Mittelalter Kitguide Zivilmode Um 1400 Version 2
Mittelalter Kitguide Zivilmode Um 1400 Version 2
Inhalt
Einleitung ............................................................................ 3
Unterkleidung ..................................................................... 5
Oberkleidung ....................................................................... 8
berkleidung ..................................................................... 14
Die Kleidung des einfachen Mannes ................................ 15
Die Schecke ..................................................................... 16
Das weite Gewand/ Tappert............................................ 21
Mntel............................................................................... 23
Kopfbedeckungen.............................................................. 26
Schuhwerk......................................................................... 30
Schlussbemerkungen ......................................................... 33
Einleitung
Kostmkundliche, respektive textil-archologische Abhandlungen fr den Zeitraum der Sptgotik
sind oftmals ohne eine gewisse Vorbildung nur schwerlich zu verstehen, bzw. ist den
Argumentationslinien zu folgen. Eine Vielzahl von parallel bestehenden historischen Begriffen, die
sich mit einer Vielzahl moderner Interpretationen fr ebenselbige koppelt, Quellenreichtum bei
stellenweise gleichzeitigem kleinrumlichem Quellenmangel und natrlich die unterschiedlichen
Ausrichtungen der Publikationen, seien es kunsthistorisch-kostmkundlich orientierte oder
archologisch-technologische, erschweren die Einarbeitung in das Thema und machen die
Beschftigung mit Kleidung im Sptmittelalter im Allgemeinen und in all ihren Teilaspekten im
Speziellen zu einem wahrhaft weiten Feld. Allein die Schwierigkeiten der wissenschaftlichen
Nomenklatur knnen stark in die Irre fhren. So werden bei einem Autoren die Begriffe Wams,
Schecke, Pourpoint o.. gleichgesetzt, bei dem Nchsten handelt es sich um unterschiedliche
Kleidungsstcke und beide Autoren knnen ihre Bezeichnungen historisch belegen. Die Vielzahl
der Verffentlichungen bietet dem Interessierten jeglichen Ansatzpunkt die eigenen Forschungen
aufzunehmen oder zu vertiefen. Ziel dieses Guides ist es in stark verkrzter Form bildhaft Beispiele
fr die Kleidung im deutschen Raum um 1400 zu geben. Es versteht sich von selbst, dass dies nur
ein winziger Ausschnitt ist und niemals Anspruch auf erschpfende Darstellung aller Aspekte,
Trends oder Vollstndigkeit erheben kann, noch will. Ziel ist es vielmehr, eine erste Richtung
aufzuzeigen, einen kleinen Leitfaden zu erstellen um es Neulingen zu ermglichen, gleich zu Beginn
ein optisch stimmiges Bild zu erzeugen, um das Gesamtbild auf Veranstaltungen des behandelten
Zeitrahmens nicht zu stark zu verzerren. Wie im Kitguide Rstung-Schilde-Waffen, wurde
versucht nach Mglichkeit Quellen aus Bereichen des heutigen Deutschland und direkt
angrenzender in Verbindung stehender Rume zu nutzen, jedoch finden auch franz., ital. oder
sonstig verortete Quellen entfernterer Provenienz Verwendung. Hier sei nochmals darauf
verwiesen, dass die hinter diesem Werk stehende Intention nicht die ist, eine umfassende LivingHistory Anleitung zu geben, sondern eine Richtschnur zur Gestaltung bzw. dem Kauf einer ersten
Grundausstattung ohne groe Fehlinvestitionen zu ttigen, auch wenn es durchaus erfreulich wre
wenn sich ber diesen Guide eine intensivere Beschftigung mit der Materie ergeben wrde.
Grundstzlich ist die Kleidung in mehreren Schichten wie folgt aufgebaut:
Unterkleidung:
Das direkt am Krper getragene: Bruche-Leibhemd-Kopfbedeckung
Oberkleidung:
Die Unterkleidung bedeckende Kleidungsstcke. Unterkleidung zu zeigen ist unschicklich und wird
naturgem nur von arbeitenden, ergo niedrig stehenden, Schichten praktiziert. Grundstzlich gilt
es, dass man niemals nur in Unterkleidung auftritt, Oberkleidung also gesellschaftlich zwingend ist:
Beinlinge/Protohosen-Wams
berkleidung:
Im einfachen Fall die obere Kleidungsschicht, oder reprsentative Kleidungsstcke die funktional
nicht unbedingt notwendig sind (Katrin Kania weist zurecht darauf hin, dass Reprsentation
letztlich jedoch fr die hheren sozialen Schichten zwingend ist, berkleidung also auch
Oberkleidung ist (Kania 2010, 110)): Kittel oder Schecke/Tappert, gegebenenfalls Mantel
Kopfbedeckung:
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Fr den Mann herrscht keine sittliche Vorschrift sein Haupt zu bedecken, als modische
Vervollstndigung werden jedoch gerne mannigfaltige Kopfbedeckungen genutzt.
Wir sehen also, dass sich ber diese Schichtung der Kleidung gewisse Zwnge ergeben. Sowohl
gesellschaftliche als auch profan konstruktionsbedingte. Die Unterwsche kann natrlich nicht
alleine getragen werden. ber der Bruche sind Beinlinge ein Muss. Diese werden jedoch nicht
mehr an der Bruche befestigt sondern am den Oberkrper bedeckenden Wams. Beinlinge und
Wams werden ergo stets zusammen getragen. Fr einfache Bevlkerungsschichten ist dieses
Ensemble in der warmen Jahreszeit durchaus schon ausreichend. In klteren Zeiten muss jedoch
darber ein weiteres Obergewand und evtl. zustzlich auch ein Mantel getragen werden. Fr sozial
hher gestellte Schichten ist durch den Reprsentationszwang jedoch auch abseits der
winterlichen Klte, eine weitere Kleidungsschicht erforderlich, die jedoch vielfltige Formen
annehmen kann, sodass fr den Ritter von Welt ber dem stets krpereng und mit engen langen
rmeln geschnittene Wams noch die enge Schecke oder ein weites Gewand getragen werden
muss.
Augsburg und Budapest, den 24.2.2014
Frederik-Sebastian Kirch M.A.
Unterkleidung
Oberkleidung
Nrnberger Hansel
Das Wams ist durchgehend geknpft und besitzt an den am Handgelenk leicht ausgestellten
rmeln ebenfalls eine Knopfreihe. Deutlich wird die Taillierung und ausgepolsterte Brust. Im
Schritt ist das Wams lnger ausgezogen, an den Seiten leicht geschlitzt.
Pourpoint/Steppwams des
Grafen von Blois
Dieses mitunter auch als
Schecke angesprochene
Stck zeigt deutlich den
Schnitt Grandes
Assittes, der bei engem
Schnitt trotzdem eine hohe
Beweglichkeit der Arme
erlaubt.
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Franais 343 - Queste del Saint Graal Tristan de Lonois 3, Italien 1380- 85
Deutlich wird hier der Wamsschnitt Grandes Assittes. Die Armkugel reicht fast bis auf die
Brust- bzw. Rckenmitte und lsst dort im Extremfall nur einen schmalen Stoffstreifen. Die rmel
knnen dabei farblich zum Torso abgesetzt sein.
Pourpoint de blois.
Die Innenseite des
Steppwamses zeigt die
Nestelmglichkeiten fr die
Beinlinge
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Militrisches Steppwams um
1435-1445
KingSyphax, fol2825v
Istituto al Gabinetto Rom
Hosen im modernen Sinne sind fr den Zeitraum um 1400 noch nicht zu verwenden. Zwar mehren
sich die schriftlichen Hinweise bezglich am Ges geschlossener Hosen zum Ende des 14. Jh. hin,
doch sind diese ikonographisch nur schwer nachweisbar und scheinen zunchst noch eine groe
modische Neuerung zu sein. Auch Illuminationen wie jene aus der Prager Wenzelswerkstatt die
geschlossene Hosen suggerieren, knnen nicht zweifelsfrei als solche interpretiert werden.
Seperate Beinlinge haben jedoch zu diesem Zeitpunkt sicherlich bereits den Schritt zu am Ges
fast bndig liegenden Stoffbahnen abgeschlossen.
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Kreuzigungsszene (Detail)
Diese bhmische Malerei zeigt Mnner bei schwerer
krperlicher Arbeit, die die hinteren Befestigungen
ihrer Beinlinge gelst haben. Whrend dies fr
vornehme Herren kaum tolerierbar wre, dient es hier
als Stilmittel um die einfache arbeitende jdische
Bevlkerung zu charakterisieren.
berkleidung
Neben der Kleidung der einfachen Bevlkerung soll hier der Schwerpunkt vor allem auf den
Gewndern hherer Schichten liegen. Auf die Diskussion zur Nomenklatur soll hier nicht intensiver
eingegangen werden. Grundstzlich gibt es zwei Hauptgewandtypen die als berkleidung zu
nutzen sind. Zum einen ein enges Krpernah geschnittenes Gewand und zum anderen ein weites,
stoffreich geschnittenes Gewand. Whrend das eng geschnittene, hier im Weiteren Schecke
genannt, zumeist Hft- oder maximal Oberschenkellang ist, wird das weite Gewand in fast allen
Lngen getragen. Die rmelformen sind davon jedoch unabhngig und nehmen bei beiden
Varianten ein breit gefchertes Spektrum ein.
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Tunika aus dem Bocksten Moor, 14. Jh. (95,4% 1270-1320 und 1350-1390)
Mittig angesetzte Keile sorgen fr eine taillenabwrtsgerichtete Stofflle
(Kania 2010, 303; Abb. 213
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Die Schecke
Wandteppich, Regensburg
Schecke in mi-parti. Im Schritt ausgezogen, Muffenrmel
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Oberrhein, 1390
Verschiedene Oberbekleidungen von einfachen Arbeitern, hier fllt die dem Zeitgeschmack
folgende Krzung der Gewnder und die den Arbeitsnotwendigkeiten folgende Enge der rmel auf.
Die Schecken der darber zu sehenden hher gestellten Personen sind nur knapp hftlang und
weisen verschiedene rmel auf. Bei den Trompetenrmeln rechts sind die mit trichterfrmigen
Muffen versehenen rmel des darunter getragenen Wamses zu beachten.
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Mantel/Tappert des Jan Zhorelecky +1396 (jngster Sohn Karl IV.), vor 1396
Links Zustand nach Konservierung, rechts Schemazeichnung des Aufbaus der Vorderseite
Die Konstruktion in vielen Stoffbahnen sorgt fr die bereits an der Schulter beginnende Weite
(Abb. Kania 2010, 325; Abb. 391, 392)
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Mntel
Sofern Mntel getragen werden sind zwei Varianten mglich:
Die sogenannte Heuke, ein auf der Schulter mit einer Knopfreihe zu verschlieender Mantel
unterschiedlicher Lnge
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, oder der weiterhin in Gebrauch befindliche auf der Brust oder mit Tasseln verschlossene Mantel
im Halbkreisschnitt:
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Kopfbedeckungen
Ganz so wie heute auch dienen Kopfbedeckungen sowohl praktischen als auch modischen
Zwecken. Und ganz genau wie heute auch ndern Objekte die ursprnglich rein praktische
Funktion hatten ihr dasein zu modischen Prestigestcken. Hier seien im Folgenden einige
Varianten aufgezeigt wie das Kleiderensemble durch eine adquate Kopfbedeckung vervollstndigt
werden kann. Wenn auch die deutschen Lande bei weitem keine so bunte Mischung an Exotik und
verwegener Kreativitt zeigen was die Bedeckung des Hauptes angeht wie das angrenzende
Frankreich um die Jahrhundertwende und den folgenden Dekaden gibt es doch durch aus mehr als
genug Mglichkeiten sich von seinem gegenber abzuheben.
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Schuhwerk
Im Gegensatz zur Kleidung die hufig abgendert, zerschnitten und wiederverwendet oder
Zweckentfremdet weiter genutzt wurde, kann man Schuhe wohl eher als eine Art
Wegwerfprodukt ansehen. Auch wenn Reparaturmanahmen und Flickschusterei durchaus
nachweisbar sind, zeigen die erhaltenen Stcke deutlich, dass sobald das Schuhwerk untauglich
wurde, es hufig entsorgt und ausgetauscht wurde. Im Gegensatz zur Kleidung und
Kopfbedeckungen sind wir ber diese Fundgattung tatschlich ber die erhaltenen Originale besser
informiert als ber ikonographische Nachweise. Dies liegt zum einen daran, dass Illuminationen
Schuhwerk hufig stark stilisiert und vereinfacht darstellen, sodass kaum Informationen zur
genauen Konstruktion zu entnehmen sind- auch wenn es durchaus einige uert detaillierte
Quellen qie Altarbilder, Grabmler o.. gibt- und an der Tatsache dass sich die berreste der
Schuhe in Feuchtbodenmillieus exzellent erhalten haben und mehrere groe Grabungen (z.B
Schleswig, Konstanz) hervorragend publiziert sind. Viele Typen sind extrem langlebig, oder
erfahren an unterschiedlichen Orten unterschiedliche Rezeption und dadurch Nutzungsdauer. So
sind beispielsweise in Schleswig Typen anzutreffen die in den Konstanzer Funden nicht mehr
auftreten, was unter anderem, wenn auch nicht ausschlielich, damit zusammenhngt, dass der
Abfall hier von anderen Schichten (in diesem Falle gehobenes Brgertum) produziert wurde als in
Schleswig. Bei den hier gezeigten Typen wurde sich vor allem auf erhaltene Schuhe aus den
Konstanzer Grabungen gesttzt, da diese den im meisten Fall angestrebten ritterlichen
Darstellungen eher entsprechen, auch wenn beispielsweise modische Extravaganzen wie
Poulaines, besonders lange Schnabelschuhe, hier nicht auftreten. Es gibt war einige Typen die lter
anzusprechen sind und Ende des 14. Jh. auslaufen und um 1400 noch vorkommen knnten, diese
wurden jedoch nicht aufgefhrt, sondern nur sicher um 1400 auftretende und in voller
Nutzungsphase stehende Typen.
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Schlussbemerkungen
Die Abbildungen dieses Beitrages stammen grtenteils aus ffentlich zugnglichen
Internetquellen.oder einschlgigen Publikationen mit Literaturzitat und wurden von mir zu
wissenschaftlich-pdagogischen Zwecken hier zusammen getragen. Wo nicht anders
gekennzeichnet sind die interpretativen Teile Gedankengut des Autors.
Kommerzieller Nutzen dieses Kitguides wird hiermit ausgeschlossen und wir bitten den
schpferischen Part des Zusammenstellens und Interpretierens soweit zu respektieren, dass dieser
Kitguide weder unter falschen Namen verffentlicht, noch textliche Inhalte ohne Weiteres und
Nachfrage als Grundlage eigener Arbeiten herangezogen wird.
Zur eigenen Forschung seien die Datenbanken
http://tethys.imareal.sbg.ac.at/realonline/
zu smtlichen ikonographischen Nachweisen von Realia
und fr spezielle Gattungen:
http://effigiesandbrasses.com
http://manuscriptminiatures.com
http://armourinart.com/
wrmstens empfohlen.
Literatur:
Hier knnen nur die zitierten Werke und einige einfhrende Titel genannt werden. Fr eine
ausfhrliche Bibliographie ist dies der Platz nicht.
E. Crowfoot et. al., Textiles and clothing 1150-1450 (London 1992/2001)
G. Egan, F. Pritchard, dress Accessoirs 1150-1450 (London 1991/2002)
K. Kania, Kleidung im Mittelalter: Materialien - Konstruktion - Nhtechnik. Ein Handbuch
(Wien/Kln 2010)
U. Lehnhart, Kleidung und Waffen der Sptgotik II 1370-1420 (Wald-Michelbach 2003)
S. Mary-Newton, fashion in the age of the Black Prince (Woodbridge 1980)
E. Ostergaard, Woven into the earth (Aarhus 2004)
Ch. Schnack, Mittelalterliche Lederfunde aus Konstanz (Stuttgard 1994)
M. Scott, Kleidung und Mode im Mittelalter (Stuttgart 2009)
E. Wagner et. al., Medieval Costume, Armour and Weapons ( Mineola 200)
Desweiteren:
Fr die Unerfahreneren ist es sicherlich sinnvoll sich zunchst genau an diesen Guide zu halten. Mit
zunemnder Quellenkenntnis, ist das Ziel des Guides erreicht und er selbst obsolet, dennoch wrde
ich empfehlen, sobald man sich von den hier vorgestellten beispielen entfernt stets den
Quellenbeleg parat zu haben, um zweifelhafte Situationen, sei es bei der Anmeldung zu best.
Veranstaltungen oder whrenddessen, von vorneherein ausschlieen zu knnen.
Haltet euch an die Regel: Locker-Eng-Weit beim Zwiebelaufbau der Kleidung. Die Leibwsche
darf lockerer und bequemer sitzen. Wams und Beinlinge MSSEN eng sitzen! Kein Sweatshirt33
Wams, keine Baggy-Beinlinge, niemals nicht never! Die berkleidung als Tappert/Houppelande
kann dann mitunter extreme Weiten erreichen. Wenn ihr in eurer Klamotte vor dem Spiegel steht
und ihr seht nicht so aus wie das Bild im Guide, das ihr euch zum Vorbild genommen habtmsst
ihr noch was dran ndern! Frohes Schneidern und schneidern lassen.
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