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Voelkischer Beobachter
Voelkischer Beobachter
wurde. Sollte die Rolle Deutschlands eher in einem spezifischen Dienst an der Menschheit oder in der Herrschaft ber
sie gesucht werden? Es ist nicht verwunderlich, aber tragisch,
dass sich die schmeichelhaftere und weniger anspruchsvolle
Bestimmung der Vlkischen die Deutschen als Herrenvolk damals durchgesetzt hat. Der Vlkische Beobachter
erklrte Ende 1922 mit genauem Gespr Rudolf Steiner als
tot fr Deutschland. Die Dreigliederung als potentielle
Massenbewegung war gescheitert, das Klima in Deutschland
machte eine ffentliche Vortragsttigkeit Steiners nicht mehr
mglich und bemerkenswert ist, wie aufmerksam das von
den vlkischen Kreisen beobachtet und mit wieviel Genugtuung es registriert wurde (siehe Auszug Nr. 6).
(Der ausfhrlichste der folgenden Artikel, Nr. 4, wurde im
Europer bereits einmal, in Jg. 1, Nr. 7 (Mai 1997), S. 16, verffentlicht. Eine Wiederverffentlichung schien uns aufgrund
seiner Bedeutsamkeit aber im heutigen Kontext sinnvoll.)
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Anti-Anthroposophie
Reihe von Verwandlungen hindurch schlielich zum Vorwurf fhrte, Steiner habe deutsche Offiziere an die Entente
verraten wollen, wie es in einigen Artikeln hier aufscheint. In
Wirklichkeit hatte Steiner keineswegs deutsche Offiziere gegenber dem Ausland verraten wollen, aber er hatte Schritte ergriffen, durch die einige Offiziere die Furcht bekamen,
dass durch Steiner der deutschen Bevlkerung ihre Unfhigkeit verraten worden wre (zu Artikel Nr. 4, 5, 6).
Der polemische Stil des Vlkischen Beobachters wurde mageblich geprgt von Dietrich Eckart (18681923), der von Mitte 1921 bis Anfang 1923 Chefredakteur (Hauptschriftleiter)
war. Nachfolger Eckarts wurde Alfred Rosenberg, der sptere
Nazi-Chefideologe, der bei ihm in die journalistische Lehre gegangen war. Eckart hatte von 1918 bis 1920 die Zeitschrift Auf
gut Deutsch herausgebracht, in der er seinen Stil eines antisemitischen Propagandisten ausgebildet hatte und in der in zwei
ausfhrlichen Artikeln auch schon Steiner zur Zielscheibe von
Angriffen geworden war.2 Unter Eckarts Leitung wurde der Beobachter zur Propagandazeitung der NSDAP, die wiederum zur
zentralen Organisation der vlkischen Bewegung geworden
war. Eckart war es auch, der im Beobachter damit begann, Hitler als Fhrer anzusprechen. Eckart war Katholik und darin
typisch fr einen Groteil der sich formierenden vlkischen
Bewegung. Ohne die (seelische) Grundlage dieses Katholizismus ist die Bewegung nicht verstehbar und nicht verstndlich,
warum so viele ihrer Protagonisten aus sterreich kamen und
warum ausgerechnet Mnchen zu ihrem deutschen Zentrum
wurde.
Der Vlkische Beobachter hat nach bewhrtem Muster immer wieder Kampagnen gefhrt, in denen er seine Polemik auf
bestimmte Politiker richtete, die in einer Vielzahl von Artikeln
symbolisch herausgehoben und mit Hass berschttet wurden. Derartige Objekte des Hasses waren in den Jahren 1921
und 1922 der zeitweilige (1920/21) Reichsauenminister Simons (18611937), der als charakteristischer Erfllungspolitiker hingestellt wurde, der bayrische Ministerprsident Graf
Lerchenfeld, der den Vlkischen in Bayern zuviel Widerstand
entgegensetzte, und Walter Rathenau (18671922), Nachfolger
Simons und als Industrieller, Politiker und Jude quintessentiell
geeignet fr die Kampagnen des Beobachters. Es ist auffallend,
dass mit Simons und Lerchenfeld zwei dieser drei Hasymbole
vom Beobachter auch in eine Beziehung zu Steiner gebracht
wurden: Simons wurde als ein Schler Steiners bezeichnet, bei
Lerchenfeld wurde bemerkt, dass ein Bruder einer der engsten
Mitarbeiter Steiners war. Das knnte die These erhrten, dass
die vlkische Bewegung in dieser Zeit mit einem sicheren Instinkt Steiner als einen Hauptfeind betrachtet hat, dessen Einfluss in Deutschland unterbunden werden musste, wenn sich
ihr eigener durchsetzen sollte (zu Artikel Nr. 1, 3).
Die Dreigliederung wurde in der vlkischen Bewegung als
eine Abart des Kommunismus oder Bolschewismus verstanden oder zumindest so hingestellt. Mageblich fr die Ablehnung der Dreigliederung war u.a., dass in ihr der Grundsatz
der Gleichheit bzw. Gleichberechtigung aller Menschen,
d.h. der Gleichheit vor dem Gesetz vertreten wurde. Dagegen
war es von Beginn an eine Zielsetzung der vlkischen Antisemiten, rassische Kriterien in die Gesetzgebung einzufhren,
wie das dann spter bei den sogenannten Nrnberger Gesetzen 1935 verwirklicht wurde.
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krieg) mit der Anfrage, ob sie geneigt wre, einen okkultistischen Aufsatz aus seiner Feder zu bringen. Nur der wahre
Okkultismus knne Deutschland retten. Herr Heise musste
abgewiesen werden.
Bekanntlich ist Artur Tinter ein hervorragender Kmpfer gegen
das Judentum gewesen. Gewesen, denn jetzt schreibt er Bcher
ber Tischklopfen und predigt eine Geistlehre, die merkwrdig an den heutigen Grokophta Rudolf Steiner erinnert. Wir
warten darauf, dass er sich davon einmal abwenden wird, wieder gesund werden wird.
All solche Verschwommenheiten haben wir abzulehnen.
Wir anerkennen nur das deutsche Volkstum als Grundlage
und Ausgangspunkt, wir anerkennen nur die Deutschheit und
Grodeutschland als Endziel. Wir anerkennen nur Ideen und
Ideale, die nur einen Kraftzuschuss mitteilen, die unseren Willen sthlen, um unbekmmert um eine Meute von Feinden
und schwach gewordenen Freunden, den Weg zu gehen, auf
dem wir uns zusammengefunden haben.
3. Artikel:
19.10.1921: Programmgem.
Vorbemerkung:
Hintergrund des folgenden Artikelsausschnittes ist der Wechsel im
Amt des bayrischen Ministerprsidenten von Gustav von Kahr zu
Graf Hugo von Lerchenfeld-Kfering (Bayrischer Ministerprsident
vom 21.9.1921 bis zum 2.11.1922). Von Kahr war bei der uersten Rechten beliebt. Er hatte Bayern zu einem Zentrum der nationalistischen Reaktion werden lassen, zur Ordnungszelle Bayern.
Lerchenfeld war zwar politisch ebenfalls auf der Rechten beheimatet (BVP), hatte aber keine Sympathien fr die vlkische Bewegung.
Hugo von Lerchenfeld (*1871) war der jngere Bruder von Otto Graf
Lerchenfeld (*1868), dessen Frage 1917 die Skizzierung der
Dreigliederung durch Steiner auslste. Beide waren Neffen jenes Hugo von Lerchenfeld (18431925), der von 18801919 bayrischer
Gesandter beim Reich in Berlin war.
Ausschnitt:
Alle merkens man darf fragen, wen man will unter den einfachen Leuten, jeder sagt es einem auf den Kopf zu: Natrlich
ists der Jud! Den Krieg hat er gemacht, und die Revolution,
und ausgeraubt hat er uns bis aufs Hemd, und jetzt schnrt er
uns noch die Gurgel zu!
Das wissen alle die vielen im Volk, die noch ihre fnf Sinne zusammen haben; nur diejenigen, die es zu allererst wissen sollten, die Dr. Wirth, Stegerwald, Graf Lerchenfeld, Dr. Heim, die
Schwener, Held, Hamm usw. haben anscheinend keinen blassen Dunst davon, spielen aber trotzdem die Fhrer, reden, was
nur das Zeug hlt, stecken die Kpfe zusammen, tuscheln und
muscheln, und kutschieren uns auf ihrer sogenannten mittleren Linie unaufhaltsam in das letzte Verderben, zum bolschewistischen Chaos. (...)
Von der Roten Fahne angefangen bis herunter zur Frankfurter Ztg. und den Mnchener Neuesten klang es, offen und
versteckt, wie ein einziges Jubellied, als es einer unterirdischen
Arbeit sondersgleichen gelungen war, an Stelle des Herrn v.
Kahr die Zwielichtserscheinung des Grafen Lerchenfeld zu setzen; mit anderen Worten: smtliche, aber auch smtliche Judenbltter der Welt wussten sich nicht mehr aus noch ein vor
Freude ber diesen Wechsel. Und da hat so ein Zentrumsorgan, wie der Bayerische Kurier, tatschlich die eiserne Stirn, zu
behaupten, am alten Kurs habe sich nicht das geringste gendert?! Ja, zum Teufel, fr was halten uns denn diese Leute? Fr
Paviane oder Merinoschafe? Oder sind sie am Ende der Meinung, die Juden htten pltzlich ihren untrglichen Instikt
verloren und knnten kein y mehr von einem u unterscheiden?
Noch nicht das leiseste Wort hat Graf Lerchenfeld bis jetzt
gegen das bel, gegen das Judentum gesprochen; und er wird
auch, so wahr ich lebe, bis ans Ende seiner Tage keine Silbe dagegen sprechen! Das allein ist der springende Punkt; hier und
sonst nirgends liegt der Hase im Pfeffer: der leibliche Bruder
dessen, der den Edelkommunisten Rudolf Steiner schon seit
Jahren wie einen Messias betreut, ist nicht umsonst der Mann
nach Israels Herzen.
4. Artikel:
27.5.1922: Steiner, der neue Messias. Von Wa.
Vorbemerkung:
Der folgende, ausfhrliche Artikel war Teil 3 eines Blocks des Vlkischen Beobachters ber sogenannte Volksverseuchung. Auer
Steiner behandelte der Vlkische Beobachter unter dieser berschrift noch Die Ernsten Bibelforscher (die Zeugen Jehovas),
die Theosophen und die moderne Kunst (Picasso). Am 15.5., d.h.
zwlf Tage vor der Verffentlichung des Artikels, hatte jener Vortrag
Steiners in Mnchen stattgefunden, bei dem er von einer Schutztruppe gegen eine vlkische Schlgerbande geschtzt werden musste.
Auf diesen Vortrag nimmt der Artikel nochmals kurz Bezug. Der
Artikel greift manches wieder auf, was Eckart an anderer Stelle
schon 1919 geschrieben hatte. Wer sich hinter dem Verfasserkrzel
W-a verbirgt, ist dem Verfasser unbekannt.
Ausschnitt:
Ist schon die Theosophie als Mutter von zweifelhafter Herkunft und recht unsauberem Gewerbe, was soll man da von
ihrem Sohne, dem Anthroposophen Dr. Steiner sagen? Der Apfel wird nicht weit vom Pferde fallen. Steiners Mutter kennt
man ja. Mit dem Vater freilich ist es eine andere Sache. Er soll
kein Jude gewesen sein, aber wer sich mit den Krppelformen
des Steinerschen Denkens befasst hat, erkennt unschwer, dass
Talmud und Kabbala das Sperma waren, aus dem dieses sonderbare Gewchs gedieh. Was will nun eigentlich Steiner? Ja so
ungefhr das gleiche wie die Theosophen. Er ist nur noch etwas anspruchsvoller und freigebiger in Versprechungen, er
schillert etwas mehr, und vor allem, er versteht die Werbetrommel fr seine Gedanken noch besser zu rhren als die
theosophischen Brder. Im ganzen hat Dr. Franz Hartmann die
Steinerei sehr gut dahin zusammengefasst: Das Gute, was Steiner bringt, ist nicht neu und das Neue, was Steiner bringt, ist
nicht gut. Also, mit anderen Worten und etwas weniger vornehm ausgedrckt: die frohe Botschaft Steiners ist aus aller
Welt zusammengestohlen und wird halbverstanden und zeitgem zurechtgestutzt rein fabrikmig unter die Massen geworfen. Dieses Fabrikmige ist das Wesentliche, denn Herr
Steiner ist als zeitgemer Heiliger auch ein sehr gewandter
Geschftsmann. Er hat seiner Geisteswissenschaft auch eine Aktiengesellschaft Der kommende Tag angegliedert, und wenn
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sprach vor bervollem Saal. Mitten im Vortrag ging obwohl fr die Schalttafel der groen Saalbeleuchtung eine
Wache bestellt worden war pltzlich das Saallicht aus
nicht jedoch die Lampe am Rednerpult. Rudolf Steiner
sprach ohne die geringste Unterbrechung weiter, und
nichts rhrte sich im Saal. Dies schien die Gegner derart
perplex zu machen, dass Rudolf Steiner den Vortrag nach
einer unendlich lang erscheinenden Zeit ging das Licht
pltzlich wieder an ohne weitere Strung beenden und
unter starkem Applaus im Knstlerzimmer verschwinden
konnte. Erst als er sich noch einmal zeigen wollte, strmten
einige Mnner aus den ersten Stuhlreihen die Bhne. Doch
die anthroposophischen Freunde konnten Rudolf Steiner
decken, bis er hinter der verschlossenen Eisentr des Knstlerzimmers in Sicherheit war. Grunelius schlug Rudolf
Steiner fr die bernachtung im Hotel einen Zimmertausch vor und arrangierte fr den nchsten Morgen eine
verfrhte Zugsabfahrt nach Mannheim. Noch am selben
Abend gab ihm Rudolf Steiner den Auftrag, ein Telegramm
an Edith Maryon in Dornach aufzugeben. Es hatte den folgenden Wortlaut: Mnchen berstanden Steiner. Diese
drei Worte nach dem missglckten Attentatsversuch lassen
manches erahnen. Rudolf Steiner war ber die Gefahr
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Kellern und Kloaken unterminiert. Kloake, dieses passt ausgezeichnet auf die Umgebung Herrn Steiners, der sich als reinkarnierter Christus von seinen 21 reinkarnierten Magdalenen die Hnde lecken lie.
5. Artikel:
17.6.1922: Der berichtigte Steiner.
Ausschnitt:
Der Bund der Dreigliederung des sozialen Organismus
schickt uns zu unserem Aufsatz: Steiner, der neue Messias in
Nr. 42 unserer Zeitung eine Berichtigung, in der er darauf hinweist, dass es unwahr sei, dass die Enthllungen des Hammer
unwidersprochen geblieben sind. Weiter berichtigt der Dreibund, dass in der Geheimschrift, die der Hammer verffentlichte, der Name Rudolf Steiners gar nicht genannt sei. Die Logik dieser anthroposophischen Berichtigung wird aber durch
folgenden Schlusssatz in das rechte Licht gerckt: Aus der Tatsache, dass gewisse Bltter ihnen eingesandte Berichtigungen
nicht oder unvollstndig , wiedergeben, kann nicht gefolgert werden, dass die Anschuldigungen unwidersprochen geblieben sind.
Die Grnde, warum der Hammer eine Berichtigung der
Dreigliederer nicht verffentlicht hat, und die wir uns voll und
ganz zu eigen machen, waren die folgenden (siehe Hammer Nr.
468): 1. weil der Bund fr Dreigliederung nicht zustndig ist,
Dr. Steiner zu vertreten; 2. weil bei dem Widerspruch zwischen
der von amtlicher Stelle ausgehenden Darlegung und den Behauptungen des Bundes fr Dreigliederung, der amtlichen
Stelle volle Glaubwrdigkeit beigemessen werden muss, die
nur in einem Gerichtsverfahren erschttert oder zerstrt werden
knnte.
Der Bund der Dreigliederung des sozialen Organismus,
hinter dem sich Herr Steiner verkriecht, ist es nicht gewesen,
mit dem wir uns beschftigt haben, seinen Irrsinn zu beleuchten, haben wir uns fr eine andere Nummer aufgespart. Wenn
er sich getroffen fhlte, so ist das seine Sache; wir beschftigten uns nur mit Herrn Steiner, und hier war uns dessen
Schweigen und seine Schattenspiele hinter den Kulissen der
Dreigliederung wertvoller als die Berichtigung der Kulissenschieber. Wir wundern uns natrlich nicht ber dieses Gebaren, denn es war von jeher die Art dieses neuen Messias, sich
jeder sachlichen Kritik persnlich zu entziehen und lieber einen seiner Jnger und Apostel vorzuschieben.
6. Artikel:
21.10.1922: Die vergangene Nacht von Kraljewitz.
Ausschnitt:
Einst gab es einen kommenden Tag, aber die Sonne, die ihm
voranleuchten sollte, erwies sich als Nachtlicht, und in der
Dunkelheit vernderten die Nachtwchter ihr Firmenschild
und nannten sich Bund fr freies Geistesleben. Der Mann,
um dessen geistfreies Leben es sich handelt, Herr Rudolf Steiner, wissenschaftlich endgltig erledigt, kann den Schmerz,
dass sich niemand mehr ernsthaft mit ihm beschftigt, nicht
verwinden und lsst seine getreuen Anbeter nach der alten
Praxis, sich selbst im Hintergrund zu halten, von neuem von
sich reden machen.
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IV. Nachbemerkungen
Man kann die Dreigliederung als eine Vervollstndigung der
Kulturepoche der Goethezeit betrachten, indem sie jene Erweiterung in ein soziales Denken hinein brachte, zu der sich
aufzuschwingen der Goetheanismus selbst noch nicht (oder
kaum) fhig gewesen war. In ihr fand zugleich das bernationale, fr einen nationalen Einheitsstaat nicht recht geeignete,
Charaktermoment der Deutschen, des alten Reichsvolks, einen modernen, zeitgemen Ausdruck.
Whrend die Dreigliederung an sich als die grundlegende
soziale Wahrheit des fnften nachatlantischen Zeitalters, der
Bewusstseinsseelenepoche, zu verstehen ist, hat Rudolf Steiner
sie nach dem Ersten Weltkrieg doch besonders in und fr Mitteleuropa und Deutschland propagiert. Steiner hielt nach dem
verlorenen Ersten Weltkrieg die Situation in Mitteleuropa in
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