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Hadumod Bußmann

SPRACHEN UND IHRE BESCHREIBUNGEN


eine Auswahl aus dem
LEXIKON DER SPRACHWISSENSCHAFT

Zweite, völlig neu bearbeitete Auflage

1990

Alfred Kröner Verlag Stuttgart

casa typographica SUO SUMPTU Katowice a.D. 2003


DER EINIGEN ABKÜRZUNGEN IM TEXT

ags. angelsächsisch
ahd. althochdeutsch
alts. altsächsisch
bair. bairisch
bzw. beziehungsweise
dt. deutsch
engl. englisch
frk. fränkisch
frnhd frühneuhochdeutsch
frz. französisch
germ. germanisch
hdt. hochdeutsch
i.d.R. in der Regel
i.e.S. in engen Sinne
i.w.S. im weiten Sinne
ideur. indo-europäisch
idgerm. indo-germanisch
ital. italienisch
Jh. Jahrhundert
Jt. Jahrtausend
lat. lateinisch
Lit. Literatur
ma. mittelalterlich
mengl. mittelenglish
mhd. mittelhochdeutsch
n.Chr. nach Christus
ndl. niederländisch
ndt. niederdeutsch
nhd. neuhochdeusch
nlat. neulateinisch
obdt oberdeutsch
ostmdt. ostmitteldeutsch
schwäb. schwäbisch
skr. Sanskrit
sth. stimmhaft
stl. stimmlos
u.a. unter anderem
v.a. vor allem
v.Chr. vor Christus
vgl. vergleiche (=comp.)
vlat vulgärlateinisch
vs. versus (lat.) „gegen”

1
A

Abaza. ≡ Nordwest-Kaukasisch
Abchasisch ≡ Nordwest-Kaukasisch
Achi ≡ Maya-Sprachen
Adamawa-Eastern ≡ Adamawa-Ubangi
Adamawa-Ubangi [Auch Adamawa-Eastern] Sprachzweig des Niger-Kongo mit ca. 160
Sprachen im Zentrum des afrikanischen Kontinents. Die bisher noch wenig erforschten
Sprachen werden den beiden Gruppen Adamawa und Ubangi, zugeordnet. Bedeutendste
Sprache ist das Sango als Verkehrsprache der Zentralafrikanischen Republik.
Adygheisch ≡ Nordwest-Kaukasisch
Ägyptisch. Sprachzweig des Afroasiatischen, in verschiedenen Stadien überliefert: Älteres Ä.
(Altägyptisch, 3000 – 2200 v. Chr.), Mittel-Ä. und Neueres Ä. (Neuägyptisch, 1300 – 660
v. Chr., Demotisch, bis 300 n. Chr., Koptisch, bis ins 19 Jh. und noch heute
Liturgiesprache der koptischen Kirche). Schriftsysteme: Hieroglyphen für das ältere Ä.;
daraus haben sich kursive Schreibschriften (hieratisch, demotisch) entwickelt; Koptisch
wurde mit einem abgewaldenten griech. Alphabet geschrieben. Für ältere Sprachstufen
sind nur Konsonantenwerte bekannt. Ä. ist ingesamt dem Typus des Semitischen ähnlich
(Wurzelflexion, Genus), unterscheidet sich aber durch eine eigenständige Form für nicht-
stative Sätze (Suffixkonjugation mit genitivischen Subjekten). In älteren Sprachstufen
sind ergative Satzkonstruktionen nachweisbar (der Ergativ wurde wie der Genitiv kodiert).
Äquatorial-Sprachen. Von J. H. Greenberg [1987] postulierter Sprachstamm mit ca. 150
Sprachen in Südamerika; wichtigste Zweige sind: ≡ Arawakisch und ≡ Tupi.
Afrikaans [Auch: Kap-Holländisch].Aus Dialekten des ≡ Niederländischen in Südafrika Ende
des 17 Jh. entstandene Sprache der Buren, die seit 1875 als Schriftsprache verwendet
wird. A. ist die einzige ≡ Kreolsprache, die zur Amtsprache erhoben wurde (1926 – neben
Englisch – in der Republik Südafrika und in Namibia); ca. 5 Mio. Sprecher. Wortschatz
und Orthographie des A. wurden von der niederländ. Umgangssprache zur Zeit der
Kolonisierung Südafrikas bestimmt. In struktureller Hinsicht weist A. durch Verlust der
Flexionsendungen größere morphologische Einfachheit auf als das Niederländ., vgl. sy
loop vs.niederländ. zij loopen „sie laufen“.
Afrikanische Sprachen. Nach der heuteweitgehend akzeptierten Auffassung von J. H.
Greenberg [1963] gliedern sich die Sprachen des afrikanischen Kontinents in vier große
Sprachstämme: ≡ Afro-Asiatisch, Niger-Kordofanisch, Nilo-Saharanisch und Khoisan. Die
Rekonstruktion des Afro-Asiatischen (besonders des ≡ Semitischen) kann dabei auf die
älteste Tradition zurückblicken; die drei anderen Stämme (besonders das Nilo-
Saharanische) sind teilweise noch spekulativ.
Afro-Asiatisch [Auch: Hamito-Semitisch, Erythräisch]. Sprachstamm, der etwa 250 Sprachen
mit 175 Mio. Sprechern in Nordafrika und Südwestasien umfaßt und aus folgenden fünf
bzw. sechs Sprachfamilien besteht: Ägyptisch, Berberisch, Kuschitisch, Semitisch,
Tschadisch, evtl. Omotisch. Erste Schriftzeugnisse (Ägyptisch, Akkadisch) aus dem
frühen 3. Jh. v. Chr. Forschungsgeschichtlich stand die Rekonstruktion des Semitischen
an erster Stelle. Im 19. Jh. wurde erkannt, daß Sprachen des südlicheren Afrika mit dem
Semitischen verwandt sind; diese wurden als „Hamitisch” bezeichnet (nach Ham, Sohn
des Noah) und dem Semitischen gegenübergestellt (R. Lepsius 1863). In der Folgezeit
fand der Begriff „Hamitisch” Verwendung für alle flektierenden Sprachen des südlichen
Afrika mit maskulin/feminin-Genus, die als Sprachen von vermeintlich kulturell
höherstehenden Völkern angesehen wurden (C. Meinhof 1912). Heute hat sich die
Auffasung durchgesetzt, daß den semitischen Sprachen mehrere andere Sprachfamilien
gegenüberstehen und daß Sprachen wie Ful, Maasai und Nama anderen
Sprachstämmen zuzuordnen sind. – Spezifische Kennzeichen: Genussystem
(maskulin/feminin, mit t-markierung für feminin), verbale Personalpräfixe und freie
Personalpronomina , eigene Konjugation für Statische Verben, einfaches Kasussystem
(Nominativ, Akkusativ, Objektiv, Genitiv) mit Anzeichen für ein ergatives Grundsystem

2
(Ergativsprache), verbale Diathesen (Kausativ, Passiv, Medium u.a.), reiches Numerus-
System (oft Dual-Formen und Unterscheidung zwischen Kollektiv/Singulativ),
Phonologisch charakteristisch sind drei Artikulationsarten für Obstruenten (stimmhaft,
stimmlos und „emphatisch”, realisiert als pharyngal, ejektiv o.ä.). (Vlg. Sprachenkarte Nr.
1).
Lit. 1. M. DIIAKONOFF [1965]: Semito-Hamitic languages. Moscau. – C. T. HODGE (ed.) [1968]: Afroasiatic: A
Survey. The Hague. – H. J. SASSE [1981]: Afroasiatisch. In: B. HEINE u.a. (eds.): Die Sprachen Afrikas.
Hamburg, S. 129-148. ->Afrikanische Sprachen.

Ainu. Sprache mit ca. 16000 Sprechern auf der japanischen Nordinsel Hokkaido, auf Sachalin
und den Kurilen, deren genetische Affilation noch nicht endgültig geklärt ist.
Akan ≡ Kwa
Akkadisch. Älteste überlieferte Semitische Sprache (seit 3. Jt. v. Chr.), die Sprache der
assyrischen und babylonischen Reiche, seit dem 2 Jt. v. Chr. in zwei Dialekte gespalten
(Assyrisch, Babylonisch). Überliefert in der vom Sumerischen übernommenen Keilschrift.
Albanisch. Zweig des ≡ Indo-Europäischen , bestehend aus einer einzigen Sprache, die
Staatssprache Albaniens ist und darüber hinaus in Jugoslavien, Griechenland und Italien
gesprochen wird (ca. 5 Mio. Sprecher). Es gibt zwei Hauptdialekte, Ghegisch im Norden
und Toskisch im Süden. Spezifische Kennzeichen: Neben den üblichen Kategorien ideur.
Sprachen wird am Nomen ≡ Definitheit bzw. Indefinitheit flexivisch ausgedrückt (vgl. bukë
„Brot“, buka „das Brot“). Die Morphologie ist relativ komplex, vor allem im Verbalbereich
(2 Aspekte, 8 Tempora, 6 Modi). Entwicklung von Objektivkongruenz über präklitische
Pronomina. Wortstellung meist SVO, Adjektive werden nachgestellt. Zahlreiche
Lehnwörter aus dem Lateinischen sowie Lehnwortbeziehungen mit anderen Balkan-
Sprachen, vor allem dem ≡ Rumänischen. Erste schriftliche Dokumente aus dem 15. Jh.
Die Sprache wird mit dem ≡ Kyrillischen Alphabet geschrieben.
Alemannisch. Dialektverband im Westen des → Oberdeutschen, der im Westen und Süden an
das Frz., Ital. und Rätoroman., im Norden und Osten an das → Rheinfränkische, →
Ostfränkische und Bairische grenzt. Der stark in sich gegliederte Dialektraum weist
aufgrund divergierender Entwicklungen seit dem Ahd. keine phonologischen oder
morphologischen Struktureigenschaften auf, die in sprachlicher Hinsicht das gesamte A.
als einheitlichen Dialektverband konstituieren und von benachbarten Dialektverbänden
abheben würden. Die sprachliche Binnengliederung des A. ergibt eine Unterteilung in
Nieder-, Hoch- / Höchst-A. und Schwäbisch.
(a) Nieder-A wird gesprochen im Elsaß (mit Französisch als Standardsprache) und in
Baden. Der Vokalismus ist gekennzeichnet durch die Beibehaltung der mhd. Langvokale
î, iu, ő und der Diphthonge ie, uo, vgl. Nieder-A. is, hys/hus, hiata, fyatar „Eis”, „Haus”,
„”hüten”, „Futter”. Im Konsonantismus unterscheidet sich das Nieder-A. vom nördlich
angrenzenden Rheinfrk. durch die Verschiebung von anlautendem p zu pf (→Zweite
Lautverschiebung) (b) Die hoch-a. Dialektgruppe liegt größtenteils in der Schweiz;
traditionellerweise gilt die Vereinfachung der aus der Zweiten Lautverschie- bung
resultierenden velaren Affrikate kx zum Frikativ x (kxind: chind „Kind” als Trennlinie
zwischen Nieder-A. und Hoch-A. (c) Die Dialekte der alpinen Schweiz. Süd- region
stellen die konservativste Dialektgruppe dar; sie werden vielfach als Höchst-A. vom
übrigen Hoch-A. abgesetzt. Als sprachliche Charakteristika finden sich die alten mhd.
verbalen Pluralendungen –e(n), –et, –ent gegen den das gesamte übrige A.
kennzeichnenden verbalen Einheitsplural; die Flexion des prädikativen Adjektivs, die
Beibehaltung von î, iu, ő auch in Hiatus-Position und eine Reihe archaischer Wörter. (d)
Schwäb. wird im östlichen Baden-Würtemberg und in westlichen Bayern gesprochen, die
Grenz-linie gegen das Nieder-A. bildet der Schwarzwald, gegen das Bair. der Lech.
Sprachlich ist das Schwäb. durch die Diphthongierung von mhd. â, , ę, ô (neben der
sogen. nhd. Diphthongierung von î, iu, ő) gekennzeichnet; ein charakteristisches
morphologisches Underscheitungsmerkmal gegen das Bair. und Ostfrz. stellt der verbale
Einheitsplural auf –et dar. (Vgl. Sprachenkarte).
Aleutisch ≡ Eskimo-Aleutisch
Algisch ≡ Algonkisch

3
Algonkisch. Sprachfamilie Nordamerikas mit ca. 20 Sprachen im mittleren und östlichen Teil
des Kontinents; größte Sprachen sind: Cree (ca. 70 000 Sprecher) und Ojibwa (ca. 40
000 Sprecher), am besten beschrieben ist das Menomini durch L. Bloomfeld [1962].
Zusammen mit dem Ritwan (den Sprachen Yurok und Wiyot in Nordkalifornien) bildet A.
den Algischen oder Makro-Algonkischen Sprachstamm. – Spezifische Kennzeichen: Sehr
einfaches Konsonanten- und Vokalsystem, 2 Genera, die auf eine Belebtheit-Distinktion
(≡ Animat vs. Inanimat) zurüchführbar sind; reiches Personensystem: 3 Personen
(indefinites man , ≡ Inklusive vs. Exclusive Personalformen, Proximat- vs. Obviativ-
Unterscheidung, vgl. ≡ Obviation); Unterscheidung zwischen ≡ Alienabel vs. Inalienabel
bei Besitzverhältnissen. Die Differenzierung von Nomen und Verb ist nur schwach
ausgeprägt: possessive Verbkonjugation (vgl. ne-su:niyan6m „mein Geld“, ne-po:sem „ich
schiffe mich ein“ = „mein Einschiffen“). Transitive Verben sind markiert; wenn der Agens
in der Personenhierarchie (2. vor 1. vor 3. Person) vor dem Patiens erscheint , steht das
Verb in einer passivähnelichen ≡ Diathese. – Das verwandte Yurok weicht durch arealen
Einfluß der Nachbarsprachen stark ab (reiches Lautsystem, Numerus-klassifikation).
Alt-Äthiopisch ≡ Ge`ez
Altaisch. Sprachstamm im zentralen und nördlichen Asien mit ca. 60 Sprachen und 250 Mio.
Sprechern. Die Sprachen gliedern sich in die ≡ Turksprachen, die ≡ Mongolischen und die
≡ Tungusischen Sprachen. Die Zugehörigkeit des ≡ Koreanischen, ≡ Japanischen und ≡
Ainu sowie die Verwandtschaft mit den Uralischen Sprachen ist umstritten. Die erste
Klassification geht auf Strahlenberg (1730) zurück. – Die Sprachen sind typologisch
relativ einheitlich: einfaches Phonemsystem, einfache Silbenstruktur, ≡ Vokalharmonie.
Morphologisch agglutinierend, vorwiegend suffigal. Reiches Kasussystem, Subjekt-Verb-
Kongruenz. Wortstellung: SOV, strikt präspezifizierend (≡ Bestimmungsrelation).
Zahlreiche Partizipialformen zur Neben- und Unterordnung von Sätzen.
Alt-Indisch ≡ Sanskrit
Altkirchenslawisch ≡ Bulgarisch
Amerikanisches Englisch ≡ Englisch
Amerindisch. Von J. H. Greenberg [1987] postulierter Sprachstamm, der alle amerikanischen
Sprachfamilien mit Ausnahme des ≡ Eskimo-Aleutischen und der ≡ Na Denè-Sprachen
umfaßt. Die Annahme eines umfassenden a. Sprachstammes ist kontrovers.
Amharisch. Größte ≡ Semitische Sprache Äthiopiens (Staatssprache, ca. 16 Mio. Sprecher).
Syntaktisch interessant wegen der in historischer Zeit erfolgten Umstrukturierung von
VSO– zu SOV–Wortstellung. Eigene,aus dem Ge`ez entwickelte Silbenschrift (33
Konsonantenzeichen mit je 7 diakritischen Vokalzeichen).
Anatolisch. Ausgestorbener Zweig des ≡ Indo-Europäischen mit den Sprachen ≡ Hethitisch,
Hyroglyphisches Hethitisch, Luwisch, Palaisch, Lydisch und Lykisch in Kleinasien, von
denen das Hethitische am weitaus besten bekannt ist.
Andalusisch ≡ Spanisch
Andisch. Sprachfamilie Südamerikas mit ca.20 Sprachen, von J. H. Greenberg [1956] als Teil
eines (heute umstrittenen9 Andisch-Äquatorialen Sprachstammes betrachtet. Der
wichtigste Sprachzweig des A. ista das Quechumara mit den Sprachgruppen ≡ Quechua
(7 Mio. Sprecher)) und Aymara (2,5 Mio. Sprecher) in Peru und Bolivien; ferner zählt
Araukanisch (auch Mapuche oder Mapudungu genannt) in Chile dazu (o,7 Mio. Sprecher)
Annamesisch ≡ Vietnamesisch
Arabisch. Größte semitische Sprache, gesprochen in Nordafrika, auf der arabischen Halbinsel
und im Mittleren Osten (ca. 150 Mio. Sprecher). Kultsprache des Islam. Es existieren eine
überregionale Form, die weitgehend der Sprache des Korans gleicht (Klassisches
Arabisch), sowie verschiedene regionale Dialekte (Hauptdialekte: Ägypten, westliches
Nordafrika, Syrien, Irak, arabische Halbinsel; das Maltesische ist stark italienisch
beeinflußt). Unter „Südarabisch“ versteht man die eigenständigen alten Sprachen im
Süden der arabischen Halbinsel. Eigenes aus dem Aramäischen entwickeltes Alphabet
(Konsonantenschrift mit eingeschränkter Vokalkennzeichnung) in zwei Ausprägungen,
der eckigen Kufi-Schrift und der heute meist verwendeten Kursivschrift Nash⊂.

4
Spezifische Kennzeichen: Reiches Konsonantensystem (v.a. uvulare, pharyngale und
laryngale Laute), dem ein einfaches Vokalsystem gegenübersteht. Zur Morphologie vgl.
Semitische Sprachen. Vortstellung: VSO, in den Dialekten oft SVO.
Aramäisch [Auch: Syrisch]. Gruppe semitischer Dialekte, überliefert seit dem 10. Jh. v. Chr.,
weitverbreitet im vorderen Orient von ca. 300 v. Chr. bis 600 nach Chr., u.a. als Sprache
assyrischer, babylonischer und persischer Reiche. A. wird heute noch vereinzelt
gesprochen in Syrien, Irak und Türkei.
Aragonesisch ≡ Spanisch
Aramäisch [Auch: Syrisch]. Gruppe semitischer Dialekte, überliefert seit dem 10. Jh. v. Chr.,
weitverbreitet im vorderen Orient von ca. 300 v. Chr. bis 600 nach Chr., u.a. als Sprache
assyrischer, babylonischer und persischer Reiche. A. wird heute noch vereinzelt
gesprochen in Syrien, Irak und Türkei.
Araukanisch ≡ Andisch
Arawakisch [Auch: Maipure]. Sprachfamilie Mittel- und Südamerikas mit ca. 80 Sprachen ,
ursprünglich auch in der Karibik bis nach Florida verbreitet. Von J. H. Greenberg {1987}
mit ≡ Tupi zum ≡ Äquatorial-Zweig des Andisch-Äquatorialen Sprachstammes gerechnet.
die Verwandtschaft vieler a. Sprachen wurde bereits von F. Gilij (1780-84) vermutet.
Größte Einzelsprache: Goajiru in Nord-Kolumbien (60 000 Sprecher). Typologisch sind
die Sprachen sehr unterschiedlich. Ursprüngliche Wortstellung: wohl SOV mit
Postpositionen (≡ Adposition); unter karibischem Einfluß auch OVS. Kasusmarkierungen
sind selten (ergativisch oder akkusativisch), Genus- und nominale ≡ Klassikator-Systeme
dagegen häufig.
Armenisch. Zweig des ≡ Indo-Europäischen, bestehend aus einer einnzigen Sprache mit
zahlreichen Dialekten und ca. 5,5 Mio.. Sprechern in der Sowjetunion, der Türkei und
zahlreichen anderen Staaten. Schriftdokumente seit dem 5 Jh.; die Sprache hat eine
eigene Schrift, die der Überlieferung nach von Bischof Mesrop um 406 auf der Basis des
≡ Aramäischen und ≡ Griechischen entwickelt wurde und noch heute in Gebrauch ist. Die
Sprache besitzt zahlreiche Lehnwörter, z. B. aus dem Persischen. Spezifische
Kennzeichen: Artikulationskontrast stimmlos : stimmlos/aspiriert : stimmhaft. Reiches
Kasussystem (7 Kasus), aber die Genus-Distinktion der ideur. Ursprache ist
verlorengegangen. Wortstellung: SVO.
Aromunisch ≡ Rumänisch
Asiatische Sprachen. Als genuine asiatische Sprachstämme können Altaisch, Sino-
Tibetanisch, Drawidisch und Austro-Tai gewertet werden; daneben gibt es einige isolierte
Sprachen wie die Paläo- Sibirischen Sprachen und Burushaski, Ket, Ainu sowie die in
ihrer Affilation unklaren Sprachen Japanisch und Koreanisch. Viele dieser Sprachen
gehören kontinent-übergreifenden Sprachstämmen an (Indo-Europäisch, Kaukasische
Sprachen, Uralisch, Afro-Asiatisch, Austronesisch). – Die genetische Gliederung der
Sprachen Asiens wurde in groben Zügen bereits im 18. Jh. deutlich, die Erforschung
einzelner Sprachen reicht sehr viel weiter zurück.
Assamesisch ≡Indisch
Asserbeidschanisch ≡ Turksprachen
Assyrisch ≡ Akkadisch
Athapaskisch ≡ Na-Dené, ≡ Navaho
Austro-Asiatisch. Sprachstamm Süd- und Südostasiens mit ca. 150 Sprachen und 56 Mio.
Sprechern. Die wichtigsten Zweige sind die ≡ Munda-Sprachen und die ≡ Mon-Khmer-
Sprachen. Eine Zussanfassung mit dem ≡ Austronesischen (erstmals 1906 durch W.
Schmidt vorgeschlagen) wird noch immer diskutiert. – Die groβen Sprachen standen
häufig unter dem Einfluβ anderer Sprachfamilien, so daβ sich die ursprünglichen
Eigenschaften des Sprachstamms oft nur in den kleinen Sprachen der Rückzugsgebiete
erhalten haben und die Zugehörigkeit der groβen Sprachen (wie ≡ Vietnamesisch) erst
spät erkannt wurde. Zu den ursprünglichen Kennzeichen zählen: Hohe Anzahl von
Vokalphonemen (bis zu 40, z. T. ≡ Knarrstimme oder Behauchung als dinstinktives

5
Merkmal), Vorkommen implosiver Konsonanten. Es handelt sich zum Teil um ≡
Tonsprachen. Morphologie: Meist prä- oder infigierend, Wortstellung: SVO.
Austronesisch [Auch: Malayo-Polynesisch]. Sprachstamm mit ca. 500 Sprachen und über 170
Mio. Sprechern von Madagaskar über Südostasien und Indonesien bis zu den
pazifischen Inseln. Besteht aus zwei Zweigen: Ost-Austronesisch (Ozeanisch, mit den
Sprachen Polynesiens, Mikronesiens und Melanesiens) und West-Austronesisch (mit den
Sprachen Indonesiens, der Philippinen, Formosas, Madagaskars und Teilen
Südostasiens). Die bedeutendsten Sprachen finden sich im West-Austronesischen: ≡
Indonesisch (ca. 100 Mio. Sprecher v. a. als Zweitsprache), ≡ Javanisch (ca. 66 Mio.
Sprecher), Sundanesich (17 Mio. Sprecher), Malaiisch (12 Mio. Sprecher), ≡ Tagalog und
Cebuano auf den Philippinen (je ca. 13 Mio. Sprecher), ≡ Madegassisch (ca. 10 Mio.
Sprecher). Zu den wesentlich kleineren ost-austronesischen Sprachen zählen Fiddischi
(0,3 Mio. Sprecher). – Bereits im 18. Jh. wurde vermutet, daβ viele Sprachen des
indischen und pazifischen Ozeans einem gemeinsamen Stamm angehören; eine
erfolgreiche historische Rekonstruktion wurde von O. Dempwolff (1934/1938)
unternommen und ist heute relativ weit fortgeschritten, aber nicht unkontrovers. P. K.
Benedict (1975) versucht, A. und ≡ Kam –Tai zu einer umfassenderen Sprachfamilie, ≡
Austro-Tai, zusammenzufassen. Spezifische Kennzeichen: Es handelt sich häufig um
Sprachen mit relativ einfachen Lautsystemen , komplexen ≡ Diathesen-Bildungen und
Verb-Erst-Stellung: VSO und VOS. Im ozeanischen Bereich haben sich ≡
Nominalklassen-Systeme und ≡ Ergativ-Strukturen entwickelt.
Austro-Tai. Sprachstamm Südostasiens, der ≡ Austronesisch, ≡ Kam-Tai und möglicherweise ≡
Miao-Yao umfaβt. Eine Verwandschaft mit den Austro-Asiatischen Sprachen wird
diskutiert.
Avarisch ≡ Nordost-Kaukasich
Avestisch ≡ Iranisch
Aymara ≡ Andisch, ≡ Quechua
Aztekisch → Uto-Aztekisch, → Nahuatl

B
Babylonisch ≡ Akkadisch
Bahasa Indonesia ≡ Indonesisch
Bairisch. Größter deutscher Dialektverband im Osten des → Oberdeutschen, der die Gebiete
Bayerns östl. des Lech, Österreichs (mit Ausnahme Voralbergs) und Südtirols umfaßt
und ca. ein Viertel des hochdt. Sprachgebietes einnimmt. Als gesamtbair. gelten die
1
Verdumpfung von mhd. a, â zu ř , vgl. řka, ř:da „Acker”, „Ader”, die Senkung des mhd. ä,
ś (= Sekundärumlaut) zu a, a: nacht, ka:s „Nächte”, „Käse” und die (auf alte Dualformen
zurückgehenden) pronominalen Pluralformen der 2. Pers. es (Nom.), enk (Dat.,Akk.), die
– neben Pfinztag „Donnerstag”, Erchtag „Dienstag”, denk „links”, Kirchtag „Kirchwehfest”
u.a. – als bair. „Kennwörter” anzusehen sind. Das B. untergliedert sich in drei Teilräume:
(a) Das Südbair., das – wie auch das Höchstalem. (→ Alemannisch) – aufgrund seiner
alpinen Randlage vielfach Reliktcharakter aufweist; (b) das im Isar-Donau-Raum
gelegene Neuerungsgebiet des Mittelbair. das durch die Vokalisierung des
silbenauslautenden l (vgl. schuid, goid, wřid „Schuld”, „Gold”, „Wald”) und (zusammen mit
dem Nordbair.) durch eine spezifische Korrelation von Vokalquantität und
Konsonantenstärke (Langvokal + Lenis vs. Kurzvokal + Fortis) gekennzeichnet ist; (c)
das Nordbair. als dessen charakteristischste Merkmale die steigenden Diphthonge ei –
ou aus mhd. ie, üe – uo (vgl. leib, brouda „lieb”, „Bruder) und die Diphthongierung von
mhd. â zu ou anzusehen sind. Zahlreiche Interferenzen und Übergänge zum
nordwestlich anschließenden Ostfrk. machen auch – abweichend von der bis- herigen
Einteilung – einen Dialektverband „Nordoberdeutsch” plausibel, der neben dem Nordbair.
das Ostfrk. und das Südfrk. umfaßt. (Vgl. Sprachenkarte)

1
Half-open, back vovel [o]

6
Baltisch. Sprachzweig des≡ Indo-Europäischen. Dem ≡ Slawischen nahestehend, mit dem
zusammen es nach nicht unbestrittener Meinung in vorhistorischer Zeit eine b.-slawische
Sprachgemeinschaft gebildet hat. Zum Beispiel gehören das ausgestorbene ≡
Altpreuβisch, das ≡ Litauische und das ≡ Lettische.
Baluchi ≡ Kurdisch
Bambara ≡ Mande
Bantoid ≡ Benue-Kongo
Bantu. Gröβter Sprachzweig des ≡ Benue-Kongo mit über 500 eng verwandten Sprachen, die
vielfach Dialekt-Kontinua bilden; bedeudendste Sprachen sind Kongo, Zulu (6 Mio.
Sprecher), Rwanda, Xhosa, Luba, Shona (5 Mio. Sprecher) sowie das als
Verkehrssprache in Ostafrika weitverbreitete ≡ Swahili. Interne Gliederung: Regenwald-B
im Westen, Savanen-B. im Osten und Süden. Die groβe Ähnlichkeit der Sprachen läβt
auf eine eine Einwanderung der B.-sprechenden Völker aus dem Benue-Gebiet (Nigeria)
schlieβen. – Die Einheit der B.-Sprachen wurde bereits früh erkannt (u.a. W. Bleek 1856);
C. Meinhof gelang 1899 die lautliche Rekonstruktion der Proto-Sprache, des „Ur-Bantu”.
Umfangreiche Datensammlung zur Rekonstruktion eines „Common Bantu” durch M.
Guthrie (1967-1971), der das allgemein verwendete (allerdings recht arbiträre)
Referenzsystem von 15 Zonen für B.-Sprachen und –Dialekte geschaffen hat. –
Spezifische Kennzeichen: Meist ≡ Tonsprachen (2 Tonstufen), Tendenz zu zweisilbigen
Wurzeln und reduzierten Vokalsystemen (7 oder 5 Vokale). Ausgeprägtes ≡
Nominalklasse-System: Jedes Nomen gehört zu einer eigenen Klasse (von ca. 10-20) mit
spezifischem Präfix, wobei häufig einer Singular-Klasse eine Plural-Klasse zugeordnet ist
(vgl. Swahili ki-ti „Stuhl”, vi-ti „Stühle”); die Einteilung in Klassen ist in vielen Fällen
semantisch motiviert (Lebewesen, Dinge,
Flüssigkeiten u.a.). Komplexe Verbmorphologie Kongruenzpräfixe, Tempus-/Modus-
/Polaritätspräfixe, Suffixe zur Diathese-Markierung). Wortstellung: SVO.
Basic English [Basic = Abkürzung von: British, American, Scientific, International,
Commercial]. Als Ersatz für → Welthilfsprachen von CH. K. OGDEN [1930] konzipierte
Reduction des Englischen auf einen Grundwortschatz von 850 Wörtern (darunter 18
Verben) mit stark vereinfachter Grammatik. B. E. soll in 60 Stunden erlernbar sein,
benötigt allerdings für Fachsprachen zusätzliche Wortlisten. Sein Wert als vielseitig
verwendbares internationales Kommunikationsmittel ist umstritten.
Lit.: CH. K. OGDEN [1930]: Basic English. London. – CH. K. OGDEN [1942]: Basic for science. London.

Baskisch Isolierte Sprache mit ca. 1 Mio. Sprechern in Nordspanien und Südwestfrankreich,
die in einige stark voneinander abweichende Dialekte zerfällt. Die Sprache ist
möglicherweise mit dem auf Inschriften überlieferten Iberischen verwandt. Erste
substantielle Schriftdokumente seit dem 16 Jh. Spezifische Kennzeichen: In der
Phonologie gleicht das B. dem ≡ Spanischen. Reiche (suffixale) Morphologie. Syntaktisch
handelt es sich um eine ≡ Ergativsprache: Das Subjekt in transitiven Sätzen steht im ≡
Ergativ, markiert durch –ek (vgl. Martin ethorrida „Martin kam”, Martin-ek haurra igorri-du
„Martin sandte das Kind”. Reiches Kongruenzsystem (mit Subjekt, direktem und
indirektem Objekt); Kongruenzmarkierungen sind typischerweise fusionierend, SOV.
Zahlreiche Lehnwörter aus dem Lateinischen.
Belorussisch ≡ Weiβrussisch
Belutschisch ≡ Iranisch, ≡ Kurdisch
Bengali ≡ Indische Sprache mit 150 Mio. Sprechern in Indien und Bangladesh. Spezifische
Kennzeichen: Relativ einfache Nominalmorphologie (Verlust des Genus, 4 Kasus);
Reiche Verbmorphologie ; Subjekt–Verb–Kongruenz in Person und Höflichkeitsebene
(höflich/neutral/abschätzig); Wortstellung: SOV.
Benue–Kongo. Gröβter Sprachzweig des ≡ Niger–Kongo mit ca. 600 Sprachen, gesprochen
von Nigeria bis Südafrika. Zu unterscheiden sind vier Gruppen: das groβe Bantoid (mit
den ≡ ) Bantu-Sprachen sowie drei kleinere in Nigeria (Plateau, Cross-River, Jukonoid).
Berberisch. Sprachfamilie des Afroasiatischen in Nordafrika mit zahlreichen Sprachen und
Dialekten (z.B. Tamashek (Tuareg), Shil⊇, Zenaga); ca. 10 Mio. Sprecher, vorwiegend in

7
isolierten Rückzugsgebieten. Starke Beeinflussung durch das Arabische. Eigenständige
(von den Phöniziern übernommene Schrift bei den Tuareg. Wortstellung: VSO bei
Verbalsätzen; Nominalsätze haben kein verbales Element. Syntaktisch bemerkenswert
ist, daß das direkte Objekt und topikalisierte Nominalphrase in der Zitierform stehen
(status liber), Subjekt, Genitiv, indirektes Objekt hingegen markiert sind (status annexus).
Komplexe Konsonantensysteme mit Tendenz zu Konsonanten-Harmonie.
Bidjandjara ≡ Australische Sprachen
Bihari ≡ Indisch
Birmanisch (Auch: Burmesisch). Sino-Tibetanische Sprache, Staatssprache Birmas (22 Mio.
Sprecher) mit alter Schrifttradition (seit 12. Jh.) in einer von Indien übernommenen
Schrift. Kennzeichen: Starker Lehnworteinfluβ aus dem Pali; ≡ Tonsprache: neben der
Tonhöhe werden auch Stimmqualitäten wie ≡ Knarrstimme ausgenützt; Keine Flexion,
aber Derivationsmöglichkeiten, v.a, duech Präfigierung; Wortstellung: ≡ Topik vs.
Prädication; das Verb steht meist am Satzende. Die Zuordnung semantischer Rollen zu
bestimmten Aktanten eines Satzes wird oft über Selektionsrestriktionen geregelt oder
muβ aus dem Kontext bzw. dem Weltwissen erschlossen werden.
Black Englisch (Vernacular) [engl. vernacular „Mutter-, Volks-sprache”].Soziolekt des
Englischen, gesprochen vor allem von Nordamerikanern afrikanischer Abstammung, die
möglicherweise auf eine kreolisierte Form des Englischen der ersten afrikanischen
Sklaven zurückgeht. (→ Kreolsprachen). Das B. E. weicht vom Standardengl. u.a. im
Wortschatz, in der Morphologie und in der Syntax ab. Beispiele: Das Verb zeigt keine
Kongruenz mit dem Subjekt (z.B. he walk), es gibt eine eigene grammatische Form zum
Ausdruck der Habitualität (z.B. They be walking round here „Sie gehen gewöhnlich hier
herum”). Das B. E. und seine Verwendungsweisen sind sehr gut untersucht, da man in
ihm einen Hauptgrund für die soziale Benachteiligung seiner Sprecher sah.
Lit.: J. L. DILLARD [1972]: Black English. Ist history and usage in the United States. New
York.
Brahui → Drawidisch
Branderburgisch [Auch: Märkisch] Ostniederdt. Dialektverband, der das Gebiet der Mark Bran-
denburg umfaßt und im Westen an das → Niedersächsische, im Norden (Prignitz) an das
→ Mecklenburgisch-Vorpommersche, im Nordosten und Osten an das Mittel- bzw. Ost-
pommersche grenzt. Als sprachliche Charakteristika des B. gelten die Form det „das”
(Art. Pron.) gegen umgebendes dat, anlautender Frikativ J- gegen plosiv g- (jiŋ : giŋ
„ging”), der (aus dem Niederfränkisch herrührende) oblique Einheits-kasus des
Personalpronomens nach dem Akkusativ sowie zahlreiche Wörter ndl./ ndfrk. Ursprungs
als Folge ndl. Siedler-einflusses. – Im Süden des B. nehmen hdt. Einflüsse zu; die
Südgrenze des B. wird sukzessive nach Norden zurückgedrängt.n dem entstehenden
nddt.-mdt. Interferenzraum erscheinen bereits viele mdt. Merkmale (mdt. u – als Ergebnis
der Hdt. Monophthongierung – statt nddt. ua, lautverschobene Konsonanten, entrundete
Umlautvokale). Eine Sonderstellung nimmt das Berlinische ein: Die sich seit dem 15/16
Jh. entwickelnde Stadtmundart ist trotz ursprünglich nddt. Zugehörigkeit dem
Hochdeutschen zuzurechnen. – Das im Nordosten anschließende Mittelpommersche
wird – trotz eigenständiger Charakteristika – häufig ebenfalls dem B. zugerechnet, da es
aufgrund seiner vom Süden her erfolgten Besiedelung mit dem B. mehr
Gemeinsamkeiten aufweist als mit dem Mecklenburgisch-Vorpommerschen. – Infolge der
deutschen Aussiedlung nach 1945 endet das B. und das Mittelpommersche heute an der
Ostgrenze der ehemaligen DDR. (Vgl. Sprachenkarte).
Bretonisch. Von Einwanderern der britischen Inseln auf den Kontinent gebrachte → Keltische
Sprache, die noch von ca. 1,2 Mio. Sprechern in der Bretagne gesprochen wird. B., das
zum insel-keltischen Sprachzweig zählt, ist seit dem 8. Jh. überliefert, gut dokumentiert
allerdings erst seit dem 16. Jh.
Bündnerromanisch → Rätoromanisch
Bulgarisch. Auf der Grundlage des altbulgar. Dialekts von Saloniki entstandene südslaw.
Sprache mit ca. 7,5 Mio. Sprechern (meist in Bulgarien). Früheste Schriftdenkmäler zu
kirchlichen Zwecken im 9. Jh., woraus sich der Name „Altkirchenslawisch” (auch:

8
Altbulgarisch, Altslawisch) erklärt. Aufzeichnungen zunächst in → Glagolischer, dann in
Kyrillischer Schrift. Spezifische Kennzeichen des Altkirchenslawisch: durchgängig offene
Silben; Nasalvokale, reiche Flexionmorphologie (mit Alternanzen) auch beim Substantiv;
kein Artikel. – Kennzeichen des modernen B.: Mehrfachauftreten der Negationspartikel
bei einfacher Verneinung; nachgestellter bestimmter Artikel; komplexes Verbsystem mit
Narrativ: njámalo da izléze níšto ot tová „dabei (so sagte man) wird nichts
herauskommen” gegenüber njáma da izléze níšto ot tová „dabei kommt nichts heraus”;
wie im → Makedon. Fehlen einer Infinitivform. Schibboleth: <Ъ> für [∂] zwischen
Konsonantenbuchstaben, vor 1945 auch <Ж>
Burmesisch → Birmanisch
Burushaski. solierte Sprache in Kaschmir mit ca. 30000 Sprechern. Die Sprache besitzt 4
Genera, 2 Numeri, reiche Morphologie, SOV-Wortstellung.

C
Caddo. Sprachfamilie Nordamericas mit 4 Sprachen (jeweils weniger als 200 Sprecher), die mit
→ Siouanisch und → Irokesisch zum Makro-Siouanischen Sprachstamm gerechnet wird.

Cakchiquel → Maya-Sprachen
Cebuano → Austronesisch
Ĉechisch → Tschechisch
Chari-Nil-Sprachen. Sprachfamilie Afrikas, von J. H. Greenberg (1966) als Zweig der → Nilo-
Saharanischen Sprachen analysiert. Folgende Untergruppen sind zu unterscheiden: die
Ost-Sudanischen Sprachen (mit 9 Zweigen, u.a. Nubisch und Nilotisch), die Zentral-
Sudanischen Sprachen und einige Einzelsprachen. Größte Sprachen sind Dinka (2,7
Mio. Sprecher) und Nubisch (2 Mio. Sprecher) im Sudan, Luo (2,2 Mio. Sprecher) und
Kalenjin (2 Mio. Sprecher) in Kenya, Turkana (1,5 Mio. Sprecher) in Uganda und Kenya.
Die Forschungsgeschichte verlief recht konfliktreich, da von Forschern wie F. Müller
(1877) und C. Meinhof (1912) aus meist kulturanthropologischen Gründen einige
Sprachen als „hamitisch” angesehen wurden (→ Afro-Asiatisch). Wesentliche Beiträge
gehen auf R. Lepsius (1880), D. Westermann (1935), O. Köhler (1955) und A. N.
Tucker/M. A. Bryan (1956) zurück. – Sprachliche Kennzeichen der ziemlich
unterschiedlichen Sprachen: Fehlen der für die benachbarten → Bantusprachen typischen
→ Nominalklassen; vereinzelt Entwicklung von Genussystemen (z.B. im Maasai Maskulin
und Feminin);
durchgehend wird Singular und Plural am Nomen unterschieden. Alte Schriftzeugnisse
aus dem Nubischen (8. Jh.).
Cherokee → Irokesisch
Chibcha–Paez. Sprachstamm von ca. 40 Sprachen (mit ca. 0,4 Mio. Sprechern) in
Zentralamerika und im nordwestlichen Südamerica. Verwandtschaft mit den Paez-
Sprachen wird diskutiert.Gröβte Sprachen sind Guaymi in Panama (65000 Sprecher) und
Paez in Kolumbien (60000 Sprecher). Spezifische Kennzeichen: Relativ einfache
Lautsysteme; Tendenz zu → Polysynthese und → Deskriptivität; vereinzelt Numeral-
Klassifikation, Nominalklassen und Verbklasifikation in der südlichen Sprache Itonama.
Eine Eigentümlichkeit des des Satzbaus ist die Markierung des Subjekts von
Präteritalsätzen mit Genitiv. Wortstellung: meist SVO.
Chinesich. Gröβte → Sino-Tibetanische Sprache, eigentlich eine Gruppe von mindestens sechs
Sprachen: Mandarin (in der Form Putonghua Staatssprache der Volksrepublik China, als
Guoyu Staatssprache Taiwans, mit 613 Mio. Sprechern die sprecherreichste Sprache
überhaupt),. Wu (am Jangtse, 84 Mio. Sprecher), Yue (in Südchina, mit Kantonesisch, 54
Mio. Sprecher), Min (Taiwan und vorgelagerte Küste, 77 Mio. Sprecher), Kan-Hakka
(Südchina, 67 Mio. Sprecher), Hsiang (Hunan, 49 Mio. Sprecher). – Die Anfänge des
ideographischen Schriftsystems liegen 4000 Jahre zurück; die ch. Schrift ist somit die äl-
teste heute noch verwendete Schrift. – Spezifische Kennzeichen: Es handelt sich durch-
weg um → Tonsprachen (Mandarin: 4 Töne:hoch, steigend, fallend-steigend, fallend;
Kantonesisch: 9 Töne) mit teilweise komplexem Ton- → Sandhi (Tonkombinationsregeln).

9
Einfache Silbenstruktur. Morphologie: keine Flexion, aber häufig Derivation und
Komposition; im Unterschied zum klassischen Ch. ist das moderne Ch. keine strikt
isolierende Sprache. Beispiel für Komposition: fù-mû „Vater-Mutter” = „Eltern”; zhên-tóu
„ruhen-Kopf” = „Kissen”. Nominalsyntax: Kein Numerus, keine Artikel. Es handelt sich um
eine → Klassifikator-Sprache. Wortstellung: → Topik vs. Prädikation; die Stellung des
Objekts hängt u.a. von der → Definitheit ab. → Serialverb-Konstruktionen sind häufig,
wobei bestimmte Verben die Funktion von Präpositionen übernehmen.
Chocktaw. → Muskogisch
Cockney [mengl. cokenay „Hahnenei”]. In der Londoner City gesprochene dialektale Variante
des Englischen. Der Name bezog sich ursprünglich als Spitzname auf den
verweichlichten Londoner Städter.
Cornisch → Keltisch
Cree → Algonkisch
Cuzco → Quechua

D
Dänisch. Nordgerm. (skandinav.) Sprache mit ca. 5 Mio. Sprechern. Eigenständige
Entwicklung einer Schriftsprache gegen 1500. Seit Einführung der Reformation (1536) bis
zur Mitte des 19. Jh. ist D. zugleich Schriftsprache in Norwegen (→ Norwegisch). 1948
erfolgreiche Durchführung einer Rechtschreibreform: Kleinschreibung aller Substantive
mit Ausnahme von Eigennamen.
Daghestan–Sprachen → Nordost-Kaukasisch
Daisch → Kam-Tai
Dakorumänisch → Rumänisch
Dakota → Siouanisch
Dardisch. Etwa 15 → Indo-Iranische Sprachen in Nordwest-Indien; wichtigste Einzelsprache ist
das Kashmiri (3 Mio. Sprecher). Die Zuordnung der d. Sprachen zum → Indischen oder →
Iranischen ist noch ungesichert, zumal alte Schriftdenkmäler für diese Sprachen fehlen.
Demotisch → Ägyptisch
Deutsch [ahd.diutisc „volksmäßig”, aus germ. * eudô „Volk” mit Adjektivableitung germ. –
iska– zur Bezeichnung der Abstammung, Herkunft]. Westgerm. Sprache , die in
verschiedenen Dialektvarianten von ca. 90 Mio. Sprechern in Deutchland (77 Mio.),
Österreich (7,5 Mio.), Schweiz (4 Mio.), Lichtenstein u.a. als Muttersprache gesprochen
wird, außerdem von ca. 40 Mio. als Mutter- oder Zweitsprache in Frankreich (Elsaß),
Italien (Südtirol), Belgien, Rumänien, Polen, der Sowjetunion sowie in außereuropäischen
Auswanderungsländern (USA, Argentinien, Brasilien, Kanada u.a.). Von den übrigen
Germanischen Sprachen unterscheidet sich das D. durch die Zweite („Hochdeutsche”)
Lautverschiebung, in der die stimmlosen Verschlußlaute [p, t, k] je nach Stellung zu
Reibelauten oder Affrikaten verschoben wurden, vgl. engl. ship, foot, book mit dt. Schiff,
Fuß, Buch, bzw. engl. apple, sit mit dt. Apfel, sitzen. Auf die unterschiedliche regionale
Ausbreitung der Zweiten Lautverschiebung gründet sich die Unterscheidung zwischen
Niederdeutsch (ik, maken, dorp, dat, appel), Mitteldeutsch (ich, machen, dorf, das, appel)
und Oberdeutsch (ich, machen, dorf, das, apfel). Wenngleich die Periodisierung des D.
nicht unumstritten ist (vgl. W OLF [1984]), lassen sich doch folgende
Hauptentwicklungsphasen unterscheiden: (a) Althochdeutsch: (von Beginn der
schriftlichen Überlieferung im 8. Jh. bis 1050) in lautlicher Hinsicht gekennzeichnet durch
die Ausbreitung der Lautverschiebung, sowie den beginn des i-Umlauts (→ Umlaut), im
lexikalischen Bereich durch starken Einfluß des Lateinischen. Träger der schriftlichen
Überlieferung (vor allem lat. Übersetzungen und Stabreimdichtungen) ist die Klosterkultur
der Mönche bzw. ihre dialektal bestimmten Schreibstufen. (b) Mittelhochdeutsch (von
1050 bis 1350), unterteilt in Frühmittelhochdeutsch (1050-1170/80), Klassisches
Mittelhochdeutsch (1170/80-1250) und Spätmittelhochdeutsch (1250-1350). Der

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Übergang vom Ahd. zum Mhd. ist in lautlicher Hinsicht vor allem durch Endsilbenverfall
gekennzeichnet (ahd. scôno > mhd. schône > nhd. schon), während Monophtongierung
(mhd. lieber müeder brouder > nhd. lieber müder Bruder), → Diphthongierung (mhd. mîn
níuwez hős > nhd. mein neues haus) und Dehnung in offener Tonsilbe (mhd. wege [vĺg∂]
> nhd. Wege [ve:g∂] u.a. den Unterschied zwischen Mhd. und Nhd. bestimmen. Der
Wortschatz der höfischen Epik ist von frz. Einflüssen geprägt. Träger der literarischen
Tradition sind vor allem Kleriker und Ritter. Starke Ausweitung des dt. Sprachgebiets
durch die Ostkolonisation. (c) Frühneuhochdeutsch (1350-1650): Durch LUTHER und die
Reformation, die Erfindung des Buchdrucks sowie das Aufkommen des Bürgertums
geprägte Epoche, in der verschiedene Dialektvarianten wie das Mittelniederdeutsche der
Hanse, das „Gemeine Deutsch” der habsburgischen Kanzlei in Süddeutschland, das
„Meißnische Deutsch” des Wettiner Territoriums um Durchsetzung als Einheitssprache
miteinander konkurrieren. Auf der Basis des Ostmitteldeutschen und als Ergebnis von
Ausgleichsbewegungen zwischen Nord und Süd setzt sich im Laufe des 18. Jh. das (d)
Neuhochdeutsche als einheitliche Schriftsprache mit zahlreichen Varianten und
Unterschieden vor allem im lautlichen und lexikalischen Bereich durch. – Grammatische
Kennzeichen (im Unterschied zu anderen germ. Sprachen): keine sth. Verschlußlaute in
der Silbenkoda (→ Auslautverhärtung); relativ reich ausgebildetes Flexions- und
produktives Kasussystem; feste Regeln der stellung des finiten Verbs (→ Verbstellung)
bei sonst relativ freier Wort- und Satzgliedstellung.
Lit.: J. GRIMM [1848]: Geschichte der deutschen Sprache. Leipzig. – H. MOSER. [1950]:
Deutsche Sprachgeschichte. Stuttgard. 6. erw, Aufl. Tübingen 1969. – F. TSCHIRCH
[1966/69]: Geschichte der deutschen Sprache. 2 Bde. Berlin.
Dhimotiki → Griechisch
Dinka → Chari-Nil-Sprachen
Drawidisch. Sprachstamm Südasiens mit ca. 25 Sprachen und 175 Mio. Sprechern, vor allem
im südlichen und östlichen Indien und auf Ceylon, ferner in Pakistan (Brahui).
Ursprünglich wohl auf dem ganzen indischen Subkontinent verbreitet, wurden die
Sprachen von den indo-arischen Einwanderern zurückgedrängt. Die wichtigsten
Einzelsprachen (Schriftsprachen mit mehr als 2000-jähriger literarischer Tradition) sind
Telugu (53 Mio. Sprecher), → Tamil (45 Mio. Sprecher), Malayalam ((28 Mio. Sprecher)
und Kannada (28 Mio. Sprecher). – Die Verwandtschaft der wichtigsten Sprachen wurde
von F. W. Ellis (1816) nachgewiesen; als grundlegend erwies sich die Untersuchung von
R. A. Caldwell (1856). Möglicherweise besteht eine Verwandtschaft zum Elamitischen,
einer ausgestorbenen Sprache Irans. Zahlreiche Wörter wurden aus indo-arischen
Sprachen entlehnt, während d. Sprachen umgekehrt die indo-arischen Sprachen
phonologisch, morpholo- gisch und syntaktisch beeinfluβten. Es handelt sich durchweg
um stark agglutinierende, suffigierende Sprachen mit vielen Kompositionsbildungen. Das
Genussystem läβt sich auf eine Unterscheidung [± Maskulin] im Singular und [±
Menschlich] im Plural zurückführen. Wortstellung: SOV, reiches Kasussystem. Das
Subjekt steht bei → Statischen Verben (→ Stativ vs. Dynamisch) und Empfindungsverben
häufig im Dativ. Keine Satzkoordinationen; stattdessen häufige Partizipial-Konstruktionen
(Konverben) zur Subordination von Sätzen. Komplexes System von Hilfsverben, mit
denen u.a. die Einstellung des Sprechers ausgedrückt werden kann (z.B. pejorative
Bedeutungskomponenten). Die groβen d. Sprachen sind in hohem Ausmaβ diglossisch,
d.h. unterscheiden zwischen formalen und nichtformalen Sprachregistern.
Dyirbal → Australische Sprachen

E
Elamitisch → Drawidisch
Enga → Papua-Sprachen
Englisch. Westgerm. Sprache, Muttersprache von rund 325 Mio. Sprechern in England (56
Mio.), USA (232 Mio.), Kanada (24 Mio), Australien und Neuseeland (17 Mio.); einzige
Amtssprache in mehr als zwei Dutzend Ländern (z.B. in Südafrika), Verkehrssprache in
Indien und Pakistan. Wichtigste internationale Verkehrssprache, die am häufigsten als

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Zweitsprache gelernt wird. Der Name E. rührt von den Angeln her, die zusammen mit
anderen germ. Stämmen (Sachsen, Jüten u.a.) seit Mitte des 5. Jh. Britannien eroberten
und das Keltische in Rückzugssgebiete (Schottland, Wales, Cornwall) abdrängten. Man
unterscheidet drei Hauptperioden: (a) Altenglisch (5. Jh. bis 1050) mit dem Dialekt des
Westsächsischen (Wessex) als „Hochsprache”; (b) Mittelenglisch (1050-1500): während
der Normannen-Herrschaft über England (Schlacht von Hastings 1066 bis Mitte 14 Jh.)
war England zweisprachig. Die Nachwirkungen des normannischen Französisch im E.
zeigen sich besonders im Wortschatz, dessen Differenziertheit häufig von dem
Nebeneinander germ. und rom. Bezeichnungen herrührt (z.B. freedom/liberty). Während
das Alt-E. eine flektierende (synthetische) Sprache mit grammatischem Geschlecht der
Substantive (Mask., Fem., Neutr.), vier Kasus und starker und schwacher Flexion der
Adjektive war, vereinfachte sich diese Struktur durch den Verlust der Endsilben
zunehmend: Verlust des grammatischen Geschlechts der Substantive, Vereinfachung der
Pluralbildung, weitgehender Schwund der Flexionsmorpheme. (c) Das moderne E. weist
daher eine fast flexionslose Struktur auf, wobei die (morphologisch nicht mehr
gekennzeichneten) grammatischen Beziehungen durch entsprechend feste
Wortsellungsregeln (Subjekt – Verb – Objekt) ausgedrückt werden (-> Isolierender
Sprachbau). – Die heutige Orthographie mit ihrer Diskrepanz zwischen Buchstabe und
Laut repräsentiert den spätmittele. Lautstand vom Ende des 15. Jh. (vgl. die
unterschiedliche Aussprache von <ou> in through, thousand, thougth, though, tough,
cough, could). Zu Varianten des E. vgl. TRUDGILL/HANNAH [1982].
Erythräisch → Afro-Asiatisch
Eskimo → Eskimo-Aleutisch
Eskimo-Aleutisch. Sprachstamm, bestehend aus Aleutisch (auf dem Aleuten-Archipel in der
Beringsee, ca. 700 Sprecher) und Eskimo (mit den beiden Zweigen Yupik in Ostsibirien
und Südwest-Alaska und Inuit in Nordalaska, Nordkanada und Grönland, mit insges. ca.
100000 Sprechern). Gröβte Sprechergemeinschaft in Grönland mit ca. 43000 Sprechern.
Spezifische Kennzeichen: Einfache Lautsysteme. Komplexe Morphologie (suffixal). Es
handelt sich um → Ergativsprachen; der Ergativ ist mit dem Genitiv identisch (possessive
Satzkonstruktion). Kaum Hinweise auf eine Nomen/Verb-Distinktion. Wortstellung: SOV.
Das Verb kongruiert mit Subjekt und Objekt. Komplexes Numerussystem (mit Dual). Sehr
produktive Derivations-Mechanismen, Tendenz zu → Deskriptivität.Komplexes System
von lokalen Demonstrativpronomina.
Esperanto. →Vom dem Warschauer Augenarzt L. L. ZAMENHOF (Pseudonym: ESPERANTO „der
Hoffende”) konstruierte künstliche Sprache, die als erfolgreichste → Welthilfsprache der
internationalen Verständigung gilt. E. verfügt über eine sehr einfache phonetisch-
phonologische, morphologische und syntaktische Struktur: Sein Wortschatz basiert auf
einer Mischung von romanischen und germanischen Wortwurzeln (ursprünglich ca.
3500), die mit zehn Präfixen und 27 Suffixen kombinierbar sind (vgl. → Agglutunierender
Sprachbau). Seine Grammatik besteht aus 16 ausnahmlos geltenden Regeln.
Estnisch. → Finno-Ugrische Sprache, gesprochen u.a. in Estland, ca. 1 Mio. Sprecher, dem →
Finnischen verwandt.
Etruskisch. Vor allem durch Grabinschriften überlieferte, ausgestorbene Sprache Norditaliens.
Obgleich in einer dem Griechischen verwandten Schrift geschrieben, ist E. nur in
Ansätzen bekannt. Die genetische Affiliation ist unklar.
Europäische Sprachen. Die Sprachen Europas gehören zumeist dem Sprachstamm des Indo-
Europäischen an. Ausnahmen sind das Baskische im Westen (eine Isolierte Sprache),
einige Uralische Sprachen im Osten, v.a. Ungarisch und Finnisch, das Türkische, eine
Altaische Sprache, sowie das Maltesische auf Malta, das dem Arabischen nah verwandt
ist und damit zu den Afro-Asiatischen Sprachen zählt.
Lit.: H. HAARMANN [1975]: Soziologie und Politik der Sprachen Europas. München.

F
Färingisch → Faröisch

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Faröisch [Auch: Färingisch]. Nordgerm. (westnord.) Sprache, seit 1939 (neben → Dänisch)
gleichberechtigte Schriftsprache auf den färischen Inseln (ca. 40000 Sprecher).
Farsi → Persisch
Fidschi → Austronesisch
Finnisch. → Finno-Ugrische Sprache mit ca. 5 Mio. Sprechern; erste schriftliche Staatssprache
Finnlands (Eigenbezeichnung Suomi). Dokumente seit dem 16 Jh. Spezifische
Kennzeichen: Kleines Konsonanten-, aber groβes Vokal-Inventar (u.a. mit Längen-
Distinktion). Komplexe Morphologie mit zahlreichen morphophonologischen
Veränderungen. Umfang- reiches Kasussystem (etwa 15 Kasus), wobei die
multifunktionale Verwendung des → Partitiv-Kasus auffällt (Teilsubjekte und –objekte,
unter Skopus der Negation, bei nicht abgeschlossener Handlung u.a.). 9 Lokalkasus (→
Lokativ), die systematisch zusammenhängen: innen/auβen/allgemein;
Ruhe/Wegbewegung/Hinbewegung. Das Verb kongruiert mit dem Subjekt. Es gibt 4
Infinitivformen, die verschiedene Arten der Unterordnung anzeigen. Wortstellung: SVO.
Finno-Ugrisch. Gröβter Sprachzweig der → Uralischen Sprachfamilie. Er besteht aus dem (a)
Ugrischen Zweig mit → Ungarisch (ca. 14 Mio. Sprecher) und den Ob-Ugrischen
Sprachen Khanty und Mansi (ca. 20000 Sprecher) und dem (b) finnischen Zweig. Dieser
umfaβt die Ostsee-Finnischen Sprachen mit → Finnisch (5 Mio. Sprecher), → Estnisch (1
Mio. Sprecher), Karelisch (86000 Sprecher), Wespisch, Ingrisch, Livisch und Wotisch, die
Wolga-Sprachen mit Mordwinisch (1 Mio. Sprecher) und Mari (Tscheremissisch) (600000
Sprecher) und Komi (300000 Sprecher) nördlich davon. Die → Lappischen Sprachen in
Nordskandinavien zählen wahrscheinlich ebenfalls zu dem finnischen Zweig.
Flämisch. Belgische Variante des → Niederländischen.
Französisch. Zum romanischen Sprachzweig des Iindo-Europäischen zählende Sprache;
Muttersprache von rund 80 Mio Sprechern in Frankreich und seinen Übersee-Dé
partements sowie in Kanada, Belgien, Luxemburg, Schweiz u.a. Neben Engl. ist F. eine
der wichtigsten Bildungssprachen der Gegenwart. Der Name „F.” (aus vulgärlat.
franciscus) bezeichnete zunächst insbesondere den Dialekt der Île-de-France (= Pariser
Region), das „franzische”, das die Grundlage der Schriftsprache bildete. Sehr früh schon
hatten sich zwei deutlich voreinander unterschiedene Sprachräume herausge- bildet: im
Norden die langue d’oďl und die langue d’oc im Süden (→ Okzitanisch); die
Bezeichnungen leiten sich von den unterschiedlichen Formen für „ja” ab: im Norden
altfrz. oďl (aus lat. hoc ille),, im Süden oc (aus lat. hoc). F. ist die früheste und am
reichsten bezeugte Nachfolgesprache des Lat., das älteste Zeugnis sind die „Straßburger
Eide” aus dem Jahr 842. Man unterscheidet das Altfrz. (etwa bis Mitte des 14. Jh.) vom
Mittelfrz. (etwa bis 1600) und Neufrz., dessen Lautsystem, Morphologie und Syntax sich
unter den → Romanischen Sprachen am weitesten vom Lat. entfernt hat. Vgl. auch →
Kreolsprachen.
Friesisch. Westgerm. Sprache mit starker dialektaler Differenzierung: West-Friesisch heute
neben Niederländisch Amtsprache in der niederländischen Provinz Friesland (ca 300 000
Sprecher), Ost-Friesisch (nur noch Reste im niedersächsischen Saterland, ca. 1 000
Sprecher) und Nord-Friesisch (mit verschiedenen Mundarten an der Westküste
Schleswig-Holsteins, auf den Inseln Helgoland, Sylt, Amrum, Föhr und auf den nördlichen
Halligen; insg. ca. 10 000 Sprecher). Älteste schriftliche Zeugnisse aus dem 13. Jh.
(Altfriesisch) weisen enge Verwandschaft mit dem Altenglischen auf. Wortschatz und
Idiomatik sind geprägt durch die seit dem ausgehenden Mittelalter jeweils dominierenden
Hochsprachen Niederländisch bzw. Niederdeutsch, später durch Hochdeutsch, dennoch
große Ähnlichkeit mit → Englisch (Vokal- und Konsonantensystem, Verlust der
Deklinationsendungen u.a.).
Lit.: D.HOFMANN [1978]: Die Friesen, das Friesische und das Nordfriesische
Wörterbuch. In: Christiana Albertina NF 8. – D. HOFMANN [1979]: Die Entwicklung des
Nordfriesischen. In: A. Walker/O. Wilts (eds): Friesisch heute.
Friulanisch → Rätoromanisch
Ful [Auch: Fulani, Fulbe; frz. Peulh]. Gröβte Westatlantische Sprache (11,5 Mio. Sprecher),
gesprochen von den nomadischen Fulben zwischen Senegal und Tschadsee.

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Fulani → Ful
Fulbe → Ful
Fur → Nilo-Saharanisch

G
Gälisch. Seit dem 8. Jh. überlieferter Zweig des → Keltischen, bestehend aus dem Irischen
(West-Irland, ca. 50000 Sprecher, formelle Staatssprache der Republik Irland) und dem
Schottisch-Gälischen (Nordschottland und Hebriden, 90000 Sprecher, im 16 Jh. durch
irische Siedler eingeführt.
Galizisch → Spanisch
Galla → Kuschitisch
Gallego → Portugiesisch
Galloromanisch → Katalanisch
Gascognisch → Okzitanisch
Gastarbeiterdeutsch. Durch die hohe Einwanderungsquote von Gastarbeitern seit den 60er
und frühen 70er Jahren in Deutschland sich entwickelnde Pidgin-Sprachvariante, die
durch praktische Satzmuster, beschränkten Wortschatz, wenig Redundanz, Weglassen
von Artikel, Präposition, Konjunktion und Verbflexion gekenntzeichnet ist. Diese
Merkmale besitzen generelle Verbreitung unabhängig von der jeweiligen
Ausgangssprache (Griech., Ital., Portugies., Serbokroat., Span., Türk.). Der bei
Erwachsenen und Kindern unterschiedlich verlaufende Erwerb des Dt. ist von zahlreichen
biographischen bzw. soziokulturellen Faktoren abhängig wie kontakt mit Deutschen,
Arbeitssituation, Wohnver- hältnisse, Einreisealter, Bildungsstand, Motivation, soziale
Integration und bildungspolitischen und pädagogischen Maβnahmen von deutscher Seite.
Ge [Auch: Je]. Sprachfamilie Südamerikas mit etwa 12 Sprachen in Zentralbrasilien.
Ge`ez [Auch Alt-Äthiopisch]. Ausgestorbene Semitische Sprache, Vorläufer des Tigrinya, eng
verwandt mit Amharisch. Noch heute als Kultursprache der äthiopischen Kirche
verwendet. Eigene, aus arabischen Vorläufern entwickelte Schrift.
Georgisch. Gröβte südkaukasische Sprache mit 3,5 Mio. Sprechern, deren literarische
Tradition bis in das 5. Jh. zurückreicht; die G. Schrift hat sich aus der Schrift des →
Aramäischen entwickelt. Spezifische Kennzeichen: Für kaukasischen Sprachen ein eher
einfaches Lautsystem (mit glottalisierten Konsonanten), jedoch mit komplexen
Konsonanten-Clustern. Reiche Flexionsmorphologie. Kasussystem ergativisch, wenn das
Verb im Aorist steht; Dativsubjekte bei Wahrnehmungsverben. Das Verb kongruiert mit
Subjekt, direktem und indirektem Objekt. Zahlreiche Aktionsarten können durch
Verbpräfixe ausgedrückt werden.
Germanisch. Sprachzweig des → Indo-Europäischen , der sich von den übrigen ideur.
Sprachen unterscheidet durch systematische Veränderungen des urideur.
Konsonantensystems in der → Ersten Lautverschiebung, Festlegung des Wortakzentes
auf die erste Silbe, Reduktion der ursprünglichen Kasus-Vielfalt (von acht auf drei Kasus)
und der drei Numerus-Kategorien auf zwei (Verlust des → Dual), Vereinfachung der
Verbmorphologie (Verlust des → Medium, Zusammen-fall von Konjunktiv und Optativ),
Unterscheidung zwischen starker und schwacher Verbbildung sowie Differenzierung
zwischen starker vs.schwacher Adjektivflexion; Wortstellung überwiegend SOV. – Für die
interne Ordnung gibt es vielfältige, meist miteinander verträgliche
Systematisierungsvorschläge (vgl. die Zusammenfassun-gen in VAN COETSEM / KUFNER
[1972], HAWKINS [1987] sowie die Übersicht); in der Regel wird untergliedert in: (a) →
Nordgermanisch (Skandinavisch): Dänisch, Schwedisch, Färöisch, Isländisch,
Norwegisch; (b) → Ostgermanisch: Gotisch und Burgundisch; (c) → Westgermanisch:
Deutsch (mit Jiddisch), Englisch (mit seinen verwandten → Kreolsprachen), Friesisch und
Niederländisch (mit → Afrikaans). Aufgrund übereinstimmender sprachlicher Merkmale
aller germ. Einzel-sprachen setzt man eine gemeinsame Grundsprache voraus (auch:

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Gemein-, Ur-germanisch). Früheste schriftliche Zeugnisse sind skandinav. → Runen-
Inschriften (3. Jh.) und die Bibelübersetzung ULFILAS (4. J.h.)
TABELA
Lit.: S. FEIST [1924]: Indogermanen und Germanen. 3. Aufl. Halle/S. – E. SCHWARZ
[1951]: Goten, Nordgermanen, Angelsachsen. Studien zur Ausgliederung der
germanischen Sprachen. Bern. – F. STROH [1952]: Handbuch der germanischen
Philologie. Berlin. – J. DE VRIES [1960]: Kelten und Germanen. Bern. – F. VAN
COETSEM / H. L. KUFNER (eds.) [1972]: Toward a grammar of Proto-Germanic.
Tübingen. – P. RAMAT [1981]: Einführung in das Germanische. Tübingen. – J. A.
HAWKINS [1987]: Germanic Languages. In: The World’s Major Languages. S.68-76. Ed.
B. Comrie. London 1987.–T. L. MARKEY [1978]: Germanic and ist dialects: a grammar of
Proto-Germanic. Bd. 1: Text. Amsterdam. – L. MARKEY / P. T. ROBERGE [1978]:
Germanic and ist dialects: a grammar of Proto-Germanic. Bd.2: Maps and commentary.
Amsterdam
Ghegisch → Albanisch
Gilyak. → Isolierte Sprachen, → Palaö-Sibirische Sprachen.
Goajiru → Arawakisch
Golf-Sprachen [Gulf nach dem Gof von Mexiko]. Von M. Haas (1951) postulierte Sprachfamilie
Nordamerikas. Wichtigster Zweig sind die → Muskogischen Sprachen im Südosten der
USA; ferner zählen weitere Sprachen, z.B. Yuki und Wappo, dazu. Nach J. H. Greenberg
(1987) gehören die G.-S. zu den → Penute-Sprachen.
Gotisch. Ostgerm. Dialekte versch. germ. Stämme, gesprochen von den aus Südskandinavien
stammenden Goten, die sich während der Völkerwanderungszeit vom Schwarzen Meer
über ganz Südeuropa bis nach Spanien verteilten. Wichtigste schriftliche Quelle (zugleich
das älteste überlieferte germanische Denkmal) ist die Prachthandschrift des Codex
Argenteus, die (in gotischer, auf der Basis der griech. Unziale entwickelter Schrift) die
Bibelfragmente enthält, die der arianische Gotenbischof ULFILA (um 311-383) aus dem
Griech. übersetzte. – Grammatische Besonderheiten des Bibel-G.: Vokalopposition nach
dem Öffnungsgrad (ideur. [e] > got. [i, ĺ]); fünf Kasus (Nom.,Gen., Dat., Akk., Vokativ);
zwei Tempus-Kategorien (Vergangenheit und nicht–Vergangenheit); Präteritalbildung
durch Reduplikation, drei Numeruskategorien (Sg., Pl., → Dualis).
Lit.: W. KRAUSE [1953]. Handbuch des Gotischen. 3. Aufl. München 1968. – P.
SCARDIGLI [1964]. Lingua e storia die Goti.Florenz. Deutsche Version: Die Goten,
Sprache und Kultur. München 1973. – E. STUTZ [1966]. Gotische Literaturdenkmäler.
Stuttgard. – W. LEHMANN [1986]. A Goethic etymological dictionary. Leiden.
Griechisch [Auch: Hellenisch]. Zweig des Indo-Europäischen, bestehend aus einer einzigen
Sprache mit zahlreichen Dialekten und 10 Mio. Sprechern. Die Sprache ist
auβergewöhnlich lang und gut schriftlich dokumentiert und wird in folgende Perioden
eingeteilt: Mykenisch-G. (1500 – 1150 v. Chr.), die Sprache der 1952 von M. Ventris
entzifferten kretischen Schrifttafeln (Linear Schrift B); Klassisches G. (800 – 300 v. Chr.)
mit mehreren Dialekten, die Sprache der homerischen Epen und der reichen klassischen
Literatur im attisch-ionischen Dialekt; Hellenisches G. (300 v. Chr. – 300 n. Chr.) , die
Sprache des alexandrinischen Reiches und seine Nachfolger, die als Verkehrssprache im
ganzen östlichen Mittelmeerraum verbreitet war [sogen. → koinê, „gemeinsame
(Sprache)”] und in der das Neue Testament verfaβt wurde; das G. des byzantinischen
Kaiserreichs und des Mittelalters (bis 1600) und schlieβlich das NeuG. Neben einer
starken dialektalen Variation gibt es zwei Standarts: Dhimotiki, die allgemeine
Umgangssprache, und Katharevusa, eine Schriftsprache mit archaisierenden Formen.
Die G. Schrift, die seit dem Klassischen G. verwendet wird, wurde aus der phönizischen
Schrift entwickelt. – Spezifische Kennzeichen : Das Altg. (Klassisch und Hellenisch)
besaβ ein komplexes Vokalsystem (Längen-Distinktion, Diphtonge) und → Musikalischen
Akzent; im Neug. ist das Vokalsystem reduziert, der Akzent hat sich zum Druckakzent
entwickelt. Das System der Kasus hat sich von 7 Kasus im Mykenischen über 5 Kasus im
Alt-G. zu 4 Kasus im Neu-G. ver- einfacht. Ähnliches gilt für das Numerussystem (das
Alt-G. besaβ einen Dual, während das Neu-G. nurmehr über Singular und Plural verfügt).
Relativ komplexes Tempus- und Aspektsystem; die früher analytisch markierten Formen
werden heute in groβem Maβe synthetisch ausgedrückt. Der Infinitiv ist im Neu-G., wie in

15
anderen Balkansprachen, verlorengegangen, während das Alt-G. noch durch reiche
Möglichkeiten der syntaktischen Subordination mit infiniten und infiniten Verbformen
gekennzeichnet war.
Grönländisch → Eskimo-Aleutisch
Grunddeutsch [engl. Basic German]. Mindestvorrat von sprachlichen Mitteln des Dt. (Grund-
wortschatz, Redewendungen, syntaktische Muster), deren Festlegung und Begründung
dazu dient, den Erwerb von Fremdsprachenkenntnissen durch didaktische Umsetzung
sprachstatistischer Erkenntnisse zu erleichtern, bzw. geeignetes Unterrichtsmaterial zu
entwickeln. Mit der Auswahl und Begründung des G. sind mehrere Institute beschäftigt,
so das Institute for Basic German in Pittsburgh, das Herder-Institut in Leipzig sowie (im
Auftrag des Goethe-Instituts) das Institut für deutsche Sprache in Mannheim. Während
die amerikanischen Untersuchungen und Publikationen (vgl. Pfeffer) von Zählungen der
Worthäufigkeit ausgehen, beziehen sich die beiden deutschen Forschungsstellen
vorwiegend auf syntaktische Strukturtypen (→ Satzbaupläne, → Valenz). Einen
umfassenden Überblick vermittelt. Kühn (1979). → Sprachminimum.
Guarani. Größte → Tupi-Sprache mit ca. 3 Mio. Sprechern, Staatssprache Paraguays (neben
Spanisch). Wurde als Verkehrssprache der südamerikanischen jesuitischen Missionen
verwendet. Spezifische Kennzeichen: Einfaches Lautsystem. Syntaktisch zählt G. zu den
→ Aktivsprachen: es gibt zwei Klassen von Verben mit unterschiedlichen Konjugations-
mustern, die für statische/nicht-agentivische vs. agentivische verbale Konzepte
verwendet werden (→ Statisch vs. Dynamisch). Zuweilen kann ein Verbstamm mit
charakteristischem Bedeutungsunterschied in beiden Klassen verwendet werden (vgl. a-
karú „ich esse” vs. s´e-karú „ich bin ein Vielfraß”). Bei transitiven Verben kongruiert das
Verb mit der höchstehenden Person auf der Hierarchie 1. vor 2. vor 3. Person; die
semantische Rolle wird durch die Wahl des Kongruenz-Präfixes ausgedrückt (vgl. s´e-
pete „du/er/sie...)
schläg(s)t ... mich” vs. a-pete „ich schlage (ihn)”). Satzbau possessivisch (s´e ist auch
Possessiv: „mein”).
Guaymi → Chibcha-Paez
Gujarati → Indisch
Guoyu → Chinesisch
Gur [Auch: Voltaisch]. Sprachzweig des → Niger-Kongo mit ca. 80 Sprachen in Westafrika;
bedeutendste Sprache: Mossi (Burkina Faso, 3,6 Mio. Sprecher). Spezifische
Kennzeichen: → Tonsprachen, → Nominalklassen (Anzeige durch Suffixe, manchmal
zusammen mit
Präfixen) mit Verbkongruenz, → Serialverb-Konstruktionen.

H
Hadza → Khoisan
Haida → Na-Dené
Hamitisch → Afro-Asiatisch
Hamito-Semitisch → Afro-Asiatisch
Hausa. Größte → Tschadische Sprache, ca. 25 Mio. Sprecher i Nord-Nigeria und Niger,
bedeutende Verkehrssprache.Spezifische Kennzeichen: Reiches Konsonantensystem,
einfache Silbenstruktur. Zwei Schriftsysteme (arabisch, lateinisch). Ziemlich komplexe
Morphologie, sowohl beim Nomen (Pluralbildung) als auch beim Verb (Diathesen).
Wortstellung: SVO.
Hawaiianisch → Polynesische Sprachen.
Hebräisch. Semitische Sprache, gesprochen bis zum 3 Jh. v. Ch. in Palästina (Biblisches H.),
Schriftsprache der Mischna-Texte („Rabbinisches H.”, ca. 200 v. Ch.), Mittelarterliches H.
vom 6. bis 13. Jh., als Neuh. Staatssprache Israels (ca. 4 Mio. Sprecher); Kultsprache
der jüdischen Religion. Neuh. wurde aus der nur noch eingeschränkt verwendeten

16
Sprache auf der Basis der Aussprache der sephardischen (spanisch-portugiesischen)
Juden entwickelt. Eigenständige Schrift auf der Basis der Aramäischen Schrift, eine
Konsonantenschrift, die allerdings mit Vokalzeichen versehen werden kann (Punktation).
Reiche literarische Tradition im Alten Testament mit Texten aus einer Zeitspanne von
über 1000 Jahren in verschiedenen Dialekten. – Grammatische Kennzeichen vgl. ≡
Semitisch.
Hellenisch → Griechisch
Hethitisch. Ausgestorbene ideur. Sprache des → Anatolischen Zweiges, die Sprache des
Hethiter-Reiches in Kleinasien, aus dem 2. Jahrtausend v. Chr. Die Sprache ist auf
Keilschrifttafeln überliefert, die vorwiegend aus der Nähe des heutigen Orts Bogâzköy
stammen; sie wurden seit 1905 ausgegraben und relativ bald entziffert. B. Hroznỳ
erkannte 1915, daß es sich um eine ideur. Sprache handelte. Das H. eine Reihe von
Archaismen bewahrt (vgl. → Laryngaltheorie), ist andererseits aber auch wesentlich
einfacher strukturiert als andere ideur. Sprachen jener Zeit [nur zwei Genera:
Animat/Neutrum (→ Animat vs. Inanimat), einfaches Tempussystem]. Man nimmt heute
an, daß das H. (und die anderen → Anatolischen Sprachen) die früheste bekannte
Abzweigung aus der ideur. Ursprache darstellen; E. Sturtevant (1942) sah Anatolisch und
Ideur. als gleichberechtigte Zweige eines Indo-Hethitischen Sprachstammes an.
Hindi → Hindi-Urdu
Hindi-Urdu. → Indische Sprache mit mehreren Dialekten: Hindi, neben Eng. Staatssprache
Indiens (ca. 200 Mio. Sprecher), Urdu, die Staatssprache Pakistans (ca. 30 Mio.
Sprecher). Hindi und Urdu können als Dialekte einer Sprache angesehen werden, deren
Unterschiede durch die kulturellen Unterschiede der Sprecher (Hindus vs. Moslems) und
durch die Verwendung verschiedener Schriften (Devanâgari vs. Persisch-Arabisch)
bedingt sind. – Spezifische Kennzeichen: Relativ komplexes Lautsystem (40
Konsonanten, 19 Vokale); ein distinktiver Wortakzent fehlt.@ Numeri, 2 Genera (Mask.,
Fem.) und 3 Kasus. Zahlreiche kausative und zusammengesetzte Verben (z.B. kha lena
„essen nehmen” – „aufessen”). Aspekt wird morphologisch, Tempus durch Hilfsverben
ausgedrückt. Es müssen verschiedene Klassen von Verben unterschieden werden [z.B.
volitionale vs. nicht-volitionale (→ Volitionalität), affektive vs. nicht-affektive], die
syntaktisch unterschiedliche Konstruktionen erfordern. Häufig dient die
Kausativkonstruktion zur Derivation volitionaler aus nicht-volitionalen Verben. Statt
untergeordneter Sätze werden häufig Partizipialformen verwendet. Wortstellung: SOV.
Hochdeutsch.(1) Im Im sprachsoziologischen Sinne die (überregional gültige, normierte,
kodifizierte) Hochsprache im Unterschied zur regionalgefärbten „Umgangssprache“ bzw.
zum kleinräumig gebundenen Dialekt.
(2) Im sprachgeographischen Sinne die Gesamtheit aller Dialekte, die von der Zweiten
(„Althochdeutschen”) Lautverschiebung erfaßt wurden im Gegensatz zu den nddt. Dia-
lekten (→ Niederdeutsch), die diese Lautverschiebung nicht gemacht haben. Die Grenze
zwischen den hochdt. und den nddt. Dialekten verläuft (mit hochdt – nddt. Interferenz-
räumen besonders im Westen (→ Niederfränkisch) und Osten (→ Brandenburgisch, →
Obersächsisch) entlang der sogen. „maken/machen-Linie” („Benrather Linie”: Benrath –
Olpe – Duderstadt); innerhalb des H. wird wiederum – je nach der Intensität der Durch-
führung der Lautverschiebung – zwischen → Mitteldeutsch und → Oberdeutsch
unterschieden. (Vgl. Sprachenkarte)
Hochpreußisch → Mitteldeutsch
Hokanisch. Von R. Dixon und A. Kroeber 1919 postulierter Sprachstamm Nord- und
Mittelamerikas, dessen Rekonstruktion heute allerdings angezweifelt wird. Zu den Hokan-
Sprachen werden u.a. die Yuman-Sprachen (mit Mohave, 2000 Sprecher in Kalifornien),
Tequistlatekisch und Huamelultekisch (Südmexiko, je 5000 Sprecher) gerechnet.
Sprachliche Kennzeichen: Komplexe Konsonantensysteme (z.T. mit glottalisierten
Plosiven und
stimmlosen Nasalen).
Holländisch → Niederländisch
Hopi. → Uto-Aztekische Sprache in Nord-Arizona mit ca. 7000 Sprechern. Die Bekannheit des
H. geht darauf zurück, daß B. L. Whorf diese Sprache als Beispielsprache zur

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Untermauerung seiner Theorie der sprachlichen Relativität verwendet hat, vgl. →
Sprachlicher Determinismus. Da das H.(wie viele andere Sprachen) kein Tempus
markiert, wurde auf eine andere Zeitauffasung der Hopi-Kultur geschlossen.Die
Grammatik des Hopi von Whorf blieb uinvollendet; die verfügbaren grammatischen
Darstellungen sind nicht immer verläßlich.
Hottentotten Sprache → Khoisan
Hsiang → Chinesisch
Huamelultekisch → Hokanisch
Huastekisch → Maya-Sprachen

I
Iberoromanisch → Katalanisch
Ibo → Igbo
Igbo. (Auch: Ibo) → Kwa-Sprache in Südost-Nigeria (16 Mio. Sprecher). Spezifische
Kennzeichen: → Tonsprachen (mit → Downstep), Vokalharmonie. Serialverben (vgl. →
Serialverb-Konstruktion), keine Flexion. Wortstellung: SVO.
Ijọ → Kwa
Indianersprachen → Nord- und Mittelamerikanische Sprachen, → Südmerikanische Sprachen.
Indisch. (Auch Indo-Arisch). Zweig des → Indo-Europäischen, der zur Untergruppe der → Indo-
Iranischen Sprachen gehört, mit über 30 Sprachen, die teilweise in zahlreiche Dialekte
zerfallen, und ingesamt 650 Mio. Sprechern. Die wichtigsten Einzelsprachen sind →
Hindi-Urdu (über 220 Mio. Sprecher, Staatssprache Indiens bzw. Pakistans), Bengali (ca.
150 Mio. Sprecher, Staatssprache von Bangladesh), Punjabi (ca. 70 Mio. Sprecher),
Marathi (52 Mio. Sprecher), Bihari (37 Mio. Sprecher, eine Sprachgruppe), Gujarati (33
Mio. Sprecher), Rajasthani (25 Mio. Sprecher), Assamesisch (12 Mio. Sprecher), Sindh
(12 Mio. Sprecher, Pakistan), Singhalesisch (11 Mio. Sprecher, Staatssprache von Sri
Lanka), Nepali (9,5 Mio. Sprecher, Staatssprache Nepals). Die i. Sprachen haben sich
schon vor über 1000 Jahren durch das → Romani, die Sprache der Zigeuner, auch über
Vorderasien und Europa verbreitet. – Die älteste bekannte Sprachform, das Altindische,
ist das → Sanskrit (reich überliefert seit ca. 1200 v. Chr.); die späteren i. Sprachen haben
sich aus der dazu korrespondierenden Umgangssprache , dem Prakrit, entwickelt. Unter
Mittelindisch versteht man die Sprachstufe zwischen dem 3. Jh. v. Chr. und dem 4. Jh. n.
Chr.; die wichtigsten Dokumente sind die buddhistischen Schriften in Pâli, die Aśoka-
Inschriften. – Spezifische Kennzeichen: Im Lautsystem fallen die sonst seltenen
aspirierten , staimmhaften Plosive wie bh sowie retroflexe Laute auf.
Indo-Arisch → Indisch
Indo-Europäisch [Auch: Indogermanisch]. Sprachstamm mit ca. 140 Einzelsprachen und ca.
2000 Mio. Sprechern der nach der Sprecherzahl größte Sprachstamm überhaupt. Die
Bezeichnung deutet auf seine geographische Ausbreitung hin. Zum ideur. Sprachstamm
gehören die folgenden genetischen Einheiten: Anatolisch, Indo-Iranisch, Griechisch,
Italisch (und die davon abstammenden Romanischen Sprachen), Keltisch, Germanisch,
Baltisch, Slawisch (möglicherweise als Balto-Slawisch eine genetische Einheit bildend),
Albanisch, Armenisch, Tocharisch. Die relative Stellung dieser Sprachgruppen
zueinander ist weitgehend unklar; vermutet wird daß sie bereits auf Dialekte einer Proto-
Sprache zurückgehen, die vermutlich vor ca. 5000 Jahren nördlich des Schwarzen
Meeres gesprochen wurde. Zahlreiche alte Sprachen sind schriftlich gut dokumentiert. –
Spezifische Kennzeichen: Es handelt sich charakteristischerweise um stark flektierende
Sprachen, die neben Suffixen auch wortinterne Mutationen aufweisen (Ablaut). Es sind 8
Kasus rekonstruierbar, ferner 3 Genusklassen (Maskulin, Feminin, Neutrum) und 3
Numeri (Singular, Dual, Plural). Das Nomen kongruiert mit dem Adjektiv und das
Substantiv mit dem Verb. am Verb werden Tempus, Modus und Aspekt flexivisch,
teilweise auch durch periphrastische Konstruktionen, ausgedrückt. –
Forschungssgeschichte: Zwar ist die Erkenntnis, daß einzelne europäische Sprachen

18
untereinander Ähnlichkeiten aufweisen, schon alt, und einzelne Zweige, wie die
romanischen Sprachen, waren bereits früh als genetische Einheiten akzeptiert. Als
eigentlicher Beginn der systematischen Erforschung des I. gilt die Entdeckung der
Verwandtschaft des Sanskrit und des Persischen mit den europäischen Sprachen durch
W. JONES (1786). Bei der Erforschung des I. entwickelte sich im 19. Jh. die Methodik der
Historischen Sprachwissenschaft, v.a. durch den Versuch der Aufstellung von
systematischen Lautkorrespondenzen und der Rekonstruktion einer ideur. Ursprach, vgl.
die einflußreichen Abhandlungen von F. SCHLEGEL (1808), R. RASK (1814/18) und F.
BOPP (1816), die vor allem anhand einer Betrachtung des Flexionssystems die
Verwandtschaft der damals bekannten Zweige erweisen, und von J. GRIMM (1819/1822),
der systematische Lautgesetze zwischen wichtigen Einzelsprachen (Sanskrit, Griechisch,
Lateinisch) postulierte. 1861/1862 unternahm A. SCHLEICHER erstmals den Versuch,
Formen der Ursprache zu rekonstruieren; darüber hinaus erschloß er das besonders
konservative Litauisch. Die Folgezeit war bestimmt durch kontroverse Positionen
zwischen den Junggrammatikern (K. BRUGMANN, H. OSTHOFF/A. LESKIEN, K. VERNER, der
junge F. de Saussure), die „ausnahmslose” Lautveränderungen annahmen, und
Forschern wie H. SCHUCHARDT, die dies in Frage stellten. Das Tocharische wurde 1908,
als ideur. Sprache erkannt; obgleich weit östlich gesprochen, zeigt es Ähnlichkeiten mit
den westlichen Zweigen. Gleichzeitig wurde deutlich, daß das Hethitische ebenfalls mit
den ideur. Sprachen verwandt ist, wobei die Vermutung von E. STURTEVANT (1926), eine
Gleichordnung des Hethitischen mit dem restlichen I. anzunehmen, eher skeptisch
diskutiert wird. Das Hethitische spielte für die Erschließung des Lautsystems eine
wichtige Rolle, vgl. unter Laryngaltheorie. In jüngster Zeit wird vor allem die Frage der
Syntax der Ursprache diskutiert (W. LEHMANN) sowie die Rekonstruktion der Plosive
(Annahme von ejektiven Lauten durch T.V. GAMKRELIDZE / V. V. IVANOV).
Lit.: K. BRUGMANN / B. DELBRÜCK [1886-1900]: Grundriß der vergleichenden
Grammatik der indogermanischen Sprachen. Straßburg. – H. HIRT [1921-1929]
Indogermanische Grammatik. Heidelberg. – J. POKORNY [1950-1959]: Indogermani
sches etymologisches Wörterbuch. Bern. – H. KRAHE [1962]: Indogermanische
Sprachwissenschaft. Berlin. – O. SZMERENYI [1970]: Einführung in die vergleichende
Sprachwissenschaft. Darmstadt. – W. LEHMANN [1974]: Proto Indo-European Syntax.
Austin. – R. SCHMITT-BRANDT [1988]: Einführung in die Indogermanistik. Tübingen. –
T. V. GAMKRELIDZE / V. V. IVANOV [1989]: Indo-European and the Indo-Europeans.
Berlin. – J. P. MELLORY [1989]: In search of the Indo-European. London. – TH.
VENNEMANN (ed.) [1989]: The new sound of Indo-European. Berlin.
Indogermanisch. (Auch: Indo-Europäisch) Bezeichnung des Indo-Europäischen, die auf J.
Klaproth (1823) zurückgeht. Der vor allem in der Germanistik übliche Terminus ist eine
Klammerform der vollständigen Bezeichnung „Indo-[irano-armeno-graeco-latino-slavo-
balto-romano-celto]-Germanisch”.
Indo-Hethitisch → Hethitisch
Indo-Iranisch. Zweig des → Indo-Europäischen, der sich in zwei Hauptzweige, das →Indische,
das → Iranische sowie in das → Dardische gliedert. Wichtige Kennzeichen des I. sind der
Zusammenfall von ideur. e, o, a zu a, dem zum Verlust des qualitativen und zum häufi-
gen Gebrauch des quantitativen Ablauts führte (vgl. Sanskrit sádas „Sitz”, sâdáyati
„setzen”) sowie zahlreiche Glossen, z.B. Eigenbezeichnung Arya „Arier”.
Indonesisch [Auch: Bahasa Indonesia]. Auf dem Malaiischen basierende Staatssprache
Indonesiens mit über 100 Mio. Sprechern (meist als Zweitsprache). Spezifische
Kennzeichen: Einfaches Lautsystem, Nominal→Klassikatoren (z.B. seekor ayam „ein
Schwanz Huhn”), optionaler Ausdruck des Plurals u.a. durch Reduplikation des ganzen
Wortes (z.B. potong „Stück”, potong-potong „Stücke”), ausgeprägte
Höflichkeitsmarkierungen durch „distinguierende Artikel”, entwickeltes Diathesensystem
(Markierung der Transitivität), verschiedene Passivformen (für Nomina vs. Pronomina,
Zustandspassiv), keine deutlichen Wortklassenunterschiede zwischen Nomina und
Verben. Wortstellung: SVO, strikte Postspezifikation in der Nominalphrese. Zahlreiche
Lehnwörter aus → Sanskrit und → Arabisch.
Indo-Pazifische Sprachen → Papua-Sprachen
Ingrisch → Finno-Ugrisch

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Interlingua. Von dem ital. Mathematiker G. PEANO (1903) auf der Basis eines vereinfachten
Lateins konstruierte → Welthilfsprache: Latino sine flexione. I. wurde ver- schiedentlich
bearbeitet, vor allem durch die IALA (= International Auxiliary Language Association). Ihre
Konstruktion stützt sich auf den gemeinsamen Wortschatz wichtiger westeuropäischer
Sprachen (vgl. MORRIS/MORRIS [1961]), ihre analytische Grammatik ist am Roman.
orientiert, es wird kein Merkmal verwendet, das in einer der Basissprachen fehlt, vgl.
GODE/BLAIR [1951].
Lit.: A. Gode/H. E. Blair [1951]: Interlingua. A grammar of the international language. New
York. – G. Peano [1957/59]: Opere Scelte. 3 Bde. Rom. – D. H. Morris / A. Morris [1961]:
Interlingua-English dictionary. London.
Inuit → Eskimo-Aleutisch
Iranisch. Zweig des → Indo-Iranischen, damit dem Indo-Europäischen zugehörend, heute ca.
40 Sprachen mit über 60 Mio. Sprechern; wichtigste Einzelsprachen sind: → Persisch, →
Pashto, → Kurdisch, Belutschisch (v.a. in Pakistan) und Ossetisch im Kaukasus. Die
ältesten bekannten Sprachen sind das Avestische, die Sprache der Avesta, einer
zarathustrischen Textsammlung (ca. 600 v. Chr.), und Altpersisch, das in Keilschrift-
Dokumenten des alten Perserreiches überliefert ist (c. 500 v. Chr.). Gut dokumentiert ist
ferner das Mittel-I. in mehreren Dialekten, z.B. Parthisch und Sogdisch (300 v.Chr. – 900
n.Chr.), das in zwei aus dem→ Aramäischen entwickelten Schriften, Pahlavi und
Manichäisch, überliefert ist. Spezifische Kennzeichen: Während die ältesten
Sprachformen typische Züge des Indo-Europäischen zeigen, insbesondere eine starke
Ähnlichkeit zum → Sanskrit, haben sich die moderne i. Sprachen vielfach davon
fortentwickelt. Besonders auffallend ist die Herausbildung eines Ergativ-Systems im
Präteritum aufgrud der → Reanalyse eines Partizip Passivs als aktives Verb. Dieses
Ergativsystem ist beispielweise noch im → Kurdischen und im → Pashto erhalten, im
modernen → Persischen jedoch in ein Akkusativsystem überführt worden. Sonst die
Entwicklung gekennzeichnet durch stetige Vereinfachung der Morphologie (z.B. Abbau
des Kasussystems), Herausbildung analytischer Strukturen und Verfestigung der
Wortstellung: SOV oder SVO.
Lit.: K. Hoffmann u.a.[1958] Iranistik. Handbuch der Orientalistik. Teil 1, Bd. 4-1. Leiden. –
I. Gershevitch [1954]: A grammar of Manichean Sogdian. Oxford. – W. Brandenstein/M.
Mayrhofer [1964] Handbuch des des Altpersischen. Wiesbaden. – H. Reichelt [1967]:
Awestisches Elementarbuch. Heidelberg. – I. M. Oranskij [1975]: Die Neuiranischen
Sprachen der Sowjetunion. The Hague. – R. S. P. Beekes [1988]: A grammar of Gatha-
Avestan. Leiden.
Irisch → Keltisch
Irokesisch. Sprachfamilie im Osten Nordamerikas mit 8 Sprachen, die mit → Siouanisch und →
Caddo zum Makro-Siouanischen gerechnet wird; größte Sprache ist das Cherokee (ca.
20000 Sprecher).Spezifische Kennzeichen:Einfaches Lautsystem, aber komplexe
morphophonemische Veränderungen. Starke Tendenz zur → Polysynthese, →
Inkorporation und Deskriptivität. Es läßt sich keine Unterscheidung zwischen Nomina und
Verben treffen; die einzige haltbare Unterscheidung von Wortklassen ist die zwischen
Vollwörtern und Partikeln, z.B. ist das Wort für Bär im Oneida, o-hkwalí, zu analysieren
als Referenz- markierung o– und Prädikat –hkwalí, wörtlich „es bärt ihn”, wobei das
Prädikat hkwalí (wie in polysynthetischen Sprachen üblich) nicht alleinstehend vorkommt.
Komplexe Verbmorphologie, u.a. durch verschiedene Diathesen, Aspekte,
Reflexivformen, lokale Distinktionen. Unterscheidung zwischen aktiven und inaktiven
Verben (→ Aktivsprache). Unterscheidung von 4 Genera (Maskulin, Feminin, Tierisch,
Neutrum) mit Unterschieden in den verschiedenen Sprachen.
Isländisch. Nordgerm. (west-nordische) Sprache, seit 1935 amtliche Schriftsprache von Island
(ca. 250000 Sprecher). Grammatische Kennzeichen: im Unterschied zum Norwegischen
starke Bewahrung (historischer) morphologischer Zustände; puristische Tendenzen
(Erweiterung des Wortschatzes vornehmlich durch i. Neubildungen).
Italienisch. Zum romanischen Sprachzweig des Indo-Europäischen zählende Sprache;
Muttersprache von rund 55 Mio. Sprechern in Italien, der Schweiz, Korsika, Istrien,
Monaco u.a. Die ebenso zahlreichen wie ausgeprägten Mundarten lassen sich in drei

20
gruppen zusammenfassen: (a) die nord-italienischen Dialekte in Piemont, Lombardei,
Emilia, Romagna, Ligurien (= Galloitalienisch) und Venetien, (b) die süditalienischen
Dialekte (südlich Pescara/Rom) sowie (c) die zentralitalienischen Dialekte (einschließlich
Korsika), zu denen u.a. das Toskanische gehört, dessen Form aufgrund reicher
literarischer Tradition (Dante, Boccaccio, Petrarca) seit dem 16. Jh. die Basis für die
standarditalienische Schriftsprache darstellt. Die Diskussion um die regionale
Ausprägung der Standardsprache („la questione della lingua”) ist allerdings bis heute
nicht abgeschlossen. Insgesamt ist das I. durch relativ geringe Abweichungen vom
Vulgär-Latein gekennzeichnet, was sich am deutlichsten in dem (durch Endsilbenverfall
nur wenig beeinträchtigten) gut erhaltenen Flexionssystem zeigt. Das Verstummen der
Auslautkonsonanten (lat. dormis > dormi >du schläfst<) und die Bewahrung der intervok.
stl. Verschlußlaute (lat./ital. vita >Leben<) weist das Standardital. dem Ostromanischen
zu (->Romanisch)
Lit.: G. HOLTUS / M. METZELTIN / C. SCHMITT (eds) [1987ff]: Lexicon der
romanistischen Linguistik (LRL) Bde ?. Tübingen. – G. HOLTUS /E. RADTKE [1985]:
Gesprochenes Italienisch in Geschichte und Gegenwart. Tübingen. – M. PFISTER [1984]:
Lessico etimologico italiano. !. Bd. Wiesbaden
Italisch. Sprachzweig des → Indo-Europäischen mit zahlreichen (heute ausgestorbenen)
Dialekten auf italienischem Boden, deren Klassifizierung große Probleme aufwirt (u.a.
Latino-falisteisch und Osteisch-Umbrisch). Zu diesen Dialekten zählt auch die ehema-
lige Stadtmundart von Rom, das → Lateinische, aus dessen verschiedenen regio-nalen
Varianten (Vulgärlatein) sich die modernen romanischen Sprachen entwickelt haben. Vgl.
→ Romanisch.

Lit.: E. PULGRAM [1956]: The tongues of Italy. Cambridge


Itonama → Chibcha-Paez

J
Jakaltekisch → Maya-Sprachen
Japanisch. Staatssprache Japans mit über 120 Mio. Sprechern. Ihre genetische Zugehörigkeit
ist unklar; diskutiert wird eine Verwandtschaft mit dem → Koreanischen und den →
Altaischen Sprachen. Ryukyu, die Sprache der Insel Okinawa, ist mit dem J. eng
verwandt. J. ist dialektal reich gegliedert; der Standard richtet sich nach dem Dialekt von
Tokyo. – Schriftliche Aufzeichnungen in chinesischer Schrift seit dem 8. Jh. Die heutige
japanische Schrift ist eine Mischung zwischen der chinesischen logographischen Schrift
Kanji (zum Ausdruck von lexikalischen Morphemen) und zwei eigenständigen
Silbenschriften, Hiragana, der früheren Frauenschrift, heute verwendet zur Kennzeichung
von grammatischen Morphemen und Funktionswörtern, und Katakana, heute verwendet
für Fremdwörter u.a. Daneben besteht noch eine normierte Umschrift in lateinischen
Buchstaben, Rômaji. Die Silbenschriften umfassen jeweils 46 Zeichen; im täglichen
Gebrauch kommen ca. 2000 Kanji-Zeichen vor. Spezifische Kennzeichen: Relativ
einfaches Lautsystem und einfache Silbenstruktur, aber zahlreiche morphophonemische
Alternationen (Palatalisierung, Affrizierung). Morphologischer Typ: agglutinierend. Reiche
Verbalflexion (Tempus, Aspekt, Modus, Diathesen, Negation, Höflichkeit, aber keine
Kongruenz). Keine Numerusdistinktion; in Zählkonstruktionen werden → Klassifikatoren
eingesetzt. Verschiedene „Kasus” werden durch Postpositionen angezeigt (→ Adposition).
Das Topik wird durch die Postposition wa markiert und muß kein Argument des Verb
sein; dies führt zu fälschlich so genannten Doppelsubjekt-Sätzen wie sakana wa tai ga ii
„Fisch-TOP Redsnapper-SUBJ gut”, „Was Fisch betrifft, so schmecken die Redsnapper
gut”. In thetischen Sätzen tritt kein Topik auf (→ Topik vs. Prädikation). Nominale Satzteile
können häufig weggelassen werden , wenn der Bezug kontextuell klar ist (sogen. Null-
Anaphora); dies hat zufolge, daß Pronomina selten verwendet werden und ersichtlich aus
Nomina abgeleitet sind, wobei zahlreiche Formen zur Markierung der gesellschaftlichen
Stellung zur Verfügung stehen. Wortstellung: SOV, abhängige Sätze werden durch
Partizialformen des Verbs markiert.

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Javanisch. → Größte Austronesische Sprache, gesprochen in Zentral- und Ostjava (ca. 66 Mio.
Sprecher). J. verfügt über eine hochentwickelte Hierarchie stilistischer Ebenen ((„ehrend”,
„abschätzig”). Schriftliche Aufzeichnungen seit ca. 750 n. Chr. in einem aus dem Sanskrit
entwickelten Alphabet.
Lit: H. Herrfurth (1967): Lehrbuch des modernen Djawanisch. Leipzig.
Je → Ge
Jiddisch [engl. Judeo-German/Yiddish]. Im Mittelalter in wichtigen Handelszentren (Rhein,
Donauländer) als Verkehrssprache der Juden entstandene Varianten des → Deutschen,
deren osteuropäischer Zweig (Sprache der nichtassimilierten askenasischen Juden)
heute von ca. 5 Mio. Sprechern als Mutter- bzw. Zweitsprache in Israel, Polen, Litauen,
USA, Lateinamerika, Argentinen, Sowjetunion u.a. gesprochen wird. J. ist das
(uneinheitliche) Ergebnis einer Mischsprache auf der Basis spätmittelalterlicher dt.
Dialekte mit hebräisch-aramäischen (Talmud, Kabbala), rom. und slaw. Einflüssen.
Aufgrund spätmittelalterlicher Wanderbewegungen Entstehung eines (heute
ausgestorbenen) westj. (europäischen) und eines ostj. Zweiges mit Unterschieden vor
allem in Lautstand und Wortschatz. Die Einheit des J. wurde bis ins 19 Jh. durch die
Verwendung der hebräischen Schrift gewähhrleistet, die von rechts nach links
geschrieben wird und sich auf die Kennzeichnung eines (fast) vokallosen
Konsonantengerüsts beschränkt. Aufgrund der Ausschließung von der dt. Schriftsprache-
Entwicklung repräsentiert das J. in seiner konservativen Lautentwicklung z.T. noch den
historischen Ausgangszustand. Der Einfluß des j. auf das Deutsche zeigt sich v.a. in
Übernahmen im Wortschatz des Rotwelschen, vgl. u.a. Moos „Geld”, Schlamassel.
Lit.: S. A. Birnbaum [1974]: Die jiddische Sprache.2. überar. Aufl. Hamburg 1986. – M.
Weinreich [1980]: History of the Yiddish language. Chicago. – M. H. Weber [1987]:
Yiddish. In: Cahiers de linguistique sociale 10, S. 6-129. – D. Katz [1987]: Grammar of
the Yiddish language. London. – B. Simon [1988]: Jiddische Sprachgeschichte: Versuch
einer neuen Grundlegung. Frankfurt.
Jukagirisch → Paläo-Sibirische Sprachen, → Uralisch
Jukonoid → Benue-Kongo

K
Kabardisch → Nordwest-Kaukasisch
Kadai → Kam-Tai
Kadugli → Sprachen Niger-Kordofanisch
Kambodschanisch → Mon-Khmer-Sprachen
Kampidanesisch → Sardisch
Kam-Tai [Auch: Kadai, Daisch}. Sprachzweig des → Austro-Tai in Südostasien mit ca. 60
Sprachen; wichtigste Sprachen sind → Thai (30 Mio. Sprecher) und Lao (auch: Laotisch,
17 Mio. Sprecher)
Kan-Hakka → Chinesisch
Kannada → Drawidisch, → Marathi
Kantonesich → Chinesisch
Kanuri → Saharanisch
Kap-Holländisch → Afrikaans
Karelisch → Finno-Ugrisch
Karibisch. Sprachfamilie von etwa 50 Sprachen im Norden Südamerikas und auf den Antillen;
heute nur mehr ca. 25000 Sprecher. Von Gilij (1780-84) etabliert, wird K. von J. H.
Greenberg [1987] mit einigen benachbarten Sprachen zur Makro-Karibischen Familie
gerechnet. Wortstellung: häufig OVS.

22
Kartvelisch Südkaukasisch
Kaschubisch. Westslaw. Sprache mit nur noch einigen Tausenden Sprechern im Umfeld von
Danzig (Gdańsk).
Kashmiri → Dardisch
Katalanisch. Romanische Sprache, die von ca. 7 Mio. Sprechern im (Nord-)Osten der
iberischen Halbinsel und auf den Balearen sowie im frz. Roussillon, in der sardischen
Stadt Alghero und als offizielle Sprache in Andora gesprochen wird. Basis der modernen
Schriftsprache ist die Sprache von Barcelona, die nach ihrer Unterdrückung während des
Franco-Regimes heute einen begrenzten Aufschwung erlebt. Die Eigenständigkeit des K.
manifestiert sich u.a. auf lautlicher Ebene durch die Palatalisierung des anlautenden [l]
(lat. luna > lluna „Mond”). Dialektal zerfällt das k. Sprachgebiet in Ost- und Westk., zu
dem auch das Valencianische gehört. Die Frage der Zuordnung des K. zum
Iberoromanischen (→ Spanisch) oder zum Galloromanischen (→ Okzitanisch) ist
umstritten; sein Verbreitungsgebiet kann auch als übergangszone zwischen diesen
beiden Sprach-
räumen gesehen werden.
Lit.: J. LÜDTKE [1984]: Katalanisch. Eine einführende Sprachbeschreibung. München.
Katharevusa → Griechisch
Kaukasiche Sprachen. Geographischer Begriff für die Sprachen, die in dem sprachlich sehr
vielfältigen Kaukasus-Gebiet gesprochen werden. Neben eine Reihe von ideur. und →
Turksprachen versteht man darunter vor allem die Sprachen dreier lokaler Familien, vgl.
→ Nordwest-K., → Nordost-K. und → Süd-K. Während die beiden ersten Familien wohl
einem Stamm angehören, konnte die Verwandtschaft mit dem Süd-K. nicht sicher belegt
werden. Ebenso zweifelhaft blieben die Versuche, die k. Sprachfamilien mit Sprachen
außerhalb des Kaukasus, z.B. mit dem → Baskischen, genetisch in Beziehung zu setzen.
Kekchi → Maya-Sprachen
Keltisch. Sprachzweig des → Indo-Europäischen, früher über weite Teile Europas und Klein
asiens verbreitet und heute nur mehr in Nordwest-Europa vertreten. Zu unterscheiden ist
das ausgestorbene Festland-K., das nur sehr spärlich , z.B. in Ortsnamen, überliefert ist,
und Insel-K.. Dieses zerfällt in (a) → Gälisch mit Irisch (50000 Sprecher), überliefert seit
dem 8. Jh., Schottisch-Gälisch (90000 Sprecher) und dem kürzlich ausgestorbenen Manx
auf der Insel Man und (b) → Bretonisch mit Walisisch (400000 Sprecher, seit 8. Jh.),
Bretonisch (1,2 Mio. Sprecher) in der Bretagne und dem im 18 Jh. ausgestorbenen
Cornish auf Cornwall. – Sprachliche Kennzeichen der Insel-K. Sprachen: Konsonanten-
Lenisierung (Schwächung) am Wortanfang, ausgelöst durch den vorhergehenden Vokal.
Reich entwickelte Nominal- und Verbalmorphologie, am Verb affigierte
Pronominalformen. Ein Infinitiv fehlt und wird durch ein Verbalnomen ersetzt.
Wortstellung: VSO – im Unterschied zu allen anderen Indo-Europäischen Sprachen.
Ket → Paläo-Sibirisch
Khanty → Finno-Ugrisch
Khmer → Mon-Khmer-Sprachen
Khoikhoi → Khoisan
Khoisan. Sprachstamm von ca. 30 Sprachen im südwestlichen Afrika (mit zwei → Isolierten
Sprachen, Hadza und Sandawe, in Ostafrika). Größte Sprachen sind Nama (120000
Sprecher) und Sandawe (35000 Sprecher); die übrigen Sprachen sind teilweise im
Aussterben begriffen. Traditionelle Klassifizierung auf kulturanthropologischen Grundlage
in Khoikhoi (sogen. „Hottentotten”, Viehhirten) und San („Buschleute”, Wildbeuter);
linguistische Rekonstruktionen legen jedoch drei Sprachzweige (Süd-, Nord-, Zentralk.)
nahe. K-Sprachen waren früher über weite Teile des südlichen Afrika verbreitet und
wurden dann von den vordringenden Bantus und Kap-Holländern in Rückzugegebiete
gedrängt. – Chrakteristisch sind die sogen. → Klicks („Schnalzlaute”), die durch einige
benachbarte → Bantussprachen übernommen wurden und sonst in keiner Sprache als
Phoneme vorkommen. K.-Sprachen besitzen außergewöhnlich umfangreiche

23
Lautsysteme (oft weit über hundert Phoneme). Genus- oder Nominalklassensysteme, →
Konkordanz, komplexe Numerusbildung (u.a. Dual). Wortstellung: meist SOV.
Kiowa-Sprachen → Uto-Aztekisch
Kiswahili → Swahili
Klamath → Penute
Komanisch → Nilo-Saharanisch
Komi → Finno-Ugrisch
Koptisch → Ägyptisch
Kordofanisch. Sprachfamilie, zum → Niger-Kordofanischen gehörend, mit etwa 30 Sprachen
im Gebiet der Nuba-Berge, Sudan. Nominalklassen-Systeme wie in → Niger-Kongo-
Sprachen.
Koreanisch. Staatssprache Koreas mit ca. 60 Mio. Sprechern, deren genetische Zugehörigkeit
unklar ist; wahrscheinlich besteht eine Verwandtschaft mit den → Altischen Sprachen.
Kontinuierliche schriftliche Dokumente seit 1446 in der sogen. Han`gul-Schrift, eine aus
dem → Chinesischen entwickelte Silbenschrift, die wie die japanische Schrift zusammen
mit chinesischen logographischen Zeichen verwendet wurde. Zahlreiche Lehnwörter aus
dem Chinesischen. – Phonologie: Relativ komplexes Konsonantensystem mit drei
Artikulationsarten für stimmlose Plosive (einfach, aspiriert, glottalisiert). Zahlreiche
morphologische Veränderungen bei Vokalen und Konsonanten, relativ komplexe
Silbenstruktur. Abgesehen von der Phonologie, gleicht die Sprache weitgehend dem →
Japanischen, was vor allem auf den langen Kontakt der Sprachen zurückzuführen ist.
Kreolsprache [engl. creole „in Westindien geborener Europäer”, franz. créole; aus span. criollo
„eingeboren” (von span. criado, criar); lat. creare „schöpfen”]. K. sind ehemalige →
Pidgin-Sprachen, die nunmehr als voll ausgebaute und standarisierte Muttersprachen
fungieren; die funktionellen und grammatischen Einschränkungen, Vereinfachungen und
Reduktionen des Pidgins sind beseitigt. – K. sind hauptsächlich in Gebieten entstanden,
in denen die einheimische Bevölkerung von weißen Kolonialherren versklavt bzw. in
starke Abhängigkeit gebracht wurde; der soziale Anpassungsdruck führte vom
ursprünglichen → Bilingualismus (einheimische Sprache und pidginisierte europäische
Sprache) zum Pidgin-Monolingualismus und damit zum Verlust der früheren
Muttersprache, an deren Stelle die K. tritt. Die K. erfährt jeweils eine beträchtliche
Ausweitung und Veränderung der Grammatik wie des Wortschatzes. Nach BICKERTON
[1983] ist dies auf die angeborene Sprachfähigkeit des Menschen zurückzuführen, die
der relativ regellosen Pidgin-Sprachen grammatische Strukturen aufzwingt. Dies erklärt,
weshalb K.n allgemein eine ähnliche Grammatik aufweisen, worauf bereits H.
SCHUCHARDT um 1850 aufmerksam gemacht hat. – Die Bennenung erfolgt jeweils nach
der dominanten Sprache, aus der zumindest der größte Teil des Wortschatzes
genommen ist, z.B. frz. K. (Louisiana, frz. Guayana, Haiti, Mauritius), engl. K. (Hawaii),
holländische K. (Georgetown).
H. SCHUCHARDT [1882-1891]: Kreolische Studien. 9 Bde. Wien. – K. WHINNOM
[1965]: The origin of European-based-Pidgins and Creoles. In: Orbis 14, S.509-527. D.
BICKERTON [1983]: Roots of language. Ann Arbor. – A. BAUER [1987]: Pidgin und
Kreolsprachen. In: Soziolinguistik. Ed. v. U. Ammon, N. Dittmar u. K. J. Mattheier. 2 Bde.
1987/1988. S. 344-352. – I. HANCOCK [1987]: History of research on Pidgins and
Creoles. In: Soziolinguistik. op. cit. S.459-469. – J. HOLM.[1988-1989]: Pidgins and
Creols. 2 Bde. London.
Kroatoserbisch → Serbokroatisch
Kru-Sprachen → Kwa
Kurdisch. → Iranische Sprache mit zahlreichen Dialekten und ca. 10 Mio. Sprechern im Iran
und Irak, in der Türkei, in Syrien und der Sowjetunion. Das nah verwandte Belutschisch
(auch: Baluchi, 2 Mio. Sprecher) wird über weite Bereiche bis nach Pakistan gesprochen.
Kuschitisch [nach Kusch, Sohn des Ham]. Sprachfamilie des Afroasiatischen in Ostafrika mit
30 Sprachen und ca. 30 Mio. Sprechern, die sich in drei Gruppen (Ost–, Zentral–, Südk.)

24
gliedert; das sogen. Westk. ist vermutlich eine eigene Sprachfamilie (≡ Omotisch). Die
bedeutendsten Sprachen sind Oromo (auch Galla genannt, 15 Mio. Sprecher) und
Somali (Staatssprache Somalias, 6 Mio. Sprecher). Es handelt sich um Tonsprachen (2-3
Tonstufen); Töne dienen als grammatische Markierungsmittel (Genus, Numerus, Kasus,
Modus). Vokalharmonie. Teilweise äußerst komplexe Verbkonjugation (unterschiedliche
Paradigmen für Perfektiv, Imperfektiv, verschiedene Nebensatzformen). Wortstellung:
SOV, markierter Subjektskasus (teilweise mit Genitiv identisch), morphologische
Fokusmarkierung.
Kwa. Sprachzweig des ≡ Niger-Kongo mit ca. 80 Sprachen, gesprochen im west-afrikanischen
Küstengebiet; bedeutendste Sprachen: ≡ Yoruba (19 Mio. Sprecher) und ≡ Igbo (16 Mio.
Sprecher) in Nigeria, Akan (auch Twi-Fante, 9 Mio. Sprecher) in Ghana; eine wichtige
Untergruppe sind die Kru-Sprachen in Liberia. Spezifische Kennzeichen: Tonsprachen
(bis zu 4 Tonhöhen, z.T. Downstep), reiches Vokalsystem , Vokalharmonie, syntaktisch
isolierend, Tendenz zur Monosyllabizität, ≡ Serialverb-Konstruktionen, Wortstellung: SVO,
mit der Ausnahme des Ijọ im Niger-Delta (SOV).
Kwakiutl ≡ Salisch

K
Ladinisch ≡ Rätoromanisch
Langue d Oc ≡ Französisch
Langue d Oíl ≡Französisch
Lappisch. Gruppe von Uralischen, wahrscheinlich Finno-Ugrischen Sprachen im Norden
Skandinaviens, weniger als 30000 Sprecher in drei Haupt-Dialektgruppen. Erste
literarische Dokumente im 17. Jh.
Latein Ursprünglicher Dialekt der Landschaft Latium (Rom), neben dem Griech. älteste
bezeugte ideur. Sprache, die zum Sprachzweig des → Italischen zählt. Früheste Be-lege
(Inschriften, Namen) stammen aus der vorliterarischen Periode (600-240 v.Chr.); als
„Klassisches Latein” (Goldene Latinität) gilt die Zeit von 100 v. Chr. bis 14 n. Chr. In
spätantiker Zeit (200-600) bilden sich die (schriftlosen) Einzeldialekte der römischen
Provinzen aus (Vulgärlatein), die sich vor allem durch lexikalische und lautliche Verän-
derungen von der Literatursprache unterscheiden (Vulgärlatein); z.B. wird ursprünglich
als [k] gesprochenes {c} vor palatalen Vokalen zu [ts], vgl. [kik∂ro:] > [tsits∂ro:], „Cicero”.
Entsprechend seinem Verbreitungsgebiet in Italien und den römischen Pro- vinzen bildet
L. die Ausgangsbasis der heutigen romanischen Sprachen (→ Romanisch), das lat.
Alphabet wurde zur Weltverkehrsschrift. – Als „Mittellatein” bezeichnet man das in
Bildung, Kirche, Verwaltung und Rechtsprechung verwendete Lat. des Mittelalters, als
"„Neulatein"”das seit 15.Jh. durch die Humanisten neubelebte klassische Latein. – Zum
Einfluß des Lat. auf das Germ. (bzw. Dt.) vgl. → Entlehnung – Grammatische
Kennzeichen: Wortakzent (mit geringer Ausnahmen) auf der vorletzten Silbe (Pänultima);
Vokalquantität phonologisch relevant; synthetisch-flektierender Sprachbau (canto,
cantas, cantat) mit häufigem Zusammenfall der Formen (→ Synkretismus); kein Artikel
und Personalpronomen; freie (u.U. stilistisch motivierte) Wortstellung. – Zum
Strukturwandel vom Lat. zu den → Romanischen Sprachen vgl. → Französisch, →
Italienisch, → Spanisch, → Portugiesisch.
Lit.: K. STRECKER [1939]: Einführung in das Mittellateinische. 3. Aufl. Berlin. – J. B.
HOFMANN [1951]: Lateinische Umgangssprache. 4. Aufl. 1978. Heidelberg.
Lazisch → Südkaukasich
Leonesisch → Spanisch
Lettisch. Baltische Sprache mit ca. 1,5 Mio. Sprechern in Lettland. Religiöse Literatur seit der
Reformation, weltliche seit der Mitte des 18. Jh. Orthographie lateinisch mit Diakritika.
Schibboleth: <√>, <κ>, <Ă>,<Ĝ>. Akzent auf Erstsilbe. Lang- und Kurzvokale mit
distinktiven Intonationen (einschließlich Glottisenge) auch nach der Akzentsilbe. Reiche

25
Morphologie. Beim Verbum in der 3. Person (wie im Litauischen) keine Unterscheidung
zwischen Singular und Plural.
Lhasa-Tibetisch ≡ Tibeto-Burmanisch
Litauisch. Baltische Sprache mit ca. 2,5 Mio. Sprechern in Litauen. Religiöse Literatur seit dem
16. Jh., umfangreichere Profanliteratur seit dem 19 Jh. Orthographie lateinisch mit
Diakritika. Schibboleths: <⊕>, <ι>, <υ>. Akzent beweglich. Lang- und Kurzvokale mit
distinktiven Intonationen. Reiche Morphologie. Unterscheidung zwischen [ BESTIMMT]
beim attributiven Adjektiv. Wie im Lettischen flektivisches Futurum. In einigen Dialekten
Dualformen beim Nomen, Pronomen, Adjektiv und Verbum.
Livisch → Finno-Ugrisch
Logudoresisch → Sardisch
Lothringisch → Mittelfränkisch
Luba → Bantu
Luo → Chari-Nil-Sprachen
Luwisch → Anatolisch
Luxemburgisch → Mittelfränkisch
Lydisch → Anatolisch
Lykisch → Anatalisch

M
Maasai → Afro-Asiatisch, → Chari-Nil-Sprachen
Mabanisch → Nilo-Saharanisch
Madegassisch [Auch: Malagasy, frz. Malgache]. Gruppe von nahverwandten →
Austronesischen Sprachen auf Madagaskar; der Merina-Dialekt ist Amtssprache
Madagaskars (10 Mio. Sprecher). Reich entwickeltes Diathesensystem. Wortstellung:
VOS.
Makah → Salisch
Märkisch → Brandenburgisch
Magyarisch → Ungarisch
Maidu → Penute
Maipure → Arawakisch
Makah → Salisch
Makedonisch. (Auch: Mazedonisch). Südslaw. Sprache mit ca. 1,2 Mio. Sprechern in
Makedonien (Jugoslawien), o,1 Mio. in Nordgriechenland, seit 1945 standarisiert;
kyrillische Orthographie mit Schibboleths: <S>, <Ѓ>,<K>. Spezifische Kennzeichen: Bei
Mehrsilbern Akzent auf der drittletzten Silbe; drei verschiedene (nachgestellte) bestimmte
Artikel; pronominale Antizipation des determinierten Objekts.
Makro-Algonkisch → Algonkisch
Makro-Penute → Maya-Sprachen, → Penute
Makro-Siouanische Sprachen → Caddo, → Siouanisch
Malagasy → Madegassisch
Malaiisch → Austronesisch, → Indonesich
Malayalam → Drawidisch
Malayo-Polynesich → Austronesisch

26
Maltesisch → Arabisch, → Europäische Sprachen
Mam → Maya-Sprachen
Manchu/Mandschu → Tungusisch
Mandarin → Chinesisch
Mande. Sprachzweig des → Niger-Kongo mit ca. 25 Sprachen in Westafrika; bedeutendste
Sprachen: Bambara (Mali, 2,5 Mio. Sprecher), Mende (Sierra Leone, 1,2 Mio. Sprecher).
Im Unterschied zu anderen Niger-Kongo-Sprachen besitzen M.-Sprachen keine →
Nominalklassen; Reste eines alten Klassensystems sind jedoch noch in den
konsonantischen Anlautwechseln faßbar. Tonsprachen (Ton zur Markierung
grammatischer Kategorien), velarisierte Konsonanten (z.B. [kp] in Kpelle). Grammatische
Unterscheidung zwischen absoluten und relationalen Nomina (→ Relationaler Ausdruck,
→ Alienabel vs Nicht-alienabel). Entwicklung verschiedener Silbenschriften (→ Schrift).

Mansi → Finno-Ungrisch
Manx → Keltisch
Mapuche/Mapudungu → Andisch
Marathi. → Indische Sprache mit ca. 45 Mio. Sprechern, die stark unter dem Einfluß →
Drawidischer Sprachen (Kannada, telugu) stand.
Mari → Finno-Ugrisch.
Maya-Sprachen. Sprachfamilie Mittelamerikas mit 28 Sprachen, die sich in in vier Zweige
gliedern: Huastekisch, Yukatekisch, Westliches Maya, Östliches Maya. Größte
Einzelsprachen sind Quiché oder Achi ((0,7 Mio. Sprecher), Mam, Cakchiquel und
Kekchi (je o,4 Mio. Sprecher) in Guatemala und Yukatekisch in Yukatán (0,6 Mio.
Sprecher). Die Sprachen bilden eine areal geschlossene Gruppe mit Ausnahme des
Huastekischen im Norden und werden mit den → Penute-Sprachen Nordamerikas zum
Makro-Penute zu-
sammengefaßt. Besonders gut untersucht sind Jakaltekisch (Guatemala, 20000
Sprecher) und Tzeltal (Mexiko, 0,1 Mio. Sprecher); die allgemein anerkannte interne
Klassifikation stammt von T. Kaufman [1971]. – Spezifische Kennzeichen: Relativ
komplexes Konsonantensystem (glottalisierte Plosive, Affrikaten), einfaches
Vokalsystem, → Tonsprachen sind selten. Ausgeprägte Numeral-→ Klassifikatoren, die
u.a. in Artikeln auftreten. Das Verb kongruiert mit Subjekt und Objekt nach dem →
Ergativischen Muster (zwei Affix-Typen: A-Präfixe: Subjekt des transitiven Satzes; B-
Affixe: Subjekt des transitiven und Objekt des transitiven Satzes); daneben auch
akkusativische Systeme, wenn das Verb nicht im Präteritum oder in Nebensätzen steht.
Die A-Präfixe dienen auch als Possessivpräfixe bei Nomina: possessive
Satzkonstruktion. Wortstellung: meist VSO oder VOS. – Eigenständige Schriftentwicklung
(sogen. „Glyphen”, bis heute nur teilweise entziffert, vermutlich gemischt phonemisch-
ideographisch). Erste schriftliche Aufzeichnungen in einer spanisch beeinflußten
Orthographie datieren aus dem 16. Jh., besonders bekannt das Popol Vuh („Buch des
Rats”) in Quiché auf der Basis eines alten Codex.
Mazahua → Oto-Mangue-Sprachen
Mazedonisch → Makedonisch
Mecklenburgisch-Vorpommersch. Ostnddt. Dialektverband (Niederdeutsch) zwischen
Lübecker und Pommerscher Bucht. Sprachliche Hauptmerkmale sind: (a) Hebung der
mittleren Langvokale mndt. e:,ø:, o: zu i:, u:, u: vor r (vgl. i:a, u:a, hy:an „Ehre,Ohr,
hören”), (b) Monophthongierung des mndt. ei zu e: (vgl. de:t „tut”) und (c)
Diminutiwendung –ing .
Mende → Mande
Menomini → Algonkisch
Miao-Yao. Sprachfamilie Südostasiens mit vier Sprachen, in zahlreichen Sprachinseln von Süd-
china bis Thailand gesprochen. Größte Sprache ist Mien (Yao), ca. 1 Mio. Sprecher. P. K.
Benedict (1975) vermutet eine Verwandtschaft mit dem → Ausro-Tai.

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Mien → Miao-Yao
Min → Chinesisch
Mingrelisch → Südkaukasisch
Mitteldeutsch Zusammenfassende Bezeichnung für alle jene hochdt. Dialekte (→ Hoch-
deutsch) , in denen die (in der → Zweiten Lautverschiebung erfolgte) → Affrizierung
stimmloser Plosive lediglich den dentalen Plosiv ausnahmslos erfaßt (vgl. germ. tîd zu
mdt. tsait „Zeit”), wogegen der (ursprüngl. geminierte) labiale Plosiv im Inlaut generell
unverschoben bleibt (germ. appel – mdt. appel „Apfel”) und im Anlaut eine
Differenzierung zwischen westlichen und östlichen Dialektverbänden des M. eintritt:
Während im Westmdt.( → Rheinfränkisch, → Mittelfränkisch) auch der Anlaut
unverschoben bleibt (germ. pund – westmdt.pund „Pfund”), ist im Ostmdt. (→Thüringisch,
→ Obersächsisch, Schlesisch, Hochpreußisch) die durch die Lautver- schiebung
entstandene Affrikate pf zum Frikativ f vereinfacht (pfund zu ostmdt. fund). Dieser
sprachlichen Grenze entspricht weitgehend auch die Trennung zwischenge-nuin
„altdeutschen” Dialekten westlich der Saale (Westmdt. und Thüringisch) und öst- lich
davon gelegenen Siedeldialekten (Obersächsisch, Schlesisch, Hochpreußisch), die erst
im Zuge der deutschen Ostkolonisation zwischen dem 11. und 14. Jh. auf slaw. Substrat
entstanden sind. In den östlich von Oder-Neiße gelegenen Gebieten sind infolge der dt.
Aussiedlung nach 1945 heute nur mehr geringe Reste der deutsch- sprachigen
Bevölkerung vorhanden. (Vgl. Sprachenkarte).
Mittelfränkisch. Zusammenfassende Benennung für die beiderseits des Rheins gelege- nen
westmdt. Dialektgebiete, die nördlich vom → Niederdeutschen (→ Niederfränkisch),
südlich vom → Rheinfränkischen begrenzt werden. Die Zusammenfassung zu einer
Dialektgruppe begründet sich aus dem gemeinsamen suprasegmentalen Merkmal der
„Rheinischen Schärfung”, die für die charakteristische Wortintonation („rheinländisches
Singen”) in diesen Dialekten verantwortlich gemacht wird. Als Abgrenzung gegen das
Rheinfrk. gelten traditionellerweise die Isoglossen von Mfrk. dat, le:f, fest vs. rheinfrk.
das, li:b, fescht „das”, „lieb”, „fest”. – Innerhalb des M. können zwei große
Dialektverbände unterschieden werden: (a) Die nördliche Gruppe (mit einem breiten
Übergangsbereich zum Niederdt.) bildet das Ripuarische, das als Spra-che des Kölner
Kulturraumes (beidseitig des Rheins) nördliche Eifel, Aachener Land, Ruhr- und
Erftgebiet und das Bergische Land umfaßt. (b) Das Moselfrk. als südlichere
Dialektgruppe umfaßt das Moselgebiet mit dem westl. Lothringen, Luxemburg sowie
rechtsrheinisch Westerwald und Siegerland. – Sprachlich unterscheidet sich das
Moselfrk. vom Ripuarischen durch die Verschiebung von westgerm p nach Liquid („dorp /
dorf-Linie”) und durch die Erhaltung von nd /nt-Phonemfolgen bzw. von auslautendem n
gegen deren Velarisierung im Ripuarischen (vgl. rip. venηe, honηk, weη, „finden”, „hund”,
„Wein”).
Mittelpommersch → Brandenburgisch
Miwok → Penute
Mixe → Mixe-Zoque
Mixe-Zoque. Sprachfamilie Mittelamerikas mit 8 Sprachen; größte Sprachen sind Mixe (78000
Sprecher) und Zoque (38000 Sprecher) in Südmexiko. Grammatische Kennzeichen:
Relativ einfaches Konsonantensystem, komplexes Vokalsystem (9 Vokale, dazu Längen-
distinktion bis zu 3 Längen), Vokale auch glottalisiert und aspiriert (komplexe Silben-
Nuklei). komplexe Morphologie.
Mixtekisch → Oto-Mangue-Sprachen
Mohave → Hokanisch
Mongolische Sprachen. Zweig des → Altaischen Sprachstammes mit 12 Sprachen und 3 Mio.
Sprechern in Zentralasien. Das Klassische Mongoloisch, mit einer schriftlichen Tradition
seit dem 13. Jh., dient noch heute als Schriftsprache für die nah verwandten Sprachen.
Mon-Khmer-Sprachen. Sprachfamilie Südostasiens mit ca. 140 Sprachen, dem → Austro-
Asiatischen Sprachstamm zugehörend; die bedeutendsten Einzelsprachen sind →
Vietnamesich (50 Mio. Sprecher) und Khmer (Kambodschanisch, 7 Mio. Sprecher). Zum

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Teil alte Schrifttraditionen (Mon und Khmer auf der Basis indischer, → Vietnamesisch auf
der Basis der → Chinesischen Schrift)
Mordwinisch → Finno-Ugrisch
Moselfränkisch → Mittelfränkisch
Mossi → Gur
Munda. Zum → Austro-Asiatischen Sprachstamm zählende Sprachfamilie, deren 10 Sprachen
in einigen Sprachinseln in Indien gesprochen werden; größte Einzelsprache ist Santali (4
Mio. Sprecher). Morphologie und Syntax sind durch andere indische Sprachen beeinflußt
(neben Prä- und Infixen auch Suffixe, Wortstellung: SOV). Zahlreiche
Lehnwortbeziehungen.
Muskogisch. Zweig der → Golfsprachen Nordamerikas mit ca. 10 Sprachen im Südosten der
USA; möglicherweise zählen eine Reihe weiterer ausgestorbener Sprachen dazu.
Beteutendste Sprache ist heute das Chocktaw (10000 Sprecher). Spezifische
Kennzeichen: Drei Reihen von Pronominalaffixen, die unterschiedlichen semantischen
Rollen (→ Thematische Relationen) zugeordnet werden können (Agens; Patiens und
Träger einer Eigenschafts; Rezipient), so daß die M.-Sprachen zu den → Aktivsprachen
zählen. Wortstellung: SOV.

N
Na-Dené. Sprachstamm Nordamerikas von über 20 Sprachen, im Nordwesten und Süden des
Halbkontinents; größte Sprache ist das → Navaho (140000 Sprecher). Die N.-Sprachen
gliedern sich in Haida (300 Sprecher) und Tlingit (2000 Sprecher) und die große
athapaskische Sprachfamilie. – Spezifische Kennzeichen: Tonsprachen (meist zwei
Töne) mit oft komplexen Konsonantensystemen, viele Nomina sind aus Verben
abgeleitet, Unterscheidung zwischen → Statischen vs. Dynamischen Verben, reiches
Aspekt- und Diathesensystem, Tendenz zur → Polysynthese und Deskriptivität.
Nahali → Isolierte Sprachen
Nahko-Daghestanisch → Nordost-Kaukasisch
Nahuatl. Das Klassische N., eine → Uto-Aztekische Sprache, war die Sprache des Tolteken-
und Aztekenreiches; unmittelbare Verwandte dieser werden heute in Mexiko von ca. 1,2
Mio. Sprechern gesprochen. Das Klassische N. ist vor allem durch die Aufzeichnungen
unter Anleitung spanischer Missionare des 16 Jh. in mehreren Codices überliefert, v.a.
durch Bernhardino de Sahagún. Bereits 1528 erschien mit den „Annalen von Tlatelolco”
das erste gedruckte Buch in einer spanisch beeinflußten Orthographie. – Spezifische
Kennzeichen: Relativ einfaches Lautsystem. Schwache Nomen-Verb-Distinktion; Prädi-
kate in nominaler Verwendung haben Nominalisierungssuffix –tl und können stets präda-
tiv verwendet werden; in nicht-prädikativer Form werden sie mit einem „Artikel” in–
versehen. Starke Tendenz zu → Inkorporation und Nominal-Komposition. Komplexe
Verbmorphologie (4 Verbalklassen mit unterschiedlichen Paradigmen).
Nakh-Gruppe → Nordost-Kaukasich
Nama → Afro-Asiatisch, → Khoisan
Navaho. [Auch: (span.) Navajo] → Na-Dené-Sprache der Athapaskischen Familie, zu den
Apachen-Sprachen gehörend, mit ca. 140000 Sprechern, v.a. in Arizona. Spezifische
Kennzeichen: Tonsprache (Hoch- und Tiefton) mit komplexem Konsonantensystem. Die
Verben sind morphologisch komplex (Subjekt-Kongruenz, Markierung von Aspekt,
Modus, Evidentialität u.a.); zahlreiche Portmanteau-Morpheme und suppletive Bildungen.
Das Numerussystem ist komplex, mit Dual und am Verb markierten Pluralformen, die
wiederholte Ereignisse oder Verschiedenheit der Partizipierenden ausdrücken. Wie auch
für andere Apache-Sprachen charakteristisch, verfügt N. über → Klassifizierende Verben
sowie ein → Switch-Reference-System (Unterscheidung zwischen proximaten und
obviativen Personalpronomina, vgl. → Obviation).
Nenets → Uralisch

29
Nepali → Indisch
Niederdeutsch [Auch: Platt(deutsch)]. Bezeichnung für die Gesamtheit aller von der Zweiten
Lautverschiebung unberührt gebliebenen norddt. Dialekte, die als weitere sprachliche
Charakteristika bestimmte strukturelle Gemeinsamkeiten im Vokalismus und in der
Morphologie (verbaler Einheitsplural) aufweisen. Während die Nord- und Nord-ostgrenze
des N. gegen das Dänische bzw. das Friesische klar gezogen werden kann, ist im
Westen lediglich die unterschiedliche standardsprachliche Überdachung als Trennlinie
zwischen dt. und niederländ. Dialekten (Staatsgrenze Bundesrepublik Deutchland –
Niederlande) anzusehen, obwohl dies vom sprachlichen Befund her nicht gerechtfertigt
erscheint: Dialektgrenzen und politische Grenzen sind nicht kongruent. Auch die
Festlegung der Südgrenze ist problematisch, da die einzelnen Iso- glosen nicht immer
strikt aneinander gekoppelt sind.. Auch die Festlegung der Südgrenze ist problematisch,
da die einzelnen Isoglosen nicht immer strikt aneinander gekoppelt sind. So findet sich
z.B. am Niederrhein ein Interferenzraum, der im Bereich des Konsonantismus nddt., im
Bereich des Vokalismus und der Morphologie (Fehlen des verbalen Einheitsplurals) hdt.
Züge aufweist (→ Niederfränkisch); ein weiterer nddt-hdt. Interferenzraum ergibt sich
östlich der Saale, wobei hier die Ursache in einer zunehmenden „Verhochdeutschung”
ursprünglich nddt. Gebiete zu suchen ist (→ Branderburgisch, → Obersächsisch). – Der
nddt. Sprachraum zerfällt in einen westlichen und einen östlichen Dialektverband;
während die westnddt. Dialekte (Nordniedersächsisch, Westfälisch, Ostfälisch; vgl. →
Niedersächsisch) genuin „altdeutsche” Dialekte sind, handelt es sich bei den ostnddt.
Dialekten (→ Mecklenburgisch-Vorpommersch, Branderburgisch, Ostpommersch,
Niederpreußisch) um Siedeldialekte; die erst im Zuge der dt. Ostkolonisation des 12. und
13. J.h. auf slaw. und balt. Substrat entstanden sind. Die Trennlinie zwischen diesen
beiden Gruppen verläuft von Lübeck bis Merseburg entlang der Elbe und Saale;
sprachlich entspricht dieser Grenze die Unterscheidung zwischen dem (West-Nddt)
verbalen Einheitsplural auf –(e)t (wi, gi, se mak(e)t und dem (Ost-Nddt) auf –(e)n. – Aus
dieser historischen Situation sind auch zahlreiche Eigenheiten der ostnddt.
Sprachlandschaft bis 1945 erklärbar; so z.B. die Tatsache einer hdt. Sprachinsel
(Hochpreußisch) immitten nddt. Umgebungin der Danziger Bucht aufgrund hdt.
Siedlerherkunft, die räumliche Unterbrechung des ostnddt. Sprachgebiets durch das
Poln. slaw. Sprachinseln innerhalb des Dt. (vgl. → Sorbisch). Aufgrund der deutschen
Aussiedlung nach 1945 sind alle östlich der Oder (in Polen und der UdSSR) gelegenen
dt. Dialektgebiete heute nicht mehr existent.
Lit.: J. GOOSSENS [1979]: Niederdeutsche Sprache und Literatur. Hamburg. – D.
STELMACHER [1981]: Niederdeutsch. Formen und Forschungen.Tübingen.
Niederfränkisch. Niederrheinische Dialektverband (→ Niederdeutsch), der die Grundlage des
→ Niederländischen in Belgien und (zum überwiegenden Teil) auch in den Niederlanden
bildet: Nur der von der dt. Hochsprache überdachte Teil (Gegend von Cleve) wird zu den
dt. Dialekten gezählt. Sprachlich zeigt das N.eine Mischung aus hdt.-frk. (Vokalismus;
Morphologie: Fehlen des nddt. verbalen Einheitsplural) und nddt. Elementen
(Nichtdurchführung der → weiten Lautverschiebung).
Niederländisch [engl. Dutch - Flemish. – Auch: Holländisch] Aus dem (Westnieder) Frän-
kischen entwickelte westgerm. Sprache mit den ursprünglichen Dialektvarianten →
Flämisch (im Süden) und Holländisch (im Norden). „Nederlands” ist Amtsprache (ca. 20
Mio. Sprecher) in den Niederlanden und ihren Überseegebieten und als (belgisches)
„Flämisch” seit 1922 neben Französisch zweite Amtsprache in Belgien; seine an den
Grenzen zum dt. Sprachgebiet existierenden Dialektvarianten weisen größte
Ähnlichkeiten mit den grenznahen dt. Dialekten auf. – Das aus n. Dialekten des 17. Jh.
hervorgegangene → Afrikaans hat sich zur selbständigen Tochtersprache ent-wickelt.
Älteste (mitteln.) literarische Zeugnisse aus dem südlichen, limburgisch-brabantischen
Raum (HENRIC VAN VELDEKE, 12. Jh.). Seit dem 17. Jh. gilt der Dialekt Amsterdams als
schriftsprachliche Norm (vgl. die offizielle Bibelübersetzung der Sta- tenbijebel, 1626-
1637), während N. im Süden nur noch als Dialektvariante Vlaams „Flämisch” gesprochen
wird. Mit der Unterzeichnung der Nederlandse Taalunie (Niederländ. Sprachunion, 1980)
wurden jahrhundertelange Bemühungen um eine Ei- nigung der Niederlande und
Belgien offiziell bestätigt. – Ursprünglich vom Hoch-deutschen kaum weiter entfernt als
das Niederdeutsche zeigt N. nach wie vor eine große Nähe zum Dt., hat aber im

30
Wortschatz zahlreiche archaische Elemente be- wahrt, die im Dt. untergegangen sind
(z.B. oorlog „Krieg”, geheugen „Gedächtnis”, eeuw „Jahrhundert”). Das nominale
Flexionssystem des N. ist im Vergleich zum Dt. stark eingeschränkt, der Konjunktiv ist bis
auf wenige alte Reste geschwunden.
Lit.: G. S. OVERDIEP [1949: Stilistische Grammatica van het moderne Nederlands. 2.
Aufl. Zwolle. – J. FRANCK [1910]: Mittelniederländische Grammatik. Nachdruck Arnhem
1967. – P. BRACHIN [1987]: Die niederländische Sprache. Hamburg.
Niederpreußisch → Niederdeutsch
Niedersächsisch. Westnddt. Dialektverband im Nordwesten des dt. Sprachgebietes ( →
Niederdeutsch), der sich in drei größere Dialektgruppen differenzieren läßt: (a) West-
fälisch: Konservativste Dialektgruppe , die die ursprünglich im gesamten Nddt.
vorhandene Unterscheidung zweier langer (velaren vs. palataler) a-Laute bewahrt (vgl.
westfäl. schηp „Schaf” vs. ma:ken „machen”). (b) Ostfälisch: Weist in den obliquen
Kasusformen des Personalpronomens einen Einheitskasus nach dem Akkusativ auf
(dagegen einheitliche Dativformen in anderen Dialekten); vgl. mik, dik, üsch, jük (gegen
sonstiges mi, di, us, ju). (c) Nord-N.: Durch starke Vereinfachungen im Vo- kalsystem und
in der Morphologie gekennzeichnete Dialektgruppe; so sind etwa vom ursprüngl.
altsächs. Kurzvokalsystem (acht Vokale) nur mehr drei erhalten. (Vgl. Sprachenkarte)
Niger-Kongo. Große Sprachfamilie des → Niger-Kordofanischen, postuliert 1927 von D.
Westermann und 1949/1954 von J. H. Greenberg, im wesentlichen bereits 1854 erkannt
von S. Koelle. Es werden sechs Zweige unterschieden: Westatlantisch, → Mande, → Gur,
→ Kwa, → Benue-Kongo, → Adamawa-Ubangi, wobei Kwa und Benue-Kongo heute zu
einem Zweig, Benue-Kwa, zusammengefaßt werden. Es handelt sich fast durchweg um
→ Tonsprachen. → Nominalklassensysteme sind weit verbreitet.

Niger-Kordofanisch. Sprachstamm Afrikas mit mehreren hundert Einzelsprachen und ca. 300
Mio. Sprechern, erstmals 1963 von J. H. Greenberg postuliert. Gliedert sich in zwei
Familien, → Niger-Kongo, und dem wesentlich kleineren → Kordofanisch. Möglicherweise
bilden die → Mande-Sprachen, die dem Niger-Kongo zugerechnet werden, und die
Kadugli-Sprachen, die dem → Kordofanischen zugerechnet werden, eigene Zweige.
Wichtigste Gemeinsamkeit sind die ausgeprägten → Nominalklassensysteme.
Nilo-Saharanisch. Von J. H. Greenberg [1963] postulierter Sprachstamm mit zahlreichen, areal
oft nicht zusammenhängenden Sprachen im zentralen Afrika. Ein überzeugender Nach-
weis der Zusammengehörigkeit der Sprachen steht noch aus. Als Sprachzweige werden
angenommen: → Songhai, → Saharanisch, Mabanisch (4 Sprachen im Tschad),
Komanisch (6 Sprachen in Äthiopienund im Sudan), Fur (eine relativ isolierte Sprache im
Sudan) und die große Gruppe der → Chari-Nil-Sprachen.
Nilotisch → Chari-Nil-Sprachen
Nootka → Salisch
Nord- und Mittelamerikanische Sprachen. Vor der Kolonialisierung wurden in Nordamerika
ca. 200-300 Sprachen gesprochen (bei ca. 1,5 Mio. Bewohnern), die sich in zahlreiche
Sprachfamilien und → Isolierte Sprachen gliedern lassen. Der erste wichtige
Klassifikationsversuch von J. W. Powell [1891] nimmt aufgrund von Wortlisten-
Vergleichen 58 Sprachfamilien an. Unter der Herausgeberschaft F. Boas (1858-1942)
erschien 1911 der erste Band des Handbook of American Indian Languages mit
detaillierten Beschreibungen einzelner Sprachen, die Einfluß auf die Entstehung des
amerikanischen Strukturalismus ausübten. Während E. Sapir 1929 sechs große
Sprachstämme annahm, hat man in der Folgezeit Sapirs Gruppierungen zum Teil wieder
aufgegeben zugunsten kleinteiliger, aber sicherer Klassifikationen. L. Campbell/M. Mithun
[1979] setzen vorsichtigerweise 32 Sprachfamilien und 30 isolierte Sprachen an.
Greenberg [1987] hingegen faßt alle Sprachen Nord-, Mittel- und Südamerikas mit
Ausnahme der → Na-Dené-Sprachen und des → Eskimo-Aleutischen zu einem großen →
Amerindischen Sprachstamm zusammen. Die Sprecher des Amerindischen stellen
demnach die älteste Schicht von Einwanderern dar, gefolgt von den Sprechern der Na-
Dené-Sprachen und des Eskimo-Aleutischen. In Mittel-
amerikawerden heute ca. 70 einheimische Sprachen von insgesamt über 7,5 Mio.
Sprechern gesprochen. Die Forschungsgeschichte hebt mit den Missionaren im 16. und

31
17. Jh. an (Grammatiken, Wörterbücher, Entwicklung von Orthographien und Sammlung
von Texten). Erste Klassifikationsversuche durch L. Hervás y Panduro (1800/1805), F. Pi-
mentel (1874) und Ch. K. Thomas/A. Swanton (1911). Die neuere linguistische
Forschung setzt um 1930 ein. Die Zahl der zu postulierenden Sprachstämme ist unklar,
da viele Gruppierungen kontrovers sind; J. A. Suarez [1983] nimmt 7 Sprachfamilien und
7 isolierte Sprachen an.
Nordgermanisch → Skandinavisch
Nordisch → Skandinavisch
Nordost-Kaukasich. [Auch: Nakho-Daghestanisch]. Sprachfamilie im nordöstlichen Kaukasus,
die aus der kleineren Nakh-Gruppe (3 Sprachen, mit Tschetschenisch, 0,7 Mio.
Sprecher) und der größeren Daghestan-Gruppe (ca. 30 Sprachen, größte Sprache
Avarisch, 0,5 Mio. Sprecher) besteht. Phonologie: Relativ reiches Vokalsystem,
glottalisierte und teilweise pharyngalisierte Konsonanten. Reiches Genussystem (bis zu 8
Genusklassen). Reiches Kasussystem (→ Ergativ).
Nordwest-Kaukasisch. [Auch: Abchasisch-Adygheisch]. Sprachfamilie im nordwestlichen
Kaukasus mit 0,6 Mio. Sprechern und den 5 Sprachen: Abchasisch, Abaza, Adygheisch,
Kabardisch und dem nahezu ausgestorbenen Ubychisch in der Türkei. Die Sprachen sind
bekannt für ihr sehr einfaches Vokalsystem (es werden nur zwei Vokale postuliert), dem
ein sehr reiches Konsonantensystem mit bis zu 80 Lauten gegenübersteht. Einfaches
Kasussystem (→ Ergativ), komplexe Verbkonjugation und Verbkongruenz. Genussystem
(Maskulin, Feminin, Impersonal).
Norwegisch. Nordgerm. (skandinav.) Sprache mit 4,5 Mio. Sprechern, die seit 1907 aus zwei
offiziell gleichberechtigten Landessprachen besteht: Bokmål „Buchsprache” (früher:
Ricksmål „Reichssprache”, eine Art norwegisiertes Dänisch, vgl. Naes), gesprochen von
20 Prozent der Bevölkerung, vor allem in mittleren und westl. Teilen des Landes, und
Landsmål (heute: Nynorsk „Neu-Norwegisch”, vgl. Beito). Ursachen für diese
Zweisprachigkeit sind u.a. früher fremdsprachlicher Einfluß von Niederdeutsch,
Schwedisch und Dänisch, welches 1397 als Verwaltungssprache, 1739 als
Unterichtssprache zugelassen wurde. Seit 1892 sind beide Sprachen im Schulunterricht
gleichberechtigt; der sprachenstreit ist trotz mehrerer Reformversuche nicht beigelegt. –
Grammatische Kennzeichen: Beiden Varianten gemeinsam sind
bedeutungsunterscheidende Worttöne; während im Bokmål (wie im Dän. und Schwed.)
die nominalen Genus-Kategorien Maskulin und Feminin in der maskulin markierten Form
zusammengefallen sind (neben Neutrum) verfügt das Landsmål darüber hinaus auch
noch über ein feminines Paradigma; SVO-Wortstellung im Haupt- und Nebensatz.
Nubisch → Chari-Nil-Sprachen
Nuoresisch → Sardisch

O
Oberdeutsch. Zusammenfassende Bezeichnung für jene hdt. Dialekte (→ Hochdeutsch), die
die → Zweite Lautverschiebung vollständig durchgeführt haben. Zum Unterschied vom →
Mitteldeutschen ist hier generell auch der labiale Plosiv p zur entsprechenden Affrikate pf
verschoben (pund, appel > pfund, apfel); als Diminutivsuffix wird –el / –erl bzw. –le / –li
verwendet (gegen mdt. und nddt. –chen / –ken). – Das O. wird üblicher-weise in drei
Dialektverbände untergliedert: → Alemannisch, → Bairisch, → Ostfränkisch; daneben wird
jedoch auch eine Zusammenfassung von Südfrk. (ein vom Ostfrk. abzutrennender
rheinfrk.-ostfrk.-alemann. Interferenzraum), Ostfrk. und Nordbair. zu einem Verband
„Nordoberdeutsch” vorgeschlagen. (Vgl. Strassner 1980).
Lit.: F. Kauffmann [1890]: Geschichte der schwäbischen Mundart im Mittelalter und in der
Neuzeit.Straßburg. – K. Bohnenberger [1953]: Die alemannische Mundart. Tübingen.– H.
Steger [1968] Sprachraumbildung und Landesgeschichte im östlichen Franken. Heustadt,
Aisch. – E. Strassner [1980] Nordoberdeutsch. In: Lexikon der Germanistischen
Linguistik. S. 479-482. Herausgegeben vonH. P. Althaus, H. Henne und H. E. Wiegand.
2. Aufl. Tübingen.

32
Obersächsisch. Ostmdt. Dialektverband im Südosten der (ehemaligen) DDR (→ Mitteldeutsch).
Großräumige sprachliche Unterschiede zwischen nördlichem, mittlerem und südlichem
Teil erlauben trotz vielfältiger Interferenzen und Wandlunserscheinungen Rückschlüsse
auf die unterschiedliche Herkunft der Siedler (11.-13. Jh.); die Tatsache, daß dieses
Gebiet bis ins 18. Jh. zweisprachig war (slaw. als Sprache der ursprüngl.
Landbevölkerung), bzw. die heute noch existierende slaw. Sprachinsel in der Lausitz (→
Sorbisch) weisen auf die Relevanz des slaw. Substrats hin. – Sprachlich finden wir im
Süden einen obdt./ostfrk. Interferenzraum, im Norden einen breiten, sich weiter
ausdehnenden Übergangsbereich zum Nddt. (→ Brandenburgisch), der vielfach als
eigene Dialektregion („Nordobersächsisch-Südmärkisch”) klassifiziert wird; der
Zentralraum des „Meißnischen” (Meißen – Dresden) stellt eine Art Ausgleichsvarietät dar.
Ojibwa → Algonkisch
Okanogon → Salisch
Okzitanisch. Galloromanische Sprache (Romanisch) Südfrankreichs etwa südlich der Linie
Garonne-Grenoble. Die markante Gliederung des galloromanischen Sprach-raumes wird
u.a. auf die intensivere fränkische Besiedlung Nordfrankreichs zurück-geführt (→
Superstrat). Im Mittelalter bedeutende Zivilisationssprache, wurde das O. durch das
dominierende Französisch in seinem Gebrauch zunehmend eingeschränkt. Seit dem 19.
Jh. gibt es verschiedene Bewegungen zur Erneuerung des O. als Literatur- und
verkehrssprache (F. Mistral, L. Alibert). Das O. läßt sich in eine nordo. und eine mittelo
(languedokisch, provenzalisch) Dialektgruppe aufteilen; eine Sonderstellung nimmt das
vergleichsweise eigenständige Gascognische ein. Die Zahl der heute noch aktiven
Sprecher liegt bei etwa 2 Mio.
Lit.: L. Alibert [1935]: Grammatica occitana. Toulouse. – G. Kremnitz [1981]: Das
Okzitanische, Sprachgeschichte und Soziologie. Tübingen
Omotisch. Von H. Fleming 1969 postulierter, ostafrikanischer Sprachzweig des → Afro-
Asiatischen, früher als „Westkuschitisch” dem → Kuschitischen zugerechnet. Etwa zwei
Dutzend Sprachen, ca. 1,3 Mio. Sprecher.
Oneida → Irokesisch
Oromo → Kuschitisch
Ossetisch → Iranisch
Ostfränkisch. Im Süden an das Alemannische , im Osten an das → Bairische anschlie-ßender
Dialektraum, der trotz seiner Übergangsstellung zum → Mitteldeutschen noch den obdt.
Dialekten zuzurechnen ist (→ Oberdeutsch). Sprachlich bilden die O. Dialekte weniger
aufgrund eigener spezifischer Merkmale als vielmehr aufgrund spezifischer Unterschiede
zu den benachbarten Dialektgebieten eine eigene Gruppe; sie werden verschiedentlich
auch mit dem Nordbair. zum Nordobdt. zusammengefaßt. Zu den wenigen gemeisamen
Merkmalen zählen das Fehlen von Fortis-Konsonanten p, t aufgrund der binnendt.
Konsonantenschwächung (gegen das Bair.); der Monophtong â für mhd. ei (schwäb. oi,
bair. oa, oi, vgl. gla:, ha:z „klein”, „heiß”) und das Fehlen eines verbalen Einheitsplurals
wie im Schwäb.
Ostjakisch → Finno-Ugrisch
Ostpommersch → Niederdeutsch
Oto-Mangue-Sprachen. Sprachstamm Mittelamerikas mit ca. 25 Sprachen, der nach J. A.
Suarez [1983] aus 8 Zweigen besteht, gesprochen in Zentralmexiko mit Ablegern in
Nicaragua. Größte Sprachen sind Otomi und Zapotekisch (je 0,4 Mio. Sprecher),
Mixtekisch (0,3 Mio. Sprecher) und Mazahua (0,3 Mio. Sprecher). Typisch für O.-M.-
Sprachen sind relativ komplexe Lautsysteme. Es handelt sich meist um → Tonsprachen
(v.a. in der mexikanischen Provinz Oaxaca) mit bis zu 5 distinktiven Tönen (im Usila
Chinantekisch); es kommen Register- und Konturtöne, → Downstep und Upstep vor, und
die Tonalität hat teilweise die Ausbildung von Pfeifsprachen ermöglicht. Relativ einfache
Morphologie, kaum Derivation, keine Kasus- und kaum Numerus-Distinktionen. Das Verb
ist eher komplex, mit Aspekt- und Person-Affixen. Einige mixtekische Sprachen haben →

33
Nominalklassen-Systeme.
Wortstellung: meist VSO oder SVO, auch VOS und SOV kommen vor.
Otomi → Oto-Mangue-Sprachen
Ozeanische Sprachen. Sammelbezeichnung für die Sprachen der südostasiatischen Inseln,
Neuguineas, Australiens und der pazifischen Inseln. Die wichtigsten
Sprachgruppierungen in diesem Gebiet sind das → Austronesische, ein Sprachstamm,
der sich über nahezu den gesamten Pazifik, die südostasiatischen Inseln und bis nach
Madagaskar erstreckt und wahrscheinlich mit südostasiatischen Sprachstämmen
verwandt ist; die → Australischen Sprachen, ein Sprachstamm, der die Sprachen
Australiens umfaßt, und die → Papua- oder Indo-Pazifischen Sprachen , die zahlreiche
Sprachfamilien auf Neuguinea und benachbarten Inseln umschließen, deren
Verwandtschaft teilweise noch nicht geklärt ist. Die Forschung hat sich zunächst den
austronesischen Sprachen zugewendet,
während die heute forcierte Untersuchung australischer und indo-pazifischer Sprachen
erst seit den 60er Jahren intensiv betrieben wird.

P
Páez → Chibcha-Paez
Paläo-Sibirische Sprachen. Kein etablierter Sprachstamm, sondern eine Gruppe von
kleineren Sprachen im Nordosten Asiens. Neben den Sprachen Gilyak (Nivkh, 2200
Sprecher) und Jukagirisch rechnet man die Tschuktschisch-kamtschadalische
Sprachfamilie dazu. Ihre bedeutendste Sprache Tschuktschisch (11500 Sprecher) ist
eine → Ergativsprache. Das am Jennissej gesprochene Ket (1200 Sprecher) ist
typologisch ganz abweichend (→ Tonsprache, sehr komplexe Verbmorphologie).
Palaisch → Anatolisch
Pali → Birmanisch
Pama-Nyunga-Sprachen → Australische Sprachen
Panjabi. → Indische Sprache mit ca. 45 Mio. Sprechern in Indien und Pakistan. Es handelt sich
um eine → Tonsprache. Drei Schriftsysteme sind im Gebrauch (Gurumukhi, → Persisch,
Devanâgarî).
Panoanisch. Sprachfamilie Südamerikas mit ca. 50 Sprachen, postuliert von J. H. Greenberg
Papua-Sprachen. Sammelbezeichnung für ca. 760 Sprachen (mit ca. 3 Mio. Sprechern) auf
Neuguinea und benachbarten Inseln; bedeutendste Sprache ist Enga (150000 Sprecher
im westlichen Hochland von Papua-Neuguinea). Es ist noch nicht gesichert, ob alle
Papua-Sprachen einem einzigen Sprachstamm, dem Indo-Pazifischen, zugehören, wie
es J. H. Greenberg 1961 postuliert hat. Abgesehen von einigen Ausnahmen setzte die
Erforschung der P.-Sprachen erst nach 1950 ein. Heute sind erste gute Grammatiken
verfüg-
bar, und die Klassifikation der stark divergierenden Sprachen schreitet rasch voran. –
Spezifische Kennzeichen: Komplexe Verben (Markierung von Person, Tempus, Aspekt,
Modus, Richtung, Umstände der Handlung, Emphasis, Satzmodus u.a.). Ausgeprägte ≡
Switch Reference-Systeme. ≡ Nominalklassensysteme (bis zu 10 Klassen) mit ≡
Konkordanz-Erscheinungen. Es handelt sich häufig um ≡ Ergativsprachen. Wortstellung:
meist SOV.
Partisch ≡ Iranisch
Pashto. Iranische Sprache in Pakistan und Afghanistan (ca. 10 Mio. Sprecher); Staatssprache
Afghanistans. Die Sprache ist phonologisch und morphologisch komplexer als das
Persische und ist im Präteritum ergativisch Strukturiert (≡ Ergativ). Wortstellung: strikt
SOV.
Pennsilfaanisch ≡ Pennsylvaniadutch.
Pennsylvaniadeutsch ≡ Pennsylvaniadutch

34
Pennsylvaniadutch [Auch: Pennsilfaanisch, Pennsylvaniadeutsch]. Auf mitteldeutschen
Dialekten, insbesondere Pfälzisch, beruhende Sprachvariante in Nordamerika, die heute
von ca. 700000 Nachkommen der im 18. Jh. aus dem Rheinland und der Pfalz in den
Raum von Philadelphia eingewanderten Pietisten gesprochen wird. Es wird in der
Umgangs- und Kultsprache, aber auch in der Volksdichtung mündlich und schriftlich
verwendet. Die amerikan. Bezeichnung „Dutch” ist eine inkorrekte lautliche Wiedergabe
von „deutsch”, sie hat in diesem Zusammenhang keinerlei Beziehung zu engl. dutch
„niederländisch”.
Penute. Sprachstamm im Westen Nordamerikas, dessen Rekonstruktion noch zweifelhaft ist.
Es handelt sich um über ein Dutzend Sprachen mit selten mehr als 2000 Sprechern;
größte Sprachen sind Tsimshian in Kanada B. C., Klamath in Oregon sowie Maidu und
Miwok in Kalifornien. „Makro-Penute” ist eine wesentlich größere Einheit, die auch die ≡
Golfsprachen und mittelamerikanische Sprachen wie ≡ Maya mit einschließt. –
Spezifische Kennzeichen: Komplexe Konsonantensysteme, typischerweise mit einer
Reihe von glottalisierten Plosiven, auch Implosive kommen vor. Vokalharmonie. Reiches
Kasussystem, teilweise ergativisch (≡ Ergativ), komplexe Verben (Derivation, Diathesen,
Aspekt-, Aktionsart- und Modusmarkierungen, aber selten Kongruenz). Morphologischer
Typ: flektierend (es kommen Reduplikation und Wurzelflexion vor). Teilweise Dualformen
im Pronominalsystem; ≡ Nominalklassen. Relativ freie Wortstellung.
Persisch. [Auch: Farsi]. Größte Iranische Sprache (37 Mio. Sprecher), Staatssprache des Iran,
darüber hinaus Sprecher in Afghanistan (5 Mio. Sprecher, dialekt: Dari) und der
Sowjetunion (2,2 Mio. Sprecher, Dialekt Tadschikisch). Das Neupersische, von dem erste
Dokumente aus dem 8. Jh. stammen, ist keine unmittelbare Fortsetzung eines mittel-
iranischen Dialekts. Die Sprache stand stark unter arabischem Einfluß. Um 1300
Herausbildung eines überregionalen Standards (Klassisches P.) mit umfangreicher
Literatur, zugleich Hofsprache im Ottomanenreich und in Nordindien (Mogul-Könige). Es
wird die arabische Schrift mit einigen zusätzlichen Zeichen verwendet. Spezifische
Kennzeichen: Relativ einfaches Lautsystem. Morphologie: die ideur. Nominal- und
Verbalflexion ist nahezu völlig abgebaut und wird durch synthetische Konstruktionen und
enklitische Pronomina ersetzt. Differentielle Objektmarkierung (Markierung von
spezifischen Objekten). Wortstellung: SOV.
Philipino → Tagalog
Phönizisch ≡ Semitisch
Pilipino → Tagalog
Pima-Papago → Uto-Aztekisch
Platt(deutsch) → Niederdeutsch
Polnisch. Westslaw. Sprache mit ca. 42 Mio. Sprechern, vornehmlich in Polen (ca. 35 Mio.)
und USA (ca. 6 Mio.). Entwicklung zur Schriftsprache seit dem 14 Jh. Mit mehr als 400
Namen schriftlich bekundet in der „Bulle von Gnesen” (1136). Ältester zusammenhäng–
ender Text im 14. Jh. (Kazania Świętokrzyskie „Heiligkreuz-Gebete”). Blütezeit der poln.
Literatur im 16. Jh. Heutige Orthographie: latein mit Diakritika. Schibboleths: <ł,Ł>,<Ŝ, ś>.
Spezifische Kennzeichen: Akzent (mit einigen Ausnahmen) auf der vorletzten Silbe;
Nasalvokale im Auslaut und vor Frikativen, z.B. Wałęsa [va’wℜsa], są [sõ] „sind”;
phonemische Differenzierung im dentalen Bereich; morphologisch ausgedrückte
Unterscheidung zwischen (± Belebt), beim Maskulinum auch zwischen (± Menschlich);
verbale Formen bei Konjunktionen und bestimmten Partikeln: coś powiedziała „was hast
du (fem.) gesagt” neben co powiedziałaś.
Polynesische Sprachen. Ca. 30 nah verwandte Sprachen des → Austronesischen
Sprachstammes, gesprochen auf den polynesischen Inseln. Spezifische Kennzeichen:
Äußerst reduzierte Lautsysteme (z.B. Hawaiianisch: 13 Phoneme). Wortstellung: VSO,
Tendenz zur Ergativität (→ Ergativsprache).
Portugiesisch. Zum Iberoromanischen Sprachzweig des → Indo-Europäischen zählende
Sprache, Muttersprache von ca. 140 Mio. Sprechern in Portugal, auf Madeira und den
Azoren sowie in Brasilien. P. ist mundartlich weniger variantenreich als die übrigen
roman. Sprachen. Schriftsprache und Aussprache basieren heute auf der Sprache vom

35
Lissabon und Coimbra. Historische Grundlage ist das Galizisch-P. in Nordportugal und im
heute spanischen Galizien (Gallego). Die Aussprache in Brasilien zeigt starke
Abweichungen. – Besondere Kennzeichen sind unter phonetisch-phonologischem Aspekt
ein reiches System von nasalierten Vokalen (mit zahlreichen Diphthonen und
triphthongen), zwei r-phoneme Zungen und Zäpfchen r), keine Markierung von
Wortgrenzen und entsprechend stark ausgeprägte Tendenzen zu → Assimilation und →
Sandhi. Auffällig in der Flexionsmorphologie ist ein synthetisch gebildetes
Plusquamperfekt sowie ein deklinierbarer Infinitiv.
Prakrit → Indisch
Provenzalisch → Romanisch
Punjabi → Indisch
Putonghua → Chinesisch

Q
Quechua. Gruppe von Sprachen des nördischen Südamerika, gesprochen von Kolumbien bis
Chile (7 Mio. Sprecher); größte Sprache ist der Dialekt von Cuzco (1 Mio. Sprecher). Q.
wird mit dem Aymara zu dem Sprachzweig Quechumara der → Andischen Sprachen
zusammengefaßt. Komplexes Lautsystem (5 Artikulationsorte und 3 Artikulationsweisen
für Plosive – normal, aspiriert, glottalisiert). Die Verben sind morphologisch komplex
durch Suffixe, die Person, Tempus, verschiedene Diathesen, Satzmodus u.a. anzeigen
können. Kasus-System mit ca. 10 kasus; es gibt ferner Possessiv-Suffixe und
verschiedene Suffixe zum Ausdruck des Diminutivs, der Koordination, Fokussierung und
Topikalisierung. Numerus-Markierungen sind selten und erst unter spanischem Einfluß
entstanden.
Quechumara → Andisch, → Quechua
Quiché → Maya-Sprachen

R
Rätoromanisch. Sammelbezeichnung für romanische Sprachen und Dialekte, die auf das im
Alpengebiet zwischen dem St. Gotthard und dem Golf von Triest gesprochene
Vulgärlatein zurück- gehen und deren Zusammengehörigkeit erst im 19. Jh. erkannt
wurde (G. I. Ascoli, Th. Gartner). Man unterscheidet heute zwischen : (a) Friulanisch
(Ostladinisch: Karnien bis friul. Tiefebene) mit ca. 450 000 Sprechern, (b) (Zentral-
)Ladinisch in den Tälern um die Sellagruppe mit ca. 27 000 Sprechern, (c) Rumantsch
(Bündnerromanisch, Westladinisch: Graubünden, Schweiz), mit ca. 40 000 Sprechern;
gilt seit 1938 (neben Dt., Ital. und Frz.) als vierte Nationalsprache der Schweiz. Die r.
Dialekte, die typologisch zwischen dem Frz. und Oberital. stehen, zeigen eine große
Vielfalt in Morphologie und Wortschatz (zahlreiche Dialektvarianten) und sind mehr oder
weniger stark von den jeweiligen Nachbarsprachen bzw. der Mehrsprachigkeit ihrer
Sprecher beeinflußt.
Lit.: G. Rohlfs [1975]: Rätoromanisch. Die Sonderstellung des Rätoromanischen
zwischen Italienisch und Französisch. Eine kulturgeschichtliche und linguistische
Einführung. Tübingen. – G. Holtus /M. Metzeltin / C. Schmitt (eds.) [1981]: Lexikon der
Romanistischen Linguistik (LRL). Bd. 3. Tübingen.
Grammatiken: G. P. Ganzoni [1977]: Grammatica Ladina. Samedan. – T. Candinas
[1982]: Romontsch sursilvan. Grammatica elementara per emprender igl idiom sursilvan.
Chur.
Wörterbücher: G. A. Pirona u. a. [1935]: Il nuovo Pirona. Vocabolario friulano. 2. Aufl.
Udine 1967 – Dicziunari Rumantsch Grischun [1939/85]: Bisher 7 Bde. (bis Gyra). Chur.
– Dicziunari Tudais –Ch– Rumantsch Ladin [1944]. 2. Aufl. Chur 1976.
Rajasthani → Indisch

36
Rheinfränkisch. Westmdt. Dialektverband (→ Mitteldeutsch) zwischen dem Mittelfrk. und dem
→ Oberdeutschen (→ Alemannisch, → Ostfränkisch). Sprachlich sind es weniger
spezifische Gemeinsamkeiten als vielmehr Unterschiede zu den umliegenden
Dialektverbänden, die das R. als eigene Gruppe konstituieren. Traditionellerweise wird
dieses Gebiet in das nordöstlichere Hessische (Nordrheinfrk.) und das südwestlichere
Pfälzisch-Lothringische (Südrheinfrk.) unterteilt; als Grenze wird die zwischen St. Goar
und Miltenberg verlaufende → Isoglosse fest (hess.) : fescht (pfälz.) herangezogen (zu
einem davon abweichenden Gliederungsvorschlag vgl. Wiesinger [1980].
Lit.: P. Wiesinger.[1980]: Die Stellung der Dialekte Hessens im Mitteldeutschen. In: R.
Hildebrandt/H. Frieberthäuser (eds): Sprache und Brauchtum. Marburg. S. 68-148.
Ripuarisch → Mittelfränkisch
Ritwan → Algonkisch
Romani. Sammelbegriff für die eng verwandten Sprachen der Zigeuner, die genetisch zu den
→ Indischen Sprachen zählen, aber seit der um 1000 n. Chr. einsetzenden
Wanderbewegung ihrer Sprecher unter starken Einfluß verschiedener anderer Sprachen
gerieten.
Lit.: T. W. Wentzel [1980]: Die Zigeunersprache. Nordrussischer Dialekt. 2. Aufl. Leipzig
1988. – S. A. Wolf [1987]: Großes Wörterbuch der Zigeunersprache. Wortschatz
deutscher und europäischer Zigeunerdialekte. Hamburg.
Romanisch. Sprachzweig des → Indo-Europäischen , der sich aus dem → Italischen , speziell
dem → Lateinischen und dessen verschiedenen regionalen Ausprägungen in dem von
Rom eroberten Gebieten entwickelt hat (Vulgärlatein). Die Unterscheidung zwischen ostr.
(→ Rumänisch, → Italienisch) und westr. (Gallor., Iberor. und Rätor.) beruht auf lautlichen
und morphologischen Kriterien (v.a. Sonorisierung bzw. Tilgung intervok. Verschlußlaute
im Westr. und Verstummen des auslautenden [s] im Ostr.: span. sabis vs. ital. sapete
„ihr wißt”, span. las casas vs. ital. le case „die Häuser” Zum Gallor. zählt das →
Französiische, das → Okzitanische (zu dem das Provenzalische gehört) und das Franco-
Provenzal., zum Iberor. das → Spanische, → Portugiesische (Galizische und →
Katalanische). Die für die Ausgliederung der romanischen sprachräume wesentlichen
Faktoren sind die unterschiedlichen → Substrat- und → Superstrat-Einflüsse, der
Zeitpunkt der Romanisierung und das Ausmaß der Verbindung mit Rom. Von der lat.
Basis am weitesten entfernt hat sich das Französische, das einen tiefgreifenden
typologischen Wandel erfahren hat (starker Verfall der Flexionsmorphologie durch
Verstummen der Auslautsilben und Ersatz durch prädeterminierende Funktionselemente
wie Personalpron., Artikel, Präposition, Hilsfverben), während südr. Sprachen wie das
Span. und das Ital. sowie das Rumän. dem lat. Typus teilweise noch näher stehen. Einen
besonders archaischen Lautstand weist das → Sardische auf.
Lit.: W. Meyer-Lübke [1890-1899]: Grammatik der romanischen Sprachen. Leipzig. – W.
Meyer-Lübke [1935] Romanisches etymologisches Wörterbuch. 5. Aufl. Heidelberg 1972
– H. Lüdtke [1968]: Geschichte des romanischen Wortschatzes. 2 Bde. Freiburg. – G.
Tagliavini [1973]: Einführung in die romanische Philologie. München (ital. Original,
Florenz 1949. – R. Kontzi (Ed.) [1978] Zur Entstehung der romanischen Sprachen.
Darmstadt. – H. M. Gauger / W. Oesterreicher / R. Windisch [1981]: Einführung in die
romanische Sprachwissenschaft. Darmstadt. – G. Holtus /M. Metzeltin / C. Schmitt (eds.)
[1987ff]: Lexikon der Romanistischen Linguistik (LRL). Tübingen (bisher 5 Bde).
Rumänisch. Balkanromanischer Zweig des Ostromanischen (→ Romanisch), der sich in die
vier Dialektgruppen Dako-Rumänisch, Aromunisch oder Mazedo-Rumänisch, Megleno-
Rumänisch und Istro-Rumänisch gliedert. Die Schriftsprache, deren Basis das Dako-R.
ist, enthält einerseits eine Vielzahl slawischer Elemente (→ Adstrat) und weist die für die
→ Balkansprachen charakteristische Ersetzung des Infinitivs durch den Konjunktiv auf.
Andererseits hat insbesondere die Literatursprache seit Beginn des 19. Jh. einen starken
frz. Einfluß erfahren. Die Eigenständigkeit des R. zeigt sich vor allem im Bereich der
Morphosyntax: Reste der lat. Nominalflexion (darunter Vokativ), Bewahrung des lat.
Neutrums, enklitischer definiter Artikel (studentul „der Student”), sogen. präpositionaler
Akkusativ (văd pe mama „ich sehe Mama”). Die Zahl der Sprecher beträgt unter

37
Einschluß der außerhalb des heutigen Staatsgebietes lebenden Rumänen ca. 25 Mio.
Sprecher.
Rumantsch → Rätoromanisch
Russisch. Ostslaw. Sprache mit ca. 100 Mio. Sprechern in der UdSSR, vornehmlich in der
RSFSR. Auf der Grundlage des (südslaw.) Altkirchenslaw. und des gesprochenen
Ostslaw. entwickelte sich eine altruss. Schriftsprache, die bis ins 17. Jh. verwendet
wurde. Bedeutsamstes literarisches (weltliches) Denkmal: Slovo o polku Igorev∅, das
sogen. „Igorlied” (1185). Im 18. Jh. entwickelte sich (besonders durch die Aktivitäten
Peters des Großen (1672-1725) das Neuruss. , wozu vor allem die Reform des
kyrillischen Alphabets durch Einführung der heute üblichen „Bürgerschrift” gradánskaja
ázbuka zählt. Letzte größere Orthographiereform 1917 mit Einfluß auf die Aussprache
(u.a. Wegfall bzw. Ersetzung von Buchstaben: <Ъ> ; im Auslaut; <ћ>, <θ>, <ґ> überall). –
Spezifische Kennzeichen: Akzent frei; starke Reduktion unakzentuierter Vokale;
Unterscheidung palataler und nicht palataler Konsonanten; beim Präteritum
Unterscheidung der nominalen Genera; zahlreiche Impersonalia; viele Kirchen-
Slawismen im Wortschatz: z.B. grad „Stadt” in Leningrad gegenüber ostslaw. gorod
„Stadt” in Novgorod. Weißrussisch.
Rwanda → Bantu
Ryukyu → Japanisch

S
Sabir → [proven÷. saber „wissen”] Lingua Franca
Saharanisch. Gruppe von 6 Sprachen in Nigeria und Tschad, von A. N. Tucker/M. A. Bryan als
„East Saharan” zusammengefaßt und von J. H. Greenberg [1966] als Zweig des → Nilo-
Saharanisch Sprachstammes angesehen. Größte Einzelsparche ist das Kanuri in
Nordnigeria (über 4 Mio. Sprecher). – Spezifische Kennzeichen: → Tonsprachen, wobei
Ton z.T. grammatische Funktionen hat. Relativ komplexes Kasussystem, Verbkongruenz.
Morphologischer Typ: flektierend. Wortstellung: SOV, Postpositionen (→ Adposition).
Salisch. Sprachfamilie im Westen Nordamerikas mit ca. 30 Sprachen; größte Sprachen sind
Strait Salish und Okanogon in Kanada (jeweils ca. 2000 Sprecher). Spezifische
Kennzeichen: Extrem reiches Konsonantensystem (oft mit 8 Artikulationsstellen und 5
Artikulationsarten), u.a. glottalisierte Konsonanten und Pharyngale; hingegen sehr
einfaches Vokalsystem (typischerweise 3 Vokale + Schwa in unbetonten Silben). Die
Nomen-Verb-Distinktion ist nur schwach ausgeprägt. Ein Satz besteht oft aus mehreren
kleineren Prä-
dikationen (Beispiel: ein Bär fraß ein Kaninchen wird in 3 Prädikationen aufgelöst: x fraß
y, x ist Bär, y ist Kaninchen). Es wird markiert, ob ein Agens einen Vorgang unter
Kontrolle hat oder nicht. → Polysynthese, hochentwickelte Nominal-Klassen-Systeme.
Typolo-
gisch ähnlich sind die areal benachbarten Wakashan-Sprachen (mit Makah, Nootka,
Kwakiutl).
Samoanisch → Austronesisch
Samojedische Sprachen → Uralisch
San → Khoisan
Sandawe → Khoisan
Sango → Adamawa-Ubangi
Sanskrit. [sámskrita- „gereinigt”] Bezeichnung der verschiedenen Formen des Alt- → Indischen.
Die älteste Form ist die Sprache der Veden, überliefert in rituellen Texten, die vor 1000 v.
Chr. entstanden, allerdings wesentlich später aufgezeichnet sind, gefolgt von der
Sprache spekulativer Schriften wie den Brahmanas und theoretischer Werke wie der
Grammatik des Pânini (um 400 v. Chr.). Die Sprache der beiden großen Epen, des
„Mahâbhâ-

38
rata” und „Râmâyana”, datiert aus dem 2. und 1. Jh. v. Chr. Unter „Klassischem Sanskrit”
versteht man die Sprache, die bis heute als Priester- und Gelehrtensprache Indiens dient.
Es werden verschiedene Schriften verwendet, am bedeutendsten ist die aus der Brâhmî-
Schrift entwickelte Devanâgarî-Schrift. – Spezifische Kennzeichen: Reiche Morphologie
(im Nominalbereich 8 Kasus, 3 Numeri, 3 Genera; im Verbalbereich verschiedene
Tempora, Modi und → Diathesen); zahlreiche Wort-Kompositionen. Wortstellung: SOV.
Santali → Munda
Sardisch. Das S. ist eine der archaischsten und eigenständigsten romanischen Sprachen, die
weder dem West- noch dem Ostromanischen (→ Romanisch) eindeutig zuzuordner ist.
Als Verkehrssprache ista das S. heute in weiten Teilen Sardiniens durch die italienische
Schriftsprache ersetzt. Erneuerungsbewegungen im 20. Jh. steht vor allem die dialektale
zersplitterung des Sprachgebiets entgegen. Das von ca. einer Mio. Sprechern
gesprochene S. läßt sich in zwei Hauptdialektzonen (mit zahlreichen Subvarietäten)
aufteilen: Zentralsardisch (Logudoresisch, Nuoresisch) und Südsardisch
(Kampidanesisch).
Lit.: E. Blasco Ferrer [1984]: Storia linguistica della Sardegna. Tübingen
Schlesisch → Mitteldeutsch
Schottisch-Gälisch → Gälisch, →Keltisch
Schwäbisch → Alemannisch
Schwedisch. Nordgerm. (skandinavische) Sprache mit ca. 9 Mio Sprechern in Schweden und
Finnland. Entwicklung einer eigenständigen sch. Schriftsprache seit der unabhän-gigkeit
von Dänemark (1526) und unter starkem Einfluß del Bibelübersetzung (1541) unter
Gustav I. – Grammatische Kennzeichen: Definiter Artikel –en als nominales Suffix, vgl. en
dag vs. dagen / dagene „ein Tag” vs.der/die Tag(e) ; Wortstellung. SVO.
Semitisch – [Nach Sem, Sohn des Noah] Sprachfamilie des → Afro-Asiatischen. Die älteste
belegte Sprache ist Akkadisch im alten Mesopotamien (2500-600 v. Ch.). Weitere
Sprachzweige: Nordwest-S. (Phönizisch, Ugaritisch, Hebräisch, Aramäisch), Südwest-S.
(Arabisch) und Äthio-S. (Ge`ez, Tigrinya, Amharisch). – Die Verwandschaft von Sprachen
wie Hebräisch, Arabisch und Aramäisch war bereits den jüdischen und islamischen
Grammatikern des Mittelalters bekannt. Die europäische Semistik geht bis ins 16. Jh.
zurück, der Name „semitisch” wurde 1781 durch L. v. Schlözer geprägt. Eine
umfangreiche Forschungstätigkeit ist um die Jahrhundertwende zu verzeichnen (C.
Brockelmann, Th. Nöldeke), vor allem auch stimuliert die bis heute anhaltende
Entdeckung altsemitischer Sprachdenkmäler (zuletzt Eblaitisch). – Spezifische
Kennzeichen (vgl. auch Afro-Asiatische Sprachen). zahlreiche emphatische
(pharyngalisierte oder glottalisierte) Konsonanten, teilweise konsonantenharmonie
(Velarisierung der Konsonanten ganzer Phrasen). Morphologie des Verbs: zwei
Aspektformen mit unterschiedlichen Konjugationsmustern (Perfekt vs. Imperfekt mit
Bedeutung „Präteritum” vs. „Präsens/Futur”), reiches Diathesen-System,
Subjektskongruenz. Morphologie des Nomens: zweistufiges Genus-System
(Maskulin/Feminin), häufig 3 Kasus (Nominativ, Genitiv, Akkusativ, rekonstruierbar sind
ferner Dativ, Lokativ; in modernen Sprachen oft kein Kasus beim Nomen), reiches
Numerussystem (Dualformen, z.T. Kollektiv/Singulativ-Distinktion), sogen. „status
constructus” (das regierende Nomen in einer Genitivkonstruktion ist markiert, vgl. Ge`ez:
⊇ayl „Kraft”, ⊇ayl-ä s6lase „Kraft der Dreieinigkeit”, Name des letzten äthiop. Kaisers).
Wurzelflexion: die Wurzeln bestehen aus einigen (meist drei) Konsonanten (sogen.
„Radical”) und werden vor allem durch das Dazwischentreten verschiedener Vokale
flektiert (sogen. „Triliteralität”): aus dem arab. Radikal k-t-b „schreib” wird ableitet: kitab
„Buch”, kataba „er schrieb”, yaktubu „er schreibt”, kattab „Schreiber”, maktab „Schule”.
Auch Fremdwörter werden diesem starren System angepaßt, vgl. film, plural affl♠m.
Wortstellung: meist VSO, Unterscheidung ≡ Nominalsatz (meist ohne Kopula) –
Verbalsatz.
Serbokroatisch. [Auch: Kroatoserbisch]. Südslaw. Sprache Jugoslawiens in zwei Aus-
prägungen mit insgeamt ca. 15 Mio. Sprechern in Jugoslawien: (a) serbisch in kyrill.
Schrift mit zusätzlichen Zeichen: [џ], [љ], [њ] und (als Schibboleths gegenüber dem
Maked.) [Ћ, ћ], [Ђ, ђ], Zentrum: Serbien (Beograd); (b) Kroatisch in latein. Schrift mit

39
Diakritika (als Schibbolethh gegenüber den anderen slaw. Sprachen [ñ, Ð]), Zentrum:
Kroatien (Zagreb). – Spezifische Kennzeichen beider Varietäten: Kurz- und Langvokale
mit steigendem oder fallendem Ton (bzw. „Intonation” in der slaw. Terminologie);
komplexes Tempus- und Aspektsystem. – Die Übereinkunft über die Einheit des S. wurde
1850 zwischen Serb. und Kroat. auf der Basis des von Vuk Karadić [1813-1818]
geschaffen Standards in Wien getrofen. Unterschiede zwischen Serb. und Kroat.: z. B.
serb e, kroat. je, ije als Entsprechung für altkirchenslaw. ∅ in ded vs. djed vs. d∅dъ
„Großvater”, reka vs. rijeka vs. r∅ka „Fluß” (vgl. Rijeka); Lexikalische Unterschiede: serb.
kriola vs. kroat. krompir „Kartoffel”, serb. pozorište vs. kroat. kazalište „Theater”.
Serer → Westatlantisch
Shilh → Berberisch
Shona → Bantu
Siamesisch → Thai
Sindh → Indisch
Singhalesisch → Indisch
Sino-Tibetanisch. Sprachstamm Zentral- und Ostasiens mit ca. 300 Sprachen, der aus einem
sinitischen und einem → Tibeto-Burmanischen Zweig besteht. Größte Einzelsprachen
sind → Chinesisch (über 900 Mio. Sprecher, mit verschiedenen Dialekten), → Birmanisch
(22 Mio. Sprecher) und Tibetisch (4 Mio. Sprecher), die zugleich alte Schrifttraditionen
haben. Es handelt sich typischerweise um isolierende monosyllabische → Tonsprachen.
Reste einer alten präfixalen Morphologie sind erkennbar. Keine ausprägte
Unterscheidung zwischen Nomen und Verb.
Siouanisch. Sprachfamilie Nordamerikas mit ca. 12 Sprachen; größte Sprache ist das Dakota
mit ca. 30000 Sprechern. Von E. Sapir 1929 mit → Irokesisch und den → Caddo zu einem
Makro-Siouanischen Sprachstamm zusammengefaßt. Spezifische Kennzeichen:
Lautsymbolische Diminutiv/Augmentativbildungen spielen eine große Rolle (Diminutiv:
dentale Frikative, Augmentativ: velare Frikative). → Nominalklassen (→ Animat vs.
Inanimat-Unterscheidung), komplexe Verben mit mehreren Präfixen, u.a. zur
Bezeichnung des Instruments, Ergativität in der Personalflexion des Verbs (→
Ergativsprache), komplexe Possessivitäts-Distinktionen (→ Alienabel vs. Inalienabel,
Körperteile und Verwandtschaftsbeziehungen werden unterschieden). Wortstellung:
SOV.
Skandinavisch [Auch: Nordgermanisch/Nordisch] Zusammenfassende Bezeichnung für →
Dänisch, → Norwegisch und → Schwedisch.
Slavisch → Slawisch
Slawisch. [Auch: Slavisch]. Sprachzweig des → Indo-Europäischen. Dem Baltischen nahe-
stehend, mit dem zusammen es nach nicht unumstrittener Meinung in vorhistorischer Zeit
eine balt.-slaw. Sprachgemeinschaft gebildet hat. Zwischen beiden Sprachzweigen gibt
es phonologische, morphologische und lexikalische Korrespondenzen. Das S. wird in drei
Gruppen eingeteilt mit den folgenden (staatlich anerkannten) Sprachen: Ost-S. (→
Russisch, → Weißrussisch, → Ukrainisch); West-S. (→ Polnisch, Tschechisch,
Slowakisch, Sorbisch); Süd-S. (→ Bulgarisch, → Makedonisch, → Serbo-Kroatisch, →
Slowenisch). Zum West-S. zählt auch das → Kaschubische, das nur noch von wenigen
Tausend Sprechern gesprochen wird. Als Sprache des orthodoxen Gottesdienstes lebt
das Altkirchen-S. (Alt-Slaw. oder Alt-Bulgar.) in verschiedenen regionalen Varianten fort.
– Spezifische Kennzeichen: Die modernen slaw. Sprachen weisen bei der
überwiegenden Mehrheit der Verben systematische Aspektunterschiede auf: für jede
imperfektive Form dieser Verben gibt es eine perfektive. Haupttyp der Formenbildung: die
Imperfektivform weist gegenüber der Perfektivform imperfektivierende Suffixe auf. Als
Bildungstyp für die Aspektform umstritten ist die Präfigierung zur Kennzeichnung der
perfektiven Verbformen gegenüber entsprechenden präfixlosen imperfektiven Formen.
Slovakisch → Slowakisch
Slovenisch → Slowenisch

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Slowakisch. [Auch: Slovakisch]. Westslaw. Sprache mit ca. 4,5 Mio. Sprechern, vornehmlich in
der Slowakei ( SFR). Nach einigen wenig erfolgreichen Versuchen am Anfang des 19.
Jh. seit L. túrs programmatischen Schriften (1846) Schriftsprache. Seit 1968
Amtssprache in der Slowakei, seit 1945 von der KP als offiziele Sprache neben dem
Tschech. grundsätzlich anerkannt. Schibboleths: [ ], [l`], [] ; gegenüber dem Tschech. :
[ä], [dz], [d], [ô]. – Silbische l und r als Kürze und als Länge: vlk „Wolf” vs. vl≠a
„Wölfchen”, srdce „Herz” vs hba „Haufen”. Akzent wie im Tschech. auf der Erstsilbe.
Slowenisch. [Auch: Slovenisch]. Südslaw. Sprache mit ca. 1,8 Mio. Sprechern , vornehmlich in
Slowenien (Jugoslawien), aber auch in össterreichischen Kärnten, in den Nordost-
Provinzen Italiens un in Kroatien. Ältestes slaw. Schriftdenkmal größeren Umfangs sind
die auf alts. in ahd. Schreibung mit latein. Schrift um 1000 aufgezeichneten „Freisinger
Denkmäler”. Entwicklung zur Schriftsprache von 16. Jh. an; lat. Orthographie mit
Diakritika. Grammatische Besonderheiten: Beweglicher Akzent; Töne; Dual-Formen.
Sogdisch → Iranisch
Somali → Kuschitisch
Songhai. Relativ isolierte Sprache in Mali und Niger, gesprochen entlang des Niger von ca.
1 Mio. Sprechern, die Sprache des alten Songhai-Reiches. Von J. H. Greenberg [1963] →
den Nilo-Saharanisch Sprachen zugeordnet.
Sorbisch. Westslaw. Schriftsprache in zwei Varietäten: (a) Obersorbisch in der Oberlausitz mit
ca. 35000 (überwiegend katholischen) Sprechern; (b) Niedersorbisch in der
NiederLausitz mit ca. 15000 (überwiegend protestantischen) Sprechern. Die größte
Ausdehnung (bis zur Saale) des S. Sprachgebiets existierte im 8 Jh. In den dt. Dialekten
der betroffenen (heute nicht mehr sorb. Gebiete) finden sich etliche Lehnwörter aus dem
S. Umge-
kehrter Einfluß zeigt sich z.B. darin, daß der Instrumental im Unterschied zu den übrigen
slaw. Sprachen im S. nur mit der Präposition z (ze „mit”) verwendet wird. Wie im
Tschech. liegt der Akzent auf der Erstsilbe. Wie im Poln. gibt es keine phonologische
Distinktion zwischen Vokallänge und –kürze. Der Dual wird vom Plural unterschieden,
z.B. obers. dwaj bratraj „zwei Brüder” mit Dual vs. to brata „drei Brüder” mit Plural.
Schriftlichkeit seit dem 16. Jh. im Zuge der Reformation; frühestes Buch in Nieders. 1574.
Bibelübersetzungen in Obers. seit 1670. Niedergang des S. vor allem seit den 1930er
Jahren. Seit 1947 stehen beide sorb. Sprachen unter staatlichem Minderheitenschutz.
Spanisch. Zum romanischen Sprachzweig des Indo-Europäischen zählende Sprache;
gesprochen von rund 300 Mio. Sprechern in Spanien, Mittel- und Südamerika, auf den
Kanarischen Inseln, in USA u.a. Basis der S. Schriftprache ist die kastilische Mundart, die
sich aus der in Spanien zur Zeit des römischen Imperiums gesprochenen lat.
Volkssprache (Vulgärlatein) entwickelt hat und vor der Vertreibung der Araber
(Reconquista) nur in den nords. kantabrischen Provinzen verbreitet war.
Charakterisitische Züge des Kastilischen sind u.a. die evtl. auf Baskisches Substrat
zurückzuführende Entwicklung [f] > [h] sowie der Wandel [kt] > [tƒ] (lat. factum > hecho
„getan”) und das Phonem /x/ (lat. filius > hijo „Sohn”). In der Syntax des Schrifts. fällt der
sogen. präpositionale Akkusativ auf: Quiero a Felipe „ich liebe Philip”; der Wortschatz
enthält zahlreiche arabische Elemente. Die Dialektstruktur Zentral- und Südspaniens
(Andalusien) wurde durch die Ausbreitung des Kastilischen zunehmend nivelliert,
während der Norden noch eine stärkere dialektale Variation aufweist (Leones.,
Aragones.; Katalanisch, Portugiesisch (Galiz.)). Das S. Südame-rikas, das in der
Schriftsprache nur geringfügig vom europäischen S. abweicht, basiert in seiner Phonetik
und Morphologie auf dem Andalus.
Lit.: H. Vidal Sephiba [1986]: Le Judeo-espagnol. Paris.
Strait Salish → Salisch
Suaheli → Swahili
Südamerikanische Sprachen. Die Erforschung der S.S. geht zwar bis ins 16. Jh. zurück (vor
allem in Form von grammatischen Beschreibungen durch span.und portug. Missionare),
bis heute ist die Kenntnis von Einzelsprachen und die Rekonstruktion der
Sprachverwandtschaft jedoch sehr lückenhaft. Da zahlreichen Sprachen mit

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verschiedenen Namen bezeichnet werden, ist nicht einmal die Gesamtzahl der Sprachen
gesichert; häufig gennante Zahlen bewegen sich zwischen 550 und 2000 bei vermutlich
ca. 11 Mio. Sprechern (vor der Kolonialisierung). Heute sind zahlreiche Sprachen
ausgestorben oder im Aussterben begriffen. Ein wichtiger erster Klassifikationsversuch
wurde 1782 von dem ital. Gelehrnten F. S. Gilij unternommen; neuere
Klassifikationsversuche von C. Loukotka (zuletzt 1952 mit 108 Sprachfamilien), J. H.
Greenberg [1956] (4 Sprachstämme, mit erheblichen Abweichungen im Detail) und B.
Suarez [1974] (82 Sprachfamilien). Greenberg [1987] rechnet alle S. S. zusammen mit
den mittelamerikanischen und den meisten nordamerikanischen Sprachen zu einem
einzigen Sprachstamm, dem Amerndischen.
Südkaukasisch. [Auch: Kartvelisch]. Sprachfamilie im südlichen Kaukasus mit vier Sprachen:
Mingrelisch, Lazisch, Svanisch und dem weitaus größten → Georgischen (3,5 Mio.
Sprecher).
Sumerisch. Sprache des alten Mesopotamiens mit unbekannter genetischer Affiliation; älteste
schriftliche Tradition. Erste Schriftdokumente (Keilschrift) 3100 v. Chr.; die Sprache
wurde bis 2000 v. Ch. gesprochen, dann durch Akkadisch ersetzt, blieb aber noch
weitere zwei Jahrtausende als Schriftsprache in Gebrauch. Es handelte sich um eine
agglutinierende Sprache mit ergativem Kasussystem (→ Ergativsprache).
Sundanesisch → Austronesisch
Somi → Finnisch
Svanisch → Südkaukasisch
Swahili. [Auch: Kiswahili]. → Bantu-Sprache der ostafrikanischen Küste und der vorgelagerten
Inseln, Staatssprache von Tansania und Kenia. Obwohl als Verkehrssprache des
ostafrikanischen Sklaven- und Gewürzhandels mit zahlreichen arabischen, später
englischen Lehnwörtern durchsetzt, hat sich doch die typische grammatische Struktur der
→ Bantu-Sprachen erhalten. Dokumente seit 1700 in arabischer, seit 1890 in lateinischer
Schrift.
Syrisch → Aramäisch

T
Tadschikisch → Persisch
Tagalog. → Austronesische Sprache der Philippinen, ca. 13 Mio. Sprecher und Basis des
vereinfachten Philipino, der Staatssprache der Philipippinen. T. weist die typischen Züge
der Philippinen-Sprachen auf: Verbinitiale Wortstellung, topikale Nominalphrasen in Satz-
Endstellung, Markierung semantischer Rollen (→ Thematische Relation) durch Präpo-
sitionen, ein ausgeprägtes und flexibles Diathesensystem zur Topikalisierung von
Nominalphrasen. Morphologisch interessant wegen des Vorkommens von Infixen.
Tamashek → Berberisch
Tamil. → Drawidische Sprache (45 Mio. Sprecher) mit größter geographischer Ausdehnung und
ältester literarischer Tradition, gesprochen in Indien und Sri Lanka. Eigene, aus der
südlichen Brahmi-Schrift der Aśoka-Periode entwickelte Silbenschrift. Die Sprache besitzt
auffällig unterschiedliche Register, die den sozialen Status und die Formalität der
Sprecher anzeigen.
Tanoa-Sprachen → Uto-Aztekisch
Tarahumara → Uto-Aztekisch
Telugu → Drawidisch, → Marathi
Tepehua → Totonakisch
Tequistlatekisch → Hokanisch
Thai. [Auch: Siamesisch]. Staatssprache Thailands, mit ca. 30 Mio. Sprechern größte Taische
Sprache, den Austro-Thai-Sprachen zugehörend. Tonsprache (5 Töne, z.T. mit

42
Glottalisierung). – Spezifische Kennzeichen: Morphologisch isolierend, Wortstellung:
SVO, komplexes Pronominalsystem mit Höflichkeits-Distinktionen, Klassifikatoren.
Zahlreiche Lehnwörter aus Sanskrit und Pali, auch aus dem Chinesischen; Schrift aus
dem Sanskrit entwickelt.
Thüringisch Mdt. Dialektgruppe, die in sich vielfältig gegliedert ist. Aufgrund starker Ein- flüsse
aus den umgebenden Dialektgebieten sind für das T. keine nur diesem Dialekt eigenen
Struktmerkmale als sprachliche Charakteristika zu nennen. So setzt sich das T. einerseits
durch die Verschiebung von anlautendem p > pf (bzw. f) (vgl. pfafer / fafer „Pfeffer“) vom
Westmdt. ab und geht dabei auch mit anderen ostmdt. Dialekten konform; das
Diminutivsuffix –chen dagegen teilt das T. auch mit dem Westmdt. gegen ostfrk./obdt. –
lein. Als charakteristisches Merkmal gegen das östlich anschließende Obersächs. gilt der
Abfall des auslautenden –n beim verbalen Infinitiv.
Tibetisch → Sino-Tibetanisch, → Tibeto-Burmanisch
Tigrinya → Ge`ez, → Semitisch
Tlingit → Na-Dené
Tocharisch. Ausgestorbener Sprachzweig des → Indo-Europäischen, bestehend aus den
Sprachen Tokarisch A und Tokarisch B, überliefert durch umfangreiche Schriftdokumente
in der nordindischen Brahmi-Schrift aus dem 5. bis 10. Jh., die seit 1890 in Zentral-Asien
(Tarim-Becken) gefunden wurden. Obwohl T. der östlichste ideur. Sprachzweig ist, hat es
Eigenschaften, die sich sonst nur in den westlichen Sprachzweigen finden (es gehört z.B.
zu den sogenannten kentum-Sprachen, vgl. → Indo-Europäisch.
Tok Pisin. Verbreitete → Pidgin- und → Kreolsprache auf Papua Neuguinea mit englischem
Superstrat. Spezifische Kennzeichen:Relativ einfache Phonologie (keine Frikative);
Pränasalierung), kleiner Grundwortschatz und daher äußerst produktive Wortbildung
(Beispiele: papamama „Eltern”, bikbus („big bush”) „Dschungel”, hauskuk „Küche”). Keine
Nominalflexion; komplexes Numerussystem beim Pronomen (Singular, Dual, Trial, Plural,
dazu → Inklusiv vs. Exklusiv-Distinktion). Tempus, Modus und Aspekt werden durch →
Periphrastische Konjugation ausgedrückt. Verbkongruenz in der 3. Person durch i- („er”)
markiert; das Suffix –im zeigt Transitivität an. Die wenigen Präpositionen haben relativ
weite Bedeutung. Wortstellung: SVO.
Toskanisch → Italienisch
Toskisch → Albanisch
Totonakisch. Sprachfamilie Mexikos mit den beiden Sprachen Totonakisch (240000 Sprecher)
un Tepehua (18000 Sprecher). Komplexes Konsonantensystem ähnlich den
benachbarten → Mayasprachen, reich entwickelte Morphologie mit Tendenz zur →
Polysynthese, einfache Nominalmorphologie, → Numerus-Klassifikation und →
Klassifizierende Verben.
Tschadisch. Sprachfamilie des → Afro-Asiatischen südlich des Tachadsees mit über 125
Sprachen; die weitaus größte Sprache ist das → Hausa mit über 25 Mio. Sprechern.
Phonologisch handelt es sich um Tonsprachen (Hoch-, Tief-, zuweilen Fallton); es gibt
glottalisierte konsonanten. Dreistufiges Genussystem (Maskulin, Feminin, Plural) mit
komplizierter Pluralbildung. Reiches → Diathesen-System (u.a. mit direktionalen
Bedeutungskomponenten). Die Verbalgruppe besteht aus einem komplexen Hilfsverb
(Markierung von Aspekt, Modus, Person) und einem Verbalnomen. Wortstellung: SVO.
Tschechisch. [Auch: echisch]. Westslaw. Sprache mit ca. 9 Mio. Sprechern vornehmlich in
der SFR. Älteste Texte seit dem 11 Jh., vom 14 Jh. an auch weltliche Texte
(Alexanderroman, Katharinen-Legende). Orthographie auf lat. Grundlage mit zahlreichen
Diakritika (eingeführt 1406 von Jan Hus in seiner „Orthographia Bohemica”, die
zusammen genommen als Schibboleths verwendet werden können: á, ≠, d`, é, ∅, í, ń, ⋅,
ó, , , t`, , ⌠, , . Spezifische Kennzeichen: Akzent auf der Erstsilbe; kurze und lange
Vokale auch unbetont; silbisches r und l : str≠ prst skrz krk „steck den Finger durch die
Kehle”; alveolarer sth. affrizierter Vibrant [] wie in Dvoák; beim Mask. Unterscheidung
zwischen [±belebt].
Tschetschenisch → Nordost-Kaukasisch

43
Tschuktschisch-Kamtschadalische Sprachen → Paläo-Sibirische Sprachen
Tsimshian → Penute
Tuareg → Berberisch
Türkeitürkisch → Türkisch
Türkisch. [Auch Türkeitürkisch]. Größte → Turksprache mit ca. 45 Mio. Sprechern,
Staatssprache der Türkei. Das T. weist die typischen Eigenschaften → der Altaischen
Sprachen auf: reiche, agglutinierende Morphologie, reiches Kasussystem, Kongruenz,
SOV-Wortstellung, die allerdings recht frei abgewandelt werden kann; Unterordnung von
Nebensätzen durch spezielle partizipiale Verbformen (Konverben); einfaches
Numerussystem (wobei der Plural nicht ausgedrückt wird, wenn ein Zahlwort beim
Nomen steht). Possessiv-Konstruktion des Typs dem Mann sein Esel. Die Sprache hat
eine alte Literaturtradition (bis 1928 in arabischer Schrift, heute lateinisch). Zahlreiche
Lehnwörter aus dem Persischen und Arabischen, die zum Teil durch Sprachreformen
zurückgedrängt wurden.
Tungusisch. Zweig des → Altaischen Sprachstammes mit etwa 12 Sprachen und 80000
Sprechern im nordöstlichen Asien. Die bekannteste Einzelsprache ist das Mandschu
(Manchu). Die Sprache der Manchu-Dynastie in China (1644-19110), heute ca. 20000
Sprecher.
Tupi. Sprachfamilie im südlichen Teil Südamerikas mit ca. 50 Einzelsprachen; bedeutendste
Sprache ist das → Guarani (ca. 3 Mio. Sprecher), von J. K. Greenberg [1987] zu den →
Äquatorial-Sprachen gerechnet. Die Sprachen haben sich in historischer Zeit vom
Amazonasbecken nach Süden ausgebreitet. Relativ einfache Lautsysteme, teilweise
besitzen die Sprachen ein Genussystem.
Turkana → Chari-Nil-Sprachen
Turksprachen. Zweig des → Altaischen Sprachstammes mit ca. 30 nah verwandten Sprachen
80 Mio. Sprechern in Zentral- und Kleinasien mit über 1000jähriger Schrifttradition.
Größte Einzelsprachen sind Türkisch (45 Mio. Sprecher), Uzbekisch (10 Mio. Sprecher)
und Asserbeidschanisch (8 Mio. Sprecher).
Twi-Fante → Kwa.
Tzeltal → Maya-Sprachen

U
Ubychisch → Nordwest-Kaukasisch
Udmurtisch → Finno-Ugrisch
Ugaritisch → Semitisch
Ugrisch → Finno-Ugrisch
Ukrainisch. Ostslaw. Sprache mit ca. 35 Mio. Sprechern in der Ukrainischen SSR (UdSSR).
Seit dem Ende des 18. Jh. Ansätze einer Schriftsprache, vorher kirchenslaw. Schrifttum
und Redaktion. Entwicklung zur moderner Schriftsprache seit 1918. Kyrillische
Orthographie mit Schibboleths: [ѓ], [ï].
Ungarisch. (Eigenbezeichnung: Magyarisch). Größte → Uralische Sprache mit ca. 14 Mio.
Sprechern; Staatssprache Ungarns, die durch langen Kontakt mit stammfremden
Sprachen manche uralischen Eigenheiten verloren hat. Erste schriftliche Dokumente seit
dem 13. Jh. Intensive Beziehungen mit europäischen und → Turk-Sprachen. – Syntax:
freie, pragmatisch orientierte Wortstellung, wobei die fokussierte Konstituente eine
markierte Position vor dem finiten Verb einnimmt. Das Verb kongruiert mit dem Subjekt in
Person und Numerus; darüber hinaus wird in der sogen. Objektskongruenz das
Verhältnis zwischen der Person des Subjekts zu der des Objekts angezeigt. Ein reiches
System von Verbpräfixen dient zur Markierung von Aktionsart. Komplexes Kasussystem,

44
u.a. zehn → Lokativ-Kasus mit Oppositionen wie [ruhend] vs. [bewegend],
[annähernd] vs. [entfernnend], innen] vs. [aussen].
Uralisch. Sprachfamilie Nordwestasiens und Osteuropas mit zwei Zweigen, den → Finno-
Ugrischen Sprachen (ca. 20 Sprachen, 22 Mio. Sprecher, mit → Finnisch und →Ungarisch
als den bedeutendsten Einzelsprachen) und den Samojedischen Sprachen am Ural (ca.
5 Sprachen, 30000 Sprecher, größte Sprache Nenets). Das Jukagirische in Nordsibirien
(einige 100 Sprecher) ist wohl mit den Uralischen Sprachen verwandt; beide werden zu
einem Uralisch-jukagirischen Sprachstamm zusammengefaßt. Verwandtschaft mit den →
Altaischen Sprachen ist zu vermuten. – Der U. Sprachstamm wurde schon früh etabliert
(die Finno-U. Sprachen bereits im 18. Jh., die U. Sprachen ingesamt am Ende 18 Jh.
durch den Ungarn S. Gyarmathi). – Die Sprachen sind typologisch recht verschieden.
Meist reiche Morphologie (agglutinierend). Meistens reicher entwickeltes Kasussystem,
z.T. mit zahlreichen Adverbialen, z.B. lokativen Kasus. Wortstellung: SOV, seltener SVO
oder freie Wortstellung. Die Negation wird durch ein Hilfsverb ausgedrückt. Es gibt keine
genuinen Satzkonjunktionen, stattdessen zahlreiche Infinitiv-Formen zur Unterordnung
von Sätzen. In kleineren Sprachen teilweise Dualformen bei den Pronomina; Die
Numerusmarkierung bei Nomina ist zum Teil wenig entwickelt. Die Lautinventare zeigen
oft einen großen Vokalreichtum; Vokalharmonie ist weit verbreitet.
Uralisch- Jakagirisch → Uralisch
Urdu → Hidi-Urdu
Usila Chinantekisch → Oto-Mangue-Sprachen
Uto-Aztekisch. Sprachfamilie Nord- und Mittelamerikas mit ca. 25 Sprachen, die aus 8
Zweigen besteht und mit den Kiowa- und Tanoa-Sprachen einen Sprachstamm Aztek-
Tanoanisch bildet. Zu den U.-A. Sprachen zählen → Nahuatl, die Sprache des Azteken-
Reiches (heute ca. 1,2 Mio. Sprecher in Mexiko), Tarahumara in Nordmexiko (ca. 35000
Sprecher), Pima-Papago (25ooo Sprecher) und → Hopi (7000 Sprecher) in Arizona. Die
Rekonstruktion ist ungewöhnlich weit fortgeschritten; erstmals wurde die U.-A. Familie
1859 von J. K. Buschmann postuliert. Typologisch sind U.-A. Sprachen recht
verschieden.
Uzbekisch →Turksprachen

V
Valencianisch → Katalanisch
Vedisch → Sanskrit
Vietnamesisch. [Auch: Annamesisch]. Größte → Mon-Khmer-Sprache (50 Mio. Sprecher),
Staatssprache Vietnams. Es handelt sich um eine Tonsprache (6 Töne); 12 Vokale, dazu
Di- und Triphtonge. Morphologisch isolierend. Vorstellung: SVO. Zahlreiche Lehnwörter
aus dem Chinesischen; die früher verwendete chinesische Schrift wurde durch die
lateiniesche mit diakritiscen Zeichen, v.a. zur Markierung von Tönen, ersetzt.
Volapük. → Von dem badischen Pfarrer J. M. Schleyer als → Welthilfsprache konstruierte und
1879 publizierte künstliche Sprache. V. besitzt ein einfaches phonetisch-phono-logisches
System, seine morphologische Struktur ist am → Agglutinierenden Sprachbau des
Türkischen orientiert; der Wortschatz beruht auf überwiegend engl. Wurzeln, vgl. die
Konstruktion von volapük: vol „Welt” (nach engl. world) –a „Genitiv”, pük „Sprache” (nach
engl. speak), also „Sprache der Welt”. Insgesamt erwies sich die Grammatik von V. als
zu kompliziert, die Wortbildung als zu willkürlich, so daß V. sehr bald durch → Esperanto
abgelöst wurde.
Voltaisch → Gur
Vulgärlatein → Latein

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W
Wakashan-Sprachen → Salisch
Walisisch. Keltische Sprache , gesprochen in Wales von ca. 400000 Sprechern. Seit dem 8.
Jh. überliefert, teilweise in reicher literarischer Tradition. Die Sprache stand unter sterkem
Einfluß des Lat., später des Normannischen und Eng.
Wappo → Golf-Sprachen
Warlpiri → Australische Sprachen
Weißrussisch [Auch: Belorussisch]. Ostslaw. Sprache mit ca. 7 Mio. Sprechern, vornehmlich in
der weißruss. SSR, auch in anderen Sowjetrepubliken und in Polen. Seit der Mitte des
19. Jh. Ansätze einer Schriftsprache; Vorher kirchenslaw. Schrifttum in weißruss.
Redaktion. Entwicklung zur moderner Schriftsprache seit 1918. Kyrillische Orthographie
mit Schibboleth: [] ; im Unterschied zum Ukrain. und (Groß-) → Russischen fehlen [и]
und [щ]. Unterschiede zum Russ. u.a.: dz, c statt d, t (= sogen. Dzekanie, Cekanie).
Spezifische Kennzeichen: Nom. Pl. statt Gen. Sg. nach den Numeralia für 1, 2, 4.
Wespisch → Finno-Ugrisch
Westatlantisch. Sprachzweig des → Niger-Kongo von 43 Sprachen, gesprochen im westlichen
Westafrika und in der größten Sprache, dem → Ful, bis zum Tschadsee. Weitere größere
Sprachen sind Wolof und Serer (Senegal). Kennzeichnend sind komplexe →
Nominalklassensysteme mit bis zu 25 Klassen, Klassenanzeige durch Prä- oder Suffixe,
oft verbunden mit Wechsel der Anlautkonsonanten von Wurzeln, → Konkordanz und
einem reichen Diathesensystem (im Ful z.B. auch ein → Medium).
Wiyot → Algonkisch
Wolga-Sprachen → Finno-Ugrisch
Wolof → Westatlantisch
Wotisch → Finno-Ugrisch
Wu → Chinesisch

Y
Yao → Miao-Yao
Yiddisch → Jiddisch
Yoruba. Größte → Kwa-Sprache (19 Mio. Sprecher in Nigeria). Tonsprache (3 Töne),
Nasalvokale, Vokalharmonie. Morphologie: nur Derivation, keine Flexion. Wortstellung:
SVO. Logophorische Pronomen, → Serialverb-Konstruktion.
Yue → Chinesisch
Yukatekisch → Maya-Sprachen
Yuki → Golf-Sprachen
Yuman-Sprachen → Hokanisch
Yupik → Eskimo-Aleutisch
Yurok → Algonkisch

Z
Zapotekisch → Oto-Mangue-Sprachen
Zenaga → Berberisch
Zigeunersprache → Romani

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Zoque → Mixe-Zoque
Zulu → Bantu

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SUPLEMENT
Absolutiv. Morphologischer Kasus zur Kennzeichnung des Subjekts intransitiver und des
Objekts transitiver Sätze in ≡ Ergativsprachen. Der A. kennzeichnet die primäre
syntaktische Funktion dieses Sprachtyps; wie der Nominativ in ≡ Nominativsprachen hat
er meist ein ≡ Nullmorphem.
Absolutivsprache. ≡ Ergativsprache
Äquativ [lat. aequ♠re "gleichmachen"]. Form der Komparation, die die gleich hohe Ausprägung
einer Eigenschaft ausdrückt: Philip ist so groß wie Caroline.
Agglutination. [lat. aggl〉tin♠re „anleimen”]. In der Wortbildung: morphologisches
Bildungsprinzip, nach dem die einzelnen Morpheme sowohl monosemantisch (≡
Monosemie) als auch juxtaponierend (≡ Juxtaposition) sind, d.h. jedem Morphem
entspricht ein Bedeutungsmerkmal, und die Morpheme werden unmittelbar aneinander
gereiht, vgl. türk.: ev "Haus", -im "mein", -ler "Plural", -in "Genitiv": evlerimin "meiner
Häuser".
Agglutinierender Sprachbau. Von W. von Humboldt [1836] unter morphologischen Aspekten
aufgestellter Klassifikationstyp für Sprachen, die zum Wortbildungsmittel der ≡ Agglutina-
tion tendieren wie u.a. Türkisch, Japanisch, Finnisch. Vgl. zum Unterschied ≡ Analytischer
Sprachbau, ≡ Flektierender Sprachbau.
Aktiv. [Auch: Tätigkeitsform]. Neben ≡ Passiv und ≡ Medium Subkategorie des Genus Verbi in
≡ Nominativsprachen wie dem Dt. Im A. wird typischerweise das ≡ Agens einer Handlung
durch das Subjekt kodiert. A. gilt als grundlegende ≡ Diathese, da es keinerlei Beschrän-
kungen unterliegt, für alle Klassen von Verben gegeben ist und morphosyntaktisch die
einfachere Konstruktion darstellt.
Aktivsprache. [Auch: Aktivischer Sprachtyp]. Sprachtyp der Relationalen Typologie neben ≡
Nominativsprache und ≡ Ergativsprache. Unter der Annahme, daß von den Mustern des
einfachen Aussagesatzes der intransitive und der transitive Tätigkeitssatz und von den
semantischen Rollen ≡ Agens und ≡ Patiens die wichtigsten sind, ist dieser Sprachtyp fol-
gendermaßen zu charakterisieren: Das Agens wird unabhängig von der Transivität des
Satzes an der Verbergänzung, die diese semantische Rolle trägt, oder am Verb durch
eine morphologische Kategorie kodiert, die „Aktiv” genannt wird. Das Patiens bzw. ein
Zustandsverb, das kein Agens selegiert, wird durch eine morphologische Kategorie
gekennzeichnet, die „Inaktiv” genannt wird. Vgl. das folgende Schema:

Agens Patiens
int.
Aktiv Inaktiv
trans.

mit der entsprechenden Verteilung in einer Nominativsprache wie dem Dt.:

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Agens Patiens
intr. Subjekt

trans. Subjekt Objekt

A. sind u.a. einige Indianersprachen Nordamerikas (z.B. Dakota), Lhasa-Tibetisch (≡ Tibeto-


Burmanisch), Guarani, vgl. Ost-Pomo: há ce..xelka „ich rutsche aus (ohne Absicht)”, wí
ce..xelka „ich rutsche/gleite (absichtlich)”. Die Tendenz, die agentivische Ergänzung
intransitiver Verben anders zu kodieren als die nicht-agentivischer, zeigt sich auch in
anderen Sprachen, so z.B. im Dt. (besonders im Mhd.), wo bei intransitiven
Zustandsverben der Träger des Zustands bevorzugt im Dativ oder Akkusativ erscheint
(mich friert, mir ist angst), während das Agens eines intransitiven Tätigkeitsverbs im
Nominativ steht (ich arbeite, ich lese). Im Unterschied zum Dt. ist diese Form-Opposition
in A. jedoch dominierend.
Alienabel vs. Inalienabel. Subkategorien zum Ausdruck von „veräußerbarem” (engl. alienable)
und „nicht veräußerbarem” (engl. inalienable) Besitz, die in verschiedenen Sprachen
durch unterschiedliche Mittel realisiert werden. Im Dt. dient das Verb besitzen zum
Ausdruck alienabler Possession (ich besitze ein Haus /*einen Vater /*ein Herz). Im
Swahili wird I. Possession morphologisch, A. Possession syntaktisch ausgedrückt: baba-
ngu „mein Vater”, nyumba yangu „mein Haus”. Im Chickasaw (≡ Muskogisch) gibt es
verschiedene morphologische Formen, z.B. sa-holba „ein Bild von mir” (das ich besitze,
alienabel). Neuere Untersuchungen zeigen, daß nicht so sehr die Veräußerlichkeit eine
Rolle spielt als vielmehr, ob das Possessor-Nomen ein Relationaler Ausdruck ist oder
nicht.
Allativ. [nach lat. all♠tus „hingetragen”]. Morphologischer Lokalkasus in einigen Sprachen, z.B.
im Finnischen. Er drückt aus, daßein Objekt sich in Richtung auf einen Ort bewegt.
Allgemeine Semantik. [engl. General Semantics]. Von dem polnischen Mathematiker A.
Korzybski in den USA begründete, weniger sprachwissenschaftlich als ideologisch
ausgerichtete semantische Konzeption von Sprache. Die A. S. untersucht die Beziehung
zwischen Sprecher, Sprache und Wirklichkeit unter dem Aspekt der Befreiung des
Menschen von der „Tyrannei” der Sprache (vgl. Chase [1938]). Im Unterschied zur
materialistisch orientierten ≡ Abbild(ung)stheorie geht die A. S. davon aus, daß durch die
vorgegebene Struktur der Sprache der Mensch nicht in der Lage ist, die Realität objektiv
zu begreifen, da die sprachliche Vermittlung der Erfahrung immer schon durch bestimmte
Abstraktionen und Symbolisierungen vorgeprägt ist (≡ Sapir-Whorf-Hypotese, ≡
Inhaltbezogene Grammatik). Daher ist es unter pädagogischen Aspekt notwendig, die
Manipulationen und Verzerrungen durch Sprache zu durchschauen, d.h. Sprache als
trügerisches Abbild der Realität zu entlarven.
Alphabet. [griech. ♠lpha + bℜta, Namen der ersten beiden Buchstaben des griech. Alphabets].
(1) Schriftzeicheninventar einer Alphabetschrift in standardisierter Anordnung. Die
Anordnubg ist bei gleichem Schriftzeicheninventar für verschiedene Sprachen, aber auch
für ein und dieselbe Sprache unterschiedlich geregelt Nach Duden werden ä, ö, ü wie a, o
und u eingeordnet, nach DIN 5007 jedoch wie ae, oe, ue. ß wird nach beiden
Regelwerken wie ss behandelt. Die letzten Buchstaben im dän. und norweg. A sind y, z,
≥, ⇑, ↓, im Schwed.: y, z, ↓, ä, ö und im isländ.: y, τ, ≥, ö.
(2) (Auch: Vokabular): Endliche Menge der Symbole bzw. Grundzeichen, auf der die
Beschreibung formaler (künstlicher) Sprachen basiert. So besteht das Morse-A. aus zwei
Elementen, nähmlich kurzer und langer Ton, deren unterschiedliche ≡ Verkettungen das
Morse-System ergeben. In der Transformationsgrammatik wird zwischen nicht terminalen
Symbolen S, NP, VP usw. und den aus dem Lexikon eingesetzten Endsymbolen
unterschieden.
Alphabetschrift. [Auch: Buchstabenschrift]. Verschriftungssystem, das auf phonetisch-
phonologischen Kriterien beruht, d.h. auf einer Zuordnung von graphischen Zeichen zu
Lauten oder Lautsegmenten. Durch dieses "phonographische" Prinzip unterscheiden sich

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A. von Schriften, die (a) zur Darstellung sprachlicher oder nicht-sprachlicher Ereignisse
sich bildlicher Zeichen bedienen (≡ Piktographie), die (b) Begriffe (≡ Ideographie), (c)
morphologische Einheiten - Morpheme oder Wörter - (≡ Logographie) oder (d) Silben (≡
Silbenschrift, Syllabographie) verschriften. Im Unterschied zu solchen ideographischen
(und auch zu syllabographischen) Systemen, die unabhängig voneinander zu
verschiedenen Zeiten bei verschiedenen Völkern immer wieder neu entstanden sind,
lassen sich alle A. auf eine einmalige Erfindung im semitischen (altphönikischen)
Sprachbereich zurückführen. Diese nur konsonantische A. adaptierten die Griechendurch
"Vokalisierung" und die Schaffung einer linearen Abfolge von Konsonant und Vokal. Die
universelle Entwicklung und Verbreitung der A. beruht auf dem besonders günstigen
Verhältnis zwischen der Einfachkeit und der Lernbarkeit des Systems sowie der
Ökonomie seiner Verwendung. Während die moderne chines. (logographische) Schrift
etwa 6000 bis 8000 Zeichen für die umgangssprachliche Kommunikation und etwa die
zehnfache Menge für wissenchaftliche Texte benötigt, basieren die A. auf etwa 30
Zeichen; Das Engl. verfügt über 26, das Dt. über 28, das Frz über 31 und das Russ. über
33 Buchstaben. Die Übertragung des lat. Alphabets auf europäische Sprachen führte
nach der je verschiedenen einzelsprachlichen phonologischen Struktur zu
unterschiedlichen Anpassungsschwierigkeiten und häufig darus resultierenden
orthographischen Inkonsequenzen, was die Relation von Laut zu Zeichen (und
umgekehrt) betrifft. Solche Problemfälle, durch historischen Wandel oder Zufall häufig
noch verstärkt., resultieren vor allem aus der unsystematischen Zuordnung von
Laut/Phonem und Zeichen/Graphem. Von folgenden Abweichungstypen sind die
europäischen Einzelsprachen (unterschiedlich stark) betroffen: (a) Ein Zeichen steht für
mehrere Laute, vgl. dt. [s] bezeichnet [s] in Dunst, [z] in Sache, [] in Spiel; (b) Mehrere
Zeichen beziehen sich auf denselben Laut, vgl. dt. [i, ie, ieh] für [i:] in Stil, Stiel, stiehl; (c)
Einfache Zeichen werden für Lautverbindungen verwendet, vgl. dt. [z] für [ts] in Reiz, oder
(d)] Zeichenverbindungen für Einzellaute, vgl. dt. [sch] für [] in Schein. - Ungeklärt sind
die sprachtheoretischen Hypothesen , ob die A. eine historische Zufälligkeit oder aber
eine notwendige, auf dem naturgegebenen universallen Charakter des Phonems (=
Sprachlaut) beruhende Erfindung sei, vgl. hierzu H. Lüdtke (1969): Die Alphabetschrift
und das Problem der Laut segmentierung. In: Phonetica 20, S. 147-176. ≡ Graphemik, ≡
Schrift.
Alpha Privativum. [lat. pr⊂v♠t⊂vus "verneinend"]. Bezeichnung für das griech. Präfix a-/an-
aus idgerm. *(lat. in-, dt. un-), das der Verneinung des folgenden Ausdruck dient, z.B. A +
theist (zu griech. átheos "gotlos"), a + (n)onym (griech. an(nymos "ohne Namen").
Animat vs. Inanimat. [lat. anim♠lis „lebendige”. – Auch: Belebt vs. Unbelebt]. Nominale Subka-
tegorien, die sich auf die Unterscheidung von „belebten” Wesen (Menschen, Tiere) und
unbelebten Dingen beziehen. Die in sehr viele Sprachen wichtige Unterscheidung spielt
u.a. eine Rolle im Dt. beim Gebrauch der Interrogativpronomina wer und was, in den
slaw. Sprachen bei der Deklination, in Bantu-Sprachen bei der Einteilung der Nomina in
verschiedene Klassen und in vielen Sprachen mit gespaltener Ergativität (≡ Ergativspra-
che) bei der Wahl syntaktischer Konstruktionstypen.
Antipassiv. Konstruktion in ≡ Ergativsprachen, in denen eine passivähnliche Struktur grundle-
gend ist. Wie im Aktiv der ≡ Nominativsprachen wird auch im A. typischerweise das ≡
Agens einer Handlung durch das „Subjekt” (vgl. ≡ Absolutiv) kodiert; das A. ist jedoch
morpho-syntaktisch komplexer und unterliegt mehr Beschränkungen als die grundlegen-
de Diathese des ergativen Sprachtyps.
Aorist. [griech. aóristos „unbestimmt”]. Griech. Bezeichnung für den perfektiven ≡ Aspekt,
manchmal eingeschränkt auf perfektiven Aspekt im Präteritum. A. wurde im ≡
Griechischen und Altind. (≡ Sanskrit) besonders in literarischen Texten als Tempusform
für aufeinanderfolgende Handlungen verwendet. Es entspricht in seinem Gebrauch dem
lat. Perfekt, bzw. zum Teil dem historischen Perfekt (passé simple) im Frz.
Argot [engl. cant]
(1) Dem ≡ Rotwelsch entsprechende ≡ Sondersprache der französischen Bettler und
Gauner des Mittelalters.
(2) Im weiteren Sinn jede Form von Sondersprache ("Geheimsprache") einer sozial
abgegrenzten (häufig als asozial abgestempelten) Gruppe, die vor allem durch ihren

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spezifischen Wortschatz von der Standardsprache abweicht. Die angestrebte
Nichtverstehbarkeit für Außenstehende macht eine Erneuerung von Schlüsselwörtern
erforderlich sobald diese in den allgemeinen Sprachschatz übernommen werden; dabei
bedient man sich entweder der metaphorischen Umdeutung von Wörtern aus der
Gemeinsprache (z.B. Schnee für "Kokain") oder der Entlehnung aus fremden Sprachen,
vgl. zahlreiche Wörter jiddischen Ursprungs in der Gaunersprache: besäbeln "betrügen",
Zores "Lärm", "Wirrwar" (aus hebr. za:ro:th "Not", "Bedrängnis"), zocken "(Glückspiele)
spielen".
Ausgangssprache [Auch: Quellsprache; Gegensatz: ≡ Zielsprache]
(1) Sprache, aus der übersetzt wird.
(2) Muttersprache des Lerners beim Fremdsprachenlernen, besonders unter
kontrastivem und fehleranalytischem Aspekt.
Aussprache. Bezogen auf eine Sprachgemeinschaft spricht man im allgemeinen von der A.
einer Sprache. Oft bezieht man sich auf eine schriftliche Kodifizierung und spricht dan
z.B. auch von der A. (oder Lautung) eines Buchstaben oder eines Wortes. Zur
Normierung und Kodifizierung einer überregionalen schriftnahen Standardsprache ≡
Orthoepie.

B
Behaghelsche Gesetze Von O. Behaghel formulierte Grundprinzipien der ≡ Wort- und
Satzgliedstellung: (a) Als sogen. "Erstes Behaghelsches Gesetz" gilt , daß "das geistig
eng Zusammengehörige auch eng zusammengestellt wird". (b) Ein zweites machtvolles
Gesetz verlangt, daß das Wichtigere später steht als das Unwichtige" (auch: Zweites
Behaghelsches Gesetz). (c) "Das unterscheidende Glied [geht] dem unter-schiedenen
[voraus] ". (d) Von zwei Gliedern geht, soweit das möglich ist, das kürzere dem längeren
voraus (auch: "Gesetz der wachsenden Glieder"). Außerdem besteht eine Tendenz zum
Wechsel zwischen stärker und schwächer betonten Gliedern.
Bahuvrihi. [altind. „viel Reis (habend)”. – Auch: Exozentrisches Kompositum]. Aus der Altind.
Grammatik stammende Bezeichnung für Possessivkomposita (≡ Komposition), wobei B.
zugleich Terminus und Beispielwort darstellt.
Brechung [engl. breaking/voice mutation. - Auch: A-Umlaut, Vokalsenkung]. Terminus von J.
Grimm, der in der traditionellen Terminologie der vergleichenden Sprachwissenschaft
eine Reihe unterschiedlicher assimilatorischer Vokalveränderungen bezeichnet, so etwa
im Gotischen die Senkung von i, u zu e, o vor folgenden r und h (Angleichung an die tiefe
Zungenstellung der Konsonanten), im Altisländ. die Diphthongierung von e zu ia, io vor a
bzw. u in der Folgesilbe, im Altengl. die Diphthongierung von e, i zu eo, io (vor u in der
Folgesilbe) und von a zu ea (vor r, l, h + Konsonant bwz. vor einfachem h) im Ahd. die
assimilatorische Senkung hoher Vokale vor nicht-hohen Vokalen in der Folgesilbe (Vgl. ≡
A-Umlaut). Heute versteht man unter B. i.a. lediglich die Diphthongierungen.
Bühnenaussprache. Von regionalen und umgangssprachlichen Merkmalen freie Ausprache
des Dt., deren Regeln von dem Germanisten Th. Siebs in Zusammenarbeit mit
Bühnenleitern und Sprachwissenschaftlern als „Deutsche Bühnenaussprache” [1898] zum
erstenmal kodizifiert wurden. Als idealisierte Norm, die sich an Schriftnähe und lautlicher
Deutlichkeit orientiert, galt sie bis in die 40er Jahre (besonders im klassischen
Versdrama) als verbindliche Norm.

C
Casus Obliquus [lat. obl⊂quus "schräg"]. Bezeichnung für die (vom Verb abhängigen) Kasus ≡
Genitiv, ≡ Dativ, ≡ Akkusativ, ≡ Vokativ, ≡ Ablativ. Vgl. zum Unterschied ≡ Casus Rectus.
Casus Rectus [lat. rℜctus "gerade"]. Aus dem Griech. übernommene Bezeichnung für den
Kasus ≡ Nominativ: griech. pt⇐sis orthé "aufrechter" Kasus bezieht sich auf das Bild
eines aufrecht stehenden Stabes, der in verschiedenen Graden gebeugt, d.h. flektiert
wird. Vgl. Casus Obliquus.
Chinesische Schrift. Logographische Schrift, deren Anfänge auf das frühe 2. Jt. v. Chr.
zurückgehen und noch heute für das ≡ Chinesische (und teilweise das ≡ Japanische)

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verwendet wird. Typischerweise besteht ein Zeichen aus zwei Teilen, einem sogen.
"Radikal", das einen Bedeutungsberaich angibt, und dem Rest, der Hinweise für die
phonetische Realisierung enthält. Die insgesamt 214 Radikale dienen auch zur
lexikographischen Ordnung der Zeichen. Ingesamt gibt es über 4000 Zeichen, wobei
jedoch weniger als 10000 für nahezu alle Zwecke ausreichen.

D
Deadjektivum. [Pl. Deadjektiva; lat. de- „aus”]. Aus Adjektivstämmen entstehende Wörter wie
fälschen aus falsch, Feigling aus feige und engl. (to) harden aus hard, frz. jaunâtre aus
jaune.
Defektivum. Wort, das im Vergleich zu anderen Vertretern seiner Klasse „defekt” ist in Bezug
auf seine grammatische Verwendung, z.B. bestimmte Adjektive wie hiesig, dortig,
mutmaßlich, die nur attributiv verwendet werden können.
Desubstantivum. [Pl. Desubstantiva; lat. de- „aus”]. Von Substantiven abgeleitete Wörter, z.B.
hämmern von Hammer, rüpelhaft von Rüpel, oder engl. helpless von help, frz. automnal
von automne.
Deverbativum. [Pl. Deverbativa; lat. de- „aus”]. Durch Ableitung ( = Derivation) von Verben
neugebildete Wörter: Beruhigung von beruhig(en), ablesbar von ables(en), tränk(en) von
trin(en), oder engl. misanalyse aus analyse, frz. équipement aus équiper.
Deponens. [Pl. Deponentia; lat. dℜp⇐nere „ablegen”]. Gruppe von Verben des Lat. mit
passiver Form, die aber die passive Bedeutung „abgelegt” und nur noch aktive Bedeutung
haben: hort♠r⊂ „ermahnen”, loqu⊂ „reden”, pat⊂ „leiden”. Die D. sind Überreste des noch
om Griech. erhalten, zwischen Aktiv und Passiv stehenden ≡ Mediums.
Derivat. [lat. dℜr⊂v♠re „ableiten”. Auch: Ableitung]. Ergebnis des Wortbildungsvorgangs der
Derivation ( = Ableitung).
Derivation. [auch: Ableitung]. Haupttyp der ≡ Wortbildung neben ≡ Komposition
(Zusammensetzung), mit sehr unterschiedlichem Begriffsumfang: Einerseits wird D.
unterschieden von ≡ Prägierung, so bei W. Fleischer [1969], der dann folgende weitere
Unterscheidungen trifft: (a) unter dem Aspekt der formalen Bildungsweise zwischen
expliziter D., die entweder durch Anfügen eines ≡ Suffixes an ein freies Morphem (dumm,
Dummheit) oder durch Lautveränderung (auch „innere D.” genannt) erfolgt: trinken vs.
Trank, und impliziter D., die entweder als ≡ Rückbildung analysiert wird, z.B. Schau aus
schauen, Sorgfalt aus (älterem) sorgfältig, oder als ≡ Konversion in eine andere Wortart:
deutsch vs. Deutsch; (b) Je nach der Wortart des der D. zugrundeliegenden
Ausgangswortes spricht man von ≡ Deverbativa (Gabe von geben) oder ≡ Desubstantiva
(ängstlich aus Angst) oder Deadjektiva (Nässe aus Naß); (c) Hinsichtlich semantischer
Typenbildung ergeben sich Zuordnungen bestimmter Suffixgruppen zu inhaltlichen
Komponenten; so bilden im Dt. –heit, -keit, -schaft und –tum in der Regel ≡ Abstrakta, -er
Personenbezeichnungen wie Lehrer, Verdiener (≡ Nomen Agentis), -chen /-lein
Verkleinerungsformen (Diminutiva). Im Unterschied zu Fleischer [1969] versteht man D.
häufig als Obergriff für Präfix- und Suffixbildungen (so z.B. Erben [1975], wobei dann die
Affixlosen Bildungsweisen (Treff und Fall) als dritter Haupttyp der Wortbildung aufgefaßt
werden. – In seiner historischen Wortbildungslehre hat H. Paul [1920] die Präfixbildung
zur Komposition gezählt. Ihm folgte zunächst W. Henzen [1947], kam jedoch in der
zweiten und dritten Auflage([1957/1965]) davon ab und wies der Präfigierung eine
Mittelstellung zwischen den zwei Hauptarten , Komposition und D., zu – ähnlich wie W.
Fleischer in neueren Auflagen. Zum Begriff implizite oder affixlose Ableitung vgl. ≡
Konversion.
Digraphie. [griech. gráphein „schreiben”]. Repräsentation eines Phonems durch zwei gra-
phische Zeichen, z.B. engl. <sh> für [].
Distributivum. [Pl. Distributiva. Auch: Distributiv-, Verteil(ungs)zahl]. Untergruppe der
Numerale (Zahlwörter) im Dt. durch ein den Kardinalzahlen vorangestelltes je gebildet: je
sechs Bücher.
Dualis [lat. (numerus) du♠lis "zwei enthaltend"]. Teilkategorie des ≡ Numerus zur Bezeichnung
vonpaarweise auftretenden Elementen im Unterschied zu Einzelelementen (≡ Singular)

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und mehr als zwei Elemementen (≡ Plural). Reste des ursprünglich im Ideur. formal voll
ausgebildeten nominalen D. finden sich u.a. im Griechischen und im Gotischen in der
Unterscheidung der Personalpronomina (vgl. got. weis "wir" vs. wit "wir beide") sowie in
einigen slawischen Sprachen. Die im Bairischen erhaltenen alten Dualformen ös ("ihr
beiden") und enk ("euch beiden") haben Pluralfunktion übernommen.
Duden. Nachschlagewerk zur Rechtschreibung des Deutschen, seit 1915 so benannt nach dem
Gymnasiallehrer Konrad Duden (1829-1911), dessen 1880 erschienenes „Vollständiges
orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache” die Einheitlichkeit der deutschen
Rechtschreibung begründete. Die im RechtschreibungsDUDEN kodifizierten Schreibwei-
sen und Regeln gelten in allen Zweifelsfällen als verbindliche Norm, und zwar seit 1955
mit staatlicher Sanktionierung durch die Kultusministerkonferenz. Seit 1956 hat die Mann-
heimer DUDENredaktion, die sich auch als Sprachberatungsstelle sowie als Forschungs-
institut für eine wissenschaftlich begründete Sprachpflege versteht, dem Rechtschreibe-
DUDEN weitere Bände zu Grammatik, Aussprache u.a. folgen lassen. Die in der DDR
erschienenen DUDEN-Ausgaben wurden von der Leipziger DUDEN-Redaktion erarbeitet.
Die Planung für ein gemeinsames DUDEN-Wörterbuch der Rechtschreibung hat begon-
nen.

E
Elativ. [lat. ℜl♠tio „Emporhebung”].
(1) Höchste Steigerungsstufe des Adjektivs zur Bezeichnung eines hohen Grades einer
Eigenschaft, aber (im Unterschied zum relativen Superlativ) ohne vergleichende
Komponente: man nennt den E. daher auch „absoluten Superlativ”. Während das Russ.
über morphologische Kennzeichnungen des E. verfügt, wird er im Dt. u.a. durch
adverbielle Umschreibungen mit äußerst, höchst, enorm, überaus ausgedrückt. Vgl. ≡
Komparation.
(2) Morphologischer Kasus z.B. der finno-ugr. Sprachen zur Bezeichnung einer
Bewegungsrichtung von Innen nach Außen. Vgl. ≡ Illativ.
Energeia. [griech. enérgeia „Tätigkeit”]. Auf Wilhelm von Humboldt (1767-1835)
zurückgehender Begriff zur Bezeichnung von Sprache als „Tätigkeit”, als „wirkende Kraft”
im Unterschied zu Sprache als statischem Gebilde, vgl. ≡ Ergon. Sprache ist nicht ein „da
liegender, in seinem Ganzen überschaubarer ... Stoff”, sondern sie muß als ein „sich
ewig erzeugender” Prozeß angesehen werden (Bd. 8,S,58); Sprache in diesem Sinn
macht „von endlichen Mitteln einen unendlichen Gebrauch” (S.99). Auf diese
„energetische” Sprachauffassung berufen sich in Deutschland unterschiedliche
Sprachtheorien, vor allem die ≡ Inhaltbezogene Grammatik von L. Weisgerber [1949/54],
und in Amerika die generative ≡ Transformationsgrammatik von N. Chomsky [1965].
Während Weisgerbers Rückgriff auf Humboldt zur Begründung seiner Auffassung von
Sprache als selbsttätiger gesellschaftlicher Erkentnisform dient, bezieht sich Chomsky vor
allem auf den kreativen Aspekt der E.-Begriffs, der im Rahmen seiner Sprachtheorie
durch ein „System rekursiver Prozesse” abgebildet wird.
Ergativ. [griech. ergátℜs „Handelnder”].
(1) Morphologischer Kasus in ≡ Ergativsprachen zur Bezeichnung des Handlungsträgers
(≡ Agens) bei transitiven Verben in der Grund-Diathese. Im Gegensatz zum Nominativ der
≡ Nominativsprachen (z.B. des Dt.), der im allgemeinen dieselbe semantische Rolle
kodiert, ist der E. nicht der Grundkasus in diesem Sprachtyp. Der E. hat somit im
allgemeinen kein ≡ Nullmorphem und dient nicht zur Kennzeichnung des „Subjekts”, d.h.
der primären syntaktischen Funktion, die im Absolutiv steht, sondern des „direkten
Objekts”. Damit hängt zusammen, daß Ergänzungen im E. nicht oder nur dann mit dem
Verb kongruieren, wenn auch eine Ergänzung im Absolutiv Verbkongruenz auslöst.
Außerdem erscheinen Ergativphrasen in der abgeleiteten Diathese dieses Sprachtyps, im
Antipassiv, als Absolutiv-Argumente.
Ergativsprache. [Auch: Absolutivsprache]. Sprachtyp der ≡ Relationaler Typologie neben ≡
Nominativ- und ≡ Aktivsprache. Unter der Annahme, daß von den Mustern des einfachen
Aussagesatzes der intransitive und der transitive Tätigkeitssatz und von den
semantischen Rollen ≡ Agens und ≡ Patiens die wichtigsten sind, ist dieser Sprachtyp
folgendermaßen zu charakterisieren: Der Grundkasus ≡ Absolutiv kennzeichnet die
Verbergänzung intransitiver Verben unabhängig von deren semantischer Rolle und das ≡

52
Patiens transitiver Verben. Der ≡ Ergativ dient der Kennzeichnung des ≡ Agens bei
transitiven Verben, vgl. das abgebildete Schema:
Agens Patiens
intr. Absolutiv
Absolutiv
trans. Ergativ

Vgl. bask. ni-k („ich”, Ergativ) gizona („Mann”, Absolutiv) etorri da („ist gekommen”). Das
Patiens-Komplement transitiver Verben und das Komplement intransitiver Verben werden
somit morphologisch (und in einer konsistenten E. auch syntaktisch) gleich behandelt. Im
Unterschied dazu findet man in einer Nominativsprache wie dem Dt. eine
Gleichbehandlung des Agens transitiver Verben und des Komplements intransitiver
Verben:

Agens Patiens
intr. Subjekt

trans. Subjekt Objekt

E. sind viele ≡ Kaukasische (≡ Georgisch, Ubychisch), Austronesische (Tonga), ≡


Australische (Dyirbal) und ≡ Maya-Sprachen (Tzeltal). Oftmals sind E. nur teilweise nach
dem ergativischen Muster strukturiert. So ist in vielen australischen Sprachen das
Pronominalsystem nominativisch, das Nominalsystem ergativisch. In einigen Sprachen
Asiens, z.B. im Hindi (Hindi-Urdu), sind Sätze im Präteritum ergativisch, sonst
nominativisch. In diesen Fällen spricht man von „gespaltener Ergativität”.
Ergon. [griech. érgon „Werk”]. Auf Wilhelm v. Humboldt (1767-1835) zurückgehender Begriff
zur Bezeichnung von Sprache als Produkt einer abgeschlossenen Tätigkeit. Dieser
Auffassung von Sprache als (statischem) Werk, setzt Humboldt seine Vorstellung von
Sprache als ≡ Energeia, als Tätigkeit entgegen. Im Rahmen seiner Konzeption einer
Inhaltbezogenen Grammatik greift L. Weisgerber auf Humboldt zurück und versteht unter
E. die laut- und formbezogene Grammatik einschließlich Wortbildung, die er als
notwendiges Durch- gangsstadium zu einer Energetischen Sprachauffassung ansieht.
Erste Lautverschiebung [engl. Grimm's Law. - Auch (als Rückübersetzung): Grimmsches
Gesetz]. Systematische Veränderungen des ideur. Obstruentensystems, die zur
Entwicklung des Germanischen und seiner Differenzierung von den übrigen indeur.
Sprachenfamilien führten. Die von dem Dänen R. K. Rask aufgrund von Sprachvergleich
(≡ komparative Methode) entdeckten Unterschiede zwischen dem Altnordischen und dem
Griechischen bzw. Lateinischen wurden 1822 zum erstenmal von J. Grimm als
systematischer Lautwandel dargestellt, wobei Grimm das Sanskrit als (vermeintlich
authentische) Fortsetzung des Ideur. zum Vergleich heranzog. Im wesentlichen handelt
es sich bei der E. L. um drei konsonantische Veränderungs-vorgänge: (a) Die stl.
Verschlußlaute [p, t, k] werden zu stl. Frikativen [f, τ, χ] (ideur. p∂tér, lat. pater: engl.
father; ideur. tréyes, lat. trℜs : got. τreis : engl. three; ideur.*kmtóm: lat. centum: dt.
hundert). Regelhafte Ausnahmen dieser Veränderung sind: (aa) Die Verschiebung findet
nicht statt nach indeur Obstruenten, vgl. griech. steích⇐: ahd. st⊂gan; lat. spuo: ahd.
sp⊂wan; lat piscis : ahd. fisk; lat. captus : ahd haft. (ab) In Verner-Umgebung (≡
Vernersches Gesetz) entstehen je nach Lage des Wortakzents stl. oder sth. Reibelaute;
letztere fallen mit den aus der Verschiebung der aspirierten Verschlußlaute (s. u.(c)) ent-
standenen sth. Reibelauten zusammen. (b) Die sth. Verschlußlaute b, d, g werden zu den
stl. Verschlußlauten p, t, k, vgl. lat. decem : engl. ten; lat. genu; dt. Knie. (c) Die
aspirierten Verschlußlaute bh, dh, gh werden zu sth. Frikativen Б, ñ, g [v, ≈, χ](die im
folgenden zu den Verschlußlauten b, d, g weiterverschoben werden), vgl. altind. bharati
("er trägt") : got. bairan; altind. madhya : got midjis ("Mitte"); indeur. *ghostis : nhd. Gast. -

53
Die Datierung der E. L. wird durchgängig kontrovers beurteilt; es scheint jedoch plausibel,
den Beginn um 1200 - 1000 v. Chr., den Endpunkt nach Ausweis keltischer Lehnwörter
um 500-300 v. Chr. anzusetzen.- Ebenso umstritten wie die Datierung der E. L. sind die
Hypothesen über ihre Ursachen und ihren Verlauf; in letzter Zeit wird die generelle
Existenz der E. L. in der hier beschriebenen Form in Abrede gestellt: Neben anderen
Evidenzen spreche besonders die sprachtypologische Unplausibilität der üblicherweise
verwendeten Rekonstruktion des indeur. Konsonantensystems (stl. Tenues, sth. Mediae,
sth. Mediae aspiratae) gegen die bisherige Auffassung der El. L.; T.V. Gamkrelidze
(1972) schlägt eine sprachtypologisch realistischere Rekonstruktion des Ideur. vor, der
zufolge die zum Germanischen hin erfolgenden Veränderungen als relativ marginal
anzusehen wären - damit stünden aber jene Sprachen, die traditionell als Sprachen mit
Lautverschiebung angesehen werden, dem ideur. Konsonantismus näher als die
Sprachen ohne Lautverschiebung.
Etymon. Grundbedeutung bzw. ursprüngliche Form eines Wortes, vgl. unter Etymologie.

F
Fachsprachen. Sprachliche ≡ Varietäten mit der Funktion einer präzisen und differenzierten
Kom- munikation über meist berufsspezifische Sachbereiche und tätigkeitsfelder.
Kennzeichen sind ein ausgebauter, z.T. terminologisch normierter Fachwortschatz (≡
Sprachnormung), ein entsprechend differenzierter Gebrauch von Wortbildungsregeln, z.B.
für mehrgliedrige Komposita, spezielle Präfixbildungen , Fremd- und Kunstwörter,
Fachmetaphorik (vgl. ≡ Katachrese), ferner in der Syntax das vorherrschen des ≡
Nominalstils und ≡ Unpersönlicher Konstruktionen sowie auf Textebene die explizite
Kennzeichnung von Gliedern und semantischer ≡ Kohärenz, z.B. durch ≡ Konektive, ≡
Rekurrenz und andere Mittel der ≡ Kohäsion. Allgemeine Charakteristika der modernen F.
in Technik, Wissenschaft und Verwaltung sind überregionale Standardisierung, Exaktheit
und Ökonomie der Informationsvermittlung und ein hohes gesellschaftliches Prestige,
erkennbar an der Übernahme fachsprachlicher Elemente in andere Sprachschichten, z.B.
≡ Umgangssprache oder ≡ Werbesprache.

Flektierender Sprachbau. Von W. Von Humboldt [1836] unter morphologischen Aspekten


aufgestellter Klassifikationstyp von Sprachen. In F. Sprachen tendieren die Morpheme
formal zur Fusion (d.h. sie beeinflussen Nachbarmorpheme und werden durch sie
beeinflußt) und funktional zur ≡ Polysemasie (d.h. einem Morphem entspricht mehr als
eine Bedeutung oder mehr als ein Merkmal). Damit ist im Unterschied zu Sprachen des ≡
Agglutinierenden Sprachbaus eine (hinsichtlich Form und Funktion) eindeutige
Segmentierung von Wurzel- und Wortbildungsmorphemen nicht möglich. Zu den
flektierenden Sprachen zählen viele ideur. und semit. Sprachen, vgl. litauisch:

Singular Plural
Nom. drag-as („Freund”) draug-a∇
Gen. drag-o draug-
Dat. drag-ui draug-áms
Loc. draug-è draug-uosè

Formale Sprachen (Auch: ≡ Künstliche/Logische Sprachen) - Im Unterschied zu natürlichen


Sprachen künstliche, auf der Basis von Logik und/oder Mathematik konstruierte
Sprachsysteme, die sich durch Eindeutigkeit, Explizitheit und leichte Überprüfbarkeit
auszeichnen.
Frikativierung [Auch: Spirantisierung]. Ersetzung von Plosiven durch homorgane Frikative ;
vgl. z.B. die ahd ≡ Lautverschiebung, in der germ. p, t, k im In- und Auslaut nach Vokalen
zu Doppelfrikativen ff, zz, hh verschoben werden; vgl. ahd. offan mit altsächs. opan
("offen"), ahd. scif mit altsächs. skip ("Schiff"), ahd. mahhon mit altsächs. makon
h
("machen"). S. mit sonorisierung gibt es in der historischen Entwicklung des Dän., vgl. [t ]
mit [≈] in isländ. ['ga:tha] bzw. dän. ['gä:≈∂] "Straße".

54
G
Gebrauchstheorie. Von L. Wittgenstein [1953] im Zusammenhang mit dem Konzept der
Philosophie der Alltagssprache entwickelete Bedeutungstheorie, derzufolge die
Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks seine Funktion bzw. Verwendungsweise im
jeweiligen Handlungskontext ist: Man kann für eine große Klasse von Fällen der
Benützung des Wortes „Bedeutung” – wenn auch nicht für alle Fälle seiner Benützung –
dieses Wort so erklären: Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache.”
(S. 311). Dieser Verzicht auf psychisch-mentale Aspekte des Bedeutungsbegriffs (wie
Inhaltskonzept, Vorstellung) sowie auf den referentiellen Bezug zur Wirklichkeit begründet
ein pragmatisches Verständnis des Bedeutungsbegriffs; die durch Regeln gesteuerte
Verwendung sprachlicher Ausdrücke entspricht ihrer Bedeutung. Diese Identifizierung von
Gebrauch und Bedeutung ist nichtunumstritten geblieben (vgl. Antal, Specht, Pitcher,
Katz).
Geheimsprache Künstlich geschaffene Sprachsysteme zum Zwecke der Geheimhaltung (z.B.
im politischen Widerstand), zur Abgrenzung von geheimbündlerischen Gruppen gegen
die Gesamtgesellschaft oder als Ausdruck von Gruppenzugehörigkeit (z.B. die durch
Buchsta-
benvertauschung oder Silbenverdoppelung nach bestimmten Mustern konstruierte
Schülersprache).
Gemination. Lautveränderung, die zur einer "Verdoppelung" von Konsonanten führt.
Hervorgerufen bzw. begünstigt wird G. vor allem durch folgende Faktoren: (a)
Assimilation; vgl. ahd. stimna > stimma "Stimme"; (b) Silbenstruktur-Veränderung bei
intervokalischen Konsonanten-Clustern, besonders vor nachfolgenden Halbvokalen bzw.
Sonoranten; die hier auftretenden Syllabisierungsprobleme werden oftmals mit Hilfe von
G. zugunsten eines (universal präferierten) "starken" Silbenanlautes gelöst. Ein Beispiel
dafür ist u.a. die "Westgermanische Konsonantengemination" vor folgenden j, w, r, l, m, n,
vgl. urgerm. *sit.jan > *sitt.jan > ahd. sittan "sitzen".
Genus. [Pl. Genera; lat. genus „Art”, „Klasse”; engl. gender. – Auch: (Grammatisches)
Geschlecht]. Lexikalisch-grammatische Kategorie des Substantivs, durch welche in vielen
Sprachen Substantive verschiedenen Klassen zugeordnet werden. Durch ≡ Kongruenz-
Beziehungen unterliegen vielfach auch andere Wortarten (Adjektiv, Artikel oder Verb)
dieser Kategorie. Im engeren Sinne bezeichnet G. solche Substantivklassifizierungen, die
u.a. ein ≡ Maskulinum und ≡ Femininum enthalten, wie z.B. das Deutsche (auch Sexus-
Systeme genannt); andere G.-Systeme werden häufig als ≡ Nominal-Klassen-Systeme
bezeichnet. Bei Sexus-Systemen führt man in der Regel die Entwicklung der
grammatischen G.-Klassifizierung auf die natürliche Geschlechtsordnung „männlich vs.
weiblich” zurück (eine Deutung, die nicht unbestritten ist), in allen bekannten Sprachen
aber ist die Beziehung zwischen grammatischem Genus und natürlichem Geschlecht nur
in einzelnen Bereichen des Wortschatzes durchsichtig, im Dt. z.B. bei
Verwandtschaftsnamen und Berufsbezeichnungen, vgl. die Arbeiten von Köpcke, Zubin.
Die im Dt. erhaltene Gliederung in drei G. ist schon für das Ideur. nachweisbar, in
anderen ideur. Sprachen ist diese Zahl reduziert. Nicht nur die quantitative Ausprägung
ist verschieden, sondern auch die semantische Kategorisierung: Während in den roman.
Sprachen Maskulinum und Neutrum in der Teilkategorie Maskulinum zusammengefallen
sind, besteht in Dän. eine Opposition Maskulinum/Femininum vs. Neutrum. – Die formale
Kennzeichnung des natürlichen Geschlechts erfolgt entweder lexikalisch durch
verschiedene Wörter (Vater:Mutter), durch Wortbildungsmittel (Sänger:Sängerin) oder nur
durch den entsprechenden Artikel (der/die Ahne, frz. un/une enfant). Vgl. ≡
Nominalklassen.
Genus verbi. [lat. „Geschlecht der Verben”; engl. voice. – Auch: ≡ Diathese, Handlungsform,
Verbalgenus]. Grammatische Kategorie des Verbs, die in ≡ Nominativsprachen aus ≡
Aktiv, ≡ Passiv und dem (nur in wenigen Sprachen vorhandenen) ≡ Medium besteht. Die
Wahl des G. V. bezieht sich auf das Verhältnis zwischen semantischen Rollen (≡ Agens, ≡
Patiens u.a.) und syntaktischen Funktionen (Subjekt, Objekt). Im Aktiv wird der Urheber
der Handlung (Agens) durch das Subjekt gekennzeichnet ( = täterbezogenes G. V., auch:
Tätigkeits-
form), während im Passiv diese Funktion (valenzabhängig) durch andere Rollen (Patiens,

55
Benefaktiv u.a.) besetzt wird (täterabgewandtes G. V. , auch: Leideform). Das Medium
drückt einen vom Subjekt ausgehenden und auf das Subjekt bezogenen Vorgang aus
(vgl. ≡ Reflexivität). Die drei G. V. sind in verschiedenen Sprachen unterschiedlich
grammatikalisiert: das Medium findet sich im Sanskrit und Alt-griech., in neueren ideur.
Sprachen wird es durch Reflexivkonstruktionen ersetzt. – Die Verwendung der beiden
Genera Aktiv und Passiv unterliegt weitgehend stilistischen bzw. funktionalen
Bedingungen: (a) Da das Aktiv-Subjekt im Passiv als (fakultative) Präpositionalphrase
realisiert wird (und somit in der Regel auch nicht mehr nominales Erstglied ist.), tritt
normalerweise eine Veränderung der Satzperspektive ein, insofern das ursprüngliche
Thema im Passivsatz zum Rhema wird und umgekehrt (vgl. ≡ Thema vs. Rhema); (b)
Außerdem wird Passiv in Kontexten verwendet, in denen das Agens unberücksichtigt
bleiben kann/soll und das Geschehen als solches hervorgehoben wird: Der
Bilderfälscherwurde verhaftet. – Die (ältere) generative ≡ Transformationsgrammatik
sowie die ≡ Relationale Grammatik behandeln Aktiv-Passivsätze als (synonyme)
Paraphrasen und leiten beide Formen aus einer gemeinsamen, zugrundeliegenden
Struktur ab. Allerdings ergeben sich bei Sätzen mit ≡ Quantoren wie jeder, alle erhebliche
Probleme, weil keine (eindeutige) semantische Äquivalenz von Aktiv- und Passivform
vorliegt, vgl. Jeder Mensch liebt einen ( = „irgendeinen”) Menschen vs. Ein („bestimmter”)
Mensch wird von jedem Menschen geliebt.
Gerundium. [spätlat. gerundium „was ausgeführt werden muß”]. Im Lat. unpersönlich
gebrauchtes Verbalsubstantiv, das die fehlende Kasusflexion des Infinitivs ersetzt. Formal
entspricht das G. einem Partizip Futur Passiv, semantisch bezeichnet es den
Handlungsvorgang an sich: lat. ars libros recte legendi „die Kunst des richtigen Bücher-
Lesens/Bücher richtig zu lesen”; grammatisch fungiert es als Attribut zum übergeordneten
Element (ars) und ist zugleich Valenzträger bezüglich des abhängigen Elements (libros).
Vgl. die ähnliche Struktur des engl. „gerund”: the art of reading books adequatly.
Gerundiv(um). [lat. gerund⊂vus „auszuführend”. – Auch: Partizipium Necessitatis,
Verbaladjektiv]. Im Lat. von transitiven Verben abgeleitetes Verbaladjektiv mit
passivischer Bedeutung. Formal ist das G. identisch mit dem ≡ Gerundium, semantisch
bezeichnet es eine notwendig durchzuführende Handlung: pacis faciendae causa „zum
Zwecke eines Friedensschlusses”. Im Dt. entsprechen dem G. attributive Konstruktionen
wie eine kaum zu bewältigende Forderung. Vgl. auch ≡ Supinum.
Geschäftssprache. Im Spätmittelalter in Urkunden der Kanzleien, Gerichte und Städte
überlieferte schriftliche Sprache, die trotz landschaftlicher Merkmale eine überregional
verständliche Ausdrucksform darstellt. ≡ Kanzleisprache. Die gesprochene Version der G.
wird als ≡ Verkehrssprache bezeichnet.
Gesprochene Sprache In Entwicklungsgeschichtlicher Hinsicht (sowohl bezüglich der ≡
Sprachgeschichte als auch bezüglich der Spracherwerbs) primäre Kommunikationsform.
Die Beschäftigung mit G. S. wurde seit den sechziger Jahren zunehmend intensiviert. In
den zunächst fast ausschließlich kontrastiv angelegten, syntax-orientierten Studien wurde
G.S. entweder als von der geschriebenen Sprache abweichendes System mit eigenen
syntaxischen Gesetzmäßigkeiten oder als "defizitäres" System aufgefaßt, als
charakteristische Merkmale der G.S. gelten v.a. kurze, oftmals unvollständige Sätze
(freistehende Nebensätze, Satzabbrüche, ≡ Ellipsen), Mischung von Satzstrukturen (≡
Anakoluth, ≡ Kontamination), ≡ Nachtrag, ≡ Ausklammerung von obligatorischen
Satzgliedern, vorwiegend parataktische Satzanschlüsse, häufiger Gebrauch von ≡
Modalpartikeln u.a.m. - Unter dem Einfluß von Sprechakttheorie und
ethnomethodologischer ≡ Konversationsanalyse verschiebt sich das Interesse
zunehmend auf die kommunikative Funktion der für die G. S. typischen sprachlichen
Mittel (neben den genannten syntaktischen Strukturen und lexikalischen Mitteln vor allem
die ≡ Intonation); im Mittelpunkt stehen dabei Gesprächsstrukturierung
(gesprächseröffnung und -beendigung, Systematik des Sprecherwechsels, (sprecher- und
hörerseitige) Gesprächssteuerung) und Prozeduren der Bedeutungsproduktion und
Verständnissicherung (≡ Paraphrasen, ≡ Repairing/Reperaturprozesse etc.) Unter dieser
Perspektive erscheinen viele der bisher als defektiv bewerteten Merkmale der G.S. als
wesenttliche Instrumentarien von Gesprächsorganisation und ≡ Kontextualisierung.
Glagolitische Schrift. Alphabetschrift, die im 9 Jh. wohl von Kyrill zur Schreibung
altkirchenslaw, Texte erfunden wurde. Die Buchstaben der G.S. weisen (fast) keine

56
Ähnlichkeiten mit denen der Kyrillischen Schrift auf, durch die sie in den folgenden
Jahrhunderten abgelöst wurden.
Glottochronologie [griech. gl⇐tta "Sprache, Wort"] Von M. Swadesh begründete Teildisziplin
der ≡ Lexikostatistik, die historisch vergleichende Wortschatzuntersuchun-gen mit
statistischen Methoden betreibt. Ziel der G. ist die Bestimmung des Verwandt-
schaftsgrades zwischen Sprachen sowie eine angenäherte Datierung ihrer gemeinsamen
bzw. seperaten Entwicklung. Das in Analogie zur Chemie (Ermittlung des Alters
organischer Substanzen anhand der in bestimmten Kohlenstoffverbindungen erhaltenen
Radioaktivität) entwickelte Verfahren zur Bestimmung der Lebensdauer von Wörtern hat
ergeben, daß nach Ablauf von 1000 Jahren nach der Trennung von einem gemeinsamen
Vorfahren noch etwa 81% des ursprünglich gemeinsamen Grundwortschatzes, nach
weiteren 1000 Jahren immer noch 81% der ursprünglicher 81% erhalten bleiben.
Methode und Resultate der G. sind aufgrund widersprüchlicher Ergebnisse umstritten.
Grammatischer Wechsel. Bezeichnung von J. Grimm für bestimmte Ausnahmen der ≡ Ersten
Lautverschiebung , die - bei gleichen idg. Ausgangskonsonanten - zu unterschiedlichen
Verschiebungsergebnissen (sth. vs. stl. Frikative) führten, die im heutigen Dt. als Wechsel
zwischen h : g (ziehen - gezogen), d : t (schneiden - geschnitten), f : b (dürfen - darben)
und s : r (Verlust - verlieren; vgl. ≡ Rhotazismus) innerhalb etymologisch
zusammenhängender Wörter erkennbar werden. Die lautgesetzliche Erklärung von
(regelmäßigen) Ausnahmen wurde 1877 von K. Verner formuliert; ausschlaggebend für
das jeweils unterschiedliche Ergebnis der Lautverschiebung wer demnach die Lage des
Wortakzents (≡ Vernersches Gesetz). Da das Ideur. freien Wortakzent hatte und Präs.
bzw. Prät. Sg. Wurzelbetonung, Prät. Pl. bzw. Part. Prät. Endsilbenbetonung aufwiesen,
spielt der G.W. besonders bei der Flexion der starken Verben eine große Rolle. Allerdings
ist der Wechsel in neueren germ. Dialekten weitgehend durch ≡ Analogie beseitigt.
Graphem. Distinktive Einheit (≡ Distinktiv) eines Schriftsystems. Varianten einer solchen Einheit
heißen ≡ Allographen. Im allgemeinen betrachtet man als G. nur kleinste distinktive
Einheiten eines Schriftsystems. In Alphabetschriften dienen G. in der Regel der
Verschriftung von phonemischen Objekten, im Idealfall ≡ Phonemen (vgl. aber ≡
Digraphie, ≡ Ligatur).
Graphemik. [Auch: Graphematik]. Wissenschaft von den distinktiven Einheiten des
Schriftsystems oder der Schriftsysteme einer bestimmten Sprache.Ihr
Untersuchungsgegenstand sind geschriebene Texte in handschriftlicher oder
typographischer Form. Bei Alphabetschriften basiert G. auf Grund der Korrelationen
zwischen gesprochener und geschriebener Sprache weitgehend auf den Analysemetoden
der Phonologie. In weiterem Sinne gilt dies auch bei Silbenschriften. Graphemische
Untersuchungen dienen vor allem einer Fundierung geltender orthographischer Normen,
dem Vergleich zwischen gesprochener und geschriebener Sprache, der Entschlüsselung
historischer Texte sowie der Umsetztung von Schriftsystemen in computer-gerechte
Systeme im Rahmen der ≡ Linguistischen Datenverarbeitung.
Grundsprache ≡ Proto(Sprache)
Grundwortstellung [Auch: Unmarkierte Wortstellung, engl. basic word order.] Normale Wort-
bzw. Satzgliedstellung im Aussagesatz in nicht kontrastiver (und nicht korrigierender)
Verwendung. Sätze in G. sind dadurch gekennzeichnet, daß sie in möglichst vielen
Kontexten bzw. als Antwort auf möglichst viele Fragen akzeptabel sind, vgl. Philip bringt
Caroline das Buch kann als Antwort verwendet werden im Kontext der Fragen: Was tut
Philip?/Was bringt Philip?/Wer bringt Caroline das Buch?/Wem bringt Philip das Buch?
Die G. einzelner Sprachen richtet sich nach universellen Gesetzen. relativ zur Stellung
der Satzteile Subjekt (S), Verb (V) und Objekt (O) geht in den meisten Sprachen der Welt
das Subjekt dem Objekt voraus, so daß von den sechs möglichen Abfolgen der drei
Satzteile mit wenigen Ausnahmen nur SOV, SVO und VSO vorkommen (vgl. Greenberg
[1963], Pullum [1977]). Da das Subjekt typischerweise mit dem Topik, bzw. Thema des
Satzes korreliert (≡ Topik vs. Prädikation), kann man die satzinitiale Stellung des Subjekts
auch auf das Gesetz der Topik-Voranstellung zurückführen (vgl. Zweites ≡
Behaghelsches Gesetz, Mallinson/Blake [1981], Tomlin [1986]). Die universell
beobachtete Affinität zwischen der Grundstellung der Satzteile S, O und V und der
Stellung von Attributen oder ≡ Adpositionen zu ihren Bezugsnomina wurde durch ein
Prinzip erklärt, das voraussetzt, daß Verben, Adpositionen und Nomina den "Kopf" bzw.

57
das "Spezifikat" von Sätzen, Adpositional-Phrasen, bzw. Nominalphrasen bilden und daß
Ergänzungen und Attribute als Argumente bzw. Spezifikatoren fungieren (≡
Bestimmungsrelation). Das Prinzip besagt, daß alle Argumente bzw. Spezifikatoren ihrem
Kopf entweder folgen oder vorangehen (vgl. das dritte ≡ Behaghelsche Gesetz,
Greenberg [1963], das "Prinzip der Natürlichen Serialisierung" von Vennemann
[1974/1976] sowie Keenan [1978], Hawkins [1983]). Auf diese Weise läßt sich z.B. die G.
SOV, Nomen-Postposition und Attribut-Nomen in "präspezifizierenden" Sprachen wie ≡
Japanisch und ≡ Türkisch erklären im Unterschied zu "postspezifizierenden" Sprachen
wie Walisisisch, in denen alle Spezifikatoren ihrem Kopf folgen. Daß sich Sprachen in
bezug auf dieses Prinzip selten konsistent verhalten, ist durch Sprachwandel und andere
intervenierende Faktoren begründet. Weitere allgemeine Tendenzen der G. beschreibt
das "Gesetz der wachsenden Glieder" (Vgl. ≡ Behaghelsche Gesetze, Mallinson/Blake
[1981]), wonach kürzere Elemente längeren vorangehen, und das Prinzip, demzufolge
das semantisch eng Zusammengehörige auch topologisch eng zusammengestellt wird
(vgl. ≡ erstes Behaghelsches Gesetz, Posner [1981].

H
Heterographie. [griech. héteros „verschieden”, gráphein „pisać”].
(1) Verwendung gleicher Schriftzeichen für unterschiedliche Laute, vgl. <ch> in ich /ach /
Fuchs, engl. <gh> in through /enough / ghost.
(2) Unterschiedliche Schreibung von Wörtern mit gleicher Aussprache bzw. Bedeutung,
vgl. Kaffee vs. Café.
(3) Von der Norm abweichende Schreibweise.
Hieroglyphen [griech. hieroglyphikà grámmata "die heiligen Schriftzeichen", zu hieròs "heilig".
glyphós "in Stein geschnitzt"]. Im engeren Sinne: Von J. F. Champollion 1822 entzieferte
Schrift der Ägypter vom 4. vorchristlichen Jh. bis zum 4. nachristlichen Jahrhundert. Die
H. vereinen das Prinzip der ≡ Ideographie mit dem der Phonographie und entwickelten
sich zu Phonogrammen. Verwendet werden Piktogramme (≡ Piktographie) oder daraus
weiterentwickelte abstrakte Zeichen. - Im weiteren Sinne auch verallgemeinert: Schriften
in Anatolien, Mexiko und bei den Mayas.
Historisch-Vergleichende Sprachwissenschaft. [Auch: Komparatistik]. Im 19. Jh. als
selbständige Disziplin entwickelte Forschungsrichtung, deren Ziel es ist, Ursprung,
Entwicklungsgeschichte und Verwandtschaftsbeziehungen von Einzelsprachen aufgrund
vergleichender Untersuchungen zu rekonstruieren, vgl. komparative Rekonstruktion.
Sowohl das Interesse der Dt. Romantik an der Geschichte des eigenen Volkes als auch
das Bekanntwerden mit dem Sanskrit förderten die insb. mit den Namen und den Werken
von F. Schlegel, F. Bopp, R. Rask, J. Grimm und A. Schleicher verbundene Erforschung
der genetischen Zusammenhänge zwischen dem Dt. und den übrigen ideur. bzw. germ.
Sprachen. Auf der Basis einer gründlichen Beschreibung der wichtigsten ideur.
Einzelsprachen, wie sie u.a. Bopp und Grimm geleistet hatten, versuchte Schleicher in
der Hälfte des 19. Jh. durch Aufstellung von Wortgleichungen die Entstehung aller ideur.
Einzelsprachen aus einer rekonstruierten ideur. Ursprache abzuleiten; die so erwiesen
genetischen Zusammenhänge stellte er in Form eines Stammbaumes dar (→
Stammbautheorie). Durch die sogen. Junggrammatiker wurde die historische Betrachtung
von Sprache zum primären, fast ausschließlichen Untersuchungsziel
sprachwissenschaftlicher Forschung, vgl. die großen Überblicke von Brugmann,
Delbrück, Hirt, Meillet u.a.
Lit.: F. Schlegel [1808]: Die Sprache und Weisheit der Indier. In: Sämtliche Verke, Bd. 7.
Wien 1846. – F. Bopp [1816]: Über das Conjugationssystem der Sanskritsprache in
Vergleichung mit jenem der griechischen, lateinischen, persischen und germanischen
Sprache. Frankfurt. – J. Grimm [1819-1837]: Deutsche Grammatik. 4 Theile. Göttingen.
Photomechanischer Neudruck der 2. Aufl. von Berlin 1870/78. Hildesheim 1967. – A.
Schleicher [1861/62]: Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen
Sprachen. Weimar. – K. Brugmann/B. Delbrück [1886/1900]: Grundriß der vergleichenden
Grammatik der indogermanischen Sprachen. 5 Bde. Unveränd. Nachdruck Berlin 1970. –
A. Meillet [1903]: Introduction à l`etude comparative des langues indo-européennes.
Paris. – R. Rask [1932]: Ausgewählte Abhandlungen. Ed. von L. Hjelmslev. Kopenhagen.

58
I
Ideographie - (griech. idéa + gráphein) Auch: Begriffsschrift, Pasigraphie. Art der Verschriftung,
bei der Bedeutungen durch graphische Zeichen (Ideogramme) ausgedrückt werden,
indem komplexe Gesamtbedeutungen synthetisch durch ein einziges Begriffszeichen
symbolisiert werden. Solche konventionalisierten Ideogramme (wie sie z.B. auch als
Verkehrsschilder verwendet werden) sind nicht auf einzelsprachliche Verwendung
beschränkt, da sie grundsätzlich nicht Zeichen sind, die die Beteutung sprachlicher
Äußerungen systematisch ausdrücken. – Eine sonderform von I. stelltdiesogen.
"Begriffsschrift" von G. Frege (1879) dar, eine erste formalisierte Sprache zur
Darstellunng der Prädikatenlogik. Vgl. auch Piktographie.
Idiosynkratisches Merkmal - (griech. idiosynkrasía - "eigentümliche Mischung der Säfte") Aus
der Medizin ("angeborene Überempfindlichkeit gegen bestimmte Stoffe") übernommener
Terminus. I.M. sind phonologische, morphologische, syntaktische oder semantische
Merkmale eines Wortes, die nicht auf Grund genereller Regeln vorhergesagt werden
können; entsprechend ist der Ort für ihre Repräsentation der Lexikoneintrag. - In der
Wortbildung spricht man von I. M. vor allem in bezug auf Phänomene der Demotivierung
(Lexikalisierung), d.h. der Hinzugewinnung von nicht auf der Grundlage der Bedeutung
der Einzelteile vorhersagbaren Dedeutungselementen, vgl. Feierbend, Hausfreund,
Augenblick.
Ikon [griech. eik⇐n "(Ab)bild" - Auch: Ikonisches Zeichen]. In der ≡ Semiotik von Ch. S. Peirce
Klasse von visuellen oder akustischen Zeichen, die unmittelbar wahrnehmbarer
Beziehung zur bezeichneten Sache stehen, indem sie Aspekte des realen Objekts
abbildhaft imitieren und dadurch eine Ähnlichkeit oder Gemeinsamkeit von Merkmalen
aufweisen, vgl. z.B. Schaubilder in Medien, Hinweis- und Verkehrsschilder
(Fußgängerschild), Landkarten, Lagepläne, aber auch musikalische Wiedergabe von
Geräuschen u.a.
Inklusiv vs. Exlusiv Unterscheidung im Personen-System mehrerer Sprachen, in denen
zwischen den Formen Sprecher + Angesprochene(r) (Inklusiv) und Sprecher und Dritte(r)
(Exklusiv) unterscheiden wird, z.B. chines. women lai le "wir (ich und du) sind
gekommen", zanmen lai le "wir (ich und er) sind gekommen".
Inkorporierender Sprachbau [mlat. incorporare "in einem Körper einfügen". - Auch: Polysyn-
thetischer Sprachbau]. Von W. v. Humboldt [1836] unter morphologischen Aspekten
aufgestellter Klassifikationstyp für Sprachen, die die Tendenz haben, die syntaktischen
Beziehungen im Satz durch Aneinander- und Ineinanderfügen lexikalischer und
grammatikalischer Elemente zu komplexen Wörtern auszudrücken. Syntaktische
Funktionen wie Objekt oder Adverbiale werden dem verbalen Prädikat "einverleibt"
(Beispiel: Grönländisch, Irokesisch, tendenziell auch im Frz., vgl. die lautliche
Verschmelzung in Je ne l' entends pas ("Ich höre ihn nicht").
Interlinguistik. Theorie und Praxis der Konstruktion und Bewertung von Welthilfsprachen.
Isolierender Sprachbau. [Auch: Amorpher/Analytischer S., Wurzelsprache]. Von A. W.
Schlegel [1818] und W. Von Humboldt [1836] unter morphologischem Aspekt aufgestellter
Klassifikationstyp für Sprachen, die die syntaktischen Beziehungen im Satz nicht durch
morphologische Mittel, sondern außerhalb des Wortes durch grammatische Hilfswörter
oder ≡ Wortstellung ausdrücken (Beispiel: klassisches Chinesisch, Vietnamesisch).

J
Jargon [frz. "unverständliches Gemurmel"]
(1) Im weiteren Sinne: durch speziellen gruppen- oder fachspezifischen Wortschatz
gekennzeichnete Sprachform, der es an Allgemeinnverständlichkeit mangelt. - Im
engeren Sinne sozial bedingte ≡ Sondersprachen, die durch auffällige Bezeichnungen für
alltägliche Dinge, bildliche Ausdrucksweise, emotional gefärbte oder spielerische
Verwendung des standardsprachlichen Vokabulars gekennzeichnet sind.
(2) In der Neurolinguistik Bezeichnung für unverständliche, aber flüssig gesprochene
Äußerungen insbesondere in der Wernicke-Aphasie. Die Äußerungen bestehen entweder
aus einer sinnlosen Folge von Wörtern, Neologismen und stereotyp wiederkehrenden

59
Redewendungen (semantischer J.), oder die Lautfolgen entsprechen weitgehend
phonotaktischen Regeln der jeweiligen Sprache, bilden aber keine konventionellen
Folgen (phonomatischer J.). Daher wird diese Ausprägung der Aphasie häufig als Defizit
im Zugriff auf das Lexikon angesehen.
Junggrammatiker. [engl. neogrammarians. – Auch: Leipziger Schule]. In den 70er Jahren des
19. Jh. in Leipzig entstandene Gruppe von Sprachwissenschaftlern, deren positivische
Sprachauffassung sich gegen die metaphysischen und biologistischen Sprachauffassun-
gen der vorausgehenden Epoche richtete. Führende Vertreter dieser Richtung waren K.
Brugmann, H. Osthoff, B. Delbrück, E. Sievers, K. Verner, A. Leskien, H. Paul, O. Beha-
ghel. Der von der älteren Generation in abwertender Weise gemeinte Name stammt von
Zarncke und ist erstmals in Osthoff/Brugmann [1878] belegt. Als Beginn der junggram-
matischen Schule gelten die Erscheinungsdaten von K. Verners Erklärungen scheinbarer
Ausnahmen der ≡ Ersten Lautverschiebung [1877], A. Leskiens Untersuchungen zur
Deklination [1876], in denen das Postulat von der Ausnahmlosigkeit der Lautgesetze
formuliert wurde, sowie vor allem H. Pauls 1880 erschienene „Prinzipien der Sprachge-
schichte”. Die Arbeiten der J. lassen sich (soweit sie die allgemeine Sprachwiss. betre-
ffen) durch folgende Aspekte charakterisieren: (a) Untersuchungsgegenstand des
Sprachwissenschaftlers ist nicht das Sprachsystem, sondern die im einzelnen Individuum
lokalisierte und somit unmittelbar beobachtbare Sprache (≡ Idiolekt), die als eine sowohl
psychische als auch physische Tätigkeit angesehen wird. (b) Autonomie der Lautebene:
Gemäß dem Postulat der Beobachtbarkeit des Materials (anstelle von Abstraktionen) gilt
die Lautebene als wichtigste Beschreibungsebene, wobei zugleich eine absolute Auto-
nomie der Lautebene gegenüber Semantik und Syntax angenommen wird. (c) Historis-
mus: Hauptziel sprachwissenschaftlicher Untersuchung ist die Beschreibung des
geschichtlichen Wandels der Sprache. Dieses fast ausschließlich diachronische Interesse
an der Entwicklung von Sprache dokumentiert sich in der großen Zahl von historisch ver-
gleichenden Kompendien (vgl. Leskien, Osthoff/Brugmann u.a.), die sich durch Faktenfül-
le ebenso auszeichnen wie durch die Exaktheit ihrer Rekonstruktionsmethoden. (d) Aus-
nahmlosigkeit der Lautgesetze: Dieses am Vorbild der Naturwissenschaften orientierte,
vielfach umstrittene Postulat gründet sich nicht auf empirische Befunde, sondern ist ein
wissenschafts- theoretisches Apriori, das die Gleichartigkeit sprachwissenschaftlicher
und naturwissenschaftlicher Untersuchungsme-thoden sichern soll. (e) Analogie: Wo die
Prämisse der Ausnahmlosigkeit der Lautgesetze scheinbar versagt, wird Analogie als
Erklärungshilfe angesetzt; d.h. Ausnahmen werden als (reguläre) Anpassung an ver-
wandte Formen verstanden. – Methoden und Ziele der junggrammatischen Sprachbe-
trachtung sind – trotz ihres starken Nachwirkens – aus verschiedenen Richtungen und
mit unterschiedlichen Akzenten kritisiert worden; diese Kritik richtet sich vor allem gegen
folgende Punkte: Reduktion des Untersuchungsgegenstandes auf Idiolekte; Beschrän-
kung auf Beschreibung von Oberflächenphänomenen (Lautebene); Überbewertung der
historischen bzw. Vernachlässigung der Gegenwartssprache; Beschreibung atomisti-
scher Einzelvorgänge statt systemhafter Zusammenhänge.
Juxtaposition [lat. iuxta "dicht daneben", ponere "setzen"], (1) Allgemein: Aneinanderreihung
von Ein- zelelementen. Als "determinative J." bezeichnet man enge appositionelle
Konstruktionen wie Kaiser Karl, Herr Maier. (2) Vgl. ≡ Komposition

K
Kanzleisprache. Im Frühnhd (1350-1600) zwischen verschiedenen Schreibdialekten
vermittelnde überregionale Sprache, wie sie von einzelnen Kanzleien (z.B. der Prager
Kanzlei Karls IV) ausge- bildet wurde. Angesichts der territorialen Zersplitterung
Deutschlands spielten die K. eine wichtige Rolle bei der Herausbildung einer deutschen
Einheitssprache. Diese Funktion erfüllte vor allem die "Sächsische Kanzleisprache"
(Meißnisch-Deutsch), an der sich Luther orientierte, da sie auf der Basis dialektaler
Varianten eine soziolektal geprägte Standardsprache von überregionaler Geltung
anstrebte.
Kasus [Pl. Kasus; lat. c♠sus "Fall", Übers. von griech. pt⇐sis "Fallen", "Abweichen"].
Grammatische Kategorie deklinierbarer Wörter, die u.a. zur Kennzeichnung ihrer
syntaktischen Funktion im Satz dient und (in Abhängigkeit von dieser Funktion) sich an ≡
Rektion und ≡ Kongruenz beteiligt. Das System der K. ist sprachspezifisch ausgeprägt

60
und unterliegt ständigem Wandel. Die K. der ≡ Nominativsprachen bezeichnet man im
allgemeinen nach den rekonstruierten K. des Ideur.: Nominativ, Genetiv, Dativ, Akkusativ,
Ablativ, Lokativ, Instrumental, Vokativ. In anderen Sprachen hat man z.T. andere K.: in
Ergativsprachen ≡ Ergativ und ≡ Absolutiv statt Nom. und Akk.; in den finno-ugrischen
Sprachen ≡ Partitiv, ≡ Elativ, ≡ Illativ, ≡ Inessiv u.a. Von den acht K. des Ideur. sin in den
meisten neueren Sprachen nur wenige erhalten geblieben: der ursprüngliche Lokativ,
Ablativ, Instrumental(is) und z.T. auch der Genitiv wurden durch Dativ oder
Präpositionalphrasen ersetzt. Den als Folge lautlichen Wandels entstandenen
Zusammenfall verchiedener K.-Formen bezeichnet man als ≡ Synkretismus. - In
flektierenden Sprachen erfolgt die K.-Markierung durch grammatische Morpheme, die
häufig allerdings polyfunktional sind, d.h. zugleich auch Genus und Numerus
kennzeichen.Auch Adpositionen (im japan.; vgl. auch to in engl. give something to
somebody) werden gelegentlich als K. bezeichnet. Für nicht flektierende Sprachen wie
Engl. und Frz., in denen syntaktische Funktionen hauptsächlich durch Wortstellung bzw.
Satzstruktur kodiert werden, gibt es Ansätze, die K. mit bestimmten Stellungsrelationen
assoziieren. - Generell unterscheidet man zwischen (a) C♠sus Rectus, dem "geraden
Fall" wie Nominativ, und C♠sus Obliquus ("schiefer, gebeugter Fall") wie u.a. Dativ,
Akkusativ, Genitiv, außerdem zwischen (b) syntaktischen und semantischen (auch:
lokalen) K. Die ersteren umfassen u.a. Nominativ, Akkusativ und Dativ, die primäre
syntaktische Funktionen wie Subjekt und Objekt kodieren und keine spezifische
semantische Funktion übernehmen. K. wie Ablativ, Instrumental und Lokativ hingegen
markieren im allgemeinen Adverbiale, die einen spezifischen semantischen Inhalt
aufweisen. In einigen Sprachen (z.B. Türkisch, Finnisch, Russisch) korrelieren die K.
auch mit ≡ Definitheit und/oder Belebtheit (≡ Animat vs. Inanimat) ihrer Träger. Trotz
zahlreicher bis in die Antike zurückreichender Versuche lassen sich jedoch keine
befriedigenden semantischen Klassifizierungen der einzelnen K. durchführen.
(2) Bezeichnung für Tematische Relation/Semantische Rolle (auch: Tiefenkasus).
Kauderwelsch. Ursprünglich Bezeichnung für die schwerverständliche Sprache der
Rätoromanen (≡ Rätoromanisch) aus dem Rheintal bei Chur. Chur hieß um 1000 n.Chr.
auf tirolerisch Kauer, welsch bedeutet „romanisch”. Aus Kauerwelsch entwickelt sich
durch Dissimilation Kauderwelsch, das eigentlich „Curromanisch” bedeutet. Heute
Bezeichnung für jede Form von verworrener und unverständlicher Sprechweise.
Keilschrift. [engl. cuneiform characters]. Schrift der Sumerer und Babylonier (seit etwa 2900 v.
Chr.), deren Bezeichnung von den mit Griffeln auf Tontafeln geritzten keilförmigen
Eindrücken herrührt.
Klassifikation der Sprachen. Vorgang und Ergebnis der Zusammenfassung mehrerer
Sprachen unter bestimmten Ordnungsprinzipien: (a) Areale (auch: geographische) K.: K.
auf der Basis von sprachlichen Ähnlichkeiten, die durch kulturelle Beziehungen zwischen
Sprachgemeinschaften, meist aufgrund von geographischer Nähe, entstanden sind, z.B.
durch Entlehnung von Wörtern und grammatischen Konstruktionstypen. Sprachen, die
wesentliche Eigenschaften aufgrund von Entlehnungen dieser Art teilen, nennt man ≡
Sprachbund¸ Beispiele sind die Balkansprachen oder die Beeinflussung des
Vietnamesischen durch das Chinesische. (b) Genealogische [auch: Genetische] K.: K. auf
der Basis von sprachlichen Ähnlichkeiten , die auf die gleiche Abstammung von einer ≡
Proto(sprache) zurückgehen. Sprachen, die von einer gemeinsamen Protosprache ab-
stammen, nennt man ≡ Sprachfamilie, vgl. die Indo-Europäischen Sprachen. Die
genealogische K. stützt sich vor allem auf den gemeinsam bewahrten Wort- und
Formenbestand; vgl. Voegelin / Voegelin [1977] und Ruhlen [1987]. (c) Typologische K.
[auch: ≡ Sprachtypologie]: K. auf der Basis von strukturellen Ähnlichkeiten, unabhängig
von geographischer Beeinflussung oder genealogischer Affilation, z.B. ≡ Isolierender (vs.
≡ Synthetischer) Sprachbau, ≡ Ergativsprachen (vs. ≡ Nominativsprachen); Sprachen mit
gleicher ≡ Grundwortstellung - Typologische Ähnlichkeiten können funktional, d.h. aus
gleichartigen Funktionen der Sprache in allen menschlichen Gesellschaften erklärt oder
auf die gleiche biologische Grundausstattung des Menschen zurückgeführt werden (vgl. ≡
Universalien). Im Einzelfall ist oft nicht einfach oder eindeutig zwischen area- len ,
genealogischen und typologischen Klassifikationskriterien zu unterscheiden: so befinden
sich z.B. genealogisch verwandte Sprachen vielfach auch nach ihrer Trennung noch in
geographischem Kontakt.

61
Klassifizierender Sprachbau. Klassifikationstyp für Sprachen, die die Tendenz haben, alle
Ausdrücke durch Anfügen klassenbildender Präfixe bestimmten logischen
Denkkategorien (wie Person, Gegenstand, Beschaffenheit u.a.) zuzuordnen. Diese
Präfixe dienen zugleich der syntaktischen Strukturierung, da alle zusamengehörigen
Wortgruppen durch das gleiche Präxis charakterisiert werden. K. S. findet sich z.B. in
einigen südafrikanischen Eingeborenendialekten.
Koiné [griech. koinℜi (gl⇐ssa) "gemeinsame Sprache]
(1) Die allgemeine Verkehrssprache im klassischen Griechenland.Dabei handelt es sich
ursprünglich um den Dialekt Athens, der durch verschiedene Einflüsse (≡ Sprachkontakt)
spezifisch attische Merkamale und damit seine strikt lokale konnotation verlor. Dadurch
wurde er für die anderen griechischen Stadtstaaten mit je eigenen Dialekten etwa ab dem
4 Jh. v. Chr. als überregionale Varietät akzeptabel.
(2) Bezeichnung für jede "deregionalisierte" Varietät, die sich innerhalb eines Verbandes
von mehreren (zunächst) gleichwertigen, regional gebundenen Varietäten zur allgemein
akzeptierten überregionalen "Standardvarietät" entwickelt und durchgesetzt hat.
Komparatistik ≡ Historisch-Vergleichende Sprachwissenschaft.
Komparative Methode ≡ Rekonstruktion
Komposition [Auch: Zusammensetzung]. Neben ≡ Derivation (auch: Ableitung) wichtigster Vor-
gang der ≡ Wortbildung: Verbindung von zwei oder mehreren sonst frei vorkommenden
Morphemen oder Morphemfolgen ( = Wörtern) zu einem ≡ Kompositum, wobei in der Re-
gel das letzte Glied sowohl die Wortart als auch die Flexionsklasse bestimmt. (Zu Aus-
nahmen wie Taugenichts, Nimmersatt vgl. unter Zusammenrückung). Die Produktivität
des K.-vorgangs ist von Sprache zu Sprache unterschiedlich stark ausgeprägt (vgl.
abnehmende Häufigkeit der K. im Dt., Engl. und Frz., im Lat. Kommt K. kaum vor) und
wird von der Kategorie des Vorder-bzw. Hinterglieds beeinflußt. Besonders produktiv sind
Zusammensetzungen aus zwei nominalen Gliedern (sogen. N +N-Komposita, vgl. Win-
termonat), weniger häufig aus Adjektiv + Nomen (Breitwand), sehr selten aus Verb +
Verb (drehbohren). Unterschieden werden folgende Typen von Komposita: (a) Unter
synchronischem Aspekt nach der Art ihrer semantischen Interpretation: (aa) Determi-
nativkomposita, wie Kaffeetasse, Waldruhe, bei denen das syntaktisch abhängige,
inhaltlich spezifizierende Glied (das Bestimmungswort) dem Grundwort vorausgeht. Sie
werden auch „endozentrisch” genannt. Zu neueren Beschreibungsansätzen zur Semantik
von N + N-Komposita vgl. unter ≡ Stereotyp (2). (ab) Possessivkomposita (vgl. ≡ Bahuv-
rihi) als Untergruppe von (aa), bei denen zwar auch das erste Glied das zweite seman-
tisch spezifiziert, die Zusammensetzung insgesamt aber sich nur auf eine prominente
Eigenschaft des Gemeinten bezieht, vgl. Langbein, Milchgesicht, Trotzkopf, engl.
loudmouth, hatchback. Possessivkomposita werden auch „exozentrisch” genannt, da sie
als „jemand/etwas hat ein Milchgesicht” paraphrasiert werden können. (ac) ≡ Kopulativ-
komposita wie Politiker-Komponist, schwarzweiß, engl. author-collector, sweetsour, bei
denen die einzelnen Glieder semantisch gleichberechtigt sind und als Zusammensetzung
etwas Neues bezeichnen. (b) Unter historisch-genetischem Aspekt: (ba) ≡ Juxtaposition,
d.h. flexionloses Aneinanderfügen der einzelnen Glieder. Da solche Bildungen (wie z.B.
ahd. tagalioht) als ältere Form der Zusammensetzung angesehen werden, hat J. Grimm
[1826] für sie den Terminus „eigentliche” oder „echte” Komposita im Unterschied zu (bb)
sogen. Kasuskomposita geschaffen, die (auf ursprüngliche Flexionsendungen zurück-
gehende) Fugenelemente nach dem ersten Glied aufweisen wie nhd. Tageslicht, Son-
nenschein. Diese wurden von Grimm in seiner historischen Darstellung als „uneigent-
liche” oder „unechte” Komposita bezeichnet. (bc) Verdunkelte (auch „versteinerte”)
Zusam-mensetzungen , deren K.vorgang unter synchronischem Aspekt nicht mehr
rekonstruierbar ist, weil durch Lautwandel die ursprüngliche Form der einzelnen Glieder
nicht mehr erkennbar ist bzw. die etymologische Durchsichtigkeit verlorenging wie in Welt
(ahd. wer + alt „Zeitalter”, Maulwurf). – der Übergang von K. zu Derivation (Präfix- bzw.
Suffixbildung) ist sowohl synchronisch als auch diachronisch fließend, vgl. –werk in
Eisenwerk vs. Laubwerk, desgleichen der Übergang von voll motivierten Bildungen zu
idiomatisierten Bildungen, vgl. Kinderheim vs. Kindergarten, Kennerblick vs. Augenblick.
Kongruenz [lat. congruere "übereinstimmen"; engl. agreement, concord].
(1) Übereinstimmung zwischen zwei oder mehreren Satzelementen hinsichtlich ihrer
morpho-syntaktischen Kategorien (Kasus, Person, Numerus, Genus). Bei (a) "gram-

62
matischer" K., die satzintern und innerhalb einzelner Satzglieder stattfindet, kongruieren
z.B. die Elemente der Nominalphrase des jungen Baumes bezüglich Kasus (Genetiv),
Numerus (Singular) und Genus (Maskulin). K. dient der Markierung syntaktischer
Beziehungen (z.B. bei der Konstituenz-Relation die Zugehörigkeit zu derselben
komplexen Konstituente) und syntaktischer Funktionen (wie Subjekt oder Attribut). Die
grammatische K. hat drei wichtige Bereiche: (aa) Bei der verbalen K. kongruiert in vielen
Sprachen der flektierte Prädikatsteil mit dem Subjekt hinsichtlich ≡ Person und ≡ Numerus
(Ich komme vs. Die Frauen kommen) und manchmal auch ≡ Genus (z.B. ≡ Bantu). Es gibt
jedoch auch Sprachen mit Objekt-Verb-Kongruenz: ≡ Swahili, Kinyarwanda und andere ≡
Bantu-Sprachen, Abkhasisch, Lasisch und andere ≡ Kaukasiche Sprachen, Baskisch
u.a.m. Die verbale K. wird in erster Linie von der Syntaktischen Funktion (Subjekt, Objekt,
Adverbial) der Verb-Begleiter gesteuert. Insbesondere bei der Objekt-Verb-Kongruenz
spielen jedoch auch die Belebtheit (Animat vs. Inaninmat), ≡ Definitheit oder die
semantische Rolle der Verbbegleiter eine Rolle (vgl. Givón [1976]). (ab) Die nominale K.
betrifft die Begleiter des Substantivs: Determinantien, adjektivische Attribute,
Appositionen stimmen hinsichtlich ihres Kasus und anderer Kategorien (z.B. Genus) mit
ihrem Bezugssubstantiv überein: Sie sucht einen kleinen Jungen, ihren jüngsten Sohn.
(ac) Bei der prädikativen K. stimmen Subjekt und Prädikativ hinsichtlich Genus, Numerus
oder Kasus überein: Sie ist Lehrerin vs. Er ist Lehrer. - (b) Anaphorische K. vollzieht sich
über Satzgrenzen hinaus, sie kennzeichnet z.B. die Koreferenz zwischen Pronomen und
Bezugsnomen in Eine junge Frau betrat den Raum. Sie trug einen Korb am Arm.
Zwischen der anaphorischen und der grammatischen K. gibt es sprachhistorische
Zusammenhänge. So haben sich die Markierungsmittel der grammatischen K. in sehr
vielen Sprachen aus Pronimina entwickelt (vgl. Givón [1976]).
(2) In der Intonation das Zuordnungsverhältnis zwischen der syntaktischen Einheit
"Satz" und der phonologischen Einheit "Tongruppe". Ein einfacher Satz, der mit einer
Tongruppe zusammenfällt, wird kongruent genannt. Die Wahl kongruenter oder
inkongruenter Verhältnisse ist mit bestimmten Funktionen verbunden. So z.B. korreliert
beim Relativsatz das inkongruente Muster mit der appositiven Leseart. (Wir wollen mit
dem Zúg fahren // der weniger vóll ist), während bei Kongruenz der Relativsatz restriktiv
interpretiert wird (Wir wollen mit demjenigen Zug fahren, der weniger vóll ist).
Kreolsprache [engl. creole "in Westindien geborener Europäer", franz. créole; aus span. criollo
"eingeboren" (von span. criado, criar); lat. creare "schöpfen"]. K. sind ehemalige ≡ Pidgin-
Sprachen, die nunmehr als voll ausgebaute und standarisierte Muttersprachen fungieren;
die funktionellen und grammatischen Einschränkungen, Vereinfachungen und
Reduktionen des Pidgins sind beseitigt. - K. sind hauptsächlich in Gebieten entstanden, in
denen die einheimische Bevölkerung von weißen Kolonialherren versklavt bzw. in starke
Abhängigkeit gebracht wurde; der soziale Anpassungsdruck führte vom ursprünglichen ≡
Bilingualismus (einheimische Sprache und pidginisierte europäische Sprache) zum
Pidgin-Monolingualismus und damit zum Verlust der früheren Muttersprache, an deren
Stelle die K. tritt. Die K. erfährt jeweils eine beträchtliche Ausweitung und Veränderung
der Grammatik wie des Wortschatzes. Nach Bickerton [1983] ist dies auf die angeborene
Sprachfähigkeit des Menschen zurückzuführen, die der relativ regellosen Pidgin-
Sprachen grammatische Strukturen aufzwingt. Dies erklärt, weshalb K.n allgemein eine
ähnliche Grammatik aufweisen, worauf bereits H. Schuchardt um 1850 aufmerksam
gemacht hat. - Die Bennenung erfolgt jeweils nach der dominanten Sprache, aus der
zumindest der größte Teil des Wortschatzes genommen ist, z.B. frz. K. (Louisiana, frz.
Guayana, Haiti, Mauritius), engl. K. (Hawaii), holländische K. (Georgetown).
H. Schuchardt [1882-1891]: Kreolische Studien. 9 Bde. Wien. - K. Whinnom [1965]: The
origin of European-based-Pidgins and Creoles. In: Orbis 14, S.509-527. D. Bickerton
[1983]: Roots of language. Ann Arbor. - A. Bauer [1987]: Pidgin und Kreolsprachen. In:
Soziolinguistik. Ed. v. U. Ammon, N. Dittmar u. K. J. Mattheier. 2 Bde. 1987/1988. S. 344-
352. - I. Hancock [1987]: History of research on Pidgins and Creoles. In: Soziolinguistik.
op. cit. S.459-469. - J. Holm.[1988-1989]: Pidgins and Creols. 2 Bde. London.
Künstliche Sprache (engl. artificial language. - auch: Kunstsprache)
1. Im Unterschied zu ≡ Natürlichen Sprachen künstlich geschaffenes Sprachsystem (a)
zum Zwecke internationaler Verständigung, vgl. ≡ Welthilfsprachen; (b) als logisches
Zeichensystem zur expliziten (Mehrdeutigkeiten ausschließenden) Beschreibung
wissenschaftlicher Systeme, vgl. ≡ Formale Sprache¸(c) als Symbolsprache für

63
Computerprogramme, vgl. ≡ Computerlinguistik.
2. Nachbildung der natürlichen Sprache durch elektroakustistische Verfahren.
Kursivschrift. [mlat. cursiva (littera) „laufende Schrift”]. Bei rechtsläufigen Schriften (z.B. Lat.,
Griech., Armen., Kyrill.) nach rechts geneigte Schriftform. Nach DIN heißt K. „schränge
Schrift”. K. dient u.a. in sprachwissenschaftlichen Texten (z.B. in diesem Lexikon) der
Kennzeichnung objektsprachlicher Ausdrücke. – Als K. bezeichnet man bisweilen auch
die chines. Schnellschrift, bei der die einzelnen Striche – je nach individueller Gepflogen-
heit und je nach Schreibgeschwindigkeit – miteinander verbunden und verschmolzen
werden.
Kyrillische Schrift. Auf der griech. Unzialschrift beruhende Schrift der griech.-orthodoxen
Slawen, deren Erfindung zu Unrecht dem griech. Slawen-Apostel Kyrillos (9. Jh.)
zugeschrieben wurde (≡ Glagolitische Schrift). Nach einer Annäherung an die lat. Schrift
unter Peter dem Großen sowie nach anderen Vereinfachungs- und Anpassungsreformen
ist die K.S. heute die Basis für die folgenden slawischen Orthographien: Russisch, Weiß-
russisch, Ukrainisch, Serbisch, Bulgarisch, Makedonisch: außerdem für etliche nicht-
slawische ideur. Sprachen: Moldauisch, Kurdisch, Ossetisch, Tadschikisch sowie eine
Reihe nicht-ideur. Sprachen der Sowjetunion (z.B. Baschkirisch, Tatarisch, Turkmenisch,
Usbekisch, Uigurisch).

L
Lautgesetz. Zentralbegriff der historischen Sprachbeschreibung der ≡ Junggrammatiker. Der
Begriffsbildung liegt die Annahme zugrunde, daß - in Analogie zu naturwissen-
schaftlichen Gesetzmäßigkeiten - bestimmte Laute einer bestimmten Sprache sich
aufgrund physiologischer Gegebenheiten unter gleichen Bedingungen ausnahmlos in
gleicher Weise verändern , vgl. z.B. die ≡ Erste Lautverschiebung, ≡ Umlaut, ≡
Diphthongierung. In jenen Fällen, in denen trotzdem Ausnahmen festzustellen sind,
werden ≡ Analogie und Sprachmischung, d.h. Übernahmen aus anderen Varietäten bzw.
Sprachen (≡ Lautersatz) dafür verantwortlich gemacht.
Lit.:H. Paul [1880]: Prinzipien der Sprachgeschichte. 8. Aufl. Tübingen 1968. - U.
Weinreich / W. Labov / W. Herzog [1968]: Empirical foundations for a theory of language
change. In: W. P. Lehmann/Y. Malkiel (eds): Directions for historical linguistics. A
symposium. Austin.
Lautschrift. [engl. Phonetic Transcription - Auch: Phonetische Umschrift, Transkription]. Der
schriftlichen Fixierung von gesprochener Sprache diniende Zeichensysteme. Zu
unterscheiden ist zwischen nicht-alphabetischen (analphabetischen) Systemen (≡ Visible
Speech-Verfahren), wie sie u.a. von A. M. Bell, O. Jespersen und K. L. Pike entwickelt
wurden, und alphabetischen. Zu letzteren gehören die meisten der seit dem 19. Jh.
entwickelten L., die heute überwiegend historischen Wert besitzen. Allgemeine Gültigkeit
und Verwendung hat die auf der Grundlage des lat. Alphabets entwickelte L. der
"Association Phonétique Internationale" gefunden: das IPA (International Phonetic
Alphabet) oder API (Alphabet Phonétique International), vgl. IPA-Tabelle. Außer lat.
Buchstaben verwendet diese L. auch griech., Umkehrungen von Buchstaben,
Neubildungen und diakritische Zeichen (z.B. für Längen und Nasalierung). In Anlehnung
an D. Jones [1914] unterscheidet man hinsichtlich des Grades der Differenziertheit
h
zwischen der sogen. "engen" und der sogen. "weiten" Umschrift: ['k aωfη] eng, [kauf∂n]
weit (engl. narrow vs. broad). In neuerer Zeit wurden auf der Basis des IPA für spezielle
Bedürfnisse modifizierte oder erweiterte Transkriptionssysteme entworfen etwa von H.
Richter [1973], vom Heidelberger Forschungsprojekt Pidgin-Deutsch [1975]. P. Wiesinger
[1964] behandelt die Geschichte der phonetischen Transkription in der Dialektologie des
Deutschen. Eine gute Übersicht bieten K. Ehlich und B. Switalla [1966]; als Grundlage für
vorliegende Lexikon dient Pullum/Ladusaw [1986].
Lernensprache. [Auch: Übergangskompetenz (nach engl. transitional competence (P. Corder),
Interimsprache; engl. approximative system (W. Nemser), interlanguage (L. Selinker),
interlingua}. Relativ systematische und stabbile Zwischenstufe des Sprachkönnens
während des Sprachwerbs. Die L. umfaßt sowohl Regeln der ≡ Ausgangs- und der ≡
Zielsprache als auch solche, die keinen von beiden angehören, sondern, z.T. nach
universalen Prinzipien, vom Lernenden selbst gebildet sind. ≡ Sprachererwerb.

64
Lingua Adamica ≡ Ursprache
Lingua Franca. [lat. lingua "Zunge", "Sprache", franca "fränkisch"]
(1) Älteste nachweisbare ≡ Pidgin-Sprache; eine auf der Grundlage des Proven÷al. und
Ital. beruhende, mit griech., span., frz., portugies., türk., pers. und arab. Sprach-
elementen vermischte Verkehrssprache der östlichen Mittelmeerküste, die in der Zeit der
venezianischen und genuesischen Herrschaft in der Levante entstanden ist und bis zum
Ende des 19Jh. gesprochen wurde (Auch: Sabir)
(2) Generelle Bezeichnung für ein sekundär erworbenes Sprachsystem, das als
Kommunikationsmittel zwischen Sprechern verschiedener Muttersprachen (bzw. extrem
verschiedener Dialekte) dient. In Betracht kommen dafür sowohl schulisch vermittelte
"Literatursprachen" (z.B. Latein als L. F. des Mittelalters, Arab. als L. F. des Islam) als
auch natürliche oder künstliche Mischsprachen.Vgl. ≡ Esperanto, ≡ Koine, (2) ≡ Pidgin-
Sprache, ≡ Welthilfsprache.
Lit.: W. J. Samarin (1962) Lingua Francas of the World. In: A. Rice (ed): Studies of the
role of second languages. Washington.
Literatursprache.
(1) ≡ Schriftsprache im Unterschied zu ≡ Gesprochener Sprache.
(2) In Werken der Dichtung verwendete (überregionale), unterschiedlich stark stilisierte
Kunstsprache im Unterschied zur Alltags-/Gebrauchssprache. L. unterliegt weniger
strikten gramm. Normen, sie ist prinzipiell frei von Wahrheits- und
Zweckmäßigkeitsansprüchen, von Ansprüchen ökonomischer Informationsvermittlung
und semantischer Eindeutigkeit.
Logische Sprachen ≡ Formale Sprachen
Logographie [griech. lógos "Wort", gráphein "schreiben"]. Schriftsystem, in dem die Bedeutung
einzelner sprachlicher Ausdrücke (einzelner Wörter) durch graphische Zeichen
(Logogramme) ausgedrückt wird, wobei im Unterschied zu ≡ Ideographie und ≡
Piktographie jedem Zeichen eine konstante Zahl phonemischer Komplexe (im Idealfall
genau ein Komplex) zugeordnet ist. - Logographisch wird das Chines. mit chines. zeichen
geschrieben. Logographisch sind auch Zeichen wie [$] für Dollar, [Ł] für Pfund und [+] für
plus.

M
Medium. [lat. medium „Mitte”; engl. middle voice – Auch: Medio-Passiv]. Neben ≡ Aktiv und ≡
Passiv ein ≡ Genus Verbi z.B. im Sanskrit und Alt-Griechischen. Das M. ist ein
semantischer Hinsicht Reflexivkonstruktionen ähnlich, insofern es eine Tätigkeit
bezeichnet, die von der durch das Subjekt bezeichnete Größe für sich selbst oder in
seinem Interesse durchgeführt wird: Alt-Griech.: loúo (Akt.) „ich wasche” vs. loúomai (M.)
„ich wasche mich”. Es gibt auch eine Verwendung mit nicht agentivischem Subjekt:
didásko (Akt.) „ich lehre”; didáskomai (M.) „ich lasse mich belehren”, das eine
passivähnliche Bedeutung hat, so daß sich in zahlreichen ideur. Sprachen das Passiv aus
den N.-Formen entwickelt konnte.
Mischsprache. Durch Kontakt zwischen europäischen Sprachen und Eingeborenensprachen
anderer Kontinente entstandene Sprache, die sich auf der Basis einer natürlichen
Sprache (vor allem Engl., Frz., Span.) durch Übernahme fremden Materials bei meist
starker Vereinfachung der Grammatik entwickelt. Vgl. ≡ Kreolsprache, ≡ Lingua Franca, ≡
Pidgin-Sprache.
Monosemie. [griech. sℜma "Zeichen"] Ein Ausdruck ist monosem, wenn ihm genau eine
Bedeutung entspricht (im Unterschied zu ≡ Polysemie). Diese Eigenschaft sprachlicher
Zeichen trifft in der Regel nur auf wissenschaftliche Terminologie bzw. künstliche
Sprachen, nicht aber auf die Umgangssprache zu. M. ist eine typische Eigenschaft von
agglutinierenden Sprachen.

N
Nationalsprache. Im weiteren Sinn: Gesamtmenge aller regionalen, sozialen und funktionalen,
gesprochenen und geschriebenen Varianten einer historisch-politisch definierten
Sprachgemeinschaft. Im engeren Sinn: Hoch- bzw. Schriftsprache (also ohne ≡ Dialekt, ≡

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Soziolekt) einer historisch-politisch definierten Sprachgemeinschaft. In beiden Lesearten
problematische Terminologie, da häufig "Nation" und "Sprache" aus politischen oder
historischen Gründen nicht zur Deckung kommen: vgl. vielsprachige Staaten wie die USA
oder die Verwendung des Dt. in der BRD, DDR, Schweiz und in Österreich.
Natürliche Sprache. Bezeichnung für historisch entwickelte, regional und sozial geschichtete
Sprachen im Unterschied zu ≡ Künstlichen Sprachsystemen , wie sie zur internationalen
Verständigung als ≡ Welthilfssprachen sowie zur Formulierung komplexer
wissenschaftlicher Zusammenhänge konstruiert werden. Von diesen "Kunstsprachen"
unterscheidet sich die N.S. vor allem durch ihre lexikalische und strukturelle
Mehrdeutigkeit bzw. durch die Vagheit oder Bedeutungsvielfalt ihrer Ausdrücke,
außerdem durch ihre historische Wandelbarkeit.
Nominalstil. Häufiger Gebrauch abgeleiteter Substantive an Stelle von Verben, bedingt durch
Unformung und Reduktion von Sätzen zu Substantivgruppen. Kennzeichnende Stilele-
mente sind Nominalisierungen (Das Scheitern der Gespräche statt Die Gespräche
scheitern), Komposita (Verkehrsberuhigungsmaßnahme), Bezugsadjektive (Elterliche
Zustimmung statt Die Eltern stimmen zu), Funktionsverbgefüge (in Erwägung ziehen statt
erwägen), erwietrte Attribute (Die damals vom Vorstand beschlossene Maßnahme) sowie
, bei der Reduktion komplexer Sätze, subordinierende Attributhäufungen (Die Zustim-
mung der Mitglieder der Vorstands der Reederei). Von Sprachpflege und normativer Sti-
listik wird der N. oft als "Papierstil", "Kanzleideutsch" oder "Hauptwörteseuche" kritisiert,
doch ergibt sich unter funktionalem Aspekt ein differenziertere Bild: syntaktische Verdich-
tung und Unklarheit semantischer Beziehungen (die Anklage des Ministers) erschweren
zwar die Verständlichkeit, dienen jedoch einer konzentrierten Informationsvermittlung und
der abstrahierenden Begriffsbildung (vgl. Verantwotlichkeit, Rechtsmittelbelehrung). Der
N. ist daher in der Regel ein funktional angemessenes ≡ Stilmerkmal von ≡ Fachsprachen
in Technik, Wissenschaft und Verwaltung.
Nominativ. [lat. n⇐min♠re „nennen”]. Übersetzung von griech. onomastik⊕ pt⇐sis „Nennfall” –
Auch: Casus Rectus, Nullkasus]. Morphologischer Kasus in Nominativsprachen wie dem
Dt., der als Casus Rectus im allg. ein Nullmorphem aufweist und das Subjekt eines
Satzes kennzeichnet. Der N. kann jedich auch beim Prädikatsnomen vorkommen (Er ist
Lehrer) oder außerhalb des Satzverbandes (Philip, sei jetzt stiel). Zum N. als Objektkasus
vgl. A. Timberlake [1974]: The nominative object in Slavic, Baltic, and West Finnic..
München.
Nominativsprache. [Auch: Akkusativsprache]. Sprachtyp der ≡ Relationalen Typologie (neben
den Typen ≡ Ergativ- und ≡ Aktivsprache), zu dem alle europäischen Sprachen außer ≡
Bas-kisch gehören. Unter der Annahme, daß von den Mustern des einfachen
Aussagesatzes der intransitive und der transitive Tätigkeitssatz und von den
semantischen Rollen Agens und Patiens die wichtigsten sind, ist dieser Sprachtyp
folgendermaßen zu charakterisieren: Als Grundkasus kennzeichnet der Nominativ die
Verbergänzung intransitiver Verben unabhängig von deren semantischer Rolle sowie das
Agens transitiver Verben: Der Kater (Nom.) schnurrt; Er (Nom.) beobachtet den Vogel
(Akk.). Der Akkusativ dient der Kennzeichnung des Patiens bei transitiven Verben. Vgl.
das folgende Schema.

Agens Patiens
intr. Subjekt

trans. Subjekt Objekt

Nullmorphem. [engl. zero morpheme. – Auch: Leeres Morphem, Null-Form, Null-Flexion, Zero-
Form].
(1) Morphologisch nicht gekennzeichnete gramm. Bestimmung, die, um das System der
sonst durch Affixe markierten Unterschiede im Flexionparadigma in seiner Regelmäßig-
keit zu bewahren, in der Form Null ( ) angenommen wird, z.B. für die unmarkierten
Pluralformen in engl. sheep, fish vs. cats, fences, oder als Kennzeichen der
Tempusunterschiede der engl. Verben cut, hit vs. sang/(has) sang, jumped/(has) jumped.

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(2) In der Wortbildung von u.a. H. Marchand [1960] angenommenes Ableitungssuffix,
das sich aus der Gegenüberstellung von Bildungen wie legal + ize „legal machen”: clean
+ „sauber machen” bzw. atom + ize „in Atom verwandeln”: cash + „in Bargeld
verwandeln” ergibt. Der Bedeutungsunterschied zwischen clean (Adjektiv), cash
(Substantiv) einerseits und (to) clean, (to) cash (Verben) andererseits wird sonst in der
Sprache systematisch durch ein Wortbildungselement wie –ize, -ify getragen. Parallel zu
–ize vereinigt das Nullmorphem den Bedeutungsgehalt „machen”, „verwandeln in” in
der Form Null. Die Revelanz des Nullmorphems für die Wortbildung wird von M. Dokulil
[1968] angezweifelt und von R. Lieber [1981] verworfen.
Numerus. [pl. Numeri. - Auch: Zahl] Grammatische Kategorie des Nomens (speziell des
Substantivs) zur Kennzeichnung von Quantitätsverhältnissen. Durch Kongruenz wird N.
auch auf andere nominale Wortarten (Adjektiv, Pronomen) sowie auf das finite Verb
übertragen, daher rechnet man N. auch unter die Verbkategorien. Die häufigsten N.-
Kategorien sind Singular und Plural; daneben gibt es systeme, die zusätzlich einen Dualis
(Zweizahl) unterscheiden, so im Griech. und Got. und solche, die außerdem einen Trialis
besitzten (z.B. im südwestpazifischen Raum). In manchen Sprachen tritt die Kategorie
des ≡ Paucalis auf (Plural der überschaubaren Anzahl, z.B. im Arabischen). - Ein N.-
System anderer Art findet sich in Sprachen, die zwischen einer numerusindifferenten
Grundform (Kollektiv) und einer davon abgeleiteten, komplexeren Form für die
Einzahligkeit (Singulativ) unterscheiden, z.B. im Bretonischen. Oft treten in Numerus-
sprachen nicht alle Nomina in allen N. auf (sogen. Singularetantum, Pluraletantum, ≡
Massen-Nomen). - Zu unterscheiden ist ein semantischer N. (z.B. Pferde in Philip hat
Pferde beobachtet) von einem rein syntaktischen Kongruenz-N. (z.B. Pferde in In der
Cargue leben 1,0 Pferde pro Quadeatkilometer, die Pluralform wird hier durch die
Dezimalbruchzahl ausgelöst). Sprachen ohne N.-Distinktion sind häufig ≡
Klassifizierender Sprachbau.

O
Orthographie. [Auch: Rechtschreibung]. Lehre von der systematischen und einheitlichen
Verschriftung von Sprache durch Buchstaben (≡ = Grapheme) und Satzzeichen (≡
Zeichensetzung). Die für das heutige Deutsch gültige O. geht im wesentlichen zurück auf
die Drucker des 16./17. Jh. (dokumentiert z.B. in H. Freyer [1722] sowie auf Literaten und
Sprachforscher des 18./19. Jh. (wie F. G. Klopstock, J. C. Adelung und J. Grimm). Eine
offizielle Regelung erfolgte aber erst durch die Rechtschreibe-Konferenzen von 1876 und
1901 und ist im Rechtschreibungs-≡Duden kodifiziert. - Die jeweilige R. einer Sprache ist
das Ergebnis unterschiedlicher, zum Teil kontroverser Grundprinzipien. Die Probleme der
dt. O. resultieren aus folgenden, sich zum Teil überlagernden Prinzipien bzw. aus deren
unsystematischem Zusammenspiel. (a) Phonetisches Prinzip (auch: Lautprinzip): In
systematischer Ausprägung (d.h. so, daß jedem gesprochenen Laut genau ein
Schriftzeichen entspricht) liegt es dem künstlichen Alphabet der Internationalen ≡
Lautschrift zugrunde, während es in natürlichen Sprachen nur eine Grundtendenz bildet.
So repräsentiert im Dt. das Schriftzeichen [s] sowohl den stimmhaften als auch den
stimmlosen s-Laut, in [st] und [sp] den apikalen Reibelaut [], der in anderer Umgebung
als [sch] realisiert wird. (b) Phonologisches Prinzip: Ihm zufolge entspricht jedem Phonem
ein Schriftzeichen, vgl. im Dt. die orthographische Realisierung der allophonischen
Ich/Ach-Laute /÷/ vs./x/ durch dieselbe Zeichenkombination [ch], außerdem die
einheitliche Schreibweise von [r] für alle artikulatorischen Varianten dieses Phonems (also
u.a. für Zungen- und Zäpfchen-r). (c) Etymologisches Prinzip: Die analoge Schreibung
ethymologisch verwandten Wörter geht maßgeblich zurück auf das historisierende
Interesse der Sprachwiss. im 19. Jh. Es ist konsequent durchgeführt bei der
Auslautverhärtung (Rad/Räder vs. Rat/Räte), dagegen unsystematisch beim Umlaut vgl.
Hang/hängen vs. Brand/brennen. (d) Historisches Prinzip: Orthographisches Relikt aus
früheren Sprachstufen ist im Dt. z.B. die <ie>-Schreibung für langes i (aus der
Monophthongierung von mhd. [ie] zu [i:] entstanden). (e) Homonymie-Prinzip: Diese
diakritische Maßnahme dient dazu, klanggleiche Wörter durch (normativ geregelte)
unterschiedliche Schreibweise zu differenzieren, vgl. Weise vs. Waise, Lid vs. Lied, malen
vs. mahlen, wobei häufig andere Prinzipien mitbetroffen sind., z.B. das historische bei Stil
vs. Stiel oder das ethymologische bei Stiel vs. stiel! (zu stehlen) sowie Rad vs. Rat. (f)
Das "Ökonomische Prinzip" bewirkt eine gewisse Sparschreibung, z.B. bei Schiff-fahrt:

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Schiffahrt, Hoh-heit: Hoheit. (g) Ausästhetisch-ideographischen Gründen sind bestimmte
Buchstabenfolgen unverträglich, so gibt es keine Doppelschreibungen von <i, u, w, ch,
sch, ß, ng>. (h) Aus pragmatischen Gründen werden in bestimmten Kontexten die
Anrede-Pronomen Du/Sie großgeschrieben, während die Großschreibung von
Substantiven und Eigennamen auf einem (i) grammatischen Prinzip (Abhängigkeit von
Wortart und syntaktischer Funktion) beruht. Daallediesesogen. "Prinzipien" im Grunde nur
Tendenzen bezeichnen, ergeben sich eine Fülle von zufälligen , systematisch nicht
erfaßbaren Abweichungen, die als "Ausnahmen" den individuellen Lernprozeß belasten.
Die Diskussion um ≡ Rechtschreibereformen (besonders im Bereich der Groß- und
Kleinschreibung, vgl. ≡ Gemäßigte Kleinschreibung) wird daher sowohl unter sprachwiss.
als auch unter pädagogischen, bildungspolitischen und ökonomischen Gesichtspunkten
geführt.
P
Patronymikon. [lat. pater „Vater”, griech. ónyma „Name”].
Paucalis. [nach lat. pauc⊂ "wenige"]. Teilkategorie von Numerus, zur Bezeichnung einer
geringen Anzahl.
Philosophie der Alltagssprache. [engl. Ordinary language philosophy.– Auch:Analytische
Sprachphilosophie, P. der Normalen Sprache, Sprachanalytische P.]. Von G. Ryle, dem
späten Wittgenstein, P. F. Strawson, J. L. Austin, J. R. Searle u.a. vertretene
Sprachtheorie der Analytischen Philosophie, die im Unterschied zur Philosophie der
idealen (auch: formalen) Sprache die alltägliche (Umgangs-)Sprache als Basis zur
Untersuchung philosophischer und sprachtheoretischer Probleme nimmt. Im
Zusammenhang mit Wittgensteins → Gebrauchstheorie der Bedeutung untersucht die
P.d.A. das Zustandekommen von Bedeutung bzw. das Funktionieren sprachlicher
Kommunikation durch Beobachtung und Analyse sprachlicher Handlungen in
pragmatischen Verwendungszusammenhängen, vgl. → Sprechakttheorie.
Philosophie der Idealen Sprache. [Auch: Philosophie der Formalen Sprache]. Ausgehend von
den Arbeiten G. Freges, von B. Russell, dem frühen Wittgenstein und R. Carnap
vertretene, logisch orientierte Sprachtheorie im Rahmen der Analitischen Philosophie,
deren Ziel es ist, durch eine formal ( = ideal) konstruierte Sprache die logischen und
semantischen Strukturen sowohl der Sprache der empirischen Wissenschaften als auch
der Alltagssprache herauszuarbeiten. Dabei bleiben pragmatische Aspekte strikt
ausgepart. Der erste Versuch der vollständigen Analyse einer natürlichen Sprache mit
Hilfe der idealen Sprache stammt von H. Reichenbach [1947]. Als Redaktion darauf vgl.
die Entwicklung der der → Philosophie der Alltagssprache.
Quellenschriften: G. Frege [1879]: Begriffsschrift. Eine der arithmetischen nachgebildete
Formalsprache des reinen Denkens. Halle. (hrsg. von I. Angelelli Darmstadt 1964). – B.
Russell [1905]: Theory of descriptions. New York. – L. Wittgenstein [1921]: Tractatus
Logico-Philosophicus. London. – R. Carnap [1928]: Der logische Aufbau der Welt. Berlin.
– R. Carnap [1934]: Logische Syntax der Sprache. Berlin. – H. Reichenbach [1947]:
Elements of symbolic logic. New York.
Phonographie.
(1) In der Experimentalphonetik die Aufzeichnung und Konservierung von gesprochener
Sprache mit Hilfe von Tonträgern wie Schallplatte und Tonband.
(2) [Auch: Phonemische Schrift]. Schriftsystem, dessen Zeichen sich auf phonologische
Einheiten beziehen. Phonographisch sind alle Alphabetschriften sowie alle
Silbenschriften, wobei nur bei den Alphabetschriften systematisch angestrebt werden
kann, jedem Schriftzeichen genau eine elementare phonologische Einheit (genau ein
Phonem) zuzuordnen. Buchstaben oder feste Buchstabengruppen sowie Syllabogramme
werden auch als Phonogramme bezeichnet. Die reine Ausprägung findet die P. lediglich
in einer ≡ Lautschrift (z.B. in der des IPA, in der jedem Zeichen ein Laut und jedem Laut
ein Zeichen entspricht.
Pidgin-Sprache. Der Name Pidgin ist mit großer Wahrscheinlichkeit auf eine chinesisch
gefärbte Aussprache von engl. business "Geschäft", "Handel" zurückzuführen und
bezeichnet eine aus einer sprachlichen Notsituation entstandene Mischsprache: Beim
Aufeinandertreffen von Sprechern unterschiedlicher Sprachen ohne gegenseitiges
Sprachverständnis werden Struktur und Wokabular der einzelnen muttersprachlichen

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Systeme nachhaltig reduziert, um eine Verständigung herbeizuführen; allmählich bildet
sich aus diesem Kontaktidiom eine funktionsfähige Mischsprache, die neben der
jeweiligen Muttersprache erlernt wird. - P. entstanden hauptsächlich in den überseeischen
Gebieten der europäischen Staaten während der kolonialistischen Expansionsphase,
wobei die prestigebesetzteren europäischen Sprachen jeweils die dominanten
Spendersprachen darstellten. Linguistish sind P. gekennzeichnet durch stark reduzierten
Wortschatz, Tendenz zur Umschreibung und Metaphorik, vereinfachte Phonemsysteme,
reduzierte morphologische und syntaktische Strukturen.- Sprachwiss, interessant (v.a. für
Natütlichkeitstheorie und ≡ Universalien-Forschung) ist besonders die Tatsache, daß P.-
systeme erstaunlich große Ähnlichkeiten untereinander aufweisen; dies gilt sowohl für
verschiedene P.-varianten einer bestimmten Sprache (etwa unterschiedliche P.-Englisch-
Systeme), als auch für P.-Systeme aus unterschiedlichen (frz., span., port., niederl.)
Spendersprachen. Vgl. auch ≡ Kreolsprachen.
Piktographie. [lat. pictum - "gemalt", griech. gráphein - "schreiben"]. Graphisches System, in
dem sprachunabhängige Vorstellungen oder Bedeutungen sprachlicher Äuserungen
durch bildliche Zeichen (Piktogramme) ausgedrückt werden, wobei ein einziges Zeichen
für komplexe Vorstellungen oder Gesamtbedeutungen stehen kann. Piktographisch sind
z.B. die von alaskischen Eskimos überlieferte Schrift oder auch die internationalen
Bildsymbole, z.B. an Flughäfen und bei Olympischen Spielen. Vgl. auch Ideographie.
Plansprache ≡ Welthilfssprache
Plural. [Auch: Mehrzahl]. Teilkategorie des ≡ Numerus bei Substantiven und Verben zur
Bezeichnung von mehr als einem Element, aber auch mit individualisierender Funktion
bei Gattunsnamen (sogen. Artenplural: das Holz : die Hölzer) und Kollektiva (das Volk :
die Völker). Nomen, die nur im P. verwendet werden, wie Ostern, Eltern, Diäten nennt
man Pluraliatantum (≡ Massen-Nomen). Das morphologische System der nominalen P.-
Bildung im Dt. ist wegen der großen Zahl der P.-Allomorphe sehr kompliziert, vgl. P.-
Bildung durch Suffixe: Tag+e, Hase+n, Ohr+en, Auto+s, mit Umlaut: Tochter vs. Töchter,
mit Umlaut + Suffix: Gast : Gäste und ohne Kennzeichnung (bzw. mit Nullallomorph):
Engel, Mädchen. Allerdings ist eine Tendenz zu systematisierender Vereinfachung zu
beobachten.
Pluraletantum. [Pl. Pluraliatantum; lat. tantum "nur"]. Nomen, die nur im Plural vorkommen. Im
Dt. nur vereinzelt, im Russischen gibt es dagen mehrere semantische Klassen von
Pluraliatantum. Bei diesen Nomen wird nicht die Ungegliedertheit (Singular), sondern die
Gegliedertheit (Plural) als semantischer Grundzug empfunden: z.B. Personengruppen
(Geschwister); Zeitbegriffe, -abschnitte und Feiertage (Ostern); kaufmännische und
Rechtsbegriffe (Spesen); Begriffe des menschlichen Verhaltens (Ränke); Krankheiten
(Masern); geographische Bezeichnungen (Alpen). Die Festtagsbezeichnungen werden
im Unterschied zu den übrigen P. syntaksisch als Singularia behandelt.
Pluralis Auctoris. [lat. "Autorenplural"]. Verwendung der Pluralform wir anstelle von ich, du
oder Sie, wodurch der Sprecher, der eigentlich sich selbst oder die angeredete Person
meint, eine Art Einverständnis zwischen sich und dem Leser bzw. Zuhörer als gegeben
voraussetzt: z.B. in wissenschaftlichen Texten: Mit unserem Test wollen wir Folgendes
untersuchen... (1. Pers. Pl. statt 2. oder 1. Pers. Sg.); oder gegenüber Kindern: Nun
gehen wir ins Bett! (1. Pers. Pl. statt 2. Pers. Sg.).
Pluralis Majestatis. [lat. "Plural der Majestät"]. Im Feudalismus übliche Ausdrucksweise, bei
der der Fürst, König usw. von sich selbst in der Mehrzahl sprach (1. Pers. Pl. statt 1.
Pers. Sg.) oder bei der er in der Mehrzahl angesprochen wurde bzw. in der Mehrzahl von
ihm gesprochen wurde (2. oder 3. Pers. Pl. statt 2. oder 3. Pers. Sg.).
Pluralis Modestiae. [lat. "Plural der Bescheidenheit". - Auch: Pluralis Auctoris]. Verwendung
der Pluralform wir anstellte von ich, wodurch der Sprecher, der eigentlich nur sich selbst
meint, Leser oder Zuhörer miteinbezieht: Diesen Punkt können wir nur beiläufig
erwähnen.
Polysemie. [griech. sℜma "Zeichen"] Terminus von M. Breal [1897]: P. ("Mehrdeutigkeit") liegt
vor, wenn ein Ausdruck zwei oder mehr Bedeutungen aufweist, die allesamt etwas
gemeinsam haben und sich meist aus einer Grundbedeutung ableiten lassen. Der
Unterschied zu ≡ Homonymie liegt nach traditioneller Auffasung darin, daß bei letzterer

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die verschiedenen Bedeutungen auf verschiedene etymologische Wurzeln zurückgeführt
werden und man somit von verschiedenen Wörtern reden muß, während die
Bedeutungsvarianten polysemer Ausdrücke auf die gleiche Wurzel zurückgehen (vgl.
Heger [1963]). Das etymologische Kriterium ist jedoch prinzipiell unscharf und führt bei
konsequenter Anwendung zu Ergebnissen, die nicht der Intuition entsprechen. Daß die
Trennung zwischen P. und Homonymie überhaupt nicht exakt durchführbar ist, zeigt sich
auch an den unterschiedlichen Entscheidungen verschiedener Wörterbücher. Zum
Problem der Mehrdeutigkeit vgl. den Vorschungsbericht von N. Fries [1980].
Prädikatenlogik. (auch: Quantorenlogik, Relationslogik) - Im Rahmen der Formalen Logik theo-
retisches System zur Beschreibung der inneren Struktur von Aussagesätzen. Während
die Aussagenlogik lediglich die Analyse der Bedeutung der Logischen Partikeln in wahr-
heitsfunktionalen Aussagen auf der Basis der Wahrheitswerte der Teilaussagen vor-
nimmt, differenziert die P. die Aussagenlogik durch die Analyse der internen Beschaffen-
heit der Aussagen und erweitert sie durch die Einführung generalisierender Aussagen (≡
Existenz- und ≡ Allaussagen). Prädikate im logischen Sinne sind Zuschreibungen von
Eigenschaften an Individuen. Einfache Aussagen bestehen aus Namen für Individuen
und Prädikaten, wobei zwischen einstelligen und mehrstelligen Prädikaten zu unter-
scheiden ist , vgl. Philip schläft (einstellig) vs. Philip gibt Caroline ein Buch (dreistellig).
Einfache Aussagen können durch Generalisierung zu komplexen Aussagen erweitert
werden, die angeben , für wieviele Individuen das Prädikat der einfachen Aussage zutrifft.
Dabei werden die Namen der einfachen Aussagen durch Variablen ersetzt und die Varia-
blen durch Quantoren (≡ Operator) gebunden. Beispiel: Philip träumt: Vx(x träumt), zu
lesen als "es gibt mindestens ein Lebewesen x, für das gilt: x träumt". Eine solche ≡
Quantifizierung wird durch den Existenzoperator oder den Alloperator ("für alle x gilt: y")
geleistet. Sätze der natürlichen Sprachen sind hinsichtlich der Quantifizierung aufgrund
des unterschiedlichen ≡ Skopus eines Quantors häufig mehrdeutig. Diese Mehrdeutigkeit
läßt sich im Rahmen der P. in eindeutige Lesearten übersetzen, vgl. Einen Menschen
liebt jeder im Sinne von VxΛy (x ist ein Mensch und y liebt x) oder im Sinne von ΛyVx (y
liebt x und x ist ein Mensch). Ausgehend von der Annahme, daß das System der P. der
zugrundeliegenden logischen Struktur natürlichsprachlicher Sätze entspricht und diese
"semantische Tiefenstruktur" mit der Struktur außersprachlicher Sachverhalte korrespon-
diert, gilt die P. in neueren semantischen Modellen (wie ≡ Generative Semantik, ≡ Kate-
gorialgrammatik, ≡ Natürliche Generative Grammatik) als grundlegende Beschreibungs-
sprache.
Pressesprache. [Auch: Zeitungssprache]. Bezeichnung für den Sprachgebrauch der Presse als
besonderer Ausprägung schriftlichen öffentlichen Sprechens. P. ist keine einheitliche ≡
Varietät im Sinne eines Teilsystems, ihre Merkmale sind vielmehr bedingt durch die
Struktur der Massenkommunikation und hängen im einzelnen ab von Adressatenkreis
(Boulevardzeitung, politisches Magazin), Erscheinungsweise (Tageszeitung,
Wochenzeitung), Verbreitung (regional/überregional, inhaltlicher Rubrik (Sport,
Wirtschaftsteil), Textsorte (Kommentar, Wetterbericht) und anderen Faktoren. Wegen
mancher Stilmerkmale wie der Tendenz zum ≡ Nominalstil oder zum Gebrauch von
Schlag- und Modewörtern war die P. oft Gegenstand einer an literarischen
Sprachgebrauch orientierten ≡ Sprachkritik ("Zeitungsdeutsch"). Der heutigen deskriptiven
Linguistik gilt sie, da sie sprachliche Normen sowohl bestätigt wie verändert (z.B. bei der
Verbreitung von Neologismen, Wortbildungsmustern oder fachsprachlichem Vokabular)
als wichtiger Faktor der Sprachentwicklung.
Proto(-Sprache). [Auch: Grundsprache, ≡ Ursprache}. Vorsilbe zur Kennzeichnung von
Vorstufen von Sprachen oder Sprachfamilien, z.B. Proto-Indoeuropäisch. In der Regel
sind P.-S. nicht schriftlich überliefert, sondern werden durch Sprachvergleich
rekonstruiert. Vgl. Historisch-Vergleichende Sprachwissenschaft; Stammbaumtheorie.

Q
Quellsprache ≡ Ausganssprache

R
Rechtschreibung ≡ Orthographie

70
Rekonstruktion. Verfahren zur Ermittlung älterer, schriftlich nicht (hinreichend) belegter
Sprachstufen. Ausgehend von unserer Kenntnis möglicher (z.B. phonologischer)
Veränderunstypen (vgl. Lautwandel) werden aufgrund synchronischer Evidenzen (prä-)
historische Sprach(teil)systeme rekonstruiert. Solche Evidenzen finden sich vor allem in
alternierenden, variierenden Formen, die auf historisch invariante Strukturen zurückge-
führt werden können; je nachdem, ob diese synchronischen Alternationen innerhalb einer
Sprache oder zwischen unterschiedlichen, jedoch genetisch verwandten Sprachen zu
beobachten sind, können zwei Typen von Rekonstruktionsmethoden unterschieden
werden: (a) Innere (sprachinterne) R.: Historische Struktureigenschaften werden
aufgrundsprach- interner Systembeziehungen rekonstruiert; bestes Beispiel für die innere
R. ist neben →Ablaut und → Vernerschem Gesetz vor allem die Laryngaltheorie: Die von
F. de Saussure aufgrund innerer struktureller Aspekte rekonstruierten idgerm. Laryngale
wurden später durch Nachweis von Spuren im neu entdeckten Hethitischen bestätigt. (b)
Äußere (komparative, sprachvergleichende) R.: Dabei erfolgt die R. durch Vergleich
bestimmter Phänomene in mehreren verwandten (oder als verwandt vermuteten)
Sprachen. Besondere Bedeutung und methodische Verleinerung erfuhr die äußere R. im
19. Jh. bei der R. des idgerm. Obstruentensystems ( = Verschluß- und Reibelaute) durch
den Vergleich der Konsonantensysteme der einzelnen idgerm. Sprachen (vgl. → Erste
Lautverschiebung, → Vernersches Gesetz). Sie ist die Basis der → Historisch-
Vergleichenden Sprachwissenschaft und wurde besonders von den Junggrammatikern im
Zusammenhang ihrer These von der Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze verwendet.
Rotwelsch. [Rot = rotwelscher Ausdruck für "Bettler", welsch urspr. "romanisch", d.h.
"unverständliche Sprache". - Auch: Jenisch].
(1) R. im engeren Sinne: Im 13. Jh. entstandene Gauner- und Bettlersprache, deren
Wortschatz zum Teil auf Sonderbedeutungen bekannter Worte, vor allem aber auf
umgedeuteten Anleihen aus dem Hebräischen und aus Zigeunersprachen basiert, vgl.
Kluge / Mitzka [1901]. Der geheimsprachliche Wortschatz ist besonders reich im Gebiet
des Geldes (vgl. Torf, Kies und Moos als hebräische Anleihen, Zaster aus der
Zigeunersprache, außerdem Blech, Pulver, Zimt, Schotter, Linsen), der Polizei
(Mischpoke, Schmiere aus dem Hebr., außerdem Polypen, Polente) und des
Gefängnisses (Kittchen und Knast aus dem Hebräischen).
(2) R. im weiteren Sinne: Allgemeine Bezeichnung für Geheim-, Gauner- und
Berufssprache analog der Verwendung von (frz) ≡ Argot.
Lit.: F. Kluge / W. Mitzka [1901]: Rotwelsch. Quellen und Wortschatz der Gaunersprache
und der verwandten Geheimsprachen. Straßburg.
Runen. [ahd. r⌡na "Geheimnis"]. Im 17 Jh. aus dem Dänischen wieder aufgenommene gelehrte
Be-zeichnung für die Schriftzeichen der Germanen vor bzw. neben der lat. Schrift. Die
Entstehung dieser magischen und profanen Zwecken dienenden zeichen ist ungeklärt,
vermutet wird eine Entwicklung aus nordetrusk. Alphabeten. Jede Rune bezeichnet einen
bestimmten Laut, der mit dem Anfangsbuchstaben ihres Namens benannt wurde, besitzt
aber zugleich auch (bei einzelnem Vorkommen in magischen Kontexten) einen
Begriffswert, z.B. g "Gabe", n "Not", s "Sonne". Die frühesten R. stammen aus
Skandinavien (Anfang des 2. Jh. n. Chr.), bis heute sind ca. 5000 Inschriften (davon 3000
in Schweden) bekannt.

S
Sabir. [proven÷. saber "wissen"] ≡ Lingua Franca
Sächsischer genitiv. [Eigentlich: Angelsächsischer G.; engl. apostrophic genitive].
Synthetische (urspr. nur auf Personen bezogene) Genitivbildung im Engl. (Mary`s book)
im Unterschied zur analytischen Bildung mit Präposition: The House of Lords.
Sandhi. [altind. sám "zusammen", dhi- Nominalstamm zu -dhâ "setzt"]. Aus der altind.
Grammatik (≡ Sanskrit) entlehnte Bezeichnung für das Zusammentreffen zweier Wörter
bzw. Wortformen und die daraus resultierenden systematischen phonologischen
Veänderungen. Betrifft S. zwei Morpheme innerhalb eines Wortes, so spricht man von
internem S., dagegen von externem S., wenn sich der Vorgang zwischen zwei
aufeinanderfolgenden Wörtern abspielt. Beispiel für externen S. ist die Artikelvaration im

71
Engl.: a bei folgendem Konsonant und an vor mit Vokal beginnenden Wort, vgl. a book vs.
an egg.
Schibboleth. [hebr. "Ähre", "Strom"]. Charakteristisches Sprachmerkmal, das eine eindeutige
(soziale, regionale etc.) Zuordnung des jeweiligen Sprechers ermöglicht. - Die Bezeich-
nung S. stammt aus der einschlägigen Stelle im Buch der Richter 12,5-6: "Da besetzte
Gilead vor Ephraim die Jordanfurten, und wenn ephraimitische Flüchtlinge sagten: "Laßt
mich hinüber!", fragten die Leute von Gilead: "Bist du ein Ephraimit?" Antwortete er:
"Nein", dann sagten sie zu ihm: "Sag mal Schibboleth" Da sagte er: "Schibboleth", der er
konnte es nicht richtig aussprechen. Dann packten sie ihn und erschlugen ihn an den
Jordanfurten".
Schrift. Auf konventionalisiertem System von graphischen Zeichen basierendes Mittel zur
Aufzeichnung von mündlicher Sprache. Die Jahrtausende alte Geschichte der Schrift ist
in ihrer Entwicklung stark von Magie, Religion und Mystik geprägt, zugleich aber auch
vom kultur-historisch bedingten ständigen Wandel der Materialien (Fels, Leder, Knochen,
Pergament), Schreibwerkzeuge und Schreibtechniken. Die zahlreichen voneinander
abweichenden Typologie-Versuche der S.-Systeme stützen sich auf unterschiedliche
Klassifizierungsprinzipien; sie versuchen jeweils, die Entwicklung der S. aus den
frühesten gegenständlichen Zeichen, die für die bezeichnete Sache stehen, über
S.zeichen für Worte bzw. bedeutungstragende Einheiten (≡ Morphem) bis zu den auf
phonetischer Grundlage aufgebauten alphabetischen Systemen widerzuspiegeln. Vgl. ≡
Graphemik, ≡ Hieroglyphen, ≡Ideographie, ≡ Keilschrift, ≡ Lautschrift, ≡ Logographie, ≡
Piktographie, ≡ Runen.
Schriftsprache. Auf hochdeutscher Grundlage beruhende, überregionale und schriftnahe
Sprachform, wie sie seit dem 18. Jh. allmählich Gültigkeit erlangte. ≡ Vgl.
Standardsprache.
Singular. [lat. singul♠ris "einzeln", - Auch: Einzahl"]. Teilkategorie des ≡ Numerus zur
Bezeichnung von Einzelelementen (ein Haus vs. viele Häuser), generalisierenden
Aussagen (Der Mensch lebt nicht vom Brot allein) und kollektiven Begriffen (die
Schlauheit des Fuchses). Nomen, die nur im verwendet werden wie Holz (als Stoffname),
Freiheit (als Abstraktum) und Obst (als Kollektivum) nennt man ≡ Singularetantum.
Singularetantum. [Pl. Singulariatantum; lat.tantum "nur"; engl. mass noun] ≡ Massen-Nomen.
Singulativ. Teilkategorie des ≡ Numerus zum Ausdruck der Einzahligkeit. Im Unterschied zum ≡
Singular stellt der S. einen gegenüber der Grundform (≡ Kollektiv) markierte Form dar, vgl.
arab. dabb♠n "Fliege(n)" (unspezifiziert) vs. dabb♠ne "eine Fliege".
Slang. [engl.]. Lässig gebrauchte Umgangssprache mit ausgeprägten sozialen und regionalen
Varianten (dem frz. ≡ Argot entsprechend), die durch neuartige Verwendung des
vorhandenen Vokabulars, sowie neue Wortbildungen gekennzeichnet ist. S. entspricht
der älteren bezeichnung Cant, das sich ursprünglich auf Geheimsprachen, bzw. ≡
Sondersprachen bezog.
Sondersprache.
(1) Im weiteren Sinn bezieht sich die Bezeichnung S. urspr. auf alle von der
Standardsprache abweichenden Sprachwarianten, wie sie von sozial-, geschlechts-,
alterspezifisch bedingten, berufs- und fachwissenschaftlich begründeten
Sondergruppierungen herrühren.
(2) Im engeren Sinn werden sozialgebundene S. sachgebundenen S. im Sinne von ≡
Fachsprachen unterschieden. Da sich aber fachspezifische Gruppierungen (wie Berufe)
häufig mit sozialen Schichtungen decken, sind die Übergänge zwischen S. und
Fachsprachen fließend. Dies spiegelt sich deutlich in den sehr unterschiedlichen
Systematisierungsversuchen der neueren Forschung, vgl. hierzu Bausani, Riesel, Moser.
- Gemäß der Gliederung der Sprachgemeinschaft in soziale gruppen werden S. auch als
Gruppen-, Standes- oder Berufssprachen bezeichnet (vgl. auch ≡ Jargon). Die
Unterschiede zur Standardsprache liegen vor allem in dem nach gruppenspezifischen
Interessen und Bedürfnissen entwickelten Sonderwortschatz, wie er sich besonders
auffällig bei Jägern, Fischern, Bergleuten, Weinbauern, Druckern, Studenten, Bettlern und
Gauern (≡ Rotwelsch) nachweisen läßt. Während die S. einerseits auf der lexikalischen
und gramm. Basis der Einheitssprache durch neuartige (metaphorische) Verwendung
vorhandener Ausdrücke die ihnen eigentümliche Variante entwickeln, befruchten sie

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anderseits auch immer wieder die Gemeinsprache, indem sich sondersprachliche
Ausdrücke in der Standardsprache einbürgern.
Sprachtypologie. ≡ Klassifikation der Sprachen aufgrund grammatischer Eigenschaften, d.h.
ohne Rückgriff auf historisch-genetische oder geografische Zusammenhänge. - Die
klassisische, an morphologischen Kriterien orientierte S. geht zurück auf A. W. Schlegels
Unterscheidung zwischen ≡ Analytischem vs. ≡ Syntetischem Sprachbau: in analytischen
Sprachen wie dem klassischen Chinesischen werden die grammatischen Beziehungen
der Wörter im Satz durch selbständige, syntaktische Formelemente (z.B. Präpositionen),
in syntetischen Sprachen durch unselbstständige, morphologische Mittel ausgedrückt.
(Vgl. Schlegel [1818]). Unter den syntetischen Sprachen unterschied Schlegel weiter die ≡
Agglutinierenden Sprachen, in denen grammatische und lexikalische Morpheme mit
jeweils einfachen Bedeutungen aneinandergereiht werden (z.B. Türkisch), von den
flektierenden Sprachen (≡ Flektierender Sprachbau), deren Wörter sich nicht einfach in
einzelne Morpheme mit einfachen Bedeutungen segmentieren lassen und in denen
Erscheinungen wie z.B. Stammveränderungen zu beobachten sind (z.B. Sanskrit). W. v.
Humboldt [1836] führte den Typ der ≡ Polysynthetischen Sprachen ein, in denen ein Wort
oft mehrere, semantisch sehr spezifische Wortstämme vereinigt (z.B. Irokesisch). Mit
diesen frühen Sprachtypologie ging eine Wertung einher; der Formenreichtum der
flektierenden Sprachen galt als Zeichen größter Vollkommenheit, dieser höchsten
Entwicklungsstufe sollten der isolierende und agglutierende Sprachbau als weniger
vollkommene Entwicklungsstufen vorausgehen. (Zur Geschichte der Forschungen zur S.
vgl. Haarmann [1976] und Ineichen [1979].) Kritische Einwände gegen die traditionelle,
vorwiegend auf morphologische Kriterien begründete S. richten sich vor allem gegen die
unzureichende sprachtheoretische Fundierung der betroffenen Elemente (≡ Silbe, ≡
Morphem, ≡ Wort) und Eigenschaften (≡ Intonation, Reihenfolgebeziehungen u. a.), gegen
die mangelnde Unterscheidung zwischen formalen und funktionalen Kriterien sowie
gegen die allzu kategorische (statt einer graduierenden) S., die zu dem die
Interdependenz der phonologischen, morphologischen und syntaktischen Kriterien zu
wenig berücksichtigt. - Die syntaktische S. geht vor allem auf J. H. Greenberg [1963]
zurück, der eine Typologie von Wortstellungstypen entwarf (≡ Universalien-Forschung).
Auch andere syntaktische Eigenschaften, wie das System grammatischer Relationen
(z.B. ≡ Ergativsprachen vs. ≡ Nominativsprachen), wurden zur Grundlage von
Sprachtypologien gemacht. Zu neueren Ansätzen und Terminologie-Vorschlägen vgl.
Altmann/Lehfeldt [1973], Lehmann [1978] und Vennemann [1982], ≡
Universalienforschung.
Lit. A. W. Schlegel [1818]: Observations sur la langue et la litterature proven÷ales. Paris. -
W. v. Humboldt [1836]: Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaus. Berlin.
In: - W. v. Humboldt: Werke, Ed. von A. Flitner / K. Giels. Bd. 3, Darmstadt 1963, S. 144-
367 - J. H. Greenberg [1960]: A quantitative approach to the morphological typology of
language. In: International Journal of American Linguistics. No 26. Chicago - G.
Altmann/W: Lehfeldt [1973]: Allgemeine Sprachtypologie. Prinzipien und Meßverfahren.
München. - H. Haarmann [1976]: Grundzüge der Sprachtypologie. Methodik, Empirie und
Systematik der Sprachen Europas. Stuttgart. - W. P. Lehmann (ed.) [1978]: Syntactic
typology: studies in the phenomenology of language. Austin. Forschungsbericht: G.
Ineichen [1979]: Allgemeine Sprachtypologie: Ansätze und Methoden. Darmstadt. - ≡
Klassifikation der Sprachen, ≡ Universalien.
Stammbaumtheorie. Von A. Schleicher [1861] ausgearbeitete Vorstellung über die Entstehung
von Einzelsprachen durch Ausgliederung jüngerer aus älteren Sprachen. Unter dem
Einfluß der Darwinschen Evolutionstheorie rekonstruiert Schleicher die Entstehung der
ideur. Einzelsprachen aus der hypothetischen ideur. „Ursprache” in Form eines
Stammbaums, dessen Verzweigungen den Abspaltungen von Einzelsprachen durch
Unterbrechung der Verkehrsbeziehungen entsprechen sollen. Abgesehen von der zu
irrtümlichen Assoziationen verleitenden biologischen Terminologie („Verwandtschaft”,
„Abstammung”) bietet das Stammbaummodell mit seinen (abrupten) Verzweigungen
keine Möglichkeit, gegenseitige Beeinflussung bzw. parallele sprachliche Entwicklungen
abzubilden. Als konkurrierendes Modell vgl. → Wellentheorie.
Standardsprache. [Auch: Hochsprache, ≡ Nationalsprache] Seit den 70er Jahren in
Deutschland übliche deskriptive Bezeichnung für die historisch legitimierte, überregionale,

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mündliche und schriftliche Sprachform der sozialen Mittel- bzw. Oberschicht; in diesem
Sinn synonyme Verwendung mit der (wertenden) Bezeichnung "Hochsprache".
Entsprechend ihrer Funktion als öffentliches Verständigungsmittel unterliegt sie
(besonders in den Bereichen Grammatik, Aussprache und Rechtschreibung) weit-
gehender Normierung, die über öffentliche Medien und Institutionen, vor allem aber durch
das Bildungssystem kontrolliert und vermittelt werden. Die Beherrschung der S. gilt als
Ziel aller sprachdidaktischen Bemühungen.
Supinum. [lat. sup⊂n♠re "zurücklehnen"]: Im Lat. von Bevegungsverben abgeleitetes
Verbalabstrak-tum. Es wird unterschieden zwischen: (a) Supinum I auf -tum (erstarrter
Akkusativ der Richtung der u-Deklination) mit aktivischer Bedeutung. Durch diese an ein
Verbum sich "anlehnende" Nominalform wird eine Richtung oder ein Zweck bezeichnet:
salutatum venire "zur Begrüßung kommen"; (b) Supinum II auf -u (vermutlich auf einen
alten finalen Dativ zurückgehend), das nach bestimmten Adjektiven steht:Haec res est
facilis intellectu "dies ist leicht einzusehen". Die Bezeichnung "S" ("zurückgebogen", im
übertragenen Sinne "passivisch") trifft nur für (b) zu, da (a) keinen passivischen Charakter
besitzt. Im Dt. wird für Verbformen wie in eine leicht zu verschmerzende Enttäuschung
verwendet.
Synkretismus. [griech. synkr♠tos "gemischt". - Auch: Mischkasus]. Sprachgeschichtlicher
Wandel: formaler Zusammenfall verschiedener, urspr. getrennter gramm. Funktionen,
besonders deutlich im Kasussystem verschiedener Sprachen zu beobachten, so
entsprechen dem griech. Dativ in anderen ideur. Sprachen Ablativ, Lokativ und
Instrumental, dem lat. Ablativ die Funktionen des Instrumental und teilweise des Lokativ;
im Dt. hat der Nominativ die Funktion des Vokativ übernommen. S. bewirkt, daß an sich
vorhandene gramm. Kategorien morphologisch nicht mehr ausgedrückt werden können.
Synthetischer Sprachbau. Von A. W. Schlegel [1818] unter morphologischen Aspekten
aufgestellter klassifikationstyp für Sprachen, die die Tendenz haben, die syntaktischen
Beziehungen im Satz durch morphologische Markierungen am Wortstamm zu
kennzeichnen, mit den Unterklassen des ≡ Agglutinierenden und Flektierenden
Sprachbaus. Zum Unterschied vgl. ≡ Analytischer Sprachbau.

T
Tonem. Kleinste (abstrakte) funktionelle Tondifferenzen einer Silbe mit
bedeutungsunterscheidender Funktion. In sog. Tonsprachen haben solche fest mit einer
Silbe verbundenen Tonabstufungen gleiche Funktionen wie Vokal- oder
Konsonantenphoneme, vgl. z.B. vietnamesisch, wo ma je nach unterschiedlicher
Tonhöhe entweder "Teufel", "aber", "Wange", "Pferd" oder "junge Reispflanze"" bedeuten
kann.
Tonsprachen. Sprachen, in denen Tonhöhe phonologische Relevanz, d.h. bedeutungs-
unterscheidende Funktion besitzt, z.B. Chin., Vietnames. Vgl. die Beispiele unter ≡
Tonem.
Trialis. ≡ Numerus

U
Universalsprache.
(1) ≡ Welthilfssprache.
(2) Künstliches, meist am Vorbild der Mathematik orientiertes Zeichensystem als
Verständigungs- und Erkenntnismittel in Philosophie und Wissenschaft. Besonders
bekannt wurde die Idee einer "Chracteristica universalis" von G. W. Leibnitz, in der die
logische Verbindung einfacher Vorstellungen zu komplexen Gedanken durch
entsprechende Zeichenkombinationen abgebildet werden sollte. In den modernen
Notationssystemen von Mathematik, formaler Logik, Physik, Chemie usw. ist die Idee der
U. teilweise verwirklicht.
Umgangssprache.
(1) Vorwiegend in der deutschen Germanistik gebrauchter Terminus für den großen und
heterogenen Bereich von Sprachvarietäten zwischen Hochsprache/Standardsprache
einerseits und kleinräumig gebundenen Dialekten anderseits (U. als eine Art

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"Ausgleichsvarietät" zwischen Hochsprache und Dialekt, die zwar deutliche regionale
Färbung, jedoch keine extremen Dialektismen aufweist).
(2) Bezeichnung einer Stilschicht, die für informellere, privatere Situationen
angemessener erscheint als die eher auf formelle Situationskontexte beschränkt
bleibende Hochsprache; entspricht in dieser Verwendung dem engl. colloquial speech.
Ursprache. [Auch: Grundsprache, Lingua Adamica]. Hypothetisch angenommene, aufgrund
von Sprachvergleich rekonstruierte Grundsprache, die als Ausgangspunkt für die
Entwicklung genetisch verwandter Sprachen angesehen wird; vgl. das von der ≡
Historisch-Vergleichenden Sprachwissenschaft des 19. Jh. angesetzte Urindo-Europäisch
(auch: Urindo-germanisch) als gemeinsame Ausgangssprache aller ideur.
Einzelsprachen. ≡ Komparative Methode, ≡ Stammbaumtherie, ≡ Proto(sprache).

V
Verkehrssprache. [Auch: koine].
(1) Im Spätmittelalter mündliche Umgangssprache im Unterschied zur schriftlichen
Geschäftssprache.
(2) Allgemein: Sprachen, in denen Gesetze, Verlautbarungen, Handelsabkommen,
politische Urkunden von internationaler Geltung abgefaßt werden, also Engl., Frz., Span.,
Russ., u.a. Vgl auch ≡ Welthilfssprachen.
Vernerscher Gesetz. Von dem Dänen Karl Verner 1875 entdeckte (1877 veröffentliche)
Ausnahmeregel zur ≡ Ersten Lautverschiebung , die von nachfolgenden
Sprachwissenschaftlern als "Gesetz" bezeichnet wurde. Ausgehend von vergleichenden
Untersuchungen zum Sanskrit und Griech. sowie germ. Dialekten erkannte Verner die
Stellung des im Ideur. freien Wortakzentes als Ursache für scheinbare
Unregelmäßigkeiten im Konsonantismus etymologisch verwandter Wörter, die J. Grimm
auf ≡ Grammatischen Wechsel zurückgeführt hatte. Seine Beobachtung lautet: Die nach
der ersten Lautverschiebung vorhandenen germ. stl. Reibelaute [f, θ, χ, s] sind noch in
urgerm. Zeit im Inlaut und Auslaut in sth. Umgebung zu entsprechenden sth. Reibelauten
[ß, ≈, γ, z] geworden, wenn der unmittelbar vorhergehende Vokal nicht den Hauptton trug;
vgl. ideur. *p∂tℜr : got. fadar ("Vater"), im Unterschied zu altind. bhr♠tℜr: got. broτar
("Bruder"). In der Ableitung von Vater entwickelt sich ideur./griech. t zum sth. Reibelaut
(got. d = [≈]), da der Akzent hinter dem Dental liegt, während bei Bruder das ideur./altind.
t gemäß der 1. Lautverschiebung zum stl. Reibelaut verschoben wird. Unter
phonetischem Aspekt läßt sich dieser Lautwandel durch den unterschiedlichen Luftdruck
je nach Position des Akzents plausibel erklären; in phonologischen Hinsicht handelt es
sich um Phonemspaltung (≡ Lautwandel), die mit der Festlegung des freien Akzentes im
Germ. auf die Stammsilbe vollzogen sein muß, da zu diesem Zeitpunkt die urspr.
(allophonische) komplementäre Verteilung aufgehoben war. Zu synchronischen Relikten
des V. G. vgl. ≡ Grammatischer Wechsel.
Lit.: K. Verner [1877]: Eine Ausnahme der ersten Lautverschiebung. In: Zeitschrift für
vergleichende Sprachforschung auf de Gebiete der indogermanischen Sprachen,
begründet von A. Kuhn. 23., S. 97- 130. Göttingen. - E. Rooth [1974]: Das Vernersche
Gesetz in Forschung und Lehre. Lund.
Visible Speech-Verfahren. [engl. visible speech „sichtbares Sprechen”]. Von A. B. Bell
entwickeltes und so bezeichnetes Verfahren zur Sichtbarmachung von akustischen
Phänomenen durch korrespondierende optische Fixierungen. Akustische Signale werden
im Hinblick auf ≡ Quantität (= Zeitkoordinate), Frequenz (= Tonhöhe) und Intensität (=
Amplitude) gemessen und in ≡ Spektrogrammen sichtbar gemacht. Durch solche optische
Darstellung von Klangstrukturen in ihrem zeitlichen Verlauf sind Sprachlaute nach ihren
akustischen Eigenschaften klassifizierbar. Auf die Ergebnisse des V., das urspr. vor allem
als Hilfsmittel für Gehörlosenunterricht entwickelt wurde, stützen sich die binären
phonologischen ≡ Oppositionen von Halle und Jakobson.

W
Wellentheorie. Ursprünglich von H. Schuchardt [1868] geprägtes, vielleicht unabhängig, aber
später auch von J. Schmidt [1872] verwendetes Bild für die Entstehung von Einzelspra-
chen durch allmähliche Sprachdifferenzierung und nicht – wie in Schleichers → Stamm-

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baumtheorie – durch abrupte Ausgliederung. Analog zu den durch einen Steinwurf
ausgelösten, sich teilweise überlagernden Wasserwellen wird eine von einem Innova-
tionskern ausstrahlende wellenförmige Ausbreitung sprachlicher Veränderungen/Ent-
wicklungen postuliert; räumlich und/oder zeitlich benachbarte Sprachvarietäten weisen
demnach zumeist ein in weiten Bereichen übereinstimmendes Sprachinvetar auf. – Eine
grundlegende Neukonzeption erfährt dieses Modell durch die sprachwandeltheoretischen
Neuansätze der Variations- und Soziolinguistik; diese gehen davon aus, daß eine laut-
liche Veränderung zunächst in restringierten phonologischen Kontexten mit geringer
quantitativer Häufigkeit und qualitativer Intensität innerhalb einer bestimmten sozialen
Gruppe in bestimmten (meist informellen) Situationen einsetzt und sich sukzessive quali-
tativ intensiviert, auf weitere phonologische Kontexte, soziale Gruppen und Situationen
mit jeweils größerer Gebrauchswahrscheinlichkeit ausdehnt, bis sie schließlich in allen
Kontexten von allen Sprechern kategorisch realisiert wird; der Veränderungsprozeß ist
dann abgeschlossen.
Welthilfsprache. (auch: Plansprache, Universalsprache). Entweder völlig frei ("a priori") erfun-
dene oder - bei den meisten vorliegenden Versuchen - von natürlichen Sprachen ("a
posteriori") abgeleitete (manchmal nur durch Vereinfachung einer natürlichen Sprache
erzeugte) Sprache zur internationalen Verständigung. Beim "naturalistischen" Typ der
bisherigen W. (z.B. ≡ Esperanto) beruht der Wortschatz weitgehend auf Wörtern germa-
nischer und romanischer Sprachen, beim "schematischen" Typ (z.B. ≡ Volapük) auf rela-
tiv wenigen Wurzeln und zahlreichen Ableitungselementen. Für die theoretische Bewer-
tung (nicht unbedingt für den praktischen Erfolg) der W. sind ausschlaggebend die
Erlernbarkeit und die Neutralität gegenüber wichtigen Einzelsprachen. ≡ Interlinguistik.
Lit. A. Bausani (1970): Geheim- und Universalsprachen. Stuttgard - R. Haupenthal
(1976): Plansprachen. Beiträge zur Interlinguistik. Darmstadt.
Werbesprache. Auf Verhaltenssteuerung gerichteter, ≡ Persuasiver Sprachgebrauch in
Wirtschaft und Politik, speziell in der Konsumwerbung. Pragmatische Kennzeichen der W.
sind die persuasive Intention, die kommunikative Distanz zu unterschiedlichen
Adressaten und die allgemeine, den Zielgruppen angepaßte Funktionalisierung der
Sprachmittel im Dienste des Werbeappells. Dies geschieht z.B. durch Ausprägung
persuasiver Textsorten und Textstrukturen (Plakat, Anzeige, Werbespot; Schlagzeile, ≡
Slogan), durch adressatenspezifischen Gebrauch von Sprachschichten und Stilnormen (≡
Fachsprache, Umgangssprache; ästhetische und wissenschaftliche Stilisierung) oder
durch effektvollen Einsatz Rhetorischer Figuren und ≡ Tropen. Die W. ist einersits
innovativ (z.B. in der Wortbildung) und wirkt als "Verteilersprache" zwischen
verschiedenen Sprachschichten (z.B. von der Fachsprache zur Standardsprache),
anderseits bestätigt und verstärkt sie bestehende Normen und soziale Stereotypen (≡
Topos). Wie weit sie im Sinne ihrer persuasiven Ziele wirksam ist, ist Gegenstand
interdisziplinärer Forschung von Semiotik (visuelle Werbung), Soziologie und (Werbe-)
Psychologie.
Westgermanische Konsonantengemination ≡ Gemination
Wortbildung. Untersuchung und Beschreibung von Verfahren und Gesetzmäßigkeiten bei der
Bildung neuer komplexer Wörter auf der Basis vorhandener sprachlicher Mittel. Je nach
Erkenntnisinteresse betrachtet die W. die Struktur des Wortschatzes unter historisch-
genetischem oder synchronisch-funktionalem Aspekt. Dabei ergeben sich folgende
Haupt-
aufgaben der W.: (a) Klassifizierung der sprachlichen Mittel, die als Elemente zur W.
verwendet werden, wie einfache oder komplexe Wörter, ≡ Grundmorpheme,
Ableitungselemente (≡ Affix, ≡ Präfix, ≡ Suffix); (b) Beschreibung der Strukturtypen und –
modelle der W. (c) Beschreibung der semantischen Aspekte der W.-Vorgänge. – W.
beschäftigt sich mit der Beschreibung der Struktur sowohl von Neubildungen (≡
Augenblicksbildungen, ≡ Neologismus) als auch von fertigen Wörtern (auch: ≡
Lexikalisierung, usuelle Bildungen), die als zwei Seiten desselben Phönomens betrachtet
werden müssen. Denn ausschließlich nach dem Vorbild der im lexikalisierten
Wortbestand der Sprache vorhandenen Regularitäten können neue Wörter entstehen.
Der größte Teil aller Wortbildungen läßt sich subsumieren unter ≡ Derivation (Ableitung
von neuen Wörtern durch wortartspezifische Suffixe: Les + er, Les + ung, les + bar), ≡
Präfixbildung (Anfügen eines nicht frei vorkommenden Präfixes an ein freies Morphem: un

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+ les + bar, ver + lesen), ≡ Komposition (Zusammensetzung aus mehreren freien
Morphemen: Buch + Seite, Kinder + Zimmer) und Konversion (die Überführung eines
Stammes in eine andere Wortklasse, ohne Zuhilfenahme eines zusätzlichen Affixes: Zelt
> zelten). Als eher periphere Prozesse der W. gelten Kürzung (≡ Kurzwort), Abkürzung (≡
Abkürzungswort) und Kontamination. – Die Entscheidung über die Rolle der W. im
Rahmen einer Gesamtgrammatik ist abhängig von der jeweilig vorausgesetzten
Sprachtheorie: da komplexe Wörter einerseits typische lexikalische Worteigenschaften
besitzen (z.B. unterliegen sie dem Prozeß der ≡ Lexikalisierung und ≡ Idiomatisierung),
anderseits aber zum Teil Ähnlichkeiten mit Regularitäten der Satzbildung aufweisen
(Paraphrasebeziehungen, ≡ Rekursivität), berühren sich die Fragestellungen der W. auf
der formalen Seite mit Morphologie und Syntax, auf der inhaltlichen mit Semantik,
Lexikologie und Pragmatik. Besonders deutlich kommen solche unterschiedlichen
Einschätzungen der W. in der ≡ Lexikalischen vs. Transformationalistischen Hypothese
zum Ausdruck, aber auch in neueren Arbeiten zur ≡ Wortsyntax.

Z
Zielsprache.
(1) Beim Übersetzen die Sprache, in die übersetzt wird.
(2) Beim Fremdsprachenlernen die zu erlernende Sprache, im Unterschied zur ≡
Ausgangssprache.
Zweite Lautverschiebung. [engl. Old high German consonant shift - Auch: Hochdt. L.]
Veränderungen im Konsonantensystem des Urgerm, die zur Ausgliederung des
Althochdt. aus den übrigen germ. Sprachen und Dialekten führten: (a) Die stl.
Verschlußlaute p, t, k werden postionsabhängig verschoben (aa) zu Affrikaten im anlaut,
im In- und Auslaut nach Konsonant sowie in der Gemination, wobei die einzelnen
Affrikaten eine unterschiedlich große regionale ausbreitung aufweisen; vgl. urgerm. *to :
engl. to : dt. zu; urgerm. *hert- : engl. heart : dt. Herz; alts. penning : obdt. und ostfränk.
pfenning; alts. korn : obdt. kchorn. (ab) zu stl. Frikativen nach Vokalen im In- und Auslaut
im gesamten hochdeutschen Gebiet, vgl. urgerm. *lℜtan : engl. let : dt. lassen; urgerm.
*fat- : engl. vat : dt. Faß. (b) Die sth. Verschlußlaute b, d, g (die sich im Urgerm. aus den
sth. Reibelauten entwickelt hatten) werden mit starker regionaler Differenzierung obdt.,
insbesondere bair., zu entsprechenden stl. Verschlüssen (die allerdings später meist
wieder leniert wurden), vgl. as. beran, bindan, giban :ahd (bair.) peran, pintan, kepan. (c)
Der stl. Frikativ [θ] wird zum sth. Verschluß [d], vgl. engl. brother : dt. Bruder. – Zu Details
der unterschiedlichen Ausbreitung in den einzelnen ahd. Dialekten vgl. Braune/Mitzka
(1953: 83-90). – Verschobene Formen sind in Namensüberlieferungen vereinzelt seit dem
6. Jh. bezeugt (Atilla "Etzel"); als Zeitraum der Durchführung und der Ausbreitung der Z.
L. gilt im allgemeinen das 5.-8. Jh. n. Chr. -Hinsichtlich des räumlichen Ursprungs und der
Ausbreitung sind die Meinungen kontrovers. Da sich die Z. L. bei Baiern und Alemannen
am konsequentesten durchgesetzt hat, sich aber nach Norden bis zur hochdt.-norddt.
Grenze (der sogen. Benrather Linie) immer mehr abschwächte, wird der Süden in einer
"monogenetischen" Sicht gemeinhin als Ursprungszentrum angesehen (konträr dazu die
Annahmen der generativen Phonologie, vgl. King [1969], dem widersprechen
"polygenetische" Ansätze (vgl. Höfler [1955], Schützeichel [1961]), die von einer jeweils
spezifischen autochthonen Entwicklung der L. in mehreren regionen gleichzeitig
ausgehen; eine alternative Sicht findet sich in Vennemann [1984]. - Auch im Falle der Z.
L. werden die bisherigen Interpretationen durch eine neue Sicht in Frage gestellt: Die von
Vennemann [1984] entworfene "Verzweigungstheorie" der Lautverschiebung besagt, daß
das Niederdt. und das Hochdt. jeweils eigene Entwicklungen aus dem Urgermanischen
darstellen und nicht – wie üblicherweise postuliert – das Hochdt. eine Weiterentwicklung
des niederdt. Lautsystems darstelle ("Sukzessionstheorie"). Diese Sicht basiert auf einer
neuen Rekonstruktion des German., die nicht vom ideur. Lautstand, sondern von
belegten späteren Sprachen ausgeht und sprachtypologische Plausibilitätserwägungen in
den Vordergrund stellt.
Lit.: W. Braune / W. Mitzka [1953]: Althochdeutsche Grammatik. 10. Aufl. Tübingen 1961, S. 83-
90. - O. Höfler [1955]: Stammbaumtheorie, Wellentheorie, Entfaltungstheorie. In: Beiträge
zur Geschichte der Deutschen Sprache und Literatur, begründet von H. Paul und W.
Braune (PBB), Tübingen, 77, S. 30-66, S. 424-476; PBB Türingen, 78, S.1-44. - L. L.
Hammerich [1955]: Die Germanische und die Hochdeutsche Lautverschiebung. In: PBB

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Halle 77, S. 1-29, S. 165-203. - R. Schützeichel [1956]: Zur ahd. Lautverschiebung am
Mittelrhein . In: Zeitschrift für (hoch)deutsche Mundarten 24, S. 112-124. Berlin. - H.
Penzl [1964]: Die Phasen der althochdeutschen Lautverschiebung. In: Festschrift für T.
Starck. The Hague. - Th. Vennemann [1984]: Hochgermanisch und Niedergermanisch:
Verzweigungstheorie der germanisch-deutschen Lautverschiebungen. In: PBB 106, S.1-
45. Tübingen. - L. Draye [1986]: Niederländisch und Germanisch Bemerkungen zu Theo
Vennemanns neuer Lautverschiebungstheorie aus niederlandischen Sicht. In: PBB 108,
S. 180-189, Tübingen. - W. Merlingen, Indogermanisch, Germanisch und die Glottis. In:
PBB 108, S. 321-332, Tübingen.

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