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B6897F

Informationen
288 zur politischen Bildung / izpb

Überarbeitete Neuauflage 2012

Steuern und Finanzen


2 Steuern und Finanzen

Inhalt

Grundsätze der Steuerpolitik ...................................................4


Was sind eigentlich Steuern? ................................................................5
Wer entscheidet über die Steuern? ....................................................6
Wer bekommt die Steuern? ...................................................................6
Wer erhebt die Steuern? ..........................................................................7
Wie soll ein Steuersystem gestaltet werden? ................................ 8

Der Zehnte – ein Streifzug


durch die Steuergeschichte .......................................................12
Abgaben in den alten Reichen ............................................................12
Römisches Steuersystem ......................................................................13
Besteuerung im Mittelalter ................................................................ 14
Steuern in den deutschen Territorien ..............................................15
Absolutismus und Liberalismus .........................................................15
Preußen und das Deutsche Reich bis 1933 ..................................... 16
Steuern im Nationalsozialismus ....................................................... 18
Zwei Staaten – zwei (Steuer-)Systeme ............................................ 19
Stand seit der Wiedervereinigung ...................................................20

Unser Steuersystem ....................................................................... 22


Was wird besteuert? ...............................................................................22
Wichtige Steuerarten .............................................................................24

Steuerzahler und Finanzverwaltung .............................. 37


Die Steuererklärung ............................................................................... 37
Einspruch und Klage ............................................................................. 40
Kontrolle und Strafe ............................................................................... 41

Blick nach Europa ........................................................................... 45


Steuerpolitik in der Europäischen Union ......................................46

Regieren nach Zahlen:


Haushalt und Kontrolle ............................................................. 52
Der Weg des Bundeshaushalts ........................................................... 52
Die Kassenprüfer des Bundes .............................................................56
Sorgenfaktor Staatsverschuldung ....................................................58

Literaturhinweise und Internetadressen ...................62


Die Autorin .......................................................................................... 63
Impressum ........................................................................................... 63

Informationen zur politischen Bildung Nr. 288/2012


3

Editorial

J eder zahlt jeden Tag Steuern – und jeder profitiert davon. Denn
die Zahlungen kommen dem Gemeinwesen und damit allen
zugute. Sie erhalten die Infrastruktur, gewährleisten die innere
sion zum Steuerwesen in
Deutschland verlagert. Lag er
2005, als die Themenausgabe
Sicherheit und sorgen für die Bereitstellung von Leistungen des erstmals erschien, noch bei
Staates, die im Alltagsleben einer modernen Gesellschaft unver- Forderungen nach grundle-
zichtbar sind. genden Reformen zur Ver-
So einleuchtend diese Erkenntnis ist, so unausweichlich ist einfachung und Transparenz
andererseits seit jeher die Skepsis derer, denen diese Zahlungen des Steuersystems, so steht
auferlegt werden: Ist der eigene Beitrag in dieser Höhe unbe- in der aktuellen Steuerdebat-
dingt erforderlich? Werden die Steuerzahlungen sinnvoll einge- te das Verlangen nach möglichst individueller Steuergerech-
setzt? Herrscht die notwendige Transparenz bei der Mittelver- tigkeit im Vordergrund.
teilung? Und ist die Lastenverteilung gerecht? Symptomatisch dafür ist die Diskussion um den Umgang mit
In einer Demokratie stehen diese Kriterien immer auf dem der Steuerhinterziehung. Nach Schätzungen der Organisation
Prüfstand. Bund, Länder und Gemeinden, die in Deutschland die Tax Justice Network sind weltweit in „Steueroasen“ insgesamt
Aufgabe haben, die Steuerleistungen festzulegen und die Steu- 21 bis 31 Billionen US-Dollar „versteckt“, was für die betroffenen
ereinnahmen unter Einschluss der EU-Ebene einzusetzen und Staaten jährliche Einnahmeverluste von bis zu 280 Milliarden US-
zu verteilen, müssen sich diesen Fragen stellen und schlüssige Dollar bedeutet. Allein auf schweizerischen Bankkonten werden
Antworten finden, um die eigene Legitimation zu erhalten. 130 bis 180 Milliarden Euro deutsches Schwarzgeld vermutet.
Außerdem wächst den staatlichen Ebenen mit der Festsetzung Um dem Eindruck zu begegnen, dass „Steuersünder“ besser
der Steuerlast und der Verfügung über die Steuereinnahmen er- behandelt werden könnten als ehrliche Steuerzahler, und aus
hebliche politische Verantwortung zu: Sollen die Mittel, die in die Sorge um etwaige Folgen für die Steuermoral und das allgemei-
Infrastruktur fließen, eher dem Ausbau des Verkehrsnetzes, der ne Gerechtigkeitsempfinden, hat die Politik verschiedene Initia-
inneren Sicherheit oder lieber der Verbesserung des Kinderbe- tiven ergriffen. Besonders umstritten war dabei, ob Finanzbehör-
treuungsangebots zugute kommen? Sollen steigende Steuerauf- den durch den Ankauf von illegal erstellten Datenträgern Druck
kommen in Phasen guter Konjunktur vorrangig zur Senkung der auf Steuersünder ausüben dürfen. Da sie damit auswärtige Fi-
staatlichen Neuverschuldung oder gar zur Tilgung genutzt wer- nanzplätze gefährden, deren Anleger ihr Vermögen in andere
den oder vielmehr investiert werden, um den Wirtschaftsstand- Länder verlagern könnten, gewinnt das Problem zudem eine au-
ort Deutschland zu stärken? Sollen Steuern und Sozialbeiträge ßenpolitische Dimension. Seit 2009 wurden laut OECD weltweit
gesenkt werden, um die Beitragszahler zu entlasten und ihnen mehr als 700 zwischenstaatliche Vereinbarungen getroffen,
mehr finanziellen Spielraum zu gewähren, oder dienen die Mehr- um den grenzüberschreitenden Austausch von Informationen
einnahmen besser als „Polster“ für schlechtere Zeiten? Welche zur Steuergerechtigkeit zu verbessern. Doch auch hier greifen
Leistungen sollen überhaupt mit öffentlichen Mitteln erfolgen? eigenstaatliche Interessen: So schützt die Volksrepublik China
Gleichzeitig eröffnet die Gestaltung des Steuerwesens immer beispielsweise den Finanzplatz Hongkong und Großbritannien
auch Möglichkeiten politischer Einflussnahme auf gesellschaft- die Kanal-Inseln durch besonders günstige Besteuerungsregeln.
liche Verhaltensweisen. So sollen beispielsweise von der Tabak- Das Thema Steuern und Finanzen hat erhebliche Alltagsrele-
steuer und der Ökosteuer Anreize zur Gesundheitsförderung und vanz, stellt indes trotz seines hohen Reizwertes für viele Betrof-
Ressourcenschonung ausgehen. Umgekehrt können veränderte fene immer noch „ein Buch mit sieben Siegeln“ dar. Wer, warum,
gesellschaftliche Realitäten die Frage nach einer Anpassung des von wem und wozu mit welchen Steuern belegt wird, welche
Steuersystems aufwerfen. Beispiele sind die Diskussion um das formalen, rechtlichen und grundsätzlichen Kriterien Steuerzah-
Ehegattensplitting und die Frage, ob gleichgeschlechtliche Part- lende und Steuerbehörden zu beachten haben und wie das Geld
nerschaften rechtlich und steuerlich mit herkömmlichen Ehen haushaltspolitisch verwaltet wird, ist daher ebenso Gegenstand
bzw. Familien gleichgestellt werden sollten. dieser Einführung wie ein Streifzug durch die Steuergeschichte
Unter dem Eindruck der Wirtschafts- und Finanzkrise und und die Nachzeichnung der wichtigsten Kontroversen rund um
der europäischen Staatsschuldenkrise sowie einer immer das Thema Steuern und Finanzen.
stärker auseinanderklaffenden Schere zwischen Arm und
Reich hat sich der Schwerpunkt der öffentlichen Diskus- Christine Hesse

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4 Steuern und Finanzen

Constanze Hacke

Grundsätze der
Steuerpolitik

picture-alliance / dpa / Hannibal Hanschke


Steuern sind die wichtigste Einnahmequelle für den Staat.
Bund, Länder und Gemeinden entscheiden, wo die Steuer-
einnahmen hinfließen, um so ihre Aufgaben erfüllen zu
können. Dabei versuchen sie, nicht nur die Steuergelder,
sondern auch die Steuerlast möglichst gerecht zu verteilen.

Da Steuern nicht zweckgebunden sind, gibt es keinen separaten Straßen-


bauhaushalt – etwa um Schlaglöcher wie dieses in Berlin auszubessern.

S teuern sind für alle da. Und jeder zahlt Steuern, manchmal
sogar, ohne es zu merken. Wer im Café einen Cappuccino
trinkt, sieht auf der Rechnung später nur die Mehrwertsteu-
den Staat. Von diesen Einnahmen werden die Leistungen fi-
nanziert, die wir von einem Gemeinwesen erwarten: Bildung,
öffentliche Infrastruktur, Gesundheitswesen, soziale Absiche-
er. Die Kaffeesteuer, die im Preis enthalten ist, wandert unbe- rung oder die innere und äußere Sicherheit zählen zu diesen
merkt aus dem Portemonnaie des Kaffeetrinkers in die Kasse Bereichen. Schulen, Straßen, Krankenhäuser und Kindergär-
des Fiskus. Für eine Tankfüllung Benzin beispielsweise nimmt ten müssen ebenso bezahlt werden wie Aufgaben im Umwelt-
der Staat neben der allgegenwärtigen Mehrwertsteuer mit je- schutz, die Gerichte oder die Polizei. Steuern werden aber auch
dem Liter von der Zapfsäule auch Energiesteuer ein – und mit dazu genutzt, Verhaltensweisen zu lenken oder Geld mit Blick
jeder Packung Zigaretten zusätzlich zur Umsatzsteuer noch auf die soziale Gerechtigkeit umzuverteilen. So ist die Tabak-
Tabaksteuer. Was aber bekommen wir für diese Steuerzahlun- steuer ein Beispiel dafür, dass der Staat versucht, über hohe
gen? Und warum müssen wir überhaupt Steuern zahlen? Steuern das Rauchen einzudämmen. Und mit dem linear-
Steuern sind die Grundlage eines politischen Systems, sie progressiven Einkommensteuertarif will der Staat erreichen,
verschaffen dem Staat Geld, damit er seine Aufgaben erfül- dass Menschen mit einem hohen Einkommen mehr Steuern
len kann. Steuern sind also vor allem eines: Einnahmen für zahlen als Leute mit wenig Geld.

Progressive Besteuerung Verlauf des Progressiven Tarifs

Bundesministerium der Finanzen Bundesministerium der Finanzen

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Grundsätze der Steuerpolitik 5

Steuern sind also Abgaben, die alle Bürgerinnen und Bürger Abgrenzung der Steuern von Gebühren und Beiträgen
entrichten müssen. Natürlich können Bund, Länder und Ge-
meinden auch Schulden machen und Kredite aufnehmen.
Aber die Haupteinnahmequelle des Staates sind die Steuern,
ohne sie könnte er das Gemeinwesen nicht gestalten. Im Jahr
2011 beliefen sich die Steuereinnahmen auf rund 527,3 Milliar-
den Euro.

Was sind eigentlich Steuern?

In dem Gesetz, das in Deutschland die Grundlage für alle Steu-


ern ist – in der sogenannten Abgabenordnung (AO) – ist genau
definiert, was Steuern sind: „Steuern sind Geldleistungen, die
nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstel-
len und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur
Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen
der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht
knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein.“
(§ 3 Abs. 1 AO).
Mit anderen Worten: Steuern sind Zwangsabgaben, die
Bund, Länder und Gemeinden den Bürgerinnen und Bür-
gern auferlegen können. Steuern sind außerdem – zumin- Universität Bremen, Forschungsstelle Finanzpolitik
dest heutzutage – nur noch in Euro und Cent aufzubringen;
ein Bauer kann daher nicht mit einem Zentner Weizen seine
Steuerpflicht erfüllen. Zudem zahlt man Steuern, ohne für das
Geld direkt im Gegenzug eine Leistung in Anspruch nehmen Neben den Steuern kann der Staat noch andere Abgaben er-
zu können. Wer also an der Kasse der Autobahntankstelle die heben. Diese unterscheiden sich von den Steuern vor allem
Benzinrechnung bezahlt und damit gleichzeitig die Energie- dadurch, dass es für das Geld eine konkrete Gegenleistung
steuer entrichtet, kann nicht im Gegenzug verlangen, dass die gibt. So zahlt man bei den Gebühren direkt für eine in An-
Schlaglöcher auf der Straße ausgebessert werden. Umgekehrt spruch genommene Leistung, zum Beispiel, wenn man im
gilt: Der Bürger kann sich nicht weigern, Steuern zu zahlen, Einwohnermeldeamt einen Reisepass verlängern oder beim
weil er mit einer bestimmten Staatsausgabe – beispielsweise Straßenverkehrsamt das Auto zulassen will. In diesen Fällen
für den Ausbau einer Schnellstraße in der Nähe eines Land- sind Verwaltungsgebühren zu entrichten. Daneben gibt es Be-
schaftsschutzgebiets – nicht einverstanden ist. nutzungsgebühren: Dazu zählen beispielsweise der Eintritt ins
Steuern dürfen zudem nicht zweckgebunden sein: Jeder städtische Schwimmbad oder die jährliche Abrechnung für die
Steuer-Euro fließt unabhängig von der Steuerart in die Ge- Müllabfuhr. Der Fiskus hat noch eine dritte Möglichkeit, Ein-
samtmasse des Haushalts, aus dem wiederum alle Ausgaben nahmen zu erzielen, und zwar über Beiträge: Hier werden Kos-
finanziert werden. Denn alle Einnahmen im Etat müssen zur ten für Leistungen, die einer bestimmten Bevölkerungsgruppe
Finanzierung aller Ausgaben dienen. Es gibt also keinen se- zu Gute kommen, auf diese gesamte Gruppe umgelegt. Das
paraten Straßenbauhaushalt, der sich ausschließlich aus dem
Aufkommen der Kfz-Steuer speist. Und angenommen, die Ein-
nahmen aus der Kfz-Steuer würden tatsächlich ausschließ-
lich für den Straßenbau verwendet: Stiegen dann einmal die
picture-alliance / Süddeutsche Zeitung Photo / Stephan Rumpf

Kfz-Steuereinnahmen, müssten vermehrt Straßen gebaut


werden, nur um das „überschüssige“ Geld loszuwerden. Um-
gekehrt müssen diejenigen keine Steuern zahlen, die – wie es
im Amtsdeutsch heißt – einen bestimmten „Tatbestand“ nicht
erfüllen. Das bedeutet: Wer kein Auto besitzt, muss auch keine
Kfz-Steuer bezahlen.
Ganz wichtig, auch wenn es nicht ausdrücklich im Gesetz
steht: Steuern dürfen nicht willkürlich erhoben werden. Dass
Entscheidungen nicht beliebig getroffen werden, gilt natür-
lich nicht nur für die Steuerpolitik, sondern allgemein für den
demokratischen Rechtsstaat: Die Gewaltenteilung zwischen
Parlament, Regierung und unabhängiger Justiz schützt die Be-
völkerung davor, dass der Staat seine Macht missbraucht. Eine
diskriminierende Behandlung, wie in der Zeit des Nationalso-
zialismus etwa über die „Reichsfluchtsteuer“ für jüdische Bür- Wer kein Auto besitzt, zahlt auch keine Kfz-Steuer: ein Schreiner aus
gerinnen und Bürger, ist heutzutage ausgeschlossen. München auf seinem Lastenfahrrad

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6 Steuern und Finanzen

bekannteste Beispiel dafür sind die Beiträge zu unseren Sozi- Neben der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz gibt
alversicherungen, etwa zur Kranken- und Pflegeversicherung. es auch die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zwi-
Ein anderes Beispiel: Alle Hausbesitzer eines Neubaugebiets schen Bund und Ländern: Der Bund hat immer dann Vorfahrt,
müssen sich über Anliegerbeiträge daran beteiligen, dass das wenn ihm das Steueraufkommen ganz oder teilweise zusteht
Areal mit Straßen, Kanälen und Leitungen erschlossen wird. oder wenn es aus anderen Gründen Bedarf für ein Bundes-
gesetz gibt. Die Länder können Steuergesetze erlassen, wenn
der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch
macht. Darüber hinaus wirken die Länder bei allen Geset-
zen mit, die der Bundestag beschließt – mit unterschiedli-
Wer entscheidet über die Steuern? cher Konsequenz: Bei den sogenannten Einspruchsgesetzen
kann der Bundesrat Einspruch gegen das vorgelegte Gesetz
einlegen. Allerdings kann das Parlament diesen Einspruch
Deutschland ist ein föderaler Staat; das Grundgesetz weist zurückweisen. Anders verhält es sich bei den Zustimmungs-
Bund, Ländern und Gemeinden bestimmte Aufgaben zu: Die gesetzen. Hier muss die Länderkammer ausdrücklich zustim-
Außenpolitik oder auch die Streitkräfte sind beispielsweise men. Tut sie es nicht, ist das Gesetz vorerst gescheitert; eine
Angelegenheiten des Bundes, die Länder müssen sich um Poli- Einigung ist dann nur noch über den Vermittlungsausschuss
zei, Schulen und Universitäten kümmern, die Gemeinden zum möglich.
Beispiel um Kindergärten oder um die Müllabfuhr. Für diese
Aufgaben brauchen sowohl Bund, Länder als auch die Kom-
munen Geld. Deshalb fließen nicht alle Abgaben einfach in
einen einzigen gesamtstaatlichen Haushalt.
Die Finanzverfassung, also alle Regeln und Vorschriften, die Wer bekommt die Steuern?
das öffentliche Finanzwesen betreffen, sind in den Artikeln 104 a
bis 108 des Grundgesetzes festgeschrieben. Hier ist festgelegt,
¬ wie die Ausgabenlasten verteilt werden, Damit Bund, Länder oder die Städte und Gemeinden die Aus-
wer die Steuergesetze macht, gaben für die ihnen zugewiesenen Aufgaben auch decken
wer welche Steuereinnahmen erhält, können, erhalten sie die Einnahmen aus verschiedenen Steu-
wie die Finanzbeziehungen zwischen den föderalen Ebenen erarten, entweder ganz für sich oder untereinander aufgeteilt.
gestaltet sind und Wer welche Steuern bekommt und welche Steuereinnahmen
wie die Zuständigkeiten von Verwaltung und Gerichtsbar- geteilt werden, steht ebenfalls im Grundgesetz: In Artikel 106
keit in puncto Steuern aussehen. ist die sogenannte Ertragskompetenz festgeschrieben. Dort
werden die Steuern in vier Kategorien eingeteilt:
So regelt Artikel 105 des Grundgesetzes, wer über die Erhebung ¬ Gemeinschaftsteuern,
von Steuern zu bestimmen hat. Damit ist die sogenannte Gesetz- Bundessteuern,
gebungskompetenz festgelegt. Wer sie besitzt, darf eine neue Ländersteuern und
Steuer einführen, eine existierende Steuer verändern oder sogar Gemeindesteuern.
abschaffen. Bei vielen Steuerarten hat der Bund die ausschließ-
liche Gesetzgebungskompetenz, etwa bei der Kfz-Steuer, der Ta- Der Bund kassiert die Einnahmen aus der Energie-, der Kraft-
baksteuer oder dem Solidaritätszuschlag. In manchen Fällen hat fahrzeug-, der Strom-, der Versicherung-, der Tabak-, der
die Europäische Union ein Mitspracherecht, zum Beispiel bei den Branntwein-, der Alkopop-, der Schaumwein-, der Zwischen-
Agrarabgaben. Die Länder haben etwa bei der Zweitwohnung- erzeugnis-, der Kernbrennstoff-, der Luftverkehr- und der
steuer oder der Vergnügungssteuer die Kompetenz, Gesetze zu Kaffeesteuer. Zu den Bundessteuern zählen zwar laut Finanz-
erlassen. Und den Gemeinden steht das Recht zu, die Hebesätze verfassung auch die Zölle. Deren Aufkommen fließt jedoch
für die Grund- und die Gewerbesteuer festzulegen. ausschließlich der EU-Ebene zu. Der Solidaritätszuschlag ist

Artikel 105
Verteilung der Gesetzgebungskompetenz im Steuerwesen
(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle und
Finanzmonopole.
(2) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen
Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum
Karikatur: Jan Tomaschoff / Baaske Cartoons

Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 vorliegen.


(2a) Die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen
Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bun-
desgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Sie haben die Befugnis
zur Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer.
(3) Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder
den Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt,
bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

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Grundsätze der Steuerpolitik 7

Bundesministerium der Finanzen

ebenfalls eine Bundessteuer, obwohl er eine Ergänzungsab- zustehen. Zu den Gemeinschaftsteuern zählen die Lohn- und
gabe zur (eigentlich zwischen den Ebenen aufgeteilten) Ein- Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Abgeltung-
kommen- und Körperschaftsteuer ist. steuer oder auch die Umsatzsteuer. Bei der Jagd- und Fische-
Die Länder erhalten die alleinigen Einnahmen aus der Erb- reisteuer sowie der Schankerlaubnissteuer gehen die Erträge
schaft- und Schenkungsteuer, der Grunderwerb-, der Bier-, der sowohl an die Kreise als auch an die Gemeinden. In allen Fäl-
Feuerschutz- sowie der Rennwett- und Lotteriesteuer und der len werden die jeweiligen Anteile nach bestimmten Schlüs-
Spielbankabgabe. Und die Kommunen dürfen die Einnahmen seln zugewiesen.
aus der Grundsteuer und kleineren eigenen Steuern wie der Von einem Euro Lohn- und Einkommensteuer erhalten
Hunde-, der Getränke-, der Zweitwohnung- oder auch der Ver- Bund und Länder beispielsweise jeweils 42,5 Cent, die Kom-
gnügungsteuer behalten. Es gibt allerdings auch Angelegen- munen bekommen 15 Cent. Bei der Abgeltungsteuer werden
heiten, die gemeinsam erledigt werden. Aus diesem Grund die Gemeinden am Aufkommen der Einnahmen beteiligt,
werden die Steuereinnahmen aus den aufkommenstärksten die bislang dem Zinsabschlag unterlagen, und zwar mit
Steuerarten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden geteilt – einer Quote von zwölf Prozent. Die Städte und Gemeinden
natürlich auch, damit alle davon profitieren können. Diese müssen wiederum einen Teil der Gewerbesteuer über die
Gemeinschaftsteuern, auch Verbundsteuern genannt, sind sogenannte Gewerbesteuerumlage an die Länder und den
Steuern, deren Erträge mindestens zwei staatlichen Ebenen Bund abgeben. Der genaue Anteil wird mithilfe eines kom-
plizierten Verfahrens errechnet: Das Gewerbesteueraufkom-
men einer Kommune wird durch den Hebesatz, der von der
Gemeinde erhoben wird, geteilt und mit einem Vervielfälti-
ger multipliziert.

Wer erhebt die Steuern?


picture-alliance / ZB / Patrick Pleul

Natürlich muss sich jemand darum kümmern, dass die


Steuern eingetrieben werden. Ob die Bundesfinanzbehör-
den, die Landesfinanzbehörden oder die Gemeinden für die
jeweilige Steuer zuständig sind, ist in Artikel 108 des Grund-
gesetzes geregelt. Dort ist die Verwaltungskompetenz für
die Steuern festgelegt.
Zölle fließen schon seit 1975 komplett der EU zu. Zwei Zollbeamte untersu- Die bundesgesetzlich geregelten Verbrauchsteuern sowie
chen bei Frankfurt (Oder) einen Kleintransporter nach Schmuggelware. die Einfuhrumsatzsteuer werden durch die Bundesfinanz-

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8 Steuern und Finanzen

Steuerkompetenzen behörden verwaltet, die damit auch den Aufgabenbereich


des Zolls wahrnehmen. Um die Erbschaft- und Schenkung-
Steuerart
Gesetzgebungs-
kompetenz
Ertragskompe-
tenz**
Verwaltungskom-
petenz
steuer etwa kümmern sich die Länder; die Gemeinden und
Abzugsteuern bei Kreise verwalten beispielsweise die Jagd- und Fischerei-
1. beschränkt Steuer-
pflichtigen
Bund Bund/Länder Länder* steuer sowie die Schankerlaubnissteuer.
2. Agrarabgaben EU/Bund EU Bund (Zoll)
Es ist jedoch nicht immer der Fall, dass die Einnahmen aus
einer Steuer, die von einer bestimmten Ebene verwaltet wer-
3. Alkopopsteuer Bund Bund Bund (Zoll)
den, auch der gleichen Ebene zufließen: So überwacht der
4. Ausfuhrabgaben EU/Bund EU Bund (Zoll) Bund innerhalb der Zollverwaltung zwar die Biersteuer, das
5. Biersteuer Bund Länder Bund (Zoll) Aufkommen daraus steht aber den Ländern zu. Umgekehrt
6. Branntweinsteuer Bund Bund Bund (Zoll) treiben die Länder im Auftrag des Bundes die Umsatzsteuer
Einfuhrumsatz- ein, von der sie allerdings einen Anteil erhalten.
7. Bund Bund/Länder Bund (Zoll)
steuer
Bund/Länder (mit
8. Einkommensteuer Bund Länder*
Gemeindeanteil)
9. Energiesteuer Bund Bund Bund (Zoll)

Wie soll ein Steuersystem gestaltet


Erbschaft-/
10. Bund Länder Länder
Schenkungsteuer
11.

12.
Feuerschutzsteuer

Getränkesteuer
Länder

Bund
Länder

Gemeinden
Bund

Gemeinden
werden?
Gemeinden (mit
13. Gewerbesteuer Bund Umlage für Bund Länder/Gemeinden
und Länder) Da Steuern nun einmal notwendig sind, stellt sich die Frage,
14. Grunderwerbsteuer Bund *** Länder Länder wie die Steuerlast auf die Bürgerinnen und Bürger verteilt
Länder/ werden soll. In der freien Wirtschaft bildet sich der Preis über
15. Grundsteuer Bund Gemeinden
Gemeinden Angebot und Nachfrage. Übertragen auf ein Steuersystem
16. Hundesteuer Länder Gemeinden Gemeinden würde dies bedeuten: Jeder beteiligt sich an den Kosten nach
17.
Jagd- und
Länder Kreise/Gemeinden Kreise/Gemeinden dem individuellen Nutzen, den er aus den verschiedenen
Fischereisteuer
Leistungen des Staates zieht; in der Steuerlehre wird das als
18. Kaffeesteuer Bund Bund Bund (Zoll)
Äquivalenzprinzip bezeichnet. Der Nutzen der verschiede-
19. Kapitalertragsteuer Bund Bund/Länder Länder*
nen Leistungen müsste demnach jedem Einzelnen genau
20.
Kernbrennstoff-
steuer
Bund Bund Bund (Zoll) zugerechnet werden. Dieser könnte dann exakt den (Steuer-)
21. Kirchensteuer Länder Kirchen Länder/Kirchen
Preis für die von ihm individuell genutzten Leistungen be-
zahlen. Das aber dürfte in der Praxis recht schwierig werden.
22. Körperschaftsteuer Bund Bund/Länder Länder*
Denn natürlich gibt es bei den verschiedensten öffentlichen
23. Kraftfahrzeugsteuer Bund Bund Bund****
Ausgaben nicht ausschließlich individuell bestimmbare Leis-
24. Lohnsteuer Bund
Bund/Länder (mit
Gemeindeanteil)
Länder* tungen: An den Schulen beispielsweise müssen die Gehälter
25. Luftverkehrsteuer Bund Bund Bund (Zoll)
der Lehrerinnen und Lehrer fortlaufend weiter bezahlt und
Milchgarantie-
das Schulgebäude instand gehalten werden – auch wenn die
26. EU/Bund EU Bund (Zoll)
mengenabgabe Kinder nicht in der Schule sind.
27.
Rennwett- und
Lotteriesteuer
Bund Länder Länder Wenn Steuern also nicht nach dem Kosten-Nutzen-Prinzip
Schankerlaubnis- berechnet werden können, dann vielleicht danach, was der
28. Länder Kreise/Gemeinden Kreise/Gemeinden
steuer Einzelne in der Lage ist zu zahlen: Das sogenannte Leistungs-
29. Schaumweinsteuer Bund Bund Bund (Zoll) fähigkeitsprinzip richtet sich nicht danach, was der Einzel-
30. Solidaritätszuschlag Bund Bund Länder* ne für sein Geld bekommt, sondern danach, was er für wirt-
31. Spielbankabgabe Bund/Länder Länder Länder schaftliche Möglichkeiten hat. Aber auch das ist schwer zu
32. Stromsteuer Bund Bund Bund (Zoll)
messen: Liest man die individuelle Leistungsfähigkeit am
Einkommen ab oder am Vermögen? Wird sie danach bemes-
33. Tabaksteuer Bund Bund Bund (Zoll)
sen, was der Einzelne kauft und konsumiert, oder danach,
Bund/Länder (mit
34. Umsatzsteuer Bund
Gemeindeanteil)
Länder* wie viel er spart? Über diese Fragen zerbricht sich die Wis-
35. Vergnügungsteuer Länder Gemeinden Gemeinden senschaft schon seit Jahrhunderten den Kopf. Denn eines ist
36. Versicherungsteuer Bund Bund Bund
klar: Die Bürgerinnen und Bürger sollen zwar Steuern zahlen,
aber nicht durch Steuern geschröpft werden. Schließlich liegt
37. Zölle EU/Bund EU Bund (Zoll)
es im Interesse des Staates, dass die Quelle der Einnahmen
Zucker-Produktions-
38.
abgabe
EU/Bund EU Bund (Zoll) nicht versiegt, sprich, dass die Menschen auch langfristig be-
39.
Zweitwohnung-
Länder Gemeinden Gemeinden
reit und fähig sind, ihre Steuern zu zahlen.
steuer
Wie das funktionieren könnte, haben sich schon die Öko-
Zwischenerzeugnis-
40.
steuer
Bund Bund Bund nomen des 18. Jahrhunderts überlegt. Adam Smith hat 1776
in seinem Buch The Wealth of Nations Forderungen an ein
* Im Auftrag des Bundes.
** Die Gemeinden/Gemeindeverbände können durch Landesgesetz am Aufkommen der Landes-
„gutes“ Steuersystem aufgestellt, die zwar heute etwas ei-
steuern beteiligt werden (Art. 106 Abs. 7 S. 2 GG). gentümlich klingen, aber immer noch Geltung haben:
*** Die Länder haben nach Art. 105 Abs. 2a S. 2 GG die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes
bei der Grunderwerbsteuer.
Wohlfeilheit,
**** Bis zum 30. Juni 2014 bedient sich der Bund bei der Verwaltung der Kraftfahrzeugsteuer der Bequemlichkeit,
Landesfinanzbehörden im Wege der Organleihe (§ 18a Abs. 1 FVG).
Bestimmtheit und
Bundesministerium der Finanzen, Steuern von A bis Z, Ausgabe 2011, S. 28 f. ¬ Gleichheit.

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Grundsätze der Steuerpolitik 9

Er vertrat die Meinung, dass der Staat bei der Erhebung von
Steuern darauf achten muss, dass die Kosten dafür nicht zu
hoch werden. Er nannte dies „Wohlfeilheit“ – heute würde
man es eher als Effizienz bezeichnen. Außerdem müsse der
Staat die negativen ökonomischen Reaktionen der Bürger in
Grenzen halten. Was Smith hier mit dem Begriff „Bequem-
lichkeit“ benennt, bedeutet im Klartext: Die Besteuerung
soll sich möglichst nicht hemmend auf die Wirtschaftstätig-
keit auswirken. Wenn die Steuersätze immer weiter steigen,
sind die Steuerpflichtigen möglicherweise nicht dazu bereit,
für mehr Geld auch mehr zu arbeiten, da ihnen netto – also
nach Abzug von Steuern und Sozialbeiträgen – kaum etwas
von ihrem Mehrverdienst übrig bleibt. Und wenn ein Unter-
nehmen zu viele Steuern zahlen muss, von seinem Gewinn
also nur wenig oder vielleicht gar nichts übrig bleibt, ist es
nicht mehr in der Lage, zu investieren und damit neue Ar-
beitsplätze zu schaffen oder bestehende zu erhalten.
Wichtig war für Adam Smith vor allem die Forderung nach
der „Gleichheit“ oder auch „Gleichmäßigkeit“ der Besteue-
rung: Die Steuerzahler sollten die Art und Höhe der Steuern
als fair empfinden; demnach würden sie Abgaben auf poli-
akg-images

tischer Ebene nur dann akzeptieren, wenn die Regeln trans-


parent und frei von Willkür sind. Was Smith „Bestimmtheit“
Adam Smith (1723-1790) nannte, meint nichts anderes, als dass Steuergesetze und

Die Föderalismusreformen I und II allein in außergewöhnlichen Notsituatio- geändert: So wurden aus Effizienzgrün-
nen – zum Beispiel einer tiefen wirt- den die Verwaltungskompetenzen
In zwei Stufen ist in den vergangenen schaftlichen Rezession – oder im Fall von für die Versicherung- und die mit ihr
Jahren das föderalistische Gefüge der Naturkatastrophen gestattet. Kredite, eng verbundene Feuerschutzsteuer
Bundesrepublik reformiert worden. die aufgenommen werden, um den Auf- von den Ländern auf den Bund über-
2006 trat die erste Föderalismusreform schwung anzukurbeln, müssen „kon- tragen. Die Verwaltungsaufgaben
in Kraft. Hier wurden die politischen junkturgerecht“ zurückgeführt werden. für beide Steuern werden seit 2010 beim
Verantwortlichkeiten von Bund und In einer Übergangsphase dürfen Bundeszentralamt für Steuern ge-
Ländern neu geordnet. Zum einen Bund und Länder noch von dieser Schul- bündelt.
wurde die Zahl der Gesetze, denen der denregel abweichen (Bund: bis 2015; Auf eine zentralisiert organisierte
Bundesrat zustimmen muss, verrin- Länder: bis 2019). Darüber hinaus er- Steuerverwaltung beim Bund
gert, zum anderen wurden die Zustän- halten die Länder Bremen, Berlin, konnte sich die Kommission nicht ei-
digkeiten für bestimmte Bereiche ge- Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig- nigen. Offen ist noch, ob eine dritte
tauscht. Die Länder sind nun beispiels- Holstein aufgrund ihrer besonders Reformstufe folgt, die sich mit den Fi-
weise verantwortlich für die soziale schwierigen Haushaltslage für die Jahre nanzbeziehungen zwischen den
Wohnraumförderung, den Strafvollzug 2011 bis 2019 jährlich insgesamt 800 Ländern befasst. Der Länderfinanzaus-
und den Ladenschluss. Das Melde- Millionen Euro. Die Länder verpflichten gleich läuft 2019 aus und muss
wesen oder auch die Atomenergie sind sich im Gegenzug, ihre Finanzierungs- spätestens dann neu geregelt werden.
seitdem Bundessache. defizite in dieser Zeit zurückzuführen.
Die zweite Föderalismusreform hatte Die Föderalismuskommission einig-
zum Ziel, die Finanzbeziehungen zwi- te sich auch auf ein Frühwarnsystem,
schen Bund und Ländern zu modernisie- mit dem neue Haushaltsnotlagen ver-
ren. 2009 einigte sich die Föderalismus- mieden werden sollen: Der neue Stabi-
kommission II auf Verfassungsänderun- litätsrat überwacht nun die Haushalte
gen, die vor allem eines zum Ziel hat- von Bund und Ländern, stellt drohende
ten: die staatliche Kreditaufnahme zu Haushaltsnotlagen fest und leitet
begrenzen. In Artikel 115 des Grund- Sanierungsverfahren ein. Im Stabilitäts-
gesetzes wurde daher eine neue Schul- rat sitzen der Bundesfinanzminister
denregel festgeschrieben. Demnach und die Finanzminister der Länder sowie
sind Einnahmen und Ausgaben grund- der Bundesminister für Wirtschaft
sätzlich ohne Kredite auszugleichen. und Technologie. Die Beschlüsse des Sta-
Der Bund darf künftig nur noch eine bilitätsrats werden veröffentlicht
strukturelle Verschuldung in Höhe (http://www.stabilitaetsrat.de).
von 0,35 Prozent des Bruttoinlandspro- Auch verwaltungstechnisch hat sich
duktes ausweisen. Ausnahmen sind mit der Föderalismusreform II einiges

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10 Steuern und Finanzen

Steuerverwaltung soweit wie nur möglich durchsichtig und


vor allem nachvollziehbar sein sollten. Bereits im 18. Jahr- Freibeträge
hundert hat er mit diesen Eckpunkten die Grundlagen eines
Im deutschen Steuerrecht sind zahlreiche Freibeträge festgeschrie-
gerechten Steuersystems skizziert. Zumindest in der Theorie. ben. Einige sollen das Besteuerungsverfahren vereinfachen, an-
Denn in der Praxis werfen seine Forderungen bis heute im- dere soziale Aspekte berücksichtigen. Freibeträge gibt es bei der
mer wieder die gleichen Probleme auf: Ein möglichst indi- Einkommensteuer, der Erbschaftsteuer, der Gewerbesteuer und der
viduell gerechtes Steuersystem braucht viele Regeln, damit Körperschaftsteuer. Die soziale Komponente von Freibeträgen ist
jeder Einzelfall und jede persönliche Situation so gut wie vor allem bei der Einkommensteuer sichtbar. Hier gibt es folgende
möglich berücksichtigt werden kann. Viele Vorschriften füh- Freibeträge:
ren aber wiederum dazu, dass das Steuerrecht kompliziert ¬ Grundfreibetrag – der Betrag, bis zu dem keine Einkommensteuer
erhoben wird
wird. Die dahinter stehenden Gerechtigkeitsprinzipien sind
nur noch zum Teil erkennbar, das Dickicht von Paragrafen ¬ Kinderfreibetrag
und Ausnahmen macht das Steuersystem für den Laien na- ¬ Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbe-
hezu unverständlich. Ein einfaches, für jeden Steuerzahler darf
durchschaubares System kann wiederum nicht jedem Ein- ¬ Entlastungsbetrag für Alleinerziehende
zelfall möglichst individuell gerecht werden. ¬ Altersentlastungsbetrag
Unser Steuersystem versucht, die Lasten fair zu verteilen, ¬ Freibetrag zur Berücksichtigung eines Sonderbedarfs bei volljährigen
die Steuerzahlenden gleich zu behandeln und ihnen gemäß Kindern in Berufsausbildung
dem Prinzip der Leistungsfähigkeit Steuern abzuverlangen: ¬ Freibetrag für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft
Steuerzahlende, die sich in der gleichen wirtschaftlichen Lage ¬ Übungsleiterfreibetrag
befinden, sollen auch gleich belastet werden – der Fachbegriff ¬ Allgemeiner Freibetrag für ehrenamtliche Tätigkeiten
dafür lautet „horizontale Steuergerechtigkeit“. Die „vertikale
¬ Rabattfreibetrag
Steuergerechtigkeit“ besagt, dass Steuerzahlende in unter-
¬ Versorgungsfreibetrag
schiedlichen wirtschaftlichen Lagen auch unterschiedlich
hohe Steuern zahlen müssen. Wer sich also in einer besseren ¬ Zukunftssicherungsfreibetrag
wirtschaftlichen Position befindet, muss steuerlich höher be- ¬ Freibetrag bei der Veräußerung von Unternehmen(steilen)
lastet werden.
Misst man die individuelle Leistungsfähigkeit am Ein-
kommen, bedeutet das zunächst einmal: gleiches Einkom-
men, gleiche Steuerlast; unterschiedliche Einkommen, Steuerzahlende mit einem gleich hohen Einkommen befinden sich
unterschiedlich hohe Einkommensteuer. Der Staat muss aber nur dann auch wirklich in der gleichen wirtschaftlichen Lage,
seinen Bürgerinnen und Bürgern außerdem mindestens wenn die persönlichen Umstände vergleichbar sind: Ein Single mit
das Existenzminimum belassen. Mit anderen Worten: Das einem monatlichen Einkommen von 4000 Euro ist in einer ande-
Einkommen, das eine steuerpflichtige Person zum Lebens- ren Situation als ein Familienvater, der das gleiche Gehalt bezieht.
unterhalt benötigt, bleibt steuerfrei. Die Bundesregierung Ein Steuersystem, das diese Faktoren berücksichtigt, richtet
legt alle zwei Jahre einen Bericht darüber vor, wie hoch die- sich nach den Kriterien der individuellen Belastbarkeit. Die Müt-
ses Existenzminimum sein muss. Zu diesem steuerfreien ter und Väter des deutschen Steuerrechts haben sich dafür ent-
Grundfreibetrag (2012: 8004 Euro für Ledige / 16 008 Euro schieden, das System vor allem am Einkommen des Einzelnen
pro Jahr für Verheiratete) kommen noch der Betreuungs- und an seiner wirtschaftlichen Situation auszurichten. Demnach
und Erziehungsbedarf für Kinder, der ebenfalls steuerlich werden die unteren Einkommen nur gering, die Besserverdie-
freigestellt werden muss. nenden höher besteuert. Diese Besteuerungsgrundsätze haben
sich im Laufe der Geschichte Schritt für Schritt entwickelt.

Steuertheorien

In den Finanzwissenschaften sind einige Theorien im Umlauf, die das


Steuererhebungsrecht zu begründen suchen. Die wichtigste von ihnen
ist die Opfertheorie: Dem Einzelnen darf demnach zwar ein Opfer auf-
erlegt werden; aber die Opfer müssen für alle Bürgerinnen und Bürger
gleich schwer zu tragen sein. Und: Die Steuerzahlenden müssen die Höhe
ihres Opfers als tatsächlich gerechtfertigt empfinden. Allerdings wird
dies – ähnlich wie die Leistungsfähigkeit des Einzelnen – nie ganz genau
zu ermitteln sein.
Andere Theorien haben inzwischen beim Versuch einer gerechten Steu-
erbehandlung an Bedeutung verloren. So sah die Assekuranztheorie in

der privaten Steuerleistung eine Art Prämie für den vom Staat gewähr-
ten Schutz der Person und des Eigentums der Steuerzahler. Einzig die
Äquivalenztheorie spielt – zumindest bei der Festsetzung von Gebühren
und Beiträgen – heute noch eine Rolle: Sie stellt den Grundsatz der
Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung in den Vordergrund.
Diese Theorie verbietet also, dass die Leistung der Verwaltung in
einem Missverhältnis zu den dafür geforderten Abgaben steht.
Die Kosten für die Kinderbetreuung können als Sonderausgaben von der Steu-
er abgesetzt werden. Gummistiefel auf der Fensterbank einer Berliner Kita

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Grundsätze der Steuerpolitik 11

Das Netto vom Brutto

Quelle: Statistisches Bundesamt, © Bergmoser + Höller Verlag AG, Zahlenbild 286 139

Standpunkte: Werden „Reiche“ steuerlich zu stark belastet?

JA: […] Bezogen auf das Jahr 2007, hat die Steuern, desto niedriger der effektive tiker ermittelt haben. […]
eine Studie des Deutschen Instituts für Ertrag. Das gilt vorweg für die gesenkte Die Geschichte von den stark besteuer-
Wirtschaftsforschung festgestellt: Das Unternehmensteuer (25 Prozent). Wer sie ten Reichen wird noch fragwürdiger, wenn
unterste Fünftel der Steuerpflichtigen anheben will, sollte wissen, dass Kapital man die Tatsache einbezieht, dass die
zahlt praktisch keine Steuern – jene, scheu wie ein Reh und flüchtig wie eine Lohn- und Einkommensteuer nur eine un-
die weniger als 8 200 Euro pro Jahr an Gazelle ist – jedenfalls in der globalisierten ter vielen Steuern ist – und nicht einmal
Rente oder Lohn beziehen. Interessanter Welt. Das Kapital, das im Ausland arbei- mehr die wichtigste.
ist das „reichste Zehntel“: Das zahlt über tet, schafft hier weder Jobs noch Steuerer- Bund und Länder nahmen […] [2010 –
die Hälfte (52 Prozent) des Steuerauf- träge. […] Anm. d. Red.] 489 Milliarden Euro an Steu-
kommens. Und die ganz Reichen – ein Eine „Reichensteuer“ ist gut fürs Ge- ern ein, davon entfielen nur 159 Milliarden
Prozent? Die waren (2002) für mehr müt, aber nicht unbedingt für den auf die Lohn- und Einkommensteuer,
als ein Fünftel des Steueraufkommens gut. Organismus – und bestimmt nicht für also weniger als ein Drittel. Mit 180 Milli-
Wie reich sind denn die „Reichen“, die den deutschen, der wie kein anderer arden Euro brachte die Mehrwertsteuer
Top-Ten-Prozent? Nicht besonders. Ihr in die Weltwirtschaft integriert ist. mehr ein.
Jahreseinkommen betrug 2007 im Durch- Die Mehrwertsteuer zahlt jeder, der et-
schnitt knapp 90 000 Euro. Zahlen sie Josef Joffe, „Lasst die Reichen in Ruhe“, in: Die Zeit Nr. 36 vom was kauft. Sie trifft sogar Kinder. Niemand
1. September 2011
auch genug? Auf den ersten Blick nein, kann ihr ausweichen, denn die Steuer ist
denn der effektive Steuersatz lag nicht in den Preisen enthalten. Für Millionäre
etwa beim höchsten (heute: 42 Prozent), NEIN: Dass eine Eliteeinheit von Gutver- gilt derselbe Steuersatz wie für Bettler:
sondern bei 24 Prozent, die dadurch dienern den Staat finanziere, dieses Ar- 19 Prozent im Allgemeinen, sieben Prozent
zustande kommen, dass allerlei (legale) gument durchzieht seit einigen Jahren die bei Nahrungsmitteln und einigen an-
Abzüge die Steuerpflicht verringern. steuerpolitische Diskussion in Deutsch- deren Gütern.
Hinterziehen die auch? Das Spiel ist heu- land. Aber stimmt es auch? […] Während bei der Einkommensteuer die
te schwerer geworden: Kapitalerträge Die Reichen zahlen heute einen Spit- Gutverdiener stärker herangezogen
werden inzwischen genau wie der Lohn zensteuersatz von 42 Prozent. Dazu werden, ist es bei der Mehrwertsteuer um-
„an der Quelle“ besteuert – neuerdings kommt die sogenannte Reichensteuer, gekehrt. Menschen mit niedrigen Ein-
auch das Gebunkerte in der Schweiz. das ist ein […] 2007 eingeführter Auf- kommen geben, verglichen mit den Bes-
Dennoch möge die Kluft zwischen schlag für die besonders gut Verdienen- serverdienenden, einen größeren Teil
Höchst- und Effektivsatz bedenken, wer den. […] ihres Geldes aus. Von ihrem Einkommen
die „Geldsäcke“ schröpfen will. Je mehr Was beim Spitzensteuersatz meist über- führen sie deshalb einen höheren An-
Einkommen einer hat, desto besser weiß sehen wird: Er wird nicht auf das gesamte teil in Form der Mehrwertsteuer ab als
er, wie man es dem Fiskus vorenthält. Einkommen angewendet, sondern nur Reiche, die einen Teil ihres Geldes
So entstand in Deutschland eine ganze auf dessen oberen Teil. Der tatsächliche nicht benötigen und sparen können. […]
Abschreibungs- und Subventionsindus- Steuersatz beträgt selbst bei Menschen
trie, die Kapital nicht gerade in produktive mit Jahreseinkünften von mehr als fünf Rüdiger Jungbluth, „Das Märchen von den Reichen“, in:
Zweige lenkte. Grundsätzlich: je höher Millionen Euro 37 Prozent, wie die Statis- Die Zeit Nr. 50 vom 8. Dezember 2011

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12 Steuern und Finanzen

Constanze Hacke

Der Zehnte – ein Streifzug


durch die Steuergeschichte

Seit jeher haben Steuern Einfluss auf den Gang der Ge-

akg-images / James Morris


schichte. Auch das deutsche Steuersystem ist ein his-
torisch gewachsenes Gebilde, das sich immer wieder an
die gesellschaftlichen Erfordernisse angepasst hat und
dabei zunehmend harmonisiert und zentralisiert wurde.

Nilometer auf der Insel Elephantine bei Assuan (Oberägypten). Seine älteste
Skala stammt aus der römischen Kaiserzeit im 1. Jahrhundert n. Chr.

D ie Idee einer systematischen Besteuerung entsprang


der puren Finanznot. Schon in den Großreichen des
Altertums benötigten die Herrscher zum einen Geld für
Abgaben in den alten Reichen

ihren prunkvollen Hofstaat, zum anderen mussten sie die Eine echte Besteuerung im heutigen Sinne ging in den meis-
gemeinschaftlich genutzte Infrastruktur wie Straßen und ten Regionen mit der Einführung der Geldwirtschaft einher.
Brücken oder auch das Militärwesen finanzieren. Die Ur- Aber auch dort, wo Geld als Zahlungsmittel noch nicht üblich
sprünge des deutschen Steuersystems lassen sich bis in das war und der gegenseitige Tausch von Waren den Handel be-
frühe Mittelalter zurückverfolgen. Bereits in den kirchlichen stimmte, wurden Steuern eingetrieben: durch Arbeitsdienste,
Personalzehnten und später in den territorialen Kopfsteu- Ernteabgaben oder durch sogenannte Tribute für unterworfe-
ern des 17. Jahrhunderts finden sich erste Ansätze für un- ne Völker. So gab es im alten Ägypten zahlreiche Abgaben und
sere heutige Einkommensteuer. Der eigentliche Steuerstaat Zwangsdienste, die die Bevölkerung leisten musste. Da die
war der frühmoderne Territorialstaat im Absolutismus, mit Pharaonen in der spirituell-religiösen Vorstellung der Ägyp-
all seinen Ansprüchen an die Entwicklung des Hofes. Sei- terinnen und Ägypter den höchsten Stellenwert im Gemein-
ne Ausgaben wurden einerseits durch Eigeneinnahmen – wesen einnahmen und in gewissen Perioden sogar als einzige
wie Domänen, Forsten und Zölle – bezahlt, andererseits Gottheit angesehen wurden, standen ihnen auch die irdischen
entwickelten sich im 17. Jahrhundert immer mehr direkte Güter zu. Privateigentum oder Arbeitslöhne im heutigen Sin-
und vor allem indirekte Steuern. Einige von ihnen, wie die ne gab es noch nicht.
Hundesteuer oder die Rennwett- und Lotteriesteuer, gibt es Wovon also Abgaben oder Steuern erheben? Und nach wel-
bis heute. Und auch die Klagen über die Komplexität des chen Kriterien? Durch reine Willkür? Ganz so einfältig waren
Systems, über zu hohe Abgaben und Verteilungsungerech- die Steuereintreiber der Pharaonen nicht.
tigkeiten sind bereits seit Einführung der ersten Steuern in Daher gab es auch im alten Ägypten schon bald „richtige
Deutschland zu hören. Steuern“, etwa eine Erntesteuer und einen Nilzoll. Dieser Nil-
Schließlich ist auch der Gedanke, private Gelder dafür zu zoll orientierte sich an einer Art Leitlinie, anhand derer die
nutzen, öffentliche Aufgaben zu erfüllen und Vermögen Abgabenlast bestimmt wurde: Am Nil, dem größten Fluss des
umzuverteilen, älter als man denkt. Im Grunde entstand Landes, wurden sogenannte Nilometer gebaut. Dabei han-
die Idee von Steuern als etwas, das man zum Gemeinwesen delte es sich um tiefe Schächte, die mit dem Fluss verbunden
„beisteuert“, sehr früh. Zivilisation im Sinne von geordne- waren. Im Inneren war eine Skala angebracht. Mit dem Nilo-
tem Zusammenleben, Versorgung von außen und gegen- meter wurde die Höhe der Überschwemmungen errechnet.
seitiger Unterstützung bildete die Grundlage dafür. Erste Denn durch die Fluten kam der fruchtbare Schlamm als Dün-
Belege für Steuererhebungen finden wir bereits im 3. Jahr- ger auf die Felder. Nur wenn es ausreichend Schlamm gab,
tausend vor Christus – also vor 5000 Jahren. konnte die Saat wachsen und gedeihen. Die Überschwem-

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Der Zehnte – Ein Streifzug durch die Steuergeschichte 13

mungshöhe war daher auch ein sehr wichtiger Faktor für die fitierten – zum Beispiel bei den Römern – die „Einheimischen“.
Berechnung der Steuer. Spezielle Beamte, die sogenannten Das römische Reich expandierte etwa ab dem 3. Jahrhundert
Nilmesser, protokollierten die Wasserlinie entlang des Fluss- vor Christus enorm, immer mehr Provinzen trugen dazu bei,
laufs. Ein im Prinzip, nicht aber in der technischen Gestaltung den staatlichen Finanzbedarf zu decken, sodass im Jahr 167 vor
ähnliches Verfahren gibt es heute noch, um die Pegelstände Christus die römischen Bürger von den direkten Steuern be-
von Flüssen bei herannahendem Hochwasser zu messen. freit wurden.
Auch in den städtischen Hochkulturen, etwa in Mesopota- Auch die altchinesischen Herrscher, die Assyrer und die
mien, dem heutigen Irak, lassen sich bereits im dritten Jahr- Griechen etablierten aufwändige Abgabensysteme, denn alle
tausend vor Christi Geburt eine Vielzahl von Abgaben, unter brauchten die Steuern zur Finanzierung ihrer Ausgaben. Diese
anderem auf die private Viehhaltung oder den Fischfang, be- Systeme funktionierten zum einen aufgrund der militärischen
obachten. Die Tempelverwaltung führte darüber Buch. oder religiösen Macht der Herrscher über ihre Untertanen und
Die Finanznot der Herrschenden war häufig ihren Eroberun- die besiegten Völker. Zum anderen waren die meisten Groß-
gen, Kriegen und den damit verbundenen militärischen Auf- reiche des Altertums letztlich immer auch Zentralgewalten. Es
wendungen geschuldet. Viele der großen Reiche nahmen da- existierte also schon so etwas Ähnliches wie ein Staat mit sei-
her die Eroberten in die Pflicht: Der Finanzbedarf wurde durch nen einzelnen Gliederungen. Insofern war eine grundlegende
Tribute (von lat. tributum: Beitrag‚ öffentliche Abgabe) gedeckt, Voraussetzung für das Eintreiben und die Verwaltung der Steu-
die den unterworfenen Völkern auferlegt wurden. Davon pro- ern geschaffen.

Römisches Steuersystem

Sowohl die Griechen als auch die Römer finanzierten das Staats- Bibelzitat aus der Weihnachtsgeschichte weist auf den Zensus
wesen vor allem über indirekte Steuern, vornehmlich Zölle, des römischen Reiches hin, der nach und nach auch in den rö-
Wege- und Nutzungsgelder. Dieses System der indirekten Steu- mischen Provinzen durchgeführt wurde. Erst durch diese Volks-
ern wurde verpachtet – und die Erhebung ganz den Steuerpäch- zählung wussten Kaiser und römischer Senat genau, wen sie
tern überlassen. Das System der Pächter hatte vor allem zwei besteuern konnten. Der Zensus war Teil einer umfassenden
Motive: Zum einen konnte man auf diese Weise fiskalische Auf- Steuerreform unter Kaiser Augustus (re.: 30 v. Chr. – 14 n. Chr.).
gaben dezentralisieren. Zum anderen waren die Pächter meist Schon in den damaligen Besteuerungsvorgängen steckte
reiche Bürger, die das öffentliche Gesellschaftsleben finanziell eine Systematik, die in mancherlei Hinsicht an unser heutiges
unterstützten – zum Beispiel, indem sie die Ausgaben für Wett- Steuersystem erinnert. Die Römer entwickelten ein Kataster-
kämpfe, Theater oder musikalische Veranstaltungen übernah- system, durch das der Grundbesitz erfasst wurde. Es verwun-
men. Allerdings engagierten sie sich in dieser Weise meist nur, dert also nicht, dass die zwei größten der unzähligen Steuer-
wenn sie als Gegenleistung gewerbsmäßig Steuern eintreiben arten die Kopfsteuer (tributum capitis) und die Grundsteuer
durften. Für den Pächter ging diese Rechnung keineswegs plus (tributum soli) waren. Daneben gab es eine Erbverkehrssteuer,
minus null auf, denn sein Vorteil lag in der Gewinnmarge, die in aus der sich die römische Umsatzsteuer entwickelte.
ertragreichen Jahren die Pacht um einiges übersteigen konnte. Aus dem alten Rom ist auch eine gescheiterte Steuerre-
Allerdings war dieses System durchaus anfällig für Korruption form des Kaisers Diokletian (re.: 284 – 305 n. Chr.) überliefert.
und Misswirtschaft. Er stellte die Steuer auf landwirtschaftlich genutzte Böden
Eine weitere wichtige Voraussetzung für die Steuererhebung von einer Ist- auf eine Sollertragsbesteuerung um. Die Land-
war, dass die Steuerpflichtigen gezählt wurden. „Und es begab pächter wurden nicht mehr nach dem besteuert, was sie tat-
sich zu der Zeit, [...] dass alle Welt sich schätzen ließe.“ Dieses sächlich aus ihrem Boden herausgeholt hatten. War die Ernte
verhagelt und hatte der Bauer kaum genug für das eigene
Überleben, musste er dennoch dieselbe Steuer bezahlen wie
in einem guten Jahr. Der römische „Staat“ erhoffte sich durch
diese Substanzsteuer gleichmäßig fließende und dadurch gut
zu kalkulierende Einnahmen. Tatsächlich aber führte sie zum
genauen Gegenteil – zu Steuerausfällen.
In jedem Fall benötigte ein solches System eine Grundlage, nach
der besteuert werden konnte. Der „Zehnt“ lieferte einen solchen
Besteuerungsmaßstab. Wissenschaftler vermuten, dass bereits
mehrere tausend Jahre vor Christi Geburt das Auftauchen der
Zahl 10 in Vorderasien auf Ansätze für ein Buchführungssystem
schließen lassen. Der „Zehnt“ erstreckte sich im Wesentlichen auf
akg-images / Erich Lessing

Erträge aus Grundbesitz. Viele dieser Naturalzehnten verwan-


delten sich erst später in Geldabgaben. Für Menschen, die keinen
Grund und Boden besaßen, waren die sogenannten Fronden (auch
Robote) gedacht. Dies waren Dienste, die durch körperliche Arbeit
abgeleistet wurden. Es gab öffentliche und private Fronden. Man
unterschied außerdem zwischen Handdiensten (beispielsweise
Pachtzahlung auf einer römischen Skulptur aus dem 2./3. Jahrhundert n. Chr. Erntearbeiten) und Spanndiensten (Fuhrdienste).

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14 Steuern und Finanzen

Besteuerung im Mittelalter

Seit dem 6. Jahrhundert beanspruchte die Kirche den Zehnt,


also ein Zehntel des „Einkommens“ ihrer Glaubensangehö-
rigen. Diese Abgabe diente in erster Linie dem Unterhalt des
Klerus. Aber auch weltliche Herren konnten Gläubiger des

akg-images
Zehnten sein.
Im Mittelalter war die territoriale Herrschaft in Europa
stark zersplittert. Dementsprechend wechselvoll verlief die Bürger zahlen ihre Steuern beim Stadtkämmerer. Holzschnitt des nament-
Steuergeschichte. Denn sie war häufig auch die Geschichte lich nicht bekannten „Petrarcameisters“ aus dem Jahr 1531
von Zentralstaaten und allgemein anerkannten oder zumin-
dest geduldeten Autoritäten. Beides gab es aber so im Mit-
telalter nicht oder zumindest nicht immer. Das hatte Konse- weise Mauten. Maut, auf das gotische Wort mota zurückge-
quenzen für die Steuererhebung: Eine allgemeine Steuer für hend, bedeutet Zoll oder – in allgemeinerem Sinne – Verkehrs-
alle Bewohner eines Gebietes war kaum durchsetzbar. Die steuer. Die mittelalterlichen Zölle waren Binnenzölle, die beim
einzige Möglichkeit, Staatseinnahmen zu erzielen, bestand in Passieren bestimmter Zollstätten an Land- oder Wasserwegen
sogenannten Repartitionssteuern, bei denen eine Region ei- oder auf öffentlichen Märkten erhoben wurden. Ursprünglich
nen pauschalen Steuerbetrag auferlegt bekam, den sie nach stand der Gebührencharakter im Vordergrund.
eigenem Ermessen auf ihre Bewohner umlegte. Das zunächst allein dem König zustehende Recht, Zollstät-
Als effektiver erwies sich dagegen die Erhebung indirekter ten zu errichten und die Zollsätze festzulegen, ging mit der
Steuern – und natürlich das Eintreiben von Zöllen beziehungs- Schwächung der Reichsgewalt im Laufe der Zeit auf Territori-

Pecunia non olet: Fiskalischer Erfindungsreichtum

Die erste geschichtlich verbürgte fiska- dafür, wie über Steuerpolitik Verhalten kommensteuer sinnvoll zu erheben.
lische Kuriosität versteckt sich in ei- gelenkt werden sollte. Er führte Steuern Also hielt man sich an das, was man
nem geflügelten Wort: Pecunia non olet – auf Bärte, Mützen und Stiefel, Bäder und sah – im wörtlichen Sinne.
Geld stinkt nicht. Kaiser Vespasian Eichensärge, Gurken, Nüsse und Bienen Erfinderisch sind die Steuerverantwort-
(9 – 79 n. Chr.) begründete damit seine ein. Da er etwa der Auffassung war, dass lichen bis heute: In Köln gibt es seit
neue Steuer auf öffentliche Bedürfnis- seine Bürger ohne Bart kultivierter, 2004 zum Beispiel eine Sexsteuer – eine
anstalten. Damit verbunden ist auch die europäischer aussahen, erließ er die Bart- Abgabe von 150 Euro, die für „die
erste „Steuerausweichreaktion“: Die steuer, um sie zum Rasieren zu bewe- gezielte Einräumung der Gelegenheit zu
öffentlichen „Toiletten“ wurden mehr und gen. Und wer einen Bart trug, musste auch sexuellen Vergnügungen in Bars,
mehr abgebaut – was die Ausbreitung seine Steuermarke dabei haben – an- Sauna-, FKK- und Swingerclubs oder Kraft-
von Seuchen begünstigte. sonsten wurde er öffentlich rasiert. fahrzeugen“ pro Monat erhoben
Aber auch in anderen Ländern war man Zu Zeiten des Absolutismus fanden wird. Prostituierte, die in Teilzeit arbeiten,
erfinderisch im Beschaffen neuer Ein- Luxussteuern weite Verbreitung in Euro- zahlen sechs Euro pro Tag. In China
nahmen: Kaiser Otto IV. (1175-1218) kam pa – dazu zählten etwa Fenster-, werden seit 2006 Essstäbchen besteuert,
auf die Idee, den Minnedienst mit einer Haarpuder, Strumpf- und Hutsteuern. In fünf Prozent des Kaufpreises kassiert
Art Minnesteuer zu belegen. Zar Iwan IV. England wurden außerdem Karossen seitdem der Staat.
(1530-1584) schuf vor allem Steuern, um und Silbergeschirr besteuert. Ihren Höhe-
seine Militärausgaben zu finanzieren und punkt hatte diese Phase der Besteu-
seine Berufsarmee auszurüsten. Um erung im 17. und 18. Jahrhundert. Die
das notwendige finanzielle Aufkommen Besteuerung von „Luxusgütern“ be-
dafür in die Staatskasse zu bekommen, ruhte allerdings weniger auf willkürlichen
erfand der Zar mit dem Beinamen „Der Entscheidungen, sondern vielmehr
Schreckliche“ nicht nur „Tatarensteuern“, auf der Tatsache, dass eine Einkommens-
sondern auch „Flintengelder“, „Sal- besteuerung im heutigen Sinn noch
petergelder“, „Festungsgelder“ und eine nicht möglich war. Allein aufgrund der
„Schützensteuer“. vielen Naturalleistungen, mit denen
Zar Peter der Große (1672-1725) wiede- Arbeiten und Dienste, aber auch die Nut-
rum lieferte mit seinen zum Teil sehr zung von Land entgolten wurden, war
kurios anmutenden Steuern gute Beispiele man noch nicht in der Lage, eine Ein-

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Der Zehnte – Ein Streifzug durch die Steuergeschichte 15

alherren und Städte über. Die Fürsten legten Verkehrswege zu


den Städten an, überwachten diese und konnten an den ent-
sprechenden Stellen Brücken-, Straßen- oder Torzoll erheben.
Daneben kamen die sogenannten Akzisen in Mode. Der
Ursprung des Wortes ist nicht genau geklärt. Er könnte ent-
weder aus dem Lateinischen stammen und so etwas wie
„festsetzen“ bedeuten oder aber als Begriff für eine Stände- Absolutismus und Liberalismus
versammlung stehen, die das Recht hat, Steuern einzutreiben.
Akzisen waren Verbrauchsteuern, die recht einfach und ohne
großen Aufwand erhoben werden konnten und gegen die Im Verlauf der Neuzeit entwickelten sich in den großen Terri-
man sich nur durch Verzicht wehren konnte. Beispiele dafür torialstaaten, zum Beispiel in Frankreich oder Russland, lang-
sind Akzisen auf Bier, Wein, Salz oder Lotterien. Die Bierzise sam die Strukturen des modernen Steuerstaates. Wichtige
wurde 1472 in Brandenburg eingeführt und ist ein Vorläufer Voraussetzungen dafür waren die zunehmende Bedeutung
der heutigen Bier- und Branntweinsteuer. Nach und nach des Handels, das Vordringen der Geldwirtschaft, welche die
wurde diese Zise auch auf andere Waren ausgedehnt. Später auf Waren basierende Tauschwirtschaft ablöste, und das Ent-
wurden die Akzisen zur Haupteinnahmequelle erhoben. Ihr stehen einer öffentlichen Infrastruktur. Nicht zu vergessen ist
unterlagen unter anderem bestimmte Getränke, Nahrungs- auch hier die Rolle des Militärs: Die neuen absolutistischen
mittel und Handelswaren. Staaten benötigten Soldaten nicht mehr nur im konkreten Fall
eines Krieges, für den man zuvor jeweils einzelne Abgaben er-
hoben hatte, sondern auch in Friedenszeiten. Die „stehenden
Heere“ bildeten sich heraus und damit permanente Armeen.
Dafür waren Steuern notwendig.
Steuern in den deutschen Territorien Trotz des allgemeinen Finanzbedarfs hatte sich im Abso-
lutismus aber noch nicht die Auffassung durchgesetzt, dass
allgemeine Ausgaben auch von allen Untertanen im glei-
Die römischen Grund- und Kopfsteuern wurden von den frän- chen Maße bezahlt werden sollten. Zwar waren die Akzisen
kischen Königen nicht weitergeführt. Gründe dafür waren gewissermaßen ein erster Schritt dahin, die Steuerpflicht
unter anderem, dass die Steuerverzeichnisse nicht mehr auf teilweise zu verallgemeinern. Allerdings stieg mit ihrer Ein-
aktuellem Stand waren und dass sich erhebliche Widerstän- führung die Belastung der Armen gegenüber den Reichen:
de regten. Beim Versuch, allgemeingültige reichseinheitliche Da niedrige Einkommensgruppen anteilig gesehen mehr für
Steuern einzuführen, stießen die Könige bei den Fürsten auf den Konsum aufwenden müssen als Bezieher größerer Ein-
Gegenwehr. Ab dem 16. Jahrhundert wurde das Heilige Römi- kommen, werden sie von einer Verbrauchsteuer seit jeher
sche Reich deutscher Nation von den Städten und den Stän- überdurchschnittlich belastet.
den finanziert. Sie zahlten sogenannte Matrikularbeiträge. Im Zeitalter des Absolutismus gelangten die Ideen des
Direkte Steuern wurden nur in Ausnahmefällen erhoben. Naturrechts auch in die steuerliche Debatte. Selbst der Fi-
Gründe dafür waren zum Beispiel die Hochzeit einer Fürs- nanzminister des französischen Königs Ludwigs XIV., Jean
tentochter, eine Lösegeldforderung, „allgemeine Not“ – oder Baptiste Colbert (1619-1683), wusste: „Steuern erheben ist die
ein Krieg. Das Reichsfinanzwesen im Mittelalter beruhte Kunst, die Gans so zu rupfen, dass man möglichst viele Fe-
noch auf dem Grundgedanken, dass der König aus eigenem dern mit möglichst wenig Gezische bekommt.“ Darin liegt –
Besitz seinen Unterhalt zu bestreiten und seine Aufgaben weiter gedacht – schon der Ansatz zum Prinzip der Besteu-
zu erfüllen habe. Die nötigen finanziellen Mittel bezog er erung nach Leistungsfähigkeit, auch wenn es dem französi-
aus seinen Erbländern und den ihm zugefallenen Reichs-
gütern. Eine wichtige Einnahmequelle waren die von den
Reichsstädten regelmäßig gezahlten Steuersummen. Im
15. Jahrhundert zeigte sich, dass dieses Finanzsystem den –
hauptsächlich durch Kriege verursachten – hohen Finanzbe-
darf des Reiches nicht mehr decken konnte. Deshalb wurde
schließlich ein „Gemeiner Pfennig“ eingeführt. Steuertech-
nisch war der Gemeine Pfennig, wie der Steuerhistoriker
Adolf Wagner bemerkt, „ein ziemlich willkürliches Gemisch
direkter Kopf-, Personal- und Standessteuern mit Einkom-
men- und Vermögensteuern“. Eine einheitliche Steuer war
auch er nicht. Letztlich wurde der Gemeine Pfennig häufig
unzureichend oder gar nicht gezahlt. Es fehlte zudem eine
einheitliche Steuerbehörde, die tief greifende und nachhal-
akg-images / Erich Lessing

tige Sanktionen gegen Verstöße hätte durchsetzen können.


Im Ständestaat waren Steuern zunächst nur außerordentli-
che, zweckgebundene und bewilligungsbedürftige Leistun-
gen, welche die regulären Einkünfte des Landesherrn aus
finanziell nutzbaren Regalien und Domänen ergänzten. Als
die Stände aber feststellten, was Steuern für ein Wundermit-
tel für die Deckung ihrer stets wachsenden Ausgaben waren, Französische Revolution 1789: zeitgenössische Karikatur auf die Abgaben-
wurden sie nach und nach ausgedehnt. last der Bauern, während Adel und Klerus von Steuern befreit sind

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16 Steuern und Finanzen

schen Finanzminister damals wohl eher darum ging, Steu-


ern ohne großen Widerstand einzutreiben.
Erst mit der Französischen Revolution 1789, deren Ursa-
chen im Übrigen auch in Steuerrevolten zu finden sind, ent-
stand so etwas wie eine Gleichheitsidee. Die staatsphiloso-
phischen Gedanken der Aufklärung trugen dazu bei, dass
nicht nur das Prinzip der Allgemeinheit, sondern auch die
Idee der Gleichmäßigkeit der Besteuerung ins Bewusstsein
rückte – und damit die Tatsache, dass dies nur durch eine
proportionale Anpassung an die Leistungsfähigkeit erreicht
werden könne. Diese Idee setzte sich im Zeitalter des Libera-
lismus zunächst in England durch. Die klassischen Maximen
des Finanzliberalismus fügten dem noch weitere Kernsätze
hinzu.
„Lasset sie so, wie ihr sie vorfindet“, erklärte der britische Na-
tionalökonom David Ricardo (1772-1823) in einem Aufsatz für
die Edinburgh Review aus dem Jahr 1811. Damit meinte er, dass
die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Einzelnen durch
Steuern und Abgaben nicht nachhaltig verändert werden darf.
Schon 1776 hatte der Staatsrechtler Adam Smith (1723-1790)

ullstein bild
seine vier Steuergrundsätze entwickelt. Erforderlich sei, dass
die „Besteuerung nicht dem Gewerbefleiß hinderlich ist und
die Bürger von gewissen Geschäftszweigen abhält, die einer Johannes von Miquel (1828-1901) entwickelte als preußischer Finanzminister
großen Zahl von Menschen Unterhalt und Beschäftigung ge- ein revolutionäres Steuersystem.
ben.“ Diese Aussage bezog sich zwar nicht auf alle Menschen,
sondern vor allem auf die handeltreibenden Bürger und die
entstehenden Großunternehmen. Der Gedanke dahinter war hältnisse anhand äußerlicher Merkmale bewertet. Aufgrund
aber: Will ich eine funktionierende und florierende Wirt- dieser Schätzungen wurden die Zahlungspflichtigen wiede-
schaft, kann ich den Wirtschafttreibenden nicht die Luft zum rum in Steuerklassen eingeteilt. Das Prinzip der Leistungsfä-
Atmen abschnüren. Als Fußnote sei angemerkt, dass Smith higkeit wurde aber auch andersherum interpretiert: Wer für
sowohl den Profit als auch den Arbeitslohn steuerfrei belas- den Staat zahlt, darf auch mitbestimmen. So gesehen war
sen wollte. Er forderte eine Grundrentensteuer, aufgeteilt in die Besteuerung Grundlage für das preußische Dreiklassen-
eine Grundsteuer und eine Landertragsteuer. Auch David wahlrecht.
Ricardo lehnte eine allgemeine Einkommensteuer ab und In den süddeutschen Ländern entwickelten sich in dieser
stellte eine Getreidesteuer in den Mittelpunkt, wobei uner- Zeit die ersten Verfassungsstaaten mit einem eigenen Finanz-
wünschte Nebenwirkungen dadurch verhindert werden soll- recht und eigenen Steuersystemen. Die nationalstaatliche
ten, dass zwei Teileinkommensteuern auf Grundrente und Bewegung und die bürgerliche Revolution von 1848 strebten
Kapitalzins erhoben werden sollten. Die finanzpolitische eine Einheit Deutschlands an. Die Gründung des Zollvereins
Lage machte diesen theoretischen Überlegungen jedoch bald von 1842 wies ebenfalls in diese Richtung. Ein einheitliches
ein Ende. Die Theorien wurden dem fiskalischen Interesse Reich – und damit auch der Vorläufer der Finanzverwaltung
geopfert. So wurde in England Ende des 18. Jahrhunderts die im heutigen Sinne – entstand aber erst 1871 nach dem Krieg
erste allgemeine Einkommensteuer Europas eingeführt. Dies gegen Frankreich unter Reichskanzler Otto von Bismarck
hat den weiteren Verlauf der Steuergeschichte wesentlich (1815-1898). Der neue Staat gab sich eine neue Finanzverfas-
beeinflusst, auch in Deutschland, das es als Einheitsstaat zu sung. In Artikel 38 wurde festgelegt, welche Einnahmen das
diesem Zeitpunkt noch nicht gab. Reich bekommen sollte. Das waren hauptsächlich die Erträge
aus Zöllen und Verbrauchsteuern.
Bayern, Württemberg und Baden, die drei wichtigsten
süddeutschen Länder, blieben von dieser Regelung ausge-
nommen. Nach einem Wort von Bismarck war das Deut-
Preußen und das Deutsche Reich bis 1933 sche Reich finanziell ein „Kostgänger der Einzelstaaten“,
weil ihm der Zugriff auf die direkten Steuern zunächst ver-
wehrt blieb und es auf die Abgaben der Länder angewiesen
Nach den Napoleonischen Kriegen wurde 1815 auf dem Wie- war.
ner Kongress der Deutsche Bund aus der Taufe gehoben. Ei- In den deutschen Einzelstaaten setzte sich gegen Ende des
nes der zentralen deutschen Länder war aber nicht in Gänze 19. Jahrhunderts die Einkommensteuer endgültig durch. In
dabei: Preußen ging seinen Weg zunächst allein, wuchs dann Preußen wurde sie durch die Miquelschen Steuerreformen
aber nach und nach immer mehr in das Reich hinein und von 1891/93 nochmals verändert. 1890 war Johannes von
übernahm schließlich die Vorherrschaft. Die entscheidenden Miquel (1828-1901) als preußischer Finanzminister nach
Grundlagen unseres deutschen Steuerrechts wurden hier ge- Berlin geholt worden. Er entwickelte ein revolutionäres
schaffen. Steuersystem mit den Elementen Einkommensteuer, Ver-
1820 wurden in Preußen sämtliche direkten Steuern abge- mögensteuer und Gewerbesteuer, das in seinen Grundzü-
schafft und durch eine Einkommensteuer ersetzt. Bei dieser gen heute noch gültig ist: das Kommunalabgabengesetz
Klassensteuer wurden die Einkommens- und Vermögensver- vom 14. Juli 1893. Die wesentliche Neuerung war die Steu-

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Der Zehnte – Ein Streifzug durch die Steuergeschichte 17

werbe- und die Vermögensteuer eingeführt. 1906 kam die


Erbschaftsteuer hinzu.
Im Ersten Weltkrieg griff das Reich wegen der Finanznot
den Umsatzsteuergedanken wieder auf. 1916 wurde ein
Warenumsatzstempel als Steuer auf Warenlieferungen ein-
geführt. Mit dem Umsatzsteuergesetz von 1918 wurde das
System der sogenannten Allphasen-Bruttoumsatzsteuer
etabliert. Die Erlöse flossen dem Reich zu.
Nach dem verlorenen Krieg und der Gründung der Wei-
marer Republik änderte sich auch bei den Steuern einiges.
Ein Meilenstein war die Erzbergersche Steuerreform von
1919/20, benannt nach dem damaligen Finanzminister
Matthias Erzberger (1875-1921). Durch sie wurden die vielen
parallel nebeneinander existierenden Einkommensteuern
der Länder vereinheitlicht, der Finanzföderalismus wurde
ullstein bild / Robert Sennecke

durch einen Unitarismus ersetzt. Der zentralstaatliche Be-


hördenapparat konnte mit dem dreistufigen System des
Reichsfinanzministeriums auf der ersten, den Landesfi-
nanzämtern auf der zweiten und den örtlichen Finanz-
oder Hauptzollämtern auf der dritten Ebene immer effi-
zienter auf Vermögen und Einkommen der Bürgerinnen
und Bürger zugreifen.
Reichsfinanzminister Matthias Erzberger (1875-1921) an seinem Schreib- Die Steuersätze stiegen ganz erheblich bis zu einem Spit-
tisch im Weimarer Schloss im Jahr 1919 zensteuersatz von 60 Prozent. Die Einnahmen aus diesen di-
rekten Steuern wurden nun zwischen den Ländern und der
Republik aufgeteilt. Zudem „erfand“ Erzberger die Körper-
erprogression: Der Steuersatz der Einkommensteuer stieg schaftsteuer für Unternehmen. Die Einkommensteuer wurde
von 0,62 Prozent (für Jahreseinkommen von 900 bis 1050 zur bedeutendsten Einnahmequelle des Reiches. An zweiter
Mark) bis auf vier Prozent (für Jahreseinkommen über Stelle folgte die Allphasen-Bruttoumsatzsteuer, die erst Ende
10 000 Mark). Außerdem wurden mit dieser Reform die Ge- 1967 in die heutige Umsatzsteuer umgewandelt wurde.

Die Erzbergersche Steuerreform einem Höchstsatz bei den früheren Ein- Auch wurden eine je nach Verwandtschafts-
kommensteuern der Einzelstaaten grad progressive Erbschaftsteuer sowie
Finanzminister Erzberger, dessen Tatkraft von vier Prozent. Die Steuersätze wurden eine Grunderwerbsteuer eingeführt.
schon die Gestaltung und parlamenta- nunmehr auf alle Einkommen eines Es bleibt noch eine bahnbrechende Leis-
rische Durchsetzung der Reichsfinanzver- Steuerpflichtigen zusammengenommen tung des Erzbergerschen Reformwerks
waltung zu verdanken gewesen war, angewendet; es wurden also nicht mehr – zu erwähnen: das Landessteuergesetz vom
leistete auch in der Neuordnung der Steuer- wie bei der früheren Einkommensbesteu- 30. März 1920. Es unterstrich die Priorität
quellen Bahnbrechendes. Zunächst erung in den Ländern noch üblich – die des Reiches im Zugriff auf die Steuerquel-
setzte er in Fortführung der 1913 und im Einkommen aus verschiedenen Quellen, len, regelte die Kompetenzen der Länder
Krieg eingeführten Abgaben 1919 zwei z. B. Arbeits- und Kapitaleinkommen, und ihrer Gemeinden in ihrer Steuergesetz-
stark progressiv ausgestaltete einmalige unterschiedlich erfasst. Außerdem wurde gebung und verpflichtete sie sogar zur
Vermögensabgaben durch: nämlich die das heute noch übliche Quellenabzugs- Erhebung bestimmter Steuern, z. B. der
außerordentliche Kriegsabgabe auf das verfahren für Lohn- und Gehaltsempfänger Grund-, Gewerbe- und Vergnügung-
Mehreinkommen im Krieg und eine eingeführt, und zwar mit einer sozialen steuer. Damit war eine weitgehende Anglei-
außerordentliche Abgabe vom Vermögens- Komponente, nämlich Freibeträgen für chung der Besteuerungsgrundlagen im
zuwachs. Seine zukunftsweisende jedes Familienmitglied, was eine Neue- Reich durchgesetzt. Als Gegenleistung für
Leistung war jedoch neben der „Verreich- rung im deutschen Steuerrecht darstellte. ihre finanzpolitische „Entmachtung“ be-
lichung“ der Eisenbahnen, d.h. der Über- Auch die Kapitelertragsteuer von zehn teiligte das Reich die Länder mit bestimm-
führung ihrer Verwaltung von den Einzel- Prozent wurde an der Quelle erhoben. Dem- ten Anteilen an seinen wichtigsten Steu-
staaten auf das Reich, die „Verreichli- gegenüber wurde die Körperschaftsteu- erquellen, so wie in der Bundesrepublik die
chung“ der Einkommensbesteuerung. Am er in Höhe von zehn Prozent nachträglich Länder an den Einkommen- und Körper-
29. März 1920 wurde das von Erzberger veranlagt und brachte deshalb wäh- schaftsteuern beteiligt sind.
vorbereitete Reichseinkommensteuerge- rend der Inflation bis Ende 1923 noch nicht
setz vom Reichstag verabschiedet, die erwarteten Ergebnisse. Carl-Ludwig Holtfrerich, „Rüstung, Reparationen und Sozialstaat.
Die Modernisierung des Steuersystems im Ersten Weltkrieg“, in:
gleichzeitig ein Körperschaftsteuergesetz Die Einkommensteuer wurde zur bedeu- Uwe Schultz (Hg.), Mit dem Zehnten fing es an, C. H. Beck Verlag
und ein Kapitalertragsteuergesetz. Die tendsten Einnahmequelle des Reiches. München 1986, S. 207 f.
persönlichen Einkommen wurden stark An zweiter Stelle folgte die Umsatzsteuer,
progressiv mit Sätzen zwischen zehn deren Satz 1920 auf 1,5 Prozent, für Luxus-
und sechzig Prozent besteuert gegenüber güter sogar auf 15 Prozent erhöht wurde.

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18 Steuern und Finanzen

Steuern im Nationalsozialismus

Während des Nationalsozialismus wurde die Gewaltentei-


lung aufgehoben. Die Länder wurden zerschlagen, und die
Zentralmacht lag nun ausschließlich in Berlin. Das Steuersys-
tem ließen die Nationalsozialisten indes zunächst in seinen
Grundzügen unangetastet. Das NS-Regime bewahrte trotz
Terror und Entrechtung Elemente des alten Staates (Steuer-
system, Vertragstreue, Recht auf Eigentum, Zivilrecht), ohne
die das privatwirtschaftliche System nicht funktioniert hätte.

akg-images
Das Fortbestehen des Steuersystems war damit eine wichtige
Voraussetzung zur Herrschaftssicherung.
Allerdings wurde das Steuersystem auch zur Verfolgung Im Zuge der „Arisierung“ wurde der Besitz jüdischer Bürger durch die Nazis
missbraucht. Durch die unrechtmäßige Enteignung der jüdi- zugunsten von Nichtjuden zwangsenteignet – wie dieser Laden für Gummi-
schen Bevölkerung flossen dem Reich ebenso neue Geldmittel waren in Frankfurt am Main. Foto aus dem Jahr 1938

Enteignung der Juden zur Sanie- tisch geschaffene Zwangslage nach Kräf- Absicht erheblich schneller verwirklichen.
rung der Staatsfinanzen ten aus. Mit Hilfe der Reichsflucht- Erst jetzt konnte das von den Fach-
steuer und immer restriktiveren Ausfuhr- leuten in der Vierjahresplanbehörde, von
Von 1933 bis Mitte 1939 gab das Deutsche vorschriften für Devisen, Aktien, Brief- der Reichsfinanzverwaltung, dem
Reich etwa 45 Milliarden Reichsmark für marken, Schmuck, Gold, Edelsteine und Wirtschaftsministerium und der Reichs-
die Aufrüstung aus. Die nach damaligen Silber, Kunstwerke und Antiquitäten bank entwickelte Konzept durch-
Begriffen astronomische Summe betrug versuchte sich der deutsche Staat nach gesetzt werden, erhebliche Anteile des
mehr als das Dreifache der Reichseinnah- Kräften zu bereichern. […] Vermögens der deutschen Juden in
men im Haushaltsjahr 1937. […] Ende Regelrecht verstaatlicht wurde jüdi- Zwangsanleihen umzuwandeln. […]
1937 stieß die Schuldenmacherei an eine sches Eigentum erst von 1938 an, Wie energisch die NS-Finanzexperten
erste Grenze. Von nun an operierten die dann allerdings mit Wucht. […] [D]ie die Transformation jüdischen Vermö-
verantwortlichen Beamten im Finanzminis- Verordnung vom 26. April 1938 […] gens in Staatsanleihen verfolgten, zeigte
terium ständig am Rande des Kredit- zwang die Juden, ihr gesamtes Vermögen sich, als die Juden nach dem Pogrom
spielraums. Sie mussten fortlaufend über- detailliert gegenüber den Finanzäm- die „Sühneleistung“, auch „Judenbuße“
legen, wie die Staatsschulden refinan- tern zu deklarieren, sofern es 5000 Reichs- genannt, auferlegt wurde. […] Die „Ju-
ziert werden könnten. In dieser Lage fiel ihr mark überschritt. […] Drei Tage nach- denbuße“ von einer Milliarde Reichsmark,
Blick auf das Eigentum der Juden, das dem die Anmeldepflicht verkündet worden die die Reichsregierung am 12. Novem-
sie kurzerhand dem so genannten Volksver- war, fand am 29. April 1938 eine ber 1938 verhängte, erhöhte die laufenden
mögen zuschlugen. Dabei handelte es Ministerbesprechung unter dem Vorsitz Reichseinnahmen mit einem Schlag
sich um einen hoch ideologisierten, nicht Görings statt. Zu erörtern war die um gut sechs Prozent. Damit sollte das aku-
nur in Deutschland gebräuchlichen Be- „endgültige Ausschaltung der Juden aus te Kassendefizit überbrückt werden. […]
griff der Epoche, in dem die Möglichkeit zur dem Wirtschaftsleben“ mit dem Ziel Die regulären Reichseinnahmen belie-
Enteignung von „Volksfremden“ und der „Umwandlung des jüdischen Vermö- fen sich im Haushaltsjahr 1938/39 auf
„Volksfeinden“ definitorisch mitschwang. gens in Deutschland in Werte, die etwa 17 Milliarden Reichsmark. Hinzuge-
Bis 1937 wurden jüdische Beamte, keinen wirtschaftlichen Einfluss mehr rechnet werden müssen die Einnahmen
Geschäftsleute, Ärzte und Angestellte Opfer gestatten“. Die letztere, etwas krypti- aus der Reichsfluchtsteuer und sonstige
von Sondergesetzen. Viele verloren sche Aussage bedeutete im Klartext den Erlöse aus der Diskriminierung der Ju-
ihre Arbeitsplätze, Karrieren brachen ab, zwangsweisen Eintausch von Vermö- den im Haushaltsjahr 1938/39, die – zurück-
eben noch blühende Unternehmen gensbeständen aller Art in Staatspapiere. haltend kalkuliert – mindestens 500
kamen zum Notverkauf. Darüber hinaus […] Der deutsche Fiskus brauchte Geld. Millionen Reichsmark ausmachten. Insge-
unterlag jede wirtschaftliche Tätig- Die Regierung mogelte sich um jeden Preis samt stammten also mindestens neun
keit von Juden zahllosen, örtlich verschie- am Staatsbankrott vorbei; jeder Still- Prozent der laufenden Reichseinnahmen
denen Spezialschikanen. Insgesamt stand hätte die Probleme sofort offenbart. im letzten Vorkriegshaushalt aus Ari-
sollten die Bedrängten zu dem Entschluss Als Ausweg bot sich unentwegter sierungserlösen.
genötigt werden: Weg hier! Koste es, Aktionismus. […]
was es wolle! Die Finanzbehörden und Mit dem Pogrom vom 9./10. November Götz Aly, Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler
Devisenstellen nützten die staatspoli- ließ sich die schon vorher formulierte Sozialismus, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2005, S. 52 ff.

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Der Zehnte – Ein Streifzug durch die Steuergeschichte 19

zu wie durch die „Reichsfluchtsteuer“, mit der sich Emigranten Die NS-Steuerpolitik war laut Reimer Voß, dem ehemaligen Prä-
ihre Ausreise erkaufen mussten. Die Politik der wirtschaftli- sidenten des Finanzgerichts Hamburg, durch vier wesentliche
chen Erdrosselung und Enteignung mittels Steuern wurde mit Elemente gekennzeichnet: „[...] durch die technische Verbesse-
der „Judenvermögensabgabe“ fortgesetzt: Die 20-prozentige rung des aus der Zeit der Weimarer Republik übernommenen,
Zwangsabgabe auf das Vermögen von Juden wurde nach der aber nicht grundsätzlich geänderten Steuerrechts, durch den
Reichspogromnacht vom 9./10. November 1938 als sogenanntes Einsatz des Steuerrechts als Instrument wirtschaftspolitischer
Sühnegeld für das Attentat auf den deutschen Botschaftsange- Ziele [...], durch Maßnahmen zur Finanzierung des Krieges
stellten Ernst vom Rath in Paris eingeführt. [und] durch die steuerliche Sonderbehandlung der Juden, Po-
Die Finanzpolitik des Nazi-Regimes diente zunächst vor al- len, Zigeuner [sic] und der durch zum Zwangsarbeitseinsatz
lem der Wirtschaftsbelebung, war aber recht bald schon durch herangezogenen sogenannten Ostarbeiter.“
die Kriegsvorbereitungen Hitlers und die Aufrüstung geprägt. Die steuerliche Belastung der Bürgerinnen und Bürger, aber
Mit der sogenannten Reinhardtschen Steuerreform von 1934 auch die Verschuldung des Reichs stieg während des Zweiten
war das Steuerrecht bereits unter den Einfluss der nationalso- Weltkriegs steil an. Konstruktive Änderungen erfuhr das Steu-
zialistischen Ideologie geraten. Die Steuerverwaltung wurde ersystem in dieser Zeit nicht. 1945 beendeten die Alliierten die
ausgebaut und ihre Stellung gegenüber den Steuerpflichtigen NS-Schreckensherrschaft. Damit endeten auch das Steuersys-
gestärkt. Gleiches galt für die Rechtsprechung, die nach dem tem und die einheitliche Steuerverwaltung für das Reich, die
Motto in dubio pro fisco (im Zweifel für den Fiskus) urteilte. es seit 1919 gegeben hatte.
Spätestens seit 1939 wurde die Finanzpolitik in den Dienst Das Bundesfinanzministerium hat 2009 eine unabhängige
der allgemeinen Kriegsführung gestellt. Zudem wurden die Historikerkommission eingesetzt, um die Funktion und Tätigkeit
Finanzbehörden direkt in die NS-Verfolgungspolitik einge- des Reichsfinanzministeriums während des Nationalsozialismus
bunden: Sie sorgten für die „Verwertung“ des Vermögens der zu erforschen. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind die Schulden- und
deportierten Juden. Konfiskationspolitik sowie die fiskalische Judenverfolgung.

Zwei Staaten – zwei (Steuer-)Systeme

Nach 1945 blieben viele Finanzbeamte im Amt, die Arbeit ihrer


Behörden lief weiter. 1946 erließ der Alliierte Kontrollrat Ge-
setze, die zu einer sehr straffen und hohen Besteuerung der
westdeutschen Bevölkerung führten. Die Alliierten wollten
ursprünglich keine einheitliche Steuerverwaltung. Nicht nur
die politische, auch die fiskalische Macht sollte in mehreren
Händen liegen.
Mit der Währungsreform von 1948 verschwand die alte
Reichsmark aus den Geldbörsen der Deutschen, die neue
D-Mark war von nun an gängiges Zahlungsmittel. Das
Grundgesetz 1949 legte schließlich die Fundamente für eine
neue Finanzverwaltung und -gerichtsbarkeit. Die finanziel-
len Hoheitsrechte wurden zwischen Bund und Ländern auf-
geteilt; es entstanden getrennte Finanzverwaltungen des
Bundes und der Länder.
Der erste Bundesminister der Finanzen, Fritz Schäffer
(1888-1967), sah sich 1949 noch mit den Folgen des Zu-
sammenbruchs konfrontiert. Erst nachdem diese beseitigt
waren, konnte er sich den neuen fiskalpolitischen Heraus-
forderungen stellen, die in erster Linie darin lagen, den
Geldwert durch eine strenge Ausgabenpolitik zu sichern
und durch konsequente Steuersenkungen die Wirtschaft
zu beleben.
1953 unterbreitete der Wissenschaftliche Beirat Schäffer
Vorschläge für eine umfassende, auf das ganze Wirtschafts-
und Gesellschaftssystem abgestimmte Steuerreform. Diese
organische Steuerreform wurde jedoch nie umgesetzt. Der
Grund: Sie wäre angesichts der erheblichen ökonomischen
Anpassungsprozesse, die sie ausgelöst hätte, kaum zu ver-
antworten gewesen. An ihre Stelle traten permanente
ullstein bild

Steuerreformbemühungen, in die die Ziele des organischen


Steuersystems einflossen und die bis heute ein Merkmal
der Finanzgeschichte der Bundesrepublik Deutschland ge- Bundesfinanzminister Fritz Schäffer während seiner Rede zur Steuer- und
blieben sind. Finanzreform im Deutschen Bundestag im März 1954

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20 Steuern und Finanzen

Kritik an der Steuerreform 1954


Karl Bräuer, damaliger Präsident des Bundes der Steuerzahler,
schrieb anlässlich der Veröffentlichung eines Regierungsentwurfs
zum Gesetz zur Neuordnung der Steuern im Frühjahr 1954:
[...] Von einem wirklichen System kann man doch nur dort spre-
chen, wo in einer Steuerverfassung die bestehenden
Steuerformen aufeinander abgestimmt sind und sich in sinnvol-
ler Weise ergänzen. Was wir haben, ist ein systemloses Gewirr

picture-alliance / ZB / Martin Förster


von sich gegenseitig überlagernden, einander widersprechenden
[...] Steuerformen, in die doch zunächst einmal Ordnung
gebracht werden muss.
Nicht weniger als fünfzig Steuerarten von sehr verschiedenem
Rang werden auf die armen Staatsbürger losgelassen. Die sechs
größten unter den Steuern bringen über 76 Prozent des Gesamt-
einkommens ein, der Rest verteilt sich über vierzig verschiedene
Steuern, die kleinsten von ihnen haben einen Ertrag von nur einer
Million Mark. Wäre es da nicht eine dankbare Aufgabe, einmal
In der DDR wurde die Kfz-Steuer entrichtet, indem die Fahrzeughalter
mit dem eisernen Besen zu kehren und alle die Bagatellsteuern,
jährlich Wertmarken kauften und als Zahlungsnachweis in eine Steu-
die Zwergsteuern wegzufegen, bei denen der Rohertrag durch
erkarte klebten. Hinweisschild im DDR-Museum Radebeul
die Erhebungskosten ganz oder zu einem großen Teil aufgezehrt
wird? Von der Vermögens- und Vergnügungssteuer, der Aufsichts-
rats- und Kapitalertragssteuer, der Lotteriesteuer, der Versicherungs-
steuer, der Getränkesteuer, der Wechsel-, Stempel-, der Zündwaren- Die DDR als in ihrem ideologischen Selbstverständnis neuer
steuer, der Grunderwerbs-, Erbschafts-, Hunde- und Teesteuer bringt Staat knüpfte auch in ihrer Finanzgeschichte nicht an alte Tra-
keine mehr als 0,5 Prozent des Gesamtaufkommens. Dreizehn ditionen an, wie es die Bundesrepublik tat. Ein Großteil der Pro-
weitere Steuern noch nicht einmal zusammen 0,5 Prozent. [...]
duktionsmittel war Staatseigentum, die Wirtschaft wurde durch
Mehrjahrespläne zentral gelenkt. Haupteinnahmequelle des
Karl Bräuer, „Kein Meilenstein der Steuergeschichte“, in: Der Spiegel Nr. 13 vom 24. März 1954 Haushalts waren die Abgaben der sogenannten Volkseigenen
Betriebe (VEB). Steuern der Bevölkerung und privater Betriebe
spielten im Vergleich dazu kaum eine Rolle. Finanzämter gab es
Mit der Umsatzsteuerreform zum 1. Januar 1968 löste die in der DDR bereits seit 1952 nicht mehr. Für die Finanzplanung
Mehrwertsteuer mit Vorsteuerabzug die Allphasen-Bruttoum- war das Ministerium für Finanzen zuständig, sowohl was die
satzsteuer ab. Da die Belastung mit Mehrwertsteuer seitdem Einnahme- als auch was die Ausgabenseite anging. Im Bereich
nicht mehr von der Zahl der durchlaufenen Wirtschaftsstufen des Außenhandels arbeiteten der Zoll, das Ministerium für
abhängig ist, wurde mit dieser Reform ein Beitrag zur steuerli- Außenhandel und die Grenz- und Kontrollbehörden eng zusam-
chen Wettbewerbsneutralität geleistet. men. Von 1962 bis 1990 unterstand der Zoll der DDR sogar dem
Die deutsche Finanzverfassung wurde 1969 wesentlich Ministerium für Außenhandel.
weiterentwickelt: Das Finanzreformgesetz ordnete die finan-
ziellen Beziehungen zwischen Bund und Ländern neu. Mit der
Haushaltsreform wurde das teilweise veraltete Haushalts-
recht den Bedürfnissen einer modernen Finanzwirtschaft
angepasst. Stand seit der Wiedervereinigung

Nach dem Treuhandgesetz vom Juni 1990 diente die (bereits im


Kritik an der Steuerreform 1974 März des Jahres errichtete) Treuhandanstalt (THA) „der Priva-
Über den Entwurf des Dritten Steuerreformgesetzes, der sich unter tisierung und Verwertung volkseigenen Vermögens nach den
anderem mit der Neuregelung des Einkommensteuerrechts befasste, Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft.“ Mit der deutschen Ein-
schrieb das Nachrichtenmagazin Der Spiegel im Sommer 1974: heit wurde die Treuhandanstalt als rechtsfähige bundesunmit-
[...] Da wollte etwa der Deutsche Gewerkschaftsbund sich mit dem telbare Anstalt öffentlichen Rechts der Fach- und Rechtsaufsicht
vorgeschlagenen Spitzensteuersatz für hohe Einkommen von des Bundesministers der Finanzen unterstellt. Sie wurde zum
56 Prozent (statt bisher 54,6 Prozent) nicht abfinden und verlangte Ende des Jahres 1994 aufgelöst.
60 Prozent. Da wehrten sich die Banken gegen die Regelung der Schon seit 1990 gibt es ein einheitliches Steuerrecht. Bei der
Sonderausgaben, weil langfristige Sparverträge im Gegensatz zu Lohnsteuer gab es 1992 die letzte wesentliche Änderung. Das
Kontrakten bei Bausparkassen und Versicherungen nicht steuer- Steueränderungsgesetz ersetzte den Lohnsteuer-Jahresaus-
begünstigt werden sollen. Und da schlugen die Gastwirte Alarm, weil
die Reformer Verzehrrechnungen nicht mehr als abzugsfähige
gleich durch die Möglichkeit der antragsweisen Veranlagung
Werbungskosten anerkennen wollten. zur Einkommensteuer. Weitere Änderungen wurden danach
immer wieder diskutiert. Finanzwissenschaftlerinnen und Fi-
Vor der Fülle der Einwände und der Kompliziertheit der Sachen
nanzwissenschaftler sowie Politikerinnen und Politiker aller
schmolz der Mut der Reformer ebenso wie das Programm. [...]
Parteien haben Vorschläge für eine organische Reform, also
eine komplette Umgestaltung des Systems, vorgelegt. Sie spie-
N.N., „Steuerreform: Für viele wenig, für wenige mehr“, in: Der Spiegel Nr. 27 vom 1. Juli 1974
len in der aktuellen politischen Debatte wiederkehrend eine
große Rolle. Umgesetzt worden sind sie bislang aber nicht.

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Der Zehnte – Ein Streifzug durch die Steuergeschichte 21

Das Steuersystem der DDR schaft, im Handwerk und im Binnen- Folge, daß es in der Volkswirtschaft und
handel und b) die Steuern der rest- im Binnenhandel Tausende von unter-
Im DDR-Sozialismus besaßen rechtsstaat- lichen privaten Handwerks- und Gewer- schiedlichen Umsatz- und Verbrauch-
liche Steuerprinzipien keine Geltung. bebetriebe und ihrer Eigentümer. […] steueraufschlägen gab. Um nicht die
Eine Besteuerung der Steuersubjekte nach Die der Privatwirtschaft (Privatunter- Empörung der geschröpften Konsumen-
den Prinzipien der Gleichmäßigkeit, nehmer, juristische Personen) aufer- ten herauszufordern, wurde die Höhe
der Allgemeinheit, der Gerechtigkeit und legten Steuern (Einkommen- und Kör- der steuerlichen Teuerungszuschläge
der Beachtung der steuerlichen Leis- perschaftsteuer, Kapitalertragsteuer, streng geheimgehalten.
tungsfähigkeit wurde ausdrücklich abge- Gewerbesteuer, Umsatz- und Vermögen- Mit hohen Abgaben wurden fast aus-
lehnt. Eine sozialistische Regierung steuer) waren sämtlich ihrer Art nach nahmslos die Umsätze bei Genuß-
könne ihre Steuerpolitik nicht nach den aus der Steuergesetzgebung des Deut- mitteln, Importwaren und „luxuriösen“
überlebten Grundsätzen einer bürger- schen Reiches vor 1945 übernommen langlebigen, technischen Gebrauchs-
lich-kapitalistischen Klassengesellschaft worden. Der Gesetzgeber der DDR hatte gütern belastet. Dagegen enthielten die
ausrichten, dies behindere in der Über- diese Steuern jedoch sozialistisch um- Einzelhandelspreise für Grundnah-
gangsperiode zwischen Kapitalismus und geformt, um sie als Klassenkampfinstru- rungsmittel und die Verbraucherpreise
Sozialismus die Überwindung der privat- ment zur Fesselung, Verdrängung für sozialpolitisch bedeutsame Indus-
wirtschaftlichen Wirtschaftsordnung und und Liquidation der Privatwirtschaft triewaren (Babybekleidung, Kinderschu-
sabotiere den angestrebten Aufbau nutzen zu können. he, Schulartikel, Lehrbücher, Arzneien)
eines sowjet-sozialistischen Wirtschafts- So betrug der Höchstsatz der rasch zumeist keine Steueraufschläge. Im Ge-
systems. progressiv ansteigenden Einkom- genteil, sie wurden in der Regel durch
Infolgedessen gab es in der DDR nicht mensteuer auf Einkünfte aus Unterneh- die Gewährung von Preisstützungssub-
nur ein, sondern mindestens fünf ver- mertätigkeit und Kapitalnutzung ventionen sogar zu Preisen unter den
schiedene Steuersysteme. Diese unterschie- 90 Prozent und derjenige bei der Körper- Gestehungskosten verkauft. [...]
den sich bei natürlichen Personen schaftsteuer für die noch übriggeblie- Von 1980-1984 betrug die durchschnitt-
danach, ob es sich bei den Besteuerten um benen Kapitalgesellschaften 95 Prozent. liche Steuerbelastung der Konsum-
Werktätige oder um Kapitalisten han- Hierdurch sollte der Privatwirtschaft ausgaben der privaten Haushalte beim
delte, und bei den juristischen Personen Kapital entzogen und dieses durch Um- Einkauf von Genußmitteln und
danach, ob sich die besteuerten Betrie- verteilung über den Staatshaushalt industriellen Verbrauchsgütern rund
be in staatlichem, genossenschaftlichem zum Aufbau sozialistischer Staatsbetrie- 58 Prozent. 1985-1988 erreichte die
oder privatem Eigentum befanden. be verwendet werden. durchschnittliche Belastung des privaten
Dementsprechend umfaßten die Steu- Die der Bevölkerung auferlegten Steu- Verbrauchs durch steuerliche Teue-
ern in der DDR fünf Gruppen von ern bestanden in den 80er Jahren rungszuschläge in den Konsumgüter-
Pflichtzahlungen an den Fiskus: 1. Abga- in der Regel zu 97 Prozent aus der kom- preisen einen Anteilssatz von rund
ben der Staatswirtschaft; 2. Steuern binierten Umsatz- und Verbrauch- 52 Prozent. Demnach war der Fiskus der
der genossenschaftlichen Wirtschaftsbe- steuer (produktgebundene Abgaben) DDR in dieser Zeit bei jedem Einkauf
triebe und ihrer Mitglieder; 3. Steu- und aus der Lohnsteuer der Arbeiter von Genußmitteln und Industriewaren
ern der restlichen Privatbetriebe und ihrer und Angestellten. Die restlichen drei Pro- im Einzelhandel in Höhe von 100 Mark
Eigentümer; 4. Steuern der privaten zent entfielen auf die Einkünfte aus mit einer Staatskasseneinnahme von
Haushalte und 5. Gemeindesteuern. der Kraftfahrzeug-, Erbschaft-, Grund- durchschnittlich 52 Mark beteiligt.
Entsprechend der sozialistischen erwerb- und Vermögensteuer, aus
Eigentumsverteilung bei Wirtschafts- Gemeindesteuern […] und auf Erträge Hannsjörg F. Buck, „Steuern“ in: Rainer Eppelmann u. a.,
unternehmen waren die Abgaben aus der Besteuerung des Arbeitsein- Lexikon des DDR-Sozialismus, Ferdinand Schöningh Verlag
Paderborn 1996, S. 616 ff.
der Staatswirtschaft […] die bei weitem kommens der freiberuflich tätigen Selb-
einträglichste Einnahmequelle. Rund ständigen. Diese nicht der Einkom-
zwei Drittel aller Haushaltseinkünfte mensteuer unterworfene freischaffende
(ohne die Beitragseinnahmen der Intelligenz wurde zur Förderung
Sozialversicherung) gingen in den 80er ihrer Regimetreue steuerlich privile-
Jahren aus dieser Steuerquelle ein. giert. [...]
Geordnet nach der Reihenfolge ihrer fis- Die „produktgebundenen Abgaben“
kalischen Ergiebigkeit gehörten fol- wurden in Form differenzierter
gende Steuerarten zu den Abgaben der steuerlicher Teuerungszuschläge auf ein-
Staatswirtschaft: a) die Gewinnsteuer zelne Konsumwaren erhoben. Dabei
(Nettogewinnabführung/NGA); b) die belegte der staatliche Steuereinnehmer
Lohnsummensteuer; c) die Produk- ausschließlich industrielle Verbrauchs-
tions- und Handelsfondsabgabe (PFA/ güter und in der Regel nur Genußmittel
HFA) und d) ein Konglomerat sons- mit solchen Teuerungszuschlägen. […]
tiger Abführungen (z. B. Amortisations- Mit jedem Erwerb eines Konsumgutes
abführungen und Bodennutzungs- wurde die Steuer auf die Verbraucher
gebühren). […] überwälzt. Sie belastete damit eindeu-
Zu den Steuern der nichtverstaatlich- tig die Verbrauchsausgaben der pri-
ten Wirtschaft gehörten a) die Steuern vaten Haushalte.
der „sozialistischen Genossenschaften“ Diese Art sozialistischer Umsatz- und
und ihrer Mitglieder in der Landwirt- Verbrauchsbesteuerung hatte zur

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22 Steuern und Finanzen

Constanze Hacke

Unser Steuersystem

picture alliance / dpa / Oliver Berg


Nach welchen Kriterien werden Steuern eingeteilt? Welche
Steuerarten gibt es und welche sind die ertragreichsten?
Und wie wird die Höhe der Einkommensteuerschuld ermit-
telt? Das folgende Kapitel gibt darüber Auskunft und
stellt die Grundzüge des deutschen Steuersystems dar.

Direkte Steuern sind unmittelbar vom Steuerpflichtigen oder – etwa bei der
Lohnsteuer oder dem Solidaritätszuschlag, die der Arbeitgeber entrichtet –
über Dritte an den Fiskus zu zahlen.

E s gibt 40 verschiedene Steuern in Deutschland. Und es gibt


die unterschiedlichsten Kriterien, sie einzuteilen. Steuern
definieren sich zum Beispiel danach, wer die Einnahmen be-
die Herstellung und den Verbrauch von Gütern erhoben,
belasten aber nicht den Steuerpflichtigen, der sie abführt –
also den Händler oder den Produzenten. Diese ziehen die
kommt (also nach der Ertragskompetenz). Demnach gibt es Steuer nur für den Staat ein und legen sie auf den Verkaufs-
Bundes-, Länder- und Gemeindesteuern, außerdem Gemein- preis um, sodass die Belastung vom Endverbraucher getra-
schaftssteuern und Kirchensteuern. gen wird. Das ist zum Beispiel bei der Umsatzsteuer und
Steuern können auch danach charakterisiert werden, wo- den Verbrauchsteuern der Fall. Es kann durchaus sein, dass
rauf der Fiskus sie erhebt. Wird eine Steuer auf Einkommen eine Steuerart mehrere Kriterien erfüllt: Die Umsatzsteuer
oder Vermögen verlangt, spricht man von einer Besitzsteuer. ist beispielsweise sowohl eine Verkehrsteuer als auch eine
Zu den Besitzsteuern zählen beispielsweise die Einkommen- indirekte Steuer.
steuer, die Gewerbesteuer oder auch die Erbschaftsteuer. Die
Besitzsteuern werden darüber hinaus unterteilt in Besitz-
steuern vom Einkommen und Besitzsteuern vom Vermögen –
dazu zählt neben der Erbschaft- auch die Grundsteuer. Im
Gegensatz zu Besitzsteuern erfassen Verkehrsteuern die Was wird besteuert?
Vorgänge des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs. Hierzu ge-
hören etwa die Umsatzsteuer, die Kraftfahrzeugsteuer oder
die Rennwett- und Lotteriesteuer. Die dritte Gruppe in dieser Um zu ermitteln, was der oder die Steuerpflichtige an Steu-
Einteilung sind die Verbrauchsteuern. Wie die Bezeichnung ern schuldet, braucht man als Ausgangsbasis einen Wert.
schon vermuten lässt, dreht es sich bei diesen Abgaben um Deswegen gibt es bei jeder Steuerart eine Bemessungs-
Steuern, die den Verbrauch oder Gebrauch bestimmter Wa- grundlage, der eine sogenannte Besteuerungseinheit zu-
ren belasten. Dabei handelt es sich in aller Regel um Lebens- geordnet wird. Diese Besteuerungseinheit ist die kleinste
mittel oder Genussmittel – also zum Beispiel die Kaffeesteu- Einheit, in welche die Bemessungsgrundlage zerlegt werden
er oder die Tabaksteuer; aber auch die Stromsteuer ist eine kann; bei der Einkommensteuer oder der Umsatzsteuer ist
Verbrauchsteuer. Die Einteilung nach Besitz-, Verkehr- und das ein Euro bzw. ein Cent, bei der Kaffeesteuer beispielsweise
Verbrauchsteuern hat vor allem verwaltungstechnische Be- ein Kilogramm.
deutung. Um die Steuerschuld zu berechnen, wird der Bemessungs-
Schließlich kann man Steuern auch danach unterscheiden, grundlage ein Steuertarif zugeordnet. Unterschieden wird
wie sie entrichtet werden. Demnach gibt es direkte Steuern, dabei zwischen einem Steuerbetragstarif und einem Steuer-
die unmittelbar beim Steuerpflichtigen erhoben werden, satztarif: Der Steuerbetragstarif sieht pro Besteuerungsein-
den die Steuerlast treffen soll – wie es bei der Einkommen- heit eine feste Geldsumme vor; bei der Kaffeesteuer müssen
steuer der Fall ist. Direkte Steuern belasten also grundsätz- beispielsweise pro Kilo Röstkaffee 2,19 Euro und für löslichen
lich den Steuerpflichtigen, der sie bezahlt. Bei indirekten Kaffee 4,78 Euro je Kilogramm an Steuern entrichtet werden
Steuern ist der Steuerschuldner jemand anderes als der, der (Stand 2012). Sieht ein Steuertarif pro Besteuerungseinheit ei-
die Steuer letztlich wirtschaftlich zu tragen hat, also finan- nen Prozentsatz vor, handelt es sich um einen Steuersatztarif –
zielle Einbußen erleidet. Indirekte Steuern werden zwar auf wie es ihn etwa bei der Einkommensteuer gibt.

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Unser Steuersystem 23

Einteilung der Steuern

© Bergmoser + Höller Verlag AG, Zahlenbild 181 111

Begriffe der Steuersprache

Steuerobjekt (Steuergegenstand): Das Steuerschuldner: Steuerschuldner ist, Steuergeheimnis: Der Steuerpflichtige


Steuerobjekt kann eine Sache, eine wer dem Fiskus die Steuer schuldet und muss bei der Steuererklärung mitwir-
bestimmte Handlung oder eine Geldsum- für die Zahlung haftet. ken und dafür der Finanzbehörde seine
me sein. Es begründet die Steuerpflicht: steuerlichen Verhältnisse vollständig
Wer ein Auto hat, muss Kfz-Steuer bezah- Steuerzahler: Steuerzahler ist, wer die offenbaren, wie es in der Abgabenord-
len. Wer Geld verdient, muss Einkom- Steuer an das Finanzamt abzuführen nung (AO) heißt. Daher muss laut AO
mensteuer entrichten. Und wer Bier trinkt, hat. In den meisten Fällen zahlt der Steu- die Geheimhaltung dieser Angaben ge-
zahlt dafür Biersteuer. erschuldner die Steuern. Ausnahmen währleistet sein. Die Daten dürfen nur
gibt es dann, wenn die Steuereintreibung anderweitig verwertet werden, wenn der
Steuersubjekt (Steuerpflichtiger): Das nicht komplizierter gemacht werden Betroffene zustimmt oder wenn sie in
Steuersubjekt ist derjenige, der soll als notwendig. Die Lohnsteuer und einem Strafverfahren angewandt werden –
eine Steuer schuldet, die Kapitalertragsteuer etwa werden allerdings auch hier mit Einschränkungen.
für eine Steuer haftet, im sogenannten Quellenabzugsverfahren
eine Steuer für Rechnung eines Dritten erhoben, also direkt an der Quelle ein- Identifikationsnummer: Jeder Steuer-
einzubehalten und abzuführen hat, behalten und an das Finanzamt abge- pflichtige erhält vom Bundeszentral-
eine Steuererklärung abgeben muss führt. amt für Steuern eine dauerhafte steuer-
¬ oder auch Bücher und Aufzeichnungen liche Identifikationsnummer. Das
zu führen hat. Steuergläubiger: Steuergläubiger ist das Bundeszentralamt für Steuern speichert
öffentlich-rechtliche Gemeinwesen, dem zu dieser Nummer den Namen, Geburts-
Daraus ergeben sich wiederum die Steuer- die Steuer zufließen soll – also entweder ort und -datum, das Geschlecht, die
pflichten – neben den finanziellen auch Bund, Länder, Gemeinden oder die Kir- Anschrift und die zuständige Finanz-
formelle Verpflichtungen wie Aufbewah- chen. Wer die Ertragskompetenz über die behörde.
rungs- oder Auskunftspflichten. Steuer besitzt, ist auch Steuergläubiger.

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24 Steuern und Finanzen

Zu diesen sonstigen Einkünften zählen beispielsweise Ein-


künfte aus einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversiche-
rung.
Die sieben Einkunftsarten teilen sich außerdem noch ein-
mal in zwei Gruppen auf: Es gibt die sogenannten Gewinnein-
kunftsarten und die Überschusseinkunftsarten: Bei Land- und
Wichtige Steuerarten Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit
sind die Einkünfte der Gewinn. Das bedeutet, dass entweder
das Betriebsvermögen zu einem bestimmten Zeitpunkt mit-
Einkommensteuer einander verglichen wird oder die Differenz zwischen Be-
triebseinnahmen und Betriebsausgaben ermittelt wird. Das
Die weitaus wichtigste Steuer in Deutschland ist die Einkom- Ergebnis ist dann der Gewinn – oder möglicherweise auch ein
mensteuer – für den Einzelnen, weil sie ihn am direktesten Verlust. Bei den übrigen Einkunftsarten zieht das Finanzamt
betrifft, und für den Staat, weil sie die meisten Einnahmen von den Einnahmen alle Aufwendungen ab, die dazu dienen,
hergibt. Auf der Hitliste der Steuereinnahmen steht die Ein- die Einnahmen zu erwerben, zu sichern und zu erhalten. Mit
kommensteuer mit ihren Spielarten Lohnsteuer, Kapitalertrag- anderen Worten: die Werbungskosten. Durch dieses Berech-
steuer bzw. Abgeltungsteuer ganz oben, im Jahr 2011 führte nungsverfahren entsteht ein Überschuss, der besteuert wird.
sie mit einem Aufkommen von gut 197,9 Milliarden Euro die Diese Art der Einkünfteermittlung bezeichnet man auch als
Rangliste der gesamten Steuereinnahmen an. Auf Platz zwei Nettoprinzip.
lag knapp dahinter die Umsatzsteuer mit rund 190 Milliarden Bei bestimmten Einkünften wird die Steuer direkt abgezo-
Euro, gefolgt von der Energiesteuer, deren Einnahmen sich im gen, etwa bei Lohn oder Gehalt in Form der Lohnsteuer und
Jahr 2011 auf gut 40 Milliarden Euro beliefen. bei Kapitalvermögen als Kapitalertragsteuer, die seit der
Die Einkommensteuer wird in Deutschland auf Basis von Unternehmensteuerreform 2008 in aller Regel in Form der
sieben Einkunftsarten ermittelt. Auf alle Einkommen von Abgeltungsteuer erhoben wird. Diese Steuern sind keine ei-
natürlichen Personen, also sowohl Arbeitnehmerinnen und genen Steuerarten, sondern nur eine besondere Erhebungs-
Arbeitnehmern als auch Selbständigen, erhebt der Staat die form der Einkommensteuer. So ist die Lohnsteuer die Steuer,
Einkommensteuer. Ihr unterliegen die Einkünfte die Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer auf ihren Lohn
aus Land- und Forstwirtschaft, oder ihr Gehalt zahlen. Der Arbeitgeber zieht sie direkt vom
aus Gewerbebetrieben, Arbeitslohn ab und überweist sie ans Finanzamt. Anders for-
aus selbständiger Arbeit, muliert: Die Lohnsteuer ist die Einkommensteuer, die direkt
aus nichtselbständiger Arbeit, vom Arbeitslohn abgezogen wird. Ähnlich verhält es sich bei
aus Kapitalvermögen, der Abgeltungsteuer. Gleich welche Einkünfte man erzielt:
aus Vermietung und Verpachtung sowie Ziel der Einkommensteuer ist es, alle Einkünfte einer Per-
¬ die sonstigen im Einkommensteuergesetz genannten Einkünfte. son möglichst vollständig zusammenzufassen. Die Summe

Die Abgeltungsteuer Seitdem ziehen zunächst die Banken die der Reform wurde zusätzlich das soge-
Abgeltungsteuer direkt an der Quelle nannte Halbeinkünfteverfahren
Mit der Unternehmensteuerreform 2008 des Gewinns ab. Dieser Steuerabzug hat abgeschafft; Dividendenerträge werden
ist eine neue Spielart der Einkommen- abgeltende Wirkung – daher der Name damit nicht mehr nur zu 50 Prozent
steuer ins Steuerrecht eingeführt worden: der Steuer. Das bedeutet, dass der Anleger erfasst, sondern sind in voller Höhe zu
Seit dem 1. Januar 2009 greift bei Kapi- Kapitalerträge in aller Regel nicht mehr versteuern. Auch die Spekulations-
talerträgen die Abgeltungsteuer. Das bedeu- in seiner Steuererklärung angeben muss. frist für Aktien ist gefallen: Damit sind
tet, dass sämtliche Zinsen, Dividenden Allerdings besteht weiterhin die Mög- Veräußerungsgewinne aus Wertpa-
und Investmenterträge sowie alle Gewin- lichkeit, eine Steuererklärung abzugeben piergeschäften steuerpflichtig, auch wenn
ne aus dem Verkauf privater Wertpa- und die Zinsen dann rückwirkend mit Anleger die Papiere länger als ein Jahr
piere einheitlich mit 25 Prozent besteuert einem möglichen niedrigeren persönli- im Depot gehalten haben. Früher waren
werden. Dazu kommen noch der Soli- chen Steuersatz zu versteuern. Zuviel diese Spekulationsgewinne steuerfrei.
daritätszuschlag und gegebenenfalls die einbehaltene Abgeltungsteuer wird dann Die Investition in die Altersvorsorge
Kirchensteuer. erstattet. bleibt übrigens von der Abgeltung-
Für viele Anleger ergibt sich dadurch Darüber hinaus sind Steuerzahler ver- steuer unberührt: Die staatlich geförder-
eine Steuerersparnis. Zum einen werden pflichtet, Kapitalerträge in der Steuer- ten Altersvorsorge-Produkte (etwa
die Kapitalerträge nicht mehr auf das erklärung anzugeben, wenn die Abgel- die Riester- und Rürup-Rente sowie die
übrige Einkommen aufgeschlagen und tungsteuer noch nicht zum Einsatz betriebliche Altersversorgung) wer-
erhöhen auf diese Weise nicht mehr gekommen ist. Das kann zum Beispiel bei den nachgelagert besteuert. Das heißt:
den individuellen Steuersatz. Zum an- Fonds der Fall sein, die im Ausland In der Sparphase bezuschusst der
deren gibt es weiterhin einen Freibe- investieren, oder bei Gewinnen, die über Staat den Aufbau der Altersvorsorge, und
trag; mit dem Sparer-Pauschbetrag ausländische Depots realisiert worden von den Kapitalerträgen wird keine
bleiben Kapitalerträge bis zu einer sind. Dann kommt die Kapitalertragsteu- Abgeltungsteuer abgezogen. Im Ruhe-
Höhe von 801 Euro pro Person steuerfrei er – als eine weitere Erhebungsform stand unterliegen die Auszahlungen
(Stand 2012). der Einkommensteuer – zum Einsatz. Mit dann der Einkommensteuer.

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Unser Steuersystem 25

dieser Einkünfte wird mit einem einheitlichen Steuertarif gemeinsam ihre Steuererklärungen abgeben wollen. Ent-
belastet. Wenn das Finanzamt die Steuern berechnet, schaut scheiden sie sich für die Zusammenveranlagung, wird ihre
es aber nicht nur auf die Höhe des jeweiligen Einkommens, Einkommensteuerlast nach diesem Splitting-Tarif berechnet.
sondern berücksichtigt auch die persönlichen Lebensver- Die zu versteuernden Einkommen beider Eheleute werden zu-
hältnisse des Einzelnen. Wer zum Beispiel für seinen Ehe- sammengerechnet und dann halbiert. Der Steuertarif wird auf
partner oder die Kinder finanziell sorgt, muss bei gleichem eine Einkommenshälfte angewandt – und die Steuerschuld,
Einkommen in der Regel weniger Steuern zahlen als ein die sich daraus ergibt, verdoppelt.
Alleinstehender. Aus diesem Grund werden auch Ausgaben Damit versteuert jeder Ehepartner das halbe Gesamteinkom-
berücksichtigt, selbst wenn sie nicht durch den Betrieb oder men; der Splitting-Tarif unterstellt, dass jeder der beiden das ge-
die Arbeit bedingt sind. meinsame zu versteuernde Einkommen zur Hälfte erwirtschaf-
Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der tet. Verdient ein Ehepartner besser als der andere, wird dieser
staatlichen Ordnung – so steht es im Grundgesetz. Um diesen Teil des Einkommens somit auf den anderen verlagert, sprich
Schutz von Ehe und Familie zu gewährleisten, behandelt der gesplittet, sodass es insgesamt zu einem niedrigeren Steuersatz
Fiskus Eheleute anders als Ledige und Paare, die ohne Trau- kommt. Denn mit diesem Verfahren vermindert sich die Pro-
schein zusammenleben. Das verheiratete Paar wird als wirt- gression des Tarifs, da sie sich nur noch auf die Hälfte des von
schaftliche Einheit betrachtet. Daher werden Ehepaare in der den Ehegatten gemeinsam erzielten Einkommens auswirkt.
Regel nach dem Prinzip des Ehegatten-Splittings besteuert. Die Steuerersparnis beim Splitting-Tarif wird also umso grö-
Ehepaare haben die Wahl zu entscheiden, ob sie getrennt oder ßer, je weiter die beiden Einkommen auseinander liegen. Er-

Die Lohnsteuerklassen – und für klasse V eingestuft. Bekommt der andere In Steuerklasse V heißt es dagegen,
wen sie gelten Ehepartner gar keinen Lohn oder kein ordentlich Abzüge in Kauf zu nehmen,
Gehalt, kann der Arbeitnehmer-Ehegatte da es hier gar keinen Grundfreibe-
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer trotzdem die Steuerklasse III eintragen trag gibt. Dazu kommt, dass der Lohn-
werden grundsätzlich in Steuerklassen lassen. steuerabzug in der Steuerklasse V
eingestuft. Denn daraus ergibt sich, wie den progressiven Verlauf des Einkom-
viel Geld sie jeden Monat netto aus- Die Steuerklasse IV … mensteuertarifs abbildet. Der Ehe-
bezahlt bekommen. Die Steuerklasse be- … ist das Standardmodell für verheiratete gatte in Steuerklasse V zahlt also mit
stimmt unter anderem, wie viel Lohn- Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. seiner monatlichen Lohnsteuer
steuer der Arbeitgeber ans Finanzamt Heiratet ein Paar und sind beide ange- einen Teil der Steuerlast seines Ehepart-
überweisen muss. In welcher der sechs stellt, werden beide automatisch in die ners mit. Um das zu vermeiden, gibt
Steuerklassen sich Steuerpflichtige wieder- Steuerklasse IV eingeordnet. es seit einiger Zeit das Faktorverfahren.
finden, hängt von verschiedenen Fak- Das ist ein Modell, das die Besteue-
toren ab. Die Steuerklasse V … rung der Eheleute nach ihrem Anteil am
… ist der Gegenpart zur Steuerklasse III. Familieneinkommen abbilden soll.
Die Steuerklasse I … Sie gilt damit ebenfalls nur für verhei- Das Faktorverfahren soll dafür sorgen,
… gilt für Alleinstehende – also ledige, ratete Arbeitnehmerinnen und Arbeit- dass jeder Ehepartner beim monatli-
getrennt lebende oder geschiedene nehmer. chen Lohnsteuerabzug bereits die ihm
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. persönlich zustehenden Steuerent-
Außerdem sind die Alleinstehenden in Die Steuerklasse VI … lastungen erhält. Deswegen wird beim
der Steuerklasse I in der Regel kinderlos – … ist ein Sonderfall unter den Steuerklas- Faktorverfahren der Splittingtarif
oder aber erfüllen nicht die Voraus- sen. Sie kommt nur dann zum Zug, wenn auf beide Ehepartner verteilt. Die Eheleute
setzungen für die Steuerklasse II. man einen zweiten Job hat – oder bei teilen dem Finanzamt außerdem zu
seinem neuen Arbeitgeber noch nicht die Beginn des Jahres ihre voraussichtlichen
Die Steuerklasse II … Lohnsteuerkarte eingereicht hat. Jahresgehälter und Freibeträge mit.
… bekommen die Alleinstehenden zuge- Aus diesen Informationen ermittelt die
standen, die die Voraussetzungen für Letztlich entscheidet zwar die jährliche Behörde dann die Einkommensteuer-
den Entlastungsbetrag für Alleinerziehen- Steuererklärung über die individuelle last und setzt sie ins Verhältnis zu der
de erfüllen. Dieser Freibetrag in Höhe Steuerlast. Aber über die richtig gewählte Summe, die beide Ehepartner in Steuer-
von 1308 Euro pro Jahr ist in der Steuer- Steuerklasse können Steuerpflichtige klasse IV als Lohnsteuer zahlen müssten.
klasse II bereits eingepreist. Die Steuer- schon vorab ihre Abzüge steuern. Denn Der Faktor ergibt sich also aus der
klasse II erhalten nur diejenigen auto- in den einzelnen Steuerklassen wer- voraussichtlichen Einkommensteuer im
matisch, die bereits im Vorjahr dort den unterschiedliche Frei- und Pauschal- Splittingtarif geteilt durch die Summe
eingestuft waren. Anderenfalls muss beträge bereits berücksichtigt. der Lohnsteuer des Arbeitnehmer-Ehe-
diese Steuerklasse beantragt werden. Ehepartner können zwischen den Kom- paares in Steuerklasse IV. Dieser Faktor
binationen IV/IV oder III/V wählen. ist immer kleiner als eins und wird mit
Die Steuerklasse III … Bei der Wahl der Steuerklassen III und V drei Stellen nach dem Komma auf die
… gibt es nur für verheiratete Arbeitneh- erhält derjenige, der die III bekommt, Lohnsteuerkarten eingetragen. Mit diesem
merinnen und Arbeitnehmer, der monatlich mehr Netto aufs Konto – hier Faktor errechnen dann die jeweiligen
andere Ehepartner wird dann (wenn er wird der Grundfreibetrag für Verhei- Arbeitgeber die zu zahlende monatliche
ebenfalls angestellt ist) in die Steuer- ratete (also der doppelte) berücksichtigt. Lohnsteuer der Ehepartner.

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26 Steuern und Finanzen

halten beide Ehegatten ein ungefähr gleich hohes Einkom- ¬ Vorsorgeaufwendungen,


men, müssen sie auch gleich viel Steuern zahlen. Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung oder Wei-
Der Splitting-Tarif ist allerdings inzwischen nicht mehr un- terbildung,
umstritten. Kritikerinnen und Kritiker führen an, dass dieser Ta- Spenden für mildtätige, kirchliche und wissenschaftliche
rif das Modell der „Versorgerehe“ – also eine Ehe, in der der Ehe- Zwecke.
mann das Haupteinkommen erzielt – begünstige. Dazu kommt,
dass mehrere Finanzgerichte das geltende Recht mit Blick auf Um keinen Teil des Einkommens zu belasten, über das eine
die Behandlung von homosexuellen Paaren in eingetragenen Steuerzahlerin oder ein Steuerzahler nicht frei verfügen kann,
Lebenspartnerschaften als Verstoß gegen den allgemeinen gibt es die Abzugsbeträge für außergewöhnliche Belastungen.
Gleichheitssatz bezeichnet haben. Mit der Folge, dass Anträge Sie können zum Beispiel dann geltend gemacht werden, wenn
auf das sogenannte Ehegattensplitting für solche homosexuel- die Behandlungskosten, die eine Patientin oder ein Patient zu
len Paare von der Finanzverwaltung nicht mehr von vornehe- tragen hat, sehr hoch sind oder wenn eine Scheidung oder eine
rein abgelehnt werden. Dies gilt zumindest so lange, bis das Beerdigung anstehen. Zu den außergewöhnlichen Belastun-
Bundesverfassungsgericht in dieser Frage entschieden hat. gen gehören auch Ausgaben für die Pflege von Angehörigen
Manche Sonderausgaben dürfen unbeschränkt von der eige- oder Kosten, die Menschen mit Behinderungen sogar mit ei-
nen Steuerlast geltend gemacht werden, zum Beispiel die ge- nem Pauschalbetrag geltend machen können.
zahlte Kirchensteuer. Andere wiederum sind bis zu bestimm- Außerdem wird – bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
ten Grenzen abziehbar, zum Beispiel die Aufwendungen für mern bereits beim Lohnsteuerabzug – eine Fülle von Freibe-
die Kranken- und Pflegeversicherung oder die Altersvorsorge. trägen berücksichtigt, die den persönlichen Lebensumstän-
Ein großer Teil dieser steuerlichen Abzugsmöglichkeiten ist da- den der oder des Steuerzahlenden Rechnung tragen. Dazu
durch motiviert, dass der Staat seine Bürgerinnen und Bürger gehören insbesondere der Kinderfreibetrag (4368 Euro jähr-
zu einem bestimmten Verhalten veranlassen möchte, etwa um lich), der Betreuungsfreibetrag (2640 Euro jährlich) oder der
Vorkehrungen für wirtschaftliche oder gesundheitliche Notla- Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (1308 Euro jährlich,
gen oder für ein gesichertes Leben im Alter zu treffen. Zu den alle Freibeträge: Stand 2012). Zwar mindern diese Freibeträge
Sonderausgaben zählen daher zum Beispiel: monatlich zunächst einmal nur den Solidaritätszuschlag und

So wird ein Ehepaar steuerlich entlastet So werden Familien steuerlich entlastet


Ein Ehepaar zahlt aufgrund des Ehegatten-Splittings weniger Steuern als ein
Single, der genauso viel verdient.
1998 2000 2002 2004 2006 2008 2009
Einkommensteuerschuld in Euro Splitting-Vorteil Kinder in 1000 18 112 18 364 18 597 18 593 18 805 18 065 17 716

Zu versteuerndes Single Ehepaar in Euro in Prozent der


Jahreseinkom- Steuerschuld des
35 950 36 820 37 010 35 620 36 920
31 655
men in Euro Singles 25 605
Familienleis-
10 000 315 0 315 100 tungsausgleich
in Millionen
20 000 2701 630 2 071 76,7 Euro

davon:
30 000 5625 2 820 2805 49,9 Kinderfreibetrag
(Verlust an Steu- 51 716 1432 2310 2110 2270 2190
40 000 9007 5 402 3605 40,0 ereinnahmen)

50 000 12 847 8 212 4635 36,1 Kindergeld 25 554 30 939 34 518 34 510 34 900 33 350 34 730
Anteil der Fami-
60 000 17 028 11 250 5778 33,9 lienförderung
am Kindergeld
70 000 21 228 14 518 6710 31,6 (über den Kin-
derfreibetrag 11 505 11 555 14 050 16 590 16 400 14 610 15 190
hinausgehende
80 000 25 428 18 014 7414 29,2 finanzielle Un-
terstützung)
90 000 29 628 21 740 7888 26,6
Quelle: Bundesministerium der Finanzen
100 000 33 828 25 694 8134 24,0
Der Familienleistungsausgleich
1 000 000 434 306 418 612 15 694 3,6 Er besteht aus Kindergeld und Kinderfreibetrag und wird vorgenommen, weil
Familien mit Kindern bei gleichem Einkommen steuerlich weniger leistungs-
Quelle: IW Köln
fähig sind als Kinderlose. Vom zu versteuernden Einkommen darf daher für
Das Ehegatten-Splitting jedes Kind ein Freibetrag abgezogen werden. Die daraus resultierende Steuer-
Die Einkommensteuerschuld soll sich an der steuerlichen Leistungsfähig- ersparnis ist wegen des progressiven Einkommensteuertarifs umso größer, je
keit der Steuerpflichtigen orientieren. Weil Ehe und Familie unter dem mehr jemand verdient. All jene, bei denen die Steuerersparnis aufgrund ih-
besonderen Schutz des Grundgesetzes stehen (Artikel 6) und weil alle Fami- res geringeren Einkommens unter dem vom Gesetzgeber beschlossenen
lien gleich zu behandeln sind (Grundgesetz Artikel 3), betrachtet das Kindergeld-Satz liegt, bekommen anstelle des Freibetrags das Kindergeld. Die
Finanzamt ein Ehepaar im Gegensatz zu unverheirateten Paaren als steu- Differenz zwischen dem Kindergeld und der theoretisch möglichen Steuer-
erliche Einheit. Dahinter steht die Überlegung, dass eine Familie vom ersparnis durch den Freibetrag ist als staatliche Familienförderung zu verste-
gemeinsamen Einkommen lebt. hen, die über den reinen Schutz des Existenzminimums hinausgeht.
IW (Institut der deutschen Wirtschaft) Köln, © 2010 IW Medien, WuU 6 IW (Institut der deutschen Wirtschaft) Köln, © 2010 IW Medien, WuU 6

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Unser Steuersystem 27

die Kirchensteuer, die ja ebenfalls mit der Lohnsteuer vom


Gehalt abgezogen werden. Am Jahresende aber schauen die
Finanzbeamten genau hin, ob die Kindergeldzahlungen ge-
nauso hoch oder höher waren als der Freibetrag; wenn nicht,
wird die Differenz bei der Einkommensteuererklärung ausge-
glichen.
Um nun die Summe der Einkünfte einer Person der Wirk-
lichkeit entsprechend abzubilden, können Verluste aus einer
Einkunftsart mit den Einkünften einer anderen Einkunftsart
verrechnet werden. Was jetzt – nach Abzug der Betriebsaus-
gaben, Werbungskosten, Sonderausgaben, außergewöhnli-
chen Belastungen, Freibeträge und möglicher Verluste aus an-
deren Einkunftsarten – an Einkommen aus allen sieben Ein-
kunftsarten übrig bleibt, ist das zu versteuernde Einkommen.
Dieses zu versteuernde Einkommen bildet die Bemessungs-
grundlage für den Einkommensteuertarif.
Zur Einkommensteuer kommen der Solidaritätszuschlag
ullstein bild / CARO / Frank Sorge

sowie gegebenenfalls die Kirchensteuer hinzu. Der Solidari-


tätszuschlag ist eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteu-
er und zur Körperschaftsteuer, die mit den hohen Kosten der
Wiedervereinigung Deutschlands begründet wird. Der Zu-
schlag ist eine direkte Steuer und steht dem Bund zu. Sowohl
der Solidaritätszuschlag wie auch die Kirchensteuer werden
in einem festen prozentualen Verhältnis zur Einkommensteu-
Alleinerziehende werden über Freibeträge steuerlich entlastet. er ermittelt.

Linear, progressiv, proportional: der Aufbau des Einkommensteuertarifs

Bemessungsgrundlage für die Ein- gleicher Steuersatz, sondern mehrere, tant der gleiche Steuersatz fällig wird.
kommensteuer ist das sogenannte zu steigende Steuersätze, die nach Die zweite Proportionalzone wurde
versteuernde Einkommen. Dies er- verschiedenen Abschnitten greifen. So 2007 als sogenannte Reichensteuer hin-
mittelt sich aus der Summe aller Ein- fängt die Besteuerung für die ers- zugefügt: Ab einem zu versteuernden
künfte, von der dann wiederum ten Euros über dem Grundfreibetrag mit Einkommen von 250 731 Euro beläuft
diverse Vergünstigungen, Sonderaus- einem Eingangssteuersatz von 14 sich der Steuersatz auf 45 Prozent,
gaben und außergewöhnliche Be- Prozent an und steigt bis zum Spitzen- das heißt von jedem Euro über diesem
lastungen abgezogen werden können. steuersatz von 42 bzw. 45 Prozent Betrag wird eine Steuer von 0,45 Euro
Dann wird die Einkommensteuer (Stand: 2012). Dabei teilen sich die Pro- fällig.
ermittelt. gressionszonen in zwei größere Inter- Die jeweils höheren Steuersätze wer-
Das deutsche Einkommensteuerrecht valle auf: In der ersten Progressionszone den übrigens nicht auf die gesamte
verwendet einen linear-progressiven steigt der Steuersatz relativ schnell Summe, sondern nur auf das zusätzlich
Tarif, das bedeutet: Unterschiedliche an; in der zweiten Progressionszone steigt verdiente Geld berechnet. Daher
Stufen des Steuertarifs haben un- der Steuersatz zwar weiter linear an, nennt man dies auch „Grenzsteuersatz“.
terschiedliche Steuersätze. Zunächst aber nicht mehr so stark wie in der Im Gegensatz dazu bezeichnet der
bleibt das Einkommen in Höhe des ersten Zone. Ab dem Spitzensteuersatz „Durchschnittssteuersatz“, wie hoch der
Grundfreibetrags steuerfrei; dies ist die von 42 Prozent folgen die Proportio- prozentuale Anteil der festgesetzten
„Nullzone“. Nach dieser Nullzone nalzonen – so genannt, weil ab diesem Einkommensteuer am gesamten zu ver-
folgen jedoch nicht ein durchgehend Betrag für jeden Euro darüber kons- steuernden Einkommen ist.

Grundfreibetrag (Nullzone): keine Steuer bis … 8004 Euro *

1. Progressionszone: Steuersatz steigt linear von 14 auf 23,97 Prozent 8005 bis 13 469 Euro *

2. Progressionszone: Steuersatz steigt linear von 23,97 auf 42 Prozent 13 470 bis 52 881 Euro *

Proportionalzone: Spitzensteuersatz von 42 Prozent 52 882 bis 250 730 Euro *

Proportionalzone: „Reichensteuer“-Satz von 45 Prozent ab 250 731 Euro *

* jeweils zu versteuerndes Jahreseinkommen

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ullstein bild / CARO / Gabriele Baertels 28 Steuern und Finanzen

BAföG-Leistungen sind von der Steuer befreit. Studierende im Berliner


Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum

Bestimmte Einnahmen sind gänzlich von der Einkommensteu-


er befreit. Dazu zählen laut Einkommensteuergesetz rund 70
verschiedene Einnahmen, unter anderem das Arbeitslosengeld,
BAföG-Leistungen, Stipendien oder auch das Elterngeld. Für die
Lohnersatzleistungen, zu denen vor allem das Arbeitslosengeld
zählt, gilt aber trotz ihrer Steuerbefreiung: Sie werden in der
Summe dazu herangezogen, um den individuellen Steuersatz zu
berechnen. Ein Beispiel: Eine Steuerpflichtige bezieht im Laufe
eines Jahres sowohl zunächst ihr normales Gehalt, dann Mutter-
schafts- und anschließend Elterngeld. Mutterschafts- und Eltern-
geld bleiben steuerfrei, die Zahlungen werden jedoch zum Gehalt
dazu gezählt. Das Finanzamt ermittelt dann, welcher Steuersatz
auf die Gesamtsumme fällig würde. Dieser Steuersatz wird dann
auf das steuerpflichtige Einkommen angewandt.

Körperschaftsteuer

Welche Steuern Unternehmen zahlen müssen, hängt von


ihrer Rechtsform ab. Einzelunternehmen und Personenge-
sellschaften (zum Beispiel eine GbR oder eine offene Han-
delsgesellschaft OHG) müssen Einkommensteuer entrichten.
Sie werden damit nach ähnlichen Prinzipien behandelt wie
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer: Je höher der Gewinn,
umso höher wird auch der fällige Steuersatz.
Kapitalgesellschaften – etwa Aktiengesellschaften, eine
GmbH oder auch eine Genossenschaft – müssen Körperschaft-
steuer zahlen. Seit der „Gründerzeit“ in den 1870er-Jahren wer-
den Kapitalgesellschaften steuerlich gesondert erfasst.
Die Körperschaftsteuer ist im Grunde eine besondere Art
der Einkommensteuer für juristische Personen. Besteuerungs-
grundlage für die Körperschaftsteuer ist – ebenso wie bei der
Einkommensteuer – das Einkommen, das die Körperschaft
innerhalb des Kalenderjahrs erzielt hat. Was als Einkommen

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Unser Steuersystem 29

gilt und wie das Einkommen zu ermitteln ist, bestimmt sich nicht berücksichtigt. Dies unterscheidet die Gewerbesteuer von
ebenfalls nach den Vorschriften des Einkommensteuergeset- der Einkommen- oder auch der Körperschaftsteuer.
zes. Allerdings gibt es einige besondere Vorschriften aus dem Die Gewerbesteuer wird auf Grundlage des sogenannten Ge-
Körperschaftsteuergesetz, die beachtet werden müssen. Der werbeertrags berechnet. Dieser Gewerbeertrag ist jedoch nicht
Körperschaftsteuersatz beträgt seit der Unternehmensteu- gleichzusetzen mit dem Gewinn, den man von der Einkom-
erreform im Jahr 2008 einheitlich 15 Prozent. Dazu kommen mensteuer her kennt. Der Gewinn ist nur der Ausgangspunkt,
noch die Gewerbesteuer sowie der Solidaritätszuschlag. Ins- um zum Gewerbeertrag zu kommen. Zum Gewinn müssen
gesamt ergibt sich dadurch eine durchschnittliche Steuerbe- bestimmte Beträge entweder hinzugerechnet oder abgezogen
lastung von rund 30 Prozent für Kapitalgesellschaften. werden. Zu den Summen, die hinzuzuaddieren sind, zählen
etwa die Zinsen für langfristige Kredite. Durch das Unterneh-
mensteuerreformgesetz 2008 wurde der Umfang für derarti-
Gewerbesteuer ge Hinzurechnungen ausgeweitet; zugleich darf seitdem die
Gewerbesteuer nicht mehr als Betriebsausgabe abgezogen
Die Gewerbesteuer ist eine Gemeindesteuer und eine wichti- werden. Allerdings wird nun ein größerer Teil von dem, was
ge Einnahmequelle der Kommunen; Bund und Länder werden an Gewerbesteuer gezahlt wurde, bei der Einkommensteuer-
durch eine Umlage an der Gewerbesteuer beteiligt. Die Gewer- schuld von Personenunternehmen angerechnet.
besteuer muss von allen Unternehmen bezahlt werden, die Mit der Berechnung des Gewerbeertrags soll festgestellt
einen Gewerbebetrieb führen – also sowohl von Personenge- werden, welche Ertragskraft ein Unternehmen tatsächlich
sellschaften als auch von Kapitalgesellschaften. Lediglich Frei- hat – unabhängig davon, ob ein Unternehmen mit eigenem oder
berufler – etwa eine Ärztin oder ein Anwalt, eine Ingenieurin fremdem Kapital, mit eigenen oder fremden Wirtschaftsgütern
oder ein Landwirt – sind von der Gewerbesteuerpflicht ausge- arbeitet. Der Gewerbeertrag wird vom Finanzamt mit einer
nommen. Im Gegensatz zur Einkommensteuer richtet sich die Steuermesszahl von 3,5 Prozent multipliziert. Nun kommen die
Gewerbesteuer nicht auf eine Person, sondern auf ein Objekt – einzelnen Kommunen ins Spiel, denn auf diesen errechneten
den Gewerbebetrieb. Wem das Unternehmen gehört oder wem Betrag können sie einen prozentualen Hebesatz anwenden. Der
die Erträge zufließen, spielt bei der Gewerbesteuer keine Rolle. Hebesatz ist eine Art Steuersatz, den die Stadt oder die Gemein-
Auch die persönlichen Verhältnisse der Inhaberin oder des In- de festlegt. Er richtet sich nach dem Finanzbedarf der Kommu-
habers und seine Leistungsfähigkeit werden bei dieser Steuer ne, wird aber auch von Standorterwägungen beeinflusst.

Die Gewerbesteuer – heiß diskutiert, nie aufgegeben

Immer wieder wird darüber diskutiert, als unstet gilt, wundert es daher nicht, ihre Auffassung beibehalten, dass es
die Gewerbesteuer entweder abzu- dass die Städte und Gemeinden sich nach wie vor keine tragfähige Al-
schaffen – oder auf alle Unternehmen, mit Vehemenz gegen ihre Reform oder ternative zur Gewerbesteuer gibt.“ Der
also auch auf Freiberufler – auszu- gar Abschaffung wehren. Bundesfinanzminister drang mit
weiten. Vor allem die Kommunen wehren Immer wieder fordern Unternehmens- seinem Vorschlag, die Gewerbesteuer
sich gegen eine Abschaffung, denn verbände ebenso wie Politikerinnen durch einen kommunalen Zuschlag
obwohl sie einen Teil der Gewerbesteu- und Politiker unterschiedlichster Partei- auf die Einkommensteuer zu ersetzen,
ereinnahmen an Bund und Länder en, die Gewerbesteuer komplett ein- nicht durch. Und das, obwohl diese
abgeben müssen, ist und bleibt die Ge- zustellen und die Gemeindefinanzierung Möglichkeit im Grundgesetz schon
werbesteuer eine Haupteinnahme- von Grund auf zu reformieren. Meist längst vorgesehen ist. Dort heißt es
quelle der Städte und Gemeinden. Mit jedoch ohne Erfolg: Eine von der Bundes- in Artikel 106, Absatz 5:
dem Hebesatzrecht verfügen sie zu- regierung eingesetzte Gemeinde- „Die Gemeinden erhalten einen An-
dem über eine gewisse finanzielle Unab- finanzkommission sollte die Gewerbe- teil an dem Aufkommen der Einkom-
hängigkeit. Denn die Kommunen steuer auf den Prüfstand stellen mensteuer, der von den Ländern an ihre
setzen so mit einem prozentualen Hebe- und Alternativen vorschlagen. Dieses Gemeinden auf der Grundlage der
satz die eigentliche Berechnung für Gremium diskutierte ein knappes Einkommensteuerleistungen ihrer Ein-
die Steuer fest. Dieser Hebesatz, der min- Jahr darüber, wie die kommunalen wohner weiterzuleiten ist. Das Nähere
destens bei 200 Prozent liegen muss, Finanzen saniert werden könnten – bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zu-
variiert von Kommune zu Kommune ohne Ergebnis. Dann erklärten alle Be- stimmung des Bundesrates bedarf.
ganz erheblich. Und er steigt: Laut teiligten – der Bundesfinanzminister Es kann bestimmen, dass die Gemeinden
Statistischem Bundesamt lag der durch- wie die kommunalen Spitzenverbände –, Hebesätze für den Gemeindeanteil
schnittliche Hebesatz für die Gewer- dass sie sich im Grunde auf nichts festsetzen.“ Ein solches Gesetz gibt es
besteuer im Jahr 2010 bei 390 Prozent verständigen können. Zitat: „Die Teil- aber bis heute nicht.
und damit um drei Prozentpunkte nehmer des Gesprächs stellen fest,
höher als im Vorjahr. Auch das Gewer- dass bisher keine Einigung auf das mit
besteueraufkommen an sich stieg auf dem Ziel einer Verstetigung der
knapp 36 Milliarden Euro – und damit kommunalen Steuereinnahmen von
um gut zehn Prozent im Vorjahres- der Bundesregierung eingebrachte
vergleich. Obwohl die Gewerbesteuer als Modell zum Ersatz der Gewerbesteuer
äußerst konjunkturanfällig und damit erreicht wurde und die Kommunen

Informationen zur politischen Bildung Nr. 288/2012


30 Steuern und Finanzen

Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer)

Die Umsatzsteuer ist eine der größten Einnahmequellen des


Staates. Jede Bürgerin und jeder Bürger kommt mit der Um-
satzsteuer zwangsläufig in Kontakt, ob beim Einkauf im Su-
permarkt, im Kino oder beim Begleichen der Handwerker-
rechnung. Der Grundgedanke dahinter ist, dass jeder noch so
kleine Umsatz besteuert werden soll; die Umsatzsteuer be-
gleitet jedes Produkt vom Rohstoff über die Fertigware bis in
die Hand des Verbrauchers. Deswegen wird die Umsatzsteuer
auch Mehrwertsteuer genannt. Der Endabnehmer, sprich der
Verbraucher, soll die Umsatzsteuer wirtschaftlich tragen. Die
Unternehmen sind dabei gewissermaßen Erfüllungsgehilfen
des Staates, denn sie nehmen die Umsatzsteuer ein und leiten
sie an den Fiskus weiter. Das bedeutet umgekehrt: Die Um-
satzsteuer bleibt am Endverbraucher hängen, das Unterneh-
men hat im Normalfall keine Mehrkosten. Denn die Umsatz-
steuer ist für die meisten Unternehmer ein durchlaufender
Posten: Sie erhalten die Steuer mit der Einnahme in ihre Kasse
oder mit der Rechnung auf ihr Geschäftskonto und leiten sie
an den Staat weiter. Die Verbraucherinnen und Verbraucher
jedoch müssen den um die Mehrwertsteuer erhöhten End-
preis letztlich zahlen. Derzeit beträgt der normale Steuersatz
19 Prozent – das bedeutet, dass bei einem Nettopreis von 100
Ermäßigte Mehrwertsteuer – immer nachvollziehbar? Euro eine Umsatzsteuer von 19 Euro draufgeschlagen wird, die
dann wiederum in die Staatskasse fließt.
Güter und Leistungen, die mit dem Güter und Leistungen, die mit dem Für bestimmte Umsätze gilt ein ermäßigter Steuersatz von
ermäßigten Satz von 7 Prozent besteuert Regelsatz von 19 Prozent besteuert sieben Prozent (Stand: 2012).
werden werden
Dieser fällt für die wichtigsten Güter des alltäglichen Lebens
Dickflüssige pürierte Säfte (Ganzfruchtsäf-
Normale Fruchtsäfte (z. B. Orangensäfte) an, etwa für
te bzw. Smoothies)
¬ Lebensmittel,
Kaffeepulver Fertige Kaffeegetränke
Bücher, Broschüren und Zeitungen sowie

Milchmischgetränke, die zu mehr als 25 orthopädische Hilfsmittel,


Milch und Milcherzeugnisse
Prozent aus Fruchtsaft bestehen Kunstgegenstände und
Lebende Pferde, auch Reit- und Rennpferde,
die Übertragung von Urheberrechten (zum Beispiel bei
Lebende Hausesel
Maultiere und Maulesel Schriftstellern, Wissenschaftlern, Grafikern, Designern oder
auch Journalisten).
Speisen zum Mitnehmen Speisen zum sofortigen Verzehr
(Außer-Haus-Umsätze) (Umsätze im Haus)
Ausnahmen gibt es auch hier: So sind Säfte, alkoholische Ge-
Münzen und Medaillen aus Edelmetallen, Münzen und Medaillen aus Edelmetal-
deren Sammelwert mehr als 250 Prozent len, deren Sammelwert weniger als 250 tränke sowie der Verzehr an Ort und Stelle – also zum Beispiel
des Netto-Metallwerts beträgt Prozent des Netto-Metallwerts beträgt in einem Restaurant – nicht begünstigt.
Brennholz, Pellets, Briketts oder Scheite,
Holz (z. B. Rohholz oder Holzerzeugnisse
Zusätzlich gibt es Umsätze, die nicht unter das Umsatzsteuer-
die aus gepressten Holzspänen, -ausschuss
oder -abfällen bestehen
wie etwa Bauholz) recht fallen, weil kein Leistungsaustausch stattfindet – also zum
Beispiel bei der Erstattung von Mahn- oder Gerichtskosten oder
Teile für künstliche Gelenke und
Künstliche Gelenke und Prothesen
Prothesen bei der Zahlung einer Vertragsstrafe. Hier darf keine Umsatz-
steuer erhoben werden. Darüber hinaus sind manche Umsätze
Saunaumsätze von Fitnessstudios (von
Umsätze von Saunabädern bei Anerken-
der Finanzverwaltung aber nicht allge- von der Steuer befreit, zum Beispiel der Unterricht an einer Uni-
nung als Thermal- und Heilbehandlung
mein praktiziert) versität oder einer Volkshochschule oder bestimmte Tätigkeiten
Personenbeförderung im inländischen von Ärzten sowie die Vermittlung von Versicherungen.
Personenbeförderung im Nahverkehr
Verkehr Wie die Umsatzsteuer zwischen Bund und Ländern aufgeteilt
Auswahl aus dem Umsatzsteuergesetz
wird, legt ein Bundesgesetz immer wieder neu fest. Diese Flexibi-
Quelle: Bundesrechnungshof © 2010 Institut der deutschen Wirtschaft Köln / IW Medien
lität soll dafür sorgen, dass die notwendigen Ausgaben von Bund
und Ländern gleichermaßen gedeckt werden. Mit anderen Wor-
ten: Das Verhältnis der laufenden Einnahmen zu den Ausgaben –
die sogenannte Deckungsquote – soll bei Bund und Ländern auf
Dauer etwa gleich hoch sein. Die Gemeinden sind mit zwei Pro-
zent am Umsatzsteueraufkommen beteiligt.
Ein Spezialfall der Umsatzsteuer ist die Einfuhrumsatzsteu-
er. Sie wird auf Waren erhoben, die aus Drittländern, die nicht
der Europäischen Union angehören, eingeführt werden. So
wird dafür gesorgt, dass inländische und ausländische Erzeug-
nisse steuerlich gleich behandelt werden.

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Unser Steuersystem 31

Kriterien für Mehrwertsteuersätze – ein Thema mit Konfliktpotenzial

Nachdem der Bundesfinanzminister sich Steuergesetzes für 2013 von der Umsatz- und Hochschulen angeboten werde. (Viel-
in der Currywurstfrage entschieden steuerbefreiung ausgenommen wer- leicht weiß es nicht, dass man da so
hat und die Popcornfrage in Luxemburg den. Bildungsleistungen durch einzelne ziemlich alles lernen und studieren kann.)
geklärt wurde, kam zuletzt die Ballett- Privatlehrer sind hingegen befreit. Hobbys hingegen seien steuerpflich-
schulenfrage auf den Tisch. In der Imbiss- Das Argument lautet: Auf alles, was tig und bei Mischformen werde es der
Sache hatte ein höchstrichterliches auch der Freizeitgestaltung dient und private Anbieter auch. Da kann man
Urteil zwischenzeitlich zu unterschiedli- nicht nur der Vermittlung von Fähig- nur viel Prozessvergnügen beim Streit
chen Mehrwertsteuersätzen für sitzend keiten, die für Berufe nötig sind, wird Um- über Mischformen wünschen. Ansons-
und stehend verzehrte Würste geführt, satzsteuer erhoben, es sei denn, die ten herrscht Klarheit: Schwimmschule wg.
wobei behelfsmäßige Ablagebretter Schule strebe keine Gewinne an. Violin- Schulschwimmen umsatzsteuerfrei,
nicht als Tische zählten und Sitzgelegen- unterricht und Ballettstunden würden auch wenn nur einer von zehntausend
heiten einer Nachbarbude selbst dann damit behandelt wie der Hochzeitscrash- Bademeister wird, Tanzschule neun-
als unbeachtlich galten, wenn sie im In- kurs mit Cha-Cha-Cha. zehn Prozent, obwohl die Ehe, eventuell
teresse des Currywurstverzehrs aufge- Allerdings hat schon 2008 der Bundes- mittels Discofox angebahnt, kein
stellt worden waren. Sieben Prozent für finanzhof entschieden, dass es nach eu- Hobby ist, und Blockflöte weiterhin unbe-
alle Currywürste, heißt es jetzt aus ropäischem Recht gleichgültig ist, ob nur steuert, weil zweifelsohne ein Fall von
Berlin, auch für liegend verzehrte. zwei von hundert Ballettschülerinnen Unfreizeitgestaltung.
Die Popcornfrage – Lieferung (7 Prozent später Berufstänzerin werden. Es komme
Mehrwertsteuer) oder Dienstleistung nicht einmal auf die Ziele der Schüler Jürgen Kaube, „Spitzenschuhsteuer“, in: Frankfurter Allgemeine
(19 Prozent)? – wurde vor dem Europäi- und ihrer Eltern an, entscheidend sei nur Zeitung vom 7. September 2012

schen Gerichtshof zweifelsfrei beantwor- die Art der erbrachten Leistung, ver-
tet: Lieferung. einfacht gesagt: Bildet sie oder nicht?
Bleibt die Ballett- und Musikfrage: Aber was ist Bildung?
Privater Unterricht in entsprechenden Das Finanzministerium ließ inzwischen
Schulen soll nach dem Entwurf des verlauten, Bildung sei, was an Schulen

Umsatzsteuer: eine Steuer mit Überarbeitungsbedarf

Eigentlich ist alles so einfach. Zwei Mehr- Dabei stecken hinter den unübersicht- langt. Dabei waren die Tiere schon in den
wertsteuersätze, zwei Klassen von lichen Ermäßigungen durchaus acht- 1960er-Jahren in der Landwirtschaft
Produkten und Dienstleistungen. Aber bare Motive. Denn früher war es in aller kaum noch im Einsatz. Wie bei so vielen
die Realität sieht anders aus. Zehn Regel so, dass die Umsatzsteuer und die Steuervergünstigungen ging es auch
verschiedene Kategorien listet allein das Verbrauchsteuern vor allem auf Massen- beim ermäßigten Umsatzsteuersatz bald
Umsatzsteuergesetz auf, in denen güter erhoben wurden – was zur Folge um pure Subventionspolitik. Ein
der ermäßigte Steuersatz von sieben hatte, dass Menschen mit niedrigem neueres Beispiel dafür ist die Senkung
Prozent greift; darunter nicht nur Einkommen hart von diesen Steuern der Mehrwertsteuer für Hotelüber-
Lebensmittel, sondern auch die Leistun- getroffen wurden. Der deutsche Steuer- nachtungen Anfang 2010.
gen von Zahntechnikern, Zirkusvorfüh- gesetzgeber zog aus diesen histori- Bei der Umsatzsteuer bestimmt in-
rungen oder die Personenbeförderung schen Erfahrungen Konsequenzen: Man zwischen die Europäische Union den
auf Schiffen. Ein Anhang zum Um- wollte zwar eine ertragreiche Einnah- Takt. Denn auf dem Binnenmarkt müs-
satzsteuergesetz führt darüber hinaus mequelle etablieren – und mit der Ein- sen alle Steuern, die diesen Markt
in 54 Punkten und noch mehr Unter- führung einer allgemeinen Umsatz- betreffen, harmonisiert werden. Aus
punkten die verschiedensten Waren auf, steuer in Höhe von zunächst zehn Prozent diesem Grund gibt es eine Spann-
die im Gesetz selbst noch nicht kon- erreichte man 1967 in der Tat genau weite für die Höhe der Sätze und einen
kret benannt sind: von A wie Abfälle der dieses. Trotzdem sollten Grundbedürf- Rahmen für die Bereiche, in denen
Lebensmittelindustrie bis Z wie zoo- nisse davon nicht in dem Maße ge- ermäßigte Sätze angewendet werden
logische Sammlungsstücke. Und weil troffen werden: Auch Geringverdiener dürfen. Trotzdem sind Reformbemü-
damit immer noch nicht alle Fragen sollten sich Lebensmittel leisten und hungen der EU-Kommission wie zuletzt
geklärt sind, gibt das Bundesfinanzminis- am gesellschaftlich-kulturellen Leben 2007, die ermäßigten Sätze auf das
terium in regelmäßigen Abständen teilhaben können – der ermäßigte Nötigste zu reduzieren und einen ein-
ein Schreiben heraus, das inzwischen Mehrwertsteuersatz war erfunden. heitlichen Satz anzustreben, bislang
stolze 140 Seiten umfasst und letzte Schon damals gab es Ausnahmen von ohne Erfolg geblieben.
Abgrenzungsprobleme zu klären ver- der Regel, die nicht mehr zeitgemäß
sucht. Das Thema beschäftigt auch waren. So wurden bestimmte Verkehrs-
den Bundesrechnungshof schon seit vielen güter mit dem ermäßigten Satz be-
Jahren, der 2010 dem Gesetzgeber in legt – etwa der öffentliche Nahverkehr in
einem gesonderten Bericht empfahl, die einem Umkreis von 50 Kilometern.
Umsatzsteuer grundlegend zu über- Und auch für Pferde und Maulesel wurde
arbeiten. nur der halbe Umsatzsteuersatz ver-

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32 Steuern und Finanzen

Steuern für die Umwelt: Energiesteuer, Stromsteuer kehrsmittel zu fördern, sieht das Energiesteuergesetz jedoch
und Kfz-Steuer eine Reihe von Ausnahmeregelungen vor. So werden Bio-
kraft- und Bioheizstoffe unter bestimmten Voraussetzungen
Die Steuern auf den Energieverbrauch sind in der jüngsten Ver- begünstigt. Unter der Maßgabe, dass keine Überförderung
gangenheit gleich zweimal grundlegend reformiert worden. Im stattfindet, legt die Bundesregierung jährlich den Biokraft-
Jahr 1999 wurden mit der ökologischen Steuerreform die dama- stoffbericht vor, bei dem die Kosten für Biokraftstoff dem
ligen Mineralölsteuersätze erhöht und die Stromsteuer neu ein- Preis für fossilen Kraftstoff gegenüber gestellt werden. Da-
geführt. Diese ökologische Steuerreform hatte drei Ziele: rüber hinaus gibt es Vergünstigungen für energieintensive
¬ Das knappe Gut Energie sollte verteuert werden, Energie- Wirtschaftsbereiche, etwa die Stahl-, Chemie- und Papierin-
sparen sollte sich für die Verbraucherinnen und Verbraucher dustrie; der Staat will diese Branchen nicht zu stark belasten,
auch finanziell lohnen. um Wettbewerbsnachteile gegenüber ausländischen Kon-
Zugleich ging es dem Staat darum, umweltfreundliche und kurrenten zu verhindern.
erneuerbare Energie wie die Stromerzeugung aus Wind- Kraftstoffe, wie Benzin und Diesel im Steuerdeutsch heißen,
kraft, Sonnenenergie oder Erdwärme zu fördern. stellen die größte und für das Steueraufkommen bedeutends-
Mit den zusätzlichen Einnahmen sollten dem Bundeshaus- te Gruppe der steuerpflichtigen Mineralöle dar. Die Steuersät-
halt außerdem finanzielle Mittel zufließen, mit denen die ze betragen je 1000 Liter für
Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung stabil gehal- ¬ unverbleites Benzin (Schwefelgehalt maximal 10 mg/kg):
ten werden können. 654,50 Euro
verbleites Benzin: 721,00 Euro
2006 wurde das bisherige Mineralölsteuergesetz durch ein Dieselkraftstoff (Schwefelgehalt maximal 10 mg/kg): 470,40
grundlegend neu gestaltetes Energiesteuergesetz abgelöst. Im Euro.
Zuge dessen wurde auch das Stromsteuerrecht geändert.
Die Energiesteuer belastet den Verbrauch von Kraft- und Dazu kommen die neuen Treibstoffe für Autos, die aus ökolo-
Heizstoffen – vor allem Benzin, Diesel, Heizöl sowie Erdgas gischen Motiven bis zum Jahr 2019 steuerlich gefördert wer-
und Kohle. Um umweltfreundliche Energieträger und Ver- den. Hier betragen die Steuersätze für
¬ Flüssiggas: 180,32 Euro pro 1000 kg
Erdgas: 13,90 Euro je MWh.
Ab 2019 gelten für diese Treibstoffe dann höhere Steuersätze.

Für Heizöle und Heizgase sind im Vergleich zu den Kraft-


stoffsteuersätzen ermäßigte Steuersätze festgelegt. Sie betra-
gen je 1000 Liter bzw. 1 000 Kilogramm für
¬ leichtes Heizöl (Schwefelgehalt maximal 50 mg/kg): 61,35
Euro
schweres Heizöl: 25 Euro
Flüssiggas: 60,60 Euro
Erdgas (pro MWh): 5,50 Euro.

Kohle unterliegt einem Steuersatz von 0,33 Euro je Gigajoule.


Biogase, Klärgase, Grubengase, Kokereigase und ähnliche Gase
dürfen steuerfrei verheizt oder in begünstigten Anlagen – zum
Beispiel in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen – als Kraftstoff
verwendet werden.
Wer ein Kraftfahrzeug besitzt, muss zudem Kfz-Steuer ent-
richten. Die Kfz-Steuer wird in der Regel vom Fahrzeughalter
bezahlt. Die Steuerpflicht beginnt mit der Zulassung und endet
mit der Abmeldung des Fahrzeugs bei der Zulassungsbehörde.
Seit Juli 2009 fließt das Aufkommen aus der Kfz-Steuer dem
Bund zu.
Für Autos und Krafträder bemisst sich die Kfz-Steuer nach
dem Hubraum, für alle anderen Fahrzeuge – also beispielswei-
se für Lastwagen, Wohnmobile und Anhänger – wird sie nach
dem verkehrsrechtlich zulässigen Gesamtgewicht berechnet.
Bei der Besteuerung von Autos, Wohnmobilen und Lastwagen
wird außerdem das Emissionsverhalten berücksichtigt, das in
ullstein bild / Sylent Press

den Fahrzeugpapieren ausgewiesen wird. Für Pkw mit Erstzu-


lassung ab dem 1. Juli 2009 gilt die CO2-bezogene Besteuerung
mit folgenden Komponenten:
¬Hubraumbezogener Sockelbetrag, gestaffelt nach Otto- oder
Dieselmotor
Berufsverkehr in Hamburg im Winter 2009: Über die Energiesteuer sollen einheitlicher Steuersatz je Gramm des vom Hersteller aus
auch Anreize für Pendler geschaffen werden, auf den öffentlichen Nahver- gewiesenen CO2-Wertes pro Kilometer (ein Teil dieses Wer
kehr umzusteigen. tes bleibt steuerfrei).

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Unser Steuersystem 33

Die Jahressteuer für Motorräder beträgt 1,84 Euro je angefan-


gene 25 Kubikzentimeter Hubraum. Für Wohnmobile bezieht
sich die Steuer auf das zulässige Gesamtgewicht und die
Schadstoffemissionen. Andere Kraftfahrzeuge mit einem zu-
lässigen Gesamtgewicht bis 3,5 Tonnen unterliegen einer nur
gewichtsbezogenen Steuer. Für schwerere Nutzfahrzeuge
gibt es vier emissionsbezogene Tarife, die progressiv in Stu-
fen von 200 Kilogramm zulässiges Gesamtgewicht gestaffelt
sind. Die jährliche Höchststeuer beträgt für:
¬ Schadstoffklasse S 2 und besser: 556 Euro
Schadstoffklasse S 1: 914 Euro
Geräuschklasse G 1: 1425 Euro
Übrige: 1681 Euro.

Reine Elektro-Fahrzeuge werden nach dem zulässigen Gesamt-


gewicht besteuert und die Steuer um die Hälfte ermäßigt. Der-
zeit ist geplant, diese Steuerbefreiung von fünf auf zehn Jahre
auszuweiten.
Die Kraftfahrzeugsteuer ist übrigens keine Abgabe für die
Benutzung öffentlicher Straßen, wie vielfach angenommen
wird, sondern eine echte Steuer, die – wie alle anderen Steuer-
einnahmen auch – zur Gesamtfinanzierung des öffentlichen
Haushalts beiträgt.
Die Stromsteuer ist eine Verbrauchsteuer auf elektrischen
Strom. Sie wird wirtschaftlich von den Verbraucherinnen
und Verbrauchern getragen. Damit aber nicht jeder Privat-
haushalt oder Industriebetrieb gesondert Stromsteuern be-
zahlen muss und die Verwaltung nicht unnötig verkompli-
ziert wird, müssen die Energieversorger und -betreiber die
Stromsteuer abführen. Die Unternehmen können sie dann
über den Strompreis auf die Verbraucherinnen und Verbrau-
cher abwälzen. Die Steuer beträgt 20,50 Euro je Megawatt-
stunde. Im Stromsteuergesetz sind eine Reihe von Vergüns-
tigungen festgeschrieben, um besonders umweltfreundliche
Energieträger zu fördern. Strom, der ausschließlich aus er-
neuerbaren Energiequellen erzeugt wird – beispielsweise
aus Sonnenenergie, Windkraft oder Erdwärme –, ist von der
Stromsteuer befreit.

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34 Steuern und Finanzen

Kirchensteuer: Einnahmen im Auf und Ab Kirchensteuer


Katholische Kirchensteuer 1991 bis 2010 im gesamten Bundesgebiet
(Nettoaufkommen) Die Kirchensteuer ist eine Besonderheit des deutschen Steu-
errechts. Die Finanzämter kassieren zwar in der Regel die Kir-
Veränderung gegenüber chensteuer, doch die Einnahmen stehen nicht dem Staat zu,
Jahr Betrag in Mio. € sondern den Kirchen, die damit ihre verschiedenen Aufgaben
Vorjahr in % 1991 in %
für die Gemeinschaft finanzieren. Vorläufer der heutigen Kir-
1991 3883 chensteuer ist der Kirchenzehnt, der im frühen Mittelalter in
eine Pflichtabgabe umgewandelt worden war. In den folgenden
1992 4321 11,3 11,3
Jahrhunderten spielte er als Ertragszehnt von Ackererträgen
1993 4285 -0,8 10,4 und Nutzvieh eine große Rolle, um die kirchlichen Aufgaben zu
finanzieren. Als in späteren Jahrhunderten die Kirche im Staat
1994 4203 -1,9 8,3
nicht nur Einfluss, sondern auch ihre Güter und das Zehntrecht
1995 4287 2 10,4 verlor, wurden die begünstigten Landesfürsten zu finanziellen
Ausgleichsleistungen an die Kirchen verpflichtet. So entstand
1996 4157 -3,1 7,1
Schritt für Schritt die moderne Kirchensteuer. In der Weimarer
1997 4012 -3,5 3,3 Verfassung von 1919 wurde das Besteuerungsrecht der Kirchen
erstmals reichsrechtlich garantiert.
1998 4166 3,8 7,3
Kirchensteuer müssen heute all diejenigen zahlen, die der
1999 4427 6,3 14 katholischen Kirche, der evangelischen Kirche oder einer ande-
2000 4535 2,5 16,8
ren Religionsgemeinschaft angehören, die als Körperschaft des
öffentlichen Rechts gilt – zum Beispiel der Altkatholischen Kir-
2001 4356 -3,9 12,2 che oder der jüdischen Gemeinde. Die Pflicht, Kirchensteuer zu
2002 4302 -1,2 10,8 zahlen, endet mit dem Austritt aus der Religionsgemeinschaft.
Die Kirchensteuer wird auf Basis der jährlichen Einkommen-
2003 4356 1,3 12,2 steuer berechnet; der Steuersatz schwankt je nach Bundesland
2004 4026 -7,6 3,7
zwischen acht und neun Prozent der Einkommensteuer (Lohn-
steuer). Im Vorjahr gezahlte Kirchensteuern können die Steuer-
2005 3977 -1,2 2,4 pflichtigen bei ihrer Steuererklärung absetzen.
2006 4252 6,9 9,5
Die Kirchensteuer unterliegt eigentlich der kirchlichen Verwal-
tung. Die Länder eröffnen jedoch den Glaubensgemeinschaften
2007 4657 9,4 20 die Möglichkeit, die Verwaltung der Kirchensteuer auf die Lan-
2008 5066 8,8 30,5 desfinanzbehörden zu übertragen; die Kirchen müssen dafür
eine Verwaltungskostenentschädigung an die Länder zahlen.
2009 4903 -3,2 26,3

2010 4794 -2,2 23,5


Und immer wieder neue Steuern…
2011 4918 2,6 26,7
Ganz gleich, ob es darum geht, höhere Einnahmen zu erzielen,
Deutsche Bischofskonferenz. Online unter: http://www.dbk.de/zahlen-fakten/kirchensteuer/ die Steuerzahlenden in die Pflicht zu nehmen oder ihr Verhal-

Wer die Kirche verlässt, soll Ethik-Steuer zahlen?

Der [ehemalige] Präsident des Instituts werden, sagte der Wirtschaftswissen- Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof
für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), schaftler. „Schließlich nehmen auch Robert Zollitsch. Ein Forschungsprojekt
Ulrich Blum, schlägt eine Ethiksteuer vor, Nicht-Kirchensteuerzahler häufig soziale solle die Beweggründe für die Austritte
um die Austrittswelle aus der Kirche Dienste oder Seelsorger in Anspruch“, untersuchen. „Auf dieser Basis wollen
zu bremsen. „Wer aus der Kirche austritt argumentierte Blum. Die Evangelische wir neue Strategien entwickeln.“
und keine Kirchensteuer zahlt, sollte Kirche in Deutschland (EKD) rechnet
eine andere Abgabe an eine soziale Ein- wegen der Wirtschaftskrise in diesem N.N., „Wer die Kirche verlässt, soll Ethik-Steuer zahlen“, in:
richtung wie das Rote Kreuz entrich- Jahr mit einem deutlichen Einbruch Welt Online vom 22. Dezember 2009

ten“, sagte Blum der „Bild“-Zeitung. Er der Kirchensteuereinnahmen.


schlage deshalb eine Ethiksteuer nach Auch die Katholische Kirche verzeich-
italienischem Vorbild vor. Der Satz für net Einbußen. Sie will jetzt offensiver
diese Steuer könnte sieben Prozent gegen die steigende Zahl von Austritten
der Lohn- und Einkommensteuer be- reagieren. Künftig werde man stärker
tragen. auf Ausgetretene zugehen; auch nicht
Damit könne die Zahl der Kirchenaus- Getaufte sollten angesprochen und
tritte möglicherweise gebremst und „zum christlichen Glauben eingeladen“
Trittbrettfahrerverhalten unterbunden werden, sagte der Vorsitzende der

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Unser Steuersystem 35

ten in bestimmte Bahnen zu lenken: Das Erfinden neuer Steu-


ern ist eine Kunst, die noch jeder Gesetzgeber gut beherrscht
hat. Hier drei Beispiele dafür, wie Bund und Kommunen diese
Kunst in jüngster Zeit angewandt haben:
Beispiel 1 – Die Bettensteuer: Die Kommunen haben ein ei-
genes Steuerfindungsrecht. Im Grundgesetz ist festgelegt, dass

Karikatur: Jan Tomaschoff / Baaske Cartoons


spezielle Verbrauch- und Aufwandsteuern von den Städten
und Gemeinden direkt erhoben werden dürfen. In den 1970er-
Jahren erlangte beispielsweise die Zweitwohnungsteuer
großes Aufsehen. Sie wurde erstmals 1972 in Überlingen am
Bodensee eingeführt. In den Folgejahren hielt sie dann vor al-
lem in Groß- und Universitätsstädten Einzug. Heute hat sich
die Zweitwohnungsteuer auch in vielen Fremdenverkehrsge-
meinden durchgesetzt. Gerade dort wird seit 2011 über eine
neue Steuer gestritten: Offiziell meist als Kultur- und Touris-
musförderabgabe bezeichnet, soll die Bettensteuer, die Städte
wie Köln, Bremen, Aachen oder Lübeck Touristen in Rechnung
stellen, die angespannte Haushaltslage der betroffenen Kom-
munen wettmachen. Allerdings haben sich schon einige Ge-
richte mit dem Thema Bettensteuer befassen müssen – und
kamen dabei zu unterschiedlichen Ergebnissen. Auch die Kom-
munalpolitik streitet immer wieder darüber, ob eine zusätzli-
che Abgabe dem Fremdenverkehr finanziell zuträglich ist oder
doch eher zu Stornierungen führt. Einige Städte wie München
verzichten daher auf die neue Einnahmemöglichkeit, andere
vertagen das Thema Bettensteuer. Das Bundesverwaltungsge-
richt hat inzwischen entschieden, dass eine pauschale Betten-
steuer unzulässig ist. Die Gemeinden dürften Steuern nur auf
private Hotelübernachtungen erheben – nicht aber auf solche

picture alliance / dpa / Boris Roessler


mit beruflichem Anlass.
Beispiel 2 – Die Luftverkehrsteuer: Fliegen ist in den vergan-
genen Jahren immer billiger geworden; gerade bei Pauschal-
reisen und Inlandsflügen sind viele Ziele in den Bereich des
Erschwinglichen gerückt. Nun macht eine neue Steuer Flug-
reisen wieder teurer: Seit Anfang 2011 wird die Luftverkehr-
steuer erhoben. Die Einführung auf Bundesebene wurde damit
begründet, dass man nicht nur Geld einnehmen, sondern auch
einen ökologischen Anreiz setzen wolle. Eine Besteuerung von Seit Anfang 2011 wird die Luftverkehrsteuer erhoben. Trotz massiver Pro-
Flugbenzin sei derzeit auf europäischer und internationaler teste der Branche will sie der Bund bis mindestens 2016 weiter eintreiben.
Ebene nicht durchsetzbar, so die Argumentation der Bundes- Blick auf den Frankfurter Flughafen
regierung. Die Höhe der Steuer, von der der Luftfrachtverkehr
im Übrigen nicht betroffen ist, hängt von der Entfernung des
größten Flughafens im Zielland zum Flughafen Frankfurt/ wurden. Das schwere Erdbeben mit anschließendem Tsuna-
Main ab. Zusätzlich sind die Zielländer in drei Distanzklassen mi in Japan im März 2011 und die folgende Reaktorkatastro-
eingeteilt. Seit dem 1. Januar 2012 wird pro Fluggast folgender phe im Atomkraftwerk Fukushima führten jedoch dazu, dass
Betrag fällig: in Deutschland wenige Monate später der generelle Atom-
¬ Flüge in EU-Mitgliedstaaten, EU-Kandidatenländer, EFTA- ausstieg bis Ende 2022 beschlossen wurde. Da die Kernbrenn-
Staaten und andere Länder in gleicher Entfernung: 7,50 Euro stoffsteuer jedoch ohnehin bis zum 31. Dezember 2016 befris-
(2011: acht Euro) tet ist, ändert sich nichts an der steuerrechtlichen Situation:
Flüge bis zu 6000 Kilometer Entfernung: 23,43 Euro (2011: 25 Bis dahin wird der Verbrauch von Kernbrennstoff, der zur
Euro) gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom verwendet
Flüge ab 6000 Kilometer Entfernung: 42,18 Euro (2011: 45 wird, besteuert. Die Steuer für ein Gramm Kernbrennstoff be-
Euro). trägt 145 Euro.
Beispiel 3 – Die Kernbrennstoffsteuer: Manchmal wird die Allerdings beschäftigt auch diese Steuer die deutschen Fi-
Steuerpolitik von aktuellen politischen Ereignissen überholt. nanzgerichte, die sich noch uneins darüber sind, ob die Kern-
Die Kernbrennstoffsteuer ist ein solcher Fall: Die Verbrauch- brennstoffsteuer rechtens ist: Die Finanzgerichte Hamburg
steuer wurde eingeführt, nachdem sich die Bundesregierung und München bezweifelten die Gesetzgebungskompetenz
mit den Betreibern der deutschen Atomkraftwerke auf eine des Bundes an dieser Stelle; das Finanzgericht Baden-Würt-
Verlängerung der Laufzeiten ihrer Meiler geeinigt hatte. Seit temberg hingegen befand, dass die Steuer verfassungsgemäß
Anfang 2011 wird die Kernbrennstoffsteuer erhoben; ihre Ein- und europarechtskonform sei. Beim Bundesfinanzhof sind
nahmen sollten unter anderem dazu beitragen, die Energie- bereits mehrere Beschwerden anhängig. Das letzte Wort wird
konzerne an den Kosten für die Sanierung der Schachtanlage wohl das Bundesverfassungsgericht – womöglich erst der Eu-
Asse II zu beteiligen, in der radioaktive Abfälle eingelagert ropäische Gerichtshof – sprechen.

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36 Steuern und Finanzen

Hat sich die Europäische Finanztransaktionssteuer erledigt?

Mit etwas Humor könnte man sagen: Doch auch innerhalb der Euro-Gruppe denkt daher in eine andere Richtung.
Was früher der Jäger 90 war, ist heute herrscht längst keine Einigkeit. Vor Wenn man „die perfekte Lösung“ nicht
die Finanztransaktionssteuer (FTT). Je einigen Wochen [am 10. März 2012] hatte erreichen könne, müsse man über
länger die Debatte um die Einführung Schäuble gemeinsam mit Kollegen Alternativen nachdenken. Gemeint ist:
der Steuer dauert, desto mehr erinnert sie aus acht anderen Ländern in einem Brief über eine abgespeckte Version der FTT.
an die endlose Auseinandersetzung, für die Besteuerung von Finanztrans- Eine solche abgespeckte Version hätte
die in den neunziger Jahren um den Bau aktionen geworben. In dem Brief, den für Schäuble den Vorteil, möglicher-
eines europäischen Kampfflugzeugs neben Deutschland auch Frankreich weise nicht nur die Briten, sondern auch
geführt wurde. Für die einen war das Flug- und Italien unterschrieben haben, ist aus- die Kritiker in den eigenen Reihen zu
zeug eine notwendige Waffe im Kampf drücklich von einer EU-weiten Steuer besänftigen. Dazu gehört neben der FDP
gegen künftige Bedrohungen, für die an- die Rede. Aber nicht alle Länder, die die auch Bundesbankpräsident Jens Weid-
deren reine Zeit- und Geldverschwen- Einführung in den 27 EU-Staaten un- mann. Der saß in Kopenhagen neben
dung. Ganz ähnlich ist es nun mit der terstützen, würden auch mitmachen, wenn dem Finanzminister und machte aus
FTT. die 17 Euro-Länder allein vorangehen seinen Vorbehalten keinen Hehl: Zusätz-
Die Geschichte der Steuer reicht zurück müssten. Als unsichere Kandidaten gel- liche Einnahmen könne man mit der
in die dreißiger Jahre. Der Ökonom ten unter anderem Italien, Finnland FTT möglicherweise erreichen, so Weid-
John Maynard Keynes war damals einer und Luxemburg. mann, die Auswirkungen auf die Fi-
der ersten, der überlegte, wie man Damit reduzieren sich die politischen nanzmärkte seien hingegen schwerer zu
kurzfristige Spekulationen durch eine Be- Optionen dramatisch. Entweder die kalkulieren. Auf jeden Fall sinke die
steuerung von Finanztransaktionen Befürworter der FTT treiben das Projekt Liquidität. Schäuble nahm den Einwand
vermindern könnte. Im Hintergrund stand in einem noch kleineren Kreis voran. schweigend zur Kenntnis.
die Erfahrung der Großen Depression; Schäuble nannte die Möglichkeit, die Steu- Wie es nun weitergeht? Der Jäger 90
heute dagegen spielt die Debatte vor dem er im Rahmen der „verstärkten Koo- wurde unter diesem Namen nie gebaut.
Hintergrund der weltweiten Finanz- peration“ in der EU einzuführen. Hierfür Stattdessen startete 2004 der erste Euro-
krise. Seit deren Ausbruch vor bald vier würde es reichen, wenn sich neun EU- fighter – fast zwanzig Jahre nach dem
Jahren ist zwar kaum ein Finanzmi- Staaten zusammentun. Doch je weniger Beginn der Diskussion.
nistertreffen vergangen, bei dem nicht mitmachen, desto geringer ist der wirt-
Matthias Krupa, „Die europäische Finanzsteuer hat sich erst-
über die FTT diskutiert worden wäre. schaftliche Effekt, während das politische mal erledigt“, in: Zeit Online vom 31. März 2012, unter: http://
Doch richtig vom Fleck ist die Debatte Risiko gleichzeitig wächst. Schäuble www.zeit.de/wirtschaft/2012-03/Finanztransaktionssteuer-aus
seitdem nicht gekommen. […]
Zu denen, die zumindest vorgeben, für
eine Finanztransaktionssteuer zu
kämpfen, gehört der deutsche Finanz-
minister. Man sei „ein ganzes Stück
vorangekommen“, erklärte Schäuble [an-
lässlich eines Gipfeltreffens im März
2012] in Kopenhagen. Worin genau der
Fortschritt bestehen soll, erklärte er
nicht. Außer eben in der Einrichtung je-
ner Arbeitsgruppe. Dort wolle man
klären, so Schäuble, „welche Möglichkei-
ten eines schrittweisen Vorgehens es
gibt“. Möglichkeiten, schrittweise, klären –
die Wortwahl ist verräterisch.
Tatsächlich gibt es keine Chance, alle
27 EU-Länder hinter der Finanztrans-
aktionssteuer zu versammeln. In Kopen-
hagen bekräftigte der britische Finanz-
minister George Osborne den Widerstand
seiner Regierung. Die Briten fürchten,
dass die Einführung einer Finanztrans-
picture alliance / dpa / Boris Roessler

aktionssteuer vor allem dem Finanz-


platz London schadet. In der Runde der
Finanzminister stichelte Osborne in
Richtung der Deutschen: Er könne ja nächs-
tes Mal auch eine europaweite Steuer
auf Luxusautos vorschlagen. Schäuble
frotzelte zurück: Nicht alles, was vom
Kontinent komme, sei schlecht. Der fröh-
liche Ton ändert nichts an den grund- Protestaktion globalisierungskritischer Verbände im Juni 2012 vor der
sätzlichen Differenzen. Frankfurter Börse für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer

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37

Constanze Hacke

Steuerzahler und Finanz-


verwaltung

Die meisten Steuerzahler müssen den Finanzbehörden jähr-


lich ihre Einkünfte erklären. Dabei können sie sich profes-
sionell beraten lassen. Ist der Steuerbescheid fehlerhaft, steht

ullstein bild – Classen


ihnen der Rechtsweg offen. Allerdings kann ihnen auch
ein strafrechtliches Verfahren drohen, wenn Steuern hinterzo-
gen wurden.

Immer mehr Steuerzahlerinnen und Steuerzahler erledigen ihre Steuerer-


klärung am Computer. Mit der Software Elster-Formular kann man dem
Finanzamt seine Daten übermitteln.

D ie Abgabenordnung (AO) ist die Basis des deutschen


Steuerrechts. Sie erläutert steuerliche Grundbegriffe, legt
Vorschriften fest, die für alle Steuern gemeinsam gelten und
Die Steuererklärung

schreibt die Einzelheiten des Steuergeheimnisses fest. Sie ent- Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sind nach der Abga-
hält zudem grundlegende Regelungen darüber, wie die Steuer benordnung dazu verpflichtet, dabei zu helfen, die für die
festzusetzen und wann sie zu entrichten ist. Wer wofür Steu- Steuerfestsetzung relevanten Daten zu ermitteln. So müssen
ern bezahlen muss und wer wie unter welchen Umständen Selbständige Auskünfte über ihre Einnahmen und Ausga-
begünstigt oder gar von der jeweiligen Steuer befreit ist, re- ben geben und sind in vielen Fällen dazu verpflichtet, Buch
geln in Deutschland inzwischen mehr als 200 Bundesgesetze zu führen. Bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wird
und Verordnungen. Dazu kommen jährlich zahlreiche neue zwar die Lohnsteuer als eine Art Vorauszahlung auf die Ein-
Anordnungen und Erlasse der Ministerien für die Finanzver- kommensteuer direkt vom Gehalt abgezogen, sodass die
waltung. (Steuer-)Angelegenheit damit eigentlich erledigt sein könnte.
Oft aber müssen auch diese eine Steuererklärung abgeben,
zum Beispiel, weil sie noch andere Einkünfte haben, Freibe-
Die Finanzverwaltung träge in Anspruch genommen haben oder als Ehegatten mit
ist zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Die Bundesfinanzverwal- den Steuerklassen III und V abgerechnet worden sind (siehe
tung ist vor allem für Zölle und die bundesgesetzlich geregelten S. 25). Aber auch in folgenden Fällen ist der Steuerzahlende
Verbrauchsteuern zuständig. Die Länder verwalten die weiteren Steuern verpflichtet, seine Einkünfte dem Finanzamt zu erklären:
entweder in eigener Sache oder im Auftrag der anderen föderalen ¬ Wer Elterngeld, Arbeitslosengeld, Kranken- oder Kurzarbei-
Ebenen. Der Aufbau der Finanzverwaltung ergibt sich aus dem Finanz- tergeld über 410 Euro bekommen hat, muss eine Steuerer-
verwaltungsgesetz.
klärung einreichen. Die Lohnersatzleistungen sind zwar für
Landesfinanzbehörden sind die Landesfinanzministerien als oberste sich genommen steuerfrei, erhöhen aber den Steuersatz der
Behörden, die Oberfinanzdirektionen (Landesabteilungen) als
übrigen Einkünfte.
Mittelbehörden und die Finanzämter als Ortsbehörden. Steuern werden
grundsätzlich von den Finanzämtern verwaltet. Ausnahmen bilden Wer parallel bei mehreren Arbeitgebern gearbeitet hat,
vor allem: muss ebenfalls eine Steuererklärung abgeben. Das Finanz-
¬ Zölle und Verbrauchsteuern, für die die Bundeszollverwaltung zu- amt geht davon aus, dass möglicherweise zu wenig Lohn-
ständig ist steuer einbehalten wurde.
¬ Steuern, deren Verwaltung den Gemeinden übertragen worden ist Rentnerinnen und Rentner, deren Einkünfte über 8004 Euro
(bei Ehepaaren 16 008 Euro) liegen, müssen eine Steuerer-
klärung machen.

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38 Steuern und Finanzen

¬ Die gleichen Grenzen wie bei Rentnern gelten auch für Selb- mit einer Geldbuße bis zu 5000 Euro geahndet. Der Gesetzge-
ständige; sie orientieren sich am steuerfreien Grundfreibe- ber will damit vermeiden, dass dem Steuerzahler durch eine
trag. Wer mehr einnimmt, muss eine Steuererklärung machen. nicht fachkundige Beratung Nachteile entstehen.

Zudem möchten manche Arbeitnehmer einfach zu viel ge-


zahlte Steuern zurückerstattet bekommen – und reichen
deswegen eine Steuererklärung ein. Ist man per Gesetz dazu
verpflichtet, eine Steuererklärung abzuliefern, muss dies bis
zum 31. Mai des nachfolgenden Jahres geschehen.
Wer seine eigene Erklärung nicht selbst erledigen möchte,
kann sich an einen Steuerberater wenden. Hilfeleistung in
Sachen Steuern dürfen neben Steuerbevollmächtigten, Wirt-
schaftsprüfern oder vereidigten Buchprüfern in Deutsch-
land aber auch andere geben. Lohnsteuerhilfevereinen und
Handwerkskammern ist es beispielsweise erlaubt, Stellen
für die steuerliche Betreuung ihrer Mitglieder einzurichten,
und auch Gewerkschaften, Haus- und Grundbesitzervereine

picture alliance / dpa / Klaus Rose


können ihre Mitglieder in Steuerfragen beraten. Banken dür-
fen ebenfalls bei der Anlageberatung auf einkommensteuer-
rechtliche Folgen hinweisen. Steuerberater und Lohnsteuer-
hilfevereine haben übrigens immer bis zum Jahresende Zeit
für die Steuererklärungen, die sie im Auftrag ihrer Mandan-
ten und Mitglieder bearbeiten. Wer nicht zur Steuerberatung
befugt ist und trotzdem andere in Steuersachen berät, muss
mit Strafe rechnen. „Unbefugte Hilfeleistung in Steuersa- Steuerberater leisten professionelle Hilfe bei der Erstellung der Steuererklä-
chen“ heißt das im offiziellen Amtsdeutsch – und die wird rung – diese Hausärztin wird vor Ort in ihrer Iserlohner Praxis beraten.

Was Steuerpflichtige gerne falsch machen

1. Die Frist verstreichen lassen hat, kann Geld zurückbekommen. Ein ein bisschen großzügiger zu rechnen.
Wer seine Steuererklärung selbst macht, Risiko geht der Arbeitnehmer dabei Schließlich summieren sich auch kleine
muss sie bis 31. Mai beim Finanzamt nicht ein. Sollte wider Erwarten statt einer Übertreibungen übers Jahr hinweg zu
abgeben. Nur wer sich vom Steuerberater Steuererstattung eine Nachzahlung einer ordentlichen Summe. Aber kaum
oder einem Lohnsteuerhilfeverein be- herauskommen, ist es möglich, die Erklä- etwas ist für die Finanzbeamten leichter
raten lässt, hat bis Jahresende Zeit. Die rung innerhalb eines Monats zurück- zu überprüfen – mit einem Routenplaner
Frist ist ernst gemeint. Wird sie über- zuziehen. Übrigens: Nur weil man einmal im Internet ist das in wenigen Sekun-
schritten, kann der Finanzbeamte einen eine freiwillige Steuererklärung abgege- den gemacht. Nicht einmal aufrunden
Zuschlag erheben. Wer triftige Gründe ben hat, ist man nicht dazu verpflichtet, ist erlaubt. Wer also 69,9 Kilometer
hat, kann einen Aufschub beantragen. Die das im nächsten Jahr wieder zu tun. zurücklegt, darf in der Steuererklärung
Frist gilt nicht für alle, die die Erklärung nicht einfach 70 Kilometer angeben.
freiwillig abgeben – etwa Arbeitnehmer 3. Kapitalvermögen verschweigen Es zählen nur die vollen Entfernungskilo-
ohne weitere Einkünfte. Sie haben vier Die Abgeltungsteuer hat vieles verein- meter, in diesem Fall 69. […]
Jahre Zeit für die Erklärung. facht. So einfach, dass Einkünfte aus
Kapitalvermögen in der Steuererklärung 5. Fehler auf sich beruhen lassen
2. Gar keine Steuererklärung abgeben nicht mehr auftauchen müssen, ist es Viele glauben, dass sie nichts mehr ändern
Weil Arbeitnehmern die Einkommen- aber nicht. Von ausländischen Konten können, sobald ihre Steuererklärung
steuer automatisch vom Lohn abge- etwa wird die Pauschalsteuer nicht beim Finanzamt ist. Dabei sind Fehler
zogen wird, könnte man auf die Idee automatisch abgeführt. Solche Einkünfte zulasten des Finanzamts zu melden
kommen, die Sache sei damit erledigt. müssen dem Finanzamt gemeldet und fehlende Unterlagen nachzureichen,
Tatsächlich sind viele Angestellte nicht werden. Und manchmal lässt sich auch die Angaben müssen nach bestem
zur Abgabe einer Steuererklärung Geld zurückholen: Wenn der individu- Wissen und Gewissen korrekt sein. Das
verpflichtet. Nach Erfahrung von Ulrich elle Einkommensteuersatz unter 25 Pro- gilt auch noch, nachdem der Bescheid
Derlien, Steuerberater bei der Augs- zent liegt, kann man seine Kapitalein- ergangen ist. Fehler des Finanzamtes zu-
burger Kanzlei Sonntag & Partner, lohnt künfte nach diesem Satz versteuern. Zu gunsten des Steuerpflichtigen darf man
es sich aber fast immer, freiwillig eine viel gezahlte Abgaben gibt´s dann auf sich beruhen lassen. […]
Erklärung abzugeben: „Höhere Werbungs- zurück.
kosten, Sonderausgaben oder außer- Malte Conradi, „Die größten Irrtümer“, in: Süddeutsche Zeitung
gewöhnliche Belastungen führen zu einer 4. Bei der Pendlerpauschale schummeln vom 19. Mai 2012

Steuererstattung.“ Auch wer Handwer- Es mag verlockend sein, bei der Angabe
ker oder eine Haushaltshilfe beschäftigt der gefahrenen Kilometer zum Arbeitsort

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Steuerzahler und Finanzverwaltung 39

So ist der Steuerbescheid aufgebaut

Ein Steuerbescheid ist im Grunde recht Punkten noch offen ist. Und mindestens ¬ oder „Bitte zahlen Sie spätestens bis
einfach zu lesen, denn der Aufbau ist in diesen Punkten kann der Steuer- zum ... Summe x“: Das bedeutet,
immer gleich. Da man die Sprache des bescheid von beiden Seiten aus noch dass man eine Steuernachzahlung
Finanzamts aber erst einmal ver- geändert werden. Welche Teile des leisten muss.
stehen muss, hier eine kleine Lesehilfe: Steuerbescheids davon betroffen sind,
Links oben findet sich der Name steht ganz am Ende des Bescheids. Der nächste Teil des Steuerbescheids ist
des Finanzamts, darunter die Steuer- Dort wird der gleiche Paragraf noch ein- mit „Berechnung des zu versteuern-
Identifikationsnummer des Steuer- mal genannt und dort folgt dann den Einkommens“ (ebenfalls fett ge-
zahlers. die Aufzählung der offenen Punkte, die druckt) überschrieben. Hier finden
Auf der gegenüberliegenden, rech- sich meist aus den Vorläufigkeitsver- sich alle Einkünfte wieder – und alle
ten Seite etwas weiter unten steht dann, merken ergeben. Kosten, die anerkannt wurden.
um welchen Bescheid es sich handelt – Auf der ersten Seite findet sich in der In den „Erläuterungen“ schließlich
für welches Jahr, für welche Steuerar- Mitte ein Kasten, in dem das Wich- erklärt das Finanzamt, welche Aus-
ten, zum Beispiel „Bescheid für 2011 tigste steht, nämlich wie viel Steuer fest- gaben oder Ansätze nicht anerkannt
über Einkommensteuer, Solidaritätszu- gesetzt wird. Dies wird getrennt nach worden sind und warum. Zugleich
schlag und Kirchensteuer“. den Steuerarten aufgelistet, mögliche gibt es abschließend noch den Hinweis
Dann folgt – ungefähr auf der Mitte Steuervorauszahlungen (etwa über (unter „Rechtsbehelfsbelehrung“),
der ersten Seite – das fettgedruckte einbehaltene Lohnsteuer) sind hier eben- dass ein Einspruch gegen den Bescheid
Wort „Festsetzung“. Hier beginnt der falls zu finden. Danach folgt der ent- möglich ist.
eigentliche Bescheid. Und hier fin- scheidende Satz:
det sich meist die Formulierung „Der ¬ entweder „bleiben zu viel gezahlt x
Bescheid ist nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Euro“: Das heißt im Klartext, es gibt
AO teilweise vorläufig.“ Das bedeutet, eine Steuererstattung, die auf das dar-
dass der Steuerbescheid in einigen unter stehende Konto überwiesen wird.

E-Government in Steuerangelegenheiten

Auch in Steuerangelegenheiten ist das für alle Beteiligten. Zentral und ein- richt, dass die Steuererklärung erledigt
elektronische Zeitalter angebrochen. heitlich soll die Finanzverwaltung ist – und können sich dann in ihr
Bereits im Juli 2007 wurde die Steuer- alle Besteuerungsmerkmale in einer persönliches Steuerkonto einloggen,
Identifikationsnummer eingeführt. bundesweiten Datenbank verwal- um gegebenenfalls Änderungen
Jeder Steuerpflichtige in Deutschland ten können. Abläufe sollen einfacher vorzunehmen. In Deutschland besteht
hat seitdem eine eigene 11-stellige und Verfahren sicherer werden. Die laut OECD noch ein großes Poten-
Identifikationsnummer, die von Ge- Finanzämter sollen in die Lage versetzt zial für die elektronische Steuerverwal-
burt an lebenslang gilt. Ein Umzug werden, alle Daten, die bisher auf tung, das bislang allerdings noch
oder eine Heirat ändern nun nichts der Lohnsteuerkarte erfasst werden, nicht ausgeschöpft wird.
mehr an der individuellen Steuer- elektronisch an die Arbeitgeber zu
Identifikationsnummer. melden. Der jeweilige Arbeitgeber gibt
Elektronisch geht es nun auch bei den dann beim Finanzamt die Identifi-
Steuererklärungen zu: Steuerzahle- kationsnummer und das Geburtsda-
rinnen und Steuerzahler haben die Mög- tum der Arbeitnehmerin oder des
lichkeit, ihre Daten per Computer Arbeitnehmers ein und kann damit
und Internet ans Finanzamt zu übermit- alle relevanten Daten in der Lohnab-
teln. Und selbst die Lohnsteuerkarte rechnung verarbeiten.
aus Pappe gehört inzwischen der Ver- Die Mehrheit der Mitgliedstaaten
gangenheit an. Allerdings lässt die in der Organisation für wirtschaft-
Einführung der elektronischen Lohn- liche Zusammenarbeit und Entwick-
steuerkarte weiterhin auf sich war- lung (OECD) bietet inzwischen ein
ten. Grund dafür sind technische Pro- ausgedehntes Netz an elektronischen
bleme des neuen Computersystems. Möglichkeiten in der Steuerverwal-
Bis das System ausgereift und einsatz- tung. Ganz vorne mit dabei sind die
bereit ist – als neuer Starttermin skandinavischen Länder, allen voran
wird der 1. Januar 2013 genannt–, gilt Dänemark. Sie alle bieten den Steuer-
eine Übergangslösung: Die alte zahlenden eine komplett vorab
Lohnsteuerkarte bleibt provisorisch ausgefüllte Steuererklärung in elek-
weiter in Gebrauch. tronischer oder in Papierform an.
Mit der elektronischen Lohnsteuer- In Dänemark erhalten die meisten
karte soll alles einfacher werden – Steuerpflichtigen schlicht eine Nach-

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40 Steuern und Finanzen

Einspruch und Klage

picture alliance / dpa / Frank Leonhardt


Ist ein Steuerzahler mit einer Entscheidung seines Finanzamts
nicht einverstanden, hat er mehrere Möglichkeiten, sich zu
wehren. Manchmal verrechnet sich nämlich auch das Finanz-
amt. Handelt es sich dabei um einen klassischen Zahlendreher,
so kann dieser auf einfachem Wege geändert werden: Offen-
sichtliche Unrichtigkeiten wie Rechenfehler im Steuerbescheid
lassen sich mit einem Berichtigungsantrag korrigieren.
Möglicherweise ist aber auch noch ein Beleg aufgetaucht, In der Regel hat jedes Bundesland ein Finanzgericht. In Bayern gibt es zwei,
der wichtig für den Werbungskostenabzug ist. Dann kann ein eins in München (Bild), mit Außensenat in Augsburg, und eins in Nürnberg.
Antrag auf Änderung des Steuerbescheids gestellt werden.
Das geht sogar mündlich, sollte aber aufgrund des besseren
Nachweises schriftlich erledigt werden. Die Frist für einfache 3. Förmliche Einspruchsentscheidung: Wird der Einspruch
Änderungen beläuft sich auf vier Wochen; das Finanzamt darf in solchen Fällen nicht zurückgenommen, entscheidet das
dann nur die angesprochenen Punkte korrigieren. In einigen Finanzamt, dass der Einspruch ganz oder teilweise als unbe-
Teilen sind Steuerbescheide manchmal von Amts wegen noch gründet zurückgewiesen wird. Dagegen kann vor dem Finanz-
längere Zeit veränderbar. Das gilt immer dann, wenn sich auf gericht geklagt werden.
dem Bescheid der Satz „Der Bescheid ist nach § 165 Abs. 1 Satz Wird ein Einspruch zurückgewiesen, ist die Klage beim
2 AO teilweise vorläufig“ findet. Am Ende des Steuerbescheids Finanzgericht der nächste Schritt. Jeder Steuerzahler kann
sind die Punkte aufgelistet, in denen der Bescheid noch offen sich nach einem negativen Bescheid über seinen Einspruch
ist. Dabei handelt es sich um die sogenannten Vorläufigkeits- grundsätzlich selbst an das Finanzgericht wenden – und ein
vermerke; diese werden von den Finanzbehörden für ausge- Verfahren entweder schriftlich oder per E-Mail einleiten. Vo-
wählte Fälle festgelegt, in denen Gerichtsverfahren anhängig raussetzung für eine Klage beim Finanzgericht ist eine (nega-
sind. Die Liste aller aktuellen Vorläufigkeitsvermerke wird re- tive) Einspruchsentscheidung. Dann kann binnen eines Mo-
gelmäßig vom Bundesfinanzministerium veröffentlicht. nats die Klage eingereicht werden. Diese sollte eine Kopie des
Manchmal steht auch der gesamte Steuerbescheid unter Steuerbescheids und der Einspruchsentscheidung enthalten.
dem „Vorbehalt der Nachprüfung“. Das bedeutet, dass der Die Begründung der Klage kann gegebenenfalls nachgereicht
Bescheid noch nicht abschließend geprüft ist; das Finanzamt werden; aufgrund der Komplexität des Steuerrechts ist es
will sich hiermit in der Regel die Möglichkeit einer Betriebs- empfehlenswert, spätestens bei diesem Stand des Verfahrens
prüfung offen halten. Daher findet sich dieser Vorbehalt meist einen Steuerberater oder Fachanwalt hinzuzuziehen.
nur bei Selbständigen. Das Finanzgericht verlangt einen Vorschuss auf die Gerichts-
Fühlt sich ein Steuerzahler zu Unrecht zur Kasse gebeten, kosten. Dieser bemisst sich nach dem Streitwert. Das Finanzge-
kann er gegen den Steuerbescheid Einspruch einlegen. Damit richt prüft nun den Sachverhalt, bittet das beklagte Finanzamt
wird ein außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren in Gang um Stellungnahme, fordert möglicherweise weitere Unterla-
gesetzt, in dem der Steuerbescheid umfassend überprüft wird – gen oder Zeugen an. In der Regel kommt es zu einer mündlichen
späterer Rechtsweg (für den Steuerzahler) nicht ausgeschlos- Verhandlung, das Gericht kann aber auch ohne eine solche zu
sen. Allerdings muss der Einspruch innerhalb eines Monats einer Entscheidung kommen. Am Ende des Verfahrens steht
nach Erhalt des Steuerbescheids eingelegt werden. Die Finanz- das Urteil oder der Gerichtsbescheid. Oder aber das Gericht
behörde entscheidet über ihn in Form einer „Einspruchsent- versucht zwischen den Parteien zu vermitteln: Bei einer güt-
scheidung“. Mit dem Einspruch hat der Steuerpflichtige auch lichen Einigung legt der Richter einen Kompromissvorschlag
die Möglichkeit, die sogenannte Aussetzung der Vollziehung vor; wird dieser angenommen, müssen sich die Beteiligten die
zu beantragen. Das bedeutet, dass der strittige Steuerbetrag Gerichtskosten teilen. Weist das Finanzgericht die Klage ab,
solange nicht bezahlt werden muss, bis die Finanzbehörde kann man gegen diese Entscheidung vor den Bundesfinanzhof
über den Einspruch entscheidet. Ein Einspruch muss ganz (BFH) ziehen. Dort besteht allerdings Vertretungszwang, sprich
konkret begründet werden; die Begründung kann allerdings dort können nur Steuerberater oder Anwälte das Verfahren
auch später nachgereicht werden. Das Finanzamt hat mehrere führen. Voraussetzung für ein BFH-Verfahren ist, dass das Fi-
Möglichkeiten, auf einen Einspruch zu reagieren: nanzgericht die Revision zugelassen hat. Ansonsten bleibt nur
1. Abhilfe oder Teilabhilfe: Das bedeutet, dass die Behörde die sogenannte Nichtzulassungsbeschwerde: Dann prüft der
ganz oder in Teilen den Argumenten des Einspruchs folgt und BFH selbst, ob Verfahrensfehler vorliegen oder der Rechtsstreit
den Steuerbescheid entsprechend ändert. grundsätzliche Bedeutung hat.
2. Rücknahme des Einspruchs: Kommen die Finanzbeamten Die Finanzgerichtsbarkeit besteht – anders als die anderen
zu der Auffassung, dass der Einspruch keine Aussicht auf Erfolg Gerichtsbarkeiten in Deutschland – lediglich aus zwei Stufen:
hat, wird dem Steuerzahler dies mitgeteilt. Danach hat der Be- den Finanzgerichten und dem Bundesfinanzhof. Während es
troffene die Möglichkeit, seinen Einspruch zurückzunehmen – beispielsweise bei Klagen gegen Verwaltungsbescheide als
mit der Folge, dass der Steuerbescheid bestandskräftig wird. erste Instanz das Verwaltungsgericht und als zweite Instanz

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Steuerzahler und Finanzverwaltung 41

die Oberverwaltungsgerichte gibt, bevor eine Sache dann


an das Bundesverwaltungsgericht verwiesen wird, sind die
19 Finanzgerichte bereits sogenannte Obere Landesgerichte.
Deshalb gibt es in der Regel in jedem Bundesland nur ein Fi-
nanzgericht. Die Ausnahmen bilden Bayern (München und
Nürnberg) und Nordrhein-Westfalen (Düsseldorf, Köln und
Münster). Gegen eine Entscheidung des jeweiligen Finanzge-
richts ist Revision oder Beschwerde beim BFH möglich, und

Karikatur: Gerhard Mester / Baaske Cartoons


zwar immer für denjenigen, der durch die Entscheidung des
Gerichts „beschwert“ ist – dessen rechtliche Auffassung also
vom Gericht nicht oder nicht ganz geteilt wird.
Manchmal erlangen Entscheidungen der Finanzgerich-
te, vor allem aber des Bundesfinanzhofs, einen größeren
Bekanntheitsgrad. Jedoch kommt ein steuerfreundliches
Urteil nicht immer auch bei anderen Steuerzahlerinnen
und Steuerzahlern an: Mit einem „Nichtanwendungserlass“
können die obersten Finanzbehörden die Finanzämter ver-
pflichten, eine bestimmte Entscheidung des Bundesfinanz-
hofs nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzu-
wenden. Das ist deswegen möglich, weil Urteile in einem
finanzgerichtlichen Verfahren in aller Regel nur diejenigen In der britischen Zone war lediglich die damalige Leitstelle der
binden, die am Rechtsstreit beteiligt waren. Im Gegensatz Finanzverwaltung dazu berufen worden, als Rechtsbeschwer-
zu Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts haben deinstanz zu entscheiden. Der Bundesfinanzhof nahm seine
Urteile des Bundesfinanzhofs keine allgemeinverbindliche Tätigkeit am 1. Oktober 1950 auf. Er war damit der erste der
Wirkung. Umgekehrt kann es aber auch der Fall sein, dass obersten Gerichtshöfe des Bundes, der eingerichtet wurde.
die obersten Finanzbehörden Entscheidungen des BFH prü-
fen, ob das entsprechende Urteil oder der Beschluss im Inte-
resse einer gleichmäßigen Besteuerung über den Einzelfall
hinaus angewandt werden kann.
Kontrolle und Strafe
Entwicklung der Finanzgerichtsbarkeit
Mancher Steuerpflichtige geht beim Versuch, Steuern zu spa-
Fast genauso alt wie der Streit über Steuern ist auch das Bemü- ren, zu weit, nennt Einnahmen nicht vollständig in seiner
hen, solche Konflikte von unabhängiger Seite klären zu lassen. Steuererklärung oder setzt Ausgaben zu hoch an. Und manch
Bereits seit Ende des 15. Jahrhunderts hatte das Reichskammer- einer wendet dabei sogar kriminelle Energie auf, hinterzieht
gericht die Befugnis, Finanzstreitigkeiten über die erste allge- Steuern in großem Stil oder bringt gar Geld ins Ausland. Die
meine Reichssteuer und andere Fiskalsachen zu schlichten. Bandbreite der Steuersünden ist groß, sodass die Finanzbe-
Eine eigene Steuergerichtsbarkeit gibt es in Deutschland hörden nicht umhin kommen, nicht nur die fristgerechte,
seit Mitte des 19. Jahrhunderts. 1848 wurden in Baden Gesetze sondern auch die ordnungsgemäße Steuerzahlung zu über-
erlassen, um Kataster aufzustellen und Steuerschwurgerich- wachen.
te zu errichten. Die Steuergerichte sollten – von der Finanz- Zunächst einmal können die Finanzämter selbst die Anga-
verwaltung unabhängig – als letzte Instanz in Steuersachen ben der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler kontrollieren:
entscheiden. Die Idee, die Tätigkeit der Finanzverwaltung ge- Die sogenannte Außenprüfung – im Sprachgebrauch besser
richtlich kontrollieren zu lassen, setzte sich dann in fast allen bekannt als „Betriebsprüfung“ – dürfen Finanzbeamte in der
deutschen Ländern durch. Regel bei Unternehmen anordnen, also bei Gewerbetreiben-
Der Erste Weltkrieg machte es für das Deutsche Reich den, Land- und Forstwirtschaftsbetrieben sowie bei Freibe-
notwendig, weitere Steuerquellen zu erschließen – zum ruflern. Aber manchmal werden die Prüfer auch zu anderen
Beispiel durch die Einführung einer allgemeinen indirek- Steuerzahlenden geschickt, nämlich dann, wenn „die für die
ten Steuer, der Umsatzsteuer, die ab 1916 zunächst in Form Besteuerung erheblichen Verhältnisse der Aufklärung be-
eines Umsatzsteuerstempels erhoben wurde. Dieses und dürfen und eine Prüfung an Amtsstelle nach Art und Um-
andere Reichssteuergesetze sollten nun im ganzen Reichs- fang des zu prüfenden Sachverhalts nicht zweckmäßig ist“
gebiet einheitlich gehandhabt werden; die Zeit für einen (§ 193 AO, Abs. 2). Mit anderen Worten: Im Fall der Fälle kann
obersten Gerichtshof in Sachen Steuern war gekommen. es jeden treffen.
Mit Wirkung vom 1. Oktober 1918 wurden dem Reichsfinanz- Im Jahr 2010 beliefen sich die Steuermehreinnahmen durch
hof als oberstem Gericht nicht nur die Entscheidung über Außenprüfungen auf 16,8 Milliarden Euro. Mehr als 200 000
Umsatzsteuersachen, sondern auch über andere Reichsab- Betriebe wurden geprüft. In Einzelfällen kann es sehr hohe
gaben, etwa den Wehrbeitrag, die Besitzsteuern, die Kriegs- Nachzahlungen geben, häufig aber ergibt sich gar keine Be-
abgaben, die Erbschaftsteuer, die Verkehrsteuern und die anstandung – und in manchen Fällen bekommt der Geprüfte
Kohlensteuer übertragen. Ein Jahr später wurden mit der sogar Geld zurück.
Reichsabgabenordnung die Finanzgerichte etabliert. Rechnet man die Kosten einer Außenprüfung gegen die
Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in der britischen und fran- möglichen Einnahmen, lohnt sich die Prüfung, rein finanzi-
zösischen Zone keinen obersten Gerichtshof in Abgabensachen. ell betrachtet, nicht unbedingt. Die vorbeugende Wirkung ist

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42 Steuern und Finanzen

entscheidend, weil jeder Unternehmer weiß, dass er geprüft


werden kann. Die Außenprüfung ist also im Grunde mit einer
Verkehrskontrolle vergleichbar: Auch ein Autofahrer weiß,
dass er jederzeit von der Polizei angehalten werden kann,
und überlegt sich, ob er zu schnell oder mit Alkohol im Blut
fährt und damit eine Strafe riskiert. Auch bei einer Außen-
prüfung kann neben den Steuernachzahlungen samt Zinsen
die Grenze zur Strafbarkeit überschritten werden; Steuerhin-
terziehung ist kein Kavaliersdelikt.
Bei der Außenprüfung ist die Finanzverwaltung entgegen
der gängigen Annahme nicht an einen bestimmten Prü-
fungsrhythmus gebunden. Wie oft ein Außenprüfer der Fi-
nanzbehörden in ein Unternehmen kommt, hängt vor allem
von der Betriebsgröße ab. Das Bundesministerium für Finan-
zen veröffentlicht alle zwei Jahre die aktualisierten Merk-
male für Groß-, Mittel- und Kleinbetriebe. Generell gilt: Je
größer der Betrieb, desto öfter wird er geprüft. Bei Groß- und
Konzernbetrieben geschieht dies laufend. Statistisch gese-
hen schickt das Finanzamt bei Kleinbetrieben alle 25 Jahre ei-
nen Betriebsprüfer vorbei und bei mittleren alle zwölf Jahre.
Bei Kleinstbetrieben ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein
Betriebsprüfer ankündigt, noch erheblich geringer oder an-
ders gesagt: Bei vielen Kleinunternehmern findet während
der ganzen Zeit ihrer betrieblichen Tätigkeit keine einzige
Betriebsprüfung statt.
Ein erheblicher Teil der Betriebsprüfungen findet rein rou-
tinemäßig statt. Wenn allerdings
¬ auffällige Sachverhalte in der Steuererklärung der Aufklä-
rung bedürfen oder
bestimmte Sachverhalte in der Steuererklärung nicht aus-
Bundesministerium der Finanzen
reichend erläutert wurden,
der Betrieb aufgegeben wird,
der Unternehmer seit Jahren nur Verluste verbucht,
die betrieblichen Kennzahlen im internen Betriebsvergleich
abweichen (der Gewinn also Achterbahn fährt) oder
dem Finanzamt Kontrollmaterial oder sogar eine Anzeige
vorliegt, ist eine Außenprüfung mehr als wahrscheinlich.

Einsehen dürfen die Prüferinnen und Prüfer die Daten der Fi-
nanz-, Lohn- und Anlagebuchhaltung. Daher müssen sämtliche
Aufzeichnungen der Buchhaltung inklusive der Buchungs-
belege und Kontenblätter zehn Jahre aufbewahrt werden –
und in jedem Fall solange, bis die jeweiligen Steuerbescheide
verjährt sind.
Zahlt ein Steuerpflichtiger seine Steuern nicht, so kann das
Finanzamt die Steuern zwangsweise eintreiben; Säumnis-
zuschläge werden für verspätete Steuerzahlung fällig und
Steuerschulden verzinst. Allerdings ist auch das Finanzamt
zur Zinszahlung verpflichtet, wenn es nach Ablauf bestimm-
ter Fristen zurückzuerstattende Steuern nicht überwiesen
hat. Und in bestimmten Fällen können Steuerzahlungen so-
gar gestundet oder erlassen werden.
Wenn ein Steuerzahler jedoch gegenüber dem Finanzamt
falsche Angaben macht, beispielsweise seine Einkünfte nicht
in voller Höhe angibt, Nebeneinnahmen verschweigt oder
sogar Unterlagen vernichtet, macht er sich der Steuerhinter-
ziehung schuldig. In der Abgabenordnung (§ 370 AO) ist Fol-
gendes festgelegt:
„(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geld-
strafe wird bestraft, wer 1. den Finanzbehörden oder anderen
Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige
Bundesministerium der Finanzen
oder unvollständige Angaben macht, 2. die Finanzbehörden
pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Un-

Informationen zur politischen Bildung Nr. 288/2012


Steuerzahler und Finanzverwaltung 43

kenntnis lässt oder 3. pflichtwidrig die Verwendung von Steu-


erzeichen oder Steuerstemplern unterlässt und dadurch
Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht ge-
rechtfertigte Steuervorteile erlangt. (2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe
von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.“

Auch derjenige, der nicht vorsätzlich handelt, muss mit ei-


nem Bußgeld rechnen, wenn die Finanzbeamten ihm auf die
Schliche kommen: Leichtfertige Steuerverkürzung – wie es
im Amtsdeutsch heißt – kann mit einer Geldbuße von bis zu
50 000 Euro geahndet werden.
Steuerfahnder haben in Steuerstrafsachen ein weitgehen-
des Zugriffsrecht auf die Daten des Steuerpflichtigen – Haus-
durchsuchung inklusive – und können auch bei anderen
Stellen nachhaken: So sind die Kreditinstitute zur Auskunft
und Vorlage von Unterlagen verpflichtet, ohne sich auf das
Bankgeheimnis berufen zu können.
Tätige Reue kann sich aber in Sachen Steuerhinterziehung
lohnen: Wenn eine Steuerzahlerin oder ein Steuerzahler ge-
genüber dem Finanzamt falsche Angaben macht, diese aber
noch rechtzeitig korrigiert, bevor das Finanzamt die Steuern
festsetzt, werten die Juristen das als „Rücktritt vom Versuch“ –
und bestrafen den Steuersünder nicht. Nach einer Steuerhin-
terziehung können sich reuige Steuersünder nur noch mit
einer Selbstanzeige behelfen, um der Härte des Gesetzes zu
entgehen. Aber selbst das nutzt nicht jedem: Denn straffrei
bleibt nur der, der sich anzeigt, bevor seine Tat entdeckt ist –
der Steuersünder darf noch nicht wissen, dass ein Verfah-
ren gegen ihn eingeleitet wurde. Sind die Betriebsprüfer be-
reits beim Steuerberater, die Steuerfahnder schon auf dem
Grundstück oder hat das Finanzamt die Steuerhinterziehung
bemerkt, bringt eine Selbstanzeige nicht mehr viel. Und
die entgangenen Steuern müssen in jedem Fall plus Zinsen
nachgezahlt werden.

Steuerhinterziehung und Steuer- So fällt die Steuermoral der Bürgerinnen einer Steuer, über deren Verwendung der
moral und Bürger im OECD-Vergleich umso Steuerzahler nicht mitbestimmen
besser aus, je größer die Bedeutung direkt- kann, oder einer Sozialabgabe, die für ei-
Das Ausmaß der Steuerhinterziehung ist demokratischer Elemente ist. Mit an- ne zunehmend unsicherer werdende
naturgemäß schwer zu beziffern. Ähn- deren Worten: Haben die Steuerzahler Absicherung geleistet wird, fällt hier nicht
lich wie bei der Schwarzarbeit sind die Einflussmöglichkeiten auf einzelne Ge- ins Gewicht. Der Steuerzahler fühlt
Experten hier auf die Kombination setze, also auf das, was mit ihren Steuern sich insgesamt unfair behandelt – und
aufgedeckter Fälle und auf Schätzungen gemacht wird, sind sie eher bereit, die verhält sich entsprechend.
angewiesen. Sicher ist nur so viel: Die geltenden Steuernormen zu akzeptieren. Dazu kommt: Wer davon ausgeht, dass
jährlichen Einnahmeausfälle durch Steuer- Dazu kommt: Je dezentraler ein Staat andere Steuerzahlende ihren Pflichten
hinterziehung bewegen sich mindestens aufgebaut ist, desto höher ist im Durch- nicht nachkommen, wird darüber nach-
im zweistelligen Milliardenbereich. Be- schnitt die Steuermoral seiner Bürge- denken, ebenfalls nicht alles wahr-
trachtet man die gesamte Schatten- rinnen und Bürger. Mit seiner Stadt, seiner heitsgemäß beim Finanzamt anzugeben.
wirtschaft, schätzen Experten deren Um- Gemeinde, seinem Bezirk kann sich Fast zwei Drittel der Deutschen sind
fang auf knapp 350 Milliarden Euro ein Steuerzahler eher identifizieren – und der Meinung, dass so gut wie alle anderen
jährlich. Die fiskalische Bedeutung, also sieht vor Ort, wofür seine Steuergelder oder zumindest viele andere Steuern
die Auswirkung auf die öffentlichen ausgegeben werden. hinterziehen würden, wenn sie die Mög-
Haushalte, ist damit offensichtlich. Dagegen verwundert es kaum, dass die lichkeit dazu hätten.
Das Bundesfinanzministerium beauf- Steuermoral durch eine entscheidende Die deutschen Steuerzahler sind jedoch
tragte daher vor einiger Zeit das Institut Größe negativ beeinflusst wird: die steigen- ehrlicher, als die aktuelle Debatte glau-
für angewandte Wirtschaftsforschung in de wirtschaftliche Gesamtbelastung. ben macht: International liegt Deutsch-
Tübingen (IaW), um herauszufinden, Wobei die Bürgerinnen und Bürger kaum land bei der Steuermoral – ähnlich wie
wie es um die Steuermoral in Deutschland zwischen Steuern und anderen Abgaben bei der Tendenz zur Schwarzarbeit – im
bestellt ist. Das Ergebnis ist vielschichtig. unterscheiden; der Unterschied zwischen Mittelfeld.

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44 Steuern und Finanzen

Jagd auf Steuersünder denn besichtigt habe? Und warum er für Statistiken der vergangenen Jahre zeigt:
einen Kurztrip so einen großen Koffer Je stärker der Steuerbetrug zum öffent-
Die Schatten der Schweizer Alpen hat der benötige. Während sich der Reisende in lichen Thema wird, desto nervöser werden
Eurocity 197 von Zürich nach München Widersprüche verstrickt, durchsucht offenbar die Steuersünder und versu-
gerade hinter sich gelassen, ebenso den Kollege Ibelshäuser mit schnellen Hand- chen ihr Geld zurückzuholen. Gleichzeitig
großen schwarzen Fleck des Bodensees. bewegungen das Gepäck. In einer steigen die Fahndungserfolge der Zöll-
Unaufgeregt rattert der Zug durch die Nylon-Tasche, zwischen Schmutzwäsche, ner an. […]
Nacht zum rettenden Ziel. Die deutsche findet er ein silbern glänzendes Paket. Das lautstarke Gezerre um das Ab-
Grenze ist passiert, München nicht mehr Nach mehreren Schichten Alufolie hält kommen könnte nun eine neuerliche Tor-
weit. Im grellen Licht des Großraum- der Zöllner 50 000 Euro in Händen. schlusspanik unter Steuerbetrügern
waggons rutscht ein Rentner im weißen Schwarzgeld-Schmuggler wie der Rent- wecken. Bestätigen Bundestag und Bun-
Anzug entspannt auf seinen bunt ge- ner in Weiß gehen den Zöllnern nahezu desrat das […] von Finanzminister
musterten Sitz zurück. Die Freude wird ihm täglich ins Netz. Allein in den ersten drei Wolfgang Schäuble und seiner schweize-
bald vergehen. Monaten des Jahres [2012] hat das zehn- rischen Amtskollegin Eveline Widmer-
Auf Männer wie ihn haben es die Zöll- köpfige Team der Kontrolleinheit Lindau Schlumpf unterzeichnete Abkommen […],
ner Thomas Ibelshäuser und Helmut des Hauptzollamts Ulm unangemeldetes werden deutsche Vermögen in der
Schiller abgesehen. […] Die beiden Zöllner Bargeld in Höhe von 644 902 Euro gefun- Schweiz ab dem kommenden Jahr pau-
sind Teil der zehnköpfigen „Kontroll- den. Und nicht nur Bares interessiert schal mit 21 bis 41 Prozent besteuert.
einheit 34“ in Lindau am Bodensee. Offiziell die Kontrolleure. Mit stoischer Gelassenheit Bis dahin haben Steuerflüchtige Zeit, sich
suchen sie nach unangemeldetem Bar- durchsuchen die Zöllner auch ordner- selbst anzuzeigen und die Steuern in
geld, um Terrorismusfinanzierung und weise Unterlagen von Geschäftsreisenden. Deutschland nachzuzahlen. […]
Geldwäsche aufzudecken. Doch in Lin- Denn mit Hilfe von Kontoauszügen Wenn es um ihre unversteuerten Ver-
dau, nur wenige Kilometer von den Steuer- und anderen Bankunterlagen lassen sich mögen geht, werden betuchte Bundes-
fluchtorten in der Schweiz, Österreich Auslandsvermögen nachweisen. In den bürger zu kreativen Kriminellen. Zöllner
und Liechtenstein entfernt, sind es vor al- ersten Monaten dieses Jahres sammelten Schiller und seine Kollegen haben das
lem Steuerbetrüger, die sie enttarnen. die Beamten so Hinweise auf über Schwarzgeld schon aus Büstenhaltern blit-
Die Entspannung des Rentners im wei- 86 Millionen Euro Auslandsvermögen. zen sehen und Geldbündel im Tuch-
ßen Anzug hat ein jähes Ende, als die Neben den Zügen aus der und in die spender auf der Zugtoilette entdeckt. Ein
beiden Zöllner ihm von der Seite ihre grü- Schweiz prüfen die Beamten auch auf der Banker, der belastende Kontoauszüge
nen Dienstmarken ins Gesicht halten. Autobahn und auf den Fähren über verschwinden lassen wollte, stopfte sich
„Schönen guten Abend, der Zoll.“ In schwar- den See. Obwohl sie nur für einen kleinen die Papiere wie im Agentenfilm in den
zer Lederjacke steht Zöllner Schiller vor Grenzabschnitt zuständig sind und Mund und aß sie auf.
dem Mann, will wissen, ob der Rentner lediglich Stichproben nehmen, fanden sie Die Angst ist begründet. Wer bei der Fra-
Bargeld zu verzollen habe. Damit der im vergangenen Jahr drei Millionen ge nach Bargeld aus der Schweiz Sum-
Rentner nachher nicht behaupten kann, Euro Bargeld und sicherten Hinweise auf men über 10 000 Euro verschweigt, begeht
die Frage nicht richtig verstanden zu eine halbe Milliarde Euro unversteuer- eine Ordnungswidrigkeit. Die Lindauer
haben, legt Schiller alles auch schriftlich tes Auslandsvermögen. Zöllner kassieren gleich vor Ort zwölf Pro-
vor. Der 68-Jährige verneint, er komme Unabhängig davon, ob es tatsächlich in zent der geschmuggelten Summe als
lediglich von einem Tagesausflug aus der Kraft tritt: Allein die Debatte über das Bußgeld. Der Rentner im weißen Anzug
Schweiz. […] deutsch-schweizerische Steuerabkommen durfte zwölf seiner 500-Euro-Scheine
Der Reisekoffer auf der Ablage legt eine […] könnte die Erfolgsquote der Zöllner gleich beim Zoll lassen. Doch was meist
andere Absicht nahe. Was der Rentner weiter steigen lassen. Ein Blick auf die noch viel schwerer wiegt: Schiller und
seine Kollegen melden ihre Entdeckungen
dem Essener Finanzamt für Steuerfahn-
dung, das wiederum die zuständigen Fi-
nanzbehörden informiert. Die Steuer-
fahnder überprüfen anschließend, ob die
hohen Summen in der Schweiz auch
auf der Steuererklärung zu finden sind.
Falls nicht, kann es teuer werden.
Geht es nach dem jüngst unterzeich-
neten Steuerabkommen, würde diese
Zusammenarbeit zwischen Zöllnern und
Steuerfahndern bald überflüssig. Denn
nach Inkrafttreten des Abkommens gibt es
offiziell keine Schwarzgelder mehr. Ge-

gen eine einmalige Besteuerung von 21 bis


41 Prozent der Vermögen könnten
sich Steuerbetrüger dann freikaufen. […]

Massimo Bognanni, „Auf der Jagd nach dem Schwarzgeld“,


in: Handelsblatt Online vom 14. April 2012, unter:
Zollkontrolle in Lindau am Bodensee im Mai 2012. Im Dreiländereck Deutschland-Österreich-Schweiz http://www.handelsblatt.com/6506570.html (Stand: Juli 2012)
fahndet der Zoll verstärkt nach Schwarzgeld. © Handelsblatt GmbH

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45

Constanze Hacke

Blick nach Europa

ullstein bild / CARO / Rupert Oberhäuser


Auch wenn darüber regelmäßig diskutiert wird: Eigene
Steuern erheben kann die EU bislang nicht. Ihre Finan-
zierung hängt von den Mitgliedstaaten ab. Allerdings
bemüht sich die EU, deren Steuersysteme einander anzu-
gleichen, um so Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.

Teilansicht des Europäischen Parlaments in Brüssel. Im Vordergrund die


Statue „Europa“ der belgischen Künstlerin May Claerhout

D eutschland zahlt – Europa nimmt. Diese verkürzte An-


sicht steckt immer noch in vielen Köpfen. Wie sich die
Europäische Union allerdings tatsächlich finanziert, ist vielen
den Jahr für das Eingehen rechtlicher Verpflichtungen ge-
genüber Dritten zur Verfügung stehen. Für beide Mittelarten
ergeben sich meist unterschiedliche Beträge, da bei mehrjäh-
Menschen nicht klar. Denn die Finanzströme innerhalb der rigen Programmen und Projekten die Verpflichtungen norma-
europäischen Staatengemeinschaft sind in Wirklichkeit etwas lerweise im ersten Programmjahr eingegangen werden, die
komplizierter. Zahlungen aber über mehrere Jahre laufen.
Für 2012 beläuft sich der Haushalt der Europäischen Union Das Geld für den Haushalt stammt aus einem Mix von Ein-
auf etwas über 129 Milliarden Euro. Neben diesen Mitteln für nahmen: Dazu gehören Agrarzölle und Zuckerabgaben ebenso
Zahlungen umfasst der Haushaltsplan der EU auch Mittel für wie Zölle, die für die Einfuhr von Produkten aus Drittländern
Verpflichtungen, also diejenigen Mittel, die in dem betreffen- an den EU-Außengrenzen erhoben werden. Daneben fließt

Der EU-Haushalt 2012 in Zahlen


Mrd. € % der gesamten Änderung gegenüber 2011 (in %)
Rubriken Mittelausstat-
MfV* MfZ** tung MfV MfZ

1. Nachhaltiges Wachstum 67,5 55,3 45,9 +4,7 +3,2

1a. Wettbewerbsfähigkeit für Wachstum und Beschäftigung 14,7 11,5 10,0 +9,1 -0,2

1b. Kohäsion für Wachstum und Beschäftigung 52,7 43,8 35,8 +3,5 +4,1

2. Bewahrung und Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen 60,0 57,0 40,8 +2,2 +1,9

davon Direktbeihilfen und marktbezogene Ausgaben 44,0 43,9 29,9 +2,6 +2,5

davon Entwicklung des ländlichen Raums, Umwelt, Fischerei 15,9 13,1 10,8 -1,3 -0,1

3. Unionsbürgerschaft, Freiheit, Sicherheit und Recht 2,1 1,5 1,4 (***) +10,9 (***) -1,3

3a. Freiheit, Sicherheit und Recht 1,4 0,8 0,9 +15,9 -2,5

3b. Unionsbürgerschaft 0,7 0,6 0,5 (***) +2,1 (***) 0,4

4. Die EU als globaler Akteur 9,4 6,9 6,4 +7,4 -4,0

5. Verwaltung 8,3 8,3 5,6 +1,3 +1,3

davon Kommission 3,3 3,3 2,3 +0,2 +0,2

Insgesamt 147,2 129,1 100

In % des BNE (EU-27) 1,12 0,98

* MfV: Mittel für Verpflichtungen ** MfZ: Mittel für Zahlungen *** exklusive Europäischer Solidaritätsfonds
Europäische Kommission. Online unter: http://ec.europa.eu/budget/figures/2012/2012_de.cfm (Stand: Juli 2012)

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46 Steuern und Finanzen

auch ein festgesetzter Anteil der Umsatzsteuereinnahmen der


Mitgliedstaaten in die gemeinsame EU-Kasse. Darüber hinaus Steuerliche Harmonisierungsgebote im EG-Vertrag
werden Überschüsse aus dem vorhergehenden Haushaltsjahr Der Rat erlässt auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung
sowie diverse direkte Einnahmen in den Etat eingestellt, zum des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozial-
Beispiel die Steuerzahlungen der Mitarbeiterinnen und Mit- ausschusses einstimmig die Bestimmungen zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern, die Verbrauchsabga-
arbeiter der EU oder Geldbußen von Unternehmen, die gegen
ben und sonstige indirekte Steuern, soweit diese Harmonisierung
die EU-Wettbewerbsvorschriften verstoßen haben. für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts […]
Den größten Teil der sogenannten Eigenmittel machen je- notwendig ist.
doch die Beiträge aus, welche die einzelnen Mitgliedstaaten
zahlen müssen. Diese orientieren sich an der Wirtschaftskraft, Artikel 93 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, in: Amtsblatt der Europäi-
schen Union vom 10. November 1997, Nr. C 340
also am Bruttonationaleinkommen. Kredite darf die EU nicht
aufnehmen.

Ausnahmen gibt es immer …


Einige Länder kritisieren, dass ihr eigener Beitrag zum EU-Haushalt zu Steuerpolitik in der Europäischen Union
hoch ist und die einzelnen Mitgliedstaaten ungleich belastet werden. Zur
Korrektur dieser Ungleichgewichte hat die Europäische Union einige Me-
chanismen eingeführt. Dazu zählen: Der 1. Januar 1993 markierte offiziell die „Vollendung des eu-
¬ die „VK-Korrektur“ (auch „Britenrabatt“ genannt): Dem Vereinigten ropäischen Binnenmarktes“. Seitdem ist es besonders wich-
Königreich werden 66 Prozent seines Nettobeitrags (Differenz zwi- tig, dass sich die Mitgliedstaaten über die Grundpfeiler ihrer
schen den Zahlungen und Rückflüssen) erstattet. Als Berechnungs- Steuerpolitik einig sind und auch auf diesem Gebiet eng zu-
grundlage dienen das Bruttonationaleinkommen und die Mehrwert-
sammenarbeiten. Eckpfeiler des Binnenmarktes sind die soge-
steuer des Landes;
nannten vier Grundfreiheiten. Damit ist der freie Verkehr von
¬ die Zahlung von Pauschalbeträgen an Schweden und die Niederlande;
Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital gemeint. So
¬ reduzierte Mehrwertsteuer-Abrufsätze für die Niederlande, Schweden, soll dafür gesorgt werden, dass
Deutschland und Österreich.
¬ Privatpersonen in einem anderen EU-Land wohnen, arbei-
Die finanzielle Belastung, die durch die „VK-Korrektur“ entsteht, wird ten und studieren können;
proportional zum Anteil der einzelnen Mitgliedstaaten am Brutto-
Verbraucherinnen und Verbraucher von einer größeren Wa-
nationaleinkommen der EU auf die übrigen Mitgliedstaaten aufgeteilt.
Seit 2002 ist dieser Betrag für Deutschland, die Niederlande, Österreich und renauswahl, günstigeren Preisen und einem stärkeren Ver-
Schweden, die ihren Beitrag zum EU-Haushalt für zu hoch hielten, je- braucherschutz profitieren können;
doch auf 25 Prozent ihres eigentlichen Anteils begrenzt. Unternehmen einfacher und kostengünstiger grenzüber-
greifende Geschäfte tätigen können.

Und noch ein ganz entscheidender Unterschied besteht zu ei-


nem normalen nationalen Haushalt: Die EU erhebt keine eige-
nen Steuern, auch wenn dies aus den Reihen der Kommission
und des Europäischen Parlaments immer wieder gefordert
wird. Die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union
leisten also keine Direktbeiträge an den EU-Haushalt.
Der Haushalt der Europäischen Union soll den Bürgerin-
nen und Bürgern der EU insgesamt nutzen. Er ist nicht dazu
bestimmt, Gelder auf nationaler Ebene umzuverteilen. Mit
den EU-Mitteln werden wichtige Infrastrukturmaßnahmen
finanziert und Projekte in den verschiedensten Bereichen
gefördert, etwa in der Forschung, der Ausbildung, der Kultur
oder der Landwirtschaft. Der Glaube, die Verwaltungskosten
verschlängen den größten Teil des EU-Haushalts, ist weit
verbreitet. In Wirklichkeit machen die Verwaltungsausgaben
picture alliance / dpa © EPA / Olivier Hoslet

jedoch nur einen sehr kleinen Teil des Gesamthaushalts aus.


Sie sind über die vergangenen Jahre konstant geblieben: Für
das Jahr 2012 wurden für Verwaltungsausgaben 8,3 Milliar-
den Euro angesetzt, das sind rund sechs Prozent des Gesamt-
haushalts.
Es gibt also einen gesamteuropäischen Haushalt für die Auf-
gaben der Union; allerdings gibt es noch kein gemeinschaftli-
ches, europäisches Steuerrecht. Die Kompetenz in Sachen Steu-
ern liegt weiterhin bei den Mitgliedstaaten. Immerhin war
man sich bei der Gründung der Europäischen Gemeinschaft Der Pole Janusz Lewandowski – hier bei einer Pressekonferenz in Brüssel
einig, dass ein gewisses Maß an steuerlicher Harmonisierung im Juni 2012 – wurde 2010 zum EU-Kommissar für Finanzplanung und
für einen gemeinsamen Binnenmarkt wichtig ist. Haushalt ernannt.

Informationen zur politischen Bildung Nr. 288/2012


Blick nach Europa 47

Standpunkte: Hat die EU ein außer Frage steht, ist die kleine europäi- politisch ausgehandelte Beiträge an die EU
Recht auf eigene Steuern? sche Lösung vernünftig und gerecht. […] zahlen. Deshalb ist es völlig illusorisch,
Zweitens: eine Umverteilung der Mehr- dass das Etikett einer EU-Steuer automa-
JA: Wer eine echte Europäische Union wertsteuer. Auch sie wird von der Kom- tisch für eine gerechtere oder syste-
will, muss auch EU-Steuern akzeptieren. mission ins Spiel gebracht. Schon heute matischere Aufteilung der Lasten sorgt. Im
Die Belastung für die nationalen Haus- wird ein Bruchteil der Mehrwertsteuer- Gegenteil, das bereits heute schwer
halte würde nicht steigen. einnahmen nach Brüssel transferiert. Das durchschaubare EU-System würde um ei-
Mutig sind sie ja in Brüssel: Mitten in geschieht aber so kompliziert, dass selbst ne Irreführung reicher. Der Bürger
Europas Existenzkrise fordert die Euro- Steuerexperten die Berechnungen kaum müsste glauben, die EU hätte eine neue
päische Kommission eine EU-Steuer. Wer nachvollziehen können. Steuerhoheit erlangt, obwohl sich
es sich leicht macht, tut die Idee als poli- Wie wäre es der Einfachheit halber faktisch nichts verändert hat.
tischen Selbstmord ab. Aber Brüssel ist nun damit: Ein Prozentpunkt der nationalen Völlig abstrus ist eine Begründung der
einmal kompliziert. Und wer eine echte Mehrwertsteuer wird künftig für euro- Kommission für ihren Vorstoß: Mit der
Europäische Union will, der muss sich da- päische Projekte verwendet. EU-Steuer solle die Debatte darüber been-
ran gewöhnen, dass die Institutionen, Drittens: Die direkten Zahlungen nach det werden, welche Länder als „Netto-
allen voran EU-Parlament und -Kommis- Brüssel werden massiv gekürzt. Heute zahler“ die EU finanzieren und welche die
sion, nicht nur mitreden, sondern auch zahlen die Mitglieder höchstens 1,23 Pro- „Nettoempfänger“ sind. Diese Absicht
handeln wollen. Dafür brauchen sie Macht – zent ihres Bruttonationaleinkommens, ist entlarvend und naiv zugleich. Entlar-
und Geld. Beides garantiert die EU-Steuer. künftig sollte der Beitrag eher die Hälfte vend, weil es das gute Recht der Bürger
Die Alternative ist, dass alles so bleibt, wie betragen. Je kleiner, desto leiser die De- ist, zu erfahren, wo die Milliarden aus dem
es ist. Eine schaurige Aussicht. batte um Nettozahler und -empfänger. EU-Haushalt unter dem Strich hinflie-
Denn bisher war es leider so: Wenn die Schließlich dürfte der psychologische ßen. […] Und naiv ist es, zu glauben, solche
Regierungschefs nach Brüssel reisen, Nutzen einer EU-Steuer kaum zu über- Diskussionen ließen sich durch ein
dann nicht mit dem Auftrag „Was ist gut schätzen sein. Da die Belastung für die na- neues Steueretikett einfach unterdrücken.
für Europa“, sondern in aller Regel tionalen Haushalte nicht steigt, wäre Eigentlich geht es der Kommission
nach der Devise „Was hat meine Regierung sie für die Mitgliedsländer verkraftbar. Es auch um mehr. Sie will auf dem Weg zu
davon?“. […] Dieses Geschacher mag wäre ein Schritt hin zu den Vereinigten einer echten eigenen Steuerhoheit
mit sechs, sieben Ländern noch funktionie- Staaten von Europa. Ein wichtiger Schritt, einen Schritt vorankommen. Auch das Eu-
ren, mit 27 sprengt es alle Grenzen der wenn wir diese Union ernsthaft wollen. ropäische Parlament träumt davon,
Vernunft. endlich das vornehmste Recht eines Par-
Eine EU-Steuer würde diese Debatte be- Claas Tatje, „Die EU-Kommission braucht Macht – und Geld!“, laments zu erhalten: das volle Budget-
enden. Nach und nach könnte sich die in: Zeit Online vom 7. Juli 2011, unter:
recht, die Macht über Einnahmen und Aus-
http://www.zeit.de/2011/28/EU-Steuer-Pro-Contra/
Union allein aus automatisch fließenden gaben. Bislang ist diese beim Europäi-
Steuern in Europa finanzieren. Für den schen Parlament noch sehr beschränkt, und
Übergang bliebe die EU zwar auf Zuweisun- das aus gutem Grund, denn die parla-
gen der Mitglieder angewiesen. Die aber NEIN: Der EU fehlt es an demokrati- mentarische Vertretung […] funktioniert
könnten schon mit der Einführung einer scher Kontrolle. Eine gemeinsame Steuer in der EU noch immer unzureichend.
Steuer sinken, denn in Summe will wäre deshalb das falsche Signal und Nach wie vor besteht ein erhebliches De-
Brüssel zunächst nicht mehr Geld, sondern würde die weitere Integration belasten. mokratiedefizit. […] Für den normalen
mehr Verantwortung. […] [Die] Europäische Kommission […] Bürger ist es unmöglich, zu erkennen, wer
Nie gab es so viele Herausforderungen, fordert […] schon seit langem den eigen- für was die politische Verantwortung
die nach europäischen Lösungen verlan- ständigen Zugriff auf das Geld. Der trägt. Das ist keine gute Grundlage für das
gen. Wohl kaum jemand zweifelt am Sinn Wunsch ist verständlich. Trotzdem wäre Recht, Steuern zu erheben. […]
großer europäischer Stromnetze oder eine echte EU-Steuer zum heutigen Manche Europa-Enthusiasten glauben,
am Ausbau der grenzüberschreitenden Zeitpunkt falsch. eine EU-Steuer fördere das noch fehlen-
Verkehrswege. Auch die Bedeutung des Vordergründig geht es bislang nur um de Gemeinschaftsgefühl in der Union. Sie
Klimaschutzes wird niemand ernsthaft ein neues Etikett. Die Kommission irren. Die europäische Integration wür-
infrage stellen. möchte, dass ein Teil der Steuern, die in de durch die Steuer eher belastet. Es ist wie
Dafür braucht Europa Geld. Höchste den Mitgliedstaaten eingesammelt beim Euro: Dessen Befürworter hofften,
Zeit, sich so leidenschaftlich um die werden, direkt in den EU-Haushalt fließt. die gemeinsame Währung werde für mehr
Einnahmen zu streiten wie um die Aus- Im Gespräch ist, einen Teil der Mehr- Zusammenhalt sorgen. So, als ob das Zu-
gaben. Die EU-Mitglieder sollten drei wertsteuer oder eine neue Abgabe auf Fi- sammenleben in einer Wohngemeinschaft
Einnahmen erwägen beziehungsweise nanzgeschäfte als EU-Steuer zu dekla- besser würde, wenn man eine gemein-
neu gewichten: rieren. Dabei soll sich aber an den realen same Haushaltskasse einführt. Dabei ist es
Erstens: eine europäische Steuer auf Machtstrukturen, in denen über das genau anders herum: Das gemeinsame
Finanzgeschäfte. Die Kommission schlägt EU-Budget entschieden wird, gar nichts Geld sorgt eher für mehr Reibungspunkte.
die Einführung einer Steuer auf Finanz- ändern. Die Regierungen der Mitglied- Nur eine gut funktionierende Wohn-
transaktionen vor. Sie könnte wegen der staaten sollen weiterhin per einstimmigen gemeinschaft kommt damit zurecht. Die
enormen Größe der Finanzmärkte Beschluss als letzte Instanz entschei- Europa-WG dagegen ist durch den Euro
Milliarden Euro bringen. In der Höhe darf den, wie viel jedes Land insgesamt in den bereits furchtbar zerstritten.
Brüssel nicht übertreiben – dann wer- EU-Topf einzahlt und wie groß der über-
Kolja Rudzio, „Die EU hat kein Recht auf eigene Steuern!“,
den die Geschäfte außerhalb Europas ge- haupt werden darf. Die Staaten würden in: Zeit Online vom 7. Juli 2011, unter: http://www.zeit.de/wirt-
macht. Weil eine weltweite Einigung neben der „EU-Steuer“ auch weiterhin schaft/2011-07/eu-steuern-contra/

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48 Steuern und Finanzen

Die nationalen Steuervorschriften sollen damit im Einklang Zwar sind Steuern weiterhin in vielen Bereichen eine Ange-
stehen – und nationale Verbrauchsteuern sollen die Situation legenheit der Mitgliedstaaten. Allerdings erfordert zum Bei-
auf dem Binnenmarkt nicht verzerren. In Deutschland sind spiel die Erhebung der Mehrwertsteuer eine gewisse Einbe-
aus diesem Grund sogar mehrere Steuern abgeschafft worden, ziehung der EU, da ein harmonisiertes Umsatzsteuerrecht
zum Beispiel die Salz- und die Zuckersteuer. für einen ordnungsgemäß funktionierenden Binnenmarkt

Europäische Kommission, online unter: http://ec.europa.eu/budget/explained/management/deciding/decide_de.cfm

Der Haushalt der Europäischen Union setzt ¬ Einzelplan IV: Gerichtshof nationalen Etats beschlossen. Zunächst
sich – wie jeder andere Haushaltsplan – Einzelplan V: Rechnungshof arbeitet die Kommission den ersten Ent-
aus Einnahmen und Ausgaben zusammen. Einzelplan VI: Europäischer Wirt- wurf für den Jahreshaushalt aus. Dies
Da die Union den sogenannten Grundsatz schafts- und Sozialausschuss geschieht auf der Grundlage des aktuellen
des Haushaltsausgleichs verfolgt, müs- Einzelplan VII: Ausschuss der Regionen mehrjährigen Finanzrahmens und
sen im Haushaltsplan Einnahmen und Einzelplan VIII: Europäischer Bürgerbe- der Haushaltsleitlinien für das darauffol-
Ausgaben den gleichen Betrag ausweisen – auftragter gende Jahr. Der Entwurf wird dann an
ein mögliches Defizit darf die EU also Einzelplan IX: Europäischer Daten- den Rat und das Parlament weitergelei-
nicht durch Kredite decken. Daher müssen schutzbeauftragter tet. Der Ministerrat der EU – der die
in der Regel die Einnahmen den Aus- Einzelplan X: Europäischer Auswärtiger Mitgliedstaaten repräsentiert – und das
gaben entsprechen. Gibt es einmal einen Dienst. Europäische Parlament beraten über
Überschuss, wird er im Folgejahr auf Der Einzelplan III (Kommission) um- diesen Entwurf, ändern ihn und stimmen
der Einnahmenseite ausgewiesen, und je- fasst 95 Prozent der Ausgaben des über den Haushalt ab. Gelangen Par-
der Cent, der mehr ausgegeben wird, muss EU-Haushalts. Es handelt sich im Wesent- lament und Rat zu keiner Einigung, wird
in einem Berichtigungshaushaltsplan lichen um operative Mittel, die einzel- ein Vermittlungsausschuss einberufen.
festgelegt werden. nen Politikbereichen zugeordnet sind und Dieser muss innerhalb von drei Wochen
Der Haushaltsplan gliedert sich in mit denen konkrete Projekte vor Ort eine Einigung über einen gemeinsamen
1. den Gesamteinnahmenplan und finanziert werden. Die anderen Einzel- Entwurf herbeiführen. Der gemeinsame
2. die Pläne für die Einnahmen und pläne enthalten ausschließlich die Entwurf muss von beiden Teilen gebilligt
Ausgaben der einzelnen Organe und Verwaltungsausgaben der jeweiligen werden. Lehnt der Rat den Text ab, hat das
Einrichtungen, als da wären: Organe und Einrichtungen. Europäische Parlament das letzte Wort
¬ Einzelplan I: Europäisches Parlament Auch auf europäischer Ebene wird der und kann den Haushalt verabschieden.
Einzelplan II: Europäischer Rat und Rat Haushalt nach demokratischen Regeln Jeweils im Dezember wird der Haushalt für
Einzelplan III: Kommission und nach ähnlichen Prinzipien wie die das nächste Jahr endgültig festgestellt.

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Blick nach Europa 49

und einen EU-weit fairen Wettbewerb unerlässlich ist. Der Normalsatz der Umsatzsteuer muss mindestens 15 Pro-
Daher hat die EU zent betragen, der ermäßigte Satz mindestens fünf Prozent.
EU-weit gültige Vorschriften zur Mehrwertsteuerpraxis Einen Höchstsatz für die Mehrwertsteuer gibt es jedoch
sowie nicht. Den Mitgliedstaaten verbleibt daher Spielraum für
¬ eine Untergrenze für Mehrwertsteuersätze festgelegt. unterschiedliche Steuersätze bei der Umsatzsteuer. Zudem

Quelle: Europäische Kommission, nationale Steuerbehörden, Stand: ab 1. März 2012, © Bergmoser + Höller Verlag AG, Zahlenbild 725 270

Mit der EU in Harmonie – Weg- Salzabgabe auf das Reich über. Seitdem brauchsteuer – und als Pendant zur kurz
fall von Verbrauchsteuern war sowohl die Steuerart als auch der zuvor beschlossenen Kaffeesteuer –
Satz bis 1993 mehr oder weniger gleich ge- erhoben. Eine unterschiedliche Behand-
Seit es den europäischen Binnenmarkt blieben – bis sie dann mit Öffnung des lung beider Genussmittel schien da-
gibt, gestaltet die EU vor allem die Binnenmarkts in der Europäischen Union mals nicht angebracht. Seit Öffnung des
nationalen Verbrauchsteuergesetze ent- schließlich abgeschafft wurde. EU-Binnenmarkts gibt es in Deutsch-
scheidend mit. Die Vorschriften über Ein ähnliches Schicksal ereilte die Zucker- land wieder nur eine der beiden Steuern,
Verbrauchsteuern wurden einander ange- steuer. Seit dem Aufblühen des Über- die Teesteuer wurde abgeschafft.
passt – nicht nur hinsichtlich dessen, seehandels mit Rohrzucker im 16. Jahrhun- Frühe Formen einer Leuchtmittelsteuer
was genau besteuert werden darf, sondern dert wurde ein Zuckerzoll erhoben. finden sich bereits im Mittelalter, als
auch mit Blick darauf, dass der Wett- Nachdem im 18. Jahrhundert der Zucker- mit dem Wachszins Abgaben auf Kerzen-
bewerb zwischen den einzelnen Mitglied- gehalt der einheimischen Runkelrübe wachs fällig wurden. Die Leuchtmittel
staaten im Binnenmarkt durch Ver- entdeckt wurde, dauerte es nicht mehr änderten sich in den darauf folgenden Jahr-
brauchsteuern nicht verzerrt wird. In lange, bis auch für den bis dahin steu- hunderten, ebenso der Gegenstand der
Deutschland sind aus diesem Grund erfreien inländischen Rübenzucker eine Besteuerung. Als die Reichsregierung 1909 –
1993 mehrere Steuern abgeschafft worden. Zuckersteuer eingeführt wurde. 1923 wieder einmal aufgrund des immens
Dazu zählten einige der ältesten Ab- und 1938 wurde die Besteuerung des Zu- gestiegenen Finanzbedarfs – über eine
gaben, die es hierzulande gab: ckers in den Zuckersteuergesetzen neu Strom- und Gasverbrauchsteuer beriet
Die Salzsteuer hatte ihren Ursprung in geregelt; 1949 ging die Steuer schließlich und dies abgelehnt wurde, entwickelte
den Salzzöllen, die als Handelsabgaben auf den Bund über. Auch sie wurde mit man eine Steuer auf Glühkörper und
bereits im Fränkischen Reich existierten Inkrafttreten des EU-Binnenmarkts ge- Glühlampen – die Leuchtmittelsteuer. Die-
und im Mittelalter zu Verbrauchsteuern strichen. se hielt sich ebenfalls bis zur Einführung
gemacht wurden. Das sogenannte Salz- Als zu Beginn des 18. Jahrhunderts der des EU-Binnenmarkts 1993.
regal entwickelte sich als Hoheitsrecht, Tee in Deutschland beliebter wurde, In der Tat entscheiden allein die natio-
das von Landesherren an Private – gegen kamen die Kämmerer zu dem Schluss, dass nalen Regierungen darüber, welche
Zahlung von Abgaben – verliehen wur- sich eine weitere mögliche Einnahme- Steuern sie erheben und in welcher Höhe.
de. Die unterschiedlichen Monopolrege- quelle auftat. Ähnlich wie der Vorläufer Die EU kann nur dann in Steuerfragen
lungen der deutschen Einzelstaaten der Kaffeesteuer entwickelte sich ein einschreiten, wenn die Mitgliedstaaten
erschwerten bereits im 19. Jahrhundert den Einfuhrzoll auf Tee, der seit 1909 mit dem eine einstimmige Entscheidung treffen.
Wirtschaftsverkehr, sodass die Salzab- steigenden Finanzbedarf des Reiches Anders als in anderen Bereichen der
gabe 1867 in eine einheitliche Fabrikatsteu- einige Male erhöht wurde. Seit den 1950er- Union reicht die qualifizierte Mehrheit
er umgewandelt wurde. 1871 ging die Jahren wurde die Teesteuer als Ver- hier nicht aus.

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50 Steuern und Finanzen

können sie auf viele Waren und Dienstleistungen ermä- gen im Ausland verkauft werden – oder Menschen sich jen-
ßigte Sätze anwenden. seits der nationalen Grenzen eine Arbeit suchen.
Für private Einkäufe greift bei der Umsatzsteuer das soge- Aus diesem Grund gibt es ein internationales Steuerrecht,
nannte Ursprungslandprinzip: Verbraucherinnen und Verbrau- zu dem nicht nur das Außensteuerrecht gehört. Zahlreiche
cher zahlen die Mehrwertsteuer in dem Land, in dem sie die zwischenstaatliche Vereinbarungen werden getroffen, um die
Ware oder die Dienstleistung kaufen. Unternehmen zahlen – verschiedenen nationalen Bestimmungen voneinander ab-
nach dem „Bestimmungslandprinzip“ – die Umsatzsteuer da- zugrenzen. Zu diesen Verträgen zählen vor allem Doppelbe-
gegen derzeit noch in dem Land, in das das Produkt eingeführt steuerungsabkommen. Damit soll verhindert werden, dass ein
wird. Auch bei anderen Steuern hat man sich auf einige grund- Steuerpflichtiger in zwei Staaten für die gleiche Sache zweimal
legende Prinzipien einigen können, zum Beispiel, was wie be- besteuert wird.
steuert wird. Ein dichtes Netz von Verträgen soll sicherstellen, dass der
Die EU mischt sich immer dann ein, wenn es (steuerlich) grenzüberschreitende Wirtschaftsaustausch von steuerlichen
nicht harmonisch zugeht, der Wettbewerb unter den Mit- Hindernissen freigehalten wird. Deutschland hat inzwischen
gliedstaaten verzerrt und ein Land gegenüber dem anderen mit rund 90 Staaten Doppelbesteuerungsabkommen geschlos-
steuerlich übervorteilt ist. In diesem Fall greift die Union ein, sen. Bei den meisten dieser Vereinbarungen geht es um die Be-
versucht, steuerpolitische Ansätze zu koordinieren oder die steuerung von Einkommen, Vermögen und Erbschaften.
Doppelbesteuerung zu vermeiden. Manchmal geht es nicht
ohne Verbote, zum Beispiel von (steuerlicher) Diskriminie-
rung oder von Beihilfen. Und immer öfter muss der Europä-
Doppelbesteuerungsabkommen
ische Gerichtshof (EuGH) in Sachen Steuern Entscheidungen
Bei einem Doppelbesteuerungsabkommen können folgende Vor-
treffen und Urteile fällen. Diese haben bindende Wirkung für
gehensweisen vereinbart werden:
nationales Steuerrecht.
¬ Wohnsitzlandprinzip
Auch dann, wenn grenzübergreifende Rechte einzelner Bür-
gerinnen und Bürger betroffen sind, schreitet die Union ein – Eine Person ist in dem Staat steuerpflichtig, in dem sie ihren
Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.
etwa wenn es darum geht, Renten oder Pensionsansprüche aus
einem anderen EU-Land zu übertragen und zu besteuern. Die ¬ Quellenlandprinzip
EU versucht auch, eine mögliche Steuerflucht ins Ausland zu Eine Person ist in dem Staat steuerpflichtig, aus dem das Einkom-
verhindern. Zwar können die Bürgerinnen und Bürger in der EU men stammt.
ihre Ersparnisse dort anlegen, wo sie die besten Erträge erwar- ¬ Welteinkommensprinzip
ten. Doch sie dürfen die bestehenden Möglichkeiten nicht dazu Der oder die Steuerpflichtige wird mit seinem/ihrem gesamten
nutzen, Steuern zu hinterziehen. Deshalb haben die meisten Welteinkommen besteuert.
europäischen Länder vereinbart, Informationen über die Spar- ¬ Territorialitätsprinzip
guthaben von Personen auszutauschen, die in dem jeweiligen Der oder die Steuerpflichtige wird nur mit dem Einkommen
Land nicht ansässig sind. veranlagt, das er oder sie auf dem Territorium des betreffenden
Die einzelnen EU-Länder haben unterschiedliche Prioritäten, Staates erwirtschaftet hat.
wie viel Steuern sie erheben und wie sie diese ausgeben. In ei- In Deutschland gilt für Inländer das Wohnsitzland- und das Welt-
ner europaweit verflochtenen Wirtschaft wirken sich Steuern einkommensprinzip, für alle anderen gilt das Quellenland- und
das Territorialitätsprinzip.
aber nicht nur im eigenen Land aus, sondern auch in anderen
Staaten. Zum Beispiel dann, wenn Waren oder Dienstleistun-
picture alliance / dpa / © EPA / Olivier Hoslet

picture alliance / Romain Fellens

Algirdas Šemeta, seit 2010 EU-Kommissar für Steuern und Zollunion, Au- Rund 150 000 Grenzgänger pendeln täglich zwischen Luxemburg und den
dit und Betrugsbekämpfung, gibt im Juni 2012 eine Pressekonferenz zum Nachbarländern Frankreich, Deutschland und Belgien. Moselbrücke von
Thema Steuerbetrug. Perl (Deutschland) nach Schengen (Luxemburg)

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Blick nach Europa 51

Rechtsprechung in der Europäi- EU-Sachen nachfragen, die letzte Instanz Ein Verfahren beim EuGH läuft in meh-
schen Union (also diejenige, gegen die keine nationale reren Phasen ab: Zunächst werden im
Revision mehr möglich ist) muss fragen – ersten Schritt von allen Parteien schriftli-
Der Gerichtshof der Europäischen Union falls Unklarheiten bestehen. che Erklärungen vorgelegt. Der zustän-
(EuGH) ist dafür zuständig, das Recht Daneben kann die Europäische Kom- dige Richter macht sich daraus ein Bild
der EU auszulegen und sicherzustellen, mission (oder ein anderer EU-Staat) ein und fasst dieses in einem Bericht zu-
dasses in allen Mitgliedsländern gleich- Mitgliedsland wegen Vertragsbruch ver- sammen. Darauf folgt eine öffentliche An-
ermaßen angewendet wird. Meist unter klagen. Umgekehrt kann auch gegen hörung, live und simultan übersetzt
dem Begriff „Europäischer Gerichtshof“ die EU geklagt werden, zum Beispiel mit in die Amts- und Verhandlungssprachen.
bekannt, umfasst der Gerichtshof in Lu- ¬ Nichtigkeitsklagen, wenn EU-Rechts- Nach den Schlussanträgen des General-
xemburg insgesamt drei Gerichte. Denn vorschriften mutmaßlich gegen anwalts kommen die Richter zu ihrem
dem Gerichtshof der Europäischen Union EU-Verträge oder die Grundrechte Urteil.
stehen zwei weitere Gerichte zur Seite: verstoßen; Einzelne Personen können nur sehr
das Gericht erster Instanz (seit dem Vertrag Untätigkeitsklagen, wenn EU-Behör- eingeschränkt direkt vor den EuGH
von Lissabon „Europäisches Gericht“ den offenbar ihren Pflichten nicht ziehen, für sie wurde das Gericht erster
genannt) sowie das Gericht für den öffent- nachkommen; Instanz geschaffen. Dieses Gericht be-
lichen Dienst der Europäischen Union. unmittelbaren Klagen, wenn einzelne schäftigt sich außerdem mit allen Rechts-
Die nationalen Gerichte haben die Auf- Personen, Unternehmen oder Ver- streitigkeitenim Bereich Wettbewerbs-
gabe, EU-Recht anzuwenden und zu in- bände sich gegen Entscheidungen der recht. Das Gericht für den öffentlichen
terpretieren. Der EuGH muss sicherstellen, Union wehren möchten. Dienst der Europäischen Union be-
dass das EU-Recht einheitlich angewandt handelt Rechtssachen zwischen der EU
wird. In den meisten Fällen sind es daher Im Gerichtshof ist jeder Mitgliedstaat mit und ihren Angestellten. Im Schnitt
die nationalen Gerichte, die einzelne je einem Richter vertreten, darüber hin- dauert ein Prozess vor dem EuGH 16
Fragen per Vorlagebeschluss klären lassen aus gibt es acht Generalanwälte. Sie sind Monate.
können. Bei diesen sogenannten Vor- keine Ankläger im staatsanwaltschaftli- Internetauftritt des EuGH mit einer
abentscheidungsersuchen geht es darum, chen Sinne, sondern haben die Aufgabe, Datenbank zu den Urteilen unter:
einzelne Detailaspekte des EU-Rechts sich öffentlich und unparteiisch zu der http://curia.europa.eu (Stand Juli 2012)
vom EuGH interpretieren zu lassen. Dabei jeweiligen Klage zu äußern. In rund 70
gilt die Regel: Die ersten beiden gericht- Prozent der Fälle folgt das Gericht der
lichen Instanzen eines Landes dürfen in Auffassung der Generalanwaltschaft.

Besteuerung von Grenzgängern dem sehr große Unterschiede. So kann seinem Finanzamt abgeben – und
die Höhe der Leistungen, die Grenz- die Höhe der im Ausland gezahlten Steu-
Neue Perspektiven liegen manchmal gänger erhalten, sehr unterschiedlich ern selbst dokumentieren.
jenseits der Grenze – auch auf dem Ar- ausfallen, wenn die Betroffenen in Die Europäische Kommission hat sich
beitsmarkt. Immer mehr Beschäftigte, einem anderen Land arbeiten. Dies gilt für das Jahr 2012 vorgenommen, die
vor allem in den grenznahen Regionen, insbesondere für Familienleistungen, Steuervorschriften der Mitgliedstaaten
suchen Arbeit im Nachbarland. Schät- da diese nicht von allen Ländern erbracht mit Blick darauf zu prüfen, ob Grenz-
zungen zufolge gehen mehr als 1,2 Milli- werden. In vielen Ländern besteht au- gänger durch diese diskriminiert werden.
onen Menschen in der EU einer grenz- ßerdem nur dann Anspruch auf Sozial- Die Kommission verweist darauf, dass
überschreitenden Beschäftigung nach. versicherungsleistungen, wenn die nach wie vor steuerliche Hindernisse zu
Die Bruttolöhne, die an Grenzgänger Beschäftigten eine bestimmte Anzahl den wichtigsten Faktoren gehörten,
und Saisonarbeiter gezahlt werden, be- von Jahren in diesem Land gearbeitet die die Bürgerinnen und Bürger davon
liefen sich im Jahr 2010 auf 46,9 Milli- haben. Darüber hinaus ist das Renten- abhielten, in einem anderen Mitglied-
arden Euro. Der EU-Binnenmarkt macht eintrittsalter unterschiedlich. Die staat Arbeit zu suchen. Die Kommission
es möglich: Innerhalb der Grenzen der in Deutschland eingezahlten Renten- will vor allem darauf schauen, ob
Europäischen Union können Deutsche beiträge bleiben den Betroffenen Personen, die den größten Teil ihrer Ein-
arbeiten, wo sie wollen – ohne zusätz- bei einer Rückkehr in die Heimat aber künfte in einem anderen Mitglied-
liche Arbeitserlaubnis. Das garantiert erhalten. staat beziehen, stärker besteuert werden
ihnen der EG-Vertrag. Allerdings haben Besteuert wird das Gehalt in der Regel als Gebietsansässige. Außerdem prüft
sie mit vielen Formalitäten zu kämp- in dem Staat, in dem gearbeitet wird. sie, ob die Mitgliedstaaten zwischen ihren
fen. So sind die Grenzgänger in der Regel Zwischen den meisten Ländern bestehen eigenen und den Bürgerinnen und
in dem Land sozialversicherungs- Doppelbesteuerungsabkommen. Diese Bürgern eines anderen Mitgliedstaates,
pflichtig, in dem sie beschäftigt sind. Wer sichern, dass die Einkünfte nur in jeweils die zeitweise in ihrem Gebiet beschäf-
seine Arbeitsstelle im Ausland verliert, einem Staat besteuert werden. Besteht tigt sind, unterscheiden – insbesondere
kann aber nur in dem Land Leistungen kein solches Abkommen, gewährt das im Hinblick auf das Recht, Ausgaben
bei Arbeitslosigkeit beantragen, in deutsche Einkommensteuergesetz einige abzusetzen, sowie auf die Anwendung
dem er lebt. Möglichkeiten, um die Doppelbelas- unterschiedlicher Steuersätze.
Zwischen den Sozialversicherungssys- tung zu minimieren. Allerdings muss der
temen innerhalb der EU gibt es zu- Steuerzahler dafür einen Antrag bei

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52 Steuern und Finanzen

Constanze Hacke

Regieren nach Zahlen:


Haushalt und Kontrolle

picture alliance / dpa / Florian Schuh


Das Haushaltsrecht gilt als Königsrecht des Parlaments. Hier
wird entschieden, warum, wofür und wann die Regierung
Steuergelder ausgeben darf. Doch die Verschuldung von
Bund, Ländern und Gemeinden steigt weiter, nicht
zuletzt aufgrund der Staatsschuldenkrise im Euroraum.

Die Schuldenuhr am Gebäude des Bundes der Steuerzahler in Berlin zeigt


den aktuellen Stand (hier: Juli 2012) der deutschen Staatsverschuldung an.

A lle Einnahmen und Ausgaben des Staates müssen für je-


des Jahr in einem Haushalt aufgestellt werden. Das gilt
für jede föderale Ebene – für den Bund, die einzelnen Länder
den Aufschwung anzukurbeln, müssen „konjunkturgerecht“
zurückgeführt werden. Ziel dieser Schuldenbremse ist es, den
aufgehäuften Schuldenberg Stück für Stück abzutragen.
sowie für Städte und Gemeinden. Sämtliche Steuereinnah-
men werden in den öffentlichen Haushalten abgebildet. Zu-
gleich muss aus dem jeweiligen Haushaltsplan hervorgehen,
wofür diese Einnahmen benötigt und wofür sie ausgegeben
werden. Der Haushaltsplan ist damit auch ein Kontrollinstru- Der Weg des Bundeshaushalts
ment für die Parlamente, die ihn mit einem Haushaltsgesetz
verabschieden müssen. An dieses Haushaltsgesetz sind die
Ministerien dann gebunden. Alle Steuereinnahmen fließen in den Haushalt – je nachdem,
Im Idealfall soll der Staat seine Ausgaben dauerhaft danach wem die Steuer zusteht, in den Etat des Bundes, der Länder
ausrichten, mit welchen Einnahmen er rechnen kann. Auf die- oder der Gemeinden (siehe S. 6 f.). Bis ein Staatshaushalt be-
se Weise sollen möglichst wenig Schulden gemacht und mög- schlossen und verabschiedet ist, müssen die Verantwortlichen
lichst wenig neue Kredite aufgenommen werden. Allerdings einen langen Weg beschreiten. In der Öffentlichkeit wird der
geht es häufig nicht ohne Schulden, denn zum einen muss Bundeshaushalt vor allem im Herbst wahrgenommen. Denn
der Staat bestimmte Aufgaben kontinuierlich wahrnehmen. dann wird die Haushaltsdebatte im Bundestag häufig zum po-
Zum anderen hat jede Regierung eine bestimmte Vorstellung litischen Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition
davon, wie sie Politik gestalten will. Finanzpolitik kann zum genutzt. Im Grunde genommen befassen sich Ministerien,
Beispiel diese Ziele verfolgen: Ausschüsse und Abgeordnete jedoch fast das ganze Jahr mit
¬ soziale Gerechtigkeit durch Umverteilung zu fördern; dem Thema Haushalt. Ist der eine verabschiedet, nimmt das
die Konjunktur anzuregen; Bundesfinanzministerium bereits die Planung für den Haus-
das Wirtschaftswachstum zu beleben. halt des darauf folgenden Jahres in Angriff.
Im Bundesfinanzministerium fließen alle Informationen
Um die öffentlichen Haushalte nachhaltig zu sanieren, ist die zusammen, die für den Entwurf des Haushalts und den mittel-
Aufnahme neuer Schulden künftig nur noch begrenzt mög- fristigen Finanzplan notwendig sind. Mit der Aufstellung von
lich: Laut Artikel 115 des Grundgesetzes darf der Bund nur noch Eckwerten, die im März eines Jahres vom Bundeskabinett ab-
eine strukturelle Verschuldung in Höhe von 0,35 Prozent des gesegnet werden, beginnt hier die Arbeit am Haushaltsplan.
Bruttoinlandsproduktes aufweisen. Ausnahmen sind allein Anhand der Eckwerte werden für jedes Ministerium soge-
in Notsituationen und bei Naturkatastrophen gestattet – oder nannte Grenzbeträge festgelegt. Ziel ist es, die Ausgaben der
dann, wenn die konjunkturelle Entwicklung „von der Nor- einzelnen Ministerien von vorneherein zu beschränken und
mallage abweicht“. Kredite, die aufgenommen werden, um den Finanzrahmen für die kommenden vier Jahre vorzugeben.

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Regieren nach Zahlen: Haushalt und Kontrolle 53

In der Vergangenheit konnten die Ministerien ihre Ausgaben- der Deutschen Bundesbank und
wünsche – die sogenannten Voranschläge – beim Bundes- der Bundesvereinigung kommunaler Spitzenverbände,
finanzministerium einreichen. Anschließend verhandelte das
Ministerium mit den Fachressorts über diese Voranschläge, um die Steuereinnahmen zu schätzen und die gesamtwirt-
um einen Kompromiss zu finden. Da das Prinzip der Konsoli- schaftliche Entwicklung zu begutachten.
dierung aber auch im Haushaltsverfahren Niederschlag finden Im Mai steht die mittelfristige Veranschlagung des Steuer-
sollte, wurde das ganze Verfahren „auf den Kopf gestellt“: Aus- aufkommens im Vordergrund, hier geht es um den Zeitraum
gangspunkt der Haushaltsverhandlungen sind damit nicht des laufenden und der vier folgenden Jahre. Im November
mehr die Ausgabenwünsche der Fachministerien, sondern die werden – zeitnah zur Verabschiedung des Bundeshaushalts –
Vorschläge des Bundesfinanzministeriums. Auf dieser Grund- kurzfristige Vorausberechnungen für die Haushaltsplanun-
lage entscheidet dann das gesamte Kabinett über die verbind- gen des kommenden Jahres erstellt. Diese Herbstprognose ist
lichen Einnahme- und Ausgabebudgets – die Eckwerte. dann auch Grundlage für die Ansätze des Haushaltsgesetzes.
Vertreter des Bundesrechnungshofes nehmen an den Haus- Im Frühsommer tagt der Stabilitätsrat. Dieses Gremium hat
haltsverhandlungen zunächst noch als Berater teil; später – wenn den früheren Finanzplanungsrat abgelöst, der durch die Föde-
politische Entscheidungen fallen – ist der Bundesrechnungshof ralismusreform II (siehe S. 9) abgeschafft wurde. Seither hat
dann nicht mehr präsent, dadurch soll die regierungsunabhängi- der Stabilitätsrat die Aufgabe, die föderalen Ebenen bei der
ge Stellung der Kontrollinstanz gewahrt bleiben. Aufstellung der Haushalts- und Finanzpläne zu beraten und
Im Mai gibt es zum ersten Mal harte Zahlen, wenn der die gesamt- und finanzwirtschaftlichen Rahmenbedingungen
Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ seine Frühjahrsprognose im Auge zu behalten. Denn die Einnahmen und Ausgaben der
vorlegt. Denn um den Haushalt auch realistisch planen zu kön- verschiedenen staatlichen Ebenen sollten natürlich aufeinan-
nen, müssen alle Beteiligten über die voraussichtlich zur Ver- der abgestimmt sein. Zudem achtet der Stabilitätsrat darauf,
fügung stehenden Einnahmen Bescheid wissen. Daher treffen dass Deutschland seinen Verpflichtungen gegenüber der Eu-
sich im Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ zweimal im Jahr ropäischen Union im Zusammenhang mit dem Stabilitäts-
Vertreter und Wachstumspakt nachkommen kann.
¬der Finanzministerien von Bund und Ländern, Da auf der einen Seite jedes Ressort für sich bestimmte Einnah-
der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, men beansprucht und dabei kaum zu Abstrichen bereit ist, auf
des Statistischen Bundesamts, der anderen Seite aber nur begrenzte Einnahmen zur Verfügung
des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamt- stehen, muss verhandelt werden: erst einmal auf Referatsleiter-
wirtschaftlichen Entwicklung (also der „Fünf Weisen“), ebene, dann auf Abteilungsleiterebene und schließlich auch zwi-

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54 Steuern und Finanzen

Bundesministerium der Finanzen, Stand: September 2011

Arbeitskreis „Steuerschätzungen“: Daten wie Wirtschaftswachstum, Ein- dukt positiv zu zeichnen, auch aus psy-
Kristallkugel oder Prinzip Hoff- kommenssteigerungen, Inflation oder chologischen Gründen. Da die Kon-
nung? Beschäftigungsentwicklung basieren. Be- junkturprognose aber mehr oder weniger
sonders lang und intensiv wird über die einzige Basis für die mittelfristige
„Schätzen“: Wenn man dieses Wort vor die Einkommensteuer, die Lohnsteuer, Vorhersage der Steuerschätzer ist, hat
einigen hundert Jahren benutzte, die Umsatzsteuer und die großen Ver- dies unmittelbar Auswirkungen auf
meinte man nicht zwangsläufig, einen brauchsteuern, etwa die Energiesteuer, die großen Steuereinnahmen – etwa auf
Wert nur zu veranschlagen. Die „Schät- diskutiert. Schließlich sind hier die die Einkommensteuer oder die Um-
zung“ war im Mittelhochdeutschen gleich- höchsten Einnahmen zu erwarten. Nach satzsteuer –, denn diese hängen direkt
bedeutend mit der Steuer; wer schätzte, drei Tagen ist Schluss mit der Debatte, mit der wirtschaftlichen Entwicklung
besteuerte. Das ist heute zwar nicht mehr dann müssen die Zahlen an die Öffentlich- zusammen.
so, der Arbeitskreis „Steuerschätzungen“, keit. Der Bund übernimmt die Zahlen Ein weiterer Kritikpunkt: Der Arbeits-
der sich zwei Mal im Jahr trifft, bereitet aus der Schätzung 1:1 in seinen Haushalts- kreis schätzt die Steuereinnahmen auf der
mit seinen Steuerprognosen aber die entwurf. Grundlage des geltenden Rechts. Steuer-
Grundlagen für die Haushaltsplanungen Alle Prognosen sind immer nur so gut änderungen sind in der Prognose in aller
von Bund, Länder und Gemeinden vor. wie die Annahmen, die man vorher Regel nicht berücksichtigt. Und falls
Immer im Mai und im November – und zugrunde gelegt hat. Und so nimmt die doch, werden die finanziellen Auswirkun-
damit jeweils zum Auftakt und zum Qualität der Schätzer-Prognose ähn- gen solcher Änderungen meist zu opti-
Ende der laufenden Haushaltsplanungen – lich wie eine Wettervorhersage zum Ende mistisch angegeben. Das Verhalten von
setzen sich die Schätzerinnen und Schät- des Prognosezeitraums ab. Der Bun- Unternehmen, Bürgerinnen und Bür-
zer an einen Tisch: Vertreter der Finanz- desrechnungshof hat vor einiger Zeit die gern nach Steueränderungen aber lässt
ministerien von Bund und Ländern, Steuerschätzung als Haushaltsplanungs- sich nur schwer vorhersagen. Die Bun-
der führenden Wirtschaftsforschungs- instrument unter die Lupe genommen – desrechnungshofprüfer mahnen den Ar-
institute, des Statistischen Bundesam- und festgestellt, dass die Schätzerinnen beitskreis daher zu etwas mehr Vorsicht.
tes, des Sachverständigenrats, der Bundes- und Schätzer vor allem in ihren mittel- Trotzdem gilt: Ohne Steuerschätzung ist
bank und der Bundesvereinigung fristigen Vorhersagen meist daneben- keine Haushalts- und Finanzplanung
kommunaler Spitzenverbände. Bevor sie lagen. Nach Ansicht des Bundesrechnungs- möglich. Daher bilden die Resultate der
schätzt, dikutiert die Expertenrunde hofes tendiert das Bundeswirtschafts- Steuerschätzung im Mai als mittelfris-
über die Einnahmen aus allen Steuerarten ministerium, von dem die mittelfristige tige Prognose immer auch die Zahlenbasis
und den Zöllen. Dazu werden kompli- Konjunkturprognose stammt, dazu, für den Haushaltsentwurf des folgen-
zierte Rechenmodelle aufgestellt, die auf Entwicklungen beim Bruttoinlandspro- den Jahres.

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Regieren nach Zahlen: Haushalt und Kontrolle 55

schen dem Bundesfinanzminister und seinen Kolleginnen und In die abschließenden Beratungen des Haushaltsausschusses
Kollegen auf Ministerebene. Können sich die Beteiligten nicht ei- im November fließen dann die kurzfristigen Schätzungen und
nigen, entscheidet die Bundesregierung. Im Sommer beschließt Prognosen aus der Herbstsitzung des Arbeitskreises „Steuer-
das Kabinett den gesamten Haushaltsentwurf und den Finanz- schätzungen“ ein. In der zweiten Lesung im Bundestag werden
plan; im August wird das mehrere tausend Seiten starke Werk die Ergebnisse des Haushaltsausschusses vorgestellt – und der
Bundestag und Bundesrat übermittelt. Der Haushaltsentwurf geänderte Entwurf beraten. Jeder Einzelplan wird nun beschlos-
gliedert sich in einen Gesamtplan und in Einzelpläne: sen, in der dritten Lesung wird über den Haushaltsentwurf im
¬ Im Gesamtplan sind alle Einzelpläne zusammengefasst; Gesamten abgestimmt. Nach diesem Votum kommt noch ein-
in der Haushaltsübersicht werden diese Einzelpläne haus- mal der Bundesrat zu Wort, der – sofern er mit dem Entwurf
haltssystematisch dargestellt. In der Finanzierungsüber- nicht einverstanden ist – den Vermittlungsausschuss anrufen
sicht wird das Finanzierungssaldo berechnet und im Kredit- kann. Ändert dieser noch einmal etwas am Entwurf, muss der
finanzierungsplan werden die Einnahmen aus Krediten und Bundestag darüber entscheiden, ob er diese Änderungen über-
die Tilgungsausgaben gegenübergestellt. nimmt. Schließlich wird das Haushaltsgesetz festgestellt und
Die Einzelpläne werden eingeleitet mit einer Übersicht über Ende Dezember – in der Regel im Bundesgesetzblatt – der end-
Gruppierungen, Funktionen, Personal und durchlaufende gültige Haushalt offiziell verkündet. Die Mitarbeiterinnen und
Posten. In den Einzelplänen wird genau aufgeführt, was im Mitarbeiter im Bundesfinanzministerium sind zu diesem Zeit-
jeweiligen Ressort eingenommen und wofür es ausgegeben punkt schon wieder damit beschäftigt, das Aufstellungsrund-
werden soll. Außerdem sind hier die Verpflichtungsermäch- schreiben für den nächsten Haushalt zu verfassen.
tigungen, also Vorgriffe auf spätere Haushaltsjahre, veran- Dieser lange Weg zeigt: Ein Haushaltsplan ist und bleibt eine
schlagt. Dabei gilt grundsätzlich das Ministerialprinzip, je- Prognose für einen bestimmten Zeitraum. Er gibt lediglich die
dem Ressort wird ein Einzelplan zugewiesen.

Im Herbst haben Bundesrat und Bundestag das Wort: Das


Parlament berät in erster Lesung über den Haushalt und
seine Einzelpläne. Diese Debatte wird zu einer Generalaus-
sprache über die Grundzüge der Regierungspolitik genutzt.
Eine besondere Stellung nimmt dabei die Beratung über

picture allinace / dpa / Herbert Knosowski


den Etat des Kanzleramts ein. Zwar fällt dieser Einzelplan
zahlenmäßig nicht sonderlich ins Gewicht. Da er in der
Debatte stellvertretend für die gesamte Regierungspolitik
steht, kommt es bei der Aussprache über diesen Etat aber
regelmäßig zu einem Schlagabtausch zwischen Regierung
und Opposition. Sind die mehrere Tage andauernden Bera-
tungen abgeschlossen, wird der Haushaltsentwurf an den
Haushaltsausschuss des Bundestages verwiesen. Hier be-
ginnt die eigentliche Arbeit: Der Ausschuss prüft sämtliche
Ansätze, die sich auf mehrere tausend Einnahme- und Aus- Generaldebatte des Bundestages zum Haushalt 2012: Der SPD-Fraktions-
gabepositionen belaufen, und macht Änderungsvorschläge, vorsitzende Frank-Walter Steinmeier (r.) kritisiert Bundeskanzlerin Merkel
wo er es für notwendig hält. (3.v.l.) für die Haushaltspolitik ihrer Regierung, September 2011.

Aufgaben des Haushaltsaus- Schuldenbremse die Verschuldung Schritt gilt dem Durchgehen des gesamten Haus-
schusses für Schritt zurückzuführen. haltsentwurfes, was nie ohne spürbare
Gleichzeitig ist es das erklärte Ziel, der Bil- Korrekturen abgeht. Dazu verbringen die
So oft die Medien auch melden, was die dung noch größeres Gewicht zu verlei- Haushälter leicht 70, 80 und mehr
Regierung gerade wieder plant, zusichert, hen. Zusätzliche Risiken tun sich auf durch Stunden zusammen, nachdem die Bericht-
finanziert oder bezuschusst, so ist das die unvorhersehbare Zinsentwicklung. erstatter vorher schon jeden Einzelplan
doch immer nur die halbe Wahrheit. Denn Zudem wird der Haushalt massiv beein- intensiv durchgeackert haben und „nur“
kein Cent fließt, den das Parlament flusst von Wirtschaftsentwicklung und die umstrittenen Vorhaben an den
nicht vorher gebilligt hat. Das viel zitierte Beschäftigungssituation: 100 000 Arbeits- gesamten Ausschuss zur „Bereinigung“
„Königsrecht“ hat sich das Parlament lose mehr oder weniger sind nicht nur weitergeleitet haben. Diese Prozedur
hart erkämpft. Der Haushaltsausschuss 100 000 Schicksale, sondern auch Milliar- steht zu Beginn der Wahlperiode gleich
kontrolliert Punkt für Punkt, wohin den Euro mehr oder weniger im Bundes- zweimal in einem Jahr an – und doch
das Geld des Steuerzahlers fließen soll. haushalt. So stellt sich für den Ausschuss ist es nur der Auftakt für die ständige Kon-
Die Dimension der Neuverschuldung auch die Frage, ob eine Gesundheitsre- trolle der abfließenden Mittel im Ver-
ist in der Finanz- und Wirtschaftskrise form stärker steuerfinanziert werden kann lauf des Jahres.
in vorher ungeahnte Größenordnungen und ob Steuererleichterungen ohne Wei-
geschnellt, weil der Staat versucht hat, teres möglich sind oder ob sie letztlich zu Gregor Mayntz, „Haushaltsausschuss. Kontrolle Punkt für
die Folgen der Krise abzufedern. Umso neuen Schulden führen. Punkt“, in: Blickpunkt Bundestag Spezial: Die Ausschüsse des
Deutschen Bundestages, Nr. 1/2010. Online unter: http://www.
wichtiger ist es für den Haushaltsaus- Das sind die Rahmenbedingungen der bundestag.de/blickpunkt/104_Spezial/1001/1001008.htm
schuss, an dem Ziel festzuhalten, mit der Arbeit. Ein noch viel größerer Aufwand (Stand: Juli 2012)

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56 Steuern und Finanzen

Quelle: Bundesministerium der Finanzen © Globus 4646 *ca. 22 Mrd. Euro erwartet

Ziele für Einnahmen und Ausgaben vor. Weil ein öffentlicher ¬ vom Bundesfinanzminister aufgestellt,
Haushalt diesen Prognosecharakter hat, kommt es immer vom Kabinett verabschiedet,
wieder zu Haushaltslöchern – etwa durch unvorhergesehene vom Haushaltsausschuss beraten,
Ausgaben, die nicht durch Einsparungen ausgeglichen werden vom Parlament beschlossen und,
können, oder durch geringere Steuereinnahmen. In solchen soweit es den Bundeshaushalt betrifft, vom Bundesrat ange-
Fällen muss ein Nachtragshaushalt eingebracht werden, der nommen werden.
die bereits beschlossene und festgeschriebene Planung verän-
dert. Ein solcher Nachtragshaushalt muss wie der richtige Etat Häufig geht es hier auch um zusätzliche Neuverschuldung.

Die Kassenprüfer des Bundes

Jedes Jahr kontrolliert der Bundesrechnungshof die Abrech- Aus diesem Grund hat der Bundesrechnungshof nicht nur ein
nung der tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben im Haus- Auge auf Geldverschwendung gerichtet, er schaut auch da-
halt auf Euro und Cent. Der Bundesfinanzminister muss rauf, ob Steuergelder richtig eingesetzt werden. Das gilt zum
nicht nur dem Bundestag und dem Bundesrat, sondern auch Beispiel für soziale Leistungen wie Kindergeld, Wohngeld oder
dem Bundesrechnungshof gegenüber Rechenschaft able- Elterngeld. Hinweise auf Missstände kommen von allen Seiten,
gen. Sein Haus muss sich darüber hinaus in mehr als 900 nicht nur aus dem Bundestag. Immer wieder gehen beim Bun-
jährlichen Prüfungen Stichproben bei allen öffentlichen desrechnungshof anonyme Tipps ein – aus den unterschied-
Ausgaben und Einnahmen gefallen lassen. Dieses Recht ist lichsten Gründen: Da ist der Konkurrent, der bei einer öffentli-
in Artikel 114 des Grundgesetzes verankert. Dort steht in Ab- chen Auftragsvergabe nicht zum Zug gekommen ist. Oder der
satz 2: „Der Bundesrechnungshof, dessen Mitglieder richter- Angestellte, der sich über seinen Vorgesetzten geärgert hat.
liche Unabhängigkeit besitzen, prüft die Rechnung sowie die Im Haushaltsausschuss des Bundestages haben die Abgeord-
Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- neten jedem einzelnen Etat eine Berichterstatterin oder einen
und Wirtschaftsführung. Er hat außer der Bundesregierung Berichterstatter zugeordnet, die oder der sich intensiv mit dem
unmittelbar dem Bundestage und dem Bundesrate jährlich jeweiligen Ministerium und dessen Ausgaben auseinander-
zu berichten.“ Die Behörde ist damit weisungsfrei zwischen setzt. Und in jeder Ausschusssitzung sitzt ein Vertreter des Bun-
Legislative und Exekutive angesiedelt. Und sie schaut genau desrechnungshofes mit am Tisch – als Ansprechpartner und als
hin, ob der Etat entsprechend der gesetzlich festgelegten Berater. Die Entscheidungen jedoch muss die Politik treffen.
Haushaltsgrundsätze geführt wurde. Der Rechnungshof an sich ist eine nicht politisch tätige
Die geprüften Instanzen müssen den Kassenprüfern Rede Behörde, die ihre Prüfergebnisse zwar mitteilen, aber im
und Antwort stehen. Diese wiederum haben sich zuvor tief Grunde nicht durchsetzen kann. Dazu braucht es den verlän-
in die Thematik eingearbeitet, haben sich über die Entste- gerten Arm der Politik. Das sind entweder der Rechnungs-
hungsgeschichte des jeweiligen Gesetzes informiert und in prüfungsausschuss – der politische Sparringspartner des
allgemein zugänglichen Quellen recherchiert. Geprüft wer- Bundesrechnungshofes – oder der Haushaltsausschuss, der
den Verwaltungsausgaben genauso wie Sachleistungen. dann die Prüfergebnisse auch in politisches Handeln umsetzt.
Nicht immer muss ein Verdacht auf Unwirtschaftlichkeit Der Bundesrechnungshof prüft, übt Kritik und liefert über ein-
vorliegen. Die Leitfrage der Überprüfung lautet, ob die Aus- zelne Gutachten Vorschläge für Einsparungsmöglichkeiten,
gabenpraxis dem Willen des Gesetzgebers entspricht. für mehr Effizienz oder Vereinfachung. Er kann kontrollieren

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Regieren nach Zahlen: Haushalt und Kontrolle 57

Defizite

Es gibt solche und solche Haushalts- einer Regierung toleriert werden, etwa, als Bruttoneuverschuldung bezeichnet.
löcher. Unvorhergesehene Lücken in um in wirtschaftlichen Krisenzeiten Die Nettokreditaufnahme meint die
einem Etat entstehen meist durch den Konjunkturmotor anzukurbeln. Ge- Bruttoneuverschuldung abzüglich der
höhere Ausgaben, die so nicht geplant deckt werden kann dies nur durch Verbindlichkeiten, die im gleichen
waren und an anderer Stelle nicht neue Kredite; daher ist der Begriff der Zeitraum getilgt worden sind. Die Mög-
eingespart werden können. Oder aber Neuverschuldung eng mit dem lichkeiten, ein Haushaltsdefizit in
die Steuereinnahmen fallen nied- Haushaltsdefizit verbunden. Unterschie- die Planung einzubauen, sind inzwi-
riger aus als geschätzt. Derartige unge- den wird zwischen der Bruttoneu- schen stark eingeschränkt – zum
plante Haushaltslöcher müssen verschuldung und der Nettoneuver- einen durch den europäischen Stabi-
durch einen Nachtragshaushalt auf- schuldung (Nettokreditaufnahme). litäts- und Wachstumspakt, zum
gefangen werden. Im Gegensatz Alle neu aufgenommenen Kredite in anderen durch die Schuldenbremse des
dazu kann ein Haushaltsdefizit von einem bestimmten Zeitraum werden Grundgesetzes.

Sondervermögen im Bundesetat

Man kennt sie unter Bezeichnungen wie nicht tilgen, darf der Bund Sonderkredite Der Investitions- und Tilgungsfonds (ITF)
„Schattenhaushalt“ oder „Nebenhaus- aufnehmen. Zahlungen in Höhe von aus dem Konjunkturprogramm II lief
halt“: Die Sondervermögen oder Sonder- 49,9 Milliarden Euro wurden bisher abge- zum 31. Dezember 2010 aus. Einzelne Maß-
fonds des Bundes. Dabei handelt es rufen und aus Bundesmitteln bewäl- nahmen aber, wie zum Beispiel das
sich um aus dem Bundeshaushalt ausge- tigt. Seit dem 1. Januar 2011 werden keine Investitionsvolumen in Schulen, werden
gliederte einzelne Geldtöpfe, die aus neuen Garantien oder Zahlungen durch noch abgewickelt. Insgesamt hatte
unterschiedlichen Quellen gefüllt werden, den Fonds mehr bewilligt. dieser Fonds, aus dem auch die Abwrack-
aus dem staatlichen Haushalt, durch Die größten Einzelposten dieses Fonds prämie finanziert wurde, ein Volumen
Kredite oder durch Sonderzahlungen der sind die Zahlungen an Commerzbank von 20,4 Milliarden Euro. Zudem gibt es
Wirtschaft. und Hypo Real Estate in den Jahren 2008 noch kleinere Fonds, einer davon ist
Anders als die Bezeichnung „Schatten- bis 2010. […] das European Recovery Program, der
haushalt“ vermuten ließe, sind diese Erst im vergangenen Jahr eingeführt Nachfolger des Marshallplans. Außer-
Sonderfonds dem Parlament bekannt. So wurde der Energie- und Klimafonds, ein dem legt der Bund im Versorgungsfonds
muss der Bundestag jedem einzelnen Sonderfonds, der bis 2016 Projekte zum des Bundes Gelder für die Pensionszah-
dieser Fonds zustimmen, außerdem wer- Energiewandel finanzieren soll. Ursprüng- lungen an seine Beamten zurück.
den die Sondervermögen in der Haus- lich sollten die Stromkonzerne im Ge- In den Neunzigerjahren gab es eine
haltsvorlage aufgeführt – zwar nicht als genzug zur Laufzeitenverlängerung jähr- Vielzahl an Sondervermögen, eines davon
Einzelposten, sondern als Anlage. Zu- lich erst 300, dann 200 Millionen Euro war die Treuhand. Sie wurde gegrün-
dem werden die Fonds von Mitgliedern in diesen Fonds zahlen, insgesamt 1,4 Mil- det, weil die Abwicklung der DDR von nur
des Bundestages überwacht. liarden Euro. Doch durch den […] Aus- einem Ministerium kaum zu bewälti-
Solche Sondervermögen waren bisher stieg aus der Atomenergie fallen diese Zah- gen gewesen wäre.
besonders deshalb interessant, weil lungen weg, weshalb der Bundestag Auch das allererste Sondervermögen,
sie bei der Neuverschuldung nicht mit nun beschloss, dass die Bundesregierung das es in Deutschland jemals gab,
eingerechnet wurden. Im Rahmen der bei Bedarf bis zu 225 Millionen Euro in hatte mit der Einheit zu tun, der „Sonder-
gesetzlichen Schuldenbremse ist das nun den Fonds zuzahlen darf. […] Finanziert fonds Deutsche Einheit“. Dieser war
anders: Sondervermögen unterliegen werden sollen damit Maßnahmen zur für den Staatshaushalt der bisher teuerste
seit dem 1. Januar 2011 zusammen mit Energieeffizienz, erneuerbare Energie, Sonderfonds. Zwischen 1990 und 1994
dem Kernhaushalt einer gemeinsa- Klima- und Umweltschutz. mit einem Gesamtvolumen von 160,7 Mil-
men Nettokreditaufnahme. Der wesent- Dieser Fonds war ursprünglich einge- liarden DM ausgestattet, umgerechnet
liche Vorteil, den Sonderfonds also für richtet worden, weil die Zahlungen 82,2 Milliarden Euro, wurden hier verschie-
Haushaltspolitiker hatten – Geld auszu- der Stromkonzerne formal freiwillige Zah- dene Kosten der Wiedervereinigung
geben, ohne die Neuverschuldung zu lungen sind, es aber nicht möglich ist, zusammengefasst: Der Eins-zu-Eins-Um-
erhöhen – ist nun aufgelöst. Es ist damit solche freiwilligen Zahlungen an den tausch von Währung und Renten der
ein auslaufendes Modell, in Deutsch- Bundeshaushalt zu überweisen. DDR, die Übernahme der Schulden oder
land gibt es nur noch wenige solcher Der dritte verbliebene Sonderfonds ist Investitionen in die Infrastruktur. En-
Fonds. vergleichsweise unkompliziert: der Son- de 2004 betrug diese Schuldenlast nach
Der bekannteste ist vermutlich der Fi- derfonds zur Finanzierung des Ausbaus Angaben der Bundesbank insgesamt
nanzmarktstabilisierungsfonds SoFFin, der Kinderbetreuung. Von der Großen 38,6 Milliarden Euro. Zum 1. Januar 2005
ein Teil des sogenannten Bankenrettungs- Koalition beschlossen, läuft dieser von wurde diese komplett in den Bundes-
paketes. Der Fonds ist ermächtigt, Ga- 2008 bis 2013. Aus Steuereinnahmen haushalt übernommen.
rantien in Höhe von bis zu 400 Milliarden waren 2,15 Milliarden Euro in diesen Fonds
Euro auszusprechen. Sollten solche eingezahlt worden, die alleine zum Anna-Mareike Krause, „Die Milliarden im Schatten der Haus-
halte“, auf: tagesschau.de vom 6. Juli 2011, online unter:
Bürgschaften tatsächlich fällig werden, Ausbau der Kindertagesstätten verwendet http://www.tagesschau.de/inland/sonderfonds100.html
beispielsweise weil Banken ihre Kredite werden dürfen. […] (Stand: Juli 2012)

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58 Steuern und Finanzen

und Mängel äußern – weitere Sanktionsmöglichkeiten hat er


aber nicht. Zudem dürfen nur die jährlichen Bemerkungen,
in denen besonders bedeutsame Prüfungsergebnisse zusam-
mengefasst sind, medial präsentiert werden. Der Großteil
der Prüfungen findet weitgehend unter Ausschluss der Öf-
fentlichkeit statt.

picture alliance / Rolf Kosecki


Letztlich ist dem Bundesrechnungshof per Finanzverfas-
sung neben seiner Kontrollfunktion und dem Rechnen mit
dem spitzen Bleistift vor allem die Beratung zugedacht.
Die Prüfungsergebnisse legt der Bundesrechnungshof vor,
abwägen jedoch müssen die Politikerinnen und Politiker –
und damit entscheiden, was sinnvoll ist und was nicht.
Das Hauptgebäude des Bundesrechnungshofs an der Adenauerallee in Bonn

Sorgenfaktor Staatsverschuldung Neben der absoluten Summe der öffentlichen Schulden ist auch
die Schuldenstandsquote ein aussagekräftiger Wert über den
Zustand einer Volkswirtschaft. Das Verhältnis der Schulden zur
Nicht immer reichen das Steueraufkommen und die Einnah- Wirtschaftsleistung ist in Deutschland prozentual enorm hoch.
men aus anderen Abgaben aus, um die Staatsausgaben zu de- Lag die Schuldenstandsquote 2008 noch bei 66 Prozent des deut-
cken. Daher nimmt der Staat immer wieder auch Kredite auf – schen Bruttoinlandsprodukts, stieg sie zwischenzeitlich auf über
mit langfristigen Folgen für den Haushalt, denn diese Kredite 83 Prozent. Ende 2011 lag das Verhältnis von Schulden und Wirt-
sorgen in der Zukunft für weitere Ausgaben, nicht nur für die schaftsleistung immer noch bei 81,2 Prozent – und das, obwohl die
Schuldentilgung, sondern auch für die Zinsen. Obergrenze laut Maastricht-Vertrag bei 60 Prozent liegt. Damit die
Seit Bestehen der Bundesrepublik ist der Schuldenberg der Währung in den Euro-Ländern stabil bleibt, hatte sich die Europä-
öffentlichen Haushalte stetig gewachsen. Summierten sich die ische Union 1992 im Maastricht-Vertrag auf einige Grundpfeiler
Kredite Anfang der 1950er-Jahre noch im einstelligen Milliar- in der Haushaltspolitik geeinigt. Diese werden auch „Maastricht-
den-Bereich, belief sich die Verschuldung zum Jahresende 2011 Kriterien“ genannt. Die Schuldenquote des Staates darf demnach
auf über zwei Billionen Euro. Auf den einzelnen Einwohner nicht höher sein als 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP),
gerechnet sind das inzwischen knapp 25 000 Euro Staatsschul- und die jährliche Neuverschuldung darf in der Regel maximal drei
den; 1950 kosteten die öffentlichen Kredite den einzelnen Ein- Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen. Diese Defizitquote
wohner nur 190 Euro. spiegelt die Finanzierungslücken des Staates wider, also die Dif-

Haushaltsgrundsätze gestellt und in einem Haushaltsgesetz Fälligkeitsprinzip: Im Haushalt dürfen


festgeschrieben. nur Ausgaben veranschlagt werden,
Öffentliche Haushalte werden nach be- die im Haushaltsjahr voraussichtlich
stimmten Grundsätzen aufgestellt. Diese Grundsatz der Vorherigkeit: Der Haus- fällig werden.
sind im Grundgesetz, im Haushalts- halt muss als Gesetz beschlossen und
grundsätzegesetz und in der Bundeshaus- im Bundesgesetzblatt veröffentlicht sein, Grundsatz des Bruttoprinzips: Alle Ein-
haltsordnung geregelt. bevor das betreffende Haushaltsjahr nahmen und alle Ausgaben müssen in
beginnt. voller Höhe eingestellt werden. Es dürfen
Grundsatz der Einheit und Vollständigkeit: also weder Ausgaben von Einnahmen
Alle Einnahmen und alle Ausgaben Bepackungsverbot: In das Haushaltsge- vorab abgezogen werden noch Einnahmen
müssen in den Haushalt eingestellt werden. setz dürfen nur Vorschriften aufge- auf Ausgaben angerechnet werden.
Verkürzt gesagt – es darf bis auf ganz nommen werden, die sich auf Einnahmen Damit soll die Zusammensetzung der ein-
bestimmte Ausnahmen (Sondervermögen, und Ausgaben im beschlossenen Zeit- zelnen Positionen transparent gehalten
Bundesbetriebe) keine „Nebenhaus- raum beziehen. werden.
halte“ geben.
Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Grundsatz der Einzelveranschlagung:
Grundsatz des Haushaltsausgleichs: Der Sparsamkeit: Wirtschaftlich haushal- Alle Einnahmen müssen nach dem
Haushaltsplan ist in Einnahmen und ten heißt, ein bestimmtes Ergebnis mit Entstehungsgrund und alle Ausgaben
Ausgaben auszugleichen. Für den Gesamt- geringstmöglichen Mitteln zu erzie- nach Zwecken getrennt festgeschrie-
betrag der Ausgaben muss die erfor- len – oder mit einem bestimmten Einsatz ben werden.
derliche Deckung ausgewiesen werden – finanzieller Mittel das bestmögliche
sei es über Steuereinnahmen oder auch Ergebnis zu erreichen. Grundsatz der Haushaltswahrheit und
Kredite. Haushaltsklarheit: Im Haushalt dürfen
Grundsatz der Gesamtdeckung: Alle keine Unklarheiten bestehen, nichts darf
Jährlichkeitsgrundsatz: Der Haushalts- Einnahmen dienen grundsätzlich zur offen gelassen werden.
plan wird nach Jahren getrennt auf- Finanzierung aller Ausgaben.

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Regieren nach Zahlen: Haushalt und Kontrolle 59

Schulden des öffentlichen Gesamthaushalts

Wertpapierschulden und Kredite Kassenkredite beim nicht-öffent-


Insgesamt je Einwohner
Körperschaftsgruppe beim nicht-öffentlichen Bereich lichen Bereich

in Millionen Euro in Euro

Insgesamt 2 011 677 1 951 285 60 392 24 607

Bund 1 287 460 1 271 204 16 256 15 749

Länder 600 110 595 180 4930 7341

Gemeinden/Gemeindeverbände 123 569 84 363 39 206 1629

Sozialversicherung 539 539 0 7

Schulden der Länder und Gemeinden/Gemeindeverbände nach Ländern

Baden-Württemberg 64 976 64 662 314 6044

Bayern 43 197 42 802 396 3451

Brandenburg 22 036 20 956 1080 8788

Hessen 51 811 46 929 4882 8544

Mecklenburg-Vorpommern 12 227 11 723 504 7426

Niedersachsen 67 009 62 163 4846 8448

Nordrhein-Westfalen 219 258 197 331 21 927 12 283

Rheinland-Pfalz 41 334 35 123 6211 10 316

Saarland 14 539 12 578 1961 14 257

Sachsen 10 103 10 055 48 2432

Sachsen-Anhalt 24 244 23 240 1005 10 340

Schleswig-Holstein 30 699 30 045 654 10 843

Thüringen 18 827 18 597 230 8401

Berlin 60 243 60 243 – 17 490

Bremen 18 053 18 004 50 27 372

Hamburg 25 120 25 092 28 14 119

Statistisches Bundesamt (Stand: 31. Dezember 2010)

Quelle: Eurostat © Bergmoser + Höller Verlag AG, Zahlenbild 715 542 (Stand: April 2012)

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60 Steuern und Finanzen

Die Staatsschuldenkrise in der Europäischen Union

Im Jahr 2012 steht die Euro-Zone im Zen- verschiedene Staaten ihr Wachstum die 17 Euro-Länder vertraglich auf einen
trum der schwersten Krise, die es seit durch Schulden finanziert. dauerhaften Krisenfonds, den Euro-
Einführung der Gemeinschaftswährung 2010 nahm die Schuldenkrise ihren Lauf, päischen Stabilisierungsmechanismus
gab. Die Situation in mehreren Euro- als die griechische Regierung die Schät- (ESM). Nach mehreren Klagen machte
ländern ist prekär: Die Staatsverschuldung zung ihres Staatsdefizits prozentual um das Bundesverfassungsgericht im Sep-
ist hoch, das Vertrauen der Finanz- mehr als das Doppelte nach oben kor- tember 2012 auch für den Deutschland
märkte fehlt, wodurch die öffentliche Hand rigierte. Die Kreditwürdigkeit des Landes den Weg frei, dem ESM beizutreten –
weniger Kredite bekommt. Denn wenn sank, die EU beschloss, dem Land selbst allerdings mit der Maßgabe, dass mit
ein Staat hoch verschuldet ist, muss er sich Kredite zu gewähren. Im Gegenzug musste der vertraglich festgelegten Haftungs-
Geld leihen, um zahlungsfähig zu sich Griechenland schon damals ver- beschränkung die deutschen Zahlungs-
bleiben. Je höher aber der Schuldenstand pflichten, hart zu sparen. verpflichtungen der Höhe nach be-
eines Landes ist, desto mehr Zinsen for- Immer wieder diskutierte die EU neue grenzt sind und dass Bundestag und
dern die Banken auf das geliehene Geld – Lösungsansätze. Schließlich gründeten Bundesrat über sämtliche Vorgänge
auf diese Weise entsteht ein Teufels- die Euro-Finanzminister 2010 die Euro- des Fonds informiert werden. Im Gegen-
kreis von Schulden. Das gilt nicht nur für päische Finanzstabilisierungsfazilität satz zum aktuellen Rettungsschirm
das krisengeschüttelte Griechenland. (EFSF) – besser bekannt als Euro-Rettungs- wird der neue Fonds auch mit einer Bar-
Auch Portugal stehen wirtschaftlich schirm. Das Bild des aufgespannten einlage ausgestattet. Dem ESM dient
schwierige Zeiten bevor, und das spanische Schirms passt allerdings nicht ganz, denn das eingezahlte Kapital als Sicherheit,
Haushaltsdefizit betrug 2011 knapp die EFSF ist eine eigenständige Gesell- um am Markt die Mittel aufnehmen
neun Prozent. schaft und kann Geld am Kapitalmarkt zu können, die er für die Vergabe etwa-
Die Staatsschulden werden sich in der aufnehmen – mit den Euroländern als iger Finanzhilfen benötigt. Festgelegt
gesamten Eurozone vorerst nicht spür- Bürgen. Ursprünglich war die EFSF auf ein ist, dass der ESM nur dann Geld verleiht,
bar verringern: Im Jahr 2011 belief sich der Volumen von 440 Milliarden Euro aus- wenn die Krise des betroffenen Landes
Schuldenstand aller Euroländer auf gelegt. Als die Krise eskalierte, wurden die die gesamte Eurozone gefährdet. Zudem
knapp 8,3 Billionen Euro. Dabei handelt Mittel auf 780 Milliarden Euro aufge- muss sich der jeweilige Staat verpflich-
es sich um eine Schuldenkrise, die nicht stockt. Eigentlich sollte der Schirm nur ten, seinen Haushalt auf Vordermann
unbedingt der Währung, sondern vielmehr vorübergehend aufgespannt sein. Als zu bringen und Wirtschaftsreformen
dem Haushaltsverhalten einiger Staa- sich jedoch zeigte, dass eine Hilfskonstruk- einzuleiten.
ten zuzuschreiben ist. Viel zu lang haben tion nicht reichen würde, einigten sich Die Probleme durch Staatsschulden, die
innerhalb von Jahren angehäuft
wurden, werden sich nicht innerhalb von
kürzester Zeit lösen lassen. Die Regie-
rungen der Euro-Staaten setzen daher
inzwischen verstärkt auf finanzpoliti-
sche Disziplin: Ein Fiskalpakt wurde ver-
einbart, den bis auf Großbritannien
und Tschechien alle EU-Regierungschefs
unterzeichnet haben. Der Vertrag ver-
pflichtet die Länder, eine verbindliche
Schuldenbremse im nationalen Recht
einzubauen und insgesamt mehr Haus-
haltsdisziplin zu üben. Der Europä-
ische Gerichtshof kann überprüfen, ob die
einzelnen Länder den Fiskalpakt um-
setzen – und dessen Nichtachtung mit
einer Strafzahlung von 0,1 Prozent
des Bruttoinlandsprodukts sanktionieren.
Euroländer, die Hilfen aus dem ESM in
Anspruch nehmen wollen, müssen nach
Ablauf der entsprechenden Fristen
den Fiskalvertrag ratifiziert und umge-
setzt haben.
Der Fiskalpakt soll 2013 in Kraft treten,
sofern ihn bis dahin zwölf Euro-Länder
ratifiziert haben. Allerdings ist der politi-
sche Widerstand in einigen Mitglied-
ländern noch groß. Anfang September
hatten erst sieben Euro-Staaten (Grie-
chenland, Irland, Italien, Österreich,
Quelle: EU-Kommission, EZB © dpa 14488 rundungsbedingte Differenz Portugal, Slowenien, Zypern) den Fiskal-
pakt ratifiziert.

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Regieren nach Zahlen: Haushalt und Kontrolle 61

ferenz zwischen Einnahmen und Ausgaben. Die Differenz wird Sparen konjunkturschädlich sei. Die strukturellen Defizite im
am Bruttoinlandsprodukt (in den jeweiligen Preisen) gemessen. Haushalt – also die Löcher, die auch ohne die Wirtschaftskrise
Die aktuelle Zunahme der Staatsverschuldung ist zum Teil der da wären – beruhen demnach darauf, dass der Staat in guten
Wirtschafts- und Finanzkrise geschuldet. Zum Teil ist es aber Zeiten das Spargebot nicht wirklich ernst nimmt. Dies könne
auch ein Streit unterschiedlicher Auffassungen von Finanz- man in wirtschaftlich besseren Zeiten immer daran erkennen,
politik. Hierin liegt eine Gratwanderung für jeden Politiker, dass die dann bessere Haushaltslage nicht zum Anlass genom-
der dafür gewählt worden ist, gesellschaftliche Prioritäten zu men werde, um Schulden abzubauen. Mancher Wissenschaft-
setzen – und nicht unbedingt dafür, einen öffentlichen Haus- ler geht sogar so weit, dass Schulden nicht per se schlecht sei-
halt zu sanieren und Steuergelder auf die hohe Kante zu legen. en; es hänge nur davon ab, wann man sie mache – und wofür.
Auch das Sparen selbst ist unter Expertinnen und Experten Eine schwierige Strategie: sparen, aber eben nicht nur, wenn
immer wieder umstritten: Die einen fordern das Sparen als es die Not erfordert. Ohne Hektik, sondern mit langem Atem,
unbedingte Notwendigkeit ein, die anderen halten Sparpoli- gewissermaßen als haushalterisches Prinzip, damit die öffent-
tik nicht für die Lösung, sondern für ein weiteres Problem, da lichen Kassen nicht auf Dauer aus dem Ruder laufen.

Die deutschen Schuldensünder der Länderfinanzminister und des Bundes- rungsunion gerettet werden, sagt die Kanz-
finanzministers, die Haushaltslage der lerin in jeder Rede. Wer die Regeln bre-
„Stabilität“ ist in Europa die Forderung der Länder und des Bundes. […] che, müsse mit „Sanktionen“ und „auto-
Stunde. Die notorischen Schuldensünder „Stabilitätsrat“ und „Schuldenbremse“ matischen Konsequenzen“ rechnen.
der Euro-Zone müssten die „deutsche Sta- sind Begriffe, die man inzwischen euro- Aber all die strengen Konsequenzen, die
bilitätskultur“ übernehmen, sagen paweit kennt. Deutschland exportiert seine Merkel für Europa fordert, fehlen in
Berliner Politiker gern. Bei ihrem Gipfel- Vorstellungen von solider Finanzpolitik, Deutschland. Der Stabilitätsrat darf zwar
treffen […] [vom 9. Dezember 2011, Anm. so wie es sonst solide Autos und Maschinen rote Zahlen aufschreiben und allerlei
d. Red.] in Brüssel haben die Staats- und exportiert. Die Beschlüsse auf dem EU- Warnungen aussprechen, nur eines darf
Regierungschefs der Euro-Zone daher Gipfel seien der „Durchbruch zu einer er nicht: sanktionieren und durchgrei-
vereinbart, dass in der Währungsunion Stabilitätsunion“, triumphierte die Kanzle- fen. Anders als die „Troika“ in Europa
bald ähnliche Haushaltsregeln gelten rin nach der Verhandlungsnacht von schickt er auch keine Finanzexperten, um
sollen wie in Deutschland. Es soll Schulden- Brüssel. Was Angela Merkel nicht sagte: an Ort und Stelle Sanierungsfortschritte
bremsen geben und Sanktionen, wenn dass viele Länder im deutschen Bundes- zu prüfen. Souveräne Staaten in Europa
ein Land sich nicht an die Regeln hält. staat gegen alle Stabilitätsregeln verstoßen. müssen sich das gefallen lassen. Aber
Überall soll es so stabil zugehen wie in Sie sind die deutschen Griechenländer. nicht deutsche Bundesländer. […]
der Bundesrepublik […]. Staaten müssen sich strenge Kontrollen Doch anders als die Euro-Staaten muss
Der Haken daran ist nur: […] wenn man gefallen lassen – Bundesländer nicht. […] kein Bundesland fürchten, pleitezuge-
sich […] auf die Suche nach der „deut- Und überall steigt die Verschuldung hen. Es wird vom Bund aufgefangen. In ei-
schen Stabilitätskultur“ begibt – dann wird nach wie vor an. Jeder fünfte Euro, den ner „extremen Haushaltsnotlage“, so
schnell klar, wie instabil es hierzulande Bremen in diesem Jahr ausgibt, wird hat es das Bundesverfassungsgericht ent-
aussieht. Bremen, Berlin, das Saarland und nicht über Steuern finanziert, sondern schieden, hätte es Anspruch auf Hilfe.
Schleswig-Holstein stehen ganz offiziell über neue Kredite. Im Saarland ist es Deshalb profitieren alle Länder, selbst die
vor der Pleite. Ihnen droht eine „Haushalts- jeder siebte Euro. Die Länder leben weiter hoch verschuldeten, von der Kreditwür-
notlage“, wie der Stabilitätsrat festge- auf Pump – wie schon seit Jahrzehnten. digkeit des Bundes. Ihre Bonität wird von
stellt hat. Anfang der neunziger Jahre erklärten sich Rating-Agenturen mit Spitzennoten be-
Deutschland mag in Europa als Muster- Bremen und das Saarland bereits für wertet. Auch das nimmt den Druck beim
land gelten. Tatsächlich aber ringen praktisch pleite. Sie forderten Hilfe, klag- Schuldenabbau. […]
die Deutschen in den eigenen Reihen mit ten vor dem Bundesverfassungsgericht Selbst die finanziell stärkeren Länder
notorischen Schuldensündern, die seit und bekamen Sonderzuschüsse in zwei- sind bisher nicht wirklich auf Sparkurs.
Jahrzehnten auf Pump leben – und die da- stelliger Milliardenhöhe. Die sollten Eine Studie des Rheinisch-Westfälischen
rauf setzen, dass ein anderer ihre Rech- ihnen helfen, ihre Schulden abzubauen. Instituts für Wirtschaftsforschung
nungen begleicht. Ihre Schulden sind ge- Doch geschehen ist das Gegenteil: Die zeigt: Von den 16 Bundesländern haben
wachsen, ohne dass irgendeine Instanz Schulden wurden nicht kleiner, sondern bisher nur zwei – Sachsen und das Saar-
das verhindert hätte. größer. Bremen stand 2004, nach zehn land – ausreichende Schritte unternom-
Deutschland taugt bei der Schuldenbe- Jahren Sanierung, mit 12 statt 9 Milliarden men, ihre Verschuldung planmäßig
kämpfung daher kaum als Vorbild. Es Euro in der Kreide. Die Finanzhilfen – abzubauen. Statt in guten Zeiten zu sparen,
ist kein Lehrmeister, sondern selbst ein im Fall Bremens stolze 8,5 Milliarden Euro – geben die meisten lieber weiter Geld aus,
Anfänger. waren ein Schlag ins Wasser. weil die Steuern gerade reichlich fließen.
Eigentlich soll die im Grundgesetz fest- In der Bundesrepublik stellt sich daher Die Schuldenbremse ist also keine
geschriebene Schuldenbremse verhin- ähnlich wie in Europa die Frage: Wie Schuldenverhinderungsbremse – sondern
dern, dass die Haushaltsdefizite immer kann man hoch verschuldeten Ländern bestenfalls eine Schuldenanstiegsverzöge-
größer werden. Von 2020 an sollen die helfen – und gleichzeitig verhindern, rungsbremse. […]
Bundesländer ohne neue Schulden aus- dass sie weiter über ihre Verhältnisse le-
Marc Brost / Kolja Rudzio, „Unsere Griechenländer“, in: Die Zeit
kommen. Zusätzlich überwacht der ben? Für Europa scheint der Fall klar. Nr. 51 vom 15. Dezember 2011. Online unter: http://www.zeit.
Stabilitätsrat, ein gemeinsames Gremium Nur mit strikten Regeln könne die Wäh- de/2011/51/Deutsche-Griechen (Stand: Juli 2012)

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62 Steuern und Finanzen

Literaturhinweise

Broschüren Weiterführende Literatur


Bundesministerium der Finanzen (Hg.): Steuern von A-Z. Ausgabe 2011, Brügelmann, Ralph / Fuest, Winfried: Reform der Gemeindefinanzen.
Berlin 2012, 176 S. Ein Vorschlag zum Ersatz der Gewerbesteuer, IW-Positionen 49, Köln
2011, 40 S.
Bundesministerium der Finanzen (Hg.): Die wichtigsten Steuern im in-
ternationalen Vergleich 2011, Berlin 2012, 64 S. Kirchhof, Paul (Hg.): Bundessteuergesetzbuch. Ein Reformentwurf zur
Erneuerung des Steuerrechts, Heidelberg 2011, 1286 S.
Deutscher Bundestag (Hg.): Fakten: Der Bundestag auf einen Blick. Ber-
lin 2012, 56 S. NWB Redaktion (Hg.): Wichtige Steuergesetze mit Durchführungsver-
ordnungen, Herne/Berlin 2012, 829 S. (fortlaufend)
Deutscher Bundestag (Hg.): Parlamentsdeutsch. Lexikon der parlamen-
tarischen Begriffe, 17. WP, Berlin 2011, 79 S. Schaumburg, Heide / Schmidt-Troje, Jürgen: Der Steuerrechtsschutz,
Köln 2008, 503 S.
Herden, Ingrid u. a.: Steuertipps für alle Steuerzahlenden, hg. vom Finanz-
ministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 2012, 52 S. Schneider, Josef u. a.: Lexikon des Steuerrechts, Stuttgart 2008, 643 S.
dies. u. a.: Steuertipps für Schülerinnen, Schüler und Studierende, hg. vom Schultz, Uwe (Hg.): Mit dem Zehnten fing es an. Eine Kulturgeschichte
Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 2012, 10 S. der Steuer, München 1992, 300 S.
Klocke, Isabel: Steuertipps für Arbeitnehmer von A bis Z, hg. vom Bund Voß, Reimer: Steuern im Dritten Reich, München 1995, 290 S.
der Steuerzahler Deutschland e. V., Berlin 2012, 37 S.

Internetadressen

http://www.gesetze-im-internet.de/ http://www.bundesfinanzhof.de
Sämtliche Gesetze und Verordnungen im aktuellen Originaltext Internetportal des obersten deutschen Steuergerichts
http://www.destatis.de www.stabilitaetsrat.de
Portal des Statistischen Bundesamtes mit Zahlen und Fakten zu öffent- Seit einiger Zeit überwacht der Stabilitätsrat die Haushalte von Bund
lichen Finanzen und Steuern und Ländern. Hier muss jedes Land und der Bund einen Bericht vorle-
gen, der auch online zugänglich ist.
http://www.bundesfinanzministerium.de
Internetauftritt des Bundesfinanzministeriums http://www.steuernetz.de/aav_steuernetz/home/
Steuernetz – die Online-Zeitung mit Nachrichten und Urteilen rund um
http://www.finanzamt.de
Steuern
Informations- und Service-Angebot der Landesfinanzverwaltungen
http://www.datev.de/lexinform/0435920
http://www.elster.de
Die DATEV, die Genossenschaft der Steuerberater, sammelt auf ihren In-
Das Portal der elektronischen Steuererklärung
ternetseiten kuriose Steuern in deutschen Städten und Gemeinden.
http://www.marktplatz-steuern.de
Portal zu wichtigen Internetseiten zum Thema Steuern
Steuerblogs
http://ec.europa.eu/taxation_customs/index_de.htm
http://www.steuertipps.de/blog/
Die Internetseiten der Europäischen Kommission zu den Themen Steu-
Die Steuerblogger: Steuerblog des Fachverlags Wolters Kluwer
ern und Zoll
http://blog.handelsblatt.com/steuerboard/
http://www.steuerbar.de
Handelsblatt Steuerboard: Hier bloggen namhafte Steuerexperten
Internetseite des Bunds der Steuerzahler für Jugendliche mit Tipps und
Hinweisen rund um die erste Steuererklärung http://www.steuerrechtblog.de/
Juristen-Blog mit vielen nützlichen Links
http://www.bdl-online.de/
Internetauftritt des Bundesverbandes der Lohnsteuerhilfevereine mit http://www.steuer-saetze.de
zahlreichen Steuerinformationen und Tipps Steuerblog der Fachjournalistin und Autorin Constanze Hacke

Informationen zur politischen Bildung Nr. 288/2012


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Die Autorin

Constanze Hacke arbeitet in Köln als Wirtschaftsjournalistin, Dozentin ge und trockene Themen zu verstehen, zu erklären sowie verständlich
und Moderatorin für Hörfunk, Printmedien, Fachverlage, öffentliche und anschaulich zu machen. Ende 2011 ist ihr Buch „Selbstständig und
Auftraggeber und Unternehmen. Seit mehr als einem Jahrzehnt ist sie dann? Wie Freiberufler langfristig erfolgreich werden“ im Wiley-VCH
unter dem Motto „Wirtschaft – leicht gemacht!“ erfolgreich selbständig Verlag erschienen. Im Frühjahr 2013 folgt der Ratgeber „Steuern leicht
und hat sich vor allem im Bereich Steuern als Expertin einen Namen gemacht. Erste Hilfe für Selbstständige“ im gleichen Verlag.
gemacht. Weitere Schwerpunkte ihrer Arbeit liegen in den Bereichen
Recht, Finanzen, Wirtschaftspolitik, Mittelstand und Management. Als
Fachjournalistin sieht sie ihre Aufgabe darin, komplexe Zusammenhän- Kontakt: www.c-hacke.de

Impressum

Herausgeberin: Redaktionsschluss dieser Ausgabe:


Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, Adenauerallee 86, 53113 Bonn, September 2012
Fax-Nr.: 02 28/99 515-309, Internetadresse: www.bpb.de/izpb
Text und Fotos sind urheberrechtlich geschützt. Der Text kann in Schulen
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zu Unterrichtszwecken vergütungsfrei vervielfältigt werden.
Redaktion: Der Umwelt zuliebe werden die Informationen zur politischen Bildung
Christine Hesse (verantwortlich/bpb), Jutta Klaeren, Cornelius Strobel auf chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt.
(Volontär)

Außenredaktion und -lektorat:


Tim Schmalfeldt, Berlin

Redaktionelle Mitarbeit:
Nadine Düe, Marburg

Titelbild: Anforderungen
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bitte schriftlich an
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Kastanienweg 1, 18184 Roggentin
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zwischen 8.00 Uhr und 16.00 Uhr und freitags zwischen 8.00 Uhr und 15.00
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vierteljährlich
ISSN 0046-9408, Auflage dieser Ausgabe: 50 000

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