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Hans Walter Striebel

Anästhesie
Intensivmedizin
Notfallmedizin
Für Studium und Ausbildung

9.Auflage
Hans  Walter Striebel

Anästhesie
Intensivmedizin
Notfallmedizin

9. Auflage
Meiner Frau Ursula,
unseren beiden Kindern Julia und Matthias
und unserer Enkelin Melia gewidmet
Hans  Walter Striebel

Anästhesie
Intensivmedizin
Notfallmedizin
Für Studium und Ausbildung

9., vollständig überarbeitete Auflage

Mit 275 Abbildungen


und 82 Tabellen

Zusätzlich zum Download finden Sie 43 Videos unter


www.schattauer.de/2995
Bitte geben Sie den Zugangscode ein:
2995-qW4hrR
Prof. Dr. med. Hans Walter Striebel, D. E. A. A.
Chefarzt der Klinik für Anästhesie,
Operative Intensivmedizin, Notfallmedizin,
Schmerztherapie
Klinikum Frankfurt Höchst GmbH
Ein Unternehmen der Kliniken
Frankfurt-Main-Taunus GmbH
Gotenstraße 6–8, 65929 Frankfurt am Main

Sämtliche Zeichnungen wurden vom Autor


selbst erstellt. Alle Fotos wurden vom Autor
aufgenommen.

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Die Medizin unterliegt einem fortwährenden Ent- by Schattauer GmbH,
wicklungsprozess, sodass alle Angaben, insbesonde- Hölderlinstraße 3, 70174 Stuttgart, Germany
re zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren, E-Mail: [email protected]
immer nur dem Wissensstand zum Zeitpunkt der Internet: www.schattauer.de
Drucklegung des Buches entsprechen können. Hin- Printed in Germany
sichtlich der angegebenen Empfehlungen zur Thera-
pie und der Auswahl sowie Dosierung von Medika- Projektleitung: Claudia Ganter, Stuttgart
menten wurde die größtmögliche Sorgfalt beachtet. Lektorat: Martin Kortenhaus, MT-Medizintexte,
Gleichwohl werden die Benutzer aufgefordert, die Illertissen
Beipackzettel und Fachinformationen der Herstel- Umschlagabbildung: Prof. Dr. med. Hans Walter
ler zur Kontrolle heranzuziehen und im Zweifelsfall Striebel, Frankfurt
einen Spezialisten zu konsultieren. Fragliche Unstim- Satz: am-productions GmbH, Wiesloch
migkeiten sollten bitte im allgemeinen Interesse dem Druck und Einband: Mayr Miesbach GmbH,
Verlag mitgeteilt werden. Der Benutzer selbst bleibt Druck ∙ Medien ∙ Verlag, Miesbach
verantwortlich für jede diagnostische oder therapeu-
tische Applikation, Medikation und Dosierung. Auch als E-Book erhältlich:
In diesem Buch sind eingetragene Warenzeichen ISBN 978-3-7945-6817-8
(geschützte Warennamen) nicht immer besonders
kenntlich gemacht. Es kann also aus dem Fehlen
eines entsprechenden Hinweises nicht geschlossen
werden, dass es sich um einen freien Warennamen
handelt. ISBN 978-3-7945-2995-7
 V

Vorwort

Grundlage für dieses Buch sind die Manuskrip- Spinal-/Periduralanästhesie) über QR-Code ab-
te zahlreicher Fortbildungsveranstaltungen, die rufbar.
von mir am jetzigen Campus Benjamin Frank- Das Buch ist als Nachschlagewerk für in der
lin der Charité in Berlin sowie am Klinikum Anästhesie und Intensivmedizin arbeitenden
Frankfurt Höchst sowohl für Studenten des Studenten, Absolventen des Praktischen Jahres
Prak­tischen Jahres als auch für das Anästhesie- und junge Anästhesisten gedacht. Außerdem soll
Pflegepersonal – insbesondere für Teilnehmer es ein Lehrbuch für die Absolventen des Weiter-
des Weiterbildungskurses zur Fachkranken- bildungskurses zur Fachkrankenschwester bzw.
schwester bzw. zum Fachkrankenpfleger für zum Fachkrankenpfleger für Anästhesie und
Anästhesie und Intensivmedizin – gehalten Intensivmedizin sein. Daneben kann es für Do-
wurden. zenten und Fortbildungslehrkräfte als Leitfaden
Für diese 9. Auflage wurde das Manuskript wie- für den Studentenunterricht bzw. Fachweiter-
derum grundlegend überarbeitet, aktualisiert bildungskurs Anästhesie und Intensivmedizin
und ergänzt. Beispielsweise wurden folgende dienen. Es soll aber auch für alle anderen an der
Themen aufgenommen: Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin sowie
●● die endotracheale Intubation mittels Video- (Tumor-)Schmerztherapie interessierten Leser
laryngoskopie eine Lernhilfe darstellen.
●● die neuen ERC-Reanimationsleitlinien von Um den Lesefluss nicht unnötig zu stören, wurde
2015 z. B. bei Berufsbezeichnungen und bei Patienten
●● die neuen Leitlinien zur Therapie des SHT, nur die männliche Form verwendet (der Arzt,
des STEMI/NSTEMI sowie zur intravasalen der Patient). Selbstverständlich sind hierbei stets
Volumentherapie bei Erwachsenen und zur Männer und (!) Frauen gemeint.
Therapie mit Blutkomponenten und Plasma- Während ich in den früheren Auflagen die von
derivaten mir gezeichneten Abbildungen noch mit (alther-
●● die aktuellen Empfehlungen zur Anwen- gebrachter) Methode (Aquarellfarbe und Pinsel)
dungsbeschränkung von HES-Präparaten selbst amateurhaft koloriert habe und sie dann
●● das Patient-Blood-Management-Konzept in Grautönen gedruckt wurden, wurde in die-
●● die neuen Empfehlungen zur rückenmark­ ser 9. Auflage die Kolorierung auf den neuesten
nahen Regionalanästhesie bei Thromboem- (computertechnischen) Stand gebracht. Hierfür
bolieprophylaxe/antithrombotischer Medi­ konnte ich eine künstlerisch sehr begabte junge
kation sowie zu ultraschallkontrollierten Designerin gewinnen, die meine Zeichnungen
Regionalanästhesieverfahren/Gefäßpunk­ mittels Computerkolorierung zum Leuchten
tionen gebracht hat. Dafür möchte ich meiner Tochter
●● die neue ARDS-Definition (Berlin-Defini­ Julia ganz herzlich danken. Das Buch erscheint
tion) jetzt erstmals mit bunten Abbildungen.
●● CIRS, Team Time Out, RASS, HIT II

An dieser Stelle darf ich mich ganz herzlich bei


Außerdem sind jetzt erstmals 42 Videos zu den meinen ärztlichen Mitarbeitern Frau Kerstin
wichtigsten Maßnahmen (z. B. endotracheale In- Kunz und Dr. Enno Wehrmann (tätig in der
tubation, Platzierung einer Larynxmaske oder Klinik für Anästhesie, Operative Intensivme-
eines zentralen Venenkatheters, Anlage einer dizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie des
arteriellen Druckmessung, Durchführung einer Klinikums Frankfurt Höchst) bedanken, die das
VI Vorwort 

gesamte Manuskript akribisch überarbeitet und den Klinikalltag verfasst wurde, bedeutete dies
konstruktive Ergänzungen, Anmerkungen und zwangsläufig eine Einschränkung des Familien-
Korrekturen vorgenommen haben. Mein ganz lebens. Ohne die verständnisvolle Nachsicht und
herzlicher Dank gilt auch den beiden Fachkran- Geduld meiner Frau, unserer beiden Kinder
kenschwestern für Anästhesie- und Intensiv­ und unseres Enkelkindes wäre dies nicht mög-
pflege Frau Abeba Dysick (Teamleiterin) sowie lich gewesen.
Frau Andrea Otto (beide tätig auf der Opera-
tiven Intensivstation des Klinikums Frankfurt
Höchst) für konstruktive Ergänzungen, An- Frankfurt am Main,
merkungen und Korrekturen zum Kapitel über im August 2016 Hans Walter Striebel
Intensivmedizin, insbesondere zu pflegerischen
Maßnahmen.
Herrn Dr. med. Wulf Bertram und Frau Claudia
Ganter vom Schattauer Verlag sowie dem freien
Lektor Herrn Martin Kortenhaus möchte ich für
die stets sehr gute Zusammenarbeit danken. www.schattauer.de/2995
Der größte Dank gilt meiner Familie. Da das Video 0.1: Einführung
Buch ausschließlich nach dem oft anstrengen- (Dauer: ca. 47 Sekunden)
VII

Inhalt

1 Anästhesie – allgemeiner Teil___ 1 1.9 Intravenöse Anästhetika und


sonstige anästhesie­relevante
1.1 Allgemeine Bemerkungen _________ 1 intravenöse Medikamente________ 46
1.9.1 Allgemeine Bemerkungen_________ 46
1.2 Teilgebiete _____________________ 1 1.9.2 Intravenöse Anästhetika__________ 48
1.9.3 Sonstige anästhesierelevante
1.3 Aufgaben des Anästhesisten und intravenöse Medikamente_________ 60
des Anästhesiepflegepersonals _____ 2
1.10 Muskelrelaxanzien ______________ 64
1.4 Präoperative Visite_______________ 2 1.10.1 Physiologie der neuromuskulären
1.4.1 Ziele __________________________ 2 Übertragung___________________ 64
1.4.2 Ablauf_________________________ 3 1.10.2 Nicht depolarisierende
Muskelrelaxanzien ______________ 64
1.5 Prämedikation __________________ 6 1.10.3 Depolarisierende
1.5.1 Ziele __________________________ 6 Muskelrelaxanzien ______________ 74
1.5.2 Substanzgruppen ________________ 6
1.5.3 Durchführung___________________ 8 1.11 Neuromuskuläres Monitoring
(Relaxometrie) _________________ 77
1.6 Narkoseapparat _________________ 8 1.11.1 Relaxationsgrad ________________ 77
1.6.1 Narkosesysteme__________________ 8 1.11.2 Wirkprinzip ___________________ 79
1.6.2 Bauteile_______________________ 14 1.11.3 Durchführung _________________ 79

1.7 Narkosevorbereitungen__________ 26 1.12 Endotracheale Intubation ________ 83


1.7.1 Medizinproduktegesetz___________ 26 1.12.1 Vorteile_______________________ 83
1.7.2 Überprüfung des Narkosewagens 1.12.2 Absolute Indikationen ___________ 83
auf Vollständigkeit ______________ 31 1.12.3 Anatomie des Kehlkopfes_________ 83
1.7.3 Vorbereitung des Materials________ 32 1.12.4 Instrumentarium________________ 84
1.7.4 Aufziehen der Medikamente_______ 33 1.12.5 Vorbereitungen_________________ 93
1.7.5 Vorbereitung des Patienten für die 1.12.6 Intubation unter laryngoskopischer
Narkose_______________________ 33 Sicht _________________________ 94
1.7.6 Lagerung des Patienten – 1.12.7 Blocken des Tubus ______________ 98
Lagerungsschäden ______________ 35 1.12.8 Lagekontrolle des Tubus__________ 99
1.12.9 Fixierung des Tubus ____________ 101
1.8 Inhalationsanästhetika___________ 37 1.12.10 Mögliche Komplikationen durch
1.8.1 Allgemeine Bemerkungen ________ 37 Intubation und Tubus___________ 102
1.8.2 Faktoren, die die Aufnahme und
die Abatmung eines Inhalations­ 1.13 Kehlkopfmaske (Larynxmaske) ____ 103
anästhetikums beschleunigen bzw.
verzögern _____________________ 38 1.14 Larynxtubus __________________ 107
1.8.3 MAC-Wert ____________________ 40
1.8.4 Wichtige Medikamente___________ 40
VIII Inhalt 

1.15 Narkosetiefe__________________ 108 1.21 Perioperative Infusions- und


1.15.1 Narkosestadien bei der Ethertropf­ Transfusionstherapie____________ 135
narkose – Guedel-Schema _______ 108 1.21.1 Infusionslösungen______________ 135
1.15.2 Beurteilung bei moderner 1.21.2 Transfusionslösungen___________ 139
Narkoseführung _______________ 109 1.21.3 Durchführung einer Blut­-
transfusion ___________________ 141
1.16 Manuelle Beatmung mit dem 1.21.4 Gefahren einer Bluttransfusion____ 144
Kreissystem __________________ 110 1.21.5 Transfusionszwischenfall ________ 144
1.16.1 Einstellung des Überdruck- 1.21.6 Allgemeine Bemerkungen
ventils_______________________ 110 zur perioperativen Flüssigkeits-
1.16.2 Manuelle Beatmung über eine und Volumentherapie___________ 145
Gesichtsmaske_________________ 111
1.16.3 Manuelle Beatmung des intubierten 1.22 Dokumentation
Patienten_____________________ 113 in der Anästhesie ______________ 150
1.16.4 Manuelle Beatmung über eine
Larynxmaske__________________ 114 1.23 Team Time Out und CIRS_________ 152
1.16.5 Spontanatmung________________ 114 1.23.1 Team Time Out________________ 152
1.16.6 Übergang zur maschinellen 1.23.2 CIRS-System__________________ 152
Beatmung____________________ 114 1.23.3 Medikamentenfehler____________ 152

1.17 Maskennarkose________________ 115 1.24 Gefahren für das Anästhesie-


1.17.1 Allgemeine Bemerkungen________ 115 personal _____________________ 152
1.17.2 Maskennarkose am Beispiel einer 1.24.1 Narkosegasbelastung____________ 152
balancierten Anästhesie 1.24.2 Nadelstichverletzungen__________ 153
(und einer TIVA) ______________ 115 1.24.3 MRSA-positive Patienten ________ 155

1.18 Intubationsnarkose ____________ 119


1.18.1 Allgemeine Bemerkungen _______ 119
1.18.2 Intubationsnarkose am Beispiel 2 Lokal- und Regional-
einer balancierten Anästhesie_____ 119 anästhesie __________________ 159
1.18.3 Reine Inhalationsanästhesie______ 127
1.18.4 Intravenöse Anästhesie und total 2.1 Allgemeine Bemerkungen _______ 159
intravenöse Anästhesie__________ 128
1.18.5 Neuroleptanästhesie____________ 133 2.2 Wirkungsweise________________ 159

1.19 Narkose unter Verwendung 2.3 Nebenwirkungen ______________ 160


einer Kehlkopfmaske____________ 133 2.3.1 Toxische Nebenwirkungen_______ 160
1.19.1 Allgemeine Bemerkungen________ 133 2.3.2 Anaphylaktoide
1.19.2 Vorbereitungen________________ 133 Nebenwirkungen_______________ 162
1.19.3 Narkoseeinleitung______________ 133 2.3.3 Sonstige Nebenwirkungen________ 162
1.19.4 Narkoseaufrechterhaltung
und -ausleitung________________ 134 2.4 Verschiedene Formen___________ 163
2.4.1 Lokalanästhesie________________ 163
1.20 Narkose unter Verwendung 2.4.2 Leitungs- oder Regional-
eines Larynxtubus______________ 134 anästhesie____________________ 164
2.4.3 Intravenöse Regional­-
anästhesie____________________ 188
Inhalt IX

3 Spezielle Narkose- 4 Typische Narkoseprobleme___ 217


vorbereitungen______________ 191
4.1 Nicht nüchterner Patient ________ 217
3.1 Zentraler Venenkatheter_________ 191 4.1.1 Allgemeine Bemerkungen _______ 217
3.1.1 Allgemeine Bemerkungen________ 191 4.1.2 Wahl des Narkoseverfahrens _____ 217
3.1.2 Indikationen__________________ 191 4.1.3 Aspirationsprophylaxe __________ 217
3.1.3 Material______________________ 191 4.1.4 „Ileuseinleitung“ bei
3.1.4 Vorbereitung__________________ 191 Erwachsenen__________________ 218
3.1.5 Punktionsorte_________________ 192
3.1.6 Lagekontrolle des Katheters ______ 196 4.2 Aspiration____________________ 220
3.1.7 Messung und Interpretation 4.2.1 Allgemeine Bemerkungen _______ 220
des ZVD _____________________ 197 4.2.2 Therapie______________________ 220

3.2 Blutige arterielle 4.3 Maligne Hyperthermie__________ 221


Druckmessung ________________ 198 4.3.1 Allgemeine Bemerkungen________ 221
3.2.1 Indikationen__________________ 198 4.3.2 Erkennungszeichen_____________ 222
3.2.2 Ort der Messung_______________ 198 4.3.3 Mögliche auslösende Faktoren____ 222
3.2.3 Allen-Test____________________ 199 4.3.4 Therapie _____________________ 222
3.2.4 Material ______________________ 199 4.3.5 Anästhesie bei bekannter
3.2.5 Vorbereitung__________________ 201 Neigung zur MH_______________ 223
3.2.6 Punktion der Arteria radialis _____ 201
3.2.7 Nullpunktabgleich und 4.4 Laryngospasmus_______________ 224
Kalibrierung__________________ 203 4.4.1 Allgemeine Bemerkungen________ 224
3.2.8 Probleme_____________________ 204 4.4.2 Erkennungszeichen_____________ 224
3.2.9 Komplikationen _______________ 204 4.4.3 Mögliche Ursachen_____________ 225
4.4.4 Therapie _____________________ 225
3.3 Pulmonaliskatheter_____________ 204 4.4.5 Prophylaxe ___________________ 225
3.3.1 Indikationen__________________ 205
3.3.2 Aufbau ______________________ 205 4.5 Bronchospasmus_______________ 225
3.3.3 Material ______________________ 205 4.5.1 Allgemeine Bemerkungen _______ 225
3.3.4 Vorbereitung der Druck- 4.5.2 Erkennungszeichen_____________ 226
messung _____________________ 206 4.5.3 Mögliche Ursachen_____________ 226
3.3.5 Einführen eines Pulmonalis- 4.5.4 Therapie _____________________ 226
katheters_____________________ 206 4.5.5 Prophylaxe ___________________ 226
3.3.6 Interpretation der gemessenen
Werte________________________ 208 4.6 Singultus_____________________ 227
3.3.7 Veränderung der Kreislauf- 4.6.1 Allgemeine Bemerkungen _______ 227
parameter ____________________ 210 4.6.2 Therapie _____________________ 227
3.3.8 Gefahren bei Anlage____________ 210
4.7 Herzrhythmusstörungen_________ 227
3.4 PiCCO _______________________ 211 4.7.1 Allgemeine Bemerkungen _______ 227
4.7.2 Mögliche Ursachen_____________ 227
3.5 Echokardiographie_____________ 211 4.7.3 Therapie _____________________ 228
3.5.1 Doppler-Effekt ________________ 212
3.5.2 Stressechokardiographie _________ 214 4.8 Hypotonie____________________ 229

3.6 FloTrac®-Sensor/Vigileo®- 4.9 Hypertonie ___________________ 230


Monitor – unkalibrierte
Pulskonturanalyse _____________ 215
X Inhalt 

4.10 Anaphylaktoide Reaktionen______ 230 5.3.1 Physiologische Besonderheiten____ 268


4.10.1 Allgemeine Bemerkungen________ 230 5.3.2 Physiologie der Geburt__________ 269
4.10.2 Einteilung der Schweregrade______ 230 5.3.3 Narkoseführung _______________ 270
4.10.3 Häufigkeit____________________ 231 5.3.4 Unerwünschte Arzneimittel-
4.10.4 Therapie _____________________ 231 wirkungen____________________ 275
4.10.5 Prophylaxe ___________________ 233 5.3.5 Präeklampsie und Eklampsie _____ 276

4.11 Probleme bei der Maskenbeatmung 5.4 Anästhesie in der Gynäkologie____ 279
und/oder Intubation____________ 234 5.4.1 Lagerung_____________________ 279
4.11.1 Allgemeine Bemerkungen _______ 234 5.4.2 Operationen __________________ 279
4.11.2 Beurteilungskriterien für den
Schweregrad der Intubation______ 234 5.5 Anästhesie in der Urologie_______ 281
4.11.3 Vorgehen bei erwarteten 5.5.1 Allgemeine Bemerkungen________ 281
Beatmungs- und/oder 5.5.2 Operationen __________________ 281
Intubationsproblemen __________ 236
4.11.4 Unerwartete Intubations­probleme 5.6 Anästhesie in der Neuro-
beim bereits anästhesierten chirurgie_____________________ 286
Patienten_____________________ 239 5.6.1 Allgemeine Bemerkungen________ 286
4.11.5 Unerwartete Beatmungs­probleme 5.6.2 Spezielle neurochirurgische
beim bereits anästhesierten Lagerungen___________________ 289
Patienten_____________________ 240 5.6.3 Anästhesiologische
4.11.6 Extubation nach schwieriger Besonderheiten________________ 291
Intubation____________________ 243 5.6.4 Durchführung_________________ 294
5.6.5 Operationen __________________ 295
4.12 Perioperative Unterkühlung______ 244
5.7 Anästhesie in der HNO- und
4.13 Intraoperative Wachheit_________ 244 Kieferchirurgie ________________ 298
5.7.1 Allgemeine Bemerkungen _______ 298
5.7.2 Operationen bzw. Unter-
suchungen____________________ 299
5 Anästhesie – spezieller Teil___ 247
5.8 Anästhesie in der Augen-
5.1 Anästhesie bei Kindern__________ 247 heilkunde_____________________ 302
5.1.1 Allgemeine Bemerkungen________ 247 5.8.1 Allgemeine Bemerkungen________ 302
5.1.2 Physiologische Besonder- 5.8.2 Operationen __________________ 304
heiten________________________ 247
5.1.3 Spezielles Narkosezubehör_______ 250 5.9 Anästhesie in der Abdominal-
5.1.4 Narkosesysteme________________ 252 chirurgie_____________________ 305
5.1.5 Durchführung_________________ 254 5.9.1 Allgemeine Bemerkungen________ 305
5.9.2 Minimalinvasive Chirurgie_______ 306
5.2 Anästhesie im hohen 5.9.3 Fast-Track-Verfahren ___________ 307
Lebensalter___________________ 266 5.9.4 Operationen __________________ 309
5.2.1 Physiologische Besonderheiten____ 266
5.2.2 Durchführung_________________ 266 5.10 Anästhesie in der Traumatologie
5.2.3 Postoperative Nachbehandlung____ 268 und Orthopädie________________ 311
5.10.1 Notfallmäßige Operationen ______ 311
5.3 Anästhesie in der Geburtshilfe____ 268 5.10.2 Geplante Operationen___________ 312
5.10.3 Operationen im Hüftbereich______ 312
 Inhalt XI

5.10.4 Arthroskopie__________________ 313 6.4.1 Überwachung_________________ 344


5.10.5 Operationen an Unterarm 6.4.2 Ursachen unzureichender
oder Hand____________________ 313 Atmung______________________ 344

5.11 Anästhesie in der Thorax- 6.5 Kreislauf _____________________ 347


chirurgie_____________________ 313 6.5.1 Kontrolle_____________________ 347
5.11.1 Allgemeine Bemerkungen _______ 313 6.5.2 Komplikationen _______________ 347
5.11.2 Narkoseführung _______________ 314
5.11.3 Transport des Patienten 6.6 Sonstige Maßnahmen___________ 349
auf die Intensivstation___________ 315 6.6.1 Allgemeine pflegerische
5.11.4 Postoperative Nach­behandlung____ 315 Maßnahmen__________________ 349
6.6.2 Einschätzung anhand
5.12 Anästhesie in der Gefäß- postanästhetischer Checkliste_____ 349
chirurgie_____________________ 315
5.12.1 Allgemeine Bemerkungen________ 315 6.7 Schmerzbekämpfung ___________ 350
5.12.2 Operationen __________________ 315 6.7.1 Bedarfsadaptierte Opioid­-
dosierung ____________________ 350
5.13 Anästhesie in der Herzchirurgie___ 317 6.7.2 Postoperativ häufig eingesetzte
5.13.1 Allgemeine Bemerkungen _______ 317 Opioide______________________ 351
5.13.2 Herz-Lungen-Maschine _________ 319 6.7.3 Antipyretische Analgetika________ 352
5.13.3 Medikamentöse Besonder-
heiten _______________________ 321 6.8 Übelkeit und Brechreiz__________ 355
5.13.4 Allgemeine Bemerkungen 6.8.1 Allgemeine Bemerkungen _______ 355
zur Narkose___________________ 326 6.8.2 Therapie und Prophylaxe ________ 356
5.13.5 Häufige Herzoperationen________ 332
5.13.6 Minimalinvasive 6.9 Kältegefühl___________________ 357
Operationstechniken____________ 333 6.9.1 Allgemeine Bemerkungen________ 357
5.13.7 Verlegung auf die Intensiv- 6.9.2 Therapie _____________________ 358
station_______________________ 335
5.13.8 Fast-Track-Verfahren ___________ 335 6.10 Unruhe_______________________ 358

5.14 Polytraumatisierte Patienten_____ 335 6.11 Rückenmarknahe Leitungs-


5.14.1 Allgemeine Bemerkungen________ 335 anästhesien___________________ 359
5.14.2 Diagnostik____________________ 336
5.14.3 Therapie______________________ 338 6.12 Verlegung auf die Normal­-
station_______________________ 359

6 Aufwachraum _______________ 343


7 Intensivmedizin______________ 361
6.1 Allgemeine Bemerkungen _______ 343
7.1 Allgemeine Bemerkungen________ 361
6.2 Übernahme des Patienten _______ 343
7.2 Beatmungstherapie_____________ 362
6.3 Wachheitsgrad ________________ 343 7.2.1 Physiologie und Patho­physiologie
der Atmung___________________ 362
6.4 Atmung______________________ 344 7.2.2 Respiratorische Insuffizienz ______ 367
7.2.3 Indikationen zur Beatmung ______ 368
XII Inhalt 

7.2.4 Auswahl des Beatmungsweges ____ 369 7.9 Prophylaktische Maßnahmen_____ 451
7.2.5 Bronchialtoilette_______________ 371 7.9.1 Infektionsprophylaxe ___________ 451
7.2.6 Beatmung____________________ 372 7.9.2 Pneumonieprophylaxe und
Prophylaxe lagebedingter
7.3 Künstliche Ernährung___________ 400 pulmonaler Schäden____________ 452
7.3.1 Total parenterale Ernährung______ 403 7.9.3 Thromboseprophylaxe __________ 454
7.3.2 Enterale Ernährung_____________ 409 7.9.4 Stressulkusprophylaxe___________ 455
7.3.3 Immunonutrition______________ 412 7.9.5 Dekubitusprophylaxe____________ 456
7.9.6 Intertrigoprophylaxe____________ 457
7.4 Antibiotikatherapie ____________ 413 7.9.7 Kontraktur- und Spitzfuß­­-
7.4.1 Medikamente _________________ 413 prophylaxe____________________ 458
7.4.2 Bakteriologische Unter-
suchungen____________________ 416 7.10 Lagerung des Intensiv­-
patienten_____________________ 458
7.5 Säure-Basen-Haushalt___________ 417 7.10.1 Rückenlagerung _______________ 459
7.5.1 Allgemeine Bemerkungen________ 417 7.10.2 Seitenlagerung ________________ 459
7.5.2 Regulation____________________ 418 7.10.3 Bauchlagerung ________________ 460
7.5.3 Störungen____________________ 420 7.10.4 Lagerung in Spezialbetten________ 461

7.6 Blutgasanalyse________________ 423 7.11 Katheter, Sonden und


7.6.1 Abnahme der Blutprobe_________ 423 Drainagen____________________ 461
7.6.2 Art der Blutprobe______________ 425 7.11.1 Magensonde __________________ 461
7.6.3 Aufbewahrung der Blutprobe_____ 425 7.11.2 Blasenkatheter ________________ 462
7.11.3 Zentraler Venenkatheter_________ 464
7.7 Überwachung des Intensiv- 7.11.4 Blutige arterielle Druck-
patienten_____________________ 426 messung______________________ 464
7.1 Allgemeine Bemerkungen _______ 426 7.11.5 Pulmonaliskatheter_____________ 464
7.7.2 Herz-Kreislauf-Funktion ________ 426 7.11.6 Thoraxdrainage________________ 464
7.7.3 Atmung/Beatmung und Lungen-
funktion _____________________ 430 7.12 Wundversorgung_______________ 469
7.7.4 Säure-Basen-Haushalt und 7.12.1 Wundheilung _________________ 469
Blutgase______________________ 434 7.12.2 Materialien zur Wund-
7.7.5 Hirnfunktion _________________ 434 behandlung___________________ 470
7.7.6 Urinausscheidung______________ 445 7.12.3 Spezielle Wundbehandlung ______ 472
7.7.7 Weitere Überwachungs-
maßnahmen__________________ 445 7.13 Spezielle Krankheitsbilder_______ 473
7.13.1 Lungenerkrankungen___________ 473
7.8 Pflege des Intensivpatienten_____ 446 7.13.2 Herzerkrankungen _____________ 483
7.8.1 Allgemeine Bemerkungen________ 446 7.13.3 Nierenerkrankungen____________ 492
7.8.2 Hautpflege____________________ 448 7.13.4 ZNS-Erkrankungen ____________ 497
7.8.3 Haarpflege____________________ 448 7.13.5 Abdominalerkrankungen________ 503
7.8.4 Augenpflege___________________ 449 7.13.6 Alkoholkrankheit und
7.8.5 Mundpflege___________________ 449 Alkoholentzugssyndrom_________ 511
7.8.6 Nasenpflege___________________ 450 7.13.7 Verbrennungskrankheit _________ 513
7.8.7 Ohrenpflege___________________ 450 7.13.8 SIRS ________________________ 517
7.8.8 Nagelpflege___________________ 450 7.13.9 Sepsis _______________________ 517
7.8.9 Wechsel der Bettwäsche _________ 451
 Inhalt XIII

8 Notfallmedizin_______________ 519 9 Chronische Tumor-


schmerzen___________________ 591
8.1 Allgemeine Bemerkungen _______ 519
8.1.1 Rettungskette__________________ 519 9.1 Häufigkeit____________________ 591
8.1.2 Leitsymptome_________________ 519
8.1.3 Intravenöser Zugang____________ 519 9.2 Diagnostik____________________ 591
8.1.4 Endotracheale Intubation________ 521 9.2.1 (Schmerz-)Anamnese und
8.1.5 EKG-Diagnostik_______________ 521 körperliche Untersuchung________ 591
9.2.2 Laborchemische und
8.2 Leitsymptom: apparative Diagnostik___________ 591
akuter Brustschmerz____________ 523 9.2.3 Schmerzursachen______________ 591
8.2.1 Akutes Koronarsyndrom_________ 527
9.3 (Medikamentöse) Therapie –
8.3 Leitsymptom: (akute) Atemnot____ 534 Symptomkontrolle______________ 592
8.3.1 Asthma bronchiale _____________ 534 9.3.1 Analgetika____________________ 593
8.3.2 Lungenödem__________________ 536 9.3.2 Analgetikagabe nach Zeit-
8.3.3 Pneumothorax ________________ 539 und Stufenplan________________ 602
9.3.3 Invasive Schmerztherapie________ 604
8.4 Leitsymptom: 9.3.4 Komedikation_________________ 606
plötzliche Bewusstlosigkeit______ 542 9.3.5 Grundsätze der medikamentösen
Therapie______________________ 613
8.5 Leitsymptom: Vergiftung ________ 546
8.5.1 Allgemeine Aspekte_____________ 546 9.4 Palliativmedizin________________ 614
8.5.2 Spezielle Vergiftungen___________ 549

8.6 Weitere häufige Notfälle ________ 552


8.6.1 Hypertonie, krisenhafter 10 Anhang_____________________ 615
Blutdruckanstieg und
hypertensiver Notfall____________ 552 10.1 Normalwerte__________________ 615
8.6.2 Beinahe-Ertrinken______________ 559 10.1.1 Blutgasanalyse_________________ 615
8.6.3 Großschadensereignis___________ 559 10.1.2 Elektrolyte ____________________ 615
8.6.4 Polytrauma___________________ 560 10.1.3 Gerinnung ___________________ 615
10.1.4 Leberwerte ___________________ 615
8.7 Lebensrettende Sofort- 10.1.5 Sonstige Laborwerte ____________ 616
maßnahmen __________________ 561 10.1.6 Blutzucker____________________ 616
8.7.1 Allgemeine Bemerkungen _______ 561 10.1.7 Blutbild______________________ 616
8.7.2 Reanimationsmaßnahmen 10.1.8 Hämodynamische Parameter_____ 616
bei Erwachsenen _______________ 562
8.7.3 Reanimationsmaßnahmen 10.2 Medikamentenverzeichnis_______ 617
bei Kindern___________________ 578
8.7.4 Reanimationsmaßnahmen 10.3 Medizinproduktegesetz _________ 618
bei Frischgeborenen____________ 585 10.3.1 Regelungen___________________ 618
8.7.5 Weiterer Verlauf der CPR________ 588 10.3.2 Auszug ______________________ 618

10.4 Abkürzungen__________________ 620

Sachverzeichnis ___________________ 623


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1

1  Anästhesie – allgemeiner Teil

1.1  Allgemeine Bemerkungen Im Jahre 1846 wurde erstmals Ether erfolgreich


für eine Operation eingesetzt. In der Folgezeit
✓  Anästhesie bedeutet Empfindungslosigkeit,
also das Fehlen sämtlicher Wahrnehmungen.
kam es zu einem stürmischen Fortschritt in der
Narkosetechnik. Die Apparaturen zur Ether­
Anstatt von Anästhesie wird oft auch von Narkose verabreichung wurden verbessert und sicherer
gesprochen. Narkose leitet sich von dem altgriechi- gemacht. Neue Narkosemedikamente und neue
schen Begriff nárkosi (= In-Schlaf-Versetzen) ab. Narkosetechniken wurden entdeckt. Erst die
Möglichkeit zur Narkose erlaubte die Auswei­
Die Kunst der Anästhesie ist nicht alt. Bis in die tung der Chirurgie. Heute können Operationen
erste Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es noch kei­ von fast unbegrenzter Dauer durchgeführt wer­
ne Medikamente zur Narkose. Wer damals das den. Operationszeiten von bis zu 10 Stunden
Pech hatte, sich einer Operation unterziehen zu und mehr sind keine Seltenheit mehr. Ein Pati­
müssen, wurde eventuell in einen Alkoholrausch ent, der sich heute einer Operation in Vollnar­
versetzt, in dem dann beispielsweise die Am­ kose unterziehen muss, kann sicher sein, dass
putation eines Beines vorgenommen wurde. Der er während der Operation „schläft“ und völlig
vor Schmerzen brüllende Patient wurde wäh­ schmerzfrei ist.
rend der Operation festgehalten. Häufig wurde
er ohnmächtig. Die Operationszeit musste so
kurz wie möglich gehalten werden. Operiert
wurde nur bei lebensbedrohlicher Indikation.
1.2 Teilgebiete
Die Letalität war hoch. Die Anästhesiologie umfasst 4 Teilgebiete:
●● Anästhesie

!  Ziel jeder Allgemeinanästhesie (= Vollnarkose) ●● Intensivmedizin

muss es sein, den Patienten vorübergehend in ●● Notfallmedizin

einen Zustand zu versetzen, in dem eine Operation ●● Schmerztherapie

sowohl für den Patienten als auch für den Operateur


optimal durchgeführt werden kann. Im vorliegenden Buch werden die Teilgebiete
Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin aus­
Optimale Bedingungen für den Patienten be­ führlich abgehandelt. Auch die Therapie akuter
deuten: Schmerzen wird eingehend dargestellt. Die Prin­
●● Bewusstlosigkeit (Hypnose) zipien der Therapie chronischer Tumorschmer­
●● Schmerzfreiheit (Analgesie) zen werden in Kapitel 9 kurz vorgestellt.
●● Dämpfung vegetativer Reflexe

Optimale Bedingungen für den Operateur be­


deuten bei vielen Operationen (z. B. im Bauch­
raum):
●● gute Muskelerschlaffung (Relaxation) und

damit
●● guter Zugang zum Operationsgebiet
2 1  Anästhesie – allgemeiner Teil 

1.3  Aufgaben des Auch die postoperative Weiterbetreuung von


schwerkranken Patienten auf einer operativen
Anästhesisten und des Intensivstation untersteht zumeist der Anäs­
Anästhesiepflegepersonals thesieabteilung. Eine weitere Aufgabe des An­
ästhesisten ist die Notfallmedizin, das heißt die
Die ursprünglichste und wichtigste Aufgabe des Versorgung von akut schwerkranken Patienten,
Anästhesisten ist die Schaffung eines schmerz­ insbesondere auch die Wiederbelebung und die
freien Zustandes, in dem z. B. Operationen sowie Stabilisierung vor allem des Herz-Kreislauf-Sys­
diagnostische oder therapeutische Maßnahmen tems und der Atmung. Diese Aufgabe wird vom
vorgenommen werden können. Anästhesisten nicht nur bei einem „Narkosezwi­
Dies kann mithilfe einer Vollnarkose (Allge­ schenfall“ wahrgenommen, sondern vielerorts
meinanästhesie) oder – in geeigneten Fällen auch außerhalb der Klinik im Notarztwagen,
– mithilfe einer Lokal- oder Regionalanästhe­ bei der Aufnahme schwerverletzter Patienten
sie erreicht werden. Der Anästhesist ist für die in die Erste-Hilfe-Station eines Krankenhauses,
Durchführung dieser Anästhesien sowie deren auf operativen Intensivstationen sowie auf den
Überwachung verantwortlich. Krankenstationen und auch bei der Wiederbe­
Diesen Anforderungen kann der Anästhesist lebung von Neugeborenen im Kreißsaal. Ein
nur dank der Mithilfe einer Anästhesieschwester weiterer Betätigungsbereich des Anästhesisten
oder eines Anästhesiepflegers gerecht werden. ist die Schmerztherapie, sowohl bei der Thera­
Zu den wichtigsten Aufgaben der Anästhesie­ pie akuter postoperativer Schmerzen als auch
pflegekraft gehören: bei chronischen Schmerzzuständen wie z. B.
●● Assistenz bei den oben genannten ärztlichen Karzinomschmerzen. In vielen großen Kliniken
Tätigkeiten wurden inzwischen auch Schmerzambulanzen
●● Bereitlegen der dazu notwendigen Medika­ eingerichtet, die zumeist der Anästhesieabtei­
mente lung unterstehen.
●● Herrichten der dazu benötigten Anästhesie­

geräte
●● Wartung und Reinigung der Anästhesiegeräte

sowie deren Überprüfung auf Funktionstüch­


1.4  Präoperative Visite
tigkeit Normalerweise liegt bereits am Nachmittag
●● Übernahme ärztlicher Tätigkeiten, wenn die­ der Operationsplan für den folgenden Tag vor.
se ausdrücklich an die Anästhesiepflegekraft Der Anästhesist sowie die Anästhesieschwester
delegiert wurden. Voraussetzung hierzu ist können daraus ersehen, welche Patienten sie am
neben einer entsprechenden Erfahrung der nächsten Tag zu betreuen haben. In Tabelle 1-1
Anästhesiepflegekraft eine genaue Hand­ ist ein Beispiel für einen Operationsplan aus der
lungsanweisung sowie eine Überwachung täglichen Praxis dargestellt.
durch den verantwortlichen Anästhesisten. Es ist anzustreben, dass derjenige Anästhesist,
●● Durchführung pflegerischer Maßnahmen wie der der Narkose zugeteilt ist, „seine“ Patienten
Einbringen von Augensalbe (oder zusätzli­ am Abend zuvor aufsucht und die sog. präope­
ches Zukleben und Abpolstern der Augen bei rative Visite durchführt.
z. B. geplanter Knie-Ellenbogen-Lage) sobald
der Patient in Narkose versetzt wurde und
Durchführung von wärmekonservierenden
1.4.1 Ziele
Maßnahmen. Außerdem soll die Pflegekraft ●● Überprüfung der vorliegenden Akten (z. B.
auf Ängste und Sorgen des Patienten während EKG, Röntgen- und Laborbefunde)
der Narkosevorbereitungen eingehen. ●● Untersuchung des Patienten
1.4  Präoperative Visite 3

Tab. 1-1 Operationsplan
Patient Alter Sta- Diagnose Operation Opera- OP- Anästhesist
tion teur Saal (Besonderheiten)
Müller A. 21 J. 12A Abort Curettage Mai./Lut. 7 Ham. (Larynxmaske)
Maier H. 54 J. 14A Cholezysto­ laparoskopische Kre./Weg. 4 Ham. (Intubationsnarkose)
lithiasis Cholezyst­ Dil./Stud.
ektomie
Hinz C. 78 J. 02 Magen­ Magenresektion Kre./Wag. 4 Ham. (Intubationsnarkose,
karzinom Dil./Stud. thorakale Peridural­
anästhesie, ZVK)
Kunz D. 81 J. 10 Nieren­ Shunt-Revision Har./Bad. 1 Ham. (Plexusanästhesie)
insuffizienz

●● Einschätzung des Gesundheitszustandes des z. B. eine Nierenerkrankung wird die Bestim­
Patienten und damit Abschätzung des Nar­ mung der Hämoglobin-, Natrium-, Kalium-
koserisikos und Kreatininkonzentration empfohlen.
●● Entscheidung über das Narkoseverfahren ●● Röntgenaufnahme des Thorax nur bei Pa­
●● Aufklärung des Patienten sowie Eingehen tienten mit begründetem Verdacht auf eine
auf seine Fragen und Ängste bezüglich der röntgenologisch nachweisbare Erkrankung
Narkose ●● EKG nur bei Patienten mit begründetem Ver­
●● Verordnen einer Prämedikation (▶ S. 6) dacht auf ein kardiales Problem
●● eventuell zusätzliche Untersuchungsergebnis­
se wie z. B. ein internistisches Konsil
1.4.2 Ablauf ●● eventuell Schwangerschaftstest bei jungen
Der Anästhesist besorgt sich auf der Station die Frauen
gesamten Unterlagen des zu operierenden Pati­
enten. Die Akte des Patienten muss umfassen: Nachdem sich der Anästhesist durch das Stu­
●● anamnestische Angaben dium der vorliegenden Unterlagen einen Über­
●● Untersuchungsbefunde blick über die aktuelle Krankheit und über den
●● eventuell aktuelle Medikation allgemeinen Gesundheitszustand des Patienten
●● eventuell Laborwerte verschafft hat, sucht er den Patienten auf, stellt
●● eventuell Blutgruppe sich vor und erhebt eine kurze Anamnese mit
anästhesiologisch relevanten Fragen. Von be­
Sämtliche vorhandenen Unterlagen sind zu sich­ sonderem Interesse sind Vorerkrankungen, die
ten. Außerdem sind eine anästhesierelevante eventuell zu Narkoseproblemen führen könnten.
Anamnese und eine körperliche Untersuchung Dies sind insbesondere:
vorzunehmen. Bei anamnestisch und klinisch ●● Herz-Kreislauf-Probleme wie Bluthochdruck,

unauffälligen Patienten sind (altersunabhängig) Koronar- oder Zerebralsklerose, Angina pec­


keine laborchemischen und apparativ-techni­ toris, Herzinfarkt(e) oder Herzinsuffizienz
schen Untersuchungen notwendig. ●● Lungenerkrankungen wie Asthma bronchia­

Unter folgenden Bedingungen sind zusätzliche le, Bronchitis, Lungenentzündungen


Untersuchungsbefunde notwendig: ●● Lebererkrankungen wie Leberzirrhose, He­

●● Laboruntersuchungen nur bei Patienten mit patitis


begründetem Verdacht auf eine laborchemisch ●● Nierenprobleme, insbesondere eine einge­

nachweisbare Erkrankung. Bei Verdacht auf schränkte Nierenfunktion


4 1  Anästhesie – allgemeiner Teil 

●● sonstige Erkrankungen (wie z. B. Diabetes werden Sie dann von der Narkoseschwester auf
mellitus) die Narkose vorbereitet. Die Narkoseschwes­
●● Konsumgewohnheiten wie Alkohol-, Nico­ ter wird den Blutdruck messen, eine EKG-Ab­
tin- oder Medikamentenabusus leitung zur Herzüberwachung anbringen und
einen Sensor auf den Finger aufsetzen, mit
Gezielt gefragt werden muss immer: dem gemessen werden kann, ob Sie genügend
●● nach eventuellen Problemen bei früheren Sauerstoff im Blut haben. Außerdem muss am
Narkosen sowie nach Narkoseproblemen bei Handrücken eine ‚Nadel‘ gelegt werden, an die
Familienangehörigen eine Tropfinfusion angeschlossen wird. Vor
●● ob Allergien auf Medikamente bekannt sind dem Legen der ‚Nadel‘ kann eine örtliche Be­
(und wenn ja, auf welche) täubung vorgenommen werden, sodass es nicht
●● ob Allergien auf Nahrungsmittel (z. B. Erd­ schmerzhaft sein wird. Über diese ‚Nadel‘ wird
nüsse oder Sojamilch → Kontraindikation für dann später auch das Schlafmittel gespritzt.
Propofol) bekannt sind Wenn Sie das Schlafmittel bekommen haben,
●● ob Zahnprothesen oder lockere Zähne vor­ schlafen Sie innerhalb von 20–30 Sekunden ein.
handen sind Wenn Sie aufwachen, wird die Operation bereits
●● ob bei einer Frau im gebärfähigen Alter im vorbei sein. Sie werden dann noch in einem sog.
Moment eine Schwangerschaft vorliegt ‚Aufwachraum‘ einige Zeit überwacht werden.
Sobald Sie wieder völlig wach sind, werden Sie
Eine anschließende kurze körperliche Unter­ auf Ihr Zimmer zurückgebracht.“
suchung muss zumindest die Auskultation der Falls für die geplante Operation sowohl eine
Lunge und des Herzens umfassen. Vollnarkose als auch eine Lokal- oder Regio­
Abschließend sollte dem Patienten der Ablauf nalanästhesie in Frage kommen, sollten dem
der Narkose erklärt werden. Bei einer voraus­ Patienten der Ablauf sowie die Vor- und Nach­
sichtlich unkomplizierten Vollnarkose sollte teile der einzelnen Verfahren erläutert werden.
ihm beispielsweise Folgendes erzählt werden: Wenn der Patient ein bestimmtes Verfahren
„Für heute Nacht verordne ich Ihnen eine wünscht, sollte dies, falls es medizinisch vertret­
Schlaftablette. Ab 24.00 Uhr heute Nacht dürfen bar ist, berücksichtigt werden. Außerdem sollte
Sie dann bis zur Operation nichts mehr essen. kurz auf spezielle Komplikationsmöglichkeiten
Bereits am Nachmittag/Abend vor der Opera­ der geplanten Narkose eingegangen werden.
tion sollten Sie das Rauchen einstellen (▶ S. 217). Die besprochenen Risiken bzw. Besonderhei­
Bitte auch keinen Kaugummi kauen und keine ten sollten vom Anästhesisten auf dem Aufklä­
Bonbons lutschen. Sie dürfen jedoch noch bis rungs- und Anamnesebogen vermerkt werden.
2–3 Stunden vor dem geplanten Operationsbe­ (Es empfiehlt sich, hierfür einen offiziellen, das
ginn (▶ S. 5) eine kleinere Menge an klarer (!) heißt juristisch abgesicherten Aufklärungs- und
Flüssigkeit trinken. Bei Ihnen ist der Operati­ Anamnesebogen zu verwenden. Dieser soll­
onsbeginn für ca. 7.30 Uhr geplant, das heißt, sie te dem Patienten schon vor der präoperativen
dürfen bis morgen früh um ca. 5.00 Uhr noch Visite des Anästhesisten zum Durchlesen und
klare Flüssigkeit trinken. Morgen früh bekom­ Beantworten der darin gestellten Fragen gegeben
men Sie ca. 45 Minuten vor Narkosebeginn von werden. In diesen offiziellen Bögen werden die
einer Schwester der Station eine Beruhigungs­ verschiedenen Narkoseverfahren sowie deren
tablette. Diese bitte nur mit einem kleinen Vor- und Nachteile und deren Risiken erklärt.
Schluck Wasser hinunterspülen. Kurz danach Außerdem werden vom Patienten die anästhesi­
werden Sie in den Operationsbereich gefahren. ologisch wichtigen anamnestischen Daten abge­
Wichtig ist, dass Sie Ihren Schmuck, Ihre Uhr fragt.) Falls der Patient nach dem Aufklärungs­
sowie Ihre Zahnprothese und Brille hier im gespräch keine weiteren Fragen mehr hat, muss
Zimmer lassen oder der Schwester zur Aufbe­ er noch die „Einwilligungserklärung in die
wahrung geben. In einem Vorbereitungsraum Narkose“ auf dem Aufklärungs- und Anamnese­
1.4  Präoperative Visite 5

bogen in Ruhe durchlesen und unterschreiben. ●● antiarrhythmische Therapie


Der Patient ist zu fragen, ob er eine Kopie des ●● antikonvulsive Therapie
ausgefüllten Aufklärungsbogens wünscht und ●● antidepressive Therapie
bei Bejahung ist ihm eine Kopie auszuhändigen. ●● Parkinson-Therapeutika
Die Aushändigung der Kopie bzw. der Verzicht ●● Schizophrenietherapeutika
auf eine Kopie sind jeweils zu dokumentieren. ●● Diuretika
Sollten bei dieser präoperativen Visite Proble­
me aufgetaucht sein, so müssen ggf. noch Zu­ Während es lange Zeit als zwingend angesehen
satzuntersuchungen wie eine Lungenfunktions­ wurde, dass ein Erwachsener zumindest für
prüfung, eine arterielle Blutgasanalyse oder ein 6 Stunden vor der Anästhesieeinleitung nichts
internistisches Konsil angefordert werden. Unter essen und trinken darf, wird inzwischen die
Umständen muss, nach Rücksprache mit dem Gabe kleiner Mengen (1–2 Gläser oder Tassen)
Operateur, ein Wahleingriff noch um einige Tage klarer Flüssigkeiten (die kein Fett, keinen Alko­
verschoben werden, um den Patienten besser auf hol enthalten; z. B. Wasser, Tee, Limonade) bis
die Operation vorzubereiten. Manchmal muss ca. 2 Stunden vor der Narkoseeinleitung erlaubt,
z. B. ein Diabetes mellitus, ein Hypertonus oder da dies keinen negativen Einfluss auf Menge und
eine Herzinsuffizienz besser „eingestellt“ werden pH-Wert des Magensekrets bei Narkosebeginn
oder es muss gewartet werden, bis ein akuter In­ hat (▶ S. 146, 217, 254). Für partikelhaltige Flüs­
fekt der oberen Luftwege abgeklungen ist. sigkeiten (z. B. Milch, Saft mit Fruchtfleisch) und
Abschließend wird dem Patienten eine geeignete für feste Nahrung gilt eine 6-stündige Nüchtern-
Schlafmedikation zur Nacht und eine Prämedi­ heitsdauer.
kation verschrieben (▶ S. 6). In den meisten Narkoseprotokollen muss der
Eine eventuelle Dauermedikation, die der Pati­ körperliche Status (nicht das Narkoserisiko!)
ent einnimmt, sollte vor allem dann perioperativ des Patienten noch anhand einer Skala eingestuft
weitergeführt werden, falls durch ein plötzliches werden. Hierfür hat sich am besten die Klassifi­
Absetzen Probleme auftreten könnten. Periope­ kation der American Society of Anesthesiolo-
rativ weiterzuführen (das heißt auch am Morgen gists (= ASA) bewährt (▶ Tab. 1-2). (Zwischen
des Operationstages zu verabreichen) sind daher der Höhe der ASA-Klasse und der Höhe des
normalerweise vor allem:
●● antiasthmatische Therapie

●● antihypertensive Therapie

(Ausnahme: Angiotensin-Converting-Enzym- Tab. 1-2 ASA-Klassifikation. Muss ein Patient notfall-


Hemmer [= ACE-Hemmer; z. B. Ramipril, mäßig operiert werden, dann wird hinter die ASA-Klasse
Delix®] und Angiotensin-II-Rezeptor-Typ-I- noch ein „E“ angehängt, das für Notfall (= emergency)
Blocker [= AT1-Rezeptor-Antagonisten; z. B. steht.
Valsartan, Diovan®] sollten möglichst am ASA 1 gesunder Patient
Operationstag präoperativ nicht [!] verabreicht
ASA 2 Patient mit leichter Systemerkrankung
werden, da sonst während der Narkose deutli­
che Blutdruckabfälle begünstigt werden.) ASA 3 Patient mit schwerer Systemerkrankung
●● antipektanginöse Therapie
und Leistungseinschränkung
(z. B. Angina pectoris)
(Betarezeptorenblocker, Calciumkanalblocker)
●● Statine (z. B. Simvastatin) ASA 4 Patient mit schwer beeinträchtigender,
(Statine sind Lipidsenker, die Patienten mit lebensbedrohlicher Erkrankung
koronarer Herzerkrankung meist einneh­ (z. B. dekompensierte Herzinsuffizienz)
men müssen; ▶ S. 490, 532; durch Einnahme ASA 5 moribunder Patient, bei dem die
eines Statins kann das perioperative kardiale Lebenserwartung ohne Behandlung
Risiko bei kardiovaskulären Risikopatienten geringer als 24 Stunden ist
vermindert werden) (z. B. rupturiertes Aortenaneurysma)
6 1  Anästhesie – allgemeiner Teil 

Narkoserisikos besteht bei vielen Patienten eine Inzwischen kommt anstatt eines Benzodiazepins
relativ enge Korrelation.) manchmal auch die Benzodiazepin-ähnliche
Substanz Zolpidem zum Einsatz.
Insbesondere bei alten oder hochbetagten Pati­
enten wird gelegentlich ein Neuroleptikum zur
1.5 Prämedikation Sedierung verwendet. Manchmal wird auch das
Sympathikolytikum Clonidin zur Prämedikation
1.5.1 Ziele eingesetzt.
Trotz des beruhigenden und aufklärenden Ge­
sprächs während der präoperativen Visite (▶ S. 2)
Benzodiazepine
ist es notwendig, dem Patienten eine Medikati­
on (sog. Prämedikation) zu verordnen, die er Wirkungen
idealerweise ca. 45 Minuten vor Narkosebeginn ●● angst- und spannungslösend

verabreicht bekommt. ●● leichte sedierende Wirkung

Die primären Ziele einer Prämedikation sind: ●● antikonvulsive Wirkung

●● Angstlösung (= Anxiolyse) (= Erhöhung der zerebralen Krampfschwelle


●● Sedierung und damit Unterdrückung von epileptischen
Anfällen)
Die im Rahmen der Prämedikation am häufigs­
ten angewandten Substanzgruppen werden im Nebenwirkungen
Folgenden kurz vorgestellt. ●● unter Umständen paradoxe Erregungszustän­

de, vor allem bei älteren Patienten


●● zentrale Herabsetzung des Muskeltonus
1.5.2 Substanzgruppen
Zur Prämedikation kommt zumeist eine angst­ Indikationen
lösende Substanz, ein sog. Tranquilizer zur Benzodiazepine zeichnen sich durch eine gro­
Anwendung. Die wichtigste Substanzgruppe ße therapeutische Breite aus. Sie eignen sich
der Tranquilizer (= Anxiolytika) sind die Ben­ sehr gut als orale Schlafmedikation (z. B. Ox­-
zodiazepine. Für die Prämedikation (sowie als azepam; ▶ Tab. 1-3) für die präoperative Nacht.
Schlafmedikation für die präoperative Nacht) Auch für die orale Prämedikation ca. 45 Minu­
wird das Benzodiazepin oral verabreicht. Bei ten vor Operationsbeginn (z. B. 7,5 mg Midazo­
Kindern wird es manchmal noch rektal verab­ lam; ▶ Tab. 1-3) stellen sie das Standardpräparat
reicht (▶ S. 254). dar.

Tab. 1-3  Zur Prämedikation häufig eingesetzte Benzodiazepine


Wirkstoff Handelsname Arzneiform Dosierung
(Beispiele) für Erwachsene
Dikaliumclorazepat Tranxilium® Tabletten mit 50 mg 10–20–50 mg oral
Kapseln mit 5; 10; 20 mg
Midazolam Dormicum® Tabletten mit 7,5 mg (3,75–)7,5 mg oral
Oxazepam Adumbran ®
Tabletten mit 10 mg 10–20 mg oral
Lormetazepam Noctamid ®
Tabletten mit 0,5; 1; 2 mg 1 mg oral
Bromazepam Lexotanil ®
Tabletten mit 6 mg 6–12 mg oral
Flunitrazepam Rohypnol ®
Tabletten mit 1 mg 1–2 mg oral
Diazepam Valium® Tabletten mit 2,5; 5; 10 mg 10 mg oral
1.5 Prämedikation 7

Kontraindikationen ●● Neigung zu orthostatischer Hypotonie


Wegen der zentralen Herabsetzung des Muskel­ (= Kollapsneigung) durch Blockade der für
tonus sind Benzodiazepine kontraindiziert bei die Gefäßengstellung wichtigen Alpharezep­
vorbestehender Muskelschwäche wie z. B. bei toren (α-Rezeptoren; ▶ S. 61, 321)
der Myasthenia gravis oder einem obstruktiven ●● Erniedrigung der zerebralen Krampfschwel­
Schlafapnoesyndrom. le und damit Begünstigung von epileptischen
Anfällen
Medikamente, Darreichungsformen
und Dosierung Indikationen
In Tabelle 1-3 sind die zur Prämedikation am Neuroleptika werden – außer in der Psychiatrie
häufigsten verwendeten Benzodiazepine und zur Behandlung der Schizophrenie – öfter auch
deren Dosierungen aufgelistet. zur Behandlung von Unruhe- und Erregungs­
zuständen vor allem bei älteren, verwirrten
Patienten eingesetzt. Bei diesen Patienten wer­
Zolpidem
den Neuroleptika öfter auch als Schlafmedika­
Inzwischen kommt öfter auch Zolpidem (z. B. ment, manchmal auch zur Prämedikation ver­
Stilnox®; Filmtablette mit 5/10 mg) im Rahmen abreicht. Hierzu wird inzwischen neben dem
der Prämedikation zum Einsatz. Zolpidem ge­ relativ schwachen Neuroleptikum Promethazin
hört nicht zu den Benzodiazepinen, es weist aber (Atosil®) zunehmend häufiger Melperon (z. B.
den gleichen Wirkmechanismus (Wirkung über Eunerpan®) eingesetzt.
die sog. GABA-Rezeptoren) auf. Die muskelre­
laxierende und die antikonvulsive Wirkung ist Kontraindikationen
geringer ausgeprägt als bei den Benzodiazepinen Neuroleptika sind wegen der Nebenwirkungen
(▶ S. 6). Die Wirkungsdauer von Zolpidem ist re­ kontraindiziert bei Patienten mit Parkin­son-
lativ kurz. Als Dosierung für Zolpidem werden Krankheit und bei Epileptikern.
für Erwachsene 10 mg und für geschwächte oder
ältere Patienten 5 mg angegeben. Die Nebenwir­ Medikamente, Darreichungsformen
kungen und Gegenanzeigen für Zolpidem ent­ und Dosierung
sprechen weitgehend denen der Benzodiazepine. ●● Promethazin (Atosil®):

Bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren ist –– Filmtabletten mit 25 mg


es nicht zugelassen. –– Tropfen: 1 ml = 20 Tropfen = 20 mg
–– intravenöse Injektionslösung: 1 Ampulle
= 2 ml = 50 mg
Neuroleptika
als Schlafmedikation oder zur Prämedikation
Wirkungen falls Benzodiazepine nicht geeignet sind:
●● Sedierung, Gleichgültigkeit, Antriebsminde­ –– 20–30 Tropfen Atosil® (= 20–30 mg) oder
rung 1 Filmtablette zur Prämedikation (oder
●● antiemetische Wirkung bei Unruhe- oder Erregungszuständen)
(= Verminderung von Übelkeit und Brech­- vor allem bei älteren Patienten
reiz) –– (ca. 0,5 mg/kg KG intravenös bei akuten
●● Antihistaminwirkung Unruhe- oder Erregungszuständen bei
(= Verminderung von allergischen und pseu­ Erwachsenen)
doallergischen Reaktionen) ●● Melperon (z. B. Eunerpan®)

–– Tabletten mit 10, 25, 50 oder 100 mg


Nebenwirkungen –– Saft (z. B. Eunerpan® Liquidum): 1 ml
●● eventuell extrapyramidale Bewegungsstörun­ = 5 mg
gen als Schlafmedikation oder zur Prämedikation
falls Benzodiaezpine nicht geeignet sind:
8 1  Anästhesie – allgemeiner Teil 

–– 10–25 mg oral Das entscheidende Ziel einer modernen Präme­


–– (vor allem bei Unruhe, Erregungs- oder dikation ist die Angstlösung.
Verwirrtheitszuständen bei älteren Pati­ Eine Angstlösung (= Anxiolyse) und leichte
enten [z. B. auf der Intensivstation]: initial Sedierung für die präoperative Nacht kann am
20–75 mg pro Tag auf mehrere Tagesdosen besten durch ein lang wirksames Benzodiazepin,
verteilt) das als Schlafmedikation verabreicht wird, er­
reicht werden. Hierzu eignen sich z. B. 20 mg
Dikaliumclorazepat (Tranxilium®) oder 1 mg
Sympathikolytika (Clonidin)
Lormetazepam (Noctamid®) oral (vgl. Tab. 1-3).
Manchmal (z. B. bei [ehemaligen] drogenabhän­ Circa 45 Minuten vor Operationsbeginn sollte
gigen Patienten) wird zur Prämedikation auch nochmals ein Benzodiazepin oral verabreicht
Clonidin verabreicht. werden (z. B. 7,5 mg Midazolam oder 20 mg Di­
kaliumclorazepat, vgl. Tab. 1-3).
Wirkungen Die meisten Patienten leiden präoperativ
●● Verminderung des Sympathikotonus nicht an Schmerzen, sodass keine zusätzliche
●● Erniedrigung der Herzfrequenz Schmerzlinderung (= Analgesie) notwendig
●● Erniedrigung des Blutdrucks ist. Falls wegen akuter Schmerzen (z. B. frischer
●● Sedierung Knochenbruch) ein Analgetikum verabreicht
●● Verminderung des intraoperativen Bedarfs werden soll, dann sollte zusätzlich zu einer übli­
an Anästhetika chen oralen Prämedikation mit einem Benzodia­
zepin – z. B. vor der schmerzhaften Umlagerung
Nebenwirkungen des Patienten von seinem Bett auf den Opera­
●● stärkerer Abfall der Herzfrequenz tionstisch – eine zusätzliche bedarfsorientierte
●● stärkerer Abfall des Blutdrucks intravenöse Opioidgabe durchgeführt werden
(▶ S. 350).
Medikamente und Dosierung

!  Für
●● Clonidin-ratiopharm®; Kapseln mit 75, 150 eine orale Prämedikation haben sich vor al-
oder 300 µg lem Midazolam (Dormicum ; z. B. 7,5 mg) oder

–– ca. 5 µg/kg KG oral; oft werden bei Er­ Dikaliumclorazepat (Tranxilium ; z. 

B. 20 
mg) be-
wachsenen 300 µg oral verabreicht währt (vgl. Tab. 1-3).

1.5.3 Durchführung
Die orale Prämedikation mit einem Benzodia­ 1.6 Narkoseapparat
zepin stellt inzwischen das allgemein anerkannte
Standardverfahren dar. Die dazu benutzte gerin­ 1.6.1 Narkosesysteme
ge Wassermenge zum Hinunterspülen der Ta­ Zur Durchführung einer Narkose stehen neben
blette wird schnell resorbiert und widerspricht den intravenös zu verabreichenden Medikamen­
daher nicht dem Nüchternheitsgebot (▶ S. 5). ten auch Inhalationsanästhetika zur Verfügung.
Inhalationsanästhetika sind Gase (z. B. Lachgas;

!  vor
Wichtig ist es, die Prämedikation ca. 45 Minuten
Narkosebeginn zu verabreichen. In der Pra-
▶ S. 40) oder Dämpfe von leicht verdampfbaren
Flüssigkeiten (z. B. Isofluran, Sevofluran, Des­
xis wird leider oft die Prämedikation erst unmittelbar fluran; ▶ S. 41 ff.), die der Einatmungsluft zuge­
vor dem Transport in den Operationssaal verabreicht. mischt und über die Lungen ins Blut aufgenom­
Dies ist zu spät! Die Wirkung der Prämedikation hat men werden.
dann noch nicht eingesetzt, wenn die Patienten im Es werden folgende 4 verschiedene Narkosesys­
Operationssaal ankommen und mit der Narkose be- teme unterschieden:
gonnen wird. ●● offenes System
1.6 Narkoseapparat 9

●● halboffenes System
●● halbgeschlossenes System
●● geschlossenes System

Offenes System

✓  Beim offenen System atmet der Patient Luft


aus der Umgebung ein. Das Ausatemvolumen
wird wieder in die Umgebung abgegeben. Der Ein­
atemluft wird ein Inhalationsanästhetikum zuge-
mischt.

Das bekannteste Beispiel für ein offenes System


ist die früher übliche Ethertropfnarkose. Mithilfe
einer Schimmelbusch-Maske (▶ Abb. 1-1) wur­
den der Einatemluft Etherdämpfe zugemischt.
Eine Schimmelbusch-Maske ist ein dem spon­
tan atmenden Patienten über Mund und Nase
gelegter Metallrahmen, der mit einigen Lagen
Mull bespannt ist, auf die kontinuierlich Ether
aufgetropft wird (▶ S. 45). Die dabei entstehen­
den Etherdämpfe werden mit eingeatmet.
Vorteil der Schimmelbusch-Maske ist die Ein­
fachheit der Anwendung. Entscheidender Nach­
teil ist jedoch, dass mit einem offenen System Abb. 1-1  Anwendung der Schimmelbusch-Maske (offe-
die zugeführten Gaskonzentrationen nicht über­ nes System)
wacht werden können. Außerdem können die
Atemgase weder befeuchtet noch angewärmt
werden und der Narkosemittelverbrauch ist zyklus setzt sich aus Einatmung und Ausatmung
sehr hoch, da ein großer Teil des verdunstenden zusammen. Da das Frischgas auch während der
Ethers im Raum verloren geht (und das Personal Ausatmung des Patienten weiterströmt, die Ein­
belastet). atmungszeit aber nur zwischen ca. 50 % (½) und
ca. 33 % (⅓) des Atemzyklus ausmacht, muss der
Frischgasfluss so hoch sein, dass in 50 bis 33 %
Halboffenes System
des Atemzyklus das ganze Atemzugvolumen als

✓  Beim halboffenen System wird das Einat-


mungsgemisch (= Inspirationsgemisch) aus
Frischgas zur Verfügung gestellt wird. Durch
diesen hohen Frischgasverbrauch ist das halb­
einem Reservoir (z. B. Sauerstoffflaschen) bezogen offene System relativ teuer. Die eingeatmeten
und über ein Schlauchsystem zum Patienten geleitet. Frischgase aus dem Reservoir enthalten keine
Dem Inspirationsgemisch wird ein Inhalationsanäs- Feuchtigkeit und sind relativ kühl. Sie müssen
thetikum zugemischt. Das Ausatemgemisch (= Exspi- daher in den Atemwegen stark angefeuchtet
rationsgemisch) wird dagegen in den freien Raum und angewärmt werden. Da jedoch das gesamte
abgegeben. Ausatemvolumen in die Umgebung abgegeben
wird, droht damit beim halboffenen System ein
Beim halboffenen System muss der Frischgas­ großer Feuchtigkeits- und Wärmeverlust über
fluss aus dem Reservoir mindestens das 2- bis die Lungen. Außerdem wird die Umgebung
3-Fache des Atemminutenvolumens betragen. mit den abgeatmeten Narkosegasen belastet.
Dies ist folgendermaßen zu erklären: Ein Atem­ Das bekannteste Beispiel für ein halboffenes
10 1  Anästhesie – allgemeiner Teil 

System war das in der Kinderanästhesie früher Sowohl bei der Low-Flow- als auch bei der
übliche, inzwischen aber nicht mehr verwendete Minimal-Flow-Anästhesie muss zur Ein- und
Kuhn-System. Ausleitung ein hoher Frischgasfluss eingestellt
werden, um in einer angemessenen Zeit eine
ausreichende Narkosegasanflutung bzw. -abat­
Halbgeschlossenes System
mung zu erzielen. Wird (das gut im Körper

✓  Beim halbgeschlossenen System wird ein (va-


riabler) Teil des Ausatemvolumens nach „Her-
lösliche) Lachgas verwendet, dann müssen für
die ersten 10 Minuten (bei späterem „low flow“)
ausfiltern“ des darin enthaltenen Kohlendioxids bzw. für die ersten 20 Minuten (bei späterem
(= CO2) mittels eines CO2-Absorbers (▶ S. 20) wieder „minimal flow“) z. B. 2 Liter O2/min und 4 Liter
zurückgeatmet. Der restliche Teil des Ausatemvolu- N2O/min zugeführt werden. Erst danach kann
mens wird in eine zentrale Absaugvorrichtung abge- auf einen „low flow“ oder „minimal flow“ redu­
geben. ziert werden (▶ S. 122). Wird auf Lachgas ver­
zichtet, kann deutlich früher der Frischgasfluss
Zusätzlich atmet der Patient noch Frischgas reduziert werden.
aus einem Reservoir (vgl. halboffenes System)
ein. Der Patient erhält automatisch immer so
Geschlossenes System
viel Frischgas pro Minute zugeführt wie Aus­
atemluft pro Minute in die Absaugvorrichtung
gelangt. Nur dadurch ist eine Volumenkonstanz ✓  Beim geschlossenen System wird das gesamte
Ausatemgemisch, nach „Herausfiltern“ des
im Beatmungssystem möglich. Aufgrund dieser darin enthaltenen CO2 mit einem CO2-Absorber
teilweisen „Rückatmung“ des Ausatemgemischs (▶ S. 20), dem Patienten wieder zugeführt. Es findet
genügt ein wesentlich geringerer Frischgasfluss also eine totale Rückatmung statt.
als beim halboffenen System. Beim Erwachsenen
genügen 3(–6) l/min Frischgas. Der Wärme- und Als Frischgas müssen nur der vom Körper im
Feuchtigkeitsverlust über die Lungen ist durch Stoffwechsel verbrauchte Sauerstoff von ca.
diese teilweise stattfindende „Rückatmung“ we­ 3,5 ml/kg KG/min (ca. 250 ml/min beim Erwach­
sentlich geringer als beim halboffenen System. senen) sowie die vom Körper verstoffwechselten
Anteile der Inhalationsanästhetika zugeführt

!  Fast alle gebräuchlichen Narkosegeräte arbeiten


nach diesem Prinzip des halbgeschlossenen Sys-
werden. Vorteile des geschlossenen Systems
sind der sehr niedrige Frischgasverbrauch und
tems. – bedingt durch die vollständige Rückatmung –
ein fehlender Wärme- und Feuchtigkeitsverlust
In den letzten Jahren gewannen sog. Low-Flow- über die Lungen. Außerdem besteht keine Um­
Systeme bzw. Minimal-Flow-Systeme (▶ S. 122) weltbelastung durch abgeatmete Narkosegase.
zunehmend an Bedeutung. Hierbei handelt es Das geschlossene System konnte mit den bisher
sich um halbgeschlossene Systeme mit gerin­ üblichen Narkosegeräten jedoch nicht (!) zur
gem bzw. sehr geringem Frischgasfluss. Beim Narkoseeinleitung oder zur Narkoseausleitung
Low-Flow-System wird normalerweise 1 l/min verwendet werden. Es eignete sich nur zur Auf­
Frischgas (z.  B. 0,5 
l/min O2 und 0,5  l/min rechterhaltung einer konstanten Narkosetiefe.
Luft bzw. Lachgas [=N2O]) und beim Mini­ Für die Narkoseein- und -ausleitung musste (wie
mal-Flow-System wird normalerweise 0,5 l/min auch beim Low-Flow- bzw. Minimal-Flow-Sys­
(z. B. 0,3 l/min O2 und 0,2 l/min Luft bzw. N2O) tem; ▶ oben) ein hoher Frischgasfluss eingestellt
verabreicht. Bei geringem bzw. sehr geringem werden.
Frischgasfluss gelangen auch nur geringe oder Seit 2004 steht mit dem Zeus®-Narkosegerät
sehr geringe Mengen des Ausatemgemischs in (Fa. Dräger; ▶ S. 23) ein Gerät zur Verfügung,
die Absaugung, normalerweise nur 1 l/min bzw. das nach dem Prinzip des geschlossenen Sys­
0,5 l/min. tems arbeitet und zusätzlich auch eine Narkose­
1.6 Narkoseapparat 11

ein- und -ausleitung im „geschlossenen“ System


7
erlaubt (sog. quantitatives System/Uptake). Das
Narkosegerät Zeus® kann außerdem im halbof­ 2
6
fenen und halbgeschlossenen System betrieben 3
werden. 8
4 6
11
Kreissystem
10a

✓  Beim halbgeschlossenen (bzw. beim geschlos-


senen) System wird das Ausatemvolumen zum
9

Teil (bzw. vollständig) wieder zum Patienten zurück- 1


geleitet. Das hierfür notwendige Schlauchsystem
5
wird als Kreissystem bezeichnet. 10
a Frischgas
Da die gebräuchlichen Narkoseapparate fast alle
nach dem Prinzip des halbgeschlossenen Sys­
tems (▶ S. 10) arbeiten, soll das Funktionsprinzip
des Kreissystems anhand des halbgeschlossenen
Systems nachfolgend ausführlich beschrieben
werden (▶ Abb. 1-2). Da an alten Narkosesys­
temen die einzelnen Funktionselemente noch
gut zu erkennen sind, erfolgt die Erklärung
des Kreissystems anhand eines solchen alten
Gerätes. (Bei modernen Narkosegeräten [z. B.
Zeus®-Gerät; ▶ Abb. 1-20c] sind die einzelnen
Bauelemente oft nicht mehr zu unterscheiden.)
Das vom Patienten abgeatmete Gas strömt über
den sog. Exspirationsschlauch (1) und das Ex­
spirationsventil (2) ab. Ein eingebautes mecha­
nisches Volumeter (3) misst das Ausatemvolu­
men. (Bei modernen Kreissystemen ist anstatt
des mechanischen Volumeters nur ein elektro­
nischer Messfühler [Flow-Sensor ▶ S. 17; 1 in
Abb. 1-16] in das Kreissystem eingebaut. Die
Anzeige des Atemminutenvolumens und des
Atemzugvolumens erfolgt dann im Display des
entsprechenden Gerätes.) Ein mechanisch ar­
beitendes Manometer (4) oder inzwischen zu­ b
meist ein elektronisch arbeitendes Manometer
Abb. 1-2  Kreissystem eines alten Narkoseapparats für
zeigt die während des Atemzyklus auftretenden
Erwachsene. Da an alten Narkosesystemen die einzel-
Drücke an. Diese Elemente werden zusammen nen Funktionselemente noch gut erkennbar sind, erfolgt
als Ausatem- oder Exspirationsschenkel bezeich­ die Erklärung anhand eines solchen Gerätes. Bei moder-
net. (Mechanisch arbeitende Manometer sind nen Narkosegeräten (z. B. Zeus®; ▶ Abb. 1-20c) sind die
inzwischen nur noch bei manueller Beatmung einzelnen Bauelemente oft nicht mehr zu erkennen.
erlaubt. Wird eine maschinelle Beatmung durch­ a  Schematisch (▶ Text). b  Dräger Kreissystem 8 ISO.
geführt, dann ist ein elektronisch arbeitendes
Manometer vorgeschrieben. Hierbei ist an der
Stelle des mechanischen Manometers nur ein
12 1  Anästhesie – allgemeiner Teil 

Druckaufnehmer für das elektronisch arbeiten­ oder Lachgas (= ⅔ = 66 %), so werden über die
de Manometer im Kreissystem eingebaut [vgl. 2 Absaugung auch (automatisch) 3 Liter des Aus­
in Abb. 1-16]. Die Druckanzeige erfolgt dann im atemvolumens pro Minute abgesaugt. Ansons­
Display des elektronischen Manometers.) Beim ten würde es zur Überblähung des Patienten
halbgeschlossenen System wird ein Teil des Aus­ kommen. Werden z. B. 2 Liter O2 und 4 Liter
atemvolumens über den Absaugschlauch (5) in Luft bzw. Lachgas, also 6 Liter Frischgas pro Mi­
eine Absaugvorrichtung geleitet. Der andere Teil nute, ins Kreissystem zugeleitet, dann werden
wird, nach „Herausfiltern“ des CO2 durch den entsprechend 6 l/min über die Absaugung ver­
CO2-Absorber (6), über das Inspirationsven­ worfen. Je höher der Frischgasfluss (und damit
til (7) und den Inspirationsschlauch (8) wieder der Anteil des in die Absaugung gelangenden
dem Patienten zugeführt. Aus­atemvolumens), desto größer ist der Wär­-
me- und Feuchtigkeitsverlust über die Lungen
✓  onsschlauch
CO -Absorber, Inspirationsventil und Inspirati-
2
werden zusammen als Einat-
(▶ S. 9) und desto höher und damit teurer ist
der Frischgasverbrauch. Aus diesem Grunde
mungs- oder Inspirationsschenkel bezeichnet. sollte der Frischgasfluss möglichst niedrig gehal­
Derjenige Anteil des Ausatemvolumens, der zurück- ten werden. Aus Sicherheitsgründen sollte der
geatmet wird, „kreist“ im System zum Patienten zu- Frischgasfluss bei alten Narkosegeräten jedoch
rück, weshalb das beschriebene System als Kreissys- nicht unter 3 l/min eingestellt werden. Die An­
tem bezeichnet wird. wendung eines deutlich geringeren Frischgas­
flusses (Low-Flow-System, Minimal-Flow-Sys­
In- und Exspirationsventil stellen sicher, dass der tem, ▶ S. 10, 122, oder geschlossenes System,
Gasfluss im Kreissystem nur in der vorgeschrie­ ▶ S. 10) ist nur mit bestimmten Narkosegerä­
benen Richtung möglich ist. ten (z. B. Fabius® Primus®, Zeus®, Fa. Dräger;
Dem rückgeatmeten Volumen wird im halbge­ ▶ S. 23) zuverlässig und sicher möglich.
schlossenen System eine Frischgasmenge von Das Kreissystem besitzt im Nebenschluss ei­
normalerweise 3(–6) l/min zugemischt (= „high nen Ausgleichsbeutel (10 in Abb. 1-2a, b), der
flow“). Das Frischgas (9) besteht hierbei meist bei manueller Beatmung oder Spontanatmung
zu ca. 30 % aus Sauerstoff und zu ca. 70 % aus des Patienten plötzliche Volumenschwankun­
Luft oder Lachgas (▶ S. 40). Daneben enthält gen im Kreissystem auffängt. Dieser Beutel
es bei der Durchführung einer Narkose unter wird auch Beatmungsbeutel genannt, da mit
Verwendung eines verdampfbaren Inhalations­ ihm die manuelle Beatmung durchgeführt wird
anästhetikums noch die eingestellte Dampfkon­ (▶ S. 22). Er ist über den Beatmungsschlauch
zentration eines Inhalationsanästhetikums, z. B. (10a in Abb. 1-2a, b) an das Kreissystem kon­
1 Vol.-% Isofluran (▶ S. 41). Der Sauerstoffanteil nektiert.
am Frischgas muss mindestens 21 % betragen, Der Inspirationsschlauch und der Exspira­
aus Sicherheitsgründen (z. B. wegen möglicher tionsschlauch werden über ein Winkelstück
Messungenauigkeiten) werden meist ca. 30 % (▶ Abb. 1-3) verbunden. An dieses Winkelstück
eingestellt. kann eine Gesichtsmaske (▶ Abb. 1-4), ein En­
dotrachealtubus (▶ Abb. 1-5) oder eine Larynx­

!  Esschlossenen
muss beachtet werden, dass im halbge-
System immer (automatisch) so
maske (▶ S. 103) angeschlossen werden. Zur
Verbindung der In- und Exspirationsschläuche
viele Liter Beatmungsgemisch pro Minute in die mit einem Endotrachealtubus (▶ S. 84) oder ei­
Absaugung gelangen, wie Frischgas dazugeleitet ner Gesichtsmaske können auch ein sog. Y-Stück
wird. und ggf. zusätzlich ein Maskenkrümmer (2 in
Abb. 1-7b) verwendet werden (▶ Abb. 1-6 und
Werden z. B. insgesamt 3 Liter Frischgas pro Mi­ Abb. 1-7a, b).
nute in das Kreissystem eingeleitet, bestehend
aus 1 Liter O2 (= ⅓ = 33 %) und z. B. 2 Liter Luft
1.6 Narkoseapparat 13

✓  Am Treffpunkt von In- und Exspirations-


schlauch – also am Winkel- oder Y-Stück – be-
ginnt der sog. Totraum des Kreissystems. Als Totraum
wird derjenige Anteil des Atemhubvolumens bezeich-
net, der nicht am Gasaustausch teilnimmt. Bei einer
Maskenbeatmung sind dies also Winkelstück, Ge-
sichtsmaske, Mund-, Nasen- und Rachenraum, Tra-
chea und größere Bronchialwege.

Abb. 1-5 An ein Winkelstück konnektierter Endotra-


chealtubus

Abb. 1-3 Winkelstück

Abb. 1-6 Y-Stück

Abb. 1-4 An ein Winkelstück konnektierte Gesichts- Abb. 1-7a  An ein Y-Stück konnektierter Endotracheal-
maske (mit dazwischen geschaltetem HME-Filter; tubus
▶ S. 22)
14 1  Anästhesie – allgemeiner Teil 

Abb. 1-7b  An ein Y-Stück (1) und einen Maskenkrüm-


mer (2) konnektierte Gesichtsmaske (mit dazwischen
geschaltetem HME-Filter; ▶ S. 22) Abb. 1-8a  Rotameter für Sauerstoff (O2), Luft („air“)
und Lachgas (N2O)

1.6.2 Bauteile

Rotameter
Sauerstoff und Lachgas werden entweder aus der
zentralen Druckgasversorgung oder aus Gasfla­
schen entnommen. Die jeweils zum Patienten
geleitete Menge an Sauerstoff bzw. Lachgas wird
in einem sog. Rotameter gemessen (▶ Abb. 1-8).

✓  Rotameter sind Präzisionsmessröhren zur Be-


stimmung der Durchflussmengen (l/min) eines
bestimmten Gases. Abb. 1-8b  Moderner Rotameter mit einer Gesamtflow-
messröhre für den eingestellten O2- plus Air- oder O2-
Je nach Gasfluss (= [Frischgas-]Flow) wird ein plus Lachgasfluss
kegelförmiger „Schwimmer“ mehr oder weniger
weit hochgehoben. Der momentane Gasfluss pro
Minute wird am Oberrand des kegelförmigen Aufgrund unterschiedlicher physikalischer Ei­
Schwimmers abgelesen (▶ Abb. 1-9a). Im Falle genschaften wird für jedes Gas ein spezifisches
eines kugelförmigen Ballschwimmers muss al­ Rotameter benötigt. Alte Rotameterblöcke ver­
lerdings in Höhe der Kugelmitte (▶ Abb. 1-9b) fügen nur über einen Rotameter für O2 und N2O.
abgelesen werden. Bei moderneren Rotameterblöcken befindet sich
1.6 Narkoseapparat 15

zwischen dem O2- und dem N2O-Rotameter


noch ein Rotameter für Luft („air“) (▶ Abb. 1-8a).
Moderne Narkosegeräte wie z. B. das Zeus®- oder
Fabius®-Gerät (vgl. Abb. 1-20b, c) verfügen im
Display über eine elektronische Flow-Anzeige
für jedes verabreichte Gas (vgl. Abb. 1-15b). Das
Fabius®-Gerät verfügt außerdem über eine sog.
Gesamtflowmessröhre, in der der eingestellte
Gesamtfluss aus O2 plus Luft oder O2 plus Lach­
gas angezeigt wird (▶ Abb. 1-8b). Rotameterblö­
cke besitzen eine sog. Lachgassperre, das heißt,
falls der Druck in der zuführenden Sauerstoff­
leitung abfällt, ertönt ein O2-Mangel-Signal und
die Lachgaszufuhr wird gesperrt. Bei norma­
lem Druck in der O2-Leitung kann jedoch trotz
Lachgassperre an alten (!) Rotameterblöcken ein
hypoxisches Frischgasgemisch (< 21 % O2) ein­
gestellt werden! Es ist sogar möglich, lediglich
Lachgas einzuschalten.
Moderne Narkosegeräte verfügen über ein ent­
Abb. 1-9a  Kegelförmiger Gasflussanzeiger („Schwim- sprechendes Sicherheitssystem (z. B. das sog.
mer“) eines Rotameters ORC-[Oxygen-Ratio-Controller-]System; Fa.
Dräger), das verhindert, dass Werte > 75 % Lach­
gas bzw. < 25 % O2 eingestellt werden können.

Verdampfer

✓  Die meisten Inhalationsanästhetika liegen als


leicht verdampfbare Flüssigkeiten vor (z. B.
Isofluran, Sevofluran, Desfluran; ▶ S. 41 ff.). Sie wer-
den daher als verdampfbare (= volatile) Anästhetika
bezeichnet. Sie müssen in einen dampfförmigen Zu-
stand gebracht und in genau bestimmbaren Konzen-
trationen dem Frischgas zugemischt werden. Hierzu
wird ein Verdampfer verwendet.

Zumeist wird ein kleiner, variabler Teil des


Frischgases in die Verdampferkammer geleitet,
streicht dort über das flüssige Inhalationsanäs­
thetikum (z. B. die Isofluranflüssigkeit) hinweg
und wird mit dem Dampf des Inhalationsanäs­
thetikums angereichert. Das restliche Frischgas
umgeht die Verdampferkammer, wird also nicht
mit dem Inhalationsanästhetikum angereichert.
Am Verdampferausgang vermischen sich der
angereicherte und der nicht angereicherte An­
Abb. 1-9b  Kugelförmiger Gasflussanzeiger („Schwim- teil und es ergibt sich eine bestimmte Dampf­
mer“) eines Rotameters konzentration des Inhalationsanästhetikums im
16 1  Anästhesie – allgemeiner Teil 

Frischgas, die der am Drehrad des Verdampfers


eingestellten Konzentration entspricht.
Die im Einatmungsschenkel messbare sog. inspi­
ratorische Dampfkonzentration ist normalerwei­
se niedriger als die Konzentration im Frischgas,
da sich – im normalerweise verwendeten halb­
geschlossenen System – das Inspirationsgemisch
aus Frischgas (mit relativ hoher Konzentration
an volatilem Inhalationsanästhetikum) und
Rückatmungsgas (mit relativ niedriger Konzen­
tration an volatilem Inhalationsanästhetikum)
zusammensetzt (▶ S. 12). Neben der am Drehrad
des Vapors einstellbaren Dampfkonzentration
(die der Konzentration im Frischgas entspricht)
wird daher die im Inspirationsgemisch herr­
schende Gaskonzentration gemessen und im
Display eines entsprechenden Gerätes angezeigt.
Von einem guten Verdampfer muss gefordert wer­
den, dass die eingestellte Dampfkonzentration von
der Größe des Frischgasflusses und von Druck­
schwankungen während der Beatmung unabhän­
gig ist. Außerdem muss der Verdampfer eine Tem­
peraturkorrektur besitzen, da die Verdampfung Abb. 1-10  Nachfüllen eines Isofluranverdampfers mit
von Flüssigkeiten temperaturabhängig ist. entsprechender Nachfüllflasche
Für jedes verdampfbare Inhalationsanästhe­
tikum muss ein speziell dafür bestimmter
Verdampfer verwendet werden. Würde ein
Verdampfer mit dem falschen volatilen Inhalati­
onsanästhetikum aufgefüllt, dann würde die ein­
gestellte Gaskonzentration nicht der tatsächlich
abgegebenen Konzentration entsprechen. Die
Isofluranverdampfer z. B. müssen daher mithil­
fe eines speziellen Einfüllschlauches aufgefüllt
werden. Da das eine Ende des Einfüllschlauches
nur auf eine Isoflurannachfüllflasche geschraubt
und das andere Ende nur in den Einfüllstutzen
eines Isofluranverdampfers eingesteckt werden
kann (▶ Abb. 1-10), sind Verwechslungen nicht
möglich. Sevofluran- und Desfluranflaschen
können (verwechslungssicher) direkt in den
entsprechenden Verdampfer gesteckt werden
(▶ Abb. 1-11). Muss ein Verdampfer ausnahms­
weise während einer Narkose nachgefüllt wer­
den, so ist unbedingt darauf zu achten, dass der
Verdampfer während des Nachfüllens ausge­
schaltet sein muss und nach dem Nachfüllen
wieder einzuschalten ist! (Lediglich der Des­
fluranverdampfer [▶ Abb. 1-12a; ▶ S. 44] darf Abb. 1-11  Nachfüllen eines Sevofluranverdampfers
1.6 Narkoseapparat 17

nachgefüllt werden, während er eingeschaltet


[in Betrieb] ist.) Anhand eines Schauglases kann
der Füllungszustand des Verdampfers überprüft
werden.

Volumeter

✓  Das vom Patienten ausgeatmete Volumen wird


bei alten Narkosegeräten noch mithilfe eines
mechanischen Volumeters gemessen (▶ Abb. 1-13).

Das Volumeter muss immer im Ausatemschen­


kel (!) angebracht werden. (Wäre das Volumeter
im Inspirationsschenkel angebracht, dann würde
eine Undichtigkeit hinter dem Volumeter – z. B.
eine Diskonnektion von Winkelstück und Tubus
– unbemerkt bleiben. Das Gasvolumen würde
in diesem Falle das Volumeter noch passieren,
jedoch den Patienten nicht erreichen.)

Abb. 1-12a Nachfüllen eines Desfluranverdampfers


(D-Vapor Fa. Dräger)
®
!  Während der maschinellen Beatmung dreht sich
bei manchen alten Beatmungsgeräten (z. B. Ven-
tilog 2, Fa. Dräger; Abb. 1-20a) das mechanische
Volumeter (seltsamerweise) auch dann weiter, wenn
es zur Diskonnektion einer Schlauchverbindung ge-
kommen ist. (Aufgrund eines sich selbstentfaltenden
[= „fallenden“] Beatmungsbalges mancher Beat-
mungsgeräte entsteht während der Exspiration bei
diesen Geräten, wenn der Beatmungsbalg [durch
eine unten befestigte Metallplatte] sich wieder selbst
entfaltet, ein Sog, der das mechanische Volumeter
irritierenderweise dreht!)

Anstatt mechanischer Volumeter werden in­


zwischen zumeist elektronische Messmethoden
zur Erfassung des Ausatemvolumens verwendet.
Das Atemhubvolumen wird mithilfe eines elek­
tronischen Messfühlers (Flow-Sensor) ermittelt
(▶ Abb. 1-14). Bei dieser Messmethode wird die
Tatsache ausgenutzt, dass ein in den Gasstrom
reichender beheizter Glühdraht des Flow-Sen­
sors umso stärker abgekühlt wird, je mehr Aus­
atemvolumen an dem glühend heißen Draht
vorbeiströmt (sog. Hitzedraht-Anemometrie).
Diese Messmethode ist deutlich genauer als die
mechanische Manometrie. Der elektronische
Abb. 1-12b DIVA®-Modul für Desfluran, das am Nar- Messfühler für die Volumetrie (1 in Abb. 1-16)
kosegerät Zeus® (vgl. Abb. 1-20c) eingesetzt wird muss ebenfalls im Ausatemschenkel angebracht
18 1  Anästhesie – allgemeiner Teil 

Abb. 1-14 Flow-Sensor zur elektronischen Ermittlung


des durchströmenden Atemhubvolumens. Zwischen den
beiden längeren, in den Gasstrom ragenden Metallstif-
Abb. 1-13  Mechanisches Volumeter. (Nur noch selten ten befindet sich der Glühdraht. Je mehr Atemgas vor-
im Gebrauch. Zumeist werden inzwischen elektronische beiströmt, desto stärker wird der Glühdraht abgekühlt,
Multifunktionsgeräte verwendet, die auch das Atemmi- desto stärker ändert sich dessen elektrischer Widerstand
nuten- und Atemhubvolumen anzeigen; vgl. Text.) und desto höher ist das gemessene Gasvolumen.

sein. Das ermittelte Atemhub- und Atemminu­ Beatmungsdrucks verwendet. Bei maschineller
tenvolumen wird bei modernen Narkosegerä­ Beatmung ist inzwischen ein elektronisch ar­
ten in deren Display, bei alten Narkosegeräten beitendes Manometer vorgeschrieben. Bei den
in einem zusätzlichen Multifunktionsmonitor elektronisch arbeitenden Manometern ist an der
angezeigt (vgl. Abb. 1-15b, c; 1-20b, c). Stelle des Kreissystems, an der früher das mecha­
nische Manometer eingebaut war (▶ Abb. 1-15a),
nur noch ein Druckaufnehmer integriert (2 in
Manometer
Abb. 1-16). Die Messwertanzeige erfolgt bei

✓  Die während der Beatmung auftretenden mo-


mentanen Druckschwankungen wurden bei
modernen Narkosegeräten in deren Display
(▶ Abb. 1-15b). Am Display eines modernen
alten Narkosegeräten mithilfe eines mechanischen Narkosegerätes können z. B. eine untere und
Manometers gemessen und angezeigt (▶ Abb. 1-15a). eine obere Alarmgrenze für den Beatmungs­
Diese mechanischen Manometer sind inzwischen nur druck eingestellt werden. Die wählbare untere
noch für die Handbeatmung (nicht mehr für die ma- und obere Alarmgrenze müssen so eingestellt
schinelle Beatmung) zugelassen. werden, dass der Beatmungsdruck bei der In­
spiration den unteren Alarmwert überschreitet
Inzwischen werden normalerweise elektronische und bei der Ausatmung wieder unterschreitet.
Messmethoden zur Ermittlung des momentanen Die obere Alarmgrenze darf nicht überschrit­
1.6 Narkoseapparat 19

Abb. 1-15a  Ins Kreissystem integriertes mechanisches Abb. 1-15b Display eines modernen Narkosegerätes


Manometer. (Nur noch selten im Gebrauch. Zumeist be- (Fabius; Fa. Dräger) mit Anzeige des elektronisch ermit-
findet sich im Kreissystem nur noch ein Druckaufnehmer telten Atemhubvolumens, der Beatmungsfrequenz, des
und es werden elektronische Multifunktionsgeräte ver- Atemminutenvolumen und des elektronisch ermittelten
wendet, die auch den Atemwegsdruck anzeigen oder Beatmungsdrucks (vgl. auch Abb. 1-20b). Außerdem er-
der Atemwegsdruck wird direkt im Display des Narkose- folgt (links oben) die elektronische Flow-Anzeige für je-
gerätes angezeigt; ▶ S. 18) des verabreichte Gas.

Abb. 1-15c Multifunktionsmonitor (Infinity Delta, Fa. Abb. 1-16 CO2-Absorber; 1 = Elektronischer Anschluss


Dräger) zur Anzeige der CO2-, Sauerstoff-, Narkosegas- an den Sensor für die elektronische Volumetrie
(und – falls noch verwendet – Lachgas-)Konzentration (Flow-Sensor; vgl. auch Abb. 1-14); 2 = Druckaufnehmer
im Inspirations- und Exspirationsgas. Außerdem können für elektronisches Manometer; 3 = Gasrückführung;
EKG, pulsoxymetrische Sauerstoffsättigung, Körpertem- 4 = CO2-Absorber (▶ S. 20)
peratur, nicht invasiver (oszillometrisch gemessener)
Blutdruck (NIBP) und/oder blutig arteriell gemessener
Druck und/oder zentraler Venendruck (ZVD) gemessen unterhalb der Alarmgrenze und löst den Alarm
und zur Anzeige gebracht werden. aus. Kommt es dagegen aus irgendeinem Grund
zum Aufbau eines Überdrucks im Beatmungs­
system und der Druck steigt während der Ins­
ten werden. Bei zu hohem oder zu niedrigem piration über den oberen Grenzwert oder fällt
Beatmungsdruck werden ein akustischer und während der Ausatmung nicht mehr unter die
ein optischer Alarm ausgelöst. Ursache für eine untere Alarmgrenze, so wird ebenfalls Alarm
solche Alarmauslösung kann z. B. das Lösen ausgelöst. Im Display eines modernen Narko­
einer Schlauchverbindung (Diskonnektion) segerätes erfolgt auch die Anzeige der Atemfre­
sein. Dann wird im Schlauchsystem kein Druck quenz und des Atemminuten- und Atemhubvo­
mehr aufgebaut. Der Beatmungsdruck bleibt lumens.
20 1  Anästhesie – allgemeiner Teil 

Zur Überwachung der Beatmungsparameter tere) Absorber, durch den das Gas zuerst strömt,
wird außerdem über einen Probenabsaug­ verbraucht. Ein verbrauchter Absorber (= Farb­
schlauch Einatmungsgas – z. B. im Bereich des umschlag mehr als ⅔ der Füllhöhe) muss mit
Winkelstücks (vgl. 2 in Abb. 1-70b) – abgesaugt, neuem Absorberkalk nachgefüllt werden. Dabei
um die Konzentration an Sauerstoff, Kohlendi­ ist auf eine engkörnige Nachfüllung zu achten,
oxid (CO2), volatilem Inhalationsanästhetikum damit sich keine „Gasstraßen“ bilden können.
und ggf. auch an (eventuell noch verwendetem) Der nachgefüllte Absorber kommt nicht mehr in
Lachgas zu messen. Die entsprechenden Wer­ die alte, untere Position, sondern muss so einge­
te werden im Display des Narkosegerätes (z. B. setzt werden, dass das Gas nun zuerst den nicht
Zeus®-Gerät, Fabius®, Primus®; Fa. Dräger, erneuerten Absorber durchströmt. Der nachge­
Abb. 1-20b, c) oder in einem zusätzlichen Multi­ füllte Absorber muss also jetzt oben eingesetzt
funktionsmonitor (▶ Abb. 1-15c) angezeigt. Das werden. Da inzwischen regelmäßig auch die
abgesaugte Analysegas wird anschließend über inspiratorische CO2-Konzentration gemessen
einen Gasrückführungsschlauch (3 in Abb. 1-16) wird (▶ Abb. 1-15c), reicht ein Einzelabsorber
wieder ins Kreissystem zurückgeleitet. aus. Bei modernen Narkosegeräten kann gar
kein Doppelabsorber mehr eingebaut werden.
Eine Erschöpfung des Absorbers ist hier auch
Kohlendioxidabsorber
an einem Anstieg des kontinuierlich gemessenen

✓  sorberkalk
Kohlendioxid-(CO -)Absorber sind mit sog. Ab-
2
gefüllte, durchsichtige Behälter,
inspiratorischen CO2-Partialdrucks (≥ 7 mm Hg)
erkennbar. CO2-Absorber werden in den Inspi­
durch die das rückgeatmete Ausatemvolumen zum rationsschenkel (▶ S. 12) eingebaut, damit sie
Patienten zurückgeleitet wird (vgl. 6 in Abb. 1-2, 4 in nur das rückgeatmete Volumen von CO2 be­
Abb. 1-16). freien müssen. Würde der CO2-Absorber in den
Exspirationsschenkel (▶ S. 11) eingebaut, dann
In einer wärmeproduzierenden (= exother­ müsste das CO2 aus dem gesamten Ausatem­
men) Reaktion wird der CO2-Anteil des rück­ volumen, also auch aus dem in die Absaugung
geatmeten Atemvolumens an den Absorberkalk gelangenden Volumen, herausgefiltert werden.
gebunden. Außerdem wird bei dieser Reaktion Der CO2-Absorber wäre also schneller erschöpft.
Wasser freigesetzt. Deshalb kann während einer
Narkose eine Erwärmung des Absorbers gefühlt
Druckbegrenzungsventil
werden und häufig wird an der durchsichtigen
Absorberinnenwand ein Wasserniederschlag Während der manuellen Beatmung (▶ S. 110)
erkannt. Da eine Rückatmung nur im halbge­ muss das Druckbegrenzungsventil (▶ Abb. 1-17)
schlossenen und im geschlossenen (sowie im eingeschaltet werden. Hierzu wird der Kipphe­
quantitativen) System stattfindet, verfügen nur bel des Überdruckventils auf „MAN“ gestellt.
diese Systeme über CO2-Absorber. Das Feinregulierventil kann dadurch auf die ge­
Absorberkalke (z. B. Drägersorb® 800 plus, wünschte Druckbegrenzung eingestellt werden,
Drägersorb® Free) sind mit einem Indikator­ dass der Kipphebel solange im oder gegen den
farbstoff versehen, der sich bei Erschöpfung des Uhrzeigersinn gedreht wird, bis an der Feinre­
Absorberkalkes bläulich-violett verfärbt. Aus gulierskala die gewünschte Druckbegrenzung
Sicherheitsgründen wurden früher (als noch eingestellt ist. Mithilfe des Drehknopfes kann
keine regelmäßige Messung der in- und exspi­ eingestellt werden, wie hoch der Druck im Kreis­
ratorische CO2-Konzentration durchgeführt system sein muss, damit sich das Druckbegren­
wurde) normalerweise 2 Absorber hintereinan­ zungsventil öffnet und Gas über das Überdruck­
der geschaltet. Diese Doppelabsorber sind bei ventil entweichen kann. Die Überdruckgrenze
täglichem Gebrauch des Narkosegerätes (auch kann hiermit zwischen 5 und 70 mbar eingestellt
bei niedrigem Frischgasfluss) über 7 Tage funk­ werden (mbar = millibar, 1 mbar entspricht un­
tionsfähig. Zuerst wird hierbei immer der (un­ gefähr 1 cm Wassersäule). Normalerweise wird
1.6 Narkoseapparat 21

Abb. 1-17 Druckbegrenzungsventil. 1 = Hebelstellung Abb. 1-18 Druckbegrenzungsventil. Der Kippschalter


„MAN“ für manuelle oder maschinelle Beatmung. ist auf „SPONT“ (Spontanatmung) gestellt.
2 = Der Kippschalter muss für Spontanatmung durch
Umlegen in die Hebelstellung „SPONT“ gebracht wer-
den (vgl. Abb. 1-18). Bei der manuellen Beatmung ist das
Feinregulierventil durch Drehen des Kippschalters (= 3) druckventils auf „MAN“ gestellt und an der Fein­
auf ca. 10–15 mbar einzustellen. Bei der maschinellen
regulierskala eine Druckbegrenzung eingestellt,
Beatmung mit dem Ventilog (Abb. 1-20a) ist das Feinre-
die etwas über dem maximalen Beatmungsdruck
gulierventil in „MAN-Stellung“ etwas höher als der not-
wendige Beatmungsdruck einzustellen. Zumeist wird liegt. Meist wird während der maschinellen Be­
ein Wert von ca. 40 mbar eingestellt. atmung ein Begrenzungsdruck von ca. 40 mbar
eingestellt. Solche Druckbegrenzungsventile
werden auch als APL-Ventile bezeichnet (APL
= airway pressure limitation). Sollte nun z. B. der
die Überdruckgrenze bei 10–15 mbar eingestellt. Patient husten und im Kreissystem ein Druck
Wenn nun während der manuellen Beatmung über 40 mbar auftreten, so kann Gas über das
die Lunge mit mehr als 10–15 mbar gebläht wird, Überdruckventil entweichen. Dies stellt einen
öffnet sich das Druckbegrenzungsventil und Gas gewissen Sicherheitsfaktor vor versehentlich zu
entweicht über dieses Ventil in die Absaugung. hohen Beatmungsdrücken dar.
Wird in einem halbgeschlossenen Narkosesys­ In das hochmoderne Narkosegerät „Zeus®“ (Fa.
tem ein Frischgasfluss von z. B. 3 l/min einge­ Dräger; vgl. Abb. 1-20c) sowie in die Narko­
stellt, so müssen auch 3 Liter Ausatemgas pro segeräte Fabius® und Primus® (Fa. Dräger) ist
Minute in die Absaugung gelangen (▶ S. 12). ein weiterentwickeltes Druckbegrenzungsventil
Atmet der Patient spontan und seine Eigenat­ (APL-Ventil) eingebaut (▶ Abb. 1-19). Während
mung soll nicht unterstützt werden, so muss der der maschinellen Beatmung müssen diese mo­
Kippschalter (2 in Abb. 1-17) auf „SPONT“ ge­ dernen Druckbegrenzungsventile (z. B. beim
stellt werden (▶ Abb. 1-18). Zeus®, Primus® oder Fabius®) nicht auf einen
Bei der maschinellen Beatmung mit dem Ven­ bestimmten Wert eingestellt werden. Ihre Ein­
tilog 2 (Abb. 1-20a) wird der Hebel des Über­ stellungshöhe ist hierbei belanglos.
22 1  Anästhesie – allgemeiner Teil 

Folgende Werte sind beim lungengesunden Pa­


tienten am Beatmungsgerät initial einzustellen:
●● Atemhubvolumen:

ungefähr 8 ml/kg Sollgewicht, also 560 ml bei


einem erwachsenen Mann mit ca. 70 kg Soll­
gewicht
●● Atemfrequenz:

10 Atemzüge/min beim Erwachsenen


●● (Inspirations-)Flow:

ungefähr 30 l/min
Abb. 1-19 Modernes Überdruckventil, wie es z. B. im ●● I : E:

Narkosegerät „Zeus®“ (Fa. Dräger; vgl. Abb. 1-20c) ein- 1 : 2 (oder 1 : 1,5) beim Erwachsenen,
gebaut ist. Die Einstellungshöhe dieser modernen Über- 1 : 1 beim Säugling und Kleinkind
druckventile ist während der maschinellen Beatmung ●● PEEP:
(z. B. mit dem Zeus®, Primus®, Fabius®) belanglos. Am Ende der Ausatmung fällt der Beat­
mungsdruck normalerweise auf Null ab.
Durch Einschalten eines PEEP (= positive
Beatmungsbeutel endexpiratory pressure = positiver endexspi­
ratorischer Druck) fällt der Beatmungsdruck
Soll der Patient von Hand beatmet oder seine am Ende der Ausatmung nicht auf Null,
Spontanatmung unterstützt werden, so muss sondern nur bis auf den eingestellten PEEP-
dies durch rhythmisches Komprimieren des Wert ab (zumeist 5–15 cm Wassersäule).
Beatmungsbeutels (10 in Abb. 1-2) erfolgen. Damit bleibt die Lunge auch am Ende der
Die manuelle Beatmung wird ausführlich auf Ausatmung noch etwas gebläht (▶ S. 378).
Seite 110 beschrieben. Bei allen Lungenschädigungen, bei denen
ein Rechts-links-Shunt (▶ S. 281, 313, 366)
besteht (z. B. Lungenentzündung; Auftreten
Beatmungsgerät
von kollabierten Lungenbereichen mit ver­
Bei der maschinellen Beatmung wird der Beat­ mindertem oder fehlendem Luftgehalt, sog.
mungsbeutel durch ein mehr oder weniger auf­ Atelektasen), kann dadurch zumeist eine
wendiges Beatmungsgerät (▶ Abb. 1-20) ersetzt. Erhöhung des Sauerstoffgehalts im arteriel­
An neueren Beatmungsgeräten können die ver­ len Blut erzielt werden. Bei lungengesunden
schiedenen Parameter der Beatmung, wie z. B. Patienten wird normalerweise kein PEEP
Atemhubvolumen, Atemfrequenz, Verhältnis eingeschaltet.
der Einatmungszeit (= Inspirationszeit = I) zur ●● Sämtliche Alarmvorrichtungen müssen (!)

Ausatmungszeit (= Exspirationszeit = E), also sinnvoll (!) eingeschaltet werden.


I : E, die Geschwindigkeit, mit der das Volumen
in den Patienten gedrückt werden soll ([Inspira­
HME-Filter
tions-]Flow), genau eingestellt werden (▶ S. 372).
Außerdem verfügen sie über verschiedene akus­ Bei spontan atmenden, nicht intubierten Pa­
tische und/oder optische Alarmsysteme, um Be­ tienten erfolgt in der Nase eine Anwärmung
atmungsfehler schnell erkennen zu können. Da und Anfeuchtung der Einatmungsgase. Bei
bei modernen Narkosegeräten meist vergleich­ der Ausatmung wird ein Teil der Wärme und
bare Beatmungsparameter und Formen der Be­ Feuchtigkeit wieder an die Nase abgegeben. Bei
atmung eingestellt werden können wie an einem intubierten Patienten sind diese Funktionen der
Intensivrespirator, werden diese Beatmungspa­ Nase „ausgeschaltet“.
rameter und -formen gemeinsam im Kapitel Bei intubierten Patienten kann die Anfeuch­
über Intensivmedizin beschrieben (▶ S. 372). tung und Anwärmung der Atemgase, die aus
1.6 Narkoseapparat 23

a b

Abb. 1-20a  Beatmungsgerät (Ventilog, Fa. Dräger).


b  Modernes Narkosegerät (Fabius® Tiro, Fa. Dräger).
c  Hochmodernes Narkosegerät (Zeus®, Fa. Dräger),
das – bei entsprechender Programmierung – im quan­
titativen System/Uptake betrieben werden kann und
dann mit den bisherigen Narkosegeräten nicht mehr
c
vergleichbar ist (▶ S. 10).
24 1  Anästhesie – allgemeiner Teil 

der zentralen Gasversorgung bezogen werden Anschlüsse


und die vollkommen trocken und relativ kalt
sind, erst im Tracheobronchialsystem erfolgen. Die Sauerstoff-, Lachgas-, Druckluft- und Va­
Dadurch kann schnell eine Austrocknung und kuumanschlüsse sind durch „Kennfarben“ vor
Schädigung der Flimmerepithelien des Tracheo­ Verwechslung geschützt. Seit dem 01.01.2010
bronchialsystems erfolgen. Da bei einem halb­ gelten in Europa (nach der Europäischen Norm
geschlossenen Beatmungssystem ein größerer EN 739) folgende vereinheitlichten Kennfarben
Teil des Ausatemgemischs in die Absaugung ver­ (ISO32):
worfen wird (▶ S. 10), tritt damit ein beachtlicher
Feuchtigkeits- und Wärmeverlust während der
Beatmung auf. !  Sauerstoff
Lachgas
= weiß
= blau
Eine gute Möglichkeit zur Minimierung die­ Druckluft = weiß/schwarz
ser Feuchtigkeits- und Wärmeverluste besteht Vakuum = gelb
darin, zwischen Endotrachealtubus und Winkel- Gasabsaugung = magenta
(oder Y-)Stück einen sog. HME-Filter (HME
= heat and moisture exchange; ▶ Abb. 1-2b; Alternativ kann auch die ursprünglich nur bis
Abb. 1-72) zu konnektieren. Ein HME-Filter zum 01.07.2006 gültige Übergangslösung ei­
nimmt bei der Ausatmung die Feuchtigkeit ner „farbneutralen“ Kennzeichnung über den
und Wärme der Ausatmungsluft auf und gibt 01.07.2006 hinaus unbegrenzt beibehalten wer­
bei der nachfolgenden Einatmung die Feuch­ den. Unter farbneutraler Kennzeichnung wird
tigkeit und Wärme wieder an das Inspirations­ die Beschriftung mit dem chemischen Symbol
gemisch ab. Außerdem stellen HME-Filter eine der jeweiligen Farbart (z. B. O2 für Sauerstoff) in
gute mechanische und elektrostatische Bakteri­ weißen oder gelben Buchstaben auf schwarzem
en- und Virenelimination sicher. Der Einfluss Grund (z. B. schwarze Schläuche) verstanden.
dieser Filter auf den Atemwegswiderstand ist Bei Geräten ist auch eine schwarze Schrift auf
relativ gering. HME-Filter werden inzwischen blankem Aluminium bzw. auf weißem Grund
relativ häufig routinemäßig bei Narkosen ver­ möglich. Zusätzlich zum Symbol kann der Gas­
wendet. name angegeben werden. Die Firma Dräger bei­
An HME-Filtern kann auch der Probenent­ spielsweise empfiehlt grundsätzlich eine „farb­
nahmeschlauch für eine Kapnometrie im Sei­ neutrale Kennzeichnung“.
tenstrom (▶ S. 432) sowie zur Bestimmung der
Konzentration von Sauerstoff, volatilem Inhala­
Gasflussmenge
tionsanästhetikum und ggf. Lachgas konnektiert
werden (vgl. Abb. 1-70b). Beim versuchsweisen Öffnen des Rotameters
(▶ S. 14) müssen für Sauerstoff (bzw. Lachgas
die maximal einstellbaren Gasflussmengen von
Sauerstoffmessgerät
meist 15 l/min [bzw. 10 l/min]) gewährleistet
Sämtliche Narkosegeräte müssen inzwischen sein.
über ein Sauerstoffmessgerät verfügen, mit
dem die inspiratorische Sauerstoffkonzentra­
Gasflaschen
tion kontinuierlich gemessen werden kann (11
in Abb. 1-2, ▶ S. 11). Idealerweise sollte (vor Werden Sauerstoff und Lachgas (ausnahmswei­
allem für Low-Flow- oder Minimal-Flow- se) noch aus Gasflaschen bezogen, so muss der
Anästhesien) auch die exspiratorische Sauer­ Füllungszustand der Flaschen vor Gebrauch
stoffkonzentration gemessen werden. Bei neu­ überprüft werden.
eren Narkosegeräten ist dies routinemäßig re­
alisiert.
1.6 Narkoseapparat 25

Sauerstoffvorrat

Eine 10 Liter fassende Sauerstoffflasche, die ei­ www.schattauer.de/2995


nen Druck von 200 bar aufweist, enthält 10 × 200
= 2 000 Liter Sauerstoff (Rauminhalt der Sauer­ Video 1.1: Funktionsprinzip des Kreissystems
stoffflasche × Flascheninnendruck = Sauerstoff­ – Teil 1 – Verschiedene Atemsysteme, allgemeine
vorrat in Litern). Bemerkungen zum Kreissystem, CO2-Absorber,
Inspirationsventil, Inspirations- und Exspirations-
schenkel, Probenentnahmeschlauch
Lachgasvorrat
(Dauer: ca. 12 Minuten)
Der Füllungszustand einer Lachgasflasche kann
nur durch Wiegen ermittelt werden (▶ S. 40). In
Flaschen geliefertes Lachgas liegt zu ¾ als Flüs­ Video 1.2: Funktionsprinzip des Kreissystems
sigkeit vor. 1 kg flüssiges Lachgas ergibt 500 Liter – Teil 2 – Exspirationsventil, Volumeter, Mano-
Lachgas (Gesamtflaschengewicht [in kg] minus meter, Gasrückführung, Probenentnahmeschlauch,
Gewicht der leeren Flasche × 500 = Lachgasvor­ APL-Ventil, manuelle Beatmung über das Kreis­
rat in Litern). Das Leergewicht der Flaschen ist system, Umschaltventil (Dauer: ca. 11 Minuten)
jeweils am Flaschenhals eingeprägt.

Video 1.3: Funktionsprinzip des Kreissystems


Absauggerät
– Teil 3 – Rotameterblock, Flush-Ventil, Ventilog,
Funktioniert das Absauggerät und sind genü­ I:E-Verhältnis, Flow, PEEP, Atemfrequenz, Atemhub­-
gend sterile Absaugschläuche vorhanden? volumen (Dauer: ca. 12 Minuten)

Prüfung
Video 1.4: Funktionsprinzip des Kreissystems
Beim Zuhalten der Absaugöffnung muss sich ein – Teil 4 – Vaporen, Vapor nachfüllen, mechanisches
genügend hoher Sog (ca. –0,4 bis –0,9 bar) auf­ Volumeter, erschöpfter Absorberkalk, Umschaltung
bauen (Regelbereich Erwachsene: 0 bis –0,9 bar, von manueller Beatmung auf maschinelle
Regelbereich Kinder: 0 bis –0,5 bar, Frühgebo­ Beatmung mit dem Ventilog, Gasmessung
rene und Säuglinge dürfen nur mit einem Sog (Dauer: ca. 17 Minuten)
von maximal –0,3 bar abgesaugt werden). Au­
ßerdem muss darauf geachtet werden, dass die
Saugerschläuche und die Sekretauffangbehälter Video 1.5: Funktionsprinzip des Kreissystems
regelmäßig erneuert werden. Des Weiteren muss – Teil 5 – Schwimmer, Sicherheitshinweise und
kontrolliert werden, ob die Spülflasche genü­ Gefahrenquellen für bzw. bei Beatmung mit
gend Spülflüssigkeit enthält, damit nach einem dem Ventilog (Dauer: ca. 10 Minuten)
Absaugmanöver das Schlauchsystem mit der
Spülflüssigkeit sofort klargespült werden kann.
Da das Absauggerät nicht nur zum Absaugen Video 1.6: Funktionsprinzip des Kreissystems
von Speichel oder Bronchialsekret benutzt wird, – Teil 6 – Fabius® Tiro-Gerät, Kompaktatemsystem
sondern unter Umständen beim plötzlichen Er­ des Fabius®, Frischgasentkoppelung, Zeus®-Gerät,
brechen oder Regurgitieren (▶ S. 217) des Patien­ Atemsystem des Zeus®, DIVA-Modul
ten notfallmäßig benötigt wird, muss die Funk­ (Dauer: ca. 16 Minuten)
tionstüchtigkeit immer (!!) gewährleistet sein.
26 1  Anästhesie – allgemeiner Teil 

1.7 Narkosevorbereitungen Es wird empfohlen, „Feigenblattschulungen“


und „Pseudoeinweisungen“ abzulehnen. In die­
sen Fällen sollte die Unterschrift im Gerätebuch
1.7.1 Medizinproduktegesetz
verweigert werden.
Im Medizinproduktegesetz (= MPG; ▶ S. 618) und
in der Medizinprodukte-Betreiberverordnung
Funktionsprüfung des Narkosegerätes
sind Vorschriften für das Errichten, Betreiben und
Anwenden von aktiven Medizinprodukten (z. B.
bei geplantem Betriebsbeginn,
Narkosegeräte, Infusionspumpen) geregelt. Akti­ bei Patientenwechsel im laufenden
ve Medizinprodukte (das heißt solche, die über Betrieb und im Notfall
einen elektrischen Antrieb oder über eine Druck­ Die nachfolgenden Ausführungen zur Funkti­
gasversorgung verfügen, z. B. automatisches Blut­ onsprüfung von Narkosegeräten sind der Emp­
druckmessgerät, Narkosegerät, Infusionspumpe) fehlung der Kommission für Normung und
dürfen nur entsprechend ihrer Zweckbestimmung technische Sicherheit der Deutschen Gesell­
errichtet, betrieben und angewendet werden (z. B. schaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin
Einsatz nur gemäß dem in der Gebrauchsanwei­ (= DGAI) entnommen.
sung beschriebenen Verwendungszweck; das Eine routinemäßige Prüfung der Narkosegerä­
Medizinprodukt muss in ordnungsgemäßem und te anhand von Checklisten, die Dokumentati­
funktionssicherem Zustand sein; Verwendung on dieses Prüfvorgangs und die Sicherstellung
nur des zugelassenen Zubehörs; Verwendung nur des ordnungsgemäßen Gerätezustandes vor
mit gültigem Eichstempel). Anwendung sind in der Medizinprodukte-Be-
Medizinprodukte dürfen nicht (!) betrieben und treiberverordnung (= MPBetreibV) verbindlich
angewendet werden, wenn sie Mängel aufweisen, vorgeschrieben.
durch die Patienten, Beschäftigte oder Dritte Die Anwendungssicherheit medizinisch-techni­
gefährdet werden können (häufige Mängel sind scher Geräte wird dabei durch folgende hierar­
z. B. defekte Netzstecker und Netzkabel, nicht chisch gestufte Abfolge von Funktionsprüfungen
funktionierende Alarm- und Sicherheitseinrich­ gewährleistet:
tungen, sichtbare und unsichtbare Sturzschäden, ●● sicherheitstechnische Kontrollen (= STK;

fehlende Zubehörteile, nicht zugelassene Zube­ durch technisches Fachpersonal) in bestimm­


hörteile, Fehlfunktion). ten, vom Hersteller festgelegten Intervallen
Aktive Medizinprodukte dürfen nur von Per­ ●● Prüfung auf ordnungsgemäßen Zustand und

sonen angewendet werden, die aufgrund ihrer Funktionsfähigkeit vor geplantem Betrieb
Ausbildung oder ihrer Kenntnisse und prakti­ ●● Prüfung auf ordnungsgemäßen Zustand und

schen Erfahrungen die Gewähr für eine sachge­ Funktionsfähigkeit bei Patientenwechsel
rechte Handhabung bieten.
Da die Gewähr für die sachgerechte Handha­
Prüfung des ordnungsgemäßen
bung in eventuellen gerichtlichen Auseinander­
setzungen inzwischen eine wichtige Rolle spielt
Zustandes und der Funktionsfähigkeit
und da ggf. erhebliche Bußgelder, Geld- und des Narkosegerätes nach Checkliste
Freiheitsstrafen angedroht werden, muss den vor geplantem Arbeitsbeginn
Anwendern von Medizinprodukten dringend (Gerätecheck A)
angeraten werden, (▶ Tab. 1-4)
●● den eigenen Kenntnisstand kritisch zu prüfen, Zu Beginn eines jeden geplanten Betriebes wird
●● eine qualifizierte Basisschulung zu absolvie­ die Prüfung des ordnungsgemäßen Zustandes
ren und und der Funktionsfähigkeit der Geräte am An­
●● an Wiederholungseinweisungen (die dem je­ ästhesiearbeitsplatz anhand der Checkliste (Ge­
weiligen Kenntnisstand angepasst sind) teil­ rätecheck A) durch den Anwender verbindlich
zunehmen bzw. diese zu fordern. gefordert.
1.7 Narkosevorbereitungen 27

Tab. 1-4  Funktionsprüfung des Narkosegerätes am Anästhesiearbeitsplatz nach Checkliste (Gerätecheck A)


Vorbereitung zum Gerätecheck:
 Sichtprüfung auf ordnungsgemäßen Zustand des Gerätes: korrekter und vollständiger Aufbau,
hygienische Sauberkeit, keine erkennbaren äußeren Schäden, Verwendung von geeignetem Zubehör,
Prüfsiegel regelmäßiger technischer Kontrollen
 Überprüfung auf Vorhandensein und Funktionsprüfung eines separaten Handbeatmungsbeutels
 Anschluss an die Stromversorgung
 Anschluss an die Gasversorgung
 Anschluss an die Anästhesiegasfortleitung
 ggf. Überprüfung der Reservedruckgasbehälter
 Überprüfung des korrekten Anschlusses der Probengasleitung
 Einschalten von Narkosegerät (ggf. aller Einzelmodule) und Monitorsystemen
 Überprüfung der Funktion des O2-Flushs
 Überprüfung des/der Verdampfer(s) (Füllzustand, korrekter Sitz, Nullstellung, ggf. elektrischer Anschluss)
 Überprüfung des CO2-Absorbers (Befülldatum, Farbveränderungen)
Durchführung des automatischen Gerätechecks mit korrekter Befolgung der geforderten
manuellen Prüfschritte:
 Start der Selbsttests von Narkose- und Überwachungsgeräten, nach deren Abschluss:
Überprüfung der Testergebnisse
oder Durchführung des manuellen Gerätechecks entsprechend den Detailangaben der
jeweiligen gerätespezifischen Gebrauchsanweisung:
 Überprüfung der Gasdosiereinrichtung (Gasflüsse nach völligem Öffnen der Dosierventile)
 ggf. Überprüfung der Sauerstoffverhältnisregelung
 Überprüfung des korrekten Anschlusses der Schläuche des Atemsystems und der Handbeatmung
 Überprüfung der Funktion von Ein- und Ausatemventil und der Handbeatmung mit einer Testlunge
 Überprüfung der Funktion von Ein- und Ausatemventil und der Handbeatmung mit einer Testlunge
 Überprüfung der Funktion des Druckbegrenzungs-(APL-)Ventils und seiner POP-OFF-Funktion
 Funktionsprüfung des Ventilatormoduls (Dichtigkeit und Maximaldruck)
 Überprüfung der Einstellung des Ventilatormoduls (abteilungsinterne Standardwerte)
 ggf. Kalibrierung des Gas-Monitorings (O2, CO2, Inhalationsanästhetika)
 Überprüfung der Alarmgrenzwerteinstellung
 Überprüfung der Sekretabsaugung (Zustand, Funktion)

Datum: _______________ Gerät: _____________ Saal: ___________ Unterschrift: __________________


28 1  Anästhesie – allgemeiner Teil 

Bei Narkosegeräten, die in selten genutzten Prüfung auf ordnungsgemäßen


Funktionsbereichen bereitstehen und nicht rou­ Zustand und Funktionsfähigkeit des
tinemäßig eingesetzt werden, ist sicherzustellen, Narkosegerätes beim Patientenwechsel
dass diese Narkosegeräte zumindest einmal wö­ im laufenden Programm
chentlich anhand der Checkliste entsprechend (Gerätecheck W)
den Anforderungen des Gerätechecks A über­
prüft werden. (▶ Tab. 1-5)
Die Durchführung des Gerätechecks A kann an Bei Patientenwechsel im laufenden Betrieb kann
ausgebildetes und am jeweiligen Gerät einge­ durch den morgendlichen Gerätecheck A vor
wiesenes nicht ärztliches Fachpersonal delegiert Arbeitsaufnahme und durch den ungestörten
werden. klinischen Betrieb während der vorausgegan­
Die technische Kommission der DGAI fordert, genen Narkosen von einer kontinuierlich über­
den Gerätecheck A anhand der Checkliste auch prüften, korrekten Funktion des Gerätes ausge­
nach jeder Aufbereitung zu Ende des Routine­ gangen werden.
programms, nach Aufrüstung des Gerätes im
Anschluss an die regelmäßig durchzuführenden
Handlungsempfehlungen für den
Aufbereitungsroutinen und nach technischen
Instandhaltungsmaßnahmen (Inspektion, War­
korrekten Abschluss einer Narkose
tung und Reparatur) durchzuführen. Nur so im laufenden Betrieb
kann gewährleistet werden, dass an allen An­ Nach Abschluss einer jeden Narkose sollte darauf
ästhesiearbeitsplätzen funktionsfähige Geräte geachtet werden, dass das Narkosegerät in einen
in ordnungsgemäßem Zustand bereitgestellt Zustand gebracht wird, der dem Gerätezustand zu
werden. Beginn der vorausgegangenen Narkose entspricht:

Tab. 1-5  Funktionsprüfung des Narkosegerätes am Anästhesiearbeitsplatz vor/bei Patientenwechsel im laufenden


Betrieb (Gerätecheck W)
Der Gerätecheck W ist zwischen aufeinanderfolgenden Narkosen durchzuführen,
eine Dokumentation ist nicht erforderlich.
 Sichtprüfung auf ordnungsgemäßen Zustand des Gerätes
 Sichtprüfung des/der Verdampfer(s)
 Sichtprüfung des CO2-Absorbers
 ggf. Wasserkondensat aus Atemschläuchen und Wasserfallen entleeren
 Überprüfung, ggf. Leerung und Säuberung der Sekretabsaugung (Zustand, Funktion)
Teil der Funktionsprüfung, die bei/vor Anschluss eines jeden Patienten an ein Narkosegerät
genuine Aufgabe des Anästhesisten ist:
 Überprüfung der Gasdosiereinrichtung
 Überprüfung des korrekten Anschlusses der Schläuche des Atemsystems und der Handbeatmung
 Überprüfung der Dichtigkeit des Atemsystems
 Überprüfung der Funktion von Ein- und Ausatemventil und der Handbeatmung
 Überprüfung der Funktion des Druckbegrenzungs-(APL-)Ventils
 Funktionsprüfung des Ventilatormoduls
 Überprüfung der Einstellung des Ventilatormoduls
1.7 Narkosevorbereitungen 29

●● Ventile an der Gasdosieranlage und am Ver­ ●● Überprüfung der Funktion der Gasdosierein­
dampfer schließen richtung
●● Bedienung aller Geräte derart beenden, dass ●● Überprüfung der Funktion des APL-Ventils
patientenspezifische Einstellungen gelöscht ●● Funktionsprüfung des Ventilatormoduls
werden und alle Geräte in der klinik- bzw. ●● Überprüfung der Einstellungen des Ventila­
abteilungsspezifischen Standardeinstellung tormoduls
bereitstehen; oder ggf. das Gerät in den Funk­
tionsmodus „Manuell/Spontan“ stellen und Unerfahrene Anästhesisten sollten diese Funk­
das Druckbegrenzungsventil (APL-Ventil) tionsprüfungen vor Anschluss eines Patienten
öffnen an das Gerät durchführen, für den erfahrenen
●● Sichtprüfung des korrekten Anschlusses der Anästhesisten gehört die Überprüfung dieser
Schläuche des Atemsystems und der Hand­ Funktionen zur unverzichtbaren und selbst­
beatmung verständlichen Prozedur beim Anschluss eines
●● ggf. Wasserkondensat aus Atemschläuchen jeden Patienten an ein Narkosegerät. Vor Ein­
und Wasserfallen entleeren schalten der maschinellen Beatmung ist der
●● korrekte und ordentliche Ablage des Patient zuerst immer manuell (!) zu beatmen.
Schlauchsystems und der Monitorkabel am Es werden dann in schneller Abfolge folgende
Narkosegerät Handgriffe ausgeführt:
●● Sichtprüfung der Verdampferfüllung und des ●● Einstellung der Gasflüsse an der Gasdosier­

Zustandes des Atemkalkes einrichtung: entsprechende Überprüfung der


●● Entleeren, ggf. Reinigen der Sekretabsaugung Gasdosierung
●● Einstellung der Narkosemittelkonzentration

Diese Maßnahmen können an ausgebildetes und am Narkosemittelverdampfer: entsprechende


an den Geräten eingewiesenes nicht ärztliches Sichtprüfung des Verdampfers
Assistenzpersonal delegiert werden, die Aufga­ ●● Durchführung der manuellen Beatmung: ent­

benzuweisung bedarf der abteilungs- oder kli­ sprechende Überprüfung des korrekten Sitzes
nikinternen Festlegung. der Schlauchanschlüsse, der Dichtigkeit des
Atemsystems, der korrekten Funktion des
Ein­atem- und Ausatem- sowie des APL-Ven­
Handlungsempfehlungen für den
tils und Überprüfung der Einstellung eines
korrekten Beginn einer Narkose ausreichenden Frischgasflusses. (Sollte der
im laufenden Betrieb eingestellte Frischgasfluss nicht ausreichen,
Die Sichtprüfung auf ordnungsgemäßen Zu­ den Handbeatmungsbeutel suffizient zu fül­
stand des Gerätes vor Durchführung der im len, ist der Sauerstofffluss an der Gasdosie­
Programm folgenden Narkose ist eine nicht de­ rung zu erhöhen. Der Sauerstofffluss lässt sich
legierbare Aufgabe des Anästhesisten. Zu diesem derart auf 12–15 l/min steigern, was auch bei
Zeitpunkt sollen, so erforderlich, patientenindi­ großen Leckageverlusten zur Füllung des Sys­
viduelle Veränderungen der klinik- bzw. abtei­ tems ausreicht. Bei Verwendung des Sauer­
lungsspezifischen Standardeinstellungen vorge­ stoff-Flushs [geräteabhängig 25–75 l/min] zur
nommen werden. Auffüllung des Gasvolumens besteht für den
Auch die Durchführung der folgenden Prüf­ am Narkosegerät angeschlossenen Patienten
schritte zu Beginn einer jeden Narkose gehört die Gefahr der Entwicklung hoher Drücke im
zu den genuinen Aufgaben des Anästhesisten Atemsystem und die Gefahr eines möglichen
und ist nicht delegierbar: Barotraumas.)
●● Überprüfung der Dichtigkeit des Atemsystems

●● Überprüfung der korrekten Funktion von Wann immer die manuelle Beatmung nicht
Ein- und Ausatemventil und der Handbeat­ möglich ist, ist die Verbindung zwischen Pati­
mung ent und Narkosegerät wieder zu trennen und der
30 1  Anästhesie – allgemeiner Teil 

Patient mit dem obligatorisch vorzuhaltenden nicht delegierbar. Wann immer die maschinel­
separaten Handbeatmungsbeutel zu beatmen. le Beatmung gestört oder nicht möglich ist, ist
Nach Sicherung der Beatmung des Patienten auf die vorher geprüfte manuelle Beatmung des
kann der Gerätefehler in Ruhe gesucht werden. Patienten zurückzuwechseln und erst nach der
(Die Kommission empfiehlt dringend, an je­ Sicherung der Beatmung in Ruhe der Gerätefeh­
dem [!] Anästhesiearbeitsplatz einen separaten, ler zu analysieren.
selbstentfaltenden Handbeatmungsbeutel [z. B.
Ambu®-Beutel] vorzuhalten.)
Funktionsprüfung der Geräte im Notfall
Immer wenn auf die maschinelle Beatmung
umgeschaltet wird, muss sofort die korrekte
(Gerätecheck N)
Funktion des Ventilatormoduls überprüft und (▶ Tab. 1-6)
dessen Einstellung an den Patienten angepasst Wird entsprechend den vorab dargestellten
werden. Dies entspricht der geforderten Über­ Empfehlungen die Funktion der Narkosegeräte
prüfung der Ventilatorfunktion und -einstel­ nach Gerätecheck A überprüft, so kann davon
lung. Auch diese Maßnahmen gehören zu den ausgegangen werden, dass jedes Narkosegerät in
genuinen Aufgaben des Anästhesisten und sind ordnungsgemäßem, funktionsfähigem Zustand

Tab. 1-6  Funktionsprüfung des Narkosegerätes am Anästhesiearbeitsplatz im Notfall (Gerätecheck N)


Der Gerätecheck N stellt im Notfall sicher, dass ein Patient mit Sauerstoff versorgt
und zumindest manuell beatmet werden kann. Die Verantwortung für die Durchführung
des Gerätechecks N ist nicht delegierbar.
 Anschluss an Gas- und Stromversorgung
 Einschalten der Narkose- und der Überwachungsgeräte, ggf. Selbsttests abbrechen
 Narkosegerät im Funktionsmodus „Manuell/Spontan“?
 Öffnen nur des Sauerstoffventils, O2-Flow mindestens 4 l/min
 APL-Ventil zur Drucküberprüfung auf 40–50 mbar einstellen
 orientierende Dichtigkeitsprüfung: Verschluss des Y-Stücks und Kompression des Handbeatmungs­
beutels: Druckaufbau gelingt
 Y-Stück öffnen: Gas muss abströmen
 Konnektion des Patienten an das Atemsystem, manuelle Beatmung muss erkennbar möglich sein:
Thoraxbewegungen, Auskultationen der Lungen
 wann immer die Beatmung nicht sicher möglich ist: separaten Handbeatmungsbeutel einsetzen
 frühestmöglicher Anschluss des Patienten an das Monitoring
 Umschalten auf maschinelle Beatmung erst dann, wenn O2-, CO2- und Atemwegsdruckmessung
verfügbar sind
 Diskonnektions- und Stenosealarm einstellen
 wenn die maschinelle Beatmung nicht sicher möglich ist: sofortige Rückkehr zum manuellen
Beatmungsmodus
Erst bei gesichertem Betrieb:
 Anschluss des Gerätes an die Narkosegasfortleitung
 Befüllen des Absorberkanisters mit Atemkalk
1.7 Narkosevorbereitungen 31

im jeweiligen Funktionsbereich bereitgestellt 1.7.2  Überprüfung des


wurde. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass Narkosewagens auf Vollständigkeit
zwischenzeitlich unsachgemäß am Gerät mani­
puliert wurde oder einzelne technische Funktio­ Der fahrbare Narkosewagen (▶ Abb. 1-21) muss
nen ausgefallen sind. Bei unmittelbarer drohen­ nicht nur sämtliche für eine Routinenarkose
der vitaler Gefährdung eines Patienten stehen 2 notwendigen Utensilien enthalten, sondern auch
Funktionen eines Narkosegerätes besonders im die für die Behandlung eines eventuellen Nar­
Vordergrund: die gesicherte Zufuhr von Sauer­ kosezwischenfalls wichtigen Instrumente und
stoff und die sichere Möglichkeit der Beatmung. Medikamente:
So muss sich die Funktionsprüfung im Notfall ●● Endotrachealtuben (▶ S. 84)

auf diese beiden Funktionen fokussieren: ●● Laryngoskop mit verschiedenen Spatelgrö­

Nach Herstellung der Verbindung zur Gas- und ßen (▶ S. 88)


Stromversorgung sowie Einschalten des Narko­ ●● Gesichtsmasken (▶ S. 111)

segerätes und der Überwachungsgeräte ist das ●● Guedel- und Wendl-Tuben (▶ S. 91, 345)

Sauerstoffventil an der Gasdosiereinrichtung ●● Führungsstäbe (▶ S. 88)

zu öffnen und der Abstrom eines Gasflusses am ●● Stahlkanülen

Y-Stück zu verifizieren: Notüberprüfung der ●● Magill-Zangen (▶ S. 92)

Funktion der Sauerstoffdosiereinrichtung. Am ●● (verletzungssichere) intravenöse Plastikver­

Narkosegerät ist der Beatmungsmodus „Ma­ weilkanülen (▶ Abb. 1-22a, b)


nuell/Spontan“ zu wählen und das APL-Ventil ●● Einwegspritzen

auf einen Wert von 40–50 mbar einzustellen. ●● Routine- und Notfallmedikamente

Der Handbeatmungsbeutel wird in die Hand ●● Magensonden

genommen und das Y-Stück verschlossen. Bei


manueller Kompression muss sich ein Über­
druck im Atemsystem einstellen, bei Öffnung
des Y-Stücks muss deutlich spürbar an dessen
Öffnung ein Gasstrom austreten: Notüberprü­
fung einer Beatmungsmöglichkeit über das
Narkosegerät. Erst jetzt kann der Patient an das
Narkosegerät angeschlossen werden, wobei die
manuelle Beatmung beibehalten werden soll. Die
Beobachtung beatmungssynchroner Thoraxbe­
wegungen, die Auskultation der Lungen und das
Gefühl des gewohnten elastischen Widerstandes
bei der Insufflation der Lungen sind bewährte
initiale klinische Zeichen einer effizienten Be­
atmung. Lässt sich der Patient nach Anschluss
an das Atemsystem nicht suffizient manuell be­
atmen, so ist – ohne Zeitverzug durch etwaige
Fehlersuche – die Patientenverbindung wieder
zu trennen und mit dem separaten Handbeat­
mungsbeutel zu ventilieren. Die Fehlersuche am
Narkosegerät muss dann einer zweiten Person
übertragen werden.

Abb. 1-21 Narkosewagen
32 1  Anästhesie – allgemeiner Teil 

1.7.3 Vorbereitung des Materials


Vom Anästhesisten erfragt die Anästhesiepfle­
gekraft die geplante Narkoseform, die notwen­
digen Medikamente und Infusionen sowie die
gewünschte Größe des benötigten Endotracheal­
tubus (▶ S. 84) bzw. der Larynxmaske (▶ S. 103).
Die für die Narkose voraussichtlich benötigten
Materialien richtet die Pflegekraft her und legt
Abb. 1-22a Häufig verwendete (verletzungssichere) sie auf dem Narkosewagen bereit. Für eine Rou­
periphervenöse Verweilkanülen (Vasofix® Safety) tinenarkose sind dies:
●● (ggf. manuell) aufpumpbare Blutdruckman­

schette und Stethoskop für die auskultatori­


sche Blutdruckmessung – inzwischen wird
jedoch nur noch selten eine auskultatorische
Blutdruckmessung, sondern zumeist eine
apparative, nicht invasive oszillometrische
Blutdruckmessung vorgenommen, z. B. mit­
tels Dinamap®-Gerät
●● EKG-Elektroden

●● Desinfektionsspray und sterile Tupfer

(zur Hautdesinfektion vor dem Legen eines


periphervenösen Zugangs)
●● 2-ml-Spritze mit z. B. 2%igem Lidocain oder
Abb. 1-22b Verletzungssichere periphervenöse Ver-
weilkanüle. Nach (erfolgreicher) Punktion wird beim Mepivacain (▶ S. 163) für die Lokalanästhesie
Entfernen des Metallmandrins automatisch eine metal- vor dem Legen des periphervenösen Zugangs,
lene Schutzkappe auf die Kanülenspitze gestreift, so- dazu eine dünne Stahlkanüle, z. B. 26 G
dass Stichverletzungen verhindert werden können.

!  GMaß= fürgaugeden(sprich: geidsch). Gauge ist ein


Durchmesser. Bei Stahlkanülen
●● sterile Absaugkatheter geht die Gauge-Zahl normalerweise von 18–26 G; je
●● Blutdruckmessgerät und Stethoskop größer die Gauge-Zahl, desto kleiner ist der Durch-
●● Infusionsbesteck sowie Infusionslösungen messer.
(z. B. eine Flasche kristalloide Lösung und
eine Flasche kolloidales Plasmaersatzmittel; ●● intravenöse Plastikverweilkanüle, z. B. Vaso­
▶ S. 137) sowie Transfusionsbesteck fix® Safety 18 G, sowie ein Pflaster zur späte­
●● Dreiwegehähne und Stöpsel ren Fixierung der Kanüle:
●● Einweghandschuhe Bei den intravenösen Plastikverweilkanülen
●● diverse Pflastersorten geht die Gauge-Zahl normalerweise von 12–
●● sterile Tupfer und Zellstoff 26 G. Es ist eine verletzungssichere Kanüle zu
●● Desinfektionsspray verwenden (▶ Abb. 1-22) um versehentliche
Nadelstichverletzungen (▶ S. 153) zu vermei­

!  Die Pflegekraft ist für den stets kompletten Zu-


stand des Narkosewagens verantwortlich und ●●
den.
Infusion mit angeschlossenem und entlüfte­
hat sich dessen bei jeder Narkosevorbereitung zu tem Infusionsbesteck
vergewissern. Während der Narkose muss sich der ●● Laryngoskop
Narkosewagen immer in unmittelbarer Reichweite (▶ S. 88, die Lichtquelle muss vorher auf
des Anästhesisten befinden. Funktionstüchtigkeit überprüft werden!)
1.7 Narkosevorbereitungen 33

●● Endotrachealtubus bzw. Larynxmaske (▶ S. 84, hand einer Checkliste) die Identität des Patien­
103): ten und die Richtigkeit und Vollständigkeit der
Die Blockermanschette des Tubus kann vor­ Akten. Außerdem ist zu überprüfen, ob der ge­
her durch Aufblasen mit Luft auf Dichtigkeit plante Eingriffsort markiert ist (z. B. mit einem
geprüft werden (ein produktionsbedingt un­- Kreuz, um z. B. eine Seitenverwechslung zu ver­
dichter Cuff ist allerdings extrem selten; meiden) (▶ S. 152, Team Time Out).
zumeist ist ein undichter Cuff durch eine Nun wird der Patient vom Bett auf den Ope­
Cuff-Verletzung bei der Intubation ver­ rationstisch gelegt. Er muss sich dann seines
ursacht); die Tubusspitze sollte mit einem Flügelhemdes entledigen und wird umgehend
Gleitmittel (z. B. Lary Phary Spray oder mit einem Tuch zugedeckt. Die Arme werden
künstlicher Speichel wie Glandosane® ver­ bequem auf Armstützen gelagert und locker
sehen werden. angeschnallt. Der Körper wird leicht mit einem
●● Guedel-Tubus (▶ S. 91) „Bauchgurt“ am Operationstisch fixiert. (Erst
●● 5-, 10- oder 20-ml-Spritze zum Aufblasen nach der Narkoseeinleitung wird der Patient in
(Blocken) der Tubusmanschette (▶ S. 98): die eigentliche Operationslagerung gebracht.)
Diese Spritze muss gekennzeichnet werden. Danach wird der Patient in den Narkoseeinlei­
Da sie unsteril wird, darf sie später nicht ver­ tungsraum gebracht. Während der nun folgen­
sehentlich zum Aufziehen von Medikamen­ den Vorbereitung des Patienten auf die Narkose
ten verwendet werden. ist es wichtig, dass ihm die Anästhesiepflegekraft
●● Medikamente, die voraussichtlich benötigt immer erklärt, was und ggf. warum etwas ge­
werden macht wird.
Es empfiehlt sich folgendes Vorgehen:
●● EKG-Elektroden anlegen und EKG-Monitor
1.7.4  Aufziehen der Medikamente folgendermaßen anschließen (▶ Abb. 1-23):
Die Pflegekraft zieht die vom Narkosearzt ge­
wünschten Medikamente auf und legt die Sprit­
zen auf dem Narkosewagen bereit. !  rotes EKG-Kabel = rechte Schulter
gelbes EKG-Kabel = linke Schulter
grünes (bzw. schwarzes) EKG-Kabel =
!  Jede (!!) aufgezogene Spritze muss (!!) beschrif-
tet werden. Für die meisten Medikamente liefert
linke Thoraxseite

die Pharmaindustrie bereits entsprechende Aufkle- Gleichzeitig muss am EKG-Gerät die Ab­
ber. Inzwischen sollten nur noch solche Aufkleber leitung II (nach Einthoven; ▶ S. 521) einge­
verwendet werden, die der offiziellen empfohlenen stellt sein. Mit dieser Ableittechnik können
Farbcodierung entsprechen (z. B. sind danach alle Herzrhythmusstörungen am besten erkannt
Opioidnamen auf blauem Hintergrund, alle Hypnoti- werden. Eine ST-Strecken-Senkung (▶ S. 427;
ka auf gelbem Hintergrund und alle Relaxanzien auf Abb. 7-7b), die typisch für eine Mangeldurch­
rotem Hintergrund gedruckt). Lediglich das Aufste- blutung der Koronararterien mit unzurei­
cken der leeren Ampulle auf die unbeschriftete Sprit- chender Durchblutung der Herzmuskulatur
ze ist nicht zulässig! (Myokardischämie) ist, kann mit dieser Ab­
leittechnik jedoch weniger gut erfasst werden.
1.7.5 Vorbereitung des Patienten Um ST-Strecken-Senkungen besser erkennen
zu können, wird idealerweise eine 5-polige
für die Narkose EKG-Ableitung vorgenommen (Abb. 7-7a)
Der Patient wird meist von einer Pflegekraft der oder es werden alternativ bei der 3-poligen
Station an die „Patientenschleuse“ des Operati­ Ableitung das gelbe und grüne (bzw. schwar­
onsbereichs gebracht. Ein Lagerungspfleger oder ze) Kabel (▶ S. 34) vertauscht, die rote Elek­
die Anästhesiepflegekraft begrüßt den Patienten, trode wird nicht an der rechten Schulter, son­
stellt sich vor und überprüft (idealerweise an­ dern etwas weiter medial rechts neben dem
34 1  Anästhesie – allgemeiner Teil 

Abb. 1-23  Platzierung der EKG-Elek­


troden; rechte Schulter: Anschluss rotes
Kabel; linke Schulter: Anschluss gelbes
Kabel; linke Thoraxseite: Anschluss
grünes (bzw. schwarzes) Kabel

Brustbein und die an der linken Thoraxseite Wenn irgend möglich, sollten die Venen des
platzierte Elektrode wird in V5-Position (et­ Handrückens bevorzugt werden.
was lateral der linken Brustwarze; ▶ S. 523)
platziert; gleichzeitig muss am EKG-Gerät
die Ableitung I (nach Einthoven; ▶ S. 521) !  Eine Punktion in der Ellenbeuge (sowie an
der radialen Handgelenksseite) sollte vermie-
eingestellt werden. Dies ist insbesondere bei den werden, da hier eine versehentliche intraarte-
Patienten mit einer Koronarsklerose sinn­ rielle Lage der Kanüle möglich ist. Bei verse­ -
voll. Diese Ableitung entspricht ungefähr h­entlicher intraarterieller Injektion bestimmter
der Brustwandableitung V5 (▶ S. 522), mit der Medikamente kann der Verlust der Hand oder des
Veränderungen der ST-Strecke besonders gut Armes drohen (▶ S. 50)! Außerdem besteht in der
erfasst werden können. (Diese Ableitung wird Ellenbeuge eine Verletzungsgefahr des hier ver-
manchmal auch als „poor-man’s V5“ bezeich­ laufenden Nervus medianus.
net.)
●● Fingersensor für die pulsoxymetrische Mes­ Mit einem sog. Stauschlauch oder mithilfe
sung der arteriellen Sauerstoffsättigung anle­ einer manuell aufpumpbaren Blutdruck­
gen (▶ S. 432). Falls die arterielle Sauerstoff­ manschette wird nun (mit einem Manschet­
sättigung niedrig ist (unter ca. 95 %), dann tendruck von z. B. 50 mm Hg) am Oberarm
sollte dem Patienten Sauerstoff über eine gestaut. Moderne oszillometrische Messge­
Nasensonde (ca. 2 l/min) verabreicht werden räte bzw. moderne Narkosegeräte mit inte­
und er sollte zum tiefen Durchatmen aufge­ grierter oszillometrischer Blutdruckmessung
fordert werden. verfügen meist über die Sonderfunktion
●● Blutdruckmanschette anlegen und die oszil­ „Venostase“. Wird nach Anlegen der Blut­
lometrische Blutdruckmessung starten. Das druckmanschette die Funktion „Venostase“
Messintervall ist normalerweise auf 5 Minu­ gedrückt, dann wird die Manschette nur
ten einzustellen. leicht aufgeblasen. Der Staudruck muss über
●● periphervenösen Zugang anlegen: dem Venendruck, aber deutlich unterhalb
1.7 Narkosevorbereitungen 35

des arteriellen Drucks liegen. Hierdurch Routinefragen


wird der venöse Abfluss gedrosselt, während
der arterielle Zufluss noch fast unbehindert Während der Vorbereitung des Patienten auf
ist. Die Venen treten meist deutlich hervor die Narkose müssen immer nochmals folgende
und können gut punktiert werden. Bei auf­ Routinefragen an den Patienten gestellt werden:
geregten Patienten ist trotz korrekter Stau­ ●● Wann haben Sie das letzte Mal gegessen und

ung häufig nur eine schlechte Venenfüllung getrunken?


vorhanden. Durch Tieflagerung des Armes, Manchmal gestehen die Patienten auf diese
durch rhythmisches Öffnen- und Schließen­ gezielten Fragen, das Nüchternheitsgebot
lassen der Faust, durch leichtes Beklopfen der (▶ S. 5, 217) gebrochen zu haben. In diesem
voraussichtlichen Punktionsstelle, vor allem Falle muss eine nicht notfallmäßige Opera­
aber durch längerfristiges Stauen, treten die tion verschoben werden.
Venen deutlicher hervor. ●● Haben Sie eine Zahnprothese? Wenn ja, ha­

Die Venenpunktion sollte in folgender Rei­ ben Sie diese entfernt?


henfolge durchgeführt werden: Manchmal gestehen die Patienten, ihre Pro­
–– Desinfektion der Punktionsstelle these aus Eitelkeit nicht entfernt zu haben,
–– Lokalanästhesiequaddel neben der zu obwohl dies bei der präoperativen Visite an­
punktierenden Vene geordnet wurde. Sie muss jedoch in der Re­
–– Fixierung der zu punktierenden Vene; dies gel herausgenommen und sicher aufbewahrt
kann durch Straffung der Haut (mit dem werden.
Daumen der nicht punktierenden Hand; ●● Haben Sie eine Allergie auf bestimmte Medi­

▶ Abb. 1-24) erreicht werden kamente oder z. B. auf bestimmte (z. B. brau­
–– Punktion durch die Hautquaddel schräg in ne) Pflaster?
die Vene (▶ Abb. 1-24) ●● Hatten Sie bei früheren Narkosen irgendwel­

–– Festhalten des Stahlmandrins und Vor­ che Probleme?


schieben der Plastikverweilkanüle
–– Öffnen der Stauung bzw. Ausschalten der
„Venostase“
–– Fixierung der Kanüle mit Pflaster www.schattauer.de/2995
–– Anschluss der vorbereiteten Infusion Video 1.7: Anlage eines peripherve­nösen Zugangs
– Teil 1 – Übliches Vorgehen beim Erwachsenen
Zusätzlich benötigte periphervenöse Zugänge (Dauer: ca. 30 Minuten)
sollten normalerweise erst nach der Narkose­ Video 1.8: Anlage eines periphervenösen Zugangs
einleitung gelegt werden. – Teil 2 – Schwieriger Zugang beim Erwachsenen
(Dauer: ca. 19 Minuten)

1.7.6  Lagerung des Patienten –


Lagerungsschäden
Die endgültige Operationslagerung wird erst
nach Einleitung der Narkose vorgenommen.
Für die korrekte Lagerung des Patienten trägt
der Operateur die Verantwortung. Während der
Operation ist der Anästhesist dafür verantwort­
lich, dass der ausgelagerte Infusionsarm des Pa­
tienten weiterhin richtig gelagert ist. Abbildung
Abb. 1-24  Punktion einer peripheren Vene 1-25 zeigt die Lagerung des Patienten, wenn er
36 1  Anästhesie – allgemeiner Teil 

Abb. 1-25  Rückenlagerung des


Patienten

in Rückenlage operiert werden soll. Spezielle ●● Es sollte auf eine leichte Beugung im Ellenbo­
Operationslagerungen werden in den entspre­ gengelenk geachtet werden. Der Handrücken
chenden Kapiteln der „Speziellen Anästhesie“ sollte nach oben zu liegen kommen.
besprochen. ●● Der Kopf sollte leicht auf die Seite des ausge­
lagerten Armes gedreht werden.

!  Bei unsachgemäßer Lagerung des Patienten


können vor allem Nervenschädigungen (durch
Nervus radialis
Druck, Zug oder Zerrung) sowie Schädigungen der
Augen drohen. Es muss auch darauf geachtet wer- Häufig wird nur ein Arm ausgelagert, der andere
den, dass die Haut des Patienten nicht direkt Kontakt Arm wird dem Körper angelagert. Bei dem am
mit dem Gummi oder Plastik des Operationstisches Körper angelagerten Arm besteht die Gefahr,
hat. Es sollte immer z. B. ein Tuch oder eine Abpolste- dass er über die Kante des Operationstisches
rung dazwischen gelegt werden. hängt und durch den Operateur gegen die Tisch­
kante gedrückt wird. Dies kann leicht zu einer
Schädigung des Nervus radialis im Bereich der
Plexus brachialis Oberarminnenseite führen. Der dem Körper an­
Meist wird der Arm, an dem die Infusion gelagerte Arm muss deshalb in einer Ober- und
läuft, ausgelagert (abduziert). Zur Vermeidung Unterarm umfassenden Polstermanschette dicht
von Zerrungen des Plexus brachialis muss dem Körper angelagert und dort fixiert werden.
bei der Armauslagerung Folgendes beachtet
werden:
●● Der Arm muss (!) unbedingt an der Arm­
Auge
stütze fixiert werden. Ein versehentliches Jeder länger dauernde Druck auf das Auge kann
Herunterfallen des Armes von der Armstüt­ zu Durchblutungsstörungen der Netzhaut und
ze kann beim relaxierten Patienten zu einer damit zur Erblindung führen. Besonders bei
Schulterluxation, zu einer Zerrung des Plexus Bauchlagerungen ist darauf zu achten, dass nicht
brachialis oder gar zum Ausriss des Plexus ein Lagerungskissen, ein Lagerungsring oder
brachialis führen (!!). eine Kopfstütze auf die Augen drückt. Außerdem
●● Der Oberarm darf nicht weiter als 90 Grad ist darauf zu achten, dass die Augenlider während
ausgelagert werden. der Narkose geschlossen sind. Bei geöffneten Au­
●● Der Arm darf nicht unterhalb des Thoraxni­ genlidern droht ein Austrocknen der Hornhaut
veaus gelagert werden. mit Hornhautulkus. Sind die Augen des Patien­
1.8 Inhalationsanästhetika 37

ten einsehbar (z. B. Rückenlage und einsehbarer


Kopf), dann sollte eine sterile Augensalbe ein­ !  Inhalationsanästhetika besitzen also den gro-
ßen Vorteil der guten Steuerbarkeit. Ein Nachteil
gebracht und auf die Oberlider je ein schmaler der Inhalationsanästhetika ist allerdings der relativ
Pflasterstreifen so geklebt werden, dass die Augen langsame Wirkungseintritt.
geschlossen bleiben. Sollte der Patient ausnahms­
weise eine intraoperative Wachheit (▶ S. 244) er­ Die meisten Medikamente verteilen sich durch
leben, so kann er trotz der Pflaster noch die Au­ Diffusion innerhalb der verschiedenen Körper­
gen öffnen (was in diesen Fällen meist geschieht). räume. Voraussetzung dafür, dass ein Medika­
Sind die Augen während der Operation nicht zu ment in ein anderes Gewebe abdiffundieren
sehen, müssen die Augenlider immer mit einem kann, ist ein Konzentrationsunterschied. Die Dif­
breiten Pflasterstreifen zugeklebt werden. fusion erfolgt immer vom Ort hoher Konzentra­
tion zum Ort niedriger Konzentration, also ent­
www.schattauer.de/2995 lang eines Konzentrationsgefälles. Dies gilt auch
Video 1.9: Vorbereitung des Patienten für Inhalationsanästhetika. Allerdings wird bei
auf die Narkose (Dauer: ca. 6 Minuten) Gasen und Dämpfen nicht von der „Konzentrati­
on“, sondern von dem Partialdruck gesprochen.

1.8 Inhalationsanästhetika !  Gase und Dämpfe diffundieren immer vom Ort


eines hohen Partialdrucks zum Ort eines niedri-
gen Partialdrucks.
1.8.1  Allgemeine Bemerkungen

✓  Inhalationsanästhetika sind Gase oder Dämp- Bei der Narkoseeinleitung mit einem Inhalati­
fe, die eingeatmet und über die Lungen ins onsanästhetikum diffundiert das Inhalations­
Blut aufgenommen werden. Über das Blut werden sie anästhetikum daher aus der Alveolarluft (hoher
auch zum Zentralnervensystem (= ZNS) transportiert, Partialdruck) ins Blut (niedriger Partialdruck).
wo sie vorübergehende Veränderungen an den Syn- Aus dem Blut diffundiert das Inhalationsanäs­
apsen und Zellmembranen verursachen und dadurch thetikum in die verschiedenen Gewebe ab.
die Weiterleitung von Nervenimpulsen hemmen. Sie
wirken dadurch anästhetisch, das heißt, sie erzeugen
eine Bewusstlosigkeit, Schmerzdämpfung, Muskeler-
!  JeInhalationsanästhetikum
besser ein Gewebe durchblutet ist, desto mehr
kann es pro Zeiteinheit
schlaffung und eine Dämpfung vegetativer Reflexe. aus dem Blut aufnehmen und desto schneller wird es
mit dem Inhalationsanästhetikum gesättigt sein.
Diese einzelnen Wirkungen sind jedoch bei
den verschiedenen Inhalationsanästhetika un­ Die stark durchbluteten Organe wie ZNS, Herz,
terschiedlich stark ausgeprägt und reichen für Nieren und Leber sind daher schnell (innerhalb
eine Operation unter Umständen erst bei sehr von Minuten) mit dem Inhalationsanästhetikum
hohen Konzentrationen aus. Um diese hohen aufgesättigt. Die weniger gut durchblutete Mus­
Konzentrationen mit ihren Nebenwirkungen zu kulatur ist z. B. erst nach Stunden gesättigt. Das
vermeiden, werden die Inhalationsanästhetika schlecht durchblutete Fettgewebe wäre erst noch
meist mit anderen Medikamenten kombiniert. später vollständig aufgesättigt. Erst wenn es zum
Inhalationsanästhetika werden größtenteils wie­ Ausgleich der Partialdrücke in den verschiede­
der über die Lungen abgeatmet. Nur ein unter­ nen Geweben gekommen ist, findet dort keine
schiedlich kleiner Anteil (0,02 % bei Desfluran; Diffusion mehr statt.
3–5 % bei Sevofluran; ▶ S. 41) wird im Körper
metabolisiert. Da sich die Ventilation der Lunge
gut beeinflussen lässt, kann sowohl die Aufnah­ !  Von besonderem Interesse ist der Partialdruck
des Inhalationsanästhetikums im Gehirn, denn
me als auch die Abatmung der Inhalationsanäs­ die Narkosetiefe ist vom Partialdruck des Inhalati-
thetika gut gesteuert werden. onsanästhetikums im Gehirn abhängig.
38 1  Anästhesie – allgemeiner Teil 

Da das Gehirn sehr gut durchblutet wird, gleicht durchbluteten Organen (mit hohem Partial­
sich der Partialdruck des Inhalationsanästheti­ druck des Narkosegases) abflutet, kann der Par­
kums im Gehirn sehr schnell dem Partialdruck tialdruck des Gases im Blut immer noch höher
im Blut an. Der Partialdruck im Gehirn ent­ als im schlecht durchbluteten Gewebe (z. B. dem
spricht daher ungefähr dem Partialdruck im Fettgewebe) sein. Dann diffundiert das aus den
Blut. gut durchbluteten Geweben abdiffundierte Gas
Bei Narkosebeginn diffundiert fast das gesamte zum Teil noch in die schlechter durchbluteten
Inhalationsanästhetikum aus dem arteriellen Blut Gewebe ab. Es wird von einer sog. Umverteilung
in die verschiedenen Gewebe ab, da diese noch gesprochen. Umverteilungsphänomene haben
völlig ungesättigt sind. Das venöse Blut enthält auch bei intravenös zu verabreichenden Medi­
damit fast kein Inhalationsanästhetikum mehr kamenten eine große Bedeutung (▶ S. 46).
und muss in der Lunge wieder aufgesättigt wer­
den. Zur Aufrechterhaltung eines bestimmten
Partialdrucks im arteriellen Blut und damit eines 1.8.2  Faktoren, die die
bestimmten Partialdrucks im Gehirn (bzw. einer Aufnahme und die Abatmung
bestimmten Narkosetiefe) muss also bei Narko­ eines Inhalationsanästhetikums
sebeginn viel Inhalationsanästhetikum über die
beschleunigen bzw. verzögern
Lungen ins Blut aufgenommen werden. Hierzu
ist eine hohe Konzentration des Inhalationsan­ Wie schnell ein Inhalationsanästhetikum über
ästhetikums in dem Inspirationsgemisch nötig. die Lungen aufgenommen wird, mit dem Blut
Mit zunehmender Narkosedauer nimmt die ins Gehirn gelangt und dort seine narkotische
Sättigung der verschiedenen Gewebe stetig zu. Wirkung entfaltet, hängt vor allem von folgen­
Es diffundiert immer weniger Inhalationsanäs­ den Faktoren ab:
thetikum aus dem arteriellen Blut in die Gewebe ●● inspiratorischer Partialdruck

ab, da die Partialdruckdifferenz zwischen Blut ●● Lungenbelüftung pro Minute

und Gewebe immer kleiner wird. Das venöse ●● Herzminutenvolumen

Blut enthält einen zunehmend höheren Partial­ ●● Löslichkeit im Blut

druck des Inhalationsanästhetikums. Zur Auf­


rechterhaltung eines bestimmten Partialdrucks
Inspiratorischer Partialdruck
im arteriellen Blut und damit eines bestimmten
Partialdrucks im Gehirn (bzw. einer bestimmten
Narkosetiefe) muss immer weniger Inhalations­ !  Jelarluft
höher das Partialdruckgefälle zwischen Alveo-
und Blut ist, desto mehr Inhalationsanäs-
anästhetikum pro Zeiteinheit über die Lungen thetikum diffundiert pro Zeiteinheit ins Blut über.
ins Blut aufgenommen werden. Mit zunehmen­
der Narkosedauer genügt daher eine immer ge­ Zur Beschleunigung der Narkoseeinleitung wird
ringer werdende inspiratorische Konzentration. die inspiratorische Konzentration des Inhalati­
Bei Reduktion oder Abbruch der Zufuhr des onsanästhetikums deshalb relativ hoch gewählt,
Inhalationsanästhetikums kehrt sich das Par­ um schnell den für die gewünschte Narkosetiefe
tialdruckgefälle um. Das Inspirationsgemisch notwendigen Partialdruck im Blut bzw. im Ge­
enthält nun weniger oder kein Inhalationsanäs­ hirn zu erreichen.
thetikum. Das Inhalationsanästhetikum diffun­
diert nun aus dem Blut (jetzt hoher Partialdruck)
Lungenbelüftung pro Minute
in die Alveolarluft (jetzt niedriger Partialdruck)
und wird abgeatmet. Außerdem diffundiert das
(alveoläre Ventilation)
Inhalationsanästhetikum aus den Geweben, die Bei Beginn der Einatmung eines Inhalationsan­
einen noch höheren Partialdruck des Narkose­ ästhetikums wird das Anästhetikum zuerst im
gases als das Blut aufweisen, zurück ins Blut. Volumen der funktionellen Residualkapazität
Wenn das Inhalationsanästhetikum aus den gut verteilt und damit verdünnt.
1.8 Inhalationsanästhetika 39

✓  Als funktionelle Residualkapazität wird das


nach einer normalen Ausatmung noch in der
Löslichkeit im Blut

Lunge befindliche Luftvolumen (von ca. 2,5 Litern


beim Erwachsenen; ▶ S. 364) bezeichnet. ✓  Die Geschwindigkeit, mit der ein Inhalations-
anästhetikum über die Lungen aufgenommen
wird, ist auch davon abhängig, wie gut es sich im
Erst nach mehrfachem Ein- und Ausatmen ist Blut löst. Diese physikalische Eigenschaft wird mithil-
die gesamte funktionelle Residualkapazität mit fe des Blut-Gas-Verteilungskoeffizienten ausge-
dem Inspirationsgemisch (das einen bestimm­ drückt.
ten Partialdruck an Inhalationsanästhetikum
enthält) vollständig aufgesättigt. Durch eine Lachgas z. B. löst sich nur sehr gering im Blut, es
Steigerung der alveolären Ventilation (= Hy­ hat einen sehr niedrigen Blut-Gas-Verteilungs­
perventilation) wird dieser Anstieg des Parti­ koeffizienten (▶ Tab. 1-7). Da sich nur wenig
aldrucks in der funktionellen Residualkapazität Lachgas im Blut löst, ist das Blut sehr schnell
beschleunigt. mit Lachgas gesättigt. Ether dagegen löst sich in
hohem Maße im Blut. Der Blut-Gas-Verteilungs­

!  Durch Hyperventilation kann also die Narkose-


einleitung oder eine Veränderung der Narkose-
koeffizient ist entsprechend hoch (▶ Tab. 1-7). Es
wird also lange dauern, bis das Blut mit Ether
tiefe beschleunigt werden. aufgesättigt ist und sich der Partialdruck im Blut
dem Partialdruck im Einatmungsgemisch ange­
glichen hat.
Herzminutenvolumen
Normalerweise fließen ca. 14 % des Herzmi­
nutenvolumens (= HMV) zum Gehirn. Im Vo- !  Jeist,niedriger der Blut-Gas-Verteilungskoeffizient
desto schneller gleicht sich der Partialdruck
lumenmangelschock besteht eine maximale im Blut dem Partialdruck im Einatmungsgemisch an,
Kreislaufzentralisation. Die Peripherie (Mus­ desto schneller flutet das Inhalationsanästhetikum
kulatur, Fettgewebe, Magen-Darm-Trakt) wird an und ab und umso besser ist seine Steuerbarkeit.
zugunsten der lebensnotwendigen Organe wie
Gehirn, Leber und Niere vermindert durch­
blutet. Das Gehirn erhält also einen prozentual
größeren Anteil des HMV. Der Antransport zum Tab. 1-7 Blut-Gas-Verteilungskoeffizient und MAC-
Gehirn und damit die Narkoseeinleitung erfolgt Wert der aktuell eingesetzten Inhalationsanästhetika
damit schneller. Bei einer Erhöhung des HMV (sowie von Ether)
durch Stress, Muskeltätigkeit oder Hyperthy­ Wirkstoff Blut- MAC-Wert MAC-
reose kommt es dagegen zu einer Umverteilung Gas- in 100 % O2 Wert in
der Organperfusion zugunsten der Muskulatur. Vertei- (Vol.-%) 70 %
Das Gehirn erhält einen prozentual geringeren lungs- (im Alter N2O
Anteil des HMV. Die Ein- und Ausleitung einer koef- von (Vol.-%)1
Inhalationsnarkose ist damit verzögert. Bei ver- fizient 40 Jahren)
mindertem HMV infolge einer Herzinsuffizienz Lachgas 0,47 104 –
ist der Antransport zum Gehirn und damit der Isofluran 1,40 1,17 0,8
Wirkungsbeginn, das heißt die Narkoseeinlei­
Sevofluran 0,65 1,8 1,3
tung, verzögert.
Desfluran 0,42 6 4,6
(Ether 12,10 1,92 –)
1
In älteren Arbeiten wird – im Vergleich zum MAC-Wert
in 100 % O2 – eine fast 70%ige MAC-Reduktion durch
70 % Lachgas beschrieben (▶ S. 40).
40 1  Anästhesie – allgemeiner Teil 

1.8.3 MAC-Wert (51 atm = 51 bar) konstant (▶ S. 25). Beim Ver­


dampfen von Lachgas wird der Umgebung Wär­
Jedes Inhalationsanästhetikum besitzt eine be­ me entzogen, deshalb beschlagen oder gefrieren
stimmte Wirkungsstärke, eine bestimmte narko­ manchmal die Lachgasflaschen an den Gasaus­
tische Potenz. Diese wird mit dem MAC-Wert trittsventilen.
(= minimale alveoläre [oder auch anästhetische]
Konzentration) ausgedrückt.
!  Lachgas wurde bis vor einigen Jahren als das si-
cherste aller Inhalationsanästhetika bezeichnet

✓  Der MAC-Wert ist diejenige Konzentration ei-


nes Inhalationsanästhetikums, bei der 50 %
und normalerweise bei fast allen Narkosen – zusätz-
lich zum Sauerstoff – als Basisnarkotikum in Konzen­
der Patienten auf einen definierten Schmerzreiz trationen bis 70(–75) % zugesetzt. In den letzten Jah-
(Hautschnitt) mit keiner Schmerzreaktion mehr re- ren nahm die Popularität von Lachgas zunehmend ab
agieren. Je niedriger der MAC-Wert, desto potenter und es wurde vermehrt auf mögliche Nachteile des
ist das Inhalationsanästhetikum (▶ Tab. 1-7). Lachgases (▶ unten) hingewiesen. Immer häufiger
wird deshalb auf die zusätzliche Lachgasgabe verzich-
Der MAC-Wert eines Inhalationsanästhetikums tet und stattdessen neben Sauerstoff nicht Lachgas,
kann durch die zusätzliche Gabe eines Opi­ sondern Luft verabreicht. In vielen Krankenhäusern
oids oder durch die Kombination mit Lachgas wurden inzwischen alle Lachgasleitungen „stillge-
(▶ Tab. 1-7) erniedrigt werden. Auch andere zen­ legt“ und es wird prinzipiell auf Lachgas verzichtet.
tral dämpfende Medikamente wie Barbiturate
oder Benzodiazepine bewirken eine Reduktion Als alleiniges Anästhetikum hat Lachgas eine
des MAC-Wertes, ebenso ein Abfall der Kör­ unzureichende Wirkung. Es vermag aber als
pertemperatur. Außerdem ist der MAC-Wert Zusatzanästhetikum die Wirkung der anderen
altersabhängig; bei Kindern beträgt er z. B. für Inhalationsanästhetika zu verstärken, das heißt
Sevofluran (▶ S. 42) 2,3 Vol.-%, bei Patienten über deren MAC-Wert zu erniedrigen (▶ Tab. 1-7).
70 Jahre dagegen nur noch 1,5 Vol.-%. Bei Neu- Nach neueren Studien kann durch 70 % Lachgas
und Frühgeborenen sowie bei sehr alten Patien­ der MAC-Wert von Inhalationsanästhetika nur
ten kann der MAC-Wert deutlich erniedrigt sein. ca. 30 % vermindert werden. (In älteren Studien
wird zum Teil eine fast 70%ige MAC-Reduktion
beschrieben). Das volatile Inhalationsanästhe­
1.8.4  Wichtige Medikamente tikum kann also bei zusätzlicher Lachgasgabe
niedriger dosiert werden. Damit sind auch des­
Lachgas sen Nebenwirkungen geringer. Durch Zusatz von

✓  monoxid)
Lachgas (= Stickoxydul = N O = Distickstoff-
2
ist ein geruchloses, nicht reizendes,
Lachgas kann auch die notwendige Dosierung
der intravenösen Anästhetika reduziert werden.
farbloses Gas.
Wirkungen

!  Lachgas hat (inzwischen) die Kennfarbe blau


(▶ S. 24). Meist wird allerdings die „farbneu­
●● gute analgetische Wirkung

●● schwache narkotische Wirkung;

trale“ Kennzeichnung (=  Beschriftung) bevorzugt der (theoretische) MAC-Wert beträgt


(▶ S. 24). 104 Vol.-% (▶ Tab. 1-7)
●● keine muskelrelaxierende Wirkung

Lachgas wird unter hohem Druck (51 atm ●● erzeugt eine Amnesie (= Erinnerungslücke)

= 51 bar) in Stahlzylindern geliefert. Lachgas


liegt dabei zu ca. ¾ in flüssiger Form vor, der Nebenwirkungen
Rest ist gasförmig. 1 kg Lachgasflüssigkeit ergibt ●● Lachgas geht eine Bindung mit Vitamin B
12
ca. 500 Liter Lachgas. Solange noch ein flüssi­ ein, wodurch es bei langfristiger Anwendung
ger Anteil vorliegt, bleibt der Manometerdruck (länger als 6 Stunden) zu Blutbildungsstörun­
1.8 Inhalationsanästhetika 41

gen ähnlich wie bei Vitamin-B12-Mangel (per­ Halothan


niziöse Anämie) kommen kann. Dadurch ist
eine Störung der Erythrozyten- und der Gra­ Halothan war lange Zeit das weltweit am häu­
nulozytenbildung möglich. figsten angewandte verdampfbare Inhalations­
●● Lachgas kann zu einer weiteren Steigerung anästhetikum. Insbesondere bei Kindern kam es
eines bereits vorher erhöhten intrakraniel­- (aufgrund seines relativ angenehmen Geruchs)
len Drucks führen. Deshalb darf bei Patien­- noch lange zur Anwendung.
ten mit Verdacht auf einen erhöhten intra­ Inzwischen ist Halothan „veraltet“ (obsolet) und
kraniellen Druck kein Lachgas verwendet wird in Deutschland nicht mehr hergestellt. Es
werden. soll deshalb nicht mehr vorgestellt werden.
●● Lachgas diffundiert schnell in sämtliche
lufthaltige Räume wie z. B. in luftgeblähte
Enfluran
Darmschlingen, in die Blockermanschette
eines Endotrachealtubus (▶ S. 99), in einen Enfluran – das jahrelang als Nachfolgesubstanz
eventuell vorhandenen Pneumothorax, in von Halothan galt – wird inzwischen ebenfalls
das luftgefüllte Mittelohr (▶ S. 301) oder nicht mehr eingesetzt. Es ist – wie Halothan –
in eine Luftembolieblase (▶ S. 290). Hier­- obsolet und soll nicht näher beschrieben wer­
durch kann es zu einer Druck- und/oder Vo­ den.
lumenzunahme dieser lufthaltigen Räume
kommen, was meistens nachteilige Auswir­
Isofluran (z. B. Forene®)
kungen hat.
Da sich Lachgas nur in geringem Ausmaß
✓  Isofluran hat einen etherischen, stechenden
●●

im Blut löst, ist das Blut bereits nach weni­ Geruch. Bei einer Narkoseeinleitung per in-
gen Minuten mit Lachgas gesättigt. Lachgas halationem (▶ S. 127) husten die Patienten oft oder
flutet also sehr schnell an. Es hat einen sehr halten den Atem an. Es kann zu einem deutlichen
niedrigen Blut-Gas-Verteilungskoeffizienten Blutdruckabfall führen und flutet langsamer an und
(▶ Tab. 1-7) und ist damit gut steuerbar. Nach ab als Sevofluran und Desfluran.
Abstellen der Lachgaszufuhr flutet das Lach­
gas aber ebenso schnell wieder ab. Innerhalb Wirkungen
kurzer Zeit diffundieren nun große Mengen ●● Die narkotische Potenz ist höher als die von

Lachgas aus dem Körper zurück in die Lunge Sevofluran oder Desfluran. Der MAC-Wert
und können dort, bei Atmung von Raumluft, beträgt 1,17 Vol.-% (▶ Tab. 1-7).
zu einer Verdrängung des Sauerstoffes mit ●● Die analgetische Wirkung ist schwach; Isoflu­

Hypoxie führen. Dieses Phänomen wird als ran wird deshalb mit einem Opioid, manch­
Diffusionshypoxie bezeichnet. Nach Abstel­ mal auch noch mit Lachgas kombiniert.
len des Lachgases muss deshalb mindestens ●● Die muskelrelaxierende Wirkung ist gut

über 3 Minuten 100 % Sauerstoff verabreicht und ist der von Sevofluran vergleichbar. Die
werden, um dieser Diffusionshypoxie vorzu­ Wirkung der nicht depolarisierenden Mus­
beugen. kelrelaxanzien (▶ S. 64) wird durch Isofluran
●● Lachgas wird häufig angeschuldigt, eine verstärkt. Sie können entsprechend niedriger
postoperative Übelkeit mit Brechreiz zu be­ dosiert werden.
günstigen.
Nebenwirkungen
Die Nebenwirkungen auf Atmung, Kreislauf, ●● Herz-Kreislauf-System:

Leber und Nieren sind vernachlässigbar klein. Isofluran führt zu einem dosisabhängigen,
Lachgas wird fast vollständig über die Lungen blutdrucksenkenden Effekt. Seine Ursache ist
wieder abgeatmet. Es findet kein Abbau im Kör­ nicht eine Abnahme des Herzminutenvolu­
per statt. mens, sondern eine starke Verminderung des
42 1  Anästhesie – allgemeiner Teil 

peripheren Gefäßwiderstandes durch eine Dosierung


direkte vasodilatierende Wirkung. Isofluran ●● Narkoseeinleitung:

wirkt nur gering negativ inotrop. Das Herz­ initiale Vaporeinstellung ca. 2–3 Vol.-%
minutenvolumen nimmt unter Isofluranga­ ●● Aufrechterhaltung der Narkose:

be kaum ab. Die Herzfrequenz bleibt unter –– bei Verzicht auf Lachgas mit zusätzlicher
Isofluran annähernd konstant. Manchmal Opioidgabe:
tritt eine Tachykardie auf. ca. 0,7–0,8 MAC (= 0,80–0,92 Vol.-%)
–– bei Verzicht auf Lachgas ohne zusätzliche

!  Zur Beurteilung der Narkosetiefe einer Isoflu-


rannarkose eignet sich am besten das Blut-
Opioidgabe:
exspiratorisch ca. 1–1,1 MAC (= 1,15–
druckverhalten. 1,27  Vol.-%)
–– bei ca. 70 % Lachgas mit zusätzlicher Opi­
●● Atmung: oidgabe:
Auch Isofluran führt zu einer starken, dosis­ ca. 0,4–0,5 MAC (= 0,46–0,57 Vol.-%)
abhängigen Atemdepression, sodass zumeist –– bei ca. 70 % Lachgas ohne zusätzliche Opi­
eine assistierte Beatmung notwendig ist. Auf­ oidgabe:
grund seines Blut-Gas-Verteilungskoeffizien­ exspiratorisch ungefähr 0,7 MAC (= 0,8 
ten von 1,4 (▶ Tab. 1-7) flutet Isofluran deut­ Vol.-%)
lich langsamer als Sevofluran oder Desfluran
an und ab. Die Narkoseein- und -ausleitung
Sevofluran (z. B. Sevorane®)
sowie eine Veränderung der Narkosetiefe ver­

●●
laufen deshalb relativ langsam (▶ S. 39)!
Uterus: ✓  Sevofluran verdankt seinen Namen der Tatsa-
che, dass seine Moleküle 7 Fluoratome besitzen.
Isofluran bewirkt eine dosisabhängige Ute­ Die Vorteile des Sevoflurans sind darin zu sehen, dass
rusrelaxierung. es relativ schnell an- und abflutet. Der Blut-Gas-Ver-
●● Leber (Metabolisierung): teilungskoeffizient beträgt 0,65 (▶ Tab. 1-7). Lediglich
Die Metabolisierungsrate beträgt ungefähr Desfluran und Lachgas fluten noch schneller an und
0,2 % und ist damit niedriger als bei Sevoflu­ ab (▶ Tab. 1-7). Sevofluran ist sehr kreislaufstabil, und
ran (3–5 %), aber höher als bei Desfluran aufgrund seiner relativ geringen Reizung der Atem-
(0,02 %). Die Möglichkeit einer Leberzell­ wege ist es für eine Inhalationseinleitung (▶ S. 127)
schädigung ist relativ gering. besonders gut geeignet.
●● Gehirn:
Isofluran erzeugt eine Vasodilatation mit Wirkungen
Steigerung der Durchblutung. Es kann daher ●● Die narkotische Potenz ist geringer als bei

bei bereits erhöhtem intrakraniellem Druck Isofluran, aber höher als bei Desfluran.
zu einer weiteren, unter Umständen lebens­ Der MAC-Wert beträgt beim Erwachsenen
bedrohlichen Steigerung des intrakraniellen 1,8 Vol.-% (▶ Tab. 1-7).
Drucks führen. ●● Die analgetische Wirkung ist schwach; Se­

vofluran wird deshalb mit einem Opioid,


Kontraindikationen manchmal auch noch mit Lachgas kombiniert.
●● maligne Hyperthermie (▶  S. 221) in der ●● Die Wirkung nicht depolarisierender Relaxan­

Anamnese des Patienten oder seiner Ver­ zien (▶ S. 64) wird durch Sevofluran in ähnli­
wandten chem Ausmaß wie durch Isofluran verstärkt.
●● nachgewiesene frühere Hepatitis nach ver­

dampfbaren Inhalationsanästhetika Nebenwirkungen


●● Leberzellschädigung, z. B. eine Leberzirrhose ●● Herz-Kreislauf-System:

(relative Kontraindikation) Sevofluran führt dosisabhängig zu einer Va­


sodilatation und zu einem Blutdruckabfall.
1.8 Inhalationsanästhetika 43

Eine Tachykardie ist nicht zu erwarten. Ins­ ●● maligne Hyperthermie (▶  S. 221) in der
gesamt ist Sevofluran durch eine gute hämo­ Anamnese des Patienten oder seiner Ver­
dynamische Stabilität ausgezeichnet. Da die wandten
hämodynamischen Veränderungen geringer ●● Leberzellschädigung, z. B. eine Leberzirrhose
als bei den anderen Inhalationsanästhetika (relative Kontraindikation)
sind, kann es bei kardialen Risikopatienten
Vorteile aufweisen. Es kann auch bei Patien­ Dosierung
ten mit Herzinsuffizienz vorsichtig eingesetzt ●● Narkoseeinleitung:

werden. Die Sensibilisierung des Myokards initiale Vaporeinstellung ca. 3–4 Vol.-%


durch Sevofluran gegenüber Catecholaminen ●● Aufrechterhaltung der Narkose:

ist vernachlässigbar gering. –– bei Verzicht auf Lachgas mit zusätzlicher


●● Atmung: Opioidgabe:
Die Irritation der Atemwege ist relativ ge­ ca. 0,7–0,8 MAC (= 1,4–1,6 Vol.-%)
ring (wie bei Halothan) und geringer als bei –– bei Verzicht auf Lachgas ohne zusätzliche
Isofluran oder Desfluran. Sevofluran weist ei­ Opioidgabe:
nen relativ angenehmen Geruch auf, sodass es exspiratorisch ca. 1–1,1 MAC (= 2–2,2 Vol.-
zur Inhalationseinleitung in der Kinderanäs­ %)
thesie besonders geeignet erscheint und dort –– bei ca. 70 % Lachgas mit zusätzlicher Opi­
(anstatt des früher verwendeten Halothans) oidgabe:
eingesetzt wird. Die Einschlaf- und Aufwach­ ca. 0,4–0,5 MAC (= 0,8–1 Vol.-%)
zeiten sind kurz. Es führt zu einer dosisab­ –– bei ca. 70 % Lachgas ohne zusätzliche Opi­
hängigen Atemdepression. oidgabe:
●● Gehirn: exspiratorisch ungefähr 0,7 
MAC
Wie andere volatile Inhalationsanästhetika (= 1,4 Vol.-%)
kann Sevofluran zu einer weiteren Steigerung
eines bereits erhöhten intrakraniellen Drucks
Desfluran (Suprane®)
führen.
Leber (Metabolisierung):
✓  Desfluran ist chemisch dem Sevofluran eng
●●

Sevofluran wird zu ca. 3–5 % in der Leber me­ verwandt. Die respiratorischen, kardiovasku-
tabolisiert. Als Abbauprodukt entstehen u. a. lären und neuromuskulären Eigenschaften von Des-
Fluoridionen. Durch diese Fluoridionenfrei­ fluran sind denen des Isoflurans sehr ähnlich. Es ist
setzung braucht jedoch keine Nephrotoxizität das am schnellsten an- und abflutende volatile In-
(= nierenschädigende Wirkung) befürchtet zu halationsanästhetikum. Die Metabolisierungsrate in
werden. der Leber ist extrem niedrig.
Das hepatotoxische Potenzial von Sevofluran
erscheint minimal. Wirkungen
●● Sonstiges: ●● Die narkotische Potenz ist geringer als bei

Bei der Rezirkulation von Sevofluran im allen anderen volatilen Inhalationsanästheti­


Kreissystem können im Absorberkalk ge­ ka. Der MAC-Wert von Desfluran beträgt ca.
ringe Mengen des sog. Compound A entste­ 6 Vol.-% (▶ Tab. 1-7).
hen. Compound A ist bei Ratten potenziell ●● Die analgetische Wirkung ist schwach;

nephrotoxisch. Bisher gibt es keinen Hinweis, Desfluran wird deshalb mit einem Opioid,
dass Compound A beim Menschen (nieren-) manchmal auch noch mit Lachgas kombi­
toxisch ist. niert. Bei der inzwischen häufiger durchge­
führten Kombination von Desfluran mit dem
Kontraindikationen Opioid Remifentanil wird normalerweise
●● nachgewiesene, frühere Hepatitis nach ver­ auf eine zusätzliche Lachgasgabe verzichtet
dampfbaren Inhalationsanästhetika (▶ S. 128).
44 1  Anästhesie – allgemeiner Teil 

●● Die Wirkung nicht depolarisierender Re­ Erwachsenen. Zur Inhalationseinleitung bei


laxanzien (▶ S. 64) wird durch Desfluran in Kindern ist es daher nicht (!) geeignet. Auch
vergleichbarem Ausmaß wie durch Isofluran bei einem sensiblen Atemweg (z. B. Atem­
verstärkt. wegsinfekt, Asthma bronchiale) sollte Des­
fluran vermieden werden. Desfluran führt
Nebenwirkungen zu einer dosisabhängigen Atemdepression.
●● Herz-Kreislauf-System: ●● Leber (Metabolisierung):
Desfluran führt zu einem ähnlich stark ausge­ Desfluran wird lediglich zu ca. 0,02 % meta­
prägten Blutdruckabfall wie Isofluran. bolisiert. Die Gefahr einer durch Desfluran
Ursache ist vor allem eine Verminderung des bedingten „Hepatitis“ ist extrem gering. Eine
peripheren Gefäßwiderstandes. Die negativ toxische Leberschädigung durch Desfluran­
inotrope Wirkung ist gering ausgeprägt, das metaboliten ist weitgehend ausgeschlossen.
Herzminutenvolumen fällt nur leicht ab. Es ●● Gehirn:
findet keine Sensibilisierung des Myokards Die Wirkungen von Desfluran auf den in­
gegenüber Catecholaminen statt. Bei einer trakraniellen Druck entsprechen denen von
schnellen Konzentrationserhöhung kann es Isofluran. Ein bereits erhöhter intrakranieller
(aufgrund einer starken Schleimhautreizung Druck steigt unter Desfluran weiter an.
mit zentraler Sympathikusstimulation) zu ●● Sonstiges:
einer einige Minuten dauernden Steigerung Der Siedepunkt von Desfluran liegt unge­
von Herzfrequenz und Blutdruck kommen. fähr bei Zimmertemperatur (22,8 °C), wäh­
Durch langsame Dosissteigerung ist dies ver­ rend der z. B. von Isofluran bei 48,5 °C liegt.
meidbar. Der Dampfdruck von Desfluran ist daher
●● Atmung: bei Raumtemperatur fast 3-mal so hoch wie
Desfluran hat von allen volatilen Anästhe­ der von Isofluran. Zur Verabreichung von
tika den geringsten Blut-Gas-Verteilungs­ Desfluran wurde daher eine neue Verdamp­
koeffizienten, er beträgt 0,42 (▶ Tab. 1-7). Es fertechnologie notwendig. Der notwendige
flutet damit sehr schnell an und ab und ist spezielle Verdampfer (D-Vapor, Fa. Dräger;
besonders gut steuerbar. Lediglich Lachgas vgl. Abb. 1-12a) wird auf 39 °C beheizt und
zeigt eine vergleichbar schnelle Anflutung. das flüssige Desfluran dadurch in die Gaspha­
Auch die Elimination von Desfluran findet se übergeführt.
schnell statt. Die Aufwachzeit nach einer
Desflurannarkose scheint kürzer als nach al­ Kontraindikationen
len anderen Anästhetika zu sein. So ist z. B. ●● maligne Hyperthermie (▶  S. 221) in der
die Aufwachzeit nach Desfluran fast 2- bis Anamnese des Patienten oder seiner Ver­
4-mal kürzer als bei Isofluran. Die schnelle wandten
Abflutung scheint insbesondere bei ambulan­ ●● nachgewiesene, frühere Hepatitis nach ver­

ten Anästhesien (wirtschaftliche) Vorteile zu dampfbaren Inhalationsanästhetika


haben. Aufgrund der sehr schnellen An- und ●● Leberzellschädigung (z. B. eine Leberzirrho­

Abflutung ist Desfluran auch besonders gut se) ist keine Kontraindikation.
für Low-Flow- oder Minimal-Flow-Narkosen
geeignet (▶ S. 10). Dosierung
Desfluran führt ab einer Dosierung von ●● Narkoseeinleitung:

6 Vol.-% zu einer starken Irritation der Atem­ initiale Vaporeinstellung ca. 6–8 Vol.-%
wege. Eine Inhalationseinleitung mit Desflu­ ●● Aufrechterhaltung der Narkose:

ran führt häufig zu Laryngospasmus, Atem­ –– bei Verzicht auf Lachgas mit zusätzlicher
anhalten, Husten sowie zu einer Stimulation Opioidgabe:
der tracheobronchialen Sekretion. Dies ist ca. 0,7–0,8 MAC (= 4,2–4,8 Vol.-%)
bei Kindern noch stärker ausgeprägt als bei
1.8 Inhalationsanästhetika 45

–– bei Verzicht auf Lachgas ohne zusätzliche langsam an und ab. Bei einer Narkoseeinlei­
Opioidgabe: tung per inhalationem (▶ S. 127 f.) mit Ether
exspiratorisch ca. 1–1,1 MAC wird ein ausgeprägtes Exzitationsstadium
(= 6–6,6  Vol.-%) (▶ S. 108) durchlaufen.
–– bei ca. 70 % Lachgas mit zusätzlicher Opi­ ●● postoperative Übelkeit:
oidgabe: Nach einer Ethernarkose stellt sich meist eine
ca. 0,4–0,5 MAC (= 2,4–3 Vol.-%) lang anhaltende Übelkeit mit Brechreiz ein.
–– bei ca. 70 % Lachgas ohne zusätzliche Opi­
oidgabe: Vorteile
exspiratorisch ungefähr 0,7 MAC ●● geringe Toxizität:

(= 4,2 Vol.-%) Ether ist kaum toxisch. Ein geringer Prozent­


satz wird über „physiologische“ Zwischen­
produkte bis zu CO2 abgebaut, der Rest wird
Ether
über die Lungen wieder abgeatmet. Ether hat
Obwohl Ether (= Diethylether, Ether pro nar­ eine große therapeutische Breite und ist im­
cosi) nur noch in einigen Entwicklungsländern mer noch das sicherste verdampfbare Inhala­
manchmal zum Einsatz kommt, soll es aus histo­ tionsanästhetikum.
rischen Gründen dennoch kurz dargestellt wer­ ●● gute analgetische Wirkung

den. Ältere Patienten berichten öfter noch von ●● ausgeprägte Muskelerschlaffung

einer erlebten Ethernarkose. ●● stabile Kreislaufverhältnisse:

Das Herzminutenvolumen ist während einer


✓  Ether ist eine sehr flüchtige, farblose Flüssig-
keit mit stechendem Geruch. Um eine Zerset-
Ethernarkose eher erhöht, der systemische
Gefäßwiderstand ist leicht erniedrigt. Der ar­
zungsreaktion zu vermeiden, sollte Ether kühl sowie terielle Blutdruck bleibt annähernd konstant,
unter Licht- und Luftabschluss, also in braunen und die Herzfrequenz steigt an. An den Koro-
nur in vollen Flaschen, gelagert werden. Außerdem nararterien erzeugt Ether eine Verbesserung
muss ein Stabilisator (Ethanol) zugesetzt werden. der Durchblutung, weshalb er sich bei kar­
diovaskulären Erkrankungen als Narkotikum
Nachteile gut eignete.
●● explosibel: ●● geringe Atemdepression:

Etherdämpfe ergeben mit Sauerstoff ein ex­ Die Atmung ist bei einer flachen Ethernar­
plosibles Gemisch. Wegen der stets drohen­ kose eher gesteigert. Mit zunehmender Nar­
den Explosionsgefahr aufgrund der zahlrei­ kosetiefe nehmen die Atembewegungen ab,
chen elektrischen Geräte im Operationssaal erst in tiefer Narkose wird die Atmung un­
kann Ether leider nicht mehr eingesetzt wer­ zureichend. Aufgrund seiner bronchodila­
den. In manchen Entwicklungsländern, die tierenden Wirkung eignet sich Ether gut bei
noch nicht über elektrische Geräte im Opera­ asthmatischen Patienten.
tionssaal verfügen, wird Ether dagegen noch ●● einfache Narkoseführung:

manchmal eingesetzt. Aufgrund der stabilen Kreislaufverhältnisse,


●● Reizung der Atemwege: der stabilen Atemfunktion und der geringen
Durch seinen stechenden Geruch ist Ether Toxizität könnte in Katastrophenfällen auch
stark schleimhautreizend, und eine gestei­ weniger gut geschultes Personal eine Ether­
gerte Speichelsekretion macht Atropin in der narkose ohne größere Risiken durchführen.
Prämedikation erforderlich (▶ S. 61). ●● preiswert

●● langsame An- und Abflutung:

Aufgrund seiner guten Blutlöslichkeit, das


heißt seines hohen Blut-Gas-Verteilungskoef­
fizienten (▶ Tab. 1-7), flutet Ether nur sehr
46 1  Anästhesie – allgemeiner Teil 

1.9  Intravenöse Anästhetika durch die üblichen Überwachungsmaßnahmen


nicht erfassbar sind. Die Wirkstärke ist damit oft
und sonstige anästhesie­ schlecht vorhersehbar, das heißt relativ schlecht
relevante intravenöse steuerbar.
Medikamente Wirkungsdauer
Die Wirkungsdauer eines intravenös verabreich­
1.9.1  Allgemeine Bemerkungen ten Medikaments ist von folgenden Faktoren ab­
Bei den meisten vorstehend besprochenen hängig:
Inhalationsanästhetika wird der für die ge­ ●● Umverteilungsphänomene:

wünschte Wirkung notwendige Partialdruck Das ins Blut injizierte Medikament diffun­
nur langsam erreicht (5–10 min). Sie haben also diert, ähnlich wie die Inhalationsanästhetika
den Nachteil des langsamen Wirkungseintritts. (▶ S. 37), entlang eines Konzentrationsgefäl­
Da die Inhalationsanästhetika fast vollständig les in die Gewebe ab. Je besser ein Gewebe
wieder über die Lungen abgeatmet werden und durchblutet ist, desto mehr Medikament kann
die Ventilation gut beeinflussbar ist, haben sie es pro Zeiteinheit aus dem Blut aufnehmen.
jedoch den großen Vorteil der relativ guten Steu­ Aus diesem Grund entsteht sehr schnell ein
erbarkeit (▶ S. 37). Konzentrationsausgleich zwischen dem Blut
und den gut durchbluteten Organen Gehirn,

!  Bei den intravenös zu verabreichenden Medika-


menten wird die notwendige Blutkonzentration
Herz, Leber und Niere. Nur langsam nimmt
auch die schlechter durchblutete Muskulatur
sehr schnell erreicht (20–30 Sekunden). Sie haben das Medikament auf. Die Blutkonzentration
also den großen Vorteil des schnellen Wirkungsein- sinkt dadurch ab. Das Medikament diffun­
tritts. Den meisten intravenösen Medikamenten ge- diert nun, aufgrund der Konzentrationsab­
meinsam ist jedoch der Nachteil der schlechten nahme im Blut, teilweise wieder aus dem
Steuerbarkeit. Nach der Injektion entziehen sie sich Gehirn zurück ins Blut und von dort weiter
meist der Beeinflussbarkeit durch den Anästhesisten. in die großen Muskeldepots. Es findet also
Lediglich die kurz oder sehr kurz wirksamen intra­ eine teilweise Umverteilung vom Gehirn in
venösen Anästhetika der neueren Generation (z. B. die Muskulatur statt. Noch langsamer beginnt
Remifentanil, ▶ S. 59; Propofol, ▶ S. 52; Mivacurium, das Medikament auch in das sehr schlecht
▶ S. 71) weisen ebenfalls eine gute Steuerbarkeit auf. durchblutete Fettgewebe abzudiffundieren.
Die Plasmakonzentration fällt weiter ab. Teil­
Bei einer Allgemeinnarkose werden häufig weise diffundiert das Medikament nun weiter
Medikamente aufgrund ihres schnellen Wir­ aus dem Gehirn und der Muskulatur zurück
kungseintritts intravenös zur Narkoseeinleitung ins Blut, mit dem es in die Fettdepots trans­
verwendet. Der Patient schläft schnell und an­ portiert wird. Das ins Blut injizierte Medika­
genehm ein. Zur Weiterführung und Aufrecht­ ment wird also nach der Injektion zunächst
erhaltung der Narkose werden dann oft Inhala­ hauptsächlich von den gut durchbluteten Or­
tionsanästhetika verwendet, die sich durch eine ganen, wie z. B. dem Gehirn, aufgenommen.
gute Steuerbarkeit auszeichnen (z. B. Desfluran, Später befindet sich der größte Anteil in der
Sevofluran). Muskulatur, und zuletzt ist der Großteil des
Die relativ schlechte Steuerbarkeit vieler intra­ Medikaments im Fettgewebe lokalisiert. Der
venös injizierter Medikamente äußert sich vor beschriebene Mechanismus wird als Umver­
allem darin, dass die Wirkungsdauer von ein­ teilungsphänomen bezeichnet.
mal injizierten Medikamenten meist nicht mehr
beeinflusst werden kann. Auch die Wirkungs­
stärke eines intravenös verabreichten Medika­ !  Vor allem durch Umverteilungsphänomene
ist der schnelle Konzentrationsabfall im Ge-
ments ist von einigen Faktoren abhängig, die hirn und damit die Wirkungsbeendigung vieler
1.9  Intravenöse Anästhetika und sonstige anästhesie­relevante Medikamente 47

intravenöser Medikamente bedingt. Aufgrund nem nephrotischen Syndrom, kann daher vor
dieser schnellen Umverteilungsphänomene ist die allem bei schneller Injektion (▶ unten) eines
Wirkungsdauer dieser Medikamente kürzer als stark an Proteine gebundenen Medikaments
die Verweildauer im Körper. die Bindungskapazität der Plasmaproteine
stärker überschritten werden. In diesem Fall
Bei wiederholter Nachinjektion besteht bei nehmen der ungebundene Anteil und damit
solchen Medikamenten eine Kumulations­ die Wirkungen und Nebenwirkungen des
gefahr, das heißt, bei Nachinjektionen wer­ Medikaments zu. Bei Plasmaproteinmangel­
den eventuell höhere Plasmakonzentrationen zuständen müssen also stark plasmaprotein­
erreicht, weil die Fett- und Muskeldepots gebundene Medikamente niedriger dosiert
zunehmend weniger Medikamente aus dem werden. Außerdem ist auf eine besonders
Blut aufnehmen können, da sie langsam ge­ langsame Injektion zu achten (▶ unten).
sättigt sind. Bei wiederholten Nachinjekti­ ●● Injektionsgeschwindigkeit:
onen müssen daher fortlaufend niedrigere Wird ein Medikament intravenös injiziert,
Repetitionsdosen gewählt werden. so wird es zuerst nur in dem kleinen Blut­
●● Metabolisierung: volumen verteilt, das während der Injektion
Die Wirkungsdauer der intravenös appli­ „vorbeifließt“. Bei langsamer Injektion ist
zierten Medikamente hängt auch von deren dieses „anfängliche Verteilungsvolumen“, in
Metabolisierung, vor allem in der Leber, und das das Medikament injiziert wird, relativ
deren Ausscheidung über Galle und Nieren groß. Die in diesem Blutvolumen enthalte­
ab. Leber-Gallen-Erkrankungen und Nie­ nen Proteine reichen normalerweise aus, um
renleiden können daher zu einer Wirkungs­ den üblichen Prozentsatz des Medikaments
verlängerung von intravenös verabreichten zu binden. Wird dagegen das Medikament
Medikamenten führen. Medikamente, die schnell injiziert, so ist das „anfängliche Ver­
z. B. großteils über die Nieren ausgeschieden teilungsvolumen“ viel kleiner. Unter Umstän­
werden, müssen bei Niereninsuffizienz ent­ den reicht die in diesem kleinen Blutvolumen
sprechend niedriger dosiert werden. Je nach enthaltene Proteinmenge nicht mehr aus, um
Medikament ist die Wirkungsbeendigung vor den üblichen Prozentsatz des Medikaments
allem durch Umverteilungsphänomene oder zu binden; das heißt, der nicht an Proteine
durch eine schnelle Metabolisierung und gebundene Anteil nimmt zu. Erreicht dieses
Ausscheidung bedingt. Blutvolumen mit dem hohen, ungebundenen
Medikamentenanteil das Zielorgan (z. B. das
Blutkonzentration Gehirn), bevor eine ausreichende Vermi­
Die Blutkonzentration und damit die Wirkungs­ schung mit dem restlichen Blut stattgefunden
stärke eines intravenös verabreichten Medika­ hat, so sind stärkere Wirkungen und Neben­
ments ist von folgenden Faktoren abhängig: wirkungen zu erwarten.
●● verabreichte Dosis

!  Bei
●● Grad des proteingebundenen Anteils: zu schneller Injektion stark proteingebun-
Nahezu alle in der Anästhesie gebräuchli­ dener Medikamente können der ungebunde-
chen intravenös applizierten Medikamente ne Anteil und damit Wirkungen und Nebenwir-
werden im Blut zu einem mehr oder weni­ kungen zunehmen.
ger großen Prozentsatz an Plasmaproteine,
insbesondere an Albumin, gebunden. Für ●● Herzminutenvolumen:
die Wirkung verantwortlich ist jedoch nur Wird ein Medikament mit der üblichen Injek­
der freie, also nicht an Proteine gebundene tionsgeschwindigkeit bei einem Patienten mit
Anteil des Medikaments. Bei Plasmaprotein­ erniedrigtem Herzminutenvolumen injiziert,
mangelzuständen, wie z. B. bei Patienten mit so ist das Blutvolumen, das während der In­
einer Leberzirrhose, einem Karzinom oder ei­ jektion „vorbeifließt“ („anfängliches Vertei­
48 1  Anästhesie – allgemeiner Teil 

lungsvolumen“), ebenfalls herabgesetzt. Ein ler abgebaut. Es werden immer höhere Dosie­
erniedrigtes Herzminutenvolumen hat also rungen zur Erzielung der gleichen Wirkung
die gleichen Folgen wie eine zu schnelle In­ benötigt.
jektion (▶ S. 47). ●● unter Umständen paradoxe Reaktion,
Bei einem Patienten mit einer schweren Herz­ vor allem bei älteren Patienten
insuffizienz, das heißt einem verminderten ●● Atemdepression in höheren Dosierungen
Herzminutenvolumen, müssen daher stark
proteingebundene Medikamente entspre­ Indikationen
chend niedriger dosiert und langsamer inji­ Barbiturate kommen in der Anästhesie nur noch
ziert werden. im Rahmen der Narkoseeinleitung zur Anwen­
dung. Bei Erwachsenen wird vor allem Thiopen­

!  Wichtig bei der Dosierung von intravenösen Me-


dikamenten ist, dass sie niemals schematisch
tal, seltener auch Methohexital zur intravenö­
sen Narkoseeinleitung verwendet. Bei Kindern
verabreicht werden dürfen. Die Dosierung muss – kommt selten noch Methohexital zur rektalen
wegen der vielen unbekannten Einflussgrößen auf Narkoseeinleitung zum Einsatz (▶ S. 255).
Wirkungsstärke und Wirkungsdauer – immer nach
Wirkung erfolgen (!), das heißt Injektion mehrerer Kontraindikation
kleiner Dosen, bis die erwünschte Wirkung erreicht Beim Vorliegen einer Porphyrie sind Barbiturate
ist. Also: Dosierung nach Wirkung (!). kontraindiziert.

1.9.2  Intravenöse Anästhetika Thiopental

✓  der
Thiopental (Trapanal ) ist ein Hypnotikum aus
®
Barbiturate
Barbituratgruppe (▶ oben).
Hypnotika der Barbituratgruppe weisen folgen­
de Wirkungen, Nebenwirkungen, Indikationen Thiopental war vor Einführung von Propofol
und Kontraindikationen auf: (▶ S. 52) das mit Abstand am häufigsten zur
Narkoseeinleitung benutzte Hypnotikum. Thio­-
Wirkungen pental zeichnet sich durch einen schnellen
●● Sedierung, Erzeugung von Schlaf oder Be­ Wirkungsbeginn und eine kurze Wirkungsdauer
wusstlosigkeit, je nach Dosierung aus. Nach Injektion einer Einleitungsdosis tritt
●● antikonvulsive Wirkung innerhalb von 20–30 Sekunden der Wirkungs­
(= Erhöhung der zerebralen Krampfschwelle beginn ein. Die Bewusstlosigkeit ist anfänglich
und damit Unterdrückung von epileptischen von einer Atemdepression oder einem Atemstill­
Anfällen; einzige Ausnahme: Methohexital, stand begleitet. Die Beendigung der Bewusstlo­
▶ S. 50) sigkeit nach ca. 10 Minuten ist durch den rasch
●● Dämpfung von Hirnfunktion und Hirnstoff­ einsetzenden Konzentrationsabfall im Gehirn
wechsel bedingt. Dieser rasche Konzentrationsabfall im
(Bei Patienten mit einem Schädel-Hirn-Trau­ Gehirn und damit das Nachlassen der Wirkung
ma kann zur akuten Senkung eines erhöhten ist durch Umverteilungsphänomene verursacht
intrakraniellen Drucks ggf. ein Barbiturat in­ (▶ S. 46); das heißt, der Großteil des Thiopentals
travenös verabreicht werden [▶ S. 49].) wird nun in die Muskulatur und anschließend
vor allem in das Fettgewebe umverteilt. Erst in
Nebenwirkungen zweiter Linie ist die Wirkungsbeendigung durch
●● Enzyminduktion in der Leber bei chronischer einen Abbau in der Leber bedingt. Durch die­
Anwendung: sen Abbau in der Leber fällt die Blutkonzen­
Bei einer Enzyminduktion werden die Barbi­ tration langsam weiter ab und unterschreitet die
turate – sowie andere Medikamente – schnel­ Konzentration im Fettgewebe. Nun diffundiert
1.9  Intravenöse Anästhetika und sonstige anästhesie­relevante Medikamente 49

Thiopental entsprechend dem Konzentrations­ eine Hemmung der Herzkraft (= negativ


gefälle wieder aus dem Fettgewebe zurück ins inotrope Wirkung) und eine Weitstellung
Blut. Dadurch können über längere Zeit niedrige der venösen Kapazitätsgefäße. Das Blut ver­
Blutkonzentrationen entstehen, die unter Um­ sackt im venösen System (= venöses Pooling).
ständen ausreichen, um einen längeren postope­ Bei Patienten mit einer bereits geschwächten
rativen Nachschlaf oder eine längere postopera­ Herzkraft (= Herzinsuffizienz) oder einem
tive Sedierung zu erzeugen („Überhang“). ausgeprägten Volumenmangel (=  Schock)
muss Thiopental deshalb vorsichtig dosiert
Wirkungen und Nebenwirkungen oder vermieden werden.
●● ZNS: ●● Leber:
Je nach Dosierung bewirkt Thiopental eine Thiopental wird hauptsächlich in der Leber
Sedierung, einen Schlaf, eine Bewusstlosigkeit abgebaut. Die entstehenden wasserlöslichen
oder ein Koma. Zur Narkoseeinleitung wird Abbauprodukte werden über die Nieren ausge­
Thiopental so hoch dosiert, dass eine Bewusst­ schieden. Bei chronischer Anwendung bewirkt
losigkeit (= Hypnose) eintritt. Thiopental weist Thiopental in der Leber eine Stimulierung ver­
keine analgetische Wirkung auf. Wie fast alle schiedener Leberenzyme (= Enzyminduktion)
Barbiturate erhöht auch Thiopental die zere­ mit beschleunigtem Abbau von körpereigenen
brale Krampfschwelle. Ein epileptischer Anfall Substanzen sowie von Medikamenten. Zur Er­
kann daher durch die intravenöse Gabe von zielung einer bestimmten Wirkung müssen die
Thiopental durchbrochen werden. Thiopen­ Medikamente in immer höheren Dosierungen
tal erniedrigt dosisabhängig die Aktivität der verabreicht werden. Besonders wichtig ist die
Neurone und damit den Sauerstoffbedarf des Enzyminduktion beim Krankheitsbild der
Gehirns sowie die Hirndurchblutung. Bei er­ Porphyrie, für das eine abnorm hohe Porphy­
höhtem intrakraniellem Druck („Hirndruck“) rinkonzentration verantwortlich ist. Durch die
kann durch diese Verminderung des zerebra­ Gabe eines Barbiturats kann unter der eintre­
len Blutvolumens eine rasche Senkung des in­ tenden Enzyminduktion eine Steigerung der
trakraniellen Drucks erzeugt werden. Ist bei Porphyrinsynthese auftreten. Dadurch kann
einem Schädel-Hirn-Verletzten oder einem eine akute Porphyrieattacke ausgelöst werden.
neurochirurgischen Patienten (z. B. wegen Daher ist Thiopental bei Vorliegen einer Por­
weit werdender Pupille) eine akute Senkung phyrie absolut kontraindiziert!
des intrakraniellen Drucks notwendig, so eig­
net sich hierzu Thiopental sehr gut (▶ S. 288). Extrem selten kann nach einer Thiopentalinjek­
●● Atmung: tion eine anaphylaktoide Reaktion durch Hist­
Thiopental bewirkt in hypnotischen Dosen aminfreisetzung auftreten.
eine zentrale Atemdepression bis zum Atem­
stillstand. Bei Patienten mit Asthma bron­- Indikation
chiale wird meist empfohlen, auf Thiopental Thiopental wird vor allem zur Narkoseeinleitung
zugunsten von Propofol (▶ S. 52) zu verzichten, verwendet. Thiopental ist auch nach Einführung
denn Thiopental dämpft die Atemwegsreflexe von Propofol in vielen Kliniken immer noch ein
weniger stark als Propofol. Falls Thiopental häufig angewandtes Hypnotikum zur Narkose­
bei einem Patienten mit leichtem Asthma einleitung.
bronchiale verwendet wird, dann scheint vor
allem eine ausreichend hohe Thiopentaldo­ Kontraindikationen
sierung wichtig zu sein, um eine ausreichend ●● Barbituratallergie

tiefe Bewusstlosigkeit zu erreichen. ●● Porphyrie

●● Kreislauf: ●● Asthma bronchiale (relative Kontraindikation)

Thiopental bewirkt einen dosisabhängigen ●● Herzinsuffizienz oder Schock (relative Kon­

Blutdruckabfall. Die Ursache ist vor allem traindikation)


50 1  Anästhesie – allgemeiner Teil 

Darreichungsform ner Wirkung ist Methohexital ungefähr 3-mal


Thiopental liegt als gelbes Pulver in 500-mg-Am­ so potent wie Thiopental. Während Thiopental
pullen vor. Es wird üblicherweise mit 20 ml Was­ zur Narkoseeinleitung mit 4–5 mg/kg KG dosiert
ser für Injektionszwecke (Aqua ad injectabilia) wird, reichen daher bei Methohexital 1,3–1,7
aufgelöst; 1 ml entspricht 25 mg. (meist ca. 1,5) mg/kg KG aus.
Der anfängliche Konzentrationsabfall ist wie bei
Dosierung Thiopental vor allem durch Umverteilungsphä­
Zur Narkoseeinleitung streng nach Wirkung (!) nomene bedingt. Der Abbau in der Leber erfolgt
dosieren, beim Erwachsenen ungefähr 4–5 mg/ jedoch bei Methohexital wesentlich schneller als
kg KG intravenös. bei Thiopental, sodass es das schlecht durchblu­
tete Fettgewebe kaum erreicht und sich dort nur
Injektion in geringem Ausmaß anreichern kann.
Langsam injizieren! Thiopental wird zu einem
hohen Prozentsatz (ca. 70 %) an Blutproteine Wirkungen und Nebenwirkungen
gebunden. Bei zu schneller Injektion kann der In seinen Wirkungen und Nebenwirkungen
nicht proteingebundene Anteil zunehmen und ist es fast identisch mit Thiopental (▶ S. 48), so
damit können auch Wirkungen und Nebenwir­ dass im Wesentlichen auf das Thiopental verwie­
kungen verstärkt sein (▶ S. 47). Ähnliches muss sen werden kann. Methohexital ist jedoch das
bei Proteinmangelzuständen wie Leberzirrhose einzige Barbiturat, das die zerebrale Krampf­
(▶ S. 309) oder bei einer Herzinsuffizienz be­ schwelle nicht erhöht, sondern erniedrigt. Es ist
achtet werden. Das aufgelöste Thiopental hat zur Unterdrückung eines zerebralen Krampfan­
einen pH-Wert von ungefähr 11 und ist damit falls nicht geeignet, sondern begünstigt diesen
ausgesprochen alkalisch. Dadurch kann es bei eher.
versehentlicher paravenöser Injektion zu Ge­
websschädigungen und Nekrosen kommen. Indikation
Nach versehentlicher intraarterieller Injektion Methohexital wird manchmal noch zur intrave­
droht eine Schädigung der Arterieninnenwand nösen Narkoseeinleitung bei Erwachsenen und
sowie ein Spasmus und eine Thrombosierung selten noch für die rektale Narkoseeinleitung
dieser Arterie, eventuell mit Verlust der Ex­ in der Kinderanästhesie eingesetzt (▶ S. 255).
tremität. Vor allem deshalb soll ein peripherve­ Zur Narkoseeinleitung für einen Kaiserschnitt
nöser Zugang nicht in der Ellenbeuge (oder an (= Sectio caesarea ▶ S. 273) ist Methohexital in­
der radialen Handgelenksseite) gelegt werden, zwischen nicht mehr zugelassen.
denn hier ist eine versehentliche intraarterielle
Kanülenlage durch einen atypischen Arterien­ Darreichungsform
verlauf möglich (▶ S. 34). Ein periphervenöser Methohexital liegt als Pulver in Ampullen zu
Zugang sollte möglichst am Handrücken gelegt 500 mg vor. 500 mg werden mit 50 ml Wasser
werden. für Injektionszwecke (Aqua ad injectabilia) zu
einer 1%igen intravenösen Injektionslösung
(1 ml = 10 mg) aufgelöst. (Für die rektale Gabe
Methohexital (Brevimytal® Hikma)
von Brevimytal® Hikma zur Narkoseeinleitung

✓  Methohexital ist ein kurz wirksames Hypnoti-


kum aus der Barbituratreihe (▶ S. 48). Die Wir-
von Kindern werden die 500 mg Pulver mit 5 ml
aufgelöst; 1 mg = 100 mg; ▶ S. 255.)
kungsdauer ist etwa nur halb so lang wie die des
Thiopentals. Dosierung
●● Narkoseeinleitung:

Methohexital ist noch schneller und noch kür­ ca. 1,5 mg/kg KG intravenös
zer wirksam als Thiopental. Es braucht nur ⅓ ●● rektale Narkoseeinleitung bei Kindern

so hoch dosiert werden wie Thiopental. In sei­ (▶ S. 255)


1.9  Intravenöse Anästhetika und sonstige anästhesie­relevante Medikamente 51

Injektion Nebenwirkungen
Während der Injektion treten häufig Venen­ ●● Venenschmerzen:

schmerzen auf. Bei dem älteren Handelspräparat Hypnomi­


date® treten während der Injektion häufig
Venenschmerzen auf. Durch besonders lang­
Etomidat
same Injektion bzw. Verdünnen des Hypno­
(Etomidat-®Lipuro, Hypnomidate®) midate® mit NaCl 0,9 % oder durch Vorga­

✓  Etomidat ist ein sehr potentes Hypnotikum. Es


gehört nicht in die Barbituratreihe. Es zeichnet
be einer kleinen Dosis eines Opioids (z. B.
0,05–0,1 mg Fentanyl; ▶ S. 56) können diese
sich durch geringe kardiovaskuläre Nebenwirkungen, Venenschmerzen vermindert werden. Bei
einen schnellen Wirkungseintritt sowie eine sehr kur- dem neueren, in einer Fettemulsion gelösten
ze Wirkungsdauer aus. Etomidat hat keinerlei analge- Etomidat-®Lipuro sind keine Venenschmer­
tische Wirkung. zen mehr zu erwarten. Inzwischen wird fast
nur noch die weiße Etomidat-®Lipuro-Lö­
Wirkungen sung eingesetzt.
●● kurze Wirkungsdauer: ●● Myokloni (= Muskelzuckungen):

Die Wirkungsdauer von Etomidat beträgt Vor allem bei nicht prämedizierten Patienten
bei der normalerweise zur Narkoseeinlei­ können Myokloni einzelner oder mehrerer
tung verwendeten Dosis ca. 3–4 Minuten. Die Muskelgruppen auftreten.
kurze Wirkungsdauer ist hauptsächlich durch ●● Hemmung der Cortisolsynthese:

einen sehr schnellen Abbau in der Leber be­ Etomidat führt zu einer Hemmung der
dingt. Wegen der sehr kurzen Wirkungsdauer körpereigenen Cortisolsynthese in der Ne­
ist Etomidat als alleiniges Einleitungsmittel bennierenrinde. Dies ist vor allem bei einer
bei Inhalationsnarkosen schlecht geeignet. wiederholten Gabe zu beachten. Aus diesem
Die Etomidatwirkung klingt oft ab, bevor die Grund ist Etomidat zur Langzeitsedierung
langsam anflutenden Inhalationsanästhetika auf der Intensivstation kontraindiziert.
ausreichend hohe Konzentrationen erreicht
haben. Etomidat wird daher zur Narkose­ Indikationen
einleitung zumeist mit z. B. Fentanyl oder Etomidat eignet sich insbesondere zur Narkose­
Sufentanil, also einem synthetischen Opioid einleitung bei kardialen Risikopatienten wie z. B.
(▶ S. 56), kombiniert. alte oder hochbetagte Patienten, herzinsuffizien­
●● minimale Herz-Kreislauf-Wirkungen: te Patienten, koronar- oder zerebralsklerotische
Etomidat wird vor allem zur Narkoseein­ Patienten, kardiochirurgische Patienten sowie
leitung bei kardialen Risikopatienten ange­ Patienten im Schock.
wendet, da es keine klinisch nennenswerten
Nebenwirkungen am Herz-Kreislauf-System Kontraindikationen
aufweist. Etodimat ist aufgrund der Hemmung der Cor­
●● geringe Atemdepression: tisolsynthese zur Langzeitsedierung kontraindi­
Etomidat erzeugt eine nur leichte Atemde­ ziert.
pression. Nach Gabe einer hypnotischen
Dosis tritt ein nur sehr kurzfristiger Atem­ Darreichungsform
stillstand auf. ●● Brechampullen zu 10 ml; 1 ml = 2 mg

●● keine Histaminfreisetzung: Es hat sich bewährt, Hypnomidate® 1 : 1 mit


Wegen einer fehlenden Histaminfreisetzung NaCl 0,9 % zu verdünnen. Die inzwischen
eignet sich Etomidat auch besonders bei all­ meist bevorzugte Etomidat-®Lipuro-Lösung
ergisch veranlagten Patienten (z. B. Asthma­ braucht nicht verdünnt zu werden, da sie
tikern). nicht venenreizend ist.
52 1  Anästhesie – allgemeiner Teil 

Dosierung Darreichungsform
●● Narkoseeinleitung: Midazolam ist in 2 unterschiedlichen Konzen­
0,2–0,3 mg/kg KG intravenös trationen erhältlich (Achtung!). Es sind
Brechampullen mit 1 ml = 5 mg bzw. 3 ml = 15 mg
(5 mg/ml) verfügbar. Daneben sind Brechampul­
Midazolam (z. B. Dormicum®)
len mit 5 ml = 5 mg (1 mg/ml) verfügbar, die vor

✓  Midazolam gehört zu den Benzodiazepinen.


Wie auch die anderen Benzodiazepine (z. B.
allem für die intravenöse Applikation zu emp­
fehlen sind.
Diazepam, Valium®; ▶ S. 6) wirkt es im Gehirn über
spezifische Benzodiazepinrezeptoren. Dosierung
●● Narkoseeinleitung (vor allem bei schwer­

Vorteile kranken Patienten):


Midazolam weist gegenüber den anderen Ben­ 0,15–0,2 mg/kg KG intravenös
zodiazepinen folgende Vorteile auf: ●● Sedierung:

●● starke hypnotische Wirkung: 1–2 mg Boli beim Erwachsenen intravenös


Die hypnotische Wirkung ist wesentlich stär­ bis zum gewünschten Sedierungsgrad
ker als bei den anderen Benzodiazepinen. Es ●● Prämedikation (▶ S. 6, 254)

eignet sich daher – vor allem bei schwerkran­


ken Patienten – ggf. als Einleitungshypnoti­
Propofol (z. B. Disoprivan®)
kum für eine Narkose.

✓  Propofol
●● Wasserlöslichkeit: ist ein rasch und nur kurz wirksames
Ein großer Vorteil des Midazolams ist seine Hypnotikum. Das wasserunlösliche Propofol
Wasserlöslichkeit. Durch diese Wasserlöslich­ ist in einer milchig weißen, 10%igen Lipidemulsion
keit ist Midazolam intravenös (und ggf. auch (aus Sojabohnenöl) aufbereitet.
intramuskulär) gut verträglich. Die intrave­
nöse Injektion ist nicht schmerzhaft. Throm­ Wirkungen
bophlebitiden treten nach intravenöser Gabe ●● Kreislauf:

selten auf. Propofol hemmt die Herzkraft (wirkt negativ


●● kurze Wirkungsdauer: inotrop) und führt zu einer Herabsetzung des
Der Abbau in der Leber und die Ausscheidung peripheren Gefäßwiderstandes. Blutdruck
über die Nieren ist bei Midazolam schneller und Herzminutenvolumen nehmen dadurch
als bei den anderen Benzodiazepinen. Die oft ab (insbesondere bei älteren bzw. hoch­
Wirkungsdauer beträgt ca. 1–2 Stunden. betagten oder bei koronargeschädigten Pati­
enten). Die Herzfrequenz bleibt meist relativ
Wirkungen konstant.
Nach einer Injektion von Midazolam bleiben ●● ZNS:

die Herz-Kreislauf-Parameter beim Gesunden Nach der Injektion einer klinisch üblichen
weitgehend stabil. Manchmal kann ein Blut­ Dosis tritt innerhalb von 30–40 Sekunden
druckabfall auftreten. Dies ist vor allem Folge eine ca. 5–8 Minuten dauernde Bewusstlosig­
einer vasodilatierenden Wirkung im venösen keit auf. Ein wichtiger Vorteil des Propofols ist
System und tritt besonders bei vorbestehendem darin zu sehen, dass die Patienten sehr schnell
Volumenmangel in Erscheinung. Bezüglich der und angenehm wieder wach werden. Übel­
Atmung ist bei der für eine Narkoseeinleitung keit und Brechreiz sind selten. Propofol weist
üblichen Dosierung mit einer Atemdepression sogar eine eigene antiemetische (= übelkeits­
zu rechnen. Midazolam wird häufig auch für die hemmende) Wirkung auf. Propofol senkt den
orale oder rektale Prämedikation bei Kindern zerebralen Sauerstoffverbrauch, die zerebrale
eingesetzt (▶ S. 254). Durchblutung sowie einen eventuell erhöhten
intrakraniellen Druck.

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