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M.

Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Einrichten und Justieren einer Drehmaschine

1 Einleitung
Es passiert nicht so oft, dass ich mehrere Reparaturberichte über nahezu dasselbe Thema
schreibe. Aber eine Drehbank bietet so viele spannende Möglichkeiten von Fehlersuche und
Anwendung, dass ich ständig neue Sachen finde, die mich faszinieren.

Abbildung 1: die Navi weiß schon, wo es das große, schwere Eisen gibt!

Auslöser dieses mal war, dass ich im Vogtland einen uralten Metallhobel gekauft habe. Nein,
ich rede jetzt nicht von einem Hobel aus Metall, sondern von einem Hobel, der wirklich das
Metall selbst hobelt. Als "Nutenstoßmaschine" oder auch "Schnellhobler" tauchen diese
Mordstrümmer immer öfter in Internetangeboten auf und angesichts des Kaufpreises mag
man manchmal denken, die Besitzer seien auch manchmal einfach nur froh, den Rosthaufen
noch irgendwie los zu werden. Wobei das keine Übertreibung ist: der von mir gekaufte Hob-
ler ist mit seinen 400kg ein wahres Leichtgewicht unter seinen Gattungsbrüdern. Die 375er
Klopp-Hobler oder auch die ganzen Wotan's, Cincinnati's und Erdmänner dieser Welt bringen
auch gerne mal ein paar Tonnen auf die Waage. Mit solch einem Gewicht wäre vielleicht so-
gar schon manche Garage überfordert, weshalb man insbesondere solche Werkzeugmaschinen
fast schon "hintergeworfen" kriegt.

Abbildung 2: Einladehilfe für einen Metallhobel im Vogtland

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Abbildung 3: der Ostzonenhobel - geiles Teil!!!

Mein Hobel jedenfalls stammt laut Typenschild von dem Hersteller "Union Werke" aus Mitt-
weida- böse Zungen könnten das Ding also verachtend einen "Ostzonenhobel" nennen! Ich
für meinen Teil bin ein ausgesprochener Fan von DDR-Produkten. Nicht nur die Bücher aus
dem Osten finde ich meistens f a b e l h a f t, sondern können mich ebenso östlich produzierte
Messgeräte oder Werkzeugmaschinen begeistern. Man merkt deutlich, dass hier oft noch
mehr Zeit vorhanden war, gute Qualität zu bauen- und das meist mit den einfachsten Mitteln.
Gekoppelt mit teilweise echt pfiffigen Ideen kommt manchmal richtig gute Engineering-Leis-
tung heraus. Dieser DDR-Hobel ist ein weiteres Beispiel dafür: Mit einem Alter von mindes-
tens 50 oder 60 Jahren (eher älter) hobelt er -nach der Gabe von etwas Öl- seinen eigenen Ho-
beltisch mit einer Gesamtabweichung an der schlechtesten Stelle von nicht mehr als 30µm
plan- eine super Leistung für so eine uralte Maschine, finde ich. Und das auf Anhieb- ohne
irgendwelche Justierungen oder vorausgegangene Servicearbeiten.

Abbildung 4: er hobelt sich gerade selber einen...

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Wenngleich auch meine Frau erst etwas Zeit brauchte, sich mit dem DDR-Genossen anzu-
freunden (nach 1h Hobeln stinkt unsere ganze Bude hoffnungslos nach Öl vom Keller bis ins
2.OG), so darf er nun trotzdem in unserer Werkstatt bleiben. Aus Dankbarkeit an meine Frau,
die mir diese Nebenbeziehung zu dem DDR-Veteranen erlaubt, wollte ich das Teil dafür nun
wenigstens etwas hübsch machen. Motto: wenn er schon so schlecht riecht, soll er wenigstens
gut aussehen. (Bei manchen Menschen ist das ja nicht viel anders ;-)

Damit das klappt, habe ich eine große Blechwanne in Auftrag gegeben, die für das Auffangen
des Schmieröls oder der Späne dienen soll. Um die dann unter die Füße zu kriegen, brauche
ich den Werkstattkran. Damit dieser aber nicht überlastet wird, wollte ich etwas Gewicht spa-
ren. Ich habe also die Ramme abgebaut, den Stoßkopf, den Elektrokasten (der muss sowieso
UNBEDINGT neu!), die Schwinge und die Kurbelwelle. Und bei genau dieser fiel mir doch
nicht unerhebliches Lagerspiel auf, das im Umkehrpunkt während des Betriebs inzwischen
doch deutlich hörbare Klackergeräusche erzeugt.

Abbildung 5: Messung auf Ebenheit

Dass ich hier schon einen guten Einsatz für meine Drehbank witterte, werdet ihr sicher verste-
hen. Der Plan ist:

Kurbelwelle herausnehmen, das Lager aufbohren und eine neue Hülse aus Lagerbronze ein-
setzen, in der die überdrehte Kurbelwelle dann (nahezu) spielfrei die nächsten Jahrzehnte wei-
terlaufen kann.

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Abbildung 6: der Hobel wird zerlegt...

Dieses Projekt ist sehr spannend, denn ich musste mich mit folgenden Themen beschäftigen:

1. planes(!) Abdrehen der alten Welle (und zwar mit entsprechend geringer Toleranz)
2. Ausdrehen der alten Lagerschale, um Platz für das neue Lager zu schaffen
3. Reiben und ggfs. Honen der neu entstandenen Flächen
4. Drehen eines neuen Lagers; entsprechende Passungen berechnen und herstellen. Außen soll
es im Lagergehäuse klemmen (z.B. Einschlagen oder Einpressen), innen soll sich die Welle
leicht drehen lassen, aber nicht fühlbares Spiel haben.

Abbildung 7: Ausbau der Kurbelwelle

Für all die oben beschriebenen Arbeiten werde ich mir Reibahlen kaufen, Probestücke drehen,
mich angesichts des Preises von Lagerbronze gewaltig auf den Hosenboden setzen, Erfahrun-
gen mit vibrierenden Bohrstangen und Toleranzberechnungen für Rollpassungen und Über-
maßanpassungen machen. Ich werde Toleranzen von +/- 12µm haben (die ich ganz knapp
nicht treffen werde, aber ich habe den Beruf des Drehers ja auch nicht gelernt und mache es
daher so gut, wie ich es kann) und dabei wird mir auffallen:

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die Drehbank trifft zwar erst den Toleranzschlauch, aber nicht über die gesamte Länge des
Werkstücks (ca. 10cm)! Will sagen: die 34,550mm am Anfang der Welle werden gegen Ende
der Welle schnell 34,580mm. Bei einer berechneten H7/h7 Buchsen-/Wellenpassung mit ge-
rademal 25µm erlaubter Toleranz ist es einfach aussichtslos, hier gute Ergebnisse zu erzielen.
Wenn die Drehbank nicht ganz exakt parallel dreht, sondern beim Fahren über die Welle das
Maß schon um 40µm oder mehr verändert, hat man keine Chance. Da kann ich einstellen und
berechnen so gut ich will- wenn die Drehe eine Tonne erzeugt und keinen Zylinder mit paral-
lel zueinander stehenden Flächen, kann man einpacken.

Abbildung 8: vorderes Spindellager meiner Myford Super 7: fast wie neu, daran kann es also nicht liegen!

Bevor ich also meinen Metallhobel aufarbeite, bahnt sich hier wohl ein anderes Projekt an:

das korrekte Einstellen meiner Drehmaschine!

Abbildung 9: Abdrehen der alten Welle aus dem Metallhobel auf der Drehmaschine: leider nicht ganz
exakt parallel!

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Die Anleitungen im Internet empfehlen dazu meist alle, sich Probestücke zu drehen und dann
mit einem Mikrometer den Durchmesser entlang des Werkstücks zu messen. Ändert sich der,
könne man durch Verstellen der Maschinenfüße (z.B. hinten rechts) den Abstand vom Dreh-
meißel zur Drehachse justieren und damit irgendwann eine exakte Parallelität herstellen.

Nun gut.

Das Herstellen von Probestücken und das Nachstellen der Auflagepunkte des Maschinenbetts
gelingt zwar immer erst, führt bei mir aber leider nicht zu langfristig reproduzierbaren Ergeb-
nissen. Sobald ich meine 100mm Stahlstange durch Justieren des Maschinenbetts auf eine
Durchmesserabweichung <10µm gebracht habe (damit wäre ich ja schon zufrieden), spanne
ich am nächsten Tag eine Messingbuchse ein und erlebe, dass ich die vortags gemachten Jus-
tierungen schon wieder einen Kegel erzeugen und keinen Zylinder!

Die Justier- und Einstellanleitungen reden hier bei den Myford Super7-Drehbänken (so wie
ich sie habe) oft von erreichbaren Durchmesserabweichungen von 2µm und weniger auf
100mm. Tut mir leid, aber das schaffe ich beim besten Willen nicht.

Was ist also hier los? Warum klappt das bei allen anderen, nur bei mir wieder nicht?

Ich werde dem wohl nachgehen müssen.

Abbildung 10: viele Probestücke, aber kein langfristiger Erfolg...


(Anmerkung zum Bild: Ich weiß, dass man beim Probezylinder-Drehen keinen Reitstock benutzt!)

Nach dem dritten versauten Probestück und einer weiteren versauten H7-Passung fasse ich ei-
nen beherzten Entschluss: ich baue die Spindel aus, prüfe und ggfs. erneuere alle Lager und
sehe mal im Spindelstock nach dem Rechten.

Meine Vermutung ist nämlich inzwischen, dass nicht ein mechanisch verzogenes Maschinen-
bett die Ursache für die schlechte Oberflächenparallelität meiner Werkstücke ist, sondern ein
verdrehter Maschinenstock! Wenn seine Drehachse nämlich nicht ganz exakt zum Maschi-
nenbett steht, erzeugt das ebenfalls tonnenförmige Werkstücke- und keine Zylinder.

Das Verstellen des Maschinenbettes würde in diesem Fall nämlich nur einen Fehler mit einem
anderen kompensieren- jedoch nicht mein Problem lösen.

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2 Das Ergebnis vorab: Ablauf der Justierung!


Kleiner Einschub:
Wie man eine Drehmaschine korrekt einstellt, ist ein riesiges Thema und das komplette Inter-
net ist voll von Ratschlägen und Videos.

Die sind auch alle hilfreich, doch meistens beschreiben sie nur einen einzelnen Schritt der ge-
samten Justier-Kette. Dass zum Drehen eines Probestücks (Schritt 5) z.B. vorher zwingend
die korrekte Ausrichtung des Spindelstocks überprüft werden muss, erklären leider nur sehr
wenige der Autoren. Wir hier also mit Schritt 5 beginnt (wie ich anfangs), fällt auf die Fresse.

Eine sinnvolle Reihenfolge wäre diese hier:

1. Maschinenbett spannungsfrei ausrichten


(Maschinenwasserwaage)

2. Führungen spielfrei justieren


(Querschlitten, Bettschlitten, Spindellager)

3. Spielfreiheit bestätigen
(ggfs. mit Messuhr nachmessen)

4. Spindelstock mit Prüfdorn ausmessen


(RDM-Messung), ggfs. ausrichten

5. Probestück drehen
Einspannung nur(!) im Drehfutter

6. Reitstock ausrichten
(Precision bar zwischen den Spitzen)

7. Ausrichtung kontrollieren
(Probestück zwischen den Spitzen drehen)

Abbildung 11: Abfolge der einzelnen Justier-Schritte

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Ich halte es trotzdem für legitim, wenn man die Überprüfung seiner Drehbank mit Schritt 5
beginnt. Das Drehen eines 25mm dicken und ca. 100mm lang aus dem Drehfutter herausra-
genden Prüfstabs (ohne(!) Abstützung durch den Tailstock!) könnte ja auch schon so bereits
klappen. Die Chance ist klein, -zugegeben- aber nicht null. Bei mir jedenfalls ging es voll da-
neben, das Ergebnis war ein Kegel und kein Zylinder und somit musste ich dann am Ende
doch brav bei Schritt 1 anfangen und alles Schritt für Schritt nachmessen und einstellen. :-)

Ich schreibe dieses Kapitel übrigens gerade, nachdem ich meine Justierung und den restlichen
Bericht bereits fast fertig habe. Nehmt die Abbildung 11 also als bereits bestätigten und er-
probten Leitfaden für all das, was nun noch kommt.

Achja- und n a t ü r l i c h kann man das Justieren auch anders machen. Bestimmt kennen ei-
nige von Euch noch bessere oder pfiffigere Methoden, um eine Drehbank korrekt zu justieren.
Bedenkt aber bitte, dass ich in diesem Bereich Anfänger bin und mich bereits freue, wenn ich
ein paar gelesene oder "youtube-te" Grundkenntnisse erfolgreich anwenden kann. Und ge-
nauso ist dieser Leitfaden gedacht. Er ist das Ergebnis meiner try-and-error Phase.

Dieser ganze Bericht ist try-and-error :-)

Trotzdem gute Unterhaltung, auch wenn die Themen nun vielleicht etwas springen werden.
Wir beginnen daher mit der Durchführung der RDM-Messung (Schritt 4), um dann auf das
Maschinenbett zu kommen (Schritt 1). Lasst Euch dadurch nicht verwirren.

Also weiter im Text.

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3 Ursachenforschung
Ich weiß, dass die RDM-Messung (Rollie's Dad's Measurement) nicht ganz mängelfrei im In-
ternet davonkommt. Mir wurde von den Kritikern allerdings leider nie wirklich deutlich, was
genau sie der RDM-Methode vorwerfen und welche Alternative sie stattdessen vorschlagen.
Rückblickend kann ich aber sicher sagen: selbst wenn die RDM irgendwelche Konzep-
tungenauigkeiten eingehen sollte, so waren diese nachweislich deutlich kleiner als die Unge-
nauigkeiten, mit denen ich gerade an meiner eigenen Drehbank zu kämpfen habe!

Abbildung 12: Prüfstab für RDM-Messung (hier schon mit tlw. ausgebautem Spindelstock)

Die RDM-Methode basiert auf der Ermittlung der wahren Drehachse durch das Aufnehmen
von Abständen zum Bettschlitten mit der Messuhr entlang eines Prüfstabes. Weil sie min- und
max-Werte benutzt und daraus den Mittelwert bildet, spielt es noch nicht einmal eine Rolle,
ob der verwendete Prüfdorn groß eiert oder nicht. Nur wirklich rund muss er sein, aber das ist
bei den meisten geschliffenen MK2 Precision bars ja der Fall. Meine hatte allerdings über die
Länge (200mm) leider keinen konstanten Durchmesser; am Anfang war er 17,233mm und am
Ende 17,212mm. Das sind immerhin 21µm Unterschied, die in das Messergebnis mit einge-
hen würde. Glücklicherweise kann man bei der RDM aber den absoluten Durchmesser des
Prüfstabes entlang seiner Länge vorher mit der Mikrometerschraube ermitteln und dann später
als Korrekturwerte mit in die Messung einbringen. So habe ich es beispielsweise auch ge-
macht.

Abbildung 13: Korrekturwerte meines MK2 Prüfdorns (Durchmesser)

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4 RDM-Messung
Die RDM-Messung kann man horizontal, aber auch vertikal machen. Dadurch sehen wir, ob
die Drehachse irgendwie "schielt" und auch, wohin. Die vertikale Ausrichtung ist tatsächlich
gar nicht so kritisch, wie man denkt. Natürlich hat es auf den Durchmesser des Werkstücks
auch Einfluss, wenn der Drehmeißel entlang seines Zerspanungsweges am Werkstück mal hö-
her oder mal tiefer ansetzt. Doch noch deutlich empfindlicher reagiert der gedrehte Durch-
messer auf die horizontale Abweichung der Drehachse zum Maschinenbett. Jegliche Unge-
nauigkeit geht hier direkt und unmittelbar auf das Werkstück über.

Abbildung 14: RDM-Messung Horizontal (vorher)

Zur Sicherheit mache ich Messung gleich drei mal, mit teilweise verschiedenen Messuhren
und spanne die Testbar zwischendrin sogar absichtlich aus und wieder ein. In welch sensib-
lem Bereich wir hier unterwegs sind, können wir schon durch die große Variabilität der Mess-
kurven sehen. Trotzdem: es gibt hier definitiv einen globalen Trend, bei dem sich alle drei
Messkurven einig sind: das Ende meiner MK2 Prüfbar ist etwa 40µm zu weit in Richtung
"Bediener" gerichtet. Das bedeutet, dass sämtliche Werkstücke zu ihrem Ende hin dünner
werden, weil sie dort näher am Drehmeißel liegen. Das entspricht tatsächlich meinen Be-
obachtungen aus der Praxis!

Fazit: nicht nur meine Werkstücke, sondern auch die RDM-Messung zeigt: der Spindelstock
schielt leicht in Richtung Bediener. Oder?

Nicht unbedingt. Eine "schiefe" RDM-Messung kann man auf zwei Arten bekommen:

1. ein verdrehter Headstock (Winkelfehler)


2. ein verzogenes Maschinenbett (Twist)
3. ein abgenutztes Maschinenbett (Schlitten mit daran befestigter Messuhr fährt "schief")

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Bevor der Headstock also abgeschraubt und neu eingemessen wird, muss unbedingt vorher
zweifelsfrei feststehen, dass die aufgenommenen RDM-Messwerte wirklich von einem Win-
kelfehler des Headstocks herrühren und nicht von einem Twist des Maschinenbetts oder einer
abgenuffelten Führungsfläche! Da beide Ursachen (Twist/Abnutzung Maschinenbett oder
Winkelfehler Headstock) dieselben Auswirkungen am Werkstück haben (das Drehen eines
Prüflings erzeugt einen Kegel und keinen Zylinder) kann man sie durch das bloße Drehen ei-
nes Eisenstabs oder durch eine RDM leider nicht voneinander unterscheiden! Einziger Aus-
weg:

Abbildung 15: Einsetzen eines MK2 Prüfdorns für RDM-Messung

Wir überprüfen vorher alle Einflüsse, die am Werkstück eine Tonnenform erzeugen könnte.

5 Bett ausrichten (Leveln)


Zuerst also stellen mit einer Präzisionswasserwaage sicher, dass das Maschinenbett wirklich
exakt ausgerichtet ist, bevor wir unsere RDM-Messung machen. Denn nur wenn das nach
Wasserwaage wirklich "in Level" ist, kann man mit der RDM-Messung vernünftige Schlüsse
ziehen.

Dieser Aspekt kommt leider aus den Beschreibungen im Internet viel zu wenig heraus. Alle
reden davon, dass man die Drehe zum Paralleldrehen kriegt, wenn man den Maschinenfuß
hinten rechts nachstellt. Doch muss das gar nicht die eigentliche Fehlerursache sein. Auch ein
verdrehter Spindelstock (=Headstock) sowie ein abgenutztes Bett erzeugen dieselben "Taper"
in den Werkstücken. Doch die Anleitungen gehen meist stillschweigend davon aus, dass der
Headstock ab Werk sicher noch korrekt eingestellt sei. Bei einer fabrikneuen Drehbank mit
Abnahmeprotokoll mag das der Fall sein- doch bereits bei einer gebrauchten kann man nie
wissen, wieviele Crashs die gute Maschine schon mitgemacht hat und welche Kräfte auf den
Spindelstock eingewirkt haben. So wie beispielsweise bei mir, als die eine Backe in voller
Fahrt herausflog und so das Futter blockierte.

Aber egal, wie bringen das nun ja wieder in Ordnung.

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Beim Leveln mit der Waage ist es wichtig, dass -egal wie das Ergebnis ist- es immer gleich
für beide Seiten ist. Es ist also gar nicht so entscheidend, ob die gesamte Drehbank wirklich
exakt entlang der Gravitationslinien unserer Erde ausgerichtet ist. Sie darf auch gerne etwas
schief stehen. Nur -wenn sie das tut- muss sie auf beiden Seiten ganz exakt gleich schief ste-
hen. Solange sie das tut, haben wir auch keine Verwindung im Maschinenbett. Und das ist die
unbedingte Voraussetzung für alle weiteren Messungen und Einstellarbeiten.

Manche richten die Maschine sogar bewusst mit etwas Neigung aus, damit z.B. später das
Kühlmittel später immer zur richtigen Seite in Richtung Ablassschraube läuft.

Prüfen wir mal über die kurze Seite der beiden Shears. Erst rechts (am Reitstock):

Abbildung 16: Prüfung über die kurze Seite: rechts


Das sieht super aus. Und dann links (am Spindelstock):

Abbildung 17: Prüfung über die kurze Seite: links


Das ist ein halber Teilstrich. Also weniger als 50µm auf 1Meter. Das lassen wir so, denn das
können wir durch daran-Herumfummeln fast nur noch schlechter machen!

Was sagt die vordere Bahn? Aha, etwa 150µm/m links zu hoch.

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Abbildung 18: Prüfung auf dem vorderen Shear

Aber da die hintere Bahn fast genau denselben Wert hat, ist das gar nicht schlimm.

Abbildung 19: Prüfung auf dem hinteren Shear

Mit den Ergebnissen der Wasserwaage bin ich also sehr zufrieden- insbesondere mit den Er-
gebnissen über die kurze Länge. Hier ist die Libelle auf beiden Seiten fast 100%ig exakt in
der Mitte- das bedeutet so gut wie keinen Twist des Maschinenbetts. Sämtliche Messwerte,
die nun aus der Drehachse laufen, liegen dann also an einem Winkelfehler des Headstocks
und nicht an einem verspannten Maschinenbett!

Diese Erkenntnis ist sehr wichtig für die weiteren Schritte!

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6 Bettschlittenspiel
Bei den drei Worten "Bett", "Schlitten" und "Spiel" könnte man ja durchaus auf andere Frei-
zeitbeschäftigungen schließen. Aber um bei meiner Maschinenausrichtung auch weiter zu
kommen, muss ich nun den Bettschlitten abbauen.

Das Maschinenbett selbst habe ich in meinem ersten Reparaturbericht eigentlich schon hin-
länglich untersucht. Dachte ich. Doch fehlte mir damals noch die passende Mikrometer-
schraube, um über die gesamte Breite zu messen, der Endmaßkasten, um den Luftspalt zwi-
schen den beiden Shears zu ermitteln sowie das 75cm Haarlineal, um die Lichtspaltprobe zu
machen. Alle drei Sachen habe ich inzwischen, weshalb ich den Entschluss fasste, das Ma-
schinenbett noch einmal zu untersuchen. Warum nicht, man wird ja nicht dümmer dadurch.

Insbesondere für die Lichtspaltprobe muss ich aber vollen Zugang zu den Führungsflächen
haben, also muss der Bettschlitten weg!

Zuerst den Cross-Slide abbauen samt Gewindespindel und Leadscrew-Nut.

Abbildung 20: Slides abbauen

Dann die Keilleiste (die gar kein Keil ist ;-) raus. Nur drei Schrauben.

Abbildung 21: Keilleiste raus

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Dann schrauben wir die Zahnstange ab, mit der sich der Bettschlitten hin und herdrehen lässt.
Die Zahnstange muss weg, weil man sonst später den Bettschlitten nicht abbekommt.

Also raus das Ding. Schrauben von vorn, alle lösen und dann die Zahnstange nach rechts raus.

Abbildung 22: Zahnstange ausbauen

Nun kommt der Bettschlitten dran. Von hinten drei Schrauben, aber bitte die zwischenge-
klemmten Shims in der richtigen Reihenfolge(!) abnehmen und nicht vertauschen!

Abbildung 23: hintere Klemmleiste abschrauben

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Abbildung 24: auf die drei Shims achten! (Pfeil)

Sie kleben nach dem Abnehmen der Klemmleiste meistens am Metall. Man darf sie keines-
falls vertauschen, denn sie haben teilweise eine unterschiedliche Dicke und dienen dem kor-
rekten Einstellen des Anpressdrucks des Bettschlittens an die hinteren Shears.

Bei mir hatten sie folgende Dicken:

Abbildung 25: Messung der Dicke der Shims

Nun schrauben wir den Schlosskasten ab. Weil ich den Kasten aber nicht komplett abnehmen,
sondern nur so weit nach links schieben will, dass ich mit meinem Haarlineal an den Shears
messen kann, möchte ich diesmal nicht die Leitspindel ausbauen, sondern wirklich nur die
Platte oben abnehmen (und den Schlosskasten dranlassen).

Ich stelle also zuerst ein paar Holzklötze unter, damit der nun heruntersenkende Schlosskasten
nicht auf die Leitspindel fällt und diese dadurch vielleicht noch verbiegt. Dann schraube ich
die Inbus-Schrauben los.

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Abbildung 26: Schlosskasten ablassen (1)


Die beiden Schrauben mit dem Pfeil haben noch eine besondere Bedeutung. Dazu kommen
wir gleich.

Abbildung 27: Schlosskasten ablassen (2)


Nach dem Lösen der vier Inbusschrauben wird man den Schlosskasten noch nicht vollständig
abnehmen können. Warum? Weil im Innern noch eine zweite Klemmleiste installiert ist, die
mit den beiden Schrauben mit dem roten Pfeil markiert ist.

Wenn wir die aber lösen.....

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Abbildung 28: eine zweite Klemmleiste von innen

... geht das Teil endlich ab!

Wir halten die Grundplatte in der Hand.

Abbildung 29: die Grundplatte mit nur sehr geringen Abnutzungsspuren!

Natürlich hatte ich zweite Klemmleiste auch zwei Shims untergelegt. Noch schnell gemes-
sen....

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Abbildung 30: nochmal Shims messen

Scheinen beide dasselbe Maß zu haben. Nun sind wir fertig mit dem Abbau und es kann los-
gehen mit der Messung.

Abbildung 31: abgebaute Teile

Abbildung 32: Badezeit!

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7 Haarlineal
Zuerst reinigen wir den ganzen Kram, denn die Lichtspaltmethode hat das Zeug, bis auf nur
wenige Mikrometer genaue Aussagen zu liefern. Jeder noch so kleine Span oder Grad würde
das Messergebnis sofort verfälschen.

Dann holen wir gaaaaanz vorsichtig das (sauteure) 75cm Haarlineal (Grade 00) heraus und le-
gen es an. Weil das so schwierig mit nur einer Hand ist (in der andere halte ich die Kamera),
habe ich auch nur ein einziges Foto gewagt. Denn nur einmal mit dem Haarlineal irgendwo
angestoßen und ne winzige Delle an der Schneide reingehauen, ist es sofort wertlos!

Daher sollte man ein Haarlineal, sobald man es benutzt hat, auch sofort wieder gut einölen
und in die Schutzhülle zurücklegen.

Abbildung 33: Haarlineal anlegen

Aber nun zur Super 7. An der vorderen Führungsfläche kann ich so gut wie keine auffälligen
Lichtspalte erkennen. Ebenso oben auf den Flächen- bis auf die schon im ersten Bericht er-
wähnten Schleifspuren des Reitstocks gibt es hier nichts zu beanstanden.

Leiiiiider finde ich an der hintersten Fläche doch ein wenig was zum Meckern. Nun gut, wir
wollen wir Kirche stets im Dorf lassen. Ich habe eine gebrauchte Maschine gekauft und da
muss ich natürlich mit "Gebrauchsspuren" leben. Meine ermittelten Spalte lagen im Bereich
von etwa 10µm. Da es gibt weitaus schlimmere Maschinen als die hier, mein Wort drauf.

Trotzdem: wir wollen auch nichts beschönigen, sondern dazu lernen, also prüfen wir die mit
dem Haarlineal gesichteten Lichtspalte mal mit der Mikrometerschraube nach.

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8 Mikrometerschraube
Ich erwähnte ja bereits, dass ich mir inzwischen einen Satz Mikrometerschrauben zugelegt
habe. Meine größte ist derzeit die 125..150mm und die kann ich nun prächtig einsetzen, um
die Über-Alles-Breite des Maschinenbetts entlang seine Länge zu messen.

Abbildung 34: Mikrometerschraube

Ich lege ein Stahllineal an und messe alle paar cm die Breite des Maschinenbetts.

Abbildung 35: Breite messen

Bei der Messung muss man den Umgang mit der Mikrometerschraube schon etwas üben,
denn ein nur minimales Verkanten führt gleich zu deutlich abweichenden Messwerten.

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Nicht zuletzt aus diesem Grund habe ich jede Messung auch gleich 3x gemacht und anschlie-
ßend den Mittelwert gebildet. Deutliche "Ausreißer" habe ich aus der Messung gestrichen und
dann lieber noch ein Viertes mal nachgemessen. Wie gesagt- den Umgang mit der Mikrome-
terschraube muss man üben. Inzwischen habe ich's aber ganz gut raus. Man muss möglichst
viel Wackeln und ein Gespür dafür bekommen, wann die Messflächen wirklich ganz exakt
parallel auf dem Messobjekt aufliegen und wann sie noch verkantet sind (man misst dann zu
große Messwerte).

Und weil ich schon dabei bin, messe ich die beiden anderen Bahnen auch noch einmal separat
nach. Hier verwende ich jetzt die Mitutoyo Serie 193 Mikrometerschrauben mit mechani-
schem Zählwerk. Ich finde die Dinger super, weil man sich da sicher sein kann, dass sich der
Offset nicht aus Versehen verstellt hat (infolge leerer Batterie oder man ist versehentlich an
die Taste gekommen) und funktionieren jederzeit und immer- auch ohne Strom.

Abbildung 36: auch die anderen Bahnen messe ich nochmal nach

Am Ende klimpere ich alles in mein Excel hinein und werte die aufgenommenen Messwerte
aus. Und weil ich die Messkurven von damals auch noch auf der Festplatte habe, hab ich die
heute mit den Mitutoyos aufgenommenen Werte auch nochmal mit den alten Messreihen ver-
glichen. Nur so lernt man, ob man seinen eigenen Messungen vertrauen kann- indem man sie
mit anderen Messmitteln wiederholt und vergleicht.

9 Maschinenbett
Was aber wollen wir denn nun alles auswerten?

Zuerst einmal das, was wohl am meisten interessiert: die gesamte Breite des Maschinenbetts
von Fläche1 auf Fläche 4- also der Fläche, zwischen denen sich der Bettschlitten festkrallt.

Wir sehen das da:

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Fläche 1 => 4

Abbildung 37: Über-alles-Breite des Maschinenbetts (Nullpunkt bei Positon l=55cm)Hmmmmm.......


Jetzt weiß ich, warum die Myford Serviceanleitung einem dazu rät, den Unterschied der Bett-
breite zwischen der Position l=10..15cm und dem Ende zu machen. Am rechten Ende ist das
Bett in den Flächen 1und 4 quasi unbenutzt (da kann der Bettschlitten ja nicht mehr hinkur-
beln) und in der Position 10..15cm sehe ich hier auch in der Tat die größte Abnutzung.
Myford misst also wirklich den "worst case". Sehr gut.

Wie aber passt das zu meiner Messung mit dem Haarlineal und den 10µm?

Abbildung 38: dito, aber mit virtuell angelegtem Haarlineal

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In Abbildung 37 habe ich einmal die Kante eines Haarlineals angelegt, wie es sich verhalten
würde unter der Bedingung, dass sämtliche Abweichung des Gesamtmaßes wirklich zu 100%
auf das Konto von Fläche4 geht. Ob das wirklich so ist, kann ich leider nicht sagen, denn dazu
müsste ich das komplette Maschinenbett auf eine etwa 1m lange Referenzfläche legen und
mit der Messuhr abfahren. Das kann ich momentan noch nicht. Aber die Annahme, dass Flä-
che4 am ehesten abgenutzt wird (weil hier die ganzen Meißelkräfte abgestützt werden) ist
wohl für den ersten Ansatz sicher nicht ganz falsch.

Wenn wir diese Annahme treffen, lassen sich die mit dem Haarlineal gefundenen 10µm her-
vorragend erklären: auch die Mikrometerschraube bestätigt, dass ein an die Kanten angelegtes
Haarlineal in der Position bei ca. l=10..25cm durchaus Platz für ein untergelegtes 10µm Füh-
lerlehrenband bieten würde!

Tja, es scheint so, als ob bei mir die Führungsfläche 4 irgendwie um 10µm "durchgelatscht"
sein könnte.

Fläche 1=>2
Schauen wir uns mal die einzelnen Bestandteile dieses Maßes an. Vielleicht finden wir ja
Hinweise darauf, wo die 10µm her kommen.

Fläche1->2 beschreibt die Breite der vorderen Bahn. Wir schauen uns mal an, was alte und
neue Messung dazu sagen:

Abbildung 39: Messung Fläche1->2

Die gelbe Kurve zeigt die alte Messung, die orange farbene Kurve die neue. Wir erkennen im-
merhin bis zu guten 10µm Abweichung an meinen Stellen zwischen alter und neuer Messung.
Ich würde allerdings der neuen mehr vertrauen, denn damals war ich im Umgang mit den
Mikrometerschrauben noch etwas ungeübt und habe daher bestimmt manchmal etwas "zu
groß" gemessen. (Wäre typisch)
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Fläche 3->4
Das ist die hintere Bahn.

Abbildung 40: Messung Fläche 3->4

Hier stimmen die beiden Messungen hervorragend überein. Immerhin messen wir hier im µm-
Bereich! Generell kann man aber sagen, dass die hintere Bahn am Anfang schon eine ganz
leichte Tendenz zur "Badewannenkurve" hat (Position 5..30cm). Zwar nur im Bereich von ein
paar Mikrometern, aber dennoch nachweisbar (graue Kurve).

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Fläche 2=>3 (Luftspalt)


Interessant wird es aber nun, wenn man auf Basis der gewonnenen Messwerte für die Gesamt-
breite die ermittelten Werte für die beiden Bahnen von ihr abzieht- es müsste ja theoretisch
die Luftspaltbreite zwischen beiden Bahnen übrig bleiben. Und da sehen wir:

Abbildung 41: berechnete Luftspaltbreite

Nach dieser Rückrechnung sieht es fast so aus, als ob die beiden Führungsbahnen innerhalb
der ersten 20cm einen ganz kleinen "Schlag" weg bekommen hätten und nun etwas mehr zu-
einander stehen. Weitaus wahrscheinlicher wäre aber die Reibung eines Reitstocks, der den
Bereich von 20..65cm ein wenig "abgenutzt", also "aufgeweitet" hat, indem er zwischen den
Führungsflächen 2 und 3 gerieben hat. Wenn das so wäre, müsste sich der Reitstock ja maxi-
mal bis zu dieser Position l=20cm schieben lassen und nicht weiter nach links zu schieben ge-
hen- denn wenn man ihn da auch hinschieben könnte, wäre der Luftspalt infolge der Abnut-
zung dort ja auch größer.

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

In einer anderen Ansicht vergleichen wir noch einmal die Fehlersumme der beiden Shears
(also Abweichung der Fläche1->2 und Fläche 3->4) zur gesamten Abweichung. Auch hier
können wir schon sehen: In einem Bereich von 25...65cm kann die Gesamtabweichung mit
der Summe der Abweichungen der beiden Shears erklärt werden.

In dem vorderen Bereich jedoch (0..25cm) tragen die Shears nur noch mit etwa 5µm zum
kleiner werdenden Gesamtmaß bei- der Rest kann eigentlich nur durch einen kleiner werden-
den Luftspalt erklärt werden. Oder durch Messfehler ;-)

Alles Mutmaßung?
Kann sein. Auch ob das Rückrechnen wirklich klappt, kann ich nur mit einem Mittel bewei-
sen: Endmaße in den Spalt stecken und langsam nach links zum Spindelstock schieben. Ab
Position l=25 müssen sie dann ja anfangen, leicht zu klemmen (da der Luftspalt dann ja 10µm
kleiner wird). Ob man das merkt? Ausprobieren!

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

9.1 Luftspalt
Jüngst habe ich in den Kleinanzeigen eines online-Auktionshauses tatsächlich einen schönen
Endmaßkasten gefunden. Das war mir schon öfter passiert, aber bislang war ich leider immer
zu spät gewesen. Diesmal hatte ich aber Gück und war der Erste, der zusagte.

Es ist zwar nur ein Grade2 Kasten, d.h. mit der "schlechtesten" Genauigkeits-Klasse, aber da
der Hersteller "Holex" durchaus auch in seriösen Werkzeugkatalogen vorkommt, werde ich
mit diesem Set nicht so verkehrt liegen. Die teilweise noch in Ölpapier eingepackten End-
maße habe ich alle im Ultraschall sauber gespült und anschließend getrocknet, geölt und in
seinen kleinen Holzkoffer zurückgelegt- abgedeckt mit einem in Öl getränkten Tuch, denn
gute Endmaße sind normalerweise nicht rostfrei und schon die kleinste Rostschicht macht sie
natürlich sofort unbrauchbar.

Abbildung 42: Endmaßblock mit 35,075mm

Ich bastele mir aus meinen Endmaßen also einen Block zusammen, der geraaaade so noch in
den Luftspalt des Maschinenbettes auf der rechten Seite passt. Das passiert bei einer Dicke
von etwa 35,075 mm.

Abbildung 43: da passt er noch rein...

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Diesen Endmaßblock schiebe ich dann -von rechts kommend- langsam nach links in Richtung
Drehfutter. Und siehe da- bei Position l=24cm bleibt er plötzlich stecken!

Abbildung 44: aber ab hier bleibt er stecken!

Erst mit einem anderen Endmaß der Dicke 35,065 (also 10µm weniger) lässt sich der Klotz
auch bis ganz an die linke Seite durchschieben!

Abbildung 45: also basteln wir uns was mit 10µm weniger....

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Abbildung 46:...und siehe da: der geht bis ganz nach links zu schieben!

Und jetzt guckt mal bitte zurück auf die Abbildung 40: abgesehen davon, dass mein berechne-
ter Luftspalt mit 35,09mm etwa 15µm breiter berechnet ist als aktuell mit den Endmaßen er-
mittelt (35,075mm) , passt das Ergebnis sonst aber ganz genau! Exakt ab der Position kleiner
als l=25cm klemmt's und das tatsächlich deswegen, weil hier der Luftspalt etwa 10µm schma-
ler sein muss!

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

9.2 Fazit
Was sagt uns das alles?
Was bedeutet das für uns?

Wie schon im damaligen Bericht erkannt, ist meine Drehbank nicht fabrikneu- das Maschi-
nenbett ist im Bereich vor dem Drehfutter schon messbar abgenutzt. Doch wie schlimm ist
das wirklich?

Einerseits sind knappe 20µm Änderung der Bettbreite entlang seines Verlaufs schon deutlich
fühlbar, wenn man seine Führungen gerne spielfrei einstellen möchte. Wenn man sie so ein-
stellt, dass sie im (abgenutzten) "Hauptbereich" vor dem Drehfutter richtig greifen, werden sie
in weiter entfernt liegenden Bereichen schnell klemmen. Justiert man sie aber an den entfernt
liegenden Bereichen richtig, wird der Schlitten im Hauptbereich schnell sehr "locker" werden
und möglicherweise beim Drehen sogar zum Rattern neigen. Wie also macht man es richtig?
Eigentlich kann man hier nur eine Kompromisseinstellung vornehmen: im Hauptbereich et-
was "wacklig", im Endbereich etwas "stramm".

Bastlerfreund Uwe, der sich ebenfalls gerade eine Super7 "aufgehalst" hat, kann über sowas
jedoch nur lachen. Mit einer gemessenen Breitenvariation seines Maschinenbetts von sage
und schreibe 230µm hat er ein Problem, das mehr als 10x so groß ist wie meins. Ein Justieren
der Führungen ist bei so großen Unterschieden nicht mehr möglich und das weiß auch Uwe.
Eine Schleiferei, die sich auch auf Myford-Betten spezialisiert hat, rät ihm sogar zu einem
(gebrauchten) Austauschbett. Zusammen mit dem korrekten Schleifen kommt das alles dann
schnell auf einen vierstelligen Betrag- allerdings dürfte das Bett sich nachher benutzen lassen
wie bei einer fabrikneuen Maschine!

So gesehen bin ich hier eigentlich noch ganz gut dran. Was ich trotzdem nicht verstehe, ist der
eingeengte Luftspalt zwischen den Bettführungen im Bereich 0..25cm. Ob hier möglichweise
zu stramm eingestellten Schlittenführungen des Bettschlittens die beiden Shears über die
Jahre einfach etwas zusammengedrückt haben? Man darf nicht unterschätzen, wie viel Kraft
ein paar angeknallte Madenschrauben erzeugen können, wenn man sie mit Gewalt gegen ein
Maschinenbett drückt!

Herauskriegen werde ich das wohl nicht mehr. Letztendich ist es auch egal- entscheidend ist,
dass ich den Zustand des Maschinenbettes jetzt recht gut kenne und auch über alle seine
Schwächen Bescheid weiß. Und die gibt es:

• Führungen des Bettschlittens nicht 100%ig spielfrei über die gesamte Länge einstell-
bar
• durch leichte Delle in der Kontur des Bettes (10µm) wird der darüber laufende Bett-
schlitten genau diese Kontur auch auf das Werkstück übertragen. Zumindest so weit,
wie ihm seine Abmessungen das leichte Verkanten auf dem Maschinenbett erlauben.

Inwiefern das meine Einsatzzwecke einschränken wird, werde ich erst im Laufe der Jahre ler-
nen müssen. Aber ihr wisst ja: bei sowas bin ich kritisch :-)

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

10 RDM-Messung
Nach all den Vorbereitungen machen wir nun aber endlich unsere RDM-Messung.

Abbildung 47: der MK2 Prüfstab wird mit Filzstift in Abschnitte eingeteilt und so alle 5cm mit der Mess-
uhr vermessen
Das Ergebnis sahen wir bereits in Abbildung 14. Wir hatten daraufhin bereits gemutmaßt,
dass die 40µm Versatz nun nur von einem Winkelfehler des Headstocks kommen können und
nicht mehr von einem verzogenen Maschinenbett. 10..15µm konnten wir ja durch Abnutzung
der Fläche4 des hinteren Shears und dem variierenden Luftspalt erklären, den Rest aber leider
nicht. Also: Headstock ausrichten! Prima!

Das folgende Kapitel beschreibt den Ausbau der Spindel.

Die muss zwar für die Verdrehung des Headstocks eigentlich gar nicht raus, aber das wusste
ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Egal.

Also erstmal eine weitere Baustelle aufmachen und dann erst nachdenken ;-)

Abbildung 48: RDM-Messung mit Prüfdorn bei l=0cm

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11 Spindel ausbauen
Irgendwie werde ich aus den mechanischen Zeichnungen der Bedienungsanleitung nicht
schlau. Vielleicht geht es ja auch anderen so, daher hier noch einmal in der Reihenfolge, wie
ich es gemacht habe.

Abbildung 49: Collar abschrauben


Zuerst den Klemmring am äußeren Ende der Spindel abschrauben. Dazu die Madenschraube
lösen, dann das Ding abdrehen. In der Bedienungsanleitung nennt Myford den Klemmring
"collar".

Abbildung 50: Zahnrad und Passfeder abnehmen

Ist der Collar ab, kann das Zahnrad und mit seiner integrierten Distanzhülse abgenommen
werden. Achtung: die Passfeder auf der Welle kann leicht verloren gehen!

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Wenn man jetzt diese Madenschraube löst...

Abbildung 51: Madenschraube lösen

...könnte man die Spindel schon durch vorsichtiges Klopfen mit dem Handballen nach vorne
hin austreiben.

Abbildung 52: Spindel herausdrücken

Ich löse aber trotzdem erstmal die beiden schwarzen Wellenmuttern mit dem passenden Ha-
kenschlüssel.

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Abbildung 53: linke Wellenmutter lösen (normales Rechtsgewinde)

Abbildung 54: dann rechte Wellenmutter leicht lösen (auch Rechtsgewinde)

Es handelt sich um normale rechts-Gewinde. Also die innere und das äußere Wellenmutter
leicht lösen. Die äußere kann man auch gleich komplett herausschrauben. Vorsicht: das ge-
lingt nur, wenn der Hebel des Leitspindelvorschubs in Stellung "neutral" steht! (Sonst stößt
die Mutter am Hebel an!)

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Abbildung 55: die linke Wellenmutter abschrauben

Aber spätestens jetzt sollte man die gesamte Spindel nach vorne hin herausklopfen. Bei mir
hat ein wenig Schlagen mit dem Handballen schon gereicht; möglicherweise muss der eine
oder andere hier auch einen Gummihammer benutzen. Aber bitte: sanft klopfen, nicht drauf-
schlagen wie ein Holzfäller!

Die gesamte Spindel kommt nun langsam nach vorne herausgerutscht. Schön sicher fassen
und nicht fallen lassen- eine verbogene Spindel nützt Euch nichts!

Abbildung 56: geschafft! Die Spindel ist draußen!

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Nun kann Vieles entnommen werden. Zuerst den Block mit der Riemenscheibe und dem
"Bull Gear", also der Getriebeuntersetzung. Dann natürlich den Keilriemen (den würde ich -
wie eine Wasserpumpe beim Zahnriemenwechsel gleich rein prophylaktisch mit ersetzen) und
zuletzt die beiden Kugellager- nachdem man auch die rechte Wellenmutter vollständig her-
ausgedreht hat.

Abbildung 57: Riemenscheibenpaket mit Bullgear

Abbildung 58: eine Wellenmutter und ein Abstandhalter

Die Lager sind extrem präzise und stramm eingesetzt. Das geringste Verkanten führt sofort
zum Verklemmen. Hier die Teile also schön Stück für Stück langsam herausruckeln. Alterna-
tiv mit z.B. dem Holzstiel eines Hammers leicht nachklopfen. Vorsicht: zwischen den beiden
Lagern befindet sich ein ca. 0,5mm dicker Distanzring, der dafür sorgt, dass immer eine
kleine Ritze offen bleibt, wo das Öl hineinlaufen und die Lager schmieren kann. Diesen Ring
brauchen wir noch, also gut aufheben!

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Abbildung 59: die beiden Spindellager von links und von rechts

Abbildung 60: Spindellager herausruckeln

Abbildung 61: geschafft! Man beachte den dünnen C-Distanzring rechts

Nun haben wir den Spindelstock leergeräumt und es darf munter geputzt werden. Muss der
Spindelstock nachher noch einmal sauber ausgerichtet werden, würde ich die 6mm Innen-
sechskantschrauben leicht lösen, so dass man den gesamten Spindelstock dann mit den beiden
vorne liegenden Madenschrauben parallel zum Maschinenbett ausrichten kann (Messuhr!).

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Abbildung 62: alles leer! Man sieht gut die beiden Gewinde für die Wellenmuttern

Damit endet der Ausbau der Spindel. Das geht eigentlich alles ganz leicht. Schwieriger wird
es, das Spindelspiel einzustellen. Zumindest bei mir, weil die linke Wellenmutter klemmte
und mir damit eine falsche Einstellung bescherte. Aber lest selbst.

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

12 Spindeljustierung
Jetzt kommt's. Dieses Kapitel ist definitiv das schwerste von allen, denn es beschäftigt sich
mit der korrekten Einstellung der Spindellager. Wenn man die englische (oder deutsche, ist
egal) Anleitung zu diesem Thema liest, werden Leute wie ich so ihre Schwierigkeiten haben,
denn ich habe fast nichts verstanden.

Eigentlich ist das Prinzip ganz einfach. Aber den Autoren der Bedienungsanleitung ist es lei-
der nicht gelungen, den Stoff für mich ausreichend verständlich zu erklären. Ich hoffe, ich
kriege das besser hin.

Abbildung 63: Elemente der Spindellagerung der Myford Super 7

Also: die Spindel der Drehmaschine ist dann korrekt eingestellt, wenn sie einerseits nicht
mehr fühlbares Spiel im Spindellager hat, aber andererseits auch noch nicht scheuert oder
klemmt. Und ganz wichtig: diese Position muss sie auch im Lastfall (z.B. Tailstock drückt mit
einer mitlaufenden Zentrierspitze) behalten!

So etwas erreicht man nur mit einer "Vorspannung".

Wie das geht und was das ist, erkläre ich Euch nun.

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

12.1 Das rechte Lager (Spindellager)


Die Spindel läuft auf der Spindelseite in einem Lager, das wie ein Kegel ausgeformt ist. Die-
ses Lager ist ein Gleitlager, denn es benutzt weder Kugel- noch Rillenlager, sondern verlässt
sich einzig und allein auf einen winzigen Ölfilm zwischen Lagerwand und Spindel. Daher
muss man es auch immer gut ölen. Das übernimmt ein im Innern aufragender Filzdocht
(Pfeil), der das vorne in den Becher eingeträufelte Öl sicher ins Lager und an die Gleitflächen
leitet.

Bei Gleitlagern ist die korrekte Einstellung des Spiels essentiell, sonst klappt das mit dem Öl-
film nämlich nicht. Das nervt zwar etwas, hat aber den Vorteil, dass man sie nach vielen Jah-
ren auch nochmal spielfrei nachstellen kann. Bei einem Kugellager geht sowas nicht: das
muss von Anfang an passen und ist es einmal ausgeleiert, braucht man ein neues. Mit Nach-
stellen ist da meistens nix.

Abbildung 64: das rechte Spindellager (im Hintergrund noch das Bullgear zu sehen)

Durch die Position der Spindel im Kegellager stellt man das (notwendige) Spiel ein. Zieht
man die Spindel stark ins Lager hinein, wird das Spiel immer kleiner, bis sie schließlich an
den Lagerwänden anliegt und klemmt. Wie hier:

Abbildung 65: Spindel zu weit links: sie klemmt!

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Drückt man die Spindel etwas hinaus, dreht sie sich natürlich auch freier, bekommt aber auch
zunehmend Spiel. Im schlimmsten Fall beginnt die Spindel zu wackeln und das wollen wir
natürlich nicht. Guckst Du hier:

Abbildung 66: Spindel zu weit rechts: sie hat zu viel Spiel!

Wir wollen die "spielfreie" Einstellung. Also ein Mittelding zwischen "klemmt" und "spielt".
Die Spindel liegt zwar satt im Lager, aber scheuert nicht (Pfeil).

Abbildung 67: korrekte Einstellung des Lagerspiels

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

12.2 Das linke Lager


Dieses Lager ist für die korrekte Positionierung der Spindel verantwortlich. Es "schiebt" die
Spindel also entweder aus dem rechten Lager heraus oder "zieht" sie in das rechts Lager hin-
ein. Das macht man, indem man die beiden Wellenmuttern paarweise rein- oder rausschraubt
und somit das gesamte Kugellagerpaket im linken Lagerbock verschiebt.

Abbildung 68: mit losem Collar (roter Pfeil) ist alles noch lose und auf der Achse verschiebbar

Damit das aber geht, werden diese beiden Kugellager zu einem gemeinsamen "Paket" vorge-
spannt; d.h. auf der Spindelachse eingeklemmt. Diese Funktion übernimmt der so genannte
"Collar". Er dient einzig alleine dazu, das gesamte Kugellagerpaket schön zusammenzupres-
sen und somit eine konstante Vorspannung auf der Spindel zu halten.

Abbildung 69: mit dem Anziehen des "Collars" spannt man alle Teile auf der Welle zu einem starren Pa-
ket zusammen

Erst damit gelingt eine Einstellung des Lagerspiels.

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

12.3 Ablauf der Justierung


Daher beginnen wir auch genau mit dem Anschrauben dieses "Collars". Vor dem Einsetzen
der Spindel kontrollieren wir noch ein letzten mal mit der Taschenlampe, ob der dünne C-
Ring auch korrekt mit der Öffnung nach oben zwischen den Kugellagern liegt. Wenn ja, kann
man sogar einen winzigen Lichtspalt durch dieses Loch sehen (Pfeil).

Abbildung 70: wichtig: das geöffnete Ende des C-Rings muss immer nach oben zeigen!
Erklärung: nur dann ist sichergestellt, dass auch das oben eingefüllte Öl zwischen den Lagern einlaufen und sich
verteilen kann. Test zu korrekten Einstellung: mit einer Taschenlampe reinleuchten und von oben sicherstellen,
dass man das Taschenlampenlicht durch die Öffnung sehen kann (Pfeil)

12.3.1 Spindel bis Anschlag einschieben

Wir schieben die Spindel also in den Spindelstock (denken an das Bullgear und den Keilrie-
men!!) und versuchen, die Spindel vollständig einzuschieben.

Abbildung 71: Spindel bis zum Anschlag einschieben (z.B. durch Druck mit Tailstock (blauer Pfeil))

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Abbildung 72: Bild aus der Realität

Das gelingt (bei mir) natürlich nicht. Erst mit leichten Gummihammerschlägen kriege ich die
Spindel so weit hinein, dass sie schließlich im rechten Kegellager aufsetzt. Die bessere Alter-
native ist natürlich das sanfte Einpressen mit dem Tailstock, denn das ist definitiv schonender
für die Laufflächen der beiden linken Kugellager. Wer die Spindel nicht verkratzen will, setzt
sowohl in Spindel als auch Tailstock je einen MK2 B16 Futterflansch ein und benutzt diese
als "Pressstücke". Das funktioniert sehr gut. Wenn die Spindel am Anschlag ist, den Druck
bitte bestehen lassen. Denn:

Abbildung 73: Eindrücken der Spindel mittels Headstock

12.3.2 Collar aufschrauben

nun müssen wir das ganze Gebimsel auf der Spindel zu einer "Einheit" zusammendrücken.
Das Manual und das Internet sagen "Vorspannung der Lager" dazu. Diesen Satz habe ich nie
kapiert und im Nachhinein, wo ich das Konzept (endlich) verstanden habe, trifft es das meiner
Meinung nach auch nicht. Vielmehr geht es beim Collar darum, die beiden Lager und deren
Distanzscheiben fest auf der Spindel zu fixieren. Und zwar bombenfest (siehe Abbildung 68).
Noch nicht verstanden?

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Abbildung 74: Collar aufschrauben; rechts die Markierung des Herstellers

Stellt euch eine lange Gewindeschraube vor. Zum Beispiel eine 6Kant-Schraube mit M10 Ge-
winde und 100mm Länge. Darauf fädelt ihr nun zehn dicke Unterlegscheiben mit einem
Durchmesser von -sagen wir- 30mm auf. Also große, stabile Teile. Der Punkt ist: Solange ihr
das ganze nicht abschließend mit einer dicken M10-Mutter zusammenschraubt, liegen die Un-
terlegscheiben nur lose auf der Schraube und können hin und her schlackern. Habt ihr jedoch
die M10 Mutter draufgeschraubt und ordentlich angeknallt, wird das ganze Zeug schön fest
als "Unterlegscheibenpaket" zusammengepresst und es bewegt sich nix mehr. Mehr noch: die
Unterlegscheiben sind nun so fest beieinander, dass man diesen Unterlegscheibenblock nut-
zen könnte, um die ganze Schraube im Schraubstock einzuspannen und sicher zu halten.

Genauso ist es bei der Myford: die Schraube ist unsere Spindel, die Unterlegscheiben sind die
Kugellager und die Mutter ist der "Collar". Der Schraubstock ist der Headstock, der das ganze
Gebilde hält.

Nun haben wir noch die beiden Wellenmuttern links und rechts neben dem Kugellagerpaket.
Diese dienen nur noch dazu, den Einspannpunkt unseres "Unterlegscheibenpaket" im
Schraubstock nach links oder rechts zu verschieben. Damit stellen wir später das finale Spin-
delspiel ein. Jetzt verstanden?

Also nun zurück zum "Collar". Der soll also alle Teile, die auf der Spindel stecken, zu dem
festen "Unterlegscheibenpaket" zusammendrücken.

Das handfeste Anziehen des Collars reicht dazu aus meiner Erfahrung nur dann, wenn die bei-
den Kugellager bereits an der Spindelschulter richtig anliegen. Durch bloßes Drehen des Col-
lars verschiebt man aber noch keine Kugellager, die mit Übermaßanpassung stramm auf der
Spindel sitzen. Das gelingt nur, wenn man diese mit sanftem Klopfen erst in die richtige Posi-
tion klopft (Endanschlag) und d a n n den Collar handfest anzieht.

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Abbildung 75: Diese Teile gehören alle zum linken Spindellager!

Damit ich für das Klopfen etwas mehr Spielraum habe, drehe ich die linke (äußere) Wellen-
mutter heraus. Dann nehme ich ein Rohr, bei dem ich sicher bin, dass die nun folgenden
Schläge mit dem Gummihammer auf den inneren Ring der Lager zielen und nicht auf die äu-
ßeren (wäre erstens wirkungslos und zweites würden sie die extrem glatt geschliffenen Lager-
Laufflächen schädigen!).

Abbildung 76: ein Messingrohr dient als "Schlagholz"

Nach ein paar vorsichtigen, zärtlichen Klopfern mit dem Gummihammer rücken alle Ele-
mente auf der Spindelachse schön eng zusammen. Nun kann der Collar drauf und ordentlich
handfest angezogen werden. Er stabilisiert das so "eng verschnürte Paket" und das ist es, was
das Internet mit "Vorspannung" meint: es erzeugt eine Art "Vorspannung", indem der Collar
alle auf der Achse steckenden Bauteile zwischen sich und dem Anschlag auf der Spindel
(Spindelschulter) festklemmt.

Uff. Schwierige Geburt.

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Sie sieht das dann im Innern des Headstocks aus. Beachte den C-Ring mit der Öffnung!
(Pfeil)

Abbildung 77: so werden die ganzen Teile später zu einem handlichen Paket verschraubt

Die Spindel hat übrigens eine kleine Ritzmarkierung, die die ursprüngliche Position des Col-
lars zeigt (siehe Abbildung 73). Es ist aber nicht schlimm, wenn Collar-Ritz und Spindel-Ritz
heute nicht mehr deckungsgleich übereinander liegen. Durch Toleranzen der Bauteile (Lager!)
und nicht zuletzt auch durch Alterung oder Verschleiß hat sich der Markierungspunkt auch
bei mir etwa eine halbe Umdrehung gegenüber damals verschoben.

Mein Rat: ignoriert die Markierung. Wichtig ist nur, dass das gesamte Lagerpaket inklusive
deren Scheiben und Ringen schön fest auf der Spindel eingequetscht ist. Denn sonst funktio-
niert das Aufnehmen der axialen Druckkräfte durch die Kugellager später nicht! (Druck durch
mitlaufende Körnerspitze!)

12.3.3 Spindel nach rechts verschieben


Nachdem der Collar fest ist, können wir den Tailstock wieder zurückfahren. Die Spindel
dürfte sich aber trotzdem noch nicht großartig von Hand drehen lassen, denn sie klemmt noch
in ihrem rechten Kegellager (in das wir sie ja mit Gewalt hineingepresst haben).
Das notwendige Spiel erzeugen wir nun, indem wir die Spindel ganz leicht nach rechts hin-
ausschieben und so etwas Luft schaffen. Das erreichen wir wie folgt:

1. Linke Wellenmutter handfest anziehen.


2. Spindelspiel prüfen: ok oder nicht?

falls nicht:
3. Rechte Wellenmutter ca. 10° herausschrauben
4. Linke Wellenmutter um 10° hineinschrauben

Das verschiebt die gesamte Spindel (mitsamt allem Gebimsel) etwas nach rechts und schafft
so etwas Luft im Kegellager.

5. Spindelspiel erneut prüfen

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Wenn Spindelspiel noch nicht ok, dann zurück zu 3.

Falls ok, dann:

6. Linke Wellenmutter noch einmal mit Hakenschlüssel und ein paar "deutlichen" Hammer-
schlägen richtig schön fest drehen.

Diese Aktion kostete mich übrigens meinen Hakenschlüssel, dessen Nase beleidigt aufgab.
Das Neufertigen des Hakens mit Fräse und anschließendem Anschweißen dauerte etwa eine
Stunde :-/

12.4 Endkontrolle
Viele, die die Spindel wieder eingebaut haben und eine Justage versucht haben, berichten im
Internet von dem Problem, dass die gesamte Spindel wieder stoppt, sobald ein wenig Druck
vom Meißel (oder Tailstock) auf die Spindel einwirkt.

Wenn nicht gerade der Motor kaputt ist oder der Keilriemen glitschig, kann das eigentlich nur
daran liegen, dass das linke Lagerpaket noch nicht richtig eingestellt ist und dementsprechend
die auftretenden Axialkräfte nicht gut genug aufnehmen und an das Drehmaschinengehäuse
weiterleiten kann.

Die Endkontrolle ist also:


Spindel mit leichten Gummihammerstößen etwas hin und her hämmern (axial). Die Lage der
Spindel (und damit das Spiel) darf sich dabei nicht sichtbar ändern!

Wenn ok, dann ein Werkstück drehen. Stoppt die Spindel dabei?

13 Ja!
So ein Mist. Trotz des geopferten Hakenschlüssels und eines ganzen investierten Tags für Jus-
tierarbeiten kommt es, wie es kommen muss:

Ich wollte den Tailstock in seiner Ausrichtung justieren (also Schritt 6 aus Kapitel 2). Dafür
spannte ich mir einen etwa 25mm dicken Aluminiumstab in das Futter und machte an seinem
Ende eine Zentrierbohrung. Dann nahm ich natürlich die mitlaufende Körnerspitze , setzte an
und gab etwas Druck auf die Achse. Sofort hörte ich eine Änderung im Betriebsgeräusch des
Motors: er klingt zunehmend gequält und wenige Sekunden später steht die Spindel! Es
rutscht aber nicht der Riemen durch oder die Kupplung. Nein- die vollen 750Watt Motorleis-
tung werden scheinbar vom irgendwas "verbraucht!". Mein hastig reingehauener NOT-AUS
Taster verhindert wirksam Folgeschäden. Eine Prüfung zeigt: die Spindel sitzt "fest" und lässt
sich mit der Hand nicht mehr drehen. Und das Spindel-Kegellager rechts ist deutlich warm
durch die paar Sekunden "Quälbetrieb". Durch die Wärme im Lager ist mir im ersten Ansatz
aber bereits klar, was passiert sein muss:

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Das Kegellager hat offensichtlich die Druckkräfte des Tailstocks aufgenommen. Die hat den
hauchdünnen Ölfilm im Lager reißen lassen, was zu erhöhter Reibung führt. Dies wiederum
erwärmt schlagartig alle Lagerbauteile, die sich daraufhin ausdehnen und für eine weitere Zu-
nahme der Reibung sorgen. Das geht so lange, bis schließlich das komplette Lager ver-
klemmt. Das darf es aber nicht! Das rechte Kegellager soll sowieso nur die seitlichen Kräfte
aufnehmen. Die axialen Druckkräfte jedoch sollen von den beiden Kugellagern auf der linken
Seite des Headstocks aufgenommen werden!

Scheinbar taten sie das nicht, sondern gaben nach. Wenn man in so einem Fall nicht SOFORT
reagiert und abschaltet, ruiniert man sich sein Spindellager!

14 Analyse
Ich mache es kurz: das Problem entstand an der linken Wellenmutter!

Es hat mehrere Stunden, Stirnrunzeln sowie den erneuten Komplettausbau der Spindel gekos-
tet, aber ich habe den Fehler schließlich gefunden: die linke Wellenmutter lässt sich bei mir
nicht vollständig in das Gewinde drehen!

Abbildung 78: die eine Wellenmutter lässt sich bis zum Anschlag einschrauben (links), die andere nicht
(rechts)!

Man kann sie zwar mit dem Schlüssel und Hammerschlägen fest ziehen, aber sie zieht dann
nichts fest, sondern verklemmt und bleibt bei ca. 50% Eintauchtiefe im Gewindegang ste-
cken! Das Tückische: Von außen sieht und merkt man nichts, wenn man die Wellenmutter an-
zieht. Man spürt sowohl eine Art "Anschlag" als auch einen deutlichen Widerstand- so wie
man es beim Anziehen einer Mutter kennt und erwartet. Dass dieser Widerstand jedoch nicht
vom Festdrücken des Kugellagers kommt, sondern durch das Steckenbleiben im Gewinde-
gang, kann man von außen weder sehen noch vermuten!

Eigentlich hätte ich nun noch intensiver forschen müssen, was genau mit dem Gewindegang
nicht stimmt (oder der Mutter). Da ich jedoch inzwischen in argem Zeitdruck war (die Reno-
vierung des neuen Messplatzzimmers soll bald starten!), habe ich einfach die beiden Muttern
miteinander vertauscht und siehe da: die eigentlich als "identisch" geglaubten Wellenmuttern
sind ganz so "identisch" wohl doch nicht, denn die andere Wellenmutter lässt sich -im Gegen-
satz zu seiner Schwester- absolut problemlos bis zum Gewindeende zu 100% eindrehen!

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Es dürfte klar sein: der ganze Verstellmechanismus der Welle funktioniert natürlich nur, wenn
sich die Wellenmuttern auch richtig drehen lassen. Eine tut das offensichtlich nicht, geht nur
bis zu 50% ins Gewinde und dadurch konnte ich das notwendige(!) Lagerspiel nicht richtig
einstellen. Ich hatte zwar bereits bei Myford einen neuen Satz Wellenmuttern bestellt, aber
der ist noch auf dem Postweg. Daher benutze ich die "komische" Wellenmutter nun auf der
anderen Seite, denn dort reicht der auf 50% eingeschränkte Verstellbereich locker für eine
korrekte Justierung aus.

15 Nochmal
Nachdem ich das Problem nun endlich verstanden hatte, ging die ganze Arbeit mit dem Ein-
bau und der Justage erneut los. Durch den nun korrekten Lauf der linken Wellenmutter ge-
lingt dies jetzt aber deutlich einfacher als vorher. Alles reagiert so, wie man es auch erwartet:
der Collar presst die ganzen Lagerbauteile auf der Spindelwelle fest. Und mit den beiden Wel-
lenmuttern verschiebt man das ganze Paket nun längs der Wellenachse, bis das notwendige
Spiel im Kegellager erreicht ist. Nach ein paar mal Nachstellen der Spindel nach rechts (aus
dem Kegellager heraus) erreiche ich einen wunderbar leichten Lauf , jedoch ohne fühlbares
Lagerspiel. Und auch die Messungen mit der Messuhr zeigen Gleichlauf und Axialspiel von
deutlich unter 10µm- selbst beim vorsichtigen Rackeln mit einem eingesteckten Holz (hier:
Dübelstange).

Kleiner Tipp: wenn ihr die "Clearance" im Kegellager einstellt und dafür die Spindel nach
rechts herausschiebt, dann dreht die Wellenmuttern bitte nur sehr gefühlvoll. Ich habe das
vielleicht in anfangs 20°, dann etwa 10°-Schritten gemacht. Die Gewindesteigung der Wellen-
mutter habe ich mal grob mit dem Messschieber abgemessen und komme auf 4 etwa Gewin-
degänge pro 5mm. Das wären rechnerisch dann 1,25mm pro Umdrehung. Verteilt auf
360Grad (=1 Umdrehung der Wellenmutter) bedeutet das bereits ca. 35µm Verschiebung auf
der Welle- bei nur 10° Verdrehen der Wellenmutter!

Hinweis: Das Manual redet von einem Zurückdrehen der Wellenmutter von 15°. Nach meinen
überschlägigen Messungen würde das etwas eine Verschiebung der Spindel um ca. 50µm be-
deuten.

Ich habe mich deshalb in vielen kleinen Schritten iterativ herangearbeitet und immer Folgen-
des geprüft:

a) mit Tailstock (Zentrierspitze) gegen Werkstück axial gegendrücken: weder das Motor-
geräusch noch die Drehzahl dürfen sich ändern, während man Druck aufbaut! (Ansonsten ist
das Indiz dafür, dass Kräfte ins Kegellager rechts gehen und nicht in den Kugellagerblock
links!)

b) Spindel von Hand drehen. Wenn der Riemen entspannt ist, muss das trotzdem immern-
och ganz leicht gehen! So schreibt es das Manual. Aber was heißt jetzt "leicht"? Nur mal so
zum Vergleich: wenn der Riemen bei mir entspannt ist, kann ich die Spindel inklusive Dreh-
futter und Werkstück mit dem kleinen linken Finger am BullWheel (=das große Zahnrad)
ohne große Probleme drehen. Mit etwas Kraft vielleicht, aber ohne große Anstrengung oder

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Blasen am Finger. Sogar mit dem kleinen Finger in einer Furche der Riemenscheibe kann ich
die Spindel drehen, so leicht ist der Sitz.

c) Holzstück in die Spindel stecken (als Hebel) und hin und her wackeln. Die Spindelnase
muss -trotz Leichtgängigkeit- vom rechten Kegellager immernoch satt gehalten werden und
darf weder wackeln noch schlagen. Auch darf es nicht "Quitsch"-Geräusche geben (Öl wird
durch zu großes Lagerspiel nach vorne auf dem Spalt zwischen Lager und Spindel etwas her-
ausgedrückt und "suppt" dabei).

Abbildung 79: Lagerspiel prüfen mit Holzstab und Messuhr

d) Wenn soweit alles "ok" scheint: Eine Drehzahl von ca. 1000U/min einstellen und die
Drehbank für 5 Minuten einfach so laufen lassen. Die Lager (insbesondere auf das Kegellager
rechts achten) darf nicht wärmer als maximal handwarm werden! Messung mit der Wärme-
bildkamera ergab: bei mir etwa nur +5..10°C über Zimmertemperatur

e) Dasselbe nochmal machen, aber nun mit einem eingespannten Werkstück und mit Druck
durch den Tailstock (Zentrierspitze). Die Drehzahl darf sich nicht hörbar verändern oder der
Motor irgendwie "gequält" klingen. Wenn er das tut, Test sofort abbrechen und Fehler su-
chen! Auf gar keinen Fall die Drehbank so weiter betreiben, denn sonst ruiniert ihr Euer Spin-
dellager, weil dann nämlich der Ölfilm im Innern des Lagers reißt und es quasi "trocken"
läuft!

Ich habe das natürlich mit der Wärmebildkamera gemessen, denn ich wollte ganz sicher ge-
hen und nochmal auseinanderbauen habe ich nun wirklich keine Lust mehr. Die Drehbankme-
chanik inklusive ihrer Lager wird durch das ständige Auseinanderbauen nämlich auch nicht
besser.

Doch schließlich kann ich hier Erfolg vermelden. Die Lernkurve, die ich machen musste, hat
aber schon deutlich Nerven gekostet. Schließlich "spielt" man mit dem Wert einer professio-
nellen Werkzeugmaschine, die einen deutlich wahrnehmbaren Anschaffungspreis hatte und
die man natürlich nicht kaputtfummeln will.

Gut, nun haben wir die Spindel und deren Lager angeschaut und teilweise sogar erneuert.
Grundsätzliche Probleme haben wir dabei nicht gefunden. Vielleicht welche damit erzeugt,
(und auch wieder repariert ;-) aber wir haben noch keine Maßnahme durchgeführt, die die
Nicht-Parallelität beim Zylinderdrehen bekämpft. Das machen wir jetzt.

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Abbildung 80: der Rundlauf stimmt auch!

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

16 Spindelstock ausrichten
Um es gleich vorweg zu sagen: ich bin mir derzeit noch nicht einmal sicher, ob man den
Headstock bei der Super7 überhaupt verstellen kann. Zwar gibt es hier zwei Madenschrauben,
von denen ich annehme, dass sie der Verstellung dienen könnten, allerdings sehen die Ver-
stellmechanismen der richtig großen Drehmaschinen doch anders (und logischer) aus. Den-
noch kann man den Headstock durch Lösen der oberen vier Inbusschrauben (in der Nähe der
Riemenscheibe) bedingt etwas hin und her schieben. Vergleichbar mit den Halteschrauben ei-
ner Grundplatte für ein Drehfutter.

Ich musste das Ausrichten mehrere Male machen und die nun gezeigten Bilder zeigen ver-
schiedene Stadien. Die erste Ausrichtung war erfolgreich, musste aber wiederholt werden,
weil ich dann das Problem mit dem -unter Druck klemmenden- Spindellager hatte und alles
nochmal ausbauen musste (siehe Kapitel 15).

Trotzdem: das Ausrichten ist immer das Gleiche und ob die Spindel hier mit eingebauter Rie-
menscheibe gezeigt wird oder nicht, hat hier keinen Einfluss auf die Durchführung des Spin-
delstock-Verschiebens.

Wir gehen davon aus, dass mit einer Präzisions-Maschinenwasserwaage mit einer Empfind-
lichkeit von mindestens 100µm/m ein korrekt justiertes Maschinenbett nachgewiesen wurde
und auch sonst alle anderen Einstellungen (Bettschlitten, Multifixaufnahme usw.) auf Spiel-
freiheit usw. kontrolliert bzw. justiert wurden.

Zuerst weise ich mit einer weiteren RDM nach, dass das "Schielen" der Drehachse in Rich-
tung des Bedieners nach wie vor ein Thema ist.

Abbildung 81: RDM-Messung mit MK2 Prüfstab

Es kommt dasselbe Ergebnis heraus wie in Abbildung 14. Also tun wir es: wir ändern die
Ausrichtung des Headstocks!

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Zuerst bringen wir Messuhren an, die uns eine Winkelbewegung des Headstocks sofort anzei-
gen, denn wir müssen ja wissen, wie weit wir ihn verdrehen müssen und wann die korrekte
Position erreicht ist. Das geht nur mit zwei Messuhren: eine vorne und eine hinten! Das
RDM-Diagramm zeigt uns etwa 40µm Abweichung des Durchmessers. Das bedeutet, dass der
Headstock so verdreht werden muss, dass die rechte Messuhr am Ende des MK2 Prüfstabs ge-
nau 20µm mehr anzeigen muss als die erste am Anfang.

Abbildung 82: zwei Messuhren zum Ausrichten des Headstocks

Was genau die beiden absolut anzeigen, ist für uns nicht wichtig. Wir wollen nur, dass sich
der Winkel der Drehachse ändert, und zwar LINKSherum, so dass das Ende des Prüfstabs
vom Bediener weiter weg wandert, damit der Abstand zum Drehmeißel sich dort entspre-
chend um 20µm vergrößert und somit auch den Drehdurchmesser des Werkstücks um 40µm
vergrößert.

Soweit die Theorie. In der Praxis ist das leichter gesagt als getan, denn jede Schraube hat ir-
gendwie Einfluss. Ich werde ein paar Iterationen brauchen, es am Ende aber schaffen.

Zuerst kommt der Schlagschrauber, denn die Schrauben sind sehr fest. Als Bit verwende ich
einen HX6 mit 80mm Länge.

Hinweis:

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Leider musste ich, bevor ich mit dem Schlagschrauber an die Schrauben überhaupt drankam,
vorher die gesamte Spindel ausbauen und die Riemenscheibe abnehmen. Das macht die Aus-
richtung nicht einfacher.

Abbildung 83: mit dem Schlagschrauber ran!

Ich empfehle daher jedem, es -falls es irgendwie geht- es anders zu machen: besorgt Euch ei-
nen 6mm Inbusschlüssel mit T-Handgriff und einer Art "Kugel" am Ende. Die hat den Vor-
teil, dass man sie nicht ganz 90° senkrecht in die Schraube führen muss, sondern auch unter
leicht schrägem Winkel noch funktioniert und das fasst. Zusammen mit einem Lösen der Ma-
denschraube des BullWheels und Verschieben des Riemenscheinblocks um ein paar Millime-
ter nach rechts erreichte ich geraaaaaaade so mit dem 6Kant die unten liegenden Schrauben.
Wenn sie nicht allzu fest angezogen sein sollten, kriegt man sie nun auch mit dem T-Griff-
Werkzeug los (und wieder fest).

Abbildung 84: so geht es aber meistens auch

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Leider schrammt man dabei mit dem Werkzeug etwas innen Lack des Spindelstocks herum.
Die Farbe und damit das gepflegte Aussehen der Drehbank leidet damit definitiv etwas. Aber
immernoch besser ein paar Kratzer im Lack als eine schief stehende Drehachse.

Sind die Schrauben lose, werdet ihr schon eine Bewegung in den Messuhren sehen können.
Wahrscheinlich haben sie sich verstellt, aber vermutlich beide um den gleichen Betrag. Das
bedeutet: der Spindelstock hat sich parallel bewegt, aber (noch) nicht gedreht.

Hier die beiden Madenschrauben, von denen ich vermute, das die Firma Myford sie zum Jus-
tieren des Headstocks eingebaut haben könnte. Sicher bin ich mir jedoch nicht. Vielleicht
dient sie auch nur zum spielfreien Andrücken des Headstocks an seine Führungen.

Abbildung 85: eine der beiden Klemmschrauben

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Abbildung 86: Nahaufnahme

Egal. Trotzdem erstmal die Schraube rein....

Abbildung 87: ...und die zweite Schraube

...und so lange dran herumdrehen, bis die 20µm an der Messuhr erreicht sind. Ja, dazu braucht
man schon etwas Kraft, denn der Headstock muss ja nun auch wirklich bombenfest sitzen und
darf nicht wackeln.

Wenn das nicht reicht, kann man noch andere Sachen machen:

Man kann z.B. mit einer Schraubzwinge den Headstock in einer Richtung drücken.

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Man kann aber auch einen dicken Holzdübel nehmen (z.B. 14mm Durchmesser oder 16mm)
und durch die Spindel stecken. Diesen kann man dann als Hebel benutzen.

Abbildung 88: Spindelstock ausrichten

Was man auf gar keinen Fall nehmen darf, ist der Gummihammer!

Warum nicht?

Weil Euch der wahrscheinlich die Messuhren verstellt! Das Schlagen mit dem Gummiham-
mer gegen das Spindelstockgehäuse überträgt so viele schockartige Vibrationen in den MK2
Prüfstab, dass der anfängt zu schwingen. Die daran hängenden Messuhren können bei so
schnellen Vibrationen mit ihrer Zeigerbewegung unmöglich hinterherkommen. Die Gefahr ist
groß, dass sie sich durch diese Vibrationen verstellen und nur noch Unsinn anzeigen. Es brau-
che einige Versuche und gefrustete Gesichert von mit, bis ich das erkannte.

Daher mein Tipp: gerne eine Schraubzwinge nehmen oder einen Holzstab in die Spindel ste-
cken, gerne auch einen Spanngurt oder ähnliches. Aber bitte nie eine stoßartige Bewegung
machen (Hammer, Fußtritt, usw.)! Das versaut Euch alles!

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Abbildung 89: mit der Schraubzwinge geht es auch!

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17 Vorlegewelle ausbauen
Eine gute Idee ist es, -wenn man die Spindel schonmal draußen hat- auch gleich den Antriebs-
riemen der Spindel auszutauschen. Das ist so wie beim Auto: wenn man den Zahnriemen
wechselt und dafür eh die Wasserpumpe ausbauen muss, sollte man sie auch gleich mit wech-
seln, denn die geht dann erfahrungsweise immer als nächstes kaputt. Um den Spindelriemen
zu wechseln, muss man die Vorlegewelle ausbauen. Die Vorlegewelle ist das Ding, mit dem
man den Motorantrieb ein- und auskuppelt.

Weil ich bei mir das Problem hatte, dass der Motor-Antriebsriemen (= der andere Riemen, der
außen liegt und direkt zum Motor geht) bei mir sporadisch das Vibrieren beginnt, wollte ich
verschlissene Lager der Vorlegewelle als Ursache ausschließen und habe somit die Vorlege-
welle ausgebaut und die Bronzelager erneuert. Außerdem hatte ich ja beim Kauf der Dreh-
bank damals Laufgeräusche beobachtet und mit der Thermografiekamera eine deutliche Er-
wärmung beobachtet, somit wollte ich dieses Thema ja sowieso noch einmal angehen. Also
los.

Achja, schonmal vorneweg: ich werde auch hier Probleme dabei kriegen und die alten Lager
(!) wieder einbauen. Aber lest selbst.

Der Ausbau der Vorlegewelle tatsächlich superleicht. Eigentlich braucht man nur einen See-
gering (Sprengring) und eine Madenschraube zu lösen und schon kann man die gesamte
Achse herausziehen. Also legen wir los.

Erstmal den Antriebsriemen runter.

Achja: es ist übrigens ratsam, vorher die Schutzhaube abzuschrauben. Dann kann man viel
besser und freier arbeiten. Es sind nur zwei 6Kant-Schrauben, geht also ganz schnell.

Abbildung 90: Sprengring lösen und nach rechts gegen das Riemenscheibenpaket schieben

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Der Wellenausbau beginnt mit dem Lösen des Sprengrings. Der hat laut Ersatzteilliste einen
Durchmesser von 7/8tel Zoll- also 22,2mm. Man braucht eine Seegeringzange mit gebogenen
Greifern dafür und ist mangels Platz etwas fummelig. Manchmal hilft es, den Riemenschei-
benblock ein wenig nach rechts zu schieben und damit etwas Freiraum zu schaffen. Die Ma-
denschraube müssen wir ja sowieso lösen, also warum nicht gleich. Und Achtung: auf die
Passfeder achten, man verliert sie sonst leicht!

Abbildung 91: gut aufbefahren- Passfedern verliert man leicht

Sobald der Sprengring geöffnet und auf die rechte Seite der Welle geschoben wurde, ist es
sehr einfach: die komplette Welle samt Kupplung und Einkuppelmechanismus kann man nun
nach links aus dem Gehäuse herausziehen.

Abbildung 92: die gesamte Welle kann nach links herausgezogen werden

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Kurz vor dem Ende gibt die Welle dann den Riemenscheibenblock frei, den man dann heraus-
nimmt.

Abbildung 93: das Riemenscheibenpaket

Es folgt der bereits gelöste Sprengring und ein Distanzstück.

Abbildung 94: ein 7/8tel Zoll Seegering

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Abbildung 95: ein Distanzring...

Abbildung 96:...runter damit :-)

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Abbildung 97: die Vorlegewelle ist draußen!


Gleich darauf fällt einem der 7/8" Seegering entgegen. Er besteht aus drei Teilen und hat laut
Anleitung folgende Bezeichnung:

Thrust Bearing (Rillenkugellager, Hersteller "Ransome & Marles")


R.& M. FT 7/8"

Natürlich ist es als "Q99" noch von Myford erhältlich. :-) Über folgende Angaben kann dieses
Drucklager aber auch alternativ im Internet finden:

7/8 x 1,5 x 0,375"


Inside Diameter: 22,23mm = 7/8"
Outside Diameter: 38,1mm = 1,5"
Width: 9,53mm = 0,375"

Abbildung 98: das Drucklager muss noch raus


Der Ausbau ist denkbar einfach. Sobald die Welle raus ist, greift man beherzt mit dem ölver-
schmierten Finger in die Öffnung des Lagers Q99- und entnimmt nach und nach die drei Be-
standteile des Lagers.

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Freundlicherweise hatte der Vorbesitzer meiner Drehbank bereits ein nagelneues Lager Q99
in seinem Fundus, somit musste ich mir kein neues bestellen Glück gehabt, denn dieses
Drucklager kostet gut und gerne 30 Euro.

Abbildung 99: Teil 1 des Drucklagers

Abbildung 100: Teil2: die Kugellagerscheibe des Drucklagers

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Abbildung 101: auch raus damit

Abbildung 102: Teil3: wieder eine Scheibe

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So sieht es aus, wenn man alle drei Teile in der Hand hat.

Abbildung 103: hier sieht man nochmal die 3 Teile des Drucklagers Q99

Der Ausbau ist beendet. Man schaut nun auf die Bronzelager der Welle. Und damit beginnt
mein Unglück, aber lest weiter.

Abbildung 104: Blick in die linke Lagerhülse

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18 Vorlegewelle zerlegen und messen


Aber bevor wir uns in die Katastrophe schrauben, zerlegen wir erst noch einmal die eben ent-
nommene Vorlegewelle und untersuchen sie.

In ihrem Innern befinden sich zwei Kugeln, eine Feder, ein Druckstück und eine Menge
Schmierfett. Das Druckstück und die zwei Kugeln kann man bereits mit etwas Klopfen her-
ausschütteln. Das sollte man vorher auch, denn sonst fallen sie einem später auf der Werk-
bank heraus, kullern irgendwo hin und die große Suche beginnt ;-)

Abbildung 105: das ist da drin: lange Schraube, Feder, Kugel


Die Demontage beginnt mit dem Rein(!)schrauben der Zentralschraube. Ideal ist es, wenn
man dabei die im Innern liegende Feder noch vorspannt, denn sonst fluppt sie gegen Ende der
Gewindegänge schlagartig raus und beschädigt damit möglicherweise die letzten paar Milli-
meter Gewindegang (die sich schlagartig entspannende Feder könnte Gewinde mit"reißen").

Abbildung 106: Zentralschraube rein(!)schrauben

Spannen kann man die ganze Sache natürlich, indem man die Welle wieder in die Drehbank
einschiebt und den Kupplungshebel betätigt.

Man kann die Welle aber auch in eine Werkbank einspannen und von unten mit einem Holz
gegendrücken. Egal wie ihr es macht- ihr werdet es schon irgendwie schaffen ;-)

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Sobald die Zentralschraube komplett reingeschraubt ist, kann man die Mitnehmerscheibe lö-
sen (2 Inbus-Schrauben) und abnehmen. dadurch kann man nun auch die innere Kupplungs-
scheibe abnehmen.

Abbildung 107: Mitehmerscheibe lösen und Kupplung abnehmen

Danach dreht man die Welle um und löst den einen Innensprengring.

Dadurch kann nun die äußere Kupplungsscheibe von der Welle abgezogen werden. Es kom-
men zwei weitere Kugellager (und ein Distanzring) zum Vorschein.

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Abbildung 108: Kugellager und Distanzring auf der Vorlegewelle (Pfeil)

Ein einfacher Kugellagerabzieher hilft bei der Demontage. Die Kugellager hatten bei mir die
Bezeichnung P8964

Abbildung 109: mit einem Abzieher gehen die Lager schnell runter

Sind laut Internet: LJ5/8


Bei RS Components haben sie die Nummer: #746-396

Mit folgenden Größenangaben bekommt man sie aber auch gut im Internet:
Diameter: 1 9/16" (39,6875mm)
Bore: 5/8" (15,875mm)
Wide: 7/16" (11,1125mm)

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Bei Myford habe ich sie nicht gesehen, aber bestimmt kann man sie dort auch kaufen, wenn
man nett anfragt.

Ich jedenfalls habe sie aus einem "DDR Motorradshop" erhalten. Sehr gut, die gute alte DDR
hilft mir erneut bei meinem Maschinenhobby weiter ;-)

Abbildung 110: Kugellager auf der Vorlegewelle

Achja- beim Kauf von Kugellagern (insbesondere für hochwertige Werkzeugmaschinen) ach-
tet bitte unbedingt darauf, nur gute Markenqualität zu kaufen. Ich weiß, der Chinamann lockt
mit günstigen Angeboten, aber insbesondere bei Spindellagern einer Drehbank oder einer
Rutschkupplung vertraue ich lieber auf ISO9001-gelenkte Prozesse und garantierte, präzise
Abmessungen und Eigenschaften. Meine Lager habe ich beispielsweise von SKF, NSK, FAG,
INA oder sonstigen einschlägigen Kugellagerherstellern. Hier mache ich keine Experimente.

Damit ist die Vorlegewelle nun komplett zerlegt. Das Reinigen im Ultraschallbad befreit sie
vom alten Fett und sonstigen Rückständen. Danach wird sie von mir mit der Mikrometer-
schraube in cm-Abständen vermessen: ich will wissen, ob ich sie noch weiter benutzen kann
oder ob sie an den Lagerstellen schon so abgenutzt ist, dass ich sie erneuern muss!

Abbildung 111: die "nackte" Vorlegewelle

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Abbildung 112: die Vorlegewelle wird ausgemessen

Abbildung 111 zeigt den von mir in Zentimeterabständen ermittelten Durchmesser der Vorle-
gewelle entlang ihrer Achse. An den gelb hinterlegten Stellen liegt sie normalerweise in ihren
Bronzelagern. Der grüne Bereich weist einen Flachschliff auf, ist daher mit der Mikrometer-
schraube etwas schwerer zu messen. Im roten Bereich ist der Einstich für den Sprengring.

Es ist verblüffend, welche geringe Dimensionen man mit den bloßen Fingern ertasten kann.
Der winzige Unterschied des Durchmessers zwischen den Lagerstellen und dem Rest der
Achse kann beim Drüberfahren mit den Fingern problemlos gefühlt werden. Laut Mikrome-
terschraube beträgt der Unterschied lediglich 3µm- aber für den Finger dennoch deutlich spür-
bar!

Nun bin ich kein gelernter Metallbauer, aber für mich liegen die gemessenen Werte alle noch
in "meinem" Limit. Wenn ich die Toleranzen für eine H7-Passung vergleiche, lassen die deut-
lich größere Durchmesserunterschiede zu als ich hier messe. Das ist schonmal eine gute
Nachricht, denn diese Welle nachzukaufen (oder zu bauen?) wäre sicherlich nicht ganz billig.

Ich bestücke sie also mit neuen Kugellagern, schmiere alles gut und baue sie soweit zusam-
men.

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

19 Lagerhülsen
Nun kriege ich was zu "Kauen". Ich wollte neue Bronzelager für die Vorlegewelle einbauen.
Das war schwieriger als gedacht.

Abbildung 113: sehr praktisch: Kasten mit Druckstücken

Das Entfernen der alten Hülsen ging tatsächlich problemlos. Schließ habe ich mir für meine
Hydraulikpresse in der Garage mal so einen Kasten mit allerhand stabilen Druckstücken ge-
kauft. Die kann ich nun gut gebrauchen und ziehe in Verbindung mit einer M10 Gewin-
destange und zwei Muttern die Lagerschale problemlos aus dem Gehäuse.

Abbildung 114: Zugstange zum Ausziehen der Lagerhülse

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Abbildung 115: draußen!

Beim Einsetzen der neuen Lagerschalen mache ich schonmal den 1. Fehler: ich setze sie ein-
fach "frei Hand" auf den Rand der Bohrung auf und ziehe sie mit derselben Gewindestan-
den/Druckstücktechnik in Position. Dass die neuen Lagerschalen außen etwas größer sind als
die alten, ignoriere ich (2. Fehler) und benutze beim Einziehen eben nur ein wenig mehr
Kraft. Motto: das große Runde passt schon irgendwie ins kleine Runde. Dass das natürlich
den Innendurchmesser auch messbar verkleinert, hatte ich mir schon gedacht, aber dies Prob-
lem gedanklich bereits vertrauensvoll in die Hände meiner verstellbaren Reibahle gelegt. 3.
Fehler.

Abbildung 116: mit Gewalt geht alles (man beachte den Saum abgeschabter Bronze (Pfeil))

Am Ende ist das neue Lager drin, ein paar durch den Gewalteinzug abgescherte Materialspäne
wische ich locker weg und stelle dann fest:

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Mist.

Welle passt nicht rein.

Also begehen wir Fehler Nr. 4 und holen stolz die 40mm Reibahle aus der Schublade. Die
50Euro für die Anschaffung sollen doch schließlich gut angelegt gewesen sein! Nein, eigent-
lich 100Euro, denn ich musste nach Lieferung der ersten feststellen, dass ich mich vermessen
hatte und eigentlich das Modell in einer Nummer kleiner gebraucht hätte. Aus einer Kombina-
tion von verletztem Stolz und messihafter Sammelleidenschaft wollte ich die große natürlich
nicht zurückgeben, also investiere ich die 100Euro nun lieber in Fehler Nr.5.

Abbildung 117: nicht nachmachen: Reibahle in Lagerbronze!

Fehler Nr.5 ist, dass Lagerbronze normalerweise eine offenporige Oberfläche hat (z.B. Sinter-
bronze). In den gewollt(!) kleinen Ritzen und Öffnungen fängt sich das Öl und verleiht dem
Lager somit seine selbstschmierenden Eigenschaften. Ein Ritz mit der Reibahle allerdings
schält die Oberfläche derart ab, dass diese Poren gleich zugedrückt werden und kein Öl mehr
halten kann. Folglich wird das Lager später massenhaft Öl "saufen", es aber nicht mehr auf-
nehmen und speichern können, sondern es gleich wieder herauslaufen lassen.

Viel schlimmer ist allerdings die Wiederholung von Fehler Nr. 1. Nach dem Aufreiben der
linken Lagerschale und einem doch erstmal zufriedenstellenden Sitz der Welle setze ich zum
rechten Lager an. Es wird mit derselben Methode in die Lagerschale gepresst und verjüngt
sich dadurch natürlich auch. Doch hier ist es noch viel schlimmer:

Auch wenn ich immerhin Innendurchmesser des Lagers und Außendurchmesser der Welle
stets nach jedem Reiben mit dem Mikrometer gewissenhaft kontrolliere, kann ich beim Errei-
chen des gewünschten Lagerdurchmessers (ca. Wellendurchmesser + 50µm) die Welle nicht
einschieben. Selbst mit großer Kraft schaffe ich es nicht.

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Abbildung 118: Abnahme des Innenmaßes für die Messung mit Mikrometerschraube

Anstatt jetzt endlich das Gehirn einzuschalten, steuert mich das ausgeschüttete Testosteron
zielsicher zu Fehler Nr.6. Die Botschaft "Es muss doch irgendwie reinpassen!!!!" blockiert
sämtliche selbstkritischen Ansätze und endet beim kontinuierlichen Aufreiben des Lagers zu
aberwitzigen Übermaßen.

Abbildung 119: spiegelt schön, ist aber Mist: aufgeriebenes Lager

Als schließlich die Welle endlich auch in das rechte Lager durchgeschoben werden kann,
klemmt sie noch derart, dass man sie kaum von Hand drehen kann. Die Lösung? Fehler 7!
Weiter aufreiben!

Mit den Maschinenbaufähigkeiten eines Neanderthalers reibe ich das Lager weiter auf, bis ich
schließlich 400µm über dem eigentlichen Wellenmaß bin (also 0,4mm). Nun erkennt bereits

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

das Auge des paarungsbereiten Primaten, dass das "dicke Runde" wohl doch nicht immer so
einfach ins "kleine Runde" passt- selbst wenn man es noch so oft hirnlos mit der 40mm
Reibahle bearbeitet.

Abbildung 120: der Neanderthaler wird langsam wach...

Die Welle dreht sich zwar nun leicht, aber nach dem Einbringen der notwendigen Ölbohrung
läuft das eingeträufelte Öl aus dem Lager schneller wieder heraus als Costa Cordalis aus dem
Nudistencamp. Es ist einfach aussichtslos. An Dummheit kaum mehr zu unterbieten, setzt der
Neanderthaler Druckscheibe und Zugstange erneut an und holt die versauten Lager wieder
raus. Bislang die vernünftigste Tat des Tages. Vorher verbrennt er sich noch die Finger am
linken Lager, das unter dem Scherdruckbeanspruchung und der nun fehlenden Stützkraft des
bahnhofshallen-groß aufgebohrten rechten Lagers (Keilriemen => Riemenspannung!) sich
nun "allein gelassen" fühlt und trotzig heiß läuft.

20 Alles wird gut!


Doch die Evolution gewinnt schließlich überhand und geleitet den Neanderthaler zu Großem:
sie schaltet sein Gehirn wieder ein und mutiert ihn zurück zu dem leicht übergewichtigen,
aber dennoch liebenswerten Elektroingenieur, der Reparaturberichte schreibt und inzwischen
sogar sowas wie eine "Fangemeinde" unterhalten muss. Oder will. Das weiß der Neandertha-
ler noch nicht so genau. Aber sein Gehirn ist ja auch noch nicht vollends entwickelt.

Abbildung 121: hier sieht man sehr gut die poröse Oberfläche der Sinterbronze

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

21 Schadensbericht
Die beiden neuen Lager sind versaut, soviel ist mir klar. Nun gut, sie waren glücklicherweise
nicht teuer, aber die Niederlage wiegt schwerer als der finanzielle Verlust für die Lager oder
der Invest für die Reibahlen.

Was genau ist denn hier eigentlich passiert?

Der Grund für die Probleme liegt darin, dass die beiden Lagerhülsen nicht ganz exakt auf Li-
nie mit der Drehachse der Welle waren. Will sagen: entweder schief eingezogen, zumindest
jedoch schief ge"reibahlt". Das hätte sogar dem Primaten eingeleuchtet: die beste Welle lässt
sich nicht in ein Lager einschieben, wenn es schief bzw. leicht verkantet ist.

Anstatt also das rechte Lager mit immer demselben Winkelfehler immer größer aufzureiben,
hätte ich es eher schaffen müssen, das Lager so abzuändern, dass seine Führungsflächen am
Ende wirklich exakt parallel zur Welle sind. Das jedoch ist gar nicht so leicht mit einer
Handreibahle, muss ich zugeben. Schließlich habe ich leider keine zweite Drehmaschine, in
die ich den gesamten Lagerbock einspannen und korrekt gerade und parallel zur Welle aus-
drehen kann (dann hätten wir auch wieder das Problem mit den zugesetzten Poren, aber davon
mal abgesehen). Somit hätte ich eine Lösung gebraucht, die rein "händisch" durchzuführen
ist.

Ich habe mir anders beholfen.

Ok, wenn die neuen Lager hin sind- was aber ist denn mit den alten? Zumindest das rechte
war doch soweit ok und das linke hatte ich ja nur im Verdacht, weil es im Betrieb wärmer
wurde als alle anderen. Vielleicht ist das aber sogar normal? Schließlich liegt auf diesem La-
ger nicht nur die Zugkraft des Spindel-Keilriemens, sondern auch die des Motor-Keilriemens!
Mehr Zugkraft => mehr Reibung => mehr Erwärmung! Eigentlich logisch! Ist das linke Lager
vielleicht gar nicht defekt, sondern einfach nur konzeptbedingt stärker beansprucht?

Also wieder rein mit den alten Lagern und nachmessen.

Vorher messe ich deren Innendurchmesser- sowohl im ein-, als auch im ausgebautem Zu-
stand. Ich lerne, dass das Einpressen in das Lagergehäuse den Innendurchmesser um etwa
50µm verkleinert. (Und beim Ausbau wieder um 50µm weitet!)

Die Analyse von Wellendurchmesser und Lagerinnenflächen zeigt mir, dass beide Lagerstel-
len etwa ein Spiel von 40µm aufweisen. Ich weiß nicht, ob man das so einfach darf, aber
wenn ich die Messwerte von Welle, Lager und das berechnete Lagerspiel auf die Tabelle mit
den Lagerpassungen übertrage, könnte man hier tatsächlich erfolgreich von einer gut definier-
ten und abgestimmten Spielpassung h7/F7 sprechen!

Passt denn aber nun auch die Welle rein oder ist wieder alles verkantet?

Weil ich ja nun um die Probleme wusste, habe ich dieses mal die Lagerhülsen erst lose auf die
Welle gesteckt und sie -zusammen mit der Welle- in die Lagergehäuse gesteckt. Natürlich
brauchte ich zum Einpressen dann wieder meine Zugstange, aber alleine das korrekte Anset-
zen der Hülse per Welle im korrekten Winkel reicht wohl schon aus, die korrekte Zugrichtung
soweit vorzugeben, dass die Welle nachher tatsächlich saugend und schmatzend einzustecken
ist.

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Im Betrieb wird das Lager natürlich wieder mäßig warm, aber es frisst nicht groß Öl und es
läuft auch kaum was heraus. So lasse ich es!

22 Warum also das Ganze?


Die Frage ist berechtigt. Am Ende sind dieselben Lagerschalen wieder drin, die schon vorher
drin waren. Aber etwas hat es doch gebracht: ich konnte eine Menge über Lager und das Ein-
pressen lernen. Und zu guter Letzt weiß ich nun um das aktuelle Lagerspiel von ca. 40µm,
was mir die entspannte Beruhigung gibt, dass die Passung eigentlich gar nicht so schlecht ist,
wie ich erst befürchtete. Wenn das Lager jetzt also warm wird, kann es nicht wirklich an einer
verschlissenen Welle oder einer falschen Lagerpassung liegen. Es ist womöglich konzeptbe-
dingt und damit muss ich mir nun auch keine Sorgen mehr machen.

Alleine das war die Mühe wert.

Und auch der sporadisch schlackernde Antriebsriemen kann nicht durch ein Wellenspiel von
nur 40µm ausgelöst werden. Auch diese Erkenntnis ist die Mühe wert gewesen.

23 Zusammenbau Vorlegewelle
Der Zusammenbau ist schnell gemacht. Die neuen Kugellager treibe ich mit einer langen
Nuss aus dem Knarrenkasten auf die Welle und spendiere einen Haufen Schmierfett- obwohl
die 2RS-Ausführung der Lager sowieso auf Lebensdauer geschmiert ist (durch die staubdichte
Ausführung kommt es nix raus oder rein). Bei den Kupplungsscheiben ist auf fettfreie Umge-
bung zu achten, damit die Reibscheibe nachher auch ihren Dienst tun kann (es ist ja keine
Glitsch-Scheibe). Das Erzeugen der Vorspannung für die Feder ist etwas fummelig, kriege es
aber schließlich hin.

Abbildung 122: Kugellager auf die Vorlegewelle auftreiben

Beim Einschieben der Welle ist auf die korrekte Reihenfolge von Drucklager, Distanzscheibe
und Sprengring zu achten und natürlich auf die Passfeder. Ansonsten ist das alles ziemlich
"straight forward".

Bei mir hatte ich das Problem, dass der Sprengring durch meine schlechte Zange etwas ausge-
nudelt war und später teilweise während des Betriebs aus der Rille gesprungen ist. Es passiert
dann nicht viel- man kann nur eben nicht mehr richtig aus- und einkuppeln. Ein umfangrei-

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

ches Sprengringsortiment mit beigelegten Zangen für insgesamt 40Euro half mir bei der Be-
seitigung. Obwohl der "7/8tel Zoll" Sprengring umgerechnet 22,2mm Innendurchmesser
hätte, funktioniert der 22mm aus dem Standardsortiment ebenfalls.

24 Final alignment: Tailstock (Reitstock)


Das Ausrichten des Spindelstocks hatte ich ja glücklicherweise schon hinter mir. Ein kurzer
Test, ob alles noch stimmt, dann machen wir die letzte Justierung: wir stellen den Spindel-
stock so ein, dass er auch in der Drehachse liegt.

Abbildung 123: schneller Test auf korrekte Ausrichtung mit Rasierklinge

Ein erster Test mit eingesetzten Spitzen und zwischengesteckter Rasierklinge (bzw. Teppich-
messerklinge) zeigt schon eine ziemlich gute seitliche Ausrichtung. Die Rasierklinge steht ge-
nau senkrecht zum Maschinenbett und zeigt keinerlei Wippen zur einen oder anderen Seite.
Kein Wunder: die korrekte Einstellung des Tailstocks hatte ich damals bereits gemacht- noch
vor meinem Crash- und wenn die Rasierklinge jetzt wieder genauso senkrecht steht wie da-
mals, ist das ein weiteres Zeichen dafür, dass die Ausrichtung des Headstocks zurück in seine
ursprüngliche Position offensichtlich gut geklappt hat!

Experten dürfte auffallen, dass sich die Ebene, die die Rasierklinge zwischen Spitzen be-
schreibt, zwar senkrecht zum Maschinenbett, aber nicht ganz senkrecht in Z-Richtung ist. Der
Reitstock scheint also minimal höher zu sein als der Headstock und als Folge dessen kippt die
Klinge ganz leicht oben in Richtung Headstock. Um das zu kompensieren, müsste man ent-
weder was unter den Spindelstock unterlegen (z.B. Fühlerbandlehre) oder den Reitstock etwas
abschaben und damit niedriger machen.

Mal ehrlich?

Vergesst es.

Ich bin heilfroh, dass ich den Maschinenkopf nun endlich wieder gerade ausrichten und die
Spindel in ihrem Spiel richtig einstellen konnte. Für die paar Mikrometer in der Höhe möchte
ich mir das nicht nochmal antun. Und den Reitstock herunterzukratzen, möchte ich auch

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nicht, bevor man sich nicht 100%ig sicher ist, dass das Maschinenbett auch wirklich "flat" ist
und nicht bauchig und dadurch meine Messung verfälscht. Dafür müsste man aber dann wirk-
lich *alles* an der Drehbank abschrauben und sie dann auf einer Referenzplatte tuschieren.

Apropos: das wird vermutlich mein nächstes Projekt. Weil der Weihnachtsmann mit ein 75cm
langes Grade00-Haarlineal geschenkt hat, konnte ich nun zum ersten mal meine 63x63cm Re-
ferenzplatte mit der Lichtspaltmethode prüfen. Und stellte fest, dass sie in der Mitte um bis zu
50µm tiefer ist als am Rand. Sie "hängt" also durch- oder ist im Bereich der Mitte eben bereits
verschlissen! Wenn ich das Haarlineal drüberlege, ergibt sich so ein großer Spalt, dass sogar
locker eine 40µm Fehlerlehre hindurchpasst; mit etwas Prokeln sogar auch 50µm.

Das sind für alle zukünftigen Schab- und Tuschierprojekte ganz schlechte Nachrichten, denn
mit so einer großen Abweichung würde ich sämtliche Werkstücke nicht gerade, sondern bau-
chig schaben.

Ihr sehr also, es gibt immer was zu reparieren! :-)

25 Nachtrag:
Achja- das Einstellen des Tailstocks mache ich dann natürlich mit dem Abfahren eines Prüf-
dorns zwischen den Spitzen mittels Messuhr. Anschließend wird ein 1Zoll dickes Aluminium-
stück zwischen den Spitzen ganz leicht übergedreht und sein Durchmesser mit der Mikrome-
terschraube gemessen.

Und siehe da: am Ende gelingt es mir tatsächlich, die Kurbelwelle meines Metallhobels so zu
begradigen, dass das ebenfalls selber gedrehte Lager aus Bronze saugend und schmatzend auf
die Welle zu schieben geht. Die Durchmesserunterschiede zwischen Anfang und Ende des
Drehbereichs ermittelt mir die Mikrometerschraube als kleiner 5µm- das ist für mich und
meine nicht vorhandene Erfahrung beim Drehen absolut toll!

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26 Motor vibriert
Tja, da dachte ich, ich hätte nun alles im Sack, da kommt das Problem mit dem sporadischen
Vibrieren wieder hoch (siehe Kapitel 17).

Ehrlich gesagt bin ich doch etwas ernüchtert darüber, denn ich hatte gehofft, dass mein Rie-
menwechsel und auch der Lagerwechsel dieses Problem hätte lösen sollen. Hat es aber leider
nicht: in immer kürzer werdenden Abständen (nun teilweise schon im Minutentakt) beginnt
die Maschine laut zu Brummen und Vibrieren. Und das so stark, dass der Antriebsriemen flat-
tert und sich die Vibration sogar auf den Drehmeißel überträgt. Ein absolutes No-Go, wenn
man Passungen drehen will und in 20µm-Toleranzschläuchen unterwegs ist.

Abbildung 124: das Abbauen des Motors beginnt mit dem Abziehen des Pulleys

Beim Einstellen des Headstocks hat mir das Vibrieren schon einige mal Kopfzerbrechen be-
reitet, denn ein schwingender Meißel taucht zeitweise tatsächlich deutlich tiefer in das Werk-
stück ein und verringert somit einen Durchmesser. Auch bei Justierungsarbeiten ist sowas
tödlich! Abweichungen von teilweise 30µm unter Maß brachte mir so ein Vibrieranfall.

Ich habe einige Zeit damit verbracht, das Vibrieren zu beobachten. Sobald es auftritt, wird das
Motorengeräusch lauter (Drehzahl scheint jedoch gleich zu bleiben) und der Antriebsriemen
zwischen Motorspulley und Vorlegewelle vibriert in Querrichtung mit einer Amplitude von
ca. 1cm. Ob das Schwingen des Riemens Auswirkung oder Ursache selbst ist, kann ich noch
nicht genau sagen. Die Tatsache, dass jedoch weder das Auskuppen der Drehbank noch das
Entspannen des Riemens während des Vibrieranfalls das laute Motorbrummen beendet, deutet
für mich eindeutig auf den Motor hin. Also schlägt Sirenensammler Matthias vor, den Motor
auch einmal ganz ohne Riemen im Leerlauf zu betreiben (aber in angebautem Zustand). Das
mache ich. Nach nur 5 Minuten höre ich auch hier das vertraute Brummen! Also: vermutlich
der Motor selbst!

Schöner Mist. Ein guter Motor ist teuer. Wie aber kann so ein Motor anfangen, zu brummen?

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Laut Typenschild habe ich folgenden Motor:

Hersteller: emod
Typ: 80L/6
Leistung: 0,75kW
1390U/min
3Phasen, Dreieck: 220V, Stern: 380V
cos (phi): 0,75
3,3 (220V) bzw. 1,9A (380V)

Abbildung 125: das Typenschild, etwas schlecht von unten fotografiert

Es scheint die Bauform "80" zu sein, die wohl standardisiert ist. Eine Anschlussplatte von
125x100mm und eine Länge von 280mm machen ihn durchaus mit anderen Motoren aus-
tauschbar. Die "B3" Ausführung beschreibt wohl einen genormten Wellenanschluss von
19x40mm.

Mit all diesen Daten kriegt man im Internet tatsächlich einen fast zum Original identisch aus-
sehenden Austauschmotor für etwa 150 Euro. Okay, das ist noch irgendwie "kalkulierbar",
trotzdem würde ich lieber den alten reparieren als wegwerfen und austauschen. Schließlich
kann bei Asynchronmotoren nicht viel kaputt gehen außer verschlissene Kugellager oder eine
durchgebrannte Wicklung.

Ich werde also den Motor abbauen und testen. Es hilft ja nix.

Zuerst will ich die Isolation zwischen Gehäuse und Motorwicklung an allen drei Phasen mes-
sen. Dazu nehme ich meinen 1kV Isolationstester. Wenn eine der drei Wicklungen eine Ma-
cke haben sollte, wird sie mir das bei 1kV Prüfspannung sicherlich mitteilen.

Dann werde ich die ohmschen Widerstände der drei Wicklungen messen. Vielleicht auch so-
gar deren Induktivität, mal sehen, ob mein LCR-Meter das mitmacht.

Natürlich werde ich die mechanischen Lager und die Welle an sich kontrollieren. Ich kann
mir zwar nicht vorstellen, dass die wirklich für die Vibrationsanfälle verantwortlich sein sol-
len, aber man kann nie wissen. Matthias tendiert jedenfalls zu der Lager-Theorie.

Schließlich werde ich das Ding mal testweise ohne Last eine Zeit laufen lassen. Selbst wenn
hier keine Vibration auftreten sollte, baue ich das Ding danach nochmal auseinander und sehe

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mir die Wicklungen sowohl mit dem Auge als auch mit der Wärmebildkamera an. So ist zu-
mindest der Plan.

Vorher muss aber natürlich der Motor abgebaut werden und zuvor das Pulley runter. Das
scheint mir sowieso ziemlich zu schwabbeln auf der Motorachse, also gucken wir es uns mal
genauer an.

27 Motorwartung
Es geht los, ich greife an.

Das Abziehen des Pulleys geht mit einem 3armigen Abziehwerkzeug recht schnell. Sobald
das runter ist, entferne ich das Riemengehäuse. Das schafft ne Menge Platz zum Arbeiten. Bei
der Vorlegewelle habe ich das durch das Rein und Raus inzwischen Übung. Sie ist inzwi-
schen in nur ca. 60Sekunden raus. Es ist ja nur eine Madenschraube und der Sprengring, be-
vor man sie rausziehen kann.

Abbildung 126: Pulley ist runter, Gehäuse auch

Sobald Platz ist, wird der Motor wird erst elektrisch abgeklemmt.

Abbildung 127: Motor abklemmen

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Dann wird er abgeschraubt. Das ist ein wenige kniffelig, da ich die perfekt ausgerichtete
Drehbank dafür natürlich nicht hin und herrücken will und daher hinter das Maschine krab-
beln muss.

Abbildung 128: Spannvorrichtung lösen

Zuerst löse ich die Spannvorrichtung für den Riemen, dann kann man den Motor nach unten
kippen und kommt an die vier Gewindeschrauben dran, mit denen der Motor auf die Dreh-
bank-Halteplatte montiert ist.

Abbildung 129: jetzt sieht man die vier Gewindebolzen

Hier wundert mich, dass eine der 8 Muttern offensichtlich aus einem anderen Material ist.
Warum, weiß ich gleich :-)

Nachdem die 4 Gewindeschrauben (es sind eigentlich Bolzen) entfernt sind, habe ich den Mo-
tor schon in der Hand. Ich liebe die Bauweise der Myford! Es ist alles so herrlich unkompli-
ziert und Straight-Forward! Man könnte sagen, die Myford's sind quasi die VW Käfer der
Drehbänke: einfach und effizient, grundsolide und leicht reparierbar. Vielleicht nicht die
Schnellsten auf der Autobahn, aber mit Sicherheit einer der Zuverlässigsten!

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Abbildung 130: und ab ist er!

27.1 Elektrische Prüfung


Noch bevor der Motor auseinandergeschraubt wird, schnappe ich mir meinen 1kV Isolations-
tester (UNI-UT511) und prüfe die drei Wicklungen auf Isolation. Das ist bei Asynchronmoto-
ren nämlich der häufigste Fehler: durchgebrannte Wicklungen!
Doch das Ergebnis ist einwandfrei: alle drei Wicklungen haben ca. 400MOhm Isolation bei
1KV gegen das Gehäuse. Und gegeneinander gemessen sogar deutlich größer als 500MOhm!

Abbildung 131: Isolationsprüfung des Motors

Misst man den PI (Polarisations-Index) im 10/1-Minuten Invervall, so erhalten wir Werte


zwischen 0,95 und 0,97. Das wäre für eine Elektroinstallation vermutlich nicht besonders gut,
aber für einen Elektromotor sicherlich absolut in Ordnung. Vor allen Dingen, weil alle der
Werte im selben Bereich sind und wir keinen "Ausreißer" haben. Allerdings muss ich zuge-
ben, dass ich mir nicht sicher bin, ob die PI-Messung an einem Elektromotor überhaupt viel
Sinn macht. Dort gibt es eigentlich kaum ein Dielektrikum, das man großartig polarisieren
kann. Egal.

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Nächster Schritt: Wicklung ohmsch Messen. Also mein Fluke87 rausgeholt und geprüft: alle
drei Wicklungen jeweils knappe 9 Ohm Gleichstromwiderstand. Das geht sicherlich auch in
Ordnung!

Abbildung 132: die Wicklungen haben alle etwa 9Ohm

Die Messung der Induktivität verkneife ich mir, denn wenn Isolation und Gleichstromwider-
stand stimmen, kann man getrost davon ausgehen, dass die Wicklungen vermutlich ok sind.
Mehr bringt jetzt aber vermutlich, den Motor aufzuschrauben und reinzugucken. Das machen
wir jetzt.

27.2 Mechanische Prüfung


Zuerst muss die Passfeder raus. Das geht mit Kältespray, einer Wasserpumpenzange und
Hammer. Nicht gut, aber es geht. Dann kann der Lagerdeckel runter. Vorher mache ich mir
mit einem Körner aber noch einen Punkt auf den Deckel, damit ich ihn später in genau dersel-
ben Position wieder anbauen kann.

Beim Abnehmen kommt gleich eine Federscheibe mit, die ich mir sicher weglege.

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Abbildung 133: wir machen vor nix Halt und öffnen den Motor

Dann schaue ich auf den Anker und staune: sieht alles super aus. Fast wie neu!

Also nun die andere Seite. Erstmal die Haube runter. Innen völlig verdreckt und....huch!....die
originale M10 Mutter, die ich vorhin vermisste, fällt mir entgegen! Aus dem Motorgehäuse!

Meine erste Reaktion war: prima, Fehler gefunden! Aber nach etwas Nachdenken komme ich
zu dem Schluss, dass das Brummen damit wohl eher nicht zu tun hatte. Weder die Mutter
noch das Lüfterrad des Motors haben irgendwo Schleifspuren. Die Mutter lag wohl einfach
still und zufrieden mehrere Jahre auf dem Boden der Motor-Haube herum. Glück gehabt, dass
sie nicht in den Läufer gepurzelt ist, dann das hätte Späne gegeben.

Abbildung 134: wir zurgeln das Lüfterrad runter

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Also weiter machen. Das Lüfterrad muss runter. Wieder ein Sprengring, dann mit Einsatz zu
WD-40 und Stechbeitel vorsichtig heruntergehebelt. Der Lüfter kriegt ein paar Kratzer, aber
geht schließlich runter. Er wandert -zusammen mit der Haube- zu einer ausgiebigen Reini-
gung ins Waschbecken.

Nun wieder den Lagerdeckel mit dem Körner markieren, eine weitere Passscheibe runter und
schließlich die Einheit samt Stator rausziehen. Auch hier sieht alles noch gut aus.

Abbildung 135: was hat er bloß?

Was zum Teufel hat denn also der Motor für ein Problem? Viel mehr kann es doch nicht
sein?!?!?

27.3 Nachdenken
Ich überlege, was einen Asynchronmotor sonst noch alles zum Brummen bringen könnte. Viel
mehr gibt es ja kaum noch als die Spulen und die Lager. Wenn die Spulen aber ok zu sein
scheinen, bleiben fast nur noch die Lager als Fehlerquelle übrig.

Eine Idee kommt mir noch:


der Fehler ist zum ersten mal aufgetreten, als Sirenen-Matthias bei mir zu Hause in der neuen
Werkstatt war und beim Einstellen der Drehbank geholfen hat. Früher, noch in der alten
Werkstatt, habe ich das Brummen nie bemerkt und da es so laut ist, kann man es unmöglich
überhören. Sprich: das Problem trat erst in der neuen Werkstatt auf.

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Abbildung 136: Motor im Testlauf auf der Werkbank- aber ohne Ergebnis

Liegt es also vielleicht an der Stromversorgung in der neuen Werkstatt?? Unwahrscheinlich,


da ich mir bei der Installation der Elektrik stets sehr viel Mühe gebe und alles vor der Inbe-
triebnahme teste (alleine schon aus Brandschutzgründen), aber trotzdem nicht unmöglich.

Was passiert denn eigentlich, wenn bei so einem Motor z.B. eine einzelne Phase ausfällt?
Brummt er dann oder verliert er einfach nur Kraft oder bleibt stehen? Keine Ahnung. Auch
das Internet schweigt dazu.

Um hier trotzdem voran zu kommen, werde ich also zwei Dinge tun:

1. die CEE-Steckdose der Drehbank nochmal überprüfen (inkl. Schalter und Leitung)
2. die Lager des Motors erneuern

Erst wenn das beides nichts bringt, muss ich von einem elektrischen Fehler ausgehen, der mit
meinen Messgeräten nicht feststellbar ist. Dann bliebe mir wohl nur noch der Austauschmo-
tor. Das ist für mich aber nur die allerletzte Möglichkeit!

28 Erneuter Angriff
Die neuen Lager (Typ 6204) sind da und mein Abziehwerkzeug leistet mir erneut gute
Dienste. Das Auftreiben der neuen Lager mache ich mit eine 21mm Zündkerzen-Nuss aus
dem Knarrenkasten. Auf der anderen Seite muss ich noch etwas unterlegen, weil die Nuss
nicht lang genug ist. Aber schließlich gelingt es. Wichtig: immer so klopfen, dass die Schlag-
kraft direkt auf die mechanische Verbindungsstelle zwischen Lager und Gehäuse geht- nie-
mals die Kraft "quer durch's Lager" schicken! Das macht sie sofort kaputt (auch wenn man
vielleicht erstmal nichts merkt, werden sie innerhalb kurzer Zeit ausfallen!).

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Beim Einsetzen des Läufers in die hintere Lagerschale ist es mit dem einen Sprengring und
der Zange etwas hakelig, aber schließlich gelingt es. Der Motor wird zusammengebaut und
erstmal für knapp drei Stunden im Leerlauf betrieben. Das verhasste Brummen tritt innerhalb
dieser Zeit nicht auf.

Abbildung 137: der Motor kriegt neue Lager

Aber das hieß nichts, sage ich Euch schonmal im voraus.

29 Erneute Niederlage
Relativ zuversichtlich baue ich den Motor wieder in die Super7 ein. Zuerst die vier Stock-
schrauben mit ihren Unterlegscheiben und Muttern, dann die Schutzhaube drauf, dann wieder
das Antriebspulley auf die 19mm Motorachse. Aber Achtung: hier bitte nicht einfach drauf-
schlagen, sondern fachgerecht aufziehen!

Eine M5x50mm 6Kantschraube passt genau in die Bohrung der Motorwelle und dient mir als
Zugstange für ein ordnungsgemäßes Montieren der Riemenscheibe. Wieder leisten mir ein
paar Unterlegscheiben aus meinem Druckstück-Kasten gute Dienste. Weil ich vorher die
Laufflächen etwas geölt hatte, zieht sich die Riemenscheibe sauber und "flutschig" auf die
Motorwelle auf.

Zuletzt kommt wieder die Vorlegewelle rein. Den Riemen und einen neuen Sprengring nicht
vergessen- schließlich sitzt alles.

Beim Einstellen der Spannung des Motor-Riemens mache ich mir das Eigengewicht des Mo-
tors zu Nutze. Ich lege einfach den Riemen auf, entspanne die Mechanik, und lasse den Motor
in den Riemen "fallen". In dieser Position ziehe ich die Mutter des Verstellmechanismus fest.
Ein kurzer Test: Riemen spannen! Super, Riemenspannung scheint gut zu sein. So empfiehlt
es übrigens auch die originale Myford Bedienungsanleitung.

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Abbildung 138: Pulley mit Gewindestange und Druckstück aufziehen

Dann schalte ich die Drehbank ein. Ich bemerke bereits jetzt, dass sie so leise läuft wie noch
nie. Also irgendwas scheine ich richtig gemacht zu haben. Aber leider nicht alles: bereits we-
nige Minuten später setzt das verhasste Brummen und Vibrieren wieder ein. So ein Mist! Ich
bin verzweifelt!

30 Neue Steckdose?
So langsam fällt mir nichts mehr ein, ehrlich. Ich ziehe ein dickes Starkstromkabel von der
alten Werkstatt rüber und speise die Drehbank über diesen (anderen) Stromkreis. An dieser
Steckdose hatte sie nämlich vorher gehangen und da war mir nie ein Brummen aufgefallen.

Aber bereits nach wenigen Minuten höre ich die vertrauen Störgeräusche ebenfalls. Die
Steckdose und meine Elektroinstallation in der neuen Werkstatt sind also auch nicht die Ursa-
che.

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31 Nur eine Mutter?


Meine Frau betritt die Werkstatt und tippt intuitiv auf eine mechanische Resonanz, die sich in
der Interaktion zwischen Motor und Drehbankkörper ausbildet. "Ob ich auch alles fest ange-
zogen" hätte, fragt sie. "Natürlich, was für eine Frage", spotte ich. Und halte wenige Minuten
später fassungslos eine lose Mutter am Maschinenstand in der Hand.

Ich sollte demnächst meine Frau viel früher fragen. Es hätte mir einige Arbeit erspart.

Ich brauche 3 Wochen, sie nur 3 Minuten. Das ist ungerecht.

Natürlich hatte das Anschrauben dieser Schraube Folgen. Gute sowie schlechte.

1. Mein Stolz ist gekränkt

2. Seit dem Festziehen der losen Mutter ist das Brummen vorbei. Es wurde nie wieder gehört.

3. Die Super7 läuft so ruhig wie nie zuvor. Der Wechsel und die Neueinstellung von Spindel-
lager, Vorlegewelle und Motor scheint tatsächlich die Laufruhe positiv beeinflusst zu haben.

4. Und noch etwas hat sich verändert: meine mühsam erreichte Justierung der Parallelität!!
Arrrgh!

Die Drehe erzeugt wieder 20µm Durchmesserunterschied auf 100mm Länge- das hatten wir
schonmal besser. Also Wasserwaage raus, Level kontrolliert: 1 Teilstrich Abweichung; d.h.
100µm auf 1m; entsprechend 10µm auf 10cm. Hmmm...klar, das kann durch das Anziehen
der losen Schraube im Maschinenunterstand verursacht worden sein.

Also opfere ich einen weiteren Fernsehabend zugunsten der Drehbank für eine Neujustierung.
Die werte Leserschaft wird verstehen, dass sogar schon langsam meine Familie zu mosern be-
ginnt, wann ich denn endlich mal "fertig sei mit der ollen Drehbank". Sogar dem Kleinen (in-
zwischen 5 Jahre) sind meine Kelleraktivitäten schon aufgefallen. "Papa ist ja schon wiiiieder
an seiner Drehbank!", beklagt er sicht. Das verstehe ich. Und um ehrlich zu sein- so langsam
kriege auch ich selbst die Krise. Ist die Inbetriebnahme-Phase denn eigentlich nie zu Ende?

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

32 Zwischenstand
Nun gut, was ich "Inbetriebnahme" nenne, ist für andere vielleicht schon bald eine Restaura-
tion. Denn gemacht bzw. mich darum gekümmert habe, ist ich bislang:

• Vorlegewelle Reinigung, Wartung, Lagerung


• Riemenwechsel (beide)
• Maschinenbett justiert
• Headstock ausgerichtet
• Spindellager gewechselt, neu justiert
• Motor zerlegt, gereinigt, gemessen, neu gelagert
• Ölnippel erneuert
• Schlosskasten aufgearbeitet, gereinigt
• Reitstock ausgerichtet
• Bett vermessen (Mikrometerschrauben)
• Leadscrew inkl. Gewinde am Topslide erneuert

sowie sämtliche Teile intensiv gereinigt und geschmiert. Sogar einen Frequenzumrichter habe
ich ausprobiert. Der funktionierte allerdings nur etwa 30min und prügelte mir dann mit einem
dicken Knall den FI-Schalter in der Werkstatt heraus. Sirenen-Matthias sucht für mich gerade
einen neuen :-)

Abbildung 139: Probebetrieb des Frequenzumrichters- gleich knallt es :-)

In Summe dürfte ich also fast alle Teile der Drehbank inzwischen mindestens einmal in der
Hand gehabt haben. Der Vorteil ist nun natürlich dabei: es gibt kaum noch was, was ich nicht
kenne. Und weil sie eben so schön einfach und robust gebaut ist, behält man bei seinen Arbei-
ten stets den Überblick.

Trotzdem regt mich das mit der erneuten Verstellung der Drehachse auf. Kann es denn nicht
endlich mal gut sein? Ich fasse mir ans Herz und frage Myford um Rat. Es muss doch sowas
wie eine Einstellanleitung für den Headstock geben. Vielleicht würde das meine Probleme lö-
sen? Eigentlich hatte ich beim Einstellen ein gutes Gefühl- aber möglicherweise habe ich
doch was dabei falsch gemacht?

Myford antwortet, scheint meine Frage aber nicht korrekt verstanden zu haben und schickt
mir den Link auf ein Video zum Einbau und Einstellen der Spindellager. Abgesehen davon,
dass ich das Video natürlich bereits vorher schon kannte, brachte mich das aber leider nicht
weiter. Ich werde es daher auf dieselbe Art machen wie vorher.

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

33 Körperkontakt
Doch ein letztes Thema mir lässt mir wieder keine Ruhe: Nach dem Test mit dem Haarlineal
interessiert noch eines: die Auflagefläche des Bettschlittens auf seinen Shears. Das ist schnell
gemacht: ein wenig Tuschierfarbe auf das Bett aufgetragen und den Bettschlitten aufgesetzt.
Dann etwas hin- und hergeschoben und wieder abgehoben.

Abbildung 140: Shears mit Tuschierfarbe einpinseln

Natürlich mit Kraft, denn ich habe vermutlich hoffnungslos zu viel Tuschierfarbe aufgetra-
gen, was zum richtigen Ansaugen zwischen den beiden Kontaktflächen geführt hat. Am Ende
habe ich ein Tuschierbild, wo der Fachmann sicherlich die Nase rümpft, aber ich immerhin
froh bin, dass es zumindest keine groben "Aussetzer" im Tuschierbild zeigt.

Abbildung 141: dann den Schlitten drauf hin- und herschubbern

Nicht zuletzt auch aus Zeitgründen will ich es nun damit belassen. Obwohl ich gerne zugebe,
dass ich mir bereits einen Flachschaber mit Hartmetalleinsatz bestellt habe, denn das Thema
"Scraping" lässt mich nicht mehr los. Doch eine komplette Drehbank ist sicher kein gutes Ob-
jekt für's erste Ausprobieren. Außerdem fehlen mir hier noch viele Grundvoraussetzungen für
ein erfolgreiches Schaben von Oberflächen- bei der Erfahrung angefangen.

Also wieder zusammensetzen das Ganze und sich um das letzte Thema kümmern:

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Abbildung 142: für die Scraping class von Richard King reicht es wohl noch nicht- aber immerhin ist alles
mit Tuschierfarbe bedeckt und ich erkenne keine großen Riefen
Okay okay, ich gebe es ja zu. Ein wenig habe ich dann doch ge-scapred.

Abbildung 143: mein erstes Scrape-Ergebnis (links) gegenüber Original (rechts)

Abbildung 144: ich mache meine ersten Erfahrungen

Aber jetzt ist Schluss mit dem Scrapen in diesem Bericht! :-)

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

WIRKLICH!!!

Abbildung 145: Querschlittenführungen werden geschabt

:-)
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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

34 Frequenzumrichter
Wer Sirenen-Matthias mal besucht, braucht eine dicke Haut. Selten habe ich so viel Werkzeug
auf einem Haufen gesehen- und das darf man sich durchaus auch bildlich so vorstellen, denn
ein normales Schwerlastregal wäre mit der Fülle an schönen Sachen durchaus überfordert.

Obwohl ich mir nicht ganz sicher bin, wofür man wirklich einen Multifixhalter der Größe D2
auf Vorrat im Schrank haben muss (eine Drehmaschine, auf die dieser Halter passt, würde de-
finitiv selbst die Garage von Sirenen-Matthias sprengen), so ist "Haben" definitiv immer bes-
ser als "Brauchen" und somit blieb mir während der Hausführung nichts anderes mehr übrig,
als nur noch neidvoll auf all die schönen Sahnestückchen zu starren, die ich selber gerne auch
bei mir im Keller stehen hätte.

Und siehe da: eines dieser Teile hat tatsächlich den Weg zur mir auf die Werkbank gefunden:
und zwar ein Frequenzumrichter des Herstellers "SEW Eurodrive", Typ "Movitrac 31C". Die-
ses Ding ist eine Art Energieregelung, mit der man die Drehzahl von Asynchron Drehstrom-
motoren beeinflussen kann. Sprich: den vor meine Myford Super7 geschaltet, kann ich damit
die Geschwindigkeit regeln!

Abbildung 146: ob der neue Frequenzumrichter auch explodieren wird?

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Ein wenig muss man sich in die Materie einfuchsen, zugegeben. Erst recht die Anleitung zum
Frequenzumrichter schreckt ab. Selbst für mich als doch Technik-affinen Bastler ist das erst-
mal eine Hürde!

Doch Sirenen-Matthias macht mir Mut. Und tatsächlich gelingt es mir, den FU in Betrieb zu
nehmen und meine Drehbank über ein normales 10kOhm lin-Poti in der Geschwindigkeit re-
geln zu können. Toll!

Mit meinem einfachen Drehzahlmesser überprüfe die Drehzahl MIT und OHNE Frequenzum-
richter. Ergebnis: die Einbuße an Endgeschwindigkeit durch den vorgeschalteten FU liegt bei
weniger als 0,2%, also absolut vernachlässigbar. Dafür ist der nun erreichbare Drehzahl-Ver-
stellbereich einfach traumhaft- selbst ohne das Umlegen des Antriebsriemens!

Natürlich wird der Motor in den unteren Drehzahlbereichen nicht mehr so kraftvoll sein wie
bei seiner Nenndrehzahl, aber für meine kleinen Sachen wird es sicher reichen. Man muss ja
auch bedenken, dass die Super7 eine ziemlich kleine und leichte Drehbank ist. Große Späne
mit viel Motorpower sollte/kann man damit eh nicht machen, also reicht der Antrieb vermut-
lich völlig aus für meine Zwecke.

35 Bedienfeld
Eine ordentliche Frequenzumrichter-Lösung braucht meiner Meinung nach auch ein ordentli-
ches Bedienfeld. Und dazu gehören mindestens folgende Bedienelemente:

- Start
- Stopp
- Drehrichtung (L/R)
- NOT-AUS
- Betriebsart "Dauer"/"Impuls"
- Poti für Drehzahl

Ich denke, die Bedienelemente sind alle selbsterklärend. Lediglich die "Betriebsart" bedarf ei-
ner Anmerkung: da die verwendeten Knöpfe als Taster ausgeführt werden, braucht man eine
Selbsthalte-Schaltung mit einem Relais. Das bewirkt, dass sich das Relais selbst ansteuert und
somit den "Ein"-Zustand beibehält, auch wenn man den Taster schon wieder loslässt.

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

Abbildung 147: für den bei mir zum Einsatz kommenden FU sieht die Schaltung so aus

Wünscht man das allerdings nicht (die Drehe geht beim Loslassen des START-Knopfes also
gleich wieder aus), so kann man das durch die Betriebsart "Impuls" auswählen: das Selbst-
halte-Relais ist dann ohne Funktion. Gebrauchen kann man so etwas, wenn man z.B. Gewinde
schneidet und die Drehbank immer noch für ein paar Sekunden laufen lassen will.

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

36 Abgesang
So, und jetzt kommt's: ich mache Schluss!

Zumindest für heute. Nach wieder über 100 Seiten für Euch generierten Lesestoffs steht für
mich nun dringend das nächste Projekt an: die Renovierung der "alten Werkstatt", die zum
"neuen Messplatzzimmer" werden soll. Denn bei aller Liebe zur Mechanik muss auch meine
"elektrische" Seite langsam wieder zum Vorschein kommen und da gibt es bei einigen Sachen
dringenden Nachholbedarf!

Ich schließe mit einem aktuellen Foto aus der "Neuen Werkstatt", die nun langsam immer
mehr Form annimmt:

Abbildung 148: neue Werkstatt, hinterer Teil (Stand Februar 2018)

Abbildung 149: ...ein Familienmitglied, das die Werkstatt am liebsten schon jetzt gleich jetzt komplett
übernehmen möchte... ;-)

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M. Michalzik - Einrichten einer Drehmaschine

37 Disclaimer
Hinweise
1. Wer auf dieser Grundlage bastelt, bastelt auf eigene Gefahr!
2. Das hier ist ein privat und hobbymäßig zusammengestellter Reparaturbericht. Ich übernehme keine Garantie für die Korrektheit der hier
beschriebenen Inhalte.
3. Ich übernehme keine Folgekosten, die durch evtl. Anwendung der hier beschriebenen Informationen entstehen könnten.
4. Das Basteln in elektrischen Geräten kann für nicht Sachkundige ein hohes Risiko von Verletzungen aller Art bedeuten. Sollten Sie nicht
sachkundig sein, lassen Sie bitte lieber die Finger davon.
5. Die kommerzielle Nutzung des hier beschriebenen Wissens ist nicht vorgesehen.
6. Alle Meinungsäußerungen (insbesondere über Firmen oder Hersteller) sind stets rein subjektiver Natur und spiegeln nur meine eigenen
Erfahrungen oder persönlichen Vorlieben wieder. Sie sind weder als Werbung noch Verunglimpfung dieser Firmen oder Hersteller zu verste-
hen, sondern als persönliche Meinungsäußerung aufzufassen.
7. Vor dem Veröffentlichen meiner Berichte bemühe ich mich stets im Vorfeld um eine Zustimmung der in meinen Berichten vorkommen-
den Personen/ Firmen. Wenn Sie der Meinung sind, dass das in Ihrem Fall einmal (unabsichtlich!) vergessen wurde und über bestimmte Dar-
stellungen oder Beschreibungen verärgert sind, so setzen Sie sich zur Problemlösung bitte zuerst direkt mit mir in Kontakt (und nicht gleich
mit Ihrem Anwalt ;-).

Die Berichte wurden von mir nach bestem Wissen und Gewissen erstellt.

Disclaimer
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elle Nutzung des hier beschriebenen Wissens ist nicht vorgesehen. Weiterhin übernehme ich weder Gewähr für die Richtigkeit der Inhalte
noch übernehme ich Haftung für Risiken und Folgen, die aus der Verwendung/Anwendung der hier aufgeführten Inhalte entstehen könnten.
Nicht-Sachkundigen rate ich generell von Eingriffen in elektrische Geräten und Anlagen dringend ab! Insbesondere verweise ich auf die
strikte Einhaltung der aktuell gültigen Sicherheitsvorschriften von VDE und Berufsgenossenschaft über die elektrische Sicherheit!

Rechtliche Absicherung
Grundsätzlich berufe ich mich bei meinen Dokumenten auf mein Menschenrecht der freien Meinungsäußerung nach Artikel5, Absatz1 des
Grundgesetzes. Dennoch mache ich es mir zu eigen, von den in den Berichten namentlich vorkommenden Personen vor der Veröffentlichung
eine Zustimmung einzuholen. Wenn Sie jedoch der Meinung sind, dass Sie persönlich betroffen sind und das in Ihrem Fall versäumt wurde,
und Sie sind darüber verärgert, so bitte ich um eine umgehende Kontaktaufnahme (ohne Kostennote!) mit mir. Das gilt auch für den Fall,
wenn meine hier bereitgestellten Inhalte fremde Rechte Dritter oder gesetzliche Bestimmungen verletzen sollten. Ich garantiere, dass die zu
Recht beanstandeten Passagen unverzüglich entfernt werden, ohne dass von Ihrer Seite die Einschaltung eines Rechtsbeistandes erforderlich
ist. Dennoch von Ihnen ohne vorherige Kontaktaufnahme ausgelöste Kosten werde ich vollumfänglich zurückweisen und gegebenenfalls
Gegenklage wegen Verletzung vorgenannter Bestimmungen einreichen.

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2018, Marc Michalzik

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