Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Der Münzschatz Von Ilanz Und Die Entstehung Des Mittelalterlichen Münzsystems / Von Hans-Ulrich Geiger
Der Münzschatz Von Ilanz Und Die Entstehung Des Mittelalterlichen Münzsystems / Von Hans-Ulrich Geiger
Zeitschrift fr Geschichte
Revue Suisse
WM.
rv;?\:vv5p;:vff!fVfVf
d'Histoire
Wimyyyyy'yfyyM
iSSiffilihBBBBi
Hh:;iii;;i;s!!!?i
lIllllllllitillliiiBJlB^^
:];
Rivista Storica
Svizzera
7P55
Fo/.3c5
SCHWAB F & CO AG
VERLAG BASEL
:vvvfvvff:vvfv:
... la fois barometres de mouvements profonds et causes de non moins formidables ren
dements de la masse sociale, les phenomenes monetaires se rangent parmi les plus dignes
d'attention, les plus revelateurs, les plus charges de vie, sur lesquels l'historien doit se pencher. Marc Bloch, Esquisse d'une histoire monetaire de l'Europe. Paris 1954, S. 41
(Cahiers des Annales, 9).
395
Aspekt der Numismatik wurde zudem nicht nur von den Historikern ver
nachlssigt, sondern ebenso von den Numismatikern selber, die sich mehr
den deskriptiven und mnzgeschichtlichen Seiten widmeten. Um zu verste
hen, was Geld in seiner Entwicklung eigentlich ist, mssen wir auf Hans
Gebhart2 und Karl Polanyi3 zurckgreifen; Jan Dhondt hat als einer der
wenigen in seinem Handbuch zum frhen Mittelalter die Fragen des Geldes
kompetent eingebaut4.
Doch zurck zu Pippin. Am konkreten Beispiel mchte ich zeigen, mit
was fr Methoden die Mnz- und Geldgeschichte arbeitet, was sie allenfalls
zur allgemeinen Geschichte beitragen kann.
Das sptantike Rom besass ein differenziertes Mnz- und Geldsystem,
das auf der Goldwhrung aufbaute. Daraus entwickelte sich das mittelal
terliche Mnzwesen in einem langsamen Prozess, der sich ber drei Jahr
hunderte hinzog5. Whrungseinheit bildete der Solidus mit einem Gewicht
von rund 4,5 g. Dazu gab es das Drittelstck, den Tremissis. Kleine Silber
mnzen sowie die kupfrigen Nummi im Kleinstformat wurden zu spora
disch ausgeprgt, um den Kleingeldbedarf zu befriedigen.
Die germanischen Vlkerschaften, die sich vom 5. Jahrhundert an auf
Reichsboden niederliessen, bernahmen dieses Mnzsystem und prgten
die Goldmnzen im Namen und mit dem Bild des Kaisers nach. Eigenstn
dig dagegen waren die sehr vereinzelt ausgebrachten Kleinmnzen in Silber
und Kupfer. Vom 6. Jahrhundert an verengte sich das Mnzwesen in den
Germanenstaaten auf das eine Nominal des goldenen Tremissis, whrend
der Solidus nur noch selten geprgt wurde.
Bei den frnkischen Merowingern entglitt dem Knig die Mnzhoheit
vollstndig. Die Prgung besorgten fr rund 800 Emissionsorte sogenannte
Monetre. Bei Respektierung der einheitlichen Whrung bten sie ihre T
tigkeit unter gewisser Kontrolle auf privatwirtschaftlicher Basis aus.
In den Jahren zwischen 670 und 680 vollzog sich ein Wandel von grsster
geldgeschichtlicher Tragweite. Der merowingische Tremissis in Gold wurde
durch den silbernen Denar bei gleichbleibendem Gewicht von 1,3 g
abgelst6. In analoger Weise stellten auch die Friesen und Angelsachsen auf
den silbernen Sceatta um. Damit war die Abkehr vom antiken Mnzsystem
Gebhart, Numismatik und Geldgeschichte. Heidelberg 1949.
Karl Polanyi, konomie und Gesellschaft. Frankfurt 1979. Vgl.
2 Hans
396
Der Schatzfund von Ilanz, und damit kommen wir zum Kern unseres
Themas, zeigt in seiner Zusammensetzung die ganze Entwicklung des karo
lingischen Mnzwesens, von Pippin bis zum reformierten Denar Karls des
Grossen, und dies sowohl fr das frnkische Reich wie fr Oberitalien. Da
mit besitzen wir ein Dokument, das in einzigartiger Weise einen der wich
tigsten Wendepunkte in der europischen Mnzgeschichte beleuchtet.
de Saint-Pierre-les-Etieux (Cher), Plassac (Gironde) et Nohanent (Puy-de-Dme) in:
Revue numismatique 1969, S. 115ff., S. 120. - Ders. Numismatique: Des Merovingiens
aux Carolingiens, les monnaies de Pepin le Bref in: Francia 2, 1974, S. 26-48.
Jean Lafaurie, Numismatique. Des Carolingiens aux Capetiens in: Cahiers de civilisa
tion medievale 13, 1970, S. 121f.
Lafaurie a.O. (Anm. 7), S. 117-137. - Philip Grierson, Money and Coinage under
Charlemagne in: Karl der Grosse, Lebenswerk und Nachleben, hg. von Wolfgang
Braunfels, I, Dsseldorf 1965, S. 501-536.
397
Fundort
3 Ex. im Fund
Ex. im Fund
im Fund
H""
%
<?e
e^cry
Herkunft der Mnzen aus dem Fund von Ilanz (nach Vlckers)
Fritz Jecklin,
398
ab.
(Abb. 1).
40 Tremisses stammen von Desiderius (756-774), dem letzten Langobar
denknig. Die Vorderseite zeigt ein Krckenkreuz mit der ergnzten Legen
de D(ominus) N(oster) DISIDIRIVS R(e)X, die Rckseite einen Stern mit
dem Namen des jeweiligen Emissionsortes, FLAVIA TICINO beispielswei
se (Abb. 2).
Es folgen weitere 40 Tremisses von Karl dem Grossen. Ohne diese Serie
wre kaum erkannt worden, dass Karl nach dem Langobardenfeldzug in
Oberitalien noch Goldmnzen vom traditionellen Typ prgen liess, und das
in so grossem Ausmass. Ausserhalb des Fundes sind nur 10 Beispiele be
S. 128f.
399
31
Abbildung
Abbildung
SsSsSssS
tMy,
SSN
Abbildung
Abbildung
Mit
SsSSSsSS
5. Denar des
6. Denar des
Pippin, AVTRAMNVS
Pippin, Strassburg
Die Legen
de der Vorderseite lautet nun D(omino) N(ostro) CAROLO R(e)X, steht al
so im Ablativ oder besser im Dativ, da Bernareggi sie als Widmung an Karl
verstehen mchte. Diese Emission ist in die 2. Hlfte des Jahres 774 oder
34 Tremisses ist Emission D weitaus die umfangreichste.
11
Christoph Simonett, Die fr Chur geprgte Goldmnze Karls des Grossen in: Quaderni ticinesi di numismatica e antichit classiche 7, 1978, S. 275-278. - Bernareggi,
Carolingian gold coins (Anm. 9),
400
S. 131.
s.
yyy\
- .:"
Abbildung
Abbildung
v-^,
SE'
->.
sS
Hf
^l.1VfVffVV
f. *
:ai;srt:vv;;;v
ff
v'v,
:
y.vy
vy-
v^
:#'
vvv.:,:
; -yy.
>>V
'-.,.
V'
'
.s
^
v
'-v
,v
.<
'
'
V.
Bei den oberitalischen Prgungen Karls lassen sich die einzelnen Grup
pen besser auseinanderhalten. Zunchst haben wir 5 Denare ohne irgend
einen Hinweis auf einen Prgeort. Mit dem bereits bekannten Namenszug
Karls auf der Vorderseite und dem RxF fr Rex Francorum auf der Rck
seite mssen sie Vorlufer der nchsten Gruppe sein. Diese sticht durch den
unverwechselbaren Stil des Stempelschnitts hervor mit den schmalen, ber
langen Buchstaben und ihren spitz-gegabelten Enden. Durch den Fund von
Sarzana-Luni in Ligurien 1868 werden sie als Typus von Sarzana
bezeichnet12. Links an das R von Rex Francorum auf der Rckseite ist ein
zunchst sibyllinisches Monogramm angehngt, das nichts anderes als den
abgekrzten Namen des Prgeortes bedeuten kann. 11 lassen sich mit MED
oder ME Mailand zuweisen, 2 mit PLA Piacenza (Abb. 10). Die
Anschlussprgung zeigt das gleiche Bild in gedrungenerer Form. In die sel
be Periode gehren zwei Denare von Treviso (TARVISIO) mit dem Mono
gramm Karls auf der Vorderseite (Abb. 11) sowie drei weitere Mnzen von
Mailand (Abb. 12), Parma und wiederum Treviso, deren Mnzbild sich
dem frnkischen Schema besser anpasst.
Der einzige reformierte Denar stammt aus Pavia (Abb. 13). Er zeigt das
fr alle Reichsteile einheitliche Mnzbild mit CARLVS REX FR als Um
schrift und dem Kreuz in der Mitte, auf der Rckseite PAPIA und das von
den Urkunden her bekannte Monogramm Karls als besonderes Kennzei
chen dieser neuen Pfennige.
Aus England stammen der Penny von Knig Egbert von Kent und die
12
401
.-.
v-\
xs
Abbildung
Abbildung
11.
12.
5X
Jv
:n:
La
fl
Abbildung
15.
Dirhem
des
Kalifen Al-Mahdi
beiden Stcke von Offa von Mercien, geprgt in Canterbury zwischen ca.
780 und 790 (Abb. 14). Kurz vorher, zwischen 765 und 775 hatte
dort eine
hnliche Umstellung stattgefunden wie unter Pippin, indem die Knige von
Kent den kniglichen Penny an die Stelle des anonymen Sceatt setzten13.
Schliesslich haben wir noch die beiden Dirhem aus Nordafrika. Der eine
von Al-Mahdi wurde 166 AH, das heisst 782/783 n. Chr., in Al-Abbasiya ge
prgt, der andere von Hrn ar-Rashid kommt aus Afrikiya, dem heutigen
Tunis, und ist mit 173 AH, das heisst 789/790 n.Chr., datiert (Abb. 15).
Dass ein Schatz Schmuck enthlt, ist innerhalb der Reichsgrenzen nicht
blich, er ist nicht mit den Hacksilberfunden zu verwechseln, die in Ostund Noreuropa vorkommen, wo das Geschmeide nur Metallwert darstellt.
Die beiden Krbchenohrringe und die fnf medaillonartigen Anhnger aus
Gold drften Familienbesitz des Eigentmers gewesen sein, knnen aber
nur einen Teil der blichen Ausstattung ausgemacht haben (Abb. 16). Der
Typus der Krbchenohrringe, reich mit Almandinen und Glasflssen
13
402
S. 510.
r-^v,v''
.sfifa^..
lirfl
jvjijs
fx':;
'-".':
V
,y-
Abbildung 16. Langobardischer Goldschmuck aus dem Fund von Ilanz: Krbchenohrring,
Medaillons, 2 Goldklmpchen und 2 Fragmente (Massstab 1:1)
Otto von
403
schwerere entspricht 7-8 Tremisses, das leichtere 5. Ihre Funktion ist nicht
ganz klar, vielleicht handelt es sich um eingeschmolzenes Bruchgold.
Darauf knnten zwei winzige Fragmentchen von einem grsseren
Schmuckstck hindeuten, die sich ebenfalls im Schatz befinden.
Von entscheidender Bedeutung ist die Frage, wann dieser Schatz verbor
gen wurde. Da im Laufe der Zeit verschiedene Vorschlge gemacht wur
den, werfen wir zunchst eine Blick auf die Forschungsgeschichte15.
Aus einer heute berholten Suche nach einem kriegerischen oder politi
schen Ereignis als Anknpfungspunkt legte Jecklin die Vergrabung ins
Jahr 77516. Dazu schien sich ihm der Langobardenfeldzug Karls anzubie
ten. Er hatte dabei aber vllig bersehen, dass die beiden Dirhem aufs Jahr
genau datiert sind und einen festen terminus post quem abgeben. Ein Vergrabungsdatum vor 790 ist somit vllig illusorisch. Luschin von Ebengreuth bemerkte diesen Mangel, sttzte sich aber auf eine Fehllesung des
Dirhem Hrn ar-Rashids von Karabacek, der 193 statt 173 AH las. Damit
gelangte er zum genauso verfehlten terminus post quem von 810 n.Chr.17.
Erst Philip Grierson griff das Problem anfangs der fnfziger Jahre wie
der auf und gelangte durch John Walker vom British Museum zu der richti
gen Lesung des Dirhem mit 173 bzw. 789/790 n. Chr. und zu einer Vergrabungszeit zwischen 790 und 79418.
Wer heute ber die Probleme des karolingischen Mnzewesens arbeitet,
kommt am Schatzfund von Ilanz nicht vorbei. An erster Stelle sind hier
Philip Grierson und Jean Lafaurie mit ihren ausgezeichneten Arbeiten zu
nennen. Die Denare des Schatzes fanden eine neue Bearbeitung im Werk
von Hans Hermann Vlckers ber die karolingischen Mnzfunde der
Frhzeit, mit den Tremisses setzte sich vor einigen Jahren Ernesto Berna
reggi auseinander, doch fehlt bislang eine moderne Gesamtbearbeitung.
Was Grssenordnung und Kaufkraft betreffen, so steht Ilanz im Ver
gleich mit den brigen bekannten karolingischen Schatzfunden vor dem
Jahre 800 an der Spitze. Er wird einzig durch den Schatz von BiebrichWiesbaden bertroffen, der 4000-5000 Denare umfasst haben wird, wovon
aber nur 49 Stck gesichert werden konnten19. Der Schatz von Imphy
(Departement Nievre) enthielt 100 Exemplare20 und jener von Krinkberg in
Schleswig-Holstein 91 Denare21. Die brigen sieben Schatzfunde liegen alle
unter 30 Stck.
15
16
17
404
126f.
- Otto P. Clavadetscher,
405
o o
o o
oooo
e
m
XI
"
m:
406
o.
p
:>
>So"
o>
cl.
5 .E 5 5
=5
E =
IEr-J<l05$O
W<OC
<
06/68/
1/ZQL
P|t|soy-JD
N3QISV98V
!PMW-IV
LU3L|J|a
tiQJDH
fr82-SZ2 282-fr82
262-282
N3SH3VS"I39NV
1J3Q63
XuU3d
U0
92
892-152.
022-892
62-022
H3l3yN3XNVMd
J9
u!dd!d
PI-"
uaddmSsuoissiuig
S
2.82.-182.
182.
SE
62-882
008-26/
882
'JQ'PMDX
qomi
J3qi!S
iDuaa
sazjEtps
frfr2-
Ofr
fr22-9S2
fr
l l fr
V 8 3 a
8
sap
SumspsiiD
182
-bZ2
c
puDidjnn
N3I1V1I SISSIUJ3JX
snuapjsaa
J9PMD
'-Z
8i:|otoi
3II3C1BL
PIOD
Von den 138 Mnzen des Schatzes sind 108 italischer Herkunft, 57 allein
aus Mailand. Die Linie nach Norden ist ber Austrasien und das Rhein
land, Quentovic und Dorestad bis England ausgezogen, jene nach Sden
zum Mittelmeer hin bis Nordafrika durch die Dirhem markiert. Auffallend
ist das Fehlen von Denaren aus dem sdlichen Frankenreich, aus Aquitanien und Septimanien, das fr die Nord-Sd-Verbindung ber die Alpen
psse keine Bedeutung besass. Der Schatz knnte meines Erachtens das pri
vate Barvermgen und ein Teil des Schmuckes eines begterten Einheimi
schen gewesen sein, der gute Verbindungen zu Italien und zum Transitver
kehr besass.
Trotzdem Rtien seit dem 7. Jahrhundert fest ins frnkische Reich einge
gliedert war, richtete es sich handeis- und whrungsmssig ganz nach Ober
italien aus. Nicht nur der Ilanzer Schatz, auch Einzelfunde belegen das
ganz deutlich27.
408
Karl hat mit der Prgung von Tremisses bereits vor der eigentlichen
Machtbernahme die langobardische Landeswhrung respektiert, zugleich
aber auch fr sich beansprucht. Die verschiedenen Emissionen im Ilanzer
Fund belegen, dass er die Tremissis-Prgung ber das Jahr 774 hinaus fort
setzte. Dann erfolgte die Ablsung durch den frnkischen Denar, die Um
stellung von Gold auf Silber. Damit vollzog Karl eine Whrungsreform, wie
sie kaum schrfer htte sein knnen, und band Oberitalien ganz bewusst in
seinen Herrschaftsbereich ein29. Benevent beispielsweise, das er nur in locke
rer Form angliederte, beliess er die eigene Mnzprgung mit der traditionel
len Whrung des Goldtremissis30. Mit dieser Umstellung drfte Karl nicht
allzulange zugewartet haben, vielleicht zwei, drei Jahre. Lafaurie und Grier
son setzen sie, gesttzt auf das Capitulare von Mantua, auf das Jahr 781
fest31, was mir zu spt scheint. Das Capitulare von Mantua ist in seinem Aus
sagewert nicht sehr zuverlssig. Zum ersten ist die Datierung auf das Jahr
781 unsicher, zum zweiten wird von nicht przisierten Denaren gesprochen,
die unter Verbot nicht mehr angenommen werden drfen32. Ob damit wirk
lich die Tremisses gemeint sind, scheint mir fraglich.
Eindeutiger ist die Lage fr die zweite Mnzreform, die mit der Erh
hung des Denargewichts und der Vereinheitlichung des Mnzbildes den
Kern des karolingischen Mnzwesens trifft. Dieser reformierte Denar
kommt im Fund in einem einzigen Stck vor, ist somit nach numismati
schen Kriterien die Schlussmnze des Schatzes. Als sicheren terminus post
quem fr die Verbergung haben wir bereits das Jahr 790 festgelegt. Das Ca
pitulare von Mantua mit seiner nicht gesicherten Datierung von 781 wurde
frher fr diese Whrungsreform herangezogen, fllt nun aber auch hier
ausser Betracht. Dafr haben wir in der Synode von Frankfurt vom Juni
794 eine quellenkritisch sicherere Grundlage33. 5 verordnet, dass die
neuen Denare berall Kurs haben und angenommen werden mssen, vor
ausgesetzt, sie tragen das Namensmonogramm Karls und sind von gutem
Silber und vollgewichtig. Mit dem Passus: si autem nominis nostri nomisma habent nimmt sie so eindeutig Bezug auf das Mnzbild des schweren
reformierten Denars, dass kein anderer gemeint sein kann. Er kann also
kaum viel vor 794 geprgt worden sein. Als Einfhrungstermin schlgt La
faurie den Martinstag 793 vor, den 11. November, der im ffentlichen Le
ben der Franken ein wichtiges Stichdatum bildete34.
29
31
32
28), S. 401.
33
MG.LL Sect. II Capitul. I Nr. 28, S. 74. - Jesse, Quellenbuch (Anm. 32), S. 10, Nr. 31. Grierson, Money and Coinage (Anm. 8), S. 507 und 509. - Lafaurie, Des Carolin
34
27
Zs.Geschichte
409
38
39
40
410
.'
W:
Abbildung
Abbildung
fs
-f
:/yyvvi
HF
17. Denar Karls des Grossen mit Portrt um 812 (Paris, Bibliotheque nationale)
18. Denar Ludwigs des Frommen mit XPISTIANA RELIGIO (Zrich, Schweiz.
Landesmuseum)
Die Mnzreform Karls des Grossen ist einer der wichtigsten Wendepunk
te in der mittelalterlichen Wirtschaftsgeschichte, der Entsprechungen im
sozialen und wirtschaftlichen Bereich gehabt haben muss.
Die grundlegende Vernderung ist die Umstellung von der Gold- zur Sil
berwhrung. Das Verschwinden des Goldes aus dem Umlauf hngt zusam
men mit dem bereits besprochenen Problem des Silbers. Eine recht plausi
ble und einfache Erklrung knnte die Mnzreform des Kalifen Abd alMalik bieten: 696 schuf er in einer Mnzreform den Golddinar und den Silberdirhem und setzte die Wertrelation Gold-Silber auf 1:14 fest. Da in
Westeuropa das Verhltnis auf 1:12 stand, der Goldpreis also tiefer lag, be
wirkte das einen Abfluss des Goldes nach Osten, das gegen Silber ausge
tauscht wurde. Dies machte sich sofort in der immer schlechteren Qualitt
der italischen Goldmnzen bemerkbar42.
Die Mnze besass im Wirtschaftsleben der Karolingerzeit mit Bestimmt
heit ihre Funktion, die wir weder unter- noch berschtzen drfen. In
jedem Fall bewirkte die Umstellung von Gold- auf Silbermnzen eine grsJean Lafaurie, Les monnaies imperiales de Charlemagne. Academie des Inscriptions et
Belles-Lettres, Comptes-rendus des seances de l'annee 1978, S. 154-172.
42 Stanislaw Suchodolski. Vom Gold zum Silber. Lagom. Festschrift fr Peter Berghaus,
Mnster 1981. S. 97-104.
41
411
fhrte denn auch den halben Denar, den Obol, ein, der offenbar dem Be
drfnis nach einer kleineren Zahlungseinheit entsprochen haben muss.
Gleichzeitig erkannte Ludwig die enge Beziehung zwischen Markt und
Mnze, indem er dem Kloster Corvey eine Mnzsttte gewhrte: monetam publicam... quia locum mercationis ipsa regio indigebat43. Der
Kampf gegen die Falschmnzerei lsst schliessen, dass auch ausserhalb der
offiziellen Mnzsttten Denare hergestellt wurden und dafr ein Bedrfnis
bestand. Anderseits musste in den Verordnungen immer wieder ermahnt
werden, dass die Mnzen, sofern sie vollgewichtig und von guter Qualitt
sind, akzeptiert werden mssen. Weite Teile der Bevlkerung drften also
dem Zahlungsmittel skeptisch gegenbergestanden haben. Die Mnze ver
mochte sich in der Funktion, die ihr die knigliche Verwaltung zumass,
noch nicht durchzusetzen. Somit ist es fraglich, wie weit die Mnzen im
tglichen Verkehr gebraucht wurden. Jedenfalls fllt auf, dass nur ein kleiner
Teil der auf uns gekommenen Denare intensive Umlaufsspuren aufweisen.
Die Mnze hatte ihre Funktion vorwiegend als Werteinheit und Mass
stab. Hufig wurden Preise in Mnzgeld stipuliert, aber in Naturalien ab
gegolten. Ebenso bot sie Hand zur Thesaurierung erwirtschafteter ber
schsse. Als Austauschmittel bedurften ihrer jene Teile der Bevlkerung,
die nicht in der Produktion ttig waren: Soldaten, Beamte, Spezialisten in
Luxusgewerbe, Kaufleute44. Dank den monetren Anstrengungen der Ka
rolinger hatte sich die Geldwirtschaft langsam eine Bahn gebrochen.
Der Mnzschatz von Ilanz hat noch nicht alle seine Geheimnisse preisge
geben. Seine enge Verknpfung mit der politischen und whrungsmssigen
Entwicklung der frhen Karolingerzeit zeigt aber, wie aussagekrftig Mn
zen sein knnen, insbesondere, wenn sie in einem Fundzusammenhang ste
hen. Natrlich sind Mnzfunde nur fragmentarische berreste aus der
bunten Vielfalt des Geldverkehrs und belegen keineswegs den gesamten ge
schichtlichen Ablauf. Genauso zufllig sind aber auch die auf uns gekom
menen Urkundenbestnde. In der Schweiz liegen noch Tausende von Fund
mnzen aus allen Epochen brach und harren der Bearbeitung. Mit dem Pi
lotprojekt des Schweizerischen Nationalfonds Fundmnzen der Schweiz
ist diese Aufgabe unlngst in Angriff genommen worden. Es ist zu hoffen,
dass dieses Projekt auch die notwendige Fortsetzung finden wird.
berarbeitete Fassung der Antrittsvorlesung
vom 28. Oktober 1985 in der Aula der Universitt Zrich
43 Jesse, Quellenbuch (Anm. 32), S. 14, Nr. 44 - Grierson, Money and Coinage
8), S. 535.
44 Lafaurie, Des Carolingiens aux Capetiens (Anm. 7), S. 118.
412
(Anm.