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Anti-Anthroposophie

Der Vlkische Beobachter und Rudolf Steiner


Materialien zur Erhellung des Gegensatz-Verhltnisses von Nazibewegung und Anthroposophie nach dem Ersten Weltkrieg
I. Allgemeine Vorbemerkungen
Es folgen anschlieend einige Artikel bzw. Ausschnitte von Artikeln aus dem Vlkischen Beobachter der Jahre 1921 und 1922,
die sich in irgendeiner Weise mit Rudolf Steiner beschftigen.
Sie sollen, auch vor dem heutigen Hintergrund von Vorwrfen
gegen Steiner und die anthroposophische Bewegung, deutlich werden lassen, in welchem Verhltnis damals Anthroposophie und der aufkommende Nationalsozialismus zueinander standen. Der Vlkische Beobachter, hervorgegangen aus
dem Mnchner Beobachter, der 1918 von Sebottendorf, dem
Grnder der Thule-Gesellschaft aufgekauft worden war, war
die Zeitung der Antisemiten, d.h. der sich formierenden
vlkischen Bewegung, die dann ab 1921 ihr Zentrum in der
NSDAP fand. Von 19331945 war er die wichtigste Zeitung im
Deutschland Hitlers, dem Dritten Reich, das Sprachrohr von
Partei und Regierung. Von heute her ist bemerkenswert, wie
weitgehend jener Geist, der in Deutschland in den Jahren
nach 1933 herrschte, im Vlkischen Beobachter schon Anfang
der 20er prsent war. Der Nazismus war damals schon ganz
da, er musste nur noch die weitere Gesellschaft und den
Staat erobern. Alle Artikel sind durchzogen von antisemitischer Polemik. Das Judentum als Gegner und Hassobjekt
stellte das Bindeglied dar, mit dem die vlkische Bewegung
ihre divergierenden Strmungen zusammenhielt. Die antisemitische Litanei war ihr Mantra.
Die Artikel zeigen einige uere Spuren der Kampagne, die
von vlkischer Seite aus nach dem Ersten Weltkrieg gegen
die Anthroposophie gefhrt wurde. Man knnte diese Auseinandersetzung, die zwischen der vlkisch-antisemitischen
und der anthroposophischen Bewegung in den Jahren
19191922 stattgefunden hat, einen Kampf um die Seele
Deutschlands nennen. Ihre Bedeutung reicht weit ber die
relative Marginalitt, die die beiden Bewegungen damals hatten, hinaus. Unmittelbar ging es um Ideen fr die politischsoziale Zukunft in Deutschland: einerseits die totalitre bersteigerung des Einheitsstaates, wie sie von der vlkischen
Bewegung gefordert wurde, andererseits seine Auflsung in
Rechtssphre, Wirtschaft und Geistesleben als selbstndige
Glieder. Die Wochenzeitung Dreigliederung des sozialen Organismus, von 1919 bis 1922 das wichtigste publizistische
Organ der anthroposophischen Bewegung in Deutschland,
zeigt sehr deutlich, dass auf der Rechten die Hauptfront lag,
von der aus die Dreigliederung angegriffen und verchtlich
gemacht wurde. Von vlkischer Seite aus wurde dieser Kampf
vowiegend mit Verleumdungen der Art gefhrt, Rudolf Steiner sei deutschfeindlich, Jude, Ungar etc. Die Artikel
aus dem Beobachter machen deutlich, mit welchem Hass
Rudolf Steiner von dort aus betrachtet wurde. Ein Aspekt des
Kampfes war das gegenstzliche Verstndnis der richtigen
Rolle Deutschlands und der Deutschen: einerseits, von Steiner vertreten, ihre weltbrgerliche Mission, wie sie in der
Dreigliederung verstanden wurde, andererseits berlegenheits-Schmeicheleien und das Durchtrennen der seelischen
Fden zum Ausland, wie es von den Vlkischen betrieben

Der Europer Jg. 5 / Nr. 2/3 / Dezember/Januar 2000/2001

wurde. Sollte die Rolle Deutschlands eher in einem spezifischen Dienst an der Menschheit oder in der Herrschaft ber
sie gesucht werden? Es ist nicht verwunderlich, aber tragisch,
dass sich die schmeichelhaftere und weniger anspruchsvolle
Bestimmung der Vlkischen die Deutschen als Herrenvolk damals durchgesetzt hat. Der Vlkische Beobachter
erklrte Ende 1922 mit genauem Gespr Rudolf Steiner als
tot fr Deutschland. Die Dreigliederung als potentielle
Massenbewegung war gescheitert, das Klima in Deutschland
machte eine ffentliche Vortragsttigkeit Steiners nicht mehr
mglich und bemerkenswert ist, wie aufmerksam das von
den vlkischen Kreisen beobachtet und mit wieviel Genugtuung es registriert wurde (siehe Auszug Nr. 6).
(Der ausfhrlichste der folgenden Artikel, Nr. 4, wurde im
Europer bereits einmal, in Jg. 1, Nr. 7 (Mai 1997), S. 16, verffentlicht. Eine Wiederverffentlichung schien uns aufgrund
seiner Bedeutsamkeit aber im heutigen Kontext sinnvoll.)

II. Zustzliche Erluterungen zum inhaltlichen Verstndnis der Artikel


Steiner hatte es fr sehr wichtig gehalten, zu verhindern, dass
in den Versailler Vertrag, den Friedensvertrag am Ende des
Ersten Weltkrieges, der Passus ber die Alleinschuld der Mittelmchte der sogenannte Kriegsschuldparagraph (Art.
231) mit aufgenommen wrde. Tatschlich ist dieser Passus
ja dann die Grundlage fr alle Forderungen nach deutschen
Reparationen gewesen und auch ein entscheidender Angriffspunkt fr das Wirken der deutschen Rechten nach 1919.
Steiner pldierte, um gegen diese Kodifizierung zu kmpfen,
von deutscher Seite aus fr eine vorbehaltlose Offenlegung
der Vorgnge1 bei Kriegsausbruch. Er erwartete, dass dadurch
deutlich wrde, dass es eben kein kaltbltiger, langfristiger
Kriegswille war, der deutscherseits zu den Kriegserklrungen
der ersten Augusttage 1914 fhrte. In diesem Zusammenhang
bereitete Steiner im Mai 1919 die Verffentlichung einer
kurzen Schrift vor, in der der deutsche Generalstabschef aus
der Zeit des beginnenden Weltkrieges, Helmuth von Moltke,
die Vorgnge in Berlin bei Kriegsausbruch 1914 schilderte. Die
Publikation dieser Schrift mitsamt eines Vorworts Steiners
wurde in letzter Minute von der deutschen OHL (Oberste
Heeresleitung) hintertrieben, der die Schrift zur Kenntnis gekommen war und die behauptete, sachliche Fehler darin aufzeigen zu knnen. Der eigentliche Hintergrund scheint aber
gewesen zu sein, dass diese Publikation zwar im Ausland zu
einem anderen Verstndnis der deutschen Kriegserklrungen
htte beitragen knnen, dass sie aber innerhalb Deutschlands die Stellung der (alten) militrischen und politischen
Fhrungsschichten htte erschttern knnen, weil sie die
ganze Haltlosigkeit und Stmperhaftigkeit ihres Vorgehens
deutlich gemacht htte. Es war der OHL letztlich offenbar
wichtiger, ihre Stellung in Deutschland zu bewahren, als
Deutschlands Stellung gegenber dem Ausland zu verbessern.
Es scheint dieser Vorgang gewesen zu sein, der durch eine

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Anti-Anthroposophie

Reihe von Verwandlungen hindurch schlielich zum Vorwurf fhrte, Steiner habe deutsche Offiziere an die Entente
verraten wollen, wie es in einigen Artikeln hier aufscheint. In
Wirklichkeit hatte Steiner keineswegs deutsche Offiziere gegenber dem Ausland verraten wollen, aber er hatte Schritte ergriffen, durch die einige Offiziere die Furcht bekamen,
dass durch Steiner der deutschen Bevlkerung ihre Unfhigkeit verraten worden wre (zu Artikel Nr. 4, 5, 6).
Der polemische Stil des Vlkischen Beobachters wurde mageblich geprgt von Dietrich Eckart (18681923), der von Mitte 1921 bis Anfang 1923 Chefredakteur (Hauptschriftleiter)
war. Nachfolger Eckarts wurde Alfred Rosenberg, der sptere
Nazi-Chefideologe, der bei ihm in die journalistische Lehre gegangen war. Eckart hatte von 1918 bis 1920 die Zeitschrift Auf
gut Deutsch herausgebracht, in der er seinen Stil eines antisemitischen Propagandisten ausgebildet hatte und in der in zwei
ausfhrlichen Artikeln auch schon Steiner zur Zielscheibe von
Angriffen geworden war.2 Unter Eckarts Leitung wurde der Beobachter zur Propagandazeitung der NSDAP, die wiederum zur
zentralen Organisation der vlkischen Bewegung geworden
war. Eckart war es auch, der im Beobachter damit begann, Hitler als Fhrer anzusprechen. Eckart war Katholik und darin
typisch fr einen Groteil der sich formierenden vlkischen
Bewegung. Ohne die (seelische) Grundlage dieses Katholizismus ist die Bewegung nicht verstehbar und nicht verstndlich,
warum so viele ihrer Protagonisten aus sterreich kamen und
warum ausgerechnet Mnchen zu ihrem deutschen Zentrum
wurde.
Der Vlkische Beobachter hat nach bewhrtem Muster immer wieder Kampagnen gefhrt, in denen er seine Polemik auf
bestimmte Politiker richtete, die in einer Vielzahl von Artikeln
symbolisch herausgehoben und mit Hass berschttet wurden. Derartige Objekte des Hasses waren in den Jahren 1921
und 1922 der zeitweilige (1920/21) Reichsauenminister Simons (18611937), der als charakteristischer Erfllungspolitiker hingestellt wurde, der bayrische Ministerprsident Graf
Lerchenfeld, der den Vlkischen in Bayern zuviel Widerstand
entgegensetzte, und Walter Rathenau (18671922), Nachfolger
Simons und als Industrieller, Politiker und Jude quintessentiell
geeignet fr die Kampagnen des Beobachters. Es ist auffallend,
dass mit Simons und Lerchenfeld zwei dieser drei Hasymbole
vom Beobachter auch in eine Beziehung zu Steiner gebracht
wurden: Simons wurde als ein Schler Steiners bezeichnet, bei
Lerchenfeld wurde bemerkt, dass ein Bruder einer der engsten
Mitarbeiter Steiners war. Das knnte die These erhrten, dass
die vlkische Bewegung in dieser Zeit mit einem sicheren Instinkt Steiner als einen Hauptfeind betrachtet hat, dessen Einfluss in Deutschland unterbunden werden musste, wenn sich
ihr eigener durchsetzen sollte (zu Artikel Nr. 1, 3).
Die Dreigliederung wurde in der vlkischen Bewegung als
eine Abart des Kommunismus oder Bolschewismus verstanden oder zumindest so hingestellt. Mageblich fr die Ablehnung der Dreigliederung war u.a., dass in ihr der Grundsatz
der Gleichheit bzw. Gleichberechtigung aller Menschen,
d.h. der Gleichheit vor dem Gesetz vertreten wurde. Dagegen
war es von Beginn an eine Zielsetzung der vlkischen Antisemiten, rassische Kriterien in die Gesetzgebung einzufhren,
wie das dann spter bei den sogenannten Nrnberger Gesetzen 1935 verwirklicht wurde.

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III. Artikel und Artikelausschnitte


1. Artikel:
15.3.1921: Staatsmnner oder Novemberverbrecher. Von A. Hitler.
Vorbemerkung:
Hintergrund des folgenden Artikels ist die Londoner Konferenz
(21.2.14.3.1921), eine der Konferenzen, in denen ber Summe
und Modalitten fr die Regelung der Reparationszahlungen, die
Deutschland nach dem Versailler Vertrag auferlegt waren, verhandelt wurde.
Ausschnitt:
In London erklrt sich ein Mann, den das deutsche Volk zu
seinem Unglck als Vertreter dorthin schickt, bereit, einen Vertrag anzunehmen, der die volle Versklavung und damit Vernichtung Deutschlands bedeutet. In jedem halbwegs anstndigen Staat wrde dieses Unterfangen dem Manne die Vorladung
zum Staatsgerichtshof eingetragen haben. Ja, in Vlkern mit
primitiver und daher gesnderer Vernunft wre die Antwort in
Form einer seidenen Schnur erfolgt. In Deutschland schwindelt
man dem Volke vor, dass sein Minister voll und ganz die Pflichten der Nation gegenber erfllt habe und drckt dem gewissenlosen Unterhndler den Dank seiner Nation aus. (...)
Als geradezu ungeheuerliche Unverfrorenheit muss es bezeichnet werden, wenn nun dieser Herr Simons, der nicht etwa ein vormrzlicher Gottesgnadenmensch ist, sondern Angestellter des deutschen Volkes, sich anmat zu erklren, das
deutsche Volk knne seine Leistungsfhigkeit nicht richtig abschtzen. Es ist mglich, dass Simons das tatschlich besser
kann, der Mann scheint jedenfalls die Leistungsfhigkeit des
deutschen Volkes sehr hoch eingeschtzt zu haben. Im Verlauf
der Londoner Angelegenheit tauchen nun allmhlich derartig
geheimnisvolle Begleitumstnde auf, dass es nicht nur zweckmig, sondern endlich notwendig ist, sich diesen Herrn Minister, intimen Freund des Gnostikers und Anthroposophen
Rudolf Steiner, Anhnger der Dreigliederung des sozialen Organismus und wie diese ganzen jdischen Methoden zur Zerstrung der normalen Geistesverfassung der Vlker heien, etwas nher daraufhin zu besehen, ob das geistlose Gesicht nach
Loyd Georges Meinung wirklich nur die Folge des Mangels an
Geist ist, oder die Larve, hinter der sich anderes verbirgt.
2. Artikel:
31.7.1921: Kampf! Von Alfred Rosenberg.
Vorbemerkung:
Eine merkwrdige, unglckliche Figur am Rande der anthroposophischen Bewegung, die zugleich Verbindung zu den Vlkischen suchte, war Karl Heise. Diese Verbindungssuche beruhte zum Teil auf inhaltlichen Affinitten Heises (der darin nicht reprsentativ fr die
anthroposophische Bewegung war), zum Teil wohl auf Fehleinschtzungen oder Illusionen. In seinem Versuch, den Vlkischen den
wahren Okkultismus, d.h. die Anthroposophie, nahezubringen,
lie man Heise dort aber abblitzen.3
Ausschnitt:
Krzlich erhielt die Schriftleitung ein Schreiben von Herrn
Karl Heise (Verfasser von Die Ententefreimaurerei und der Welt-

Der Europer Jg. 5 / Nr. 2/3 / Dezember/Januar 2000/2001

Anti-Anthroposophie

krieg) mit der Anfrage, ob sie geneigt wre, einen okkultistischen Aufsatz aus seiner Feder zu bringen. Nur der wahre
Okkultismus knne Deutschland retten. Herr Heise musste
abgewiesen werden.
Bekanntlich ist Artur Tinter ein hervorragender Kmpfer gegen
das Judentum gewesen. Gewesen, denn jetzt schreibt er Bcher
ber Tischklopfen und predigt eine Geistlehre, die merkwrdig an den heutigen Grokophta Rudolf Steiner erinnert. Wir
warten darauf, dass er sich davon einmal abwenden wird, wieder gesund werden wird.
All solche Verschwommenheiten haben wir abzulehnen.
Wir anerkennen nur das deutsche Volkstum als Grundlage
und Ausgangspunkt, wir anerkennen nur die Deutschheit und
Grodeutschland als Endziel. Wir anerkennen nur Ideen und
Ideale, die nur einen Kraftzuschuss mitteilen, die unseren Willen sthlen, um unbekmmert um eine Meute von Feinden
und schwach gewordenen Freunden, den Weg zu gehen, auf
dem wir uns zusammengefunden haben.
3. Artikel:
19.10.1921: Programmgem.
Vorbemerkung:
Hintergrund des folgenden Artikelsausschnittes ist der Wechsel im
Amt des bayrischen Ministerprsidenten von Gustav von Kahr zu
Graf Hugo von Lerchenfeld-Kfering (Bayrischer Ministerprsident
vom 21.9.1921 bis zum 2.11.1922). Von Kahr war bei der uersten Rechten beliebt. Er hatte Bayern zu einem Zentrum der nationalistischen Reaktion werden lassen, zur Ordnungszelle Bayern.
Lerchenfeld war zwar politisch ebenfalls auf der Rechten beheimatet (BVP), hatte aber keine Sympathien fr die vlkische Bewegung.
Hugo von Lerchenfeld (*1871) war der jngere Bruder von Otto Graf
Lerchenfeld (*1868), dessen Frage 1917 die Skizzierung der
Dreigliederung durch Steiner auslste. Beide waren Neffen jenes Hugo von Lerchenfeld (18431925), der von 18801919 bayrischer
Gesandter beim Reich in Berlin war.
Ausschnitt:
Alle merkens man darf fragen, wen man will unter den einfachen Leuten, jeder sagt es einem auf den Kopf zu: Natrlich
ists der Jud! Den Krieg hat er gemacht, und die Revolution,
und ausgeraubt hat er uns bis aufs Hemd, und jetzt schnrt er
uns noch die Gurgel zu!
Das wissen alle die vielen im Volk, die noch ihre fnf Sinne zusammen haben; nur diejenigen, die es zu allererst wissen sollten, die Dr. Wirth, Stegerwald, Graf Lerchenfeld, Dr. Heim, die
Schwener, Held, Hamm usw. haben anscheinend keinen blassen Dunst davon, spielen aber trotzdem die Fhrer, reden, was
nur das Zeug hlt, stecken die Kpfe zusammen, tuscheln und
muscheln, und kutschieren uns auf ihrer sogenannten mittleren Linie unaufhaltsam in das letzte Verderben, zum bolschewistischen Chaos. (...)
Von der Roten Fahne angefangen bis herunter zur Frankfurter Ztg. und den Mnchener Neuesten klang es, offen und
versteckt, wie ein einziges Jubellied, als es einer unterirdischen
Arbeit sondersgleichen gelungen war, an Stelle des Herrn v.
Kahr die Zwielichtserscheinung des Grafen Lerchenfeld zu setzen; mit anderen Worten: smtliche, aber auch smtliche Judenbltter der Welt wussten sich nicht mehr aus noch ein vor

Der Europer Jg. 5 / Nr. 2/3 / Dezember/Januar 2000/2001

Freude ber diesen Wechsel. Und da hat so ein Zentrumsorgan, wie der Bayerische Kurier, tatschlich die eiserne Stirn, zu
behaupten, am alten Kurs habe sich nicht das geringste gendert?! Ja, zum Teufel, fr was halten uns denn diese Leute? Fr
Paviane oder Merinoschafe? Oder sind sie am Ende der Meinung, die Juden htten pltzlich ihren untrglichen Instikt
verloren und knnten kein y mehr von einem u unterscheiden?
Noch nicht das leiseste Wort hat Graf Lerchenfeld bis jetzt
gegen das bel, gegen das Judentum gesprochen; und er wird
auch, so wahr ich lebe, bis ans Ende seiner Tage keine Silbe dagegen sprechen! Das allein ist der springende Punkt; hier und
sonst nirgends liegt der Hase im Pfeffer: der leibliche Bruder
dessen, der den Edelkommunisten Rudolf Steiner schon seit
Jahren wie einen Messias betreut, ist nicht umsonst der Mann
nach Israels Herzen.
4. Artikel:
27.5.1922: Steiner, der neue Messias. Von Wa.
Vorbemerkung:
Der folgende, ausfhrliche Artikel war Teil 3 eines Blocks des Vlkischen Beobachters ber sogenannte Volksverseuchung. Auer
Steiner behandelte der Vlkische Beobachter unter dieser berschrift noch Die Ernsten Bibelforscher (die Zeugen Jehovas),
die Theosophen und die moderne Kunst (Picasso). Am 15.5., d.h.
zwlf Tage vor der Verffentlichung des Artikels, hatte jener Vortrag
Steiners in Mnchen stattgefunden, bei dem er von einer Schutztruppe gegen eine vlkische Schlgerbande geschtzt werden musste.
Auf diesen Vortrag nimmt der Artikel nochmals kurz Bezug. Der
Artikel greift manches wieder auf, was Eckart an anderer Stelle
schon 1919 geschrieben hatte. Wer sich hinter dem Verfasserkrzel
W-a verbirgt, ist dem Verfasser unbekannt.
Ausschnitt:
Ist schon die Theosophie als Mutter von zweifelhafter Herkunft und recht unsauberem Gewerbe, was soll man da von
ihrem Sohne, dem Anthroposophen Dr. Steiner sagen? Der Apfel wird nicht weit vom Pferde fallen. Steiners Mutter kennt
man ja. Mit dem Vater freilich ist es eine andere Sache. Er soll
kein Jude gewesen sein, aber wer sich mit den Krppelformen
des Steinerschen Denkens befasst hat, erkennt unschwer, dass
Talmud und Kabbala das Sperma waren, aus dem dieses sonderbare Gewchs gedieh. Was will nun eigentlich Steiner? Ja so
ungefhr das gleiche wie die Theosophen. Er ist nur noch etwas anspruchsvoller und freigebiger in Versprechungen, er
schillert etwas mehr, und vor allem, er versteht die Werbetrommel fr seine Gedanken noch besser zu rhren als die
theosophischen Brder. Im ganzen hat Dr. Franz Hartmann die
Steinerei sehr gut dahin zusammengefasst: Das Gute, was Steiner bringt, ist nicht neu und das Neue, was Steiner bringt, ist
nicht gut. Also, mit anderen Worten und etwas weniger vornehm ausgedrckt: die frohe Botschaft Steiners ist aus aller
Welt zusammengestohlen und wird halbverstanden und zeitgem zurechtgestutzt rein fabrikmig unter die Massen geworfen. Dieses Fabrikmige ist das Wesentliche, denn Herr
Steiner ist als zeitgemer Heiliger auch ein sehr gewandter
Geschftsmann. Er hat seiner Geisteswissenschaft auch eine Aktiengesellschaft Der kommende Tag angegliedert, und wenn

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Anti-Anthroposophie

ber das Mnchner Attentat auf R. Steiner


Von besonderer Dramatik waren die Ereignisse im Frh-

offenbar wohl im Bilde gewesen, dennoch durfte er sich

jahr 1922 in Mnchen. Auf einer von der Berliner Konzert-

nach den fr ihn verbindlichen okkulten Gesetzen nicht

agentur Sachs & Wolff veranstalteten Vortragstourne

selbst schtzen, sondern war darauf angewiesen, sich von

durch deutsche Stdte kam Rudolf Steiner am Morgen des

den Seinen beschtzen zu lassen.

15. Mai in Mnchen an. Zu seinen Begleitern gehrte auch


1

Andreas von Grunelius. Hans Bchenbacher , der damals

Auch in die Geschehnisse der Brandnacht zur Jahreswende

Mnchner Zweigleiter war, hatte in Erfahrung gebracht,

1922/23 war Grunelius zutiefst hineinverflochten3 (...)

dass vlkische Kreise nach der Ermordung Erzbergers und


Rathenaus neben einigen weiteren Kandidaten auch

Aus: Thomas Meyer: Andreas Nikolaus von Grunelius

Rudolf Steiners Namen auf ihre Attentatsliste gesetzt hat-

(16.12.19006.2.1987), Privatdruck, Arlesheim 1987, S. 5.

ten. ber den Attentatsversuch whrend des abendlichen


Vortrages ist schon verschiedentlich berichtet worden.2
Fast gnzlich unbekannt drfte es jedoch geblieben sein,
dass bei der Vereitelung dieses finsteren Vorhabens Grunelius eine zwar unauffllige und doch entscheidende
Rolle spielte.
Gemeinsam mit Hans Bchenbacher inspizierte er den
Vortragssaal im Hotel Vier Jahreszeiten vor der Veranstaltung. Da ihm das Rednerpult schlecht beleuchtet
schien, installierte er eine einfache Lampe und schloss
diese vermittels diverser Verlngerungskabel an einen
separaten Stromanschluss im Knstlerzimmer an, der von
der Hauptsaalbeleuchtung unabhngig war. Hans Bchenbacher stellte vorsorglich sechs Boxer ein, die abends die
Eintrittskarten kontrollierten und zu verhindern hatten,
dass der Vortragsraum gestrmt wrde. Rudolf Steiner

1 Zu dessen eindrcklichen autobiographischen Erinnerungen


aus jener Zeit: Ein Bewusstsein war nicht vorhanden, in:
Info3, Nr. 4/99, S. 1619. Das Dokument stammt allerdings
nicht, wie angegeben, aus dem Info3-Archiv, vielmehr
ursprnglich aus jenem des Perseus Verlags Basel. Auerdem:
Hans Bchenbacher, Mnchen 1922, in: Erinnerungen an
Rudolf Steiner, Gesammelte Beitrge aus den Mitteilungen
aus der anthroposophischen Arbeit in Deutschland
19471978, hrsg. v. Erika Beltle und Kurt Vierl, Stuttgart
1979, S. 323326.
2 So in: Rudolf Steiner in Mnchen, Zu seinem 100. Geburtstag
hrsg. von der Anthroposophischen Gesellschaft Zweig Mnchen, Privatdruck, Mnchen 1961, S. 5761.
3 Vergleiche: Paul Scharff, Ein Gesprch mit Pfeiffer ber
die Brandnacht, in: Ein Leben fr den Geist Ehrenfried Pfeiffer
(18991961), hrsg. v. Th. Meyer, Basel 1999, S. 227232.

sprach vor bervollem Saal. Mitten im Vortrag ging obwohl fr die Schalttafel der groen Saalbeleuchtung eine
Wache bestellt worden war pltzlich das Saallicht aus
nicht jedoch die Lampe am Rednerpult. Rudolf Steiner
sprach ohne die geringste Unterbrechung weiter, und
nichts rhrte sich im Saal. Dies schien die Gegner derart
perplex zu machen, dass Rudolf Steiner den Vortrag nach
einer unendlich lang erscheinenden Zeit ging das Licht
pltzlich wieder an ohne weitere Strung beenden und
unter starkem Applaus im Knstlerzimmer verschwinden
konnte. Erst als er sich noch einmal zeigen wollte, strmten
einige Mnner aus den ersten Stuhlreihen die Bhne. Doch
die anthroposophischen Freunde konnten Rudolf Steiner
decken, bis er hinter der verschlossenen Eisentr des Knstlerzimmers in Sicherheit war. Grunelius schlug Rudolf
Steiner fr die bernachtung im Hotel einen Zimmertausch vor und arrangierte fr den nchsten Morgen eine
verfrhte Zugsabfahrt nach Mannheim. Noch am selben
Abend gab ihm Rudolf Steiner den Auftrag, ein Telegramm
an Edith Maryon in Dornach aufzugeben. Es hatte den folgenden Wortlaut: Mnchen berstanden Steiner. Diese
drei Worte nach dem missglckten Attentatsversuch lassen
manches erahnen. Rudolf Steiner war ber die Gefahr

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Andreas Nikolaus von Grunelius (16.12.19006.2.1987)

Der Europer Jg. 5 / Nr. 2/3 / Dezember/Januar 2000/2001

Anti-Anthroposophie

auch in diesen kommenden Tag krzlich durch unheilige


Vorkommnisse die Abenddmmerung hereingebrochen ist, so
bewies doch das Aktienkapital von 70 Millionen, dass die Geisteswissenschaft Kredit hat. Nun aber zur Lehre dieses Apostels. Herr Steiner hat es durch Versenkungsbungen bis zur Hellseherei gebracht, es gelang ihm dadurch die Erkenntnis der
hheren Welten, die er durch die Zigarettenfabrik WaldorfAstoria und anderer im kommenden Tag zusammengeschlossener irdischer Welten nach dem Muster seiner Dreigliederung des sozialen Organismus auch bei uns in Deutschland
zugnglich machen will. In dieser hheren Welt, die uns der
kommende Tag bringen wird, herrscht selbstverstndlich
Gleichberechtigung aller, und durch einen Aufstieg der unteren
Schichten, namentlich dessen, was man Proletariat nennt,
drfen wir eine neue Kulturblte erwarten. Also, Herr Steiner
ist wie seine theosophischen Brder Edelbolschewist, er liebugelt mit deren internationalem Rtestaate und hat auch
schon daran gedacht, wie er dessen Feinde unschdlich
machen knnte.
Er rt nmlich dringend folgendes zu organisieren: Die Namen smtlicher Offiziere festzustellen, die irgendwie in reaktionrem Sinne ttig sind oder ttig sein knnen. Es sollen
dann falsche Zeugen gesucht werden, die htten eidliche Aussagen zu Protokoll zu geben, nach welchen die Offiziere vlkerrechtswidrige Handlungen der feindlichen Bevlkerung begangen haben (...) Diese Feststellungen wren durch Grelling
(!) der Entente-Freimaurerei zu bermitteln. Diese Enthllungen verdanken wir dem Hammer Nr. 466, ohne dass sie bis
heute widersprochen wurden. Man sieht also, Herr Steiner ist
auch Politiker, und zwar vom Schlage eines Eisner, dem er
auch in der Schrift An das deutsche Volk und die Kulturwelt dadurch wesensverwandt ist, dass er Deutschland die moralische
Schuld am Weltkrieg zuschiebt.
Mit einem solchen deutschfeindlichen Charlatan sich
ernsthaft auseinanderzusetzen, strubt sich der Bleistift. Vollends aber struben sich die Haare, wenn man bedenkt, dass
dieser Mensch ungehindert in der letzten Woche in Mnchen
einen Vortrag halten konnte, ohne dass die Regierung einschritt! Oder konnte vielleicht die bayrische Regierung, auch
wenn sie gewollt htte, aus verwandtschaftlichen Grnden
dem Volksschdling nicht sein Handwerk legen, weil ein Herr
Otto von Lerchenfeld Mitbegrnder der geisteswissenschaftlichen Aktiengesellschaft Der kommende Tag ist? Das wrde
uns ebensowenig wundern, als ja auch im Auswrtigen Amte zu
Berlin eine Menge von Anbetern und Patronen Steiners ihr
Unwesen treiben.
Nun aber zum Schluss: Herr Steiner will mit seiner Lehre
praktisch das Gleiche, was alle Feinde unserer staatlichen und
vlkischen Selbstndigkeit anstreben. Nur nennt er es anders.
Unter dem Namen Anthroposophie und Dreigliederung
geht er seinen dunklen Geschften nach, Millionen stehen
ihm zur Verfgung, unser Volk mit seinen Lehren zu verseuchen und durch jenen Einfluss auf weiteste Kreise ist er zu einer Gefahr fr unsere Gegenwart und Zukunft geworden. Herr
Steiner mag seine Giftdrse im Ausland verspritzen, von mir
aus in Dornach bei Basel, wo er sich einen Tempel hinsetzte,
mit dem er den Namen unseres Goethe schndete, des gleichen Goethe, der 1781 an Lavater schrieb: Glaube mir, unsere
moralische und politische Welt ist mit unterirdischen Gngen,

Der Europer Jg. 5 / Nr. 2/3 / Dezember/Januar 2000/2001

Kellern und Kloaken unterminiert. Kloake, dieses passt ausgezeichnet auf die Umgebung Herrn Steiners, der sich als reinkarnierter Christus von seinen 21 reinkarnierten Magdalenen die Hnde lecken lie.
5. Artikel:
17.6.1922: Der berichtigte Steiner.
Ausschnitt:
Der Bund der Dreigliederung des sozialen Organismus
schickt uns zu unserem Aufsatz: Steiner, der neue Messias in
Nr. 42 unserer Zeitung eine Berichtigung, in der er darauf hinweist, dass es unwahr sei, dass die Enthllungen des Hammer
unwidersprochen geblieben sind. Weiter berichtigt der Dreibund, dass in der Geheimschrift, die der Hammer verffentlichte, der Name Rudolf Steiners gar nicht genannt sei. Die Logik dieser anthroposophischen Berichtigung wird aber durch
folgenden Schlusssatz in das rechte Licht gerckt: Aus der Tatsache, dass gewisse Bltter ihnen eingesandte Berichtigungen
nicht oder unvollstndig , wiedergeben, kann nicht gefolgert werden, dass die Anschuldigungen unwidersprochen geblieben sind.
Die Grnde, warum der Hammer eine Berichtigung der
Dreigliederer nicht verffentlicht hat, und die wir uns voll und
ganz zu eigen machen, waren die folgenden (siehe Hammer Nr.
468): 1. weil der Bund fr Dreigliederung nicht zustndig ist,
Dr. Steiner zu vertreten; 2. weil bei dem Widerspruch zwischen
der von amtlicher Stelle ausgehenden Darlegung und den Behauptungen des Bundes fr Dreigliederung, der amtlichen
Stelle volle Glaubwrdigkeit beigemessen werden muss, die
nur in einem Gerichtsverfahren erschttert oder zerstrt werden
knnte.
Der Bund der Dreigliederung des sozialen Organismus,
hinter dem sich Herr Steiner verkriecht, ist es nicht gewesen,
mit dem wir uns beschftigt haben, seinen Irrsinn zu beleuchten, haben wir uns fr eine andere Nummer aufgespart. Wenn
er sich getroffen fhlte, so ist das seine Sache; wir beschftigten uns nur mit Herrn Steiner, und hier war uns dessen
Schweigen und seine Schattenspiele hinter den Kulissen der
Dreigliederung wertvoller als die Berichtigung der Kulissenschieber. Wir wundern uns natrlich nicht ber dieses Gebaren, denn es war von jeher die Art dieses neuen Messias, sich
jeder sachlichen Kritik persnlich zu entziehen und lieber einen seiner Jnger und Apostel vorzuschieben.
6. Artikel:
21.10.1922: Die vergangene Nacht von Kraljewitz.
Ausschnitt:
Einst gab es einen kommenden Tag, aber die Sonne, die ihm
voranleuchten sollte, erwies sich als Nachtlicht, und in der
Dunkelheit vernderten die Nachtwchter ihr Firmenschild
und nannten sich Bund fr freies Geistesleben. Der Mann,
um dessen geistfreies Leben es sich handelt, Herr Rudolf Steiner, wissenschaftlich endgltig erledigt, kann den Schmerz,
dass sich niemand mehr ernsthaft mit ihm beschftigt, nicht
verwinden und lsst seine getreuen Anbeter nach der alten
Praxis, sich selbst im Hintergrund zu halten, von neuem von
sich reden machen.

33

Anti-Anthroposophie

Der Kampf ist ein sehr durchsichtiger. Er richtet sich nicht


gegen die Sache und die Argumente der Gegner, sondern
gegen deren Person und schreckt bei dieser unfeinen Kampfesweise selbst nicht vor dem Hereinziehen der Familienverhltnisse der Gegner zurck. In Nr. 3 der Zeitschrift Anthroposophie frher hie dieses Steiner-Blatt Dreigliederung
des sozialen Organismus widmet ein Herr Hauptmann a. D.,
von Grone, ganze acht Seiten dem gefhrlichsten Gegner Steiners, dem General Gerold v. Gleich. Auf Einzelheiten einzugehen erbrigt sich, da zudem die angewandte Kampfesart
Grones es jedem anstndigen Menschen unmglich macht,
sich auf den gleichen Boden zu begeben. Herr Grone wrmt
natrlich die seinerzeit im Hammer erschienenen Anschuldigungen ber den Verrat von Namen deutscher Offiziere
durch Steiner an die Entente wieder auf, ohne etwas sachlich
Neues zu bringen, denn das entscheidende Wort htte hier
ein Bericht zu sprechen, das Steiner zur Lsung dieser Frage
anrufen msste. Das ist bis heute wohlweislich nicht geschehen, und die Behauptungen v. Grones, die im Hammer
verffentlichten Briefe seien Flschungen, ermangeln deshalb jeglicher Beweiskraft. Das fhlt die Steinerei wohl selbst,
und sie schickt deshalb zwei Offiziere vor, Grone und Graf
Bothmer, um aus der ganzen Angelegenheit einen Ehrenhandel mit dem General Gerold v. Gleich herauszukonstruieren.
Auch das ist bezeichnend fr das vornehme Vorgehen des
Bundes fr freies Geistesleben. Denn bis jetzt war es noch
immer Sitte, dass Ehrenhndel zwischen Offizieren nicht in
breiter ffentlichkeit und in den Spalten einer Zeitschrift ausgetragen werden.
Der Prophet aus Kraljewitz ist tot fr Deutschland, das hat
er wohl selbst gefhlt, darum verbt er gegenwrtig seine
Quacksalbereien an den Englndern, denen man ja aus vollem Herzen ein Dutzend Narren wie Steiner gnnen kann.
Dass auch seine Anhnger in Deutschland an ihrem Grab zu
schaufeln beginnen, ist erfreulich zu hren und zum mindesten ein Zeichen von beginnender geistiger Gesundung unseres Volkes. Als ersten, der sich fr Steiner den Tod gegeben
hat, drfen wir Herrn Hauptmann a. D. v. Grone beglckwnschen; wir erwarten, dass in der nchsten Nummer der Anthroposophie sich noch weitere Jnger des Meisters unmglich machen werden.

besonderem Mae fr gefhrdet: Fr Mitteleuropa stehen die


Dinge so, dass es sich handelt um Leben und Tod, um Leben
und Tod des Volkstums. (...) Da handelt es sich zunchst und
wirklich zunchst fr die allernchste Zeit um ein EntwederOder: um ein Verstndnis der Dreigliederung oder um den Tod
des Volkstums.4 Mit diesem Tod des Volkstums war keine
physische Vernichtung gemeint.
Von diesem Gesichtspunkt her lag eine sehr weitreichende
Resignation darin, als 1922 die Dreigliederungsbewegung fr
gescheitert erklrt und aufgegeben wurde. Es erscheint von daher auch als doppelt bedeutsam, dass der Hauptwiderstand gegen die Dreigliederung von der vlkisch-nazistischen Bewegung ausging, wenn auch das Scheitern wohl am allermeisten
aus inneren Unzulnglichkeiten erklrt werden muss. Das
Volkstum, von dessen Gefhrdung 1919 die Rede war, wurde dann in Deutschland in den zwlf Jahren des Dritten Reiches tatschlich zerstrt. Jene Massenveranstaltungen Parteitage, Aufmrsche, Versammlungen, Fackelzge etc. , die als so
tief beglckend empfunden wurden, sind mit ihrem dsterernsten Pomp seine Todesfeiern gewesen. In ihnen wurde der
Selbstmord als endliche Wiederverschmelzung und erlsende
Selbstaufgabe mit Begeisterung und brutaler Entschlossenheit
vollzogen.
Andreas Bracher, Hamburg

IV. Nachbemerkungen
Man kann die Dreigliederung als eine Vervollstndigung der
Kulturepoche der Goethezeit betrachten, indem sie jene Erweiterung in ein soziales Denken hinein brachte, zu der sich
aufzuschwingen der Goetheanismus selbst noch nicht (oder
kaum) fhig gewesen war. In ihr fand zugleich das bernationale, fr einen nationalen Einheitsstaat nicht recht geeignete,
Charaktermoment der Deutschen, des alten Reichsvolks, einen modernen, zeitgemen Ausdruck.
Whrend die Dreigliederung an sich als die grundlegende
soziale Wahrheit des fnften nachatlantischen Zeitalters, der
Bewusstseinsseelenepoche, zu verstehen ist, hat Rudolf Steiner
sie nach dem Ersten Weltkrieg doch besonders in und fr Mitteleuropa und Deutschland propagiert. Steiner hielt nach dem
verlorenen Ersten Weltkrieg die Situation in Mitteleuropa in

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Siehe die im Perseus Verlag im Frhjahr 2001 erscheinende


Publikation: Jakob Ruchti / Helmuth von Moltke, Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges Zwei vergessene zentrale Schriften
zum Verstndnis der Vorgnge bei Kriegsausbruch 1914 und
der Haltung Rudolf Steiners (mit einer Einleitung hrsg. von
Andreas Bracher).
Ein eigentmlicher Theosoph, in: Auf gut Deutsch,
11.7.1919, S. 322327, und Der Adler des Jupiter, in:
Auf gut Deutsch, 12.12.1919, S. 659672. Den Hinweis auf diese beiden Artikel verdanke ich Markus Osterrieder, Mnchen,
der eine eigene Publikation zum Thema vorbereitet.
ber seine Erfahrungen in vlkischen Kreisen finden sich
einige sehr interessante Bemerkungen in Heises ca. 1923
geschriebenem Buch Der katholische Ansturm wider den
Okkultismus und sein tiefgreifender Einfluss auf das allgemeine
Vlkerleben (Nachdruck: Cagliostro Verlag, Rotterdam o.J.).
Soziales Verstndnis aus geisteswissenschaftlicher Erkenntnis, Vortrag vom 3.10.1919, GA 191. Wie Mitteleuropa in diesem
Falle geographisch zu verstehen ist ob damit hier, wie
blich der deutsche und der westslawische Raum gemeint
waren, oder in diesem Falle nur der deutsche ist nicht ganz
klar. Im unmittelbaren Zusammenhang wird hier Mitteleuropa in den Gegensatz zur Schweiz gestellt; das knnte dafr
sprechen, dass hier Deutschland im besonderen gemeint ist.

Der Europer Jg. 5 / Nr. 2/3 / Dezember/Januar 2000/2001

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