/-/ geboren 1936 im Sudetenland, Studium der Politikwis-
senschaft, Geschichte, Soziologie und Germanistik an den Universit- ten Marburg und Wien. Seit 1971 Professor fr wissenschaftliche Politik an der Universitt Marburg. 1973 Gastprofessur an der Universitt Tel Aviv. Seit 1974 Mitarbeiter an einem von der UNESCO gefrderten Pro- jekt ber den europischen Faschismus. 1972 Initiator der Neugrn- dung des Bundes demokratischer Wissenschaftler und seither im Bundesvorstand. Die wichtigsten Schriften (in insgesamt zwlf Sprachen erschienen): t. st-/. :.::.: (1966); t t. t./ - .. t.. .. o.- ...,./// (1966); zus. mit Rainer Rilling und Christine Sager, t. tt s./. t../,. .-. t.-/- .-. -.///.- t. (1969); t-.- /.,.//. u.// t/./-. t/-. (1971); t. .../. t/-. - ..//.- .-. t/.-.-.- (1975); t. ,.,. r. .. /,//.- o..//// (1976); t. r./ .. o.,-- .. s. :/. (1982); t. r.-. t.,./// (1985); - -/-. -/. t,. (1986); zus. mit Karen Schnwlder, s. ...- .- t...- .-. ..- ..- r., (1986); s. .- o.////. t. u/.t./. (1987); t. t/-. t-. t-/./.-, (1988); o.// .- ./ . ,-,.-/. .-. o.,.-. .. ..-.- t./.- (1990). Reinhard Khnl Faschismustheorien Ein Leitfaden Aktualisierte Neuauflage Distel Verlag Inhalt Einleitung 9 Erster Teil Begriff und Funktion von Wissenschaft 15 A. Wissenschaft als ntzliche Ttigkeit und als Herrschaftswissen 16 B. Wesen und Funktion von Geschichtswissenschaft 22 C. Wissenschaftliche Theorien als Gegenstand wissenschaftlicher Erkenntnis 34 Zweiter Teil Theorien ber den Faschismus 43 A. Einfhrung ins Problem: Der italienische Faschismus (Seton-Watson) 44 B. Hauptvarianten der Faschismustheorien 50 1. Faschismus als Produkt des Fhrers (J. C. Fest, Fabry, Golo Mann u. a.) 53 2. Faschismus als Produkt nationaler Besonderheiten (Bracher, Lukcs) 77 3. Faschismus als Mittelstandsbewegung: Die soziale Basis faschistischer Bewegungen 98 a. Soziologische Theorien (Geiger, Lipset, Winkler) 99 b. Psychologische Theorien (Reich, Fromm) 121 4. Faschismus als Totalitarismus (C.J. Friedrich, K.D. Bracher) 134 5. Faschismus - phnomenologisch (E. Nolte) 145 6. Faschismus als Modernisierung (Moore, Dahrendorf, Schoenbaum u. a.) 166 7. Faschismus als Bndnis 183 a. Die Bndnispartner und ihre Ziele (A. Schweitzer, Ch. Bloch, H. Mommsen, F. Heer, D. Petzina u.a.) 183 b. Die Herrschaftsstruktur des Faschismus: Folgerungen und Fehldeutungen (W Abendroth, Polykratie- und Pluralismustheorien) 210 Exkurs: Antisemitismus und Massenmord an den Juden 228 8. Faschismus als Diktatur des Monopolkapitals (Gossweiler, Opitz) 233 C. Grenzerscheinungen des Faschismus (sterreich, Japan) 264 Dritter Teil Zur Aktualitt des Faschismusproblems 275 A. Die entwickelten kapitalistischen Lnder 277 B. Die Randzonen der kapitalistischen Welt (Griechenland, Indonesien, Lateinamerika) 286 C. Versuch einer Typologisierung (M. Weibecker) 301 D. Faschismustheorien und Politik: Die Entwicklung der Faschismusdiskussion in der Bundesrepublik Deutschland 307 Anhang 323 Anmerkungen 324 Verzeichnis der zitierten Literatur 349 Einleitung Der Faschismus hat in der kurzen Periode seiner Herrschaft Terror und Massenmord in einem bis dahin nicht gekannten Ausma praktiziert; und er hat die Welt in einen Krieg gestrzt, der zu 50 Millionen Toten und 30 Millionen Verstmmelten gefhrt und halb Europa in Trmmer gelegt hat. Allein schon angesichts dieser Resultate ist es dringend gebo- ten, sich mit den Ursachen und Triebkrften des Faschismus genau zu befassen. Vielfltige Erscheinungen der Gegenwart zeigen jedoch, da der Faschismus mit seiner historischen Niederlage 1945 keineswegs ver- schwunden, sondern als Tendenz und Drohung nach wie vor existent ist. Die Errichtung der Diktaturen in Griechenland 1967, in Chile 1973 und in einer Reihe anderer lateinamerikanischer Lnder und die wohl- wollenden Reaktionen mageblicher politischer und sozialer Krfte in den groen kapitalistischen Industriestaaten 1 demonstrierten anschau- lich, da auch in der Gegenwart die Demokratie durch Angriffe der extremen Rechten bedroht ist. Und in groen kapitalistischen Indu- strielndern haben sich mindestens in Anstzen neue faschistische Ten- denzen entwickelt - teils in Gestalt rechtsextremer oder explizit faschi- stischer Parteien wie der MSI in Italien, der National Front in England, des Front National in Frankreich, der NPD, DVU, FAP und der Repu- blikaner in der Bundesrepublik, teils in Gestalt von Tendenzen inner- halb des Staatsapparats selbst, die im Namen von Ruhe und Ordnung die demokratischen Rechte der Bevlkerung bedrohen und den star- ken Staat und die Disziplinierung der Gewerkschaften und der kriti- schen Intelligenz verlangen. Diese Erscheinungen machen deutlich, da die faschistische Gefahr auch in hochentwickelten kapitalistischen Ln- dern nicht als endgltig berwunden betrachtet werden kann, sondern offenbar gerade unter den Bedingungen sozialkonomischer Krisen wieder anwchst. Aber auch die Abschaffung der kapitalistischen Eigen- tumsverhltnisse und die Erhebung des Antifaschismus zur Staatsdok- trin garantieren noch nicht die definitive berwindung faschistischer Denk- und Verhaltensweisen, wie die DDR anschaulich zeigt. Die 10 Einleitung Kenntnis ber Ursachen und Wesen des Faschismus wird damit zu einer vitalen Notwendigkeit fr die Verteidigung von Freiheit und Demokratie besonders auch in unserem Lande, das so tiefgreifend vom Faschismus und seinen Folgen betroffen war. Die wissenschaftliche Forschung hat in den letzten Jahrzehnten eine gewaltige Menge an neuen Dokumenten und Materialien erschlossen und damit unser Wissen ber den Faschismus in raschem Tempo erhht. Zugleich hat die wissenschaftliche Diskussion eine betrchtli- che Zahl von Theorien hervorgebracht, das heit von Versuchen, die Einzelfakten zu einer Gesamtinterpretation zu integrieren. Diese Dis- kussion, die in Zeitschriften und Bchern stndig weitergefhrt wird, ist fr den Nichtfachmann kaum noch zu berblicken. Gegen die Theoriediskussion haben sich zudem gewisse Aversionen entwickelt: mit Berufung auf die Unmittelbarkeit des historischen Geschehens in seiner Wirkung auf das konkrete Individuum, die Betroffenheit also, und auch die pralle Flle des lebendigen Geschichtsprozesses gegenber der Abstraktheit von Begriffen und Theorien. Will man aber nicht nur nachempfinden, sondern begreifen, so kommt man um die Frage nach Ursache und Wirkung, nach Kausal- beziehungen und Gesetzmigkeiten nicht herum. Das vorliegende Buch will den gegenwrtigen Stand der Diskussio- nen darstellen und analysieren - in seinen gesicherten Ergebnissen, sei- nen Problemen und Widersprchen. Aber es wendet sich nicht nur und nicht primr an jene Fachleute, fr die das Faschismusproblem seit lan- gem ein Gegenstand der Forschung und wissenschaftlichen Auseinan- dersetzungen ist, sondern gerade auch an jene, die - als Studenten, Leh- rer, Schler, Journalisten, Gewerkschafter oder einfach als politisch in- teressierte Staatsbrger - die Dringlichkeit des Faschismusproblems und die Notwendigkeit theoretischer Erkenntnis und praktischen Handelns sehen, ohne sich durch die Flle der Fachliteratur durcharbei- ten zu knnen. Obwohl es also fachwissenschaftlichen Charakter hat, will es zugleich populrwissenschaftlich sein: es versteht Wissenschaft als eine Sache, die alle angeht, und es darf also nicht so geschrieben sein, da Wissen ntig ist, um Wissen zu erwerben 2 . Das Literaturver- zeichnis und die Anmerkungen geben dann weitere Hinweise fr ein vertieftes Studium der einzelnen Probleme. Das Konzept eines Leitfadens, einer Einfhrung, bedeutet erstens, da die Hauptrichtungen, die Haupttypen der Faschismusinterpreta- tion herausgearbeitet werden; mancherlei Zwischenvarianten und Nuancierungen mssen dabei notgedrungen vernachlssigt werden. Und dieses Konzept bedeutet zweitens, da die Hauptrichtungen am Einleitung Beispiel von besonders wichtigen und einflureichen Texten und Auto- ren vorgestellt, da also nicht alle Reprsentanten der jeweiligen Rich- tung genannt und untersucht werden. Eine Einfhrung ist dieses Buch aber noch in anderer Hinsicht. Die verschiedenen Theorien ber den Faschismus reprsentieren zugleich allgemeine Theorien ber Geschichte und Gesellschaft. Insofern wird hier am Beispiel der Faschismustheorien zugleich in besonders einflu- reiche Sozial- und Geschichtstheorien der Gegenwart eingefhrt. Die Frage zum Beispiel, ob es die groen Fhrerpersnlichkeiten sind, die hauptschlich den Gang der Geschichte bestimmen, oder ob dies politi- sche Ideen oder soziale Klassen sind und in welchem Verhltnis diese Elemente zueinander stehen, ist ein allgemeines Problem der Ge- schichts- und Gesellschaftstheorie - wenn es auch durch das jeweilige konkrete Problem, in diesem Fall durch den Faschismus, eine je beson- dere Ausprgung erfhrt und also auch am konkreten empirischen Material berprft werden mu. Die kritische Analyse ber die Theo- rien des Faschismus soll also zugleich exemplarisch deutlich machen, wie historische Probleme generell untersucht werden knnen, wieweit die verschiedenen Theorien berhaupt geeignet sind, den historischen Proze zu erfassen, und wo ihre Mngel liegen. Es gibt bereits eine ganze Reihe von Darstellungen ber Faschismus- theorien, aber eine Einfhrung in dem hier entwickelten Sinne gibt es bisher nicht. Der von Ernst Nolte herausgegebene Band :/..- ./. ..- t/-. 3 enthlt eine informative Auswahl von Texten; die um- fngliche Einleitung interpretiert diese im Lichte der Theorie des Her- ausgebers, die betrchtliche Probleme und Mngel aufweist, wie das Kapitel ber Ernst Nolte zeigen wird. Die von den Nolte-Schlern Wippermann bzw. Thamer/Wippermann verfaten Schriften t/ -./..- und t//. .-. -.///. o...,.-,.- 4 sind vor allem als eine systematisierte Bibliographie gut verwendbar; inhaltlich sind sie am Interpretationsmodell ihres Lehrers Nolte orientiert. Die von Axel Kuhn verfate Schrift t ///. u.//,.- .-. .. -..-. o..//// 5 sieht - nach einer knappen bersicht ber einige Faschismustheorien - ihre Hauptaufgabe darin, ein eigenes Konzept zu entwickeln, das sich an die Modernisierungstheorie anlehnt. Richard Saage nennt seinen Band t/-./..- c zwar Eine Einfhrung, beschrnkt sich dann aber auf die Kontroversen ber das Verhltnis zwischen groindustriellen Interessen, faschistischer Massenbewegung und faschistischer Herrschaft in Deutschland. Er spricht damit zweifel- los zentrale Probleme an, liefert aber weder eine methodische Einfh- rung ins Problem noch eine zusammenhngende kritische Gesamtdar- 11 12 Einleitung Stellung der Faschismusdiskussion. Der Band t/-.//.-, : will einen Grundri der Faschismusinterpretation der DDR-Geschichtswis- senschaft liefern und skizziert nur im letzten Kapitel den Ansatz einer systematischen Auseinandersetzung mit vorherrschenden brgerlichen Faschismustheorien. Am nchsten kommt dem vorliegenden Band die Darstellung von J. Kerkshaw t. ss 8 ; sie konzentriert sich auf den deutschen Faschismus und besonders auf die Kontroverse ber die Rolle Hitlers. Das Konzept einer Einfhrung, wie es in dem vorliegenden Buch versucht wurde, warf betrchtliche Probleme der Darstellung und der Komposition auf. Etwas vereinfacht gesagt, bestand die Hauptschwie- rigkeit darin, da eigentlich schon die fundierte Kritik jeder einzelnen Theorie - gleichgltig mit welcher Theorie man beginnt - schon die umfassende Kenntnis des Gesamtproblems, des wirklichen historischen Faschismus voraussetzt - als Mastab, an dem die Theorie dann gemes- sen werden kann. Da eine solche vorab entwickelte Gesamtdarstellung des Faschismus ein eigenes Buch wre, wurde ein anderer Weg gewhlt. Im ersten Teil wird zunchst eine allgemeine Einfhrung in Wesen und Funktion von Wissenschaft gegeben, innerhalb der die Wissen- schaft von Geschichte und Gesellschaft ja nur einen Teilbereich dar- stellt. Hier soll deutlich werden, weshalb die Menschen berhaupt Wis- senschaft betreiben, was sie tun und erstreben, wenn sie dies machen, und wie sich Wissenschaft entwickelt. Im Anschlu daran wird geprft, welche besonderen Probleme aufgeworfen sind, wenn man wissen- schaftliche Theorien selbst zum Gegenstand einer wissenschaftlichen Untersuchung macht. Damit sind allgemeine Grundlagen entwickelt, von denen aus die Untersuchung konkreter Theorien in Angriff genom- men werden kann. Die Darstellung der Faschismustheorien, denen der zweite Teil, der Hauptteil, gewidmet ist, wurde weder chronologisch nach der Entste- hung der Theorien noch politisch nach ihren weltanschaulichen Prinzi- pien und Hauptaussagen gegliedert, sondern nach dem Grad ihrer Komplexitt und Wirklichkeitserfassung. Nach einer allgemeinen Ein- fhrung ins Faschismusproblem an dem entfernteren und deshalb Emotionen und unmittelbare Interessen weniger tangierenden Beispiel des italienischen Faschismus, die die Komplexitt des Gesamtproblems mindestens in den Umrissen aufzeigen soll, folgen die relativ einfachen Theorien, die den Faschismus im wesentlichen auf einen Faktor zurck- fhren bzw. nur einen Teilaspekt hervorheben: die Fhrerpersnlich- keit, die nationalen Besonderheiten der deutschen Geschichte, die so- ziale Zusammensetzung der faschistischen Bewegung, den totalitren Einleitung Charakter des faschistischen Herrschaftssystems. Erst dann werden jene Theorien untersucht, die eine Gesamtinterpretation der Ideologie, der Massenbewegung und des Herrschaftssystems des Faschismus anstre- ben und den inneren Zusammenhang dieser Teilmomente sichtbar machen wollen: die Interpretation von Ernst Nolte, die Theorie vom Faschismus als Bndnis verschiedener sozialer Krfte und schlielich die Theorie vom Faschismus als der Diktatur des Monopolkapitals. bergangs- und Abgrenzungsprobleme werden am Beispiel des sterrei- chischen Heimwehrfaschismus und des japanischen Herrschaftssy- stems diskutiert. Der dritte Teil fragt dann, wie es mit dem Faschismusproblem in der Gegenwart steht: mit dem realen Faschismus als politischer Kraft einer- seits, mit der theoretischen Bewltigung des Faschismus andererseits. Dabei wird sich zeigen, da der Gang der Faschismusdiskussion nur ver- stndlich ist im Zusammenhang mit der realen politischen Entwicklung seit 1945. Dies soll am Beispiel der Bundesrepublik dargestellt werden. Die Argumentation kann notgedrungen nur schrittweise entfaltet werden. Dies bedeutet, da zum Beispiel bei der Fhrertheorie, die am Anfang steht, nur jene Fragen aufgeworfen und jene Aspekte des wirkli- chen Faschismus dargestellt werden, die die allergrbsten Mngel und Fehler dieser Theorie sichtbar machen. Die nchsten Kapitel, die die Herleitung des deutschen Faschismus aus nationalen Besonderheiten und die soziale Basis faschistischer Bewegungen, also die Mittelstands- theorien, behandeln, stellen dann eine Erweiterung der bisherigen Information und eine Weiterfhrung der Argumentation, eine Vertie- fung der Analyse dar usw. So enthlt nicht schon jedes Kapitel in sich eine konsequente und umfassende Kritik der jeweiligen Theorie, son- dern jedes Kapitel stellt einen Schritt zu einer Gesamtargumentation dar, die erst am Ende des Buches voll entfaltet ist. Obgleich also das Buch so angelegt ist, da es nicht schon umfas- sende Kenntnisse ber den Faschismus voraussetzt, wre es doch wn- schenswert, wenn der Leser gewisse grundlegende Tatbestnde ber Ursachen und Struktur des Faschismus schon kennen wrde. Dies wrde ihm die Beurteilung der verschiedenen Theorien wesentlich erleichtern. Eine solche Einfhrung in die Sache selbst, in den wirkli- chen historischen Faschismus, enthlt zum Beispiel mein Buch t. t/-. t/.- u.//./. +/./ (Distel Hefte 3). In grerem historischen Kontext der Entwicklung der brgerlichen Gesellschaft stelle ich den Faschismus dar in meinem Buch t-.- /. ,.//. u.// t/./-. t/-. (rororo aktuell 1342). Da hier eine recht brauchbare Einfhrung vorliegt, entnehme ich auch der 13 14 Einleitung Tatsache, da dieses Buch mittlerweile in zehn Sprachen bersetzt wurde. Ein weiteres Problem kommt hinzu: Bezugspunkt der Kritik an den Theorien ist notwendigerweise und immer wieder der wirkliche Faschis- mus, den adquat zu erfassen diese Theorien ja behaupten. Nun ist es im Rahmen dieses Buches aber unmglich, das historische Material so detailliert auszubreiten, wie dies notwendig wre, um die Kritik jederzeit hinreichend empirisch abzusttzen. Deshalb sei hier schon auf die wichtigsten Dokumentensammlungen hingewiesen, in denen der Leser die entsprechenden Belege findet. 9 Die Darstellung konzentriert sich auf jene Probleme und Theorien, die den deutschen Faschismus betreffen (ohne den allgemeineren Cha- rakter des Faschismus zu bersehen). Dies geschieht deshalb, weil der deutsche Faschismus die bisher radikalste und brutalste Form reprsen- tiert und weil es unser Land war, das davon betroffen war und in vielfl- tigen Formen von den Folgen heute noch betroffen ist. Einige Vorstudien zu Teilfragen der vorliegenden Untersuchung wur- den bereits an anderer Stelle publiziert. Vor allem die t//. ../ /.// die o/. /. .../. .-. -.--/. t// t +,. -.- die ... t//. t.. die t-//.. u./. das ///./ /. .../. o.//. der Universitt Tel Aviv und der Sammelband r /. t,//,. sind hier zu nennen. Dort erfolgte auch eine detaillierte Auseinandersetzung mit der jeweils neuesten Literatur ber den Faschismus. 10 Wer es also genauer wissen will, als es hier in dieser Ein- fhrung dargestellt werden kann, mge diese Untersuchungen nachle- sen. In diesen und anderen Zeitschriften wird auch weiterhin ber den neuesten Stand der Diskussion berichtet und gestritten werden. Zwar wissen wir schon viel ber den Faschismus, aber manche Probleme sind doch noch nicht hinreichend geklrt. Und selbst bei dem, was wir zuver- lssig wissen, mu immer aufs neue um die Verbreitung und Durchset- zung der Wahrheit gerungen werden, weil gerade im Falle des Faschis- mus mit jeder wissenschaftlichen Aussage mchtige soziale Interessen betroffen sind, die durchaus nicht immer an der Verbreitung der Wahr- heit interessiert sind. Marburg, im Februar 1990 Reinhard Khnl Erster Teil Begriff und Funktion von Wissenschaft A. Wissenschaft als ntzliche Ttigkeit und als Herrschaftswissen Wissenschaft ist eine gesellschaftliche Ttigkeit, in der - nach einer For- mel der UNESCO - die Menschen eine planvolle Anstrengung unter- nehmen, durch das objektive Studium beobachteter Phnomene Kau- salzusammenhnge zu erkennen und zu beherrschen und aus dem Verstndnis der in der Natur und in der Gesellschaft zu beobachtenden Prozesse und Phnomene Nutzen zu ziehen - zum Wohl der Men- schen. 1 Der Zweck dieser Ttigkeit besteht also - wie Bert Brecht sei- nen o//. sagen lt - darin, die Mhsal der menschlichen Existenz zu erleichtern, also die Lebensbedingungen so zu gestalten, da die Menschen immer bessere Mglichkeiten erhalten, ihre Fhigkeiten zu entwickeln und ihre Bedrfnisse zu befriedigen. Dies betrifft - wie die UNESCO betont - sowohl das Verhltnis zwischen Mensch und Natur, mit dem sich hauptschlich die Naturwissenschaften befassen, wie auch die Verhltnisse der Menschen untereinander, mit denen sich die Gesellschaftswissenschaften befassen. Die in den Geistes- und Kulturwissenschaften unseres Landes noch weithin dominierende Auffassung von Wissenschaft als einer wert- und zweckfreien Ttigkeit wird also von der UNESCO nicht geteilt. Die UNESCO versteht Wissenschaft als eine zweckgerichtete, ntzliche Ttigkeit, als eine Form menschlicher Arbeit. Dies ist fr groe Teile der Naturwissenschaftler, fr Mediziner, konomen und Techniker weithin eine Selbstverstndlichkeit. Bei den Geisteswissenschaftlern jedoch konnte - wegen der relativen Ferne ihrer Existenz vom Bereich der praktischen Arbeit, in der Abgeschiedenheit ihrer Studierstube - die Ansicht entstehen, da ihre Ttigkeit frei von profanen Zwecken der Ntzlichkeit sei und sich ausschlielich auf die Erkenntnis der Wahrheit als solche richte. Tatschlich waren aber auch diese Wissenschaften immer eingebun- den in den gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang. Sie fungierten in der bisherigen Geschichte der Menschheit auch als Mittel, Mensch und Gesellschaft in einer bestimmten Weise zu interpetieren. So haben sie das Bewutsein der Menschen beeinflut, Weltanschauung erzeugt - gleichgltig, ob ihre Interpretationen der Wirklichkeit richtig oder falsch waren. Wenn Geschichte als das Handeln groer Fhrerpersn- Wissenschaft als ntzliche Ttigkeit und als Herrschaftswissen 17 lichkeiten und die Volksmassen als deren Staffage und Spielmaterial aufgefat werden, so erzeugt diese Darstellung eine bestimmte Weltan- schauung, nmlich eine solche, die im Volk Apathie und Unterwerfung begnstigt und also bestehende Herrschaftsverhltnisse stabilisieren hilft. Wird Geschichte dagegen begriffen als wesentlich von den Volks- massen gemacht, so wird auch damit eine bestimmte Weltanschauung erzeugt, allerdings eine ganz andere, nmlich eine solche, die die Men- schen ermutigt, in den politischen Proze aktiv und verndernd einzu- greifen. Solche politische Wirkungen haben Geistes- und Sozialwissen- schaften - unabhngig davon, ob die betreffenden Wissenschaftler dies bewut anstreben oder nicht, ob sie es berhaupt wissen oder nicht. Die Auffassung der UNESCO von Wissenschaft als einer Ttigkeit, die mittels der Erkenntnis der Wahrheit auf den praktischen Nutzen der Menschheit gerichtet ist, wird besttigt durch die Geschichte der Wissenschaft selbst. 2 Wissenschaft als eine besondere Form gesellschaftlicher Arbeit ist entstanden aus der praktischen Lebensttigkeit der Menschen. In ihrer Auseinandersetzung mit der Natur machen die Menschen Erfahrungen ber die Beschaffenheit der materiellen Welt, die sie befhigen, die Natur allmhlich besser zu verstehen und ihre Bedrfnisse besser zu befriedigen. Mit der Beherrschung des Feuers, also eines chemischen Prozesses, vor ber hunderttausend Jahren und mit dem bergang zur Landwirtschaft, also der bewuten Nutzung eines biologischen Prozes- ses, vor etwa zehntausend Jahren waren die ersten Schritte in dieser Entwicklung vollzogen. Aus der Beobachtung von Regelmigkeiten im Ablauf der Jahres- zeiten, zwischen Aussaat und Ernte, entwickelten sich die Anfnge der Biologie und der Agronomie; aus der Notwendigkeit, die Wassermassen des Nils und des Zweistromlandes zu beherrschen, den Zeitpunkt der berschwemmungen vorauszuwissen, Dmme zu bauen und das Land zu vermessen, entwickelten sich die Anfnge der Astronomie, der Mechanik und der Geometrie. Erfahrungswissen schreitet fort zum systematischen und methodischen Wissen, zur Erkenntnis der inneren Gesetzmigkeiten, wird zur Wissenschaft. Denken ist etwas, das auf Schwierigkeiten folgt und dem Handeln vorausgeht. 3 Seit den Anfngen der Wissenschaft vor etwa fnftausend Jahren hat die Menschheit gewaltige Fortschritte in der Erkenntnis und Beherr- schung der Naturkrfte gemacht. Insbesondere seitdem 16. und 17. Jahr- hundert haben sich die Produktivkrfte, die Kenntnisse und Fhigkeiten der Menschheit, mit enormer Geschwindigkeit entwickelt. Dabei ist die Rolle der Wissenschaft, die von der praktischen Lebensttigkeit ihre 18 Begriff und Funktion von Wissenschaft Impulse erhielt und mit ihren Resultaten selbst beschleunigend ein- wirkte auf diese Entwicklung, sehr stark angewachsen. Heute haben die Produktivkrfte zum erstenmal in der langen Geschichte der Mensch- heit einen Stand erreicht, der es real mglich macht, die elementaren Lebensbedrfnisse aller Menschen zu befriedigen, Hunger und Elend und die Angst vor dem Morgen abzuschaffen, die Langzeitwirkungen von Eingriffen in die Natur zu erforschen und damit die Erhaltung der Bedingungen menschlichen Lebens auch langfristig zu sichern. Der Wissenschaft kommt bei alldem eine zentrale und stndig wachsende Bedeutung zu. Die Herausbildung der altorientalischen Hochkulturen, in denen sich die Anfnge der Wissenschaft entwickelten, ist jedoch zugleich die Herausbildung der Klassengesellschaft. Die Produktivkrfte sind nun so weit entwickelt, da mehr erzeugt werden kann, als zur Lebenserhaltung der Arbeitenden erforderlich ist. So kann dieses Mehrprodukt von jenen angeeignet werden, denen es gelingt, die gesellschaftlichen und politi- schen Herrschaftspositionen zu erobern und die Arbeitenden unter ihre Gewalt zu bringen. Diese Kategorie von Menschen, die die Mglichkeit und die Macht haben, andere fr sich arbeiten zu lassen und sich deren Mehrprodukt anzueignen, wird in der marxistischen Theorie als herrschende Klasse bezeichnet. Die herrschende Klasse ist also zu unterscheiden von den politisch Regierenden, die durchaus auswechselbar sein knnen. Ein wichtiges Mittel zur Sicherung dieser Klassenherrschaft stellt die Monopolisierung der geistigen Arbeit durch die herrschende Klasse dar. So wird geistige Ttigkeit, Wissenschaft, die zunchst einfach als Zweig einer funktionalen Arbeitsteilung jenen zugeordnet war, die sich auf Probleme des Allgemeinen, der Koordination, der Planung, Berechnung und Lenkung des gesellschaftlichen Arbeitsprozesses spezialisiert hat- ten, zu einem Instrument von Herrschaft. Die besondere Ausbildung und die besonderen Kenntnisse, die wissenschaftliche Ttigkeit aus- zeichnen, werden den Privilegierten reserviert, die, freigestellt von kr- perlicher Arbeit, von den anderen miternhrt werden mssen. Diese bernehmen alsbald auch die ideologischen Funktionen der Herrschaftssicherung, indem sie Mensch, Natur und Gesellschaft in einer bestimmten Weise interpretieren, nmlich so, da den arbeitenden Massen die berzeugung vermittelt wird, da sie zur Arbeit und zur Unterordnung verpflichtet seien und dies alles zu ihrem eigenen Wohl geschehe. So wurden zum Beispiel unbegriffene Naturgewalten perso- nalisiert und die Herrschenden als Abkmmlinge oder Reprsentanten hherer Mchte dargestellt. Und die gesellschaftlichen Verhltnisse Wissenschaft als ntzliche Ttigkeit und als Herrschaftswissen 19 wurden dargestellt als gott- und naturgewollt, als unabnderlich. Bert Brecht schreibt sehr anschaulich ber das Reich der Gedanken: Bestimmte Gedanken sind einzig und allein dazu angestellt, dieses Reich fr ewig zu erklren. Sie beweisen Tag und Nacht, da es ein Stck der Natur ist und unvernderbar. Diese Gedanken werden ab und zu, wenn sie im Dienst ergraut und verfettet sind, ersetzt durch andere, jngere und leistungskrftigere. Sie vertreten dann das Alte mit neuen Wrtern. 4 So ist Wissenschaft von Anfang an durch diesen Doppelcharakter gekennzeichnet: Sie ist Mittel zur Erkenntnis der materiellen Welt und damit zur planvollen Gestaltung der Beziehungen zur Natur, zur plan- vollen Gestaltung der gesellschaftlichen Entwicklung und zur besseren Befriedigung menschlicher Bedrfnisse. Und zugleich ist sie Mittel der Herrschaft und der Unterdrckung. Dies bedeutet, da nicht nur die materiellen Resultate des wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritts vorrangig von der herrschenden Klasse angeeignet werden und dieser ein hheres Ma an Reichtum und Lebensgenu ermgli- chen. Es bedeutet zugleich, da die Entfaltung der geistigen Fhigkeiten und die Befriedigung geistiger und kultureller Bedrfnisse weitgehend auf eine Minderheit beschrnkt bleiben. Und es bedeutet schlielich, da wissenschaftliche Erkenntnisse auch zu destruktiven, inhumanen Zwecken eingesetzt werden, wenn sich die Herrschenden davon Nutzen versprechen. Es liegt also hauptschlich an den Eigentums- und Herrschaftsver- hltnissen, da die fortschrittlichen Potenzen der Wissenschaft nur sehr gehemmt und gebrochen zum Zuge kommen knnen. Hier wre also auch politisch-strategisch anzusetzen - und nicht bei der Dmonisie- rung der Technik und der Wissenschaft. Nicht abstrakt die Tech- nik oder die Wissenschaft war die Ursache fr den Abwurf der Atom- bomben auf japanische Stdte oder die Verwstung Vietnams, sondern es waren dies angebbare gesellschaftliche Krfte und Interessen, nm- lich imperialistische. Zu bedenken ist allerdings, da Gefahren auch aus der inneren Logik des Wissenschaftprozesses selber erwachsen knnen, wenn dieser sich gnzlich selber berlassen, allein auf Erkenntnisfort- schritt als solchen gerichtet und an ethische Normen nicht gebunden ist. Diese fr alle Klassengesellschaften kennzeichnende Problematik vom Doppelcharakter der Wissenschaft hat sich im Kapitalismus noch wesentlich verschrft. Einerseits trieb die Konkurrenz die Produktiv- krfte in einem bis dahin ungekannten Ausma voran und damit auch die wissenschaftliche Erkenntnis ber die Beschaffenheit der materiel- 20 Begriff und Funktion von Wissenschaft len Welt. Die berwindung des Feudalismus als Gesellschaftsforma- tion bedeutete zugleich die berwindung des irrational-religisen Welt- bildes durch ein rational-wissenschaftliches. So stellt die Freiheit der Wissenschaft und der kritischen Vernunft die Bedingung fr die Entfal- tung des Kapitalismus dar und ist eben deshalb in allen brgerlichen Verfassungen seit dem Zeitalter der brgerlichen Revolutionen garan- tiert. Andererseits vollzieht sich die Entwicklung der Produktivkrfte nicht durch geplante Kooperation der Gesellschaftsmitglieder mit dem Ziel optimaler Bedrfnisbefriedigung, sondern durch die Konkurrenz der Einzelkapitale mit dem Ziel maximalen Profits, der allein den Wirt- schaftssubjekten eine berlebenschance im Konkurrenzkampf bieten kann. Von diesen Kriterien aus ist deshalb auch die Entwicklung der Wissenschaft wesentlich bestimmt: die Frage also, in welcher Richtung wissenschaftlich gefragt und geforscht werden soll und welche materiel- len Mittel dafr zur Verfgung stehen. Wissenschaftliches Wissen selbst erhlt tendenziell Warencharakter, wie schon die Patentgesetzgebung zeigt. Danach knnen wissenschaftliche Erkenntnisse, wenn sie von Pri- vatunternehmen gekauft wurden, ausschlielich von diesen Unterneh- men genutzt, weiterverkauft oder auch brachgelegt werden (falls ihre praktische Ausfhrung etwa die Gewinne bedrohen wrde). Wenn einer eine Lampe erfindet, die jahrzehntelang nicht ausbrennen kann, dann wird die Erfindung von den Lampenmachern gekauft, nicht damit solche Lampen nun hergestellt werden, sondern damit sie nicht herge- stellt werden knnen. 5 Gesamtgesellschaftlich wurde - entgegen den berzeugungen der frhbrgerlichen Vernunft- und Geschichtstheorien - sehr bald deut- lich, da die Freiheit der Wissenschaft nur insoweit erwnscht war, als sie die bestehende Gesellschafts- und Eigentumsverfassung nicht bedrohte. Dies bekamen hauptschlich solche Wissenschaftler zu sp- ren, die sich mit aktuellen Problemen der Gesellschaft befaten, beson- ders also konomen, Soziologen, Staatstheoretiker und Rechtswissen- schaftler. Solche Wissenschaftler wurden - besonders in Deutschland, wo die fortschrittlichen Krfte nie richtig zum Zuge kamen - von den Universitten strikt ferngehalten, wie Marx und Engels und viele andere Reprsentanten dieser Wissenschaftsrichtung bis hin zu den mit Be- rufsverbot bestraften Wissenschaftlern in der Bundesrepublik; sie wur- den diszipliniert (wie Kant, Hoffmann von Fallersleben, Pestalozzi, Fichte, Lessing, die Brder Grimm, Feuerbach und viele andere), aus ihrem Heimatland vertrieben (wie Albert Einstein, Adorno, Horkhei- mer, Theodor Geiger, Karl Mannheim usw.), eingekerkert (wie Wolfgang Wissenschaft als ntzliche Ttigkeit und als Herrschaftswissen 21 Abendroth, Carl von Ossietzky) oder umgebracht (wie zum Beispiel Rosa Luxemburg und Gustav Landauer). 6 Was den Kapitalismus gegenber vorangegangenen Gesellschaftsfor- mationen auszeichnet, ist also erstens die grundlegende und stndig wachsende Bedeutung der Wissenschaft fr die Produktion und Repro- duktion des materiellen Lebens und zweitens der besonders starke Widerspruch zwischen dem daraus resultierenden Fortschrittspotential und den Hemmungen, die sich aus dem Privateigentum an den Produk- tionsmitteln ergeben. Dies uert sich auch als Widerspruch zwischen der proklamierten Freiheit der Wissenschaft und der Tendenz, die Ent- wicklung der Wissenschaft zu binden an die Gewinninteressen der Pri- vatwirtschaft und die bestehende Eigentumsverfassung. Der widersprchliche Charakter der Wissenschaft hat sich also ver- schrft, und die gesellschaftlichen Grund- und Rahmenbedingungen wirken mit erhhter Intensitt auf Entwicklung und Struktur der Wis- senschaft. Um so drngender stellt sich die Frage, wie diese Wissen- schaft selbst beschaffen sein mte, damit sie ihre Erkenntnis- und Humanisierungsfunktion erfllen kann. B. Wesen und Funktion von Geschichtswissenschaft Geht man vom Wissenschaftsbegriff der UNESCO aus, der Wissen- schaft als ntzliche menschliche Ttigkeit bestimmt, so haben die Gesellschaftswissenschaften, zu denen auch die Geschichtswissenschaft zhlt, die Aufgabe, die Geschichte der Menschheit, der gesellschaftli- chen und politischen Verhltnisse zu untersuchen, um den Reichtum menschlicher Schpfungskraft fr die gegenwrtig Lebenden aneignen zu knnen und diese Erfahrung nutzbar zu machen fr die Lsung der Probleme von Gegenwart und Zukunft. Dies kann sie nicht leisten, wenn sie sich mit der bloen Beschreibung des historischen Gesche- hens, der Aufeinanderfolge der politischen Ereignisse begngt; sondern nur dann, wenn sie die Kausalbeziehungen aufdeckt, die Triebkrfte des historischen Prozesses erforscht, also ber die Erkenntnis von Einzel- heiten hinaus zur Erkenntnis von historisch-gesellschaftlichen Prozes- sen und Gesetzmigkeiten vordringt. Wenn Geschichte nichts anderes wre als die Abfolge von je einmaligen und einzigartigen Ereignissen, Vorgngen und Persnlichkeiten, wie dies die immer noch vorherr- schende Auffassung unserer Geschichtswissenschaft, der Historismus, behauptet, so liee sich in der Tat aus der Geschichte nichts lernen. Handeltes sich bei Geschichte hingegen um einen Zusammenhang, der eine Entwicklungsrichtung erkennen lt und also von Gesetzmig- keiten bestimmt sein mu, so lt sich aus der Geschichte durchaus etwas lernen. Die Frage, ob die Wirklichkeit als statischer oder als prozehafter Zusammenhang zu verstehen und ob sie von Gesetzen bestimmt ist, stellt die Grundfrage der Wissenschaft dar. Die Entwicklung der moder- nen Wissenschaft hat sich unter diesen Gesichtspunkten in drei groen Etappen vollzogen. In der ersten Etappe haben Galilei und Newton nachgewiesen, da die Welt der toten Materie von objektiven inneren Bewegungsgesetzen bestimmt (und nicht vom Willen eines hheren Wesens willkrlich von auen gelenkt) ist. Es hat Jahrhunderte gedauert, bis dieses Weltbild gegen den Widerstand der reaktionren Mchte, die dadurch ihr religis-irrationales Weltbild und ihre damit verbundene ideologische und gesellschaftliche Herrschaft bedroht sahen, durchge- Wesen und Funktion von Geschichtswissenschaft 23 setzt werden konnte. In der nchsten Etappe wies Darwin nach, da auch die Evolution des Lebendigen bis hin zum Menschen einen ge- setzmigen und also einen aus sich heraus erklrbaren Proze darstellt, womit das religis-irrationale Weltbild den zweiten entscheidenden Sto erhielt. In der dritten Etappe, in der wir uns gegenwrtig noch befinden, geht es nun um die Frage, ob auch die Menschheitsgeschichte einen zusammenhngenden, gesetzmigen und also wissenschaftlich erklrbaren Proze darstellt. Die These vom gesetzmigen Charakter auch der Menschheitsge- schichte, wie sie in Vorformen von den Philosophen der Aufklrung, dann von Hegel und in der nchsten Stufe von Marx und Engels for- muliert worden ist 7 , wirft deshalb besondere Probleme auf, weil hier die Freiheit des Menschen auf dem Spiel zu stehen scheint. Kann es histo- risch-gesellschaftliche Gesetze geben, wenn der Mensch zugleich als ein mit eigenem Willen und eigener Entscheidungsfreiheit ausgestattetes Wesen verstanden wird? Wird der Mensch durch die These vom gesetz- migen Charakter der Geschichte nicht zum bloen Objekt auer- menschlicher Krfte degradiert? Schon ein Blick auf das Verhltnis zwi- schen menschlicher Freiheit und Naturgesetzen zeigt, da das Problem so einfach nicht ist. Die Kenntnis der Naturgesetze befhigt die Menschen, die Natur- krfte zu beherrschen und zum Nutzen der Menschen zu lenken. Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, da er die Naturgesetze auer Kraft setzen knnte. Das Fallgesetz gilt, ob der Mensch dies will oder nicht. Er kann es jedoch - zum Beispiel durch Verwandlung der Energie fallender Wassermassen in Elektrizitt - fr die bessere Befriedigung menschlicher Bedrfnisse einsetzen und so die konkrete menschliche Freiheit erhhen, das heit die Chancen verbessern, die materiellen, kulturellen und seelischen Bedrfnisse zu befriedigen und die vielflti- gen Fhigkeiten des Menschen besser zu entwickeln. Der Zusammenhang zwischen Freiheit und Gesetzmigkeit im historisch-gesellschaftlichen Bereich ist komplizierter, und doch erge- ben sich in mancher Hinsicht hnliche Schlufolgerungen. Wie also vollzieht sich Geschichte? Der historische Proze weist zwei grundlegende Elemente auf, die sich zu widersprechen scheinen: Einerseits ist unzweifelhaft, da die Menschen ihre Geschichte selber machen, da Geschichte nichts ande- res ist als die Summe menschlicher Handlungen und da nichts ber- natrliches im Spiel ist: kein gttlicher Heilsplan, kein - von wem auch immer gesetztes - Endziel der Geschichte, kein Weltgeist (sei es ein Hegelscher oder ein anderer), also auch kein auerhalb der menschli- 24 Begriff und Funktion von Wissenschaft chen Gesellschaft befindliches Geschichtsgesetz oder eine vermeintli- che Logik des Kapitals. Es ist nicht etwa die 'Geschichte', die den Menschen zum Mittel braucht, um /. als ob sie eine aparte Person wre - Zwecke durchzuarbeiten, sondern sie ist -/ als die Ttigkeit des seine Zwecke verfolgenden Menschen, wie Marx und Engels in der u./,.- t-/. feststellen. 8 Die Menschen machen also ihre Geschichte, indem jeder seine eig- nen, bewut gewollten Zwecke verfolgt, diese freilich oft nicht erreicht. Bei diesem gesellschaftlich-politischen Handeln geschieht nur sel- ten . . . das Gewollte, in den meisten Fllen durchkreuzen und wider- streiten sich die vielen gewollten Zwecke oder sind diese Zwecke selbst von vornherein undurchfhrbar oder die Mittel unzureichend. So fh- ren die Zusammenste der zahllosen Einzelwillen und Einzelhand- lungen auf geschichtlichem Gebiet einen Zustand herbei, der ganz dem in der bewutlosen Natur herrschenden analog ist. Die Zwecke der Handlungen sind gewollt, aber die Resultate, die wirklich aus den Handlungen folgen, sind nicht gewollt, oder soweit sie dem gewollten Zweck zunchst doch zu entsprechen scheinen, haben sie schlielich ganz andre als die gewollten Folgen. 9 Andererseits kommt durch die Summe dieser zahllosen sich kreuzen- den und zum Teil aufhebenden Einzelwillen und Einzelhandlungen ein Entwicklungsproze zustande, eine Menschheitsgeschichte, die einen inneren Zusammenhang, einen roten Faden, eine Richtung erkennen lt. Niemand, der die Sache unvoreingenommen betrachtet, wird leug- nen knnen, da die Geschichte der Menschheit, seit diese sich vor etwa zwei Millionen Jahren aus dem Tierreich herausgearbeitet hat, eine Entwicklungsrichtung erkennen lt. Diese beiden Momente zusammenzubringen ist der herkmmlichen Geschichtswissenschaft offensichtlich unmglich. 10 Entweder sie ver- harrt - wie der Neukantianismus, der Historismus und der Kritische Rationalismus - bei der These, da das Wesen der Geschichte in der Einmaligkeit und Individualitt aller Fakten, Vorgnge und Persnlich- keiten liege. Bestimmend fr dieses Geschichtsverstndnis wurde die Lehre des Neukantianismus, die um die Jahrhundertwende entwickelt wurde. Danach sei die Natur durch Gesetze bestimmt, die Naturwissen- schaft also eine generalisierende Wissenschaft, die auf Erkenntnis von Gesetzen ziele. Die menschliche Gesellschaft hingegen, die Kultur, sei durch das Individuelle und Einmalige gekennzeichnet, die Kulturwis- senschaft also eine individualisierende Wissenschaft. 11 Es ist klar, da von hier aus kein Begriff eines zusammenhngenden historischen Prozesses gewonnen werden kann. Geschichte lst sich auf Wesen und Funktion von Geschichtswissenschaft 25 in eine Flle von Geschichten - um nicht zu sagen: Histrchen. So sagt Golo Mann: Was ist das spezifisch Geschichtliche? Es ist der Mensch in der ihm eigenen Dimension der Zeit. Also ist es das Einmalige, denn die Zeit ist irreversibel, und Geschichte wiederholt sich nicht. 12 Der Historismus vertritt die These, da die Wirklichkeit berhaupt keine Struktur besitze, sondern eine Ansammlung, individueller Begebenhei- ten, ein Chaos von Fakten darstelle, also gar nicht im eigentlichen Sinne erkannt, das heit erklrt, sondern allenfalls intuitiv-verstehend nachempfunden werden knne. Die Struktur, die Ordnung sei nicht in der Sache selbst enthalten, sondern werde erst vom Historiker hineinge- bracht, der damit zum Knstler, zum Schpfer der Wirklichkeit werde. Knstlerische Intuition und knstlerisch-anschauliche Gestaltung des Geschehens zeichne den Historiker aus 13 ; oder mit den Worten der t-//.. +//,.-.-.- z..-, Das Gesicht der Welt ist das Gesicht ihres Betrachters. 14 Geschichte hat nach dieser Auffassung keine Richtung, sondern stellt eine chaotische und im Grunde unbegreifliche Anhufung von einma- ligen Begebenheiten dar. Letzendlich kapituliert diese Art von Ge- schichtswissenschaft denn auch vor dem Problem, den historischen Pro- ze zu erklren: Es lt sich . . . wissenschaftlich nichts aussagen ber das Woher und Wohin der Geschichte. 15 Mit wissenschaftlichen Kate- gorien knne man ebensowenig Geschichte erklren, als wenn wir un- ser Gedanken-Schrflein in den Ozean der Geschichte werfen, wo nie- mand wei, was aus ihm werden wird 16 . Oder in den Worten des West- Berliner Historikers Ernst Nolte: Von Zeit zu Zeit mag ein Durchstich zur Oberflche ber dem Tunnel und ein neues Ziel-Orientieren mg- lich sein, das die alten Karten obsolet macht und doch nur ein neues Eintauchen in das Dunkel vorbereitet. 17 Und Gerhard Ritter, der groe Lehrmeister der bundesrepublikanischen Historikerzunft, sagt: Den letzten Sinn der Geschichte als Ganzes vermgen wir nicht zu verste- hen; den kennt Gott allein. 18 Die andere, ebenso unbefriedigende Version der herkmmlichen Geschichtswissenschaft besteht darin, die andere Seite der Geschichte zu verabsolutieren: Sie sieht in Geschichte einen determinierten Pro- ze, der menschlichem Einflu entzogen ist - wobei die Determination bei den einen vom Willen Gottes, bei den anderen von Naturgesetzen wie der unabnderlichen Triebstruktur des Menschen oder dem natur- haften Proze von Geborenwerden, Altern und Sterben der Vlker und Kulturen reprsentiert sein mag. Da die Natur des Menschen hier nicht als eine im Verlaufe der Geschichte durch menschliche Ttigkeit sich selbst verndernde, sondern als unabnderliche begriffen wird, luft 26 Begriff und Funktion von Wissenschaft dies auf die Ansicht hinaus, da es sich bei Geschichte um die Wieder- kehr des Immergleichen handelt. Auch mit dieser Anthropologisierung von Geschichte ist der Gedanke der Vernderung und Entwicklung eliminiert. Geschichte als Proze wird unbegreiflich. Der Mensch mu dann nur noch mit den naturgegebenen Eigenschaften ausgestattet werden, die den kapitali- stisch Wirtschaftenden kennzeichnen (Erwerbstrieb, Egoismus, Neid, Konkurrenzgefhl, Machttrieb 19 ), um zu folgern, da es in der Welt gar nicht anders sein kann, als es ist, und da es im Prinzip auch nie anders gewesen ist. Es ist nur eine Variante der These von der Wiederkehr des Immergleichen, wenn Oswald Spengler, Arnold Toynbee und andere Geschichtsphilosophen Geschichte - in Analogie zu Organismen - als eine Serie von Kulturkreisen verstehen, die allesamt dem organischen Gesetz von Aufstieg, Blte und Verfall unterworfen sind: Jede Kultur durchluft die Altersstufen des einzelnen Menschen. Jede hat ihre Kindheit, ihre Jugend, ihre Mnnlichkeit und ihr Greisentum. 20 Auch die Theorie von der Industriegesellschaft, die sich als besonders modern versteht, begreift Geschichte als determinierten, menschlicher Einwirkung weitgehend entzogenen Proze, sofern sie die Technik als bestimmende, Mensch und Gesellschaft beherrschende Kraft ansieht. In all diesen Auffassungen wird das Moment des historischen Zusammen- hangs, das der Historismus gar nicht erkennt, zwar gesehen, aber es wird, da es nicht rational erklrt werden kann, mystifiziert. Jede dieser beiden Versionen enthlt fr sich genommen ein Element von Wahrheit, das jedoch - aus dem Zusammenhang gelst und verab- solutiert - zur falschen Geschichtsauffassung gert. Der Historismus hat einerseits zweifellos recht, wenn er betont, da alle Fakten und Vor- gnge einmaligen Charakter haben und da Geschichte sich insofern nicht wiederholt. Und dennoch kommt ein Zusammenhang zustande, der eine Richtung aufweist. Wie dies mglich ist, kann zunchst am Beispiel des individuellen Lebens verdeutlicht werden. 21 Alle Ereignisse und Gegenstnde im Leben eines Menschen sind fr sich genommen einmalig und unwiederholbar. Und dennoch kann der Mensch aus den Erfahrungen seines bisherigen Lebens lernen, das heit allgemeine Schlufolgerungen ziehen, die fr andere Situationen anwendbar sind. Dies ist deshalb mglich, weil sich in individuellen Gegenstnden und Ereignissen zugleich Allgemeines ausdrckt: Das Kind lernt, ein Messer von einer Gabel, einen Hammer von einer Nadel zu unterscheiden - ebenso wie es lernt, Holz von Eisen und Wolle von Leder zu unterscheiden. Die verschiedenen Materialien haben unter- schiedliche Eigenschaften und knnen also zu unterschiedlichen Wesen und Funktion von Geschichtswissenschaft 27 Zwecken benutzt werden. Und die verschiedenen Werkzeuge sind von den Menschen so gearbeitet, da sie auf die objektiven Eigenschaften des jeweiligen Materials und auf bestimmte menschliche Zwecke abge- stellt sind. Ein Hammer ist auf anderes Material und andere Zwecke ein- gerichtet als eine Nhnadel. Diese Eigenschaften der materiellen Welt aber sind objektiv vorgegeben. Der Mensch mu sie sich aneignen, um seine Werkzeuge und sein Verhalten entsprechend einrichten zu kn- nen. Tut er dies nicht, so kann er seine Zwecke, vorab den Zweck der Existenzsicherung, nicht erreichen. Diese objektiv gegebenen Eigen- schaften der materiellen Welt und die darauf abgestellten Eigenschaften der Werkzeuge also erlernt das Kind, um die Probleme seines Lebens bewltigen zu knnen. Dieser Lernproze ist eben deshalb mglich, weil in all den einzelnen Gegenstnden und Ereignissen seines Lebens zugleich Allgemeines enthalten ist. Geschichte kann nun in gewisser Hinsicht als eine Biographie der Menschheit aufgefat werden: sptere Generationen lernen von den Erfahrungen frherer und entwickeln zugleich diese Erfahrungen weiter - obgleich natrlich alle historischen Fakten und Vorgnge fr sich genommen einmalig und unwiederholbar sind. Freilich ist die Akkumu- lation von Erfahrungen in der Gattungsgeschichte der Menschheit komplizierter als im individuellen Leben, weil die Aneignung bisheriger Erfahrungen mit jedem Individuum, mit jeder Generation neu beginnt. Da die von frheren Generationen angesammelten Erfahrungen sich nicht biologisch vererben, steht jede Generation immer aufs neue vor der Aufgabe, sich diesen wachsenden Erfahrungsschatz vorausgegange- ner Generationen anzueignen. Der von frheren Generationen geschaf- fene Stand an Produktivkrften (an Kenntnissen, Werkzeugen usw.) stellt dabei ebenso eine objektiv vorgegebene Bedingung fr das Han- deln der jeweils lebenden Generation dar wie die jeweiligen gesell- schaftlichen Verhltnisse. Diese objektiven Bedingungen haben also nichts Mysterises, auf auermenschliche Krfte Verweisendes an sich. Sie sind nichts anderes als das Resultat des Handelns vorangegangener Menschheitsgenerationen, das gegenstndliche, objektivierte Form angenommen hat. Auf der Basis und im Rahmen dieser objektiv gege- benen Bedingungen entwickelt sich dann das Handeln der neuen Gene- ration. Das macht den Spielraum ihrer Freiheit aus. Die Geschichtswissenschaft fungiert dabei gewissermaen als Gedchtnis der Menschheit, das die Erfahrungen vorangegangener Generationen aufbewahrt und daraufhin befragt, was sich aus ihnen fr die Gegenwart lernen lt. So kommt es, da jede Generation andere Aspekte des geschichtlichen Prozesses besonders hervorhebt. Dies stellt 28 Begriff und Funktion von Wissenschaft keineswegs den objektiven Charakter solcher historischen Aussagen in Frage, sofern alle diese Aspekte im Geschichtsproze objektiv enthalten sind. (Darber hinaus kann Geschichtswissenschaft die schpferische Kraft frherer Generationen, die Vergegenstndlichungen in Kunst und Wissenschaft, Architektur und Technik vor Augen fhren und so beitra- gen zur geistigen und seelischen Bereicherung der jeweils Lebenden.) Da Geschichte die Gesamtheit aller einmaligen Fakten und Vor- gnge und zugleich eine Manifestation des Allgemeinen und Gesetzm- igen, da sie das Resultat aller individuellen Zwecksetzungen und Handlungen und zugleich ein zusammenhngender Proze ist, kann nur von einer Wissenschaft erklrt werden, die von der grundlegenden Bedingung der realen menschlichen Existenz ausgeht: Dies ist die Arbeit, mit der die Menschen die Bedingungen ihrer Existenz selber produzieren. Sie ist es, die zugleich den Zusammenhang zwischen den Individuen real herstellt, die keineswegs vereinzelt, getrennt voneinan- der existieren. Das Wesen des Menschen ist vom Individuum aus gar nicht zu erfassen, weil sich schon die Sicherung der materiellen Exi- stenz der Menschen durch Arbeit nur als Kooperation, als zweckvolles Zusammenwirken vieler Individuen mit je unterschiedlichen Fhigkei- ten und Aufgaben bewerkstelligen lt. Aber die Arbeit stiftet nicht nur den gesellschaftlichen Zusammen- hang zwischen den jeweils Lebenden, sondern auch den historischen Zusammenhang der aufeinanderfolgenden Generationen: Menschheits- geschichte kommt dadurch zustande, da die Menschen, die in der Aus- einandersetzung mit der Natur ihre Existenz erarbeiten, Erfahrungen ber die Beschaffenheit der materiellen Welt sammeln und diese an die jeweils folgende Generation weitervermitteln, die sie aufnimmt, im Pro- ze der Erziehung und der Sozialisation sich aneignet und ihrerseits durch neue Erfahrungen erweitert. Die Menschen machen also ihre Geschichte, indem sie in diesem Proze gesellschaftlicher Arbeit die Natur allmhlich immer besser erkennen und nach ihren Bedrfnissen umgestalten. So ging die Menschheit den Weg von der Muskelkraft von Mensch und Tier, jahrzehntausendelang praktisch die einzige Energie- quelle des Arbeitsprozesses, zur Ausnutzung der Energie von Wind, Wasser, Sonne und den modernsten Arten der Energiegewinnung; den Weg vom Faustkeil zu automatischen Maschinensystemen, von der Nachrichtenbermittlung durch Rufe, Rauchzeichen und reitende Boten zu Telegrafe, Telefon und Fernsehen. Indem die Menschen die Produktivkrfte entwickelten, vernderten sie zugleich die Formen der Kooperation, die Organisation der gesell- schaftlichen Arbeit, die Eigentumsformen, die Formen des Zusammen- Wesen und Funktion von Geschichtswissenschaft 29 lebens, kurzum: die gesellschaftlichen Verhltnisse. Und indem sie ihre realen Lebensverhltnisse umgestalteten, vernderten sie natrlich auch sich selbst, ihre Ttigkeitsformen, Erfahrungen, Kenntnisse, Fhigkeiten und Denkweisen. Meister Hegel sagte: Dinge sind Vorkommnisse. Zustnde sind Prozesse. Vorgnge sind bergnge. 22 Gesellschaft ist also kein Ding, sondern ein Proze. Und auch der Mensch ist kein ein fr allemal fertiges, unvernderliches Wesen, son- dern ein Proze, ein sich selber Verndernder. Was der Mensch an Ent- wicklungsmglichkeiten in sich hat, was er einst in einigen Jahrtausen- den sein kann - falls es gelingt, die Lebensbedingungen der Gattung Mensch zu sichern das ist gegenwrtig noch gar nicht absehbar. Der Unterschied des knftigen Menschen zum heutigen kann noch weit grer sein als der Unterschied, der uns vom Menschen der Altsteinzeit trennt. Es gibt also nicht verschiedene Faktoren, die die Geschichte machen, sondern nur einen, den handelnden Menschen. Dieser tut das allerdings in verschiedenen Formen. Hauptschlich in drei Formen, die natrlich eng miteinander verbunden sind, machen die Menschen ihre Geschichte: t.- durch die Entwicklung der Produktivkrfte, das heit der menschlichen Erfahrungen, Kenntnisse und Fhigkeiten und deren Ver- gegenstndlichung, der Werkzeuge, mit denen sie sich die Natur aneig- nen und umgestalten. Dabei knnen die materiellen Werkzeuge gewis- sermaen als eine Verlngerung der Mglichkeiten der menschlichen Hand begriffen werden; und die geistigen Werkzeuge, zu denen auch die Sprache und wissenschaftliche Theorien in einem gewissen Sinne gehren, knnen als Erweiterung der Fhigkeiten des menschlichen Gehirns verstanden werden. In beiden ist die Erfahrung und das Wis- sen vergangener Generationen vergegenstndlicht. Diese Entwicklung der Produktivkrfte ist die grundlegende Form, das eigentlich dynami- sche, vorwrts treibende Moment in der Geschichte, das die Richtung der Entwicklung bestimmt und zugleich die Bedingung fr jeden ande- ren Fortschritt darstellt. Die Handelnden wissen dies vielleicht alles nicht, aber sie tun es. Und das ist fr den realen Geschichtsverlauf ausschlaggebend. Nicht was die Menschen sich einbilden, was sie zu tun vermeinen, sondern was sie real tun, bestimmt den Geschichtsverlauf. Sie mgen etwa, um ein Beispiel aus dem Faschismus zu nehmen, der Ansicht sein, da sie gegen den Kapitalismus kmpfen, wenn sie eine faschistische Partei untersttzen, oder fr das Wohl der kleinen Leute oder fr das Wohl des Vaterlands arbeiten - all dies behaupten die faschistischen Fhrer 30 Begriff und Funktion von Wissenschaft doch real tun sie von alledem das Gegenteil. Der Historiker hat also genau zu unterscheiden zwischen den realen Handlungen der Men- schen mit ihren realen Wirkungen und den Meinungen der Menschen ber ihre Handlungen, ihrem Bewutsein. (Dabei stellen die subjekti- ven Ansichten der Menschen natrlich einen wichtigen Antrieb fr ihre Handlungen und also eine real wirkende Kraft dar - auch dann, wenn es sich um falsche, mit der Wirklichkeit nicht bereinstimmende Bewut- seinsformen handelt; doch dies ndert nichts an der Notwendigkeit die- ser Unterscheidung.) Wenn von der schpferischen Rolle der Volksmas- sen in der Geschichte die Rede ist, so ist vor allem anderen diese Ent- wicklung der Produktivkrfte gemeint. Die Menschen produzieren damit selbst nicht nur bestimmte Formen der Kooperation, sondern auch die Notwendigkeit, diese Formen ihres Zusammenwirkens und Zusammenlebens, die politischen Institutionen usw. immer wieder um- zugestalten gem dem jeweiligen Entwicklungsstand der Produktiv- krfte. Es ist ganz klar, da eine Gesellschaft von Jgern und Sammlern andere Organisationsformen verlangt als eine auf Landwirtschaft und Handwerk oder gar eine auf der groen Industrie beruhende. Daraus ergibt sich: z...- machen die Menschen die Geschichte durch die Vernderung der gesellschaftlichen und politischen Verhlt- nisse. Diese Vernderung, vollzieht sich in Gestalt von Klassenkmpfen und sozialen Auseinandersetzungen der verschiedensten Art und er- zeugt in revolutionren Umwlzungen der Gesellschafts- und Eigen- tumsverfassung qualitative Sprnge in der Geschichte, das heit ein neues Gesellschaftssystem, in dem sich die stndig voranschreitenden und allmhlich mit den gesellschaftlichen Verhltnissen in Widerspruch geratenen, von ihnen gehemmten Produktivkrfte wieder frei entfalten knnen. So hatten sich im Schoe des Feudalismus, besonders beim Brgertum der Stdte, im Arbeitsproze neue Kenntnisse, Erfahrungen und Entwicklungsmglichkeiten herausgebildet, fr die die konomi- sche und politische Zersplitterung und die Leibeigenschaft des Feuda- lismus und der parasitre Charakter des Feudaladels und des hohen Klerus wesentliche Hindernisse darstellten. Sie wurden in einer Serie brgerlicher Revolutionen zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert besei- tigt und durch eine kapitalistische Gesellschafts- und Eigentumsverfas- sung ersetzt, die enorme Mglichkeiten der Weiterentwicklung bot - allerdings inzwischen selbst zum Hindernis einer weiteren, ,/-.//.- Entwicklung der Produktivkrfte und der menschlichen Bedrfnisbe- friedigung geworden ist. Es war also die Feudalgesellschaft selbst, die in ihrem Schoe das Brgertum erzeugt hat und damit die soziale Kraft, die schlielich zu Wesen und Funktion von Geschichtswissenschaft 31 ihrer berwindung fhrte. Und es ist der Kapitalismus selbst, der - durch den Konkurrenzkampf und die daraus resultierende Verwandlung vieler Kleineigentmer aus Handel, Handwerk und Landwirtschaft in Lohnarbeiter - die Lohnabhngigen als stndig wachsende soziale Klasse erzeugt und damit die soziale Kraft, die zu seiner berwindung, zur Aufhebung von Lohnarbeit und Privateigentum an Produktionsmit- teln, drngt. Diese Vernderungen der Gesellschafts- und Eigentumsordnungen werden in der Geschichte immer erkmpft gegen den Widerstand jener Klasse, deren soziale Privilegien auf der alten Eigentumsordnung beru- hen und von ihr abhngen. Da diese herrschende Klasse auch ber politisch-staatliche Machtmittel verfgt, kann sie starken Widerstand leisten. Dies ist der Grund, weshalb sich die kontinuierliche Entwick- lung der Produktivkrfte nicht in eine ebenso kontinuierliche Entwick- lung der gesellschaftlichen und politischen Verhltnisse umsetzen kann. Der Widerspruch zwischen fortentwickelten Produktivkrften und der rckstndigen Gesellschaftsordnung mu stark angewachsen sein, die alte Eigentumsverfassung mu auch subjektiv den Massen als berholt, als unertrglich erscheinen. Erst dann kommt es zu qualitati- ven Vernderungen, zu revolutionren Umwlzungen. Diese sozialen Kmpfe, die die Gesellschafts- und Eigentumsord- nung verndern, knnen sich - wie die Entwicklung der Produktivkrfte - weithin ohne klare Zielvorstellungen und ohne Vorstellungen ber die Gesetzmigkeiten historischer Entwicklung vollziehen. Sie kn- nen sich selbst zum Beispiel als religis motiviert verstehen - wie Teile der aufstndischen Bauern im groen deutschen Bauernkrieg 1525 bis 1529 - oder von nackter Existenznot, dumpfer Unzufriedenheit oder verzweifeltem Aufbegehren bestimmt sein - wie die Sklavenaufstnde im antiken Rom oder die Kmpfe der frhen Arbeiterbewegung. In der Tat waren dies im wesentlichen die Triebkrfte sozialer Kmpfe von den altorientalischen Klassengesellschaften ber die Klassenkmpfe im antiken Griechenland und Rom bis zum Feudalismus. Aber auch hier mu die reale Wirkung dieser Kmpfe vom Bewutsein, von den sub- jektiven Ansichten, Motiven und Zielen der Handelnden, unterschie- den werden. Wie immer die aufstndischen Sklaven und die leibeige- nen Bauern ihr Handeln verstanden haben mgen - sie haben damit den historischen Proze beeinflut, haben Geschichte gemacht. Seit dem bergang vom Feudalismus zum Kapitalismus hat sich allerdings herausgestellt, da dem gesellschaftlichen Bewutsein, der Ideologie, eine wesentliche und in der Gegenwart stndig wachsende Bedeutung bei den sozialen Kmpfen zukommt. Diese Vernderung 32 Begriff und Funktion von Wissenschaft hngt ihrerseits mit der raschen Entwicklung der Produktivkrfte und des wissenschaftlichen Wissens im Kapitalismus zusammen. Einerseits wurden die Werkzeuge und Arbeitsvorgnge allmhlich so kompliziert, da ein bestimmtes Grundwissen wie Lesen, Schreiben und Rechnen und schlielich in wachsendem Mae ein Wissen ber Naturkrfte und technische Zusammenhnge an die Arbeitenden ver- mittelt werden mute. Mit dieser Herausbildung des modernen Schul- systems und der stndig wachsenden Ausbildungszeit aber wachsen natrlich auch die allgemeinen intellektuellen Fhigkeiten der Men- schen, also auch die Fhigkeit, ihre eigene Lage zu verstehen und in den gesellschaftlichen Zusammenhang einzuordnen. Mindestens wachsen die Voraussetzungen und Mglichkeiten zu solchen Fhigkeiten. Ande- rerseits schritt mit der Entwicklung des Kapitalismus nicht nur die Erkenntnis der Natur, sondern auch die Erkenntnis der gesellschaftlich- historischen Zusammenhnge und Gesetzmigkeiten rasch voran. Dies zeigt die Entfaltung und Differenzierung der modernen Gesell- schafts-, Kultur- und Geisteswissenschaften. Diese Erkenntnisse konn- ten nun von den fortschrittlichen Teilen der Intelligenz an die Arbeiter- bewegung vermittelt und so zu einem Instrument entwickelt werden, den Kampf um gesellschaftliche Vernderung bewut und gezielt und in Kenntnis der historischen Gesetzmigkeiten zu fhren, das heit, die politische Strategie selbst mit einem wissenschaftlichen Fundament auszustatten. Dies unterscheidet den Kampf der sozialistischen Arbeiter- bewegung von den sozialen Protestbewegungen frherer Perioden. t.- also greifen die Menschen in die Geschichte ein, indem sie ihre politischen Interessen und Ziele zu formulieren, die Gesetzmig- keiten der gesellschaftlichen Entwicklung sich theoretisch anzueignen, also ein klares Bewutsein ihrer Lage und ihrer Perspektive als Voraus- setzung zielgerichteten Handelns zu erlangen trachten. Die sozialen und politischen Kmpfe der Massen erhalten durch diese theoretische und wissenschaftliche Fundierung eine neue Qualitt. Diese Theorie, bei deren Erarbeitung den geistig Ttigen notwendigerweise eine zen- trale Rolle zukommt, wird bekanntlich dann zur materiellen Gewalt, wenn sie die Massen ergreift. Ich habe versucht zu skizzieren, welche Beschaffenheit historische Entwicklung tatschlich hat und welchen Fragen sich eine Geschichts- wissenschaft, die ihr gerecht werden will, stellen mte. Eine solche Geschichtswissenschaft htte also nicht nur zu beschreiben, .. sich die geschichtliche Entwicklung vollzogen hat, sondern auch zu ermitteln, ..- sie sich in einer bestimmten Weise vollzogen hat. Erst damit wird sie - strenggenommen - berhaupt zur Wissenschaft, und erst Wesen und Funktion von Geschichtswissenschaft 33 damit ist die Voraussetzung geschaffen, um die bisherigen Erfahrungen der Menschheit zu verarbeiten und das Wissen ber Kausalbeziehun- gen und Triebkrfte der historischen Entwicklung anzuwenden auf un- sere Zeit. In der Tat ist die Menschheit, wenn sie eine Chance des ber- lebens sicherstellen will, heute darauf angewiesen, die politische und gesellschaftliche Entwicklung unter die Kontrolle der Vernunft zu bekommen. Gesellschaftliche Planung nach Kriterien der Vernunft und der menschlichen Bedrfnisse ist offensichtlich die einzige Alternative zum kollektiven Untergang, der sich als reale Gefahr in vielen Formen bereits abzeichnet: von der Zerstrung der Umwelt bis zu den gewalti- gen Arsenalen militrischer Gewalt- und Destruktionspolitik. Eine sol- che Planung und Beherrschung der gesellschaftlichen Entwicklung aber setzt die Kenntnis sozialer Kausalbeziehungen und Gesetzmigkeiten voraus - so wie der bewute Umgang mit der Natur die Kenntnis der Naturgesetze voraussetzt. (Mit der Analogie zwischen Naturgesetzen und gesellschaftlich- historischen Gesetzmigkeiten in dieser Hinsicht bleiben die Unter- schiede zwischen beiden Arten von Gesetzen natrlich unbestritten. Sie bestehen hauptschlich darin, da die Naturgesetze durch das Wir- ken blinder, bewutloser Teile der Materie zustande kommen, whrend die gesellschaftlich-historischen Gesetzmigkeiten - wie oben darge- legt - objektiv aus dem zweckgerichteten Handeln bewuter Subjekte hervorgehen - auch wenn im bisherigen Geschichtsverlauf das Resultat mit den gewollten Zwecken oft nicht bereinstimmte.) C. Wissenschaftliche Theorien als Gegenstand wissenschaftlicher Erkenntnis Gegenstand dieser Darstellung sind die Theorien ber den Faschismus. Diese Theorien sollen hier nicht nur nacherzhlt, sondern kritisch ana- lysiert werden. Wissenschaft soll also selbst zum Gegenstand wissen- schaftlicher Erkenntnis gemacht werden. Das bedeutet, da diese Theo- rien in mehrfacher Hinsicht zu prfen sind: 1. Wissenschaftliche Theorien erheben den Anspruch, die Wirklich- keit in Natur und Gesellschaft /, zu erfassen, mit dieser Wirklichkeit bereinzustimmen, also ./ zu sein. Sie sind also daraufhin zu prfen, ob und inwieweit ihr Anspruch auf Wahrheit gerechtfertigt ist. Dies geschieht erstens dadurch, da die Aussagen der Theorien an der Wirk- lichkeit gemessen werden. Kriterium der Prfung ist also die empirisch vorfindliche Wirklichkeit selbst. Und dies geschieht zweitens dadurch, da die innere Logik der Theorie berprft, nach der bereinstimmung ihrer verschiedenen Elemente befragt und nach inneren Widersprchen abgeklopft wird. Nun ist das Verhltnis zwischen Auffassungen ber die Wirklichkeit - seien es nun wissenschaftliche Theorien oder Ansichten des Alltagsle- bens - und der Wirklichkeit selbst meist nicht so einfach, da diese Auf- fassungen als total richtig oder total falsch bezeichnet werden knnten. Meist enthalten sie sowohl richtige wie auch falsche Elemente, wie die Theorien ber den Faschismus deutlich zeigen werden. Und die richti- gen Elemente knnen in einem sehr unterschiedlichen Grade richtig sein. Wenn zum Beispiel unsere Politiker ber ihre Gesprche mit aus- lndischen Staatsmnnern mit schner Regelmigkeit verlauten lassen, da Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse besprochen wor- den seien, so mag dies zwar richtig sein, aber es verrt uns nicht das mindeste ber den realen Inhalt der Verhandlungen, sondern verbirgt ihn gerade. Wenn gesagt wird, da Gewerkschaften und Unternehmer in der Lohnfrage unterschiedliche Auffassungen haben, so ist dies zwar zutreffend, verbirgt aber das Wesentliche: da nmlich diese unter- schiedlichen Auffassungen nur Resultat und Erscheinungsform unter- schiedlicher Interessen sind. Und wenn eine Darstellung ber den deutschen Faschismus mit der Geburt Hitlers anhebt und getreu alle Wissenschaftliche Theorien als Gegenstand wissenschaftlicher Erkenntnis 35 wichtigen Fakten seines Lebens bis zu seinem Selbstmord 1945 anein- anderreiht, so mag dies alles unzweifelhaft richtig sein, und dennoch wissen wir damit noch nichts ber die Ursachen fr den Erfolg des deutschen Faschismus und die Zielrichtung seiner Politik. Prfung der Wahrheitsfrage bedeutet also immer auch Prfung der Frage, wie tief die Wirklichkeit in einer Theorie erfat ist; ob nur in einigen Tatsachen der Oberflche oder auch in ihren Kausalzusammen- hngen. Und selbst diese knnen oberflchlich oder tiefer analysiert werden. Der Satz: Wenn ich Gas gebe, fhrt das Auto schneller, erfat zwar einen Kausalzusammenhang, aber einen flachen, weil er nichts aussagt ber die inneren Gesetzmigkeiten, die bei einem Motor am Werk sind. Ebenso flach wre die Erklrung, Hitler sei deshalb an die Macht gekommen, weil es so viele Arbeitslose gab oder weil der Reichs- prsident Hindenburg ihn zum Kanzler ernannt hat. 2. Wissenschaftliche Theorien sind - wie auch Ansichten sonstiger Art und wie geistige Gebilde allgemein - nach den Ursachen und Bedingungen ihrer t-./.-, zu befragen. Wie die Geschichte zeigt, fallen sie weder pltzlich vom Himmel noch entstehen sie zufllig. Und mindestens jene Auffassungen, die dann praktische Bedeutung und wei- tere Verbreitung erlangen, sind auch nicht blo dem Kopf eines origi- nellen Denkers entsprungen, sondern bedrfen zu ihrer Entstehung und Verbreitung bestimmter objektiver Voraussetzungen. Wissenschaftliche Forschungen und Theorien gehen - wie jede andere Form der Bewutseinsttigkeit - hervor aus der praktischen Lebensttigkeit der Menschen und zielen auf Aneignung und Bewlti- gung der Realitt. (Dies wurde in seiner grundstzlichen Bedeutung im vorigen Abschnitt bereits ausgefhrt.) Das gilt historisch fr die Entste- hung der Wissenschaft wie fr ihre wichtigsten Entwicklungsetappen bis zum heutigen Tag: Es war die reale Gefahr der Umweltzerstrung, die Biologie, Physik, Medizin, konomie, Rechtswissenschaft und andere Wissenschaften ntigte, sich mit den Ursachen zu befassen und nach Lsungsmglichkeiten zu suchen. (In welcher Richtung diese gesucht werden, hngt natrlich sehr stark von den gesellschaftlichen Interessen ab, die dabei zum Zuge kommen: Es sind Lsungen mglich, die der Gesundheit der Bevlkerung absoluten Vorrang einrumen und auf Kosten des Profits der Industrie gehen, und es sind Lsungen mg- lich, die die Prioritten ganz anders setzen.) Und es waren die realen Er- eignisse in Griechenland 1967 und in Chile 1973 selbst, die die Frage nach der Aktualitt des Faschismus aufwarfen und nach wissenschaftli- cher Klrung verlangten. Oft sind gesellschaftliche Interessen die direkte Ursache fr die 36 Begriff und Funktion von Wissenschaft Weiterentwicklung der Wissenschaft in eine bestimmte Richtung. Dies wird leicht erkennbar am Beispiel der Rstungsindustrie, die zur Ent- wicklung immer wirksamerer Vernichtungsmittel riesige Forschungsauf- trge vergibt, oder der Reklameindustrie, die nach immer raffinierteren Mitteln zur Manipulation des Konsumentenbewutseins sucht und dafr Legionen von Psychologen beschftigt. Andererseits vergeben die Gewerkschaften Forschungsauftrge, in denen nach Mglichkeiten gesucht wird, die Arbeit zu erleichtern, die Gesundheit der Arbeitenden besser zu schtzen und ihre krperlichen und geistigen Fhigkeiten besser zu entfalten. Zweifellos gibt es aber auch eine Tradierung und Weiterentwicklung wissenschaftlicher Theorien durch die innere Logik des Forschungspro- zesses selbst. Die Frage nach der genaueren Beschaffenheit des Atom- kerns konnte erst gestellt werden, als die Physik bereits tief in die Struk- tur der Materie eingedrungen war. Und die Frage nach der Kontinuitt deutscher Gromachtpolitik und ihren treibenden Krften vom Kaiser- reich zum Faschismus ergab sich in dem Augenblick zwingend, als der aggressive und expansive Charakter der deutschen Politik im Ersten Weltkrieg erwiesen war. Darber hinaus ist die Arbeit jedes Wissen- schaftlers bestimmt durch das Gedankenmaterial und begriffliche Instrumentarium, das in seiner Zeit in seiner wissenschaftlichen Diszi- plin zur Verfgung steht und das aus der Arbeit vieler Generationen hervorgegangen ist. Dieses Gedankenmaterial ist das Instrument, mit dem zu arbeiten er gentigt ist - so wie der Handarbeiter mit bestimm- ten Werkzeugen arbeitet, die zu seiner Zeit blich und vorhanden sind. Die Entstehung wissenschaftlicher Theorien kann also nur erklrt werden, wenn sowohl die gesellschaftlichen Bedingungen und Interes- sen, die sie anregen und hervorbringen, wie auch der geistesgeschichtli- che Zusammenhang, in dem sie stehen, berprft werden. 3. Wissenschaftliche Theorien (wie geistige Gebilde allgemein) ent- falten r/.-,.- unabhngig davon, ob die Autoren dies wollen oder nicht und ob sie es wissen oder nicht. In der Faschismusdiskussion sind sich die marxistischen, aber auch manche nichtmarxistischen Autoren der politischen Funktion ihrer wissenschaftlichen Aussagen durchaus bewut. So schreibt zum Beispiel der amerikanische Historiker H. A. Turner: Entspricht die weitverbreitete Ansicht, da der Faschismus ein Produkt des modernen Kapitalismus ist, den Tatsachen, dann ist dieses System kaum zu verteidigen. Ist diese Meinung jedoch falsch, dann ist es auch die Voraussetzung, auf der die Einstellung vieler Menschen im Osten wie im Westen zur kapitalistischen Wirtschaftsordnung be- ruht. 23 Und Ernst Nolte bekennt, da er mit seinem Buch t. t/ Wissenschaftliche Theorien als Gegenstand wissenschaftlicher Erkenntnis 37 -. - .-. t,/. auch in aktuelle Auseinandersetzungen eingriff und eingreifen wollte. Zu seinen erkenntnisleitenden Interessen habe die Befrchtung gehrt, im Zuge des Ost-West-Konflikts knne in Deutschland zum zweitenmal die Nicht-Anerkennung der wesentli- chen Ergebnisse eines Weltkrieges zu einer Verkennung der welthistori- schen Situation und damit zu verhngnisvollen Konsequenzen fh- ren 24 . Die Wirkungen wissenschaftlicher Theorien knnen ihrerseits wis- senschaftlich untersucht werden. Es versteht sich von selbst, da ihre Wirkung nicht nur und nicht entscheidend von ihrem r//.,.// abhngt. Allenfalls langfristig zeigt der Gang der Geschichte eine fort- schreitende Durchsetzung der Wahrheit. Kurzfristig aber ist es meist wichtiger, ob Theorien bestimmte gesellschaftliche Interessen und psy- chische Bedrfnisse befriedigen. Die Theorie zum Beispiel, da die Erde von Gott geschaffen sei und im Mittelpunkt des Alls stehe und da der Mensch ebenfalls als fertiges Wesen von Gott geschaffen sei (und keineswegs aus einem Evolutionsproze hervorging), wurde von der katholischen Kirche und anderen konservativen Krften noch lange sehr wirksam verbreitet, als sie rein wissenschaftlich lngst widerlegt war. hnlich verhlt es sich mit Theorien ber die berlegenheit der weien Rasse oder die geistige Minderwertigkeit der Frauen oder die Unmg- lichkeit des Sozialismus. Oft werden solche Ideologien sogar von vorn- herein als politische Kampfmittel konzipiert. So schreibt zum Beispiel die t-//.. +//,.-.-. z..-, in schner Offenheit: Immer wieder ist seither im Westen als Nachteil empfunden wor- den, da man der stlichen Ideologie nichts gegenberstellen konnte, um das 'aggressive expansionistische Vorpreschen' zu kompensieren. Wiederholt gab es Bemhungen, eine eigene 'Ideologie' auf die Beine zu stellen, die in der Auseinandersetzung mit dem groen Gegenspieler, aber auch bei Dritten und im Kreise der eigenen Anhnger eine Wir- kung ausben wrde. Die einfache Gegenposition eines Antikommu- nismus und das Ziel des ' Containment' haben sich dabei als unzurei- chend erwiesen; sie wirken wie ein Reflex auf die Initiative der anderen Seite, nicht als eigenstndige Position. Um Begriffe wie 'Freiheit' und Selbstbestimmung kreisende Versuche hatten keinen rechten Erfolg. Der 'ideologische' Vorsprung, den man beim Gegner zu erkennen glaubte, konnte nicht eingeholt werden. Bietet sich jetzt die Chance, diese Lcke im auenpolitischen Rst- zeug mit dem Thema Menschenrechte aufzufllen? 25 Wissenschaftliche Theorien sind also - wie alle Interpretationen der Wirklichkeit - auch daraufhin zu befragen, welche Wirkungen sie aus- 38 Begriff und Funktion von Wissenschaft ben, wem sie ntzen, in welcher Weise sie Bewutsein beeinflussen und so in den Gang der Geschichte eingreifen. Wenn man Bronze- und Eisenstcke im Schutt findet, fragt man: Was waren das in alter Zeit fr Werkzeuge? Wozu dienten sie? . . . Warum macht man es mit den Gedanken aus alten Zeiten nicht auch so? 26 Diese drei Fragen - die Wahrheitsfrage, die kausal-genetische oder Entstehungsfrage und die Wirkungs- oder Funktionsfrage - sind je fr sich wie auch in ihrem inneren Zusammenhang zu prfen. Sie sind auch an die Theorien ber den Faschismus zu richten. 27 In diesem Buch werden sie am Beispiel der Fhrertheorie relativ ausfhrlich unter- sucht, knnen dann aber nicht bei jeder Theorie in der gleichen Aus- fhrlichkeit und Systematik behandelt werden. Doch sie sollten min- destens als Problem immer prsent sein. Der Hauptteil der folgenden Untersuchungen konzentriert sich auf die Wahrheitsfrage und behan- delt die beiden anderen Probleme nur skizzenhaft. In dem Abschnitt ber die Entwicklung der Faschismusdiskussion in der Bundesrepu- blik werden sie dann in ihrem Zusammenhang dargestellt. Der Zusammenhang zwischen diesen drei Momenten, der erst das Wesen einer Theorie ausmacht, ist sehr kompliziert. Es wre zum Bei- spiel, wie schon erwhnt, falsch anzunehmen, da die Theorien mit dem hchsten Wahrheitsgehalt notwendig und jederzeit auch die grte Wirkung entfalten; oder umgekehrt gesagt: Es wre falsch, aus der wei- ten Verbreitung und der beherrschenden Stellung einer Theorie zu schlieen, da sie auch die mit dem grten Wahrheitsgehalt sei. Oft in der Geschichte haben Theorien eine beherrschende Stellung einge- nommen, die im wesentlichen falsch waren, die aber fr die herrschen- den Machtgruppen ntzlich waren und deshalb von ihnen gesttzt und ntigenfalls auch mit den Mitteln der Gewalt durchgesetzt wurden - bis sie schlielich infolge vernderter Machtverhltnisse doch zurckge- drngt werden konnten. Die oben genannten religisen Theorien ber die Entstehung der Welt und des Menschen knnen dafr ebenso als Beispiel dienen wie die von der Unvernderlichkeit der menschlichen Natur, die durch Egoismus, Neid und Machttrieb gekennzeichnet sei und eben deshalb eine starke Autoritt zu ihrer Zgelung bentige. Da die herrschende Ideologie weithin die Ideologie der Herrschenden ist, hat natrlich auch die historischen Zeugnisse selbst und damit auch un- ser Geschichtsbewutsein geprgt. Denn auf den Ruhmessulen ste- hen die Namen der Schlchter statt der Namen der rzte, und die Werke sind nach denen benannt, die sie genossen, nicht nach denen, die sie geschaffen haben. 28 Auch bei den Faschismustheorien wird sich zeigen, da manche ihre beherrschende Stellung nicht ihrem Wahr- Wissenschaftliche Theorien als Gegenstand wissenschaftlicher Erkenntnis 39 heitsgehalt verdanken, sondern der Tatsache, da sie fr mchtige gesell- schaftliche Interessen ntzlich sind. Ein Minimum an Wahrheitsgehalt gehrt freilich in der Regel dazu, um einem geistigen Gebilde Glaubwrdigkeit und Wirksamkeit zu ver- schaffen. Der Bezug zur Wirklichkeit mu fr die Adressaten erkennbar sein. Dabei kann es sich allerdings um nur ganz oberflchliche Ele- mente der Wirklichkeit handeln, die das Wesen der Sache eher verber- gen als erhellen. So kann zum Beispiel die Theorie von der Hherwer- tigkeit der Weien gegenber den Schwarzen und der Mnner gegen- ber den Frauen darauf verweisen, da die Neger bzw. die Frauen, wie die Sozialstruktur zeige, es zu nichts gebracht haben und da fast alle gesellschaftlichen Fhrungspositionen von Weien bzw. von Mnnern besetzt sind. Mit der gleichen Methode lt sich die Hherwertigkeit der Unternehmer gegenber den Arbeitern und Angestellten ideolo- gisch begrnden: Ihre Stellung wird auf ihre besondere Tchtigkeit zu- rckgefhrt. 29 Der Hinweis auf die soziale Wirklichkeit, die tatschliche soziale Stellung und Struktur, ist dabei ohne Zweifel richtig, und daraus resultiert die relative Evidenz und Glaubwrdigkeit solcher Ideologien. Falsch ist nur die Erklrung fr die realen, von jedermann beobachtba- ren Erscheinungen. Bei der Erklrung fr die Wirksamkeit von Theorien und Ideologien ist also auch danach zu fragen, welche Elemente von Wahrheit, von richtiger Widerspiegelung der Wirklichkeit sie enthalten - auch wenn diese Elemente vielleicht nur sehr gering und auf die Oberflche der Erscheinungen beschrnkt sind. Da solche das Wesen der Sache ver- fehlenden Interpretationen oft so groe Wirkung entfalten, resultierte in frheren Perioden der Geschichte auch aus dem geringen Wissen der Menschheit ber den inneren Zusammenhang der Dinge: Da Blitz und Donner wissenschaftlich nicht erklrt werden konnten, wurden sie irra- tional, religis erklrt, als Willenuerungen von Gttern aufgefat (die dann freilich von den Priestern interpretiert, das heit fr die herr- schende Klasse nutzbar gemacht wurden). Seit dem enormen Fortschritt besonders der Naturwissenschaften und dem Sieg des wissenschaftli- chen Weltbildes ber das religis-irrationale, also seit der Entwicklung der brgerlichen Gesellschaft im 18./19. Jahrhundert, resultiert die Wir- kung solcher dem Wesen nach falscher Ideologien - neben dem fal- schen Schein der Oberflche - hauptschlich aus dem Interesse herr- schender Machtgruppen, denen solche Ideologien ntzlich sind und die deshalb ihren Einflu verwenden, sie zu verbreiten. Andererseits wre es jedoch ganz falsch anzunehmen, da die bedeu- tende Rolle von Interessen bei der Entstehung und Verbreitung von 40 Begriff und Funktion von Wissenschaft Theorien immer ein hemmendes Element fr deren Erkenntnisfunk- tion sei und also im Gegensatz zu ihrem auf Wahrheit gerichteten Antrieb stehen msse. Interessen sind bei der menschlichen Bewut- seinsttigkeit immer im Spiel, schon allein deshalb, weil die Probleme sich aus dem praktischen Leben ergeben und weil die Bewutseinsttig- keit darauf gerichtet ist, die Wirklichkeit besser bewltigen zu knnen. Als die Menschen im Niltal vor fnftausend Jahren die Wassermassen des Flusses zu bewltigen und fr menschliche Zwecke zu nutzen un- ternahmen und so die Anfnge von Mechanik, Geometrie und Astrono- mie schufen, ging es ihnen nicht um reine Erkenntnis als solche, son- dern um die Bewltigung realer Existenzprobleme. Da diese Wissen- schaften aus gesellschaftlichen Interessen hervorgingen, besagt nun kei- neswegs, da damit erkenntnisfeindliche, wissenschaftsfremde Elemente zum Zuge kamen, sondern im Gegenteil: Die praktisch gerichteten In- teressen konnten nur befriedigt, die realen Probleme nur gelst werden, weil die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die daraus hervorgingen, rich- tig waren, das heit, mit der Wirklichkeit bereinstimmten. Wren die Jahreszeiten oder wre der Druck der Wassermassen falsch berechnet worden, wre also die Wirklichkeit in diesen Theorien falsch widerge- spiegelt worden, so htte dies sogleich schlimme praktische Konsequen- zen gehabt. Ebenso verhlt es sich im Prinzip mit den modernen Natur- wissenschaften. Auch im Falle der Gesellschaftswissenschaften bedeutet die Mitwir- kung von Interessen keineswegs notwendig ein erkenntnishemmendes Element. Die vom Faschismus als Opfer betroffenen Vlker und sozia- len Klassen haben ein elementares Interesse an der Erkenntnis der Ursachen des Faschismus, um praktische Vorkehrungen treffen zu kn- nen. Ihr Interesse richtet sich also auf die Wahrheit, wirkt als erkenntnis- frdernder Antrieb. Andererseits gibt es zweifellos politische und sozia- le Krfte, die an der Aufdeckung des wirklichen Charakters des Faschis- mus nicht interessiert sind, weil der Faschismus wegen seiner riesigen Verbrechen in den Augen der Weltffentlichkeit vollstndig diskredi- tiert ist, diese Krfte aber von der faschistischen Politik profitiert haben und vielleicht auch knftig diese Herrschaftsform nicht ausschlieen wollen. Ihr Interesse ist es also, die Wahrheit ber den Faschismus zu verheimlichen, damit die betroffenen Vlker und Klassen nicht unber- windliche Barrieren errichten knnen. Diese berlegungen zeigen, da Interessen bei menschlicher Bewutseinsttigkeit und also auch bei wissenschaftlichen Theorien immer eine wichtige Rolle spielen, eine Antriebsfunktion haben, da damit ber den Wahrheitsgehalt aber noch nichts ausgesagt ist. Es hngt Wissenschaftliche Theorien als Gegenstand wissenschaftlicher Erkenntnis 41 vom Charakter dieser Interessen ab, ob sie erkenntnisfrdernd oder erkenntnishemmend, ob sie als produktiver Impuls oder als Hindernis fr wissenschaftliche Erkenntnis wirken. Dies mte also im Einzelfall konkret untersucht werden. (Die in der brgerlichen Ideologietheorie noch weithin bliche Ent- gegensetzung von reiner Wissenschaft, die frei von jeglichen Interes- sen sein msse, und sozialen und psychologischen Interessen, die sich als wissenschaftsfremde und erkenntnisstrende Elemente in den Wis- senschaftsproze einmischen 30 , trifft also das Problem nicht. Weder ist Wissenschaft frei von sozialen Interessen noch wirken soziale Interes- sen in jedem Fall als Hindernis fr objektive Erkenntnis.) Zweiter Teil Theorien ber den Faschismus A. Einfhrung ins Problem: Der italienische Faschismus (Seton-Watson) Will man den Faschismus in seinen Ursachen und seiner Herrschafts- struktur erklren, so mu eine ganze Reihe von Problemen und Frage- stellungen bedacht werden. Welche Probleme dies hauptschlich sind, soll in der Folge skizziert werden an einer Darstellung eines englischen Historikers ber den italienischen Faschismus, der uns politisch ferner liegt als der deutsche und deshalb auch mit weniger Emotionen und Vorurteilen belastet ist. Am Beispiel des italienischen Faschismus, der schon 1922 die politi- sche Macht eroberte und fr eine groe Zahl hnlicher Bewegungen in anderen Lndern als Vorbild fungierte, knnen die wichtigsten Ele- mente aufgezeigt werden, die fr Entstehung, Struktur und Funktion des Faschismus kennzeichnend sind. Die Untersuchung des englischen Historikers Seton-Watson t/, /- t/./- t- :s::.: : entwickelt zwar nicht explizit eine Theorie ber den Faschismus, stellt aber doch implizit zentrale Elemente dar, die fr eine solche Theorie konstituierend sind. Obwohl sie weitgehend mit den Mitteln herkmm- licher Geschichtswissenschaft arbeitet, sich also auf das politische Geschehen konzentriert und sozialkonomische Fragestellungen nur gelegentlich einbezieht 2 , gelangt sie zu ziemlich klaren Aussagen ber Ursachen und Funktionen des Faschismus. 1. Der /.-/. t-,./-. befand sich - hnlich wie der deut- sche - deshalb in einer /.-...- s.- weil er bei der Verteilung der Welt zu spt gekommen war: Die USA hatten Spanien ein Welt- reich abgenommen, Grobritannien hatte die Buren niedergeworfen, die jungen und vitalen Japaner hatten Ruland geschlagen, die Franzo- sen eigneten sich gemchlich Marokko an . . . bei dieser Entwicklung wurde Italietta abgehngt (S. 349). Zwar kann der Autor den bergang des Kapitalismus zum Imperia- lismus mangels konomischer Kategorien nicht systematisch ableiten, sondern begreift ihn als eine Art Modestrmung (Imperial expansion was the fashion, S. 349), doch beschreibt er sehr zutreffend die politi- schen und ideologischen Konsequenzen, die sich daraus seit dem Ende des 19. Jahrhunderts fr Italien ergaben: die massenwirksame Ideologie Einfhrung ins Problem: Der italienische Faschismus 45 der proletarischen Nation, die darauf angewiesen sei, durch Krieg sich Lebensraum zu schaffen, das imperialistische Programm der italieni- schen Regierung im Ersten Weltkrieg, das auf den Balkanraum (und in zweiter Linie auf Nordafrika) zielte, und die enorme Enttuschung der herrschenden Klasse und der fanatisierten Massen, als diese Ziele trotz frherer Zusicherungen der Westmchte im Londoner Abkommen von 1915 nach dem Krieg nicht erreicht werden konnten. 2. Insbesondere entlassene Soldaten und Offiziere und jngere Angehrige der Mittelschichten formierten sich deshalb 1918/19 zu militanten nationalistischen Verbnden, die zunchst imperialistische und antikommunistische Komponenten mit verschwommen antikapi- talistischen mischten, dann aber rasch von der herrschenden Klasse in Dienst genommen wurden: Industrie und Grogrundbesitz sahen in solchen Gruppen eine wirksamere gegenrevolutionre Kraft als in dem (liberalen Fhrer) Giolitti, dessen Absentismus (Unttigkeit) zur Zeit der Fabrikbesetzungen (1920) sie schockiert hatte . . . Die Grogrundbesit- zer betrachteten die (faschistischen) Squadristi als ihre Privatpolizei und benutzten sie gern, um Streiks zu brechen, Lhne zu drcken oder neue Arbeitsvertrge zu erzwingen (S. 570 u. 574). Entsprechend modi- fizierte Mussolini seine politische Agitation: Schon im Januar 1921 begann er, den Kapitalismus zu preisen . . . (S. 473). Die ./. t.-/- .. ///.- t. die sich in Italien schon vor der Errichtung des faschistischen Systems in aller Deutlichkeit zeigte, sowie die Widersprche, die sich daraus gegenber ihrer sozialen Basis und ihrer urspnglichen ideologischen Orientierung ergaben, sind hier klar formuliert; ebenso die Grnde, weshalb die herrschende Klasse mit den herkmmlichen brgerlichen Parteien und den Institu- tionen des parlamentarischen Rechtsstaates nicht mehr zufrieden war: sie waren nicht imstande, gegen die Arbeiterbewegung energisch genug vorzugehen. 3. Damit ist eine ...-//. o..-,.-, /. ..- s., .. t/-. schon artikuliert: Er kann nur dann die politische Macht erobern, wenn die mageblichen Fraktionen der herrschenden Klasse und deren poli- tische und ideologische Reprsentanten dies wnschen. Auch das wird von Seton-Watson fr den italienischen Faschismus berzeugend nach- gewiesen. Groindustrie und Grogrundbesitzer, Staatsapparat, Monar- chie und Vatikan wirkten zusammen, um den brgerlichen Rechtsstaat zu liquidieren und den Faschismus an die Macht zu bringen. Mussoli- nis Reden von starker Regierung und Disziplin . . . klang s in den Ohren der Fhrer von Confindustria (der Organisation der Groindu- strie), die erbittert waren ber das Entgegenkommen der verschiedenen 46 Theorien ber den Faschismus liberalen Regierungen gegenber den Arbeitern . . . Und ihre Vertreter im Parlament nutzten ihren gesamten Einflu, um das Zustandekom- men einer antifaschistischen Koalition zu verhindern (S. 598). Der Faschismus htte niemals sich so rasch entwickeln knnen ohne wenig- stens die Toleranz der staatlichen Behrden. Viele Prfekten, Polizei- und Militrkommandeure gingen jedoch weit ber die bloe Tolerie- rung hinaus (S. 576). Die Haltung der Armee war von entscheiden- dem Gewicht . . . In militrischen Kreisen gab es viel Sympathie mit dem Faschismus (S. 615). Auch der Vatikan verbndete sich schlielich mit dem Faschismus und setzte diese Linie in der katholischen Volks- partei (Popolari) durch: Viele Popolari, wie viele Liberale, kollabo- rierten lieber als zu widerstehen . . . Der Einflu des neuen Papstes, Pius XI., wurde geltend gemacht zugunsten des rechten Flgels der Par- tei (S. 600). 4. So kam als antifaschistisches Bollwerk - neben einigen linken Gruppen der Popolari - nur die ,-.. +/..//. in Betracht. Deren Zersplitterung und politische Fehlorientierung kann als weitere wesentliche Bedingung fr den Erfolg des Faschismus gekennzeichnet werden. Die italienischen Kommunisten lehnten die von der Kommu- nistischen Internationale erhobene Forderung nach Einheitsfront mit den Sozialisten ab und betrachteten die Frage Parlamentarismus oder Faschismus als eine innerbrgerliche, fr die Arbeiterklasse unerhebli- che Streitigkeit. Die sogenannte maximalistische Fraktion der Soziali- sten bot ihre alte Kombination aus revolutionren Reden und prakti- scher Inaktivitt an (S. 601), und die Fhrer des rechten Flgels rieten, sich ruhig zu verhalten und nicht provozieren zu lassen (S. 575). So brach der Generalstreik schon wegen seiner allzu beschrnkten Zielset- zung - das Parlament zu einer Aktion zur Verteidigung der verfas- sungsmigen Freiheiten zu bewegen (S. 609) - Anfang August 1922 zu- sammen, und die vereinzelten Versuche von Arbeitern, die Errichtung der faschistischen Diktatur durch bewaffneten Kampf aufzuhalten, muten erfolglos bleiben (vgl. S. 629). 5. Die ./. t.-/- .. ///.- s,.- ergab sich schon aus der Bndniskonstellation, auf der es beruhte: Die Organisationen der Arbeiterklasse wurden zerschlagen, die brgerlichen Freiheiten und rechtsstaatlichen Sicherungen aufgehoben, die Reallhne bis 1924 um 11 Prozent gesenkt (vgl. S. 638 f.), Mietkontrollen abgeschafft, Confindu- stria wurde als alleiniger Reprsentant der Industrie anerkannt (S. 637), die Landreformbewegung abgewrgt und der Kirche eine Flle von Pri- vilegien und Einflumglichkeiten eingerumt. In jeder Hinsicht hat- ten die Finanzkreise und die besitzenden Klassen Grund, dankbar zu Ei nfhrung ins Problem: Der italienische Faschismus 47 sein (S. 636). Im Klassenkampf zwischen Kapital und Arbeit bezog der Faschismus sehr eindeutig Stellung: Whrend Confindustria intakt blieb in Geist, Struktur und personeller Zusammensetzung, wurden die Gewerkschaften einer wachsenden rigorosen Disziplin von Staatsvertre- tern unterworfen, die von der faschistischen Partei von oben eingesetzt waren (S. 636). Diese allgemeine soziale Funktion des faschistischen Systems darf nicht mit einer bestimmten Wirtschaftspolitik verwechselt werden. Ob eine Politik der Verstaatlichung oder eine Politik der Privati- sierung betrieben wird, hngt von den konkreten Bedrfnissen der mchtigsten Monopole ab und ist nur von dort aus, nicht aber von irgendeiner - gar nicht vorhandenen - faschistischen Wirtschaftsdok- trin herleitbar. Der italienische Faschismus privatisierte in seiner ersten Phase eine Reihe sehr profitabler ffentlicher Unternehmungen und verschaffte damit den betreffenden Konzernen enorme Sonderprofite. (Das betraf zum Beispiel Telefonsystem und Lebensversicherung.) Da manche Autoren diesen Unterschied zwischen sozialer Funktion des Faschismus und konkreter Wirtschaftspolitik nicht begreifen, rsonie- ren sie gnzlich berflssig ber das wirkliche Wesen faschistischer Wirtschftspolitik und gelangen dann auch zu abwegigen Schlufolge- rungen ber die Eigenstndigkeit der faschistischen Staatsmacht gegen- ber dem groen Kapital. 3 In seinem Schlukapitel skizziert Seton-Watson die weitere Entwick- lung des italienischen Faschismus und geht dabei auch auf das Problem der Herrschaftsstruktur des faschistischen Systems ein, das fr eine theoretische Erfassung des Faschismus von zentraler Bedeutung ist. Schon aus den vorangegangenen Zitaten geht hervor, da nach der - zutreffenden - Ansicht von Seton-Watson keine Rede davon sein kann, da die faschistische Staatsmacht alle Klassen gleichermaen ihrem Willen unterworfen habe. Das Korporativsystem war so konstruiert, da es ideologisch von der 'Solidaritt' der Produktionsfaktoren, der Gleichheit von Kapital und Arbeit ausging; doch die Tatsachen sahen anders aus: Die Vertreter der Unternehmer behielten einen begrenzten Grad von Unabhngigkeit, die der Arbeiter waren bloe brokratische Agenten des Staates (S. 699), so da Seton-Watson als soziales Resultat feststellen kann: Die Klassenteilung weitete sich aus (S. 706). Diese Diagnose, die im Prinzip auch fr das faschistische Deutsch- land gilt, erfat den sozialen Charakter des Faschismus tiefer als jene Interpretationen, die dem Schein der faschistischen Ideologie - viel- leicht wider Willen - partiell aufsitzen und das faschistische System als politische Diktatur gegenber allen Klassen gleichermaen betrachten, die zudem wirklich die Volksgemeinschaft - wenigstens in gewissen 48 Theorien ber den Faschismus Bereichen - verwirklicht habe. 4 Seton-Watson fat das faschistische System als ein Kompromisystem, als eine Art von Doppelherrschaft zwischen der faschistischen Fhrung einerseits und der traditionell herrschenden Klasse andererseits auf. Mit Begriffen wie Teilung der Macht (S. 700), zwei parallele Hierarchien von Institutionen (S. 701), Dyarchy (S. 702) versucht er, das Wesen dieses Systems zu charakteri- sieren, ohne da freilich das Verhltnis der verschiedenen Machtfakto- ren zueinander genauer bestimmt wrde. Gesichert aber erscheint - und auch darin ist ihm zuzustimmen: Obwohl der Faschismus zwanzig Jahre whrte, brachte er keine neue herrschende Klasse hervor . . . Die Inhaber der wirklichen Macht einigten sich mit Mussolini genauso, wie sie sich mit Cavour und seinen Nachfolgern nach 1860 geeinigt hatten (S. 702f.). Dies ist gleichsam eine Aufforderung, hinter dem Geschehen auf der politischen Bhne die Inhaber der wirklichen Macht, die gesellschaft- lichen Interessen und Herrschaftsgruppen zu erkennen, die dieses Geschehen bestimmen. Seton-Watson realisiert diese Aufforderung selbst nur in Anstzen. Da er aber das politische Geschehen mit auer- ordentlichem Scharfsinn beobachtet und da ihm Begriffe wie Klasse, Klasseninteresse, Kapital usw. keine Tabus sind, gelingt es ihm in ho- hem Mae, dieses Geschehen zu entschlsseln und die treibenden ge- sellschaftlichen Krfte mindestens in Umrissen sichtbar zu machen. Er geht also aus von dem, was sich auf der politischen Bhne beobachten lt, und zieht dann Rckschlsse auf die gesellschaftlichen Krfte, die hier zum Ausdruck kommen - freilich von Fall zu Fall und keineswegs als konsequente Methode. So mischen sich in seine Darstellung immer wieder auch unreflektierte individual- und kollektivpsychologische Ele- mente wie die von der Sanftheit Mussolinis (S. 703), die den italieni- schen Faschismus daran gehindert habe, so brutal zu werden wie der deutsche, oder vom italienischen Charakter (S. 702), dessen anarchi- scher Individualismus bewirkt habe, da der italienische Faschismus gemildert wurde durch Ineffektivitt (S. 702). Auch in der Terminolo- gie zeigen sich Inkonsequenzen: Ob man genau jenes System des br- gerlichen Verfassungsstaates, das den Faschismus hervorgebracht und zur politischen Macht gefhrt hat, als demokratisch - ohne jede Ein- schrnkung - bezeichnen kann (zum Beispiel S. 706, 709, 711), erscheint zweifelhaft, zumal Seton-Watson selbst sehr konkret aufzeigt, da es als Mutterboden des Faschismus fungierte. Konsequenter und zweifellos in ihren Resultaten noch ergiebiger wre eine Methode, die nicht von den politischen Erscheinungen aus- geht - und sich, wie Seton-Watson, auch weitgehend darauf konzen- Ei nfhrung ins Problem: Der italienische Faschismus 49 triert sondern von der sozialkonomischen Struktur der Gesellschaft, von dort aus die grundlegenden gesellschaftlichen Interessen und Krfte bestimmt, also die politischen und ideologischen Krftegruppie- rungen als keineswegs zufllige Teile und Erscheinungsformen eines Systems fat - wobei selbstverstndlich dem relativen Eigengewicht der politischen und konomischen Teilbereiche und des subjektiven Fak- tors Rechnung zu tragen ist. Die wichtigsten Probleme, die der Faschismus aufwirft, sind damit angesprochen. Die folgenden Ausfhrungen werden zeigen, da viele Theorien ber den Faschismus darauf beruhen, da sie nur eines dieser Probleme relativ willkrlich herausgreifen und daraus das Wesen des Faschismus abzuleiten versuchen. Nur wenige werden der inneren Komplexitt des Gegenstandes gerecht. B. Hauptvarianten der Faschismustheorien Nach der Niederwerfung des Faschismus 1945 herrschten in Deutsch- land zunchst ziemlich klare Vorstellungen darber, welche Bedingun- gen und Krfte den Sieg des Faschismus ermglicht und den Terror und den Krieg der faschistischen Diktatur verursacht hatten. Die Antifaschisten, die jetzt aus den Konzentrationslagern und Zuchthusern des faschistischen Systems, aus dem Untergrund und der Emigration kamen, hatten die Wirklichkeit des Faschismus aus eigenem Erleben kennengelernt und daraus politische Folgerungen gezogen. Vom Buchenwalder Manifest bis zu den Programmen der SPD, der KPD und der CDU, von den Verlautbarungen der Partei- und Gewerkschafts- fhrer bis zu den Landesverfassungen der Jahre 1946/47 zog sich wie ein roter Faden die Erkenntnis, da der Sieg und die Politik der faschi- stischen Diktatur nur mglich waren, weil diese von mageblichen Krften im Militr, in der Justiz, in der hohen Beamtenschaft, im Wis- senschafts- und Erziehungswesen, also von den sozialen Fhrungs- schichten untersttzt und getragen worden war. Eben deshalb sei eine umfassende Suberung dieser Machtpositionen und deren Besetzung durch zuverlssige Antifaschisten notwendig. Darber hinaus bestand weitgehend Einigkeit ber die strukturellen Grundlagen des Faschis- mus: Es wurde klar gesehen, da es der Kapitalismus gewesen war, der den Faschismus als Bewegung hervorgebracht und als Herrschaftsform bentigt hatte, da es insbesondere Krfte aus der Groindustrie und den Grobanken gewesen waren, die die Errichtung der faschistischen Diktatur gefrdert und ihre Expansionspolitik wesentlich mitbestimmt hatten. Eben deshalb findet sich in all diesen Stellungnahmen, Pro- grammen und Landesverfassungen - mehr oder weniger konsequent formuliert - die Forderung nach demokratischer Kontrolle konomi- scher Macht, nach Sozialisierungsmanahmen. Die gleichen Einsichten in Ursachen und Wesen des Faschismus bestimmten anfnglich auch die Politik der alliierten Mchte. Entspre- chend diesen Einsichten wurden vom Internationalen Militrtribunal in Nrnberg nicht nur die Fhrer der faschistischen Partei und des faschistischen Staates als Kriegsverbrecher verurteilt, sondern auch die Fhrer des Militrs und des Grokapitals. Ein gewaltiges Beweismate- rial wurde aufgeboten, um diese Urteile zu begrnden. Diese aueror- Hauptvarianten der Faschismustheorien 51 dentlich aussagekrftigen Dokumente und Protokolle dieser Verfahren wurden verffentlicht und stehen seither jedermann zur Verfgung. 5 So sagte zum Beispiel der Bankier von Schroeder (in dessen Haus am 4. Januar 1933 die Bildung der Regierung Hitler vorbereitet worden war) vor der US-Anklagebehrde 1945 ber die Machtstellung der Ban- ken im Faschismus folgendes aus: Frage: Muten die Grobanken whrend dieser Zeit, in der sie eine so kolossale Macht im Wirtschaftsleben Deutschlands errangen und behaupteten, nicht einen gewaltigen Einflu auf die Partei gehabt haben, da doch die Partei in Deutschland die herrschende Rolle spielte und die Regierung entscheidend kontrollierte? Antwort: Sie hatten einen ganz gewaltigen Einflu auf die Partei und auf die Regierung. De facto waren die Grobanken fast eine zweite Regierung. Die Partei und die von der Partei beherrschte Regierung kon- sultierten die Grobanken bei jeder wirtschaftlichen und finanziellen Frage, die auftauchte. Die Vertreter der Grobanken wurden von der Reichsbank und anderen Regierungsstellen praktisch bei allen Entschei- dungen konsultiert, und sehr oft wurde das, was sie sagten, als letztes Wort in der Angelegenheit gewertet. 6 Entsprechend gelangte ein Bro der US-Militrregierung ber die Deutsche Bank zu folgendem Ergebnis: Die Deutsche Bank spielte unter den Geschftsbanken bei der Aus- beutung der wirtschaftlichen Reserven der Lnder des annektierten, okkupierten und des zu Satellitenlndern gemachten Europa eine fh- rende Rolle. Seit dem Anschlu im Jahre 1938 ging sie weiterhin mit groer Aggressivitt daran, ihr Bankherrschaftssystem ber die alten Grenzen Deutschlands hinaus auszudehnen . . . Das groe Expansions- programm der Deutschen Bank wurde whrend der zwlf Jahre des Naziregimes in erheblichem Umfang durch die enge Gestaltung ihrer Beziehungen zu den Ministerien der Regierung und zur Partei sowie den angeschlossenen Organisationen verwirklicht. Die Deutsche Bank benutzte ihre beraus groe Macht in der deut- schen Wirtschaft, um bei der Durchfhrung der verbrecherischen Po- litik des nazistischen Regimes auf wirtschaftlichem Gebiet mitzuwir- ken ... 7 Und ber die Groindustrie wurden von einem Ausschu des US- Senats die folgenden Hauptfeststellungen getroffen: 1. Es ist nicht wahr, da die deutschen Groindustriellen sich erst im letzten Augenblick und halb gezwungen dem Nationalsozialismus angeschlossen haben. Sie waren von Anfang an seine begeisterten Fr- derer. 52 Theorien ber den Faschismus 2. Die Untersttzung seitens der deutschen Schwerindustrie und Hochfinanz ermglichte den Nationalsozialisten die Machtergreifung. 3. Die Umstellung der deutschen Wirtschaft auf die Kriegswirtschaft und auf die fieberhafte Rstung zum Angriffskrieg erfolgte unter der unmittelbaren Leitung der deutschen Industriellen. 8 Dies alles nderte sich grundlegend, als die Anti-Hitler-Koalition zer- fiel und der Kalte Krieg die Politik der Westmchte auch gegenber der Bevlkerung ihrer eigenen Zonen zu bestimmen begann. Nun wurde alles dem Ziel untergeordnet, die Westzonen in eine zuverlssige anti- kommunistische Bastion im Kalten Krieg auszubauen. So wurden nicht nur Sozialisierungsmanahmen durch die westlichen Besatzungs- mchte untersagt, sondern auch die Entnazifizierungsmanahmen ein- gestellt. In dem nunmehr aktuellen Kampf gegen Sozialismus und Kommunismus galten die sozialen Fhrungsschichten, die die faschisti- sche Diktatur getragen hatten, als besonders zuverlssige Bundesgenos- sen. Sie rckten seit 1948/49 wieder verstrkt in ihre Fhrungspositio- nen ein und bestimmten in der Folge nicht nur in starkem Mae die reale Politik in der Bundesrepublik, sondern auch die politische und ideologische Atmosphre 9 und natrlich auch das Geschichtsbild - besonders in Hinsicht auf die unmittelbare Vergangenheit, an deren Gestaltung diese Fhrungsschichten ja als Wirtschaftsfhrer, Offiziere, Richter, hohe Beamte und Professoren wesentlich beteiligt gewesen waren. Erst seit dem Ende der 60er Jahre, nach dem Scheitern der Poli- tik der Strke und des Kalten Krieges, der Durchsetzung der Entspan- nungspolitik und dem Aufschwung sozial-liberaler Reformhoffnungen vernderte sich auch das politisch-ideologische Klima in der Bundesre- publik. Dies waren die politischen Bedingungen, die auch im Bereich der wissenschaftlichen Faschismusdiskussion neue Anstze ermglich- ten und alte Einsichten wieder zugnglich machten. Die Theorien ber den Faschismus, die seit 1945 in unserem Lande verbreitet wurden, sind im Rahmen dieser Bedingungen, in diesem poli- tischen Klima entstanden und verbreitet worden und sind nicht ver- stndlich ohne diesen Kontext. Der genauere Zusammenhang zwischen den einzelnen Etappen der allgemeinpolitischen Entwicklung und den einzelnen Etappen und Varianten der Faschismusinterpretation soll in einem spteren Abschnitt dargestellt werden. Da ein solcher Zusam- menhang besteht, mu jedoch vorab schon erwhnt werden und sollte bei der Betrachtung der verschiedenen Theorien immer bewut blei- ben. Faschismus als Produkt des Fhrers 53 1. Faschismus als Produkt des Fhrers (J. C. Fest, Fabry, Golo Mann u. a.) Nach der Befreiung Europas von der Herrschaft des deutschen Faschis- mus 1945 entstand eine Interpretation, die den Aufstieg und die Politik des Faschismus im wesentlichen aus dem Denken, Wollen und Han- deln des faschistischen Fhrers ableitete. Die Zahl der Schriften, die mit dieser Darstellungsweise arbeiten, ist uferlos. Sie wurde besonders von deutschen Historikern entwickelt und propagiert, die aus der Tradi- tion des Historismus kamen, war aber keineswegs auf Deutschland beschrnkt. Obwohl ihr Hhepunkt in den Jahren nach 1945 lag, behielt sie auch in der folgenden Periode einen gewissen Einflu (besonders in der Bundesrepublik), der durch einige Hitler-Biographien und durch eine starke publizistische Hitlerwelle in den Jahren nach 1973 sogar wieder angestiegen ist. Diese Interpretation bedeutet methodisch, da man die Forschung auf den faschistischen Fhrer konzentriert: auf seinen Lebensweg und seinen Charakter, seine Weltanschauung und seine Handlungen. Sofern diese Darstellungsweise berhaupt methodisch begrndet wird, beruht sie auf der These des u-. da der Gegenstand der Geschichts- wissenschaft das Einmalige, Individuelle, die auergewhnliche Persn- lichkeit sei und da es die groen Mnner seien, die die Geschichte machen. Dies gelte ganz allgemein fr die Geschichte, aber in noch gesteigertem Mae fr den Faschismus und seinen Fhrer. Nach Valen- tin hat Hitler die Macht des Individuellen in der Geschichte bewie- sen. 10 Fr Golo Mann ist Hitler ein Monstrum, das grauenhafteste menschliche Phnomen unseres . . . Jahrhunderts 11 . Er sei Diktator geworden, weil er es wollte. Nach Teilenbach war Hitler ein dmoni- scher Mensch in jedem Zuge, von dsterer Groartigkeit 12 , nach Peter Hoffmann ein dmonischer Demagoge 13 , nach Meinecke lag in sei- nem Wesen und Wirken . . . etwas ganz Singulres und Fremdes und schwer Begreifliches 14 . Ernst Deuerlein behauptet: Nationalsozialis- mus ist geschichtlich bestimmt durch einen Mann . . . Seine Politik war es, die das deutsche Volk . . . in die grte Katastrophe . . . strzte 15 . Und Axel Kuhn fordert: Im Mittelpunkt einer Spezialuntersuchung zur Geschichte des Nationalsozialismus mu heute immer noch die Person Hitlers stehen. 16 Die Hitler-Biographie von John Toland, ange- kndigt mit einem riesigen Werbeaufwand als das politische Sachbuch des Jahres, will das Mysterium Hitler ergrnden und kommt dabei zu dem Ergebnis: Adolf Hitler war vermutlich derjenige Machthaber des 54 Theorien ber den Faschismus 20. Jahrhunderts, der die grten Bewegungen und Erschtterungen ausgelst hat . . . Da ihm der Himmel verschlossen war, whlte Adolf Hitler die Hlle - wenn ihm berhaupt je bewut war, was beide unter- scheidet. Getrieben von seinem furchtbaren Traum, Europa von den Juden zu 'reinigen', wurde er zu einem Mensch von luziferischer Grau- samkeit. Es handelt sich nach Ansicht des Autors um das Portrt eines Mannes, dessen seelisch-soziale Defekte zum Verhngnis eines Konti- nents wurden. 17 Fr Fabry stellt sich der deutsche Faschismus so dar: Ein Mann taucht auf aus dem Dunkel , . . . setzt sich in einem Aufstieg ohnegleichen an die Spitze eines . . . Reiches, macht dieses Reich zum mchtigsten Staat eines Kontinents, unterwirft in raschen Eroberungs- zgen den grten Teil Europas .. , 18 Auch die in Massenauflagen verbreitete, mit gewaltigen Reklamemit- teln zum Weltbestseller hochgetriebene und 1977 verfilmte Hitler- Biographie von Joachim C. Fest ist ganz auf diese personalistische Inter- pretation abgestellt. ber Hitler heit es: Tatschlich war er in einem wohl beispiellosen Grade alles aus sich und alles in einem: Lehrer sei- ner selbst, Organisator einer Partei und Schpfer ihrer Ideologie, Takti- ker und demagogische Heilsgestalt, Fhrer, Staatsmann und, whrend eines Jahrzehnts, Bewegungszentrum der Welt. 19 Die faschistische Dik- tatur war demnach ein System, das nur von einem einzigen Punkt her Sinn und Konsequenz erhielt: dem monstrsen Macht- und Einsatzwil- len Hitlers 20 . In seiner Person hat ein einzelner noch einmal seine stu- pende Gewalt ber den Geschichtsproze demonstriert. 21 Das Buch von Fest wurde von der etablierten Fachwissenschaft und der Presse berschwenglich gelobt. Der Bonner Politikwissenschaftler Bracher, selber ein angesehener Faschismusforscher, nannte das Buch in der z. einen bedeutenden Beitrag . . . zur Geschichte unseres Jahr- hunderts und zur Frage nach der Rolle der groen Person 22 ; Theodor Schieder sieht in der t-//.. +//,.-.-.- z..-, die eigentliche und groe Leistung in den Kategorien, die es entwickelt, um die Per- son Hitlers berhaupt als einen historischen Gegenstand erfassen zu knnen 23 ; auch der rechtskonservative Historiker Walter Grlitz bezeichnet in der r./ die Lektre als auerordentlich fesselnd, wenn das Buch auch das Rtsel des magischen Einflusses Hitlers auf die Massen noch nicht ganz gelst habe. 24 Das Niveau einer theoretischen Reflexion, in der die historischen Krfte und ihr Verhltnis zueinander systematisch untersucht wrde, wurde in diesen Darstellungen nirgends erreicht. Die groe Zahl von Schriften, die diese Auffassung verbreiten, ging meist ganz naiv davon aus, es sei gesichert und selbstverstndlich, da der Fhrer Struktur und Faschismus als Produkt des Fhrers 55 Politik des Faschismus bestimmt habe. Die Bezeichnung Theorie ver- dient diese Darstellungsweise aber auch deshalb nicht, weil ihr Realitts- gehalt ganz gering ist. Keine der wesentlichen Fragen kann mit ihrer Hilfe geklrt werden: Wie kommt es, da nach 1918 in fast allen kapitali- stischen Lndern faschistische Bewegungen entstanden? Woher kamen die ideologischen Elemente, die der Faschismus propagiert hat? (Sie waren nmlich keineswegs die Erfindung der faschistischen Fhrer.) Welches waren die Bedingungen, die Teile der Bevlkerung gerade nach 1918 und nach 1929 zu Anhngern des Faschismus machten? Warum waren gerade bestimmte Sozialschichten besonders anfllig fr die faschistische Propaganda, andere hingegen nicht? Warum wurden durch den Faschismus bestimmte soziale Interessen begnstigt, andere hinge- gen unterdrckt? Konkret: warum gelangten die Fhrer der groen Industrie- und Bankkonzerne an die Schalthebel der Macht, whrend die Fhrer der Arbeiterbewegung in die Zuchthuser und Konzentra- tionslager geworfen wurden? Dies geschah brigens nicht nur in Deutschland nach 1933, sondern auch in Italien nach 1922, in Spanien nach 1939, in Chile nach 1973 usw., stellt also ein allgemeines Merkmal faschistischer Herrschaft dar. Auf all diese Fragen gibt die Fhrertheorie keine Antwort. Dies gilt auch fr den Versuch, sie gewissermaen organisationssoziologisch zu fassen und den Faschismus zu definieren durch das Fhrerprinzip, das inhaltlich weder durch eine bestimmte Ideologie noch durch eine bestimmte politische Richtung gekennzeichnet gewesen sei 25 ; es sei nur darauf angekommen, die durch den Fhrer integrierten und organisier- ten agitatorischen und ausdrcklich auch die krperlichen Energien im geballten Einsatz nach auen zu richten. Aber die entscheidende Frage lautet doch: Fr wen und gegen wen wurden welche Energien gerichtet - zuerst nach innen und dann auch nach auen? Der Fhrer kann eben nicht fhren, ohne zugleich in eine bestimmte Richtung zu fhren, das heit im Bndnis mit bestimmten politischen Krften und Interessen gegen andere. Diese politische Richtung gilt es also zu bestimmen, aus dem politisch-sozialen Krfteverhltnis zu erklren und daraufhin zu befragen, wem sie ntzte. Es gibt eine Variante der Fhrertheorie, die eine Erklrung fr die Wirksamkeit des Fhrers zu enthalten scheint. Sie lautet: der Fhrer konnte deshalb solche Macht gewinnen und ausben, weil er die groen Tendenzen seiner Zeit, weil er den Willen der gesamten Nation verkr- perte. Ernst Deuerlein schreibt, das deutsche Volk sei nach der mili- trischen Niederlage von 1918 von Verzweiflung, Verbitterung und Zynismus erfat worden und habe seinen moralischen Halt verloren. 26 56 Theorien ber den Faschismus Fabry behauptet, Hitler sei von groen Teilen des deutschen Volkes gerufen worden. 27 Und Festschreibt: Die ganze Epoche habe es 1914 als einen Dank empfunden, mit dem Beginn des Krieges dem Elend der Normalitt zu entkommen. 1918 sei dann die Nation, die an die berlegenheit ihrer Waffen . . . geglaubt hatte . . . , ins Bodenlose ge- strzt. 28 Hitler war demnach eine nahezu exemplarische Verbindung aller ngste, Protestgefhle und Hoffnungen der Zeit 29 ; er habe Geist und Tendenz der Epoche verkrpert. 30 Und fr die Errichtung der Diktatur folgt daraus allen Gesetzwidrigkeiten und Gewalttaten jener Wochen zum Trotz . . . eine gewisse historische Rechtfertigung Hit- lers 31 . Hitler ist demnach eine Gestalt von historischer Gre. Diese ergebe sich nmlich - so Fest in Anlehnung an den Historiker Jakob Burkhardt - aus der geheimnisvollen Koinzidenz zwischen dem Egois- mus des bedeutenden Einzelnen und dem Gesamtwillen 32 . Diese historische Rechtfertigung des Faschismus gelingt aber nur deshalb, weil der wirkliche historische Verlauf hier in einer spezifischen Weise verflscht wird: Es war keineswegs die ganze Epoche, die den Ausbruch des Krieges 1914 bejubelte, und es war keineswegs die Nation, die 1918 in die Verzweiflung strzte. Es war vor allem das Br- gertum, das den Krieg jubelnd begrte, whrend Millionen von Arbei- tern in Deutschland wie in anderen europischen Lndern gegen den Krieg demonstrierten. 33 Und es war vor allem das deutsche Brgertum, das den November 1918 als vernichtende Niederlage empfand, whrend groe Teile der Arbeiterschaft die militrische Niederlage des Kaiser- reichs als entscheidende Bedingung fr die innere Befreiung und die Revolution als ffnung zu einer besseren Zukunft empfanden und eben deshalb fr die Revolution kmpften. 34 Die oben zitierten Histo- riker reproduzieren also nicht nur das alte autoritre Geschichtsbild, als ob die Nation eine soziale und ideologische Einheit sei, sondern sie schreiben zugleich Geschichte aus der Perspektive des Brgertums, set- zen dieses Brgertum mit der Nation gleich und definieren Arbeiter- klasse und Arbeiterbewegung aus der Nation heraus: sie gehren nicht dazu. 35 Die Rechtfertigung der faschistischen Diktatur, die diese Feinde der Nation dann politisch (und zum Teil auch physisch) liqui- diert hat, ist die brutale, aber durchaus logische Folge dieser Sichtweise. Das kann von der Diffamierung der Novemberrevolution, die fr Deutschland immerhin die Demokratie erkmpfte, als Welle von Mord, Plnderung und Brandschatzung 36 bis zur offenen Verflschung der Wahlergebnisse reichen: Bei den letzten freien Wahlen im Novem- ber 1932 wurde Hitler keineswegs von groen Teilen des deutschen Volkes gerufen, sondern nur von einer Minderheit von 33,1 Prozent Faschismus als Produkt des Fhrers 57 gewhlt, und auch diese stammten nicht schlicht aus dem deutschen Volk, sondern, wie das Kapitel Mittelstandstheorien zeigen wird, hauptschlich aus den Mittelschichten. Die Gefhle und ideologischen Tendenzen, die diese Autoren dem deutschen Volk oder der gesamten Epoche zuschreiben, mten also als Tendenzen im deutschen Brgertum definiert, aus dessen Lage und politischer Tradition verstndlich gemacht und mit abweichenden und entgegengesetzten Tendenzen konfrontiert werden. Das aber wrde eine Analyse der Gesellschaftsstruktur verlangen und wrde Hitler und den Faschismus als Reprsentanten /.--. sozialer Krfte und Interessen sichtbar machen. Genau dieser Zusammenhang aber wird durch die Darstellung dieser Autoren verdunkelt. Es wird im Gegenteil die Schlufolgerung nahegelegt, da das deutsche Volk selber verantwort- lich sei fr den Faschismus und alle seine Folgen und da das eigentli- che bel in dem Eingreifen der Volksmassen in die Politik, in einem Zuviel an Demokratie begrndet liegt. Da jedoch nach dieser Interpreta- tion die Menschen ein Bedrfnis nach Einordnung haben, das sehr viel schwerer wiege als der Intellektuellentraum der Freiheit 37 , sei es nicht verwunderlich, wenn dieses Zuviel an Demokratie dann um- schlage in die Diktatur. Fest spricht Hitler die Erkenntnis (zu) vom dunklen Zusammenhang zwischen Demokratie und Anarchie: da chaotische Zustnde der eigentliche, unverflschte Ausdruck wahrer Volksherrschaft seien und die Willkr deren Gesetz 38 . Dies ist nun nicht nur eine eklatante Verflschung der Geschichte in der Frage des Faschismus, sondern die Kernthese einer ganzen politi- schen Philosophie. Hier mndet diese Geschichtsdarstellung offen- sichtlich ein in das Pldoyer fr die Abschaffung der Demokratie und die Errichtung eines autoritren Staates - unter dem Vorwand, das ein- fache Volk sei zur Selbstbestimmung unfhig, entsprechende Versuche mten allemal in Chaos oder Diktatur enden (wie alle Revolutionen von der Franzsischen und Russischen bis zur Novemberrevolution und der kolonialen Revolution angeblich zeigten), und deshalb sei der autoritre Staat die beste Barriere gegen den Faschismus. Diese These von der Unmndigkeit der Massen ist nun zwar so ziemlich die lteste ideologische Rechtfertigung von Herrschaft und Unterdrckung, aber sie ist, wie man sieht, noch sehr aktuell. (Es ist beunruhigend zu sehen, bemerkt Fest sehr zutreffend an anderer Stelle, wie unbelehrt manche aus den Desastern der Vergangenheit kommen. 39 ) Der ideolo- giegeschichtliche Zusammenhang der modernen Variante dieser These vom bel der Volksherrschaft leitet ber zur Totalitarismustheorie. Ihre zentrale Formel lautet nmlich, es sei die seit der Franzsischen Revolu- 58 Theorien ber den Faschismus tion entstandene, auf die Aktivierung der Volksmassen gegrndete Demokratie, die die Ursache und den Mutterboden des modernen Totalitarismus darstelle. Die Herleitung des Faschismus und seiner Politik aus dem Wollen des Fhrers (sei dieser nun ein Dmon oder der Ausdruck des Volkes) ist aber nicht nur erklrungsschwach und unzureichend, sondern ber weite Strecken falsch und irrefhrend. Von allen wesentlichen Entschei- dungen bei der Errichtung der faschistischen Diktatur und der inhaltli- chen Bestimmung ihrer Politik ist lngst dokumentarisch erwiesen, da sie auf ganz andere Weise zustande kamen. Wie die Genese und die Herrschaftsstruktur des Faschismus tatschlich beschaffen waren, wird spter noch genauer zu errtern sein. An dieser Stelle soll nur eine ganz vorlufige und kursorische berprfung der Zentralthese der Fhrer- theorie stattfinden, die behauptet, da es der Fhrer gewesen sei, der die faschistische Ideologie, den faschistischen Staat und die faschistische Kriegszielpolitik im wesentlichen geschaffen habe. Schon ein Blick auf das imperialistische Programm des Deutschen Reiches im Zweiten Weltkrieg lehrt, da es viel zu kurz gegriffen wre, seine Ursache in der Vorstellungswelt Hitlers zu suchen. Tatschlich ist durch eine Flle von Dokumentenmaterial seit langem erwiesen, da der deutsche Imperialismus schon vor 1914 ein gewaltiges Expansions- programm entwickelt hat, um neue Rohstoffgebiete, Absatzmrkte und billige Arbeitskrfte zu erobern und die Hegemonie in Europa zu errin- gen. 40 Mit diesen Zielen wurde der Erste Weltkrieg gefhrt, und diese Ziele wurden auch nach der Niederlage von 1918 nicht aufgegeben, son- dern im Auge behalten. Schon 1926 wurde in der Reichswehrfhrung ein Kriegsplan entwickelt, der nicht mehr und nicht weniger als den Kampf um die Weltherrschaft ins Auge fate. Nach der Zerschlagung der Opposition im Innern 1933 wurden die Eroberungsplne verstrkt wieder in Angriff genommen und durch stndige Planungen und Initia- tiven aus dem Bereich der Industrie und der Banken vorangetrieben und konkretisiert. Jeder Schritt dieser Entwicklung - bis hin zum Zu- sammenbruch dieser Politik 1945 - ist durch Dokumente belegt. 41 Die- ses gesamte, zum Teil seit 1945 bekannte Quellenmaterial wird von den Fhrertheorien systematisch ignoriert. (Oft sind dies sogar genau jene Wissenschaftsrichtungen, die im brigen das Quellenstudium zu einem wahren Fetisch erheben.) Dieses Beispiel zeigt besonders gut, wie eine vorgegebene, dem Autor oft nicht bewute Interessenstruktur als Erkenntnisschranke fungieren kann. In dem Bestreben, die brgerliche Gesellschaft als System und das Brgertum als soziale Klasse freizusprechen, wird die Aufmerksam- Faschismus als Produkt des Fhrers 59 keit auf ein einziges Phnomen, den faschistischen Fhrer, konzentriert, wird die Realitt nur noch ganz selektiv wahrgenommen und werden sogar die elementarsten Grundstze der eigenen wissenschaftlichen Disziplin preisgegeben. Das schon im Ersten Weltkrieg angestrebte Expansionsprogramm des deutschen Imperialismus kann also offensichtlich nicht auf die Ideen Hitlers zurckgefhrt werden, der damals bekanntlich noch ein kleiner Gefreiter war. Die strukturell sehr hnlichen imperialistischen Ziele des Deutschen Reiches im Zweiten Weltkrieg mssen also aus der Kontinuitt der sozialen Interessen und Machtgruppen seit dem Kaiser- reich erklrt werden. Ebensowenig ist es mglich, die Hauptelemente der faschistischen Ideologie, die Errichtung der Diktatur und deren Innenpolitik von der Persnlichkeit und den Ideen Hitlers her zu erkl- ren. Alle wesentlichen Momente der faschistischen Ideologie waren in der deutschen Gesellschaft bis 1918 schon ausgebildet. Dies gilt fr Militarismus und Imperialismus ebenso wie fr den extremen Nationa- lismus, den Rassismus und den Autoritarismus. Diese Ideologie hatte den imperialistischen Krften im Kaiserreich dazu gedient, ihre Unter- drckungspolitik gegenber der Sozialdemokratie und ihre weitge- spannten Expansionsziele zu begrnden und dafr Massenunterstt- zung zu erlangen. 42 Hitler war einer der vielen, die von dieser Ideologie im Ersten Weltkrieg ergriffen wurden und diese fortan zu ihrem Glau- bensbekenntnis machten. Nach 1918 war diese Ideologie Gemeingut aller reaktionren und rechtsextremen Gruppen, mit deren Hilfe die so- zialistischen Krfte der Arbeiterbewegung bekmpft und niedergewor- den wurden. Hitler war zunchst nur einer der vielen Agenten, die damals von der herrschenden Klasse angeworben wurden, um in die- sem Sinne zu arbeiten: Hitler wurde von der bayrischen Reichswehr zu einer dieser Gruppen geschickt, aus der sich dann die NSDAP entwik- kelte. 43 Da diese Gruppe sich schlielich als die erfolgreichste von allen erwies, hngt zweifellos auch mit den besonderen Fhigkeiten Hit- lers zusammen, diese Ideologie glaubwrdig darzustellen und massen- wirksam zu verknden. Geschaffen aber hat er diese Ideologie nicht - und auch nicht die Bedingungen ihrer Wirksamkeit. Was den Aufstieg der faschistischen Bewegung nach 1929 betrifft, so geht dieser offensichtlich auf sozialkonomische Bedingungen zurck, die Hitler weder geschaffen noch beeinflut hat, sondern die als Pro- dukt der kapitalistischen Gesellschaftsordnung analysiert werden ms- sen: die schwere Wirtschaftskrise mit Massenarbeitslosigkeit und Deklassierung der Mittelschichten. Bis 1929 war die angeblich so unwi- derstehliche Faszination Hitlers offenbar ziemlich unwirksam. Erst die 60 Theorien ber den Faschismus sozialen Folgen der Krise im Zusammenwirken mit den autoritren ideologischen Traditionen in Deutschland haben die Wirksamkeit der Propaganda Hitlers und der anderen faschistischen Fhrer ermglicht. Die Errichtung der Diktatur 1933 schlielich kann weder von Hitler noch von der Strke der faschistischen Massenbewegung her zurei- chend erklrt werden, weil sie zu einem Zeitpunkt erfolgte, als - nach den Novemberwahlen 1932 - die NSDAP bereits wieder im Niedergang begriffen war. Erst jetzt wurde Hitler zum Reichskanzler ernannt, wurde der faschistischen Partei die Macht bertragen. Schon der weitverbrei- tete Begriff der Machtergreifung ist eine Irrefhrung und eine naive Wiederholung eines faschistischen Propagandaslogans. Tatschlich handelte es sich eben um eine Machtbertragung an die Fhrer der faschistischen Partei. 44 Daraus folgt, da die Krfte untersucht werden mssen, die es durchsetzten, da der NSDAP die Macht bertragen wurde, die Grnde, warum sie das taten, und die Bedingungen, die diese Machtbertragung ermglichten. Der Wiener Historiker Friedrich Heer charakterisiert die Kontinuitt deutscher Politik und insbesondere deutscher Geschichtsideologie zwi- schen der vorfaschistischen und der faschistischen Periode sehr an- schaulich wie folgt: Die fhrenden deutschen Historiker pldieren ab 1895/1900 fr den kommenden Weltkrieg. Und: Adolf Hitler machte Geschichte . . . indem er die Einbildung deutscher Geschichtsdenker vor ihm und in seiner Zeit realisierte, in Fleisch und Blut, in Land- nahme und Menschennahme und Menschenttung. Nichts, einschlie- lich der Umsiedlung von Vlkern und des Genozids, des Vlkermordes der Hitler-Zeit, gibt es, was nicht in groen Zgen von deutschen Geschichtsdenkern, von Propheten der deutschen Heilsverpflichtung als Weltmacht der Zukunft vor Hitler bereits erdacht und in aller ffentlichkeit vorgeschlagen wurde. 45 Alle diese Erwgungen zeigen erstens, da der Faschismus und seine Politik nicht aus der Weltanschauung des Fhrers hergeleitet werden knnen. Und sie zeigen zweitens, da, selbst wenn dies der Fall wre, damit ber die Inhalte und die Zielrichtung der faschistischen Politik noch nichts ausgesagt ist, da der Hinweis auf das Fhrerprinzip nur die formale Seite des Faschismus anspricht. Dies bedeutet nun keineswegs, da die Fhrerpersnlichkeit fr den Geschichtsverlauf im allgemeinen und die Geschichte des Faschismus im besonderen gnzlich belanglos ist. Der Fhrer wirkt dadurch, da er die Mglichkeiten, die eine bestimmte Situation - fr die Herrschen- den oder die Beherrschten - bietet, klarer erkennt als andere, und dadurch, da er das, was die Volksmassen (oder Teile davon) bewegt, Faschismus als Produkt des Fhrers 61 berzeugender ausspricht und strker will, als andere dies vermgen, da er deren Wnsche und Bedrfnisse so artikuliert, da sie sich im Fhrer wiedererkennen. Doch die Bedingungen, die den objektiven Rahmen fr die individuellen Handlungsmglichkeiten bestimmen, schafft er nicht selbst, sondern findet er vor als das Resultat des Han- delns vorangegangener Generationen. Und nur dann, wenn dieses Be- dingungsgefge einen Bedarf nach seinen individuellen Fhigkeiten enthlt, kann ein bestimmter Mensch berhaupt zum politischen Fh- rer werden. Unter anderen Bedingungen wrde dieser Mensch mit den gleichen Fhigkeiten berhaupt nicht hervortreten, wahrscheinlich sich seiner besonderen Fhigkeiten gar nicht bewut werden. Plechanow erlutert dies am Beispiel Napoleons. 46 Das franzsische Grobrgertum war nach der Niederwerfung der Jakobiner 1794 die gesellschaftlich strkste Kraft. Es suchte nach einem guten Degen (wie Sieyes sagte), der in der Lage war, seine Herrschaft lngerfristig zu stabi- lisieren. Zunchst war Jourdan der Favorit, doch er fiel. Wre er am Leben geblieben und htte die Fhrungsposition erhalten, so wre Napoleon ein relativ unbekannter Offizier geblieben. Nachdem aber Napoleon diese Position erhalten hatte, versperrte er all jenen Genera- len, die vielleicht hnliche Talente besaen, den Weg zur Spitze. So erscheint die Gestalt Napoleons als etwas ganz Exklusives, denn andere Krfte, die ihr glichen, sind nicht von der :,///. - .. r////. bergegangen (S. 41). Und htte nicht die Franzsische Revolution berhaupt gnzlich neue gesellschaftliche Bedingungen geschaffen, so wre verborgen geblieben, was jahrhundertelang verborgen war: da manche Schauspieler, Setzer, Friseure, Frber, Juristen, Hausierer und Fechtmeister latente militrische Talente waren (S. 43) und zu Gene- ralsposten fhig waren. Alle diejenigen, die jetzt unter den neuen Bedin- gungen zu Generalen avancierten, wren vllig unbekannte Leute geblieben. Die Charaktereigenschaften der Persnlichkeit sind nur dann, nur dort und nur insofern ein 'Faktor' der gesellschaftlichen Ent- wicklung, wenn, wo und inwiefern die gesellschaftlichen Beziehungen ihnen erlauben, es zu sein (S. 34). Wieso zum Beispiel konnten Lud- wig XV. und andere unfhige, schwache, der Sinnlichkeit verfallene In- dividuen Einflu auf das historische Geschehen gewinnen? Weil die gesellschaftliche Organisation unter den Bedingungen des Absolutis- mus so beschaffen war, da dies mglich wurde. Betrachten wir Hitlers Aufstieg noch einmal unter diesem Gesichts- punkt: Er fand Deutschland nach 1918, als er seine politische Karriere begann, in einem bestimmten sozialkonomischen, politischen und ideologischen Zustand vor, der durch lngerfristige historische Entwick- 62 Theorien ber den Faschismus lungsprozesse in Deutschland und Europa und durch die unmittelbar vergangenen Ereignisse - Weltkrieg, Niederlage, Novemberrevolution, Versailler Vertrag -, insgesamt also durch das Handeln vorangegangener Generationen, bestimmt war. Damit waren Rahmenbedingungen ge- setzt, die einerseits Ausgangslage und Grenzen des Handelns bestimm- ten, andererseits aber innerhalb dieses Rahmens durchaus Handlungs- und Entwicklungsalternativen enthielten. Vor allem waren die Macht- verhltnisse im Innern noch ungeklrt: insbesondere die Machtver- hltnisse zwischen den bisherigen Fhrungsschichten aus Industrie, Grogrundbesitz und Militr einerseits, die durch die militrische Nie- derlage und die Novemberrevolution wesentlich an Macht eingebt hatten, und der Arbeiterklasse andererseits, die durch die Revolution den Obrigkeitsstaat gestrzt hatte, bei dem Versuch, die Eigentumsver- hltnisse in sozialistischer Richtung zu verndern und so der bisher herrschenden Klasse die Grundlagen ihrer Herrschaft zu entziehen, jedoch im ersten Anlauf gescheitert, allerdings noch keineswegs endgl- tig geschlagen war. Gebraucht wurden also - aus der Sicht der herr- schenden Klasse - alle Krfte, die in der Lage waren, sei es durch milit- rische Gewalt (wie die Freikorps und die Reichswehr), sei es durch poli- tische Agitation Potenzen zu mobilisieren zum Einsatz gegen die Linke und zur Niederwerfung der revolutionren Teile der Arbeiterbewegung. Deshalb erlebten in diesen Jahren die verschiedensten rechtsextremen, reaktionr-militaristischen Organisationen eine Bltezeit. Auch fr Adolf Hitler war dies die erste Periode politischer Erfolge, wenn er auch noch im Schatten anderer Fhrer der militanten Rechten stand. Seine Fhigkeit, Massen zu aktivieren fr den Kampf gegen den Marxismus, dabei sowohl die tiefverwurzelten reaktionren Ideologien des Kaiserreichs wie auch die realen Bedrfnisse der Massen nach so- zialer Sicherheit, nach Arbeit und Brot aufzugreifen, verschaffte ihm bereits einen betrchtlichen Bekanntheitsgrad. Er hatte sich auch etwas mit Problemen der Massenpsychologie und der Manipulationsmglich- keiten gegenber den Massen befat, insbesondere mit der Frage, wie deren Willensfreiheit und Denkfhigkeit gebrochen werden knnen. Dabei war er bemht, die Techniken der kommerziellen Reklame auf Politik und Propaganda zu bertragen, was zweifellos einen betrchtli- chen Teil seiner Originalitt ausmachte. So empfahl er zum Beispiel, politische Veranstaltungen abends abzuhalten, wenn die physischen und psychischen Krfte der Menschen schon geschwcht seien. Und er pldierte fr Intoleranz im politischen Kampf mit dem Argument: Was wrde man zum Beispiel ber ein Plakat sagen, das eine neue Seife anpreisen soll, dabei jedoch auch andere Seifen als 'gut' bezei chnet ?. . . Faschismus als Produkt des Fhrers 63 Genauso verhlt es sich aber auch mit politischer Reklame. 47 Sehr wirk- sam war auch seine Fhigkeit, sich auf ganz wenige groe Ziele zu beschrnken und sich auf Einzelforderungen nicht einzulassen: Ver- nichtung des Marxismus, des Judentums und der Demokratie, Zer- schlagung des Versailler Vertrags und Eroberung Rulands und eben dadurch die Garantie von sozialer Sicherheit, Wohlstand und nationa- lem Prestige fr alle Deutschen - dies waren die Hauptforderungen, die in allen Reden und Schriften stndig wiederkehrten und die, da sie ber Einzelheiten etwa der Sozial- und Wirtschaftspolitik grozgig hinweggingen, die verschiedensten Schichten und Gruppen der Bevl- kerung ansprechen konnten. Hinzu kam sein Organisationstalent, das ihn befhigte, Disziplin und Zuverlssigkeit in die von ihm mobilisier- ten Krfte zu bringen und auch seine Konkurrenten und Unterfhrer in der eigenen Organisation unter Kontrolle zu halten. Die realen politischen Bedingungen - die Interessenlage der herr- schenden Klasse, die ideologischen Bedrfnisse bestimmter Bevlke- rungsteile - enthielten also fr die speziellen Talente Hitlers einen Bedarf. Gerade die Fhigkeit, Massen zu gewinnen fr reaktionre Ziele, war nach 1918, als der Unterdrckungsapparat des autoritren Staates als Mittel zur Niederhaltung der arbeitenden Massen entfallen war, beson- ders wichtig geworden. (Eben deshalb baute der Groindustrielle Hugenberg jetzt auch einen gewaltigen Presse- und Filmkonzern auf.) Und die vorhandenen politisch-ideologischen Traditionen Deutsch- lands boten das Gedankenmaterial, um diese spezielle Fhigkeit, reak- tionr-militaristische Ideologie an die Massen zu vermitteln, zur Wir- kung zu bringen. Zudem waren betrchtliche Teile der Massen durch die Propaganda im Kaiserreich und besonders im Krieg schon ideolo- gisch prpariert in Richtung auf Nationalismus, Antikommunismus und Militarismus. Diese gnstigen Rahmenbedingungen fr das Wirken solcher Per- snlichkeiten wie Hitler nderten sich jedoch 1923/24, als die letzten Versuche der revolutionren Arbeiterbewegung, doch noch den Sozialis- mus zu erkmpfen, niedergeschlagen worden waren und die brgerlich- demokratische Republik stabilisiert war. Nun wurden nicht lnger poli- tische Fhrer gebraucht, die die Massen zum nationalistischen Taumel hinrissen und zum Terror gegen die Arbeiterbewegung anstachelten, sondern solche Fhrer, die die kapitalistischen Eigentumsverhltnisse und die parlamentarische Staatsform stabilisierten, die Arbeiterbewe- gung durch Verhandlungen und gewisse, angesichts der Konjunktur auch nicht besonders schmerzhafte, soziale Konzessionen ins kapitali- stische System integrierten, das internationale Ansehen dieses Staates 64 Theorien ber den Faschismus konsolidierten, Dollar-Kredite sicherten und in zhen Verhandlungen mit den Siegermchten die Schranken des Versailler Vertrags allmhlich abbauten, um langsam neue konomische Expansionsmglichkeiten zu erffnen. Unter diesen Bedingungen richtete sich der Hauptbedarf der Herr- schenden nicht mehr auf politische Fhrer vom Typ Adolf Hitler oder der Freikorps-Fhrer, sondern auf serise Reprsentanten des Brger- tums (oder allenfalls der reformistischen Arbeiterbewegung), also auf Fhrer vom Typ Stresemann, der ein zuverlssiger, gemigter Interes- senvertreter der Industrie war, oder vom Typ Hermann Mller, der den rechten Flgel der Sozialdemokratie reprsentierte. Allerdings gab es nach wie vor Teile der herrschenden Klasse, insbesondere in der Schwerindustrie, die die Abschaffung der parlamentarischen Demokra- tie, die vollstndige Niederwerfung der Arbeiterbewegung, die Errich- tung einer Diktatur und die Einleitung einer neuen militrischen Er- oberungspolitik anstrebten. Fr diese Krfte waren faschistische Grup- pen wie die NSDAP und Fhrer wie Adolf Hitler weiterhin interessante politische Bndnispartner - obgleich deren Massenanhang in den Jah- ren der konomischen Stabilitt 1924 bis 1929 ziemlich gering war. Immerhin hielt man Kontakt und stellte auch gewisse Mittel zum Aus- bau der Parteiorganisation zur Verfgung. 48 Die Nachfrage nach einer Fhrerfigur wie Hitler stieg jedoch sehr rasch an, als 1929 die groe Wirtschaftskrise kam und das Vertrauen der Massen zu den brgerlichen Parteien und zur parlamentarischen Demokratie schwer erschtterte. Nun suchten die Massen erneut nach einer Alternative zum Bestehenden, und Hitler bot ihnen - scheinbar - den Ausweg aus ihren Nten in Gestalt der Zerschlagung des Marxis- mus und der Wiederherstellung deutscher Gre durch eine neue Machtpolitik; und er zeigte ihnen den Feind in Gestalt des Kommu- nismus und des Judentums. So konnte ein betrchtlicher Teil der nach Alternativen suchenden Massen nach rechts hin mobilisiert (und damit zugleich von der linken Alternative ferngehalten) werden. Mit viel Aus- dauer bot Hitler sich und seine Partei den Fhrern der Industrie- und Bankwelt immer wieder als Retter vor der kommunistischen Gefahr und als Garant eines deutschen Wiederaufstiegs an. So sagte er zum Beispiel in seinen Geheimgesprchen mit Breiting, dem Chefredakteur der konservativen t.,.,. ....- //.- 1931: Der Marxismus wird mit Stumpf und Stiel ausgerottet. . . Der Marxismus mu gettet werden. Es ist die Vorfrucht des Bolschewismus . . . Nur wir sind in der Lage, das dahinsterbende Brgertum vor diesem Feind zu retten . . . An dem Tag, wenn die konservativen Krfte Deutschlands einsehen wer- Faschismus als Produkt des Fhrers 65 den, da ich nur und nur ich mit meiner Partei das deutsche Proletariat fr den Staat gewinnen kann und da es mit den marxistischen Parteien kein parlamentarisches Spiel geben darf, dann ist Deutschland fr alle Zeiten gerettet, dann knnen wir einen deutschen Volksstaat grnden. Bitte, berzeugen Sie davon die Herren Hugenberg, von Papen, auch Dr. Hugo, besonders aber den Reichsprsidenten. 49 Schon in :.- r-,/ hatte er dargelegt, da in einem neuen Krieg insbesondere Ru- land und die ihm Untertanen Randstaaten erobert werden mten, womit auch das Ende Rulands als Staat gekommen sei. 50 Seine geheime Broschre t. r., ..- r..../., die er 1927 fr Indu- strielle anfertigte, sandte er an Emil Kirdorf mit der Bitte, diese Gedan- ken in Ihren Kreisen zu verbreiten 51 . Da seine beiden Hauptforderungen - Zerschlagung der Arbeiterbe- wegung und Einleitung einer neuen militrischen Expansionspolitik - identisch waren mit den Zielen, die die herrschende Klasse in Deutsch- land schon vor 1918 verfolgt, nach der Niederlage und der Novemberre- volution zwar zurckgestellt, aber keineswegs gnzlich aus den Augen verloren und in der groen Krise wieder auf die Tagesordnung gesetzt hatte, war ein politisches Bndnis mglich. Hitler wurde 1933 mit der Fhrung des Deutschen Reiches und mit der Diktaturgewalt betraut. Der militante Antisemitismus Hitlers, an dem die Herrschenden nicht sonderlich interessiert waren, wurde dabei sozusagen in Kauf genom- men - angesichts der brigen Fhigkeiten und Vorzge Hitlers. Die Untersuchung hat also gezeigt, da unterschiedliche politische Situationen ganz unterschiedliche Typen politischer Fhrer verlangen und da zu Beginn und in der Schluphase der Weimarer Republik objektive Bedingungen vorhanden waren, die einem Fhrertyp mit den besonderen Fhigkeiten Hitlers groe Wirkungsmglichkeiten boten. Dabei war es durchaus nicht der Fhrer Adolf Hitler, der die allgemeine Richtung der politischen Entwicklung bestimmt hat. Allerdings hat er die Mglichkeiten, die diese Entwicklung ihm geboten hat, erkannt und optimal genutzt. Und er hat dem weiteren Gang der Dinge besonders dadurch sein individuelles Geprge (Plechanow) gegeben, da er als Fhrer mit diktatorischen Befugnissen auch das dritte Element seiner Weltanschauung, den Antisemitismus, auf frchterliche Weise durchge- setzt hat. (Zwar waren auch hierfr schon gewisse ideologische Ele- mente durch den kirchlichen Judenha seit dem frhen Mittelalter und dann im Kaiserreich ausgebildet worden, die auch Adolf Hitler in diese Richtung gelenkt hatten, doch hatte der Antisemitismus dort fast aus- schlielich kirchlichen Machtinteressen und der Massenmanipulation, der Ablenkung sozialer Unzufriedenheit auf Sndenbcke, gedient. 52 ) 66 Theorien ber den Faschismus Die Hauptrichtung der faschistischen Politik nach innen und auen kann jedoch - wie gezeigt wurde - nicht aus dem Willen des Fhrers erklrt werden, weil sowohl die Bekmpfung der Demokratie im Innern wie die militrische Expansionspolitik nach auen alten Konzepten der herrschenden Klasse entsprach und von ihr nach 1933 keineswegs nur geduldet, sondern mit einer Flle von Initiativen und Aktivitten vor- angetrieben wurde. Eben dies waren die Voraussetzungen dafr, da Hitler mit seiner Weltanschauung und seinen Fhigkeiten nach 1930 berhaupt zum Zuge kommen konnte. Die besondere Art und Weise der Durchsetzung dieser Politik, die politische und taktische Realisie- rung, hat der mit diktatorischen Vollmachten ausgestattete Fhrer frei- lich in vielerlei Formen beeinflut und so durch seine Persnlichkeit mitgeprgt. (Genauer wird die Machtstruktur des faschistischen Sy- stems im Kapitel ber die Bndnistheorien und ber Faschismus als Herrschaft des Monopolkapitals zu betrachten sein.) Der politische Fhrer besitzt also Talente und Eigenschaften, die un- ter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen gebraucht werden; er reprsentiert magebliche gesellschaftliche Krfte und vollzieht deren Interessen. (Erweisen sich diese Krfte als noch zu schwach, so mu er scheitern wie der Bauernfhrer Thomas Mntzer oder die Reprsentanten der erst in den Anfngen befindlichen franzsischen Arbeiterklasse Hbert und Babeuf in der Franzsischen Revolution.) Auf die Art und Weise, wie er das tut, auf das individuelle Geprge der Ereignisse also haben seine Eigenschaften durchaus einen gewissen Einflu. Die allgemeine Richtung der historischen Entwicklung aber kann auch der genialste politische Fhrer nicht verndern. Bismarck oder Hitler htten zum Beispiel auch auf dem Hhepunkt ihrer Macht Deutschland nicht von einem Industrie- in einen Agrarstaat zurckver- wandeln, den Stand von Wissenschaft und Technik entsprechend zu- rckschrauben und die Klassenstruktur durch Eliminierung der Arbei- terklasse und des Grobrgertums entsprechend umgestalten knnen. (Die faschistische Ideologie, die eben dies proklamiert hat, mute schon deshalb scheitern.) Diejenigen Historiker, die sich auf das Denken und Handeln der Regierenden beschrnken, auf die politischen, diplomatischen und mili- trischen Aktionen, erfassen also nur die Oberflche des historischen Prozesses, aber nicht seine inneren Gesetzmigkeiten. Die wirklich bedeutenden Ereignisse und Persnlichkeiten sind gerade als Anzei- chen und Symbole der verschiedenen Momente der gesamten Entwick- lung bedeutend. Aber die meisten Ereignisse, die man als historisch bezeichnet, verhalten sich zur wirklichen Geschichte so, wie sich zu der Faschismus als Produkt des Fhrers 67 tiefen und bestndigen Bewegung von Ebbe und Flut die Wellen ver- halten, die auf der Meeresoberflche entstehen, einen Augenblick lang im leuchtenden Feuer des Lichts funkeln, dann am sandigen Ufer zer- schellen und nichts hinter sich zurcklassen. 53 Die vorgegebenen Bedingungen enthalten freilich Alternativen, ver- schiedene Entwicklungsmglichkeiten, von denen eine bestimmte durch das Handeln der jeweils lebenden Generation realisiert wird (wodurch fr die folgende Generation wieder neue, objektiv vorgege- bene Bedingungen geschaffen werden). Dies hngt letztendlich zwar vom Strkeverhltnis der politischen und sozialen Krfte ab (zu denen auch ihr Organisationsgrad und der Grad der politischen Bewutheit gehren), doch spielt hier auch der politische Fhrer eine wichtige Rolle; bei etwa gleich starken sozialen Krften kann ein groer Fhrer durchaus zum Znglein an der Waage werden. Doch nur dann, wenn sich seine Ziele und Aktivitten im Rahmen des objektiv gegebenen Bedingungsfeldes halten, wenn sie als reale Mglichkeiten in dem objektiven Bedingungsgefge enthalten sind, kann er wirken. Und nur dann, wenn seine Reden, Versprechungen und Handlungen berein- stimmen mit dem, was die Massen (oder Teile davon) wollen und fh- len, kann er Massen mobilisieren. Dieses Wollen und Fhlen ist seiner- seits Resultat lngerer historischer Entwicklungen, ideologischer Tradi- tionen und vielfltiger Erfahrungen der Massen. Auch diese schafft den Fhrer nicht, sondern er aktiviert und verstrkt bestimmte ideologische Traditionen (und schwcht damit andere, entgegenstehende), die schon vorhanden sind. Sieht man das Wirken politischer Fhrer vom Rahmen eines objek- tiv gegebenen Bedingungsfeldes aus, dann knnte auch erklrt werden, weshalb die faschistischen Fhrer bestimmte Merkmale aufweisen, nach denen bis dahin offenbar wenig Bedarf bestand: Mit der Barbarei des Ersten Weltkrieges und dem Elend der Wirtschaftskrise nach 1929 hatte die brgerliche Gesellschaftsordnung einen gewaltigen Vertrauensver- lust erlitten. Auch das Vertrauen zu den fhrenden Reprsentanten von Staat und Gesellschaft war entscheidend geschwcht worden - nicht nur bei der Arbeiterschaft, sondern auch bei den Mittelschichten. Der bis dahin dominierende Typ des politischen Fhrers war mindestens in einigen Lndern ziemlich verschlissen. Weder gekrnte Hupter wie Kaiser Wilhelm noch vornehme Herren aus Industrie- und Bankwelt und Grogrundbesitz wie Hugenberg oder Papen fanden noch gen- gend Vertrauen. Die Suche der Massen nach einer Alternative drckte sich in Hinsicht auf politische Fhrer darin aus, da Mnner aus dem Volk verlangt wurden. Diesem Verlangen kamen einerseits die Fhrer 68 Theorien ber den Faschismus der Sozialdemokratie entgegen, die von der revolutionren Welle nach 1918 zunchst hochgetragen wurden: so der Sattlergeselle Friedrich Ebert, der Buchdrucker Philipp Scheidemann, der Korbmacher Gustav Noske usw. Als die Massen auch von der Sozialdemokratie enttuscht worden waren und die reaktionren Krfte wieder erstarkten, fanden in einigen Lndern unter den Bedingungen der Wirtschaftskrise faschisti- sche Fhrer starken Anhang: Sie kamen ebenfalls aus dem einfachen Volk, manche sogar aus der Arbeiterbewegung (wie zum Beispiel Mus- solini) und gaben sich in Verhalten und Sprache nicht nur volkstm- lich, sondern radikal antibrgerlich und sogar antikapitalistisch. Da jedoch in den Fhrertheorien alle diese objektiven Bedingungen fr das Wirken gerade dieses Fhrertyps nicht gesehen werden, sondern das politische Geschehen schlicht zurckgefhrt wird auf das Denken, Wollen und Fhlen des Fhrers als der fr die historische Entwicklung letzten und entscheidenden, manchmal sogar einzigen Instanz, wird der Faschismus zu einem im Grunde unbegreiflichen Phnomen. Es ist des- halb kein Zufall, wenn Fabry, ein Vertreter dieser Darstellungweise, mit seinem Buch Zeugnis ablegen will von der Unzulnglichkeit des menschlichen Verstandes, wenn es darum geht, Charakter und Plne eines 'auerordentlichen' Mannes zu entschlsseln 54 . Da die u./..-, .. t/-. . .. t.-///. .. t./. trotz ihrer wissenschaftlichen Drftigkeit eine gewisse o/./...,/. erlangen konnte, hat ../...-. o.-.. Erstens haben die Herrschen- den schon immer - seit der Herausbildung der Klassengesellschaft im Alten Orient - die arbeitenden Massen gelehrt, da die gesamte Gesell- schaft auf das Wirken der Fhrer angewiesen sei und da alle wesentli- chen Entscheidungen und Vernderungen auf deren Energie und Genialitt zurckzufhren seien. Diese Interpretation von Geschichte und Gesellschaft, die die Massen unmndig und gehorsam halten sollte, fand auch in der Philosophie (zum Beispiel bei Plato) und Litera- tur (zum Beispiel in der berhmten Fabel des Menenius Agrippa) ihren Ausdruck. Nun haben zwar die Massen immer wieder sehr sichtbar in den Gang der Geschichte eingegriffen - in der neueren Geschichte ins- besondere in Gestalt der brgerlichen Revolutionen, der Freiheitsbewe- gungen in den ehemaligen Kolonien, der Kmpfe der Arbeiterbewe- gung in den kapitalistischen Lndern und der sozialistischen Revolu- tion seit 1917 -, doch der Alltag der parlamentarischen Demokratie bie- tet auch heute den Anschein, als wrden die politischen Fhrer alle wesentlichen Entscheidungen aus ihrem freien Ermessen heraus tref- fen. Die Mchtigen der Industrie- und Bankwelt, deren Machtstellung auf der Verfgung ber die Wirtschaft und damit ber die Lebensbedin- Faschismus als Produkt des Fhrers 69 gungen der gesamten Gesellschaft beruht und also auch viel dauerhafter ist als die der oft wechselnden politischen Fhrer, treten im allgemei- nen ebensowenig in Erscheinung wie die Fhrungsgruppen, die ber die staatliche Brokratie und den militrischen Gewaltapparat verfgen und die auch in der parlamentarischen Demokratie keineswegs wirklich unter der Kontrolle des Volkes oder auch nur der Volksvertretung ste- hen. (Oft genug hat nicht einmal der zustndige, formal verantwortliche Minister die Aktivitten zum Beispiel seiner Geheimdienste unter Kontrolle, wie die Geschichte der Bundesrepublik mehrfach anschau- lich gezeigt hat.) Politische Entscheidungen erscheinen also nicht als das, was sie wirk- lich sind: als das Resultat des Ringens unterschiedlicher sozialer Krfte und Interessen. Sondern es sind die politischen Fhrer, die vor dem Volk auftreten, die politischen Entscheidungen bekanntgeben und begrnden und von den Massenmedien als Entscheidungsinstanz dar- gestellt werden. So wird diese personalistische Ideologie tagtglich neu produziert und verfestigt. Sie ist durchaus nicht rundweg falsch, son- dern enthlt, wie gezeigt wurde, ein Element von Wahrheit, spiegelt dies allerdings isoliert und einseitig wider und fhrt auf diese Weise zu einer Verzerrung und letzten Endes zu einer Verflschung der Wirklichkeit. Da diese Darstellung des Faschismus so erfolgreich ist, hat jedoch noch einen zweiten, mit der Struktur des Faschismus selbst verbunde- nen Grund: Die Fhrerideologie entspricht nmlich dem Selbstver- stndnis der faschistischen Partei und des faschistischen Systems. Nimmt man also die Selbstdarstellung des Faschismus als Wahrheit, so war der Fhrer wirklich die magebliche Triebkraft und unanfechtbare Entscheidungsinstanz. So lehrte es die faschistische Doktrin, so stellte der Fhrer sich selbst vor den Massen dar, so zeigte ihn die Propaganda in Presse, Funk und Film, und so haben ihn Millionen erlebt. Jene Historiker, die sich hauptschlich auf die Reden und Schriften der faschistischen Fhrer, auf die Herrschaftstechnik und Propagandame- thode beschrnken, sind also der faschistischen Ideologie hilflos ausge- liefert, sind von ihrer Methode her auerstande, zwischen Ideologie und Wirklichkeit des Faschismus zu unterscheiden. So schreibt zum Beispiel Ernst Nolte: In der Fhrerbewegung kann nur der Fhrer ver- bindliche Aussagen machen. Mithin mu die Darstellung der Gedan- ken Mussolinis und Hitlers das Zentrum der dem Faschismus und dem Nationalsozialismus gewidmeten Abschnitte ausmachen. 55 Und der Hitler-Film von J. C. Fest beruht auf dem Material aus der Propaganda- werkstatt des Faschismus, zeigt also den Faschismus so, wie dieser sich selbst gesehen wissen wollte. Bestenfalls luft diese Methode auf eine 70 Theorien ber den Faschismus Reproduktion der faschistischen Ideologie hinaus, schlimmstenfalls auf eine Verklrung der faschistischen Diktatur als wahre Volksgemein- schaft, als welche sie vom Faschismus selbst ja ausgegeben wurde. Dieser Zusammenhang tritt auch in Darstellungen ber andere dik- tatorische Systeme klar hervor. So heit es in einer Darstellung ber die spanische Diktatur: Franco, der eine auergewhnliche politische Befhigung besessen habe, konnte die Rolle eines neutralen Patrioten, bei dem das Geschick Spaniens Vorrang vor allen anderen Problemen hatte, glaubwrdig vertreten. Er war darauf bedacht, die nationalspa- nischen Belange ber alle anderen zu stellen, und habe das franqui- stische System durch seine persnliche Autoritt zusammengehalten. 56 Da diese Personalisierung des Faschismus gerade in der Bundesre- publik so einflureich werden konnte, hat allerdings noch zwei zustzli- che Grnde. 1. In Deutschland, das keine gelungene brgerliche Revolution kennt, herrschte der monarchische Obrigkeitsstaat bis ins 20. Jahrhun- dert hinein. Untertanenmentalitt war charakteristisch fr das deutsche Brgertum und bestimmte auch die Perspektive der deutschen Geschichtswissenschaft. Die im Absolutismus entstandene Hofge- schichtsschreibung, deren Aufgabe es war, die Taten der Herrscher zu glorifizieren, wurde in Deutschland nicht prinzipiell unterbrochen. Es blieb jenes Geschichtsverstndnis vorherrschend, das Geschichte als Wirkungsfeld groer Fhrerpersnlichkeiten verstand. Der Kult, der in Wissenschaft und Publizistik mit Bismarck und dem Kaiser Wilhelm II. getrieben wurde, ist dafr ein anschauliches Beispiel. Und das Konzept des bermenschen von Friedrich Nietzsche ist nichts anderes als die philosophische berhhung dieser Geschichtsauffassung. Da die deutschen Intellektuellen einschlielich der Historiker in ihrer groen Mehrzahl nach 1918 die Republik ablehnten und ihre autoritren Anschauungen beibehielten, ist allgemein bekannt. 57 Und da die Herr- schaft des Faschismus, dem sie sich grtenteils willig anschlossen, diese Anschauungen noch befestigt hat, ist ohne weiteres einzusehen. Georg Lukcs hat den Zusammenhang zwischen autoritrer Tradition und Geschichtsauffassung besonders prgnant formuliert: Das Axiom der deutschen Geschichtsschreibung: ' Mnner machen die Geschichte' ist nur die historisch-methodologische Kehrseite der preuisch-bro- kratischen Auffassung vom 'beschrnkten Untertanenverstand', von der Proklamation nach der Schlacht von Jena: 'Ruhe ist die erste Brger- pflicht.' In beiden Fllen ist es die 'Obrigkeit' allein, die handelt, und zwar auf der Grundlage einer intuitiven Auffassung an sich irrationaler Tatbestnde; der gewhnliche Sterbliche, der 'Massenmensch', der Un- Faschismus als Produkt des Fhrers 71 tertan ist entweder der willenlose Handlanger oder das Objekt oder der staunende Betrachter dieser Handlungen der dafr einzig Berufenen. 58 Die personalistische, auf die politischen Fhrer konzentrierte Ge- schichtsauffassung, die in allen Lndern als ein wesentliches Element brgerlicher Ideologie fungiert, blieb so in Deutschland die absolut dominierende Auffassung, whrend sie in Frankreich, England, den USA usw. durch starke Elemente der Sozialwissenschaft wesentlich modifiziert wurde. 2. Dieses durch die deutsche historische Tradition begrndete Geschichtsverstndnis wurde nach 1945 durch eine interessenpsycholo- gische Komponente noch verstrkt. Jetzt nmlich bot eine Darstellung, die den Faschismus auf den Fhrer reduzierte und alles, was geschehen war, ihm anlastete, die Mglichkeit, den eigenen Anteil am Erfolg und an der Politik des Faschismus zu verschleiern. Die deutschen Historiker waren danach - ebenso wie das deutsche Brgertum insgesamt - die Opfer eines Dmons gewesen und somit gnzlich unschuldig. Weder das Gesellschaftssystem, das den Faschismus hervorgebracht, noch die gesellschaftlichen Gruppen, die ihn untersttzt und von seiner Herr- schaft profitiert hatten, brauchten erwhnt zu werden. Man brauchte le- diglich das Selbstverstndnis des Faschismus von Fhrerpartei und Fh- rerstaat zu bernehmen. Zu einer neuen Hitlerwelle, die seit 1973/74 mit gewaltigem Geld- und Propagandaaufwand bers Land geschwemmt wurde und die von den Illustrierten bis zu wissenschaftlichen Biographien, vom Film- bis zum Schallplattenmarkt reichte, sei vorab nur bemerkt, da sie wohl noch andere Grnde hatte 59 : Eine objektive und neutrale Darstel- lung der faschistischen Fhrer sollte zeigen, da sie Menschen waren wie du und ich, sollte also Vorbehalte gegen das Prinzip des Fhrers und des starken Mannes abbauen. Und sie sollte weiter zeigen, da der Fhrer das deutsche Volk aus Elend und Verzweiflung zu sozialer Sicherheit und Begeisterung gefhrt hat und sollte damit also den Faschismus als Mglichkeit der Krisenlsung wieder ins Gesprch brin- gen. Angesichts sozialkonomischer Krisenerscheinungen und Massen- arbeitslosigkeit erscheint es auch nach allen historischen Erfahrungen verstndlich, da manche einflureiche Gruppen ein Interesse daran haben, den Gedanken des starken Fhrers und des Fhrerstaates als Lsung der Krise wieder populr zu machen. Und in einer Bevlke- rung, der - wie in unserem Lande - seit dem Absolutismus in so star- kem Mae autoritre Bewutseinsformen anerzogen worden sind, besteht durchaus die Gefahr, da diese Propaganda fr den starken Staat auf fruchtbaren Boden fllt. Eine genauere Untersuchung dieses 72 Theorien ber den Faschismus Problems soll im Abschnitt ber die Aktualitt des Faschismuspro- blems erfolgen. Zu einer wissenschaftlichen Erklrung des Faschismus trgt die Methode der Personalisierung auch in der Form der neuen Hitlerwelle so gut wie gar nichts bei. Der Fhrer fungiert in diesen Theorien als eine irrationale Macht, die von oben her in den Geschichtsproze ein- greift und ihn lenkt. Er nimmt also methodisch jenen Platz ein, den in frheren historischen Darstellungen Gott, das Schicksal oder der Zufall einnahmen. Alle diese Anstze sind irrational, weil sie die Unableitbar- keit des Faschismus aus der Geschichte unterstellen und den Faschis- mus aus einer jeweils noch greren Unerklrlichkeit zu erklren ver- suchen. 60 Eine wissenschaftliche Darstellung mte dagegen die poli- tische und gesellschaftliche Entwicklung aus sich selbst, aus ihren immanenten Krften erklren (von denen ein politischer Fhrer nur ein Element, und zwar ein nur unter bestimmten Bedingungen in einem bestimmten Rahmen wirksames sein kann). Wissenschaftliche :/..- ....,.- - wie alle anderen geistigen Gebilde - politische r/.-,.- ob dies die Autoren beabsichtigen oder nicht. Die Popularitt bestimmter Theorien erklrt sich einerseits dar- aus, da sich einflureiche gesellschaftliche Gruppen von ihrer Verbrei- tung Nutzen versprechen, und andererseits daraus, da sie schon vor- handenen Einstellungen und psychischen Bedrfnissen in bestimmten Schichten entgegenkommen. Der Wahrheitsgehalt dieser Theorien mag dabei ziemlich gering sein. Die ,//. t.-/- der Fhrertheorie ist - trotz ihrer wissen- schaftlichen Drftigkeit - sehr vielfltig und nachhaltig: t.- ergibt sich aus ihrer inneren Logik, da der Faschismus mit dem Tod des Fh- rers als geschichtliche Kraft zu Ende war. So meint Golo Mann: Der bse Zauber hielt nicht lnger als der Zauberer. 61 J. C. Fest behauptet: Nahezu bergangslos, wie von einem Augenblick zum andern, ver- schwandt mit dem Tod Hitlers und der Kapitulation auch der National- sozialismus. 62 hnlich drckt sich Ernst Deuerlein aus. 63 Und Ernst Noltes Zentralthese, die freilich nicht nur auf der Fhrertheorie beruht 64 , lautet, der Faschismus sei eine Epochenerscheinung gewesen und knne nach 1945 keine wesentliche Bedeutung mehr erlangen. Da es Faschismus nicht mehr geben kann, ist Wachsamkeit gegenber faschistischen Tendenzen und Gefahren also ganz berflssig. Das ist die politische Konsequenz dieser These. z...- bedeutet die Fhrertheorie, wie schon erwhnt, die Ver- schleierung aller gesellschaftlichen Ursachen, die zum Faschismus fhr- ten, und den Freispruch fr alle politischen und sozialen Krfte, die Faschismus als Produkt des Fhrers 73 den Faschismus begnstigt und seine Politik getragen haben. Nolte und im Anschlu daran Fest behaupten denn auch - im Widerspruch zum gesamten Dokumentenmaterial -, da die grokapitalistischen Interes- sen im Faschismus auf die politischen Entscheidungen nicht mehr Einflu hatten als ihre Hilfsarbeiter 65 . Mit dieser Darstellung ist zugleich die Gesellschaftsordnung, die den Faschismus in einer bestimmten Bedingungskonstellation hervorgebracht und bentigt hat und unter bestimmten Bedingungen vielleicht wieder hervorbringen knnte, aus dem Blick des Betrachters entfernt. Der Faschismus erscheint als vollstndiger Bruch mit der deutschen Tradition, als singu- lres Ereignis, als Betriebsunfall. Er wird herausgenommen aus der Kontinuitt imperialistischer Politik, in die er, wie die Dokumente aus- weisen, doch unzweifelhaft gehrt. (Hier wird auch der tiefe Wider- spruch in der Argumentation von Fest offenkundig: Zuerst erscheint Hitler als der Reprsentant des Gesamtwillens und der ganzen Epoche, womit die Errichtung der Diktatur gerechtfertigt ist. Die Politik dieser Diktatur und ihre ungeheuren Verbrechen aber gehen dann ausschlie- lich aus dem Kopf Hitlers hervor. Fr sie ist Hitler allein verantwortlich, so da mit seinem Tode dann der gesamte Nationalsozialismus ver- schwunden war. Solche logischen Brche werden offenbar in Kauf genommen um der politischen Aussage willen.) t.- trgt die Fhrertheorie zu einer Festigung jenes ohnehin tief verwurzelten Geschichtsbildes bei, das sich in dem Satz Mnner machen Geschichte zusammenfassen lt. Dieses Geschichtsbild lehrt, da es die groen Mnner sind, die den Verlauf der Geschichte bestimmen, da Anstrengungen des Volkes, in den Gang der Geschichte einzugreifen, also vllig sinnlos sind, da dies schon immer so gewesen ist und immer so sein wird. Dieses Geschichtsbild erzeugt also antide- mokratische, autoritre Bewutseinsformen und prpariert das Volk so, da es sich willig den jeweiligen Fhrern und dem jeweiligen Herr- schaftssystem unterwirft. Da die Mchtigen in Wirtschaft und Politik an der Verbreitung dieses Geschichtsbildes interessiert sind, ist also durchaus verstndlich. Es ist im brigen bezeichnend, da auch Hitler selbst ein Anhnger dieser Geschichtsauffassung war. In den schon zitierten Gesprchen mit Breiting (1931) sagte er: Ich bin kein Freund der 'Masse Mensch'. Der 'Masse Mensch' setze ich die Persnlichkeit entgegen. Nur Mnner machen Geschichte, nicht die Massen. Die Massen mssen gefhrt werden. Ohne die straffe Fh- rung der Masse sind groe geschichtliche Entscheidungen undurch- fhrbar. Das Volk mu in eine autoritre Ordnung eingegliedert wer- den. 74 Theorien ber den Faschismus Breiting: Dann fuhren Ihre Gedankengnge doch zwangslufig zur Diktatur. Hitler: Diktatur? Nennen Sie das, wie Sie wollen. Ich wei nicht, ob man das in dieses Wort kleiden soll, aber ich bin kein Freund der amor- phen Masse, ich bin der Todfeind der Demokratie ... 66 Dieses personalistische Geschichtsverstndnis, das ein Begreifen der tatschlichen Zusammenhnge unmglich macht, hatte natrlich auch bedeutsame Folgen fr die politische Bildung in der Bundesrepublik, der eigentlich die Aufgabe htte zufallen sollen, den Faschismus geistig zu berwinden und demokratisches Bewutsein zu erzeugen. Eine empirische Untersuchung ber das Geschichtsbild der Jugend zeigte das keineswegs berraschende Ergebnis, da nach wie vor personalisie- rende Geschichtsbilder der groen Mehrheit der Jugendlichen und Erwachsenen das Verstndnis fr die Entwicklung unserer Gesellschaft erschweren, wenn nicht verstellen 67 . Unsere Analyse der bundesrepu- blikanischen Geschichtsbcher 68 hat ein sehr hnliches Ergebnis ge- zeigt. Besonders erschtternd ist eine Untersuchung von ber dreitau- send Schleraufstzen zum Thema Hitler. 69 Abgesehen von der pro- funden Unkenntnis ber die historischen Tatsachen ist fr das Bewut- sein dieser Schler aller Schularten die vollstndige Befangenheit in der Fhrerideologie kennzeichnend. Der Tenor der Aufstze wird vom s,. ,./ 70 treffend wie folgt zusammengefat: Er kam von ganz allein an die Macht und war pltzlich da. Er grndete das Dritte Reich . . . Er machte alle Gesetze sel bst . . . Er war der Mann, der den Staat, der vor- her so durcheinander war, wieder geordnet hat . . . Diese Schlerauf- stze sind ein oft schrecklich vereinfachtes, oft in den Einzelfakten auch vollstndig falsches, der prinzipiellen Sichtweise nach aber getreues Abbild dessen, was die in unserer Geschichtswissenschaft vorherr- schende personalistische Richtung an Weltanschauung erzeugt hat. Die Klage ber die erschreckende Unkenntnis der historischen Tatsa- chen geht an diesem Kern der Sache vllig vorbei. Selbst wenn die Schler alle Fakten wten, die Fest in ber tausend Seiten seines Buches ber Hitler ausgebreitet hat, so wten sie doch ber Ursachen und Struktur des Faschismus kaum mehr, als sie gegenwrtig wissen. In einer Bewutseinsform, die Geschichte als von oben gelenkt ver- steht, haben natrlich auch noch andere irrationale Mchte Platz. Und eine Geschichtswissenschaft, die die gesellschaftlichen Bedingungen und Krfte aus ihrer Faschismusinterpretation ausschliet, mu notge- drungen irrationale Krfte bemhen, um den Erfolg des Faschismus zu erklren. Neben der dmonischen Fhrerpersnlichkeit sind es vor allem Schicksal und Zufall, die letzten Endes verantwortlich sein sol- Faschismus als Produkt des Fhrers 75 len. 71 Meinecke meint, es msse der Dmon Zufall dem verwegenen Glcksspieler und Hochstapler Hitler bei seinem Aufstieg und bei sei- ner schlielichen Berufung zum Kanzleramte zur Hilfe gekommen sein. 72 Gerhard Ritter behauptet, es sei das Geheimnis der wahren Geschichte, da sie beides miteinander in sich vereinigt: blinden Zufall und sinnvollen Zusammenhang 73 . Gerhard Schulz bleibt am Ende sei- ner Darstellung ber den deutschen Faschismus nur dunkles Raunen. Der letzte Satz lautet: Diese der Dunkelheit der Kollektive entwach- sende Kraft kommt aus einer Vergangenheit, die weit zurckliegt, dster, hnlich einem verhangenen Himmel, und fhrt zu dunklen, un- geahnten Enden 74 . Und eine kirchlich inspirierte Schrift sieht gar Gottes Vorsehung am Werke: Die Menschheit sollte wohl zur Sh- nung der hundertjhrigen Snde des Materialismus und der tausendfl- tigen Nebenwirkungen dieser Snde bis ins Mark angepackt und dezi- miert werden: dadurch, da es Satan gestattet war, Menschengeist und menschliche Gesittung der Materie zu unterjochen. 75 Der historische Proze erscheint in diesem Geschichtsbild nicht als Produkt menschlichen Handelns und also vernnftiger Erklrung zugnglich, sondern als Werk irrationaler Mchte und mithin letztlich unbegreiflich. Auch wenn konkrete Bedingungen fr den Erfolg des Faschismus angefhrt werden, so erscheinen diese ihrerseits als unver- mittelte und unbegreifliche Fakten. Das kann demonstriert werden am Beispiel des kollektiven Irrationalismus der faschistischen Anhnger, ebenso aber auch am Beispiel der groen Wirtschaftskrise, die in der Tat den Aufstieg des Faschismus zu einer Massenbewegung erst ermglicht hat. Diese Krise erscheint als Naturereignis oder Schicksal, nicht als Resultat des kapitalistischen Wirtschaftssystems, dessen Ursachen sich przise angeben lassen. Dieses Ausweichen auf Schicksal und Zufall signalisiert mehr als den Drang nach Rechtfertigung des deutschen Br- gertums und der kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Hier kommt zugleich die Unfhigkeit dieser Art von Geschichtswissenschaft zum Ausdruck, historisches Geschehen rational erklren zu knnen, die ihrerseits nach einer Erklrung verlangt, zumal es sich dabei nicht um die individuellen Schrullen einiger Historiker, sondern um eine in der ffentlichen Meinung weitverbreitete Auffassung von Geschichte und Gesellschaft handelt. Zur Erklrung ist zunchst daraufhinzuweisen, da die groe Masse der Bevlkerung Geschichte oft als Schicksal erfhrt, da sie oft als blo- es Objekt des Geschehens fungiert. Diese Objektstellung ist vorab begrndet durch die Fremdbestimmung der Lohnabhngigen im Ar- beitsproze, aber auch durch die weitgehende Machtlosigkeit im 76 Theorien ber den Faschismus Bereich der politischen Willensbildung. Wie empirische Untersuchun- gen gezeigt haben, gilt diese Erfahrung der Machtlosigkeit auch im par- lamentarischen Parteienstaat, in dem nach dem Bewutsein der Massen die da oben ja doch machen, was sie wollen. 76 Gerade die Ereignisse, die besonders tief in die Existenz des einzelnen eingreifen, wie Wirt- schaftskrise oder Krieg, treffen ihn wie ein Schicksal, auf das er nicht den mindesten Einflu hat. Diese reale Erfahrung, lediglich Objekt zu sein, ist besonders stark in Lndern mit autoritrer Tradition, in denen die Massen nur selten Erfolge ihres Handelns erlebten. Sie schlgt sich im Bewutsein nieder in Gestalt eines Geschichtsbildes, in dem fremde, unbegreifliche Mchte herrschen; ob diese dann als Gott, Schicksal, Zufall oder Fhrer identifiziert werden, ist relativ gleichgltig. Aus der Perspektive der Herrschenden sieht das Problem zwar anders aus, aber doch nur partiell. Der Markt erscheint auch ihnen als ein Feld, in dem Glck und blinder Zufall regieren, und die groe Wirtschafts- krise der Jahre nach 1929 traf auch sie wie ein Schicksalsereignis. Der Kapitalismus hat zwar in der Beherrschung der Natur gewaltige Fort- schritte gebracht; die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung aber bleibt den blinden Gesetzen des Marktes berlassen, menschlicher Planung und Beherrschung entzogen. 77 Das knnte nur dadurch gen- dert werden, da auch der Bereich der Herstellung und Verteilung der Gter der rationalen Planung durch die Gesamtgesellschaft unterworfen wird. Da Geschichte weithin als Schicksal begriffen und von einem betrchtlichen Teil der brgerlichen Geschichtswissenschaft auch so dargestellt wird, hat also seinen Grund in der realen Beschaffenheit der brgerlichen Gesellschaft. Das schliet nicht aus, da die Schicksals- ideologie von den Herrschenden auch als Manipulationsinstrument eingesetzt wird, um die Massen auch weiter unmndig und gefgig zu halten und auch dort die Ursachen historischer Ereignisse zu verschlei- ern, wo es sich um planmig herbeigefhrte handelt, wie bei der Errichtung des faschistischen Systems und der Entfesselung des Zwei- ten Weltkrieges (und brigens auch bei der Inflation 1922/23 78 ). Will die Geschichtswissenschaft nicht von vornherein vor dem Irra- tionalismus kapitulieren, so mu sie Begriffe wie Schicksal und Zufall aus dem Spiel lassen, Geschichte als Produkt menschlichen Handelns begreifen und nach den realen Bedingungen fr den Erfolg des Faschis- mus forschen. Faschismus als Produkt nationaler Besonderheiten 77 2. Faschismus als Produkt nationaler Besonderheiten (Bracher, Lukcs) Die Tatsache, da der Faschismus nur in einigen Lndern die Macht er- obern konnte und da es auch zwischen den einzelnen faschistischen Systemen noch beachtliche Unterschiede gab, hat manche Wissen- schaftler zu der Folgerung gefhrt, da die einzelnen Bewegungen und Systeme hauptschlich aus den besonderen nationalen Bedingungen des jeweiligen Landes abzuleiten seien. Der allgemeine Begriff Faschis- mus sei nicht gerechtfertigt, weil die nationalen Besonderheiten vor- herrschten und das eigentliche Wesen der verschiedenen Bewegungen und Systeme ausmachten. So untersucht Karl Dietrich Bracher, der wohl bekannteste Vertreter dieser Interpretation, den deutschen Natio- nalsozialismus nicht als eine spezifische Form des Faschismus, sondern als ein aus der Sonderentwicklung Deutschlands resultierendes typi- sches Phnomen der deutschen Geschichte. 79 Der Faschismus besitze als nationalistische Extrembewegung keine bernationale Tragfhigkeit und ist deshalb nur in seinen verschiedenartigen geschichtlich-politi- schen Elementen und in seinen besonderen nationalen Ausprgungen zu bestimmen und zu verstehen 80 . In der Tat mu sich der Historiker die Frage stellen, warum der Faschismus in Deutschland eine so starke Massenbasis mobilisieren konnte wie in keinem anderen Land und warum er in Deutschland nicht nur an die Macht kommen, sondern ein Herrschaftssystem errich- ten konnte, das in Hinsicht auf Effektivitt, Brutalitt und Vernich- tungspotenz jedes andere faschistische System deutlich bertrifft. Die- sem Problem kommt man allerdings keinen Schritt nher, wenn man, wie das nach 1945 besonders durch die amerikanische Publizistik viel- fach geschah, dafr den deutschen Nationalcharakter, das Wesen des Deutschen oder hnliche Naturkonstanten verantwortlich macht. Eine groe Auswahl 'wissenschaftlicher' Verffentlichungen bemhte sich, die These . . . zu sttzen, da dem deutschen Nationalcharakter angeborene bse und gefhrliche, blutrnstige und zivilisationsfeindli- che Zge eigen seien. 81 Erstens nmlich stellt sich die Frage, wann man denn das deutsche Wesen beginnen lassen will: bei Luther, Karl dem Groen, Hermann dem Cherusker oder gleich bei Adam und Eva. Schon diese Fragestellung zeigt, da das deutsche Wesen nicht als un- vernderliche Charaktereigenschaft betrachtet werden kann, sondern irgendwo in der Geschichte angesiedelt werden mu - mit der logi- schen Konsequenz, da es dann auch als historisch gewordenes, das 78 Theorien ber den Faschismus heit aus der geschichtlichen Entwicklung erklrbares aufgefat werden mu. Dieses Argument gilt natrlich fr alle Theorien vom National- charakter bestimmter Vlker, die keineswegs auf den deutschen Fall beschrnkt, sondern ziemlich weit verbreitet sind. Sie stellen meist eine Mischung aus gngigen Vorurteilen und hausgemachter Vulgrpsycho- logie dar. So knpft eine Darstellung ber den spanischen Faschismus an populre Vorstellungen vom angeblichen Charakter der Sdlnder an 82 : Der spanische Brgerkrieg war fr den Autor ein vulkanischer Ausbruch des spanischen Temperaments, einer Mentalitt, die von trotzigem, nicht zu bndigendem Individualismus und dem Wild- wuchs der Ideen kndet. So ist von der dem Volkscharakter gemen Heftigkeit, von der stolz verkndeten Eigenstndigkeit in dem wild entbrennenden Wahlkampf, vom ungestmen, ungezgelten Anfangs- stadium der Falange, von ihrem ungestmen Draufgngertum und sogar von der hemmungslosen politischen Lage die Rede. Alle diese Theorien vom Nationalcharakter sind, wie Dahrendorf mit Recht sagt, sowohl tautologisch wie deftistisch 83 : tautologisch, weil sie als Nationalcharakter definieren, was sie in der Nationalgeschichte vorfinden; und deftistisch, weil sie Vernderung durch Erziehung und durch menschliches Handeln logisch gar nicht zulassen. Hinzuzufgen wre, da die These von der unvernderlichen Natur eines Volkes genau jenem Biologismus verhaftet ist, der auch den Faschismus kenn- zeichnete - verstand dieser sich doch als politisch angewandte Biolo- gie 84 . Zweitens lt sich historisch zeigen, da die Entwicklung Deutsch- lands lange Zeit relativ parallel zur Entwicklung der brigen Lnder Europas verlief und da die Sonderentwicklung erst zu einem bestimmten Zeitpunkt einsetzte. Dessen Ursachen und Folgen mten also geklrt werden. Und drittens wre zu betonen, da es nicht schlechthin die Deutschen waren, die den Faschismus untersttzt haben, sondern da hier Differenzierungen nach sozialen Gruppen und Klassen mglich und notwendig sind. Nicht einmal bei den Wahlen vom 6. Mrz 1933, die schon ganz im Zeichen des SA-Terrors und der Verfolgung der Linken standen, hat die NSDAP eine Mehrheit erhalten (sie bekam nur 44 Prozent). Und immerhin haben nach 1933 Zehntau- sende im Kampf gegen den Faschismus ihre Freiheit und ihr Leben ver- loren - hauptschlich aus der Arbeiterbewegung, doch zu einem gerin- geren Teil und einem spteren Zeitpunkt auch solche, die aus christli- chen oder einfach humanen Motiven handelten. 85 Schon allein deshalb ist auch die Formel von der Kollektivschuld des deutschen Volkes historisch unhaltbar. Faschismus als Produkt nationaler Besonderheiten 79 Die These von einem feststehenden, sozusagen naturhaft gegebenen Nationalcharakter mu also verworfen werden. Sie gibt auf eine rich- tige Frage eine absolut falsche Antwort. Nationalcharakter kann nur als Resultat spezifischer geschichtlicher Entwicklungen und Erfahrun- gen verstanden werden. Auf der anderen Seite sind auch jene Antworten unzureichend, die die Besonderheiten des deutschen Weges zum Faschismus allzu kurzfri- stig bestimmen und diese lediglich in der Entwicklung nach 1918 oder sogar in den als zufllig aufgefaten Ereignissen des Januar 1933 sehen. Von den Intrigen Papens und Oskar von Hindenburgs und der Senilitt des Reichsprsidenten Paul von Hindenburg her kann natrlich nicht erklrt werden, was 1933 geschah. Und selbst die Schwche der Wei- marer Demokratie samt Versailler Vertrag und Wirtschaftskrise ist noch keine zureichende Erklrung, weil sie selbst der Erklrung bedarf: War- um wurde die Demokratie vor 1918 wie auch nachher von den Macht- gruppen in Wirtschaft und Militr, Justiz und Verwaltung abgelehnt und bekmpft? Wie kommt es, da die Kriegsziele des deutschen Impe- rialismus im Zweiten Weltkrieg denen im Ersten Weltkrieg so hnlich sind? Die antidemokratische Orientierung der herrschenden Klasse in Deutschland, die besondere Aggressivitt des deutschen Imperialismus und die weite Verbreitung antidemokratischer Denk- und Verhaltens- formen in der Bevlkerung reichen offenbar weiter zurck und bedr- fen also lngerfristiger historischer Erklrung. Damit soll nicht etwa gesagt sein, da der Faschismus in Deutschland ein unausweichliches Resultat einer jahrhundertelangen Entwicklung gewesen sei. 86 Eine historische Zwangslufigkeit in diesem Sinne gibt es nicht. (Tatschlich bestanden bis zum letzten Augenblick, bis zum Frhjahr 1933 reale Chancen, den Sieg des Faschismus aufzuhalten durch eine konsequente Strategie der antifaschistischen Krfte.) Wohl aber soll damit gesagt sein, da die Bedingungen und Krfte, die den Faschismus begnstigt haben, in einer lngeren historischen Entwicklung herangewachsen und erstarkt sind. Und diese Besonderheit der deutschen Entwicklung zu bestimmen, nimmt sich die hier zur Diskussion stehende Theorie vor. 87 Eine solche Theorie kann, wenn sie konsequent gefat wird, zeigen, da die konomische und politische Rckstndigkeit Deutschlands, die sich seit dem 16./17. Jahrhundert herausbildete, schwerwiegende Folgen fr die weitere politische Entwicklung hatte. Bis dahin hatte Deutsch- land zu den am weitesten fortgeschrittenen Lndern Europas gehrt. 88 In den Stdten der Hanse, in Oberdeutschland (Augsburg, Nrnberg) und im Rheinland hatte sich ein wirtschaftlich starkes und aufstreben- des und politisch selbstbewutes Brgertum entwickelt, das auf eine 80 Theorien ber den Faschismus berwindung des Feudalismus drngte. Doch die Entdeckung Amerikas (1492) und des Seeweges nach Indien (1498) verlagerte die Handelswege aus Mitteleuropa und dem Mittelmeergebiet an den Atlantik und lie die Entwicklung der deutschen (wie der oberitalienischen) Stdte sta- gnieren. Die Niederlage der Bauern und kleinbrgerlichen Krfte der Stdte im groen deutschen Bauernkrieg (1524 bis 1529) fhrte zu einer Strkung der feudal-groagrarischen und klerikalen Krfte. Sie konnten in Deutschland (im Unterschied zu Frankreich oder England) auch nicht durch eine starke absolutistische Zentralgewalt zurckgedrngt werden, so da die konomische und politische Zersplitterung, die jeden Fortschritt hemmte, erhalten blieb. Der Dreiigjhrige Krieg (1618 bis 1648) schlielich, der sich hauptschlich in Deutschland abspielte, brachte ungeheure Verwstungen ber das Land, zerstrte groe Teile der Produktionsanlagen und Verkehrswege und rottete mehr als ein Drittel der Bevlkerung aus. So wurde Deutschland in seiner Entwick- lung weit zurckgeworfen, und der Westflische Frieden von 1648 garantierte die weitere Fortdauer dieser Rckstndigkeit, indem er Deutschland aufsplitterte in etwa zweitausend selbstndige politische Einheiten, darunter 360 grere geistliche und weltliche Frstentmer. Diese Rckstndigkeit bedeutete politisch-ideologisch, da das deut- sche Brgertum schwach und zersplittert und konomisch wie geistig von der Feudalklasse abhngig blieb. Eine geschlossene, starke Front zur berwindung von Feudalismus und Absolutismus und zur Er- kmpfung von Liberalismus, Parlamentarismus und den Ideen der Auf- klrung konnte so nicht entstehen, eine brgerliche Revolution nicht siegen. Deren Ideen kamen in Gestalt der franzsischen Armeen (zuerst der Republik, dann Napoleons), das heit in Gestalt einer auswrtigen Besatzungsmacht nach Deutschland und konnten so von der herr- schenden Feudalklasse in Gegensatz zum deutschen Nationalbewut- sein gebracht und dadurch diskreditiert werden. 89 Die Folge war, da die feudal-absolutistischen Krfte ihre Machtstellung im 19. Jahrhun- dert halten konnten. Das nach 1830 im Zuge der beginnenden Indu- strialisierung konomisch erstarkende Brgertum frchtete - angesichts des Weberaufstands 1844 und der Revolution von 1848 - das Proletariat, das die brgerlichen Eigentumsprivilegien bedrohte, mehr als die Feu- dalklasse, die das Brgertum lediglich von den Schalthebeln der politi- schen Macht fernhielt. So verband es sich mit dem Obrigkeitsstaat, der die Arbeiterbewegung niederhielt und nach auen eine machtvolle imperialistische Politik im Interesse des Grobrgertums trieb. Die versptete Industrialisierung Deutschlands hatte zur Folge, da das deutsche Kapital auch beim Kampf um die Verteilung der kolonia- Faschismus als Produkt nationaler Besonderheiten 81 len Welt, ihrer Rohstoffe, Absatzmrkte und Arbeitskrfte, zu spt kam. Da jedoch der deutsche Kapitalismus nach der Herstellung der nationa- len Einheit 1871 sich enorm rasch entwickelte und schon um die Jahr- hundertwende den ersten Platz unter den Industrielndern Europas einnahm 90 , ergab sich ein starker Widerspruch zwischen dem gewaltigen Expansionspotential und Expansionsdrang des deutschen Kapitalismus einerseits und den engen tatschlichen Expansionsmglichkeiten ande- rerseits. Die Welt war schon verteilt. Eben dieser Widerspruch war es, der zur Forderung nach einer Neuverteilung der Welt, zu dem groen Expansionsprogramm des Ersten Weltkrieges, kurzum: zu der besonde- ren Aggressivitt des deutschen Imperialismus fhrte. Entsprechend gro waren die Anstrengungen, die die herrschende Klasse unternahm, um die Volksmassen ideologisch fr Expansion und Krieg zu prparie- ren. So wurden alle ideologischen Elemente, die spter den Faschismus auszeichneten, schon im Kaiserreich ausgebildet und ber Massenorga- nisationen (wie Kriegervereine, Flottenverein, Kolonialverein, Turnver- eine, Alldeutscher Verband), Schule und Hochschule verbreitet: Natio- nalismus und Rassismus, Autoritarismus und Militarismus. Nach der Niederlage von 1918 war zwar die preuisch-deutsche Mili- trmonarchie gestrzt, doch da die Eigentumsverfassung erhalten blieb, blieb auch die Machtstellung des Industrie- und Bankkapitals erhalten und mit ihr die Zielvorstellung, da nach innen autoritre Herrschafts- formen und nach auen machtvolle Expansionspolitik erforderlich seien. Deren Durchsetzungschancen wurden dadurch erleichtert, da auch die Fhrungsschichten in Militr, Brokratie und Bildungswesen aus dem Kaiserreich bernommen wurden. Da unter diesen Bedingun- gen auch autoritre und militrische Ideologien fortdauern und aufs neue Boden gewinnen konnten, ist nicht verwunderlich. So blieben auch nach 1918 zwei wesentliche Momente der deutschen Sonderent- wicklung bestehen: Erstens der Drang der herrschenden Krfte, die Niederlage von 1918 und die Fesseln des Versailler Vertrags aus der Welt zu schaffen; und zweitens ein sehr starkes autoritres und nationalisti- sches Potential in der Bevlkerung, besonders in den brgerlichen Mit- telschichten. Beide Faktoren wirkten zusammen, um die faschistische Diktatur zu errichten und einen neuen imperialistischen Krieg ins Werk zu setzen. Von dieser deutschen Sonderentwicklung fat Karl Dietrich Bracher hauptschlich die ideologischen Erscheinungsformen und zum Teil auch die politischen Strukturen seit der Franzsischen Revolution. 91 Er geht aus von der Gegenbewegung gegen die Franzsische Revolution im europischen Mastab und stellt fest: Die Reihe der geistigen Vor- 82 Theorien ber den Faschismus lufer, auf die sich der Nationalsozialismus beim Ausbau seiner 'Welt- anschauung' berief, umfat in der Tat vor allem jene Ideologen, die lei- denschaftlich die Ideen der demokratischen Revolution, der Menschen- rechte, der Freiheit und Gleichheit bekmpft haben. Es sind vier groe Strmungen, aus denen sich jene Gegenfront formiert hat: ein zuletzt imperialistisch bersteigerter -/-. neuer Prgung; eine konser- vativ-autoritre Vergottung des allmchtigen s. eine nationali- stisch-etatistische Sonderform des s./-. die Sozialromantik und Staatssozialismus zu verbinden suchte; und schlielich eine ./// .-. / /.,.-... o.-.-//../,. die von der ordinren Xeno- phobie zum radikalen biologischen Antisemitismus gesteigert und end- lich zur Kernidee des Nationalsozialismus erhoben wurde. In allen Fl- len handelt es sich also zunchst um gemeineuropische Strmungen, die dem Zeitalter der Revolutionen zugehren. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts erreichte diese Bewegung eine neue Qualitt: Die Wendung des Nationalismus zum radikalen Impe- rialismus ist von entscheidender Bedeutung fr die Stokraft jener anti- demokratischen Bewegungen geworden, die dann im Faschismus und Nationalsozialismus die hchste Steigerung gefunden haben. Die zwi- schenstaatliche Politik hat damit eine unerhrte Verschrfung bekom- men. Dies hing mit der Zuspitzung der sozialen Frage zusammen: Ihr Druck fand einen psychologischen Ausweg in der Steigerung des nationalen und imperialen Machtbewutseins. Man hat diese Ablenkung der inneren Dynamik nach auen treffend als Sozialimpe- rialismus bezeichnet. Durch die Gewinnung neuen 'Lebensraumes' sollte der wachsende Bevlkerungsdruck aufgefangen werden, wobei nun auch geopolitische Begrndungen allenthalben, in den USA und England wie auf dem Kontinent, eine wichtige Rolle zu spielen began- nen . . . Vor allem aber wuchsen die Bestrebungen, der marxistischen Dok- trin vom Klassenkampf und von der Diktatur des Proletariats, die eine grundlegende Umwandlung des politisch-gesellschaftlichen Gefges auf internationaler Ebene als Lsung aller Probleme verhie, die Ideo- logien eines national begrndeten Sozialismus entgegenzustellen. Dem international-weltrevolutionren Sozialismus trat die national-revolu- tionre Idee einer alles umfassenden Volksgemeinschaft gegenber. Dabei spielte die Ideologie des Sozialdarwinismus eine zentrale Rolle: Unter Berufung auf die neuentdeckten Naturgesetze der Ent- wicklung und Auslese wurde nun der 'Kampf ums Dasein' mit dem 'Recht des Strkeren' als Grundprinzip des menschlichen und staatli- chen Zusammenlebens postuliert. Im Siegeszug der modernen Natur- Faschismus als Produkt nationaler Besonderheiten 83 Wissenschaften erschienen nun auch Geschichte und Vlkerschicksal als biologische Gegebenheit: die Qualitt und die Frderung von Volk und Rasse entschieden wie in der Natur den Kampf um Auswahl, berleben und Sieg des einen Volkes ber das andere . . . Der Grundgedanke war, da in gnadenlosem Wettbewerb und Kampf eine 'natrliche' Selektion stattfinde, durch die Fehlentwicklungen ver- hindert oder ausgeglichen, das richtige Verhltnis von Bevlkerung und verfgbaren Mitteln hergestellt wrden. Als Instrumente des Auslese- prozesses gelten im sozialen Bereich die Schule und das Strafrecht; gem dem Glauben an die unentrinnbaren Gesetze der Vererbung ist nur die Ausscheidung, nicht die Erziehung der Ungeeigneten (unfit) mglich. Daraus ergibt sich fr Bracher die zentrale Frage seiner Faschismustheorie: Welche Umstnde haben jenen weithin gemeineu- ropischen Strmungen gerade im geistigen, sozialen und politischen Leben Deutschlands so rasch zu Einflu und schlielich zur zerstreri- schen Herrschaft verholfen, sowenig sie dort allein entstanden waren? Er antwortet: Da die nationalistischen, etatistischen, pseudosozia- listischen und rassistischen Ideologien in Mitteleuropa zu besonders extremen Wirkungen und Konsequenzen fhrten, lag vor allem an der besonderen politischen und sozialen Entwicklung der deutschen Staa- ten im 19. und 20. Jahrhundert; sie hat die Widerstandskrfte im deut- schen Raum mehr geschwcht als in anderen Lndern . . . Man kann vier groe Entwicklungszusammenhnge unterscheiden, in denen sich die spezifisch politischen Voraussetzungen des Nationalsozialismus herausgebildet haben. 1. Die geographische Mittellage im Herzen Europas und die beson- dere Fhrungsstellung im mittelalterlichen Imperium hatten Deutsch- land daran gehindert, gleichzeitig mit den westlichen Nationen eine zentral regierte, historisch-national begrndete Staatlichkeit zu finden, nachdem das alte Reich in lose verbundene Territorialstaaten zerfallen war . . . Die anfngliche Begeisterung fr die Prinzipien der Franzsi- schen Revolution machte dann unter dem Eindruck des Terrors und der aggressiven Expansion der Revolution und Napoleons einer tief- greifenden Ernchterung Platz. Es begann die romantisch-mystische Begrndung eines nationalen Sonderbewutseins, einer Sonderstellung der Deutschen gegenber dem Westen und seiner Revolutions- und Staatsphilosophie . . . 2. Die weltgeschichtliche Folge, die zumal nach dem Scheitern der brgerlich-liberalen Revolution von 1848 auftrat, war eine Entfremdung und Trennung des deutschen Staatsdenkens von der westeuropischen Entwicklung. Whrend das deutsche Sonderbewutsein immer strker 84 Theorien ber den Faschismus antiwestliche Zge entwickelte, geriet auch die starke liberale Bewegung zunehmend in den Bann einer auenpolitisch bestimmten Freiheits- und Einheitskonzeption, die das innenpolitische Freiheits- und Verfas- sungsideal verdrngte. Auch das Scheitern von 1848 war mehr als das Ergebnis unglcklicher Zuflle . . . Das deutsche Brgertum kapitulierte vor dem viel zitierten Wort Bismarcks, nicht durch Reden und Majori- ttsbeschlsse wrden die groen Fragen der Zeit entschieden, sondern durch Eisen und Blut. Gleichzeitig frchtete es die Forderungen des aufsteigenden Sozialismus und die Folgen einer konsequenteren Demokratisierung. Nirgends wagte es das Bndnis mit den Sozialdemo- kraten, das eine konstitutionell demokratische Entwicklung ermglicht htte . . . Machtkultur und Untertanengeist waren die beiden Pole dieser Fehlhaltung. 3. Konservative und Liberale trafen sich in der berzeugung, Deutschland msse mglichst rasch den nationalen und imperialen Vorsprung der Weltmchte aufholen, es habe einen natrlichen Anspruch, als Gromacht die Hegemonie ber Mitteleuropa zu errin- gen und sich an der kolonial- und wirtschaftspolitischen Durchdrin- gung und Verteilung der Welt zu beteiligen. So bildete das 'Interessen- bndnis' zwischen dem adligen Feudalismus und dem brgerlichen Kapitalismus die Grundlage des 'Zweiten Reiches' . . . Hitler hat diese Erbschaft wiederaufgenommen, nachdem es der Wei- marer Republik nicht gelungen war, die Auseinandersetzung mit einem radikalen Revisionismus, der letztlich die Ergebnisse des Krieges rck- gngig machen wollte, zu bestehen. Hitler hat die Problematik in ent- schiedener Wendung vom kolonialpolitischen zum kontinental-impe- rialen Expansionismus gewaltsam zu lsen gesucht . . . 4. Die reale Lage der Weimarer Republik war zwar durch die eindeu- tige Niederlage des Deutschen Reiches und seine rigorose Beschnei- dung im Versailler Friedensvertrag bestimmt. Aber gerade der Protest, die Nichtanerkennung dieses Rckschlags hat dem Gedanken des nationalen Machtstaates auf Kosten der demokratischen Neuordnung eine besondere Intensitt verliehen. Bracher betont, da dabei auch der Militarismus, das Vorbild und die Tradition eines weitgehend militrisch organisierten Staates wie Preuen die Gesellschafts- und Prestigestruktur des Bismarck-Reiches tief beeinflut hat. Die Armee galt als Schule der Nation, der Status des Reserveoffiziers hob die soziale Stellung des Zivilisten, der militrische Aspekt des Denkens beherrschte auch die politischen Vorstellungen weiter Kreise. Die nationalsozialistische Kampfideologie konnte mhe- los daran anknpfen. Faschismus als Produkt nationaler Besonderheiten 85 Zusammenfassend schreibt Bracher: Deutschlands Weg zum Drit- ten Reich war nicht zwangslufig. Da dieser Weg gerade in Deutsch- land und nicht in anderen Lndern beschritten werden konnte, lag sowohl am spezifischen Charakter der antidemokratischen Strmungen in Deutschland wie an den besonderen Umstnden, unter denen sich dann der Aufstieg des Nationalsozialismus in der Weimarer Republik vollzog. Letzte Ursache jedoch war der tiefe Bruch des deutschen mit dem westlichen Staatsdenken und die Ausbildung eines deutschen Son- derbewutseins, das frh antiwestliche Zge annahm. 92 Diese antidemokratischen, antiindividualistischen und irrationali- stischen Ideologien wurden im Kaiserreich systematisch verbreitet: Stu- dentenverbindungen, an ihrer Spitze der antisemitische Verein deut- scher Studenten, patriotische Klubs, Militrvereinigungen und eine Flle nationaler Organisationen, aber auch die konservativ-national orientierten protestantischen Kirchen wirkten an ihrer weiten Verbrei- tung mit. Diese bis 1918 ungebrochene Ideologie stie nun mit der Realitt der Katastrophe und der Revolution, eines harten Friedens und einer nur halb gewollten Umwlzung zur Demokratie zusammen, die als 'un- deutscher' westlicher Import verchtlich gemacht und mit der Dolch- stolegende verknpft wurde. Von dieser Konstellation ging der Natio- nalsozialismus aus. Er war ein Produkt der Vorkriegs- und Kriegsideolo- gie; indem er sie aufs grbste vereinfachte, vermochte er sie erstmals ber bloe Theorien hinweg fr die Organisation einer Massenbewe- gung brauchbar zu machen. Der entscheidende Zusammenhang liegt mithin nicht in der Geschichte der prfaschistischen Denker und ihrer pseudowissenschaftlichen Theorien, sondern vor allem in dem spezi- fisch deutschen Phnomen ihrer Rezeption in einer konkreten politi- schen und sozialen Situation beschlossen. 93 Die fatale Konstellation der Weimarer Republik kam hinzu: Die Demokratie von 1918 wurde fr die Erbschaft des verlorenen Krieges verantwortlich gemacht, die sie dem Kaiserreich dankte. Sie erschien als willkommener Sndenbock und Haobjekt sowohl fr die restaurativen und reaktionren Krfte in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft wie fr die in militanten Freikorps, vlkisch-antisemitischen Sekten und para- militrischen Gruppen formierten revolutionren Diktaturbewegungen. Das 'rote Gespenst' eines bolschewistischen Umsturzes tat ein briges, um Armee und Brokratie, Brgertum und Wirtschaft anfllig fr sol- che Bestrebungen zu machen. Die demokratischen Krfte lieen ihre Gegner mit der Toleranz des liberalen Rechtsstaates gewhren. 94 Mit dieser Darstellung hat Bracher die ideologiegeschichtlichen Tra- 86 Theorien ber den Faschismus ditionen, die zum deutschen Faschismus fhrten, offengelegt. Die real- geschichtlichen Ursachen, die diese Ideologien hervorbrachten und massenwirksam machten, werden allerdings nur gelegentlich angedeu- tet; ebenso die sozialen Interessen, die die Verbreitung dieser Ideologie frderten und von ihnen profitierten. Fr Bracher ist die Frage der deutschen Sonderentwicklung hauptschlich eine Frage des deutschen s-../....- In seiner Darstellung scheint es so, als ob Ideen immer nur wieder aus Ideen entspringen (und nicht aus den realen Lebensverhltnissen der Menschen, der sozialen Wirklichkeit), als ob Ideen sich als eigenstndiges Subjekt aus sich heraus in der Geschichte fortbewegen und berhaupt die eigentlichen Subjekte der Geschichte darstellen. Insoweit ist Bracher also der Tradition der seit langem in der Bundesrepublik und weithin heute noch vorherrschenden Ideen- und Geistesgeschichte eng verbunden. Dies kommt oft schon in der gram- matischen Struktur zum Ausdruck: Neben die kulturelle Bestimmung trat seit Mitte des 19. Jahrhunderts die ethnisch-vlkische Selbstbegrn- dung der nationalen Existenz . . . Dem international-weltrevolutionren Sozialismus trat die nationalrevolutionre Idee einer alles umfassenden Vlksgemeinschaft gegenber. 95 Der ungarische marxistische Philosoph Georg Lukcs konzentriert sich in seinem Buch t. z..-, .. .-.-/ zwar ebenfalls auf die ideengeschichtliche Entwicklung in Deutschland, arbeitet jedoch wesentlich strker als Bracher den Ursprung dieser Ideen in der realge- schichtlichen Entwicklung heraus. So gelang er in einer Reihe von Fra- gen durchaus zu hnlichen Resultaten wie Bracher, doch greift er analy- tisch tiefer und kann die wirklichen Triebkrfte der deutschen Sonder- entwicklung deutlicher sichtbar machen. Lukcs geht - wie Bracher - davon aus, da die reaktionren und irrationalen Ideologien als Antwort der Herrschenden auf die Franzsi- sche Revolution und ihre Demokratisierungstendenzen und spter dann auf die Arbeiterbewegung zu verstehen sind und insofern allge- mein-europischen Charakter haben. Zugleich aber betont er die beson- dere Strke und Wirksamkeit dieser Ideologien in Deutschland, die natrlich auch eine Erklrung aus den besonderen historischen Bedin- gungen Deutschlands verlangen: Obwohl der Irrationalismus eine in- ternationale Erscheinung ist, und zwar sowohl in seinem Kampf gegen den brgerlichen Fortschrittsbegriff als auch im Kampf gegen den So- zialismus, gab es besondere Bedingungen, die Deutschland zu einem vorzugsweise geeigneten Boden machten (S. 20). Den Grund dafr sieht Lukcs darin, da Deutschland in der modern-brgerlichen Entwicklung zu spt gekommen ist . . . Faschismus als Produkt nationaler Besonderheiten 87 Die groen europischen Vlker haben sich am Anfang der Neuzeit zu Nationen konstituiert. Sie haben ein einheitliches nationales Territo- rium herausgebildet an Stelle der feudalen Zerstckeltheit; es entstand bei ihnen eine das ganze Volk durchdringende und vereinigende natio- nale Wirtschaft, eine - bei aller Klassentrennung - einheitliche natio- nale Kultur. In der Entwicklung der brgerlichen Klasse, in ihrem Kampf mit dem Feudalismus ist berall vorbergehend die absolute Monarchie als durchfhrendes Organ dieser Einigung entstanden. Deutschland hat gerade in dieser bergangszeit einen anderen, einen entgegengesetzten Weg eingeschlagen . . . Deutschland hat, wie der junge Marx prgnant sagt, 'die Leiden dieser Entwicklung geteilt, ohne ihre Gensse, ohne ihre partielle Befriedigung zu teilen'. Und er fgt dieser Feststellung die prophetische Perspektive hinzu: 'Deutschland wird sich daher eines Morgens auf dem Niveau des europischen Ver- falls befinden, bevor es jemals auf dem Niveau der europischen Eman- zipation gestanden hat.' . . . Gerade um die Zeit, als Westeuropa, obwohl auch die dortigen Klas- senkmpfe unter religisen Losungen ausgefochten wurden, resolut den Weg zum Kapitalismus, zur konomischen Fundamentierung und zur ideologischen Entfaltung der brgerlichen Gesellschaft einschlgt, bleibt in Deutschland alles Miserable an den Formen des bergangs vom Mittelalter zur Neuzeit aufbewahrt. Diese deutsche Sonderentwicklung setzte nach Lukcs bereits mit der Niederlage der fortschrittlichen Krfte im Bauernkrieg (1525 bis 1528) ein und wurde verstrkt durch die Folgen des Dreiigjhrigen Krieges (1618 bis 1648). Wozu das Kaisertum unfhig war, das wollte die Bauernrevolution fertigbringen: die Vereinigung Deutschlands, die Liquidation der sich stets verstrkenden feudal-absolutistischen zentri- fugalen Tendenzen. Die Niederlage der Bauern mute gerade diese Krfte verstrken. An die Stelle der rein feudalen Zerstckeltheit trat ein modernisierter Feudalismus: die kleinen Frsten, als Sieger und Nutz- nieer der Klassenkmpfe, stabilisierten die Zerrissenheit Deutschlands. So wird Deutschland infolge der Niederlage der ersten groen Revolu- tionswelle (Reformation und Bauernkrieg) wie, aus anderen Grnden, Italien zu einem machtlosen Komplex kleiner, formell selbstndiger Staaten . . . Indem Deutschland zum Schlachtfeld und zum Opfer der widerstreitenden Gromachtinteressen Europas wird, geht es nicht nur politisch, sondern auch konomisch und kulturell zugrunde. Dieser all- gemeine Verfall zeigt sich nicht nur in der allgemeinen Verarmung und Verwstung des Landes, in der rcklufigen Entwicklung sowohl der landwirtschaftlichen wie der industriellen Produktion, in der Rckent- 88 Theorien ber den Faschismus wicklung der einst blhenden Stdte usw., sondern auch in der kultu- rellen Physiognomie des ganzen deutschen Volkes. Es hat an dem gro- en wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung des 16. und 17. Jahr- hunderts nicht teilgenommen; seine Massen, die der entstehenden br- gerlichen Intelligenz einbegriffen, bleiben weit hinter der Entwicklung der groen Kulturlnder zurck. Das hat vor allem materielle Grnde. Diese bestimmen aber auch gewisse ideologische Eigentmlichkeiten dieser deutschen Entwicklung. Erstens die unerhrte Kleinlichkeit, Enge, Horizontlosigkeit des Lebens in den kleinen deutschen Frsten- tmern im Gegensatz zu dem in England oder Frankreich. Zweitens - damit nahe verbunden - die viel grere, handgreiflichere Abhngigkeit der Untertanen vom Monarchen und von seinem brokratischen Apparat, den viel eingeengteren objektiven Spielraum zu einem ideolo- gisch oppositionellen oder nur kritischen Verhalten als in den westli- chen Lndern. Dazu kommt noch, da das Luthertum (und spter der Pietismus usw.) diesen Spielraum auch subjektiv einengt, die uere Unterworfenheit in innere Unterwrfigkeit verwandelt und so jene Un- tertanenpsychologie zchtet, die Friedrich Engels als 'bedientenhaft' bezeichnet hat. Unter solchen Bedingungen konnten sich fortschrittliche, brger- lich-demokratische Krfte kaum entwickeln: Naturgem entsteht in einem solchen Lande keine reiche, unab- hngige und mchtige Bourgeoisie, keine ihrer Entwicklung entspre- chende fortschrittliche revolutionre Intelligenz. Brgertum und Klein- brgertum sind von den Hfen konomisch viel abhngiger als sonst in Westeuropa, und es bildet sich darum bei ihnen ein Servilismus, eine Kleinlichkeit, Niedrigkeit und Miserabilitt aus, wie man es sonst im damaligen Europa kaum finden kann. Und bei der Stagnation der ko- nomischen Entwicklung bilden sich in Deutschland nicht oder kaum jene plebejischen Schichten, die auerhalb der feudalen Stndehierar- chie stehen und in den Revolutionen der beginnenden Neuzeit die wichtigste vorwrtstreibende Kraft bilden . . . Erst im 18. Jahrhundert, besonders in dessen zweiter Hlfte, beginnt eine wirtschaftliche Erholung Deutschlands. Und parallel mit ihr eine konomische und kulturelle Strkung der brgerlichen Klasse. Das Brgertum ist jedoch noch lngst nicht stark genug, um die Hindernisse der nationalen Einheit aus dem Wege zu rumen, ja diese Frage auch nur ernsthaft politisch zu stellen. So mute die groe Franzsische Revolution und die Napoleoni- sche Besetzung auf das zurckgebliebene Deutschland sehr wider- sprchlich wirken: Die groen Ereignisse dieser Periode, in der, poli- Faschismus als Produkt nationaler Besonderheiten 89 tisch gesehen, das deutsche Volk noch immer das Objekt der kmpfen- den Mchtegruppierungen, der entstehenden modern-brgerlichen Welt in Frankreich und der gegen sie verbndeten, von England unter- sttzten feudalabsolutistischen Mchte Mittel- und Osteuropas war, beschleunigen auerordentlich die Entwicklung und Bewutheit der brgerlichen Klasse, lassen die Sehnsucht nach der nationalen Einheit strker denn je aufflammen . . . Da aber die Macht Napoleons nicht aus- reichte, ganz Deutschland in eine solche Abhngigkeit vom franzsi- schen Kaiserreich zu bringen, wurde dadurch die nationale Zerrissen- heit nur noch verstrkt und vertieft. Die Napoleonische Herrschaft wurde von breiten Schichten des Volkes als drckende Fremdherrschaft empfunden, gegen die, besonders in Preuen, eine nationale Volksbewe- gung einsetzte, die ihren Gipfelpunkt in den sogenannten Befreiungs- kriegen erlangte. 96 Unter diesen Bedingungen konnte der Drang der Massen nach Frei- heit und nationaler Einheit von der herrschenden Feudalklasse und dem erstarkenden Grobrgertum von den inneren Zustnden abge- lenkt und gegen den ueren Feind gerichtet werden - in Gestalt eines extremen Nationalismus, der im 19. Jahrhundert gezielt entfacht wurde: Aus allen diesen Grnden erfolgt in Deutschland eine viel raschere und intensivere Beeinflussung der Massen durch chauvinistische Propa- ganda als in anderen Lndern, und dieses Umschlagen der berechtigten und revolutionren nationalen Begeisterung in einen reaktionren Chauvinismus erleichtert einerseits dem mit der Monarchie verbnde- ten Junkertum und der Grobourgeoisie den innenpolitischen Betrug der Massen, andererseits wird die demokratische Revolution ihrer wich- tigsten Verbndeten beraubt. Und da dann die nationale Einheit nicht durch die Aktivitt der Volksmassen, sondern durch die reaktionre preuische Militrmacht 1866 bis 1871 hergestellt wurde, konnte diese Mischung aus autoritrer und nationalistischer Ideologie noch verfestigt werden: Whrend Nationen, die ihre gegenwrtige politische Form erkmpft haben, diese als ihr eigenes Produkt betrachten, erscheint die nationale Existenz den Deutschen als eine rtselhafte Gabe hherer irrationaler Mchte. Lukcs arbeitet jedoch noch einen zweiten, aus der Versptung resul- tierenden Entwicklungsstrang heraus, der die Besonderheiten der natio- nalen Einigung in Deutschland betrifft: Die Tatsache, da dieser Pro- ze sich in Deutschland versptete, das heit, da er sich nicht in der Periode der Manufaktur, sondern in der des modernen Kapitalismus abspielte, hat aber noch eine andere, wesentliche Konsequenz: so un- entwickelt der deutsche Kapitalismus in der Mitte des 19. Jahrhunderts 90 Theorien ber den Faschismus gewesen sein mag, es standen ihm nicht mehr, wie der franzsischen Bourgeoisie vor der groen Revolution, sozial formlose Massen gegen- ber, die - wenigstens zeitweilig - mit dem Brgertum als 'dritter Stand' zusammengefat werden konnten, sondern ein, wenn auch ebenfalls noch unentwickeltes, modernes Proletariat. Man kann den Unterschied am leichtesten einsehen, wenn man bedenkt, da in Frankreich Gracchus Babeuf erst einige Jahre -/ der Hinrichtung Robespierres einen Aufstand mit bewut sozialistischem Ziel einleitete, whrend in Deutschland der schlesische Weberaufstand bereits vier Jahre . der Revolution von 1848 ausbrach und am Vorabend der Revolution selbst die erste vollendete Formulierung der Ideologie des revolutionren Proletariats erschien: t r--.-/. :-/. Darum uerte sich bereits 1848 ein Zug der deutschen Entwicklung, der fr Deutschlands demokratische Umgestaltung auch spter ver- hngnisvoll geworden ist. Es beginnen hier die demokratischen Umwl- zungen damit, womit sie in den klassischen Revolutionen Englands und Frankreichs zu enden pflegen: mit dem Kampf gegen den radikalen plebejisch-proletarischen Flgel . . . Als 48 eine ernste Revolution aus- brach, konnten die von uns kurz geschilderten Konsequenzen der ko- nomischen Zurckgebliebenheit und nationalen Zersplittertheit zu der Schwche der plebejischen Massen, zum Verrat der Bourgeoisie an ihrer eigenen Revolution fhren und damit den Sieg der feudal-absolutisti- schen Reaktion besiegeln. Diese Niederlage ist entscheidend fr die ganze sptere staatliche und ideologische Entwicklung Deutschlands. In der Terminologie der damaligen Zeit hie die Fragestellung in bezug auf das Zentralproblem der demokratischen Revolution: 'Einheit durch Freiheit' oder 'Einheit vor Freiheit'. Oder in bezug auf das konkret wichtigste Problem der Revolution, in bezug auf die knftige Stellung Preuens in Deutsch- land: 'Aufgehen Preuens in Deutschland' oder 'Verpreuung Deutsch- lands'. Die Niederlage der Achtundvierziger Revolution fhrt zur Lsung beider Fragen im letzteren Sinne. 97 Unter diesen Voraussetzungen konnte die Herstellung der nationa- len Einheit die Probleme also nicht lsen, sondern mute sie noch wei- ter verschrfen: Mit der Reichsgrndung, ja bereits auch mit der Zeit ihrer Vorbereitung komplizieren sich die objektiven Grundlagen dieser Probleme. Deutschland hrt von Jahr zu Jahr mehr auf, ein kono- misch zurckgebliebenes Land zu sein. Im Gegenteil: In der imperiali- stischen Periode berflgelt der deutsche Kapitalismus den bisher in Europa fhrenden englischen; Deutschland wird - neben den Vereinig- ten Staaten - das hchstentwickelte, typischste kapitalistische Gebiet Faschismus als Produkt nationaler Besonderheiten 91 der Welt. Gleichzeitig jedoch, wie wir gesehen haben, verfestigt sich seine demokratisch zurckgebliebene soziale und politische Struktur (Agrarverhltnisse, Scheinparlamentarismus, 'persnliches Regiment' des Kaisers, berreste des territorialen Kleinstaatswesens usw.). Zusammenfassend stellt Lukcs zu diesem Problem fest: Wir haben gesehen, da die groen Umwlzungen zu Beginn der Neuzeit, die die Grundlagen fr die demokratische Entwicklung im Westen gelegt haben, in Deutschland mit der jahrhundertelangen Fixierung kleinli- cher Tyranneien endeten, da die deutsche Reformation eine Ideologie der Unterwrfigkeit ihnen gegenber begrndet hat. Weder die Kmpfe um die Befreiung von der Napoleonischen Herrschaft noch 1848 konn- ten hieran etwas Wesentliches ndern. Und da die Einheit der deut- schen Nation nicht auf revolutionrem Wege, sondern von ' oben' geschaffen wurde, nach den Geschichtslegenden durch 'Blut und Eisen', durch die 'Mission' der Hohenzollern, durch das ' Genie' Bismarck, blieb diese Seite der deutschen Psychologie und Moral so gut wie un- verndert bestehen. Es entstanden Grostdte an Stelle der oft halbmit- telalterlichen Stdtchen; an die Stelle des Krmers, des Handwerkers, des kleinen Unternehmers trat der Grokapitalist mit seinen Agenten; die Kirchturmspolitik wurde von einer Weltpolitik abgelst - die Unter- tnigkeit des deutschen Volkes seiner 'Obrigkeit' gegenber erlitt in die- sem Proze sehr geringfgige nderungen. 98 Diese Besonderheiten der deutschen Geschichte hatten nach Lukcs schwerwiegende und langandauernde Folgen fr die geistige Entwick- lung, fr das Bewutsein sowohl der Intelligenz wie der Volksmassen. Ein zentrales Merkmal war dabei die Idealisierung der deutschen Rck- stndigkeit als besonders wertvoll und als dem deutschen Wesen beson- ders angemessen. Schon seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts entstand in der Romantik und ihren Nebengewchsen - eine Idealisierung der deutschen Zurckgebliebenheit, welche, um diese Position zu verteidi- gen, gezwungen war, den Weltlauf radikal irrationalistisch aufzufassen und den Begriff des Fortschritts als eine angeblich oberflchliche, platte und irrefhrende Konzeption zu bekmpfen . . . Irrationalismus und Fortschrittsfeindlichkeit gehren also zusam- men: sie sind gerade in diesem Zusammenhang die wirksame ideologi- sche Verteidigung der sozialen und politischen Zurckgebliebenheit des sich rapide kapitalistisch entwickelnden Deutschland . . . Fr die deutsche Entwicklung bedeutet jedoch diese Konstellation das Hineinwachsen der berreste der 'deutschen Misere' in einen besonders reaktionren, durch keinerlei demokratische Kontrolle gestrten Imperialismus. Besonders verheerend wirkt sich diese Ent- 92 Theorien ber den Faschismus wicklungstendenz in Deutschland darum aus, weil dadurch die alte Ser- vilitt des durchschnittlichen und auch des geistig und moralisch hoch- entwickelten Intellektuellen nicht nur aufbewahrt bleibt, sondern noch eine neue ideologische Weihe erhlt. Die berreste des Absolutismus, die vom Bismarckschen 'Bonapartismus' zugleich konserviert und modernisiert wurden, haben in der politisch-moralischen Geisteskultur der Beamtenseele eine besondere Sttze: der Brokrat betrachtetes als seinen besonderen 'Standesstolz', die Verfgungen der hheren Instanz technisch vollkommen durchzufhren, auch wenn er mit ihnen inhalt- lich nicht einverstanden ist. Und dieser Geist, der in Lndern mit alten demokratischen Traditionen sich auf das Beamtentum im engsten Sinne beschrnkt, ist in Deutschland weit ber die Brokratie hinaus verbrei- tet. Sich den Entscheidungen der Obrigkeit bedingungslos zu beugen, wird als besondere deutsche Tugend betrachtet . . . Aus den hier angedeuteten Grnden entartet diese Tendenz in der wilhelminischen Periode geradezu zu einem Byzantinismus der Intelli- genz, in eine nach auen prahlerische, nach innen kriecherische Servili- tt breitester Mittelschichten. Aus der Gesamtheit dieser Bedingungen leitet Lukcs nun die besondere Aggressivitt des deutschen Imperialismus ab, die sich bereits im Ersten Weltkrieg entlud: Deutschland wird zum europisch fhrenden Staat des Imperialismus, zugleich zu dem aggressivsten imperialistischen Staat, der am ungestmsten auf die Neuaufteilung der Welt drngt. Dieser Charakter des deutschen Imperialismus ist wieder- um eine Folge der verspteten, aber sehr raschen kapitalistischen Ent- wicklung. Als Deutschland zu einer kapitalistischen Gromacht wurde, nherte sich die Aufteilung der Kolonialwelt bereits ihrem Ende, so da das imperialistische Deutschland ein seinem konomischen Gewicht entsprechendes Kolonialreich nur auf der Grundlage der Aggression, nur durch Wegnahme von Kolonien zustande bringen konnte. Darum entstand in Deutschland ein besonders 'hungriger', beutelsterner, aggressiver, auf die Neuaufteilung der Kolonien und Interessensphren vehement und rcksichtslos drngender Imperialismus. Auch der Zusammenbruch dieser Politik 1918 und der bergang zur Weimarer Republik brachte nach Lukcs keine grundstzliche Vernde- rung: Auch der Zusammenbruch des wilhelminischen Systems im ersten imperialistischen Weltkrieg und die Errichtung der Weimarer Republik bringen fr die Demokratisierung Deutschlands, fr die Ent- stehung tief verwurzelter demokratischer Traditionen in den breitesten Massen, auch auerhalb des klassenbewuten Proletariats, keine radi- kale Wendung. Erstens ist diese politische Demokratisierung weniger Faschismus als Produkt nationaler Besonderheiten 93 aus der inneren Macht der Volkskrfte als aus einem militrischen Zu- sammenbruch entstanden; weite Kreise der deutschen Bourgeoisie akzeptierten Republik und Demokratie teils aus einer Zwangslage, teils weil sie von ihnen auenpolitische Vorteile, gnstigere Friedensbedin- gungen durch Wilsons Hilfe usw. erwarteten. (Hier ist ein groer Unter- schied zur demokratischen Republik in Ruland 1917. Dort waren breite Kleinbrger- und Bauernmassen von Anfang an entschieden demokratisch und republikanisch, wenn auch in der Grobourgeoi- sie sehr hnliche Stimmungen wie in Deutschland zu beobachten waren . . . ) Zweitens wirkte sich die versptete Entwicklung Deutschlands auch hier aus. Gleich beim Ausbruch der brgerlich-demokratischen Revolu- tion stand 1918 das Proletariat als die entscheidende gesellschaftliche Macht da, war aber infolge der Strke des Reformismus, infolge der damaligen ideologischen und organisatorischen Schwche des linken Flgels der Arbeiterbewegung den Problemen der Erneuerung Deutsch- lands nicht gewachsen . . . Die mit den Reformisten verbndeten links- brgerlichen Parteien dienten nicht der Verwirklichung einer revolutio- nren Demokratie, sondern waren - unter den Parolen von Republik und Demokratie - im wesentlichen 'Ordnungsparteien', was praktisch soviel bedeutet, da an der gesellschaftlichen Struktur des wilhelmini- schen Deutschland mglichst wenig verndert wurde (Bestehenbleiben des junkerlichen Offizierskorps, der alten Brokratie, der meisten Kleinstaaten, keine Agrarreform usw.). Unter diesen Umstnden ist es kein Wunder, da in den Volksmassen, die, wie wir gesehen haben, nie- mals eine demokratische Erziehung erhalten haben, in denen keine demokratischen Traditionen lebendig waren, sehr bald eine tiefe Ent- tuschung an der Demokratie entstand, da sie sich verhltnismig rasch von der Demokratie abwandten. Dieser Proze hat sich besonders beschleunigt und vertieft, weil die Weimarer Demokratie gezwungen war, die tiefste nationale Erniedrigung, die Deutschland seit der Napo- leonischen Zeit erlebt hat, den imperialistischen Frieden von Versailles, durchzufhren und ins Leben zu setzen. Den demokratisch nicht erzo- genen Volksmassen galt also die Weimarer Republik als das Vollzugsor- gan dieser nationalen Erniedrigung im Gegensatz zu den Zeiten der nationalen Gre und Expansion, die mit Friedrich II. von Preuen, Blcher und Moltke, also mit monarchistisch-undemokratischen Erin- nerungen verbunden waren. Hier kann man wieder den groen Gegen- satz zwischen der deutschen und der franzsisch-englischen Entwick- lung beobachten, wo die revolutionr-demokratischen Perioden (Crom- well, die groe Revolution usw.) Perioden des hchsten nationalen Auf- 94 Theorien ber den Faschismus schwungs sind. Die Umstnde der Entstehung der Weimarer Republik untersttzten die alte Auffassung von der 'spezifisch deutschen', dem 'deutschen Wesen' einzig gemen antidemokratischen Entwicklung, geben einen scheinbar einleuchtenden Vorwand zu der Legende, da deutsche nationale Gre nur auf antidemokratischen Grundlagen ent- stehen knnte . . . So erhielt die Weimarer Republik infolge der Schwche ihrer Gegner von links und von rechts eine - innerlich sehr labile, durch ununterbro- chene Konzessionen an die Reaktion erkaufte - Existenzmglichkeit, die, solange Deutschland nicht in der Lage war, offen den Versailler Frieden zu kndigen, auch durch auenpolitischen Druck und die ent- sprechenden auenpolitischen Erwgungen der deutschen Imperiali- sten untersttzt war. 99 Die ideologischen Muster fr die faschistische Propaganda waren vorhanden. Ihre Wirkung wurde durch den sozialen Niedergang der Mittelschichten nach 1918 verstrkt: In der Form einer sogenannten Philosophie fr dekadent-reaktionre Intellektuelle, in einer Kriegspro- paganda fr wildgewordene chauvinistische Spiebrger sind die Um- risse der 'nationalsozialistischen Weltanschauung' so gut wie fertig. Es gilt nur, sie aus den Salons, aus den Kaffeehusern, aus den Gelehrten- stuben auf die Strae zu tragen. Diesen letzten Schritt in der Entwick- lung der uersten Reaktion in Deutschland haben Hitler und seine Leute vollzogen (S. 622). Diese Momente verstrkten jedoch blo die Bereitschaft fr eine Weltanschauung der Verzweiflung. Was an ihr den alten hnlichen Ten- denzen gegenber neu ist, wchst aus der Lage Deutschlands zwischen den zwei imperialistischen Weltkriegen heraus. Der wichtigste Unter- schied zwischen Vorkriegs- und Nachkriegszeit ist zweifelos die starke Erschtterung und spter das fast vollstndige Verlorengehen der 'Seku- ritt' der sozialen und individuellen Existenz in den Mittelschichten, in erster Linie in der Intelligenz. War man vor dem ersten imperialisti- schen Krieg Pessimist, vor allem in bezug auf die Kultur, so hatte dieses Verhalten einen geruhsam-kontemplativen Charakter ohne irgendwel- che Intention auf ein mgliches Handeln (S. 77f.). Es war also das Zusammenwirken von ideologischen Traditionen, ak- tuellen politischen Prozessen und konkreten sozialkonomischen In- teressen, das dem faschistischen Irrationalismus den Boden bereitete: Deutschlands Niederlage im ersten imperialistischen Weltkrieg wirft zwei miteinander eng verknpfte Problemkomplexe auf, die diesen Um- bau der extrem-reaktionren Ideologie, diese ihre 'Modernisierung', diese ihre Wirksamkeit in breiten Volksmassen Deutschlands ermgli- Faschismus als Produkt nationaler Besonderheiten 95 chen. Der erste Komplex ist die allgemeine nationale Erbitterung ber den Versailler Frieden. Der Opportunismus der Sozialdemokratie und die Schwche der Kommunisten erlaubten nicht, auf dem Weg einer radikal zu Ende gefhrten Revolution, wie dies in Ruland geschah, das Volk von den demtigenden Lasten der Vergangenheit, der Kriegsfolgen zu befreien. Dieses Versagen der Revolution von 1918 hat zur Folge, da die Massen in ihren nationalen Forderungen immer strker unter impe- rialistische reaktionre Fhrung geraten: der Kampf gegen den Versail- ler Frieden, die Parole der nationalen Befreiung abortiert als Parole der revolutionr-demokratischen Vereinigung der deutschen Nation und verwandelt sich immer strker in eine Erneuerung des aggressiven deut- schen Imperialismus. Der zweite Komplex, der sich mit dem ersten berall verschlingt und dessen Wirksamkeit verstrkt, ist die Enttuschung der Massen ber die sozialen Ergebnisse der Revolution von 1918. Die Hoffnungen der Mas- sen, bis tief in das Kleinbrgertum und die Intelligenz hinein, waren damals auerordentlich hoch gespannt. Die Enttuschung darber, da das Regime der verbndeten Junker und Grokapitalisten unter dem Aushngeschild der Weimarer Republik ebenso drckend weiterbestand wie frher, mute deshalb gewaltig sein. Die groe Wirtschaftskrise von 1929, die entschieden reaktionre Wirtschafts- und Sozialpolitik, die die Weimarer Demokratie in der Krise durchsetzte, hat diese Enttuschung noch heftiger gemacht. Zugleich zeigte es sich, da alle Bewegungen, die einfach zu dem Vorkriegszustand zurckfhren wollten (Restauration der Hohenzollern), keine Massenwirksamkeit erlangen konnten. So ent- stand im Lager der extremen Reaktion das Bedrfnis nach einer sozia- len Demagogie: der Maskierung der Ziele des aggressiven deutschen Imperialismus als 'nationale und soziale Revolution'. Die Tat Hitlers und seiner Helfershelfer war die Erfllung dieser Exi- stenzbedrfnisse der reaktionrsten Kreise des deutschen Junkertums und Grokapitalismus. Sie haben diese Bedrfnisse befriedigt, indem sie die zeitgem modernisierte extrem-reaktionre Ideologie aus den Salons und Kaffeehusern auf die Strae trugen. Die Ideologie Hitlers ist nichts weiter als ein uerst geschicktes zynisch-raffiniertes Ausntzen dieser Konstellation. Hitler selbst und seine nchsten Mitarbeiter waren durch ihre Vergangenheit fr diese Aufgabe gut vorbereitet (S. 626 f.). Ihr massenpsychologischer Ausgangspunkt ist eben diese Verzweif- lung, diese aus der Verzweiflung entspringende Leichtglubigkeit und Wundererwartung der Massen, darunter auch der geistig hchstqualifi- zierten Intelligenz. Da die Verzweiflung das sozialpsychologische Ver- 96 Theorien ber den Faschismus bindungsglied zwischen dem Nationalsozialismus und den breiten Massen gewesen ist, erhellt daraus, da der wirkliche Aufschwung der Bewegung, ihr wirkliches Eindringen in die Massen, mit der Wirt- schaftskrise von 1929 einsetzt, mit dem Zeitpunkt also, zu dem die anfangs allgemein weltanschauliche Verzweiflung, die allmhlich immer konkretere gesellschaftliche Formen annimmt, in eine massive Gefhr- dung der individuellen Existenz umschlgt, zu dem deshalb die frher festgestellten Intentionen auf das Praktische die Mglichkeit ergeben, die weltanschauliche Verzweiflung in den Dienst einer verzweifelt aben- teuerlichen Politik zu stellen. Diese Politik benutzt nun die alten, von der Weimarer Demokratie kaum angetasteten 'obrigkeitlichen' servilen Instinkte der Deutschen (S. 78f.). Als Resultat seiner Untersuchung stellt Lukcs fest: Nur so wird es verstndlich, wie bei Hitler die demagogische Popularisierung aller Gedankenmotive der entschiedenen philosophischen Reaktion zu- stande kam, die ideologische und politische 'Krnung' der Entwicklung des Irrationalismus. - Die Tatsache, ob in einer bestimmten Zeit in bestimmten Gesell- schaftsschichten die Atmosphre einer gesunden und nchternen Kritik oder die des Aberglaubens, des Wundererwartens, der irrationalistischen Leichtglubigkeit herrscht, ist keine Frage des intellektuellen Niveaus, sondern des sozialen Zustands. Selbstverstndlich spielen dabei die vor- angegangenen und wirksam gewordenen Ideologien eine nicht unwich- tige Rolle, indem sie die Tendenz zur Kritik oder die zur Leichtglubig- keit bestrken oder abschwchen. . . Dieser Proze, dessen Anfnge im feudal-restauratorischen, reaktio- nr-romantischen Kampf gegen die Franzsische Revolution zu suchen sind, und dessen Aufgipfelung, wie wir gesehen haben, in der imperiali- stischen Periode des Kapitalismus erfolgt, ist keineswegs blo auf Deutschland beschrnkt. Sowohl seine Ursprnge, wie seine Hitlersche Erscheinungsform, wie sein Weiterleben in unserer Gegenwart haben konomisch-sozial internationale Wurzeln, und die irrationalistische Philosophie tritt deshalb ebenfalls international auf. Wir haben je- doch . . . sehen knnen, da sie nirgends jene teuflische Wirksamkeit erreichen konnte, wie eben im Deutschland Hitlers, da sie nirgends - abgesehen von sehr seltenen Ausnahmen - jene Hegemonie erlangte, wie schon vorher in Deutschland. 100 Diese Theorie von der nationalen Sonderentwicklung, die sich in modifizierter Form auch fr andere Lnder mit faschistischen oder faschismushnlichen Systemen, wie Spanien, Italien, sterreich, Japan Faschismus als Produkt nationaler Besonderheiten 97 usw. entwickeln lt 101 , enthlt also zweifellos wesentliche richtige Ele- mente. Dennoch kann sie allein den Faschismus nicht hinreichend erklren, weil sie wichtige Fragen unbeantwortet lt. Zwar ist in Anst- zen bei Bracher und deutlicher bei Lukcs ausgefhrt, da antidemokra- tische, gegen die brgerliche Revolution und dann die Arbeiterbewe- gung gerichtete Krfte auch in anderen kapitalistischen Lndern sich entwickeln; doch deren genauere Ursachen und Strukturen bleiben au- erhalb der Untersuchung. Wie aber kommt es, da in einer bestimm- ten Periode in fast allen kapitalistischen Staaten o...,.-,.- entstehen, die ...-//. :./-/. ,.-.-- haben 102 : Ihrer ./.- u./.-/ nach rekrutieren sie sich in starkem Mae aus den brgerlichen Mittel- schichten, die von Krise und sozialem Abstieg bedroht sind. Ihre t../ ,. ist gekennzeichnet durch extremen Nationalismus und Antimarxis- mus, Autoritarismus und Militarismus, durch Ethnozentrismus (der die Form von Rassismus und Antisemitismus annehmen kann, aber nicht mu) und durch antikapitalistische und pseudosozialistische Elemente. Die o,--./. ist gekennzeichnet durch Fhrerprinzip, oft auch durch milizartige Verbnde, die ,//. t/.-, ist gekennzeich- net durch terroristisches Vorgehen gegen die Linke. Und weiter: Wie kommt es, da auch die u.//,.-. die in Italien, Deutschland, sterreich und Spanien in den 20er und 30er Jahren entstanden, wesentliche Merkmale gemeinsam haben. In der :././ ,//. u.// die Zerschlagung der Arbeiterbewegung mit terroristischen Mitteln und die Einkerkerung oder Ermordung ihrer Fhrer, die Ver- nichtung der brgerlichen Demokratie und der verfassungsmigen Rechte und Freiheiten, die Unterdrckung jeder Opposition. Im . /.- t-// des Herrschaftssystems: die vollstndige Unterwerfung der Lohnabhngigen unter das Kommando der Kapitalbesitzer und Gro- grundbesitzer und die tendenzielle Verschmelzung der Fhrungsgrup- pen von Industrie und Banken, Militr und hoher Beamtenschaft mit den Fhrungsgruppen der faschistischen Partei in Richtung auf eine neue Oligarchie. 103 Diese wesentlichen Gemeinsamkeiten der verschie- denen faschistischen Bewegungen und Systeme, die es trotz aller natio- nalen Besonderheiten offensichtlich gegeben hat, werden von dieser Theorie nicht oder nicht hinreichend erfat. Deshalb reicht der Hinweis auf die nationalen Besonderheiten auch nicht aus, um die Berechtigung eines allgemeinen Faschismusbegriffs zu bestreiten. Auch Liberalismus und Sozialismus finden in England eine andere Ausprgung als in Frankreich oder Deutschland, und dennoch werden sie - mit gutem Grunde - als Varianten derselben politisch-sozialen Erscheinung gewer- tet. 98 Theorien ber den Faschismus 3. Faschismus als Mittelstandsbewegung: Die soziale Basis faschistischer Bewegungen Hlt man sich vor Augen, welch groe Bedeutung die Fhrertheorie, die die wirkliche Beschaffenheit der faschistischen Bewegung und Poli- tik rundweg ignoriert, in der Faschismusdiskussion bis heute spielt, so mu die Hinwendung zu der Frage nach der sozialen Zusammenset- zung der faschistischen Bewegung schon als ein betrchtlicher Fort- schritt bezeichnet werden. Diese Frage, woher die Millionenmassen so- zial und politisch kamen, die nach 1930 die faschistische Partei inner- halb krzester Zeit zu einer gewaltigen Bewegung anschwellen lieen, ist natrlich von beachtlicher Bedeutung fr ein Verstndnis des Faschismus. Immerhin wuchs die NSDAP von 2,6 Prozent bei den Reichstagswahlen 1928 auf 37,4 Prozent auf ihrem Hhepunkt im Juli 1932 an. Es wird allerdings auch ausdrcklich die These vertreten, da diese Frage unwichtig sei. Ernst Nolte zum Beispiel bezeichnet den Erkennt- niswert als eng begrenzt, da eine Untersuchung der franzsischen Radikalsozialistischen Partei oder der englischen Heilsarmee zu ganz hnlichen Resultaten kommen wrde. Worin der begrenzte Aussage- wert liegt, wird nicht ausgefhrt. Zur Kritik der Gegenposition heit es: Die vulgrmarxistische . . . Zurckfhrung allen Unheils auf die schwa- chen oder bsen 'Kleinbrger' bedarf selbst der soziologischen und psychologischen Klrung 104 . Ernst Nolte steht im Grunde stellvertretend fr einen groen Teil der bundesrepublikanischen Geschichtswissenschaft, die sozialkonomi- schen Sachverhalten verstndnislos gegenbersteht. Es geht bei der Analyse der sozialen Basis des Faschismus nmlich nicht um Probleme von Charakterstrke und Moral (schwachen oder bsen 'Kleinbr- ger'), sondern um gesellschaftliche und politische Kausalbeziehungen: um die Frage also, wie der Aufstieg einer faschistischen Massenbewe- gung zu erklren ist, warum diese Sozialgruppen sich dem Faschismus zugewandt haben. Ohne eine Klrung dieser Frage knnen die t /.- die faschistische Bewegungen hervorbringen, und die o..-,.-,.- die ihren Aufstieg ermglichen, nicht ermittelt werden. Faschismus als Mittelstandsbewegung 99 a. Soziologische Theorien (Geiger, Lipset, Winkler) ber die soziale Herkunft dieser Massen wissen wir, was den deutschen Faschismus betrifft, schon seit den Untersuchungen in der Publizistik der deutschen Arbeiterbewegung vom Beginn der 30er Jahre und vor allem seit der Studie des Soziologen Theodor Geiger ber die soziale Schichtung des deutschen Volkes aus dem Jahre 1932 105 recht gut Bescheid: Es waren dies vor allem die brgerlichen Mittelschichten, die vor der groen Wirtschaftskrise die Parteien der Mitte und der gem- igten Rechten untersttzt hatten oder berhaupt nicht gewhlt hatten. So nahmen diese Parteien bei den Reichstagswahlen von 1928 bis Juli 1932 von 38,7 Prozent auf 9,6 Prozent der Stimmen, von 11,9 Millionen auf 3,5 Millionen Whler ab. (Nur die katholischen Parteien Zentrum und Bayrische Volkspartei konnten wegen der starken konfessionellen Bindung ihrer Whler ihren Stimmenanteil halten.) Die Arbeiterpar- teien SPD und KPD gewannen sogar noch fast eine Million Whler dazu, verloren also nichts an die NSDAP. (Wegen der gestiegenen Wahl- beteiligung ging ihr Prozentanteil allerdings von 40 auf 36 zurck.) 106 Angesichts dieser seit langem bekannten Tatsachen wirkt es zunchst ziemlich verblffend, wenn renommierte deutsche Historiker seit 1945 ber diese Fragen Aussagen machen, die vllig abstrus und abwegig sind und wahrscheinlich nur als uerungsformen ihrer eigenen sozia- len Vorurteile erklrt werden knnen, die dann in das Gewand von Wis- senschaft gekleidet wurden. Nach Gerhard Ritter war es das Massen- menschentum der modernen Industriegesellschaft, waren es die brei- ten stdtischen Massen der Industriezentren, die Hitler zuliefen 107 . Rpke wei zu berichten, da der Nationalsozialismus sehr tief im ei- gentlichen Proletariat wurzelte - ein sozialer Ort, der an anderer Stelle als Kloake untermenschlicher Typen und unmenschlicher Schlamm- massen gekennzeichnet wird. 108 Auch Franz Josef Strau sah neben der kleinbrgerlichen eine starke proletarische Komponente am Werk. 109 Und bei Hagemann heit es: Die Massen der frhen Parteianhnger stammten aus den marxistischen Reihen 110 - eine Behauptung, die auch fr die frhe Periode des Nationalsozialismus vllig falsch ist. (Nicht minder irrefhrend ist es allerdings zu behaupten, da in der faschistischen Bewegung alle Schichten und Stnde des Volkes vertre- ten gewesen seien, 111 sofern damit proportional gleiche Reprsentanz suggeriert wird.) Was mit diesen frei erfundenen Behauptungen erreicht werden soll ist klar: Es soll eine enge Wesensverwandtschaft zwischen Arbeiterbewe- gung und Faschismus bewiesen und es sollen berhaupt die Emanzipa- 100 Theorien ber den Faschismus tionsansprche und Kmpfe der arbeitenden Bevlkerung samt der modernen Massendemokratie verchtlich gemacht werden. Es wird im Laufe dieser Untersuchung nicht an weiteren Beispielen fehlen, da renommierte Historiker die schlichtesten historischen Tatsachen igno- rieren oder verflschen, wenn ideologische Ziele auf dem Spiel stehen. Tatschlich sind, wie schon erwhnt, in der Anhngerschaft der faschistischen Bewegung die Mittelschichten deutlich berreprsentiert. Schon 1923 schrieb Luigi Salvatorelli ber den italienischen Faschis- mus: Der Faschismus stellt also den Klassenkampf des Kleinbrger- tums dar, das sich zwischen Kapital und Proletariat wie der Dritte zwi- schen zwei Kmpfenden befindet. 112 In bezug auf den deutschen Nationalsozialismus wurde dies 1932 von Theodor Geiger besttigt. Neuere Untersuchungen haben diese Resultate noch etwas differen- ziert, im Prinzip aber als richtig erwiesen. 113 Sie haben zugleich gezeigt, da das berwiegen der Mittelschichten auch fr faschistische Parteien und Bewegungen anderer Lnder zutrifft. Auf der Basis empirischer Studien hat dann der amerikanische Soziologe S. M. Lipset eine allge- meine Faschismusinterpretation entwickelt 114 , deren Kern er in die For- mel vom Faschismus als dem Extremismus der Mitte zusammenfate. Geiger und Lipset wie auch die ihnen folgenden Mittelstandstheo- rien versuchen, die Dominanz der Mittelschichten bei den Whlern und Mitgliedern faschistischer Parteien zu erklren aus der sozialen Lage und der daraus resultierenden Mentalitt der Mittelschichten in der kapitalistischen Gesellschaft: Links war die Macht des Sozialismus bedrohlich gewachsen, von rechts her kam der bengstigende Druck der wirtschaftlichen Groorganisationen. - Die zunehmende wirtschaftli- che Bedrngnis des Besitzmittelstands war psychische Vorbereitung genug fr einen kleinbrgerlichen Radikalismus. 115 In einem von Lipset zitierten Programm der Schleswig-Holsteini- schen Landespartei, deren Anhang dann von der NSDAP aufgesogen wurde, ist diese Mentalitt sehr przis ausgedrckt: Der Handwerker mu einerseits gegen den Kapitalismus geschtzt werden, der ihn mit seinen Fabriken erdrckt, und andererseits gegen den Sozialismus, der danach strebt, einen proletarischen Lohnarbeiter aus ihm zu machen. Gleichzeitig mu der Kaufmann gegen den Kapitalismus in der Form groer Warenhuser verteidigt werden und der Einzelhandel gegen die Gefahr des Sozialismus. 116 Die NSDAP fate dies dann in die Parole zusammen: Gegen Kapitalismus und Marxismus. Lipset betont dabei mit Recht, da die von den kleinen Unterneh- mern gefrchteten Tendenzen - Konzentration und Zentralisierung - weder von einer Wirtschaftskrise noch von Krieg oder Hochkonjunktur Faschismus als Mittelstandsbewegung 101 aufgehalten werden; sie bestehen unabhngig davon, welche Partei gerade am Ruder ist 117 . In der Tat hat sich die Konzentration des Kapi- tals und die damit verbundene Enteignung und Proletarisierung der Kleineigentmer seit dem Beginn der Industrialisierung in allen kapita- listischen Lndern kontinuierlich durchgesetzt, ist also mit dem Kon- kurrenzprinzip des Kapitalismus notwendig verbunden. Aber nicht nur die Kleineigentmer in Handel, Handwerk und Land- wirtschaft protestieren gegen die Einebnungstendenzen der Klassenge- sellschaft, sondern auch die kleinen und mittleren Angestellten (und Beamten), die beanspruchten, Mittelstand zu sein und sich von der Arbeiterschaft deutlich abzuheben. 118 Die Angestellten hatten seit dem Ende des 19. Jahrhunderts stark zugenommen. Infolge der Konzentra- tion des Kapitals war die Gre der Betriebe in Produktion und Vertei- lung bedeutend angewachsen. Dies verlangte mehr Krfte, die sich mit der Planung und Koordination der Produktion, mit Verwaltungsfragen, mit Broarbeiten und mit der Verteilung der Gter befaten. Auch die Staatsfunktionen hatten zugenommen. Der Staat griff durch Sozialversi- cherung, Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums ber den Staatshaushalt und Staatsauftrge in wachsendem Mae in das gesell- schaftliche Leben ein und weitete auch seinen Gewaltapparat (Polizei, Militr) wesentlich aus. So nahm der Anteil der Angestellten an den Er- werbsttigen zum Beispiel in Deutschland von 11,3 Prozent im Jahre 1873 auf 21,6 Prozent im Jahre 1914 zu. 119 Die meisten dieser Angestell- ten kamen aus den Schichten der kleinen Selbstndigen, aus dem Bil- dungsbrgertum und aus Beamten- und Angestelltenfamilien 120 und brachten von hierher gewisse Prestigeansprche, zum Mittelstand zu gehren und sich von der Arbeiterschaft abzugrenzen, schon mit. Aber erst ihre Enttuschung ber die Sozialdemokratie und die Gewerk- schaften und die Weimarer Republik berhaupt, die offenbar schon bei der Frage der sozialen Neugestaltung nach 1918 und dann besonders bei der Lsung der groen Probleme der Wirtschaftskrise versagt hatten, trieb sie nach rechts zum Faschismus. (Whrend 1920 noch 40 Prozent aller organisierten Angestellten im AFA-Bund - und damit durch Kar- tellvertrag mit dem ADGB verbunden - waren, ging dieser Anteil am Ende der Weimarer Republik auf 28 Prozent zurck. 121 ) Fr die Angestellten besonders schwerwiegend war die starke Ratio- nalisierung in den 20er Jahren, die das Eindringen der Maschine und der Methode des flieenden Bandes in die Angestelltensle der Gro- betriebe 122 ermglichte. Sie bedeutete eine betrchtliche Entwertung der Arbeitskraft, die oft bis zur vlligen Austauschbarkeit reichte, eine Senkung der Einkommen und eine wesentlich erhhte Arbeitslosigkeit. 102 Theorien ber den Faschismus Dies waren die Voraussetzungen, die Geiger zu den folgenden Schlufolgerungen ber Beamte und Angestellte veranlaten: Der mittlere und untere Beamte, dessen Dienst zusehends mehr mechani- siert wird, der insbesondere durch die Vermehrung der ffentlichen Angestellten die Standesgrenzen zwischen sich und ihnen tatschlich verwischt sieht, hat stndisches Prestige verzweifelt zu verteidigen. 123 Ebenso wurden die Angestellten vom Faschismus an ihrem Prestigebe- drfnis gepackt: die - teils aus Prestige, teils aus nationalen Grnden - bestehende Abneigung gegen den proletarischen Parteisozialismus erleichterte das Eindringen der faschistischen Ideologie. 124 Aus dieser Lage der beiden Mittelstnde - der Kleineigentmer und der Angestellten - leiten die Mittelstandstheorien die Empfng- lichkeit dieser Schichten fr die faschistische Ideologie ab: die Sehn- sucht nach vorindustriellen, vorkapitalistischen, agrarisch-kleingewerb- lich geprgten Gesellschaftsformen, die Frontstellung gegen Arbeiterbe- wegung und Grokapital, von denen sie sich bedroht fhlen, den Wunsch nach dem starken Staat, der ihre bedrohte soziale Stellung sichern soll, die Identifizierung mit dem Ganzen, der Nation, die Sicherheit und Selbstgefhl vermitteln kann. Der Faschismus verspricht, dafr zu sorgen, da nicht nur der alte Mittelstand seine wirtschaftliche Sicherheit und seinen hohen gesell- schaftlichen Status wiedererhlt, sondern da auch Macht und Status des Grokapitals und der Gewerkschaften zurckgehen 125 . Nach Lipset lt sich deshalb der Extremismus des Mittelstands... in Lndern beobachten, die sowohl durch Grokapitalismus als auch durch starke Arbeiterbewegungen gekennzeichnet sind (nicht aber in wenig entwik- kelten Gesellschaften..., wo die traditionellen konservativen Krfte, die eng mit Thron und Altar verbunden sind, ihren Einflu bewahren konnten) 126 . Zu dem Anspruch des Faschismus, es handle sich bei Nation und Vaterland doch um idealistische Werte, bemerkt Geiger: konomische Materialismen unterliegen . . . notdrftiger Selbstverschleierung; ent- tuschte, aussichts- und hilflos gewordene oder ihrer selbst noch nicht sichere Materialismen fangen an, ihre eigene Verzweiflung oder Ratlo- sigkeit fr idealistische Begeisterung zu halten. (Und Brecht sagt ber Hitler, die soziale Funktion dieses Idealismus przisierend: Den Hungernden und den Satten warf er vor, da sie zu viel ans Essen dch- ten.) 127 Die Betonung bergreifender, idealistischer Parolen war jedoch schon deshalb notwendig, weil die realen Interessen der ver- schiedenen Gruppen des Mittelstands ziemlich weit auseinander lagen und weil also genauere Aussagen ber das Wirtschaftsprogramm Faschismus als Mittelstandsbewegung 103 die eine oder andere Gruppe verprellt htten: die Gewerkschaft (ist) ein elementares Lebensinteresse der Angestelltenschaft, whrend die Kleineigentmer scharf antigewerkschaftlich eingestellt sind. Der Grolandwirt will Getreideschutzzoll, der Kleinbauer billige Futtermit- tel, der Handwerker billige Lebensmittel; der Beamte und Angestellte erhofft Wiederherstellung seines Besoldungsstatus - dem Handwerker und Hndler ist jeder Groschen fr Beamtenbesoldung zu viel. 128 Aus der sozialen Zusammensetzung lt sich die politische Herkunft der faschistischen Anhnger schon erschlieen. Es handelt sich um sol- che Schichten, die vor ihrer Wendung zum Faschismus hauptschlich liberale Parteien der Mitte und der gemigten Rechten untersttzt haben. Lipset belegt diese These auch durch wahlstatistische Untersu- chungen. Er sieht in dieser Wendung nicht nur eine direkte Folge der Wirtschaftskrise, sondern eine lngerfristig angelegte soziale Tendenz. Whrend sich die relative Position des Mittelstands verschlechterte . . . wurde aus der 'liberalen' Ideologie einer revolutionren Klasse - Ein- treten fr die Menschenrechte im Kampf gegen Machtzusammenbal- lungen - die Ideologie einer reaktionren Klasse. 129 Die Konzentration des Kapitals und die damit verbundene Enteig- nung der kleinen Selbstndigen werden von den brgerlichen Parteien nicht als Gesetzmigkeit des Kapitalismus, sondern als Mistnde und Auswchse dargestellt und von den kleinen Selbstndigen ent- sprechend empfunden. Es ist deshalb nicht erstaunlich, da diese Schichten unter den Bedingungen der Krise, der erhhten Konkurse und der beschleunigten Proletarisierung sich von den herkmmlichen brgerlichen Parteien abwenden, die ihnen Schutz versprachen, sich aber als offensichtlich unfhig erwiesen, diese lebensbedrohenden Aus- wchse abzuschaffen. Aus dieser Enttuschung resultierte das Verlan- gen nach einer neuen Kraft, die entschlossen durchzugreifen versprach und noch nicht diskreditiert war, und die Anflligkeit fr irrationale Ideologie: Da der wirtschaftliche Proze gleichzeitig eine sogenannte Rationalisierung brachte, eine Durchvernnftigung, die diesen Schich- ten schwere Opfer auferlegte, da sie vermittels der Vernunft aus dem Produktionsproze ausgeschaltet werden sollten, waren sie nun vollends gegen die Ratio und fr das Irrationale. 130 Zusammenfassend interpretiert Lipset den Extremismus der Mitte wie folgt: Kennzeichnend sei, da sich die faschistischen Bewegungen - genau wie andere Bewegungen, die an die selbstndigen stdtischen und lndlichen Mittelschichten appellieren - auf die ungelsten Fru- strationen von Menschen zurckfhren lassen, die sich von den Haupt- trends der modernen westlichen Gesellschaft abgeschnitten fhlen. 104 Theorien ber den Faschismus Diese Bewegungen wurden ja nicht nur in berproportionaler Weise von den kleinen Selbstndigen untersttzt, sondern sie erhielten auch berall einen starken Zulauf von Personen, die auf dem Lande oder in Provinzstdten wohnten. Dies sind die im Niedergang begriffenen 'liberalen' Schichten, die in Notstandsgebieten leben. Das Kleinbrger- tum solcher Gegenden leidet nicht nur deshalb unter Entbehrungen, weil es als Klasse im Vergleich zu anderen im Abstieg ist, sondern auch, weil es in Gemeinden wohnt, deren Status und Einflu innerhalb der Gesamtgesellschaft rasch abnehmen. 131 Die drohende und real sich auch in wachsendem Mae vollziehende soziale Deklassierung der Mittelschichten hatte also ein Protestpoten- tial geschaffen. Dieses Potential wurde in mehreren Lndern in Gestalt faschistischer Bewegungen aktualisiert, als die groe Wirtschaftskrise die Angst enorm steigerte und die Proletarisierung beschleunigte. hn- liche mittelstndische Protestbewegungen sieht Lipset in der neofaschi- stischen MSI in Italien, im franzsischen Poujardismus in den 50er Jah- ren, der die gleiche Angst vor der organisierten Arbeiterklasse und den hheren Sozialschichten aufweise, und im McCarthyismus, der in der Periode des Kalten Krieges in den USA ein paar Jahre l ang. . . die ame- rikanische politische Bhne beherrschte und die Krfte der Linken denunzierte. 132 Da Lipset ganz auf diesen Extremismus der Mitte als Merkmal des Faschismus abstellt, rechnet er die Franco-Diktatur in Spa- nien, die klerikal-konservative Diktatur in sterreich nach 1934 und hnliche Systeme nicht zum Faschismus. Die hier skizzierten Mittelstandstheorien weisen ohne Zweifel einen gewissen Erklrungswert auf. Der Zusammenhang zwischen der sozia- len Herkunft der Mitglieder und Whler, ihrer Lage in der Gesamtge- sellschaft, ihrer Ideologie und ihrem politischen Verhalten ist eine wesentliche Frage fr jede Faschismustheorie. Zur Erklrung dieses Zu- sammenhangs leisten die Mittelstandstheorien einen bestimmten Bei- trag. Der gleiche Zusammenhang wird von sozialpsychologischen Faschismustheorien behandelt, die zustzliche Erklrungsmomente lie- fern und insofern die Mittelstandstheorien sinnvoll ergnzen. Sie sollen im nchsten Kapitel behandelt werden. Der partielle Erklrungswert, den die Mittelstandstheorien haben, darf allerdings ihre Mngel und Grenzen nicht vergessen machen. Zunchst sei auf einen naheliegenden Fehlschlu hingewiesen. Lipset definiert: Die klassischen faschistischen Bewegungen stellen den Extremismus der Mitte dar 133 , der vom Extremismus der Rechten (einer auf Diktatur hinstrebenden konservativen Bewegung) und vom Extremismus der Linken (Kommunisten und Peronisten) zu unterschei- Faschismus als Mittelstandsbewegung 105 den sei. Dies beschreibt zwar das berwiegende Verhalten der Mittel- schichten in einigen Lndern, darf aber keinesfalls als eine unausweich- liche Notwendigkeit, als mechanistischer Zusammenhang verstanden werden. Es ist zwar richtig, da in Krisenperioden auch die Mittel- schichten in Bewegung geraten, nach Alternativen zum Bestehenden suchen und ihr politisches Verhalten ndern, doch ist keineswegs von vornherein sicher, da sie sich zum Faschismus hin bewegen. Es kann durchaus geschehen, da sich mindestens Teile von ihnen nach links bewegen und der Arbeiterbewegung annhern. Dies geschieht dann, wenn die Arbeiterbewegung stark genug ist, um eine reale Alternative zum Kapitalismus glaubhaft darstellen und die Initiative im politischen Proze ergreifen zu knnen. So wandten sich Teile der Mittelschichten, besonders der Angestellten, in der Revolutionsperiode 1918/19 in meh- reren europischen Lndern, auch in Deutschland, nach links (und seit den 70er Jahren wenden sich in Frankreich und Italien Teile dieser Schichten den sozialistischen Parteien zu). Bei den Wahlen im Novem- ber 1932 in Deutschland schien sich mit dem Niedergang der NSDAP und der Fortsetzung des Aufstiegs der KPD eine hnliche Entwicklung anzubahnen. Der Streik der Berliner Verkehrsbetriebe im November 1932 zeigte, da ein Teil der NSDAP-Anhnger von den Aktivitten der Arbeiterbewegung mitgerissen werden konnte. Der Grund fr diese Alternativstruktur des Mittelschichtenverhal- tens liegt in der sozialen Lage dieser Schichten selbst begrndet. 134 Von den Bedrfnissen und Wunschvorstellungen der Mittelschichten her lt sich ein realisierbares Modell einer Gesellschaftsordnung nicht konstruieren. Der Wunsch nach Wiederherstellung vorkapitalistischer Formen, nach einer Gesellschaft von kleinen selbstndigen Eigent- mern, von Kleinhndlern und Kleinproduzenten, ist objektiv illusio- nr. 135 (Dies mute sptestens dann sichtbar werden, als der Faschismus die politische Macht bernommen hatte und also Politik gestalten konnte.) Die Rckkehr zur Handwerksproduktion, die Auflsung der Groindustrie, die Zerstrung aller mit ihr verbundenen technischen Apparate und Verfahren der Groindustrie, die Liquidierung des ent- sprechenden technischen und naturwissenschaftlichen Wissens ist historisch unmglich. Der Ausweg aus der drohenden und real sich auch durchsetzenden Eigentumslosigkeit und sozialen Abhngigkeit der Mittelschichten im Kapitalismus kann nur nach vorn, aber nicht nach rckwrts gesucht werden. Das bedeutet: nicht in der Wiederherstellung des kleinen privaten Eigentums fr jedermann - nach dem Prinzip: jedem seine Hobelbank, seine Kuh oder seinen kleinen Laden - liegt die realisierbare Lsung, sondern in der Wiedererlangung des Eigen- 106 Theorien ber den Faschismus tums und der Verfgungsgewalt ber die Produktionsmittel durch die Gesamtgesellschaft auf dem Wege der Sozialisierung. Nur so knnen die Mittel zur Produktion des materiellen Lebens, die einst vielen ein- zelnen Handwerkern und Bauern gehrten und womit diese ihre Exi- stenz sicherten, die dann von den groen Unternehmen angeeignet, in wenigen Hnden konzentriert und zugleich zur Groproduktion mit groen Zahlen abhngig Arbeitender entwickelt wurden, wieder unter die Kontrolle aller gebracht werden. Insoweit haben die Kleineigent- mer grundstzlich und lngerfristig die gleichen Interessen wie all dieje- nigen, die bereits in frheren Perioden des Kapitalismus ihr Eigentum verloren haben und zu abhngig Arbeitenden geworden sind. Der Weg nach rckwrts ist also objektiv ausgeschlossen. In der berzeugung, dieser Weg sei realisierbar - sei es mit Hilfe der brgerli- chen Parteien, sei es mit Hilfe des Faschismus, die das beide verspre- chen -, drckt sich also eine objektiv falsche Einschtzung der Wirk- lichkeit, drckt sich falsches Bewutsein aus. Georg Lukcs hat dieses Phnomen des falschen Bewutseins wie folgt charakterisiert: Es erscheint einerseits als etwas ././. aus der gesellschaftlich-geschichtlichen Lage heraus Berechtigtes, Verstndli- ches und Zu-Verstehendes, also als 'richtiges' und zugleich als etwas /./. an dem Wesen der gesellschaftlichen Entwicklung Vorbeigehen- des, sie nicht adquat Treffendes und Ausdrckendes, also 'falsches Bewutsein'. 136 So stellt sich fr die Mittelschichten als reale Alternative nur, ob sie fr eine prokapitalistische Politik gewonnen werden und damit - ohne da sie dies wollen - die Konzentration des Kapitals und die eigene so- ziale Deklassierung mit vorantreiben; oder ob sie fr eine prosozialisti- sche Politik gewonnen werden, die zwar ihre Verfgung ber ihr Privat- eigentum schlielich aufheben, doch ihre Mitverfgung ber das gesell- schaftliche Eigentum und damit eine gesicherte soziale Existenz garan- tieren wrde. Die Mittelschichten knnen also nicht als eigenstndige soziale Kraft in dem Sinne, wie dies Kapital und Arbeiterklasse darstel- len, sozusagen als dritte Klasse, verstanden werden. Es stellt sich also politisch die Frage, ob die Mittelschichten als Bndnispartner des groen Kapitals oder der sozialistischen Arbeiterbe- wegung fungieren. Insofern stellen sie allerdings eine wichtige soziale Kraft dar. Diese Alternative spiegelt sich in der Ideologie der Mittelschichten insofern, als diese Ideologie ein Gefhl der Bedrohung und eine Front- stellung sowohl gegenber dem groen Kapital wie gegenber dem So- zialismus ausdrckt. Welche dieser beiden Frontstellungen das berge- Faschismus als Mittelstandsbewegung 107 wicht erhlt und die reale Politik der Mittelschichten bestimmt, hngt wesentlich von der gesamtgesellschaftlichen Krftekonstellation ab. Der Faschismus reprsentiert jene Alternative, in der die Frontstellung gegen Arbeiterbewegung und Marxismus die Oberhand gewinnt, die Mittelschichten sich den konservativ-reaktionren Krften zuwen- den. 137 Dies deutet auch Lipset an, wenn er sagt, da Hitler die Unter- sttzung der Konservativen erhielt, die die Nationalsozialisten zum Kampf gegen die marxistische Linke verwenden wollten 138 ; oder wenn er den italienischen Faschismus definiert als eine Koalition zwischen antidemokratischem Traditionalismus und mittelstndisch-populisti- schem Autoritarismus, der sich gegen die revolutionren Elemente der Linken unter der stdtischen und lndlichen Bevlkerung wandte 139 . Die daraus hervorgehende Diktatur bewahrt das kapitalistische System und vernichtet die Linke. Das ursprngliche Ziel des Faschismus ist es freilich, die Arbeiter- schaft dem Marxismus zu entreien und fr den nationalen Gedan- ken zu gewinnen. Die NSDAP erhob schon in ihrem Namen den Anspruch, eine Arbeiterpartei, gar eine sozialistische zu sein, und brachte dies in ihren Fahnen - mit der Grundfarbe rot - und Liedern zum Ausdruck. (hnliche Ansprche erhoben auch die anderen faschi- stischen Parteien.) Doch die Erfolge in der Arbeiterklasse bei allgemei- nen Wahlen wie bei Betriebsratswahlen blieben sehr gering, weil den Arbeitern klar war, da hier ganz andere als Arbeiterinteressen vertreten wurden. Das Wort Sozialismus, durch einige vage Paraphrasen mehr verdunkelt als erklrt, konnte in der Arbeiterschaft um so weniger ver- fangen, als hier schon sehr viel festere, realpolitisch erprobte Vorstellun- gen von 'konkretem Sozialismus' bestanden. 140 Geiger berichtet zum Beispiel, da die NSDAP Anfang der 30er Jahre bereinknfte mit den Unternehmern traf, bevorzugt nationalsozialistische Arbeitslose einzu- stellen, um bei den Betriebsratswahlen endlich zum Zuge zu kom- men 141 ; doch auch das zeigte keine Erfolge. Tatschlich sei die wirt- schaftspolitische Stellung der Partei . . . 1930 so weit geklrt gewesen, da der Plan einer werbenden Eroberung der Arbeiterschaft von innen her zurckgestellt und die Zerschlagung der Arbeitnehmerorganisatio- nen durch Gewaltmittel offen als Ziel einbekannt wurde. Damit war die Front nach links abgesteckt. 142 Schon aus diesen Grnden ist es unrichtig, den Faschismus als revo- lutionr zu bezeichnen, wie dies in manchen Mittelstandstheorien, aber auch in anderen Interpretationen geschieht. 143 Dies wird entweder damit begrndet, da der Faschismus revolutionre, das heit neuartige oder gewaltsame Mittel zur Erreichung seiner Ziele eingesetzt habe; 108 Theorien ber den Faschismus oder damit, da er sich ideologisch als revolutionr dargestellt habe; oder schlielich damit, da seine Ziele und seine Politik selbst wirklich revolutionr, das heit auf eine vllige Umwlzung der politischen und gesellschaftlichen Ordnung 144 , und zwar in einem nichtbrgerli- chen Sinne, gerichtet gewesen seien. Tatschlich aber bewahrt der Faschismus dem realen Inhalt seiner Politik nach gerade das bestehende kapitalistische System und unterdrckt die revolutionren Krfte, die es bedrohen knnten. Er ist also im przisen Sinn des Wortes gegenrevo- lutionr. Dies ist er aber auch in einem ganz konkret-historischen Sinne, nmlich dadurch, da er alle politischen und sozialen Rechte, die durch die November-Revolution 1918 vom Volk errungen worden waren, wieder zerstrt - vom Acht-Stunden-Tag bis zum Mitsprache- recht der Arbeiter und Angestellten durch Betriebsrte, von allgemeinen und freien Wahlen bis zum Recht, sich in Gewerkschaften und Parteien zu organisieren und frei seine Meinung zu uern. Gegenrevolutionr ist er schlielich in einem bergreifenden historischen Sinne deshalb, weil er sich gegen die gesamte Emanzipationsbewegung richtet, die seit der Franzsischen Revolution sich entwickelt und das Prinzip der Volkssouvernitt und der Menschenrechte als Ziel formuliert hat. Gewisse (schein)revolutionre Phrasen und Ideologeme erweisen sich somit als Irrefhrung. Bei diesem gegenrevolutionren Kampf wendet der Faschismus zwar neuartige Methoden an, doch ist dies kein Grund, die Bezeichnung revolutionr zu rechtfertigen. Schon oft in der Geschichte haben kon- servative und reaktionre, das heit auf Erhaltung der bestehenden so- zialen Ungleichheit gerichtete Herrschaftssysteme zu ihrer Verteidigung neuartige Mittel angewandt - vom Prinzipat des rmischen Kaisers Augustus bis hin zu Bismarck. Es wre eine Ablenkung vom Wesen eines Herrschaftssystems, wenn man es nicht primr nach dem tatsch- lichen Inhalt seiner Politik, sondern nach den Methoden zur Realisie- rung dieser Politik oder gar nach seiner ideologischen Selbstdarstellung begrifflich bestimmen wrde. Politisch betrachtet hat die Kennzeichnung des Faschismus als revo- lutionr die Funktion, den Faschismus in die Nhe der sozialistischen Arbeiterbewegung zu rcken, beide als wesensverwandt darzustellen und so die Arbeiterbewegung mitverantwortlich zu machen fr die Poli- tik und die Verbrechen des Faschismus, da diese ja aus seinem revolu- tionren Charakter hergeleitet werden. Wer dies ganz deutlich machen will, nennt den Faschismus nicht nur revolutionr, sondern wirklich sozialistisch; Hitler wird dann gar zum sehr leistungsstarken Soziali- sten 145 . Hier mndet diese These in die Totalitarismustheorie, die auch Faschismus als Mittelstandsbewegung 109 das gleiche methodische Verfahren anwendet: die Beschrnkung auf die Methoden der Politik und die Eliminierung ihres Inhalts. Im Kapitel 4 wird diese Frage noch einmal zu diskutieren sein. Damit ist die Frage nach den Grenzen der Mittelstandstheorie schon gestellt. Geiger selbst beansprucht keineswegs, eine Kritik des National- sozialismus im ganzen zu liefern, sondern ist sich bewut, da er mit der sozialen Basis nur einzelne, wenn auch sehr wichtige Zge der Bewegung behandelt. 146 Auch Lipset formuliert selbst die Grenzen der Mittelstandstheorie in seiner Einleitung: Es msse zwar auch (!) die gesellschaftliche Grundlage und die Ideologie einer jeden Bewegung analysiert werden. Zugleich aber sei die Analyse des tatschlichen Ver- haltens von an der Macht befindlichen Parteien fr das Verstndnis ihrer funktionellen Bedeutung unerllich 147 . Er beschrnkt sich in sei- ner Untersuchung dann aber doch auf die gesellschaftliche Grundlage und die Ideologie der faschistischen Bewegung - und alle ihm folgen- den Mittelstandstheorien verfahren ebenso. Auch J. C. Fest hat Ele- mente dieser Theorie bernommen, um die soziale Substanz der faschistischen Bewegung und die Errichtung der Diktatur abzuleiten und die Rolle der Industrie fr bedeutungslos zu erklren: diese Mil- lionen sind es gewesen, die den Erfolg Hitlers ermglichten, nicht die der Industrie 148 . Tatschlich aber knnen diese Theorien nur durch diese Begrenzung in der Fragestellung auf einen Aspekt, nmlich auf die soziale Herkunft der Anhngerschaft, zu dem Ergebnis kommen: Die klassischen faschi- stischen Parteien stellen den Extremismus der Mitte dar 149 ; der Faschismus sei im wesentlichen die Bewegung der Mittelschichten. Un- tersucht man hingegen das tatschliche Verhalten der an der Macht befindlichen faschistischen Partei, also die tatschliche Politik der faschistischen Diktatur, so wird schnell erkennbar, da es sich keines- wegs um eine Diktatur der Mittelschichten oder im Interesse der Mit- telschichten handelt, sondern da hier die Groindustrie im Verein mit dem Militr, der staatlichen Brokratie und den Fhrern der faschisti- schen Partei ihre Ziele und Interessen durchsetzen konnte. 150 Von der ./.- o einer Partei darf also keineswegs auf ihre ./. t.-/- geschlossen werden. Die CDU/CSU zum Beispiel wird in besonders starkem Mae bevorzugt von kleingewerblich-agrarischen Bevlkerungsteilen, von lteren Leuten, von Katholiken und von Frau- en (zugespitzt formuliert also besonders von lteren katholischen Frau- en der Landbevlkerung). Daraus folgt, wie ein Blick auf die Wirklich- keit zeigt, ganz gewi nicht, da sie ihre Politik auch besonders nach den Interessen dieser Sozialgruppen ausrichtet. Ebenso falsch wre eine sol- 110 Theorien ber den Faschismus che Schlufolgerung fr den Faschismus. Die wirkliche Politik der faschistischen Partei und der faschistischen Diktatur mu also unter- sucht werden, um zu einem vollen Verstndnis dessen zu kommen, was Faschismus bedeutet. Dies wird im Fortgang der Untersuchung noch geschehen. Die Mittelstandstheorien befassen sich also nur mit einem Aspekt des Faschismus, nmlich seiner sozialen Basis und den damit zusam- menhngenden Elementen der faschistischen Ideologie. Und auch diese knnen sie nur unzureichend erklren, weil sie Ideologie und politisches Verhalten der Mittelschichten allein von der Lage dieser Schichten her zu erklren versuchen, ohne die gesamtgesellschaftliche Interessen- und Krftekonstellation zu bercksichtigen. Konkret heit dies, da die reaktionren und militaristischen Denk- und Verhaltens- formen der Mittelschichten in Deutschland nicht verstanden werden knnen, wenn man nicht die durch lange Tradition verwurzelte herr- schende Ideologie dieser Gesellschaft und die gezielte politische Ein- wirkung der herrschenden Klasse (des Grokapitals und Grogrundbe- sitzes) auf diese Schichten seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in die Betrachtung einbezieht. Die Verbnde der Bauern, Handwerker und Kleinhndler zum Beispiel standen von Anfang an unter dem Einflu der Oberklassen, die auf die ideologische Orientierung ebenso einwirk- ten wie auf die Zusammensetzung ihrer Fhrungsgruppen. 151 Die Links- wendung von Teilen dieser Mittelschichten, vor allem der Angestellten, nach der Novemberrevolution 1918 beruhte andererseits auf der politi- schen Offensive der Arbeiterbewegung und ist nur von hier aus ver- stndlich. Die soziale Lage der Mittelschichten ist also durchaus wider- sprchlich. Aus ihr knnen ganz unterschiedliche politische Verhaltens- weisen hervorgehen - je nach der Strke und politischen Strategie der beiden Hauptklassen, der herrschenden Klasse einerseits und der Arbei- terbewegung andererseits. Die Erklrung, die die Mittelstandstheorien ber den Zusammen- hang zwischen sozialer Lage und politischem Verhalten der Mittel- schichten liefern, erfat also ein wichtiges Element, ist aber doch einsei- tig und unzureichend. Gnzlich falsch aber werden die Mittelstands- theorien dann, wenn sie den Aspekt der sozialen Zusammensetzung der faschistischen Bewegung als Erklrung fr das Gesamtphnomen des Faschismus, als Bestimmung fr sein Wesen ausgeben und den Faschis- mus insgesamt definieren als den Extremismus der Mitte. Dies erweckt flschlicherweise den Eindruck, als seien es hauptschlich die Mittelschichten, die die Brutsttten, Urheber, Nutznieer und bestim- menden Krfte des Faschismus darstellen. Damit wird auch politisch fr Faschismus als Mittelstandsbewegung 111 eine Strategie zur Verhinderung des Faschismus eine ganz falsche Orientierung erzeugt, die leicht sogar einen grundstzlich elitr-antide- mokratischen, gegen die politischen Aktivitten der kleinen Leute gerichteten Akzent erhlt, wie dies programmatisch von der t-//.. +//,.-.-.- z..-, formuliert wurde: Viel kann passieren, wenn Klein- hirne sich groe Taten ertrumen. 152 Einen neuen Versuch, den Zusammenhang zwischen Mittelschich- ten und Faschismus genauer zu bestimmen, hat Heinrich August Win- kler unternommen. 153 Er zeichnet sich dadurch aus, da er sich erstens auf Deutschland und zweitens auf Handwerk und Kleinhandel be- schrnkt und da er in diesem Bereich wertvolle empirische Materialien erschlossen und interpretiert hat. Seine Interpretation, die teilweise bereits eine berwindung der herkmmlichen Mittelstandstheorien bedeutet, sei daher etwas ausfhrlicher behandelt. Winkler kann empirisch belegen, da ein unmittelbarer kausaler Zu- sammenhang zwischen materiellem Elend und Votum fr den Faschis- mus nicht bestand: Die materielle Not der Arbeitslosen drfte die Bedrngnisse des gewerblichen Mittelstands bei weitem bertroffen haben. Dessen Panik erwuchs offenkundig aus dem instinktiven Gefhl, der konzentrierten Macht des groen Kapitals schutzlos preis- gegeben zu sein. Unbegrndet war dieses Gefhl nicht, und die Welt- wirtschaftskrise von 1929 machte die existentielle Abhngigkeit des Kleingewerbes deutlicher fhlbar als alle vorangegangenen Krisen (S. 35). So kann man Winkler durchaus zustimmen, wenn er den Mit- telstand nicht das Opfer einer Revolutions-, sondern einer Evolutions- furcht nennt (S. 179), wobei allerdings zu bedenken ist, da erst die beschleunigte Deklassierung in der Krise das faschistische Potential zu einem akut faschistischen Verhalten verschrfte. Aus dieser Tendenz zur sozialen Deklassierung, die sich schon im 19. Jahrhundert angebahnt hatte, ergab sich sowohl eine antikapitalistische als auch eine antisoziali- stische Frontstellung - da der Mittelstand auch verlangte, die organi- sierte Arbeiterschaft in ihre Schranken zu verweisen, Parlament und Par- teien und damit die Gefahr der Majorisierung der Besitzinteressen end- gltig auszuschalten (S. 178). Beide Frontstellungen konnten ange- sichts der Tatsache sozialdemokratischer Regierungen als ein und die- selbe erscheinen: Das Grokapital (hat) sich noch nie so gut entwickelt als in den letzten zwlf Jahren, wo wir von Parteien regiert worden sind, die sonst nicht laut genug brllen konnten: 'Nieder mit dem Kapital' (so das Reichskartell des selbstndigen Mittelstands, zitiert nach Wink- ler, S. 172). So konnte der Anschein entstehen, als habe man die Sozial- demokratie, die als Bundesgenosse des Grokapitals dargestellt wurde, 112 Theorien ber den Faschismus links berholt. Die Mittelstandsideologie wurde zwar auch von den brgerlichen Parteien propagiert, doch in der Form gemigter und letztlich weniger konsequent als von der NSDAP (S. 179). Hinzuzuf- gen wre, da alle brigen Parteien einschlielich der Sozialdemokraten ihre Unfhigkeit, Wirtschaftskrise, soziale Deklassierung und materiel- les Elend abzuwenden, zu Beginn der 30er Jahre bereits unter Beweis gestellt hatten und also nur die NSDAP als unverbrauchte Kraft er- schien - wenn man nicht die KPD in die Betrachtung einbeziehen wollte, die allerdings die brgerliche Eigentumsverfassung grundstz- lich aufheben wollte. Der Wert dieser Untersuchung liegt darin, materielle Lage, Mentalitt und politisches Verhalten des gewerblichen Mittelstands detailliert belegt zu haben. Wie stark der allgemeine soziale Faktor - Lage und Bewutsein des Kleinbrgertums, kapitalistisches Gesellschaftssystem - gegenber dem spezifisch deutschen - starke autoritre Traditionen, fehlende brgerliche Revolution, Kontinuitt der traditionellen Eliten und deren Einflu auch nach 1918 - gewesen ist, wre freilich nur dann zuverlssig anzugeben, wenn vergleichende Untersuchungen mit den Mittelschichten anderer entwickelter kapitalistischer Lnder angestellt wrden. Da die kleinbrgerlichen Massen anderswo bei weitem nicht im gleichen Umfang zum Faschismus bergegangen sind, knnte ent- weder daran liegen, da sie von Weltwirtschaftskrise und sozialer Deklassierung nicht in gleichem Mae betroffen worden sind oder dar- an, da sie trotz vergleichbarer Lage infolge anderer ideologischer Tra- ditionen anders reagiert haben. Winkler untersucht diese Frage nicht, uert aber die Ansicht: Der entscheidende Grund . . . lag in der unge- brochenen Fortdauer jener gesellschaftlichen, politischen und ideologi- schen Traditionen, die den Obrigkeitsstaat vor 1918 geprgt hatten (S. 159). Verschiedene Symptome deuten aber darauf hin, da neben diesen Traditionen, also neben dem spezifisch deutschen Faktor, auch der andere Faktor am Werk gewesen ist, um in Deutschland dieses Resultat hervorzubringen. Erstens nmlich war die Krise in Deutsch- land - unter anderem infolge der Konsequenzen des verlorenen Krieges und der fehlenden Mglichkeiten, die Lasten der Krise auf Kolonien abzuwlzen 154 - tiefer als in den meisten vergleichbaren kapitalistischen Staaten: Die Industrieproduktion ging von 1929 bis 1932 in Grobritan- nien um 12 Prozent, Frankeich um 19 Prozent, USA um 36 Prozent, Deutschland aber um 39 Prozent zurck; der Anteil der Vollarbeitslosen betrug 1932 in Grobritannien 22 Prozent, in den USA 32 Prozent, in Deutschland aber 43,8 Prozent. 155 Zweitens zeigte sich in der Steige- rungsrate der Konkurse die besonders starke Deklassierung der Selb- Faschismus als Mittelstandsbewegung 113 stndigen in Deutschland: Von 1928 bis 1930 stiegen die Konkurse in Frankreich um 11 Prozent, in den USA um 19 Prozent, in Deutschland aber um 42 Prozent. 156 Unbefriedigend ist die Analyse Winklers ber die Ursachen der so- zialen Deklassierung und des politischen Verhaltens der Kleineigent- mer. Einerseits scheint es bei ihm so, als sei subjektives Unvermgen dieser Schichten der wesentliche Grund gewesen: Durch autoritre Wunschbilder habe man sich daran hindern (lassen), soziale Konflikte als solche zu erkennen und auszutragen (S. 193 f.). So sei es zur Ent- fremdung zwischen Kleingewerbetreibenden und brgerlichem Libera- lismus und zur Selbstentfremdung des politischen Liberalismus gekommen (S. 157 u. 159). Andererseits spricht Winkler von Marktge- setzen (S. 194), von sozialem Wandel (S. 178), wirtschaftlichen Struk- turvernderungen (S. 197) und von der Tendenz zur Kartellierung und Monopolisierung (S. 196), wobei er aber zugleich die Fiktion aufrecht- erhlt, der Mittelstand knne sich diesem Proze anpassen (S. 197), brauche eben nur die Leistungsfhigkeit... zu steigern (S. 195). Ge- werbefreiheit, das heit die kapitalistische Konkurrenz ist aber fr den gewerblichen Mittelstand tatschlich ruins und nicht nur ruins in Anfhrungszeichen (vgl. S. 178), die Deklassierung ist real und existiert nicht nur in dessen Einbildung, sondern als soziales Gesetz des Kapita- lismus. Wenn man nicht das evidente Faktum akzeptiert, da dem Kapi- talismus das Gesetz zur Konzentration des Kapitals, zur Monopolisie- rung und damit zur fortschreitenden Deklassierung des selbstndigen Mittelstands notwendig immanent ist und weder durch Kartellgesetze noch durch Leistungssteigerung der Kleineigentmer aufgehalten wer- den kann, kommt man den strukturellen Ursachen dieser Prozesse ebenso wie dem Funktionswandel des Liberalismus nicht auf die Spur und verkennt also auch den Zusammenhang zwischen subjektiven und objektiven Faktoren im Verhalten dieser Schichten. Winkler reprodu- ziert hier im Grunde die Ideologie der brgerlichen Parteien, die seit dem 19. Jahrhundert dem selbstndigen Mittelstand Schutz und Erhal- tung versprechen, whrend sich real der Proze der Deklassierung konti- nuierlich fortsetzt und selbst innerhalb der kurzen Geschichte der Bun- desrepublik Deutschland den Anteil der Selbstndigen von 32 Prozent auf 17 Prozent reduziert hat. 157 Um diesen Proze kausal ableiten zu knnen, wren freilich Kategorien der politischen konomie erforder- lich, ber die die meisten Historiker und auch viele Sozialwissenschaft- ler infolge ihrer spezifischen Ausbildung nicht verfgen. Ebenso unbefriedigend bleibt der Versuch Winklers, aufbauend auf seinem empirischen Material, eine allgemeine Faschismustheorie zu 114 Theorien ber den Faschismus entwickeln. Statt das imperialistische Programm, das ja nicht von Hit- ler erfunden wurde, aus der Interessenlage der herrschenden Klasse Deutschlands abzuleiten, geht er gleichsam als prima causa von den imperialistischen Vorstellungen Hitlers aus, den er das Machtzentrum der NSDAP nennt (S. 160), und leitet von dort aus die Politik des deut- schen Faschismus ab. Obwohl er die massive Untersttzung eindeutig identifizierbarer gesellschaftlicher Gruppen (die Winkler freilich nicht eindeutig identifiziert) als notwendige Voraussetzung fr die Errichtung und Aufrechterhaltung des faschistischen Systems bezeichnet (S. 161); obwohl er darauf hinweist, da unkontrollierte Wirtschaftsmacht imstande war, das antidemokratische Potential der deutschen Nach- kriegsgesellschaft ihren Zwecken dienstbar zu machen, und obwohl er hervorhebt, da die Nationalsozialisten nach ihrer Machtergreifung die Erwartungen der fr sie fortan wichtigsten sozialen Interessen erfllten, und zwar im bersoll (S. 181), definiert er das faschistische System doch als Primat der Politik (S. 161), als Herrschaft einer politi- schen Clique (S. 180), die ihre eigenen Zielvorstellungen durchgesetzt habe und der nicht nur der Mittelstand, sondern auch die konomisch herrschende Klasse gewissermaen auf den Leim gegangen sei (vgl. S. 179). Der Mangel in Winklers Interpretation liegt also darin, da er weder das Votum des gewerblichen Mittelstands noch die massive Unterstt- zung der herrschenden Klasse fr den Faschismus, noch dessen innen- politische Funktion und imperialistische Auenpolitik gesellschaftlich- strukturell konsequent ableitet, sondern in letzter Instanz auf subjektive Faktoren - Vorstellungen Hitlers, Stimmungen des Mittelstands - re- kurriert. Das Instrumentarium von Winkler reicht jedoch aus, um ver- schiedene bislang sehr einflureiche Faschismusinterpretationen - von der Totalitarismustheorie bis zur These Lipsets vom Extremismus der Mitte - als unangemessen zu erweisen (vgl. S. 161, 180). Die soziale Zusammensetzung der faschistischen Bewegung in Deutschland, die bis zu einem gewissen Grade ihre Entsprechung fin- det in den anderen faschistischen Bewegungen der Zwischenkriegsperi- ode, darf brigens nicht zu der Schlufolgerung verleiten, da faschisti- sche Bewegungen immer genau diese soziale Struktur aufweisen ms- sen. Es wurde bereits darauf hingewiesen, da die selbstndigen Mittel- schichten in Handel, Handwerk, Kleingewerbe und Landwirtschaft, die die Hauptmasse der faschistischen Anhnger ausmachten, keineswegs notwendigerweise faschistisches Potential darstellen. Je nach den kon- kreten Bedingungen, insbesondere den politisch-ideologischen Tradi- tionen dieser Schichten in einem bestimmten Land und der Strke und Faschismus als Mittelstandsbewegung 115 Strategie der Arbeiterbewegung, knnen sie auch demokratische Poten- tiale darstellen und sich mit der Linken verbnden. Nun wre darauf hinzuweisen, da das faschistische Potential andererseits keineswegs auf diese Schichten beschrnkt ist. Schon die faschistischen Parteien der Zwischenkriegsperiode konnten in einem betrchtlichen Mae auch Lohnabhngige gewinnen, und zwar hauptschlich solche, die sich sub- jektiv zum Mittelstand rechneten, also Angestellte und kleine Beamte. Und in beachtlichem Umfang konnten sie sogar Arbeiter gewinnen, nmlich solche, die keine Bindung zur Arbeiterbewegung, zur Gewerk- schaft oder einer Arbeiterpartei, aufwiesen und deshalb fr die faschisti- sche Ideologie empfnglich waren. So zeigen die Wahlanalysen, da zwar die Arbeiterparteien SPD und KPD whrend der Aufstiegsphase der NSDAP 1929 bis 1932 insgesamt keine Whler an diese Partei verloren, da aber, soziologisch betrachtet, durchaus eine gewisse Anzahl von NSDAP- Stimmen aus der Arbeiterschaft kam. 158 Sie hatten vorher ver- mutlich brgerliche Parteien gewhlt oder waren den Wahlen fernge- blieben. Daraus folgt, da es keinen mechanischen Kausalzusammenhang zwischen sozialer Lage und Votum fr den Faschismus gibt, da auch die Arbeiterschaft keineswegs prinzipiell immun ist gegen faschistische Propaganda und Ideologie. Ihr Verhalten (wie auch das der Mittel- schichten) hngt vielmehr davon ab, wie stark die organisierte Arbeiter- bewegung in einem Lande ist, welche Kampferfahrungen und welchen Grad an politischem Bewutsein sie erworben hat. Eine Arbeiterschaft zum Beispiel, deren Organisationen durch faschistischen Terror zer- schlagen, deren Fhrer zu Zehntausenden ermordet, deren Bewutsein durch ein langdauerndes faschistisches Informations- und Propaganda- monopol beeinflut wurde, ist natrlich ideologisch geschwcht und ge- genber Propaganda von rechts weniger widerstandsfhig als eine Arbeiterschaft, der dies nicht widerfahren ist. So ist die Arbeiterschaft der Bundesrepublik gegenber rechtsgerichteten und faschistischen Parolen weniger widerstandsfhig als die Arbeiterschaft Frankreichs, Bel- giens oder Hollands. Eine hnliche Wirkung hat die langdauernde Ent- politisierung und Integration der Arbeiterklasse in den USA gehabt. In der Tat knnen dort faschistische Krfte auf eine gewisse Resonanz in der Arbeiterschaft rechnen, insbesondere in Krisensituationen. 159 Selbst- verstndlich kann ein solcher Zustand der relativen Entpolitisierung und Desorientierung durch neue Erfahrungen und Kmpfe berwun- den werden. Voreilig und allzu optimistisch aber wre die scheinbar historisch erwiesene Schlufolgerung, da die Arbeiterschaft prinzipiell gegen den Faschismus immun sei, da als faschistisches Potential 116 Theorien ber den Faschismus immer nur die selbstndigen Mittelschichten (und allenfalls noch die Angestellten) in Betracht kmen - und da also das faschistische Poten- tial immer geringer werde, weil ja der Anteil dieser Selbstndigen an der Gesamtbevlkerung immer strker zurckgehe. Die Frage nach der Bedeutung der Mittelstandstheorien mu jedoch noch radikaler gestellt werden: Wenn - wie oben ausgefhrt - die soziale Zusammensetzung der faschistischen Partei nichts aussagt ber die reale Politik des Faschismus, so fragt sich in der Tat, wozu eine Beschftigung mit der faschistischen Partei ntze ist, worin die Bedeutung dieser Partei eigentlich liegt. Sie liegt zunchst einmal darin, da seit dem Anwachsen der NSDAP zur Massenbewegung eine politische Kraft vorlag, die die beiden Hauptziele der herrschenden Klasse in besonders radikaler Form ver- trat. Schon im Kaiserreich hatte die herrschende Klasse in Deutschland ihre Hauptziele darin gesehen, nach innen eine autoritre Herrschafts- form zu sichern, um die Arbeiterbewegung und die anderen demokrati- schen Krfte niederhalten zu knnen, und nach auen ein weitgespann- tes Expansionsprogramm in Angriff zu nehmen (wofr ein autoritres Herrschaftssystem ebenfalls eine notwendige innenpolitische Voraus- setzung war). Dieses politische Konzept war 1918 mit der militrischen Niederlage und der Novemberrevolution zwar zunchst einmal geschei- tert, doch gelang es der herrschenden Klasse, die Revolution auf die Staatsform zu begrenzen, die Eigentums- und Gesellschaftsverfassung aber aufrechtzuerhalten und zugleich die Kontinuitt der Fhrungs- schichten zu sichern, das heit, die wesentlichen Machtpositionen in Justiz und Verwaltung, Ministerialbrokratie und Militr, Wissenschaft und Erziehungswesen zu erhalten. Von dieser Machtbasis aus konnte eine Revision der Niederlage und der Novemberrevolution von 1918 in Angriff genommen werden. Und in der Tat zeigen die Quellen und Dokumente, da die herrschende Klasse ihre beiden Hauptziele - Zu- rckdrngung der Arbeiterbewegung und Sicherung der Herrschaft im Innern und neuer Anlauf im Kampf um die Hegemonialstellung in Europa - nur vorbergehend zurckgestellt, aber keineswegs aufgege- ben hat. In Gestalt der NSDAP hatte sich nun seit 1930 eine Massenbewegung formiert, die genau diese beiden Hauptziele in uerst militanter Form vertrat. Alle wesentlichen Elemente der faschistischen Ideologie waren in bereinstimmung mit diesen beiden Zielen. Dies gilt fr Autoritaris- mus und Militarismus ebenso wie fr Nationalismus, Rassismus und Antikommunismus. In der Tat war diese Ideologie ja bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts aus der imperialistischen Politik entstanden Faschismus als Mittelstandsbewegung 117 und zur Rechtfertigung dieser Politik besonders im Ersten Weltkrieg massenhaft verbreitet worden. Die Fhrer der faschistischen Partei waren in diesem ideologischen Klima politisch geformt worden und hatten diese Ideologie zu ihrer Weltanschauung gemacht. Diese faschistischen Fhrer suggerierten nun den von der groen Wirtschaftskrise deklassierten und verngstigten und von den brgerli- chen Parteien und der parlamentarischen Demokratie enttuschten Massen, da die Zerschlagung der Demokratie, die Vernichtung des Marxismus, die Errichtung eines starken Staates und die Wiederher- stellung deutscher Macht und Gre die Rettung bringen werde. Fr die herrschende Klasse bot sich hier also ein Bundesgenosse an - min- destens fr den Fall, da andere Konzepte zur Bewltigung der Krise und zur Durchsetzung ihrer Hauptziele sich als unzureichend erweisen sollten. Eben dies wurde seit dem Herbst 1932, als die Prsidialdiktatu- ren als zu schwach, eine Wiederherstellung der Monarchie als illusio- nr und das Konzept einer Militrdiktatur als unrealisierbar sich her- ausgestellt hatten, immer deutlicher. 160 So wuchs die Bereitschaft in der Groindustrie, in der hohen Beamtenschaft und im Militr, den Fh- rern der faschistischen Partei die Regierungsgewalt zu bertragen. Die Bedeutung der faschistischen Partei liegt zweitens darin, da sie den brgerlichen Parteien der Mitte und der gemigten Rechten in der groen Wirtschaftskrise den grten Teil der Whler abgenommen hatte. Parlamentarisch abgesttzte brgerliche Koalitionsregierungen waren damit unmglich geworden; sie fanden keine Mehrheit mehr. Damit war der herrschenden Klasse zugleich das politische Instrumen- tarium genommen, mit dessen Hilfe sie bisher ihre Ziele in parlamenta- rische Mehrheiten und in Regierungspolitik umgesetzt hatte. Dieser Zu- sammenbruch der brgerlichen Parteien veranlate die herrschende Klasse schon seit 1930, sich fr die gnzliche Abschaffung der parla- mentarischen Demokratie und den bergang zu einer autoritren Herrschaftsform einzusetzen, die auf Mehrheiten im Volk und im Parla- ment nicht mehr angewiesen war. Das Anwachsen der faschistischen Partei zur Massenbewegung hat in dieser Hinsicht also bewirkt, da der Drang der herrschenden Klasse nach der Errichtung eines autoritren Systems noch wesentlich verstrkt wurde. Diese Konstellation zeigt, da einerseits die faschistische Bewegung nicht an die Macht kommen konnte ohne die Untersttzung der ma- geblichen Teile der herrschenden Klasse. Sie zeigt aber zugleich, da die herrschende Klasse in dieser Lage die faschistische Bewegung bentigt hat, um ihre Hauptziele durchzusetzen. Das Planspiel der Reichswehr ber die Mglichkeit einer Militrdiktatur Ende November 1932 161 118 Theorien ber den Faschismus hatte klar gezeigt, da die Errichtung einer Diktatur und die Zerschla- gung der Arbeiterbewegung nicht mglich war, wenn nur der staatliche und militrische Repressionsapparat zur Verfgung stand, und da angesichts der Strke der deutschen Arbeiterbewegung ein solches Kon- zept nur realisierbar war, wenn es sich auf eine Massenbasis sttzen konnte, wenn es aktive Untersttzung durch eine gut organisierte Mas- senbewegung erfuhr. Auf dieser Konstellation beruhte auch die Strke der faschistischen Fhrer in den Verhandlungen ber die Regierungsbildung. Hitler wute, da er gebraucht wurde, weil nur seine Partei in dieser Lage fhig war, Massen zu mobilisieren fr die terroristische Zerschlagung der Demokratie und der Arbeiterbewegung. Und er machte in diesen Ver- handlungen auch deutlich, da er sich dieses Werts bewut war. So argu- mentierte er zum Beispiel in einem Brief an den Reichsprsidenten Hindenburg vom 20. November 1932 wie folgt: Seit dreizehn Jahren stehe er, Hitler, im Kampf gegen das parlamentarische System. Des- halb habe er den Umbau der Staatsfhrung in Richtung auf einen autoritren Staat durch Hindenburg begrt. Ein solches Konzept funk- tioniere jedoch nur, wenn ein tragfhiger Teil des deutschen Volkes dahinterstehe. Unterbleibt dies, so entsteht eine sich nur auf Bajonette sttzende Diktatur, die ernsten Belastungen nicht standhalte. Die Folge kann nur der Bolschewismus sein. Das Scheitern der Prsidialre- gierungen habe bereits zur Folge gehabt, da das Vertrauen des Volkes auf den Nullpunkt gesunken sei. Die Bolschewisierung der breiten Massen schreitet rapide vorwrts. Wenn die NSDAP nicht an die Macht gebracht werde, sehe ich hinter uns nicht eine Militrdiktatur, sondern das bolschewistische Chaos. 162 Zusammenfassend kann die Bedeutung der faschistischen Massenbe- wegung fr die Errichtung der Diktatur also wie folgt bestimmt werden: Die Existenz dieser Bewegung hat es der herrschenden Klasse in Deutschland mglich gemacht, ihre beiden Hauptziele - die Entmach- tung der Arbeiterbewegung und die Errichtung eines starken Staates im Innern und die Schaffung machtpolitischer Grundlagen fr eine neue Expansionspolitik nach auen - 1933 wieder durchzusetzen. Mit dem Zerfall der brgerlichen Parteien und dem Anwachsen antikapitali- stischer Tendenzen in den Massen infolge der Wirtschaftskrise (auf die auch die NSDAP in ihrer Propaganda Rcksicht nehmen mute) war die parlamentarische Demokratie fr die herrschende Klasse nicht nur lstig, sondern geradezu gefhrlich geworden. In einer hnlichen Konstellation wurde auch in Spanien 1936, in Griechenland 1967 und in Chile 1973 die Demokratie beseitigt und eine Faschismus als Mittelstandsbewegung 119 Diktatur von rechts errichtet. In diesen Lndern wurde dieser Gewaltakt vom Militr vollzogen, da eine faschistische Massenbewegung nicht oder nur in schwachen Anstzen vorhanden war. Es ist jedoch - wie auch das militrische Planspiel vom November 1932 erwies - sehr zweifelhaft, ob diese militrische Ersatzlsung auch in Deutschland mglich gewesen wre. Die militrischen Fhrer hatten jedenfalls sehr starke Zweifel, zumal ihnen die Erfahrung des Kapp-Putsches von 1920, der durch einen Generalstreik besiegt worden war, also die Furcht vor isolierten militrischen Aktionen gegenber der Arbeiterbewegung, noch im Nacken sa. Insofern kann man sagen, da ohne die Existenz einer faschistischen Massenbewegung in Deutschland die Errichtung einer terroristischen Diktatur wahrscheinlich nicht mglich gewesen wre. Und dies ist in der Tat ein hinreichender Grund, sich mit der so- zialen Struktur und den Aufstiegsursachen dieser Bewegung zu befas- sen. Die Notwendigkeit einer solchen Analyse wird noch deutlicher, wenn man nach der Funktion der faschistischen Bewegung in der Dik- tatur nach der Machtbertragung an die NSDAP fragt. Es waren nm- lich hauptschlich die bewaffneten Verbnde dieser Partei, besonders der SA, die durch umfassenden Terror die Arbeiterbewegung zerschlu- gen und so die Konsolidierung der Diktatur ermglichten. Der traditio- nelle Staatsapparat - Polizei, Militr, Justiz usw. - und die traditionellen ideologischen Krfte - Kirchen, Professoren, Lehrer, Journalisten - haben diesen Proze zwar untersttzt, abgesichert und glorifiziert, doch htten sie ihn allein nicht durchsetzen knnen. Und auch fr die wei- tere Politik der faschistischen Diktatur, insbesondere fr die Sicherung des Herrschaftssystems und die Vorbereitung und Durchfhrung des Krieges, war die faschistische Bewegung von grter Bedeutung. Die relativ eigenstndige Machtstellung der faschistischen Fhrer gegen- ber Groindustrie, Militr und traditionellem Staatsapparat beruhte nun noch deutlicher als vor 1933 auf ihrer Fhigkeit, fr diese imperiali- stische Politik Massenuntersttzung zu gewinnen und dieses gewaltige System von Massenorganisationen zu lenken und zu kontrollieren (au- erdem natrlich darauf, da die faschistischen Fhrer nun Kontrolle ber einen Teil des Staatsapparats erlangten und daneben auch Teile der faschistischen Organisationen wie die SS mit staatlichen Hoheitsbefug- nissen ausstatteten). Und obgleich die faschistische Massenbewegung jetzt quantitativ enorm ausgeweitet war und in ihrer Struktur sich wesentlich verndert hatte, blieben doch die brgerlichen Mittelschich- ten die eigentliche Massenbasis und die zuverlssigste Sttze der Dikta- tur. Um so notwendiger ist eine genaue Analyse der Lage, der Ideologie, 120 Theorien ber den Faschismus des Verhaltens und des politischen Potentials dieser Schichten, wie sie die Mittelstandstheorien anstreben, aber - wie gezeigt wurde - leider nur sehr unzureichend leisten. Wenn oben gesagt wurde, da alle wesentlichen Elemente der faschi- stischen Ideologie funktional in bereinstimmung mit den Hauptzie- len der herrschenden Klasse waren und kausal-genetisch dem Boden des Imperialismus entstammten, so mu dies in zweierlei Hinsicht modifiziert werden. Erstens benutzten die Fhrer der faschistischen Partei auch antikapi- talistische Parolen, um die in der Krise in Bewegung geratenen, von der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung enttuschten und nach einer Alternative suchenden Massen zu gewinnen. Zwar versicherte Hit- ler in seinen Gesprchen mit Vertretern der herrschenden Klasse immer wieder, da diese antikapitalistische Propaganda nur agitatorische Bedeutung habe, da sie ntig sei, um zu verhindern, da diese Massen nach links gingen, da daraus aber keinerlei Manahmen zur Vernde- rung der bestehenden Gesellschaftsordnung in sozialistische Richtung folgen wrden und da er seine Partei auch fest in der Hand habe. 163 Dennoch mute sich in diesen Massen, die mit solchen Parolen mobili- siert waren, die Hoffnung und der Drang nach antikapitalistischen Manahmen - und sei es nur zum Schutze der Mittelschichten gegen- ber dem groen Kapital - entwickeln. In der Tat entstanden daraus in dem Augenblick, als die Partei an der Macht und der Hauptfeind, der Marxismus, vernichtet war, systembedrohende Tendenzen, deren Cha- rakter bei der Analyse des faschistischen Herrschaftssystems noch genauer zu betrachten ist. Zweitens gewann der Antisemitismus in der faschistischen Ideologie und Propaganda eine enorme Bedeutung. Dieser war zwar durchaus auf dem Boden der kapitalistischen Gesellschaftsordnung schon im Kaiser- reich entstanden und zur Sicherung dieser Ordnung benutzt worden: Den durch die Konzentration des Kapitals und durch konomische Krisen bedrohten Mittelschichten wurden die Juden als Sndenbock prsentiert, und damit wurde der Kapitalismus als der eigentliche Urhe- ber der Deklassierung der Mittelschichten dem Blickfeld entzogen. Auch in der faschistischen Partei funktionierte der Antisemitismus zunchst durchaus in dieser systemstabilisierenden Weise. Die faschisti- schen Fhrer deuteten den Kampf gegen den Kapitalismus weitgehend in einen Kampf gegen das Judentum um, das ja die Banken und die Warenhuser beherrsche, und kanalisierten damit die antikapitalisti- schen Tendenzen in eine fr den Kapitalismus ungefhrliche Richtung. Zugleich aber wurde der Jude in einem Mae zum Feind des Deut- Faschismus als Mittelstandsbewegung 121 schen und der Menschheit und zum destruktiven Element stilisiert, da der Antisemitismus in der faschistischen Diktatur dann Konse- quenzen zeitigte, die nicht mehr ohne weiteres als systemstabilisierend betrachtet und rein funktional verstanden werden knnen. Die antise- mitische Ideologie, an die mindestens einige faschistische Fhrer, vor allem Hitler selbst, fanatisch glaubten 164 , gewann in dem Augenblick eine starke Eigendynamik, als den Fhrern der faschistischen Partei die politische Macht bertragen worden war. Mit dem Kriegsbeginn schlielich wurden andere bis dahin diskutierte Lsungsmglichkeiten des Judenproblems, wie zum Beispiel die Aussiedlung nach Madagas- kar oder Lateinamerika, unmglich, und diese Eigendynamik erreichte schlielich das bekannte frchterliche Ausma. Was dies alles fr die Herrschaftsstruktur des faschistischen Systems bedeutete, wird noch zu untersuchen sein. b. Psychologische Theorien (Reich, Fromm) Psychologische Faschismustheorien knnen wichtige zustzliche Erkl- rungen dafr liefern, weshalb bestimmte soziale Schichten und Grup- pen sich dem Faschismus zugewandt und seine Politik untersttzt haben. Es soll hier nicht von der groen Zahl solcher Schriften die Rede sein, die individualpsychologisch in dem Sinne verfahren, da sie sich auf die psychische Struktur der faschistischen Fhrer beschrnken. Auf sie trifft die gleiche Kritik zu, die oben ber die Fhrertheorien schon formuliert wurde. Einen wesentlich hheren Erklrungswert haben dagegen sozialpsychologische Theorien, die sich die Frage stel- len, weshalb der Faschismus zu einer Massenbewegung werden konnte. Die Schwierigkeit einer Erklrung liegt darin, da diese Massen einer Bewegung gefolgt sind, die, ihren objektiven Zielen und ihrem Wesen nach, der extremste Vertreter der politischen und wirtschaftli- chen Reaktion war 165 , deren wirkliche Politik also in eklatanter Weise den sozialen Interessen ihrer eigenen Anhnger widersprach. Solchen Irrationalismus zu erklren, haben sich Wilhelm Reich und Erich Fromm zum Ziel gesetzt. 166 Nach Reich und Fromm mssen Denkformen und Verhaltensweisen sozialer Gruppen und Schichten aus ihrer sozialen Lage und Umwelt verstndlich gemacht werden, also von der Gesellschaft her, in der sie leben. Beide versuchen, die Psycho- analyse Sigmund Freuds und die Gesellschaftstheorie von Karl Marx so zusammenzubringen, da eine neue kritische Sozialpsychologie ent- 122 Theorien ber den Faschismus steht. Jngere Wissenschaftler haben hier angeknpft 167 , so da diese Form psychologischer Faschismustheorien auch fr die gegenwrtige Diskussion noch von erheblicher Bedeutung ist. Reich definiert seine Psychologie als die Forschung nach diesem 'subjektiven Faktor der Geschichte', nach der charakterlichen Struktur der Menschen einer Epoche und der ideologischen Struktur der Gesell- schaft 168 . Es geht um die Rolle der Ideologie und der gefhlsmigen Einstellung dieser Massen als geschichtlichen Faktors, um die Rckwir- kung der Ideologie auf die konomische Basis 169 . Der Marxsche Satz, da sich das Materielle (das Sein) im Menschenkopf als Ideelles (in Bewutsein) umsetzt, und nicht ursprnglich umgekehrt, lt zwei Fra- gen offen: erstens, .. das geschieht, was dabei 'im Menschenkopfe' vorgeht, zweitens, wie das so entstandene Bewutsein . . . auf den ko- nomischen Proze zurckwirkt. 170 Die Psychologie hat die Mittel und Mechanismen festzustellen, mittels derer sich das gesellschaftliche Sein der Menschen in psychische Struktur und derart auch in Ideologie um- setzt 171 , oder anders formuliert: die psychischen Auswirkungen der Produktionsverhltnisse im Individuum, das heit die Bildung der Ideologien 'im Menschenkopp, im Detail zu klren. Zwischen die End- punkte: konomische Struktur der Gesellschaft und ideologischer berbau, deren Kausalbeziehung die materialistische Geschichtsauffas- sung im allgemeinen erfat hat, schaltet die psychoanalytische Erfas- sung der Psychologie des vergesellschafteten Menschen einer Reihe von Zwischengliedern ein. 172 Reich untersucht die Beamten, die nach oben Untergebene, aber nach unten Vertreter der Obrigkeit sind und durch vllige Identifi- zierung mit der Staatsmacht gekennzeichnet seien 173 , und die Angestell- ten, die - in einer hnlichen Zwischenstellung lebend - sich mit dem Unternehmen identifizieren, in dem sie arbeiten, dabei jedoch immer den Blick nach oben gerichtet haben und nach auen reprsentativ auftreten, auch wenn ihre wirtschaftliche Lage schlecht ist. 174 Der glei- che Blick nach oben dominiere bei den Kleineigentmern in Handel und Handwerk, die einst eine gesicherte Position im Brgertum hatten und sich an dieser Vergangenheit orientieren. Was wirtschaftlich schlecht ist, msse also moralisch kompensiert werden. Daher stamme die Empfnglichkeit fr die Ideologie von Ehre, Pflicht, Treue, Autoritt und Vaterland. Die Frage nach der Herkunft solch irrationaler, den eigenen Interes- sen widersprechenden Denk- und Verhaltensformen versucht Reich materialistisch, das heit aus den realen Erfahrungen und Lebensbezie- hungen der Menschen zu erklren. Er will sich nicht mit dem Hinweis Faschismus als Mittelstandsbewegung 123 auf Manipulation und Verfhrung durch die Herrschenden begngen: Das irrationale, also der unmittelbaren sozialkonomischen Situation widersprechende Denken und Handeln der Massen ist selbst die Folge einer frheren, /..- sozialkonomischen Situation. 175 Nach Reich waren also die Einstellungen der Mittelschichten in einer frheren Peri- ode einmal realistisch. Doch da die psychischen Strukturen, die einer bestimmten historischen Situation entsprechen, in der frhen Kindheit in den Grundzgen formiert werden und einen weit konservativeren Charakter haben als die technischen Produktivkrfte, so ergibt sich, da mit der Zeit die psychischen Strukturen hinter der Entwicklung der Seinsverhltnisse, denen sie entsprangen und die sich rasch weiterent- wickeln, zurckbleiben und mit den spteren Lebensformen in Konflikt geraten mssen. Das ist der Grundzug des Wesens der sogenannten Tra- dition. 176 Reich betont besonders die Rolle des autoritren Vaters in der Erzie- hung und der Familie: Der autoritre Staat hat als seinen Vertreter in jeder Familie den Vater, wodurch sie sein wertvollstes Machtinstrument wi r d. . . Die gleiche Stellung, die der Vorgesetzte dem Vater gegenber im Produktionsproze einnimmt, hlt er selbst innerhalb der Familie fest. Und seine Untertanenstellung zur Obrigkeit erzeugt er neu in sei- nen Kindern, besonders in seinen Shnen. Aus diesen Verhltnissen strmt die passive, hrige Haltung der kleinbrgerlichen Menschen zu Fhrergestalten. 177 So sei die Familie die erste und wesentlichste Reproduktionssttte jeder Art reaktionren Denkens 178 . In die gleiche Richtung wirken nach Reich Religion und Kirche. Ne- ben der Verbreitung irrationaler Ideologie sei dabei die Unterdrckung sexueller Triebe und Bedrfnisse von besonderer Bedeutung. Die sexuellen Hemmungen, die ausschlaggebend mit Hilfe der religisen Angst durchgesetzt werden, seien die wichtigsten Voraussetzungen des Bestehens der brgerlichen Familie . . . und die wesentlichsten Grundla- gen der Strukturbildung des kleinbrgerlichen Menschen 179 . Diese Angst mache die Menschen passiv und unpolitisch und drnge sie zu Wegen der Ersatzbefriedigung, die sich im Sadismus, aber auch in der sexuellen Attraktivitt militrischer Uniformen und Aufmrsche und in vielen anderen Gestalten uern knne. Aus all diesen Grnden seien besonders die Mittelschichten prdis- poniert gewesen, einer Partei Gefolgschaft zu leisten, deren Fhrung objektiv sowohl wie subjektiv den Interessen der arbeitenden Men- schenmassen genau entgegengesetzt war 180 . Whrend Reich versucht, das Votum der Mittelschichten fr den Faschismus in Deutschland aus der sozialen Lage dieser Schichten im 124 Theorien ber den Faschismus entwickelten Kapitalismus abzuleiten, geht Fromm von der Entwick- lung dieser Schichten seit dem Beginn des Kapitalismus aus und bezieht sich dabei besonders auf die deutsche Geschichte. 181 (Insofern enthlt seine Interpretation also auch Elemente der Theorie von der deutschen Sonderentwicklung, ohne da diese allerdings deutlich als solche gekennzeichnet und herausgearbeitet wrden.) Diese historische Untersuchung soll zeigen, wieso sich die Charakterstruktur des Men- schen unter dem Monopolkapitalismus von der im 19. Jahrhundert un- terscheidet (S. 20); sie soll die Charakterverfassung jener Kreise (dar- stellen), die die Trger des Nazismus waren, und die psychologischen Eigentmlichkeiten seiner Ideologie (S. 204). Der Kapitalismus bedeutet von Beginn an eine Bedrohung fr Frei- heit und Individualitt: Im Kapitalismus wurden Wirtschafts-Aktivitt, Erfolg, materieller Gewinn zu Selbstzwecken. Es wurde des Menschen Bestimmung, zum Gedeihen des Wirtschaftssystems beizutragen, Kapi- tal anzuhufen - nicht zum Zweck eigener Glckseligkeit, eigenen Heils, sondern als Ziel an sich, als Endziel. Der Mensch wurde ein Zahn am Riesenrad der Wirtschaftsmaschine - ein gewichtiger, wenn er ber viel Kapital verfgte, ein unbedeutender, wenn er keines besa, immer jedoch ein Radzahn, der auerhalb seiner selbst gelegenen Zwecken diente (S. 113). Die Beziehung von Mensch zu Mensch ist nicht mehr menschlich, sondern mechanisch instrumentiert. Die Gesetze des Marktes gelten jetzt auch fr die persnlichen und sozialen Beziehungen (S. 120). Die Entfaltung des Kapitals, des Marktes, des freien Wettbewerbs machte auch die persnliche Lage der Menschen zu einer unsicheren und be- sorgniserregenden (S. 67). Dabei sei am meisten der Mittelstand durch die bermacht der Monopole und weit berlegene Kapitalkraft be- droht, ein Zustand, der . . . Geist, Seele, Denk- und Gemt sart . . . auf das strkste beeinflute (S. 47). Fromm sieht darin eine langfristige Ten- denz, betont aber zugleich, da diese sich nach 1918 wesentlich ver- schrfte: Die Konzentration des Kapitals (nicht des Reichtums) auf bestimmte Sektoren der Wirtschaft beschrnkte die Erfolgsmglichkei- ten persnlicher Initiative, Intelligenz und Courage, und dort, wo das Monopolkapital den Sieg davontrug, wurden viele selbstndige Existen- zen zerstrt. Fr die, die dagegen ankmpften, nahm der Kampf solche Ausmae und Formen an, da ihr persnlicher Mut und Unterneh- mungsgeist bald dem Gefhl einer hoffnungslosen Ohnmacht wich. Eine an Zahl sehr kleine Gruppe bte eine enorme Macht auf Staat und Gesellschaft aus; an ihren Entschlssen hing das Schicksal des Gro- teils der Bevlkerung. Die deutsche Inflation von 1923, der amerikani- Faschismus als Mittelstandsbewegung 125 sche Brsenkrach von 1929 steigerten das allgemeine Gefhl der Unsi- cherheit ins Ungeheure; vielen zerschlugen sie die letzte Hoffnung, je durch eigene Kraft vorwrts zu kommen, und den ererbten Glauben an unbegrenzte Erfolgsmglichkeiten (S. 125). Bei den abhngig Arbeitenden kam das Gespenst der Arbeitslosig- keit hinzu, das vielen Millionen nichts lt als das Gefhl der Unsi- cherheit (S. 132). In einer solchen Situation suchen die Menschen nach Fromm die- ser Art Freiheit zu entrinnen, einzumnden in irgendeine Art von Ver- bundenheit des Menschen mit einer Welt, die ihm Erlsung von aller Ungewiheit verspricht (S. 44). Seit Luther schon versuchen viele, dadurch Sicherheit zu erlangen, da sie, das isolierte Selbst ausschal- tend, ein Werkzeug in den Hnden einer berwltigend starken Macht auerhalb des Individuellen werden - sei dies nun der Autoritt Gottes, des Staates oder eines Fhrers (S. 83 u. 87). Durch das Eingehen in eine als unerschtterlich, stark, ewig, ruhmreich empfundene Macht wird man zum Teilhaber ihrer Gewalt und Glorie (S. 115). So knne das Individuum einige Sicherheit (gewinnen), in der Vereinigung mit Mil- lionen anderer, die diese Gefhle teilen (S. 153). Sowohl dieses maso- chistische wie auch das sadistische Streben soll dem Individuum zur Flucht aus seinem unertrglichen Einsamkeits- und Ohnmachtsgefhl verhelfen (S. 151). Der Sadist braucht seinen Untertan dringend. Denn sein ganzes Kraftgefhl beruht auf dem Faktum, da er ber irgendwen herrscht (S. 145). Hitler konnte nach Fromm nur deshalb so erfolgreich sein, weil er soziologisch wie auch ideologisch der typische Vertreter des Kleinbrgertums (war), ein Niemand ohne Zukunftsaussichten, der sich ganz ausgesprochen als Ausgestoener fhlte (S. 212). Fromm nennt dies den sadomasochistischen oder autoritren Charakter, weil beide Momente zusammengehren: Er bewundert die Autoritt und strebt danach, sich ihr zu unterwerfen; gleichzeitig will er selbst Autoritt sein und andere gefgig machen (S. 163). Die ueren Mchte begreift er als Schicksal: Es ist fr ihn 'Schicksal', da es Kriege gibt; 'Schicksal', da die einen herrschen und die andern beherrscht werden; 'Schicksal', da die Summe des Leidens nie weniger wird. Das Schicksal kann hierbei als 'Naturgesetz' rationalisiert werden oder als 'menschliche Bestimmung', religis als 'Wille des Herrn', ethisch als 'Pflicht' - fr den autoritren Charakter ist es stets eine hhere Macht, der sich das Individuum zu unterwerfen hat (S. 169). Nach Fromm war nun dieser autoritre Charakter typisch fr groe Teile des Kleinbrgertums in Deutschland und anderen europi- schen Lndern (S. 163). Von hier aus erklrt er die Anflligkeit fr die 126 Theorien ber den Faschismus faschistische Ideologie: Die Frage, wieso die Nazi-Ideologie einen sol- chen Anreiz fr das Kleinbrgertum darstellte, beantwortet sich aus des- sen sozialer Lage und seinem Charakter. Er unterschied sich scharf von dem der Arbeiterklasse, des gehobenen Brgertums und des Adels der Zeit vor 1914. Bestimmte Zge waren fr diesen Teil des Mittelstands zu allen Zeiten seit seinem Bestehen charakteristisch gewesen: seine Vereh- rung des Starken, sein Ha auf den Schwachen, Engherzigkeit, Klein- lichkeit, Feindseligkeit, Sparsamkeit bis zum Geiz (sowohl mit Gefhlen wie mit Geld) und besonders seine Kargheit, sein Asketismus. Des Kleinbrgers Blick ins Leben war eng, er beargwhnte und hate den Fremden, beneidete die eigenen Bekannten, spionierte sie aus und ver- deckte (rationalisierte) seinen Neid in Gestalt von moralischer Entr- stung. Sein ganzes Dasein beruhte auf Drftigkeit - seelisch und wirt- schaftlich . . . Obwohl aber der gesellschaftliche Charakter des Kleinbrgertums schon lange vor 1914 unzweifelhaft der gleiche war, verstrkten - ebenso unzweifelhaft - die Nachkriegsereignisse speziell jene seit langem vor- handenen Charakterzge, auf die die Nazi-Ideologie ihren mchtigen Anreiz ausbte, nmlich: die Sucht, sich zu unterwerfen, und die Begierde nach Macht . . . Die Nachkriegszeit brachte betrchtliche Vernderungen. Der wirt- schaftliche Niedergang des alten Mittelstands wurde durch die Infla- tion, die 1923 ihren Hhepunkt erreichte, beschleunigt. Die Ersparnis vieler arbeitsreicher Jahre wurden hinweggefegt. Zwar brachte die Zeit von 1924 bis 1928 eine wirtschaftliche Besserung und dem Mittelstand neue Hoffnungen und Gewinne, allein die Depression, die 1929 ein- setzte, fra sie hinweg. Wie in der Inflationszeit war der Mittelstand, eingequetscht zwischen der Oberschicht und dem Proletariat, die wehr- loseste und daher am schwersten getroffene Gruppe. Neben und mit den wirtschaftlichen drckten die seelischen Zustnde. Da war der verlorene Krieg und der Sturz der Monarchien. Der Staat und die Frsten waren sichere Felsen gewesen, auf die - psy- chologisch gedacht - der Kleinbrger sein Dasein aufgebaut hatte; ihr Sturz und die Niederlage erschtterten die Grundlage seines Seins (S. 207-209). (Bert Brecht sieht brigens einen hnlichen Zusammenhang zwi- schen Kleinbrgertum und faschistischer Ideologie 182 : Nach mancher- lei Enttuschungen, die ihnen innere und uere Feinde bereitet hatten, entschlossen sich die Kleinbrger meiner Heimat, die sehr zahlreiche Kaste der Kleingewerbetreibenden, Schullehrer, Ladenbesitzer, Subal- ternoffiziere, Anstreicher, Studenten und so weiter, nunmehr groe Faschismus als Mittelstandsbewegung 127 Taten zu verrichten. Einige ihrer Leute hatten ihnen klargemacht, da ihre elende Lage - sie waren alle mehr oder weniger bankrott - von einer allzu materialistischen Einstellung dem Leben gegenber her- rhre, und so hofften sie jetzt durch einen krftigen Idealismus, das heit durch unbegrenzten Opfersinn, eine menschenwrdigere Existenz aufbauen zu knnen. Sie zweifelten nicht, da dabei fr den einzelnen manches abfallen wrde. Sie erkannten, da sie ohne Fhrung nur eine Herde von Schafen waren. 'Wenn man uns nicht tchtig schurigelt, anbrllt und in die Fresse haut, bleiben wir elende Jammerlappen', sag- ten sie, 'so knnen wir uns unmglich weiter herumlaufen lassen.') Fromm betont den Unterschied zwischen dem Kleinbrgertum und der Arbeiterschaft, die sich nicht mit dem Kaiserreich identifiziert hatte, sondern das alte Regime bekmpft und deshalb in der Niederlage von 1918 auch weniger eine nationale Schmach als die Niederlage der Monarchie erblickt hatte (S. 211). Doch er sieht zugleich, da die Nei- gung zum Faschismus ber die Mittelschichten hinausreichte: Die Bevlkerung war in weitesten Kreisen von jenem Gefhl persnlicher Bedeutungslosigkeit und Ohnmacht erfat, das wir als generell und typisch fr die Epoche des Monopolkapitalismus aufgezeigt haben (S. 212). Fromm ist sich bewut, da er mit seiner Darstellung keine vollstn- dige Erklrung des deutschen Faschismus liefert: Diese psychologi- schen Bedingungen waren nicht die 'Ursache' des Nazismus. Sie schu- fen ihm die menschliche Basis, ohne die er sich nicht htte entwickeln knnen (S. 212). Die konomischen und politischen Bedingungen seien damit noch nicht erfat: Der Leser sei lediglich an den Anteil erinnert, den die Vertreter der Schwerindustrie und die halbbankerotten Junker an der Errichtung der Naziherrschaft hatten. Ohne ihren Bei- stand htte Hitler niemals gewonnen; ihre Hilfeleistung aber erfolgte weit mehr aus schlauem wirtschaftlichem Eigennutz denn aus psycho- logischen Ursachen (S. 213). In der Tat habe das faschistische Regime dann auch keineswegs die Interessen des Kleinbrgertums realisiert. Es reprsentierte vielmehr die 'Stromlinienform' des deutschen Vorkriegsimperialismus. See- lisch lie das Nazitum den Kleinbrgerstand aufleben und befrderte gleichzeitig seinen sozialkonomischen Ruin. Es mobilisierte seine gefhlsmig bedingten Energien, die eine wichtige Kraft im Kampf fr die wirtschaftlichen und politischen Ziele des deutschen Imperialismus wurden (S. 214f.). Aus dem Ansatz von Fromm folgt, da die Gefahr des Faschismus nicht endgltig berwunden werden kann, solange der Kapitalismus 128 Theorien ber den Faschismus besteht. Er weist mehrfach darauf hin, da es Tendenzen zur Einschrn- kung und Abschaffung der Freiheit und zur Entmndigung des Men- schen auch in den demokratisch verfaten kapitalistischen Lndern gibt: Die Hauptstraen dieser Flucht in unserer Zeit waren in den faschistischen Lndern die Unterwerfung unter einen Fhrer und in unseren groen Demokratien eine zwanghafte Gleichfrmigkeit (S. 135). Der vernnftige klare Appell an (die) berlegung ist zur Aus- nahme der politischen Propaganda geworden - auch in allen demokra- tischen Lndern; und angesichts des Aufwands und Umfangs der Par- teien kann der Wahlberechtigte nicht umhin, sich armselig und neben- schlich vorzukommen (S. 131). Den Ausweg sieht Fromm darin, da die Menschen die gesellschaftliche Entwicklung wirklich unter ihre ei- gene Kontrolle bekommen: An Stelle des Irrationalen, Planlosen unse- rer Gesellschaft mu eine geplante Wirtschaft treten, die den planmi- gen Anstrengungen der Gesamtheit und ihrer Willensmeinung ent- spricht (S. 265). Es kann kein Zweifel bestehen, da solche Theorien ber den Faschismus einer genaueren Betrachtung wert sind. Ihre Fragestellung ist notwendig und wesentlich: Wie kommt es, da betrchtliche Teile der Bevlkerung, besonders der Mittelschichten, mit oft blindem Ver- trauen und fanatischer Ergebenheit einer Partei folgen, deren Ideologie primitiv und irrational und deren reale Politik nicht nur brutal und ter- roristisch war, sondern auch den Interessen der eigenen Anhngerschaft ganz kontrr? Es gengt offensichtlich nicht, auf die Demagogie der faschistischen Fhrer hinzuweisen, weil das keine Antwort auf die Frage ist, warum die Massen dieser Demagogie verfielen und sich verfhren lieen. Welche Prdispositionen in der Psyche bestimmter Gruppen und Schichten waren es, die sie fr die faschistische Propaganda emp- fnglich machten? Welche sozialen Bedingungen und Erfahrungen wur- den von ihnen in Ideologie und politisches Verhalten umgesetzt? Wel- ches waren die psychischen Mechanismen, die dabei wirksam waren? Es geht also um das Verhltnis von Gesellschaft, Ideologie und Verhalten der Individuen, das von sozialpsychologischen Theorien ber den Faschismus thematisiert wird. In den bisher vorliegenden Untersuchungen zu diesen Fragen sind viele aufschlureiche Materialien gesammelt und bedenkenswerte Ideen geuert worden. Da sie dennoch nicht voll befriedigen, hngt vermutlich mit dem Entwicklungsstand der Sozialpsychologie und deren Anwendung auf die Geschichte zusammen. Die Schwierigkeit bei der Bestimmung der Fhigkeiten des Indivi- duums und der Erklrung seines Erlebens und Verhaltens liegt offen- Faschismus als Mittelstandsbewegung 129 sichtlich darin, die biologische, die gesellschaftlich-historische und die individual-geschichtliche Entwicklung zusammenzubringen und als eine widersprchliche Einheit zu begreifen. An dieser Schwierigkeit ist die herkmmliche Psychologie - trotz allerlei richtiger Erkenntnisse im einzelnen - gescheitert. Sie versteht den Menschen einseitig entweder als biologisch determiniert oder als umweltbestimmt oder als Bndel psychischer, innerer, subjektiver Prozesse; das heit, sie versteht ihn entweder als Natur oder als Umwelt oder als Geist bzw. Seele. Auch die Umwelttheoretiker, die sich selbst oft wissenschaftlich als materialistisch und politisch als fortschrittlich verstehen, vertreten also ein mechanistisch-deterministisches Modell, weil sie die Umwelt, die der Mensch zunchst einmal vorfindet, als fertig vorgegeben, sozusagen als zweite Natur betrachten und die menschliche Ttigkeit nur als pas- sive Anpassung oder allenfalls als Protest, nicht aber als stndige Vern- derung dieser - ihrerseits ja bereits aus menschlicher Ttigkeit hervor- gegangenen - Umwelt, nmlich der gesellschaftlichen Verhltnisse. Sie bleiben damit die Antwort auf die Frage schuldig: Wer macht die Umwelt, wenn die Umwelt den Menschen macht. Auch die Psychoana- lyse, deren groe Verdienste besonders bei der Thematisierung des Pro- blems des Unbewuten nicht geleugnet werden knnen, kommt in die- sem Punkt ber die Gegenberstellung von Triebstruktur (als Natur) einerseits und Gesellschaft andererseits (und allenfalls die Parteinahme fr die Natur gegen die repressive Gesellschaft) nicht prinzipiell hin- aus. Das Dilemma der traditionellen Geschichtswissenschaft, die, wie gezeigt wurde, die individuellen Handlungen nicht mit dem Geschichts- proze als Ganzem zusammenbringen kann, findet hier seine spezifisch psychologische Entsprechung. Beide scheitern daran, da sie keinen Begriff von materiellen gesellschaftlichen Verhltnissen entwickeln; es kme darauf an, Gesellschaft als real vorgegeben und zugleich von Men- schen gemacht und somit vernderlich zu begreifen, oder anders gesagt: den Menschen zugleich als Resultat und als Schpfer der Geschichte. Die bisherigen Theorien begreifen entweder das historische Gesche- hen als willkrliches Produkt von Fhrerpersnlichkeiten, die mit bestimmten psychischen Qualitten ausgestattet sind. Oder sie begrei- fen Geschichte als notwendiges Produkt einer naturbedingten und un- abnderlichen Menschenpsyche. Hierher gehren auch alle Theorien, die von der angeborenen Aggressivitt des Menschen ausgehen und von hier aus verstndlicherweise nicht erklren knnen, weshalb massenhaf- tes aggressives Verhalten in der Geschichte keineswegs stndig, sondern nur zeitweise, nur unter bestimmten Bedingungen, vorkommt. Diese Theorien lenken nicht nur von den wirklichen sozialen Ursachen ab, 130 Theorien ber den Faschismus die aggressives Verhalten erzeugen, und von den sozialen Gruppen, die von Krieg und Gewaltpolitik profitieren, sondern sie schneiden der Menschheit auch die Hoffnung ab, durch eine vernnftige Gestaltung der sozialen Beziehungen eine friedliche Zukunft sichern zu knnen. Kein grundstzlich anderes Resultat erzielen Theorien, die die psychi- sche Struktur und das Verhalten der Menschen als mechanisches Pro- dukt der Umwelt auffassen. In beiden Modellen stehen sich Mensch und Umwelt getrennt und abstrakt gegenber, wobei einmal der Mensch seine Umwelt je nach sei- nem Belieben und ganz willkrlich gestaltet, im anderen Fall die Um- welt den Menschen vollstndig determiniert. Im ersten Fall erscheint der Mensch als freischaltendes und freiwaltendes Subjekt, im zweiten als wehrloses Objekt. Statt dessen kme es darauf an, die Beziehung zwi- schen Mensch und Gesellschaft als eine Wechselbeziehung, als dialek- tisch zu begreifen: die gegebene gesellschaftliche Umwelt mit all ihren Normensystemen, Verhaltensmustern, Vorstellungen, Kenntnissen und Strukturen ist ebenso Produkt menschlicher Ttigkeit (vergangener Generationen), wie jede neue Generation, jede soziale Gruppe und je- des Individuum zunchst einmal durch diesen vorgegebenen Rahmen bestimmt wird, insofern Produkt dieser gesellschaftlichen Umwelt ist, die dann aber durch neue Ttigkeit weiterentwickelt und verndert wird. Das Dilemma ist also nur zu lsen, wenn die Psychologie (wie die Geschichtswissenschaft) bei dem Grundtatbestand menschlicher Exi- stenz ansetzt, in dem sich Natur und Individuum miteinander vermit- teln: bei der gegenstndlichen Ttigkeit, in der das Subjekt real mit dem Objekt verbunden ist; bei der Arbeit also, in der die Menschen die Natur zum Zwecke ihrer Existenzsicherung umgestalten, sich dabei not- wendig in einer bestimmten Weise gesellschaftlich organisieren und in diesem Proze ihre individuellen wie ihre gattungsmigen Wesens- krfte vergegenstndlichen und weiterentwickeln. Eine solche materialistische und dialektische Psychologie, die den Menschen zugleich als Produzenten und als Produkt der Gesellschaft, als Resultat und als Schpfer der Geschichte versteht, mte also von der menschlichen Ttigkeit und Arbeit ausgehen, durch die der Mensch seine eigenen Lebensmittel, seine soziale Umwelt und damit sich selbst schafft. (Und nicht von einer biologisch vorgegebenen Triebstruktur, wie dies die Psychoanalyse tut.) Sie ist in bezug auf den konkreten historischen Proze noch nicht ausgearbeitet. 183 Reich sieht dieses Problem, wenn er es als Aufgabe formuliert zu kl- ren, wie sich das gesellschaftliche Sein im Menschenkopf in Bewutsein umsetzt und wie das so entstandene Bewutsein dann auf die gesell- Faschismus als Mittelstandsbewegung 131 schaftliche und politische Entwicklung zurckwirkt. 184 Der Weg, den Reich, Fromm und seither viele andere beschritten haben, scheint jedoch wenig zukunftweisend fr die Klrung dieses Problems (obwohl ihre Argumentation in manchen Passagen eine betrchtliche Evidenz besitzt). Die Psychoanalyse als Instrument zur Erklrung kollektiven Verhaltens beruht auf einem spekulativen Modell und entzieht sich empirischer berprfung. (Bei der Psychoanalyse als klinische Therapie gegenber Individuen mag das anders sein.) Die Vorstellungen einer biologisch determinierten Triebstruktur wird zwar bei Reich und Fromm zugunsten der Vorstellung einer durch historische und gesell- schaftliche Einflsse begrenzt vernderbaren psychischen Struktur auf- gegeben, doch bleiben die Grenzen und die Art und Weise dieser Vern- derbarkeit unbestimmt - und damit auch die Beziehungen zwischen Gesellschaftsproze und Charakterstruktur. Ein besonderes Problem stellt dabei die Annahme der Psychoanalyse dar, da die Charakterstruktur, soweit die biologisch vorgegebene Triebstruktur noch Raum fr Entfaltungsmglichkeiten bietet, in der frhkindlichen Periode weitgehend festgelegt wird. Erst aus dieser Annahme, die auch von Reich geteilt wird, kann die enorme Bedeutung abgeleitet werden, die die Psychoanalyse der Familie beimit. Die Fami- lie, die - wie andere gesellschaftliche Institutionen und Teilbereiche - in Entstehung und Struktur ihrerseits von der Entwicklung der Ge- samtgesellschaft her erklrt werden mte, erscheint hier gewisserma- en als Primrfaktor, der die Denk- und Verhaltensformen der Indivi- duen und damit die Entwicklung der Gesamtgesellschaft weitgehend bestimmt. Dieser Vorstellung ist auch Reich noch stark verhaftet. So lei- tet er zum Beispiel die Konkurrenzmentalitt der Kleineigentmer nicht primr aus deren realen Lebensverhltnissen und Erfahrungen ab, vom Markt- und Konkurrenzprinzip des Kapitalismus, der die Wirtschafts- subjekte ntigt, bei Strafe des sozialen Untergangs sich egoistisch gegen die Konkurrenten durchzusetzen. Sondern Reich mit den Erfahrungen des Kleinkindes die primre Bedeutung zu: Zur Entwicklung der indi- vidualistischen Struktur des Kleinbrgertums trgt die wirtschaftliche und soziale Konkurrenzeinstellung erst sehr spt bei, und was hier an reaktionren Ideologien gebildet wird, baut sich sekundr auf psychi- schen Prozessen auf, die sich schon in der Psyche des Kleinkindes abspielen, das im Familienmilieu aufwchst. Reich verweist dann auf die Konkurrenz zwischen den Kindern und den Erwachsenen und die Konkurrenz zwischen den Kindern derselben Familie in ihrer Bezie- hung zu den Eltern. 185 Aus den gleichen methodischen Grnden ist auch seine oben zitierte 132 Theorien ber den Faschismus Erklrung fr das Wesen der sogenannten Tradition unzureichend. Er leitet dort die Nichtbereinstimmung des Bewutseins mit der Wirk- lichkeit daraus ab, da das Bewutsein schon in der frhen Kindheit hauptschlich durch die Familie geformt wurde, da sich in den folgen- den Jahrzehnten dann die Wirklichkeit jedoch gendert habe. Diese Erklrung wre aber allenfalls dann berzeugend, wenn sich die kono- mische und soziale Lage der Eltern tatschlich im Zeitraum zwischen ihrer eigenen Erziehung und der ihrer Kinder entscheidend verndert htte. Dies ist aber eher die Ausnahme als die Regel. Generell erscheint eben in dieser Theorie die Familie als wesentlichste Reproduktions- sttte jeder Art reaktionren Denkens - unabhngig von ihrer gesell- schaftlichen Bestimmtheit und Unterschiedlichkeit der Lage. Auch bei Fromm bleibt hier ein deutlicher Widerspruch. Einerseits spricht er vom Unterschied zwischen Freuds biologischer und meiner soziologischen Orientierung (S. 282) und sieht auch die Gesellschafts- funktion der Erziehung, das Individuum zu der Rolle zu befhigen, die es spter in der betreffenden Gesellschaft zu spielen hat, das heit, sei- nen Charakter so umzuschmelzen, da er sich dem Gesellschaftscharak- ter nach Mglichkeit annhert und seine Wnsche mit den Erfordernis- sen seiner gesellschaftlichen Aufgabe in Einklang bringt. Das Erzie- hungssystem einer jeden Gesellschaft ist durch diese Funktion bestimmt. Deshalb geht es nicht an, den Gesellschaftsbau selbst oder die Persnlichkeit seiner Mitglieder aus dem Erziehungsverfahren zu erkl- ren. Vielmehr haben wir das Erziehungssystem aus den Notwendigkei- ten zu erklren, die aus der sozialen und konomischen Struktur einer bestimmten Gesellschaft resultieren (S. 278). Andererseits aber hlt Fromm doch an der These Freuds fest, da die frhesten Kindheitserlebnisse entscheidenden Einflu auf die Cha- rakterbildung haben (S. 279). Die grundlegenden Lebensbedingun- gen, die den Charakter formen (S. 281), sind also nicht die realen Lebens- und Arbeitsttigkeiten des Menschen, in denen er seine Exi- stenz reproduziert und seine Umwelt verndert, sondern eben doch die Erziehungsbedingungen des Kleinkindes in der Familie. In diesen methodischen Schwchen mag auch der Grund dafr lie- gen, da auch diese sozialpsychologischen Theorien (ebenso wie die anderen Mittelstandstheorien) das Votum der Mittelschichten fr den Faschismus im Falle einer Krise als Zwangslufigkeit darzustellen geneigt sind und die im vorigen Kapitel dargelegte Alternativstruktur im Verhalten dieser Mittelschichten nicht oder jedenfalls nicht klar genug sehen. So kann Reich auch nicht erklren (und er sieht dies auch gar nicht), da sich die Mittelschichten in anderen Lndern und unter Faschismus als Mittelstandsbewegung 133 anderen Bedingungen politisch ganz anders verhalten haben. Alle diese Mngel knnen, wie die Konzepte von Reich und Fromm zeigen, auch nicht dadurch behoben werden, da man das Modell der Psychoanalyse mit der Gesellschaftstheorie von Marx zu kombinieren versucht, deren Grundlagen damit nicht vereinbar sind. 186 Trotz der Unzulnglichkeit der bisherigen sozialpsychologischen Theorien kann nicht bestritten werden, da diese unser Verstndnis ber die faschistischen Bewegungen und die Motivationen ihrer Anhnger verbessert haben. Im brigen sind ihnen natrlich die glei- chen, im vorigen Kapitel dargestellten Grenzen gesetzt wie allen Theo- rien, die sich auf den Aspekt der sozialen Basis des Faschismus beschrnken, ohne seine soziale Funktion und sein Herrschaftssystem in die Analyse einzubeziehen. Die zahlreichen neueren Versuche, an die Tradition der Linksfreu- dianer anzuknpfen, die besonders im Gefolge der antiautoritren Stu- dentenbewegung entstanden, haben ber das von Reich und Fromm erreichte Niveau nicht hinausgefhrt; in manchen Fllen sind sie sogar dahinter zurckgeblieben. 187 Den hchsten Grad an Irrationalitt und methodischer Verworrenheit erreicht dabei das Buch von Theweleit, das den Faschismus auf ein gestrtes Verhltnis der Mnner zur Frau redu- ziert und das gesamte reichhaltige Material in dieses Erklrungsschema pret. Damit wird nicht einmal mehr das geleistet, was die Psychoana- lyse leisten knnte. Elisabeth Endres hat die Mngel dieses Buches in einer przisen Kritik offengelegt: Die Mnnlichkeit ist an allem schuld. Weil die Mnner die Frauen entweder zu Idolen erheben oder sie als das Strmende und das Flutende schlechthin empfinden, fhlen sie sich unterlegen, gefhrdet oder herausgefordert. Deshalb machen sie Terror, die Mnner, nicht etwa eine soziologisch oder politisch abgrenz- bare Gruppe von Menschen. Es sei genau diese Droge des intellek- tuellen Irrationalismus, die einschlfert und lediglich den sehr khl denkenden Machthabern (hilft), die sich zur gegebenen Zeit den Irratio- nalismus zunutze machen. Wie schon gehabt. 188 In der Tat lehrt The- weleit, da es nicht aufs Bewutsein, sondern aufs richtige Gefhl ankomme. Mu man sich wundern, da dieses Buch, das ganz in der feministischen Welle mitschwimmt, von der Presse zum Teil enthusia- stisch begrt wurde - trotz der antikapitalistischen und marxisti- schen Bekenntnisse des Autors? 134 Theorien ber den Faschismus 4. Faschismus als Totalitarismus (C. J. Friedrich, K. D. Bracher) Mit dem faschistischen Herrschaftssystem befassen sich die Totalitaris- mustheorien, die besonders in den 50er Jahren in der wissenschaftli- chen wie auch in der politischen Diskussion sehr einflureich waren. Der Begrifflichkeit nach knpfen sie an das Selbstverstndnis des Faschismus an, der in Italien sein eigenes System als / kennzeichnete; die deutsche reaktionre Staatsrechtslehre, die dann in den Faschismus mndete, entwickelte seit 1932 in Anlehnung an dieses Konzept die Lehre vom totalen Staat, der sich als Abkehr vom libera- len Staat verstand. 189 Inhaltlich aber nehmen die Totalitarismustheorien ein Konzept auf, das schon nach 1917 als Kampfmittel gegen die Russi- sche Revolution entwickelt wurde, nmlich die Gegenberstellung von Demokratie und Diktatur, die heute noch sehr populr ist. Demokratie sei gekennzeichnet durch eine Vielzahl miteinander kon- kurrierender Meinungen, Interessen, Gruppen und Parteien, also durch Pluralismus, whrend Diktatur durch die Herrschaft .-. Partei oder Ideologie gekennzeichnet sei. Besonders einflureich fr diese ideologi- sche Strmung wurde die Schrift des sozialdemokratischen Theoreti- kers Karl Kautsky ber t. t/. .. t/. von 1918. In der Wei- marer Republik wie auch nach 1933 wurde von sozialdemokratischer Seite oft in dieser Weise argumentiert, und von liberalen und konserva- tiven Krften wurde diese Argumentation aufgegriffen - und oft genug gegen die Sozialdemokraten selbst gewandt: Die Kommunisten seien den Faschisten im Prinzip wesensgleich, da auch sie die Abschaffung der parlamentarischen Demokratie und die Errichtung einer Diktatur erstrebten. 190 Hatten diese Konzepte bis 1945 noch eine beachtliche antifaschistische Komponente, so wurde nach der Niederwerfung der faschistischen Mchte und dem bergang zum Kalten Krieg 1947/48 der Kommunismus als aktuelle Form und deshalb allein wesentliche Gefahr dargestellt, ohne da formal die Frontstellung gegen den Faschismus gnzlich preisgegeben worden wre. Mglichkeiten und Grenzen dieser Theorie knnen am besten am Beispiel von Carl Joachim Friedrich aufgezeigt werden, der das Totalita- rismuskonzept zu einer gewissen Systematik entwickelt hat und fr die weitere Diskussion richtungsweisend geworden ist. 191 Friedrich will beweisen, da die faschistischen und kommunistischen totalitren Diktaturen in ihren wesentlichen Zgen gleich sind 192 . Er nennt sechs Faschismus als Totalitarismus 135 entscheidende Wesenszge, die allen totalitren Diktaturen gemein- sam sind und ihre Gestalt ausmachen: 1. Eine offizielle Ideologie, die einen Endzustand der Mensch- heit, ein Paradies auf Erden, proklamiert. 2. Eine Massenpartei, die im alleinigen Besitz der formellen Herr- schaft ist, hierarchisch aufgebaut ist und in der Regel von einem Dikta- tor gefhrt wird. 3. Die terroristische Geheimpolizei, die die nachweisbaren Feinde des Regimes, aber auch eigenmchtig ausgewhlte Bevlkerungsgrup- pen bekmpft. 4. Das nahezu vollkommene Monopol aller Nachrichtenmittel in der Hand der Partei und ihrer Kader. 5. Das fast vollkommene Waffenmonopol des Staates. 6. Die zentrale Lenkung und Beherrschung der gesamten Wirt- schaft . . . durch eine brokratische Gleichschaltung aller vorher unab- hngigen Wirtschaftskrper. 193 Es ist offensichtlich, da in diesem Katalog Merkmale enthalten sind, die sowohl auf das sowjetische System in der stalinistischen Phase wie auch auf den Faschismus zutreffen. Dies gilt fr alle Merkmale, die die terroristische Form der Herrschaft betreffen. Von hier aus wird auch ein Teil der Glaubwrdigkeit verstndlich, die diese Theorien erfahren, und der politischen Wirksamkeit, die sie entfaltet haben. Solche Ele- mente der Herrschaftsform wie Einparteiensystem, terroristische Unter- drckung der Meinungsfreiheit und der Opposition usw. sind leicht erkennbar, springen sozusagen ins Auge, so da eine Theorie, die darauf aufbaut, mit dem Alltagsbewutsein vieler Menschen rechnen kann. Der grundstzliche methodische Mangel dieser Betrachtungsweise liegt darin, da sie sich gnzlich auf die t- .. :./.. der Herrschaft beschrnkt, ohne ihren z../ und ihren t-// zu untersuchen. Dieser Mangel ist brigens nicht beschrnkt auf die Totalitarismustheorie, son- dern kennzeichnend fr weite Bereiche der Politikwissenschaft, die sich auf politische Institutionen konzentrieren. Es gengt aber nicht, die Merkmale eines Messers genau zu beschreiben, ohne die Frage zu stel- len, ob dieses Messer fr ntzliche Kchenarbeit oder fr einen Mord benutzt wird. Auch politische Formen und Institutionen sind mehr um ihrer selbst willen da, sondern dienen zur Realisierung bestimmter Inhalte, einer bestimmten Politik. Zentrale Wirtschaftslenkung zum Beispiel kann zur Ausplnderung der Massen und zur Konzentration des Reichtums bei einer kleinen Schicht, sie kann aber auch zur Her- stellung eines mglichst gleichmigen Wohlstands benutzt werden. Deshalb ist es fr jede Analyse eines Herrschaftssystems notwendig, 136 Theorien ber den Faschismus nicht nur die Form, sondern auch den Inhalt der Herrschaft zu untersu- chen: Wer (welche soziale Gruppe oder Klasse) herrscht mittels bestimmter Methoden? Wer hat den Nutzen und die sozialen Privile- gien in einem bestimmten Herrschaftssystem, und wer hat fr die Herr- schenden und Privilegierten zu arbeiten, zu leiden und vielleicht sogar zu sterben? Friedrich selbst bekennt, da faschistische und kommunisti- sche Diktaturen in ihren Absichten und Zielsetzungen nicht gleich sind, da faschistische Bewegungen sich einer angsterfllten Mittel- klasse als Retter vor dem Kommunismus angeboten haben 194 (man mte hinzufgen: ebenso der herrschenden Klasse, die genau deshalb die faschistischen Bewegungen in mehreren Lndern an die Macht brachte). Er hlt dies aber fr unwesentlich. Was nun diesen sozialen Inhalt betrifft, so kann J. B. Mller in bereinstimmung mit groen Tei- len der kritischen Geschichtswissenschaft zusammenfassend feststellen: Der Gang der Betrachtung hat gezeigt, da der Nationalsozialismus eine arbeiterfeindliche und den Interessen des Kapitals dienende Ord- nung war. 195 Ein zweiter wesentlicher Mangel dieser Totalitarismustheorie liegt darin, da sie das faschistische Herrschaftssystem lediglich in einigen Merkmalen /././ ohne es zu .//.- das heit, ohne die histori- schen Kausalbeziehungen sichtbar zu machen, die zu seiner Errichtung gefhrt haben. Hannah Arendt kapituliert vor dem Problem der Erkl- rung vollstndig: Zu erklren ist das totalitre Phnomen aus seinen Elementen und Ursprngen so wenig und vielleicht noch weniger als andere geschichtliche Ereignisse von groer Tragweite. 196 Bei Friedrich werden nur zwei allgemeine Bedingungen totalitrer Diktaturen genannt: die moderne Technik und die Massendemokratie 197 . Was die moderne Technik betrifft, so ist sie tatschlich Voraussetzung fr jedes effektive Regierungssystem der Gegenwart - auch fr das parla- mentarische -, enthlt also nichts fr den Faschismus Spezifisches. Und was die Massendemokratie betrifft, so mte der Faschismus als deren Gegenbewegung aufgefat werden, als radikaler Versuch, die mit der Franzsischen Revolution von 1789 einsetzende Demokratisie- rungsbewegung zu stoppen. Damit wird das Jahr 1789 aus der Geschichte gestrichen, proklamierte der Reichspropagandaminister Goebbels 1933 198 , und in der Tat bedeutet die faschistische Diktatur die Auslschung aller Rechte, die die Volksmassen seit der Franzsischen Revolution sich erkmpft hatten. Sie ist also, wie bereits in einem frhe- ren Kapitel dargelegt, auch in diesem Sinne gegenrevolutionr und reaktionr. Dagegen stellen es manche Totalitarismustheorien 199 so dar, als seien das Eingreifen der Massen ins historische Geschehen und die Faschismus als Totalitarismus 137 Demokratisierung von Staat und Gesellschaft selbst die Ursache fr den Faschismus, als sei die totalitre Diktatur nicht deren Gegenbewe- gung, sondern deren Vollendung. Die historische Erklrung, die die Totalitarismustheorien von Friedrich und anderen fr den Faschismus liefern, ist also teils unzulnglich und teils ganz unhaltbar. Hinzu kommt schlielich drittens, da selbst in Hinsicht auf die Methode der Herrschaft, auf die sich die Totalitarismustheorien beschrnken, die Gleichsetzung zwischen faschistischer und kommuni- stischer Diktatur nur teilweise stimmt und da Friedrich fehlerhaft argu- mentieren mu, um seine Schlufolgerungen berhaupt aufrechterhal- ten zu knnen: Es ist falsch, neben der kommunistischen auch der faschistischen Ideologie zu unterstellen, sie proklamiere einen Endzu- stand der Menschheit, ein Paradies auf Erden, den Traum der klassen- losen Gesellschaft 200 . Die faschistische Ideologie proklamiert im Gegenteil die Naturnotwendigkeit von Herrschaft und Unterordnung, den ewigen Kampf der Vlker und Rassen ums Dasein, das brutale Recht des Strkeren als Lebensprinzip, also das genaue Gegenteil der kommunistischen, klassenlosen, auf Solidaritt beruhenden Gesell- schaftsordnung. 201 Es ist weiter falsch, da der Faschismus die zentrale Lenkung und Beherrschung der gesamten Wirtschaft und die brokratische Gleich- schaltung aller vorher unabhngigen Wirtschaftskrper, Vereinigungen usw. verwirklicht habe. 202 Der Faschismus hat zwar die Organisationen der Lohnabhngigen und der Mittelschichten zerschlagen und diese Klassen und Schichten damit jeder Mglichkeit beraubt, ihre Interessen noch zu artikulieren. Dagegen hatten die groen Industrie- und Bank- konzerne nicht nur ein hohes Ma an Selbstverwaltung, sondern dar- ber hinaus starke Machtpositionen im politischen und konomischen Herrschaftssystem, um ihre Interessen gegenber den anderen Klassen und Schichten auch mit staatlichen Mitteln durchzusetzen. 203 Zu dem Hinweis auf den angeblichen staatlichen Zwang gegenber der Privat- wirtschaft stellt der amerikanische Historiker Arthur Schweitzer fest: Die individuelle Freiheit einzelner Konzerne wurde geopfert, damit die konomischen Interessen der Mehrheit oder der grten Konzerne um so wirksamer durchgesetzt werden konnten; Zwang, der mit priva- tem Unternehmertum keineswegs unvereinbar ist, wurde zum Mittel einer einheitlicheren Darstellung und effektiveren Durchsetzung der Kapitalinteressen im organisierten Kapitalismus. 204 Und der englische Historiker S.J. Woolf, der das konomische System der faschistischen Diktaturen Deutschlands, Italiens und Japans untersucht hat, kommt zu dem Ergebnis, da schon in konomischer Hinsicht mindestens zwei 138 Theorien ber den Faschismus fundamentale Unterschiede bestehen: Erstens wurde in den faschisti- schen Staaten kein Versuch gemacht, die Produktionsmittel zu nationa- lisieren . . . Zweitens wurde die Kontrolle ber die Arbeitskrfte, die der faschistischen Politik zugrunde lag, in einer hierarchischen und bruta- len Weise durchgefhrt, die nicht sinnvoll verglichen werden kann mit dem russischen Experiment. Totalitarismus der Rechten und der Linken ergibt, konomisch betrachtet, wenig Sinn. 205 Auch daran ist zu sehen, wie notwendig die Untersuchung des sozialen Inhalts eines politischen Herrschaftssystems ist. An der Darstellung von Friedrich ist weiter falsch, da sowohl Faschismus wie Kommunismus den Glauben an die Stelle der Ver- nunft und magische Beschwrung . . . an die Stelle des gesunden Men- schenverstands setzen. 206 Auch hier stehen sich in Wahrheit der faschi- stische Irrationalismus, der Vernunft und Aufklrung als dekadent denunziert und statt dessen Blut und Boden, Glaube und Gemt auf den Schild hebt 207 , und der Kommunismus, der sich genau auf diese Tradition von Aufklrung, Vernunft und Wissenschaft beruft, gnzlich kontrr gegenber. Schlielich begrndet Friedrich seine Thesen sogar durch verflschte Marx-Zitate. 208 Die falsche Behauptung von der Wesensgleichheit faschistischer und kommunistischer Ideologie und Herrschaft wird in manchen Totalita- rismustheorien ausgeweitet zu der These, faschistische und kommuni- stische Parteien, Rechts- und Linksextremismus, htten gemeinsam die parlamentarische Demokratie zerstrt. 209 Diese These behauptet also, da die Wesensgleichheit sich nicht nur auf die Herrschaftssysteme, son- dern ebenso auf die Parteien und zeitlich also auch auf die Periode vor der Errichtung der faschistischen Diktatur erstreckte. Dem stehen jedoch als historisch gesicherte Tatsachen gegenber: 1. Da der Faschismus berall die Ausrottung von Marxismus und Kommunismus als Hauptziel proklamierte und der Terror gegen die Linke die Hauptstorichtung der Bewegung war; 2. da also faschistische und kommunistische Parteien berall sich als Feinde gegenberstanden und heftig bekmpften; 3. da dementsprechend die faschistischen Parteien berall dort, wo sie an die Macht kamen, dies im Bndnis mit den brigen Krften der t./.- und der herrschenden Klasse erreicht haben; 4. da konsequenterweise die Kommunisten diejenigen waren, die von der faschistischen Diktatur am brutalsten verfolgt wurden und die im antifaschistischen Kampf die hchsten Opfer erlitten. 210 Wie die bisherigen Ausfhrungen gezeigt haben, richtet sich - poli- tisch gesehen - die Totalitarismustheorie hauptschlich gegen Marxis- Faschismus als Totalitarismus 139 mus und Kommunismus. Die wissenschaftlich nicht haltbare Gleichset- zung mit dem Faschismus erwies sich als geeignet, die sozialistischen Lnder und die sozialistische und kommunistische Arbeiterbewegung in den kapitalistischen Lndern zu diskreditieren. 211 So ist es verstnd- lich, da diese Totalitarismustheorie ihre Bltezeit in der Periode des Kalten Krieges hatte und seit dem Einsetzen der internationalen Ent- spannungspolitik ihre einst dominierende Stellung verloren hat. Dies schliet natrlich nicht aus, da sie im politischen Tageskampf noch eine zentrale Rolle spielt, zum Beispiel in der populren These, da Links- und Rechtsextremismus gleichermaen die Demokratie bedro- hen - wie ja die Weimarer Republik angeblich gezeigt habe. Auch der Radikalenerla von 1972 beruht auf dieser These. Die Argumentation wird dabei um so primitiver, je direkter sie im Dienst politischer Ma- nahmen steht. Eine Karikatur in der t-//.. +//,.-.-.- z..-, zeigt zum Beispiel, wie Nazis und Kommunisten gemeinsam die Fun- damente der Weimarer Republik zersgen. Und Franz Josef Strau redete immer wieder vom Faschismus von rechts und links, der seine Gemeinsamkeit besonders im Kollektivismus habe. 212 Welchen Grad an Primitivitt und dmmlicher Polemik die Totalita- rismusthese in diesem Zuammenhang erreichen kann, zeigen die Schriften von Giselher Schmidt (der mittlerweile zum Rezensenten der FAZ aufgestiegen ist). 213 Schmidt findet die Wesensverwandtschaft zwi- schen Neonazis und der linken Studentenbewegung zum Beispiel darin, da beide einen haerfllten Angriff gegen die Demokratie in der Bundesrepublik (fuhren), die sie beide als das 'System' schmhen; es wollen beide den Staat zerschlagen und mit politischen Gegnern kurzen Proze machen; beide kmpfen - nach der Devise: getrennt marschieren, vereint schlagen - gegen den Parlamentarismus. Und schlielich scheut er sich nicht, ber diese linken Studenten zu sagen: Wie Hitler haben auch sie eine ausgesprochene Vorliebe fr Mrsche, zwar nicht fr den Hohenfriedberger Marsch . . . wohl aber - in Anleh- nung an Mao - fr den 'langen Marsch durch die Institutionen'; beide gehren nicht nur gemeinsam dem Gesangverein 'Kriegsgeschrei' an, sondern zhlen ebenso zur apokalyptischen Kavallerie von Krieg, Tod und Weltuntergang 214 . An der Zurckdrngung der Totalitarismustheorie waren in der wis- senschaftlichen Auseinandersetzung vor allem drei Komponenten beteiligt: Erstens schuf die allmhliche Umorientierung zur Entspannungspo- litik seit dem Beginn der 60er Jahre die Mglichkeit und die Notwen- digkeit, die sozialistischen Staaten differenzierter zu analysieren, sich 140 Theorien ber den Faschismus mit der bloen ideologischen Diffamierung nicht mehr zu begngen, sondern wirkliche Erkenntnisse ber deren reale Struktur zu erlangen. Dies war die Voraussetzung, um die politischen, kulturellen und wirt- schaftlichen Beziehungen berhaupt entfalten und mit ihrer Hilfe auch neue Formen der Einwirkung entwickeln zu knnen. Dabei erwies sich sehr rasch, da die herkmmliche Totalitarismustheorie ein unbrauch- bares Instrument war. Sie wurde nun verfeinert und modifiziert 215 , zum Teil mit der ausdrcklichen Begrndung, da die nachstalinistische Phase nicht mehr ohne Einschrnkung mit deren Kategorien zu erfas- sen sei. 216 Da diese Theorie sich auf die Beschreibung von ueren Merkmalen beschrnkt, ohne eine Ursachenanalyse zu leisten, konnte sie natrlich weder die Entstehung und Funktion des Stalinismus 217 noch die Vernderungen in den sozialistischen Lndern seit den 50er Jahren erklren. Teilweise wurde sie ersetzt durch andere Theorien, die die gegenwrtigen sozialistischen und kapitalistischen Systeme in ihrer Entwicklung und ihren Triebkrften zu erfassen versuchen. So gewan- nen die Modernisierungs- und Industriegesellschaftstheorien an Boden, die, soweit sie den Faschismus betreffen, spter noch analysiert werden. Zweitens ergaben empirische Untersuchungen ber das faschistische System immer klarer, da von einer in sich geschlossenen, monolithi- schen Machtstruktur im Sinne des Totalitarismus keine Rede sein konnte, sondern auch auch im Faschismus verschiedene Krfte, Interes- sen und Institutionen miteinander um Einflu und um die Festlegung des politischen Kurses rangen. Zwar waren 1933 die Arbeiterbewegung und 1934/35 die Organisationen des Mittelstands liquidiert worden und so als soziale Krfte aus diesem Konkurrenzkampf ausgeschieden. (Die nchsten Kapitel werden dieses Problem noch genauer behandeln.) Dennoch wurde - hinter der Fassade des einheitlichen Fhrerstaates - heftig um Macht und Einflu gekmpft: zwischen den verschiedenen Gruppen des Grokapitals, zwischen dem Parteiapparat und dem her- kmmlichen vom Berufsbeamtentum reprsentierten Staatsapparat, zwischen dem von Berufsoffizieren gefhrten Militr und den bewaff- neten Verbnden der Partei, besonders der SA und der SS. So ergab sich die Notwendigkeit, die Machtstruktur des faschistischen Systems empi- risch noch genauer zu untersuchen und diesem begrenzt pluralisti- schen Charakter auch bei der theoretischen Bestimmung des faschisti- schen Systems Rechnung zu tragen. Fr beides war die grobschlchtige Totalitarismustheorie wenig brauchbar. Drittens hatte die marxistische Fachismusforschung, die sich im Kontext der Entspannungspolitik und der sozial-liberalen Reformperi- ode am Ende der 60er Jahre auch in der Bundesrepublik in einigen Faschismus als Totalitarismus 141 Anstzen wieder artikulieren konnte, in wachsendem Mae Belege fr den engen Zuammenhang zwischen Groindustrie und Faschismus sowohl bei der Errichtung der Diktatur wie bei ihrer Innen- und Auen- politik verffentlicht. So ergab sich die Notwendigkeit, die Frage des so- zialen Inhalts der faschistischen Diktatur und der sozialen Interessen, die in ihre Politik eingingen, in der wissenschaftlichen Diskussion zu bercksichtigen. Auch dazu konnte die Totalitarismusmethode nichts beitragen. Sie bildete im Gegenteil ein Hindernis fr solche Fragestel- lungen und blockierte so den wissenschaftlichen Fortschritt. Die Folge dieser Entwicklung war, da seit der Mitte der 60er Jahre die Totalitarismustheorie in der wissenschaftlichen Diskussion wesent- lich an Bedeutung verlor - trotz verschiedener Versuche, sie zu moder- nisieren. 218 Erst als das politische Klima in der Bundesrepublik nach 1973 sich wieder vernderte (im Kontext der Wirtschaftskrise, des ver- strkten Widerstands gegen die Entspannungspolitik, des verschrften Kampfs gegen marxistische Wissenschaft, der Berufsverbote usw.), gewann die Totalitarismustheorie wieder an Boden. Es wurden verschie- dene Versuche unternommen, die frhere grobschlchtige und offen- sichtlich unhaltbare Form dieser Theorie zu differenzieren, ohne ihren Grundgedanken - die Wesensgleichheit von Faschismus und Kommu- nismus - preiszugeben. 219 Als Beispiel fr diese neueren Anstze mag Karl Dietrich Bracher die- nen 220 , der in Hinsicht auf die Ursachen des Faschismus als Vertreter der These von den nationalen Besonderheiten schon behandelt worden ist. Bracher hatte schon frher den Untergang der Weimarer Republik und die Errichtung der Diktatur wesentlich mit dem begrifflichen Instrumentarium der Totalitarismustheorie dargestellt, ohne diese gnz- lich zu bernehmen. 221 Seit der Mitte der 60er Jahre war er - in ber- einstimmung mit der allgemeinen wissenschaftspolitischen Entwick- lung - von dieser Theorie abgerckt 222 , um seit dem Beginn der kono- mischen und ideologischen Krise der Bundesrepublik 1973/74 wieder zu ihr zurckzukehren. Allerdings rumte er auch jetzt noch ein, da tiefe Verschiedenheiten zwischen Faschismus, Nationalsozialismus und besonders Kommunismus bestehen 223 und da die Anhnger der Totalitarismustheorie zeitweilig allzu sehr auf den politischen Nutzen bedacht waren (S. 52) - zum tagespolitischen Mibrauch der Theorie in der 'ra des Kalten Krieges' (S. 58). Dennoch hlt er eine differen- zierte Anwendung des Totalitarismusbegriffs fr sachgerecht, und zwar aus folgenden Grnden: So verschieden die historischen Bedin- gungen, der soziale und nationale Rahmen, die ideologischen Positio- nen und Ziele totalitrer Bewegungen . . . sein mgen, so besitzen sie 142 Theorien ber den Faschismus doch unzweifelhaft wichtige gemeinsame Zge, sobald es um die Methoden und die Praxis der Herrschaft selbst, die Technik von Regie- rung, Manipulation und Unterdrckung geht (S. 37). Der Totalitaris- musbegriff bestimmte nicht nur das, was all diesen Bewegungen und Systemen gemeinsam sei, sondern bezeichne auch einen wesentlichen Unterschied gegenber lteren Formen absolutistischer oder autokrati- scher Herrschaft und ihren Mglichkeiten politischer, sozialer und technischer Kontrolle der Untertanen. In diesem Sinne ist Totalitaris- mus wahrhaft ein Phnomen des 20. Jahrhunderts, grundlegend ver- schieden von frheren Mglichkeiten diktatorischer Regime (S. 36). Bracher verweist dann - wie Friedrich - auf die moderne Technolo- gie, die die Perfektion der Organisation, der Kommunikation, der Pro- paganda ermgliche und damit auch die umfassenden Kontrollen und die totale Mobilisierung der Massen, die den Totalitarismus kennzeichnen. Das grundlegende Merkmal sei in allen totalitren Regi- men der .//.//. t./.-,-,./ einer Partei und Ideologie (S. 37 f.). Dazu gehre auch die brokratische Kontrolle der kono- mie und der sozialen Beziehungen: auf dem Wege des staatlichen Diri- gismus, der Sozialisierung, der Verstaatlichung (S. 43). Doch das Hauptcharakteristikum bleibt in allen Fllen die auergewhnliche Stellung des Fhrers. Der Fhrer bilde recht eigentlich den Kern des Herrschaftssystems und seiner politisch-sozialen und menschlichen Realitt. Die tatschliche Machtstruktur sei so beschaffen, da der Fhrer Partei und Ideologie nicht nur weitgehend kontrolliert, sondern geradezu ersetzt oder berhht. Auch gegenber Staat und Recht sei der Fhrer der eigentliche Souvern (S. 53-55). Als Entgegnung auf die Forschungen, die gezeigt haben, da der Faschismus keineswegs reibungslos nach einem einheitlichen Befehls- mechanismus funktionierte, sondern da ein begrenzter Pluralismus im Kampf um die Richtung der Politik mindestens innerhalb der herr- schenden Machtgruppen bestand, schreibt Bracher, da in der Tat der Totalitarismus gerade nicht eine scheinbar monolithisch geordnete Pla- nung und Effizienz bedeutet, sondern wesentlich besteht in einem System willkrlicher Entscheidungen und Konflikte unter der einzigen Kontrolle einer selbst unkontrollierten Fhrung. Das Dritte Reich habe dabei nach Struktur und Politik wie kaum ein anderes Diktatursy- stem der Idee totalitrer Organisation, Machtkonzentration und Mo- nopol-Ideologie entsprochen (S. 47 f.). Die stalinistischen Diktaturen seien allerdings ganz in der Nhe anzusiedeln. Schlielich fhrt Bracher aus, man knne 'typische' Zge des Tota- litren herausarbeiten und so auch schon rudimentre Formen totali- Faschismus als Totalitarismus 143 trer Politik, ihre Vor- und Nachgeschichte, die Stufungen eines ge- ringeren und greren Maes von totalitrem Gehalt kennzeichnen - wie zum Beispiel bei einigen Systemen in Lateinamerika, auf dem Bal- kan, in Spani en, . . . im China Mao Tse-tungs oder im Nord-Korea Kim- il-Sungs (S. 53). Es kann kein Zweifel bestehen, da in diesem Konzept Brachers ver- schiedene Mngel und Fehler korrigiert sind, die die Totalitarismustheo- rie der Periode des Kalten Krieges kennzeichneten. Wichtig ist auch, da die Willkrherrschaft, die Loslsung staatlichen Handelns von der Bindung an Rechtsnormen als ein zentrales Merkmal faschistischer Herrschaft herausgearbeitet wird. In der Tat unterscheidet sich der Faschismus in seiner Herrschaftsmethode von allen parlamentarisch- demokratisch verfaten Systemen dadurch, da er die demokratischen Rechte der Bevlkerung und die rechtsstaatlichen Garantien nicht nur verletzt, sondern gnzlich abschafft, da er soziale und politische Oppositionspotentiale vollstndig und terroristisch unterdrckt, nicht nur Teile der Systemgegner (etwa die kommunistischen Parteien), wie dies auch konservativ-autoritre Regime und in Anstzen auch manche parlamentarisch verfaten Staaten wie die Bundesrepublik taten und tun. Es besteht also in der Tat ein qualitativer Unterschied zwischen faschistischen Systemen und anderen brgerlichen Herrschaftsformen. Andererseits ist leicht zu sehen, da die Kritik, die oben an den Tota- litarismustheorien formuliert wurde, in ihren zentralen Argumenten auch auf das modifizierte Konzept Brachers zutrifft, das brigens in mancher Hinsicht zur Fhrertheorie berleitet. (Dies wird ganz deut- lich in dem Satz: Grundlegend fr den Nationalsozialismus und sein Herrschaftssystem ist, da es von Anfang an mit diesem Manne stand und fiel: mit seinen Entscheidungen, seinen ideologischen Fixierungen, seinem politischen Lebensstil..., S. 85). Auch das modernisierte Tota- litarismuskonzept Brachers beschrnkt sich auf die t- der Herrschaft, ohne ihren sozialen Inhalt zu untersuchen, lt also auch keine Aussa- gen darber zu, welches nun eigentlich die treibenden Krfte fr diese Diktatur und ihren Imperialismus sind und wer davon profitiert. Es gibt sogar Autoren, die diesen Mangel zugeben und ihn zu einem Vorzug uminterpretieren. In einem Aufsatz in o.//. - r.-// .-. t-./ der die Totalitarismusthese auch bei den Geschichtsleh- rern wieder populr machen wollte, heit es: Vom Standpunkt der frei- heitlichen Demokratie aus gesehen, kann berhaupt nicht das Inhaltli- che, sondern mu das Formale in dieser Begriffsbildung im Vorder- grund stehen. 224 Hier wird also nicht mehr die Wahrheit, die berein- stimmung mit der Wirklichkeit zum Kriterium wissenschaftlicher Rich- 144 Theorien ber den Faschismus tigkeit, sondern der Standpunkt der freiheitlichen Demokratie bzw. das, was dafr ausgegeben wird. (Tatschlich nmlich hat das Grundge- setz durchaus inhaltliche Entscheidungen im antifaschistischen Sinne getroffen, hat in Artikel 139 faschistische Organisationen und Ideolo- gien verboten, hat in Artikel 26 Handlungen, die das friedliche Zusam- menleben der Vlker zu stren geeignet sind, unter Strafe gestellt usw.) Auch das zustzliche Argument von Bracher, dem man vom Stand- punkt unmittelbarer Menschlichkeit aus sofort zustimmen mchte, da die Auswirkung auf die Beherrschten und Betroffenen entscheidend sei und da von hier aus Inhalt und Zielsetzung von Gewalt und Terror des Staates gleichgltig seien 225 , berzeugt letztlich nicht. Denn von dieser Position aus mten alle mit terroristischen Mitteln herrschen- den Staatsformen der Weltgeschichte mit dem gleichen Begriff gekenn- zeichnet werden, was zu einem differenzierten Verstndnis sicherlich wenig beitragen wrde. Die Unfhigkeit des Totalitarismuskonzepts, die Entstehung der faschistischen Diktatur zu erklren, kommt sehr anschaulich in einem Buch von Bennecke r////. t.,.- .-. ,//. t.// -. zum Ausdruck, das sich eigentlich zum Ziel setzt, die Lehre von Weimar zu zeigen. 226 Es kann die Folgen der Wirtschaftskrise fr die Bevlkerung anschaulich darstellen, versagt aber schon hier bei der Ursachenanalyse. Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit werden nicht aus den Bewegungsgesetzen des Kapitalismus abgeleitet, sondern erschei- nen unvermittelt wie ein Schicksalsereignis, als unheilvolle Entwick- lung und verhngnisvolle Zunahme der Arbeitslosen (S. 38). Da die Differenz zwischen dem durchschnittlichen Prozentsatz der Arbeitslo- sigkeit und dem Prozentsatz der arbeitslosen Gewerkschaftsmitglieder etwas mit der Politik des Kapitals zu tun hat, das die Krise in jeder Hin- sicht zur Pression gegen die Arbeiterbewegung nutzte, kommt dem Ver- fasser nicht in den Sinn. Er arbeitet mit dem schlichten Schema des Radikalismus von links und rechts (S. 57), so da ihm der soziale Inhalt der faschistischen Machtergreifung gnzlich verborgen bleibt. Die konservativen Krfte trauten Hitler zu, da er der Motor fr die Behebung der wirtschaftlichen Not werden knnte (S. 226). Bennecke sollte einmal der Frage nachgehen, weshalb sich die konservativen Krfte wohl mit dem rechten Radikalismus und nicht mit dem linken verbndeten, wenn sie doch wesensgleich waren. Ob ihnen vielleicht die faschistische Variante der Krisenbewltigung doch mehr konvenierte als die kommunistische? Um zu erkennen, wie weit die Totalitarismusthese von den wirklichen gesellschaftlichen Prozessen und Triebkrften ent- fernt ist, gengt in der Tat dieser Gedenkengang: Wenn rechter und Faschismus - phnomenologisch 145 linker Totalitarismus wesensgleich wren, dann htte es dem Groka- pital 1933 gleichgltig sein mssen, welcher von beiden an die Macht kam. War es dem Grokapital gleichgltig? Und war es dem Militr, den hohen Beamten und den Kirchen gleichgltig? Schon diese Frage zeigt, wie absurd der Gedanke ist, auf dem die gesamte Totalitarismus- theorie aufgebaut ist. Da sich die Totalitarismustheorie - auch in ihrer modernisierten Fas- sung - auf die Form der Herrschaft beschrnkt, ist sie auch nicht in der Lage, die Frage nach den Ursachen zu beantworten und eine histori- sche Erklrung fr die treibenden Krfte und Interessen, die Zielset- zung und die Politik faschistischer Systeme zu liefern. Aus all diesen Grnden ist dieses Konzept auch nicht geeignet, Strategien zur Abwehr solcher die Demokratie bedrohenden Tendenzen zu entwickeln, in denen auch Bracher von seiner liberaldemokratischen Position aus heute und fr absehbare Zeit eine Gefahr erblickt. 227 Politisch interessant ist brigens, da die Totalitarismusthese beson- ders vehement von ultralinken Positionen aus verkndet wird: So bezeichnete die maoistische KPD Breschnjew als den Hitler von heute, und ihr Vorbild, die KP China, nannte die UdSSR einen faschi- stischen Staat 228 . Was dieser Gleichklang liberaler und ultralinker Stel- lungnahmen in dieser Frage wohl zu bedeuten hat? 5. Faschismus - phnomenologisch (E. Nolte) In den 60er Jahren unternahm Ernst Nolte den Versuch, eine alle For- men des internationalen Faschismus erfassende und in sich geschlos- sene Faschismusinterpretation zu entwickeln, dadurch die Gebrechen der bisherigen Anstze zu berwinden und damit zugleich der an Ein- flu gewinnenden marxistischen Wissenschaft eine wirksame Alterna- tive entgegenzustellen. 229 In seiner Habilitationsschrift t. t/-. - .-. t,/. 230 begrndet Nolte seine wissenschaftstheoretische und methodologische Position, die er phnomenologisch nennt. Das Buch :/..- ./. ..- t/-. 231 enthlt Beitrge verschiedener Autoren ber den Faschismus, die zwischen 1921 und 1961 entstanden und von Nolte nicht nach wissenschaftlichen oder politischen Richtungen, son- dern nach historischen Perioden geordnet wurden. In einer ausfhrli- 146 Theorien ber den Faschismus chen Einleitung ordnet Nolte die einzelnen Beitrge in den histori- schen Kontext ein und grenzt sie von seiner eigenen Position ab. Der aus einem Taschenbuch hervorgegangene Band ber die ///.- o...,.-,.- beschreibt die in der Habilitationsschrift dargestellten Faschismen noch einmal, gibt aber darber hinaus einen berblick ber die faschistischen Bewegungen in den brigen europischen Lndern der Zwischenkriegsperiode. Der im Desch-Verlag erschienene Band t. t/-. behandelt den gleichen Gegenstand, doch liegt jetzt der Hauptakzent auf Bilddokumenten. 232 Nolte selbst versteht diese vier Bcher als eine geistige Einheit. 233 So sollen sie im folgenden auch be- handelt werden, obgleich sich bei genauerer Betrachtung erweist, da Nolte seit seiner Habilitationsschrift einige Thesen leicht modifiziert hat. Schon bei der Definition seines Wissenschaftsbegriffs macht Nolte aus seiner Ablehnung der Sozialwissenschaften kein Hehl: Ohne jede Begrndung behauptet er, da die wissenschaftliche Frage nach dem Faschismus dadurch ermglicht wird, da ihr Gegenstand als ' tot' betrachtet werden darf 234 . Erst wenn das Ringen des Lebens ermattet ist, schlgt die Stunde der Wissenschaft. 235 Auf die theoretische Frag- wrdigkeit eines solchen Begriffs von Wissenschaft, der einzig das beschauliche Betrachten einer toten Sache durch einen entfernten Beobachter als wissenschaftlich anerkennen will, kann hier nicht einge- gangen werden. 236 Es sei aber ausdrcklich festgestellt, da Wissenschaft damit zu einer fr die praktische Lebensttigkeit der Menschen gnz- lich sinnlosen Beschftigung mit irgendwelchen entfernten Gegenstn- den reduziert wird, die nur noch der geistigen Selbstbefriedigung derer dient, die sich mit Wissenschaft befassen. Es ist jedoch bezeichnend fr diesen unpolitischen und wertfreien Begriff von Wissenschaft, da er, wie die Arbeiten von Nolte zeigen, durchaus in die aktuelle politi- sche Diskussion eingreift, nur eben nicht offen, sondern unter dem Deckmantel reiner Wissenschaft. Dieses Eingreifen geschieht bereits dadurch, da dieser Wissenschaftsbegriff alle Bereiche der Gesell- schaftswissenschaften, die sich mit lebendigen, fr die Gegenwart rele- vanten Fragen befassen, von vornherein aus dem Bereich der Wissen- schaft hinausdefiniert, als bloe politische Agitation abqualifiziert und so die theoretische Begrndung dafr liefert, da die Vertreter solcher Wissenschaft Berufsverbot erhalten oder auf andere Weise von den Hochschulen ferngehalten werden knnen. In methodologischer Hinsicht geht Nolte von zwei Prmissen aus, die schon deshalb kritische Beachtung verdienen, weil sie die Grenzen seiner Betrachtungsweise abstecken und die Resultate im Prinzip schon enthalten: Faschismus - phnomenologisch 147 1. Er bekennt sich zur Phnomenologie, das heit zum Verstndnis dieser Phnomene, wie sie sich von sich aus darstellen 237 . Es wren . . . nur diejenigen sozialen Gebilde Phnomene zu nennen, die eine 'Ideo- logie' haben und fr die dieses Selbstverstndnis konstitutiv ist. Ein Stahlwerk ist in diesem Sinn kein Phnomen und im allgemeinen eben- sowenig eine Stadt oder eine Provinz . . . Die Aufgabe wre also vor allem die, den Faschismus und den Nationalsozialismus zu Wort kom- men zu lassen ohne voreilige Kritik . . . 2. In der Fhrerbewegung kann nur der Fhrer verbindliche Aussa- gen machen. 238 Mithin mu die Darstellung der Gedanken Mussoli- nis und Hitlers das Zentrum der dem Faschismus und dem Nationalso- zialismus gewidmeten Abschnitte ausmachen, und sie mu so ausfhr- lich erfolgen, den Gegenstand so reichlich selbst zu Wort kommen las- sen, da jeder Verdacht ausgeschaltet wird, ein vorgefates Schema solle durch herausgegriffene einzelne Zitate blo bekrftigt werden. 239 Damit ist von vornherein die Ideologie des Faschismus, die zudem einfach mit der Weltanschauung der faschistischen Fhrer identifiziert wird, zum bestimmenden Element erklrt, die politische und soziale Wirklichkeit dagegen als unwesentlich ausgeklammert. 240 Nolte bezieht also die Position herkmmlicher, an Ideengeschichte und Fhrerper- snlichkeiten orientierter Geschichtswissenschaft und versieht diese mit dem neuen Etikett Phnomenologie. Die auch unter deutschen Historikern seit der Mitte der 60er Jahre an Boden gewinnende berzeugung, da der gesellschaftliche Proze ein Ganzes darstellt, dessen einzelne Komponenten als isolierte nicht verstndlich sind, da insbesondere der sozialhistorische Kontext politi- scher Ideen zu bercksichtigen ist, wird von Nolte nicht geteilt. Schon an dieser Stelle lt sich absehen, da vom Seelenleben Mus- solinis und Hitlers sehr viel, von politischen und gesellschaftlichen Krften aber sehr wenig die Rede sein wird. Diese Befrchtungen erwei- sen sich zwar ber weite Strecken als begrndet, doch berschreitet Nolte im Laufe seiner Untersuchung - besonders in seinen spteren Werken - die engen Grenzen seiner phnomenologischen Prmissen, indem er empirische Materialien anderer Art in seiner Untersuchung aufnimmt; so gelangt er zu Resultaten, die einer Diskussion durchaus wert sind. In der Tat liegt die Originalitt von Noltes Faschismuskonzeption nicht in seiner phnomenologischen Methode, denn auf die Exegese von Hitlers Weltanschauung haben sich schon viele andere vor ihm konzentriert. Originell dagegen ist, da Nolte den Faschismus weder christlich - als Phase der Skularisierung, das heit des Abfalls von 148 Theorien ber den Faschismus Gott - noch konservativ - als Gestalt der traditionsfeindlichen Mas- senherrschaft -, weder liberal - als Erscheinungsform des Totalitaris- mus - noch marxistisch - als Radikalisierung des Kapitalismus - begreift, sondern historisch: als Ausprgung eines eigentmlichen und bernationalen Epochencharakters 241 . Von der Epoche des Faschismus knne mit gleichem Recht gesprochen werden wie von der Epoche der Gegenreformation: der Faschismus sei die charakteristi- sche politische Tendenz jener Epoche . . . , in der Europa durch das Wiederzurcktreten der eben aufgetauchten 'Flgelmchte' noch ein- mal als Weltmittelpunkt angesehen werden kann 242 . Vor 1914 sei Faschismus auf einige Anstze beschrnkt geblieben, seit 1945 sei er zwar nicht in allen Erscheinungsformen, wohl aber als weltgeschichtli- che Tendenz tot 243 . Die Formel von der Epoche des Faschismus ist zwar von Nolte geprgt worden, entspricht aber im Grunde der populren Sicht des Geschichtsverlaufs, die in der Tat den Augenschein fr sich hat: Nach 1918 gab es in allen europischen Lndern faschistische Bewegungen, die in zwei von vier europischen Gromchten die Macht eroberten, seit 1939 auch dem brigen Europa ihren Stempel aufdrckten und 1945 untergingen. Ob diese Formel, die sich phnomenologisch am ueren Verlauf der Geschichte orientiert, das Faschismusproblem in seinem Kern trifft, wird noch zu prfen sein. Auch die Frage, ob Noltes These, Europa knne in dieser Epoche noch als Weltmittelpunkt angesehen werden, der historischen Realitt oder nur dem abendlndischen Selbst- verstndnis entspricht, braucht hier nicht nher untersucht zu werden (obwohl von dieser These die weltgeschichtlich gemeinte Formel vom Epochencharakter des Faschismus abhngt). Zu betonen ist aber, da Noltes Formel ber den politischen und gesellschaftlichen Inhalt des Faschismus noch nichts aussagt - im Gegensatz zu jenen anderen For- meln, von denen Nolte sich kritisch distanziert. Soll der Faschismus im politischen und sozialen Krftefeld lokalisiert werden, so geht das nicht ohne eine Vorstellung ber die Gesellschaft und ihre bestimmenden In- teressen und Konflikte in jener Epoche. Nolte sieht dieses Problem, steht den Gesellschaftswissenschaften aber seinem ganzen Bildungs- gang nach fremd, wenn nicht mitrauisch gegenber: allzu nah schei- nen sie ihm in der Umgebung des Marxismus angesiedelt. (Nolte stu- dierte Sprachen und Philosophie, wurde dabei von Heidegger stark be- einflut und begann sich erst whrend seiner Ttigkeit im Schuldienst intensiver mit Geschichte zu befassen.) Eben diese Fremdheit gegen- ber den Sozialwissenschaften hatte die paradoxe Folge, da Nolte ein Gesellschaftsmodell zugrunde legte, das im Prinzip einem vulgrmarxi- Faschismus - phnomenologisch 149 stischen Zweiklassenschema entspricht: Das Brgertum fhlte sich vom Kommunismus bedroht und verbndete sich deshalb mit dem Faschis- mus. Im einzelnen bietet sich Noltes Schema wie folgt dar: Das liberale System sah sich durch die Russische Revolution und den internatio- nalen Kommunismus herausgefordert und bedroht. Als die radikalste Antwort auf diese Herausforderung ist der Faschismus anzusehen, der dann freilich, sobald er die Macht erobert hat, nicht nur den Marxis- mus, sondern auch das liberale System liquidiert. Der Faschismus fand dabei die Untersttzung der traditionellen Oberklassen, ohne die eine Machtergreifung unmglich gewesen wre. Die faschistischen Herrschaftssysteme versuchten dann, im internationalen Rahmen die gleiche Konstellation herzustellen, die ihren innenpolitischen Erfolg ermglicht hatte: der Antikommunismus sollte als gemeinsame Basis fr ein Bndnis mit den konservativen und liberalen Mchten fungie- ren, wobei der Faschismus sich als diejenige Kraft darstellte, die den in- ternationalen Kommunismus am konsequentesten bekmpfte. Die Tragfhigkeit dieser auf den ersten Blick durchaus sinnvoll erscheinenden Konstruktion hngt offenbar davon ab, wie ihre drei zentralen Glieder konkret bestimmt und einander zugeordnet werden. Was ist unter dem liberalen System zu verstehen, und wie verhlt es sich zum Kommunismus einerseits und zum Faschismus andererseits? Was bedeuten diese Begriffe? Hier zeigt sich nun, da es Nolte nicht gelingt, seine zentralen Begriffe befriedigend zu bestimmen. Einerseits bleibt sein Blick an den Erscheinungsformen haften - ein Mangel, der aus seinem phnomeno- logischen Ansatz folgt. Andererseits - und das wiegt mindestens ebenso schwer - sind seine Aussagen in sich inkonsequent und widersprch- lich. Als //./. s,.- bezeichnet Nolte diejenige staatliche und gesell- schaftliche Lebensform . . . , in welcher eine radikale Kritik nicht nur an der jeweiligen Regierungsfhrung, sondern am gesamten Zustand des Zusammenlebens zu Wort und zu ffentlich anerkannter Wirkung kommen kann 244 . Andererseits stellt Nolte dar, da in dem Augenblick, in dem die Kritik des Sozialismus an der bestehenden Gesellschaft Konsequenzen zu zeitigen drohte, der Faschismus sich auf dem Boden des liberalen Systems formierte und nicht nur die akute Gefahr des So- zialismus beseitigte, sondern zugleich die Grundlage jeder mglichen Kritik, das heit das liberale System selbst. Die von Nolte ausdrck- lich formulierte Erkenntnis, da die gleichen politischen und sozialen 150 Theorien ber den Faschismus Krfte, die das liberale System tragen, sich im Moment der Bedrohung von links mit dem Faschismus verbnden, mte den Begriff des libe- ralen Systems selbst modifizieren. Dieses Problem bleibt unreflektiert. Um diesen Grundwiderspruch gruppieren sich eine Reihe anderer Widersprche. Einmal wird definiert, das liberale System habe in dem Ringen mannigfacher Standpunkte sein Wesen, doch knne dieses Ringen auch hinter verschlossenen Tren stattfinden; ffentlichkeit sei ein Merkmal des demokratischen, nicht des liberalen Systems. 245 An anderer Stelle aber erscheint ffentlichkeit als ein wesentliches Merk- mal dieses liberalen Systems. 246 Einerseits schildert Nolte den von den italienischen Faschisten gefhrten und von Grogrundbesitz, Mili- tr und Staatsapparat untersttzten Brgerkrieg, der nicht viel anderes als ein Massaker war 247 , andererseits behauptet er, der fuhrende liberale Politiker Giolitti habe nicht an eine ernsthafte Gefhrdung des libera- len Systems durch den Faschismus geglaubt. 248 Einerseits wertet er die Niederschlagung der Rtebewegung in Deutschland als Sieg des libe- ralen Systems 249 , andererseits konstatiert er, da eben dadurch die Krfte wieder Fu fassen konnten, die spter im Verein mit dem Faschismus das liberale System zerstrten. Einerseits bezeichnet Nolte ein System rein formal dann als liberal, wenn alle vorhandenen Krfte auf das politische Geschehen Einflu nehmen knnen: Katholiken und Protestanten, Liberale und Marxisten, Demokraten und Monarchi- sten 250 ; auch der Faschismus habe also ein Recht auf freie Entfaltung 251 , obgleich er weder rational noch friedlich sein knne. 252 Andererseits wird die Verfassung als Mastab eingefhrt, um die mindere Legitimitt der SA gegenber dem Reichsbanner zu beweisen. 253 An anderer Stelle wieder erscheint die Tendenz, auch den letzten Glauben mehr und mehr als Unwahrheit zu enthllen - damit sind sowohl Faschismus wie Marxismus gemeint -, als materieller Mastab fr den liberalen Charak- ter. 254 Auf internationaler Ebene schlielich stelle sich das liberale System in der Ordnung der Versailler Vertrge dar und sei durch den Kompromi charakterisiert, und zwar durch den Kompromi zwischen Gerechtigkeit und Machtrcksichten 255 . Kurzum: Noltes Aussagen darber, was das liberale System sei, sind hchst widersprchlich. Es bleibt unklar, ob es sich lediglich durch for- male Tolerierung aller vorhandenen Richtungen auszeichnet oder durch inhaltliche Kriterien, die eine Unterscheidung zwischen mehr oder weniger liberalen Krften erlauben. Es wre nach Nolte unliberal, den Faschismus an der Entfaltung zu hindern, aber es wre auch unliberal, wenn der Faschismus von seinen Entfaltungsmglichkeiten Gebrauch macht und die Macht ergreift. Was das Versailler System mit diesem Faschismus - phnomenologisch 151 Begriff von Liberalitt zu tun hat, bleibt gnzlich unklar. Vor allem aber ist zu betonen, da mit der Kategorie des liberalen Systems das Zu- sammenspiel zwischen konservativen und liberalen Krften einerseits und der faschistischen Bewegung andererseits nicht erklrt werden kann. Nolte schildert ausfhrlich, wie sich dieses Bndnis entwickelte, wie beispielsweise in Italien Grogrundbesitz und Industrie, staatliche Behrden und Militr den Aufstieg des Faschismus begnstigten, wie einem groen Teil des Brgertums das Bndnis mit dem Faschismus als die bessere Alternative erschien. 256 Wie aber kommt es, da die gleichen Machtgruppen, die zunchst als Trger des liberalen Systems fungieren, dieses System dann selbst liquidieren, wenn es von links angegriffen wird? Das liberale System kann offenbar nicht als letzter Bezugspunkt einer Analyse dienen. 257 Hier zeigt sich bereits ein fundamentaler Mangel von Noltes Kon- zeption. Da er lediglich das Geschehen an der politischen Oberflche beobachtet, kann er politische Vernderungen zwar nachzeichnen, eine befriedigende Erklrung aber nicht liefern. Htte er nach den sozialen Interessen gefragt, die dem politischen Verhalten der konservativen Machtgruppen zugrunde lagen, so wre deren Bndnis mit dem Faschismus unschwer zu erklren: nicht verblendete Urteilskraft oder mangelndes Bewutsein davon . . . in der Verteidigung der fr Europa charakteristischen Lebensform zu stehen 258 , nicht Aberglaube 259 oder fehlender Erkenntnisdrang 260 brachte dieses Bndnis zuwege, son- dern die durchaus realistische Einsicht, da der Faschismus die Organi- sationen der Linken zertrmmern, das Privateigentum schtzen, die Unternehmerinitiative von den strenden Eingriffen der Gewerkschaf- ten und Betriebsrte befreien und einen neuen Anlauf zur gewaltsamen Expansion unternehmen konnte und da eben dieses identisch war mit ihren elementaren Interessen. 261 Die Hilflosigkeit Noltes bei der Erklrung sozialer Konflikte offen- bart sich etwa in seiner Errterung ber die Volksfrontregierung in Frankreich nach 1936: Aber die entscheidende Schwche der Volks- front lag offenbar darin, da sie den konservativen Mchten des Eigen- tums und der Finanz weitaus greres Mitrauen einflte, als Hitler und Mussolini es getan hatten, obwohl Hitler und Mussolini den Kate- gorien der brgerlichen Lebens- und Bildungswelt weitaus ferner stan- den als Blum, Daladier und Allain. 262 Als ob bei gesellschaftlichen Konflikten die Lebens- und Bildungswelt der Beteiligten ausschlagge- bend sei! Zudem verwechselt Nolte stndig die soziale Funktion einer politischen Bewegung mit der sozialen Herkunft ihrer Fhrer. (So glaubt er, durch den Hinweis auf die aristokratische Herkunft einiger 152 Theorien ber den Faschismus Liberaler Wesentliches ber den sozialen Charakter des Liberalismus gesagt zu haben. 263 ) Und unter den von den soziologischen Theorien betonten konomischen Hintergrnden des Faschismus kann er sich nur die direkte finanzielle Untersttzung des Faschismus durch Wirt- schaftskreise vorstellen 264 , whrend in Wahrheit die konomischen Ursachen gemeint sind, die die Massen zum Faschismus trieben und die allerdings mit dem kapitalistischen System zusammenhngen, sowie die oben skizzierten Interessen der konomischen Fhrungsgruppen an der Etablierung eines faschistischen Systems. Das zweite zentrale Glied in Noltes Faschismustheorie stellt der o/ /..-. dar, der das liberale System nach 1918 bedroht und den Aufstieg des Faschismus damit provoziert habe. Die weiteren Ausfh- rungen Noltes zeigen, da mit Bolschewismus einmal die Russische Revolution von 1917 gemeint ist, zum anderen aber die sozialistische Arbeiterbewegung in den europischen Lndern. Dabei wird deutlich, da eine Bedrohung des liberalen Systems nicht etwa deshalb bestand, weil ein Export der Russischen Revolution mit militrischen Mitteln gedroht htte, sondern deshalb, weil Teile der europischen Arbeiterbe- wegung in ihren Lndern nach einer sozialistischen Umgestaltung der Gesellschaft strebten. Wenn Nolte den Bolschewismus als Gewalt- samkeit eines Teils des Proletariats und den Faschismus als Gewalt- samkeit eines Teils des Brgertums definiert 265 , so deutet er an, da die- ser Konflikt etwas mit der Auseinandersetzung zwischen sozialen Klas- sen zu tun hat. Leider bleibt es bei dieser Andeutung. Welche Bedin- gungen zur Bildung sozialistischer Parteien und Gewerkschaften fhr- ten und welche Ziele diese verfolgten, bleibt unklar. In Noltes Modell fungiert die Arbeiterbewegung lediglich als Strfaktor und Bedrohung des liberalen Systems, dessen soziale Wirklichkeit und dessen Herr- schaftsverhltnisse nicht nher untersucht werden. Von hier aus erscheint dann die Reaktion des Brgertums auf die Bedrohung durch den Bolschewismus, erscheint der Pakt mit dem Faschismus als verstndlich, wenn nicht gar als unausweichlich, zumal Nolte immer dann, wenn er von der Linken redet, fr die entsprechen- den Assoziationen sorgt: Bei der Bildung der Volksfrontregierung in Frankreich hielten sich die Kommunisten aus parteiegoistischen Grn- den auerhalb 266 . (Die daraufhin einsetzende Kapitalflucht ins Aus- land, die die Volksfrontregierung unter Druck setzte, als klassenegoi- stisch zu bezeichnen, kommt Nolte aber nicht in den Sinn.) Bei den Streiks der spanischen Arbeiter nimmt er vor allem die brennenden Straenbahnwagen wahr 267 , fragt aber weder nach den Lebensbedin- Faschismus - phnomenologisch 153 gungen noch nach den Zielen der Streikenden. Wer das kapitalistische System verteidigt, gilt schlichtweg als Mann der Ordnung 268 . Als hin- gegen die spanische Republik es wagte, das aufgeblhte Offizierskorps zu reduzieren, spricht Nolte von einem hochmtigen Akt, dessen Quittung nicht lange auf sich warten lie. 269 Da in Spanien die Linke mit dem Terror begann, den die Rechte dann lediglich beant- wortete, scheint Nolte sicher. 270 Von den Herrschaftsmethoden der Oberklassen in Spanien, Italien, den osteuropischen Lndern usw., von den Lebensverhltnissen der Bauern, Pchter und Arbeiter, die der sozialistischen Bewegung ihren Massenanhang sicherten, kein Wort. Terror liegt bei Nolte erst dann vor, wenn die unterdrckten Massen sich auflehnen, worauf dann die Herrschenden begreiflicherweise auf das liberale System verzichten und autoritre oder faschistische Dikta- turen errichten. Dem jugoslawischen Knig blieb kein anderer Weg brig, als im Januar 1929 eine 'Knigsdiktatur' zu errichten, welche die Verfassung suspendierte und die individuellen Freiheitsrechte auf- hob 271 . Die Vertreter der liberalen und rechtsstaatlichen Traditionen in Deutschland muten 1935 bei Ausarbeitung und Vollzug der Nrn- berger Rassen-Gesetze helfen. 272 Warum sie muten und ob nicht auch andere Mglichkeiten politischen Verhaltens bestanden, wird lei- der nicht errtert. Immerhin gab es auch deutsche Juristen, die sich 1933 nicht zur Untersttzung des Dritten Reiches bereit fanden (zum Bei- spiel Heller, Kelsen, Anschtz usw.). Die Liste von Belegstellen, aus denen die ideologische Befangenheit Noltes hervorgeht, knnte noch lange fortgesetzt werden. Hinzu kommt eine - gerade unter den heftigsten Kritikern des Marxismus frei- lich nicht seltene - profunde Unkenntnis marxistischer Theorie, die zu den merkwrdigsten Behauptungen und Vermutungen fhrt. Noltes Ansichten ber die marxistische Wertlehre 273 , ber die Marx unterscho- bene Verelendungstheorie, die angeblich besagt, da die Lhne stets auf dem Minimum bleiben 274 , und ber Probleme kommunistischer Strategie 275 sind einfach erschtternd. Ein Beispiel mag gengen: Nolte bezieht sich auf die marxistische Arbeitswertlehre, die nach seiner Ansicht die Alleinproduktivitt des Proletariats behauptet, und widerlegt diese dann wie folgt: Das europische Proletariat erwies sich - mindestens in dem Sinne, der in der bolschewistischen Praxis alleinherrschend war - nicht als alleinproduktiv: da das mittlere und hhere technische und kaufmnnische Personal sich 1920 von der Fabrikbesetzung in Italien ausschlo, war die entscheidende Ursache fr die Niederlage der Bewegung. 276 Zunchst ist festzustellen, da schon Noltes Prmisse falsch ist: da 154 Theorien ber den Faschismus auch Handwerker, Bauern und Ingenieure produktive Arbeit leisten - im Unterschied zu Hndlern, Aktionren und Angehrigen der Dienst- leistungsberufe -, wird von der marxistischen Wertlehre schon deshalb nicht bestritten, weil sie sonst die unsinnige Behauptung aufstellen mte, da es in vorkapitalistischer Zeit produktive Arbeit berhaupt nicht gegeben habe. 277 Auerdem vermengt er noch das theoretische Problem der Wertlehre mit der Frage des politischen Erfolgs - als ob die Geometrie des Archimedes dadurch widerlegt sei, da dieser von einem rmischen Soldaten erschlagen werden konnte. Was mit dem Hinweis auf den Sinn der bolschewistischen Praxis gemeint ist, bleibt unklar. t/-. entstand nach Nolte deshalb, weil das liberale System sich nach 1918 durch den Bolschewismus herausgefordert und bedroht sah. Genauer: Der Faschismus gewann Bedeutung, als die Offensive der So- zialisten bereits gescheitert war und das Brgertum Anstalten traf, die berwundene Drohung von links ein fr allemal auszuschalten. Nolte weist nach, da weder in Italien 1922 noch in Deutschland 1933 eine kommunistische Gefahr bestand, da der Faschismus somit als Gegen- offensive des Brgertums gegen eine bereits zurckgeschlagene Arbei- terbewegung definiert werden mu. Die besondere Eigenart des Faschis- mus zu bestimmen und von den brigen politischen Krften abzugren- zen, betrachtet Nolte als seine Hauptaufgabe. Sechs Charakterzge scheinen ihm von hervorstechender Wichtigkeit und in ihrer Gesamt- heit (zu) gengen, die Individualitt des neuen Phnomens zu kenn- zeichnen: 1. Infolge der allzu raschen Ausdehnung des Wahlrechts traten die groen Massen ohne eine gengende Anpassungsfrist ins politische Leben, riefen in den Parlamenten Wechsellhmung statt . . . Zusam- menarbeit hervor und schufen so das Terrain, auf dem der Faschismus entstand. 2. Der Faschismus war aus dem Geist des Weltkrieges geboren, orga- nisierte sich deshalb nach militrischem Muster und fhrte das Sto- truppunternehmen als neues Element in den politischen Kampf ein. 3. Zum Brgertum stand der Faschismus in dem merkwrdigen Verhltnis einer nichtidentischen Identitt. Er machte sich zum Vor- kmpfer der brgerlichen Hauptintention: der Bekmpfung des marxi- stischen Revolutionsversuchs gegen die brgerliche Gesellschaft im ganzen. Aber er unternahm diese Bekmpfung mit Methoden und mit Krften, die den brgerlichen Denk- und Lebenstraditionen fremd waren. Seine Kampftruppen rekrutierten sich aus bestimmten Rand- Faschismus - phnomenologisch 155 schichten des Kleinbrgertums, den 'Landsknechten' und der irrationa- listisch gestimmten akademischen Jugend. 4. Der Faschismus weist eine eigentmliche Nhe zum Gegner auf: Eine Reihe faschistischer Fhrer kam aus der Arbeiterbewegung und brachte von dort ein gut Teil ihrer alten berzeugungen, Sympa- thien und Leidenschaften mit, vor allem aber ihre Erfahrung im Um- gang mit den Massen. 5. Der Nationalismus wurde zum Hhepunkt gefhrt und zum Imperialismus verschrft. 6. Die Ideologie proklamiert den Kampf gegen den Marxismus im umfassenden Sinne: der reformistische Sozialismus gilt als Bestandteil des Marxismus, das liberale System als sein Nhrboden. 278 Die Errichtung eines faschistischen Herrschaftssystems ist nach Nolte zu bestimmen als die Machtergreifung durch eine antimarxisti- sche Sammlungsbewegung primr kleinbrgerlicher Frbung unter Assistenz des Staates oder fhrender Gruppen der Gesellschaft. 279 Vor- aussetzung fr diese Machtergreifung ist, da der Faschismus die Linkstendenzen in seinen eigenen Reihen unterdrckt. 280 Nun wre eigentlich zu erwarten, da Nolte eine Erklrung fr die auch von ihm besttigte Tatsache gibt, da der Faschismus seine Anhn- ger besonders im kleinen Mittelstand fand. Stattdessen erklrter: Das vulgrmarxistische Om-mani-padme-hum der Zurckfhrung allen Un- heils auf die schwachen oder bsen 'Kleinbrger' bedarf selbst der soziologischen und psychologischen Klrung. 281 Dieses Miverstnd- nis Noltes, der die Analyse von Beziehungen zwischen sozialer Lage und politischem Verhalten mit Werturteilen ber Moral und Charakter verwechselt, darf wohl als symptomatisch gelten. Mit der Feststellung, eine Analyse der sozialen Basis des Faschismus sei in ihrer Aussage eng begrenzt, da eine Untersuchung der franzsischen Radikalsozialisti- schen Partei oder der englischen Heilsarmee zu ganz hnlichen Resulta- ten kommen wrde 282 , werden alle Erkenntnisse der Wahl- und Partei- ensoziologie souvern vom Tisch gewischt. Hier wren genaue soziolo- gische und sozialpsychologische Analysen ber Lage und Mentalitt der Mittelschichten, ber den Proze wirtschaftlicher Konzentration und sozialer Deklassierung und die Ursachen und Erscheinungsformen konomischer Krisen erforderlich gewesen, ber Bereiche also, deren Fachliteratur Nolte nicht verarbeitet hat. Um den Faschismus von anderen Gruppierungen der Rechten abzu- heben und die kaum noch zu entwirrende Verschlungenheit der kon- servativen und faschistischen Krfte begrifflich zu erfassen, fhrt Nolte eine Reihe subtiler Unterscheidungen ein: Als faschistisch werden . . . 156 Theorien ber den Faschismus alle Parteien, Bewegungen und Tendenzen bezeichnet, die offenkundig weiter rechts stehen, da heit vor allem auf radikalere Weise antikom- munistisch sind, als die aus der Zeit vor dem Weltkrieg bekannten rechtsgerichteten Parteien, die jedoch zugleich in sehr viel strkerem Mae linke Elemente in sich enthalten als diese. Ganz pragmatisch und uerlich sind sie an ihrer Vorliebe fr Uniformen, ihrer Neigung zum Fhrerprinzip und ihrer unverkennbaren Sympathie fr Mussolini und Hitler bzw. fr beide zu erkennen. Wenn nur einzelne dieser Kennzei- chen deutlich ausgeprgt sind, darf von Philofaschismus oder Halbfa- schismus gesprochen werden; wo bei einer Partei mit andersartigen Wurzeln ein einzelnes dieser Momente stark hervortritt (zum Beispiel das Prinzip der bewaffneten Parteiarmee), ist unter Umstnden die Bezeichnung Pseudofaschismus angebracht. Wo alle wesentlichen Momente nur in Anstzen vorhanden sind, empfiehlt sich der Terminus Protofaschismus. 283 Die NSDAP, die alle dem Faschismus immanenten Tendenzen ans Licht brachte, wird als Radikalfaschismus 284 bezeich- net. Diese Kriterien zur Abgrenzung des Faschismus vom Konservatis- mus enthalten ohne Zweifel bedenkenswerte Anstze. Vor allem die inhaltliche Bestimmung, da die faschistischen Krfte auf radikalere Weise antikommunistisch sind, trifft ein wesentliches Merkmal. Zu erklren bleibt dabei aber noch zweierlei: erstens, warum es nach 1918/19 zur Herausbildung radikal antikommunistischer Krfte kommt; und zweitens, wie das Merkmal des radikalen Antikommunis- mus sich zu dem Merkmal verhlt, da der Faschismus auch starke linke Elemente in sich enthlt, was Nolte, wie oben zitiert, auch als eigentmliche Nhe zum Gegner beschreibt, aber nicht erklrt. Zur ersten Frage ist festzustellen, da sich zwar im 19. Jahrhundert in allen kapitalistischen Lndern schon Arbeiterbewegungen entwickelt hatten, die auf eine Abschaffung der Lohnarbeit und die Durchsetzung sozialistischer Eigentumsverhltnisse drngten, da die herrschende Klasse jedoch in allen Lndern die Macht noch fest in den Hnden hielt und da der Kapitalismus auch weltgeschichtlich gesehen noch expan- dierte: Zu Beginn des Ersten Weltkrieges beherrschten die kapitalisti- schen Hauptmchte, beherrschte der Kapitalismus als Gesellschaftsfor- mation den gesamten Erdball. Dies nderte sich nach 1917/18 radikal: Mit der Russischen Revolution wurde ein wesentlicher Teil der Welt aus dem Herrschaftsbereich des Kapitalismus herausgebrochen. Zugleich verstrkte sich in den Kolonien der Kampf um die nationale Befreieung (der dann nach dem Zweiten Weltkrieg den Erdball innerhalb weniger Jahrzehnte grundlegend umgestaltete). Und in den kapitalistischen Faschismus - phnomenologisch 157 Lndern selbst nahm die Arbeiterbewegung einen gewaltigen Auf- schwung und bedrohte die kapitalistische Gesellschafts- und Eigen- tumsordnung in den Grundfesten. Nun konnten zwar die sozialistischen Revolutionsversuche berall (auer in Ruland) niedergeschlagen werden, doch insgesamt war die Arbeiterbewegung auch nach dieser Niederlage wesentlich strker und die Bedrohung des bestehenden Systems auch subjektiv im Bewutsein der Herrschenden wesentlich grer als vor dem Ersten Weltkrieg. Diese neue Situation drngte die herrschende Klasse dazu, neue Methoden und Instrumente zur Abwehr der kommunistischen Gefahr zu entwickeln - sowohl im Bereich der Ideologie wie im Bereich physischer Repression. 285 Die Existenz groer Massen entlasse- ner Soldaten und Offiziere, die im nationalistischen und militaristi- schen Geist erzogen waren, und die rasche soziale Deklassierung der Mittelschichten, die schon dargestellt wurde, hatten die Krfte geschaf- fen, die zu einer - notfalls auch terroristischen - Durchsetzung einer radikal antikommunistischen Politik bereit waren. So kam es zum Terror der Freikorps und Brgerwehren gegen die sozialistische und kom- munistische Arbeiterbewegung nach 1918, aus denen die faschistischen Bewegungen mittelbar oder unmittelbar hervorgingen. Die linken Elemente in der faschistischen Bewegung erklren sich aus dem gleichen Zusammenhang: Einerseits war mit der Notwendig- keit, fr eine reaktionre Politik nun Massen zu mobilisieren, auch ver- bunden, da populre Symbole, Parolen und Kampfformen, wie sie die Arbeiterbewegung entwickelt hatte, teilweise benutzt werden muten (wenn sie auch inhaltlich natrlich umfunktioniert wurden). Von Mas- sendemonstrationen bis zu antikapitalistischen Parolen, von der roten Fahne (deren Grundfarbe auch fr die Hakenkreuzfahne beibehalten wurde) bis zu Kampfliedern der Arbeiterbewegung (mit stellenweise ver- ndertem Text) wurde die Arbeiterbewegung nachgeahmt, um sie um so effektiver bekmpfen zu knnen. Adolf Hitler zum Beispiel stellte in :.- r-,/ ausfhrliche berlegungen darber an, worauf die Massen- wirksamkeit der Arbeiterbewegung beruhe und wie man ihre Methoden kopieren knne, um die Massen nach rechts zu ziehen. Andererseits kamen diese linken antikapitalistischen Elemente den Bedrfnissen breiter Schichten nicht nur in der Arbeiterschaft, sondern auch in den Mittelschichten entgegen, die sich vom Grokapital bedroht fhlten und Kampfmanahmen dagegen verlangten. Beide Komponenten wirk- ten zusammen, um den faschistischen Bewegungen ein partiell linkes Image zu geben. An der realen Politik des Faschismus, die auf terroristi- sche Zerschlagung der Arbeiterbewegung zielte, nderte dies allerdings 158 Theorien ber den Faschismus nichts. Im Gegenteil: die linken Elemente fungierten hauptschlich als Irrefhrung der eigenen Anhnger, von denen viele berzeugt waren, einen Kampf gegen den Kapitalismus zu fhren. Jene, die den ideolo- gischen Betrug 286 durchschauten und dagegen zu rebellieren began- nen, wurden, wie zum Beispiel in der Rhm-Krise 1934, rigoros unter- drckt, ntigenfalls umgebracht. Da sich faschistische Bewegungen zwar in allen europischen Ln- dern formierten, aber nur in einigen die Macht erobern konnten, ist zu fragen, welche besonderen Bedingungen fr die unterschiedlichen Er- folgschancen verantwortlich waren. Nolte gelangt zwar nicht zu einer allgemeinen Bestimmung dieser Bedingungen, gibt aber doch einige Anhaltspunkte, die zeigen, wie stark seine wissenschaftlichen Urteile von politischen Grundberzeugungen geprgt sind. Er konstatiert zunchst, da in den vorindustriellen Regionen Europas zwar Mili- trdiktaturen und konservative Regime an die Stelle des liberalen Systems traten, da aber die genuin faschistischen Bewegungen dort nicht voll zum Zuge kamen. 287 Das gilt sowohl fr Osteuropa von den Baltenstaaten bis hinunter nach Griechenland als auch fr Spanien und Portugal, die Nolte nicht zu den faschistischen Systemen rechnet. Die Erklrung mu wohl im sozialkonomischen Bereich gesucht werden, den Nolte aus seiner Untersuchung eliminiert. Entweder es fehlten in diesen Lndern die sozialen Ursachen, die faschistische Massenbewe- gungen hervorbringen: soziale Deklassierung und Statusangst des klei- nen Mittelstands konnten in industriell unterentwickelten Lndern nicht allzu stark auftreten, weil die Konzentration des Kapitals noch in den Anfangen steckte. Oder die faschistische Bewegung war funktions- los, das heit, der Faschismus wurde nicht bengtigt, um die auf dem Privateigentum basierende Gesellschaftsordnung aufrechtzuerhalten. Die konservativen Mchte waren stark genug, um mit den herkmmli- chen Mitteln konservativer Diktaturen - Militr und Staatsapparat - ihre sozialen Privilegien zu verteidigen. Es ist bezeichnend, da die spa- nische Falange erst in dem Augenblick strkeren Zulauf erhielt, als sich mit dem Wahlsieg der Linken im Februar 1936 herausstellte, da die traditionellen brgerlichen Gruppierungen nicht mehr ausreichten, um die sozialistische Bewegung abzuwehren. Der Militrputsch Francos, der freilich ohne die Untersttzung des italienischen und deutschen Faschismus aussichtslos gewesen wre, stellte jedoch die Vorherrschaft der Konservativen sicher - bis in die 70er Jahre. Nun hat aber der Faschismus keineswegs in allen industriell hherentwickelten kapitali- stischen Lndern die Macht erobert, sondern nur in Italien und Deutschland. (Auch der Heimwehrfaschismus sterreichs wird von Faschismus - phnomenologisch 159 Nolte mit Recht als eine bergangserscheinung zwischen konservativer und faschistischer Diktatur betrachtet.) Was unterschied diese Lnder von Frankreich, Belgien, England und den skandinavischen Staaten? In Italien war die wichtigste Voraussetzung fr die Machtergreifung des Faschismus der Umstand gewesen, da die riesige Sozialistische Par- tei zur Revolution nicht fhig und zur parlamentarischen Mitarbeit gleichwohl nicht bereit war. 288 Das war in den skandinavischen Ln- dern anders: Der Hauptgrund fr die Mierfolge der nationalsoziali- stischen Gruppen in Schweden und Dnemark war neben und mit der Stabilitt der Verhltnisse zweifellos der gewesen, da die Sozialisten hier lngst zum jngsten Element des liberalen Parteiensystems gewor- den waren. 289 Nun trifft genau dieses Argument auch auf die SPD zu. Dennoch soll hier - neben der geschickten Taktik der Nationalsoziali- sten 290 und der weitverbreiteten autoritren Mentalitt 291 , die freilich ihrerseits der Erklrung bedrfte - die Sozialdemokratie schuld sein, weil sie sich dagegen strubte, da die Lasten der Wirtschaftskrise in noch strkerem Mae den Lohnabhngigen aufgebrdet wurden. 292 Ohne die Spur eines Beweises, ohne die Einkommens- und Vermgens- verteilung eines Blickes zu wrdigen, ohne eine einzige auf Wirtschafts- statistiken gesttzte Zahl zu nennen, dekretiert Nolte, da eine etwaige Kapitalabgabe in der Regel keine genuine Alternative, sondern nur ein demagogisches Schlagwort darstellt. Als die Sozialdemokraten diese einfache Wahrheit vergaen und (1930) den Sturz der Regierung Mller herbeifhrten, brachten sie sich in eine Lage, die derjenigen der italieni- schen Sozialisten durch ihre Immobilitt hnlich war, und bereiteten jenen Zustand vor, in dem nur noch .- Mensch ber das Ausma und den Charakter der Lasten entschied, die alle anderen einzeln zu tragen hatten. 293 Kein Wort davon, da die mageblichen Kreise der Indu- strie, die hinter der DVP standen, die Auflsung der Koalition mit der SPD und die Errichtung einer vom Parlament unabhngigen Exekutive lngst beschlossen hatten. 294 Solch absurde Thesen sind das Resultat einer Untersuchung, die sozialkonomische Quellen und Literatur fr unwesentlich erklrt und sich statt dessen auf die freie Phantasie verlt, die allzuleicht in die Proklamation von sozialen Vorurteilen mndet. Worauf Nolte hinaus will, zeigt seine Begrndung im Falle Frankreichs und Englands. In diesen Lndern habe es in den entscheidenden Etappen starke rechtsgerichtete Regierungen gegeben, die der Propa- ganda des Faschismus den Wind aus den Segeln nehmen konnten. Ob der Faschismus Erfolg hat, hngt also nach Nolte hauptschlich vom Verhalten der Linken ab: Schon mit der Durchsetzung des allge- meinen Wahlrechts hatte es die Linke zu eilig. Als das aber geschehen 160 Theorien ber den Faschismus war, htte sie nicht nur jeden Versuch einer revolutionren Umgestal- tung der Gesellschaft unterlassen sollen, weil sonst das Brgertum in Schrecken geriet und sich mit dem Faschismus verband, sich nicht nur dem liberalen System vorbehaltlos einfgen sollen, wie es die SPD getan hat, sondern sie htte alle Bedingungen, die die Industrie dik- tierte, annehmen und die Herrschaft der gemigten Rechten mit aller Kraft untersttzen sollen. Der Wille der sozialen Oberklassen ist bei Nolte ohne weiteres identisch mit dem Gemeinwohl. Wer das bezwei- felt, wird der Demagogie bezichtigt. Es bleibt zu fragen, inwiefern die Schriften Noltes die vorangegangene Faschismusdiskussion vorangebracht haben. Zwei Momente sind hier zu nennen: 1. Die phnomenologische Methode hat den Vorzug, einige Aspekte des Faschismus ins Blickfeld zu rcken, die bislang wenig beachtet wur- den: Nolte kann nachweisen, da bestimmte Kampfmethoden, Verhal- tensformen und ideologische Prinzipien bei allen faschistischen Bewe- gungen jener Periode auftreten. Das betrifft etwa die Bildung unifor- mierter Kader, die mystische Symbolik (Runenzeichen, Pfeilkreuz, Hakenkreuz usw.), das Fhrerprinzip und seine irrationale Begrn- dung. 295 Da sozialwissenschaftliche Untersuchungen gezeigt haben, da auch soziale Basis und gesellschaftliche Funktion der verschiedenen Faschismen weitreichende Parallelen aufweisen, kann an der Legitimitt eines allgemeinen Faschismusbegriffs nicht mehr gezweifelt werden. Zugleich hat Nolte zustzliche Kriterien entwickelt, die - in Verbindung mit den von den Sozialwissenschaften entwickelten Kriterien - eine przise Unterscheidung zwischen dem historischen Faschismus und dem Konservatismus ermglichen. 2. Nolte geht von einem undifferenzierten, im Prinzip aber nicht un- richtigen Gesellschaftsmodell aus, das zwischen rechten, nach Siche- rung und Festigung der herkmmlichen Gesellschaftsstruktur, und lin- ken, nach deren Vernderung strebenden Krften unterscheidet und den Faschismus als eine in der Substanz extrem rechte Bewegung begreift, die lediglich in ihren Werbemethoden und Kampfformen linke Ele- mente bernommen hat. Von hier aus kann er das Bndnis zwischen den fhrenden Gruppen des Grobrgertums und der faschistischen Bewegung ebenso darstellen wie die betrchtlichen Sympathien, die die faschistischen Systeme bei den Konservativen aller europischen Ln- der genossen. Die Vernichtung des Marxismus im Innern - durch ter- roristische Niederwerfung - wie auf internationaler Ebene - durch den Krieg gegen die UdSSR - war nach Nolte das Hauptziel des seit 1938 Faschismus - phnomenologisch 161 fhrenden deutschen Faschismus. Beide Strategien hatten offensiven Charakter. Das Verhalten jener brgerlichen Gruppen aus Militr, Staatsapparat, Wirtschaft und Kirche, die sich gegenber dem faschisti- schen Herrschaftssystem kritisch verhielten, kann nach Nolte nicht als prinzipieller antifaschistischer Widerstand bezeichnet werden, da auch diese Gruppen mit den Grundlagen und den Hauptzielen des Systems einverstanden waren. Man mag einwenden, da alle diese Einsichten nicht neu sind. Obgleich dieser Einwand richtig ist, mu doch betont werden, da Nolte neue Argumente und neue Materialien fr diese Thesen vorgelegt und damit die Position bisher gngiger Theorien - wie etwa der Totali- tarismustheorie - weiter geschwcht hat. Da die Faschismuskonzeption Noltes gleichwohl als unzureichend gelten mu, hat folgende Grnde: 1. Nolte kommt ber die Aufzhlung einer Reihe von Merkmalen des Faschismus nicht wesentlich hinaus. Es bleibt offen, wie diese Merk- male miteinander zusammenhngen. Vor allem wre zu ermitteln, wel- cher Zusammenhang zwischen Ideologie, Sozialstruktur und sozialer Funktion des Faschismus besteht. Konkret gefragt: wie es zu erklren ist, da Nationalsozialismus, Rassismus und Autoritarismus gerade in kleinbrgerlichen Schichten so viele Anhnger fanden; da gerade Juden, Intellektuelle und Marxisten als Aggressionsobjekte fungierten; da kleine Ladenbesitzer und kleine Angestellte sich als Kampftruppe gegen die Arbeiterbewegung und nicht gegen die herrschende Klasse formierten; da der Faschismus, sobald er die Macht erobert hat, entge- gen seiner frheren Propaganda keineswegs die Wnsche und Interes- sen seiner Anhngerschaft realisiert. Um solche Fragen zu klren, wren freilich genaue Untersuchungen der Sozialstruktur, der Einkommens- und Besitzverteilung, der sozialen Lage und der Mentalitt der verschie- denen Sozialgruppen, der politischen, konomischen und publizisti- schen Einflumglichkeiten der herrschenden Klasse, mit einem Wort also: der gesellschaftlichen Wirklichkeit erforderlich. Erklrt man von vornherein die Weltanschauung der faschistischen Fhrer zur mageb- lichen Komponente und deren gesammelte Schriften zur magebli- chen Quellengrundlage, so entschwindet das alles aus dem Blick. 2. Die Konzeption Noltes ist im methodischen Ansatz wie in der konkreten Ausfhrung widersprchlich. Einmal versichert Nolte, da fr die phnomenologische Methode die Darstellung der Gedanken Mussolinis und Hitlers das Zentrum bilden msse 296 ; an anderer Stelle spricht er von den Selbstauslegungen des Faschismus, deren Wert ge- ring ist 297 . So dominiert zwar die personalistische Sicht, die den 162 Theorien ber den Faschismus Faschismus als das Eigentum und das mystische Komplement ihres Fhrers auffat 298 und die Politik des faschistischen Herrschaftssy- stems ausschlielich aus der Weltanschauung des Fhrers herleitet, weil Adolf Hitler, und er allein, die entscheidenden Beschlsse fate 299 . Andererseits betont Nolte, da der Faschismus nur durch die Unterstt- zung der konservativen Krfte an die Macht kommen konnte. In wel- chem Grade und auf welchem Wege deren Interessen sich durchsetzen konnten, wird dann aber nicht geprft. Whrend Nolte die faschisti- schen Bewegungen in ihrer Aufstiegsphase durchaus im politisch-sozia- len Krftefeld lokalisiert, scheinen faschistische Herrschaftssysteme dem Bereich gesellschaftlicher Interessen gnzlich enthoben. Die Frage nach der Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung des Faschismus wird berhaupt nicht gestellt, obwohl erst von hier aus die Bndnisbereit- schaft von Grokapital und Grogrundbesitz ihren vollen Sinn offen- bart und die soziale Funktion des Faschismus ganz erkennbar wird. Wenn im Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20. Januar 1934 der Unternehmer zum Fhrer des Betriebes ernannt, die Arbeiter und Angestellten aber zur Gefolgschaft degradiert wurden, die zu ge- horchen hatten, so ist das nicht primr aus der faschistischen Fhrer- ideologie abzuleiten, sondern entspricht einem elementaren Interesse der Unternehmer; die Ausschaltung von Gewerkschaften und Betriebs- rten ist gleichsam als flankierende Manahme fr diese gesellschafts- politische Grundentscheidung zu werten. Nolte interessiert sich lediglich fr die Auenpolitik des Faschismus, fr den Krieg und seine Vorbereitung, die er ausschlielich aus Hitlers Weltanschauung ableitet. Von der Rstungskonjunktur, die die Lsung fr die Probleme der Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit im Sinne der Industrie darstellte und schon deshalb die Zerschlagung der Gewerk- schaften notwendig implizierte, von den Interessen deutscher Kon- zerne an Rohstoffen und billigen Arbeitskrften in Osteuropa ist nicht die Rede - obgleich diese Interessen sich schon im Ersten Weltkrieg in hnlichen Kriegszielen artikuliert hatten: ebensowenig von der Ver- flechtung der konomischen Fhrungsgruppen mit dem Staatsapparat, die sich beispielsweise in der Institution der Wehrwirtschaftsfhrer oder in der Vierjahresplanbehrde zeigte. Unvermittelt behauptet Nolte, der Klassenkampf habe sich nach 1918 wesentlich verschrft 300 , doch bleibt gnzlich unklar, was er unter Klassen versteht und warum diese sich im Kampf befanden. Die marxi- stischen Klassentheorien lehnt er jedenfalls strikt ab. Da sozialwissenschaftliche Literatur nicht verarbeitet wurde, kommt es oft zu rgerlichen Widersprchen auch im Detail: Die objektive Faschismus - phnomenologisch 163 Funktion einer politischen Bewegung und die subjektive Absicht ihrer Trger und Nutznieer, die Realitt und die Vorstellungen ber die Rea- litt kann Nolte einfach nicht auseinanderhalten. 301 3. Die phnomenologische Methode hat zur Folge, da die Erschei- nungsformen des Faschismus gegenber seinen sozialen Wurzeln, sei- nen politischen Zielen und seiner gesellschaftlichen Funktion berbe- wertet werden und da das ideologische Selbstverstndnis des Faschis- mus die Betrachtungsweise entscheidend bestimmt. Noltes Darstellung gert so streckenweise in die gefhrliche Nhe immanenter Rechtferti- gung 302 . Demgegenber ist von sozialwissenschaftlichem Standpunkt aus zu betonen, da Selbstverstndnis und tatschliche Funktion einer Partei zweierlei sind, da Ideologien und Kampfmethoden, so originell und aufschlureich sie auch sein mgen, doch von objektiven gesell- schaftlichen Bedingungen hervorgebracht werden und im Dienste poli- tischer Zwecke stehen. Erst von ihren gesellschaftlichen Ursachen und ihrem Zweck her - und zwar von ihrem tatschlichen, nicht ihrem ein- gebildeten oder verkndeten Zweck.- knnen sie zutreffend interpre- tiert werden. Ins Konkrete gewendet bedeutet das: Die faschistische Parteimiliz konnte in Italien sich nicht deshalb so vehement entwickeln, weil die Weltanschauung Mussolinis aus Ideen Sorels und Nietzsches gespeist und deshalb auf Kampf und Gewalt gestimmt war. Der Grund lag viel- mehr darin, da Grogrundbesitzer und Industrielle nach einem Terror- instrument suchten, um die Arbeiterorganisationen zu zertrmmern, und deshalb die Faschisten mit Geld, Waffen und Lastwagen ausstatte- ten; da ferner Militr, Polizei und Justiz die Terrorakte der Faschisten ignorierten oder - falls ntig - beschtzten. Eine wichtige Vorausset- zung fr ein solches Zusammenspiel lag freilich darin, da es berhaupt eine grere Anzahl von Menschen gab, die Sympathien fr militri- sche Denk- und Verhaltensformen hatten und berdies zur Durchfh- rung von Terrormanahmen gegen die Linke bereit waren. Zunchst wren also die Bedingungen zu klren, die grere Sozialgruppen dazu gebracht haben, sich der faschistischen Bewegung anzuschlieen. Das ist schlechterdings unmglich, wenn nicht die soziale Lage und die gei- stige Verfassung eben dieser Sozialgruppen untersucht wird. Dann mte nach der Interessenlage der herrschenden Klasse und der Struk- tur und Funktion des Staatsapparats gefragt werden, die diese faschisti- sche Bewegung untersttzten. Fr solche Analysen aber fehlt Nolte das sozialwissenschaftliche Instrumentarium. Aus diesen Grnden erscheint es problematisch, bewaffnete Partei- miliz und Stotruppunternehmen zum unverzichtbaren Kriterium des 164 Theorien ber den Faschismus Faschismus zu erklren und so beispielsweise der NPD den faschisti- schen Charakter abzusprechen. Dabei bleibt unbestritten, da es vor allem die Kampf- und Herrschaftsmethoden sind, die den Faschismus von den brgerlich-konservativen Gruppierungen unterscheiden, nicht aber die sozialen Inhalte: Der Faschismus bernahm Techniken der Massendemokratie, um diese selbst zu beseitigen. Er bernahm Kampf- formen und Parolen von der Linken, um eine Massenbasis fr die Herr- schaft einer Minderheit zu schaffen. Nolte kann sich diese Wendung nur personal erklren: ehemals sozialistische Fhrer brachten diese Kampfformen und Parolen mit. Die wirklichen Grnde liegen in der politisch-sozialen Strukturvernderung, die der Einbruch der sozialen Unterklassen in den politischen Raum mit sich brachte. Nachdem nm- lich das allgemeine Wahlrecht eine nicht mehr aus der Welt zu schaf- fende Tatsache geworden war, muten sich auch politische Bewegungen mit autoritr-hierarchischen Zielvorstellungen auf die Methoden der Massenwerbung einstellen. Als Massenbasis kamen aber vor allem jene Sozialschichten in Betracht, die entweder als Kleineigentmer sich von der Arbeiterschaft abheben wollten und deshalb an der Eigentumsideo- logie strikt festhielten (Ladenbesitzer, Handwerker, Bauern) oder durch Beruf und Lebensfhrung auf die Ideologie von Ordnung, Gehorsam und Autoritt verpflichtet waren (Offiziere, Soldaten, Lehrer, Ange- stellte, Beamte). Deshalb hat die revolutionre Phraseologie des Faschismus zwar einen antikapitalistischen - gegen Grokapital und Grounternehmen gerichteten - Charakter, nicht aber einen sozialisti- schen. Die Konzentration Noltes auf die Erscheinungsform bewirkt zu- gleich eine berbetonung der Parallelen zwischen Faschismus und Arbeiterparteien, so da gleichsam eine abgeschwchte Variante der Totalitarismustheorie entsteht. Der Marxismus erscheint als Glaube, dem der Faschismus als der Antiglaube gegenbertritt, als handle es sich um zwei Ideologien auf der gleichen Ebene. berall entdeckt Nolte Parallelen, bis hin zu der faschistischen Rassenideologie, die der marxi- stischen Klassentheorie entsprechen soll. 303 Ob die Klassentheorie - im Unterschied zur Rassenideologie - nicht einen wesentlichen Aspekt der sozialen Wirklichkeit erfat, wird gar nicht erst errtert. 4. Die zentrale These Noltes, der Faschismus sei eine Epochener- scheinung gewesen und knne nach der Niederwerfung der faschisti- schen Systeme 1945 keine wesentliche Bedeutung mehr erlangen 304 , ist nicht haltbar. Sie beruht auf der Beobachtung der politischen Oberfl- che des historischen Geschehens, die in der Tat diesen Eindruck vermit- telt. berprft man jedoch die sozialen Ursachen des Faschismus, das Faschismus - phnomenologisch 165 heit die gesellschaftlichen Bedingungen, Interessen und Strukturen, die ihn hervorgebracht haben, so mu das Ergebnis lauten: Die Sozial- struktur hat sich nicht so wesentlich verndert, da mit Faschismus nicht mehr zu rechnen wre. Auch jetzt noch sind selbstndiger Mittelstand und andere Sozialgruppen von sozialer Deklassierung bedroht; gibt es konomische Rezessionen, die Krisenangst auslsen; sind autoritre Mentalitten, die nach Ordnung und starker Fhrung verlangen, weit verbreitet; bestimmt das Freund-Feind-Denken das Weltbild breiter Schichten; gibt es ein jederzeit aktualisierbares Aggressionspotential gegen Minderheiten in einem betrchtlichen Umfang. Auch die Frage, ob die herrschende Klasse nicht in eine Lage kommen knne, in der ihr ein Bndnis mit dem Faschismus opportun erscheint, kann nicht von vornherein verneint werden. 305 Die Ursachen, die Nolte fr den Faschismus anfuhrt - den Ersten Weltkrieg und den Aufstieg des Sozia- lismus -, erweisen sich bei nherer Betrachtung selbst als politische Fol- gen sozialer Vernderungen. Der Neofaschismus in Italien, der Auf- schwung rechtsextremer Parteien in Frankreich, der Bundesrepbulik und in anderen europischen Lndern seit Mitte der 80er Jahre, eine Reihe von Erscheinungen in den USA und die Errichtung der Militr- diktaturen in Griechenland 1967 und in Chile 1973 belegen auch empi- risch, da das Faschismusproblem nicht als erledigt gelten kann. Auch erscheint es unzulssig, den Faschismusbegriff von vorherein auf Europa einzuschrnken. Immerhin gab es auch in den USA der Zwi- schenkriegszeit Gruppierungen, die sich selbst als faschistisch verstan- den. Und ob nicht bestimmte Herrschaftsormen in Lateinamerika (zum Beispiel der Peronismus), in Japan vor 1945 und in Sdafrika mit den Kategorien einer Faschismustheorie zu erfassen sind, mte immerhin geprft werden. 5. Die Mngel dieser Faschismuskonzeption beruhen hauptschlich auf dem ideen- und persnlichkeitsbestimmten Geschichtsbegriff Nol- tes, der auch die Literatur- und Quellenbasis geprgt hat. Der Aufstieg einer politischen Partei ist nicht befriedigend darzustel- len, ohne die Methoden der Wahlstatistik und Wahlsoziologie einzube- ziehen. Die Motive der Anhnger einer Massenbewegung sind nicht zu ermitteln, ohne auf sozialpsychologische Untersuchungen zurckzu- greifen. Die innere Struktur einer Partei ist nicht zu beschreiben, ohne die Resultate der Parteiensoziologie zu verarbeiten. Bndnisse zwischen gesellschaftlichen und politischen Krften sind nicht zu verstehen, wenn nicht ihre sozialen Interessen und also die konomischen Grund- lagen der kapitalistischen Gesellschaft untersucht werden. ber das liberale System kann man nicht handeln, ohne das Buch von Haber- 166 Theorien ber den Faschismus mas ber den Strukturwandel der ffentlichkeit zu bercksichtigen. Da dieses Buch von Nolte als Gestaltwandel der ffentlichkeit zitiert wird 306 , darf wohl als Freudsche Fehlleistung interpretiert werden. Der Phnomenologe Nolte hat es in der Tat mit Gestalten, das heit mit Erscheinungsformen zu tun; zu strukturellen Problemen dringt er nirgends vor. In allen diesen Bereichen fllt Nolte weit hinter das zu- rck, was sozialwissenschaftliche Untersuchungen bereits erarbeitet haben. 6. Faschismus als Modernisierung (Moore, Dahrendorf, Schoenbaum u. a.) Eine sehr anspruchsvolle Variante der Faschismusinterpretation stellen die Modernisierungstheorien dar. 307 Ihr Einflu in der wissenschaftli- chen Diskussion ist in den 70er Jahren deutlich gewachsen. Dies zeigt sich auch darin, da einzelne Elemente dieser Theorien auch von ande- ren Autoren bernommen und in andere Interpretationen eingefgt worden sind. In ihrer entwickelten Form beanspruchen diese Theorien, nicht nur einzelne Aspekte des Faschismus zu erklren (die soziale Basis oder die Ideologie oder das Herrschaftssystem), sondern das Ge- samtphnomen des Faschismus in seiner Genese und seiner Struktur, also auch den Stellenwert des Faschismus in der Entwicklung der modernen Gesellschaft. (Sie stellen damit den gleichen hohen Anspruch wie die marxistischen Theorien, die in den folgenden Kapi- teln behandelt werden.) Der Plural Theorien ist - wie bei den marxisti- schen Theorien - besonders notwendig, weil sich - auf der Basis ge- meinsamer methodischer Prmissen - sehr unterschiedliche Versionen herausgebildet haben. Ihr allgemeineres theoretisches Fundament bildet die Industriegesell- schaftstheorie, die von Rostow ausdrcklich als Alternative zur marxi- stischen Entwicklungstheorie bezeichnet wird. 308 Deren Grundge- danke ist, da sich die Menschheitsgeschichte in verschiedenen Stadien entwickelt hat (Rostow unterscheidet fnf, Organski vier), deren zentra- les Unterscheidungsmerkmal das unterschiedliche Entwicklungsniveau von Wissenschaft und Technik ist. Gegenwrtig sei - als bisher hchstes Stadium - in einigen Lndern das der Industriegesellschaft auf ihrer Faschismus als Modernisierung 167 fortgeschrittenen Stufe der Konsumgesellschaft erreicht. Die Organisa- tionsform der Gesellschaft und die Eigentumsverhltnisse gelten dem- gegenber als unwesentlich. So erscheint der Sozialismus nicht als Alternative zum Kapitalismus, sondern (da er bisher hauptschlich in weniger entwickelten Lndern etabliert wurde) lediglich als eine noch zurckgebliebene Form auf dem Weg zur modernen Industriegesell- schaft. Die Zukunft der Menschheit wird demnach von der Gesellschaft mit dem hchsten Entwicklungsstand von Industrie, Technik und Wis- senschaft, vom Verschwendungskapitalismus (Organski), vom Mas- senkonsum, konkret also (damals) von den USA reprsentiert. Wird diese Theorie auf den Faschismus angewandt, so steht im Zen- trum die Frage, wie die Beziehung zwischen dem Industrialisierungs- und Modernisierungsproze und dem Faschismus zu definieren ist. Am Beispiel des amerikanischen Sozialhistorikers Barrington Moore kann die Leistungsfhigkeit dieser Theorie dargestellt werden. 309 Moore versucht, durch den Vergleich der Entwicklungswege der groen Lnder seit dem Feudalismus erstens zu einer Typologisierung dieser Entwicklungswege zu gelangen und zweitens zur Herausarbei- tung sozialgeschichtlicher Gesetzmigkeiten. Seine zentrale Hypo- these lautet, da die konkrete Beschaffenheit des Feudalismus und die Art und Weise seiner berwindung in den einzelnen Lndern in hohem Mae die weitere Entwicklung dieser Lnder determiniert hat. Schon in dieser Periode seien wesentliche Vorbedingungen dafr geschaffen worden, da sich in einem Land spter entweder eine kapita- listische Demokratie oder eine faschistische Diktatur oder eine kom- munistische Bauernrevolution durchsetzen konnte. Mit Blick besonders auf Japan und Deutschland und erst in zweiter Linie auf Italien arbeitet Moore die folgenden Charakteristika und Gesetzmigkeiten heraus: Whrend der erste Entwicklungsweg dadurch gekennzeichnet ist, da sich - nach einer Serie brgerlicher Revolutionen - Kapitalismus und Demokratie verbinden, ist der zweite Weg zwar gleichfalls ein kapitali- stischer, der jedoch, da es keine starke revolutionre Strmung gab, ber reaktionre politische Formen schlielich zum Faschismus fhrte (S. 475). Die erste Variante setzte sich durch, wenn fnf Bedingungen gegeben waren: 1. Die Entwicklung eines Gleichgewichts, um eine starke Krone oder eine zu unabhngige grundbesitzende Aristokratie zu verhindern. 2. Die Hinwendung zu einer geeigneten Form der kommerziellen Landwirtschaft entweder von seiten der grundbesitzenden Aristokratie oder von seiten der Bauernschaft (das erste geschah in England, das zweite in den USA). 168 Theorien ber den Faschismus 3. Die Schwchung der grundbesitzenden Aristokratie durch eine kraftvolle, unabhngige Klasse von Stadtbewohnern. 4. Die Verhinderung einer aristokratisch-brgerlichen Koalition gegen die Bauern und Arbeiter. 5. Ein revolutionrer Bruch mit der Vergangenheit (S. 494f. u. 481). Im Verlaufe dieses Prozesses wurden die grundbesitzenden Oberklas- sen entweder zu einem wichtigen Teil der kapitalistischen und demo- kratischen Flutwelle, wie in England, oder sie wurden - falls sie sich ihr entgegenstellten - in den Erschtterungen der Revolution oder des Brgerkrieges weggefegt (wie in Frankreich oder den USA) (S. 493). Der Weg in den Faschismus dagegen ist dadurch gekennzeichnet, da die grundbesitzenden Oberklassen entweder, wie in Japan, die beste- hende buerliche Gesellschaft intakt halten und nur so viele Vernde- rungen einfuhren, wie unbedingt notwendig sind, um sicherzustellen, da die Bauern einen ausreichenden berschu erzeugen, den sie sich dann aneignen und mit Gewinn auf den Markt werfen knnen; oder es gelingt ihnen, die Leibeigenschaft fest zu verankern, vermittels derer die Bauern an den Boden gebunden werden - wie zum Beispiel in Preuen (S. 497). Beide Varianten erfordern einen starken staatlichen, monar- chisch-brokratischen Unterdrckungsapparat, der auch das stdtische Brgertum in Abhngigkeit hlt, und konservieren elitre, autoritre und soldatische Ideologeme. Diese arbeitsrepressiven Landwirtschafts- systeme geraten zwangslufig in Schwierigkeiten durch die Konkur- renz technisch weiter fortgeschrittener Systeme in anderen Lndern - zum Beispiel durch die Weizenexporte der USA nach dem Ende des amerikanischen Brgerkrieges - und antworten darauf mit einer weite- ren Verstrkung der autoritren und reaktionren Tendenzen. Zugleich aber wird eine konservative Modernisierung durch eine Revo- lution von oben eingeleitet, die den bergang zum modernen Indu- strieland ermglichen, aber dennoch mglichst viel von der ursprngli- chen Sozialstruktur erhalten soll. Dabei kommt es hufig zu einer formlosen Interessen- und Kampfkoalition zwischen einflureichen Sektoren der grundbesitzenden Oberklassen und den sich formieren- den Schichten von Handel und Industrie, die zu schwach und abhn- gig sind, um die Macht selbst zu bernehmen (S. 497ff.). Die wachsen- den inneren Widersprche und die wachsende Aktivitt der organisier- ten Massen trieben in einigen Lndern die herrschende Klasse schlie- lich zur faschistischen Lsung: Der Faschismus war der Versuch, Reak- tion und Konservatismus populr und zu einer Sache des Plebs zu machen (S. 513), der in seinen Anfngen schon am Ende des 19. Jahr- Faschismus als Modernisierung 169 hunderts im deutschen Kaiserreich zu erkennen war. So erklrte sich die spezifisch faschistische Mischung zwischen Ideologemen und Hierar- chie, Disziplin und Gehorsam einerseits und einem plebejischen Anti- kapitalismus andererseits. Diese Ideologie war zwar geeignet, eine Mas- senbasis in den vom Kapitalismus bedrohten Schichten von Landwirt- schaft, Handel und Handwerk zu erlangen, aber die Kriegswirtschaft des faschistischen Systems basierte dann notgedrungen auf der Industrie. Da Moore klar unterscheidet zwischen denen, die die Massenunter- sttzung fr eine Bewegung oder ein System liefern, und denen, die davon profitieren, also zwischen sozialer Basis und sozialer Funktion, kann er fr den deutschen wie fr den japanischen Faschismus feststel- len, da er durch Unterdrckung im Innern und Expansion nach auen gekennzeichnet war. In beiden Fllen war die hauptschliche so- ziale Basis fr dieses Programm eine Koalition zwischen den Fhrungs- schichten aus Handel und Industrie (die eine schwache Ausgangsposi- tion hatten) und den traditionell herrschenden Klassen auf dem Lande, eine Koalition, die sich gegen die Bauern und die Industriearbeiter rich- tete (S. 355). Und fr Italien: Im wesentlichen protegierte der Faschis- mus die Grolandwirtschaft und die Groindustrie auf Kosten der Landarbeiter, der Kleinbauern und der Verbraucher (S. 518). Moore hat mit dieser groangelegten, durch breites empirisches Material abgesttzten vergleichenden Untersuchung ohne Zweifel wesentliche Gemeinsamkeiten in der Entwicklung der monarchisch- reaktionren und spter faschistischen Systeme einerseits und der br- gerlichen Demokratien andererseits herausgearbeitet. Wieweit er damit auch das Kausalproblem gelst hat und in welcher Beziehung die von ihm aufgefhrten Bedingungen und Merkmale untereinander stehen, mte freilich gesondert geprft werden. Moore ist sich klar darber, da die Agrarverhltnisse, die er analy- siert, nicht die einzige Ursache dieser Differenzierung waren (S. 497), da er also einen Faktor aus einem Faktorengefge herauslst. Dies fhrt zu einigen Fehleinschtzungen des Faschismus als Ganzem, und hier htte eine weiterfhrende Kritik vor allem einzusetzen. Diese soll hier wenigstens in Stichworten angedeutet werden: Es ist ohne Zweifel richtig und von Moore berzeugend nachgewie- sen worden, da die Fortdauer feudaler, monarchisch-obrigkeitsstaatli- cher Traditionen in einigen Lndern den Boden fr die faschistische Ideologie mit bereitet und insofern Aufstieg und Sieg des Faschismus begnstigt hat. Es war aber innerhalb der herrschenden Klasse nicht hauptschlich der feudale Grogrundbesitz, der die Errichtung eines faschistischen Systems in die Wege geleitet hat, sondern die ausschlag- 170 Theorien ber den Faschismus gebende Fraktion des Industrie- und Bankkapitals; und es war auch nicht hauptschlich der Grogrundbesitz, der vom Faschismus profi- tiert hat, sondern das groe Kapital. Dies kann besonders leicht am Bei- spiel Deutschland demonstriert werden (gilt allerdings in abgeschwch- ter Form auch fr Japan und Italien): Im Deutschen Reich war schon seitdem Ende des 19. Jahrhunderts das Grobrgertum zum bestim- menden Element innerhalb der herrschenden Klasse geworden, wenn auch wichtige politische Entscheidungsinstanzen in den Hnden der feudal-monarchistischen Gruppierung geblieben waren. Die imperiali- stische und kolonialistische Politik ist von den Interessen des Kapitals, nicht aber von den Interessen des Grogrundbesitzes her zu verstehen, was schon daran erkennbar ist, da auch die brgerlichen Demokratien zu dieser Politik bergegangen sind. Dies zeigt aber auch eine Analyse der Kriegsziele des deutschen Imperialismus, die in beiden Weltkriegen weitgehend identisch waren (ebendies verweist auf die Kontinuitt der sozialen Trger und die relative Belanglosigkeit des Fhrers und seiner Weltanschauung), Ob man das Konzept vom mittelafrikanischen Kolonialreich, das der Expansion nach Sdosten oder das der Erobe- rung des russischen Raumes mit dem Donezbecken und dem kaukasi- schen Erdl betrachtet - in jedem Fall geht es um die Eroberung neuer Rohstoffquellen fr die Industrie, neuer Absatzmrkte und Kapitalanla- gesphren, also um Kapitalinteressen. Auch die diese imperialistische Politik vorbereitenden und begleitenden Ideologeme wie Sozialdarwi- nismus und Rassismus sind nur von hier aus verstndlich, nicht aber von groagrarischen Interessen her. Geht man nun davon aus, da die Hauptfunktion des Faschismus darin bestand, im Innern die Arbeiterbewegung niederzuwerfen und nach auen den imperialistischen Krieg ins Werk zu setzen, so wird vollends evident, da hier primr Interessen des Kapitals und nicht In- teressen des Grogrundbesitzes im Spiel waren. Tatschlich wurde der Einflu der Groagrarier nach 1933 trotz einiger sozialer Konzessionen immer strker zurckgedrngt, whrend Reprsentanten des Industrie- und Bankkapitals in allen Entscheidungsinstanzen des faschistischen Systems je nach deren konkreter Funktion mehr oder weniger stark, aber in jedem Fall wesentlich reprsentant waren. Da der deutsche Imperialismus zum Faschismus berging, der Imperialismus in den westlichen Demokratien aber nicht, wre also aus dessen Sonderbedin- gungen, besonders aus dessen Zusptkommen beider Industrialisierung und deshalb auch bei der Verteilung der Welt und dem daraus resultie- renden Widerspruch zwischen gewaltigem Expansionspotential seit dem Ende des 19. Jahrhunderts und den eng beschrnkten realen Faschismus als Modernisierung 171 Expansionsmglichkeiten abzuleiten, wobei dieses Zusptkommen allerdings mit den starken feudalistischen Traditionen zusammenhngt. Dies ndert aber nichts daran, da der Faschismus ein Phnomen des Kapitalismus und nur von kapitalistischen Interessen her verstndlich ist. Daraus folgt, da die Mglichkeit des Faschismus mit der Ausschal- tung feudaler Machtgruppen und der endgltigen Etablierung eines kapitalistischen Systems keineswegs ausgeschlossen ist. Nur von hier aus wird auch eine Bemerkung verstndlich, die bei Moore ganz unver- mittelt auftaucht: da nmlich in Hinsicht auf die Verweigerung grund- legender Strukturreformen im Interesse der arbeitenden Massen seit dem Zweiten Weltkrieg . . . die Demokratie im Westen mehr und mehr die gleichen Zge zeige wie die reaktionren Systeme im 19. Jahrhun- dert in jenen Lndern, in denen spter der Faschismus siegte (S. 507). Die Weite des Problemhorizonts und die Hhe des theoretischen Niveaus, wie sie Moore reprsentiert, werden von anderen Modernisie- rungstheorien nicht erreicht. Vor allem der Zusammenhang zwischen den faschistischen Bewegungen und der Interessenlage der Oberklas- sen, den Moore immer im Blick hat, bleibt oft unbeachtet. So werden zum Beispiel die faschistischen Bewegungen - in Anlehnung an die Mittelstandstheorien - oft einseitig als bloe Rebellion gegen die indu- striekapitalistische Entwicklung gesehen, als irrationaler Antimodernis- mus 310 von Gruppen und Schichten, die in vorindustrieller Mentalitt befangen waren - womit dieses Konzept in die Mittelstandstheorien mndet. Da hier zugleich der organisierte Versuch der Oberklassen vorlag, Reaktion und Konservatismus populr und zu einer Sache der Plebs zu machen (wie Moore sagt), wird dabei bersehen. Sehr deutlich ist dieses Defizit bei Ralf Dahrendorf. 311 Schon das Kaiserreich sieht er nicht von einem Bndnis der feudalen Aristokratie mit der Groindustrie beherrscht - zur gemeinsamen Verhinderung so- zialer Reformen und zur Niederhaltung der Arbeiterbewegung -, son- dern von einem Bndnis zwischen Feudalismus und Sozialismus, preu- ischer und sozialistischer Staatsverherrlichung. 312 Die sozialen Ursprnge des deutschen Faschismus sieht er dann in einem Bndnis zweier antimodernistischer Krfte, nmlich der als herrschende Klasse angesehenen Feudalaristokratie (samt den mit ihr verbndeten Krften in Militr und Brokratie) und des Mittelstands. Das Grokapital kommt bei ihm als aktiver Faktor beim Kampf gegen die Demokratie gar nicht vor, sondern erscheint als eine passive, ngstliche, geradezu unterdrckte Klasse. Im Kaiserreich habe sie von Gnaden der staatstra- genden, vorwiegend preuischen Aristokratie existiert 313 , und das viel- berufene Bndnis zwischen den faschistischen Fhrern und Groin- 172 Theorien ber den Faschismus dustriellen habe eher den Charakter eines vorsorglich-ngstlichen Werbens um Wohlwollen bei den antizipierten Herren der Zukunft gehabt. 314 So erscheint die Geschichte der letzten hundert Jahre als Lei- densweg des Unternehmertums, und erst nach 1945 kommt der verhin- derte Kapitalismus endlich zum Durchbruch und damit auch die libe- rale Demokratie. Andererseits ist offensichtlich, da die faschistische Diktatur das genaue Gegenteil einer antimodernistischen Politik im Sinne der Ari- stokratie und des Mittelstandes betrieben hat. Sie hat sich auf die gro- en Industrie- und Bankkonzerne gesttzt und die stndisch-vorkapita- listischen Illusionen der faschistischen Anhnger rasch zerstrt und auch die feudalistischen Relikte stark reduziert - besonders in Deutsch- land. Dies wird oft als Modernisierungsschub, als soziale Revolution und damit als Wegbereitung der modernen Demokratie gewertet. Nach Dahrendorf war der brutale Bruch mit der Tradition und der Sto in die Moderni t t . . . das inhaltliche Merkmal der sozialen Revolution des Nationalsozialismus. Diese habe damit die Grundlagen liberaler Modernitt geschaffen. 315 Der Nationalsozialismus habe die berlie- ferten - und in ihrer Wirkung illiberalen - Loyalitten zu Region und Religion, Familie und Korporation einschlielich der Traditionsver- bnde der sozialistischen Gewerkschaften zerbrochen. Die nationalso- zialistische Revolution manifestierte sich also in der Gleichschal- tung, das heit der Aufhebung unkontrollierter Selbstndigkeit (S. 418-420). Der Volksgenosse habe die Aufhebung der Bindung an die Schichtzugehrigkeit bedeutet und die Vorbereitung des modernen Staatsbrgers (S. 421f.). Der Nationalsozialismus habe also die Grundlagen liberaler Modernitt geschaffen. Er habe jene Transfor- mation der deutschen Gesellschaft bewirkt, die auch die Verfassung der Freiheit erst mglich machte (S. 442, 426). Diese Interpretation des Faschismus als Modernisierung, als revolu- tionr und fortschrittlich wird insbesondere von der nordamerikani- schen und der von ihr beeinfluten Wissenschaft vertreten. Nach David Schoenbaum 316 ist es dem Dritten Reich (im Unterschied zu den vorangegangenen Systemen) gelungen, ein ziemlich hohes Ma an sozialem Gleichgewicht herzustellen, das die politische Stabilitt des Systems garantierte. Ermglicht wurde dieser Erfolg vor allem durch zwei Faktoren, einen psychologischen und einen sozialen: So gut wie alle Sozialgruppen wurden in einer stndigen Euphorie gehalten. Arbei- ter und Bauern, Selbstndige und Soldaten, Frauen und Jugendliche erhielten jeweils von sich den Eindruck, da es gerade auf sie ankomme, da man gerade mit ihnen Auergewhnliches vorhabe. Vor allem Faschismus als Moderinisierung 173 Arbeiter und Bauern wurden in der ffentlichen Propaganda umwor- ben und zu staatstragenden Stnden ernannt. Die dauernde Beschw- rung des revolutionren Geistes, des neuen Sozialismus wirkte in die gleiche Richtung. Diese Ideologie wre jedoch nach Schoenbaums Ansicht trotz des Propagandamonopols des Staates ohne Erfolg geblieben, wenn ihr die Wirklichkeit vollstndig widersprochen htte. Das aber knne nicht behauptet werden. Zwar habe die Ideologie wesentlich auch der Ver- schleierung der wirklichen Herrschaftsverhltnisse gedient, zwar habe es eine soziale Revolution im Sinne der Linken nicht gegeben, und mit dem Begriff Sozialismus wurde immer nur die subjektive Seite ange- sprochen, also das neue Gemeinschaftsgefhl, das trotz der gravieren- den sozialen Unterschiede entstehen sollte. Dennoch gab es Elemente in der sozialen Realitt, die die faschistische Propaganda nicht als gnz- lich unglaubwrdig erscheinen lassen konnten: Im Arbeitsdienst stand der Professorensohn neben dem jungen Arbeiter; Offiziere und Beamte wurden angehalten, hflich mit den Volksgenossen umzugehen; die Unternehmer wurden aufgefordert, die sozialen und hygienischen Bedingungen in ihren Betrieben zu verbessern. Noch schwerer fiel nach Schoenbaum ins Gewicht, da es fr Angehrige der unteren und mitt- leren Klassen tatschlich Aufstiegschancen gab, die es vorher nicht gege- ben hatte, und zwar nicht nur innerhalb der faschistischen Massenorga- nisationen, sondern auch im Berufsleben. Erst das Dritte Reich habe also - entgegen der kleinbrgerlich-rustikal-reaktionren Ideologie der NSDAP - jenen Grad sozialer Mobilitt hergestellt, der fr eine indu- strielle Gesellschaft erforderlich sei. Gerade jener Proze, gegen den der Nationalsozialismus vor 1933 die mittelstndischen Massen mobilisiert hatte, nmlich das Absinken der kleinen Selbstndigen zu Lohnunab- hngigen, das heit die Konzentration des Kapitals, wurde nun enorm beschleunigt. In diesem Sinne knne tatschlich von einer Revolu- tion gesprochen werden, die in Deutschland eine versptete brger- lich-industrielle Gesellschaft (S. 350) herstellte. Der Nationalsozialis- mus beschleunigte die beachtliche Mobilitt der deutschen Industriege- sellschaft. Es gab Aufstiegsmglichkeiten beim Militr, in der Wirt- schaft, ja sogar im Beamtendienst. . . Die Vernderung des sozialen Sta- tus . . . war . . . der Triumph des Egalitarismus, die Belohnung und Voll- endung der Volksbewegung, durch die Hitler an die Macht gekommen war. In HJ, SS und anderen Organisationen wurde in Gestalt von Posten, Medaillen und Uniformen - ungeachtet etwaiger Befugnisse - in groem Stil sozialer Rang verteilt (S. 333 f.). Wieso dies alles ein Umsturz der Klassenstruktur, gar eine klas- 174 Theorien ber den Faschismus senlose Wirklichkeit (S. 345) gewesen sein soll, ist allerdings berhaupt nicht einzusehen. An anderer Stelle fhrt der Autor nmlich berzeu- gend aus, da diese soziale Revolution - abgesehen von individuellen Aufstiegsmglichkeiten, die die Klassenstruktur gar nicht tangierten - rein geistig-ideologische Vernderungen, die Revolutionierung der Betrachtungsweise betrafen, whrend die reale Klassenstruktur nicht verndert, sondern dadurch gerade befestigt wurde. So schreibt er, da diese Revolution eigentlich der alten militrisch-industriellen Ord- nung zugute kam. Revolution bezeichnete letztlich eine Geisteshal- tung (S. 84). Nicht die bestehenden Klassenverhltnisse, sondern das Selbstbild, die Geisteshaltung sollten gendert werden (S. 89). Arbeitgeber blieben Arbeitgeber, auch wenn man sie wie Arbeiter ansprach (S. 96). Seine Argumente reichen also nicht aus, um seine These zu beweisen, da alle Sozialgruppen gleichermaen der Herrschaft des als sozial neu- tral vorgestellten faschistischen Staates unterworfen waren, da die berkommene Klassenstruktur der Gesellschaft zusammenbrach (S. 345), die Kategorien der Klassentheorie fr das Dritte Reich also nicht mehr anwendbar seien. Schoenbaum selbst bringt Belege dafr, da die Gewinne der Unternehmer sich in der Periode des Dritten Reiches weit gnstiger entwickelten als die Lhne der Arbeiter und Angestellten, da der Anteil der Lohnabhngigen am Sozialprodukt im Vergleich zur Weimarer Republik sogar abnahm (zum Beispiel S. 135, 193), obwohl ihr Anteil an der Gesamtbevlkerung zunahm. Die Aufl- sung der Gewerkschaften und die Unterstellung der Arbeiter und Ange- stellten unter die Befehlsgewalt des Unternehmers gehren in den glei- chen Zusammenhang. Das lt immerhin einige Schlsse darber zu, welche sozialen Interessen vom Dritten Reich objektiv vertreten wur- den. Ob fr die politische Fhrung diese Politik eine Herzensangelegen- heit oder eine taktische Notwendigkeit (S. 155), ob sie in ihren Augen primr Zweck oder Mittel war (vgl. S. 156), ist fr die Frage der Klassenstruktur einer Gesellschaft, die nach objektiven Merkmalen und nicht nach subjektiven Absichten fragt, zunchst gleichgltig. Man mu schon ziemlich blind gegenber sozialen Interessen berhaupt sein, um das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20. Januar 1934, das den Unternehmer zum Fhrer des Betriebes ernannte und die Arbeiter und Angestellten zur Gefolgschaft degra- dierte, auf die Parteiideologen zurckzufhren, denen das Fhrerprin- zip am Herzen lag (S. 123), statt auf den Wunsch der Unternehmer, die hier ihre elementaren Interessen durchsetzten. Das gleiche Kunst- Faschismus als Moderinisierung 175 stck bringt Schoenbaum fertig, wenn er die verstrkte Akkordarbeit auf die nationalsozilistische Elite- und Leistungsideologie zurckfhrt (S. 136). Daran ist allenfalls richtig, da faschistische und kapitalistische Elite- und Leistungsideologien sich trefflich ergnzten. In manchen ambivalenten Stzen hat Schoenbaum tiefere Einsichten angedeutet, etwa im folgenden: Wenn auch (der) rechtliche Status (der Arbeiter und Angestellten) dem von Leibeigenen gleichkam, so darf man doch nicht vergessen, da kluge Besitzer ihre Leibeigenen gut behandeln. Fr Ausstellungsvieh wird gut gesorgt (S. 151). So problematisch der Ver- gleich mit Leibeigenen auch sein mag, so macht dieser Satz immerhin klar, da gute individuelle Behandlung und die Vernderung der Gesell- schaftsstruktur zweierlei sind. Aber auch Schoenbaums These, alle Sozialgruppen seien in gleicher Weise dem Herrschaftswillen der faschistischen Fhrung ausgesetzt gewesen, ist nicht haltbar. Die Fhrer der groen Konzerne haben im Dritten Reich einen ganz erheblichen Einflu auf die Entwicklungs- richtung des Gesamtsystems besessen - und zwar nicht nur im sozialen, sondern auch im politischen Bereich, etwa bei der Formulierung der Kriegsziele. Sie haben teilweise - worauf Schoenbaum an einigen Stel- len hinweist (zum Beispiel S. 163f., 168f.) - sogar quasi-staatliche Hoheitsbefugnisse erhalten. Schoenbaum kann nur deshalb zu seiner falschen These gelangen, weil er die Unternehmer als eine Einheit behandelt und dann freilich eine Flle von Beweisen findet, da die kleinen und mittleren Unternehmer gnzlich einflulos waren (S. 155). Was die allgemeine Theorie betrifft, die faschistische Bewegung sei eine revolutionre Bewegung gewesen, so wurde bereits im Kapitel ber die Mittelstandstheorien nachgewiesen, da es sich beim Faschismus genau im Gegenteil um eine gegenrevolutionre Bewegung handelt. Was die vorliegende These vom Faschismus als Modernisierung und Revolution angeht, so wre zustzlich auf Arthur Schweitzer zu verwei- sen, der eine ausfhrliche und ziemlich vernichtende Kritik dieser These entwickelt hat. 317 Die Interpretation dieses an Max Weber geschulten, keineswegs marxistische Positionen vertretenden amerikani- schen Historikers wird im nchsten Kapitel ausfhrlich dargestellt. Hier sei nur sein Urteil ber diese Theorie erwhnt: Er kommt zu dem Ergebnis, da die angebliche Revolution nichts anderes als eine Ver- sion der Gegenrevolution ist. Die vom Staat geforderte und durchge- setzte Harmonie der Klassen war also ein typischer Fall von ideologi- schem Betrug. Die soziale Ehre diente Arbeitgebern und Staat lediglich als Mittel zur Erzwingung des Arbeitsfriedens (S. 137 u. 141). Um die Disziplin in den Betrieben sicherzustellen, konnte die Geheime 176 Theorien ber den Faschismus Staatspolizei (Gestapo) gegen Arbeitsunwillige eingesetzt werden, was die Einrichtung von Erziehungslagern fr bummelige Arbeiter zur Folge hatte (S. 153f.). In diesem Sinne konnte der Fhrer der Deut- schen Arbeitsfront (DAF) Ley in einer Rede 1937 vllig zu Recht sagen: Wir haben dem Betriebsfhrer seine Arbeiter zurckgegeben, das Hchste, was man ihm geben kann (zit. S. 150). Zusammenfassend sagt Schweitzer: Es ist ausgeschlossen, da eine derart status-orientierte Par- tei den Sto in die Modernitt zustande brachte. Hitler konnte gar nicht 'die Grundlagen liberaler Modernitt' legen, noch hat er es je 'wider Willen' getan. Hitler brauchte lediglich jene mit der Monopoli- sierung der politischen Macht durch eine Einheitspartei einhergehende 'Modernitt', die geeignet war, ein modernes Heer und eine Kriegswirt- schaft aufzubauen, um einen siegreichen Eroberungskrieg fhren zu knnen (S. 174). Da die Theorie vom Faschismus als Revolution und Modernisie- rung wissenschaftlich widerlegt ist, hat freilich ihren politischen Sieges- zug in der massenwirksamen Publizistik nicht aufhalten knnen, wie zum Beispiel das Buch von Sebastian Haffner zeigt. 318 Haffner, der offensichtlich fasziniert ist von der Modernisierungsthese, wiederholt nicht nur unkritisch alle faschistischen Propagandamrchen von Volks- gemeinschaft, Geborgenheits-, Kameradschafts- und Glcksgefhl, son- dern nennt Hitler tatschlich einen sehr leistungsstarken Sozialisten - und das Buch wurde, ebenso wie drei Jahre vorher das von Fest, vom s,.,./ bis zur r./ von der z. bis zur t-//.. +//,.-.-.- z..-, jubelnd begrt und sogar mit dem Heinrich-Heine-Preis ausgezeich- net. Da diese Theorie so freudig aufgegriffen wurde, ist verstndlich. Mit ihr bot sich ein Instrument, um einerseits der herrschenden Ge- schichtswissenschaft aus ihrer hoffnungslosen Alternative zwischen be- griffsloser Faktenhuberei und geistesgeschichtlicher Spekulation her- auszuhelfen und der marxistischen Wissenschaft mit einer sozialwis- senschaftlichen Theorie entgegenzutreten, und andererseits bot sich der politischen Publizistik die Mglichkeit, dem Faschismus - und damit auch allen seinen Bundesgenossen und Helfern - das Image des Fortschrittlichen zu verleihen. Beides wurde bereits zur Vollendung gefhrt von J. C. Fest, der zugleich den Begriffen der Modernisierung und der Revolution einen wesentlich erweiterten, sozusagen aktualisierten Inhalt gab. Fest leitet zwar die faschistische Politik hauptschlich vom Fhrer Adolf Hit- ler ab (und wurde deshalb schon im Kapitel t././..- behandelt); er bestimmt die Funktion dieser Politik jedoch als Modernisierung. Diese Fassung des offenbar sehr dehnungsfhigen Modernisierungsbe- Faschismus als Moderinisierung 177 griffs reicht nahe an das Selbstverstndnis und die Zielsetzung des Faschismus selbst heran. 319 Danach hat Hitler sowohl Deutschland als auch weite Teile der von seiner Dynamik erreichten Welt ins zwanzigste Jahrhundert befrdert (S. 1035). Er sei zwar als Revolutionr gegen die Revolution aufgebrochen. Aber die Mobilisierung der Krfte und des Einsatzwillens, die sein Rettungsunternehmen verlangte, hat den eman- zipatorischen Proze auerordentlich beschleunigt (S. 1035). Worin bestand nun das, was Fest - offenbar ganz in bereinstim- mung mit der faschistischen Ideologie - als Rettungsunternehmen bezeichnet? Nach innen war es die Rettung vor der Arbeiterbewegung und ihren demokratischen und sozialistischen Forderungen: Hitler habe das Bewutsein fr Stil, Ordnung und Autoritt zu verteidigen gesucht gegen die heraufziehende Epoche der Demokratie mit ihren Mitspracherechten fr die Massen, der egalitren Ermutigung fr das Plebejische (S. 1030). Vor allem aber beseitigte er die falichste Erscheinungsform der revolutionren Zukunftsangst: die marxistische Linke (S. 1036). Fest sieht deshalb in Hitler die wahre Figur der deut- schen Sozialrevolution, die viel moderner gewesen sei als etwa Thl- mann, der Fhrer der KPD (S. 1036). Mit dieser Art der Revolution also stellte Hitler nach Fest jenen Grad sozialer Mobilitt und Egalitt her, der fr eine moderne Industriegesellschaft unerllich ist (S. 657). Die Modernitt des deutschen Faschismus liegt nach Fest also ins- besondere darin, da er die Arbeiterbewegung und den Marxismus zer- schlagen, den Mythos der Weltrevolution gebrochen und so minde- stens vorbergehend das Gesetz des Handelns der Linken wieder ent- rissen habe: Weit erfolgreicher ist Hitler dem Mythos von der Weltre- volution und der geschichtsbestimmenden Kraft des Proletariats mit der eigenen konkurrierenden Ideologie entgegengetreten . . . Die ideo- logische Initiative jedenfalls ging whrend der dreiiger Jahre eine Zeit- lang von Moskau auf Berlin ber, und die Utopie der Klassenversh- nung zeigte sich der Utopie von der Diktatur der einen Klasse ber alle anderen so deutlich berlegen, da Hitler imstande war, erhebliche Teile selbst des gefrchteten Proletariats zu sich herberzuziehen und seinem buntgemischten Anhang aus allen Klassen, Bewutseins- und Existenzlagen einzuverleiben. Insoweit ist er tatschlich seinem Anspruch gerecht geworden, der 'Zerbrecher des Marxismus' zu sein; mindestens hat er dessen Verwundbarkeit offenbart und da dieser Geg- ner keineswegs das Gesetz der Geschichte fr sich habe (S. 1036). So habe Hitler die Revolution auf ihren modernen Begriff gebracht (S. 657). Der besonders effektive Schrittmacher dieser Modernisie- rung wird nach Fest reprsentiert durch den Typus des modernen 178 Theorien ber den Faschismus Revolutionrs, wie ihn die SS hervorbrachte (S. 649). Dies ist eine voll- stndige Rehabilitierung des Faschismus, was die Substanz seiner Poli- tik betrifft. Fest pldiert denn auch dafr, diese Substanz von einigen - vermeidbaren und heute auch nicht mehr aktuellen Erscheinungsfor- men zu trennen: Der Riesenschatten, den die Vernichtungslager war- fen, verdunkelte die Erkenntnis, in welchem Mae die Erscheinungen, um die es geht, mit epochenbestimmenden oder gar allgemeinen Bedrfnissen der Menschen zusammenhngen (S. 1040). In der Auenpolitik lag die Modernitt des faschistischen Ret- tungsunternehmens nach Fest in der Selbstbehauptung Europas. Hit- ler lasse sich auch als ein Versuch begreifen, eine Art dritter Position zwischen den beiden beherrschenden Mchten der Zeit, zwischen links und rechts, Ost und West zu behaupten (S. 1031). Kritisiert wird nicht etwa, da Hitler die Welt in einen Krieg gestrzt hat, sondern da er die- sen Krieg mit verkehrter Front, nicht nach Osten (S. 827) gefhrt hat - da es doch um den vermutlich nicht gnzlich aussichtslosen Versuch ging, dem Feldzug gegen die Sowjetunion europischen Zuschnitt zu geben (S. 1032). Da habe sich die unzulngliche Modernitt Hitlers erwiesen, habe sich gezeigt, da er ein Mann aus gleichsam tiefer euro- pischer Provinz war (S. 1032). Es ist offensichtlich, da Fest damit politisch genau jene Konzeption artikulierte, die politisch von Krften um Franz Josef Strau vertreten wurde: Deutschland als Energiekern, der das ermdete Europa neu zu stimulieren (S. 1031) in der Lage sei und damit zur dritten Welt- macht zwischen USA und UdSSR machen knne - mit dem Hauptziel, alle Krfte Westeuropas im Kampf gegen die Sowjetunion zusammen- zufassen. 320 So wird Hitler zu einem Reprsentanten der Modernitt, zu einer fortschrittlichen Gestalt. Der Widerstand gegen die faschistische Dikta- tur mu dann notwendigerweise als antimodernistisch und reaktionr erscheinen, als gegenrevolutionr, als Aufstand der Tradition, damit auch Illiberalitt und des Autoritarismus einer nachwirkenden Vergan- genheit, wie es schon bei Dahrendorf heit. 321 Bei dieser abstrakten Betrachtungsweise der Modernisierungstheorie bleibt erneut die von Moore sehr genau geprfte Frage, wessen Interes- sen die faschistische Politik eigentlich durchsetzte, gnzlich auer Betracht. Da diese Politik nicht nur auf Kosten der Lebensinteressen der groen Mehrheit in den faschistischen Lndern ging, sondern auch auf Kosten der brigen europischen Lnder, die durch den faschisti- schen Krieg ausgeplndert und schlielich ber weite Strecken in Trmmer gelegt wurden, erscheint in dieser Theorie als ziemlich belang- Faschismus als Moderinisierung 179 los. Es ist offensichtlich, da mit dieser Version der Modernisierungs- theorie eine Rehabilitierung und Rechtfertigung des Faschismus ver- bunden ist (ob dies den Autoren bewut ist oder nicht). Diese Interpretation des Faschismus aber weckt nicht nur aus morali- schen Grnden Widerspruch. Dies wre nicht hinreichend fr eine wis- senschaftliche Ablehnung. Sie ist auch aus wissenschaftlichen Grnden uerst fragwrdig: 1. Will man die Gesamtentwicklung der Gesellschaft analysieren, so ist es unzureichend, nur eine Komponente herauszugreifen, nmlich Industrie und Technik, und diese zur entscheidenden Ursache fr die Gesamtentwicklung und zum einzigen Kriterium fr die Beurteilung zu erklren. Das ist schon deshalb nicht mglich, weil diese sich keineswegs von selber entwickeln, sondern von lebendigen arbeitenden Menschen entwickelt werden mssen. Wenn also berhaupt nach einer primren Ursache fr gesellschaftliche Entwicklung und Fortschritt gefragt wird, so ist diese in der menschlichen Arbeit zu finden, in dem die kooperie- renden Menschen Erfahrungen machen, Kenntnisse erwerben, Fhig- keiten entwickeln, die Naturkrfte allmhlich besser erkennen und beherrschen und all dies an die folgenden Generationen weitergeben (soziale Vererbung). Diese primre Ursache mu jedoch im Zusam- menhang mit anderen Bedingungen betrachtet werden, weil es auch sehr stark von den gesellschaftlichen und politischen Verhltnissen abhngt, wie schnell und in welchen Formen sich dieser Fortschritt voll- zieht. Der Faschismus ist dafr ebensowenig eine gnstige Bedingung gewesen, wie es die preuische Militrmonarchie oder der Feudalstaat vorher gewesen sind. Schon die enorme Verschlechterung der Ausbil- dung der Bevlkerung und der rcksichtslose Raubbau gegenber Ar- beitskrften und natrlichen Ressourcen macht dies deutlich - wenn damit auch kurzfristig und abstrakt gesehen eine Leistungssteigerung (hauptschlich fr destruktive Zwecke) erzielt werden konnte. Die Theorie von der Industriegesellschaft hat also eine stark mecha- nistische Komponente, das heit die Tendenz, alle anderen gesellschaft- lichen Verhltnisse vom Stand der Industrie, Technik und Wissenschaft abzuleiten und sowohl deren Bedingtheit durch die Arbeit des lebendi- gen Menschen wie die relative Eigenwirkung und Selbstndigkeit von Eigentums- und Gesellschaftsordnung, von Staat und Ideologie zu ver- nachlssigen. So sieht der US-Soziologe Parsons die Ursachen fr den deutschen Faschismus darin, da sich in Deutschland der Proze der Industrialisierung und Urbanisierung besonders rasch vollzogen habe und damit seine Folgen, nmlich Angst,... Aggressivitt, eine Tendenz zu instabiler Gefhlsbetontheit, Empfnglichkeit fr Propaganda, die 180 Theorien ber den Faschismus die Gefhle anspricht..., besonders stark entwickelt htten. 322 hnlich definiert Kuhn den Faschismus als Folge einer durch verzgerte, for- cierte Industrialisierung entstandene gesellschaftliche Instabilitt, in der sich die mittlere Besitz- und Eigentumsklasse nicht konsolidieren konnte 323 . 2. Industrialisierung und Technik knnen nicht als oberstes Krite- rium fr eine Beurteilung und fr die Zuordnung als fortschrittlich fungieren, weil sie nur Mittel zum Zweck sind, keineswegs aber Selbst- zweck. Ihr eigentlicher Zweck liegt darin, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern, ihre Fhigkeiten zu entwickeln und ihre Bedrfnisse besser zu befriedigen. Nimmt man dies zum Mastab der Beurteilung, so sagen die Daten ber den Stand von Technik, Wissen- schaft und Produktivitt nur etwas aus ber die allgemeinste materielle Voraussetzung des Fortschritts, mssen aber im Zusammenhang mit der Art und Weise der Verteilung des Reichtums, den sozialen Unterschie- den, der Selbst- und Mitbestimmung der Massen, den Bildungsmg- lichkeiten der Massen, also den gesellschaftlichen Verhltnissen be- trachtet werden. Was hier den Faschismus betrifft, so kann keine Rede davon sein, da dieser fortschrittlich gewesen sei. Er hat die Lebensbe- dingungen der groen Mehrheit in allen Lndern, die er beherrscht und unterworfen hat, eklatant verschlechtert und durch den Krieg, der aus dem faschistischen System zwangslufig hervorging, schlielich sogar die Lebensgrundlage in betrchtlichem Umfang zerstrt - von den 50 Millionen Toten des Zweiten Weltkrieges ganz zu schweigen. Auch das Argument, der Faschismus habe die Voraussetzungen fr die Lebensbe- dingungen der folgenden Generation verbessert und sei deshalb als fort- schrittlich zu beurteilen, entbehrt jeder Grundlage. 3. Unhaltbar ist auch die These, der Faschismus habe die Vorausset- zungen fr eine demokratische Staats- und Gesellschaftsordnung ver- bessert und sei deshalb fortschrittlich gewesen. Erstens hat die faschisti- sche Diktatur die demokratischen Krfte und Ideen fr lange Zeit terro- ristisch unterdrckt, ihre Fhrungsschichten zu einem betrchtlichen Teil physisch ausgerottet und durch das staatliche Propaganda- und Informationsmonopol in allen Bevlkerungsschichten faschistische Ideologie tief verankert. Dadurch ist der Aufbau einer demokratischen Staats- und Gesellschaftsordnung nach dem Sturz des Faschismus sehr erschwert worden. Zweitens ist die These, die faschistische Diktatur habe die Gesellschaftsstruktur im Sinne einer sozialen Revolution ver- ndert, empirisch widerlegbar: Die Kluft zwischen den Herrschenden und der arbeitenden Bevlkerung wurde durch den Faschismus noch ausgeweitet. Dies gilt fr die sozialen Unterschiede (Vermgen, Ein- Faschismus als Moderinisierung 181 kommen) ebenso wie fr den Aspekt der Herrschaft (Vernichtung aller Mitbestimmungsrechte des Volkes in Politik, Wirtschaft und Industrie- betrieb). Arthur Schweitzer betont gegen diese Modernisierungsthese mit Recht, da die angebliche Revolution nichts anderes als eine Ver- sion der Gegenrevolution war. 324 Da diese reale Zerstrung von Demokratie und Liberalitt begleitet war von einer gewaltigen Propa- ganda ber Volksgemeinschaft und einigen ganz uerlichen Konzes- sionen und da diese Propaganda wegen des staatlichen Informations- monopols auch von einem betrchtlichen Teil der Bevlkerung ge- glaubt wurde, ist kein Grund, in der wissenschaftlichen Analyse diese Propaganda fr Wirklichkeit zu halten. Schlielich ist es auch mehr als zweifelhaft, dem Faschismus deshalb eine fortschrittliche Modernisierungsfunktion zuzusprechen, weil er in den von ihm beherrschten Lndern die kapitalistische Industriegesell- schaft und damit die Voraussetzungen fr Liberalitt und Demokratie hergestellt habe. Wie schon bei der Behandlung von Moore ausgefhrt, waren die kapitalistischen Krfte und Interessen schon vor 1918 in Deutschland die dominierenden, und diese Dominanz hat sich in der Periode der Weimarer Republik infolge eines durch Dollaranleihen be- schleunigten Monopolisierungsprozesses noch verstrkt. Es war also eine kapitalistische - und keine feudale - Gesellschaft, die in Deutsch- land 1933 den Faschismus hervorgebracht hat, und es waren kapitalisti- sche Interessen, die seine Politik bestimmt haben. Die Behauptung mancher Modernisierungstheorien, es seien die feudalen Krfte und Strukturen gewesen, die den Faschismus hervorgebracht haben, und der entwickelte Kapitalismus sei gegen den Faschismus immun, ist nicht haltbar. Dieser Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Faschismus war brigens kein zuflliger, sondern hatte seinen Grund in der kapitalisti- schen Wirtschaftsweise selbst, die - unter bestimmten Bedingungen - den Faschismus hervorbrachte und bentigte. Darauf hat auch Bert Brecht immer wieder hingewiesen. Was zunchst den Zusammenhang zwischen den Marktgesetzen und dem Irrationalismus betrifft, so sagt Brecht 325 : Man konnte auch sich allerhand darauf zugute tun, da das Denken von der Wirtschaft unabhngig sein sollte, aber was war daran gnstig, da die Wirtschaft unabhngig vom Denken war? Die Wirtschaft nm- lich war nicht nur von einem bestimmten Denken, eben dem philoso- phischen, unabhngig, also ein absolutes, ein Ding an sich, sondern von jedem Denken. Dies, da die Wirtschaft selbst vom Denken der Wirt- schaftsfhrer, das keiner staatlichen gewaltttigen Beschrnkung unter- 182 Theorien ber den Faschismus lag, unabhngig sein sollte, war selber undenkbar, hauptschlich, weil diese wenigen doch Profite machten. Man wute wenig ber die Um- stnde und Mchte, die das eigene Schicksal bestimmten, aber man sah allenthalben Leute Drhte ziehen. Sollte man annehmen, da diese keine Ahnung hatten? Sie hatten keine, und dies war es, woraus sie ihre Profite zogen. Nur von der Unwissenheit des andern konnte der eine profitieren, dies lag im System. Auch fr die Fhrer war ein Erfassen des Ganzen weder mglich noch ntig, wohl aber ein Verschleiern der Teile (S. 163f.). Und zur kriegerischen Ideologie des Faschismus bemerkt Brecht: Die Wahrnehmung, da es mglich ist, durch Gewalt andere Menschen und Menschengruppen zu enteignen, auszubeuten, niederzukonkurrie- ren und so weiter, ist aus dem privaten Wahrnehmungskreis des kleinen und groen Brgertums gewonnen. Gerade auf einem solchen Verhal- ten beruht ja unsere Wirtschaft (S. 238). Einige kapitalistische Lnder waren nun in eine Situation geraten, in der ihnen diese Radikallsung nach innen und auen als der angemes- sene Ausweg erschien: Die Geschfte des Kapitalismus sind nun in verschiedenen Lndern (ihre Zahl wchst) ohne Roheit nicht mehr zu machen. Manche glauben noch, es ginge doch; aber ein Blick in ihre Kontobcher wird sie frher oder spter vom Gegenteil berzeugen. Das ist nur eine Zeitfrage . . . Aber um in seinen Entscheidungskampf mit seinem Proletariat einzutreten, mu der Kapitalismus sich aller, auch der letzten Hemmungen entledigen und alle seine eigenen Begriffe, wie Freiheit, Gerechtigkeit, Persnlichkeit, selbst Konkurrenz, einen nach dem anderen ber Bord werfen. So tritt eine einstmals groe und revo- lutionre Ideologie in der niedrigsten Form gemeinen Schwindels, frechster Bestechlichkeit, brutalster Feigheit, eben in faschistischer Form, zu ihrem Endkampf an (S. 188f.). Fr Brecht folgt darauf: Diejenigen unserer Freunde, welche ber die Grausamkeit des Faschismus ebenso entsetzt sind wie wir, aber die Eigentumsverhltnisse aufrechterhalten wollen oder gegen ihre Auf- rechterhaltung sich gleichgltig verhalten, knnen den Kampf gegen die so sehr berhandnehmende Barbarei nicht krftig und nicht lange genug fhren, weil sie nicht die gesellschaftlichen Zustnde angeben und herbeifhren helfen knnen, in denen die Barbarei berflssig wre (S. 180). Die Untersuchungen des nchsten Kapitels werden zeigen, da Brecht damit die Wirklichkeit wesentlich tiefer erfat hat als die Moder- nisierungstheorien. Aus alldem folgt, da die Modernisierungstheorien allen anderen Faschismus als Bndnis 183 Theorien, die nur auf einen Aspekt des Faschismus sich beziehen, der Problemstellung nach berlegen sind, weil sie die Entwicklung der Ge- samtgesellschaft im Blick haben und danach trachten, das Verhltnis der verschiedenen sozialen und politischen Komponenten zueinander zu klren. Manche dieser Theorien haben diesem hohen Anspruch durch einen weiten Untersuchungshorizont und differenzierte Methoden in einem beachtlichen Mae gerecht werden knnen. Als exemplarisch fr diese Variante wurde Barrington Moore behandelt. Andere Varianten sind in ihrem Erkenntniswert deutlich geringer, methodisch oft unzurei- chend und politisch in einigen Fllen sogar geeignet, den Faschismus als fortschrittlich zu rehabilitieren und als Lsung fr die Probleme der Gegenwart wieder attraktiv zu machen. 7. Faschismus als Bndnis Die offensichtlich gewordene Untauglichkeit der herkmmlichen Anstze, besonders der Totalitarismustheorie, fr die Erklrung der Errichtung und der Politik des faschistischen Systems hat zu neuen Anstrengungen gefhrt, den Faschimus an der Macht empirisch genauer zu erforschen und theoretisch prziser zu bestimmen. So wurden - par- allel zur Modernisierungstheorie und teilweise auch in berschneidung mit ihr - neue Interpretationen entwickelt, die einen hheren Erkl- rungswert haben. a. Die Bndnispartner und ihre Ziele (A. Schweitzer, Ch. Bloch, H. Mommsen, F. Heer, D. Petzina u. a.) Was die Errichtung der faschistischen Diktatur betrifft, so stimmt jetzt ein betrchtlicher Teil der nichtmarxistischen Wissenschaftler mit den marxistischen darin berein, da die faschistische Partei nirgends aus ei- gener Kraft die Macht erobern konnte, sondern dazu der Untersttzung der herrschenden Klasse oder, wie nichtmarxistische Wissenschaftler formulieren, der traditionellen Eliten in Wirtschaft, Staatsapparat und Militr bedurfte. So schreibt zum Beispiel Hans Mommsen: Trotz der 184 Theorien ber den Faschismus Organisation- und Wahlerfolge der NSDAP war sie nur im Bndnis mit den traditionellen Eliten imstande, die politische Macht zu ber- nehmen; und Winkler: In Wahrheit kam der Faschismus nirgendwo ohne den Pakt mit der traditionellen Rechten an die Macht. 326 Als Grnde fr diese Untersttzung werden dabei vor allem die Furcht des Brgertums vor der Arbeiterbewegung, besonders vor dem Kommunis- mus, und der Drang nach einem starken Staat genannt, der im Innern die Linke zurckzudrngen und nach auen die nationale Gre wie- derherzustellen imstande war. Hierzu heit es bei Mommsen: In der weitgehenden Beseitigung der Weimarer Rechtsverfassung, der Schaf- fung einer starken Staatsautoritt und dem Ziel der baldigen Nieder- kmpfung des 'Marxismus' bestand Einigkeit. 327 Und Winkler sagt: Es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln, da diejenigen Groindu- striellen, die den Nationalsozialismus schon vor 1933 frderten, das um genau der Ziele willen taten, die nach dem Regierungswechsel alsbald verwirklicht wurden: Ausschaltung der Gewerkschaften und der politi- schen Arbeiterbewegung; Beseitigung des parlamentarischen Regie- rungssystems; Aufrstung . . . Wenn sich die auenwirtschaftlichen In- teressen der groen Konzerne auf einen gemeinsamen Nenner bringen lieen, dann war es die Sicherung und Neugewinnung von Absatzmrk- ten oder von Kapitalanlagen auerhalb Deutschlands, wobei die Haupt- storichtungen nach West- und Sdosteuropa gingen. Die wirtschaftli- che und politische Hegemonie Deutschlands in Kontinentaleuropa und mglichst, zwecks besserer Rohstoffversorgung, ein umfangreiches Kolonialgebiet im mittleren Afrika. Das waren die klassischen imperiali- stischen Zielvorstellungen der deutschen Groindustrie. 328 Zum Fall Italien sagt Wolfgang Schieder: Der italienische Faschis- mus wre allein nicht an die Macht gekommen, wenn er nicht bei Agra- riern, Adel, Kirche, Monarchie, weniger Industrie Bndnispartner gefunden htte. Das faschistische Regime Italiens war aus diesem Grunde ein Kompromiregime zwischen den traditionellen Eliten des Landes und der faschistischen Staatspartei auf Massenbasis. 329 Manfred Clemenz schreibt: Es kann heute kein Zweifel mehr dar- ber bestehen, da zu den rechten 'Extremisten', die die Weimarer Republik beseitigen wollten, nicht allein die Fhrer und Gefolgsleute der NSDAP zhlten, sondern gleichermaen die Mehrheit der deut- schen Groindustrie und des Grogrundbesitzes sowie breite Kreise des Militrs und der Brokratie . . . Der Kampf der Rechten galt eindeutig nicht allein den Kommuni- sten, er galt allen, die die Revolution von 1918 getragen hatten; . ,/ ..- t../ ... t../.- .. r.-. t.,./// Die politischen Faschismus als Bndnis 185 Kmpfe in der Weimarer Republik wurden nicht von irgendwelchen Extremisten auf der Linken oder Rechten 'angeheizt', sie waren von Anfang an Klassenkampf ums berleben. 330 Eike Hennig spricht von 'nationalistischen' und gegen die Arbeiter- bewegung gerichteten (Massen-)Bewegungen, die dort, wo sie im Bndnis mit der 'herrschenden Klasse' an die Macht gekommen sind, im Gefolge einer imperialistischen Auenpolitik zur rstungspoliti- schen Begnstigung der groen Industrie gefhrt haben 331 . Nach Sohn-Rethel sind es vor allem zwei politische Leistungen zur Lsung der konomischen Probleme, die das faschistische Regime zu erbringen verspricht und die deshalb das gemeinsame kapitalistische Interesse an diesem Regime begrnden. Erstens die langfristige Durchsetzung einer politischen Expansion im Dienste der Markterweiterung fr die deut- schen Kapitale vor allem in Richtung Sdosteuropa. Zweitens die terro- ristische Disziplinierung der deutschen Arbeiterschaft auf einem Lohn- kostenniveau, das die Akkumulationsmglichkeiten der deutschen Kapitale sprunghaft verbessert. Das habe die Basis der Allianz von Kapital und Faschismus gebildet. 332 Die bisher grndlichste, auf breitem Quellenmaterial beruhende Beweisfhrung fr die stufenweise Annherung zwischen der faschisti- schen Partei und der Groindustrie in Deutschland seit 1930 hat Dirk Stegmann geliefert. 333 Er kann im einzelnen nachweisen, welche Frak- tionen der Groindustrie wann und mit welchen Zielen dem Werben der NSDAP-Fhrung gefolgt sind, in welcher Weise die NSDAP unter diesen Einflssen ihre Politik, vor allem ihr Wirtschaftsprogramm ver- ndert hat und wie diese Entwicklung schlielich zur Bildung der Regierung Hitler und dann zur gemeinsamen Politik der faschistischen Diktatur fhrte. Die Dokumente von Anfang 1933 vermitteln sehr deutlich, wie sehr man in Hitler den Garanten fr eine ra konservativ- autoritrer Stabilisierung sah . . . Die Groindustrie, dankbar fr die weitgehende Autonomie auf verbandspolitischem Gebiet im Zuge der ' Neuordnung' , erfolgreich in ihrem Bemhen, wichtige auenwirt- schaftliche und strukturpolitische Gesetzgebungsakte (Kartellgesetz) in ihrem Sinne zu beeinflussen, band sich seit dem Sommer 1933 eng an den neuen Staat. Und darber, da der Faschismus den Kapitalismus privatwirtschaftlichen Zuschnitts stabilisiert hat, besteht kein Zwei- fel. 334 Aus dieser Konstellation bei der Errichtung der Diktatur wird gefol- gert, da es sich beim faschistischen System um ein Bndnis und einen Kompromi zwischen der faschistischen Partei und den Fhrungs- schichten in Wirtschaft und Gesellschaft handelte. Es ist jedoch not- 186 Theorien ber den Faschismus wendig, die Herausbildung und den Inhalt dieses Kompromisses zwi- schen den Bndnispartnern genauer zu betrachten. Was zunchst die Interessen des Grokapitals betrifft, so wurden sie vom faschistischen System in zwei Etappen durchgesetzt: 1. Die Arbeiterbewegung wurde zerschlagen, ihre Organisationen (Gewerkschaften und Parteien, sozialdemokratische wie kommunisti- sche) wurden aufgelst, Zehntausende ihrer Fhrer eingekerkert oder ermordet. Den Lohnabhngigen wurde damit jede Mglichkeit genom- men, ihre Interessen zu artikulieren und organisiert dafr zu kmpfen. Streiks wurden verboten, jeder Versto gegen den Betriebsfrieden wurde streng bestraft. Im Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20. Januar 1934 wurden die Unternehmer zum Fhrer des Betrie- bes ernannt und die Arbeiter und Angestellten zur Gefolgschaft degradiert, die einer quasi militrischen Gehorsamspflicht unterlag. Die Zerschlagung des Marxismus, die Hitler immer als sein Hauptziel proklamiert hatte, war damit realisiert; ebenso die versprochene Abschaffung des Klassenkampfs und die Sicherung des Betriebsfrie- dens 335 . So wurde die Arbeiterklasse als soziale Kraft schon 1933 aus dem politischen Krftespiel eliminiert. Dies entsprach sowohl den Inter- essen und Wnschen des groen Kapitals wie auch den Wnschen wei- ter Teile der mittelstndischen faschistischen Massenbewegung. 2. Als die faschistischen Milizeinheiten die Zerschlagung der Arbei- terbewegung unter dem Einsatz brutalsten Terrors und mit Hilfe der Staatsgewalt vollendet hatten, wurden sie nicht mehr gebraucht und drohten, zu einer Gefahr fr das neue Herrschaftssystem zu werden, weil sich in ihnen die plebejischen und antikapitalistischen Elemente des Faschismus besonders deutlich artikulierten. Da sie Kampfmanah- men gegen die etablierten Eliten verlangten, eine zweite Revolution (nach der nationalen Revolution, der Zerschlagung des Marxismus) forderten, wurden sie entmachtet, ihre Fhrer wurden ermordet. In Deutschland geschah dies im Zusammenhang mit der Rhm-Krise im Sommer 1934, als die mageblichen SA-Fhrer umgebracht wurden; in Italien wurde nach 1925 eine Serie von Suberungen durchgefhrt, die dem gleichen Zweck dienten. Dies war die entscheidende Voraussetzung, um alle kleinbrgerlich- antikapitalistischen und mittelstndischen Bestrebungen, die in der faschistischen Partei eine starke Basis hatten, zu unterdrcken. Dieser Kampf wird in seinen einzelnen Stufen vorzglich von Arthur Schweit- zer dargestellt. 336 Schweitzer, Professor an der Indiana-Universitt, geht - im Anschlu an Theodor Geigers s./. s//.-, .. .../.- //. von 1932 - Faschismus als Bndnis 187 von der Existenz dreier wirtschaftlicher Schichten, die er Klassen nennt, aus: Kapitalisten (0,84 Prozent), Mittelstand (48 Prozent), Arbei- ter (51 Prozent). Den Mittelstand teilt er wie Geiger in drei Schich- ten mit erheblichen Interessenunterschieden: den alten Mittel- stand (Handwerker, Hndler, Mehrzahl der Bauern), den neuen Mit- telstand (Angestellte und die untere Schicht der Kopfarbeiter) und Proletaroide (kleine Selbstndige). Deren sowohl antisozialistische wie antikapitalistische Tendenzen, die sich infolge der rapiden Proletari- sierung whrend der Wirtschaftskrise verstrkten, nahm die NSDAP auf, die so nicht nur die Whler der Mittelschichten gewinnen, sondern auch die Fhrungspositionen in deren Berufsorganisationen erobern konnte. Nach der Machtbernahme durch die NSDAP und der Zer- schlagung der Arbeiterbewegung habe das Ringen zwischen dem Mit- telstandssozialismus, der in der faschistischen Partei ber eine starke Basis verfgte, und dem groen Kapital begonnen, das die Parteispitze und die Generale auf seiner Seite hatte (S. 135). Die einzelnen Phasen dieses Ringens, das mit dem vollstndigen Sieg des groen Kapitals endete, werden von Schweitzer detailliert dargestellt und empirisch belegt. Die Wirtschaftspolitik des faschistischen Staates wurde so gere- gelt, da die kleinen Betriebe systematisch abgewrgt werden konnten und die groen Kartelle ber die Macht verfgten, die Preise festzuset- zen und die Produktion der kleinen Betriebe zu bestimmen (S. 130). Das einst gro angekndigte Siedlungsprogramm wurde weitgehend eingestellt, da die Finanzmittel fr die Rstung bentigt wurden. So fand sich der Mittelstand, nunmehr ein durch das Regime unterdrck- ter Bevlkerungsteil, mit der Arbeiterschaft auf einer Stufe (S. 131). Dem Sieg der Grounternehmer lagen vier definitive Tatbestnde zugrunde: Zum einen war das Wirtschaftspotential der Grokonzerne - mochte es in der Fhigkeit zur Arbeitsbeschaffung, der Versorgung mit einer Vielzahl der verschiedensten Industriewaren oder der Kontrolle vieler Instrumente zur Bildung der wirtschaftlichen Meinung zutage treten - weitaus grer als die Wirtschaftsmacht der Kleinindustrie. Zum anderen beraubte die Spaltung innerhalb der NS-Partei und die ihr folgende Suberungsaktion nach der Rhm-Affre die nazifizierten Handwerks- und Gewerbeorganisationen nicht nur der Untersttzung der Parteioligarchie, sondern ermglichte auch der Groindustrie, das ganze Gewicht ihrer wirtschaftlichen Macht in die Waagschale zu wer- fen. Am bedeutsamsten vermutlich wirkte sich drittens die bereinstim- mung der Interessen der Schwerindustrie und der Befehlshaber der Armee aus. Die Schwerindustrie war nur zu bereit und in der Lage, mili- trische Ausrstung und Waffen fr das Rstungsprogramm der Gene- 188 Theorien ber den Faschismus ralitt zu liefern, whrend umgekehrt die Forderung nach Kriegsmaterial eine wesentliche Voraussetzung fr die Wiederherstellung der hohen Gewinne der Groindustrie bildeten. Und viertens: Da sie ihren Ein- flu auf die Wirtschaftskonzerne und -verbnde nun auch auf die Wirt- schaftsbehrden des Staates ausdehnen konnten, sicherten die Fhren- den in der Groindustrie sich die Macht, die Wirtschaftspolitik des Staates zu bestimmen und durchzufhren und damit ihre eigenen Wirtschaftsinteressen und ihre eigene Ideologie durchzusetzen. . . . Dieser Versuch, die kapitalistische durch eine gegenrevolutionre berufsstndische Ordnung zu ersetzen, schlug fehl, weil nicht die Partei, sondern Vertreter der kapitalistischen Ordnung die Wirtschaftspolitik des Staates in der ersten Phase bestimmten und weil die Interessen der Generale wie der Parteifhrer auf eine Wiederaufrstung und wirt- schaftliche Mobilisierung fr den Krieg ausgerichtet waren. Dieses mili- trische Ziel erforderte die volle Leistungsfhigkeit der kapitalistischen Groindustrie und eine Ablehnung aller strenden berufsstndischen Forderungen. Die Geschichte der Nazifizierung des Mittelstands ist daher identisch mit dem von einer eigenstndigen Bewegung getrage- nen Aufbruch gegen die kapitalistische Wirtschaftsordnung, der durch den gemeinsamen Widerstand von Groindustrie, Partei und Generale gebrochen und niedergeschlagen wurde (S. 134 f.). Das Verdienst dieses Buches liegt darin, den Klassencharakter des Faschismus herausgearbeitet und im Detail belegt zu haben. Von dieser Position aus kann Schweitzer die Interpretationen von Dahrendorf (Faschismus als soziale Revolution, das heit Sto in die Moderni- tt) und Schoenbaum (Faschismus als doppelte Revolution, als revolutionr in den Mitteln wie in den Zielen, als ideologische Kriegfhrung gegen Bourgeoisie und Industriegesellschaft) als vllig haltlos erweisen: Er zeigt, da die angebliche Revolution nichts ande- res als eine Version der Gegenrevolution war (S. 137). Trotz dieser Erfahrungen mit dem Faschismus berlebte der alte Mittelstand . . . das NS-Regime mit intakt gebliebener konservativer Sta- tusideologie, wie das Gesetz zur Handwerksordnung von 1953 und die Wahlerfolge der NPD whrend der Rezession von 1966/67 beweisen (S. 178f.). Wie es gelingen konnte, dieses konterrevolutionre Poten- tial (S. 179) zu erhalten, wre einer genaueren Untersuchung wert, die den offenbar uerst komplizierten Zusammenhang zwischen ideologi- schen Bewutseinsformen und sozialkonomischer Lage thematisieren mte. Problematisch in diesem am theoretischen Instrumentarium Max Webers orientierten Buch ist die teilweise subjektivistische Auffassung Faschismus als Bndnis 189 von sozialen Strukturen und Klassenkonflikten, die gelegentlich zu aus- gesprochen naiv-idealistischen Einschtzungen fhrt. So konstatiert Schweitzer einerseits, da Arbeiter und Kapitalisten aus der gegebenen Klassensituation heraus einander als politische Gegner betrachteten; andererseits behauptet er, Klassenkampf sei wesentlich durch das Auf- einanderprallen ihrer Kollektivaktionen und Ideen entstanden (beides S. 3). Kurz darauf heit es: Die verheerende Wirkung der Inflation erstickte die keimende demokratische Gesinnung im Mittelstand und trbte das Bild demokratischer Ideale (S. 15). Mit solchen moralischen Kategorien arbeitet Schweitzer an einigen Stellen auch bei der Darstel- lung des Kampfes zwischen Grokapital und Mittelschichten: Die fhrenden Grounternehmer sahen im Mittelstandssozialismus eine verwerfliche Form der Gegenrevolution (S. 133). Bedenklich ist auch, da der Begriff der Gegenrevolution gelegentlich auf die Bestrebun- gen der Mittelschichten begrenzt wird, denen die kapitalistische Ord- nung des etablierten Faschismus als offenbar nicht gegenrevolutionr gegenbergestellt wird (S. 135). Da die Wirtschaftskrise Produkt des Kapitalismus war, bleibt auch hier unerwhnt. Zur Krise des faschistischen Systems 1934 schreibt Schweitzer: Die Rhm-Affre und die Degradierung der SA (raubten) den nazifizierten Mittelstandsgruppen die politische Macht, der sie zur Durchfhrung ihres antikapitalistischen Programms bedurft htten (S. 176). 337 Eine genauere Analyse dieses Konflikts hat der in Tel Aviv lehrende Histori- ker Charles Bloch vorgelegt. 338 Der Autor weist mit Recht darauf hin, da einige Fragen, die die Rolle gewisser Industriekreise betreffen, noch nicht zuverlssig beantwortet werden knnen, weil kaum ein Historiker zu den Archiven der groen Betriebe Zugang gefunden hat (S. 8), da aber die Hauptlinien des SA-Konflikts doch erkennbar sind. Vordergrndig ging es um eine Auseinandersetzung zwischen Reichs- wehr und SA. Dahinter verbarg sich aber ein viel umfassenderer sozia- ler Konflikt: die weitgehende Unzufriedenheit der mittelstndischen und kleinbrgerlichen Nazi-Massen mit der prokapitalistischen Politik der Hitler-Regierung (S. 11). Bloch setzt ein bei der politischen Konstellation vor dem 30. Januar 1933: Die antikapitalistische Agitation hatte - zusammen mit dem Anti- kommunismus - die von der Proletarisierung bedrohten Mittelschich- ten zur NSDAP getrieben, war aber von den Reprsentanten des Kapi- tals mit Recht nicht ernst genommen worden. Nach der Niederlage der NSDAP bei den Novemberwahlen 1932 (Rckgang von 37,3 Prozent auf 33,1 Prozent) aber muten diese befrchten, da im Falle des Ver- schwindens der NSDAP - in die sie viel Geld 'investiert' hatten - ein 190 Theorien ber den Faschismus Teil ihrer Anhnger zu wirklich revolutionren Parteien bergehen wr- den, in erster Linie zu den Kommunisten (S. 42). Diese Furcht trug dazu bei, nun eine rasche Machtbertragung an die faschistische Partei in die Wege zu leiten. Die antimonopolistischen Tendenzen in der NSDAP aber drngten nun auf Verwirklichung ihrer Forderungen; in Gestalt der SA schienen sie ber eine mchtige Massenorganisation (4,5 Millionen Mitglieder) zu verfgen. Die SA-Mnner waren zum gr- ten Teil arme Teufel...; sie hatten nicht beabsichtigt, den Marxismus zu erledigen, um dafr die kapitalistische Restauration einzutauschen (S. 69, nach einem Zitat von Niekisch). So geriet die SA in Gegensatz zum groen Kapital. Und da die SA-Fhrung zugleich verlangte, aus der SA die neue Armee zu bilden (und damit die soziale Existenz der SA-Leute zu sichern) und die reaktionre Reichswehr der SA einzu- gliedern, geriet sie in Gegensatz zur Reichswehr, stand also jenen Krf- ten gegenber, die den Faschismus an die Macht gebracht hatten. Nach der Niederwerfung der Arbeiterorganisationen verstrkte sich nicht nur der Ruf nach der zweiten Revolution und die Drohung, da man den reaktionren Krften in Staatsapparat, Wirtschaft und Militr erbar- mungslos das Genick brechen werde, sondern auch der reale Konflikt: Betriebe wurden von der SA besetzt und bernommen, Reichswehrof- fiziere geohrfeigt, Monarchistentreffen gesprengt. Hitler dekretierte immer aufs neue, da die Revolution beendet und jede Aktivitt in dieser Richtung untersagt sei, suchte aber lange nach einem Kompromi, da er die SA als Machtinstrument gern intakt gehalten htte, um sich nicht total dem Grokapital und der Reichswehr auszuliefern. Schlielich wurde er aber durch den vereinten Druck von Reichswehr, Reichsprsident und Kapital doch zum Losschlagen ge- drngt. Die Reichswehr stellte Waffen und Kasernen zur Verfgung und stand einsatzbereit, berlie aber die eigentliche Schmutzarbeit der bis dahin unbedeutenden SS (aus der sich dann spter das Machtinstru- ment der faschistischen Fhrung entwickelte, mit dessen Hilfe die to- tale Abhngigkeit von den Bundesgenossen der faschistischen Partei vermieden werden konnte). Die SA wurde fast widerstandslos entwaff- net, 150 bis 200 ihrer Fhrer wurden ermordet. Zugleich wurde eine Reihe anderer potentieller Kritiker und Gegner liquidiert, unter ihnen Gregor Strasser, General Schleicher und einige Monarchisten. Reichs- prsident Hindenburg, die Reichswehr und die brgerliche Presse lob- ten diese Mordaktion in hohen Tnen: Protest regte sich weder bei Juri- sten noch bei kirchlichen Wrdentrgern. Die Wahrheit ist, da weite Kreise des Brgertums nach dem 30. Juni Erleichterung empfanden (S. 111). Faschismus als Bndnis 191 Ein eigenes Kapitel widmete Bloch der Rolle des Grokapitals. Wie gro immer dessen direkte Beteiligung gewesen sein mag - die politische Funktion dieser Mordaktion war eindeutig: Die Gewinner waren die Industriellen und die Grobanken . . . Mit der Niederwerfung der SA hatten auch der Mittelstand und das Kleinbrgertum - nach der Arbeiterschaft - die Partie als Klasse verloren und wurden dem Groka- pital geopfert (S. 143). Die im Kaiserreich noch einen relevanten Teil der herrschenden Klasse reprsentierenden ostelbischen Grogrundbe- sitzer allerdings konnten ihre frhere Machtstellung auch nach dem 30. Juni 1934 nicht zurckgewinnen. Die SS, deren Aufstieg jetzt einsetzte, rekrutierte sich in starkem Mae aus dem besitzenden und gebildeten Brgertum und verteidigte die Interessen der besitzenden Klasse gegen jede Revolution . . . Die SA symbolisierte die Anarchie, die SS das System . . . Die Grausamkeit der SS war nicht spontan, sondern methodisch (S. 157 f.). So sei es zu einer Abgrenzung der Einflusphren gekommen: Die Groindustriellen und Bankiers schalteten und walteten weiterhin nach ihrem Gutdnken in der Wirtschaft und berlieen der NSDAP und SS die politische Macht (S. 161). Bei der enormen Profitsteigerung der Wirtschaft fun- gierte die SS als wichtigster Helfershelfer: Sie lieferte ihr die Arbeits- krfte aus den Konzentrationslagern und von der nach Deutschland deportierten Zivilbevlkerung und schuf vor allem den Polizeiapparat, der fast ganz Europa zugunsten der deutschen herrschenden Klassen niederhielt (S. 163). Allmhlich kam es zu einer teilweisen Fusion zwischen diesen Machtgruppen, die das faschistische System bis zum Ende beherrschten, whrend die Reichswehr, der Hauptanstifter des Blutbades vom 30. Juni, ab 1938 allmhlich an Einflu verlor. Die Resultate dieses Buches wurden hier auch deshalb relativ aus- fhrlich referiert, weil damit allerlei Legenden der herrschenden Geschichtswissenschaft, die die Rhm-Affre auf Konkurrenzmotive zwischen Rhm und der Reichswehrfhrung reduzieren und ihre so- ziale Funktion verschweigen, in berzeugender Weise und gesttzt auf Archivmaterialien widerlegt werden. Das Ergebnis dieser Kmpfe in den Jahren 1933 bis 1935 war also, da zuerst die Arbeiterklasse - mit Hilfe des terroristischen Einsatzes der faschistischen Kampforganisationen - und dann auch die Mittel- schichten und die mittelstndischen Anhngermassen des Faschismus als soziale Krfte eliminiert wurden. Die Unterdrckung der Gewerk- schaften beseitigte das Prinzip der freien Organisation der Lohnabhn- gigen und erweiterte, in Kombination mit der Strkung kapitalistischer Institutionen durch den Staat, den Raum des Kapitalismus, der vom 192 Theorien ber den Faschismus Grokapital /, /.-. kontrolliert . . . wurde. Die Niederlage der anti- kapitalistischen Ziele der dem Nazismus folgenden Kleinunternehmer -./.. -// /.-. die mit den Mitteln des Staates herbeigefhrt wurde, produzierte das gleiche Resultat. 339 An relevanten Krften blie- ben also nur noch brig: einerseits die Fhrungsschichten in der Gro- industrie, dem Militr und der hohen Beamtenschaft. Sie verfgten nicht nur ber die Wirtschaft des Landes, sondern auch ber wichtige Teile des staatlichen Verwaltungs- und Gewaltapparats. Und anderer- seits die Fhrungskader der faschistischen Partei, die die Kontrolle ber einen Teil des Staatsapparats bernommen hatten. Deren Machtstel- lung beruhte wesentlich auch darauf, da sie ber ein weitverzweigtes Netz von Massenorganisationen verfgten, die sowohl die Kontrolle und berwachung der Massen wie auch die stndige ideologische Be- einflussung und aktive Mobilisierung mindestens eines Teils der Bevl- kerung ermglichten. So wurde die Massenbasis, die fr die Erhaltung und Expansion des gesamten sozialen und politischen Systems erfor- derlich war, durch diese Kombination aus Massenunterdrckung und Massenmobilisierung, aus Terror und Ideologie garantiert. Es mag erstaunlich erscheinen, da Masseneinflu und Massenbasis des faschistischen Systems erhalten blieben und zwischen 1935 und 1939 sich sogar noch ausdehnten, obwohl die Massen der Lohnabhngi- gen wie die der Kleineigentmer, also die gewaltige Mehrheit der Bevl- kerung, aus der politischen Willensbildung ausgeschaltet waren und in ihren sozialen Interessen stndig und grundlegend verletzt wurden. Es war eine sehr effektive Kombination verschiedener Elemente, die dies bewirkt hat: Erstens ein schrankenloser und als Drohung stndig gegenwrtiger Terror, der jeden in seiner sozialen Existenz, seiner Freiheit und seinem Leben bedrohte, der sich dem System in Wort oder Tat widersetzte. Schon dieser Terror verbietet es, leichtfertig zu behaupten, da die faschistische Herrschaft zumindest im Sinne /// -./--. o./ .-, legitim war. Insoweit die Abwesenheit verbreiteten Protests schon Zeugnis der Legitimitt ist, galt dies ohne Frage. 340 Dieser Darstellung Dahrendorfs wre die uerung Brechts entgegenzuhalten: Die Strke des Regimes, heit es, beruhe darin, da kein Gegner sichtbar wird. Das kann nicht stimmen fr die Arbeiter: ab und zu fallt ein Kopf. Es kann stimmen fr das Brgertum: obwohl ab und zu ein Murren laut wird. Was da murrt, ist kein Gegner. Und: Das Ma der Gewalttaten lt einen Schlu zu auf das Ma der Auflehnung. 341 Es war zweitens das Informations- und Propagandamonopol des Staates, das die Bevlkerung von jeder Mglichkeit kritischen altemati- Faschismus als Bndnis 193 ven, oppositionellen Denkens abschnitt (dem Willen des Systems nach total, der Wirklichkeit nach freilich nicht ganz). Tatschlich kann das menschliche Denkvermgen in erstaunlicher Weise beschdigt werden. Dies gilt fr die Vernunft der einzelnen wie der ganzen Klassen und Vlker . . . Der Stumpfsinn kann, mit geeigneten Mitteln, in groem Umfang organisiert werden. 342 Drittens wirkte die reale Verbesserung der materiellen Lebenslage (gegenber dem groen Elend der Wirtschaftskrise), die durch die Rstungskonjunktur und Kriegsvorbereitung erzeugt wurde und die Ar- beitslosigkeit allmhlich abbaute - freilich lngerfristig um den Preis eines Krieges, der von 1933 an systematisch vorbereitet wurde, 50 Mil- lionen Tote, 30 Millionen Verstmmelte und Massenelend riesigen Aus- maes erzeugte. Viertens gab es die sogenannten nationalen Erfolge, die durch die Besetzung des Rheinlands und den Anschlu des Saarlands, sterreichs und des Sudetenlands veranschaulicht wurden, dem Nationalstolz schmeichelten und - zusammen mit dem wirtschaftlichen Aufschwung - die Propaganda des Systems zu besttigen schienen, da es aufwrts gehe in Deutschland. Dem Faschismus wurden von den Westmchten hier Erfolge gewhrt, um die sich die Regierungen der Weimarer Repu- blik erfolglos bemht hatten. Insofern kann man durchaus sagen, da die Westmchte zur Stabilisierung der faschistischen Diktatur beigetra- gen haben. Sie taten das hauptschlich deshalb, weil die brgerlichen Regierungen dieser Lnder im Faschismus den Zertrmmerer des Mar- xismus in Deutschland und den Vorkmpfer gegen die sozialistische Sowjetunion sahen. Fnftens ist hinzuweisen auf die vielfltigen Mglichkeiten zur Besttigung des Selbstwertgefhls, die das System fr seine Anhnger bereitstellte: Die Chance, in einer der vielen Massenorganisationen an einer von der Propaganda als gro und ehrenvoll dargestellten Aufgabe aktiv mitzuwirken; die Chance, in einer dieser Massenorganisationen eine mit Befehlsgewalt ber andere, mit Titel und womglich mit Uni- form ausgestattete Position zu erhalten; die Chance, sich zu einer zur Herrschaft berufenen Nation zu zhlen und dieses berlegenheitsge- fhl gegenber kommunistischen, jdischen, polnischen und russi- schen Untermenschen auch zu praktizieren usw. Und sechstens schlielich darf nicht unterschtzt werden, wie die gemeinsam begangenen Verbrechen, an denen dann insbesondere in der Periode des Krieges und der Massenmorde - vorsichtig geschtzt - Hunderttausende aktiv beteiligt waren, gewirkt haben. Auch die Ge- meinsamkeit im Verbrechen kann, wie dies ja von Gangsterbanden her 194 Theorien ber den Faschismus schon bekannt ist, eine Art von Solidaritt erzeugen - allerdings eine ganz perverse. Zudem wuten alle diese Helfer und Helfershelfer, da ihr Schicksal mit dem des Faschismus auf Gedeih und Verderb verbun- den war und da sie im Falle einer Niederlage des Systems zur Rechen- schaft gezogen wrden. Brecht sprach hier von verstndlicher Treue: Der Unterdrcker Hu-ih [= Hitler; R. K.] konnte sich nicht mit der Abgabe hochgesinnter Versicherungen bei seinen Leuten begngen. Sein bester Schutz waren ihre Verbrechen. Indem sie sich an seiner Un- terdrckung beteiligten, setzten sie sich der Bestrafung durch die Unter- drckten aus, das versicherte den Hu-ih am besten ihrer Treue. 343 Vor- zglich dargestellt sind die Bewutseins- und Verhaltensformen der ver- schiedenen Klassen und Schichten bei Anna Seghers, besonders in der Erzhlung t ./. r... und dem Roman t. :.- //./.- .-, Die- ser Roman ist berhaupt die beste literarische Gesamtdarstellung des deutschen Faschismus. Da Anna Seghers nicht nur die einzelnen Vor- gnge genau beobachtet, sondern auch die sozialen Interessen und deren Widerspiegelung im Bewutsein und im Handeln der Individu- en sichtbar macht, erfhrt man hier mehr ber die Wirklichkeit des Faschismus als in den meisten geschichtswissenschaftlichen Darstellun- gen. Die reale Machtstruktur war jedenfalls nach den Bndnistheorien so beschaffen, da in Deutschland nach 1934/35 (und in Italien war es seit dem Ende der 20er Jahre ebenso) nur noch zwei wesentliche Krfte exi- stierten, die ber je eigene Machtmittel verfgten und den Kurs des Systems bestimmten: die Fhrungsschichten aus Industrie, Banken, Militr und Staatsbrokratie einerseits und die Fhrungskader der faschistischen Partei andererseits. Auf dem Kompromi zwischen diesen Krften habe das faschistische System beruht. Seton-Watson spricht in bezug auf Italien von Teilung der Macht und Dyarchie 344 , Arno Klnne in bezug auf Deutschland von Interessenkoalition und Tei- lung der Macht 345 , Schweitzer von mehreren Sulen der Herrschaft, wobei Grokapital und Militr als gleiche Partner der faschistischen Partei im Machtkartell fungierten, als politische Verbndete 346 . Sohn- Rethel spricht von einem Zwangsbndnis: Beide Teile sind nach der Art eines gegenseitigen Abhngigkeitsverhltnisses aneinander geket- tet. 347 S. J. Woolf hlt den Kompromi zwischen faschistischen Bewe- gungen und etablierten Eliten fr ein generelles (wenn auch nicht aus- nahmsloses) Merkmal des Faschismus. 348 Diese Bndnisthese erscheint ziemlich plausibel, doch wird sie erst wirklich aussagekrftig, wenn sie konkret bestimmt und empirisch belegt wird: Wer konnte welche Interessen in welchem Umfang mit welchen Faschismus als Bndnis 195 Mitteln durchsetzen? Schweitzer weist dabei mit Recht daraufhin, da dem Grokapital nicht nur weitgehende Selbstverwaltung garantiert war, sondern da es - um diese gewhrleisten zu knnen - auch in den entsprechenden staatlichen Institutionen prsent sein mute. Selbst- verwaltung des Kapitals im organisierten Kapitalismus erforderte die Koordination der konomischen Interessen von Kapitalgruppen und der konomischen Funktionen des Staates. Die Koordinatoren waren, ob sie nun in der Regierung oder in der Wirtschaft ttig waren, Vertreter des Kapitals oder deren Freunde im Amt. 349 Wichtige Aufschlsse ber die Stellung der verschiedenen konomi- schen Machtgruppen im Herrschaftsgefge und bei der Vorbereitung und Durchfhrung des Krieges kann eine Untersuchung ber den Vier- jahresplan vermitteln, dem dabei eine zentrale Bedeutung zukam. Der in Bochum lehrende Historiker Dieter Petzina hat Vorgeschichte, Ver- lauf und Wirkungen untersucht fr die Periode 1936 bis 1942, also die Periode intensivster militrischer und wehrwirtschaftlicher Aufrstung und die erste Hlfte des Krieges, und zugleich den funktionalen Zu- sammenhang von Politik und Wirtschaft. 350 In der Zusammensetzung der Leitungsgremien des Vierjahresplans, besonders des Amts fr Deutsche Roh- und Werkstoffe, der wichtig- sten Instanz, kommt die Herrschaftsstruktur des faschistischen Systems - einschlielich der seit 1933 erfolgten Verschiebungen - klar zum Aus- druck: Stark vertreten waren die Chemieindustrie und das Militr; erstaunlich gering war der Einflu der Partei (S. 62). In der folgenden Zeit vergrerte sich der Einflu privater Wirtschaftsgruppen, insbe- sondere der Grochemie, auf Kosten des Militrs - ein Proze der Vernderung von Herrschaftspositionen, welcher schlielich mit der weitgehenden Verdrngung der Wehrmacht aus der Wirtschaftslenkung endete (S. 122). Die Leitungsgremien wurden nun von den IG-Farben beherrscht, die zeitweise zwei Drittel aller Investitionen in ihre Kassen lenkten und damit den Vierjahresplan faktisch zu einem IG-Plan gestalteten (S. 123). Angesichts dieser Machtposition der IG-Farben und ihrer monopolartigen Stellung bei der Produktion von Syntheseben- zin, Buna, Kunststoffen und chemischen Vorprodukten fr die Muniti- onsindustrie kommt Petzina zu dem Resultat, da auf einem Teilgebiet Staatsapparat und Privatindustrie kaum mehr unterscheidbar waren (S. 123). Die soziale Funktion des faschistischen Systems zeigte sich natrlich nicht nur in der personellen Zusammensetzung der Fhrungsinstanzen, sondern auch in der Verteilung des Volkseinkommens: Der Anteil der Lhne ging von 56 Prozent (1933) auf 51,8 Prozent (1939) zurck - 196 Theorien ber den Faschismus zugunsten der schnell steigenden Gewinne der Unternehmen und der steigenden Rstungsausgaben (S. 167f.). Aufschlureich ist die Feststel- lung, da der Vierjahresplan keine Zunahme der Gesamtinvestitions- rate bewirkte, sondern lediglich eine Gewichtsverlagerung: zum Beispiel betrugen die Investitionen fr Wohnungsbau im Jahre 1929 143 Pro- zent (Index der industriellen Produktion = 100 Prozent), im Jahre 1939 nur noch 34 Prozent. Der Anteil der Rstung am Volkseinkommen stieg von 1 Prozent (1928) auf 16 Prozent (1936/38). Entsprechend fiel der Anteil der Konsumgterindustrien. Der realen Einflusteigerung der Growirtschaft korrespondierte die hohe Einschtzung des Unternehmers durch die nationalsozialisti- sche Fhrung, der zum Prototyp effizienten Handelns ideologisiert wurde und sich insoweit zum Vorbild fr den Aufbau neuer Ordnungs- formen des Fhrerstaates entwickeln konnte (S. 196). Die hier dargestellten Resultate ber den sozialen Inhalt der faschi- stischen Diktatur wurden durch die Untersuchung von Joachim Rad- kau nachdrcklich besttigt. 351 Radkau zeigt dort, da nach 1933 die Wnsche der Industrie in geradezu hemmungsloser Weise erfllt wur- den (S. 239) - von der Zerschlagung der Gewerkschaften ber das Kar- tellgesetz bis zum Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit -, da dabei die Nte und Erbitterungen der kleinbrgerlichen Schichten, denen die Masse der 'alten Kmpfer' entstammte, rigoros hintange- stellt und ntigenfalls unterdrckt wurden (S. 236), da die Belebung der Wirtschaft durch eine fast schrankenlose Begnstigung der Unter- nehmer erzielt wurde (S. 244), da die Machtposition der Groindu- strie in erheblichem Mae strukturell verankert war (S. 269) und da auch beim Wirtschaftsimperium der SS entgegen weitverbreiteten Legenden keine Rede davon sein kann, da es eine Spitze gegen die Privatindustrie besa (S. 273 f.). Natrlich gab es Konkurrenzkmpfe zwischen den verschiedenen Fraktionen des Grokapitals (die dann nach 1945 als Widerstand ausgegeben wurden), doch gerade die Aus- beutung der enormen Eroberungen begnstigte breitangelegte Kon- sortien (S. 299). Ideologisch fungierte der Unternehmer als Vorbild des neuen Herrenmenschen und die kapitalistische Fabrik als Vorbild effek- tiver Organisation (S. 276). (Im Kapitel ber die Periode nach 1945 legt Radkau brigens dar, in welch hohem Mae es der Groindustrie gelungen ist, die Kontinuitt ihrer Machtpositionen - nach einer kur- zen Periode der Gefhrdung - auch unter den Bedingungen der parla- mentarischen Demokratie zu wahren.) Im Unterschied zur Periode bis zur Mitte der 60er Jahre, als die apo- logetischen Darstellungen das Feld beherrschten und jeglicher mageb- Faschismus als Bndnis 197 licher Anteil des Grokapitals an der Errichtung der faschistischen Dik- tatur und der Realisierung ihrer Politik bestritten wurden, ist jetzt also dieser Anteil weithin anerkannt. Dies mute auch der US-Historiker H. A. Turner erfahren, der einen neuen Versuch unternommen hat, das deutsche Grokapital von jeder wesentlichen Verantwortung freizuspre- chen. 352 Seine Darstellung beruht methodisch darauf, da er nach den sozialen Interessen des Kapitals gar nicht fragt, das Kapital auch gar nicht als eine in Verbnden organisierte Kraft betrachtet, sondern statt dessen nur das persnliche Verhalten einzelner Grounternehmer gegenber der NSDAP untersucht, dazu noch das ganze Problem auf die Frage der Finanzierung reduziert und so zu dem Ergebnis kommt, da einige einzelne Grounternehmer - wie viele andere Deutsche damals - auf Grund persnlichen Versagens Hitler untersttzt haben, da aber von einer aktiven und gewichtigen Rolle des Kapitals keine Rede sein knne, sondern im Gegenteil: der politischen Impotenz des Geldes. Die Industrie sei eher als Mitlufer zu bezeichnen, sie habe kein Programm, kein Konzept, keinen Mann gehabt. Ihr Vorgehen war weder planmig noch erfolgreich. 353 Dieser Versuch der Reinwaschung des Kapitals stie auch auerhalb der marxistischen Wissenschaft auf breiten Widerstand. Bei der Konfe- renz von Bochum wurde Turner entgegengehalten 354 : Die deutsche Industrie habe die Weimarer Republik nie wirklich akzeptiert, habe seit der Mitte der 20er Jahre ein neoimperialistisches Modell der Auen- handelspolitik (Stegmann) verfolgt, um verlorene Mrkte wiederzuge- winnen und den politischen Herrschaftsbereich auszuweiten, habe seit 1928 ganz eindeutig auf die Beseitigung des parlamentarischen Systems hingearbeitet (Dhn) und habe den Klassenkampf von oben verschrft (Spiller). Dies alles lief nicht automatisch auf die Installie- rung des Nationalsozialismus hinaus, wohl aber auf die Errichtung eines autoritren Systems, welcher Art auch immer (Dhn) und die Liquidierung des Gewerkschaftsstaates. Nach der Lsung der Klas- senfrage 1933 (Mason) konnte dann ein den Unternehmern entspre- chendes Arbeitsbeschaffungsprogramm in Angriff genommen werden. Joachim Radkau und Dirk Stegmann legten die methodischen Mngel Turners offen und lieferten eine przise empirische Wiederlegung. 355 Zu der personalistischen Betrachtungsweise Turners bemerkten Hallgar- ten und Radkau 356 : Die Junker und die Schwerindustrie wirkten ver- eint. Freilich sei es ebenso naiv wie absurd zu erwarten, da die groen Unternehmer persnlich in die Intrigen der letzten Januarwo- chen htten eingreifen mssen; gegen das Argument Turners und ande- rer, da ein solches Eingreifen nicht zu beweisen sei (was brigens, 198 Theorien ber den Faschismus wie Stegmann in dem genannten Aufsatz zeigt, gar nicht stimmt), stellt Hallgarten klar: Fr das zu vollbringende Schmutzwerk, brauchte man nicht sie, sondern ihre Vertrauensleute, einen Hugenberg und vor allem einen Papen. Es ist prinzipiell ein sehr richtiges und sehr notwendiges Argument, da die Industriellen als solche mit einigen wenigen Aus- nahmen nie persnlich politisch ttig werden, sondern dies den Berufs- politikern berlassen, die sie hierfr untersttzen und oft auch finanzie- ren. Dies gilt nicht nur fr den Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Faschismus, sondern generell fr die brgerliche Gesellschaft und ihre politischen Herrschaftsformen. So kann dieser Angriff gegen die These vom Bndnis zwischen Grokapital und Faschismus als gescheitert gelten - was nicht verhin- dern wird, da er immer aufs neue versucht wird. Eine gesonderte Betrachtung verdient die Rolle, die die Beamten- schaft und das Militr bei der Herausbildung dieses Bndnissystems und der Durchsetzung der faschistischen Politik gespielt haben. Was die Beamtenschaft betrifft, so hat Hans Mommsen eine wertvolle Studie geliefert. 357 Nach Mommsen wren ohne die Leistung und Pflichterfllung eines staatstreuen Beamtentums . . . die betrchtlichen Anfangserfolge des Dritten Reiches wie seine relativ hohe innere Stabilitt nicht erklr- lich. Das Beamtentum bildet neben der Reichswehr den strksten tradi- tionalen und stabilisierenden Faktor im Herrschaftsgefge des Dritten Reiches. Auch durch die Suberungsmanahmen ist es, auf das Ganze gesehen, nicht wirklich verndert worden . . . Die systematische Aus- schaltung potentieller politischer Gegner und jdischer Beamter in den nachgeordneten Verwaltungen beschrnkte sich im wesentlichen darauf, die Anstze zur Republikanisierung des Beamtentums rckgngig zu machen, soweit dies nicht schon unter dem Prsidialkabinett von Papens geschehen war . . . Da die Beamtenschaft gegen ihre 'Gleich- schaltung' keinerlei ernsthaften Widerstand erkennen lie, war nicht nur ein Ergebnis der pseudolegalen bernahme der Regierungsgewalt, sondern ebensosehr der deutschen Beamtentradition . . . Die Beamten- schaft erwartete von der neuen Regierung, da sie die zentrale Stellung im Staatsleben, die sie im Kaiserreich gehabt hatte, wiedererlangen wrde (S. 13f.). Eben deshalb, weil die NSDAP selbst staatliche Hoheits- funktionen an sich zu ziehen versuchte, sowie aus der individuellen Willkr und den augenblicksbedingten Herrschaftslaunen der natio- nalsozialistischen Fhrung, die der an Regelhaftigkeit und Berechenbar- keit orientierten Vorstellungswelt der Beamten widersprach, ergaben sich dann die Reibereien zwischen Beamtentum und NSDAP. Demnach Faschismus als nis 199 wre es verfehlt, das Dritte Reich als totalitre Diktatur im Sinne eines monolithisch strukturierten, von einheitlichem politischem Wol- len durchstrmtes Herrschaftsgebilde zu definieren (S. 18). Seine Macht beruhte keineswegs nur auf Terror, Propaganda und rcksichts- losem Machiavellismus . . . ; in gewissem Sinne war der Nationalsozia- lismus die mit innerer Konsequenz sich vollendende Perversion eines irregeleiteten, den Bedingungen der modernen gesellschaftlichen Ent- wicklung nicht entsprechenden Staatsdenkens (S. 18f.). In der ersten Phase des Dritten Reiches blieb der Machtkampf zwi- schen Brokratie und Partei unentschieden. Nach 1937 aber erhielt die Partei allmhlich das bergewicht. Die erste Etappe auf diesem Wege bildete aber schon das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeam- tentums vom 7. April 1933, das nicht nur Kommunisten und Juden aus der Beamtenschaft ausschlo, sondern eine beliebig auslegbare Gene- ralvollmacht (S. 49) enthielt und allen die Entlassung androhte, die nach ihrer bisherigen politischen Bettigung nicht die Gewhr dafr bieten, da sie jederzeit rckhaltslos fr den nationalen Staat eintreten. Es folgte dann eine Periode, die durch Versuche der Partei gekennzeich- net war, den Beamtenapparat in den Griff zu bekommen bzw. zu ent- machten: durch bevorzugte Anstellung und besonders raschen Aufstieg verdienter Nationalsozialisten (wobei der Grad des Verdienstes oft am Datum des Parteieintritts abgelesen wurde), durch den Aufbau neuer Ministerien (Reichsministerium fr Volksaufklrung und Propaganda und Reichsluftfahrtministerium), die die klassischen Grundstze staatli- cher Personalpolitik - klare Laufbahnbestimmungen, Einhaltung des Stellenplans, einheitliche Befrderungsvorschriften usw. - stndig durchbrachen, und durch die zunehmende Praxis, Sondervollmachten an Parteiinstanzen zu erteilen und so neben dem traditionellen Beam- tenapparat einen neuen Apparat mit staatlichen Hoheitsfunktionen zu errichten. Die Brokratie versuchte, ihre Position mit einer Politik elastischer Defensive zu behaupten. In der berzeugung, da ohne die Bindung des Staates an selbstgesetzte rechtliche Normen Kontinuitt und Effek- tivitt nicht mglich waren (S. 86), bemhte sich vor allem die Ministe- rialbrokratie, wenigstens die elementarsten Regeln einer funktionsfhi- gen Verwaltung aufrechtzuerhalten. (Diese Einstellung nderte nichts an der grundstzlichen Anerkennung des Nationalsozialismus [eben- da], darf also nicht mit politischem Widerstand verwechselt werden.) Dem ueren Anschein nach konnte der Beamtenapparat die Angriffe der Partei abwehren: Es war der NSDAP nicht gelungen, die Brokratie zu absorbieren, vielmehr hatte diese die durch mterpatronage aufge- 200 Theorien ber den Faschismus stiegenen Beamten . . . absorbiert (S. 119). Die sptere Parteikanzlei war zwar in der Lage, die innenpolitischen Entscheidungen des Res- sorts nachhaltig zu blockieren . . . ; aber sie war nicht imstande, den Ver- waltungen ihren Willen aufzuzwingen und half sich damit, den Ressort- chefs den Zugang zu Hitler zu versperren (S. 120). Mommsen betont aber ausdrcklich, da trotz dieser Auseinandersetzungen die Kollabo- ration der hheren Beamten mit dem System, . . . wenn auch bei anwachsender Verdrossenheit und Anstzen zu aktivem Widerstand, ein wichtiges stabilisierendes Element bildete (S. 121). Die Entwicklung des Beamtentums im Dritten Reich ist bisher nir- gends so klar und sachkundig dargestellt worden wie in dieser knappen Skizze Mommsens. An zwei Punkten freilich htte die Kritik anzuset- zen: 1. Die Ursachen fr die Sympathien der Beamten zugunsten der NSDAP schon vor 1933 und der insgesamt doch unerschtterten Treue zum Dritten Reich bis 1945 mten noch differenzierter dargestellt werden. Das Verhltnis zwischen Beamtenschaft und Weimarer Repu- blik ist mit der Wendung innere Distanz, aber loyales Verhalten (S. 20) nicht hinreichend gekennzeichnet. Es war nicht erst der Autori- ttsschwund der republikanischen Regierung (S. 21), der die Beamten bewog, sich von der Republik abzuwenden. Hier mten Analysen ber die soziale Stellung und das Selbstverstndnis der deutschen Beamten seit dem 19. Jahrhundert hinzutreten, um deren Verhalten gegenber der Republik und dem Nationalsozialismus verstndlich zu machen. 2. Die Beschreibung von Funktion und Psychologie des Beamten- tums ist allzu stark am Ideal des Rechtsstaates und allzu wenig an des- sen Realitt orientiert. Mommsen definiert: Das Dienstverhltnis des Beamten . . . beruhte auf der Bindung der staatlichen Ordnung an das Prinzip der Gesetzmigkeit, orientierte sich am allgemeinen Wohl und enthielt stets die Verpflichtung, Anweisungen des Dienstvorgesetzten auf ihre Gesetzmigkeit hin zu prfen (S. 122). Die historische Wirk- lichkeit aber zeigt, da das konkrete Verhalten der Beamten sowohl im kaiserlichen Rechtsstaat wie nach 1918 wesentlich anders aussah. Von hier aus erscheint es zumindest miverstndlich, die deutsche Brokra- tie gleichsam als Bewahrer staatlicher Substanz gegenber den chaoti- schen Krften des Nationalsozialismus darzustellen. Das entspricht zwar dem konservativen Selbstverstndnis der Brokratie, nicht aber ihrer tatschlichen Funktion. Was das Militr angeht, so hat Messerschmidt eine materialreiche Untersuchung vorgelegt. 358 Obwohl Messerschmidt das Militr letzten Endes als irregeleitet (S. 11), als Opfer der Dmonie des Nationalso- zialismus (S. 4) ansieht, erkennt er doch, da der Annherung zwischen Faschismus als Bndnis 201 beiden sowohl Affinitten des nationalen Bewutseins (S. 5) als auch eine Teilidentitt der Ziele zugrunde lagen: Volksgemeinschaft und Wehrgesinnung, Beseitigung der Schranken des Versailler Vertrags und innenpolitische Konsolidierung wurden von beiden angestrebt (S. 1 f.). Die Reichswehr bejahte die berwindung der Parteien, der Demokratie, unter welcher sie so etwas wie organisierte Schwche ver- stand (S. 8). Er kommt zu dem Ergebnis: Die Wehrmacht hat dies alles nicht nur 'erlitten', ihre oberste Fhrung hat mageblich daran mitgearbeitet (S. 490). Die Generalitt habe den nationalsozialistischen Staat und seine Politik ganz berwiegend bejaht (S. 489). Die aktive Mitwirkung des Militrs in der faschistischen Politik reicht bis zu den Ausrottungs- manahmen und den Liquidationsbefehlen, die besonders im Zusam- menhang mit dem Krieg gegen die UdSSR ergingen (S. 390 ff.). Der Ver- nichtungskampf gegen die slawischen und jdischen Untermenschen wurde von der Wehrmachtpropaganda voll mitgetragen. Das Buch weist erhebliche Schwchen auf. Das Bedenklichste ist, da der Autor die Ideologie der Krfte der nationalen Tradition (S. 15) bruchlos fortfhrt und sich selbst dabei als kritisch versteht. Sogar die faschistische Parole von der berwindung der Klassengegenstze im Dritten Reich wird unreflektiert bernommen (S. 482), und am Ende erscheint die europische Machtpolitik des Nationalsozialismus als Ausflu liberal-demokratischen Denkens und die preuische Tradi- tion (S. 483) zusammen mit einer neuen Form der Transzendenz (S. 9) als Wall gegen den Faschismus. Da 1933 in Deutschland ange- sichts der Schwche der deutschen Republik Ordnung, Sicherheit und militrische Strke geschaffen werden muten, scheint ihm noch heute evident. Problematisch war allein, da der Gedanke der Ordnung und Strke zu ausschlielich, zu einseitig in den Vordergrund gestellt wurde (S. 481). Dennoch ist diese Schrift geeignet, verstndlich zu machen, weshalb das Militr mit der faschistischen Partei zusammenging und wie stark es an der Realisierung der faschistischen Politik beteiligt war. Die Fhrungsschichten der faschistischen Partei, der Wirtschaft, des Militrs und der Beamtenschaft waren zweifellos die wichtigsten Bnd- nispartner in der Allianz, auf der die faschistische Diktatur beruhte. Wichtige ideologische Hilfeleistungen vollbrachten jedoch auch die beiden Kirchen, die ihre Glubigen immer aufs neue und sehr eindring- lich zu Gehorsam und Opfermut gegenber diesem Regime aufriefen. Am Beispiel der Affinitt zwischen Katholizismus und Faschismus, die der Wiener Historiker und Linkskatholik Friedrich Heer untersucht hat, kann gezeigt werden, wie es zu diesem Zusammengehen kam. 359 202 Theorien ber den Faschismus Die katholische Kirche, unbertroffen in der Kunst der Verdrngung eigenen Fehlverhaltens, hatte auch den Faschismus nach 1945 in der bewhrten Weise bewltigt: Die konsequente Leugnung all dessen, was sie zur Untersttzung des Faschismus unternommen hatte, schuf die Voraussetzung fr die gewaltige moralisch-politische Machtentfaltung. Die weltpolitische Konstellation erleichterte die bruchlose Fortsetzung der traditionellen Linie - nicht nur fr die katholische Kirche. Der Antikommunismus, der schon bald zum geistigen Fundament der west- lichen Welt wurde, garantierte den Faschisten und allen ihren Hilfskrf- ten und Mitlufern ein gutes Gewissen: Im Prinzip, so konnten sie sich sagen, hatten sie also recht gehabt. Als peinlich wurde lediglich noch die Judenvernichtung empfunden, doch deren geistige und soziale Wurzeln wurden ebenso verdrngt wie alle anderen Ursachen des faschistischen Erfolgs. Solcher Beruhigung arbeitet das Buch von Heer strikt entgegen. Vor allem geht es Heer darum nachzuweisen, da die Weltanschauung Adolf Hitlers in sehr hohem Mae katholisch geprgt war. Von dieser engen Verwandtschaft her versucht er, sowohl das wohlwollende Verhalten der katholischen Kirche als auch den treuen Gehorsam der katholischen Bevlkerung gegenber dem Dritten Reich begreiflich zu machen. Schlielich geht er den psychologischen Ursachen nach, denen natio- nalsozialistische und katholische Ideologie ihre Wirksamkeit verdan- ken. Nach dem geradezu berwltigenden Material, das Heer hier vorge- legt hat, um katholische Komponenten in Hitlers Weltanschauung auf- zuzeigen, kann nicht mehr bezweifelt werden, da dieser Aspekt von Hitlers Persnlichkeit bisher vernachlssigt worden ist. Die katholische Komponente, so kann Heer berzeugend nachwei- sen, befhigte Hitler, nicht nur den Vatikan zu beschwichtigen und den katholischen Klerus zu gewinnen, sondern auch die katholischen Mas- sen mit Ehrfurcht und Begeisterung zu erfllen: sie hatten keine Schwierigkeiten, die seit Jahrhunderten gegenber ihrer Kirche gebte bedingungslose Treue nun auf den nationalsozialistischen Staat zu bertragen. Verlangten nicht beide Mchte Glubigkeit und Hingabe, Treue und Gehorsam? Kmpften nicht beide mit der gleichen Vehe- menz gegen Liberalismus und Rationalismus, Materialismus und den alles zerstrenden Kommunismus? Galt nicht beiden die Autoritt als der hchste Wert, die Demokratie dagegen als Verfallserscheinung? Waren Fackelmrsche und Reichsparteitage der NSDAP nicht mit hnli- chen Ritualen inszeniert wie hohe Kirchenfeste und Katholikentage, die Eugenio Pacelli, der sptere Pius XII., nicht zufllig als Heerschau Faschismus als Bndnis 203 zu bezeichnen pflegte? Das katholische Kirchenvolk sah jedenfalls keine wesentlichen Unterschiede, zumal es vom Klerus immer aufs neue zu treuer Pflichterfllung gegenber dem Fhrer aufgerufen wurde. Hier ist nicht Raum, die Vielgestaltigkeit der Formen nachzuzeich- nen, in denen genuin katholische Weltanschauung sich bei Hitler aus- drckte. Eine ungeheure Zahl von Belegen hat Heer zusammengetra- gen, die immer neue Nuancen dieser Wesensverwandtschaft veran- schaulichen. Sie reichen von der bernahme von Elementen aus der katholischen Liturgie, aus Gebeten und Evangelien in die Reden Adolf Hitlers bis zum Verstndnis der Welt als Kampffeld zwischen Licht und Finsternis, von der Unduldsamkeit gegenber Irrlehren bis zum Kreuzzug gegen den Feind des Abendlandes, von der Glorifizierung der Mrtyrer bis zur Konzeption einer Heilsgeschichte, die mit dem Aufbruch des Meisters und weniger Jnger begann und zum schlieli- chen Triumph fhrte. Da die Suggestivkraft des Nationalsozialismus auf die katholische Bevlkerung strker wirkte als die des verwandten Katholizismus, fhrt Heer auf die grere Realittsferne der katholischen Variante zurck: Da die katholische Kirche fr das Hier und Heute nichts anzubieten hatte, mute sie bei dem Konkurrenzkampf um die Seelen des katholi- schen Volkes unterliegen. Die dem Konkordat zugrunde liegende Tren- nung zwischen dem Krper der Katholiken, der dem Staat, und der Seele, die der Kirche gehren sollte, erwies sich bald als illusorisch. Nach 1945, so kann Heer nachweisen, wurde Hitler zwar flugs vom Gesandten des Himmels zur Personifikation des Teufels uminterpre- tiert, an der mystischen Weltsicht, die jede Mglichkeit des Begreifens ausschliet, aber nichts gendert und im brigen die antikommunisti- sche Politik mit den gleichen Parolen - wenn auch mit anderen Bundes- genossen - weitergefhrt. Nach der Ausbreitung des Beweismaterials wre allerdings eine ana- lytische Durchdringung des Stoffs erforderlich gewesen, um zu Genera- lisierungen zu gelangen, die ein tieferes Verstndnis der Stoffmassen erst ermglichen. Eine solche Analyse hat Heer nur in Anstzen im letzten Teil seines Buchs geliefert. Gesttzt auf das Instrumentarium der Psychoanalyse versucht er, den Zusammenhang zwischen autoritren Strukturen und autoritrer Mentalitt, zwischen sexueller Unterdrckung und Grau- samkeit deutlich zu machen. Es ist nicht zu bezweifeln, da damit ein wesentliches Element sowohl katholischer wie faschistischer Denk- und Verhaltensformen zu erfassen ist. Der Charakter des Faschismus als 204 Theorien ber den Faschismus einer Herrschaftsordnung, die keineswegs unterschiedslos terrorisiert, sondern zwischen Marxisten und Wirtschaftsfhrern wohl zu unter- scheiden wei, ist mit diesen Kategorien aber nicht zu begreifen. Ideologisch wie in der realen Politik des deutschen Faschismus haben die Expansion nach Osten, die Eroberung von Siedlungsraum, Rohstoffen und Arbeitssklaven, der Kampf gegen das slawische Unter- menschentum und die Ausrottung von Kommunismus und Marxis- mus eine zentrale Rolle gespielt. Und obgleich die Motive der am faschistischen Machtkartell beteiligten Bndnisparnter hier durchaus unterschiedlich akzentuiert waren, so bestand doch in der Sache Einig- keit, so da die Ostexpansion sicherlich zu den wichtigsten Elementen gezhlt werden kann, die das faschistische Machtkartell zusammenhiel- ten. Die Kontinuitt der Konzepte fr die o.,-- seit dem Kaiser- reich wird in einem Buch zweier damals fr das ZDF arbeitender Histo- riker dargestellt, das in der analytischen Durchdringung des Stoffs nicht befriedigen kann, in der Darstellung der Grundlinien jedoch recht instruktiv ist. 360 Den Imperialismus des Deutschen Kaiserreichs demaskieren die Autoren am Beispiel des Friedensvertrags von Brest-Litowsk mit der schlichten Feststellung, das durch Waffengewalt erzwungene Diktat habe verfgt: Ruland verzichtet auf 26 Prozent seines Territoriums, 27 Prozent des anbaufhigen Landes, 26 Prozent des Eisenbahnnetzes, 33 Prozent der Textil- und 73 Prozent der Eisenindustrie sowie 73 Prozent der Kohlengruben - was die deutsche Armee nicht hinderte, noch ber die vereinbarte Demarkationslinie hinaus vorzudringen, um mglichst ganz Ruland als eine Art von deutscher Kolonie zu erhalten. Ein Ver- treter des Auswrtigen Amts schrieb: Das russische Verkehrswesen, die Industrie und die ganze Volkswirtschaft mssen in unsere Hnde kom- men. Es mu gelingen, den Osten auszubeuten. Dort sind die Zinsen fr unsere Kriegsanleihen zu holen. Grobanken im Verein mit der Schwerindustrie grndeten sogleich ein mit 2 Milliarden Mark Grund- kapital ausgestattetes Syndikat zur wirtschaftlichen Durchdringung Rulands (S. 43 und 48). Die Autoren konstatieren, da sich der bis heute als Friedenspolitiker gefeierte Stresemann weigerte, auch die deutschen Ostgrenzen als endgltig anzuerkennen (S. 175). Und sie weisen in hier ziemlich ausfhrlicher Analyse nach (S. 352 bis 387), da die UdSSR 1939 durch die Westmchte in eine Lage manvriert worden war, in der ihr absolut keine andere Mglichkeit mehr blieb, als zum Zweck des Zeitgewinns gegenber der vom Faschismus offen prokla- mierten Eroberung von Lebensraum im Osten mit dem Deutschen Reich einen Nichtangriffspakt zu schlieen, wenn sie auch nur eine Faschismus als Bndnis 205 Chance fr weitere politische Existenz behalten wollte, und da es des- halb eine grobe Verleumdung ist, daraus ein gemeinsames Komplott zwischen Hitler und Stalin zur Entfesselung eines Krieges zu konstruie- ren: Es war Hitler, der im Sommer 1939 den Frieden in Europa bedrohte, und niemand sonst (S. 378). Es sei auffllig, da die westli- che Geschichtsschreibung seit Ranke jedem Staat das Recht auf Selbst- erhaltung zubillige, mit berzeugenden Grnden, die aus naheliegen- den Motiven jedoch auf die Sowjetunion offenbar keine Anwendung finden drfen (S. 380). Sie scheuen sich auch nicht festzustellen, da Polen letztlich ein Geschpf westlicher Gromachtpolitik im Zeichen von Versailles gewesen war, und das hie: mit einer gleichermaen anti- deutschen wie antisowjetischen Tendenz (S. 382). Und sie stellen klar, da der Faschismus immer zur Aggression gegen die UdSSR entschlos- sen war: Fr den 'Fhrer' war der Raubzug gen Osten stets nur eine Frage des ' Wann' und 'Wie' (S. 408). Dabei sollte der Bolschewismus nicht nur besiegt, sondern ausgerottet werden, denn er sei gleich sozia- les Verbrechertum, wie Generalstabschef Halder, der nach seinem Tode 1972 von vielen Zeitungen zum Widerstandskmpfer umgeflscht wurde, nach einer Hitlerrede notierte, und das hie: Vernichtung der bolschewistischen Kommissare und der kommunistischen Intelligenz (ebenda; zitiert S. 439). (Die Auffassung, da Sozialismus gleich sozia- les Verbrechertum ist, schien in den 70er Jahren brigens in der Bun- desrepublik wieder erhhte Bedeutung zu gewinnen, wie die Diskussio- nen ber das sogenannte Sympathisantenumfeld des Terrorismus zeigten.) Die Autoren stellen auch in aller Klarheit fest, da sich gegen diese Politik keine Gegenstimme erhob, auch dann nicht, als klar wurde, da jedes dieser 'Fhrer'-Worte millionenfachen Mord bedeu- tete (S. 440). Das msse wohl - und hier sind die Autoren ganz nahe an der Grundfrage nach den sozialen Interessen, die hinter dem Impe- rialismus standen - daran gelegen haben, da die Beseitigung der 'bol- schewistischen Gefahr' . . . oder ganz einfach die Zerschlagung der So- wjetunion von allen Beteiligten als wnschenswert betrachtet wurde (S. 442, nach einem Zitat von Hillgruber). Ein Bndnis wird geschlossen, um gemeinsame Ziele zu erreichen und gemeinsame Gegner zu bekmpfen. Da der Hauptgegner im ei- genen Land die deutsche Arbeiterbewegung war, wurde oft genug ver- kndet und dann auch mit uerster Brutalitt praktiziert. Da dem Faschismus die Vernichtung der Arbeiterbewegung erleichtert wurde durch die Fehler, die Sozialdemokraten und Kommunisten in der theo- retischen Einschtzung wie im praktischen Kampf gegen den Faschis- mus machten, ist mittlerweile unumstritten. Um welche Fehler es sich 206 Theorien ber den Faschismus dabei handelte, kann am Beispiel der Publikationen von Hannes Heer und Theo Pirker gezeigt werden. Beide wurden nicht deshalb ausge- whlt, weil sie etwa die besten Darstellungen auf ihrem Gebiet wren, sondern deshalb, weil sich an ihrem Beispiel zugleich typische Schw- chen der Interpratation aufzeigen lassen. 361 Die Zentralthese von Heer lautet: Es fhrte ein konsequenter Weg von der Burgfriedenspolitik und dem Hilfsdienstgesetz 1914 ber die seit 1917 eingeleitete und in der Zentralen Arbeitsgemeinschaft vom 15. November 1918 kulminierende Zusammenarbeit mit den Unterneh- merverbnden zum Einbau der o...///.- in den faschistischen Herrschaftsapparat in Gestalt der Deutschen Arbeitsfront. Die Materialien, die Heer vorlegt, geben in der Tat Zeugnis von der erschtternden Ahnungslosigkeit gewerkschaftlicher Fhrungsgruppen gegenber dem kaiserlichen Obrigkeitsstaat und seinem imperialisti- schen Krieg, gegenber der Politik des Kapitals whrend der Weimarer Republik und schlielich auch gegenber dem Faschismus. Ab Mitte 1932 setzte sich die ADGB-Fhrung in wachsendem Mae sogar von der SPD ab, betonte den unpolitischen Charakter der Gewerkschaften, die zu sehr auf das Ganze gerichtet seien, um Parteifesseln zu tragen - eine Entwicklung, die von Deutschnationalen und NSDAP entspre- chend gewrdigt wurde. Nach dem 30. Januar 1933 sabotierten diese Fhrungsgruppen dann jeden organisierten Widerstand gegen die faschistische Machtbernahme, der von vielen kleinen und mittleren Funktionren energisch verlangt wurde. Organisation, nicht Demon- stration sei die Parole der Stunde, doch es ist alles zum Handeln vor- bereitet. In Wahrheit hofften sie, mit der faschistischen Fhrung zu einem Arrangement zu kommen, das die Gewerkschaften irgendwie in das neue System einbaute und so den Bestand der Organisation rettete. Entsprechende Angebote des ADGB-Vorsitzenden Leipart an Hitler wur- den freilich nicht honoriert. Nachdem der ADGB am 1. Mai gemeinsam mit den Faschisten demonstriert hatte, wurden am 2. Mai die Gewerk- schaftshuser von der SA besetzt. Sowohl personell wie ideologisch haben die Fhrungsgruppen der Gewerkschaften nach 1945 teilweise dort wieder angeknpft, wo sie in der Weimarer Zeit aufgehrt hatten. Es ist jedoch nicht zulssig, nur diese Linie zu betonen, wie es Heer tut, der schlielich zu dem Ergeb- nis kommt, die Gewerkschaften seien nun endgltig im Dienst des Kapitals stehende Bros fr Arbeitsfragen und das kleinbrgerlich- demokratische Lager reiche nun vom IG Metall-Vorsitzenden Otto Brenner bis zur DKP (S. 114f.). Schon in der Weimarer Zeit gab es, wor- auf Heer selbst gelegentlich hinweist, viele kleine und mittlere und Faschismus als nis 207 selbst einige hohe Funktionre im ADGB, die eine konsequent antifa- schistische Linie vertraten. Auch diese Richtung fand nach 1945 ihre Nachfolger in den Gewerkschaften des DGB und drfte gerade in den letzten Jahren an Einflu gewonnen haben. Pirker hat die theoretischen Reflexionen der Kommunistischen In- ternationale (KI) von der Offensive des italienischen Faschismus im Sommer 1922 bis zum Nichtangriffspakt zwischen der UdSSR und dem Deutschen Reich 1939 in einer Auswahl publiziert. Seine Einleitung zeigt dabei sehr deutlich einerseits wirkliche Fehler und Mngel der kommunistischen Faschismusinterpretation, andererseits aber auch die Mngel in der Beurteilung, wie sie hierzulande gegenber kommunisti- schen Theorien blich sind. Insofern ist diese Einleitung - kritisch gele- sen - doppelt lehrreich. Was die Mngel und Fehler dieser Faschismusinterpretation betrifft, so arbeitet Pirker deutlich heraus: 1. Den allzu weiten und diffusen Faschismusbegriff, der alle reaktio- nren Diktaturen von Ungarn und Polen bis Venezuela und China und schlielich auch autoritre Systeme mit begrenzten brgerlich-demo- kratischen Freiheiten wie das Brning-Regime als Faschismus bezeich- nete; die daraus resultierende Unterschtzung der faschistischen Gefahr, die sich in der Einstellung uerte, viel schlimmer als im br- gerlich-reaktionren Parlamentarismus knne es eigentlich nicht wer- den, oder in der - allerdings vereinzelten - Annahme, die Machtergrei- fung durch den Faschismus werde die proletarische Revolution sogar beschleunigen; die damit zusammenhngende Einschtzung der Sozial- demokratie als Sttze oder gar Hauptsttze des Kapitalismus, somit Hauptsttze des Faschismus, Sozialfaschismus und also erstem Feind der Arbeiterklasse, womit die faschistische Bewegung erst als zweiter Hauptfeind erschien. In der Tat verdienen diese Fehler dargestellt zu werden, doch ist eine adquate historische Beurteilung erst mglich, wenn man in die Betrachtung einbezieht, da es sich beim Faschismus um ein vollstn- dig neues politisches Phnomen handelte, dessen analytische Erfassung nur schrittweise mglich war, und wenn man in dieser Hinsicht die vor- liegenden kommunistischen Interpretationen mit den zeitgenssischen sozialdemokratischen und brgerlichen vergleicht. Dann stellt man nmlich zweierlei fest: Erstens haben //. kommunistischen Interpreta- tionen den Vorzug, da sie wenigstens einen zentralen Aspekt, die so- ziale Funktion des Faschismus, erkannten, da ihnen klar war, da er der herrschenden Klasse ntzte. Und zweitens gab es schon relativ frh Analysen wie zum Beispiel die von Clara Zetkin aus dem Jahre 1923 208 Theorien ber den Faschismus (vgl. S. 115ff.), deren theoretische Klarheit und Przision von den br- gerlichen Faschismusinterpretationen bis zum heutigen Tag nicht er- reicht ist: Zetkin sah nicht nur die soziale Funktion des Faschismus in aller Klarheit, sondern analysierte auch das spezifisch Neue dieses Ph- nomens gegenber allen frheren Formen der Reaktion mit einer erstaunlichen Schrfe - einschlielich der Massenbasis des Faschismus. Da sich diese Interpretationen in der KI politisch nicht durchsetzen konnten, hngt mit dem Stalinismus zusammen, der auch theoretisch zu einer dogmatischen Verhrtung fhrte, mit der Wendung zur Volks- frontpolitik 1935 allerdings in der Frage des Kampfes gegen den Faschismus zu einem realistischen Kurs zurckfand. 2. Die Ausfhrungen von Pirker sind eingebettet in ein antikommu- nistisches Geschichtsbild, das auch eindeutige Geschichtsklitterungen unkritisch reproduziert; so zum Beispiel, wenn er den Einsatz der Reichswehr gegen die vllig legalen sozialdemokratisch-kommunisti- schen Regierungen in Sachsen und Thringen 1923 durch den Reichs- prsidenten Ebert, der einen blanken Verfassungsbruch bedeutete, beschreibt als Manahme, um einen befrchteten kommunistischen Umsturzversuch . . . vorbeugend zu unterdrcken (S. 60). Hier ist bereits implizit jene Auffassung enthalten, da gegenber Kommuni- sten keine Rechtsnormen gelten. (Der Ministerprsidentenbeschlu betreffend die sogenannten Radikalen im ffentlichen Dienst der Bun- desrepublik ist ein neueres Beispiel dieser Sichtweise.) Und wenn er den italienischen Sozialisten vorwirft, sie htten nach dem Ersten Weltkrieg dem Brger- und Unternehmertum die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen diktiert - meist ohne Rcksicht auf die lokale und natio- nale Wirtschaftslage (S. 46), so bernimmt er implizit ein zentrales Motiv der Kapitalismusapologetik: da nmlich Brgertum und Unter- nehmer die berufenen Reprsentanten der Wirtschaft und des allgemei- nen Wohls sind. Aus der Tatsache, da manche Vertreter der KI eine Machtber- nahme des Faschismus als nicht besonders schlimm oder gar als ntz- lich zur Beschleunigung der proletarischen Revolution betrachteten, haben einige Historiker die Konsequenz gezogen, da KI und UdSSR, also auch die KPD, den Sieg des Faschismus in Deutschland gewnscht und aktiv untersttzt haben. Diese Ansicht pate ausgezeichnet in die Totalitarismusideologie, die ja auch eine auenpolitische Variante hat. Diese These wurde inzwischen durch eine Dissertation grndlich wider- legt. 362 Thomas Weingartner hat nmlich, wie Richard Lwenthal in seinem Vorwort - verpackt in heftige Polemik gegen dogmatische Verblendung Faschismus als Bndnis 209 und ideologisches Weltbild der Kommunisten - mit Recht schreibt, zeigen knnen, da Stalin die Machtergreifung Adolf Hitlers in der Tat nicht gewollt hat (S. VIII f.). Eine neue und originelle Erklrung bietet Weingartner fr den Kampf der Kommunisten gegen die SPD an: Die Sowjetunion habe vor allem eine Annherung zwischen dem Deut- schen Reich und Frankreich befrchtet (die die UdSSR tatschlich in eine prekre Lage gebracht htte!) und habe deshalb die SPD als jene politische Kraft bekmpft, die sich fr diese Annherung besonders ein- setzte. Diese Erklrung kann durchaus eine gewisse Plausibilitt bean- spruchen, selbst wenn sie dadurch relativiert wird, da sie sicher nur als ein Faktor in einem Faktorengefge betrachtet werden kann. Weiter geht aus der Arbeit hervor, da die sowjetische Fhrung und die KI die Chancen einer proletarischen Revolution in den Jahren vor 1933 fr geringer gehalten haben, als es die Propaganda der KPD vermuten liee. Sehr deutlich zeigt die Arbeit, welche fatalen politischen Folgen die theoretischen Fehleinschtzungen des Faschismus durch die KI hatten: Erstens wurde eine Machtbernahme durch die NSDAP nicht ernstlich befrchtet, da man diese als bloes Anhngsel der Reichswehr und des Grokapitals ansah, die ja ohnehin schon an der Macht waren. Zwei- tens geht aus den Anweisungen an die KPD, sich auf die Illegalitt vor- zubereiten, hervor, da man lediglich mit polizeistaatlichen Unterdrk- kungsmanahmen rechnete, die neue Qualitt eines spezifisch faschisti- schen Terrorapparats aber nicht erkannte - eben weil man jede Form reaktionrer Repression als Faschismus definierte. Die in manchen Kreisen der deutschen Kommunisten nach dem 30. Januar verbreitete Auffassung, die faschistische Diktatur werde die Chancen der proletari- schen Revolution noch verbessern, drfte - nach dem von Weingartner vorgelegten Material - eher als eine uerungsform der Enttuschung und Verzweiflung zu interpretieren sein und wurde von der Parteifh- rung wie auch von der KI entschieden abgelehnt. Sehr klar gesehen wurde von der KI und der sowjetischen Fhrung schon seit 1933, da der Faschismus auf den nchsten Krieg zusteuerte. Bis 1938 versuchte nun die UdSSR, mit den Westmchten ein Bndnissystem aufzubauen, um die aggressiven Krfte des Faschismus im Zaum zu halten. Erst als die Westmchte durch das Mnchner Abkommen unmiverstndlich demonstriert hatten, da sie entschlossen waren, sich mit den faschisti- schen Staaten zu arrangieren und diesen gegen die UdSSR freie Hand zu geben, warf die UdSSR das Steuer herum und entschlo sich schlie- lich zum Nichtangriffspakt mit dem Deutschen Reich. 210 Theorien ber den Faschismus b. Die Herrschaftsstruktur des Faschismus: Folgerungen und Fehldeutungen (W. Abendroth, Polykratie- und Pluralismustheorien) Kehrt man nach dieser Betrachung der wichtigsten Bndnispartner des faschistischen Machtkartells und des Versagens seiner Gegner zur Hauptfrage zurck, so wre nun der Charakter dieses Bndnisses genauer zu untersuchen. An dieser Frage differenzieren sich nmlich die verschiedenen Interpretationen, die von einem Bndnis reden, sehr stark. Die theoretischen Modelle und Begriffe, mit denen man versucht, die Eigenart der faschistischen Diktatur zu erfassen, wurden grten- teils schon entwickelt oder mindestens vorgezeichnet durch die zeitge- nssische Diskussion whrend der faschistischen Herrschaft. Dies gilt fr die Wiederaufnahme der Marxschen Analyse ber den Bonapartis- mus von Napoleon III. durch August Thalheimer: Er versuchte, den Faschismus als Diktatur einer verselbstndigten Exekutivgewalt zu bestimmen; die Bourgeoisie verzichte auf die politische Herrschaft, um ihre soziale erhalten zu knnen. Dies gilt ebenso fr Franz Neumanns Konzeption eines Bndnisses miteinander konkurrierender Machteli- ten mit dem Fhrer als Garanten der Allianz und der NSDAP als Inha- ber einer Vorrangstellung. Dies gilt fr Fraenkels Begriff des Doppel- staates, das heit eines Nebeneinander eines seine eigenen Gesetze im allgemeinen respektierenden 'Normenstaates' (nmlich im Bereich der Wirtschaft und der Privatinitiative) und eines die gleichen Gesetze miachtenden 'Manahmestaates' (nmlich im politischen Bereich, wo allein nach Gesichtspunkten polizeilicher Zweckmigkeit entschie- den werde). Dies gilt schlielich auch fr die These aus der Frankfurter Schule, da es sich beim Faschismus gar nicht mehr um Kapitalismus handle, sondern um eine Art von Befehlswirtschaft, in der der freie Markt und die freie Lohnarbeit abgeschafft seien. 363 Hier soll nun nicht versucht werden, diese Positionen noch einmal darzustellen und zu dis- kutieren. 364 Sondern hier soll der ,.,.-.,. empirische Forschungs- stand geprft und nach seinen theoretischen Konsequenzen befragt werden. Die erste, insbesondere fr die marxistische Faschismusdiskussion zentrale Frage ist so zu formulieren: Wenn die Interessen des Grokapi- tals - wie nicht nur von marxistischen Untersuchungen, sondern auch von Schweitzer, Bloch, Petzina und vielen anderen berzeugend nach- gewiesen - in so starkem Mae zum Zuge kamen: wie und in welchem Sinne wurden dann noch spezifische Interessen der faschistischen Par- Faschismus als Bndnis 211 tei realisiert? Wie kann noch von einem Bndnis die Rede sein, nach- dem die antikapitalistischen und mittelstndischen Bestrebungen der faschistischen Anhngerschaft, wie gezeigt wurde, so rigoros unterdrckt worden waren? Da sich also mittelstndische Inhalte in der Politik faschistischer Systeme kaum finden, wird von manchen Autoren auf die Irrationalis- men faschistischer Politik hingewiesen, in denen sich die vorkapitalisti- schen und vorindustriellen Bewutseinsformen der Mittelschichten widergespiegelt htten. Es bestehe ein Zusammenhang zwischen der irrationalen Tendenz zur Selbstzerstrung und der letztendlichen Realittsuntchtigkeit . . . der faschistischen Diktatur einerseits und den Mittelschichten, die mit dem Faschismus zu einer autonomen politischen Kraft geworden seien, andererseits. 365 Sicher ist es richtig, da nicht nur in der faschistischen Ideologie, sondern auch in der faschistischen Politik starke irrationale Elemente enthalten sind. Die Schlufolgerung, da darin der Einflu der Mittelschichten zum Aus- druck komme, erscheint jedoch sehr zweifelhaft. Die Militrpolitik des kaiserlichen Deutschland ist nicht weniger abenteuerlich, die Begeiste- rung fr den Krieg nicht weniger rauschhaft, die Eroberungsplne sind nicht weniger grospurig gewesen als im Faschismus, ohne da hier Mittelschichteninteressen und -mentalitten als treibende Krfte ber- haupt in Frage kommen. Die Ansicht, es sei die faschistische Bewegung gewesen, die in Deutschland und Italien die Industrie und das konser- vative Militr in einen Weltkrieg zogen gegen deren Willen 366 , steht in klarem Widerspruch zu den Quellen und ist historisch absolut unhalt- bar. Eine andere Variante, spezifische Interessen der faschistischen Partei im Herrschaftssystem aufzuzeigen, besteht darin, dieses System als eine Diktatur der faschistischen Fhrungsclique zu erklren. So spricht H.A. Winkler von der absoluten Herrschaft einer von keiner sozialen Macht- gruppe kontrollierten Clique und des von dieser Gruppe verkrperten Primats der Politik 367 , und I. Fetscher von der Herrschaft einer radika- len Mi nderhei t . . . aus deklassierten Kleinbrgern, Lumpenproletariern und Halbgebildeten 368 . ber die Inhalte faschistischer Politik ist damit freilich noch nichts ausgesagt, und es ist ziemlich evident, da diese durch den bloen Hinweis auf die Macht- und Karriereinteressen der faschistischen Fhrer nicht erklrt werden knnen. An der Frage, wie die Bndnisstruktur des faschistischen Systems konkret zu bestimmen ist, unterscheiden sich die verschiedenen Theo- rien sehr stark. Es ist umstritten, ob es sich bei der faschistischen Dikta- tur um eine Dominanz grokapitalistischer Interessen oder um eine 212 Theorien ber den Faschismus Dominanz der faschistischen Fhrungsclique gehandelt hat, ob von einem Primat der Politik, das heit des Staates, oder von einem Pri- mat der konomie gesprochen werden mu. 369 Ebenso umstritten ist, ob das Grokapital aktiv und mageblich an der Gestaltung der faschi- stischen Politik mitgewirkt hat oder ob der faschistische Staat zwar objektiv grokapitalistische Interessen vertreten hat, jedoch ohne dem Grokapital reale politische Mitwirkung einzurumen 370 , oder ob die faschistische Diktatur mindestens in Deutschland in zwei Phasen zer- fllt,deren erste (bis 1936) auf einem Kompromi ,//- deren zweite aber auf einer Dominanz der faschistischen Parteifhrung beruhte /./ /- wie Schweitzer und Petzina meinen. Diesem Problem kommt man nher, wenn man die soziale Funktion des Faschismus im Vergleich zu frheren Formen diktatorischer brger- licher Herrschaft einerseits und zu parlamentarisch-demokratischen Formen andererseits genauer ins Auge fat. Dies geschieht bei Wolfgang Abendroth, der dabei methodisch an die Bonapartismusanalyse von Marx und die Faschismusanalysen von Thalheimer aus den 20er und 30er Jahren anknpft. 371 Thalheimer hatte die Trennung von politi- scher und sozialer Herrschaft behauptet und den Faschismus als eine Herrschaftsform interpretiert, in der das Kapital auf die politische Herr- schaft verzichtet, um seine soziale aufrechterhalten zu knnen. Schon die Errichtung der faschistischen Diktatur sei eine Vergewaltigung aller Schichten und Klassen, auch des Kapitals, und in der Folge werde zwar die Herrschaft im Interesse des Kapitals, aber ohne dessen aktive Mit- wirkung ausgebt. Diese inhaltlichen Thesen werden von Abendroth natrlich nicht bernommen, weil sie durch die reale Entwicklung des Faschismus widerlegt worden sind. Insofern sind ber Bonapartismus- theorien dieser Art weitausholende theoretische Errterungen nicht mehr erforderlich: Sie stimmen einfach mit den Tatsachen nicht ber- ein. Abendroth fhrt aus, da der brgerliche Staat schon im 19. Jahrhun- dert autoritr-repressive Mittel angewandt hatte, um die aufkommende Arbeiterbewegung niederzuhalten. Dies geschah nicht nur in Deutsch- land (besonders drastisch durch das Sozialistengesetz Bismarcks), son- dern auch in Frankreich (zum Beispiel durch Napoleon III.) und in Eng- land (durch Disreali). Das Erstarken der Arbeiterbewegung nach der Russischen Revolution und dem Ersten Weltkrieg machte jedoch neue Herrschaftsmittel erforderlich: Dafr muten die herrschenden Klas- sen nicht nur die traditionalen selbstndigen Mittelschichten mobilisie- ren, sondern auch die neuen Teile der Arbeitnehmerschichten mit tradi- tional mittelstndischer Ideologie - die zahlenmig stark angewachse- I Faschismus als Bndnis 213 nen Schichten der Angestellten und Beamten wenn sie die proletari- sche Revolution nicht nur vorbergehend zurckdrngen, sondern dau- erhaft schlagen wollten. In den von den Krisen dieser Periode am strksten getroffenen Gesellschaften reichte nunmehr die bloe Reduktion des rechtsstaatli- chen Moments und der demokratisch-parlamentarischen Formen klas- sischer brgerlicher Staatlichkeit auf den autoritren Staat nicht mehr aus, um den Druck der Arbeiterklasse in Richtung auf Transformation der kapitalistischen Produktionsverhltnisse auszuschalten. Das zeigt sich sehr deutlich in der Zeit der Prsidialdiktatur im Deutschen Reich. Inzwischen war das Kapital zu gewaltigen Oligopolen und Monopolen konzentriert, welche die Marktkonkurrenz durch Machtkonkurrenz (und Machtausgleich) ersetzten. So konnte man nun auch fr lngere Zeitrume auf die durch ffentlichkeit vermittelte und daher auf den klassischen Parlamentarismus verwiesene Form sowohl der Gesetzge- bung als auch der in anderer Weise durchgesetzten Regulierung der Gesellschaft und Intervention der ffentlichen Macht in die Gesell- schaft verzichten. Der Machtausgleich zwischen einer fast unendlich groen Zahl von kleinen und mittleren Wirtschaftseinheiten bedarf der ffentlichen Auseinandersetzung zur Herstellung der erforderlichen Kompromisse; der Machtausgleich hinsichtlich des Einsatzes und der Verwendung der Staatsmacht zwischen einer begrenzten Zahl von ko- nomischen Zentren der Produktion, des Kredits und der Distribution, die wieder untereinander verknpft sind, kommt ohne das Moment der ffentlichkeit leicht aus. Diese Zentren fhren ohnedies stndig nicht- ffentliche Spitzenverhandlungen untereinander und mit den Vertre- tern der Staatsmacht. In Krisenperioden ist dieser Machtausgleich auf vllige Abschirmung gegen die ffentlichkeit sogar unbedingt angewie- sen, weil demokratischer Parlamentarismus bei rechtsstaatlich gesicher- ter freier Willensbildung der Arbeiterbewegung zwei Konsequenzen htte: Er wrde das Eingreifen der Arbeiterbewegung in staatliche Wil- lensbildungsprozesse ermglichen und - vor allem in der Krise - die Einsicht der Arbeiterbewegung in die Notwendigkeit des bergangs von kapitalistischen zu sozialistischen Produktionsverhltnissen geradezu produzieren. So entsteht in der Periode des Monopolkapitalismus generell in allen Teilen der herrschenden Klassen die Tendenz, die aus der Aufstiegsperi- ode des liberalen Kapitalismus berkommenen Vorstellungsweisen und Rechtsformen mindestens zurckzudrngen, im Extremfall langwieriger konomischer und sozialer Krisen jedoch voll zu berwinden. Da sich die Technologie weiterentwickelt und die Kapitalkonzentration sich ver- 214 Theorien ber den Faschismus strkt, mu das Gleichgewicht der wirtschaftlichen Prozesse aufrechter- halten und wiederhergestellt werden, indem der Staat zunchst strker in die konomie eingreift, bis im Endresultat Staatsmacht und Gro- konomie zu einheitlicher Willensbildung verschmelzen. Zwischen den beiden Weltkriegen stand dieser Transformationspro- ze der politischen Ordnung unter dem Vorzeichen der Abwehr der Gefahr der proletarischen Revolution. Dies lie sich nur dadurch vermitteln, da als Gegenmacht gegen so- zialistisch-proletarische Krfte soziale Gruppen mit Mittelschichten- mentalitt mobilisiert wurden. Den diesen Sozialschichten angebote- nen antibolschewistischen und antimarxistischen Parolen wurde der Schein 'antikapitalistischer' Ideologie zugesetzt, um ihnen die Illusion des Kampfes fr ihre eigenen Interessen zu geben. Mit Hilfe dieser Parolenmixtur sollte das Mittelstandsaufgebot die Arbeiterorganisatio- nen ausschalten. Verstrkter Druck der Staatsmacht, die mittels der mili- tanten gegenrevolutionren Mittelschichten-Organisationen gefestigt und von ihnen untersttzt wurde, mute dann die Arbeiterorganisatio- nen vernichten. Gleichzeitig konnte auch die nunmehr der Kontrolle der ffentlich- keit entzogene Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Inter- essen der einzelnen Oligopole ohne Gefhrdung des sozialen Gesamt- systems weitergefhrt werden. Die Oligopole hatten jedoch sptestens seit Ausbruch der Weltwirtschaftskrise einsehen mssen, da der kon- junkturelle Proze ohne Mithilfe der ffentlichen Gewalt nicht gesteu- ert werden konnte, wenn auch eventuell nur in der Weise, da sie sich formell gemeinsam der quasi schiedsrichterlichen Entscheidung durch die ffentliche Gewalt unterwarfen. Auf dieser Situation beruhte die Wendung zum Faschismus, wie sie 1922 in Italien, 1933 in Deutschland und in sterreich durchgespielt worden ist . . . Dadurch wurde es . . . mglich, da diese Parteien und ihre militrischen Verbnde in Zusam- menarbeit mit der traditionellen Staatsorganisation die Unterdrk- kungsfunktion der ffentlichen Gewalt gegenber den Unterklassen generalisierten und extrem verstrkten . . . Weiter fhrte diese Situation zu einer relativ permanenten Sym- biose von Monopolwirtschaft und Staat im Zeichen eines auch nach auen aggressiven Rstungskapitalismus . . . Zwar wurde die Organisationswelt der frheren Arbeiterbewegung vernichtet und konkurrierende andere gesellschaftliche Organisationen wurden ausgeschaltet, abgesehen freilich von den kapitalistischen ko- nomischen Verbnden der Wirtschaftsgewalt selbst, doch das sozialko- nomische System der auf Machtausgleich angewiesenen formell privat- Faschismus als Bndnis 215 wirtschaftlichen Monopole und Oligopole bestand fort. Dieser Macht- ausgleich mute durch staatliche Dezision bewirkt werden, wenn er nicht durch unmittelbaren Kompromi vermittelt werden konnte. Die Differenzen der Monopole und Oligopole untereinander, aber auch die Sonderinteressen anderer gesellschaftlicher Gruppen drckten sich nunmehr in den Gefgen der verwandelten staatlichen Struktur und der faschistischen Parteiorganisationssysteme selbst aus. Sie waren damit zwar der ffentlichen Diskussion entzogen und fr den auen- stehenden Beobachter nicht mehr offenkundig, aber - wie jede neuere Untersuchung des italienischen faschistischen Systems oder des deut- schen nationalsozialistischen Systems belegt - stndig vorhanden und wirksam. Der rechtsstaatlich nicht mehr normierte Kampf divergenter Interessen wurde dadurch in einen permanenten untergrndigen Kon- kurrenzkampf von Cliquen transformiert, ohne seine reale Bedeutung zu verlieren. Das hatte jedoch zur Folge, da um dieser Unerkennbar- keit der Zusammenhnge fr Auenstehende willen die demokratische Bildung von Bewutsein bei den Massen der Unterklassen ausgeschal- tet wurde - wenn man von der illegalen Ttigkeit der antifaschistischen Opposition absieht. So schien das gesellschaftliche Gesamtsystem in strkerem Mae abgesichert zu sein, als das in der vorigen Entwick- lungsphase parlamentarisch-demokratischer Formierung des brgerli- chen Staates der Fall war. Aus diesem Grunde blieben in den faschisti- schen Staaten sogar diejenigen Teile der Oberklassen, die durch Einzel- entscheidungen der politischen Gewalt benachteiligt wurden, bis zur jeweiligen totalen Katastrophe im Krieg oder doch mindestens bis zur drohenden Katastrophe des Krieges grundstzlich Anhnger des neuen politischen Systems. Geht man von diesen berlegungen Abendroths aus und berprft man die Quellenmaterialien unter diesem Aspekt, so lt sich die Struk- tur des faschistischen Herrschaftssystems und des Bndnisses, auf dem es beruhte, wohl doch genauer kennzeichnen, als es die bisherigen Kon- troversen erscheinen lassen. Dies ist im Rahmen dieses Buches natr- lich nur als Skizze mglich; und zweifellos wird diese Kontroverse den wissenschaftlichen Meinungsstreit der nchsten Zeit noch wesentlich bestimmen. Methodisch besonders wichtig ist dabei, da die Frage der t-//. und z./. faschistischer Politik sorgfltig unterschieden wird von der Frage der u.//,-- also von der Frage, mit Hilfe wel- cher Techniken, Institutionen und Organisationsformen diese Inhalte durchgesetzt werden. Geht man das Problem in dieser Weise an, so lt sich den Quellen folgende Bndnisstruktur entnehmen: Die Inhalte faschistischer Politik 216 Theorien ber den Faschismus entsprechen im groen und ganzen grokapitalistischen Interessen. Dies gilt fr die Zerschlagung der Arbeiterbewegung wie fr die Aufl- sung der mittelstndischen Interessenorganisationen, fr die Organisa- tion der Betriebe und der Wirtschaft wie fr die Verwertung der inln- dischen und auslndischen Arbeitskrfte, fr die Hhe der Profite wie fr die Vergabe der Staatsauftrge; und es gilt vor allem fr die Vorbe- reitung und Durchfhrung des gewaltigen Expansionsprogramms mit dem Ziel der Beherrschung und Ausplnderung Europas. Wie dies alles in politische Praxis umgesetzt wurde, wie dabei die faschistische Partei- und Staatsfhrung mitgewirkt hat, da diese Politik durch die faschistische Ideologie vorbereitet, untersttzt und in den Massen verankert wurde, da auch die faschistische Fhrung selbst diese Politik als ihre eigene verstanden und deshalb mit allen Krften voran- getrieben hat, ist eine andere Frage, die ebenfalls sehr wesentlich ist, aber von der Frage der Inhalte faschistischer Politik unterschieden wer- den mu. Sie zielt nicht auf die sozialen Inhalte und Interessen, son- dern auf die Organisationsform und auf die politische und ideologische Vorbereitung und Durchsetzung. In diesem Kontext mu dann auch noch genauer untersucht werden, wie der staatliche und soziale Herr- schaftsapparat aufgebaut war, in welcher Weise die Vertreter der groen Industrie- und Bankkonzerne im politischen Machtapparat reprsen- tiert waren und dort mit dem traditionellen Staatsapparat und den Fh- rungsgruppen der faschistischen Partei zusammenwirkten, in welchen Institutionen und in welchem Grade sich die Machtgruppen der Bndnispartner miteinander verschmolzen bzw. miteinander konkur- rierten. Dies ist aber, um das noch einmal ganz deutlich zu sagen, eine andere Frage als die nach den realen Inhalten und sozialen Interessen der faschistischen Politik. Stellt man in diesem Rahmen die Frage nach den Interessen der faschistischen Partei und ihrer Fhrungsgruppen, so sind diese nicht in Gestalt von mittelstndischen, dem Grokapital entgegengesetzten Inhalten faschistischer Politik zu finden. Solche Inhalte gibt es nicht. Soweit einige Konzessionen an Teile der Kleineigentmer gemacht wur- den (wie zum Beispiel an die greren Bauern in Gestalt des Reichserb- hofgesetzes), dienten sie zur funktionalen Sicherung und ideologischen Stabilisierung des Gesamtsystems. 372 Auf Konzessionen solcher Art kann kein politisches System gnzlich verzichten, auch nicht der Faschismus. Sogar gegenber der Arbeiterklasse, deren Organisationen und Interessenvertretungen mit besonderer Konsequenz und Brutalitt zerschlagen wurden, hat der Faschismus eine Reihe solcher Konzessio- nen gemacht, um ein Minimum an Ruhe, Zufriedenheit und minde- Faschismus als Bndnis 217 stens passiver Zustimmung zu sichern. Die Herrschenden waren sich klar darber, da ohne diese Voraussetzung das Hauptziel des Systems, der groe Expansionskrieg, der den Massen ungeheure Opfer aufer- legte, nicht ins Werk gesetzt werden konnte. Tim Mason hat in seiner groangelegten Untersuchung eine Flle von Belegen erbracht, da die Herrschenden genau berlegt haben, welche Konzessionen an die Arbeiterklasse notwendig sind, um die Absicherung des Systems und seiner Hauptziele zu gewhrleisten. 373 Besonders die Erfahrungen des Ersten Weltkrieges, als die innere Front sich allmhlich zersetzte und damit die Expansionskraft des Systems bedrohte, ntigte die Herrschen- den zu entsprechenden Vorbeugungsmanahmen - sowohl in Hinsicht auf das Ausma an Terror wie in Hinsicht auf soziale Konzessionen. Von solchen Konzessionen zu schlieen, da der Faschismus wesent- liche Interessen der Arbeiterklasse und der Mittelschichten zur Richtli- nie seiner Politik gemacht habe, ginge also am wirklichen Charakter die- ser Politik vllig vorbei. Diese Politik im Ernst als im Interesse der Arbeiterschaft und des Mittelstands und der gesamten Volksgemein- schaft aufzufassen, wrde bedeuten, noch nachtrglich der faschisti- schen Ideologie auf den Leim zu gehen und die Propaganda des Systems mit seiner Wirklichkeit zu verwechseln. Zu dieser Wirklichkeit gehrte ja auch wesentlich der ungeheure Terror, mit dem alle Versuche, eine Vertretung von Arbeiterinteressen oder Mittelstandsinteressen zu organisieren oder auch nur zu artikulieren, unterdrckt wurden. Die Zehntausende verhafteter und ermordeter Funktionre der Arbeiterbe- wegung sprechen hier eine deutliche Sprache. Wenn also von Interessen der faschistischen Partei und ihrer Fhrer im Bndnissystem der faschistischen Diktatur die Rede ist, so mu dies offensichtlich in einer anderen Weise verstanden werden. Die Fh- rungsschichten dieser Partei bestanden zu einem betrchtlichen Teil aus sozial bedrohten, im Abstieg begriffenen, real bereits deklassierten oder gescheiterten Existenzen und Sozialgruppen. Fr sie bedeutete die Errichtung der Diktatur die Chance, sich eine gesicherte Existenz und womglich ein gewisses Ma an sozialen Privilegien zu verschaffen - sei es im Staatsapparat, sei es als Funktionre einer der vielen faschisti- schen Massenorganisationen, sei es als Kleineigentmer durch Staats- auftrge usw. Soweit daraus Tendenzen entstanden, die sich strukturell gegen Interessen des Grokapitals richteten, wurden sie, wie oben gezeigt, 1934/35 energisch unterdrckt. Soweit daraus jedoch einfach Bestrebungen erwuchsen, sich gewisse Pfrnde und Vergnstigungen zu verschaffen, sich zu bereichern, eine parasitre Existenz innerhalb des gewaltig aufgeblhten Staats- und Parteiapparats zu sichern usw. wur- 218 Theorien ber den Faschismus den sie toleriert und sogar gefrdert. Dies war sozusagen der politische und soziale Preis, der fr die Herrschenden mit der spezifisch faschisti- schen Art der Herrschaftssicherung verbunden war. Daraus ergaben sich natrlich allerlei Konkurrenzkmpfe zwischen dem etablierten Staatsapparat und den Emporkmmlingen der faschi- stischen Partei. Doch dabei ging es niemals um die grundstzliche Rich- tung der faschistischen Politik. In den Quellen ist zwar bei den Vertre- tern des etablierten Staatsapparats, bei den hohen Beamten und Offi- zieren ein betrchtliches Ma an sozialer Verachtung gegenber den ordinren und plebejischen Elementen der NSDAP und SA zu sp- ren - ebenso wie umgekehrt ein gewisses Mitrauen und ein Gefhl der Minderwertigkeit der faschistischen Fhrer und Mitglieder gegenber dem satten und abgesicherten Brgertum -, doch hat dies alles nichts zu tun mit grundstzlichen Differenzen ber die Richtung der Politik des Systems. Ein zweiter Bereich, in dem sich ein relatives Eigengewicht der faschistischen Partei und ihrer Fhrer im Bndnissystem des Faschis- mus manifestierte, ergab sich bereits aus dem Faktum der Machtber- tragung an diese Partei. In keinem politischen System sind konomie und Politik, konomisch herrschende Klasse und politisch Regierende identisch. Der Staat kann seine Aufgabe der Sicherung des sozialen Ge- samtsystems berhaupt nur wahrnehmen, wenn er gegenber allen ko- nomischen Einzelinteressen eine relative Selbstndigkeit bestitzt. Dies ist im Faschismus im Prinzip nicht anders als in der parlamentarischen Demokratie. Eine graduelle Differenz ergibt sich allerdings daraus, da mit der Machtbertragung an die faschistische Partei und der Errichtung einer faschistischen Diktatur das Prinzip des relativ weiten und offenen Plu- ralismus verschiedener Krfte mit der Chance des politischen Macht- wechsels abgelst wurde durch ein System, in welchem dauerhaft eine politische Kraft, nmlich die faschistische Partei, im Besitz der politi- schen und staatlichen Gewalt war und alle anderen politischen Krfte terroristisch unterdrckt waren. Und eben diese faschistische Art der Herrschaftssicherung - nmlich die gewaltsam-terroristische Zerschla- gung und Niederhaltung der Arbeiterklasse und ihrer Organisationen - bedingte eine enorme Ausweitung des staatlichen Unterdrckungsappa- rats im Vergleich zur parlamentarischen Demokratie. Dies alles hatte natrlich zur Konsequenz, da die relative Selbstn- digkeit dieser Staatsgewalt grer war, zumal die reale Mglichkeit, einen politischen Machtwechsel herbeizufhren, ohne das soziale Ge- samtsystem zu gefhrden, stark verringert, ja weitgehend abgeschnitten Faschismus als Bndnis 219 war. Die konomisch Herrschenden waren auf diese faschistische Fh- rung in einem viel hheren Mae angewiesen, als sie dies etwa im Fall der verschiedenen Regierungen der Weimarer Republik oder der Bun- desrepublik waren. Alle diese Regierungen waren ohne grere Schwie- rigkeiten ersetzbar. Dies galt nicht fr die faschistische Regierung. Die- ses wechselseitige Aufeinanderangewiesensein ist es, was den Begriff des Bndnisses gerechtfertigt erscheinen lt - ein Begriff, der im Fall von parlamentarischen Regierungen gnzlich verfehlt wre. Das System hatte mit der Errichtung der Diktatur 1933 sozusagen die Brcken hinter sich abgebrochen. Wie schwierig die Rckkehr zu normalen Verhltnissen des parlamentarischen Systems mit seiner Chance des politischen Machtwechsels ist und wie gro dabei die Gefahr der ./.- Alternativen anwachsen kann, haben 1943 Italien und in jngster Zeit die Beispiele Portugal, Griechenland und Spanien gezeigt, obgleich diese Staaten keineswegs im gleichen Mae die Brk- ken hinter sich abgebrochen hatten. Fr den deutschen Faschismus zeigt dies die Periode 1943 bis 1945, als erhebliche Teile der herrschen- den Klasse die politischen Machthaber gern abgelst htten, doch einerseits die daraus resultierenden Gefahren einer Aktivierung der Massen und einer revolutionren Bedrohung frchteten, andererseits vor dem Problem standen, gegenber der seit 1933 und dann besonders im Krieg enorm ausgebauten staatlichen Gewaltmaschinerie, die 1933 den faschistischen Fhrern bertragen worden war, eigene politische Machtmittel zu mobilisieren. Die Schwchen und Widersprche des Putschversuchs vom Juli 1944 erklren sich zu einem betrchtlichen Teil aus dieser Sachlage. Aus dieser relativen, im Vergleich zur parlamentarischen Demokratie allerdings deutlich hheren Selbstndigkeit der politisch-staatlichen Gewalt gegenber den herrschenden konomischen Interessen ergibt sich, da die faschistische Exekutive ber einen betrchtlichen Spiel- raum bei politischen und militrischen Entscheidungen verfgte - innerhalb der grundstzlichen Richtung der faschistischen Politik, die, wie bereits dargelegt, zwischen den Bndnispartnern berhaupt nicht kontrovers war, sondern von Anfang an die gemeinsame Basis des Bndnisses darstellte. In der Frage jedoch, welche sozialen Konzessio- nen an die Massen im Innern notwendig waren, in welchem Tempo der Krieg vorbereitet, in welcher Konstellation er begonnen, nach welchen Strategien er gefhrt wurde usw., hatte die faschistische Exekutive einen betrchtlichen Entscheidungsspielraum. Selbstverstndlich wirkten auch dabei die fhrenden Reprsentanten des Grokapitals, der Staats- brokratie und des Militrs wesentlich mit, doch wre es verfehlt, die 220 Theorien ber den Faschismus faschistische Exekutive hier als bloes Vollzugsorgan dieser Macht- gruppen aufzufassen. Darber hinaus hatte die faschistische Exekutive die Funktion, die verschiedenen miteinander konkurrierenden konomischen Interessen der groen Industrie- und Bankkonzerne zu einem politischen Gesamt- konzept zu integrieren und gegebenenfalls auch als Schiedsrichter zu fungieren. Denn dieser Konkurrenzkampf zwischen den einzelnen Konzernen und Fraktionen des Grokapitals war ja 1933 keineswegs beendet, sondern dauerte an - wenn auch nicht mehr offen, sondern nunmehr hinter der Fassade des einheitlichen Fhrerstaates. Dieser Konkurrenzkampf um den mageblichen Einflu auf den staatlichen Machtapparat, um Staatsauftrge und Sondervergnstigungen, um das arisierte jdische Eigentum, um Richtung und Prioritten der Expan- sionspolitik und dann vor allem um die Verteilung der Beute nach der Eroberung der Nachbarlnder, um Produktionsanlagen, Rohstoffe, Ar- beitskrfte und Reichtmer der verschiedensten Art nahm teilweise aus- gesprochen heftige Formen an. (Der englische Historiker Tim Mason nimmt sogar an, da nach 1936 der hemmungslose Konkurrenzkampf zwischen den einzelnen Firmen und Kapitalgruppen eine geschlossene Interessenvertretung des Kapitals unmglich machte und da deshalb sich ein Primat der Politik, das heit des Staates, durchsetzte. 374 Diese These, der zweifellos eine richtige Beobachtung zugrunde liegt, berck- sichtigt wohl aber nicht gengend, da sich das kollektive Interesse des Kapitals nie auf alle Einzelfragen beziehen kann, weil die Konkur- renz der Teilinteressen zum Wesen des Kapitalismus gehrt. Und was den gemeinsamen Kern dieser Kapitalinteressen betrifft, so war er ja durch die Niederhaltung der Arbeiterklasse und die profitable Rstungs- und Expansionspolitik gewhrleistet, und zwar durch einen Staat, in dem die mchtigsten Konzerne an mageblicher Stelle mit- wirkten - natrlich nicht alle Konzerne und schon gar nicht alle glei- chermaen.) Unter diesen Bedingungen kam es notwendigerweise immer wieder zu staatlichen Entscheidungen, die bestimmten Interessen einzelner Konzerne widersprachen - woraus natrlich keineswegs abzuleiten ist, da diese Entscheidungen gegen das Kapital insgesamt gerichtet waren, sozusagen antikapitalistischen Charakter hatten. Die relative Selbstndigkeit der faschistischen Partei und Exekutive im Bndnissystem des Faschismus darf also nicht so interpretiert wer- den, als htte der andere Bndnispartner - die herrschende Klasse - ein gnzlich anderes, sozusagen antifaschistisches Konzept vertreten und wre gegen seinen Willen zur faschistischen Politik gezwungen oder gar Faschismus als Bndnis 221 durch die Diktatur der faschistischen Partei unterdrckt worden. Wenn 1935/36 Teile der herrschenden Klasse (unter anderem der Reichsbank- prsident Schacht, wichtige Konzerne der Schwerindustrie und die mit ihnen verbundenen Banken) der Ansicht waren, das Tempo der Aufr- stung msse vorbergehend gebremst werden, um den Export und damit die Devisenlage und damit die Rohstoffbasis fr die weitere Rstung zu verbessern, so ging der Streit natrlich nicht um die terrori- stische Diktatur als solche oder die gewaltsame Expansion als solche, sondern um die besten Methoden zu ihrer Durchsetzung - und natr- lich um spezifische Interessen bestimmter Konzerne in Konkurrenz zu anderen. Genau die gleichen taktischen und interessenmigen Diffe- renzen innerhalb des gemeinsamen imperialistischen Konzepts liegen vor, wenn einige Gruppen der herrschenden Klasse (insbesondere die mit dem amerikanischen Kapital eng verbundenen Konzerne) in der Phase der Kriegsvorbereitung darauf drangen, die Westmchte nicht zum Feind des Deutschen Reiches zu machen, sondern die Expansion nach Osten mit der Zustimmung oder sogar der Untersttzung der Westmchte durchzufhren (whrend die andere Fraktion der Ansicht war, da die deutsche Expansionspolitik sowohl auf dem Balkan wie auch anderswo notwendigerweise in Gegensatz zu den Westmchten geraten msse). Nicht anders sind die Meinungsverschiedenheiten innerhalb der militrischen Fhrung und zwischen einigen militri- schen Fhrern und Hitler zu beurteilen, ob im Sommer 1938 ein Krieg gegen die Tschechoslowakei riskiert (oder, wie es Generaloberst Beck wnschte, besser auf einen gnstigeren Zeitpunkt verschoben) werden sollte, mit welcher Strategie die Sowjetunion am besten niederzuwer- fen sei usw. Selbstverstndlich haben alle die Wirtschaftsfhrer, Generale und hohen Beamten nach der Niederlage der faschistischen Diktatur 1945 es so dargestellt, als seien alle diese Meinungsverschiedenheiten antifa- schistischer Widerstand gewesen oder als seien sie ohnehin alle nur wehrlose Opfer gewesen. (Die Dreistheit dieser ehemaligen faschisti- schen Machttrger im Umgang mit der Wahrheit kennt ja, wie in den 70er Jahren der Fall des damaligen baden-wrttembergischen Minister- prsidenten und frheren Marinerichters Filbinger erneut gezeigt hat, keine Grenzen.) Gesttzt auf ihre Autoritt als Zeugen der Geschichte haben sie in einer Flut von Memoirenliteratur diese Interpretation mas- senhaft verbreitet und damit auch das Bild der ffentlichkeit ber die faschistische Diktatur stark beeinflut. Die Wirklichkeit des Faschismus war, wie die Quellen zeigen, anders beschaffen. Neuerdings haben sich jedoch, in dem Bemhen, die plumpe und 222 Theorien ber den Faschismus untaugliche Totalitarismustheorie zu berwinden und das faschistische Herrschaftssystem differenzierter zu beschreiben, Interpretationen ent- wickelt, die - bewut oder unbewut - bis zu einem gewissen Grade an diese Memoirenliteratur der ehemaligen Machttrger des faschistischen Systems anschlieen. Auch diese Richtungen konstatieren in gewissem Mae Pluralismus, Polyarchie und Konkurrenz, in mancher Hinsicht und zeitweise sogar ein Bndnis zwischen verschiedenen politisch-so- zialen Krften, interpretieren dies aber ganz anders als die oben darge- stellte Bndnistheorie. Versucht man die Vielfalt dieser Interpretationen zu ordnen (die eng miteinander verwandt sind, auch ineinander bergehen, aber innerhalb dieses Rahmens auch miteinander streiten 375 ), so lassen sich drei Haupt- varianten unterscheiden. Die erste Variante konzediert zwar, da die Errichtung der faschisti- schen Diktatur nicht ohne die Mithilfe der traditionellen Fhrungs- schichten in konomie und Staatsapparat mglich war, folgt also inso- weit der Bndnistheorie. Sie behauptet dann aber, da die faschistische Partei ihre Bndnispartner und deren Hoffnungen betrogen und eine schrankenlose Diktatur errichtet habe, der die traditionellen Fhrungs- schichten ebenso unterworfen gewesen seien wie die brige Bevlke- rung. Grokapitalistische Interessen htten, wie Ernst Nolte und in des- sen Gefolge Joachim C. Fest behaupten, auf politische Entscheidungen nicht mehr Einflu gehabt als ihre Hilfsarbeiter. 376 Nach Schoenbaum zum Beispiel lie sich das Kapital vom faschistischen Staat zwar tyran- nisieren, nahm sich aber zugleich ein groes Stck des Kuchens (S. 15). Die Industrie wurde bestochen (S. 164). Der Arbeiter teilte seine Ver- sklavung mit frheren Herren, wodurch sie paradoxerweise zu einer Art von Gleichheit oder gar Befreiung wurde (S. 151). Auch die Unterneh- mer waren also im Faschismus eher Objekte als Subjekte (S. 154). Zu- sammenfassend spricht Schoenbaum von der endgltigen Demorali- sierung der Industriellen, der Einschchterung der Generale und der Kapitulation des Beamtentums (S. 338). Zu solchen Interpretationen bemerkt Bert Brecht treffend: Das Regime zwingt die Arbeiter, sich ausbeuten zu lassen, und nimmt ihnen deshalb ihre Gewerkschaften, Parteien, Zeitungen weg. Das Regime zwingt die Arbeitgeber, die Arbeiter auszubeuten, befiehlt bestimmte Formen der Ausbeutung, bringt Plan in die Ausbeutung und setzt den Arbeitgebern den General auf die Nase, also 'allenthalben' das Gefhl von Unfreiheit. 377 Nach anderen Darstellungen waren die Bundesgenossen Hitlers aus den Oberklassen nach 1933 politisch anscheinend berhaupt nicht Faschismus als Bndnis 223 mehr vorhanden. So berichtet Fest (der allerdings schon fr die Errich- tung der Diktatur jede wesentliche Mithilfe der Fhrungsschichten bestreitet) zwar ausfhrlich ber die Expansionsplne des deutschen Faschismus, stellt sie aber ausschlielich als Plne Hitlers und der SS dar und unterschlgt die Kriegszieleingaben und Europaplne der deut- schen Industrie, die in diese Expansionskonzepte eingingen und die zum Teil schon seit den Nrnberger Kriegsverbrecherprozessen bekannt sind. Es habe sich eine Fhrerdiktatur gebildet, die mit kapitalistischen Interessen nichts mehr zu tun hatte, sondern gnzlich auf den rassen- ideologischen Zielen des Nationalsozialismus beruhte. So sagen zwar auch die Nolte-Schler Wippermann und Thamer, es habe sich bei der Errichtung der faschistischen Diktatur in Deutschland um ein Bnd- nis mit den sozialen Oberschichten gehandelt, doch dann habe der faschistische Staat alle anderen einschlielich der Industrie unterwor- fen, und Hitler habe .-. primr rassenideologisch geprgte Politik durchgesetzt, die gegen die politischen und selbst die konomischen Wnsche und Hoffnungen des Militrs und der Wirtschaft verstie. 378 Diese Interpretation mndet, wie leicht zu erkennen ist, in die Theorie vom totalitren Fhrerstaat, die schon behandelt wurde. Insbesondere fr die Erklrung der Auenpolitik des deutschen Faschismus spielt diese Variante der Fhrertheorie auch in der neuesten Diskussion eine zentrale Rolle. So spricht Manfred Funke in der Einlei- tung eines fr den neueren Diskussionsstand der nichtmarxistischen Wissenschaft weithin reprsentativen Sammelbandes von der Notwen- digkeit, auch die NS-Epoche als Formation einer sozio-strukturellen Gesamtdisposition forschungsstrategisch zureichend an die exzeptio- nelle Gestalt Hitlers zu binden, und dann von Hitler sogar als dem diabolischen Octroi ber Deutschland. 379 Das modernistische Voka- bular steht hier in grellem Kontrast zu dem irrationalen, geradezu archaischen Gedanken, der nicht einmal die Bezugnahme auf den Teufel scheut. Dennoch bleibt auch hier die These erhalten, da es Komple- mentrinteressen der NS-Oligarchie und Groindustrie waren, die die auenpolitische Schubkraft bildeten (S. 12). Michalka riskiert sogar die Behauptung, da die dominierende Steuer- und Entscheidungs- funktion des 'Fhrers' Adolf Hitler in der deutschen Auenpolitik von 1933 bis 1945 unbestritten sei (S. 48). Dementsprechend leiten die mei- sten Autoren dieses Sammelbandes die faschistische Auenpolitik aus dem Denken, Wollen und Fhlen Adolf Hitlers ab. Klaus Hildebrand erkennt an, da die fhrenden Schichten Hitler zu ihrem ausfhren- den politischen Organ whlten, da die Weimarer Republik am Widerstand der Mehrzahl der Fhrungsschichten scheiterte, da es 224 Theorien ber den Faschismus eine weitgehende Interessenkoinzidenz zwischen diesen Schichten und Hitler gab, da Hitlers Programm berhaupt eine systematisierte Addition aller seit den Tagen Bismarcks in Deutschland diskutierten auenpolitischen Expansionsziele war (S. 90-93) - und dennoch leitet er die Auenpolitik des deutschen Faschismus aus Hitlers Programm ab, als der entscheidenden Antriebskraft (S. 236 f.). Die Industrie habe zwar wirtschaftliche Gewinne erzielt, aber sozusagen ohne eigenes Zutun (S. 226). Die zweite Variante betont die Bedeutung der Meinungsverschieden- heiten innerhalb des faschistischen Machtkartells, stellt diese jedoch so dar, als sei das eigentlich Faschistische und Imperialistische an der Poli- tik dieses Systems hauptschlich oder allein von der faschistischen Par- tei vertreten und durchgesetzt worden, whrend die konservativen Eli- ten in Beamtentum, Militr und Wirtschaft versucht htten, diesen faschistischen Radikalismus zu bremsen und an Rechtsstaatlichkeit, Humanitt und Friedenspolitik zu retten, was zu retten war. Allenfalls hatten die traditionellen Eliten nach solchen Darstellungen den Nut- zen von der faschistischen Politik, aber sozusagen mit innerem Wider- streben. Eine Tendenz in dieser Richtung hat sogar die schon zitierte, im brigen sehr kritische Darstellung von Hans Mommsen o.-.-.- - t.- t./ Dort heit es zum Beispiel: Es war der NSDAP nicht gelungen, die Brokratie zu absorbieren, vielmehr hatte diese die durch politische mterpatronage aufgestiegenen Beamten, soweit sie fr die Ausfllung des bertragenen Amts geeignet waren, absorbiert. In dem zhen und verdeckt gefhrten Kampf gegen die bergriffe der Partei hatte so der Staatsapparat weitgehend seine Integritt bewahren knnen und hatte er sich wirkungsvoll gegen die Verschleuderung staatlicher Substanz - nicht zuletzt auf dem Gebiet des Beamtenrechts - zur Wehr gesetzt (S. 119). Eine dritte Variante behauptet, da die Macht- und Konkurrenz- kmpfe innerhalb des faschistischen Machtkartells Kompetenzwirrwarr, Organisationschaos und Intrigen in einem solchen Ausma produziert htten, da von einer zielgerichteten faschistischen Politik gar keine Rede sein knne. Diese Autoren vertreten als Gegenthese zum Totalita- rismuskonzept eine Pluralismus-Theorie, die das Nebeneinander von sich stndig in gegenseitiger Wechselwirkung teils sttzenden, zumeist freilich entmachtenden Antipoden, eine Serie von Dualismen, wodurch eine autoritre Anarchie, eine Polykratie entstand und ein einheitlicher politischer Wille gar nicht mehr mglich war. 380 Die Kon- sequenzen werden unterschiedlich interpretiert. Manche sehen in der Faschismus als Bndnis 225 Gestalt Hitlers und der faschistischen Ideologie jene Elemente, die die- ses chaotische System doch zusammengehalten und seiner Politik eine Richtung gegeben haben. Insoweit luft es doch wieder auf die Fhrer- theorie hinaus. Andere behaupten, der Pluralismus habe die innere Stabilisierung verhindert (sei es, weil Hitler doch nicht jene ihm zuge- schriebene Entscheidungsfunktion hatte, sei es, weil er selbst zu labil und konzeptionslos war) und das System in einen sich beschleunigen- den Proze der Selbstzerstrung hineingetrieben. 381 Da kann man sich nur wundern, wieso die faschistische Diktatur dennoch nach innen hin die Krfte der Demokratie und Arbeiterbewe- gung so gezielt und effektiv unterdrcken und nach auen hin einen so gewaltigen Expansionskrieg vorbereiten und mit uerster Konsequenz ins Werk setzen konnte. Hier ist die Kritik Brachers am Platze, da die These vom Pluralismus nicht das Wesentliche trifft, sondern nur Un- vollkommenheiten der Durchfhrung; im Prinzip habe der totalitre Charakter des Regimes durchaus bestanden. 382 Nach allem, was an Dokumentenmaterial vorliegt und was oben als Schlufolgerung aus diesem Material ausgefhrt worden ist, drfte deutlich geworden sein, da solche Interpretationen nicht haltbar sind. Was zunchst den Versuch betrifft, den Faschismus aus der Kontinui- tt des kapitalistischen Systems herauszulsen und als etwas wesensm- ig davon Verschiedenes darzustellen, so hat - von den marxistischen Dokumentationen und Analysen abgesehen - schon Schweitzer das Ntige gesagt. Auch der englische Historiker Woolf, der neben Deutsch- land auch Italien und Japan in seine Untersuchung einbezogen hat, kommt zu dem Ergebnis: Staatsinterventionen, hohe ffentliche Aus- gaben (militrische wie zivile), Umverteilung gesellschaftlichen Reich- tums, Regulierungen im monetren Bereich, Einkommenspolitik - all dies sind im wachsenden Mae bedeutende und mehr oder weniger stndige Merkmale unseres gegenwrtigen Kapitalismus. Faschistische konomie ist in vielerlei grundstzlicher Hinsicht sicherlich kapitalisti- sche konomie. 383 Und was den angeblich auf Rechtsstaatlichkeit, Humanitt oder sogar antifaschistischen Widerstand gerichteten Charakter der Politik betrifft, den Persnlichkeiten und Gruppen des faschistischen Macht- kartells nachtrglich fr sich beansprucht haben (und von manchen Historikern auch zugebilligt erhalten), so mu festgestellt werden: Bei dem einen oder anderen Reprsentanten dieser Fhrungsschichten mgen im Einzelfall auch solche Motive mit im Spiel gewesen sein. Die Herrschaftsstruktur des Faschismus insgesamt wird mit dieser Darstel- lung der Polyarchie jedoch vllig verfehlt, weil - wie schon dargelegt 226 Theorien ber den Faschismus - ber die Frage der terroristischen Diktatur wie ber die Frage der weitreichenden gewaltsamen Expansion zwischen den Bndnispartnern von Anfang an und bis zuletzt vllige Einigkeit bestand. Dokumente, in denen magebliche Krfte der herrschenden Klasse die Abschaffung der Diktatur, die Wiederherstellung der Demokratie und die Zulassung der Arbeiterparteien und der Gewerkschaften sowie den energischen Kampf gegen den Krieg und die Kriegstreiber verlangt htten, sind jedenfalls nicht bekannt geworden und drften auch schwerlich auffind- bar sein. Das Gegenteil ist allerdings tausendfach belegt. Und ebenso tausendfach belegt ist es, da solche antifaschistischen Forderungen nur von der wirklichen Oppositionsbewegung vertreten wurden - und zwar von Anfang an, und nicht erst dann, als die militrische Niederlage absehbar war und auch manche anderen Krfte sich vom Faschismus abzusetzen begannen. Insgesamt kann man zu diesen Kontroversen sagen, da sie zwar ein zentrales Problem der faschistischen Diktatur ansprechen, da aber die Polyarchie- und Pluralismustheorien es nicht befriedigend lsen kn- nen und den Charakter des faschistischen Systems insgesamt verfehlen. Erstens wird bersehen, da man sich innerhalb des faschistischen Machtkartells trotz aller Differenzen ber die Grundlagen des Systems (terroristische Diktatur zum Zwecke der Niederhaltung aller demokrati- schen und sozialistischen Krfte) und ber die Notwendigkeit gewaltsa- mer Eroberungen einig war. Worum die Kontroversen gingen, waren Modalitten der Herrschaftsausbung und die Richtung und Taktik der Expansion. Der Pluralismus innerhalb des Machtkartells ndert also nichts am diktatorisch-terroristischen Charakter des Systems gegenber der eigenen Bevlkerung wie gegenber den unterworfenen Vlkern. Auch die Hrte des Terrors und die Wucht der Aggression wurden durch diesen Pluralismus nicht im mindesten beeintrchtigt. Auch ist die faschistische Diktatur keineswegs an Selbstzerstrung zugrunde ge- gangen, sondern durch die vereinte Anstrengung der brigen Vlker nach einem ungeheuer opferreichen Krieg geschlagen worden. Zweitens ist der Versuch, die faschistische Aggressionspolitik aus Hit- lers Denken und Wollen abzuleiten, so abwegig wie jeder andere Ver- such, den Faschismus als Produkt des Fhrers zu interpretieren. Dies wurde in einem frheren Kapitel bereits dargelegt und empirisch begrndet. Gerade im Bereich der Auenpolitik, in dem der verbreche- rische, bis zum Vlkermord getriebene Charakter des Faschismus besonders hervortrat, kommt dies einem Freispruch fr alle Bundesge- nossen und Helfer des Faschismus gleich - zumal die Kontinuitt des faschistischen Programms im Vergleich zu den imperialistischen Zielen Faschismus als Bndnis 227 des Kaiserreichs und der Auenpolitik der Weimarer Republik unbe- streitbar und auch die aktive Mitwirkung der Groindustrie und des Militrs bei der Planung der Expansion und der Ausplnderung der un- terworfenen Lnder dokumentarisch vielfltig bewiesen ist. Bei all die- sen Versuchen, den Imperialismus der Zeit nach 1933 aus der Kontinui- tt des deutschen Imperialismus herauszubrechen und als etwas spezi- fisch Faschistisches zu erweisen, kommt immer nur heraus, da die .. /,/. o.,.-..-, nun eine andere, nmlich eine rassenideologische gewesen sei. Dazu wre anzumerken, da es der Groindustrie auf den Inhalt der Sache ankam und da ihr die ideologischen Begrndungen herzlich gleichgltig sein konnten - sofern sie nur wirksam waren, das heit, geeignet waren, die Massen kriegsbereit zu machen. 384 Was nun diesen Inhalt der Expansion betrifft, so heit es in diesem Sammelband u/. t..//-. .-. .. :/. recht zutreffend: In allen politischen Gruppierungen herrschte Konsens ber die Dringlichkeit der Revision des 'Versailler Diktats', eine Zielvorstellung, die ihren Orientierungspunkt in der Gromachtstellung des Deutschen Reiches vor 1914 erhielt. Die ungebrochene Gromachtvorstellung er- fuhr 1917/18 eine entscheidende Erweiterung, die im Vergleich zu tra- ditionellen auenpolitischen Zielsetzungen eine neue Qualitt dar- stellte: die von deutschen Truppen eroberten Territorien und die im Frieden von Brest-Litowsk von Ruland erzwungene Abtretung sollten im Hinblick auf eine knftige Weltmachtstellung die Basis eines wirt- schaftlich und strategisch abgesicherten Ostimperiums bilden. Die Erkenntnis, da zwar Frankreich zu besiegen sei, Grobritannien jedoch infolge seiner Insellage und mit Hilfe der fr Deutschland gefhrlichen Kontinental-Blockade ein unberwindliches Hindernis fr eine knf- tige deutsche Gromacht darstelle, lie die Notwendigkeit wirtschaftli- cher Autarkie immer dringlicher werden, eine Notwendigkeit, die eine weitrumige geopolitische und strategische Sicherung des Deutschen Reiches im Blick auf knftige Grokriege gewhrleisten sollte. Das un- ter deutsche Hegemonie zu bringende Mitteleuropa, ergnzt durch ein Ostimperium, sollte einen europischen Growirtschaftsraum bilden, der als kontinentaler Kern die erste vorbereitende Etappe auf dem Wege zur deutschen 'Weltmacht' bilden sollte, wodurch in einem zwei- ten Schritt ein Expandieren nach bersee mglich wrde. Trotz der Niederlage des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg blieb diese Zwei-Stufen-Vorstellung einer deutschen Gro-(Welt-)Machtpolitik un- gebrochen und lag auch prinzipiell - implizit oder explizit - den nach 1918 diskutierten Konzeptionen zugrunde. Die eigentliche auenpolitische Diskussion bewegte sich demnach 228 Theorien ber den Faschismus vor allem um Methode, Mittel, Bndnispartner, zeitliche Abfolge etc., die diese kontinuierlichen Leitbilder realisieren sollten. Michalka setzt hinzu: Die Weimarer Konzeptionen-Diskussion . . . schlug sich auch in der NSDAP nieder (S. 53). Da die hier behandelten Autoren dennoch das Wesen der faschisti- schen Politik verfehlten, hat seinen methodischen Grund darin, da sie ihre Untersuchung - gem den Regeln der traditionellen Geschichts- wissenschaft - von vornherein auf politische Fhrerpersnlichkeiten und staatliche mter und Institutionen beschrnken, also die sozialen Interessen und Triebkrfte der Expansion ausklammern. So erscheint ihnen die Konkurrenz zwischen verschiedenen Gruppen des Grokapi- tals ber die Richtung der Expansion als Konkurrenz zwischen ver- schiedenen Fhrerpersnlichkeiten und mtern, in denen sich diese Differenzen artikulierten. Die Formeln von Polykratie, Pluralismus usw. haben also nur dann einen Sinn, wenn man sich bewut bleibt, da es sich um Pluralismus innerhalb des herrschenden Machtkartells handelt, das sich ber die Grundlagen des Herrschaftssystems einig ist. Die Formel vom Bndnis zwischen den Fhrungsgruppen der faschi- stischen Partei und den Fhrungsschichten von Grokapital, Militr und hoher Beamtenschaft trifft die Wirklichkeit des Faschismus besser, weil sie zugleich deutlich macht, da die Bndnispartner im wesentli- chen gemeinsame Ziele und gemeinsame Gegner hatten. Exkurs: Antisemitismus und Massenmord an den Juden Es wurde in diesem Kapitel die Selbstndigkeit des Staates gegenber den herrschenden konomischen Interessen skizziert, die im Faschis- mus wegen der besonderen Art dieser Herrschaftssicherung und der Unmglichkeit eines politischen Machtwechsels ohne Gefhrdung der Gesellschaftsordnung eine besondere Steigerung erfahrt - ohne etwa von diesen Interessen unabhngig zu werden. Diese Konstellation ver- schaffte der Fhrungsgruppe der faschistischen Partei auch besondere Mglichkeiten, jene Elemente ihrer Ideologie in die Praxis umzusetzen, die zwar zur Herrschaftssicherung nicht erforderlich und an denen die konomisch Herrschenden also auch nicht interesssiert waren, an die die faschistischen Fhrer aber selbst besonders fanatisch glaubten. Es scheint, da das schwierige und bisher nur unzureichend geklrte Pro- blem des Antisemitismus von hieraus in Angriff genommen werden kann. Um voreilige Schlufolgerungen ber einen angeblich unerklrli- Exkurs: Antisemitismus und Massenmord an den Juden 229 chen faschistischen Irrationalismus zu vermeiden, sollte man sich allerdings vorab einige, seit langem bekannte Tatbestnde in Erinnerung rufen: 1. Antisemitische Hetze wurde bereits im Kaiserreich in groem Mastab entfacht, um soziale Unzufriedenheit gegen Sndenbcke zu lenken und so fr das bestehende Herrschaftssystem unschdlich zu machen. Auch in der Weimarer Republik wurde diese Hetze von einer groen Zahl von Organisationen und Organen bis hinein in den akade- mischen Bereich weitergefhrt - und keineswegs etwa nur von der NSDAP. So erweist sich auch am Beispiel des Antisemitismus, da die Ideologie des Faschismus vorbereitet und eingebettet war in mchtige ideologische Strmungen. Der Ursprung des Antisemitismus ist also nicht bei den vom Grokapital bedrohten Mittelschichten zu suchen, sondern bei den Herrschenden. Die Mittelschichten waren die Adressa- ten dieser Ideologie, ihr Irrationalismus war also ein erzeugter, aller- dings einer, der in ihrer sozialen Lage Anhaltspunkte fand. 2. Die NSDAP hat auch vor 1933 aus ihrem rabiaten Antisemitismus kein Geheimnis gemacht, sondern im Gegenteil bereits ffentlich und immer wieder angekndigt, da ntigenfalls die physische Liquidierung dieser Volksschdlinge vollzogen werden msse. 385 Jene Krfte aus den Fhrungsschichten der Industrie, des Militrs und der hohen Be- amtenschaft, die ein Bndnis mit den faschistischen Fhrern schlossen und diese 1933 an die Macht brachten, haben dies selbstverstndlich gewut und sich dadurch nicht von einem Bndnis abhalten lassen. Auch von Protesten dieser Kreise gegen die antisemitische Hetze ist nichts bekannt. Sie nahmen diese Eigentmlichkeit der faschistischen Partei also mindestens in Kauf - weil die Zerschlagung der Arbeiterbe- wegung und dann die Vorbereitung und Durchfhrung eines gewalti- gen Expansionsprogramms ihnen das Wichtigste war und weil sie den Antisemitismus als Mittel zur Massenmobilisierung und zugleich zur Kanalisierung sozialer Unzufriedenheit kannten und bewhrt wuten. 3. Der Vlker- und Massenmord des Faschismus war keineswegs auf die Juden beschrnkt. Er bezog sich wesentlich auch auf Teile der sla- wischen Vlker, insbesondere auf deren intellektuelle und politische Fhrungsschichten. Auch Franzosen, Hollnder, Belgier und Angeh- rige anderer europischer Vlker fielen dem Massenmord in den Kon- zentrationslagern zum Opfer. Der Mord an den europischen Juden darf also nicht als etwas ganz Singulres betrachtet werden - das mte zu Fehlurteilen fuhren. uerste Brutalitt der Herrschaft bis hin zum Massenmord war ein allgemeines Merkmal des faschistischen Systems. Mit anderen Mitteln htte die Zerschlagung einer so starken und gut 230 Theorien ber den Faschismus organisierten Arbeiterbewegung und die Einleitung eines so giganti- schen Expansions- und Ausplnderungsprogramms auch nicht ins Werk gesetzt werden knnen. 4. So richtig es ist, da das bel schon mit den frhen Formen der antisemitischen Ideologie, mit der Diskriminierung der Juden durch Reden und Schriften begonnen hat, so falsch wre es zu sagen, da sich daraus notwendig der Massenmord entwickeln mute. Obgleich noch viel Forschungsarbeit zu leisten ist, um die verschiedenen Stufen der antisemitischen Politik nach 1933 herauszuarbeiten, so kann doch eines schon gesagt werden: Diese Politik des deutschen Faschismus in ihren verschiedenen Stufen ist nicht allein herleitbar aus der inneren Logik der antisemitischen Ideologie, sondern mu gesehen werden im Zusam- menhang mit der jeweiligen gesamtpolitischen Lage, mit den jeweiligen Hauptproblemen und Hauptzielen der faschistischen Innen- und Auenpolitik. 386 Die Dmpfung der antisemitischen Aktivitten 1933 durch den Staat - um alle Energien der faschistischen Anhngerschaft gegen den politischen Hauptfeind, die Arbeiterbewegung, konzentrie- ren zu knnen -, die staatlich veranlaten antisemitischen Aktivitten 1935 - um von den durch die verstrkte Rstungspolitik entstandenen Versorgungsschwierigkeiten abzulenken und die wachsende Unzufrie- denheit der Bevlkerung in antisemitische Aktivitten zu kanalisie- ren -, die verschiedenen, jeweils von der Gesamtlage des faschistischen Systems abhngigen und besonders nach dem Kriegsbeginn sich radika- lisierenden Konzepte zur Gesamtlsung der Judenfrage - dies sind einige Beispiele fr den engen Zusammenhang zwischen den antisemi- tischen Manahmen und der Gesamtpolitik des deutschen Faschismus in jeder einzelnen Entwicklungsphase. Von einer totalen irrationalen Verselbstndigung des faschistischen Antisemitismus gegenber den Hauptzwecken seiner Innen- und Auenpolitik kann also gewi nicht gesprochen werden. Aber auch dann, wenn man sich dieser historischen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen bewut ist, bleibt der Mas- senmord an den europischen Juden ein uerst schwieriges Problem. Klar ist jedenfalls, da diese Form des Antisemitismus nicht als ideolo- gisches Herrschaftsmittel zur Sicherung und Mobilisierung von Mas- senloyalitt erklrt werden kann, weil schon seit der Reichskristall- nacht 1938 klar war, da die antisemitischen Ausschreitungen bei der deutschen Bevlkerung keineswegs populr waren, und weil der Mas- senmord nicht direkt von kapitalistischen Profitinteressen her erklrt werden kann. Die systematische Auspressung der Arbeitskraft bis hin zu physischer Erschpfung und Tod ist eine Sache, die Vergasung von Mil- lionen Menschen, allein deshalb, weil sie Juden sind, ist eine durchaus Exkurs: Antisemitismus und Massenmord an den Juden 231 andere Sache. An dieser sehr notwendigen Unterscheidung scheitert auch die Argumentation der im brigen sehr wertvollen Untersuchung von Peter M. Kaiser 387 : Sein Material beweist berzeugend die kono- mische Funktion der Enteignung jdischer Vermgen, der Auspressung der Arbeitskraft der Hftlinge (bis sie - als nicht mehr verwertbar - in den Konzentrationslagern umgebracht wurden), der Verwertung der Leichen und ihrer letzten Habe und natrlich auch die Auspressung der auslndischen Zwangsarbeiter ebenso wie der projektierten (und in Anstzen auch ausgefhrten) physischen Vernichtung der polnischen und russischen Intelligenz. Dies alles zeigt, da zwischen Profitinteres- sen, Faschismus und Massenmord in der Tat ein unmittelbarer kausaler Zusammenhang besteht. Keineswegs aber hat Kaiser damit das bewiesen, was er zu beweisen vermeinte: da nmlich auch die Ermordung der sechs Millionen Juden - Mnner, Frauen, Kinder, Greise - direkt konomischen Profitinteres- sen entsprang (obgleich natrlich unbestritten ist, da auch daraus noch ein maximaler Profit geschlagen wurde - doch damit ist die r.//,. nicht beantwortet). Ich sehe auch nach den neuesten Untersuchungen zum Problem der Judenpolitik keine Mglichkeit, beider Erklrung des Massenmords um die These von einer partiellen Verselbstndigung der faschistischen Ideologie und Staatsgewalt sowohl gegenber den Profit- interessen des Monopolkapitals wie auch gegenber den Herrschaftssi- cherungsinteressen des Systems herumzukommen. Selbstverstndlich mu die Frage letztlich an Hand des empirischen Materials entschieden werden, so da neue Resultate durch neue Untersuchungen nicht vllig auszuschlieen sind. Es mu aber betont werden, da der bisherige Stand durchaus den bewhrten Grundstzen marxistischer Gesell- schaftsanalyse entspricht. Es wre nmlich ein arges vulgrmaterialisti- sches und konomistisches Miverstndnis (dem Kaiser - und nicht nur er - in der Tat aufsitzt), da jedes Ereignis und Moment des ideolo- gischen und institutionellen berbaus der Gesellschaft ../ aus der konomischen Basis, das heit den Produktionsverhltnissen, oder sogar ../ aus den Profitinteressen der herrschenden Klasse abgeleitet werden mssen, damit eine Analyse die Bezeichnung materialistisch verdient. Natrlich wird der ideologische und institutionelle berbau von der Basis hervorgebracht; er entwickelt aber dann durchaus eine ei- gene Dynamik, eine relative Selbstndigkeit, die ihm ermglichen, /. auf den Gesellschaftsproze einzuwirken, und die um so grer ist, je weiter die Distanz zum konomischen Proze ist (also zum Beispiel bei der Kunsttheorie wesentlich grer als in der Volkswirtschaftslehre). Es besteht also gar kein Anla, einen Erfahrungssatz, der sich in einer 232 Theorien ber den Faschismus sechstausendjhrigen Geschichte der Klassengesellschaften permanent besttigt hat, im Falle des Faschismus zurckzuweisen und darin gar eine Kapitulation wissenschaftlicher Erkenntnis vor dem Irrationalis- mus zu erblicken. Es ist nicht damit getan, die Existenz und die Wirk- samkeit des Irrationalismus zu leugnen. Vielmehr kommt es darauf an, die gesellschaftlichen Bedingungen fr die Entstehung und die Wir- kungsmglichkeiten des Irrationalismus aufzudecken. Natrlich haben sich die irrationalistischen Ideologien, die im Faschismus ihren konse- quentesten Ausdruck fanden (wie jede Form des Irrationalismus in der Menschheitsgeschichte) aus bestimmten gesellschaftlichen Verhltnis- sen entwickelt, in diesem Fall aus den monopolkapitalistischen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. (Dies bedeutet brigens keineswegs, da sie durchgngig aus Profitinteresse bewut konzipiert und verbreitet wur- den; das Ideologieproblem ist, wie Marx in seinen Schriften, besonders in der t../.- t../,. und im Kapitel ber den Fetischcharakter der Ware im r,/, dargelegt hat, sehr viel komplizierter.) Und natrlich besteht ihre objektive Funktion darin, die bestehenden Produktionsver- hltnisse abzusichern. Aber: ebensowenig wie die noch bestehenden religisen Bewutseinsformen (die einst ganz anderen gesellschaftli- chen Verhltnissen entsprangen) oder die bestehenden philosophischen und sthetischen Theorien .--.// aus Profitinteressen ableitbar sind, ebensowenig gilt dies zum Beispiel fr faschistisch-antisemitische Bewutseinsformen und Aktivitten. Dialektische Gesellschaftsanalyse ist mit der Vorstellung einer direkten und einseitigen kausalen Determi- nation des berbaus durch die Basis unvereinbar. Ideologie wird zur materiellen Gewalt, wenn sie die Massen ergreift. Dieser Satz von Marx gilt natrlich nicht nur fr fortschrittli- che, sondern auch fr reaktionre Ideologie. Und er wre zu erweitern: Ideologie wird auch dann zur materiellen Gewalt, wenn sie die Fh- rungsschichten eines Staates ergreift, besonders dann, wenn diese ber einen so gewaltigen Unterdrckungsapparat verfgen. So kann auch dieses schwierige Problem mit dem Instrumentarium der Bndnistheo- rie angegangen werden. Freilich mssen auch viele Fragen noch empi- risch genauer geklrt werden, die den jeweiligen Stellenwert der antij- dischen Manahmen im Gesamtkonzept der faschistischen Politik be- treffen. Faschismus als Diktatur des Monopolkapitals 233 8. Faschismus als Diktatur des Monopolkapitals (Gossweiler, Opitz) Die schwere Niederlage der Arbeiterbewegung gegen den Faschismus hat dazu gefhrt, da die Kommunistische Internationale in den Jahren 1933 bis 1935 auch theoretische Anstrengungen unternahm, die Ursa- chen fr diese Niederlage zu ermitteln und die eigenen Fehler zu korri- gieren. Dafr war es erforderlich, Ursachen und Wesen des Faschismus mglichst genau zu bestimmen. Die Resultate dieser Bemhungen wur- den beim VII. Weltkongre der KI vorgetragen. 388 Auf ihnen beruhten nach 1945 sowohl die politischen Konzeptionen der kommunistischen Parteien im Kampf gegen den Faschismus wie auch die wissenschaftli- chen Arbeiten insbesondere der Historiker in den sozialistischen Ln- dern ber den Faschismus. Ein groes Verdienst dieser Geschichtswis- senschaft liegt darin, da sie wertvolle neue Materialien erschlossen hat, die Auskunft geben ber die wirtschaftlichen Interessen und Triebkrfte der faschistischen Politik, ber die Expansionsplne der groen Kon- zerne, ber die Ausbeutung fremder Lnder und Arbeitskrfte und ber die Konkurrenzkmpfe der verschiedenen Kapitalfraktionen um die politische Macht, die Richtung der Expansion und die Verteilung der Beute. Der grte Teil unserer Kenntnisse ber diese Bereiche des deut- schen Faschismus, die von der Geschichtswissenschaft der Bundesrepu- blik so konstant ausgeklammert worden sind, beruht auf diesen Doku- menten - abgesehen von den Materialien, die das Internationale Mili- trtribunal nach 1945 erschlossen hat. Dabei haben neue Erkenntnisse natrlich zu Modifikationen der Dimitroff-Theorie von 1935 gefhrt und auch zu Meinungsverschiedenheiten innerhalb dieser Interpreta- tion. Im folgenden sollen zwei der theoretisch bedeutsamsten und im deutschen Sprachraum auch einflureichsten Anstze dargestellt wer- den, die sich voneinander in einigen wichtigen Fragen durchaus unter- scheiden und zugleich den Rahmen erkennen lassen, innerhalb dessen sich die neuere Diskussion abspielt. Es sind dies die Anstze von Kurt Gossweiler von der Akademie der Wissenschaften der DDR und von dem 1986 verstorbenen Politikwissenschaftler Reinhard Opitz. Die Auffassung Gossweilers soll hauptschlich am Beispiel zweier kleinerer Schriften erlutert werden, die eine Zusammenfassung seiner Thesen darstellen. 389 Zur Fragestellung marxistischer Wissenschaft betont Gossweiler, da es ihr nicht hauptschlich um die Erscheinungs- formen des Faschismus gehe, sondern um dessen Klassencharakter. 234 Theorien ber den Faschismus Dieser aber werde weder von der sozialen Herkunft der faschistischen Fhrer noch von der sozialen Zusammensetzung der faschistischen Par- teien und deren Anhngerschaft bestimmt, noch auch von den Pro- grammen und Parolen, mit denen die faschistische Propaganda einen Massenanhang zu gewinnen sucht. Sein Klassencharakter wird wie der jeder anderen politischen Kraft einzig und allein von seiner Politik bestimmt, das heit, von der Stellung, die er im Klassenkampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie, zwischen Volksmassen und Monopolkapi- tal, einnimmt (I, S. 17). Gossweiler geht aus von der Imperialismustheorie Lenins: Der Faschismus ist die uerste Konsequenz des dem Imperialismus inne- wohnenden 'Drangs nach Reaktion und Gewalt'. 'Der Imperialismus ist die Epoche des Finanzkapitals und der Monopole, die berall hin den Drang nach Herrschaft und nicht nach Freiheit tragen. Reaktion auf der ganzen Linie, gleichviel unter welchem politischem System, uerste Zuspitzung der Gegenstze auch auf diesem Gebiet - das ist das Ergeb- nis dieser Tendenzen.' Das Monopol drngt nach Alleinherrschaft auf konomischem und politischem Gebiet. Der Drang nach Alleinherrschaft ergibt sich aus dem objektiven Zwang, zur Sicherung der fr das berleben im Kon- kurrenzkampf notwendigen Akkumulation nicht nur den Durch- schnittsprofit, sondern Monopolprofite zu erzielen . . . Die brgerliche Demokratie und der brgerliche Parlamentarismus lassen den Werkttigen und der nichtmonopolistischen Bourgeoisie noch begrenzte Mglichkeiten offen, sich gegen die verstrkte Ausbeu- tung und Ausplnderung durch das Finanzkapital zur Wehr zu setzen. Deshalb ist das Finanzkapital bestrebt, diese Mglichkeiten durch Errichtung auch seiner politischen Alleinherrschaft zu beseitigen . . . Als politische Strmung und als Herrschaftsform betrat der Faschis- mus jedoch nicht gleichzeitig mit dem Imperialismus die Bhne der Weltgeschichte, sondern erst nach dem Ersten Weltkrieg. Der Drang des Imperialismus nach Reaktion und Gewalt nahm also erst in einer bestimmten historischen Situation faschistische Gestalt an. Diese Situa- tion ist vor allem durch den Eintritt des Kapitalismus in die Periode sei- ner allgemeinen Krise gekennzeichnet. Im Unterschied zu den zykli- schen Krisen ist die allgemeine Krise des Kapitalismus eine Dauerkrise, die alle Bereiche der kapitalistischen Gesellschaftsordnung erfat. Sie kam mit dem Ersten Weltkrieg zum Ausbruch, als Folge der uersten Zuspitzung aller Widersprche des Kapitalismus. Der Sieg der soziali- stischen Revolution in Ruland im Jahr 1917 bedeutete sowohl Bestti- gung als auch sprunghafte Vertiefung der allgemeinen Krise (I, S. 4 f.). Faschismus als Diktatur des Monopolkapitals 235 Das Monopolkapital verlangt also nach Gossweiler nicht nur unter bestimmten Bedingungen, sondern generell reaktionre politische Herr- schaftsformen, wie er in seiner Kritik an meiner Faschismusinterpreta- tion nachdrcklich betont: Im Gegensatz zur Leninschen Imperialis- mus-Analyse wird bei Khnl die brgerlich-demokratische Regierungs- form als die -//- auch unter der Herrschaft des Monopolkapi- tals betrachtet, das nur im Notfalle auf diese Regierungsform 'verzich- tet' und im Faschismus Zuflucht sucht. Die geschichtliche Wirklichkeit der Weimarer Republik lehrt indessen etwas anderes: Die brgerlich- demokratische Regierungsform wurde 1918/19 von den herrschenden finanzkapitalistischen Machtgruppen nur unter dem Druck der bewaff- neten Arbeitermassen uerst widerwillig akzeptiert, und zwar nicht fr alle Zeit, sondern nur solange, als sich keine Gelegenheit bot, sie wieder loszuwerden. Fr sie war diese lasche Weimarer Republik nur ein 'Zwi- schenreich', ein Notbehelf, der so rasch wie mglich durch einen 'star- ken Staat' abgelst werden sollte, in dem die Herrschenden wieder un- eingeschrnkt Herr im Hause sein konnten, ohne auf Whlermassen, Parlamente und Gewerkschaften Rcksicht nehmen zu mssen. Es war deshalb nicht so, da sie 1932/33 aus Not auf die parlamenta- rische Regierungsform 'verzichteten', weil anders kein Ausweg aus der Krise zu sehen war, sondern es war eher umgekehrt: Die fhrenden Kreise des Monopolkapitals forcierten um die Jahreswende 1932/33 die bergabe der Macht an die Nazipartei aus Furcht, sonst die Gelegenheit zu verpassen, mit der Weimarer Republik endlich Schlu machen zu knnen (I, S. 8). Dieser Drang nach faschistischen Herrschaftsformen hatte nach Gossweiler sowohl defensive wie offensive Komponenten: Besonders dringend wurde diese Untersttzung nicht, weil etwa die proletarische Revolution vor der Tr gestanden htte, also die Macht des Monopol- kapitals unmittelbar bedroht gewesen wre. Was die Monopolherren befrchteten, war die Wiederkehr des 'alten Theaters', also die Rck- kehr zur parlamentarischen Demokratie, weil dadurch ihre innen- und auenpolitischen Zielsetzungen gefhrdet worden wren. Im Innern wollten sie aus Profitsucht die Lhne auch in einem kommenden Kon- junkturaufschwung auf dem in der Krise erreichten Hungerniveau ein- frieren: Dazu brauchten sie ein politisches Regime, das die Arbeiter- klasse wehrlos machte. Nach auen wollten sie freie Hand fr die Vor- bereitung und Entfesselung des Revanchekrieges. Dazu brauchten sie ein Regime, das alle Friedensanhnger, Kommunisten, Sozialdemokra- ten, Christen und Pazifisten, unterdrckte und niederhielt und eine hemmungslose Aufrstung betrieb. Kurzum: dazu konnten sie ein par- 236 Theorien ber den Faschismus lamentarisches Regime nicht mehr gebrauchen, dazu mute die faschi- stische Diktatur her . . . Zusammenfassend kann gesagt werden: Die Weltwirtschaftskrise hat das Streben der Monopolbourgeoisie nach Beseitigung der Weimarer Republik nicht hervorgerufen, wohl aber um ein Vielfaches gesteigert. Die Errichtung der faschistischen Diktatur durch das Finanzkapital war nicht nur ein Akt der Defensive gegenber einer revolutionierten Arbei- terklasse, sondern zugleich ein Akt der Offensive zur Erreichung lang- fristig anvisierter Ziele. Sie war also zugleich Ausdruck der Schwche als auch der Strke der Monopolbourgeoisie (I, S. 8-10). Bei der Errichtung faschistischer Diktaturen spiele immer das Mili- tr eine zentrale Rolle: Das war 1926 in Portugal so, als dort durch einen Militrputsch die faschistische Diktatur errichtet wurde, das war so in Spanien 1936, in Griechenland 1967 und in Chile 1973. Aber das gilt nicht nur fr die auf dem Wege des Militrputsches entstandenen faschistischen Regime, sondern nicht minder fr den Typ des Massen- parteien-Faschismus von italienischem oder deutschem Zuschnitt. Mussolinis Weg zum Fhrer des italienischen Faschismus begann im Ersten Weltkrieg, als er mit den Geldern der Schwerindustrie und dem Segen der Militrs eine Kampagne fr den Kriegseintritt Italiens an der Seite der Westmchte entfaltete. Die Ttigkeit der im Mrz 1919 von Mussolini gegrndeten / . -/-.- (Kampfbnde) erfuhr bald grozgige Frderung seitens der Armee . . . Das hauptschlichste Reservoir, aus dem sich die Fhrer des entste- henden deutschen Faschismus rekrutierten, waren die von der Reichs- wehrfhrung ausgehaltenen Freikorps. Hitler begann seine politische Laufbahn aktenkundig als Reichswehrspitzel, und die NSDAP ver- dankte ihren Aufstieg in Bayern in den Jahren 1919 bis 1923 in erster Linie der Tatsache, da die bayerische Reichswehrfhrung wie auch die bayerische Bourgeoisie hofften, mit ihrer Hilfe groe Teile der Arbeiter- schaft von den Arbeiterparteien losreien und fr die politische Rechte gewinnen zu knnen. Die faschistischen 'Sturmabteilungen' standen wie alle anderen paramilitrischen Organisationen unter der wohlwol- lenden Patenschaft und Kontrolle der Reichswehr, deren Offiziere als Ausbilder abgestellt und in deren Kasernen die Waffen dieser Organisa- tionen gelagert wurden. Der Militrdiktator Deutschlands im Ersten Weltkrieg, General von Ludendorff, unternahm gemeinsam mit Hitler den Putsch vom 8./9. November 1923. Auch in den Jahren 1930 bis 1933 verdankte die NSDAP ihre neuer- liche Frderung und die bertragung der Macht auer dem Monopol- kapital vor allem der Generalitt. Kein anderer als General von Blom- Faschismus als Diktatur des Monopolkapitals 237 berg, Reichswehrminister im Kabinett Hitler, besttigte dies, als er sei- nen Kommandeuren am 3. Februar 1933 erklrte, bei der Bildung des Kabinetts habe die Frage des Reichswehrministers die Hauptrolle ge- spielt. Der Eintritt der Nazis in die Regierung sei entschieden gewesen, als sich ein aktiver General zur Mitarbeit unter Hitler bereit gefunden habe . . . Wenn einerseits die militrische Fhrung zu keiner anderen politi- schen Bewegung eine so enge Affinitt aufwies wie zur faschistischen, so war umgekehrt keine andere Partei so sehr vom Geiste des Militaris- mus durchdrungen wie die faschistische. Die Organisationsstruktur und die Prinzipien des innerparteilichen Lebens, insbesondere des Fh- rerprinzips, waren dem militrischen Bereich entlehnt; die faschisti- schen Parteien legten sich in aller Regel eine paramilitrische Partei- truppe zu, und in ihrem ffentlichen Auftreten pflegten sie bewut den Stil militrischer Aufmrsche und Paraden (II, S. 18f.). Die Frage, warum nun - trotz der allgemeinen Tendenz zu reaktion- ren Herrschaftsformen - der Faschismus in Deutschland und einigen anderen Lndern siegte, aber in den brigen groen kapitalistischen Lndern nicht, beantwortet Gossweiler wie folgt: Als staatsmonopoli- stischen Kapitalismus bezeichnen wir das Verwachsen der Macht der Monopole mit der Staatsmacht zu einem einheitlichen Herrschaftsme- chanismus . . . Der staatsmonopolistische Kapitalismus entwickelt sich also dort am schnellsten, wo die imperialistischen Widersprche besonders zuge- spitzt und bedrohlich sind und wo die Ziele des Imperialismus sich in besonders krassem Gegensatz zu seinen Mglichkeiten und Ressourcen befinden (I, S. 15f.). Nun drngen - dieser Theorie gem - nicht alle Gruppen des Monopolkapitals nach Faschismus, sondern nur die reaktionrsten, am meisten chauvinistischen und imperialistischen Elemente, die dann auch die Trger der faschistischen Diktatur sind. Wer ist damit gemeint? Die reaktionrsten, am meisten zum Kriege drngenden Elemente des Finanzkapitals sind naturgem die mchtigsten und fhrenden, die Hauptgruppen des Monopolkapitals. Dazu zhlen die Grobanken und Grokonzerne aus Bergbau, Schwerindustrie, Chemie- und Elek- troindustrie und anderen Bereichen, also die industrielle Komponente dessen, was wir heute 'militrisch-industriellen Komplex' bezeichnen. Von diesen Elementen des Finanzkapitals wird der Faschismus in erster Linie aufgezogen und an die Macht gebracht, sie bestimmen die Politik der faschistischen Diktatur. Das heit keineswegs, da die faschistische Diktatur nicht auch im Interesse der brigen Elemente des Finanzkapi- 238 Theorien ber den Faschismus tals, etwa aus der Konsumgterindustrie, liegt. Natrlich haben auch die Monopolisten der Textilindustrie oder die Leiter der Zigarettenkon- zerne nichts dagegen einzuwenden, da die Gewerkschaften zerschla- gen, das Koalitionsrecht der Arbeiter beseitigt und die Unternehmer zu 'Betriebsfhrern' mit unbeschrnkter Macht gegenber der 'Gefolg- schaft' gemacht werden; ebensowenig sind sie etwa Gegner der Einfh- rung der allgemeinen Wehrpflicht oder der Aufrstung und des Kurses auf Expansion. Aber sie haben gegenber den fhrenden Monopolisten des militrisch-industriellen Komplexes unter der faschistischen Dikta- tur noch weniger Mglichkeiten, ihre spezifischen Interessen zu ver- fechten, als in einer parlamentarischen Demokratie (I, S. 11). Auf die Frage, wie sich diese Diktatur der reaktionrsten Elemente des Finanzkapitals durchsetzt, welche Rolle dabei der Staat und die faschistische Partei spielen, antwortet Gossweiler: Der Staat ist zwar das Instrument der herrschenden Klasse, und die Regierungen sind Willens- vollstrecker dieser Klasse, aber sie sind nicht 'nur' das, sie sind mehr, nmlich der 'geschftsfhrende Ausschu' zur Vertretung der Gesamt- interessen dieser Klasse, und das setzt im Rahmen eben dieser Interes- sen einen weiten Spielraum fr aktives Handeln aus eigener Initiative voraus. Die deutsche Monopolbourgeoisie konnte der Nazifhrung als ihrem 'Generalbevollmchtigten' fr Terrorisierung und Verfhrung des Volkes und fr Kriegsvorbereitung und Kriegsentfesselung ohne Sorgen grtmglichen Spielraum fr eigene Initiativen berlassen, hatten die Nazifhrer doch die Ziele des 'Chefs der Firma' voll und ganz zu ihren eigenen gemacht (I, S. 13). Interessen- und Richtungskmpfe habe es gegeben, doch die Fhrer der faschistischen Partei fungierten dabei nach Gossweiler keineswegs als Schiedsrichter zwischen den verschiedenen Gruppen des Mono- polkapitals: Die Auseinandersetzungen innerhalb der Fhrungsspitze der faschistischen Diktatur wurden unter Ausschlu der ffentlich- keit in der Form eines Dschungelkrieges in den exklusiven Zirkeln des Monopolkapitals, der Reichswehrfhrung, den Spitzengremien der Nazipartei und ihrer Gliederungen und in der Regierung ausgetragen (III, S. 110f.). Diese Auseinandersetzungen um taktische Varianten zur Erreichung des gemeinsamen Ziels wurden dadurch verschrft, da sie mit Rivalitts- und Cliquenkmpfen innerhalb der Nazifhrung unent- wirrbar verknpft waren (III, S. 115). In die Entscheidung selbst griffen die Nazifhrer, wenn berhaupt, gewhnlich nicht als Parteimnner, sondern als Vertrauensleute bestimmter Gruppen des Monopolkapitals in der Parteifhrung ein. Hitler selbst lehnte es bezeichnenderweise in der Regel ab, in solchen Faschismus als Diktatur des Monopolkapitals 239 Konflikten eine Entscheidung zu fallen, und beschrnkte sich darauf, diese, nachdem sie gefallen war, zu sanktionieren . . . Der Ausbau des staatsmonopolistischen Systems in der faschisti- schen Diktatur erfolgte unter der Losung der 'Selbstverwaltung der Wirtschaft'. Ihr Merkmal war, da die Unternehmerverbnde unter der Leitung der Monopolisten in Staatsorgane oder Institutionen ffentli- chen Rechts mit staatlichen Befugnissen umgewandelt wurden und das Wirtschaftsleben wie nie zuvor direkt von Vertretern des Finanzkapitals geleitet wurde, wie umgekehrt der Staat wie nie zuvor die Wirtschafts- prozesse steuerte. Die Entwicklung des staatsmonopolistischen Kapita- lismus unter der faschistischen Diktatur fhrte also zu einer beispiellos engen, innigen Verschmelzung von Monopolmacht und Staatsmacht. Dieser Proze verstrkte also nicht die relative Selbstndigkeit des Staa- tes, sondern verminderte sie (I, S. 15 f.). Gossweiler sieht allerdings, da es hier auch entgegengesetzte Ten- denzen gab: Der faschistischen Fhrung war nicht nur die Aufgabe anvertraut, dem Monopolkapital fr sein Profitstreben freie Bahn zu schaffen, sondern auch, fr die Raubkriege des deutschen Imperialis- mus ein ruhiges Hinterland zu schaffen, ein zweites 1918 nicht wieder zuzulassen. Beide Aufgaben schlossen sich im Grunde gegenseitig aus. Daraus, da die 'Befriedigung' des Hinterlandes in erster Linie durch Terror und Einschchterung mit Hilfe eines ungeheuerlich aufgeblh- ten Unterdrckungsapparats erfolgte, ergab sich ein unvergleichlich gr- eres Gewicht dieses politischen Apparats und seiner Funktionre als etwa unter einem brgerlich-parlamentarischen Herrschaftssystem. Zwi- schen diesem Apparat und seiner spezifischen Funktion und rein am Profit orientierten Interessen gab es unvermeidlich Interessenkollisio- nen. Das Resultat dieser Konflikte wird von ihm freilich nur sehr vage bestimmt: Er sagt, da letzten Endes immer wieder die Interessen des Monopolkapitals auf der Grundlage des bestimmenden Gesamtinteres- ses der Monopolbourgeoisie den Ausschlag gaben (I, S. 17). Von verschiedenen Autoren wurde gegen die Bestimmung des Faschismus als Diktatur des Monopolkapitals auf den Massenmord an den Juden hingewiesen, der nicht aus kapitalistischen Interessen herleit- bar sei, sondern die Verselbstndigung des faschistischen Staates und seiner irrationalen Ideologie zeige. Gossweiler antwortet darauf: Es kann hier nicht im einzelnen dargelegt werden, warum es sich bei der ' Endlsung' ebensosehr um eine imperialistische wie um eine faschisti- sche 'Irrationalitt' handelte, die sich keineswegs in einem unlsbaren Widerspruch zu den 'sachlichen Notwendigkeiten' der Kriegfhrung des faschistischen deutschen Imperialismus befand. Die prinzipielle 240 Theorien ber den Faschismus Lsung des Problems liegt in der Widersprchlichkeit der Lage des deutschen Imperialismus, aus der sich zwangslufig widersprechende Interessen eben dieses Imperialismus ergaben, deren Bercksichtigung deshalb ..,/./ 'funktional' und 'dysfunktional' wirkte. Dafr nur ein Beispiel: Die Angehrigen der unterworfenen Vlker waren einerseits ein nahezu unerschpfliches Arbeitskrftereservoir. Sie waren aber auch ein ebenso unerschpfliches Reservoir fr den antifaschistischen Widerstands- und Befreiungskampf dieser Vlker. Vom Standpunkt der Versorgung der Rstungswirtschaft mit Arbeitskrften war die massen- weise Ermordung arbeitsfhiger Russen, Ukrainer und Polen 'dysfunk- tional' ; aber vom Standpunkt der Unmglichkeit, auf die Dauer 400 Millionen Europer, darunter fast 200 Millionen Sowjetbrger, durch 70 Millionen Deutsche zu beherrschen, war eine Politik der - mit General- feldmarschall von Reichenau zu sprechen - 'erbarmungslosen Ausrot- tung artfremder Heimtcke . . . und damit Sicherung des Lebens der deutschen Wehrmacht in Ruland', also der systematische Vlkermord, keineswegs 'dysfunktional', sondern eine zwingende Notwendigkeit. Dies ist nicht gesagt als ausreichende Erklrung fr die faschistische Judenausrottungspolitik - hier spielten noch eine Reihe anderer Fakto- ren mit; aber diese Ausfhrungen machen wohl klar, wie prinzipiell falsch die undialektische Anwendung des Begriffs der 'Dysfunktionali- tt' und die daraus abgeleiteten Schlufolgerungen ber den angebli- chen 'Triumph' der faschistischen 'Ideologie' ber die Interessen der Monopolbourgeoisie sind (I, S. 20f.). Die tatschliche Rolle der faschistischen Partei sieht Gossweiler so: Sie sollte eine Doppelfunktion erfllen: Mit offenem Terror sollte sie die organisierte Arbeiterbewegung zerschlagen, gleichzeitig aber den dadurch politisch heimatlos gewordenen Arbeitermassen eine neue politische ' Heimat' bieten, also die Sozialdemokratie als Hauptsttze der brgerlichen Ordnung in der Arbeiterklasse ablsen (I, S. 22). Dies ist zwar am Widerstand der Arbeiterschaft gescheitert, doch dafr sei die Mobilisierung der Mittelschichten gelungen: Das Neue, wodurch sich der Faschismus von den konservativen Reaktionren unterschied, bestand vor allem darin, da er sich an jene Schichten wandte, die dem Einflu der alten brgerlichen Parteien entglitten und in ihrem Glau- ben an die brgerliche Ordnung als beste aller Welten erschttert waren; er verband dementsprechend die alte nationale Demagogie mit skrupelloser sozialer, pseudosozialistischer Demagogie. Die Verbindung von sozialrevolutionrer Maskerade mit brutalster Gewaltttigkeit vor allem gegenber der organisierten Arbeiterschaft macht die Spezifik des Auftretens der faschistischen Parteien im Vergleich zu ihren konserva- Faschismus als Diktatur des Monopolkapitals 241 tiv-reaktionren Spiegesellen und Wettbewerbern aus. Letztere kn- nen zwar ihrer Zielsetzung nach kaum von den Faschisten unterschie- den werden, doch fehlen ihrer Kampfmethode um dieses Ziel gerade jene Elemente, die erst der Faschismus dem Arsenal des Klassenkamp- fes der herrschenden Klasse gegen die Arbeiterbewegung und gegen die Demokratie hinzugefgt hat. Man knnte deshalb die konservativ- reaktionre Richtung und ihre Organisationen - wie etwa die Alldeut- schen, die Deutschnationalen und die Stahlhelmer - als 'halbfaschi- stisch' bezeichnen. Ihre enorme Bedeutung fr das Aufkommen des Faschismus besteht in erster Linie darin, da sie - und damit natr- lich die hinter ihnen stehenden Kreise der herrschenden Klasse - des- sen Stammvater, Nhrmutter und eifrigste Frderer sind, ohne deren materiellen, organisatorischen und ideellen Beistand er ber das Sta- dium des Sektendaseins nicht hinauskommen wrde. Das lt sich sowohl am italienischen wie am deutschen Faschismus (besonders am Verhltnis der Alldeutschen und der DNVP zur NSDAP) nachwei- sen (I, S. 31). Fr die Mobilisierung einer faschistischen Massenbewegung seien in Deutschland besonders gnstige Bedingungen gewesen (obwohl betont werden msse, da die Mehrheit des deutschen Volkes - solange es noch einigermaen frei entscheiden konnte - den Faschismus abge- lehnt hat; (II, S. 31). Die Geschichte der faschistischen Bewegungen zeigt, da noch so geschickte faschistische Propaganda von nur sehr begrenzter Wirkung bleibt, solange nicht der Kapitalismus mit seinen Kriegen und Krisen Millionen Menschen ins Elend, in Hoffnungslosigkeit und Verzweif- lung strzt und sie auf diese Weise dafr prpariert, einen wundertti- gen Retter, einen Messias zu ersehnen. Dies sind die Zeiten, in denen faschistische Demagogen kometenhaft aufsteigen knnen. Das wird ganz deutlich, wenn wir die Entwicklung von 1918 bis 1933 in ihrer Auswirkung auf die Mittelschichten ins Auge fassen. Wir kn- nen dann erstens feststellen, da es kaum ein zweites Land gab, in dem die kleinbrgerlichen Schichten, insbesondere die selbstndigen Ge- werbetreibenden, die Handwerker, Einzelhndler, Kleinunternehmer, aber auch die Klein- und Mittelbauern, ferner die Angestellten und Beamten, einer so rabiaten Deklassierung ausgesetzt waren wie in Deutschland. Das begann bereits im Ersten Weltkrieg mit massenhafter Vernich- tung mittelstndischer Existenzen durch Einziehung und Geschfts- schlieungen; das setzte sich in der Inflation fort, durch die das stdti- sche Kleinbrgertum seiner Ersparnisse beraubt wurde, und das kulmi- 242 Theorien ber den Faschismus nierte nach einigen wenigen Jahren hoffnungsvoller Konjunktur im Absturz ins Bodenlose in den Jahren der Weltwirtschaftskrise, von der Deutschland besonders stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Gewi war die Arbeiterklasse stets noch viel strker betroffen und in Elend und Not gestrzt als das Kleinbrgertum. Dennoch war der soziale Absturz fr das Kleinbrgertum tiefer und schmerzhafter, weil er nicht nur ein Sturz in materielle Not war, sondern einen Abstieg auf der gesellschaft- lichen Stufenleiter bedeutete. Fr die sozialistische Arbeiterschaft waren die Katastrophen, in die der Kapitalismus sie periodisch strzte, nur ebenso viele Besttigungen ihrer berzeugung von der Notwendigkeit der Ablsung des Kapitalismus durch den Sozialismus. Und selbst in der reformistischen Sozialdemokratie war die Tradition der revolutio- nren Bebeischen Sozialdemokratie noch so lebendig, da auch sozial- demokratische Arbeiter die Eigentumslosigkeit des Proletariats an Pro- duktionsmitteln als Voraussetzung fr die Erfllung ihrer Mission als Schpfer der neuen Gesellschaftsordnung empfanden. Anders lagen die Dinge beim Kleinbrgertum. Fr die bisher Selb- stndigen bedeutete ihre Werkstatt, ihr Laden, ihr Stckchen Land viel mehr als eine simple Existenzgrundlage; dieses ihr Eigentum galt ihnen als die Garantie vor dem Absturz aus dem Brgertum ins Proletariat, das heit aus einer durch das Eigentum privilegierten Klasse in die 'gesichtlose Masse', in den 'Bodensatz' der Gesellschaft (hnliches galt von den Privilegien der Angestellten und Beamten). Die massenhafte Vernichtung des kleinen Eigentums durch das groe, durch das Monopolkapital, hatte deshalb eine hchst wider- spruchsvolle Reaktion zur Folge, nmlich einen Radikalismus, der genhrt wurde aus Enttuschung und Zorn ber alle Parteien, denen sie bisher ihr Vertrauen geschenkt hatten, und ber das 'System', das sie in diese Lage gebracht hatte; aus Wut gegen das Grokapital, besonders gegen das groe Bankkapital, das sie mit seinen Wucherzinsen erwrgte; aus Verzweiflung ber die eigene Ohnmacht und aus wilder Entschlos- senheit, jedem zu folgen, der ihnen Rettung vor dem Absturz versprach. Eine solche Mentalitt ist natrlich keine nationale, sondern eine so- ziale, klassenmige Eigentmlichkeit. Es ist dies die Mentalitt eines Kleinbrgertums, das zwar schon vom Kapitalismus enttuscht ist und sich von seinen Illusionen ber ihn zu befreien beginnt, das aber noch immer befangen ist in seinen Vorurteilen ber die Arbeiterbewegung und noch erfllt von dumpfer Furcht vor dem proletarischen Sozialis- mus, von dem man ihm eingebleut hat, er bedeute, da man alle Hand- werker, Einzelhnder, alle kleinen Selbstndigen enteignen und zur Zwangsarbeit verurteilen wrde . . . Faschismus als Diktatur des Monopolkapitals 243 Die Nazis profitierten also davon, da alle anderen brgerlichen Par- teien in den Augen der Massen kompromittiert waren, da von ihnen kaum noch eine Anziehungskraft ausging, da es sehr leicht war, die Un- glaubwrdigkeit dieser Parteien und ihrer Versprechungen nachzuwei- sen. Sie selbst dagegen stellten sich dar als eine neue, unverbrauchte, 'saubere' Partei . . . Dazu trug ein dritter Faktor ganz wesentlich bei, nmlich das Versail- ler Diktat, das Deutschland von den Siegermchten nach dem von den beteiligten Staaten fr imperialistische Eroberungsziele gefhrten Ersten Weltkrieg aufgezwungen worden war. Indem die Siegermchte ungeheuerliche Reparationszahlungen auf die Schultern vieler Genera- tionen von Deutschen luden, gleichzeitig aber die Grundlage der Macht der deutschen Imperialisten und Militaristen unangetastet lie- en, wurde diesen und ihrem faschistischen Stotrupp zum einen ermglicht, den verletzten Nationalstolz des deutschen Kleinbrger- tums zu einem krankhaften Nationalismus hochzupeitschen, und zum anderen, den Versailler Vertrag fr alle Lasten und Nte verantwortlich zu machen, die in Wahrheit das kapitalistische System und die Herr- schaft des Finanzkapitals den Volksmassen aufbrdete. Wenn man das Zusammenwirken dieser genannten drei Faktoren bedenkt, dann mu man zugeben, da es damals kaum ein zweites Land in der Welt gab, in dem die objektiven Bedingungen so gnstig lagen hinsichtlich der Schaffung massenhafter Aufnahmebereitschaft fr faschistische Demagogie . . . Dies ganz besonders dann, wenn wir einen vierten Faktor in Rech- nung stellen, der zwar ohne die anderen nicht ausgereicht htte, den Massenzulauf zur Nazipartei zu bewirken, der aber dennoch von aus- schlaggebender Bedeutung war, weil ohne ihn den Nazifhrern alle Mittel gefehlt htten, um ber den Rahmen einer Sekte hinauszuwa- chsen: die Finanzierung der NSDAP durch das Grokapital und den Grogrundbesitz (II, S. 34-37). Fr die weitere Konsolidierung der Massenbasis nach 1933 nennt Gossweiler - abgesehen von dem enorm ausgeweiteten Terrorapparat - zwei Grnde: Erstens: Der deutsche Faschismus wurde vom Monopol- kapital zu einem Zeitpunkt an die Macht gebracht, da die Weltwirt- schaftskrise zu Ende ging. Das war ein auerordentlich gnstiger Moment fr den Faschismus, weil er die berwindung der Krise nun auf sein Konto buchen konnte. Dazu kam, da in Deutschland durch die Kriegsvorbereitung an die Stelle von Massenarbeitslosigkeit nach wenigen Jahren ein Arbeitskrftemangel trat. Der zweite Faktor, dem der deutsche Faschismus die Mglichkeit 244 Theorien ber den Faschismus einer Erweiterung seiner Massenbasis verdankte: seine scheinbar so beraus erfolgreiche Auenpolitik. Das imperialistische Friedensdiktat von Versailles gab dem deutschen Faschismus die Mglichkeit, die ersten Schritte seines Revanche- und Expansionsprogramms zu tarnen als Schritte zur Beseitigung von Un- recht, das der deutschen Nation von den Siegermchten angetan wor- den war, als Schritte zur Erringung der vollen nationalen Gleichberech- tigung Deutschlands. Die groe Mehrzahl des deutschen Volkes begrte die Rckkehr des Saargebietes zu Deutschland zu Beginn des Jahres 1935, die Einfhrung der allgemeinen Wehrpflicht im Mrz 1935, die Besetzung der entmilitarisierten Rheinlandzone durch deut- sche Truppen im Mrz 1936, die Annexion sterreichs im Mrz 1938 mit groer Genugtuung als Verwirklichung selbstverstndlicher natio- naler Forderungen . . . Der Prestigegewinn fr das Naziregime wurde noch dadurch erhht, da die Hitlerregierung scheinbar mhelos erreichte, worum die Regie- rungen der Weimarer Republik mit den Siegermchten viele Jahre lang vergeblich verhandelt hatten und dabei immer erneute Demtigungen hatten einstecken mssen . . . Dabei wre es noch 1936 ein leichtes gewesen, das faschistische Deutschland in seine Schranken zu verweisen und zur Einhaltung abgeschlossener Vertrge zu zwingen (II, S. 38-41). Hinzu kam dann mit dem Fortgang des Krieges die Furcht der Deutschen vor der Vergel- tung der Gegner - angesichts der ungeheuren Verbrechen des Faschis- mus. Gossweiler zitiert dazu einen Schweizer namens Juvet als Zeugen, der bis 1943 in Deutschland lebte 390 : 'Die Wirkung gerade dieser Berichte [ber Vernichtungsaktionen der SS und deutscher Truppen in der Sowjetunion; K. G.] auf die Heimat war aber, da nun doch weite Kreise die Vergeltung zu frchten begannen, selbst jene, die so abge- stumpft waren, da sie die moralische Seite dieser Dinge vllig khl lie . . . Aber die Parteipropaganda brachte das unwahrscheinliche Kunststck fertig, auch diese Dinge . . . fr sich einzuspannen: Gerade um dieses Kontos willen, das da zu unseren Lasten aufgelaufen ist, ms- sen wir durchhalten, hie es; denn es ist ja gar nicht auszudenken, wie sich die Russen an uns rchen wrden, wenn sie den Krieg gewnnen. Und diese Parole war einleuchtend. So entstand das Paradoxon: Je schlechter die Kriegslage wurde, um so grausamer wurden die Exekutio- nen im stlichen Etappengebiet, um so grer wurde die Angst in Deutschland, um so strker das Argument, da der Krieg um jeden Preis gewonnen werden msse.' Im Zusammenhang mit der Niederlage des faschistischen Deutsch- Faschismus als Diktatur des Monopolkapitals 245 land in Stalingrad kommt Juvet noch einmal auf diesen Tatbestand zu- rck: 'Wre Deutschland eine hnliche Niederlage im Jahre 1940 zuge- fgt worden, so htte sie vermutlich das Ende des Krieges bedeut et . . . so aber kam noch die Furcht vor der Vergeltung dazu. Man hrte hufig sagen: Wenn Deutschland verliert, werden alle Deutschen umgebracht, also mssen wir auch die kleinste Siegeschance ausnutzen, damit wenig- stens ein Teil von uns den Krieg berlebt' (II, S. 44). Zum Problem einer Faschismusdefinition betont Gossweiler, da die faschistische Bewegung, so wichtig sie fr den deutschen Faschismus war, kein Wesensmerkmal des Faschismus sei: Wer hingegen in der faschistischen Massenbewegung nur .- Mittel unter anderen sieht, des- sen sich das Monopolkapital bedient, um zum Ziel seiner offenen, ter- roristischen Diktatur zu gelangen, der wird als entscheidendes Merkmal der faschistischen Diktatur eben den offenen Terrorismus der Herr- schaftsausbung der Monopolbourgeoisie betrachten und von einer faschistischen Diktatur berall dort sprechen, wo eine solche Herrschaft errichtet wurde, auch wenn sie nicht mit Hilfe einer faschistischen Mas- senbewegung, sondern auf anderem Wege, zum Beispiel durch einen Militrputsch (Griechenland), mit Hilfe des hohen Klerus (Klerikalfa- schismus in sterreich 1933 bis 1938), durch die konservativ-reaktion- ren, halbfaschistischen Kreise (Monarchofaschismus, wie er im Kapp- Putsch 1920 versucht wurde) oder mit uerer Untersttzung ('impor- tierter Faschismus' in Franco-Spanien, Griechenland, lateinamerikani- sche Staaten) installiert wurde. Die entscheidenden Merkmale einer faschistischen Diktatur sind dann in folgendem zu sehen: Zerschla- gung der legalen Organisationen der Arbeiterklasse, vor allem der kom- munistischen und der Gewerkschaftsorganisationen; terroristische Ver- folgung aller Versuche ihrer illegalen Fortfhrung; Isolierung oder phy- sische Vernichtung der fhrenden Kader der Arbeiterbewegung und mglichst aller aktiven Antifaschisten; Beseitigung des Parlamentaris- mus und gewaltsame Unterdrckung jeglicher Opposition; Errichtung eines Regimes der Gewalt und Willkr des Staates gegenber den Br- gern und eines der Unternehmer und Grogrundbesitzer gegenber den Lohnabhngigen und der werkttigen Landbevlkerung; dies alles im Interesse und zur Durchsetzung der innen- und auenpolitischen Ziele der fhrenden Kreise des Finanzkapitals (einschlielich des Gro- grundbesitzes) (I, S. 32 f.). Von diesem Ansatz aus haben die Historiker der DDR Ursachen und Zielrichtung des Zweiten Weltkrieges zu erklren versucht. 391 Was die Ursachen des Zweiten Weltkrieges betrifft, so weisen die Autoren des 246 Theorien ber den Faschismus Buches t..//-. .- :.:.:.. mit Recht darauf hin, da hier zwei Kauseistrnge zusammentrafen: Einmal hatten sich nach 1918 zwei rivalisierende imperialistische Machtblcke herausgebildet, von denen der eine (Deutschland, Italien, Japan) eine Neuverteilung der Welt, eine Ausdehnung ihrer Profitquellen, Absatzmrkte, Kapitalanlagesph- ren, Rohstoffgebiete anstrebte, whrend der andere (Frankreich, Eng- land, USA) ihre im Ersten Weltkrieg errungene Vormachtstellung im imperialistischen System erhalten wollte (S. 17). Zum anderen war der gemeinsame Gegensatz zum Sozialismus schon wirksam, aber nicht ausreichend, um eine gemeinsame Frontstellung herbeizufhren. Zwar gaben sich die Westmchte bis hin zum Mnchener Abkommen 1938 groe Mhe, die beiden Machtblcke zusammenzubringen, doch waren die Interessengegenstze (zum Beispiel auf dem Balkan) allzu stark, und der deutsche Imperialismus war allzu fest entschlossen, eine Weltmachtstellung zu erobern - die natrlich auch auf Kosten der West- mchte gehen mute. Aus den langfristigen Zielen des deutschen Impe- rialismus und der konkreten politischen Konstellation am Ende der 30er Jahre ergaben sich die Eroberungsprogramme, die zugleich den Konflikt der verschiedenen Fraktionen innerhalb der herrschenden Klasse in Deutschland widerspiegeln. (Zum Beispiel war die fr ein Zu- sammengehen mit den Westmchten pldierende Fraktion um Schacht, Goerdeler, Popitz usw. schon einige Jahre vor Kriegsbeginn aus ihren Machtpositionen verdrngt worden.) Da diese Meinungsverschieden- heiten ber Zeitpunkt, Reihenfolge und Ausma der Aggressionen nichts mit antifaschistischem Widerstand zu tun hatten, ergibt jede Inhaltsanalyse dieser Kontroversen - bis hin zu den dominierenden Gruppen in der Bewegung des 20. Juli (wobei dem Kreisauer Kreis eine gewisse Ausnahmestellung zukommt). Durch die malosen Forderun- gen des Deutschen Reiches, durch das bis dahin in europischen Krie- gen unbekannte Ausma an Unmenschlichkeit gegenber Polen und schlielich durch die faschistische Aggression nach Westen, die dem Deutschen Reich fr den beabsichtigten Hauptsto nach Osten einen freien Rcken schaffen sollte, wurden auch die Westmchte in den Krieg verwickelt und zu einem Bndnis mit der UdSSR gedrngt. Frank- reich und die kleineren Staaten im Westen und Norden Europas und bald auch England waren nicht nur von einer Schwchung ihrer Stel- lung im imperialistischen System bedroht, sondern vom vollstndigen Verlust ihrer nationalen Unabhngigkeit. Da die Westmchte dennoch ihre Kriegfhrung so gestalteten, da die UdSSR durch den Krieg mg- lichst weitgehend geschwcht wurde (und also erst dann die von der UdSSR seit 1941 verlangte zweite Front in Europa errichteten, als die Faschismus als Diktatur des Monopolkapitals 247 Gefahr bestand, da die Rote Armee das gesamte Deutschland erobern wrde), ist von ihrer Interessenlage aus vllig verstndlich. Staatsfhrung und Wirtschaft des Deutschen Reiches waren gnzlich einig, da, wie es Gring 1940 formulierte, jede Gelegenheit ausgenutzt wird, um noch whrend des Krieges der deutschen Wirtschaft Eingang in die interessantesten Objekte der Wirtschaft der besetzten Lnder zu ermglichen (zit. S. 73). Der Raubzug der deutschen Groindustrie und Grobanken (Beispiele S. 83 f. 118, 188 usw.) wurde ideologisch abgesttzt durch die Europaideologie: es gehe darum, da die verschie- denen nationalen Volkswirtschaften Europas eine Gemeinschaft bil- deten, freilich unter deutscher Fhrung (zit. S. 72f. ). Bereits im August 1940 - fast ein Jahr vor dem Beginn der Aggression - wurde der westliche Teil der UdSSR (sie sollte bis zur Linie Archangelsk-Wolga- Astrachan erobert werden) in einem Verwaltungsplan aufgeteilt. In bezug auf die konomische Ausplnderung gab es keine merklichen Unterschiede zwischen den besetzten Gebieten im Osten und im Westen (S. 78). Die Behandlung der Bevlkerung freilich wies erhebli- che Unterschiede auf, da Sklaven von vornherein als Untermenschen galten. Sofern sie nicht der Intelligenz angehrten oder Juden waren und damit von der Ausrottung bedroht waren, sollten sie zu Sklaven fr die deutschen Herrenmenschen degradiert werden. In einer Anweisung Himmlers vom Mai 1940 heit es: Fr die nichtdeutsche Bevlkerung des Ostens darf es keine hhere Schule geben als die vierklassige Volks- schule. Das Ziel dieser Volksschule hat lediglich zu sein: Einfaches Rechnen bis hchstens 500, Schreiben des Namens, eine Lehre, da es gttliches Gebot ist, den Deutschen gehorsam zu sein und ehrlich, flei- ig und brav zu sein . . . Diese Bevlkerung wird als fhrerloses Ar- beitsvolk zur Verfgung stehen und Deutschland jhrlich Wanderarbei- ter und Arbeiter fr besondere Arbeitsvorkommen (Straen, Steinbr- che, Bauten) stellen (zit. S. 78 f.). Gewissermaen im Vorgriff auf diese Friedensordnung wurden schon whrend des Krieges etwa 14 Millio- nen Menschen als Arbeitskrfte nach Deutschland verschleppt, von denen etwa die Hlfte infolge der unmenschlichen Arbeitsbedingungen umkam (S. 192). Eine spezielle Untersuchung befat sich mit der militrischen und ideologischen Vorbereitung des Krieges. 392 Sie zeigt, da diese Aggres- sion schon in der Phase ihrer Vorbereitung auf rcksichtslosen Bruch vlkerrechtlicher Normen, auf Ausrottung bestimmter Bevlkerungs- teile und auf Vlkermord abzielte. Grokapital, Militr, Ministerialb- rokratie und ein Teil der Wissenschaft (besonders Rechts- und Ge- schichtswissenschaftler) waren nicht nur frhzeitig informiert ber 248 Theorien ber den Faschismus diese Aggression und die Art und Weise ihrer Durchfhrung, sondern an Vorbereitung und Realisierung aktiv beteiligt: in der ideologischen Begrndung (zum Beispiel Rassentheorie, die auf die systematische Reduzierung des Slawen- und Judentums hinauslief - so der Ange- klagte General Heusinger bei den Nrnberger Kriegsverbrecherprozes- sen), der wissenschaftlichen Fundierung (gegenber Kommunisten gelten keine Rechtsnormen - eine These, die schon in den Kmpfen gegen die sozialistischen deutschen Arbeiter 1918/19 proklamiert und praktiziert worden war; die Sowjetunion sei kein Vlkerrechtssubjekt; die deutsche Herrschaft ber Osteuropa sei historisch begrndet; und berhaupt: Not kennt kein Gebot, wie das Oberkommando der Wehr- macht schon im April 1938 als Maxime fr den kommenden Krieg pro- klamierte), in der politischen Absicherung gegenber den Westmchten (der nationalsozialistische Staat sei die strkste Waffe gegen den barba- rischen, asiatischen Bolschewismus und also im Interesse aller europi- schen Staaten) und natrlich in den konkreten wirtschaftlichen und militrischen Manahmen. Die Mngel des Buches sind freilich ebenso evident. Strend wirkt zunchst der stark moralisierende Ton. Da die faschistische Politik ver- brecherisch, zutiefst verleumderisch, heuchlerisch, betrgerisch, unge- recht, eroberungs- und profitgierig, hemmungs- und zgellos, ungeheu- erlich, skrupellos usw. gewesen ist, ergibt sich aus den berichteten Fak- ten und braucht in einer Kausalanalyse nicht in jedem dritten Satz betont zu werden. Auerdem wre es an der Zeit, neben der Fehlein- schtzung des sowjetischen Kriegspotentials durch die faschistische Wehrmachtfhung auch die Fehleinschtzung der Aggressionsgefahr durch die sowjetische Fhrung 1941 zu untersuchen (statt zu behaup- ten, sie habe alles rechtzeitig durchschaut und entsprechend reagiert; S. 61) und neben den militrischen Vorteilen, ber die der Aggressor naturgem verfgte, auch die Schwchung der Kampfkraft der Roten Armee durch die Suberungen der Jahre 1936 bis 1940 zu erwhnen, kurzum: das Problem des Stalinismus nicht auszuklammern, sondern zur Diskussion zu stellen und aufzuarbeiten. In diesen Zusammenhang gehrt auch das Verschweigen des geheimen Zusatzprotokolls zum Rib- bentrop-Molotow-Abkommen (vgl. bes. S. 49 f.), dessen Notwendigkeit fr die Sowjetunion evident war und im vorliegenden Buch auch ein- sichtig begrndet wird (zum Beispiel S. 9, 13, 47), sowie die Rolle der Sowjetunion im spanischen Brgerkrieg, in dem sie durchaus nicht nach allen Krften die Republik untersttzte (S. 73) - eben weil sie in diesen Jahren noch hoffte, mit England und Frankreich zu einem Bnd- nis gegen die faschistische Gefahr zu kommen. Faschismus als Diktatur des Monopolkapitals 249 Das Konzept Gossweilers (und anderer DDR-Historiker) kann zwei- fellos viele Aspekte faschistischer Politik erklren, die von der herr- schenden Geschichtswissenschaft der Bundesrepublik nicht oder nur irrational (zum Beispiel aus Hitlers Seelenleben) erklrt werden knnen oder einfach ignoriert werden. Es bleiben jedoch Mngel bestehen, die sich hauptschlich daraus herleiten, da diese Wissenschaftsrichtung trotz aller Modifikationen immer noch zu stark an der Definition Dimitroffs festhlt, die allein schon deshalb revidiert werden mte, weil sie aus dem Jahre 1935 stammt und also manche Bereiche der faschistischen Wirklichkeit noch gar nicht erfassen konnte. Im vorigen Kapitel wurde begrndet, warum eine richtig verstandene Bndnistheorie am besten geeignet ist, die Entstehung und die Struktur des faschistischen Herrschaftssystems zu erklren. Gossweiler weist diese Theorie zurck, und zwar sowohl fr die Aufstiegsphase der faschistischen Bewegung wie auch fr die Phase der faschistischen Dik- tatur. Was zunchst den Aufstieg der Bewegung betrifft, so sind die Erkl- rungen dieser Wissenschaftsrichtung in den letzten Jahren wesentlich differenzierter geworden. 1969 hie es noch, da anfnglich eine kleine Gruppe von Monopolisten, groen und mittleren Bourgeois die NSDAP aufgepppelt und hochgebracht habe. 393 Und auch 1972 nahm Gossweiler noch eine direkte kausale Verbindung zwischen dem Verhalten der herrschenden Klasse und dem Erfolg des Faschismus an: Die konservativ-reaktionren Krfte - und damit natrlich die hinter ihnen stehenden Kreise der herrschenden Klasse - seien Stammvater, Nhrmutter und eifrigste Frderer des Faschismus, ohne deren mate- riellen, organisatorischen und ideellen Beistand er ber das Stadium des Sektendaseins nicht hinauskommen wrde. Meine Kritik lautete damals wie folgt: Die in der Tat bestehende Kausalbeziehung zwischen Kapitalismus und Faschismus wird hier allzu direkt und personalistisch-voluntaristisch aufgefat, so da die Nhe zu Verschwrungstheorien nicht zu bersehen ist. Tatschlich mu diese Beziehung strker als eine ..-./. .-. ./..//. gesehen werden: Nicht die direkte Untersttzung des Grokapitals bewirkte den Aufstieg des Faschismus, sondern die im kapitalistischen System begrndete Wirtschaftskrise trieb die verngstigten Massen, vorab die proletarisierten oder von der Proletarisierung bedrohten Mittelschich- ten, zum Faschismus, der ihnen soziale Sicherheit und nationales Pre- stige versprach. Erst als sich der Faschismus zur Massenbewegung for- miert hatte, setzte die Untersttzung des Grokapitals in grerem Umfang ein, die dann freilich die Propagandamglichkeiten des 250 Theorien ber den Faschismus Faschismus weiter verstrkte und seinen Aufstieg beschleunigte. Da der Faschismus berhaupt so viele Anhnger gewinnen konnte, liegt darin begrndet, da der Kapitalismus permanent autoritre und irra- tionale Denk- und Verhaltsformen produziert und also die Massen ideologisch auf den Faschismus schon vorbereitet hatte (I, S. 41). In seiner spteren Darstellung geht nun Gossweiler, wie oben zitiert, in der Tat sehr viel strker von der realen Lage der Mittelschichten, von ihren ngsten und Hoffnungen aus, um ihren Zulauf zur NSDAP zu erklren. Zugleich hat er genauer darstellen knnen, wie die Kontakte zwischen der Fhrung der NSDAP und der herrschenden Klasse beschaffen waren, bevor die Wirtschaftskrise die NSDAP zur Massen- partei anschwellen lie. 394 Mit dieser Darstellung wird nun auch der Ideologiebegriff differen- zierter gefat und nicht mehr auf die direkte und bewute Manipula- tion durch die Herrschenden reduziert. Der Fortschritt des Marxschen Ideologiebegriffs gegenber den vorangegangenen Priestertrugs- und Manipulationstheorien 395 liegt ja gerade darin, da das Denken und Verhalten der Massen nicht mehr allein hergeleitet wird aus der bewu- ten Irrefhrung durch die Herrschenden, die angeblich selbst genau wis- sen, wie es wirklich ist. Sondern es sind die tatschlichen gesellschaftli- chen Verhltnisse, die Erfahrungen der Menschen im alltglichen Ar- beits- und Lebensproze, die das Bewutsein (in seinen richtigen wie in seinen falschen Elementen) erzeugen, so da Ideologie mit einer gewis- sen Spontaneitt aus dem realen Lebensproze entsteht und also auch das Bewutsein der Herrschenden von diesem falschen Schein der Oberflche der Gesellschaft beeinflut ist. (Auch sie unterliegt dem falschen Schein des kapitalistischen Marktes als Naturgesetz, erlebt eine Wirtschaftskrise als Schicksal, das sie weder erklren noch beherr- schen kann.) Dieser Ideologiebegriff schliet natrlich keineswegs aus, da die Herrschenden zugleich permanent in den Proze der politi- schen Bewutseinsbildung eingreifen und ihn zu steuern versuchen. Das tun sie in der Tat, und zwar stndig und mit groer Energie. Politi- sche Wirkung knnen sie damit aber nur deshalb erlangen, weil die ideologischen Aussagen, zum Beispiel vom Lebenskampf und vom Recht des Strkeren als Naturgesetz, scheinbar durch die Wirklichkeit selber besttigt werden. Was den Aufstieg der faschistischen Bewegung angeht, so ist die Dar- stellung Gossweilers also bedeutend differenzierter und realistischer geworden. Sie leidet allerdings immer noch darunter, da er die Einbe- ziehung sozialpsychologischer Anstze zur Erklrung des Massenver- haltens ablehnt und statt dessen dieses Verhalten ziemlich direkt aus der Faschismus als Diktatur des Monopolkapitals 251 konomischen Lage der Betroffenen abzuleiten versucht. So bleibt die Frage, warum die Massen sich vom Faschismus haben irrefuhren und betrgen lassen, doch nur unzureichend geklrt. Der Grund liegt wis- senschaftsgeschichtlich wohl darin, da die Psychologie von der Geschichts- und Gesellschaftswissenschaft der sozialistischen Lnder allzu lange pauschal als brgerliche Wissenschaft betrachtet worden ist, die nur vom Wesentlichen ablenken solle. Und auch nach der beachtli- chen Entfaltung, die die marxistische Psychologie in der letzten Zeit erfahren hat 396 , besteht diese Ablehnung noch fort. Es hat den Anschein, als htten viele Historiker noch gar nicht zur Kenntnis genommen, da es eine marxistische Psychologie gibt. 397 Der zweite Aspekt der Bndnistheorie betrifft die Periode der faschi- stischen Herrschaft, das Verhalten zwischen herrschender Klasse, faschi- stischem Staat und faschistischer Partei. Hier hlt Gossweiler an der Definition Dimitroffs vom Faschismus an der Macht als der Diktatur der reaktionrsten und besonders imperialistischen Elemente des Finanzkapitals fest. Zugleich aber sagt er, da der faschistischen Staats- fhrung ein Spielraum fr eigene Initiative, ein eigener Kompetenz- bereich, ein weiter Spielraum fr aktives Handeln aus eigener Initia- tive innerhalb des Gesamtinteresses der herrschenden Klasse zu- kommt. Diese Bestimmung wirft eine Reihe von Fragen auf, die auch nicht dadurch gelst werden, da man andere Publikationen zu Rate zieht. So wird in dem Standardwerk t..//-. .- :.:.:.. der Faschismus definiert als der offene Ausdruck der unverhllten Dikta- tur der reaktionrsten Monopolgruppierungen, Hitler als der politi- sche Exponent der wirklichen Diktatoren Deutschlands, der Herren von Kohle, Eisen, Stahl, der Chemie- und Elektroindustrie sowie der groen Banken. Er sei sowohl das Werkzeug, die Figur und Kreatur der deutschen Monopolbourgeoisie als auch ihr bevollmchtigter Sach- verwalter, Reprsentant und Exponent (gewesen)..., an den die eigentli- chen Machthaber Deutschlands, indem sie ihn an die Spitze ihrer Staatsmaschinerie stellten, Macht in betrchtlichem Umfang delegier- ten (S. 43f.). Ganz davon abgesehen, da alle diese Bestimmungen des Verhltnisses von politischer Fhrung und konomisch herrschender Klasse alles andere als klar und eindeutig sind (sowohl Werkzeug und Kreatur wie Reprsentant?), kommen die Autoren damit mehrfach in Schwierigkeiten, wenn sie bestimmte Vorgnge erklren wollen. So heit es zum Beispiel zum 20. Juli 1944: in dieser Bewegung sahen die Monopolherren eine Art Reserve, die in den Vordergrund treten sollte, sobald sich die Hitlerclique als nicht mehr tragbar erwies (S. 45). Die- ser Zeitpunkt war im Sommer 1944 offensichtlich eingetreten. Warum 252 Theorien ber den Faschismus wurde nun die Hitlerclique nicht einfach entlassen (wie Mussolini in Italien), wenn sie blo Werkzeug war, warum wurde dem Bevoll- mchtigten die Vollmacht nicht entzogen, der Delegierte nicht abberu- fen von seinen wahren Herren? Warum scheiterte der 20. Juli? Offen- sichtlich ist dieses Verhltnis zwischen faschistischer Partei- und Staats- fhrung und Grokapital doch komplizierter als das zwischen dem Herrn und seinem bevollmchtigten Sachwalter oder gar seinem Werk- zeug. hnliche Schwierigkeiten treten auf, wenn es darum geht, den Massenmord an den europischen Juden zu erklren, der beim besten Willen nicht aus dem Profitinteresse des Monopolkapitals oder dem Systemsicherungsinteresse ableitbar ist. Die Autoren begngen sich denn auch damit, die reinen Fakten zu nennen, und unternehmen kei- nen Versuch, diese in ihre Faschismustheorie einzubauen, und auch Gossweiler liefert, wie oben zitiert wurde, keine berzeugende Erkl- rung. Die Grben zwischen der Bndnistheorie und der Theorie von der Diktatur des Monopolkapitals sind jedoch in der Frage der Stellung des Staates im Faschismus nicht so tief, wie es zunchst erscheinen mag. Einerseits bestreitet die im vorigen Kapitel skizzierte Bndnistheorie (besonders in der Formulierung von Abendroth, aber auch der von Schweitzer) nicht, da die faschistische Diktatur in allen wichtigen Fra- gen der Unterdrckung und Ausbeutung nach innen und der Expan- sion nach auen grokapitalistische Interessen realisiert hat und da dabei die groen Industrie- und Bankkonzerne auch aktiv gestaltend, also wesentlich beteiligt waren. (Das ist brigens keine neue These, son- dern war schon dem Internationalen Militrtribunal bekannt.) Anderer- seits tendieren auch die neueren Fassungen der Dimitroff-Theorie dazu, dem faschistischen Staat einen weiten Spielraum fr aktives Handeln aus eigener Initiative einzurumen 398 und auch die relative Verselb- stndigung der faschistischen Ideologie in die Betrachtung einzubezie- hen. So schreibt etwa Kurt Ptzold: Der Antisemitismus, einmal in die Vorstellungs- und Gefhlswelt kleinbrgerlicher Massen eingeprgt, wurde ber deren Aktivitt auch Ursache unerwnschter Wirkungen. Denn - wie Ptzold in Anlehnung an ein Wort von Marx feststellt: Auch die reaktionre Idee, zu demagogischen Zwecken verbreitet, wird materielle Gewalt, wenn sie Massen ergreift. 399 In dem fr die neuere Diskussion der DDR-Geschichtswissenschaft weithin reprsentativen Sammelband t/-./...-, hat diese historische Tendenz sich weiter ausgeprgt. 400 Worauf es nun also ankommt, sind weitere empirische Untersuchun- gen, die fr die verschiedenen Bereiche und Phasen der faschistischen Faschismus als Diktatur des Monopolkapitals 253 Diktatur mglichst genau feststellen, .. .. der Entscheidungsspiel- raum der faschistischen Staatsgewalt ging, welchen Charakter die Kon- flikte hatten, die dabei mit grokapitalistischen Interessen entstanden, welche Rolle dabei die faschistische Partei gespielt hat und wie der poli- tische Herrschaftsmechanismus insgesamt beschaffen war. Ein drittes Problem liegt darin, da Gossweiler zwar eine allgemeine Bestimmung des Faschismusbegriffs anstrebt, sein historisches Material aber so gut wie ausschlielich dem deutschen Beispiel entnimmt. Das fhrte zu gewissen Fehleinschtzungen des brgerlichen Staates, die nur dadurch zu vermeiden sind, da die entwickelte kapitalistische Gesellschaft in den verschiedenen Lndern in all ihren Versionen unter- sucht und nach ihren faschistischen Tendenzen befragt wird. Gossweiler zitiert Lenin, der der Epoche des Monopolkapitalismus politisch extrem reaktionre Herrschaftsformen zuordnet: Der freien Konkur- renz entspricht die Demokratie. Dem Monopol entspricht die Reak- tion. Es sei also falsch, die Demokratie als die Normalform der br- gerlichen Gesellschaft zu begreifen, den Faschismus dagegen als Aus- nahme. Nimmt man die Gesamtheit der entwickelten kapitalistischen Staa- ten seit dem Ersten Weltkrieg in den Blick - und nicht nur Deutsch- land -, so stellt sich schnell heraus, da diese These nicht haltbar ist. Es war kein Zufall, da der Faschismus nur in Deutschland und Italien gesiegt hat, whrend in den brigen entwickelten kapitalistischen Staa- ten der brgerliche Verfassungsstaat erhalten blieb. Auch wenn man die brgerlich-demokratische Regierungsform nicht als Normalform im Monopolkapitalismus bezeichnen will, so kann man doch im Ganzen gesehen sagen, da nach aller Erfahrung auch die herrschende Klasse normalerweise lieber mit Hilfe des Verfassungsstaates regiert - bei mg- lichst starker Stellung der Exekutive und mglichst geringer Effektivitt demokratischer Willensbildung und Kontrolle - und zur faschistischen Diktatur nur Zuflucht nimmt, wenn sie ihre grundlegenden Interessen anders nicht mehr wahren zu knnen glaubt. (Dieses Problem wird brigens von Opitz, der im folgenden behandelt wird, anders gesehen als von Gossweiler.) Ein viertes Problem betrifft schlielich die Definition des Faschis- mus und die Frage, ob die faschistische Bewegung bzw. Massenbasis ein Wesenselement des Faschismus ist oder nur eine Form des Faschismus reprsentiert, der der Militrfaschismus als zweite Form gegenbersteht. Dies betrifft auch die Frage der Abgrenzung des Faschismus von ande- ren reaktionren Krften und Systemen im Monopolkapitalismus. Mir scheint die Position Gossweilers selbst hier widersprchlich zu sein: 254 Theorien ber den Faschismus Einerseits stellt er - mit Recht - fest, da das qualitativ Neue des Faschismus gerade darin liegt, da er fr reaktionre Ziele Massen mobilisiert, indem er in die herkmmlichen reaktionren Ideologien antikapitalistische Elemente mischt. Andererseits pldiert er dafr, jedes System als faschistisch zu bezeichnen, das offenen Terrorismus der Herrschaftsausbung der Monopolbourgeoisie aufweist, auch wenn es sich nur auf Polizei und Militr und nicht auf eine Massenbewegung sttzt. Damit gibt er das Kriterium, mit dem Faschismus von anderen reaktionren terroristischen Diktaturen und der Periode des entwickel- ten Kapitalismus unterschieden werden kann, wieder preis. Das ist nicht nur aus wissenschaftlichen Grnden bedauerlich - weil der Faschismus- begriff damit an Przision verliert -, sondern auch aus politischen: die Gefahr wie die Existenz reaktionr-terroristischer Militrdiktaturen mu mit anderen Strategien bekmpft werden als die Gefahr und die Existenz faschistischer Diktaturen, denn die Herrschaftstechniken die- ser Systeme unterscheiden sich betrchtlich. Es ist ein gewaltiger Unter- schied, ob sich ein System nur auf den Exekutivapparat sttzen kann oder ob es ber Massenorganisationen verfgt, die die gesamte Gesell- schaft organisatorisch erfassen und ideologisch durchdringen und so nicht nur eine permanente Kontrolle der Massen, sondern auch eine breite Akklamation durch die Massen bewirken; ob sie also lediglich auf die Unterdrckung und die Apathie der Massen abzielen oder auf deren Aktivierung und Mobilisierung. 401 Es ist kein zureichender Einwand gegen diese Unterscheidung, da es. ja bei der Definition auf den Klassencharakter, auf den sozialen Inhalt eines Systems ankomme, und nicht auf die Mittel, die Form der Herrschaft. Dies ist deshalb nicht berzeugend, weil auch Gossweiler selbst die Form der Herrschaft als Definitionselement aufnimmt, nm- lich den Terror, die Beseitigung der Rechtsstaatlichkeit, die Unterdrk- kung der Arbeiterbewegung durch die Staatsgewalt. Es ist ja gerade diese Form der Herrschaft, die den Faschismus vom parlamentarisch-demo- kratischen System unterscheidet. Wenn man aber grundstzlich akzep- tiert, da auch die Form der Herrschaft wesentlich ist und also in die Definition aufgenommen werden mu, dann lt sich kaum bestreiten, da wesentliche Unterschiede bestehen zwischen einem System, das sich lediglich auf den staatlichen Unterdrckungsapparat sttzt (und meist aus einem Militrputsch hervorgeht), und einem System, das sich auf eine breite Massenbasis sttzen kann (die auch fr die Errichtung des Systems wesentlich ist). Es ist zum Beispiel zweifelhaft, ob in Deutschland die Zerstrung der Demokratie und die Zerschlagung der Arbeiterbewegung berhaupt mglich gewesen wre ohne die faschisti- Faschismus als Diktatur des Monopolkapitals 255 sehe Massenbewegung. Die Fhrung der Reichswehr, die Ende 1932 die Mglichkeit einer Militrdiktatur prfte 402 , kam jedenfalls zu dem Ergebnis, da dies nicht mglich sei und da man fr solche Ziele eine Massenbasis bentige. Aus alldem folgt, da eine begriffliche Differenzierung zwischen die- sen verschiedenen Typen von Herrschaft ntig ist. Dies kann meines Erachtens am besten dadurch geschehen, da der Begriff des Faschis- mus fr das Herrschaftssystem mit Massenbewegung und Massenbasis reserviert bleibt; vielleicht reicht es aber auch aus, dem Begriff des Faschismus gengende nhere Kennzeichnungen beizugeben. (Im Abschnitt ber die Randzonen der kapitalistischen Welt wird zum Beispiel der Vorschlag entwickelt werden, die neueren Systeme in La- teinamerika als abhngigen Militrfaschismus zu bezeichnen.) Als zweite Variante der Theorie vom Faschismus als Diktatur des Monopolkapitals soll das Konzept von Reinhard Opitz dargestellt wer- den. Die folgenden Ausfhrungen sttzen sich vor allem auf eine Un- tersuchung in der Zeitschrift t +,.-.-, die die konzentrierteste Fassung dieses Konzepts reprsentiert. 403 Im Unterschied zu Gossweiler geht Opitz nicht davon aus, da das Monopolkapital prinzipiell und immer an der Beseitigung parlamenta- risch-demokratischer Herrschaftsformen interessiert ist: Da politische Herrschaft, die sich auf subjektiv freiwillige Zustimmung der Beherrsch- ten sttzt, stets zuverlssiger gesichert ist als eine ausschlielich auf Gewalt gesttzte, ist solange, wie es den die Interessen des Monopolka- pitals realisierenden Parteien gelingt, sich in der Gesellschaft eine zur politischen Durchsetzung dieser Interessen, das heit zur Bestimmung des Inhalts der staatlichen Politik, ausreichende, sie zur politischen Fhrung des Staates legitimierende Massenbasis zu verschaffen, beim Monopolkapital kein aktives Interesse an einer Beseitigung des formal- demokratisch-parlamentarischen Verfassungsstaates, sondern im Gegen- teil das Interesse an dessen Glorifizierung als Staat der Freiheit und ein- zig denkbare Verwirklichung der Demokratie dominierend. Freilich, die eben genannte Bedingung ist die Durchsetzbarkeit aller seiner politi- schen Interessen, mindestens aber aller seiner jeweiligen politischen Hauptinteressen, ber seine Parteien vermge ihres hierzu hinreichen- den Whleranhangs und nicht etwa erst die bloe Beibehaltung und Behauptung der Wirtschaftsordnung (S. 584). Das Hauptproblem der politischen Herrschaftssicherung ist danach das der Integration. Sie besteht im Monopolkapitalismus darin, die von der monopolkapitalistischen Herrschaft in ihren objektiven Inter- essen notwendig verletzten nichtmonopolistischen Gesellschaftsschich- 256 Theorien ber den Faschismus ten zur subjektiv freiwilligen Zustimmung zu eben dieser Herrschaft zu veranlassen. Dies aber bedeutet, ihre Aufgabe besteht unter formalde- mokratischen Verfassungsbedingungen in einer permanenten Falsifika- tion des Interessenbewutseins der nichtmonopolistischen Schichten in einem zur Legitimierung der Herrschaft der monopolkapitalistischen Parteien ausreichenden Mae (S. 589). So stellt sich fr Opitz die Frage, wie es zum Faschismus kommt, auf zwei ganz verschiedenen Ebenen: Einmal ist die Frage, wie sich ber- haupt faschistische Potentiale und Mentalitten in der Gesellschaft bilden, ob sie autonom, das heit auf Grund irgendwelcher allgemeinen, anonym wirkenden Mechanismen der monopolkapitalistischen Gesell- schaft ohne bewutes, gezieltes Hinzutun des Monopolkapitals und seines politischen Machtapparats und womglich gar gegen ihren Wunsch entstehen, und wenn ja, auf Grund welcher Mechanismen. Zum anderen ist zu fragen, wie es zur Errichtung der faschistischen Diktatur, zum bergang von der parlamentarischen Demokratie ins faschistische Herrschaftssystem kommt, ob dies ein Vorgang der Macht- ergreifung der faschistischen Partei oder ihrer Machteinsetzung durch das Monopolkapital, ein Putsch gegen die bisherigen Machthaber oder gerade umgekehrt deren eigener Staatsstreich zur Konsolidierung ihrer Macht auf neuer politischer Grundlage ist (S. 582f.). Die erste Frage nach der Bildung faschistischer Potentiale beantwor- tet Opitz wie folgt: Nun aber kann die von der monopolkapitalisti- schen Herrschaft fortwhrend ausgehende Verletzung der objektiven Interessen der nichtmonopolistischen Schichten dazu fuhren, da sich in Zeiten, in denen diese Interessenverletzung besondere Schrfe annimmt, noch ein weiteres, ganz eigentmliches politisches Potential bildet. Ein Potential nmlich, dessen Merkmal darin besteht, da sich ihm zwar die Verletzung seiner objektiven Interessen in der Verschlech- terung seiner Lebenslage und der Enttuschung seiner Lebenshoffnun- gen praktisch mitteilt und es darber zunehmend in Erbitterung ber die gegebene Wirklichkeit und die sie verantwortenden Parteien gert, es andererseits aber doch ganz in der ihm permanent suggerierten monopolkapitalistischen Ideologie befangen bleibt und daher dennoch nicht zu einer Erkenntnis seiner objektiven politischen Interessen noch gar der Ursachen ihrer Verletzung zu gelangen vermag, sondern die Ursachen seiner ihm unertrglich gewordenen Lage nur entsprechend den Schablonen der imperialistischen Ideologie, die ihm schon immer einen Schuldigen an allen nur erdenklicherweise geltend zu machen- den Mistnden zeigte, ihm nmlich das monopolkapitalistische Feind- bild suggerierte, auf die innen- und auenpolitischen Gegner nicht sei- Faschismus als Diktatur des Monopolkapitals 257 ner eigenen, sondern gerade der monopolkapitalistischen Interessen zu- rckzufhren imstande ist. Das heit aber, wenn es einerseits durch seine Misere in Emprung ber die gegebenen Zustnde und die sie sichtbar reprsentierenden Parteien geraten ist und mit den letzteren andererseits doch das Feindbild teilt, da es dann sich von diesen nur abwenden und sie nur angreifen kann mit der Beschuldigung, den ge- meinsamen - nicht objektiv gemeinsamen, aber subjektiv gemeinsam gesehenen - innen- und auenpolitischen Gegnern als den vermeintli- chen Letztschuldigen an allen belstnden nicht mit gengender Ener- gie entgegenzutreten und das Handwerk zu legen, was sich mit zuneh- mendem Zorn bis zu der selbstgeglaubten Unterstellung steigern kann, sie arbeiteten diesen Gegnern willentlich in die Hand, steckten mit ihnen unter einer Decke und seien letztendlich mit ihnen identisch. Es entsteht somit ein politisches Potential, das seinen Unmut ber die bestehende monopolkapitalistische Wirklichkeit nur artikulieren kann in der Forderung nach schrferem, rcksichtsloserem Vorgehen gegen die innen- und auenpolitischen Gegner des Monopolkapitals (S. 591). Bei der zweiten Frage nach der Errichtung der faschistischen Dikta- tur geht Opitz von der konkreten politischen Interessenlage des Mono- polkapitals aus: Tatschlich liegt die Grenze, von der an die parlamen- tarische Demokratie im Urteil des Monopolkapitals ihrer Funktion nicht mehr gerecht wird und der Ablsung oder Modifikation bedarf, weit vor der Wirtschaftsordnung als dem Fundament und auerstaatli- chen institutionellen Gefge seiner Macht. Sie liegt schon da, wo etwa - je nachdem, was nach Zeit und Ort die aktuellen Hauptinhalte seines Expansionsinteresses sind, die es keinem Integrationskompromi zum Zwecke der Stabilisierung seiner Massenbasis zu opfern bereit ist - sich die notwendige Mehrheitsgefolgschaft fr einen von ihm beabsichtig- ten Krieg oder fr das Verbleiben in einem bestimmten Militr- und Wirtschaftsbndnis oder auch den Austritt aus einem solchen oder fr bestimmte Reformen der Wirtschafts- und Steuergesetzgebung und mitunter auch nur fr die Senkung der Arbeitslosen-Untersttzungs- stze um ein halbes Prozent nicht mehr ergibt oder absehbar nicht mehr wird aufbringen lassen. In bereits all solchen Fllen der Bedro- hung nur einzelner seiner politischen Hauptinteressen - die brigens nicht einmal auf entsprechend gewachsenen Einflu der linken Parteien zurckzugehen braucht, sondern auch allein aus einer zu starken Zer- splitterung der brgerlichen Parteien selbst, dem zu heftigen Konkur- renzkampf der einzelnen wirtschaftlichen Fraktionen der Bourgeoisie untereinander erwachsen kann - setzt im Monopolkapital der Klageruf 258 Theorien ber den Faschismus ber das 'Versagen der Demokratie', die dahinschwindende 'Staatsauto- ritt', die zunehmende 'Fhrungsschwche' der Regierung und die 'Popularittshascherei' der Parlamentarier und eine gezielte Agitation gegen die Grundlagen der parteienstaatlichen Verfassung, das Mehr- heitsprinzip, die Parlamentsabhngigkeit der Regierung usw. ein (S. 585). Diese Reaktion des Monopolkapitals aber bedeute noch nicht ein Votum fr den Faschismus: Die erste Reaktion auf die Mglichkeit, demnchst nicht mehr ber eine Massenbasis fr die Durchsetzung aller seiner politischen Hauptinteressen zu verfgen, (ist) noch nicht der Faschismus, sondern sein erster Gedanke gilt der Umformung der parla- mentarischen Verfassung auf eine Weise, die ihm seine nach deren bisherigen Regeln nicht mehr gesicherte Vorherrschaft ber den Staat doch wieder garantiert. . . Eine ganze Skala abgestufter Methoden zur Sicherung der Beherrschung des Staats durch das Monopolkapital wurde ausgebildet und steht den heutigen monopolkapitalistischen Staaten zur Verfgung, angefangen mit so scheinbar sich noch ganz im Rahmen der parlamentarischen Demokratie haltenden Dingen wie wahlrechtlich verankerten Prozenthrden und Mehrheitswahlrecht (durch die freilich gerade ihre Grundlagen angegriffen, nmlich die Pro- zesse der politischen Parteienbildung vorweg beeinflut werden) ber zunehmende Verschiebungen wichtiger Kompetenzen von der Legisla- tive auf die Exekutive bis schlielich zu groen Verfassungsreformen, die auf die Strkung der Rechte des Staatschefs und die Annherung seiner Position an eine Fhrerstellung entweder noch im Rahmen eines Parlaments- und Parteienstaats, also auf eine Prsidialdemokratie nach dem Vorbild etwa der derzeitigen Verfassung der USA, oder aber, in ihrer Maximalvariante, in einer grundstzlich berparlamentarischen Regierung und damit auf die qualitativ neue Herrschaftsform der monopolkapitalistischen Prsidaldiktatur gerichtet sind. Diese Tendenzen seien aber dadurch begrndet, da mit fortschrei- tender konomischer Entwicklung die monopolkapitalistische Profit- realisierung in zunehmendem Umfange berhaupt nur noch vermittels des Staats mglich und damit eine immer direktere, immer institutiona- lisiertere - spezifisch staatsmonopolistische - Kooperation von Staats- apparat und Monopolwirtschaft zur Funktionsbedingung der monopol- kapitalistischen Wirtschaft geworden ist, die die Strkung der Exekutive und die Entfunktionalisierung des Parlaments in seiner klassischen Auf- gabenstellung systemnotwendig macht. Das Ziel, auf das alle diese Tendenzen gerichtet seien, ist also nach Opitz nicht der Faschismus, sondern die Formierung, das heit die Faschismus als Diktatur des Monopolkapitals 259 von der Strahlkraft einer starken Staatsautoritt vollintegrierte Gesell- schaft, die Ausrichtung aller divergierenden Krfte im politischen Gra- vitationsfeld auf den Magneten Staat und seinen als Gemeinwohl ausge- gebenen monopolkapitalistischen Inhalt ohne Zertrmmerung der ein- zelnen Teilchen dieses Magnetfeldes, also die Utopie einer formierten Gesellschaft. Erst wenn alle diese Versuche gescheitert seien, wenn auch die uerste Extremvariante, die monopolkapitalistische Prsidialdikta- tur, ber keinerlei Massenbasis mehr verfge, werde zum Mittel des Faschismus gegriffen: Dies, das Versagen also aller Instrumente der monopolkapitalistischen Integration, der Fall des eklatant-definitiven Milingens (nicht der Vollendung) der Formierung, ist die akut faschis- mustrchtige Situation (S. 585-588). Bis zu diesem Zeitpunkt bestehe also keine bereinstimmung zwi- schen der Mehrheit des Monopolkapitals und der faschistischen Partei: Das Monopolkapital geht auf die Machtbewerbung der faschistischen Fhrer in der Regel solange nicht ein, wie ihm seine bisherigen Parteien noch eine hinreichende Massenbasis fr die Beherrschung des Staats im Rahmen der formaldemokratischen Verfassung sichern und auch noch nicht alle Formierungsvarianten dieser Herrschaftsform ausge- schpft sind. Und dies ist die einzige Phase, in der von einer Konkur- renz und einem gewissen politischen Dualismus zwischen faschisti- scher Partei und Monopolkapital die Rede sein kann. Denn whrend die Mehrheit des Monopolkapitals noch auf Integration des Whlerbe- wutseins durch seine bisherigen Parteien und die Formierung einer Massenbasis fr sie ausgeht, mu die faschistische Partei, weil nur dann der Augenblick kommen kann, an dem das Monopolkapital sie in die Macht beruft, gerade umgekehrt auf Desintegration, auf Dezimierung der Massenbasis der alten monopolkapitalistischen Parteien setzen und in einen ernsten Kampf mit ihnen um die Whlerstimmen eintreten, in dem sie alle Register der Aufwiegelung schwelenden Unmuts, des de- magogischen Antimonopolismus, der verlogenen Sozialismusverspre- chungen, der rcksichtslosesten Verchtlichmachung des bestehenden Staats und aller seiner Reprsentanten und des Ausspielens einer jeden sozialen Schicht gegen die andere ziehen kann. Allerdings gebe es im Monopolkapital verschiedene Fraktionen, und diejenigen Fraktionen und Gruppen, die sich auf den bestehenden Staat im Vergleich zu den anderen Fraktionen nur den geringeren oder gar keinen Einflu sichern konnten und daher von diesen dominiert und in ihren Interessen benachteiligt fhlen, neigen viel frher als die- jenigen, die den Staat in der Hand haben, zu der Ansicht, da die parla- 260 Theorien ber den Faschismus mentarische Demokratie eine Verirrung sei und beseitigt werden msse, und wenden sich daher, wenn ihren eigenen Parteien die Herbeifh- rung eines Machtumschwungs nicht gelingt, auch sehr viel eher mit In- teresse der faschistischen Partei zu. So kommt es, da der Aufschwung der faschistischen Partei von einer Minderheit des Monopolkapitals zu einer Zeit favorisiert wird, in der seine Mehrheit ihn noch als bloe St- rung ihrer eigenen Integrationsbemhungen betrachtet (S. 595). Bei der Berufung der faschistischen Partei an die Macht knne sich das Monopolkapital darauf verlassen, da sie so gut wie seine frheren Parteien nur im Rahmen seines Gesamtinteresses, angesichts aller fort- dauernden Monopolgruppenrivalitten nur als dessen Prokurist han- deln wird (S. 597). In der Frage, ob die faschistische Massenbewegung ein Wesensele- ment des Faschismus sei, stimmt Opitz mit Gossweiler berein und begrndet dies so: Was aber, wenn dem Monopolkapital in dem Augenblick, in dem es diesen bergang fr angebracht hlt, eine faschi- stische Partei nicht zur Verfgung steht? Wenn sich die politische Des- integration also so vollzogen hat, da den monopolkapitalistischen Par- teien mit ihrer zu schmal gewordenen Massenbasis nur ein starkes demokratisches Potential, aber kein nennnenswertes faschistisches gegenbersteht? Dann vollzieht es den bergang mit Hilfe des Militrs, indem es die gleichen Aufgaben, die sonst die faschistische Partei aus- fhren wrde, ihm bertrgt und an die Stelle der Parteien des alten Verfassungssystems statt eines faschistischen Parteifhrers eine faschisti- sche Militrjunta in die Macht ruft. Die Funktionen, die eine solche Junta erfllt, und vor allem auch das Ma des Terrors, das von ihr aus- gebt wird, unterscheiden sich in nichts von den Funktionen und vom Terror einer faschistischen Parteidiktatur, weshalb keinerlei Grund besteht, nur die letztere als faschistische Diktatur zu bezeichnen. Der Faschismus ist nicht an die Bedingung einer Massenbewegung gebun- den, sondern kann in zwei gleichrangigen Formen auftreten (S. 598). Seine Faschismusdefinition besteht demnach aus drei Elementen (S. 600-602): 1. Der Faschismus ist eine monopolkapitalistische Herrschafts- form, bezieht sich also nur auf Diktaturen mit monopolkapitalisti- schem Inhalt, nicht also auf solche, die in frheren Etappen der brger- lichen Gesellschaft oder der Menschheitsgeschichte entstanden. Aller- dings gehren nach Opitz solche Diktaturen zum Faschismus, die in Entwicklungslndern vom auswrtigen Monopolkapital . . . in diesem Lande eingesetzt sind - auch wenn das betreffende Land selbst etwa nur agrargesellschaftliche Struktur aufweist. Faschismus als Diktatur des Monopolkapitals 261 2. Der Faschismus ist die terroristische Form der politischen Herr- schaft des Monopolkapitals. Terrorismus bedeutet dabei die unbe- grenzte Gewaltanwendung nach Magabe allein des politischen Oppor- tunittsurteils der Gewaltinhaber selbst. Punktueller oder individueller Terror komme in dieser oder jener Weise auch in formaldemokrati- schen imperialistischen Staaten vor; das genge nicht, um ein System faschistisch zu nennen. 3. Faschismus ist diejenige terroristische Form der politischen Herr- schaft des Monopolkapitals, die alle politischen Organisationen, in denen sich objektive Interessen der nichtmonopolistischen Schichten artikulieren - also vor allem und in erster Linie die genuinen Organisa- tionen der Arbeiterklasse - der Illegalisierung und Verfolgung aussetzt. Soweit diese Faschismustheorie Elemente enthlt, die mit Gossweiler bereinstimmen, wurden sie dort schon gewrdigt und kritisiert. Vor allem ist zu betonen, da auch Opitz mit jenen Tatsachen der faschisti- schen Wirklichkeit, die die relative Eigenstndigkeit des faschistischen Staates und die relative Verselbstndigung der faschistischen Ideologie zeigen (20. Juli 1944, Judenvernichtung usw.), analytisch nicht fertig wird. Auch in seiner Polemik gegen die Bndnistheorien geht er darauf nicht ein - weder konkret auf diese Tatsachen noch grundstzlich auf das Problem der relativen Selbstndigkeit des berbaus in der marxisti- schen Theorie. Auch bei Opitz ist der Begriff der Ideologie weitgehend identisch mit Manipulation - was in seinem Begriff der Falsifikation, das heit der bewuten und zielgerichteten Verflschung von Bewut- seinsinhalten, besonders deutlich zum Ausdruck kommt. Auch die Argumente, die er anfhrt, um die faschistische Massenbe- wegung als unwesentlich fr eine Definition des Faschismus zu erwei- sen, haben die oben gegen Gossweiler aufgefhrten Argumente nicht entkrftet. Besonders dann, wenn man mit Opitz auf die praktische Bedeutung einer Faschismusdefinition abstellt (S. 547, 601), wird man den Unterschied zwischen Diktaturen mit Massenbasis und Diktaturen, die sich nur auf den staatlichen Unterdrckungsapparat sttzen, nach- drcklich betonen mssen, weil sowohl in der Phase der Vorbereitung wie in der Phase der Herrschaft daraus fr die demokratischen Krfte unterschiedliche Strategien und Kampfbedingungen resultieren. Auch die grundstzliche Ablehnung sozialpsychologischer Metho- den und die Unkenntnis materialistischer Anstze in der Psychologie teilt Opitz mit Gossweiler. So behauptet er zum Beispiel: Dieser Effekt der Verlagerung der Faschismusschuld auf die Massen ist nun aber auch den sozialpsychologischen Anstzen eigen (S. 569f.). Diese Behaup- tung stimmt nicht einmal fr die von Opitz genannten Autoren Reich 262 Theorien ber den Faschismus und Fromm, wie im Kapitel ber die psychologischen Anstze gezeigt wurde; der begrenzte und relative Wahrheitsgehalt dieser Theorien wird bei Opitz zu einer vollstndigen und grundstzlichen Falschheit. Diese Behauptung verkennt aber auch, da es sehr unterschiedliche Anstze in der Sozialpsychologie gibt, darunter auch marxistische. Diese wur- den zwar auf das Faschismusproblem noch nicht systematisch ange- wandt, enthalten jedoch das methodische Instrumentarium, mit denen das geschehen kann. Ute Holzkamp-Osterkamp hat in einem Aufsatz bereits skizziert, wie eine solche Untersuchung angelegt sein knnte 404 : Sie htte - entsprechend der Marxschen Gesellschaftstheorie - von der bestimmenden Rolle der gesellschaftlichen Verhltnisse gegenber den individuellen Verhaltensweisen auszugehen und die subjektive Situa- tion von hier aus begreiflich zu machen. Die individuellen Verhaltens- formen wren dann zu erklren als Versuche, unter den je gegebenen Bedingungen die Existenz zu sichern. Sehr bemerkenswert ist dagegen der Versuch von Opitz, die Bedin- gungen genauer zu bestimmen, die eine faschismustrchtige Situation darstellen, das heit unter denen die herrschende Klasse nach aller Erfahrung versucht, die Demokratie zu liquidieren und ein terroristi- sches System zu errichten. Im Unterschied zu Gossweiler geht also Opitz davon aus, da parlamentarisch-demokratische Systeme von der herrschenden Klasse vorgezogen werden - wenn es sich machen lt. Ob Opitz diesen Umschlagspunkt nicht etwas zu weit vorverlegt, bedarf weiterer Diskussion. (In Chile 1973 und in Spanien 1936 - um nur zwei Beispiele zu nennen - standen sehr wohl die Grundlagen der Eigen- tumsordnung auf dem Spiel, als die herrschende Klasse losschlug, und nicht nur einige politische Hauptinteressen.) Richtig erscheint mir auch, da Opitz die Formel der Dimitroff- Theorie von den reaktionrsten und besonders aggressiven Elementen des Finanzkapitals, die der Trger der faschistischen Diktatur seien, preisgegeben hat und statt dessen seine Argumentation auf der Interes- senlage des Monopolkapitals insgesamt aufbaut - ohne die innere Fraktionierung dabei zu bersehen. Es ist ja auch kaum zu begrnden, wieso 1932/33 die Schwerindustrie, die hauptschlich auf den Faschis- mus hingedrngt hat, dieser reaktionrste und aggressivste Teil gewe- sen sein soll, nach dem Machtwechsel 1936 aber sollen es die soge- nannten Neuen Industrien, die Chemie- und Elektrokonzerne gewesen sein, die jetzt die Fhrung bernommen haben. Die Preisgabe dieser Formel von Dimitroff war also berfllig. Sie hat sich - de facto - schrittweise seit dem Beginn der 70er Jahre vollzogen, als die Auswir- kungen der Entspannungspolitik auch das innere Klima der DDR ver- Faschismus als Diktatur des Monopolkapitals 263 nderten. Zur ausdrcklichen Preisgabe kam es allerdings auf breiter Front nicht, solange das Herrschaftssystem der DDR insgesamt hielt. Welche Folgen die tiefgreifende Umgestaltung der DDR seit dem Okto- ber 1989 fr die marxistisch-leninistische Faschismusdiskussion hat, ist gegenwrtig noch nicht abzusehen. Sie werden sicherlich nicht geringf- gig sein. Es ist aber wichtig zu erkennen, da es auch schon vorher - entgegen einem hierzulande weitverbreiteten Vorurteil - in der marxi- stisch-leninistischen Wissenschaft Kontroversen und Vernderungen gab, wenn auch oft in verdeckten Formen. C. Grenzerscheinungen des Faschismus (sterreich, Japan) Die vorliegende Darstellung hat sich auf den deutschen Faschismus konzentriert. Es wurde jedoch kein Zweifel daran gelassen, da das ita- lienische Herrschaftssystem, das nach 1922 errichtet wurde, ebenfalls ein faschistisches war und da auch rechtsextreme Bewegungen in anderen Lndern, die nicht an die Macht gekommen sind, faschisti- schen Charakter hatten. Insoweit besteht auch bei den Theorien, ber die hier berichtet worden ist, weithin Einigkeit (mit Ausnahme von Karl Dietrich Bracher, der den Begriff Faschismus fr den italienischen Fall reservieren mchte und den deutschen Nationalsozialismus als etwas wesentlich Anderes, nur aus den deutschen Bedingungen Erklrliches betrachtet und fr diese Differenzierung vor allem ideologische Unter- schiede anfhrt). Die wissenschaftlichen Differenzen beginnen dort, wo nach der Aus- dehnung des Faschismusbegriffs, sofern er sich auf politische Systeme bezieht, ber Deutschland und Italien hinaus gefragt wird. Diese Diffe- renzen haben ihren Grund darin, da die verschiedenen Theorien un- terschiedliche Vorstellungen haben, was ein faschistisches System kenn- zeichnet, was das Wesen eines solchen Systems ausmacht und was es von anderen reaktionren terroristischen Diktaturen unterscheidet. Diese Kontroversen werden besonders wichtig fr die Beurteilung neuerer Entwicklungen und Regime zum Beispiel in Lateinamerika, wie sich im Abschnitt ber die Randzonen der kapitalistischen Welt zei- gen wird. Sie sind jedoch auch schon bedeutsam fr die Periode vor 1945, wie die Flle Japan, sterreich in der Periode 1934 bis 1938, Spa- nien, Portugal, Ungarn, Polen, Kroatien usw. veranschaulichen. Eine vollstndige Analyse all dieser Systeme kann hier nicht geliefert werden. Es kann jedoch die Frage der Abgrenzung faschistischer Systeme von anderen reaktionren terroristischen Herrschaftsformen grundstzlich diskutiert, und es knnen einige relevante Beispiele genauer ins Auge gefat werden. Sehr weit ist der Faschismusbegriff, wie er in der Kommunistischen Internationale in den 20er und 30er Jahren benutzt wurde. Zeitweise wurden damals auch die autoritren Prsidialregime, die in Deutsch- Grenzerscheinungen des Faschismus 265 land vor 1933 bestanden, als Brning-Faschismus und Papen-Faschis- mus dazu gezhlt, und gelegentlich sogar sozialdemokratisch gefhrte Staatsorgane, wenn sie gegen Aktivitten der Arbeiterklasse mit Mitteln polizeilicher Unterdrckung vorgingen wie zum Beispiel der Berliner Polizeiprsident Zrgiebel, der 1929 die nicht genehmigte Maidemon- stration zusammenschieen lie. Dieser sehr weite, unspezifische, im Grunde unbrauchbare Faschismusbegriff wird heute oft noch von ultra- linken Gruppen benutzt, die jeden kapitalistischen Staat, der repressive und punktuell terroristische Mittel gegen die Linke einsetzt, als faschi- stisch bezeichnen. Die KI hat - angesichts der Erfahrungen mit der faschistischen Dik- tatur in Deutschland - nach 1933 Anstrengungen unternommen, um diese auch politisch schwerwiegenden Mngel zu berwinden und den Faschismusbegriff genauer zu bestimmen. Diese Anstrengungen fhrten zu der Definition, die Dimitroff beim VII. Weltkongre der KI 1935 vor- getragen hat. Nun wurde der qualitativ neue Charakter des totalen, durch keinerlei rechtsstaatliche Normen begrenzten, auf dauerhafte Un- terdrckung angelegten und gegen alle demokratischen Krfte gerichte- ten Terrors des Faschismus von konservativ-autoritren Systemen und Prsidialregimen deutlich abgegrenzt. Es bleiben jedoch betrchtliche Widersprche: Einerseits wird Faschismus bestimmt als Diktatur des Finanzkapitals (oder genauer: der besonders aggressiven und reaktion- ren Teile desselben); andererseits aber werden Lnder wie Polen, Bulga- rien und Finnland als faschistisch bezeichnet, in denen das Finanzkapi- tal erst in Anstzen entwickelt und zweifellos nicht der Haupttrger und Hauptnutznieer der Diktatur war. Der Faschismusbegriff blieb also unklar. Ein neuer Versuch, auf der Basis der Dimitroff-Theorie den Faschis- musbegriffgenauer zu bestimmen, wurde 1974 von Reinhard Opitz un- ternommen. Wie bereits berichtet wurde, begrenzt Opitz den Faschis- mus auf monopolkapitalistische Herrschaftsformen und macht die Zuordnung von Diktaturen in unterentwickelten Lndern also davon abhngig, ob sie hauptschlich monopolkapitalistischen Interessen die- nen. Geht man von dieser Bestimmung aus, so sind terroristische Regime wie die in den 70er Jahren in Chile und Argentinien errichteten ohne Zweifel faschistisch (whrend dies bei den damals bestehenden Diktaturen in Paraguay oder Nicaragua fragwrdig wre). Die im Kon- text der Systemauseinandersetzung etablierten Diktaturen in Sdkorea, Sdvietnam, Thailand usw. wren dann zum Faschismus zu rechnen, wenn man den Begriff des monopolkapitalistischen Klasseninhalts nicht nur auf die konomischen Verhltnisse des jeweiligen konkreten 266 Theorien ber den Faschismus Landes bezieht, sondern auch auf die weltweite Auseinandersetzung zwischen Kapitalismus und Sozialismus. Dann wrden Lnder mit besonderer strategischen Bedeutung fr den Weltkapitalismus auch dann dazu gehren, wenn die dortigen Diktaturen ihrer innenpoliti- schen Funktion nach nicht vorrangig monopolkapitalistische Interessen vertreten. Fr die Periode vor 1945 mten gem der Definition von Opitz ganz sicher Japan und sterreich zum Faschismus gezhlt werden - whrend Spanien und Portugal (angesichts des starken Gewichts des feudalen Grogrundbesitzes im Herrschaftssystem) wohl zunchst allenfalls am Rande anzusiedeln wren und sich erst im Verlauf der 60er Jahre infolge des Vordringens grokapitalistischer Strukturen und Inter- essen zu faschistischen Systemen hin entwickelt htten. Bei der Kritik dieser Position im Kapitel 8 habe ich schon erwhnt, da mir auch dieser Faschismusbegriff noch zu weit und zu unspezifisch erscheint, insbesondere deshalb, weil er ein wesentliches Element des Faschismus, wie wir ihn von Deutschland und Italien her kennen, nm- lich die Massenbewegung und Massenbasis, als unerheblich betrachtet. Die Argumente, die fr deren Einbeziehung in die Faschismusdefini- tion sprechen, wurden dort vorgetragen. Geht man von diesem engeren Faschismusbegriff aus, bleiben allerdings immer noch betrchtliche Probleme, weil der o.,// .. :.-/ selbst noch ziemlich unklar ist. Er mte in dreifacher Hinsicht przisiert werden: Erstens in ,.-.. Hinsicht. Die Massenbasis eines Systems kann grer oder kleiner sein. Es gibt kein politisches System, das ber gar keine Anhnger verfugt - mindestens der umfangreiche staatliche Terrorapparat und das Spitzelsystem einer Diktatur mssen ja bedient werden, und auch darber hinaus gibt es immer Gruppen, die von ihr profitieren. Andererseits gibt es kein politisches System, das nur Anhn- ger und keine Gegner hat. Und gerade die hier zur Diskussion stehen- den Systeme sind mit starken oppositionellen Krften konfrontiert. Eben deshalb bentigen sie ja den umfassenden Terror als Herrschafts- methode. Aus diesen berlegungen ergibt sich, da viele Abstufungen in Hin- sicht auf die Massenbasis eines Systems, auch eines terroristischen, mglich sind - und auch in der Wirklichkeit vorzufinden sind. Schon zwischen dem deutschen und dem italienischen Faschismus gibt es hier betrchtliche Unterschiede: Die Massenbasis des italienischen war - vermutlich in jeder Entwicklungsphase - bedeutend geringer. Sie war aber in Italien sicherlich grer als in Spanien, und in Spanien grer als in Portugal. Grenzerscheinungen des Faschismus 267 Zweitens ist die Massenbasis in Hinsicht auf die o,-./. zu betrachten. Es macht einen wesentlichen Unterschied aus, ob es einem System gelingt, Massen in betrchtlicher Zahl in Organisationen zu erfassen und so gezielt, kontinuierlich und systematisch lenken, mobili- sieren und kontrollieren zu knnen, oder ob ein System unorganisierte Massen nur gelegentlich, von Fall zu Fall, zu Kundgebungen, Begeiste- rung und politischen Aktivitten mobilisieren kann. Auch in dieser Hinsicht sind viele Abstufungen mglich, und der deutsche Faschismus steht bei weitem an der Spitze, gefolgt vom italienischen, der seinerseits deutlich vor dem sterreichischen, dem japanischen und dem spani- schen System rangiert. Wie wichtig die Organisiertheit ist, zeigt sich auch beim sogenannten Stotruppfaschismus, wie er etwa vom italie- nischen Frhfaschismus vor der Errichtung der Diktatur und von den sterreichischen Heimwehren reprsentiert wird: Zahlenmig nicht sehr groe, aber straff organisierte und bewaffnete Trupps knnen - gedeckt durch die Duldung der Staatsorgane - einen hchst wirksamen Terror gegen die Arbeiter ausben. Und drittens ist zu fragen, welches ,//. .//.- der Massen ei- gentlich gemeint ist, wenn man von Massenbasis redet. Ist die aktive und dauerhafte Untersttzung aller wesentlichen Ziele des Regimes gemeint? Oder gengt schon die Untersttzung von Fall zu Fall? Oder die wohlwollende Tolerierung? Oder sogar die skeptische Tolerierung, die mit innerer Abwehr verbunden ist? Gengt also bereits die Abwe- senheit von aktivem Widerstand bei einer Gruppe, um sie zur Massen- basis zu rechnen? Auch diese berlegung zeigt, da es eine breite Skala von politischen Verhaltensformen gibt, die brigens empirisch sehr schwer zu erkennen sind - eben wegen der Allgegenwart drohenden Terrors. Eindeutig ist jedoch, da auch hier dem deutschen Faschismus die strkste und dauerhafteste Mobilisierung von Massen, die Erzeu- gung der strksten Bereitschaft zur aktiven Untersttzung des Regimes gelungen ist - im Vergleich zu den hier diskutierten Systemen. Die bisher oft gebte strikte Gegenberstellung von terroristischen Systemen, die sich auf eine Massenbasis, und solchen, die sich aus- schlielich auf den staatlichen Unterdrckungsapparat sttzen knnen, mu also relativiert werden. Sie lst sich auf in verschiedene Abstufun- gen, in eine Anzahl von Systemen, die ber eine grere oder kleinere Massenbasis, ber eine mehr oder weniger organisierte, mehr oder weniger aktivierte Massenbasis verfugen. Dies ndert allerdings nichts daran, da es einen wesentlichen Unterschied fr die Stabilitt eines Herrschaftssystems und die Kampfbedingungen und Chancen der Opposition bedeutet, ob dieses System ber eine breite, gut organisierte 268 Theorien ber den Faschismus und stark aktivierte Massenbasis verfgt, oder ob diese nur schwach, schlecht organisiert und ziemlich apathisch ist. An einer bestimmten Stelle schlgt eben auch hier der quantitative Unterschied in einen qua- litativen um. Mein Vorschlag ist, da man nur solche Systeme als faschistisch bezeichnet, die ber eine betrchtliche, organisierte und zur aktiven Untersttzung bereite Massenbasis verfgen. Nach diesen methodischen berlegungen soll nun die Entstehung und Struktur eines Systems etwas genauer betrachtet werden, das in mancher Hinsicht einen Grenzfall darstellt, nmlich der sterreichische Heimwehrfaschismus. Es folgen einige Bemerkungen zum Fall Japan, und im dritten Teil soll dann die Frage des Faschismus fr die Periode nach 1945 diskutiert werden, fr die die theoretischen Modelle noch nicht so weit entwickelt sind wie fr die Periode des klassischen Faschis- mus. Die Frage nach dem gesellschaftlichen und politischen Charakter der ..//.- u.-..//...,.-, und dem politischen System, das 1933/34 im Zusammenhang mit dieser Bewegung entstand, ist bisher nur in ganz geringen Anstzen behandelt worden. Die sterreichische Geschichtswissenschaft hat - noch lnger und entschiedener als die deutsche - diese Frage lieber ausgeklammert oder allenfalls einige Detailprobleme isoliert und oberflchlich untersucht. Erst in allerletzter Zeit ist dieser desolate Zustand etwas verbessert worden - bezeichnen- derweise hauptschlich durch die Initiative auslndischer, nichtsterrei- chischer Wissenschaftler - und eines Historikers der jngeren Genera- tion (G. Botz). 405 Recht ertragreich ist die Untersuchung des ungarischen Historikers Kerekes - erstens deshalb, weil er die Akten des ungarischen Auenmi- nisteriums verarbeiten konnte, die Einblick in die Beziehungen zwi- schen der ungarischen und italienischen Regierung einerseits und den rechtsgerichteten Krften sterreichs andererseits, aber auch in die inneren Verhltnisse sterreichs gewhren, und zweitens deshalb, weil er ansatzweise die gesellschaftlichen Krfte untersucht, die das politi- sche Geschehen bestimmten. Fr eine Theorie ber den Faschismus sind dabei insbesondere die folgenden Resultate bedeutsam: 1. Die Heimwehren fungierten als Miliztruppe zur terroristischen Niederwerfung der Arbeiterbewegung. Dies war nicht nur ihre wirkliche Funktion, sondern auch der zentrale Punkt ihres Selbstverstndnisses: Sie definierten sich als Kampforganisation, deren vornehmlichste Aufgabe es war, den Staat von der schrecklichen Seuche, die ihn ergriffen, vom Marxismus zu befreien (zit. S. 25 f.). Zwar fehlte auch in Grenzerscheinungen des Faschismus 269 der Heimwehr-Ideologie das fr faschistische Bewegungen typische antikapitalistische Element nicht - im Korneuburger Eid vom 18. Mai 1930, einer Art von Programm der Heimwehren, heit es: Wir kmpfen gegen die Zersetzung unseres Volkes durch den marxistischen Klassen- kampf und liberalkapitalistische Wirtschaftsgestaltung (zit. S. 72) -, doch die berwindung des Klassenkampfes unter Beibehaltung des Privateigentums an den Produktionsmitteln bedeutet in der Realitt immer die Unterwerfung der Lohnabhngigen unter die Diktaturgewalt der Kapitalbesitzer, was das sterreichische Grokapital frhzeitig erkannte und sich deshalb von antikapitalistischen Tnen auch nicht irritieren lie. Im Unterschied zur NSDAP stellten die Heimwehren freilich keine wirkliche Massenbewegung dar - bei den Wahlen vom 9. November 1930 erhielten sie knapp 230.000 Stimmen (gegenber 1,5 Millionen der Sozialisten) -, sondern waren nur stark als militanter Stotrupp der gesamten Rechten, also auf die Kooperation mit den Christlich-Sozialen angewiesen und bereit, sich der Staatsgewalt zur Verfgung zu stellen, um die Ordnung im Staate zu garantieren (S. 102). 2. Die rechtsgerichteten Krfte haben als Einheit gehandelt, die sich aus gemeinsamen Interessen und Zielen herleiten lt, wenn sie sich auch in taktischen Fragen unterschieden. Das gilt sowohl fr den natio- nalen Mastab des Staates sterreich wie fr den internationalen: Sofern es um die Niederwerfung der Arbeiterbewegung und die Liqui- dierung des demokratischen Verfassungssystems ging, haben die extreme und gemigte Rechte, die faschistischen Heimwehren und die christlich-sozialen Parteifhrer und Regierungsvertreter in hohem Grade gemeinsam geplant und agiert; und als im Februar 1934 die Arbeiterbewegung nach vorgefatem Plan und mit den Mitteln des Ter- rors niedergeworfen wurde, stellten auch die Nationalsozialisten vor- bergehend ihren Kampf gegen die Heimwehren und die Christlich- Sozialen ein, um dieses Unternehmen nicht zu gefhrden (S. 180). Kere- kes kann aber auch zeigen, da diese Politik von der faschistischen Regierung Italiens und der reaktionren Militrdiktatur Ungarns aktiv und langfristig durch Geld, Waffen und politische Mittel gefrdert, ja geradezu ungeduldig vorangetrieben wurde. Seit 1928 war es gemeinsa- mes ungarisches und italienisches Interesse, der sterreichischen extre- men Rechten an die Macht zu verhelfen, wie Mussolini und Gmbs im November 1932 feststellten. Doch zugleich war ihnen klar, da die Heimwehr nicht den Rckhalt im Volk besitzt, um an die Regierung zu kommen. Das kann nur durch eine von oben, von der Regierung einge- leitete und durchgefhrte gewaltsame Lsung geschehen (zit. S. 117). 270 Theorien ber den Faschismus Damit ist zugleich der Unterschied gegenber der Bedeutung und der Methode der faschistischen Bewegung in Italien und Deutschland genau bezeichnet: In Italien hatte die faschistische Bewegung ein beachtliches Gewicht, wenn sie auch nur im Einverstndnis mit der herrschenden Klasse an die Macht kommen konnte, in Deutschland konnte man angesichts der Strke der NSDAP sogar die Fiktion einer legalen Machtbernahme erwecken. Natrlich sind diese Unter- schiede in der Massenbasis der faschistischen Bewegung dann auch bedeutsam fr die Struktur des Herrschaftssystems, das daraus hervor- ging, insbesondere fr das Strkeverhltnis seiner beiden Bndnispart- ner: der faschistischen Bewegung und den traditionellen Fhrungs- gruppen in Wirtschaft, Staatsapparat, Militr und Kirchenhierarchie, welch letztere in sterreich eine besonders wichtige Rolle spielte. 3. Die Untersttzung der faschistischen Bewegung in sterreich durch die herrschende Klasse war von Anfang an betrchtlich, weil sie darin ein antisozialistisches und antigewerkschaftliches Kampfinstru- ment sah. Schon 1928 hatte sich in der Groindustrie wie beim christ- lich-sozialen Bundeskanzler und Kirchenfrsten Prlat Seipel die Ansicht durchgesetzt, da die Abrechnung mit den Sozialdemokraten unvermeidlich sei (S. 22). Im November 1929 garantierte der Bankier Rothschild der Heimwehr im Falle einer raschen Machtbernahme die Stabilitt des Schillings und einen reibungslosen Verlauf des Wirt- schaftslebens (S. 59). Zwar wurde auch weiterhin erwogen, die parla- mentarische Demokratie auf dem Wege der Verfassungsreform abzu- schaffen (vgl. zum Beispiel S. 53), doch dominierte schon in dieser Peri- ode die Auffassung, da der gewaltsame Weg notwendig und auch effek- tiver sei. Gerade die Furcht, die Sozialistische Partei werde langfristig im brgerlichen Verfassungsstaat die besseren Chancen haben, drngte die Rechte zum Losschlagen (vgl. zum Beispiel S. 58). Dies entspricht im Prinzip der Lage in Deutschland Ende 1932, als die Arbeiterbewegung, in diesem Falle die KPD, weiter an Boden gewann, whrend sich fr die NSDAP in den starken Verlusten bei den Novemberwahlen der Beginn des Zerfallprozesses abzeichnete. Bundeskanzler Seipel, der zugleich als Prlat die Fhrungsspitze der katholischen Kirche reprsentierte, gab - in vorsichtigen Formulierungen - eine geradezu klassische Definition fr den Fall, in dem die Errichtung der Diktatur erforderlich sei: Sollte es nicht gelingen, bei den Wahlen die Zweidrittelmehrheit der brgerli- chen Parteien zu sichern, sei es nicht ausgeschlossen, da die Regierung den Zusammentritt des Nationalrats mit Gewalt verhindern werde und da er im Prinzip eine Lsung auerhalb des Parlaments nicht fr un- mglich halte (S. 87). In genau dieser Situation erfolgte auch der Grenzerscheinungen des Faschismus 271 Putsch in Spanien 1936 - nach der Wahlniederlage der Rechten -, der Putsch in Griechenland 1967 - unmittelbar vor den Wahlen, deren Resultat absehbar war - und der Putsch in Chile 1973 - nachdem die Wahlen im Mrz 1973 den weiteren Vormarsch der Volksfront doku- mentiert hatten. Aufschlureich sind die Verbindungslinien der sterreichischen Rechten zur herrschenden Klasse in Deutschland. Jener Generaldirek- tor der Vereinigten Stahlwerke, Vogler, der auch bei der Vorbereitung des faschistischen Systems in Deutschland eine wesentliche Rolle spielte, besa zugleich die Aktienmehrheit in der Alpine-Montan- Gesellschaft, die 1932 zur massiven Untersttzung der sterreichischen Nationalsozialisten berging, nachdem sie vorher die Heimwehren un- tersttzt hatte (vgl. zum Beispiel S. 60). 4. Die in der Fhrung der Sozialdemokratischen Partei sterreichs - wie in der damaligen SPD - vorherrschende Ansicht, das demokratische Verfassungssystem sei dadurch zu retten, da gewaltsame Widerstands- handlungen prinzipiell abgelehnt und immer neue Konzessionen an die Rechte gemacht wurden, erwies sich als illusorisch. Der abstrakte, weil formale Begriff von Demokratie und Verfassung, das legalistische Vertrauen zu den Institutionen des parlamentarischen Staates waren der Realitt des Klassenkampfes, die von der Rechten im Unterschied zu den Sozialdemokraten jederzeit gesehen und zur Leitlinie ihrer Poli- tik gemacht wurde, einfach unangemessen. Es ist erschtternd zu sehen, wie die Fhrer der Sozialdemokraten stndig ihre Bereitschaft zu Zuge- stndnissen versicherten, whrend zugleich Faschisten und Christlich- Soziale gemeinsam Plne konzipierten, wie man diese Bereitschaft zur schlielichen Liquidierung der Arbeiterbewegung ausntzen knne (vgl. zum Beispiel S. 24 ff.). Daran hielten die Sozialdemokraten auch nach 1933 fest, als die Unterdrckungspolitik der Dollfu-Regierung den Boden auch nur formaler Rechtsstaatlichkeit schon lange verlassen hatte. Mit Erstaunen und Befriedigung berichtete der ungarische Bot- schafter nach Budapst: Ihre ganze Haltung erinnert stark an die Hal- tung ihrer Bruderpartei im Deutschen Reich (zit. S. 134; vgl. auch S. 171). Die offen terroristische Offensive der Rechten im Februar 1934, die die Schluabrechnung mit dem Marxismus darstellte, fand deshalb zwar tapferen, aber unkoordinierten Widerstand (vgl. S. 178 ff). 5. Das sterreichische Beispiel zeigt - wie das deutsche, italienische und viele andere -, da der Staatsapparat der brgerlichen Demokratie keineswegs als neutrales Instrument fungiert, wie viele Sozialdemokra- ten zu ihrem eigenen Verhngnis glaubten und viele heute noch glau- ben. In all diesen Fllen haben Polizei, Militr, Justiz und Verwaltung 272 Theorien ber den Faschismus eine wesentliche Rolle bei der Zerstrung dieser Demokratie und der Errichtung der faschistischen Diktatur gespielt. Anders als in Italien, wo sich diese Zusammenarbeit mit der faschistischen Bewegung hauptsch- lich auf der unteren und mittleren Ebene abspielte, war sie in Oster- reich, wie Kerekes dokumentiert, von der Spitze her systematisch geplant - was gelegentliche Reibereien natrlich nicht ausschlo. Und obwohl solche offiziellen Kooperationsplne relativ frhzeitig an die ffentlichkeit gelangten (vgl. zum Beispiel S. 63), konnten durchgrei- fende Manahmen von der Linken nicht durchgesetzt werden. Auch in der Technik der Massenmanipulation sind zwischen der sterreichi- schen und der deutschen Rechten erstaunliche hnlichkeiten festzu- stellen: So wie die Nationalsozialisten den Reichstagsbrand als Propa- gandamittel gegen die Linke einsetzten, taten das die Christlich-Sozia- len 1927 mit dem Brand des Justizpalastes, wie Kerekes zeigen kann (S. 182). In der Tat hat sich dieser Brand dem Bewutsein der brgerli- chen ffentlichkeit sterreichs als Beweis fr den destruktiven Cha- rakter der Sozialisten eingeprgt - zum Teil bis heute. Kerekes stellt zwar alle diese Elemente dar, verarbeitet sie jedoch nicht zu einer in sich geschlossenen Faschismusinterpretation. Oft hat ihre Erwhnung eher zuflligen Charakter - weil sie eben in seinen Materialien enthalten waren. Das unter der Fhrung von Dollfu 1933/34 errichtete System bezeichnet er als Konkurrenzfaschismus (S. 114), ohne systematisch darzustellen, was denn die allgemeinen Merkmale des Faschismus sind. Nicht befriedigend erscheint auch seine Erklrung fr die Differenz zwischen den beiden konkurrierenden faschistischen Bewegungen und fr den wachsenden Erfolg der ster- reichischen Nationalsozialisten nach 1932: Zum Nationalsozialismus seien die unzufriedenen Schichten der 'rebellierenden Mittelklasse' gegangen, whrend die Heimwehren, denen von der Dollfu-Regie- rung die fetten Brocken zugeschanzt worden waren, die saturierte Schicht der Mittelklasse reprsentiert habe (S. 129). Bessere Erklrun- gen stehen allerdings noch aus. Politisch und militrisch gewichtiger fr die Geschichte des 20. Jahr- hunderts war :,- das dem Bndnis der faschistischen Staaten Deutschland und Italien angehrte und, genau genommen, den Zwei- ten Weltkrieg durch seinen Angriff auf die Mandschurei im Jahre 1931 erffnet hat. Vergleicht man das japanische Herrschaftssystem, das von verschiedenen Historikern als faschistisch bezeichnet wird, mit dem des deutschen und italienischen Faschismus, so erscheint folgendes bemer- kenswert 406 : Grenzerscheinungen des Faschismus 273 1. In Hinsicht auf den ./.- t-// - Unterdrckung der revolutio- nren wie der reformistischen Arbeiterbewegung und Durchsetzung einer gro angelegten Expansionspolitik zur Eroberung neuer Rohstoff- quellen, Absatzmrkte und Investitionsmglichkeiten - ist kein wesent- licher Unterschied zum europischen Faschismus zu erkennen. Den Nutzen hatte nach Barrington Moore hauptschlich die Groindustrie - sowohl was die Herrschaft nach innen wie auch was die militrische Expansion angeht. 2. In Hinsicht auf den ./.- Charakter des Regimes bleibt Japan zwar hinter Deutschland zurck, reicht aber ber Italien deutlich hinaus. Insbesondere gegenber den unterworfenen Vlkern wurde Ter- ror und Massenmord in groem Mastab praktiziert. Die ideologische Legitimation stellte die Lehre von der Herrenrasse dar, deren Brutalitt ebenfalls an deutschen Faschismus heranreicht. Auch in Japan war die- ser Rassismus aus dem Sozialdarwinismus hervorgewachsen. Auch dort hatte der Sozialdarwinismus vor allem deshalb so extreme Formen angenommen, weil auch Japan seit dem Ende des 19. Jahrhunderts zu einer starken Industriemacht herangewachsen, bei der Verteilung der Welt aber zu spt und zu kurz gekommen war und deswegen auf eine Neuverteilung drngte. Und wer den Status quo auf Kosten der Kon- kurrenten grundlegend verndern will, braucht eben militrische Gewaltmittel und entsprechende Rcksichtslosigkeit nach innen wie nach auen. Das wute die herrschende Klasse in Japan ebenso wie die in Deutschland. 3. In Hinsicht auf die :.-/ weist das japanische System einige Besonderheiten auf: Es gab zwar vor der Errichtung der Diktatur betrchtliche rechtsextreme Potentiale, die teilweise auch in Organisa- tionen erfat waren. Da sie jedoch zersplittert und zu einheitlichem Handeln unfhig waren, entfalteten sie keine durchschlagende Sto- kraft. So ergriff die herrschende Klasse selbst die Initiative, insbeson- dere die militrische Fhrungsschicht, und setzte schrittweise die Abschaffung parlamentarisch-demokratischer Formen und die Errich- tung einer Diktatur durch - wobei Putschversuche jngerer rechtsextre- mer Offiziere, die sozusagen den Faschismus von unten reprsentier- ten und sich selbst als oppositionell zum Establishment verstanden, dem Effekt nach eine vorwrtstreibende Funktion im Faschisierungs- proze hatten. Erst nachtrglich versuchte das System, die Massen zu organisieren und zur Aktivitt fr seine Ziele zu gewinnen. Diese Ver- einigung zur Untersttzung der kaiserlichen Politik fand ihre Ergn- zung durch die Vereinigung zum Dienste an der Nation durch die Industrie. Doch eine mit dem deutschen Faschismus vergleichbare 274 Theorien ber den Faschismus organisatorische Erfassung und Durchdringung der Gesamtgesellschaft und eine breite Aktivierung der Massen gelang nicht und wurde offen- bar auch nicht erstrebt, da die konservativen Denk- und Verhaltensfor- men, die in Landwirtschaft wie Industrie stark patriarchalischen Cha- rakter hatten und ideologisch auf berlieferte Symbole, besonders auf die Gestalt des Kaisers bezogen waren, den Zwecken des Regimes offen- bar gengten. Von einer Massenbasis kann man also durchaus sprechen, wenn auch nicht in jenem aktivistischen Sinne wie beim deutschen oder italienischen Faschismus. 4. Was die :/./. angeht, so beruhte sie, nach Moore, auf einer Koalition zwischen den Fhrungsschichten aus Handel und Industrie (die eine schwache Ausgangsposition hatten) und den tradi- tionell herrschenden Klassen auf dem Lande, eine Koalition, die sich gegen die Bauern und die Industriearbeiter richtete (S. 355). Besonders das Militr scheint ber eine starke Machtstellung verfgt zu haben. Sowohl das sterreichische wie das japanische Herrschaftssystem weisen also wesentliche faschistische Elemente auf und sind also min- destens im Grenzbereich des Komplexes Faschismus anzusiedeln. Dritter Teil Zur Aktualitt des Faschismusproblems 276 Zur Aktualitt des Faschismusproblems Dieser Teil kann nicht einmal die Grundzge des Faschismus seit 1945 darstellen. Es versteht sich lediglich als eine Skizze der Probleme, die bestehen, und einiger Lsungsversuche, die bisher vorgetragen wurden. Die bisherigen Untersuchungen haben gezeigt, da die herrschende Klasse dann nach Liquidierung des parlamentarisch-demokratischen Systems drngt, wenn dieses System ihren Bedrfnissen nicht mehr gengt, fr die Verfolgung ihrer Interessen zu einem Hindernis oder sogar durch das Anwachsen demokratischer und sozialistischer Krfte zu einer Gefahr geworden ist. Unter solchen Umstnden versuchen magebliche Teile der herrschenden Klasse nach aller Erfahrung, die Demokratie abzuschaffen, die demokratischen und sozialen Rechte der Massen zunchst einzuschrnken und - wenn das nicht gengt - voll- stndig und dauerhaft zu unterdrcken und ein in ihrem Sinne effekti- veres System, eine terroristische Diktatur, an die Stelle der parlamenta- rischen Demokratie zu setzen. Geht man von dieser historischen Erfahrung aus, die sich auf die Errichtung der Diktaturen in Italien 1922, in Deutschland 1933, in sterreich 1934, in Japan zu Beginn der 30er Jahre, in Spanien 1936/39 und auf eine Reihe von Beispielen im Osteuropa der Zwischenkriegs- zeit sttzt, so war nicht zu erwarten, da mit der Niederwerfung der faschistischen Mchte Deutschland, Japan und Italien im Zweiten Weltkrieg das Problem des Faschismus ein fr allemal erledigt sein wrde. Da die allgemeinen sozialkonomischen Grundlagen in den kapitalistischen Lndern weiter bestanden, mute auch mit der Gefahr der Liquidierung der Demokratie von rechts - sei es mit Hilfe einer faschistischen Massenbewegung, sei es mit Hilfe des Militrs - weiter- hin gerechnet werden. A. Die entwickelten kapitalistischen Lnder Die tatschliche Entwicklung seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat diese Diagnose besttigt. In den kapitalistischen Hauptlndern ist zwar seither nirgends die Demokratie abgeschafft worden, doch es kann nicht bersehen werde, da es dort starke Tendenzen gegeben hat und weiter gibt, die demokratischen Rechte der Massen wesentlich einzuschrnken, die staatliche Exekutivgewalt zu strken und zu zentralisieren, demokra- tische und parlamentarische Kontrollmechanismen auszuschalten, de- mokratische und sozialistische Krfte als Staatsfeinde und Agenten fremder Mchte zu diffamieren und zu verfolgen usw. Diese Tendenzen waren besonders stark in der Periode des Kalten Krieges, vor allem in den USA und der Bundesrepublik, und sie haben erneut an Boden gewonnen seit dem Beginn der tiefgreifenden Umbrche und sozialen Krisenerscheinungen seit der Mitte der 70er Jahre. Sie gehen aus und werden getragen vom Staatsapparat selbst. Und sie sind natrlich besonders gefhrlich in den Staaten, die eine faschistische Vergangen- heit haben und 1945 einen grundlegenden Bruch mit dieser Vergangen- heit nicht vollzogen. Dies gilt besonders fr die Bundesrepublik, die groe Teile der Fhrungsschichten aus der Zeit des Faschismus in Fh- rungspositionen bernommen hat: in Justiz und Verwaltung, Erzie- hung und Wissenschaft, Ministerialbrokratie und Geheimdiensten, Polizei und Militr. Diese Fhrungsschichten haben natrlich auch ihre Ideologien tradiert, die politische Atmosphre und staatliche Praxis der Bundesrepublik wesentlich beeinflut und auch die nachrckende Generation der Fhrungsschichten in ihrem Geiste erzogen. (Jahrelang weigerte sich deshalb die Bundesrepublik, die NS-Akten des Berliner Document-Center zu bernehmen, die ihr die US-Behrden angeboten hatten. Dort sind nmlich genaue Angaben ber den grten Teil der NSDAP-Mitglieder mit besonderen Sammlungen ber Offiziere, Rich- ter und die Waffen-SS gespeichert, die nicht nur die faschistische Ver- gangenheit von sehr vielen hochgestellten Persnlichkeiten der Bundes- republik offengelegt htten, sondern auch die Kontinuitt des staatli- chen Machtapparats und der sozialen Fhrungsschichten im Ganzen.) Dieser Charakter des Staatsapparats und der Fhrungsschichten ist es, der faschistische Tendenzen in der Bundesrepublik so gefhrlich macht 278 Zur Aktualitt des Faschismusproblems - viel gefhrlicher, als wenn zum Beispiel in England die National Front ebenso viele Stimmen erhalten wrde wie die NPD auf ihrem Hhe- punkt 1966/67. Ein fr diesen Staatsapparat der Bundesrepublik bezeichnendes Detail sei erwhnt: Bekanntlich gibt es die Berufsver- bote, das heit die systematische Diskriminierung von Sozialisten, Kommunisten und Radikaldemokraten, in keiner anderen parlamenta- rischen Demokratie auer der Bundesrepublik, wohl aber gab es sie in den Militrdiktaturen in Spanien, Portugal und Griechenland. Als die griechische Diktatur die Demokratie liquidiert hatte, arbeitete sie einen Fragebogen aus, den jeder Bewerber fr den ffentlichen Dienst ausfl- len mute. Er mute genaue Auskunft ber seine politischen Ansichten geben und sich verpflichten, den nationalen Idealen und der legalen Gewalt mit Treue und Hingabe zu dienen und stets den Willen des Staates zu erfllen. 1 Alle diese Entwicklungen stellen natrlich noch keinen Faschismus dar, doch sie machen die Gefahren deutlich, die der Demokratie auch heute von rechts her drohen. Und sie knnen, da sie die demokrati- schen Rechte und Potentiale schwchen, ideologisch und politisch den Boden bereiten fr die vollstndige Abschaffung der Demokratie - so wie die Prsidialregime 1930 bis 1933 in Deutschland den bergang zum Faschismus vorbereitet haben. Daneben haben sich in verschiede- nen Lndern faschistische Bewegungen entwickelt, die bisher zwar immer nur vorbergehend Massenanhang gewinnen konnten, die aber doch zeigen, da es auch heute in den kapitalistischen Gesellschaften faschistische Potentiale gibt, die unter bestimmten Bedingungen, vor allem in Krisenperioden, mobilisiert werden knnen. Hier ist besonders auf die neofaschistische MSI in Italien hinzuweisen, die seit Jahrzehn- ten zwischen 5 und 7% der Stimmen erhlt und die ihre Hauptaufgabe darin sieht, die Arbeiterschaft vom marxistischen Bazillus zu befreien, das Streikrecht einzuschrnken und die Todesstrafe wieder einzufh- ren. 2 Es ist hinzuweisen auf die NPD in der Bundesrepublik, die 1966/67 in den meisten Bundeslndern zwischen 6 und 10% der Stim- men erhielt, sowie auf den Aufschwung der extremen Rechten nach 1987, der sich (bis 1989) in hnlichen Dimensionen bewegt; auf die National Front in England, die Poujadisten, die OAS und die Nationale Front in Frankreich, die groe Zahl faschistischer Gruppen in den USA usw. 3 Solche faschistische Gruppen haben, wie die Untersuchung gezeigt hat, nur dann Erfolgschancen, wenn sie von mageblichen Tei- len der herrschenden Klasse, insbesondere auch von den staatlichen Organen, geduldet und begnstigt werden. Hier ist es nun ganz offen- sichtlich, da die Verbindungen der italienischen Neofaschisten bis weit Die entwickelten kapitalistischen Lnder 279 in den Staatsapparat, in Militr und Polizei hineinreichen. Es ist sym- ptomatisch - um nur ein Beispiel zu nennen -, wenn der Admiral Birin- delli, vormals als NATO-Offizier Leiter der Streitkrfte im Mittelmeer, nach seinem Ausscheiden aus dem Amt fr die Neofaschisten kandi- diert. 4 Nach Pressemeldungen sollen zu Beginn der 70er Jahre nachein- ander drei Putschplne vorbereitet worden sein, an denen vier Armee- korps-Generle, hohe Carabinieri- und Polizeioffiziere, Spitzenbeamte und andere wichtige Persnlichkeiten beteiligt gewesen seien. 5 Es wurden Listen gefunden mit den Namen von 1.600 zu liquidierenden Persnlichkeiten. 6 In einem Fall hatten die Putschisten das Innenmini- sterium bereits besetzt. 7 Ein anderer Plan bestand darin, durch Terror- akte die Linke zu provozieren, so die Armee zum Einschreiten zu ver- anlassen und diese dann in ihrem Vorgehen gegen die Demonstranten zu untersttzen. 8 Selbstverstndlich sei auch die physische Auseinan- dersetzung mit der Linken notwendig. 9 Auch die neofaschistischen Krfte der Bundesrepublik - von der NPD bis zur Deutschen Volksunion, von der Wehrsportgruppe Hoff- mann bis zur SS-Nachfolgeorganisation HIAG samt all ihren Presseorga- nen -werden von den staatlichen Organen geduldet und sind oft perso- nell und strukturell mit der gemigten Rechten verflochten - zum Beispiel ber die Deutschlandstiftung, den Witiko-Bund, die Ver- triebenenorganisationen usw. 10 Auch ideologisch wird ihre Agitation dadurch abgedeckt und salonfhig gemacht, da in allen wesentlichen Fragen Zeitungen wie das CSU-Organ o,.-/.. und die Organe des Springer-Konzerns gleichgerichtete Positionen vertreten. 11 Hinzu kommt, da magebliche Politiker und Organe der gemig- ten Rechten - von Franz Josef Strau bis zum damaligen CDU-Gene- ralsekretr Bruno Heck, vom o,.-/.. bis zur r./ und zur t-//. . +//,.-.-. z..-, die Errichtung terroristischer Diktaturen in anderen Lndern, zum Beispiel in Chile 1973, als notwendig oder sogar hchst erfreulich dargestellt und damit nicht nur diese Diktaturen gesttzt, sondern grundstzlich ihre dubiose Haltung zur Demokratie deutlich gemacht und ideologisch zur Vorbereitung diktatorischer Herr- schaftsformen im eigenen Land ihr Teil beigetragen haben. Dieses Lob der Diktatur wird begrndet, wie es von der Rechten schon immer begrndet worden ist: Die kommunistische Gefahr msse niederge- halten werden, und zwar aus militrstrategischen und innenpolitischen Grnden; wo es keine Arbeiterorganisationen gebe, seien die Arbeits- krfte billiger und die Investitionen lohnender; so sei also recht verstan- den - die Diktatur der Garant fr die Freiheit - nmlich, wie man hinzufgen mu, die Freiheit des Kapitals und der Ausbeutung. Es ist 280 Zur Aktualitt des Faschismusproblems offensichtlich, da alle diese Argumente aus der Sicht der herrschenden Klasse und der politischen Rechten sinnvoll sind und ihr Lob auf die Diktatur deshalb auch konsequent ist. Fr die einzelnen Argumentationsmuster ein paar Beispiele: Die Mo- natszeitschrift r.//.-.. (die sicherlich auch aus solchen Grnden von der Bundeswehr jhrlich etwa 300.000 DM Zuschu erhielt) schrieb ber die griechische Militrdiktatur: Der Militrputsch vom April 1967 fhrte zur Konsolidierung Griechenlands im militrischen Sinne, das heit eine drohende Gefhrdung eines Teils der Sdostflanke der NATO konnte abgewendet werden. 12 Als diese Militrdiktatur einen Volksaufstand im November 1973 im Blute erstickt hatte, schrieb die r./ Die im Hafen von Pirus liegende 6. amerikanische Flotte ist in der Nahost-Krise der Eckstein der amerikanischen Macht und Strate- gie. Schon deshalb habe dieser Versuch der Linksradikalen niederge- worfen werden mssen. 13 Und die t/.-/. t bemerkte trocken: Das Ausma der Erhebung machte dann einen um so hrteren Einsatz ntig; um eine Hoffnung auf Demokratie zu erhalten, mute sie mit Panzern geschtzt werden. 14 Die spanische Diktatur war aus der Sicht der Unternehmer ein Eldorado: Vor allem die Sicherheit vor Streiks besteche jeden Unternehmer . . . Wird gestreikt wie bei PYR in Moncada, dann rumt die Polizei das Werksgelnde von unbotmigen Arbeitnehmern. 15 Eine spezielle Studie der Handelskammer der Bun- desrepublik ber Spanien kam zu dem Ergebnis: Der Chef komman- diert auch als Prsident des Betriebsrats. Die Unternehmensleitung kann jederzeit die Polizei rufen, wenn es zu Streiks kommt, oder Arbei- ter aussperren. 16 Und ber Portugal schrieb die Springer-Zeitung u- /.,. +/.-.// Die noch niedrigen Lhne, durch die Portugal mit einem Pro-Kopf-Einkommen von 1000 Dollar im Jahr eins der rmsten Lnder Europas ist, sind zugleich fr Investoren ein Standortvorteil... So sahen nicht nur die Farbwerke Hoechst, die jetzt ein Werk in Portu- gal erffnen, das Land als guten Standort. Grundig, Siemens, AEG, Bayer, Schering und BASF, Bosch und Agfa-Gevaert haben schon Adres- sen am Tejo. 17 Als diese schne heile Diktaturwelt zu zerbrckeln begann, uerte die t-//.. +//,.-.-. z..-, ihre Furcht vor den Gefahren des Neubeginns: Das Mittelmeer ist eben jetzt alles andere als windstill. Portugal lebt in einem gefhrdeten bergang; Spanien hlt den Atem an: was kommt nach Franco?; das Schiff Italiens schlingert im Sturm. 18 Und als im Herbst 1978 das persische Regime, das zu den blu- tigsten Diktaturen der Gegenwart zhlte, durch Massendemonstratio- nen und Streiks erschttert wurde, uerte die gleiche Zeitung: Auf alle Flle werden die innenpolitischen Spannungen, nachdem zuvor die Die entwickelten kapitalistischen Lnder 281 innere Stabilitt im Iran das grte Positivum fr Investoren gewesen war, das Investitionsklima beeinflussen. 19 Ganz offen haben die groen Konzerne und ihre politischen und ideologischen Sachwalter in den Parteien und der Presse ihr Verstnd- nis von Demokratie artikuliert, als in Chile mit brutalstem Terror eine Diktatur errichtet wurde. 20 Die liberalen Stimmen unterschieden sich nur dadurch von den konservativen, da die einen die Diktatur ledig- lich fr notwendig, die anderen aber als hchst erfreulich kennzeichne- ten. So sprach die t-//.. +//,.-.-. z..-, vom Putsch als Not- manahme; es blieb kein anderer Ausweg. 21 t. r./ rechtfertigte den Putsch mit der Notwendigkeit, die verfassungsmige Ordnung im Lande wiederherzustellen 22 . Das Parteiorgan der CSU konnte seine Freude jedoch nicht verbergen: Angesichts des Chaos, das in Chile geherrscht hat, erhlt das Wort ' Ordnung' fr die Chilenen pltzlich wieder einen sen Klang. 23 Und damit keinerlei Miverstndnisse bleiben, was diese Krfte unter verfassungsmiger Ordnung, innerer Sicherheit und Freiheit verstehen, die sie in der Bundesrepublik her- stellen wollen, sagte Franz Josef Strau an die Diktatoren gewandt: Sorgen Sie dafr, da die Freiheit in Ihrem Lande, gleichgltig von woher sie bedroht wird, erhalten bleibt, und arbeiten Sie daran, da Disziplin, Flei, Leistung, Opferbereitschaft und Gemeinschaftssinn ein blhendes Land Chile schaffen. 24 In einer Broschre, die auch von der Bayerischen Landeszentrale fr Politische Bildung verteilt wurde, heit es: Chile ist jetzt frei. Die Menschen haben wieder Freude an der Arbeit. Es wird herzlich gelacht. Allerdings: Das Land kann im Augenblick nicht der Demokratie bergeben werden. Der Belagerungs- zustand ist unbedingt notwendig, und das Kriegsrecht mu vorerst ange- wandt werden. Und die eindeutige Schlufolgerung: Mglicherweise werden andere Lnder noch viel von dem kleine Chile lernen ms- sen. 25 Da einige Varianten der Faschismusdiskussion, insbesondere die sogenannte Hitler-Welle, politisch in die gleiche Richtung wirkten, wurde in den entsprechenden Kapiteln schon dargestellt und wird im Abschnitt ber die Entwicklung der Faschismudiskussion noch einmal aufgenommen werden. Die extreme Rechte wute jedenfalls, was sie dem Hitler-Film von J. C. Fest und hnlichen Produkten zu verdanken hatte und war deshalb des Lobes und der Hoffnung voll. Ihre auf diesen Film bezogene Frage Wird Hitler zum Idol? traf genau die Haupt- storichtung dieser Hitler-Welle. 26 All dies zeigt, da trotz des Bestehens parlamentarisch-demokrati- scher Systeme in den kapitalistischen Hauptlndern seit 1945 das 282 Zur Aktualitt des Faschismusproblems Faschismusproblem noch durchaus aktuell ist - mindestens als Tendenz und als Gefahr. Die weitere Entwicklung wird hier davon abhngen, wie weit es den demokratischen Krften, besonders der Arbeiterbewegung und daneben der demokratischen Intelligenz, gelingt, diese Gefahren zu erkennen und realistische Gegenstrategien zu entwickeln. Die Geschichte der kapitalistischen Staaten seit dem Ersten Weltkrieg stellt hier ein auerordentlich wichtiges Erfahrungsmaterial dar, das aufgear- beitet werden mu, um die Ursachen des Faschismus, die Bedingungen seines Erfolgs und die Notwendigkeiten des antifaschistischen Kampfes mit gengender Klarheit zu erkennen. Eben deshalb ist auch die Beschftigung mit dem historischen Faschismus - und mit den ver- schiedenen Varianten seiner Interpretation und seiner Fehldeutung - politisch so wichtig. Die Lehren, die aus diesen historischen Erfahrungen gezogen wer- den knnen, lassen sich stichwortartig so zusammenfassen: 1. Auseinandersetzungen ber politische und ideologische Fragen zwischen den verschiedenen Gruppen der demokratischen Bewegung sind sinnvoll und notwendig. Gegenber der Gefahr des Faschismus aber ist es lebensnotwendig fr alle diese Krfte, ihre Differenzen zu- rckzustellen und ihre gemeinsamen Interessen und Ziele zu erkennen, denn der Faschismus ist ihr gemeinsamer Feind, und nach einem Sieg des Faschismus wrden //. demokratischen Aktivitten mit den Mit- teln des Terrors unterdrckt. Dies betrifft Kommunisten wie Sozialde- mokraten, liberale Demokraten und berhaupt alle, die sich der Huma- nitt und den Menschenrechten verpflichtet fhlen. Es ist eine gesicherte historische Erfahrung, da der Faschismus in Italien, Deutschland und sterreich nur siegen konnte, weil die Arbei- terbewegung gespalten war und ihre inneren Differenzen fr wichtiger gehalten hat als ihre gemeinsamen Interessen im Kampf gegen die faschistische Gefahr. Erst als Kommunisten und Sozialdemokraten glei- chermaen vom faschistischen Terror getroffen und in die Konzentrati- onslager getrieben wurden, wurde ihnen die Gemeinsamkeit ihrer Lebensinteressesn handgreiflich vor Augen gefhrt. Die programmati- schen Kundgebungen, die aus dieser Erfahrung hervorgingen, haben ihre Gltigkeit bis heute bewahrt. Dies gilt fr das Prager Maifest der SPD von 1934 ebenso wie fr die Beschlsse des VII. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale von 1935 und fr das Buchenwalder Manifest der KZ-Hftlinge von 1945. Wie zutreffend und wirksam diese Erkenntnis von der Gemeinsamkeit der Interessen im Kampf gegen den Faschismus war, erwies sich dann bereits 1934 in Frankreich, als ein Versuch der Faschisten, die Macht zu bernehmen, durch die Die entwickelten kapitalistischen Lnder 283 vereinte Aktion von Gewerkschaften, Sozialisten und Kommunisten abgewehrt wurde, und 1936 in Spanien, als die Volksfront dem Militr- putsch energisch entgegentrat und nur durch den massiven militri- schen Eingriff der faschistischen Mchte Deutschland und Italien und die fr die Putschisten sehr wohlwollende Neutralittspolitik der Westmchte nach dreijhrigem heroischen Kampf doch noch geschla- gen wurde. Auch die Partisanenbewegung, die zur Befreiung Europas von der Herrschaft des Faschismus wesentlich beitrug, beruhte auf einer breiten antifaschistischen Front. 2. Wenn die Gemeinsamkeit aller demokratischen Krfte im Kampf gegen den Faschismus die Hauptbedingung ihres Erfolgs ist, dann mu die Verteidigung der Demokratie, der politischen und sozialen Rechte der Massen, der brgerlichen Freiheitsrechte, des parlamentarischen Verfassungsstaates der primre Inhalt dieses gemeinsamen Kampfes sein. Die scheinbar radikal-fortschrittliche These, es msse um den bergang zum Sozialismus gekmpft werden und im Vergleich dazu sei die Frage parlamentarischer Demokratie oder Faschismus relativ belanglos, sozusagen eine innerbrgerliche Angelegenheit, die Soziali- sten nicht besonders zu interessieren braucht, war in Italien wie in Deutschland auf dem linken Flgel der Arbeiterbewegung vor der Errichtung der faschistischen Dikatur weit verbreitet. Sie hat sich als theoretisch und politisch falsch erwiesen. Die Arbeiterbewegung, insbe- sondere die kommunistische, mute fr diese Fehleinschtzung unge- heuer teuer bezahlen. Sie ist heute so falsch wie damals. Da es im Kampf gegen den Faschismus ,- um die Verteidigung des brgerlich-rechtsstaatlichen Verfassungssystems geht, soll zweierlei besagen. Erstens geht es darum, im Kampf gegen den Faschismus eine mglichst breite Abwehrfront zu errichten, also //. Krfte zu vereini- gen, die durch den Faschismus geschdigt und getroffen wrden - also nicht nur die Sozialisten, sondern auch diejenigen, die aus liberalen, humanitren oder christlichen berzeugungen fr die Menschenrechte eintreten. Zweitens soll primr heien, da die Verteidigung der br- gerlichen Demokratie die Voraussetzung dafr ist, da der Kampf um den Sozialismus berhaupt gefhrt werden kann. Denn es zeichnet die brgerlich-parlamentarische Demokratie aus, da sie auch denjenigen Krften das Recht auf Artikulation und Organisation einrumt, die sich fr eine sozialistische Eigentums- und Gesellschaftsordnung einsetzen. Im Grundgesetz ist der bergang zu einer solchen Ordnung im Artikel 15 ausdrcklich als Mglichkeit gewhrleistet. Werden diese brgerli- chen Rechte und Freiheiten durch einen autoritren Staat wesentlich eingeschrnkt oder durch eine faschistische Diktatur vllig abgeschafft, 284 Zur Aktualitt des Faschismusproblems so ist damit auch die sozialistische Bewegung ins Herz getroffen, ist ihre Chance fr sozialistische Ziele zu kmpfen, fr absehbare Zeit vernich- tet. Die sozialistische Bewegung hat also nicht nur ein taktisches, son- dern ein ganz elementares Interesse an der Verteidigung der parlamen- tarischen Demokratie gegen die Gefahr von rechts. 3. Die Rechte und Freiheiten des brgerlichen Verfassungsstaats stel- len nicht nur einen Wert dar, insofern sie die Organisation soziali- stischer Krfte und den Kampf fr den Sozialismus zulassen. Sondern sie stellen - unabhngig davon und ganz fr sich genommen - einen groen Wert, eine gewaltige historische Errungenschaft im Kampf der Demokratie gegen die Reaktion dar; eine Errungenschaft, die einst von den Volksmassen unter der Fhrung der aufsteigenden brgerlichen Klasse gegen Feudalismus und Absolutismus erkmpft worden ist, dann vom Brgertum selbst freilich angesichts der aufkommenden Arbeiter- bewegung immer strker als lstig und gefhrlich empfunden und des- halb oft genug auch preisgegeben wurde. Dies ndert jedoch nichts dar- an, da es sich um einen immensen historischen Fortschritt handelt, der verteidigt werden mu - auch gegen diejenige Klasse, die ihn einst erkmpft hat und ihn heute manchmal nur noch als demagogische Phrase im Munde fhrt, wie die US-Kampagne fr Menschenrechte, die Formel von der Solidaritt der Demokraten von Schmidt bis Strau und von den Verfassungsfeinden in der Bundesrepublik an- schaulich zeigten. Bei einer solchen Strategie ist unbestritten, da der Faschismus als Mglichkeit bestehen bleiben wird, solange es Kapitalismus gibt, so lange also eine kleine Minderheit von Kapitalbesitzern ber den gr- ten Teil der Wirtschaft, der Produktionsmittel und damit ber die Ar- beits- und Lebensmglichkeiten der gesamten Gesellschaft verfgt und von hieraus natrlich auch ber gewaltige Mglichkeiten, ihre speziel- len Ziele der Sicherung dieser Eigentumsordnung und der Realisierung optimaler Profite auch ideologisch zu propagieren und politisch durch- zusetzen. Solange diese Gesellschaftsordnung besteht, kann es zu Situa- tionen kommen, in denen die herrschende Klasse zu der berzeugung gelangt, da ihre Ziele nur noch mit diktatorisch-terroristischen Mitteln zu erreichen sind. Daraus folgt, da eine endgltige berwindung der faschistischen Gefahr erst mglich ist, wenn diese konomische Macht, die demokratisch weder legitimiert noch kontrollierbar ist, berwunden, wenn auch die Wirtschaft demokratischer Verfgungsgewalt unterwor- fen ist und nicht mehr nach den Mastben optimalen Profits fr eine besitzende Minderheit, sondern nach dem Bedarf und den Bedrfnis- sen der Gesamtgesellschaft ausgerichtet wird. Eine Verstaatlichung Die entwickelten kapitalistischen Lnder 285 allein reicht, wie das Beispiel der sozialistischen Lnder zeigt, nicht aus, solange die Menschen sich nicht als Subjekte des Geschehens erfahren. So ermglicht also in der Tat erst der Sozialismus in Verbindung mit einer Fundamentaldemokratisierung die definitive berwindung des Faschismus. Auch diese Erkenntnis ist nicht neu, sondern war schon allen antifaschistischen Krften bewut, die 1945 eine Neugestaltung von Staat und Gesellschaft in Angriff nehmen wollten. Von der KPD und der SPD bis weit hinein in die CDU (in der damals antifaschisti- sche Krfte die Fhrung hatten) wurde in dieser Periode die Sozialisie- rung und die demokratische Kontrolle konomischer Macht als Konse- quenz aus den Erfahrungen mit dem Faschismus verlangt. Und in den Lnderverfassungen der Jahre 1946/47 und in Auslufern auch noch im Grundgesetz 1949 wurden so Sozialisierungsartikel verankert. Das primre Ziel der Verteidigung der parlamentarischen Demokra- tie gegen die Bedrohung von rechts schliet also keineswegs aus, da der Sozialismus als das lngerfristige Ziel ins Auge gefat wird und da die Vorbedingungen fr den Kampf um dieses Ziel gesichert werden - und eine ganz wesentliche besteht eben darin, da es gelingt, die demo- kratischen Rechte des Volkes gegen die Gefahren von rechts zu sichern. Manche sehen darin eine Unehrlichkeit gegenber jenen Krften im antifaschistischen Bndnis, die keine Sozialisten sind. Aber das ist ein Miverstndnis. Denn erstens besteht in der Verteidigung der brgerli- chen Demokratie gegen die Gefahr von rechts tatschlich eine wesentli- che inhaltliche Gemeinsamkeit, stellt also ein Ziel dar, das wirklich allen Beteiligten ntzt. Zweitens aber ist zu erwarten, da im Verlauf dieses antifaschistischen Kampfes //.- Beteiligten bewut wird, wie wichtig die Eigentumsfrage fr die Demokratie ist. So knnen gemeinsame Erfahrungen im Laufe der Zeit auch die politischen Unterschiede zwi- schen den Partnern des antifaschistischen Bndnisses vermindern und auch die liberalen Demokraten der berzeugung annhern, da die demokratische Kontrolle konomischer Macht eine wesentliche Vor- aussetzung stabiler und wirklicher Demokratie darstellt. In der Tat sind die Sozialisierungsforderungen der antifaschistischen Krfte nach 1945 aus solchen gemeinsamen Erfahrungen entstanden. So kann man zusammenfassend sagen, da in den kapitalistischen Hauptlndern auch in der Gegenwart die Demokratie nach wie vor von rechts bedroht, da der Faschismus also noch aktuell ist, da jedoch Erfahrungen, Strategien und reale Anstze vorliegen, die eine Abwehr dieser Gefahren ermglichen. 27 B. Die Randzonen der kapitalistischen Welt (Griechenland, Indonesien, Lateinamerika) Handelt es sich in den entwickelten kapitalistischen Lndern bisher nur um Tendenzen und Gefahren, so ist in den Randzonen der kapitalisti- schen Welt bereits in einer Reihe von Fllen die Demokratie real liqui- diert worden - und zwar nicht allein durch die Aktivitten der einhei- mischen herrschenden Klasse, sondern durch die Mitwirkung von Krf- ten aus groen kapitalistischen Staaten, insbesondere aus deren Fh- rungsmacht, den USA. So wurden vor allem in Asien und Lateiname- rika zahlreiche Diktaturen errichtet, die ihre Entstehung und Existenz wesentlich auch der entwickelten kapitalistischen Welt (die sich selbst die freie Welt nennt) verdanken und deshalb auch in ihrer Politik nicht allein von ihren inneren Verhltnissen her, sondern nur durch die Einbeziehung der Interessen dieser auswrtigen Mchte verstndlich sind. Dazu gehren die Diktaturen in Sdkorea, Thailand und Indone- sien, die noch bestehen, ebenso wie die in Sdvietnam und Kambod- scha, die inzwischen durch nationale Befreiungsbewegungen gestrzt worden sind. Dazu gehrt eine ganze Reihe von Diktaturen, die seit den 60er Jahren in Lateinamerika errichtet worden sind und von denen die in Brasilien, Chile und Argentinien besonders wichtig sind bzw. waren. Dazu gehren schlielich auch die Militrdiktatur, die von 1967 bis 1974 Griechenland beherrschte, sowie die 1980 in der Trkei errichtete. Schon die Aufzhlung dieser Flle zeigt anschaulich, da die Bedrohung der Freiheit durch rechtsgerichtete Krfte sehr ernst genom- men werden mu. Diese Systeme unterscheiden sich in ihren Entste- hungsbedingungen und ihrer sozialen Funktion voneinander erheblich, weisen aber andererseits auch hnlichkeiten auf. Nicht alle diese Flle knnen hier untersucht werden. Exemplarisch soll an den Beispielen Griechenland, Indonesien und Lateinamerikas gezeigt werden, welche Bedingungen und Krfte sie hervorbrachten und wie ihr politischer und sozialer Charakter zu bestimmen ist. Die Errichtung der Militrdiktatur in o./.-/-. im Jahre 1967 hat die liberale und demokratische ffentlichkeit in den westeuropischen Staaten betrchtlich erschttert, weil sie bewiesen hat, wie rasch ein br- gerlich-parlamentarisches System durch eine reaktionre Diktatur liqui- Die Randzonen der kapitalistischen Welt 287 diert werden kann, und zwar nicht nur in Lateinamerika, sondern - zum erstenmal nach der Niederwerfung des deutschen und italienischen Faschismus - auch in Europa. Da es sich dabei um ein NATO-Land handelt, das zugleich mit der EG bereits eng verbunden war, bewirkte ein zustzliches Interesse. Allerdings bleiben die meisten Schriften, die in der Regel kurz nach dem Militrputsch erschienen sind, bei der Dokumentation von Unrecht und Unterdrckung und dem morali- schen Protest dagegen stehen. Die sozialen und politischen Bedingun- gen, die die Errichtung der Diktatur ermglicht haben, die gesellschaft- lichen Krfte, denen sie ntzt, bleiben unerforscht und unbegriffen. Da sie aus diesem Ansatz, der den in der liberaldemokratischen Publi- zistik und Wissenschaft generell vorherrschenden Kategorien ent- spricht, keine Einsichten in Ursachen und Funktionen solcher Diktatu- ren gewinnen lassen, ist evident. Auch die bedeutsame Frage, wieso denn ein parlamentarisches System so rasch durch eine Diktatur zer- strt werden kann und was dieser Vorgang fr die Machtstruktur dieses Systems selbst aussagt, kann so nicht geklrt werden. Was die konserva- tive Publizistik und Wissenschaft betrifft, so braucht sie gar nicht weiter analysiert zu werden, da sie mit der griechischen Diktatur sympathi- sierte und deren Ideologie von Ruhe und Ordnung und der Notwen- digkeit antikommunistischer Manahmen prinzipiell akzeptierte. Als Beispiele fr die oben genannte liberaldemokratische Position knnen die von Heinz Gastrein herausgegebene Aufsatzsammlung und die von Ansgar Skriver verfate Schrift dienen. 28 Gastrein betrachtet die Vorgnge in Griechenland zwar als wiederholbar auch in anderen Ln- dern, begreift sie aber lediglich als Rckfall... in Autoritarismus und totalitre Staatsvergottung und sieht die entscheidende Barriere dage- gen in der Wachsamkeit und Zivilcourage der Demokraten (S. 8). ber diese psychologische und moralisierende Betrachtungsweise kom- men auch die brigen Autoren nicht hinaus. Grtenteils handelt es sich um anonym bleibende Reprsentanten der Mitte und der gemig- ten Rechten Griechenlands, die durch die Errichtung der Diktatur in die Opposition gedrngt wurden und in der Rckkehr zu eben dem System, das diese Diktatur hervorgebracht hat, die zentrale Aufgabe sehen. Ein entlassener griechischer Stabsoffizier, der vor allem im Zu- sammenhang mit bestimmten, die Bauern betreffenden Manahmen der Diktatur sozialistische Tendenzen nachsagt, welche ihn besonders bengstigen, kritisert das System - ebenso wie ein griechischer Monar- chist - sogar von rechts her. Besonders enttuschend ist der Beitrag eines griechischen Sozialdemokraten, der die Errichtung der Diktatur aus den Ha- und Neidgefhlen der Offiziere, die Kinder armer 288 Zur Aktualitt des Faschismusproblems Bauern- und Kleinbrgerfamilien seien, gegen die brgerliche Gesell- schaft erklrt und behauptet, das System habe berhaupt kein politi- sches und soziales Anliegen, und sei es das reaktionrste, sondern nur die persnlichen Interessen dieser Offiziere (S. 21f). Sein Beitrag erweckt den Eindruck, da ihm der Kampf gegen den Kommunismus immer noch wichtiger war als der gegen die Diktatur und ihre sozialen Grundlagen. Bezeichnenderweise ist jener Beitrag am ergiebigsten, der von einem Systembefrworter verfat und um der Dokumentation der Zustnde willen (Umschlagstext) in den Band aufgenommen wurde. Er redete nmlich im Zusammenhang mit einer Skizze ber die Auenpolitik des Systems in aller Unbefangenheit ber einige Hintergrnde dieses Put- sches. Seine Hauptthesen waren: 1. Die auenpolitische Funktion der Diktatur war keine revolutio- nre, sondern eine konservierende: Man kann im Gegenteil sagen, da die gegenwrtige Regierung eine Revolutionierung der griechischen Auenpolitik geradezu verhindert hat. Es darf mit groer Wahrschein- lichkeit angenommen werden, da die fr den 28. Mai 1967 festgesetz- ten Parlamentswahlen, deren Abhaltung dann durch den Putsch vom 21. April verhindert wurde, zu einer Regierung unter Fhrung der libe- ralen Zentrumsunion gefhrt htten, die die Bindungen zum Westen gelockert htte. Im Gegensatz dazu hat die Regierung der Obersten eine ausgesprochen konservative Auenpolitik unter Strkung der bestehenden politischen, militrischen und wirtschaftlichen Bindungen zum Westen verkndet (S. 104f). Daraus erklrt sich zugleich das Inter- esse der USA an der Errichtung einer Diktatur, denn nun seien die Be- sorgnisse der NATO ber eine Schwchung, ja geradezu Auflsung ihres Sdostflgels geschwunden (S. 116). 2. Nach innen hin ist das Militrregime betont antikommunistisch und hat smtliche Kommunisten und deren Anhnger in Konzentrati- onslager auf verschiedene Inseln deportiert (S. 107). So kann der Ver- fasser mit Befriedigung vermerken: Eine wesentliche Sttze des Regi- mes war und ist eine positive Einstellung der internationalen Wirt- schaftskreise, von deren Vertrauen Griechenland als hilfsbedrftiges Entwicklungsland weitgehend abhngt. Diese Wirtschaftskreise scht- zen offensichtlich die derzeitige politische Ordnung in Griechenland. Infolgedessen flieen aus dem Ausland . . . die Anleihen und Investi- tionen weiter . . . (S. 118). 3. Die Ablehnung der heutigen griechischen Verhltnisse (ist) str- ker in der ffentlichen Meinung zu finden als bei den meisten Regie- rungen, bei denen eine realpolitische Einstellung berwiegt (S. 117). Die Randzonen der kapitalistischen Welt 289 Selbst wenn man unterstellt, da in diesen Thesen auch gewisse takti- sche Spekulationen zum Ausdruck kamen, die darauf abzielen, die grie- chische Diktatur den herrschenden Krften in den westlichen Lndern schmackhaft zu machen, so gaben sie doch, da sie von realen Interessen ausgehen, einen brauchbaren Einblick in die internationale Funktion ihres Systems und sind deshalb den subjektiv zwar ehrlichen, aber blo moralisierenden Verurteilungen liberaler Provenienz in Hinsicht auf Realismus weit berlegen. Die Schrift Ansgar Skrivers, eines WDR-Redakteurs, hat einen sehr stark dokumentarischen Charakter, stellt zum Teil recht aufschlureiche Materialien und Stellungnahmen insbesondere fr die Periode unmit- telbar nach dem Putsch zusammen, gelangt aber in ihren kommentie- renden Teilen ber die Position des Moralisten auch nicht wesentlich hinaus, obgleich er selbst seine Position fr realistisch hlt. Charakteri- stisch ist die folgende Argumentation: Braucht der Westen diese Mili- trdiktatur als Sttztpunkt in einer weltpolitischen militrischen Kon- stellation, dann mu er sich dazu bekennen . . . Dann mssen Rechts- bruch und Unmenschlichkeit vielleicht hflich-diplomatisch bedauert, aber aus realpolitischem Kalkl hingenommen und in die NATO einge- baut werden . . . Dann mu die NATO ihre zur bloen Ideologie gewor- dene Zielsetzung zur Verteidigung der Freiheit nchtern begraben . . . (S. 146). Skriver verlangt also von den Herrschenden allen Ernstes den Verzicht auf ideologische Herrschaftsinstrumente und damit in der letzten Konsequenz die vollstndige Preisgabe ihrer Herrschaft. Von wesentlich anderem Zuschnitt ist der von Jean-Paul Sartre her- ausgegebene Band 29 , der die gesellschaftlichen Wurzeln des griechi- schen Herrschaftssystems zu ermitteln trachtet. Auch diese Autoren, meist auerhalb Griechenlands lebende griechische Wissenschaftler, dokumentieren die Unmenschlichkeit dieses Systems, wobei sie sich hauptschlich auf Materialien von Amnesty International sttzen, blei- ben jedoch nicht bei der Klage darber stehen. Der fr die Faschismus- diskussion wesentliche theoretische Ertrag lt sich wie folgt resmie- ren: 1. Es kann keine Rede davon sein, da in Griechenland eine funktio- nierende parlamentarische Demokratie pltzlich durch eine Diktatur abgeschafft worden sei. Die herrschende Klasse hatte, um sich ber- haupt an der Macht halten zu knnen, nach der Vertreibung der deut- schen Besatzungstruppen britische und spter amerikanische Truppen ins Land holen mssen, um den von breiten Massen getragenen Volks- aufstand niederzuschlagen und damit zugleich die griechische antifa- schistische Widerstandsbewegung zu vernichten. Das System, das dann 290 Zur Aktualitt des Faschismusproblems errichtet wurde, das fr die Militrstrategie der USA und der NATO von wesentlicher Bedeutung und wirtschaftlich wie politisch vollstndig von den USA abhngig war, wies nur in ganz uerlicher Hinsicht einige Merkmale der parlamentarischen Demokratie auf. Tatschlich herrschten Grobrgertum, Monarchie und Militr mit den Mitteln von Korruption und Wahlflschung, Ausnahmegesetzen und Terror, wobei sie in der Bauernschaft und den Mittelschichten einen beachtli- chen Anhang gewinnen konnten. Die Wirtschaft behielt ihren merkan- tilen, vorindustriellen Charakter, auslndischem Kapital wurden vor- zgliche Bedingungen gewhrt, der Armee - mit 7 bis 8 Prozent des Volkseinkommens - ein enorm hoher Anteil des Haushalts gewidmet, da sie als Garant des Systems fungierte. 2. Dieses Herrschaftsgefge wurde seit dem Beginn der 60er Jahre zunehmend labiler - infolge sozialer Krfteverschiebungen und einer allmhlichen Konsolidierung der Linken. Diese Verschiebungen fanden ihren Ausdruck in den Wahlsiegen der Zentrumsunion 1963 und 1964, die es dieser Partei ermglichten, die Regierung zu bernehmen. Diese insbesondere durch eine Neuorientierung der Bauernschaft mglich gewordene Entwicklung beschleunigte ihrerseits den Konsolidierungs- proze der demokratischen Krfte innerhalb der Zentrumsunion und links von ihr, so da die herrschende Klasse sich gezwungen sah, auch ganz formal die parlamentarische Verfassung zu brechen: im Juli 1965 wurde die Regierung G. Papandreou, die trotz aller Schwankungen einige soziale Reformen eingeleitet, die meisten Ausnahmegesetze und Unterdrckungsmanahmen aufgehoben und Anstalten gemacht hatte, die bis dahin nur dem Knig verantwortliche Armee unter eine gewisse demokratische Kontrolle zu bringen, durch den Knig auf dem Wege des Staatsstreichs abgesetzt. Doch keines der folgenden Marionettenre- gimes war imstande, die in Bewegung geratenen Massen, die sich zum Beispiel in gewaltigen Demonstrationen uerten, noch niederzuhalten. Es standen Wahlen bevor, ber deren Ausgang unter diesen Bedingun- gen kein Zweifel sein konnte, und zudem zeichnete sich die reale Mg- lichkeit eines Bndnisses zwischen dem linken Zentrumsflgel und der in der EDA zusammengeschlossenen, bisher total isolierten Linken ab. In dieser Lage reiften verschiedene Plne zum Militrputsch, deren Ini- tiatoren offensichtlich keinen Kontakt miteinander hatten. Der Putsch der Obristen, die als erste losschlugen, war zwar vom Knig, der mit den Generalen konspiriert hatte, nicht mit vorbereitet worden, doch solidarisierte er sich sogleich mit den Putschisten und ihrer Diktatur und sicherte damit auch die Untersttzung der brigen Teile des Mili- trs. Nicht nur die Grobourgeoisie im Innern, sondern auch das aus- Die Randzonen der kapitalistischen Welt 291 lndische Kapital, das sogleich enorme Privilegien erhielt, wurden beru- higt, das heit, ber den sozialen Inhalt der Diktatur aufgeklrt. 3. Die USA, fr die seit Beginn des Kalten Krieges Griechenland allein in seiner Eigenschaft als zuverlssige antikommunistische Ba- stion von Interesse gewesen war, waren - worauf eine Flle von Anzei- chen hindeutet - an der Vorbereitung eines Militrputsches beteiligt, vermutlich aber in Zusammenarbeit mit dem Knig und den Genera- len. 30 Doch entsprach, wie ihr weiteres Verhalten - nach einer sehr kurz bemessenen Anstandsfrist - zeigt, auch die Obristendiktatur ihren In- teressen. Freilich wre ihnen - aus propagandistischen Grnden - eine gewisse Korrektur an der Fassade des Systems bald willkommen gewe- sen. Mit der Errichtung dieser Diktatur wurden zum erstenmal die von den USA in Lateinamerika seit langem gebten Methoden auch in einem europischen Land angewandt, worin A. Papandreou und Sartre die besondere Bedeutung dieses Vorgangs erblicken (vgl. S. 104 und 8). 4. Aus der Genese dieser Diktatur und der allgemeinen Interessen- struktur, in die sie eingebettet ist, lassen sich einige fr die Faschismus- diskussion wichtige Schlufolgerungen ableiten: a) Die soziale Funktion des Systems ist evident: Es dient einerseits der Bewahrung der Herrschaftsposition und der damit verbundenen so- zialen Privilegien der herrschenden Klasse, die in Griechenland aus so- zialhistorischen Grnden hauptschlich von der Handelsbourgeoisie reprsentiert wird - und natrlich ihres machtpolitischen Garanten, des Militrs. Es hat reaktionren Charakter. Und andererseits dient es den strategischen und konomischen Interessen der USA, hat also zugleich monopolkapitalistischen Inhalt. b) Die Herrschaftsmethode ist, da sich selbst ein uerst einge- schrnktes und korrumpiertes parlamentarisch-rechtsstaatliches System noch als zu gefhrlich fr die herrschende Klasse erwiesen hatte, eine terroristische, die rechtsstaatliche Garantien und brgerliche Freiheiten negiert. Es handelt sich also um eine terroristische Diktatur. c) Solche Diktaturen knnen, wie schon errtert, die Unterdrckung und Entrechtung der Massen auf verschiedene Weise realisieren. Mili- tr- und Polizeidiktaturen gehen normalerweise aus einem Putsch oder Staatsstreich von Teilen des Exekutivapparates hervor und sttzen sich dann auch hauptschlich auf einen starken staatlichen Repressionsappa- rat. Faschistische Diktaturen gelangen zur Macht mit Hilfe einer Mas- senbewegung und sttzen sich dann auf die kombinierte Anwendung von Terror und tendenziell totaler organisatorischer und ideologischer Durchdringung der Gesellschaft, die die Massen teilweise zu aktiver Untersttzung des Systems bewegt und die Opposition auch ideolo- 292 Zur Aktualitt des Faschismusproblems gisch gegenber den Massen isoliert. Da beide Typen terroristischer Diktatur zwar ihrer sozialen Funktion nach identisch, ihrer Genese, ihren Erfolgsbedingungen und ihrer Herrschaftsstruktur nach aber ver- schieden sind, erscheint es schon aus Grnden begrifflicher Klarheit und Eindeutigkeit nicht empfehlenswert, sie mit dem gleichen Begriff Faschismus ohne weitere Differenzierung zu bezeichnen. Dem Typ des deutschen und italienischen Faschismus entspricht das griechische System nicht. Weder ist es mit Hilfe einer Massenbewegung an die Macht gekommen, noch hat es die Gesellschaft mit Hilfe von Massenorganisationen politisch erfat und ideologisch durchdrungen. Zwar wurden Versuche unternommen, nach Errichtung der Diktatur sich die Methodik dieser faschistischen Systeme gewissermaen zunutze zu machen und eine Massenbasis nachtrglich zu gewinnen, doch sind diese vollstndig gescheitert. Allerdings waren einige Ele- mente zu beachten, die eher faschistischen Charakter im Sinne des klassischen Faschismus hatten: Einerseits vertritt (das Regime) die In- teressen der monopolistischen Grobourgeoisie, andererseits hat es sich mit deren traditionellen Reprsentanten berworfen, denen gegenber es eine berraschende Unabhngigkeit beweist. Der Staats- und Militr- apparat wurde nicht allein von den wenig zahlreichen Liberalen gesu- bert, auch die eng mit der traditionellen Machtstruktur Verbundenen wurden entfernt. Das Knigtum . . . ist entmachtet (Tsoucalas, S. 140). Daraus ergaben sich gewisse Konflikte zwischen den Diktatoren und der durch klassische Rechtspolitiker, Generale, hohe Staatsbeamte sowie den Knig reprsentierten Grobourgeoisie (S. 148), die aller- dings nicht mit grundstzlichen Kmpfen um Diktatur oder Demokra- tie zu verwechseln sind. Sie hneln eher den Konflikten zwischen faschistischer Partei- und Staatsfhrung und traditionellen Herrschafts- eliten im italienischen oder deutschen Faschismus. Der kleinbrgerli- chen Herrschaft der Obristen entsprachen auch Elemente ihrer Ideolo- gie. Neben den blichen ideologischen Motiven der Rechten - Ge- meinschafts- und Vaterlandsideologie, militanter Antikommunismus, Berufung auf die groe Vergangenheit der griechischen Nation, die gele- gentlich rassistische Zge annahm - fand sich ein rigider Moralismus. Dazu kamen einige populistische Manahmen - vor allem in der Anfangsperiode -, zum Beispiel die Streichung der buerlichen Schul- den, die Kampagne gegen Korruption in den Behrden usw. Zieht man all dies in Betracht, so lt sich das griechische System kennzeichnen als eine reaktionre terroristische Militrdiktatur mit einigen, allerdings nicht zentralen Merkmalen des Faschismus. Die in dem vorliegenden Sammelband benutzte Terminologie ist Die Randzonen der kapitalistischen Welt 293 nicht einheitlich. Im Titel ist von Faschismus die Rede, ohne da dies in den folgenden Texten irgendwo systematisch entwickelt und be- grndet wrde. Dagegen vertritt Tsoucalas die These, da die Obri- stendiktatur die spezifischen Merkmale des 'klassischen' Faschismus nicht oder zumindest noch nicht besitzt: Erstens sei das System nicht aus einer Wirtschaftskrise hervorgegangen, zweitens handle es sich bei der griechischen Grobourgeoisie um eine vom Ausland minde- stens teilweise abhngige Kraft und drittens fehle die Massenbasis (S. 146f.). Dieser Verfasser hlt die Ansicht fr ungengend, man habe es in Griechenland mit einem neokolonialen Regime zu tun, das sich auf auslndische Krfte (der CIA) sttze, um nichts anderes als die Ausbrei- tung fremder Monopole zu gewhrleisten. Zwar sei die Diktatur mit Hilfe der USA errichtet worden und habe auch deren Interessen ent- sprochen; dennoch sei sie im wesentlichen eine Antwort des griechi- schen Brgertums auf sozialpolitische Widersprche, die seine eigenen Interessen schdigten (S. 148). Mindestens wird man also sagen kn- nen, da in die Entwicklung Griechenlands beide - im Interesse an einer Diktatur konvergierenden - Faktoren eingegangen sind und also in der Analyse bercksichtigt werden mssen. Auerordentlich interessant ist in dieser Hinsicht, was sich seit 1965 in Indonesien vollzog. Sowohl die Autoren des Buches t-.-..- +-/,. .-. :/. 31 als auch die verbotene KP Indonesiens bezeichnen das 1965 etablierte Herrschaftssystem als faschistisch (S. 227 und S. 231). Wendet man die oben entwickelten Kriterien an, so erscheint dies zwar als weitgehend, doch nicht gnzlich unbegrndet: Sowohl der reaktionre wie auch der terroristische Charakter dieser Diktatur sind eindeutig und werden in diesem Buch hinreichend belegt. Dies gilt insbesondere fr die Interessen der auslndischen Monopole, die durch die Nationalisierungspolitik der Regierung Sukar- nos akut bedroht waren und von dem neuen System geradezu zur Leit- linie der Politik erhoben wurden. Insoweit gehren Errichtung, Struktur und Politik dieses Systems in den Kontext neokolonialistischer Politik, die seit 1945 insbesondere in Lateinamerika und Sdostasien eine beachtliche Zahl von reaktionren, terroristischen, vom Imperialismus abhngigen Regimes hervorgebracht hat. Was das indonesische System jedoch von dem blichen Typ dieser Regimes unterscheidet, ist die Methode seiner Errichtung. Gesttzt auf eine Millionen umfassende, durch reaktionre, hauptschlich mit dem Islam verbundene Idologien mobilisierte Massenbewegung ist es hier 294 Zur Aktualitt des Faschismusproblems dem rechten Flgel des Militrs gelungen, die Organisationen der Lin- ken innerhalb krzester Zeit zu zertrmmern. Dieses Massaker - inner- halb weniger Wochen wurden nach vorsichtigen Schtzungen etwa 500.000 Menschen zum Teil auf bestialische Weise ermordet - findet in der Nachkriegsgeschichte keine Parallele und geht an organisierter Bru- talitt noch weit ber den Terror hinaus, den die Nationalsozialisten in den ersten Monaten des Jahres 1933 gegenber der Arbeiterbewegung eingesetzt haben. Jeder, der als kommunistenfreundlich galt oder auch nur denunziert wurde, wurde von den organisierten Terrorbanden der Moslems unter Anleitung des Militrs erbarmungslos gejagt und nieder- gemetzelt. Weitere Untersuchungen htten freilich noch Herkunft, Charakter und Wirksamkeit dieser reaktionren Islamideologie sowie die Struktur dieser Bewegung zu klren und vor allem ihre Rolle fr das dann etablierte System. Es scheint, da diese Rolle nur eine sehr ge- ringe ist, was allein schon angesichts des niedrigen Entwicklungsstandes dieses Landes und der fehlenden technischen Mglichkeiten zur orga- nisatorischen Durchdringung aller sozialen Bereiche nicht verwunder- lich wre. Immerhin hat sich hier unter ganz andersartigen gesellschaft- lichen Bedingungen eine reaktionre Massenbewegung mit aueror- dentlich weitreichenden politischen Folgen organisiert, die in einer all- gemeinen Theorie ber den internationalen Faschismus bercksichtigt werden mu - zumal nicht ausgeschlossen werden kann, da sich hnli- ches auch anderswo, zum Beispiel in anderen islamischen Lndern ereignet. Auffllig ist, da sich in t.--./ gerade auch in den groen Ln- dern die Errichtung von Diktaturen seit den 60er Jahren so gehuft hat und da sich diese Systeme von den in dieser Region blichen und her- kmmlichen Militrdiktaturen betrchtlich unterscheiden. Die Errich- tung der Diktatur in Chile 1973 hat die politische und wissenschaftli- che Diskussion ber den Charakter solcher Regimes bedeutend inten- siviert. Lateinamerikanische und europische Sozialwissenschaftler haben auf Grund dieser neuen Entwicklungen die Theorie vom //-,,.- :///-. entwickelt, die schon in der Begriffsbildung eine genauere Charakterisierung dieses Typs von Faschismus ausdrcken soll. 32 Sie gehen von der These aus, da die verstrkte Tendenz zu offen terroristischen Regimes zurckzufhren ist auf die verschrften Krisen- erscheinungen der kapitalistischen Weltwirtschaft, die neuen Struktu- ren internationaler Arbeitsteilung und den dadurch verstrkten Drang des in- und auslndischen Grokapitals, zur politischen Sicherung der Die Randzonen der kapitalistischen Welt 295 neuen konomischen Herrschaftsformen neue Formen der politischen Unterdrckung zu entwickeln: Bekanntlich basierte der Proze der Industrialisierung in Latein- amerika schon in seinen Anfangen auf der Einfhrung auslndischer Technologie, was eine Situation der technologischen Abhngigkeit bewirkte. Unter diesen Bedingungen tendierte der Industriesektor zu oligopolistischen Strukturmerkmalen, die sich nicht nur im Rahmen eines Zweiges zeigten, sondern auch die verschiedenen Zweige selbst einer Differenzierung in dem Mae aussetzten, je nachdem wie stark die Anwendung von Technologie und folglich die Kapitalkonzentration war. Dieses Phnomen erlaubte, innerhalb des Industriesektors zwischen 'dynamischen' und 'stagnierenden Industrien' zu unterscheiden. Dieses Phnomen spitzte sich zu und wurde Mitte der 60er Jahre die Grund- lage der Entwicklung einer neuen Form der internen Kapitalakkumula- tion, bei der die in den Industriezweigen mit der hchsten Kapitalkon- zentration angewandte Technologie im Unterschied zu frheren Peri- oden Weltniveau besa. Unter diesen Bedingungen beschleunigte sich der Proze der Kapi- talkonzentration und bewirkte eine starke Zentralisierung auf jene wirt- schaftlichen Ttigkeitsfelder, die von der neuen Technologie begnstigt werden. Diese Aktivitten sind auf einen relativ engen Sektor industriel- ler und agrarindustrieller Zweige und Unterzweige begrenzt . . . Der Proze der Konzentration von Spitzentechnologie und Kapital wird von einem fortlaufenden Proze der Entnationalisierung begleitet, der in der quantitativen und qualitativen Zunahme der Beteiligung des Auslandskapitals im konzentrierenden und dynamischen Bereich zum Ausdruck kommt. Dieses Phnomen wird im allgemeinen durch das Ei- gentum an der transferierten Technologie bestimmt, von der Notwen- digkeit, groe Investitionen zu ttigen, um den neuen Akkumulations- proze zu entwickeln, und durch die Kontrolle der Auenmrkte, die als Abnehmer der neuen Produktion vorgesehen sind. Mit der Kon- trolle des mehr dynamischen Sektors durch das auslndische Kapital wird die Herrschafts- und Abhngigkeitsbeziehung durch eine wach- sende Kontrolle von Eigentum und Handel der Produktion verfestigt, was zu einer fortschreitenden Entkapitalisierung der Volkswirtschaft fhrt. Die Produktion des konzentrierenden und dynamischen Bereichs stt im Laufe ihrer Entwicklung auf das Hindernis der relativen Enge des nationalen Marktes, der durch die verringerte Nachfrage von Seiten der lohnabhngigen Bevlkerung und anderer Schichten noch zustz- 296 Zur Aktualitt des Faschismusproblems lich eingeengt wird, eine Folge der neuen Form der Akkumulation. Infolgedessen mu die Expansion auf auslndische Mrkte mit in die Planung eingehen, um den Absatz der Produktion zu gewhrleisten . . . Eine wachsende Profitrate, das Hauptziel der kapitalistischen Dyna- mik, bildet gegenwrtig das zentrale Element der Motivation des aus- lndischen Kapitals im Rahmen der neuen Form der internen Akkumu- lation; dazu kommt deren zustzliche Bedeutung als Faktor der kono- mischen Wiederbelebung unter den gegenwrtigen Bedingungen der internationalen Krise . . . (Deshalb) entwickelt das konomische System zwei wichtige Mecha- nismen: den Transfer von Mehrwert vom zersplitterten und stagnieren- den in den konzentrierenden und dynamischen Bereich als Folge der hheren Produktivitt und des monopolistischen Charakters des letzte- ren und die allgemeine Erhhung der Mehrwert- bzw. Ausbeutungs- rate . . . Die Mglichkeit, die Ausbeutungsrate zu erhhen, ergibt sich zunchst in dem Mae, wie der Wert der Arbeitskraft durch die Ver- minderung des Wertes der Lohneinkommen gesenkt wird, was durch die Erhhung der relativen Produktivitt erreicht wird. Dieses Ver- fahren erlaubt den Kapitalisten die Einnahme einer betrchtlichen re- lativen Mehrwertmasse. Eine zweite Quelle zur Erhhung der Aus- beutungsrate wurzelt in der Gewinnung des absoluten Mehrwerts durch die Intensivierung und Verlngerung des Arbeitstages. Schlielich kann die Erhhung der Ausbeutungsrate durch eine direkte Verminderung des Reallohns der Werkttigen erreicht werden, was unter den Bedin- gungen der fr Lateinamerika typischen Inflation besonders begnstigt wird . . . Die Mglichkeit, einen immer grer werdenden Teil des produzier- ten Wertes in Mehrwert umzuwandeln, um so eine Erhhung der Aus- beutungsrate zu erzielen, beruht in letzter Instanz auf der Fhigkeit der Kapitalisten, den Widerstand der Arbeiter zu brechen und jeden Ver- such von seiten der Werkttigen, ihre Arbeitskraft aufzuwerten, zu unter- binden Es handelt sich um den direkten Ausdruck des Klassenkampfes im Produktionsproze, und die definitive Durchsetzung der Ziele des Wirtschaftssystems wird deshalb vom politischen Krfteverhltnis zwi- schen den sozialen Klassen abhngig sein. Hier findet sich folglich die letztendliche Erklrung fr die politi- schen Formen, auf die sich das System sttzt, das strikt darauf ausgerich- tet ist, die Befriedigung der Interessen des Grokapitals und letztend- lich eine wachsende Ausbeutungsrate gegen die Interessen der Werktti- gen zu sichern . . . Die Randzonen der kapitalistischen Welt 297 Unter einem anderen Gesichtspunkt bedeutet dies eine fortschrei- tende Konzentration der Einkommen in der Wirtschaft. Diese Konzentration richtet sich auf der einen Seite gegen die Arbei- ter und begnstigt die kapitalistischen Sektoren. Innerhalb dieser Sekto- ren richtet sie sich gegen die Fraktionen der kleinen und mittleren Bourgeoisie und berbevorteilt das monopolistische Grokapital, das der Grobourgeoisie vorbehalten ist. Diese Situation ist ein Ausdruck der Tatsache, da das Einkommen im konzentrierenden und dynami- schen Bereich der Wirtschaft auf Kosten des zersplitterten und stagnie- renden Bereichs konzentriert ist. Aus diesen vernderten Akkumulationsbedingungen leiten die Auto- ren nun die Notwendigkeit der herrschenden Klasse ab, andere politi- sche Herrschaftsformen zu entwickeln: Die Akkumulationsformen, die die Entwicklung eines industriellen Sektors in den lateinamerikanischen Volkswirtschaften ermglichten, und deren damit verbundene Integration in die internationale gesell- schaftliche Arbeitsteilung vollzogen sich im Rahmen einer Politik, die darauf zielte, die Interessen des auslndischen Kapitals, der aufsteigen- den Industriebourgeoisie und der traditionellen alten Oligarchie mit- einander zu vereinen. Sie war dabei gleichzeitig bemht - und dies in der Anfangsphase auf eindeutig populistischer Grundlage - die Werkt- tigen zu neutralisieren oder sogar fr das neue Projekt zu gewinnen. Konkret bedeutet das die Herausbildung eines breiten Systems des staatlichen Protektionismus fr die Industrie, das zur Entstehung einer buntscheckigen Masse kleiner Unternehmen mit geringer Produktivitt fhrte; ferner brachte dies die Erhaltung rckstndiger und unproduk- tiver Strukturen in der Landwirtschaft und ein System des Dialogs mit der Arbeiterklasse mit sich, das in einigen Fllen einen gnstigen Rah- men fr die unabhngige Entwicklung der proletarischen politischen und gewerkschaftlichen Organisationen abgab. Diese Politik, die bald reformistische Zge annahm, erwies sich in der Mitte der 60er Jahre als eindeutig unzureichend, um den Entwick- lungstendenzen des abhngigen Kapitalismus auf dem Kontinent gerecht zu werden, und schlielich als ein objektives Hindernis fr die Herausbildung der neuen Akkumulationsformen. Der Popularismus und der Reformismus waren unfhig, die Reallhne in dem Mae her- abzudrcken, wie dies die neuen Bedingungen erforderten. Sie waren auch nicht in der Lage, den Protektionismus aufzuheben, der die Kon- zentration von Kapital in einem neuen dynamischen Sektor ermgli- chen sollte und sie konnten die Rckstndigkeit der Landwirtschaft nicht berwinden. - Das fhrte zu zunehmender Stagnation und 298 Zur Aktualitt des Faschismusproblems wachsender Instabilitt, wie sie die lateinamerikanischen Volkswirt- schaften seit dem Ende der 60er Jahre kennzeichneten. Die oben dargestellte Einkommenskonzentration beim monopolisti- schen Kapital geht im nationalen Machtgefge einher mit der Neufor- mierung des herrschenden Blocks, der jetzt ausschlielich vom ein- heimischen und auslndischen Grokapital gebildet wird. Das bedeutet, da die traditionelle Oligarchie der Grogrundbesitzer an den Rand gedrngt wird und da die kleine und mittlere Bourgeoisie, die vom staatlichen Protektionismus und einer weniger starken Einkommens- konzentration profitierte, jetzt ihre Vorteile verliert, die sie frher auf- grund ihrer Nhe zu diesem herrschenden Block erzielte. Diese ./. t/..-, .. /./.-..- o// dessen Politik folglich nicht nur im Widerspruch zu den Lohnabhngigen, sondern auch zu Teilen der Bourgeoisie steht, bringt mit sich, da die bis zur uersten Grenze getriebene Ausbeutung der groen Mehrheit und die Marginali- sierung bisher privilegierter Schichten unvermeidlich .. .-. ..-/ ..- ..- .-. .. .,...- t/. / t.,..-,/- fh- ren mu. Die absolute Strkung der Exekutive und weitestgehende Schw- chung, ja vllige Ausschaltung des Parlaments sind die Widerspiegelung einer objektiven Wirklichkeit, in der ein homogener herrschender Block die Institution des Parlaments als Ort, an dem die Fraktionen der Bourgeoisie ffentlich ihre Differenzen austragen konnten, beseitigt hat. In der Tat gibt es unter den gegenwrtigen Bedingungen kaum noch etwas auszutragen. Die Vernderungen, die sich aus den neuen wirt- schaftlichen Zielen ergeben, erfolgen fast ausschlielich im Interesse des neuen herrschenden Blocks, aus dem alle Fraktionen ausgeschlos- sen wurden, die nicht zur Grobourgeoisie gehren. Daher knnen diese Manahmen nur von einer starken und autoritren Exekutive entschieden werden . . . Deshalb wird in dem politischen Modell anstelle des Parlaments die Exekutive und die repressive Funktion des Staates gestrkt und zum echten Rckgrat der neuen Herrschaftsstruktur entwickelt. Nur auf der Grundlage dieses Repressionssystems kann die Ausbeutung der Lohn- abhngigen ber die Zerschlagung ihrer politischen und gewerkschaftli- chen Organisationen und die physische Vernichtung ihrer Fhrungska- der bis zur uersten Konsequenz getrieben werden. Nur so kann auch der Widerstand der an den Rand gedrngten Teile der Bourgeoisie gebrochen werden und besonders der des Kleinbrgertums, das zu extremistischen Positionen neigt, wenn sich seine Lebensbedingungen verschlechtern . . . Die Randzonen der kapitalistischen Welt 299 Durch die Krise werden also die Alternativen sichtbar, die sich fr die Entwicklung auf dem Kontinent stellen: Auf der einen Seite die Politik der verstrkten Konzentration, die Entnationalisierung und Un- terordnung des einheimischem Grokapitals unter das auslndische Kapital. Auf der anderen Seite eine wirklich nationale und somit antiim- perialistische Politik, zu der notwendigerweise die Zerschlagung der Industrie- und Finanzmonopole wie die Vergesellschaftung der ent- scheidenden Produktions- und Dienstleistungsbereiche durch den Staat mit dem Ziel der Einleitung einer Planung der Wirtschaft gehrt . . . Aus diesem Grund wird in allen Positionen, die ideologisch das System zu rechtfertigen versuchen, um die kleine und mittlere Bour- geoisie zu gewinnen oder zu neutralisieren, die Gefahr hervorgehoben, die dem Kapitalismus allgemein von einer politischen Strkung der Volkskrfte drohe. Mehr noch: Da das Regime des Grokapitals aus der Krise - welche Ausdruck des bergangs zu neuen kapitalistischen Akku- mulationsformen ist - hervorgeht und Teil von ihr ist, versucht es, diese Krise fr seine Bedrfnisse zu nutzen und neue ideologische Formen zu seiner Strkung und zum Kampf gegen die Volksbewegung zu fin- den . . . Hier zeigt sich, da Regimes dieses Typs in Lateinamerika nicht eine zufllige und noch weniger eine vorbergehende Erscheinung sind. Sie sind Ausdruck der hervorstechenden Zge der einzigen Alternative zum Sozialismus, oder aus einem anderen Blickwinkel gesehen, der einzigen Regierungsform, die der kapitalistische Staat annehmen kann, um zu berleben und im Inland die Akkumulationsformen zu schaffen, die der Kapitalismus als internationales System verlangt . . . Diese grundstzliche bereinstimmung reicht zwar zur allgemeinen Charakterisierung dieser Regimes aus, aber nicht fr ihre spezifische Beschreibung. Wir knnen hier nur darauf hinweisen, da sie sich auch in vielen formalen Aspekten vom europischen Faschismus zwischen den Weltkriegen unterscheiden. Wir sind uns jedoch bewut, da hier nicht der Ort ist, eine endgltige Antwort auf die Frage nach der genauen Beziehung zwischen dem Typ des Faschismus, wie er heute in Lateinamerika zu verzeichnen ist, und dem Faschismus, den wir als 'klassisch' bezeichnen knnen, zu geben. Wir beschrnken uns darauf, auf ein Grundelement hinzuweisen, das grundstzlich zur Lsung dieses Problems beitragen kann, wobei gesonderte und grndlichere Untersu- chungen zu diesem Thema erstellt werden mssen. Es geht darum, da sich die Unterschiede im wesentlichen dahinge- hend zusammenfassen lassen, da die lateinamerikanischen Regimes als nicht nationalistisch, sondern vielmehr als den auslndischen Interes- 300 Zur Aktualitt des Faschismusproblems sen untergeordnet zu charakterisieren sind; da sie sich nicht auf eine zivile Organisation der Partei sttzen, um an die Macht zu gelangen, sondern direkt auf die Armee und nicht einmal zu Beginn, wenn die Un- tersttzung durch die kleine und mittlere Bourgeoisie noch am grten ist, mit einer echten Massenbasis rechnen knnen. Die Unterschiede sind vor allem ihrem Wesen nach auf etwas zurckzufhren, das die la- teinamerikanischen Gesellschaften vor allem auszeichnet - .. +//- ,,/. Wir glauben deshalb, das diese Regimes am besten durch den Begriff //-,,. t/-. zu charakterisieren sind. Als Funktion der Abhngigkeit der lateinamerikanischen Gesell- schaften ist folglich die unvermeidliche Unterordnung der sich in ihnen herausbildenden faschistischen Regimes unter die Interessen des internationalen Monopolkapitals zu erklren. Die Kennzeichnung dieser Systeme als abhngiger Faschismus benennt in der Tat einen wesentlichen Unterschied zum deutschen und italienischen Faschismus. Sinnvoll wre es, auch den Unterschied in den Methoden der Herrschaftssicherung, also die fehlende Massenbasis und die hauptschliche Absicherung durch den staatlichen Gewaltap- parat, in der Begriffsbildung auszudrcken und von abhngigem Mili- trfaschismus zu sprechen. Diese Bezeichnung wrde jedenfalls dem Erfordernis gengen, diese Herrschaftssysteme von den faschistischen Diktaturen der 20er und 30er Jahre deutlich zu unterscheiden. Die hier skizzierten Theorien schlieen an eine These des amerika- nischen Sozialwissenschaftlers Paul Baran aus den 50er Jahren an, der vom exportierten Faschismus sprach. 33 Die Errichtung terroristischer Herrschaftssysteme im kolonialen und halbkolonialen Bereich durch kapitalistische Staaten bei Aufrechterhaltung parlamentarisch-rechts- staatlicher Formen im Mutterland ist zwar nichts Neues, sondern gehrte von Anfang an zur Praxis der Kolonialmchte. Der Monopol- kapitalismus hat jedoch, wie die oben dargelegten Untersuchungen gezeigt haben, auch hier zu einer qualitativen Vernderung gefhrt. C. Versuch einer Typologisierung (M. Weibecker) Geht man von dem weiten Faschismusbegriff der Dimitroff-Richtung aus und verzichtet also auf die Massenbewegung als Definitionsele- ment, so lassen sich fr die Periode seit 1945 sehr vielfltige Erschei- nungsformen des Faschismus unterscheiden. Der in Jena lehrende Historiker Manfred Weibecker hat versucht, diese verschiedenen Typen zu systematisieren. 34 Er unterscheidet im wesentlichen sechs Erscheinungsformen: Die erste Erscheinungsform verkrpern jene Staaten, in denen die faschistische Diktatur bereits in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen errichtet wurde, die also den Zusammenbruch der faschistischen Hauptmchte Deutschland und Italien berdauert haben. Dazu gehren Spanien und Portugal. Weibecker nennt sie die 'traditionellen' faschistischen Diktaturen. Beide muten - was Wei- becker zwar vermuten, aber noch nicht als vollendete Tatsache darstel- len konnte - um die Mitte der 70er Jahre dem gewachsenen Druck der demokratischen Krfte im nationalen und internationalen Mastab weichen und durch parlamentarisch-demokratische Staatsformen er- setzt werden. Dabei ergaben sich fr die demokratischen Krfte neue Entfaltungsmglichkeiten und fr die herrschende Klasse groe Schwierigkeiten, die Demokratisierung auf den staatlich-institutionellen Bereich zu beschrnken und die alte Eigentums- und Gesellschaftsord- nung zu sichern. Sie versuchen dabei, so viel wie mglich auch vom alten Staatsapparat zu bewahren - wie dies die herrschende Klasse in solchen Situationen immer tut und auch nach 1918 und nach 1945 in Deutschland mit Erfolg getan hat. Auch wenn die sozialistischen Bestrebungen in beiden Lndern zunchst einmal eingedmmt werden konnten, ist doch der Sturz dieser Diktaturen ein groer Fortschritt im Sinne der Demokratie und der weiteren Mglichkeiten des demokrati- schen Kampfes. Als zweite Erscheinungsform nennt Weibecker neue faschistische oder halbfaschistische Regimes, zu denen er Chile, das militrfaschi- stische Griechenland (1967 bis 1974) und in vieler Hinsicht auch reak- tionre Militrregimes in Lateinamerika und Asien zhlt. Weibecker sieht vor allem drei Ursachen, die sehr eng miteinander verknpft sind, 302 Zur Aktualitt des Faschismusproblems zugleich aber nicht unwesentliche Unterschiede in den einzelnen terro- ristischen Herrschaftsformen bedingen: Die Errichtung eines faschistischen Regimes erfolgt vor allem mit dem Ziel, den in der Aktionseinheit der Arbeiterklasse und in der anti- imperialistischen Volksfront zusammengefhrten Krften in entschei- denden Phasen des Klassenkampfes den Weg zum Fortschritt zu verle- gen . . . Dabei stimmen die Interessen der jeweiligen nationalstaatlich organi- sierten Grobourgeoisie mit denen des Weltimperialismus berein, wenn letzterer an der strategischen Position des jeweiligen Landes besonders interessiert ist. So war es in Chile 1973 und in Griechenland 1967 . . . Die Hinwendung zu neuen faschistischen bzw. halbfaschistischen Herrschaftsformen erfolgt gleichzeitig in der Absicht, eigene hegemo- niale Ansprche, darunter konomische Expansionsgelste, durchzuset- zen. Dieses enge Wechselverhltnis zwischen dem Hauptwiderspruch Kapital und Arbeit und den Gegenstzen innerimperialistischer Natur, das 1933 fr die Errichtung der hitlerfaschistischen Diktatur in Deutschland ausschlaggebend war, drfte heute zum Beispiel bei der Faschisierung in Brasilien eine groe Rolle spielen . . . So zum Beispiel sucht das Monopolkapital in Brasilien mit Unter- sttzung der USA die traditionelle Auseinandersetzung mit Argentinien um die Hegemonie in Sdamerika zu seinen Gunsten zu entscheiden und einen eigenen 'Subimperialismus' zu entwickeln . . . Faschistische Regimes konnten sich schlielich dort entwickeln, wo Sicherung und Maximierung des Profits sehr eng mit dem verzweifelten Ringen der herrschenden Klasse um die Aufrechterhaltung des Rassis- mus und kolonialer Praktiken verbunden ist. So haben die herrschen- den Kreise in Sdafrika einen 'schleichenden Faschismus' in Gang ge- setzt, mit dessen Hilfe seit 1948 durch die Nationalistische Partei ein umfangreiches Repressionssystem zur Unterdrckung, Ausbeutung und Entrechtung der zahlenmig berwiegenden afrikanischen Bevlke- rung sowie des 'weien' Proletariats geschaffen worden ist (S. 39f)- Als dritte Erscheinungsform des Neofaschismus nennt Weibecker faschistische Organisationen und Bewegungen in den kapitalistischen Lndern. Zu den grten gehrt die Movimento Sociale Italiano (MSI), die in Verbindung mit rund 350 rechtsradikalen Terrorgruppen eine 'Strate- gie der Spannungen' verfolgt, um mit Morden (seit 1969 rund 50!), Bombenanschlgen und provokatorischen Ausschreitungen (seit 1969 allein in Rom 1500) ein Klima der Unsicherheit zu schaffen, demokrati- Versuch einer Typologisierung 303 sehe Reformen zu torpedieren und die Apenninen-Halbinsel fr einen neuen 'starken Mann' reif zu machen . . . Die italienischen Neofaschisten bezeichnen sich unverhohlen als die 'Erben des Duce' und demonstrieren die Wesensgleichheit und die Kontinuitt in der Entwicklung von Faschismus und Neofaschismus. Groe Teile des italienischen Neofaschismus sind als eine direkte Fort- setzung des alten Mussolini-Faschismus zu betrachten, als eine ortho- doxe Form des Neofaschismus . . . Die politische und soziale Funktion dieser Organisationen ist in allen imperialistischen Lndern gleich: Sie bilden ein zustzliches und den staatsmonopolistischen Herrschaftsmechanismus ergnzendes Pressionsmittel gegenber der Arbeiterklasse; sie werden von der Mono- polbourgeoisie zur Rechtfertigung ihres gegen Demokratie und Fort- schritt gerichteten Autoritarismus bentigt und stellen eine Reserve fr den Fall dar, da die Aufrechterhaltung der Reste brgerlicher Demo- kratie dem Monopolkapital als ungeeignet zur Sicherung seiner Macht erscheint. (S. 40f.). Die vierte Erscheinungsform sieht Weibecker in dem starken rechtsextremistischen Potential im Staatsapparat, vor allem in Fh- rungsschichten der Armee und der Polizei, der Justiz und der Staatsb- rokratie. Im Unterschied zur Lage nach dem Ersten Weltkrieg sei es heute faschistischen Parteien kaum mglich, Massenorganisationen auf- zubauen. Heute sei der Staatsmechanismus selbst zu einem gewaltigen Inkubator faschistischer Bazillen geworden. Dabei greifen faschistische Ideen auch auf die brgerlichen Parteien des rechten Flgels ber (S. 42). Es ist nicht recht einsichtig, wo hier der qualitative Unterschied ge- genber der Periode nach dem Ersten Weltkrieg liegen soll. Allenfalls knnte man von einer graduellen Verschiebung sprechen. Denn auch fr die damalige Periode war es kennzeichnend, da der Staatsapparat die faschistischen Aktivitten geduldet und begnstigt und den Faschi- sierungsproze auch aktiv vorangetrieben hat. Dies war besonders deut- lich in Italien, gilt jedoch auch fr Deutschland. Und auch die Propagie- rung faschistischer Ideen durch die brgerlichen Parteien des rechten Flgels, in Deutschland vor allem durch die Deutschnationalen, aber auch durch die Deutsche Volkspartei und das Zentrum, war von betrchtlicher Bedeutung fr die Salonfhigkeit der NSDAP. Es erscheint auch fragwrdig, die Bildung einer faschistischen Mas- senbewegung heute fr (fast) unmglich zu erklren. Wenn Parteien wie die MSI in Italien oder die NPD in der Bundesrepublik bis zu 10 Pro- zent der Stimmen erhalten, so ist unter Bedingungen einer noch schwe- 304 Zur Aktualitt des Faschismusproblems reren und lnger anhaltenden Krise und verstrkter Demagogie durch die gesamte rechte Propagandamaschinerie auch ein noch strkeres Anwachsen nicht auszuschlieen - zumal das autoritre und faschisti- sche Potential in der Bevlkerung, besonders in der Bundesrepublik, betrchtlich ist. 35 Im Falle der MSI wre darauf hinzuweisen, da eine Partei von 400.000 Mitgliedern - diese Zahl nennt Weibecker selbst - wohl schon als Massenbewegung gelten mu. Sehr viel strker ist die Bewegung Mussollinis im Jahre 1921 auch nicht gewesen. Eine weitere, /.-/. Erscheinungsform des Faschismus ist die Anwendung einzelner oder mehrerer faschistischer Methoden und Praktiken in bestimmten Bereichen imperialistischer Politik. So sind die grausame amerikanische Kriegfhrung in Indochina und bestimmte terroristische Zge in der Aggressions- und Annexionspolitik Israels gegenber den arabischen Lndern und dem Volk von Palstina mit den faschistischen Methoden der totalen Kriegfhrung Hitlerdeutschlands vergleichbar. Faschistischen Charakter hatte gleichermaen die blutige Liquidie- rung von einer halben Million indonesischer Kommunisten oder die Unterdrckung nationaler oder rassischer Minderheiten in mehreren kapitalistischen Lndern. Dabei ist nicht nur an die berchtigte Apart- heidpolitik in Sdafrika, sondern auch an die barbarische Behandlung der Indios in Brasilien oder der farbigen Brger (10 Prozent der Bevl- kerung!) in den USA zu denken. Weibecker spricht hier von faschi- stischen Methoden auf Einzelgebieten, wenngleich die Gesamtheit des Systems nicht als faschistisch bezeichnet werden kann (S. 42). Gegen diese Ausweitung des Faschismusbegriffs sind erhebliche Be- denken am Platz - unabhngig von der Frage, ob man die faschistische Massenbewegung als wesentliches Element des Faschismus betrachtet oder nicht. Wenn man den Faschismusbegriff schon dort anwendet, wo in Einzelbereichen grausame und terroristische Herrschaftsmethoden praktiziert werden, so geht die analytische Schrfe und Przision des Faschismusbegriffs weitgehend verloren. Derlei Methoden sind blich, seit es Klassengesellschaften gibt, also seit mehr als 5.000 Jahren. Und selbst wenn man den Begriff begrenzt auf die imperialistische Periode, so ist damit an Przision noch nicht viel gewonnen. Es gibt kaum einen Staat und kaum einen politischen und gesellschaftlichen Bereich, in dem solche Methoden nicht von Fall zu Fall angewandt wurden. Der Vorschlag Weibeckers kommt dem Begriff des sektoralen Faschismus nahe, wie er von Manfred Clemenz entwickelt wurde 36 und gegen den die gleichen Bedenken bestehen. Um die Klarheit des Faschismusbe- griffs zu erhalten und um ihn nicht durch weite Anwendung auf alle Versuch einer Typologisierung 305 Formen von partiell, punktuell oder gelegentlich terroristische Herr- schaftspraxis zu verharmlosen, sollte er begrenzt werden auf solche Systeme, die den /-/.-/.- .-. /.- :. und die ...//. und .//-.,. terroristische Unterdrckung //. oppositionellen und kriti- schen Krfte zum Herrschaftsprinzip machen - und auf solche Bewe- gungen, die auf ein solches System hinstreben. Allenfalls sollte man bei solchen Erscheinungen, wie sie Weibecker nennt, von faschistischen Tendenzen oder faschistischem Potential sprechen. Schlielich nennt Weibecker die internationalen Erscheinungsfor- men, bei denen er zwei Varianten unterscheidet: In zunehmendem Mae versucht der gegenwrtige Faschismus, sich international zu orga- nisieren und koordiniert zu wirken. Unmittelbar nach 1945 handelte es sich zunchst um das Zusammenwirken von Krften des alten Faschis- mus,' besonders von SS-Angehrigen verschiedener Nationalitt. In den letzten Jahren waren jedoch die neofaschistischen Organisationen dar- um bemht, eine 'schwarze' Internationale ins Leben zu rufen. Zur zweiten Variante sagt Weibecker: Viele Aktionen der Neofa- schisten - einschlielich ihrer 'Machtergreifung' - sind das Werk oder sind stark beeinflut von den groen Geheimdiensten, insbesondere der amerikanischen CIA, von den multinationalen Monopolen und von internationalen Organisationen der imperialistischen Welt wie dem Oberkommando der NATO (S. 42). Es ist leicht zu sehen, da gegen die zweite Variante die gleichen Argumente sprechen, die schon oben gegen die Ausweitung des Faschis- musbegriffs vorgebracht wurden. Hier besteht die Gefahr, da die mul- tinationalen Monopole insgesamt als Erscheinungsform des Faschis- mus betrachtet werden, was bedeuten wrde, da alle entwickelten kapi- talistischen Staaten in einem betrchtlichen Ausma vom Faschismus beherrscht sind. Man sollte begrifflich klar unterscheiden zwischen faschistischen Bewegungen und Systemen einerseits und Krften, die unter bestimmten Bedingungen den Faschismus untersttzen und an die Macht bringen, andererseits. Dies ist eine Unterscheidung, die sich schon bei der Analyse des deutschen und italienischen Faschismus bewhrt hat. Auch dort wurden ja Monopolkapital, Militr und hohe Beamtenschaft nicht generell als Erscheinungsformen des Faschismus, sondern als Frderer, Bundesgenossen, Nutznieer und Teilhaber des Faschismus gekennzeichnet. Gerade wenn man den weiten Anwendungsbereich des Faschismus- begriffs durch die Dimitroff-Theorie zugrunde legt, der auch Wei- becker sich verpflichtet fhlt, mu es erstaunen, wie er zusammenfas- send das Wesen des Faschismus seit 1945 charakterisiert: Am Ziel des 306 Zur Aktualitt des Faschismusproblems Faschismus, ein Regime der Gewalt und der Willkr, der Expansion und Aggression im Interesse der Monopolbourgeoisie und ihrer jeweils fhrenden Kreise zu errichten, hat sich trotz neuer Formen seines Auf- tretens nichts gendert (S. 44). Besteht nicht ein wesentlicher Unter- schied des abhngigen Militrfaschismus, wie er in Chile, Argenti- nien, Brasilien und Griechenland errichtet wurde, gegenber dem Faschismus in Deutschland und Italien, der einen eigenstndigen Imperialismus reprsentierte, gerade darin, da jener zur Expansion und Aggression greren Stils nach auen kaum in der Lage ist, da also sein Terror ausschlielich innenpolitische Funktion hat? Der Vorschlag Weibeckers zur Typologisierung der Erscheinungs- formen des Faschismus in der Periode seit 1945 bietet also zweifellos Anstze, die sehr diskutierenswert sind, weist jedoch auch Unstimmig- keiten und Mngel auf. Die gesamte Entwicklung seit dem Zusammen- bruch der faschistischen Hauptmchte 1945 bedarf offensichtlich noch grndlicher empirischer Untersuchung und theoretischer Klrung. D. Faschismustheorien und Politik: Die Entwicklung der Faschismusdiskussion in der Bundesrepublik Deutschland Die Theorien ber den Faschismus wurden bisher hauptschlich unter dem Aspekt der Wahrheitsfrage betrachtet, das heit, nach ihrer ber- einstimmung mit der historischen Wirklichkeit und nach ihrem Erkl- rungswert fr Entstehung und Politik des Faschismus befragt. Im ersten Teil dieses Buches ist jedoch dargelegt worden, da zum vollen Ver- stndnis von politischen und wissenschaftlichen Theorien auch deren Entstehung und deren Wirkung untersucht werden mssen. Gerade fr die Faschismusdiskussion in der Bundesrepublik ist es offensichtlich, da hier aktuelle politische Interessen eingegangen und fr die Entste- hung wie fr die Wirkung sehr bedeutsam geworden sind. In der Tat ist die Entwicklung dieser Diskussion ohne Bercksichtigung dieser Inter- essen berhaupt nicht verstndlich. Eine grobe Skizze dieses Zusam- menhangs wurde in der Einleitung des Abschnitts Hauptvarianten der Faschismustheorien bereits geliefert, und bei der Darstellung der ein- zelnen Theorien, insbesondere der Totalitarismus- und der Fhrertheo- rie, wurde dieser Zusammenhang kurz angesprochen. Hier soll er nun genauer betrachtet werden - mit dem Ziel, die verschiedenen Theorien in den historischen und politischen Kontext einzuordnen, aus dem her- aus sie entstanden sind und in dem sie gewirkt haben, um so ein tiefe- res Verstndnis dieser Theorien zu ermglichen und berhaupt Theo- riegeschichte als ein Stck Gesellschaftsgeschichte zu erweisen. Nach der Niederwerfung der faschistischen Hauptmchte Deutsch- land, Italien und Japan 1945 war der Faschismus angesichts der unge- heuren Verbrechen, die er begangen hatte, in den Augen der Weltffent- lichkeit wie auch bei der Mehrheit des deutschen Volkes vollstndig dis- kreditiert - und mit dem Faschismus alle Krfte und Persnlichkeiten, die ihn getragen und untersttzt hatten. Von dieser Ausgangslage her ist die Faschismusdiskussion zu erklren, die sich in diesen Jahren entwik- kelt hat. Aus der Tatsache, da sowohl die Antifaschisten wie die bisheri- gen Trger und Helfer des Faschismus sich nun uerten, ergab sich eine deutliche Polarisierung der Diskussion. Auf der einen Seite versuchten die Antifaschisten, die jetzt aus den 308 Zur Aktualitt des Faschismusproblems Zuchthusern und Konzentrationslagern kamen, aus der Emigration heimkehrten oder aus dem Untergrund auftauchten, die Lehren aus den Erfahrungen mit dem Zusammenbruch der Weimarer Republik und dem Faschismus zu ziehen und Staat und Gesellschaft grundlegend umzugestalten, um der Demokratie dieses Mal ein festes Fundament zu geben. Ihnen war klar, da es grokapitalistische Krfte und Interessen gewesen waren, die zur Zerstrung der Demokratie, zur Errichtung der Diktatur und zum Krieg gefhrt hatten und da deshalb auch die Wirt- schaft demokratischer Kontrolle unterworfen werden msse. So erho- ben damals alle Parteien - bis hin zur CDU - Sozialisierungsforderun- gen, und in den frhen Landesverfassungen der Jahre 1946/47 wurden diese auch verfassungsrechtlich verankert. Am klarsten wurden sie natr- lich von den beiden Arbeiterparteien SPD und KPD und von den Gewerkschaften formuliert. Zudem hatte man erlebt, da die Fhrungsschichten in Verwaltung und Justiz, Militr und Massenmedien, Erziehung und Wissenschaft die Errichtung der Diktatur und die Politik des Faschismus untersttzt hatten. Daraus ergab sich die Forderung nach grndlicher Suberung all dieser Fhrungspositionen und ihre Besetzung durch zuverlssige Anti- faschisten. hnliche Vorstellungen ber den deutschen Faschismus herrschten anfnglich bei den alliierten Siegermchten, die weitreichende Entnazi- fizierungsmanahmen beschlossen und beim Internationalen Militr- tribunal in Nrnberg nicht nur die faschistischen Fhrer, sondern auch fhrende Persnlichkeiten des Militrs und der Wirtschaft anklagten und verurteilten. Diesen Manahmen lag eine ziemlich zutreffende Beurteilung des Faschismus zugrunde, die sich auf ein breites Beweis- material sttzen konnte. Diese Beurteilungen des Faschismus wurden zwar weder von den deutschen Antifaschisten noch von den alliierten Besatzungsbehrden in Gestalt einer wissenschaftlichen Theorie ausformuliert, doch ist leicht zu erkennen, da sie dem nahekamen, was in der wissenschaftli- chen Faschismusdiskussion spter von den Bndnistheorien formuliert wurde. (Fr die Behrden der Westalliierten, in denen sehr unterschied- liche politische Krfte vertreten waren, gilt das natrlich nur teilweise.) In die Diskussion der etablierten Wissenschaft drangen solche Auf- fassungen allerdings nicht ein. Die Historiker (und ebenso die Juristen, Wirtschaftswissenschaftler, Germanisten usw.), die an den Universit- ten lehrten und die fachwissenschaftliche Diskussion bestimmten, hat- ten in ihrer groer Mehrheit den Faschismus ideologisch untersttzt. Und sie hatten nun natrlich das Bedrfnis, Interpretationen zu ver- Die Entwicklung der Faschismusdiskussion in der Bundesrepublik 309 breiten, die ihre eigene Unschuld bewiesen - und die Unschuld der brgerlichen Gesellschaft insgesamt, der sie sich verpflichtet fhlten. Dabei bot sich die Fhrertheorie an, die alle Verantwortung auf Adolf Hitler (und einige andere faschistische Fhrer wie Ghring, Goebbels und Himmler) schob und alle anderen zu wehrlosen Befehlsempfn- gern oder gar zu Opfern der Fhrerdiktatur machte. Diese Fhrertheo- rie hatte den Vorzug, da sie an die Selbstdarstellung des Faschismus anknpfen konnte und damit scheinbar direkt der Wirklichkeit und dem Erfahrungshorizont vieler Mitlufer entnommen war. Sie hatte weiter den Vorzug, da sie an alte Traditionen der deutschen Ge- schichtswissenschaft anknpfen konnte, die ja schon immer gelehrt hatte, da es die groen Fhrerpersnlichkeiten sind, die Geschichte machen. Und sie konnte sich schlielich auf alle die ehemaligen Gene- rale, Wirtschaftsfhrer und hohen Beamten berufen, die als Angeklagte oder als Zeugen in den Gerichtsverfahren oder als Memoirenschreiber eben dies aussagten: da es gegen den Diktator Hitler keine Mglich- keit gegeben habe, sich zu wehren oder sich auch nur den Befehlen zu entziehen. Sofern neben dem Fhrer und seiner Diktatur berhaupt noch andere Aspekte zur Sprache kamen, beschrnkten sie sich weitgehend auf die ideengeschichtlichen Zusammenhnge faschistischer Ideologie und konzentrierten sich dabei auf den Antisemitismus, von dem sich zu distanzieren keine grundstzliche Preisgabe des antidemokratischen Weltbildes verlangte. Das Ringen zwischen diesen beiden Faschismusinterpretationen kennzeichnete die ersten Jahre nach 1945, als auch die Frage der tat- schlichen Neugestaltung der Gesellschaft offen schien. Diese Lage nderte sich mit dem Auseinanderbrechen der Anti-Hitler-Koalition und dem bergang zum Kalten Krieg am Ende der 40er Jahre. Nun wurden im westlichen Teil Deutschlands die Entnazifizierungsmanah- men eingestellt, die antifaschistischen und sozialistischen Krfte zu- rckgedrngt und die alten Fhrungsschichten, die den Faschismus getragen hatten, in groem Mastab wieder in ihre Fhrungspositionen eingesetzt. In ihnen sahen die USA die zuverlssigsten Bundesgenossen im Kampf gegen den Kommunismus, der ihnen nun als die Hauptauf- gabe erschien. Dies hatte natrlich schwerwiegende Folgen nicht nur fr das politi- sche Klima im allgemeinen, fr das Wiederaufleben antidemokratischer Ideologien, fr die Tolerierung rechtsextremer Agitation, fr den uerst milden Umgang mit Kriegsverbrechern usw., sondern auch fr die Faschismusdiskussion. Jetzt wurden jene von den Antifaschisten 310 Zur Aktualitt des Faschismusproblems getragenen, auf Demokratisierung und Sozialisierung drngenden Inter- pretationen als staatsfeindlich und moskauhrig diffamiert und aus der ffentlichen Meinungsbildung verdrngt. (An den Hochschulen und in der fachwissenschaftlichen Diskussion hatten sie, wie schon dargelegt, ohnehin nie Fu fassen knnen, da dort die alte Garde der Historiker ihre Herrschaft auch nach 1945 ungebrochen fortgesetzt hatte.) Mit dem Verbot der KPD 1956 - das in keiner anderen parlamentarischen Demo- kratie Europas eine Parallele findet - wurde zudem ein Instrument geschaffen, um jede kritsche uerung als in dieser oder jener Hinsicht mit kommunistischen Auffassungen verwandt und somit verbotswrdig verfolgen zu knnen. So gab es in den 50er Jahren jhrlich etwa 15.000 politische Ermittlungsverfahren und also eine Atmosphre, die eine auch nur halbwegs offene wissenschaftliche Diskussion nicht mehr erlaubte. Fr die Krfte, die den Faschismus politisch und ideologisch unter- sttzt hatten, trat nun die Notwendigkeit, sich zu rechtfertigen und reinzuwaschen und also Defensivideologien zu entwickeln, in den Hin- tergrund. Jetzt gewannen offensive, gegen die sozialistische Arbeiterbe- wegung im eigenen Land und die sozialistischen Lnder gerichtete In- terpretationen die Oberhand. Die Fhrertheorie verschwand zwar nicht gnzlich, sondern blieb, was sie immer gewesen ist: ein wesentliches Element des brgerlichen Geschichtsbildes. Aber als herrschende Faschismusinterpretation wurde sie nun abgelst von der Totalitaris- mustheorie. Diese erlaubte es, die antifaschistische Frontstellung scheinbar fortzusetzen und die noch sehr starken antifaschistischen Stimmungen der Bevlkerung aufzufangen und zugleich umzufunktio- nieren als Kampfmittel gegen die Linke: Jetzt sei der Kommunismus die totalitre Hauptgefahr, und die DDR sei die aktuelle Gestalt des Totali- tarismus - oder, als politische Parole formuliert: Hitler ist tot, Ulbricht aber lebt. So bestimmte in der Periode des Kalten Krieges die Totalita- rismustheorie sowohl die wissenschaftliche wie auch die politische Dis- kussion und wurde tatschlich zur herrschenden Ideologie unseres Lan- des, die durch einen Beschlu der Kultusminister 1962 auch fr den Geschichtsunterricht als verbindlich erklrt wurde. In diesen Jahren begann allerdings ihre absolute Vorherrschaft schon abzubrckeln. Seit Beginn der 60er Jahre wurde immer deutlicher, da das bisherige auenpolitische Konzept der Bundesrepublik, die Politik der Strke, die die Befreiung des ganzen versklavten Europa stlich des Eisernen Vorhangs anstrebte 37 , nicht mehr aufrecht zu erhalten war. Hinzu kam, da die lange Konjunkturperiode, das Wirtschaftswun- der, nun zu Ende ging und damit auch die schweren gesellschaftlichen Die Entwicklung der Faschismusdiskussion in der Bundesrepublik 311 Strukturmngel ins Bewutsein traten: die skandalse Ungleichheit in der Vermgens- und Einkommensverteilung und bei den Bildungschan- cen, die Mngel im Gesundheits- und Ausbildungswesen usw. Der bergang zur Entspannungspolitik, die Ablsung der seit 1949 dauern- den CDU-Herrschaft und die Bildung der sozial-liberalen Regierung, die aufbrechende Studentenbewegung, wachsendes politisches Bewut- sein und verstrkte Kampfbereitschaft in der Arbeiterbewegung, eine breite ffentliche Diskussion ber die Notwendigkeit gesellschaftlicher Reformen - dies waren die neuen Bedingungen, die auch der Faschis- musdiskussion eine tiefgreifende Wende gaben. Die politische Atmosphre hatte sich soweit verndert, da nun - zum erstenmal in der deutschen Geschichte - radikaldemokratische und marxistische Positionen auch an den Hochschulen artikuliert wer- den konnten. Sie erhielten starke Impulse von der Studentenbewegung, und obgleich sie innerhalb der Professorenschaft auch jetzt nur eine kleine Minderheit reprsentierten, konnten sie doch einen beachtlichen Einflu auf die wissenschaftliche und wissenschaftspolitische Diskus- sion erlangen. Das hing damit zusammen, da die jetzt in den Hoch- schulen Studierenden keine faschistische Vergangenheit zu verbergen hatten, sondern im Gegenteil mit wachsendem Interesse nach der faschistischen Vergangenheit ihrer Vter und Professoren fragten - und der Fhrungsschichten der BRD, die gerade in diesen Jahren eine Not- standsgesetzgebung durchsetzten, welche in fataler Weise an die deut- sche Vergangenheit erinnerte. Zudem war diese junge Generation schockiert von der Kriegfhrung der USA in Vietnam, deren Methoden sehr eindringlich an den Faschismus gemahnten. So kamen die bis da- hin herrschenden politischen und moralischen Wertvorstellungen ber die freie Welt ins Wanken und wurde die Frage nach den wirklichen Ursachen des Faschismus immer dringlicher gestellt. Da nun zugleich auch eine Generation junger Wissenschaftler herangewachsen war, die ebenso wie die Studenten persnlich keine faschistische Vergangenheit zu verbergen hatte, konnte nun - begnstigt durch die Liberalisierung des allgemeinen Klimas - unbefangener ber den Faschismus geforscht und diskutiert werden. Die Hochschulreformgesetze, die in diesen Jah- ren in einer Reihe von Bundeslndern die starke persnliche Abhngig- keit der jungen Wissenschaftler von ihren Professoren aufgehoben oder mindestens abgemildert hatten, wirkten in die gleiche Richtung. Unter diesen Bedingungen konnten theoretische Anstze wieder auf- genommen werden, die in der Arbeiterbewegung schon zur Zeit der faschistischen Herrschaft entwickelt, seit der Restaurationsperiode jedoch verdrngt und unterdrckt worden waren. Und es konnten die 312 Zur Aktualitt des Faschismusproblems Forschungen und Dokumentenpublikationen zur Kenntnis genommen werden, die von Geschichtswissenschaftlern der DDR erarbeitet, bis da- hin aber als bloe kommunistische Agitation und wissenschaftlich vl- lig indiskutabel abgetan worden waren. So entstand seit dem Ende der 60er Jahre eine Flle von empirischen Arbeiten und theoretischen Bei- trgen ber den deutschen Faschismus, die sich als marxistisch verstan- den und die faschistische Ideologie und Politik nicht mehr losgelst von ihren gesellschaftlichen Wurzeln betrachteten, sondern nach den sozialen Bedingungen fragten, die sie hervorgebracht, und nach den so- zialen Krften und Interessen, die sie gefrdert und von ihnen profitiert hatten. Damit war der Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Faschismus, der nach 1945 im Bewutsein der Antifaschisten und der Arbeiterbewegung tief verankert, dann aber aus dem ffentlichen Bewutsein getilgt worden war, wieder thematisiert. Die herkmmliche Geschichtswissenschaft stand diesen wissen- schaftspolitischen Vernderungen zunchst ziemlich hilflos gegenber. Im Schutz des Klimas der Restauration und des Kalten Krieges hatten die in den Faschismus verwickelten Historiker (und Geschichtslehrer) das Faschismusthema weitgehend ausgespart oder durch moralische Verurteilungen des Dmons Hitler, des Totalitarismus im allgemeinen und des Antisemitismus umgangen. Methodisch waren sie im wesentli- chen beim Historismus stehen geblieben, der sich in der Beschrnkung auf Fhrerpersnlichkeiten, diplomatische und militrische Aktionen und Ideengeschichte uerte. Es war kein Zufall, da die Arbeiten ber den deutschen Faschismus, die diesen Rahmen sprengten, von Politolo- gen wie Bracher oder Soziologen wie Lipset und Dahrendorf verffent- licht wurden. Die vernderten Bedingungen Ende der 60er Jahre, besonders die an der marxistischen Wissenschaft orientierten Arbeiten, bewirkten nun betrchtliche Wandlungen auch in der etablierten Geschichtswissen- schaft. Die mangelnde Reflexion der eigenen methodischen Grundla- gen wurde nun bewut, das Theoriedefizit wurde breit diskutiert. Von einer sozial-liberalen Richtung wurde die bisherige Abschirmung ge- genber den Sozialwissenschaften preisgegeben. Manche Historiker besonders der jngeren Generation bezogen jetzt auch Elemente und Fragestellungen marxistischer Wissenschaft in ihre Untersuchungen ein. So entstanden Interpretationen ber den Faschismus, die teilweise an den Soziologen Max Weber, an Anstze der amerikanischen Soziolo- gie oder der Sozialgeschichte anknpften, jedenfalls allesamt metho- disch und inhaltlich von der Totalitarismustheorie abrckten. Zum Die Entwicklung der Faschismusdiskussion in der Bundesrepublik 313 erstenmal in der Geschichte der Bundesrepublik entstanden damit auch Anstze einer wirklich offenen Diskussion zwischen kontroversen Posi- tionen, die in Zeitschriften, in Bchern und bei wissenschaftlichen Tagungen ausgetragen wurde. Dies ist die Periode, in der sowohl die Mittelstands- wie auch die Modernisierungstheorie zur Kenntnis ge- nommen und weiter entwickelt und die verschiedenen Bndnis- und Polykratietheorien formuliert wurden und die Theorie vom Faschismus als der Diktatur des Monopolkapitals wenigstens bei einem Teil der Wissenschaftler Beachtung fand. Schwere Rckschlge fr das politische Klima im allgemeinen und die Offenheit der Faschismusdiskussion im besonderen ergaben sich, seit die politische Gegenoffensive der Rechten die Reformtendenzen zurckgedrngt hat. Diese Offensive erhielt Auftrieb (auch innerhalb der Fhrungsgruppen der sozial-liberalen Parteien und Regierungen) durch die sozialkonomischen Krisenerscheinungen seit 1973 mit ihren Folgen der Dauerarbeitslosigkeit und der wachsenden sozialen Unsi- cherheit fr die arbeitende Bevlkerung und der Perspektivlosigkeit fr betrchtliche Teile der jungen Generation. Nun wurden von den Herr- schenden nicht nur die explizit gesellschaftskritischen Krfte, sondern schon die von den sozial-liberalen Parteien geweckten Reformhoffnun- gen als Gefahr empfunden. Mit Berufsverboten und anderen Mitteln wurde besonders die junge Generation massiv eingeschchtert und wurde den Wissenschaftlern deutlich vor Augen gefhrt, da sie mit dem Verlust ihrer beruflichen Laufbahn (wenn nicht mit Schlimmerem) zu rechnen haben, wenn sie marxistische oder auch nur entschieden reformistische Positionen vertreten. Fr die Faschismusdiskussion hatte diese Offensive der Rechten er- hebliche Folgen. Sie kamen schon darin zum Ausdruck, da die alten, in den aufgeklrten Kreisen der Wissenschaftler lngst berwunden ge- glaubten Anstze der vergangenen Jahrzehnte wieder zum Leben er- weckt und mit einem gewaltigen Geld- und Propagandaaufwand bers Land geschwemmt wurden. Dies gilt sowohl fr die Fhrertheorie, die nun in Gestalt der Hitler-Welle auf Massenwirksamkeit zielte, wie auch fr die Totalitarismusthese, die erneut fast den Rang einer offiziellen Staatsdoktrin erhielt und als Begrndung fr den Radikalenerla und die breite Diffamierung fortschrittlicher politischer und wissenschaftli- cher Positionen diente. Beide Varianten nahmen also formal die alten Thesen wieder auf. Aber inhaltlich und der politischen Funktion nach haben sie sie wesentlich verndert. Was die t././.. betrifft, so hatte sie nach 1945, wie schon darge- legt, eine primr defensive Funktion: Sie sollte dadurch, da alle Ver- 314 Zur Aktualitt des Faschismusproblems antwortung fr die faschistische Politik Adolf Hitler zugesprochen wurde, alle seine Bundesgenossen und Helfer entlasten. Zu diesem Zweck war es notwendig, Hitler als allgewaltig und gar mit dmoni- schen Gaben ausgestattet darzustellen. Da es sich um ein terroristi- sches und unmenschliches Regime gehandelt hatte, war damals unbe- stritten (von rechtsextremen Glorifizierungsversuchen des Faschismus abgesehen, die aber in der wissenschaftlichen Diskussion ohne Einflu blieben). Die neue Fhrertheorie hingegen stellt die faschistische Dikta- tur als teilweise durchaus diskutable Krisenlsung dar, als ein System, das das deutsche Volk aus Arbeitslosigkeit und Verzweiflung zu sozialer Sicherung und Begeisterung gefhrt und fr Deutschland groe natio- nale Erfolge gebracht hat. 38 Der Faschismus wird also zwar nicht voll- stndig, aber doch in wesentlichen Teilen rehabilitiert, besonders in Hinsicht auf die Errichtung eines starken Staates, der Ruhe und Ord- nung schuf und mit den strenden Umtrieben der Kommunisten, der Gewerkschaften und der linken Intelligenz resolut aufrumte. In einer Lage, in der Krise und Arbeitslosigkeit fr eine lange Frist sich abzeich- nete und also in der Zukunft mit wachsender Unzufriedenheit bei der arbeitenden Bevlkerung gerechnet werden mute, versuchten offenbar manche Krfte jetzt, sozusagen vorsorglich, den starken, autoritren Staat populr zu machen als Ausweg aus allen Schwierigkeiten. Im Ver- ein mit der verstrkten Repression gegen gesellschaftskritische Positio- nen, die verhindern sollte, da linke Alternativen berhaupt ins Mas- senbewutsein drangen, wurde diese Fhrertheorie Teil einer ideologi- schen Offensive der Rechten, die im Volk selbst den Ruf nach der star- ken Faust erzeugen sollte. Die neue Fhrertheorie hat also - neben der defensiven, auf Ver- schleierung der wirklichen Ursachen des Faschismus gerichteten Funk- tion - auch eine offensive. Sie trgt nmlich dazu bei, den Boden zu bereiten fr die Aushhlung demokratischer Rechte, fr den autorit- ren Staat. Erst im Kontext der gesamten politisch-ideologischen Offen- sive der Rechten lassen diese Faschismusdarstellungen ihren vollen Sinn erkennen: im Kontext der uerungen mageblicher Politiker und Organe der CDU/CSU und der Unternehmer ber die Vorzge der Diktaturen in Chile, Persien und Griechenland, ber die Gefahren der Mitbestimmung, im Kontext der Tolerierung rechtsextremer Aktivitten durch die Staatsorgane, der Anti-Terror-Gesetze, der Diffamierung aller demokratischen und liberalen Krfte bis hin zu Willy Brandt und Heinrich Boll als Sympathisantenumfeld des Terrorismus. 39 Wenn Teile der Herrschenden einen strker autoritr geformten Staat anvisieren, so mu als ideologischer Flankenschutz einer solchen Politik auch das Die Entwicklung der Faschismusdiskussion in der Bundesrepublik 315 Geschichtsbild revidiert werden, mu der starke Staat des Faschismus einschlielich seiner Fhrerfigur von dem rein negativen Image der Inhumanitt und Brutalitt befreit werden, das er bisher hatte, mssen seine angeblichen Leistungen und Erfolge hervorgekehrt 40 und als aktuell bedeutsam dargestellt werden. Die Springer-Zeitung t. r./ die als wichtiges Sprachrohr der kon- servativ-reaktionren Teile der herrschenden Klasse gelten kann, hat diesen Zusammenhang beim Erscheinen des Hitler-Buches von J. C. Fest klar ausgedrckt: Enthlt die Korrektur des Hitler-Bildes wirklich nur wissenschaftlichen Wert und Beruhigung fr die Nerven, oder bil- det sich . . . nicht vielleicht eine neue geschichtsmchtige Energie? Also: Wird man Hitler vielleicht noch wegen anderer Dinge als der Autobah- nen schtzenlernen? . . . Aber gerade darin erweist sich die epochale Bedeutung Hitlers, der die grndlichste, die deutsche Spielart des Faschismus beigesteuert hat. Heute, da die liberalen Versionen der Lebensregelungen fast ausgereizt sind, da die Frage nach der Ordnung sich oft herrisch stellt . . . , wchst das Interesse an jedem wichtigen Gegenstand der deutschen Vergangenheit, auch an Hitler. 41 Die Fhrertheorie wurde auch in den 80er Jahren unverndert pro- pagiert. Schon in den Titeln der Bcher und Aufstze kommt dies zum Ausdruck, in denen immer wieder von Hitlers Herrschaft, Hitlers Machtergreifung und Hitlers Krieg die Rede ist. Und E. Gillessen geniert sich nicht, auch den Dmon Hitlers erneut zu bemhen, um die Verbrechen des deutschen Faschismus zu erklren. 42 Auch das 1989 erschienene Heft s,.,./ s,../ : :/. u/. weist diese Interpretati- onstendenz deutlich aus. Und anllich des 50. Jahrestages des Kriegs- beginns wiederholte der angesehene Bonner Politologe K. D. Bracher bei der Internationalen Historiker-Konferenz im Berliner Reichstag sehr prononciert seine These von Hitlers Diktatur - und die FAZ (1. 9.1989) stellte fr diesen Text eine ganze Seite zur Verfugung. 43 Dabei soll nicht verkannt werden, da die Frage nach Hitlers Rolle eine legitime Frage ist und da neuere Forschungen hier auch beden- kenswerte Ergebnisse erbracht haben. 44 Und da die marxistische For- schung diese Fragestellung bisher nicht systematisch bearbeitet hat, ist ohne Zweifel ein Defizit. Da die bisherige Hitler-Forschung jedoch nach wie vor auf Verschleierung der wirklichen Kausalbeziehungen hin- ausluft, scheint mir offensichtlich zu sein. Die Wiedererweckung der :/-./.. auch in der Wissen- schaft (als ,//. Kampfmittel war sie immer ein zentrales Element der herrschenden Ideologie) hat ihre Hauptfunktion darin, die radikal- demokratischen und sozialistischen Krfte der Bundesrepublik als 316 Zur Aktualitt des Faschismusproblems totalitr und somit verfassungsfeindlich zu denunzieren und auf diese Weise ihre politische Unterdrckung zu rechtfertigen. Das in der Peri- ode des Kalten Krieges sehr starke Element des ideologischen Kampfes gegen die sozialistischen Lndern tritt demgegenber zurck. Da die Totalitarismusthese zur Analyse dieser Lnder ziemlich unbrauchbar war, wurde seit dem Ende der 60er Jahre wissenschaftlich kaum noch bestritten (obgleich in der politischen Agitation dieses Element natr- lich weiter benutzt wurde). Allerdings bleibt bei diesen Autoren auch jetzt eine antifaschistische Frontstellung erhalten. Sie sehen sich als Ver- teidiger der parlamentarischen Demokratie gegen den rechten wie den linken Radikalismus und wollen auch keineswegs den Marsch in den autoritren Staat untersttzen, wie ihn die konservativ-reaktionren Krfte anstreben und die Autoren der neuen Fhrertheorie ideolo- gisch begrnden. Dem realen politischen Effekt nach war allerdings die Totalitarismusthese immer primr gegen die Linke gerichtet. Sie hat nach 1949 keineswegs den massenhaften Einzug ehemaliger Nationalso- zialisten in den Staatsdienst (bis hinauf in die Fhrungspositionen) ver- hindert, und auch heute bedeutet sie keine ernsthafte Einschrnkung rechtsextremer Aktivitten. Das erneute Erstarken der Fhrertheorie und der Totalitarismusthese uert sich jedoch nicht nur in den besonders extremen Formen der Hitler-Welle und der staatlich sanktionierten Formel des Radikalis- mus von links und rechts. Es uert sich mindestens ebenso folgen- schwer im wissenschaftlichen Alltag, zum Beispiel darin, da alle dieje- nigen Richtungen, die am Ende der 60er Jahre durch die neuen Ent- wicklungen und Thesen verunsichert waren, nun beruhigt zu ihrem al- ten Schema zurckkehren konnten - zumal sie angesichts der Ein- schchterung der Studenten und der zum Teil wiederhergestellten per- snlichen Abhngigkeit der jngeren Wissenschaftler nun auch wieder bessere Durchsetzungschancen an den Hochschulen hatten. Das er- neute Erstarken dieser Theorien uert sich auch darin, da wesentliche Elemente davon auch von solchen Autoren wieder strker betont wer- den, die im brigen ganz andere Positionen vertreten. So werden diese Elemente zum Beispiel zusammengebracht mit den Fragestellungen der herkmmlichen Politikwissenschaft, die sich auf politische Institutio- nen und Eliten konzentriert. Mit diesem Verfahren knnen reale Machtkmpfe zwischen verschiedenen Fhrungsgruppen im faschisti- schen System sehr genau beschrieben und kann doch die zentrale Frage nach den sozialen Triebkrften der Diktatur und der Expansion ausge- klammert oder durch den Rekurs auf die Fhrertheorie umgangen wer- den. So kann es geschehen, da in einem fr die nichtmarxistische Dis- Die Entwicklung der Faschismusdiskussion in der Bundesrepublik 317 kussion der 70er Jahre ziemlich reprsentativen Sammelband 45 der Her- ausgeber inmitten einer mit modernistischem Vokabular entwickelten politologischen Argumentation Hitler pltzlich als diabolisches Octroi ber Deutschland definiert, den Faschismus also von Hitler und die- sen vom Teufel her erklrt. (Da angesichts solcher Denkformen noch zweihundert Jahre nach dem Sieg der Aufklrung ber das irrationale Weltbild des Mittelalters die Fachwelt nicht in Gelchter ausbricht, mag auf den ersten Blick verwundern, ist jedoch in einer Gesellschaft, in der zum Beispiel mit Billigung des Bischofs noch Teufelsaustreibung prakti- ziert wird, eingebettet in einen breiten Strom irrationaler Traditio- nen. 46 ) Auch die seit 1972/73 entstandenen Bedingungen - die ideologische Offensive der Rechten, die massive Einschchterung kritischer Wissen- schaft, der stark eingeschrnkte Raum fr offene Diskussion - haben es jedoch nicht vermocht, die seit 1968 erreichten Fortschritte in der Faschismusdiskussion zunichte zu machen. Ein deutliches Anzeichen dafr ist, da marxistische und an marxistischer Wissenschaft orien- tierte Schriften zwar von den etablierten Medien weitgehend ignoriert oder allenfalls in diffamierendem Sinn erwhnt werden, aber bei Stu- denten, jngeren Lehrern und Schlern nach wie vor auf Interesse sto- en. Das zeigen die Auflagenzahlen dieser Bcher ebenso wie die der Zeitschriften o/. /. .../. .-. -.--/. t// t +,.-.- usw. Auch in den Fachzeitschriften der etablierten Wissenschaft kn- nen sich diese Positionen weiterhin artikulieren - allerdings weniger in den historischen als in den sozialwissenschaftlichen wie der ...- t/ /.- t.. oder der t//.- ..//.// (Als Stegmann in der u/.- z.// auf die Anwrfe, die Turner dort gegen ihn vorgetragen hatte, entsprechend fundiert und ausfhrlich antworten wollte, wurde dies von der uz abgelehnt.) Ein zweites Anzeichen ist, da die Forschungen der Geschichtswis- senschaft der DDR inzwischen weithin als serise Wissenschaft ernst genommen (wenn auch in ihren Resultaten von der etablierten Wissen- schaft natrlich abgelehnt) werden; hierzu gibt es viele uerungen von Hans Mommsen bis Andreas Hillgruber. Ein drittes Symptom ist, da sich unter jngeren Historikern und Politologen, die an den Hochschu- len aber schon Professorenstellen haben, eine Richtung herausgebildet hat, die dem Druck von rechts nicht nachgibt, sondern die Resultate ihrer Forschungen auch ffentlich mit Festigkeit und Konsequenz ver- tritt. Da der US-Historiker Turner mit seinen auf Reinwaschung des Grokapitals gerichteten Thesen bei der Bochumer Konferenz 1974 auf eine breite Front der Ablehnung gestoen ist 47 , zeigt den Einflu dieser 318 Zur Aktualitt des Faschismusproblems Richtung. Den Arbeiten von Dirk Stegmann und Joachim Radkau kommt dabei zweifellos ein besonderes Gewicht zu. Und was jene Rich- tung betrifft, die Geschichte nicht mehr als die Aufeinanderfolge von diplomatischen und militrischen Aktionen, als bloe Ereignisge- schichte, sondern als historische Sozialwissenschaft begreift und ihr Zentrum in Bielefeld um Wehler und Kocka hat, so hat sie es vermocht, sich eine eigene Zeitschrift o.//. .-. o..//// zu schaffen und so auch wissenschaftspolitisch ihre Position zu festigen. Die auf Demokratisierung drngenden Tendenzen, die seit der 68er- Bewegung an Boden gewonnen hatten, brachten in der Faschismus- Diskussion noch in anderer Hinsicht neue Sichtweisen hervor: Der Blick wandte sich ab von den Haupt- und Staatsaktionen, von den poli- tischen Fhrern und Groorganisationen und richtete sich auf das All- tagsgeschehen, auf das Leben und Handeln der kleinen Leute. Diese Geschichte von unten, die vor allem von jngeren, oft auerhalb des etablierten Wissenschaftsbetriebes arbeitenden Historikern (Ge- schichtswerksttten, Barfuhistorikern) betrieben wurde, frderte eine Flle von Erkenntnissen darber zutage, was Faschismus auf lokaler und regionaler Ebene, fr einzelne Familien, Stadtteile und Berufsgrup- pen bedeutet hatte. 48 Die soziale Wirklichkeit des Faschismus konnte auf diese Weise konkreter und facettenreicher beschrieben werden. Wenn es auch oft bei der Beschreibung von einzelnem blieb und eine Einordnung in den Gesamtzusammenhang des geschichtlichen Ge- schehens und eine kausale Erklrung nicht gelang und hufig gar nicht angestrebt wurde, hat diese Geschichtsbewegung unsere Kenntnis vom Faschismus doch bedeutend bereichert. Die etablierte Wissenschaft hat manche dieser Anstze aufgenommen und so z. B. die Verhaltensfor- men der verschiedenen Bevlkerungsgruppen, die zwischen fanatischer Untersttzung und entschlossenem Widerstand lagen, nun differenzier- ter beschrieben. 49 In zwei Problemfeldern ist der Erkenntnisfortschritt besonders ekla- tant: Erstens entstanden aus dem wachsenden Emanzipationsbewut- sein besonders der Frauen umfangreiche Forschungen ber die Lage der Frauen im Faschismus 50 , die auch theoretisch neue Probleme auf- warfen: Sie fragten eindringlich nach der Bedeutung der Geschlechter- frage fr den geschichtlichen Proze. Zweitens wurde die soziale Wirk- lichkeit des Faschismus, wie sie sich in den Fabriken und Konzentrati- onslagern, fr Zwangsarbeiter, Hftlinge und Juden darstellte, nun viel detaillierter erforscht. Daraus ergaben sich auch neue Thesen und Kon- troversen ber die konomie der Vernichtungspolitik und in der Frage des Massenmords an den Juden. 51 Die Entwicklung der Faschismusdiskussion in der Bundesrepublik 319 Eine betrchtliche Verschrfung der wissenschaftlichen Auseinander- setzung brachten die 80er Jahre. Im Gefolge der 1982 gebildeten Regie- rung der Wende wurde 1984/85 eine ideologische Offensive gestartet, die auf Rehabilitierung des Nationalismus zielte. Ein neues Bewutsein nationaler Identitt werde gebraucht, so hie es, um die vielfltigen Krisen und Gefahren der Gegenwart zu bewltigen. 52 Es schlo sich eine von angesehenen konservativen Historikern getragene und vom rechten Flgel der Unionsparteien und grobrgerlichen Zeitungen massiv untersttzte Offensive an, die insbesondere den Krieg des deut- schen Faschismus gegen die Sowjetunion zu rehabilitieren suchte und auch die riesigen Verbrechen des Faschismus einschlielich des Massen- mords an den Juden zu relativieren unternahm. Bei diesem Historiker- streit 53 gelang der Rechten allerdings kein Erfolg: Liberale und linke Historiker bezogen entschiedene Gegenpositionen und erwiesen die Thesen der konservativen Historiker als wissenschaftlich unhaltbar und politisch gefhrlich. Auch innerhalb der Union erhoben sich Gegen- stimmen - besonders wirksam in Gestalt des Bundesprsidenten Weiz- scker. So fhrte der Versuch der Rechten, herauszutreten aus dem Schatten Hitlers (F.J. Strau), um unbefangen wieder Machtpolitik auf der Basis neu gewonnener konomischer und militrischer Potenz trei- ben zu knnen, nicht zum Erfolg. Allerdings trug er wesentlich dazu bei, nationalistische Denkmuster wieder salonfhig zu machen. Die zentrale Frage all der vielfltigen Kontroversen in der Faschis- musdiskussion ist nach wie vor, ob die Errichtung der faschistischen Diktatur und deren Politik von den gesellschaftlichen Bedingungen, Krften und Interessen her erklrt werden, ob also vom Kapitalismus die Rede ist oder nicht. Damit ist auch die Frage nach den politischen Inhalten und Gefahren der Eigentumsverfassung und nach den sozia- len Grundlagen der herrschenden Klasse gestellt - und nach den Folge- rungen, die sich fr eine antifaschistische Strategie aus den Erfahrungen mit dem Faschismus ergeben. Wird die Frage nach dem Kapitalismus nicht gestellt, sondern wird der Faschismus hauptschlich erklrt aus dem Charakter und der Geistesverfassung seiner Fhrer oder aus dem angeblichen Irrationalismus der Massen oder aus der als Schicksalser- eignis dargestellten Wirtschaftskrise oder aus anderen angeblich schick- salhaften oder zuflligen Verkettungen von Umstnden oder als Pro- dukt des deutschen Nationalcharakters oder aus der Weitergabe bestimmter Ideen von Nietzsche bis Hitler oder aus dem Versailler Ver- trag (also der Schuld auswrtiger Mchte), so luft dies, wie in diesem Buch dargelegt, auf eine Verschleierung der Hauptsache hinaus. (Dabei ist natrlich unbestritten, da die meisten dieser Momente im Faschi- 320 Zur Aktualitt des Faschismusproblems sierungsproze eine gewisse begnstigende Rolle gespielt haben.) Gegen alle diese Interpretationen haben die Herrschenden denn auch nichts einzuwenden. Aus ihnen ergeben sich weder Folgerungen, die die bestehende Eigentums- und Machtverteilung berhren, noch Konse- quenzen fr eine realistische antifaschistische Strategie. Obgleich also die Bedingungen fr die Entfaltung kritischer Wissen- schaft schwieriger geworden sind, konnten wesentliche Errungenschaf- ten der Reformperiode verteidigt werden. Grundlegende Erkenntnisse der Faschismusdiskussion wie die vom engen Zusammenhang zwischen autoritren Traditionen, konomischen Krisen und faschistischen Mas- senbewegungen oder zwischen dem deutschen Imperialismus im Ersten und im Zweiten Weltkrieg oder zwischen grokapitalistischen Interes- sen, Abschaffung der Demokratie und militrischer Expansion konnten nicht mehr aus der Welt geschafft werden. Eher noch wichtiger als die Entwicklung in der Fachwissenschaft und der Intelligenz ist es, ob diejenige Klasse, deren Lebensinteressen nur in der Demokratie verwirklicht werden knnen und die unter der Herrschaft des Faschismus in besonderem Mae zu leiden hat, die Gefahren rechtzeitig erkennt und den Kampf gegen sie aufnimmt. Fr diese Arbeiterklasse und ihre Organisationen ist dies in unserem Lande einerseits besonders dringlich, andererseits aber auch mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. Das zwlfjhrige Informations- und Propa- gandamonopol des Faschismus hat auch in der arbeitenden Bevlke- rung Spuren hinterlassen, die Ermordung von Zehntausenden der besten Funktionre der Arbeiterbewegung bedeutete auch lngerfristig einen schweren Verlust fr Bewutseinsentwicklung und Kampfkraft. Und die Niederlage in den Kmpfen um gesellschaftliche Neugestal- tung nach 1945, die mit dem Betriebsverfassungsgesetz 1952 besiegelt wurde, der besonders hysterische Antikommunismus in der Periode des Kalten Kriegs - verbunden mit massiver Unterdrckung gesellschafts- kritischer Tendenzen -, dazu die Illusionen, die durch die langdauernde Konjunkturperiode ber den sozialen Charakter des Kapitalismus erzeugt worden sind, haben in die gleiche Richtung gewirkt. Seit dem Ende der 60er Jahre und verstrkt seit der sozialen, mit Mas- senarbeitslogiskeit verbundenen Krise, die 1973 begann und offensicht- lich mit den Mitteln der freien Marktwirtschaft fr lngere Zeit nicht berwunden werden kann, haben sich jedoch neue Tendenzen entwik- kelt: Die Illusionen, da der Kapitalismus soziale Sicherheit und Wohl- stand fr alle dauerhaft gewhrleisten knne, da Krise und Massenar- beitslosigkeit der Vergangenheit angehren, da der Unternehmer sich um seine Mitarbeiter schon kmmern und da Vater Staat im Not- Die Entwicklung der Faschismusdiskussion in der Bundesrepublik 321 fall schon fr alle sorgen werde, sind in Auflsung begriffen. (Eben des- halb bieten ja die konservativ-reaktionren Krfte den starken Staat als Alternative und Ausweg an.) In den Gewerkschaften haben ange- sichts dieser Erfahrungen die Tendenzen sich verstrkt, demokratische und sozialistische Alternativen zur bestehenden Wirtschafts- und Ei- gentumsordnung zu fordern, die Mitbestimmung auszubauen und den reaktionren und faschistischen Tendenzen entschiedener entgegenzu- treten. Der Hamburger Kongre des DGB von 1978, der ausdrcklich verlangte, der Gefahr des Neofaschismus aktiv zu begegnen, zeigte diese Entwicklung deutlich an. Auch in der gewerkschaftlichen Bil- dungsarbeit wurde die Aufklrung ber die faschistischen Krfte und Gefahren verstrkt. Die Gewerkschaften haben damit auch viele Wis- senschaftler ermutigt, sich dem Druck nach rechts nicht anzupassen, sondern die Resultate ihrer Forschungen offen und konsequent zu ver- treten. Im Verlaufe der 80er Jahre haben sich die Konflikte eher noch ver- schrft: einerseits unternahm die Regierung der Wende massive Versu- che, den Abbau sozialer Rechte zu beschleunigen und die Handlungs- mglichkeiten der Gewerkschaften einzuschrnken. Und zugleich wur- den von der politischen Rechten Ideologien gefrdert, die die Ausln- der als diejenigen prsentierten, die fr Arbeitslosigkeit und Wohnungs- not, fr Umweltzerstrung und Kriminalitt verantwortlich seien. In der Agitation der extremen Rechten erlangte dieses Motiv gnzlich die Dominanz. Intellektuelle der Rechten liefern fr Fremdenfeindlichkeit und Auslnderha wissenschaftliche Rechtfertigungen, die sich un- schwer als Neufassungen rassistischer Theorien erkennen lassen. 54 In der Tat liegt eine wesentliche Voraussetzung dafr, da die Gefah- ren erkannt und berwunden werden knnen, darin, da demokratische Wissenschaftler die wirklichen Ursachen und den wirklichen Charakter des Faschismus offenlegen. Auch aus diesen praktischen Grnden ist es sehr notwendig, alle Verschleierungs- und Verklrungsversuche zurck- zuweisen und strikt die historische Wahrheit darzulegen. Wissenschaft- liche Kontroversen ber den Faschismus sind also - ob die Beteiligten das wissen oder nicht - zugleich politische Auseinandersetzungen ber die Chancen der Demokratie und die Zukunft unserer Gesellschaft. Demokratische Wissenschaft und arbeitende Bevlkerung sind also, wie in so vielen Fragen, auch hier aufeinander angewiesen. Durch diese Verbindung zwischen demokratischer Wissenschaft und Arbeiterbewe- gung kann eine Kraft entstehen, die in der Tat stark genug ist, die Offen- sive der Rechten abzuwehren, die demokratischen und sozialen Rechte der Massen zu verteidigen und dann jene Aufgabe in Angriff zu neh- 322 Zur Aktualitt des Faschismusproblems men, die die Demokratie dauerhaft festigen und die Gefahr des Faschis- mus dauerhaft beseitigen kann: die berfhrung der Wirtschaft in die Kontrolle des Volkssouverns, die Schaffung einer sozialistischen Demokratie, wie sie die Antifaschisten nach 1945 gewollt, die Landesver- fassungen dieser Periode noch deutlich artikuliert haben und wie sie das Grundgesetz in Artikel 15 als Mglichkeit ausdrcklich gewhrleistet hat. (Da die Vernderung der Eigentumsverhltnisse allein noch keine Lsung darstellt, wenn nicht das Volk sich wirklich zum Souvern macht und durch demokratische Praxis sich die Kompetenzen aneignet, die zur Selbstregierung erforderlich sind, hat das Beispiel der DDR sehr ein- dringlich gezeigt.) Anhang Anmerkungen Einleitung 1 Eine groe Zahl von Belegen findet sich in: H.W. Bartsch u. a. (Hg.), c//. t- s/.. /./ Kln 1974; vgl. auch G. Stuby/E. Wulff (Hg.), .-/.,. ./-./.-,.- ,.,.- .. ././.- .. :/.- - c//. Kln 1977. 2 B. Brecht, :. o./ ./. .. r.-..-,.- Frankfurt a. M. 1965, S. 149. 3 E. Nolte (Hg.), :/..- ./. ..- t/-., Kln 1967. 4 W. Wippermann, t/-./..- Darmstadt 5. Aufl. 1989; H. U. Thamer/W. Wip- permann, t//. .-. -.///. o...,.-,.- Darmstadt 1977. 5 A. Kuhn, t ///. u.//,.- .-. .. -..-. o..//// Hamburg 1973. 6 R. Saage, t/-./..- t-. t-/./.-, Mnchen 1976. 7 D. Eichholtz/K. Gossweiler (Hg.), t/-.//.-, t-.- t//.-. t/.-/ Kln 1980. 8 J. Kerkshaw, t. ss o.//-.,.-.- .-. r-...- - t/./// Rein- bek 1988. 9 Die wichtigsten Dokumente habe ich publiziert in dem Band: t. .../. t/-. - ..//.- .-. t/.-.-.- Kln 6. Aufl. 1987; vgl. weiter: W. Hofer, t. -/. /-. berarb. Neuausgabe: Frankfurt :.s: +--. .. r.,. ... t/.-.-. ./. .. t//. .. .../.- :-,//,/ /. .. /...-, .-. t.//./.-, .. ....- r.//.,. hg. u. eingeh v. D. Eichholtz u. W. Schumann, Berlin (DDR) 1969; +--. .. +,,.- ... t/.-.-. .. ..- r.,../.- .. ///.- .../.- t-,./ -. - ....- r.//., hg. u. eingeh v. G. Hass u. W. Schumann, Berlin (DDR) 1972; r.//.// - . t/.-.-. .. ..- t., .-. r.//.//,/-.- .. .../.- t-,./-. .- .. ://.-....-.. / : :.. hg. u. eingeh v. W. Schumann u. L. Nestler, Berlin (DDR) 1975; o// -/ s...., ... t/.-.-. ./. .. t// .. .../.- t-,./-. .-. :/-. ,.,.-./. s...., - ....- r.//., hg. u. eingel. v. W. Schumann, Berlin (DDR) 1973; R. Opitz (Hg.), t.,.,.- .. ... /.- r,/ :.:.. Kln 1977; U. Hrster-Philipps (Hg.), r. . u/. ./ //?, Kln 1978; W. Michalka (Hg.), t t. t./ 2 Bde., Mnchen 1985; grundle- gend sind nach wie vor die 42 Bnde, die das Internationale Militrtribunal (IMT) her- ausgegeben hat (Nrnberg 1947-1949). Neu publiziert wurden die t-/.-,.- ,.,.- .. t../. o-/, die t-/.-,.- ,.,.- .. t..-. o-/ und die t-/.-,.- ,.,.- .. t o t/.- die von der OMGUS (US-Militrregierung) 1945-1947 erstellt worden waren; sie sind 1985/86 in Nrdlingen neu erschienen. 10 Vgl. im einzelnen: t. t./..--. - .. o.-...,.///, in: t//. ..//. // (PVS), 1968, H. 3; t//.-. .-. :/.. ./. ..- -.--/.- t/-. in: ts 1970, H. 2/3, u. 1975, H. 1; :.-..-..- .. t/-.//.-, in: t-//.. u./. 1970, H. 6; t//.-. .. t-.,.- .. .../.- t/-. in: t +,.-.- 1970, Nr. 58; t. .../. t/-. - .. -....- t/.-, in: t +,.-.- 1973, Nr. 78; t. .../. t/-. in: ... t//. t.. 1970, H. 1; +,./. .. t/-. ./.- u/. +.//..-, .-. /..//. o.....-, in: o/. /. .../. .-. - .--/. t// 1970, H. 5; t//.-. .-. :/.. ./. ..- .../.- t/-. in: ://./ /. .../. o.//. .. t-.. :./ +.. Bd. 3, 1974; t. ..-//,/ /. s.- - .. ott in: K. H. Braun/K. Holzkamp (Hg.), r/. t,//,. Anmerkungen - Erster Teil Bd. 1, Kln 1977; t//.-. ,//. t,//,. ,//. t,//,. / t//.- in: ebd., Bd. 2; .... t,./-. .-. :.-..-..- .. t/-.//.-, in: ts 1980, H. 1 u. 2; t. .../. t/-. - .. -....- t/.-, o.,. .. r.//,. .-. ..- u.//,.- in: ... t//. t.. 1983, H. 1; r.-// .-. u//./. - .../.- t/-. in: ... t//. t.. 1988, H. 3. Erster Teil Begriff und Funktion von Wissenschaft 1 Empfehlungen zur Stellung der wissenschaftlichen Forscher, verabschiedet von der 18. Generalkonferenz der UNESCO am 23.11.1974. 2 Vgl. dazu vor allem die vorzgliche Darstellung von J. D. Bernal, r.-// 4 Bde., Reinbek bei Hamburg 1965. 3 Brecht, :. a. a. O. , S. 31. 4 Ebd., S. 11. 5 Ebd., S. 21. 6 Belege und Analysen finden sich unter anderem in: B. Engelmann, :. //...- t.. /. t.//. :::::.:: Mnchen 1977; A. Andersch/H. Boll u. a., o../../ t- /.-...../. t.././ Fischerhude 1976. 7 Vgl. die Schriften von Holbach, Diderot, Helvetius, Herder, Kant, Fichte usw.; als Dar- stellung: M. Buhr/G. Irrlitz, t. +-,./ .. .-.-/ t. ///. .../. t//,/. / /../. ..//. .. :-. Kln 1976. 8 :t-,./r./. Bd. 2, Berlin (DDR) 1972, S. 98. 9 Ebd., Bd. 21, S. 296 f. 10 Zur Kritik vgl.: o../////.. .-. ,.//..-////. t//.-, hg. v. W. Kttler, Berlin (DDR) 1985; t ,.//..-////. t/. .- r/ : hg. v. W. Kttler, Berlin (DDR) 1983; r/ .. /.,.//.- o.///./.-, u-././ hg. v. G. Lozek u. a. , Kln 4. Aufl. 1977. 11 Vgl. vor allem H. Rickert, r./...-// .-. ...-// Tbingen 1910; zur Kritik solcher Geschichtstheorien: G. Lukcs, t. z..-, .. .-.-/ Neuwied 1962, 4. Kap.; I. Geiss/R. Tamchina, +-/.- .-. /.-/,.- o.//..-// / Mnchen 1974. 12 G. Mann, o/-. o.//. /./.- t... /.- :. t../.- u/., ,.:: in: t. z. 1972, Nr. 41. 13 F. Meinecke, r./.- .-. r.. - .. o.//. in: ders., s .-. t.-///. Berlin 1933, S. 63. 14 t-//.. +//,.-.-. z..-, vom 17.8.1976; den gleichen Subjektivismus formulie- ren brigens auch moderne Kommunikationswissenschaftler; so lautet die Grundthese eines Buches von Watzlawik: Die sogenannte Wirklichkeit ist das Ergebnis von Kom- munikation. (P. Watzlawik, r. ./// .. r////. Mnchen 1976.) 15 K. D. Erdmann, o.//. t// .-. t.,,/ Stuttgart 1970, S. 90. 16 G. Mann, o.//. .-. o.//.- Frankfurt a. M. 1961, S. 108 f. 17 E. Nolte, t..//-. .-. .. r/. r., Mnchen 1974, S. 620. 18 G. Ritter, o.//. / o/..-,-/ Stuttgart 1946, S. 19. 19 Vgl. auch t-//.. +//,.-.-. z..-, vom 2.9.1976, die ber entsprechende Ausfh- rungen von Kurt Biedenkopf (CDU) berichtet. Natrlich ist unbestritten, da der Mensch aller dieser Gefhle und Verhaltensformen fhig ist. Die entscheidende Frage aber lautet, ob die gesellschaftlichen Verhltnisse so beschaffen sind, da sie diese Gefhle und Verhaltensformen begnstigen und belohnen oder im Gegenteil die der Solidaritt, Nchstenliebe und mitmenschlichen Hilfe, deren, wie die Erfahrung zeigt, der Mensch ebenfalls fhig ist. 20 O. Spengler, t. t-.,-, .. +/.-./-.. Mnchen 33.-47. Aufl. 1923, Bd. 1, S. 145. 326 Anmerkungen - Zweiter Teil 21 Vgl. zum folgenden: K. Holzkamp, s--//. t/.--- Frankfurt a. M. 1973; ders., Grundlegung der Psychologie, Frankfurt a. M./New York 1983; A. N. Leontjew, t //.-. .. t-.//.-, .. t,//.-, Frankfurt a. M. 1973; Autorenkollektiv Wissen- schaftspsychologie (Universitt Mnster), :.//. r.-// .-. t,//,. Kln 1975. 22 Brecht, :. a. a. O. , S. 115. 23 H. A. Turner, t/-. .-. r,/-. - t..//-., Gttingen 1972, Vorwort S. 7. Entsprechend aufmerksam wird von der Industrie die Faschismusdiskussion verfolgt: vgl. z.B. den t-.-./-././ .. t-. .. .../.- r// vom 19.7.1973. 24 E. Nolte, :-. t/-. r/. r., Stuttgart 1977, S. 8. 25 t-//.. +//,.-.-. z..-, vom 10.8.1977. 26 Brecht, :. a. a. O. , S. 151. 27 Ein Mangel des ber weite Strecken vorzglichen Aufsatzes von R. Opitz t/. .. t- ./.-, .-. ./-...-, .- t/-. (in: t +,.-.- 1974, Nr. 87) liegt darin, da er diese drei Fragen nicht hinreichend auseinanderhlt, da er die Wahrheitsfrage bei verschiedenen Theorien gar nicht prft, sondern diese durch Hinweis auf ihre Entste- hung und ihre Funktion schon als widerlegt und unbrauchbar ansieht. Dies gilt vor allem fr seine Darstellung der Mittelstandstheorien und der Bndnistheorien. 28 Brecht, :. a. a. O. , S. 24 und 152. 29 Eine Denkschrift der Unternehmerverbnde spricht zum Beispiel von den lebensge- setzlichen Unterschieden der Menschen, ihrer Begabung, ihrer Leistungsfhigkeit und ihres Leistungswillens; dabei sei es die schpferische, auf Eigenverantwortung und Wagnis beruhende Leistung des Unternehmers, die jene gewaltige, tief in der Men- schennatur begrndete Antriebskraft des Wirtschaftsprozesses darstelle. Eben deshalb sei der Unternehmer auch zur echten Fhrung an der Spitze des Unternehmens bestimmt. Diese Unterschiede zwischen Fhrungskrften und abhngig Arbeitenden seien die seit Jahrtausenden berlieferten Fundamente menschlichen Zusammenle- bens, gewollt und geschaffen vom Schpfer aller Dinge :/././ .. o.-..... -,.-, .. t../.- +/.,./.../-.. :.: In vlliger bereinstimmung mit dieser Unternehmerideologie betont die t-//.. +//,.-.-. z..-, - ein Wort von Chur- chill aufnehmend -, die Unternehmer seien das Pferd, das den Karren zieht (15.12.1976). Die Konkurrenz sei eine natrliche Auslese (8.12.1976); die Ungleich- heit schafft das hohe Einkommensniveau (16.4.1977). Fr den Unternehmer seien Innovationsbereitschaft, Kreativitt notwendig (3.1.1977). 30 Als Begrnder kann Max Weber gelten (die Theorie der Werturteilsfreiheit spielt hier eine groe Rolle); Weber hat die Sozialwissenschaft seit der Jahrhundertwende auch im angelschsischen Raum mageblich beeinflut. Als weitere Reprsentanten vgl. zum Beispiel Th. Geiger, t../,. .-. r//. t-. ./,/. r/ .. t.-/.- Stutt- gart/Wien 1953; E. Topitsch, s./,//,/. ../.- t../,. .-. r.-//, Neu- wied 1961; kritisch zu diesen Positionen: R. Sorg, t../,./..- z.- .//- .- ,..//////.- o....- .-. ./. t./ Kln 1976; J. Kahl, t.-. / r-..-. Kln 1976, bes. Kap. II. Zweiter Teil Theorien ber den Faschismus 1 Ch. Seton-Watson, t/, /- t/./- t- :s::.: Frome, London 1967; die bersetzung ist von mir. Zum italienischen Faschismus vgl. im brigen K. Priester, t. /.-/. t/-. o/--/. .-. ../,/. o.-./,.- Kln 1972; und die Beitrge von Schieder, Petersen u. Nolte in: W. Schieder u. a. (Hg.), t/-. / . /. o...,.-, t..//-. .-. t/.- - .,/./ Gttingen 2. Aufl. 1983 (zitiert wird im folgenden nach der 1. Aufl.: Hamburg 1976), sowie die dort genannte Litera- tur. Anmerkungen - Zweiter Teil 2 So ausdrcklich im Vorwort, S. IX. 3 So zum Beispiel Wippermann, t/-./..- a. a. O. , S. 137ff. 4 So zum Beispiel D. Schoenbaum, t. /.-. t../.- t-. s./,.//. .. t.- t./. Kln/Berlin (West) 1968. Zur Kritik an Schoenbaum vgl. vor allem A. Schweit- zer, t. /...-, .. :./-.. Stuttgart 1970, S. 137 ff. Dieses Problem wird im vorliegenden Buch noch ausfuhrlich zu behandeln sein. 5 t. t.. ,.,.- .. u.,/.,.././. . ..- t-.--/.- :/,./// 42 Bde., Nrnberg 1947-1949; vgl. auch: t t./ - tot/.-t.. Offenbach 1948; t// +-//,.,/.,. .,..//. t/.-.-. t./ .. t//t... hg. v. K. H. Thieleke, Berlin (DDR) 1965. 6 Vernehmung des Bankiers von Schroeder durch Vertreter der Anklagebehrde des US-Militrgerichtshofs in Nrnberg 1945, aus: R. Khnl (Hg.), t. .../. t/-. - ..//.- .-. t/.-.-.- a. a. O. , S. 502. 7 Bericht des Bros der US-Militrregierung (OMGUS), Archivgruppe 260, ber Ermitt- lungen in bezug auf die Deutsche Bank, aus: ebd., S. 504-506. 8 Verffentlichung eines Ausschusses des US-Senats unter Leitung von Senator Kilgore vom Oktober 1945, aus: ebd., S. 503. 9 Vgl. zu dieser Entwicklung E. U. Huster u. a., t..---.- .. ...../.- t.. - :..:... Frankfurt a. M. 1972; R. Badstbner/S. Thomas, t..- .-. s,/ .-, t-./.-, .-. t-.//.-, .. ott :..:. Kln 1975; R. Khnl, t. +..- -.....-, - ..- t/-. - ott .-. ttt in: H. Jung u. a., ott ttt . ,/./ .. o..////,.-. Kln 1971; L. Niethammer, t--./...-, - o,.- s./..-, .-. t.///..-, .-. -./-/. o...-, Frankfurt a. M. 1972; R. Khnl, o.// .- ./ Heilbronn 1990, S. 45 ff. 10 V. Valentin, o.//. .. t../.- Berlin/Stuttgart 1947, S. 688. 11 G. Mann, Vorwort zu E. Calic, o/-. :/. u/.o.-, o./.-,.,/. :.:: Frank- furt a. M. 1968, S. 5 u. 8. 12 G. Tellenbach, t. .../. / s/./. .-. s/// Stuttgart 1947, S. 12 f. 13 P. Hoffmann, r..-. s./ +.- t. r-,/ .. o,,- ,.,.- u/. Mnchen 1969, S. 15 ff. 14 F. Meinecke, t. .../. r,/. Wiesbaden 1946, S. 89 f. 15 t. +./., .. st+t - +.,.-...,.-/./.- hg. u. eingeh v. E. Deuerlein, Dssel- dorf 1968, S. 13. 16 A. Kuhn, u/. ..-,//. t,-- Stuttgart 1970, S. 21. 17 So Autor und Verlag in der vierteiligen Information zum Buch: J. Toland, +.// u /. Bergisch-Gladbach 1977. 18 Ph. W. Fabry, :.-.-,.- ./. u/. Dsseldorf 1968, S. 9 (das Buch ging aus einer Rundfunkserie hervor). Der hymnische Stil der Hofgeschichtsschreibung knnte nicht schner illustriert werden. Weitere der Fhrertheorie verbundene Darstellungen sind zum Beispiel: J. Nyomarkay, c/- -. t-/- - /. . t, Minneapolis 1967; E. Jckel, u/. r./-/..-, t-../ .-. u.// Tbingen 1969; W. Maser, +.// u/. t.,.-.. :,/ r////. Mnchen/Esslingen 1971; U. Wrtz, t,--/ .-. t./.,-., Diss. phil., Erlangen-Nrnberg 1966; R. L. Waite, u/. t. ,,/,//. o Stuttgart 1978; R. Bollmus, t +- t.-/., .-. .-. o.,-. Stuttgart 1970, der das Kompetenz-Chaos im faschistischen System auf eine irrationale psychische Disposition Hitlers zurckfhrt (S. 246 ff.). Vgl. auch die sonst viel differenziertere Untersuchung von H. A. Winkler :./-. t.-/. .-. -/./-. t. ,//. t-.//.-, .- u-.../ .-. r/.-/-../ - .. r.-. t.,./// Kln 1972), der Hitler das Machtzentrum der NSDAP nennt (S. 160) und von hier aus die Politik dieser Partei wie auch der faschistischen Diktatur ableitet; siehe auch K. D. Erdmann, t. z. .. r.//.,. Stuttgart 1966, das als o./ /. u-././ .. t../.- o.//. ziemlich reprsentativ fr die neuere Geschichtswissenschaft ist. Besonders drastisch wird die Fhrertheorie von S. Haffner verfochten (+--./.-,.- .. u/. Zrich/Mnchen 1978). 328 Anmerkungen - Zweiter Teil 19J . C. Fest, u/. Berlin (West) 1973, S. 18. 20 Ebd., S. 593. 21 Ebd., S. 22. 22 t. z. vom 12.10.1973. 23 t-//.. +//,.-.-. z..-, vom 27.10.1973. 24 t. r./ vom 11.10.1973. 25 So A. Tyrell, t./. /./.// s.//...,-. . .. r-,/.. .. st+t Dsseldorf 1969, bes. S. 103. 26 t. +./., .. st+t - +.,.-...,.-/./.- a. a. O. , S. 22. 27 Fabry, a. a. O., S. 9 28 Fest, a. a. O. , S. 98 u. 113. 29 Ebd., S. 21. 30 Ebd., S. 19. 31 Ebd., S. 7. 32 Ebd., S. 19. 33 Vgl. K. Kautsky, s./.- .-. r., Prag 1937, S. 441; W. Abendroth, t-/./.-, - .. o.//. .. +/../...,.-, Heilbronn 2. Aufl. 1988, S. 145ff.; G. Flberth/J. Harrer, t. .../. s./..-/. :s.:.:: Darmstadt/Neuwied 1974, S. 113; als Beispiel fr den Kriegstaumel im Brgertum vgl. K. Hammer, t../. r.,/./,. :s::.:s Mnchen 1971, bes. S. 30 ff.; allgemein: E. Johann (Hg.), t--.--/ .-. r.,. t../. t/.-.-. :.:.:.:s Frankfurt a. M. 1968. 34 Zur Novemberrevolution vgl. unter anderem: J. Berlin, t. .../. t../.- :.:s:. ..//.- .-. t/.-.-. Kln 1979; H. A. Winkler, - .. t../.- .. s//..-, Bonn 1984; G.A. Ritter/S. Miller (Hg.), t. .../. t../.- :.:s:.:. Frank- furt a. M. 1968; E. Kolb (Hg.), - r../ .. r.-. t.,./// Kln 1972; W. Abendroth, t-/./.-, - .. o.//. .. +/../...,.-, a. a. O. , S. 165ff.; Fl- berth/Harrer, a. a. O. , bes. S. 151 ff.; W. Rge, t..//-. :.:::.:: Berlin (DDR) 1974, Teil I; R. Khnl, t. r.-. t.,./// Reinbek 1985, S. 19 ff. 35 Dies kommt besonders drastisch in einem durchaus antifaschistisch gemeinten Buch zum Ausdruck, in dem den Deutschen gegenbergestellt wird das Heer der Proleta- rier und die Sozialdemokratie als offenbar auerhalb stehende Gruppen (K. Schwedhelm [Hg.], t,/..- .. -/-. Mnchen 1969, S. 83). 36 Fest, a. a. O. , S. 194. 37 Ebd., S. 589. 38 Ebd., S. 1030. 39 Interview mit J. C. Fest in der z. .- 12.10.1973. 40 Vgl. vor allem F. Fischer, o// -/ .. r./-/ t. r.,../,// .. /.//.- t..//-. :.:.:s Dsseldorf 1961; t/.-.-. .. .../.- o.//. :.:.:.:: hg. v. D. Fricke, bearb. v. W. Gutsche, Berlin (DDR) 1976; W. Gutsche u. a., - s .. -/ .//. t..//-. - t.- r.//., Berlin (DDR) 1974; G. Hallgarten/J. Radkau, t../. t-... .-. t// .- o-/ / /... Frankfurt a. M./Kln 1974. 41 Vgl. die in Anm. 9 der Einleitung genannten Dokumentenbnde sowie D. Eichholtz, o.//. .. .../.- r.,.// 2 Bde., Berlin (DDR) 1971 u. 1985; t..//-. - ....- r.//., von einem Autorenkollektiv unter der Leitung von W. Schumann u. G. Hass, 6 Bde., Kln 1974-1985; t t../. t./ .-. .. .... r.//., hg. vom Militrgeschichtlichen Forschungsamt Freiburg, Stuttgart 1979 ff. (projektiert auf 10 Bnde); einen guten berblick gibt B.J. Wendt, o...//-. +..-,// .-. r.,./...-, .. u/.t.,-. Mnchen 1987. 42 Dazu Fischer, o// -/ .. r./-/ a. a. O. ; Hallgarten/Radkau, t../. t-... .-. t// a. a. O. ; Gutsche u. a. , - s.. -/ .//. a. a. O. ; H.-U. Wehler, t .../. r../ :s:::.:s Gttingen 1973; W. Struve, t/. ,- t.-, t.../, ../ - /.,. ,// /.,/ - o.--, :s.:.:: Princeton Univer- sity Press 1973; Lukcs, t. z..-, .. .-.-/ a. a. O. Anmerkungen - Zweiter Teil 43 W. Maser, t. t./,.//. .. st+t Frankfurta. M. 1965, S. 133 ff.; K. Ptzold/M. Weibecker, o.//. .. st+t :.::.. Kln 1981, S. 28 ff. 44 Wir haben dies detailliert dargestellt in: R. Khnl/G. Hardach (Hg.), t. z..-, .. r.-. t.,./// Kln 1976; vgl. auch W. Ruge, t t-.. .- r.- :-,//,/ .-. u/. Berlin (DDR) 1983; W. Michalka (Hg.), t. --/.//. :/.,. /.-, Paderborn/Mnchen/Wien/Zrich 1984. 45 F. Heer, t r,- .. /,/./.- .-.-/ Stuttgart 1977, S. 257; vgl. auch die Un- tersuchung t. o/./. .. +.// u/. +--. .-. ,//.- t./, (Mnchen/ Esslingen 1968), in der Heer die katholischen Traditionen im Denken Hitlers heraus- arbeitet. Die ideologische Vorbereitung des Faschismus durch den Konservatismus hat J. Petzold dargestellt: r-.... :/../. .. .../.- t/-. Berlin (DDR) 1978; vgl. auch die vorzgliche Untersuchung von K. Fritzsche, t//. t--/ .-. o.,.-../.- t/./..,. - .. r. .. /.,.//.- o..//// t o.,./ .. : r.. Frankfurta. M. 1976. 46 G.W. Plechanow, t/. .. t//. .. t.-///. - .. o.//. Stuttgart 1952, S. 39 ff. 47 A. Hitler, :.- r-,/ Mnchen 1944, S. 531 f. u. 200; vgl. auch die Auszge in: Khnl (Hg.), t. .../. t/-. - ..//.- .-. t/.-.-.- a. a. O. , S. 112-114. 48 Dazu U. Hrster-Philipps, o/,/ r.-. t.,./// .-. t/-. in: Khnl/ Hardach (Hg.), t. z..-, .. r.-. t.,./// a. a. O., S. 38-142; K. Gossweiler, u/. .-. . r,/ 1925-1928, in: o/. /. .../. .-. -.--/. t// 1978, H. 7 u. 8; Ptzold/Weibecker, o.//. .. st+t a. a. O. 49 Calic (Hg.), o/-. :/. a. a. O., S. 42 f. u. 62; Auszge in: Khnl (Hg.), t. .../. t/-. - ..//.- .-. t/.-.-.- a. a. O. , S. 131 ff., hier S. 133. 50 Hitler, :.- r-,/ a. a. O. , S. 742f. 51 A. Hitler, t. r., ..- r..../., abgedruckt in: Turner, t/-. .-. r,/ -. - t..//-. a. a. O. ; Auszge in: Khnl (Hg.), t. .../. t/-. - ..//.- .-. t/.-.-.- a. a. O. , S. 117ff., hier S. 117. 52 Vgl. dazu P. Massing, ,.//. .. ,//.- +-.--. Frankfurt a. M. 1959; P. G.J. Pulzer, t. t-./.-, .. ,//.- +-.--. - t..//-. .-. o../ :sc::.:. Gtersloh 1966; W. Mohrmann, +-.--. t../,. .-. o.//. - r../ .-. - .. r.-. t.,./// Berlin (DDR) 1972; L. Poliakov, o.//. .. +-.--. 6 Bde., Worms 1977 ff.; H. Berding, :..-. +-.--. - t../ /-. Frankfurt a. M. 1988. Im Kap. 7 wird dieses Problem ausfhrlicher behandelt. 53 So der franzsische Historiker Monod, zit. nach Plechanow, a. a. O., S. 22, der sich auf einen Aufsatz von Lamprecht in der z./.-/ 1897, Nr. 41, beruft, aber keinen genauen Ort angibt. 54 Fabry, a. a. O. , S. 13. 55 E. Nolte, t. t/-. - .-. t,/. Mnchen 1963, S. 53 f. und 55. 56 K.J. Ruhl, s,-.- - z...- r.//., t- .. t/-,. .-. . t. t./ Ham- burg 1975, S. 252; die Reihe, in der dieses Buch erschien, beansprucht brigens, Geschichte als historische Sozialwissenschaft zu betreiben und Prozesse und Struk- turen zu erforschen (S. 5). Anspruch und Wirklichkeit klaffen hier also weit auseinan- der. 57 Dazu G.W. F. Hallgarten, t s/// .. t-,./-. - : ///.-.. Frank- furt a. M. 1969, bes. S. 57ff.; H. Schleier, t. /.,.//. .../. o.///./.-, .. r.-. t.,./// Kln 1975; K. Sontheimer, +-..-//. t.-/.- - .. r.- . t.,./// Mnchen 1962; B. Faulenbach, t../,. .. .../.- r.,. Mnchen 1980; M. Kater, s...-.-// .-. t././/-. - t..//-. :.:s:.:: Ham- burg 1975; H.W. Prahl, s./,.//. .. u//./...- Mnchen 1978. 58 Lukcs, t. z..-, .. .-.-/ a. a. O. , S. 57. 59 Eine gute Dokumentation und Analyse bieten J. Berlin u. a. am Beispiel des Hitler- Films von J. C. Fest: r ../.., t. Kln 1978. 60 R. Opitz in: t +,.-.- 1974, Nr. 87, S. 556. 330 Anmerkungen - Zweiter Teil 61 G. Mann, t../. o.//. :.:s:.. Frankfurta. M. 1968, S. 302. 62 Fest, u/. a. a. O. , S. 1027. 63 t. +./., .. st+t - +.,.-...,.-/./.- a. a. O., S. 13. 64 Vgl. dazu das Kapitel ber Ernst Nolte in diesem Buch. 65 Fest, u/. a. a. O. , S. 429. 66 Calic (Hg.), o/-. :/. a. a. O. , S. 47f. 67 L. v. Friedeburg/P. Hbner, t o.////. .. :.,.-. Mnchen 2. Aufl. 1970, S. 5. 68 R. Khnl (Hg.), o.//. .-. t../,. Reinbek 1974. 69 D. Bomann (Hg.), r / ./. +.// u/. ,./ //. +...,. . :.: +./ ..- .- s/./.- .-. s/./.--.- //. s/./.- .. o.-...,./// t..//-. Frank- furt a. M. 1977. 70 t. s,.,./ 1977, Nr. 34. 71 Wenn Michael Freund das faschistische System als epileptischen Anfall des deutschen Volkes bezeichnet (Vorwort zu W. Bernhardt, t. .../. +./..-, :.:.:.:. Frankfurta. M. 1969), so luft das natrlich im Endeffekt auf das gleiche hinaus. 72 Meinecke, t. .../. r,/. a. a. O. , S. 92f. 73 Ritter, o.//. / o/..-,-/ a. a. O. , S. 19. 74 G. Schulz, +./., .. -/./-. Frankfurt a. M./Berlin (West)/Wien 1975, S. 752. 75 t,/..- ... . t. t./ Mnchen 1946, S. 14. 76 Vgl. zum Beispiel die nicht publizierte empirische Untersuchung von R. Wildenmann ber die Bundesrepublik, zit. in: R. Khnl u. a., t. tt s./. t../,. .-. t.-/ - .-. -.///.- t. Frankfurt a. M. 1969, bes. S. 331. 77 Da sich das auch durch die wachsende staatliche Planung im gegenwrtigen Kapitalis- mus im Prinzip nicht gendert hat, kann hier nicht nachgewiesen werden; vgl. dazu W. Rosenbaum, s-...---. .-. r//,/-.-, - -..-.- r,/-. in: R. Khnl (Hg.), t. /.,.//. s .. o.,.-. Reinbek 1972; :-. t,. 1970, H. 1: s--,//. r//.,./..-, t-// t-.- :./..- 78 Vgl. dazu G.W. F. Hallgarten, u/. t./../ .-. t-... Frankfurt a. M. 1955, S. 11 ff 79 Vgl. vor allem K. D. Bracher, t. .../. t/. t-./.-, s./. t/,.- .. -/./-. Kln 5. Aufl. 1976. Auch der amerikanische Historiker H. A. Turner spricht sich gegen einen allgemeinen Faschismusbegriff aus: Es sei nicht ratsam, Un- tersuchungen zum Faschismus anzustellen, die von der Existenz eines solchen Gat- tungsphnomens ausgehen. Nach seiner Ansicht hat es Faschismus vielleicht ber- haupt nirgendwo gegeben: Es sollte sorgfltig erwogen werden, ob einige oder so- gar alle 'faschistisch' genannten Bewegungen und Regimes nicht sinnvoller anders klassifiziert werden knnten. Dennoch hat er ein Buch ber dieses vielleicht gar nicht existente Phnomen Faschismus geschrieben: t/-. .-. r,/-. - t../ /-. a. a. O. , hier bes. S. 180f. 80 t/. t./- s .-. t// hg. v. E. Fraenkel u. K. D. Bracher, Frankfurt a. M. 1957, Stichwort Faschismus, S. 87. 81 N. Mhlen, t t..//-.//. .. +-./-. Hamburg 1960, S. 27 ff.; dazu hat aller- dings die deutsche Intelligenz seit dem 19. Jahrhundert durch ihre vielfltigen Theo- rien vom deutschen Wesen, dem angeblich ganz besondere Qualitten eigen seien, selbst die Grundlagen geschaffen. Genese und Funktion dieser Ideologie habe ich dar- gestellt in: z. s-../- .. .../.- -/-. in: H. Schulte (Hg+-- /- - o.-- c./.. :s::.:: Bd. I, Hamilton 1990; vgl. auch Faulenbach, t../ ,. .. .../.- r.,. a. a. O. Dahrendorf zitiert unter anderem den Heidelberger Psy- chologie-Professor Willy Hellpach, der 1925 zur Reichsprsidentenwahl kandidierte. Dieser schrieb: ber alle Wandlungen und Schwankungen der geschichtlichen Situa- tionen hinweg haben sich im deutschen Wesen folgende Grundeigenschaften als besonders unvernderlich, unangreifbar oder (nach vorbergehenden Abschwchun- gen und Verdunklungen) als immer wiederkehrend bewhrt: Anmerkungen - Zweiter Teil 331 1. Schaffensdrang 2. Grndlichkeit 3. Ordnungsliebe 4. Formabneigung 5. Eigensinn 6. Schwrmseligkeit (W. Hellpach, t. .../. c//. Bonn 1954, S. 171, zit. nach R. Dahrendorf, o..//// .-. t.-/. - t..//-., Mnchen 1965, S. 35 f.). Die US- Zeitschrift :-. hat das gleiche Prinzip fr die Erklrung des Terrorismus in der BRD angewandt, indem sie die deutsche Krankheit schon im Furor Teutonicus ge- gen die Rmer vorzufinden meinte (zit. nach t-//.. +//,.-.-. z..-, vom 22.9.1977). 82 B. Neilessen, t. ../.-. t../.- Hamburg 1963, S. 10, 37, 95, 162, 147, 40. 83 Dahrendorf, o..//// .-. t.-/. a. a. O. , S. 32ff. 84 Vgl. dazu M. Ewers, o/..-,// .-. o/,...// Frankfurt a. M. 1974, z.B. S. 60. 85 Vgl. dazu G. Weisenborn, t. /./. +./-. o./ ./. .. r..-./...,.-, .. .../.- //. :.:::.. Frankfurt a. M. 4. Aufl. 1974; O. E. Schddekopf, t. .../. r..-. ,.,.- ..- -/./-. Frankfurt/Berlin (West)/Mnchen 1977; Khnl (Hg.), t. .../. t/-. - ..//.- .-. t/.-.-.- Kap. VI, a. a. O. ; K. Mammach, t. .../. -///. r..-./...,.-, :.:::.:. Berlin (DDR) 1974; ders., r..-. :.:.:.. Kln 1987; E. Gottschaidt, +-/ /-. .-. r..-. Heilbronn 1985; t. r..-. ,.,.- ..- -/./ -. hg. v. J. Schmdeke u. P. Steinbach, Mnchen/Zrich 1985; siehe auch die Bibliothek des Widerstandes im Rderberg-Verlag, Frankfurt a. M. 86 Diese falsche Schlufolgerung legt z. B. das Buch von W. S. Shirer, +./., .-. t// .. t.- t./. Mnchen/Zrich 1964, nahe. 87 Vgl. dazu - neben Bracher und Lukacs - auch H. Plessner, t. ..,.. - Stutt- gart 1959; auch einige Varianten der Modernisierungstheorie reichen hier herein; sie werden im Kap. 6 behandelt. 88 Hierzu und zum folgenden vgl. H. Mottek, r//,.//. t..//-. Berlin (DDR) 6. Aufl. 1985, Bd. I, bes. Kap. 111,7 u. IV, 1 ; t../. o.//. - :: o-..- hg. v. H. Bartel u. a., Bd. 2 u. 3, Kln 1983; zur Diskussion ber den deutschen Sonder- weg vgl. bes. H. Grebing, t. .../. s-...., - t., :sc:.. t-. r/ Stuttgart/Berlin (West)/Kin/Mainz 1986; Khnl, z. s-../- .. .../.- -/-. a. a. O. 89 Vgl. dazu die Studie des israelischen Historikers W. Grab, t/..-, .. o./..-, t../. ://-. .-. .. t-..-/.// - t/.-/-. ::.:::.. Trier 1971. 90 Die entsprechenden Daten finden sich in: R. Khnl, t-.- /.,.//. u.// t/./-. t/-. Reinbek bei Hamburg 1971, S. 107f.; zur Gesamtentwick- lung seit 1870 vgl. die vorzgliche Darstellung von G. Hardach, t..//-. - .. r./.// :s::.: Frankfurt a. M. 1977. 91 Vgl. zum folgenden Bracher, t. .../. t/. a. a. O. , bes. Kap. I. 92 Alle Zitate sind aus: ebd., S. 8-23 93 Ebd., S. 29 u. 34 f. 94 Ebd., S. 48. 95 Ebd., S. 10 f. 96 Alle Zitate sind aus Lukacs, t. z..-, .. .-.-/ a. a. O. , S. 37-43. 97 Ebd., S. 48-53. 98 Ebd., S. 56-58. 99 Ebd., S. 58-72. 100 Ebd., S. 16 u. 82-83. 101 So wird z. B. der italienische Faschismus als Produkt nationaler Besonderheiten dar- gestellt von Renzo de Feiice in seiner :./-o,,/. Turin 1965-1968. 332 Anmerkungen - Zweiter Teil 102 Dazu R. Khnl, Stichwort Faschistische Bewegungen, in: t./- .. o.//. .-. t// - : ://.-.. Mnchen 1974; ders., t. t/-. Heilbronn 2., erw. Auf- lage 1988, Kap. III: Der Faschismus als allgemeine Erscheinung. 103 Genauer in: Khnl, Stichwort Faschismus, in: t./- .. o.//. .-. t// a. a. O. 104 E. Nolte, t. r. .. //./.- s,.- .-. .. +./., .. ///.- o...,.-,.- Mnchen 1968, S. 450 f. 105 Th. Geiger, t. ./. s//.-, .. .../.- //. Stuttgart 1932 (der Teil Die Mit- telstnde im Zeichen des Nationalsozialismus wurde neu abgedruckt in: Th. Geiger, +/..- .. s./,. Neuwied/Berlin [West] 1962, S. 365 ff. Nach dieser Neuaus- gabe wird im folgenden zitiert). Aus der gleichen Periode sind wichtig: E. Grnberg, t. :./-. - .. /,//.- o..//// Leipzig 1932; S. Riemer, z. s./ ,. .. -/./-. in: t. +/. 1932, H. 2; R. Heberle, t-./..//..-, .-. -/./-. t-. ./,/. t-../.-, .. ,//.- r//.-//..-, - s//..,u/.- :.:s:.:: (erst 1963 in Stuttgart publiziert). Alle diese Autoren waren politisch der Sozialdemokratie verbunden. 106 Genauere Angaben in: Khnl (Hg.), t. .../. t/-. - ..//.- .-. t/.-.- .- a. a. O., S. 94-96. 107 G. Ritter, t., .-. .. .../. t,. Mnchen 1948, S. 188 u. 19; vgl. auch F. A. Hayek, t. r., .. r-./// Erlenbach/Zrich 1945, S. 27. 108 W. Roepke, t. .../. t,. Erlenbach/Zrich 1948, S. 48 u. 64. 109 F.J. Strau, t. t/-. .- ./ .-. /-/ in: o,.-/.. vom 3. 6. 1978. 110 W. Hagemann, t.//./ - t.- t./ Hamburg 1948, S. 117. 111 H. C. Brandenburg, t. o.//. .. u: Kln 1968; hnlich G. Schulz +./., .. -/./-. a. a. O., S. 752. 112 L. Salvatorelli, -//- Turin 1923, abgedr. bei E. Nolte (Hg.), :/..- ./. ..- t/-. a. a. O. , hier S. 131. 113 Vgl. bes. A. Weber, s./. :./-/. .. st+tr//. Diss. Freiburg 1969; Schieder u. a. (Hg.), t/-. / ./. o...,.-, a. a. O. ; fr Italien vgl. dort die sorgfltigen Untersuchungen von W. Schieder u. J. Petersen. 114 S. M. Lipset, t/-. ./ /-/ .-. - .. :. in: s./,. .. t.-/. Neuwied/Berlin (West) 1962. 115 Geiger, a. a. O. , S. 350 u. 349. 116 Lipset, a. a. O. , S. 149. 117 Ebd., S. 139, der hier eine Untersuchung von M. A. Trow zitiert. 118 Geiger, a. a. O. , S. 351; zum Problem der Angestellten vgl.J. Kocka, +-,..//. .. /.- t/-. .-. t.-/. Gttingen 1977; H. Speier, t. +-,..//.- . ..- -/./-. Gttingen 1977. 119 M. Tjaden-Steinhauer, r/.-..//-. - s,/,/-., Stuttgart 1973, S. 53. 120 B. Heimel, :.///.- o..- .. t/-. z.- .//- .- /./.. t,. .-. ,//.- o....- in: R. Khnl/G. Hardach (Hg.), t. z..-, .. r.-. t.,./// a. a. O. , S. 196. 121 Heimel, a. a. O. , S. 202. 122 S. Kracauer, t. +-,..//.- Frankfurta. M. 1930, S. 12. 123 Geiger, a. a. O. , S. 352. 124 Ebd. 125 Lipset, a. a. O. , S. 139. 126 Ebd., S. 140. 127 Geiger, a. a. O., S. 347; B. Brecht, s//.- .. t// .-. o..//// Frankfurt a. M. 1968, S. 233. 128 Geiger, a. a. O. , S. 353. 129 Lipset, a. a. O. , S. 137. 130 Brecht, s//.- .. t// .-. o..//// a. a. O. , S. 164. 131 Lipset, a. a. O. , S. 181. Anmerkungen - Zweiter Teil 132 Ebd., S. 178. 133 Ebd., S. 134. 134 Eine ausfhrliche theoretische Begrndung fr diesen Sachverhalt gibt R. Opitz, t. ///. :.-/...,.-, in: R. Khnl (Hg.), :.. .. t/-../.- : t -.- .-. r-...- Reinbek 1974. 135 hnlich drckt sich auch Lipset aus, der von unrealistisch und in gewissem Ma- e irrational spricht, ohne freilich eine genauere Begrndung zu geben (a. a. O., S. 138). 136 G. Lukcs, o.//. .-. r/.-/....- in: r./. Bd. 2, Neuwied/Berlin (West) 1968, S. 223. 137 So Salvatorelli schon 1923, a. a. O.: der Faschismus habe als antiproletarische Reak- tion zugunsten des Grobrgertums funktioniert (S. 127). 138 Lipset, a. a. O. , S. 142. 139 Ebd., S. 173. 140 Geiger, a. a. O. , S. 348. 141 Ebd., S. 337. 142 Ebd., S. 349. 143 Vgl. z. B. Lipset, a. a. O., S. 135; Th. Schieder, z.- t//.- .. //.- r.../- .. -/./-. Bonn 1963, S. 20; Fest, u/. a. a. O. , S. 467; K. D. Bracher, t. r. t., :.:::.: Frankfurt a. M./Berlin (West)/Wien 1976 (Propylen Geschichte Europas, Bd. 6), S. 36 ff.; siehe auch die Theorien, die den Faschismus als Modernisierung kennzeichnen, sie werden in Kap. 6 behandelt. 144 Als Beispiel fr die erste These vgl. E. Nolte, t. /./.-..- r/.- .-. .. t/ -. - t/.- in: W. Schieder u. a. (Hg.), t/-. / ./. o...,.-, a. a. O. , S. 183ff.; fr die zweite These S. Haffner, +--./.-,.- .. u/. Zrich/Mnchen 1978. 145 Haffner, a. a. O. 146 Geiger, a. a. O. , S. 335. 147 Lipset, a. a. O. , S. 131. 148 Fest, u/. a. a. O. , S. 145, und Interview in der z. vom 12.10.1973. 149 Lipset, a. a. O. , S. 134. 150 Dies wird bei der Untersuchung des faschistischen Herrschaftssystems noch genauer zu begrnden sein; an dieser Stelle sei nur daraufhingewiesen, da dies fr den deut- schen Faschismus berzeugend nachgewiesen wurde u. a. von A. Schweitzer, o, o. -. - /. :/. t./ Indiana University Press, Bloomington 1964. 151 Vgl. dazu bes. Heimel, a. a. O. , S. 191 ff. 152 t-//.. +//,.-.-. z..-, vom 13.9.1978. 153 Winkler, :./-. t.-/. .-. -/./-. a. a. O. ; vgl. ferner A. Lep- pert-Fgen, t. ..//.. r/. s...- .. o.//. .-. t../,. .. r/.-/.,. .- Frankfurt a. M. 1974. 154 Vgl. dazu auch F. Sternberg, t. t/-. - .. :/ Amsterdam 1935. 155 Nach: r./,.//. hg. v. d. Akademie der Wissenschaften der UdSSR, Berlin (DDR) 1967, Bd. 9, S. 192 f. 156 Nach D. S. Landes, t. .-/../. t-./.. :./-/,/. r-../ .-. -...//. t- .//.-, - r..., .- :: / .. o.,.-. Kln 1973, S. 345. Zu anderen Ergebnissen in Hinsicht auf die USA kommen W. Fischer, t../. r//,// :.:s:.. Opladen 3. Aufl. 1968, S. 45; Schweitzer, t. ./...-, .. :./- .. a. a. O. , S. 10. 157 Vgl. zu dieser Entwicklung - neben dem schon genannten Buch von Tjaden-Stein- hauer - K. Neelsen, r//,.//. .. ott Berlin (DDR) 1971; derst/. - .. ott Berlin (DDR) 1974. 158 Wie hoch der Anteil der Arbeiter an Whlern und Mitgliedern war, ist nicht genau geklrt und hngt auch davon ab, was in den Statistiken und von den Autoren un- ter Arbeitern verstanden wird. Vgl. zu diesem Problem besonders M. H. Kater, s 334 Anmerkungen - Zweiter Teil zialer Wandel in der NSDAP im Zuge der nationalsozialistischen Machtergreifung, in: Schieder u. a. (Hg.), t/-. / ./. o...,.-, a. a. O. , S. 25ff., hier 29ff., und die dort aufgefhrten Belege. Fr Winkler ist der - wie auch er besttigt - geringe Anteil von Stimmen aus der Arbeiterschaft sogar ein Grund, die NSDAP als Volks- partei zu charakterisieren (ebd., S. 111 ff.). Wendet man dieses Kriterium konsequent an - welche Schichten und Klassen berhaupt in einer Partei vertreten sind, gleich- gltig in welchem Umfang und Verhltnis -, so gibt es allerdings berhaupt nur Volksparteien. Fr den italienischen Faschismus vgl. die Beitrge von W. Schieder und J. Petersen in dem genannten Sammelband. Zusammenfassend stellt Schieder in der Einleitung dieses Bandes fest: Da die Arbeiter weder in Italien noch in Deutschland in nennenswertem Umfang fr den Faschismus gewonnen werden konnten, bedarf keiner weiteren Diskussion (S. 19). Zum neuesten Forschungsstand vgl. P. Manstein, t. :,/... .-. r//. .. st+t :.:.:.:: Frankfurt a. M./ Bern/New York/Paris 2. Aufl. 1989; sowie die verschiedenen Publikationen von J. Fal- ter, zusammenfassend in dem Beitrag r//.- .-. r//...//.- .-. /.-... o..//,.-, .. +./., .. st+t -/ :.:s in: K. D. Bracher u. a. (Hg.), t. r.-. t.,./// :.:s:.:: Bonn 1988, S. 484-504. 159 Vgl. dazu die Beitrge von Clemenz, ErtI u. Gre in: I. Fetscher (Hg.), t./.// -. Frankfurt a. M. 1967. 160 Vgl. dazu Khnl/Hardach (Hg.), t. z..-, .. r.-. t.,.///, a. a. O., bes. den Beitrag von Hrster-Philipps. 161 Vgl. dazu ebd. den Beitrag von Mller. 162 Schreiben Hitlers an den Reichsprsidenten Hindenburg vom 20.11.1932, in: E. R. Huber (Hg.), t/.-.-. .. .../.- ./.-,,.//. Bd. 3, Stuttgart 1966, S. 552 f. 163 Vgl. z.B. die schon zitierten Geheimgesprche u/.o.-, von 1931, hg. v. E. Calic. 164 Dazu Jckel, u/. r./-/..-, a. a. O. ; Belege auch in Hillgruber (Hg.), u/. :/,.,/ - t././.,,.. :..::..: Mnchen 1968. 165 W. Reich, t. :.-,,//,. .. t/-. Kopenhagen 1933, neu publiziert: Kln 1972 (nach dieser Ausgabe wird im folgenden zitiert), hier S. 31. 166 Reich, :.-,,//,. a. a. O.; E. Fromm, t. t./ . .. t./. Frankfurt a. M. 1966 (zuerst New York 1947); die theoretischen Probleme werden untersucht in: W. Reich, t/.//. :./-. .-. t,/-/,. in: S. Bernfeld u. a., t,/-/,. .-. :-. Frankfurta. M. 1970; E. Fromm, +-/,/. s./,,//,. .-. o../////.. Frankfurta. M. 1970; :-. t,/-/,. s.,/ 2. Bde., Frankfurta. M. 1970 u. 1972; vgl. auch M. Horkheimer/E. Fromm u. a., +. .-. t-/. Paris 1936; Th. Adorno u. a., t. .. c//. Amsterdam 1968 (zuerst Studies in Prejudice, New York 1950). 167 Vgl. z. B. den Beitrag von K. Horn, in: Khnl (Hg.), :.. .. t/-../.- : a. a. O. 168 Reich, :.-,,//,. a. a. O. , S. 42. 169 Ebd., S. 37. 170 Ebd., S. 42. 171 W. Reich, c//.-/,. Kln 1970, S. 15. 172 Reich, t/.//. :./-. a. a. O. , S. 176. 173 Reich, :.-,,//,. a. a. O. , S. 70f. 174 Ebd. 175 Ebd., S. 46. 176 Ebd., S. 45. 177 Ebd., S. 76. 178 Ebd., S. 82. 179 Ebd., S. 77. 180 Ebd., S. 64. Anmerkungen - Zweiter Teil 181 Die folgenden Zitate sind dem schon genannten Buch von Fromm t. t./ . .. t./. entnommen. 182 Brecht, s//.- .. t// .-. o..//// a. a. O. , S. 182. 183 Als allgemeine methodische Grundlage knnen fungieren: K. Holzkamp, s--//. t/.--- u/. t,.-, .-. ,..//////. t.-/- .. r/-./-.-, Frank- furt a. M. 1973; A. N. Leontjew, t//.-. .. t-.//.-, .. t,//.- a. a. O. ; L. Sve, :-. .-. :/.. .. t.-///. Frankfurt a. M. 1972; K. H. Braun, t- /./.-, - .. ,//. t,//,. Kln 1978. 184 Reich, :.-,,//,. a. a. O. , S. 42. 185 Ebd., S. 77; zur Sozialgeschichte der Familie vgl. I. Weber-Kellermann, t. .../. t-/. ../ .-. s./,.//. Frankfurt a. M. 1974. 186 Zur marxistischen Kritik an der Psychoanalyse vgl. W. Hollitscher, +,,.- - :.- /.-//. : t... t.-. Frankfurt a. M. 1970; W. Friedrich (Hg.), r/ .. t, /-/,. .-. //,/. r-..,-.- Berlin (DDR) 1977; z. r/ .. t,/ -/,. in: :-. t,. 1973, H. 4 (Bd. 16). 187 Vgl. - neben dem schon genannten Aufsatz von K. Horn - z. B. R. Reiche, s../ .-. r/.-/-,/ Frankfurt a. M. 1971; P. Brckner, Zar s./,,//,. .. r,/ -. Frankfurt a. M. 1972; D. Duhm, +-, - r,/-. Lampertheim 1977; H. Dahmer, ..- .. -///.- s./,,//,. in: t/-. .-. r,/ -. Frankfurt a. M. 1976; K. Theweleit, :--.,/-.- 2 Bde., Frankfurt a. M. 1977 u. 1978. 188 t../. //...-, (DVZ) vom 20. 7. 1978. 189 Vgl. dazu E. Forsthoff, t. /. s Hamburg 1933; zur historischen Einordnung vgl.: M. Jnicke, :/. u.// Berlin (West) 1971, S. 59ff.; u. K. Fritzsche, t/-./..- r/ .-. t.,./.. in: F. Neumann (Hg.), t//. :/..- .-. t../,.- Baden-Baden 2. Aufl. 1977, S. 438. 190 Vgl. z. B. F. Arnold (Hg) +-//,. t//. t//. - t..//-. :.:.: Eben- hausen 1972; weitere Angaben bei E. Hennig, in: ... t//. t.. 1976, H. 1, S. 4; hnliche Konzepte wurden von liberalen und konservativen Autoren Italiens entwickelt: vgl. L. Sturzo, t/.- .-. .. t/-. Kln 1926, sowie F. Nitti, o//. .-. t/-. .-. t.-/. Mnchen 1926. (Die Position von Sturzo ist dokumentiert in: Nolte [Hg.], :/..- ./. ..- t/-. a. a. O. , bes. S. 225). 191 C.J. Friedrich, :/. t/. Stuttgart 1958; hnliche Thesen unter anderem in: H. Buchheim, :/. u.// Mnchen 1962; H. Arendt, t/.-.-. .-. t,.-,. /. u.// Frankfurta. M. 1955. Zur Analyse und Kritik der Totalitarismus- theorie vgl. unter anderem T. Mason, t t-...- .. :/-./..- in: t. t//,. 1966, H. 7; R. Mller, t-../.-,.- .. s./. .. t.- t./. .-. .. :/.. .. :/-. Diss. Marburg 1961; M. Greiffenhagen/R. Khnl/J. B. Ml- ler, :/-. z. t//.-/ .-. ,//.- o.,// Mnchen 1972; H. Grebing, t-/.//-. ,/./ t././/-. t-. ///. o/./.-, Stuttgart 1971; Wei- becker, t-.././.-, .. /.-.- o/. Frankfurt a. M. 1975, S. 45 ff. ; K. Hildebrand, s./.- .. :/-.//.-, in: t//. ..//.// 1968, H. 3; vgl. auch die Textsammlung B. Seidel/S. Jenkner (Hg.), r.,. .. :/-.//.-, Darm- stadt 1968; E. Hennig hat sich kritisch mit dem Problem befat in: ... t//. t. . 1976, H. 1. 192 Friedrich, a. a. O. , S. 15. 193 Ebd., S. 19 ff. 194 Ebd., S. 17. 195 Greiffenhagen/Khnl/Mller, a. a. O. , S. 94. 196 Arendt, a. a. O. , S. 674. 197 Friedrich, a. a. O. , S. 23. 198 Goebbels, t.-./.-/... am 1.4.1933, in: J. Goebbels, t../.- .. t../.- Ol- denburg 1933, S. 155; Bracher erwhnt, da der Frankreich-Feldzug von 1940 im SS-Organ Schwarzes Korps vom 22. 8.1940 als Sieg ber die abgelegten Ideale 336 Anmerkungen - Zweiter Teil und die Untermenschenrevolution von 1789 gefeiert wurde (Bracher, t. .../. t/., a. a. O. , S. 8). 199 Vgl. neben Friedrich auchJ. L. Talmon, :/. o,- / :/- t.-, London 1952. 200 Friedrich, a. a. O. , S. 19 u. 22. 201 Auf S. 30, a.a.O, deutet Friedrich dies selbst an. 202 Friedrich, a. a. O. , S. 20. 203 Dies wird in den nchsten Kapiteln ausfhrlicher dargestellt. Es sei jetzt schon hinge- wiesen auf die Untersuchung von A. Schweitzer, o, o.-. - /. :/. t./ a. a. O. 204 Schweitzer, o, o.-., a. a. O. S. 529; die bersetzung ist von mir. 205 S.J. Woolf, t. / .-- ,.- . in: S.J. Woolf (Ed.), :/. .. / t- London 1968, S. 119 ff., hier S. 142 f.; die bersetzung ist von mir. 206 Friedrich, a. a. O. , S. 54. 207 Vgl. dazu Lukcs, t. z..-, .. .-.-/ a. a. O. 208 Marx nennt die Religion nicht Opium fr das Volk, wie Friedrich zitiert (S. 22), denn das wrde heien, da die Herrschenden dieses Instrument bewut zur Betu- bung des Volkes einsetzen; sondern Marx sagt: das Opium des Volks; er sieht darin also ein Mittel, mit dem sich das Volk ber die Leiden des Lebens hinwegtrstet: Die Religion ist der Seufzer der bedrngten Kreatur, das Gemt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustnde ist. Sie ist das Opium des Volks (K. Marx, z. r/ .. u.,./.- t./,//,/., in: :t-,./r./., Berlin (DDR) 1972, Bd. 1, S. 378). Auch die brigen Ausfhrungen von Friedrich ber die marxistische Theorie (vgl. S. 24 f.) beruhen durchweg auf Fehlinterpretationen. 209 Vgl. dazu die Untersuchung von W. Gestigkeit, in: Khnl/Hardach (Hg.), t. z. .-, .. r.-. t.,./// a. a. O. 210 Vgl. Khnl (Hg.), t. .../. t/-. - ..//.- .-. t/.-.-.- a. a. O., Dok. Nr. 289ff., und die in diesem Band aufgefhrte Literatur. 211 Dazu Greiffenhagen/Khnl/Mller, a. a. O. , S. 7ff. 212 t-//.. +//,.-.-. z..-, vom 30.3.1977 und o,.-/.. vom 3.6.1978. 213 G. Schmidt, u/. .-. : s/-. tt .-. ... t-/. Frankfurta. M. 1969; ders., t// / u.//./. z. t... .. :/-. Mainz 1970; von hnlichem Niveau ist W. Schickling, - o.//./ / t.//. Velbert 1969. 214 Schmidt, u/. .-. : s/-. a. a. O. , S. 16-19, 32 u. 35. 215 Vgl. H. Zimmermann, t//.-. .. +-/,. ///../. o..////,.-. t- t /.-/., .. +-..-.//. .. :/-./.,// in: o.../////. :- /./. 1961, H. 12; O. Stammer, +,./. .. :/-.//.-, in: s./. r./ 1961, H. 12; H.J. Lieber, t../,. .-. r.-// - /.- s,.- in: r.- // - /.- s hg. v. W. Hofer, Mnchen 1964. 216 So z.B. P.C. Ludz, o//.-. t,.- - .. :/-.//.-, in: t//. ../ /.// 1961, H. 2, S. 322f.; vgl. auch Ludz, :/-. .. :/ in: s./. r./ 1961, H. 12, S. 133 f. 217 Zum Stalinismusproblem vgl. bes. W. Hofmann, r s/--. Neuauflage: Heilbronn 1984; die Beitrge von G. Meyer u. M. Masuch in: t +,.-.- 1977, Nr. 106, und 1978, Nr. 107; J. Elleinstein, o.//. .. s/--., Berlin (West) 1977; sowie die neue Debatte in der Sowjetunion: G. Meyer (Hg.), r /./.- .. r/ /. o.//./.- - .. s...-- Kln 1988 218 M. Jnicke, :/. u.// a. a. O. ; W. Schlangen, :/.. .-. t../,. .. :/ -. Bonn 1972 (Diss. Bonn 1969). 219 K. Sontheimer, t t/.-. .-.. t-.//./..//.- Hamburg 1976, S. 189; H. Matzerath/ H. Volkmann, :..-..-,/.. .-. -/./-. in: o.//. .-. o..// // Sonderheft 3: :/.. - .. t .. u/. Gttingen 1977, S. 99; vgl. daneben G. Schulz, t/-. -/./-. Frankfurta. M./Berlin (West)/ Wien 1974; sowie die Arbeiten von M. Funke, H. A. Jacobsen u. a. , z. B. K. D. Bra- Anme r kunge n - Zweiter Teil 337 cher/M. Funke/H. A. Jacobsen (Hg.), -/.//. t/. :.:::.. Ds- seldorf 1983; M. Funke (Hg.), t.--. - ..-//.- t./ Dsseldorf 1978. 220 K. D. Bracher, t. .-.-. :/-. t//.-, .-. +/./ in: ders., z.,. ////. r-...- .- t/-. :/-. t.-/. Mnchen 1976. 221 Vgl. K. D. Bracher, t. +.//.-, .. r.-. t.,./// Stuttgart, Dsseldorf 2. Aufl. 1957; K. D. Bracher/W. Sauer/G. Schulz, t. --/.//. :/.,./.-, Kln/Opladen 1960. 222 Vgl. z. B. Bracher, t. .../. t/. a. a. O., S. 532 f. Die gleiche Wendung vollzog auch Kurt Sontheimer: vgl. einerseits: t. t/... - .. t.-/. ... t-/. .-. /. t./. t-./... .-. o.-.--/..- (Kln 1970), wo er sich von der Totalita- rismusthese distanzierte, und andererseits: t t/.-. .-.. t-.//./..//.- a. a. O., wo er schreibt, die Idee des Totalitarismus sei allen Systemunterschieden zum Trotz noch immer eine geeignete begriffliche Klammer fr kommunistische wie faschisti- sche Staaten (S. 189). 223 Bracher, z.,.////. r-...- a. a. O. S. 35; die folgenden Zitate sind dieser Schrift entnommen. 224 D. Albrecht, z.- o.,// .. :/-. in: o.//. - r.-// .-. t-./ 1975, H. 3, S. 135 ff. 225 Bracher, :.- .-. t../.- - -/./-. in: M. Funke (Hg.), u/. t..//-. .-. .. :/. :./.- .. +..-,// .. t.- t./. Dsseldorf 1977, S. 17 ff., hier S. 18. 226 H. Bennecke, r////. t.,.- .-. ,//. t.//-. t. t./. .- r. - Mnchen/Wien 1968. 227 Bracher, z.,.////. r-...- a. a. O. , S. 59. 228 Zit. nach t-//.. +//,.-.-. z..-, vom 12.9.1977 und t-//.. t.-./. vom 21.5.1970. 229 Zum Selbstverstndnis Noltes vgl. bes. seine Aufsatzsammlung :-. t/ -. r/. r., a. a. O. ; ders., t .,./.- .. .,-,.-/. +-. - -.-. r /. - ,.---.- u/.. Berlin (West)/Frankfurt a. M. 1987 230 Nolte, t. t/-. - .-. t,/. a. a. O. 231 Nolte, :/..- ./. ..- t/-. a. a. O. 232 Nolte, t. r. .. //./.- s,.- .-. .. +./., .. ///.- o...,.-,.- a. a. O. ; ders., t. ///.- o...,.-,.- dtv-Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, Bd. 4, Mnchen 1966; ders., t. t/-. - :./- .. u/. :.. o/.. .-. t/.-.-. Mnchen 1968. 233 Nolte, t. r. .. //./.- s,.- S. 433; ders., t. t/-. - :./- .. u/. a. a. O. , S. 403. 234 Nolte, t. t/-. - .-. t,/. a. a. O. , S. 43. 235 Ebd., S. 24. 236 Vgl. dazu grundstzlich J. Habermas, z. t,/ .. s./..-//.- in: t//,/ /. t.-./. Beiheft 5, Frankfurt a. M. 1968; W. Hofmann, o../////./. / o. -.-,-/ t. r...//,. /... Berlin (West) 1961; H. J. Sandkhler, : /. r.-///.. Frankfurt a. M. 1975; E. Engelberg/W. Kttler (Hg.), t//.-. .. ,.//..-////.- t/.--- Kln 1977; vgl. im brigen den Wissen- schaftsbegriff, der im ersten Teil dieses Buches entwickelt wurde. 237 Nolte, t. t/-. - .-. t,/. a. a. O., S. 53. 238 Ebd., S. 53 f. 239 Ebd., S. 55. 240 Johannes Agnioli bemerkt zu dem methodischen Ansatz Noltes: Wozu gibt es Staats- archive, Geheimprotokolle, Statistiken, Gesetzestexte, soziale Krfte, Verbnde, Par- teien, Bewegungen? Wichtig ist allein, da es Gesamtausgaben von Schriften und Reden gibt. Die Methode reproduziert so in allem Ernst die faschistische Doktrin. z. t/-../.- tt in: o./-. z.// /. t//,. 1968, H. 4, S. 48 f.). 338 Anmerkungen - Zweiter Teil 241 Nolte, t. r. .. //./.- s,.- a. a. O. , S. 441. 242 Nolte, t. t./-. - .-. t,/. a. a. O. , S. 28. 243 Ebd., S. 33. 244 Nolte, t. r. .. //./.- s,.- a. a. O. , S. 13. 245 Ebd., S. 66. 246 Ebd., S. 225. 247 Ebd., S. 75 f. 248 Ebd., S. 84. 249 Ebd., S. 48. 250 Ebd., S. 118 f. 251 Ebd., S. 136 u. 13 252 Ebd., S. 340. 253 Ebd., S. 135. 254 Ebd., S. 119. 255 Ebd., S. 65. 256 Ebd., S. 84. 257 Diese immanente Kritik an Noltes Konzeption sieht noch vllig davon ab, da die Bezeichnung liberales System fr die europischen Gesellschaften der Periode nach 1918 jeder Berechtigung entbehrt und bestenfalls als eine eigenwillige Setzung Noltes angesehen werden kann. Da der Liberalismus mit dem bergang vom Konkurrenz- zum Monopol-Kapitalismus einem System mit anderen Merkmalen Platz gemacht hatte (gestaltende Eingriffe des Staates in Wirtschaft und Gesellschaft, Wandlung der Parteien von liberalen Honoratiorenvereinigungen zu straffen Massenverbnden, Organisation sozialer Interessen in Verbnden, Preisgabe der Freihandelspolitik, Funktionswandel des Parlaments usw.), das aus Grnden begrifflicher Klarheit auch eine andere Bezeichnung verdient, gilt in den Sozialwissenschaften schon seit langem als Trivialitt. Die gesamte Diskussion, die darber seit den 20er Jahren - seit den Schriften von Rudolf Hilferding, Otto Kirchheimer, Franz Neumann und Carl Schmitt bis hin zu Gerhard Leibholz und den marxistischen Anstzen ber den In- terventionsstaat und den Staatsmonopolistischen Kapitalismus - stattgefunden hat, wird von Nolte souvern ignoriert. 258 Nolte, t. r. .. //./.- s,.- a. a. O. , S. 136. 259 Ebd. 260 Ebd., S. 85. 261 Das klingt dezent an, wenn Nolte von dem Wunsch der Oberklassen nach unbeding- ter sozialer Sicherheit spricht t. r. .. //./.- s,.- a. a. O. , S. 136). 262 Ebd., S. 168. 263 Ebd., S. 22. 264 Ebd., S. 451. 265 Ebd., S. 227. 266 Ebd., S. 165, ohne Beleg. 267 Ebd., S. 173. 268 Ebd., S. 165. 269 Ebd., S. 172. 270 Ebd., S. 174. 271 Ebd., S. 100. 272 Ebd., S. 182. 273 Ebd., S. 27f. u. 225. 274 Ebd., S. 29; dazu W. Hofmann, ../.-..-, in: t/,.- .-. :/.. t, ./. t r,/ .- r/ : Frankfurt a. M. 1967, S. 27-60. 275 Nolte, t. r. .. //./.- s,.- a. a. O. , S. 156f. u. S. 181. 276 Ebd., S. 225. 277 Vgl. z. B. t r,/, 3. Band, in: :t-,./r./. a. a. O., Bd. 25, S. 645, wo Marx von der naturwchsigen Produktivitt der agrikolen Arbeit (worin hier einfach sam- Anmerkungen - Zweiter Teil 339 melnde, jagende, fischende, Vieh zchtende eingeschlossen) spricht. An neueren marxistischen Theorien vgl. zu diesem Thema: E. Mandel, :/. r// /.., Frankfurt a. M. 1968, S. 200f.; W. Hofmann, o.-../.-.-. .. r//,..// // Reinbek b. Hamburg 1969, S. 64 f.; t//. o/--. Bd. 1, Berlin (DDR) 1976. Am Rande sei erwhnt, da die marxistische Unterscheidung zwischen produk- tiver und unproduktiver Arbeit in hnlicher Weise schon von Thomas von Aquin vor- genommen wurde. (Vgl. S. Hagenauer, t . ,..- /. :/- .- +,.- Stutt- gart 1931, S. 28 f.). Indem Nolte der marxistischen Wertlehre die These von der Alleinproduktivitt des Proletariats unterstellt, verwechselt er vermutlich das Pro- blem der Wertschpfung mit dem der Mehrwertschpfung. Und indem er auf die kaufmnnischen und technischen Angestellten hinweist, verwechselt er produktive Arbeit mit gesellschaftlich ntzlicher Arbeit. 278 Nolte, t. r. .. //./.- s,.- a. a. O. , S. 85-87. 279 Ebd., S. 94. 280 Ebd., S. 309 f. 281 Ebd., S. 450f. 282 Ebd. 283 Ebd., S. 234. 284 Ebd., S. 315. 285 W. Alff formuliert dies so: Eingezwngt zwischen dieser Unmglichkeit konservati- ver, administrativer Repressionsmittel einerseits und den Freiheitsrechten, die der sich liberalisierende Staat dem Proletariat einrumte andererseits, drngte der kapitali- stisch verfate Gesamtzustand der Gesellschaft nach der Erfindung eines neuen poli- tischen Instruments t. o.,// t/-. .-. -... +./.. .. z.,.//. Frankfurt a. M. 1971, S. 22). 286 So Schweitzer, t. ./...-, .. :./-. a. a. O. , S. 141. 287 Nolte, t. r. .. //./.- s,.- a. a. O. , S. 100. 288 Ebd., S. 120. 289 Ebd., S. 320. 290 Ebd., S. 121. 291 Ebd., S. 315. 292 Ebd., S. 121 f. 293 Ebd., S. 122. 294 Dazu L. Dhn, t// .-. t-... t. t--.-./. .. tt Meisenheim 1970; vgl. auch den Beitrag von Hrster-Philipps in: Khnl/Hardach (Hg.), t. z..-, .. r.-. t.,./// a. a. O. 295 Die phnomenologische Methode hnelt in ihrer Konzentration auf die Erschei- nungsform der Dinge der Sichtweise der Kamera. Deshalb besteht in dem vorzglich ausgestatteten Bildband des Desch-Verlages ein hohes Ma an innerer bereinstim- mung zwischen Bild und Kommentar. In der Tat beschrnkt sich dieser Band auf die Schilderung der Erscheinungsform des Faschismus - und selbst hier fehlen wesentli- che Aspekte: ber die Ostpolitik des Dritten Reiches, ber den Terror gegenber Polen und Russen schweigt er sich aus. Dagegen hlt Nolte lange Betrachtungen ber die Motive auslndischer Freiwilliger, die in den deutschen Armeen kmpften, fr wesentlich. (Nolte, t. t/-. - :./- .. u/. a. a. O.) 296 Nolte, t. t/-. - .-. t,/. a. a. O., S. 55. 297 Nolte, t. r. .. //./.- s,.- a. a. O. , S. 113. 298 Ebd., S. 125. 299 Ebd., S. 214; da diese personalistische Sicht der Geschichtsauffassung Noltes gene- rell entspricht, geht daraus hervor, da er sie auch auf andere Epochen bertrgt: Der Verfall trat ein, als die Sultane erschlafften (Nolte, t. t/-. - .-. t,/. a. a. O. , S. 18). 300 Nolte, t. r. .. //./.- s,.- a. a. O. , S. 89. 301 Vgl. z.B. a. a. O. , S. 197, 82, 65; Nolte sucht die Ursachen historischer Ereignisse 340 Anmerkungen - Zweiter Teil immer im Bereich des Bewutseins. So wie er den Krieg des Dritten Reiches aus der Weltanschauung Hitlers herleitet t. r. .. //./.- s,.- a. a. O. , S. 211), so glaubt er auch, die Zeit der Kolonialherrschaft sei deshalb zu Ende gegangen, weil das naive gute Gewissen fehlte (a. a. O. , S. 160). Die ideologische Rechtfertigung wird dann leicht mit der Realitt verwechselt: Die Kolonialpolitik von Cecil Rhodes habe nichts anderes beabsichtigt als die . . . 'Kulturidee' zum Vorteil und Heile aller betroffenen Vlker auszudehnen t. t/-. - .-. t,/. a. a. O., S. 27). Da er weder sozialkonomische noch ideologiekritische Literatur verarbeitet, ist er sol- chen Ideologien gegenber vllig wehrlos. So mag auch seine oben zitierte These zu erklren sein, die Kampfmethoden des Faschismus gegen die Linke seien den br- gerlichen Denk- und Lebenstraditionen fremd gewesen t. r. .. //./.- s,.- a. a. O., S. 87). Die Praxis der Kolonialpolitik wie auch die Unterdrckung der Linken im 19. Jahrhundert (z. B. in Deutschland nach 1815, in Frankreich 1848,1871) spricht freilich eine andere Sprache. Diese lange Tradition der etablierten Mchte im Kampf gegen die Linke ist auch zu bedenken, wenn der Ha gegen den Bolschewis- mus im deutschen Militr erklrt werden soll. Die Erklrung Noltes: Erschrecken vor dem russischen Elend (a. a. O. , S. 226), greift zu kurz. 302 W. Schieder, t/-. in: s..,.- .-. ..-//. o..//// Freiburg/Basel/ Wien 1968, Bd. 2, Sp. 471; es ist deshalb vielleicht kein Zufall, da Nolte bei der Dar- stellung faschistischer Politik immer wieder das Adjektiv khn einfllt: Mosleys Ar- beitsbeschaffungsprogramm war khn t. r. .. //./.- s,.- a. a. O. , S. 131), ber den Inhalt wird nichts ausgesagt; Mussolinis Entschlu, den Krieg gegen thiopien zu beginnen, war von auerordentlicher Khnheit (a. a. O. , S. 160); aber Hitlers Entschlu, das Rheinland zu besetzen, war noch khner (a. a. O. , S. 163). 303 A. a. O. , S. 315; vgl. auch S. 32. 304 In der Einleitung zu dem Band :/..- ./. ..- t/-. a. a. O., die einen guten berblick ber die bisherigen theoretischen Anstze einer Faschismusinterpretation vermittelt, hat Nolte - ausgehend von den Analysen Lipsets - diese These modifi- ziert: Der Faschismus ist als geschlossene und staatsbeherrschende Erscheinung 1945 zugrunde gegangen, aber die Mentalitt, die ihn kenntlich machte, hat in man- cherlei Abschattungen berlebt, und die gesellschaftlichen Dispositionen, die ihm eine strkere oder geringere Kristallisation ermglichen, bestehen fort (S. 71). Diesen Ansatz, der allerdings sozialpsychologische und sozialkonomische Untersuchungen erforderlich macht, hat Nolte bisher aber nirgends weiterverfolgt. 305 Vgl. dazu Khnl u. a. , t. tt a. a. O. , S. 340 ff. u. 363 ff. 306 Nolte, t. r. .. //./.- s,.-, a. a. O. , S. 359. 307 Vgl. z. B. J. P. Nettl/R. Robertson, t-.--/ s,.- -. /. :..-.- / s. . New York 1968; D. Apter, :/. t/ / :..-.- Chicago 1965; A. F. K. Organski, :/. s,. / t// t.../,-.- New York 1965; ders., t- -. :.. -.- in: S. J. Woolf (Ed.), :/. .. / t- London 1968; weitere Literatur in: C. E. Black, :/. s.., / :..-.- + o//,,// t, in: C. E. Black, :/. t,-- / :..-.- + s.., - c-,... u, New York/London 1966. 308 Vgl. W.W. Rostow, s..- .////.- r/.- t-. +/.-.. .. -/.- t-.//.-,/.. Gttingen 1961. 309 B. Moore, s./. t,.-,. .- t/. .-. t.-/. t. t//. .. o.-./... .-. o..- /. .. t-./.-, .. -..-.- r./ Frankfurt a. M. 1969 (die folgenden Zitate sind diesem Buch entnommen); vgl. auch Kuhn, t ///. u.//, .- : a. O., der die Fragestellung von Moore bernimmt: Ob eine moderne Gesell- schaft mehr oder weniger vom Faschismus bedroht ist, das liegt an der Art und Weise, in der sie die Phase der industriellen Revolution durchlaufen hat (S. 118). Der erste, der die Modernisierungsthese auf den Faschismus angewandt und diesen als eine Art von Entwicklungsdiktatur interpretiert hat, drfte Franz Borkenau gewesen sein: z. s./,. .. t/-. in: +/. /. s./..-// .-. s./,// 1933, Nr. 68, neu abgedruckt in: Nolte (Hg.), :/..- ./. ..- t/-. a. a. O. , S. 156ff. Anmerkungen - Zweiter Teil 341 310 Vgl. z. B. S. N. Eisenstadt, :..-.- t. -. c/-,. Englewood Cliffs 1966; H. A. Turner, t/-. .-. r,/-. - t..//-. a. a. O. , bes. S. 162ff. 311 R. Dahrendorf, o..//// .-. t.-/. - t..//-. a. a. O. 312 Vgl. ebd., bes. das Kap. Konflikt oder Die Sehnsucht nach Synthese. 313 R. Dahrendorf, o..//// .-. t./. Mnchen 1963, S. 270. 314 Dahrendorf, o..//// .-. t.-/. a. a. O. , S. 410f. 315 Ebd., S. 442; die folgenden Zitate sind ebenfalls dieser Schrift entnommen. 316 Schoenbaum, t. /.-. t../.- a. a. O. (die folgenden Zitate sind diesem Buch entnommen). 317 Schweitzer, t. ./...-, .. :./-.. a. a. O., Kap. V: Wirtschaft und Sta- tuspolitik (die folgenden Zitate sind diesem Buch entnommen). 318 Haffner, +--./.-,.- .. u/. a. a. O., (vgl. bes. das Kap. Leistungen, S. 34 ff.); vgl. auch Thamer/Wippermann, t//. .-. -.///. o...,.-,.- a. a. O. , die allerlei apologetische Ideologien und so auch die These bernehmen, der deutsche Faschismus habe eine gewisse . . . Egalisierung zwischen den einzelnen sozialen Schichten herbeigefhrt (S. 243). 319 Die folgenden Zitate sind aus: Fest, u/. a. a. O. Vgl. auch die scharfe Kritik von R. Opitz :/- t. t.///..-, .. t/-. in: :/. o/. 1978, H. 1, S. 79 ff. 320 Vgl. dazu F.J. Strau, t-../ /. t., Stuttgart 1966. 321 Dahrendorf, o..//// .-. t.-/. a. a. O. , S. 442. 322 T. Parsons, o.,. .. ./,/.- :/.. Neuwied/Berlin (West) 1968, S. 273. 323 Kuhn, t ///. u.//,.- a. a. O. , S. 123ff. 324 Schweitzer, t. ./...-, .. :./-.. a. a. O., S. 137. 325 Brecht, s//.- .. t// .-. o..//// a. a. O. 326 H. Mommsen, z. ./-/.-, .-.//. .-. ///. t./.-,,.,,.- - t..//-. /.- t/.,-, .- .. o...,.-, .. s,.-,/. in: Schieder u. a. (Hg.), t/-. / ./. o...,.-, a. a. O., S. 157 ff., hier S. 167; Winkler, t.-/. .-. -/./-. a. a. O., S. 180; der gleiche Sachverhalt wurde fr Italien z. B. von Angelo Tasca und Seton-Watson, fr Deutschland von Stegmann, Broszat und ande- ren berzeugend nachgewiesen: A. Tasca, . ...- ../ /- t/ ./ :.:s / :.:: Paris 1938 (Neuausgabe in deutscher Sprache unter dem Titel: o/./.- o.//.- r-,/.- Wien 1969); Ch. Seton-Watson, t/, /- t/./- t- a. a. O. ; D. Stegmann, z.- .//- .- o-... .-. -/./-. :.::.:: in: +/. /. s./,.//. XIII (1973); M. Broszat, t. s u/. o.-./.,.-, .-. t-.//.-, .-. --..- ./.-, Mnchen 1969. Zur ideologi- schen Vorbereitung dieses Bndnisses in Deutschland vgl. W. Struve, t/. ,- t.-, a. a. O. ; K. Sontheimer, +-..-//. t.-/.- - .. r.-. t.,./// a. a. O. ; als allgemeine These auch bei W. Schieder, t/-. .-. /.- t-../ in: ... t//. t.. 1970, H. 2. 327 Mommsen, z. ./-/.-, . . . , a. a. O. , S. 167. 328 H. A. Winkler in: t. z. 1978, Nr. 27. 329 W. Schieder, :/..-,,. .. :,.-, /. .. r///.- +/..-. - s/... .- :..:.:: 330 M. Clemenz, o..//////. t,.-,. .. t/-. Frankfurt a. M. 1972, S. 14. 331 E. Hennig, o.,.//. o..//// .-. t/-. - t..//-. t- t/.-,/./ Frankfurta. M. 1977, S. 23. 332 A. Sohn-Rethel, o/--. .-. r/.-./. .. .../.- t/-. Frankfurt a. M. 1973; die Zitate sind der zusammenfassenden Einleitung von Agnoli, Blanke und Kadritzke (S. 10 u. 18) entnommen. Ganz hnlich: A. Kuhn, t ///. u. //,.- a. a. O. , S. 117. 333 Stegmann, z.- .//- .- o-... .-. -/-. a.a. O.; Vgl. auch U. Hrster-Philipps, o/,/ r.-. t.,./// .-. t/-. in: Khnl/Hardach (Hg.), t. z..-, .. r.-. t.,./// a. a. O. 342 Anmerkungen - Zweiter Teil 334 Stegmann, a. a. O. , S. 440f. 335 Dies wird z. B. dargestellt in: Broszat, t. s u/. a. a. O. ; Ortwein in: Khnl/ Hardach, a. a. O. ; Schweitzer, o, o.-., a. a. O. Selbst Nolte, der den sozialen Inhalt faschistischer Politik sonst kaum beachtet, bestimmt den Faschismus seiner innenpolitischen Storichtung nach als Vernichtungsangriff... gegen 'den Marxis- mus' (Nolte, :-. t/-. r/. r., a. a. O., S. 8). 336 Schweitzer, o, o.-. a. a. O. Es ist sehr bezeichnend fr die Faschismusdiskus- sion in der Bundesrepublik, da sich kein Verlag fand, der dieses wertvolle Buch in deutscher Sprache zu publizieren bereit war. Lediglich ein kleiner Teil des Textes (etwa 200 Seiten) erschien auf deutsch, und zwar zu einem - gemessen am Umfang - sehr hohen Preis, nmlich fr 35 DM. (Die bersetzung der folgenden Zitate ist des- halb, soweit sie nicht diesem Teil entnommen sind, von mir.) Englischsprachige Bcher hingegen, die sich immer aufs neue mit Persnlichkeit und Seelenleben Hit- lers oder anderer faschistischer Fhrer befassen, werden sogleich auf deutsch verf- fentlicht und mit enormem Reklameaufwand propagiert - selbst dann, wenn sie sol- che Erkenntnisse verbreiten wie die, da es Hitlers Blhungen waren, die sein Handeln und damit die Weltgeschichte wesentlich beeinflut haben (so Toland +.// u/. a. a. O.). Solche Erscheinungen bieten wohl Anla, auch den Zusammenhang zwischen Gewinninteressen kapitalistischer Verlage, den politischen Wirkungen bestimmter Theorien und den Schwierigkeiten des wissenschaftlichen Fortschritts mit zu bedenken, wenn der Gang der Diskussion erklrt werden soll. 337 Alle bisherigen Zitate sind der deutschen Ausgabe des Buches von Schweitzer ent- nommen. 338 Ch. Bloch, t. s+ .-. .. r. .. st.,-. :.:. Frankfurta. M. 1970. Eine erste Fassung erschien 1967 in franzsischer Sprache unter dem Titel t . .. /-, c... in der Sammlung +/.. des Verlages Julliard. 339 Schweitzer, o, o.-. a. a. O., S. 5. 340 Dahrendorf, o..//// .-. t.-/. - t..//-. a. a. O., S. 428 f.; hnlich auch J. C. Fest und viele andere apologetische Darstellungen. 341 Brecht, s//.- .. t// .-. o..//// a. a. O. , S. 250f. 342 Ebd., S. 252. 343 Brecht, :. a. a. O. , S. 96; zum Problem der Massenbasis vgl. auch J. Jokisalo, t.- +/.. /. .. st+t .. ,..--.- z. t../,. .-. :.-/ .. ... /.- t/-. :.:::. Oulu 1988; A. v. Saldern; :./-. - t.- t./ Frankfurta. M/New York 1979; B. Keller, t u-.../ - ///.- t..//-. Kln 1980; J. Bohse, t-..-.. r.,/.,...-, .-. /--/,. t...-.//. :. -.-,/.-/.-, .-. t,,-. - -/./-. Stuttgart 1988. 344 Seton-Watson, a.a.O, S. 700 u. 702. 345 A. Klnne, r /. t/-. ../ .-. o.,///.--.-, in: r.//./. 1969, H. 10, S. 279. 346 Schweitzer, o, o.-. a. a. O. , S. 6 u. 50. 347 Sohn-Rethel, a. a. O. , S. 198. 348 S.J. Woolf (Ed.), t.,.- t- London 1968, Einleitung. Die Vorstellung der Polyarchie liegt auch zugrunde bei M. Greiffenhagen, in: Greiffenhagen/Khnl/Ml- ler, :/-. a. a. O. ; D. Schoenbaum, t. /.-. t../.- a. a. O. ; Bracher/ Sauer/Schulz, t. --/.//. :/.,./.-, a. a. O. ; H. Mommsen, o.- .-.- - t.- t./ : .,..//.- ..//.- .. --/.//.- o.-.-, // Stuttgart 1966; Broszat, t. s u/. a. a. O. ; W. Sauer, -/ s/- :/-- t-in: :/. +-.- u/ t.... 1967, H. 2. Die These, da es sich beim Faschismus um eine irgendwie fraktionierte Machtstruktur handelt, geht zurck auf E. Fraenkel, :/. t./ s. New York/London/Toronto 1941 (deutsch: t. t,,./ Frankfurt/Kln 1974), und F. Neumann, o./.-/ :/. s... -. t. / -/ s/- New York/Evanstone 1966 (deutsch: o./. -/ s./. .-. t .. -/./-. :.:::... Frankfurta. M. 1977). Anmerkungen - Zweiter Teil 343 349 Schweitzer, o, o.-. a. a. O. , S. 529. 350 D. Petzina, +./.,// - t.- t./ Stuttgart 1968, hier S. 10. 351 Hallgarten/Radkau, t../. t-... .-. t// .- o-/ / /... a. a. O.; die Kapitel ber den Faschismus wurden von Radkau verfat. 352 Vgl. Turner, t/-. .-. r,/-. - t..//-. a. a. O. 353 So Turner beim Symposium in Bochum 1973, vgl. hierzu: t-...//. s,.- .-. ,/ /. t-.//.-, - .. r.-. t.,./// hg. v. H. Mommsen u. a., Dsseldorf 1974, hier bes. S. 943 u. 946. 354 Ebd., S. 534 f. 355 J. Radkau, t-... .-. t/-. in: ... t//. t.. 1973, H. 2; D. Steg- mann, z.- .//- .- o-... .-. -/./-. a. a. O. ; ders., +- ,... t.-/..-, .. .//--/. t/-.-/,. in: +/. /. s./,. //. XVII, 1977. 356 Hallgarten/Radkau, t../. t-... .-. t// a. a. O. , S. 217-219. 357 H. Mommsen, o.-.-.- - t.- t./ a. a. O. 358 M. Messerschmidt, t. r./-/ - ss Hamburg 1969. 359 Heer, t. o/./. .. +.// u/. a. a. O. 360 F. A. Krummacher/H. Lange, r., .-. t...- o.//. .. .../../.- o... /.-,.- .- o.t./ / ..- t-.-./-.- o/ Mnchen/Esslingen 1970. 361 H. Heer, o.,/...- .. r/.-/-,/ z. t// .. ./..-//.- o.../ //.- :.::.:: Neuwied/Berlin (West) 1971; Th. Pirker (Hg.), r--.- .-. t/-. :.::.. t/.-.-. .. o.//. .-. :/.. .. t/-. Stuttgart 1965; zur Korrektur vgl. unter anderem F. Deppe u. a. (Hg.), o.//. .. t../.- o...////...,.-, Kln 4. Aufl. 1989; F. Deppe/W. Romann, r///. t/-. o...///.- Kln 1981; B. Hebel-Kunze, stt .-. t/-. z. ,/ /.- .-. ,-/.- t-.//.-, .. stt :.:::.: Frankfurt a. M. 1977; H. G. Schumann, -/./-. .-. o...////...,.-, t. .-/.-, .. .../.- o...///.- .-. .. +.//. .. t../.- +/./- Hannover/Frank- furt a. M. 1958; Flberth/Harrer, t. .../. s./..-/. :s.:.:: a. a. O. 362 Th. Weingarten, s/- .-. .. +./., u/. t. t..//-.,// .. s...-- .-. .. r--.-/.- t-.--/. :.:.:.:. Berlin (West) 1970. 363 Vgl. zu diesem ganzen Komplex K. Marx, t. :s o.-. .. t. o-,. in: :t-,./r./. Bd. 8, Berlin (DDR) 1973; Thalheimers Position ist dokumentiert in: Khnl (Hg.), :.. .. t/-../.- : a. a. O. (vgl. auch: t. t/-. - t..//-. +-/,.- .. rtto,,- . ..- :/.- :.:s:.:: Frankfurta. M. 1973); F. Neumann, o./.-/ a. a. O. ; E. Fraenkel, :/. t./ s. a. a. O. ; F. Pollock, s..- .. r,/-. Mnchen 1975. 364 Vgl. dazu unter anderem: Saage, t/-./..- a. a. O. 365 B. Blanke, :/..- .. t/-../.-, in: s.//. t// 1969, H. 3, S. 55 u. 62; N. Kadritzke, t/-. / ,..//////. t./ .-. / .-.//. r-,//. ,// in: t//.-. .. r/.-/-,/. 1973, H. 8/9, S. 172 f. 366 Blanke, a. a. O. , S. 55. 367 Winkler, :./-. t.-/. .-. -/-. a. a. O. , S. 180. 368 I. Fetscher, t/-. .-. -/./-. z. r/ .. ../.- t/-./. ,// in: t//. ..//...// 1962, H. 1, S. 62. 369 Zu dieser Kontroverse vgl. t +,.-.- 1968, Nr. 47. 370 So E. Hennig, :/..- .. .../.- s./ .-. r//,// :.:: / :.:s Frank- furta. M. 1973. 371 W. Abendroth, t t//.- .. ./.- t.-/- .-. .. ./.- ....-,.- .. t/-. in: t +,.-.- 1970, Nr. 58, S. 251 ff. 372 Winkler schreibt dazu: Von den ursprnglichen Trgerschichten des Nationalsozia- lismus haben nach der Machtergreifung nur die Bauern das Ma staatlicher Frsorge gefunden, das ihnen die Propaganda der Partei vorher versprochen hatte, und der Reichsnhrstand war die einzige im weiteren Sinne mittelstndische Organisation, 344 Anmerkungen - Zweiter Teil die im ' Dritten Reich' ein eigenes politisches Gewicht besa. Der Grund dieser Son- derstellung der Landwirtschaft lag in der funktionalen Bedeutung, die der agrarischen Produktion unter dem Gesichtspunkt kriegswirtschaftlicher Autarkie zufiel. Von den Gruppen des ' neuen Mittelstands' konnten die Beamten, die groenteils erst nach der Machtergreifung in die Partei gestrmt waren, im Zeichen des Arrangements zwischen Nationalsozialisten und alten Eliten ihre traditionellen Privilegien sichern . . . Von einer besonderen nationalsozialistischen 'Angestelltenpolitik' nach 1933 kann nicht die Rede sein. :./-./...,.-, .. //,. ., in: Schieder u. a. [Hg.]-, t/-. / ./. o...,.-,, a. a. O. , S. 111) 373 T. Mason, +/..//. .-. //,.-.-// t/.-.-. .-. :./.- .. .../.- +/..,// :.:c:.:. Opladen 1975. 374 Vgl. bes. die Beitrge von Mason in: t +,.-.-, 1966, Nr. 41, und 1968, Nr. 47; sowie sein Buch +/..//. .-. //,.-.-//, a. a. O.; die DDR-Historiker Czi- chon, Eichholtz und Gossweiler haben in: t +,.-.-, 1968, Nr. 47, auf Masons Thesen geantwortet. 375 Hierfr kann der von M. Funke herausgegebene Band u/. t..//-. .-. .. :/., a. a. O., als reprsentativ gelten. Hier sind alle die im folgenden dargestellten Varianten vertreten. 376 Nolte, t. t/-. - .-. t,/. a. a. O., S. 325; Fest, a. a. O., S. 739. Die folgen- den Zitate sind aus Schoenbaum, t. /.-. t../.- a. a. O. 377 B. Brecht, s//.- .. t// .-. o..//// a. a. O. , S. 250. 378 Thamer/Wippermann, t//. .-. -.///. o...,.-,.- a. a. O. , S. 237 u. 241; vgl. auch Wippermann, t/-./..- a. a. O. , S. 50 u. 150. 379 Funke (Hg.), u/. t..//-. .-. .. :/. a. a. O. , S. 9f. 380 Vgl. dazu Broszat, t. s u/. a. a. O. ; R. Bollmus, a. a. O. ; H. A. Jacobson, -/.//. +..-,// :.:::.:s Frankfurt a. M. 1968; W. Michalka, t. --/.//. +..-,// - z./.- .-. r-..,-t/./-., in: Funke (Hg.), u/. t..//-. .-. .. :/. a. a. O., S. 46 ff., die Zitate sind diesem Sam- melband entnommen. 381 So H. Mommsen in dem genannten Sammelband, S. 42. 382 Bracher, S. 17 ff., in dem genannten Sammelband. 383 Woolf, t. / .-- ,.- . a. a. O., S. 143; die bersetzung ist von mir. 384 Einen inhaltlichen Unterschied versucht Winkler zu finden, und er findet ihn - man glaubt es kaum - im Krieg gegen die UdSSR, der nach seiner Aussage berhaupt nichts mit Kapitalinteressen zu tun gehabt habe (in: t. z. 1978, Nr. 27). Ange- sichts des vorliegenden Dokumentenmaterials ist diese Behauptung schlicht abwegig, wenn man nur an die deutschen Kapitalanlagen in Ruland seit der Jahrhundert- wende, an die Plne zur Ostexpansion schon im Ersten Weltkrieg denkt, die durch die Russische Revolution 1917 noch eine verstrkende politische, nmlich antikommuni- stische Komponente erhielten, an die Interessen sowohl der Elektro- wie auch der Montanindustrie in Ruland, an die wachsende Bedeutung der lindustrie und deren Interessen am kaukasischen l, das fr die faschistische Autarkie- und Kriegs- wirtschaft besonders wichtig war, an die Planungen der Deutschen Bank, die noch ber den Kaukasus hinausreichten usw. (Vgl. die schon genannten Dokumenten- bnde; siehe auch J. Petzold, r-.... :/../. .. .../.- t/-. a. a. O. , z.B. S. 369ff.; W. Dlugoborski/C. Madajczyk, +./...-,,.-. - ..- /....- o./..- t/.- .-. .. t.sst in: F. Forstmeier/H. E. Volkmann [Hg.], r.,.// .-. t..-, :.:.:.. Dsseldorf 1977.) 385 Vgl. z. B. Hitler in :.- r-,/ Htte man zu Kriegsbeginn und whrend des Krieges 12 oder 15.000 dieser hebrischen Volksverderber... unter Giftgas gehalten . . . , dann wre das Millionenopfer der Front nicht vergeblich gewesen (a. a. O., S. 772). Julius Streicher forderte bereits 1925 in einer Rede: Macht heute den Anfang, da wir die Juden vernichten knnen. (Zit. in: t-.--/. ://.-/ Bd. V, S. 109; vgl. auch Bd. XVIII, S. 120-122.) Anmerkungen - Zweiter Teil 345 386 Dies hat die auf breiten Archivmaterialien beruhende Studie von K. Ptzold t/ -. t.-./- :...-..//,.-, (Berlin [DDR] 1975) eindeutig gezeigt. Vgl. auch R. Hilberg, t. .-/.-, .. ..,/.- :...- Berlin (West) 1982; H. Berding, :..-. +-.--. - t..//-. a. a. O. ; o.,. .. --/.//.- o..-./. .-. s./,// Berlin (West) 1985 ff., bes. Bd. 5: s./,// .-. :...- ..-/.-,; K. Ptzold, .//,.-, ../.-, .-/.-, Leipzig/Frankfurt 1983. 387 P. M. Kaiser, :-,/,/ .-. :.--. - t/-. z. /--/.- t.-/- .. r-..-- .-. .-/.-,/,. - ///.- t..//-. in: o/. /. .../. .-. -.--/. t// 1975, H. 5, S. 552 ff. 388 Dazu G. Dimitroff +/..//. ,.,.- t/-. Moskau/Leningrad 1935; o./ /.- tt r.//-,. .. rt (in Auszgen abgedruckt in: Khnl [Hg.], :.. .. t/-../.- : a. a. O.); E. Lewerenz, t. +-/,. .. t/-. ../ .. r- -.-/. t-.--/. Frankfurt a. M. 1975. 389 K. Gossweiler/R. Khnl/R. Opitz, t/-. t-./.-, .-. ./-...-, Texte zur Demokratisierung, H. 4, Frankfurt a. M. 1972 (im folgenden zit. als I); K. Gossweiler, t/-. .-. -///. r-,/ Texte zur Demokratisierung, H. 19, Frank- furt a. M. 1978 (im folgenden zit. als II); vgl. auerdem die Erwiderung auf die Thesen von Tim Mason in: t +,.-.- 1968, Nr. 47, die er zusammen mit D. Eichholtz verfate; u/. .-. . r,/ a. a. O. ; sowie an greren Werken: o/-/.- t-.. .--,/. s o/--. .-. t// .. --,//.- r,/-. - t..//-. :.:.:.:: Berlin (DDR) 1971; und als Mitarbeiter: E. Paterna/K. Goss- weiler u. a., t..//-. .- :.:::.:. Berlin (DDR) 1969 (im folgenden zit. als III); das zuletzt genannte Buch ist in einer Reihe erschienen, die als Standardwerk der DDR-Geschichtswissenschaft gilt. 390 R. Juvet, t/ . ./. z.-., :/. -/./-. :.:::..: Zrich/New York 1944, S. 128 u. 138. 391 Vgl. W. Bleyer u. a. , t..//-. .- :.:.:.. Berlin (DDR) 1970 (die folgenden Ausfhrungen beziehen sich auf dieses Buch); und t..//-. - z...- r.//., a. a. O. ; auerdem: H. Hhn (Hg.), +./ -../.- r.,/. s...- .. -/ /.- /...-, .. .../.- t-,./-. ./ .. +,,.- ,.,.- .. t.sst :.:::..: Berlin (DDR) 1970. 392 H. Hhn (Hg.), +./ -../.- r.,/. Berlin (DDR) 1970. a. a. O. 393 Paterna/Gossweiler u. a. , t..//-. :.:::.:. a. a. O. , S. 13. 394 Vgl. K. Gossweiler, u/. .-. . r,/ a. a. O. 395 Vgl. dazu R. Sorg, t../,./..- a. a. O. ; K. Lenk (Hg.), t../,. 6. Aufl. Neuwied/ Kln 1972. 396 Vgl. bes. die Schriften von Leontjew, Wygotski und Sve, der DDR-Psychologen Hiebsch u. Vorwerk, des von Holzkamp geleiteten Instituts in West-Berlin sowie die t-/./.-, - .. t//. t,//,. von Braun, a. a. O. 397 In einer Diskussion im September 1975 an der Universitt Jena sagte Gossweiler bezeichnenderweise: der Aufstieg der faschistischen Bewegung drfe nicht psycholo- gisch, sondern msse marxistisch erklrt werden. 398 Gossweiler, I, S. 13. 399 K. Ptzold, t/-. t.-./- +-.--. a. a. O. , S. 32f. 400 D. Eichholtz/K. Gossweiler (Hg.), t/-.//.-, a. a. O. Eine detaillierte Kritik der DDR-Faschismusforschung liefert B. Krpelin, t-.//.-, .-. s./. .-. :/.. ./. ..- .../.- t/-. - .. o.//..-// .. ttt Diss. Mar- burg 1982. Die Probleme der Konzipierung einer marxistischen Faschismustheorie im Kontext der internationalen Arbeiterbewegung untersucht Th. Doerry, :-. .-. +-//-. Kln 1985 401 Die Bedeutung der Massenbewegung betont z.B. auch W. Alff: Der Faschismus ist eine Bewegung von Massen. Die faschistischen Fhrer antworten damit auf die Her- ausforderung der durch den Sozialismus bewegten Massen t. o.,// .. t/ -. a. a. O., S. 30). 346 Anmerkungen - Dritter Teil 402 Vgl. dazu den Beitrag von F. Mller, in: Khnl/Hardach (Hg.), t. z..-, .. r. -. t.,./// a. a. O. 403 R. Opitz, t/. .. t-./.-, .-. ./-...-, .- t/-., a. a. O. ; vgl. auerdem: r. /./-,/ -- ..- t/-. in: Gossweiler/Khnl/Opitz, t/-. t-. /.-, .-. ./-...-,, a. a. O. ; t. ///. :.-/...,.-, in: Khnl (Hg.), :.. .. t/-../.- t t/. t/-./..- .-. /. r-.,..-..- ebd.; t. .../. s.///./-. :.:::.:: Kln 1973; (Hg.), t.,.,.- a. a. O. 404 U. Holzkamp-Osterkamp, t/-. - .- //.- in: r-.,..- 1982, H. 4, S. 63-80. 405 Vgl. I. Brnthaler, t. ./-./. t- o.//. .-. o,-- Wien/Frank- furt a. M./Zrich 1971; B. F. Pauley, u/-.-/.-. .-. u/.-/... t. s./. u.-/.. .-. .. ..//. -/./-. :.:s:.:. ebd. 1972; L. Kere- kes, +/.-..--..-, .-. t.-/. :./- o-/ .-. .. u.-../ ebd. 1966 (die folgenden Ausfhrungen beziehen sich auf dieses Buch); G. Botz, o../ - .. t// Mnchen 1976; ders., r/-.-,,// .-. :...-..,- - r.- :.:s:.. Wien/Salzburg 1975; zum ideologischen Kontextvgl. K.-J. Siegfried, t- ../-. .-. t/-. t o..//////. o/- s,-- Wien 1974; als Ver- such einer Gesamtdarstellung vgl. auch F. L. Carsten, t/-. - o../ - s/-.. .. u/. Mnchen 1977. 406 Vgl. dazu vor allem: B. Moore, s./. t,.-,. a. a. O. , sowie die dort (S. 613ff.) genannte Literatur (die folgenden Zitate sind diesem Werk entnommen); ferner: Y. Sakuzo, t- - :,- in: c-.-,, :,- Vol. I, No. 2 (Sept. 1932); Y. Yasushi, t/-. / u.//,.- - :,- .-. t..//-. ../ .-. .,/./ in: :.- .-. ../.,-- hg. von J. Htter u. a., Kln 1975; K. Radek, c- /. . -,/..- -..-.- - :,- /. //.. / in: M. D. Morris, :,- :.:::.. :/- t- :,-- Boston 1963; M. Masao, :/.,/ -. o./.. - :..- :,-.. t/ London 1963, bes. Kap. 2. Dritter Teil Zur Aktualitt des Faschismusproblems 1 t-//.. t.-./. vom 3.2.1972. 2 Zit. nach t. s,.,./ 1972, Nr. 21. 3 Vgl. dazu I. Fetscher (Hg.), t././/-. a. a. O. ; Khnl u. a., t. tt a. a. O. ; R. Stss, t. ..-. t./. - .. o.-...,./// Opladen 1989; R. Khnl, o.// .- ./ o . t-//.. t.-./. vom 15.3.1972. 5 t-//.. +//,.-.-. z..-, vom 30.9.1974; t../. //...-, vom 6.12.1973. 6 t-//.. t.-./. vom 29.11.1973. 7 t-//.. t.-./. vom 14.10.1974. 8 t-//.. t.-./. vom 11.10.1974 9 t-//.. t.-./. vom 7.6.1972; vgl. im brigen P. Rosenbaum, .//-. - t/.- Frankfurt a. M. 1975; sowie allgemein: H. Koppel, r/.-/-,/. - t/.- /... Frankfurt a. M. 1972. 10 Vgl. dazu H. D. Bamberg, t. t..//-./.-, . s...- ./. r/. .. ..-/ /.- :. .-. .. r-..-. - .. o.-...,./// t..//-. Meisenheim 1978; M. Imhof, t. ../.-.-../-.. - .. o.-...,./// t..//-. Marburg 1975; L. Krau/M. Imhof, t t.//.// - .. o.-...,./// Frankfurta. M. 1972. 11 Dazu R. Khnl, t. .- t : s. .,.-..- ,//.- r/. .-. / .//- ..- t/-. Kln 1972. 12 r.//.-.. Mai 1974. 13 t. r./ vom 26.11.1973. Anmerkungen - Dritter Teil 14 Zit. nach t../. //...-, 1973, Nr. 48. 15 Bericht der t-//.. t.-./. vom 8.11.1973. 16 Bericht der t-//.. t.-./. vom 29.6.1972. 17 u-/.,. +/.-.// vom 22.11.1973. 18 t-//.. +//,.-.-. z..-, vom 25.7.1974. 19 t-//.. +//,.-.-. z..-, vom 8.9.1978. 20 Vgl. dazu bes.: t c//. /. .- -,// t./-.- ./ ..- -////.- t./ - c//. o.. r. // . .. /.-...,.///-/. t./. - .. t.-/. Texte zur Demokratisierung, H. 10, Frankfurt a. M. 1973; G. Stuby/E. Wulff, .-/.,. ./-. /.-,.- ,.,.- .. ././.- .. :/.- - c//. Kln 1977; r-.../.- - c//. hg. v. Komitee Solidaritt mit Chile, Reinbek 1973; c//. t- s/.././ hg. v. H.W. Bartsch u. a. , Kln 1974. 21 t-//.. +//,.-.-. z..-, vom 25.9. und 13.9.1973. 22 t. r./ vom 13.9.1973. 23 o,.-/.. vom 22.9.1973. 24 Zit. nach t-//.. +//,.-.-. z..-, vom 25.11.1977. 25 B. Starischka, t. s.. .. t..-.- +//.-.. - c//. Politikum-Reihe, 22, Stutt- gart. 26 Vgl. z.B. t../. -/...-, vom 19.8.1977; der Gesamtzusammenhang wurde vorzglich dokumentiert und analysiert von Berlin u. a., r ../.., t. a. a. O. 27 Zum Problem antifaschistischer Strategie vgl. auch die Beitrge von R. Opitz in: o/. /. .../. .-. -.--/. t// 1974, H. 11, und in: W. Alff u. a., t/.,. /. .-. ..-//. o/..-,,// Kln 1973, S. 117 ff.; K. Faller/H. Siebold, .//-. t./..- ./..- t,-..- o./-,/.- Frankfurt a. M. 1986; M. v. Hellfeld (Hg.), t.- u /.-. c/-. t. -... ./. t.-.-.-/-. Kln 1989. 28 H. Gastrein, z.- o.,./ o./.-/-. Mnchen 1969; A. Skriver, s/..- ,.,.- t.- /.- :/./. - o./.-/-. Kln/Berlin (West) 1968; zur weiteren Informa- tion ber Griechenland vgl. M. Nikolinakos/K. Nikolaou (Hg.), t. ../-... t.- /. :..// o./.-/-. Frankfurt a. M. 1969; St. Rousseas, :/,./ - o./.- /-. .. t- u-.,.-. .. ct+ Reinbek 1968; J. Meynaud/C. T. Aris, o./ ./. .. +////.-, .. t.-/. - o./.-/-. Berlin (West) 1969; t +,.-.- 1970, Nr. 57: t../.- .-. r-.../.- - o./.-/-.; P. Bakojannis, ://.// - o./.-/-. Stuttgart 1972; Athnes-Presse Libre, s/.././ .. t/. - o./.- /-. t.-/./ :.: t o,-., t- ..,/. t// Wien/Hamburg 1970; auch der Bericht in der englischen Zeitung :/. o/... vom 1.7.1973 Greek dictator in CIA's pocket ist sehr aufschlureich; zur Opposition vgl. M. Nikolinakos, r..-. .-. o,,- - o./.-/-. .- :/,./ .. -...- t.-/. Drmstadt/Neu- wied 1974. 29 J.-P. Sartre (Hg.), o./.-/-. t. r., - ..- t/-. t/.-.-- .. ,//.- s.- Frankfurt a. M. 1970. 30 So Ploritis, S. 94f., und A. Papandreou, S. 102; dagegen behauptet Svoronos - ohne Beleg -, der Obristenputsch sei vom CIA ausgearbeitet worden (S. 9 u. 37). 31 E. Schlereth, t-.-..- +-/,. .-. :/. Frankfurt a. M. 1970. 32 Vgl. dazu bes. den Beitrag von Alvaro Briones u. Orlando Caputo von der konomi- schen Fakultt der Nationalen Autonomen Universitt von Mexiko, der auf dem Semi- nar vom 7.-10.12.1976 in Mexico City gehalten wurde; das Seminar wurde gemein- sam von den dortigen Exilchilenen und der lokalen Vertretung der Friedrich-Ebert- Stiftung organisiert. Der Beitrag wurde in deutsch abgedruck im +--,.//.- t-/--/.//.- 1977, H. 3, S. 20 ff.; im folgenden wird nach dieser Fassung zitiert; vgl. auch den Bericht von D. Boris ber diese Konferenz in: t../. //...-, vom 13.1.1977; ber die argentinische Diktatur: D. Boris/P. Hiedl +,.--.- o.//. .-. ,//. o.,.-. Kln 1978. 33 P.A. Baran, t/-. - +-./ in: ders., t-.../.-, .-. t/ Frank- furt a. M. 1966, S. 129 ff. 348 Anmerkungen - Dritter Teil 34 M. Weibecker, r..- .-. t/.-.-,/-.- .. ,.,.-.,.- t/-. in: ttr o./. 1975, H. 8, S. 36 ff. 35 Dazu Khnl u. a. , t. tt a. a. O. , bes. S. 326ff. 36 M. Clemenz, Thesen zur Faschismuskonferenz in Zagreb vom 13.-15. November 1975, veranstaltet von der Politikwissenschaftlichen Fakultt der Universitt Zagreb (ungedruckt). 37 So z. B. o--. o.//.- Nr. 26 vom 4.3.1952, S. 254. 38 Vgl. dazu bes. Buch und Film von J. C. Fest u/. a. a. O.) und deren kritische Analyse bei J. Berlin u. a. , r ../., t. a. a. O. 39 Vgl. dazu die Dokumentation der CDU-Bundesgeschftsstelle :.-. - .. o.- ...,./// t..//-. vom September 1977. 40 So heien zwei der zentralen Kapitel im Hitler-Buch Haffners +--./.-,.- .. u/. a. a. O.). 41 t. r./ vom 1.10.1973. 42 So in einem groen Artikel zur Reichspogromnacht Der organisierte Ausbruch des Hasses in der t-//.. +//,.-.-.- z..-, vom 5.11.1988. 43 Zur Gegenthese vgl. R. Khnl/U. Hrster-Philipps (Hg.), u/. r., Kln 1989. 44 Vgl. unter anderem W. Wippermann, t. /-.,..-. r/- t../,. .-. t// +.// u/. Mnchen 1989; M. Funke, s/. .. /./. t/ u/. u.// .-. .. t../.- Dsseldorf 1989; W. Wippermann (Hg.), r-...- .- u/. Frank- furt a. M. 1986; knapp und pointiert haben M. Broszat und H. Mommsen ihre Auffas- sung herausgearbeitet in dem schon erwhnten s,.,./ s,../ : :/. u/. 1989. 45 Dieser von M. Funke herausgegebene, im Kap. 7 behandelte Sammelband aus dem Jahre 1976 u/. t..//-. .-. .. :/. a. a. O.) zeigt das Zusammenwirken die- ser verschiedenen Positionen und die Kontroversen zwischen ihnen sehr anschaulich. 46 Vgl. dazu R. Khnl, t. ,.,. r. .. /,//.- o..//// Kln 1976, bes. S. 35 f. 47 So z.B. bei H. Mommsen u. a. (Hg.), t-...//. s,.- a. a. O. , S. 935ff. 48 Zur theoretischen Reflexion vgl. L. Niethammer (Hg.), t./.-.//.-, .-. ///./.. o../- t. t .. o/ u, Frankfurt 1980; H. Heer/V. Ullrich, o.//. .-../.- Reinbek 1985; B. Klewitz, r//- +//, - t.- t./ Marburg 1990. 49 Vgl. bes. die vom Mnchner Institut fr Zeitgeschichte 1983 abgeschlossene sechsbn- dige Reihe o,.- - .. sz. 50 Vgl. unter anderem A. Kuhn/V. Rothe, t..- - .../.- t/-. 2 Bnde, Dssel- dorf 1982; D. Klinksiek, t. t. - ss Stuttgart 1982; M. Klaus, :./.- - t.- t./ Kln 1983; Frauengruppe Faschismusforschung, :../... .-. +/. /./ Frankfurt a. M. 1981. 51 Vgl. o.,. .. --/.//.- o..-./. .-. s./,// Bd. 5: s./,// .-. :...-..-/.-, Berlin (West) 1987; o.,. .. --/.//.- o..-./. .-. s./,// Bd. 3: u..--.-/ .-. +/..//. Berlin (West) 1986; sowie die Kontroverse zwischen Heim/Aly und Herbert in: r-/. 1989, H. 10 u. 11. 52 Dazu R. Khnl, - -/-. -/. t,. Kln 1986. 53 Dazu R. Khnl (Hg.), s. .- o.////. Kln 1987; u/.., Mnchen 1987; H.-U. Wehler, t-,.-, .. .../.- .,-,.-/. Mnchen 1988. 54 Dazu M. Veit, t. ... t./. - .. o.-...,./// Frankfurt a. M./New York 1987. Verzeichnis der zitierten Literatur +/.-./ W.: Sozi al geschi cht e der eur opi schen Arbei t erbewegung, Frank- furt a. M. 1965 +/.-./ W. : Das Pr obl em der sozi al en Funkt i on und der sozi al en Vorausset- zungen des Faschi smus, i n: Das Ar gument , 1970, Nr. 58 +/.-./ W.: Ei nf hr ung in die Geschi cht e der Arbei t erbewegung. Von den Anfngen bis 1933, Hei l br onn 2. 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