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Hans-Heinrich Jörgensen

Nicht alles ist eine Allergie


(Aufsatz in der Zeitschrift "Naturarzt" Nr. 2/2006)

Wir klagen heute häufig und laut über eine Zunahme allergischer Erkrankungen. Als
eingefleischter Querdenker neige ich dazu, solche Selbstverständlichkeiten zu hinterfragen,
und dann kommen mir Zweifel, ob es denn wirklich eine solche Zunahme gibt. Mir scheint
das mehr ein statistisches Problem zu sein. Greift die Literatur ein Thema auf, dann dringt es
verstärkt in das Bewußtsein der Patienten und Therapeuten und als Folge treibt es die Statistik
in die Höhe. Auch sind die Menschen heute weniger bereit, ein Leiden einfach hinzunehmen,
sie suchen die Therapie. Und da Patienten mit einer so schwer zu therapierenden Krankheit
häufig den Behandler wechseln, werden sie auch mehrfach erfaßt, sofern es denn mangels
Meldepflicht eine einigermaßen zuverlässige Erfassung überhaupt gibt.

Als ich in grauer Vorzeit achtzehn war, und noch fürchterlich unreif, da habe ich nach einer
feucht-fröhlichen Strandpartie in der Badehose in einem Brennnesselfeld genächtigt. Was am
nächsten Morgen auf meiner Haut zu bewundern war, sah aus wie eine Allergie, war aber
keine. Es war eine klassische Urtikaria, ausgelöst von den histaminbewehrten Härchen der
gemeinen Urtika.

Als ich dann etwas erwachsener wurde, aber vom Grad meiner heutigen Reife und Weisheit
natürlich noch unendlich weit entfernt, versuchte ich, eine Scheunenwand mit Carbolineum zu
spritzen - bei Sonnenschein und Gegenwind. Was danach in meinem Gesicht blühte, sah auch
aus wie eine Allergie, war aber nur eine schlichte Kontaktdermatitis, ausgelöst durch die
toxische Schädlichkeit des Steinkohlenteeröls. Im Grunde genommen handelte es sich um
einen Sonnenbrand, denn Steinkohlenteeröl ist nichts anders als eingefangener Sonnenschein
von Jahrmillionen.

Und was uns heute allzuoft in der Praxis als Allergie präsentiert wird, und auch monatelang so
vorbehandelt wurde, ist oft nichts anderes als eine simple parasitäre Erkrankung, von der
Pilzinfektion bis zur Krätze. Es ist wichtig, diese Unterschiede zu kennen und zu erkennen,
denn diese Bilder bedürfen einer gezielten antiparasitären Therapie.

Auch klagen wir zu Recht die Umweltverschmutzung an. Der Mensch ist ja eifrig bemüht,
den Ast abzusägen, auf dem er sitzt. Wenn Mutter Erde sich gegen ihren Erzfeind, den homo
sapiens verzweifelt wehrt, indem sie die tödliche Fehlinformation in Form eines neuen Virus
(HIV) ausgerechnet in jenes System einschleust, das der Abwehr dient, dann ist das ein
berechtigter Akt der Notwehr. Die Umweltgifte machen Intoxikationen vielfältiger Art und
Kontaktekzeme, sie lösen auch Überempfindlichkeitsreaktionen aus. Allergien jedoch nur im
Ausnahmefall, wenn sie sich mit einer organischen Substanz zum Hapten verbinden.

Allergien entwickelt der Mensch vornehmlich gegen natürliche Substanzen mit


Eiweißcharakter. Eiweiß ist der Träger genetischer Information. Und in der Natur versucht die
genetische Information immerfort von Wirtsorganismen Besitz zu ergreifen, indem sie das
eigene Erbgut dort einschleust, die Wirtsgene manipuliert und verändert. Das Individuum
Mensch besitzt ein leistungsstarkes Immunsystem, das einen Schutzwall gegen solche
Verfremdung durch andere genetische Informationen aufbaut.

Typische Allergene sind Blütenpollen, die den Heuschnupfen oder das Asthma auslösen, die
Milben im Hausstaub oder der Backstube, Tierhaare, Schimmelpilze und - wenngleich weit
überschätzt - die Eiweißnahrungsmittel wie Milch, Ei, Fleisch, Fisch und Hülsenfrüchte. Die
Suche nach dem auslösenden Allergen setzt kriminalistisches Geschick voraus.

Fremdes Eiweiß sucht auf verschiedenen Wegen, in uns einzudringen um von uns Besitz zu
ergreifen. Für jeden dieser Wege haben wir eigene Umgangsformen entwickelt.

Da ist zunächst einmal der äußere Schutzwall Haut, der unser Individuum ummantelt.
Zugegeben, nicht so stabil wie beim Krokodil oder der Schildkröte, aber immer noch nahezu
undurchlässig. Wir aber schmieren alle möglichen Cremes mit obskuren Ingredienzen auf die
Haut, um sie schöner, geschmeidiger, elastischer zu machen, und damit natürlich auch
permeabler.

Schlimmer noch: in ärztlicher Praxis, und natürlich auch beim Heilpraktiker, greifen wir mit
sagenhafter Leichtfertigkeit zur spitzen Kanüle und bringen - ratzefatz - Arzneien durch den
Schutzwall Haut hindurch in den Organismus ein, und das allzuoft nicht nur aus
pharmakokinetischen Gründen, sondern aus liquidationstechnischen. Und dann wundern wir
uns über Allergien. Bevor wir zur Nadel greifen sollten wir sehr sorgfältig prüfen, ob es denn
nicht auch oral geht, zumindest bei organischen Substanzen mit ihrem hohen
Allergenpotential, oder bei solchen, die für ihr großes Allergierisiko bekannt sind.

Mitten durch das zu schützende Individuum führt eine Transitstrecke, von den Lippen bis zum
After. Dieser Weg verhält sich ganz anders als die Haut. Er ist dazu gemacht und gedacht,
fremdes Eiweiß passieren zu lassen, auf dass es uns als Nahrung diene. Allerdings erst,
nachdem es zu seiner Grundsubstanz abgebaut wurde und damit seines genetischen
Invasionscharakters beraubt wurde. Ein System, das zum Abbau und zur Aufnahme von
Fremdeiweiß konstruiert ist, kann nicht sonderlich allergieträchtig sein. Und in der Tat
entpuppen sich die meisten vermeintlichen Verdauungstrakt-Allergien bei immunologischer
Prüfung auch als Störungen anderer Art. Schlichte Ernährungsfehler, Unverträglichkeiten,
Intoxikationen, Mykosen und natürlich die ganz banale partielle Pankreasinsuffizienz setzen
dem Patienten zu. Um Allergien handelt es sich nur in seltenen Fällen.

Unser schutzbedürftiges Individuum hat noch eine Einstülpung. Die allerdings ist
hochempfindlich gegen fremdes Eiweiß. Sie ist gedacht, nichts anderes als Sauerstoff
hineinzulassen. Gelangen dennoch Eiweißpartikel mit der Atemluft hinein, dann werden sie
hinausgeflimmert. Überwinden sie diese Schranke, wäscht das System sie hinaus, und gelingt
es den Fremdlingen, sich auch hier noch hindurchzumogeln, dann werden sie verdaut. Aus
gutem Grund drei Schutzvorrichtungen. Schlimm aber, wenn auch die dritte überwunden
wurde. Dann, und erst dann, reagiert das Immunsystem unseres Individuums mit der Bildung
einer spezifischen Abwehrtruppe gegen eben diesen Feind, damit es denn bei diesem einen
Übergriff bleiben möge. Soweit kommt es in der Regel nur, wenn der Atemtrakt
vorgeschädigt war.

Wehe aber, das Allergen kommt ein zweites Mal. Dann bläst die Schutztruppe zum Angriff.
Die Schleimhäute schwellen, schleimen, krampfen. Der Patient leidet, aber wer will es dem
Immunsystem übelnehmen, dass es sich mit allen zu Gebote stehenden Mitteln gegen die
Invasion fremder genetischer Informanten wehrt ?

Asthma heißt diese Reaktion. Die Griechen, die ihr den Namen gaben, haben gut beobachtet.
Lassen Sie doch einmal die beiden "A" vorn und hinten weg, und versuchen Sie den Rest
"STHM" zu artikulieren. Sehen Sie, das ist Asthma, eine schlimme Krankheit, die uns immer
in die therapeutische Zwickmühle bringt, die Anfälle supressiv zu behandeln, und damit das
Immunsystem zu schwächen, oder das Immunsystem aufzubauen, und Anfälle in Kauf zu
nehmen, wohlwissend, dass jeder Asthmaanfall Lungengewebe irreversibel zerstört.

Merke: Jedes Asthma beginnt allergisch, jedes Asthma wird psychisch und jedes Asthma
endet mit Frühinvalidität. Kaum zu glauben, aber es soll Menschen geben, die dieses sensible
System zwanzig bis dreißigmal täglich mit Teer und Ruß einsprühen, weil sie glauben, das sei
der Duft der großen weiten Welt.

Da gibt es noch eine Einstülpung in unser Individuum, nicht alle verfügen drüber, nur die
Hälfte von uns. Die wiederum verhält sich ganz anders im Umgang mit fremden Genen. Sie
blockt sie nicht ab, wie die Haut, sie verdaut sie nicht, wie der Darmtrakt, sie flimmert sie
nicht hinaus, wie der Atemweg. Nein - diese Einstülpung ist dazu gemacht, fremdes Eiweiß
unverändert aufzunehmen, ins Individuum eindringen zu lassen, sich mit körpereigenem
Eiweiß zu verschmelzen - auf das daraus ein völlig neues Wesen entstehen möge. Hier
wiederum gibt es mehr Allergien als wir ahnen. Manch unerfüllter Kinderwunsch hat seine
Ursache in der Allergie der Frau gegen das Sperma ihres Mannes. Aber Vorsicht: als
Kontrazeptivum taugt diese Allergie nur bei diesem einen Mann.

Hut ab vor dem, der sich diesen vielfältigen Umgang mit fremden genetischen
Informationsträgern ausgedacht hat.

Störungen unseres Immunsystems gibt es auf dreierlei Weise. Zwar keine allergische
Erkrankung, vielleicht aber der erste Schritt dahin, ist die Immunschwäche. Ich denke dabei
nicht so sehr an die virusbedingte, mit der die Natur uns zeigt, dass sie uns in puncto
Genmanipulation etliche Schritte voraus ist. Ich denke mehr an jene vielen Kinder, denen wir
gar keine Chance geben, ihr Immunsystem zu trainieren, weil wir jeden banalen Infekt mit
Antibiotika oder fiebersenkenden Zäpfchen im Keime erschlagen. Woher stammt denn die
Volksweisheit, dass die Kinder der Slums widerstandsfähiger sind, als die aus den
Wohlstandsvillen ? Machen Sie Ihren jungen Müttern Mut, ihren Kindern auch einmal Fieber
zuzumuten. Im Feuer des Fiebers verbrennen nicht nur die Bakterien, auch entartete potenziell
bösartige Zellen werden von einem intakten Immunsystem erkannt und eliminiert. Es gibt
eine retrospektive Studie über den Zusammenhang zwischen Fieber in der Anamnese der
Patienten und einer späteren Krebssterblichkeit, die deutlich zeigt, dass Patienten mit häufigen
Fieberschüben ein geringeres Krebsrisiko haben.

Spinne ich diesen Faden weiter, dann drängt sich zwangsläufig der fatale Verdacht auf, dass
schlußendlich die heute so beliebte supressive Therapie zu einem Anstieg maligner
Erkrankungen führen muß. Unsere alternativen, oder besser additiven Krebstherapien haben
dieserhalb ja auch alle das Ziel, das Immunsystem zu stimulieren.

Unser Immunsystem kann sich auch irren. Dann kämpft es gegen den falschen Feind, den
eigenen Körper. Autoimmunkrankheiten, wie das echte Rheuma, die pcP, die multiple
Sklerose, die Myasthenia gravis oder eine bestimmte Form der Zuckerkrankheit zeichnen sich
dadurch aus, dass der Körper sein eigenes Eiweiß nicht mehr als körpereigen identifiziert und
darum zum Angriff gegen sich selbst bläst.

Alles, was ich bisher gesagt habe, ist "wissenschaftlich verifiziert". Aber an dieser Stelle stelle
ich einmal eine Hypothese in den Raum, die es wert scheint, durch eine Doktorandenarbeit
weiterverfolgt zu werden:
Wir wissen, dass die Prägephase zum Erkennen des körpereigenen Eiweißes in den ersten
Wochen nach der Geburt liegt. In dieser postnatalen Zeit hat das Neugeborene auch noch kein
eigenes Immunsystem, es ist - aus eben diesem Grunde - auf die Antikörper in der
Muttermilch angewiesen. Jeder Tierzüchter weiß um die Wichtigkeit der Kolostralmilch. Was
ist, wenn wir den kindlichen Organismus, weil wir ihm die Muttermilch vorenthalten,
zwingen, vorzeitig ein eigenes Immunsystem aufzubauen, und das zu einem Zeitpunkt, da er
sein eigenes Eiweiß noch nicht erkannt hat ? Werden hier nicht möglicherweise die
Informationen gespeichert, die dann später zur Zerstörung dieses eigenen Körpermaterials
führen ? Zu deutsch: Haben nicht gestillte Kinder später ein höheres Rheumarisiko ?

Und schließlich kann das Immunsystem übers Ziel hinausschießen, die Allergie. Aber wollen
wir es unserem Schutzengel übelnehmen, wenn es im Gefolge seiner Abwehrschlacht zu
Hautjucken oder Atemnot kommt ?

Aber zunächst sollten wir eine Minute bei den eingangs aufgezeigten
Verwechslungsmöglichkeiten bleiben. Die Kontaktdermatitis ist keine Allergie. Es ist normal
und gut, wenn unsere Haut auf den Kontakt mit toxischen Substanzen abwehrend reagiert, ob
wir uns in Brennesseln baden oder Carbolineum draufsprühen. Und schmieren wir ein
Kosmetikum drauf, um die Haut straffer und faltenfreier zu machen, haben wir keinen Grund
zum Geschrei, wenn sie denn etwas straffer gerät, als vorgesehen. Kontaktdermatiden sind
nicht allergisch, sie sind dosisabhängig. Die üblichen Hauttests helfen bei der Frage "Allergie
oder nicht ?" nicht sonderlich weiter. Auch auf toxische Substanzen reagiert die Haut beim
Pflaster oder dem Scratch-Test mit einem Histaminhof. Und therapeutisch hilft nur das
Weglassen.

Gleiches gilt für die unspezifische Immunantwort, zu deutsch Überempfindlichkeitsreaktion.


Hier kommt es nicht so sehr auf die fremde Substanz an. Die Überempfindlichkeit ist möglich
gegen jedwede harmlose Substanz, einfach weil es infolge wenig stabiler Mastzellen zu einer
voreiligen oder unnötigen Histaminausschüttung kommt, ganz ohne spezifisches Allergen.
Auch hier sprechen Epi- und Intracutantests positiv an und führen auf die falsche Fährte. Dies
sind die Patienten mit der langen und stets wechselnden Liste verbotener Stoffe im
Allergenpaß. Zu mindestens 30% sind Prick- und Scratchtest in der Haut falsch positiv. Echte
spezifische Allergien lassen sich nur durch den Nachweis von Immunglobulinen im Serum
sicher nachweisen.

Zwischen den Stühlen sitzt die Neurodermitis, die eigentlich keine Allergie sondern eine
Erbkrankheit ist, dennoch aber mit einem erhöhten IgE-Spiegel einhergeht. Eine klassische
Allergie kann sie schon deswegen nicht sein, weil Säuglinge zwar eine Neurodermitis aber
mangels eigener Immunkompetenz keine Allergie haben können. Die Neurodermitis reagiert
auf vielfältige unspezifische Reize in der Nahrung, im Klima, im Umfeld und selbst in der
Psyche. Eine deutliche Besserung läßt sich durch die Stabilisierung der Mastzellen mittels
Zink erreichen.

Die echte Allergie, spezifisch gegen ein ganz bestimmtes Allergen, mit immunologisch
nachweisbaren Antikörpern, bzw. IgE, ist - Gott sei's gedankt - weniger häufig als beklagt,
dafür aber - Gott sei's geklagt - eine lebensgefährliche Krankheit. Sie kann unversehens zum
anaphylaktischen Schock mit tödlichem Ausgang führen. Diese Reaktion ist n i c h t
dosisabhängig. Schon geringste Mengen des Allergens können einen Schock auslösen.

Darum macht auch die immer wieder empfohlene Testquaddel vor der eigentlichen Injektion
wenig Sinn. Und das in den Bindehautsack geträufelte Testtröpfchen trifft nun wahrlich den
verkehrtesten Ort für derlei Experimente. Den ersten anaphylaktischen Schock bekam ich zu
Gesicht, als der damalige "Allergie-Papst" mir an seiner allergologischen Klinik die
Testungen demonstrierte. Ein Heuschnupfen-Patient, ein Kerl wie ein Baum, schockte nach
der Injektion der Testquaddel in einer Verdünnung 1:10 Millionen des verdächtigen
Allergens.

Es ist auch wichtig zu wissen, dass der Körper 9-10 Tage braucht, um nach dem Erstkontakt
mit dem Allergen die entsprechenden Antikörper zu bilden. Beginnen Sie also eine Therapie
mit einem potentiellen Allergen, wiegen Sie sich nicht zu früh in Sicherheit. Die kritische
Phase beginnt erst nach dieser Zeit. Und sie hält dann ein Leben lang an.

Nun greift die Bestimmung der Immunglobuline in der Diagnostik immer mehr um sich, nicht
nur zur Diagnose von Allergien, sondern auch zur Bestimmung einiger Infektionskrankheiten,
wie zum Beispiel der Borreliose. Zur sinnvollen Bewertung solcher Laborparameter muss
darauf hingewiesen werden, dass das Vorhandensein weder zwingend die Allergie noch die
Infektion beweist, sondern nur aussagt, dass dieser Körper sich irgendwann einmal mit dem
Allergen oder Erreger auseinandersetzen musste. Also: keine Allergie ohne Immunglobuline,
und mit nur vielleicht!

Ob denn der Organismus beim erneuten Kontakt mit dem Allergen angemessen und
kontrolliert reagiert, oder mit einer Hypergie dem Patienten zu schaffen macht, das hängt von
der gesamten Immunkompetenz ab. Und die zu stabilisieren ist das Bemühen aller
naturheilkundlichen Maßnahmen. Hier liegt auch die Chance einer Heilung.

Die Schulmedizin setzt in der Therapie der echten Allergie große Hoffnungen auf eine
spezifische Desensibilisierung, bei der dem Kranken hohe Verdünnungen seines ausgetesteten
Allergens in langsam fallender Konzentration injiziert werden, in der Hoffnung, dadurch
würden die Antikörper blockiert oder verbraucht. Inzwischen ist man etwas bescheidener
geworden und spricht nur noch von einer Hyposensibilisierung. Ganz ungefährlich ist dieses
Spiel nicht. Pro Jahr ist diese Therapie in Deutschland mit 8-12 Todesfällen belastet.

In der Naturheilkunde sprechen wir von einer unspezifischen Desensibilisierung, wenn wir
Maßnahmen ergreifen, die das Immunsystem stabilisieren sollen. Das ist wohl auch das
Wirkprinzip der meisten naturheilkundlichen Therapien, ausgehend von dem Gedanken, dass
ein jedes Organsystem immer dann in seinen Reaktionen übers Ziel hinausschießt, wenn es in
Wirklichkeit zu schwach zu einer angemessene Reaktion ist. Ein insuffizientes Herz wird
tachykard, ein in der Seele angeschlagener Patient oft aggressiv. Kann nicht auch die
überschießende allergische Antwort des Immunsystems Zeichen seiner Schwäche sein ?

Im Gegensatz zur Schulmedizin, die ihr Heil in der suppressiven Anfallskoupierung mit
Antihistaminika oder Cortikoiden sucht, bemühen wir uns in der Naturheilkunde, die
Immunkompetenz zu stärken, zu stabilisieren und zu stimulieren. Zur Stimulation bietet die
Naturheilkunde ein breites Spektrum an, beispielgebend dafür ist die Injektion von
Mistelpräparaten. Die Stimulation eines Organsystems setzt aber voraus, dass es über
entsprechende Kapazität und Stabilität verfügt. Unverzichtbar sind dazu drei essenzielle
Mineralien, die schon der Vater der Biochemie, Dr. Wilhelm Heinrich Schüßler, vor 130
Jahren als lebensnotwendige Funktionsmittel beschrieben hat, und die alle in den
Neukönigsförder Mineraltabletten NE enthalten sind, ein Produkt das vor über dreißig Jahren
aus einer Rezeptur von mir entstanden ist. Calcium zur Membranabdichtung, Kalium zur
Stabilisierung der neuromuskulären Erregbarkeit und vor allem Zink, ohne das es keine
Thymusreaktionen gibt und das die lästige Histaminausschüttung aus den Mastzellen
vermindert.

Auf diese Weise lassen sich Üerempfindlichkeitsreaktionen und Pseudoallergien völlig


normalisieren und die viel selteneren echten Allergien oft erträglich gestalten.

Hans-Heinrich Jörgensen
Die Freiheit stirbt scheibchenweise

Mit großem Getöse wurde im Juli ein "Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im
Gesundheitswesen" gegründet. Das sah das neue Sozialgesetzbuch im Zuge der
"Gesundheitsreform" so vor. Zu den Aufgaben gehört die Bewertung therapeutischer
Verfahren und evidenzbasierter Leitlinien, Gutachten zu Qualität, Effizienz und
Wirtschaftlichkeit von Kassenleistungen und vor allem - so der Vorstand - die Bewertung des
Nutzens von Arzneimitteln.

Nun wird die Wirkung, die Qualität und die Unbedenklichkeit von Arzneimitteln bereits in
einem sehr aufwändigen und akribischen Zulassungsverfahren vom Bundesinstitut für
Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geprüft. Und alle fünf Jahre prüft das gleiche
Institut noch einmal, ob denn die Prüfung überprüft werden müsste. Mit der zusätzlichen
Prüfung des Nutzens meint man, einem dringenden Bedürfnis endlich Genüge getan zu haben,
denn schließlich ist die Nutzen-Bewertung des Patienten, dessen Schmerzen schwinden, und
die des Arztes, der nach Meinung des Gesetzgebers sowieso nicht urteilsfähig ist, ja nicht
"evidenzbasiert".

Was heißt das? Auf der Basis von offenkundigen Beweisen (auf Evidenz basierend) soll
Medizin in Zukunft stattfinden. Das klingt gut und nach Qualität. In der Tat: ich schätze es
hoch, wenn mein Automonteur sich strikt an die Einstellungsvorgaben des Herstellers hält.
Dann fährt mein Auto nach der Inspektion nicht schlechter als vorher. Nur - ich bin kein Auto!
Und darum stellen sich mir zwei Fragen.

1. Ob denn das, was offenkundig (evident) für hundert andere richtig war, auch zu meinem
Besten ist, oder ob die Eigenart und Eigenwilligkeit des nicht nach Standardplan entstandenen
Individuums nicht vielleicht doch einer anderen Therapie bedarf? Und ob wir beide
gemeinsam - mein Arzt und ich - das nicht doch besser beurteilen können, als das ferne
Qualitätsinstitut?

2. Wie gut, wie sicher, wie überzeugend sind jene "evidenten" Beweise denn wirklich, die
angeblich zu meinem Besten sein sollen? Lipobay und Vioxx waren evidenzbasiert!
Wirksamkeit und Nutzen werden in der evidenzbasierten Medizin mit Mitteln der Statistik
nachgewiesen. Dabei wird uns gern mit tollen Zahlen vorgegaukelt, um wieviel Prozent denn
das geprüfte Präparat besser wirkt als eine Scheinmedizin. Doch das sagt gar nichts, wenn
man nicht weiß, wieviele Prüfungsteilnhemer denn überhaupt in beiden Gruppen Nutzen
hatten. Der so ermittelte "absolute Nutzen" liegt oft nur bei zwei bis vier Prozent - und das
bezogen auf mehrere Jahre Medikamenteneinnahme. Aufs Jahr umgerechnet bedeutet dies:
Damit beispielsweise einem Patienten ein Knochenbruch erspart bleibt, müssen weit über
hundert Patienten das geprüfte Zeug schlucken.

Die medizinische Statistik nennt diese Zahl "number needed to treat" (NNT): die Zahl derer,
die es einnehmen müssen, damit einer profitiert. Bei angesehenen Studien wie "4S"
(Cholesterinsenkung), "HOPE" (Herzinfarktprophylaxe), und "FIT" (Osteoporose- bzw.
Frakturprophylaxe) lag die NNT aufs Jahr bezogen bei 147, 263 und 278! Siehe dazu auch
meinen Aufsatz "Traue keiner Statistik..." in der Zeitschrift "Volksheilkunde" 7/2004 oder im
Internet.

Ich kann sehr gut nachvollziehen, wenn jemand mehr auf eigene Erfahrung, mehr auf das
Wissen seines Arztes, mehr auf eine sanfte wenngleich nicht so evidente Medizin setzt. Dieses
Verständnis fehlt derzeit unserer Administration völlig. Und die Ministerialbürokratie ist
stark. Paradoxerweise setzen unsere Politiker heute lieber das in Gesetze um, was die
Administration ihnen vorschreibt - anstatt umgekehrt der Verwaltung den politischen Willen
aufzuzwingen. Das Ergebnis: alle, die sich nicht demütig der "evidenzbasierten" Medizin
unterwerfen, alle, die auf Individualität und Naturheilkunde setzen, wurden aus der
gesetzlichen Krankenkasse rausgeworfen. Nicht, soweit es die Beiträge betrifft, wohl aber auf
der Leistungsseite.

Aber nicht nur das: Richtlinien schreiben dem Arzt vor, was er tun darf. Leitlinien sollen ihm
Qualität beibringen. Chronikerprogramme (neudeutsch: DMP = disease management
program) locken mit Geld in obige Unterwerfung. Gerichtsurteile lassen im Streitfall den Arzt
immer dann teuer haften, wenn er sich nicht blind an jene als offiziell geltenden Therapien
gehalten hat, die in Wirklichkeit oft auf so wackeligen Füßen stehen, dass alle 15 Jahre eine
Kehrtwendung von 180 Grad gemacht werden muss. Scheibchenweise geht dabei die
Therapiefreiheit verloren.

Auch einige Heilpraktikerverbände lassen sich ohne Not in diesen Strudel hineinziehen. Sie
gründen Qualitätszirkel und verleihen Qualitätssiegel. Damit ich nicht missverstanden werde:
ich halte viel von Qualität, sehr viel sogar. Sie beginnt in der Ausbildung, sie pflanzt sich fort
in dauerhafter Fortbildung, vor allem aber: sie setzt eigenes Denk- und Urteilsvermögen
voraus. Das wiederum sträubt sich nur allzu oft gegen standardisierte Therapievorgaben, die
es vor allem jenen leicht macht, die sich die Mühe des selbst Denkens ersparen wollen. Aber
das ist die Zwickmühle, in die wir geraten: Qualitätskontrolle kann sich immer nur an solchen
Standardvorgaben orientieren. Da fällt nicht nur der Dummkopf durchs Raster und der
Scharlatan, sondern auch der Vorauseilende, der die Pforten zu den neuen Standards von
morgen aufstoßen will. Manch heute hoch geschätztes Alternativverfahren wäre unter
Leitlinien, Richtlinien und Qualitätskontrollen im Keime erstickt.

Hans-Heinrich Jörgensen
Sind wir alle übersäuert?
"Sind wir alle übersäuert, oder übertreiben manche Naturheilkundler das Problem?" fragt
mich der "Naturarzt". Ich bin geneigt, mit einem eindeutigen "Jein" zu antworten. Und damit
der Leser nicht allzusehr verunsichert ist, will ich versuchen, den Widerspruch aufzuklären.

Richtig ist, dass wir lange Zeit die Fähigkeit der Natur überschätzt haben, die viele Säure, die
wir ständig in die Luft blasen, zu kompensieren. Unsere Felder und Wälder, unsere Flüsse und
Seen siechen unter der Säurelast dahin, und weltweite Verträge, den CO2-Ausstoß zu
begrenzen, werden ebenso weltweit ignoriert, am meisten von denen, die am meisten CO2
produzieren. Kurzsichtig, wer meint, am Menschen würde dieses Problem spurlos
vorübergehen. Es ist das Verdienst der Naturheilkunde, das Bewusstsein für die Problematik
geweckt zu haben, während die "Schulmedizin" sich bislang ausschließlich für das in den
Brunnen gefallene Kind interessiert, nämlich für die akute Azidose, die mit Blaulicht und
Martinshorn auf der Intensivstation landet. Aber es liegt doch auf der Hand, dass es zwischen
kerngesund und Intensivstation eine Entwicklung gegeben haben muss, die niemand bemerkt
hat, bis denn der Notfall eintrat.

Diese diagnostische Lücke ist längst geschlossen, denn seit gut zwanzig Jahren gibt es ein
relativ einfaches Verfahren, mit dem man die Fähigkeit des Blutes messen kann, den pH-Wert,
das ist die Säuremesszahl, unter Kontrolle zu halten. Der pH-Wert des Blutes verträgt keine
größeren Schwankungen, er bewegt sich stets in einer winzig kleinen Spanne um pH 7,4
herum. Abweichungen davon sind mit dem Leben nicht vereinbar, und darum hat der liebe
Gott, oder wen immer wir für den Homo sapiens verantwortlich machen wollen, uns einen
riesigen Schutzwall von puffernden Basen mit auf den Weg gegeben. Die Menge freier Basen,
das ist das Gegenteil von Säuren, ist zwanzigmal so groß wie die freien Säuren. Auf jedes
saure Molekül in unserem Blut kommen zwanzig basische Moleküle. Diese riesige
Pufferkapazität schützt uns vor der akuten Azidose, der akuten Übersäuerung. Darum sind wir
auch niemals übersäuert oder sauer, der Begriff ist unglücklich gewählt. Wohl aber kann die
Pufferkapazität weniger werden. Knabbern wir lange und heftig genug an diesem
zwanzigfachen Schutzwall, dann wird aus dem 20 zu 1 ein 19 zu 1, ein 18 zu 1, und
irgendwann bricht das System zusammen. Dann ist Blaulicht angesagt. Diese Entwicklung
rechtzeitig zu erkennen, das ist das Ziel der Bestimmung der Pufferkapazität.

Sie fragen, wieso zwanzigfache Basenmenge, wo doch jeder aus dem Schulunterricht noch
den Neutralwert von pH 7 im Kopfe hat. Da kann pH 7,4 im Blut doch 'mal gerade "schwach
basisch" sein, wie es immer heißt. Falsch. Neutralwert pH 7 gilt nur für absolut reines
destilliertes Wasser. Jede Lösung, in der irgend etwas herum schwimmt, hat einen eigenen
Neutralwert, bei dem Säuren und Basen genau ausgeglichen im Verhältnis 1:1 sind. Dieser
neutrale Punkt, pK-Wert nennen wir ihn auch, liegt im Blut bei pH 6,1. Beide Zahlen, pH und
pK beschreiben den Verdünnungsgrad der Säure und sind nichts anderes als die kleine
hochgestellte Zahl hinter der 10, beraubt um das Minuszeichen. pH 7,4 heißt, dass die Säure
in einer Verdünnung von 10-7,4 vorliegt, also an etwas mehr als 7. Stelle hinter dem Komma.
Und wenn Sie noch ein klein wenig vom Umgang mit Hochzahlen (Logarithmus nennt der
Mathematiker das) behalten haben, dann fragen Sie doch einmal Ihren Taschenrechner,
wieviel denn 101,3 ist. 1,3 ist die Differenz zwischen pH 6,1 und 7,4, und 101,3 ist genau 20.

Wie brennend ist aber nun dieses Problem in der Gesamtbevölkerung? "Alle" sind wir sicher
nicht "übersäuert", besser "weniger basisch". Einige aber schon. Manche naturheilkundliche
Literatur erweckt den Eindruck, als hätte die "Übersäuerung" als Volksseuche schon große
Teile der Bevölkerung erfasst. Die Wirklichkeit ist nicht ganz so dramatisch. Die akute
Azidose ist extrem selten und allenfalls bei entgleisten Zuckerkranken oder
dialysebedürftigen Nierenpatienten zu finden. Stets geht dem die Verminderung der
Pufferkapazität vorweg, und das kommt schon eher vor. Allerdings nicht, wie manchmal der
Eindruck geweckt wird, bei 70% der Patienten, sondern eher bei unter 5%. Von "alle" kann
also nicht die Rede sein.

Das Phänomen ist bekannt, dass ein warnender Fingerzeig von der Fachpresse aufgegriffen
wird, immer breiter breitgetreten wird, von den Therapeuten vor Ort aufgegriffen wird,
Firmen veranlasst, Medikamente zu entwickeln, was wiederum Werbung nötig macht, die
erneut auf die Therapeutenwelt einhämmert, was schließlich aus dem kleinen (richtigen)
Warnhinweis ein scheinbar riesiges Gefahrenpotenzial macht. Der Säure-Teststreifen, ins
Nachtgeschirr gehalten, gießt mit seinen Schwankungen dann auch noch Öl ins Feuer,
verstärkt die Angst und die Therapiebereitschaft, obwohl seine diagnostische Aussagekraft hat
dem Kaffeesatzlesen oder Sternegucken gleicht.
Zwar ist die Niere das Ausscheidungsorgan für Säuren, aber auch für Basen. Die meisten
Säuren werden bereits an Basen gebunden und damit gepuffert ausgeschieden, Nur knapp ein
Tausendstel aller ausgepinkelten Säuren schlägt als Messergebnis auf das Indikatorpapier
durch. Und das führt unser Denken dann auch noch in die völlig falsche Richtung. Ist der Urin
wunderbar basisch, muss das noch lange kein Zeichen für beste Gesundheit sein, sondern
kann auch bedeuten, dass diese Niere keine Säure raus lässt. Dann aber häuft sich die nicht im
Urin zu findende Säure fatal im Körper an. Wird jetzt wirksam therapiert, geht die Säure raus
aus dem Körper, der Urin wird sauer und der Patient erschrickt ganz fürchterlich. So
geschehen, beobachtet und fehl-interpretiert, als nach einer kaliumreichen Getreide-
Anfütterung von Versuchspersonen der Urinteststreifen ins Saure rutschte. Getreide säuert
nicht, Getreide entsäuert. Die Säure im Nachtgeschirr tut niemandem mehr weh, es sei denn
den Blumen....

Säure-Basen-Diagnostik, wenn sie Hand und Fuß haben soll, muss also immer im Blut
erfolgen. Halt: ein einfacher Urintest, der schon 1902 in der Literatur beschrieben wurde,
kann auch vom Patienten angewendet werden. Morgens zum Frühstück wird ein gestrichener
Esslöffel Natriumhydrogencarbonat (Kaiser-Natron) geschluckt. Bis in den Nachmittag hinein
wird dann der Urin mit dem Säure-Indikatorpapier kontrolliert. Irgendwann muss er deutlich
ins Basische steigen. Tut er das nicht, kann man daraus schließen, dass der Körper den Löffel
Base um keinen Preis wieder hergibt, weil er ihn dringlich braucht. Hier kann in der Tat
weiterer diagnostischer und therapeutischer Handlungsbedarf vorliegen.

Aus der richtigen Erkenntnis, dass eine Überladung mit Säure das Bindegewebe schädigen
kann, wird allzu oft der Umkehrschluss gezogen, jedes Bindegewebsproblem sei eine
Säurekrankheit. Allzu oft muss ich am Telefon enttäuschten Therapeuten erklären, warum
denn sein klassischer Rheumatiker nicht zwingend auch eine Verminderung der
Pufferkapazität aufweisen muss.

Gerade das Bindegwebe muss immer wieder als "Beweis" für eine Minderung der
Pufferkapazität, im Alltagsjargon "Übersäuerung" herhalten, auch ohne präzise
Labordiagnostik. Richtig ist, dass Säure, die der Körper nicht rechtzeitig ausscheiden kann,
zusätzlich gepuffert werden muss und damit solche Kapazitäten verbraucht. Das kollagene
Bindegwebe, rund 70% unseres Körpereiweißes, verfügt über eine hohe Pufferleistung und
nimmt darum viel Säure auf. Je mehr Säure darin abgelagert wird, desto mehr verliert es an
Elastizität. Und dass das dem Gelenkknorpel und den Bandscheiben nicht gerade zum Besten
dient, ist logisch.

Gleiches gilt für das Innere der Körperzellen, insbesondere wenn das lebensnotwendige
Kalium in den Zellen fehlt. Auch hier wird aus der Geschmeidigkeit eine Strukturstarre. Die
roten Blutkörperchen tun sich immer schwerer, durch die haardünnen Äderchen zu schlüpfen.
Die Durchblutung wird schlechter. Und wenn sich in den Nervenzellen Säure statt Kalium
breit macht, dann sinkt das Ruhepotenzial der Nerven, die neuromuskuläre Stabilität lässt
nach, dieser Patient reagiert in der Tat "sauer". Und schließlich: eine Mutation der genetischen
Informationen im Zellkern, bekanntlich der Beginn von Krebs, kann durch ein saures Milieu
begünstigt werden.

Jede putzfreudige Hausfrau weiß, dass man die hässlichen Kalkflecken des Spritzwassers auf
den Badezimmerfliesen mit Säure entfernt. Dann sollte jede Hausfrau aber auch wissen, dass
man die nützlichen Kalkeinlagerungen des Knochens auch mit Säure entfernt. Die
Osteoporose ist keine Östrogenmangelkrankheit, wie man uns die letzten 10 Jahre einzureden
versucht hat, sie ist eine Calciummangel- und Säurekrankheit.
Aber noch einmal: alle diese Krankheiten können durch ein Überangebot saurer Valenzen
entstehen, aber ebenso durch ungezählte andere Ursachen.

Wie kommt es nun zu einer Säurebelastung? "Sauer"stoff ist mit Sicherheit nicht der
Übeltäter, hier irrte der Chemiker Lavosier, der unseren Elementen ihren Namen gab. Im
Gegenteil, Sauerstoff ist ein ganz wichtiger Faktor, um Säurekrankheiten zu verhindern. Jeder
Sportler weiß, dass anaerobe Verbrennung, d.h. Muskelarbeit auch dann noch weiter, wenn
nicht mehr genügend Sauerstoff im Muskel vorhanden ist, zur Milchsäurebildung führt und
das Leistungslimit deutlich herabsetzt. Das Training des Sportlers dient nicht zuletzt auch dem
Verbessern jener enzymatischen Systeme, die Säure ausscheiden und abbauen. Nun liegt das
Leistungslimit von Alten, Blutarmen, Asthmatikern, Herzschwachen, Durchblutungsgestörten
usw. weit unter dem des Sportlers, aber stoffwechselmäßig haben diese alle das gleiche
Problem, es bildet sich durch den Sauerstoffmangel im Körper Milchsäure, die irgendwo und
irgendwie gepuffert und abgebaut werden muss.

Zwingend stellt sich nun die Frage nach der Ernährung. Eine Fülle von Nahrungsmittel-
Tabellen mit ihrem Säure- oder Basenwert kursieren immer wieder durch die Literatur und
führen zur Verwirrung. Ich kenne sie alle und weiß, wer von wem abgeschrieben hat. Alle
gehen sie auf eine Untersuchung von Ragnar Berg im Jahre 1912 zurück, der jedoch nicht
Säuren und Basen untersucht hat, sondern Kationen und Anionen, und das ist etwas ganz
anderes, wie wir seit 1923 wissen, seit uns der Däne Broenstedt gelehrt hat, dass allein das
dissoziierte Wasserstoffatom (H+) Träger der Säure ist. Zudem sind die Untersuchungen
unvollständig, denn wenn Kationen und Anionen auf dem Teller nicht genau ausgeglichen
sind, dann würde die Suppe zischen, leuchten oder explodieren. Niemand würde mehr mit
dem Löffel dran gehen. Das einzige was wir ziemlich sicher wissen, ist die Tatsache, dass
Eiweiß aus Aminosäuren besteht, und dass ein Zuviel an Fleisch, Fisch, Ei, Milch und
natürlich auch an pflanzlichem Eiweiß mehr Säure in den Körper einbringt als gut ist. Jeder
Vegetarier weiß, dass sein Urin basisch wird. Deswegen muss man nicht zwingend Vegetarier
werden, aber weniger Fleisch und mehr Pflanze führt ernährungsmäßig zumindest in die
richtige Richtung. Unsere Urgroßväter - freitags Fisch, sonntags Fleisch - lagen da besser als
wir, allerdings eher der Not gehorchend.

Und noch etwas: wer versucht, seine Ernährung nach Tabellen zu ordnen, täglich den Bedarf
an allen Vitaminen, allen Mineralien, allen Spurenelementen, an sauren und basischen Stoffen
und was denn sonst noch so wichtig sein könnte, kommt mit dem PC nicht mehr aus, er
braucht eine Großrechenanlage, kommt doch nie zum richtigen Ergebnis - und beraubt sich
manchen Genusses. Abwechslungsreich, vollwertig, große Dauerfehler meidend und mit
Freude essen, das lob' ich mir.

Übrigens: Zucker macht manch Problem, vor allem wenn er aller stoffwechselaktiven
Begleitstoffe beraubt ist, aber sauer macht er nicht, es sei denn, der notwendige Sauerstoff zu
seiner Verbrennung fehlt. Da ja der Kohlenstoff C darin zu CO2 verbrannt wird, braucht jedes
C-Atom zwei O-Atome, und wenn es sie nicht durch die Atmung bekommt, nimmt es sie
einfach aus dem Körperwasser H2O. Jedes verbrannte Kohlenstoff-Atom hinterlässt also vier
dissoziierte Wasserstoff-Atome, Träger der Säure. Und eben darum ist in unserem Erdenrund
der ungebremste CO2-Ausstoß auch so fatal. Mutter Erde hat ein paar Millionen Jahre
gebraucht, um mit Farnkräutern, Bäumen und Algen unendlich viel Kohlenstoff aus der
Atmosphäre herauszufiltern und als Kohle, Torf und Erdöl zu speichern. Der Mensch schafft
es in knappe dreihundert Jahren, alles wieder herauszuporkeln und als CO2 in die Atmosphäre
zurück zu blasen.
Wir haben allen Grund, das Thema in der Natur und beim Menschen aufmerksam aber
kritisch zu beobachten. Wir haben keinen Grund, Panik zu machen. Ich fürchte nur, mein
Hinweis, dass die Patienten doch nicht so schrecklich sauer sind, lässt statt dessen nun
manchen Therapeuten sauer reagieren.

Allergie - mehr Freund als Feind


(Vortrag auf dem Deutschen Heilpraktikertag Düsseldorf 1994)

von Hans-Heinrich Jörgensen

Als ich in grauer Vorzeit achtzehn war, und noch fürchterlich unreif, da habe ich nach einer
feucht-fröhlichen Strandpartie in der Badehose in einem Brennesselfeld genächtigt. Was am
nächsten Morgen auf meiner Haut zu bewundern war, sah aus wie eine Allergie, war aber
keine. Es war eine klassische Urtikaria, ausgelöst von den histaminbewehrten Härchen der
gemeinen Urtika.

Als ich dann etwas erwachsener wurde, aber vom Grad meiner heutigen Reife und Weisheit
natürlich noch unendlich weit entfernt, versuchte ich, eine Scheunenwand mit Carbolineum zu
spritzen - bei Sonnenschein und Gegenwind. Was danach in meinem Gesicht blühte, sah auch
aus wie eine Allergie, war aber nur eine schlichte Kontaktdermatitis, ausgelöst durch die
toxische Schädlichkeit des Steinkohlenteeröls. Im Grunde genommen handelte es sich um
einen Sonnenbrand, denn Steinkohlenteeröl ist nichts anders als eingefangener Sonnenschein
von Jahrmillionen.

Und was uns heute allzuoft in der Praxis als Allergie präsentiert wird, und auch monatelang so
vorbehandelt wurde, ist oft nichts anderes als eine simple parasitäre Erkrankung, von der
Pilzinfektion bis zur Krätze. Es ist wichtig, diese Unterschiede zu kennen und zu erkennen,
denn diese Bilder bedürfen einer gezielten antiparasitären Therapie.

Wir klagen heute häufig und laut über eine Zunahme der allergischen Erkrankungen. Als
eingefleischter Querdenker neige ich dazu, solche Selbstverständlichkeiten zu hinterfragen,
und dann kommen mir Zweifel, ob es denn wirklich eine solche Zunahme gibt. Mir scheint
das mehr ein statistisches Problem zu sein. Greift die Literatur ein Thema auf, dann dringt es
verstärkt in das Bewußtsein der Patienten und Therapeuten und als Folge treibt es die Statistik
in die Höhe. Auch sind die Menschen heute weniger bereit, ein Leiden einfach hinzunehmen,
sie suchen die Therapie. Und da Patienten mit einer so schwer zu therapierenden Krankheit
häufig den Behandler wechseln, werden sie auch mehrfach erfaßt, sofern es denn mangels
Meldepflicht eine einigermaßen zuverlässige Erfassung überhaupt gibt.

Auch klagen wir gerne die Umweltverschmutzung an. Die klagen wir zu recht an, denn der
Mensch ist ja eifrig bemüht, den Ast abzusägen, auf dem er sitzt. Wenn Mutter Erde sich
gegen ihren Erzfeind, den homo sapiens verzweifelt wehrt, indem sie die tödliche
Fehlinformation in Form eines neuen Virus ausgerechnet in jenes System einschleust, das der
Abwehr dient, dann ist das ein berechtigter Akt der Notwehr. Die Umweltgifte machen
Intoxikationen vielfältiger Art und Kontaktekzeme, sie lösen auch
Überempfindlichkeitsreaktionen aus. Allergien jedoch nur im Ausnahmefall, wenn sie sich
mit einer organischen Substanz zum Hapten verbinden.
Allergien entwickelt der Mensch vornehmlich gegen natürliche Substanzen mit
Eiweißcharakter. Eiweiß ist der Träger genetischer Information. Und in der Natur versucht die
genetische Information immerfort von Wirtsorganismen Besitz zu ergreifen, indem sie das
eigene Erbgut dort einschleust, die Wirtsgene manipuliert und verändert. Das Individuum
Mensch besitzt ein leistungsstarkes Immunsystem, das einen Schutzwall gegen solche
Verfremdung durch andere genetische Informationen aufbaut.

Typische Allergene sind Blütenpollen, die den Heuschnupfen oder das Asthma auslösen, die
Milben im Hausstaub oder der Backstube, Tierhaare, Schimmelpilze und - wenngleich weit
überschätzt - die Eiweißnahrungsmittel wie Milch, Ei, Fleisch, Fisch und Hülsenfrüchte. Die
Suche nach dem auslösenden Allergen setzt kriminalistisches Geschick voraus.

Fremdes Eiweiß sucht auf verschiedenen Wegen, in uns einzudringen um von uns Besitz zu
ergreifen. Für jeden dieser Wege haben wir eigene Umgangsformen entwickelt.

Da ist zunächst einmal der äußere Schutzwall Haut, der unser Individuum ummantelt.
Zugegeben, nicht so stabil wie beim Krokodil oder der Schildkröte, aber immer noch nahezu
undurchlässig. Wir aber schmieren alle möglichen Cremes mit obskuren Ingredienzien auf die
Haut, um sie schöner, geschmeidiger, elastischer zu machen, und damit natürlich auch
permeabler.

Schlimmer noch: in ärztlicher Praxis, und natürlich auch beim Heilpraktiker, greifen wir mit
sagenhafter Leichtfertigkeit zur spitzen Kanüle und bringen - ratzefatz - Arzneien durch den
Schutzwall Haut hindurch in den Organismus ein, und das allzuoft nicht nur aus
pharmakokinetischen Gründen, sondern aus liquidationstechnischen. Und dann wundern wir
uns über Allergien.

Bevor wir zur Nadel greifen sollten wir sehr sorgfältig prüfen, ob es denn nicht auch oral
geht, zumindest bei organischen Substanzen mit ihrem hohen Allergenpotential, oder bei
solchen, die für ihr großes Allergierisiko bekannt sind.

Den Neuraltherapeuten zur Befriedigung sei gesagt, daß entgegen den Warnhinweisen des
Bundesgesundheitsamtes Procain nicht dazu zählt.

Mitten durch das zu schützende Individuum führt eine Transitstrecke, von den Lippen bis zum
After. Dieser Weg verhält sich ganz anders als die Haut. Er ist dazu gemacht und gedacht,
fremdes Eiweiß passieren zu lassen, auf daß es uns als Nahrung diene. Allerdings erst,
nachdem es zu seiner Grundsubstanz abgebaut wurde und damit seines genetischen
Invasionscharakters beraubt wurde. Ein System, daß zum Abbau und zur Aufnahme von
Fremdeiweiß konstruiert ist, kann nicht sonderlich allergieträchtig sein. Und in der Tat
entpuppen sich die meisten vermeintlichen Verdauungstrakt-Allergien bei immunologischer
Prüfung auch als Störungen anderer Art. Schlichte Ernährungsfehler, Unverträglichkeiten,
Intoxikationen, Mykosen und natürlich die ganz banale partielle Pankreasinsuffizienz setzen
dem Patienten zu. Um Allergien handelt es sich nur in seltenen Fällen.

Unser schutzbedürftiges Individuum hat noch eine Einstülpung. Die allerdings ist
hochempfindlich gegen fremdes Eiweiß. Sie ist gedacht, nichts anderes als Sauerstoff
hineinzulassen. Gelangen dennoch Eiweißpartikel mit der Atemluft hinein, dann werden sie
hinausgeflimmert. Überwinden sie diese Schranke, wäscht das System sie hinaus, und gelingt
es den Fremdlingen, sich auch hier noch hindurchzumogeln, dann werden sie verdaut. Aus
gutem Grund drei Schutzvorrichtungen. Schlimm aber, wenn auch die dritte überwunden
wurde. Dann, und erst dann, reagiert das Immunsystem unseres Individuums mit der Bildung
einer spezifischen Abwehrtruppe gegen eben diesen Feind, damit es denn bei diesem einen
Übergriff bleiben möge. Soweit kommt es in der Regel nur, wenn der Atemtrakt
vorgeschädigt war.

Wehe aber, das Allergen kommt ein zweites Mal. Dann bläst die Schutztruppe zum Angriff.
Die Schleimhäute schwellen, schleimen, krampfen. Der Patient leidet, aber wer will es dem
Immunsystem übelnehmen, daß es sich mit allen zu Gebote stehenden Mitteln gegen die
Invasion fremder genetischer Informanten wehrt ?

Asthma heißt diese Reaktion. Die Griechen, die ihr den Namen gaben, haben gut beobachtet.
Lassen Sie doch einmal die beiden "A" vorn und hinten weg, und versuchen Sie den Rest
"STHM" zu artikulieren. Sehen Sie, das ist Asthma, eine schlimme Krankheit, die uns immer
in die therapeutische Zwickmühle bringt, die Anfälle supressiv zu behandeln, und damit das
Immunsystem zu schwächen, oder das Immunsystem aufzubauen, und Anfälle in Kauf zu
nehmen, wohlwissend, daß jeder Asthmaanfall Lungengewebe irreversibel zerstört.

Merke: Jedes Asthma beginnt allergisch, jedes Asthma wird psychisch und jedes Asthma
endet mit Frühinvalidität.

Kaum zu glauben, aber es soll Menschen geben, die dieses sensible System zwanzig bis
dreißigmal täglich mit Teer und Ruß einsprühen, weil sie glauben, das sei der Duft der großen
weiten Welt.

Da gibt es noch eine Einstülpung in unser Individuum, nicht alle verfügen drüber, nur die
Hälfte von uns. Die wiederum verhält sich ganz anders im Umgang mit fremden Genen. Sie
blockt sie nicht ab, wie die Haut, sie verdaut sie nicht, wie der Darmtrakt, sie flimmert sie
nicht hinaus, wie der Atemweg. Nein - diese Einstülpung ist dazu gemacht, fremdes Eiweiß
unverändert aufzunehmen, ins Individuum eindringen zu lassen, sich mit körpereigenem
Eiweiß zu verschmelzen - auf das daraus ein völlig neues Wesen entstehen möge.

Hier wiederum gibt es mehr Allergien als wir ahnen. Manch unerfüllter Kinderwunsch hat
seine Ursache in der Allergie der Frau gegen das Sperma ihres Mannes. Aber Vorsicht: als
Kontrazeptivum taugt diese Allergie nur bei diesem einen Mann.

Hut ab vor dem, der sich diesen vielfältigen Umgang mit fremden genetischen
Informationsträgern ausgedacht hat.

Störungen unseres Immunsystems gibt es auf dreierlei Weise. Zwar keine allergische
Erkrankung, vielleicht aber der erste Schritt dahin, ist die Immunschwäche. Ich denke dabei
nicht so sehr an die virusbedingte, mit der die Natur uns zeigt, daß sie uns in punkto Gen-
Manipulation etliche Schritte voraus ist. Ich denke mehr an jene vielen Kinder, denen wir
garkeine Chance geben, ihr Immunsystem zu trainieren, weil wir jeden banalen Infekt mit
Antibiotika oder fiebersenkenden Zäpfchen im Keime erschlagen. Woher stammt denn die
Volksweisheit, daß die Kinder der Slums widerstandsfähiger sind, als die aus den
Wohlstandsvillen ?
Machen Sie Ihren jungen Müttern Mut, ihren Kindern auch einmal Fieber zuzumuten. Im
Feuer des Fiebers verbrennen nicht nur die Bakterien, auch entartete, potentiell bösartige
Zellen werden von einem intakten Immunsystem erkannt und eleminiert. Es gibt eine
retrospektive Studie über den Zusammenhang zwischen Fieber in der Anamnese der Patienten
und einer späteren Krebssterblichkeit, die deutlich zeigt, daß Patienten mit häufigen
Fieberschüben ein geringeres Krebsrisiko haben.

Spinne ich diesen Faden weiter, dann drängt sich zwangssläufig der fatale Verdacht auf, daß
schlußendlich die heute so beliebte supressive Therapie zu einem Anstieg maligner
Erkrankungen führen muß. Unsere alternativen, oder besser additiven Krebstherapien haben
dieserhalb ja auch alle das Ziel, das Immunsystem zu stimulieren.

Unser Immunsystem kann sich auch irren. Dann kämpft es gegen den falschen Feind, den
eigenen Körper. Autoimmunkrankheiten, wie das echte Rheuma, die pcP, die multiple
Sklerose, die Myasthenia gravis oder eine bestimmte Form der Zuckerkrankheit zeichnen sich
dadurch aus, daß der Körper sein eigenes Eiweiß nicht mehr als körpereigen identifiziert und
darum zum Angriff gegen sich selbst bläst.

Alles, was ich bisher gesagt habe, ist "wissenschaftlich verifiziert". Aber an dieser Stelle stelle
ich einmal eine Hypothese in den Raum, die es wert scheint, durch eine Doktorandenarbeit
weiterverfolgt zu werden:

Wir wissen, daß die Prägephase zum Erkennen des körpereigenen Eiweißes in den ersten
Wochen nach der Geburt liegt. In diser postnatalen Zeit hat das Neugeborene auch noch kein
eigenes Immunsystem, es ist - aus eben diesem Grunde - auf die Antikörper in der
Muttermilch angewiesen. Jeder Tierzüchter weiß um die Wichtigkeit der Kolostralmilch. Was
ist, wenn wir den kindlichen Organismus, weil wir ihm die Muttermilch vorenthalten,
zwingen, vorzeitig ein eigenes Immunsystem aufzubauen, und das zu einem Zeitpunkt, da er
sein eigenes Eiweiß noch nicht erkannt hat ? Werden hier nicht möglicherweise die
Informationen gespeichert, die dann später zur Zerstörung dieses eigenen Körpermaterials
führen ? Zu deutsch: Haben nicht gestillte Kinder später ein höheres Rheumarisiko ?

Und schließlich kann das Immunsystem übers Ziel hinausschießen, die Allergie. Aber wollen
wir es unserem Schutzengel übelnehmen, wenn es im Gefolge seiner Abwehrschlacht zu
Hautjucken oder Atemnot kommt ?

Aber zunächst sollten wir eine Minute bei den eingangs aufgezeigten
Verwechslungsmöglichkeiten bleiben. Die Kontaktdermatitis ist keine Allergie. Es ist normal
und gut, wenn unsere Haut auf den Kontakt mit toxischen Substanzen abwehrend reagiert, ob
wir uns in Brennesseln baden oder Carbolineum draufsprühen. Und schmieren wir ein
Kosmetikum drauf, um die Haut straffer und faltenfreier zu machen, haben wir keinen Grund
zum Geschrei, wenn sie denn etwas straffer gerät, als vorgesehen.

Kontaktdermatiden sind nicht allergisch, sie sind dosisabhängig. Die üblichen Hauttests
helfen bei der Frage "Allergie oder nicht ?" nicht sonderlich weiter. Auch auf toxische
Substanzen reagiert die Haut beim Pflaster oder dem Scratch-Test mit einem Histaminhof.
Und therapeutisch hilft nur das Weglassen.

Gleiches gilt für die unspezifische Immunantwort, zu deutsch Überempfindlichkeitsreaktion.


Hier kommt es nicht so sehr auf die fremde Substanz an. Die Überempfindlichkeit ist möglich
gegen jedwede harmlose Substanz, einfach weil es infolge wenig stabiler Mastzellen zu einer
voreiligen oder unnötigen Histaminausschüttung kommt, ganz ohne spezifisches Allergen.
Auch hier sprechen Epi- und Intracutantests positiv an und führen auf die falsche Fährte. Dies
sind die Patienten mit der langen und stets wechselnden Liste verbotener Stoffe im
Allergenpaß.
Zu mindestens 30% sind Prick- und Scratchtest in der Haut falsch positiv. Echte spezifische
Allergien mit IgE-Bildung lassen sich nur durch den RAST- oder RIST-Test im Serum sicher
nachweisen.

Zwischen den Stühlen sitzt die Neurodermitis, die eigentlich keine Allergie sondern eine
Erbkrankheit ist, dennoch aber mit einem erhöhten IgE-Spiegel einhergeht. Eine klassische
Allergie kann sie schon deswegen nicht sein, weil Säuglinge zwar eine Neurodermitis aber
mangels eigener Immunkompetenz keine Allergie haben können. Die Neurodermitis reagiert
auf vielfältige unspezifische Reize in der Nahrung, im Klima, im Umfeld und selbst in der
Psyche. Eine deutliche Besserung läßt sich durch die Stabilisierung der Mastzellen mittels
Zink erreichen.

Die echte Allergie, spezifisch gegen ein ganz bestimmtes Allergen, mit immunologisch
nachweisbaren Antikörpern, bzw. IgE, ist - Gott sei's gedankt - weniger häufig als beklagt,
dafür aber - Gott sei's geklagt - eine lebensgefährliche Krankheit. Sie kann unversehens zum
anaphylaktischen Schock mit tödlichem Ausgang führen. Diese Reaktion ist n i c h t
dosisabhängig. Schon geringste Mengen des Allergens können einen Schock auslösen.

Darum macht auch die immer wieder empfohlene Testquaddel vor der eigentlichen Injektion
wenig Sinn. Und das in den Bindehautsack geträufelte Testtröpfchen trifft nun wahrlich den
verkehrtesten Ort für derlei Experimente. Den ersten anaphylaktischen Schock bekam ich zu
Gesicht, als der damalige "Allergie-Papst" mir an seiner allergologischen Klinik die
Testungen demonstrierte. Ein Heuschnupfen-Patient, ein Kerl wie ein Baum, schockte nach
der Injektion der Testquaddel in einer Verdünnung 1:10 Millionen des verdächtigen
Allergens.

Wichtig zu wissen ist auch, daß der Körper 9-10 Tage braucht, um nach dem Erstkontakt mit
dem Allergen die entsprechenden Antikörper zu bilden. Beginnen Sie also eine Therapie mit
einem potentiellen Allergen, wiegen Sie sich nicht zu früh in Sicherheit. Die kritische Phase
beginnt erst nach dieser Zeit. Und sie hält dann ein Leben lang an.

Den zweiten anaphylaktischen Schock habe ich selbst leichtfertig provoziert, ein klarer
Kunstfehler, weil ich eine früher einmal beobachtete Reaktion des Patienten nicht ernst nahm.
Zwanzig Minuten nach der fatalen Fehl-Injektion stand der Patient wieder auf der Matte,
hochrot, von einer Urtikaria übersät, mit tauber Zunge nur noch mühsam lallend. Und dann
wurde er nach Luft ringend bewußtlos.

Spätestens bei dem Taubheitsgefühl im Rachen läuten alle Alarmglocken. Dann ist alles
angesagt, was die Notfall-Medizin lehrt: Adrenalin, Cortison, venöser Zugang,
Volumenauffüllung und Notarzt-Wagen.

"Sterben ist garnicht so schlimm." waren die ersten Worte dieses Patienten als er die Augen
wieder aufschlug, wohl wissend, daß er dem Gevatter Hein nur mühsam von der Schippe
gesprungen war.

In der Therapie der echten Allergie setzt die Medizin derzeit große Hoffnungen auf eine
spezifische Desensiblisierung, bei der dem Kranken hohe Verdünnungen seines ausgetesteten
Allergens in langsam fallender Konzentration injiziert werden, in der Hoffnung, dadurch
würden die Antikörper blockiert oder verbraucht. Inzwischen ist man etwas bescheidener
geworden und spricht nur noch von einer Hyposensibilisierung. Ganz ungefährlich ist dieses
Spiel nicht. Pro Jahr ist diese Therapie in Deutschland mit 8-12 Todesfällen belastet.
In der Naturheilkunde sprechen wir von einer unspezifischen Desensibilisierung, wenn wir
Maßnahmen ergreifen, die das Immunsystem stabilisieren sollen. Das ist wohl auch das
Wirkprinzip der meisten Therapien, über die Sie heute aus berufenem Munde noch einiges
hören werden, ausgehend von dem Gedanken, daß ein jedes Organsystem immer dann in
seinen Reaktionen über's Ziel hinausschießt, wenn es in Wirklichkeit zu schwach zu einer
angemessene Reaktion ist. Ein insuffizientes Herz wird tachykard, ein in der Seele
angeschlagener Patient oft aggressiv. Kann nicht auch die überschießende allergische Antwort
des Immunsystems Zeichen seiner Schwäche sein ?

Im Gegensatz zur Schulmedizin, die ihr Heil in der suppressiven Anfallskoupierung mit
Antihistaminika oder Cortikoiden sucht, bemühen wir uns in der Naturheilkunde, das
Immunsystem zu stärken und zu stimulieren. Nicht immer ist das möglich, weil damit auch
die Anfallshäufigkeit und Stärke zunehmen kann. Die Nebenwirkungen der Cortikoide
rechtfertigen jedoch immer einen Versuch, diesen anderen Weg zu gehen.

Unverzichtbar in der kausalen Therapie der Allergien und Pseudoallergien sind die Mineralien
Calcium zur Membranabdichtung, Kalium zur Stabilisierung der neuromuskulären
Erregbarkeit und vor allem Zink, ohne das es keine Thymusreaktionen gibt.

Zur Anfallsprophylaxe bedient die moderne Medizin sich heute gern der Cromoglicinsäure,
von der ein informierter Heilpraktiker wissen sollte, daß sie nichts anderes ist, als ein
synthetisch nachgebauter Abkömmling des Khellins aus der Ammi visnaga. So schlecht kann
also die traditionelle pflanzlich ausgerichtete Therapie unserer Altvorderen nicht gewesen
sein, wenn man sie zum Vorbild nimmt.

Die Prostata - erst Lust, dann Last


von Hans-Heinrich Jörgensen

(erschienen in "Der Naturarzt" Dezember 2008)

Erst kommt die die Lust, denn das ist ihre ureigenste Aufgabe. Schließlich wurde uns die
Prostata nicht mit auf den Weg gegeben, um uns mit Krebsangst und der Altherrenkrankheit
zu ärgern, sondern um den Erhalt der Art zu sichern. Und ohne Lust würden wir uns der
äußerst anstrengenden und folgenschweren Beschäftigung des Kinderzeugens sicher nicht
immer wieder unterziehen. Jenes Sekret, das den männlichen Samenzellen Beweglichkeit,
Nahrung und Überleben beschert, und das diese dann mit Schwung auf den gefährlichen und
beschwerlichen Weg zu ihrem Ziel, den hoffnungsvoll wartenden weiblichen Eizellen,
schickt, wird in der Prostata erzeugt, gespeichert und schließlich mit eindrucksvollen
Lustgefühlen ausgeschleudert.

Und da der Penis sich nicht nur zum Wasserlassen eignet, sondern auch trefflich zum Zielen
auf dieses Ziel, sitzt die Prostata unmittelbar am Blasenausgang mit direkter Mündung in die
Harnröhre. Unmittelbar darunter sitzt noch die kleine Cowpersche Drüse, die bei
entsprechender Signalgebung den Vorschleim erzeugt. Diese manchmal sehr individuell
geprägte Signalwahrnehmung löst dann auch über Nervenzentren im Rückenmark und auch in
der Prostata die Versteifung des Gliedes aus, was uns nachdenken lässt, ob „pro stata“ nun
vorstehen heißt oder für’s Stehen.

Man kann sie vom Darm her ertasten, was diagnostisch genutzt wird. Man kann sie dabei aber
auch reizen, in manchen Gegenden der Welt als Tantrismus gepflegt. Jede Reizung der
Prostata, ob durch den diagnostischen Finger, den Fahrradsattel, eine Entzündung, durch
Krebs oder eine Ejakulation, lässt sie vermehrt ein Enzym, das prostataspezifische Antigen
(PSA), erzeugen. Dieses PSA wird zur Früherkennung von Prostatakrebs benutzt. Dabei muss
man sich aber immer der obigen Fehlerquellen bewusst sein.

In jungen Jahren ist sie kastaniengroß, besteht aus 30 bis 40 in Muskel- und Bindegewebe
eingelagerte Einzeldrüsen, diese wiederum aus unzähligen kleinen Röhrchen für das Ejakulat,
das außerordentlich mineralreich ist. Neben Natrium, Kalium und Magnesium enthält es auch
reichlich Zink, was für die Beweglichkeit der Spermien wichtig ist. Manche Ehe blieb
unfruchtbar, weil die Spermienbeweglichkeit aufgrund eines Zinkmangels nicht ausreichte.
Und schließlich enthält es das Enzym Spermin mit seinem typischen Geruch, der schon
manchen Überstundenmacher beim Heimkommen entlarvt hat.

Übrigens: auch Frauen haben eine Prostata. Die unmittelbar neben der Harnröhrenmündung
im Scheidengewölbe liegende Para-Urethraldrüse heißt heute in der internationalen
Nomenklatur Prostata femina und ist identisch mit dem berüchtigten „G-Punkt“, der bei
Berührung ungeheure Lust vermitteln soll. Die Prostata femina kann auch ejakulieren, das ist
kein unwillkürlicher Harnabgang, wie manche Frau erschreckt meint.

Damit die Wechseljahre der Frau mit all ihren Beschwerden nicht allzu sehr als ungerecht
empfunden werden, beschert die Natur dem Manne die BPH, die benigne Prostata-
Hyperplasie, zu Deutsch gutartige Prostata-Vergrößerung. Je größer die Drüse wird, desto
kleiner wird das Fassungsvermögen der Blase und desto enger wird der Durchlass für den
abfließenden Urin. Den ersten Preis beim Knabenspiel, wer wohl die Blechwand am höchsten
oder am lautesten trifft, wird man nicht mehr gewinnen. Irgendwann trifft man nur noch die
Stiefelspitzen, was Putzfrauen zu vielerlei Wunschzetteln im Herren-WC inspiriert.
Irgendwann werden dann der Harndrang und das Tröpfeln statt eines Strahles so lästig, dass
man beginnt, der viel versprechenden Fernsehwerbung „Harndrang?“ Aufmerksamkeit zu
schenken. Kein ICE der Deutschen Bahn ohne das gleichlautende Plakat, woraus man auf die
Alterstruktur der ICE-Nutzer schließen kann.

Wenn dann die Blasenentleerung so unvollständig ist, dass sich im Restharn Bakterien
ausbreiten, landet man beim Urologen, der digital (mit dem Finger) untersucht, mit
Ultraschall von der Bauchdecke oder auch vom Darm her, der das Blut auf den PSA-Spiegel
hin kontrolliert, und mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit zur Stanzbiopsie raten wird.

Auch ohne jegliche Beschwerden raten die Krankenkassen – und bezahlen das sogar – dass
sich doch jeder Mann ab 45 Jahren vorsorglich dem Urologen vorstellen möge, um mögliche
bösartige Veränderungen so früh wie möglich zu erkennen. Das klingt einleuchtend. Kritische
Stimmen warnen jedoch, dass durch ein solch flächendeckendes Screening aller Männer „ein
Tsunami an Prostatakrebsen“ über uns herein brechen würde. Nicht jeder entdeckte Krebs sei
wirklich operationsbedürftig. Je älter der Mann, desto größer die Wahrscheinlichkeit, bei ihm
einen Krebs zu entdecken, mit dem er irgendwann stirbt, aber nicht durch ihn. Der Schaden
durch falsch positive Befunde oder zu eifrige Therapien sei größer als der Nutzen.
Die Stanzbiopsie liefert zwar sehr präzise Befunde über das Ausmaß und den
Bösartigkeitsgrad eines Krebses, aber der verstorbene Julius Hackethal warnte wegen der
Gefahr der Metastasenausstreu immer wieder eindringlich davor, in einen möglichen Tumor
zu stechen. Zum PSA-Test titelte die „Zeit“ am 14.8.2008 nicht zuletzt wegen der oben
erwähnten Fehlerquellen „Test oder Tombola?“

Aber jeder kennt einen, der einen kennt, der am Prostatakrebs gestorben ist. Die Entscheidung
zwischen intensiver Früherkennungsfahndung und „watchfull waiting“, beobachtendes
Abwarten, muss darum auch jeder für sich allein treffen.

Selbst wenn man frei von Krebsangst ist bleibt das Ärgernis der gutartigen Vergrößerung, die
einen fünfmal pro Nacht aus dem Bett treibt. Die Suche nach einer hilfreichen Therapie
beginnt mit der Frage nach dem Wesen und der Ursache der Vergrößerung. Es ist kein
Adenom, wie man lange annahm, auch keine Vergrößerung der Kapsel auf Kosten des
eigentlichen Drüsengewebes, es ist das Drüsengewebe selbst, das sich vergrößert. Diese
unendlich vielen Röhrchen und Kanäle, die ständig Ejakulat erzeugen, es aber leider mit
zunehmendem Alter nicht mehr so oft – manchmal auch gar nicht mehr – ausschleudern.
Daraus resultiert auch jene meist schamvoll verschwiegene Therapieempfehlung, die Prostata
öfter an ihre ureigenste Aufgabe zu erinnern, nämlich zu ejakulieren. Und das eher täglich als
quartalsweise.

Die meisten setzen eher auf Medikamente, denen wir zutrauen, jede Unbill des Lebens zu
beheben. Zwei Ansatzpunkte gibt es da aber leider nur, der eine: den Schließmuskel der Blase
erschlaffen lassen, indem man die dort sitzenden alpha-Rezeptoren ausbremst, in der
Hoffnung, dass dann der Urin besser abfließt. Darum sind Medikamente gegen den niedrigen
Blutdruck, mit denen die alpha-Rezeptoren in den Venen angeregt werden, um so den
Blutdruck zu steigern, bei der BPH auch fehl am Platze. Umgekehrt können sie jedoch bei der
inkontinenten Frau hilfreich sein. Nur wird der Harnfluss ja nicht durch einen verkrampften
Schließmuskel behindert, sondern durch die vergrößerte Prostata.

Setzt man doch auf die Alpha-Rezeptoren-Antagonisten, ist zu bedenken, dass die den
Blutdruck senken, zusammen mit anderen Blutdrucksenkern manchmal gefährlich weit.

Auf die vergrößerte Prostata zielt hingegen der 5-alpha-Reduktase-Hemmer, eine Substanz,
die die Umwandlung von Testosteron in das erst wirksame Dihydrotestosteron verhindert, also
das typisch männliche Hormon unterbindet. Davon erhofft man sich eine
Wachstumsverzögerung der Prostata, die mit viel Optimismus allerdings erst nach Monaten
eintritt – wenn überhaupt.

Die Leser des „Naturarztes“ möchten aber lieber etwas Pflanzliches. Der Markt bietet ein
breites Spektrum: Kürbiskerne, Sägezahnpalme, Brennnessel, Roggenpollen und Mischungen
aus allen. Etwa ein Viertel aller gekauften Prostata-Medikamente gehören diesem Sektor an,
eine sinnvolle Ergänzung für den, der die Naturmedizin den synthetischen Produkten vorzieht.
Die Angriffspunkte sind jedoch mit wenigen Ausnahmen die gleichen. Einige Pflanzen
greifen mit ihren Inhaltsstoffen in die Hormonumwandlung ein, andere lassen den
Schließmuskel erschlaffen und manche tun sogar beides.

Hinzu kommt bei einigen Produkten ein gewisser entzündungshemmender oder das
Immunsystem stimulierender Effekt, der vor allem bei der bakteriellen Infektion des
Restharnes hilfreich sein kann. Das gilt auch für die Schüßler-Salze Ferrum phosphoricum
(Nr.3) und Zincum chloratum (Nr.21). Die Prostata ist das Körperorgan mit dem höchsten
Zinkgehalt. Schon darum würde ich immer – auch prophylaktisch – für eine ausreichende
Zinkversorgung plädieren.

Auch über die Verhaltensweise lässt sich das Wasserlassen erleichtern. Faustregel: nie die
Blase zu voll werden lassen. Dann lässt die Kontraktionskraft des Blasenmuskels nach und
der verschließende Druck der Prostata zu. Also auch wenn‘ nur noch 50 km bis nach Hause
sind, lieber einmal öfter auf den Parkplatz und in die Büsche.

Und wenn denn gar nichts mehr geht stellt sich die Frage nach der Operation. Bei der BPH
geht es ja nicht darum, eine Zeitbombe zu entfernen, sondern „den Weg frei zu machen“.
Darum wird die Ausschälung der Prostata von der Harnröhre aus (transurethrale
Prostataresektion = TURP) heute auch am häufigsten angewendet. Dabei geht auch jener Teil
der Harnröhre drauf, der im Prostatabereich ohnehin nur aus Schleimhaut besteht, die sich
jedoch in wenigen Tagen neu bildet.

Mit viel Werbeaufwand umgarnen die Spezialkliniken den googelnden Patienten, der für sein
gutes Stück natürlich den schonendsten Weg sucht. Konventionell „gehobelt“ verspricht es die
saubersten Schnittränder. Mit Greenlight-Laser weg „geschmurgelt“ verspricht den geringsten
Blutverlust. Der Erfolg hängt weniger vom Verfahren als von der Erfahrung des Urologen ab.

Die Potenz, wenn sie denn noch da ist, wird bei beiden Verfahren in der Regel nicht
beeinträchtigt. Um die frischen Wunden nicht aufzusprengen, sollte allerdings für zwei
Wochen auf sexuelle Betätigung verzichtet werden, auch auf’s Radfahren, Reiten, schwer
heben, Autofahren oder ähnliche Belastungen.

In wenigen Fällen klagen die Patienten nun über das Gegenteil ihrer bisherigen Beschwerden:
die Blase hält nach dem Eingriff nicht mehr ganz dicht, Inkontinenz. Häufigste Nebenwirkung
ist die retrograde Ejakulation, bei der diese nicht mehr nach außen sondern in die Blase
erfolgt.

Geht es jedoch um eine Krebsvergrößerung, fließen viele Faktoren in den


Entscheidungsprozess ein: Größe des Tumors, Grad seiner Aggressivität, Beschaffenheit der
umgebenden Lymphzellen, bereits vorhandene Metastasen – aber auch die Einstellung des
Patienten zu naturwissenschaftlicher oder alternativer Medizin, zur Gewichtung zwischen
Lebensdauer und Lebensqualität.

Statt oder im Gefolge einer Operation steht hier auch immer die Frage nach Chemo- und/oder
Strahlentherapie im Raum. Naturheilfreunde neigen hier manchmal etwas zu dogmatisch zu
einer grundsätzlichen Ablehnung, die im Ernstfall dann allerdings oft auch wieder kippt. Aber
ob stattdessen oder ergänzend, alles was die Naturheilkunde zur Verbesserung der
Immunkompetenz zu bieten hat, kommt in Betracht. Erfahrene und selbstkritische
Naturheilkundler sprechen lieber von Komplementärmedizin statt Alternativmedizin. Jede
Entscheidung sollte unter sechs Augen getroffen werden: Onkologe, Naturheilkundler und
Patient, wobei das letzte Wort immer der Patient hat.

Chemotherapie ist nicht gleich Chemotherapie. Manche Tumoren werden durch das
männliche Testosteron in ihrem Wachstum beschleunigt. Senkt man den Testosteronspiegel,
z.B. durch Kastration oder relativ durch die Gabe weiblicher Hormone, lässt sich auch das
Krebswachstum hemmen. Das macht nicht die typischen Nebenwirkungen einer
zytostatischen Chemotherapie, wie Brechreiz und Haarausfall, wohl aber Hitzewallungen und
Schweißausbrüche, wie bei einer klimakterischen Frau.
Jede Krebsoperation dokumentiert einen TGNM-Befund, der für die Frage der nötigen und
sinnvollen Nachsorge hilfreich sein kann. T1-3 steht für die Größe des Tumors, G1-4 für
seinen Aggressivitätsgrad, N12/0 (von Nodula = Knoten) besagt, dass von 12 entnommenen
Lymphknoten keiner Krebszellen enthielt, und M0 oder 1 gibt Auskunft über möglicherweise
bereits bekannte Metastasen.

Mit allzu eifrigen Nachuntersuchungen belasten wir den Patienten oft mehr als dass wir ihm
nützen. Bei einem Befund mit N0 und M0 kann man davon ausgehen, dass wirklich kurativ
(heilend) operiert wurde. Dann genügen ein oder zwei Nachuntersuchungen. Nach zwei
Jahren ist das Risiko einer erneuten Erkrankung dieses Patienten nicht größer als das aller
anderen Männer. Allemal sind etwas weniger Panik und etwas mehr Gelassenheit für die
Lebensqualität von Nutzen.

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