Auva Athem 2009
Auva Athem 2009
(ATHEM)
Nummer 47
Allgemeine Unfallversicherungsanstalt
Forschungsbericht
2009
Nummer 47
Projektleitung: Projektkoordinator:
AUVA MUW
Dipl. -Ing. Dr. Hamid Molla-Djafari Ao.Univ.Prof.Dr.Wilhelm Mosgöller
Allgemeine Unfallversicherungsanstalt KIM-1, Abt.: Institut f. Krebsforschung
Adalbert Stifter Straße 65, A-1200 Wien Borschkegasse 8a, A-1090 Wien
Telefon: 01-33111-445 Telefon: 01 4277-65260
Fax.: 01-33311-621 Fax.: 01 4277-9651
[email protected] [email protected]
Allgemeine Unfallversicherungsanstalt
Athem-Endbericht
Verfasser
AUVA
Dipl.-Ing. Dr. Hamid Molla-Djafari
Allgemeine Unfallversicherungsanstalt
Adalbert Stifter Straße 65, 1200 Wien
ÖSTERREICH
[email protected]
Seite 2 / 174
Athem-Endbericht
Projektbeteiligungen-Rollen
Projektkoordination: Medizinische Univ. Wien, KIM-I, Abt. Inst. für Krebsforschung, Wien
Humane Gehirnfunktion: Medizinische Univ. Wien, ZPH, Institut für Umwelthygiene, Wien
Proteinforschung: Medizinische Univ. Wien, KIM-I, Abt. Inst. für Krebsforschung, Wien
Seite 3 / 174
Athem-Endbericht
Seite 4 / 174
Athem-Endbericht
Inhaltsverzeichnis
1 Vorwort: Motivation zur Studie und wissenschaftlicher Hintergrund ........... 7
1.1 Hintergrund ............................................................................................................................ 7
1.2 Risikobereiche....................................................................................................................... 9
1.3 Proteomanalyse und DNA-Schäden................................................................................ 11
1.4 Unabhängiges Reproduzieren der Befunde ................................................................... 11
2 Teil-Bericht, Forscher-Gruppe 1, Expositionsanlagen.................................... 13
2.1 TEIL 1: Expositionseinrichtungen für Zellversuche ...................................................... 14
2.2 TEIL 2: Expositionseinrichtungen für Humanexperimente.......................................... 20
2.3 Literatur zu den Expositionsanlagen................................................................................ 60
3 Teil-Bericht, Forscher-Gruppe 2, kognitive Einflüsse ..................................... 61
3.1 Abstrakt des Teilprojektes ................................................................................................. 62
3.2 Einleitung ............................................................................................................................. 63
3.3 Grundüberlegungen zum aktuellen Versuchsdesign .................................................... 69
3.4 Versuchsplan....................................................................................................................... 70
3.5 Ergebnisse ........................................................................................................................... 76
3.6 Zusammenfassung - „Kognitive Auswirkungen“ ............................................................ 92
4 Teil-Bericht, Forscher-Gruppe 3, Immun-System ............................................ 95
4.1 Abstrakt des Teilprojektes ................................................................................................. 95
4.2 Verwendete Abkürzungen im Teilreport.......................................................................... 96
4.3 Ziel der Untersuchungen ................................................................................................... 96
4.4 Methoden ............................................................................................................................. 97
4.5 Ergebnisse ......................................................................................................................... 102
4.6 UMTS Exposition .............................................................................................................. 108
4.7 Diskussion.......................................................................................................................... 110
4.8 Literatur .............................................................................................................................. 112
4.9 Anhang: Nachweis der Genaktivierung mittels Whole-Genome Chips .................... 113
4.10 Glossar ............................................................................................................................... 115
5 Teil-Bericht, Forschergruppe 4, Proteinanalysen ...........................................117
5.1 Abstrakt des Teilprojekts ................................................................................................. 117
5.2 Einleitung ........................................................................................................................... 118
5.3 Verwendete Methodik ...................................................................................................... 119
5.4 Ergebnisse ......................................................................................................................... 124
5.5 Diskussion.......................................................................................................................... 136
5.6 Zusammenfassung der Proteomuntersuchungen ....................................................... 137
5.7 Ausblick .............................................................................................................................. 138
5.8 Anhang zum Bericht „Proteinanalysen“ : ...................................................................... 139
6 Zusammenfassung des Koordinators...............................................................167
6.1 Einleitung ........................................................................................................................... 167
6.2 Die Projekt-Ergebnisse in Kürze .................................................................................... 167
6.3 Thermische und a-thermische Wirkungen .................................................................... 169
6.4 Bedeutung der wissenschaftlichen Befunde ................................................................ 169
7 Abschließende Schlussfolgerungen zu Präventivmaßnahmen....................171
7.1 Schutz- und Präventionsmaßnahmen in elektromagnetischen Feldern .................. 171
7.2 Allgemeine Schutzmaßnahmen in elektromagnetischen Feldern............................. 171
Seite 5 / 174
Seite 6 / 174
1. Athem-Endbericht - Vorwort
1.1 Hintergrund
Hochfrequente Elektro-Magnetische Felder (HF-EMF), wie sie unter anderem bei der Mobil-
telefonie zum Einsatz kommen, sind heutzutage allgegenwärtig. In den letzten Jahrzehnten
hat der Einsatz von Geräten und Technologien, die mit einer Exposition der Arbeitnehmer
gegenüber hochfrequenten elektromagnetischen Feldern einhergehen, stark zugenommen.
Diese Expositionen reichen von Kurzwellen (z.B. Kurzwellen-Diathermie, Induktionshärtean-
lagen, Plastikschweißmaschinen) bis zu HF-EMF – also Mikrowellen (z.B. durch Mobil- &
Schnurlostelefone, Mikrowellenherde, Radaranlagen, Mikrowellen-Diathermie). Die Untersu-
chung möglicher Gesundheitsrisiken beim Umgang mit diesen Technologien wird somit zur
öffentlichen Aufgabe.
Einiges über die Wechselwirkungen von HF-EMF ist bekannt. Hohe Expositionswerte führen
zur Gewebs-Erwärmung (thermischer Effekt), ein Effekt, der im Mikrowellenherd genutzt
wird. Vor gesundheitlich bedenklicher Erwärmung bei Anwendungen des Mobilfunks schüt-
zen die Immissions-Grenzwerte in den aktuellen Verordnungen und Normen. Natürlich stützt
man sich bei der Festlegung der Immissions-Grenzwerte auf wissenschaftliche Daten.
Die Einführung und weite Verbreitung des Mobilfunks brachte eine neue Art der Exposition
mit sich - nie zuvor hielten sich breite Bevölkerungsschichten einen Mikrowellen-Sender an
den Kopf. Es kamen Themen zum gesundheitlichen Risikos in die Schlagzeilen, weil die Be-
wertung vorhandener wissenschaftlicher Daten Fragen offen ließ. Bis heute gibt es für die
Risiko-Abschätzung zu Effekten nach Expositionen im HF-EMF-Niedrigdosisbereich (mögli-
che nicht-thermische Effekte) teilweise recht widersprüchliche Schlussfolgerungen.
Die aus unterschiedlichen Sichtweisen und Interessenslagen resultierenden Konflikte stellen
für die Wissenschaft insoferne eine Herausforderung dar, als bisher erforschtes und konven-
tionelles Wissen kaum ausreicht, um klare Aussagen zu bekommen.
Das Forschungsprojekt ATHEM zielte daher darauf ab, brisante Fragen zu möglichen Wech-
sel-Wirkungen von HF-EMF mit der Biologie zu untersuchen.
Seite 7 / 174
1. Athem-Endbericht - Vorwort
Seite 8 / 174
1. Athem-Endbericht - Vorwort
Ein großes und ungelöstes Problem epidemiologischer Untersuchungen ist allerdings die
schwierige Messung der Exposition. So wurde schon vorgeschlagen, keine derartigen Unter-
suchungen durchzuführen, bevor nicht das kritische Problem der Dosis-Erfassung gelöst ist.
In anderen Ländern bedient man sich beispielsweise notgedrungen so ungenauer Parameter
wie Telefonrechnungen, um eine grobe Annäherung zur Individual-Exposition zu bekommen.
Die Epidemiologie alleine ist allerdings ohne grundlagenwissenschaftliche Untersuchungen
wertlos. Sie wäre außerdem unbefriedigend abgelaufen, weil besonders bei Fragen der
Krebsentstehung ja doch Jahre vergehen können, bis eine erhöhte Krebsrate sichtbar wird.
Auch deshalb kommt den Untersuchungen an Zellen besonderer Stellenwert zu. Die Exposi-
tionskontrolle im ATHEM-Projekt wurde rigoros überwacht um objektive Ausagen treffen zu
können, somit bringen Zellexperimente schneller Ergebnisse, um ein kleines Fenster für den
„Blick in die Zukunft“ zu haben.
1.2 Risikobereiche
Bisher wurden international eine beträchtliche Zahl von Studien zum Risiko durch EMF-
Exposition durchgeführt. Zum Teil wurden die Forschungsergebnisse sehr widersprüchlich
diskutiert. Im Folgenden sollen die wesentlichsten Wissens-bereiche kurz genannt werden:
x Werden Hirnpotentiale durch gepulste elektromagnetische Felder, wie sie von einem
Mobiltelefon ausgehen, beeinflusst?
x Besteht ein Zusammenhang mit der Kopfseite, an der sich das Mobiltelefon befindet?
x Lassen sich aus der Art der Veränderungen Schlüsse auf die Bereiche des Gehirns
ziehen, die durch die Exposition beeinflusst werden?
x Gibt es Unterschiede zwischen UMTS und GSM - quantitativ und qualitativ?
1.2.2 Immun-Abwehr
Zum Beginn des ATHEM - Projektes gab es nur wenige Untersuchungen über die Wirkung
hochfrequenter elektromagnetischer Felder auf das Immunsystem. Elekes et al. 1996 unter-
suchten die Wirkung von 2.45 GHz Mikrowellen (unmoduliert und amplitudenmoduliert) auf
Immunparameter von Mäusen und registrierten deutliche Effekte: Die antikörper-
produzierenden Zellen in der Milz hatten um 37% bzw. 55% zugenommen. Im Gegensatz
Seite 9 / 174
1. Athem-Endbericht - Vorwort
dazu stellten Veyret und Mitarbeiter 1991 eine Abnahme der Antikörperproduktion bei Mäu-
sen, die sie puls- bzw. amplitudenmodulierten Mikrowellen ausgesetzt hatten, fest. In einer
weiteren Untersuchung exponierten diese Autoren (Chagnaud und Veyret 1999) Ratten ge-
genüber 900 MHz-GSM, fanden aber keine Veränderung in den Lymphozyten-Sub-
populationen. Widersprüchliche Ergebnisse aus älteren Studien, in denen vor allem die Wir-
kung von 2,45-GHz-Mikrowellen untersucht wurde, betreffen unterschiedliche Immun-
parameter, wie Einschränkung der Funktion natürlicher Killerzellen (Yang et al. 1983), ver-
änderte Makrophagenaktivität (Zafra et al. 1988, Ramo-Rao et al. 1983), verminderte Stimu-
lierbarkeit von Lymphozyten-Vorläuferzellen (Huang & Mold 1980).
Das Immunsystem stellt ein komplexes Netzwerk dar, das aus unterschiedlichen zellulären
Elementen und löslichen Faktoren besteht. Bestimmte Zellen fungieren auch als immunolo-
gische „Gedächtniszellen“. Für die Regulation im Immunsystem sind Botenstoffe (vor allem
sog. Zytokine) von Bedeutung.
In diesem Teilprojekt wurden, um aussagekräftige Untersuchungen über mögliche immuno-
toxische Wirkungen zu erhalten, zelluläre Komponenten des Immunsystems genauso wie die
Regulation von Botenstoffen nach mobilfunktypischer HF-EMF Exposition untersucht.
Zweifellos haben solche Untersuchungen direkte Bedeutung für die Frage der gesundheitli-
chen Auswirkungen hochfrequenter EMF. Allerdings gibt es auch einige Untersuchungen, bei
denen keine relevanten Effekte gefunden wurden, und es gibt Überlegungen, dass HF-EMF
nicht in die Zelle eindringt, und daher die DNA nicht direkt beeinflussen kann. Es müßte also
ein indirekter Mechanismus existieren, der die fallweise beobachten DNA-Brüche erklärt.
Ein probates Mittel, um indirekte Zellwirkungen (DNA-Schäden) gezielt zu untersuchen, stel-
len Versuche in Zellkultur dar, und die Analyse der Proteine welche die DNA reparieren. Im
ATHEM-Projekt wurde an menschlichen Zellkulturen geprüft, ob die Mobilfunkstrahlung Ver-
änderungen an Proteinen, welche mit der DNA interagieren, bewirken kann.
Seite 10 / 174
1. Athem-Endbericht - Vorwort
1.2.4 Proteinveränderungen
In Analogie zum Begriff „Genom“, der die Summe aller DNA-Abschnitte umfasst, hat sich der
Begriff „Proteom“ als Summe aller vorhandenen Proteine (Eiweiß-Moleküle) einer Zelle etab-
liert. Proteine haben vielfältige Aufgaben; sie sind die wichtigsten Funktionsträger der Zelle.
Während Gene und die DNA innerhalb einer Zelle in der Zahl konstant bleiben, verändert
sich die Zusammensetzung des Proteoms als Antwort auf spezifische Anforderungen und
Umweltreize. Die Proteom-Zusammensetzung ist das Ergebnis von zellulären Regulations-
mechanismen. Die Analyse des Proteoms bietet somit eine gute Möglichkeit, Auskunft über
die zellulären Funktionen und deren Veränderung unter Exposition zu erhalten. Leszczynski
et al. 2002 fanden mittels Proteomanalyse Veränderungen von Stressproteinen unter GSM-
900 Exposition.
Seite 11 / 174
Seite 12 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
Kapitel-Inhalt :
Seite 13 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
2.1 TEIL 1:
Expositionseinrichtungen für Zellversuche
Für alle im Rahmen des Projektes ATHEM durchgeführten Experimente mit Zellen (in vitro
Experimente) wurden kommerziell erhältliche Expositionssysteme der Forschungsstiftung
ITIS, Zürich, Schweiz angekauft. Diese Systeme entsprechen dem neuesten wissenschaftli-
chen Kenntnisstand und wurden bereits mehrfach in internationalen Forschungsprojekten,
wie z.B. im Rahmen des EU-Projektes REFLEX eingesetzt (siehe http://www.verum-
foundation.de/cgi-bin/content.cgi?id=euprojekte01). Da die technischen Details und Spezifi-
kationen dieser Systeme bereits wissenschaftlich publiziert wurden, bzw. auf der Homepage
der ITIS Forschungsstiftung beschrieben sind, wird im Folgenden nur ein kurzer Überblick
über den Aufbau dieser Systeme gegeben.
2.1.1 Konzept der in vitro Expositionssysteme für Befeldung gemäß GSM1800 und
UMTS (1950 MHz)
Experimente mit Zellen wurden im Rahmen des ATHEM Projekts sowohl bei Befeldungsbe-
dingungen wie sie bei Benützung von GSM1800 Mobiltelefonen als auch bei Benützung von
UMTS Mobiltelefonen auftreten können durchgeführt (hinsichtlich Frequenz und Zeitverlauf
des Expositionssignals). Aus diesem Grund kamen zwei unterschiedliche Expositionssyste-
me zum Einsatz:
Hinsichtlich der Schaffung definierter Feld- und Umgebungsbedingungen beruhen beide Sys-
teme auf dem gleichen Konzept eines kurzgeschlossenen Wellenleiters, in dem sich die zu
exponierenden Zellkulturen (in Petri Schalen) befinden. Aufgrund der ähnlichen Frequenzen
von GSM1800 und UMTS unterscheiden sich die beiden Systeme, neben für den Laien nur
schwer erkennbaren, kleinen Unterschieden der Wellenleiter, vor allem durch die Signalge-
nerierung.
Das Grundkonzept dieser in vitro Expositionssysteme ist in Abbildung 2.1 schematisch dar-
gestellt. Jedes der beiden Expositionssysteme besteht aus zwei identischen Expositions-
kammern (kurzgeschlossenen Wellenleitern), die übereinander angeordnet und in einem
Brutschrank (Inkubator, zur Schaffung der für die Zellkulturen notwendigen klimatischen Be-
dingungen) untergebracht sind. Nach dem Beladen beider Expositionskammern und Aktivie-
rung der Exposition über den Steuercomputer wird aber jeweils nur einer der beiden Exposi-
tionskammern die von der Signalgenerierungs- und Verstärkereinheit erzeugte Hochfre-
quenzleistung zugeführt, wobei die Auswahl der tatsächlich exponierten Kammer vollautoma-
tisch und pseudozufällig und ohne Einflussmöglichkeit für den Experimentator durch die
Steuersoftware erfolgt. Die Zellkulturen in der jeweils nicht exponierten Kammer dienen als
Kontrollgruppen für die statistische Auswertung. Alle für die tatsächliche Exposition relevan-
ten Parameter werden automatisch von der Steuersoftware verschlüsselt auf dem Steuer-
computer gespeichert. Eine Entschlüsselung („Entblindung“) dieser Daten, und damit die
Klärung der Frage welche Zellen tatsächlich exponiert wurden und welche Zellen als Kontrol-
le dienten, erfolgt erst nach der statistischen Auswertung der biologischen Ergebnisdaten.
Seite 14 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
Auf diese Weise ist sichergestellt, dass der Experimentator keine Möglichkeit einer bewuss-
ten oder unbewussten Beeinflussung des Untersuchungsergebnisses hat, was ein wesentli-
ches Qualitätskriterium wissenschaftlicher Arbeiten darstellt.
Abbildung 2.2: Expositionskammern des Systems für GSM1800MHz Befeldung (links, be-
reits im Inkubator aufgestellt) und für UMTS (1950 MHz) Befeldung (rechts, mit noch ge-
öffnetem oberen Wellenleiter und dadurch erkennbaren Petri Schalen)
Seite 15 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
auch bei den vorliegenden Expositionssystemen Rechnung getragen. Grundsätzlich ist die
Vielfalt der in der Praxis auftretenden möglichen Sendesignalformen durch die speziellen
Signalisierungsformen und die Sendeleistungsregelung unendlich groß, sodass im Rahmen
von Experimenten immer eine Auswahl von typischen Signalformen zu wählen ist. Im vorlie-
genden Fall wurden (im Rahmen der technischen Spezifikationen von GSM bzw. UMTS lie-
gende) Signale verwendet, die möglichst ausgeprägte niederfrequente Schwankungen der
Sendeleistung beinhalten.
Abbildung 2.3 zeigt schematisch die für GSM typischen und vom Expositionssystem für
GSM1800 prinzipiell zur Verfügung gestellten Signalisierungsformen. GSM verwendet für die
Übertragung ein Zeitvielfach-Zugriffsverfahren (TDMA Time Division Multiple Access). Dies
bedeutet, dass ein GSM-Mobiltelefon nicht kontinuierlich hochfrequente Strahlung aussen-
det, sondern, nach einem streng definierten Schema (GSM-Zeitrahmenstruktur) Hochfre-
quenz-Pakete absetzt. Grundsätzlich können dabei 2 Grundmodi unterschieden werden. Der
in Abbildung 2.3 mit „GSM basic“ bezeichnete Modus herrscht dann vor, wenn der Handy-
Benützer spricht (oder der Umgebungsgeräuschpegel sehr hoch ist). In diesem Fall nutzt das
Handy jeden zur Verfügung stehenden Zeitschlitz zur Übertragung der Sprachinformation.
Da gemäß der GSM-Rahmenstruktur pro Handy für Sprachübertragung 217 Zeitschlitze pro
Sekunde verfügbar sind, wird in diesem Modus vom Handy alle ca. 4,6 ms (=1/217 Hz) ein
solches, jeweils 0,58 ms langes HF-Paket abgesendet, wobei (ebenfalls durch die spezielle
Rahmenstruktur von GSM bedingt) zusätzlich berücksichtigt werden muss, dass jedes 26.
dieser Pakete entfällt. Aus diesem Grund enthält die Signaleinhüllende des „GSM basic“
Signals Frequenzkomponenten von ca. 217 Hz und 8 Hz.
Da während eines Telefongesprächs in jedem Moment üblicherweise immer jeweils nur einer
der beiden Gesprächspartner spricht, wäre es Verschwendung von Sendeleistung, wenn das
Handy des gerade zuhörenden Gesprächspartners ständig gemäß den obigen Ausführungen
217 HF-Pakete pro Sekunde abgeben würde, da ja gerade keine zu übertragende Sprachin-
formation vorliegt. Aus diesem Grund haben GSM-Handys den so genannten DTX-Modus
implementiert: sobald das Mikrophon des Handys nicht mehr mit Sprache beaufschlagt wird,
schaltet das Handy in diesen Modus, bei dem nur mehr essentielle Systeminformation über-
tragen wird, wozu natürlich nur deutlich weniger Zeitschlitze benötigt werden, als bei der
Übertragung von Sprachinformation. Konkret werden im DTX-Modus einzelne HF-Pakete im
Seite 16 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
Abstand von 120 ms und Serien von HF-Paketen im Abstand von ca. 500 ms abgestrahlt,
was zusätzlich zu Frequenzkomponenten der Signaleinhüllenden von 2 Hz und 8 Hz führt.
Dies entspricht der Signalisierungsform „GSM DTX only“ (Abbildung 2.3)
In der Realität, in der sich ein Telefongespräch aus einander abwechselnden Phasen des
Zuhörens und des Sprechens zusammensetzt, wird die HF-Abstrahlung eines GSM-Handys
eine Mischung aus „GSM basic“ und „GSM DTX only“ sein. Daher stellen die Expositionsein-
richtungen auch den so genannten „GSM talk“ Signalisierungsmodus zur Verfügung, der
eine zeitlich pseudozufällig verschachtelte Abfolge von „GSM basic“ und „GSM DTX only“
Signalisierungsphasen ist, wobei im Mittel ca. 34% „GSM DTX only“ vorliegt.
Für die in Kapiteln 4-5 beschriebenen Zellexperimente wurde, je nach Untersuchungsart,
entweder „GSM basic“ oder „GSM talk“ eingesetzt (siehe Beschreibung der Expositionsbe-
dingungen in den jeweiligen Kapiteln 4-5).
UMTS besitzt in der gegenwärtigen Ausprägung keine Zeitvielfach-Zugriffsverfahren, d.h.
UMTS Handys strahlen keine HF-Pakete in obigem Sinn ab, sondern ein breitbandiges, spe-
ziell codiertes Signal. Dennoch ist in der Praxis davon auszugehen, dass die von UMTS-
Handys abgestrahlte Sendeleistung starke zeitliche Schwankungen aufweisen kann. Grund
dafür ist die bei UMTS notwendige und daher implementierte extrem effiziente Sendeleis-
tungsregelung, die 1500-mal pro Sekunde die Sendeleistung an die gerade herrschenden
Empfangsbedingungen anpasst. Da die resultierenden Schwankungen der Sendeleistung
daher maßgeblich durch die Empfangsbedingungen bestimmt sind, ist es, anders als bei
GSM, bei UMTS praktisch nicht möglich „typische“ Signalisierungsverläufe vorherzusagen.
Da niederfrequente Anteile in der Signaleinhüllenden als möglicherweise biologisch relevant
angesehen werden müssen, wurde für die in Kapiteln 4-5 beschriebenen UMTS-Experimente
eine synthetische Signalform verwendet, die unter Einhaltung der UMTS-Spezifikationen, zu
maximalen niederfrequenten Anteilen in der Signaleinhüllenden führt.
Abbildung 2.4 zeigt das Expositionssignal bei UMTS Befeldung. Die Einhüllende dieses Sig-
nals enthält signifikante niederfrequente Frequenzkomponenten bis in den Bereich von
1500 Hz.
Seite 17 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
Expositionseinrichtungen für die Zellversuche werden diese Aufgaben von der Steuersoft-
ware übernommen.
Der Versuchleiter hat nach dem Beladen der beiden Expositionskammern über eine leicht zu
bedienende Benutzeroberfläche nur die folgenden Eckdaten des zu startenden Versuchs
auszuwählen:
Nach Festlegung dieser Eckdaten und Start der Exposition auf der Benutzeroberfläche wer-
den die eingegebenen Daten von der Software automatisch gespeichert, die Exposition in
einer der beiden Expositionskammern (von der Software zufällig ausgewählt) gestartet und
alle relevanten Expositionsparameter in regelmäßigen Abständen protokolliert, wobei dieses
Protokoll nur in verschlüsselter Form, d.h. für den Versuchsleiter nicht einsehbar auf dem
Steuercomputer gespeichert wird. Erst nach der statistischen Auswertung der biologischen
Daten werden diese Protokolldaten entschlüsselt.
Tabelle 2.1 zeigt als Beispiel zwei Zusammenfassungen der vom Versuchsleiter gewählten
Expositionsparameter, wie sie nach Entschlüsselung der Daten vorliegen.
Tabelle 2.1: Von der Steuersoftware aufgezeichnete Experiment-Eckdaten nach der Ent-
schlüsselung; links: UMTS-Experiment, rechts: GSM-Experiment mit Signal „GSM-talk“
Tabelle 2.2 zeigt beispielhaft die statistische Zusammenfassung der vom Expositionssystem
und der Steuersoftware während der Exposition aufgezeichneten relevanten Daten, wie z.B.
den tatsächlich vorherrschenden SAR-Wert, die Temperatur der Zellkulturen, sowie den Un-
terschied der Temperatur zwischen scheinexponierten und exponierten Zellen.
Diese Daten sind nicht nur in Form der in Tabelle 2.2 dargestellten zusammenfassenden
Statistik verfügbar, sondern auch als Zeitverläufe verfügbar, d.h. es werden alle anfallenden
Daten lückenlos gespeichert und sind nach Entschlüsselung zu Analysezwecken bzw. zu
Qualitätskontrolle verfügbar.
Seite 18 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
Tabelle 2.2: Parameter-Statistik der während der Exposition aufgezeichneten Daten nach
der Entschlüsselung
Abbildung 2.5: Beispiele der vom Expositionssystem und der Steuersoftware automa-
tisch, zum Zweck der Qualitätssicherung aufgezeichneten Daten während einer 8-
stündigen Expositionsdauer mit zyklischem 5 Minuten EIN /10 Minuten AUS Schema
nach der Datenentschlüsselung;
oben: der SAR-Verlauf in der aktiven Expositionskammer;
unten: Temperaturunterschied zwischen exponierten und scheinexponierten Zellen
Seite 19 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
2.2 TEIL 2:
Expositionseinrichtungen für Humanexperimente
Für die im Rahmen des Projektes ATHEM durchgeführte Provokationsstudie zur Untersu-
chung möglicher Auswirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder von GSM900-
und UMTS-Mobiltelefonen auf zentralnervöse Verarbeitungsprozesse wurde eigens ein ent-
sprechendes Expositionssystem entwickelt, das im Folgenden beschrieben wird.
Seite 20 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
2.2.2 Gesamtkonzeption
In den folgenden Abschnitten dieses Kapitels werden die einzelnen Komponenten der Expo-
sitionseinrichtung überblicksartig beschrieben. Die detaillierte, GSM900-spezifische und
UMTS-spezifische Beschreibung der einzelnen Systemkomponenten erfolgt in Kapitel 2.2.4
und in Kapitel 2.2.5.
Seite 21 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
Bei GSM900 sollten speziell die ca. 217 Hz Burst-Wiederholfrequenz bzw. die ca. 8 Hz Multi-
rahmen-Wiederholfrequenz berücksichtigt werden. Bei der Erzeugung des GSM900 Signals
wurde daher das Signal eines kommerziellen GSM-Mobiltelefons (Uplink-Frequenz
902,4 MHz, d.h. etwa in der Mitte des Frequenzbandes) während einer aktiven Sprechver-
bindung (ohne DTX) verwendet (Details, siehe Kapitel 2.2.4).
Im Fall der derzeitigen Ausprägung der UMTS-Systeme (d.h. im FDD Modus) treten nie-
derfrequente Variationen der Signaleinhüllenden ausschließlich durch die effektive Leis-
tungsregelung auf. Es wird dabei im Takt von 1500 Hz die Sendeleistung an die jeweiligen
Empfangsbedingungen angepasst. D.h., die zeitliche Einhüllende des abgestrahlten HF-
Signals, kann je nach der (im Allgemeinen dynamisch veränderlichen und stark inhomoge-
nen) räumlichen Feldverteilung und je nach Bewegungsgeschwindigkeit des Benutzers gro-
ßen niederfrequenten Schwankungen unterliegen. Da zum Zeitpunkt der Systemkonzeptio-
nierung noch keine UMTS-Mobiltelefone am freien Markt verfügbar waren, die ein ähnliches
Signalsgenerierungskonzept wie oben für GSM900 beschrieben ermöglicht hätten, wurde für
die Generierung des UMTS Signals auf einen im Rahmen biologischer Experimente wissen-
schaftlich bereits etablierten speziellen Signalgenerator [2] zurückgegriffen. Dieser erzeugt
ein generisches UMTS-Uplink-Signal entsprechend dem UMTS Standard, das sowohl Pha-
sen konstanter Sendeleistung, als auch Phasen mit stark schwankender Sendeleistung (Si-
mulation der Leistungsregelung) enthält (Details, siehe Kapitel 2.2.5).
Grundsätzlich sind gemäß dem Studiendesign sowohl bei GSM900- als auch bei UMTS-
Befeldung 5 unterschiedliche Expositionsbedingungen (Versuchsbedingungen) vorgesehen:
Seite 22 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
Die Auslegung des Expositionssystems erfolgte unter der Zielvorgabe im temporalen und
parietalen Cortex der Probanden in der hohen Expositionsstufe eine maximale SAR von ca.
1-1,5 W/kg (gemittelt über 1g) zu erreichen. Gleichzeitig war jedoch aus ethischen Gründen
der europäische Grenzwert von 2 W/kg (gemittelt über 10g) im gesamten Kopf unter Einbe-
ziehung der System-Unsicherheiten einzuhalten. Konkret konnten diese Zielvorgaben für
GSM900 mit einer Antenneneingangsleistung von 1 W und bei UMTS mit einer Antennen-
eingangsleistung von 0,6 W erreicht werden (Distanz zwischen Antenne und Kopfoberfläche
65 mm). Die niedrige Expositionsstufe wurde jeweils 13 dB (Faktor 20) unterhalb der hohen
Expositionsstufe angesetzt. Die Scheinexposition erfolgte bei nicht angespeisten Antennen.
Abbildung 2.7: Headset vom Probanden getragen (hier mit Antennen für GSM900 be-
stückt)
Seite 23 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
Abbildung 2.9: Durch die Aufhängung des Headsets wird der Proband vom Gewicht der
Antennen und der zuführenden HF-Kabel entlastet und es bleibt gleichzeitig eine gewisse
Bewegungsfreiheit für den Kopf des Probanden erhalten.
Seite 24 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
Das Headset ist aus grauem (Bügel) und weißem (Mittelteil) PVC gefertigt (Hr| 3.3,
V<0.008 S/m). Die Breite des Headsets (Anpassung an verschiedene Kopfgrößen) kann mit-
tels einer Rändelschraube im Mittelteil des Headsets (Stirnbereich) eingestellt werden. Der
Einfluss der Kunststoffmaterialien auf die Feldverteilung im Kopf der Probanden wurde auf
Basis von SAR-Messungen und mittels Computersimulationen untersucht und stellte sich als
vernachlässigbar heraus (Einfluss auf die SAR-Verteilung im Kopf <1%).
Als Antennen kamen eigens entwickelte Patch-Antennen, in 65 mm Distanz zur Kopfoberflä-
che am Headset fixiert, zum Einsatz. Sie bestehen im Wesentlichen aus einem Schaumstoff-
trägermaterial, das auf der Rückseite vollständig (Backplane) mit einer 0,1 mm Kupferfolie
und auf der Vorderseite mit einem resonanten Patch beschichtet ist. Dieses Antennenkon-
zept bietet durch folgende Eigenschaften bestmögliche Annäherung an die in Kapitel 2.2.1
angeführten Anforderungen:
x geringes Gewicht
x hoher Grad an Robustheit und damit Langzeitstabilität (kein Verbiegen von Antennen-
elementen möglich, wie z.B. im Fall von Stab- oder Drahtantennen)
x hohe Richtwirkung und damit hohe Leistungseffizienz (geringe Verstärkerkosten) und
geringere EMV-Probleme (es wird praktisch nur in Richtung des Probandenkopfes ab-
gestrahlt)
x durch relativ große Distanz zum Kopf gute Entkopplung von Antenne und Kopf und
damit geringe SAR-Variationen bei (unvermeidlichen) kleinen Variationen der Relativ-
position zwischen Kopf und Antennen, bzw. bei interindividuellen Variationen der Pro-
bandenköpfe (Kopfform, Kopfgröße, dielektrische Gewebeeigenschaften)
x homogene Befeldung der Zielareale im Gehirn
x Freiheit der Kopfoberfläche zur ungehinderten Anbringung der EEG-Elektroden
Spezifische technische Details zu den Antennen für die GSM900- und die UMTS-Befeldung
sind Kapitel 2.2.4 und Kapitel 2.2.5 zu entnehmen.
Seite 25 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
Dosisfindung: Ist ein, die realen Antennen korrekt wiedergebendes numerisches Anten-
nenmodell gefunden, besteht der nächste Schritt in der Dosisfindung. D.h., auf Basis von
Computersimulationen unter Verwendung heterogener, anatomisch korrekter numerischer
Kopfmodelle muss ermittelt werden, wie viel HF-Leistung der Antenne zugeführt werden
muss, um die gewünschte SAR (meist in Form des maximalen 1g- oder 10g-
Gewebemittelwertes im Studiendesign festgelegt) in den Zielgeweben zu erreichen. Kabel-
verluste und Antennenanpassung (und eventuelles De-Tuning der Antennen in Kopfnähe)
sind dabei zu berücksichtigen. Die Verwendung stark vereinfachter Kopfmodelle (wie z.B.
des für die Zulassungsprüfung von Mobiltelefonen standardisierten SAM-Phantoms) für die
Dosisfindung ist im Allgemeinen kein sinnvoller Ansatz, da damit natürlich die detaillierte HF-
Absorption in den einzelnen Gewebeschichten nicht erfasst werden kann. Weiters ist das
SAM-Kopfmodell (und seine dielektrischen Eigenschaften) bewusst als konservatives Modell
(für die Zulassungsprüfung) ausgelegt, d.h. die tatsächliche Absorption im menschlichen
Kopf wird damit (auch bei Mittelung über alle unterschiedlichen Gewebe) im Allgemeinen
überschätzt. Alle im Rahmen dieses Projektes durchgeführten numerischen Berechnungen
(Computersimulationen) wurden mittels der FDTD-Simulationsplattform SEMCAD Version
1.8 (Schmid & Partner Engineering AG, Zürich, Schweiz) durchgeführt. Als anatomisches
numerisches Kopfmodell wurde das auf dem Visual Human Project basierende Kopfmodell
(Model 9, Schmid & Partner Engineering AG, Zürich, Schweiz) verwendet. Dieses Modell
besitzt eine Segmentierungsauflösung von 0,5 mm x 0,5 mm in horizontaler Richtung und
von 2 mm in vertikaler Richtung (Abbildung 2.10 und Abbildung 2.11). In diesem Modell wer-
den 52 unterschiedliche Gewebebereiche unterschieden, welchen für die dosimetrischen
Berechnungen entsprechende Werte für die dielektrischen Gewebeeigenschaften nach [3]
zugeordnet wurden. Da nicht für alle im Modell unterschiedenen Gewebebereiche eigene
dielektrische Gewebeeigenschaften vorliegen, waren teilweise Gewebezuordnungen auf Ba-
sis physiologisch/histologischer Überlegungen zu treffen. Den 52 unterschiedlichen Gewe-
bebereichen im Kopfmodell wurden schließlich 18 unterschiedliche Gewebeparameterpaare
zugeordnet (Tabelle 2.3).
Seite 26 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
Abbildung 2.11: 3D-Ansicht des numerischen anatomischen Kopfmodells für die dosi-
metrischen FDTD-Berechnungen, bei schrittweiser Entfernung der wichtigsten Gewebe-
schichten zur Illustration des Detailiertheitsgrades.
x Variationen (wenn auch nur klein) der relativen Position zwischen Antenne und Kopf
x Unterschiedliche Kopfgrößen und Kopfformen der Probanden
x Unterschiedliche dielektrischen Eigenschaften der Gewebe zwischen den Probanden
x Einfluss der EEG-Elektroden auf die Absorptionsverteilung im Kopf
x Stabilität der Signalquelle (und des HF-Verstärkers)
Seite 27 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
Seite 28 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
Für die konkret durchgeführte Unsicherheitsanalyse wurden im Hinblick auf die Variation
zufolge Veränderung der relativen Lage von Antenne und Kopf eine Reihe von geometri-
schen Parametern (4 Winkel und 1 Distanz) definiert (Abbildung 2.12). Die Wertebereiche für
diese Parameter wurden an 10 zufällig ausgewählten Personen während typischer Arbeiten
an einem Bildschirmarbeitsplatz erhoben (Tabelle 2.4).
Abbildung 2.12: Definition der Unsicherheitsparameter hinsichtlich der Variation der rela-
tiven Lage Antenne/Kopf
Parameter Wertebereich
D ± 5°
E ± 5°
J ± 10°
G ± 5°
'd ± 3 mm
Tabelle 2.4: Wertebereiche für die Unsicherheitsparameter hinsichtlich der Variation der
relativen Lage Antenne/Kopf
Seite 29 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
in Abbildung 2.3). Realisiert wurde diese Signalgenerierung mittels des in Abbildung 2.13
dargestellten Aufbau.
Powermeter
NRVD
Type xx
(Rohde & Schwarz)
2x
Power- Kabelverbindung
head zum Headset
NRV-Z1
Richtkoppler 1 (Rohde &
Schwarz)
Att. 3
10dB rechts
Att. 1 Att. 2
20dB Verstärker 30dB links
RF 830960-50
(RFPA) 30dB
3dB sham
10dB
Richtkoppler 2
Switch
Att. 4
10dB
GSM Mobiltelefon
(Siemens S25) 50 : / 50 W
Load
Abbildung 2.13: Signal-Erzeugung für das GSM900 Expositionssystem
Zwischen dem Digital Radio Communications Tester CMD55 (fungiert als Basisstationssimu-
lator) und einem handelsüblichem GSM Mobiltelefon (Siemens S25) wird über die Steuer-
software eine Gesprächsverbindung aufgebaut (ohne DTX-Modus). Das Mobiltelefon wurde
zu diesem Zweck im Bereich des Tastaturpads hardwaremäßig modifiziert, so dass ein Ein-
und Ausschalten, sowie der Gesprächsaufbau softwaregesteuert (über die Druckerschnitt-
stelle des Notebooks) erfolgen kann. Das vom Mobiltelefon erzeugte Uplink-Signal wird über
einen Richtkoppler ausgekoppelt, verstärkt und über einen von der Steuersoftware gesteuer-
ten HF-Schalter (zur Aufschaltung auf die rechte oder linke Kopfseite bzw. zur Aufschaltung
des HF-Signals auf eine Lastimpedanz bei Scheinexposition) dem Headset zugeführt. Zur
Messung der Vorwärts- und Rückwärtsleistung wird ein Zweikanal-Leistungsmesser verwen-
det, von dem die Messdaten direkt an die Steuersoftware weitergeben werden. Die Speiche-
rung der Daten erfolgt vollautomatisch in verschlüsselter Form (siehe Kapitel 2.2.7). Abbil-
dung 2.14 und Abbildung 2.15 zeigen die in einem Rack untergebrachte Signalerzeugung für
das GSM900 Expositionssystem.
Seite 30 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
Seite 31 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
2.2.4.2.1 NumerischeModellierungundEvaluierung
Im Hinblick auf die notwendigen dosimetrischen Untersuchungen (Dosisfindung, Unsicher-
heitsabschätzung der Exposition) ist die numerische Modellierbarkeit der entwickelten An-
tenne von großer Bedeutung. Der entwickelte Antennentyp wurde daher mittels der Simulati-
onsplattform SEMCAD£ modelliert (Abbildung 2.18) und die numerischen Ergebnisse der
Antenneneigenschaften mit den gemessenen verglichen.
Abbildung 2.18 zeigt das numerische Modell und eine 3D Darstellung des berechneten Ab-
strahlverhaltens (Radiation Pattern) bei frei in Luft aufgehängter Antenne. Abbildung 2.19
zeigt einen quantitativen Vergleich von Messungen an der realen Antenne und Berechnun-
Seite 32 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
gen mittels des numerischen Modells hinsichtlich des vertikalen und horizontalen Radiation
Patterns. Es zeigt sich dabei ausgezeichnete Übereinstimmung zwischen der realen Antenne
und dem numerischen Modell.
Abbildung 2.18: Numerisches Modell der Antenne (SEMCAD£) und 3D Darstellung des
berechneten Abstrahlverhaltens (Radiation Pattern) bei frei in Luft aufgehängter Antenne
horizontales Antennenpattern
vertikales Antennenpattern 0
0 350 0 10
350 0 10 340 20
340 20 330 30
330 30 -5
-5 320 40
320 40 gemessen
simuliert 310 -10 50 gemessen
310 -10 50
simuliert
300 -15 60
300 -15 60
290 -20 70
290 -20 70
280 -25 80
280 -25 80
270 -30 90
270 -30 90
260 100
260 100
250 110
250 110
240 120
240 120
230 130
230 130
220 140
220 140 210 150
210 150 200 160
190 170
200 160 180
190 170
180
Abbildung 2.19: Vergleich von Messergebnissen (3m Distanz in der Absorberhalle) und
Berechnungsergebnissen (SEMCAD£) anhand des vertikalen und horizontalen Anten-
nenpatterns (2D Darstellung) bei frei in Luft aufgehängter Antenne
Abbildung 2.20 zeigt den gemessenen Betrag des Streuparameters S11 (Maß für die Anpas-
sung der Antenne) am Antenneneingang über der Frequenz, bei frei in Luft aufgehängter
Antenne und bei 65 mm Entfernung von einem homogenen Phantom, gefüllt mit Gewebe
simulierender Flüssigkeit für Kopfgewebe nach EN 50361 (Hr=41, V=0.98 S/m). Die Reso-
nanzfrequenz bei Positionierung der Antenne in 65 mm Entfernung zum Phantom liegt wie
angestrebt in der Mitte des GSM900 Uplink Bereichs. Wieder ist die gute Übereinstimmung
von realer Antenne und numerischem Modell zu erkennen. Für die konkret gewählte Distanz
Antenne-Kopf von 65 mm liegt der Eingangsreflexionsfaktor bei ca. -13 dB, d.h. die zu erwar-
tenden Leistungsreflexionen am Antenneneingang zufolge Fehlanpassung liegen bei weni-
ger als 5%.
Seite 33 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
-5
-10
|S11| [dB]
-15
-30
700 750 800 850 900 950 1000 1050 1100
Frequenz [MHz]
Abbildung 2.21: SEMCAD£-Modell des SAM-Kopfphantoms bei Befeldung mit der entwickelten Patch-
Antenne (links) und qualitatives Simulationsergebnis (SAR) in der Frontalebene durch den Antennen-
fußpunkt (rechts)
Seite 34 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
Abbildung 2.23 und Abbildung 2.24 zeigen qualitativ die Verteilung der SAR auf der Oberflä-
che des Cortex bzw. unterhalb des Cortex (an der äußersten Schicht der weißen Substanz)
und an der Oberfläche des Augapfels für unterschiedliche Distanzen d (Kopf-Antenne) und
für unterschiedliche Antennenhöhen h.
Seite 35 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
Abbildung 2.23: SAR-Verteilung auf der Cortex-Oberfläche des in Abhängigkeit von Dis-
tanz d und Antennenhöhe h
Abbildung 2.24: SAR-Verteilung unterhalb des Cortex (Surface of white matter) und an
der Oberfläche des Augapfels in Abhängigkeit von Distanz d und Antennenhöhe h
Seite 36 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
2.2.4.3.1 AuswirkungderEEGElektrodenaufdieAbsorptionsverteilung
Da sich die metallischen EEG-Elektroden und die zugehörigen Elektrodenkabel am Kopf des
Probanden direkt im HF-Feldbereich befinden, muss von einer starken Wechselwirkung mit
dem elektromagnetischen Feld ausgegangen werden, die in weiterer Folge zu Verzerrungen
der Absorptionsverhältnisse führen können.
Numerische Simulationen unter Berücksichtigung einiger der EEG-Elektroden (im Bereich
der höchsten auftretenden Feldstärken) bestätigten diesen zu erwartenden Effekt (Abbildung
2.25). Die Modellierung der Elektroden erfolgte dabei realitätsgetreu, d.h., es wurde die ei-
gentliche Elektrodenfläche als dünnes Metallplättchen (Durchmesser ca. 8 mm), das über
eine ca. 1 mm dicke Schicht Elektroden-Gel mit der Kopfhaut in Kontakt steht, modelliert. Die
elektrischen Eigenschaften des Elektroden-Gels wurden gemessen und entsprechend be-
rücksichtigt (bei 900 MHz: elektrische Leitfähigkeit V = 18 S/m, relative Permittivität Hr = 30).
Die in Abbildung 2.25 qualitativ dargestellten Ergebnisse zeigen deutlich, dass eine vertikale
Orientierung der EEG-Elektrodenkabel (parallel zum E-Feldvektor) zu starken Verzerrungen
der Absorptionsverteilung im Kopf führt, während dieser Effekt bei horizontaler Ausrichtung
der EEG-Elektrodenkabel (normal zum E-Feldvektor) wesentlich geringer ist. Für die prakti-
sche Durchführung der Experimente ist eine möglichst horizontale Ausrichtung der EEG-
Elektrodenkabel daher eine wesentliche Voraussetzung für eine zuverlässige Exposition der
Probanden.
Eine quantitative Analyse der Absorptionsverzerrungen verursacht durch die EEG-
Elektrodenkabel erfolgte im Rahmen der Unsicherheitsanalyse, siehe Kapitel 2.2.2.4.
Tabelle 2.5 fasst die sich aus den dosimetrischen Berechnungen und Messungen ergeben-
den nominalen Expositionsparameter für die GSM900 Expositionseinrichtung zusammen.
Seite 37 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
Abbildung 2.25: Einfluss der EEG-Elektroden auf die Absorptionsverteilung im Kopf bei
GSM900-Befeldung; oben: vertikale Ausrichtung der EEG-Elektrodenkabel, unten: hori-
zontale Ausrichtung der EEG-Elektrodenkabel.
Nominal-Expositionsparameter GSM900
Seite 38 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
8
1 ¦u
i 1
2
i u EEG
2
Seite 39 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
wobei die Unsicherheitsbeiträge ui (mit id8) alle Unsicherheitsbeiträge außer den durch die
EEG-Elektrodenleitungen verursachten bezeichnen.
Für das Zielareal des cerebralen Cortex ergibt sich daher eine Gesamtunsicherheit von ca.
3 dB, entsprechend einem linearen Faktor von ca. 2. Mit einem Unterschied zwischen hoher
und niedriger Expositionsstufe von 13 dB, entsprechend eines linearen Faktors 20 (vgl. Ta-
belle 2.5) ist damit die klare Unterscheidbarkeit der beiden Expositionsstufen garantiert.
Gewebe: H und V +
0.0 -1.2 -7.4 14.5 10.8 -7.2 -0.6
20%
Gewebe: H und V -
1.6 -8.4 2.5 -9.8 -5.8 5.0 -8.8
20%
Stabilit. HF-Leistung
± 5.0 ± 5.0 ± 5.0 ± 5.0 ± 5.0 ± 5.0 ± 5.0 ± 5.0 ± 5.0 ± 5.0 ± 5.0 ± 5.0 ± 5.0 ± 5.0
5%
Elektroden horizontal -24.5 -24.2 -25.3 -24.7 -24.7 -0.8 -0.8 -17.2 -17.2 -17.7 -17.7 -19.9 -19.9
-25.3
(- (- (- (- (- (-
(-72.3) (-
(Elektroden vertikal) (-67.8) 67.8) (-72.3) 31.5) (-14.1) 14.1) (-14.3) 17.2) (-72.1) 72.1) (-61.3) 61.3)
31.5)
Gesamtunsicherheit
2.04 (4.80) 1.87 (5.10) 2.50 (2.70) 2.11 (2.20) 2.17 (2.17) 2.33 (7.24) 2.17 (4.36)
max/min [1]
Gesamtunsicherheit
3.09 (6.81) 2.72 (7.08) 3.98 (4.32) 3.24 (3.42) 3.37 (3.37) 3.66 (8.60) 3.34 (6.40)
max/min [dB]
Seite 40 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
1 Die Trägerfrequenz des Signals beträgt ca. 1970 MHz, was strenggenommen keine standardisierte UMTS-
Frequenz ist, jedoch sehr nahe den in Europa in der Praxis verwendeten UMTS-Uplink-Frequenzen liegt.
Seite 41 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
Abbildung 2.27 zeigt schematisch die Einhüllende des generierten UMTS-Signals. Es be-
steht im Wesentlichen aus einer 45 s dauernden Phase mit konstanter mittlerer Sendeleis-
tung gefolgt von einer 15 s dauernden Phase mit starken Schwankungen der Sendeleistung
mit Wiederholfrequenzen im Bereich von 8 Hz bis 12 Hz. Diese 15 Sekunden dauernde Fa-
ding-Phase simuliert mögliche Variationen der Sendeleistung eines realen Mobiltelefons
durch sich ändernde Empfangsverhältnisse, z.B. durch Bewegung oder Abschattung.
Seite 42 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
Abbildung 2.29: Probandin mit Headset, bestückt mit den 1970 MHz Patch Antennen
2.2.5.2.1 NumerischeModellierungundEvaluierung
Im Hinblick auf die notwendigen dosimetrischen Untersuchungen (Dosisfindung, Unsicher-
heitsabschätzung der Exposition) ist die numerische Modellierbarkeit der entwickelten An-
tenne von großer Bedeutung. Der entwickelte Antennentyp wurde daher mittels der Simulati-
onsplattform SEMCAD£ modelliert (Abbildung 2.30) und die numerischen Ergebnisse der
Antenneneigenschaften mit den gemessenen verglichen.
Abbildung 2.30 zeigt das numerische Modell und eine 3D Darstellung des berechneten Ab-
strahlverhaltens (Radiation Pattern) bei frei in Luft aufgehängter Antenne. Abbildung 2.31
zeigt einen quantitativen Vergleich von Messungen an der realen Antenne und Berechnun-
Seite 43 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
gen mittels des numerischen Modells hinsichtlich des vertikalen und horizontalen Radiation
Patterns. Es zeigt sich dabei ausgezeichnete Übereinstimmung zwischen der realen Antenne
und dem numerischen Modell.
Abbildung 2.30: Numerisches Modell der 1970 MHz Antenne (SEMCAD£) und 3D Darstellung des
berechneten Abstrahlverhaltens (Radiation Pattern) bei frei in Luft aufgehängter Antenne
Abbildung 2.31: Vergleich von Messergebnissen (3m Distanz in der Absorberhalle) und Berechnungs-
ergebnissen (SEMCAD£) anhand des vertikalen und horizontalen Antennenpatterns (2D Darstellung)
bei frei in Luft aufgehängter Antenne
Abbildung 2.32 zeigt den gemessenen Betrag des Streuparameters S11 (Maß für die Anpas-
sung der Antenne) am Antenneneingang über der Frequenz, bei frei in Luft aufgehängter
Antenne und bei 65 mm Entfernung von einem homogenen Phantom, gefüllt mit Gewebe
simulierender Flüssigkeit für Kopfgewebe nach EN 50361 (Hr=40, V=1,40 S/m). Die Reso-
nanzfrequenz bei Positionierung der Antenne in 65 mm Entfernung zum Phantom liegt wie
angestrebt bei ca. 1970 MHz. Wieder ist die gute Übereinstimmung von realer Antenne und
numerischem Modell zu erkennen. Für die konkret gewählte Distanz Antenne-Kopf von 65
mm liegt der Eingangsreflexionsfaktor bei ca. -13 dB, d.h. die zu erwartenden Leistungsrefle-
xionen am Antenneneingang zufolge Fehlanpassung liegen bei weniger als 5%.
Seite 44 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
-5
-10
|S11| [dB]
-25
1750 1800 1850 1900 1950 2000 2050 2100 2150 2200 2250
Frequenz [MHz]
Abbildung 2.32: |S11| (äquivalent zum Eingangsreflexionsfaktor) der 1970 MHz Antenne frei in Luft
und in 65 mm Entfernung zu einem homogenen Phantom
Abbildung 2.33: SEMCAD£-Modell des SAM-Kopfphantoms bei Befeldung mit der entwickelten 1970
MHz Patch-Antenne (links) und qualitatives Simulationsergebnis (SAR) in der Frontalebene durch den
Antennenfußpunkt (rechts)
Seite 45 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
Abbildung 2.34: Definition der Antennenpositionen und untersuchte Kombinationen von Distanz d und
Antennenhöhe h
Abbildung 2.35 und Abbildung 2.36 zeigen qualitativ die Verteilung der SAR auf der Oberflä-
che des Cortex bzw. unterhalb des Cortex (an der äußersten Schicht der weißen Substanz)
und an der Oberfläche des Augapfels für unterschiedliche Distanzen d (Kopf-Antenne) und
für unterschiedliche Antennenhöhen h.
Für alle 20 durchgeführten Simulationsläufe erfolgten detaillierte quantitative Auswertungen
der Absorptionsverteilung. Als optimaler Kompromiss zwischen einer möglichst homogenen
Exposition der temporalen und parietalen Cortex-Bereiche und einer gleichzeitig vergleichs-
weise geringen Absorption in den Augen stellte sich die Anordnung mit d=65 mm und
h=10 mm heraus. In dieser Anordnung führt eine von der Antenne emittierte HF-Leistung von
1,0 W zu einer maximalen über 1 g gemittelten SAR im Cortex von 1,18 W/kg bei gleichzeiti-
ger 3dB- bzw. 5 dB-Homogenität von 38% bzw. 61%. D.h. in 38% der Cortex-Masse der be-
feldeten Hemisphäre liegt die SAR zwischen 0.59 W/kg und 1,18 W/kg und in 61% der Cor-
tex-Masse der befeldeten Hemisphäre liegt die SAR zwischen 0.37 W/kg und 1,18 W/kg.
Seite 46 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
Abbildung 2.35: SAR-Verteilung auf der Cortex-Oberfläche bei UMTS-Befeldung des in Abhängigkeit
von Distanz d und Antennenhöhe h.
Abbildung 2.36: SAR-Verteilung unterhalb des Cortex (Surface of white matter) und an der Oberfläche
des Augapfels in Abhängigkeit von Distanz d und Antennenhöhe h bei UMTS Befeldung.
Seite 47 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
2.2.5.3.1 AuswirkungderEEGElektrodenaufdieAbsorptionsverteilung
Da sich die metallischen EEG-Elektroden und die zugehörigen Elektrodenkabel am Kopf des
Probanden direkt im HF-Feldbereich befinden, muss von einer starken Wechselwirkung mit
dem elektromagnetischen Feld ausgegangen werden, die in weiterer Folge zu Verzerrungen
der Absorptionsverhältnisse im Vergleich zum ungestörten Fall (ohne Elektroden) führen
können.
Numerische Simulationen unter Berücksichtigung einiger der EEG-Elektroden (im Bereich
der höchsten auftretenden Feldstärken) bestätigten diesen zu erwartenden Effekt (Abbildung
2.37). Die Modellierung Elektroden erfolgte dabei realitätsgetreu, d.h., es wurde die eigentli-
che Elektrodenfläche als dünnes Metallplättchen (Durchmesser ca. 8 mm), das über eine ca.
1 mm dicke Schicht Elektroden-Gel mit der Kopfhaut in Kontakt steht, modelliert. Die elektri-
schen Eigenschaften des Elektroden-Gels wurden gemessen und entsprechend berücksich-
tigt (bei 1970 MHz: elektrische Leitfähigkeit V = 20 S/m, relative Permittivität Hr = 28).
Die in Abbildung 2.37 qualitativ dargestellten Berechnungsergebnisse zeigen deutlich, dass
eine vertikale Orientierung der EEG-Elektrodenkabel (parallel zum E-Feldvektor) zu starken
Verzerrungen der Absorptionsverteilung im Kopf führt, während dieser Effekt bei horizontaler
Ausrichtung der EEG-Elektrodenkabel (normal zum E-Feldvektor) wesentlich geringer ist.
Für die praktische Durchführung der Experimente ist eine möglichst horizontale Ausrichtung
der EEG-Elektrodenkabel daher eine wesentliche Voraussetzung für eine zuverlässige Ex-
position der Probanden.
SAR auf der Oberfläche von… … Haut … Knochen … Cortex
Abbildung 2.37: Einfluss der EEG-Elektroden auf die Absorptionsverteilung im Kopf bei UMTS-
Befeldung; oben: vertikale Ausrichtung der EEG-Elektrodenkabel, unten: horizontale Ausrichtung der
EEG-Elektrodenkabel.
Seite 48 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
Tabelle 2.7 fasst die sich aus den dosimetrischen Berechnungen und Messungen erge-
benden Expositionsparameter für die UMTS Expositionseinrichtung zusammen.
Nominal-Expositionsparameter UMTS
Seite 49 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
Unsicherheitsbeiträge. Aufgrund dieser Tatsache wurde aus Gründen der Einfachheit die
betragsmäßig größere Wertebereichsgrenze der einzelnen ui als Grenze eines symmetri-
schen Unsicherheitsintervalls (± max ui) angenommen. Dies ist ein konservativer Ansatz, der
die Gesamtunsicherheit des Systems tendenziös überschätzt.
Im speziellen Fall der Unsicherheit zufolge der EEG-Elektroden zeigt sich, dass sich eine
vertikale Orientierung der Elektrodenzuleitungen wesentlich stärker auf die Absorption im
Gehirn auswirkt, als eine horizontale Orientierung. Da diese Erkenntnis bereits im Rahmen
des Designs des Expositionssystems vorlag, wurde die horizontale Ausrichtung der EEG-
Elektrodenleitungen integrativer Bestandteil des Studiendesigns. Die sich bei vertikaler Elekt-
rodenleitungsausrichtung ergebenden Unsicherheiten dienen daher nur der Information und
sind in Tabelle 2.7 in Klammer gesetzt. Weiters ist dabei zu erkennen, dass sich die Anbrin-
gung der EEG-Elektroden bei vertikaler Ausrichtung (nicht jedoch bei horizontaler Ausrich-
tung!) immer nur in Richtung einer Reduktion der Absorption auswirkt. Für die vertikale Elekt-
rodenkabelausrichtung ist daher die näherungsweise Annahme eines symmetrischen Unsi-
cherheitsbeitrags-Intervalls zwar (extrem) konservativ, aber eine nicht mehr realistisch.
Aus diesem Grund werden die in Tabelle 2.7 in Klammern angegebenen Gesamtunsicher-
heitswerte bei Berücksichtigung einer vertikalen Elektrodenkabelausrichtung mit modifizierter
Gleichung (4.1) wie folgt berechnet:
8
1 ¦u
i 1
2
i u EEG
2
wobei die Unsicherheitsbeiträge ui (mit id8) alle Unsicherheitsbeiträge außer den durch die
EEG-Elektrodenleitungen verursachten bezeichnen.
Für das Zielareal des cerebralen Cortex ergibt sich eine Gesamtunsicherheit von ca. 3.1 dB,
entsprechend einem linearen Faktor von ca. 2.1. Mit einem Unterschied zwischen hoher und
niedriger Expositionsstufe von 13 dB, entsprechend eines linearen Faktors 20 (vgl. Tabelle
2.6) ist damit die klare Unterscheidbarkeit der beiden Expositionsstufen garantiert.
Seite 50 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
Seite 51 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
2.2.6 EEG-Entstörung
Aufgrund der relativ hohen Feldstärken im Nahbereich der Antennen, ist aus technischer
Sicht zu erwarten, dass die HF-Felder massiv in die Elektroden bzw. die Elektrodenleitungen
einkoppeln und zu Störungen in den EEG-Ableitungen führen. In weiterer Folge kann dies,
aufgrund von Demodulationseffekten an nichtlinearen Komponenten, bei zeitlich nicht kon-
stanter Einhüllender des HF-Signals dazu führen, dass die niederfrequenten Spektralkompo-
nenten der Signaleinhüllenden ins Basisband transformiert werden. Liegen, wie im hier vor-
liegenden Fall, Spektralkomponenten der HF-Signaleinhüllenden im interessierenden EEG-
Frequenzbereich bedeutet dies, dass die EEG Signale durch die direkte Einkopplung des
HF-Signals in das EEG-System verfälscht werden, bzw. die Störsignale im EEG sogar deut-
lich sichtbar werden. Dies muss selbstverständlich verhindert werden. Einerseits um eine
zuverlässige Auswertung der EEG-Signale zu gewährleisten, andererseits und die Dop-
pelblindung des Experiments zu wahren. Aus dem letztgenannten Grund ist es daher nicht
nur erforderlich die Einstreuungen in den unmittelbar interessanten EEG-Frequenzbereich
(üblicherweise ca. 0-50 Hz) unter ein für die Auswertung „tolerables“ Maß zu drücken, son-
dern tatsächlich sicherzustellen, dass der gesamte vom EEG-System aufgezeichnete Fre-
quenzbereich frei von Einstreuungen durch das Expositionssignal ist. Andernfalls wäre es
anhand der (im aufgezeichneten Spektrum sichtbaren) Einstreuungen möglich die Versuchs-
bedingung festzustellen.
2
Verstärker bestehen aus Halbleiterbauteilen, welche Prinzip bedingt nichtlineare und damit demodulierende
Eigenschaften besitzen.
Seite 52 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
Abbildung 2.39: Aufgezeichnetes EEG-Spektrum während Exposition mit GSM900 Signalen auf
höchster Expositionsstufe, (a) ohne Entstörmaßnahmen, (b) mit doppelt geschirmter Filter und Kop-
pelschaltung aus Abbildung 2.38
Seite 53 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
2.2.7 Steuersoftware
Die Expositionssoftware wurde unter LabView¥ 6.0 entwickelt und dient einerseits zur dop-
pelblinden Steuerung der Exposition sowie zur Aufzeichnung aller für die Exposition relevan-
ten Daten.
Das Konzept der Expositionssoftware ist einfach und selbsterklärend gestaltet, um die Ge-
fahr von Datenverlust durch Fehlbedienung zu minimieren. Für das Studiendesign aus Sicht
der Exposition relevante Daten, wie Anzahl der Probanden (20 Probanden), Expositions-
schema (d.h. 5 Sitzungen mit den unterschiedlichen Expositionsbedingungen rechts-hoch,
links-hoch, rechts-niedrig, links-niedrig, Scheinexposition), u.s.w. sind bereits fix in der Soft-
ware implementiert um einen doppelblinden Ablauf der Studie zu ermöglichen. Zur Realisie-
rung der doppelblinden Ablaufsteuerung wurde das folgende Konzept gewählt: Die Software
verwaltet einerseits eine Bedingungsfolge-Tabelle und andererseits eine Datenbank aller
angelegter Probanden. Sobald ein Proband zu seiner ersten Sitzung kommt, wird ihm vom
Testleiter eine eindeutige Probandenkennung zugewiesen und der Proband wird mit dieser
Kennung im Eingabefenster der Software eingegeben. Danach wird für den Probanden von
der Software automatisch ein ihm eindeutig zugewiesenes permanentes Datenfile (Proban-
dendatenfile) angelegt. Weiters wird im Zuge dessen von der Software eine der 20 Bedin-
gungsfolgen zufällig (und nicht sichtbar) ausgewählt und dem Probanden zugewiesen. Die
Probandenkennung, sowie die ihm zugewiesene Bedingungsfolge werden im Header des
jeweiligen Probandendatenfiles abgelegt und verschlüsselt gespeichert. Die auf diese Weise
vergebene Bedingungsfolge wird von der Software sofort aus der Bedingungsfolge-Tabelle
gestrichen und kann daher nicht mehr an andere Probanden vergeben werden. Bei allen
weiteren Sitzungen des Probanden wird durch die Identifikation des Probanden (Eingabe der
Probandenkennung) nur mehr das zugehörige Probandenfile aufgerufen und die jeweils ak-
tuelle Bedingung aus dem File-Header ausgelesen. Das eigentliche Starten der jeweiligen
Versuchsbedingung erfolgt manuell durch den Testleiter über die Bedienoberfläche der
Software, wobei er in Sinne der Doppelblindung keine Möglichkeit hat, die gerade aktuelle
Befeldungsbedingung zu identifizieren.
Die während der Sitzung den Antennen zugeführte HF-Leistung wird nach Aktivierung der
jeweiligen Befeldungsbedingung automatisch in 10 Sekunden-Intervallen gemessen (Vor-
wärts- und Rückwärtsleistungsmessung) und sofort in verschlüsselter Form im Probanden-
datenfile abgespeichert, so dass am Ende alle für die Exposition relevanten Daten im jeweili-
gen Probandendatenfile gespeichert sind. Die automatische Messung der Hintergrundfelder
über eine in der Expositionskabine installierte Breitbandfeldsonde erfolgt ebenfalls Software
gesteuert (ebenfalls in 10 Sekunden-Intervallen mit Zeitstempel). Die Aufzeichnung dieser
Daten erfolgt nicht Probanden orientiert, sondern beginnt unmittelbar nach dem Starten der
Expositionssoftware (d.h. auch wenn noch kein Proband aufgerufen ist). Die (verschlüsselte)
Speicherung erfolgt demnach in einem eigenen Hintergrund-Messdaten-File.
Bei der Bedienung der Software beschränkt sich die Aufgabe des Testleiters/ der Testleiterin
daher auf die folgenden Punkte:
x Anlegen eines neuen Probanden (vor der 1. Sitzung) oder Aufrufen eines bereits ange-
legten Probanden (vor der 2. bis 5. Sitzung)
x Starten der Exposition
x Stoppen der Exposition
x Anlegen von Sicherungskopien der Expositionsdaten
Seite 54 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
Abbildung 2.41: Programmfenster zum Anlegen bzw. Aufrufen von Probanden. Anlegen eines neuen
Probanden
Seite 55 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
2.2.7.2.1 AnlegeneinesneuenProbanden
Ein Click auf ’neuer Proband’ öffnet ein weiteres Fenster in dem eine eindeutige Proban-
denkennung (Probanden ID) eingegeben werden muss (im grauen Feld unter der Aufforde-
rung, Abbildung 2.42, links). Die Probanden ID darf aus allen üblichen alphanumerischen
Zeichen bestehen, ausgenommen einige Satz- und Sonderzeichen. Weiters darf das erste
Zeichen der Probanden ID kein Leerzeichen sein. Wird diese Regel verletzt erscheint nach
Bestätigung durch Click auf OK eine entsprechende Meldung und es muss eine andere, gül-
tige Probanden ID eingegeben werden (Abbildung 2.42, rechts). Ebenso erscheint ein ent-
sprechender Hinweis, wenn die eingegebene Probanden ID schon verwendet wird. Nach
eintippen der Probanden ID (und eventuell einer optionalen Bemerkung) muss zur Bestäti-
gung immer auf OK geklickt werden.
Abbildung 2.42: Eingabe einer Probandenkennung bei Anlegen eines neuen Probanden
Wurde eine gültige Probanden ID eingegeben und mit OK bestätigt wird die eingegebene
Probanden ID im Feld ’aktueller Proband’ eingeblendet und es erscheint ein kleines Fens-
ter mit einem Hinweis welche Sitzung des aktuellen Probanden ansteht (im Falle eines neu
angelegten Probanden, muss dies natürlich die 1. Sitzung sein, Abbildung 2.43). Dieses
Hinweisfenster dient lediglich zur Kontrolle und muss durch Click auf OK bestätigt werden.
2.2.7.2.2 AufrufeneinesbereitsvorhandenenProbanden
Sobald ein Proband seine erste Sitzung (von insgesamt 5 Sitzungen) absolviert hat, verwal-
tet die Expositionssoftware seine expositionsrelevanten Daten in einem ihm eindeutig zuge-
ordneten Datenfile mit dem Filenamen der Form [Probanden ID].ath. D.h., kommt ein Pro-
band zur 2., 3., 4., oder 5. Sitzung, kann er nicht mehr neu angelegt werden, sondern muss
(nach Click auf ’Probandenauswahl’, Abbildung 2.44, links) durch Click auf ’schon vor-
handen’ (Abbildung 2.44, rechts) im daraufhin erscheinenden File-Auswahlfenster aufgeru-
fen werden (Doppelklick auf Filenamen, oder markieren und ’öffnen’ clicken, Abbildung 2.45)
Seite 56 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
Wurde ein Probandenfile ausgewählt, wird die ausgewählte Probanden ID im Feld ’aktueller
Proband’ eingeblendet und es erscheint ein kleines Fenster mit einem Hinweis wie viele
Sitzungen der aktuelle Proband bereits absolviert hat, und welche Sitzung nun ansteht (Ab-
bildung 2.46). Dieses Hinweisfenster dient lediglich zur Kontrolle und muss durch Click auf
OK bestätigt werden (weiter mit Kapitel 2.2.7.3).
Seite 57 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
Nachdem die Daten geladen sind erlischt das Hinweisfenster und die Software ist nun bereit
für den Start der Exposition. Der Button ’START Exposure’ ist ab diesem Zeitpunkt aktivier-
bar (Abbildung 2.48).
Durch Click auf ’START Exposure’ wird, nach einem ca. 10 Sekunden dauernden Count-
down (Abbildung 2.49) die Exposition (eine der 5 Testbedingungen) aktiviert.
Seite 58 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
Das Aktivsein der Exposition wird durch eine entsprechende Anzeige (rechts zwischen dem
’START Exposure’ und dem ’STOP Exposure’ Button) angezeigt. Gleichzeitig wird unmittel-
bar nach dem Starten der Exposition der ’STOP Exposure’ Button freigegeben um die Ex-
position jederzeit stoppen zu können (Abbildung 2.50).
Um die Exposition zu beenden muss auf ’STOP Exposure’ geklickt werden. Die Exposition
des Probanden wird daraufhin unverzüglich gestoppt und es erscheint ein Hinweisfenster, in
welchem noch einmal nachgefragt wird, ob die Sitzung des Probanden tatsächlich endgültig
beendet, oder ob die Exposition fortgesetzt werden soll (Abbildung 2.51).
Dies ermöglicht kurzfristige Unterbrechungen der Exposition (z.B. im Fall von Problemen des
Probanden während der Testung, u.s.w.).
Seite 59 / 174
2. Athem-Endbericht - Expositionsanlagen
1. Kuster N, Schuderer J, Christ A, Futter P, Ebert S. 2004. Guidance for exposure de-
sign of human studies addressing health risk evaluations of mobile phones. Biolelec-
tromagnetics 25: 524-529.
2. Ndoumbe Mbonjo Mbonjo H, Streckert J, Bitz A, Hansen V, Glasmachers A, Gencol
S, Rozic D. 2004. A generic UMTS test signal for RF bio-electromagnetic studies.
Bioelectromagnetics 25:415-425.
3. Gabriel C, Lau RW, Gabriel S. 1996. The dielectric properties of biological tissues:III.
Parametric models for the dielectric spectrum of tissues. Physics in Medicine and Bi-
ology 41:2271-2293.
4. Schmid G, Cecil S, Goger C, Trimmel M, Kuster N, Molla-Djafari H 2007. New head
exposure system for use in human provocation studies with EEG recording during
GSM900- and UMTS-like exposure. Bioelectromagnetics Vol.28, pp. 636-647.
Seite 60 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
Reportredaktion:
Ao.Univ. Prof. Dr. Michael Kundi (Teilprojektleiter, Med. Univ. Wien)
Dipl. Ing. Dr. Hamid Molla-Djafari (Gesamtprojektleiter, AUVA)
Ao.Univ. Prof. Dr. Wilhelm Mosgöller (Gesamtprojektkoordinator, Med. Univ. Wien)
Seite 61 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
3.1.1 Hintergrund:
Mobiltelefone verursachen beim Telefonieren eine Mikrowellenexposition von Arealen des
Schädels. Daher untersuchten wir - bei jeweils 20 Probanden - Einflüsse zweier Typen der
Mobiltelefon-Exposition (GSM-900 und UMTS) auf bewusste oder unbewusste Hirnfunktio-
nen, wie z.B. physiologische Regulationen, subjektive Befindlichkeit, etc. Der nun vorliegen-
de Teilreport stellt die eigenen Ergebnisse im Kontext zur internationalen Forschung dar.
3.1.2 Vorgangsweise:
Um objektive Befunde zu erhalten, erfolgten die eigenen Untersuchungen streng doppel-
blind, d.h. weder der Versuchsleiter noch der untersuchte Proband wusste, ob real oder nur
zum Schein exponiert wurde. Um während - aber auch nach - der Exposition mit Mobilfunk-
Mikrowellen physiologische Veränderungen zu erfassen, wurden standardisierte Aufgaben
für das Gehirn angeboten und die Hirnströme und Herzströme abgeleitet.
3.1.3 Ergebnisse:
Keiner von unseren Probanden konnte durch subjektive Wahrnehmungen abschätzen, ob er
real oder als Kontrolle nur zum Schein exponiert wurde. Die Exposition hatte keinen Einfluss
auf die subjektive Befindlichkeit.
Während und nach der realen Exposition wurden bestimmte Hirnströme (das sogenannte
EEG alpha Band, 8-13 Hz) verändert vorgefunden. Die Veränderungen waren teilweise sta-
tistisch signifikant. Einige aus den Hirnströmen ableitbare Antworten des Zentralnervensys-
tems auf akustische und optische Reize (sogenannte evozierte Potenziale) waren noch ca.
30 Minuten nach der Exposition signifikant verändert. Bei den untersuchten physiologischen
Aktivierungsindikatoren (z.B. Herzstromkurve, elektrische Hautreaktion) traten keine bedeut-
samen expositionsbedingte Effekte auf.
Bei den Leistungsindikatoren (z.B. Reaktionstests) traten nur bei einigen Tests Unterschiede
auf, und zwar ausschließlich Verkürzungen der Reaktionszeiten. Diese waren allerdings ge-
paart mit einer erhöhten Rate von falschen Entscheidungen.
3.1.4 Bedeutung:
Die Projektergebnisse bestätigen die Existenz von bereits publizierten expositionsbedingten
Effekten (z.B. Veränderungen des EEG Spektrums). Auch wenn diese für sich genommen
kein Erkrankungsrisiko bedeuten, so sind sie eine weitere Bestätigung für die Existenz soge-
nannter athermischer Effekte.
Seite 62 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
3.2 Einleitung
Seit 1993/1994 der digitale Mobilfunk eingeführt wurde, stieg die Zahl Mobiltelefonbenutzer
deutlich an. Der betriebliche Einsatz sowohl im Bereich der Verwaltung als auch im Außen-
dienst, an Baustellen, im Lagerbereich etc. gehörte zu den frühesten und intensivsten Nut-
zungsbereichen der Mobiltelefonie. Trotz dieser breiten Akzeptanz der neuen Technologie
wuchsen auch die Befürchtungen, die bei der Verwendung eines Handys auftretende Exposi-
tion gegenüber elektromagnetischen Felder (EMF) könnte nachteilige gesundheitliche Aus-
wirkungen haben.
Handys verursachen beim Telefonieren eine Mikrowellenexposition von Arealen des Schä-
dels, die relativ hoch ist und bisher von keinem Massenprodukt in der Intensität erreicht wur-
de. Darüber hinaus wurde bei der digitalen GSM Technologie ein Zeitschlitzverfahren der
Übertragung eingesetzt, das dazu führt, dass das Hochfrequenzfeld in 217 Pulsen pro Se-
kunde mit einer Pulsdauer von 577 μs (Mikrosekunden, Millionstel Sekunden) abgestrahlt
wird. Es wurde argumentiert, dass eventuell diese niederfrequente Pulsmodulation beson-
ders effektiv in der Auslösung von biologischen Reaktionen sein könnte. Die schrittweise in
den letzten Jahren eingeführte UMTS Technologie operiert derzeit zwar nicht mit einer ver-
gleichbaren Pulsmodulation hat aber ebenfalls aufgrund der Leistungsregelung unvermeid-
lich niederfrequente Komponenten, obwohl das Hochfrequenzsignal selbst eher den Charak-
ter von zufälligen Schwankungen hat (‚rauschartige’ Signalform).
Da beim Telefonieren mit einem Handy fast ausschließlich der Kopfbereich exponiert wird,
hat man sich hinsichtlich der Auswirkungen auch auf diesen Bereich konzentriert. Es wurden
einerseits epidemiologische Untersuchungen begonnen, die der Frage nachgehen, ob die
Nutzung eines Handys mit einem erhöhten Risiko einhergeht, Tumore im Kopfbereich zu
entwickeln und andererseits wurden Untersuchungen zu Auswirkungen auf das Zentralner-
vensystem (ZNS) durchgeführt. In letzteren wurden sowohl die Wirkungen auf die elektro-
physiologisch erfassbare Hirnaktivität (z.B. mittels Ableitung des Elektroenzephalogramms –
EEG) als auch die Leistungsfähigkeit der Wahrnehmung und des Denkens (kognitive Funkti-
onen) thematisiert. Weiters wurde die Frage von Auswirkungen auf die Befindlichkeit unter-
sucht.
Im folgenden Abschnitt geben wir einen kurzen Überblick über die bisher vorliegenden Un-
tersuchungen zu Auswirkungen auf das ZNS. Danach schließen wir eine kritische Betrach-
tung von Problemen der bisherigen Studien an, um die von uns gewählte experimentelle
Vorgangsweise in den Kontext zu stellen.
Seite 63 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
Neben dem einfachen Cross-Over (Auskreuzung der Versuchsbedingungen: hier z.B. eine
Gruppe zuerst Scheinexposition danach Exposition, die andere Gruppe zuerst Exposition
und danach Scheinexposition) wurde auch in einigen Versuchen ein multiples Cross-Over
eingesetzt, z.B. wenn mehrere Expositionsbedingungen getestet wurden. Dabei werden die
verschiedenen Reihenfolgen (z.B. S-E1-E2, E1-S-E2, usw.) in unterschiedlichen Gruppen
getestet. In Tabelle 3.1 sind die Untersuchungen mit Schwerpunkt auf Effekten von kogniti-
ven Leistungen, Wahrnehmung und Reaktionsgeschwindigkeit aufgeführt, wobei zusätzlich
bei einigen dieser Untersuchungen elektrophysiologische Messungen durchgeführt wurden.
In Tabelle 3.2 sind die Studien mit Schwerpunkt „EEG“ dargestellt.
Seite 64 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
Tabelle 3.1: Zusammenfassung von Untersuchungen zur Auswirkung der Handyexposition auf
kognitive Funktionen AEP…Akustisch evozierte Potentiale, AM…Amplituden-modulation,
CW…kontinuierliche Wellen (nicht moduliert), BL…Baseline (Vortest), d…Tage,
EDA…Elektrodermale Aktivität (elektrisches Hautpotential), ERD/ERS… Ereignisassoziierte De-
synchronisation/Synchronisation, ERMF…Ereignis-assoziierte Reaktion des Magnetoenzephalo-
gramms, Exp…Exponiert, GSM-900…GSM 900 MHz, h…Stunden, HR…Herzrate,
m/w…männlich/weiblich, n-back…Reaktionstest, wobei ein Objekt mit einem anderen an der n.
Position davor verglichen werden muss, nCRT…Wahlreaktionsaufgabe (Choice Reaction Task,
n=Anzahl Wahlobjekte), RT…Reaktionszeit, Sham…Scheinexposition, SRT…Einfach-
reaktionsaufgabe (Simple Reaction Task), VT…Vigilanztest (Daueraufmerksamkeit)
Hauptergeb-
Studie Dsign Probanden Exposition Test(s)
nis(se)
48 Erwachsene
Cross-Over GSM 902 MHz signif. kürzere RT
Rechtshänder
Koivisto et al. 2000 keine Pause 0,65 W/kg 30 min. n-back Aufgabe bei Targets und 3-
(24m/24w), 18-34
Doppelblind linke Kopfseite back
Jahre
37 Handynutzer GSM Handynutzer signifi-
Unabhängige Gruppen
Lee et al. 2000 35 Kontrollen Gesamtnutzungs- Aufmerksamkeitstests kant aufmerksamer
Einfachblind
Jugendliche~16 Jahre dauer>175h in 2 der 4 Tests
5 von 8 Tests
Gedächtnisspanne
Handelsübliches GSM- signifikant besser
vorwärts/rückwärts
Edelstyn & Parallelgruppen 38 Studenten, Rechts- 900 Handy unter Exposition,
(Ziffern, räuml. Anord-
Oldershaw 2002 Einfachblind händer 30 min, linke Kopfseite Verbesserung der
nung), serielle Subtrak-
(1,19 W/kg) Gedächtniskapazität
tion, Wortflüssigkeit
und Schnelligkeit
signif. höhere
Varianz in exponier-
Unabhängige Gruppen 450 MHz, 7 Hz AM
100 Erwachsene 3 Gedächtnis- und ter Gruppe bei 2
Lass et al. 2002 (eine scheinexponiert / 1,58 W/m²
(63m/37w) Aufmerksamkeitstests Tests, signif. weni-
eine wirklich Exponiert) 10-20 min
ger Fehler bei 1
Test
SRT, 2CRT, 10CRT, signif. Wechselwir-
Cross-Over 64 Erwachsene GSM 902 MHz
Vigilanztest, Subtrakti- kung zwischen
Haarala et al. 2003 1 Tag Pause (32m/32w), 20-42 0,99 W/kg, 65 min,
onstest, Verifikations- Exposition und
Doppelblind Jahre linke Kopfseite
test, Stroop-Test Reihenfolge
20 Erwachsene GSM 902,4 MHz linke
Cross-Over mit Baseline SRT, visuelle Suchauf-
Rechtshänder Kopfseite (Helm) signif. kürzere RT
Curcio et al. 2003 Doppelblind gabe, CRT, serielle
(10m/10w), 22-31 0,5 W/kg, 45 min. vor/ bei SRT und CRT
>2 Tage Pause Subtraktion
Jahre 45 min. während Test
GSM 1,87 GHz
kein Effekt auf
Cross-Over 0,61 W/kg, 30 min.
Hinrichs & 12 Erwachsene Wiedererkennen Leistung, 350-400
Pause min. 24 h linke Kopfseite wäh-
Heinze 2004 (2m/10w), 18-30 Jahre ERMF ms Komponente
Doppelblind rend Lernen (letzte 10
des ERMF signif.
min)
GSM-900 Handy
24 Erwachsene signif. mehr Fehler
Cross-Over 30 min, linke Kopfsei- ERD, ERS während
Rechtshänder bei Exp. (3-fach)
Krause et al. 2004 keine Pause te, modifiziertem Stern-
(12m/12w), 24,3±8,1 signif. ERD/ERS im
Doppelblind (0,65 W/kg) während berg Gedächtnistest
Jahre 4-6 Hz Band
Tests
GSM 902 MHz signif. Wechselwir-
Cross-Over 64 Erwachsene
0,99 W/kg, 65 min. kung zwischen
Haarala et al. 2004 1 Tag Pause (32m/32w), 20-42 n-back Aufgabe
während Test, linke Exposition und
Doppelblind Jahre
Kopfseite Reihenfolge
GSM-900, linke Kopf- signifikant geringere
Cross-Over mit Baseline 11 Erwachsene Auditive Ordnungs-
Maier et al. 2004 seite (4 cm) zwischen Verbesserung bei
Doppelblind 23-48 Jahre schwelle
BL und Test (50 min) Exposition
900 MHz CW Antenne
19 Erwachsene Gedächtnisspanne Signif. höhere
Papageorgiou Cross-Over mit 20 cm vom rechten
(9m/10w), 23±2 Jahre, vorwärts/rückwärts Amplitude an 2
et al. 2005 2 Wochen Pause Ohr 3 V/m während
Rechtshänder AEP Ableitungen
Tests
kein Effekt der
Flimmerverschmel-
Exposition
Multiples Cross-Over zungsfrequenz, Linien
58 Erwachsene UMTS 1,97 GHz aber auch mit einer
Randomisiert verfolgen, ta-
Schmid et al. 2005 (29m/29w), 20-40 0,37/0,037 W/kg linke Ausnahme kein
Doppelblind chistoskop. Ver-
Jahre Kopfseite Effekt der Positiv-
Alle Bed. selber Tag kehrsauffassungstest,
kontrolle
Kontrastempfindlichk.
Seite 65 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
Hauptergeb-
Studie Dsign Probanden Exposition Test(s)
nis(se)
GSM-900, 0,54 W/kg,
sign.Effekte auf RT
55 Erwachsene 2h (18-20:00), 5d/w, 6
22 neuropsych. Tests Veränderung (von
Besset et al. 2005 Parallel. Gruppen (27m/28w), 18-40 Wochen (3 d BL/ 28 d
den Autoren nicht
Jahre Exp v.Sham/ 14 d
bemerkt!)
Nachbeobachtung)
GSM-900 Handy linke
Cross-Over
18 Kinder (9m/9w) Kopfseite, 30-35 min,
Preece et al. 2005 1 Tag Pause 16 kognitive Tests sign. Effekt bei SRT
10-12 Jahre 0,44/0,044 W/kg,
Doppelblind
während Tests
GSM 902 MHz, signif. Wechselwir-
Cross-Over
32 Kinder (16m/16w) linke Kopfseite SRT, 2CRT,10CRT, kung zwischen
Haarala et al. 2005 1 Tag Pause
10-14 Jahre 50 min, 0,99 W/kg Vigilanztest, n-back Exposition und
Doppelblind
während Tests Reihenfolge
GSM-900 Handy signif. Effekt auf
Cross-Over mit Kurz- 15 Kinder (6m/9w) 10- ERD, ERS während
30 min, linke Kopfseite ERD/ERS im 4-8 Hz
Krause et al. 2006 pause 14 Jahre, Rechtshän- modifiziertem Stern-
1,4 W/kg während Band und ~15 Hz
Doppelblind der berg Gedächtnistest
Tests Band
Audio-visueller Lern- Signif. Effekte bei 4
test, Gedächtnisspan- von 8 Tests
Cross-Over mit Baseline 120 Erwachsene GSM-900 Handy
ne, Ziffer-Symbol Verbesserung bei
Keetley et al. 2006 1 Woche Pause (58m/62w) 18-70 30 min, linke Kopfsei-
Ersetzung, Ziffern einem,
Doppelblind Jahre te, vor Tests
verbinden, RT, CRT, Verschlechterung
Inspektionszeit bei anderen Tests
888 MHz
Cross-Over 168 Erwachsene CW oder GSM
SRT, 10CRT, VT, kein sign.Effekt der
Russo et al. 2006 1 Woche Pause (69m/99w), 17-41 linke oder rechte
Subtraktionstest Exp.
Doppelblind Jahre Kopfseite, 35-40 min,
während Tests
tendenzielle Zu-
336 Erwachsene GSM-900 Basisstatio- Gedächtnistests (2), nahme der Ge-
Hutter et al. 2006 Querschnittsstudie (141m/195w), 18-91 nen (10) in Wien und Wahrnehmungs- schwindigkeit d.
Jahre Kärnten geschwdk. 3CRT Wahrnehmung mit
höherer Exposition
GSM-900 Handy-
40 Erwachsene
Signal Sternberg Gedächtnis- kein Effekt d. Exp.
Cross-Over mit Baseline (32m/8w), 29-65
8,5 cm von rechter test Flimmer- kein Unterschied
Wilen et al. 2006 min. 1 Tag Pause Jahre, 20 mit Sym-
Kopfseite verschm.fr. zwischen Fällen und
(Doppel)blind ptomen/ 20 Kontroll-
0,8 W/kg, 30 min, EDA, HR, Fingerpleth. Kontrollen
personen
zwischen BL und Test
2CRT sign. bei
UMTS Basisstations-
Sensitiven 1-back
33 ‚Sensitive’ signal –
Genauigkeit sign.
Cross-Over (14m/19w) (Organisat.kanal) SRT, 2CRT, n-back,
bei Nicht-Sensitiven.
Regel et al. 2006 1 Woche Pause 84 ‚Nicht-Sensitive' von links hinten (~2m, visuelle Aufmerksam-
Nicht mehr sign.
Doppelblind (41m/43w) 25°) 45 min keit
nach Adjustierung
20-60 Jahre SAR Kopf: 45/4500
für multiple End-
μW/kg, während Test
punkte
Raumlokationstest,
Multiples Cross-Over GSM 890,2 MHz in 3 der 4 Tests
36 männl. Erwachsene Buchstaben-
Lateinisches Quadrat 2 h linke/rechte Kopf- reduzierte RT bei
Eliyahu et al. 2006 Rechtshänder, 19-27 lokationstest, Laterali-
Einfachblind seite während Tests Exp. von links und
Jahre tätstest, Lateral-
Testabstand k.A. (2 Durchgänge) linke Hand
Kompatibilitätstest
Seite 66 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
Seite 67 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
exponiert wird (um nicht allenfalls unwissentlich die Untersuchungsperson in einer Richtung
zu beeinflussen), nennt man ‚doppelblind’.
Die meisten bisher durchgeführten Untersuchungen sind zumindest einfachblind, die in der
letzten Zeit veröffentlichten sogar doppelblind durchgeführt worden, genügen somit grundle-
genden Ansprüchen an die gute wissenschaftliche Praxis bei Versuchen mit Menschen.
Was die technischen Vorrichtungen zur Exposition anlangt, so war in fast allen Untersuchun-
gen eine nicht unproblematische Vorgangsweise gewählt worden. Viele Untersuchungen
verwendeten ein handelsübliches oder entsprechend umprogrammiertes Handy, das mittels
verschiedener Vorrichtungen am Kopf fixiert war. Um der Person keinen Hinweis zu geben,
auf welcher Kopfseite sie exponiert wird, war dabei oft auf jeder Kopfseite ein Handy ange-
bracht, was allein des Gewichtes wegen eine erhebliche Unbequemlichkeit darstellt. Da man
derartige Vorrichtungen nicht exakt standardisiert anbringen kann, muss man auch davon
ausgehen, dass die exponierten Hirnareale zwischen den Personen und bei ein und dersel-
ben Person zu verschiedenen Versuchssitzungen unter Umständen erheblich variierten. Zur
Vermeidung der Belastung der Probanden hat man deshalb in einigen Untersuchungen eine
Anbringung des Handys bzw. der Antenne auf einem Stativ o.ä. gewählt. Das birgt aber das
Problem, dass man entweder den Kopf der Person in einer Position fixieren muss, was eben-
falls äußerst unangenehm für die Untersuchungspersonen ist, oder man nimmt eine erheb-
lich Variation der Verteilung der exponierten Regionen in Kauf. Wieder andere Untersuchun-
gen haben größere Abstände gewählt (30-40 cm vom Kopf), was zwar bei kleineren Kopfbe-
wegungen die Verteilung der Exposition der Hirnareale kaum beeinflusst, dafür aber nicht
der realen Situation beim Telefonieren entspricht.
Ein weiterer methodischer Mangel der bisherigen Untersuchungen liegt darin, dass sie über-
wiegend sehr leichte Aufgaben, die zu über 90% korrekt absolviert werden können, verwen-
Seite 68 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
det haben. Wir wissen daher so gut wie nichts über Auswirkungen der Nutzung eines Han-
dys auf komplexe Denkleistungen.
Die untersuchte Exposition soll dem GSM 900 Standard entsprechen, aber während einer
Versuchsbedingung keine Leistungsregelung vornehmen und DTX (dual transmission, Mo-
dus bei dem das Handysignal davon abhängt, welcher der Partner spricht) nicht einsetzen. In
einem weiteren Versuch soll eine Exposition eingesetzt werden, die dem UMTS Standard
entspricht und eine Situation simuliert, bei der niederfrequente Komponenten in erheblichem
Ausmaß auftreten (näheres im Bericht von Seibersdorf)
Die Untersuchung soll als multiples Cross-Over Design (Scheinexposition und die verschie-
denen Expositionen abwechselnd) ausgeführt werden, mit einer randomisierten (d.h. zufällig
vom Computer vorgegebenen) Reihenfolge pro Untersuchungsperson. Das bedeutet, dass
jede Person alle Versuchbedingungen durchläuft, dies aber in unterschiedlicher Reihenfolge.
Jede Person ist also ihre eigene Kontrolle.
Die Untersuchung soll doppelblind erfolgen, wobei die Entblindung (Auflösung welche Ver-
suchssituation tatsächlich bei welcher Person, an welchem Tag vorgegeben war) erst nach
Beendigung der Basisauswertung erfolgen soll.
Die Untersuchung der kognitiven und elektrophysiologischen Reaktionen soll sowohl wäh-
rend als auch nach der Exposition erfolgen, wobei pro Versuchssitzung zwei äquivalente
Versuchsdurchgänge vorgesehen werden sollen, einer mit und einer ohne Exposition.
Die Exposition soll unter möglichst weitgehender Ausschaltung von externen Störfeldern er-
folgen. Der Untersuchungsraum muss weitgehend frei von inneren Reflexionen sein, um zu
garantieren, dass bei Exposition einer Hirnhälfte die andere nicht durch Reflexion von der
gegenüberliegenden Wand ebenfalls exponiert wird.
Da zur Ableitung des EEG und anderer physiologischer Signale Elektroden verwendet wer-
den, die über Elektrodenkabel an Verstärker angeschlossen sind, muss verhindert werden,
dass das Expositionssignal entlang dieser Kabel in das Verstärkersystem eingespeist wird,
um das EEG nicht durch das Mobilfunksignal zu verfälschen.
Seite 69 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
Die technische Realisierung wurde vom ARC Seibersdorf vorgenommen (siehe Kapitel 2),
während die Versuchsplanung und –durchführung am Institut für Umwelthygiene erfolgte.
3.4 Versuchsplan
Beide Signalformen GSM und UMTS wurden im Wesentlichen nach dem gleichen Schema,
aber als zwei unabhängige Untersuchungen mit unterschiedlichen Untersuchungspersonen
und Versuchsleitern durchgeführt.
Probe-
durchgang
randomisierte doppel-blinde
Vorgabe
Abb. 3.2: Schematische Darstellung des Untersuchungsdesigns
Die Untersuchungen wurden als Doppelblind-Studien mit einem multiplen Cross-Over Design
durchgeführt. D.h. jede Versuchsperson durchlief alle Versuchsbedingungen, wobei die Ab-
folge der Versuchsbedingungen über die Probanden ausbalanciert wurde (d.h. dass jede
Versuchsbedingung gleich häufig an 1., 2., usw. Stelle vorkam). Die Auswahl der Versuchs-
bedingungen erfolgte mittels Computer durch eine vom ARC Seibersdorf zur Verfügung ge-
stellte Software und war den Untersuchungspersonen und Untersuchungsleitern unbekannt.
Die Entblindung erfolgte erst nach Abschluss der Datenanalyse und Übermittlung der Daten
an die AUVA und das ARC Seibersdorf.
Vor Durchführung der ersten Untersuchung wurden die Teilnehmer zur Eingewöhnung mit
der Laborsituation vertraut gemacht sowie ein Probedurchlauf der Computertests vorge-
nommen.
Der Ablauf der Untersuchung war für jeden Testtag gleich und ist in Tabelle 3.3 zusammen-
gefasst. Zuerst wurden in einem dem Untersuchungsraum benachbarten Raum die Elektro-
den für EEG, EKG und das Hautpotential appliziert. Danach erfolgte die Prüfung der Elektro-
denfunktion in der Absorberkammer.
Seite 70 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
An jedem Testtag wurde nach der etwa eine Stunde dauernden Applikation und Prüfung der
Elektroden mit einer Vorphase begonnen, während der zunächst ein Fragebogen beantwor-
tet wurde: 1.Testtag: Fragen zur Person, 2.Testtag: Zuckermann-Kuhlman Persönlichkeits-
fragebogen (ZKPQ-III), 3.Testtag: Mobilfunkfragebogen, 4.Testtag: Frb. zu Elektrosensitivi-
tät, 5.Testtag: Einstellung zum techn. Fortschritt. Danach erfolgte die subjektive Skalierung
der augenblicklichen Stimmung (BASTI) und Leistungsbereitschaft. Genauere Informationen
zu den Fragebögen siehe Kapitel 3.4.1.1.
Nach Abschluss der Skalierung wurde der Laptop vor dem Probanden mit einem Programm
zur Ablaufsteuerung gestartet sowie der Computer zur Expositionssteuerung aktiviert. Alle
Instruktionen und Tests wurden von diesem Zeitpunkt an bis zum Beginn der zweiten Ver-
suchphase vom vor dem Probanden stehenden Laptop vorgegeben. Danach erfolgte neuer-
lich die Skalierung der augenblicklichen Stimmung und Leistungsbereitschaft sowie die Vor-
gabe weiterer Skalierungen (siehe Tabelle 3.4). Nach Abschluss dieser Skalierung wurde mit
der zweiten Versuchsphase durch Reaktivierung des Ablaufsteuerungsprogramms fortge-
setzt, die ebenfalls mit einer Skalierung wie nach der Phase 1 beendet wurde.
Der Ablauf war also an jedem Versuchstag und unter jeder Versuchbedingung gleich. Er ist
durch ein so genanntes V-P1-P2 Schema charakterisiert, wobei V die Vorphase ohne Expo-
sition, P1 die erste Phase mit Exposition (oder Sham), und P2 die zweite Phase wieder ohne
Exposition ablief. Es gab fünf Expositionsbedingungen, diese sind Tabelle 3.3 zu entneh-
men.
Seite 71 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
Einen Überblick über die verschiedenen Untersuchungsmaterialien und Tests geben wir im
folgenden Abschnitt.
Seite 72 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
3.4.1 Untersuchungsmaterial
3.4.1.2 Leistungstests
Die Probanden wurden instruiert die verschiedenen Tests auf einem Notebook mit 14 Zoll
TFT Screen zu bearbeiten und auf Stimuli, die eine Reaktion verlangten, immer mit dem
rechten Zeigefinger so schell und korrekt wie möglich zu reagieren. Das Notebook war mit-
tels Schutzkontaktstecker außerhalb der Expositionskammer ans Netz angeschlossen.
Folgende Tests wurden vorgegeben:
x Einfacher Reaktionstest (SRT – Simple Reaction Task): dabei muss die Person auf ei-
nen visuellen oder akustischen Reiz so schnell wie möglich reagieren
x Wahlreaktionstest (CRT – Choice Reaction Task): dabei muss die Person auf zwei un-
terschiedliche visuelle und zwei unterschiedliche akustische Signale mit verschiedenen
Tasten reagieren
x CNV- Test (vorgewarnte Reaktionstestung): dabei muss die Person nach einer akusti-
schen Vorwarnung so rasch wie möglich auf eine 2 s später visuell erscheinende gera-
de oder ungerade Zahl mit je einer speziellen Taste reagieren
x O2-Test: Dabei handelt es sich um eine komplexere Wahlreaktionsaufgabe, bei der es
darauf ankommt, dass die Person das Zeichen ‚O’, welches irgendwo zwei Striche
trägt, von einem ‚O’ mit weniger oder mehr als zwei Strichen sowie anderen Zeichen
mit beliebiger Zahl von Strichen unterscheidet. Die Zeichen erscheinen nur kurzfristig
(200 ms) auf dem Bildschirm, und die Person muss wieder so schnell wie möglich rea-
gieren.
Seite 73 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
3.4.1.3.1 Elektroenzephalogramm(EEG)
Das Elektroenzephalogramm wurde mittels gesinterten Ag/AgCl Elektroden abgeleitet. Die
EEG Signale wurden mit einem Biosemi Active-Two Verstärker (24 bit) mit einem Bandpass
von DC bis 512 Hz und einer Samplingrate von 1024 Hz digitalisiert. Die Netzfrequenz wurde
mit einem schmalen Bandpassfilter ausgeblendet. Die Aufzeichnung des EEGs erfolgte nicht
durchgängig, sondern nur während der Zeitabschnitte für die Bearbeitung der Computer-
tests, Bearbeitung der Fragebögen, Frequenzanalyse, etc.
Abb. 3.4: Positionen der EEG-Ableitelektroden (M1’ und M2’ stellen die Mastoidelektroden dar)
Die Auswertung wurde auf die Elektrodenpositionen F3, F4, C3, C4, P3, P4 beschränkt.
Das EEG wurde in den 5 Ruheabschnitten mittels FFT (Fast-Fourier-Transformation) fre-
quenzanalysiert. Die durch die akustischen und visuellen Signale bei den Leistungstests
evozierten Hirnpotentiale wurden durch Mittelung der Reizsynchronen EEG Abschnitte
und nachfolgende Ausmessung der Peaks mit dem Computer ausgewertet.
Seite 74 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
3.4.1.3.2 Elektrokardiogramm(EKG)
Die EKG Ableitung erfolgte mittels Medilog (R12, Oxford Instruments Ltd.). Das Gerät dient
zur Aufzeichnung einer 3-Kanal Brustwandableitung des EKGs und der Messung der Zeitab-
stände aufeinander folgender R-Zacken (das sind die bei der gewählten Ableitung prominen-
testen Zacken des EKG). Die Ableitung wird in digitaler Form auf einer CompactFlash Spei-
cherkarte aufgezeichnet. Die Daten können nach Beendigung der Messung ausgelesen und
am PC gespeichert werden. Die Weiterverarbeitung und Kontrolle der Daten erfolgt mithilfe
der Software Medilog SimpleView. Alle Parameter wurden standardmäßig in 5 Minuten Inter-
vallen ausgegeben.
3.4.1.3.3 Hautpotential,elektrodermaleAktivität(EDA)
Widerstandsänderungen der Haut, verursacht durch die Schweißsekretion, werden elektro-
dermale Aktivität (EDA) genannt. Die Aktivität der Schweißdrüsen wird ausschließlich sym-
pathisch angeregt. Da die Verteilung der Schweißdrüsen an der Hand- und Fußinnenfläche
am dichtesten ist, wird die elektrodermale Aktivität meistens von den Handinnenflächen ab-
geleitet. Das Hautpotential ergibt sich aus der elektrischen Potentialdifferenz zwischen einer
Elektrode angebracht an einer Hautstelle mit vielen Schweißdrüsen und einer Referenzelekt-
rode. In dieser Studie wurden eine Elektrode am linken Handballen und eine Referenzelekt-
rode am linken Unterarm zur Ableitung des Hautpotentials angebracht.
3.4.2 Probanden
An der GSM- sowie der UMTS Studie nahmen jeweils 20 Personen, 10 Männer und 10
Frauen, teil. Voraussetzungen für die Teilnahme waren: Alter zwischen 18 und 30 Jahren,
rechtshändig, keine bestehende Schwangerschaft und keine neurologische Erkrankung. Die
Versuchspersonen wurden mittels Bekanntmachung im Universitätsintranet sowie über Stu-
Seite 75 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
denten des Instituts zur Teilnahme gewonnen. Die Teilnahme wurde mit 100 Euro abgegol-
ten.
Das Durchschnittsalter beim GSM Versuch betrug 23,6 Jahre. Drei der 20 Probanden hatten
einen Hochschulabschluss, 16 hatten maturiert und eine Person hatte eine Lehre abge-
schlossen. Alle Teilnehmer besaßen ein Mobiltelefon.
Das Durchschnittsalter beim UMTS Versuch betrug 23,7 Jahre. Einer der 20 Probanden hat-
te einen Hochschulabschluss, 18 hatten maturiert und eine Person hatte eine Lehre abge-
schlossen. Alle Teilnehmer besaßen ein Mobiltelefon.
3.5 Ergebnisse
Das EEG kann als eine Überlagerung zahlreicher Schwingungen angesehen werden. Die
einzelnen Frequenzen lassen sich durch eine Fourier-Transformation des EEG ausfindig
machen. Dabei ist es üblich, die einzelnen Frequenzbereiche zu ‚Bändern’ zusammenzufü-
gen. Folgende Bänder wurden in dieser Untersuchung verwendet (die angegeben Intervalle
sind als unten geschlossen und oben offen aufzufassen, beispielsweise bedeutet 4-7 Hz, 4,0
- 7,9999…Hz):
Seite 76 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
Eine Frequenzanalyse des EEG wurde in 5 Abschnitten mit jeweils 5 (bzw. 4 bei GSM) Minu-
ten Dauer durchgeführt (siehe Tabelle 3.4). Die Veränderung der Power (Leistung des EEG)
in den einzelnen EEG Bändern ist dabei von besonderer Bedeutung.
Signifikante Unterschiede sind nur bei den parietalen (scheitelnahen) Ableitungen aufgetre-
ten. Dabei war bei den UMTS Versuchen die Power im Alpha- und Beta-Band gegenüber
Sham bei allen Bedingungen außer bei ‚high left’ (d.h. der hohen Expositionsintensität von
der linken Seite) erhöht. Diese Erhöhung trat bereits nach 5 Minuten auf und blieb bis zum
Ende des Versuchs gleich, also auch in der zweiten Versuchsphase, in der keine Exposition
mehr erfolgte. Bei GSM waren die Veränderungen geringer und betrafen nur das Alpha-
Band, wobei ein signifikantes Ergebnis nur bei der Bedingung ‚low right’ (d.h. der niedrigen
Expositionsintensität von der rechten Seite) auftrat. Die folgende Abbildungen zeigen die
Leistungs-Spektren der parietalen Ableitungen für die einzelnen Versuchsbedingungen des
UMTS- und GSM-Versuchs für die ersten 5 (4) Minuten nach Expositionsbeginn. Zwischen
linker und rechter Kopfseite gab es keine Unterschiede.
Es wurden weiters die relativen Änderungen während der 10 (bzw. 8) Minuten in den einzel-
nen Frequenzbändern geprüft. Dabei traten in der Veränderung der Gesamtleistung bei
UMTS signifikante Unterschiede zwischen Sham und ‚high right’ auf, wobei sich unter Sham
die Gesamtleistung weniger stark veränderte. Bei GSM war dies bei beiden Bedingungen
‚low right’ und ‚high right’ der Fall.
Abb. 3.7: Leistungs-Spektren für die ersten 4 Minuten nach Expositionsbeginn in den 5
Versuchsbedingungen des GSM Versuchs (* p<0.05)
Seite 77 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
Abb. 3.8: Leistungs-Spektren für die ersten 5 Minuten nach Expositionsbeginn in den 5
Versuchsbedingungen des UMTS Versuchs (* p<0.05, ** p<0.01)
Seite 78 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
Abb. 3.9: Beispiel für akustisch evozierte Potentiale an den einzelnen Ableitpunkten. Oben sind
die frontalen, in der Mitte die zentralen und unten die parietalen Ableitungen dargestellt. Der fei-
ne Strich kennzeichnet den Beginn des akustischen Reizes. Traditionsgemäß werden die nega-
tiven Komponenten nach oben und die positiven nach unten dargestellt. Die prominentesten Po-
tentialkomponenten sind die N100 Spitze (nach oben gehende Spitze ca. 100 ms nach Reizbe-
ginn) und die P200 (nach unten gehende Spitze ca. 200 ms nach Reizbeginn).
Seite 79 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
P3 P4 P3 P4
μV
Zeit
P3 P4 P3 P4
Abb. 3.10: Gesamtmittel der akustisch evozierten Potentiale in den GSM Versuchsbedin-
gungen während der Expositionsphase (P1) an den parietalen Ableitungen (P3, P4). Die
Sham-Bedingung ist zur besseren Vergleichbarkeit als helle Linie in allen vier Grafiken
eingezeichnet. Die expositionsbedingt statistisch signifikant abweichenden Komponenten
sind mit einem Stern markiert.
Die Ableitungen an den frontalen und zentralen Lokalisationen zeigen ähnliche aber schwä-
chere Effekte. Bei allen Expositionsbedingungen waren frühe (vor Auftreten einer bewussten
Wahrnehmung) Potentialkomponenten signifikant verändert. Die Negativierung ca. 40 ms
nach Reizbeginn, war bei allen Expositionsbedingungen auf der linken wie der rechten Seite
im Gegensatz zur Sham-Bedingung nicht oder kaum vorhanden, während die N100 Kompo-
nente bei den Expositionsbedingungen eine stärkere Negativierung zeigte. Bei den von Links
erfolgenden Expositionen war auf der rechten Kopfseite eine höhere P200-Amplitude aufge-
treten.
Die evozierten Potentiale in der zweiten Versuchsphase (also ca. 30 Minuten später) ohne
Exposition zeigten teilweise noch immer die während der Exposition aufgetretenen Verände-
rungen.
Seite 80 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
P3 P4 P3 P4
μV
Zeit
P3 P4 P3 P4
Abb. 3.11: Gesamtmittel der akustisch evozierten Potentiale in den GSM Versuchsbedin-
gungen nach der Expositionsphase (P2) an den parietalen Ableitungen (P3, P4). Die
Sham-Bedingung ist zur besseren Vergleichbarkeit als helle Linie in allen vier Grafiken
eingezeichnet. Die expositionsbedingt statistisch signifikanten abweichenden Komponen-
ten sind mit einem Stern markiert.
Die folgende Tabelle 3.5 gibt eine Übersicht über die Unterschiede zwischen Sham und den
vier Expositionsbedingungen im GSM Versuch. In den Abbildungen und der Tabelle wurden
die späten Komponenten, die von der Motorik der Reaktion stark beeinflusst werden, und bei
denen keine bedeutsamen Unterschiede zwischen den Versuchsbedingungen aufgetreten
waren, der besseren Übersicht wegen weggelassen.
Seite 81 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
Tabelle 3.5: Übersicht über die statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den GSM
Expositionsbedingungen (lL=low left, lR=low right, hL=high left, hR=high right) und Sham
in den jeweiligen Versuchsphasen (P1 mit Exposition, P2 ohne Exposition) an den Ablei-
tungen an der rechten (R) und linken (L) Kopfseite, frontal (F), zentral (C) und parietal (P)
für die einzelnen Potentialkomponenten (N40 usw.). (>…Sham stärker negativ, <…Sham
stärker positiv als jeweilige Expositionsbedingung)
P3 P4 P3 P4
μV
Zeit
P3 P4
P3 P4
Abb. 3.12: Gesamtmittel der akustisch evozierten Potentiale in den UMTS Versuchsbe-
dingungen während der Expositionsphase (P1) an den parietalen Ableitungen (P3, P4).
Die Sham-Bedingung ist zur besseren Vergleichbarkeit als helle Linie in allen vier Grafi-
ken eingezeichnet. Die expositionsbedingt statistisch signifikanten abweichenden Kom-
ponenten sind mit einem Stern markiert.
Seite 82 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
Bei den UMTS Versuchen traten deutlich weniger Unterschiede zwischen Sham und den
Expositionsbedingungen auf.
P3 P4 P3 P4
μV
Zeit
P3 P4 P3 P4
Abb. 3.13: Gesamtmittel der akustisch evozierten Potentiale in den UMTS Versuchsbe-
dingungen nach der Expositionsphase (P2) an den parietalen Ableitungen (P3, P4). Die
Sham-Bedingung ist zur besseren Vergleichbarkeit als helle Linie in allen vier Grafiken
eingezeichnet. Die expositionsbedingt statistisch signifikanten abweichenden Komponen-
ten sind mit einem Stern markiert.
Die folgende Tabelle 3.6 gibt eine Übersicht über die Unterschiede zwischen Sham und den
vier Expositionsbedingungen im UMTS Versuch. Auffällig ist, dass sich bei beiden hohen
Expositionsbedingungen die Veränderungen während der Exposition von den frühen Kom-
ponenten auf Veränderungen der späteren Komponenten in der Phase P2 verschieben. Bei
den niedrigen Expositionen traten Veränderungen erst nach der Exposition in der Phase P2
auf.
Seite 83 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
Tabelle 3.6: Übersicht über die statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den
UMTS Expositionsbedingungen (lL=low left, lR=low right, hL=high left, hR=high right) und
Sham in den jeweiligen Versuchsphasen (P1 mit Exposition, P2 ohne Exposition) an den
Ableitungen an der rechten (R) und linken (L) Kopfseite, frontal (F), zentral (C) und parie-
tal (P) für die einzelnen Potentialkomponenten (P25 usw.). (>…Sham stärker negativ,
<…Sham stärker positiv als jeweilige Expositionsbedingung)
P1 on P2 off
lL lR hL hR lL lR hL hR
F C P F C P F C P F C P F C P F C P F C P F C P
P25 R < < < < < < < < < <
L
N40 R < < >
L < < <
P50 R > > > >
L > > >
P80 R < < < < <
L < < < >
N100 R
L
P200 R
L
P300 R
L >
N700 R <
L <
lowleft
low left lowright
low right
sham
sham sham
sham
P3 P4 P3 P4
μV
Zeit
highleft
high left highright
high right
sham
sham sham
sham
P3 P4 P3 P4
Abb. 3.14: Gesamtmittel der akustisch evozierten Potentiale in den GSM Versuchsbedin-
gungen während der Expositionsphase (P1) an den parietalen Ableitungen (P3, P4). Die
Sham-Bedingung ist zur besseren Vergleichbarkeit als helle Linie in allen vier Grafiken
eingezeichnet. Die expositionsbedingt statistisch signifikanten abweichenden Komponen-
ten sind mit einem Stern markiert.
Seite 84 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
Beim Wahlreaktionstest des GSM-Versuchs sind nur geringe Unterschiede bei den AEP auf
getreten. Deutlicher waren die Unterschiede in der Phase P2 nach der Exposition.
lowleft
low left lowright
low right
sham
sham sham
sham
P3 P4 P3 P4
μV
Zeit
highleft
high left highright
high right
sham
sham sham
sham
P3 P4 P3 P4
Abb. 3.15: Gesamtmittel der akustisch evozierten Potentiale in den GSM Versuchsbedin-
gungen nach der Expositionsphase (P2) an den parietalen Ableitungen (P3, P4). Die
Sham-Bedingung ist zur besseren Vergleichbarkeit als helle Linie in allen vier Grafiken
eingezeichnet. Die expositionsbedingt statistisch signifikanten abweichenden Komponen-
ten sind mit einem Stern markiert.
Es folgt Tabelle 3.7: Übersicht über die statistisch signifikanten Unterschiede zwischen
den GSM Expositionsbedingungen (lL=low left, lR=low right, hL=high left, hR=high right)
und Sham in den jeweiligen Versuchsphasen (P1 mit Exposition, P2 ohne Exposition) an
den Ableitungen an der rechten (R) und linken (L) Kopfseite, frontal (F), zentral (C) und
parietal (P) für die einzelnen Potentialkomponenten (P25 usw.). (>…Sham stärker nega-
tiv, <…Sham stärker positiv als jeweilige Expositionsbedingung)
Seite 85 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
lowright
low right
lowleft
low left
sham
sham
sham
sham
P3 P4 P3 P4
μV
Zeit
highleft
high left highright
high right
sham
sham sham
sham
P3 P4
P3 P4
Abb. 3.16: Gesamtmittel der akustisch evozierten Potentiale in den UMTS Versuchsbe-
dingungen während der Expositionsphase (P1) an den parietalen Ableitungen (P3, P4).
Die Sham-Bedingung ist zur besseren Vergleichbarkeit als helle Linie in allen vier Grafi-
ken eingezeichnet. Die expositionsbedingt statistisch signifikanten abweichenden Kom-
ponenten sind mit einem Stern markiert.
Seite 86 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
Es folgt Tabelle 3.8: Übersicht über die statistisch signifikanten Unterschiede zwischen
den UMTS Expositionsbedingungen (lL=low left, lR=low right, hL=high left, hR=high right)
und Sham in den jeweiligen Versuchsphasen (P1 low mit
rightExposition, P2 ohne Exposition) an
low left
den Ableitungen an der rechten (R) und linkensham
(L) Kopfseite, frontal (F), zentral (C) und
sham
parietal (P) für die einzelnen Potentialkomponenten (N40 usw.). (>…Sham stärker nega-
tiv, <…Sham stärker positiv als jeweilige Expositionsbedingung)
lowright
low right
lowleft
low left
sham
sham
sham
sham
P3 P4
P3 P4
μV
Zeit
highleft
high left highright
high right
high left
sham
sham sham
sham
sham
P3 P4 P3 P4
Abb. 3.17: Gesamtmittel der akustisch evozierten Potentiale in den UMTS Versuchsbe-
dingungen nach der Expositionsphase (P2) an den parietalen Ableitungen (P3, P4). Die
Sham-Bedingung ist zur besseren Vergleichbarkeit als helle Linie in allen vier Grafiken
eingezeichnet. Die expositionsbedingt statistisch signifikanten abweichenden Komponen-
ten sind mit einem Stern markiert.
Ebenso wie beim GSM-Versuch traten auch bei UMTS nur geringe Veränderungen der AEP
bei der Wahlreaktionsaufgabe auf. Statistisch signifikante Unterschiede zur Shambedingung
traten fast ausschließlich bei den hohen Expositionsbedingungen auf.
Seite 87 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
3.4.1.2). Deswegen wird im Folgenden nicht nur die während der ersten 200 ms erfolgende
Reizantwort dargestellt, sondern die nachfolgenden 400 ms, auf die dann die motorische
Reaktion folgt.
Beim GSM Versuch war keine der Potentialkomponenten statistisch signifikant.
lowleft
low left lowright
low right
sham
sham sham
sham
P3 P4 P3 P4
μV
Zeit
highleft
high left highright
high right
sham
sham sham
sham
P3 P4 P3 P4
Abb. 3.18: Gesamtmittel der evozierten Potentiale in den GSM Versuchsbedingungen während
der Expositionsphase (P1) an den parietalen Ableitungen (P3, P4). Die Sham-Bedingung ist zur
besseren Vergleichbarkeit als helle Linie in allen vier Grafiken eingezeichnet.
lowleft
low left lowright
low
low right
right
sham
sham sham
sham
sham
P3 P4 P3 P4
μV
Zeit
high left
highleft highright
high right
sham
sham sham
sham
P3 P4 P3 P4
Seite 88 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
lowleft
low left lowright
low right
sham
sham sham
sham
P3 P4 P3 P4
μV
Zeit
highleft
high left highright
high right
sham
sham sham
sham
P3 P4 P3 P4
3.5.2 Leistungsindikatoren
Es wurden sowohl beim einfachen Reaktionstest (SRT) wie auch beim Wahlreaktionstest
(CRT), beim O2-Test und dem CNV Paradigma Reaktionszeiten gemessen. Es traten nur bei
einigen dieser Tests bedeutsame Unterschiede auf und zwar ausschließlich Verkürzungen
der Reaktionszeiten während der Exposition.
Als Beispiel zeigt die folgende Abbildung die Reaktionszeiten im O2-Test für den UMTS Ver-
such. Alle Reaktionszeiten (mit Ausnahme der Bedingung ‚low left’) sind im Vergleich zu
Sham während der Exposition signifikant kürzer. Dies gilt sowohl für den Versuchsabschnitt
P1 (während Exposition) als auch Abschnitt P2 (nach Exposition).
Seite 89 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
Abb. 3.21: Mittelwerte (±95% Konf.Intervall) der Mediane der Reaktionszeit auf die visuel-
len Reize beim O2 in der Expositions- (P1) und Post-Expositionsphase (P2) getrennt
nach richtigen und falschen Antworten für den UMTS Versuch.
Seite 90 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
Abb. 3.22: Prozentsatz der Probanden, die vermuten in der vorangegangenen Versuchs-
phase des GSM Versuchs exponiert worden zu sein.
Abb. 3.23: Prozentsatz der Probanden, die vermuten in der vorangegangenen Versuchs-
phase des UMTS Versuchs exponiert worden zu sein.
Seite 91 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
x Es wurde nicht nur eine Kopfseite exponiert, sondern wahlweise die rechte oder linke
Seite.
x Darüber hinaus wurden zwei Intensitäten, die zu spezifischen Absorptionsraten von ca.
0,1 W/kg (low) und 1 W/kg (high) führen, eingesetzt.
x Es wurde nicht nur während, sondern auch bis zu mehr als einer halben Stunde nach
Exposition die Auswirkungen beobachtet.
Die Untersuchung wurde mit 40 Probanden (20 GSM und 20 UMTS) durchgeführt, wobei die
Hälfte Frauen waren. Die Exposition wurde - vom Computer gesteuert - doppelblind durchge-
führt (d.h. weder die Versuchsperson noch der Versuchsleiters wußten, ob oder nicht expo-
niert wurde).
Die Auswirkungen der Exposition waren teilweise vergleichbar mit, und bestätigten frühere
Untersuchungen. Zusätzlich traten neue bedeutsame Effekte auf, die möglicherweise helfen,
den Mechanismus der Wirkung schwacher Hochfrequenzfelder auf das Zentralnervensystem
aufzuklären. Diese sind:
Da die Änderung des Spektrums auch den Bereich höherer Frequenzen (desynchrone Aktivi-
tät) einschließt, was bei der UMTS Bedingung sogar statistisch signifikant war, kann man
nicht von einer Reduktion der zentralen Aktivierung sprechen. Das wird auch durch die beo-
bachteten beschleunigten Reaktionszeiten unter Exposition unterstrichen, die allerdings
auf Kosten der Reaktionsqualität zu gehen scheinen, denn insbesondere die falschen Re-
aktionen fielen kürzer aus.
Seite 92 / 174
3. ATHEM-Endbericht – kognitive Einflüsse
GSM und UMTS zeigte das EEG-Spektrum bei den UMTS Versuchen deutlichere Verände-
rungen, allerdings waren die Effekte auf die evozierten Potentiale besonders während der
Exposition mit GSM ausgeprägter.
Bei der niedrigen Exposition waren die Effekte nicht von der Kopfseite abhängig, an der ex-
poniert wurde.
Bei der hohen Exposition waren die Effekte während der Exposition teilweise unterschiedlich,
je nachdem ob von rechts oder links exponiert wurde. Bei der Exposition der linken Seite trat
rechts eine Amplitudenreduktion auf, bei Exposition der rechten Seite aber ein Anstieg der
Amplitude der Potentialkomponenten N100-P200. Da das Potential sich aus Komponenten
der unmittelbaren und mittelbaren Reizverarbeitung, der spezifischen Aktivierung (sekundäre
Hörbahn, aufsteigendes retikuläres Aktivierungssystem) sowie von Aufmerksamkeitslenkung
und anderen Hirnaktivitäten zusammensetzt, kann man daraus den Schluss ziehen, dass bei
niedrigen Intensitäten jene Strukturen des ZNS beeinflusst werden, die frühe Stationen der
Reizverarbeitung darstellen, während bei hohen Intensitäten u.U. lokale Reaktionen im Be-
reich des Kortex diese Einflüsse überlagern und dadurch zu komplexeren Mustern führen.
Möglicherweise erklärt dieser Befund auch einige Widersprüche, die bei den bisherigen Stu-
dien zu verzeichnen waren.
Die Untersuchung zeigt, dass subtile Reaktionen des ZNS auf die Exposition mit schwa-
chen Mikrowellen, wie sie beim Mobilfunk auftreten, möglich sind. Rückschlüsse auf eine
gesundheitliche Beeinträchtigung oder kognitive Störungen sind durch die vorliegenden Er-
gebnisse allein nicht möglich.
Die Ergebnisse stellen zweifellos biologische Auswirkungen dar, die nicht thermisch be-
dingt sein können, denn der Temperaturanstieg ist proportional der Spezifischen Absorpti-
onsrate (SAR) und bei den hier angewandten Intensitäten so gering, dass er durch die
Thermoregulation ausgeglichen wird. Auch weil die Resultate überwiegend unabhängig von
der exponierten Kopfseite auftraten (Effekte sowohl auf der bestrahlten wie auf der nicht be-
strahlten Seite) kann ein rein thermischer Wirkmechanismus ausgeschlossen werden.
Seite 93 / 174
Seite 94 / 174
4. ATHEM-Endbericht – Immun-System
x intrazelluläre Zytokine (IL-1, IL-2, IFN-g und TNF-a) in Lymphozyten bzw. Monozyten
x Aktivität immunrelevanter Gene
x gegen Tumorzellen gerichtete Abwehrreaktion der Killerzellen
Zusätzlich kam ein DNA Chip zum Einsatz, der zum Nachweis der Aktivität von 19000 Ge-
nen geeignet ist.
Keiner der Untersuchungsparameter wurde durch die Exposition signifikant verändert.
Seite 95 / 174
4. ATHEM-Endbericht – Immun-System
Zytokine sind Proteine, die eine zentrale Rolle in der Regulation und Modulation von Immun-
reaktionen spielen, wie Aktivierung von Lymphozyten, deren Proliferation und Differenzie-
rung. IL-2 wird vor allem von sog. T Lymphozyten gebildet. Seine biologische Aktivität wird
durch seinen Rezeptor gesteuert, der nur auf aktivierten T Zellen auftritt. Es ist ein Wachs-
tumsfaktor für sämtliche T Lymphozyten und es steuert die Vermehrung von Immunglobulin-
produzierenden Zellen. IFN-g ist ein antivirales Agens, das in der Regulation von Immun-
und Entzündungsprozessen involviert ist. Es wird ebenfalls von T Lymphozyten freigesetzt,
es rekrutiert Leukozyten zu den Infektionsherden und führt dort zu entzündlichen Reaktio-
nen. Weiters stimuliert es sog. Makrophagen zur Abtötung von Bakterien. IL-1 wird haupt-
sächlich von Makrophagen und Monozyten gebildet, es stimuliert die Synthese von IL-2 und
spielt eine wichtige Rolle in Entzündungsprozessen. TNF-alpha wird von verschiedenen Zell-
typen synthetisiert, es stimuliert u.a. Akut-Phase-Reaktionen, aktiviert verschiedene Zellen
und hat anti-Tumoraktivität. IL-4 steuert verschiedene B-Zell-Aktivitäten, so die Produktion
von Immunglobulinen. MCSF wird vor allem von Monozyten gebildet, es reguliert das Über-
leben und die Differenzierung von Zellen, sein Rezeptor ist mit dem Proto-Oncogen fms
identisch.
Seite 96 / 174
4. ATHEM-Endbericht – Immun-System
4.4 Methoden
4.4.2 Expositionseinrichtung
Die Proben wurden in der für das Projekt "REFLEX" von der Foundation for Research on
Information Technologies (ITIS, Zürich, Schweiz) gebauten Einrichtung exponiert.
Für die GSM Exposition wurde 1950 MHz, Signalfrequenz GSM basic (entspricht GSM Fra-
me mit 26. Frame blank, zusätzlich einer 8 Hz Komponente, entspricht dem aktiven Sprech-
modus), 1 W/kg, 8h Expositionszeit gewählt. Für die UMTS Exposition wurde ein UMTS Sig-
nalgenerator verwendet, der ein W-CDMA (= Wideband Code Division Multiple Access) Sig-
nal liefert. Für das UMTS Testsignal wurde ein Signalschema definiert, das zu einer maxima-
len ELF Komponente und maximaler Variation der Amplitudenmodulation führt (Schuderer
2004).
Die Dekodierung der Expositionsfiles erfolgte nach Auswertung aller Experimente durch ITIS.
Abb. 4.1. Bild der Expositionseinrichtung. Zeigt einen der Expositionseinschübe mit den
Petrischalen zur Exposition von Zellen.
Seite 97 / 174
4. ATHEM-Endbericht – Immun-System
4.4.3.1 Zytokinproduktion
Die von Blutzellen spontan gebildeten Zytokine sind in ihrer Menge zu gering, um detektiert
zu werden. Es muss ein zusätzlicher Stimulus in vitro gesetzt werden, um die Zellen zu ver-
stärkter Zytokinproduktion anzuregen. Lymphozyten werden daher mit den Stoffen Ionomy-
cin (liefert Ca-Ionen) und Phorbolmyristatacetat (=PMA, regt die Übermittlung von Signalen
in die Zellen an), Monozyten mit Lipopolysaccharid (=LPS) zur Zytokinsynthese angeregt.
4.4.3.2 Zytokinnachweis
Nach Exposition wurden die Zellen mit 4% Paraformaldehyd fixiert, dann die Zellmembran
mit einem 0,1 % Saponinpuffer permeabilisiert, um sie für einen gegen die entsprechenden
Zytokine gerichteten Antikörper durchgängig zu machen. Zum Einsatz kamen anti IL-2, anti
IL-1beta, anti IFN-gamma und anti TNF-alpha Antikörper. Alle Antikörper sind mit dem Fluo-
reszenzfarbstoff Phycoerythrin (fluoresziert rot), nur anti TNF mit dem Farbstoff FITC (fluo-
resziert grün) konjugiert.
Zellen, die den Antikörper an ihr intrazelluläres Zytokin binden, können durchflusszyto-
metrisch anhand ihrer Fluoreszenz detektiert werden.
4.4.3.3 Killerzellaktivität
Natürliche Killerzellen (=NK Zellen) und ein Teil der T Zellen im Blut können durch eine zu-
sätzliche Gabe von Interleukin 2 über 72 h zu sog. Lymphokin-aktivierten Killerzellen (=LAK
Zellen) differenzieren, die wie spontane NK Zellen zu einer starken Abwehr von Tumorzellen
in der Lage sind. Es wurden 2x106 Zellen / ml unter Zusatz von 400 units/ml rekombinantem
humanem Interleukin-2 8 h exponiert, nach erfolgter Exposition über weitere 64 h bei 37o C
im CO2-Brutschrank inkubiert und anschließend folgender Zytotoxizitätsassay durchgeführt:
4.4.3.4 Tumor-Targetzellen
Die Zelllinie K562 (humane Leukämiezellen) wurde mit dem Vitalfarbstoff PKH2-FITC mar-
kiert (4.10-6 M), sodass die Zellen anhand ihrer Grünfluoreszenz im Durchflusszytometer de-
tektiert werden konnten.
4.4.3.5 Zytotoxizitätsnachweis
Targetzellen und Effektorzellen (=Killerzellen) wurden in unterschiedlichen Mischungsver-
hältnissen (Ratio 1:100, 1:50, 1:25, 1:12,5) über 3 h inkubiert. Die während dieser Zeit von
den Killerzellen abgetöteten Tumorzellen können anschließend durch einen Farbstoff, der
nur in tote Zellen eindringen kann (=Propidiumjodid), durchflusszytometrisch nachgewiesen
werden.
Seite 98 / 174
4. ATHEM-Endbericht – Immun-System
diagramme erlauben eine Differenzierung zwischen Lymphozyten und Monozyten und eine
Ausgrenzung der toten Zellen (Abb. 4.2). Das vorwärts gestreute Licht ist von der Größe der
Zellen abhängig, das senkrecht gestreute Licht von ihrer Granularität. Da die Zellen unter-
schiedliche Größe und unterschiedliche Struktur aufweisen, lassen sie sich im Streu-
lichthistogramm unterscheiden. Im Anschluss daran wird die Grün- und Rotfluoreszenz, die
durch die entsprechende Antikörper- oder Farbstoffmarkierung der Zellen hervorgerufen
wird, analysiert (Abb. 4.3). Unterschiedlich mit Antikörper beladene Zellen können so nach-
gewiesen werden.
Durch die Coulter System II Software erfolgte die automatische statistische Auswertung, die
die prozentuelle Erfassung der für den betreffenden Parameter positiven Zellen und die mitt-
lere Fluoreszenz dieser Zellen ermöglicht.
Seite 99 / 174
4. ATHEM-Endbericht – Immun-System
4.4.3.7 Killerzellen
Zur Feststellung der zytotoxischen Aktivität der Killerzellen wurde zunächst die Grünfluores-
zenz der mit dem Farbstoff PKH gefärbten Tumorzellen analysiert. Anschließend wurde in-
nerhalb dieser Population der Anteil der rotfluoreszierenden toten Zellen, die den Farbstoff
Propidiumjodid aufgenommen hatten, durchflußzytometrisch bestimmt.
Abb. 4.5. Schematische Darstellung der PCR: Schmelzen des DNA Doppelstranges bei
96oC (1), Ent-stehung zweier Einzelstränge, Anlagerung der Primer bei 68oC (2), Verlän-
gerung durch Poly-merase (P) bei 72oC (3), erster Zyklus beendet (4). Die entstandenen
DNA-Stränge bilden die Vorlage für den nächsten Durchlauf, die Menge an DNA verdop-
pelt sich mit jedem Zyklus.
4.5 Ergebnisse
Abb. 4.6. Nachweis von IL-2 in humanen Lymphozyten. x-Achse: einzelne Experimente
mit unterschiedlichen Testpersonen, y-Achse = mittlere Fluoreszenz der Zellen (Maß für
die Menge des in der Zelle vorhandenen Zytokins) bzw. Anteil der produzierenden Zellen
an der Gesamtpopulation. Helle Balken = exponierte Proben, dunkle Balken = scheinex-
ponierte Proben.
Abb. 4.7. Nachweis von IFN-g in humanen Lymphozyten. x-Achse: einzelne Experimente
mit unterschiedlichen Testpersonen, y-Achse: mittlere Fluoreszenz der Zellen (Maß für
die Menge des in der Zelle vorhandenen Zytokins) bzw. Anteil der produzierenden Zellen
an der Gesamtpopulation. Helle Balken = exponierte Proben, dunkle Balken = scheinex-
ponierte Proben.
Monozyten wurden durch die Behandlung mit LPS zur Synthese von IL-1 und TNF-a ange-
regt. Abb. 4.8 zeigt wiederum die mittlere Fluoreszenz und den Anteil der IL-1 und TNF-a
synthetisierenden Monozyten an der Gesamtpopulation. Auch auf die Monozyten blieb die
Exposition ohne merkbaren Einfluss.
Abb.4.8. Nachweis von IL-1 und TNF-a in humanen Monozyten. x- Achse: Anzahl der
Experimente mit unterschiedlichenTestpersonen. y-Achse: mittlere Fluoreszenz der Zel-
len (Maß für die Menge des in der Zelle vorhandenen Zytokins) bzw. Anteil der produzie-
renden Zellen an der Gesamtpopulation. Helle Balken = exponierte Proben, dunkle Bal-
ken = scheinexponierte Proben.
A B
C D
E F
G H
I J
K L
Abb. 4.10. Nachweis von IL-2 in humanen Lymphozyten. x - Achse: Experimente mit un-
terschiedlichen Testpersonen. y-Achse: Anteil der produzierenden Zellen an der Gesamt-
population bzw. mittlere Fluoreszenz der Zellen (Maß für die Menge des in der Zelle vor-
handenen Zytokins). Helle Balken = exponierte Proben, dunkle Balken = scheinexponier-
te Proben.
Abb. 4.11. Nachweis von IFN-g in humanen Lymphozyten. x - Achse: Experimente mit
unterschiedlichen Testpersonen. y-Achse: Anteil der produzierenden Zellen an der Ge-
samtpopulation bzw. mittlere Fluoreszenz der Zellen (Maß für die Menge des in der Zelle
vorhandenen Zytokins). Helle Balken = exponierte Proben, dunkle Balken = scheinexpo-
nierte Proben.
80 80
% cytotoxicity
% cytotoxicity
60 60
40 40
20 20
0 0
50 25 12.5 6.25 50 25 12.5 6.25
80 80
% cytotoxicity
% cytotoxicity
60 60
40 40
20 20
0 0
50 25 12.5 6.25 50 25 12.5 6.25
80 80
% cytotoxicity
% cytotoxicity
60 60
40 40
20 20
0 0
50 25 12.5 6.25 50 25 12.5 6.25
80 80
% cytotoxicity
% cytotoxicity
60 60
40 40
20 20
0 0
50 25 12.5 6.25 50 25 12.5 6.25
4.7 Diskussion
In der vorliegenden Arbeit wurde ein möglicher Einfluss hochfrequenter elektromagnetischer
Felder, wie sie bei der Benutzung von Mobiltelefonen auftreten, auf das menschliche Im-
munsystem untersucht. Es wurde keine Beeinflussung der Produktion der Zytokine Inter-
leukin-2 und Interferon gamma in menschlichen Lymphozyten oder Interleukin-1 und
Tumornecrosisfaktor alpha in Monozyten festgestellt. Auch die Aktivität von acht immun-
relevanten Genen blieb unter Exposition unverändert. Als Parameter einer unspezifischen
Immunabwehr wurde die Auflösung von Tumorzellen durch Killerzellen bestimmt: Die Anzahl
der getöteten Tumorzellen war in exponierten und scheinexponierten Proben gleich.
Die vorliegenden Ergebnisse lassen sich nur schwer mit bereits publizierter Literatur verglei-
chen, da nur wenige und sehr unterschiedliche immunologische Untersuchungen nach Ex-
position gegenüber hochfrequenten elektromagnetischen Feldern durchgeführt wurden.
Tierversuche (in vivo und in vitro) zur Wirkung elektromagnetischer Felder auf das Immun-
system hatten unterschiedliche Ergebnisse gebracht: Chagnaud & Veyret (1999) und Gatta
et al. (2003) fanden keine immun-modulierende Wirkung von 900 MHz GSM auf Lymphozy-
tensubpopulationen von Mäusen. Dagegen hatten Smialovicz et al. 1983 und Yang et al.
1983 eine verminderte Aktivität von Killerzellen nach der Bestrahlung von Mäusen und
Hamstern mit 2450 MHz Mikrowellen beobachtet. Dabei handelte es sich aber wahrschein-
lich um einen thermischen Effekt, da die eingesetzte SAR zu einer Erhöhung der Körperkern-
temperatur um 3-3.5oC führte. Cleary et al. (1996) beobachteten eine Stimulierung der Zell-
teilung von Killerzellen in vitro bei SAR < 25 mW/kg von 2450 MHz Mikrowellen und eine
Hemmung bei hohen SARs (25 mW/kg). Die Zellteilung sagt jedoch nichts über die immu-
nologische Kompetenz dieser Zellen, wie sie in der vorliegenden Arbeit bestimmt wurde, aus.
Bei in vivo Exposition von Mäusen gegenüber 8.5 - 18 GHz Mikrowellen wurde auch eine
gesteigerte Proliferation von Lymphozyten und eine vermehrte Produktion von TNF be-
schrieben (Novoselova et al. 1999). In einer weiteren russischen Studie berichten die Auto-
ren (Lushnikov et al. 2001) über veränderte Zellzahlen in Thymus und Milz nach einer wie-
derholten Exposition von Mäusen gegenüber 42 GHz. Eine in vivo Exposition von Mäusen in
Feldern von 900 MHz GSM wurde von Gatta et al. 2003 durchgeführt. Eine Woche nach Be-
ginn der täglichen Exposition zeigten die Tiere eine vermehrte Produktion von IFN-g, die
nach vierwöchiger Bestrahlung aber auf Normalniveau zurückging. Die Autoren interpretieren
dieses Phänomen als eine Anpassung des Immunsystems an die Exposition.
Nach dem derzeitigen Stand der Forschung lässt sich aus der publizierten Literatur keine
einheitliche Aussage treffen. Dies liegt vor allem daran, dass die bisher registrierten Effekte
unter unterschiedlichen Bedingungen (unterschiedliche Zellsysteme, unterschiedliche Fre-
quenzbereiche, etc.) gewonnen wurden. Die in der vorliegenden Arbeit gewählten Bedingun-
gen zur Exposition führten zu keiner signifikanten Veränderung der untersuchten Immunpa-
rameter.
4.8 Literatur
Boscol P, Di Sciascio MB, Dostilio S, Del Signore A, Reale M, Conti P, Bavazzano P, Pa-
ganelli R, Di Gioacchino M. 2001. Effects of electromagnetic fields produced by radiotele-
vision broadcasting stations on the immune system of women. Sci Total Environm 273, 1-
10
Capri M, Scarcella E, Fumelli C, Bianchi E, Salvioli S, Mesirca P, Agostini C, Antolini A,
Schiavoni A, Castellani G, Bersani F and Franceschi C. 2004. In vitro exposure of human
lymphocytes to 900 MHz CW and GSM modulated radiofrequency: Studies of prolifera-
tion, apoptosis and mitochondrial membrane potential. Radiat Res 162, 211-218
Chagnaud JL, Veyret, B: 1999. In vivo exposure of rats to GSM-modulated microwaves: flow
cytometry analysis of lymphocyte subpopulations and of mitogen stimulation. Int J Radiat
Biol 75, 111-113
Cleary SF, Du Z, Cao G, Liu LM and McCrady C. 1996. Effect of isothermal radiofrequency
radiation on cytolytic T lymphocytes. FASEB J 10, 913-919
Gatta L, Pinto R, Ubaldi V, Pace L, Galloni P, lovisolo GA, Marino C, Pioli C: 2003. Effects of
in vivo exposure to GSM-modulated 900 MHz radiation on mouse peripheral lymphocytes.
Radiat Res 160, 600-605
Lushnikov KV, Gapeev AB, Sadovnikov VB, Cheremis NK. 2001. Effect of extremely high
frequency electromagnetic radiation of low intensity on parameters of humoral immunity in
healthy mice. Biofizika 46, 753-760
Novoselova EG, Fesenko EE, Makar VR and Sadovnikov VB. 1999. Microwaves and cellular
immunity. II. Immunostimulating effects of microwaves and naturally occurring antioxidant
nutrients. Bioelectrochem Bioenerg 49, 37-41
Radon K, Parera D, Rose DM, Jung D and Vollrath L: 2001. No effects of pulsed radiofre-
quency electromagnetic fields on melatonin, cortisol, and selected markers of the immune
system in man. Bioelectromagnetics 22, 280-287
"REFLEX" Risk evaluation of potential environmental hazards from low frequency electro-
magnetic field exposure using sensitive in vitro methods. Final Report, 2004. EU Project
QLK4-CT-1999-01574
Smialowicz RJ, Rogers RR, Garner RJ, Riddle MM, Luebke RW and Rowe DG. 1983. Mi-
crowaves [2,450 MHz] suppress murine natural killer cell activity. Bioelectromagnetics 4,
371-381.
Schuderer, J, Samaras, T, Oesch, W, Spät, D and Kuster, N. 2004. High peak SAR exposure
unit with tight exposure and environmental control for in vitro experiments at 1800 MHz.
IEE Transactions On Microwave Theory and Techniques 52, 2057-2066.
Yang HK, Cain CA, Lockwood J and Tomkins WA. 1983. Effects of microwave exposure on
the hamster immune system. I. Natural killer cell activity. Bioelectromagnetics 4, 123-139
4.9 Anhang:
Nachweis der Genaktivierung mittels Whole-Genome Chips
4.9.1 Methode
Die mononukleären Zellen aus dem peripheren Blut von 6 gesunden Spendern wurden durch
Ficoll/Paque Zentrifugation isoliert und in der von ITIS entwickelten Expositionseinrichtung
der Abteilung Arbeitsmedizin (Benützung mit freundlicher Genehmigung durch Prof. Rüdiger)
gegenüber GSM, 1950 MHz, 2 W/g SAR über 8 h exponiert. Gleichzeitig erfolgte eine
Scheinexposition der Kontrollproben. Nach erfolgter Exposition wurde die RNA aus den ex-
ponierten und scheinexponierten Zellen extrahiert.
Zur Anwendung kamen sog."Whole genome chips". Auf diesen Microarrays befinden sich
Sonden für 19.000 Gene, sodass ein breites Spektrum an Veränderungen der Genaktivie-
rung nachgewiesen werden kann (siehe Abb.: 4.13).
Nach der RNA-Extraktion wurde die Konzentration durch Ethanolfällung angehoben und mit-
hilfe von photometrischen Messungen auf 2,27 μg RNA/ μL Lösung eingestellt. 11 μL dieser
Lösung (25 μg RNA) wurden durch eine Reverse-Transkriptase in DNA überschrieben. Da-
bei wurden zwei an das dCTP-Nukleotid gebundene fluoreszierende Farbstoffe in den ent-
stehenden cDNA Strang eingebaut. Eine behandelte oder unbehandelte Probe wurde mit
dem Farbstoff Cy3, die andere mit Cy5 gelabelt. Diese gelabelte cDNA wurde über Memb-
ransäulchen aus dem CyScribe Kit von Amersham von den nicht
inkorporierten Nukleotiden gereinigt. Nach der Elution von der Membran wurden die Proben
in der Unterdruckzentrifuge auf 5 μL eingeengt, um sie in 80 μL der DIG Easy Hyb Lösung
von Roche aufzunehmen.
Die Deckgläser wurden in mehreren Schritten mit SDS, Wasser, Ethanol und Aceton gerei-
nigt. Die Hybridisierungslösungen wurden auf die Deckgläser pipettiert und die auf Objekt-
trägern aufgebrachten Microarrays darüber gelegt. Die Hybridisierung verlief über Nacht in
mit 3xSSC feucht gehaltenen Hybridisierungskammern bei 37° C.
Die Microarrays wurden in absteigenden Konzentrationen an SSC und SDS und abschlie-
ßend in Isopropanol gewaschen und mit gefilterter Luft trocken geblasen. Die Hybridisierung
wurde über einen Scanvorgang quantifiziert. Dabei wurden Unterschiede in der Expression
einzelner Gene als rot oder grün gefärbte Spots gegenüber der Menge an gelben Spots
sichtbar. Die gescannten Bilder wurden mit der GenPixPro Software bearbeitet und das ent-
standene GPR-file (GenPix Results) wurde in der Datenbak BASE gespeichert und bearbei-
tet. Einzelne Spots wurden dabei auf Validität geprüft und zusätzlich nur die nach Abzug der
Hintergrundintensitäten positiven Werte zugelassen. In Excel wurden die Werte sortiert und
gefiltert. Die dabei als differentiell exprimert erkannten Gene wurden identifizert.
4.9.2 Ergebnisse
Bei den Proben von 6 Probanden wurden insgesamt unter den 6 x 19 000 untersuchten Ge-
nen 19 Sonden gefunden, die in den exponierten und scheinexponierten Proben unter-
schiedlich stark aktiviert waren. Dies waren aber bei den individuellen Probanden unter-
schiedliche Gene, es gab keine Übereinstimmung zwischen den einzelnen Chips.
Die in ihrer Expression veränderten Gene waren Ankyrin, ein membranassoziiertes Protein,
und Cofilin, ein Protein, das in der Organisation der Actin-Fibrillen von Zellen eine Rolle
spielt. Weiters zwei Enzyme, eine Nucleosid-Diphosphatkinase und eine Phenyl-Alanin-
Hydroxylase. Schließlich eine Sequenz eines nukleären Proteins, dessen Funktion noch
nicht ganz geklärt ist, das aber eventuell im Zellzyklus involviert ist. Die übrigen Clone waren
Alu-Sequenzen, sog. "junk" DNA, die keine aktiven Gene darstellen.
Die mangelnde Übereinstimmung zwischen den Proben individueller Blutspender und die
Tatsache, dass mit einer unspezifischen Aktivierung in diesem Ausmaß in der Chiptechnolo-
gie auf jeden Fall zu rechnen ist, lässt keinen Schluß auf eine Wirkung der GSM Exposition
auf die Genexpression zu. Auf keinen Fall wurden unter den in ihrer Expression veränderten
Genen immunrelevante oder stressassozierte gefunden.
control treated
cells cells
Abb.: 4.13, Schema eines sogenannten „Whole genome chips". Diese „Microar-
rays“erlauben den Nachweis eines breiten Spektrums an Veränderungen der Genaktivie-
rung.
4.10 Glossar
Amplifizierung = Vermehrung eines DNA Teilstückes
DNA Chip = auch als Microarray bezeichnet; Objektträger oder Kunststoffmembran; einzelne
Felder des Arrays sind mit einzelsträngigen DNA-Stücken beschichtet. Durch Zugabe der mit
einem roten Farbstoff markierten Untersuchungsprobe bzw. der mit einem grünen Farbstoff
markierten Kontrollprobe binden diese bei gleicher Basenabfolge an die DNA im Chip. Die
Position, Intensität und Wellenlänge der entstehenden Mischfarbe werden mit einer hochauf-
lösenden Laserkamera detektiert und liefern Informationen über Aktivität und das Vertei-
lungsmuster der einzelnen Gene
housekeeping Gene = Gene, die in allen Zellen, unbeeinflusst von Umweltfaktoren, aktiv sind
Kulturmedium = Nährflüssigkeit für Zellen
Killerzellen = Immunzellen, die Virus-infizierte und Tumorzellen erkennen und abwehren
Monozyten = Komponenten der weißen Blutkörperchen, können direkt Partikel und Bakterien
aufnehmen, spielen auch in der Erkennung von Fremdstoffen und in Entzündungsprozessen
eine Rolle
Lymphozyten = Komponenten der weißen Blutkörperchen, sind für die zelluläre Immunab-
wehr und die Bildung von Immunglobulinen verantwortlich
Primer = Nukleotidsequenz (entspricht einem Teilstück von DNA), die in der PCR eingesetzt
wird
Diese Zellen wurden einer der Mobilfunkfrequenz entsprechenden Frequenz (MW-EMF von
GSM 1800 MHz und UMTS 1950 MHz in alternierenden Sequenzen von 5 min. „an“ und 10
min. „aus” mit einer SAR (Spezifische Absorptionsrate) von 2 W/kg ausgesetzt. Im Anschluss
wurden Änderungen von zelleigenen Proteinen (Proteinexpression) untersucht, es wurden
vorerst Mengenprofile, und zusätzlich Syntheseraten analysiert. Die Analysen basierten auf
der Trennung von Proteinen mit Hilfe der zweidimensionalen Gelelektrophorese, danach
wurden nach entsprechender Färbung die einzelnen Proteine durch Fluoreszenzmessungen
quantifiziert. Daran schloss sich die Identifikation der Proteine.
Alle Experimente wurden doppelblind durchgeführt. Per Zufallsgenerator wurde nur eine von
zwei Zellgruppen zur Bestrahlung ausgewählt. Jeweils zwei idente Zellgruppen, welche sich
nur in der Bestrahlung unterschieden, wurden vergleichend ausgewertet. Beide Zellgruppen
durchliefen in gleicher Weise den Analyseweg, und erst nach Abschluss der Untersuchungen
und Vorlage der Analysenergebnisse erfolgte die Entblindung.
Die Resultate zeigen, dass es empfindliche und unempfindliche Zelltypen gibt. Bei den emp-
findlichen fanden sich nach 8 Stunden Exposition klare Erhöhungen der Protein-
Syntheseraten, während die Proteinmengen kaum signifikant erhöht waren. Ca. 2 Stunden
(methodisch bedingtem Beobachtungszeitraum) nach Ende der Exposition war die erhöhte
Syntheserate nicht mehr erkennbar. Die genaue Bestimmung der Normlisierungszeit bedarf
jedoch weiterer Untersuchungen.
Die erhöhte Proteinsyntheserate bedeutet „Zellstress“. Derzeit lassen sich nur Vermutungen
über dadurch resultierende Gesundheitsgefährdungen anstellen.
5.2 Einleitung
Eine physikalische Betrachtung der möglichen athermischen Wirkungen von elektromag-
netischen Feldern schließt eine direkte Schädigung von Proteinen durch Radikalbildung (wie
etwa bei radioaktiver Strahlung) aus, da dazu die durch die Strahlung vermittelte Energie-
menge nicht ausreichend ist. Allerdings können Wasserstoff-Sauerstoff-Bindungen zur Re-
sonanz gebracht werden. Dieser Mechanismus wird für die physikalisch ähnlichen Mikrowel-
len zur Erwärmung von Wasser-hältigen Lebensmitteln benutzt. Wasserstoff-Sauerstoff-
Bindungen tragen wesentlich zu den sogenannten Wasserstoffbrücken-Bindungen bei, diese
sind wichtig zur Erhaltung der dreidimensionalen Struktur von Proteinen. Es ist somit theore-
tisch denkbar, dass die Struktur, und damit die Funktion von Proteinen durch Störung der
dreidimensionalen Struktur durch athermische Wirkungen von elektromagnetischen Feldern
beeinträchtigt wird. Daher sind Analysen von Proteinen ein durchaus probates Verfahren,
mögliche biologische Effekte an Zellen zu untersuchen.
5.2.2 Projektziele
Ziel des vorliegenden Projektes war es daher, in „verblindeten“ Versuchen zu klären, ob sich
an menschlichen Zellen, die einer im Mobilfunk verwendeten Strahlung ausgesetzt wurden,
signifikante Effekte nachweisen lassen.
Insbesondere war geplant:
Ad 1) Die primäre humane Fibroblasten Zell-Linie ES1 wurde in Dulbecco‚s modified Eagle‚s
Medium (DMEM, Gibco) mit 1 M Hepes, 10 000 IU/ml Penicillin/Streptomycin, 200 mM L-
Glutamin; 40 μg/ml Neomycin and 10% FCS (Gibco, Wien, Österreich) kultiviert.
Ad 2) Jurkat – Zellen werden in der medizinischen Forschung oft eingesetzt, weil ihr Repro-
duktionszyklus relativ kurz ist und sie relativ anspruchslos in der Kultivierung sind. Jurkat
Zellen wurden routinemäßig in RPMI-1640, mit 10 % FCS bei 37°C und bei 5 % CO2 ge-
züchtet.
Ad 3) Leukocyten, (Weiße Blutkörperchen, Immun - Zellen); Diese Zellen lassen sich nicht
dauerhaft kultivieren und müssen daher immer frisch gewonnen werden. Die durchführte
Isolation der Zellen aus dem Blut entfernt rote Blutkörperchen, Plättchen und Neutrophile. Im
Wesentlichen sind in der untersuchten Mischung T-Lymphozyten, Monozyten und B-
Lymphozyten enthalten.
5.3.2 Experimentedesign
10 Mio Zellen wurden pro Doppel-Ansatz eingesetzt, die Vorgangsweise des “blinden Analy-
seweges“ bedeutet, dass der durchführende Mitarbeiter nicht weiss, ob er exponiertes oder
nicht exponiertes Zellmaterial (Real- bzw. Schein-Exponierte) analysiert. Damit kann eine
persönliche Einflussnahme auf das Ergebnis ausgeschlossen werden.
Abb. 5.1: Beispiel einer Expositionsanlage mit zwei Kammern (Waveguide 1 & 2) für die
zeitgleiche reale Exposition und Scheinexposition (unbestrahlte Kontrolle)
5.3.9 Fluoreszenz-Färbung
Die Proteine im Gel lassen sich nach der zwei dimensionalen Auftrennung anfärben und als
„spots“ sichtbar machen. Ein käuflicher Fluoreszenzfarbstoff ist „RUBY“. Nachdem die not-
wendige große Zahl an Färbungen teuer gekommen wäre, wurden Alternativen gesucht.
Nach einer von Rabilloud et al (2001, Proteomics 1:699) publizierten Vorschrift synthetisier-
ten wir in unserem Labor den Farbstoff Ruthenium II tris (bathophenantroline) disulfonate
(RUBPS). Mit einigem Aufwand wurde das Färbeprotokoll optimiert (siehe Abb 5.2), um im
Resultat sogar bessere Kontraste zu bekommen als mit kommerziell erhältlichem RUBY.
RUBY RUBPS
Abb. 5.2: 2D-Gele von einem zytosolischen Extrakt, hergestellt unter identen Bedingun-
gen, einmal mit RUBY und einmal mit RUBPS gefärbt. Jeder dunkle Fleck (Spot) ent-
spricht einem Protein mit definierter Göße und Ladung (isoelektrischen Punkt). Die neu
entwickelte RUBPS Methode lieferte geringfügig bessere Darstellungen als die herkömm-
liche RUBY Methode.
Ausschließlich bei Exposition über 8 Stunden konnten signifikante Effekte durch die Mobil-
funkstrahlung mit dem Proteomanalyse-Verfahren detektiert werden. Bei Exposition über 4
Stunden konnten leichte Erhöhnungen der Proteinsynthese durch die Mobilfunkstrahlung
beabachtet werden, was jedoch nicht signifikant war.
5.4 Ergebnisse
Circa 850 spots konnten in 2D-Gelen von Jurkat Zytosol reproduzierbar detektiert und quan-
tifiziert werden. Die Proteinspots wurden durch Fluoreszenzfärbung detektiert und quantifi-
ziert. Durch unabhängige Versuchswiederholungen konnten statistische Auswertungen
(Anova-Test) durchgeführt werden. Durch die GSM Exposition von 8 Stunden bei 2 W/kg
wurden folgende Proteine mengenmäßig hochreguliert:
Tabelle 6.1: Die Tabelle zeigt die am meisten veränderten Proteinmengen unter GSM re-
al Exposition, bei den restlichen war der Faktor geringer als 1,539, wo erfahrungsgemäß
aufgrund der Messunsicherheit der Messanordnung keine Effekte feststellbar sind. Die
Tabelle gibt 1. den Proteinnamen; 2. den Faktor um wieviel die Proteinmenge in Ver-
gleich zur Scheinexposition erhöht war; 3. die Irrtumswarscheinlichkeit p des Ergebnises
nach der statistischen Bewertung (ANOVA-Test); 4. die statistische Signifikanz (n,s. -
nicht signifikant, ++ signifikant, +++ hoch signifikant), und 5. die Identifikationsnummer
(Accession No) in entsprechenden Datenbanken
1 2 3 4 5
Protein Name Faktor erhöht ANOVA (p) Signifikanz Accession No.
- 2,09 1,08°-04 +++ -
Phosphoglcerate mutase 1 phosphorylated 2,074 0,009 ++ -
130 kDa leucine-rich protein 1,883 0,001 +++ P42704
Gamma-tubulin complex component 2 (GCP-
1,676 3,56°-06 +++ Q9BSJ2
2)
Thioredoxin 1,656 0,102 n.s. P10599
Cytosol aminopeptidase 1,624 4,79°-05 +++ P28838
Ras-related protein Rab-11B 1,622 0,011 n.s. P46638
3-hydroxyacyl-CoA dehydrogenase type II 1,616 0,007 ++ Q99714
Transcription factor BTF3 homolog 3 1,586 0,182 n.s. Q13892
Probable mitochondrial import receptor subunit
1,556 0,001 +++ O96008
TOM40 homolog
Deoxyhypusine synthase 1,55 0,53 n.s. P49366
Superoxide dismutase [Mn], mitochondrial 1,539 0,115 n.s. P04179
Abb. 5.3: Protein, deren Menge nach Exposition erhöht war. Der Rote Balken und die
gelbe Linie zeigen die Menge an, bei welcher von keiner Erhöhung gesprochen werden
kann. Es wurden nur wenige Proteine erhöht vorgefunden. Die Mengenerhöhung war
somit kaum statistisch signifikant.
Nur zwei Proteine waren mehr als 2-fach reguliert, eines davon ist noch unbekannt. Das
zweite konnte als phosphorylierte Isoform von „Phosphoglycerate Mutase“ identifiziert wer-
den. Die unmodifizierte Hauptform von Phosphoglycerate Mutase blieb im Vergleich zur
Scheinexposition unverändert, wie nachfolgende Abbildung zeigt.
a) unmodifiziertes Protein
b) modifiziertes Protein
Abb. 5.4: Proteinmengenmessung unter GSM Exposition in Jurkat Zellen; das Beispiel
eines Proteines zeigt, dass beim Protein „Phosphoglycerate Mutase“ die Menge der un-
modifizierte Hauptform vergleichsweise zur Scheinexposition unverändert blieb (oben),
während die die Menge der phosphorylierten Isoform (modifiziertes Protein) gegenüber
der Scheinexposition expositionsbedingt erhöht war (unten, GSM, 1.9 W/kg).
Abb. 5.5a: Beispiel des Analysenganges zur Identifiaktion. Es sind die unabhängig von-
einander erfolgten Peptidsequenz-Identifikationen aufgelistet. Im unteren Kasten findet
sich die gesamte Aminosäuresequenz des Proteins, die identifizierten Peptide sind rot
gekennzeichnet.
Jurkat – Zellen
Mengendarstellung (Fluoreszenz) Proteinsynthese (Autoradiographie)
Man kann auf diesen vier Bildern deutlich sehen, dass die Autoradiographie der aus expo-
nierten Zellen gewonnenen Proteine stärkere Einbauraten von 35S zeigt (erkennbar an den
stärker kontrastierten Spots) als die Autoradiographie des Gels aus nicht exponierten Zellen.
Daraus kann der direkte Effekt der Strahlung auf den Proteinumsatz abgelesen werden.
Die folgende Tabelle zeigt die Proteine, deren Syntheserate durch Exposition von 8 Stunden
mit GSM (2 W/kg) um mehr als das dreifache hochreguliert wurde:
Tabelle 6.2: Proteine mit veränderten Syntheseraten unter GSM Exposition. Die Tabelle
gibt den 1. Proteinnamen; 2. Faktor um wieviel die Proteinsynthese bei Exposition erhöht
war; 3. Signifikanz der statistischen Bewertung; und 4. die Identifikationsnummer (Acces-
sion No) in entsprechenden Datenbanken
1 2 3 4
Erhöhungs- ANOVA Accession
Protein Name faktor (p) No.
Histidyl-tRNA synthetase 4.715 0,001 P12081
Threonyl-tRNA synthetase, cytoplasmic 4.664 0,009 P26639
Succinate dehydrogenase [ubiquinone] flavoprotein subunit 4.602 9,35°-03 P31040
Leukotriene A-4 hydrolase 4.596 6,28E-04 P09960
Vacuolar ATP synthase subunit B 1 4.548 1,98°-05 P21281
Glycyl-tRNA synthetase 4.512 0,002 P41250
Inosine-5’-monophosphate dehydrogenase 2 4.445 9,68E-04 P12268
Tyrosyl-tRNA synthetase, cytoplasmic 4.370 0,011 P54577
Methylcrotonoyl-CoA carboxylase beta chain, mitochondrial 4.365 0,011 Q9HCC0
Bifunctional purine biosynthesis protein PURH 4.324 0,001 P31939
Moesin 1 4.256 0,004 P26038
Ezrin 4.185 0,002 P15311
NADH-ubiquinone oxidoreductase 75 kDa subunit, mitochon-
drial 4.180 0,012 P28331
Heat shock 70 kDa protein 4 4.161 0,007 P43932
GMP synthase 4.103 0,007 P49915
Programmed cell death 6-interacting protein 4.091 5,87E-05 Q8WUM4
T-complex protein 1 subunit delta 4.019 0,036 P50991
Ubiquitin carboxyl-terminal hydrolase 14 3.986 0,005 P54578
Pyruvate kinase, isozymes M1/M2 3.918 0,001 P14618
Protein disulfide-isomerase A3 1 3.764 0,003 P30101
Cytosolic nonspecific dipeptidase 3.718 5,42°-04 Q96KP4
Isocitrate dehydrogenase [NADP] cytoplasmic 2 3.680 0,012 O75874
T-complex protein 1, zeta subunit 3.612 0,006 P40227
D-3-phosphoglycerate dehydrogenase 3.579 0,016 O43175
Moesin 3.575 0,022 P26038
Neutral alpha-glucosidase AB precursor 1 3.573 0,015 Q14697
WD-repeat protein 1 3.552 0,017 O75083
Dihydrolipoyl dehydrogenase, mitochondrial 3.480 0,010 P09622
26S protease regulatory subunit 6B 3.415 0,006 P43686
Glutamate dehydrogenase 1, mitochondrial 3.394 0,025 P00367
Aminoacylase-1 3.350 0,004 Q03154
Catalase 3.302 0,001 P04040
T-complex protein 1, alpha subunit 3.258 0,010 P17987
Synaptic vesicle membrane protein VAT-1 homolog 3.210 0,002 Q99536
Coagulation factor XIII A chain precursor 1 3.165 0,022 P00488
78 kDa glucose-regulated protein 1 3.124 0,012 P11021
LIM and SH3 domain protein 1 3.114 0,023 Q14847
Abb. 5.7: Die Graphik zeigt die ersten 37 Proteine, deren Syntheserate nach Exposition
mehr als dreifach, signifikant erhöht waren.
Man kann man im Vergleich von 5.8b und 5.8d deutlich sehen, dass die Autoradiographie
der aus exponierten Zellen gewonnenen Proteine stärkere Einbauraten von 35S zeigt (er-
kennbar an den stärker kontrastierten Spots). Daraus kann der Effekt der Strahlung auf die
Proteinsynthese abgelesen werden.
her Proteinsynthese, zeigen tatsächlich eine weitere Steigerung der Proteinsynthese (vergl.
Abb 5.9c mit 5.9d).
Abb. 5.9 Aktivierte weiße Blutkörperchen zeigen eine geringe aber messbar gesteigerte ex-
positionsbedingte Syntheserate
5.4.5 Interpretation:
Durch die Aktivierung und somit natürlicher Induktion der Proteinsynthese konnten aus ru-
henden und unempfindlichen Zellen offensichtlich reaktive Zellen gewonnen werden. Eine
mögliche Erklärung wäre, dass Zellen mit hoher Protein-Syntheserate eher sensitiv sind, als
solche mit geringer Protein-Syntheserate.
Fibroblasten
Jurkat-Zellen
Abb. 5.10: GSM & UMTS erhöhen die Proteinsynthese in ähnlicher Weise
5.5 Diskussion
Die vorgelegten Ergebnisse zeigen sehr deutlich, dass bei genügend langer Exposition
(8 Std.) mit Mobilfunkstrahlung (GSM und UMTS) einige kultivierte Zellen biologische Reak-
tionen zeigen. Bei reaktiven Zell-Typen und acht Stunden Exposition tritt der Effekt verläßlich
auf, wenn innerhalb der Expositionszeit den Zellen nach 5 Minuten der Exposition 10 Minu-
ten Pause eingeräumt wurden, also die Zellen nur etwa zu einem Drittel der Zeit den Feldern
tatsächlich ausgesetzt waren
Eine Beobachtung war, dass von den unterschiedlichen Zellen jene besonders reagieren, die
metabolisch aktiv sind. Diese Zell-Eigenschaft findet sich vermehrt bei wachsenden Gewe-
ben, also bei Kindern und Jugendlichen. Somit wären diese Personengruppen für die be-
schriebenen Effekte überdurchschnittlich anfällig.
Das mit der erhöhten Proteinsynthese verbundene Gesundheitsrisiko kann derzeit noch nicht
befriedigend abgeschätzt werden.
5.7 Ausblick
Einige Einzeluntersuchungen haben Hinweise geliefert, die durch weitere Untersuchungen
abgeklärt werden sollten.
1. In wenigen Experimenten wurde mit niedriger SAR (0,1, und 0,5 W/kg) exponiert, und
die erhöhte Proteinsyntheserate bei den sensiblen Zellen ebenfalls beobachtet. Es
wäre somit interessant in einer vollständigen experimentellen Serie die Wirkschwelle
(SAR-Wert bei dem die Effekte noch nicht oder gerade schon auftreten) zu finden.
2. Die erhöhte Proteinsynthese war nach Expositionsende innerhalb von zwei Stunden
nicht mehr nachweisbar; die Zellen normalisieren sich also innerhalb von zwei Stun-
den. In Hinblick auf Expositionspausen wäre es interessant in Folgeexperimenten de-
tailliert zu testen wie lange die Erholungszeit tatsächlich beträgt.
5.8.1 Anhang 1
Folgende Abbildung 5.10 (a-d), stellt eine beispeilhafte Dokumentation der Proteinidentifika-
tion an kompletten 2D Gelen mit Proteinmengendarstellung (Fluoreszenz) und Protein-
Synthese-Darstellung (Autoradiographie). Jedes „Nummern-Schild“ entspricht einem identifi-
zierten Protein.
Abb 5.10 d), Jurkat-Zellen nach GSM real Exposition, Synthesebestimmung Autoradio-
graphie. Verglichen mit 8 b) zeigt sich eine umfassende Steigerung der Protein-Synthese
durch reale Exposition.
5.8.2 Anhang 2
Liste der 424 unterschiedlichen Proteine, die aus insgesamt über 660 spots mittels 2D-
Elektrophese & Fluoreszenzfärbung detektiert und identifiziert wurden. Angegeben sind, 1.
die SwissProt-Datenbank Nummer (AccNr); 2. Protein-Namen; 3. Molekulargewicht (MW); 4.
isoelektrischer Punkt (pI), 5. die Zahl der unterschiedlichen Peptide, die pro Protein durch
Fragmentierungsanalysen sequenziert werden konnten (Pept), sowie 6. der Prozentsatz der
dadurch abgedeckten Aminosäuresequenz (AA%).
1 2 3 4 5 6
AccNr Protein-Name MW pI Pept. AA%
1,2-dihydroxy-3-keto-5-methylthiopentene dioxygenase
(EC 1,13,-,-) (Aci-reductone dioxygenase) (ARD)
Q9BV57 (Membrane-type 1 matrix metalloproteinase cytoplas- 21498,5 5,43 4 33,0
mic tail-binding protein 1) (MTCBP-1) (Submergence-
induced protein 2 homolog) (SIPL
130 kDa leucine-rich protein (LRP 130) (GP130) (Leu-
P42704 145202,1 5,50 29 25,4
cine-rich PPR motif-containing protein)
14-3-3 protein gamma (Protein kinase C inhibitor prote-
P61981 28171,5 4,80 10 54,7
in 1) (KCIP-1)
14-3-3 protein zeta/delta (Protein kinase C inhibitor
P63104 27745,3 4,73 6 32,2
protein 1) (KCIP-1)
150 kDa oxygen-regulated protein precursor (Orp150)
Q9Y4L1 111335,9 5,16 10 17,3
(Hypoxia up-regulated 1)
26S protease regulatory subunit 4 (P26s4) (Protea-
P62191 49184,8 5,87 3 11,6
some 26S subunit ATPase 1) - Homo sapiens (Human)
26S protease regulatory subunit 6A (TAT-binding pro-
P17980 49203,8 5,13 6 18,7
tein 1) (TBP-1) (Proteasome subunit P50)
26S protease regulatory subunit 6B (MIP224) (MB67-
P43686 47366,5 5,09 3 17,2
interacting protein) (TAT-binding protein 7) (TBP-7)
P35998 26S protease regulatory subunit 7 (MSS1 protein) 48502,9 5,72 1 5,1
26S protease regulatory subunit 8 (Proteasome sub-
unit p45) (p45/SUG) (Proteasome 26S subunit ATPase
P62195 45626,3 7,11 6 20,9
5) (Thyroid hormone receptor-interacting protein 1)
(TRIP1)
26S protease regulatory subunit S10B (Proteasome
P62333 44173,2 7,09 7 25,4
subunit p42) (Proteasome 26S subunit ATPase 6)
26S proteasome non-ATPase regulatory subunit 11
O00231 (26S proteasome regulatory subunit S9) (26S protea- 47332,8 6,09 8 27,7
some regulatory subunit p44,5)
26S proteasome non-ATPase regulatory subunit 13
Q9UNM6 (26S proteasome regulatory subunit S11) (26S protea- 42918,7 5,53 6 26,1
some regulatory subunit p40,5)
26S proteasome non-ATPase regulatory subunit 14
O00487 (26S proteasome regulatory subunit rpn11) (26S pro- 34577,3 6,06 3 20,0
teasome-associated PAD1 homolog 1)
6.1 Einleitung
Das AUVA Projekt „ATHEM“, von welchem der Bericht nun vorliegt, hat einige neue Aspekte
zur Exposition mit hochfrequenten Elektromagnetischen Feldern (HF-EMF) erbracht.
Die untersuchten Felder waren primär die des Mobilfunks, die Ergebnisse könnten aber auch
relevant sein, für verwandte Frequenzbereiche wie z.B. Kurzwellen-Diathermie, Induktions-
härteanlagen, Plastikschweißmaschinen, etc. bis zu Mikrowellen von Radaranlagen und Mik-
rowellen-Diathermie.
Die Ergebnisse sind mehrfach nennenswert. Gemessen an internationalen Forschungsaktivi-
täten sind die Resultate ein aktueller Beitrag zur internationalen wissenschaftlichen Diskus-
sion. So sind die Zell-Untersuchungen wegweisend dahingehend, dass sie bestehende Wi-
dersprüche in den wissenschaftlichen Berichten auflösen könnten und die Reaktionsweisen
der Zelle auf HF-EMF-Exposition wesentlich konkreter beschreiben, als es bisher möglich
war. Es bestehen Hinweise, dass die kontinuierliche (Dauer-) Exposition weniger Effekte
erzeugt als die intermiittierende (5 min. „on“ 10 min „off“), ein ständiger Wechsel der Exposi-
tionsbedingungen könnte für die Zelle ein zusätzlicher Stressor sein.
Die Untersuchungen zeigten, dass Reaktionen des Zentralnervensystems auf die Exposition
mit schwachen Mikrowellen (0,1 W/kg oder 1 W/kg), wie sie beim Mobilfunk auftreten, mög-
lich sind und die Veränderungen sogar nach Expositionsende anhalten. Die Bedeutung der
Befunde liegt aber darüber hinaus darin, dass die Effekte, bei Annahme von nur thermischen
Wirkungen - und darauf beruhen die derzeit geltenden Grenzwerte - gar nicht auftreten dürf-
ten. Somit sind diese Effekte ein weiterer Beweis der Existenz athermischer Wirkungen.
Es bestätigte sich die Annahme, dass es empfindliche und unempfindliche Zellen gibt. Bei
den Bindegewebszelllen wurden strahlenbedingte Effekte gezeigt, die bei den Lymphozyten
nicht deutlich auftraten. Im Gegensatz zu früheren Untersuchungen wurde nicht nur die Pro-
teinmenge in der Zelle untersucht, sondern die Neubildungsaktivität (Synthese) unter Exposi-
tion. Dabei wurde erstmalig gezeigt, dass die Exposition zu Mobilfunkstrahlen eine deutliche
Veränderung im Proteinsynthese-Profil bewirkt. Die gefundenen Effekte sind bei der Exposi-
tion mit SAR 2 W/kg reproduzierbar und statistisch hoch signifikant, sie treten bereits bei
einer SAR von 0,1 W/kg auf, also bereits bei niedrigen Feldstärken. Die Aktivierung der Pro-
teinsynthese ist ca. 4 Stunden nach Expositionsbeginn messbar vorhanden. Da die Erwär-
mung von der Anlage konstant gehalten und aufgezeichnet wurde, und in dieser Zeitspanne
keine erfassbaren Temperatur Veränderungen auftraten, schließt dies ebenfalls einen ther-
mischen Effekt aus, zumal die Temperaturerhöhung in den bestrahlten Proben extrem nied-
rig war. Die erhöhte Syntheserate bildet sich nach Expositions-Ende innerhalb von 2 Stun-
den zurück, die Proteinsynthese erreicht dann den normalen Zustand. Eine Dynamik, die
ebenfalls mit „thermischen“ Wirkungen kaum erklärbar ist.
x Wahl eines Mobiltelefons mit Freisprech-Funktion. Dadurch muss das Handy nicht am
Ohr gehalten werden. Die Strahlung nimmt mit dem Abstand zum Handy stark ab. Bei
vielen modernen Handys ist bis zu ca. 2 Metern (und mehr) Abstand zwischen Handy
und Ohr ein Gespräch ohne Qualitätsverlust zu führen.
x Wahl eines Mobiltelefons mit niedriger SAR und niedrigem Connect-Strahlungsfaktor.
Es können im Internet vor dem Kauf eines Handys dessen Strahlungseigenschaften
studiert werden. Neben SAR-Wert in W/kg (Spezifische Absorptionsrate) ist auch der
sogenannte Connect-Strahlungsfaktor von Interesse, der die Strahlungsschwankungen
und – Spitzen in einer Empfangssituation und damit auch die effektive Sendeleistung
einbezieht. Im Zweifelsfall sollte sich der Verbraucher stärker an den Connect-
Strahlungsfaktoren orientieren. Allgemeine Informationen dazu finden sich auf der
Webseite des Deutsches Bundesamtes für Strahlenschutz
www.bfs.de/elektro/oekolabel.html oder beim Schweizer Amt für Gesundheit
www.bag.admin.ch/themen/strahlung/00053/index.html?lang=de, oder dem Link
www.handywerte.de, wo man für zahlreiche Handys die Strahlungseigenschaften fin-
det.
x Eingeschaltetes Mobiltelefon in die Tasche geben und nicht am Körper tragen. Dies vor
allem, wenn die Person in Bewegung ist (z.B. im Zug oder Auto).
x Im Auto die Lautsprecher-Funktion, oder Headset, oder bluetooth benützen, besser ei-
ne Freisprecheinrichtung mit Aussenantenne verwenden. Telefonieren im Auto kann
ohne Außenantenne die Exposition deutlich erhöhen (im Vergleich zur Situation außer-
halb des Autos).
x Nicht bei schlechtem Empfang telefonieren (im Keller oder Aufzug). In solchen Situati-
onen muss das Handy seine Leistung erhöhen, um die Verbindung zur Basisstation
aufzubauen bzw. aufrechtzuerhalten
x Kein stundenlanges Telefonieren. International publizierte Studien und die ATHEM Er-
gebnisse haben gezeigt, dass empfindlichen Zellen nach 2-4 Stunden Exposition mit
Veränderungen der DNA [1-3] und Protein-Syntheserate [siehe Report-Kapitel 5: „Pro-
teom“] zu reagieren beginnen und nach 8 Stunden diese Effekte sicher eintreten.
x Nachdem die Wirkungen auf die Proteinsynthese (Zellstress) ca. 2 Stunden nach Ende
der Exposition nicht mehr erkennbar sind, erscheinen expositionsfreie Pausen ange-
zeigt.