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ISSN 16195442 | Herausgegeben vom Institut


fr Medien und Kommunikation im Fachbereich Sprache, Literatur, Medien SLM I der Universitt Hamburg
NSMedien in der
Metropolregion Hamburg
Fallstudien zur Mediengeschichte des Dritten Reiches
Hrsg. von Harro Segeberg, Irina Scheidgen & Felix Schrter
hamburger hefte
zur medienkultur
Bisher sind erschienen:
Heft 1: Knut Hickethier: Medienkultur und Medienwissenschaft. Das Hamburger Modell.
Vorgeschichte, Entstehung, Konzept
Heft 2: Joan Kristin Bleicher (Hrsg.): Fernsehgeschichte. Modelle Theorien Projekte
Heft 3: Knut Hickethier (Hrsg.): Mediengeschichte als Unternehmensgeschichte. berlegungen
zu einem neuen Paradigma
Heft 4: Jrgen Voigt: Dokumentarfilm im Fernsehen. berlegungen zu einem facettenreichen
Genre
Heft 5: Klaus Bartels/JanNol Thon (Hrsg.): Computer/Spiel/Rume. Materialien zur Einfhrung
in die Computer Game Studies
Heft 6: Annamaria Benckert, Margarete Czerwinski, Knut Hickethier und Hanno Willkomm
(Hrsg.): Wir hatten einen Lacher Die Geschichte der deutschen Wochenschauen
Heft 7: Wolfgang Settekorn (Hrsg.): Fussball Medien / Medien Fussball. Zur Medienkultur eines
weltweit populren Sports
Heft 8: Joan Bleicher: We love to entertain you Beobachtungen zur aktuellen Entwicklung von
Fernsehformaten
Heft 9: Wolfgang Settekorn, Daniela Garl (Hrsg.): Bilder vom Watt. Ansichten, Einsichten und
Einstze in Alltag, Wissenschaft und Medien
Heft 10: Wolfgang Settekorn, Sigrid Kannengieer (Hrsg.): Radio Global. Radiokulturen in
Lndern der Dritten Welt
Heft 11: Harro Segeberg, Irina Scheidgen, Felix Schrter (Hrsg.): NSMedien in der
Metropolregion Hamburg. Fallstudien zur Mediengeschichte des Dritten Reiches
Alle Hamburger Hefte zur Medienkultur sind online unter folgendem Link verfgbar:
http://www.slm.unihamburg.de/imk/HamburgerHefte/hamburgerhefte.html
Koordination :
Prof. Dr. Knut Hickethier
Universitt Hamburg
Institut fr Medien und Kommunikation
NSMedien in der
Metropolregion Hamburg
Fallstudien zur Mediengeschichte
des Dritten Reiches
Hrsg. von Harro Segeberg, Irina Scheidgen & Felix Schrter
Impressum
UniversittHamburg
FakulttfrGeisteswissenschaften
FachbereichSprache,Literatur,MedienSLMI
StudiengngeMedienundKommunikations
wissenschaft/Medienkultur/Medienwissenschaft
HamburgerHeftezurMedienkultur(HHM)
PreprintsausdemInstitutfrMedienund
KommunikationIMKderUniversittHamburg
Hrsg.vonJoanKristinBleicher,JensEder,UweHasebrink,KnutHickethier,JohannN.
Schmidt,HarroSegeberg,HansPeterRodenbergundWolfgangSettekorn
inZusammenarbeitmitKlausBartels,LudwigFischer,HeinzHiebler,JanHans,Corinna
Mller,PetervonRden,JoachimSchberlundRolfSchulmeister
GestaltungundRedaktion:
IrinaScheidgen,FelixSchrter
Layout:
TimoGropietsch,DanielKock
Druck:Print&MailderUniversittHamburg
ISSN16195442
2009 by IMK, 1. Aufage
AnschriftdesStudiengangs:
UniversittHamburg
InstitutfrMedienundKommunikation
VonMellePark6
20146Hamburg
Sekretariat:
Tel:040.428384816
Fax:040.428383553
Web:http://www.slm.unihamburg.de/imk/
Inhalt
Einleitung S.07
HarroSegeberg
Hansadeutsch,niederschsisch,berhauptniederdeutschS.13
DieliterarischenProgrammangebotedesReichssendersHamburg
HansUlrichWagner,WenckeStegemann
UmbruchundKontinuittaufdemHamburger S.25
Zeitungsmarktnach1933
KarlChristianFhrer
KinoundKinokulturinHamburgum1932 S.39
CorinnaMller
Auchwirwissen,dassFilmeimmerWarebedeuten S.57
ZurpolitischenTopographieundkonomiederHamburger
KinoLandschaft19331945
MichaelTteberg
ArisierungenvonKinosinHamburg S.73
JanPtjerJohannsen
KinoffentlichkeitI S.83
WerdieJugendhat,hatdasVolk
Nationalsozialistische Schul- und 1ugendlmveranstaltungen in Hamburg
IrinaScheidgen

KinoffentlichkeitII S.103
KinoundKinoprogramminderHamburgerTagespresse1933
LauravonBierbrauer,MareinBudiner,HarroSegeberg,NicolaValeskaWeber
KinoffentlichkeitIII S.131
KinoundKinoprogramminderHamburgerTagespresse1934
LauravonBierbrauer,MareinBudiner,HarroSegeberg
7
Wovonwirausgehen
Die Forschung zur Geschichte der Medien in der NS
Zeit hat sich gerade mit ihren unbestreitbaren Erfolgen
ein grundstzliches Problem eingehandelt. Da sich die
Frage,worandiesliegt,zumBereichvonFilmundKino
besonders deutlich abzeichnet, seien die hier daraus re
sultierendenProblemeeinleitendkurzerlutert:
SeitfasteinemhalbenJahrhundertweiman,dassinder
Zeit des Nationalsozialismus mindestens 1094 Spielflme
produziertwurden(Albrecht1969)neuereSchtzungen
sprechen in diesem Zusammenhang sogar von 1353
Spielflmen (Zimmermann 2005). Hinzu kommen etwa
2000-3000 Kulturflme und etwa 4000 Wochenschauen,
deren Prsentation als verbindliches Vorprogramm seit
dem Juli 1934 das bis Ende 1933 noch erlaubte Zwei
SchlagerProgrammersetzte.Weitersindzunennenetwa
600 in Deutschland auIgeIhrte auslndische Spielflme,
diebis1940gutzurHlfteausdenUSAstammen,und
dieserklrt,warumderAnteilderimDrittenReichselbst
produzierten Filme bis 1938 nie ber 50 bis 60 % der
Gesamtproduktion eines Jahres hinausging. Erst in den
Jahren1940bis1942konntedaszudieserZeitKontinen
taleuropa militrisch wie politisch dominierende ,Gro
deutschlandmitseinem,grodeutschenKinodieKon
kurrenzdesbisdahinalsVorbildgeltendenHollywood
Kinosausschalten(VandeWinkel,Welch2007).
Vor diesem Hintergrund beruht dasVerdienst der neue
renForschungdarauf,sichnichtlngeraufdaswhrend
desZweitenWeltkriegsseitensderAlliiertenindenRang
einer Kriegsursache erhobenen Propagandakino einzu
schrnken,sonderndasganzeSpektrumeinespopulren
UnterhaltungskinosindenBlickeinerCulturalHistoryzu
nehmen(vgl.RobertC.Reimer2000).Solassenwichtige
angloamerikanischeBcherwieMinistryofIllusion(Eric
Rentschler 1996), Entertaining the Third Reich (Linda
SchulteSasse1996),PopularCinemaoftheThirdReich
(Sabine Hake 2001) oder Nazi Cinema as Enchantment
(MaryElisabeth OBrien 2004) schon von ihren Titeln
her erkennen, wie nachdrcklich sie sich darauf einge
stellt haben, dass (nachAlbrecht 1969) zwischen 1933
und1945lediglich14%derinDeutschlandproduzierten
FilmealsoffenpropagandistischeFilmeauftraten,wh
rend fast 50 % die heiteren Genres der Komdie, des
Heimat-, Musik- oder Operettenflms bedienten, etwa
30 % als sogenannte ernste Filme vor allem dem Me
lodram, dem Problemflm oder dem Knstlerflm zuge
rechnetwerdenknnenundetwa11%aufAktionsund
AbenteuerFilme entfallen. Auch die deutschsprachige
Forschung konzentriert sich folgerichtig auf das Me
lodram (Pathos und Politik, Stephen Lowry 1991), die
Filmkomdie (Karsten Witte 1995) oder die Kunst der
Propaganda in populren Genres (Manuel Kppen, Er
hardSchtz2007).
Aber auch Ir Arbeiten, die (wie Rentschler 1996) flmo
graphischweitausgreifenoderunterdemStichworteiner
Medialen Mobilmachung (Harro Segeberg 2004/2006)
nichtdietotalitreInstrumentalisierung,sonderndieto
taleEntgrenzungdesMediumsFilmsindenBlickneh
men,lsstsichfesthalten,dasssieindereigenenAnalyse
undInterpretationdieErrterungideologisch,sthetisch
oder kommerziell herausragender Filme wie etwa JUD
SSS, MNCHHAUSEN oder RhmannKomdien bevor
zugen.Darausknnte,werwirklichboshaftseinwollte,
zugespitzt folgern, dass sich unsere Kenntnis des Films
im Dritten Reich immer noch auf die grndliche Erfor
schungeinerwieauchimmerbegrndetenAuswahlaus
1100 oder 1300 Spielflmen einschrnkt, die Geschichte
vonHollywooduntermHakenkreuzallenfallsalsErgn
zung zu diesem eher begrenzten Spektrum wahrnimmt
(MarkusSpieker2003)undeigentlichnurzurGeschichte
des Dokumentarhlms (Peter Zimmermann 2005) auf so
Einleitung
HarroSegeberg
8 Harro Segeberg
etwas wie einem fchendeckenden berblick auIruht.
Aber auch hier wird, dem Ansatz der Studie entspre
chend,dasZusammenwirkenvonWochenschau,Kultur
flm und Spielflm nicht als Schwerpunkt behandelt.
Aus diesen berlegungen ergeben sich zwei Schluss
folgerungen, die jeweils fr sich genommen plausibel
erscheinen,zusammengenommenaberauchnichtrecht
weiterhelIen. Die erste berlegung geht dahin, dass es
mit der Konzentration auf wie auch immer herausra
gendeundkommerziellerfolgreicheFilmeniemglich
sein wird, eine Vorstellung von dem zu gewinnen, wie
sich die spezifsche Medialitt eines das Dritte Reich
charakterisierenden modernen Unterhaltungskinos in
der Gesamtheit seiner Filme darstellt. Und, das damit
gegebeneProblemwirdnichtgeradeeinfacherdadurch,
dass wer immer die Gesamtheit dieser Filme einiger
maen zutreffend erklren wollte, nicht nur die Filme
selber,sondernauchdieGesamtheitallerInstitutionen,
in denen diese Filme geplant, vorbereitet, produziert,
distribuiert,prsentiertundrezipiertwurden,erforschen
msste.
Daraus resultiert als zweites die berlegung, dass es we
nigsinnvollerscheint,dasUnternehmeneinerSichtung
aller dieser fr die Geschichte des NSKinos entschei
dendenFaktorenauchnuranzudenken.Schlielichwr
de man sich damit auf ein Projekt einlassen, das selbst
als kollektiv unternommenes Projekt an seiner eigenen
berIorderung scheitern msste (ganz abgesehen davon,
dassmaneseigentlichniemandemwnschenkann,sich
aufdieUntersuchungallesdessen,wasdasNSKinoir
gendproduzierthat,einzulassen).Vielleichtsindessol
che berlegungen, die am ehesten erklren knnen, dass
Versuche, die ber die Interpretation von Einzelflmen
hinausgreifen,bishervorallemimRahmenregionalbe
grenzterStudienzuKinoundKinobesuchunternommen
wurden.VondenhiererzieltenErkenntnisgewinnenhat
dieeheraufsAllgemeinezielendeinterpretierendeFor
schungbishersogutwiekeineNotizgenommen.
Wiewohl wir im folgenden einen Beitrag dazu leisten
mchten, dem abzuhelfen, so mssen wir aber auch
darauf hinweisen, dass wir es im Hinblick auf die ein
gangs geschilderte populargeschichtliche Wende der
neueren Forschung nicht ganz unproblematisch fnden,
neue wichtige Forschungsergebnisse zum Lichtspiel in
derbraunenProvinzuntereinemTitelwieEinVolk,ein
Reich, ein Kino (Bernd Kleinhans 2003) zusammenzu
fassen und damit erneut zur These vom Film als Pro
paganda und Herrschaftsinstrument zuzuspitzen die
Funktion eines solchen Kinos bestnde dann einmal
mehrdarin,zurHerstellungdessenbeizutragen,wasso
gareineneuererezeptionsgeschichtlicheStudienurnoch
imModuseinerFrageformulierenmchte(vgl.Volksge
meinschaftvorderLeinwand?GerhardStahr2001).
Uneingeschrnkt wegweisend fnden wir demgegenber
Hinweise auf die Notwendigkeit, strker als bisher auf
den in Grostadt, Mittelstadt,Vorstadt, Kleinstadt oder
Land sehr unterschiedlich ausgestatteten Erlebnisort
Kino (Irmbert Schenk 2000) zu achten oder die Rolle
vonAnzeigen,InseratspolitikundFilmBesprechungzur
Lenkung des Sehens im Dunkeln (Bruno Fischli 1990)
nichtzuunterschtzen.Wasalleszusammendaraufhin
ausluft, sich strker als bisher auf die Untersuchung
eines (ungeachtet aller zentralen Lenkungsversuche) in
seiner Prsentation und Rezeption unverkennbar in re
gionalwiesozialgeprgteTeilffentlichkeitenausdif
ferenzierten NSKinos einzustellen (vgl. Landkino im
Nationalsozialismus,ClemensZimmermann2001).
Woraufwirhinauswollen
Vor diesem Hintergrund mchten wir, d.i. die von der
Deutschen Forschungsgemeinschaft gefrderte Ham
burger Forschergruppe Medialitt und Modernitt im
NSKino, versuchen, ein Modell auszuarbeiten, das es
erlauben soll, die Erkenntnisgewinne regionaler For
schungensoaufzunehmenundweiterzufhren,dasssie
,anschlussfhigzudemwerden,waswirzuBeginnun
serer berlegungen als die unbestreitbaren Fortschritte
einer werkzentrierten neueren Forschung gekennzeich
nethaben.DasModell,daswirzurVerknpfungbeider
Sehweisenvorschlagen,istdasModelleinerKinoffent
lichkeit, das wir an anderer Stelle ausfhrlich erlutert
undinvielfltigenAnwendungenaufdienationalewie
internationaleFilmundKinogeschichtevorgestelltha
ben(vgl.Mller/Segeberg2008).
Dieses Modell schliet sich an Prmissen und Verfah
rensweisen der nun schon etwas in die Jahre gekom
menennew hlm historv insofernan,alsesprogramma
tischdieGeschichtevonKinoundFilmnichtalsdieGe
schichtevonFilmenaufderLeinwand,sondernalsdie
GeschichteeinerdasLeinwandereignisFilmberhaupt
9 Einleitung
erstgenerierendenKinoGeschichtebetrachtet.Freine
solche KinoGeschichte, die im Lichte der angloame
rikanischen Cinema Studies oder der franzsischen Ci
nmaForschung ber den einzelnen Film hinausgreift,
benutzenwir,wiegesagt,denTerminusKinoffentlich
keit,undwirtundiesdeshalb,weilwirdavonausgehen,
dassdas,wasauchwir,KinoineinemumfassendenSinn
nennen,beralldortentsteht,wosichausderProduktion,
Distribution, Prsentation, Refexion und Rezeption von
Filmen so etwas wie die von anderen Medien vielfltig
mitrefektierte VeranstaltungsIIentlichkeit eines in eige
nenAbspielsttten,ffentlich(oderauch,teilffentlich)
zugnglichenKinosentwickelt.Und,dieseFormvonKi
noffentlichkeitbleibtauchimZeitalterihrerAutonomie
keineswegs auf sich allein gestellt, sondern entwickelt
sich im stetigenAustausch mit anderen Medienffent
lichkeiten wie etwa dem in dieser Verffentlichung mit
einem eigenen Beitrag vorgestellten Rundfunk oder der
TagespresseletzterewirdinunseremProjektsowohlals
eigenstndiges Medium wie als Quelle zur Prsentation
und Begleit-Refexion von Filmen betrachtet.
Formuliert man das, was wir damit vorhaben, in der
SprachedesFilmsselbst,dannlieesichsagen,dasswir
versuchen wollen, den panoramatischen Blick auf das
Ganze eines umfassend konzeptualisierten NSKinos
in die Naheinstellung seiner regionalen Realisierung zu
berfhren,umdann(ineinemmglichenFolgeprojekt)
von hieraus das Ganze erneut und neu in den Blick zu
nehmen.WobeiwirzuunseremaugenblicklichenVorha
ben einschrnkend hinzufgen mssen, dass wir uns in
dieser unserer ersten Verffentlichung auf die Faktoren
Prsentation und Refexion konzentrieren und zur Ausar
beitung unserer Recherchen zum Faktor Rezeption vor
erst nur auf eine knappe Skizze im Internet verweisen
knnen(vgl.Segeberg2008)hinzukommt,dasswiruns
in dem, was wir jetztzu den Faktoren Prsentation und
Refexion ausIhren, auI die Jahre 1933 und 1934 kon
zentrieren(vgl.dazuimeinzelnenu.S.103,131f.).Auch
indieserHinsichthabendieindieserAusgabederHam
burgerHeftezurMedienkulturverffentlichtenBeitrge
den Charakter von Projektberichten an sich, derenAu
toren auf produktive Kritik und weiterfhrende Ermun
terungen hoffen. Eine Buchfassung, in der auch unsere
Ergebnisse zum Erlebnisort Kino und zur Zuschauer
Rezeptionprsentiertwerdensollen,istmitdemVerlag
editiontext+kritikverabredet.
Waswirschonjetztvorlegenknnen
Was wirvorhaben,lieesichauchso beschreiben,dass
wirausderArtundWeise,inderwirRegionalgeschich
te betreiben, Erkenntnisse gewinnen mchten, die nicht
nurfrdieRegionalgeschichteinteressantsind.Umder
dann mglich werdenden Kombination aus ,allgemei
ner und ,regionaler Mediengeschichte zuzuarbeiten,
beginnen wir mit einer Projektskizze zur Erforschung
derregionalgeprgtenliterarischenProgrammangebote
des Reichssenders Hamburg (von HansUlrich Wagner
und Wencke Stegemann) und einem Blick auf das Ver
hltnis von Umbruch und Kontinuitt auf dem fr uns
als refexive BegleitIIentlichkeit wichtigen Hamburger
Zeitungsmarktnach1933(KarlChristianFhrer).Daran
schlieensichanzweiSpezialstudienzuKinoundKino
kulturinHamburgum1932(CorinnaMller)sowiezur
politischen Topographie und konomie der Hamburger
KinoLandschaft19331945(MichaelTteberg),letztere
ergnzt um eine Untersuchung zu der in Hamburg be
sonderszgigbetriebenenArisierungvonKinos(Jan
PtjerJohannsen).AlledieseArbeitenstammenvonFor
scherinnenundForschern,dieaufeinemWorkshopdes
Jahres 2008 im WarburgHaus Hamburg aus ihren Pro
jektenberichtethaben.
Es sind vor allem die zuletzt genannten regionalhisto
rischen KinoStudien, die anhand des Hamburger Bei
spiels dieAnsichten eines Kinos entfalten, fr das sich
das Durchstehen der allgemeinen Wirtschaftskrise der
Jahrenach1929,diekonomischenundtechnischenHer
ausIorderungen des noch neuen Mediums Tonflm sowie
die nationalsozialistische ,Machtergreifung des Jahres
1933 zu einer in mehrfacher Hinsicht verdichteten Pro
blemlage zusammenschlieen. Vor diesem Hintergrund
flltindemArtikelvonCorinnaMllerfrdasJahr1932
eine (ungeachtet aller Besucherrckgnge) konomisch
berraschendstabilesowierelativgleichmigberalle
StadtteileundsozialenWohnbezirkeverteilteKinoland
schaftauf(vgl.S.41)siebestehtaus(bezogenaufdas
damalige Hamburger Stadtgebiet) 70 Kinos oder (unter
EinschlussderzudieserZeitnochpreuischverwalteten
StdteWandsbekundAltona)90Kinos,unterdenenalle
Qualittsstufeneinernach1933festgeschriebenenKino
HierarchieausErst,BezirksundNachauffhrungsthea
ternbegegnen.Frdievonunsbesonderszubeachtenden
Spielplne ergibt sich eine noch weitgehend freie Pro
10 Harro Segeberg
grammplanung,indersicheinzigimWechselzwischen
ErstundNachspieltheaternvorgegebeneAblufeerken
nen lassen. In dem so gut wie ganz auf Entspannung
und Unterhaltung (S. 48) zielenden Gesamtprogramm
setzenallenfallsvaterlndischeFilme(ebd.)oder(wie
man hinzufgen knnte) die das Kinoprogramm ergn
zenden Beiprogramme aus Wochenschau und Kulturflm
politischeAkzente.
Vor diesem Hintergrund wirkt es vielleicht etwas we
niger berraschend, wie nachhaltig die zum politischen
Systemwechsel bereiten KinoUnternehmer der im Jahr
1933 erfolgenden ,Neuorganisation ihres Gewerbes
beralldortzustimmten,wosiesichdavonKonkurrenz
mindernde und Ertrag steigernde Vorteile versprachen
wodasnichtderFallwar,gabes,wieMichaelTteberg
an einem Fallbeispiel besonders anschaulich belegen
kann, ideologisch nur mhsam zu bemntelnde interne
Querelen um versprochene oder auch nur erhoffte ko
nomischeGewinne.AuchindenFolgejahrenkameszu
Auseinandersetzungen um Reglementierungen undVer
ordnungen ber Filmverleih und Programmplanung vor
allem dann, wenn zumal die Besitzer kleinerer Theater
darin eine eindeutige Bevorzugung groer Urauffh
rungstheater und der sie betreibenden Kinokonzerne
sahen.Hierwieindenvonimmerneuenkonomischen
Begehrlichkeiten angetriebenen Arisierungen jdischer
Kinos (deren ebenso unappetitlichen wie von heute aus
undurchschaubaren Verwicklungen der Beitrag von Jan
Ptjer Johannsen nachsprt) dokumentiert sich eine die
nationalsozialistische Film und Kinopolitik im Groen
wie im Kleinen dominierende Spannung sie changiert
zwischen dem Wunsch nach einer mglichst umfas
sendenideologischenDurchdringungvonFilmundKino
und den spezifsch konomischen AnIorderungen an eine
unverndert renditeorientierte Filmwirtschaft. Denn, so
einverdienterParteigenosseschonimJahr1933nahezu
hellsichtig: Auch wir wissen, dass Filme immer Ware
bedeuten.
Damit ist eines der wichtigen Themen fr unsere eige
nen Beitrge zur Kinoffentlichkeit des NSKinos in
Hamburg angegeben. Geht es im Beitrag zu den Nati
onalso:ialistischen Schul- und Jugendhlmveranstal
tungenumeinederimmernocherheblichunterschtzten
Parallelffentlichkeiten im NSKino (weitere Beitrge
dazu werden das Soldatenkino der Kriegsjahre sowie
die Filmbhne des Jdischen Kulturbundes 19391941
behandeln), so thematisieren die anderen Beitrge das,
was wir (entsprechend unserem ffentlichkeitsmodell)
unter der in der Hamburger Tagespresse 1933/1934 zu
ermittelnden Prsentations und Reexionsffentlich
keit zum Hamburger Kino und Kinoprogramm dieser
Jahre verstehen. Dazu betreiben wir, wie in den beiden
Beitrgen im einzelnen erlutert wird, auf der Seite der
Prsentation die Sammlung, Sichtung undAuswertung
aller Anzeigen, Inserate und Spielplne in den groen
Hamburger Tageszeitungen und versuchen aus deren
detailliert zu untersuchender Gestaltung Rckschlsse
auf die quantitative Verdichtung und qualitativeAufbe
reitung einer Ideologisches berformenden, kommer
ziellen Programmsthetik zu gewinnen. Auf der Seite
der Reexion werden recherchiert und ausgewertet alle
Nachrichten,Filmbesprechungen,Sammelkritiken,Leit
artikel,ProduktionsberichteoderHomestories,indenen
ber die Entwicklung von Film und Kino in Hamburg,
im Deutschen Reich insgesamt, in Europa und in den
USA informiert, kommentiert, diskutiert und geurteilt
wird.EssinddieVollstndigkeitundSystematik,mitder
wir beide ffentlichkeitsformen rekonstruieren wollen,
dieunserVorhabenvonanderenregionalgeschichtlichen
Unternehmungenunterscheiden.
DieKonsequenz,mitderwirunsdendamitverbundenen,
nichtganzmhelosenAnstrengungenunterzogenhaben,
resultiert daraus, dass wir uns davon einen Einblick in
die regional realisierteVielfalt dessen versprechen, was
wir einleitend als die spezifsche Medialitt eines auI
PopularittundVielfaltachtendenNSKinosbezeichnet
haben. Diese Mglichkeit ergibt sich fr uns nicht nur
daraus,dasswirunseraufVollstndigkeitundSystema
tik zielendes Unternehmen auf ein regionales Fallbei
spielbegrenzen,sondernauchdaraus,dasswirindiesem
Rahmensogutwievollstndigdaraufverzichten,diein
unseren IIentlichkeiten angezeigten oder refektierten
,Texte,d.h.dieFilmeselberzubehandeln.Mitanderen
Worten: statt Filme zu interpretieren, auf dieAnzeigen
oder Besprechungen dann richtig oder falsch hinwei
sen, betrachten wirdie von uns recherchiertenund aus
gewerteten Dokumente nicht als randstndiges oder gar
strendesBeiwerk,sondernalsfrdasFilmVerstndnis
weichenstellendeParatexte.WeranZuspitzungeninter
essiertist,knnteauchsagen:Filmeals,Textehabenin
diesenParaTextennichtSubjekt,sondernObjektStatus.
WasihresptereNeuinterpretationimLichtedieserPa
11 Einleitung
ratexte keineswegs ausschliet, sondern nahezu einfor
dert(Planungendazusind,wiebereitsgesagt,inVorbe
reitung).
Es sind also die von uns in diesem Umfang erstmals
systematischerschlossenenParatexte,vondenenwiran
nehmen,dasssieeinedenFilmnichtnurannoncierende,
sondern mitorganisierende Form von Kommunikation
aufbauenfrsiemchtenwirdenTerminuseinerdurch
aus eigenstndig agierenden Prsentations- und Refexi
onsffentlichkeitvorschlagen.IhreErforschunghatden
weiterenVorteil,dassmansichdannmitderBreiteund
VielIalt einer flmischen Popularkultur in einer Art und
Weise auseinandersetzt, die der Nutzungsperspektive
deszeitgenssischenKinogngersdurchausentsprechen
drfte.Dennauchvonihmistjakaumanzunehmen,dass
ersichderMheunterzogenhabensollte,alledieFilm
anzuschauen, ber die er sich in seinen Prsentations
und RefexionsIIentlichkeiten inIormieren konnte. Das
haben,wieunsereRezeptionsstufenzeigenwerden,nicht
einmaldiebeinahetglichinsKinogehendenextensiven
KinoFreaks hinbekommen. Davon und ber anderes
werdenunsereRezeptionsstudiengenauerhandeln.
ZitierteLiteratur
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19331945,hrsg.v.P.ZimmermannundKayHoffmann.
13
1. Die Grundlage eines Norddeutschen Rund
funkprogramms
ZeitgenssischeDokumenteausdenJahrendesDritten
Reiches betonen immer wieder die besondere Land
schaftsarbeit des Reichssenders Hamburg. Wie jeder
GausenderimReichsgebiet,sosollteauchdie1933/34
aus der NORAG hervorgegangene Programmgemein
schaIt eine bestimmte, kulturell defnierte Region mit
Programmangebotenversorgen.DieNorddeutschePro
grammgemeinschaft mit ihren Sendern in Hamburg,
Bremen, Hannover, Magdeburg, KielFlensburg und
StettinwurdeinvielenprogrammatischenSelbstdarstel
lungenaufdasNiederdeutsche,alsoaufeinebestimmte
Sprachform bezogen, bzw. eine besondere Kultur
tradition. Ein Beispiel aus dem Jahr 1934 verdeutlicht
diesimzeitgenssischenSprachgebrauch:
Der Nordfunk gestaltet ein Programm fr Menschen, de
renNaturzwischenBergundMeerliegt,dieinallenihren
letzten Empfndungen, auch in ihren Fehlern grndlich und
klar berschaubar sind wie die Heide und das Meer. Der
Mensch dieses Gebietes ist der Hansadeutsche, der Nie
dersachse, berhaupt der Niederdeutsche []. Alle diese
Gruppenaberhabeneinesgemeinsam:ihreSelbstbehaup
tungalsEigenleben[].Aberalles,wasdieseMenschen
tun, wird zur Dichtung: Der Kampf um die Scholle, der
DrangzurSee,dasverbisseneRingenumWeib,Forschung
undHandel.ZeitihresLebensliegensieimWiderstreitmit
ihrer Natur ihr sachliches Denken, ihr weiter Blick aber
treibtsiezurTat.
1
DassderRundfunkunddieProgrammarbeitinDeutsch
land Ideral bzw. regional organisiert und defniert
wurden, berrascht nicht. Denn zunchst einmal waren
es technische Bedingungen, die die Versorgung eines
Nahgebietes mit Programmangeboten bewerkstelligten
sodannwareneskonomischeGrnde,dieSendegesell
schaIten in den fnanzkrItigen Metropolen entstehen lie
enundschlielichwaresdergesellschaftlicheKonsens,
der den Rundfunk als ein kulturelles Instrument begriff
undfolgerichtigaufKulturregionenbzw.inpolitischer
HinsichtaufdieeinzelnenLnderdesdeutschenStaats
gebietsbezog.GleichzeitigweistdiedeutscheRundfunk
geschichte dieser Frhphase aber auch eine gegenlufge
Entwicklungsrichtung auf und zeigt eine zunehmende
Zentralisierung.SeitMitteder1920erJahrebndeltedie
zentrale ReichsRundfunkGesellschaft (RRG) Kom
petenzen,undderStaatsichertesichmehrundmehrpo
litische Einfussmglichkeiten. Die RundIunkreIormen
desReichskanzlersvonPapenimSommer1932,alsoam
VorabenddersogenanntenMachtergreifung,leisteten
einerumfassendenstaatlichenKontrolleentscheidenden
Vorschub.
Den NS-Machthabern fel das Medium RundIunk gleich
sam in die Hnde. Fortan waren sie mit zweiAufgaben
konfrontiert: Sie mussten versuchen, ber ein Personal
revirement in ihrem Sinn politisch zuverlssige Leu
te in Stellung zu bringen, wenn mglich Personen, die
gleichzeitig auch fachlich geeignet waren. Dies erwies
sich fr die Nazis als kein geringes Problem. Darber
hinaus hatten sie sich mit einem von ihnen selbst ge
schaffenen System von brokratisch geregelten Inkon
sequenzenauseinanderzusetzen.WasJanPieterBarbian
frdenLiteraturbetriebdesDrittenReichesumfassend
herausgearbeitet hat,
2
gilt vielfach entsprechend fr das
Rundfunkwesen.MitBeginndernationalsozialistischen
HerrschaftentstandeinverwirrendesSystemvonKom
petenzen, das auf zentraler Ebene unter anderem be
stimmt wurde vom Reichspropagandaministerium, dem
vonJosephGoebbelsneuerrichtetenSuperMinisterium
einer Reichssendeleitung, der ReichsRundfunkGesell
schaft sowie der ReichsRundfunkkammer. Auf regio
naler Ebene spiegelte sich der KampI um Einfuss und
Hansadeutsch,niederschsisch,berhauptniederdeutsch
DieliterarischenProgrammangebotedesReichssendersHamburgeineProjektskizze
HansUlrichWagner,WenckeStegemann
14 HansUlrich Wagner, Wencke Stegemann
Macht indenVorsten einzelnerGauleiterbzw. unter
geordneter NSStellen, etwa wenn die Gaufunkwarte
ihre Ansprche anmeldeten. Eine mit Barbians Studie
vergleichbare Darstellung der Institutionen, Kompe
tenzen, Bettigungsfelder des Rundfunkbereichs fehlt
zwar, gleichwohl sind bislang einige grundlegende Ar
beiten,auchzudenVorgngenbeimReichssenderHam
burg,entstanden.
3
Die von den Nationalsozialisten offensichtlich forcierte
Zuschreibung der Landschaftsarbeit als Aufgabe des
Rundfunks1940widmetesicheineinHamburgentstan
deneDissertationmitgroemstatistischenAufwanddie
senBeziehungenzwischenRundfunksenderundseiner
LandschaftamBeispieldesReichssendersHamburg
4
,
war gleichwohl alles andere als eine Erfndung der neuen
Machthaber.MehrerederseitderJahrhundertwende1900
mageblich werdenden kulturellen Bewegungen gingen
mit dem neuen, als Kultur und Bildungsinstrumentbe
griffenenRundfunkAllianzenein.DieStrmungen,die
sich um die Pole Volk und Heimat herum zusam
menfanden,erlangtenindenJahrenderWeimarerRepu
blik groen Einfuss, gerade auch was ihre Verbindungen
zu den Sendegesellschaften anbelangt. Die Kulturwis
senschaftlerinAdelheidvonSaldernbeschftigtesichin
einer instruktiven Studie 2004 mit der Frage nach den
KontinuittenundBrchendieserkonservativenKultur
bewegungen in Bezug auf den Rundfunk.
5
Speziell der
SenderfrdasnorddeutscheGebietdieNORAGbzw.
derReichssenderHamburgbernahmdieRolle,Tr
gerundErhalterderHeimatkulturzusein.
6
Abb.1:DasFunkhausinderHamburgerRothenbaumchaussee,1935.
NDRFotoarchiv.MitfreundlicherGenehmigungdesNDRFotoarchivs
15 Literarische Programmangebote des Reichssenders Hamburg
2.Andocken I Zur Verortung dieser Projekt
skizze
DiesewenigeneinleitendenHinweisezumdamalsnoch
sehr jungen Medium Rundfunk mssen an dieser Stel
legengen.BevorimFolgendeneinigeBeobachtungen
zum literarischen Programmangebot des Reichssenders
Hamburg vorgestellt werden, erscheint es notwendig,
auf das Anfangsstadium dieses Projektes hinzuweisen.
VorerstsindlediglichFragestellungenentwickeltworden
Thesenbildungenknnen,wennberhaupt,nurinaller
Vorlufgkeit erIolgen. Dabei erscheint ,Literatur und
Rundfunk in Hamburg in der NSZeit als ein vielfach
lohnendes Unterfangen, wenn man an die wechselsei
tigen AndockMglichkeiten von Kino, Rundfunk und
PressealsdendreiffentlichkeitbildendenLeitmedien
desDrittenReichesdenkt.
Basis fr die rundfunk und programmgeschichtliche
UntersuchungbildetdieForschungsstelleGeschichtedes
RundfunksinNorddeutschland(FGRN),einKooperati
onsprojekt,dasdieUniversittHamburgbzw.derFach
bereich Sprache Literatur Medien I zusammen mit dem
HansBredowInstitut fr Medienforschung und dem
NorddeutschenRundfunktrgt.IneinerArbeitsphasebis
Ende 2007 widmete sich diese Forschungseinrichtung
speziell der Geschichte des Nordwestdeutschen Rund
funks und analysierte die Umbrche und Neuorganisa
tion des Rundfunks und seines Programmangebots im
erstenJahrzehntnachdemEndedesNSRegimes.
7
Seit
2008 gilt ihr spezieller Projektauftrag den Programm
angebotender1950erbis1970erJahreuntersuchtwird
die Rolle des Rundfunks fr die ffentliche Kommuni
kationinNorddeutschlandindiesemZeitraum.Eswer
den programmgeschichtliche Fragestellungen behandelt
undspeziellaufdemGebieteinerhistorischenMedien
wirkungsforschunggearbeitet.DasInteresserichtetsich
darauf, wie Mediennutzer mit den Programmangeboten
umgehen und wie sich raumbezogene Identitten her
ausbilden, bezogen also auf regionale Identitten, wie
siebeispielsweiseindenStaatsvertragslnderndesNDR
einewichtigeRollespielensodannaufnationaleIdenti
ttundschlielichaufVorstellungenvonEuropa.Fragen
nach dem Fderalismus im deutschen Rundfunksystem
undnachderRegionalittmedienvermittelterKommuni
kationsangeboteknnendaherdiachronineinemgre
renzeitlichenZusammenhanggesehenwerden.
Des Weiteren kann sich die Beschftigung mit dem li
terarischen Programmangebot des Reichssenders Ham
burgaufdieErgebnisseeinerRecherchesttzen,diedie
FGRNbereitsfrdieHistorischeKommissionderARD
durchfhrte.
8
In einer programmgeschichtlichen Daten
erhebung wurden smtliche Sendungen des Reichs
sendersHamburgermittelt,diezwischen1933und1940
in den Programmzeitschriften angekndigt wurden und
dieineinemweitgefasstenSinndasBezugssystemLite
raturberhren.AlssolchewerdenzuallererstalleHand
lungen begriffen, mit denen ein Autor ein literarisches
Produktionsproblem mit Bezug auf das Medium Rund
funklstalsoHrspiele,Hrfolgen,Weihespieleusw.
Es wurden aber auch alle Sendungen verzeichnet, bei
denen solche Handlungen ursprnglich auf ein anderes
MediumzieltenalsovorallemgedruckteLiteraturund
Theaterstcke,diesodanninirgendeinerFormimakus
tischenMediumressieren.Darberhinauswurdenalle
Auftritte von Schriftstellern, Lesungen und Gesprche,
Sendungen berAutoren, Bcher, Texte aufgenommen,
sowie schlielich Beitrge, in denen der Themenbezug
zwarnichtliterarischist,jedochderNamederBeteilig
ten als zum Literaturbetrieb gehrige Akteure identifziert
wurde.
9
DazuwurdesystematischdiefrdasSendegebiet
wichtigeRundfunkpresseausgewertet,indiesemFalldie
Zeitschrift Die Norag bzw. die im Dezember 1933 aus
ihr hervorgegangene FunkWacht. Ein Exemplar dieser
fr den norddeutschen Raum mageblichen Rundfunk
zeitschriIten ist auI Mikroflm in der Staatsbibliothek
Hamburgeinsehbar.
10
SchlielichbildeteindritterAspekteinenweiterenKon
text fr die Beschftigung mit dem Reichssender Ham
burg.VonOktober2008bisSeptember2009liefander
Forschungsstelle Geschichte des Rundfunks in Nord
deutschland ein einjhriges Forschungsprojekt, das sich
der NORAG und ihren Einfssen auI das kulturelle Feld
Hamburgs in den 1920er Jahren widmete. Diese Unter
suchungderbeidenunterzeichnendenVerfasserwirdTeil
desvonDirkHempelundFriederikeWeimarinitiierten
Forschungs,AusstellungsundKatalogvorhabensKul
tur der 1920er Jahre in Hamburg, das im Rahmen des
ForschungsverbundeszurKulturgeschichteHamburgs
luftundunterdemTitelHimmelaufZeitimAprilund
Mai2010seineErgebnisseprsentiert.
11
AlleFragenspe
ziellnachKontinuittenundBrchenknnenindiesem
ZusammenhanggenauerindenBlickgenommenwerden.
16 HansUlrich Wagner, Wencke Stegemann
VordemHintergrundeinersolchenVerortungistesmg
lich, Fragen nach Medialitt und Modernitt im Rund
funkbzw.indessenProgrammangebotzustellensyn
chron in Bezug auf das NSKino und andere Medien
diachron in Hinsicht auf die geschilderten rundfunkbe
zogenenProjekte.
3.LiterarischeProgramm(platz)analyse
Eine erste Auswertung des Datenmaterials, das der
FGRN zur Verfgung steht, gilt einer statistischen Ein
schtzungdervomReichssenderHamburgproduzierten
literarischen Sendungen. Bereits auf deren Grundlage
lassensicheinigeanalytischeFeststellungentreffen.Ins
gesamtwurdendemnachzwischenJanuar1933undJuni
1940knapp5.000Beitrgeausgestrahlt,genau:4.989.Es
zeigt sich, dass dieAnzahl der literarischen Sendungen
proKalenderjahrzwischenmehrals550undknapp770
Beitrgenpendelt,statistischgesehenalsoproSendetag
1,5bis2,1literarischeSendungenerfolgten.Gleichwohl
wird man von einem quantitativ relativ konstanten Pro
grammangebot sprechen knnen, da die Unterschiede
weder einen signifkanten Anstieg, noch eine bemer
kenswerteReduzierungderLiteraturangebotebedeuten.
EinEinschnitterfolgteerst1939bzw.1940,alsomitdem
erstenKriegsjahr.1939sankdieAnzahlderliterarischen
Sendepltzeerstmaligaufunter550.ImJuni1940begann
das Einheitsprogramm des Grodeutschen Rundfunks
eigene Programmbeitrge der jeweiligen Gausender
spielten darin so gut wie keine Rolle mehr. berdies las
sen sie sich kaum mehr nachweisen, da die Informati
onen der FunkWacht zunchst reduziert wurden und
dieseRundfunkzeitschriftparallelzuallenanderenTi
telnderdeutschenProgrammpresseimMai1941ein
gestellt wurde.
12
Die literarischen Sendungen zwischen
1933und1940verteilensichimEinzelnenwiefolgt:
1933771Sendungen
1934569Sendungen
1935762Sendungen
1936725Sendungen
1937639Sendungen
1938765Sendungen
1939545Sendungen
1940213Sendungen
Die These, dass die politischen und ideologischen Ver
nderungen sich zumindest in den Friedensjahren des
NSRegimes nicht (auffallend) auf die Quantitt der li
terarischen Angebote des Reichssenders Hamburg aus
wirkten, msste freilich durch weitere Untersuchungs
schritte genauer be bzw. auch widerlegt werden, etwa
indemdasSendevolumen(DauerinMinuten)verglichen
wirdbzw.dieVerteilungaufreichweitenstarkebzw.reich
weitenschwache Sendepltze. So spricht Adelheid von
Saldern in der erwhnten Studie von einem hher wer
dendenAnteilpolitischerRedenundpolitischerBericht
erstattungsowievoneinemAnstieganmusikalischenund
unterhaltenden Programmangeboten.
13
Auch Wolfram
Wessels konstatiert in seiner programmgeschichtlichen
StudiespeziellzumHrspielangebotimDrittenReich
diemassivePropagandaimerstenJahrdernationalso
zialistischenHerrschaftundeinezunehmendeUnterhal
tungsorientierungseit1935/36.
14
VordiesemHintergrund
stelltsichdieFrage,obdiezunchstalsgeringeingestuf
tenquantitativenVernderungenfrdasJahr1934bzw.
frdasJahr1937bereitsindiesemZusammenhanggese
henwerdenmssten.GleichwohlsolltemandasDaten
materialfrdenReichssenderHamburggenaueraufdie
FragederPolitisierungbzw.Unterhaltunghinbefragen,
um weitere signifkante Vernderungen einschtzen zu
knnen.LeiderstehtderForschungfrdieNSZeitkeine
umfassendeprogrammgeschichtlicheAnalysezurVerf
gung,wiesiedasgroangelegteProjektbeimDeutschen
Rundfunkarchiv 1997 fr die Sendegesellschaften der
WeimarerRepubliksowiefrderenProgrammangebote
insgesamt vorgelegt hat.
15
Ein Vergleich mit den pro
grammstatistischenAngaben zu anderen Reichssendern
bzw. zurAufteilung von literarischen und anderen Pro
grammbeitrgen ist also zum jetzigen Zeitpunkt noch
nichtmglich.
BevoreinentscheidenderSchrittaufdiesemForschungs
feldderliterarischenSendungenzuinhaltlichenAnalysen
vonerhaltengebliebenenTextenundTontrgernfhrt,
16

knnenbereitsaufderBasisderSendeankndigungenei
nige Grundzge festgehalten werden, die im Folgenden
anhanddreierthematischerSchwerpunkteskizziertwer
den.
Schwerpunkt:Niederdeutsch/Plattdeutsch
NichtnurindenprogrammatischenNSTexten,sondern
auchaufderkonkretenAngebotsseitedominiertenganz
17 Literarische Programmangebote des Reichssenders Hamburg
deutlichSendungen,diedieniederdeutscheSprache,Li
teratur und Kultur zum Thema haben bzw. literarische
Sendungen,dieinPlattdeutschdargebotenwurden.Diese
heimatundnahweltbezogenenliterarischenProgramme
bildeten einen Schwerpunkt. Wie bereits erwhnt, han
delte es sich bei der inhaltlichen Fokussierung auf den
NiederdeutschenMenschenundseineKulturnichtum
eine nationalsozialistische Neuerung, die erst im Zuge
derpolitischenUmwlzungenEinzugindieProgramm
gestaltung gefunden habe. Viele Studien zur NORAG
weisenaufeinesolcheAusrichtunginden1920erJahren
hin.
17
Die norddeutsche Sendegesellschaft entwickelte
sich bereits vor 1933 zu einem wichtigen Partner und
Akteur in der niederdeutschen Bewegung. DieseVer
bindungwurdevorallemvonPersnlichkeitenwieKurt
Stapelfeldt, Hans Bodenstedt und Hans Bttcher getra
gen,diebeimRundfunkinverantwortlichenStellungen
arbeiteten und auch einfussreiche Positionen in dieser
kulturellenStrmunginnehatten.DassdieNORAGeine
solche groe Bedeutung fr die niederdeutsche Bewe
gungerreichthatte,wirdvonderTatsacheunterstrichen,
dassauchnachderMachtergreifungderNationalsozia
listenffentlichaufsiehingewiesenwerdenkonntebzw.
wurde:Etwawenn1933ineinemSonderdruckdesHam
burger Anzeiger ein ganzseitiger Kalender der nieder
deutschen Bewegung von 1852 bis 1933 erschien und
dieserfrdasJahr1932festhielt:ImRundfunkhatdie
niederdeutscheDichtungundBewegungdenwichtigsten
Helfer gefunden []. Die zehn Millionen in Stadt und
Land, die niederdeutsch sprechen, denken und fhlen,
fnden den Ausdruck ihrer WesensgemeinschaIt in der
tnendenWelle.
18
Umgekehrtgelangesdengenannten
Persnlichkeitennicht,imnationalsozialistischenRund
funkinHamburgdauerhaftzuarbeiten:KurtStapelfeldt
wurdealsGeschftsfhrerimMrz1933entlassen,Hans
BodenstedtversuchtesichvergeblichdurchmehrereZu
gestndnisse zu halten Hans Bttcher sollte entlassen
werden,konnteaberbis1936,biszuseinemTod,imAmt
bleiben.
Mit der ereignisgeschichtlichen Defnition des Unter
suchungszeitraums der Jahre zwischen 1933 und 1940
stellensichFragensowohlnachTraditionslinienalsauch
nachTraditionsbrchen.SetzenetwaSendereihenwiedie
NiederdeutscheAutorenstundeoderPlattdeutscheJu
gendstunde,dieindenJahren1933und1934produziert
wurden und in denen plattdeutsche Literaten selbst zu
Wortkamen,fort,wasinden1920erJahrenbegann,oder
wurden die Reihen unter den selben Namen inhaltlich
neu ausgerichtet? Bei einer genaueren Analyse knnte
einem der langlebigsten Programmpltze des Reichs
senders Hamburg berhaupt Wi snackt Plattdtsch
(Di, 10.0010.30 Uhr, 5.10.19349.8.1938) besondere
Beachtung beigemessen werden. Diese Forderung er
gibtsichzumeinen ausdenBeobachtungen,dassdiese
SendungimGrundekeinfestgefgtesFormatwar.Un
terdemTitelWisnacktPlattdtschwurdenHrspiele
wie zum Beispiel ,Hochseefscher' von RudolI Kienau
(19.10.1934), Wissenssendungen fr Kinder (Warm
dat? Dat wllt ju en Mudder, en Dichter und en Lehrer
vertelln,19.10.1934)undUnterhaltungssendungenber
Volksliederundtnze(DeolenVeerlannrVolksrimels
un Kinnderleder, 28.9.1937) gesendet.Vor allem wre
zueruieren,obdemProgrammplatzeinbestimmtesKon
zept zugrunde lag und eine ideologische Ausrichtung
explizitvorgegebenwar.Umgekehrtmsstemanversu
chen,obeinsolcherpolitischerKonsensindenverschie
denen Sendungen greifbar ist.Auch die Frage nach der
Funktion,diederregionalenSprachejeweilszugeschrie
benwurde,wreeingehendzuuntersuchen,obregionale
VielfalterwnschtundgefrdertoderletztlicheineUni
formierung angestrebt wurde.
19
DesWeiteren drfte ein
Programmplatz wie Wi snackt Plattdtsch, der einen
ProgrammschwerpunktdesReichssendersHamburgspe
ziellimJugendfunk,KinderfunkundSchulfunkmarkiert,
hinsichtlichderFragenacheinernationalsozialistischen
Infltrierung einer augenscheinlich volkstmlichen Kin
derundJugendsendungsehrinteressantsein.
IndiesemZusammenhangsollteebensogeklrtwerden,
welcheThemenesschaffen,alsReiheoderalsSeriege
sendetzuwerdenbzw.warumThemenaufeineEinzel
sendungbeschrnktbleibenundwasdieGrndehierfr
sind.UmdieseFragenbeantwortenzuknnen,mssten
dieinsgesamtleiderehersprlichenDokumenteder
Rundfunkverantwortlichenausgewertetwerden,diesich
erhalten haben. Umgekehrt knnten sich Refexe darauI
auch in Unterlagen fnden, die auI Seiten der Autoren
undBeitrgerberliefertsind.Bislangwurdenpersonen
gebundeneNachlssesogutwienichtaufSpurenderAr
beitsbeziehungenzumRundfunkhindurchgesehen.Eine
AusnahmebildetindiesemZusammenhangdieBeschf
tigung mit dem Volkskundler Richard Wossidlo (1859
1939), dessen Nachlass sich im Institut fr Volkskunde
18 HansUlrich Wagner, Wencke Stegemann
(Wossidlo-Archiv) der Universitt Rostock befndet.
Wossidlo,dervielfrdieNORAGgearbeitethatte,zog
sich bald nach 1933 zurck.
20
Weitere Nachlassbestn
de etwa vonAutoren wie Hertha Borchert (18951985)
in der Staats und Universittsbibliothek Hamburg und
Heino Landrock (18991958) in der Landesbibliothek
Hannover knnten ausgewertet werden. Ein Bestand an
Manuskripten von Heinrich Deiters (18821971) wurde
derForschungsstelleGeschichtedesRundfunksinNord
deutschland im April 2008 zurAuswertung bergeben.
Mitihmscheintunteranderemdievor1933einsetzende
Tradition der so genannten Fastelabende nher unter
suchtwerdenzuknnen,einerArtBunterAbende,die
niederdeutsche Lieder, Dialoge und Kurzhrspiele zu
sammenstellte.
21
Eine nhere Beschftigung gilt einem weiteren Bereich
desniederdeutschenProgramms,nmlichdensogenann
tenSpill,alsoSpielenjeglicherArt.Siehtmansich
die zahlreichen Nachweise in den Programmankndi
gungengenaueran,sokristallisiertsicheinregelrechter
Autorenstammheraus.ZuihmgehrenNamenwiePaul
Schurek,HerthaBorchert,HeinrichBehnkenundWalter
Gttke, wobei zu untersuchen wre, welche Kontinui
ttenderschriftstellerischenProduktionberdieZsuren
1933und1945hinwegindeneinzelnenWerkbiographien
zubeobachtensindoderobesspezielle(rundfunklitera
rische)KarrierenimDrittenReichgab.Anhandderim
Einzelnen zu sichtenden Dokumente in den Schriftstel
lernachlssenknntemandannauchversuchennachzu
zeichnen,welcheRolledemAkteurRundfunkzukommt,
wennesdarumgeht,alsAutorfreinsehrspezielleslite
rarischesFeldnmlichdasderniederdeutschendrama
tischenDichtungzuarbeiten.Handeltessichumori
ginale Rundfunkarbeiten oder wechselten Bhnentexte
zumMediumRundfunk?VerndernsichnebendenPro
duktions auch die Distributionsbedingungen, wenn ne
bendieVolksbhnenundLaienspielsttteneinePrsenz
imProgrammdesReichssendersHamburgkommt?Kam
es in diesen Jahren der NSHerrschaft bereits zu Publi
kationsstrategien, die man spter als Medienverbnde
bezeichnet?
Schwerpunkt:HistorischeHrspieleundStundeder
Nation
Auffallend im Programm des Reichssenders Hamburg
istvorallemeineganzeReihevonHrspielarbeiten,die
historischeEreignisseaufgreifen,spezielldernorddeut
schen Geschichte, aber auch der deutschen Geschichte
insgesamt. Diese Historischen Hrspiele werden ersten
Beobachtungen zuIolge hufg in Serien oder Reihen
gefasst,welchesichaucherstaunlichlangimProgramm
halten.HierzueinigeBeispiele:SowurdeindenJahren
1934und1935einesechsteiligeSerieumdenSachsen
herzog Heinrich der Lwe gesendet. Die Titel der ein
zelnen Folgen Der junge Herzog, 13.11.1934 Der
HerrdesOstens,19.11.1934DieEroberungdesObo
trittenlandes,4.12.1934NachOstenwollenwirreiten.
EinTreckniederschsischerBauernnachMecklenburg,
17.12.1934 Der Herzog und der Kaiser, 15.1.1935
Heinrichs Sturz, 22.1.1935 lassen eine Tendenz,
Heinrich als Eroberer des Ostens darzustellen, erah
nen.EineIntentiondieserSerieknnteesalsogewesen
sein, die nationalsozialistische Ostpolitik historisch zu
legitimieren.Obundinwieferndieszutrifft,mssteeine
weitereUntersuchungzeigen.
Im historischen Programm des Reichssenders Hamburg
fallen zwei Reihen hinsichtlich ihres nationalistischen
Charakters besonders auf: Die Wendepunkte des deut
schen Schicksals (19351939) widmeten sich verschie
denen bedeutenden Schlachten der (im weitesten
Sinne) deutschen Geschichte. Man begegnet Titeln wie
Die Hermannschlacht (23.10.1933), Bismarck siegt
beiNikolsburg(1.4.1935)undTilsit1807.Einedeut
scheSchicksalsstunde(8.3.1935).IndenSchicksalsstun
denderdeutschenGeschichtewurdenPortrtsberhmter
(wieder im weitesten Sinne) deutscher Persnlichkeiten
gezeichnet.GeistesgrenwieetwaJohannesGutenberg
(6.12.1935)undFriedrichSchiller(19.4.1939)treteneher
seltenaufpolitischeodermilitrischeGrenhingegen
hufger, wobei explizit solche Mnner im Vordergrund
stehen, die sich um die deutsche Nation verdient ge
machthaben.EinigeBeispiele:FriedrichsVermchtnis:
DergroeKnigunddasDeutsche,HrspielvonWilly
GrunwaldundFrankLeberecht(3.1.1935)Richthofen.
Vom Leben und Sterben des ,Roten KampIfiegers`' von
Thor Groote (4.5.1936) Staatsbaumeister und Soldat.
Als Friedrich Wilhelm I. Knig von Preuen wurde
vonRdigerWintzen(16.3.1936)MorgenrotderFrei
heit. Blcher besiegelt die Erhebung durch Waterloo
(13.7.1936)undIchhabenureinVaterlanddasheit
Deutschland! Freiherr vom Stein, der deutsche Refor
mator von Walter Heuer (19.2.1938). Nur eher selten
19 Literarische Programmangebote des Reichssenders Hamburg
Abb.2:HeinrichDeiters:Fastelabend.TyposkriptderSendungvom4.2.1937.Privatbesitz.
20 HansUlrich Wagner, Wencke Stegemann
ist eine explizit nationalsozialistische Tendenz bereits
imTitelerkennbar,beispielsweiseinDasHakenkreuz.
Eine deutsche Passion. Ein Funkbuch (4.4.1933) oder
wenn der Kulminationspunkt einer propagandistischen
Konstruktion greifbar wird in der Ankndigung Her
zogderDeutschen.I.Hermann,II.Bismarck,III.Hitler
(11.4.1933)beideRundfunkarbeitenwurdenvonHans
Bodenstedtverfasst.
Ob also gerade die Historischen Hrspiele Plattformen
frdieNSIdeologiesind,kannzudiesemZeitpunktim
Einzelnennochnichtermessenwerden.EinweiteresIn
diz dafr knnte jedoch die Programmplatzierung sol
cher Hrspielarbeiten des Reichssenders Hamburg auf
dem Sendeplatz Stunde der Nation darstellen. Dieser
propagandistischherausgehobeneProgrammplatzwurde
abwechselndvondeneinzelnenRundfunksenderngetra
genundwerktagszwischen19und20Uhrimgesamten
Deutschen Reich gesendet. Eine Instrumentalisierung
von Volks und Heimatkultur(geschichte) fr national
rassistischeBelange,dieauchAdelheidvonSaldernund
DirkHhnervermuten,
22
scheintdenkbar.EinpaarBei
spiele:Skagerak.12BilderausderSkagerakSchlacht,
Tonbild von Wulf Bley und Fritz Busch (31.5.1933),
Der ewige Bauer, Hrspiel von Josef Martin Bauer
(28.11.1933)undWilhelmRaabe.DeutschlandsGewis
sen,eineHrfolgevonKonradTegtmeier(24.5.1934).
Solche Beitrge mssen dahingehend nher untersucht
werden.
Schwerpunkt:Gegenwartsliteratur
Auf diesem Gebiet zeichnen sich verschiedene Ten
denzen ab. Zum einen gibt es Sendungen, in denen die
regionalenAutoren eine Plattform erhalten, etwa wenn
es vom 17.3.1933 bis 1.9.1933 hie: Plattdeutsche Au
torenstunde.ZumanderenwerdenReihenTitelohneer
kennbarepolitischeKonnotationangekndigt,mitTiteln
wie: Autoren lesen aus ihren Werken, 19331940 Von
Knstlern und ihrem Werk, 19331940 sowie Allerlei
Anregungen vom Bchertisch, 19371940. Gleichwohl
scheinen darin hufg ausgewiesene NS-Autoren zu
WortzukommenodersiesindGegenstandderSendung.
Bei Stichproben tauchten die Namen Herman Schroer,
Alfred Rosenberg, Edwin Erich Dwinger und Richard
Euringer auf. Umgekehrt lassen sich Beispiele benen
nen, die von dieser politischideologischenAusrichtung
ausgenommensind,etwaSendungenzuodermitMartin
BeheimSchwarzbach, CarlAlbert Lange, Josef Ponten
und Albert Mhl. Eine entsprechend exakte Erhebung
wre anzuschlieen, die Aussagen zur Einordnung der
zeitgenssischenAutorentreffenkann.
EineweitereTendenzzeichnetsichabmiteinzelnenSen
dungen, die spezifsche NS-Ideologie ankndigen. Bei
spielehierfrsind:DieKunstPropaganda.Knnerund
Knstler. I. Bonifatius, II. Ulrich von Hutten, III. Ernst
MoritzArndt,IV.Dr.JosephGoebbelsgesendetmitan
schlieendenSzenenausDerWanderervonJ.Goebbels,
23.4.1933 Bcherstunde: Das Schrifttum ber das Ha
kenkreuz, 5.5.1933 Kameradschaft. Szenen aus der Li
teratur des Weltkrieges bis zur Gegenwart, 11.1.1936
sowieBlutundGeldimJudentumvonHermanSchroer.
FralleBereichedieserSendungenzurGegenwartslite
ratur msste eine statistischeAuswertung erfolgen, vor
allem auch um eventuelle Periodisierungen vorzuneh
men,alsodurchdieFrage:WievieleNSSendungenund
wievieleSendungenohneexpliziteNSpolitischeKon
notationwurdenwannproduziert?Wiebereitsmehrfach
erwhnt, wre auch in diesem Zusammenhang mit dem
BereichderGegenwartsliteraturzuuntersuchen,welche
TraditionslinienhinzurWeimarerZeitbestehenbzw.wo
Brche auftreten. In diesem Fall kann die Datengrund
lage zum literarischen Programmangebot des Reichs
sendersHamburginBeziehunggesetztwerdenzueinem
groen DatenbankProjekt, das beim Deutschen Rund
funkarchivfrdieWeimarerZeitentstandenistunddas
Theresia Wittenbrink sowohl als OnlineDatenbank als
auchinDruckformvorgelegthat.
23
4.Andocken II Forschungsfragen im Zusam
menhangmiteinerintegriertenMediengeschich
tedesDrittenReiches
FragenachKontinuittenundDiskontinuitten
AdelheidvonSaldernstellteinihremBeitragzurBezie
hung von Volkstumsbewegung und Rundfunkarbeit die
Frage nach den Kontinuitten beim bergang von der
Weimarer Republik zum Dritten Reich in den Mit
telpunkt, wenn sie im Titel formulierte: Volk and Hei
matCultureinRadioBroadcastingduringthePeriodof
Transition from Weimar to Nazi Germany. Auch im
hier vorgestellten berblick ber das Datenmaterial der
21 Literarische Programmangebote des Reichssenders Hamburg
programmgeschichtlichenAuswertungzumliterarischen
ProgrammangebotdesReichssendersHamburgkristalli
sierte sich immer wieder heraus, dass diesen bergn
geneineganzbesondereAufmerksamkeitzuwidmenist.
DennwederfandimRundfunkinderRothenbaumchaus
seeeinsofortigerkompletterpersonellerWechselaufder
RedakteursebenestattnochwurdederStammvonAuto
renundBeitrgern,derfrdieNORAGgearbeitethatte,
unmittelbarnachdemMachtantrittausgewechselt.Pa
rallelzuderinderForschungzurLiteraturundMedien
geschichte des Dritten Reiches mittlerweile gngigen
Praxis, von den politischen ereignisgeschichtlichen Z
suren abzusehen und Entwicklungslinien in den 1930er
und1940erJahrennachzuzeichnen,wreauchdieviel
fachbeschworeneLandschaftsarbeitdesReichssenders
Hamburgzuuntersuchen.DennwederwarenVolkund
Heimat noch die Frderung von plattdeutschenAuto
renundniederdeutscherKultureinCharakteristikumder
Nationalsozialisten.
Gleichwohl ist nach dem Stellenwert und den verschie
denen Funktionen solcher kultureller Bestrebungen in
unterschiedlichen politischen Kontexten zu fragen.Wie
alsofrdieAngeboteandererMedienindieserZeit,so
wre auch fr das literarische Programm des Reichs
senderssehrgenauzuermitteln,wasanNeuem,anNS
Spezifschem hinzutritt bzw. welche vorangegangenen
inhaltlichenAngebote es ablste. Gerade die Fokussie
rung auI die Frage nach NS-Spezifschem ist geeignet,
nur auf den ersten Blick vielleicht nahe verwandte in
haltliche Angebote zu differenzieren. Die Suche nach
Gemeinschaft, nach einer regional ausgeprgten Iden
titt, wie sie von Programmmachern und von Autoren
formuliert und von den Publika nachgefragt wurde, ist
sicherlich von Inszenierungen einer politisch gewollten
,VolksgemeinschaIt' abzugrenzen. Sprachpfegerische
und Kultur bewahrende Aufgaben, wie sie die nieder
deutscheBewegungverfolgte,musstensichimKontext
des vernderten politischen Systems neu positionieren.
Wo passten sich die Vertreter solcher literarischer Pro
grammangebotean,wowurdeversucht,ihnenundihren
TextenneueFunktionenzuzuweisen?
Zwischen Landschaftsarbeit und Bildung einer
Volksgemeinschaft:raumbezogeneIdentitten
DieArbeit des Reichssenders Hamburg fllt in die Zeit
derwachsendenBedeutungdesRundfunks.Inden1930er
Jahren,undvorallemwhrenddernationalsozialistischen
Herrschaft, wurde der Rundfunk zum Massenmedium.
Gerade vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung
zwischenderregionalenGliederungunddenZentralisie
rungsbestrebungen verdient das spannungsreiche Inein
andervonregionalgeprgtenKulturrumenundderHer
ausbildungeinerbergreifendennationalenIdentittein
ganzbesonderesInteresse.Wiebereitsaufgezeigt,wurde
dasRundfunksysteminDeutschlanddezentralaufgebaut
miteinzelnenregionalenSendegesellschaftenunddurch
lief einen Prozess der Zentralisierung. Den einzelnen
Sendern,von1934analsReichssenderbezeichnet,ka
mennebendemZiel,anderBildungderVolksgemein
schaftmitzuwirken,auchregionaleProgrammaufgaben
zu,ebendieschonerwhnteLandschaftsarbeit.Wh
rendjedochArbeitenzurInstitutionsgeschichteundzum
politischenKrftefelddesRundfunksimDrittenReich
vorliegen, gibt es nur wenige Anstze zur Programm
arbeitvonReichssendern.
24
In der deutschenTradition ist Rundfunk ein Kulturph
nomen, das heit, dieses Medium ist mit Kulturrumen
verbunden und spielt gleichzeitig eine herausragende
RollebeiderHerausbildungvonnationalenIdentitten.
Arbeiten der so genannten cultural studies behandeln
den Rundfunk in diesem Zusammenhang sowohl als
mirror als auch als moulder gesellschaftlicher Ent
wicklungen. Der Rundfunk spielt eine wichtige Rolle
in diesem Prozess der Medialisierung und speziell dem
Radio kommt in den Jahren von 1930 bis 1960, der so
genanntenZeitdesRadioBoomsdabeigroeBedeutung
zu. Mediengeschichte hat sich deshalb mit derAnalyse
von ffentlicher Kommunikation als zentraler gesell
schaftlicher Kategorie zu beschftigen. Dabei werden
verschiedeneAkteureindenBlickgenommen,vorallem
die Programmmacher, die Programmangebote und die
Nutzer. Der programmgeschichtliche Forschungsansatz
untersucht die Sendungen als Trger von Sinnangebo
ten, in diesem Fall auf Reprsentationen von Heimat
und Nation. Diese Programme bieten regionale and na
tionaleNarrative,dieverschiedeneraumbezogeneIden
tittsangebote machen und gleichzeitig auf vorhandene
Narrativereagieren.DieProgrammangebotestehenalso
imZentrumeinesmedialenundsozialenAushandlungs
prozesses. Auf der einen Seite sind sie Ausdruck der
Refexionen der Programmmacher und den Zwngen
der Programmverantwortlichen, auf der anderen Seite
22 HansUlrich Wagner, Wencke Stegemann
mssensieaufdiegesellschaftlichenStrmungenBezug
nehmen.
25
Ein Forschungsansatz der cultural studies fokussiert
sichspeziellaufdiesesspannungsreicheIneinandervon
NationundProvinzenbzw.vonnationalerZugehrigkeit
undHeimat.
26
CulturalstudieszumThemaRundfunkim
Dritten Reich sind jedoch selten. Der Band Zuhren
undGehrtwerden.RadioimNationalsozialismus.Zwi
schen Lenkung und Ablenkung von Inge Marolek und
AdelheidvonSaldernbietetdieentscheidendenGrundla
gen,vorallemimBereichderMedienaneignungdieStu
diespartaberraumbezogeneFragenaus.DerAufsatzvon
AdelheidvonSaldernunterdemTitelVolkandHeimat
in Radio Broadcasting during the Period from Weimar
to Nazi Germany berichtet ausfhrlich ber die Wei
marer Zeit das Dritte Reich wird jedoch vergleichs
weise kurz behandelt, da der Historikerin eine grere
DatenbasisnichtzurVerfgungstand.DieUntersuchung
der literarischen Programmangebote des Reichssenders
Hamburg zwischen 1933 und 1940 kann deshalb eine
Fallstudiedarstellen.AufderBasisderbereitsgeleisteten
programmgeschichtlichen Datenerhebung sowie durch
die Identifzierung weiterer Dokumente und Quellen soll
analysiertwerden,wiedieherausgehobenePositionder
NORAGalsZentrumderVolkundHeimatBewe
gung weitergefhrt oder unterbrochen wurde und wie
speziell die regionalenAusprgungen in die nationalen,
politischpropagandistischen Aufgaben aufgenommen
wurden.
27
IndiesemZusammenhangdarfdiePerspekti
ve der Mediennutzer nicht auer acht gelassen werden,
auchwenndiesemeistquellenbedingtalsschwerzu
bearbeitendes Forschungsterrain eingestuft wird. Aber
die Frage, welche Erlebniswelten durch den Rundfunk
produziertundwiediesevoneinemdispersenPublikum
ausHrerinnenundHrernaufgegriffenwurde,wreein
entscheidender Beitrag zur Medialisierung des Alltags,
derindiesenJahrenstattfand.
FragenachdemliterarischenFeldderMedienmetro
poleHamburg
NichtseltenwirdmittlerweiledasDritteReichalsein
politischesSystemerachtet,dasinderEntwicklungeiner
Modernittsowohlbeschleunigendalsauchretardierend
wirkenkonnte.UnbestreitbaristdabeidieRollederNS
Machthaber, dem neuen Massenmedium Rundfunk
zum entscheidenden Durchbruch verholfen zu haben.
Dieser Modernisierungsschub wre im vorliegenden
Zusammenhang im Hinblick auf die Schriftsteller zu
untersuchen, auf ihre Strategien und Positionierungs
versuchesowohlmitBezugaufdiesichverndernden
(literatur)politischen Kontexte als auch mit Bezug auf
ihre multimediale literarische Arbeit. In Einzelstudien
wurdediesimBereicheinerForschungzumThemaLi
teratur und Rundfunk auch schon unternommen, aller
dingsbezogenaufeinzelneAutorenundihrenspeziellen
UmgangmitdemneuenMediumRundfunkvorundnach
1933.DieszeigenetwadieArbeitenzuGnterEichund
MartinRaschke,zweiVertreternderdamalssogenann
ten jungen Generation, die am Ende der Weimarer
Republik ihre Entwicklung zum freien Schriftsteller
angetreten hatten und ihre beginnende Karriere mit
mehr oder weniger groen Kompromissen fortzuset
zen bereit waren.
28
Im Zusammenhang mit den derzeit
laufendenundgeplantenProjektenzeigtsichjedochdie
Mglichkeit,eingreresliterarischesFeldabzustecken
unddieEntwicklungineinerMetropolewieHamburgzu
untersuchen
29
bzw. an einem speziellenAutorenstamm,
dersichvonseinerArbeitinderniederdeutschenBewe
gung her defniert. Eine solche AuIgabe verspricht weit
reichende Aufschlsse ber die literarische Produktion
unddiewechselseitigenmedialenMglichkeitenindie
serZeit.
Anmerkungen
1. Der Reichssender Hamburg. Die Grundlage eines Nord
deutschen Rundfunkprogramms. In: ReichsRundfunk. Ent
wicklung, Aufbau und Bedeutung. Bearbeitet von der Reichs
RundfunkGesellschaft.57.Bd.,10.Jahrgang1934,S.6769
Zitat,S.67f.EinbesondererDankfrdieSuchenachdieser
schwer zugnglichen Quellenschrift gilt Frau Elke Niebau
er (Deutsches Rundfunkarchiv) und Herrn Dr. Ansgar Diller
(Hochheim).
2.JanPieterBarbian:LiteraturpolitikimDrittenReich.In
stitutionen, Kompetenzen, Bettigungsfelder. berarb. u. akt.
Ausgabe.Mnchen1995.
3. Vgl. vor allem die berblicksdarstellung von Konrad Dus
sel:DeutscheRundfunkgeschichte. 2., berarb. Auf. Konstanz
2004 (Kapitel: Rundfunk in NSDeutschland, S. 81129) zu
denVorgngeninHamburgvgl.StefanieBurandt:Propaganda
undGleichschaltung.DerReichssenderHamburg19331945.
23 Literarische Programmangebote des Reichssenders Hamburg
In: Wolfram Khler (Hrsg.): Der NDR. Zwischen Programm
undPolitik.BeitrgezuseinerGeschichte.Hannover1991,S.
4581LilianDoretteRimmele:DerRundfunkinNorddeutsch
land19331945.EinBeitragzurnationalsozialistischenOrga
nisations,PersonalundKulturpolitik.Hamburg1977.
4.FriedrichHermannKorte:LandschaftundSender.EineUn
tersuchungderBeziehungenzwischenRundfunksenderundsei
nerLandschaftunterbesondererBercksichtigungderVerhlt
nissebeimReichssenderHamburg.Diss.phil.Hamburg1940.
ExemplardesHansBredowInstituts,Hamburg.
5.Adelheid von Saldern: Volk and Heimat Culture in Radio
Broadcasting during the Period of Transition from Weimar to
Nazi Germany. In: The Journal of Modern History 76 (June
2004),S.312346.
6.Vgl.frdiesenprogrammatischenAnspruchdenBeitragvon
Kurt Stapelfeldt, des damals stellvertretenden Direktors der
NORAG:DerRundfunkalsTrgerundErhalterderHeimat
kultur.In:RundfunkJahrbuch1929,11.20.Tsd.S.233243.
7. Vgl. HansUlrich Wagner (Hrsg.): Die Geschichte des
Nordwestdeutschen Rundfunks. Bd. 2. Hamburg 2008 sowie
zu diesem Forschungsprojekt die Hinweise auf der Webseite
www.nwdrgeschichte.de.
8. Projektbearbeiter waren die wissenschaftlichen Mitarbeiter
Janina Fuge und Christoph Hilgert. Die Historische Kommis
sionderARDbereitetinZusammenarbeitmitderHistorischen
Kommission des Brsenvereins des Deutschen Buchhandels
frMai2010einewissenschaftlicheKonferenzvor,aufderdie
LiteraturproduktionunddistributionimDrittenReichfokus
siert wird dort ist einVergleich mit den Programmangeboten
andererReichssendermglich.
9. Das hier zugrunde gelegte Modell, literarische Programm
angebote zu klassifzieren, sttzt sich auI berlegungen, die
der Hallenser Medienwissenschaftler Viehoff in einem ande
ren thematischen Zusammenhang vorlegte: Reinhold Viehoff:
SchriftstellerundHrfunknach1945einunterschtztesVer
hltnis.In:ZeitschriftfrLiteraturwissenschaftundLinguis
tik,H.111.Radio,1998,S.102125.
10.DieNorag10(1933),Nr.1Nr.48FunkWacht8(1933),
Nr.53FunkWacht16(1941),Nr.22.
11. Vgl. die Webseite des Forschungsverbundes unter:
www.fkghh.unihamburg.de.
12.ZurmediengeschichtlichenBedeutungderProgrammpres
se vgl. die Untersuchung von Thomas Bauer: Deutsche Pro
grammpresse 1923 bis 1941. Entstehung, Entwicklung und
KontinuittderRundfunkzeitschriften.Mnchenu.a.1993(=
Rundfunkstudien6).
13. Vgl. von Saldern: Volk and Heimat (wie Anm. 5), S.
341f.
14. Wolfram Wessels: Hrspiele im Dritten Reich. Zur Insti
tutionen, Theorie und Literaturgeschichte. Bonn 1985 vgl.
speziellIII.3.GrundzgedesProgramms,S.146176.
15.ProgrammgeschichtedesHrfunksinderWeimarerRepu
blik.Hrsg.vonJoachimFelixLeonhard.2Bd.Mnchen1997.
16. Ein Korpus von mehr als 50 Tontrgern mit Aufnahmen
des literarischen Programmangebots des Reichssenders Ham
burghatsicherhalten.AbfragederDRADatenbank,7.3.2008,
unddesNDRWortarchivs,31.3.2008.EinbesondererDank
gilt in diesem Zusammenhang Frau Tania KlaczkoRyndziun
(DRA)undHerrnKnutWeinrich(NDR).
17.Vgl.HorstO.Halefeldt:EinSenderfrachtLnder:Die
NORAG.RegionalerRundfunkinderWeimarerRepublik.In:
Archiv fr Sozialgeschichte, 41. Bd., 2001, S. 145170Adel
heid von Saldern: Rundfunkpolitik, Nationalidee und Volks
kultur (192632). In: Inge Marolek, Adelheid von Saldern
(Hrsg.): Radiozeiten: Herrschaft, Alltag, Gesellschaft (1924
1960).Potsdam1999,S.5982sowievonSaldern:Volkand
Heimat(wieAnm.5).
18.KalenderderniederdeutschenBewegung.Text:HugoSie
ker. Zeichnungen: Max Deiters. Sonderdruck des Hamburger
Anzeigers.[o.D.,vermutlichAnfang1933].PrivatnachlassDei
tersbzw.FGRNHamburg.
19.Vgl.hierzuKonradKstlin:NiederdeutschundNational
sozialismus. Bemerkungen zur Geschichte einer Beziehung.
In: Kay Dohnke et. al. (Hrsg.): Niederdeutsch im Nationalso
zialismus.StudienzurRolleregionalerKulturimFaschismus.
Hildesheimu.a.1994,S.3658.
20. Siehe hierzu die Arbeiten von Christoph Schmitt, dem
Leiter des WossidloArchivs: Volkskundler im frhen Rund
funk.ZurRegionalisierungdesHrfunksimNiederdeutschen
Sendebezirk (19241932). In: Thomas Hengartner, Brigitta
SchmidtLauber (Hrsg.): Leben Erzhlen. Beitrge zur Er
zhl und Biographieforschung. Festschrift fr Albrecht Leh
mann. Berlin, Hamburg 2005, S. 429460 Mecklenburg im
Hrfunk der Weimarer Republik. Richard Wossidlo und die
Nordische Rundfunk AG. In: Stier und Greif. Bltter zur
Kultur und Landesgeschichte in MecklenburgVorpommern
8(1998),S.7683.
21.ErhaltensindunteranderemdieManuskriptevonHeinrich
Deiters:Fastelabend.EinebunteFolgeplattdeutschenHumors.
bertragungausdemGrossenSaaldesGewerkschaftshauses
Hamburg. ErwerbslosenVeranstaltung, 24.2.1933 Fastel
abend,4.2.193721.2.1939.
22.Vgl.vonSaldern:VolkandHeimat(wieAnm.5),S.342f.
sowie Dirk Hhner: Lenkung undAblenkung. Von der NO
RAGzumReichssenderHamburg.In:PeterPetersen(Hrsg.):
ZndendeLiederverbrannteMusik.FolgendesNazifaschis
mus fr Hamburger Musiker und Musikerinnen. Hamburg
24 HansUlrich Wagner, Wencke Stegemann
1995,S.175184speziellS.183.
23. Vgl. Theresia Wittenbrink: Schriftsteller vor dem Mikro
phon. Autorenauftritte im Rundfunk der Weimarer Republik
19241932.EineDokumentation. Potsdam 2006 (=Verffent
lichungen des Deutschen Rundfunkarchivs 36) eine Projekt
beschreibungunddieDatenbanksindonlinezugnglichunter:
http://www.dra.de/rundfunkgeschichte/schriftsteller/index.php
(letzterZugriff:12.11.2008).
24. Vgl. die Anstze dazu bei Birgit Bernard: Die Gleich
schaltung.DerReichssenderKln.In:AmPulsderZeit.50
JahreWDR.Band1.DieVorlufer.19241955.Kln2006,S.
87155 speziell S. 124155 sowie in Karl Christian Fhrers
Studie Medienmetropole Hamburg. Mediale ffentlichkeiten
19301960.Mnchen,Hamburg2008(=ForumZeitgeschich
te20)speziellS.8892.
25.Vgl.IngeMarolek,AdelheidvonSaldern(Hrsg.):Zuhren
undGehrtwerdenI.RadioimNationalsozialismus.Zwischen
LenkungundAblenkung.Tbingen1998.
26.Vgl.CeliaApplegate:ANationofProvincials.TheGerman
IdeaofHeimat. Berkeley et. al. 1990; Alon Confno: Germany
as a culture of remembrance. Promises and limits of writing
history.ChapelHill2006.
27. DieserAufgabe stellt sich speziell der Beitrag, den Hans
Ulrich Wagner auf der Tagung Space, Identity and National
Socialismvorstellenwird,dieimMai2010andenUniversi
tten Loughborough und Leicester stattfnden wird.
28.AlsBeispielefrsolcheaufeinzelneAutorenbezogeneStu
dienundRadiographienvgl.HansUlrichWagner:GnterEich
und der Rundfunk. Essay und Dokumentation. Potsdam 1999
(= Verffentlichungen des Deutschen Rundfunkarchivs 27)
DerWegineinsinnhaftes,volkhaftesLeben.DieRundfunk
arbeitenMartinRaschkes.In:WilhelmHaefs,WalterSchmitz
(Hrsg.):MartinRaschke(19051943).LebenundWerk.Mitei
nerLebenschronikundeinerBibliographievonWilhelmHaefs
sowie einer Radiographie von HansUlrich Wagner. Dresden
2002,S.167197.
29.EinensolchenAnsatzvorbereitendwirdderzeitdasSon
derverzeichnisDasdeutscheHrspieluntersucht,das1939
inKrschnersDeutscherLiteraturKalendererschien(49.Jg.
1939.Berlin1939,Sp.10451060).DieseerstmaligeGesamt
schauberdieHrspielarbeitdeutscherSchriftstellerwirdda
nachausgewertet,welcheSchriftstellerinnenundSchriftsteller
inderUmfrageunterallenSendernspeziellvomReichssender
Hamburggenanntwurden.HierkonturiertsicheinKorpusvon
45AutorenundeinerAutorinderostfriesischenHeimatdich
terinMarieUlfersheraus.DiesemSchrittfolgteinAbgleich
mitdenAngabenin:SchriftstellerVerzeichnis.Herausgegeben
vonderReichsschrifttumskammer.Leipzig:VerlagdesBrsen
vereinsdesDeutschenBuchhandels1942.
25
Wie alle Grostdte des Landes so verfgte auch Ham
burg im Januar 1933, als der Prozess der nationalsozia
listischenMachtbernahmeimDeutschenReichbegann,
bereineausgesprochenvielgestaltigePresselandschaft:
Nicht weniger als 24 verschiedene Tageszeitungen ver
sorgten die Hanseaten mit politischen Informationen,
Kommentaren, Werbung und Unterhaltung. Dieses En
semble der Tagespresse wandelte sich unter den neuen
politischenBedingungendeutlichzugleichabergabes
doch auch viele Kontinuitten, die ber den politischen
UmbruchderMachtergreifunghinwegliefen.
DervorliegendeTextversuchtdiesesNebeneinandervon
Bruch und Kontinuitt im berblick zu skizzieren. Er be
trachtetzunchstdiepolitischbedingtenVernderungen
in der Hamburger Presse, die sich sowohl durch die di
rekte Intervention der NSDAP als auch indirekt durch
die Selbstgleichschaltung brgerlicher Zeitungsredak
tionen ergaben. Ein zweiter Abschnitt zeigt dann, wie
sichderAbsatzderhanseatischenTageszeitungeninden
Jahren1934bis1939entwickelte.
1
Dabeiwirddeutlich,
dassdieinhaltlichgleichgeschaltetePressebiszumBe
ginndesKriegeserfolgreichneueLeserundLeserinnen
gewann. Trotz anfnglicher Probleme gerade in diesem
Segment der Medienwelt gelang es dem NSRegime,
den grten Teil der Hamburger Bevlkerung auch mit
Zeitungendauerhaftmedialansichzubinden.DasWort
von der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft hat
angesichtsderberauszahlreichenZeitungsleserfrdie
VorkriegsjahredurchausseineBerechtigung.
Selbstgleichschaltung und Gleichschaltung der
brgerlichenPresse
Die bernahme der politischen Macht durch die NSDAP
und die Errichtung der nationalsozialistischen Dikta
tur bedeuteten zunchst einmal vor allem das Ende der
gesamten linken Presse.Allerdings gab es hier eineArt
Inkubationszeit, denn die Nationalsozialisten besaen
unmittelbarnachdem30.Januar1933nochkeineswegs
dieuneingeschrnkteMacht.Nochexistiertediefderale
Struktur des Reiches, die den einzelnen Landesregie
rungengeradeinallenPolizeiangelegenheiten(unddazu
gehrteauchdieUnterdrckungvonDruckerzeugnissen)
groenSpielraumlie.ZwarrumteeineNotverordnung
von Reichsregierung und Reichsprsident den Lndern
bereits am 4. Februar 1933 nahezu uneingeschrnkte
Mglichkeiten ein, politisch missliebige Druckschriften
allerArtzubeschlagnahmenundzuverbieten.FrHam
burg aber blieb das zunchst bedeutungslos, denn hier
regierte immer noch ein von der SPD und den beiden
liberalenParteienDeutscheVolksparteiundStaatspartei
getragener Senat. Zwar besa die Koalition schon seit
demSeptember1931inderBrgerschaftkeineMehrheit
mehr ein neuer Senat aber wurde nicht gewhlt, weil
diebeidenradikalenParteienNSDAPundKPDsichzu
einer negativen Mehrheit zusammenschlossen und Ob
struktionspolitik trieben. Nach den Bestimmungen der
damaligenHamburgerVerfassungbliebendieSenatoren
damit trotz der Wahlniederlage als geschftsfhrende
Regierung im Amt. Da die Hamburger NSDAP mithin
auchnachdemMachtantrittHitlersimmernocheineder
Oppositionsparteien des Stadtstaats war, hatte die Not
verordnungfrdasPressewesenderHansestadtzunchst
keineAuswirkungen.
MehralseineGalgenfristwarfrdiePressefreiheitdamit
allerdings nicht gewonnen, denn schon der Reichstags
brand in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933
lieferte der NSDAP den hochwillkommenen Vorwand,
allebrgerlichenFreiheiteninganzDeutschlandzube
seitigen. Die sogenannte Reichstagsbrandverordnung
vom 28. Februar verbrmte legalistisch den Bruch der
VerfassungunddieWeichenstellunginRichtungaufdie
UmbruchundKontinuittaufdemHamburgerZeitungsmarktnach1933
KarlChristianFhrer
26 Karl Christian Fhrer
Diktatur,dieinderpolitischenPraxismitmassenhaften
VerhaftungenvonMitgliedernderKPDundmitderBe
schlagnahmung aller berhaupt greifbaren kommunis
tischen Druckerzeugnisse schon unmittelbar nach dem
Bekanntwerden des Berliner Feuers vollzogen wurde.
Zugleich erweiterte die Verordnung den bereits entfes
selten Angriff der NSDAP auf die Pressefreiheit noch
ganzerheblich:ZurAbwehrangeblichdrohenderstaats
gefhrdenderGewaltakteundunterdemVorwandeiner
erlogenen Verwicklung der SPD in den Brandanschlag
verfgte die HitlerRegierung in der Verordnung nicht
nur das Verbot aller kommunistischen Zeitungen und
Zeitschriften, sondern auch die Unterdrckung der so
zialdemokratischen Presse. SAMnner und die Ham
burger Polizei verhinderten deshalb schon am 28. Fe
bruar das Erscheinen der kommunistischen Hamburger
Volkszeitung(HVZ).
2
ImpreuischenHarburgwurdeam
gleichenTagauchdassozialdemokratischeVolksblattfr
Harburg,WilhelmsburgundUmgebungverboten.
Die SPDPresse in Hamburg blieb hingegen noch un
angetastet, denn der Stadtstaat hatte auch nach dem 27.
FebruarimmernocheinensozialdemokratischenPolizei
senator. Am 3. Mrz 1933, zwei Tage vor der von der
NSDAP angesetzten neuen Reichstagswahl, fand diese
politische bergangszeit, die das Fhrungspersonal der
Hamburger Sozialdemokratie erstarrt und passiv durch
lebte, ihr Ende: Reichsinnenminister Frick (ein alter
KmpferderNSDAP)fordertedasVerbotdesSPDPar
teiorgansHamburgerEcho,weildasBlattleiseZweifel
an den antikommunistischen Verschwrungstheorien
geuerthatte,mitdenendasNSRegimedenBrandan
schlaginBerlinerklrte.AlsPolizeiherrderHansestadt
httederSozialdemokratAdolphSchnfelderdieseUn
terdrckung des Zentralorgans seiner eigenen Parteior
ganisation umsetzen mssen. Diesen Verrat an meinen
besten Freunden mochte sich Schnfelder nicht antun:
Er trat zurck und mit ihm verlieen auch die anderen
sozialdemokratischenSenatorendenSenat.
3
Unmittelbar
danach wurden nebendem HamburgerEchoauch zwei
weitere Hamburger SPDZeitungen das Bergedorf
SanderVolksblattunddieCuxhavenerAlteLiebever
boten.
4

Mit diesen Verboten verlor ein bedeutender Teil der


Hamburger Bevlkerung die gewohnte Tageszeitung.
Die Druckaufage der unterdrckten Bltter lag insge
samt wohl bei 96.000 Exemplaren. Der grte Teil da
von entfel auI das sozialdemokratische Echo, das rund
60.000 Exemplare pro Ausgabe druckte fr die kom
munistischeVolkszeitungist(trotzhhererAngabendes
Verlags) wohl von einer Aufage von ca. 10.000 Exem-
plarenauszugehen.
5
Ende1932hattediegesamtehanse
atischeLinkspressewohletwaeinFnftelallerHambur
gerFamilienundHaushalteerreicht.Sieallesahensich
nach dem Mrz 1933 zwangsweise ohne tagesaktuelle
gedruckte Informationen. Leider wissen wir nicht, wie
diejenigen, die damals den bergang von der Demokra
tiezurDiktaturalsZeitgenossenerlebten,dieseVernde
rungbewerteten.DasFehleneinerbislangkontinuierlich
gelesenen Tageszeitung kann ja durchaus eine empfnd
liche Lcke in den gewohnten Alltag reien, weil der
bislang stetige InIormationsfuss pltzlich unterbrochen
wird.ImDeutschlanddesJahres1933magdassogarbe
sonders stark gegolten haben, denn schlielich wandel
ten sich dieVerhltnisse seinerzeit auf allen politischen
undgesellschaftlichenEbeneningrundstrzenderWeise:
NachrichtenarmutwarmitSicherheitkeinProblemdie
serZeit.
Dennochknnenwirausschlieen,dassdiemitdemEnde
der Pressefreiheit zeitungslos gewordenen Hamburger
sofortnachanderenTageszeitungengriffen:Alleverfg
barenInformationenberdieEntwicklungderZeitungs
aufagen in Hamburg (wie auch generell in Deutschland)
indenJahren1933/34widersprechendem:DerWegvon
strengauflinkeweltanschaulicheKohrenzgetrimmten
ZeitungenzudernachdenKriterienderNSDAPgleich
geschaltetenTagespresse war wohl einfach zu weit, um
ihninkurzerFrist,unmittelbarnachdemVerbotvonZei
tung und Partei, zu gehen. Spter allerdings so wird
sichzeigengaltdasoffensichtlichnichtmehr.
NachdemVerbotderlinkenPresseundderEtablierung
der NSDAP als der eindeutig dominanten politischen
Macht im ganzen Reich ergab sich im deutschen Pres
seweseneinevlligneuartigeZweiteilungderZeitungs
landschaft, die fr die Entwicklung der Tagespresse in
denerstenJahrenderNSHerrschaftvongrundlegender
Bedeutungwar:AufdereinenSeitestandendieNSPar
teizeitungen,dietriumphierenddenBeginneinesneuen
Zeitalters verkndeten, in dem alte Strukturen auf allen
sozialen Ebenen und in allen gesellschaftlichen Berei
chen beiseite gefegt wrden auf der anderen Seite fan
densichalleweitererscheinendenPeriodikawieder,die
nichtindirekterVerbindungzurNSDAPstanden.Inder
27 Hamburger Zeitungsmarkt nach 1933
Sicht der siegreichen totalitren Bewegung handelte es
sich hier durch die Bank um brgerliche Zeitungen,
dievonJournalistengeschriebenwurden,denendasre
volutionreSelbstverstndnisderwahrenNationalsozia
listenfehlegeradedenRedakteurenderNSPresse,die
bislangimjournalistischenAbseitsSelbstausbeutungim
DienstderParteibetriebenhatten,galtendiealtenPeri
odikaallesamtalspolitischverdchtig,wennnichtsogar
schlicht als vllig berfssig.
AufdenDruck,dersichausdieserFrontstellungderPar
teizeitungengegenkonkurrierendeBltterergab,undauf
die rasch ausgebaute Machtflle der NSDAP reagierte
diebrgerlichePresseganzunabhngigvonderzuvor
verfolgtenpolitischenLiniederRedaktionenmiteiliger
Anpassung.NurineinigenAusnahmefllenbliebwenigs
tenseineDistanzgegenberdenneuenMachthaberner
kennbar.DiesebeidenFeststellungengeltenfrDeutsch
landallgemeinwieauchspeziellfrHamburg.Auchan
derElbevollzogsichdieEinordnungderTagespressein
dasentstehendediktatorischeSystemweitgehendalsPro
zessderjournalistischenSelbstgleichschaltung,derrasch
undreibungslosverlief,obwohldieNSDAPgleichzeitig
noch stark damit beschftigt war, ihr pressepolitisches
Regime mit all seinen Leitlinien,Verboten und Repres
sionsmglichkeitenberhaupterstzuerrichten.Dieein
zigeAusnahme von dieser Regel war in der Hansestadt
derbislanglinksliberalorientierteHamburgerAnzeiger,
die aufagenstrkste Zeitung der Stadt und in diesem
FallsetztedasNSRegimedanntatschlichseineMacht
mittel(sprich:dasErscheinungsverbot)ein,umeinepo
litischeGleichschaltungderZeitungzuerzwingen.Inal
lenanderenHamburgerZeitungsverlagenabermarkierte
sptestensdieNachtdesReichstagsbrandsdieWendezur
willigenUnterwerfung.
Das Hamburger Fremdenblatt kann dafr als Beispiel
dienen.DasursprnglichliberaleBlatthattesichsptes
tens1932inAnpassungandenpolitischenTrendimmer
deutlicher nach rechts gewandt. Nach Hitlers Aufstieg
zumReichskanzlerhieltsichdieHFRedaktiondennoch
zunchstpolitischbedeckt:SiebegrtedieRegierungs
verantwortungderNSDAP,liegleichzeitigjedochauch
BedenkengegeneineAlleinherrschaftderNationalsozi
alisten erkennen.Am 28. Februar 1933, dem Tag nach
dem Reichstagsbrand, erschien das Fremdenblatt in
seiner Morgenausgabe jedoch mit einem Leitartikel des
designierten Chefredakteurs Sven von Mller, der die
Kommunisten hier nicht nur als Urheber desAnschlags
bezeichnete, sondern sie gleich auch noch als undeut
sche Elemente schmhte und ganz im Sinne der Nati
onalsozialisteneinenrcksichtslosenunddrakonischen
SchlustrichunterdieverbrecherischeAgitationforder
te,diebislangTeilederdeutschenArbeiterschaftimmer
wieder gegen das nationale Interesse des Vaterlandes
verhetzt habe.
6
In den anderen Hamburger Tageszei
tungenlasessichkaumanders.
7

Nach denWahlen vom Mrz 1933 und der Neubildung


desHamburgerSenatsgabesdannvollendskeinHalten
mehr: Ergebenheitsadressen von Zeitungsredaktionen
kamen der Hamburger NSDAP seitdem nahezu von al
len Seiten ins Haus. So rhmte sich die Redaktion der
konservativen Hamburger Nachrichten im April 1933,
sie habe den nationalen Befreiungskampf stets in vor
derster Linie gefhrt und stehe nun bereit, die Bau
steine des neuen Deutschlands [zu] schichten. Klar ist
dasZiel:dieinnereVerwurzelungdesneuennationalen
Volksstaates,inderdieVolksgemeinschaftlebendigist.
8

Der ehemals liberale Hamburgische Correspondent er


klrtewenigspter,erwolleinallenseinenSpartendie
gewaltige Arbeit der nationalen Regierung am Neubau
des Reiches untersttzen und werde dementsprechend
knftig die Themen Jugendertchtigung, Sport, Wehr
politikundSiedlungganzbesondersindenVordergrund
rcken.
9
Selbst kleinere Bltter mochten da nicht zu
rckstehen: Die Bergedorfer Zeitung wandte sich sogar
direkt an den neuen Brgermeister Vincent Krogmann,
umihnwissenzulassen,siehabesichvonjeher,auch
unterschwierigenVerhltnissen,frdenDurchbruchdes
nationalenGedankenseingesetztundnachdemSiegder
nationalenRevolutionvomerstenTagrckhaltloszuder
neuenRegierungbekannt.
10

Dieses retrospektive Bekennertum fhrte zu Eifersucht


und Denunziationslust. So lieen es sich die zum Nati
onalsozialismus konvertierten Hamburger Nachrichten
nicht nehmen, auf das gleichfalls um dieAufmerksam
keit der Partei bettelnde Fremdenblatt einzuschlagen:
Fr die nationale Aufgabe sei das BroschekBlatt
noch lange nicht rehabilitiert, obwohl es sich seit dem
Februar 1933 geschickt die nationale Sprache zu ei
gen gemacht habe, denn dazu gehrt eine Luterung,
die niemals aus den demokratischen Federn fieen kann,
mit denen das Fremdenblatt heute noch geschrieben
wird.
11
Ironischerweise allerdings landete der Vorwurf
28 Karl Christian Fhrer
derhndlerische[n]AusnutzungdernationalenBegeis
terung, den die Redaktion der Nachrichten gegenber
demHFerhob,aufeinemUmwegnacheinigerZeitwie
dervorihrereigenenTr.Wiesichdenkenlsst,verfocht
das Hamburger Tageblatt seinen Anspruch, die einzig
wahrenationalsozialistischeTageszeitunginHamburg
zusein,nachderMachtbernahmeHitlersnochsehrviel
entschiedeneralsvor1933.DeshalbsahensichdieHN
Redakteure im oIfziellen Organ der Hamburger NSDAP
alsJournalistenabgefertigt,diedenNationalsozialismus
inseinerletztenTiefeundinseinenhchstenZielennoch
nicht erfat haben. Das kann man einfach nicht, wenn
man jahrelang zwischen den Parteien pendelte, fr und
gegen Hitler war und mit knapper Mhe noch auf den
letztenWagendesabgehendenZugessprang.
12

Diese Belehrung bezeichnet przise das neuartige


MachtgeIlle im Journalismus, das mit der bernahme
derRegierungsgewaltdurchdieNSDAPentstandenwar:
Die politische Defnitionsmacht lag eindeutig und aus
schlielichbeidenParteiJournalisten.AlleanderenZei
tungsleuteaberwarenseitdemJanuar1933unabhngig
von ihrem berufichen Renommee und von ihrer Stellung
zunchsteinmalnichtsanderesalsLehrlinge,diesichje
derzeiteinenVerweisvondenHternderrechtenLehre
einfangenkonnten.
Dies galt umso strker, als der Bruch des Jahres 1933
in den Redaktionen der brgerlichen Hamburger Zei
tungeninderTatpersonellkaumzuVernderungenge
fhrthatte.SiewurdenauchimDrittenReichweitge
hendvongenaudenRedakteurenundAutorengemacht,
die dieses Geschft schon in der Weimarer Republik
besorgt hatten. Zwar gab es auf dem Stuhl des Chefre
dakteursbeidenHamburgerNachrichten1933/34gleich
viermal einen Wechsel aber das hatte offensichtlich
keine politischen Hintergrnde, sondern war vor allem
das Ergebnis persnlicher Querelen (und daneben wohl
zumindest vermittelt auch ein Refex des schlechten
Managements,andemderVerlaggeradeinderNSZeit
zunehmendlitt).
13
EherwirtschaftlichealspolitischeMo
tivestandenhinterdemWechselinderLeitungdesHam
burgischenCorrespondentenimJuli1933:DerVerleger
Ernst Hirsch versuchte damit, das fnanziell seit langem
krnkelndeUnternehmenwiederaufErfolgskurszufh
ren.DienochstrkereBetonungdernationalenGesin
nungdesBlattesdurchdenneuenVerlagsleiterwarmit
hin eher eine Marketingstrategie als das Ergebnis einer
von den Nationalsozialisten durch Druck erzwungenen
politischenGleichschaltung.
14

Nahezu gnzlich unverndert prsentierten sich Verlag


und Redaktion des Hamburger Fremdenblatts. Zwar
schied der Chefredakteur Felix von Eckardt Ende Mrz
1933ausdemAmtaberdabeihandelteessichnichtum
eine politisch motivierte Entlassung, sondern um eine
seit lngerem geplante Pensionierung aus Altersgrn
den. Der vom Verleger Kurt Broschek als Nachfolger
EckardtsnachHamburggeholteSvenvonMllerrckte
wiegeplantandieSpitzederHFRedaktion,obwohldie
Nachrichten in ihrem oben bereits zitiertenAngriff auf
dasHFausdrcklichdaraufhingewiesenhatten,dasser
vor seinem Wechsel an die Elbe in Berlin im liberalen
UllsteinVerlagttiggewesenwarunddamitalsdemo
kratische Feder zu gelten habe.
15
Auch auf den Positi
onenderRessortleitergabesbeimFremdenblatt1933/34
keine politisch motivierten Vernderungen. Neueinstel
lungen und Wechsel innerhalb der Redaktion ergaben
sichallenfallsausnatrlichenVernderungendesPer
sonalbestandes, also durch den Weggang von Beschf
tigten an andere Huser sowie durch Pensionierungen
undTodesflle.
16

Grundlegend anders verhielt es sich wie oben schon


kurzangedeutetwurdelediglichimFalldesHambur
gerAnzeigers.NurdieseRedaktionmachteinHamburg
zumindest denVersuch, etwas von der alten politischen
LiniedesBlattesindieneueZeithinberzuretten,von
der die Nationalsozialisten pausenlos redeten nur bei
dieserZeitungsetztedieNSDAPwirklichihreMachtmit
telein,umdiepolitischeGleichschaltungzuerzwingen.
Nocham30.Januar1933mochtederAnzeigerinHitlers
Ernennung zum Reichskanzler nichts anderes sehen als
eineungeheureGefahrfrdenFriedenunseresVolkes,
frdenBestandunseresStaates[...]vondenRechten
der demokratischen Verfassung und ihren Sicherungen
fr die Freiheit der Nation gar nicht zu reden einen
Tag spter bescheinigte Chefredakteur Alois Winbauer
HitlerzwarstaatsmnnischesGeschickbeiseinenersten
AuftrittenalsAmtsinhaber,zugleichabertitulierteerdie
NSDAP auch in diesem Leitartikel in wnschenswerter
KlarheitnochalsDiktaturpartei.
17

DieFeindschaftderNationalsozialisten,diesolcheFor
mulierungennachsichziehenmussten,entludsichzum
ersten Mal in dem oben schon erwhnten berIall von
SAMnnernaufdasVerlagsgebudeamGnsemarktin
29 Hamburger Zeitungsmarkt nach 1933
der Nacht des Reichstagsbrands. Vielleicht fel Winbau
ersKommentarzudemBrandanschlagdeshalbdochpo
litischdeutlichkonformerausalsfrhereLeitartikelaus
seiner Feder. Immerhin forderte er, die NSRegierung
msse Beweise fr ihre Behauptung vorlegen, die SPD
seiindasAttentatverwickelt,undinseinemSchlusssatz
mahnteer,derKampfgegendenpolitischenTerrordrfe
nicht ohne denWillen zur Gerechtigkeit gefhrt wer
den.DieKommunistenaberwurdenauchvonWinbauer
nicht einfach nur als politische Gegner attackiert, son
derngleichauchnochalsundeutschdiffamiert.
18

Wenn das bereits eine partielle Anpassung an die ent


stehende Diktatur war, dann empfand die NSDAP sie
eindeutig als unzureichend, denn dem ersten Gewaltakt
gegendenAnzeigernachdemReichstagsbrandfolgtenur
wenig spter gleich ein zweiterTerrorakt:Am 5. Mrz,
dem Tag der von Hitler angesetzten Reichstagswahl,
strmten die Schlgertrupps der NSDAP abends erneut
und nun in noch grerer Zahl in die Bros am Gnse
markt,umdieRedakteureeinzuschchtern.AmTagvor
der Wahl hatte Winbauer seine Leser in einem pathos
geladenen Leitartikel beschworen, fr die Parteien des
Brgertumszustimmen:Nursoseizuerreichen,da
derBegriffderbrgerlichenFreiheitnichtwerdeeinBe
grifftoterErinnerung.
19

Auch der zweite berIall der SA zeigte allerdings kei


neswegs sofort Wirkung. Am 7. Mrz kommentierte
Winbauer auf der ersten Seite des Anzeigers den Rck
tritt des langjhrigen Brgermeisters Carl Petersen (der
demvonderNSDAPaufdasSchildgehobenenVincent
Krogmann Platz machte) mit Worten, die deutlich Dis
tanz und Skepsis gegenber den neuen Machthabern
erkennenlieen:Winbauererinnerteeindringlichandie
VerdienstePetersensersahihnnurdurchdieZufllig
keit politischer Entwicklungen aus demAmt gedrngt
(whrenddieNSDAPdochimmervoneinernationalen
Revolutionsprach)undmeinte,derneueSenat,derdas
Erbe der alten sozialdemokratischliberalen Regierung
antrat, stehe vor einer schwierigenAufgabe: Es ist ein
Erbe,daszuverwaltennichtblodieheieBereitschaft
des guten Willens gehrt [!], sondern das Klugheit und
Erfahrung, etwas von hanseatischem Selbstbewutsein
und viel von hanseatischem realen Sinn erfordert. Wir
wnschendasallesdenneuenMnnernvonHerzen.
20

Blieb dieser subtil subversive Text noch ohne Konse


quenzen(wohlauchweilderAnzeigerindendarauffol
genden Tagen Kreide fra und nichts mehr publizierte,
wasdieNSDAPhttergernknnen),sobewogeinneu
erVersuchderHARedaktiondiejournalistischenHand
lungsmglichkeiten im Dritten Reich auszutesten, die
NSDAP dann doch zu einer harten Reaktion. Stein des
AnstoeswareinText,dereinVerfahrenanwandte,mit
dempolitischdissidenteJournalisteninallenDiktaturen
und Zensursystemen immer wieder versucht haben, f
fentlich Dinge mitzuteilen, die den Machthabern miss
fallen mussten: die Prsentation eines Dokumentes von
gegnerischerSeite,andiesichdasDementiderwieder
gegebenenAussagenanschloss.UnterdemVorwand,die
LesermiteinemBeispielauslndischerGruelpropagan
dabekanntzumachen,drucktederHamburgerAnzeiger
vollstndigdenTexteinesangeblichausderTschechoslo
wakeistammendenFlugblatts,indemdasDritteReich
alsbrutaleDiktaturbezeichnetwurde.Vielesandiesem
rhetorischberbordendenTextwarrechtbertriebenim
Kern aber traf er doch ins Schwarze: Das Deutschland
derNSDAPerschienhieralseineinzigergroerKerker,
einFriedhofdesGeistes.GanzamEndediesesArtikels
standdanneinkargerkommentierenderSatzderRedak
tion,derbetonte,esbedrfekeinesHinweises,dasol
cheEntstellungengrobeSndeanderWahrheitsind.
21

DaswarzwarklassischeSklavensprache,dieetwasan
deresalsdasmeinte,wassiesagte,unddiedeshalbnur
unter Eingeweihten und Gleichgesinnten funktionieren
konntedieGeduldderNSDAPaberfandselbstansol
chenAndeutungenihreGrenze.InReaktionaufdenAr
tikelwurdederAnzeigervonderHamburgerPolizeibe
hrdefr14Tageverboten(wobeidieHamburgerinder
Medienffentlichkeit allerdings nichts ber den Grund
des Verbots erfuhren).
22
NachAblauf der zwei Wochen
verlngertederPolizeisenatordasVerbotwiederohne
AngabevonGrndenbisaufweiteres.
23
Ersichtlich
gingeshierummehralsumdieAbstrafungeineseinzel
nenpolitischverstecktdissidentenZeitungsartikels.Mit
derunbefristetenVerlngerungdesVerbotskonfrontierte
der NS-Senat den Verlag der aufagenstrksten Hambur
gerTageszeitungmitderDrohung,denAnzeigergenauso
zubehandelnwiedieaufDauerunterdrcktensozialde
mokratischen und kommunistischen Tageszeitungen.
OffensichtlichhatderGiradetVerlagindieserSituation
DruckaufseinenHamburgerReprsentantenJustusHen
delausgebt(derdasBlattherausgab,zugleichaberauch
MiteigentmerdesHAwar),derNSDAPhandfesteGa
30 Karl Christian Fhrer
rantienfreineknftigeEinordnungdesAnzeigersindas
vonderParteibeherrschteDritteReichzugeben.
24

Was genau hier hinter den Kulissen geschah, whrend


die ca. 150.000 Hamburger Abonnenten des Anzeigers
weiterhinaufihreZeitungverzichtenmussten,istheu
tewegendesMangelsanaussagekrftigenQuellennicht
mehr zu rekonstruieren. Die Polizeibehrde hob das
Verbot zum 20.April 1933, also 20 Tage nach der ers
ten Verfgung, wieder auf. Zuvor hatte der Verlag eine
Erklrung abgegeben, er werde Massnahmen zur Um
gestaltungderRedaktionsfhrungimEinvernehmenmit
der hiesigen Gauleitung der N.S.D.A.P. vornehmen.
25

DefactowurdederneueHAChefredakteurdannoffen
sichtlichvonGauleiterKarlKaufmannschlichternannt,
ohne dass ein Einvernehmen mit Giradet dabei eine
besondere Rolle gespielt htte: An die Spitze des ehe
malslinksliberalenBlattstratausgerechnetHansJacobi,
derbisherigeChefredakteurdeslokalenNSDAPOrgans
Hamburger Tageblatt. Ganz im typischen NSJargon
ermchtigte Kaufmann den neuen Hauptschriftleiter
gleich bei seiner Ernennung, die notwendigen perso
nellenVernderungenimRedaktionsstabdesHamburger
Anzeigers durchzufhren was den Herausgeber und
VerlegerJustusHendelinseinemeigenenHausweitge
hend entmachtete. Hendel dokumentierte das im ohn
mchtigen Protest, indem er monatelang nicht mehr in
seinem Bro erschien.Als ersteAmtshandlung gab Ja
cobidienachderganzenVorgeschichtenichtsonderlich
berraschendeErklrungab,derAnzeigerwerdesichun
terseinerFhrungrckhaltlosindenDienstderReichs
undhamburgischenRegierungstellen.
26
Da die erste Ausgabe nach Aufhebung des Verbots an
Hitlers Geburtstag erschien, konnte der neue HA gleich
eindringlich praktisch demonstrieren, was gemeint war:
Der mit dem Titel Unser Hitler versehene Geburts
tagsartikel (ein besonders abstoendes Beispiel fr na
tionalsozialistischenPolitKitsch)stammtevonniemand
anderemalsvonJosephGoebbels.Indennachfolgenden
NummernleistetedieRedaktiondannnochgleichzwei
malindirektAbbittefrdennurkrglichkommentierten
Abdruck des tschechoslowakischen Flugblatts, dessen
Text zum Verbot des HA gefhrt hatte: EinArtikel in
formierte die Leser ber die Praxis der auslndischen
AgitationgegendasDritteReichdurchdieProduktion
geflschterNachrichtendanebenbekanntesichdasBlatt
ineinemLeitartikeldannauchnochmitenthusiastischen
WortenzumnationalsozialistischenVerstndnisvonder
TageszeitungalsWaffedeutscherPolitik.
27
Wie umIangreich das personelle Revirement ausfel,
das Jacobi der HARedaktion dank der Intervention der
NSDAPauspersnlicherMachtvollkommenheitverord
nen konnte, lsst sich nicht exakt angeben. Zumindest
auf der Ebene der verantwortlichen Redakteure scheint
es nur wenige bernahmen des ,alten Personals gege
benzuhaben.TrotzdieserUnsicherheitdavonbleibtein
KontrastzwischendemAnzeigerunddenbrigenbr
gerlichen Hamburger Tageszeitungen zu konstatieren:
Nur beim GiradetBlatt gab es eine aktive Intervention
derNSDAPindieAngelegenheitenvonZeitungsverlag
und Redaktion und nur hier kam es zu greren perso
nellenVernderungenunterdenJournalisten.
Bei den brigen Hamburger Zeitungsverlagen und re
daktionen brauchte es 1933 keinen offenen Druck, um
siezudemoffensivenBekenntniszumneuenStaatzu
bewegen,dasdieNSDAPverlangte.Imvorauseilenden
GehorsambeugtendieVerlegerundauchdieJournalis
tendieserBlttersichraschundgeschmeidigderMacht
derPartei.DieerheblichepersonelleKontinuittbeidie
sem bergang vom System einer Ireien Presse in der li
beralenDemokratiezurGngelungallerZeitungendurch
dieDiktaturverdientbesondereBeachtung,kamsiedoch
erstdurcheinendoppeltenEntscheidungsprozesszustan
de:Auf der einen Seite sah die NSDAP offenbar keine
dringliche Notwendigkeit, auerhalb der AnzeigerRe
daktion im Hamburger Zeitungswesen auf personelle
VernderungenzudrngenaufderanderenSeitefhlte
sich auchkeinJournalist aufgerufen, mitdemEndeder
PressefreiheitauseigenerEntscheidungausdembislang
ausgebten Beruf auszusteigen, weil die Regeln fr die
Zeitungsarbeitsichmassivvernderten.EinsolcherFall
istjedenfallsfrHamburgnichtdokumentiert.
Reichsweitwurden1933/34wohlrundzehnProzentaller
JournalistenvondenNationalsozialistenausihremBeruf
verdrngt.
28
InHamburgmagdieserProzentsatzmitdem
VerbotderHVZ,derverschiedenensozialdemokratischen
Zeitungen und mit der Suberung der AnzeigerRedak
tion sogar noch etwas hher ausgefallen sein daneben
aberstandendieBelegschaftenvonFremdenblatt,Ham
burgerNachrichten,Correspondent,Tageblattsowieder
zahlreichen kleinen Zeitungen, in denen sich personell
offensichtlichkaumetwasvernderte.DieSelbstgleich
schaltungderbrgerlichenTageszeitungenderHanse
31 Hamburger Zeitungsmarkt nach 1933
stadtwarebenkeinProzess,dernurvonVerlegernund
Chefredakteurenbestimmtwurde:Dashchstkomplexe
RderwerkderZeitungsproduktionkonntelediglichdes
halbsoreibungslosweiterarbeiten,weilRedakteureund
freieMitarbeiterihreAufgabenauchunterdenneuenBe
dingungenstetsdiensteifrigerledigten.
IllusionenberdenAuftragderJournalistenimDritten
Reichkannsichdabeiniemandgemachthaben.ImJuli
1933besuchtePropagandaministerJosephGoebbelsdie
HansestadtunddabeispracherimRathausauchvorder
HamburgerPresse.Derfr15MinutenangesetzteEmp
fang dauerte schlielich eine Stunde, weil der Minister
ungeplant zu einer Grundsatzrede anhob, in der er un
verblmt deutlich machte, wie gering der Respekt der
NSDAP vor der Presse ausfel: ,Ob Sie uns sympathisch
gegenberstehenodernicht,dasspieltgarkeineRolle,an
unsererHerrschaftistnichtsmehrzundern,dieKraft
quelleunserespolitischenHandelnsistdieOrganisation,
diewirunsgeschaffenhaben.UnddadieseOrganisation
ohne Kompromi aufgebaut wurde, wird sie die Macht
auchohneKompromianwenden.
29
Nur einen Monat spter empfngen die Hamburger
Journalisten auf der Mitgliederversammlung ihres Be
rufsverbandes (dem zu diesem Zeitpunkt schon fast
alle an der Elbe ttigen Zeitungsschreiber angehrten)
als Festredner den neuen PolizeisenatorAlfred Richter.
DerSAMannundalteKmpferderNSDAPhieltsich
nichtmitFloskelnauf:DasSchlagwortvonderFreiheit
der ffentlichen Meinung [...] mu heute ohne Trnen
zu Grabe getragen werden. Fr die Presse gibt es heute
nurnocheinObjekt:dieSachederNation,undnureine
Objektivitt: der Nation zu dienen. Unter dem Beifall
derZuhrerdanktederVorsitzendedesLandesverbandes
demSenatoranschlieendfrdieklarenundaufschlu
reichenAusfhrungen.
30
AuchdieLesertrugenihrenTeildazubei,dassdieEnt
stehung einer nationalsozialistisch beherrschten Presse
sichinHamburgohnemassiveErschtterungendesZei
tungsmarkts vollzog, lieferten sie als unverndert willi
geKuferdochdaszwingendnotwendigekonomische
Fundament fr die Gleichschaltung der zuvor politisch
ganz unterschiedlich orientierten Zeitungen. Besonders
bemerkenswert ist dabei der Fall des Hamburger An
zeigers: Weder der scharfe politische Kurswechsel des
BlattsbeiseinemWiedererscheinenimApril1933noch
das vorangegangene dreiwchige Ausbleiben der Zei
tung scheint die Abonnenten vertrieben zu haben: Fr
denDezemberd.J.beziffertederHAseinedurchschnitt
liche Druckaufage auI tglich 147.000 Exemplare; die
Wochenendausgabe vom Sonnabend wurde dabei sogar
jeweils 152.000mal gedruckt. Damit war der Hambur
gerAnzeiger nicht nur unverndert die aufagenstrkste
TageszeitunganderElbe.Auchgegenber1932,alsder
VerlagdieHA-Aufage mit 160.000 Exemplare angege
ben hatte, war nur ein geringer Teil der Leser verloren
gegangen zumal wenn man bercksichtigt, dass die
selbstdeklarierteZahlausdemletztenJahrderWeimarer
Republik mglicherweise aus Werbegrnden grozgig
aufgerundet war. Die notariell beglaubigte Statistik, die
der Verlag 1930 verffentlicht hatte, jedenfalls unter
schied sich kaum von den Angaben fr den Dezember
1933.
31
Bei anderen Hamburger Zeitungen ergab ein solcher
Zahlenvergleich zwar teilweise strkere Differenzen
(insbesondere bei den Blttern mit kleinerer Aufage),
aberdiesesMinusscheintindenmeistenFlleneherauf
propagandistischberhhteAngabeninderZeitvor1933
alsaufmassiveLeserwanderungennachderMachtber
nahmederNSDAPzurckzugehen.DieFragwrdigkeit
Iast aller vor 1934 verIIentlichten AufageziIIern macht
es allerdings unmglich, hier zu wirklich eindeutigen
Aussagenzukommen.DiesgiltetwafrdieHamburger
Nachrichten: In einem Zeitungskatalog fr 1933 hatte
der Verlag die Aufage auI 70.000 Exemplare beziIIert;
im Dezember d. J. gab er dann rund 56.000 Exemplare
an.AuchindiesemFallistnichtzuentscheiden,obdie
HNwirklichLeserverlorenhattenoderobdieneueZahl
nurstrkerderWahrheitentsprach.
Anders liegt die Sache wohl nur bei der zweitgrten
Hamburger Tageszeitung, dem Fremdenblatt: 1931 lie
sich der Broschek-Verlag eine Druckaufage von 150.000
Exemplarennotariellbeglaubigen(unddieseZahltaucht
auch noch in Sperlings Zeitungskatalog fr 1933 auf,
nun allerdings ohne das Notarssiegel) im Dezember
1933 aber betrug die HF-Aufage nur 113.000 Exemp
lare an den Wochentagen und 123.000 Exemplare bei
den Wochenendausgaben vom Sonnabend. Hier scheint
derLeserstammalsowirklicherheblichgeschrumpftzu
sein.Allerdingsistdabeinichtzuentscheiden,obdiese
Abwanderung tatschlich vollstndig erst im Jahr 1933
erfolgteoderobdieffentlichgenannteZahlfrdenAn
fangdesJahresnichteheralsEigenreklamezuwertenist,
32 Karl Christian Fhrer
dieProblemederZeitungverschwieg,weildieWahrheit
nichtnurdemRenommeedesBlattes,sondernauchden
Anzeigenpreisen abtrglich gewesen wre. Das Frem
denblatt kostete imAbonnement deutlich mehr als sein
Hauptkonkurrent auf dem Hamburger Zeitungsmarkt,
derAnzeiger.EinekrisenbedingteAbwanderungderLe
sererscheintdaherzwardurchausalssehrplausibelbe
legenaberlsstsichdasnicht.
TrotzdieseroffenenundnichtzuklrendenFragenver
fgen wir allerdings doch ber einen gewichtigen Hin
weis, dass die Absatzprobleme des Fremdenblatts im
Hamburger Pressewesen in der Phase des bergangs von
derDemokratiezurDiktatureineAusnahmeundkeines
wegsdieRegelwaren:InihrenKontaktenmitHambur
ger Behrden und mit der Reichspressekammer klagten
dieHamburgerZeitungsverlageindenerstenJahrender
NSHerrschaft zwar eindringlich ber den schwachen
Anzeigenmarkt in der Hansestadt, der sich nur sehr z
gerlichvondemEinbruchinderWirtschaftskriseerholte.
Von Aufageverlusten ist hingegen nicht die Rede.
32
Ver
leger,dieohnehingeradeberwirtschaftlicheProbleme
ihrer Betriebe berichteten, aber drften wohl kaum ver
gessen haben, einen massiven Einbruch der Aufagen als
weiteren negativen Faktor zu betonen und zu beklagen
zumal in der zeitgenssischen Fachpresse durchaus
ber sinkende Aufagen und eine ,Flucht aus der Zei
tungdiskutiertwurde.
33
InderGesamtschauscheintesalsoinHamburgimJahr
1933wennberhaupt,danndochnureinebegrenzteVer
weigerungvonLeserngegenberdernationalsozialistisch
gleichgeschalteten Presse gegeben zu haben. Lediglich
dieehemaligenAbonnentenderverbotenenLinkspresse
machtenhiereineAusnahme.Ansonstenaberdominierte
beim Verkauf von Tageszeitungen die Kontinuitt. Da
beiwardievlliggewandelteFunktionderPressealles
andere als ein Geheimnis, denn die Nationalsozialisten
posauntenihreParolenvonderTageszeitungalsWaffe
desStaatesjaimmerwiederstolzindieWelthinaus.
ZwarmussdieMachtvonKonsumentendurchwegwohl
eheralseinetheoretischeGredennalsRealittgelten,
istsiedochaufallenMassenmrktenextremzersplittert
und vllig desorganisiert. Als individuelle Handlungs
optionabergehrtedieKndigungeinesAbonnements
vertrags selbstverstndlich auch 1933 zu den banalen
Alltagsgeschften, die weder Mut erforderten noch mit
Risikenverbundenwarenundinsofernverdientesdenn
dochbesondereErwhnung,dassebennichtnurdiePro
duzenten, sondern auch die Kufer der Tageszeitungen
dasEndederfreienPresseimJahr1933schweigendund
ohneerkennbareReaktionhinnahmen.
EinverzgerterBoom:HamburgerZeitungenin
denJahren1934bis1939
Auch nach der politischen Suberung des Hamburger
Zeitungswesens in den ersten Monaten des Jahres 1933
prsentiertesichdiePresselandschaftderHansestadtzu
mindest in quantitativer Hinsicht noch sehr vielgestal
tig. Dieser stark diversifzierte Markt schrumpIte in den
Folgejahrennurgeringfgig.Anfang1939gabesander
Elbe immer noch 16 eigenstndige publizistische Ein
heiten,diemindestenssechsmalproWocheanihreLe
sergingen.SieblicktenalleaufeineGeschichtezurck,
dievordasJahr1933zurckreichte,d.h.,dasEnsemble
derHamburgerTageszeitungenhattesichdurchdieEin
stellungvoneinigenwenigenBltternzwarverkleinert,
ansonstenaberwaresunverndertgeblieben.
OffensichtlichherrschtenbeidenTageszeitungenauchin
ZeitendespolitischenUmbruchsbesondereMarktund
Konkurrenzbedingungen: Ihr Status als ein Gegenstand
destglichenBedarfssicherteihneneineLanglebigkeit,
vonderZeitschriftenverlegernurtrumenkonnten.An
ders formuliert: Es bedurfte offensichtlich erheblicher
unternehmerischer Ungeschicklichkeit, um eine bei den
LesernetablierteZeitungzumScheiternzubringen.
Solches Unvermgen bewies in Hamburg die Fhrung
der Brsenhalle G.m.b.H., die als Hauptprodukt den
Hamburgischen Correspondenten herausgab. Im Frh
jahr 1934 ging der Verlag Konkurs und mit ihm ver
schwanden sowohl der HC als auch noch zwei weitere
kleinereTageszeitungen,dieebenfallsausdemVerlags
gebude am Alten Wall stammten. Die Druckaufage des
CorrespondentenlagEnde1933/Anfang1934beitglich
rund 25.000 Exemplaren fr die beiden anderen Publi
kationen des Hauses, die Hamburger Neuesten Nach
richtenunddasHamburger8UhrAbendblatt,sindkeine
Verbreitungszahlen berliefert, mit Sicherheit aber wa
ren beide Zeitungen bei den Hamburgern noch weniger
erfolgreichalsdernichtsonderlichpopulreHC.
34

Das Scheitern der drei Bltter ist mit dem Hinweis auf
ihre vergleichsweise bescheidenen Aufagen aber keines
33 Hamburger Zeitungsmarkt nach 1933
wegs erklrt, denn schlielich ernhrte der Hamburger
Pressemarkt zahlreiche Verlage, die noch weit aufa
genschwchereZeitungenherausbrachten(wieetwadie
Bergedorfer Zeitung) und sich doch dauerhaft im Kon
kurrenzkampf behaupteten. So waren es wohl weniger
Absatzprobleme, die den Zeitungen der Brsenhalle
G.m.b.H. den Garaus machten, als ein Missverhltnis
zwischen Kosten und Einnahmen, das sich hypothe
tisch auI die Diversifkationsstrategie der Verlagsleitung
zurckfhren lsst: Gerade der Versuch, dem dezidiert
fr das zahlungskrftige Handelsbrgertum gemachten
Correspondenten auf dem berfllten Hamburger Pres
semarktgleichzweipopulrereZeitungenfrandereLe
sergruppenandieSeitezustellen,hatdenVerlagwohlin
denRuingetrieben,denndieJahrederWeltwirtschafts
krisewarenwegenstarkzurckgehenderAnzeigenerlse
selbst fr vorsichtig kalkulierende Presseunternehmen
einesehrschwierigeZeit.AnfangJanuar1934versuchte
dieUnternehmensleitungdenBetriebnochzuretten,in
demsiedieNeustenNachrichtenunddas8UhrAbend
blatteinstellte.
35
AberdieseSelbstamputationkamoffen
barzuspt:EndeMrzd.J.musstederVerlagKonkurs
anmeldenunddamitgingdannauchder Hamburgische
Correspondent ein. Zwar enthalten dieAkten der Ham
burger Staatlichen Pressestelle ein Schriftstck, das ei
nen Versuch der nationalsozialistischen DeutschenAr
beitsfront(DAF)dokumentiert,diemarodeZeitungzu
retten,weilesimInteresseHamburgs[liege],bereine
wirklichgrosseunderstklassigeHandelszeitungzuver
fgen.DerHamburgischeCorrespondentseinatrlich
inderheutigenFormgarnichtzugebrauchen,erknne
aber sehr wohl Rahmen und Grundlage fr eine solche
Zeitung abgeben. Die fr eine Wiederbelebung des
Blatts ntige Summe, die von der DAF auf mindestens
300.000 RM beziffert wurde, lie sich jedoch offenbar
nicht auftreiben.
36
So starb der 1731 gegrndete Ham
burgischeCorrespondent,derimfrhen19.Jahrhundert
einmaleinedergrteneuropischenTageszeitungenge
wesenwar,imJahr1934einenklglichenTod.
Nach dieser Marktbereinigung, die sich schon in der
sptenWeimarerRepublikangedeutethatte,aberblieben
in Hamburg zunchst alle anderen Tageszeitungen im
Geschft.ZwarbrachtedieanhaltendeKrisederWerbe
wirtschaft1934/35auchdieHamburgerNachrichtenin
fnanzielle Bedrngnis; die Entscheidung, auI die Mor
genausgabederHNzuverzichtenunddasBlattnurnoch
einmaltglichherauszubringen,scheintdenindieKrise
geratenenBetriebaberersteinmalwiederstabilisiertzu
haben. Eine Trendwende gelang jedoch nicht: Anfang
1939verschwandenauchdieNachrichtenvomHambur
gerMarkt.
37
WiedieabDezember1933fortlaufenddokumentierten,
vergleichsweise verlsslichen Aufagezahlen beweisen,
erlebteHamburgindenletztenVorkriegsjahrendennoch
einenBoomanneuenZeitungslesern.EineStatistikdes
ReichsverbandesderdeutschenZeitungsverleger,dieauf
den Aufagemeldungen der einzelnen Verlage Iut, belegt
diesesWachstumdeshanseatischenZeitungsmarktes.Sie
versammelt Angaben fr den Gau Hamburg, bezieht
sich also auf eine Verwaltungseinheit der NSDAP, die
(andersalsderStadtstaatHamburg)zwischen1934und
1939 rumlich unverndert blieb. Abbildung 1 prsen
tiert sowohl die addierte Druckaufage aller Zeitungen
imGaualsauchAngabenzudentatschlichabgesetzten
Exemplaren, den Abonnenten und zum Einzelverkauf
proErscheinungstag.
Sozial und mediengeschichtlich besonders relevant ist
in dieser Statistik die Kategorie ,Abgesetzte Aufage',
denn sie beziffert, wie viele Zeitungsexemplare wirk
lichindieHndevonLeserngelangten.DieseZahlder
tatschlich gekauften und gelesenen Zeitungen stieg
in Hamburg zwischen 1934 und 1939 um rund 79.000
ExemplareproErscheinungstagunddamitum18,9Pro
zent.NochbessereZuwachsratengabesbeidenvollzah
lenden Abonnenten (ein Plus von 20,9 Prozent) sowie
beim Einzelverkauf (er legte gegenber 1934 um 30,7
Prozent zu). Der gleichgeschalteten Presse des Dritten
Reichs mangelte es in der ehemals roten Grostadt
HamburgoffensichtlichkeineswegsanPopularitt.
38
DieserAbsatzerfolgderTageszeitungenwurdenichtauf
einemstatischenMarkterrungen.Selbstverstndlichver
harrtedieHamburgerGesellschaftnichtbis1939aufdem
Entwicklungsstand,densiebeiderMachtbernahmeder
NSDAPerreichthatte.Vielmehrkameszudynamischen
Vernderungen, die auch dieAbsatzchancen fr Presse
produktetangierten.Besondersbedeutsamistindiesem
Zusammenhang der Anstieg der Haushaltszahlen: Wie
dasDeutscheReichallgemein,soerlebteauchHamburg
nach 1933 eine Heiratswelle, die sich ebenso aus Hoff
nungaufeinesichereZukunft(geradeinwirtschaftlicher
Hinsicht) wie aus demographischen Strukturen speiste.
ImMai1939zhltendieStatistikerdeshalbimStadtstaat
34 Karl Christian Fhrer
Hamburgrund582.000Haushalte1933hattees(zurck
gerechnet fr den gleichen Gebietsstand) hingegen nur
525.000Haushaltegegeben.DaZeitungenvornehmlich
perAbonnement an Haushalte vertrieben wurden, hatte
sichderAbsatzmarktderHamburgerTagespressedamit
deutlicherweitert.
39
Erst verfgbare Kaufkraft aber macht aus potentiellen
KundenrealeAbnehmer.AuchdiewirtschaftlicheLage
ist also als Faktor der Aufagenentwicklung zu bedenken.
HamburglittalsdeutscheAuenhandelsmetropolezwar
deutlich lnger als andere Regionen und Grostdte im
Reichauchnach1933nochunterdenAuswirkungender
Weltwirtschaftskrise,dennfrdienationalsozialistischen
Wirtschaftspolitiker hatte die Frderung auslndischer
Handelsbeziehungen keine Prioritt.Ab 1935 aber ver
besserte die vom NSRegime entfachte Rstungskon
junktur dann doch zunehmend die Auftragslage in der
HamburgerIndustrie.1938/39schlielichherrschteauch
anderElbeVollbeschftigung.
40
Sowohl die Existenz zahlreicher junger Familien als
auch der Rckgang der Arbeitslosigkeit begnstigten
ohne Frage denAbsatz von Tageszeitungen.
41
Als wei
teres Element aber muss auch ein dauerhaftes Interesse
an den gleichgeschalteten Tageszeitungen existiert ha
ben.WiedieZahlenderverkauftenZeitungenbeweisen,
wardiesesInteressebeidenHamburgernfastallgemein
verbreitet.Fr1939kannjedenfallsauchdannvoneiner
publizistischenVollversorgungderBevlkerunggespro
chenwerden,wennmanaufdieZahldertatschlichver
kauIten Zeitungen schaut (bei der Druckaufage ist sie
ohnehin gegeben): Nur 36.000 Haushalte (6,2 Prozent)
bliebenstatistischgesehenohneZeitung.Bemerkenswert
istauchderhoheAnteilderHaushalte,dieeinAbonne
ment hielten: DreiViertel der Hamburger Familien und
der eigenstndig wirtschaftenden Singles bezogen im
ersten Halbjahr 1939 regelmig eine Tageszeitung.
42

Bercksichtigtmanzustzlich,dassTageszeitungensei
nerzeit gerade in den unteren sozialen Schichten oft an
mitlesendebefreundeteFamilienweitergegebenwurden,
die sich selbst kein Abonnement leisten konnten, dann
darfderAnteilderHamburger,diezuHausekeineZei
tungzurVerfgunghatten,wohlberechtigtsehrniedrig
angesetztwerden.
43
Im Rckblick auf das Jahr 1933 bezeichnet diese weite
Verbreitung der Tagespresse einen gewichtigen Erfolg
des NSRegimes, denn auf dem Hamburger Zeitungs
marktgabes1938/39kaumnochverloreneLeser.Wie
schon gesagt wurde, blieben nach der Machtbernah
mederNSDAPmitderUnterdrckungderLinkspresse
wahrscheinlich rund 90.000 Hamburger Familien ohne
Zeitung. In der ersten Phase der nationalsozialistischen
Gleichschaltung scheint die groe Mehrzahl von ihnen
aufdieTagespresseverzichtetzuhaben.Aberdabeiistes
ganz offensichtlich nicht geblieben: Die meisten dieser
Haushaltemssenirgendwannnach1934alsKundenauf
den gleichgeschalteten Pressemarkt zurckgekehrt sein
anderenfalls htte es die hohe Versorgungsdichte mit
Tageszeitungen vor Beginn des Zweiten Weltkriegs in
Abb.1: Zeitungsaufagen im Gau Hamburg 1934-1939
Gesamtaufage der im Gau Hamburg als Werbetrger zur VerIgung stehenden Zeitungen im Jahresdurchschnitt pro Erschei
nungstag,fr1939imDurchschnittdeserstenHalbjahres.NichterfasstsindWochenzeitungenundIllustrierte.Dieabge
setzte Aufage' wurde errechnet aus der Zahl der vollzahlenden Abonnenten, den ,brigen stndigen Beziehern' und dem
EinzelverkaufalsAbonnentensindhiernurdievollzahlendenBezieheraufgefhrt.ZurGruppederinderQuellegesondert
auIgeIhrten ,brigen stndigen Bezieher' siehe die Angaben unten. Alle Angaben errechnet nach: ,Die Gesamtaufage der
deutschen Zeitungen. In: ZV 38 (1937), S. 377-381, hier: S. 379 (1934 - 1936); ,Die Gesamtaufage der deutschen Zei
tungen.In:ZV41(1940),S.326327,hier:S.326.
Jahr Druckauage Abgesetzte Auage Abonnenten Einzelverkauf
1934 579.031 458.812 363.653 71.151
1935 568.661 477.209 384.747 78.891
1936 570.341 481.693 394.552 79.047
1937 559.268 504.671 411.920 79.027
1938 284.249 529.781 425.778 88.342
1939 600.221 545.602 439.653 92.972
35 Hamburger Zeitungsmarkt nach 1933
Hamburgnichtgegeben.
Dieses weit in die stdtische Gesellschaft ausgreifende
Hamburger Zeitungswesen wurde seit 1935/36 zuneh
mendvondendreigroenlokalenTageszeitungenAnzei
ger,FremdenblattundTageblattbeherrscht:Siewuchsen
gemeinsam, ohne sich gegenseitig Leser abspenstig zu
machen.HinterdenKulissenwarenAnzeigerundFrem
denblatt im Jahr 1936 zudem in das vom parteieigenen
EherVerlagbeherrschtenationalsozialistischePresseim
perium integriert worden. 1939 entfelen 77 Prozent der
gesamten Druckaufage im Gau Hamburg nur auI Anzei
ger, Fremdenblatt und Tageblatt. In den letzten Jahren
derWeimarerRepublikhattesicheinvergleichbargro
er Anteil der Gesamtaufage noch auI sieben politisch
hchst unterschiedlich orientierte Tageszeitungen ver
teilt.
44
Zwarwissenwirweder,wasgenaudieHamburger
in der NSZeit in ihren Zeitungen lasen noch wie sie
dierezipiertenInhalteaufnahmentrotzdieseroffenen
FragenabermussdiebeschriebeneVernderungalsein
ProzessmassiversozialerHomogenisierunggelten.Hat
te sich die stark zersplitterte Gesellschaft derWeimarer
Republik auch in der Hamburger Zeitungslandschaft
artikuliertundabgebildet,sokonntevonmedialerFrak
tionierung nun kaum noch gesprochen werden: Bei der
Zeitungslektre existierte tatschlich so etwas wie eine
nationalsozialistischeVolksgemeinschaft.
Anmerkungen
1. DerAufsatz prsentiert in komprimierter Form Ergebnisse
aus dem Kapitel Das Ensemble Hamburger Tageszeitungen
in der NSZeit. In: Karl Christian Fhrer: Medienmetropo
le Hamburg. Mediale ffentlichkeiten 19301960. Mnchen,
Hamburg2008,S.323441.
2. Christa HempelKter: Die kommunistische Presse und die
Arbeiterkorrespondentenbewegung in der Weimarer Republik.
DasBeispielHamburgerVolkszeitung.Frankfurt/Main1989,
S.296f.DerhiervorgelegteTextfolgtimprsentiertenMa
terialundteilweiseauchindenFormulierungendenthematisch
entsprechenden Kapiteln in Fhrer: Medienmetropole (wie
Anm.1).
3.ZitnachErichLth:HamburgsSchicksallaginihrerHand.
GeschichtederBrgerschaft.Hamburg1966,S.230.DieEx
SenatorengabenamgleichenTageinePresseerklrungheraus,
in der sie betonten, das HEVerbot sei nicht gerechtfertigt.
DerTexterschienkommentarlosimHamburgerFremdenblatt
(HF):DieErklrungdersozialdemokratischenSenatoren.In:
HF,Nr.64,5.3.1933.
4.AuchdieAlteLiebeverboten.In:HamburgerNachrichten
(HN),Nr.107,4.3.1933VerbotdesBergedorfSanderVolks
blattes.In:HN,Nr.109,5.3.1933.
5. Die gesamte Druckaufage errechnet nach Sperlings Zeit
schriften und ZeitungsAdrebuch. Handbuch der deutschen
Presse.Bearb.v.derAdrebcherRedaktionderGeschftsstel
le des Brsenvereins der Deutschen Buchhndler zu Leipzig.
57.Ausgabe, Leipzig 1931 S. 469 f. u. S. 500 Uwe Danker
u.a.:AmAnfangstandenArbeitergroschen.140JahreMedien
unternehmen der SPD. Bonn 2003, S. 8789. Zu den Proble
men, eine verlssliche Aufage der HamburgerVolkszeitungzu
bestimmen,vgl.Fhrer:Medienmetropole(wieAnm.1).
6.S[ven]v[on]M[ller]:DasdeutscheHaus.In:HF,Nr.59
A,28.2.1933.Vgl.auchJrgenFromme:ZwischenAnpassung
undBewahrung.DasHamburgerFremdenblattimbergang
von der Weimarer Republik zum Dritten Reich. Hamburg
1981,S.164f.
7.Vgl. etwa: Das Signal. In: HN, Nr. 100, 28.2.1933 Die
Regierung greift durch. In: Hamburgischer Correspondent
(HC),Nr.100,28.2.1933Flammenzeichen!.In:HC,Nr.102,
1.3.1933ReichstagsgebudedurchFeuersbrunstvernichtet.
In:AltonaerNachrichten,Nr.50,28.2.1933Reichstagsbrand
alsZeichenzumAufruhr.In:HarburgerAnzeigenundNach
richten,Nr.127,28.2.1933IndendenFensterhhlenwohnt
dasGrauen.In:ebd.
8.AnderSchwelle.In:HN,Nr.174,12.4.1933.
9.AnunsereLeserundFreunde.In:HC,Nr.338,22.7.1933.
10. Schriftleitung der Bergedorfer Zeitung an Brgermeister
Vincent Krogmann, 7.8.1933. In: Staatsarchiv Hamburg (StA
HH)1351IIV/3364.
11.WarnungvorSchleichern.In:HN,Nr.138,22.3.1933.
12.DiefeinenLeute.In:HamburgerTageblatt(HT),Nr.10,
10.11.1934.
13. Der Grund fr das Ausscheiden des bisherigen Haupt
schriftleitersHansJoachimvonNeuhausimOktober1933ist
unklar.Vgl.HansBohrmann,GabrieleToepserZiegert(Hrsg.):
NSPresseanweisungen der Vorkriegszeit. Edition und Doku
mentation.7Bde.Mnchenetc.19842001,hier:Bd.1:1933,
Mnchenetc.1984,S.84*.AndieStellevonNeuhaustratder
bisherigePolitikRedakteurWilhelmEsser.Esserkndigteim
Sommer1934wegenpersnlicherZusammenstemiteinem
anderenMitgliedderSchriftleitung.SodieAuskunftin:Staat
lichePressestelleHamburgandenVorsitzendendesBezirksge
richtderPresse,OberlandesgerichtsratMarkmann,23.2.1935,
StA HH 1351 IIV/3449. Sein NachfolgerArvid Balk wurde
bereitsnachkurzerTtigkeitentlassen.Erselbststelltesichin
36 Karl Christian Fhrer
internen Schreiben als Opfer einer gegen die NSnahe Linie
des Blattes gerichteten Intrige der Verlegerfamilie Hartmeyer
dar,aberdasistangesichtsderunverndertenpolitischenAus
richtung des Blattes vor wie nach seinem Interregnum nicht
berzeugend. Offensichtlich wurde er entlassen, weil er sich
nach den steifen Regeln des Hamburger Grobrgertums un
ter Alkoholeinfuss auI einer Feier daneben benommen hatte.
Arvid Balk an Oberregierungsrat Paul Lindemann, 8.11.1934,
StAHH1351IIV/3358UA1PaulLindemannanArvidBalk,
9.11.1934,ebd.BalkwurdedurchFritzRobergersetzt,derzu
vorLokalredakteurderHNgewesenwar.Vgl.dasImpressum
in:HN,Nr.531,13.11.1934.RobergbehieltseinAmtbiszur
EinstellungderHNimFrhjahr1939.
14. Zum Programm des neuen Verlagsleiters Hugo Weissen
stein vgl.: An unsere Leser und Freunde. In: HC, Nr. 338,
22.7.1933.
15. Eckardt war bis Ende Mrz 1933 im HFImpressum als
Hauptschriftleiterverzeichnet.MllerbernahmseineStellung
allerdingsoffensichtlichnichtunmittelbarnachEckardtsAus
scheiden:DasImpressumfhrteihnerstEndeDezember1933
alsHauptschriftleiter,inderZwischenzeitwurdedortstetsnur
ein Verantwortlicher Redakteur benannt, wobei diese Posi
tion in bunter Reihenfolge von drei verschiedenen HFMitar
beiternbekleidetwurde.ObdiesesungewhnlicheInterregnum
mitdemAngriffderNachrichtenaufMllerzutunhatte,konn
teimRahmendieserUntersuchungnichtgeklrtwerden.Das
ersteImpressum,dasMlleralsHauptschriftleiterauffhrt,vgl.
in:HF,Nr.353,22.12.1933.Frommegehtdaraufnichteinund
nenntauchkeinDatumfrMllersAmtsantritt.Vgl.Fromme:
Anpassung(wieAnm.6),S.309.EinNachrufdesHamburger
Abendblatts(HAB)auI Mller datiert die bernahme der HF
Chefredaktion auf den 1. Dezember 1932. Mit Hamburg auf
Jahrzehnteverbunden.In:HAB,Nr.238,12./13.10.1974.
16.SomutedasHFimNovember1933seinenverstorbenen
Musikkritikerersetzen,derseit1897frdasBlattgearbeitethat
te.Vgl.:HeinrichChevalley.In:HF,Nr.310,9.11.1933.
17.AdolfHitlerzumReichskanzlerernannt.In:Hamburger
Anzeiger (HA), Nr. 25, 30.1.1933 A[lois] W[inbauer]: Der
Anfang.In:HA,Nr.26,31.1.1933.
18. A[lois] W[inbauer]: Die Brandfackel. In: HA, Nr. 50,
28.2.1933.
19.DieGeschichteeinerZeitung.In:HA,Nr.1,13.9.1919
A[lois] W[inbauer]: Einigkeit und Recht und Freiheit!. In:
HANr.54,4.3.1933.
20.A[lois]W[inbauer]:AbschiedvonDr.Petersen.In:HA,
Nr.56,7.3.1933.
21.Wieesgemachtwird.In:HA,Nr.74,28.3.1933.Wieman
es nach den Regeln der NSDAP richtig machte, zeigte die
Redaktion der Hamburger Nachrichten.Auch sie druckte das
Flugblatt ab, kommentierte es aber mit einem lngerem Pas
sus,derscharf gegen dieSozialdemokratiepolemisierte:Weil
der abgedruckteText angeblich von der sozialdemokratischen
Partei der Tschechoslowakei stammte, forderte das Blatt die
Reichsregierung auf, unter den deutschen Sozialdemokraten
Geiselnzunehmen,diedafrbrgen,dadiesozialdemo
kratischenVerleumderimAuslandihreHetzeeinstellen.Die
marxistische Schmutzfut gegen Deutschland'. In: HN,Nr.88,
29.3.1933.
22.DerHamburgerAnzeigerauf14Tageverboten.In:HT,
Nr.75,29.3.1933.
23.DasVerbotdesHamburgerAnzeigersverlngert.In:HN,
Nr.174,12.4.1933.
24.Vgl.denentsprechendenHinweisin:ErichLth:VieleStei
ne lagen am Weg. Ein Querkopf berichtet. Hamburg 1966, S.
90.
25.VerbotdesHamburgerAnzeigersaufgehoben.In:Berli
nerTageblatt,Nr.184,21.4.1933.
26.MeldungderStaatlichenPressestelleHamburg,22.4.1933,
StA HH 1351 IIV/3356 UA 1. Nach einer rckblickenden
Darstellung des GiradetVerlags wurde der neue Chefredak
teur von Kaufmann mit diktatorischen Vollmachten ber die
Redaktion eingesetzt. Giradet & Co. an Senatsdirektor Erich
Lth, 23.1.1951, StA HH 1351 V/8101 Bd. 1. Zu Hendels
Fernbleiben vgl. Lth: Steine (wieAnm. 24), S. 90. Hendels
Name,dervordemVerbotstetsganzvorneimBlattunterdem
Titelgestandenhatte,tauchteseitdemWiedererscheinenimHA
berhauptnichtmehrauf.
27.JosephGoebbels:UnserHitler.In:HA,Nr.92,20.4.1933
WiedieGreuelmeldungengemachtwurden.In:HA,Nr.94,
22.4.1933DiePresseWaffedeutscherPolitik.In:HA,Nr.
95,24.4.1933.
28. Norbert Frei, Johannes Schmitz: Journalismus im Dritten
Reich. 3. berarb. Auf., Mnchen 1999, S. 28. Allerdings ist bei
dergenanntenZahlunklar,obsiedieJournalisteneinschliet,
diebereitsimFebruar/Mrz1933durchdasVerbotdermarxis
tischenPresseBerufsverboterhaltenhatten.
29. Die Presse im Dritten Reich. In: Altonaer Nachrichten,
Nr.141,17.6.1933.
30. Landesverband GroHamburgLbeck. In: Deutsche
Presse(DP)23(1933),S.224.
31. AuIstellung der durchschnittlichen Aufagen der Hambur
gerTageszeitungen im Dezember 1933, o. D., StA HH 1351
IIV/3488.FrdieimFrhjahr1933durchdasVerbotausgefal
lenenAusgabenerhieltendieAbonnentenbeimWiedererschei
nendesBlattsFreilieferungen.
32.Vgl.etwa:RegierungsdirektorKhnanOberregierungsrat
Paul Lindemann, 5.10.1934, StA HH 1351 IIV/3358 UA 1
37 Hamburger Zeitungsmarkt nach 1933
Vertretung Hamburgs in Berlin an das Hamburgische Staats
amt,9.4.1936,ebd./3421.Vgl.auchallgemeinzudenNachwir
kungen der Wirtschaftskrise auf demAnzeigenmarkt: Werner
Deppe: Das Anzeigen und Bezugswesen der Tageszeitungen.
Dargestellt an der Entwicklung vier verschiedener Zeitungs
typen in den Jahren 19241934. Wirtschafts u. sozialwiss.
Diss.UniversittFrankfurt/Main1936,S.109.
33.Vgl.etwa:DiedeutschePresseundihreLeser.In:DP24
(1934),S.7475KarlPeeck:DieFluchtausderZeitung.In:
ZV35(1934),S.249250AlfonsBrugger/CarlSchneider:Der
deutscheAnzeigenmarkt. Hrsg. v. Institut fr Zeitungswissen
schaftanderUniversittBerlin.Leipzig1936,S.178f.
34. Die amtliche AuIstellung ber die Aufagen Ir Dezember
1933, aus der die Zahl fr den HC stammt, fhrt weder die
Neuesten Nachrichten noch das 8 Uhr Abendblatt auf. Wahr
scheinlichwardieEinstellungderbeidenBltter(dieam4.Ja
nuar1934erfolgte),schonfestgeplant,alsdieDezemberzahlen
nach den neuen VorschriIten Ir die Deklaration der Aufagen
erhoben wurden. AuIstellung der durchschnittlichen Aufagen
vonHamburgerTageszeitungenimDezember1933,o.D.,StA
HH1351IIV/3488.
35.AnunsereLeser!.In:Hamburger8UhrAbendblatt,Nr.
3,4.1.1934.DiebeidenBlttersolltendenHCoffenbardurch
andere Erscheinungszeiten ,fankieren: die Neuesten Nach
richten als Morgenblatt, das 8 Uhr Abendblatt als Sptausga
be. Das journalistische Renommee insbesondere der Neusten
Nachrichten scheint gering gewesen zu sein: Ein Hamburger
KulturjournalistbezeichnetedasBlattAnfangder1920erJah
reabflligalsdieredaktionelleAbfallgrubedesCorrespon
denten.HansW.Fischer:HamburgerKulturbilderbogen.Mn
chen1923,S.367.
36. Aktennotiz ber den Besuch von Herrn Albrecht (DAF,
Hamburg) beim AufklrungsAusschu Hamburg Bremen,
24.3.1934, StA HH 1351 IIV/3359 UA 3. Die Akte enthlt
keine weiteren Schriftstcke zu dieser Angelegenheit. Die
Deutsche Arbeitsfront war die nationalsozialistische Nach
folgeorganisation fr die im Mai 1933 aufgelsten Gewerk
schaften. Entsprechend der NSWeltanschauung erfasste sie
Arbeitgeberundnehmer.
37. Der bergang zum einmaligen Erscheinen erIolgte zum 1.
Juli1935.AndieLeserunddieFreundederHamburgerNach
richten.In:HN,Nr.298,29.6.1935.SeitdembotinHamburg
nurnochdasFremdenblattmehralseineAusgabeproTagan.
ZurEinstellungderNachrichten1939vgl.genauerFhrer:Me
dienmetropole(wieAnm.1).
38. Der geringere Anstieg der Druckaufage ergab sich aus
eingeschrnkten Mglichkeiten derVerlage, Frei undWerbe
exemplarezuverteilen.Vgl.dazuKarlChristianFhrer:Die
TageszeitungalswichtigstesMassenmediumdernationalsozi
alistischenGesellschaft.In:ZeitschriftfrGeschichtswissen
schaft55(2007),S.411434,hier:S.419.
39. Die Zahl der Haushalte fr 1933 aus: Statistisches Jahr
buch fr die Hansestadt Hamburg 1937/38. Hrsg. v. Statisti
schenLandesamt.Hamburg1939,S.10dieZahlfr1939aus:
Statistik des Deutschen Reiches Bd. 553: Die Haushaltungen
imDeutschenReich.Bearb.imStatistischenReichsamt.Berlin
1944,S.50.
40. Vgl. als berblick: Klaus Weinhauer: ,Handelskrise und
Rstungsboom. Die Wirtschaft. In: Hamburg im Dritten
Reich. Hrsg. v. der Forschungsstelle fr Zeitgeschichte in
Hamburg.Gttingen2005,S.191223.
41.1936erhieltenfrischverheiratetePaareaufdemStandesamt
einen Gutschein fr ein kostenloses vierwchiges Probeabon
nement,densiebeieinemVerlagihrerWahleinlsenkonnten.
Vgl.: Gemeinschaftswerbung fr die deutsche Zeitung. In:
DeutscheGemeindebeamtenZeitung42(1936),S.640.
42, Der Export Hamburger Zeitungen in auswrtige Regi
onen kann hier vernachlssigt werden. Von allen Hamburger
Tageszeitungen wurde nur das Fremdenblatt berregional
wahrgenommen. HannsHeinz Schulte: Der Schriftleiterstand
derLandesverbndeGroHamburgundNordmarkimReichs
verbandderDeutschenPresse.Hamburg1938(VolkundGe
meinschaftH.2),S.27.
43.Vgl.:KarlDrefahl:DerAufbaudesVertriebesundderBe
zieherwerbungderTageszeitungen.Bonn1936,S.205.Genaue
Zahlen zur Verbreitung des Mitlesens liegen nicht vor. Bei
einer (sozialstatistisch allerdings nicht reprsentativen) Befra
gung von 65.000 Zeitungslesern in ganz Deutschland gaben
1934rund13ProzentderBefragtenan,dieZeitungregelmig
aneineNachbarsfamilieweiterzugeben.DasPublikumwurde
gefragt.In:ZeitungsVerlag35(1934),S.712713.
44.Vgl.zudenDetailsFhrer:Medienmetropole(wieAnm.1).
39
Unter der Ende 1929 im Nachzug eines New Yorker
Brsencrashs ausgelstenWeltwirtschaftskrise hatte die
WirtschaftinHamburgsehrzuleiden.
1
DerUmsatzver
ringertesichbis1932imVergleichzu1928aufdieHlfte.
DieZahlderBeschftigtenindenHamburgerBetrieben
gingbis1932auf60%zurckalleinbeiBlohm&Vo
wurde der Personalbestand von 10.701 Beschftigten
imJahr1929aufnurnoch2.449Ende1932verkleinert.
DieZahlderArbeitslosenstieginknappzweiJahrenum
mehralsdasDreifache.
Eine Arbeitslosenversicherung existierte noch nicht, so
dass die Arbeitslosen und ihre Familien auf die std
tische Wohlfahrt angewiesen waren. Mehr als das N
tigste,dieGrundnahrungsmittelBrotundKartoffeln,ein
Pfund Margarine, ein Pfund Fleisch, Wurst oder Fisch,
250gZucker,250gKaffeeErsatzundeinenLiterMilch
pro Woche konnten sichArbeitslose nicht leisten. Not
standskchen boten ab und zu fr 10 Pfg. ein warmes
Mittagessen.AuchdenBeschftigteneinschlielichder
BeamtenwurdendieLhneum2030%gekrzt.Viele
BetriebefhrtenKurzarbeitein,wasdieLhnenocher
heblich weiter nach unten drckte. 1932 wurde oft die
24StundenWocheerreicht.
Zur Lage der Hamburger Kinos whrend der
Wirtschaftskrise
Zeitgleich mit der wirtschaftlichen Depression begann
ab September 1929 in Deutschland die Tonflmra. Die
Kinos mussten mit einem fnanziellen AuIwand in Mil
lionenhhe auI den Tonflm umgestellt werden, whrend
die Besucherzahlen gleichzeitig immer strker zurck
gingen.EigentlichwreindieserSituationeinKinoster
benerwartbar,dochdiestratinHamburgnichtein(wie
auch im Deutschen Reich insgesamt nicht in nennens
wertemMa
2
).DieZahlderKinosbliebaufdemselben
Stand,denderHamburgerKinoparkum1930wiere
lativ konstant bereits seit den 1910er Jahren
3
gehabt
hatte: bei rund 70 Betrieben.
4
1931 zhlte die amtliche
StatistikzwarzweiKinosweniger,docheinJahrspter
waren es wieder die gewohnten 70, die ihrAngebot an
KinopltzendannsogardeutlichausdemBereichder46
TausendindenJahren1930/31aufber47.5001932
gesteigerthatten.DerKrisezumTrotzwurdesogarum
undausgebaut.
DamitwurdeinHamburgallerdingsnureinTrendfortge
setzt,der1926begonnenhatte.
5
SeitdieserZeitwurden
auchinderHansestadtriesige,luxuriseKinoPalste
erbaut: Allein der in Hamburg dominante so genannte
HenschelKonzern zog ab 1926 neun, ber fast alle
Bezirke verteilte, Schauburgen mit jeweils ber 1.000
Pltzenhoch,zudenenweitereGrokinoswiederEmel
kaPalast in der Eimsbttler Osterstrae hinzukamen
1929 schlielich bescherte die Ufa den Hamburgern in
dem in der Stadtmitte gelegenen UfaPalast das grte
KinoEuropas.
InderHamburgerKinoszenespieltesicheinKampfder
Giganten (Michael Tteberg) um ein immer grer,
immer imposanter ab, der sich anfangs daraus speiste,
dass sich das Kino im Lauf der 1920er Jahre zum do
minierendenUnterhaltungsmediumundzueinerwahren
Goldgrubeentwickelthatte.ImKonkurrenzkampfwur
de dann jedoch ein berangebot an Kinopltzen in der
vergleichsweisekleinenGrostadtgeschaffen,eineEnt
wicklung, die schlielich um Ende 1932/1933 in einer
Talfahrt des hanseatischen Kinos mndete
6
die kei
neswegsalleinvonderdoppeltenKrisedurchDepression
und Tonflm ausgelst worden war, sondern nicht zuletzt
selbstverschuldet.
EineTalfahrterlebteallerdingsnichtnurdasKino,son
dern die Kultur insgesamt. Im Vergleich zum Theater
KinoundKinokulturinHamburgum1932
CorinnaMller
40 Corinna Mller
gingesdemKinosogarnochvergleichsweisegut,was
an der statistischen Entwicklung von Besucherverlust
und demAbbau bzw. Zuwachs der angebotenen Pltze
deutlichwird.
7
DieBesucherzahlenderKinos,die1930nochbeiber
14 Millionen lagen, beliefen sich 1932 nur noch auf
rund11Millionen.DemgegenbersankderTheater
besuch bis 1932 unter die vorher immer berschrittene
2Millionengrenze, und dem Theater gingen auch ber
1000Pltzeverloren.UmgerechnetaufeineEinwohner
zahlvonrund1,2MillionenMenschen
8
gingjederHam
burger 1930 noch 12 Mal im Jahr ins Kino, 1931 rund
11 Mal und 1932 rund 10 Mal. DerTheaterbesuch pro
EinwohnersankinderselbenZeitvon2auf1,5Mal.
Diese Relationen verdeutlichen, dass das Kino zwar
reinzahlenmighhereEinbuenzuverzeichnenhat
te,aberdasses,verglichenmitdenKinos,dieTheater,
Opern, Operetten und Konzertbhnen waren, die die
wirtschaftliche Depression vor allem zu tragen hatten.
Dies zeigt sich auch an den Bewegungen der Eintritts
gelder,diezuerstandenBhneneinbrachen.
Allgemein war Kultur in Hamburg ursprnglich kost
spielig
9
:DemStadtTheatergalten1931Preisevon1bis
5Markalsvolkstmlich,wasbilligmeinte,undauch
einKonzertderComedianHarmonistsinderMusikhal
le kostete 1931 zwischen 2 und 5 Mark.
10
Fr Theater,
OpernundKonzertelagendieblichenEintrittsgelderin
diesemJahrimSchnittbei1,50bis5Mark.Etwasgns
tiger war das Variet HansaTheater, das man in einer
Vorstellung, in der sogar Charlie Rivel auftrat, in einer
Platzgruppeschonfr50Pf.besuchenkonnte,dochdie
gutenPltzekostetenauchhierbiszu3,50Mark.
11
Anfang1932brachendiePreisederHamburgerBhnen
deutlich ein. Zu dieser Zeit kosteten die Konzerte der
ComedianHarmonistsinderMusikhallenurnochzwi
schen1,50und3,50Mark(ganzkleinePreise
12
).Das
HansaTheatersenkteseinePreiseAnfangdesJahresauf
0,40bis2Mark.
13
InsOperettenhauskammanfrsver
gleichsweiseschmaleGeldvon50Pfg.bis2Mark,und
einBesuchderVolksoperkostetezudieserZeit(trotzei
nerGaststarVorstellungmitdemBerlinerKomikerCurt
Bois)zwischen95Pfg.und1,50Mark.
14

Einen quivalenten Vergleich zu den gegenber den


Bhnen traditionell deutlich billigeren Kinos bietet der
HamburgerUfaPalast,dasinderHamburgerKinoszene
herausragendeKino,dasinseinenPreisendenBhnen
nichtallzuvielnachstand.ImUfaPalastbeliefsichder
EintrittfrParkettundRang1930auf1bis3Mark,ein
Logenplatzkostete4Mark.
15
UrsprnglichlagderUfa
PalastalsoetwasunterhalbdesPreisniveausderBhnen,
abererwarsicherlichteureralsdieanderenHamburger
Kinos.
Da die Hamburger Kinos nahezu niemals Angaben zu
ihrenEintrittspreiseninihrenInseratenverffentlichten,
lsstsichnurallgemeinfeststellen,dassauchsiesptes
tens1932zunehmendunterdenDruckzurSenkungder
Eintrittsgeldergerieten.ImHerbstdesJahreswurdedie
neueSaison1932/33vonallenneunSchauburgennach
dem Motto reichhaltiger, billiger, besser
16
erffnet,
undauchweitereKinospasstensichdiesemTrendan.
LautdenVerffentlichungenzuihrerGeschftsbilanzin
derSaison1931/32hattedieUfadieEintrittspreiseihrer
KinosindieserSaisongesenktumwieviel,wirdaller
dingsnichtverraten.
17
ObdasauchfrdenHamburger
UfaPalast galt, konnte nicht zweifelsfrei geklrt wer
den,daeskeineeindeutigenAngabengibt.
18
InderPo
litikvonPreissenkungenderUfaknntederHamburger
UfaPalasteineAusnahmestellunggehabthaben,weiler
nebeneinigenBerlinerPremierenkinoseinSpitzenpferd
imStalldesmehrerehundertKinosunterschiedlicher
Abb.1:PlatzundBesucherzahlenvonTheaterundKino193032
ZahlderTheaterpltze ZahlderTheaterbesucher
1932 1931 1930 1932 1931 1930
8.887 10.027 10.031 1.771.423 2.178.668 2.316.040
ZahlderKinopltze ZahlderKinobesucher
1932 1931 1930 1932 1931 1930
47.504 46.810 46.955 11.784.205 13.429.082 14.650.938
41 Kino und Kinokultur 1932
ArtumfassendenUfaTheaterparksdarstellte.
Aufgrund der gesenkten Eintrittspreiseverzeichnete die
BilanzderUfafr1931/32eineber10%geringereGe
winnmargegegenberderVorsaisondochzugleichno
tierte die Ufa einen Besucheranstieg von 1,5 Millionen
in ihren Kinos.
19
Angesichts der drastischen Einbrche
indenBesucherzahlenderKinosimAllgemeinenund
auchinHamburg,wieobendokumentiert,knnteman
demUfaAufsichtsrathierzwarZahlenschiebereiunter
stellen,diedemAnliegengalt,eineErfolgsbilanzvorle
genzuknnen(demBerichtzufolgewurdedasRekord
ergebnisderVorsaisonannherndgehalten).
Nimmt man allerdings erneut die Entwicklung an den
Bhnen als Folie, so kann ein Besucheranstieg speziell
bei den UfaKinos durchaus plausibel erscheinen. Die
Hamburger Bhnen gerieten durch die Wirtschaftskrise
in deutlich grere Schwierigkeiten als die Kinos und
konnten schlielich ihr Niveau nicht mehr halten. 1932
war das Wort der TheaterKrise zum stehenden Be
griffgeworden,dieIntendantenwechselten,manlittun
terdemDruckzuPreissenkungen,musstesparenwas
fr so personalintensive Unternehmen wie die Bhnen
ungleich fataler war als frs Kino. Um berhaupt noch
Urauffhrungenbietenzuknnen,nahmendieHambur
ger Theater 1932 immer Iter Zufucht zu Stcken von
DebtantenunterdenensichkeineeintrglichenNeu
entdeckungenfanden.AuchdieStargastspielelieenge
genber1929/30merklichnach.
20
1932 hatte das Hamburger Theater deutlich weniger zu
bietenalsdieUnterhaltungskulturderVariets,Kabaretts
und vor allem der Kinos. Die Kinos spielten in Re
torte teuer (aber nur ein einziges Mal) inszenierte und
hochkartigbesetzteStckeundwarenwohlauchzu
nehmendeineattraktiveAlternativefreinenttuschtes
undrmergewordenesTheaterpublikum.
HamburgerKinotopographie1932
Zu den frs Stadtgebiet 1932 statistisch erfassten 70
Kinobetrieben kamen im erweiterten Kulturraum Ham
burgs,zudemauchdiedamalsunterpreuischerVerwal
tung stehenden Randgemeinden Altona und Wandsbek
gehrten, weitere 10 bzw. 7 Kinos hinzu, so dass der
Hamburgerffentlichkeitrund90KinoszurVerfgung
standen.
21
Diese Kinos lassen sich mit ihren Namen,
AdressenundihrerLageindenBezirkenannherndfest
stellen.
Die Hamburger Kinos verteilten sich wie schon seit
ihrer ersten Grndungszeit vor dem Ersten Weltkrieg
22

relativ gleichmig ber alle Stadtteile und sozialen


Wohngebiete. Die meisten Kinos, nmlich 12 Betriebe,
lagen im Zentrum um dieAlt und Neustadt, dem kul
turellenMittelpunktderStadt,inderNachbarschaftder
groenTheater,desOperettenhauses,desHauptbahnhofs
unddesZoologischenGartens,der1930ineinenVolks
erholungsparkumgewandeltwordenwarund1934dann
denNamenPlantenunBloomenerhielt.
23
Mit11Kinos
folgte Eimsbttel, ein eher mittelstndisches Wohnge
biet,undjeweils10KinoshattendienochnichtzuHam
burggehrendenArbeiterbezirkeAltonaundWandsbek.
In den anderen Hamburger Arbeitervierteln gab es nur
im groen Barmbek mit neun Kinos eine hnlich hohe
Kinodichte.IndenArbeiterquartierenHammerbrookund
Rothenburgsortgabesvierbzw.sogarnurdreiKinos.In
Hamm,dasnochEndederWeimarerRepublikdenRuf
eines gutbrgerlichen, wenn nicht sogar grobrger
lichen Stadtteils
24
hatte, durch ein Neubaugebiet seit
Anfang der 30er Jahre aber auch Arbeiterfamilien und
denkleinenMittelstandanzog,gabes1932sechsKinos.
IndenansZentrumgrenzendenVergngungsviertelnSt.
PauliundSt.Georglagenwiederummit8bzw.6relativ
vieleKinosgemessenanderrechtgeringenrumlichen
Ausdehnung der Bezirke. Die vornehmen und Mittel
standsviertel Eppendorf, Winterhude und Hoheluft be
saen jeweils zwei Kinos allerdings groe und sehr
gut ausgestattete, und im vornehmen Uhlenhorst
25
gab
es drei, die jedoch nicht im Westen bei denAlsterVil
lenlagen,sondernsdstlichinderbelebtenEinkaufs
gegend des Karrees zwischen Mundsburger Damm und
EppendorferWeg.
Was die Qualitt der Kinos angeht, so war sie auer
indenvornehmenStadtteilenjeweilsgemischt.Groe
und sehr gut ausgestattete Erstauffhrungskinos lagen
in allen Bezirken auer in Rothenburgsort. In Hamm,
Altona und Hammerbrook handelte es sich jeweils um
die zum HenschelKonzern gehrenden Schauburgen,
die auer in Hamm gegenber den anderen Kinos
imStadtteilqualitativwohlrechtdeutlichberlegenwa
ren. Dagegen hatte derArbeiterbezirkWandsbek gleich
dreiErstauffhrungskinos,dieSchauburgWandsbek,die
HarmonieLichtspiele und das UfaCentralTheater, so
42 Corinna Mller
wievierweitereKinosdernormalenKategorie.Nicht
erstaunlichist,dassessichbeiallendreiKinosimvor
nehmen Uhlenhorst um Erstauffhrungstheater handel
te, darunter mit dem 1931 von der Ufa bernommenen
UfaMundsburgTheatereinesderbestenHamburgerKi
nos berhaupt.Verblffend ist eher, dass das vornehme
WinterhudekeinErstauffhrungskinobesa.AuchinSt.
PauliundSt.GeorgberwogendienormalenKinosbei
weitemesgabdortmitdemCityTheateramSteindamm
undKnopfsLichtspielennurjeweilseinKino,dasden
Erstauffhrungstheatern im weiteren Sinn zuzurechnen
ist beide Kinos boten manchmal lokale Erstauffhrun
gen(stetsgemeinsammitweiterenErstspielKinos),wa
renimGrundeaberfrheNachspieler.
DieZentrenmitdenmeistenErstauffhrungskinoswaren
EimsbttelmitdemsehrgroenundluxursenEmelka
Palast in der Osterstrae,den KammerLichtspielenauf
derGrindelalleeunddenKursaalLichtspielenamSchul
terblatt, und dann natrlich das eigentliche Zentrum
HamburgsausAltundNeustadt.Hierberbotensichdie
KinoTheateranGre,PrachtundSchnheitaufengem
Raum und es gab die meisten, die ausschlielich Erst
auffhrungenspielten,dieSchauburgamHauptbahnhof,
dasLessingtheateramGnsemarkt,davoninkurzerDis
tanzentferntdasWaterlooTheaterinderDammtorstra
e und der UfaPalast im Deutschlandhaus an der Ecke
Esplanade/Valentinskamp. Ein weiteres Kino, das fast
ausschlielich Erstauffhrungen spielte (1932 in der
RegeldenselbenFilmzusammenmitderSchauburgam
Hauptbahnhof),warendieHarvestehuderLichtspieleam
EppendorferBaum.
BemerkenswerterweisegabesinallenStadtteilen(auer
in Winterhunde und Uhlenhorst) auch NachspielKinos
und solche, die sich von heute aus kaum mehr proflieren
lassen, weil sie nie durch Inserate in den Zeitungen in
ErscheinungtratenunddahernichtsberihreProgram
mierungbekanntist.DieAnzahldiesergrauen
26
Kinos
istallerdingsberraschendgering,denneshandeltesich
nurumetwa20Betriebe.
Interessant ist, dass auch die grauen Kinos die kei
neswegsallekleineKlitschenwaren,sondernmeistens
ber mehrere Hundert Pltze verfgten ber fast alle
Stadteile und sozialen Wohngebiete verteilt waren: In
Barmbekhandelteessichumdrei(vonneun),inWands
bekum3(von7),um4(von11)inEimsbttel,einesvon
zweieninEppendorf,3von6inHamm,einesvondreien
inHammerbrook,2von3inRothenburgsort,einesvon
zweieninWinterhude,keinesjedochinUhlenhorst.
Bei den grauen Kinos in den Wohnvierteln kann man
davonausgehen,dasssiedeshalbkeineWerbungfrihre
Programmein der Zeitungmachten, weil sie miteinem
festenundausreichendgroenStammpublikumrechnen
konnten, das aus der Nachbarschaft kam und ins Kino
umdieEckeging.DeshalbbegngtensichdieseKinos
wahrscheinlich damit, ihre Programme durchAushnge
imFoyerundanLitfasssulenimEinzugsradiusbekannt
zugeben.BeidemPhnomen,dasssolcheKinosinallen
sozialenViertelnauftraten,darfmanwohldarandenken
wieHeideSchlpmannfrsfrheKinofestgestellthat
27

, dass das Kino vor allem den Frauen auch aus mit
telstndischen und brgerlichen Kreisen ermglichte,
ffentlicheUnterhaltungsstttenohnemnnlicheBeglei
tungeigenstndigzubesuchen.InsofernistdieAnnahme
nicht ganz unberechtigt, dass sich jene grauen Kinos
umdieEckenichtzuletztaufeinweiblichesPublikum
sttzten.
Auch im Zentrum befanden sich unter den dortigen 12
Kinos zwei graue, in St. Georg waren es 4 von 5 und
inSt.Pauli4von8.DiegrauenKinosindiesenLagen
verzichteten allerdings nicht deshalb auf Zeitungsinse
rate, weil sie auf ein festes Stammpublikum rechneten,
dennbeiihremPublikumhandelteessichimGegenteil
um eine disperse Laufkundschaft Touristen, Seeleute,
Vergngungswillige aus der Stadt, die sich nach Ein
kufen im Zentrum und St. Georg oder Besuchen im
Vergngungsviertel St. Pauli spontan zum Kinobesuch
entschlossen.Daheristrelativwahrscheinlich,dassdiese
grauenKinosnichtnurdurchAushngeimFoyerund
anLitfasssulen,sondernauchdurchSandwichMnner
aufsichaufmerksammachten,dieProgrammplakateauf
umgehngtenAnschlagtafelndurchdieStraentrugen.
DieAusrichtung dieser Kinos auf Laufkundschaft lsst
sich gut an ihrer Lage ablesen: Die grauen Kinos in
St.GeorglagenallesamtamSteindamm,derdamalsals
eineVergngungsundEinkaufsmeilefrgehobeneAn
sprche dafr stand, lebendig vom Morgen bis in die
Nacht
28
zu sein: In der Nummer 9 lag das Erstauffh
rungskino CityTheater (die ehemalige Schauburg St.
Georg) unmittelbar neben dem NobelVariet Hansa
Theater.Umringt war esvon grauen Kinos:Unterder
Nummer 22 residierte dasAtlanticTheater, in Nummer
32/34 das EliteTheater und in Nummer 51 die Hansa
43 Kino und Kinokultur 1932
Lichtbhne.EineAbbildungzeigtdasEliteTheatermit
einerschnen,grozgigenAuenfront(Abb.2).
NachdemselbenMusterballtensichdiegrauenKinos
in St. Pauli, dort am Spielbudenplatz. In der Nummer
1920 residierte das angeblich lteste Hamburger Kino,
KnopfsLichtspiele,dassehrgroundangesehenwar,
zudensichtbarenKinosgehrteundvielWertaufein
gutesProgrammlegte(esmiedaufflligjenesogenann
tennationalenundMilitrsujets,andenen1932beina
hekeinWegvorbeifhrteobdasamFilmgeschmackder
KlientellagoderandemdesEigentmers,stehtdahin).
Umringt war auch Knopfs Etablissement von grauen
Kinos:InNummer2122lagdasWeltTheater,Nummer
23/25beherbergtedasFerryTheaterundinNummer18
gabeseinUnionTheater,dasinFamilienbesitzwarund
nichtzurgleichnamigenKettederUfagehrte.
WennesinHamburgum1932berhauptKinosgab,die
mit etwas anderen Programmen als die inserierenden
Kinos arbeiteten, dann sind sie am Spielbudenplatz zu
vermuten heute spielen die Kinos auf der Reeper
bahn Sexflme, doch die gab es 1932 noch nicht. In der
Stummflmra knnte man an deren Stelle womglich
die so oft herbeizitierten amerikanischen Billigimporte,
vorallemanWesternFilmen,vermutendiemaninden
inserierendenHamburgerKinosauchzudieserZeitnur
selten sehen konnte. Dennoch waren auch die grauen
Hamburger Kinos wohl kaum minderwertige Betriebe,
und in der Irhen Tonflmra spielten sie, wahrscheinlich
mitetwaszeitlicherVerzgerung,wohldieselbenFilme,
dieindenErstauffhrungskinosgelaufenwaren.
DieSpitzenbetriebe
AnderSpitzedesHamburgerKinoparksstandnatrlich
derUfaPalast,dasmit2665PltzengrteKinoEuropas,
das ber allen Luxus bis hin zum hydraulisch versenk
barenOrchestergrabenverfgte.UmwelcheWeltender
UfaPalast vom restlichen Kinogeschehen getrennt war,
vermagdannallerdingsdocheinwenigzuberraschen:
DerUfaPalastwechselteseineProgrammealseinziges
Hamburger Kino regulr 14tgig, zum 1. und 15. des
Monats,sodasseskeinenfeststehendenWochentagdes
Programmwechsels mehr gab, wie er bei allen anderen
Kinos am Freitag oder Dienstag und Freitag feststand
malstarteteeinFilmamDienstag,malamDonnerstag,
malamSamstagoderSonntag.Dochauchaufdenfest
stehenden Programmwechsel zum 1. und 15. im Monat
warnichtimmerVerlass,dennmanchmalspieltederUfa
PalasteinenFilmauchdreiWochenlang.ImGrundewar
Abb.2:DasEliteTheater
HansPeterSchneekloth:Apfelsinen
puddingundRohrstock.Kindheitauf
demHansaplatz.JugendinSt.Georg.
Hamburg1995,S.63
44 Corinna Mller
der UfaPalast ein Kino, ber dessen aktuelle Program
mierungmansichinderZeitung(oderanLitfasssulen)
orientieren musste und das man anders benutzte als all
dieanderen.
Der14tgigeWechseldesProgrammsstandinZusam
menhang damit, dass der UfaPalast als einziges Ham
burger Kino regulr eineArtistenBhnenschau prsen
tierte, die jeweils fr zwei Wochen engagiert wurde.
DurchseineBhnenschauenwarderUfaPalastnichtnur
ein wundervolles Lichtspieltheater, sondern auch eine
kleine Alternative frs berhmte HansaTheater, einem
derwenigeninternationalenVarietsinDeutschland,das
qualitativ dem legendren Berliner Wintergarten kaum
nachstand. Im HansaTheater gaben sich Weltstars der
Artistenszene die Klinke in die Hand 1932 traten so
gar Charlie Rivel und Josephine Baker hier auf. Gar so
hochkartigkonntederUfaPalastnichtmithalten,doch
immerhin prsentierte er 1932 einmal den Hellseher
Hanussen. Die Besprechungen der UfaPalastBhnen
schauen waren durchweg positiv Tingeltangel wurde
nichtgeboten.
Seine Ausnahmestellung signalisierte der UfaPalast
auch durch dieArt und Platzierung seiner Inserate, die
seltenaufdenblichenSeitenderKinoanzeigenerschie
nen, sondern meistens hervorgehoben an anderer Stelle
imInseratenteilderZeitungen.MeistwarendieInserate
im Vergleich zum Layout aller anderen Kulturinserate
der Theater, Variets wie auch der anderen Kinos aus
nehmendgro,schnundoriginellgestaltet.DieFunkti
ondesKinosalsLeitmediuminderKulturderausge
hendenWeimarerRepublikzeigtsichalleinschonander
InsertiondesUfaPalasts(Abb.3).
MitseinenInseratenverliehsichderUfaPalasteinange
messenesImageinderHamburgerffentlichkeit.Denn
der UfaPalast war nach auen hin zwar unauffllig ins
Stadtbild des Deutschlandhauses eingepasst, einem
Backsteinbau, der sich nach auen bewusst neusach
lich khl gab, und auch die Innenarchitektur blieb be
tont nchtern. Dennoch war er mit weitemAbstand die
imposantesteundmodernstearchitektonischeInstitution
inderHamburgerKulturszene(Abb.46).
Der UfaPalast spielte in der Regel das Spitzenangebot
der Ufa aus dem Unterhaltungsbereich: 1931 drei Wo
chen lang DER KONGRESS TANZT, 1932 LIEBESKOMMANDO
mitDollyHaas,MDCHENINUNIFORM,denWillyFritsch
Lilian HarveyFilm des Jahres ZWEI HERZEN UND EIN
SCHLAG,denHansAlbersFilmDERSIEGERusw.Diena
tionaleProduktionderUfa,zuder1932etwaYORCKge
Abb.3:InseratdesUfaPalasts
45 Kino und Kinokultur 1932
Abb.4:DerUfaPalast
Abb.5:DieBhnedesUfaPalasts
Abb.6:DasFoyerdesUfaPalasts
46 Corinna Mller
hrte, lief dagegen nicht im UfaPalast. Offenbar setzte
mandarauf,dasssicheinsachlichesAmbienteundein
beschwingtes Filmangebot wechselseitig in ihrerWir
kung untersttzten (oder man hatte aus den Stinkbom
benschlachtenderRechtenundLinkenumdieSkandal
flme der Jahreswende 1930/31, IMWESTENNICHTSNEUES
undDASFLTENKONZERTVONSANSSOUCI,gelernteinen
soriesigenSaalwiedendesUfaPalastsvonhartncki
gemGestankzuentlften,httesicherlichProblemeauf
geworfen
29
).
WennauchmitdeutlicherDistanzzumUfaPalasthoben
sich 1932 noch einige weitere Kinos in der Hamburger
Kinolandschaft ab: Das PassageKino, das Waterloo
Theater,dasLessingTheater,dasHarvestehuderTheater
unddieSchauburgenamHauptbahnhofundinSt.Pauli.
Diese Kinos spielten in ErstauIIhrung alle Spitzenflme,
die nicht im UfaPalast liefen. Sie alle lagen im Stadt
kernHamburgsvonZentrumundSt.Pauli,nurdasHar
vestehuderTheaterbefandsichamRanddesZentrums,
imBroundgehobenenWohnzentrumamEppendorfer
Baum. Durch den HenschelKonzern hatten allerdings
auchalleweiterenSchauburgenundmitihnenfastalle
StadtteileAnteilamErstauffhrungsgeschehen.
Zur Programmierung und den Spielplnen von
HamburgerKinos1932
DieHamburgerKinoleiterverhieltensichbeiihrerPro
grammgestaltung recht klug. Sie hatten keinen Ehrgeiz,
in Hamburg Deutschlandpremieren abzuhalten das
berlieensiedenPremierentheaterninderReichsund
Filmhauptstadt Berlin. Sogar der UfaPalast hielt keine
Urauffhrungenab,obwohlersicherlicheinenmehrals
wrdigenRahmenfreineFilmpremieregebotenhtte.
DieseZurckhaltunghatteallerdingspragmatischeGrn
de,denndieHamburgerKinoswarenbeiderVergabevon
UrauffhrungennichtrelevantfrdieFilmproduzenten
waresweitaussinnvoller,FilmeinBerlinzustarten,weil
dortdieFilmkritikversammeltwar,sodassalleBerliner
Tageszeitungen und vor allem die Filmfachzeitschriften
sehrzeitnah,meistensschonamTagnachderPremiere,
eineBesprechungbrachten.
DieHamburgerErstauffhrungskinosspieltendieFilme
inderRegeletwavierWochennachderBerlinerPremi
ere,oftaberauchmiteinemgrerenzeitlichenAbstand
von mehreren Wochen und sogar Monaten. Es scheint
daher,dassmaninHamburginvielenFllenabwartete,
welcheFilmenichtnurinBerlin,sondernauchimReich
erfolgreich waren, denn es wurden nicht alle Filme in
Hamburg gespielt, die zur Verfgung standen. Das galt
zwar vor allem fr auslndische Filme, aber auch fr
deutschprachige, denn Mehrsprachenversionen wurden
beispielsweise kaum je programmiert.
30
Alle wichtigen
Filme (und mehr) bekamen die Hamburger zu sehen,
wennauchmitreichlichVersptung.
Ein Schema, nach dem die einzelnen Filme unter den
HamburgerErstundNachspielernkursierten,alsonach
dem Erstspiel von bestimmten Nachspielern bernom
menwurden,istnichtauszumachen.Dies,wieauchdie
unregelmigen Abstnde, in denen Hamburger Kinos
die Filme nach der Berliner Premiere einsetzte, zeigt,
dassesinHamburgundsicherlichauchimDeutschen
Reich insgesamt keine solchen Verleihpraktiken gab,
wie sie die groen HollywoodKonzerne anwendeten,
um den amerikanischen Markt zu kontrollieren (dort
musstenfreieKinosganzeJahresproduktionenenbloc
und blind buchen).An der Regellosigkeit bei der Ge
staltung der Hamburger Spielplne wird deutlich, dass
derdeutscheFilmmarkt1932freiwarunddassoffenbar
auchkeinelangfristigen,festenVertragsregelungenzwi
schen Kinoleitern und bestimmten Verleihunternehmen
bestanden.
EinengerVerbundexistiertenurunterdenSchauburgen
des HenschelKonzerns und den kleineren Kinos der
EmelkaundUfa.IhreKooperationzeigtsichdaran,dass
dieseKinosgemeinsameInserateindenZeitungenauf
gabenunddassjeweilszwei(odermehr)dieselbenFilme
in der Hamburger Erstauffhrung spielten. Diese Filme
liefen beim nchsten Programmwechsel in jeweils zwei
(oder mehr) anderen Kinos des Verbunds. Doch selbst
hier gab es kein Iestes Schema, das etwa auI fxe Ver
leihvertrgeschlieenliee:MancheFilmeliefeninsie
ben Schauburgen gleichzeitig und in mindestens einem
weiteren Erstauffhrungskino der Emelka oder Ufa an.
Erstaunlicherweise ist selbst in solch aufflligen Pro
grammierungen nicht mit Sicherheit zu entscheiden, ob
essichumbesonderserfolgreicheFilmehandelte,denn
oftgenugfandensiekaumweitere(inserierende)Nach
spieler.
Dafr kann allerdings auch ein anderer Effekt verant
wortlichseindassdieFilme,wennsieinsovielender
47 Kino und Kinokultur 1932
ber fast alle Stadtteile verteilten Schauburgen liefen,
kein ausreichendes Attraktionspotential mehr frs Pu
blikum hatten oder doch ein gewisses Risiko fr einen
Nachspielerbedeutethtten.
Dieser Zusammenhang zeigt sich gut am Beispiel des
UfaPalasts,der,wieerwhnt,vorallemdiegroen,at
traktiven UfaProduktionen in Hamburger Erstauffh
rung spielte, normalerweise 14 Tage, gelegentlich auch
drei Wochen. Andere Premierenkinos wechselten ihre
ProgrammedagegeninderRegelwchentlichundgaben
wochentags drei, sonntags vier Vorstellungen. Im Ufa
Palast gab es zwar am Sonntag nur drei Vorstellungen
undwochentagszwei,abermitseinemFassungsverm
genvon2665BesuchernproVorstellungkonnteerin14
Tagentheoretischrund80.000Zuschauererreichen.Den
eigenen Angaben zufolge konnten es sogar noch mehr
werden:7983BesucheramerstenTage!,hieesinei
nerAnzeige fr DER KONGRESS TANZT, und eine Woche
spter: Der ganz groe Erfolg! 43.503 Besucher in 8
Tagen
31
,alsoeinigeTausendmehralsdasFassungsver
mgen eigentlich zulie. DER KONGRESS TANZT lief drei
WochenimUfaPalast,wurdeanschlieendvonetlichen
weiterendergroenPremierenKinosbernommen,hat
te eine lange Nachspielzeit und lebte in Reprisen auch
spternochauf,aberdieserFilmwareineAusnahmeer
scheinung. Normalerweise verschwanden die Filme des
UfaPalastsnachihrerdortigenSpielzeitweitgehendvon
der Bildfche; der riesige UIa-Palast absorbierte das Er
folgspotential seiner Filme offenbar meistens vollstn
dig.
WeitausbessereChancenaufbreiteundlangeNachspiel
resonanzhattendieFilme,dieindenbestenderkleineren
Hamburger Erstauffhrungstheater Lokalpremiere hat
ten,imWaterlooundLessingTheater,denSchauburgen
St. Pauli und Hauptbahnhof, dem PassageTheater und
Harvestehuder Theater. Sie spielten die Premierenflme
meistensnureineWoche,sodassdieFilmeihreAttrakti
vittfrNachspielerbehielten.Auchhierlsstsichaller
dingskeinSchemaausmachen,welcheKinosinwelchen
LagendieFilmebernahmen.
Daher lassen sich auch keine Prferenzen festhalten,
welche Filme oder welcheArt von Filmen beim Ham
burger Publikum auch in den einzelnen Stadtteilen
besondersbeliebtwaren.SogaranhandderFilme,die
nachweislichbesondersgroenErfolghatten,lassensich
keine konkreten Erfolgsmerkmale feststellen, denn die
Filme waren zu unterschiedlich. DER KONGRESS TANZT
warmitAbstandderRennerimfrhendeutschenTon
flm berhaupt, so dass sein ErIolg auch in Hamburg
nicht verwundern kann. Was weitere auergewhnlich
erfolgreiche Filme der Zeit um 1932 angeht, bleibt das
Bild disparat. Nicht erstaunlich ist, dass der UfaPresti
geflm YORCK,indemWernerKrauunterderRegievon
UfaStarregisseur Gustav von Ucicky den siegreichen
Bezwinger Napoleons bei derVlkerschlacht von 1813
spielte,1932auchinHamburgsehrerfolgreichwar(pas
senderWeisehattesichdasWaterlooTheaterdieLokal
premieregesichert).
Eine berraschung bietet sich retrospektiv allerdings da
mit, dass der nach DER KONGRESS TANZT mitdeutlichem
AbstandinHamburgerfolgreichsteFilmderfrhenTon
flmra der semidokumentarische Sdseeflm TABU war,
derletzteFilmdesinHollywoodarbeitendenundschon
vorderPremieredesFilmsverstorbenendeutschenRe
gisseurs Friedrich Wilhelm Murnau. Dieser Film lief
nicht nur in der Erst und unmittelbaren Nachspielzeit
1931 enorm erfolgreich in sehr vielen Kinos in allen
Stadteilen,sondernauchnochimJahr1932,unddiesso
wohlindenkommerziellenKinosalsauchmehrfachin
der ,Urania, dem Kulturflm-Kino in der Fehlingstrae,
das blicherweise Natur- und Expeditionsflme zeigte
(unddabeibrigenseinausnehmendgroesSpektruman
zurVerfgungstehendenlangenFilmenhatte).
Kulturflme gerieten in der spteren FilmIorschung als
langweiliginMisskredit,wasihremStatusinderaus
gehendenWeimarer Republik aber in keinerWeise ent
sprach. Nicht nur die Urania lebte vom Kulturflm die
als e.V. gegrndete Kulturflmbhne hatte 1932 allein
15.000 feste Mitglieder , sondern auch der UfaPalast
veranstalteteinunregelmigemTurnus,abersehrhu
fg an Sonntagen Kulturflm-Matineen.
DerungewhnlicheErfolgvonTABUistallerdingsnicht
allein vor dem Hintergrund zu verstehen, dass der Film
als Kulturflm angesehen wurde. In Hamburg lieI er
meistens versehen mit dem Zusatztitel VERBOTENE LIE
BE,dermanchmalauchalsHaupttitelstand.Ingewisser
Weise fungierte Murnaus FilmkunstKlassiker in der
Hamburger Kinoffentlichkeit offenbar auch als ein
,AuIklrungsflm, der vertraute Probleme in einer Irem
denKulturwiderspiegelte:DerFilmhandeltumdieerste
Liebe, der sich die Familie entgegenstellt, und um den
KampfderLiebendenumihrGlck.DasThemabehan
48 Corinna Mller
delten zwar auch unzhlige Filme aus der westlichen
Welt,dochhiererlebteman,wiesichLiebeaufderSd
seeInselmitteilt,wiedortdieRitualeumdieLiebeund
dieKommunikationvonLiebefunktioniertenganzan
dersalsmanesselberkannte,undvorallem:Mansah,
wieMenschen,dieganznatrlichmithalbentblten
KrpernindersdlichenSonnelebten,sichumdasThe
maLiebeverhieltenundgebrdeten.IngewisserWeise
war Murnaus Klassiker der ,Erotikflm seiner Zeit, in
demmandieKrperschner,jungerMenschensehrs
thetisch geflmt und inszeniert sehen konnte. Angesichts
des enormen Erfolgs von TABU zumindest in Hamburg
kommtderGedankeauf,dassaucheineLeniRiefenstahl
hierAnregungenfand.
MageblicheFilmstrmungen1932
AllgemeingaltdasJahr1932bzw.dieSaison1931/32
(denn die Tendenzen bestanden schon lnger) als ein
faues Kinojahr, das durch keine ,Highlights gekenn
zeichnetwar,diebesondereWegewiesenoderMarkstei
ne setzten, wie etwa noch derAusklang der UfaStaffel
inderVorsaisonmitDERKONGRESSTANZT.Retrospektiv
gesehenwardasletzteJahrdesFilmsderWeimarerRe
publikaberauchgekennzeichnetvoneinerFunktion,die
dasMediumFilmvonjeherundvoralleminderwirt
schaftlichen Depression erfllte: Es lieferte einen Aus
gleichzumAlltagdurchEntspannungundUnterhaltung
LeichtigkeitohneTiefgangdurchAdaptionenvonBou
levardkomdien und durch Militrklamotten, wobei die
Militrklamotten das Soldatische und Kriegerische
berwiegendausblendetenunddieLiebedasSpielbe
stimmenlieen.
Gleichzeitig wurden allerdings auch ein glorifziertes
kriegerisches Preuentum und die letzte Erfahrung von
Krieg, des Ersten Weltkriegs von 19141918, im Jahr
1932 zunehmend zum Thema auf der Leinwand (und
nichtnurdort
32
).IndenJahrenzuvorwarendeutlichwe
niger Filme zu diesenThemen erschienen. DenAnfang
machteYORCK, der UIa-,Weihnachtsflm von 1931 mit
Werner Krau, der schon zwei Tage nach der Berliner
Premiere im UfaPalast am Zoo in Hamburg am ersten
WeihnachtstagimLessingTheaterunddenHarvestehu
derLichtspielenanlief.DervaterlndischeFilmumden
siegreichenGeneralgegendieNapoleonischeHerrschaft
warsehrerfolgreich,wurdevondenbeidenErstauffh
rungskinos sogar in eine dritte Spielwoche verlngert
und1932langenachgespielt.KurzdarauffolgteHenny
Portensebenfalls1931gedrehtesGroprojektLUISE,K
NIGIN VON PREUSSEN, ein, wenn auch zgerlicher,Appell
anFriedenundVlkervershnung,derimGegensatzzu
YORCKkeinErfolgwurdeundvonderHamburgerRechts
presse(undnichtnurdieser)Verrisseerntete.
YORCK war nicht zuletzt auch deshalb von Bedeutung,
weilderFilmvonderfranzsischenZeitungLibertfr
dieWarnungzumAnlassgenommenwurde,dasssolche
FilmedenBestrebungenHitlersVorschubleistenund
eine Gefahr fr den Weltfrieden darstellen wrden
dem solle Frankreich entgegentreten und eine Opposi
tionzurUfaschaffen.
33
Soberichtetendierechtskonser
vativenHamburgerNachrichtenundwittertendarindie
Absicht Ir eine ,Ieindliche bernahme der Mnchner
EmelkadurchfranzsischesKapital,diesiewenigspter
dannaucheingetretensahen.
34

Obwohl sie gegenber nicht militrischen Filmen deut


lich in der Minderheit blieben, hoben sich Filme ber
Krieg und Militr gegenber diesen hervor, weil es be
sonders aufwendige Filme waren, die dieAufmerksam
keit stark auf sich zogen. Um einige Titel zu nennen,
erschienen neben YORK und Portens LUISEFilm weiter
die Kriegs- und Militrflme KADETTEN (1931 gedreht,
Anfang 1932 in Hamburg angelaufen), KREUZER EMDEN
(zurErstauffhrunginderPassagewarenAngehrigeder
EmdenBesatzungmitihrenFamilienindieEhrenloge
geladenundwurdendurchOvationengeehrtvorabgab
eseinenzndendgesprochenenProlog
35
),TANNENBERG
(derHindenburgFilm),DieELFSCHILLSCHENOFFIZIERE
(dieletztenbeidenFilmeliefeninHamburginderselben
WocheanundragtenausdemweiterenErstauffhrungs
geschehenganzbesondersheraus)sowieTRENCKundam
EndedesJahreswurdeberdieInszenierungderSchlacht
beiDberitzfrDERCHORALVONLEUTHENberichtet.
AuerdemwarenimmilitrischenMilieuangesiedeltdie
KomdienDERSTOLZDER3.KOMPANIE,ZUBEFEHLHERR
UNTEROFFIZIER,DERSCHNSTEMANNIMSTAATE,DERFELD
HERRNHGEL,JA,TREUISTDIESOLDATENLIEBE,DREIVONDER
KAVALLERIEundHUSARENLIEBE.DanebenliefenauchMi
litariaausdemAusland,etwaderColumbiaFilmHELDEN
DERLUFT,einPropagandaFilmfrdenMilitarismusder
Luft
36
,dermitUntersttzungderamerikanischenMari
neundLuftwaffeentstandenwar,oderderfranzsische
49 Kino und Kinokultur 1932
Antikriegsflm DIE HLZERNEN KREUZE. Zu ergnzen ist
auerdem,dassinBerlinderFilmDERSTAHLHELMMAR
SCHIERT inAnwesenheit des Reiskanzlers von Papen ur
aufgefhrtwurde
37
inHamburgliefdieserFilmnicht.
Beiprogramm,BhnenschauundWochenschau
Bhnenschauen,indenenArtistenoderSngerauftraten,
bot regulr nur der UfaPalast. Das dreistndige Pro
grammwurdevomOrchestermiteinerOuvertreerff
net,dannfolgtediejeweilsneuesteAusgabederUfaWo
che und sodann das VarietProgramm. Es bestand in
derRegelausdreiNummerninternationalerKnstler.
Andere Kinos nahmenBhnenschauennur gelegentlich
ins Programm, am hufgsten die Kinos von Paul Bes
se,dieHarmonieLichtspiele,dieColosseumLichtspiele
und das TivoliTheater (um 1932 wurde die Beschfti
gung arbeitsloserArtisten im Kino durch eine Ermi
gungderLustbarkeitssteuerbegnstigt).
Usus in den Hamburger Kinos von 1932 war ein rein
aus Filmen bestehendesVorprogramm, das so genannte
Beiprogramm, das aus einer Wochenschau und einem
kurzen Film bestand. Der Kurzflm wurde blicherweise
von den Verleihern zum Hauptflm mitgelieIert.
Dank der Hamburger Nachrichten, in denen das Bei
programm der in Hamburg neu angelaufenen Filme
fastdurchgngigebenfallsbesprochenwurde,lsstsich
feststellen,dasssichdasvondenNazisspterperEdikt
erlassene Schema des Beiprogramms aus Wochenschau
und Kulturflm schon 1932 Iest eingebrgert hatte. Das
Genre des Kulturflms beherrschte den Posten des Kurz
flms schon in diesem Jahr in der groen Mehrzahl. Ge
legentlich gab es auch Kurzspielflme, die vor allem die
UIa produzierte, oder Trickflme (etwa mit der beliebten
Mickey-Mouse). Ab und zu lieIen auch zwei Kurzflme,
wahrscheinlich wenn der Hauptflm etwas krzer war
oderzweikrzereEinakterkombiniertwurden.
Wenn man nach den Besprechungen in den Hamburger
NachrichtengehtundnachdeneninanderenZeitungen
, gaben sich die Kurzkulturflm-Produzenten (deren
grter, wie gesagt, die UIa mit einer eigenen Kulturflm
abteilungwar)sehrgroeMhe,uminteressanteFilme
herzustellen. Die Kulturflme im Kinobeiprogramm wur
deneigentlichnurgelobt,undoftlsstsicheineaufrich
tige Faszination der rezensierenden Betrachter an deren
Wortwahlspren.Mankanndavonausgehen,dassKul
turflme (auch ohne ihre Verordnung per Edikt durch die
Nazis)beimPublikumdurchausnichtunbeliebtwaren.
Was die schon seit den 1910er Jahren obligate
Wochenschau betrifft, so spielten die Hamburger Erst
auffhrungskinos 1932 mglichst individuell unter
schiedlicheaus demAngebot. Die Schauburgenzeigten
die UfaWoche, das Passage die EmelkaWoche, das
LessingundHarvestehuderTheaterdieDeuligWoche,
der PrimusPalast die FoxWoche usw. Wahrscheinlich
wurden die Wochenschauen von den Verleihern daher
nicht mitgeliefert, sondern von den Kinobetreibern bei
denverschiedenenAnbieternfestgebucht.
Wiederum durch die Besprechungen der Hamburger
Nachrichten,diesehroftauchdieeinzelnenBeitrgeder
Wochenschauenaufzhlten,lsstsichfrdasJahr1932
festhalten, dass die Kinowochenschauen noch nahezu
gnzlich unpolitisch und frei von jeglicherTagespolitik
undPropagandawaren.DastypischeSchemaallerWo
chenschauen umfasste als Themen aktuelle Ereignisse
(wie Naturkatastrophen), Technik, Kultur und sehr viel
Sport.UmeinBeispielausdenHamburgerNachrichten
zuzitieren,stelltedieEmelkaWocheausderletztenJuli
Wochedie
FliegerinMargavonEtzdorfbeiihrerHeimkehrvorzeigt
fernerdieFeuerwehrinTtigkeit,dieFabrikationamerika
nischerKleinmnzen(Preisabbau!),neueRennrekorde,ein
antideutschesTschechenfest in Prag, einen neuenApparat
zur Rettung untergegangener Schiffe, tollkhne Artisten
kunststckeunddasTreibenaufConeyIsland.
38

Im weiteren Sinn politische Beitrge fnden sich etwa in


derBegrungsrededesVorsitzendenArthurHendersons
zur Abrstungskonferenz des Vlkerbundes in Genf
39

oder in derAnsprache Reichskanzlers Franz von Papen


zurVerfassungsfeierimReichstag.
40

Es vermittelt sich daher der Eindruck, dass die Kino


WochenschauderausgehendenWeimarerRepubliknoch
immeraufdiePrmissenderseitdenAnfngendesFilms
imVarietvorderWendezum20.Jahrhundertetablier
ten optischen Berichterstattung (wie Wochenschauen
gelegentlichauch1932nochgenanntwurden)ausgerich
tetwar:Spektakulres,allgemeinInformativesundUn
terhaltendeszubieten.
ZumSchlussnocheineArabeske:Wieschon1913,wur
dederBegriffFilmauch1932inderHamburgerPresse
als Metapher benutzt, doch sie hatte nun eine neue Be
50 Corinna Mller
deutung.1913standFilmfrdasSpektakulreundSpe
kulative, Unwahrscheinliche, das dem Medium (anders
als der Bhne) jedoch zugebilligt und an ihm geschtzt
wurde.1932hattesichdieBedeutungderMetapherzwar
nichtvlligvonderursprnglichengelst,aberinsAll
tgliche verschoben. Film stand nun fr eine gute, zu
meist biografsche Geschichte (der ,Film' der Person
Sowieso), die ungewhnlich, interessant und spannend
eben erzhlenswert ist, aber auch vom Leben ge
schriebenwerdenkann.
41
Immer noch ein Thema: der Tonlm
Eigentlich wre das Thema ,Tonflm 1932 nicht mehr
aktuell gewesen, weil der Tonflm zur Normalitt ge-
worden war. 1931/32 wurden in den Hamburger Kinos
nahezu nur noch Tonflme geboten. Einzig die Kultur
flmbhne Urania spielte auch 1931/32 noch berwie
gend stumme Kulturflme mit Orchesterbegleitung.
Dennoch lebte das Thema ,Tonflm auI verschiedenen
EbeneninderhanseatischenPublizistikundauchinder
Kinopraxisfort.
Vor allem der Hamburgische Correspondent berichtete
regelmig ber den neuesten Stand des Tonflms: ber
ein ,rollendes Tonflmkino' in den USA, einen Bus, der
ber Land reiste, ber die Ausstattung der Schiffe der
Hamburg-Amerika-Linie mit Tonflm-Bordkinos, ber
berhmte Hollywood-Stars, die im Tonflm zuerst nicht
Fu fassen konnten, doch dann ihr Comeback feierten,
ber unsichtbare Tne, ein neues Tonaufzeichnungs
verIahren, die ,tnende HandschriIt', ber TonflmauI
nahmen bei MORGENROT in Neubabelsberg und vieles
mehr.
Auch grere Kontexte wurden erschlossen. So wurde
berichtet, dass die jeweiligen nationalen Filmindustrien
durch den Tonflm teilweise drastische Verluste ihrer
Auslandsmrkteerlebten.WarnerBrothersmachtesogar
Verluste in Millionenhhe, aus 1931 von ber 7 Milli
onen Dollar, in der ersten Jahreshlfte 1932 von fast
drei Millionen.
42
Berichtet wurde auch ber ein starkes
Schwinden auslndischer Filme in den deutschen Ki
nos.
43
ObwohlindenHamburgerKinosdeutscheFilme
schon in der Stummflmzeit deutlich dominierten
44
,wur
de diese Dominanz in der Tonflmra in der Tat noch
ausgeprgter.SeitderWirtschaftskrisemachtesichzwar
inallenLnderneinProtektionismuszugunstenderein
heimischen Industrien breit, und in Deutschland wurde
die Filmeinfuhr kontingentiert (es gab sogar unter dem
wachsenden Einfuss der Nazis und rechts gerichteter
KreisedieBestrebungzurAutarkieundeinervlligen
Filmimportsperre, die vom Reichsverband der deut
schen Lichtspieltheaterbesitzer jedoch in aller Schrfe
abgelehntwurde
45
).DochdieKontingentierungenwaren
nichtderGrundfrdenRckgangauslndischerFilme,
sondern das Problem der bersetzung von Dialogen in
andereNationalsprachen.
Die meisten auslndischen Filme wobei es sich nach
wievormitgroemAbstandumamerikanischehandelte
liefeninHamburginderOriginalsprache,dieoftnicht
bersetztwurde.Wennmanbedenkt,dassEnglischnoch
kaum im Schulunterricht gelehrt wurde, erstaunt nicht,
dasseinjungerHamburgerKinognger,derseineEltern
anWeihnachtenzumKinobesuchausgefhrthatte,ange
sichtseinesenglischsprachigenFilmsfrustriertseinEin
trittsgeldzurckverlangteundTumultmachte.
46
Eine andere Variante waren bersetzungen durch Zwi
schentitel wohl gemerkt, klassische, zwischen die
laufenden Bilder geschnitteneTitel.Auch dies war kei
ne gute Lsung, weil die Handlung und die Tonspur
stndig unterbrochen wurde. Auch Untertitel gab es,
abersiestieenebenfallsnichtaufvielGegenliebe.Um
einen Eindruck zu vermitteln, wie ungewohnt ausln
discheFilmewirkenkonnten,seieinKritikerzitiert:
Der Tonflm spielt in Paris, gesprochen wird englisch, und
die Stichworte des Dialogs fimmern in deutscher Sprache
untenamRande.EinschnerZustandistdasnicht.Zumal
dann nicht, wenn die Stichworte mit Sekundenschnelle
einander folgen denn whrend man sie liest, kann man
dasSpielderMimennichtbeobachten,unddaswirktsehr
strend.Daistesdochwohlpraktischer,dassdenausln
dischen Mimen durch unsichtbare deutsche Sprecher der
ganzeTextunterlegtwird.
47
Eine aufwendige und teure deutschsprachige Synchro
nisation erhielten nur wenige Filme, wie etwa FILM
VERRCKT mit dem sehr populren Harold Lloyd durch
Tobis-Klangflm, die als gelungen bewertet wurde.
48
Oft
wurde die Synchronisation allerdings im Herkunftsland
und nicht durch Muttersprachler vorgenommen, was
z.B.beiWODIEWOLGAFLIESSTundTARZAN,DERHERRDES
DSCHUNGELSderFallgewesenwar,wosichKritikerber
falschesodergeschrobenesDeutschbeschwerten.
49

51 Kino und Kinokultur 1932


Die methodisch noch ungelste berwindung der
Sprachbarriere fhrte dazu, dass zwar amerikanische
Groproduktionen wie EINE AMERIKANISCHE TRAGDIE,
FRANKENSTEIN, DR. JEKYLL UND MR. HYDE (auch oIfzi
eller USBeitrag bei der ersten Biennale von Venedig)
oder die Filme mit Marlene Dietrich, Greta Garbo und
diejenigen Ernst Lubitschs nach Deutschland gelangten
undauchinHamburgherauskamen.Dochamerikanische
B-Produktionen, die in der Stummflmzeit von den Ham
burger Kinoleitern zuweilen durchaus gespielt wurden,
fndet man in den Kinoinseraten nicht mehr. Das Holly
woodkino in Hamburg blieb in der Tonflmra schon vor
der NSZeit auf PrestigeProduktionen beschrnkt zu
denen sehr wohl auch Gruselflme wie FRANKENSTEINge
hrten(denmaninHamburgallerdingsunfreiwilligko
misch, naiv und im fnalen Verbrennungstod des Mons
tersauchgrausamfand).
Was man ebenfalls vergeblich in den Hamburger Kino
programmen der beginnenden Tonflmra sucht, sind die
vielbeschworenenamerikanischenWesternauseinem
hchst profanen Grund: Western wurden in den ersten
Tonflmjahren so gut wie nicht mehr gedreht. Dies geht
auseinemArtikelinderHamburgerPressehervor,indem
u.a.berdengrtenamerikanischenWesternStar,Tom
Mix,berichtetwird.
50
Nach dem bergang zum Tonflm
indenUSApausierteMix,dervorallemalskhnerRei
terbekanntwar,von1929aninseinerFilmarbeitundtrat
stattdessen im Zirkus auf. Erst 1932 entstand der erste
Tom Mix-Tonflm-Western, TOMMIXRECHNETAB,indem
MixseineHamburgerWesternGemeindewiederbegeis
tern konnte. Die Tonflmabstinenz des Western-Stars lag
daran,dassseineFilmeihrenReizdavonbezogenhatten,
dasssieinderfreienNaturspielten,woauchdierasanten
ReitkunststckebesonderseindrucksvollzurGeltungka
men. Der Irhe Tonflm war stattdessen auIs Studio an
gewiesenunderstetwaum1931/32frumfangreichere
Auenaufnahmen bereit. Zwar wurden Western selbst
dannnochoftimStudiogedreht,wassichbeiTOMMIX
RECHNET AB gut htte realisieren lassen, weil die Hand
lungdenInhaltsbeschreibungeninRezensionenzufolge
in Innenrumen spielte, doch den Produktionsangaben
nachwurdederFilmteilweiseauchaufdemriesigenGe
lndederFrenchRanchaufThousandOaksgedreht.
Die hamburgische Presse konstatiert auer dem Wes
tern noch ein zweites aus der Stummflmra bekanntes
Filmgenre, das mit dem Tonflm zum Erliegen kam, den
,Sensationsflm, was Filme mit vielen Stunts und tur
bulenten Situationen meint. Auch dieses Genre konnte
seine etablierten Muster nicht einfach ins Studio verle
gen und wurde daher vorbergehend ausgesetzt. Seiner
Rckkehr widmete der HAMBURGISCHE CORRESPONDENT
mit einem eigenenArtikelAufmerksamkeit, der anlss
lich der lokalen Premiere von ES GEHT UM ALLES, dem
erstenneuerlichenFilmbeispiel,einerdeutschenProduk
tion, erschien.
51
Die Stunts in diesem Film waren zum
Teil in Hamburg gedreht worden, im Hafen und in der
oberstenEtagedesChileHauses.
Zuletzt verzeichnete die Hamburgische Presse als die
vielleicht am meisten berraschende Folge des Ton
flms im Jahr 1932 das AuIkommen von Reprisen, die
in der Stummflmzeit noch nahezu unbekannt waren. In
der Stummflmra herrschte traditionell ein sehr groes
berangebot an Filmen, so dass man sogar tagtglich
viele Premieren htte abhalten knnen. Es lag fr die
Kinoleiterdahernichtnahe,inderProgrammierungauf
ltere Filme zurckzugreiIen. In der Tonflmra trat da
gegen ein Mangel ein, der sich vor allem in der Som
merpauseindenMonatenvonMaibisAugustbemerkbar
machte. In diesen Monaten wurden in Deutschland nur
sehr wenige neue Tonflme herausgebracht, so dass die
Verleihe voran derVerleih der Ufa ltere Filme ins
Programmnahmen,diesehrerfolgreichgewesenwaren.
Der erste in Hamburg auIgeIhrte Reprisen-Tonflm
stammteausderUfaProduktionderVorsaison1930/31,
dernationalewieinternationaleTopHitdesJahres1931,
DER KONGRESS TANZT. Im Anschluss griff die Ufa auch
auI ihre allererste TonflmstaIIel von 1929/30 zurck
und brachte DER BLAUE ENGEL neu heraus, gefolgt u. a.
vonBOMBENAUFMONTECARLO,dasFLTENKONZERTVON
SANSSOUCIundARIANE.
AnlsslichderWiederauffhrungvonDERBLAUEENGEL
kommentierten die Hamburger Nachrichten das Phno
menderReprisendamit,dassdiedeutscheFilmproduk
tion in Bedrngnis geraten sei, einerseits indem sie
sichlanganhaltendaufdieHerstellungvonschwcheren
Filmen verlegt habe, andererseits aber auch durch das
EinbrechendesAuslandsabsatzes,nichtzuletztdurchdie
ProduktionderwenigerfolgreichenMehrsprachenversi
onen.
52
InderTathattedieUfa1932erstmalszubekla
gen,dassihreAteliersnurnochzuetwa60%ausgelastet
waren.
53

Der Gedanke, dass auch ltere Filme im Kino der Ge


52 Corinna Mller
genwart neu aufeben knnten, war unmittelbar in den
historischen Kontext des bergangs zum Tonflm ein
gebettet. Da der Tonflm den Stummflm in Deutsch-
land und im Gefolge dann auch im weiteren Europa
sehr schnell verdrngte, schuf er ein Bewusstsein da
fr,dasssicheinradikalerMedienwandelereignethatte
unddamitentstanderstmalsaucheinBewusstseinfrdie
HistorizittdesMediumsFilm.
Im Spiegel der Hamburgischen Presse war 1932 das
Jahr der in groem Stil begangenen Rckbesinnungen:
ImApril gab es einen groenArtikel ber dieAnfnge
des Tonflms um 1900 und die Weiterentwicklung der
Tonflmtechnik
54
, im August wurde ausfhrlich ber
eine BerlinerAusstellung berichtet, die das frhe Kino
rekonstruierte
55
und das groe Interesse an ihrer Erff
nungdurchdieFilmprominenznotiert.
56
DieHamburger
NachrichtenfordertennachdrcklicheineHamburgische
Sammel undArchivierungsinitiativeundbeklagtendas
mangelndeEngagementdesStaatsarchivs,dasnursechs
historischeFilmeaufbewahrte.
57

Die durch den Tonflm sinnIllig gewordene Historizitt


und Vergnglichkeit des Filmschaffens inspirierte indes
auch ein neues Bedrfnis danach, Klassizitt und die
damit verbundenen Wrden und Ehrungen im Gegen
wartsflmschaIIen wirksam zu machen. 1929 wurde in
AmerikaderOscareingefhrt,1932wurdeinVenedig,
nachdemVorbildderjeweilsimZweijahresturnusstatt
fndenden Kunst-Biennalen, erstmals eine ebenIalls in
diesem Turnus geplante FilmBiennale abgehalten, wo
beizunchstnochkeinPreisverliehenwurde.Alsdeut
scherBeitragliefaufdiesererstenBiennaleMDCHENIN
UNIFORM.
Tonlm in der Praxis
In der Praxis bedeutete der bergang zum Tonflm, dass
eine technisch reproduzierte akustische Ebene in Ki
nos wiedergegeben werden musste, die architektonisch
nichtdafrgeeignetwaren,einengerichtetenTondurch
(zudem: Monoton) Lautsprecher gleichmig hrbar
zu machen. Das Problem bestand darin, dass die Kinos
der Stummflmra auI Schauwerte Irs Publikum hin
eingerichtetwordenwarenundohneRcksichtaufeine
gerichtete Schallreproduktion. Deshalb produzierten sie
eine uneinheitliche Klangwirkung, an manchen Stellen
einezuleiseAkustikbishinzuTonlchernoderNach
hallwirkungen,diesichzumEchosteigernkonnten,was
durchdieBrechungderSchallwellenananderenStellen
im Raum dieAkustikreproduktion im ganzen Saal st
ren konnte. Ein briges tat die noch unausgereiIte elek
trische Verstrkung, die ungeheuer pannenanfllig war,
so dass der Ton im Kino jaulte und pfII oder andere Str
geruscheproduzierte.Alldiesfhrtedazu,dassmandie
Sprache beim Tonflm in den ersten Jahren oIt kaum ver
stehenkonnte.
58
Diese Probleme betrafen natrlich auch die Hamburger
Kinos. 1931 hie es, dass sich inHamburgnur ein ein
zigesKino,dasMillerntorTheater,denLuxussehrguter
TonqualittleisteteeshabegutenBesuchimGegensatz
zu anderen hiesigenTheatern.
59
Erst mit dem Tonflm
kino war die damals noch in den Anfngen steckende
WissenschaftderRaumakustikgefragtpltzlichmuss
ten Tausende von ganz unterschiedlichen Rumen zu
,Tonflm-Rumen umgestaltet werden. Dazu musste die
Tonflmindustrie zuerst einmal Fachleute ausbilden, was
Tobis-Klangflm sehr schnell in AngriII nahm, aber doch
nichtvorEnde1932/Anfang1933dasZielerreichte,dass
esindenmeistendeutschenKinoseineguteKlangrepro
duktiongab.
Angesichts dieser Umstnde verhielt sich die deutsche
Tonflmproduktion mit ihrem Hang zum Leichten (oder
auch Seichten) sehr umsichtig. Um 1931/32 wurden
kaumnochFilmeproduziert,dieimSchwerpunktaufDi
alogsetzten.StattdessenentstandeineFllevonFilmen
mitvielMusikundGesang,dievielgerhmtenundviel
gescholtenen ,Tonflmoperetten, denn bei Musik und
GesangstrteeineschlechteTonwiedergabeweitauswe
nigeralsbeigesprochenerSprache.Auerdemhattedie
seAusrichtungfrdieFilmproduktiondenangenehmen
Nebeneffekt des CrossMerchandisings die Ufa stand
1932anderSpitzedereuropischenMusikverlage.
60

ErstinderStaffel1932/33plantedieUfadanneinedeut
lichereAbkehrvonderOperettenlinieundHinwendung
zu ,mehr Ernst', zu mehr Dialogflmen.
61
UmdieseZeit
waren die grten Schwierigkeiten der Tonwiedergabe
behobenunddieKinosauchweitgehendraumakustisch
verbessert worden. Dennoch war das Thema ,Tonflm
offenbar noch nicht gnzlich abgehakt. Das Millerntor
theater wurde 1932 renoviert und erhielt auch die neu
esteTechnikneuangeschafftwurdennebenzweiTon
flmprojektoren aber auch noch zwei Stummflmprojek
53 Kino und Kinokultur 1932
toren!
62
VollkommenberzeugtvonderZukunftdesTon
flms war man oIIenbar immer noch nicht. Im UIa-Palast
gabesnachwievordasUfaSymphonieOrchester,das
dieVorstellungenmitstetszumFilmpassendenOuvert
ren erIInete; auch die Urania, die noch oIt Stummflme
zeigte,unterhieltihrOrchesternoch1932zumAuftakt
der Saison 1932/33 gab es auch in allen Schauburgen
wiederLiveMusikzurErffnungdazuwurdenteilwei
seErwerbslosealsMusikerbeschftigt.
63

Die Bilanz zum Thema Tonflm im Jahr vor dem Ein


trittDeutschlandsindieNSDiktaturisternchternd:Die
anfnglichen Schwierigkeiten hatte man genau dann im
Griff,alsderguteTonimKinodenHasstiradenHitlers
und Goebbels` zu Nutze kam. Gewiss war der Tonflm
Ende der 1920er Jahre eine Art medienhistorische Un
vermeidlichkeit, doch fr Deutschland kam er zur Un
zeit. Dazu ein Gedankenspiel: Wenn es den Tonflm 1933
nicht gegeben htte, was wre dann als Stummflm mit
ZwischentitelnvondennationalsozialistischenHetzre
denimKinonochwirkungsmchtiggeblieben?
Anmerkungen
1. DieAngaben zur wirtschaftlichen Lage in Hamburg folgen
UrsulaBttner:DasEndederWeimarerRepublikundderAuf
stieg der Nationalsozialisten in Hamburg. In: Dies., Werner
Jochmann:HamburgaufdemWeginsDritteReich,Entschei
dungsjahre19311933.Hamburg
4
1993,S.737,hierS.15ff.
2.Vgl.CorinnaMller:Jom Stummhlm :um Tonhlm.Mnchen
2003,S.42ff.
3.Vgl.MichaelTteberg:FilmstadtHamburg.VonHansAlbers
bis Wim Wenders, vom Abaton zu den ZeiseKinos. Hamburg
2
1997, S. 40. Hier werden 71 Kinos frs Jahr 1913 genannt
es gab anschlieend konjunkturell und vom Ersten Weltkrieg
bedingteSchwankungen.
4. Diese und weitere statistischeAngaben gem Statistische
Jahrbcher der freien und Hansestadt Hamburg 1931/32, S.
239,1932/33,S.231,1934,S.243.DieAngabenumfassenje
weilsdieletztenvierJahre.
5.Vgl.MichaelTteberg:KampfderGiganten.Schauburgen
und Kinopalste (19181933). In: Ders., Volker Reimann:
MachDireinpaarschneStunden.DasHamburgerKinobuch.
Bremen2008,S.3963.
6.SoMichaelTtebergindiesemBand.
7.InderStatistikwurdennurTheaterundKinosgefhrt.Anga
benzuKonzertbhnen,VarietsundKleinkunstbhnenwurden
nichterhoben.
8.DasStatistischeJahrbuchfr1932/33nennteinenBevlke
rungs-Hchststand im Jahr 1929 von 1.226.309, rcklufg auI
1.183.171fr1933.
9.AngabenzurHhederEintrittsgelderwurdenindenAnzei
gen aller Kulturinstitute normalerweise nicht gemacht. Einige
Ausnahmen geben allerdings Aufschluss ber die gngigen
Preisniveaus.
10.AnzeigenimHamburgerFremdenblatt,29.10.1931.
11.AnzeigeimHamburgerFremdenblatt,1.11.1931.
12. Anzeigen im Hamburger Fremdenblatt, 30.1.1932 und
3.2.1932.
13. Anzeige im Hamburger Fremdenblatt, 1.2.1932 und
3.2.1932.
14.AnzeigeimHamburgerFremdenblatt,1.2.1932.
15AnzeigeimHamburgerFremdenblatt,15.8.1930.
16. Anzeige aller Schauburgen u. a. in Hamburgischer Cor
respondent,2.9.1932.
17. O.Vf.: MehrfrontenKampf im Filmgeschft. Bericht des
UfaKonzerns.In:HamburgischerCorrespondent,25.10.1932.
DerGeschftsberichtderUfafhrtedenBesucherrckgangei
nerseits auf den heien Sommer und Herbst und andererseits
aufdievielenWahlenundWahlveranstaltungendesJahreszu
rck.
18. Eintrittspreise verffentlichte der UfaPalast 1932 nur bei
Kulturflm-Sonntagsmatineen, die allerdings indirekt auI
schlussreichsind.BeziffertwerdendiePreiseAnfang1932bei
IMLANDDERDOLOMITENmit80Pfg.bis2,50Mk.(Hamburger
Fremdenblatt, 30.1.1932), was sich wahrscheinlich unterhalb
des Normalniveaus bewegte. BeiAUS UNSERER SCHNEN DEUT
SCHENHEIMATlagendiePreisejedochzwischen1,50Mk.ein
MindestniveauwohlberderNormalvorstellungvon1932bis
3Mk.(ebd,12.1.1932Logenpreisejeweilsnichtangegeben).
19. Anonym: ,Der deutsche Tonflm liegt an erster Stelle'. In:
HamburgerNachrichten,20.7.1932.
20. Die erhebliche Krise, unter der das Theater nicht nur in
Hamburglitt,gehtambestenausderNotizTheater,denenes
gut geht hervor (Hamburgischer Correspondent, 18.6.1932),
indenendiesewenigenBhnengenanntsind(UlmerStadtthe
ater,StadttheaterFrankfurtanderOder,WrzburgerStadtthe
ater).
21.Vgl.dieListederHamburgerKinosimAnhangzuMichael
Ttebergs Beitrag. Sie wurde mit den Recherchen zu diesem
Beitrag abgeglichen (erstellt anhand der Webpage des Ham
burger Film und Fernsehmuseums, ergnzt durch Angaben
in Anzeigen) und bietet ein gutes Bild (Abweichungen: der
54 Corinna Mller
GermaniaPalasthie1932nochHammaBurgunddieRialto
LichtspieleEliteTheaterinderListevon1933fehlendieOt
tenserLichtspiele,Papenstr.15/17unddieAltonaerLichtspiele,
BrgerstraesowiezweiKinos,derenExistenz1932mglich,
aber nicht sicher nachweisbar ist: BachTheater, Schweriner
straeundHanseLichtspiele,WandsbekerChausseegelegent
lich fanden 1932 auch in der Gaststtte Kaiserhof in Altona
Filmvorfhrungen statt). In meiner Liste fehlen dagegen die
DerbyLichtspiele (Am Bauerberg), und ob sie existierten, ist
eherfraglich:ImHamburgerStadtplanvon1931gibteskeine
StraeAmBauerberg.
22.Vgl.MichaelTteberg:NebendemOperettentheaterund
visvisvomSchauspielhaus.EineKinotopographievonHam
burg18961912.In:CorinnaMller,HarroSegeberg(Hrsg.):
Kinoffentlichkeit (18951920) / Cinemas Public Sphere
(18951920).Marburg2008,S.87104.
23. Zur Hamburger Stadtstruktur und Stadtgeschichte vgl.
EckardtKlessmann:GeschichtederStadtHamburg.Hamburg
1981 Ortwin Pelc: Hamburg. Die Stadt im 20. Jahrhundert.
Hamburg2002.
24.MichaelReiter:HamburgHamm16931993.EineChronik
zum 300jhrigen Bestehen der Hammer Dreifaltigkeitskirche.
Kiel1993,S.42.
25.ZuUhlenhorstvgl.AxelBraun:HamburgUhlenhorst.Ent
wicklung und Sozialstruktur eines citynahen Wohnquartiers.
Hamburg1972.
26.MitdemPhnomendieserKinosbefasstsichJeanpaulGoer
genfrBerlin(CinemaintheSpotlight.TheLichtspielThe
aters and the Newspapers in Berlin, September 1913.A Case
Study. In: Mller, Segeberg: Kinoffentlichkeit [wie Anm.
22],S.6686).GoergenbezeichnetdieinserierendenKinosals
sichtbare(visible)unddienichtinserierendenalsunsicht
bare(invisible)ichziehedieRedevongrauenKinosvor,
dennvlligunsichtbarsindvieledieserKinosinHamburgnicht
(wasinBerlindeutlichandersseindrfte),dennmankannsie
lokalisierenundihreNamenfeststellen,undinmanchenFllen
gibtesFotos(einesisthierabgebildet).
27. Vgl. Heide Schlpmann: Unheimlichkeit des Blicks. Das
DramadesfrhendeutschenKinos.Basel,Frankfurt/M.1990.
28. HansPeter Schneekloth: Apfelsinenpudding und Rohr
stock.KindheitaufdemHansaplatz.JugendinSt.Georg.Ham
burg1995,S.63zuSt.GeorgauerdemMichaelJoho(Hrsg.):
KeinOrtfranstndigeLeute.St.GeorgGeschichteund
Gegenwarteinesl(i)ebenswertenStadtteils.Hamburg1990.
29.EinjungerKommunistwarfauch1932nochbeieinerAuf
fhrungvonTANNENBERGinderSchauburgWandsbekeinenKa
nonenschlgerindenZuschauerraumundwurdedeshalbstraf
rechtlichverfolgt(HamburgischerCorrespondent,9.10.1932)
sonst wurde in der Presse jedoch nicht mehr ber politische
KundgebungenimKinoberichtet.
30.NichtgelaufensindinHamburgetwadiedeutschsprachigen
Filme TNZERINNEN FR SDAMERIKA GESUCHT (D/ 1930/31),
SONNTAG DES LEBENS I + II (dt. V. von THE DEVILS HOLIDAY,
USA1930),DASKONZERTI+II(D1931dt.V.vonFASHIONSIN
LOVE, USA 1929),VERKLUNGENETRUME (D/Rumnien 1931),
GESANGVEREIN SORGENFREI (D 1931), DER HERZOG VON REICH
STADT(dt.V.vonLAiglon,F1931),WIENERZAUBERKLNGE(
1931),KINDERDESGLCKS(dt.V.vonCHILDRENOFCHANCE,GB
1931),IMBANNEDERBERGE(D1931),umeinigeBeispielezu
nennen.
31.AnzeigenUfaPalast,3.11.1931und10.11.1931.
32.DasThemaKriegwurdeinHamburgu.a.durcheinegroe
Gedenkausstellung 19141918 im BrehmHaus am Zoo im
September/Oktober 1932 aufgegriffen, die mit einer Feier zu
Ehren des 85. Geburtstags des Reichsprsidenten Hindenburg
ihrenAbschlussfand.WhrenddieserZeitgabesdasKriegs
stck DIE ENDLOSE STRASSE von Sigmund Graff am Deutschen
Schauspielhaus.
33. fe. Paris, den 8. Mrz: Franzsische FilmSorgen. Die
deutsche Ufa passt ihnen nicht. In: Hamburger Nachrichten,
9.3.1932.
34.ie.Paris,den22.Mrz:DeutschesFilmunternehmenvon
Franzosen gekauft. Ein Hieb gegen den nationalen Film. In:
HamburgerNachrichten,23.3.1932.
35.Vgl.HamburgischerCorrespondent,21.5.1932.
36.HamburgerNachrichten,10.7.1932.
37. ,Papen beim Stahlhelmflm'. In: Hamburgischer Cor
respondent,11.10.1932.
38.HamburgerNachrichten,24.7.1932.
39.HamburgerNachrichten,14.2.1932
40.HamburgerNachrichten,14.8.1932.
41. In diesem Sinn benutzte der Hamburgische Correspon
dent(HC)dieMetapherFilm,z.B.HerbertKetzin:Napoleon
II. Der tragische Film des Herzogs von Reichstadt. In: HC,
20.7.1932.
42. O.Vf.: Amerikanische Filmverluste. In: Hamburgischer
Correspondent,22.6.1932.
43. O.VI.: ,AuIstieg durch den Tonflm'. In: HamburgerNach
richten,5.8.1932.
44.SoheitesauchinBezugaufdieResonanzanderKinokas
se, dass es ,nicht erst seit Bestehen des Tonflms, sondern be
reitsinstummenFilmzeitenfastausschlielichdeutscheFilme
sind,dieindendeutschenKinosdiegrtenErfolgebringen.
A.K.vonHbbenet(Berlin):DasGeheimnisdesFilmerfolgs.
In:HamburgischerCorrespondent,19.7.1932.
45.O.Vf.:DerdeutscheFilm.AuchhierAutarkie?.In:Ham
55 Kino und Kinokultur 1932
burgischer Correspondent, 18.6.1932 sowie Teilabdruck der
RededesVorsitzendenLudwigScheerimReichsverband,ebd.
29.6.1932 laut Hans Taussig: Autarkie am tnenden Band.
Filmsterreichmachtsichselbstndig(ebd.,23.7.1932)be
schlossen die wichtigen sterreichischen Produzenten Oskar
Glck undArnold Pressburger nur noch in sterreich zu pro
duzieren.
46. ,Vor dem StraIrichter. Ein Tonflm verursacht ,AuIruhr!'.
In:HamburgischerCorrespondent,6.8.1932.
47. O.Vf.: Schloss im Mond. In: Hamburger Nachrichten,
23.10.1932(eshandeltesichumeineUSProduktion).
48.HamburgischerCorrespondent,16.12.1932.
49.HamburgerNachrichten,3.4.1932und23.10.1932.
50.K.:ImZwielichtdesRuhms.HollywoodsFilmsterne.In:
HamburgischerCorrespondent,22.7.1932.
51. O.VI.: ,Der Sensations-Tonflm ist da!'. In: Hamburgischer
Correspondent,11.6.1932.
52.HamburgerNachrichten,22.6.1932.
53. O.Vf.: MehrfrontenKampf im Filmgeschft. Bericht
des UfaKonzerns. In: Hamburgischer Correspondent,
25.10.1932.
54. A.K. von Hbbenet: ,Propheten und Pioniere des Tonflms'.
In:HamburgischerCorrespondent,30.4.1932.
55.O.Vf.:Sowaresvor25Jahren!.In:HamburgischerCor
respondent,27.8.1932.
56.HamburgischerCorrespondent,8.8.1932.
57. Thomas Hbbe: Hamburgs staatliches Filmarchiv. In:
HamburgerNachrichten,15.11.1932.
58.DazuausfhrlichMller:Jom Stummhlm :um Tonhlm(wie
Anm.2),S.245ff.
59. Edgar Ernsting: ,Grundstzliches zur TonflmvorIhrung'.
In:DieKinotechnik,Nr.17,10.9.1931.
60. O.VI.: ,Der deutsche Tonflm liegt an erster Stelle'. In:
HamburgerNachrichten,20.7.1932.
61. O.Vf.: Filme, die wir sehen werden. In: Hamburger
Nachrichten,21.7.1932(zurUfaStaffel1932/33).
62. O.Vf.: Millerntortheater wiedererffnet. In: Hamburger
Nachrichten,14.8.1932.
63. th.: Willi Vogel, der Ausbrecherknig. In: Hamburger
Nachrichten,4.9.1932.
57 Hamburger KinoLandschaft 19331945
1.Einleitung
DieWirtschaftskrisehatteamEndederWeimarerRepu
blik das Kino erreicht. Die Besucherzahlen waren stark
rcklufg, die Branche geriet unter Druck. Die Anzei
chen waren unbersehbar: Die ums berleben kmp
fendenkleinenundmittlerenTheatersenktendieEintritts
preise und vereinzelt wurde das ZweischlagerSystem
wieder eingefhrt, Auseinandersetzungen unter den
KinobetreibernwarendieFolge.LebhafteUnstimmig
keiten um die Eintrittspreisgestaltung vermeldete ein
Branchenblatt, nachdem die WeltLichtspiele in Barm
bek zum Jahresbeginn 1933 die Preise gesenkt hatten.
2

Die Hoffnungen der Hamburger Kinobesitzer richteten


sichaufdiePolitik,warmandochAnfangFebruar1933
berzeugt, dass die Aussichten fr Bercksichtigung
derWnschedesGewerbesnochniesognstiggewesen
seienwiejetztunterderneuenRegierung
3
.
Die konomische Misere wird offenbar an den von der
Finanzbehrde verffentlichten Zahlen: In sechs Jahren
hattensichdieEinnahmenausderLustbarkeitssteuerna
hezuhalbiertvonRM1.800.694(1928)aufRM960.110
(1933). Doch der Fiskus nderte mit der nationalsozi
alistischen Machtergreifung nicht seine Politik. Die
Hamburger Finanzbehrde lt den Griff keineswegs
locker,
4
wusste man in der Branche, aber Teilerfolge
wurden ihr doch abgerungen. In Wandsbek verzichtete
das Finanzamt bei Erwerbslosenkarten zu 40 Pfennig
ganz auf die Steuer bei Eintrittskarten zu 50 Pfennig
wurdesiezurHlfteerlassen.DerAbwrtstrendhieltje
dochan.IndentraditionellschlechtenSommermonaten
schlossen 1933 nicht nur wie blich der UfaPalast
und die UraniaFilmbhne, sondern auch Bezirkskinos
wie das Capitol in der Hoheluftchaussee oder das Cen
tralTheaterinEilbek.HattendieFinanzbehrdenschon
imVorjahrsichgezwungengesehen,angesichtsderpre
krenwirtschaftlichenLagedenFilmtheaterneineSteu
erstundung zu gewhren, erklrte man sich bereit, fr
die Monate Mai bis Juli 1933 ein Viertel der Steuer zu
stunden.Als die Kinosaison wieder voll im Gange war,
zeigtesich,dassvoneinerTrendwendekeineRedesein
konnte. Im Gegenteil: Im Oktober 1933 wurden wieder
121.533zahlendeKinobesucherwenigergegenberdem
VergleichsmonatimJahr1932gezhlt.ImHerbststellten
dreiKinosinAltonadieLichtburg,derKinoPalastund
die ToscaLichtspiele den Betrieb ein. Die Bilanz am
EndedesJahreswarniederschmetternd1933wiesdie
BesucherstatistikeinenneuenTiefstandauf:11.141.296,
indenJahren1928bis1930warenesstetsmehrals14
Millionengewesen.
5
Die angespannte Situation spiegelte sich wider in den
internen Diskussionen der Branche, die untereinander
zerstritten war. Neben der Arbeitsgemeinschaft der
Lichtspieltheaterbesitzer GroHamburgs hatten die
Parteigenossen sich in einer Verbandszelle nach dem
Vorbild der NSBO (Nationalsozialistischen Betriebszel
lenorganisation) organisiert. Die jdischen Besitzer des
HenschelKonzerns, mit seiner elf Filmtheater umfas
senden SchauburgKette der grte Kinobetreiber der
StadtnochvorderUfa,warenkeineFunktionreinder
Standesorganisation die Arisierung der Kinokette ge
schahnahezugeruschlos,zumaldieTreuhnderPaul
Romahn und Gustav Schmann bisher leitende Ange
stellte des Unternehmens waren. Die Neuorganisation
des Konzerns war nicht mehr als eine Pressemitteilung
indenFachorganen.(Bemerkenswertistjedoch,dassdas
FilmJournaleinBlatt,dassichselbstalsunerschro
cken und unabhngig charakterisierte,
6
Tugenden, die
in der NSZeit nicht sehr gefragt waren in derToten
ehrungdesJahres1933HermannUrichSa,Mitbegrn
derdesHenschelKonzerns,alseinenderbedeutendsten
KinounternehmerDeutschlandswrdigte.
7
)
Auchwirwissen,dassFilmeimmerWarebedeuten
1
ZurpolitischenTopographieundkonomiederHamburgerKinoLandschaft19331945
MichaelTteberg
58 Michael Tteberg
Die internen Querelen mndeten stets in dem Vorwurf
des unlauteren Wettbewerbs (gerichtet gegen die Kon
zerne,diePreisausschreibenetc.veranstalteten)odervon
Dumpingpreisen,dersog.Preisschleuderei.EineKlau
selimBestellschein,demVertragmitdemVerleih,ver
pfichtete die Kinos, ein ortsbliches Preisniveau einzu
halten,dochdieseRegelungerwiessichalsunwirksam.
InalldiesenAuseinandersetzungengingesnieumber
hhte Eintrittspreise (hier vertraute man den Gesetzen
desMarktes),sondernstetsnurumdieEinhaltungeiner
Mindesthhe.NichtdieGrokinosversuchten,durchbil
ligeEintrittspreisedieMenscheninihreKinoszulocken,
sonderndieBetreibervonNachspielkinosindenArbei
tervierteln, die von der geringen Kaufkraft ihrer Klien
tel wussten, unterschritten das angestrebte Preisgefge
durchErwerbslosenKarten.
2.NeuordnungdesTheaterparks
DieArbeitsgemeinschaft,hierinuntersttztvomObmann
der Verbandszelle, versuchte, eine Mindestgrenze von
60 Pfennig durchzusetzen die Regelung wurde, nach
demdiekleinerenTheaterEinsprucherhobenhatten,im
Mai 1933 vom Staatskommissar fr den Mittelstand in
Hamburg auer Kraft gesetzt.
8
Die Gleichschaltung der
Verbndeam14.Juli1933wurdedasGesetzberdie
Errichtung einer vorlufgen Filmkammer erlassen hat
tedenvonderBrancheallgemeinbegrtenEffekt,dass
diePreisgestaltungstaatlichgeregeltwurde.
9
EineKom
missionunterVorsitzdesPg.(=Parteigenossen)Richard
AdamordnetedieKinosinGroHamburgvierKlassen
zu(Ur,Erst,ZweitundNachauffhrungstheater)und
legte deren Eintrittspreise fest dieVorschriften wurden
von der Reichsflmkammer in Berlin genehmigt und
fr verbindlich erklrt. Wer gegen die neuen Preisvor
schriftenverstt,wirdschrfstenszurRechenschaftge
zogenwerden,hieesdrohendimFilmJournal.
10

Die Hamburger KinoLandschaft gliederte sich danach


in vier Gruppen. In der Klasse U befanden sich die re
prsentativen Urauffhrungstheater in der Innenstadt:
UfaPalast und LessingTheater, beide am Gnsemarkt,
das WaterlooTheater ein paar Schritte entfernt in der
Dammtorstrae, Passage und Schauburg Hauptbahnhof,
beide in der Mnckebergstrae, dazu die vornehmen
HarvestehuderLichtspiele,einUfaTheater.Diesesechs
Filmtheater hatten werktags mindestens RM 1, sowie
sonnundfeiertagsmindestensRM1,20Eintrittzuneh
men.DieKlasseIbestandausnurdreiFilmtheatern,dem
UfaTheater Mundsburg, der Schauburg Millerntor und
demderUfagehrendenMillerntorTheater.Eshandelte
sich um Grokinos mit jeweils mehr als 1.000 Pltzen.
Hier wurde bei der Preisgestaltung nicht nur zwischen
WerkundSonntagenunterschieden,sondernauchzwi
schen Nachmittags undAbendvorstellung die billigste
Kategorie (werktags bis 18 Uhr) kostete RM 0,60, die
teuersteRM1,(sonntagsab17Uhr).AnErwerbungslose
konntendieseKinosunterderWocheermigteKarten
frRM0,60abgeben,whrenddieUrauffhrungstheater
keinerleiErmigunggewhrendurften.
Das Gros des Theaterparks bildeten die Klasse II (37
Kinos) und Klasse III (44 Kinos).
11
Die Karten fr Er
werbslose kosteten in der Klasse II RM 0,50, in Klasse
IIIRM0,40auchhiergaltdieRegelung,dasssonnund
feiertagsdieseKartennichtausgegebenwerdendurften.
Angehrige des Freiwilligen Arbeitsdienstes wurden
den Erwerbslosen gleichgestellt, der Mindestpreis fr
Kindervorstellungen betrug 30 Pfennig. Ermigte Ein
trittspreisefrStudentenwarennichtmehrerlaubt,Ver
gnstigungenfrVereineoderOrganisationenstriktun
tersagt.MiteinerAusnahme,diehierwortwrtlichzitiert
werdensoll:EsistdenFilmtheaternfreigestellt,Ange
hrigen der Reichswehr, der Reichsmarine, der SS, der
SAunddesStahlhelmsfrdenBetreffendenselbstund
hchstens eine Begleitperson weiblichen Geschlechts
gegenLsungregelrechterEintrittskartendieBenutzung
desnchsthherenPlatzeszugestatten,fallsdieBetref
Ienden sich Ir ihre Person in UniIorm befnden.'
12

DieseBestimmungenmusstenzwarnochnachgebessert
werden
13
siebenKinos
14
ausderKlasseIIerhieltendie
Erlaubnis,stattRM0,50RM0,45frdieErwerbslosen
Kartenzunehmen,auerdemwurdedasReichstheaterin
derFruchtalleeausKlasseIIumgruppiertinKlasseIII,
aberderdirigistischenPolitikderneuenMachthaberwar
gelungen,wasdenuntersichzerstrittenenVertreternder
Standesorganisationen nicht geglckt war. Ein ruinser
Preiskampf wurde unterbunden der Unterschied zwi
schendenKinosderbeidenHauptklassenbetrug10Pfen
nig. Dem Kinobetreiber blieb ein gewisser Spielraum,
obwohldieAusfhrungsbestimmungenrechtkompliziert
waren:JedesTheaterdarfmindestens200Sitzpltzemit
demMindesteintrittspreisfhren,auchwenndadurchdas
zugelassene Drittel der Gesamtplatzzahl berschritten
59 Hamburger KinoLandschaft 19331945
wird jedoch mu mindestens ein Fnftel der Gesamt
platzzahl desTheaters zu einem hheren Preis verkauft
werden,daEinheitspreiseunterkeinenUmstndenerho
benwerdendrfen.
15

PresseundFilm,indiesenbeidenBereichenderffent
lichkeit sorgten die Nazis sofort nach der Machtergrei
fungdafr,dassdieStrukturenderSystemzeitzerstrt
undneue,nachdemFhrerprinziporganisierteStruktu
rengeschaffenwurden.DieArbeitsgemeinschaftwarein
freier Zusammenschluss gewesen und wurde aufgelst
derReichsverbandDeutscherFilmtheater,denaufgrund
internerStreitigkeitenvieleMitgliederverlassenhatten,
wurde zur FachschaIt Theater in der Reichsflmkammer,
ein Pfichtverband, in dem sich die Kinobesitzer zu or
ganisierenhatten.DerBerichtdesFilmKuriersvonder
VersammlungderHamburgerKinobetreiberimFebruar
1934 las sich wie ein Loblied auf die neue Zeit: Man
stehtheutenichtmehrwiefrherbeisolchenVersamm
lungen in Gruppen und Grppchen meckernd und un
zufriedenundgelegentlichkleineHetzredenvomStapel
lassendbeisammen,heuteherrschteinanderesBild.Der
Wille zur Gemeinschaft war zu spren, man hatte trotz
der noch nicht berwundenen Schwere der Sorgen zu
kunftsfrohe Gesichter, man sprach ber das tatkrftige
EintretenderReichsregierungfrdenFilm.
16
DasKinoerlebteeinenneuenBoom.DasBranchenblatt
FilmKurierbrachteeineErfolgsmeldungnachderande
ren: Hamburgs Kinobesuch steigt, hie es imAugust
1934, Hamburger Kinobesuch steigt weiter im Sep
tember, Erneute Steigerung der Hamburger Kinobe
sucheimOktober.ImSeptember1934wurden898.884
Besuchergezhlt,189.032mehralsimVergleichsmonat
desVorjahrs, im Oktober 1934 1.218.396, ein Plus von
119.000gegenber1933.AmEndedesJahreswarenin
Hamburg zwlf Millionen Eintrittskarten verkauft wor
den.ZahlreicheFilmtheaterdieBlumenburginderHo
heluftchaussee,dasHammoniaTheateramAltenStein
weg,dieSchauburgNordinderFuhlsbttelerStrae,der
EuropaPalast in Barmbek nutzten die gute Konjunk
tur fr Renovierungen. Nach grundlegendem Umbau
wurden das HolstenTheater als FilmPalastAltona, die
SchauburgHammerbrookalsTitaniaPalastwiedererff
net.DieInvestitionenlohntensichwieder.
NeueKinoswurdennurnochindenAuenbezirkenund
Vororten gebaut. Die Inbetriebnahme neuer Filmtheater
sei unzulssig, hatte die Reichsflmkammer am 4. Sep
tember1934verfgt,undsowurdenAntrgeaufdieEr
ffnung eines Kinos im ehemaligen CarlSchultzeThe
ater(aufderReeperbahn)oderKinoNeubautenaufder
Veddel(EckeHofeundSieldeichstrae)sowieinBarm
bek(Fuhlsbttelerstrae135)indenJahren1936bis1938
abschlgigbeschieden.AuchderBeschwerdedesKreis
wirtschaftsberaters der NSDAP fr den Gau Hamburg,
Kreis 6, der sich fr das Barmbeker Projekt verwandte,
wurdenichtstattgegeben.Ausnahmenvondergenerellen
BausperrekonntenaufbesonderenAntragbewilligtwer
den, z. B. in neuen Siedlungsgebieten oder in solchen
Orten, wo die vorhandenenTheater, ihrerAufmachung,
Fhrung oder Sitzplatzzahl nach zur Befriedigung des
BedrfnissesderBevlkerungnacheinerderdeutschen
FilmkunstwrdigenKunststttenichtgengen.
17
Hinter
solchen pathetischweihevollen Sentenzen verbarg sich
einePraxis,dievonIntrigen,Parteigeklngelundhand
Iesten fnanziellen Interessen bestimmt wurde.
DafreinBeispiel,beidemdieAkten
18
frsichsprechen.
Josef Weimann sah in Langenhorn ein solches Bedrf
nis,hatteineinemSaalbauderneuenSiedlungeinenge
eigneten Ort gefunden und bemhte sich im Juli 1935
umeineentsprechendeGenehmigung,legtedemAntrag
mehrere Schreiben bei: der SiedlerGemeinschaft, des
Ortgruppenleiters sowie der Gauflmstelle der NSDAP.
DasVerfahrenzogsichhin,dieletzteEntscheidunglag
in Berlin bei der Reichsflmkammer. Whrend Weimann
auI den Entscheid wartete, begann die Gauflmstelle mit
Filmvorfhrungenundverneintepltzlich,wassiekurz
zuvornochbefrwortethatte:dasseinKinoinLangen
hornnotwendigsei.WeimannwandtesichvollerEmp
rungandenBrgermeisterKrogmann:Erhabe,schrieb
eram17.August,keinVerstndnisdafr,dassdieGau
flmstelle dazu da sein soll private Existenzen zu ver
nichten, indem sie die Vorfhrung von Lichtspielen an
sichreit.DieBehrdehieltRcksprache.
Vertraulichteilteam30.AugustErnstLucht,Leiterder
Gauflmstelle, dem VerbindungsreIerenten Pg. Dr. Becker
mit,dassdieBedrfnisfragenacheinemLichtspielthe
ater im Prinzip zu bejahen sei, dieAblehnung sich in
WahrheitspeziellaufdiePersondesAntragstellersWei
mannbezog.ErkundigungenbeiLangenhornerStellen
erbrachten jedoch keine Besttigung der vorgebrachten
Bedenken.DerHamburgerRegierungsratschriebam11.
September der Reichsflmkammer, ,dass irgendwelche
BedenkengegenWeimannnichtbestehenknnten,viel
60 Michael Tteberg
mehr alle Gerchte ber seine Person unrichtig seien.
Der Prsident der Reichsflmkammer kam einen Monat
spter,am15.Oktober,zudemSchluss:WenndasBe
drfnisanerkanntwird,somussHerrnWeimanndieGe
nehmigung erteilt werden, da gegen seine Person keine
ausreichendenBedenkenvorliegen,underderersteAn
tragstellerist.DochmitdiesemBescheidendetkeines
wegsdieAktederGewerbepolizei.EinJahrverging,in
zwischenhattederAntragstellerWeimannresigniertund
war aus Hamburg verzogen.Am 10. Juli 1936 wurden
die Langenhorner Lichtspiele in der Staatssiedlung,
unmittelbaram Bahnhof Langenhorn Nord,Tangstedter
Landstrae182erffnet.DerKinobetreiberhie:Ernst
Lucht, Irher Leiter der Gauflmstelle Hamburg.
DerbestehendeKinoparkwurdenurnochandenRndern
erweitert: 1938 erffneten in GroFlottbek die Land
hausLichtspiele, 1939 in Horn die DerbyLichtspiele.
Zwei weitere Neubauten 1938 ersetzten ltere Filmthe
ater gleichen Namens: in Eimsbttel das Reichstheater,
400 Pltze, und in Fuhlsbttel dieAlstertalLichtspiele,
knapp650Pltze.Letzteresollten,soderBesitzerWalther
SchttebeiderErffnungam2.Juni1938,einewrdige
Kultursttte sein gezeigt wurde der ersteTeil von Leni
RiefenstahlsOlympiaFilm.NachfnfwchigemUmbau
wurdederPrimusPalastinBarmbekam9.August1938
unterneuemBesitzeralsOlympiaPalastwiedererffnet
undvomGauobmannderDeutschenArbeitsfronteinge
weiht.(GegendenneuenNamenhatteeszuvoru.a.vom
Jugendpfege- und Sportamt Bedenken gegeben: ,Das
WortOlympiasolltedenDeutschennachdenwunder
baren Erfolgen bei den Olympischen Spielen 1936 in
Berlin zu hoch stehen, um im tglichenVerkehr fr ein
Lichtspieltheater Verwendung zu fnden.')
19

3.InterneQuerelen
23 Millionen Besucher wurden 1938 gezhlt, die Zah
lenhattensichinnerhalbvon5Jahrenverdoppelt,aller
dingswardasStadtgebiet(GroHamburgGesetz)auch
wesentlichgrergeworden.DiepositiveTendenzhielt
an:ImerstenHalbjahr1939warerneuteineSteigerung
ummehralsfnfProzentgegenberdemVorjahrzuver
zeichnen.
Das GeschIt forierte, aber nicht alle proftierten glei
chermaendavon.EinigeFilmtheatermusstenRckgn
ge und z. T. herbe Einnahmeverluste feststellen.
20
Der
StaathatteFilmVertriebundAbspielstttenstriktenRe
glementierungenundVerordnungenunterworfen,wasin
der Praxis auI eine bervorteilung der Konzerne hinaus
lief. Um die Urauffhrungstheater mit ihren im Schnitt
um20PfennigteurerenPreisenzustrken,hattemandie
Karenzzeiteingefhrt:IhnenwarendieNovittenvorbe
halten14TagenachderHamburgerUrauffhrungdurf
te kein Bezirkskino den Film nachspielen, nicht einmal
Reklame fr die kommende Premiere machen. Die un
abhngigenStadtteilkinossahensichbenachteiligt,denn
dieKonzernkinosderUfaundderEftegeStruckmeyer&
Behncke
21
(diemittelseinessog.PoolVertragsdieFilme
tauschten)sowiederSchauburgKettehieltensichnicht
andieseRegelung,whrendbeiallenanderendieEinhal
tungdieserFriststrengberwachtwurde.
Die Verhltnisse sind nicht einfach zu durchschauen,
zumal sich wirtschaftliche Interessen von Konzernen
mit Ordnungsprinzipien eines totalitren Staates ver
mischten, ohne dass diese dabei immer deckungsgleich
wurden. Die Unterlagen der Reichsflmkammer, Bezirk
Norddeutschland, sind nicht erhalten, damit fehlen ent
scheidende InIormationen ber branchenspezifsche Ver
ordnungen.Sielassensichnurindirekterschlieen,denn
jedeNeuordnunghatAuswirkungenaufdieKonkurrenz
situationundprovoziertdeshalbReaktionendernegativ
Betroffenen.
EinindenAktenderBehrdefrWirtschaftundVerkehr
dokumentierterVorgang mag, auch wenn er sich nur in
einem lokal begrenzten Feld abspielte, ein Schlaglicht
auI die nicht IIentlich ausgetragenen Konfikte werIen.
Bis1934warWandsbekeineigenerVerleihbezirk,1935
wurdeWandsbekmitEilbekzueinemVerleihbezirkzu
sammengelegt (obwohl zu diesem Zeitpunkt Wandsbek
nochpreuischundEilbekhamburgischwar).DieKon
sequenzschlugzumNachteilderWandsbekerHarmonie
aus:NunkonntedasKinonichtmehrjeneFilmeinErst
auffhrungbringen,diedaszurUfagehrendeCentral
TheaterinEilbekbrachte.DerEuropaPalast,Verleihbe
zirkBarmbek,konntenichtdieFilmebringen,dieinder
Ufa Mundsburg, Verleihbezirk Uhlenhorst, liefen, denn
eine Bestimmung besagte: Das Erstauffhrungsthea
ter eines Bezirks darf einem Erstauffhrungstheater des
benachbarten Bezirks nicht die Filme vorspielen, wenn
in diesem hhere Eintrittspreise sind.
22
Und die Ufa
MundsburghattehherePreise.
Der Konfikt grte lange und eskalierte AnIang 1939. Die
61 Hamburger KinoLandschaft 19331945
Akten der Behrde fr Wirtschaft und Verkehr quellen
bervonEingaben.HugoSteigerwaldkmpftefrseine
BlumenburginderHoheluftchaussee.HeleneMeininger,
BesitzerindesEuropaPalasts(Barmbek),desGermania
Palasts(Hamm)unddesRialto(St.Georg),sowieFranz
Harten,InhaberderHansaLichtspielbhneinBergedorf,
wandten sich an den Hamburger Preisprfungskommis
sar. Paul Besse, der drei Kinos betrieb (die Harmonie
Lichtspiele in der Hamburger Strae, die Colosseum
LichtspieleinderSderstraeunddasTivoliTheateram
Billhorner Rhrendamm), wurde dreimal in Berlin bei
der Reichsflmkammer vorstellig und mobilisierte seine
ParteiBeziehungen. Vergeblich.Alle Beschwerden und
Proteste, seitenlange Memoranden mit beigefgten sta
tistischenErhebungenbewirktennichts.
HinterdenoffensichtlichenUngerechtigkeitenundwill
krlich erscheinenden Bestimmungen steckte System:
Durch verdeckte Aktienaufkufe hatte man die groen
FilmkonzerneUfa,TobisundTerrazustaatsmittelbaren
Betrieben gemacht, auch der FilmVerleih wurde bald
zentral organisiert und unter staatliche Kontrolle ge
bracht.DieKonzentrationsbewegungimHamburgerKi
notheaterparkgingvonderUfaaus.BereitsimJuli1937
hatte der Vorstand einem Poolabkommen mit dem Pas
sageTheaterzugestimmt.Zunchsthattemanbereine
bernahme des Kinos in der Mnckebergstrae verhan
delt,wasdaranscheiterte,dassStruckmeyerauerdem
Pachtzins von RM 70.000, p.a. wegen seiner Investie
rungenundimHinblickaufdenletzthinerzieltenerheb
lichen Jahresberschu eine Abfndung von jhrlich RM
40.000,forderte,wasunsnichttragbarerschien
23
,hielt
dasVorstandsprotokollfest.DasPoolabkommensahvor,
dass die Einnahmen von Lessing und PassageTheater
hlftig geteilt wurden Filmmieten und Unkosten zahlte
jedesTheaterselbst,dieFilmDispositionbernahmfr
beideKinosdieUfa.Manversprachsichdavoneinegns
tigereAusnutzungdereigenenProduktion,spezielljener
Filme,diefrdenUfaPalastnichtgeeigneterschienen.
Der Fortfall der Konkurrenz ermgliche Einsparungen
bei der Reklame, auerdem kam man so einem erwar
teten EingriII der Reichsflmkammer zugunsten des Pas
sageTheaterszuvor.Insgesamtversprachmanvondem
AbkommeneinenjhrlichenGewinnvonRM42.000fr
dieUfa.
24
ZweiJahrespter,imJuli1939,gingdieUfa
eine Interessengemeinschaft mit dem grten Konkur
rentenvorOrtein,derSchauburgKette.Gepooltwurden
diesmaldieEinnahmenundAusgabenaller16Kinosbei
derKonzerneimVerhltnis56,5%zu43,5%zugunsten
derUfa.ErklrtesZielwar,sodasProtokollderUfaVor
standssitzung,eineBefriedungdesPlatzesHamburgfr
dasFilmtheatergeschft.
25
Die kleineren, unabhngigen Kinos wurden ausgehun
gert. Sie mussten hhere Verleihmieten fr mindere
Warezahlen.WegenangeblichenKopienmangelserhiel
ten sie keine ,deutschen Spitzenflme', sondern muss
ten sich mit dem schbigen Rest (Besse), den BPro
duktionen und auslndischen Filmen begngen. Die
deutschen Spitzenflme bekomme ich berhaupt nicht',
klagte Helene Meininger. Von den Filmen fhrender
Produktionsfrmen (Terra, Tobis) erhalte ich nur einen
kleinenTeil(von30Filmen6)unddannaucherst,nach
demsichdieKonzernedasbesteherausgesuchthaben.
26

Paul Besse, dessen Harmonie mit seinen 1.500 Pltzen


zudenHamburgerGrokinosgehrte,sahseineExistenz
bedroht,weilernichtausreichendmitdeutschenFilmen
beliefert wurde. Ich kann Ihnen aber versichern, dass,
wenn ich nur ein Jahr lang amerikanische Filme spiele
und damit meine Einnahmen zwangslufg verringere,
man mir persnlich denVorwurf machen wird, ich ht
te meine deutsche Kultursttte hauptschlich mit ame
rikanischen Filmen zugrundegerichtet
27
(Abb. 1). Bei
einer Besprechung in der Reichsflmkammer in Berlin
imMai1938wurdealsVergleichfolgendeRegelungfr
den Verleihbezirk Wandsbek vorgeschlagen: Das Cen
tralTheater spielt die UfaProduktion, die Schauburg
die TobisProduktion und die Harmonie die TerraPro
duktion.
28
DerVorschlagwurdezwarnichtakzeptiert,er
zeigtaberdeutlich,dassderKampfumdieBelieferung
mitattraktivenFilmenzwischenkonkurrierendenKinos
keineswegsimmeruntermarktwirtschaftlichenGesichts
punktenstattfand.
4.KinoimKrieg
Mit dem Krieg verschwanden nicht nur die erleuchte
ten Auenfassaden der Kinos (Verdunkelung), es wur
den auch dieAnfangszeiten verndert: Es gab vermehrt
Nachmittagsvorstellungen die Besucherzahl fr Spt
vorstellungen wurde beschrnkt, auch mussten dieVor
fhrungenanfangsum23.00Uhr,gegenKriegsendeum
21.00 Uhr beendet sein. Bei Fliegeralarm wurden im
UfaPalast die Zuschauer durch ein Dia aufgefordert,
62 Michael Tteberg
Abb.1:DererfolgloseEinsprucheinesKinobesitzers(Quelle:StaatsarchivHamburg)
63 Hamburger KinoLandschaft 19331945
den Saal zu verlassen und sich in den Luftschutzkeller
zu begeben das Verlassen des Gebudes war verboten
(Abb. 2). Ruhe bewahren und zum Notausgang rechts
gehen,sodieAnweisungenimWaterloo:DasPersonal
geleitet Sie sicher in den Luftschutzkeller, folgen Sie
deshalb bitte denAnweisungen. Der Gebrauch Ihrer ei
genenTaschenlampebeimGangdurchdieoffeneTorein
fahrtistIhnenstrengstensuntersagt.ImProgrammheft
derThaliaLichtspiele in der Grindelallee dagegen hie
es:BleibenSiebitteaufIhrenPltzenruhigsitzen,das
Theater ist gengend gesichert und als Luftschutzraum
zugelassen.BedrohlicherklangendieAnweisungenbei
den Barmbeker WeltLichtspielen: Es darf keiner das
Theaterverlassen,dasProgrammluftweiter!Eltern,die
KinderimHausehaben,setzensichambestenvordem
TheaterbesuchmitNachbarninVerbindung.UfaPalast
undWaterlooTheaterboteneinenspeziellenServicean:
Besucher,dieimDienstederAllgemeinheitstehenund
telefonischen Anruf erwarten, werden gebeten, Namen
undPlatzanderKasseniederzulegen.
29

Im Krieg erreichte der Kinobesuch neue Rekordhhen.


1942wurden35,2MillionenKartenverkauft,umgerech
netgingjederHamburgermehralszwanzigmalimJahr
ins Kino. Die Zahl der Filmtheater hatte sich nochmals
erhhtauf117.DanachwurdenkeineZahlenmehrverf
fentlicht,denndieswrenVerlustbilanzengewesen.Am
22.Juli1943inseriertenimHamburgerAnzeiger100Ki
nosalsam19.August,erstmalsnachdenverheerenden
BombennchtenEndeJuli,wiederKinoanzeigenerschie
nen,warenesnurnoch21.
InderInnenstadtwarennurdreiFilmtheaterUfaPalast,
PassageundUraniabriggeblieben,vondensechsRee
perbahnKinos stand am Ende nur noch Knopfs Licht
spielhaus(dasrechteVestiblwarausgebrannt,dochder
Zuschauerraumbliebunbeschdigt).DenBombenwaren
ganze Stadtteile zum Opfer gefallen. In Barmbek hatte
eselfKinosgegeben,nunstandnurnoch,mitteninder
Trmmerlandschaft,dasUfaTheaterMundsburg.InAl
tona war nicht nur die Schauburg vollstndig zerstrt,
andernortswardieLagekeineswegsbesser.
Im Hamburger Anzeiger trauerte Bernhard MeyerMar
witz seinem Filmtheater nach: Auch das kleine Kino
an der Ecke bei der Straenbahnhaltestelle ragte mit
rugeschwrzten Mauern tot und leer in den falben
Abendhimmel. Die Schauksten waren zersplittert, im
Zuschauerraum lag hoher Brandschutt, und die Wand,
diejahrzehntelangVerzauberungausgestrahlthatte,war
nackt und ausgeglht.
30
Welches Kino MeyerMarwitz
vorAugen hatte, ist einem Foto, das er in sein privates
Fotoalbum einklebte, zu entnehmen: das ausgebrannte
Urania in Eimsbttel,EckeOsterstrae/Heuweg(Abb.
3).
So schnell wie mglich wurde der Spielbetrieb wieder
aufgenommen, zerstrte Anlagen wurden notdrftig
instand gesetzt, neue Filmtheater in den verschonten
Randbezirken erffnet: CentralTheater in Schnelsen,
Farmsener Lichtspiele, Schauburg Rahlstedt, Lichtburg
Veddel,RissenerLichtspiele,SaselerLichtspiele,Thea
teramDulsbergdiearggeschrumpfteListederHam
burgerKinoswurderaschwiederaufgeflltmitproviso
rischen Behelfstheatern oder Ausweichspielsttten. Die
WandsbekerHarmonieLichtspielezogenindasMatthias
ClaudiusGymnasiumein(undhattennurnocheinDrit
tel,467,ihrerbisherigenPltze).ZudenManahmen,die
unterdemZeichendestotalenKriegesabsolutePriori
tthatten,zhltedasKino.UnserVolkbeiguterLaune
zuhalten,dasistauchkriegswichtig,wussteGoebbels.
AuchdieUnterhaltungistheutestaatspolitischwichtig,
wennnichtsogarkriegsentscheidend,notierteerinsei
nemTagebuch.
31
DieZeitungen,zudnnenNotausgaben
geschrumpft, brachten fast tglich die Rubrik Blick in
denKinoSpielplan.
DasKinoprogrammwurdedominiertvonheiterenLust
spielen, die nichts mit dem Kriegsalltag zu tun hatten.
ImAugust1943liefimUfaPalastdieKomdieGELIEB
TER SCHATZ. Wer zwischen Trmmern lebt, sieht den
hemmungslosen Ulk mit eigenen Gefhlen wie einen
Boten aus einer anderen Welt, schrieb der Hamburger
Anzeiger.
32
Irgendwann, in friedlicheren Zeiten, spielte
der belanglos-harmlose Unterhaltungsflm EINMANNMIT
GRUNDSTZEN?,imVorjahrinderHansestadtgedreht.Als
der Film im Mai 1944 gezeigt wurde, berhrte die Zu
schauer im PassageKino weniger die Liebesgeschichte
als die Kulisse. Das Hamburger Publikum hatte ver
stndlicherweiseSpaamMilieu,beobachtetederAn
zeiger, und betrachtete dieAufnahmen heute vernich
teter Sttten mit einiger Wehmut.
33
Premieren wurden
nach wie vor gefeiert, allerdings unter besonderen Um
stnden. Brgermeister Krogmann bekam eine Einla
dung zur Erstauffhrung von DIE DEGENHARDTS, inAn
wesenheitdesHauptdarstellersHeinrichGeorgeam13.
Oktober1944imPassageKino.Esistmglich,hiees
64 Michael Tteberg
Abb.2:RckseiteeinesProgrammzettelsdes
HamburgerUfaPalasts
Abb.3:DasausgebrannteUraniainderOsterstrae,EckeHeuweg.
WitzboldehattenindieleerenSchaukastenmitKreidegeschrieben:
Heute:HamburgimMoors,Eintrittfrei,Heute:Dieverschwun
dene Stadt Galgenhumor 1943 nannte der Journalist Bernhard
MeyerMarwitzseinFoto(AbbildungnachMichaelTteberg,Volker
Reimann: Mach Dir ein paar schne Stunden. Das Hamburger
Kinobuch.Bremen2008,S.88).
65 Hamburger KinoLandschaft 19331945
Abb.4:DerdurchschnittlicheEintrittspreisdesLessingTheaters
betrugRM1,44(Quelle:StaatsarchivHamburg).
66 Michael Tteberg
Abb.5:DasErgebnisdervomAmtfrPreisbildungundberwachungangeordnetenPrfung
(Quelle:StaatsarchivHamburg)
67 Hamburger KinoLandschaft 19331945
imP.S.,dassausLuftschutzgrndendieUhrzeiteneine
nderungerfahrenknnen.
34

AlarmunterbrichtKinowasdann?MitdieserFrage
beschftigte sich die Hamburger Zeitung am 5.August
1944.InfolgeFliegeralarmmssenmanchmalKinovor
fhrungenunterbrochenoderknnennichtdurchgefhrt
werden.DerPreiskommissarhatjetztineinemErlassdie
Fragegeklrt,inwieweitinsolchenFllendasEintritts
geld zurckzuerstatten ist.Alle Mglichkeiten wurden
bisinsKleinstegeregelt.BeiAusfallderVorstellunghat
tederKinobesitzerinnerhalbvondreiTagendieKarten
umzutauschen.DauertederFliegeralarmnichtlngerals
20 Minuten, war das Kino verpfichtet, nach einer Pau
se von zehn Minuten nach Entwarnung den noch nicht
gezeigten Teil des Programms vorzufhren. Eine nach
folgendeVorstellungdurfteaberdeswegennichtetwa
durch WegIall des Kulturflms gekrzt werden. Waren
Wochenschau und Kulturflm bereits gelauIen und fel
nur der Spielflm aus, hatte der Zuschauer keinen An
spruchaufEntschdigung.
Hufg sprach der Vertreter der Deutschen Filmvertriebs
GmbHunterdiesemDachhattendieNazisinzwischen
alle bisherigen Verleihfrmen wie die der UIa zwangs
vereinigtbeimBrgermeistervor.AusKrogmannsTa
gebuch:14.1.44.HerrSteinkampmitdemDirektordes
WaterlooTheaterswegenevtl.Zurverfgungstellungder
MusikhallefrFilmauffhrungen.24.2.44.HerrStein
kampwegenZurverfgungstellungvonGefangenen,um
das WaterlooTheater wieder aufzubauen.
35
Die noch
bestehenden Kinos waren berlaufen, und der Mangel
musste verwaltet werden. Kinobesuch etwa auch auf
Marken?berlegteam15.AprildasHamburgerTage
blatt.
Whrend die Menschen um ihr berleben kmpIten,
arbeitete die Brokratie wie gewohnt mit deutscher
Grndlichkeit und Perfektion. Nachdem der Reichsbe
vollmchtigte fr den totalen Kriegseinsatz einen Ein
heitseintrittspreis fr Filmtheater verfgt hatte, stellte
das Amt fr Preisbildung und Preisberwachung um
fangreicheDossierszusammen.DieverbliebenenKinos
im Bereich GroHamburg wurden aufgelistet, und ein
Betriebsprfer erhielt den Auftrag, anhand von zwlf
ausgewhlten Lichtspieltheatern (fhrende Huser im
Zentrum,danebenmittlereundkleineKinosindenVor
orten und Randgebieten) die Einnahmen vor und nach
dem 1.9.1944 in allen frheren Preiskategorien mit den
jetzigen Einheitspreisen zu vergleichen. Das Ergebnis:
SoweitsienocheinenSpielbetriebdurchfhrenkonnten,
ging es den Kinobesitzern wirtschaftlich nicht schlecht.
Zwar mussten sie Wehrmachtsangehrigen Ermi
gungengewhren,aberderenAnteilanderGesamtbesu
cherzahl schwankte stark: Im LessingTheater waren es
nur3%,inKnopfsLichtspielhaus7%,indenThalia
unddenAlstertalLichtspielen10%,imPassageTheater,
indenAstraunddenViktoriaLichtspielen(Eimsbttel
bzw.Eppendorf)20%.Aufflligist,dassbeiverschie
denen Lichtspielhusern die ermigten Preise an den
KassennichtdurchAnschlagbekanntgegebenwerden,
bemngeltederBetriebsprfer.
36
UntermStricherzielten
die Kinos hhere Einnahmen als zuvor. Die billigsten
Pltzewarendeutlichteurergeworden,wodurch,wieder
Betriebsprferanmerkte,dieminderbemitteltenBevl
kerungskreisebenachteiligtwrden.
Der Leiter der Auenstelle Hamburg der Reichsflm
kammerbezweifeltedenBericht,undsobeauftragtedas
AmtimFebruar1945einenzweitenWirtschaftssachver
stndigen,dernunanhandderAbrechnungenderKinos
gegenberdemVerleih,derDeutschenFilmvertriebsge
sellschaft,eineneueAufstellungvornahm.Aucherkam
zudemErgebnis,dassdieKinosdurchwegMehreinnah
menhatten:zwischen3,8%(BramTheater)und18,5%
(Knopfs). Dank dieses Prfungsauftrags liegen die re
alenBesucherzahlenundErlseausdemKartenverkauf
vor. Im August 1944 besuchten 69.825 Zuschauer das
LessingTheater(BruttoEinnahmen:RM95.854,10),im
Oktober 88.350 Zuschauer (RM 120.986,70) (Abb. 4).
DieBesucherstatistikwiesfrOktober1944imKnopfs
91.488, in der Urania 35.936 und in den Bahrenfelder
Lichtspielen, dem Schlusslicht, 15.854 Zuschauer aus
(Abb. 5). Der Sachverstndige Kunert bersandte sei
nen Bericht am 30. Mrz 1945, fgte allerdings an: In
denspterenMonaten,besondersindenletztenWochen,
drfteeinweiteresAbsinkenderEinnahmeninfolgeder
vermehrtenFliegerangriffeerfolgtsein.
37
Gegen Ende wurde es ein zunehmend aussichtsloser
Kampf zwischen Wiederherstellung und erneuter Zer
strung. Auf den Sitzungen des UfaVorstands wurde
kaumnochberandereThemengesprochen.HerrWitt
teiltfernermit,dassdurchdenAngriffaufHamburgam
6.4.[1944] das HarvestehuderTheater durch eine in der
Nhe niedergegangene Mine beschdigt wurde, doch
ist nur eineVorstellung ausgefallen. In Hamburg und
68 Michael Tteberg
Abb.6:DirektorLuxvonderUfaundGeschftsfhrerPickerwurdendaraufhinvonderKriminalpolizei
vorgeladenunderklrten,derVorfallwerdesichnichtwiederholen(Quelle:StaatsarchivHamburg).
69 Hamburger KinoLandschaft 19331945
HarburgbliebenunsereTheaterbeidemLuftangriffam
23.10.44verschont,dochkonntenwegenUnterbrechung
der Stromversorgung die Mundsburg und der Gloria
Palast in Harburg ab 25.10. nicht weiterspielen. Das
StadttheaterinHarburg,dasalsAusweichtheaterinBe
trieb genommen werden sollte, ist vllig zerstrt. Die
aktuellen Bestandsbersichten verzeichneten vor allem
Verluste,soz.B.am7.12.1944:InHarburgwurdeder
GloriaPalast,derschonam4.11.beschdigtwurde,am
21.11.durchVolltreffervlligzerstrt.
38
AnhchsterStelleinBerlinmachtemansichGedanken
ber die FilmtheaterSituation in Hamburg: Reichs
flmintendant Hinkel plante AnIang September 1944, die
Urauffhrung von GROSSE FREIHEIT NR. 7 demonstrativ
in der Hansestadt durchzufhren: Wenn als Folge der
Terrorangriffe kein luxuriser Filmpalast mehr vorhan
denist,wirderinfnfoderzehnNottheaternanlaufen,
umgeradedervomFeindterrorsohartbetroffenenHam
burgerBevlkerungihrenFilmzuerstzuzeigen.
39
(Be
kanntlichkamesnichtdazu,weilderFilmfrdasInland
nicht freigegeben wurde.) Zunchst aber stellte Hinkel
einen ManahmenKatalog auf, den er am 20. Septem
ber1944vonGoebbelsabsegnenlie(DerMinisterhat
Kenntnisgenommenundisteinverstanden).
40
DieWie
derherstellungjenerBehelfskinos,diemehralszurHlf
tefertigwaren,solltezuEndegefhrtwerden,auerdem
vierLuftnotbarackenzurVerfgunggestelltundanjenen
Stellenerrichtetwerden,wodasdringendsteBedrfnis
fr die Errichtung eines Filmtheaters besteht. Hinkel
schlugvor,dieseBarackenprivatenausgebombtenFilm
theaterbesitzernzuberlassen,dochdamitwarGoebbels
nicht einverstanden: Er verfgte, dass sie der DFT, der
reichseigenen Deutschen FilmtheaterGesellschaft, zur
Verfgung gestellt werden, um deren Stellung zu str
ken,d.h.selbstdieseNotsituationwurdenochgenutzt,
den Einfuss des Staates weiter auszubauen.
41
Imzerstr
ten UfaPalast wurden Foyer und Erfrischungsraum zu
zweiBehelfskinosmitjeweils400bzw.600Pltzenum
gebaut.SprechbhnenundVarietsdieTheaterhatten
zum1.September1944denSpielbetriebeingestellt,die
EnsembleMitglieder waren zur Wehrmacht oder in die
Rstungabkommandiertwordenwurdenumgewandelt
in Kinos. Da Vorfhrrume vorhanden waren, ging die
Umrstungzgigvoran:AusdemTheateranderReeper
bahn,Spielbudenplatz1/2,wurdeein1.000PltzeKino,
als Leiterin Helene Meininger eingesetzt die Kammer
spiele in der Hartungstrae, einst die Zufuchtssttte der
jdischen FilmIreunde, erhielt eine Schmalflm-Appa
ratur das Kleine Haus des Thalia Theaters in Altona,
HinrichLohseStrae166/168,wurdeam11.Dezember
1944alsFilmbhnewiedererffnet.Gewiwerdenes
zahlloseVolksgenossen begren, dass hier nun tglich
einige hundert Pltze zur Verfgung stehen, wenn sie
nach ihremArbeitstag einmal die Freuden eines Filmes
genieen wollen, glaubte die Hamburger Zeitung.Am
29.Januar1945verkndetedasBlatt:Hamburghatein
Filmtheater mehr, denn das Deutsche Schauspielhaus
mit seinen 1.400 Pltzen war zu Hamburgs neuestem
Lichtspielhausgeworden.
HamburgversankinSchuttundAsche,dieKinoanzeigen
inderHamburgerZeitungschrumpftenzueinermageren
KleinanzeigenSpalte auf der letzten Seite. Denunziati
onenmusstebiszuletztjederKinobesitzerfrchtender
Sonderstreifendienst der HJ z. B. berholte regelm
igdieKinosundmachtederPolizeiMeldung(Abb.6).
Am23.Februar1945gabes,imTheateranderReeper
bahnundimSchauspielhaus,einederletztenUrauffh
rungendesDrittenReiches:DIEBRDERNOLTENIUS,ein
UfaFilmmitWillyFritsch.DasPassageKinowurdeam
20. Mrz 1945 von zwei Bomben getroffen, die in den
Lichtschacht und ins Treppenhaus felen, jedoch nicht
detonierten. Und so lief das Programm aus verlogenen
Trumen,illusionrenScheinweltenundpolitischerPro
pagandaweiterbisganzzumSchluss.Am19.April1945
inserierten noch 49 Kinos, darunter ein neues Behelfs
kinoinderJarrestrae.EineWochesptergabeskeine
KinobersichtmehrinderHamburgerZeitung,aberdas
Mittagsblatt vom 28.April 1945 brachte den Spielplan
von sieben Kinos: In den AlsterLichtspielen (Alster
dorfer Str.) liefAUFRUHR DER HERZEN und PARADIES DER
JUNGGESELLEN, in den KammerLichtspielen (Grindelal
lee)DIEFRAUMEINERTRUME,inKnopfsLichtspielhaus
DASLEBENRUFT,imLessingTheaterwieimSchauspiel
hausORIENTEXPRESS,imPassageTheaterJUNGEHERZEN
undinderUraniaKOLBERG.Am3.Maimarschiertendie
britischen Truppen in Hamburg ein, die Kinos blieben
geschlossenundwurdenbeschlagnahmt.
70 Michael Tteberg
Anmerkungen
1. Kk.: Ein Lichtspielhaus feiert Jubilum!. In: Hamburger
Tageblatt, 28.10.1933. In demArtikel, der die Verdienste des
PassageTheaters in der Kampfzeit herausstreicht, heit es
weiter:TrotzdemsollteeszudenAufgabeneinesFilmtheater
leiters im nationalsozialistischen Staat gehren, sein Filmpro
gramm nicht ausschlielich nach geschftlichen Erwgungen
zu gestalten, sondern, soweit es mglich ist, das Programm
nach den kulturellen und nationalpolitischen Gesichtspunkten
desneuenReicheszugestalten.
2.FilmJournal,8.1.1933,2.Beiblatt,unp.
3. O.Vf.: Die Hamburger tagen. In: ebd., 10.2.1933. Die
HoIInungen richteten sich auI ,den Einfu Hitlers, der die
Lustbarkeitssteuerzumindernversprach,undHugenbergs,der
selbstdergrteKinobesitzerimReichist.
4.Ebd.
5. Vgl. Einige Zahlen aus Hamburgs Filmwirtschaft. In:
HamburgerAnzeiger,20.4.1935.
6. Editorial zum zehnjhrigen Bestehen des Blattes. In: Film
Journal,5.8.1934.
7.FilmJournal,14.1.1934,2.Beiblatt.
8.Ebd.,28.5.1933.
9.Vgl.o.Vf.:28.AprilSchlumitderPreisschleuderei.In:
ebd.,23.4.1933.
10.Ebd.,27.8.1933.
11. Vgl. die Aufistung im Anhang.
12. bi.: In GroHamburg: Neuregelung der Eintrittspreise
und Klasseneinteilung der Filmtheater. In: FilmKurier,
6.12.1933.
13.Vgl.o.Vf.:Nocheinmal:GroHamburgerEintrittspreise.
In:ebd.,19.12.1933.
14.BalkesLichtspiele,WeltLichtspiele(WohldorferStr.),Ti
voliLichtspiele, Lichtburg (Billhorner Rhrendamm), Atlan
tikTheater,AtriumLichtspieleundBelleAllianceTheater.
15.WieAnm.12.
16. Ingrid Binn: Die groe Versammlung der Norddeut
schen.In:ebd.,23.2.1934.
17. Reichsflmkammer, Landesleitung Norddeutschland,
23.3.1936andieGewerbePolizei.StaatsarchivHamburg,Ge
werbepolizei,GeneralaktenIXF32.
18.DerVorgangLangenhornerLichtspieleistdokumentiert
im Staatsarchiv Hamburg, Gewerbepolizei Generalakten IX F
32.
19. Schreiben des Jugendpfege- und Sportamts vom 30.9.1938
an den Polizeiprsidenten, Gewerbepolizei. Doch die Anord
nung des Werberates der deutschen Wirtschaft ber die Ver
wendungderWorteOlympia,Olympiadeundolympischwar
am 31.12.1936 auer Kraft gesetzt worden, so dass die Ver
waltung fr Handel, Schifffahrt und Gewerbe der Hansestadt,
28.6.1938,keineBedenkengegendieBezeichnungdesKinos
hatte.Vgl.StaatsarchivHamburg,SpezialaktenIXCI.
20.IneinemSchreibenandiePreisprfungsstellebeiderVer
waltung fr Handel, Schifffahrt und Gewerbe, 3.3.1939, gibt
derKinobesitzerPaulBessean,dieEinnahmenausseinendrei
Theatern1938wrden40%unterdenendesJahres1930lie
gen.In:StaatsarchivHamburg,Bestand3716I,1852.
21.DieEftegebetriebdasPassageTheater,denEmelkaPalast
(Osterstrae), die KammerLichtspiele (Grindelallee) und die
KursaalLichtspiele (Schulterblatt). Eftege ist die phonetische
Schreibweise der Abkrzung F(ilm) T(heater) G(esellschaft),
hervorgegangen aus der Emelka, ihrerseits die phonetische
SchreibweisederAbkrzungM(nchner)L(ichtspiel)K(unst).
22.SchreibenvonHeleneMeiningerandiePreisprfungsstel
le,3.3.1939.In:StaatsarchivHamburg,Bestand3716I,1852.
23.BundesarchivBerlin,AktenbestandUniversumFilmAG,R
109I/1032b,NiederschriftNr.1246.
24.DasPoolabkommenmitdemPassageTheater,zunchstauf
einJahrbefristet,wurdeperVorstandsbeschlussvom20.5.1938
umdreiweitereJahreverlngert.
25.BundesarchivBerlin,AktenbestandUniversumFilmAG,R
109I/1032c,NiederschriftNr.1378.
26. Helene Meininger, a.a.O. In: Staatsarchiv Hamburg, Be
stand3716I,1852.
27.PaulBesse,SchreibenandieHerrenStadtrtePg.Dickszas,
Pg.Puls,28.9.1937,ebd.
28. Schreiben der Reichsflmkammer, Fachgruppe Filmtheater,
BezirkNorddeutschland,15.7.1938,ebd.
29.ObligatorischeTexteaufdenProgrammzettelndergenann
tenKinos,imBesitzdesVerfassers.
30. Bernhard MeyerMarwitz: Geliebtes altes Vorstadtkino.
In:HamburgerAnzeiger,15.9.1943.
31. Die Tagebcher von Joseph Goebbels. Hrsg. Von Elke
Frhlich.TeilII,Bd.3.Mnchen1994,S.377(26.2.1942)und
S.274(8.2.1942).
32. Walther Hansemann: Geliebter Schatz!. In: Hamburger
Anzeiger,20.8.1943.
33. Ders.: Die Trauung auf der Reeperbahn. In: ebd.,
6./7.5.1944.
34. Schreiben der Deutschen FilmvertriebsGesellschaft an
Brgermeister Krogmann, 8.10.1944. In: Staatsarchiv Ham
burg,Bestand6221/C15X.
35. Tagebuch von Brgermeister Carl Vincent Krogmann. In:
71 Hamburger KinoLandschaft 19331945
StaatsarchivHamburg,6221/C15X/10.
36. Uhlenhop, Betriebsprfer, Bericht vom 22.11.1944. In:
StaatsarchivHamburg,Bestand3716I,1852.
37. Kunert, Aktenvermerk zum Prfungsbericht Nr. 686,
30.3.1945,ebd.
38. Bundesarchiv Berlin,Aktenbestand Universum FilmAG,
R 109 I / 1716 und 1716 a, Niederschrift Nr. 1563, Nr. 1576
und1578.
39.BundesarchivBerlin,AktenbestandReichsministeriumfr
VolksaufklrungundPropaganda,R55/663,S.123.
40. Schreiben von Reichsflmintendant Hinkel an Goebbels,
20.9.1944, ebd., R 55 / 1285, S. 5961. Vorausgegangen war
eine Besprechung im Reichspropagandaamt Hamburg am
13.9.1944, an dem u. a. der Landesleiter der Reichsflmkam
mer sowie Direktor Lux von den Hamburger UfaBetrieben
teilnahmen.
41. Schreiben von Dr. Heinrichsdorff an Hinkel, 29.9.1944,
ebd.,S.58.
Anhang
KlasseneinteilungderHamburgerFilmtheater,gemAn
ordnung der Reichslmkammer, 2. Dezember 1933
KlasseU
UfaPalast,Valentinskamp
LessingTheater,Gnsemarkt
PassageTheater,Mnckebergstr.
SchauburgHauptbahnhof,Mnckebergstr.
WaterlooTheater,Dammtorstr.
HarvestehuderLichtspiele,EppendorferBaum
KlasseI:
UfaTheaterMundsburg
SchauburgMillerntor
MillerntorTheater(Ufa)
KlasseII:
PrimusPalast,Bachstr.
EuropaPalast,AmMarkt
SchauburgBarmbek,Dehnhaide
SchauburgNord,FuhlsbttelerStr.
SchauburgUhlenhorst,WinterhuderWeg
BalkesLichtspiele,HamburgerStr.
WeltLichtspiele,WohldorferStr.
HanseLichtspiele,Eilbek
CentralTheater,WandsbekerChaussee
HarmonieLichtspieleWandsbek,HamburgerStr.
SchauburgWandsbek,HamburgerStr.
GermaniaPalast,Mittelstr.
SchauburgHamm,Hammerlandstr.
TivoliLichtspiele,Eiffestr.
SchauburgHammerbrook,Sderstr.
ColosseumLichtspiele,Sderstr.
GloriaPalast,BillhornerRhrendamm
TivoliLichtspiele,BillhornerRhrendamm
Lichtburg,BillhornerRhrendamm
CityTheater,Steindamm
RialtoLichtspiele,Steindamm
AtlantikTheater,Steindamm
AtriumLichtspiele,LangeReihe
Urania Kulturflmbhne, Fehlandtstr.
KnopfsLichtspiele,Spielbudenplatz
NobistorTheater,Reeperbahn
CentralTheater,EimsbttelerChaussee
EmelkaPalast,Osterstr.
Reichstheater,Fruchtallee
NeueBlumenburg,Hoheluftchaussee
CapitolLichtspiele,Hoheluftchaussee
KammerLichtspiele,Grindelallee
ThaliaLichtspiele,Grindelallee
EliteTheater,BahrenfelderStr.
KursaalLichtspiele,Schulterblatt
SchauburgAltona,GroeBergstr.
BelleAllianceTheater,Schulterblatt
KlasseIII:
AlsterLichtspiele,AlsterdorferStr.62
AlstertalLichtspiele,Ratsmhlendamm
MhlenkampLichtspiele,Mhlenkamp
ZollLichtspiele,BramfelderStr.
OdeonLichtspiele,HamburgerStr.
ScalaLichtspiele,FuhlsbttelerStr.
WalhallaLichtspiele,Weidestr.
UnionKino,Feldstr.(Wandsbek)
KristallPalast,LbeckerStr.
HammerLichtspiele,Mittelstr.
OdeumLichtspiele,Mittelstr.
HansaLichtspiele,Grevenweg
DerbyLichtspiele,AmBauerberg
OsePalast,HamburgerStr.(Billstedt)
ViktoriaLichtspiele,Hammerbrookstr.
ApolloLichtspiele,Sderstr.
HansaLichtspielBhne,Steindamm
GewerkschaftshausLichtspiele,Besenbinderhof
HammoniaTheater,AlterSteinweg
NeuesReichsTheater,NeuerSteinweg
ReformKino,Wexstr.
ZentrumsKino,AlterSteinweg
72 Michael Tteberg
MerkurTheater,Schaarsteinweg
BleichenKino,GroeBleichen
FerryTheater,Spielbudenplatz
UnionKino,Spielbudenplatz
WeltTheater,Spielbudenplatz
MetroPalast,EppendorferWeg
UraniaTheater,Heuweg
AstraTheater,Mggenkamp
AstoriaLichtspiele,Grtnerstr.
AlteBlumenburg,Hoheluftchaussee
ViktoriaTheater,LokstedterWeg
KinoPalast,Brgerstr.(Altona)
CentralTheater,GroeBergstr.
HansenKino,Schulterblatt
Mnzburg,GroeJohannisstr.
SchauburgBlankenese,Hauptstr.
FlottbekerLichtspiele,Ulmenstr.
StellingerLichtspiele,KielerStr.
AltHeidelberg,GroeGrtnerstr.
BioTheater,GroeRoosenstr.32
HolstenTheater,Holstenstr.Lichtburg,Adolfstr.(Altona)
Quelle:FilmKurier,6.12.1933
73
Einleitung
Die Hamburger Kinolandschaft war in der Weimarer
Republikstarkgewachsen.ImStadtgebietHamburgexi
stierten 1933 ca. 70 Kinos zhlt man die 1937 einge
meindetenStdteHarburg,WandsbekundAltonahinzu,
warenesber100Kinos.Darunterbefandensichauch
Lichtspielhusermitjdischen
1
Besitzern.Diesewur
den von den Nationalsozialisten verfolgt und aus ihren
Betrieben verdrngt. Wie die Nationalsozialisten bei
der Verfolgung jdischer Kinobesitzer in Hamburg
vorgingen,habeichinmeinerMagisterarbeitausfhrlich
untersuchtundstellehiereineZusammenfassungmeiner
Erkenntnissevor.
2

Frank Bajohr von der Forschungsstelle fr Zeitge


schichte in Hamburg war der Erste, der die Verdrn
gung der jdischen Unternehmer in Hamburg aus
fhrlich untersuchte sowie die Strukturen und Ablufe
der Arisierungen
3
darlegte.
4
Er geht nur kurz darauf
ein, dass Kinobesitzer von den antijdischen Manah
menderReichskulturkammerbetroffenwarenbzw.aus
ihr ausgeschlossen wurden. Gerti Keller untersuchte
in ihrer Magisterarbeit Kino unterm Hakenkreuz auf
sechsSeitendieArisierungzweierHamburgerKino
Konzerne.
5
SiesttztesichaufdieUntersuchungenund
Interviews, die Jens Meyer und Reinhold Sgtrop ber
JamesHenschelgefhrthatten.BeidenDarstellungenist
gemeinsam,dasssiesichaufdenHenschelKonzernund
die HirschelKinos konzentrieren und dabei bezglich
derAblufeundZeitpunktederArisierungenungenau
sind.
Angemerkt werden muss, dass dieAktenlage nicht op
timal ist. Vor Kriegsende hatten die nationalsozialisti
schenMachthabergenugZeit,umwichtigeDokumente
ihrerzwlfjhrigenHerrschaftzuvernichtendarunter
vieleAktenberdieArisierungenundeinGroteilder
Bestnde der Reichsflmkammer.
KinounterdemHakenkreuz
Die NSDAP nutzte den Film im Vergleich zu anderen
Parteienerstspt.
6
DerWirkungdesFilmswarensichdie
Nationalsozialistenjedochschonfrhzeitigbewusst.Be
legesahensieinderalliiertenFilmpropagandawhrend
und nach dem Ersten Weltkrieg sowie in der Nutzung
des Films durch KPD und SPD. Der NSDAP mangel
te es an technischen und fnanziellen Mitteln, um Filme
zuproduzieren.SokonzentriertesiesichaufFragender
Filmpolitikundhetztegegenauslndischeundjdische
Filme' und ,rasse- und wesensIremde Einfsse' im
Filmgewerbe und die dadurch verursachte Zersetzung
und Verseuchung des deutschen Volkes.
6
Diese Zitate
lassen die Manahmen erahnen, die nach der Macht
bernahmeergriffenwurden.
InnerhalbderParteiwarenverschiedeneStellenmitder
Filmpropaganda beschftigt. In der Reichspropaganda
leitungexistierteeinAmtFilmundauchdieReichs
organisationsleitung unterhielt eine Abteilung Film.
Beide standen in Konkurrenz zueinander.Auf Landes
ebene entstanden Landesflmstellen, die spter zu Gau-
flmstellen wurden. Im Mrz 1933 wurde Joseph Goeb
belszumReichsministerfrVolksaufklrungundPropa
ganda ernannt. Die Grndung der vorlufgen Filmkam
mererfolgteimJuli1933.BereitsimHerbst1933wurde
sie als Reichsflmkammer Teil der Reichskulturkammer.
Die Filmkammer bestand aus der Spitzenorganisation
der deutschen Filmindustrie, die zu einer Krperschaft
desffentlichenRechtsumgewandeltwurde.
8
DieFilm
kammer war die erste stndische Berufsorganisation
nach Plnen der nationalsozialistischen Ideologie und
dientealsVorbildfrdieanderenKammernderReichs
kulturkammer. Der Film war somit Vorreiter bei der
GleichschaltungdesKulturbetriebs.
9
Die Forschung ging lange Zeit von einem Arierpara
graphen in der Reichskulturkammer aus. Aber weder
ArisierungenvonKinosinHamburg
JanPtjerJohannsen
74 Jan Ptjer Johannsen
in den Gesetzen ber die Errichtung der vorlufgen
Filmkammer und der Reichskulturkammernoch in den
dazugehrigen Durchfhrungsverordnungen war ein
expliziter Arierparagraph enthalten. Der Vlkische
Beobachter zhlte im September 1935 sogar noch 143
nichtarischeKinobesitzer.
10
Laut Gesetzestext konnte jemand nur aufgrund man
gelnderEignungundZuverlssigkeitausderFilmkam
mer ausgeschlossen werden.
11
Mit der Zeit nderte die
ReichskulturkammerihreAufnahmekriterien.Nichtari
erwurdenpersealsungeeignetundalsunzuverlssig
eingestuft. Damit wurde ihnen die Mitgliedschaft ver
wehrt.
Die Gesetze und Verordnungen bildeten die Grundla
gefrdieVerdrngungderJudenausderKultur.Sie
waren nicht so eindeutig formuliert, wie etwa die Zei
len vom Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbe
amtentums, das einen expliziten Arierparagraphen
enthielt.InderKulturgabesanfangsSpielrumeinder
DeutungderVorschriften,undsowurdenauchJuden
Mitglieder der Reichskulturkammer bzw. einer ihrer
Unterkammern.FrdieLichtspieltheaterbesitzerwarin
nerhalbderFilmkammerderReichsverbandDeutscher
Filmtheatere.V.zustndig.Gegrndetwurdedieserbe
reits1917alsReichsverbandDeutscherLichtspielthe
aterbesitzer. Er war in den letzten Jahren der Weima
rer Republik einer von mehreren Interessenverbnden
der Lichtspieltheaterbesitzer. Schon vor dem Dritten
Reich versuchten nationalsozialistische Theaterbesit
zer,dieFhrungimReichsverbandzubernehmenoder
zumindest ihren Einfuss in ihm zu vergrern. Im Mrz
1933 trat die Verbandsfhrung zurck, und der Natio
nalsozialist Adolf Engl bernahm kommissarisch die
Leitung des Verbands. Kurz darauf wurde er auf einer
Generalversammlung zum Prsidenten des Reichsver
bandesernanntundinnerhalbdesVerbandsdasFhrer
prinzip umgesetzt. Im Zuge der Gleichschaltung durch
die Grndung der vorlufgen Filmkammer wurde der
ReichsverbandzumeinzigenVerbandfrdieInteressen
derKinobesitzer.
Abb.1:NachtaufnahmederSchauburgBarmbek,dieauchzumHenschelKonzerngehrte,ausdemJahre1935.
Fotorepro:StadtteilarchivBarmbek
75 Arisierungen von Kinos in Hamburg
DerHenschelKonzern
12
Die frs Stadtgebiet 1932 statistisch erfassten Hugo
StreitundHermannUrichSasswareninderHamburger
Kinolandschaft keine Unbekannten, als sie den Hen
schelFilm&TheaterKonzerngrndeten.DieSchwie
gershne von James Henschel wurden bereits 1918 Di
rektorenderUfafrNorddeutschland.DaswareineBe
dingungdafrgewesen,dassihrSchwiegervaterdamals
denGroteilseinerKinosandieUfaverkaufte.
HugoStreitagiertebisAnfang1927alsGeschftsfhrer
der UfaTochter J. Henschel GmbH. Hermann Urich
SasstratdasAmtmitihmzusammenan,schiedaberbe
reits1922aus.Von1922bis1928warerGeschftsfhrer
der Norddeutsche FilmTheaterKommanditGesell
schaft Hirschel & Co. Entgegen der anfnglichen Pla
nungen wurde Manfred Hirschel (siehe auch Hirschel
Kinos)keinTeilhaberderneuenGesellschaft.
AlsDritterGesellschaftertratJosef(Joe)Henschelindie
neue Firma ein. Diese Ttigkeit gab er bereits zum 29.
Mai 1928, wahrscheinlich aus gesundheitlichen Grn
den, auf und verstarb am 29. Januar 1929. Sein Nach
namestandwohlPatefrdenNamenHenschelinder
Firmenbezeichnung,undnichtfreineoftangenommene
BeteiligungvonJamesHenschelanderFirma.DerFir
mennamewarabersicherlichauchalsHommageanden
Schwiegervater und Kinopionier gedacht. Schlielich
sollerseinenSchwiegershnenunbrokratischGeldmit
telzurVerfgunggestellthaben.
IndenfolgendenJahrenwuchsderKonzernunderffne
teimmermehrKinosinHamburgunddenumliegenden
preuischen Stdten. Neben den fnf Kinos, die bei
Grndung in dem Unternehmen aufgingen, kamen bis
1933 folgende Kinos hinzu: Neu errichtet wurden die
Schauburgen Hammerbrook, Nord, Hamm und Wands
beksowiederGloriaPalastinHarburg.NachUmbauten
aufgekaufter Lichtspieltheater wurden die Schauburgen
Barmbek und Uhlenhorst sowie das CityTheater am
Steindamm erffnet. Mit 12 Kinos war der Henschel
Konzern der grte Kinobetreiber Hamburgs und der
viertgrteinderWeimarerRepublik.
Im Januar 1933 reisten Hugo Streit und der Prokurist
Paul Romahn nach Berlin, um mit der Ufa ber einen
mglichen (Teil)Verkauf des HenschelKonzerns zu
verhandeln.DerGrundfrdieseVerhandlungenwardie
angespannte fnanzielle Lage der Firma. Mitten in den
Verhandlungen erreichte sie die Nachricht, dass Her
mannUrichSassam27.Januar1933gestorbensei.Die
Gesprchewurdenabgebrochen.
Nach dem Tod von Hermann UrichSass stand seinen
ErbeneineBeteiligunganderFirmazu.DerHenschel
Film & TheaterKonzern wurde zur Henschel Film
theater Kommanditgesellschaft mit vier Kommanditis
ten(dieWitweHedwigUrichSasssowieihredreiKin
der)undHugoStreitalsGeschftsfhrer.
Alle Beteiligten berichteten nach dem Krieg berein
stimmend, dass die SchauburgKinos Boykotten ver
schiedener Art ausgesetzt waren. Nicht nur das Publi
kumbliebweg,auchVerleiherweigertensich,Filmean
Juden zu vermieten. Zum Erhalt der Firma blieb nur
derVerkauf an NichtJuden. Schon im Sommer 1933
wurdendieKinosvonderSchauburgLichtspieltheater
BetriebsgesellschaftmbH,diePaulRomahnundGustav
Schmannneugegrndethatten,bernommen.Romahn
warzuvorSteuerberater,SyndikusundProkuristimHen
schel Konzern gewesen. Sein Kompagnon Schmann
war von 1927 bis 1931 Nachfolger von Hugo Streit als
GeschftsfhrerderUfaTochterJ.HenschelGmbH.
Nach denVorgaben der NSDAP war aber eine Arisie
rungnichtmiteinemeinfachenVerkaufabgeschlossen.
DieKinosmusstennichtnurdenBetreiber,sondernauch
denBesitzerwechseln.Am16.September1935schloss
Hugo Streit im Namen der Henschel KG einenVorver
trag ber den Verkauf der damals noch in deren Besitz
befndlichen acht Kinos an Romahn und Schmann ab.
DerendgltigeKaufvertragwurdeam9.November1935
unterzeichnet. Im Dezember 1935 war fr dasAmt fr
Handel, Schifffahrt und Gewerbe im Gau Hamburg die
Arisierungabgeschlossen.LeideristnurdasAnschrei
ben an die Schauburg GmbH erhalten. Es verdeutlicht,
welcherAufwandschonindenerstenJahrendesDritten
Reichsbetriebenwurde,umjdischeUnternehmenzu
arisieren.GeprftwurdensiebenVertrge,eineeides
stattliche Erklrung wurde abgegeben und drei Gutach
ten, darunter ein Rechtsgutachten, eingeholt, bevor die
ParteizurerfolgreichenArisierunggratulierte.
RomahnundSchmannbernahmenabernichtalleKi
nos des Henschel Konzerns. Der GloriaPalast in Har
burgwurdezumUFATheaterGloriaPalast.DasApollo
Theaterbetrieb1938eineFrau.
SowohlPaulRomahnalsauchGustavSchmannwaren
Mitglied in der NSDAP. Paul Romahn bekleidete sogar
76 Jan Ptjer Johannsen
mter in der Reichsflmkammer. Vom Prsidenten der
Reichsflmkammer wurde er zum Bezirksausschussvor
sitzenden der Fachgruppe Filmtheater in Norddeutsch
landernannt.Seit1935warerGeschftsfhrerdesLan
desverbandes Norddeutschland im Reichsverband der
DeutschenFilmtheatere.V.,der1936zumBezirkNord
deutschland der Fachgruppe Filmtheater in der Reichs
flmkammer wurde.
Die unterschiedlichen Angaben ber den Wechsel der
KinoszuRomahnundSchmannlassensichnurdurch
UngenauigkeitenindenAussagenderBeteiligtenerkl
ren.EsisteinUnterschied,objemandeinKinobetreibt
oderbesitzt.DerBesitzerkanndasKinoselbstbetreiben
oder an jemand anderes vermieten oder verpachten. In
diesemFallwrederMieterderBetreiberdesKinos.Oft
wirdnichtgenauzwischenBesitzerundBetreiberunter
schieden.BeiderUntersuchungderVorgngespieltdie
serUnterschiedabereinewichtigeRolle.Wennmandie
AussagenunddieerhaltenenAktenvergleicht,kannnur
geschlossenwerden,dassimSommer1933Romahnund
SchmanndenBetriebderKinosvomHenschelKonzern
bernommenhatten,undsomitkeineJudenmehrBe
treiberderKinoswaren.AberdieGebude,Grundstcke
undKinoeinrichtungenbliebennochimBesitzdesHen
schelKonzerns. Romahn und Schmann zahlten eine
Pacht.Zum1.Januar1936wurdendieKinosaufDruck
der Reichsflmkammer endgltig verkauIt, und Romahn
undSchmannwarennichtmehrnurBetreiber,sondern
auchBesitzerderKinos.FrdieGebudeaufdenGrund
stcken zahlten sie eine Miete an die Henschel KG, in
derenBesitzsichdieGrundstckenochbefanden.
Um auswandern zu drfen, mussten die Kommanditis
ten der Henschel KG ihren smtlichen Grundbesitz in
Deutschlandverkaufen.IndieserLagewurdeihnennur
derEinheitswertderGrundstckeundnichtderVerkehrs
wertgezahlt.UndselbstvondieserSummebekamensie
fastnichtszusehen.VondenErlsenmusstendieKosten
des Verkaufs beglichen werden, die Restsumme musste
auf ein Sperrkonto gezahlt werden und stand nicht zur
freienVerfgung.
Das Geld der Gesellschaft und ihr privates Vermgen
durften dieAuswanderer nicht mitnehmen.Am 23. No
Abb.2:SystematischwurdeinderNS
ZeitHetzegegenjdischeKinobesitzer
betriebenhnlichwiediesesExemplar
ausDsseldorfdrftenauchdieinHam
burgverteiltenFlugschriftenausgesehen
haben.Foto:StadtDsseldorf.
77 Arisierungen von Kinos in Hamburg
vember 1938 erlie die Devisenstelle eine Sicherungs
anordnunggegendieHenschelKG,diedamitnichtmehr
freiberihrGeldverfgenkonnte.
Ende1939teiltendieWirtschaftsprferderHenschelKG
derDevisenstellemit,dassdieFirmaausdemHandelre
gistergelschtundalsGesellschaftbrgerlichenRechts
bis zur Liquidation weitergefhrt werden solle. Franz
Traugott, der bisher stiller Gesellschafter der Henschel
KG war, wurde als Liquidator eingesetzt. Erst am 12.
Februar1941wurdedemLschungswunschentsprochen,
weildieFirmakeinenGeschftsbetriebmehrhabe.
Nach Kriegsende erklrte Paul Romahn, dass er und
Gustav Schmann sich immer nur als Treuhnder fr
dieausgeschiedenenjdischenGesellschafterbetrachtet
htten.DieInhaberdesHenschelKonzernshattenzwar
vordernationalsozialistischenMachtbernahmemitder
UfabereinenTeilverkaufverhandelt,aberderVerkauf
anRomahnundSchmanngeschahaufkeinenFallaus
einer freien Entscheidung heraus, sondern unter dem
DruckdesNSRegimes.
Die Familie UrichSass wanderte zwischen 1935 und
1938 nach Mexiko aus. Die Tochter Vera folgte ihrem
Mann Leo Chrzanowski, die beiden Shne Horst und
Hanns-Jrgen fohen unter dem VorwurI der ,Rassen
schande.HedwigUrichSassfolgte1938ihrenKindern
nachMexikoCity.
DieFamilieStreitwandertezwischen1936und1938aus.
Hugo Streit foh im November 1938 vor einer drohenden
Verhaftung.SeineFrauSophiefolgteihmkurzdaraufzu
ihrenbeidenShnen,diebereits1936nachBrasilienaus
gewandertwaren.
NachKriegsendeentschiedensichdieehemaligenBesit
zer, die Henschel KG nicht wieder ins Handelsregister
einzutragen.Am16.Juni1950schlossensiemitRomahn
und Schmann einen Vergleich. Er sah vor, dass von
demnochbestehendenFirmenvermgenderSchauburg
LichtspieltheaterGesellschaftjeeinDrittelanRomahn/
Schmann, an die Familie Streit und an die Familie
UrichSassging.
Fr die im Zuge derAuswanderung verkauften Grund
stcke des Konzerns erhielten die ehemaligen Besitzer
imRckerstattungsverfahreneineEntschdigung.Neben
den Rckerstattungsverfahren und Entschdigungszah
lungenfrdenHenschelKonzernstrengtendieInhaber
desKonzernsjeweilseigeneWiedergutmachungsverfah
renanunderhieltenEntschdigungen.
DieHirschelKinos
Oft ist die Rede vom HirschelKonzern. Es gab aber
keineFirma,diesobezeichnetwerdenknnte.Manfred
Hirschel hatte zwei Firmen: Die Norddeutsche Film
TheaterKommanditGesellschaft Hirschel & Co und
die ,Helios Film GmbH'. Die Kinos frmierten, obwohl
sie im Besitz beider Gesellschaften waren, unter dem
DachderNorddeutschenFilmTheaterKGHirschel&
Co. Wenn man aber nicht nach einer Firma sucht und
nichtnurdasJahr1933,sonderndieFamilieberdiege
samteZeitderWeimarerRepublikbetrachtet,dannkann
die Rede von einem HirschelKonzern sein. Manfred
Hirschel war ber seine Firmen an mehreren Kinos be
teiligt, seine Mutter Rosa besa ebenfalls ein Kino und
seinBruderHanswarmiteigenerFirmaalsFilmvertreter
ttig.
Die Norddeutsche FilmTheaterKommanditGesell
schaftHirschel&Cowurde1922gegrndet.1928trat
dieMuttervonManfredHirschel,RosaHirschel,indie
Firmaein.ZeitweisebetriebdieKGvierKinos:DasWa
terlooTheaterinderDammtorstrae,dasNeueReichs
theater im Neuen Steinweg, das ApolloTheater in der
SderstraeunddasHeliosTheaterinderGroenBerg
straeinAltona.
Bei den Planungen zur Grndung des Henschel Film
undTheaterKonzernswarvorgesehen,dassdieKinos
derHirschelKGindieneueGesellschaftaufgehensollten.
HermannUrichSass,HugoStreitundManfredHirschel
waren schon zuvor Geschftspartner und auch familr
verbunden:ManfredHirschelwarmitGreteStreit,einer
SchwestervonHugoStreit,verheiratet.HugoStreitwar
wiederum mit Hermann UrichSass verschwgert. Zur
Beteiligung von Manfred Hirschel am neuen Konzern
kamesabernicht.
1928schiedHermannUrichSassausderNorddeutschen
FilmTheaterKGHirschel&Coaus.ImGegenzuger
hielterdieHeliosFilmGmbHvonManfredHirschel.
DermachtesichaufdieSuchenacheinemneuenSozius
undfandihninKarlEsslen,demBesitzerdesDammtor
hauses,indemsichdasWaterlooTheaterbefand.
DenUmbaudesKinos1927unddiedeutlicheVergre
rung hatte Karl Esslen als Gebudebesitzer nur erlaubt,
weil die Betreiber des Kinos den Umbau komplett be
zahlten.DafrbekamensieeinNutzungsrechtbis1955
und sicherten eine Miete von jhrlich 60.000 RM zu.
78 Jan Ptjer Johannsen
EinigeMonatenachEndedesUmbauswarKarlEsslen
der Meinung, dass die Mietzahlungen im Verzug seien.
Seine Klage wies das Landgericht ab. Trotzdem wurde
einVergleichgeschlossen,demzufolgedieEheleuteEss
lendurchVertrgevom14.November1929zumJanuar
1930 als Kommanditisten in die Norddeutsche Film
TheaterKGHirschel&Coeintraten.
Karl Esslen starb am 16. Juli 1930. Die Kommanditge
sellschaftwurdezum29.Februar1932aufgelst,nach
demManfredHirschelalsLiquidatoreingesetztworden
war. Ende 1931 trat Manfred Hirschel in die Firma des
verstorbenenKarlEsslenein,dieinzwischenvonseinen
Erbengefhrtwurde.DieFirmaKarlEsslen,WeinKel
lereien Trier, Verkaufszentrale Mhlenbeck bei Berlin,
GmbH verlegte ihren Sitz nach Hamburg und nderte
ihrenNameninWaterlooTheaterGmbH.
Da die Kinos nicht von einer Firma betrieben wurden,
muss jede Arisierung einzeln betrachtet werden. Die
Ereignisse im WaterlooTheater und das Ende der
ArbeitvonManfredHirschelinihmwurdensehrunter
schiedlich dargestellt. Manfred Hirschel schilderte sie
selbstimZugeseinerAuswanderungundimVerlaufdes
Wiedergutmachungsverfahrens.KlaraEsslenundHeinz
B. Heisig, nach Manfred Hirschel der Kompagnon von
Klara Esslen, beschrieben sie im Rckerstattungsver
fahren vor dem Landgericht Hamburg. Der Rechtsstreit
zwischen Hirschel und Esslen wurde mit zahlreichen
Schriftstzengefhrt.
Als sicher gelten kann, dass 1931/1932 Manfred
Hirschels Firma wegen des Umbaus desWaterlooThe
aters stark verschuldet war. Klara Esslen standen noch
ber 39.000 RM zu.Aus diesem Grund nahm er Klara
Esslen, die gleichzeitig seine Hauptglubigerin und
Besitzerin des Grundstcks Dammtorstrae 14 war, in
seineGesellschaftauf.SptergrndeteereineneueGe
sellschaft mit ihr zusammen. Beide hielten 50 Prozent.
ManfredHirschelverpfndeteseineHlftederFirmaan
Klara Esslen, blieb aber Geschftsfhrer des Waterloo
Theaters. Die Umstnde und der Zeitpunkt desVerlusts
diesesPostenswurdensehrunterschiedlichgeschildert.
ImEntschdigungsverfahrenwurdehauptschlichdar
bergestritten,obdieVorgngealsArisierungbezeich
net werden konnten und wer die treibende Kraft dabei
war. Feststeht, dass Manfred Hirschel seinen Posten als
Geschftsfhrer in seinem ehemaligen Kino nicht frei
willigaufgegebenhatte.Dasspersnliche,politischeund
fnanzielle Grnde Ir seine Entlassung ausschlaggebend
waren,istoffensichtlich.NurihrenachtrglicheGewich
tunggestaltetsichschwierig.
Das Neue Reichstheater wird mit keinem Wort in den
Wiedergutmachungsakten erwhnt. Dem Hamburger
Adressbuch lsst sich entnehmen, dass bis Mitte 1933
noch die nicht mehr bestehende Norddeutsche Film
Theater KG Hirschel & Co das Kino betrieben haben
soll.SptestensMitte1934hatteeineFrauM.Tackedas
Kino bernommen. Da das Theater in den Wiedergut
machungsverfahrenkeineErwhnungfand,kanndavon
ausgegangen werden, dass Manfred Hirschel das Kino
schon vor 1933 verkauft hatte und die Adressbcher
nichtkorrektsind.
Das Theater am Nobistor befand sich bis 1933 im Be
sitz von Rosa Hirschel. Sie wurde im Juli 1933 in den
Reichsverband Deutscher Filmtheater e.V. und damit
auch in die gerade gegrndete Reichsflmkammer auIge
nommen. Diese Mitgliedschaft war kein Schutz fr sie.
SowohlderKinematographalsauchdieLichtBildBhne
meldetendenVerkaufdesTheatersamNobistoranOskar
VogtunddessenOsvoVerleihzum1.November1933.
DarberhinauswarManfredHirschelstillerTeilhaberan
derSchauburgamHauptbahnhof.WannerdieseBeteili
gungverlor,istnichtbekannt.
Im Dezember 1936 schiffte Manfred Hirschel sich mit
seinerFrauundzweiseinerKinder,HorstundEva,von
MarseillenachBuenosAiresinArgentinienein.Seinen
zweiten Sohn Gnther und seine Mutter Rosa holte er
imSeptember1938nachSaoPaulonach.InArgentinien
fanderkeineArbeit.ErgingnachBrasilienundhieltsich
mit Gelegenheitsarbeiten ber Wasser. Mitte 1943 fand
ereinefesteAnstellungineinemLaboratorium.SeinLe
benkonnteernacheigenerAussageerst1948,alsozwlf
JahrenachderFluchtausHamburg,wiederkonsolidie
ren.
Nach einem mehrjhrigen Rechtsstreit, der 1946 seinen
Anfang nahm, kam es am 19. Juni 1952 zu einem Ver
gleichzwischenKlaraEsslen,HeinzHeisigundManfred
Hirschel. Zuvor war es weder zu einem Urteil noch zu
einer Einigung gekommen. In dem Prozess wurden die
Umstnde und derAblauf der Entlassung von Manfred
Hirschel und der Verlust seines Anteils am Waterloo
Kinokontroversdiskutiert.DerendgltigeVergleichsah
vor, dass die WaterlooTheater GmbH, deren Gesell
schafterEsslenundHeisigwaren,ManfredHirscheleine
79 Arisierungen von Kinos in Hamburg
Abfndung von 50.000 DM zahlen sollte. Fr das Theater
amNobistormachteManfredHirschelimWiedergutma
chungsverfahrenkeineAnsprchegeltend.Diesbegrn
deteermitdemanstndigenVerhaltenderKufer.
DasThaliaKino
DasKinobestandvon1912bis1994undwarbeiseiner
Schlieung das lteste durchgehend bespielte Kino von
Hamburg.Am11.Juli1919beantragteRanetteSalfeld,
diezuvoralsPrivatlehreringearbeitethatte,beiderGe
werbepolizei, ein Lichtspieltheater in der Grindelallee
116betreibenzudrfen.KurzzuvorhatteihrBruderdas
Grundstck mit Haus erworben. Die gesamte Familie
Salfeld zog in eine Wohnung ber dem Kino, das den
NamenThaliaLichtspieleerhielt.
Schon1933wechseltendieBesitzverhltnissederTha
liaLichtspieleundnichterst1934,wieteilweiseange
nommen wurde. Der Fehler fndet sich auch in mehreren
Quellen.ImLebenslaufvonRanetteSalfeldindenAkten
desAmtsfrWiedergutmachungwarfrdasJahr1934
vermerkt:VerpachtungdesKinos,daBetriebeinesKi
nos fr Juden verboten wurde.Aber sowohl die Licht
BildBhnealsauchderKinematographmeldetenam7.
September 1933 den Verkauf der ThaliaLichtspiele an
dieHerrenKrmerundGeiler.
Der Rechtsanwalt von Ranette Salfeld schilderte den
Verkauf:
DasGrundstckGrindelallee116,indemFrauRanetteSal
feld das Kino betrieben hatte, musste im Dezember 1938
verkauftwerden,nachdemschonimJahre1933FrauSal
feldderWeiterbetriebdesKinosuntersagtwarundsiedas
Kino hatte verpachten mssen im Jahre 1938 verlangte
die Reichsflmkammer, dass auch die Grundstcke, in de
nenKinosbetriebenwurden,nichtimEigentumvonJuden
standen.
DasGrundstckGrindelallee116wurdeam3.Dezember
1938anHeleneMeiniger,dieinHamburgschonmehrere
Kinosbetrieb,unddenKaufmannErichEigenfeldtRo
bert Walter verkauft. Krmer und Geisler blieben trotz
Besitzerwechsels Pchter des Kinos. Auch nach dem
VerkaufdesGrundstckswurdediePachtweiteranRa
netteSalfeldgezahlt,dieMietefrdieKinorumeandie
neuenBesitzerdesGrundstcks.NachAblaufdesPacht
vertrags htte Ranette Salfeld derWeiterbetrieb des Ki
noszugestanden.EswurdelautdemAnwaltvonRanette
Salfeldjedochab1941vonHeleneMeiningerundEmma
Walter,derWitwedesMitbesitzersdesGrundstcks,be
trieben. Der Rechtsanwalt von Meininger und Walter
schrieb im Rckerstattungsverfahren, dass Krmer und
Geisler zweimal eine Verlngerung der Pacht erwirkt
htten,undGeislerdasTheaterbiszumKriegsendebe
triebenhtte.
NachSchdenimKriegkonntedasKinoerst1947wie
dererffnen.DieFamilieMeiningerfhrtedasKinobis
zurendgltigenSchlieungam30.Dezember1994.Am
27. Juli 1939 fuhren die Salfelds nach Southampton in
England.VondortwolltensieEndeAugustweiternach
Montevideofahren.DerKriegsausbruchverhinderteaber
dieAusfahrt ihres deutschen Schiffes. Ihnen gelang es,
einePassageaufeinemanderenSchiffam22.September
1939 nach Uruguay zu buchen.Als erstes Ergebnis des
Rckerstattungsantrags von Ranette Saldfeld wurde am
13. Oktober 1950 ein Vergleich zwischen Ranette Sal
feld, Helene Meininger und Emma Walter geschlossen.
Darin erklrte Ranette Salfeld, dass sie auf eine Rck
erstattung des Grundstcks Grindelallee 116 und alle
Rechte an dem Lichtspielbetrieb ThaliaLichtspiele
verzichte. Im Gegenzug erhielt sie von Meininger und
WaltereinenEntschdigungsbetragvon90.000DM.
DieAstoriaLichtspiele
DasLichtspieltheaterinderGrtnerstrae92wurde1912
ineinemNeubauunterdemNamenElysiumVolkslicht
spieleerffnet.1930bernahmenzweiSchwager,Arthur
Braun undWalter Metzel, das Kino von derWitwe des
VorbesitzersPaulBlow,derdasTheaterunterdemNa
men ElysiumTheater gefhrt hatte, und nannten es in
AstoriaLichtspieleum.Ende1935musstensiedasKino
verkaufen und gingen zurck in die Tschechoslowakei,
deren Staatsbrger sie waren. August Peters bernahm
das Kino und fhrte es bis zu seiner Zerstrung im 2.
Weltkriegweiter.
ImVergleichzudenanderenjdischenKinobetreibern
in Hamburg konnten Arthur Braun und Walter Metzel
ihrKinovergleichsweiselangebetreiben.WalterMetzel
hatteseinemAuswanderungsantragbeiderDevisenstelle
einSchreibendesReichsverbandsDeutscherFilmthea
ter e.V. von Ende 1935 an seinen Schwager beigelegt.
Unter dem BetreII ,MitgliedschaIt zur Reichsflmkam
80 Jan Ptjer Johannsen
merteilteindemSchreibenderBeauftragedesPrsi
denten der Reichsflmkammer' mit:
Der Ordnung halber besttige ich, da Sie Ihren Betrieb
bis sptestens Jahresschluss veruern mssen. Smtliche
nichtarischenMitgliederdesReichsverbandeshabenbiszu
diesem Zeitpunkt auszuscheiden. Es handelt sich um eine
gleichmig gegen alle Nichtarier gerichtete Manahme.
Infolgedessen steht sie mit den deutschtschechoslowa
kischenNiederlassungsvertrgennichtimWiderspruch,da
dievlligeGleichbehandlungderStaatsangehrigenbeider
StaatenauchindieserFragegewhrtist.Ichbemerke,dass
schon eine groe Anzahl von Parallelfllen entsprechend
entschiedensind.IchempfehleIhnendaherinIhremInter
essedieVeruerungsverhandlungenungesumtzufhren,
damitSienichtdurchdieNotwendigkeit,kurzvorFristende
zuverkaufen,wirtschaftlichenSchadenerleiden.
Damit waren die AstoriaLichtspiele das Hamburger
Kino, das noch am lngsten jdische Betreiber hatte.
Alle anderen jdischen Besitzer konnten ihre Kinos
schonvordem1.Januar1934nichtmehrselbstbetreiben.
DerVerkaufgelangdenbeidenSchwagern.Siebekamen
55.000 RM, undAugust Peters war neuer Betreiber der
AstoriaLichtspiele. Ausschlaggebend fr den Verkauf
war die Ankndigung der Reichsflmkammer, dass sie
ihre jdischen Mitglieder zum 31. Dezember 1935
ausschlieenwrde.OhneMitgliedschaftinderReichs
flmkammer war der Betrieb eines Kinos verboten. Eine
vorherige Mitgliedschaft der beiden Schwager in der
Reichsflmkammer ist anzunehmen. Sie lsst sich aber
genausowenigbelegenwieeineNichtMitgliedschaft.
Kurz nachdem die Aufforderung der Reichskulturkam
merihnerreichte,begannWalterMetzel,seineAuswan
derung in die Tschechoslowakei vorzubereiten. Anders
als fr seinen Schwager war das Kino sein einziges
Standbein in Hamburg. Arthur Braun war neben dem
KinonochInhabereinesVertretergeschftsinTextilwa
ren.Zum28.Dezember1935hatteWalterMetzelsich
inHamburgmitneuemWohnsitzinPragabgemeldet.
Am 9. Juli 1938 stellte der Rechtsanwalt von Arthur
Braun fr seinen Mandanten einen Auswanderungsan
trag.DieAusreiseindieTschechoslowakeiwarwohlfr
denAugust 1938 geplant gewesen und scheint auch er
folgtzusein.Ob,woundwieWalterMetzelundArthur
BraundenKriegberlebten,istnichtbekannt.IhreSpur
verliertsichinderTschechoslowakei.
Auf den Deckeln der Auswandererakten von Arthur
BraunundWalterMetzelistjeweilsdurcheinenStempel
vermerkt: Wiedergutmachung bearbeitet. Jedoch gibt
eswederbeimAmtfrWiedergutmachungderSozialbe
hrde Hamburg noch beimWiedergutmachungsamt des
LandgerichtsHamburgAktenzuihnen.WenndieStem
pel nicht flschlicherweise auf dieAktendeckel gelangt
sind,dannlegendieWiedergutmachungsverfahrennahe,
dass Arthur Braun und Walter Metzel oder zumindest
ErbberechtigtedenKriegberlebthaben.
Schlussbemerkung
NachAbschlussmeinerMagisterarbeitkonnteinAkten,
dievomAmtfrWiedergutmachungandasStaatsarchiv
Hamburgbergebenwurden,einweiteresKinomitj
dischen' Besitzer identifziert werden. Es handelt sich
um das UnionTheater am Spielbudenplatz, dessen Ge
schftsfhrervon1920bis1935IsidorundAdeleLach
mann waren. Leider war es mir bisher nicht mglich,
denFallgenauerzuuntersuchen,aberichvermute,dass
durch ihn sich nichts an der grundstzlichen Einscht
zungndernwird.
SounterschiedlichdieArisierungenderverschiedenen
Kinos auch abliefen, fest steht, dass kein Hamburger
Kino, das jdische Besitzer hatte, sich 1936 noch in
derenBesitzbefand.ImHerbst1935arbeitetedieReichs
flmkammer auI allen Ebenen daran, das Filmtheaterge
werbeendgltigjudenreinzubekommen.
Fr Hamburg zeigt die Untersuchung, dass es bei vier
Arisierungen vier verschiedene Ablufe gab. Eine
zentrale Richtlinie war erst dieAnordnung der Reichs
flmkammer vom 17. Oktober 1935. Eine wichtige Rolle
beidenArisierungenderKinosinHamburghatnach
Angaben von Nachfahren der ehemaligen Kinobesitzer
RichardAdamgespielt.ErwarleitenderFunktionrder
regionalen NS-Filmverbnde, Leiter der Landesflm
stelle Nord und Niedersachsen sowie Geschftsfhrer
des Reichsverband Deutscher Filmtheater e.V., Abt.
Norddeutschland.NebendemBeamtentum,denrzten
unddenRechtsanwltengehrtederKunstundKultur
bereich, und damit der Film, zu den erstenWirtschafts
zweigen, die von den Nationalsozialisten reguliert und
judenfreigemachtwurden.
Beim PropagandainstrumentFilm berlieendieNatio
nalsozialistennichtsdemZufallundsorgtenzgigdafr,
dass sie die gesamte Filmbranche unter Kontrolle hat
ten.
81 Arisierungen von Kinos in Hamburg
Anmerkungen
1. Bei der Benutzung der Worte Jude oder jdisch ist
bei Arbeiten ber die NSZeit Vorsicht geboten. Schon der
NSDAP fel es schwer, eine Defnition zu fnden, wer ,Jude'
sei. Mit den Gesetzen von Nrnberg wurde 1935 eine Defnition
gesetzlichfestgeschrieben.AlsJudegaltnichtnur,wersich
zum jdischen Glauben bekannte. Die Zugehrigkeit zur neu
defnierten ,jdischen Rasse' war von der Religion der VorIah
renabhngig.NichtallePersonen,dienachnationalsozialisti
scherTerminologieundRechtsauffassungalsJudenbezeich
netwurden,verstandensichselbstalssolche.DieWorteJude,
Juden,jdischusw.werdenindemvorliegendenAufsatzaus
diesemGrundunabhngigvonderSelbstbeschreibungderPer
sonen als Zitate aus dem nationalsozialistischen Sprachschatz
gebraucht. Weil sie nach nationalsozialistischer Auffassung
Judenoderjdischwaren,betrafensiediewirtschaftlichen
DiskriminierungenundAusgrenzungsmanahmenunabhngig
davon,obsiesichselbstalsJudenverstandenodernicht.
2. Zu Einzelheiten und Zitatnachweisen vgl. Jan Ptjer Jo
hannsen: Arisierungen von Kinos in Hamburg, unverffent
lichteMagisterarbeit.Hamburg2006.
3.DieBezeichnungArisierungsetztesichindernationalso
zialistischenBehrdensprachederdreiigerJahrealsBezeich
nungfr denTransfer jdischenVermgens und Eigentums
in arischen Besitz durch. Im Zuge der Arisierungen wur
den viele jdische Firmen einfach liquidiert. Synonym fr
denwirtschaftlichenAusschaltungsprozesswurdeauchvonder
,Entjudung' gesprochen. Es gab und gibt keine oIfzielle De
fnition der beiden BegriIIe. Sie werden hier als Zitate gekenn
zeichnet,weilsiejeweilsineinemWortdeutlichmachen,dass
es sich um antisemitisch motivierte Verfolgungsmanahmen
handelte.
4.FrankBajohr: ArisierunginHamburg.DieVerdrngung
derjdischenUnternehmer19331945.Hamburg1997.
5. Gerti Keller: Kino unterm Hakenkreuz. Das Beispiel Ham
burg,unverffentlichteMagisterarbeit.Hamburg1993.
6.GerhardPaul:AufstandderBilder.DieNSPropagandavor
1933.Bonn1990,S.187195.
7. Carl Neumann, Curt Belling, HansWalther Betz: Film
Kunst,FilmKohn,FilmKorruption.EinStreifzugdurchvier
FilmJahrzehnte.Berlin1937.
8. Uwe Julius Faustmann: Die Reichskulturkammer. Aufbau,
FunktionundrechtlicheGrundlageneinerKrperschaftdesf
fentlichenRechtsimnationalsozialistischenRegime.Diss.jur.,
Bonn1990.
9. Jrgen Spiker: Film und Kapital. Der Weg der deutschen
Filmwirtschaft zum nationalsozialistischen Einheitskonzern.
Berlin1975.
10.WolfgangBecker:FilmundHerrschaft:Organisationsprin
zipienundOrganisationsstrukturendernationalsozialistischen
Filmpropaganda.Berlin1973.
11. O.Vf.: Die Lichtspieltheater als deutscher Kulturtrger.
In:VlkischerBeobachter,21.09.1935.
12. Gerhart Heyer: Aufbau und Zustndigkeit der Reichshlm
kammer.Diss.jur.,Hamburg1937.
13.DieAbschnitteberdieeinzelnenKinoUnternehmenstt
zen sich im wesentlichen aufAktenbestnde aus dem Staats
archiv Hamburg und den verschiedenen Wiedergutmachungs
verfahren beimAmt frWiedergutmachung, beziehungsweise
dem Landgericht Hamburg. Fr den HenschelKonzern konn
ten auch Interviews mit Nachfahren der ehemaligen Besitzer
als Quellen herangezogen werden. Bei den Akten aus dem
StaatsarchivhandelteessichumfolgendeBestnde:
2317AmtsgerichtHamburgHandelsundGenossenschafts
register
A1Band69A17033TheateramNobistor,RosaHirschel
A1Band7819189MaxBlanck&Co,FilmVerleih
A1Band96A22791Jos.Henschel&Co,FilmVerleih
A1 Band 126 A28474 Norddeutsche FilmTheaterKommanditGe
sellschaftHirschel&Co
A1Band151A33905SchauburgLichtspiele,GloriaPalastHermann
UrichSass
A1 Band 155 A34651 Henschel FilmTheater Kommandit Gesell
schaft,akaHenschelFilm&Theaterkonzern
A1Band158A35293Schauburg(Streit)
A1Band178A39881SchauburgLichtspieltheaterGesellschaftRo
mahn&Schmann
A1Band205A45101SchauburgAltonaRomahn&Schmann
A1Band218A48028TheateramNobistor,ErnaVogt
A1Band223A49196WaterlooTheaterEsslen&HeisigOHG
A1Band260A56185DieBarke
A2Band43B2750WaterlooTheaterGmbH
A2Band61B4462WaterlooTheaterGesellschaftmbH
A3Band36C2157J.HenschelGmbH
A3Band43C2894HeliosFilmGmbH
A3Band95C7876FilmverleihNiedersachsenGmbH
A3 Band 106 C8815 Schauburg Lichtspieltheater Betriebsgesell
schaftmbH
B1995222 Henschel Filmtheater Kommandit Gesellschaft vormals
HenschelFilmHenschelFilm&TheaterKonzern
314-15 Oberhnan:prsident
F203Band1ArthurBraun
F203Band2ArthurBraun
F261LeoChrzanowski,(enthltauchVeraChrzanowski,gebUrich
SassundHorstUrichSass)
F1078ManfredHirschel
F1705WalterMetzel
F2060EmilSalfeld,enthltauchRanetteSalfeld,geb.Polack,und
ElisabethFannySalfeld
F2246Band1HugoStreit
F2246Band2HugoStreit
F2278FranzTraugott
82 Jan Ptjer Johannsen
F2292HedwigUrichSass
FVg3467AdolfSalfeld
R1938/813ArthurBraun
R 1938/1853 Hugo Streit, Sophie Streit (enthlt auch FranzTraugott,
BiancaStreit,HenschelKG)
R1939/59EmilundRanetteSalfeld
3762Gewerbepolizei
SpzIXF8LessingTheateramGnsemarkt(19211945)
SpzIXF12PassageLichtspieltheater
SpzIXF13WaterlooTheaterDammtorstrae(19201945)
SpzIXF15UfaTheater,Band3
Die Akten der Wiedergutmachungsverfahren lagerten bis vor
kurzem direkt beimAmt fr Widergutmachung der Sozialbe
hrde Hamburg beziehungsweise beim Wiedergutmachungs
amt des Landgericht Hamburg. Inzwischen sind sie an das
Staatsarchiv weitergegeben worden und haben eventuell neue
Signaturenerhalten.
AmtfrWiedergutmachungderSozialbehrdeHamburg
010214HorstUrichSa
040688HedwigUrichSa
070489SophieStreit
090812RolfArnoStreit
160892ManfredHirschel
161285HugoStreit
170183FranzTraugott
180484JohnStreit
210485ErbengemeinschaftRanetteSalfeld
260811CarlHeinzStreit
300318HannsJrgenUrichSa
LandgerichtHamburg,Wiedergutmachungsamt
Z55ManfredHirschel
Z 206 Hugo Streit (nich auIfndbar)
Z 1847 Hugo Streit (nicht auIfndbar)
Z1848SophieStreit
Z1854FranzTraugott
Z1916HorstUrichSass
Z1917HannsJrgenUrichSass
Z1918HedwigUrichSass
Z2023RanetteSalfeld,geb.Polack
83
1.Einleitung
Neben einer Veranstaltungsffentlichkeit in ortsfesten,
kommerziell gefhrten und fr fast alle Deutschen zu
gnglichen Kinos gab es im Dritten Reich flmische Ver
anstaltungen,dienurvonausgewhltenGruppenbesucht
werden konnten. Das waren neben Filmveranstaltungen
innerhalbderNSDAPundihrerGliederungenvorallem
interne, geschlossene Vorfhrungen in den deutschen
SchulenundinderHitlerJugend.MankanndieseVeran
staltungenauchalsParallelffentlichkeitenbezeichnen.
Zu den Filmvorstellungen in den Schulen zhlt der so
genannte Unterrichtsflm, den der Lehrer als LehrstoII
direkt im Unterricht zeigte. Staatspolitische Schulflm
veranstaltungen,dieineinemgrerenSaalinderSchule
oder in einem nahe gelegenen Kino vorgefhrt wurden,
ergnztendasFilmprogrammfrdieSchler.
ZudenParallelffentlichkeitengehrtenauchdieJugend
flmstunden, die nur Ir Mitglieder der Hitler-Jugend or
ganisiert wurden.
1
Sowohl ber den Unterrichtsflm als
auch die staatspolitischen Schulflmveranstaltungen und
Jugendflmstunden konnte das NS-Regime alle Kinder
und Jugendliche ab zehn Jahren unter geradezu idealen
Bedingungenerreichen,dadieTeilnahmeandiesenVer
anstaltungsIormen Pficht war. Die Nationalsozialisten
schufen ein ErlebnisKino, in dem nicht Ideologien be
bildert,sondernAffekteausgelstwurden.Whrenddie
NationalsozialistenmitdemfastimmerstummenUnter
richtsflm den didaktischen Einsatz einer Filmgattung
fortsetzten,dieesbereitsinderWeimarerRepublikgab
2

undbeidereswenigerumAffekteging,lassensichdie
staatspolitischen Schulflmveranstaltungen und die Ju
gendflmstunden bei der Hitler-Jugend als AIIektmobili
sierungdeuten,indenendenKindernundJugendlichen
heroischeLeitbildervorgesetztwurden.Letzterenahmen
zwaretablierteFormenwiedenSpielundDokumentar
flm auI, aber die Veranstalter setzten diese durch mas
senwirksame Auffhrungen mit aufwndig gestaltetem
Begleitprogramm neu ein und gestalteten diese als un
vergesslichesGemeinschaftserlebnisderJugendlichen.
Wie das NSRegime diese drei Parallelffentlichkeiten
Unterrichtsflm, staatspolitische Schulflmveranstal
tungen und Jugendflmstunden eingerichtet und insze
niert hat, ist in der Forschung sehr unterschiedlich be
handelt worden. Vor allem der Unterrichtsflm ist in der
Forschungsliteratur sehr ausfhrlich untersucht worden.
DiestaatspolitischenFilmveranstaltungenindenSchulen
und die Jugendflmstunden in der Hitler-Jugend werden
dagegennach1945eheramRandebehandelt.Besonders
berdieRezeptionderdortgezeigtenFilmeliegenbisher
nurwenigeErgebnissevor.Allerdingszeigenzeitgens
sische Berichte und Umfragen
3
, dass besonders die als
Event und Gemeinschaftserlebnis inszenierten Filmver
anstaltungen bei den Jugendlichen auf groe Resonanz
stieenundvorallemden1018Jhrigendadurcherstdie
Mglichkeitgegebenwurde,berhauptFilmezusehen,
wasihnenvielfachdurchdiestrengen,altersgebundenen
Zutrittsregelungen in den ffentlichen Kinos verwehrt
war.InsofernistGerhardStahrsThesezuwidersprechen,
dass die Filme in den Jugendflmstunden keinen gro-
enWirkungsgradentfaltethaben,dajederJugendlicher
durchschnittlich nur einmal im Jahr eine solche Veran
staltungbesuchthtte,whrendermehralszwanzigMal
ineinffentlichesKinogegangenwre.
4

AuchinHamburg,derzweitgrtenStadtimDeutschen
Reich,besuchtentausendejungeMenschensolcheFilm
veranstaltungen. Dass die Jugend ein bedeutender Fak
tor Ir die Beeinfussung und Lenkung der Massen sein
konnte,stelltebereits1933eineHamburgerTageszeitung
in der berschriIt eines Artikels heraus: ,Filmpropagan
da in Hamburgs Schulen. Wer die Jugend hat, hat das
Volk.
5
Die in diesem Aufsatz erstmals zusammenge
KinoffentlichkeitI
WerdieJugendhat,hatdasVolk
Nationalsozialistische Schul- und 1ugendlmveranstaltungen in Hamburg
IrinaScheidgen
84 Irina Scheidgen
tragenen Informationen und Zahlen ber die Parallelf
fentlichkeiten in Hamburg und vor allem die Rezeption
der staatspolitischen Schulflmveranstaltungen stam
menausschlielichausdenunverffentlichtenAktenim
StaatsarchivHamburg.
2.FilminderSchule
Der Unterrichtslm
DernationalsozialistischeStaatstelltebereitskurznach
der Machtergreifung das Medium Film in den Dienst
seiner Weltanschauung
6
. Auch die deutschen Schler
und Schlerinnen sollten durch den Film beeinfusst wer
den. So heit es am 26. Juni 1934 in einem Erlass des
ReichsministersfrWissenschaft,ErziehungundVolks
bildung,BernhardRust:
Das hat besonders in der Schule und zwar unmittelbar im
Klassenunterrichtzugeschehen.DerFilmsollalsgleichbe
rechtigtesLernmittelberalldortandieStelledesBuches
usw. treten, wo das bewegte Bild eindringlicher als alles
anderezumKindespricht.EsistmeinWille,dademFilm
ohne Verzgerung in der Schule die Stellung geschaffen
wird,dieihmgebhrt.
7
EsgabzahlreicheEinrichtungenundStellen,dieaufdie
Organisation und Produktion von Schulflmen Einfuss
ausbten(Abb.1).
An der Spitze stand das Reichsministerium fr Wis
senschaft, Erziehung und Volksbildung, das Beschlsse
zum Schulwesen allgemein und zum Unterrichtsflm im
Besonderen fasste. Gemeinsam mit dem Reichsminis
terium fr Volksaufklrung und Propaganda erstellte es
auch Programme Ir die staatspolitischen Schulflmver
anstaltungen. Fr die Filmarbeit des Erziehungsminis
teriumswardasausfhrendeOrgandieReichsstellefr
den Unterrichtsflm (RIdU), die bereits 1934 mit Sitz in
Berlin entstand und um Filme mglichst schnell und
effektivindenSchulen,BerufsundHochschuleneinset
zenzuknnendiefrdiedeutschenSchulenzunchst
vor 1933 entstandene Filme einsetzte und dann eigene
Unterrichtsflme produzieren lie.
9
Zudem lieferte sie
die notwendigen Vorfhrgerte. Die Reichsstelle wurde
aufgrundihrerausgeweitetenTtigkeitsbereiche1940in
ReichsanstaltfrFilmundBildinWissenschaftundUn
terricht(RWU)umbenannt.
Die Nationalsozialisten richteten bis 1935 auerdem
24 Landesbildstellen ein, manche bestanden bereits mit
einer anderen Funktion vor 1933, andere wurden neu
gegrndet. Bis 1943 erhhte sich die Zahl auf 36 Lan
desbildstellen. Die Landesbildstelle Hansa in Hamburg,
die 1935 aus dem Staatlichen Lichtbildamt hervorging,
warfrHamburg,BremenundLbeckzustndig.Ihrka
men wie allen anderen Landesbildstellen pdagogische,
organisatorische, technischeAufgaben zu und sie sollte
Behrden,BildstellenundSchulenberaten.DieLandes
bildstelle Hansa sammelte zudem die in der Film und
BildarbeitgemachtenErfahrungenundwertetedieseaus.
WeitereAufgabenwarendieMitarbeitanderFilmund
BildbedarfsplanungderRfdU,dietechnischeBetreuung
Abb.1:OrganisationsstrukturderEinrichtungen
8
ReichsministeriumfrWissenschaft,
ErziehungundVolksbildung
s s s s
Reichsministeriumfr
VolksaufklrungundPropaganda
s s s s
Reichsstelle Ir den Unterrichtsflm (RIdU)
(ab1940ReichsanstaltfrFilmundBildinWissenschaftundUnterricht,RWU)
Landesbildstellen
Provinzialbildstellen
Landesflmstellen
Gauflmstellen
Regierungsbildstellen Kreisflmstellen
Stadtbzw.Kreisbildstellen Ortsgruppenflmstellen
Schulen/Hochschulen
EinrichtungenderJugendund
Erwachsenenbildung
85 Kinoffentlichkeit I
Abb.2:Schlermit
Schmalflm-Projektor.
(Abb.2u.3nachvon
Keitz:Kinematogra
phie[wieAnm.26],
S.470u.473).
der Film- und Bildgerte, der AuIbau einer Landesflm-
und Bildsammlung sowie die Katalogisierung und der
VerleihvonFilmenundBildern.
10
DadieBedienungder
Schmalflmgerte sowohl im Unterrichtsflm als auch
bei den staatspolitischen Schulflmveranstaltungen durch
Lehrergewhrleistetwerdensollte,botendieLandesbild
stellenimDrittenReichdenPdagogenSchulungskurse
an. Die Landesbildstelle Hansa bildete allein bis Mrz
19371271LehrerundLehrerinnenalsVorfhreraus.
11

NebendenLandesbildstellengabesihreZahllag1943
bei 1235 Stadt und Kreisbildstellen und zahlreiche
ProvinzialundRegierungsbildstellen
12
,diesichhnlich
wiedieLandesbildstellenumdieBeratungderSchulen,
den Filmverleih und die technische Pfege der Bildgerte
aufKreisebenekmmerten.ZieldieserzahlreichenInsti
tutionen war es, alle Schultypen mit Schmalflmgerten
und Unterrichtsflmen zu versorgen. Die Gauflmstellen
unterstandenimGegensatzzudenLandesbildstellendem
ReichsministeriumfrVolksaufklrungundPropaganda.
Sie kmmerten sich vor allem um die staatspolitischen
Schulflmveranstaltungen und die Jugendflmstunden.
EineBesonderheitwar,dassdieUnterrichtsundHoch
schulflme die einzig proIessionell produzierten Film
gattungen waren, die das Propagandaministerium nicht
zensierendurfte.
13

Die Reichsstelle (RfdU) selbst bezeichnete den Unter


richtsflm als ,vllig neue Filmgattung'
14
, die im Ge
gensatz zu den Irheren Lehr- und Kulturflmen die Be
drfnisse des ffentlichen Lichtspieltheaters nicht mehr
bercksichtigenmusste,sondernvonvornhereinundaus
schlielichfrdenBedarfderSchulenhergestelltwurde.
DieFilmewurdenunterpdagogischenGesichtspunkten
lehrplanmigundunterrichtsmethodisch
15
gestaltet.
Den BegriII ,Unterrichtsflm' verwendete erstmals Franz
Schnhuber1917ineinemVortragunddenVersuchei
ner Defnition unternahm Hans Ammann im Jahr 1921.
DurchsetzenkonntesichdieBezeichnungabererst1931
auI der 3. Internationalen LehrflmkonIerenz in Wien,
auI der der Unterrichtsflm vom Lehr- und Kulturflm
abgegrenzt und defniert wurde als ,eine Ir den schul
migenWissensundBildungserwerbgeeigneteLicht
bildfolge, die einen deutlich begrenzten, dem Lehrplan
entsprechendenLehrinhaltbietetund nach didaktischen
Gesichtspunkten aufgebaut ist.
16
Der Unterrichtsflm
sollte der Wissensvermittlung in den Allgemeinbilden
den Schulen oder der Vermittlung von Fertigkeiten in
den Berufs und Fachschulen dienen. Ein wesentlicher
Unterschied zum Kulturflm bestand darin, dass der Un
terrichtsflm nicht unterhaltend, sondern die Schler in
meist strenger Form belehren und erziehen sollte.
17
Er
warnurAnschauungsmittel,derdasOptischemitdem
Dynamischenverband
18
undaufNebenschlichkeiten,
auI das Sensationelle und die sachIremde Aufocke
rung
19
verzichtete.
Die Reichsstelle Ir den Unterrichtsflm stellte Ir die
AllgemeinbildendenSchulen
20
thematischundtechnisch
anders gestaltete Unterrichtsflme her als Ir die BeruIs-/
FachschulenundUniversitten,dieauchmitFilmenver
sorgtwerdenmussten.DieHerstellungderFilmeerfolgte
aufgrund eines Bedarfsplanes, den die Reichsstelle und
dieamtlichenBildstelleninengsterZusammenarbeitmit
demNationalsozialistischenLehrerbundaufstellten.
FrdieunterschiedlichenSchultypenwurdenseitAnfang
der 1930er Jahre nicht mehr Normalflme auI 35 mm
produziert,sonderndieReichsstellefrdenUnterrichts
flm stellte die Produktion auI Schmalflme (16mm) um.
Im Gegensatz zum Normalflm war die Herstellung von
Schmalflmen wesentlich kostengnstiger. Weitere Vor
teilewaren,dassdieFilmeleichterzudenSchulentrans
portiertwerdenkonntenunddasMaterialnurschwerent
86 Irina Scheidgen
Abb.3:UnterrichtmitKartenundBildmaterial
zndbarwar.DieRfdUliefertedieFilmekostenlosber
diejeweiligeLandesbildstelleoderStadt/Kreisbildstelle
an die Schulen. In Hamburg bernahm die Landesbild
stelleHansadieseAufgabe.DortgabesEnde1935rund
400Schulen.
21
DieFilmewareninderRegelstumm,was
den Vorteil hatte, dass ein Stummflmgert nur ein Viertel
eines Tonflmgertes kostete (Abb. 2). Die Kommentie
rungdesFilmsbernahmderjeweiligeFachlehrer(Abb.
3).DamiterauchdiedennationalsozialistischenAuf
sichtsstellen entsprechende richtige Interpretation
vermittelte,sollteersichdurchdasmitgelieferteBeiheft
vorbereiten, in dem eine Inhaltsangabe, Erluterungen,
Statistiken, Literaturangaben und didaktische Hinweise
zu dem jeweiligen Unterrichtsflm abgedruckt waren.
22
FrdieLehrerbestandauchdieMglichkeit,dieFilme
an speziellen Filmnachmittagen vorzusichten. In den
Akten der Oberschulbehrde im Staatsarchiv Hamburg
fnden sich zahlreiche Schreiben an die Schulen mit
Einladungen zu den Hamburger Filmnachmittagen.
23

Die Lnge der schwarz-weien Unterrichtsflme betrug


meistnichtmehrals1015Minuten,dasiewhrendeiner
Schulstunde von 45 Minuten vorgefhrt, analysiert und
interpretiert werden mussten. Die Filme prsentierten
nur Bewegungen und Handlungsablufe, die mit einem
MinimumanZwischentitelnundErluterungenauskom
mensollten.
FrdieeinzelnenSchulfcherproduziertedieRfdUzum
TeilsehrunterschiedlichgestalteteFilme.IndenAllge
meinbildenden Schulen waren das die Fcher Deutsch
und Heimatkunde, Geschichte und Nationalpolitische
Erziehung, Erdkunde, Biologie, Vererbungslehre und
Rassenkunde, Chemie, Physik und Mathematik, Haus
wirtschaft, Gesundheitslehre und Nadelarbeit sowie
Werkunterricht, Zeichnen und Kunsterziehung und Lei
beserziehung.
Die Produktion von Unterrichtsflmen Ir die Allgemein
bildendenSchulenhatsichvon1938bis1943vorallem
in den naturwissenschaftlichen Fchern, in Erdkunde,
in Deutsch und Heimatkunde oder auch in den Fchern
Geschichte und Nationalpolitische Erziehung auffllig
gesteigert. In den anderen Fchern ist nur ein leichter
AnstiegoderbeidemFachMathematiksogareingering
fgigerRckgangzubeobachten(Abb.4).
DieSchulenkonntenfrdieeinzelnenFcherbeiderzu
stndigen Bildstelle Filme bestellen. Von den fertig ge
stellten Unterrichtsflmen lieIerte die RIdU whrend des
Dritten Reiches insgesamt 800.000 Schmalflmkopien an
die Landesbildstellen aus.
24
Vor allem in den deutschen
GrostdtenwieBerlinundHamburgstiegdieZahlder
Entleihungstetigan.
Die Zahl der jhrlichen Filmentleihungen hat sich in
Hamburg von 1935 bis 1936 fast verdoppelt und zwar
von 371 auf 730 (Abb. 5). Im Jahresbericht ber das
Schuljahr 1936/37 fhrt Otto Herrmann, der Leiter der
LandesbildstelleHansa,dieDurchschnittszahlenfrEnt
leihungen von Unterrichtsflmen an Hamburger Schulen
an.Dabeiwurden1936/37durchschnittlichproJahrca.
15.860 Filme, wchentlich 397 und tglich 66 Filme in
Hamburger Schulen aufgefhrt. Nur ein Jahr spter, im
Berichtsjahr 1937/38, dass den Zeitraum vom 1. April
1937bisFebruar1938umfasst,liegendieDurchschnitts
zahlenbeijhrlich45.000entliehenenFilmen(40Schul
wochen),daswaren1.125FilmeproWocheund187pro
Tag.SokonntennachAussageHerrmannsalleininHam
burg1,8MillionenSchlerproJahrerreichtwerden.Ins
gesamtkonntendieHamburgerSchulenindiesemZeit
raum auI 150 Unterrichtsflme zurckgreiIen. Der am
hufgsten auIgeIhrte Unterrichtsflm in Hamburg war
zwischenApril1937undFebruar1938derPuppentrick
flm TISCHLEINDECKDICHmit378Vorfhrungen.
25

DieseenormeSteigerungderFilmauffhrungenlsstsich
zum einen damit erklren, dass durch das GroHam
burgGesetzauchdieSchulenderam1.April1937ein
gemeindeten Stadtteile Altona, HarburgWilhelmsburg,
WandsbekundeinigerpreuischerRandgemeindendazu
gerechnetwurden.ZumanderenresultiertdieSteigerung
87 Kinoffentlichkeit I
Abb.4:GesamtproduktionderFilmefrAllgemeinbildendeSchulen
25
(sogenannteFFilme)
Abb.5:ZahlderFilmentleihungenanHamburgerSchulen
26
GesamtproduktionFFilmebis 1938 1940 1943
178 227 266
davonrubriziertunterdieUnterrichtsfcher:
DeutschundHeimatkunde 29 43 47
GeschichteundNationalpolitischeErziehung 8 23 33
Erdkunde 46 83 91
Biologie 41 89 88
VererbungslehreundRassenkunde 5 6 7
ChemieundPhysik(ab1940inkl.Technik) 23 35 43
Mathematik 2 1 1
Hauswirtschaft,Gesundheitslehre,Nadelarbeit 7 14 12
Werkunterricht,Zeichnen,Kunsterziehung 12 15 15
Leibeserziehung 5 6 10
1935 1936
Monat
ZahlderEntleihungen
jeTag
ZahlderEntleihungen
jeTag
Januar 17 18
Februar 26 52
Mrz 25 55
April 23 90
Mai 23 50
Juni 17 35
Juli 28
August 42 50
September 48 70
Oktober 32 100
November 50 95
Dezember 68 87
Gesamt 371 730
88 Irina Scheidgen
auch aus der greren Anzahl von Unterrichtsflmen und
der intensiven Werbearbeit der Landesbildstelle Hansa.
Um die Auswertung des Films im Unterricht voranzu
treiben, verschickte die Landesbildstelle zustzlich an
alleSchulenFragebgen,indenenauchnachkonkreten
BewertungendereinzelnenFilmegefragtwurde.Inden
AktenderOberschulbehrdenimStaatsarchivHamburg
sindallerdingskeineEinzelbewertungenvorhanden,son
dernnurwenigevonderLandesbildstellezusammenge
fassteErgebnisse.Sobejahtenz.B.193860Hamburger
LehrerdenFilmREIFETEILUNGUNDBEFRUCHTUNGfrdas
Fach Biologie als Unterrichtsmittel, 53 hielten ihn nur
frdieOberstufegeeignetundzweiBeurteilerforderten
eine Vorbereitung bzw. Ergnzung durch Betrachtung
mikroskopischerPrparate.
28
InsgesamtzeigtaberdieVielfaltderFilmthemen
29
,dass
alle Fcher mit Filmen bedient werden konnten. Dabei
flltauf,dassdieFilmefrFcherwieGeschichteund
Nationalpolitische Erziehung sowie Vererbungsleh
re und Rassenkunde, die im Vergleich eine geringere
Zahlausmachten,offenpropagandistischwarenundden
SchlerndamiteinebestimmteWeltanschauungvermit
teln werden sollte. Der Film MDEL IM LANDJAHR von
Hans Crlis aus dem Jahr 1936 gab zum Beispiel den
Schlerinnen im Fach Nationalpolitische Erziehung ei
nenAusblickaufdasnachdemSchulabschlussfolgende
Landjahr,indemwieesimBeiheftheitdiestraffe,
zuchtvolle LagergemeinschaIt bejaht wird. Krperpfe
ge, Willenssthlung, aktiver Einsatz in der huslichen
und buerlichen WirtschaIt, Teilnahme am Dorfeben
und echte Feiergestaltung kennzeichnen auch bei den
MdchendieerzieherischeLiniedesLandjahrlebens.
30

AndersalsbeidenJungen,soheitesimHeftweiter,sei
das Erziehungsziel nicht das Mdel in Uniform, son
dern die deutsche Frau und Mutter. Volks und heimat
kundlicheFilmesolltendenfestenGrundfrdenStolz
aufHeimat,Sippe,Stamm,VolkundFhrerlegen.
31
Die weitaus grere Zahl der Filme in den anderen F
chernwolltedagegenmeistsachlichundohneWertung
vor allem Bewegungsablufe von Menschen, Tieren,
Arbeiten oder Technik veranschaulichen. Nationalso
zialistische Anschauungen fanden sich hier allenfalls
indirekt z. B. in bestimmten propagierten Frauen und
Mnnerbildern. Es gab zudem die von der Reichsstelle
Ir den Unterrichtsflm in AuItrag gegebenen Mrchen-
und Puppentrickflme der Gebrder Diehl wie der oben
genannteFilmTISCHLEINDECKDICH(1936)oderdieFilme
DERWETTLAUFZWISCHENDEMHASENUNDDEMIGEL(1939),
DERGESTIEFELTEKATER(1940)undDORNRSCHEN(1943),
aberdieseeherunterhaltendenFilmebliebenimGesamt
angeboteineAusnahme.
32

Zustzlich stellte die RIdU neben dem Unterrichtsflm


fr Allgemeinbildende Schulen auch noch Filme mit
sehr speziellen Themen fr Fach und Berufschulen
sowie fr die einzelnen Studiengnge der Hochschulen
her. Filme mit Titeln wie BAU DES WEINBERGS UND DER
REBE, SCHLACHTEN EINES HAMMELS, WIRKUNG DES MAU
ERHAMMERS, STRMUNG AN KRAFTFAHRZEUGEN, DIE BE
HANDLUNGDESANGEBORENENKLUMPFUSSESBEIMSUGLING
oder RNTGENKINEMATOGRAPHISCHE UNTERSUCHUNGEN AM
BRONCHIALBAUMzeugenvonderVielfaltderThemen.Vor
allem bei Forschungsflmen zeigt sich der Vorteil dieses
Mediums, wenn HandlungsabluIe fxiert wurden und
technisch die Mglichkeit bestand, durch Zeitlupe und
ZeitrafferVorgnge sichtbar zu machen, die fr das na
trlicheAugenichterkennbarsind.
Ingesamt wurden im Dritten Reich 317 so genannte F
FilmefrAllgemeinbildendeSchulenund106BFFilme
frgewerbliche,hauswirtschaftlicheundkaufmnnische
Berufs und Fachschulen gedreht. Hinzu kamen 37 LF
FilmefrdielandwirtschaftlichenBerufsundFachschu
len, 71 Forschungsflme (B-Filme) sowie die enorme
Zahl von 454 CFilme fr die Hochschulen. Ingesamt
ergabdasdiebeachtlicheZahlvon985Filmen.
33

MichaelKhnunterscheidetdreiPhasenderUnterrichts
flmproduktion.
34
WhrendindererstenPhasevon1934
bis1935vorallemvolkskundlicheFilmehergestelltwur
den,entstandeninderzweitenPhasevon1936bis1938
differenzierteFilme,dieauchvermehrtTechnikundIn
dustriethemen aufgriffen. Erst in der dritten Phase von
1939bis1945wurdendieFilmeandieErfordernissedes
Krieges angepasst. Thematisch erweiterte Unterrichtsfl
me vermittelten den Kinder und Jugendlichen im Krieg
besonders wichtige Erziehungsziele: Sie knnen die
Jugend von den kriegerischen Handlungen, vom solda
tischenLebenberhaupt,vonWaffenundKampfmitteln
eine Anschauung vermitteln, die ihre Vorstellungswelt
erweitertundklrt.
35

Die Finanzierung der Unterrichtsflme und der damit


verbundenenFilmarbeiterfolgtedurchGemeinschafts
beschaffung. Darunter ist zu verstehen, dass alle deut
schen Schulkinder vierteljhrlich einen Lernmittelbei
89 Kinoffentlichkeit I
trag bezahlen mussten, der bei 20 Reichspfennig lag.
36

Ausgenommen waren laut Reichsstelle Kinder vonAr


beitslosen, alle dritten Kinder einer Familie, die bisher
0,10 RM im Vierteljahr zahlten. Kinderreiche Familien
abvierKindermusstennurfrdasersteKinddenBeitrag
entrichten.DieSchulensammeltendenLernmittelbeitrag
ein und berwiesen ihn an die Reichsstelle fr den Un
terrichtsflm.
37
VielerortsregtesichbeidenElternProtest
gegen die oktroyierteAbgabe, so dass sich die Reichs
stelle gezwungen sah, ein Informationsblatt mit dem
Titel ,Warum zahlen die Eltern Ir den Unterrichtsflm
20 Pfennig im Vierteljahr? herauszugeben und an die
Elternzuverteilen.
38
Darinwirdbeteuert,dassderLern
mittelbeitrag ausschlielich den Kindern in Form von
Filmgerten und Filmen zugute komme und in keinem
Fall fr die Finanzierung einer Organisation verwendet
werde.InHamburggabeszahlreicheMahnschreiben,da
dieSchulenodereinzelneSchlerdieBeitrgenichtbe
zahlthatten.
Waren die Filme ursprnglich nur fr die Schulen und
Universittengedacht,stelltendieLandesbildstellendie
sewhrendderKriegszeitunentgeltlichauchderWehr
machtzurVerfgung:
39
Das von der Schulflmbewegung stets ins Feld geIhrte Ar
gument der Anpassung der flmischen Form an die Wahr
nehmungsfhigkeit sechs bis vierzehnjhriger Kinder
und Jugendlicher wurde schlielich mit dem Einsatz der
Unterrichtsflme bei der Truppenbetreuung ad absurdum
gefhrt. Die Soldaten bekamen nicht nur die nationalpo
litischen` und Geschichtsflme zu sehen, sondern auch, wie
die Grundschler, die Mrchen- und Puppentrickflme der
GebrderDiehl(...).
40

Die Landesbildstelle Hansa musste Unterrichtsflme und


Gerte an FlakEinheiten der deutschen Luftwaffe und
an die Wehrmacht in Norwegen liefern,
41
um den Sol
dateninunterhaltsamerFormeindringlicheAusschnitte
ausallenGebietendesLebensundWissens
42
zubieten.
Whrend des Krieges fel der Einsatz der Unterrichtsfl
meinHamburgerSchulensehrunterschiedlichaus,was
auchdaranlag,dassdieAlliiertenTeilederStadtdurch
LuItangriIIe zerstrten und der Unterricht dadurch hufg
ausfel. Hunderte Kinder hatten zudem im Zuge der Kin
derlandverschickungdie Hansestadt verlassen und auch
vieleLehrer,diedieFilmgertebedienenkonnten,waren
zurWehrmachtabkommandiertworden.
Eine Vielzahl der stummen Unterrichtsflme setzte die
Nachfolgeorganisation der RWU, das Institut fr Film
und Bild in Wissenschaft und Unterricht (FWU), auch
nach1945ohneBedenkenimSchulunterrichtein.
43

Staatspolitische Schullmveranstaltungen
Im Gegensatz zu den zahlreichen stummen Unterrichtsfl
men,dieindenmeistenFllenbestimmteSachverhalte,
BeruIe, Gegenstnde oder Tiere/ Pfanzen nher bringen
wollten und ihren Sinn vor allem durch den Kommen
tardesLehrerserhielten,verfolgtendiestaatspolitischen
Schulflmveranstaltungen ganz oIIenkundig einen ande
renZweck:EsgingumdenErlebnischarakter,mankann
auch sagen, es ging um Affektpolitik. Dahinter steckte
eine gezielte Wirkungsstrategie. Die staatspolitischen
Filmveranstaltungen fhrte das Reichsministerium fr
Volksaufklrung und Propaganda im Oktober 1933 fr
die Allgemeinbildenden Schulen ein.
44
Diese fanden in
einemgroenSaalderSchuleoderwennkeinentspre
chender Raum vorhanden war in einem ffentlichen
Lichtspieltheater statt. Die Schler waren verpfichtet,
an den staatspolitischen Schulflmveranstaltungen teilzu
nehmen und fr jedeAuffhrung 15 Reichspfennig als
Eintrittsgeld zu bezahlen. Genau wie beim Unterrichts
flm durIte nur ein bestimmter Prozentsatz von benach
teiligten Schlern eine Ermigung erhalten. Damit die
fnanzielle Belastung Ir die Eltern der Kinder und Ju
gendlichen, die auch den Lernmittelbeitrag fr den Un
terrichtsflm bezahlen mussten, nicht zu hoch werden
sollte, veranstalteten die Schulen die staatspolitischen
Filmveranstaltungen ab 1934 statt monatlich nur noch
vierMalproJahr.
Die Auswahl der zur staatspolitischen Vorfhrung an
Schulen geeigneten Tonflme erIolgte im RegelIall ge
meinsam durch das Reichspropagandaministerium und
dasReichsministeriumfrWissenschaft,Erziehungund
Volksbildung. Normalerweise bernahm die jeweilige
Gauflmstelle die Koordination und Programmplanung.
In Hamburg bestand jedoch eine Sonderregelung, die
eineAusnahmeimDeutschenReichdarstellte.DieLan
desbildstelle Hansa war praktisch bis Anfang 1937 die
einzige Landesbildstelle, die die staatspolitischen Film
vorfhrungenindirekterBeauftragungdurchdieReich
spropagandaleitung (Amtsleitung Film) selbstndig
durchfhrendurfte.
45
AufgrundderschlechtenFinanzla
geHamburgserhieltdieLandesbildstelleberBround
PersonalkostenhinauskeineSachmittel.DerAufbauder
90 Irina Scheidgen
Landesbildstelle Hansa war nur dadurch mglich, dass
Mittel aus den Einnahmen der staatspolitischen Schul
flmveranstaltungen zur VerIgung gestellt wurden. Die
LandesbildstelleHansahattesogareineselbstndigeAb
teilung Ir nationale Schulflmpropaganda eingerichtet.
Ab 1. Januar 1937 erhob jedoch die Gauflmstelle Ham
burg, die aus der Landesflmstelle Nord und Niedersa
chenhervorgegangenwar,rechtmigAnspruchaufdie
DurchfhrungderstaatspolitischenFilmveranstaltungen
in den Schulen, da sie auch die Einnahmen bentigte.
Schlielicheinigtemansichdarauf,dassOttoHerrmann,
der Leiter der Landesbildstelle Hansa, gleichzeitig als
Leiter der Gauflmstelle Hamburg eingesetzt und ein Teil
der Einnahmen an die Landesbildstelle abgefhrt wur
den. Die mit dieser Personalunion gut funktionierende
Zusammenarbeit zwischen der Landesbildstelle Hansa
und der Gauflmstelle hatte auch den Vorteil, dass die
Gauflmstelle nach der Umstellung von Schmalflm auI
Normaltonflm die BelieIerung der Schulen mit Filmen
bernehmenkonnte.DazuwardieLandesbildstellenicht
inderLage.
Das Programm der staatspolitischen Schulflmveranstal
tungen enthielt sowohl Spiel- als auch Dokumentarflme
wieDERALTEUNDDERJUNGEKNIG,FRIESENNOT,VERR
TER,UNTERNEHMENMICHAEL,NRNBERGoderdieRiefen
stahlFilmeSIEGDESGLAUBENSundTRIUMPHDESWILLENS.
InHamburgfhrtenzumBeispielam17.April1940die
KinosSchauburgSt.Pauli,SchauburgamHauptbahnhof,
EmelkaPalastundAlsterLichtspieleum8,9.45undum
11.30 Uhr fr mehrere Schulklassen von unterschied
lichen Schulen den Dokumentarflm FELDZUG IN POLEN
auf.
46
Abhngig von der Lnge des Hauptflms wurden
je nach Alter der Jugendlichen vorher unterschiedliche
Kurzflme gezeigt. So sahen die Schler von Hamburger
SchuleimOktober1933indenstaatspolitischenSchul
flmveranstaltungen vor dem Hauptflm NRNBERG je
nach AltersstuIe auch Kurzflme mit Titeln wie SPORT
FEST DER VOLKSCHULEN (1./2. Klasse), DER KAFFEE, WIE
ERWCHSTUNDWIEERZUUNSKOMMT(3./4.Klasse),300
BUBENINWILDWEST(5./6.Klasse),DR.DOLITTLEUNDSEI
NETIERE(7./8.Klasse).
47
Vor der eigentlichen VorIhrung des Hauptflms sprach
ein von der Landesbildstelle ausgewhlter Redner der
Gauflmstelle. Die Veranstaltung sollte mglichst nicht
lnger als 100 Minuten dauern. Auffhrungsbelege in
den Akten der Oberschulbehrde
48
zeigen, wie straff
das Programm der staatspolitischen Schulflmveranstal
tungauchinHamburgorganisiertwar.MehrereKlassen
versammeltensichzueinerbestimmtenUhrzeitamVor
mittaginderAulaundsaheneinenFilm.Danachkamen
bereitsnacheinerkurzenLftungdesRaumsdienchs
ten Schulklassen.
49
Whrend der Filmwart der Schule
dasVorfhrgertbediente,beaufsichtigtendieLehrerdie
Schler.Eswarblich,dassauchSchlervonNachbar
schulendieVeranstaltungenbesuchten,wennihreSchule
berkeinengeeignetenRaumundkeineigenesVorfhr
gert verfgte. Die Lehrer waren angehalten, die Filme
gemeinsam mit den Schlern im Unterricht vor und
nachzubereiten.
DienationalenFilmesolltenwieesinzweizeitgens
sischenAufstzenhiedieJugendmitnationalsozia
listische[m]Geist
50
erfllenunddasVerstehengroer
Probleme der Gegenwart, die Erkenntnis der Gre der
deutschen Geschichte und dasWerten desAufbaues im
Dritten Reich erleichtern
51
. Die Gestaltung der staats
politischen Filmveranstaltungen als gemeinschaftliches
Erlebnis und die Auswahl der Tonflme erIInete zudem
einen emotionalisierende[n] Zugang
52
zu den Jugend
lichen,wasinBezugaufdieWirkungsmechanismender
propagiertenFilmbotschaftennichtzuunterschtzenist:
Sowurdeerreicht,dassmehrmalsjhrlichdiegesamte
Schuljugendzusammengefatwerdenkonnte,umFilme
zusehenunddurchdiesebelehrtzuwerden,diedeutsche
ArtunddeutschenGeisttragenundunverwischbareEin
drcke hinterlassen.
53
Dass diese Filmveranstaltungen
eine Wirkung erzielen konnten, zeigt die Aussage der
HamburgerZeitzeuginUndineBruckmaier:
Wir fngen an, jeden Monat ins Kino zu gehen zu mssen.
Undicherinneremichsogenaunoch,dasKinowarauch
imDorf,imHotel.IcherinneremichsogenauandenFilm,
den wir sahen: Hitlerjunge Quex. (Frage) Da mute ich
mitderKlassehin.IcherinneremichandenFilmsogenau
undwaspassiertist.(Frage)DieGefhle.Jamanfhltefr
den ... Whrend ich da drin war, im Kino, fhlte man fr
den Hitlerjungen, weil er ja dann gettet wurde.Aber als
ich raus kam und dann mit meinen Elterndarber sprach,
dahabeichnatrlichbisschenmehrverstanden.Ichwarja
nuracht,neunJahrealt.
54

Auch wenn in der zeitgenssischen Literatur die staats


politischenFilmveranstaltungennurindenhchstenT
nen gelobt wurden, so beweisen Beschwerdebriefe von
HamburgerLehrernindenAktenderOberschulbehrde
91 Kinoffentlichkeit I
undderLandesbildstelleimStaatsarchivHamburg,dass
esdurchausauchkritischeStimmenundSchwierigkeiten
beidenAuffhrungenderFilmegab.
55

Sowohl der Leiter einer Schule aus dem Hamburger


StadtteilEilbekHammalsauchderDirektorundSchul
flmwart einer Mdchenschule in Winterhude monierten
dieschlechteTonundBildqualittdergezeigtenFilme
VERRTER und UNTERNEHMEN MICHAEL. Der Schulleiter
aus EilbekHamm wies in seinem Brief im September
1937dieLandesbildstelleausdrcklichdaraufhin,dass
[u]nterdiesenMissstnden(...)diestaatspolitischenFilme
vollkommenihrenWert[verlieren].DasistbeieinemFilm
wiez.B.Verrterbesonderszubedauern.Dasallgemeine
Urteil der Schler geht dahin, dass diese Filmvorfhrung
(...)keine15Pf.wertwar.DieUrteilederKinderwerdenzu
Hausenatrlichnochweiterausgeschmckt.(...)Sowert
volldieFilmeansichundihreAuswertungimUnterricht
sind,sowertlossindsieunterdengeschildertenZustnden,
undZeitundGelddafrsindvllignutzundzwecklos.
56
Ein hnliches Urteil fllte im Juni 1938 der Schulleiter
derMdchenschuleinWinterhude,OttoBrey,alsersich
in einem Brief bei der Schulverwaltung Hamburg ber
die AuIIhrung des Kriegspropagandaflms UNTERNEH
MENMICHAELbeschwerte,dievlligminderwertigwre
undderFilmdamitdasGegenteilvondemerreicht,was
beabsichtigtist,nmlicheindasAnsehendesStaates,
der Partei und der Bewegung schdigender Einfu'.
57

Beide Schulleiter ziehen aus der mangelhaften Art der


Veranstaltung die Konsequenz, keine Schler mehr zu
den staatspolitischen Schulflmveranstaltungen zu schi
cken und fordern die verantwortliche Stelle auf, die
FilmezuknftigineinemffentlichenKinozuzeigen.
58

WhrendbeidiesenbeidenuerungeneherdieQualitt
der Veranstaltungen bemngelt wurde, macht der Brief
des Schulflmwarts der Mdchenschule in Winterhude
deutlich, dass auch die Zuordnung der Filme fr be
stimmteAltersgruppenaufKritikstoenkonnte.Sohielt
der Schulflmwart RudolI Mller den Film UNTERNEHMEN
MICHAELfrMdcheneiner5.KlasseinBezugaufden
schwierigen Inhalt und BegriIfichkeiten wie ,General
stabfrnichtgeeignet:
Esfehltjede,aberauchjedeGrundlagedafr.MeineMei
nunggehtdahin,daaufjedenFallsolcheFilmelediglich
sehr viel reiferen Jahrgngen vorgefhrt werden mssten
und da es eine (...) Erziehung zur Oberfchlichkeit be
deutet,wennmanderartigeFilmevorsojungenJahrgngen
vorfhrt.
59
Weitere BeschwerdebrieIe fnden sich im Staatsarchiv
Hamburg in denAkten der Landesbildstelle. Dort heit
es in einem Brief der Schulleitung der Oberschule fr
MdcheninderCasparVoghtstrasseam1.6.1938andie
HamburgerSchulverwaltung:
SeitguteinemJahrewurdenindenstaatspolitischenFilm
veranstaltungen in der Hauptsache Kriegs und Soldaten
flme gezeigt. Wir mussten dabei die ErIahrung machen,
dassdieseFilmeberdasgeistigeundseelischeFassungs
vermgen der Mdchen unserer Unterstufe (Zehn bis
Zwlfjhrige) erheblich hinausgingen. Nach jeder Film
veranstaltungerhieltendieKlassenleitungenderUnterstufe
BriefeausderElternschaft,indenendieBitteausgesprochen
wurde, in Zukunft die kleinen Mdchen von dem Besuch
dieser Filmveranstaltungen zu befreien. Die Kinder seien
z.B.beidemFilmWolkenstrmer,aberauchbeimTan
nenbergFilmdurchdasGrausigeundAufregendedeshier
gezeigtenKriegsgeschehenssoerschttertworden,dasssie
tagelang, insbesondere auch des Nachts, unter Erregungs
zustndengelittenhtten.(...)DawirderAnsichtsind,dass
unsere nationalpolitischen Filmveranstaltungen auf jeden
FallzuderbeabsichtigtenWirkunggebrachtwerdenms
sen,bittenwirdieSchulverwaltung,erneutzuerwgen,ob
es nicht Mittel undWege gibt, den Mdchen vom 10.12.
Lebensjahre Filmvorfhrungen, die ber ihr Fassungsver
mgenhinausgehen,zuersparenundihnendafrFilmezu
zeigen,dieihremVerstndnisangepatsind.
60

InwieIern die Landesbildstelle Hansa oder die Gauflm


stellekonkretaufdieseBeschwerdeneingingenundKon
sequenzenfrdieDurchfhrungweitererstaatspolitischer
Schulflmveranstaltungen zogen, geht aus den Akten der
Oberschulbehrde und Landesbildstelle nicht hervor.
61

ZumindestfhrtenzahlreicheweitereBeschwerdenber
dieBildundTonqualittauchdazu,dassbeidenFilm
vorIhrungen in den Schulen 1938 die Schmalflmgerte
durch Normaltonflmapparate ersetzt wurden.
Bereits in den Jahren 1939/40 kam in Hamburg durch
dieAuswirkungendesKriegesunddenimkaltenWinter
auftretendenKohlemangelnurderFilmDEUTSCHESLAND
INAFRIKA inder staatspolitischen Filmveranstaltung zur
Auffhrung.
62
1942 stellte die Gauflmstelle Hamburg
diestaatspolitischenFilmveranstaltungenwegenzuneh
menderFliegerangriffeschlielichganzein.
92 Irina Scheidgen
3. Film in der Hitler-1ugend: die 1ugendlm
stunden
Fortgesetzt und ausgebaut wurde die in den staatspoli
tischen Schulflmveranstaltungen bezweckte AIIektmo
bilisierung und Erlebniswirkung noch in den Jugend
flmstunden der Hitler-Jugend. ber die Schule und
die Organisation in der HitlerJugend hatten die Nati
onalsozialisten einen optimalen Zugriff auf die deut
scheJugendundkonntensieberdieTeilnahmeanden
staatspolitischen Schulflmveranstaltungen und ber die
Jugendflmstunden beeinfussen. Die NSDAP wollte die
Jugendlichen mit den Filmen auf nationalsozialistische
Weltanschauungeneinstimmen,ihnenDisziplinundbe
stimmteWertevermitteln,dennsiewareninihrenAugen
dieZukunftderParteiundwieesineinemzeitgens
sischenArtikelinderZeitschriftFilmkurierheitdie
TrgerdeskommendenStaates
63
:
JugenddasistDeutschlandvonmorgenunserwichtigs
terDienstamVolkstumheit,wiedieneichderJugend,wie
helIe ich ihr, wie bringe ich sie weiter. Die Jugend fndet
einerstarktesFhrergeschlechtvor,dassieinihremGeiste
erzieht.AufdieJugendsindheutedieBlickeallergerichtet,
dieamneuenDeutschlandformen.
64

Genau wie bei den zahlreichen Freizeitangeboten und


Ausfgen sollten die Mdchen und Jungen in den Film
vorstellungeneingemeinsamesGruppengefhlerleben.
Wie bedeutend die HitlerJugend als eine der grten
und modernsten politischen Jugendorganisationen der
Welt
65
frdieJugendlichenimDrittenReichwar,lsst
sichanderrasantwachsendenMitgliederzahlerkennen.
WhrendAnfang 1933 knapp ber 100.000 Kinder und
JugendlicheMitgliedwaren,wuchsdieOrganisationbis
Ende1935aufknappvierMillionenan.Bis1944stiegdie
Mitgliederzahl sogar noch auf 9 Millionen und umfass
tedamitfast98%derdeutschenJugendlichen.
66
Ander
HJ reizten die jungen Leute vor allem die umfassenden
FreizeitangeboteunddieMglichkeit,vonzuHauseaus
zubrechen.UmalledeutschenSchlerundSchlerinnen
erreichen zu knnen, fhrte das NSRegime im Mrz
1939 die ,Jugenddienstpficht' ein, so dass alle zehnjh
rigenJungenundMdchenautomatischindasDeutsche
JungvolkundindenJungmdelbundkamen.
67

NebendenstaatspolitischenFilmveranstaltungeninden
Schulen organisierten die Gauflmstellen gemeinsam mit
der Hitler-Jugend seit 1934 die so genannten Jugendflm
stunden,dienurvonMitgliedernderHJbesuchtwerden
durften und somit auch als eine Parallelffentlichkeit
bezeichnetwerdenknnen.DieersteVeranstaltungdie
serArt fand im UfaPalast in Kln imApril 1934 statt,
1936 legte die Reichsflmkammer schlielich Iest, dass
der BegriII ,Jugendflmstunden' nur Ir die FilmIeier
stunden der HitlerJugend verwendet werden drfte.
68

AnfangsnochaufdieWintermonatebeschrnkt,weitete
die ReichsjugendIhrung die Jugendflmstunden auch
aufdieSommermonateaus.DassdieMitgliederderHit
lerJugenddieseZeitmeistensimZeltlagerverbrachten,
war kein Hindernis, auch dort FilmvorIhrungen stattfn
denzulassen.ZuBeginndesHerbsteserffnetenJoseph
Goebbels und der Reichsjugendfhrer alljhrlich die
neue Spielzeit der Jugendflmstunden. In parallel stattfn
dendenFilmstundenkonntenJugendlicheausdemganzen
Reich die bertragung der Feierstunden und Ansprachen
verfolgen.ZustzlichfandenabOktober1937jedesJahr
die Reichsflmtage der HJ statt, die das erste Mal vom
6.10. Oktober 1937 in Hamburg veranstaltet wurden.
MiteinemBekenntniszumdeutschenFilmwandtensich
derChefdesPresseundPropagandaAmtesderReichs
jugendfhrung,KarlLapper,undderStaatsschauspieler
Mathias Wieman an die in vierzig Hamburger Kinos
versammelten30.000JungenundMdchen.
69
DasEnde
der Reichsflmtage und die gleichzeitige ErIInung der
Jugendflmstunden-Spielzeit 1937/38 kulminierten am
10. Oktober 1937 schlielich in parallel stattfndenden
Kinovorstellungen.IndenbeteiligtenLichtspieltheatern
liefenum10.30Uhrmehrals20verschiedeneFilme,da
vonfhrtenalleinjeweilsfnfverschiedeneHamburger
Kinos die Spielflme STANDSCHTZEBRUGGLERundKATER
LAMPEandiesemSonntagmorgenauf.
Die Jugendflmstunden wurden von der Gauflmstelle
frjedeOrtgruppemindestenseinmalimMonatdurch
gefhrt,meistensindenortsansssigenKinosamSonn
tagvormittaginKonkurrenzzudenGottesdiensten:
Jede Jugendflmstunde war und ist eine wirkliche Feier
stunde,unsersonntglicherGottesdienst.Undunsererstes
Gebet, wenn ich so sagen darf, berhaupt vor Beginn, ist
unsergemeinsamesBekenntniszumFhrer.
70
Wenn Bedarf bestand, mussten die Kinobetreiber auf
Verlangen der Reichsflmkammer ihre Kinos auch von
Montag bis Freitag Ir die Jugendflmstunden der HJ
93 Kinoffentlichkeit I
gegen ein geringes Entgelt zur Verfgung stellen. Die
HJMitgliederkonntendafrsogarvomUnterrichtfrei
gestellt werden. Wie bei den staatspolitischen Schulflm
veranstaltungen mussten alle Mitglieder der HJ einen
BeitraginHhevon20ReichspfennigfrjedeVorstel
lung bezahlen. Damit lag der Eintrittspreis wesentlich
unterdemderffentlichenKinos.BevordieFilmeauf
geIhrt werden durIten, musste die Gauflmstelle jede
Jugendflmstunde mit Angabe des AuIIhrungsortes, der
AnfangszeitunddemTiteldesFilmsbeiderzustndigen
Polizeibehrdebeantragen.
IndenAktenderGewerbepolizeiimStaatsarchivHam
burg fnden sich Ir das Jahr 1937 und AnIang 1938 zahl
reiche Anmeldungen dieser Jugendflmstunden, die in
SlenvonSchulenoderwasderRegelfallwarinfast
allenffentlichenKinosimgesamtenHamburgerStadt
gebietstattfanden
71
:imPrimusPalastinUhlenhorst,im
GloriaPalast in Rothenburgsort, im PassageTheater in
der Altstadt, in der UraniaFilmbhne in der Neustadt,
inderHansaLichtspielbhneinBergedorf,imAtlantik
Theater in St. Georg, in den HarmonieLichtspielen in
Wandsbek, im EmelkaPalast in Eimsbttel oder in den
berdieStadtverteiltenSchauburgen.InBezugaufdas
Programm versuchte sich die Gauflmstelle Hamburg mit
der Landesbildstelle Hansa abzusprechen, damit nicht
nachdem sich mehrere Eltern beschwert hatten die
gleichen Filme wie in den staatspolitischen Schulflm
veranstaltungen gezeigt wurden.
72
Parallel stattfndende
Jugendflmstunden in den Hamburger Kinos
73
gabenden
JugendlichendieMglichkeit,sichfreinenbestimmten
Auffhrungsort und Film zu entscheiden. Die Filme
wurden zudem ber Wochen in den unterschiedlichen
HamburgerKinoswiederholt,sodassjedesMitgliedder
HJ mglichst viele der angebotenen Filmstreifen sehen
konnte.
Die Listen mit den von der Gauflmstelle Hamburg bean
tragten Jugendflmstunden Ihren Filmtitel wie UM DAS
MENSCHRECHT,SCHWARZERJGERJOHANNA,DIEREITERVON
DEUTSCHOSTAFRIKA,DERALTEUNDDERJUNGEKNIG,DER
CHORALVONLEUTHEN,FRIESENNOT,DERREBELL,TRAUMU
LUS,STOSSTRUPP1917,IMTROMMELFEUERDERWESTFRONT,
DERVERLORENESOHNvonundmitLuisTrenkeroderder
erste und erIolgreichste Jugendflm HITLERJUNGE QUEX
auf.
74
Die genannten Titel sind berwiegend Filme, die
Abb.6:MitHakenkreuz
BannerngeschmcktesKino.
(Abb.68nachFinohr:
Jugendvorstellung?Jugend
flmstunde!' |wie Anm. 75|,
S.26).
94 Irina Scheidgen
Abb.7:MitBannerngeschmckte
BhneimKinoinnenraum
Abb.8:SpielscharderHJwhrend
der Jugendflmstunden
95 Kinoffentlichkeit I
ideologische Tendenzen aufweisen: nationalsozialis
tische Preuenflme, Jugendflme, kriegsverherrlichende
Produktionen oder Filme wie DER VERLORENE SOHN, die
dasDeutscheReichalsdieeinzigwahreHeimatheraus
stellen. Die Jugendlichen sollten mit den Filmthemen
aufdasNSRegimeundnationalsozialistischeWertewie
Tapferkeit,Treue,KameradschaftundSelbstaufopferung
frdieVolksgemeinschaftpositiveingestimmtwerden:
Der Sinn der Jugendflmstunden liegt aber nicht allein in
derVorfhrungeinesgutenFilms,sondernihrhohererzie
herischer Wert liegt darin begrndet, da das Lichtspiel
hausfestlichausgeschmcktunddurchJungenoderMdel
einVorprogrammaufderBhnegestaltetwird,das,aufden
Hauptflm abgestimmt, dazu angetan ist, die Stimmung des
JugendlichenzuhebenundihnaufdenFilmvorzubereiten.
DurchdieinderUmrahmungderFilmstundegeschaffene
Verbindung von Film und Feier wird die Erlebniswirkung
erhht.
75

BesondererWert wurde bei der Durchfhrung einer Ju


gendflmstunde darauI gelegt, dass das Lichtspielhaus
innen wie auen festlich geschmckt war (Abb. 6 und
Abb. 7). Die Veranstaltungen waren dabei nach dem
MusterderParteitagederNSDAPorganisiert(z.B.Ha
kenkreuzBanner,LichtDunkelEffekte).UmdieErleb
niswirkung zu steigern, marschierten die uniformierten
HJMitglieder mitWimpeln und Fahnen diszipliniert in
geschlossener Formation in das Kino und sangen dabei
meist NS-Lieder. Eine Wochenschau und ein Kulturflm
lieIen in der Regel zu Beginn der Jugendflmstunde,
dann folgte ein kurzes Bhnenprogramm, das die fei
erliche Stimmung erhhen sollte.
76
Vor der Vorfhrung
einesprdikatisiertenFilmswieVERRTER(1936),PATRI
OTEN (1937), BISMARCK (1940) oder KAMPFGESCHWADER
LTZOW (1941) gab ein Vertreter der Gauflmstelle eine
knappeEinfhrung.NachAblaufdesFilmsbeschlossdie
SpielschardieFeierstundemiteinemLied,Gedichtoder
Vortrag(Abb.8).NachdemBesucheinerVorstellungbe
standdieMglichkeit,aufdemnchstenHJHeimabend
berdieaufgefhrtenFilmezudiskutieren.
Nur ein Viertel der Spielflmproduktionen, die ins regu
lre Kino kamen, konnten in den Jugendflmstunden ge
zeigtwerden,dadergrteTeilfrJugendlicheverboten
war.
77
ZudemkritisiertenvieleVeranstalter,dassdiemit
demPrdikatstaatspolitischewertvollundstaatspoli
tischbesonderswertvollversehenenFilmeerstdrei,alle
brigen jugendfreien Filmstreifen sogar erst sechs Mo
Spielzeit
Zahld.
Veranstaltungen
Besucher
1934/35 >300.000
1935/36 905 425.176
1936/37 1.725 897.839
1937/38 3.565 1.771.236
1938/39 4.886 2.561.489
1939/40 8.244 3.538.224
1940/41 12.560 4.800.000
1941/42 15.800 5.600.000
1942/43 <45.290 11.215.000
Abb.9:Zuschauerzahlen der Jugendflmstunden 1934/35 1942/43
77
nate nach dem oIfziellen Start in den IIentlichen Kinos
in den Jugendflmstunden gezeigt werden durIten. Viele
JugendlichehattendieFilmedannbereitsindenffent
lichenKinosgesehen.
NachzahlreichenProtestenundaufAnregungdesSchau
spielers Mathias Wieman whrend der ersten Reichs
flmtage der Hitler-Jugend in Hamburg im Oktober 1937
konnten nach Anweisung der Reichsflmkammer ab
1939vierFilme,diemitdemneueingefhrtenPrdikat
jugendwertausgezeichnetwurden,proJahrsofortnach
der Fertigstellung in den Jugendflmstunden vorgeIhrt
werden.
79
DassolltefrdieJugendlichendenAnreizer
hhen,sichdenFilmnichtimffentlichenKino,sondern
indengeschlossenenFilmveranstaltungenanzuschauen.
Ein weiterer Reiz Ir den Besuch der Jugendflmstunden
sollten auch die eigens von der HitlerJugend produ
zierten Dokumentarflme sein, die das Leben der Jugend
zeigten und nur in den geschlossenen Veranstaltungen
von HJ und Partei zu sehen waren. ber geringe Besu
cherzahlenkonntensichdieVeranstalterzumindestnicht
beklagen:
Die Zuschauerzahl der Jugendflmstunden stieg von
1934 bis 1943 extrem an (Abb. 9). Waren es 1934/35
knappber300.000Zuschauer,besuchten1937/38mehr
als1,7MillionenundinderSpielzeit1942/43sogar11,2
Millionen die organisierten Filmstunden. Bis Mai 1944
konnten schlielich insgesamt 167.547 Jugendflmstun
denmitfast43MillionenJungenundMdchengezhlt
werden.
80
DieseZunahmelsstsichzumeinendurchdie
stetig wachsende Zahl der HJMitglieder erklren, zum
96 Irina Scheidgen
anderenresultiertsiedaraus,dassderBesuchderVeran
staltungenfralleMitgliederobligatorischwar.
Wesentlich hufger als in der Stadt besuchten allerdings
dieHJMitgliederindenoftkinolosenOrtendieJugend
flmstunden, da diese eine willkommene Abwechslung
boten. Mit 18.240 Filmvorfhrungen veranstalteten die
Gauflmstellen mit ihren Tonflmwagen berproportional
viele Jugendflmstunden auI dem Land und erzielten so
kannmanvermutenmangelsalternativerFreizeitange
botedorteinegrereResonanzalsindenGrostdten.
81

Welche Wirkung die Jugendflme und andere Filmgenres


beidenHeranwachsendentatschlichentfaltenkonnten,
lsstsichheutezumindestansatzweisedurcheinigeBe
richte von Zeitgenossen und Zeitzeugen rekonstruieren.
DerZeitzeugeNicolausHeutgerbeschreibtzumBeispiel
ausfhrlich, aber auch kritisch seine Zeit bei der Hit
ler-Jugend mit zahlreichen Sportaktivitten, Ausfgen,
Gelndespielen, mit militrischerAusbildung und auch
Kinobesuchen:
Groen Eindruck machten auf mich die NSFilme, etwa
DieKadetten,indempreuischeKadettentodesmutigeine
beralterte Kleinfestung gegen Russen verteidigen, oder
Nippons wilderAdler, in dem die brutale Kraft unserer
japanischenVerbndetenherausgestelltwurde.
82

ImdamaligenNachrichtenblatt der NSDAP Gauhlmstel


leMnchenOberbayernwirdauerdemdieSchilderung
einer gelungenen Jugendflmstunde in einem bayerischen
Landkreisabgedruckt:
Nach dem Fahneneinmarsch trug ein Hitlerjunge das Ge
dicht an den Fhrer, das so sehr in unsere heutige Zeit
pate, vor. Anschlieend erIInete ScharIhrer SchiIfech
nermiteinemHinweisaufdieBedeutungunsererJugend
flmstunde, die heute schon zu einem BegriII geworden
ist, die Veranstaltung. Mit groer Spannung wurde der
Kulturflm ,Schnheiten der Ostpreuischen LandschaIt
verfolgt. Dann gab uns die Wochenschau entsetzliche
BilderausdemSudentenlandderletztenWoche,indenen
dertschechischeMobhausteundwhlteundsudetendeut
sche Brder von ihrer Scholl vertrieben wurden. Weitere
Bilder von der bedeutenden Mnchener Besprechung der
viergroenStaatsmnnerfesseltenalleBubenundMdels.
Hermineunddie7AufrechtenlstenichtnurgroeHei
terkeitundUnterhaltungaus,sondernvermittelteauchden
nachhaltigenEindruckeineswertvollenFilmes,derJugend
undFahnezumAusdruckbrachte.
83
Aufschluss ber dieWirkung der Filme geben auch die
geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS,
dienebenderKritikderElternandergeringenZahlju
gendwerter' Kultur- und Spielflme sowie an mangel
haftentechnischenDurchfhrungenderVeranstaltungen
auchpositiveBeurteilungenenthalten:
Nach den aus dem ganzen Reichsgebiet vorliegenden Be
richten haben die (...) Jugendflmstunden whrend der
Spielzeit 1939/40 bei der Jugend selbst eine einhellig be
geisterteAufnahme gefunden (...). Bereits die erste Spiel
zeithabegezeigt,dassbeiplanmigerDurchfhrungund
geeigneterAuswahlderFilmedieseVeranstaltungennicht
nursinnvolleUnterhaltungfrdieFreizeitbieten,sondern,
planvoll eingebaut in dieArbeit der HJ, einen wertvollen
BeitragzurErziehungsarbeitbedeuten.(...)Trotzallerbis
herigen Schwierigkeiten besttigen die vorliegenden Be
richte, wie sehr bei planvoller Durchfhrung die Jugend
flmstunden geeignet sind, ein dauernder und wirksamer
BestandteilderJugenderziehungzuwerden.
84
Rckschlsse auI die Wirkung der in den Jugendflm
stunden gezeigten Filme kann man auch durch die von
Anneliese Sander durchgefhrte Befragung von 1.946
1017Jhrigen und 375 ber 18Jhrigen im Februar
1943 ziehen. Bei den Mitgliedern der HJ kamen dem
nach mehr oder weniger offen propagandistische Filme
wieUBOOTEWESTWRTS,STUKAS,HEIMKEHR,OHMKR
GER,WUNSCHKONZERT,HITLERJUNGEQUEXoderFilmeber
groePersnlichkeiten(ANDREASSCHLTER,DERGROSSE
KNIG,BISMARCK,SCHILLER)vorallembeidenJungengut
an.
85
AlsBegrndungnanntendieJungenundMdchen
dabei am hufgsten, dass die Filme ,historisch' (1335
Nennungen), inhaltlich hervorragend, gehaltvoll, in
haltsreich(870Nennungen)undlehrreich,aufklrend,
wissenswert,bildend(711Nennungen)gewesenseien
dass der genannte Film politisch, propagandistisch
wertvoll gewesen sei, wurde immerhin noch 585 Mal
angefhrtund416MalwurdealsGrundfrdieQualitt
des Filmes Vorbild, Taten, Charakter groer Mnner
angegeben.DieEinschtzungderFilmehingdabeivon
demGeschlechtundAlterderJugendlichenab.Kitschige
Liebesgeschichten wurden aber von beiden Geschlech
tern abgelehnt. Auch Unterhaltungsflme wie WIR MA
CHEN MUSIK und IMMER NUR DU, der HeinzRhmann
Film QUAX, DER BRUCHPILOT und der Propagandaflm
DIE GROSSE LIEBE waren laut Umfrage nicht besonders
beliebt.AlsGrndenanntendieKinderundJugendlichen
am hufgsten ,Film hat keinen Sinn' (915 Nennungen),
97 Kinoffentlichkeit I
Quatsch(768Nennungen)undunwahrscheinlich,un
natrlich(591Nennungen).DieeigensfrJugendliche
produzierten Filme wie HIMMELHUNDE, JAKKO, JUNGENS,
KADETTEN, HNDE HOCH, HITLERJUNGE QUEX und KOPF
HOCH, JOHANNES, in denen die Handlung im HJMilieu
spielte und die Gemeinschaft in der Gruppe idealisiert
wurde, erhielten mehr positive wie negative Kritiken.
86

Dabei wurden positiv am hufgsten die ,KameradschaIt


eines deutschen Jungen (791 Nennungen) und die ty
pischeDarstellungderdeutschenJugend(745)bewertet
undnegativhervorgehoben,dasszuvielUnmgliches
passiert (67 Nennungen) und alles unecht, geknstelt
(32 Nennungen) sei. Dabei fllt auf, dass die Jugend
lichendienegativbewertetenFilmeunabhngigvonde
renstaatlichenAuszeichnungenbeurteilthaben.
Die Jugendflmstunden waren auI jeden Fall genau wie
die staatspolitischen Schulflmveranstaltungen eine ge
zielte Manahme, der Jugend durch ein ausgewhltes
Filmprogramm ideologische Werte und Leitbilder zu
vermitteln und als gestaltetes Gemeinschaftserlebnis
dieErziehungzustaatspolitischemDenkenvoranzutrei
ben.
87
4.Fazit
Die Darstellung des Unterrichtsflms, der staatspoli
tischen Schulflmveranstaltungen und der Jugendflm
stunden hat gezeigt, dass die Nationalsozialisten diesen
drei Parallelffentlichkeiten eine unterschiedliche Be
deutung beimaen. Whrend der Unterrichtsflm eher als
didaktisches Begleitmedium im Schulunterricht einge
setzt wurde, der sieht man einmal von den Mrchen
und Puppentrickflme der Gebrder Diehl ab weniger
eineUnterhaltungsfunktionhattealseinpraktischesAn
schauungsmittelfrdenLehrerdarstellte,kannmanaus
den aufwndig, bis in kleinste Detail gestalteten Insze
nierungen der staatspolitischen Schulflmveranstaltun
gen und Jugendflmstunden schlieen, dass die Natio
nalsozialistenhiervoneinergroenAffektmobilisierung
ausgingen. Allein die oben genannten Beispiele die
Ieierliche ErIInung der Jugendflmstunden-Spielzeit
inHamburgimOktober1937unddassinHamburgam
17.April1940dieKinosSchauburgSt.Pauli,Schauburg
amHauptbahnhof,EmelkaPalastundAlsterLichtspiele
gleichzeitig um 8, 9.45 und um 11.30 Uhr fr mehrere
Schulklassen von unterschiedlichen Schulen den Doku
mentarflm FELDZUGINPOLENauffhrtenmachendiese
gezieltevozierteWirkungsstrategiedeutlich.Dassdiese
aufgemeinschaftlichesErlebenzugeschnittenenundals
EventorganisiertenFilmveranstaltungenbeidenJugend
licheneinenachhaltigeWirkunghinterlieen,habenauch
die geheimen Lageberichte der SS und die 1943 durch
gefhrte Umfrage bei Jugendlichen gezeigt. Die Suche
nach weiteren Rezeptionszeugnissen durch gezielte
AuswertungvonzeitgenssischenTagebchern,Briefen
oderauchdurchInterviewsmitZeitzeugenwrdeeine
noch umfassendere Rekonstruktion der Wirkung dieser
Veranstaltungenermglichen.
Zumindestkannfestgehaltenwerden,dasssichdievorge
stellten Parallelffentlichkeiten von der Veranstaltungs
ffentlichkeitdesortsfesten,kommerziellgefhrtenund
frfastallezugnglichenKinosunterschieden.Abgren
zen lassen sich die AuIIhrungen der Unterrichtsflme, da
diese in dem geschlossenen Raum des Klassenzimmers
nurfrSchlerunddenjeweiligenFachlehrerzugnglich
waren. Selbst wenn die Unterrichtsflme in Kriegszeiten
Wehrmachtssoldaten vorgefhrt wurden, so handelt es
sich doch auch hier um eine Form von geschlossener
Parallelffentlichkeit.AuchdiesachlicheUmsetzungder
Iachspezifschen Filmthemen lsst keine Parallelen zum
ProgrammimffentlichenKinoerkennen.
Die staatspolitischen Schulflmveranstaltungen und die
Jugendflmstunden der Hitler-Jugend dagegen Ianden
zwar in einem geschlossenen, nur fr Schler bzw. HJ
Mitglieder zugnglichen Raum statt, aber im Grunde
wurden hier abgesehen von den politischen Einfh
rungen die gleichen Spielflme wie in den IIentlichen
Kinos gezeigt: Nach der Wochenschau und dem Kul
turflm lieI ein prdikatisierter Spielflm mit mehr oder
wenigeroffenenpolitischenImplikationen.Lediglichin
der Programmauswahl lassen sich kleinere Differenzen
beobachten, da die staatspolitischen Schulflmveranstal
tungen und die Jugendflmstunden auI wenige Gattungen
und Spielflmgenres begrenzt waren.
Ein Unterschied zwischen Parallel- und oIfzieller Kino-
ffentlichkeit bestand vor allem in den Auffhrungs
modalitten. Der AblauI der Jugendflmstunden lsst
vermuten,dassdaskollektiveundaufwndiginszenierte
Erleben der Filmveranstaltungen bei den Jugendlichen
eine weitaus strkere Affektmobilisierung bewirkte als
imffentlichenKino.
98 Irina Scheidgen
Anmerkungen
1.DieHitlerJugendmeintimengerenSinnedieJungenimAl
tervon1418Jahren,imweiterenSinneschlietsiedasDeut
sche Jungvolk (DJ) und den gesamten Bund deutscher Mdel
(BDM) inklusive des Mdelbunds und Jungmdelbunds (JM)
ein (im Jungmdelbund waren die 1013Jhrigen, im BDM/
Mdelbunddie1418Jhrigenorganisiert).Vgl.HeinzSchre
ckenberg: Erziehung, Lebenswelt und Kriegseinsatz der deut
schenJugendunterHitler.AnmerkungenzurLiteratur.Mnster
2001,S.211und494.Vgl.auch:MichaelH.Kater:HitlerJu
gend. Darmstadt 2005 Kathrin Kollmeier:Ordnung undAus
grenzung: die Disziplinarpolitik der HitlerJugend. Gttingen
2007.
2.Eswurdezwarbereitsseit1920dieErlaubniserteilt,Filme
indenSchulenvorzufhren,aberdiessetztendieSchulennicht
sehrerfolgreichum.Vgl.o.Vf.:DieArbeitderReichsstellefr
den Unterrichtsflm'. In: Filmkurier,29.1.1936.
3.Vgl.HeinzBoberach(Hrsg.):MeldungenausdemReich.Die
geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS 1938
1945. Bd. 116, Herrsching 1984 (z. T. abgedruckt bei Gerd
Albrecht(Hrsg.):FilmimDrittenReich.EineDokumentation.
Karlsruhe1979,S.189253)AnnelieseU.Sander:Jugendund
Film.Berlin1944.
4. Gerhard Stahr: Volksgemeinschaft vor der Leinwand? Der
nationalsozialistischeFilmundseinPublikum.Berlin2001,S.
9697.
5.O.Vf.:FilmpropagandainHamburgsSchulen.WerdieJu
gendhat,hatdasVolk(ohneJahr,ohneName).Zeitungsartikel
vorhandenimStaatsarchivHamburg,Bestandsnummer:3612
VI, Bestandsname: Oberschulbehrde VI, Bestandssignatur:
FXe2/3,1689.
6. 1. Ministerialerla vom 26. Juni 1934. Zit. nach: Michael
Khn: Unterrichtshlm im Nationalso:ialismus. Die Arbeit der
Reichsstelle fr den Unterrichtshlm/ Reichsanstalt fr Film und
BildinWissenschaftundUnterricht.Mammendorf/Obb.1998,
S.255.
7.Zit.nachMalteEwert:DieReichsanstaltfrFilmundBild
in Wissenschaft und Unterricht (19341945). Hamburg 1998,
S.74.
8. Vgl. Tabelle von Friedrich Thiemann: Vom Schul zum
Unterrichtsflm'. In: Gerhard K. Hildebrand (Hrsg.): Zur Ge
schichtedesaudiovisuellenMedienwesensinDeutschland.Ge
sammelteBeitrge.Trier1976,S.81.DerAufsatzistzuerstin
derZeitschriftJugend,Film,Fernsehen,Jg.12,1968,H.1,S.
1834erschienen.
9.AusfhrlicheInformationenberdieArbeitundRundschrei
ben der Reichsstelle fnden sich in: Malte Ewert: Neue Doku
mente :ur Geschichte der Schulhlmbewegung in Deutschland
II. Die Rundschreiben der Reichsstelle fr den Unterrichtshlm
(RfdU)undspterenReichsanstaltfrFilmundBildinWissen
schaft und Unterricht (RWU), 19341945. Bd. 1 und 2, Ham
burg2003.
10.Ewert:Reichsanstalt(wieAnm.7),S.203204.
11. Staatsarchiv Hamburg, Bestandsnummer: 3612 VI, Be
standsname:OberschulbehrdeVI,Bestandssignatur:FXd2/1
Bd.3,1681b,Blatt19.
12.WolfgangTolle:ReichsanstaltfrFilmundBildinWissen
schaftundUnterricht.Berlin1961,S.46.
13.Vgl. Khn: Unterrichtshlm, S. 36 (wieAnm. 6). Dass die
RIdU unzensiert Unterrichtsflme herstellen durIte, war vor
allemdasVerdienstdesVerwaltungsjuristenKurtZierold,der
im Erziehungsministerium als Ministerialrat und Filmreferent
arbeitete. Ab Mrz 1935 war Zierold auch oIfziell Vorsitzender
derRfdU.
14.MitteilungderRfdU.In:StaatsarchivHamburg:Bestands
nummer:3612VI,Bestandsname:OberschulbehrdeVI,Be
standssignatur:FXc5,1498,Blatt14.
15.Ebd.
16.Zit.nach:Khn:Unterrichtshlm (wieAnm.6),S.22.
17.Ebd.,S.78.
18.Ebd.,S.83.
19. Fritz Kempe: ,Der Unterrichtsflm in Deutschland'. In:
Gerhard K. Hildebrand (Hrsg.): Zur Geschichte des audiovi
suellen Medienwesens in Deutschland. Gesammelte Beitrge.
Trier1976,S.18.DerAufsatzistzuerstinderZeitschriftKul
turarbeit,Jg.5,1953,H.9,S.166169erschienen.
20. Zu den Allgemeinbildenden Schulen zhlen die Volks,
Haupt, Mittelschule und Hhere Schule. Die Hhere Schule
umfasstwiederumdasGymnasium,dieOberschuleunddieNa
tionalpolitischenErziehungsanstalten.DieHauptschulewurde
erst1942eingefhrt.Vgl.AbbildungbeiSchreckenberg:Erzie
hung(wieAnm.1),S.476.
21.DieZahlstehtimReiseberichtvomLeiterderRfdU,Zie
rold, in: Staatsarchiv Hamburg, Bestandsnummer: 3612 VI,
Bestandsname:OberschulbehrdeVI,Bestandssignatur:1676a.
ReinerLehbergersprichtvon463SchulgebudenamEndedes
DrittenReichs.Vgl.ReinerLehberger:SchuleinHamburg.Ein
FhrerdurchAufbauundGeschichtedesHamburgerSchulwe
sens.Hamburg2006,S.127.
22.InwieferneinLehrerdievorgegebenentendenzisenInter
pretationen in den Beiheften weitergab, hing von seiner poli
tischenEinstellungabundkonntenichtwirklichberprftwer
den.Vgl.Khn:Unterrichtshlm (wieAnm.6),S.111.
23. Staatsarchiv Hamburg, Bestandsnummer: 3612 VI, Be
standsname:OberschulbehrdeVI,Bestandssignatur:FXd2/1
99 Kinoffentlichkeit I
Bd.1,1681,Blatt5859,6970.
24. Fridolin Schmid: Der Beitrag der Reichsanstalt fr Film
und Bild (RWU) zur Entwicklung des Unterrichtsflms in
Deutschland. In: Gerhard K. Hildebrand (Hrsg.): Zur Ge
schichte des audiovisuellen Medienwesens in Deutschland.
GesammelteBeitrge.Trier1976,S.98.DerAufsatzistzuerst
inderZeitschriftFilm,Bild,Ton,Jg.19,1969,H.2,S.1116
erschienen.
25. Die Zahlen stammen aus einem Rechenschaftsbericht des
LeitersderLandesbildstelleHansa,OttoHerrmannvorhanden
im Staatsarchiv Hamburg in folgenden Akten: Bestandsnum
mer: 1316, Bestandsname: Staatsamt, Bestandssignatur: 178
undBestandsnummer:3612VI,Bestandsname:Oberschulbe
hrdeVI,Bestandssignatur:FXd2/1Bd.3,1681b,Blatt20.
Die Rechnung von Otto Herrmann zeigt nicht die absoluten,
sonderndiedurchschnittlichenEntleihungenan.Verlsslichere
Zahlen ber die Entleihungen fnden sich in den Jahresberich
ten: vgl. Staatsarchiv Hamburg, Bestandsnummer: 3612 VI,
Bestandsname: OberschulbehrdeVI, Bestandssignatur: FX d
2/1Bd.1,1681.
26.DieFilmlistenindenJahresberichtenderRfdU/RWUvon
1938,1940und1943gruppierendieFilmenachzehnFchern
die Tabelle ist abgedruckt bei Ursula von Keitz: Wie Deut
sche KamerunBananen ins Klassenzimmer kommen. Pda
gogik und Politik des Unterrichtsflms'. In: Harro Segeberg:
MedialeMobilmachungI.DasDritteReichundderFilm.Mn
chen2004,S.9091.Vgl.auchUrsulavonKeitz:DieKinema
tographieinderSchule.ZurpolitischenPdagogikdesUnter
richtsflms von RIdU und RWU'. In: Peter Zimmermann, Kay
Hoffmann(Hrsg.):GeschichtedesdokumentarischenFilmsin
Deutschland.DrittesReich:19331945.Bd.3,Stuttgart2005,
S.481.
27.StaatsarchivHamburg,Bestandsnummer:1316,Bestands
name:Staatsamt,Bestandssignatur:178.
28. Staatsarchiv Hamburg: Bestandsnummer: 3612 VI, Be
standsname:OberschulbehrdeVI,Bestandssignatur:FXd2/1
Bd.1,1681,Blatt55.
29. Dazu gehren z. B. Filme mit denTiteln wie KORBFLECH
TEREI, WIR BASTELN EINEN BAUERHOF, VON WILDSCHWEINEN UND
ELCHEN,HERSTELLUNGVONWACHSKERZEN,EINKAMPFTAGANDER
WESTFRONT.
30. Text abgedruckt bei: Ewert: Reichsanstalt (wie Anm. 7),
S.331.
31.Zit.nachKhn:Unterrichtshlm (wieAnm.6),S.165.Vgl.
auch zu dieser Thematik: Konrad GrunskyPeper: Deutsche
Volkskunde im Film. Gesellschaftliche Leitbilder im Unter
richtshlm des Dritten Reichs.Mnchen1978.
32.Vgl.hierzu:CorneliaA.Endler:EswareinmalimDrit
ten Reich. die Mrchenhlmproduktion fr den nationalso:iali-
stischenUnterricht.Frankfurt/Main2006.DieGebrderDiehl
produzierten fr die RfdU/RWU insgesamt 9 Filme, die im
DrittenReichzumEinsatzkamen.
33.ZahlennachKhn:Unterrichtshlm (wieAnm.6),S.152.
34.Ebd.,S.164165.
35.Zit.nachebd.,S.136.
36. Aus: Mitteilung der RfdU, Staatsarchiv Hamburg, Be
standsnummer: 3612 VI, Bestandsname: Oberschulbehrde
VI, Bestandssignatur:1498. Insgesamt wurden von 19341945
LernmittelbeitrgeinHhevon71.670.000RMeingenommen.
Vgl.dazu:Ewert:Reichsanstalt(wieAnm.7),S.117.
37. 1943 waren 110.000 Allgemeinbildende Schulen Berufs
schulen zur Zahlung des Beitrags verpfichtet. Hinzu kamen die
eingesammelten Lernmittelbeitrge der Hoch und Fachschu
len.Vgl.Khn:Unterrichtshlm (wieAnm.6),S.57.
38.MerkzettelabgedrucktbeiEwert:Reichsanstalt(wieAnm.
7),S.313.
39.Insgesamtfanden206.448FilmvorfhrungenvorderWehr
machtstatt.Vgl.ebd.,S.68.
40. Keitz: Deutsche KamerunBananen (wie Anm. 26), S.
101.
41. Jahresberichte 1939/40 und 1940/41 der Landesbildstelle
HansaimStaatsarchivHamburg,Bestandsnummer:3612VI,
Bestandsname: OberschulbehrdeVI, Bestandssignatur: FX d
2/1 Bd. 1, 1681, Blatt 126 und 165. Im Berichtsjahr 1940/41
lieferte die Landesbildstelle Hansa 784 Filmkopien und 81
Vorfhrgerte an deutsche Soldaten in Norwegen. Vgl. auch
imStaatsarchivHamburgdieAkten:Bestandsnummer:36411,
Bestandsname:Landesbildstelle,Bestandssignatur:9UA1so
wieBestandsnummer:36411,Bestandsname:Landesbildstel
le, Bestandssignatur: 9 UA 3, in denen ausfhrlich die Belie
ferungderWehrmachtstruppen,dieFinanzierungundz.T.das
Programmdokumentiertsind.
42. Staatsarchiv Hamburg, Bestandsnummer: 3612 VI, Be
standsname:OberschulbehrdeVI,Bestandssignatur:FXd1/5,
1680,Blatt20.
43. Vgl. Khn: Unterrichtsflm (wie Anm. 6), S. 235II. und
Keitz:Kinematographie(wieAnm.26),S.488.
44.Vgl.zudemThema:CurtBelling,AlfredSchtze:DerFilm
inderHitlerJugend.Berlin1937,S.3237BoguslawDrewni
ak:DerdeutscheFilm.19381945.EinGesamtberblick.Ds
seldorf1987,S.581582.
45.StaatsarchivHamburg,Bestandsnummer:1316,Bestands
name:Staatsamt,Bestandssignatur:178.
46. Staatsarchiv Hamburg, Bestandsnummer: 3612 VI, Be
standsname: Oberschulbehrde VI, Bestandssignatur: FX d
1/5,1680.
100 Irina Scheidgen
47. Staatsarchiv Hamburg, Bestandsnummer: 3612 VI, Be
standsname: Oberschulbehrde VI, Bestandssignatur: FX e
2/3,1689.
48. Staatsarchiv Hamburg, Bestandsnummer: 3612 VI, Be
standsname: OberschulbehrdeVI, Bestandssignatur: FX d 1/
4,1679,Blatt2122,25,3637.
49. Vorfhrzeiten waren z. B. 1. Schlergruppe: 89.40 Uhr,
2.Gruppe:9.5511.35Uhr,3.Gruppe:11.5013.30Uhr.Vgl.
Programm in folgender Akte im Staatsarchiv Hamburg: Be
standsnummer: 3612 VI, Bestandsname: Oberschulbehrde
VI,Bestandssignatur:FXd1/4,1679,Blatt3637.
50. Zit. aus: Zeitungsartikel: O.Vf.:Filmpropaganda (wie
Anm.5).
51.Belling,Schtze:Film(wieAnm.44),S.32.
52. Heidrun Bumann: ,Der geschichtliche Unterrichtsflm im
DrittenReich.In:WinfriedMller,WolfgangJ.Smolka,Hel
mut Zedelmaier (Hrsg.): Universitt und Bildung. Festschrift
LaetitiaBoehmzum60.Geburtstag.Mnchen1991,S.463.
53.Belling,Schtze:Film(wieAnm.44),S.37.
54. Undine Bruckmaier im Interview am 29.9.1997, durchge
fhrt von der Werkstatt der Erinnerung (Forschungsstelle fr
Zeitgeschichte in Hamburg), Sgn. FZH/WdE 504. Der Name
Undine Bruckmaier ist ein von der Werkstatt der Erinnerung
vergebenerAlias.
55. Staatsarchiv Hamburg, Bestandsnummer: 3612 VI, Be
standsname: Oberschulbehrde VI, Bestandssignatur: FX d
1/ 4), 1679, Blatt 2930, 4548 sowie Briefe im Staatsarchiv
Hamburg: Bestandsnummer: 36411, Bestandsname: Landes
bildstelle,Bestandssignatur:1.
56. Staatsarchiv Hamburg, Bestandsnummer: 3612 VI, Be
standsname: OberschulbehrdeVI, Bestandssignatur: FX d 1/
4,1679,Blatt2930.
57.Ebd.,Blatt4648.
58. Der Vorschlag, die Filme in einem nahe gelegenen Kino
anzusehen, wird auch von Schulleiter Hausschild von einer
SchuleinWandsbekineinemBriefvom1.6.1938andieLan
desbildstelleHansaunterbreitet,nachdemersichberdiemin
derwertige Ton und Bildwidergabe des Films UNTERNEHMEN
MICHAEL beschwert hat. Vgl. Brief im Staatsarchiv Hamburg:
Bestandsnummer: 36411, Bestandsname: Landesbildstelle,
Bestandssignatur:1.
59. Rudolf Mller in einem handschriftlichen Brief im Juni
1938. In: Staatsarchiv Hamburg, Bestandsnummer: 3612 VI,
Bestandsname: Oberschulbehrde VI, Bestandssignatur: FX
d1/4,1679,Blatt4548.GleicheBlattnummerierungwiebei
demBriefvonOttoBrey(vgl.Anm.57).
60. Staatsarchiv Hamburg: Bestandsnummer: 36411, Be
standsname:Landesbildstelle,Bestandssignatur:1.
61. ber weitere Beschwerden wird in den Jahresberichten der
Landesbildstelle Hansa in folgender Akte berichtet: Staatsar
chiv Hamburg, Bestandsnummer: 3612 VI, Bestandsname:
OberschulbehrdeVI,Bestandssignatur:FXd2/1Bd.1,1681,
Blatt6.BeschwerdenausdemgesamtendeutschenReichgab
es auch ber den fr die staatspolitischen Filmveranstaltun
gen ausgewhlten Film ICH FR DICH DU FR MICH, der fr
den weiblichen Reichsarbeitsdienst wirbt. Zahlreiche Eltern
beschwerten sich ber die sexuelle Freizgigkeit der jungen
MdchenimFilmund sahen denFilmaus sittlichenGrnden
fr Jugendliche als ungeeignet an. Der Film sollte deswegen
nicht mehr in Schulen aufgefhrt werden. Vgl. dazu: Staats
archiv Hamburg, Bestandsnummer: 3612 VI, Bestandsname:
Oberschulbehrde VI, Bestandssignatur: FX e 2/3, 1689. ber
ProtestegegenbestimmtejugendfreieFilmeseitensderEltern
wird in den geheimen Lageberichten des Sicherheitsdienstes
der SS berichtet so wenden sich die Eltern z. B. gegen die
AuffhrungdesFilmsJUDSSS,derfrJugendlichenichtge
eignet sei vgl. Heinz Boberach (Hrsg.): Meldungen aus dem
Reich.DiegeheimenLageberichtedesSicherheitsdienstesder
SS19381945.Bd.6,18.Nov.194017.April1941,Herrsching
1984,S.21802181.
62. Jahresbericht der Landesbildstelle Hansa. In: Staatsarchiv
Hamburg, Bestandsnummer: 3612 VI, Bestandsname: Ober
schulbehrdeVI,Bestandssignatur:FXd2/1Bd.1,1681,Blatt
125.
63. O.VI.: ,250.000 in den Jugendflmstunden der HJ. Zusam
menarbeitmitdenFilmtheatern.In:Filmkurier,23.5.1936.
64. O.Vf.: Zur Frage der JugendVorstellungen. Die Jugend
istdasPublikumvonmorgen.In:Filmkurier,20.3.1935.
65.Belling,Schtze:Film(wieAnm.44),S.45.
66. Walter Tetzlaff: Das Disziplinarrecht der HitlerJugend:
Entwicklung, gegenwrtiger Stand, Ausgestaltung. Berlin
1944, S. 9. Vgl. auch Wilfried Ferchhoff: Jugendkulturen in
derNSZeit.In:WernerFaulstich(Hrsg.):DieKulturder30er
und40erJahre.Mnchen2009,S.79.
67.Stahr:Volksgemeinschaft(wieAnm.4),S.92.
68.Drewniak:DerdeutscheFilm(wieAnm.44),S.583.
69. O.Vf.: Mathias Wieman in Hamburg. Der Film ruft die
Jugend.In:Filmkurier,11.10.1037.
70. O.VI.: ,Jugendflmstunden bereits Tradition'. In: Nach
richtenblatt der NSDAP. Gauhlmstelle Mnchen-Oberbavern,
Nr.3,Mrz1939,S.27.Zit.nach:AndreaNaicaLoebell:Das
totale Kino. Die Arbeit der Gauflmstellen der NSDAP und die
Jugendflmstunde, konkretisiert am Beispiel Mnchen-Ober
bayern. In: Michael Schaudig (Hrsg.): Positionen deutscher
Filmgeschichte.100JahreKinematographie:Strukturen,Dis
kurse,Kontexte.Mnchen1996,S.190.
101 Kinoffentlichkeit I
71.StaatsarchivHamburg,Bestandsnummer:3762,Bestands
name:Gewerbepolizei,Bestandssignatur:GenIXF31(Partei
flmangelegenheiten).
72. Staatsarchiv Hamburg, Bestandsnummer: 3612 VI, Be
standsname:OberschulbehrdeVI,Bestandssignatur:FXd1/1
Bd.2,1676a.
73.Am21.2.1937liefz.B.inderSchauburgSt.Pauliaufder
Reeperbahn um 11.30 Uhr der Spielflm SCHWARZERJGERJO
HANNA. Der Film STOSSTRUPP 1917 startete an diesemTag fast
zeitgleich im TitaniaPalast in der Sderstr. 73/77 und in der
Schauburg am Hauptbahnhof. Programme der Hamburger Ju
gendflmstunden siehe: Staatsarchiv Hamburg, Bestandsnum
mer:3762,Bestandsname:Gewerbepolizei,Bestandssignatur:
Gen IX F 31 (Parteiflmangelegenheiten).
74.Ebd.
75. Fritz Finohr: ,Jugendvorstellung? Jugendflmstunde!
Eine Betrachtung zur flmischen Betreuung der Jugend'. In:
DerdeutscheFilm,8(1940),Nr.2,S.25.
76 Beschreibung des AblauIs einer Jugendflmstunde vgl. Bel
ling,Schtze:Film(wieAnm.44),S.5559.
77.Anneliese Sander weist zugleich auf den Mangel an rich
tigen Jugendflmen hin, von denen im Dritten Reich nur 12 ge
drehtwurden.SiepldiertfrdievermehrteProduktionjugend
geeigneterFilme,vgl.Sander:Jugend(wieAnm.3),S.30.
78.Sander:Jugend(wieAnm.3),S.72.
79. Alfred Schtze: Wie erfolgt der Groeinsatz jugend
werter Filme in den Filmstunden der HJ?. In: Beiblatt zum
Filmkurier, Nr. 306, 31.12.1938. Vgl. auch: Alfred Schtze:
DiedeutscheJugendliebtdenFilm.RckblickauffnfJah
reFilmarbeitderHJ.In:Filmkurier,19.4.1939.ImZugedes
Krieges durIten ab Ende 1943 schlielich alle Ir Jugendflm
stundenzugelasseneFilmenachProduktionsendesofortvorder
HJ vorgefhrt werden: vgl. o.Vf.: Filmische Betreuung der
HitlerJugendkriegswichtig.DiebestenFilmefrdieJugend.
In:Filmkurier,21.12.1943.
80. Helmut Hagenried: Der Film und die deutsche Jugend.
Das Jahr 1944 in der Jugendflmarbeit'. In: FilmNachrichten,
6.1.1945.
81.BerndKleinhans:EinVolk,einReich,einKino.Lichtspiel
inderbraunenProvinz.Kln2003,S.178.
82. Nicolaus Heutger. In: Walter Kempowski (Hrsg.): Das
Echolot.EinkollektivesTagebuch.JanuarundFebruar1943,
Bd. IV, 16. Bis 28.2.1943, 3. Auf., Mnchen 1993, S. 168.
83. O.VI.: ,Begeisterte AuInahme der ersten Jugendflmstun
den der neuen Spielzeit. In: Nachrichtenblatt der NSDAP.
Gauhlmstelle Mnchen-Oberbavern,Nr.11.Nov.1938,S.115.
Zit.nach:NaicaLoebell:DastotaleKino(wieAnm.70),S.
193.
84.In:HeinzBoberach(Hrsg.):MeldungenausdemReich.Die
geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS 1938
1945.Bd.5,4.Juli14.Nov.1940,Herrsching1984,S.1428
1429Vgl.auchBd.6,S.21802181(wieAnm.61).
85.Sander:Jugend(wieAnm.3),109ff.AnnelieseSanderhat
dieseUmfragedurchgefhrtund1944verffentlicht.Vonden
1.946 1017Jhrigen, die den Fragebogen abgegeben haben,
waren686Jungenund1260Mdchen.
86. Vgl. auch zu den Jugendflmen im Dritten Reich: Barba
raStelznerLarge:DerJugendzurFreude?Untersuchungen
:um propagandistischen Jugendspielhlm im Dritten Reich.
Weimar1996.
87.Belling,Schtze:Film(wieAnm.44),S.31.
103
1. Vorbemerkung
Versteht man, wie einleitend dargelegt, unter Kinoffent-
lichkeit die Gesamtheit aller Faktoren, die die Produkti-
on, die Distribution, die Prsentation und die Refexion
von Filmen im Rahmen einer eigenen Veranstaltungs-
ffentlichkeit ermglichen und steuern,
1
so kommt im
folgenden das zur Sprache, was die Hamburger Bevl-
kerung des Jahres 1933 dazu in den Hamburger Tages-
zeitungen erfahren konnte. Dies waren Informationen zu
den in den Hamburger Kinos veranstalteten Filmvorfh-
rungen, die zusammen mit ihrer Bewerbung den Bereich
der Prsentation von Filmen zugeordnet werden knnen,
sowie die Darstellung und Besprechung von Filmvor-
fhrungen, die in den Bereich der Reexion von Filmen
fallen; hinzu kommen die in diese beiden Bereiche ein-
gearbeiteten Hintergrundinformationen zur Produktion
und zur Distribution von Filmen, Nachrichten aus der
Welt der Filmstars etc.
2
Die Hamburger Tagespresse
stellt zu alle dem eine wichtige Quelle deshalb dar, weil
ihre groen Tageszeitungen mit einer Versorgungsdichte
von ber 90% fast alle Haushalte erreichten und damit
eine Art von publizistischer Vollversorgung sicherstellen
konnten.
3
Wobei wir davon ausgehen, dass der Leser/die
Leserin einer Tageszeitung ,ihre Zeitung als ganzes, als
eine Einheit wahrnehmen und sich fr die Frage danach,
wie diese Einheit zustande kommt, nicht interessieren.
In diesem Sinne werden auch wir im folgenden von Zei-
tungen als einheitlich auftretenden Publikationsinstan-
zen sprechen.
4
1933 dominierten fnf Zeitungen die Hamburger Presse-
landschaft: Der Hamburger Anzeiger (HA) steht mit
der grten Aufagenstrke von ca. 150.000 tglichen
Exemplaren an der Spitze. Darauf folgen das Hamburger
Fremdenblatt (HF), die Hamburger Nachrichten (HN),
die NSDAP-Zeitung Hamburger Tageblatt (HT) und der
Hamburgische Correspondent (HC), der mit rund 25.000
Exemplaren die letzte Stelle in den groen, die gesamte
Hamburger Metropolregion umfassenden Tageszei-
tungen einnimmt. Die kommunistischen Zeitungen sind
nicht in die Untersuchung aufgenommen, da sie im Frh-
jahr 1933 in Folge des Reichtagsbrands verboten wurden
und daher fr eine sich ber das ganze Jahr erstreckende
Untersuchung nicht in Betracht kommen.
5
Dies gilt auch
fr das einst aufagenstarke Hamburger Echo (HE), das
offzielle Presseorgan der hamburgischen SPD, das im
Jahr 1933 mit rund 60.000 Exemplaren pro Ausgabe nur
bis zum 2. Mrz erscheinen konnte.
6
Eingeschlossen sind
allerdings die Altonaer Nachrichten (AN) als ein Beispiel
fr Zeitungen mit begrenzter regionaler Reichweite, die
trotz einer vergleichsweise kleinen Druckaufage als lo-
kalspezifsche Informationsquelle eine wichtige Rolle in
der Binnenkommunikation der Stadtteile einnahmen.
In der Berichterstattung dieser Zeitungen lassen sich in
Entsprechung zu dem, was wir einleitend zur Veranstal-
tungsffentlichkeit eines in ortsfesten Kinos gezeigten
Films ausgefhrt haben, zwei Teilffentlichkeiten erken-
nen. In der ersten Richtung werden wir untersuchen, wie
die Hamburger Kinos (wahrscheinlich mehr oder weni-
ger genau den Vorgaben ihrer Verleihfrmen folgend) ihr
Filmangebot in Inseraten und Programmplnen so pr-
sentieren, dass sich hier aus der Auswahl, Prsenz und
Programmsthetik von Kinoanzeigen so etwas wie eine
Prsentationsffentlichkeit zum Kino entwickelt. In der
zweiten Richtung wird es darum gehen zu untersuchen,
wie in diversen Nachrichten, Besprechungen und Kri-
tiken ber Kino und Filme so informiert, kommentiert,
diskutiert und geurteilt wird, dass daraus so etwas wie
eine Reexionsffentlichkeit zum Kino entsteht. Die
auswertende Darstellung dieser Teilffentlichkeiten ist
das Ziel dieses Ergebnisberichtes.
7
KinoffentlichkeitII
KinoundKinoprogramminderHamburgerTagespresse1933
LauravonBierbrauer,MareinBudiner,HarroSegeberg,NicolaValeskaWeber
104 Bierbrauer, Budiner, Segeberg, Weber
2. Charakterisierung der Zeitungen und Unter-
suchungsmethode
Der Hamburger Anzeiger, der 1922 aus dem Zusammen-
schluss der Zeitungen General-Anzeiger fr Hamburg-
Altona und Neue Hamburger Zeitung entstand und bis
1957 mit einer Pause zwischen 1944 und 1952 verlegt
wurde, war im Auswertungsjahr 1933 mit ca. 150.000
Exemplaren die aufagenstrkste Tageszeitung Ham-
burgs; sie galt zumal whrend der Weimarer Republik
als dezidiert linksliberales, republikanisches Blatt. Der
Kinobesucher konnte sich in dieser einmal tglich er-
schienenen Zeitung den grten berblick ber das Ki-
noprogramm verschaffen, denn im Hamburger Anzeiger
inserierte mit 45 Kinos die Hlfte der rund 90 existie-
renden Kinos im Groraum Hamburg.
8
Zudem wurden
an jedem Samstag in der Kategorie Filme der Woche
ausgewhlte Filme besprochen und Neuigkeiten rund
um das Kino angeboten.
Das bereits seit Anfang des 19. Jahrhunderts zunchst
als Wochenblatt und seit 1914 zweimal tglich erschei-
nende Hamburger Fremdenblatt war 1933 mit einer Auf-
lage von ca. 113.000 die zweitgrte Tageszeitung Ham-
burgs. Mit 38 inserierenden Kinos lieferte das Fremden-
blatt, das bis 1933 als brgerlich-liberal galt, ebenfalls
einen breiten berblick ber die in den Hamburger Kinos
laufenden Filme und bot in regelmigen Rezensionen,
Kritiken und Nachrichten eine Begleitffentlichkeit rund
um Kino, Film und Stars. Schon in der Schlussphase der
Weimarer Republik lie das Fremdenblatt eine national-
liberale bis autoritre Tendenz erkennen.
Im Gegensatz zum HA und HF lieferte die Traditions-
zeitung Hamburgischer Correspondent eine sehr selek-
tive Kinoprogrammauswahl, ermglichte jedoch durch
die wchentliche Sonderbeilage Aus der Welt des Films
in diversen Berichten eine umfangreiche Refexion ber
Film und Kino. Der anfangs liberale, in seiner Endphase
aber eher konservative Correspondent erschien erstma-
lig 1731, entwickelte sich Ende des 18. Jahrhunderts zur
grten Zeitung Europas und wurde im Frhjahr 1934
aus wirtschaftlichen Grnden eingestellt. Innerhalb des
Auswertungszeitraums publizierte er tglich eine Mor-
gen- und Abendausgabe und war mit einer Aufagenstr-
ke von rund 25.000 Exemplaren die aufagenschwchste
der groen Tageszeitungen.
Mit einem im Vergleich zum HC relativ ausgewogenen
Verhltnis von Kinoinseraten und Berichten ber das
Hamburger Filmwesen erschienen die 1792 gegrn-
deten Hamburger Nachrichten mit tglich 56.000 bis
70.000 gedruckten Exemplaren.
9
28 Kinos inserierten
in dem Blatt, das whrend der Weimarer Republik der
nationalkonservativen deutsch-nationalen Volkspartei
nahe stand. Unter der festen Rubrik Filmschau erschie-
nen sonntags in der Morgenausgabe Filmkritiken und
an vereinzelten Tagen Nachrichten und Artikel ber das
regionale und internationale Kino. Die national-konser-
vativen HN wurden im Auswertungsjahr in einer Mor-
gen- und Abendausgabe herausgebracht und im Jahr
1939 eingestellt.
Im Gegenzug dazu stieg die Aufage des nationalsozia-
listischen Hamburger Tageblatts stetig an. Die erst 1931
aus dem Zusammenschluss des Hamburger Volksblatts
und der Hansischen Warte gegrndete Zeitung verzeich-
nete 1934 bereits eine Aufagenstrke von rund 37.000
Exemplaren und konnte diese in drei Jahren fast ver-
doppeln. Das HT erschien 1933 sechsmal wchentlich
mit je einer Tagesausgabe und lieferte in hnlichem
Umfang wie die HN Informationen ber das Hamburger
Kino in vereinzelt gedruckten Inseraten und vorwiegend
sonntags publizierten Filmkritiken, die unter der Rubrik
Filme in Hamburg zusammengefasst waren. Allerdings
war die Berichterstattung, wie nicht anders zu erwarten,
deutlich nationalsozialistisch ausgerichtet. Nach den
verheerenden Luftangriffen im Sommer 1943 erschienen
das Hamburger Tageblatt, das Hamburger Fremdenblatt
und der Hamburger Anzeiger im August 1943 erneut
und wurden im September 1944 zusammengelegt; die
Zeitungen wurden jetzt gemeinsam unter dem Namen
Hamburger Zeitung publiziert.
Im Vergleich zu den groen Tageszeitungen boten die
1850 gegrndeten Altonaer Nachrichten mit wchent-
lich fnf bis zehn inserierten Kinos und nur gelegent-
lich erscheinenden Filmbesprechungen einen geringeren
Beitrag zur Kinoffentlichkeit in der Hamburger Tages-
presse. Jedoch wurde der Altonaer Einwohner durch die
Dominanz von lokalen Lichtspielhusern und Filminsti-
tutionen in strkerem Mae angesprochen. Die mit einer
Aufage von ca. 10.000 Exemplaren vertretene Zeitung
erschien zwischen 1938 und 1941 kurzfristig unter dem
Namen Hamburger neueste Zeitung und war nach ihrer
Wiederaufnahme 1948 bis zu ihrer Einstellung 1988 er-
105 Kinoffentlichkeit II
neut unter ihrem ursprnglichen Namen als Beilage des
Hamburger Abendblattes erhltlich.
Fr alle im Jahr 1933 erscheinenden Zeitungen gilt, dass
sie in diesem Jahr einem Prozess der Anpassung an die
neuen Machtverhltnisse unterworfen wurden, der in der
Forschung entweder (monokratisch) als Gleichschaltung
und Selbstgleichschaltung (Karl Christian Fhrer) oder
(polykratisch) als Lenkung und Selbstlenkung interpre-
tiert wird.
10
Dieser hier im einzelnen nicht nachzuzeich-
nende Prozess, der (darin besteht Einigkeit) alle Medien
erfassen sollte, umgreift institutionelle, konomische und
inhaltliche Manahmen und gipfelte u. a. im Ausschluss
rassisch und politisch unerwnschter Journalisten und
Filmemacher aus der neu gegrndeten sog. Reichskul-
turkammer (September 1933) oder in der in Hamburg
besonders zgig betriebenen ,Arisierung ,jdischer Ki-
nounternehmen;
11
ihr gingen ein Verleihboykott dieser
Kinounternehmen sowie einschchternde SA-Krawalle
vor den bekmpften Kinos voraus. Hinzu kommen ge-
zielte Eingriffe in die Personal- wie Finanzpolitik von
Presseverlagen oder die Einrichtung einer Filmbank, mit
deren Krediten regimekonforme Filme gefrdert werden
sollten.
Nicht zu vergessen sind schlielich inhaltliche Len-
kungs-Manahmen wie das Verbot des sog. Zwei Schla-
ger-Programms (bei dem bis zum September 1933 zwei
Hauptflme, mit oder ohne politisches Beiprogramm aus
Wochenschau und/oder Kulturflm, aufgefhrt wurden)
oder die schon im Juli 1933 abgeschlossene Umgestal-
tung der Berliner Pressekonferenz in eine vom Propagan-
daministerium ausgerichtete Informationsveranstaltung;
in die Weitergabe der von hieraus an regionale und lokale
Zeitungen zu vermittelnden NS-Presseanweisungen war
aus Hamburg der Vertreter der Hamburger Nachrichten
eingebunden. Wenn in diesem Zusammenhang in der his-
torisch-kritischen Edition dieser Presseanweisungen ge-
sagt wird, ,dass es eine gleichgeschaltete deutsche Presse
nicht gab, wohl aber eine gelenkte Presse'
12
, dann wird
damit der unter Strafandrohung gestellte Zwangscharak-
ter dieser Anweisungen keineswegs geleugnet, sondern
darauf hingewiesen, dass es zum Kalkl einer solchen
stets zwischen mehreren Instanzen auszuhandelnden
,polykratischen Lenkungspolitik gehrte, die Forderung
nach der ,bis in die kleinsten Einzelheiten hinein' rei-
chenden Beachtung ihrer Anweisungen mit der Erwar-
tung zu verknpfen ,dass nicht berall einheitlich ge-
schrieben wird, man will, dass die Presse ihr lebendiges
Gesicht behlt'.
13
Eine, so hie es, dem ffentlichen An-
sehen des neuen Regimes ,unglckselige Uniformierung
der deutschen Presse [sei] zu beseitigen'.
Das lsst sich als Pressepolitik einer lebendigen Viel-
falt in einer wie auch immer ideologisch durchformten
Einheit bezeichnen, und wenn man bedenkt, dass sie bis
in die Anweisungen und Kontrollen von Anzeigentei-
len hinein gelten sollte,
14
dann erscheint es als durchaus
sinnvoll, im folgenden von einer zwischen den Zeitungen
variierenden Schwerpunktsetzung in der Auswahl und
Platzierung der Kino-Anzeigen sowie einer unterschied-
lich akzentuierten Berichterstattung auszugehen. Die Er-
wartung, dass die Tagespresse dem Leser verschiedene
Formen einer Prsentations- und Refexionsffentlich-
keit anbot, erscheint vor diesem Hintergrund jedenfalls
als berechtigt und dementsprechend haben wir dem in
unseren Recherchen eine besondere Aufmerksamkeit zu-
gewendet.
Vorwegnehmend lsst sich dazu noch einmal daran
erinnern, dass der Hamburger Anzeiger gefolgt vom
Hamburger Fremdenblatt die grte Auswahl an inse-
rierten Kinos und damit die breiteste Prsentationsffent-
lichkeit anbot, whrend der Hamburgische Correspon-
dent mit seiner begrenzten Kinoauswahl das Schlusslicht
bildet. In Bezug auf die Refexionsffentlichkeit lieferten
alle Zeitungen Berichterstattungen unter einer geson-
derten Rubrik, die beim Hamburgischen Correspondent,
Hamburger Fremdenblatt und Hamburger Anzeiger mit
besprochenen Filmen im Umfang von bis zu einer Seite
am umfangreichsten und bei den Hamburger Nachrich-
ten und dem Hamburger Tageblatt im Vergleich dazu
eingeschrnkter war. Die Altonaer Nachrichten, die als
Beispiel fr die lokalen Zeitungen nicht im direkten Ver-
gleich mit den groen Tageszeitungen stehen, werden an
Stellen einbezogen, an denen sie ergnzende Ergebnisse
liefern.
Die Inserate und Artikel wurden in allen Zeitungen qua-
litativ mit dem Programm FileMaker ausgewertet, da es
individuell gestaltbare und bersichtliche Eingabe- und
Suchfunktionen bereitstellt.
Die abgebildete Eingabefolie (Abb. 1) zeigt die ausge-
whlten Untersuchungskriterien. Neben den Feldern fr
Filmtitel, Gattung, andere Medien und Vorfhrzeitraum,
106 Bierbrauer, Budiner, Segeberg, Weber
Kinos oder sonstige Veranstaltungsorte, die mitwirken-
den Schauspieler, den Artikelverfasser und das Datum
der Anzeige wird in einem Kommentarfeld auf die Inhalte
und Struktur der Anzeigen sowie auf Bewertungen und
Hervorhebungen des jeweiligen Verfassers von Artikeln
zu Film und Kino eingegangen. Neben einer bersicht
ber die einzelnen Kategorien lsst sich beispielsweise
durch die kombinierte Suche von Film und Beiprogramm
herausfnden, in wie vielen Fllen und in welcher Form
ein Film mit welchem Beiprogramm prsentiert und be-
sprochen wurde. Ebenso zeigt die verknpfte Suche von
Film und Textsorte die unterschiedlichen Formen der
Darstellung und Ankndigung eines Films. Neben der
qualitativen Analyse wurden die im Hamburger Anzeiger
am umfangreichsten vertretenen Kinoinserate mit Hilfe
des Programms Microsoft Excel quantitativ ausgewertet,
um einen Gesamtberblick ber die inserierten Kinos
und ihr Filmangebot zu erhalten.
Abb.1:AuswertunginFileMaker
amBeispieldesHC.
107 Kinoffentlichkeit II
3. Die Prsentationsffentlichkeit in der Ham-
burger Tagespresse
Verschaffen wir uns als erstes einen quantitativen ber-
blick ber die in den ausgewerteten Tageszeitungen inse-
rierten Hamburger Kinos, so ist es nahe liegend, hier mit
dem Hamburger Anzeiger zu beginnen; schlielich wa-
ren in ihm 45 von rund 90 Kinos im Groraum Hamburg
mit ihren Anzeigen vertreten und lieen damit die brei-
teste Prsentationsffentlichkeit zum Kino in Hamburg
entstehen. Betrachtet man nun diese Prsentationsffent-
lichkeit genauer und achtet dazu in Abb. 2 auf die Vertei-
lung der im HA inserierten Kinos auf die Stadtbezirke, so
ist auf der einen Seite eine Konzentration in der Neustadt
und im Innenstadtbereich zu erkennen. Auf der ande-
ren Seite waren die inserierten Kinos auf relativ viele,
d. h. insgesamt 14 Stadtbezirke verteilt, so dass der Kino-
besucher von seinem jeweiligen Wohnort aus keine wei-
ten Wege zurcklegen musste; in dieser Hinsicht kann
man davon sprechen, dass die Hamburger Stadtbezirke
mit der Unterhaltungsware Kino nahezu vollstndig
versorgt waren (wenn auch, betrachtet man die durch-
aus unterschiedliche Ausstattung der Kinos, von der die
Beitrge von Corinna Mller und Michael Tteberg in
diesem Heft handeln, in einer qualitativ keineswegs ein-
heitlichen Ausstattung). In sechs der acht Kinos in der
Neustadt wurden Ur- und Erstauffhrungen gezeigt. Zu
diesen Ur- und Erstauffhrungstheatern zhlten u. a. der
Ufa-Palast, die Schauburg Hauptbahnhof, das Passage-
Theater und das Waterloo-Theater.
Im Vergleich zum HA inserierten im HC nur zwei Ki-
nos, allerdings waren in wchentlich erschienenen Pro-
grammplnen zustzlich die Filmauffhrungen von
22 bis 27 Lichtspieltheatern aufgelistet. Im HF waren
mit 38 wesentlich mehr Kinos in Anzeigen vertreten;
dazu gehrten die Ottenser Lichtspiele, die nicht im HA
inserierten. Weniger Kinos prsentierten die HN mit 28
Inserierungen, die in einem wchentlich erschienenen
Programmplan nochmals aufgezhlt wurden. Dem folgte
das HT mit 19 inserierten Kinos. In den AN schalteten mit
bis zu zehn zwar weniger Inserenten ihre Einzelanzei-
gen, unter ihnen befanden sich jedoch Lichtspielhuser
aus Altona und Umgebung, wie das Hansen-Kino, das
Theater am Nobistor, die Schauburg Blankenese und die
Lichtburg Altona, die in den anderen untersuchten Zei-
tungen nicht prsent waren. Darin manifestiert sich der
ausgeprgt lokale Bezug dieser Zeitung.
Alle bisher ausgewerteten Zeitungen zusammenfassend
inserierten 50 Kinos in der Hamburger Tagespresse.
15

Vergleichen wir die damit gewonnenen Ergebnisse mit
Begriffichkeiten, die in anderen Untersuchungen zur
Kinoffentlichkeit des 20. Jahrhunderts vorgeschla-
gen wurden, dann knnen ber die Hlfte der ca. 90 im
Groraum Hamburg ansssigen Kinos schon jetzt als so
genannte ,sichtbare Kinos bezeichnet werden; darunter
sind dann Kinos zu verstehen, die durch Inserate auf sich
aufmerksam machten. ber ein Drittel erschien nicht mit
eigenen Anzeigen in den untersuchten Tageszeitungen,
und diese Kinos lassen sich im Gegensatz dazu als ,un-
sichtbare oder ,graue Kinos bezeichnen.
16
Dabei darf
allerdings nicht unterschtzt werden, dass auch Kinos,
die nicht sichtbar in Zeitungen inserierten, durchaus an-
dere Mittel nutzen konnten, um auf ihr Filmprogramm
aufmerksam zu machen. Einige hefteten ihre Programm-
plne auf Litfasssulen oder verteilten Broschren und
Handzettel,
17
so dass auf diese Weise auch ,graue Kinos
sichtbar wurden.
Stadtbezirk Kinoanzahl
Neustadt/Zentrum 8
Eimsbttel 6
Barmbek 5
Wandsbek 4
St. Georg 4
Uhlenhorst 3
St. Pauli 3
Hamm 3
Hammerbrook 2
Altona 2
Rothenburgsort 2
Eppendorf 1
Hoheluft 1
Horn 1
Gesamtergebnis 45
Abb.2:VerteilungderKinosaufdieStadtbezirke,
ErgebnisseausdemHA.
108 Bierbrauer, Budiner, Segeberg, Weber
3.1 Prsentationssthetik
Blicken wir nunmehr genauer auf die qualitative Ausge-
staltung dessen, was wir als Prsentationsffentlichkeit
bezeichnet haben, so geht bereits aus der Anzahl der in-
serierten Kinos hervor, dass der HA und das HF ihren
Lesern einen breiten und damit auch, so ist zu vermuten,
besonders vielfltig ausgestalteten berblick ber die
in den Hamburger Kinos laufenden Filme boten. Daher
werden diese beiden Zeitungen im folgenden zur Analy-
se der sthetischen Erscheinungsform der Filmanzeigen
exemplarisch betrachtet. Whrend im HA die meisten Ki-
noinserate montags und donnerstags geschaltet wurden,
um auf die nderungen des Kinoprogramms am Folgetag
hinzuweisen, erschienen im HF die Kinoanzeigen von
Montag bis Samstag unter der Rubrik Theater, Konzerte,
Lichtspiele, Unterhaltungen.
Schon auf den ersten Blick spiegelt sich auf den abgebil-
deten Anzeigenseiten vom 16. Januar 1933 (Abb. 3) die
vielfltige Bandbreite der damaligen Hamburger Kino-
landschaft wider. Neben dem Ufa-Palast - dem grten
Kino Europas -, den Ur- und Erstauffhrungstheatern
Lessing-Theater und Harvestehuder Lichtspiele und den
Schauburgen inserierten unter anderem auch Knopfs
Lichtspiele - eines der ltesten Kinos Hamburgs
18
-, die
Kulturflmbhne Urania und im HF auch die Ottenser
Lichtspiele, die im damals noch nicht zum Stadtgebiet
Hamburg gehrenden Altona ansssig waren.
Betrachten wir die Anzeigen genauer, dann sind auf bei-
Abb.3:KinoinseratedesHA(links)undHF(rechts)vom16.1.1933.
109 Kinoffentlichkeit II
den Anzeigenseiten groformatige Einzelanzeigen, die
in Aufbau wie Bild- und Text-Gestaltung ziemlich auf-
wendig ausfallen, von eher unscheinbaren kleinteiligen
Sammelanzeigen zu unterscheiden. Hierbei fllt auf, dass
die groformatigen Einzelanzeigen in ihrer Ausgestal-
tung von Zeitung zu Zeitung keine signifkanten Diffe-
renzen erkennen lassen, was auf fr alle Zeitungen gel-
tende Vorgaben der Verleihe schlieen lsst, sich in ihrer
Platzierung und Anordnung aber erkennbar voneinander
unterscheiden, was auf Gestaltungsspielrume der jewei-
ligen Zeitungen hindeutet; sie mgen im Fall von HA und
HF noch nicht besonders auffallen, knnen aber dort, wo
- wie spter am Beispiel des HC gezeigt - Einzelanzei-
gen als isolierte einzelne Anzeigen auftreten, eine sehr
viel intensivere Aufmerksamkeitslenkung erzielen (Abb.
10).
19
In Form von Sammelanzeigen inserierten vor allem
die Kinoketten von Kino-Gro-Konzernen, wie die zum
Henschel-Konzern gehrenden Schauburgen, der Emel-
ka- und Ufa-Konzern, aber auch Kinos wie Primus, Eu-
ropa, Germania, Rialto und die Lichtburg am Billhorner
Rhrendamm fassten ihre Inserate graphisch zusammen.
Die eher schlichten Sammelanzeigen nannten neben dem
Theater und dessen Adresse den Titel des Films und zu-
meist auch den oder die Hauptdarsteller. Hervorzuheben
sind hier allenfalls die Sammelanzeigen der zum Ufa-
Konzern gehrenden Kinos und die der Schauburgen. Sie
zeichneten sich durch das deutlich platzierte Logo der
Konzerne aus. Auch diese einfach gehaltenen Sammel-
anzeigen traten gegenber den oft auffllig gestalteten
Einzelanzeigen jedoch in den Hintergrund.
Ein besonders prgnantes Beispiel fr das Bedeutungs-
potential einer groformatigen Einzelanzeige fndet
sich in Abb. 3 dort, wo es heit: ,Heute Premiere!' des
,groe[n] Schneeschuh-Lustspiel[s] nach einer Idee von
Dr. Arnold Fanck', ABENTEUER IM ENGADIN. Die fast die
Hlfte der Anzeige einnehmende Zeichnung von Skifah-
rern soll das Interesse der Leser auf den Film lenken, und
der Wert des Films wird zudem noch mit einem Auszug
aus einer Filmbesprechung betont: ,Die Leinwand er-
strahlt als einziges leuchtendes Wintermrchen. Hier
atmet jeder Filmmeter Schnheit und unbekmmerte
Frhlichkeit.' Neben Kommentaren zum Inhalt bzw.
zur Qualitt der Filme, dem Genre, den Hauptdarstel-
lern, dem Regisseur und Autor wurden in Einzelanzeigen
auch die Eintrittspreise genannt; zudem lieen sich Hin-
weise auf die Laufzeit der Filme und die Besucherzah-
len unterbringen (Abb. 4). In anderen Anzeigen sind es
Zeichnungen von den im Film mitwirkenden Stars oder
andere dem Film entlehnte Bilder, die die Erscheinung
der Einzelanzeigen abrunden und entschieden zur Auf-
merksamkeitslenkung des Lesers beitragen. Auerdem
war es blich, den Namen des Hauptdarstellers innerhalb
der Anzeige auffllig zu positionieren, in vielen Fllen
neben dem Portrt des jeweiligen Schauspielers (Abb. 5,
Abb. 6).
Dies alles zeigt, wie sehr die Gestaltung der Einzelanzei-
gen thematisch auf das Genre des beworbenen Films ab-
gestimmt ist. Dadurch konnten die sorgfltige Auswahl
und Gestaltung von Schrifttyp und Bild zusammen mit
Informationen ber und um den Film dem Leser einen
ersten Eindruck zur ,Stimmung bzw. zum Thema des
Films vermitteln. Woraus sich folgern lsst, dass die
vornehmliche Aufgabe der Einzelanzeige darin bestand,
dem nach Orientierung suchenden Leser mglichst rasch
deutlich zu machen, mit welcher Art von Film er bei sei-
nem Filmbesuch zu rechnen hatte. So unterstreicht zum
Beispiel die Anzeige fr KAISERWALZER den Lustspielcha-
rakter des Films dadurch, dass das Portrait einer lcheln-
den Marta Eggerth von den ebenfalls lachenden Kpfen
der brigen Hauptpersonen fankiert wird, und die An-
Abb.4:HamburgerFremdenblatt,
Abendausgabe,4.1.1933,Nr.4,S.12.
110 Bierbrauer, Budiner, Segeberg, Weber
Abb.5:DASSCHIFFOHNEHAFEN,
HamburgerFremdenblatt,5.1.1933,Nr.5,S.10.
Abb.6:KAISERWALZER,
HamburgerFremdenblatt,2.2.1933,Nr.33,S.10.
Abb.7:MDCHEN,DIESPURLOSVERSCHWINDEN,
HamburgerFremdenblatt,12.1.1933,Nr.12,S.18.
Abb.8:LilianHarveyzumAbschied,Hamburger
Fremdenblatt,Abendausgabe,17.1.1933,Nr.17,S.6,II.
111 Kinoffentlichkeit II
ordnung der Kpfe um das Portrt der Hauptdarstellerin
und die Rahmung der Kpfe durch Herzen verweisen auf
zu erwartende amourse Verwicklungen. Alles deutet da-
rauf hin, dass den Zuschauer des Films ein beschwingtes,
unterhaltsames und unkompliziertes Kinoerlebnis er-
wartete. Ganz anders als es die Anzeige zu dem Sitten-
und Kriminalflm MDCHEN, DIE SPURLOS VERSCHWINDEN
(KAMPF UM BLOND) glauben macht (Abb. 7). Das im
Inserat dominierende Fragezeichen und die das Frage-
zeichen teilweise verdeckende Vermisstenanzeige ver-
weisen auf die Spannung und Brisanz des Themas. Die
Kino-Anzeige spielt damit auf das Genre Thriller an und
setzt dementsprechend auf Suspense. Die vorgeblich aus
einer Zeitung ausgerissene Vermisstenanzeige verspricht
dem Zuschauer zudem Authentizitt und Aktualitt und
untersttzt damit den durch den Kommentar evozierten
Eindruck: ,Ein Film fr Sie! Ein Film fr Alle! Ein Film
den jeder sehen mu!'
Aber nicht nur der Film, sondern auch das dazu ange-
botene Beiprogramm - Orchester, Variet, Bhnenshow
und/oder Wochenschau und Kulturflm - sowie (solange
noch erlaubt) das Zwei-Schlager-Programm standen in
den Einzelanzeigen im Vordergrund. Dazu sticht in der
bereits erwhnten Einzelanzeige fr ABENTEUER IM EN-
GADIN (Abb. 3) neben dem Filmtitel und der Zeichnung
vor allem der Name Edith Lorand ins Auge, wodurch
sie zusammen mit ihrem Kammerorchester als ausge-
sprochene Attraktion des aus Akrobatik und Musik be-
stehenden Beiprogramms zum Film angepriesen wird.
In vielen Fllen wurde Beiprogramm und Hauptflm in
den Einzelanzeigen gleich viel Platz eingerumt, woraus
man schlieen kann, dass damit fr ein Gesamt-Erlebnis
,Kino geworben werden sollte.
Neben den Sammel- und Einzelanzeigen beinhalteten die
Anzeigenseiten noch Kleinanzeigen von Kinos wie dem
Atrium. Ergnzt wurde der groe Kinoanzeigenteil des
HF in der Regel dienstags und samstags durch die Spiel-
plne der Lichtspieltheater. Auch der HC und die HN
druckten wchentlich hnliche Spielplne. Sie dienten
dem Leser im Gegensatz zu den attraktiveren und auch
umfangreicheren Anzeigenseiten zur knappen, dafr aber
umso schnelleren Orientierung. Neben dem Kino wurde
hier nur der Titel der laufenden Filme genannt; weitere
Informationen wie Anfangszeit oder Beiprogramm fehl-
ten, so dass der Leser der Spielplne sich darber entwe-
der in seinem ,Wunschkino orientieren musste oder sich
auf andere Weise zu informieren hatte.
Neben den Kinoanzeigenseiten wurden im Kleinanzei-
genteil des HF immer wieder kleine Lichtspieltheater
zum Kauf angeboten
20
und sowohl im HF als auch im
HA Laien fr einen geplanten so genannten ,Hamburger
Tonflm gesucht.
21
Werbeanzeigen verwiesen auf andere
Bltter, die sich mit dem Film auseinandersetzten, oder
auf die Filmfachpresse. Zu nennen ist hier zum Beispiel
die Hamburger Illustrierte, die neben der neuen gro an-
gekndigten Serie Deutschland braucht Kolonien auch
zwei Seiten Bilder anlsslich des Abschieds von Lillian
Harvey aus Deutschland zeigte.
22
Fr die Filmwelt, ber-
all fr 80 Pfennig erhltlich, wurde folgendermaen ge-
worben: ,Lillian Harvey in ihrem letzten deutschen Film
ICH UND DIE KAISERIN, der demnchst in der Filmwelt mit
vielen Bildern besprochen wird. Lesen sie Freitag die
Filmwelt.'
23
3.2 Programmangebot in der Tagespresse
Betrachtet man das in den Kinoanzeigen des HF und
des HA prsentierte Programmangebot des Jahres 1933
insgesamt, dann lassen die Anzeigen erkennen, dass hier
mit Spielflmen, abendfllenden Dokumentarflmen,
Kulturflmen, Wochenschauen, Bhnen- und Life-Shows
sowie Nachrichten um und zum Kino oder Filmen zur
Filmgeschichte eine Vielfalt an Film-Gattungen ange-
boten wird, die fr jeden Geschmack etwas bereit hal-
ten mchte. hnliches zeigt sich dort, wo innerhalb der
Gattung des Spielflms mit Komdien, (musikalischen)
Lustspielen, Heimat- und Bergflmen, Abenteuer- und
Actionflmen, Melodramen und Liebesflmen, Kriminal-,
Detektiv- und Spionageflmen, Sittenflmen, Nationalen
Filmen, Slapstick-Comedies oder Wildwestflmen die
unterschiedlichsten Genres um die Aufmerksamkeit des
Filmzuschauers wetteifern. Fr den gesamten von uns
bercksichtigten Untersuchungszeitraum lassen sich hier
fr die jeweils erfolgreichsten Vertreter der unterschied-
lichen Genres die aus der Abbildung 9 ablesbaren Hu-
fgkeiten ihrer Inserierungen feststellen.
Fragt man, was angesichts der im Jahr 1933 einsetzenden
politischen Umwlzungen nahe liegt, bei der Betrach-
tung dieser Rangfolge nach der Rolle der nationalen und
damit politischen Filme, dann ist die Anzahl der Inserate
fr den Action-Film F.P.1 ANTWORTET NICHT... und den
Heimatflm GRN IST DIE HEIDE - die beide Mitte Januar
112 Bierbrauer, Budiner, Segeberg, Weber
anliefen und auf Grund ihres Erfolges lange in den Kinos
blieben - zwar erkennbar hher als die Zahl der Anzei-
gen fr den offen propagandistischen Groflm HITLER-
JUNGE QUEX sowie den (was der die Nhe zum Sittenflm
suchende Titel nicht sofort zu erkennen gibt) national-
pdagogisch ambitionierten Schul- und Jugendflm REI-
FENDE JUGEND, die beide erst Mitte September und damit
am Ende unseres Untersuchungszeitraumes in die Kinos
gelangten; gleichwohl lsst sich nicht bersehen, dass es
beide Filme, zusammen mit dem bereits Ende 1932 an-
gelaufenen nationalen Film DER REBELL, auf Platz acht in
der Aufistung der am meisten inserierten Filme im Jahr
1933 geschafft haben.
Vergleicht man demgegenber die Hufgkeit der Inse-
rierungen fr den ,nationalen U-Boot-Film MORGENROT
mit der Anzahl der Inserierungen fr das aus Hollywood
stammende Melodram MENSCHEN IM HOTEL, das gleich-
falls im Februar 1933 in die Kinos gelangte, so ist festzu-
stellen, dass MORGENROT mit 20 Nennungen erst auf Platz
elf der Liste auftaucht (und daher in unserer Aufistung
der acht erfolgreichsten inserierten Filme gar nicht mehr
enthalten ist), whrend MENSCHEN IM HOTEL mit 35 Nen-
nungen dort den Platz drei belegt. Woraus man schlieen
kann, dass die fr das moderne Unterhaltungskino cha-
rakteristische Dominanz eines mglichst vielfltige Af-
fekte ansprechenden heterogenen Star/Genre-Kinos po-
litische Filme zwar durchaus einbezieht, in der direkten
Konkurrenz mit einem besonders populren Unterhal-
tungsangebot fr politische Filme jedoch keine ideolo-
gisch motivierten Vorzugsbehandlungen bereit hlt. Da-
ran wird sich, wovon noch die Rede sein wird, auch am
Ende des Jahres 1933 in der Prsentationsffentlichkeit
nicht wirklich etwas ndern.
3.3 Zuschaueradressierung in der Tagespresse
Bedenkt man das in den Anzeigen angesprochene Publi-
kum, so lassen sich als Adressaten fr das gerade auf-
grund seiner Heterogenitt populre Kinos, idealtypisch
gesprochen, zwei Typen von Zuschauern vermuten: auf
der einen Seite der das gesamte Programm so extensiv
wie mglich nutzende Kinozuschauer, fr den das Kino-
erlebnis als solches und nicht ein bestimmtes Thema oder
Genre im Vordergrund steht, und auf der anderen Seite
der aus der Gesamtheit des Programms gezielt auswh-
lende Kinozuschauer, der ganz bewusst nach ,seinem
Film sucht. Zu vermuten ist, dass der erste Zuschauerty-
pus so oft wie mglich und daher extensiv ins Kino geht,
whrend der zweite Kinobesucher eher selektiv und/oder
intensiv vorgeht. Entspricht dem ersten Zuschauertypus
ein der Extensitt seiner Bedrfnisse angemessenes mg-
lichst breites Programmangebot, so wie er es vor allem in
Filmtitel Genre Zahl der
Inserierungen
1. F.P.1 antwortet nicht... Actionflm 47
2. Grn ist die Heide Heimatflm 38
3. Menschen im Hotel Melodram 35
4. Ein Lied fr Dich Komdie 34
5. Die blonde Venus Drama 33
Ein gewisser Herr Gran Spionageflm 33
6. Der weie Dmon Kriminalflm 31
7. Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt Heimatflm 25
8. Baby Komdie 24
Der Rebell Nationaler Film 24
Hitlerjunge Quex Propagandaflm 24
Reifende Jugend Sittenflm / Schul- und Jugendflm 24
Abb.9:MeistinserierteFilmeimUntersuchungszeitraum,ErgebnisseausdemHA.
113 Kinoffentlichkeit II
Abb.10:HamburgischerCorrespondent,Abendausgabe,14.1.1933,Nr.24,S.4.
114 Bierbrauer, Budiner, Segeberg, Weber
dem HA fnden konnte, so begegnet der zweite Zuschau-
ertyp vor allem im HC einem seinen selektiven Bedrf-
nissen strker Rechnung tragenden, weil von vornherein
lenkend auswhlenden Programmangebot.
Wir beginnen, um dies zu erlutern, mit einer Beispiel-
seite aus dem Inseratsteil des HC (Abb. 10), von der
ausgehend wir nicht nur die Lenkung, sondern auch die
diese Lenkung steuernden Kriterien deutlich machen
mchten. Nicht nur in dieser Anzeige, sondern fr den
ganzen Zeitraum unserer Auswertung fnden sich ber-
haupt nur zwei inserierte Lichtspielhuser im HC, und
beide bevorzugen Anzeigen, die zum Teil auch in anderen
Zeitungen erscheinen, jetzt aber als gesondert platzierte
Inserate den Eindruck erwecken, als sollte mit ihrer Hilfe
ein eher exklusiv gemeintes Kinoprogramm beworben
werden. Das sieht fr den Ufa-Palast so aus, dass hier fr
groe Spielflm-Premieren monatlich ein bis zwei Anzei-
gen geschaltet wurden, meist zur Monatsmitte oder zum
Monatsende, whrend mit dem Kulturflmtheater Urania
in der Fehlandtstrae der zweite Inserent regelmig bis
hufg, d. h. mit etwa ein bis zwei Inseraten pro Woche,
fr sein berwiegend dokumentarisches Programm wer-
ben konnte; wobei allerdings hinzuzufgen ist, dass die
Anzeigen der Urania bereits im Mai nur noch dreimal
erschienen und ab Juni komplett aus den Werbeseiten
verschwanden.
Betrachtet man die innerhalb dieses sehr begrenzten Rah-
mens im einzelnen beworbenen Gattungen und Genres,
so fllt auf, dass sich darin ein sozial-kulturell uerst
ambitioniertes Profl abzeichnet. Was mit anderen Wor-
ten heit, dass der Leser des HC im Urania-Kino Doku-
mentarflme in Form des gehaltvollen Kulturflms (mit
einfhrenden Vortrgen und anderen Zusatzveranstaltun-
gen) erwarten durfte, whrend fr den Ufa-Palast heraus-
ragend glanzvolle Spielflmpremieren wie gesellschaft-
liche Groereignisse angekndigt wurden. Fr die erste
Richtung stehen Anzeigen fr Kulturflme wie BERNER
OBERLAND, DAS URVOLK AM NIL oder SDPOL, whrend
im Ufa-Palast auch jetzt die Attraktion eines in Haupt-
wie Beiprogramm gleichermaen anspruchsvollen Kino-
Events hervorgehoben wurde. Was alles dafr spricht,
dass in der sehr limitierten Form von Kinoffentlichkeit,
die der HC favorisierte, im Bereich des nicht-fktionalen
Films der kulturbewusste Kinobesucher und im Bereich
des Premierenkinos der am sozialen Event interessierte
Kino-Besucher angesprochen werden sollte.
Ausgehend von dieser Form der Prsentationsffentlich-
keit kann man beim HC die Adressierung eines an Aus-
wahl interessierten kultur- und bildungsbewussten Kino-
gngers annehmen, der am Kinobesuch das soziale und
kulturelle Ereignis schtzte. Nennenswert ist ebenfalls,
dass in den Anzeigen fr Kulturflme mit Filmtiteln wie
BERNER OBERLAND oder DAS URVOLK AM NIL sowohl na-
tionale als auch internationale Themen Beachtung beka-
men, im Bereich des Spielflms aber nur deutsche Film-
produktionen ihren Weg in die Kinowerbung fanden; es
fndet sich kein einziges Inserat fr auslndische Filme
oder gar Hollywood-Produktionen im gesamten Unter-
suchungszeitraum.
Diese ebenso limitierte wie selektive Form von Prsenta-
tionsffentlichkeit wird nur begrenzt aufgelockert durch
Sammelbersichten, die einmal wchentlich die Wo-
chenplne der Theater Gro-Hamburgs und die ber-
sicht ber den Theaterbetrieb Hamburg der Ufa prsen-
tierten. Der Wochenplan der Theater wurde sonntags in
der Morgenausgabe geschaltet und enthielt in der Rubrik
Lichtspiele einen einwchigen Programmplan, in dem
nur die Filmtitel, nicht aber die Anfangszeiten, Eintritts-
preise oder sonstige organisatorische Informationen zu
den jeweiligen Kinos aufgefhrt wurden. Dasselbe galt
fr die bersicht der sechs Ufa-Kinos, die an verschie-
denen Wochentagen rund ums Wochenende publiziert
wurde. Insgesamt gesehen ist in der Hamburger Tages-
presse des Jahres 1933 der HC also im Rahmen unserer
quantitativen Auswertung in Relation zu den anzeigen-
starken Zeitungen HF und HA in mehrfacher Hinsicht im
entgegen gesetzten Bereich des Spektrums zu verorten.
3.4 Programme ausgewhlter Kinos
Aus unserer bersicht ber alle in den Hamburger Ta-
geszeitungen inserierten Kinos hatten wir gefolgert,
dass man vor diesem Hintergrund durchaus von einer
Vollversorgung aller Hamburger Stadtbezirke mit der
Unterhaltungsware Kino sprechen knne. Wie sich die-
se Vollversorgung nun im einzelnen darstellte, soll ein
abschlieender Blick auf das Programmangebot von drei
Kinos im Untersuchungszeitraum erlutern (Abb. 11).
Fr die dazu erhobenen Stichproben ausgewhlt wurden
der Ufa-Palast als Ur- und Erstauffhrungstheater sowie
Knopf`s Lichtspiele auf St. Pauli und das Elite Theater
Altona als Beispiele fr Bezirkstheater in und auerhalb
des Hamburger Stadtbezirks.
24
115 Kinoffentlichkeit II
Kino Haupthlm Zeitraum
Ufa-Palast F.P.1 antwortet nicht...
F.P.1 antwortet nicht... Sondervorfhrung
Abenteuer im Engadin
Der Diamant des Zaren
Der Rebell
Morgenrot
Ich und die Kaiserin
Heut kommts drauf an
Filmbericht ber die Erffnung des Reichstages
01.01. - 15.01.33
22.01.1933
16.01. - 23.01.33
24.01. - 31.01.33
01.02. - 15.02.33
16.02. - 28.02.33
01.03. - 15.03.33
16.03. - 31.03.33
21.03.1933
Knopf's Lichtspiele Lumpenkavaliere
Der weie Dmon
Die blonde Venus
Paprika
Der tollkhne Retter
Baby
Goldfeber
Marco, der Clown
Grn ist die Heide
F.P.1. antwortet nicht...
Unmgliche Liebe
Ein Mann mit Herz
Tod ber Schanghai
Geheimnis des blauen Zimmers
Liebe in Uniform
Der Rebell
Die unsichtbare Front
Liebe auf den ersten Ton
Scampolo
Eine Schreckensnacht auf Hawaii
01.01. - 05.01.33
06.01. - 12.01.33
13.01. - 16.01.33
17.01. - 19.01.33
20.01. - 23.01.33
24.01. - 26.01.33
27.01. - 30.01.33
31.01. - 02.02.33
03.02. - 09.02.33
10.02. - 16.02.33
17.02. - 20.02.33
24.02. - 27.02.33
28.02. - 02.03.33
03.03. - 09.03.33
10.03. - 13.03.33
14.03. - 16.03.33
17.03. - 20.03.33
21.03. - 23.03.33
24.03. - 27.03.33
28.03. - 31.03.33
Elite-Theater Solange noch ein Walzer von Strau erklingt
Friederike
Die grausame Freundin
Helgas Fall und Aufstieg
Gilgi, eine von uns
Das Glck macht eine Frau so schn!
Baby
Wie sag ichs meinem Mann
Der weie Dmon
Explosions-Katastrophe in Neukirchen
Irrwege des Lebens
Goldener Engel
Straen der Weltstadt
F.P.1 antwortet nicht...
Verkaufte Liebe
Die drei von der Kavallerie
Ich bei Tag und Du bei Nacht
Geliebte nur fr einen Tag
Grn ist die Heide
03.01. - 09.01.33
10.01. - 12.01.33
13.01. - 19.01.33
20.01. - 26.01.33
27.01. - 30.01.33
31.01. - 02.02.33
03.02. - 06.02.33
07.02. - 09.02.33
10.02. - 16.02.33
17.02. - 20.02.33
21.02. - 23.02.33
24.02. - 27.02.33
28.02. - 02.03.33
03.03. - 09.03.33
10.03. - 13.03.33
14.03. - 16.03.33
17.03. - 20.03.33
21.03. - 23.03.33
24.03. - 27.03.33
Abb.11:ProgrammangebotderKinos,ErgebnisseausdemHA.
116 Bierbrauer, Budiner, Segeberg, Weber
Als Auswertung ergibt sich: Der Ufa-Palast als grtes
der sechs Ur- und Erstauffhrungskinos in der Hambur-
ger Neustadt prsentierte in der Regel in zweiwchigen
Abstnden Filmpremieren, die mehrfach angekndigt
wurden. Das Jahr 1933 begann mit dem Actionflm F.P.1
ANTWORTET NICHT..., der aufgrund des groen Erfolges am
22. Januar in einer einmaligen Sondervorfhrung erneut
gezeigt wurde. Weitere Filme waren das bereits erwhnte
Lustspiel ABENTEUER IM ENGADIN, DER REBELL von Luis
Trenker sowie der bereits mehrfach erwhnte nationale
Film MORGENROT. Das regulre Kinoprogramm wurde
durch Sonderveranstaltungen wie dem am 21. Mrz pr-
sentierten ausfhrlichen Filmbericht von den Feierlich-
keiten in Potsdam und Berlin anlsslich der Erffnung
des Reichstages unterbrochen.
Dagegen lieferten Bezirkstheater wie Knopf`s Licht-
spiele am Spielbudenplatz und das Elite Theater in der
Bahrenfelder Strae ein wesentlich wechselvolleres und
weniger auf bestimmte Filmereignisse fokussiertes An-
gebot. Dazu geht aus der Tabelle hervor, dass die Filme
meistens nur wenige Tage oder hchstens eine Woche
in den Kinos gezeigt wurden. Als zustzlichen Anreiz
warben sowohl Knopf`s Lichtspiele als auch das Elite
Theater in der Hlfte der Inserate fr einen (solange dies
erlaubt war) zweiten Schlager oder einen Kurzflm. So
wurde beispielsweise DER TOLLKHNE REITER mit Harold
Lloyd mit der Komdie FILMVERRCKT und HELGAS FALL
UND AUFSTIEG mit Kurzflmen von DICK UND DOOF und
MICKEY MAUS prsentiert. Dieses Angebot wurde jedoch
in beiden Kinos ab Mitte September 1933 mit dem Ver-
bot des Zwei-Schlager-Programms eingestellt.
Weiterhin lsst sich anhand der Tabelle feststellen, wann
die in den Premierenkinos gezeigten Filme in den Be-
zirkstheatern zu sehen waren. Der das Jahr 1933 im Ufa-
Palast einlutende Film F.P.1 ANTWORTET NICHT... mit Hans
Albers in der Hauptrolle erschien erst am 10. Februar in
Knopf`s Lichtspielen und weitere drei Wochen spter am
3. Mrz im regionalen Elite Theater Altona. Ebenso ver-
lief der Abspielzeitraum bei DER REBELL und dem Hei-
matflm GRN IST DIE HEIDE, der am 6. Januar im Passage-
Theater in der Mnckebergstrae Premiere feierte.
Zur Laufzeit der Filme in den Ur- und Erstauffhrungs-
theatern verdeutlicht die Stichprobe zum Film MORGEN-
ROT (Abb. 12), dass der Film etwa drei Wochen im Ur-
und Erstauffhrungskino Ufa-Palast gezeigt wurde, an-
schlieend durch die weiteren Kinos des Ufa-Konzerns
wanderte und nach einem Monat in anderen Kinos zu
sehen war; im vorgestellten Beispiel im Emelka-Palast in
Eimsbttel. Diese Wanderung der Filme durch die Kinos
variierte abhngig von Film und Gro-Konzern zwischen
ein bis drei Wochen in den Ur- und Erstauffhrungsthea-
tern und wurde weitgehend durch die jeweils zustndigen
Filmverleihe vorgegeben.
25
Kino Datum des Inserats
Ufa-Palast 13. Februar 1933
Ufa-Palast 16. Februar 1933
Ufa-Palast 20. Februar 1933
Ufa-Palast 27. Februar 1933
Ufa-Millerntor 9. Mrz 1933
Ufa-Millerntor 13. Mrz 1933
Ufa-Mundsburg 16. Mrz 1933
Central-Theater 16. Mrz 1933
Emelka-Palast 16. Mrz 1933
In welchem Ma das prsentierte Kinoprogramm von
der Hamburger Bevlkerung genutzt wurde, zeigt die
Analyse der Besucherzahlen aus der Filmfachpresse. Fr
die Monate Januar bis Mrz berechnete der Filmkurier
3.266.021 Kinobesuche in Hamburg, was allerdings trotz
gesunkener Eintrittspreise einen Rckgang von knapp
350.000 Besuchen im Vergleich zum Vorjahr bedeutete.
26

Bercksichtigt man die zuvor aufgezeigte Quantitt und
Qualitt des Hamburger Filmangebots, so drften fr
diesen Rckgang, zustzlich zu den immer noch nicht
bewltigten Problemen bei der Umstellung auf den Ton-
flm,
27
auerflmische Grnde mit entscheidend gewesen
sein; hierzu zhlt die Tatsache, dass die Folgen der mit
dem Brsenkrach des Jahres 1929 beginnenden umfas-
senden Wirtschaftskrise erst im Laufe des Jahres 1934
berwunden werden konnten.
3.5. Vernderung und Kontinuitt
Bis Mrz 1933 herrschte in Hamburg bekanntlich noch
ein politischer bergangszustand. Im Rahmen dieser
Untersuchung stellt sich daher die Frage, ob sich im Ver-
lauf des Jahres 1933 das Insertionsverhalten nderte und
Abb.12:WanderungdesFilmsMORGENROTdurchdie
Kinos,ErgebnisseausdemHA.
117 Kinoffentlichkeit II
Abb.13:HF,Abendausgabe,13.2.1933,Nr.44,S.16HF,Abendausgabe,16.2.1933,Nr.47,S.18
HF,Abendausgabe,18.2.1933,Nr.49,S.10HF,Abendausgabe,21.12.1933,Nr.52,S.11.
118 Bierbrauer, Budiner, Segeberg, Weber
Abb.14:HF,Abendausgabe,23.1.1933,Nr.61,S.11HF,Abendausgabe,16.2.1933,Nr.47,S.19
HF,Abendausgabe,23.2.1933,Nr.54,S.10HF,Abendausgabe,9.3.1933,Nr.68,S.10.
119 Kinoffentlichkeit II
nationale Filme strker in den Fokus der Aufmerksam-
keit gerieten. Diese Frage soll anhand exemplarischer
Gegenberstellungen von im HF erschienenen Kino-
anzeigen zum Frhjahr und zum Herbst 1933 berprft
werden, wobei wir so vorgehen, dass wir die Gestaltung
von Anzeigen fr jeweils ausgewhlte politische Filme
und unterhaltende Filme miteinander vergleichen. Dazu
beginnen wir mit dem bereits erwhnten Programmkon-
trast zwischen dem ,nationalen Film MORGENROT und
dem Greta Garbo Hollywood-Erfolgsflm MENSCHEN IM
HOTEL, ergnzen die dazu bereits ausgewerteten quantita-
tiven Befunde durch nunmehr qualitative Auswertungen
der fr beide Filme geschalteten Einzelinserate und ver-
gleichen den dabei erzielten Befund mit einer vergleich-
baren Konstellation aus dem Herbst 1933.
Wie bereits angefhrt, lief am 16. Februar 1933 in Ham-
burg der bereits mehrfach genannte U-Boot-Film MOR-
GENROT an. Einen Tag spter fand die Hamburger Premie-
re des Greta Garbo-Films MENSCHEN IM HOTEL nach dem
Bestseller der beraus erfolgreichen Unterhaltungsauto-
rin Vicki Baum statt. Vergleicht man nun die groen Ein-
zelanzeigen der beiden im HF ausfhrlich beworbenen
Filme, so fllt auf, dass der in der Filmgeschichtsschrei-
bung als Vorlufer des nationalsozialistischen Propa-
gandaflms behandelte Film MORGENROT fortlaufend mit
derselben oder einer nur im Textteil vernderten Anzeige
beworben wurde, wobei auf allen Anzeigen der Haupt-
darsteller Harald Paulsen zwar genannt wird, ihm aber
keine herausragende Rolle eingerumt wird, whrend fr
MENSCHEN IM HOTEL die unterschiedlichsten Anzeigen zu
fnden sind; unter ihnen lsst vor allem die Schauburg-
und Waterloo-Anzeige mit ihrem auch graphisch auffl-
lig platzierten ,Hamburg im Zeichen der Garbo' keinen
Zweifel, worauf es bei diesem Film-Event ankommt.
(Abb. 13, Abb. 14).
Daraus lsst sich folgern, dass der eindeutig politische
Film MORGENROT, in dessen ,Heimatszenen' der schon
damals auf das Amt eines Propagandaministers erpichte
Goebbels noch ,zuviel Gartenlaube' fand
28
, gegenber
dem amerikanischen Unterhaltungsimport MENSCHEN IM
HOTEL in der Prsentationsffentlichkeit des HF keines-
wegs bevorzugt herausgestellt wurde, und das, obwohl
der melodramatische Schicksalsflm MENSCHEN IM HOTEL
auf den Roman einer zu dieser Zeit bereits in die USA
emigrierten ,jdischen Autorin zurckgeht (die in einer
Anzeigen sogar ausdrcklich erwhnt wird!). Womit sich
jetzt auch in der Perspektive einer qualitativen Auswer-
tung der quantitative Befund besttigt, dass im Rahmen
eines auf Vielfalt und Heterogenitt setzenden populren
Kinos auch nationale Filme ihren Platz fnden knnen, es
dabei aber keineswegs leicht haben, unter den Konkur-
renzbedingungen eines nach wirtschaftlicher Rentabilitt
fragenden Unterhaltungskinos fr sich eine grere Auf-
merksamkeit zu erzielen.
29
Vergleicht man dies Ergebnis mit der Gestaltung der An-
zeigen fr den am 15. September 1933 angelaufenen NS-
Mrtyrerflm HITLERJUNGE QUEX, dann fllt auf, dass sich
in der graphischen Aufbereitung einiges, in der die Auf-
merksamkeit steuernden Prsentation der Anzeigen aber
nichts gendert hat. So sind die Anzeigen fr den Propa-
gandaflm HITLERJUNGE QUEX zwar jetzt aufflligerweise
in Fraktur gesetzt und die in der Anzeige wiedergege-
benen Kommentare heben mit Nachdruck die Auszeich-
nung des Films mit dem Prdikat ,besonders wertvoll'
hervor (Abb. 15); zugleich fllt aber auch auf, wie pro-
minent die Anzeige der Anny Ondra-Komdie FRULEIN
HOFFMANNS ERZHLUNGEN (16. September 1933, vgl. Abb.
17) platziert ist. Kommt noch hinzu, dass die Anzeigen
fr FRULEIN HOFFMANNS ERZHLUNGEN mit einem zentral
positionierten Portrt von Anny Ondra auf Starwerbung
anspielen, whrend prominente Schauspieler wie Hein-
rich George oder Berta Drews, die in HITLERJUNGE QUEX
mitwirkten, in den Anzeigen entweder gar nicht erwhnt
werden oder sich (wie Harald Paulsen anlsslich der Pre-
miere des Films MORGENROT) mit einer bloen Erwh-
nung begngen mssen. Auf einer weiteren Anzeigensei-
te (Abb. 15) muss der Hinweis auf diesen Film zustzlich
mit der durch eine Zeichnung wie auch durch begeisterte
Kommentare hervorgehobenen Anzeige fr den im Titel
Anklnge an das Genre Sittenflm suchenden Schul- und
Jugendflm REIFENDE JUGEND oder mit der stark hervorge-
hobenen Werbung fr den amerikanischen ,Sensations-
flm' REVOLTE IM ZOO konkurrieren.
Aus alle dem lsst sich folgern, dass es dem nationalen
Film in der Prsentationsffentlichkeit zum Kino auch
noch am Jahresende keineswegs gelungen ist, im Rahmen
einer absatzorientierten Inseratspolitik in der Relation
zum Unterhaltungskino eine grere Aufmerksamkeits-
lenkung fr sich zu erzielen, und dies Ergebnis ist umso
aufflliger deshalb, weil sich die Verhltnisse in der jetzt
zu besprechenden Refexionsffentlichkeit aller Ham-
burger Tageszeitungen doch etwas anders darstellen.
120 Bierbrauer, Budiner, Segeberg, Weber
4. Die Reexionsffentlichkeit in der Hamburger
Tagespresse
Hierzu ist als erstes daran zu erinnern, dass es neben der
Bewerbung des Films in der Prsentationsffentlichkeit
in allen untersuchten Hamburger Tageszeitungen eine
Beschftigung mit dem Kino gab, die wir einleitend als
eine mit Nachrichten zum Film, Filmbesprechungen oder
rsonierenden Artikeln operierende Refexionsffent-
lichkeit zum Kino bezeichnet haben. Da diese Refexion-
sffentlichkeit (wie in unserer allgemeinen bersicht zur
Hamburger Tagespresse bereits erwhnt) im HC beson-
ders ausgeprgt war, liegt es nahe, mit berlegungen zu
dieser Zeitung zu beginnen und von hieraus einen Blick
auf das Hamburger Tageblatt zu werfen.
4.1 Kulturkonservative Konvergenzen: Hambur-
gischer Correspondent und Hamburger Tageblatt
Im Hamburgischen Correspondenten spielte eine heraus-
ragende Rolle die wchentlich - jeweils samstags - er-
schienene Sonderbeilage Aus der Welt des Films (Abb.
16). In ihr gab es eine Rubrik Hamburger Filmpremie-
ren, in der zumeist drei Filme aus verschiedenen Genres
besprochen wurden, sowie viele weitere Artikel zum na-
tionalen und internationalen Filmgeschehen. Meist ging
es in diesen Artikeln um flmkulturelle, flmkonomische
und flmtechnische Betrachtungen, sowie um Nachrich-
ten, Randnotizen und Kurzmeldungen ber Film und
Kino.
In der Beilage Aus der Welt des Films, zu der wir hier eine
Probeseite zeigen, wurde, wie gesagt, vor allem ber flm-
Abb.15:HamburgerFremdenblatt,
Abendausgabe,28.9.1933,Nr.268,S.7.
121 Kinoffentlichkeit II
wirtschaftliche Fragen (,Auch der Film hat seine Sorgen.
Das Krisenjahr 1932'
30
) oder technischen Innovationen
(,Der Farbflm kommt...'
31
) berichtet. Hinzu kamen in-
ternationale Filmbetrachtungen wie die zum Russenflm,
der im Artikel ,Keine Krise des Russenflms'
32
noch im
Februar 1933 als absolut gleichwertiger und sthetisch
viel versprechender Film behandelt wird; weiter sind zu
nennen Meldungen ber beliebte Stars (,Asta Nielsen
nach Hollywood?'
33
) oder berlegungen zum Film als
ein aus der Perspektive der Hochkultur stets kritisch zu
befragendes Kulturgut (,Film und Kultur'
34
).
Vor allem der zuletzt zitierte Artikel lsst erkennen, dass
der HC ungeachtet seiner sehr breit gefcherten und im
Februar in politischer Hinsicht noch bemerkenswert vor-
urteilsfreien Themenwahl ein tendenziell medienkonser-
vatives Profl aufweist (was in dieser Hinsicht mit sei-
ner, wie erinnerlich, gleichfalls eher kulturkonservativen
Form der Prsentationsffentlichkeit bereinstimmt).
Dies fllt besonders dort auf, wo Betrachtungen zum
Film im Kern immer wieder auf die Frage hinauslaufen,
ob und wenn ja inwiefern der Film als eine knstlerisch
und kulturell bedeutsame Ausdrucksform gelten knne,
was Ausfhrungen wie die folgenden zugespitzt auf den
Punkt bringen: ,Film und Kultur! Das Problem ist ge-
stellt. [...] Man mu den Versuch machen, den Film in
die deutsche Zukunftsentwicklung positiv einzuordnen'.
Als ein mgliches Ziel nennt der Autor die ,Veredelung
der populren Filmkunst'
35
und erhebt damit eine Forde-
Abb.16:HamburgischerCorrespondent,
Abendausgabe,11.02.1933,Nr.72,Aus
derWeltdesFilms
122 Bierbrauer, Budiner, Segeberg, Weber
rung, die sich, wie sich im Verlauf des Jahres 1933 zei-
gen sollte, als zunehmend kompatibel mit der auf ihre Art
nach kultureller Veredelung strebenden nationalsozialis-
tischen Filmpolitik erweisen sollte.
Dies wird deutlich, wenn als Vergleich das Hamburger
Tageblatt als Sprachrohr der NSDAP herangezogen wird;
es hatte seinen Schwerpunkt - wie der HC - im Bereich
der Filmberichterstattung und prsentierte in der jeweils
sonntags verffentlichten gleichnamigen Rubrik zu den
fr das Tageblatt wichtigen Filmen in Hamburg eine lau-
fende Berichterstattung, die sich ab Mai 1933 in weiteren
Filmkritiken fortsetzte. Auffllig fr diese Berichterstat-
tung ist, dass ein auf Popularitt setzendes, personalisie-
rendes Boulevard-Image mit Starnachrichten fast vllig
fehlte und stattdessen dem anspruchsvollen Kunstflm
die ihm - jetzt im Sinne der NS-Ideologie - gebhrende
kulturelle Bedeutung zugewiesen werden sollte. In die-
sem Kontext sind es Betrachtungen zur Filmkunstdebat-
te, die im Untersuchungszeitraum mehrfach verffent-
licht wurden
36
und dabei mit dem propagierten Ziel eines
harmonischen Zusammenwirkens von unterhaltender
und ernster Film-,Kunst das Grundproblem einer das
populre Kino nicht aus-, sondern einschlieenden na-
tionalsozialistischen Filmpolitik erkennen lassen: ,Der
Unterhaltungs-Film unserer Zeit und der ernste national-
sozialistische Film, den wir wnschen - beide mssen
ganz anders aussehen.'
37
Und wie der letztere auszuse-
hen hatte, dazu konnte man in der Ausgabe vom 3. Fe-
bruar 1933 in einer Besprechung des Films DER REBELL
unmissverstndlich lesen:
Das ist die Freiheit des Rebellen, dass er seine persn-
liche Freiheit, dass er sein Leben opferte um der Freiheit
seines, des deutschen Volkes willen. Und das ist die Kraft
dieses Films, dass er keine Fragen stellt, nicht errtert und
nicht ausweicht, dass er uns einfach sagt: ,Sei auch Du ein
Kmpfer, sei auch Du ein Rebell, sei auch Du ein freier
Deutscher!'
38
Kehren wir vor diesem Hintergrund zum Refexionsteil
des HC zurck und betrachten seine Entwicklung fr das
gesamte Jahr 1933, so fndet man dort am Anfang des
Jahres nicht nur den, wie bereits erwhnt, bemerkens-
wert offenen Artikel zum ,Russenflm', sondern auch,
unter der mehrfach auftauchenden Rubrik Der Auslands-
flm
39
, die aus der Feder des auch im HF publizierenden
Horst Mann stammte, ziemlich hnliche Betrachtungen
ber franzsische Filme oder Besprechungen amerika-
nischer Produktionen, die immer wieder bewundernd
auf diese und andere Auslandsprojekte hinweisen und
damit die Mglichkeit einer Orientierung des deutschen
Films an auslndischen Filmwerken erkennen lassen.
Umso berraschter knnte der Leser dann aber darber
gewesen sein, bereits Ende Mrz einen Artikel unter der
berschrift ,Film als Waffe'
40
zu fnden, der sich auf den
Vortrag eines Albrecht Erich Gnther vor der (vlkisch-
nationalen) Fichte-Gesellschaft bezieht und, anders als
der Artikel des HA zum selben Ereignis (vgl. u. S. 125),
keinerlei Distanz zu der aus dem Vortrag herausgehrten
Forderung nach staatlicher Indienstname des Films
als eines der bisher der ,privaten Willkr' unterwor-
fenen modernen ,Machtmittel' zu erkennen gibt. Sogar
Goebbels` Forderung nach einer ,durchgreifenden Re-
form' des Filmwesens erfhrt nur eine Woche spter eine
von Bedenken freie, ungetrbte Beachtung
41
, und wohin
dies alles fhrt, kann man im September 1933 in einem
Artikel mit dem viel sagenden Titel ,Schutz dem Deut-
schen Film!'
42
erkennen; in ihm heit es u. a., das nati-
onalsozialistische ,Reformwerk an Haupt und Gliedern'
sei die Voraussetzung fr das kulturelle ,Wiederaufeben
des deutschen Films'.
Wie nachdrcklich diese als Selbstanpassung auftreten-
de Anpassung ausfllt, kann abschlieend die Gegenber-
stellung zweier Filmbesprechungen aus dem HC deutlich
machen. Whrend das erste Zitat zum Film MORGENROT
einer Ausgabe aus dem Frhjahr entnommen wurde, ent-
stammt das zweite einem Groartikel aus dem September
1933, der sich den Erffnungsfeierlichkeiten der ersten
Deutschen Kulturwoche in Hamburg widmet. Im ersten
Zitat fndet sich im letzten Satz die berlegung:
Aber vielleicht zieht bald wieder das Morgenrot des Tages
herauf, der auch dem Deutschen, wie anderen freien Nati-
onen, das Recht gibt, seine Heimat mit den Waffen zu ver-
teidigen, [...] die nun einmal nicht entbehrt werden knnen,
solange die Vlker der Erde nicht alle ihre berschwere
Rstung erleichtern.
43

Obwohl damit MORGENROT eindeutig als politischer Film
wahrgenommen wird und in diesem Zusammenhang
die Waffenlosigkeit und militrische Unterlegenheit der
Deutschen seit dem Ersten Weltkrieg beklagt werden, so
lsst sich dieser Appell doch nicht einfach als aggressiv-
ideologische Polemik gegen die ehemaligen Kriegsgeg-
ner oder gar als propagandistisch akzentuierter Kriegs-
aufruf lesen. Stattdessen ist die Rede von freien Natio-
123 Kinoffentlichkeit II
nen, die in Zeiten weltweiter Rstungsanstrengungen das
Recht zur Selbstverteidigung haben mssen, und dies ist
erstaunlich auch dann, wenn man bercksichtigt, dass
eine solche Haltung durchaus mit anfnglichen Friedens-
erklrungen der NS-Regierung in Verbindung gebracht
werden konnte. Auch vor diesem Hintergrund muss man
eine solche Erklrung jedoch nicht als explizite Einver-
stndniserklrung mit der neuen nationalsozialistisch ge-
fhrten Regierung lesen, sondern kann sie verstehen als
Teil einer auf das national-konservative Lager zielenden
Friedensrhetorik.
Dies ndert sich in einem Groartikel vom 10. September
zur Erffnung der vom Kampfbund fr deutsche Kultur
(KfdK) veranstalteten Hamburger Kulturwoche deshalb
sehr nachdrcklich, weil bisher ,nur als kompatibel, weil
national-konservativ zu verstehende Friedens-Program-
matiken von nunmehr eindeutig nationalsozialistisch
ausgerichteten uerungen abgelst werden. Es heit
jetzt nmlich:
Der neue Kulturwille soll auf den breiten Schultern deut-
scher Stammesgebundenheit und deutschen Volkstums` das
ganze Volk erfassen! [...] Im groen Umri [...] berragt das
Hakenkreuz die unter ihm aufblhende Kunst.
44

Dem korrespondiert ein weiterer Artikel zur Kulturwo-
che, der einen Tag spter mit den Worten des Reichslei-
ters des Kampfbundes fr Kultur und NS-Chefdeologen
Alfred Rosenberg die Kulturwoche als ,ein Werk' feiert,
das in groem Mae dazu beitragen werde, ,die Auffas-
sung knstlerischer Schpfungen und die Einstellung des
Volksganzen zur Kunst in nationalsozialistisch-weltan-
schaulichem Geiste zu erhellen und zu vertiefen'.
45
Ei-
ner hnlich verstandenen, jetzt genuin nationalsozialisti-
schen Kunst- und Kulturauffassung wurde gem Hitlers
Verstndnis sogar eine ganze Titelseite gewidmet.
46
Vor
diesem Hintergrund kann man von der jetzt eindeutig
vollzogenen Integration einer anfangs medienkonserva-
tiven und konservativ-nationalen Grundausrichtung des
HC in die NS-Film- und Kulturpolitik des Jahres 1933
sprechen.
4.2 Liberale Selbstangleichung: Hamburger Fremden-
blatt
Ungeachtet bestimmter inhaltlicher Unterschiede lassen
sich strukturell vergleichbare Entwicklungen in einem
HF feststellen, das zwar schon frh Selbstzensur bte
und sich damit bereits im Jahr 1932 - dem politischen
Trend anpassend - immer weiter nach rechts entwickelte,
im ,Feuilleton, genauer in dessen Berichterstattung rund
um den Film, aber auch dann noch tendenziell liberal bis
freizgig auftrat. Hier waren es Film- und Beiprogramm-
besprechungen, die unter der berschrift Film und Varie-
t dienstags und donnerstags erschienen; hinzu kommen
die jeweils samstags und sonntags erscheinende Rubrik
Neue Filme sowie die dienstags und donnerstags in der
Morgenausgabe des Blattes publizierte Sparte Neues vom
Film - insgesamt gesehen also eine ebenso umfangreiche
wie kontinuierliche Berichterstattung, die den Leser mit
erstaunlich reichhaltigen und vielfltigen Nachrichten
zu Film und Kino versorgte, darunter Errterungen zu
konomischen und technischen Aspekten oder dem per-
sonalisierenden Boulevard-Klatsch geschuldete Sensati-
onsnachrichten.
Insofern lsst sich konstatieren, dass die Refexions-
ffentlichkeit im HF mit einem ungewhnlich breiten
Spektrum an Themen ber in der Vorbereitung befnd-
liche Filme informierte, von den neuesten technischen
Errungenschaften auf dem Gebiet des Films berichte-
te
47
, eine deutsche Filmbilanz des Jahres 1932 vorstellte,
ber das Zwei-Schlager-System diskutierte
48
und neben-
bei auch noch ber die neueste von Marlene Dietrich in
Hollywood verbreitete Mode urteilte.
49
Dies erlaubt es,
davon zu sprechen, dass Heterogenitt und Boulevard-
charakter dieser Art von Film-Berichterstattung ber das
ganze Jahr 1933 hinweg erhalten blieben und darin einer
vergleichsweise offenen Prsentationspolitik entsprachen
(vgl. o. S. 109ff.).
Umso mehr fllt auf, wie nachhaltig sich in der Ausein-
andersetzung mit dem auslndischen Film oder in Ar-
gumentationen zur Filmkunstdebatte zunehmend natio-
nalistische Argumentationen bemerkbar machen. Denn
whrend im Februar noch ein Artikel zum knstlerisch
und wirtschaftlich mindestens ebenbrtigen, wenn nicht
gar berlegenen franzsischen Film ausfhrt, ,jenseits
des Rheins sieht es also flmwirtschaftlich erheblich bes-
ser aus als bei uns'
50
, wird im Mai der deutsche Film dem
,primitiven' Russenflm gegenbergestellt, lediglich die
italienische Filmkunst und ihr Frderer Mussolini fnden
sich (wenn auch verhalten) gelobt.
51
Was demgegen-
ber vehement gefordert wird, das ist der ,neue deutsche
Film'; er solle Gesinnung zeigen und mit ,lebendigem
Temperament die Ideen und die Ziele der nationalen Re-
124 Bierbrauer, Budiner, Segeberg, Weber
gierung vertreten'.
52
Da kann das Ende Dezember eupho-
risch ausgesprochene Lob auf das erste Jahr nationalsozi-
alistischer Filmpolitik nicht verwundern.
53

Alles in allem lsst sich also auch beim HF deutlich er-
kennen, dass dieses Blatt sptestens ab Mitte des Jahres
in seine nach wie vor auf Unterhaltung ausgerichtete Re-
fexionsffentlichkeit eine zunehmend nationalistische
bis nationalsozialistische Argumentation einbaut und
sich damit auf eine, ber alle inhaltlichen Unterschiede
hinweg, mit dem HC durchaus vergleichbare Weise in
die Rahmenbedingungen einer nationalsozialistisch do-
minierten Kultur- und Filmpolitik einfgt.
4.3 Konservative berlufer: die Hamburger Nach-
richten
hnliches zeigt sich im Besprechungs- und Bericht-
erstattungsteil der HN, der drittgrten der Hamburger
Tageszeitungen 1933. Dies spielt sich in der Zeitung
dort ab, wo inmitten der Meldungen zu Stars und Film-
produktionen in der (immer sonntags verffentlichten)
Rubrik Filmschau das Rahmen- und Beiprogramm der
besprochenen Filmvorfhrungen eine nicht lnger nur
unterhaltende, sondern jetzt zunehmend ideologische
Wertschtzung fndet. Noch deutlich unterhaltungsorien-
tiert loben die HN am 22. Januar 1933 gegen Ende ihrer
Besprechung der amerikanischen Spielflmproduktion
GOLDFIEBER Tom Mix ,als Beschtzer unmndiger Kin-
der, als Hort naiver Naturmenschen, als Zchtiger von
Betrgern und Verrtern, als Zufucht bedrngter Frauen'
und fahren dann fort: ,Wundervoll ist auch das Beipro-
gramm [.], und dann kommt noch dazu (wohl als zwei-
ter Spielflm im Zwei-Schlager-Programm) der technisch
ausgezeichnet gelungene Grotonflm DIE ZWEI VOM SD-
EXPRESS, der mit echt deutscher Sentimentalitt beginnt
und herrliche Alpenbilder zeigt, dann aber gewaltige Tra-
gik spielen lt'.
54
Ganz anders sind die Gewichte in der Besprechung einer
Auffhrung mit dem Spielflm WENN AM SONNTAGABEND
DIE DORFMUSIK SPIELT verteilt; sie stellt am 10. Septem-
ber fest: ,Das Hauptprogramm ist diesmal das Beipro-
gramm. [...] Was wir hier von der Nrnberger Parteita-
gung sehen, ist ein Begriff von wuchtiger Symbolik des
deutschen Willens. [...] Der eigentliche Hauptflm [...]
ist eine seichte Sptsommerunterhaltung.'
55
Deutlicher
htte man nicht akzentuieren knnen, dass jetzt das Bei-
programm auf Kosten des Hauptprogramms deshalb ge-
lobt wird, weil sich hier - so ein anderer, schon in seiner
berschrift sehr grundstzlicher Artikel - ,Der Film als
Volksbildungsmittel' zeigt, das ,durch strkste Beein-
fussung der deutschen Menschen, angefangen bei der
Schuljugend bis hinein in die kleinsten Drfer und Zellen
volksaufklrende und propagandistische Arbeit zu leisten
[hat]'.
56
Dem entspricht das nicht auf die HN begrenzte Vorha-
ben, inmitten seiner Gesprche mit bekannten deutschen
Schauspielern
57
die alsbald fhrende NS-Filmfrau Leni
Riefenstahl in einem achtteiligen Fortsetzungsbericht mit
einem eigenen Bericht ber die Dreharbeiten zum Film
S.O.S. EISBERG zu Wort kommen zu lassen,
58
um sie dann
schlielich anlsslich ihres Films SIEG DES GLAUBENS zum
Nrnberger Reichsparteitag des Jahres 1933 mit Hinter-
grundberichten zu Dreharbeiten ein weiteres Mal heraus-
zustellen.
59
Oder in einer Besprechung zu HITLERJUNGE
QUEX inmitten eines ansonsten nicht besonders politisch
auftretenden Besprechungsprogramms auszufhren:
Wenn heutzutage durch die Straen der deutschen Stdte,
durch Drfer und das weite Land die braune Armee der
jungen Freiheitsbewegung marschiert, wenn die Fahnen im
Winde fattern, der Boden von dem festen Tritt der Batail-
lone drhnt und Lieder kampffroh und hell ertnen, dann
schwebt ber diesem Heerbann unsichtbar der Geist derer,
die in der Sturm- und Drangzeit in den Not- und Mutjahren
selbstlos und ehrlich ihr Leben opferten.
60
4.4 Subversive Zwischentne: Hamburger Anzeiger
Konnte man bisher Prozesse einer mehr oder weniger
behutsam verlaufenden Anpassung und Selbstanpassung
beobachten, so stellt sich die Entwicklung beim HA sehr
viel kontrastreicher dar. Dies lag daran, dass der Anzeiger
als einzige Hamburger Tageszeitung keine Selbstanglei-
chung vollzog, sondern seine linksliberale Orientierung
solange beibehielt, bis die Zeitung im April nach dem
unkommentierten Abdruck eines systemkritischen Flug-
blattes zwanzig Tage lang verboten wurde und danach
eine neue Redaktion und Redaktionsleitung erhielt
61
-
mit Auswirkungen bis in die Filmberichterstattung; hier
wurden fast alle Artikel nach der Wiederaufnahme des
Blattes von anderen Autoren verfasst. Das alles hatte zur
Folge, dass in den Besprechungen ber Filme jetzt we-
sentlich mehr auf das Beiprogramm, d. h. auf Wochen-
schau und Kulturflm hingewiesen wurde oder sich in
der Besprechung von Spielflmen eine auf ideologische
125 Kinoffentlichkeit II
Eindeutigkeit zielende Bewertung bemerkbar machte. So
wird etwa in der Kritik zu WENN AM SONNTAGABEND DIE
DORFMUSIK SPIELT hervorgehoben, dass ,dieser Film in
seiner gesunden politischen Grundhaltung, die zu einem
optimistischen frhlichen Ausklang fhrt, eine Leistung
[ist], die man voll bejahen muss'
62
. Eine Auffassung, de-
ren ideologischer Eifer umso mehr verblfft, wenn man
an die durchaus gegenteilige Einschtzung der HN zu
dem Film denkt.
Hinzu kommen Artikel ber die Funktion und die zu
erzielende Wirkung von Filmen; auch hier ist die neue
nationalsozialistische Orientierung des HA nicht zu ber-
lesen. So wird im September 1933 ein eher harmloser
Bericht ber die Dreharbeiten der Ufa-Produktion HEI-
DESCHULMEISTER UWE KARSTEN mit der grundstzlichen
Errterung versehen:
Es ist dem Film wie keiner zweiten Einrichtung gegeben
gerade durch die optische Beeinfussung, die eindringlicher
und nachhaltiger zu wirken in der Lage ist, dem Volke al-
les Groe und Gewaltige der deutschen Heimat geistig und
krperlich nahezubringen und selbst das kleinste Schulkind
dahin zu fhren, dass es erkennt: es gibt fr einen deutschen
Menschen vorerst nur etwas ganz Groes, Liebenswertes:
das deutsche Vaterland!
63
Zustzlich zu diesen ganz offensichtlichen programma-
tischen nderungen ist ein Wandel in den Nachrichten
ber das Filmwesen zu erkennen; hier ist vor allem das
Ausbleiben von bestimmten Informationen sehr auffal-
lend. Wurde zuvor in den Kurznachrichten noch ber
Marlene Dietrichs neues Outft
64
, Charlotte Susas Pech
in Hollywood oder Greta Garbos Dreh in Schweden

ge-
schrieben
65
, so sind Hollywood und Star-Berichte nach
der Umstrukturierung des HA nahezu verdrngt und
berwiegend durch Nachrichten ber das deutsche Kino
ersetzt. In einem am 9. September erschienenen Artikel
wird dieses Vorgehen nicht nur erklrt, sondern der ,Vor-
sto gegen das Star-Unwesen'
66
gefordert, der in Krze
von der Filmkammer durchgefhrt werden sollte.
Im Gegensatz dazu stellte ein Artikel vom 18. Mrz 1933
die Frage ,Im Dienst des Staates?' noch sehr viel di-
stanzierter bis skeptisch. Das beginnt schon damit, dass
sich der Artikel die Argumente eines Redners vor der
vlkischen Fichte-Gesellschaft zur Notwendigkeit einer
staatlichen Indienstnahme des ,Films als Waffe' nicht
(wie im HC geschehen, vgl. o. S. 122) zu eigen macht,
sondern in indirekter Rede wiedergibt.
67
Und dieses Di-
stanz schaffende Stilmittel der indirekten Rede verschafft
dem Verfasser des Artikels weiter die Mglichkeit, im Zi-
tat von uerungen, die er dem Redner zuschreibt, ziem-
lich deutlich auf die Risiken, Gefahren und mglichen
Alternativen einer ,Entscheidung' hinzuweisen, von
der es ohne jede explizite Zustimmung bemerkenswert
distanziert heit, sie seit jetzt in Deutschland eben ,ge-
fallen'.
Zur damit unvermeidlich gewordenen Neuordnung des
Filmwesens lsst der Artikel seinen vermeintlichen Ge-
whrsmann ausfhren, ,es kme [.] sehr darauf an, wer
diese Ordnung vermittle, mit welchem Geist sie erfllt
sei', und dem zugleich hinzufgen:
Das bedeute nicht die Befrwortung des staatlichen Films
mit staatlichen Autoren, Regisseuren und Darstellern.
Das Risiko der Langweile sei dem Film nicht abzuneh-
men. Wohl aber bentige der Regent der Zustimmung des
Volkes, und eines der Mittel, diese Zustimmung zu erzie-
len sei der Film. So sei es bereits in Amerika, wo der Film
gerade durch seine Problemlosigkeit, durch das Ausbleiben
jedes Zweifels an dem Wert der amerikanischen Ideale zu
diesen erziehe, ebenso handhabe Italien die Filmpolitik und
vor allem Russland. So werde es jetzt auch in Deutschland
kommen.
Zumal angesichts dieser sicherlich nicht ohne Absicht
genannten demokratischen bis totalitren Varianten mu-
tet der Schlusssatz des Artikels nahezu prophetisch an:
,Im totalen Staat ist nur ein Geist privilegiert. Widerstre-
bende werden in einem anonymen Geschehen niederge-
walzt.'
5. Verhltnis von Reexions- und Prsentations-
ffentlichkeit
Blickt man abschlieend zurck und pointiert dabei die
Frage, wie sich das Verhltnis der beiden Teilffentlich-
keiten Prsentationsffentlichkeit und Refexionsffent-
lichkeit zueinander entwickelt hat, so sind hier inmitten
vieler bereinstimmungen und wechselseitiger Ergn-
zungen doch auch eine ganze Reihe von Abweichungen,
Ambivalenzen, Brchen oder gar Widersprchen auffal-
lend. Dies zu sehen, ist interessant fr die Frage, wie die
Veranstaltungsffentlichkeit ,Kino in der Begleitffent-
lichkeit ,Presse prsentiert und refektiert wird. Dazu
lassen sich im Lichte unserer Befunde einige verallge-
126 Bierbrauer, Budiner, Segeberg, Weber
meinerungsfhige berlegungen anstellen.
Relativ konsistent nehmen sich die Entwicklungen dort
aus, wo der Kino-Nutzer des Jahres 1933 in der Refex-
ionsffentlichkeit der von ihm konsultierten Tageszei-
tungen mit gewissen Verzgerungen und Schwankungen,
insgesamt gesehen aber doch unmissverstndlich dar-
ber unterrichtet wird, dass die Unterhaltungsware ,Kino
einer durchgreifenden ideologischen Durchformung un-
terworfen werden sollte. Und wenn sich diese Durchfor-
mung entweder als Angleichung von bis dahin medien-
und kulturkonservativer Ausrichtungen (HC) oder als na-
tionalistische Eingrenzung kultur-liberaler Perspektiven
vollzog (HF), dann knnen solche als Angleichungen und
Eingrenzungen auftretenden Integrationen die Akzeptanz
einer damit so oder so als unvermeidlich geltenden Ent-
wicklung eher erleichtert als erschwert haben. Der in bei-
derlei Richtungen sichtbare Bruch blieb, wie das Beispiel
des Hamburger Anzeiger gezeigt hat, die Ausnahme.
Sehr viel weniger eindeutig stellen sich die Entwicklun-
gen dort dar, wo die Prsentationsffentlichkeit von Kino
und Film in ihrem Verhltnis zur Refexionsffentlichkeit
in den Blick kommt. Denn hier kann man von einer wech-
selseitigen Ergnzung bis Sttzung eigentlich nur dort
sprechen, wo (wofr wiederum der Fall des HC steht) kul-
tur- und medienkonservativ motivierte ideologische An-
passungen durch strukturell gleichgerichtete medienkon-
servative Strategien in der Inserats- und Anzeigenpolitik
gesttzt werden. Ansonsten lsst sich fr die Gesamtheit
der von uns ausgewerteten Hamburger Tageszeitungen
festhalten, dass die Vielfalt und Heterogenitt eines auf
Popularitt setzenden ,modernen Unterhaltungskinos in
der Prsentationsffentlichkeit des gesamten Jahres 1933
keineswegs auer Kraft gesetzt wird. Die dafr verant-
wortliche Kontinuitt einer zunehmend staatsdirigistisch
gelenkten, insgesamt gesehen aber in Geltung bleibenden
marktwirtschaftlichen Ordnung fhrt dazu, dass die ge-
zielte Werbung fr ,nationale und politische Filme zwar
durchaus stattfndet, deren Prsentation und Distribution
aber auch am Ende des Jahres nur im Ausnahmefall ideo-
logisch motivierte Vorzugsbehandlungen erfahren sollte.
Nimmt man die Befunde zur Prsentations- und zur Re-
fexionsffentlichkeit zusammen, dann lsst sich fr das
Jahr 1933 von einer Polaritt zwischen einer auf Popu-
laritt und damit auf Kommerzialitt setzenden Prsen-
tationsffentlichkeit und einer zunehmend ideologisch
ausgerichteten Refexionsffentlichkeit sprechen.
Vor diesem Hintergrund kann es nicht verwundern, dass
der medienkonservative HC in einem Artikel aus der
Abb.17:Spannungsverhltnis Insertion und Refexion am Beispiel des HamburgischenCorrespondenten.
HC,Abendausgabe,9.9.1933,Nr.422,AusderWeltdesFilms(links),HC,Abendausgabe,16.9.1933,Nr.434,S.4(rechts).
127 Kinoffentlichkeit II
Sonderbeilage Aus der Welt des Films vom 9. September
1933 unter dem Titel ,Statt Starreklame Beweis des Kn-
nens' das Starsystem als Ausdruck eines in erster Linie
kommerziell denkenden Werbesystems zwar nachdrck-
lich verurteilt, zum Lustspiel FRULEIN HOFFMANNS ER-
ZHLUNGEN
68
in der einzigen im September geschalteten
Einzel-Anzeige aber Anny Ondra als Hauptdarstellerin
deutlich herausstellt und damit eben jenes Starsystem
fortsetzt (Abb. 17). Sie steht hier in nahezu beispielhafter
Form als Star des Films im Zentrum der Werbung und
soll damit erkennbar fr den kommerziellen Erfolg bei
einem Publikum sorgen, das mit dieser Anny Ondra als
einem herausragenden weiblichen Filmstar bestens ver-
traut war.
Ohne diesen Kontrast irgendwie berschtzen zu wollen,
so lsst sich daraus wohl doch folgern, dass der auch von
dem eindeutig nationalsozialistisch gewendeten HA ge-
forderte ,Vorsto gegen das Star-Unwesen'
69
ebenso wie
die fr den Umgang mit Stars als Werbetrgern vom HC
verlangte ,Wende in der Weltanschauung'
70
in der Kom-
merzialitt einer an den Ansprchen des Unterhaltungs-
kinos orientierten Prsentationsffentlichkeit ihre Gren-
ze fndet. Oder, um es mit einem in diesem Heft bereits
verwendeten Leitzitat zum Selbstverstndnis nationalso-
zialistischer Kinounternehmer auf den Punkt zu bringen:
,Auch wir wissen, dass Filme immer Ware bedeuten',
weshalb man nur ,soweit es mglich ist, das Programm
nach den kulturellen und nationalpolitischen Gesichts-
punkten des neuen Reiches [um]gestalten [knne]'.
71
Ob
und inwiefern sich diese Mglichkeitsbedingungen einer
Prsentations- und Refexionsffentlichkeit im Jahr 1934
eher verschlechtern oder verbessern sollten, darauf wer-
den wir in dem anschlieenden Artikel zur Prsentations-
und Refexionsffentlichkeit des Jahres 1934 genauer
eingehen.
Anmerkungen
1. Zur systematischen Entfaltung des Begriffs Kinoffent
lichkeit vgl. weiter die Einleitung der Herausgeber zu Corin
na Mller, Harro Segeberg (Hrsg.): Kinoffentlichkeit (1895
1920).CinemasPublicSphere(18951920).Marburg2008,S.
730.17f.
2.DerVollstndigkeithalberseierwhnt,dasswirinunserem
Gesamtprojekt auch den Faktor Rezeption untersuchen. Ers
te Ergebnisse dazu haben wir vorgelegt in einem Beitrag zur
Jahrestagung der Gesellschaft fr Medienwissenschaft 2008.
Vgl. dazu Harro Segeberg: Affektgesteuertes Wissen. Oder:
Was wissen FilmZuschauer? Online unter: www.gfmedien
wissenschaft.de/gfm/start/index.php?TID=204 (letzter Abruf:
1.10.09).
3. Anfang 1933 lag die Versorgungsdichte vermutlich etwas
niedriger, da sich ca. 90.000 Leser aufgrund des Verbots der
LinkspresseeineneueTageszeitungsuchenmussten.Vgl.Karl
ChristianFhrer:MedienmetropoleHamburg.Medialeffent
lichkeiten19301960.Mnchen,Hamburg2008,S.392ff.
4.Dieswirdweiterdadurchnahegelegt,dassangesichtssogut
wie verloren gegangener Redaktionsarchive kaum Informa
tionen ber die internen Strukturen undArbeitsablufe in den
Presseverlagenvorliegen.SoFhrer,ebd.,S.282,309f.
5.ZumVerbotderkommunistischenPresseinHamburgsiehe
Fhrer,ebd.,S.323ff.
6.DamitistzurFrage,obinderkommunistischenundsozial
demokratischenTagespresseindenerstenbeidenMonatendes
Jahres1933soetwaswieeineGegenffentlichkeitzurKinof
fentlichkeit der brgerlichen Zeitungen festzustellen ist, noch
nichtsgesagt.Allerdingskannschonjetztfestgehaltenwerden,
dass im Hamburger Echo Kinoanzeigen ohnehin nur in Form
von Klein und Sammelanzeigen geschaltet wurden und anti
militaristisch argumentierende Filmbesprechungen zwischen
der Anerkennung flmtechnischer PerIektion und der politisch
motiviertenVerurteilungnationalerFilmedurchaushinundher
schwanken.FrentsprechendeInformationendankenwirFelix
Schrter.
7. Da die Auswertung der Zeitungen sehr arbeitsintensiv ist,
beschrnkensichdieAnalyseergebnisseaufdieMonateJanuar
bis Mrz, Mai und September bis Oktober 1933. Den ersten
Zeitraumhabenwirgewhlt,weilesunshieraufdiepolitische
bergangszeit in der ersten HlIte des Jahres 1933 ankam; den
zweitenZeitraumhabenwirgewhlt,weildieHerbstmonateals
dieMonatemitdemgrtenZuschauerzulaufgeltenknnen.
Vgl.GertiKeller:KinountermHakenkreuz.DasBeispielHam
burg,unverffentlichteMagisterarbeit.Hamburg1993,S.105.
8. Im damaligen Stadtgebiet Hamburg existierten 1933 etwa
70 Kinos. Da in den von uns ausgewerteten Tageszeitungen
auch Kinos aus dem damals noch preuischenAltona (ca. 11
Kinos) und dem gleichfalls preuischen Wandsbek (ca. 7 Ki
nos), die beide erst 1937 in das Stadtgebiet Hamburg einge
gliedertwurden,kontinuierlichinserierten,beziehensichunsere
AngabenaufdiesenGroraum.Kinosausdem1937gleichfalls
eingemeindeten Harburg haben in den von uns untersuchten
Zeitungen nicht inseriert und blieben daher unbercksichtigt.
Zu den Einzelheiten dieser Schtzungen vgl. denAufsatz von
CorinnaMller:KinoundKinokulturinHamburgum1932,
den Beitrag von Michael Tteberg: Auch wir wissen, dass
128 Bierbrauer, Budiner, Segeberg, Weber
Filme immer Ware bedeuten. Zur politischen konomie der
Hamburger KinoLandschaft 19331945, beide in dieser Pu
blikation(hiervorallemdenAnhang),sowieKeller:Kino(wie
Anm.7),S.64f.
9. Die Angaben zu den Aufagen beruhen auI Selbsteinscht
zungendesZeitungsverlages(vgl.KarlChristianFhrer:Um
bruchundKontinuittaufdemHamburgerZeitungsmarktnach
1933indieserPublikation).
10. Vgl. Hans Bohrmann: Vorwort II zu: NSPresseanwei
sungen. Edition und Dokumentation, Bd. 1: 1933. Bearbeitet
von Gabriele ToepserZiegert. Mnchen, New York, Paris
1984,S.17.
11. Siehe dazu genauer Jan Ptjer Johannsen: Arisierungen
vonKinosinHamburgindieserPublikation.
12.Vgl.GabrieleToepserZiegert(wieAnm.10),S.23.
13. Ebd., S. 39f. (Presseanweisung v. 20.10.1939). Das ein
schlgige Dokument dazu fndet sich im Textteil der Dokumen
tation,S.169f.
14.Vgl.diePresseanweisungvom23.9.1933,inderanlsslich
der Anzeige einer groen Versicherungsgesellschaft darauf
hingewiesenwird,dassdieZeitungenfrdasErscheinen(ih
rer)Anzeigenebensoverantwortlichgemacht[werden],wiedie
Anzeigenden selber.Auch hier knnten durch Fehler unter
UmstndenVerboteentstehen.Ebd.,S.128.
15.DieZahlvon50inseriertenKinosdrftesichnocherhhen,
wenn(wasnochaussteht)weiterelokaleZeitungenindieAus
wertung einbezogen werden. Angesichts der sehr begrenzten
Aufage dieser lokalen Bltter ist ihr Einfuss auI die Gesamt
heit der Hamburger Kinoffentlichkeit allerdings nur schwer
einzuschtzen.Vgl.auchFhrer:Medienmetropole(wieAnm.
3),S.384.
16.Vgl.denAufsatzvonCorinnaMllerindieserPublikation
(wieAnm.8),S.41f.
17. Vgl. Michael Tteberg, Volker Reissmann: Mach dir ein
paar schne Stunden. Das Hamburger Kinobuch. Bremen
2008,S.171,174.
18.Vgl.ebd.,S.253.
19. Der Deutlichkeit halber sei aber noch einmal betont, dass
wirunsauchindieserFragenichtdafrinteressieren,wiedie
jeweiligenAnzeigenseitenentstandensind,sondernwiesiefr
denjeweiligenLesereinerZeitungerscheinen.ZudenSchwie
rigkeiten, Differenziertes ber dieVerleihpolitik im einzelnen
zuerfahren,vgl.imbrigenAnm.25.
20. Vgl. Hamburger Fremdenblatt (HF), Abendausgabe,
15.3.1933,Nr.74,S.11HF,Abendausgabe,26.1.1933,Nr.26,
S.8.
21.Vgl.HF,Abendausgabe,14.1.1933,Nr.14,S.30Hambur
gerAnzeiger(HA),17.1.1933,Nr.14,2.Beilage,S.3.
22. Lilian Harvey zum Abschied. In: HF, Abendausgabe,
18.1.1933, Nr. 18, S. 6. (Artikel, die keinen Verfassernamen
aufweisen,werdenohnebesonderenHinweisdaraufzitiert.)
23. Lilian Harvey zum Abschied, In: HF, Abendausgabe,
17.1.1933,Nr.17,S.6,II.
24. Vgl. dazu die bersicht am Ende des Artikels von Michael
TtebergindieserPublikation.
25.ZudenInternavonFilmverleihundVerleihpolitikinHam
burg und Norddeutschland sind Originaldokumente, die Ver
hltnisse von Verleihorganisationen, staatlichen Institutionen
undKinobetreibernbetreffen,offenkundignurinAuswahlund
eher zufllig erhalten. Fr weitere Informationen zu Entwick
lungenundVerordnungenindiesemBereichseiaufTteberg,
Reissmann:Kinobuch(wieAnm.17),S.77fsowieaufBogu
slaw Drewniak: Der deutsche Film 19381945. Ein Gesamt
berblick. Dsseldorf 1987 verwiesen. Bekannt ist, dass Ham
burgNorddeutschland einer von sieben Verleihbezirken des
deutschen, spter grodeutschen Reiches war. Zum Einzugs
gebietzhltennebenHamburgSchleswigHolstein,Hannover,
Mecklenburg, Braunschweig, Oldenburg, Bremen, Lippe und
SchaumburgLippe. Bis 1942 existierten Vertriebsorganisati
onen der Bavaria, der Tobis ( Degeto-Kulturflm GmbH) und
der Ufa, die am 1.6.1942 zur Deutschen Filmvertriebs GmbH
(DFV)zusammengefhrtwurden.Ab1942regeltedieDFVdie
Betreuung jeglicher Produktionen aus den Produktionssttten
BavariaFilmkunst, BerlinFilm, PragFilm, TerraFilmkunst,
UfaFilmkunst und WienFilm. Auerdem vertrieb die DFV
auch eine Auswahl auslndischer Erfolgsproduktionen. Be
kannt ist zudem, dass es eine staatlich verordnete Karenzzeit
zwischenderErstauffhrungeinesFilmesunddessenAuffh
runginZweit,WiederauffhrungsundNachspieltheaterngab,
wobeidieseFristinderRegel14Tagebetrug.
26.Filmkuriervom1.6.1933.ZudenUrsachenfrdieseEnt
wicklungvgl.Tteberg:Auchwirwissen(wieAnm.8)in
dieserPublikation.
27. Vgl. Corinna Mller in dieser Publikation (wie Anm. 8),
S.50ff.
28. Vgl. Goebbels am 5.2.1933, zit. in: Die Tagebcher von
Joseph Goebbels. Im Auftrag des Instituts fr Zeitgeschichte
hrsg.v.ElkeFrhlich.TeilI:Aufzeichnungen19231941.Band
2/III:Oktober1932Mrz1934.Mnchen2006,S.124.
29. Dazu korrespondiert auf seineArt das enthusiastische Ur
teilGoebbels:Capitol.GarboFilmMenschenimHotel.Die
Gretaganzgro[]EinsehrguterFilm,andemkaumetwas
auszusetzenist.Ichwarganzhingerissen.Vgl.ebd.,S.129.
30. Horst Mann: Auch der Film hat seine Sorgen. Das Kri
senjahr1932.In:AusderWeltdesFilms.In:Hamburgischer
Correspondent(HC),Abendausgabe,14.1.1933,Nr.24.
31. HC,Abendausgabe, 18.3.1933, Nr. 132, Aus der Welt des
129 Kinoffentlichkeit II
Films.
32. Dr. H. B., Moskau: ,Keine Krise des Russenflms'. In: Aus
derWeltdesFilms.In:HC,Abendausgabe,11.2.1933,Nr.72.
33. HC, Abendausgabe, 28.1.1933, Nr. 48, Aus der Welt des
Films.
34.Dr.P.:FilmundKultur.In:HC,Abendausgabe,21.2.1933,
Nr.88,S.12.
35.Vgl.Anm.34.
36.ExemplarischseiaufeinenArtikelzumTonFarbeKongress
1933verwiesen.m.:NeueKunstausneuerSchau.Erffnung
desdrittenKongressesfrFarbeTonForschung.In:Hambur
gerTageblatt(HT),3.10.1933,Nr.240,S.5,1.Beilage.
37. Ba.: Filmkritik zu Sonnenstrahl. In: HT, 14.10.1933, Nr.
251,S.7.
38.DJ:DerRebell.In:HT,3.2.1933,Nr.29,S.6.
39. Horst Mann: ,Der Auslandsflm'. In: HC,Abendausgabe,
4.3.1933, Nr. 108, S. 16 sowie Horst Mann: Der Auslands
flm'. In: Aus der Welt des Films. In: HC, Abendausgabe,
18.3.1933,Nr.132.
40.mg.:FilmalsWaffe.In:AusderWeltdesFilms.In:HC,
Morgenausgabe,22.3.1933,Nr.137.
41.HC,Abendausgabe,29.3.1933,Nr.150,S.16,Goebbels
AnsichtberdenFilm.OffensichtlicheinBerichtberGoeb
bels Auftritt vor den Filmschaffenden im Berliner Hotel
Kaiserhof G. bemerkt hierzu Programm entwickelt. Bom
benerfolg.Alle werden helfen. Vgl. Goebbels: Tagebcher I
(wieAnm.28)Band2/III,S.158.
42. HC, Abendausgabe, 9.9.1933, Nr. 422, Aus der Welt des
Films.
43. HC, Abendausgabe, 11.2.1933, Nr. 72, Aus der Welt des
Films,RitterderTiefe.
44.mg:DieDeutscheKulturwocheinHamburgDerErff
nungsabend. In: HC, Morgenausgabe, 10.9.1933, Nr. 423, S.
3.
45.eg.:ZweiterTagderHamburgerKulturwocheDerFest
akt.In:HC,Abendausgabe,11.9.1933,Nr.424,S.3.
46.HC,Morgenausgabe,2.9.1933,Nr.409,S.1,Kulturpolitik
imneuenStaatGrundlegendeAusfhrungenHitlers.
47. Vgl. Otto Behrens: Das DunningVerfahren: Ein neuer
Kombinationstrick,NeuesvomFilm.In:HF,Abendausga
be,6.5.1933,Nr.124,S.27.
48. Horst Mann: Deutsche FilmBilanz 1932, Neues vom
Film.In:HF,Morgenausgabe,29.1.1933,Nr.29,S.8.
49. Marlene macht Schule. In: HF, Morgenausgabe,
12.2.1933,Nr.43,S.9.
50. Mann, Horst: ,Der Auslandsflm'. In: HF,Abendausgabe,
15.2.1933,Nr.46,S.13.
51.HF,Abendausgabe,31.5.1933,Nr.149,S.10.
52.HF,Abendausgabe,6.5.1933,Nr.124,S.27.
53.HF,Abendausgabe,30.12.1933,Nr.359,S.21.
54.HN,Morgenausgabe,22.1.1933,Nr.37,S.19.
55. E.v.K.: Wenn am Sonntag Abend die Dorfmusik spielt.
LessingTheater. In: Filmschau. In: HN, Morgenausgabe,
10.9.1933,Nr.423,S.2.
56.HN,Abendausgabe,4.9.1933,Nr.412,S.8.
57. Hierzu sei beispielhaft genannt: L.E: Ein Stndchen mit
LuisTrenker.In:HN,Morgenausgabe,2.2.1933,Nr.17,S.4.
58. Dieser Bericht gehrt zu denArtikeln in mehrerenTages
zeitungenundFachblttern,diealsVorabdruckzuLeniRiefen
stahlsBuchKampfinSchneeundEiserschienen.Vgl.Rainer
Rother: Leni Riefenstahl. Die Verfhrung des Talents. Berlin
2000,S.35f.,204.
59.Vgl. HN,Abendausgabe, 8.9.1933, Nr. 420, S. 3 und HN,
Abendausgabe,20.9.1933,Nr.429,S.2.
60.HN,Abendausgabe,16.9.1933,Nr.434,S.2.
61.Vgl.Fhrer:Medienmetropole(wieAnm.3),S.334.
62.HA,9.9.1933,Nr.211,3.Beilage,S.5.
63.A.M.:HeideschulmeisterUweKarsten,In:HA,2.9.1933,
Nr.205,2.Beilage,S.1.
64.HA,4.3.1933,Nr.54,1.Beilage,S.3.
65.HA,11.2.1933,Nr.36,2.Beilage,S.1.
66.HA,9.9.1933,Nr.211,3.Beilage,S.6.
67.E.K.DerFilmalsWaffe.ImDienstdesneuenStaates.In:
HA,18.3.1933,Nr.66,5.Beilage,S.3.
68.HC,Abendausgabe,16.9.1933,Nr.434,S.4.
69HA,9.9.1933,Nr.211,3.Beilage,S.6.
70. HC, Abendausgabe, 9.9.1933, Nr. 422, Aus der Welt des
Films.
71. Vgl. Kk.: Ein Lichtspielhaus feiert Jubilum!. In: HT,
28.10.1933. In dem Artikel, der die Verdienste des Passage
Theaters in der Kampfzeit herausstreicht, heit es weiter:
Trotzdem sollte es zu denAufgaben eines Filmtheaterleiters
im nationalsozialistischen Staat gehren, sein Filmprogramm
nichtausschlielichnachgeschftlichenErwgungenzugestal
ten, sondern, soweit es mglich ist, das Programm nach den
kulturellenundnationalpolitischenGesichtspunktendesneuen
Reicheszugestalten.
131
1. Einleitung
In der nachfolgenden Analyse geht es um die Prsen-
tation und die Refexion von Kino und Kinoprogramm
in der Hamburger Tagespresse des Jahres 1934, wobei
uns vorrangig der Vergleich mit dem Jahr 1933 interes-
siert. Dazu halten wir einleitend noch einmal fest, dass
wir im vorausgegangenen Artikel den Hamburger An-
zeiger, das Hamburger Fremdenblatt, das Hamburger
Tageblatt, den Hamburgischen Correspondenten und die
Hamburger Nachrichten untersucht haben und dabei in
der Prsentationsffentlichkeit dieser fnf zu ihrer Zeit
dominierenden Tageszeitungen eine kommerziell moti-
vierte Orientierung an der Gattungs- und Genrevielfalt
eines populren Kinos feststellen konnten; offen ideolo-
gischen Filmen wurde hier keine Vorzugsstellung einge-
rumt. Dagegen lie sich in der Reexionsffentlichkeit
des Jahres 1933 eine zunehmend nationalistische bis
nationalsozialistische Argumentation in der Filmkritik
erkennen, wodurch im Verhltnis zwischen Prsentati-
ons- und Refexionsffentlichkeit das entstand, was wir
im Resmee des vorangegangenen Artikels eine grund-
legende Spannung zwischen Kommerzialitt und Ideolo-
giezitt genannt haben.
Zum im folgenden zu untersuchenden Zeitraum ist vor-
wegzunehmen, dass die gesamte hanseatische Tages-
presse im Jahr 1934 eine Druck-Aufage von 579.031
und eine abgesetzte Aufage von 458.812 Exemplaren
erreichte und damit, hnlich wie im Vorjahr, eine Voll-
versorgung der geschtzten 525.000 Hamburger Haus-
halte mit Zeitungen sicherstellen konnte.
2
Unter den da-
fr vor allem verantwortlichen und daher auch jetzt von
uns auszuwertenden groen Tageszeitungen konnte der
kinofreundliche Hamburger Anzeiger (HA) mit knapp
unter 125.000 abgesetzten Exemplaren seine fhrende
Stellung behaupten. Ihm folgten wie im Vorjahr das na-
tionalsozialistisch ,gesuberte, im Feuilleton aber mit
liberalen Restbestnden auftretende Hamburger Frem-
denblatt (HF) mit einer Aufagenstrke von etwa 95.000
abgesetzten Exemplaren, die frher national-konserva-
tiven Hamburger Nachrichten (HN) mit knapp unter
42.000 abgesetzten Exemplaren sowie das nationalso-
zialistische Hamburger Tageblatt (HT) mit ca. 37.000
Exemplaren; dies bedeutet fr das HT - in der Relation
zum Jahr 1933 einen gewissen Zuwachs. Das Tradi-
tionsblatt Hamburgischer Correspondent (HC) musste
dagegen Ende Mrz Konkurs anmelden und wird daher
im folgenden nur kursorisch betrachtet.
3
Unsere Aus-
wertungen zu Kino und Kinoprogramm in der Prsenta-
tions- und der Refexionsffentlichkeit dieser Tageszei-
tungen konzentrieren sich auf die Monate September bis
Dezember 1934, da sich in unseren Untersuchungen die
Herbst- und Wintermonate als besonders kinointensive
Jahreszeiten erwiesen haben. Lokale Zeitungen wurden
aus zeitlichen Grnden in dieser Phase der Auswertung
vorerst nicht bercksichtigt.
2. Die Prsentationsffentlichkeit in der Ham-
burger Tagespresse
Die breiteste Prsentationsffentlichkeit bot auch im
Jahr 1934 der anzeigenstarke HA. Sein Kinoangebot soll
daher zuerst genauer betrachtet werden. Hier werden die
Inserate, wie schon 1933, immer noch montags und don-
nerstags geschaltet, dabei aber - wie im HF seit 1933
- hufg unter der Rubrik Theater - Konzerte - Licht-
spiele - Unterhaltung zusammengefasst.
KinoffentlichkeitIII
KinoundKinoprogramminderHamburgerTagespresse1934
1
LauravonBierbrauer,MareinBudiner,HarroSegeberg
132 Bierbrauer, Budiner, Segeberg
Beginnen wir mit dem, was gleich geblieben ist, dann
lsst sich an der Gegenberstellung der beiden Anzeigen-
seiten aus den Jahren 1933 und 1934 erkennen, wie stark
sich auch im Jahr 1934 die in Bild und Text aufwendig
gestalteten Groanzeigen der Ur- und Erstauffhrungs-
theater von den sehr viel unaufflligeren Einzel- und
Sammelanzeigen der Bezirks- und Nachauffhrungs-
theater unterscheiden. Etwas weniger schnell fllt dem-
gegenber vielleicht ins Auge, dass die zuletzt erwhn-
ten Anzeigen einen wesentlich greren Raum als 1933
einnehmen und damit zu einem bedeutend gesteigerten
Anteil der in Zeitungen ,sichtbaren Kinos beitragen.
Dazu hat unsere den gesamten Auswertungszeitraum
umfassende quantitative Auswertung ergeben, dass ge-
genber den 45 Kinos des Jahres 1933 im Folgejahr 1934
insgesamt 76 Kinos im HA in Anzeigen vertreten sind.
Und fr die bergroe Mehrzahl gilt, dass die Anzei-
gen regelmig erschienen, nur fr sieben Kinos konn-
ten wir in den kinointensiven Monaten September bis
Dezember 1934 weniger als zehn Anzeigen feststellen;
hierzu gehrten der Kristall-Palast in Hohenfelde und
die Lichtburg in Rothenburgsort. Bei den neuen regel-
mig inserierten Kinos handelt es sich um Bezirks- und
Nachspieltheater wie das Union Theater in Wandsbek,
das Odeum in Hamm, die Ottenser Lichtspiele in Altona,
das Hammonia-Theater in der Neustadt und der Metro-
Abb.1:KinoinseratedesHAvom5.10.1933(links)undvom8.11.1934(rechts).
133 Kinoffentlichkeit III
Palast in Eimsbttel, der vor seinem Besitzerwechsel im
Jahr 1933 noch den Namen Kaiser-Theater trug. Weiter
erscheint die Schauburg Hammerbrook nicht mehr in den
Sammelanzeigen des Henschel-Konzerns, sondern tritt
nach Umbau und ,Arisierung unter dem Namen Titania-
Palast auf
4
; er inseriert im Jahr 1934 gemeinsam mit dem
Gloria-Palast, den Tivoli-Lichtspielen, dem Astra-Thea-
ter, den Zoll-, Walhalla- und den Hammer-Lichtspielen,
die (abgesehen vom Astra-Theater in Eimsbttel) unter
den Besitzern Kurt Busching, Ernst Hppop und Ernst
Kruse aufgeteilt waren. Kinos, die nicht im Rahmen
von Sammelanzeigen vertreten waren, warben zwar mit
Einzel-Inseraten, diese sind in ihrer kleinteiligen Aufma-
chung von den Sammelanzeigen jedoch kaum zu unter-
scheiden. Hierher gehrt mit dem Atlantik-Theater in St.
Georg eines der ersten ortsfesten, greren Hamburger
Kinos
5
; es war schon Anfang 1933 mit regelmigen
Kleinanzeigen vorbergehend im HA vertreten, schaltete
dann aber wie das Central-Theater in Altona Ende 1934
keine Anzeigen mehr.
Nimmt man alle Anzeigen zusammen, so bot der HA im
Jahr 1934 eine Prsentationsffentlichkeit, in der mit 76
Kinos nicht mehr, wie im Jahr 1933, nur knapp die Hlf-
te, sondern nunmehr ca. 85% der rund 90 im Groraum
Hamburg existierenden Kinos in Erscheinung traten.
6
Ver-
gleichbare Steigerungsraten lassen sich mit 53 Kinos statt
bisher 38 Kinos im HF verzeichnen; mit der Gesamtzahl
seiner inserierenden Kinos liegt es nach wie vor an zwei-
ter Stelle. Die Zunahme resultiert hier aus den Anzeigen
der bereits erwhnten ,Titania-Gruppe und neu auftre-
tenden Einzelanzeigen von Bezirks- und Nachspielthea-
tern, wie dem Hansen-Kino auf dem Schulterblatt oder
dem Kino-Palast in Altona. Einen noch strkeren relati-
ven Zuwachs verzeichnet das HT, in dem 1933 19 Kinos,
am Jahresende 1934 aber 40 Kinos prsent waren; die
Gesamtzahl der hier inserierenden Kinos konnte dadurch
mehr als verdoppelt werden. Verantwortlich dafr waren
Einzelanzeigen fr Nachspiel- und Bezirkskinos, aber
auch Sammelanzeigen des ,Emelka-Konzerns und der
,Hanse/Harmonie-Gruppe. Demgegenber bieten die
HN mit insgesamt 27 Kinos ihren Lesern eine gegenber
dem Vorjahr nahezu konstante Anzahl an Kinoanzeigen
in einem Inseratenteil, in dem, abgesehen vom dem Aus-
bleiben der Schauburg Hammerbrock in der Sammelan-
zeige des ,Henschel-Konzerns, gegenber 1933 keine
Vernderungen festzustellen sind.
Gar nicht vergleichbar mit diesen Zahlen sind die Da-
ten zum HC aus den ersten Monaten des Jahres 1934.
Hier steigerte sich die Zahl der Inserierungen von den
zwei regelmig angezeigten Kinos des Jahres 1933
zunchst einmal auf 18 Kinos im Frhjahr 1934. Dafr
verantwortlich war, dass zu den 1933 zweimal im Mo-
nat erschienenen Premierenanzeigen des Ufa-Palastes
und den vergleichbar hufg gedruckten Kleinanzeigen
der Kulturflmbhne Urania Sammelanzeigen der neun
Kinos des ,Schauburg-Konzerns, Einzelanzeigen des
Ferry Theaters, des Waterloo Kinos, des Theaters am
Nobistor sowie Premierenanzeigen des Passage-Thea-
ters hinzu kamen; das Passage-Theater trat daneben auch
gemeinsam mit Emelka, Kammer und Kursaal in Sam-
melanzeigen auf. Diese fr den HC massive Zunahme an
Werbekunden scheint allerdings nicht mehr als ein letztes
Strohfeuer auf dem Weg in den Konkurs dieses lngst in
eine fnanzielle Schrglage geratenen Blattes gewesen zu
sein. Und dies, obwohl die aufgefhrten Kinos bis zur
letzten Ausgabe inserierten, nur der Ufa-Konzern ver-
zichtete bereits ab Februar 1934 auf den Abdruck seiner
wchentlichen Spielplne.
Werfen wir von der Gesamtheit der Zeitungs-Anzeigen
aus einen Blick auf ihren kinointeressierten Leser, so
kann fr das Jahr 1934 vermutet werden, dass ein derart
vergrertes Kino-Angebot in erster Linie dem von uns
bereits fr das Jahr 1933 angenommenen Idealtyp eines
extensiv auf das gesamte Filmprogramm ausgerichteten
Kinozuschauers zugesagt hat. Ein eher auf Auswahl er-
pichter Zuschauertypus msste sich dagegen nach dem
Verschwinden des auf seine Bedrfnisse zugeschnittenen
HC auf den Refexionsteil der von ihm jeweils gelesenen
Tageszeitung sttzen oder sich durch die Einzelanzeigen
der Ur- und Erstauffhrungstheater und/oder durch die
Klein- und Sammelanzeigen der Bezirks- und Nachauf-
fhrungstheater durcharbeiten. Eine den eigenen Kinobe-
such stimulierende Orientierung an diesen Anzeigen setzt
jedoch voraus, dass sich die Kinos, die in der Tagespresse
inseriert wurden, auf das ganze Stadtgebiet verteilten.
Hierzu lsst sich anhand der im HA vertretenen Kinos
festhalten, dass dies - wie schon zum Jahr 1933 - der
Fall war, allerdings mit einer unverndert dichten Kon-
zentration im Innenstadtbereich mit seinen Ur- und Erst-
auffhrungstheatern wie Ufa-Palast, Lessing-Theater,
Schauburg Hauptbahnhof, Passage-Theater oder Water-
loo-Theater. Die brigen Kinos verteilten sich, in einer
134 Bierbrauer, Budiner, Segeberg
unverndert unterschiedlichen Dichte, auf die weiteren
16 Stadtbezirke, wobei im sozial durchmischten Wohn-
bezirk Eimsbttel (mit einer Zunahme von sechs auf
zehn inserierenden Kinos) und im Arbeiterwohnbezirk
Barmbek (mit einer Zunahme von fnf auf acht Kinos)
betrchtliche Steigerungsraten auffallen.
7
Vor diesem
Hintergrund kann man von einer in ihrer sozialen Ausge-
wogenheit sogar verbesserten Vollversorgung der Ham-
burger Bevlkerung mit der Unterhaltungsware Kino
sprechen. Die verantwortliche Verteilung der Kinos auf
die Stadtbezirke gestaltet sich im einzelnen wie folgt:
Stadtbezirk Anzahl regel-
mig inserie-
render Kinos
Anzahl ver-
einzelt inserie-
render Kinos
Eimsbttel 10 1
Neustadt/Zentrum 9 1
St. Pauli 8 0
Barmbek 8 0
Altona 6 1
Hamm 5 0
Wandsbek 4 1
Uhlenhorst 4 0
Hammerbrook 3 1
St.Georg 3 0
Rothenburgsort 2 1
Winterhude 2 0
Eppendorf 2 0
Horn 1 0
Fuhlsbttel 1 0
Hoheluft 1 0
Hohenfelde 0 1
Gesamtergebnis 69 7
Hinzuzufgen ist noch, dass im Jahr 1934 mehrere Kinos
renoviert wurden, darunter das Hammonia-Theater in der
Neustadt, das am 7.9.1934 seine Wiedererffnung nach
dem Umbau ankndigte, das Kino Blumenburg in Eims-
bttel, das mit EIN WALZER FR DICH am 5.10.1934 seine
neue Einrichtung einweihte und der Europa-Palast, der
nach dreiwchigen Renovierungsarbeiten am 11.12.1934
mit DIE FRAU IM U-BOOT sein Programm wieder aufnahm.
Nach neueren Schtzungen resultierten die Renovierungs-
arbeiten in den Kinos auf einer verbesserten Konjunktur,
die sich auch in den Gesamt-Besucherzahlen fr das Jahr
1934 ausdrckt. Whrend der Filmkurier im Juni 1933
noch den Rckgang der Kinobesuche bedauerte, wurde
im November 1934 von einem stetigen Anstieg der Ham-
burger Besucherzahlen berichtet, die sich im September
1934 auf 898.994 Besuche beliefen.
8
2.1. Prsentationssthetik
Die Kinos inserierten in der Hamburger Tagespresse in
der Regel montags und donnerstags, um das am Folgetag
wechselnde Programm zu bewerben. Aber auch an den
anderen Tagen fnden sich Anzeigen; vor allem der Ufa-
Palast annoncierte seine Premieren mehrfach. In welcher
Form die Anzeigen gestaltet waren, soll die folgende Ge-
genberstellung von je einer Inseratenseite aus dem HT
und einer Doppelinseratenseite aus dem HF zeigen (Abb.
3).
Auf den Anzeigenseiten stechen die groe Premieren-
anzeige der Schauburg St. Pauli fr den Amerika- und
Heimatflm DER VERLORENE SOHN sowie das gemeinsa-
me Inserat der Schauburg Hauptbahnhof und des Wa-
terloo-Theaters fr den US-amerikanischen Marlene
Dietrich-Film DIE GROSSE ZARIN (THE SCARLET EMPRESS,
d. i. Katharina die Groe) hervor. Whrend in den Pre-
mierenanzeigen fr den HITLERJUNGEN QUEX Ende 1933
noch in deutscher Fraktur und ohne Starfoto ,geworben
wurde
9
, fllt jetzt auf, dass zwischen der Prsentation des
VERLORENEN SOHNS, in dem mit Luis Trenker einer der
aufstrebenden Starschauspieler des NS-Kinos aus einer
gefhrlich faszinierenden USA-Fremde ideologisch
konform in seine sdtiroler Heimat zurckfndet, und
der Bewerbung eines US-amerikanischen Unterhaltungs-
flms kein qualitativer Unterschied gemacht wird: beide
Filme werden gleichrangig mit einem mittig positionier-
ten Starfoto beworben, dessen Sonderstellung durch den
in Grobuchstaben hinzugefgten Namen der Knstler
zustzlich unterstrichen wird. Er ist fr Marlene Dietrich
(um die das NS-Kino damals noch intensiv warb) sogar
Abb.2:VerteilungaufdieStadtteileder
imHAinserierendenKinos.
135 Kinoffentlichkeit III
grer als fr Luis Trenker, wobei sich der Kontrast zwi-
schen den beiden Star-Ikonen auch darin zeigt, dass Luis
Trenker gerade und aufrecht in die (im HT vom heimat-
lichen Hintergrund aufgehellte) Zukunft blickt, whrend
Marlene Dietrich (deren Wandlung von der unschuldig-
naiven deutschen Frstentochter zur erotisch attraktiven
grorussischen Zarin dem zeitgenssischen Zuschauer
schon einiges zumutet) in die normverletzende Schrg-
lage einer ausgesprochen mondn auftretenden femme
fatale versetzt wird.
Hinzu kommen Unterschiede in der jeweiligen Gestal-
tung der Anzeigen in beiden Zeitungen. Beginnen wir
mit den Anzeigen fr den VERLORENEN SOHN, so fllt auf,
dass im HT der Blick des Betrachters zuerst auf den wei
und gro vor einen schwarzen Hintergrund platzierten
Namen des Kinos ,Schauburg gelenkt wird; erst danach
folgen, untereinander positioniert, die Abbildung des
Stars (mit heimatlichem Hintergrund!), der fett gesetz-
te Filmtitel sowie der Name Luis Trenker. Im HF wird
der Held vor einer modernen Wolkenkratzer-Skyline
Abb.3:HT,20.9.1934,Do,Nr.260,S.12(links)HF,20.9.1934,Do,Nr.260,S.10und11(rechts).
136 Bierbrauer, Budiner, Segeberg
prsentiert, wozu in einem Text daneben auf ,Hunger,
Gefahren und Versuchungen' der Grostadt hingewiesen
ist (woraus der Leser wohl entnehmen soll, dass die in
der Anzeige erwhnte Verleihung des ,hchsten [Film-]
Prdikats' auf das ,packend gestaltete Erlebnis' dieser
mit den USA gleichgesetzten Grostadt zurckzufhren
ist). Blicken wir als nchstes auf die Anzeigen fr DIE
GROSSE ZARIN, so fhrt die im HT gegenber dem HF
deutlich verschlankte Inseratsform dazu, dass ausgerech-
net in diesem nationalsozialistischen Blatt die visuelle
Schrglage einer ideologisch gesehen eher unvertrgli-
chen femme fatale-Zarin besonders stark hervortritt. Sol-
che Unterschiede in der Positionierung von Schrift- und
Bildanteilen lassen vermuten, dass Zeitungen auch noch
im Jahr 1934 einen gewissen Spielraum im Arrangement
der vom Verleih und/oder vom Kino vorgegebenen An-
zeigenanteile hatten.
Damit kann weiter das jeweils unterschiedliche Aus-
ma erklrt werden, mit dem in Premierenanzeigen auf
Prdikatisierungen hingewiesen wird (mit ihnen waren
erhebliche Steuervorteile verbunden). So vermerkt das
HF, wie bereits erwhnt, mit Nachdruck, dass DER VER-
LORENE SOHN das damals hchste Prdikat ,knstlerisch
und besonders wertvoll' erreichte, whrend der Film DIE
GROSSE ZARIN immerhin die Auszeichnung ,knstlerisch
wertvoll' erlangen konnte.
10
Wie folgenreich die Anfang
1934 neu geordneten Prdikatsverleihungen fr die ge-
genseitige Durchmischung von Propaganda- und Unter-
haltungsanboten wurden, lsst sich daran erkennen, dass
1933 mit dem Verweis auf diese Auszeichnung ein mani-
fester Propagandaflm wie HITLERJUNGE QUEX beworben
wurde, jetzt aber die Werbung fr die Bauern-Komdie
KRACH UM JOLANTHE bis hin zum nationalsozialistischen
HT das Prdikat ,knstlerisch und besonders wertvoll'
hervorhob sowie fr das historische Greta-Garbo-Melo-
dram KNIGIN CHRISTINE das Prdikat ,knstlerisch wert-
voll' erwhnte.
11
Der seit September 1934 von der Reichsflmkammer
beschlossene ,Kulturflmzwang, der zusammen mit der
Wochenschau das seit Herbst 1933 verbotene sog. Zwei-
Schlager-Programm endgltig verdrngen sollte, macht
sich dagegen in den Kinoanzeigen kaum bemerkbar. Dies
liegt offenkundig daran, dass auf Beiprogramme generell
nur mit kleineren, die Anzeige abschlieenden Hinwei-
sen wie ,das hervorragende Beiprogramm', ,das gln-
zende Beiprogramm' oder ,Fox tnende Wochenschau'
eingegangen wird, wobei bestimmte Kulturflme in aller
Regel nicht erwhnt werden.
12
In einigen Sammel- und
Kleinanzeigen fallen Hinweise auf das Beiprogramm
dagegen dann auf, wenn im HA in grerer Schrift ein
Filmbericht ber den Hitler-Besuch in Hamburg am
3.9.1934 im Elite-Theater Altona als Beigabe zu der
Operettenverflmung GERN HAB ICH DIE FRAU`N GEKSST
angekndigt wird.
Diese Zurckhaltung in Sachen Kulturflm ist bemer-
kenswert vor allem dann, wenn man beachtet, wie pro-
minent nach wie vor das aus einem Variet-Programm
zusammengestellte Beiprogramm im Ufa-Palast bewor-
ben wird. Das sieht aus Anlass des fnfjhrigen Kino-Ju-
bilums bei der Premiere des Films PRINZESSIN TURANDOT
in Anwesenheit von Willy Fritsch zum Beispiel so aus:
Abb.4:JubilumsanzeigedesUfaPalastes,
HA,15.12.1934,Nr.293,S.32.
137 Kinoffentlichkeit III
2.2. Programmangebote in der Tagespresse
Die Kinoanzeigen in der Tagespresse des Jahres 1934
prsentieren, noch ausgeprgter als dies im Jahr 1933
der Fall war, die fr ein populres Kino charakteristische
Heterogenitt und Vielfalt eines Gesamt-Programms, in
dem fr jeden Konsumenten das seinem Geschmack ent-
sprechende Angebot bereit liegen sollte. Um dies zu er-
reichen, werden in den Hamburger Tages-Zeitungen mit
Spielflmen, Dokumentarflmen, Kulturflmen und Wo-
chenschauen sowie Hinweisen auf Bhnenshows nahezu
alle denkbaren Gattungen beworben; hinzu kommt in der
Gattung ,Spielflm eine Genrevielfalt, die dem Kino-
gnger ein uerst vielseitiges Programm aus Komdien,
Liebesflmen und Melodramen, Musik-, Operetten- und
Historienflmen, Heimat- und Propagandaflmen anbie-
tet. In der folgenden Tabelle haben wir fr den von uns
ausgewhlten Auswertungszeitraum der kinointensiven
Monate September bis Dezember 1934 alle im HA er-
schienenen Kinoanzeigen erfasst, aus den dort angezeig-
ten Auffhrungen von Filmen die Anzahl der Inserierun-
gen pro Kino ausgezhlt und die daraus sich ergebende
Hufgkeit von Inserierungen quantitativ ermittelt. Die
daraus resultierende Rangfolge von Film-Inserierungen
pro Kino wird, zusammen mit der jeweils ersten und letz-
ten der von uns ausgezhlten Nennung, in der umseitig
dokumentierten Liste wiedergegeben (Abb. 5).
Bei der Bewertung der dazu aufgelisteten Daten ist zu
bedenken, dass es sich hier in der Regel nicht um abso-
lute, sondern um relationale Daten handelt. Das heit mit
anderen Worten, dass diese Daten Hufgkeiten von Inse-
rierungen von Filmen pro Kino fr den Zeitraum doku-
mentieren, fr den sie ermittelt wurden. Darber hinaus
gehende Stichproben haben wir nur dort vorgenommen,
wo wir sicherstellen wollten, dass sich in den Zeitrumen
vor und nach unserem Auswertungszeitraum keine zu
den von uns ermittelten Tendenzen gegenlufgen Ent-
wicklungen abzeichnen.
So ist zum Beispiel davon auszugehen, dass unter den
Filmen mit der Letztnennung zum 31.12.1934 die Filme,
die wir zu unseren ,Top Ten (wozu wir noch den elf-
ten Platz zhlen) zhlen, noch in den ersten Monaten des
Jahres 1935 fr Bezirks- und Nachauffhrungstheater
angezeigt wurden, whrend Filme, die bei uns (bis zur
Zif. 21) relativ gute Mittelpltze belegen, mit ihrer Ki-
noauswertung fast vollstndig in den von uns ermittelten
Auswertungszeitraum fallen (hier kann man insofern von
absoluten Zahlen sprechen). Das gleiche gilt fr Filme
mit Nennungen von 15 und weniger dann, wenn die letz-
te Nennung vor dem 31.12.1934 liegt; wo dies nicht der
Fall war, haben wir bei Bedarf gleichfalls Stichproben
vorgenommen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die
quantitative Hierarchie der zwischen dem 1.9. und dem
31.12.1934 im HA inserierten Filmen wie in Abb. 5 dar
(nchste Doppelseite).
Was aus dieser Liste sofort herausragt, das sind die alle
andere Filme deklassierenden 91 Nennungen fr den
Film-Schwank KRACH UM JOLANTHE. Dieser heute so gut
wie vergessene Film wurde von Goebbels anlsslich sei-
ner Urauffhrung in Berlin als ,urkomische Bauernko-
mdie' gefeiert
13
, am 1. September 1934 im Ufa-Palast
in Anwesenheit der Hauptdarsteller Marianne Hoppe
und Olaf Bach fr Hamburg erstaufgefhrt und mit dem
hchsten Prdikat ,knstlerisch, besonders wertvoll'
ausgezeichnet. Seine Erfolgs-Karriere in Bezirks- und
Nachspieltheatern setzt sich in Hamburg bis in die er-
sten Monate des Jahres 1935 fort und dokumentiert da-
mit eine Popularitt, die dann erklrbar wird, wenn man
unterstellt, dass der derb-realistische Sprachgestus dieses
Films eine Volkstmlichkeit vorwegnimmt, gegen die
noch angesichts der 1960er Fernsehereignisse aus dem
Hamburger Ohnsorg-Theater oder dem bayrischen Ko-
mdienstadl der Einwand Brechts ,das Volk/ ist nicht
tmlich' kaum etwas ausrichten konnte.
14
Umso mehr
besteht Anlass dazu, sich genauer zu fragen, warum und
worin gerade dieser von der Filmgeschichte ignorierte
Film eine Aufgabe erfllt hat, zu der ein Harald Schmidt,
als er noch wirklich zynisch war, regimebergreifend be-
merkte, ,erst ein Volk, in dem sich nicht zehn Millionen
den Musikantenstadl anschauen, ist unregierbar.'
15
Erst auf den in dieser Hinsicht sicherlich zu Unrecht
vergessenen Spitzenreiter des Jahres 1934 folgt mit 75
Nennungen der sterreichische Musikflm MASKERADE,
der am 16. September, ebenfalls im Ufa-Palast, seine
norddeutsche Erstauffhrung feierte; dieser Willi Forst-
Film, der in Wien produziert, aber in Berlin uraufgefhrt
wurde (weshalb er in Anzeigen und Besprechungen als
deutscher Film gefhrt wird) erhielt im HA auffllig ge-
staltete Premierenanzeigen mit Ausschnitten aus Bespre-
chungen, in denen der Film als ein ,Sittengemlde aus
dem Wien der Jahrhundertwende'
16
und als ,schauspie-
lerisch, regielich und rein knstlerisch bester Film dreier
138 Bierbrauer, Budiner, Segeberg
Abb.5a:ListederinseriertenFilmeimUntersuchungszeitraum,ErgebnisseausdemHA.
Angekndigter Film Genre Erste
Nennung
Letzte Nen-
nung
Huhgkeit der
Inserierung
1. Krach um Jolanthe Komdie 03. Sep 34 31. Dez 34 91
2. Maskerad Liebesflm 13. Sep 34 31. Dez 34 75
3. Die Csardasfrstin Operettenverflmung 06. Sep 34 24. Dez 34 52
4a. Die groe Zarin Melodram / Historienflm 13. Sep 34 31. Dez 34 49
4b. Charleys Tante Komdie 01. Okt 34 31. Dez 34 49
5. Knigin Christine Melodram / Historienflm 25. Okt 34 31. Dez 34 48
6. So endete eine Liebe Melodram / Historienflm 15. Nov 34 31. Dez 34 37
7. Ein Mann will nach Deutschland Propagandaflm 06. Sep 34 31. Dez 34 36
8. Schlo Hubertus Heimatflm 03. Sep 34 13. Dez 34 33
9. Die Insel Melodram 01. Okt 34 20. Dez 34 32
10a. Ein Walzer fr dich Lustspiel 17. Sep 34 31. Dez 34 29
10b. Der verlorene Sohn nationaler Heimatflm 20. Sep 34 13. Dez 34 29
10c. Die englische Heirat Komdie 05. Nov 34 27. Dez 34 29
11a. Abschiedswalzer Melodram 18. Okt 34 31. Dez 34 28
11b. Frst Woronzeff Komdie 15. Okt 34 31. Dez 34 28
12. Klein Dorrit Liebesflm 03. Sep 34 20. Dez 34 27
13. Frasquita Operettenverflmung 01. Okt 34 27. Dez 34 26
14a. Liebe dumme Mama Komdie 06. Sep 34 19. Nov 34 25
14b. Der khne Schwimmer Komdie 03. Sep 34 27. Dez 34 25
14c. ... heute Abend bei mir Komdie 04. Okt 34 27. Dez 34 25
14d. Da stimmt was nicht Komdie 11. Okt 34 31. Dez 34 25
15a. Schwarzer Jger Johanna Historienflm 06. Sep 34 10. Dez 34 23
15b. Die Reiter von Deutsch-Ostafrika nationaler Film 18. Okt 34 24. Dez 34 23
15c. Musik im Blut Musikflm 03. Sep 34 27. Dez 34 23
16a. Die Sporck`schen Jger Heimatflm 01. Okt 34 17. Dez 34 21
16b. Der junge Baron Neuhaus Musikflm / Komdie 01. Nov 34 31. Dez 34 21
17a. Spiel mit dem Feuer Komdie / Liebesflm 20. Sep 34 03. Dez 34 20
17b. Schn ist es, verliebt zu sein Liebesflm 03. Sep 34 24. Dez 34 20
17c. Herr Kobin geht auf Abenteuer Kriminalflm 11. Okt 34 27. Dez 34 20
17d. Eine Frau, die wei was sie will Musikflm / Komdie 04. Okt 34 31. Dez 34 20
18. Der Herr der Welt Science-Fiction 10. Sep 34 27. Dez 34 19
19a. Bei der blonden Kathrein Liebesflm / Heimatflm 03. Sep 34 27. Dez 34 18
19b. Frulein Liselott Komdie 13. Sep 34 20. Dez 34 18
20a. Abenteuer eines jungen Herrn in Polen Kriegsflm 19. Nov 34 31. Dez 34 17
20b. Ich tanze nur fr dich Musikflm 18. Okt 34 31. Dez 34 17
139 Kinoffentlichkeit III
Angekndigter Film Genre Erste
Nennung
Letzte
Nennung
Huhgkeit der
Inserierung
21a. Zigeunerblut Drama 10. Sep 34 29. Nov 34 16
21b. Ich sing mich in dein Herz hinein Musikflm 11. Okt 34 27. Dez 34 16
21c. Heinz im Mond Komdie 25. Okt 34 31. Dez 34 16
22. Polenblut Komdie 03. Dez 34 31. Dez 34 15
23. Lockvogel Kriminalflm 22. Nov 34 31. Dez 34 14
24. Der Fall Brenken Kriminalflm 03. Sep 34 31. Dez 34 13
25a. Der Schu am Nebelhorn Abenteuer- / Heimatflm 17. Sep 34 03. Dez 34 12
25b. Pat und Patachon schlagen sich durch Komdie 03. Dez 34 27. Dez 34 12
25c. Abenteuer im Sdexpress Liebes- / Kriminalflm 10. Sep 34 13. Dez 34 12
25d. Das Erbe in Pretoria Melodram 19. Nov 34 27. Dez 34 12
25e. Geschichten aus dem Wiener Wald Melodram 03. Dez 34 31. Dez 34 12
25f. Gern hab ich die Frauen gekt Operettenverflmung 03. Sep 34 17. Dez 34 12
25g. Die Frau im U-Boot Drama 06. Sep 34 31. Dez 34 12
26a. Der weie Adler Western / Amerika-Import 13. Sep 34 22. Nov 34 11
26b. Die Privatsekretrin heiratet Komdie 03. Sep 34 17. Dez 34 11
26c. La Paloma Drama 17. Dez 34 31. Dez 34 11
27a. Eine Siebzehnjhrige Liebesflm 13. Dez 34 31. Dez 34 10
27b. Mit dir durch dick und dnn Liebesflm 06. Sep 34 13. Dez 34 10
28a. Pechmarie Komdie 26. Nov 34 31. Dez 34 9
28b. Bolero Drama 03. Sep 34 24. Dez 34 9
29a. Die vertauschte Braut Komdie 13. Sep 34 10. Dez 34 8
29b. Die Tchter ihrer Exzellenz Komdie 13. Sep 34 29. Okt 34 8
29c. Die Somme Kriegsflm 01. Nov 34 27. Dez 34 8
29d. Der Schrecken vom Heidekrug Heimatflm 03. Sep 34 03. Dez 34 8
29e. Cleopatra Abenteuer- / Historienflm 20. Dez 34 31. Dez 34 8
29f. Ich fr Dich - Du fr mich Propagandaflm 29. Nov 34 10. Dez 34 8
29g. Hafen Annie Komdie / Drama 03. Sep 34 13. Dez 34 8
29h. Die groe Chance Liebesflm / Technikflm 06. Sep 34 29. Nov 34 8
30a. Was bin ich ohne dich Musikflm 13. Sep 34 29. Okt 34 7
30b. La Bataille Kriegsflm / franz.-engl.
Produktion
10. Sep 34 17. Dez 34 7
30c. Mein Herz ruft nach dir Musikflm 03. Sep 34 25. Okt 34 7
30d. Liebeslied der Wste Abenteuerflm / Drama /
Amerika-Import
03. Sep 34 17. Dez 34 7
30e. Die beiden Seehunde Komdie 20. Dez 34 31. Dez 34 7
Abb.5b:ListederinseriertenFilmeimUntersuchungszeitraum,ErgebnisseausdemHA(Fortsetzung).
140 Bierbrauer, Budiner, Segeberg
Abb.6:IdentischeAnzeigeimHA,HFundHTvom29.11.1934
WanderungdesFilmsICHFRDICHDUFRMICHdurchdieKinos,
ErgebnisseausdemHA.
!
Kino Anlaufdatum im
Kino
Schauburg am Millerntor /
St. Pauli
30.11.1934
Schauburg Nord 30.11.1934
Central-Theater 30.11.1934
Schauburg Barmbek 04.12.1934
Schauburg am Millerntor /
St. Pauli
04.12.1934
Schauburg Hamm 11.12.1934
Schauburg am Hauptbahn-
hof
11.12.1934
Schauburg Uhlenhorst 11.12.1934
vergangener Jahre' gelobt wurde.
17
Weiter ist hinzuwei-
sen auf den bereits erwhnten Amerika-Import DIE GRO-
SSE ZARIN, der es auf insgesamt 49 Nennungen in Anzei-
gen brachte, sowie den US-Import KNIGIN CHRISTINE (d.
i. QUEEN CHRISTINA), der in Hamburg am 2. November
Premiere hatte und danach mit gleichfalls 49 Nennun-
gen in die Spitzengruppe der ersten Zehn gelangte. Nicht
zu vergessen die Geschlechter-Verwechslungskomdie
CHARLEYS TANTE (49 Nennungen), von deren Attraktivi-
tt im deutschen Film Remakes von 1955 (H. Rhmann)
und 1963 (mit Peter Alexander) Zeugnis ablegen, oder
(mit 37 Nennungen) der melodramatische Geschichts-
flm SO ENDETE EINE LIEBE ber Liebesverzicht und po-
litisch motivierte Verheiratung der sterreichischen Erz-
herzogin Marie-Luise mit Napoleon.
Es ist dieses Umfeld, in dem es nicht nur dem nationalen
Heimatflm DER VERLORENE SOHN, sondern auch einem
Propagandaflm wie EIN MANN WILL NACH DEUTSCHLAND
mit Erfolg gelingt, mit dem siebten Platz einen der Spit-
zenpltze unter allen aufgelisteten Filmen zu belegen.
Dies wurde sicherlich dadurch gefrdert, dass man die-
sen Film, in dem ein in Sdamerika lebender deutscher
Ingenieur (zusammen mit einem mindestens ebenso deut-
schen Werkmeister) bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs
zum Kriegseinsatz nach Deutschland will, durchaus auch
als einen ,patriotischen Abenteuerflm' noch ohne Vl-
kerhass und Rassenwahn sehen konnte.
18
Hinzu kommt,
dass sich dieser Film als einer der ersten Propagandafl-
me offenkundig mit Erfolg darum bemht, mit dem
fr einen Kriegseinsatz unvermeidlichen Liebesverzicht
melodramatische Akzente zu setzen, und damit auch bei
jenem Teil des Publikums ressierte, der auch im Politi-
schen das Unterhaltende sucht. Was anders gesagt bedeu-
tet, dass im Jahr 1934 politische Filme inmitten eines von
Unterhaltungsangeboten dominierten Programmangebots
dann Erfolg hatten, wenn sie, wie bereits das Beispiel des
ideologisch aufgersteten Luis Trenker-Heimatflms DER
VERLORENE SOHN zeigt, nicht die Differenz, sondern die
Nhe zum Unterhaltungskino suchten.
Wie unverzichtbar eine solche Anpassung ist, kann das
Schicksal des als Auftragsflm der Reichspropaganda-
Abteilung der NSDAP ausgewiesenen Arbeitsdienst-
Werbeflms ICH FR DICH - DU FR MICH deutlich machen.
Er hatte am 30.11.1934 in Hamburg Premiere und konnte
damit erst sehr viel spter als die bereits im September
nach Hamburg gekommenen Filme um die Aufmerksam-
141 Kinoffentlichkeit III
37 Nennungen unter die zehn erfolgreichsten Filme des
Auswertungszeitraums zu gelangen, sind fr ICH FR DICH
- DU FR MICH im Jahr 1934 nicht mehr als acht Inserie-
rungen nachweisbar. Auch eine knapp einwchige Lauf-
zeit Ende Januar 1935 in der Urania Kulturflmbhne
19

und Nachauffhrungen in einigen Stadtteilkinos
20
konn-
ten dem Erfolg eines Films nicht aufhelfen, von dem so-
gar seine Befrworter meinten, dass er nicht fr das ki-
noverwhnte Grostadt-Publikum gedacht war, sondern
,bewusst in den Wohnvierteln starten (sollte), wo wir auf
die echteste Kritik stoen, auf das gesundeste, kritische
Empfnden.'
21

keit des Publikums werben. Mindestens ebenso sehr fllt
aber auch auf, dass dieser Film, anders als der am 16. No-
vember angelaufene Historienflm SO ENDETE EINE LIEBE
(mit Paula Wessely), eben nicht in der Lage war, in einer
hnlich knappen Zeitspanne einen mit dem Wessely-Me-
lodram vergleichbaren Spitzenplatz zu belegen, und dies,
obwohl fr die Regie mit Carl Froelich der Regisseur
des Kassenschlagers KRACH UM JOLANTHE verantwortlich
zeichnet. Aber whrend es dem am 16.11. erstaufgefhr-
ten Film SO ENDETE EINE LIEBE mit seiner Mixtur aus Po-
pulargeschichte und melodramatischer Liebesgeschichte
gelang, in einem vergleichbar krzeren Zeitraum mit
Kino Datum der Inserierung
Ufa-Palast 03. Sep 34
Harvestehuder Lichtspiele 20. Sep 34
Millerntor Theater 20. Sep 34
Mundsburg Theater 20. Sep 34
Central Theater 01. Okt 34
Emelka Palast 01. Okt 34
Kammer Lichtspiele 01. Okt 34
Knopfs Lichtspiele 01. Okt 34
Capitol Lichtspiele 04. Okt 34
Kursaal Lichtspiele 04. Okt 34
Ottenser Lichtspiele 04. Okt 34
Europa-Palast 08. Okt 34
Hanse Lichtspiele 11. Okt 34
Harmonie Lichtspiele 11. Okt 34
Colosseum 11. Okt 34
Tivoli Theater 11. Okt 34
Primus Palast 11. Okt 34
Germania Palast 11. Okt 34
Rialto Theater 11. Okt 34
Theater am Nobistor 11. Okt 34
Viktoria Lichtspiele 15. Okt 34
Reform Kino 18. Okt 34
Tivoli Lichtspiele 25. Okt 34
Alster Lichtspiele 25. Okt 34
Welt Lichtspiele 01. Nov 34
Alstertal Lichtspiele 01. Nov 34
Merkur Theater 01. Nov 34
Reichstheater 01. Nov 34
Odeum 05. Nov 34
Urania Theater 05. Nov 34
Reichstheater 05. Nov 34
Zoll Lichtspiele 08. Nov 34
Walhalla Lichtspiele 08. Nov 34
Scala Lichtspiele 08. Nov 34
UT / Union Theater 15. Nov 34
Atrium 15. Nov 34
Mhlenkamp Lichtspiele 15. Nov 34
Viktoria Theater 15. Nov 34
Union-Theater, St. Pauli 22. Nov 34
Derby Lichtspiele 22. Nov 34
Kino Palast 22. Nov 34
Deutsche Lichtspiele 26. Nov 34
Metro Palast 29. Nov 34
Astra Theater 10. Dez 34
Urania 20. Dez 34
Hammer Lichtspiele/Reichs Kino 27. Dez 34
Alt-Heidelberg 27. Dez 34
Abb.7:WanderungdesFilmsKRACHUMJOLANTHEdurchdieHamburgerKinos,ErgebnisseausdemHA.
142 Bierbrauer, Budiner, Segeberg
Zudem wurde fr die ,Welt-Urauffhrung' dieses Films
nicht mit unterschiedlich aufgemachten Anzeigen, son-
dern mit einer in HA, HF und HT identischen Einzel-
anzeige geworben; auf ihr war, neben dem Hinweis auf
Carl Froelich, hier dem ,Regisseur von ,Mdchen in
Uniform', vermerkt, dass diese Premiere nicht in An-
wesenheit von mehr oder weniger berhmten Filmstars
stattfand, sondern von einem Oberregierungsrat ,mit
einleitenden Worten' erffnet werden sollte - vielleicht
nicht gerade das, was ein auf Unterhaltung erpichtes Pu-
blikum von einer Filmpremiere erwartet (Abb. 6).
Ein geradezu zynisches Licht auf die flmpolitischen
Kontexte wirft es, dass dieser in ideologischer Direkt-
heit kaum zu bertreffende NS-Film in der Schauburg St.
Pauli, Schauburg Nord und dem Central Theater (alles
Kinos, die bis zum Sommer 1933 vom ,jdischen Hen-
schel-Konzern betrieben wurden) seine Welt-Urauffh-
rung erlebte.
Vor dem Hintergrund der von uns ermittelten Daten zum
Programmangebot des Jahres 1934 in den Hamburger
Kinos erscheint es abschlieend als sinnvoll, die ,Wan-
derung kommerziell erfolgreicher Filme anhand des
weit an der Spitze stehenden Kassenschlagers KRACH UM
JOLANTHE zu veranschaulichen. Als Ergebnis zeigt sich,
dass ein Film, dessen kommerzielles Profl eine mg-
lichst vollstndige Auswertung in allen Kinoklassen nahe
legt, auch im Jahr 1934 nach einer zwei- bis dreiwchi-
gen Prsenz in den Hamburger Ur- und Erstauffhrungs-
kinos zuerst in jenen weiteren Kinos zu sehen war, die
zu den die Erstauffhrungskinos betreibenden Konzerne
gehrten, und dann nach etwa einem Monat in die Pro-
gramme der Bezirks- und Nachspieltheater gelangten.
Die dem Jahr 1933 sehr hnlichen Daten weist Abb. 7 im
einzelnen aus.
Aus der Auswertung (wofr die erste Anzeige pro Kino
herangezogen wurde) geht hervor, dass der Film erstmals
am 3. September auf den Inseratsseiten erschien, wobei
die erste Ankndigung vermutlich vor der Hamburger
Premiere im Ufa-Palast am 1. September erfolgte und da-
mit in unserem Auswertungszeitraum noch nicht erfasst
ist. Knapp drei Wochen lief der Film in drei weiteren Ki-
nos des Ufa-Grokonzerns und wanderte schlielich ab
Oktober 1934 durch insgesamt 42 weitere Kinos, so dass
er bis Dezember 1934 in nahezu der Hlfte der 90 im
Groraum Hamburg ansssigen Kinos zu sehen war
3. Reexionsffentlichkeit in der Hamburger Ta-
gespresse
Worum es geht
Unter Refexionsffentlichkeit verstehen wir, wie schon
zum Jahr 1933, auch zum Jahr 1934 die Gesamtheit aller
Nachrichten, Besprechungen und Kritiken, in denen in
der Hamburger Tagespresse ber Kino und Film infor-
miert, kommentiert, diskutiert und geurteilt wurde. Dabei
liegt es angesichts der im Jahr 1934 endgltig ,gleichge-
schalteten oder (wenn man so will) ,gelenkten Kultur-
und Filmpolitik nahe, davon auszugehen, dass alle die,
die hier ttig waren, den Blick auf kommerziell und/oder
sthetisch attraktive Filme mit dem Blick auf die nun-
mehr endgltig defnierten, ideologischen Rahmenvorga-
ben fr die Film- und Kinopolitik des Dritten Reichs zu
verknpfen hatten.
Um darzulegen, was aus der Kombination dieser beiden
Blickrichtungen entsteht, werden wir im folgenden so
vorgehen, dass wir als erstes eine in ideologischen wie
sthetischen Fragen relativ prominente Hamburger Stim-
me befragen, um danach zu sehen, wie in den Refexions-
ffentlichkeiten der von uns ausgewerteten Zeitungen mit
den entsprechenden Forderungen umgangen wird. Wobei
wir, wie im Artikel zum Jahr 1933, auch weiterhin da-
von ausgehen, dass die ganz unzweifelhaft vom Berliner
Reichsministerium fr Volksaufklrung und Propaganda
aus gelenkte nationalsozialistische Presse nicht Unifor-
mitt, sondern Variett in der Uniformitt gewhrleisten
sollte.
22
Auf beides wre dementsprechend auch in den
Artikeln, Besprechungen und Nachrichten zur Hambur-
ger Refexionsffentlichkeit zu achten.
Zu den fr sie geltenden Rahmenvorgaben hat Wer-
ner Kark, berzeugter Nationalsozialist, Mitglied in
der ,Schriftleitung des Hamburger Tageblatt und sp-
ter Vorstandsvorsitzender eines avanciert auftretenden
,Filmklubs Hamburg 1937'
23
, im Hamburger Tageblatt
von 29.12.1934 in einem ausfhrlichen Bericht ber ,das
Ende des zweiten Jahres deutscher Filmarbeit' geschrie-
ben, dass der deutsche Film ,im neuen Staat' einen Weg
zurckgelegt habe, ,der erfllt war von rastloser Arbeit
hchster amtlicher Stellen am deutschen Film, auf den
immer wieder die Mahnworte eines Ministers felen, der
beseelt war von tiefer, ernster Liebe zum Film. Auf die-
143 Kinoffentlichkeit III
sem Weg aber bewegte sich der Tro einer Industrie, die
eben erst aus den Fngen einer internationalen Clique ge-
lst wurde und noch blind vom hellen Schein des jungen
Morgens sich tastend vorwrtsbewegte.'
24

Zu diesem tastenden Neubeginn gehrt offenkundig, so
der Artikel weiter, dass die Filmindustrie sich nicht nur
zu einseitig an eigentlich unflmischen Roman- und Thea-
tervorlagen abgearbeitet habe, sondern auch, oder besser:
vor allem ,den unseligen Fehler [machte], die Handlung
mglichst schmiegsam um den Star zu legen'.
25
Vor die-
sem Hintergrund kann es nicht berraschen, dass der in
der Prsentationsffentlichkeit eher durchgefallene Film
ICH FR DICH - DU FR MICH jetzt deshalb als ,der erste,
grte und strkste der neuen Produktion' gilt, weil er
mit diesem Star-Prinzip gebrochen habe und daher ,ener-
gisch gegen die Wnsche der Industrie durchgesetzt'
werden musste; schlielich spielten in ihm nicht die
Stars der Industrie, sondern ,blutvolle Menschen aus
dem Alltag' die Hauptrollen.
26
Auch wenn Kark zu den
Filmen des Jahres, die sich durch ,die Sauberkeit der
Gesinnung' auszeichnen, den gleichfalls vom Regisseur
Froelich zu verantwortenden Kassenschlager KRACH UM
JOLANTHE zhlt, so lsst sein Artikel doch keinen Zweifel
daran, dass ein nationalsozialistischer Cineast sich nicht
mit einer Entwicklung abzufnden bereit ist, in der ,auch
an Spitzenflmen bestenfalls gute, hochwertige Unterhal-
tung' vorkomme; ,der kmpfende, heroische Mensch'
knne so nicht ,Mittelpunkt und Ziel des deutschen
Filmschaffens' werden, sondern bleibe in das (wie auch
Kark konzedieren muss) vor allem die eigenen Anhn-
ger inspirierende Film-,Bekenntnis' des Reichsarbeits-
dienst-Films ICH FR DICH - DU FR MICH abgedrngt.
27

Die Frage, wie sich die Filmkritik zu dem damit offenkun-
dig auch im Jahr 1934 noch lngst nicht berwundenen
Widerspruch zwischen kommerzieller Popularitt und
ideologischer Konformitt verhlt, lsst sich als eine der
Leitfragen bestimmen, an der sich die groen Hamburger
Tageszeitungen in ihren jeweiligen Reexionsffentlich-
keiten mehr oder weniger deutlich erkennbar abarbeiten
- allerdings, wie gesagt, keineswegs einheitlich, sondern
mit durchaus unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen.
Auf sie wollen wir im folgenden besonders achten.
Abb.8:BerichtzurHamburgerPremierevonKRACHUMJOLANTHE,Filmkurier,1.9.1934.
144 Bierbrauer, Budiner, Segeberg
Unterhaltung als Unterhaltung ~ Der Hamburger An-
zeiger
Der aufagenstarke und ebenso kinoextensive wie kinoin-
tensive Hamburger Anzeiger whlt dazu, gewissermaen
dem ,Tro der Industrie folgend, berraschend klar den
Weg, an der Unterhaltung vor allem die Unterhaltung
herauszustellen und sich von hieraus, mehr oder weniger
vermittelt, den unverrckbaren Vorgaben aus ,Ideologie
und ,Propaganda anzunhern. Ein solches Vorgehen be-
deutet, in Einzelbesprechungen, in der Rubrik Neues vom
Film und in der regelmig samstags ganzseitig ausge-
druckten Rubrik Filme der Woche ber die Entwicklung
von Kino und Film in ihrer ganzen Breite und Vielfalt mit
Nachrichten, Artikeln und Besprechungen zu unterrich-
ten und zugleich in Grundsatz- und Leitartikeln die gegen
,den reinen Geschftsgeist' gerichteten Forderungen der
Reichsflmkammer ,nach einer niveauvollen deutschen
Filmproduktion' bekannt zu machen.
28

Fr diese Annahme einer unverkennbar ideologisch ge-
rahmten, aber keineswegs (um ein Lieblingswort der Zeit
zu gebrauchen) ,total durchformten Refexionsffent-
lichkeit spricht, dass der HA in seinen Filmbesprechun-
gen eine sehr heterogene Auswahl aus diversen Genres
und Gattungen darbietet, in dieser Vielfalt deutsche und
auslndische Filme gleichermaen bercksichtigt und
dabei bei deutschen wie amerikanischen Produktionen
nicht nach ideologischen Prferenzen, sondern nach
dem Gelingen oder Misslingen von Unterhaltung fragt.
Ein solches Misslingen von Unterhaltung liegt in deut-
schen Filmen dort vor, wo ein ,Mangel an flmischer
Konzentration'
29
oder ,unwahrscheinliche und gemachte
Konfikte', mit denen sich die Schauspieler ,vergeblich
Mhe' gaben, mit Nachdruck kritisiert werden.
30

Als gelungen gelten demgegenber Filme, bei denen der
Zuschauer schon aufgrund der Ankndigung wissen kn-
ne, dass ... HEUTE ABEND BEI MIR ,ein leichter, ein grazi-
ser und vergngter Sommerflm ist, dem man (Anfang
Oktober! H.S.) die Versptung nicht belnimmt', weil es
in ihm ,auf die Handlung nicht [ankommt]'
31
; oder: der
in unserer Besten-Liste gleichfalls auf einem Mittelplatz
liegende Film DA STIMMT WAS NICHT gefllt als ein ,net-
ter und hochdramatischer Knalleffekt' mit einer Adele
Sandrock, die ein aufgeplustertes mnnliches ,Nichts'
,mit einem sonoren Mnnerfuch [zerschmettert]', wo-
mit der Film, gewissermaen ein gleichermaen flmi-
sches ,Nichts ohne besonderen Anspruch, sich als ,ein
Konfektionsflm' prsentiert, von dem es heit, ,aber
das Publikum amsiert sich'
32
; hnlich ,locker und leicht
und luftig' und ,jenseits aller Schwere und doch nicht
Abb.9:HamburgerAnzeiger,4.10.1934,
Nr.232,2.Beilage,S.4.
145 Kinoffentlichkeit III
ohne tiefere Bedeutung, ohne seelische Hintergrnde,
ohne Nachdenklichkeiten' gibt sich der Film LIEBE DUM-
ME MAMA.
33
Und wenn in dem vergleichbar beschwing-
ten amerikanischen Musical ICH TANZE NUR FR DICH (d. i.
DANCING LADY 1933), das der HA als ,Joan Crawford-
Film' und damit unverblmt als Starflm anzeigt
34
, ,die
Synchronisation so gut war, als ob die Crawford und
Gable Deutsch zur Muttersprache htten', so steht einem
regimevertrglichen Lob dieser beiden, die ,sich lngst
in die erste Reihe der amerikanischen Filmknstler hin-
aufgespielt [haben]', nichts mehr im Wege. National wie
international dominiert in dieser Blickrichtung also ganz
das, was als locker und leicht daherkommende Konfek-
tionsware dem, wie eingangs erwhnt, ideologisch nicht
unbedenklichen Tatbestand der reinen Unterhaltung ge-
fhrlich nahe kommt, fr die Dauerexistenz einer rendi-
teorientierten ,Kulturware Film auch in den neuen flm-
politischen Kontexten aber offenkundig unverzichtbar
ist.
Wie sehr ein Zuwachs in darstellerischer Vertiefung die
eigentlich doch zu berwindende Ausrichtung am alle
anderen berragenden Star frdert, wird im HA dort
deutlich, wo Paula Wessely auch ins historische Melo-
dram SO ENDETE EINE LIEBE das im Theater erlernte ,Ge-
heimnis (ihrer) Begnadung' einbringt und damit ,alle
Mastbe und Vergleiche weg[wischt]',
35
oder zum noch
davor rangierenden US-Spitzenflm DIE GROSSE ZARIN
offenkundig einfach gesagt werden muss: ,Mit diesem
Film kam uns Marlene Dietrich zurck (!): reifer, gr-
er, schner, ganz hingegeben an eine Aufgabe von lok-
kendem Format, zugleich aber souverne Beherrscherin
dieses Spiels in allen seinen Zgen'.
36
Wobei der damit
ziemlich unverhohlen fr den erfolgreichen Starflm pl-
dierende Kritiker so tut, als ob ihm gar nicht bewusst
ist, dass er mit Josef von Sternberg einen in Hollywood
ttigen sterreichischen Regisseur mit jdischer Her-
kunft lobt, der damit eigentlich zu jener ,internationa-
len Clique' gezhlt werden msste, aus deren ,Fngen'
der nationalsozialistische Cineast Werner Kark (so sein
Grundsatzartikel) den deutschen Film doch befreien
wollte (oder sollte Sternberg, dem die Fhigkeit attestiert
wird, ,Stimmungen deutlich zu machen, als wren sie
Musik', mit solchen und anderen Lobsprchen, frei nach
dem Hermann Gring zugeschriebenen Motto ,Wer Jude
ist, bestimme ich', knstlerisch ,arisiert werden?). Das
dezidiert nationalsozialistische HT lobt, wie sich noch
zeigen wird, DIE GROSSE ZARIN gleichfalls, fgt dem in
einer Voraus-Kritik und in einer Premierenanzeige aber
den Stoseufzer hinzu ,Was knnte diese groe deutsche
Filmschauspielerin fr den deutschen Film bedeuten!
37
,
wenn sie nicht immer wieder (so die Premieren-Bespre-
chung) der berechnende ,Vamp' sein msse, ,den die
amerikanische Filmindustrie von ihr verlangte'.
38
Solche Akkulturationswnsche werden von ideolo-
gischen Kongruenzen erheblich erleichtert, und wie
sich die dazu erforderlichen Entsprechungen einstellen
knnen, zeigt sich, als im amerikanischen Fliegerflm
NACHTFLUG (d. i. NIGHT FLIGHT 1933) ein Schauspieler
als ,kraftvoller Willensmensch' einen ber alle Frau-
enrollen ,hervorragenden Mannestyp'
39
verkrpert und
der deutsche Schauspieler Paul Hartmann in der Jeanne
d`Arc-Adaption SCHWARZER JGER JOHANNA als preu-
isch-deutscher Freikorpsfhrer ,mit mnnlichem Ernst'
ber die mchtig aufspielende Freikorps-Amazone Ma-
rianne Hoppe herausragt.
40
Von hierher lsst sich dann
eine Brcke schlagen zu Luis Trenker-Filmen wie BERGE
IN FLAMMEN (1931) und DER REBELL (1933), an denen (so
Trenker selber) ,die heroische Soldatenliebe des Vertei-
digers der Heimat' herausrage
41
, oder zu DER VERLORENE
SOHN, dessen Erzhlung von der Suche nach dem Glck
in der groen Welt und der Heimkehr in die Heimat ein-
fach ,ans Herz [greift]'
42
und daher bis nach Skandina-
vien auf ein ,groes Interesse des Publikums' stoe.
43

Nimmt man den ,in den baltischen Staaten [...] mit gro-
artigem Erfolg' gezeigten ,Tonflm' FLCHTLINGE
44
, den
,in sterreich begeistert aufgenommenen' Weltkriegs-
flm STOSSTRUPP 1917
45
(die beide vor unserem Auswer-
tungszeitraum in die Kinos kamen), aber auch den von
der ,Sehnsucht nach einem groen Polen' getragenen
Chopin-Film ABSCHIEDSWALZER hinzu
46
, dann lsst man
sich anlsslich der Film-Biennale im Venedig des Jahres
1934 gerne versichern, der deutsche Filme knne schon
jetzt als ,Beherrscher des europischen Films' gelten.
47

Vor dem Hintergrund der damit sehr hoch gesteckten fl-
mischen Ansprche wird es unumgnglich, anlsslich ei-
nes - im nationalsozialistischen HT nachdrcklich gelob-
ten
48
Spielflms ber DAS ALTE RECHT in der ,Lebensauf-
fassung und Art des Landmannes' sehr viel reservierter
festzuhalten, ,dass man unbedingt dieses Thema wollte,
es aber leider zu schnell und nicht mit dem ganzen fei-
igen Bemhen vollendete'
49
. Oder berlegungen ber
die Schwierigkeiten von Kulturflmen anzustellen, die es
146 Bierbrauer, Budiner, Segeberg
einfach schwer htten, mit ihrer ,belehrenden und volks-
bildenden Aufgabe' vor einem Publikum zu bestehen,
das abends im Kino ,in erster Line unterhalten werden'
wolle.
50
Mindestens ebenso sehr fllt dann aber auch die
Entschlossenheit auf, mit der Filmbesprechungen in dem
ins untere Mittelfeld unserer Besten-Liste versetzten Ko-
lonialflm REITER VON DEUTSCH-OSTAFRIKA ,ein ergreifen-
des Bild seelischer Tapferkeit und Gre, ein Denkmal
der Kameradschaft und Liebe zu Deutschland' wahr-
nehmen wollen
51
oder sich mit einem entschlossenen
,Frderung! Mahnung! Vorbild!' ausgiebig in mehreren
Artikeln am regimekonform begeisterten Lob des ,ersten
nationalsozialistischen Groflms' ICH FR DICH - DU FR
MICH beteiligen
52
; in ihm habe nicht nur in einer zufllig
mit geflmten ,echten Hochzeitsszene ,die Wirklichkeit
dem Film wieder einmal einen Weg gewiesen'.
53

Dem fgen sich an Vorschau-Artikel zu Leni Riefenstahls
Dokumentarflm zum Nrnberger Reichsparteitag 1934,
in denen an der propagandistischen Herausforderung die
mediale Herausforderung herausgestellt wird. Dazu heit
es etwa, dieses ,monumentale Tonflmdokument' werde
,das wahre Gesicht des neuen Deutschland zeigen', und
darin ,nicht nur die Erinnerung derer, die Teilnehmer des
Reichsparteitages 1934 waren, wachrufen, sondern auch
alle anderen, die nicht dabei sein konnten, den ,Triumph
des Willens mit erleben lassen'; aber damit dieses ge-
linge, msse aus ,nahezu hunderttausend Meter Film'
,ein abendfllender Film' von ,nur dreitausend Metern'
herausgeschnitten werden - eine ,gewaltige Arbeit', an
der auch der Fhrer selbst (in einer Art von Director's
Cut) mitwirken werde.
54
Was man auch so ausdrcken
knnte, dass der neue Staat in diesem Film nicht einfach
nur bebildert werden soll, sondern erst als flmknst-
lerisch gestalteter Staat wirklich zu sich selbst fndet.
Weshalb auch jetzt am Propagandistischen das Mediale
interessiert.
Star-Kino, Amerika-Kritik und Backstage-Infos im
Hamburger Fremdenblatt
Wirft man von hier aus einen Blick auf das HF und damit
auf die Hamburger Tageszeitung mit der zweitgrten
Aufage und dem zweithchsten Aufkommen an Kino-
anzeigen, dann fllt in dem, was in den Rubriken Neue
Filme oder Neues vom Film ber Kino und Film berichtet
wird, die auffallend groe Rolle auf, die auch hier Dar-
stellern und Stars fr das Gelingen einer dramaturgisch
berzeugend inszenierten Unterhaltung zugeschrieben
wird. Gelobt wird dazu am Beispiel des ins proletarische
Milieu des Weimarer Arbeiter-Kinos zurckverlegten
Liebes-Films PECHMARIE (mit Jenny Jugo unter der Regie
des Bertolt Brecht-Mitarbeiters Erich Engel, der hier mit
dem an der musikalischen Gestaltung der 3-Groschen-
Oper beteiligten Theo Mackeben zusammenarbeitet) ein
,guter Dreiklang von Regie, Manuskript und schauspie-
lerischer Leistung'
55
; am (in unserer Auswertung im un-
teren Mittelfeld platzierten) Film SCHN IST ES VERLIEBT ZU
SEIN gefllt eine Filmmusik, die nicht unwesentlich zum
Gelingen des ,sonnigen Ensemblespiels' beitrgt
56
, und
der sicherlich nicht zur Elite der Filmkunst zu zhlen-
de, gleichfalls mittelplatzierte Film LIEBE DUMME MAMA
kann doch als ,das amsante Tonflmlustspiel mit der
fabelhaften Besetzung' gelten.
57
Das ,Publikums-Prdi-
kat' fr solche und andere Filme, die auch hier fr ein
in ideologischen Kontexten offenkundig unverzichtbares
Konfektionskino stehen, lautet zu Recht, so jedenfalls
das HF, ,unterhaltend, amsant, viel zu lachen'.
58

Zur herausragenden Rolle des auch hier nahezu unstatt-
haft hervorgehobenen Starprinzips heit es in einer Film-
besprechung ber die (bis ins vordere Mittelfeld unserer
Besten-Liste gelangende) Komdie KLEIN DORRIT, der
Verflmung eines gleichnamigen Dickens-Romans: ,Die-
ser Film ist Anny Ondra. So stark der schauspielerische
und knstlerische Einsatz ihrer Umwelt ist, so unbeding-
ter Mittelpunkt bleibt diese Frau, die hier endlich die gro-
e Rolle bekommen hat, die wir ihr seit Jahren wnsch-
ten.'
59
Als ,Frau Schmeling-Ondra' knne sie zudem, so
ein Bericht zu den Dreharbeiten fr EIN JUNGES MDCHEN
- EIN JUNGER MANN, die Popularitt eines zu dieser Zeit
um Weltmeister-Titel kmpfenden Boxers, ihres spteren
Ehemanns Max Schmeling einbringen.
60
Damit gehren
die bereits im Jahr 1933 gegen die Verurteilung des Star-
flms mit Anna Ondra beworbenen Filme auch jetzt zu
den Filmen, die im Gegensatz zur ,Dutzendware' nicht
in den blichen Klischees von ,Filmgrafen und Mond-
schlssern' stecken bleiben, sondern in einer Mischung
aus Alltag und Romantik das ,entzckende Erlebnis' ei-
nes Unterhaltungsflms mit ,Scharm (!), Witz und opti-
schem Schwung' gewhrleisten.
61
Etwas skeptischer als der HA urteilt das Blatt darber,
welche Rolle die in Deutschland gezeigten amerikani-
147 Kinoffentlichkeit III
schen Filme in diesem Zusammenhang spielen knnen.
So heit es etwa zum im HA gelobten Film NACHTFLUG,
dass dessen Staraufgebot keineswegs berzeuge und die
Flugszenen doch recht ,gestellt und frisiert' wirkten
62
,
und die Zeichentrickflme Walt Disneys fnden zwar in
einer ,Riesen-Weihnachts-Jugendvorstellung' des Wa-
terloo-Kinos viel Beifall
63
, knnen in flmisch anspruchs-
vollen Kontexten wie der Biennale des Jahres 1934 aber
nur als Beweis fr den ,amerikanischen (Film-)Kun-
dendienst, der zur Kunst kaum noch Beziehung hat'
64
,
gelten. Und zum im Anzeigenteil des HF als ,Riesen-
Erfolg' beworbenen Marlene Dietrich-Film DIE GROSSE
ZARIN erfhrt der Leser lediglich, dass dies der erste US-
Film sein soll, der zuerst in Europa uraufgefhrt wird
65
,
whrend sich in den USA eine rmisch-katholische ,Liga
des Aufstandes' gebildet habe, die den Film in die Reihe
der ,verdammten Filme' einreiht.
66

Positiv erwhnt werden demgegenber Dick- und Doof-
Filme wie WSTENSHNE (,wer einmal recht von Herzen
lachen will, kommt hier bestimmt auf seine Kosten'
67
),
und ein eigener Artikel lobt ,Shirley Temple' als ,neu-
en Kinderstar aus USA' (,sie ist ganz allerliebst, was
mehr kann man sagen?').
68
Sehr zustimmend wird wei-
ter vermerkt, dass das Waterloo-Theater eine Reihe von
Sonderveranstaltungen fr das NS-Winterhilfswerk an-
kndigt, auf denen eine ganze Anzahl ,lustiger, unterhal-
tender und belehrender Kurz-, Kultur- und Trickflme'
der amerikanischen Paramount gezeigt wird.
69
Besonders
auffllig aber ist, dass in einem Bericht ber amerikani-
sche Filmprojekte der Film DIE LUSTIGE WITWE vom aus
Deutschland stammenden, seit 1924 aber in Hollywood
produzierenden Regisseur jdischer Herkunft Ernst Lu-
bitsch erwhnt wird
70
, ja die Produktion in einem wei-
teren Bericht sogar als ein Film gerhmt wird, der ,von
Scherz und Satire bersprudelt.'
71
Wenn man darin nicht
ein weiteres, besonders zynisches Beispiel fr das sehen
will, was wir schon an anderer Stelle die knstlerische
,Arisierung eines ,jdischen Regisseurs genannt haben
(vgl. S. 145), so knnte dies darauf hindeuten, dass das
einstmals liberale HF noch im Jahr 1934 versucht, Rest-
bestnde seiner Liberalitt in einen rassenpolitisch desin-
teressierten Kultur- und Kinoteil hinber zu retten.
In die gleiche Richtung knnte dann deuten, dass sich das
HF eine bemerkenswert freizgige Film- und Kino-Be-
richterstattung dort erlaubt, wo es seinen in ideologischer
Hinsicht ohnehin heiklen Starkult in ebenso personali-
sierenden wie emotionalisierenden Meldungen zu den
Grostars des Films zgig ausbaut. Hierzu prsentiert
das Blatt wie Homestories gehaltene Boulevard-Berichte
ber ein Interview mit dem im NS-Kino stets als unzuver-
lssig geltenden Hans Albers, in dem sich ,Filmstar und
Journalist je eine dicke Zigarre entznden' und (typisch
amerikanisch?) Whiskey trinken
72
; oder es wird von ei-
ner Charlotte Ander, die mit Leinwandgren wie Emil
Jannings, Marlene Dietrich oder Hans Albers gedreht
hat, mehr oder weniger anzglich berichtet, dass sie den
Autor im Morgenmantel und mit einem ,Hallo! Ja, ich
lieg zwar noch im Bett, aber wenn Sie das nicht strt ...'
in ihr Hotelzimmer bittet.
73
Nimmt man Nachrichten ber
ein Grofeuer in Hollywood-Studios
74
, ber Kinobrnde
in Frankreich und Spanien
75
, ber die irrtmliche Verhaf-
tung einer Hollywood-Schauspielerin
76
oder einen vom
offenkundig angetrunkenen METROPOLIS-Star Brigitte
Helm verursachten Autounfall hinzu
77
, dann kann man
dies alles als einen Versuch verstehen, den Leser dadurch
an die Zeitung zu binden, dass ihm suggeriert wird, nur
in dieser ,seiner Zeitung werde ihm ein konkurrenzlos
intensiver Einblick in das keineswegs unglcksfreie Lu-
xus-Lebens seiner ,groen Stars offeriert.
Auf eine etwas andere Weise versuchen dies Hinter-
grundberichte zu Bereichen des flmischen Schaffens, die
den Lesern einen eher ,sachlichen Blick in die Mecha-
Abb.10:BegleitendesBildzumBerichtber
DIELUSTIGEWITWE.HamburgerFremdenblatt,
1.12.1934,Nr.332,S.33.
148 Bierbrauer, Budiner, Segeberg
nismen des Filmemachens ermglichen sollen. Hier geht
es dann um die Kunst der Kulissen und Kostme in Ba-
belsberg
78
, den Alltag eines Wochenschau-Kameraman-
nes, die immer noch zu Unrecht unterschtzte Bedeutung
des Drehbuchs
79
und die Arbeit einer Drehbuchautorin
80
,
den Filmregisseur als den ,mchtigsten Mann im Atelier
- Herrscher ber Tausende von Metern Zelluloid'
81
, oder
die Aufgabe, Rolle und Schwierigkeit der Filmsynchro-
nisation.
82
Ja, dieses Bemhen, die Wunderwelt des Ki-
nos zu versachlichen, geht sogar soweit, den Leser dar-
ber aufzuklren, was mit den Filmmetern geschieht, die
berfssige Szenen enthalten oder aus anderen Grnden
aus dem fertigen Film herausgeschnitten werden: Da die
Filmrollen, neben anderen Chemikalien, Silber enthalten,
werde dieses beim Verwertungsvorgang von den anderen
Stoffen geschieden, alles andere aber werde in der Indu-
strie zu ,billigen Kmmen, Zahnbrsten und anderen Ge-
genstnden verarbeitet. [...] Das ist schlielich das Ende
eines Filmstreifens, der die Welt bewegte!'
83
Von dieser um mediale Professionalitt bemhten Seh-
weise aus ergibt sich weiter die Mglichkeit, mit Berich-
ten und Interviews von der Arbeit Leni Riefenstahls am
Reichsparteitagsflm TRIUMPH DES WILLENS zu erzhlen.
84

Oder zum Film ICH FR DICH - DU FR MICH mit Einblik-
ken in die Dreharbeiten
85
und einem groen Szenenfoto
zur Arbeit mit ,jungen Menschen, die noch nie in ihrem
Leben vor der Kamera standen'
86
, auf die Premiere eines
auch hier ausgiebig behandelten Films vorzubereiten, der
mit seiner Abkehr vom (im HF nachdrcklich gefrder-
ten !) Starprinzip eine ,Lebensnhe' erzielt habe, die der
deutschen Filmproduktion ,neue Wege' weisen knne.
87

Zu diesen neuen Wegen gehren dann auch Kulturflme,
die als ,der erste wahre und deutsche Tonflm aus der
Wildnis' Afrikas berichten
88
, AUF DEN SPUREN DER HANSE
von ,einer glanzvollen Epoche deutscher Weltgeltung'
erzhlen
89
, in DEUTSCHLAND ZWISCHEN GESTERN UND HEUTE
,ein Bekenntnis zur Heimat, zum Volkstum' ablegen
90
,
mit dem Film DAS WEIB UNTER FERNEN VLKERN den Be-
ginn einer Reihe von dokumentarischen ,experimen-
tellen Filmen und Filmstudien' ankndigen
91
, im JAPAN
VON HEUTE das von ,westlicher Zivilisation' gezeichnete
,moderne Japan' schildern
92
oder vom Besuch Hitlers im
Schneideraum der NS-Star-Regisseurin Leni Riefenstahl
berichten.
93
Besonders Letzteres legt klar, wie sehr hier
auch fr das HF an der ideologischen Professionalitt die
mediale Professionalitt Aufmerksamkeit verdient.
Filmschau und Tnende Leinwand in den Hamburger
Nachrichten
Die Hamburger Nachrichten, die im Vergleich zu den an-
deren groen Tageszeitungen in ihrem Anzeigenverhal-
ten eher zurckhaltend operierten, publizierten in unre-
gelmigen Abstnden die Rubrik Filmschau, die an kei-
nen bestimmten Erscheinungstag gebunden war, in den
Abendausgaben platziert wurde und in der Regel nur ei-
nen Film besprach. Vereinzelt wurden auch Filmkritiken
ohne eine Rubrizierung gedruckt. Eine umfangreichere
Berichterstattung konnte der Leser einmal wchentlich in
der sonntglichen Morgenausgabe unter der Rubrik Die
tnende Leinwand fnden; sie brachte hufg bis zu einer
Seite mit Szenenfotos illustrierte Besprechungen zu zwei
bis fnf Filmen sowie weitere Meldungen, Nachrichten,
grundstzlichere Filmkunstbetrachtungen, Nachrichten
aus Produktion und Dreh, Homestories ber Stars etc. -
insgesamt gesehen also eine auch hier ber Unterhaltung
unterhaltend berichtende Kino- und Film-Information.
Dem Beiprogramm zu den jeweiligen Hauptflmen wird
wie 1933 ein fester Platz in den Filmkritiken eingerumt,
wenn auch weniger umfangreich als noch im Vorjahr.
94
Der Aufbau der Filmbesprechungen ist stets nach dem
gleichen Muster strukturiert: Nach einfhrenden Bemer-
kungen zur Handlung der jeweiligen Produktion folgt die
Vorstellung der Schauspieler und weiterer Mitwirkender
hinter der Kamera, wobei im Zentrum der Besprechung
des Films selbst neben der Handlung die Leistungen der
Darsteller und des Regisseurs stehen. Dies zeigt sich
zum Beispiel dort, wo man es mit dem bereits erwhn-
ten Film SCHWARZER JGER JOHANNA ,mit einem guten,
in seiner Idee und Darstellung ansprechenden Filmwerk
zu tun hat'
95
; von Paula Wessely anlsslich des Ge-
schichts-Melodrams SO ENDETE EINE LIEBE gesagt wird,
sie sei ,eine Knstlerin und ein Menschenkind, begna-
det wie nur wenige'
96
(Abb. 11); dem bereits erwhnten
Film KLEIN DORRIT bescheinigt wird, ein Film von ,be-
strickender Schnheit und knstlerischer Vollendung'
zu sein
97
; oder der Jenny Jugo-Film PECHMARIE als ,ein
Musterbeispiel fr jene Gattung des leichten und unbe-
schwerten Unterhaltungsflms' gerhmt wird, in dem
,Mrchen erfunden werden [mssen]', damit der Film
,die Menschen verwandelt' (wofr in diesem Film nicht
der jeden Volksgenossen ,betreuende nationalsozialisti-
sche Staat, sondern, wie in Murnaus Weimarer Klassi-
149 Kinoffentlichkeit III
mglichst schmiegsam herum gelegte ,leichte Unterhal-
tungsware.
An den Filmkritiken zu amerikanischen Produktionen in
den HN fllt auf, dass die Rezensenten ihr Lob hufg
so prsentieren, dass der Leser den Eindruck gewinnt,
die Vorzge des Hollywood-Kinos knnten erst dann
wirklich zur Entfaltung kommen, wenn sie sich mit den
Eigenschaften des deutschen Kinos verbinden wrden.
Das beginnt noch eher unverfnglich dort, wo der Film
FAHRT INS BLAUE ,durch die Mannigfaltigkeit seiner The-
men, durch die Abwechslung des Rahmens und vor al-
lem durch die liebevolle Kleinarbeit des Regisseurs [die]
knstlerische Leistung' eines ,richtigen Unterhaltungs-
flms' hervorbringt.
101
Schon zum im HA nachdrcklich
gelobten Revueflm ICH TANZE NUR FR DICH heit es dann
aber, dass die Deutschen gegenwrtig andere Probleme
als die htten, die im Film verhandelt werden
102
- eine
Kritik, die sich zum Film CLEOPATRA (d. i. CLEOPATRA
1934) zum Vorwurf zuspitzt, dass der Film ,in der Aus-
stattung kaum bertroffen werden kann, der Problema-
tik des antiken Stoffs aber nicht gerecht wird.'
103
Und
sogar die Nachricht ,Amerika reinigt seinen Film' (mit
der offenkundig auf Bestrebungen der Filmindustrie zur
Verschrfung des als interne Selbstzensur gehandhabten
Production Code angespielt wird) bleibt skeptisch: ,es
kostet viel Geld, die amerikanische Filmproduktion auf
ein hheres Niveau zu stellen, und es kostet nicht nur
Geld, sondern verlangt auch wesentliche geistige Um-
stellung.'
104
Selbst in einem Kontext wie diesem berrascht es dann
doch, dass es mit dem Film DIE GROSSE ZARIN ausgerech-
net dem sterreichischen Regisseur Josef von Sternberg
(dessen jdische Herkunft in diesem Zusammenhang ein
weiteres Mal [vgl. o. S. 145] offenbar keine Rolle spielt)
und seiner weiblichen Ikone, der nach Hollywood emi-
grierten, aber von Goebbels bis 1937 heftig umworbenen
Marlene Dietrich, gelungen sein soll, zu zeigen, in welche
Richtung eine solche ,wesentliche geistige Umstellung'
zielen sollte. Aber wie dem auch sei, es ist Sternberg,
der mit ,einer von hervorragenden Eingebungen erfll-
ten Photographie' der ,groen deutschen Schauspielerin
Marlene Dietrich' die Gelegenheit gegeben habe, ,Bild
fr Bild und Szene fr Szene' ,Geschichte sichtbar zu
machen', wodurch aus einem Film, der mit Ausstattung,
Luxus und Pomp keineswegs geizt, doch mehr als ,eine
glnzende, sinnenverwirrende und pomphaft berladene
ker DER LETZTE MANN, ein ziemlich mrchenhafter Lot-
teriegewinn verantwortlich zeichnet).
98
Wo vergleichbar
Unirdisch-Vergngliches nicht wirklich gelingt, konnte,
wie im Rhmann-Film HEINZ IM MOND, nur ,ein stoffich
schwacher, aber darstellerisch starker Film' entstehen.
99

Im Film FRULEIN LISELOTT ist es dagegen selbst Dar-
stellern, an deren ,schauspielerischen Leistungen [.]
man seine Freude haben kann', nicht gegeben, eine vom
Drehbuch zu verantwortende, ,reichlich unwahrscheinli-
che und verworrene Geschichte' zu retten.
100
Auch hier
also ein in Kritik wie Lob deutlich erkennbares Pldoyer
fr eine um ,starke Darsteller, um nicht zu sagen: Stars,
Abb.11:SOENDETEEINELIEBE,
HamburgerNachrichten,14.11.1934,Nr.533,S.3.
150 Bierbrauer, Budiner, Segeberg
,Show' werde.
105
Eine andere Richtung, in der ,deut-
scherseits' nahe liegenden Einwnden gegen das Holly-
wood-Kino begegnet werden kann, deutet sich dort an, wo
es zum Flieger-Epos NACHTFLUG ein weiteres Mal heit,
,der Eindruck des Films beruht allein auf der mnnlichen
Tat'
106
; auch hier ist es dann, wie schon im HA, nicht
mehr weit zum VERLORENEN SOHN ,eines Luis Trenker,
der gleichfalls ,eine sehr mnnliche Haltung', diesmal
von eindeutig ,sehr deutschem Wuchs', einbringt.
107

Dies alles ist eingebettet in Kurzmeldungen zu aktuel-
len Produktionen und eher grundstzlichen Refexionen
zum Film als Wirtschaftsfaktor; hinzu kommen thema-
tische Schwerpunkte in berlegungen zu den Entwick-
lungsmglichkeiten des Tonflms. Da es hier offenkun-
dig immer noch einen Bedarf gibt fr Argumente, die den
Tonflm als neue, vollwertige Kunstform erscheinen las-
sen, werden dazu Mglichkeiten der musikalischen Be-
gleitung behandelt, Informationen zum neuen und noch
keineswegs zur ,letzten Meisterschaft' entwickelten
Berufsbild des Tonmeisters gegeben sowie Drehberichte
aus den neuen Tonflmstudios in ,Neubabelsberg' pr-
sentiert. Dies alles steht ebenso wie die auch hier nicht
fehlende Homestory zu den Tonflmstars unter dem Mot-
to, dass der Kinobesucher ,einen Anspruch darauf [hat],
einmal jene Geheimnisse kennenzulernen, die die tnen-
de Leinwand hinter sich verbirgt.'
108
Ende Dezember
widmet sich sogar eine ganze Ausgabe aus der Rubrik
Die tnende Leinwand ausschlielich und durchweg po-
sitiv der damals noch jungen neuen Filmform.
109
Von solchen medienprofessionellen Anteilen fhrt dann
auch in den HN ein mehr oder weniger direkter Weg
zu Artikeln zur Arbeit der Regisseurin Riefenstahl, die
- ebenso wie im HF - durch Berichte, Artikel und Fo-
tos zum Dreh des Films TRIUMPH DES WILLENS begleitet
werden.
110
Dazu heit es u. a.: ,berall erweckte die
glnzende Verfassung und Disziplin der Mnner mit den
Spaten hellste Begeisterung.' Oder zur Jugendkundge-
bung Hitlers, die von einer ,herzlichen Wrme' getragen
worden sei: ,Und die Jugend, hier sehen wir es, ist ihm
verschrieben mit Leib und Seele.'
111
Und auch fr die HN
gilt, dass sich der sachliche oder auch unpolitisch-kriti-
sche Ton der Besprechungen und Hintergrundberichte
beim nationalsozialistischen Groflm ICH FR DICH - DU
FR MICH durchgreifend wandelt. Denn der Film, der ,na-
tionalsozialistisches Gedankengut ins Volk' tragen soll,
zeigt ,im Rahmen einer mitreienden Spielhandlung das
Problem des Frauenarbeitsdienstes' und ,die deutsche
Volksgemeinschaft in ihrer Wirklichkeit'. Es wird be-
richtet, der Regisseur sei stolz darauf, einen Film gestal-
ten zu drfen, der ,einen Teil des nationalsozialistischen
Aufbaus behandele'.
112
Eine nationalsozialistische Filmtheorie? Zum Umbau
des Avantgarde-Kinos im Hamburger Tageblatt
Vor dem Hintergrund des bisher Gesagten fllt besonders
auf, mit welcher Intensitt sich das nationalsozialistische
Hamburger Tageblatt darum bemht, eine Verknpfung
zwischen Unterhaltung und Propaganda herzustellen,
die ber die bisher beobachteten Strategien einer mehr
oder weniger austarierten Koexistenz und behutsamer
wechselseitiger Annherungen entschieden hinausreicht,
dazu aber (was man bei diesem Blatt vielleicht nicht un-
bedingt erwartet) nicht vom Ideologischen, sondern vom
Filmspezifschen ausgeht. Wie wichtig vor allem fr den
leitenden Film-Redakteur des Blattes (und Mitglied sei-
ner Schriftleitung) Werner Kark diese Aufgabe war, kann
man daran sehen, dass er sogar in seine berschwngli-
che Besprechung des Films ICH FR DICH - DU FR MICH
mit Blick auf den Revolutionsklassiker ,Panzerkreuzer
Potemkin'
113
das ,unumwundene Bekenntnis' einfieen
lsst, ,da ein anderer Film [.] in neuer Form sogar
noch eine Steigerung uns bringen kann'.
114
Wie und wodurch eine solche Steigerung mglich werden
soll, lsst sich aus den zahlreichen Beitrgen dieses der
,revolutionren flmknstlerischen Idee' verpfichteten
,nationalsozialistischen Cineasten erkennen.
115
Hier fllt
als erstes auf, dass unter seinen vielen Artikeln sowohl
ein Jubelbeitrag zum fnfjhrigen Jubilum des Ufa-
Palastes als ,Pfegesttte guter Unterhaltung' wie auch
der Aufruf zur Grndung eines ber die ,aktuelle Tages-
produktion' hinausweisenden Programmtheaters ,Ham-
burger Kamera vertreten sind; in einem solchen Pro-
gramm-Kino sollten knstlerisch wertvolle Filme ,von
der ersten Zeit des Films, ber den Infationsflm und den
vollendeten Stummflm bis hin zu den bemerkenswerten
Tonflmen' gezeigt werden und damit eine Vorstellung
von der Bedeutung der ,Werke revolutionren deutschen
Filmschaffens' vermitteln unbeeintrchtigt vom sonst
unvermeidlichen ,Beiprogramm (Wochenschau, Sketch
und Trickflm), Anzeigen und Reklameflmen'
116
(wo-
151 Kinoffentlichkeit III
mit, was den nationalsozialistischen Cinasten in diesem
Zusammenhang offenkundig gar nicht beunruhigt, auch
deren ideologische Lenkungsfunktion wegfllt). Weiter
schreibt Kark regelmig umfangreiche und leitartikelar-
tige Besprechungen zur Hamburger Erstauffhrung deut-
scher ,Spitzenflme sowie zum internationalen und hier
vor allem zum US-amerikanischen Kino.
Um dem Leser das fr die flmrevolutionre Erneuerung
erforderliche sthetische Programm einigermaen ange-
messen zu veranschaulichen, erweitert das HT nicht nur
seinen Inserierungsteil gegenber den 19 Angeboten des
Jahres 1933 auf insgesamt 40 Kinos des Jahres 1934,
sondern prsentiert dem Leser auch einmal wchent-
lich in der Samstagsausgabe die ganzseitige Rubrik Der
Film, in der ber Filmpremieren, Produktionsvorberei-
tungen und Dreharbeiten berichtet wird. Hinzu kommt
eine Tendenz zum Boulevard, in der (was im Jahr 1933
noch ausgeschlossen war) Berichte und personenbezo-
gene Kurznachrichten ber Schauspieler, diverse Starfo-
tos, Standbilder aus Filmszenen oder auch einfach nur
Nachrichten ber Kurioses aus der Welt des Films einen
in Fragen des Kinos ungewhnlich breit interessierten
Leser ansprechen sollen. Nimmt man hinzu, dass dabei
wichtige Filme des internationalen Kinos nicht nur als
Greta Garbo- oder Marlene Dietrich-Filme beworben,
sondern als solche auch besprochen werden, dann knnte
man sich endgltig fragen, wie sich dies mit dem ein-
gangs erwhnten Anspruch einer das Starprinzip ber-
windenden, nationalsozialistischen ,flmrevolutionren
Idee vertragen sollte.
Der Ansatzpunkt hierfr wird dort deutlich, wo anlss-
lich einer Trade Show der amerikanischen Paramount fr
den Film DIE GROSSE ZARIN hervorgehoben wird, dieser
Film sei von ,einer derartigen Gewalt der technischen
und knstlerischen Mittel', dass damit ein weiteres Mal
,schlagend bewiesen [ist], da die Kamera und die bild-
mige Ausgestaltung eines Films das Hervorstechendste
sein mu'.
117
In bereinstimmung damit werden dann in
der Hamburger Premierenbesprechung die ,grte schau-
spielerische Leistung' Marlene Dietrichs und der Regis-
seur Josef von Sternberg, der ,ein Ensemble von Rang
[fhrt]', uneingeschrnkt gelobt, dem ganzen vorange-
stellt ist aber die Bemerkung, dass dies alles nur gelingen
konnte mit Hilfe einer Kameraarbeit, die zeige, ,was der
Film durch die Kunst der Kamera erreichen kann gegen-
ber dem Theater und dem Wort der Schrift'.
118
Woraus
die Besprechung weiter folgert, dass das, ,was hier mit
der Kamera durch Bert Glennon geleistet wurde [.],
berzeugend heraus[stellt], da die Kamera im Film die
Fhrung haben mu.'
119
Auf ein solches ,Ereignis, das
sinnfllig die Mglichkeit der Filmkunst durch kamera-
technische Mittel aufzeigt', wird auch dort hingewiesen,
wo das HT den Abdruck eines Fortsetzungsromans zur
Geschichte der KNIGIN CHRISTINE mit Bildern aus dem
gleichnamigen Garbo-Film illustriert und dies damit be-
grndet, ,dass unsere Leser dadurch einen starken Ein-
druck von der photographischen Wirkung dieses Films
bekommen'.
120
Die Kamera, und nicht etwa, wie man
ergnzen knnte, der Starschauspieler selbst, ist es also,
die eine Filmstar-Imago schafft, deren Reichweite bis in
auerflmische Bereiche hineinreicht.
Dieser dezidiert von der Form her kommende flmknst-
lerische Anspruch wird in einem Artikel ber das Werk
des Dokumentarflmers Robert J. Flaherty noch einmal
dadurch gesteigert, dass fr seinen ,durch eine erfn-
Abb.12:DIEMNNERVONARAN,
HamburgerTageblatt,31.12.1934,Nr.359,S.24.
152 Bierbrauer, Budiner, Segeberg
dungsreiche Kamerakunst' vielfach ausgezeichneten
Dokumentarflm ber die MNNER VON ARAN (d. i. MAN
OF ARAN 1934) der Ausdruck ,absoluter Film' gewhlt
wird
121
, womit Kark auf einen Terminus der Weimarer
Avantgarde der zwanziger Jahre Bezug nimmt (Abb.
12).
122
Dieser damals fr den abstrakten, nicht-gegen-
stndlichen Experimental-Film eines Walter Ruttmann
oder Hans Richter geprgte Begriff des absoluten Films,
an den sich Mitte der dreiiger Jahre wahrscheinlich nur
noch einige wenige cineastisch bewanderte Leser erin-
nern konnten, wird jetzt (wie schon in Ruttmans abend-
fllendem Dokumentarflm BERLIN. DIE SINFONIE DER
GROSSSTADT von 1927 geschehen) auf den gegenstndli-
chen Film bertragen. Hier beschreibt er nun einen Film,
der ,die einfachsten Begebenheiten [.] durch die Kunst
der Kamera so spannend gestaltet, da man gespannt vor
der Leinwand sitzt und mit feberhaftem Interesse' das
Geschehen um eine aus dem ,ewigen Kampf, ohnmch-
tigen Kampf gegen das Meer' erwachsende ,unaufs-
liche Gemeinschaft' verfolgt; die auf einigen wenigen
abgelegenen irischen Inseln lebenden MNNER VON ARAN
knnten sich anders gegen eine stets strmische Nordsee
nicht behaupten. Die zu ihrer eindringlichen Darstellung
erforderliche Kamera bewhrt sich im HT als nicht ln-
ger abstrakte, sondern schpferisch-konstruktive Kamera
ein weiteres Mal in der mit Friedrich Wilhelm Murnau
produzierten Mischform des dokumentarischen Spiel-
flms TABU (d. i. TABU: A STORY OF THE SOUTH SEAS 1931)
darin, dass hier ,eine fremde Natur von ergreifender und
zugleich verwirrender Schnheit durch die vollendete
Kunst der Kamera zur lebensnah empfundenen Wirklich-
keit [gestaltet wird].'
123
Es ist dieser absolute Film, von dem sich das HT
wnscht, dass er da ,beispielhaft fr die internationale
Filmindustrie' Eingang in Filme fndet, die nicht ln-
ger ausschlielich in der Sdsee und auf irischen Inseln
spielen, sondern in ihrer ganzen ,Idee deutsch' gestaltet
werden.
124
Von solchen Filmen verspricht sich das HT
eine berwindung jener Spielflme, die als ,gutes Lust-
spiel' auch ,ohne Anspruch auf Wirklichkeitstreue' ge-
fallen wollen (gemeint ist damit die vom HA und vom
HF rckhaltlos gelobte LIEBE DUMME MAMA)
125
oder sich
(im HA gleichfalls gelobten Jenny Jugo-Klassiker HEU-
TE ABEND BEI MIR) ,verzweifelt bemhen, sich von der
Wirklichkeit, dem echten Leben und seinen Menschen
mglichst weit zu entfernen'.
126
Vor diesem Hintergrund
msse man gerade am amerikanischen Spielflm erken-
nen ,wie sehr uns Filme fehlen, von denen der Atem von
lebendigen Menschen ausgeht'
127
, denn nur dort, wo dies
- wie in Luis Trenkers DER VERLORENE SOHN geschehen
in einem flmknstlerisch inspirierten ,neuen deutschen
Film' gelingt, knne der Film, ,deutsch und international
zugleich', ,aus der Stickluft der Ateliers, der Pappdeko-
rationen und des Flitters, der Unwahrheit und der Flach-
heit und mit uns hinausgehen in die Wirklichkeit, in eine
erlebnistrchtige Welt.
128
Hinweise dazu, wie man hier fortfahren knnte, fndet
das HT in Filmen, die als vergleichbar erlebnistrchtige
,Kulturflme ohne jede Handlung' mit ,kleinen Kabi-
nettstcken photographischer und inhaltlicher Kunst' so
manchen aufwendigen Spielflm vergessen machen.
129

Dies gelinge in ,Aufnahmen von starker Eindringlich-
keit' im Dokumentarflm ber DEUTSCHLAND ZWISCHEN
GESTERN UND MORGEN (1933)
130
, oder im Zusammenspiel
von ,Regie und Kamera', die im (vom HA mchtig ge-
tadelten) Spiel-Film DAS ALTE RECHT mit ,wundervollen
Bildern die Schnheit der oldenburgischen Landschaft
aufgefangen' haben.
131
Weiter sind zu nennen Hinweise
auf ,eine straffe geschickte Regie, untersttzt von einem
guten Kameramann' in den nur im HT derart gelobten
REITER VON DEUTSCH-OSTAFRIKA
132
, oder es fllt auf die
Hervorhebung einer Kamera, die wie ,durch das Auge
des Mikroskops [.] dem Beschauer [.] durch Zeitlu-
pen- und Zeitrafferaufnahmen' anders gar nicht mgli-
che Einblicke in DAS RTSEL DES LEBENS prsentiere; mit
Hilfe einer derart exponierten Kamerafhrung gelinge es
diesem Film, beispielgebend fr andere Filme, als ,Ver-
mittler aufklrenden und belehrenden Forschungsgutes'
,fr die Gemeinschaft des Volkes' ttig zu werden.
133

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass
eine in allen Zeitungen referierte ,Arbeitstagung der
Reichsflmkammer in Mnchen' im September 1934
dazu auffordert, aus dem kameraorientierten ,absoluten
Film' ,ein knstlerisch, musikalisch, vlkisch und tech-
nisch selbstndiges Kunstwerk' zu entwickeln,
134
und
das HT kann fr sich in Anspruch nehmen, dieses Ziel am
konsequentesten in den Blick genommen zu haben. Ge-
rade durch die Schrfe, mit der dies hier formuliert wird,
zeigt sich aber auch, dass mit dem Vorsatz ,Das Thema
ist das wirkliche Leben'

das Problem noch keineswegs
gelst ist. Schlielich liegen zwischen dem Reichsar-
beitsdienstflms ICH FR DICH - DU FR MICH und dem auch
153 Kinoffentlichkeit III
von Goebbels immer wieder als flmrevolutionres Vor-
bild beschworenen Russenflm PANZERKREUZER POTEMKIN
flmische Welten.
135
Sie werden, wenn berhaupt, erst im
auch vom HT erwartungsvoll angekndigten Reichspar-
teitagsflm TRIUMPH DES WILLENS berwunden. Weshalb
es nicht verwundern kann, dass in der Diskussion um
diesen Film die Diskussion um den ,absoluten Film auf-
genommen und weiter gefhrt wird.
136
4. Fazit
Vergleichen wir die bisher erzielten Ergebnisse zur Kino-
ffentlichkeit des Jahres 1934 mit den Ergebnissen des
Jahres 1933, so lassen sich eine Reihe von bemerkens-
werten Unterschieden wie auch Kontinuitten feststellen,
wobei beides aufschlussreich miteinander verknpft ist.
Darauf ist in unserem im folgenden so knapp wie mg-
lich gehaltenen Resmee besonders zu achten.
Was die Unterschiede angeht, so ist als wichtigstes fest-
zuhalten, dass der fr das Jahr 1933 prgende Gegensatz
zwischen einer auf Popularitt und Rentabilitt achten-
den Prsentationsffentlichkeit und einer zur Ideologi-
zitt zu verpfichtenden Refexionsffentlichkeit sich
so im Jahre 1934 nicht fortsetzt. Das liegt auf der einen
Seite sicherlich daran, dass die mit dem NS-Begriff der
,Machtergreifung bezeichneten Vorgnge der ,Gleich-
schaltung und/oder ,Lenkung nicht lnger durchgesetzt
werden mussten, sondern in Politik wie Medien als mehr
oder weniger vollzogen galten. Aus der bis 1933 revolu-
tionr auftretenden nationalsozialistischen Ideologie war
damit auch im Bereich des Films eine nur noch von in-
nerparteilichen Diadochenkmpfen zu gefhrdende Herr-
schaftsideologie geworden (und wie sich dies bis in den
Kampf jetzt tonangebender Volksgenossen um die durch
,Arisierung freiwerdenden Kinopfrnde auswirkt, lsst
sich in den Beitrgen von Jan Ptjer Johannsen und Mi-
chael Tteberg nachlesen).
Die (wenn man so will) damit verknpfte Normalisie-
rung des schlechthin Unnormalen hatte auf der anderen
Seite zur Folge, dass sich im Bereich des nunmehr end-
gltig ,eroberten Films die Normalitt des Ideologischen
mit der Normalitt des Filmischen auseinanderzusetzen
hatte. Was anders gesagt bedeutet, dass es in der Prsen-
tations- wie in der Refexionsffentlichkeit zum Kino
darauf ankam, die Ansprche des Ideologischen mit den
Ansprchen des fr den Film konstitutiven Populr-Kul-
turellen abzugleichen. Woraus, wenn man hinzu nimmt,
dass die Dynamiken des Populr-Kulturellen nicht von
sich aus mit den Dynamiken des Ideologischen kompati-
bel sind, erhebliche Spannungen, Ambivalenzen oder gar
Brche entstehen knnen, die sich in beiden Bereichen
durchaus unterschiedlich auswirkten.
Im Bereich der Prsentationsffentlichkeit ist dazu zu sa-
gen, dass sich die Dominanz des Populren gegenber
dem Jahr 1933 nicht nur fortgesetzt, sondern weiter sta-
bilisiert hat. Dies zeigt sich an einer in allen Hambur-
ger Tages-Zeitungen gegenber dem Vorjahr erheblich
vermehrten und regional verdichteten Prsentation von
Einzel-, Sammel- und Programm-Anzeigen, wobei sich
in deren sthetischer Ausgestaltung noch strker als vor-
her die Erfordernisse eines in allen Geschmackslagen auf
alle Bedrfnisse zielenden Kinoprogramms behaupten.
Dies fhrt im Bereich der Anzeigen zu einer von keiner-
lei ideologischen Einschrnkungen behinderten Durch-
mischung aus nationalen und internationalen Filmange-
boten sowie zu einer gegenber 1933 besonders deutlich
hervortretenden Angleichung auch des politischen Film-
angebots an das unterhaltende Filmangebot. Genrefzie-
rung, ,Starisierung, Prdikatisierung, Visualisierung und
graphisch herausgehobene Schrift-Kommentierung sind
die hier alles entscheidenden Stichworte fr die Bewer-
bung eines Unterhaltungsprogramms, dessen Dominanz
die unterhaltende Aufockerung und Durchmischung des
Propagandaflms wie selbstverstndlich voraussetzt. Ex-
klusiv ideologisch auftretende Filme geraten da, wie ge-
zeigt, sehr schnell ins Abseits.
Blickt man von hieraus in die Refexionsffentlichkeit
des Jahres 1934, so stellen sich die Verhltnisse hier doch
etwas komplizierter dar. Das liegt nun aber nicht daran,
dass die Prmisse einer ideologischen Umrahmung bis
Durchformung des Filmischen hier irgendwie zur Dispo-
sition stnde, sondern daran, dass die daraus resultieren-
den ideologischen Anforderungen in der dezidiert moder-
nen Popularkultur des Films sehr viel schwieriger durch-
zusetzen waren als etwa in traditionellen Knsten. Denn
wenn sich - so ein Leitartikel im Hamburger Anzeiger
die ,Kultur des Dritten Reiches' dadurch auszeichnen
sollte, dass sie ,dazu bestimmt war, die widerstrebende
Vielfalt der kulturellen Bestrebungen immer mehr unter
einheitlicher Idee und einheitlicher Leitung zu einem
gemeinsamen Ziele hinzufhren', so konnte man zwar
154 Bierbrauer, Budiner, Segeberg
hoffen, die ,Kunst und Volk' zusammenfhrende Homo-
genitt einer neuen NS-Kunst auf den neugermanischen
Thingpltzen der sog. Thingtheaterbewegung unter der
Anleitung des nationalsozialistischen Chefdeologen
Alfred Rosenberg im Rahmen der von ihm gegrndeten
,NS-Kulturgemeinde' mehr oder weniger konsequent
umzusetzen.
137
Der dafr verantwortliche Wunsch nach
der Rckkehr in eine ,Welt eindeutiger Zeichen, einer
starken symbolischen Ordnung', muss sich dagegen
im Bereich des Films mit der (so der Medienphilosoph
Jean Baudrillard) fr die technischen Massen-Medien
der Moderne kennzeichnenden ,Demokratie' eines ent-
grenzten, weil ,befreiten, emanzipierten Zeichens' aus-
einandersetzen.
138
Diese Einschtzung Jean Baudrillards (der damit archa-
ische, vormoderne Zeichen idealtypisch von modernen
Zeichen unterscheiden will), zitieren wie hier nicht des-
halb, weil wir diesen postmodernen Medienphilosophen
damit in eine Nhe zum Nazi-Kino rcken wollen, son-
dern deshalb, weil wir meinen, dass dessen idealtypische
Entgegensetzungen helfen knnen, einen grundlegenden
Zwiespalt in der NS-Film- und Kinopolitik etwas zu-
gespitzter als blich hervorzuheben. Dieser Zwiespalt
lsst sich so charakterisieren, dass die in ideologischer
Hinsicht auf ganz andere Weise ins Archaische oder
besser: Reaktionre zurckzielende Nazi-,Bewegung
gar nicht anders konnte, als sich zum Zwecke ihrer mg-
lichst massenwirksamen Selbstinszenierung die Strategi-
en eines populren Unterhaltungskinos anzueignen, aber
gerade deshalb immer wieder versuchen musste, die dort
wirksamen Strategien eines ideologisch eher desinteres-
sierten ,Amsements' in einer, wie es in einer Verlautba-
rung der Reichsflmkammer so schn hie, ,niveauvollen
deutschen Filmproduktion' zu re-disziplinieren (vgl. o.
S. 144).
Die Folgen zeigen sich berall dort besonders deutlich,
wo das nationalsozialistische Tageblatt zwar freimtig
bekennt, dass ,wir selbst das Unterhaltungsbedrfnis
haben', weshalb hier kein Zweifel daran bestehen kann,
,dass der deutsche Film Unterhaltung bieten muss'
139
,
anderseits aber immer wieder der ,saubere ansprechende
Unterhaltungsflm' gefordert wird; er msse als ,guter
deutscher Film' notfalls auch ,mit tzender Schrfe'
gegen ,die Albernheiten und Dummheiten' eines rei-
nen Amsierflms durchgesetzt werden.
140
Darin steckt,
vielleicht, die Erkenntnis, dass berall dort, wo (wie
oben gezeigt) flmische Zeichen ,locker und leicht und
luftig' ,jenseits aller Schwere' operieren, die nach Ein-
deutigkeit strebenden ideologischen Zeichen ,unterhal-
tend, amsant' auer Kraft gesetzt werden knnen
141
,
wogegen dann ,Kunst, oder besser das, was Nazis fr
,Kunst hielten, zu mobilisieren ist. Umso aufflliger ist
der Nachdruck, mit dem sich nicht nur in der Prsenta-
tions-, sondern jetzt auch in der Refexionsffentlichkeit
der Hamburger Tagespresse des Jahres 1934 der Fokus
,Unterhaltung erneuert (HA), bekrftigt (HF, HN) oder
(im nationalsozialistischen HT) umbaut.
All dies fhrt in der Prsentations- wie Refexionsffent-
lichkeit des Jahres 1934 dazu, dass sich hier in beiden Be-
reichen die Dominanz eines auf Unterhaltung setzenden
Filmangebots mit einer Entschiedenheit durchsetzt, die
(wenn es sein muss) sogar die eigenen rassenpolitischen
Ausgrenzungen auer Kraft setzt; in der unterhaltenden
Durchmischung des Propagandaflms die Erfolgsstrate-
gie eines massenwirksamen politischen Films entdeckt
und ausbaut; im Verhltnis zum ideologischen Leitdis-
kurs auf ein nur wenig miteinander vermitteltes Neben-
einander setzt sowie im Versuch einer darber hinaus zie-
lenden Verknpfung von Unterhaltung und Propaganda
nicht vom Ideologischen, sondern vom Filmspezifschen
her kommt. Ob und wenn ja wie sich diese hier noch
einmal zugespitzten Entwicklungstendenzen fortsetzen,
wird in Untersuchungen zum letzten ,Friedensjahr 1938
sowie zu den Kriegsjahren 1940/41, 1942/43 und 1945
zu zeigen sein.
Anmerkungen
1. Fr ihre Mithilfe bei der Sammlung, Sichtung und Auswer-
tung des Materials danken wir Shnke Callsen, Felix Schrter
und Carla Swiderski.
2. Vgl. den Artikel von Karl Christian Fhrer ,Umbruch und
Kontinuitt auf dem Hamburger Zeitungsmarkt nach 1933' in
diesem Band, S. 34 (nach einer Statistik des Reichsverbandes
der deutschen Zeitungsverleger bezogen auf den ,Gau Ham-
burg).
3. Zu den Einzelheiten vgl. Karl Christian Fhrer: Medienme-
tropole Hamburg. Mediale ffentlichkeiten 1930-1960. Mn-
chen, Hamburg 2008, S. 381; zur Charakterisierung der Zeitun-
gen vgl. S. 381ff..
4. Vgl. Michael Tteberg, Volker Reissmann: Mach dir ein paar
155 Kinoffentlichkeit III
schne Stunden. Das Hamburger Kinobuch. Bremen 2008, S.
241, 243.
5. Vgl. ebd., S. 246.
6. Hierzu zhlen wir, wie schon zum Jahr 1933, den Stadtbezirk
Hamburg sowie die damals noch preuisch verwalteten, aber
nahezu bergangslos mit dem Stadtgebiet Hamburg verbun-
denen Stdte Altona und Wandsbek, vgl. Anm. 8 des vorigen
Aufsatzes.
7. Bei der Steigerung von 2 auf 6 Kinos im damals noch preu-
ischen Altona ist zu bedenken, dass die jetzt zustzlich im HA
inserierenden Kinos 1933 noch in den Altoner Nachrichten mit
Anzeigen vertreten waren.
8. Vgl. Filmkurier, 1.6.1933/9.11.1934; Tteberg, Reissmann:
Hamburger Kinobuch (wie Anm. 4) 2008, S. 73f. Gerti Keller
vermutet auerdem, dass die Manahmen der Reichsflmkam-
mer zur Kontrolle der Kinoeinnahmen eine Entlastung fr die
Kinobesitzer darstellten, da hierdurch eine den Eintrittspreis
senkende Konkurrenz zwischen den Kinos gelindert wurde.
Vgl. Gerti Keller: Kino unterm Hakenkreuz. Das Beispiel Ham-
burg. Unverff. Magisterarbeit Hamburg 1993, S. 41f..
9. Vgl. dazu im vorigen Aufsatz, S. 120.
10. Vgl. HA, 13.9.1934, Nr. 214, 2. Beilage, S. 5; HN, 13.9.1934,
Nr. 427, S. 8; HT, 13.9.1934, Nr. 253, S. 12.
11. HT, 8.9.1934, Nr. 248, S. 26; HT, 1.11.1934, Nr. 302, S.
12.
12. Vgl. u. a. HA, 10.9.1934, Nr. 211, 1. Beilage, S. 6.
13. Vgl. Joseph Goebbels: Die Tagebcher. Hrsg. v. Elke Frh-
lich. Teil I/ Bd. 2/III, bearb. v. Angela Hermann. Mnchen
2006, S. 221 (4.7.1933).
14. Vgl. Bertolt Brecht: ,Da das Instrument verstimmt ist'
(1938), zit. nach ders.: Groe kommentierte Berliner und
Frankfurter Ausgabe. Hrsg. v. Werner Hecht u. a.. Bd. 14: Ge-
dichte 4. Gedichte und Gedichtfragmente 1828-1939. Berlin,
Weimar, Frankfurt a.M. 1993, S. 418.
15. Vgl. ,In bin eine Tretmine im Schokomantel. Hans Barbier
trifft Harald Schmidt'. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom
14.6.2002.
16. HA, 15.9.1934, Nr. 216, Beilage, S. 4.
17. HA, 13.9.1934, Nr. 214, 2. Beilage, S. 4.
18. So Klaus Kreimeier: Die Ufa-Story. Geschichte eines Film-
konzerns. Frankfurt a. M. 2002 (zuerst Mnchen, Wien 1992),
S. 324.
19. Vgl. HA, 24.1.1935 (mit fr ,Jugendl. nachm. halbe Prei-
se'), aber schon im HA vom 28.1.1935 ,nur noch bis Mitt-
woch', mit ,tglich' zwei Vorstellungen.
20. Vgl. HA, 10.1.1935, Nr. 8, S. 10 (Ottenser Lichtspiele); ebd.,
S. 11; Altona, Groe Bergstrae; Wandsbek, Hamburgerstrae;
ebd., 21.1.1935, Nr. 17, S. 6 (Hansen-Kino, Schulterblatt); ebd.
28.1.1935, Nr. 23, S. 8 (Blumenberg, Hoheluftchaussee).
21. W.[erner] K.[ark] als ,Schriftleitungsmitglied' des HT nach
einem Interview ,im Reichssender Hamburg' mit dem ,Pg.
Raether, Leiter der Hauptabteilung VI (Film) des Reichspropa-
gandaministeriums', HT, 25.11.1934, Nr. 325, S. 8 (Hervorhe-
bung im Original).
22. Vgl. dazu grundstzlich Gabriele Toepser-Ziegert: ,Einlei-
tung' zu dies. (Hrsg.): NS-Presseanweisungen der Vorkriegs-
zeit. Edition und Dokumentation, Bd. 2: 1934. Mnchen, New
York, London, Paris 1985, S. 20ff.
23. Vgl. Stephanie Baecker: ,Kino unter dem Hakenkreuz. Das
Hamburger Filmwesen 1933-1939'. In: Hamburger Flimmern.
Zeitschrift des Film- und Fernsehmuseums Hamburg e.V., Nr.
8 (Juni 2001) S. 27f..
24. Vgl. W[erner] Kark: ,Literarischer Film oder neue Film-
kunst? Der Weg des deutschen Films im Produktionsjahr
1934/35'. In: HT, 29.12.1934, Nr. 357, S. 11.
25. Ebd.
26. So Kark in einem Artikel im Vorfeld der Urauffhrung:
,Keine Uniformen und doch Nationalsozialismus im Film'. In:
HT, 25.11.1934, Nr. 325, S. 8.
27. Vgl. Werner Kark in einer Besprechung des Films ICH FR
DICH - DU FR MICH in HT, 1.12.1934, Nr. 331, S. 11.
28. Vgl. hi. in HA, 1.12.1934, Nr. 281, S. 25; ,Entweder gute
Filme, oder ... (Drahtbericht unseres Berliner Bros)'. In: HA,
14.12.1934, Nr. 292, S. 1 (Hervorhebungen im Original).
29. So HA, 19.9.1934, Nr. 219, 1. Beilage, S. 6 zu SPIEL MIT DEM
FEUER (auf unserer Bestenliste immerhin auf Platz 17).
30. Vgl. am. in HA, 15.9.1934, Nr. 216, 3. Beilage, S. 1 zu FRU-
LEIN LISELOTT (Platz 19 auf unserer Liste, mit Magda Schneider,
Albert Lieven, Oskar Sima u. a.).
31. Vgl. HA, 6.10.1934, Nr. 234, 5. Beilage, S. 7 zu ...HEUTE
ABEND BEI MIR (mit Paul Hrbiger, Theo Lingen, Jenny Jugo,
Lissy Anna)
32. zi. in HA, 13.10.1934, Nr. 240, 3. Beilage, S. 7, ber DA
STIMMT WAS NICHT (mit Adele Sandrock, Viktor de Kowa u. a.).
33. H.S. in HA, 8.9.1934, Nr. 210, 2. Beilage, S. 3 zu LIEBE
DUMME MAMA (mit Theo Lingen, Paul Henckels).
34. -- in HA, 20.10.1934, Nr. 246, 2. Beilage, S. 1.
35. H.S. in HA, 27.10.1934, Nr. 252, 4. Beilage, S. 2.
36. zi. in HA, 15.9.1934, Nr. 216, 3. Beilage, S. 1 (Hervorhe-
bung H. S.).
37. Vgl. W.[erner] K.[ark]: ,Trade-Show der Paramount in Ber-
lin'. In: HT, 1.9.1934, Nr. 241, S. 8. Sowie die Premierenanzei-
ge ebd., 13.9.1934, Nr. 253, S. 12.
156 Bierbrauer, Budiner, Segeberg
38. Werner Kark: ,Die groe Zarin. Ein historischer Groflm
aus Amerika'. In: HT, 15.9.1934, Nr. 255, S. 8.
39. HA, 1.9.1934, Sa, Nr. 204, 2. Beilage, S. 15 (Hervorhebung
nicht im Original). Die Rede ist brigens nicht von dem hier
in einem seiner ersten Filme auftretenden Clark Gable, son-
dern dem Schauspieler John Barrymore; Gable ist wohl mit
gemeint, wenn es in der Besprechung zu den Mitspielern Bar-
rymores heit, ,seine Flugkameraden stehen - als Flieger wie
als Schauspieler - wrdig neben ihm'. Allerdings muss auch
gesagt werden, dass dieser Film derart schnell wieder aus den
Kinos verschwand, dass er in unserer ,Besten-Liste nicht be-
rcksichtigt werden konnte.
40. zi. in HA, 8.9.1934, Nr. 210, 2. Beilage, S. 3 (Hervorhebung
H.S.).
41. Luis Trenker in HA, 8.8.1934, Nr. 210, 2. Beilage, S. 3.
42. zi. In HA, 22.9.1934, Nr. 222, 2.Beilage, S. 1.
43. bi. in HA, 8./9.12.1934, Nr. 287, S. 29.
44. bi. ebd.
45. HA 17.11.1934, Nr. 270, 1. Beilage, S. 3.
46. H.S. in HA, 20.10.1934, Nr. 246. In der Besprechung wird
groer Wert darauf gelegt festzuhalten, dass die Franzosen sich
den in Paris lebenden, aber in Polen geborenen Chopin zu Un-
recht angeeignet htten; er sei vielmehr ,Polens grter Sohn',
dessen Musik von seinen ,Gttern' ,Mozart und Bach' geprgt
sei. Diese polenfreundlichen Bemerkungen werden verstnd-
lich, wenn man bedenkt, dass Deutschland und Polen seit Ja-
nuar 1934 durch einen Nichtangriffspakt einander verbunden
waren, der u. a. Frankreichs Einfuss auf die polnische Politik
neutralisieren sollte.
47. bi. in HA, 13.10.1934, Nr. 240, 3.Beilage, S. 7.
48. HT, 1.9.1934, Nr. 241, S. 8.
49. HA, 1.9.1934, Nr. 204, 2. Beilage, S. 15.
50. Dr. Kl. in HA, 20.10.1934, Nr. 246, 5. Beilage, S. 5 (Her-
vorhebung im Text).
51. zi. in HA, 20.10.1934, Nr. 246, 2. Beilage, S. 1 (gleich dar-
auf folgt die Besprechung von ICH TANZE NUR FR DICH).
52. zi. in HA, 1.12.1934, Nr. 281, S. 25. Vgl. vorher schon HA,
24.11.1934, Nr. 275, 5. Beilage, S. 3.
53. CB.: ,Film und Wirklichkeit'. In: HA, 17.11.1934, Nr. 270,
1. Beilage, S. 3.
54. ,Urauffhrung des Reichsparteitag-Films im Dezember'.
In: HA, 29.9.1934, Nr. 228, 5. Beilage, S. 1.
55. E. v. W.: ,Jenny Jugo als ,Pechmarie. Starker Filmerfolg'.
In: HF, Abendausgabe, 28.11.1934, Nr. 329, S. 4.
56. b.s. in HF, Abendausgabe, 1.9.1934, Nr. 241, S. 21.
57. G. in HF, Abendausgabe, 8.9.1934, Nr. 248, S. 7.
58. E. v. W. in HF, Abendausgabe, 13.10. 1934, Nr. 283, S. 21
(zum Film DA STIMMT WAS NICHT).
59. E.v.W.: ,Anny Ondra als ,Klein Dorrit. Groer Erfolg im
Passage-Theater'. In: HF, Abendausgabe, 1.9.1934, Nr. 241, S.
21.
60. HF, Abendausgabe, 19.12.1933, Nr. 350, S. 3.
61. E. v. W. in HF, Abendausgabe, 28.11.1934, Nr. 329, S. 4.
62. bb in HF, Abendausgabe, 1.9.1934, Nr. 241, S. 21.
63. HF, Abendausgabe, 8.12.1934, Nr. 339, S. 4.
64. F.O.: ,Filmparade der Nationen'. In: HF, Abendausgabe,
1.9.1934, Nr. 241, S. 2.
65. ,Von amerikanischen Filmen'. In: HF, Abendausgabe,
1.9.1934, Nr. 241, S. 21.
66. ,Liga des Aufstandes. Amerikas Aufstand gegen minder-
wertige Filme'. In: HF, Abendausgabe, 12.12.1934, Nr. 343, S.
3. Vgl. auch: ,Wieder Kirchenboykott unmoralischer Filme.
In: HF, Abendausgabe, 7.12.1934, Nr. 338, S. 2.
67. er in HF, Abendausgabe, 8.12.1934, Nr. 339, S. 4.
68. P. Jott in HF, Morgenausgabe, 21.11.1934, Nr. 322, S. 5.
69. Vgl. ,Der Film im Dienst der Winterhilfe'. In: HF, Abend-
ausgabe, 29.11.1934, Nr. 330, S. 4.
70. Vgl. HF, Abendausgabe, 1.9.1934, Nr. 241, S.21.
71. P. Jott in HF, Abendausgabe, 1.12.1934, Nr. 332, S. 32.
72. Vgl. HF, Morgenausgabe, 9.9.1934, Nr. 249, S. 8. Zum
Starkult um Hans Albers vgl. auch HF, Morgenausgabe, 6.9.,
Nr. 246, S. 3.
73. Vgl. E.M.M.: ,Morgenkaffe bei Charlotte Ander'. In: HF,
Abendausgabe, 18.9.1934, Nr. 258, S. 5.
74. HF, Abendausgabe, 5.12.1934, Nr. 336, S. 7.
75. HF, Abendausgabe, 6.12.1934, Nr. 337, S. 13. Sowie HF,
Morgenausgabe, 11.12.1934, Nr. 342, S. 4.
76. HF, Abendausgabe, 6.10.1934, Nr. 276, S. 3.
77. HF, Abendausgabe, 9.11.1934, Nr. 310, S. 13. Sowie HF,
Morgenausgabe, 27.11.1934, Nr. 328, S. 6; HF, Abendausgabe,
1.12.1934, Nr. 332, S.7.
78. HF, Abendausgabe, 17.11.1934, Nr. 318, S. 23. Vgl. auch
HF, Morgenausgabe, 18.11.1934, Nr. 319, S. 5.
79. ,Mensch ohne Namen - der Filmautor. Wie ein Manuskript
entsteht'. In: HF, Abendausgabe, 1.9.1934, Nr. 241, S. 21 (im-
merhin ein Dreispalter!).
80. J.B.: ,Ein Tag Wochenschau-Kameramann. Die ,Augen und
Ohren der Welt - Zeitgeschichte auf der Leinwand'. In: HF,
Morgenausgabe, 9.9.1934, Nr. 249, S. 28; Eva Leidmann: ,So
wird ein Drehbuch geschrieben. Eine Autorin plaudert aus der
Schule'. In: HF, Abendausgabe, 1.12.1934, Nr. 332, S. 22.
157 Kinoffentlichkeit III
81. D.A.R.: ,S.M. - der Filmregisseur. Der mchtigste Mann
im Atelier - Herrscher ber Tausende von Metern Zelluloid'.
In: HF, Abendausgabe, 15.12.1934, Nr. 346, S. 29.
82. D.A.R.: ,Die wahre Greta Garbo. Deutsche Stimmen fr
auslndische Schauspieler -Hollywood nach Schnauze syn-
chronisiert'. In: HF, Abendausgabe 22.9.1934, 1934, Nr. 262,
S. 9.
83. M.P.: ,Wo bleiben die abgespielten Filme?'. In: HF, Mor-
genausgabe, 24.11.1934, Nr. 325, S. 6.
84. ,Reichsparteitag in Nrnberg' (Bildseite). In: HF, Abend-
ausgabe, 6.9.1934, S. 3.; x.: ,In der Filmwerkstatt von Leni
Riefenstahl. Der Reichsparteitagsflm vor der Vollendung
- Letzte Arbeit in der Kopieranstalt'. In: HF, Abendausgabe,
15.12.1934, Nr. 346, S. 29.
85. ,Arbeitsdienst vor der Kamera. Ein junge Darstellerin er-
zhlt'. In: HF, Abendausgabe, 30.11.1934, Nr. 331, S. 5; 'Ein
neues Filmgesicht'. In: HF, Abendausgabe, 23.11.1934, Nr.
324, S. 7.
86. ,Ein Film von jungen Menschen'. In: HF, Abendausgabe,
29.11.1934, Nr. 330, S. 3.
87. E.v.W.: ,Mdels in Arbeitsdienst-Uniform'. In: HF, Abend-
ausgabe, 1.12.1934, Nr. 332, S. 22.
88. Text in einer Anzeige des Films DAS LETZTE PARADIES. In:
HF, Abendausgabe, 6.9.1934, Nr. 246, S. 17.
89. Text in einer Anzeige des Films in HF, Abendausgabe,
2.10.1934, Nr. 272, S. 15.
90. Wie in HF, Abendausgabe, 13.10.1934, Nr. 283, S. 21.
91. HF, Abendausgabe, 26.10.1934, Nr. 296, S.7; Vgl. die
begeisterte Filmkritik von E.v.W. in HF, Abendausgabe,
27.10.1934, Nr. 297, S. 9.
92. Sch. in HF, Abendausgabe, 23.11.1934, Nr. 324, S.9.
93. dnb: ,Hitler besichtigt den neuen Parteitags-Film'. In: HF,
Morgenausgabe, 7.12.1934, Nr. 338, S. 2.
94. 1934 wird das Beiprogramm zumeist in ein bis zwei St-
zen abgehandelt; die Titel der gezeigten Kurzflme werden aus-
gespart. Vgl. C.D.: ,Herr Kobin geht auf Abenteuer'. In: HN,
Abendausgabe, 13.10.1934, Nr. 479, 4. Beilage: ,Als Beipro-
gramm sieht man einen sehr lustigen und kstlich gelungenen
amerikanischen Farbflm aus der Werkstatt des Weihnachts-
mannes.'
95. C.D. in: HN, Abendausgabe, 8.9.1934, Nr. 419, S. 8.
96. c. in HN, Abendausgabe, 17.11.1934, Nr. 539, S. X, (4.
Beilage).
97. th. in HN, Abendausgabe, 1.9.1934, Nr. 407, S. 58.
98. H-nn in HN, Abendausgabe, 28.11.1934, Nr. 555, S. 3. Zum
Film selber vgl. Guido Altendorf: 'Liebeserklrung an Jenny
Jugo'. In: Filmmuseum Potsdam (Hrsg.): Jugo. Filmgeschichte
in Kleidern. Potsdam 2008, S. 6-27. S. 17.
99. C.D. in HN, Abendausgabe, 27.10.1934, Nr. 503, S. 13.
100. E.G. in HN, Abendausgabe, 15.9.1934, Nr. 431, S. X (3.
Beilage).
101. dt. in HN, Abendausgabe, 15.12.1934, Nr. 585, S. X (4.
Beilage).
102. HN, Abendausgabe, 18.10.1934, Nr. 487, S. 3.
103. E.G. in HN, Abendausgabe, 22.12.1934, Nr. 597, S. X (4.
Beilage).
104. ,Amerika reinigt seinen Film'. In: HN, Abendausgabe,
29.9.1934, Nr. 455, S. 8.
105. H-nn: ,Die groe Zarin. Der neue Marlene-Dietrich-Film'.
In: HN, Abendausgabe, 15.9.1934, Nr. 431, S. X (3. Beilage).
106. H-nn in HN, Abendausgabe, 1.9.1934, Nr. 407, S 8.
107. H-nn in HN, Abendausgabe, 22.9.1934, Nr. 443, S. 8.
108. Zitate und Hinweise in der Reihenfolge ihrer Nennung im
Text: Sonderseite ,Tnende Leindwand'. In: HN, Abendausga-
be, 3.11.1934, Nr. 515, S. X (3. Beilage). Franz Lehr: ,Ist der
Tonflm eine Kunst?'. In: HN, Abendausgabe, 22.9.1934, Nr.
443, S. 8; ,Neue Wege des Musikflms'. In: HN, Abendausga-
be, 22.12.1934, Nr. 597, 4. Beilage; E.S.: ,Kunstchronik. ,Wir
vom Tonflm'. In: HN, Abendausgabe, 5.11.1934, Nr. 517, S.
8.; HN, 19.12.1934, Nr. 605, S. X (3. Beilage).
109. HN, Abendausgabe, 29.12.1934, Nr. 605, 3. Beilage.
110. HN, Abendausgabe, 3.9.1934, Nr. 409, S. 2; HN, Abend-
ausgabe, 8.9.1934, Nr. 419, 2. Beilage; HN, Abendausgabe,
15.9.1934, Nr. 431, 3. Beilage; HN, Abendausgabe, 5.10.1934,
Nr. 465, S. 8; HN, Morgenausgabe, 24.11.1934, Nr. 548, S. 2.
111. ,Der Reichsparteitag im Film'. In: HN, Abendausgabe,
15.9.1934, Nr. 431, 3. Beilage.
112. ,,Ich fr Dich -Du fr mich! wird gedreht'. In: HN,
Abendausgabe, 27.10.1934, Nr. 503, S. 13.
113. Vgl. ,Ein nationalsozialistisches Filmkunstwerk'. In: HT,
1.12.1934, Nr. 331, S. 11.
114. Vgl. ,Keine Uniformen' (Hervorhebung H.S.) (wie Anm.
26).
115. Vgl. W.K.: ,Paula Wessely. Willy Forst - Gustaf Grnd-
gens. ,So endete eine Liebe, der Spitzenflm der Europa im
Ufa-Palast'. In: HT, 17.11.1934, Nr. 318, S. 17. Den Ausdruck
,nationalsozialistischer Cinast' hat Karl Christian Fhrer in
einer Diskussion in unserer DFG-Projekt-Gruppe benutzt; wir
nehmen ihn gerne auf und mchten im folgenden versuchen,
Einblicke in das durchaus aporetische Profl einer solchen Figur
zu geben.
116. Vgl. W.K.: ,Filmtheater gut gefhrt. Fnf Jahre groes Va-
riet und bedeutsame Filme im Ufa-Palast'. In: HT, 15.12.1934,
158 Bierbrauer, Budiner, Segeberg
Nr. 345, S. 10. Sowie ders.: ,Hamburger Kamera? Kleine f-
fentliche Anfrage an die Urania'. In: HT, 24.11.1934, Nr. 324,
S. 10.
117. W.K.: ,Trade Show der Paramount in Berlin'. In: HT,
1.9.1934, Nr. 241, S. 8 (Hervorhebungen H.S.).
118. Werner Kark: ,Die groe Zarin. Ein historischer Groflm
aus Amerika', HT, 15.9.1934, Nr. 255, S. 8.
119. Ebd. (Hervorhebung im Original gesperrt).
120. HT, 26.9.1934, Nr. 266, Erste Beilage, S. 5.
121. W.K.: ,Die Mnner von Aran. Das englische Filmkunst-
werk im Lessing-Theater'. In: HT, 10.11.1934, Nr. 311, S. 21
(Hervorhebung H.S.).
122. Vgl. Rainer Rother: ,Leni Riefenstahl und der ,absolute
Film'. In: H. Segeberg (Hrsg.): Mediale Mobilmachung I - Das
Dritte Reich und der Film. Mnchen 2004, S. 129-149. Rother
verlegt den Beginn dieser Debatte allerdings in die Diskussi-
on um die Riefenstahl-Parteitagsflme, sie hat aber wohl schon
sehr viel frher begonnen.
123. S-b.: ,Tabu - die Geschichte einer verbotenen Liebe'. In:
HT, 8.12.1934, Nr. 338, S. 13.
124. Kark: ,Die groe Zarin' (wie Anm. 118), S. 8.
125. HT, 8.9.1934, Nr. 248, S. 8 (zu LIEBE DUMME MAMA). Vgl.
auch die Vorbehalte von Werner Kark zum Film PECHMARIE, wo
die ,Ballade zur Groteske' werde, ,weil alle diese Menschen
des Films sich [.] zu sehr vom wirklichen Leben entfernt ha-
ben'. HT, 28.11.1934, Nr. 328, S. 10.
126. W.K. in HT, 6.10.1934, Nr. 276, S. 8.
127. Di. in HT, 27.10.1934, Nr. 297, S. 13.
128. W.K. ber den Film DER VERLORENE SOHN, dem dies ge-
linge, HT, 22.9.1934, Nr. 262, S. 8.
129. Ba. in HT, 17.11.1934, Nr. 318, S. 17.
130. Do in HT, 13.10.1934, Nr. 282, S. 22.
131. Dr. E. v. M. in HT, 29.9.1934, Nr. 269, S. 8.
132. W.K. in HT, 20.10.1934, Nr. 290, S. 13.
133. S-b in HT, 10.11.1934, Nr. 311, S. 11.
134. P.: ,Der deutsche Film im Dritten Reich. Die Reichskam-
mer tagt in Mnchen'. In: HA, 22.9.1934, Nr. 222, 2. Beilage,
S. 1; ,Eine Arbeitstagung der Reichsflmkammer in Mnchen.
In: HT, 22.9.1934, Nr. 262, S. 8. ,Der deutsche Film im Drit-
ten Reich. Eine Arbeitstagung der Reichsflmkammer in Mn-
chen'. In: HN, 21.9.1934, Nr. 441, S. 2.
135. Vgl. ,Keine Uniformen' (wie Anm. 26). Vgl. auch Kark:
,Ein nationalsozialistisches Filmkunstwerk!' (wie Anm. 113).
136. Vgl. dazu Rother: ,Riefenstahl' (wie Anm. 122).
137. Vgl. ,Kultur des Dritten Reiches'. In: HA, 30.1.1935, Nr.
25, Beilage.
138. Jean Baudrillard: Der symbolische Tausch und der Tod.
Mnchen 1982 (zuerst Paris 1976), S. 80
139. Vgl. ,Literarischer Film' (wie Anm. 24).
140. So W.K. ber ...HEUTE ABEND BEI MIR in HT, 6.10.1934, Nr.
276, S. 8 (Hervorhebung H.S.).
141. Vgl. die Zitate in diesem Aufsatz, o. S. 144, 146.

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