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Appendizitis
Appendizitis
Aufgrund der Häufigkeit ist die Abklärung von Unterbauch- Wann kommt es zur Perforation?
Epidemiologische Untersuchungen weisen darauf hin, dass
schmerzen für Allgemeinärzte, Internisten und Chirurgen
die Erkrankung heterogener und komplexer ist, als bisher ge-
ein alltägliches Problem. Dringlich ist dabei oftmals vor dacht. Langzeittrends in der Inzidenz perforierter und nicht
allem Diagnose oder Ausschluss einer akuten Appendizi- perforierter Formen weichen stark voneinander ab und las-
sen es unwahrscheinlich erscheinen, dass die perforierte
tis. Die Diagnosestellung ist mitunter schwierig. Im inter-
Appendizitis nur durch das Fortschreiten einer nicht oder zu
nationalen Vergleich gibt es erhebliche Unterschiede im spät behandelten unkomplizierten Appendizitis entsteht (12).
diagnostischen Vorgehen, vor allem was die Anwendung der Diskutiert wird vielmehr eine unterschiedliche Pathophysio-
logie, ohne dass diese bisher näher geklärt wäre. Einzelne
Computertomografie betrifft. Auch in der Behandlung ste-
Arbeiten beschreiben Unterschiede in der Mikrobiologie (3)
hen traditionelle Strategien auf dem Prüfstand und werden oder der Immunantwort (12). Bestimmte ethnische Gruppen
in randomisiert kontrollierten Studien neu evaluiert. weisen ein erhöhtes Perforationsrisiko auf, was auf eine ent-
sprechende genetische Prädisposition hindeuten könnte (11).
Zur Vorstellung zweier unterschiedlicher Krankheitsentitä-
Michael Hoffmann und Matthias Anthuber
ten passt auch, dass zahlreiche Studien keinen Zusammen-
hang zwischen Perforationsrate und Dauer zwischen Kran-
Im Jahr 2012 wurden in Deutschland knapp 140 000 Ap- kenhausaufnahme und Operation nachweisen konnten (6).
pendektomien durchgeführt; die Appendektomie ist damit Offenbar kann weder durch eine besonders rasche Operation
eine der 50 häufigsten Operationen (25). Noch viel häufiger noch durch eine liberale Indikationsstellung die Perfora-
ist die Vorstellung von Patienten mit rechtsseitigen Unter- tionsrate gesenkt werden. Die Perforation ist wahrscheinlich
bauchschmerzen in der Arztpraxis und der Notaufnahme. in den meisten Fällen ein prähospitales Ereignis (2).
Die Differenzierung der akuten Appendizitis von harmlosen,
oft selbstlimitierenden Beschwerden ist mitunter schwierig. Diagnostisches Vorgehen
Darüber hinaus ist die Indikationsstellung mit einer hohen Anamnese und klinische Beurteilung sind zweifelsohne die
Rate an Fehldiagnosen belastet. Eine deutschlandweite Da- zentralen Bausteine der Diagnose «akute Appendizitis». Der
tenerfassung aus dem Jahr 2003 ergab, dass nur 75 Prozent rechtsseitige Unterbauchschmerz als klassisches Symptom ist
der unter der Verdachtsdiagnose «akute Appendizitis» ent- fast immer vorhanden, aber sehr unspezifisch. Häufig findet
fernten Appendizes histologisch entzündet oder perforiert sich ein kontralateraler Loslassschmerz. Relativ spezifisch ist
waren, das heisst, die negative Appendektomierate betrug der periumbilikale Schmerzbeginn mit Wanderung in den
25 Prozent. rechten Unterbauch. Dieses Symptom findet sich aber nur bei
Das traditionelle Verständnis der Erkrankung geht davon zirka 50 bis 60 Prozent der Patienten mit Appendizitis. Inso-
aus, dass bei Verdacht auf Appendizitis eine rasche chirurgi- fern besteht ein weitgehender Konsens, dass weitere diagnos-
sche Exploration erfolgen sollte, um Perforationen zu ver- tische Hilfsmittel verwendet werden sollten. Dies sind vor
hindern (2). Dieses Vorgehen wird von neueren Daten aller- allem Laborparameter und bildgebende Verfahren. Leuko-
dings zunehmend infrage gestellt. zyten und C-reaktives Protein (CRP) sind zwar unspezifisch,
erreichen aber in der Kombination eine sehr hohe Sensitivität
und helfen daher vor allem beim Ausschluss einer Appendizi-
tis. Sind beide Parameter normal, beträgt der negativ prädik-
MERKSÄTZE tive Wert je nach Studie bis zu 98 Prozent (16). Score-Systeme
finden in Deutschland kaum Beachtung. Der bekannteste ist
❖ Der rechtsseitige Unterbauchschmerz ist fast immer vor- der Alvarado-Score (Tabelle 1). Dieser erreicht ebenfalls eine
handen, aber sehr unspezifisch. hohe Sensitivität, schneidet in Studien aber nicht besser ab als
die Beurteilung durch einen erfahrenen Chirurgen (16, 19).
❖ Die Diagnosestellung der akuten Appendizitis bleibt eine
Obligat zu fordern ist eine präoperative Bildgebung, da
Herausforderung.
diese nachweislich die Zahl an Fehldiagnosen senkt (5). In
Deutschland steht die Sonografie an erster Stelle, während in
chungen aus den letzten Jahren weisen auf das Risiko strah-
Tabelle 1: leninduzierter Tumorerkrankungen hin, die wahrscheinlich
Alvarado-Score mit 1:2000 abdominellen CT deutlich häufiger sind, als all-
gemein angenommen wird (18). Daneben stellt sich die Frage
«Signs» Schmerzwanderung in den rechten der flächendeckenden 24-h-Verfügbarkeit der CT-Diagnos-
unteren Quadranten 1 tik. Low-dose-CT-Protokolle haben sich in einzelnen Zen-
Appetitlosigkeit 1 tren durchgesetzt (10) und werden gerade in einer grossen
Übelkeit oder Erbrechen 1 multizentrischen Studie evaluiert (1).
Die Sonografie als kostengünstige, nebenwirkungsfreie und
«Symptoms» Druckschmerz im rechten unteren Quadranten 2 beliebig wiederholbare Untersuchung erzielt in erfahrenen
Abwehrspannung 1 Händen ebenfalls hervorragende Ergebnisse (Abbildungen 1
Temperaturerhöhung (> 37,3 °C) 1 und 2). Vor allem wenn die Appendix dargestellt werden
kann, ist die diagnostische Genauigkeit hoch (16). Proble-
«Laboratory Leukozytose 2
matisch ist vor allem die starke Untersucherabhängigkeit. Da
values» Neutrophile Linksverschiebung 1 sich die Patienten im klinischen Alltag oft ausserhalb der
Kernarbeitszeit vorstellen, ist es schwierig, zu jeder Tages-
Kumulative Punktzahl:
und Nachtzeit eine entsprechende Expertise vorzuhalten. Bei
5–6: vereinbar mit akuter Appendizitis
unklaren Fällen stellt insbesondere auch die aktive Beobach-
7–8: akute Appendizitis wahrscheinlich
tung und engmaschige Reevaluation der Patienten (Unter-
9–10: akute Appendizitis sehr wahrscheinlich
suchungsintervall alle 6–8 h) eine geeignete Methode dar, die
Zahl der Fehldiagnosen zu reduzieren. Dieses Vorgehen ist
sicher und führt nicht zu einer erhöhten Rate an Perforatio-
nen oder anderen Komplikationen (2). Zudem sind bei
unauffälliger initialer Sonografie komplizierte Formen sel-
ten, was die Sicherheit dieses Vorgehens erhöht (20).
Insgesamt ist mit der Kombination entsprechender diagnos-
tischer Strategien eine negative Appendektomierate unter
10 Prozent auch ohne regelhaften Einsatz der CT zu erreichen.
Letztere kommt im eigenen Vorgehen selektiv vor allem bei äl-
teren Patienten und erhöhtem Operationsrisiko zum Einsatz.
Tabelle 2:
RCT zur konservativen Therapie der Appendizitis
Autor, Jahr n Operierte Patienten Kritik
im konservativen Arm
Hansson et al., OP: 167 96/200 (48%) Cross-over von fast 50 Prozent aus dem
Br J Surg, 2009 Antibiotika: 200 konservativen Arm
unsaubere Randomisierung
Per-Protocol-Analyse
Vonn et al., OP: 119 44/120 (37%) 20 Prozent Peritonitiden in beiden Gruppen
Lancet, 2011 Antibiotika: 120 (obwohl eigentlich Ausschlusskriterium)
primärer Endpunkt diskutabel
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