aus, dass CSR nur verbindlich und umsetzbar wird, wenn Verantwortung (unternehmens-)ethisch begrndet wird. Die Kernfragen Hochschulen, die diese Ideen in ihren Curricula umsetzen wollen, sollten sich auf folgende Fragen konzentrieren: 1. Wie knnen Hochschulen die bestehenden . Curricula so transformieren, dass sie die Anforderungen an ein neues, holistisches Denken erfllen? Wie knnen Studiengnge das Wissen ber Nachhaltigkeit und globale Verantwortung vermehren? Wie knnen die Universitten konsistente und systematische ManagementKonzepte entwickeln? Wie stellen die Verantwortlichen sicher, dass alle Lehrenden die neuen Forschungs- und Lehrmethoden systematisch anwenden? Wie wird diese Art des Lehrens und Forschens Teil der Strategie einer Hochschule? Wie knnen Lernerfahrungen entstehen, die auf gemeinsamen Konzepten, Materialien und Prozessen basieren? verpflichten sich damit, zehn Leitstzen zu Umweltschutz, Menschen- und Arbeitsrechten sowie gegen Korruption zu folgen. Besonders die ersten drei Prinzipien dieses Paktes sind wichtig bei der Frage, wie CSR Teil der universitren Ausbildung wird. Prinzip 1 Zweck: Wir wollen die Fhigkeiten unserer Studierenden entwickeln, dauerhaften Wert fr Unternehmen und die Gesellschaft im Ganzen zu erzeugen und fr eine einbeziehende und nachhaltige Weltwirtschaft zu arbeiten. Prinzip 2 Werte: Wir wollen in unsere akademischen Aktivitten und in unsere Curricula die Werte der globalen gesellschaftlichen Verantwortlichkeit einbeziehen, wie sie in internationalen Initiativen wie dem United Nations Global Compact dargestellt sind. Prinzip 3 Methode: Wir wollen Rahmenbedingungen, Materialien, Prozesse und ein Umfeld fr die Ausbildung schaffen, die wirksame Lernerfahrungen fr verantwortungsvolle Unternehmensfhrung ermglichen. Um die Zielvorgaben der PRME-Initiative der Vereinten Nationen umzusetzen, ist es ntig, einen konsistenten ethischen Rahmen zu entwickeln. Er definiert Verantwortungskategorien und Handlungsoptionen. So werden die Prinzipien verbindlich. Die Verantwortungskategorien knnen sich aus ethischen Prinzipien und internationalen Deklarationen oder Standards ergeben. Auerdem knnen sie Ergebnisse diskursiver Prozesse, Methoden und Strukturen mit allen Beteiligten sein. Ersteres verlangt, dass die Studenten spezifisches Wissen in der universitren Ausbildung erwerben. Letzteres setzt voraus, dass sie in Hochschul-Seminaren ethische Diskurse anwenden und einben. Zur Autorin Dr. Felicitas Mocny leitet das Institute Corporate Responsibility Management der Steinbeis Hochschule Berlin. 15

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UN-Leitlinien als Orientierung Das ICMR orientiert sich an den Prinzipien der Vereinten Nationen fr verantwortliches Management, den UN Principles for Responsible Management Education (PRME:). Diese Leitlinien untersttzen Hochschulen dabei, die Prinzipien des Global Compact der Vereinten Nationen in die universitre Managementausbildung zu integrieren. Unternehmen knnen dem Global Compact freiwillig beitreten und

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Gemeinsame Verantwortung fr die Bildung unserer Kinder


Wissenschaft und Wirtschaft arbeiten in der Bildung mit groem Erfolg zusammen. Im Mittelpunkt steht das gemeinsame Ziel, beste Bildung fr unsere Kinder zu erreichen. Es ist daher ein Fortschritt, wenn Unternehmen sich verstrkt in diesem Bereich engagieren. Von Prof. Dr. mult. Wassilios Fthenakis Lange Zeit galt es in Deutschland eher als ehrenrhrig, wenn ein Wissenschaftler mit der Wirtschaft direkt in Berhrung kam. Der Forscher war mit dem Vorwurf konfrontiert, er verliere seine wissenschaftliche Seriositt und Unabhngigkeit. Gegner der Kooperation sahen sogar die Freiheit der Forschung, wie sie verfassungsrechtlich garantiert ist, in Gefahr. Zugleich schtzte die wissenschaftliche Gemeinde den Wissenschaftler, der es trotzdem wagte, mit der Wirtschaft zu kooperieren, gering. Keine separaten Welten Es war noch die Zeit, in der das Bild des Wis. senschaftlers durch die Grundstze und Prinzipien der Grundlagenforschung geprgt war. Diese Konstellation erlaubte oder verlangte zumindest nicht, sich mit der Praxis zu beschftigen. Wissenschaftler mussten nicht mit der Wirtschaft zusammenarbeiten, um Probleme in der Anwendung zu erforschen. Aus heutiger Perspektive ist diese Position fragwrdig. Inzwischen haben Wissenschaftler erkannt, dass Wirtschaft und Wissenschaft keine separaten Welten sind. Sie haben begriffen, dass es fr beide Seiten sinnvoll und ntzlich sein kann, zu kooperieren. Dabei ist es wichtig, forschungsethische Aspekte zu beachten. Denn Fragen zur Wissenschaftsethik werden in den letzten Jahren immer zentraler. Ein Beispiel dafr sind die Debatten zur Embryonenforschung. Verantwortung fr Bildung tragen Die Annherung zwischen Wissenschaft auf der einen und Wirtschaft auf der anderen Seite hat whrend der letzten Jahre an Bedeutung gewonnen. Die gegenwrtigen Bildungsdebatten spiegeln das vortrefflich wider. Die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbnde kmmert sich um die Qualitt der frhkindlichen Bildung und engagiert sich dafr, das Bildungssystem weiterzuentwickeln. Die Daimler AG baut Betreuungsangebote fr Kinder im vorschulischen Alter auf und die Deutsche Telekom Stiftung initiiert entlang der Bildungskette eine Reihe von innovativen Projekten. Die Bertelsmann Stiftung bereichert und belebt die bildungspolitischen Debatten. Die Robert Bosch Stiftung qualifiziert Fachkrfte und arbeitet mit Forschungsinstituten wie dem Deutschen Jugendinstitut in Mnchen zusammen. Dies alles zeigt, dass sich die Wahrnehmung, wer Verantwortung fr Bildung in diesem Land trgt, gewandelt hat. Wandel auf beiden Seiten Es verwundert, dass wir die Distanz zwischen Wissenschaft und Wirtschaft so lange Zeit gepflegt haben. Denn die Qualitt solcher Kooperationen ist besonders gro. Wir haben uns erst jetzt besonnen, dass wir eine gemeinsame Verantwortung fr die Bildung unserer Kinder haben. Die Wirtschaft sorgt sich heute berechtigterweise strker denn je um qualifizierte Fachkrfte. Auf der anderen Seite hat sich ein neues Verstndnis von Bildung entwickelt, auf dessen Grundlage gemeinsame Verantwortung gedeihen kann. Gemeinsame Ziele von Bildungsforschung und Wirtschaft Die Wirtschaft verlangt heute vom Individuum nicht Wissen, sondern Kompetenzen. Dazu gehren Kommunikationskompetenz und soziale Kompetenzen ebenso wie die Kompetenz, komplexe Probleme in Kooperation mit anderen zu behandeln und gemeinsam zu lsen. Andere Anforderungen richten sich darauf, richtige Entscheidungen treffen zu knnen oder mehrere Sprachen zu beherrschen. Diese Erwartungen korrespondieren mit der Neuorientierung von Bildungssystemen. Diese fokussieren nicht mehr primr darauf, Wissen zu erwerben. Wichtiger ist es, kindliche Entwicklung und kindliche Kompetenzen von Anfang an zu strken. Wirtschaft und Bildungsforschung verfolgen also gemeinsame Ziele. Diese auch gemeinsam zu erreichen, liegt auf der Hand, vor allem in Zeiten, in denen der Staat allein eine hohe Bildungsqualitt fr alle Kinder nicht sichern kann. 16

BNEJOURNAL BNEJOURNAL Beispiel: duale berufliche Bildung Unser Bildungsverstndnis geht davon aus, dass Bildung ein sozialer Prozess ist: Wissensgenerierung und Sinnkonstruktion finden in der sozialen Interaktion statt. Bildung in diesem Sinne knpft an die kindliche Erfahrungswelt an und ist sozial und kulturell eingebettet. Bildung ist kein bloer allein vom Kind initiierter und verantworteter Aneignungsprozess der Wirklichkeit. Die dual organisierte berufliche Bildung ist ein besonders gelungenes Beispiel einer erfolgreichen Kooperation zwischen Bildungspolitik, Bildungsforschung und Wirtschaft. Um dieses System beneiden uns viele in der Welt, auch die Wirtschaft untersttzt es weiterhin massiv. Aber auch in anderen Bereichen funktioniert die Zusammenarbeit: Die Bildungswirtschaft liefert zum Beispiel mit ihren Produkten eine unverzichtbare, international anerkannte hohe Qualitt. Sie untersttzt und ermglicht sogar in vielen Fllen erst Bildungsprozesse entlang der kindlichen Bildungsbiographie. Das Kind steht im Mittelpunkt Dass daraus ein wechselseitiger und fr beide Seiten Nutzen bringender Prozess in Gang kam, steht auer Zweifel. Bildung ist heute eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, fr die auch die Wirtschaft Verantwortung trgt. Das Bildungssystem weiterzuentwickeln stellt eine Herausforderung dar, die wir nur gemeinsam bewltigen knnen. Dabei steht das Kind mit seinen Bildungsinteressen, mit seinem Recht auf beste Bildung im Mittelpunkt. Mastab ist das Kindeswohl, nicht einseitige Interessen und Bedrfnisse anderer Akteure. Es ist aus meiner Sicht nichts dagegen einzuwenden, wenn alle daran mitwirken, die in unserer Gesellschaft Verantwortung fr Kinder tragen. Davon knnen Kinder, ja die ganze Gesellschaft nur profitieren. Corporate Social Responsibility stellt also eine Maxime dar und sie bietet eine Perspektive, wenn es darum geht, Verantwortung fr die Bildung unserer Kinder zu konkretisieren. Zum Autor Prof. Dr. mult. Wassilios Fthenakis ist seit 2002 ordentlicher Professor fr Entwicklungspsychologie und Anthropologie an der Freien Universitt Bozen in Italien. Er ist Vorsitzender des Didacta Verbands und Beiratsmitglied verschiedener Unternehmensstiftungen.

Schulen werden zu Produktionssttten von Humankapital


ffentliche Mittel fr Schulen schwinden. Wo der Staat spart, springen allzu gerne Unternehmen ein. Schulsponsoring fhrt aber dazu, dass Schulen ihre Unabhngigkeit verlieren. Stattdessen halten Marketingmanahmen Einzug in den Unterricht und mit ihnen eine rein konomische Logik. Von Prof. Dr. Ingrid Lohmann Vor Jahren brachte ein Vorfall, der in den Medien sogar international Aufmerksamkeit erregte, die Problematik von Schulsponsoring auf den Punkt. Der Vorfall trug sich an der Greenbrier High School im US-Bundesstaat Georgia zu. Dort kamen die Schler mehrerer Bezirksschulen zusammen, um im Rahmen eines von der Coca-Cola Company ausgerichteten Wettbewerbs an einer Rallye teilzunehmen. Es gab ein paar Tausend Dollar Preisgeld fr die Idee, die am besten zeigte, wie sehr man Coca-Cola liebt. Dafr hatten sich die Schler der Greenbrier High etwas Besonderes ausgedacht: Unter den Augen eines Dutzends von Coca-ColaManagern stellten sie sich, gekleidet in rotweie T-Shirts von Coca-Cola, so auf, dass das Wort Coke geformt wurde. Und da zog pltzlich der 19-jhrige Mike Cameron sein CocaCola-Hemd aus und stand in einem Hemd mit Pepsi-Cola-Logo da. Suspendierung fr einen Tag Die Schule suspendierte Mike Cameron umgehend, wenn auch nur fr einen Tag. Den verbrachte er mit Interviews ber seinen spektakulren Streich und Kurzauftritten in diversen US -Medien. Sie denke nicht daran, sich dafr zu entschuldigen, dass sie von ihren Schlern anstndiges Benehmen erwarte, kommentierte die Schulleiterin. Die Strafe habe sie nicht wegen des Tragens eines Pepsi-Hemds verhngt, son17

BNEJOURNAL dern weil die Aktion Unruhe gestiftet und das Bild der Schule gestrt habe. Klassen als Raum fr Marketingstrategien Der Fall schlug solche Wellen, dass sich das Government Accountability Office, investigativer Arm des US-Kongresses, mit den kommerziellen Aktivitten in Schulen befasste und im Jahr 2000 einen umfassenden Bericht vorlegte. Darin dokumentierte es eindrucksvoll, wie sehr Schulen und Klassenzimmer mittlerweile einen Raum fr die Marketingstrategien von Konzernen bieten. Eigentlich mssten Lehrer, von einem genuinen pdagogisch-professionellen Selbstverstndnis her, uerungsformen von Zivilcourage, gepaart mit Witz und Widerstndigkeit, bei Schlern mindestens gutheien, wenn nicht geradezu anstreben. Schlielich befinden wir uns in Lndern mit demokratischer Verfassung. Dieses Selbstverstndnis widerspricht jedoch heute mehr und mehr der Unterwerfungshaltung, die Schulleitungen durch absichtsvoll knapp gehaltene Haushaltsmittel annehmen. Privatisierung des ffentlichen Sektors . Die Organisation fr wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) verfolgt meiner Meinung nach eine Strategie, die den ffentlichen Sektor privatisieren will. Ein programmatischer Bestandteil dieser Strategie ist es, das Budget staatlicher Schulen zu verknappen. Und das nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland. Die Verantwortlichen legitimieren die Strategie durch das Mantra von den leeren ffentlichen Kassen. In den Verlautbarungen der OECD steht zwar, dass besonders Deutschland die Bildungsausgaben steigern muss. Das tuscht aber nicht darber hinweg, dass es darum geht, den staatlichen Anteil zu senken und den privaten Anteil zu erhhen. So gibt es seit den 1990er Jahren einen qualitativen Sprung in der Art der Steuerung des Bildungswesens: Als wichtiger Wert gilt nicht mehr dessen relative Autonomie gegenber den auerschulischen Sphren Politik und konomie. Nach einer kurzen Phase der Politisierung der Schule in den spten 60er und in den 70er Jahren geht es heute vielmehr darum, die Grenzen zwischen dem Pdagogischen und dem konomischen zum Verschwinden zu bringen. Rechengren fr die Kapitalverwertung Dies geschieht in unterschiedlichen Gestalten, die paradoxerweise alle Titel wie Autonomie, Eigenverantwortlichkeit oder Selbstndigkeit tragen. In Wirklichkeit verlieren die Schulen gerade diese Attribute. Sie werden zu den Wirtschaftsunternehmen vorgelagerten Produktionssttten von Humankapital. Schulen, Unterrichtsmaterialien, selbst die Schler zum Beispiel wenn Unternehmen mittels gesponsorter Computer ihr Verhalten fr Marketingzwecke ausforschen sind in den allermeisten Erscheinungsformen von Schulsponsoring nichts als Rechengren fr die Kapitalverwertung. Und Gelegenheiten zur Entfaltung subtilster Herrschaftsformen. Darber knnen vollmundige Deklarationen von Corporate Social Responsibility nicht hinwegtuschen.

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Zur Autorin Prof. Dr. Ingrid Lohmann ist seit 1992 Professorin fr Ideen- und Sozialgeschichte der Erziehung an der Universitt Hamburg.

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Unternehmen brauchen gut ausgebildete Nachhaltigkeitsmanager


Annette Dieckmann ist Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung Bundesverband e.V. (ANU). Im Interview erklrt sie, wie die Zusammenarbeit zwischen der ANU und der E.ON AG im Rahmen des Projekts Leuchtpol funktioniert und welche Vor- und Nachteile sie dabei sieht. Leuchtpol verankert Bildung fr nachhaltige Entwicklung (BNE) in Kindergrten und veranstaltet dafr mehrtgige Fortbildungen fr Erzieherinnen unter dem Motto Energie und Umwelt neu erleben. Projektziele sind BNE in 4.000 Kindergrten zu verankern, bildungspolitische Impulse fr Curricula und Rahmenplne zu geben und einen Dialog zwischen Umweltbewegung und Wirtschaft zu frdern. Die E.ON AG frdert das Projekt. Sie sind mit der Kooperation zwischen E.ON und der ANU innerhalb Ihres Verbandes auf Widerstand gestoen. Wrden Sie sich trotzdem erneut darauf einlassen? Ja, denn uns kam es darauf an, ein Projekt auf den Weg zu bringen, in dem die ANU und ihre Tochtergesellschaft, die gemeinntzige GmbH Leuchtpol, uneingeschrnkte pdagogische Freiheit haben. Bei dem auerdem die Qualitt im Vordergrund steht und E.ON auf Marketing in Kindergrten und massenmediale Werbung verzichtet. Dies ist uns durch den sorgfltig aufgesetzten Sponsoringvertrag, an den sich die Partner penibel halten, gelungen. Deshalb sehen wir Leuchtpol weiterhin als gutes Modell. Das gilt besonders fr Kooperationen zwischen Partnern, die Umweltfragen sehr unterschiedlich bewerten und auch whrend des Projektes mit ihren Positionen nicht hinterm Berg halten. Wie reagierten Ihre Verbandsmitglieder anfangs und wie ist die Einstellung heute? Die ersten Reaktionen reichten von Begeisterung darber, mit Bildung fr nachhaltige Entwicklung (BNE) endlich breit wirksam werden zu knnen, bis hin zur Annahme, dass E.ON die Umweltbewegung spalten wolle. Die Befrworter wnschten sich, unsere Anliegen ins Unternehmen zu tragen. Die Gegner hingegen frchteten massives Greenwashing und lehnten ab, mit Betreibern von AKW und neuen Kohlekraftwerken zusammenzuarbeiten. Viele, die zunchst skeptisch bis ablehnend waren, haben ihre Haltung gendert, nachdem sie die Fakten zur pdagogischen Unabhngigkeit und zur relativ zurckhaltenden Kommunikation bei E.ON kannten. Wichtig war, dass wir unsere ausfhrliche innerverbandliche Diskussion ber das Projekt uerst transparent fhrten. Die meisten Mitglieder sehen die Zusammenarbeit inzwischen als mutigen, nicht risikofreien, aber richtigen und zukunftsweisenden Schritt. Welche Vorteile und welche Nachteile hat die Zusammenarbeit? Das Wichtigste fr uns: Da E.ON bereit ist, ein umfangreiches, qualitativ hochwertiges Projekt mit angemessenem Budget auszustatten, knnen wir mit Leuchtpol die vielen lokalen Erfahrungen der auerschulischen Umweltbildungsanbieter bndeln und mit groer Reichweite umsetzen. Wie bisherige Evaluationen beweisen sind wir sehr wirkungsvoll. Die in Krze erscheinende Best practice-Broschre zeigt, dass Elementarbildung ein Potenzial fr BNE birgt. Denn Kitas sind Orte, wo Erzieherinnen und Kinder gemeinsam Werte aushandeln, festigen und reflektieren. Leuchtpol gibt uns die Mglichkeit, BNE sowohl in den entsprechenden Gremien als auch durch gezielte Presseund Medienarbeit breitenwirksam zu kommunizieren. Wir mssen aber die kommunikativen Risiken sorgfltig beachten und zum Beispiel falschen Darstellungen rechtzeitig begegnen. Ein Nachteil ist, dass der Aufwand dafr grer ist als in anderen Projekten. Ein Vorteil der heterogenen Zusammenarbeit ist dagegen, dass im Konzern selbst viele Mitarbeiter mit den Ideen von BNE in Berhrung kommen, die wir sonst wohl kaum erreichen wrden. Kann eine NGO im Rahmen einer Kooperation tatschlich in einen groen Konzern hineinwirken und dort etwas verndern? Zunchst verstrkt das Projekt die Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit auch im Konzern, da E.ON seinen Beschftigten dieses auergewhnliche Engagement erlutern muss. Darber hinaus gibt uns die Kooperation regelmig Gelegenheit, mit den 19

BNEJOURNAL Vertretern des Konzerns relativ entspannt Meinungen auszutauschen. Dies konnten wir auch auf Vorstandsebene tun und dort unsere Auffassung von starker Nachhaltigkeit einbringen. Starke Nachhaltigkeit heit fr uns, dass der Erhalt unserer natrlichen Lebensgrundlagen ber dem wirtschaftlichen Gewinnstreben steht. Dennoch bleiben wir realistisch: Auch wenn wir mit E.ON intern und extern im kritischen Dialog stehen, halten wir unsere Mglichkeiten, auf die Konzernentwicklung und auf die Ausrichtung des Kerngeschfts Einfluss nehmen zu knnen, fr eher gering. Anstze wie eine viel beachtete ffentliche Dialogveranstaltung im Frhjahr 2010 in Berlin halten wir fr sehr sinnvoll. Eine Bilanz knnen wir aber erst am Projektende ziehen. Wo wre fr Sie eine Grenze erreicht, die ein Verband nicht berschreiten sollte? In der ANU haben wir in einem Grundsatzpapier festgelegt, dass ein Sponsoringpartner die Mindeststandards des Global Compact einhalten muss. Es kommt im Einzelfall dann darauf . an, Risiken und erwarteten Nutzen einer Zusammenarbeit abzuwgen. Dazu gehren auch kommunikative Risiken. Die Grundlage muss eine Vereinbarung sein, die politische und in unserem Fall pdagogische Unabhngigkeit sichert. Ich persnlich wrde nicht mit Unternehmen arbeiten, die berwiegend im Rstungsgeschft ttig sind oder mit der Zigarettenindustrie. Ist die Kooperation ein Modell fr die Zukunft fr die Vermittlung von nachhaltigem Denken und Handeln? Was die zentralen Ziele von Leuchtpol angeht: unbedingt. Bereits nach eineinhalb Jahren haben ber 1.000 Kindergrten erfolgreich BNEProjekte durchgefhrt und dokumentiert. Wir halten es fr unabdingbar, auch und gerade mit solchen Unternehmen zusammenzuarbeiten, die hohe soziale und kologische Risiken in ihrer Wertschpfungskette haben. Wir knnen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung nicht auf sie verzichten.

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Kunden achten darauf, wofr ein Unternehmen steht


Claudia Langer ist Geschftsfhrerin von Utopia AG, die eine Internetplattform fr strategischen und nachhaltigen Konsum betreibt. Sie erklrt, was es mit dem Changemaker-Manifest von Utopia auf sich hat und wieso Unternehmen nachhaltig handeln wollen. Was ist die Neue Deutschland AG und das Changemaker-Manifest? Die Neue Deutschland AG steht fr eine Gruppe von Unternehmen, die es Ernst meinen mit dem Thema Nachhaltigkeit und die sich mit einem Manifest ganz konkrete und nachprfbare Nachhaltigkeitsziele gesetzt haben. Diese Unternehmen sind echte Pioniere, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind und sich an ihren Nachhaltigkeitszielen messen lassen. Dabei nehmen sie ihre Stakeholder mit und treiben Mitarbeiter, Lieferanten und Partner voran. Das Changemaker-Manifest formuliert jedes Unternehmen individuell in einem Abstimmungsprozess mit dem Kuratorium der Utopia Stiftung. So stellen wir sicher, dass die Ziele zum Unternehmen passen, aber auch, dass die Unternehmen ambitionierte Schritte in Richtung Nachhaltigkeit machen. Auerdem geht es darum, die Manahmen so konkret zu formulieren, dass sie auch messbar sind. Das ChangemakerManifest und die damit eingegangenen Verpflichtungen machen Nachhaltigkeit zur Chefsache. Der Vorstand unterschreibt das Manifest und unterstreicht damit das persnliche Engagement der Unternehmensfhrung und das klare Bekenntnis zu mehr Nachhaltigkeit. Wer hat bisher das Changemaker-Manifest unterschrieben? Im November 2009 unterzeichneten die ersten neun deutschen Unternehmen. Dazu zhlen neben Bionade, Entega, Frosta, der GLS Bank, Memo und Otto auch Spacenet, Tegut und Utopia selbst. Im April 2010 unterzeichnete der Telekom-Vorstandsvorsitzende Ren Obermann das Changemaker-Manifest und fhrte damit das erste Dax-Unternehmen in die Riege der Changemaker ein. Wir sind bereits mit weiteren Unternehmen im Gesprch, die sich gerne 20

BNEJOURNAL BNEJOURNAL auf den Changemaker-Prozess einlassen wollen. Welchen Erfolg erwarten Sie sich? Wir wollen Unternehmen dazu bringen, ihrer Verantwortung nachzukommen. Fr die Unternehmen ist Nachhaltigkeit mittlerweile ein Wettbewerbsvorteil und Wirtschaftsfaktor. Nur wenn es ein positiver Wirtschaftsfaktor bleibt, werden sich Unternehmen umgestalten knnen und wollen. Die Kunden achten immer mehr darauf, wofr ein Unternehmen steht und diese Entwicklung finde ich gut. Was hat sich bisher bei den Unternehmen, die unterschrieben haben, gendert? Das Utopia-Manifest enthlt zehn Versprechen, die an konkrete Handlungen geknpft sind: Ein Punkt etwa zielt darauf ab, weniger Ressourcen im jeweiligen Unternehmen einzusetzen. Ein anderer fordert, eine verbesserte EnergieEffizienz zu erreichen und Strom aus erneuerbaren Quellen zu benutzen. Zustzlich versprechen die Erstunterzeichner, dass sie ihre Emissionen drastisch reduzieren und dazu einen Plan ausarbeiten. Auch die gesetzlich vorgeschriebenen sozialen Standards wollen alle unterzeichnenden Parteien deutlich bertreffen. Bis zum 31. Dezember 2010 werden alle ErstUnterzeichner erstmals ber ihre Fortschritte berichten und sich anhand der zehn Punkte messen lassen. Utopia verffentlicht alle Zwischenberichte - ebenso wie die Manifeste - auf seiner Internet-Plattform. Was erhoffen Sie sich davon? Die Unternehmen unterziehen sich damit der wirksamen berprfung durch eine kritische ffentlichkeit. Damit entsteht eine vllig neue Qualitt in der Nachhaltigkeitskommunikation: Die Unternehmen begeben sich mit konkreten Nachhaltigkeitszielen in einen transparenten und kritischen Dialog mit Usern, Utopia und Kuratorium und bekommen Feedback aus der Community. Der Dialog mit der Zivilgesellschaft wird Fortschritte im Nachhaltigkeitsmanagement der Unternehmen aufzeigen, aber vor allem auch Schwchen und Verfehlungen aufdecken und hinterfragen. Das ersetzt zwar nicht Zertifizierungen und Expertenanalysen, um zu beurteilen, wie nachhaltig Unternehmen handeln. Aber die Zivilgesellschaft hat die Chance, zum Untersttzer oder zum Korrektiv fr die Unternehmen zu werden. Ein konkretes Beispiel fr eine nderung bei einem Unterzeichner wre die groe Handy-Rcknahmeaktion der Telekom. In dem Manifest der Telekom verpflichtet sich der Konzern zu einer Sammelaktion von 1 Million Althandys in ein bis zwei Jahren. Eine Kampagnenseite fordert nun alle Verbraucher auf, ihre alten Handys in Telekomlden abzugeben. Was ist bei der Vermittlung von nachhaltigem Denken und Handeln besonders wichtig? Wir wollen alle ansprechen. Der ko macht ja schon alles richtig, der braucht unsere Informationen nicht mehr so dringend. Darum wollen wir die groe Masse erreichen und fr Nachhaltigkeit begeistern. Manchmal muss man Menschen nur verfhren, mal etwas Neues auszuprobieren. .

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Mit dem Bericht zur nachhaltigen Strategie


Inwent hat 2009 einen ersten Nachhaltigkeitsbericht verffentlicht und vermittelt jetzt kleinen und mittleren Unternehmen, worauf es bei der Erstellung ankommt. Claudia Kornahrens, die Leiterin der Abteilung Qualitt, Wirkung und Nachhaltigkeit, beschreibt, welche Auswirkungen ein Nachhaltigkeitsbericht hat. Welche Erfahrungen hat Inwent mit dem eigenen Nachhaltigkeitsbericht gemacht? Der Nachhaltigkeitsbericht bilanziert alle zwei Jahre, wie wir unsere Nachhaltigkeitsstrategie umsetzen. 2007 haben wir eine Nachhaltigkeitserklrung im Unternehmen verabschiedet und einen Operationsplan entwickelt. Damals haben wir entschieden, neben den klassischen kologischen, konomischen und sozialen Aspekten auch die Dimension Kontinuierlich Lernen als Voraussetzung fr institutionelle Nachhaltigkeit aufzunehmen. Das hat sich als sehr wichtig erwiesen, denn damit hatten wir bereits einen Fokus auf die internen Lernprozesse - Ziele setzen, Umsetzung . beobachten und Wirkung evaluieren - gerichtet. Aus der Beschftigung mit dem Bericht sind wichtige neue Erkenntnisse entstanden. Wir setzen uns jetzt zum Beispiel intensiver mit der Frage auseinander, was Produktverantwortung und Verantwortung in der Lieferkette fr uns als Dienstleister von Bildungsund Fortbildungsangeboten in der internationalen Zusammenarbeit bedeuten. Also zum Beispiel: Welche Diskussionen mssen wir mit unseren Partnern vor Ort ber die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards fhren? Was bedeutet die Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten fr kleine Organisationen und Unternehmen? Uns erscheint wichtig, dass man nicht zu schematisch an die Erstellung des Berichts herangeht. Natrlich gibt es formale Kriterien, die man beachten muss, wenn man ihn fr das Ranking verfasst, das das Institut fr kologische Wirtschaftsforschung (IW) und die Unternehmensinitiative Future Verantwortung unternehmen an Berichte fr kleiner und mittlere Unternehmen (KMU) aufstellt. Aber es geht darum, unser Verstndnis und unsere Herangehensweise an Nachhaltigkeit zu beleuchten. Davon sollte man sich leiten lassen. Beim ersten Bericht ist es sicher aufwndig, die Inhalte aufzubereiten und alle erforderlichen Daten im Unternehmen zusammenzutragen. Wir haben ein kleines Autorenteam gebildet. Ein Beirat mit Vertretern aus Leitungsebene und Gesamtbetriebsrat hat es begleitet. Damit gab es eine Reihe von Multiplikatoren, die fr die notwendige Untersttzung im Haus geworben haben. Auerdem haben wir uns auch externen fachlichen Rat geholt. Welche Vorteile bringen solche Berichte? Ein groer Vorteil liegt darin, dass man alle Interessengruppen gleichzeitig in den Blick nimmt und ihnen die Informationen liefert, die sie bentigen und von uns erwarten. Wir haben fr den Bericht eine Stakeholder-Landkarte erarbeitet und dann systematisch die Ansprche der Interessengruppen an uns reflektiert. Fr unsere Auftraggeber, Partner und Teilnehmer haben wir zusammenfassend dargestellt, mit welchen Werten und Standards wir arbeiten und wie wir Wirkungen erzielen. Auch die Mitarbeiter zhlen zu den Stakeholdern, das heit wichtige Themen des Nachhaltigkeitsberichts sind Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Umgang mit Fluktuation oder Personalentwicklung im Dialog zwischen Leitungsebene und Mitarbeitervertretung. Stoen die Berichte einen Lernprozess innerhalb der Organisation an oder geht es eher um die Darstellung von bereits Erreichtem? Beides. In erster Linie soll dargestellt werden, was man im Berichtszeitraum von zwei Jahren erreicht hat und was nicht. Wie gesagt hat der Bericht die Funktion, alle Stakeholder angemessen zu informieren. Aber daraus leitet sich unmittelbar ein interner Lernprozess ab und zwar mit den Fragestellungen: warum haben wir bestimmte Ziele erreicht und andere nicht? Was sind die Erfolgs- und die Misserfolgsfaktoren? Wo liegen ungenutzte Potentiale? Das Instrument des Nachhaltigkeitsberichts 22

BNEJOURNAL BNEJOURNAL bietet groes Potenzial fr die Weiterentwicklung von Strategie und Managementsystem. Wir haben unseren Bericht auf der Grundlage des EFQM-Modells (European Foundation for Quality Management) aufgebaut, weil wir mit einem EFQM-basierten Qualittsmanagement arbeiten. Die Kriterien dieses Modells lassen sich gut kombinieren mit den Kriterien des IW/Future-Rankings. Wir haben mit einer Nachhaltigkeitsstrategie im Jahr 2007 begonnen, die andere Strategien im Unternehmen ergnzte. Mit dem Bericht kann man im Laufe der Zeit zu einer nachhaltigen Strategie gelangen, die alle Unternehmensstrategien unter diesem Blickwinkel bndelt. Wie knnen kleine Organisationen und Unternehmen durch interne Bildungsmanahmen mehr nachhaltiges Denken und Handeln vermitteln? Als Organisation, die sich mit Kompetenzentwicklung und Weiterbildung beschftigt, interessiert uns diese Frage besonders. Lernen auf der individuellen Ebene und der Ebene der Organisation geschieht nicht nur durch Fortbildungsmanahmen, sondern hat viele Facetten. Wir haben in den vergangenen Jahren intern mit verschiedenen Instrumenten gearbeitet, wie Runde Tische, Jour Fixe, ein Intranetportal mit Tipps fr Nachhaltigkeit im Alltag oder Aktionstage zu bestimmten Themen wie nachhaltiges Bromaterial im Unternehmen. Auerdem ist wichtig zu bercksichtigen, welche Kompetenzen Mitarbeiter und Fhrungskrfte bentigen, um im Sinne von Nachhaltigkeit agieren und wirken zu knnen. Solche Nachhaltigkeitskompetenzen umfassen neben einer fachlichen Dimension wie Orientierungswissen ber relevante Nachhaltigkeitsthemen auch handlungsorientierte Kompetenzen und Methodenkompetenzen. Das beinhaltet zum Beispiel die Fhigkeit, komplexe Systeme zu erkennen oder Zukunftsszenarien zu entwerfen. Mit diesem Thema beschftigen wir uns gerade im Rahmen einer Jahreskonferenz aller Fhrungskrfte und Projektleiter.

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Praxisbeispiel 1: Ideen Initiative Zukunft


Mit der Ideen Initiative Zukunft frdern die Deutsche UNESCO-Kommission und dm drogerie markt Projekte und Ideen fr eine lebenswerte Zukunft. Die Preistrger erhalten bis zu 1000 Euro, den besten Ideen winkt eine Reise nach Paris. Bis zum 15. Oktober 2010 konnten sich Interessierte unter www.ideen-initiative-zukunft.de bewerben.. Von Ulrike Schwarzberg Jeder ist aufgerufen, sich am Wettbewerb zu beteiligen ob mit einer guten Idee oder mit einem Engagement in einem bereits laufenden Projekt, das dazu beitrgt, die Lebensqualitt zu verbessern. Einzige Voraussetzung: Das Projekt muss bertragbar sein und an verschiedenen Orten umgesetzt werden knnen, und so mglichst viele Menschen zum Nachahmen anregen. Geldpreise Bis Dezember 2010 trifft eine Jury der Deutschen UNESCO-Kommission und von dm eine Vorauswahl der Projekte, die sich im Januar 2011 in .einer dm-Filiale vorstellen knnen und dafr 250 Euro erhalten. Vor Ort stimmen die Kunden ab, welches Projekt mit insgesamt 1.000 Euro gefrdert wird. Reise zum UNESCO-Hauptsitz Aus allen Gewinnern nominiert die Jury zehn herausragende Leistungen, die unter www.ideen -initiative-zukunft.de vorgestellt werden. Hier entscheiden die Besucher der Website, welche drei Projekte den Hauptpreis erhalten und jeweils zu einer Reise fr fnf Personen nach Paris zum Sitz der UNESCO eingeladen werden. UN-Dekade Bildung fr nachhaltige Entwicklung Die Initiative ist ein Beitrag zur UN-Dekade Bildung fr nachhaltige Entwicklung, einer internationalen Bildungsoffensive der Vereinten Nationen. Die Idee: zukunftsfhige Bildung muss Menschen das Rstzeug mitgeben, globale Herausforderungen wie den Klimawandel zu bewltigen. Damit Bildung diesem Anspruch gerecht wird, haben die Vereinten Nationen fr die Jahre 2005 bis 2014 die UN-Dekade ausgerufen. Die UNESCO koordiniert die Umsetzung der Dekade weltweit, die Deutsche UNESCO-Kommission bernimmt diese Aufgabe fr die deutschen Aktivitten. Das Projekt knpft an die Initiative Sei ein Futurist! an, bei der die Deutsche UNESCO-Kommisson und dm 2009 1.082 nachhaltige Projekte mit je 1.000 Euro untersttzten.

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Praxisbeispiel 2: der MBA Sustainability Management


Seit sieben Jahren bietet das Centre for Sustainability Management (CSM) der Leuphana Universitt Lneburg den MBA Sustainability Management im Bereich Nachhaltigkeitsmanagement und Corporate Social Responsibility an. Von Teresa Mangold, Leuphana Universitt Lneburg Der Studiengang richtet sich an innovative und engagierte Persnlichkeiten, die einen Karrieresprung anstreben und diesen gezielt mit Nachhaltigkeitsthemen verbinden mchten. Der MBA ist nach den europischen MBARichtlinien akkreditiert und fhrt damit zum international anerkannten Titel Master of Business Administration. Nachhaltigkeit als Erfolgsfaktor Ziel dieses MBAs ist es, Studierende zu Fhrungskrften auszubilden, die in Wirtschaft und Gesellschaft eine nachhaltige Entwicklung vorantreiben. Drei Jahre nach seiner Grndung erhielt der MBA 2006 die Auszeichnung als Projekt der UN-Dekade Bildung fr nachhaltige Entwicklung. Das Weiterbildungsstudium vermittelt den Studierenden Fach-, Fhrungsund Handlungskompetenz. Die Studierenden erfahren, wie sie nachhaltige Entwicklung unternehmerisch umsetzen knnen. Dabei geht es darum, Nachhaltigkeit im eigenen Arbeitsumfeld als Erfolgsfaktor zu thematisieren sowie nachhaltigkeitsorientierte Projekte zu initiieren und umzusetzen. Die Studierenden lernen, wie sie unternehmerische Nachhaltigkeit messen, Logistik nachhaltig organisieren oder eine kobilanzierung erstellen knnen. Vorlesungen zu Markt- und Staatsversagen, europi-

schem Umweltrecht oder Nachhaltigkeitscontrolling stehen ebenfalls auf dem Lehrplan. Aktives und funktionierendes Netzwerk Der MBA Sustainability Management zeichnet sich unter anderem durch eine hohe Praxisorientierung aus. In einem Unternehmensworkshop wenden die Studierenden ihr erlerntes Wissen an, indem sie eigene Projekte direkt umsetzen. Ein Alumni-Verein frdert Vernetzung und Austausch. Dem CSM-Alumni e.V. gehren Studierende, Absolventen und Untersttzer des MBA Sustainability Management an. Die Angebote des Vereins reichen von regelmigen regionalen Stammtischen ber Studienreisen und vergnstigte Konferenzteilnahmen bis zu einem Mentoring-Programm. Achter Durchgang des MBA Interessierte knnen das E-Learning gesttzte Fernstudium in Vollzeit oder berufsbegleitend in Teilzeit in zwei beziehungsweise vier Semestern absolvieren. Voraussetzungen fr die Teilnahme sind ein abgeschlossenes Hochschulstudium, zwei Jahre Berufserfahrung und PC- und Englischkenntnisse. Auch BachelorAbsolventen haben Zugang zu dem Studiengang. Im Januar 2011 ist Studienbeginn fr den neuen MBA-Jahrgang. Der erfolgreiche Weiterbildungsstudiengang nimmt dann bereits zum 8. Mal Teilnehmer auf.

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Praxisbeispiel 3: Leben und Arbeiten im Biosphrenreservat


Das Programm Unternehmen Biosphrenreservat des Familienunternehmens Bionade ist Offizielles Projekt der UN-Dekade Bildung fr nachhaltige Entwicklung. Die Firma hat ihren Sitz im bayerischen Teil des Biosphrenreservats Rhn. Bionade zeigt mit dem Projekt, wie Leben und Arbeiten an einem solchen Ort funktioniert, ohne den Einklang von Mensch, Natur und Umwelt zu stren. Von Christian Zepf, Bionade 9.30 Uhr, Drei-Lnder-Eck Bayern, Hessen, Thringen 15 Teilnehmer warten vor dem Eingangsbereich des Schwarzen Moors im Biosphrenreservat Rhn, gespannt darauf, was das Moor zu bieten hat. Bevor die Wanderung ber den Holzbohlenweg losgeht, begrt sie der Bionade-Scout Rdiger Omert und erklrt den Teilnehmern das Tagesprogramm und ihre Aufgaben: Seien Sie aufmerksam mit allen Sinnen. Das Programm Unternehmen Biosphrenreservat mchte bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen die . Wertschtzung und das Bewusstsein fr das Miteinander von Mensch, Natur und Umwelt strken. Bionade hat es entwickelt, um Wissen ber die Zusammenhnge von kologischem, konomischem und sozialem Handeln konkret erfahrbar zu machen. Dahinter steht der Gedanke, dass mndige Brger aufgrund ihres Wissens ber die Dinge, Zusammenhnge oder Hintergrnde Entscheidungen fr eine nachhaltige Entwicklung zum Wohle aller treffen. Deshalb arbeitet Bionade seit 2009 mit dem bayerischen Biosphrenreservat zusammen. Gemeinsam vermitteln sie, was hinter Ausdrcken wie Kern- und Entwicklungszone eines Biosphrenreservates steckt und wie die Wechselwirkungen und Zusammenhnge zwischen naturbelassenem Schutzgebiet und dem Einfluss des Menschen auf die Natur aussehen. Startpunkt des Erlebnistages ist das Schwarze Moor, die Kernzone des Reservates: Hier ist die Natur einfach Natur, der Mensch ist Gast. 13.30 Uhr, Ostheim, Bio-Landbau Rhn Ein Imbiss und die 30-mintige Fahrt haben die Teilnehmer ausruhen lassen. Nun sind sie fit zu erfahren, wie nachhaltige Landwirtschaft in der Entwicklungszone des Biosphrenreservates aussieht. Auf den Anbauflchen des BioLandwirtes Martin Ritter entdecken sie jede Menge Tiere. Glcklicherweise sitzen die Luse lieber auf den Blumen als auf den Bumen, seitdem wir Wiesenblumen und Kruter dazwischen gepflanzt haben, verrt Ritter. Er baut fr Bionade Holunder und Braugerste an. Das Unternehmen kann so einen Groteil der Rohstoffe aus der Region beziehen die Vorteile sind auch den neugierigen Teilnehmern sofort klar: Kurze Wege, sichere Bioqualitt, Strkung der Region. 14.30 Uhr, Betriebserkundung bei Bionade Nachdem die Teilnehmer unter anderem in den Braukessel geschaut haben, zieht Rdiger Omert den Bogen vom Biosphrenreservat bis hin zu bewusster Ernhrung damit hat alles Gesehene fr die Teilnehmer einen konkreten Bezug zu ihnen selbst. Sie knnen sich nun vorstellen, was Peter Kowalsky, Geschftsfhrer bei Bionade, meint, wenn er sagt: Ich glaub, dass es mglich ist, mit Anstand Geld zu verdienen: Anstand gegenber der Natur, der Umwelt, den Mitarbeitern und sich selbst.

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Praxisbeispiel 4: Veranstaltungsreihe fr Studierende


sneep Mnchen, eine Lokalgruppe des bundesweiten Studierenden-Netzwerks student network for ethics in economics and practice sneep organisiert gemeinsam mit den Fachschaften BWL und VWL der Ludwig-Maximilians-Universitt (LMU) Mnchen eine interdisziplinre Veranstaltungsreihe. Ziel ist es, Interessenten und Studierende aller Fachrichtungen fr langfristiges Denken in der Wirtschaft zu sensibilisieren und zu nachhaltigem Handeln zu motivieren. Von Jonas Gebauer, sneep Fr transdisziplinres Denken, Themen wie Nachhaltigkeit und Corporate Responsibility war frher in Lehre und Praxis wenig Platz. Heute steht zur Debatte, wie wir Wirtschaft nachhaltig(er) gestalten knnen. Allerdings hinkt der universitre Dialog in Deutschland immer noch dem ffentlichen Diskurs hinterher. Dies will sneep Mnchen, ein studentisches Netzwerk fr Wirtschafts- und Unternehmensethik, ndern und hat daher eine Veranstaltungsreihe gestartet. Zu wenig Angebote Studierende haben groes Interesse an Seminaren, Vorlesungen und Workshops ber Wirtschafts- und Unternehmensethik, Nachhaltigkeit und Corporate Responsibility. Eine deutschlandweite Umfrage von sneep unter 3.000 Studierenden ergab, dass weniger als 10 Prozent der Befragten Veranstaltungen zu den oben genannten Themen besuchen. Ein Groteil der Studierenden hat keine Mglichkeit, sich an ihren Universitten zu diesem Bereich zu informieren. Die Universitten knnen die wachsende Nachfrage nicht decken. Von Studenten fr Studenten Seit Mai 2009 bieten daher Studierende von sneep und WASTI, den Fachschaften BWL und VWL der LMU, eine wirtschaftsethische Veranstaltungsreihe fr Studierende aller Fachrichtungen an. Ziel der Reihe ist es, die ganze Bandbreite und Attraktivitt nachhaltigen Wirtschaftens aufzuzeigen. Auerdem geht es darum, aktuelle Anstze und Praxisbeispiele kritisch zu diskutieren und zu reflektieren. Ethisches Investment und Emissionshandel Dazu ldt sneep zum Beispiel Unternehmensvertreter ein, die ber die Rolle von Nachhaltigkeit in ihrem Betrieb sprechen. Professoren diskutieren ber die Vor- und Nachteile von ethischem Investment oder halten Vortrge ber die Theorie, die hinter Wirtschaftsethik steht. In Workshops zu Themen wie Emissionshandel probieren Studierende neue Formate und Vermittlungsmethoden aus. Seit 2010 ist Business meets Ethics Offizielles Projekt der UN-Dekade Bildung fr nachhaltige Entwicklung.

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Praxisbeispiel 5: Fachberater fr nachhaltiges Wirtschaften


Die Weiterbildung Fachberater/-in fr nachhaltiges Wirtschaften (FANWI) des Berufskollegs Elberfeld der Stadt Wuppertal vermittelt Kaufleuten, wie sie nachhaltig denken und handeln. Inzwischen hat das Berufskolleg dreimal die Auszeichnung als Projekt der UN-Dekade Bildung fr nachhaltige Entwicklung erhalten. Von Hendrik Hochfeld, Berufskolleg Elberfeld Im Rahmen der dreieinhalbjhrigen Weiterbildung zum staatlich geprften Betriebswirt beschftigen sich die Studierenden der Fachschule schon in ihrem ersten Studienjahr mit dem Gebiet nachhaltiges Wirtschaften. Reale Arbeitszusammenhnge Die Qualifizierung richtet sich an Personen, die bereits im kaufmnnischen Bereich arbeiten und oder ber eine kaufmnnische Grundbildung verfgen. Inhaltlich frdert sie vor allem die Kompetenzen, die notwendig sind, um nachhaltigkeitsrelevante Aspekte des beruflichen Handelns zu erkennen und zu bercksich. tigen. Der Unterricht orientiert sich dabei an realen Arbeitszusammenhngen. So bauen die Studierenden ihre Kompetenzen problemorientiert und projektbezogen aus. Nachhaltigkeitsberichte und Unternehmenssteuerung nachhaltige Nachhaltigkeitsberichten oder der Unternehmenssteuerung durch eine sustainable balanced scorecard (SBSC). Exkursion nach Helsinki Inzwischen arbeitet das Berufskolleg Elberfeld mit dem finnischen Business College Helsinki Malmi zusammen. So tragen die Wuppertaler zum einen die Idee des nachhaltigen Wirtschaftens weiter. Zum anderen erweitern die Verantwortlichen die Weiterbildung um wichtige interkulturelle Aspekte. Whrend einer vier- bis fnftgigen Exkursion nach Helsinki bearbeiten die Studierenden aus Wuppertal gemeinsam mit finnischen Studierenden den Themenkreis Nachhaltiges Wirtschaften. Die eigenen Ergebnisse prsentieren sie vor Ort einem breiten Publikum in einer englischen Prsentation. Im Gegenzug besucht pro Jahr eine finnische Gruppe Wuppertal. Ausbau des Konzepts Die EU-Initiative Equal hat im Jahr 2003 die Entwicklung der Qualifizierung Fachberater/in fr nachhaltiges Wirtschaften finanziert. Das grundlegende Konzept entstand im Rahmen d er E ntwicklun g sp ar tner schaft kompakt, die kleine und mittlere Unternehmen durch nachhaltige Kompetenzentwicklung fit fr die Zukunft macht. Inzwischen baut das Berufskolleg Elberfeld die Ideen kontinuierlich aus.

Im Unterricht arbeiten die Teilnehmer mit Lernsituationen, also konkreten betrieblichen Problemstellungen. Fr diese Probleme recherchieren, planen, realisieren und kontrollieren sie Lsungen. Das Konzept fasst die Lernsituationen nicht zu Fchern, sondern zu Modulen wie Prozessmanagement zur Nachhaltigkeitssicherung oder Projektmanagement fr Nachhaltigkeitsprojekte zusammen. Die Studierenden beschftigen sich unter anderem mit dem Management von Stakeholdern, der Erstellung von

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Praxisbeispiel 6: Ausbildung fr Nachwuchsmanager


Das ASA-Programm ASApreneurs von Inwent zeigt Studierenden und Absolventen, wie nachhaltige Strategien in der Wirtschaft funktionieren. Ein Jahr lang lernen die Teilnehmer in Theorie und Praxis, wie nachhaltiges Management auf internationaler Ebene funktioniert. Von Joanna Mnker, Inwent Nachhaltigkeit hat eine beachtliche Karriere in allen Bereichen der Gesellschaft hinter sich. ko-Effizienz, Sozialstandards, Emissionsrechte-Handel, Global Reporting Initiative, Social Entrepreneurs, Sabbatical und andere lassen sich allesamt unter dem Begriff Nachhaltigkeit zusammenfassen. Trotzdem hat damit der Wandel zu einer nachhaltigen Gesellschaft noch nicht stattgefunden. Darum setzt sich Inwent dafr ein, nachhaltiges Denken und Handeln an junge Menschen zu vermitteln. Weiterbildung und Praxiserfahrung Das Programm ASApreneurs ist ein berufsvorbereitendes Qualifizierungsprogramm. Die Deutsche UNESCO-Kommission hat es als Projekt der UN-Dekade Bildung fr nachhaltige Entwicklung ausgezeichnet. Das Programm ermglicht jungen Menschen, Nachhaltigkeitsmanagement in der Wirtschaft zu lernen. Whrend des Programms setzen sich die Teilnehmenden in Seminaren mit Themen wie Corporate Social Responsibility, interkulturellen Fragen und anderen Themen rund um Nachhaltigkeit in der Wirtschaft auseinander.. Konkrete Projekte vor Ort Auerdem arbeiten sie sechs Monate in Unternehmen und Organisationen, die sich intensiv mit Fragen der nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung weltweit auseinandersetzen. Partner des Programms sind unter anderem Ashoka, Inwent, Transparency International, Adelphi Consult und Soil&More International. Drei Monate der Praxisphase absolvieren die ASApreneurs in Deutschland, die brigen drei Monate im Ausland. Die Studierenden fhren dabei

konkrete Nachhaltigkeitsprojekte in den Unternehmen durch. Die Vorschlge fr diese Projekte machen die beteiligten Firmen und Organisationen vor Start des Programms. Die Nachwuchskrfte setzen diese dann zusammen mit Mitarbeiterinnen der Unternehmen um, arbeiten etwa zu Themen wie Energieeffizienz, Nachhaltigkeit im Tourismus oder Kreislaufwirtschaft. 2010 bereiteten Teilnehmende beispielsweise das Social Enterprise World Forum in Sdafrika vor. Andere bekmpften Korruption in Kirgisistan oder analysierten nachhaltiges Management in indischen Unternehmen. Frische Ideen fr Nachhaltigkeit Ein wichtiger Bestandteil dieser Qualifizierungsmanahme ist die interdisziplinre und internationale Vernetzung der Teilnehmenden, beispielsweise auf dem jhrlich stattfindenden Treffen ASA-Kaleidoskop. Dort tauschen sie sich mit anderen ber Visionen und Ziele aus und knnen so Widerstnde im beruflichen Umfeld besser umschiffen. Der Blick aufs strategische Umdenken und Gestalten bleibt so gewahrt. Universitten, Unternehmen und NGOs Bisherige Erfahrungen zeigen, dass sich Universitten und Unternehmen ebenso wie NichtRegierungsorganisationen (NGOs) gerne daran beteiligen, bei Nachwuchskrften Kompetenzen fr nachhaltiges Wirtschaften zu entwickeln. Bei der breiten Umsetzung von Nachhaltigkeit knnen Akteure aller Ebenen insbesondere dann einen Beitrag leisten, wenn sie im engen Austausch miteinander das gemeinsame Ziel im Auge behalten: Den Wandel zu einer nachhaltigen Gesellschaft voranzubringen.

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Impressum Herausgeber Deutsche UNESCOKommission e.V. Sekretariat der UN-Dekade Bildung fr nachhalge Entwicklung Langwartweg 72 D-53129 Bonn Telefon: +49-(0)228-688444-10 Redakon: Katja Korf, Ulrike Schwarzberg Titelfoto: Grace Winter/pixelio.de

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