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Eigentums- und Machtverhältnisse bei Daimler, BMW und VW

Von Beate Landefeld


Von ehemals vielen deutschen Autoherstellern blieben drei, Daimler, BMW und VW
übrig. Die drei sind Weltkonzerne. Nach der Liste Fortune Global 500 für 2018 ist VW
der weltweit siebtgrößte Konzern überhaupt und der zweitgrößte Autokonzern nach
Toyota. Daimler belegt in der Branche den 3. Platz, den 16. bei allen Konzernen.
BMW hat Platz 8 bei den Autokonzernen und Platz 51 bei allen Konzernen, vor Sie-
mens (Platz 66). Daimler, BMW und VW überlebten andere Hersteller, indem sie sich
diese im Verlauf von 130 Jahren Konzentration und Zentralisation einverleibten, so-
fern nicht ein großer US-Monopolist ihnen zuvorkam, wie 1929 General Motors im
Fall der Opel AG. Schon in den 1950er und 1960er Jahren eröffneten Daimler-Benz,
BMW, VW Filialen in den USA, Lateinamerika, Südafrika. Die Schaffung des EU-Bin-
nenmarkts und die als „Globalisierung“ verklärte, gegenseitige Marktöffnung für die
monopolistische Konkurrenz in den 1990er Jahren machten die Bahn frei für Über-
nahmen in West- und Südeuropa. Chinas Öffnung 1978 und der Fall der Mauer 1989
ebneten den Weg für Joint Ventures und Investitionen in Osteuropa und Asien.1
Unter den 32 deutschen Konzernen, die zu den 500 größten der Welt zählen, sind
zudem große Zulieferer, wie Bosch, Continental, ZF Friedrichshafen. In Deutschland
belegen VW, Daimler, BMW nach Umsätzen die ersten drei Plätze. All das verweist
auf die überragende Bedeutung der Autoindustrie für die deutsche Volkswirtschaft.
Während in anderen europäischen Ländern das Gewicht der Autoindustrie zurück-
ging, stieg in der BRD von 2005 bis 2015 ihr Anteil an der gesamten Bruttowert-
schöpfung von 3,4 auf 4,5 Prozent, innerhalb des verarbeitenden Gewerbes sogar
von 15 auf 19,6 Prozent, erarbeitet von 871000 Beschäftigten.2 Eine Branche dieser
Größenordnung genießt von vornherein besondere Aufmerksamkeit und Fürsorge
des Staates. Ohnehin war die Staatsnähe von Daimler, BMW und VW in Geschichte
und Gegenwart groß, egal, ob es um den Einsatz des Staates für möglichst günstige
Bedingungen der internationalen Expansion ging, um Rüstungsproduktion für zwei
Weltkriege oder um das Wirtschaftswunder und die Remilitarisierung nach 1945.
Daimler und BMW waren stets in Privateigentum, VW bis 1960 in Staatseigentum.
Die Eigentümerstruktur der drei spiegelt die generelle Zusammensetzung der herr-
schenden Klasse der Bundesrepublik Deutschland, das Mit- und Nebeneinander von
großen Privateigentümern, privaten Managern und staatlichen Beauftragten.3 Bei
BMW und VW erwarben im Lauf der Zeit sogenannte „Unternehmerdynastien“ kon-
trollierende Mehrheiten in den Muttergesellschaften. An VW ist der Staat, vertreten
durch das Land Niedersachsen, weiterhin beteiligt und gelten besondere Mitbestim-
mungsrechte. Bei Daimler war über längere Zeiten die Deutsche Bank Großaktionär
und überwiegt heute der Streubesitz. Die Entwicklung der Eigentums- und Kontroll-
verhältnisse bei Daimler, BMW, VW soll hier näher betrachtet werden.
Daimler

1 Wenn nicht anders angegeben, sind die Homepages der Firmen die Quelle für Zahlen und Fakten.
2 „Bedeutung der Autoindustrie für Deutschland nimmt zu“, reuters.com 14.9.2017
3 Vgl. Beate Landefeld: Zur Struktur der herrschenden Klasse, in: Marxistische Blätter 6-2011, S. 100-

106; auch zu finden unter: https://belafix.wordpress.com/


Die Daimler AG entstand aus der 1883 von Carl Benz gegründeten Benz & Cie. und
der 1890 von Gottlieb Daimler gegründeten Daimler Motoren Gesellschaft. Daimler
und Benz schieden um 1900 aus ihren Firmen aus. Die beiden Firmen vermarkteten
ihre Patente und Produkte von Anfang an international, tätigten Zukäufe, gründeten
Tochtergesellschaften. Neben PKW stellten sie Nutzfahrzeuge, Boots- und Flugmoto-
ren her. Im ersten Weltkrieg rückte die Rüstungsproduktion ins Zentrum. Daimler
baute den ersten deutschen Panzer und gehörte zu den größten Flugmotorenherstel-
lern des Reichs. 1926 fusionierten die beiden Betriebe unter Federführung der Deut-
schen Bank zur Daimler-Benz AG. Danach wurden die Aufsichtsratsvorsitzenden, die
das Management ein- oder absetzen können, von der Deutschen Bank ausgewählt.
1932 war die Daimler-Benz AG nach der Adam Opel AG und der Auto Union4 dritt-
größter Automobilproduzent in Deutschland. Emil Georg von Stauß als Aufsichtsrats-
vorsitzender 1926-1942 unterstützte den Aufstieg der Nazis. Während der Weltwirt-
schaftskrise kam es zu Massenentlassungen. Hitlers Aufrüstungsprogramm und
seine Pläne der Massenmotorisierung kurbelten dann die Rüstungsproduktion erneut
an. Der Konzernumsatz wuchs von 65 Millionen Reichsmark im Jahr 1932 auf
942 Millionen 1943. Im Jahr 1941 machten Wehrmachtsaufträge 76 Prozent des Um-
satzes aus. Die Belegschaft wuchs von 10000 Ende 1932 auf über 74000 im Jahr
1944. Während des zweiten Weltkriegs bestand die Belegschaft bis zur Hälfte aus
Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen. Mit der Kriegsniederlage des Reichs musste
Daimler Benz seine Werke im Osten Deutschlands und in den vom Hitlerfaschismus
besetzten Ländern aufgeben (u.a. in Polen, SU, Tschechoslowakei, Elsass).5
Nach 1945 feierte der Konzern wieder Erfolge in der Autoproduktion, vor allem mit
der Marke Mercedes. Er baute ein internationales Vertriebsnetz auf, errichtete Werke
in Argentinien, Brasilien, Indien, Südafrika, Iran und den USA. Dass die Filiale in Ar-
gentinien mit Wissen Ludwig Erhards Nazi-Gelder wusch und Adolf Eichmann, wie
zahlreiche andere untergetauchte Nazis, beschäftigte, enthüllte 2004 die Journalistin
Gaby Weber.6 In der Bundesrepublik übernahm Daimler-Benz Hanomag und die in
Ingolstadt neu angesiedelte Auto Union (inklusive der in den Westen übergesiedelten
Fachkräfte). 1958 scheiterte der Versuch, BMW zu übernehmen. In den 1960er Jah-
ren stellten die Milliardäre Herbert Quandt und Friedrich Flick gemeinsam mit der
Deutschen Bank das Dreigestirn der Daimler-Großaktionäre, bis Quandt und Flick ab
1974 ihre Anteile an Kuwait und an die Deutsche Bank verkauften.7
1987 wurde Edzard Reuter Vorstandsvorsitzender der Daimler-Benz AG. Sein Traum
war der „integrierte Technologiekonzern“. Er erwarb Teile von MAN, den Luft- und
Raumfahrtkonzern Dornier, die AEG, die Mehrheit an Messerschmidt-Bölkow-Blohm
und bildete daraus die Deutsche Aerospace Aktiengesellschaft DASA. Dabei gingen
16000 Arbeitsplätze verloren. Nach 1989 schluckte die DASA die Flugzeugwerke der
DDR. Thomas Enders, bis 1991 im Planungsstab des Verteidigungsministers, wurde

4 Die Auto-Union (Audi, DKW, Horch, Wanderer) gehörte ab 1931 der Sächsischen Landesbank. Vor
dem 2. Weltkrieg war sie mit 22% Umsatzanteil bei PKWs zweitgrößter Automobilproduzent nach der
Adam Opel AG (41%), zur Zeit der Übernahme durch Daimler-Benz 1958 noch an 5. Stelle nach VW,
Opel, Daimler-Benz und Ford. Daimler-Benz verkaufte sie 1964 an VW. NSU wurde 1969 einverleibt.
5 Hamburger Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts (Hrsg.): Das Daimler-Benz Buch. Ein

Rüstungskonzern im Tausendjährigen Reich. Nördlingen 1987, S. 32ff., S. 217ff.


6 Gaby Weber: Daimler-Benz und die Argentinien-Connection, Berlin 2004
7 Michael Heller: Späte Ehre für den stillen Aktionär Kuwait, Stuttgarter Zeitung 18.9.2014
1995 Geschäftsführer und Aufsichtsratsvorsitzender der DASA, die 2000 in das
deutsch-französisch geführte Rüstungsunternehmen EADS einging.
1998 schuf der neue Vorsitzende Schrempp DaimlerChrysler durch Zukauf des US-
Konzerns für 36 Milliarden Dollar. Das Projekt erwies sich als Verlustbringer. Chrysler
wurde weiterverkauft. Hochzeit und Scheidung kosteten Daimler rund 40 Milliarden
Euro. 2012 einigten sich die Regierungen Frankreichs und Deutschlands auf eine
neue paritätische Anteilstruktur bei EADS, die den Konzernen Daimler und Lagadére
ermöglichte, schrittweise auszusteigen. Der Streubesitz wurde erhöht und die Stimm-
rechte auf Frankreich, Deutschland (je 11 Prozent) und Spanien (4 Prozent) aufge-
teilt. Danach konnte sich Daimler auf das Kerngeschäft Automobil konzentrieren.8
Mittels des Beteiligungssystems können Kapitalgeber, mit einem Minimum an Kapital
ein Maximum an Einfluss ausüben, vor allem, wenn sie Depotstimmrechte verwalten.
Für die Wahl des Aufsichtsrats genügt die Mehrheit des auf der Hauptversammlung
vertretenen, stimmberechtigten Kapitals. Sie hängt ab von der Hauptversammlungs-
präsenz. Dabei gilt: Je mehr Streubesitz, desto geringer ist die Hauptversammlungs-
präsenz. Je größer die Anteile von Großaktionären, desto höher ist die Hauptver-
sammlungspräsenz.9 Ende 2018 hatte Daimler folgende Aktionärsstruktur:
Tenaciou3 Prospect Invested Limited10 mit 9,7 Prozent;
Kuwait Investment Authority 6,8 Prozent;
Renault/Nissan 3,1 Prozent;
Institutionelle Investoren 60,3 Prozent;
Private Investoren 20,1 Prozent.11
Die Hauptversammlungspräsenz lag 2018 bei Daimler mit 55,71 Prozent unter dem
Durchschnitt der 30 DAX-Konzerne (65,3 Prozent). Somit brauchte man 28 Prozent
der Anteile für die Mehrheit.12 Real lag die Zustimmung der Daimler-Aktionäre bei
keinem Vorschlag der Unternehmensführung unter 90 Prozent. Auch bei anderen
Konzernen sind solche Ergebnisse üblich, denn die Konzernführungen organisieren
im Vorfeld Konsultationen mit den wichtigsten Investoren (Investors Relations). Ku-
wait ist seit 44 Jahren ein pflegeleichter, „stiller Aktionär“ bei Daimler. Investoren, die
nur verdienen wollen, aber nicht dreinreden, sind bei Managern der Konzerne in
Streubesitz beliebt als Ankeraktionäre, die einen Übernahmeschutz bieten.
Mit Renault/Nissan hat Daimler seit 2010 eine strategische Kooperation. Sie bauen
gemeinsam Auto-Komponenten, haben ein 50:50 Joint Venture in Mexiko, teilen sich
diverse Kosten. Kooperationen sind eine moderne Form des Monopols und viel fle-
xibler als die früheren, heute illegalen Kartelle. Kooperationen beziehen sich auf be-
stimmte Gebiete und heben die Konkurrenz auf anderen Gebieten nicht auf. Theore-
tisch kann Konzern A auf einem Gebiet mit Konzern B, in Konkurrenz zu Konzern C

8 „Daimler und Chrysler – Hochzeit des Grauens“, Süddeutsche Zeitung 17.5.2010; „Deutschland statt
Daimler – EADS sortiert sich neu“, Der Tagesspiegel 6.12.2012
9 Ab der Schwelle von 3 Prozent besteht die Pflicht zur Stimmrechtsmitteilung. Ebenso bei Erreichen

von 5, 10, 15, 20, 25, 30, 50 und 75 Prozent, teilweise verbunden mit weitergehenden Erklärungen.
10 Dabei handelt es sich um eine Mantelfirma Li Shufus, des Chefs von Geely (VR China).
11 Die geografische Streuung war: 31 Prozent Deutschland; 28,9 Prozent Europa ohne D; 18,9 Pro-

zent USA; 6,8 Prozent Kuwait; 11,9 Prozent Asien; 2,5 Prozent sonstige Erdteile.
12 „Deutlich mehr Aktionäre auf Hauptversammlungen“, Spiegel Online 25.05.2018.
kooperieren, auf einem anderen Feld mit Konzern C gegen Konzern B. Unter den in-
stitutionellen Investoren finden sich die Investmentfonds privater und staatlicher Fi-
nanzkonzerne, die in der Regel in alle DAX-Titel investieren. Private Kleinanleger
sind auf Hauptversammlungen häufig durch Aktionärsvereinigungen vertreten. Aufre-
gung verursachte der neue Großaktionär aus China, von dem die Wirtschaftspresse
munkelte, er habe sich mit verdeckten Zukäufen 2017 an die 9,7 Prozent „herange-
schlichen“ und niemand wisse, was er vorhabe. Die Bafin untersucht das.13
BMW
Die BMW AG entstand während des ersten Weltkriegs aus den Vorläufern Flugma-
schinenwerke Gustav Otto und Rapp Motorenwerke. Als Rüstungslieferant stieg
BMW bis Kriegsende zu einem der größten deutschen Flugmotorenwerke mit 3500
Mitarbeitern auf. Nach dem Krieg richtete der BMW-Großaktionär und zeitweilige Auf-
sichtsratsvorsitzende Camillo Castiglioni14 die Firma auf den Bau von Motorrädern
aus. Mit der Übernahme der Fahrzeugfabrik Eisenach 1928 wurde BMW Autobauer.
Castiglioni, der sich verspekuliert hatte, musste seine BMW-Anteile 1929 an Groß-
banken abgeben, darunter an die Deutsche Bank, die schon 1925 Emil Georg von
Stauß zum Aufsichtsratsvorsitzenden gemacht hatte. Nach 1933 wurde die Auto-
sparte wieder zum Nebenzweck. Hitlers Kriegspläne verschafften der Flugmotorenin-
dustrie einen Aufschwung, an dem auch BMW partizipierte. Durch Übernahmen und
neue Werke wuchs der Flugmotorenbau auf 90 Prozent des Gesamtumsatzes. Der
Umsatz stieg von 32,5 Millionen Reichsmark 1933 auf 750 Millionen 1944. Über 50
Prozent der 56000 Beschäftigten waren Zwangsarbeiter. Auch KZ-Häftlinge, zum Teil
untergebracht in einem Außenlager des KZ Dachau, mussten für BMW schuften.15
1945 war das Stammwerk in München zerstört. Der Fahrzeugbau Eisenach lag in der
sowjetisch besetzten Zone. In München wurden zunächst Motorräder, Kochtöpfe und
Bremsen produziert, später auch Autos, aber mit Verlust. Als der Motorradabsatz
nachließ, geriet BMW in eine Finanzkrise. Die Deutsche Bank wollte BMW an Daim-
ler angliedern. Das blockierten auf der Hauptversammlung 1959 aktivistische Klein-
aktionärsvertreter. 1960 trat der Unternehmer Herbert Quandt als BMW-Sanierer auf
den Plan. Er und sein Bruder Harald hatten 1954 ein Konglomerat von Firmenbeteili-
gungen geerbt, die ihr Vater hinterließ. Die Brüder waren bereits Großaktionäre bei
Daimler, bevor Herbert Quandt mit 60 Prozent die Kontrolle bei BMW erwarb.16
Der Erblasser Günther Quandt war als Großaktionär des Batterie- und Akkumulato-
ren-Konzerns AFA und anderer Betriebe aufgestiegen. In Hannover-Stöcken und an-
deren Werken setzte auch er ab 1943 Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge ein. Er hatte
Hitlers Aufstieg unterstützt, war 1937 Wehrwirtschaftsführer geworden und pflegte
gute Kontakte zum NS-Regime. Seine geschiedene Frau Magda heiratete Goebbels.
Seine Verstrickung mit dem Nazi-Regime war für Quandt nach 1945 kein Hindernis,
seine Werke weiterzuführen. Die westlichen Siegermächte gaben der Wiederauf-
nahme der Produktion Vorrang vor einer Säuberung der Wirtschaftselite.17

13 Die Bundesaufsicht für Finanzdienstleistungen prüft, ob Käufe ordnungsgemäß gemeldet wurden.


14 C. Castiglioni (1879-1957): österreichisch-italienischer Industrieller, Spekulant und Flugpionier
15 Vgl.: „BMW – aus Freude am Fahren. Zur unrühmlichen Geschichte eines deutschen Großkon-

zerns“, http://news.dkp.suhail.uberspace.de/2015/04/bmw-aus-freude-am-fahren/
16 „BMW-Sanierung. Der Krebs“, Der Spiegel 49-1960, S. 46-49
17 Rüdiger Jungbluth, Die Quandts und die Nazis, DIE ZEIT, 15.11.2007 Nr. 47
BMW war in den Jahrzehnten nach 1945 erfolgreich als Hersteller von Mittelklasse-
wagen und Motorrädern. Mit Borgward ging 1961 ein Konkurrent in Konkurs. 1967
übernahm BMW den Autohersteller Hans Glas GmbH. 1970-1993 wuchs die Be-
schäftigtenzahl von 23000 auf 71000. Mit der Übernahme der Klöckner Humboldt
Deutz AG stieg BMW 1990 wieder in die Luftfahrtsparte ein. Sie ging in das Joint
Venture BMW Rolls-Royce AeroEngines ein und wurde 2000 von Rolls Royce über-
nommen, nachdem sich BMW an der britischen Rover Group überhoben hatte, die
als Verlustbringer wieder abgestoßen werden musste. Heute ist BMW in 14 Ländern
mit Montage- und Fertigungswerken vertreten, in 140 Ländern mit seinem Händler-
Netzwerk. Die Eigentümerstruktur des Konzerns ist laut BMW-Homepage wie folgt:
Streubesitz 53,2 Prozent
AQTON SE, Bad Homburg v. d. Höhe 9 Prozent
AQTON GmbH & Co. KG für Automobilwerte Bad Homburg v. d. Höhe 16,6 Prozent
Susanne Klatten Beteiligungs- GmbH, Bad Homburg v. d. Höhe 20,7 Prozent
Susanne Klatten 0,2 Prozent
Stefan Quandt 0,2 Prozent
Danach verfügen die Geschwister Stefan Quandt und Susanne Klatten als Kinder
Herberts und Enkel Günther Quandts mit ihren Beteiligungsgesellschaften über 46,8
Prozent der Anteile. Der Rest ist Streubesitz. Auf der Hauptversammlung 2018 waren
79,84 des stimmberechtigten Grundkapitals vertreten. 40 Prozent der Anteile hätten
für die Mehrheit gereicht. Die Abstimmungen folgten den Empfehlungen der Konzern-
spitze mit Ergebnissen zwischen mindestens 78,69 Prozent beim Tagesordnungs-
punkt Vergütung der Vorstandsmitglieder und höchstens 99,96 Prozent.
Stefan Quandt und Susanne Klatten nahmen 2018 Platz 1 auf der Liste der 1000
reichsten Deutschen ein. Sie halten Beteiligungen und bekleiden Aufsichtsratssitze in
zahlreichen Firmen.18 Daneben betreiben sie mehrere Stiftungen, wie etwa die Jo-
hanna Quandt Stiftung, deren Zweck es ist, „das Verständnis für die marktwirtschaftli-
che Ordnung und die Bedeutung des privaten Unternehmertums als Träger der wirt-
schaftlichen Entwicklung in der Öffentlichkeit und den Medien zu fördern.“19 Reiche
senken mit Stiftungen ihre Steuern. Über den Einsatz der Mittel, die sie dem Staat
damit vorenthalten, können sie so selbst bestimmen.
VW
Anlässlich der Internationalen Automobil- und Motorrad-Ausstellung in Berlin 1934
trat Hitler für die Entwicklung eines für die Massen erschwinglichen, einfachen PKW
ein. Den Auftrag zum Bau eines Prototyps vergab der Reichsverband der Deutschen
Automobilindustrie an das Konstruktionsbüro Ferdinand Porsche, Stuttgart. Da die
Autoindustrie kein Interesse hatte, ein 1000-Reichsmark-Auto zu subventionieren,
wurde die Deutsche Arbeitsfront (DAF), Ersatzorganisation der von den Nazis zer-
schlagenen Gewerkschaften, beauftragt. Sie verwendete das 1933 beschlagnahmte
Gewerkschaftsvermögen für den Bau einer großen Automobilfabrik auf ländlichem
Gelände in Niedersachsen. Dort sollte der KdF-Wagen (benannt nach der Nazi-

18 „Die 1001 reichsten Deutschen“, Managermagazin, Sonderheft 2018, S. 11


19 https://www.johanna-quandt-stiftung.de/stiftung/
Freizeitorganisation Kraft durch Freude) produziert werden. 1938 wurde Ferdinand
Porsche Geschäftsführer und Aufsichtsrat der Volkswagenwerk GmbH.
Zwar wurde ein modernes Autowerk nach dem Vorbild von Ford errichtet, aber aus
Hitlers angekündigter Massenmotorisierung wurde nichts. Devisen und Benzin reich-
ten nur für die Motorisierung der Armee. VW produzierte vorerst spezielle Fahrzeuge
für die Wehrmacht, wie „Kübelwagen“ und „Schwimmwagen“, daneben Tellerminen,
Panzerfäuste und andere Waffen. Die Rüstungsproduktion leitete ab 1941 Porsches
Schwiegersohn Anton Piech. Porsche, seit 1934 NSDAP-Mitglied, wurde u.a. Wehr-
wirtschaftsführer und erhielt zahlreiche Auszeichnungen. 1940-1945 wurden 20000
Menschen zur Zwangsarbeit eingesetzt, darunter Häftlinge, die in Außenlagern des
KZ Neuengamme interniert wurden. Hunderte überlebten den Einsatz nicht.20
Das Konstruktionsbüro in Stuttgart im Besitz der Familien Porsche und Piech bekam
lukrative Aufträge und wurde faktisch zur Konstruktionsabteilung von VW. 1943 über-
nahm das VW-Werk unter Porsche im besetzten Frankreich die „unternehmerische
Verantwortung“ für Renault. Für die Demontage von Maschinen und die Verschlep-
pung von Renault-Arbeitern zur Zwangsarbeit saßen Ferdinand Porsche und Anton
Piech nach Kriegsende 22 Monate in französischen Gefängnissen. Ein Entnazifizie-
rungsverfahren in Baden Württemberg wurde dagegen 1949 eingestellt.
1948-49 handelte Porsches Sohn Ferry Abfindungsverträge mit VW aus. Porsche
sollte nur noch fallweise Aufträge erhalten und bekam das Recht auf eine Lizenzge-
bühr von 1 Prozent pro Käfer, eine monatliche Vergütung von 40000 DM für Weiter-
entwicklungsarbeiten und die Alleinvertretung für den Handel in Österreich. Zu dem
Zeitpunkt hatte die britische Besatzungsmacht, die an einer Reparatur- und Produkti-
onsstätte für ihre Armeefahrzeuge interessiert war, bereits den Generaldirektor Hein-
rich Nordhoff eingesetzt. Da das VW-Werk schneller als andere Hersteller wieder Au-
tos produzieren konnte, stieg es zum deutschen Marktführer und Exporteur auf. Da-
von profitierten auch das Autowerk Dr. Ing. h. c. F. Porsche KG in Stuttgart-Zuffen-
hausen und die österreichische PKW-Handelsgesellschaft Porsche Holding.
Die Briten übergaben das VW-Werk 1949 dem Land Niedersachsen, das neben dem
Bund die Stimmrechte ausübte. Eine Auflage war, dass die Gewerkschaften starken
Einfluss erhalten sollten. Unter diesen Umständen verzichtete der DGB darauf, das
1933 gestohlene Gewerkschaftsvermögen einzuklagen.21 1960 wurde VW teilprivati-
siert. 60 Prozent der Aktien wurden als sogenannte Volksaktien verkauft, je 20 Pro-
zent behielten der Bund und Niedersachsen. Das VW-Gesetz 1960 enthielt Stimm-
rechtsbeschränkungen, um feindliche Übernahmen, Produktionsverlagerungen und
ähnlich gravierende Beschlüsse zu erschweren. So sollte kein Aktionär mehr als 20
Prozent der Stimmrechte ausüben können. Die EU-Kommission klagte dagegen vor
dem Europäischen Gerichtshof, der 2007 die 20-Prozent-Klausel kippte.22
Bereits 1953 eröffnete VW ein Werk in Brasilien. 1964 erwarb VW die Auto Union
von Daimler Benz. Die Marke Audi kam damit zu VW. Werke in Mexiko (1964), USA

20 Hans Mommsen / Manfred Rieger, Das Volkswagenwerk und seine Arbeiter im Dritten Reich, Düs-
seldorf 1996, S. 198ff., S. 251ff.
21 H. Leyendecker / K. Ott, Porsche-Chef Wendelin Wiedeking – Geschichte „mangelhaft“, Süddeut-

sche Zeitung 13.06.2009


22 Vgl. Beate Landefeld, Kapitalanhäufung in Claneigentum: Porsche kauft VW, Marxistische Blätter 2-

2008, S. 24-28
(1955), Südafrika (1966) wurden gebaut oder übernommen. Kurz nach Beginn der
Öffnungspolitik der VR China vereinbarte VW 1984 sein erstes Joint Venture mit ei-
nem chinesischen Autobauer und wurde in China Marktführer. Im Vorfeld des EU-
Binnenmarkts übernahm VW 1986 den spanischen Autobauer SEAT. Ab 1990 er-
warb VW Anteile an Skoda in Tschechien, um die Firma 2000 zu übernehmen.
1993 wurde Ferdinand Piech, der Sohn Anton Piechs und Enkel Ferdinand Por-
sches, Vorstandsvorsitzender von VW. Zuvor war er im Management der VW-Toch-
ter Audi zum Vorstandsvorsitzenden aufgestiegen. Als VW-Chef trieb er die schritt-
weise Übernahme der Lastwagenbauer MAN und Scania (Schweden) voran, um aus
ihnen perspektivisch eine VW-Truck-Sparte zu formen. Mit der Übernahme von Bent-
ley 1997 durch VW und Lamborghini 1998 durch Audi forcierte Piech zugleich einen
Einstieg in das Luxussegment.
2002 wechselte Piech vom Vorstandsvorsitz zum Aufsichtsratsvorsitz der VW AG,
den er bis 2015 innehatte. Zugleich gehörte er dem Aufsichtsrat der Porsche AG an.
2005 erwarb diese 21 Prozent der VW-Stammaktien. Bis 2008 baute sie ihren Anteil
auf 42,6 Prozent aus. Daneben hatte sie sich Optionen auf weitere 31,5 Prozent ge-
sichert. Als die Porsche AG 2009 einen fälligen Kredit nicht ablösen konnte, half VW.
Im Ergebnis wurde Porsche von VW, statt VW von Porsche übernommen. Zugleich
aber besaß der Porsche/Piech-Clan über die 2007 gegründete Porsche Holding SE
die Mehrheit an VW. Sämtliche stimmberechtigten Stammaktien der Holding gehören
den Familien Porsche und Piech. 2015 gab Piech den Aufsichtsratsvorsitz ab.
2017 verkaufte er seine Aktien an die Familien Porsche und Piech. Sie wurden so
aufgeteilt, dass die Machtbalance zwischen dem Porsche- und dem Piech-Zweig er-
halten blieb. Die Regel, dass Aussteiger ihre Beteiligungen nur innerhalb des Clans
verkaufen, dient dem Machterhalt der Dynastie im Konzern. Gegenwärtig (2018) ver-
teilen sich die stimmberechtigten Stammaktien bei VW wie folgt:
Porsche Automobil Holding SE, Stuttgart 52,2 Prozent
Land Niedersachsen, Hannover 20,0 Prozent
Qatar Holding LLC 17,0 Prozent
Streubesitz 10,8 Prozent
Der Porsche/Piech-Clan besitzt damit die kontrollierende Mehrheit. Mitbestimmungs-
klauseln des Betriebsrats und Niedersachsens, die trotz neoliberaler „Reform“ in der
abgeschliffenen Fassung des VW-Gesetzes noch erhalten werden konnten, schrän-
ken die Alleinherrschaft ein wenig ein. Im DAX werden seit 2009 die nicht stimmbe-
rechtigten VW-Vorzugsaktien gehandelt. Stamm- und Vorzugsaktien bilden zusam-
men das Grundkapital, an dem die Porsche Holding SE 30,8 Prozent, Katar 14,6 und
Niedersachsen 11,8 Prozent hält. Die Differenzierung zwischen Stämmen und Vorzü-
gen dient dem Zweck, mit einem Minimum an Kapital ein Maximum an Kontrolle aus-
zuüben und garantiert zugleich die Machtverhältnisse. Auf der aktuellen Liste der
1000 reichsten Deutschen hält Wolfgang Porsche den 6. Platz. Ferdinand Piech hält
Platz 10. Verwandte und Erben der beiden bekleiden Aufsichtsratsposten bei VW
und bei VW-Töchtern. Vier Clanmitglieder sitzen im Aufsichtsrat von VW, 30 in den
Aufsichtsgremien von Tochtergesellschaften, von denen wiederum vier, zusätzlich zu
VW, zu den 100 größten Konzernen Deutschlands gehören.23
Staat stützt private Kapitalanhäufung
In der Weltwirtschafts- und Finanzkrise federte der Staat 2009 die Überproduktion
der Autoindustrie mit Abwrackprämien und durch Erleichterung von Kurzarbeit ab.
Nach Auffliegen des Abgasbetrugs 2015, sperrten sich die Konzerne gegen Hard-
ware-Nachrüstungen der Autos geprellter Dieselfahrer. Eine staatliche Diesel-Ab-
wrackprämie für Neufahrzeuge bekamen sie diesmal nicht. Trotzdem gilt: Ob es um
die Verzögerung einer Produktionsquote für Elektroautos in China geht, um Verhand-
lungen in der EU über die Begrenzung des CO2-Ausstoßes, um das Umgehen von
Gerichtsurteilen für Fahrverbote – in der Regel engagiert sich der Staat so, dass die
Schonung der Profite der Autokonzerne Vorrang vor den gesundheitlichen Bedürfnis-
sen und dem Geldbeutel der Bürger hat. Kürzlich stellte die Regierung sogar den
Plan einer (zuvor lauthals geforderten) sogenannten „Digitalsteuer“ zurück, aus
Furcht, Donald Trump könne sich mit höheren Steuern auf Autoexporte rächen.
Suggeriert wird, es gehe uns allen gut, wenn es „der Wirtschaft“ gut geht. Real ent-
steht der Zwang zur Profitmaximierung aus der Konkurrenz kapitalistischer Privatei-
gentümer um die höchstmögliche Kapitalverwertung. Die Lohnabhängigen bekom-
men davon nur so viel ab, wie sie sich erkämpfen. Expansionsdrang und Aggressivi-
tät des Monopolkapitals führten in der Geschichte in zwei Weltkriege. Heute heizen
Sanktionen, Stellvertreterkriege und Interventionen gegen Länder, die sich der bedin-
gungslosen „Marktöffnung“ verweigern, erneut die Gefahr großer Kriege an. Die un-
gebremste Expansion der Autokonzerne nimmt die Vertiefung der ökologischen Krise
und Klimakatastrophen in Kauf. Permanente deutsche Exportüberschüsse bringen
neben Autos auch Arbeitsplatzvernichtung, Arbeitslosigkeit, Verschuldung und Spar-
programme in Länder, die in der monopolistischen Konkurrenz nicht mithalten kön-
nen. Das schiebt Autokrisen bei uns hinaus, hebt ihre Ursachen aber nicht auf.
Es ist absehbar, dass die Steuerung der Gesellschaft im Profitinteresse, zwecks Ver-
mehrung der Macht der Reichen zu immer größeren Verwerfungen führt und auf Pro-
teste in der Bevölkerung stößt, die sich in sehr unterschiedlichen Formen artikulieren.
Die Rücksichtslosigkeit und Brutalisierung des Profitmachens wachsen mit der Kon-
kurrenz, aber auch die Heftigkeit und Härte des Widerstands (siehe Frankreich).
Wenn heute in Talk-Shows mit besorgtem Stirnrunzeln über Gefahren einer „Spal-
tung der Gesellschaft“ räsoniert wird, ist zu fragen: Hat es je einen Kapitalismus ohne
Klassenspaltung, ohne den Gegensatz von Lohnarbeit und Kapital gegeben?
Zeigt nicht die Kapitalanhäufung in den Händen weniger Reicher seit 150 Jahren,
dass die Spaltung in Oben und Unten, in Ausbeutende und Lohnabhängige der öko-
nomischen Basis dieser Gesellschaft innewohnt und sich nur mit ihr nachhaltig ver-
ändern lässt? In die Klassenspaltung der Gesellschaft wurden wir hineingeboren. Nö-
tig aus Sicht der Lohnabhängigen ist es, Spaltungen innerhalb der Arbeiterklasse
und der nichtmonopolistischen Kräfte im gemeinsamen Kampf zu überwinden, um
die Macht des Monopolkapitals zu beschränken und perspektivisch abzuschaffen.

23 Michael Freitag, Ein Clan ohne Plan, Managermagazin 11-2017, S. 34

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