Landefeld, Autokonzerneigentümer
Landefeld, Autokonzerneigentümer
1 Wenn nicht anders angegeben, sind die Homepages der Firmen die Quelle für Zahlen und Fakten.
2 „Bedeutung der Autoindustrie für Deutschland nimmt zu“, reuters.com 14.9.2017
3 Vgl. Beate Landefeld: Zur Struktur der herrschenden Klasse, in: Marxistische Blätter 6-2011, S. 100-
4 Die Auto-Union (Audi, DKW, Horch, Wanderer) gehörte ab 1931 der Sächsischen Landesbank. Vor
dem 2. Weltkrieg war sie mit 22% Umsatzanteil bei PKWs zweitgrößter Automobilproduzent nach der
Adam Opel AG (41%), zur Zeit der Übernahme durch Daimler-Benz 1958 noch an 5. Stelle nach VW,
Opel, Daimler-Benz und Ford. Daimler-Benz verkaufte sie 1964 an VW. NSU wurde 1969 einverleibt.
5 Hamburger Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts (Hrsg.): Das Daimler-Benz Buch. Ein
8 „Daimler und Chrysler – Hochzeit des Grauens“, Süddeutsche Zeitung 17.5.2010; „Deutschland statt
Daimler – EADS sortiert sich neu“, Der Tagesspiegel 6.12.2012
9 Ab der Schwelle von 3 Prozent besteht die Pflicht zur Stimmrechtsmitteilung. Ebenso bei Erreichen
von 5, 10, 15, 20, 25, 30, 50 und 75 Prozent, teilweise verbunden mit weitergehenden Erklärungen.
10 Dabei handelt es sich um eine Mantelfirma Li Shufus, des Chefs von Geely (VR China).
11 Die geografische Streuung war: 31 Prozent Deutschland; 28,9 Prozent Europa ohne D; 18,9 Pro-
zent USA; 6,8 Prozent Kuwait; 11,9 Prozent Asien; 2,5 Prozent sonstige Erdteile.
12 „Deutlich mehr Aktionäre auf Hauptversammlungen“, Spiegel Online 25.05.2018.
kooperieren, auf einem anderen Feld mit Konzern C gegen Konzern B. Unter den in-
stitutionellen Investoren finden sich die Investmentfonds privater und staatlicher Fi-
nanzkonzerne, die in der Regel in alle DAX-Titel investieren. Private Kleinanleger
sind auf Hauptversammlungen häufig durch Aktionärsvereinigungen vertreten. Aufre-
gung verursachte der neue Großaktionär aus China, von dem die Wirtschaftspresse
munkelte, er habe sich mit verdeckten Zukäufen 2017 an die 9,7 Prozent „herange-
schlichen“ und niemand wisse, was er vorhabe. Die Bafin untersucht das.13
BMW
Die BMW AG entstand während des ersten Weltkriegs aus den Vorläufern Flugma-
schinenwerke Gustav Otto und Rapp Motorenwerke. Als Rüstungslieferant stieg
BMW bis Kriegsende zu einem der größten deutschen Flugmotorenwerke mit 3500
Mitarbeitern auf. Nach dem Krieg richtete der BMW-Großaktionär und zeitweilige Auf-
sichtsratsvorsitzende Camillo Castiglioni14 die Firma auf den Bau von Motorrädern
aus. Mit der Übernahme der Fahrzeugfabrik Eisenach 1928 wurde BMW Autobauer.
Castiglioni, der sich verspekuliert hatte, musste seine BMW-Anteile 1929 an Groß-
banken abgeben, darunter an die Deutsche Bank, die schon 1925 Emil Georg von
Stauß zum Aufsichtsratsvorsitzenden gemacht hatte. Nach 1933 wurde die Auto-
sparte wieder zum Nebenzweck. Hitlers Kriegspläne verschafften der Flugmotorenin-
dustrie einen Aufschwung, an dem auch BMW partizipierte. Durch Übernahmen und
neue Werke wuchs der Flugmotorenbau auf 90 Prozent des Gesamtumsatzes. Der
Umsatz stieg von 32,5 Millionen Reichsmark 1933 auf 750 Millionen 1944. Über 50
Prozent der 56000 Beschäftigten waren Zwangsarbeiter. Auch KZ-Häftlinge, zum Teil
untergebracht in einem Außenlager des KZ Dachau, mussten für BMW schuften.15
1945 war das Stammwerk in München zerstört. Der Fahrzeugbau Eisenach lag in der
sowjetisch besetzten Zone. In München wurden zunächst Motorräder, Kochtöpfe und
Bremsen produziert, später auch Autos, aber mit Verlust. Als der Motorradabsatz
nachließ, geriet BMW in eine Finanzkrise. Die Deutsche Bank wollte BMW an Daim-
ler angliedern. Das blockierten auf der Hauptversammlung 1959 aktivistische Klein-
aktionärsvertreter. 1960 trat der Unternehmer Herbert Quandt als BMW-Sanierer auf
den Plan. Er und sein Bruder Harald hatten 1954 ein Konglomerat von Firmenbeteili-
gungen geerbt, die ihr Vater hinterließ. Die Brüder waren bereits Großaktionäre bei
Daimler, bevor Herbert Quandt mit 60 Prozent die Kontrolle bei BMW erwarb.16
Der Erblasser Günther Quandt war als Großaktionär des Batterie- und Akkumulato-
ren-Konzerns AFA und anderer Betriebe aufgestiegen. In Hannover-Stöcken und an-
deren Werken setzte auch er ab 1943 Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge ein. Er hatte
Hitlers Aufstieg unterstützt, war 1937 Wehrwirtschaftsführer geworden und pflegte
gute Kontakte zum NS-Regime. Seine geschiedene Frau Magda heiratete Goebbels.
Seine Verstrickung mit dem Nazi-Regime war für Quandt nach 1945 kein Hindernis,
seine Werke weiterzuführen. Die westlichen Siegermächte gaben der Wiederauf-
nahme der Produktion Vorrang vor einer Säuberung der Wirtschaftselite.17
zerns“, http://news.dkp.suhail.uberspace.de/2015/04/bmw-aus-freude-am-fahren/
16 „BMW-Sanierung. Der Krebs“, Der Spiegel 49-1960, S. 46-49
17 Rüdiger Jungbluth, Die Quandts und die Nazis, DIE ZEIT, 15.11.2007 Nr. 47
BMW war in den Jahrzehnten nach 1945 erfolgreich als Hersteller von Mittelklasse-
wagen und Motorrädern. Mit Borgward ging 1961 ein Konkurrent in Konkurs. 1967
übernahm BMW den Autohersteller Hans Glas GmbH. 1970-1993 wuchs die Be-
schäftigtenzahl von 23000 auf 71000. Mit der Übernahme der Klöckner Humboldt
Deutz AG stieg BMW 1990 wieder in die Luftfahrtsparte ein. Sie ging in das Joint
Venture BMW Rolls-Royce AeroEngines ein und wurde 2000 von Rolls Royce über-
nommen, nachdem sich BMW an der britischen Rover Group überhoben hatte, die
als Verlustbringer wieder abgestoßen werden musste. Heute ist BMW in 14 Ländern
mit Montage- und Fertigungswerken vertreten, in 140 Ländern mit seinem Händler-
Netzwerk. Die Eigentümerstruktur des Konzerns ist laut BMW-Homepage wie folgt:
Streubesitz 53,2 Prozent
AQTON SE, Bad Homburg v. d. Höhe 9 Prozent
AQTON GmbH & Co. KG für Automobilwerte Bad Homburg v. d. Höhe 16,6 Prozent
Susanne Klatten Beteiligungs- GmbH, Bad Homburg v. d. Höhe 20,7 Prozent
Susanne Klatten 0,2 Prozent
Stefan Quandt 0,2 Prozent
Danach verfügen die Geschwister Stefan Quandt und Susanne Klatten als Kinder
Herberts und Enkel Günther Quandts mit ihren Beteiligungsgesellschaften über 46,8
Prozent der Anteile. Der Rest ist Streubesitz. Auf der Hauptversammlung 2018 waren
79,84 des stimmberechtigten Grundkapitals vertreten. 40 Prozent der Anteile hätten
für die Mehrheit gereicht. Die Abstimmungen folgten den Empfehlungen der Konzern-
spitze mit Ergebnissen zwischen mindestens 78,69 Prozent beim Tagesordnungs-
punkt Vergütung der Vorstandsmitglieder und höchstens 99,96 Prozent.
Stefan Quandt und Susanne Klatten nahmen 2018 Platz 1 auf der Liste der 1000
reichsten Deutschen ein. Sie halten Beteiligungen und bekleiden Aufsichtsratssitze in
zahlreichen Firmen.18 Daneben betreiben sie mehrere Stiftungen, wie etwa die Jo-
hanna Quandt Stiftung, deren Zweck es ist, „das Verständnis für die marktwirtschaftli-
che Ordnung und die Bedeutung des privaten Unternehmertums als Träger der wirt-
schaftlichen Entwicklung in der Öffentlichkeit und den Medien zu fördern.“19 Reiche
senken mit Stiftungen ihre Steuern. Über den Einsatz der Mittel, die sie dem Staat
damit vorenthalten, können sie so selbst bestimmen.
VW
Anlässlich der Internationalen Automobil- und Motorrad-Ausstellung in Berlin 1934
trat Hitler für die Entwicklung eines für die Massen erschwinglichen, einfachen PKW
ein. Den Auftrag zum Bau eines Prototyps vergab der Reichsverband der Deutschen
Automobilindustrie an das Konstruktionsbüro Ferdinand Porsche, Stuttgart. Da die
Autoindustrie kein Interesse hatte, ein 1000-Reichsmark-Auto zu subventionieren,
wurde die Deutsche Arbeitsfront (DAF), Ersatzorganisation der von den Nazis zer-
schlagenen Gewerkschaften, beauftragt. Sie verwendete das 1933 beschlagnahmte
Gewerkschaftsvermögen für den Bau einer großen Automobilfabrik auf ländlichem
Gelände in Niedersachsen. Dort sollte der KdF-Wagen (benannt nach der Nazi-
20 Hans Mommsen / Manfred Rieger, Das Volkswagenwerk und seine Arbeiter im Dritten Reich, Düs-
seldorf 1996, S. 198ff., S. 251ff.
21 H. Leyendecker / K. Ott, Porsche-Chef Wendelin Wiedeking – Geschichte „mangelhaft“, Süddeut-
2008, S. 24-28
(1955), Südafrika (1966) wurden gebaut oder übernommen. Kurz nach Beginn der
Öffnungspolitik der VR China vereinbarte VW 1984 sein erstes Joint Venture mit ei-
nem chinesischen Autobauer und wurde in China Marktführer. Im Vorfeld des EU-
Binnenmarkts übernahm VW 1986 den spanischen Autobauer SEAT. Ab 1990 er-
warb VW Anteile an Skoda in Tschechien, um die Firma 2000 zu übernehmen.
1993 wurde Ferdinand Piech, der Sohn Anton Piechs und Enkel Ferdinand Por-
sches, Vorstandsvorsitzender von VW. Zuvor war er im Management der VW-Toch-
ter Audi zum Vorstandsvorsitzenden aufgestiegen. Als VW-Chef trieb er die schritt-
weise Übernahme der Lastwagenbauer MAN und Scania (Schweden) voran, um aus
ihnen perspektivisch eine VW-Truck-Sparte zu formen. Mit der Übernahme von Bent-
ley 1997 durch VW und Lamborghini 1998 durch Audi forcierte Piech zugleich einen
Einstieg in das Luxussegment.
2002 wechselte Piech vom Vorstandsvorsitz zum Aufsichtsratsvorsitz der VW AG,
den er bis 2015 innehatte. Zugleich gehörte er dem Aufsichtsrat der Porsche AG an.
2005 erwarb diese 21 Prozent der VW-Stammaktien. Bis 2008 baute sie ihren Anteil
auf 42,6 Prozent aus. Daneben hatte sie sich Optionen auf weitere 31,5 Prozent ge-
sichert. Als die Porsche AG 2009 einen fälligen Kredit nicht ablösen konnte, half VW.
Im Ergebnis wurde Porsche von VW, statt VW von Porsche übernommen. Zugleich
aber besaß der Porsche/Piech-Clan über die 2007 gegründete Porsche Holding SE
die Mehrheit an VW. Sämtliche stimmberechtigten Stammaktien der Holding gehören
den Familien Porsche und Piech. 2015 gab Piech den Aufsichtsratsvorsitz ab.
2017 verkaufte er seine Aktien an die Familien Porsche und Piech. Sie wurden so
aufgeteilt, dass die Machtbalance zwischen dem Porsche- und dem Piech-Zweig er-
halten blieb. Die Regel, dass Aussteiger ihre Beteiligungen nur innerhalb des Clans
verkaufen, dient dem Machterhalt der Dynastie im Konzern. Gegenwärtig (2018) ver-
teilen sich die stimmberechtigten Stammaktien bei VW wie folgt:
Porsche Automobil Holding SE, Stuttgart 52,2 Prozent
Land Niedersachsen, Hannover 20,0 Prozent
Qatar Holding LLC 17,0 Prozent
Streubesitz 10,8 Prozent
Der Porsche/Piech-Clan besitzt damit die kontrollierende Mehrheit. Mitbestimmungs-
klauseln des Betriebsrats und Niedersachsens, die trotz neoliberaler „Reform“ in der
abgeschliffenen Fassung des VW-Gesetzes noch erhalten werden konnten, schrän-
ken die Alleinherrschaft ein wenig ein. Im DAX werden seit 2009 die nicht stimmbe-
rechtigten VW-Vorzugsaktien gehandelt. Stamm- und Vorzugsaktien bilden zusam-
men das Grundkapital, an dem die Porsche Holding SE 30,8 Prozent, Katar 14,6 und
Niedersachsen 11,8 Prozent hält. Die Differenzierung zwischen Stämmen und Vorzü-
gen dient dem Zweck, mit einem Minimum an Kapital ein Maximum an Kontrolle aus-
zuüben und garantiert zugleich die Machtverhältnisse. Auf der aktuellen Liste der
1000 reichsten Deutschen hält Wolfgang Porsche den 6. Platz. Ferdinand Piech hält
Platz 10. Verwandte und Erben der beiden bekleiden Aufsichtsratsposten bei VW
und bei VW-Töchtern. Vier Clanmitglieder sitzen im Aufsichtsrat von VW, 30 in den
Aufsichtsgremien von Tochtergesellschaften, von denen wiederum vier, zusätzlich zu
VW, zu den 100 größten Konzernen Deutschlands gehören.23
Staat stützt private Kapitalanhäufung
In der Weltwirtschafts- und Finanzkrise federte der Staat 2009 die Überproduktion
der Autoindustrie mit Abwrackprämien und durch Erleichterung von Kurzarbeit ab.
Nach Auffliegen des Abgasbetrugs 2015, sperrten sich die Konzerne gegen Hard-
ware-Nachrüstungen der Autos geprellter Dieselfahrer. Eine staatliche Diesel-Ab-
wrackprämie für Neufahrzeuge bekamen sie diesmal nicht. Trotzdem gilt: Ob es um
die Verzögerung einer Produktionsquote für Elektroautos in China geht, um Verhand-
lungen in der EU über die Begrenzung des CO2-Ausstoßes, um das Umgehen von
Gerichtsurteilen für Fahrverbote – in der Regel engagiert sich der Staat so, dass die
Schonung der Profite der Autokonzerne Vorrang vor den gesundheitlichen Bedürfnis-
sen und dem Geldbeutel der Bürger hat. Kürzlich stellte die Regierung sogar den
Plan einer (zuvor lauthals geforderten) sogenannten „Digitalsteuer“ zurück, aus
Furcht, Donald Trump könne sich mit höheren Steuern auf Autoexporte rächen.
Suggeriert wird, es gehe uns allen gut, wenn es „der Wirtschaft“ gut geht. Real ent-
steht der Zwang zur Profitmaximierung aus der Konkurrenz kapitalistischer Privatei-
gentümer um die höchstmögliche Kapitalverwertung. Die Lohnabhängigen bekom-
men davon nur so viel ab, wie sie sich erkämpfen. Expansionsdrang und Aggressivi-
tät des Monopolkapitals führten in der Geschichte in zwei Weltkriege. Heute heizen
Sanktionen, Stellvertreterkriege und Interventionen gegen Länder, die sich der bedin-
gungslosen „Marktöffnung“ verweigern, erneut die Gefahr großer Kriege an. Die un-
gebremste Expansion der Autokonzerne nimmt die Vertiefung der ökologischen Krise
und Klimakatastrophen in Kauf. Permanente deutsche Exportüberschüsse bringen
neben Autos auch Arbeitsplatzvernichtung, Arbeitslosigkeit, Verschuldung und Spar-
programme in Länder, die in der monopolistischen Konkurrenz nicht mithalten kön-
nen. Das schiebt Autokrisen bei uns hinaus, hebt ihre Ursachen aber nicht auf.
Es ist absehbar, dass die Steuerung der Gesellschaft im Profitinteresse, zwecks Ver-
mehrung der Macht der Reichen zu immer größeren Verwerfungen führt und auf Pro-
teste in der Bevölkerung stößt, die sich in sehr unterschiedlichen Formen artikulieren.
Die Rücksichtslosigkeit und Brutalisierung des Profitmachens wachsen mit der Kon-
kurrenz, aber auch die Heftigkeit und Härte des Widerstands (siehe Frankreich).
Wenn heute in Talk-Shows mit besorgtem Stirnrunzeln über Gefahren einer „Spal-
tung der Gesellschaft“ räsoniert wird, ist zu fragen: Hat es je einen Kapitalismus ohne
Klassenspaltung, ohne den Gegensatz von Lohnarbeit und Kapital gegeben?
Zeigt nicht die Kapitalanhäufung in den Händen weniger Reicher seit 150 Jahren,
dass die Spaltung in Oben und Unten, in Ausbeutende und Lohnabhängige der öko-
nomischen Basis dieser Gesellschaft innewohnt und sich nur mit ihr nachhaltig ver-
ändern lässt? In die Klassenspaltung der Gesellschaft wurden wir hineingeboren. Nö-
tig aus Sicht der Lohnabhängigen ist es, Spaltungen innerhalb der Arbeiterklasse
und der nichtmonopolistischen Kräfte im gemeinsamen Kampf zu überwinden, um
die Macht des Monopolkapitals zu beschränken und perspektivisch abzuschaffen.