2016 Book PhysikFürIngenieure
2016 Book PhysikFürIngenieure
2016 Book PhysikFürIngenieure
Physik
für Ingenieure
12. Auflage
Physik für Ingenieure
Ekbert Hering Rolf Martin
Martin Stohrer
Rolf Martin
Köngen, Deutschland
Unter Mitarbeit von: Prof. Dr. Hanno Käß, Hochschule Esslingen Prof. Dr. G. Kurz, Hochschule
Esslingen Dr. rer. nat. Wolfgang Schulz, Zweckverband Landeswasserversorgung Stuttgart
Springer Vieweg
© Springer-Verlag GmbH Deutschland 1985, 1988, 1990, 1992, 1995, 1997, 1999, 2002, 2004,
2007, 2012, 2016
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der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Ge-
währ für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen.
Physikalische Grundlagen sind für den Ingenieur unerlässlich, weil sie so-
wohl prinzipielle Grenzen aufzeigen als auch eine klare Orientierung im
schneller werdenden technischen Wandel bieten. Quantentheorie und Fest-
körperphysik sind derzeit die Schrittmacher des technischen Fortschritts;
deshalb wird ihnen in diesem Buch der gebührende Platz eingeräumt. Mein
Wunsch ist, dass die Erkenntnisse aus der physikalischen Grundlagenfor-
schung einen erkennbaren praktischen Nutzen zeigen. So wie der Quanten-
Hall-Effekt nicht nur die physikalischen Grundlagen gefördert hat, sondern
auch in der Präzisionsmesstechnik als Widerstandsnormal von Bedeutung ist,
sollte die Verbindung zwischen physikalischen Grundlagen und ingenieurmä-
ßiger Umsetzung enger und effektiver werden.
Möge dieses Buch einen Beitrag dazu leisten.
V
VI Zum Geleit
Wir wünschen unseren Leserinnen und Lesern beim Arbeiten mit die-
sem Werk gute Erkenntnisse in der faszinierenden Welt der Physik und viel
Freude beim Lernen. Sehr gerne nehmen wir konstruktive Hinweise aus dem
sachkundigen Leserkreis auf und freuen uns auf Ihre Hinweise.
2. Mechanik
A Fläche
a Beschleunigung
c Lichtgeschwindigkeit; Schallgeschwindigkeit
cA Auftriebsbeiwert
cD Druckwiderstandsbeiwert
cM Momentenbeiwert
cW Widerstandsbeiwert
d Abstand; Dickenänderung
E Energie; Elastizitätsmodul
e Einheitsvektor
F Kraft
Fr Froudezahl
G Schubmodul, Gravitationskonstante
g Gravitationsfeldstärke
g Fallbeschleunigung
H Fallhöhe; Förderhöhe
h Höhe
I Flächenträgheitsmoment
J Massenträgheitsmoment
j Transportflussdichte;
Massenstromdichte
K Kompressionsmodul
k Federsteifigkeit; Rauigkeit
kt Drehfedersteifigkeit
L Drehimpuls
l Länge
M Drehmoment
Ma Mach’sche Zahl
m Masse
mP Massenstrom
n Drehzahl
IX
X Verwendete physikalische Symbole
P Leistung
p Impuls
p Druck; Anteil
Q Förderstrom (Pumpen);
Volumenstrom (Turbinen)
R Gaskonstante; Krümmungsradius
r Ortsvektor
Re Reynoldszahl
s Ortskoordinate
s Weg; Bogenlänge
T Kelvin-Temperatur; Periodendauer
t Zeit
V Volumen
VP Volumenstrom
v Geschwindigkeit
W Arbeit
w spezifische (massebezogene) Arbeit
Schubspannung
˚ Transportgröße
' Drehwinkel; Potenzialfunktion; Geschwindigkeitsziffer; Fluidität
'G Gravitationspotenzial
! Winkelgeschwindigkeit
3. Thermodynamik
a Temperaturleitfähigkeit
C; Cm ; c Wärmekapazität, molare bzw. spezifische Wärmekapazität
Cmp , cp isobare molare bzw. isobare spezifische Wärmekapazität
CmV , cV isochore molare bzw. isochore spezifische Wärmekapazität
C12 Strahlungsaustauschkoeffizient
c Schallgeschwindigkeit
EA Aktivierungsenergie
Verwendete physikalische Symbole XI
˛ Längenausdehnungskoeffizient; Absorptionsgrad
˛ Wärmeübergangskoeffizient
Raumausdehnungskoeffizient
" Emissionsgrad; Kompressionsverhältnis
"K ; "W Leistungszahl einer Kältemaschine bzw. einer Wärmepumpe
th thermischer Wirkungsgrad
~ Isentropen-(Adiabaten-)Exponent
Wärmeleitfähigkeit
Stoffmenge (Teilchenmenge)
% Dichte; Reflexionsgrad
Transmissionsgrad
˚e Strahlungsleistung
' relative Luftfeuchte
'a absolute Luftfeuchte
'12 Einstrahlzahl
XII Verwendete physikalische Symbole
Ar relative Atommasse
Ä elektrochemisches Äquivalent
AH Hall-Koeffizient
B magnetische Induktion, Flussdichte
B Blindleitwert, Suszeptanz
BR Remanenzinduktion
BS Sättigungsinduktion
C Kapazität
D elektrische Verschiebungsdichte
E elektrische Feldstärke
EH Hall-Feldstärke
e Elementarladung
FL Lorentz-Kraft
F Faraday-Konstante
f Spulenformfaktor
G Leitwert, Konduktanz
H magnetische Feldstärke
HC Koerzitivfeldstärke
I; i elektrische Stromstärke
iO Amplitude der elektrischen Stromstärke
I; ieff Effektivwert der Wechselstromstärke
J magnetische Polarisation
j elektrische Stromdichte
L Induktivität
M Magnetisierung
m Ampere’sches magnetisches Moment
mC Coulomb’sches magnetisches Moment
N Windungszahl
P elektrische Polarisation
P; p Leistung
p elektrisches Dipolmoment
Q elektrische Ladung; Blindleistung
R elektrischer Widerstand
Rm magnetischer Widerstand
S Scheinleistung
TC Curie-Temperatur
TN Néel-Temperatur
U; u elektrische Spannung
uO Amplitude der elektrischen Spannung
U; ueff Effektivwert der elektrischen Spannung
UH Hall-Spannung
uind induzierte Spannung
WA Austrittsarbeit
Wel elektrische Arbeit und Feldenergie
wel elektrische Energiedichte
Wmagn magnetische Arbeit und Feldenergie
Verwendete physikalische Symbole XIII
c Phasengeschwindigkeit
cgr Gruppengeschwindigkeit
d Dämpfungskoeffizient
f Frequenz
f0 ; fd Eigenfrequenz der freien ungedämpften bzw. gedämpften Schwin-
gung
fRes Resonanzfrequenz
fS Schwebungsfrequenz
p
j 1
k Federsteifigkeit; Wellenzahl
kt Drehfedersteifigkeit
Q Güte
I; S Intensität
T Periodendauer
T0 ; Td Periodendauer der freien ungedämpften bzw. gedämpften Schwin-
gung
TS Periodendauer der Schwebung
w Energiedichte
y Auslenkung
yO Amplitude
XIV Verwendete physikalische Symbole
ˇ Auslenkungswinkel
ˇO Amplitude des Auslenkungswinkels
Phasenverschiebung zwischen Erreger und Schwinger
Gangunterschied
ı Abklingkoeffizient
Kreisfrequenzverhältnis
# Dämpfungsgrad
logarithmisches Dekrement
Wellenlänge
' Phasenwinkel
'0 Nullphasenwinkel
' Phasenverschiebung zwischen zwei Schwingungen
! Kreisfrequenz
!0 ; !d Kreisfrequenz der freien ungedämpften bzw. gedämpften Schwin-
gung
˝ Erregerkreisfrequenz
!Res Resonanzkreisfrequenz
6. Optik
AN numerische Apertur
a; a0 Gegenstands- bzw. Bildweite
A; B Einstein-Koeffizienten
b Spaltbreite
D0 Brechkraft
DAP ; DEP Durchmesser von Austritts- bzw. Eintrittspupille
Ee Bestrahlungsstärke
Ev Beleuchtungsstärke
Eph Energie eines Photons
e Abstand zweier Linsen
f; f 0 gegenstandsseitige bzw. bildseitige Brennweite
g Gitterkonstante
He Bestrahlung
Hv Beleuchtung
h Planck’sche Konstante
I Intensität
Ie Strahlstärke
Iv Lichtstärke
Km fotometrisches Strahlungsäquivalent
k Blendenzahl
l Kohärenzlänge
Le Strahldichte
Lv Leuchtdichte
Me spezifische Ausstrahlung
Mv spezifische Lichtausstrahlung
m Ordnungszahl bei Interferenzen
Ni Besetzungszahl des Niveaus i
Verwendete physikalische Symbole XV
n Brechungsindex
p Gitterstrichzahl
Qe Strahlungsenergie
Qv Lichtmenge
r Krümmungsradius
s; s 0 gegenstandsseitige bzw. bildseitige Schnittweite
u0 Durchmesser des Unschärfekreises
V Hellempfindlichkeitsgrad
y; y 0 Gegenstands- bzw. Bildgröße
Z Dämmerungszahl
z; z 0 Abstand vom Gegenstand bzw. Bild zum jeweiligen Brennpunkt
7. Akustik
A äquivalente Schallabsorptionsfläche
B Biegesteifigkeit
d Absorberdicke
fG Grenzfrequenz der Spuranpassung
GpU Übertragungsmaß elektroakustischer Wandler
I Schallintensität
L Schallpegel
LS Lautstärke
Ln Norm-Trittschallpegel
m00 flächenbezogene Masse
P Schallleistung
p Schalldruck
R Schalldämm-Maß
r Reflexionsfaktor
S Lautheit; Fläche
T Nachhallzeit
v Schallschnelle
XVI Verwendete physikalische Symbole
w Schallenergiedichte
y Elongation
Z Schallkennimpedanz
˛ Schallausbreitungs-Dämpfungskoeffizient
˛s Schallabsorptionsgrad
ı Einfallswinkel
Bewertungsfaktor
%s Schallreflexionsgrad
s Schalltransmissionsgrad
A Nukleonenzahl; Aktivität
AS spezifische Aktivität
a0 Bohr’scher Radius des Wasserstoffatoms im Grundzustand
B Baryonenzahl
D; DP Energiedosis, Energiedosisleistung
Dq ; DP q Äquivalentdosis, Äquivalentdosisleistung
d Flächenmasse
E Energie-Eigenwert
EB Bindungsenergie
ES Schwellenenergie
F; F Gesamtdrehimpuls des Atoms einschließlich Kerndrehimpuls, zu-
gehörige Quantenzahl
g Faktor nach Landé
H Hamilton-Funktion
HO Hamilton-Operator
h Planck’sches Wirkungsquantum („ D h=.2 /)
I; I Kerndrehimpuls, zugehörige Quantenzahl
J; J Gesamtdrehimpuls der Elektronenhülle, zugehörige Quantenzahl
j; j Gesamtdrehimpuls eines Elektrons, zugehörige Quantenzahl
L; L Gesamtbahndrehimpuls der Elektronenhülle, zugehörige Quan-
tenzahl
L Leptonenzahl
l; l Bahndrehimpuls eines Elektrons, zugehörige Quantenzahl
m1 magnetische Quantenzahl des Drehimpulses
ms magnetische Quantenzahl des Spins
mj magnetische Quantenzahl des Gesamtdrehimpulses
m0 Ruhemasse
N Neutronenzahl
n Hauptquantenzahl
Q Kern-Quadrupolmoment
R Reichweite
RH Rydberg-Konstante
S Gesamtspinmoment
Verwendete physikalische Symbole XVII
s; s Elektronenspin, zugehörige
Quantenzahl (Spinquantenzahl)
t1=2 Halbwertszeit
u atomare Masseneinheit
x Schichtdicke
Z Kernladungszahl (Ordnungszahl, Protonenzahl)
˛ Feinstrukturkonstante
gyromagnetisches Verhältnis
Zerfallskonstante; Wellenlänge
; magnetisches Moment
Absorptionskoeffizient
K Kern-Magneton
B Bohr’sches Magneton
Frequenz
˘ Paritätsquantenzahl
˙ makroskopischer Wirkungsquerschnitt
Wirkungsquerschnitt
˚ Flussdichte
zeitabhängige Wellenfunktion
Wellenfunktion
9. Festkörperphysik
M Molmasse; Multiplikationsfaktor
NL ; Nv effektive Zustandsdichte im Leitungsband bzw. im Valenzband
n Elektronenkonzentration
nA ; nD Akzeptoren- bzw. Donatorenkonzentration
ni Eigenleitungsdichte
nph Phononendichte
nN Brechungsindex
p Löcherkonzentration
S Empfindlichkeit
Tc kritische Temperatur
TD Debye-Temperatur
TE Einstein-Temperatur
TF Fermi-Temperatur
T0 charakteristische Temperatur
Ud Diffusionsspannung
UF Flussspannung
UK Kontaktspannung
UL Leerlaufspannung
Uth Thermospannung
V ./ Hellempfindlichkeitsgrad
vd Driftgeschwindigkeit
vF Fermi-Geschwindigkeit
v Systemgeschwindigkeit
relativistischer Faktor
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.1 Physikalischer Erkenntnisprozess . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.2 Bereiche der physikalischen Erkenntnis . . . . . . . . . . . . . 3
1.3 Physikalische Größen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
1.3.1 Definition und Maßeinheit . . . . . . . . . . . . . . . 6
1.3.2 Messgenauigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1.3.3 Fehlerfortpflanzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.3.4 Kurvenanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.3.5 Ausgleichsgeradenkonstruktion . . . . . . . . . . . . 15
1.3.6 Korrelationsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
1.3.7 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
2 Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
2.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
2.2 Kinematik des Punktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
2.2.1 Eindimensionale Kinematik . . . . . . . . . . . . . . . 21
2.2.2 Dreidimensionale Kinematik . . . . . . . . . . . . . . 26
2.2.3 Kreisbewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.2.4 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
2.3 Grundgesetze der klassischen Mechanik . . . . . . . . . . . . 32
2.3.1 Konzept der klassischen Dynamik . . . . . . . . . . . 32
2.3.2 Newton’sche Axiome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
2.3.3 Masse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
2.3.4 Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
2.3.5 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
2.4 Dynamik in bewegten Bezugssystemen . . . . . . . . . . . . . 38
2.4.1 Relativ zueinander geradlinig bewegte
Bezugssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
2.4.2 Gleichförmig rotierende Bezugssysteme . . . . . . . 40
2.4.3 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
2.5 Impuls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
2.5.1 Impuls eines materiellen Punktes . . . . . . . . . . . 44
2.5.2 Impuls eines Systems materieller Punkte . . . . . . . 45
2.5.3 Raketengleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
2.5.4 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
2.6 Arbeit und Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
XIX
XX Inhaltsverzeichnis
2.6.1 Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
2.6.2 Leistung, Wirkungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
2.6.3 Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
2.6.4 Energieerhaltungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
2.6.5 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
2.7 Stoßprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
2.7.1 Übersicht und Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . 55
2.7.2 Gerader, zentraler, elastischer Stoß . . . . . . . . . . 56
2.7.3 Gerader, zentraler, unelastischer Stoß . . . . . . . . . 58
2.7.4 Schiefe, zentrale Stöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
2.7.5 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
2.8 Drehbewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
2.8.1 Drehmoment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
2.8.2 Newton’sches Aktionsgesetz der Drehbewegung . . 62
2.8.3 Arbeit, Leistung und Energie bei der Drehbewegung 63
2.8.4 Drehbewegungen von Systemen materieller Punkte 64
2.8.5 Analogie Translation und Rotation . . . . . . . . . . 65
2.8.6 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
2.9 Mechanik starrer Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
2.9.1 Freiheitsgrade und Kinematik . . . . . . . . . . . . . 67
2.9.2 Kräfte am starren Körper . . . . . . . . . . . . . . . . 68
2.9.3 Schwerpunkt und potenzielle Energie eines starren
Körpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
2.9.4 Kinetische Energie eines starren Körpers . . . . . . 72
2.9.5 Massenträgheitsmomente starrer Körper . . . . . . . 74
2.9.6 Kreisel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
2.9.7 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
2.10 Gravitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
2.10.1 Beobachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
2.10.2 Newton’sches Gravitationsgesetz . . . . . . . . . . . 87
2.10.3 Hubarbeit und potenzielle Energie . . . . . . . . . . . 89
2.10.4 Satellitenbahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
2.10.5 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
2.11 Mechanik deformierbarer fester Körper – Elastomechanik . 92
2.11.1 Elastische Verformung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
2.11.2 Plastische Verformung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
2.11.3 Härte fester Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
2.11.4 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und
Aeromechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
2.12.1 Ruhende Flüssigkeiten (Hydrostatik) und ruhende
Gase (Aerostatik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
2.12.2 Fluide – strömende Flüssigkeiten (Hydrodynamik)
und Gase (Aerodynamik) . . . . . . . . . . . . . . . . 117
3 Thermodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
3.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
3.1.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
3.1.2 Thermodynamische Grundbegriffe . . . . . . . . . . 155
Inhaltsverzeichnis XXI
6 Optik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441
6.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441
6.2 Geometrische Optik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442
6.2.1 Lichtstrahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442
6.2.2 Reflexion des Lichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443
6.2.3 Brechung des Lichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449
6.2.4 Abbildung durch Linsen . . . . . . . . . . . . . . . . . 459
6.2.5 Blenden im Strahlengang . . . . . . . . . . . . . . . . 471
6.2.6 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471
6.2.7 Abbildungsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472
6.2.8 Optische Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472
6.3 Radio- und Fotometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481
6.3.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481
6.3.2 Strahlungsphysikalische Größen . . . . . . . . . . . . 482
6.3.3 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488
6.3.4 Lichttechnische Größen . . . . . . . . . . . . . . . . . 489
6.3.5 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491
6.3.6 Farbmetrik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491
6.3.7 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495
6.4 Wellenoptik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495
6.4.1 Interferenz und Beugung . . . . . . . . . . . . . . . . 495
6.4.2 Polarisation des Lichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . 521
6.5 Quantenoptik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530
6.5.1 Lichtquanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530
6.5.2 Dualismus Teilchen–Welle . . . . . . . . . . . . . . . 534
6.5.3 Wärmestrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535
6.5.4 Laser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537
6.5.5 Materiewellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541
6.6 Abbildung mikroskopischer Objekte . . . . . . . . . . . . . . . 544
6.6.1 Beugungsbegrenzte Abbildung . . . . . . . . . . . . . 544
6.6.2 Überwindung der Beugungsbegrenzung . . . . . . . 546
7 Akustik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553
7.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553
7.2 Schallwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554
7.2.1 Schallausbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554
7.2.2 Schallwandler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559
7.2.3 Schallwellen an Grenzflächen . . . . . . . . . . . . . 563
7.2.4 zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 568
7.3 Schallempfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569
7.3.1 Physiologische Akustik . . . . . . . . . . . . . . . . . 569
7.3.2 Musikalische Akustik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572
7.3.3 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575
7.4 Technische Akustik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 576
7.4.1 Raumakustik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 576
7.4.2 Luftschalldämmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578
7.4.3 Körperschalldämmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579
XXIV Inhaltsverzeichnis
9 Festkörperphysik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 703
9.1 Struktur fester Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 703
9.1.1 Kristallbindungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 703
9.1.2 Kristalline Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 706
9.1.3 Gitterfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 709
9.1.4 Amorphe Werkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 712
9.1.5 Makromolekulare Festkörper . . . . . . . . . . . . . . 713
9.1.6 Ausgewählte Werkstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . 717
9.1.7 Flüssigkristalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 722
9.2 Elektronen in Festkörpern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 725
9.2.1 Energiebänder-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . 725
9.2.2 Metalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 728
9.2.3 Halbleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 734
9.2.4 Supraleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 745
9.2.5 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 749
9.3 Thermodynamik fester Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . 750
9.3.1 Gitterschwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 750
9.3.2 Effekte im Zusammenhang mit Wärmefluss und
elektrischem Strom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 757
9.3.3 Piezoelektrizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 759
9.3.4 Zur Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 761
9.4 Optoelektronische Halbleiter-Bauelemente . . . . . . . . . . . 762
9.4.1 Strahlungsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 762
9.4.2 Empfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 766
11 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 789
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 789
11.1.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 789
11.1.2 Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 792
11.1.3 Thermodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 813
11.1.4 Elektrizität und Magnetismus . . . . . . . . . . . . . . 824
11.1.5 Schwingungen und Wellen . . . . . . . . . . . . . . . 831
11.1.6 Optik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 840
XXVI Inhaltsverzeichnis
Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 887
Einführung
1
a) Experiment a c
Im ersten Schritt werden Merkmale der leb-
losen Umwelt, die physikalischen Größen,
gesucht. Zur präziseren Beschreibung müssen
auch Merkmale durch physikalische Defini-
tionen festgelegt werden (z. B. die Definiti- d
on der Kraft). In einem Experiment werden
durch Messungen zwei oder mehr physikali-
sche Größen miteinander verglichen und die
dabei aufgestellten Zusammenhänge aufge-
schrieben. Abb. 1.1 Regelkreis der physikalischen Erkenntnis
genug vorhergesagt werden können (z. B. der des sich bewegenden Körpers vorhergesagt
Einfluss der Reibung bei der Strömung realer werden.
Flüssigkeiten und Gase). Der große Erfolg der physikalischen Erkennt-
b) Induktionsschluss nismethode beruht hauptsächlich auf der Ge-
Werden physikalische Zusammenhänge im- nauigkeit und Zuverlässigkeit der Vorhersa-
mer wieder experimentell bestätigt, dann ge. Zum Beispiel wäre die Mondlandung
kann gefolgert werden, dass sie zu jeder Zeit nicht möglich gewesen, wenn auf der Erde
und an jedem Ort gültig sind. Dieser Schluss, nicht alle Gesetzmäßigkeiten bekannt gewe-
der eine Verallgemeinerung darstellt, wird in sen wären, sodass alle möglichen Ereignis-
der Mathematik Induktionsschluss (Schluss se während des Fluges auf der Erde simu-
von n auf n C 1) genannt. Eine derartige Ver- liert werden konnten. Es war möglich, die
allgemeinerung ist nur zulässig, wenn sich Mondlandung gleichsam im Geist vorweg-
die physikalischen Konstanten nicht ändern. zunehmen, weil die physikalischen Theorien
Diese wichtige Forderung nach der Konstanz richtig und zuverlässig sind und eine gülti-
der Naturereignisse äußert sich in der Phy- ge Aussage im konkreten Fall erlauben. Ein
sik in der Existenz von Naturkonstanten (z. B. wichtiger Bestandteil der ingenieurmäßigen
Lichtgeschwindigkeit c). Beim Übertragen Denkweise besteht nämlich darin, zukünfti-
des physikalischen Erkenntnisprozesses auf ges Verhalten beispielsweise von Maschinen
andere Disziplinen, z. B. auf die Psycholo- oder elektronischen Schaltungen durch die
gie, muss daher genau geprüft werden, ob die gültigen physikalischen Gesetze vorauszuse-
Konstanz der Aussageparameter gegeben und hen. Diese Methode wird vor allem auf dem
damit eine Verallgemeinerung der Beziehun- Gebiet der Schadensverhütung außerordent-
gen zulässig ist. lich wirkungsvoll eingesetzt.
c) Physikalische Gesetze a) Experiment
Mit der Verallgemeinerung durch den Induk- Auch die sorgfältigste Vorhersage physikali-
tionsschluss ist ein physikalisches Gesetz for- scher Zustände kann fehlerhaft sein, weil be-
muliert (z. B. die Kraft ist proportional zur stimmte Einflussgrößen nicht berücksichtigt
Masse und Beschleunigung). Das physika- sind. Aus diesem Grund muss die Vorhersage
lische Gesetz wird für die weitere Analyse eines physikalischen Gesetzes durch ein Ex-
und die Anwendung mathematisch formuliert periment auf ihre Richtigkeit überprüft wer-
(z. B. F D ma). Bildet die Vielzahl an phy- den (Verifikation). Voraussetzung dafür ist,
sikalischen Gesetzen ein widerspruchsfreies dass mit dem physikalischen Gesetz ein realer
System wissenschaftlicher Aussagen über die Messaufbau definiert ist, der die Verifizierung
gesetzmäßigen Zusammenhänge eines physi- der Prognose erlaubt. Diese harte Forderung
kalischen Bereiches, so wird dieses System von Albert Einstein, dass jedes physikalische
Theorie genannt. Die Theorie ermöglicht ei- Gesetz zugleich eine Messvorschrift für ei-
nerseits eine Vorhersage durch die Deduktion ne reproduzierbare Messung darstellen muss,
(d) und andererseits die Überprüfung ihres ei- hat die Physik davor bewahrt, in geistreiche
genen Wahrheits- bzw. Gültigkeitsanspruches Phantastereien abzugleiten. Mit der Prüfung
durch das Experiment (a). der Prognose am Experiment ist der physika-
d) Deduktion lische Erkenntnisprozess wie in einem Regel-
Aus den physikalischen Theorien oder Geset- kreis geschlossen. Die Wirklichkeit korrigiert
zen können mit Hilfe der Logik spezielle, auf damit im Verifikationstest den physikalischen
ein konkretes Problem bezogene Aussagen Erkenntnisprozess. Auf diese Weise ist aus-
hergeleitet werden. In der klassischen Mecha- geschlossen, dass dieser auf das rein geisti-
nik kann beispielsweise aus der Bahnkurve ge Denkvermögen des Menschen beschränkt
für den schiefen Wurf zu jeder Zeit jeder Ort bleibt.
1.2 Bereiche der physikalischen Erkenntnis 3
die für den Induktionsschluss geforderte Kon- Quantenphysik ist. Damit wurde in der Physik
stanz der Systemvariablen nicht gegeben ist, erstmalig die deterministische Denkweise in ih-
weil diese je nach Situation unterschiedliche rer generellen Gültigkeit in Frage gestellt. Dies
Werte einnehmen (z. B. hängt die Antwort in bedeutet freilich nicht, dass der in Abb. 1.1 darge-
einem Interview auch von der Art der Frage- stellte Regelkreis der physikalischen Erkenntnis
stellung ab) und wenn in der Quantenphysik falsch wird. Er ist nach wie
die für einen Deduktionsschluss notwendige, vor gültig. Es wird beim Induktionsschluss die
vollständige Kenntnis der Anfangsbedingun- Konstanz der Variablen ersetzt durch die Kon-
gen eines Systems nicht gegeben ist. stanz der statistischen Zusammenhänge, weshalb
die Deduktion keine determinierten, sondern le-
Die heute beklagte „Unmenschlichkeit“ der diglich wahrscheinliche Vorhersagen erlaubt.
Technik und die Zukunftslosigkeit vieler Men- Weil in quantenmechanischen Systemen die
schen hat ihren Grund auch darin, dass die Elemente unteilbar sind, sind sie ganzheitlich und
rein kausale, deterministische Denkweise von der dürfen nicht analytisch betrachtet werden. Zudem
klassischen Physik ausgehend weite Bereiche der besteht zwischen den quantenmechanischen Sys-
geistigen Welt erfasst hat. In letzter Konsequenz temkomponenten eine so starke Wechselwirkung,
führt dieses Denken zu dem Schluss, das mensch- dass bei einer Trennung der Komponenten für
liche Leben sei ein sinnloses, vorherbestimmtes eine Einzelanalyse diese erheblich verändert wer-
Existieren. Der Begriff Freiheit als Gegenteil von den; somit ist ein Denken in wechselwirkenden
Determiniertheit wird dann ebenso sinnlos wie Zusammenhängen (Regelkreisen) bei quanten-
ein Moralbegriff, da vorherbestimmte Abläufe mechanischen Systemen notwendig.
keinen Schuldigen kennen. Das für viele Probleme unserer Zeit (z. B. Um-
Mit der Begründung der Quantenphysik Mitte weltzerstörung) notwendige vernetzte Denken in
der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts wur- ganzheitlichen Kategorien als erforderliche Kor-
de deutlich, dass sich atomare und subatomare rektur zur isolierten, analytischen Denkweise war
Strukturen nicht mehr deterministisch verhalten in der Physik bereits vor achtzig Jahren notwen-
und die klassische Physik ein Spezialfall der dig, um quantenphysikalische Effekte erklären
6 1 Einführung
zu können. Sicherlich wird ein über die statisti- nur noch die SI-Einheiten benutzt werden. Durch
sche Determiniertheit hinausgehendes Denkkon- Vorsätze oder Präfixe können dezimale Vielfa-
zept benötigt, um soziale und lebendige Syste- che oder Teile der Einheiten gebildet und damit
me in ihrem Verhalten richtig beschreiben zu umständlich zu schreibende Zehnerpotenzen der
können. Aus diesem Grund wird von einigen Maßzahlen vermieden werden. In Tab. 1.1 sind
Physikern versucht, die Quantenphysik in ihrer die Vorsilben und Kurzzeichen für die Vorsät-
ganzheitlichen, auf Regelkreisen beruhenden Be- ze zusammengestellt. Doppelvorsätze wie z. B.
trachtungsweise als Denkmodell beispielsweise mm, sind nicht zulässig.
für gesellschaftliche Strukturen und deren Ver- Hohe Anforderungen an die Genauigkeit des
änderungen oder zur ästhetischen Beurteilung Vergleichs mit der Einheit, d. h. an die Mess-
von Kunstwerken heranzuziehen. Es bleibt ab- genauigkeit, können nur mit sehr aufwändigen
zuwarten, inwieweit diese Übertragungsversuche Apparaturen erfüllt werden, bei denen Störein-
quantenmechanischer Denkkonzepte auf andere flüsse auf den Vergleichsmaßstab weitgehend
Wissenschaften erfolgreich sind. ausgeschlossen und die Ablesung des Vergleichs-
maßstabs hochverfeinert ist. Weltweit kann ein
solcher messtechnischer Aufwand nur in wenigen
1.3 Physikalische Größen Mess- und Eichlaboratorien getrieben werden.
In der Bundesrepublik Deutschland ist dafür die
1.3.1 Definition und Maßeinheit Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in
Braunschweig zuständig. Abb. 1.4 zeigt das pri-
Eine physikalische Größe kennzeichnet Eigen- märe Zeitnormal der PTB Braunschweig, die
schaften und beschreibt Zustände sowie Zu- Atomuhr. Schon wegen dieses messtechnischen
standsänderungen von Objekten der Umwelt. Sie Aufwandes wurde in den SI-Vereinbarungen
muss nach der Forderung Einsteins (Abb. 1.1) darauf geachtet, die Einheiten der physikali-
messbar sein, d. h. ein Messverfahren definie- schen Größen auf möglichst wenige, voneinan-
ren. Die Vereinbarung, nach der die beobachtete der unabhängige Basiseinheiten zurückzuführen.
physikalische Einheit quantifiziert wird, ist die Von deren absoluter Messgenauigkeit sind unse-
Einheit der physikalischen Größe. Beispielsweise re physikalischen Beobachtungen bestimmt. In
wurde für die Temperatur T als Einheit K (Kel-
vin) der 273,16-te Teil der Temperatur des Tripel-
punktes von Wasser festgelegt (Abschn. 3.1.3). Tab. 1.1 Bezeichnung der dezimalen Vielfachen und Teile
von Einheiten
Der Zahlenwert vor der Einheit gibt an, wie oft
der Vergleichsmaßstab der Einheit angelegt wer- Zehnerpotenz Vorsilbe Kurzzeichen Beispiel
1018 Exa E Em, EJ
den kann. Somit besteht eine physikalische Größe
1015 Peta P Pm, PJ
G immer aus einer quantitativen Aussage fGg
1012 Tera T Tm, TJ
(ausgedrückt durch den Zahlenwert) und einer 109 Giga G Gm, GJ
qualitativen Aussage ŒG (ausgedrückt durch die 106 Mega M Mm, MJ
Einheit): 103 Kilo k km, kJ
G D fGg ŒG: (1.1) 102 Hekto h hPa, hJ
101 Deka da dam, daJ
Durch das Gesetz über Einheiten im Messwe-
101 Dezi d dm, dJ
sen vom 2. Juli 1969 (BGBl. I S. 709) wurden 102 Zenti c cm, cJ
ab 1.1.1978 die Vereinbarungen der Internatio- 103 Milli m mm, mJ
nalen Organisation für Standardisation (ISO), 106 Mikro m, J
die sogenannten SI-Einheiten (Systeme Interna- 109 Nano n nm, nJ
tional d’Unités), in der Bundesrepublik Deutsch- 1012 Piko p pm, pJ
land eingeführt. Im amtlichen und geschäftlichen 1015 Femto f fm, fJ
Verkehr dürfen seither für physikalische Größen 1018 Atto a am, aJ
1.3 Physikalische Größen 7
Abb. 1.4 Die Cäsium-Atomuhren CS1, CS2 und CS3 der PTB Braunschweig, aufgestellt in der abgeschirmten und
klimatisierten Atomuhrenhalle
Tab. 1.2 sind die sieben Basisgrößen im SI- ihrer Definitionsgleichung abgeleitet. Eine Aus-
Einheitensystem wiedergegeben, ihre Definitio- wahl abgeleiteter Einheiten zeigt Tab. 1.3.
nen und ihre relative Messunsicherheit angege- Bei der theoretischen Beschreibung der ermit-
ben. telten Zusammenhänge zwischen den physikali-
Durch die ISO-Festlegung der Vakuum- schen Größen ergeben sich universelle Proportio-
Lichtgeschwindigkeit vom 20.10.1983 auf c D nalitätskonstanten, die Naturkonstanten. Einige
299:792:458 m=s ist das Meter von der Sekunde dieser Naturkonstanten sind in Tab. 1.4 aufge-
metrologisch abhängig geworden. Durch die Be- führt.
ziehung c 2 D 1=0 "0 ist bei Kenntnis der Licht-
geschwindigkeit c und der magnetischen Feld-
konstanten 0 der Wert für die elektrische Feld- 1.3.2 Messgenauigkeit
konstante "0 exakt festgelegt (Abschn. 4.5.5).
Nach dem von K. von Klitzing 1980 entdeck- Die Messung einer physikalischen Größe er-
ten quantisierten Hall-Effekt lässt sich auch ei- folgt durch den Vergleich der Einheit dieser
ne aus Naturkonstanten sehr exakt bestimmba- Größe nach der Messmethode der SI-Vereinba-
re Basisgröße für den elektrischen Widerstand rung oder einem darauf geeichten Messverfahren.
R D h=.ie2 / bestimmen .i D 1; 2; 3; : : :/. Oft werden die Messwerte von Wiederholungs-
Die SI-Einheiten der übrigen physikalischen Grö- messungen Abweichungen untereinander haben,
ßen werden aus den Basiseinheiten entsprechend die kennzeichnend für die Messgenauigkeit sind.
8 1 Einführung
Wie Tab. 1.5 zeigt, ist dabei zwischen den sys- DIN 55 303-2: Statistische Auswertung
tematischen, für das Messverfahren charakteris- von Daten,
tischen Abweichungen und den zufälligen oder DIN 55 350-21 bis 24: Qualitätssicherung und
statistischen, vom Experimentator abhängigen Statistik.
Abweichungen zu unterscheiden.
Um systematische Abweichungen aufzude- Zur grafischen Analyse der Messwertschwankun-
cken, werden in der Prüfpraxis Ringversuche gen dient das Histogramm. Ein Beispiel hierfür
durchgeführt, bei denen dieselbe Probe von ver- zeigt Abb. 1.5. In dieses wird balkenförmig über
schiedenen Prüfstellen gemessen und die Ergeb- dem Messwert x die relative Häufigkeit hj des
nisse anschließend verglichen werden. Aus den Messwerts aufgetragen:
zufälligen Abweichungen wird durch die Fehler-
Nj
rechnung die Messgenauigkeit des angewandten hj D : (1.2)
Messverfahrens bestimmt. Die mathematischen N
Grundlagen für diese Analyse der Messgenauig- Nj ist die Anzahl des Messwerts xj bei N Mes-
keit sind in Lehrbüchern der Statistik und Wahr- sungen der Messgröße x.
scheinlichkeitstheorie beschrieben. Die praxisge- Bei zufälligen Messabweichungen ist die Häu-
rechten Verfahren sind in Normen zusammenge- figkeitsverteilung symmetrisch zu einem häu-
fasst: figsten Wert, dem Erwartungswert . Bei einer
Wiederholungsmessung wird dieser Erwartungs-
DIN 1 319: Grundbegriffe der Mess- wert mit größter Wahrscheinlichkeit gemessen.
technik, Vom häufigsten Wert abweichende Messwerte xj
DIN ISO 3534-1: Statistik – Begriffe und werden umso seltener gemessen, je größer ihre
Formelzeichen, Abweichung dj D xj vom Erwartungswert
DIN 53 804-1: Statistische Auswertung, ist.
1.3 Physikalische Größen 9
Tab. 1.3 Zusammenstellung einiger physikalischer Größen mit ihren SI-Einheiten, die von den Basiseinheiten abge-
leitet sind
Physikalische Größe Formel- Berechnung Einheit
zeichen
Fläche A A D Länge Breite m2
Bogen m
Winkel ' 'D D rad Radiant
Radius m
2
Fläche des Kugelabschnitts m
Raumwinkel ˝ ˝D D sr Steradiant
Quadrat des Kugelradius m2
1 1
Frequenz ; f f D D Hz Hertz
Periodendauer s
Wegintervall m
Geschwindigkeit v vD
Zeitintervall s
Geschwindigkeitsänderung m
Beschleunigung a aD
Zeitintervall s2
m
Kraft F F D Masse Beschleunigung kg 2 D N Newton
s
m2
Arbeit, Energie W; E W D Kraft Weg kg 2 D J Joule
s
Arbeit m2
Leistung P P D kg 3 D W Watt
Zeitintervall s
m2
Wärme Q Q D Energie kg 2 D Ws D J Joule
s
Wärme kg m2 J
Wärmekapazität C C D D
Temperaturintervall s2 K K
elektrische Ladung Q Q D elektr. Stromstärke Zeit As DC Coulomb
elektrische Kraft kg m N V
elektrische Feldstärke E ED D D
elektrische Ladung s3 A As m
elektrische Arbeit kg m2 W
elektrische Spannung U U D D DV Volt
elektrische Ladung A s3 A
elektrische Spannung kg m 2
V
elektrischer Widerstand R RD D D Ohm
elektrische Stromstärke A2 s3 A
elektr. Stromstärke Windungszahl A
magnetische Feldstärke H H D
Spulenlänge m
kg m2
magnetischer Fluss ˚ ˚ D magnetische Induktion Fläche D V s D Wb Weber
A s2
kg Wb
magnetische Induktion B B D Permeabilität magnetische Feldstärke D 2 DT Tesla
A s2 m
Lichtstrom cd sr
Beleuchtungsstärke E ED D lx Lux
Fläche m2
Wird die Anzahl der Wiederholungsmessun- h.x/dx ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei ei-
gen stark erhöht, so geht die Häufigkeitsver- ner Wiederholungsmessung der Messwert x zwi-
teilung h.xj / in eine glockenförmige Normal- schen x und x C dx liegt. Die Funktion h.x/ ist
Verteilung der Messwerte über. Im Grenzfall symmetrisch p zum Erwartungswert und durch
liegen die Werte des Histogramms auf der von den Faktor 1= 2 2 so normiert, dass die Wahr-
C.F. Gauß aufgestellten Verteilungsfunktion scheinlichkeit 1 ist, bei einer Wiederholungsmes-
sung einen Wert x im Bereich 1 < x < C1
2
1 .x/ zu finden. Die Varianz 2 ist ein Maß für die
h.x/ D p e 2 2 : (1.3)
2 2 Breite der Verteilungsfunktion h.x/W 68;3 % der
10 1 Einführung
minimalen Fehlersumme lässt sich als Breiten- Messgrößen die Vertrauensgrenzen für den Er-
maß der Häufigkeitsverteilung die Standardab- wartungswert abhängig von der Anzahl N der
weichung s berechnen; s ist die minimale Feh- Messungen und der Standardabweichung s des
lersumme FSmin , normiert auf die Anzahl nw D Messverfahrens:
N 1 der Wiederholungsmessungen. Die Stan-
dardabweichung s hat dieselbe Maßeinheit wie obere Vertrauensgrenze: xo D xN C uz ;
die Messgröße x. Nach der Theorie der Beob- untere Vertrauensgrenze: xu D xN uz :
achtungsfehler ist s 2 der beste Schätzwert für die
Varianz 2 . In Abb. 1.5 ist in das Histogramm Die Messunsicherheit uz , die den Vertrauensbe-
die Verteilungsfunktion h.x/ nach (1.3) einge- reich des statischen Messwerts abgrenzt, berech-
zeichnet, wenn an Stelle von und 2 die nach net sich nach (5) in Tab. 1.6 und hängt von der
Tab. 1.6 berechneten Werte xN und s 2 gesetzt wer- Standardabweichung xN des arithmetischen Mit-
den. telwerts ab.
12 1 Einführung
Der Faktor t folgt aus der Student-t-Verteilung Tab. 1.7 Zahlenwerte nach DIN 1319-3 und Anpassungs-
und ist abhängig von der Anzahl der Wieder- polynom des t -Faktors der Vertrauensgrenzen für ver-
schiedene statistische Sicherheiten
holungsmessungen und der geforderten statisti-
schen Sicherheit P . In Tab. 1.7 sind für verschie- Anzahl der Statistische Sicherheit P
Wiederholungs- 68,3 % 95,4 %
dene Werte der statistischen Sicherheit P Werte messungen
für den t-Faktor aufgeführt. In der Physik und nw D N k t 0;68 t0;95
in der Vermessungstechnik rechnet man mit der 1 1,84 12,71
statistischen Sicherheit P D 68;3 %. In diesem 2 1,32 4,30
Fall entspricht die Messunsicherheit uz gerade 3 1,20 3,18
der Standardabweichung xN des arithmetischen 4 1,15 2,78
Mittelwerts. In der Industrie dagegen bevorzugt 5 1,11 2,57
man die höhere statistische Sicherheit von P D 7 1,08 2,37
95;4 %. Deshalb muss bei der Angabe der Mess- 10 1,06 2,25
20 1,03 2,09
unsicherheit bzw. des Vertrauensbereichs stets
50 1,01 2,01
die gewählte statistische Sicherheit P angegeben
100 1,00 1,98
werden.
> 100 1,00 1,96
Liegt neben der statistischen Messunsicher- Anpassungs- t0;68 D 1 t0;95 D 1;96
heit uz auch noch eine systematische Messunsi- polynom 0;584 3;012
C C
cherheit us vor, so ist als Gesamt-Messunsicher- nw nw
heit die Summe, also der Wert ug D uz C us , 0;032 1;273
n2w n2w
anzugeben. 0;288 8;992
Das Ergebnis von N Messungen der Mess- C C 3
n3w nw
größe x mit einem Messverfahren, dessen Mess-
genauigkeit durch die Standardabweichung s ge-
kennzeichnet ist, wird in der Form
wird allerdings in der Praxis oft weggelassen.
s Dies kann zu Verwirrungen führen. So kann bei-
xP D xN ˙ tP p (1.5) spielsweise die Temperaturmessung mit einem
N
Thermometer mit 1=10 ıC Teilung bei einer Ka-
angegeben. Der Index P kennzeichnet bei sehr librierung mit der statistischen Sicherheit von
genauen Messungen die gewählte statistische Si- 68;3 % eine Messgenauigkeit von ug D 0;1 K
cherheit. Die Angabe der statistischen Sicherheit aufweisen. Für den Einsatz in der Industrie mit
1.3 Physikalische Größen 13
Tab. 1.8 Beziehungen für die Kennwerte der Fehlerrechnung indirekt gemessener physikalischer Größen
Kennwerte der Fehlerfortpflanzung der Fehlerrechnung Beziehungen
fN wahrscheinlichster Wert der indirekt fN D f .x;
N y;
N zN ; : : :/ (1)
gemessenen physikalischen Größe f
s 2 2 2
@f @f @f
sf Standardabweichung der Größe f sf D sx2 C sy2 C sz2 C : : : (2)
bzw. des indirekten Messverfahrens @x @y @z
für f
ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ
ˇ @f ˇ ˇ @f ˇ ˇ @f ˇ
f absoluter Größtfehler der Größe f f D ˇˇ ˇˇ xN C ˇˇ ˇˇ yN C ˇˇ ˇˇ Nz C : : : (3)
bzw. des Messverfahrens für f @x @y @z
N y;
x; N zN ; : : : arithmetische Mittelwerte der Teilmessgrößen x; y; z; : : :
x;N y; N Nz ; : : : Standardabweichungen der Mittelwerte x; N y;
N zN ; : : :
@f @f @f
; ; ; : : : partielle Ableitungen der Funktion f .x; y; z; : : :/ nach den Teilgrößen x; y; z; : : : an der Stelle
@x @y @z N y;
x; N zN ; : : :
die die Fehlersumme, d. h. die Summe der Qua- über Funktionen f mit linearen Normalgleichun-
drate der Abweichungen, ein Minimum ist: gen. Die Standardabweichungen sa0 ; sa1 ; : : : der
Parameter lassen sich aus dem Wert des Mini-
X N mums der Fehlersumme FSmin , der Anzahl der
FS D gi Œfi f .xi I a0 ; a1 ; : : :/2 Wiederholungsmessungen nw und aus den Ge-
i D1
wichten g1 ; g2 ; : : : der Messwerte ermitteln.
! Minimum: (1.7) Oft lässt sich eine theoretische Beziehung y D
f .xI a0 ; a1 / durch eine Transformation v D v.y/
Mit den Gewichten gi können die Beiträge ein- in eine Geradendarstellung v D mx C a umfor-
zelner Messwerte zur Fehlersumme unterschied- men. Die Parameter Steigung m und Achsenab-
lich gewichtet werden. schnitt a dieser Geradendarstellung v.x/ können
Es wird bei diesem Ansatz vorausgesetzt, dass dann entweder rechnerisch oder grafisch durch
die Abweichungen fi f .xi I a0 ; a1 ; : : :/ vonein- eine Regressionsgerade ermittelt werden. Durch
ander unabhängig sind und die Standardabwei- die Umformung von y D f .x/ in v D v.x/ än-
chung der Messungen fi für alle Maßvariablen dern sich jedoch die Gewichte gi der einzelnen
xi , denselben Wert s hat. Messwerte; die Fehlersumme lautet dann
Die Forderung dieser Methode der kleinsten
Quadrate führt auf ein System von Normalglei- X
N
X
N
@f Ist die Standardabweichung sy für alle Werte yi
2 gi Œfi f .xi I a0 ; a1 ; : : :/ D 0;
@a0 gleich und kann die Messungenauigkeit der Wer-
i D1
(1.8a) te xi vernachlässigt werden, so ergeben sich die
Gewichte gi aus
X
N
@f
2 gi Œfi f .xi I a0 ; a1 ; : : :/ D0 1
i D1
@a1 gi D 2 : (1.10)
@v.yi /
(1.8b) sy2
@yi
und so fort:
In Abb. 1.8 sind für die Spezialfälle der linearen,
Für Linearkombinationen der Parameter a0 ; a1 ; logarithmischen und exponentiellen Regression
: : : ist das Normalgleichungssystem linear und die Lösungen für die Mittelwerte und Standard-
geschlossen lösbar. Abb. 1.7 gibt einen Überblick abweichungen der Parameter zusammengestellt.
1.3 Physikalische Größen 15
Abb. 1.7 Funktionen mit einem linearen Normalgleichungssystem für die Parameter der Kurvenanpassung
Die Vertrauensgrenzen uz , die die statistische le Beurteilung, ob die Theorie im Rahmen der
Messungenauigkeit begrenzen, ergeben sich je Messgenauigkeit mit den Messwerten überein-
nach geforderter statistischer Sicherheit aus dem stimmt. Wird ein linearer Zusammenhang y D
Faktor t von Tab. 1.7. Es ist zu beachten, dass bei mx C a zwischen der Messvariablen x und der
k Parametern und N Messungen die Anzahl der Messgröße y erwartet, so kann im Messdia-
Wiederholungsmessungen nw D N k beträgt. gramm die Ausgleichsgerade auch grafisch durch
So ist bei der Regressionsgeraden die Anzahl der die Messwerte gelegt werden. Der Parameter aN
Wiederholungsmessungen nw D N 2. Das Er- ergibt sich aus dem Achsenabschnitt der Aus-
gebnis der Kurvenanpassung ist gleichsgerade, m N aus der Steigung.
Die Standardabweichungen m und a der
sa
a D aN ˙ t.nw / p : (1.11) Parameter lassen sich durch 2 Grenzgeraden
N I und II an die Messwerte abschätzen, die
durch den Schwerpunkt der Messwerte ys D
1 PN 1 PN
N i D1 yi und xs D N i D1 xi zu legen sind.
1.3.5 Ausgleichsgeradenkonstruktion Eine der Grenzgeraden ist die steilste, die andere
die flachste mögliche Gerade durch die Messwer-
Eine zeichnerische Darstellung der Messpunkte te, wie Abb. 1.9 zeigt. Aus den der Zeichnung
und des Verlaufs der angepassten theoretischen entnommenen Parametern mI ; aI sowie mII und
Kurve eignet sich besonders gut für die schnel- aII der Grenzgeraden werden die Anpassungsfeh-
16 1 Einführung
1.3.6 Korrelationsanalyse
mit
ler in folgender Weise bestimmt:
1 X
N
ˇ I ˇ xN D
als dem Mittelwert der
ˇ m mII ˇ xi
m D ˙ ˇˇ ˇ;
ˇ (1.12a) N i D1 Merkmale xi ;
2
ˇ I ˇ 1 X
N
ˇ a aII ˇ yN D
als dem Mittelwert des
a D ˙ ˇ ˇ ˇ C j
ys j : (1.12b) yi
2 ˇ N i D1 Merkmals yi
1.3 Physikalische Größen 17
Abb. 1.10 Korrelationsanalyse der mittleren täglichen Heizleistung und äquivalenter Außentemperatur (unter
Heizleistung eines Wohnhauses: a) Zusammenhang zwi- Berücksichtigung von Sonnenzustrahlung und Windein-
schen Heizleistung und Außenlufttemperatur; Korrelation fluss); Korrelation wahrscheinlich (r > 0;9)
unwahrscheinlich (r < 0;5); b) Zusammenhang zwischen
Warmseite sowie aus dem Wärmestrom ˚ durch von der mittleren Außenlufttemperatur unter-
die Probe bestimmt. Es gilt sucht. In einem weiteren Schritt wird zum Ver-
gleich der Zusammenhang der Heizleistung mit
˚s einer äquivalenten Außentemperatur analysiert.
D :
ab.T2 T1 / Diese berücksichtigt die Einflüsse der Sonnen-
zustrahlung, der mittleren Windgeschwindigkeit
Die Messwerte bei einer Leichtbetonprobe sind an den Außenflächen und die Wärmespeicherfä-
higkeit der Auenwandkonstruktion und wird aus
˚ D .16 ˙ 0;1/ W; b D .495 ˙ 1/ mm; den lokalen Klimadaten berechnet. Für einen 17-
s D .80 ˙ 1/ mm; T2 D .15 ˙ 0;1/ ı C; tägigen Messzyklus ergeben sich folgende Daten:
ı
a D .500 ˙ 1/ mm; T1 D .6 ˙ 0;1/ C:
Tag-Nr. mittlere mittlere äquivalente
tägliche Außenluft- Außentem-
a) Wie groß ist der wahrscheinlichste Wert der Heizleistung temperatur peratur
ı ı
Wärmeleitfähigkeit? kW C C
b) Wie groß ist die Standardabweichung s der 1 85 2,3 0,8
Wärmeleitfähigkeit? 2 81 1,5 0,4
c) Wie groß ist der relative Größtfehler der Wär- 3 67 0,6 3,2
meleitfähigkeitmessung? 4 93 0,6 3;0
5 81 3,2 1,2
6 88 2,8 0;7
Ü 1-3 Für das Thermoelement-Material Cu–
7 102 2,2 2
CuNi soll die thermoelektrische Beziehung für
8 73 6,0 0,6
die Bezugstemperatur #0 D 0 ı C 9 65 6,2 4,2
10 64 3,4 3,5
Uth D a1 # C a2 # 2 11 78 1,0 0,2
12 65 0,5 2,0
an die Werte der folgenden Wertetabelle rech- 13 81 1,8 0,7
nerisch und grafisch angepasst werden. Zu be- 14 74 3,0 1,4
stimmen sind die wahrscheinlichsten Werte der 15 65 4,0 2,6
Thermomaterialkonstanten a1 und a2 und der 16 52 4,4 4,4
Vertrauensbereich für eine statistische Sicherheit 17 59 5,3 3,4
P D 68;3 %.
a) Wie groß sind die Steigung und der Ach-
senabschnitt der Regressionsgeraden bei der
Wertetabelle für Cu–CuNi: Abhängigkeit der mittleren Heizleistung von
der Außenlufttemperatur bzw. von der äqui-
#=ı C 40 30 20 10
valenten Außentemperatur (Abb. 1.10)?
Uth =mV 1;50 1;14 0;77 0;39 b) Beurteilt werden soll anhand der Korrelati-
#=ı C 0 C10 C20 C30 C40 onskoeffizienten die Abhängigkeit der mittle-
Uth =mV 0 C0;40 C0;80 C1;21 C1;63 ren Heizleistung von den beiden Parametern
ı
#= C C50 C60 C70 C80 Außenlufttemperatur und äquivalenter Au-
ßentemperatur.
Uth =mV C2;05 C2;48 C2;91 C3;35
c) Wie groß sind die Standardabweichungen der
#=ı C C90 C100 C110 C120 Steigung und des Achsenabschnitts bei den
Uth =mV C3;80 C4;25 C4;71 C5;18 beiden Regressionsgeraden?
d) Wie groß sind die Vertrauensbereiche für die
Ü 1-4 Bei der energetischen Analyse eines Steigung und den Achsenabschnitt der Re-
Mehrfamilienhauses mit Zentralheizung wird die gressionsgeraden bei der statistischen Sicher-
Abhängigkeit der mittleren Heizleistung je Tag heit P D 68;3 %?
Mechanik
2
In diesem Abschnitt werden lediglich Ge- Punktes auf einem Reifen. Für die vollständi-
setze der klassischen Mechanik beschrieben ge Beschreibung des Bewegungszustands eines
(Abb. 2.1). Systems sind demnach unter Umständen vie-
le Angaben erforderlich. Da aber jedes System
aus einzelnen Punkten zusammengesetzt ist, hat
2.2 Kinematik des Punktes die Beschreibung der Bewegung eines einzelnen
Punktes eine vorrangige Bedeutung. In diesem
Die Kinematik hat zur Aufgabe, die Bewegung Abschnitt ist deshalb ausschließlich die Kinema-
von Körpern zu beschreiben. Dies geschieht tik des einzelnen Punktes beschrieben. Die Kine-
durch die Angabe von Ortskoordinaten und de- matik der starren Körper wird in Abschn. 2.9.1
ren Zeitabhängigkeit. Bei komplizierten Gebil- erläutert.
den können einzelne Teile ganz verschiedene Die Kinematik befasst sich nicht mit der Frage
Bewegungen ausführen. So ist etwa bei einem nach der Ursache einer bestimmten Bewegung.
fahrenden Auto die Bewegung eines Punktes der Dies ist Aufgabe der Dynamik oder Kinetik. Die
Karosserie völlig verschieden von jener eines Kinematik ist eine reine Bewegungsgeometrie.
2.2 Kinematik des Punktes 21
2.2.1.1 Geschwindigkeit
Eindimensional ist die Kinematik eines Punktes,
wenn die Bewegung nur auf einer vorgegebenen
Bahn erfolgt, wie es beispielsweise bei Schienen-
fahrzeugen und Werkzeugschlitten der Fall ist.
Eindimensional wird die Bewegung deshalb ge-
nannt, weil zur eindeutigen Ortsbestimmung die Abb. 2.3 Zur Definition der Geschwindigkeit, t Zeit
Angabe einer Koordinate ausreicht, ein solcher (sonstige Bezeichnungen wie in Abb. 2.1)
spurgeführter Punkt also nur einen Freiheitsgrad
hat. Die Lage eines Punktes P ist eindeutig be-
schrieben, wenn gemäß Abb. 2.2 die längs der halt durch den Grenzübergang t ! 0 aus:
Bahn gemessene Entfernung s von einem An- s ds
fangspunkt A angegeben ist. v D lim D D sP : (2.2)
t !0 t dt
Eine wichtige Grundgröße der Kinematik ist
die Geschwindigkeit. Je größer die Geschwin- Der Differenzialquotient nach der Zeit wird in der
digkeit eines Punktes ist, umso größer ist der Mechanik häufig mit einem aufgesetzten Punkt
zurückgelegte Weg innerhalb einer bestimmten symbolisiert. Der Differenzialquotient ds=dt hat
Zeitspanne. Befindet sich nach Abb. 2.3 ein Punkt eine anschauliche Bedeutung:
zur Zeit t am Ort P1 , charakterisiert durch die
Entfernung s.t/ vom Ausgangspunkt A, und zur Die Geschwindigkeit ist die Steigung der
Zeit t C t am Ort P2 mit der Entfernung s.t C Kurve in einem Weg-Zeit-Diagramm.
t/, dann ist die mittlere Geschwindigkeit
2.2.1.2 Beschleunigung
Eine beschleunigte Bewegung liegt vor, wenn
sich die Geschwindigkeit im Lauf der Zeit ändert.
Die Beschleunigung ist umso größer, je stärker
sich die Geschwindigkeit innerhalb einer Zeit-
spanne t ändert. Sind v.t/ die Geschwindigkeit
eines Punktes zur Zeit t und v.t C t/ die Ge-
schwindigkeit zur späteren Zeit t C t, so ist die
mittlere Beschleunigung
v.t C t/ v.t/ v
am D D : (2.4)
.t C t/ t t
Abb. 2.4 Bewegung mit ungleichförmiger Geschwindig- Die abgeleitete SI-Maßeinheit der Beschleuni-
keit (Beispiel 2.2-1). a Weg-Zeit-Diagramm, b Geschwin-
digkeit-Zeit-Diagramm gung a ist 1 m=s2 . Wie bei der Geschwindigkeit
weicht im Allgemeinen die Momentanbeschleu-
nigung a von der mittleren Beschleunigung am
Bestimmt man nun im s; t-Diagramm von ab. Die Momentanbeschleunigung erhält man
Abb. 2.4a an jedem Punkt die Steigung, so nach einem Grenzübergang für verschwindend
erhält man das kontinuierliche Geschwindig- kurze Messzeiten aus
keit-Zeit-Diagramm von Abb. 2.4b. Liegt aber v dv
das v; t-Diagramm durch eine Messung be- a D lim D D v:
P (2.5)
t !0 t dt
reits vor, dann kann das zugehörige s; t-
Die Beschleunigung kann anschaulich interpre-
Diagramm durch Integration ermittelt werden.
tiert werden:
Ist s0 der Ort zur Zeit t0 , dann ist der Ort s.t1 /
zur Zeit t1 gegeben durch das Integral
Die Beschleunigung ist die Steigung der
Zt
Kurve in einem Geschwindigkeit-Zeit-Dia-
s.t/ D s0 C v.
/d
: (2.3) gramm.
t0
2.2 Kinematik des Punktes 23
Zt
v.t/ D v0 C a.
/d
(2.6)
t0
Lösung a
Abb. 2.7a zeigt die gewählte Höhenkoordina-
te. Die y-Achse weist senkrecht nach oben;
y D 0 entspricht der Erdoberfläche. Die An-
fangsbedingungen zur Zeit t D 0 sind y.0/ D
h und v.0/ D Cv0 . Die Beschleunigung ist
a D g D konstant. Das Minuszeichen bringt
zum Ausdruck, dass die Beschleunigung der
positiven y-Richtung entgegengesetzt ist.
Aus (2.6) bzw. Abb. 2.6 folgt für die Ge-
schwindigkeit
1 2
gt v0 tf h D 0:
2 f
Für die Fallzeit des freien Falls ergibt sich allge-
mein q
v0 C v02 C 2gh
tf D : (2.7)
g
In Beispiel 2.2-3 ist tf D 2;03 s (Abb. 2.7c). Die
Geschwindigkeit vf der Kugel am Ende des Falls
ergibt sich aus (I) mit der Zeit tf zu
q
vf D v02 C 2gh: (2.8)
Abb. 2.7 Zu Beispiel 2.2-3: Senkrechter Wurf nach oben.
In Beispiel 2.2-3 ist jvf j D 14;9 m=s (Abb. 2.7b). a Höhenkoordinate, b Geschwindigkeit-Zeit-Diagramm,
c Weg-Zeit-Diagramm
26 2 Mechanik
t ! 0:
1 0
xP
r dr B C
v D lim D D @ yP A : (2.12)
t !0 t dt
zP
2.2.3 Kreisbewegungen
Abb. 2.14 Zur Definition der vektoriellen Winkelgeschwindigkeit ! bei verschiedenen Drehrichtungen
axialer Vektor. Bei positiver Beschleunigung ist beschreibt, und b) vom Standpunkt eines Be-
˛ gleichsinnig parallel zu !. Bei Bremsvorgän- obachters auf der Straße, von dem aus der
gen sind ˛ und ! entgegengesetzt gerichtet. Punkt auf der in Abb. 2.15 gezeigten Zykloide
Da die Größen '; ! und ˛ genauso miteinan- läuft. Die Parameterdarstellung der Zykloide
der verknüpft sind wie die Größen s, v und a ist x D r.!t sin !t/ und y D r.1
der eindimensionalen Kinematik, sind alle Glei- cos !t/.
chungen in Abb. 2.6 direkt auf Kreisbewegungen
anwendbar, wenn jeweils einander zugeordnete a 1) Wie groß ist die Winkelgeschwindigkeit
Größen nach dem Schema s ! ', v ! !, !?
a ! ˛ ausgetauscht werden. Beim Abrollen eines Rads ohne Schlupf
Die Vektoren v und a der allgemeinen dreidi- ist die Geschwindigkeit des Mittelpunk-
mensionalen Kinematik sind auf einfache Weise tes identisch mit der Umfangsgeschwin-
mit den entsprechenden Größen ! und ˛ ver- digkeit. Deshalb gilt ! D v0 =r D
knüpft. Eine Zusammenstellung der Beziehungen 99;2 rad=s.
enthält Tab. 2.1. a 2) Wie groß ist die Beschleunigung des
Punktes und welche Richtung hat sie?
Beispiel 2.2-5 Da es sich um eine gleichförmige Kreis-
Ein Autoreifen mit dem Radius r D 0;28 m bewegung handelt, besteht die Beschleu-
rollt auf einer Ebene mit der Geschwindigkeit nigung lediglich aus der Zentripetalbe-
v0 D 100 km=h. Die Bewegung eines Punk- schleunigung, die zum Kreismittelpunkt
tes auf der Lauffläche soll diskutiert werden, weist. Sie beträgt azp D ! 2 r D
und zwar a) vom Standpunkt eines mitfahren- 2756 m=s2 oder das 281-fache der Erd-
den Beobachters, wo der Punkt eine Kreisbahn beschleunigung.
2.2 Kinematik des Punktes 31
Daraus ergibt sich durch Ableiten nach Dieser Vektor läuft auf einem Kreis um
der Zeit ! und ist stets zum Radmittelpunkt gerich-
1 cos !t tet. Sein Betrag ist jaj D r! 2 D azp .
v D r! b 3) Wie groß ist der Krümmungsradius der
sin !t
! Zykloide im Scheitelpunkt?
1 cos !t Nach (2.16) ist R D v 2 =anorm D 4r D
D v0 :
sin !t 1;12 m.
32 2 Mechanik
2.2.4 Zur Übung mit dem Radius r D 2 km. Dabei legt er die
Strecke s D 1200 m zurück. Zu Beginn der
Ü 2-1 Ein Fahrzeug wird aus dem Stand wech- betrachteten Bewegung hat er die Geschwindig-
selnd beschleunigt und zwar keit v1 D 30 km=h, am Ende v2 D 100 km=h.
a) Wie lange dauert der Beschleunigungsvor-
für 0 5 t 5 2 s mit a D 1 m=s2 , gang? b) Wie groß ist die Tangentialbeschleuni-
für 2 s < t < 4 s mit a D 0 und gung? c) Berechnen Sie die Winkelbeschleuni-
für 4 s 5 t 5 5 s mit a D 2 m=s2 . gung. d) Wie groß ist die Zentripetalbeschleuni-
gung zu Beginn und am Ende des Vorgangs?
a) Zeichnen Sie die kinematischen Diagramme,
d. h. das a; t-Diagramm, das v; t-Diagramm und Ü 2-6 Die Erde benötigt für eine vollständi-
das s; t-Diagramm für 0 5 t 5 5 s. b) Wie ge Umdrehung die Zeit T D 86:163 s (einen
groß ist die maximale Geschwindigkeit? c) Wel- Sternentag). a) Wie groß ist die Winkelgeschwin-
che Geschwindigkeit hat das Fahrzeug zur Zeit digkeit !E der Erde? b) Welche Richtung hat
t D 5 s? d) Wie groß ist der insgesamt zurückge- der Vektor !E ? c) Wie groß ist die Umfangsge-
legte Weg? schwindigkeit an einem Ort mit dem Breitenwin-
kel '? Berechnen Sie die Umfangsgeschwindig-
Ü 2-2 Ein Bauteil wird ungleichmäßig aus der keit am Äquator und in Stuttgart mit ' D 48ı 410
Ruhe beschleunigt. In kurzen Zeitabständen wird nördlicher Breite (Erdradius R D 6370 km).
die Geschwindigkeit gemessen; es ergibt sich ei- d) Wie groß ist die Zentripetalbeschleunigung am
ne Wertetabelle: Äquator und in Stuttgart?
t in s 0 1 2 3 4 5
v in m=s 0 0,2 0,7 1,6 3,2 6,0 2.3 Grundgesetze der klassischen
Mechanik
a) Zeichnen Sie maßstäblich das v; t-
Diagramm (Millimeterpapier). b) Ermitteln Sie 2.3.1 Konzept der klassischen Dynamik
aus dem v; t-Diagramm das a; t-Diagramm. Wie
groß ist die Beschleunigung zur Zeit t1 D 4 s? Die Kinematik (Abschn. 2.2) hat die Bewe-
c) Bestimmen Sie durch grafische bzw. numeri- gung materieller Punkte geometrisch-analytisch
sche Integration den zurückgelegten Weg nach beschrieben, ohne die Frage zu stellen: „Was ist
t2 D 5 s. die Ursache für die Bewegung?“ Die Dynamik
untersucht die Ursachen für die Bewegung eines
Ü 2-3 Ein Ball rollt auf einem waagerechten Körpers. Jeder Körper besteht aus Materie; er hat
Tisch von der Höhe h D 0;75 m über die Kante eine Masse und eine geometrische Ausdehnung,
und fällt zu Boden. Der Auftreffpunkt ist in ho- d. h. ein Volumen. Einfache Verhältnisse liegen
rizontaler Richtung s D 0;40 m von der Kante dann vor, wenn die geometrische Ausdehnung
entfernt. Wie groß war die Geschwindigkeit des des Körpers klein ist im Vergleich zu den Di-
Balls auf dem Tisch? mensionen (Abmessungen, Abstände), in denen
sich der Körper bewegt. In höchster Idealisierung
Ü 2-4 Ein Elektromotor läuft mit der Drehzahl ist die Masse des Körpers in einem materiellen
n0 D 1400 min1 . Nach dem Abschalten wird er Punkt vereinigt, der keine räumliche Ausdehnung
mit konstanter Winkelverzögerung ˛ abgebremst, mehr hat. Mit der Modellvorstellung des mate-
bis er nach N D 50 Umdrehungen stehen bleibt. riellen Punktes werden einfachste Verhältnisse
a) Wie groß ist die Winkelverzögerung ˛? b) Wie geschaffen, denn ein materieller Punkt kann nicht
lange dauert der Bremsvorgang? rotieren und sich nicht verformen.
Wie ein Körper ist auch ein materieller Punkt
Ü 2-5 Ein Eisenbahnzug fährt mit gleichmäßiger Einwirkungen von außen ausgesetzt; physika-
Tangentialbeschleunigung auf einem Kreisbogen lisch bezeichnet man dies als die Einwirkung der
2.3 Grundgesetze der klassischen Mechanik 33
Umgebung auf das System oder – noch allge- Es gibt beliebig viele Inertialsysteme; sie alle
meiner – als die Wechselwirkung zweier Systeme. haben die Eigenschaft, sich gegen den Fixstern-
Die Kraft ist die physikalische Größe, welche die himmel geradlinig und gleichförmig zu bewegen.
Einwirkung beschreibt, die den Bewegungszu- Absolute Ruhe lässt sich nicht feststellen, es gibt
stand des Körpers ändert. Dabei werden Körper deshalb kein ausgezeichnetes Inertialsystem.
unterschiedlicher Masse durch die gleiche Kraft Die Erde rotiert relativ zum Fixsternhimmel,
unterschiedlich beschleunigt. das Bezugssystem Erde stellt deshalb kein Iner-
Begründet auf Erfahrung und durch kühne Ex- tialsystem dar. Ist die Erdrotation im Vergleich
trapolation erfasste Newton die Wechselwirkun- zum Zeitablauf eines Experiments vernachlässig-
gen zwischen beschleunigendem und beschleu- bar langsam, dann ist ein mit der Erde verbun-
nigtem System und formulierte drei Axiome zur denes Bezugssystem in sehr guter Näherung ein
Mechanik, welche die Begriffe Kraft und Mas- Inertialsystem.
se definieren, ihre Verknüpfung angeben und ein Das zweite Newton’sche Axiom heißt Aktions-
Maßsystem festlegen. prinzip, weil es den Zusammenhang zwischen
der Bewegungsänderung eines Körpers und der
Einwirkung von Kräften herstellt. Newton ver-
2.3.2 Newton’sche Axiome stand unter Bewegungsänderung nicht nur die
Beschleunigung; seine mathematische Formulie-
In Tab. 2.2 sind die drei Axiome in moderner rung umfasste bereits den Impuls p D mv
Schreibweise zusammengefasst, wie sie I. N EW- (Abschn. 2.5). Somit lässt sich das Aktionsgesetz
TON (1643 bis 1727) im Jahr 1687 veröffentlich- schreiben:
te. Die Newton’schen Axiome beschreiben die
dp d dv dm
makroskopische Welt der klassischen Physik ex- F D D .mv/ D m Cv : (2.24)
akt; sie versagen jedoch bei der Beschreibung der dt dt dt dt
mikroskopischen Welt der Atome (Quantenphy- Für den im täglichen Leben häufigen Fall einer
sik, Abschn. 8.2) und bei Geschwindigkeiten, die konstanten Masse ergibt sich daraus das New-
nicht mehr klein gegen die Lichtgeschwindigkeit ton’sche Grundgesetz
c sind (Relativitätstheorie, Kap. 10).
Das erste Axiom definiert ein Bezugssystem, F D ma: (2.25)
in dem die drei Axiome gelten. Die physikali-
schen Gesetzmäßigkeiten der Mechanik nehmen Wenn die Summe der äußeren Kräfte gleich null
ihre einfachste mathematische Form an, wenn ist, dann ist auch die Beschleunigung null und da-
sie für ein Bezugssystem aufgeschrieben werden, mit die Geschwindigkeit konstant, entsprechend
in dem die Geschwindigkeit eines Körpers ohne der Forderung des ersten Axioms.
äußere Einwirkungen konstant ist. Man nennt sol- Das dritte Axiom, das Axiom über die Wech-
che Systeme Inertialsysteme. selwirkungen, sagt aus, dass es eine einzelne,
34 2 Mechanik
isolierte Kraft nicht gibt. Es wirkt immer ein Kör- Die physikalische Größe Masse hat außer
per (oder ein System 1) auf einen zweiten Körper der Eigenschaft Trägheit auch die Eigenschaft
(oder System 2). Wird eine Systemgrenze vorge- Schwere. Auf Körper im Wirkungsbereich der
geben, dann kann zwischen äußeren Kräften, die Riesenmassen kosmischer Körper (z. B. der Son-
von einem Körper außerhalb des Systems her- ne oder der Erde) wirken Gravitationskräfte (Ab-
rühren, und inneren Kräften, die nur innerhalb schn. 2.10), die proportional zu den Massen der
des Systems wirken, unterschieden werden. Die- beteiligten Körper sind. Die Schwere einer Masse
se Systemgrenzen können nach Zweckmäßigkeit ist also ein Kennzeichen für die Kraft des Zentral-
gewählt werden. gestirns auf diesen Körper. Experimentell lässt
Das dritte Axiom setzt voraus, dass die Kräfte sich kein Unterschied zwischen träger und schwe-
gleichzeitig, d. h. ohne Zeitverzögerung, wahrge- rer Masse nachweisen. Die Identität von träger
nommen werden. Weil die Lichtgeschwindigkeit und schwerer Masse ist die Grundlage für die
die Grenzgeschwindigkeit für die Ausbreitung ei- Einstein’sche Relativitätstheorie (Kap. 10).
nes Signals oder einer Information ist, dauert es
eine endliche Zeitspanne, bis ein Körper die Än-
derung einer Kraftwirkung spürt, die von einem 2.3.4 Kraft
zweiten Körper ausgeübt wird. Für dieses Pro-
blem der Gleichzeitigkeit hat Einstein die Lösung Nach dem zweiten Newton’schen Axiom ist die
in den Grundgesetzen der relativistischen Mecha- Kraft F für Körper mit konstanter Masse propor-
nik angegeben (Kap. 10). tional zur Momentanbeschleunigung a. Die Kraft
ist also eine vektorielle physikalische Größe, de-
ren Richtung parallel zur Beschleunigung a und
2.3.3 Masse deren Betrag F D ma ist. Im SI-System ist die
Einheit für die Kraft 1 kg m s2 D 1 N (Newton).
Trägheit ist der Widerstand eines Körpers gegen Für die Addition von Kräften und die Zerle-
eine Bewegungsänderung. Das Maß für die Träg- gung einer Kraft in verschiedene Kraftrichtun-
heit ist die Masse. Die Masse ist unabhängig vom gen gelten die Regeln der Vektorrechnung. In
Ort, an dem sich ein Körper befindet und in der Abb. 2.16 sind für die Addition von zwei Kräf-
klassischen Mechanik unabhängig vom Bewe- ten und für die Zerlegung einer Kraft in zwei
gungszustand des Körpers. Damit ist die Masse Richtungen die grafischen Lösungswege im Kräf-
auch ein geeignetes Maß für die Menge, d. h. für teparallelogramm und die trigonometrischen Lö-
die Anzahl der Teilchen (Atome, Moleküle) in ei- sungen angegeben. Die Addition von mehr als
nem Körper. Die Addition von Massen entspricht zwei Kräften erfolgt zweckmäßigerweise durch
der Addition von Mengen. Die Maßeinheit der die Methode der Komponentenzerlegung in ei-
Masse ist durch einen Eichkörper festgelegt (Ab- nem kartesischen Koordinatensystem.
schn. 1.3). Ist die Beschleunigung eines Körpers a D 0,
Eine Möglichkeit zum Vergleich von Massen so ist auch die resultierende Kraft auf den Kör-
gibt das Newton’sche Aktionsgesetz. Man las- per nach dem Newton’schen Aktionsprinzip null.
se auf zwei Körper mit den Massen m1 und m2 Dies ist die Bedingung des statischen Kräfte-
jeweils die gleiche Kraft wirken und bestimme gleichgewichts:
experimentell die Beschleunigungen a1 und a2 ,
die den beiden Körpern erteilt werden. Dann gilt X
N
Fj D F1 C F2 C : : : D 0: (2.27)
im eindimensionalen Fall nach (2.25)
j D1
m1 a2
D : (2.26) Körper fallen auf der Erde mit einer konstan-
m2 a1
ten Fallbeschleunigung g D 9;81 m=s2 (Ab-
Damit ist das Verhältnis zweier Massen durch ei- schn. 2.2.1.3). Die Ursache dieser gleichmäßig
ne dynamische Messung bestimmbar. beschleunigten Bewegung ist die Schwerkraft
2.3 Grundgesetze der klassischen Mechanik 35
FG D mg (2.28)
Sie ist zum Mittelpunkt der Kreisbahn gerichtet. Die Proportionalitätskonstante k wird als Feder-
Kräfte verursachen nicht nur beschleunigte konstante oder Richtgröße bezeichnet.
Bewegungen (dynamische Kraftwirkung), son- Große elastische Längenänderungen, hervor-
dern ändern auch die geometrische Form von gerufen schon durch kleine Kräfte, weisen Me-
Körpern. Umgekehrt üben deformierte Körper tallfedern auf; Federwaagen werden deshalb in
36 2 Mechanik
F1 =s C F2 =s C : : : D k1 C k2 C k3 : : : D kres;p
s1 =F C s2 =F C : : : D 1=k1 C 1=k2
C : : : D 1=kres;s :
den Gas beeinflusst. Nach dem Newton’schen Tab. 2.3 Haft- und Gleitreibungszahlen (H und G )
Aktionsprinzip ist die Ursache der Bewegungsän- Stoffpaar H G
derung durch Reibung eine Kraft, die Reibungs- Stahl auf Stahl 0,15 0,12
kraft FR . Die Richtung der Reibungskraft FR ist Stahl auf Holz 0,5 bis 0,6 0,2 bis 0,5
der Bewegungsrichtung, also der Momentange- Stahl auf Eis 0,027 0,014
schwindigkeit v des Körpers stets entgegenge- Holz auf Holz 0,65 0,2 bis 0,4
richtet: FR v. Der Betrag von FR setzt sich Holz auf Leder 0,47 0,27
je nach Situation in unterschiedlicher Weise aus Gummi auf Asphalt 0,9 0,85
Gummi auf Beton 0,65 0,5
den drei Grenzfällen in Abb. 2.20 zusammen.
Gummi auf Eis 0,2 0,15
Die Festkörperreibung hängt von der Oberflä-
chenbeschaffenheit der reibenden Körper ab; die
Reibungszahlen für die Haft- und Gleitreibungs- ist R D 0;002; Straßenfahrzeuge haben Werte
kraft unterscheiden sich stark. In Tab. 2.3 sind von etwa R D 0;02 bis R D 0;05.
die Werte einiger Stoffpaare zusammengestellt. Die Reibungskraft bei der Bewegung von Kör-
Der Laufwiderstand beim Abrollen eines Rades pern in Flüssigkeiten und Gasen hängt von der
auf einer Unterlage hängt nicht nur von der Ver- Dichte und Viskosität der Medien, der Geome-
formung des Bodens durch die Normalkraft und trie (Stromlinienform, Spoiler) der Körper und
vom Raddurchmesser ab, sondern auch noch von dem Strömungstyp (laminar, turbulent) ab (Ab-
den Reibungsverhältnissen in der Radnabe. schn. 2.12.2.4). In laminaren Strömungen ist der
Bei niedrigen Geschwindigkeiten ist die Lauf- Strömungswiderstand FR proportional zur Ge-
widerstandskraft näherungsweise proportional schwindigkeit: FR v. Kommt es durch die
zur Normalkraft. Die Proportionalitätskonstante Reibungskraft an der Körperoberfläche in der
ist die Rollreibungszahl R . Bei Eisenbahnrädern Strömung zu Rotationsbewegungen (Wirbel), so
38 2 Mechanik
nimmt der Strömungswiderstand erheblich zu Ü 2-10 Auf einen Körper (Masse m D 2;0 kg)
und die Reibungskraft ist FR v 2 . wirken drei Kräfte (F1 ; F2 und F3 ). Unter ihrem
Nur Bewegungen mit Festkörperreibung ver- Einfluss bewegt er sich mit der konstanten Be-
laufen gleichmäßig beschleunigt oder verzögert; schleunigung a D 1 ms2 nach Süden. Die Kraft
dominieren die anderen Reibungsarten, dann sind F1 weist nach Norden, ihr Betrag ist F1 D 3;0 N.
die Bewegungsgesetze kompliziert. Die Kraft F2 weist nach Osten, ihr Betrag ist
F2 D 2;0 N. Wie groß ist F3 nach Betrag und
Richtung?
2.3.5 Zur Übung
Ü 2-11 Eine Aufzugskabine hat die Masse
Ü 2-7 Zwei Körper (Masse m1 < m2 ) hängen mA D 1200 kg, die Masse des Gegengewichts ist
an einem dünnen, masselosen Faden, der über ei- mG D 1100 kg. In der Kabine befindet sich eine
ne masselose Rolle läuft. Zwischen der Rolle und Person (Masse mM D 75 kg).
dem Faden soll es keine Reibung geben. a) Wie a) Mit welcher Beschleunigung a fiele die Ka-
groß ist die Beschleunigung a der beiden Körper? bine, wenn die Bremseinrichtungen versagten?
b) Wie groß ist die Kraft FF im Faden? (Vereinfachend seien z. B. die Trägheit der Seil-
trommeln und die Reibung vernachlässigt.) b)
Ü 2-8 Ein Radiergummi (m D 40 g) liegt auf Welches wäre unter diesen Fallbedingungen das
einer Metallscheibe (Radius r D 20 cm). Die scheinbare Gewicht der Person? c) Nach einer
Scheibe rotiert mit konstanter Winkelgeschwin- Fallhöhe von h D 15 m wird die Kabine durch
digkeit !. Die Haftreibungszahl zwischen Schei- Federn aufgefangen und nach einem Bremsweg
be und Radiergummi ist H D 0;5. von s D 20 cm zum Stillstand gebracht. Welche
a) Welche Kräfte wirken auf den Radiergum- mittlere Kraft Fm spürt die Person beim Brems-
mi (Skizze)? b) Welche Kraft oder welche Kräfte vorgang in den Beinen?
bringt die Zentripetalkraft auf den Radiergum-
mi auf? c) Der Radiergummi wird r1 D 5 cm Ü 2-12 Eine schwere Last soll an einem Stahlseil
vom Drehzentrum positioniert. Wie groß muss hochgezogen werden. In Ruhestellung zeigt ein
die Drehzahl n1 mindestens sein, damit der Ra- Kraftmesser eine Gewichtskraft FG D 8 104 N
dierer zu rutschen anfängt? d) Die Scheibe rotiere an; die zulässige Höchstbelastung des Seils ist
mit der Drehzahl n2 D 70 min1 . In welchem Fmax D 105 N. Welches ist die größte erlaubte
Radius-Bereich bleibt der Radiergummi liegen? Beschleunigung beim Hochziehen der Last?
bewegung der beiden Bezugssysteme gleichmä- Werden beispielsweise in einem mit konstanter
ßig beschleunigt, aS also konstant ist, sind die Geschwindigkeit fahrenden Zug Fallexperimente
sich ergebenden Transformationen der Koordina- durchgeführt, dann sind die Messergebnisse, wie
ten, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen in z. B. Fallzeit und Endgeschwindigkeit, dieselben
Abb. 2.21 angegeben. wie auf dem Bahnsteig.
In der klassischen Physik wird der Zeitmaß-
stab in beiden Bezugssystemen als gleich ange-
Beispiel 2.4-1
nommen, die Zeitkoordinaten also mit t D t 0
Es soll gezeigt werden, dass der Abstand zwei-
transformiert und damit eine absolute Zeit vor-
er Punkte P1 und P2 Galilei-invariant ist, d. h.
ausgesetzt. Wie die Relativitätstheorie (Kap. 10)
nicht von der Relativbewegung zweier Be-
zeigt, gilt diese Annahme nur in der klassischen
zugssysteme gegeneinander abhängt. Verein-
Näherung, dass die Relativgeschwindigkeit vS im
fachend sollen die beiden Punkte in der x; y-
Vergleich zur Lichtgeschwindigkeit c klein ist.
Ebene liegen und sich das System S0 längs der
Ist die Geschwindigkeit des bewegten Sys-
x-Richtung bewegen.
tems vS D konstant, dann ist die Beschleuni-
gung aS D 0 und damit a D a0 ; die Be-
schleunigung eines Körpers ist also in beiden Lösung
Systemen gleich. In diesem Spezialfall Galilei- Die Koordinaten der beiden Punkte sind
Transformation ist auch die Kraft, die eine Be-
schleunigung bewirkt, in beiden Systemen gleich. im ruhenden System S: P1 .x1 ; y1 ; 0/ und
Sämtliche Gleichungen der Mechanik haben im P2 .x2 ; y2 ; 0/,
bewegten Bezugssystem dieselbe Struktur wie im bewegten System S0 : P1 .x10 ; y10 ; 0/ und
im ruhenden, die Gesetze sind Galilei-invariant. P2 .x20 ; y20 ; 0/.
40 2 Mechanik
Für die Abstandsquadrate ergeben sich nach beschleunigten System S0 ist der Körper im sta-
dem Satz des Pythagoras tischen Gleichgewicht, wenn gemäß (2.27) die
Summe aller Kräfte (einschließlich der Trägheits-
s 2 D .x2 x1 /2 C .y2 y1 /2 und kraft) null ist:
s 02 D .x20 x10 /2 C .y20 y10 /2
Fres C Ft D 0: (2.35)
D Œ.x2 vs t/ .x1 vs t/2 C Œy2 y1 2
D .x2 x1 /2 C .y2 y1 /2 D s 2 :
Beispiel 2.4-2
Ein Beobachter im bewegten Koordinatensys- Welche Kräfte wirken auf eine Person, die sich
tem S0 misst also den gleichen Abstand wie ein in einem an der Erdoberfläche frei fallenden
Beobachter im ruhenden System S. Bewegt sich Aufzug befindet?
das System S0 gegenüber S beschleunigt mit der
Beschleunigung aS , dann gilt nach Abb. 2.21 für Lösung
die Beschleunigung im bewegten System a0 D Es wird ein ruhendes, mit der Erde verbun-
a aS . In jedem System wird ein Beobachter die denes Koordinatensystem gewählt, in dem
Beschleunigung auf die Wirkung einer Kraft zu- der Vektor der Fallbeschleunigung nach un-
rückführen: im Bezugssystem S auf F D ma und ten zeigt. In diesem ruhenden System ist die
in S0 auf F 0 D ma0 D ma maS . Die Diffe- Kraft auf die Person gleich der Gravitations-
renz der beiden Kräfte ist die Trägheitskraft oder kraft F D mg.
Scheinkraft Das beschleunigte Koordinatensystem ist
Ft D maS : (2.33) fest mit der Aufzugskabine verbunden. Dieses
System beschleunigt mit as D g gegen das
Diese Trägheitskraft muss zusätzlich zu den rea- ruhende System. Deshalb wirkt auf die Person
len physikalischen Kräften, wie beispielsweise im beschleunigten System zusätzlich zur Gra-
der Gravitation oder elektrostatischen Kraft, die vitationskraft noch die Trägheitskraft
im ruhenden System S die Beschleunigung a
verursachen, im beschleunigten System S0 in Ft D mas D mg:
Rechnung gesetzt werden, damit auch in S0 das
Newton’sche Grundgesetz F 0 D ma0 angewen- Für die Kraft im beschleunigten System der
det werden kann. Aufzugskabine gilt
.dy=dt/j und der Geschwindigkeit v0 des rotie- senkrecht zur Drehachse. Die Zentrifugalbe-
renden Systems besteht der Zusammenhang schleunigung ist betragsmäßig gleich groß wie
die Zentripetalbeschleunigung azp nach (2.22),
v D v0 C ! r: (2.37) dieser aber entgegengesetzt gerichtet.
a0 D a C 2v0 ! C ! 2 R: (2.40)
ac D 2v0 ! D 2! v0 (2.41)
Die Coriolis-Kraft hängt nicht vom Ort r 0 des der Hoch- und Tiefdruckgebiete sind (spiralför-
materiellen Punktes ab und tritt immer auf, wenn mig) gekrümmt. Bei Drehbewegungen von Ma-
der !-Vektor nicht parallel zum Geschwindig- schinenteilen mit großen Winkel- und Arbeits-
keitsvektor v0 verläuft. Die Coriolis-Kraft ist null, geschwindigkeiten kann sich die Coriolis-Kraft
wenn die Relativbewegung parallel zur Drehach- deutlich auf die Beanspruchung von Lagern und
se erfolgt. Führungen auswirken.
Alle mit der Erde starr verbundenen Koordi- Im Vergleich zu den anderen, die Bewegung
natensysteme sind wegen der Rotation um die beeinflussenden Kräften, wie z. B. die Gravitati-
Erdachse streng genommen keine Inertialsyste- onskraft, die Antriebskraft oder der Fahrwider-
me. Relativbewegungen auf der Erdoberfläche stand, ist die Coriolis-Kraft in der Regel vernach-
erfolgen in einer Tangentialebene an die Erdku- lässigbar.
gel, wie Abb. 2.24 zeigt. Auf der Nordhalbkugel
bewirkt die Coriolis-Kraft für alle nicht geführten Beispiel 2.4-4
Bewegungen eine Abweichung nach rechts. Ein Fahrzeug mit der Masse m D 1000 kg
Die Rotation der Erde lässt sich mit dem fährt mit der Geschwindigkeit v 0 D 72 km=h
Foucault’schen Pendel nachweisen. Wegen der von Süden nach Norden. Wie groß ist
Coriolis-Kraft dreht sich die Schwingungsebene bei der geografischen Breite " D 50ı
des Pendels im rotierenden System. Die Winkel- Nord die Coriolis-Kraft und die Coriolis-
geschwindigkeit, mit der sich die Erde unter dem Beschleunigung (TE 24 h)?
schwingenden Pendel wegdreht, ist gleich der
Azimutalkomponente !a der Winkelgeschwin- Lösung
digkeit der Erddrehung am Ort der geografischen Nach (2.44) ist die Coriolis-Kraft
Breite ":
2 Fc D 2mv 0 !E sin.v0 ; !/
!a D sin ":
TE D 2 103 kg 20 m=s 7;2 105 s1
Bei " D 50ı beträgt die Winkelgeschwindigkeit sin 50ı
!a D 11;5ı =h. D 2;2 NI
Auch bei atmosphärischen Strömungen macht
sich die Coriolis-Kraft bemerkbar: Die Bahnen sie wirkt nach Osten.
44 2 Mechanik
2.5 Impuls
Ü 2-15 Um die Rotation der Erde zu demons- Die Wirkung einer Kraft F auf einen Kör-
trieren, führt man in einem Bergwerksschacht per im Zeitintervall t wird als Kraftstoß be-
folgenden Versuch aus: Man hängt ein langes Lot zeichnet. Dieser führt zu einer Änderung des
2.5 Impuls 45
und so fort;
X
n X
n X
n X
n
dp k
Fk D Fak C Fji k D :
Abb. 2.28 Kräfte auf Punkt k in einem System materiel- dt
kD1 kD1 j;kD1 kD1
ler Punkte j ¤k
(2.48)
Bei der Summation sind die nicht existierenden
den wird ein System betrachtet, das aus mehreren Kräfte Fkki
wegzulassen.
materiellen Punkten aufgebaut ist. Zu den Kräf- Nach dem dritten Newton’schen Axiom gibt
ten, die von außen, also über die Systemgrenze, es für jede auftretende innere Kraft Fji k eine ent-
an den materiellen Punkten des Systems angrei- sprechende Gegenkraft Fikj . Diese beiden Kräfte
fen, kommen noch innere Kräfte, die zwischen kompensieren sich; deshalb vereinfacht sich das
den materiellen Punkten innerhalb des Systems Gleichungssystem (2.48) erheblich. Die Gesamt-
wirken. Das System ist ein abgeschlossenes Sys- summe der inneren Kräfte verschwindet:
tem, wenn nur innere Kräfte wirken.
X
n
Fikj D 0: (2.49)
2.5.2.1 Impulssatz
k;j D1
Es liege ein abgegrenztes System materieller k¤j
Punkte vor, das insgesamt n Teilchen enthalte,
deren Koordinaten r k .t/ von einem beliebigen Werden die Summe der äußeren Kräfte zur resul-
Pn
Koordinatennullpunkt O aus gemessen werden, tierenden Kraft Fa D a
kD1 Fk und die Sum-
wie es Abb. 2.28 verdeutlicht. Auf jeden Punkt me der Einzelimpulse zum Gesamtimpuls p D
P n
k des Systems wirken eine äußere Kraft Fak , die kD1 pk zusammengefasst, dann entspricht der
ihren Ursprung außerhalb des Systems hat, und Impulssatz für ein System materieller Punkte
innere Kräfte Fji k , die von der Wechselwirkung
dp
des k-ten materiellen Punktes mit allen übrigen Fa D (2.50)
dt
materiellen Punkten j.j ¤ k/ herrühren. Die
Gesamtkraft Fk auf den k-ten materiellen Punkt völlig dem für einen einzelnen materiellen Punkt.
ist gleich seiner Impulsänderung dp k =dt.
Die Bewegungsgleichungen für sämtliche n 2.5.2.2 Massenmittelpunkt und
materiellen Punkte des Systems sind Schwerpunktsatz
Der Impulssatz erhält eine besonders einfache
F1 D Fa1 C CFi21 C Fi31 C Fi41 C : : : Form, wenn für ein System materieller Punkte
dp 1 der Massenmittelpunkt oder Schwerpunkt S ein-
C F in1 D ; geführt wird. Für ein System materieller Punkte
dt
F2 D Fa2 C Fi12 C CFi32 C Fi42 C : : : ist der Ortsvektor dieses speziellen Punktes S
Pn
dp2 mk r k .t/
C Fin2 D r s .t/ D kD1 : (2.51)
dt m
2.5 Impuls 47
P
Hierbei ist m D nkD1 mk die Gesamtmasse des kurz vor und kurz nach dem Stoß –, wenn die
Systems und r k der Ortsvektor des einzelnen ma- Wirkung der äußeren Kräfte im Stoßintervall ver-
teriellen Punktes. Weisen Systeme aus gleichen nachlässigbar ist.
Massenpunkten eine Symmetrieachse auf, dann
liegt der Massenmittelpunkt auf dieser Achse. Beispiel 2.5-2
Die Geschwindigkeit des Schwerpunktes er- Ein Pkw mit der Masse m1 D 1;3 t fährt
gibt sich durch die Differenziation von (2.51) zu auf einer abschüssigen Straße mit dem Nei-
Pn gungswinkel ˇ D 5ı auf einen stehenden
dr S .t/ kD1 mk vk .t/
D vS .t/ D Wagen mit der Masse m2 D 1 t auf. Nach
dt Pn m dem Aufprall rutscht der gestoßene Wagen
p .t/ p vollgebremst s2 D 8 m weit. Die Brems-
D kD1 k D :
m m spur des auffahrenden Wagens ist s1 D 5 m
Bezogen auf die Schwerpunktsbewegung vS lässt lang. Bei den Straßenverhältnissen beträgt die
sich der Impulssatz aus (2.50) umformen in den Gleitreibungszahl G D 0;8. Mit welcher Ge-
Schwerpunktsatz Fa D dp=dt D mdvS =dt oder schwindigkeit v1 fuhr der Pkw auf, wenn ein
gleichmäßig verzögerter Bremsvorgang ange-
F D ma : (2.52) nommen wird?
S
Lösung
Der Schwerpunkt eines beliebigen Systems Aus den Bremsspurlängen werden die Ge-
materieller Punkte bewegt sich so, als sei schwindigkeiten v10 und v20 kurz nach dem
im Schwerpunkt die Gesamtmasse m des Aufprall berechnet:
Körpers vereinigt und als griffen die äuße-
Bremsverzögerung:
ren Kräfte im Schwerpunkt an.
aB D .FR FH /=m
D g.G cos ˇ sin ˇ/
Wirken auf ein System von Massenpunkten Bremsweg:
keine äußeren Kräfte, dann bleibt der Massenmit-
sB D v 02 =2aB ;
telpunkt nach dem Newton’schen Trägheitsgesetz
in Ruhe oder er bewegt sich gleichförmig gerad- Geschwindigkeiten nach dem Stoß:
linig. p
v10 D 2s1 aB D 8;3 m=sI
2.5.2.3 Impulserhaltungssatz p
v20 D 2s2 aB D 10;6 m=s:
Wirkt auf ein System materieller Punkte keine re-
P
sultierende äußere Kraft, ist also nkD1 Fka D 0, Mit dem Impulserhaltungssatz nach (2.54) be-
dann ist nach (2.50) dp=dt D 0. Der Gesamtim- rechnet man die Auffahrgeschwindigkeit v1 :
puls des Systems p ist konstant. Für die Summe
der Einzelimpulse des Systems gilt der Impulser- m1 v10 C m2 v20
haltungssatz v1 D
m1
D 16;4 m=s D 59 km=h:
p 1 Cp 2 C : : : C p n D konstant (2.53)
oder m1 v1 C m2 v2 C : : : C mn vn
D m1 v01 C m2 v02 C : : : C mn v0n : (2.54) 2.5.3 Raketengleichung
Wirken äußere Kräfte, wie beispielsweise beim Die Beschleunigung einer Rakete ist der be-
Stoß auf einer schiefen Ebene, so gilt der Impuls- sondere Bewegungsfall, bei dem die Masse des
erhaltungssatz – eingeschränkt auf die Zeitpunkte Körpers, der eine Bewegungsänderung erfährt,
48 2 Mechanik
nicht konstant ist. Durch den Massenausstoß hei- Tab. 2.4 Daten der Mondrakete Saturn V mit dem Treib-
ßer Gase gemäß Abb. 2.29 wird die Schubkraft satz der ersten Stufe
der Rakete erzeugt. In der Zeitspanne dt ändert Startmasse m0 2;9 106 kg
sich die Raketenmasse m um dm, die Geschwin- Leermasse mleer 0;82 106 kg
digkeit v ändert sich um dv. Brennschlusszeit tB 160 s
1
Mit dem Impulssatz nach (2.50) lässt sich der Relativgeschwindigkeit vrel 2;6 104 m s 1
3
Massenstrom mP 1;3 10 kg s
Verlauf der Raketengeschwindigkeit, die Rake-
Schub Fschub 3;4 107 N
tengleichung, ableiten. Die Impulsänderung des
Systems aus Rakete und Gas im Zeitintervall dt
ist
Mit folgenden Näherungen soll (2.56) integriert
dp D Œ.m C dm/.v C dv/ C dm v mv werden:
T T
dm m.t/ D m0 mt:
P (2.57)
Fschub D vrel : (2.55)
dt
In Tab. 2.4 sind einige charakteristische Daten
Die Bewegungsgleichung der Rakete hängt von der Saturn-V-Rakete angegeben, mit der 1969 das
der Schubkraft Fschub und den äußeren Kräf- amerikanische Apollo-Raumschiff die erste be-
ten Fa , wie beispielsweise den Gravitationskräf- mannte Mondlandung durchführte.
ten, ab: Die erreichbare Endgeschwindigkeit hängt li-
dv near von der Ausströmgeschwindigkeit vrel ab.
m.t/ D Fa C Fschub : (2.56) Bei mehrstufigen Raketen wird die ausgebrann-
dt
te Stufe abgeworfen. Der Start der nächsten Stufe
erfolgt mit der Endgeschwindigkeit der Vorstufe
als Anfangsgeschwindigkeit v0 .
Erfolgt der Start der ersten Stufe der Rakete im
Schwerefeld der Erde, dann ist als äußere Kraft
die Gravitationskraft auf die Rakete zu berück-
sichtigen. Die Gravitationskraft ist der Schub-
kraft entgegengerichtet. Werden für die Start-
phase der Luftwiderstand und die Änderung der
Abb. 2.29 Massen und Geschwindigkeiten von Rakete Fallbeschleunigung mit der Steighöhe vernach-
und Treibstoff zur Zeit t und t C dt lässigt, rechnet man also mit g D g0 D konstant,
2.5 Impuls 49
238
92 U ! 234
90 Th C 2 He:
4
2.6 Arbeit und Energie Nach der Definitionsgleichung (2.64) ist die
Maßeinheit der Arbeit 1 N m D 1 J (Joule).
2.6.1 Arbeit In Abb. 2.33 sind Fälle zusammengestellt, bei
denen die Kraft F Arbeit gegen ortsunabhän-
Wirkt eine Kraft F auf einen materiellen Punkt gige Kräfte verrichtet. Dazu zählen die im erd-
oder Körper und verschiebt ihn dabei um ein nahen Gravitationsfeld näherungsweise konstan-
Wegelement s, so hat die Kraft den Zustand des te Schwerkraft FG und die von ihr verursachte
Körpers verändert, sie hat Arbeit verrichtet. Die Hangabtriebskraft sowie die auf dem Verschie-
mechanische Arbeit ist definiert als bungsweg konstante Festkörperreibungskraft FR .
Mit aufgenommen ist die Beschleunigungsarbeit
W D jF jjsj cos.F ; s/ (2.64) gegen die Trägheitskraft Ft der beschleunigten
Masse (2.33):
entsprechend Abb. 2.31 oder in differenzieller Zs2
Schreibweise als Skalarprodukt W12 D F ds
s1
dW D F ds: (2.65)
Zs2 vZ2 .s2 /
dv
Die insgesamt längs eines Weges von s1 nach D m .vdt/ D m.v dv/:
dt
s2 von einer Kraft F .r; t/ verrichtete Arbeit er- s1 v .s
1 1 /
gibt sich durch Integration der Einzelbeiträge,
Die Integration zeigt, dass die Beschleunigungs-
wie Abb. 2.32 verdeutlicht:
arbeit nur von der Differenz der Quadrate der
Z2s Z2s Geschwindigkeiten abhängt:
W12 D dW D F ds: (2.66) 1
W12 D m v22 v12 : (2.67)
s1 s1 2
2.6 Arbeit und Energie 51
tung
Die aufzuwendende Verformungsarbeit Wg
Pm D : (2.71)
nimmt quadratisch mit der Auslenkung zu. tg
Leistungen von Antrieben misst man, indem die
in der Zeitspanne abgegebene Arbeit definiert
in messbare Reibungsarbeit oder Reibungswär-
2.6.2 Leistung, Wirkungsgrad
me umgewandelt wird. Die abgegebene effektive
Leistung Peff eines Antriebs oder mechanischen
Das Maß dafür, in welcher Zeitspanne eine Arbeit
Wandlers ist wegen der Reibungsverluste PV
verrichtet wird, ist die Leistung
kleiner als die zugeführte Nennleistung PN . Das
W Kennzeichen für die Effektivität der Leistungs-
P D : (2.69) wandler ist der Wirkungsgrad
t
Beispiel 2.6-2
Ein Förderkorb, dessen Masse einschließlich
maximaler Nutzlast m1 D 1000 kg beträgt und
dessen Gegengewicht die Masse m2 D 450 kg
hat, fährt mit der Beschleunigung a1 D 1 m=s2
aufwärts, bis er die konstante Fördergeschwin-
digkeit v2 D 5 m=s erreicht. Die gesamte
Reibungskraft ist FR D 500 N. Abb. 2.35
verdeutlicht den Vorgang. Welche Spitzenleis-
tung und welche Dauerleistung benötigt der
Antrieb, wenn der Wirkungsgrad D 0;9 be-
trägt?
Lösung
Die Kraft F1 an dem Umfang der Trommel
während des Anfahrens ergibt sich aus
F1 C m2 .g a/ D m1 .g C a/ C FR
1 1 1 1
m1 v12 C m2 v22 D m1 v 0 1 C m2 v 0 2 : (2.83)
2 2
2 2 2 2
Durch Umformung von (2.83) ergibt sich
Abb. 2.37 Crash-Test-Zeitverlauf. Auffahrgeschwindig-
keit 64 km=h, Zeitspanne seit dem Aufprall: a 0 ms,
m1 v1 C v10 v1 v10 D m2 v20 C v2 v20 v2 b 75 ms, c 150 ms. Werkfoto: Daimler AG
2.7 Stoßprozesse 57
Abb. 2.38 Klassifikation der Stoßprozesse. Betrachtet werden nur Stöße, bei denen die Stoßpartner vor dem Stoß reine
Translationsbewegungen ausführen
Beispiel 2.7-1
Ein Neutron mit der Masse m1 D mN stößt
zentral auf einen ruhenden Atomkern mit der
Masse m2 D N mN . Die Kollision ist nähe-
rungsweise elastisch. Welcher Anteil f der
kinetischen Energie des Neutrons wird auf den
Atomkern übertragen?
Lösung
Die Energie des stoßenden Neutrons ist Abb. 2.40 Gerader, zentraler Stoß: Anteil f der Energie-
übertragung in Abhängigkeit vom Massenverhältnis der
1 Stoßpartner
Ekin, Nvor D m1 v12 :
2
Beim Stoß wird die Energie E übertragen: 2.7.3 Gerader, zentraler, unelastischer
Stoß
1 2 0
E D m1 v1 v12 :
2 Geht beim Stoßvorgang kinetische Energie bei-
spielsweise durch Reibungs- oder inelastische
Der Anteil f der übertragenen kinetischen
Verformungsarbeit verloren, dann muss der all-
Energie ist
gemeine Energiesatz nach (2.75) zur Berechnung
E v
02 der Geschwindigkeiten nach dem Stoß herange-
f D D 1 12 zogen und der Energieverlust W berücksichtigt
Ekin, N vor v1
werden:
m1 m2 2 4m1 m2
D1 D 1 1 1
m1 C m2 .m1 C m2 /2 m1 v12 C m2 v22 D m1 v102 (2.87)
2 2 2
4N
D : 1
.1 C N /2 C m2 v202 C W:
2
Der Anteil f der Energieübertragung bei ei- Zusätzlich zum Impulserhaltungssatz nach (2.82)
nem geraden, zentralen, elastischen Stoß ei- ist eine weitere Bestimmungsgleichung notwen-
nes ruhenden Stoßpartners ist in Abhängigkeit dig, um die Geschwindigkeiten v10 und v20 nach
vom Massenverhältnis m1 W m2 in Abb. 2.40 dem Stoß und den Energieverlust W berechnen
aufgetragen. Der Energieübertrag ist umso hö- zu können (Beispiel 2.5-2).
her, je geringer der Massenunterschied zwi- Besonders interessant ist der unelastische
schen den Stoßpartnern ist. Zum Abbremsen Stoß, bei dem die beiden Körper miteinander ver-
schneller Neutronen in Kernreaktoren ist al- koppelt werden und sich nach dem Stoß mit der
so Wasser (H2 O) oder schweres Wasser (D2 O) gemeinsamen Geschwindigkeit
sehr viel effektiver als etwa eine Bleiabschir-
mung. v 0 D v10 D v20
2.7 Stoßprozesse 59
Beispiel 2.7-2
Die Stoßzahl lässt sich aus Fallversuchen be-
stimmen. Dabei lässt man eine kleine Kugel
aus der Fallhöhe h auf einen schweren .m2
Abb. 2.41 Gerader, zentraler, unelastischer Stoß mit m1 / ruhenden Körper fallen (Abb. 2.42). Wie
Kopplung (vollplastischer Stoß) groß ist die Stoßzahl ", wenn die Fallhöhe
h D 70 cm beträgt und die Zeitspanne zwi-
schen dem ersten und dem zweiten Aufprall
gemäß Abb. 2.41 bewegen. Der Impulserhal- t D 0;72 s?
tungssatz dieses unelastischen Stoßes lautet
Lösung
m1 v1 C m2 v2 D .m1 C m2 /v 0 I Nach dem freien Fall kommt es zum ersten
Aufprall nach der Zeit
daraus folgt
s
0 m1 v1 C m2 v2 2h
v D : (2.88) t1 D D 0;378 s:
m1 C m2 g
Die für den elastischen Stoß gefundene Gl.
Die Aufprallgeschwindigkeit der kleinen Ku-
(2.84) für die Geschwindigkeitsdifferenzen vor
gel ist
und nach dem Stoß
p
v20 v10 D v1 v2 v1 D 2gh D gt1
gilt für den unelastischen Stoß nicht mehr. Viel- Nach (2.89) prallt die Kugel ab mit der Ge-
mehr gilt für den Stoß mit Kopplung, der auch als schwindigkeit
vollkommen plastischer Stoß bezeichnet wird
v10 D "v1 ;
v20 v10 D 0:
dabei sind v2 und v20 jeweils null.
Es liegt nahe, den teilplastischen Stoß zu definie-
ren, bei dem folgender Zusammenhang gilt:
2jv10 j 2"v1
t D D D 2"t1 :
g g
t
"D D 0;95:
2t1
analog zum Hooke’schen Gesetz der longitudi- 2.8.4 Drehbewegungen von Systemen
nalen Dehnung als Drehfedersteifigkeit kt be- materieller Punkte
zeichnet. Die Arbeit gegen das winkelabhängige
Torsionsmoment ergibt sich aus der Integration 2.8.4.1 Drehimpulssatz
von (2.106): In einem System von N materiellen Punkten,
1 deren Koordinaten von einem beliebigen Koor-
W D kt '12 '22 : (2.107) dinatennullpunkt aus gemessen werden, wirken
2
auf jeden materiellen Punkt k am Ort r k .t/ eine
Die Torsionsarbeit wird in der elastischen Verfor- resultierende äußere Kraft F a und innere Kräfte
k
mung des deformierbaren Körpers gespeichert. F i , die von allen übrigen materiellen Punkten
jk
Die sehr kleinen Richtmomente von Torsions- j ¤ k des Systems ausgehen. Der Drehim-
fäden ermöglichen es, aus der Drehwinkelände- pulssatz (2.103) lautet dann für den materiellen
rung sehr kleine Energien, wie beispielsweise Punkt k
bei der Bestimmung der Gravitationskraft mit 0 1
der Torsionswaage (Abschn. 2.10.2), zu messen. dLk X N
dW XN
P D D M!: (2.108) D M ak C M ji k :
dt
j ¤k
Durch die Arbeitszufuhr oder -abfuhr ändert sich
die kinetische Energie eines im Abstand r um Es ergeben sich N Gleichungen für die materiel-
eine Drehachse rotierenden materiellen Punktes. len Punkte des Systems. Werden diese summiert,
Seine Rotationsenergie beträgt dann verschwindet die Summe der Momente der
inneren Kräfte:
1 1
rot
Ekin D mv 2 D mr 2 ! 2 oder
2 2 XN X N
1 M ji k D 0:
rot
Ekin D J ! 2: (2.109) kD1 j ¤k
2
Nach dem Energiesatz (2.75) ändert die Arbeit Nach (2.98) und dem dritten Newton’schen Axi-
der äußeren Kraft eines Drehmoments die Rota- om F i D F i ergibt sich
jk kj
tionsenergie. Mit (2.104) und (2.106) ergibt sich
der Energiesatz für Drehbewegungen: r 1 F i21 C r 2 F i12 D .r 2 r 1 / F i12 D 0;
Z'1 tZ.'1 /
d! weil r 2 r 1 parallel zu F i12 ist, wie man in
W D J ˛d' D J !dt
dt Abb. 2.46 erkennt. Werden die Drehimpulse der
'0 t .'0 /
einzelnen materiellenPPunkte zu einem Gesamt-
!.'Z1 /D!1 N
drehimpuls L D kD1 Lk und die äußeren
DJ !d! Momente zu einemPresultierenden Gesamtdreh-
N
!.'0 /D!0 moment M D a
kD1 M k zusammengefasst,
dann folgt der Drehimpulssatz für ein System von
bzw.
1 2 materiellen Punkten:
W D J !1 !02 : (2.110)
2 dL
Die Differenz der Rotationsenergie in der End- D M: (2.111)
dt
und Anfangslage ist gleich der Arbeit, die von
dem am Körper angreifenden, äußeren Drehmo- Der Drehimpulssatz für ein System entspricht
ment bei der Drehung des Körpers um eine feste formal völlig dem für einen einzelnen materiel-
Drehachse verrichtet wird. len Punkt (2.103).
2.8 Drehbewegungen 65
Lösung
Bei Vernachlässigung der Reibung zwischen
Schlittschuhen und Eis bleibt der Drehimpuls
erhalten: L0 D L1 oder n0 J0 D n1 J1 . Daraus
folgt n1 D n0 J0 =J1 D 10 s1 . Die mittlere
Leistung ist
W 1 J1 !12 J0 !02
Pm D D D 1;9 kW:
Abb. 2.46 Zum Drehimpulssatz: System aus drei materi- t 2 t
ellen Punkten
2.8.4.3 Energieerhaltungssatz
Wenn einem Systen materieller Punkte keine Ar-
2.8.4.2 Drehimpulserhaltungssatz beit zugeführt wird, bleibt die Energie der Ro-
Wirken auf ein System von N materiellen Punk- tationsbewegung konstant. Für das System gilt
PN
ten mit dem Gesamtdrehimpuls L D kD1 Lk nach (2.110) der Energieerhaltungssatz für die
keine äußeren Momente (M a D 0), dann ist Rotationsenergie der Massenpunkte:
nach dem Drehimpulssatz (2.111) die Drehim-
pulsänderung dL=dt D 0. Die Summe der Ein- X N
1
zeldrehimpulse des Massensystems ist konstant Jk !k2 D konstant: (2.114)
2
und der Gesamtdrehimpuls L bleibt nach Betrag kD1
und Richtung erhalten:
Nur bei starren Körpern sind die Winkelge-
L D L1 C L2 C : : : C LN D konstant: (2.112) schwindigkeiten der materiellen Punkte gleich;
dann gilt für die Rotationsenergie die einfachere
Gl. (2.130).
Verschwindet das Gesamtdrehmoment der
äußeren Kräfte auf ein System materiel-
ler Punkte, dann gilt der Drehimpulserhal- 2.8.5 Analogie Translation und
tungssatz. Rotation
2.8.6 Zur Übung vom Punkt A parallel zur y-Achse, wie Abb. 2.47
verdeutlicht. a) Wie groß ist das Drehmoment
Ü 2-30 Ein Körper der Masse m fällt aus der Ru- M bezüglich des Koordinatenursprungs? b) Wie
he im Gravitationsfeld der Erde. Er bewegt sich groß ist der Drehimpuls L bezüglich des Koor-
dinatenursprungs in Abhängigkeit von der Zeit?
c) Zeigen Sie, dass der Drehimpulssatz gilt, dass
also M D dL=dt ist.
Lösung
Die Geschwindigkeit der Punkte erhält man
durch Überlagerung der gemeinsamen Trans-
lationsgeschwindigkeit vM nach rechts mit ei-
ner Umfangsgeschwindigkeit, die jeweils tan-
gential zum Kreis verläuft. Der Betrag der Abb. 2.51 Linienflüchtigkeit der Kraft am starren Körper
2.9 Mechanik starrer Körper 69
M D sF I (2.116)
Beispiel 2.9-2
Die Ebene, in der die Kräfte liegen, darf da-
bei nicht gekippt werden. Der Vektor M des Der in Abb. 2.54 gezeigte Träger ist im
Drehmoments ist auch nicht an einen bestimmten Punkt A drehbar gelagert und wird im Punkt
Punkt gebunden, sondern beliebig parallel ver- C von einer Kette gehalten. Im Punkt B greift
schiebbar. Man bezeichnet diesen Vektor deshalb unter 45ı die Kraft F D 500 N an. Welche
als freien Vektor (im Gegensatz etwa zum gebun- Lagerkräfte FA und FC werden durch F ver-
denen Vektor der Kraft oder dem linienflüchtigen ursacht?
Kraftvektor am starren Körper).
Lösung
Wirkt ein Kräftepaar auf einen zunächst ru-
Wenn an einem Körper nur drei Kräfte angrei-
henden, frei beweglichen starren Körper, dann
fen, müssen die Wirkungslinien aller Kräfte
wird dieser in Drehung versetzt; d. h., er erfährt
durch einen Punkt gehen, denn nurPdann lässt
eine Winkelbeschleunigung. Dabei rotiert der
sich nach (2.118) die Bedingung Ma D 0
Körper um seinen Massenmittelpunkt; denn jener
erfüllen. Alle drei Kräfte dürfen bezüglich
wird nach obigen Aussagen nicht beschleunigt, er
des gemeinsamen Schnittpunkts kein Drehmo-
ist also der einzige Punkt, der in Ruhe bleibt.
ment besitzen.
Soll ein starrer Körper in Ruhe bleiben
Da eine Kette nur Kräfte in Längsrich-
(Grundaufgabe der Statik), dann muss das Dreh-
tung aufnehmen kann, ist die Wirkungslinie
moment eines Kräftepaars durch ein anderes
der Kettenkraft FC durch die Verlängerung
kompensiert werden, sodass insgesamt kein re-
der Kette gegeben. Durch ihren Schnittpunkt
sultierendes Drehmoment übrig bleibt. Eine
P mit der Wirkungslinie von F muss auch
Translationsbeschleunigung des Körpers unter-
die Wirkungslinie der Lagerkraft FA gehen.
bleibt, wenn keine resultierende Kraft auf ihn
Da nun die Richtungen der Kräfte bekannt
wirkt. Diese Forderungen werden zusammen-
sind, können die Beträge z. B. durch grafische
gefasst in den Gleichgewichtsbedingungen der
Konstruktion eines Kraftecks ermittelt wer-
Statik:
den.
X Aus dem Krafteck liest man mit einer ent-
Fa D 0; (2.117)
X sprechenden Ungenauigkeit ab FA D 390 N
Ma D 0: (2.118) und FC D 190 N. Eine rechnerische Lösung
2.9 Mechanik starrer Körper 71
2.9.4 Kinetische Energie eines starren aus der kinetischen Energie der Schwerpunkts-
Körpers bewegung mit der Schwerpunktsgeschwindigkeit
PN
vS und der Gesamtmasse m D kD1 mk und
Werden die Geschwindigkeiten vk D dr k .t/=dt aus der kinetischen Energie der Bewegung relativ
der materiellen Punkte eines Systems zerlegt in zum Schwerpunkt:
eine Geschwindigkeit v0k D dr 0k .t/=dt relativ 1 2 1X
N
mk vk0 :
2
zum Schwerpunkt S und die Bahngeschwindig- Ekin D mvS C (2.123)
2 2
keit vS D dr S .t/=dt des Schwerpunktes, dann ist kD1
die kinetische Energie des Systems Bei starren Körpern sind wegen der Konstanz
X
N 2 der Abstände zwischen den Massenpunkten kei-
1 dr k .t/ ne radialen Bewegungen relativ zum Schwer-
Ekin D mk
2 dt punkt möglich, sondern nur Drehbewegungen um
kD1
den Schwerpunkt (Abschn. 2.9.1). Die kinetische
1X
N
dr S .t/ dr 0k .t/ 2
D mk C Energie eines starren Körpers setzt sich also zu-
2 dt dt sammen aus dem Anteil Ekin trans
der Translation
kD1
N des Schwerpunkts und dem Anteil Ekin rot
1 dr S .t/ 2 X der Ro-
Ekin D mk tation der Massenpunkte um den Schwerpunkt:
2 dt
kD1
0 ges
Ekin D Ekin
trans
C Ekin
rot
1X : (2.124)
N
dr k .t/ 2
C mk
2 dt
kD1 Nach (2.123) ist die Translationsenergie des star-
dr S .t/ X ren Körpers mit der Gesamtmasse m
N
dr 0k .t/
C mk :
dt dt 1 2
kD1 trans
Ekin D mv : (2.125)
2 S
Der letzte Term ist der Gesamtimpuls der Mas-
senpunkte im Schwerpunkt-Koordinatensystem Die Rotationsenergie eines starren Körpers, des-
S0 , der nach der Schwerpunktsdefinition ge- sen Massenpunkte mk , wie in Abb. 2.57 skizziert,
mäß (2.120) null ist. Die kinetische Energie eines um eine Achse durch den Punkt P mit der ge-
Systems materieller Punkte ist also die Summe meinsamen Winkelgeschwindigkeit ! und der
2.9 Mechanik starrer Körper 73
!
1 X
N Beispiel 2.9-3
rot
Ekin D mk rPk ! 2 :
2
(2.126) Bei einer Reibungskupplung gemäß Abb. 2.58
2
kD1 rotiert die Kupplungsscheibe ohne Antrieb
mit der Drehzahl n1 D 3000 min1, ihr
Der Klammerausdruck wird analog zur Defini-
Massenträgheitsmoment ist J1 D 0;5 kg m2 .
tionsgleichung (2.101) als Massenträgheitsmo-
Sie wird auf die anfangs stillstehende Schei-
ment JP des starren Körpers bezüglich der Dreh-
be mit dem Massenträgheitsmoment J2 D
achse durch P bezeichnet:
0;4 kg m2 gedrückt. Die Lager- und Luftrei-
X
N bung soll vernachlässigt werden. Wie groß ist
JP D 2
mk rPk : (2.127) die Drehzahl n0 nach dem Kupplungsvorgang
kD1 und welcher Anteil der ursprünglichen Rotati-
onsenergie wurde in Wärme und Abriebarbeit
Für einen Körper mit kontinuierlicher Massen-
umgesetzt?
verteilung geht die Summe in das Integral
Z Z
Lösung
JP D r 2 dm D %.r/r 2 dV (2.128)
Ohne äußere Drehmomente gilt nach dem
V
Drehimpulserhaltungssatz nach (2.113)
über. Das Massenträgheitsmoment eines starren J1 !1 D J1 ! 0 CJ2 ! 0 . Mit ! D 2 n ergibt sich
Körpers mit homogener Dichte wird über das Vo- die Drehzahl nach dem Kupplungsvorgang:
lumenintegral
J1
Z Z Z n0 D n1 D 1667 min1:
J1 C J2
JP D % r 2 .x; y; z/; dxdydz (2.129)
V Die Verlustarbeit WV ist nach dem Energie-
satz (2.110)
berechnet. Die kinetische Energie der Rotation
eines starren Körpers um die Achse durch P mit 1 1
dem Massenträgheitsmoment JP ist also WV D J1 !12 .J1 C J2 /! 02
2 2
1 J1
1 D J1 .2 n1 /2 1 D 11 kJI
rot
Ekin D JP ! 2 : (2.130) 2 J1 C J2
2
74 2 Mechanik
Der Drehimpuls des kompletten starren Körpers wobei J und ! nach den Regeln der Matri-
wird durch Summation über alle Massenpunkte zenmultiplikation multipliziert werden. Für das
berechnet: 0 P 1 Beispiel von Abb. 2.65 ergibt sich
mk x k z k 0 10 1 0 1
B P C
L D ! @ mk yk zk A : Jxx Jxy Jxz 0 Jxz
P B CB C B C
mk xk2 C yk2 L D @Jyx Jyy Jyz A@ 0 A D ! @ Jyz A :
Jzx Jzy Jzz ! Jzz
L hat gewöhnlich drei von Null verschiedene
Komponenten, liegt also nicht parallel zum Vek- Die Deviationsmomente bewirken, dass der Kör-
tor !, der in z-Richtung schaut. Wenn der Körper per mit einem äußeren Drehmoment stabilisiert
rotiert, läuft L auf einem Kegelmantel um. Damit werden muss. Wenn sie verschwinden, sind keine
ist L nicht konstant und zur Führung des Körpers Lagermomente erforderlich und der Körper kann
ist ein äußeres Drehmoment M D dL=dt erfor- frei rotieren. Gewisse Symmetrieeigenschaften
derlich. führen zum Verschwinden von Deviationsmo-
Der Zusammenhang zwischen den beiden zu- menten. Ist beispielsweise die z-Achse eine Ro-
einander verdrehten Vektoren L und ! lässt sich tatiossymmetrieachse, dann gilt Jxz D Jyz D 0
elegant beschreiben, wenn das Massenträgheits- und der Drehimpulsvektor L verläuft parallel zu
moment J als Tensor definiert wird: !. Es tritt also kein Kippmoment auf.
0 1 Für jeden Körper gibt es ein Koordinatensys-
Jxx Jxy Jxz
B C tem, so dass alle Zentrifugalmomente verschwin-
J D @Jyx Jyy Jyz A ; den. Der Trägheitstensor lautet dann
Jzx Jzy Jzz 0 1
JI 0 0
mit den Trägheitsmomenten B C
J D @0 JII 0 A:
X Z
0 0 JIII
Jxx D mk yk2 C zk2 bzw. y 2 C z 2 dm;
Vol
Z Die Trägheitsmomente JI , JII und JIII sind die
X Hauptträgheitsmomente. Rotiert ein Körper um
Jyy D mk xk2 C zk bzw.
2
x Cz
2 2
dm;
eine Hauptträgheitsachse, so ist L parallel zu !
Vol
X Z und M D dL=dt D 0, es sind also keine Lager-
Jzz D mk xk2 C yk2 bzw. x 2 C y 2 dm reaktionen erforderlich.
Vol
(2.133) Beispiel 2.9-5
Wie lautet der Trägheitstensor für die Hantel
und den Deviations- oder Zentrifugalmomenten von Abb. 2.64 und welche Richtung hat der
X Z Vektor L des Drehimpulses? Die Zeichenebe-
Jxy D Jyx D mk xk yk bzw. xy dm; ne sei die x,z-Ebene.
Vol
X Z Lösung
Jxz D Jzx D mk xk zk bzw. xz dm; Im gezeichneten Moment, in dem die Hantel
Vol in der Zeichenebene liegt, ist der Trägheitsten-
X Z
sor
Jyz D Jzy D mk yk zk bzw. yz dm:
Vol J D 2mr 2
(2.134) 0 1
cos2 # 0 sin # cos #
B C
Der Drehimpuls berechnet sich nun gemäß @ 0 1 0 A:
L D J !; sin # cos # 0 sin2 #
80 2 Mechanik
Trägheitsellipsoid
Bestimmt man die Massenträgheitsmomente ei-
nes Körpers bezüglich verschiedener Achsen
durch den Schwerpunkt und trägt in Polarkoordi-
naten jeweils
p in Achsenrichtung die Länge R D
const= J ab, so liegen alle Endpunkte auf einem
Ellipsoid (Poinsot-Konstruktion). Die Hauptach-
sen des Ellipsoids werden durch die Hauptträg-
heitsachsen gebildet. Aus dem Trägheitsellipso- Abb. 2.66 Kräftefreier symmetrischer Kreisel in karda-
id kann das Massenträgheitsmoment bezüglich nischer Aufhängung
willkürlicher Schwerpunktsachsen grafisch oder
analytisch bestimmt werden. Bei rotationssym-
metrischen Körpern ist das Trägheitsellipsoid ein Kräftefreier Kreisel, Nutation
Rotationsellipsoid. Bei hochsymmetrischen Kör- Ein Kreisel, der in seinem Schwerpunkt unter-
pern wie Kugel, Würfel, Tetraeder usw. bekommt stützt wird und in allen Raumrichtungen drehbar
es Kugelform. Diese Körper haben keine Devia- ist, wird kräftefreier Kreisel genannt. Technisch
tionsmomente. kann dies z. B. durch eine kardanische Auf-
hängung entsprechend Abb. 2.66 realisiert wer-
den. Da auf einen solchen Kreisel von außen
2.9.6 Kreisel kein Drehmoment ausgeübt werden kann, muss
nach dem Drehimpulserhaltungssatz der Vektor
Jeder starre Körper, der eine Drehbewegung aus- L des Drehimpulses in einem Inertialsystem sei-
übt, ist ein Kreisel. Symmetrische Kreisel sind ne Richtung beibehalten. Rotiert der Kreisel so,
starre Körper, bei denen zwei Hauptträgheits- dass seine Figurenachse und die Drehimpulsach-
momente gleich groß sind. Diese Bedingung er- se zusammenfallen, dann bleibt auch die Rich-
füllen alle auf einer Drehmaschine hergestellten tung der Figurenachse im Raum fest. Der freie
Teile, aber auch andere, beispielsweise quadrati- Kreisel kann an seinem äußeren Rahmen beliebig
sche Scheiben. Beim abgeplatteten Kreisel (z. B. bewegt werden, ohne dass sich die einmal ein-
Scheibe) ist das Trägheitsmoment um die Figu- gestellte Richtung verändert. Dieser Effekt wird
renachse größer, beim verlängerten Kreisel (z. B. beim Kurskreisel zur Navigation ausgenutzt. Bei
Stab) kleiner als die äquatorialen Trägheitsmo- modernen Geräten weicht die Achse von der ein-
mente. gestellten Richtung um weniger als 0;1 ı =h ab.
2.9 Mechanik starrer Körper 81
Präzession
Abb. 2.68a zeigt einen rotierenden Kreisel, der
an einer Leine unsymmetrisch aufgehängt ist.
Während ein nicht rotierender starrer Körper bei
dieser Art der Aufhängung sofort herunterfallen
würde, dreht sich der rotierende Kreisel um den
Aufhängepunkt, wobei die horizontale Lage der
Kreiselachse erhalten bleibt. Diese höchst erstaun-
liche Bewegung wird als Präzession bezeichnet.
Die Ursache der Präzession ist das Drehmo-
ment, das infolge der unsymmetrischen Aufhän-
gung auf den Kreisel ausgeübt wird. Abb. 2.68b
zeigt, dass das Kräftepaar aus Gewichtskraft und
Stützkraft ein Drehmoment M erzeugt, das in
der Horizontalebene liegt und auf dem Vektor
L des Drehimpulses senkrecht steht. Ein solches
Drehmoment kann aber den Betrag des Drehim-
Abb. 2.67 Nutationsbewegung eines abgeplatteten Krei- pules nicht ändern, sondern nur seine Richtung,
sels wie Abb. 2.68c zeigt. Innerhalb einer kurzen
Zeitspanne t ändert sich der Drehimpuls um
L D M t. Der neue Drehimpuls L.t C t/
Versetzt man einem kräftefreien Kreisel einen steht wieder senkrecht zum ebenfalls kreisenden
kurzzeitigen Schlag, dann
R ändert sich der Dreh- Drehmoment M .t C t/. Unter der Wirkung
impuls L um L D M .t/dt, bleibt dann aber des Drehmoments M läuft daher die Spitze des
wieder konstant nach Größe und Richtung. Die Drehimpulsvektors L mit konstanter Winkelge-
Folge des Schlages aber ist, dass der Kreisel eine schwindigkeit auf einem Kreis. Dies ist völlig
Taumelbewegung ausführt, die als Nutation be- analog zur Kreisbewegung eines Körpers mit
zeichnet wird. konstanter Geschwindigkeit, wobei die Zentripe-
Die Nutationsbewegung kann nach Abb. 2.67 talkraft auch immer senkrecht auf der Geschwin-
anschaulich so erklärt werden, dass zwei Kegel digkeit steht und sich nur deren Richtung, nicht
aufeinander abrollen, wobei die Kegelspitzen im aber deren Betrag ändert.
festgehaltenen Schwerpunkt des Kreisels liegen. Die Winkelgeschwindigkeit der Präzession !p
Der Rastpolkegel, dessen Achse die Drehimpuls- kann aus Abb. 2.68c abgelesen werden. Innerhalb
achse ist, steht fest im Raum. Der Gangpolkegel der Zeitspanne t dreht sich der Drehimpulsvek-
ist mit dem Kreisel fest verbunden und wälzt sich tor um den Winkel
auf dem Rastpolkegel ab. Die Figurenachse als
Achse des Gangpolkegels läuft damit auf dem rot L Mt
' D D :
gestrichelten Nutationskegel um. Die momentane L L
82 2 Mechanik
a b
Abb. 2.68 Präzession eines Kreisels: a unsymmetrisch aufgehängter, horizontal präzedierender Fahrradkreisel, b Kräf-
te und Drehmomente auf den Kreisel, c Drehimpulsänderung durch das Drehmoment
M D L !p : (2.136) Kreiselkompass
Der Kreiselkompass ist ein gefesselter Kreisel,
Von den zahlreichen Anwendungen des Kreisels dessen Achse sich nur in einer Horizontalebe-
seien einige Beispiele aus der Navigation kurz ne bewegen kann. Häufig wird dies dadurch
beschrieben. erreicht, dass das Rotorgehäuse in einer Flüssig-
keit schwimmt. Im Gegensatz zu einem freien
Kreiselhorizont Kreisel, der seine Achsenrichtung in einem In-
Bei einem Flugzeug, das in oder über den Wolken ertialsystem konstant hält, muss der gefesselte
fliegt, braucht der Pilot zur Orientierung einen Kreisel die Erdrotation mitmachen. Die Kreisel-
künstlichen Horizont. Ein einfaches Lot, das in achse erfährt also eine Zwangsdrehung mit der
84 2 Mechanik
Wendekreisel
Der Wendekreisel dient dazu, Drehungen und
Abb. 2.71 Einstellung des Kreiselkompasses in Nord- Drehgeschwindigkeiten zu messen. Soll z. B. die
richtung Drehung eines Schiffes um eine vertikale Ach-
se gemessen werden, dann wird ein Kreisel so
eingebaut, dass seine Achse horizontal liegt. Die
Winkelgeschwindigkeit der Erdrotation !E . Das horizontale Lage wird z. B. durch Federn erzwun-
auftretende Kreiselmoment dreht die Kreiselach- gen. Bei einer Drehung des Schiffs wird nach
se nach dem Satz vom gleichsinnigen Parallelis- dem Satz vom gleichsinnigen Parallelismus der
mus so, dass der Drehimpulsvektor L und die Kreisel versuchen, seine Achse senkrecht zu stel-
Richtung der Zwangsdrehung !E parallel wer- len. Dies wird aber durch die Federn verhindert.
den. Der Kreisel nimmt deshalb eine Schräglage ein,
Wie Abb. 2.71 zeigt, gelingt dies vollkom- bei der das von der Drehung verursachte Kreisel-
men für einen Kreiselkompass, der am Äquator moment vom rücktreibenden Moment der Federn
Ä aufgestellt ist. Befindet sich der Kreisel auf ei- im Gleichgewicht gehalten wird. Der Ausschlag
nem beliebigen Breitenkreis am Punkt P, dann des Kreisels ist damit porportional zur Drehge-
kann sich sein Drehimpuls L nicht parallel zu schwindigkeit des Schiffs. Geräte mittlerer Qua-
!E einstellen; denn die Kreiselachse ist ja an lität sind in der Lage, Drehgeschwindigkeiten bis
eine Tangentialebene zur Erde gefesselt. Immer- herab zu 0;01 ı =h nachzuweisen. Der Drehwinkel
hin ist eine Optimierung der Lage dann erreicht, wird von integrierenden Wendekreiseln gemes-
wenn die Kreiselachse tangential zu einem Me- sen.
ridian eingestellt ist, d. h., wenn sie nach Norden Optische Faserkreisel bzw. Laserkreisel ent-
weist. Befindet sich der Kreisel am Nord- oder halten keine rotierenden Teile, sind also im Grun-
Südpol N bzw. S, dann steht L immer senk- de keine Kreisel. Mit Hilfe des Sagnac-Effekts
recht auf !E . Jede Richtung der Kreiselachse ist (G. M. M. S AGNAC, 1869 bis 1928) werden
gleich ungünstig; der Kreisel hat keine Vorzugs- Drehungen eines Systems gegenüber einem Iner-
richtung. tialsystem nachgewiesen. Laserkreisel erreichen
Der Kreiselkompass versagt also wie der ma- die vorgenannte Genauigkeit bei einer Winkel-
gnetische Kompass an den Polen. U-Boote, die auflösung von 2 Winkelsekunden; sie werden
sich unter dem Packeis des Nordpols befinden, bereits in der Luftfahrt eingesetzt.
2.10 Gravitation 85
2.9.7 Zur Übung groß ist die Auflagerkraft zu Beginn der Bewe-
gung? c) Mit welcher Winkelgeschwindigkeit !
Ü 2-32 Lösen Sie das Problem von Bei- geht der Stab durch die vertikale Lage?
spiel 2.9-2 rechnerisch.
Ü 2-38 Ein Rad mit dem Radius r D 20 cm und
Ü 2-33 Eine starre Hantel besteht aus zwei Ku- der Masse m D 20 kg rollt nach Abb. 2.61 eine
geln mit jeweils der Masse m D 2 kg, die durch schiefe Ebene mit dem Neigungswinkel ˇ D 15ı
einen runden Stab mit dem Durchmesser dS D hinab. Aus dem Stand legt es nach t D 2 s den
10 mm verbunden sind. Der Abstand der bei- Weg s D 2;9 m zurück. a) Wie groß ist das
den Kugelmittelpunkte beträgt l D 1 m. Kugeln Massenträgheitsmoment JS bezüglich der Dreh-
und Stab bestehen aus Stahl der Dichte % D achse durch den Schwerpunkt? b) Wie groß muss
7;85 kg=dm3. Wie groß ist das Massenträgheits- der Haftreibungskoeffizient zwischen Rad und
moment JS bezüglich einer Achse, die auf der Unterlage mindestens sein, damit das Rad nicht
Stabachse senkrecht steht und durch den Schwer- rutscht?
punkt geht, wenn die Stabmasse und die Aus-
dehnung der Kugeln a) vernachlässigt, b) nicht Ü 2-39 Ein rotierendes Rad (Masse m D 2 kg,
vernachlässigt werden? Massenträgheitsmoment JS D 300 kg cm2, Dreh-
zahl n0 D 2800 min1, Radius r D 15 cm) wird
Ü 2-34 Zur experimentellen Bestimmung des auf den horizontalen Fußboden aufgesetzt. Infol-
Massenträgheitsmoments eines Rades wird ein ge Reibung zwischen Rad und Unterlage wird
Faden über dieses gelegt, an dem zwei Körper mit das Rad beschleunigt. a) Wie groß ist die End-
den Massen m1 D 1 kg und m2 D 1;5 kg befes- geschwindigkeit, die sich einstellt, nachdem der
tigt sind. Das Rad ist reibungsfrei gelagert, sein Rutschvorgang abgeschlossen ist? b) Wie lange
Radius beträgt r D 30 cm. Man beobachtet, dass rutscht das Rad, wenn der Reibungskoeffizient
die Körper in der Zeit t D 2 s aus dem Stand den zwischen Rad und Unterlage D 0;2 beträgt?
Höhenunterschied h D 1 m zurücklegen.
a) Berechnen Sie die Beschleunigung a, mit Ü 2-40 Ein schwerer Kreisel sei wie in Abb. 2.68
der sich die angehängten Körper bewegen. b) Be- einseitig aufgehängt. Die Kreiselachse verlaufe
stimmen Sie die Kraft im Faden jeweils über nicht waagerecht sondern schließe mit der Ver-
den Körpern 1 und 2. c) Wie groß ist das Mas- tikalen den Winkel # ein. Zeigen Sie, dass die
senträgheitsmoment des Rades bezüglich seiner Winkelgeschwindigkeit der Präzession !p nicht
Drehachse? vom Winkel # abhängt.
tenbahnen war durch Epizykeln möglich. Dieses I SAAC N EWTON (1643 bis 1727) stellte
Weltbild galt als Glaubenssatz über 14 Jahrhun- die allgemeinen Bewegungsgesetze für mecha-
derte lang. nische Systeme und das Gravitationsgesetz (Ab-
N IKOLAUS KOPERNIKUS (1473 bis 1543) schn. 2.10.2) auf. Damit konnte er die Kep-
konnte mit dem heliozentrischen Weltsystem, das ler’schen Gesetze herleiten.
die Sonne in den Mittelpunkt stellte, die Bewe- A LBERT E INSTEIN (1879 bis 1955) entwi-
gung der Planeten einfacher beschreiben. ckelte 1915 die allgemeine Relativitätstheorie,
T YCHO DE B RAHE (1546 bis 1601) lieferte die die Newton’sche Gravitationstheorie als Nä-
als letzter großer Astronom ohne Fernrohr exak- herung enthält. Damit konnten die mit der New-
tes Beobachtungsmaterial über die Bewegung der ton’schen Mechanik nicht erklärbare Periheldre-
Gestirne. hung der Merkurbahn und die Krümmung von
J OHANNES K EPLER (1571 bis 1630) leitete Lichtstrahlen unter dem Einfluss der Gravitation
aus der Analyse der Brahe’schen Messdaten des erklärt werden.
Mars drei empirische Gesetzmäßigkeiten über die Die aus diesen Beobachtungen und Theorien
Bewegung der Planeten her. Sie sind in Abb. 2.72 bestimmten Bahndaten und Planetenkenngrößen
aufgeführt und erläutert. sind in Tab. 2.7 zusammengestellt. Simulationen
2.10 Gravitation 87
2.10.2 Newton’sches
Gravitationsgesetz
te von ungefähr null und können daher in guter de kann die Sonnenmasse zu mS D 2 1030 kg
Näherung als Kreisbahnen beschrieben wer- 300:000 mE ermittelt werden.
den. Für eine gleichförmige Kreisbewegung
eines Planeten mit der Masse mp muss die
Gravitationskraft die Zentripetalkraft aufbrin- 2.10.3 Hubarbeit und potenzielle
gen. Bezeichnet man die Masse des Zentral- Energie
gestirns, der Sonne, mit mS , den Bahnradius
der Planeten mit rp und die Umlaufzeit mit Tp , Wird ein Körper der Masse m2 von einem Körper
dann gilt nach (2.31) für die Zentripetalkraft der Masse m1 , beispielsweise der Erde, weg-
transportiert oder angehoben, so ist gegen die
4 2 Gravitationskraft FG durch eine äußere Kraft Fa
jFzp j D mp rp !p2 D mp rp :
Tp2 Arbeit zu verrichten. Abb. 2.77 erläutert dies. Die
erforderliche Hubarbeit ist nach (2.64)
Die Gravitationskraft zwischen Sonne und X X
Planet ist nach (2.137) WAB D Fk r k C Fak sk :
k k
mS mp
FG D G :
rp2 Alle Wegelemente sk auf Kugelschalen um den
Massenmittelpunkt von m1 verlaufen senkrecht
Durch Gleichsetzen erhält man zur Richtung der Gravitationskraft; die Arbeit auf
diesen Teilwegen ist null. Die aufzuwendende
4 2 mS mp
mp rp DG 2 :
Tp2 rp
rp3 GmS
D D konstant: (2.139)
Tp2 4 2
Abb. 2.76 Planeten des Sonnensystems: Zusammenhang zwischen der großen Halbachse der Planetenbahn und der
Umlaufzeit
Hubarbeit ist, wenn man zu infinitesimalen Weg- Masse m2 die Gravitationskraft der Masse m1
stücken übergeht, nicht mehr spürt. Wird von diesem Bezugsniveau
aus m2 auf m1 zubewegt, dann wird Arbeit frei;
Zr2 Zr2
die potenzielle Energie, die zur Umwandlung in
WAB D Fa dr D FG dr andere Energiearten verwendet werden kann, ver-
r1 r1 mindert sich und ist
Zr2
dr Zr
D Gm1 m2 2 : dr m1 m2
r Epot D Gm1 m2 2 D G : (2.141)
r1 r r
1
Daraus erhält man
Gleichungen (2.139) bis (2.141) gelten nicht nur
1 1 für Massenpunkte, sondern auch für ausgedehn-
WAB D Gm1 m2 : (2.140)
r1 r2 te Körper mit Kugelform. Die Radien sind dabei
die Abstände der Massenmittelpunkte. Im Innern
Die Hubarbeit des Körpers mit der Masse m2 ge- von Systemen aus materiellen Punkten kommen
gen die Gravitationskraft der Masse m1 hängt nur innere Kräfte dazu; die Gravitationskraft stimmt
vom Abstand r1 und r2 der Orte vom Massenmit- nicht mehr mit (2.137) überein.
telpunkt von m1 ab, nicht aber vom Weg. Diese Die potenzielle Energie einer Masse m0 , die
Hubarbeit wird nach dem Energiesatz (2.75) als von mehreren Massen m1 bis mN angezogen
potenzielle Energie des Körpers mit der Masse wird, setzt sich additiv aus den Einzelanteilen
m2 , bezogen auf die Masse m1 , gespeichert. Das nach (2.141) zusammen:
Bezugsniveau für die potenzielle Energie einer
Masse m2 unter der Massenanziehung der Mas- m0 m1 m0 m2 m0 mN
Epot D G G :::G :
se m1 wird mit r D 1 so gewählt, dass die r1 r2 rN
2.10 Gravitation 91
Die Kenngröße, die sich am Ort r.x0 ; y0 ; z0 / der der Atmosphäre. Höhere Bahnen werden zu sehr
Masse m0 summiert, ist das Gravitationspotenzi- gestört von der Sonne und anderen Planeten. Die
al 'G der Einzelmassen m1 bis mN : mehr als 24 Satelliten des Global Positioning Sys-
tem (GPS) laufen auf sechs Kreisbahnen, die um
XN
mk 56ı gegen die Äquatorebene geneigt sind, in einer
'G D G : (2.142) Höhe von 20:200 km.
rk
kD1
Von besonderer Bedeutung für die Datenüber-
tragung sind geostationäre Satelliten oder Syn-
Flächen im Raum, auf denen das Gravitations-
chronsatelliten. Sie sollen über einem definierten
potenzial einer Massenverteilung konstant ist,
Punkt der Erde still stehen. Man kann sich leicht
werden als Äquipotenzialflächen bezeichnet; die
klar machen, dass dies nur möglich ist für Kreis-
Äquipotenzialfläche einer Zentralmasse ist ei-
bahnen in der Äquatorebene. In welcher Höhe ein
ne Kugelschale um deren Massenmittelpunkt. Ist
Satellit platziert werden muss, damit er sich syn-
das Gravitationspotenzial 'G an einem Ort r be-
chron mit der Erde dreht, folgt aus dem dritten
kannt, so beträgt die potenzielle Energie einer
Kepler’schen Gesetz. Nach (2.139) gilt für den
Masse m0 an diesem Ort
Abstand rS , den der Satellit vom Erdmittelpunkt
Epot D m0 'G .r/: (2.143)
haben muss s
2
3 GmE TE
rS D :
Die Gravitationskraft auf m0 an diesem Ort ergibt 4 2
sich aus der Umkehrung von (2.65) zu
Mit der Periodendauer der Erdrotation (sideri-
d' .r/ sche Umlaufzeit, Sterntag) TE D 86:163 s ergibt
FG .r/ D m0 G D m0 g.r/: (2.144) sich rS D 42:161 km. Subtrahiert man davon den
dr
mittleren Erdradius rE D 6371 km, so ergibt sich
Der Gradient des Gravitationspotenzials am Ort eine Höhe von h D 35:790 km über der Erdober-
r wird als Gravitationsfeldstärke g definiert. Der fläche.
Vergleich mit der Beziehung für die Schwerkraft
nach (2.28) zeigt, dass Betrag und Richtung der Kosmische Geschwindigkeiten
Fallbeschleunigung g an einem Ort die Gravitati- Die erforderliche Geschwindigkeit eines Kör-
onsfeldstärke angeben. Ist der räumliche Verlauf pers, der von der Erdoberfläche abgeschossen
der Fallbeschleunigung aus Experimenten oder wird und eine bestimmte Bahn erreichen soll,
Simulationsrechnungen bekannt, dann kann über wird als kosmische Geschwindigkeit bezeichnet.
eine Integration von (2.144) der Verlauf der po- Die erste kosmische Geschwindigkeit vk1 ist
tenziellen Energie berechnet werden. die Geschwindigkeit, die ein Körper haben muss,
der sich auf einer Kreisbahn direkt an der
Erdoberfläche bewegen soll. Diese Bahn mit
2.10.4 Satellitenbahnen Radius rE ist natürlich praktisch nicht reali-
sierbar, sondern nur von theoretischem Interes-
Die Bahnen künstlicher Satelliten, die um die Er- se. Aus der Gleichgewichtsbedingung zwischen
de laufen, werden durch dieselben Kepler’schen Gravitations- und Zentrifugalkraft
Gesetze beschrieben, wie sie von der Planetenbe- 2
mS mE mS vk1
wegung bekannt sind. Satellitenbahnen sind also G 2 D folgt
Ellipsen (Spezialfall: Kreise), wobei die Erde in rE rE
s
einem Brennpunkt der Ellipse steht. GmE p km
Praktisch realisierbare Bahnen haben Höhen vk1 D D grE D 7;91 :
rE s
6
von 200 km bis 10 km und Umlaufdauern von
88 min bis etwa 4 Monate. Niedrigere Bahnen Die zweite kosmische Geschwindigkeit vk2 ist die
sind nicht möglich wegen Reibungsverlusten in Geschwindigkeit, mit der ein Körper abgeschos-
92 2 Mechanik
sen werden muss, um den Anziehungsbereich der kräfte auf einen Körper der Masse m gerade auf-
Erde zu verlassen. Sie kann mithilfe des Ener- heben. Wo liegt dieser „neutrale Punkt“? Radius
gieerhaltungssatzes berechnet werden: Ekin;E C der Mondbahn: rE,M D 384:000 km, Mondmasse
Epot;E D Ekin,1 C Epot,1 . Mit der Definition der mM D 7;35 1022 kg.
potenziellen Energie nach (2.141) ergibt sich
Ü 2-43 Ein künstlicher Satellit läuft in einer
1 mS mE Flughöhe h D 1000 km auf einer Kreisbahn um
2
mS vk2 G D0 oder
2 rE die Erde (Erdradius rE D 6371 km). a) Wie groß
s
GmE p km ist die Bahngeschwindigkeit v des Satelliten? b)
vk2 D 2 D 2vk1 D 11;2 : Wie groß ist seine Umlaufzeit T ? c) Welche spe-
rE s
zifische Arbeit w (auf die Masse m D 1 kg
bezogen) ist aufzuwenden, um den Satelliten in
Beispiel 2.10-2
diese Bahn zu bringen? d) Welcher Anteil f die-
Wie groß ist die Fluchtgeschwindigkeit, um
ser spezifischen Arbeit entspricht der kinetischen
den Mond zu verlassen? Die Mondmasse ist
Energie des Satelliten?
mM D 7;35 1022 kg, der Mondradius ist rM D
1738 km.
Ü 2-44 Ein Meteor kommt ohne Anfangsge-
Lösung
schwindigkeit in den Anziehungsbereich der
Die Fluchtgeschwindigkeit ist nach obiger Sonne und fällt auf diese zu. Wie groß ist die Ge-
Gleichung schwindigkeit des Meteors, wenn er
s
a) sich im Bahnabstand der Erde von der Sonne
GmM km
vk2 D 2 D 2;38 : befindet?
rM s
b) an einem Ort mit halbem Erdbahnradius ist?
c) an der Sonnenoberfläche unverglüht ankäme?
Massereiche Sterne können am Ende ih-
rer Entwicklungsgeschichte kollabieren und zu
(Sonnenmasse mS D 2 1030 kg; Sonnenradius
einem schwarzen Loch werden. Sie besitzen
rS D 696:000 km; Erdbahnradius rSE D 150
ein derart starkes Gravitationsfeld, dass nicht
106 km.)
einmal Licht (Photonen) aus Bereichen inner-
halb eines kritischen Radius, des so genann-
Ü 2-45 Der mittlere Abstand des Jupiter-
ten Schwarzschild-Radius (K ARL S CHWARZ -
Mondes Jo vom Planeten Jupiter beträgt 4;216
SCHILD, 1873 bis 1916) entweichen kann. Die
105 km; seine Umlaufzeit ist T D 1 d 18 h
Größe dieses Ereignishorizonts findet man, in-
27 min. Berechnen Sie aus diesen Angaben die
dem für die Fluchtgeschwindigkeit die Lichtge-
Masse mJ des Planeten Jupiter.
schwindigkeit c gesetzt wird:
2Gm
rS D : 2.11 Mechanik deformierbarer fester
c2
Körper – Elastomechanik
D
dFn
; l l0 l
dA
(2.146) "D D : (2.148)
l0 l0
dFt
D : (2.147) Dabei bleiben die rechten Winkel am Körperele-
dA
ment erhalten. Mit Schiebung oder Scherung wird
In einem würfelförmigen Körperelement lässt eine Winkeländerung bezeichnet:
sich, wie Abb. 2.79 zeigt, der Spannungszustand
vollständig beschreiben durch Schiebung D Winkeländerung : (2.149)
94 2 Mechanik
In diesem Fall bleiben die Kantenlängen l0 des 1781 bis 1840) bezeichnet. Ihr Wert ist immer
Körperelementes gleich, und es ergibt sich ein positiv, aber kleiner als 0,5. Das Minuszeichen
Abweichungswinkel vom rechten Winkel (aus- in (2.153) kennzeichnet die Gegenläufigkeit von
gedrückt im Bogenmaß). Längenänderung und Dickenänderung. Die bei
In der Praxis werden üblicherweise vier Ver- der Querkontraktion auftretende Volumendiffe-
formungsarten unterschieden. Abb. 2.80 zeigt die renz V errechnet sich für einen achsensym-
Unterschiede, Kenngrößen und Gesetzmäßigkei- metrischen, prismatischen Stab aus der Differenz
ten. zwischen dem Volumen nach der Verformung V 0
und dem ursprünglichen Volumen V0 zu
Dehnung
Im elastischen Bereich ist die Längenände- V D V 0 V0 D .d C d /2 .l C l/ d 2 l:
rung l proportional zur Normalkraft Fn . Mit der
Definition der Dehnung " als relative Längenän- Die Summenglieder höherer Ordnung sind ge-
derung " D l= l (2.148) und (2.146) für die genüber den Gliedern erster Ordnung vernachläs-
Zug- bzw. Druckspannung D dFn =dA ergibt sigbar. Somit ergibt sich
sich das Hooke’sche Gesetz (R. H OOKE, 1635 bis
1703) für die elastische Verformung: V D d 2 l C 2d ld:
Der Proportionalitätsfaktor wird als Quer- die erforderliche Druckänderung bezogen auf die
dehnungszahl oder Poissonzahl (S. D. P OISSON, relative Volumenänderung; er ist immer positiv.
2.11 Mechanik deformierbarer fester Körper – Elastomechanik 95
1 G.
; t/ D (2.160)
~D V D : (2.158) d
p K
das Verhältnis der Schubspannung zum Scher-
Beispiel 2.11-1 winkel.
Ein Draht aus Federstahl (E D 2105 N=mm2 ) Zwischen Elastizitätsmodul E, Querdeh-
hat einen Durchmesser d D 1;5 mm und ist nungszahl und Schubmodul G besteht der
l D 3 m lang. Er wird um 5 mm verlängert. Zu Zusammenhang
berechnen sind die Dehnung ", die Zugspan-
nung z und die Zugkraft Fz . E
GD : (2.161)
2.1 C /
Lösung
Durch Umformen ergibt sich E=2G D 1 C .
Für die Dehnung gilt " D l= l D 1;67
Da zwischen 0 und 0;5 liegt, ergibt sich für den
103 D 0;17 %. Die Zugspannung ist z D
Schubmodul ein Bereich von
E " D 333 N=mm2 , und die Zugkraft beträgt
Fz D z A D 333;33 4 d D 589 N.
2
E E
<G< : (2.162)
3 2
Scherung
Wirken Querkräfte Ft parallel zur Oberfläche auf Diese Beziehungen gelten nur für isotrope Werk-
einen Körper, dann erfährt dieser eine Scherung stoffe. Konstruktionswerkstoffe sind meist qua-
um den Scherwinkel (Abb. 2.80). Diese Bean- siisotrope Werkstoffe. Für anisotrope Einkristal-
spruchungsart ruft also eine Gestaltsänderung des le müssen dagegen die Richtungsabhängigkeiten
Körpers hervor. Zwischen der Schubspannung der Kenngrößen berücksichtigt werden.
2.11 Mechanik deformierbarer fester Körper – Elastomechanik 97
Die in diesem Abschnitt aufgezeigten Zu- kreise. Wenn jedoch in allen Ebenen x, y und z
sammenhänge zwischen Normalspannungen von null verschiedene Schubspannungen auftre-
und Dehnungen " bzw. Schubspannungen
und ten, dann versagt diese Methode. Die gesuchten
Schiebungen gestatten die allgemeine Formu- Hauptspannungen müssen dann durch aufwändi-
lierung des Hooke’schen Gesetzes für alle drei gere mathematische Verfahren errechnet werden.
Raumrichtungen. Alle möglichen Belastungsfälle Um die Gleichung für den Mohr’schen Span-
können hieraus errechnet werden. Tab. 2.9 ver- nungskreis aufzustellen, wird ein Bauteil mit
mittelt eine Übersicht. einer Zugkraft Fx beansprucht. Deshalb ist die
Normalspannung x bereits Hauptspannung, wie
Elementare Belastungsfälle Abb. 2.82 zeigt. Wird eine Ebene AC betrach-
Abb. 2.81 zeigt die vier elementaren Belastungs- tet, die um den Winkel ' verdreht ist, dann kann
fälle Zug bzw. Druck, Scherung, Biegung und die Zugkraft Fx in eine Komponente Fn senk-
Torsion, ihre zugehörigen Normal- und Schub- recht zur Ebene AC und in eine Komponente Ft
spannungen, Dehnungen und Schiebungen sowie tangential dazu zerlegt werden. Es gelten Fn D
einige Beispiele. Daraus ist ersichtlich, dass bei Fx cos ' und Ft D Fx sin '. Damit ergeben sich
reinem Zug bzw. Druck sowie reiner Biegung für die bezüglich der Ebene AC D A= cos '
keine Schubspannungen und Schiebungen vor- wirkende Normalspannung ' bzw. die Schub-
handen sind, während bei reiner Scherung bzw. spannung
'
Torsion keine Normalspannungen und Dehnun-
gen auftreten. In der Praxis treten diese vier ele- Fn F
' D C D cos2 ' D x cos2 ' (2.163)
mentaren Belastungsfälle kombiniert auf. Dann A A
können sie unter Verwendung von Tab. 2.9 und
oder
Abb. 2.81 ermittelt werden.
x
' D .1 C cos.2'// (2.164)
Hauptspannungen 2
Als Hauptspannungen werden die Normalspan-
und
nungen bezeichnet, für die keine Schubspan-
nungen auftreten. Die Hauptspannungsrichtung Ft F x
nennt man Hauptachse. Ein Spannungszustand
' D C D sin ' cos ' D sin.2'/:
A A 2
ist demnach vollständig beschrieben, wenn al- (2.165)
le drei Hauptspannungen 1 , 2 , 3 und deren In dem skizzierten Fall gilt für die Hauptspan-
Hauptachsen bekannt sind. Häufig treten Bean- nungsrichtung
' D 0, weil ' D 0 ist.
spruchungen an Bauteiloberflächen auf, in denen Die maximale Schubspannung
max tritt für
die Hauptachsen 1, 2 und 3 mit den Koordina- sin.2'/ D 1 auf. Aus dieser Bedingung folgt
tenachsen x, y und z zusammenfallen. Für diese 2' D 90ı oder ' D 45ı . Für diesen Win-
Fälle lassen sich die gesuchten Hauptspannun- kel wird nach (2.165) die maximale Schubspan-
gen durch ein grafisches Verfahren nach Mohr nung
max D x =2. Die zugehörige Normal-
(C. O. M OHR, 1835 bis 1918) ermitteln. Es erge- spannung beträgt ebenfalls D x =2. Werden
ben sich drei Kreise, die Mohr’schen Spannungs- aus (2.164) und (2.165) unter Berücksichtigung
98
z D 15 N=mm2 ;
zx D 0;
zy D 0:
Lösung
Zur Lösung wird das grafische Verfahren
nach Mohr angewandt. Die Mohr’schen Span-
nungskreise werden gemäß Abb. 2.83 konstru-
iert.
a b
Abb. 2.87 Spannungs-Dehnungs-Verläufe bei Zugversuchen mit a stetigem Übergang vom elastischen in den plasti-
schen Bereich und b unstetigem Übergang
der Übergang vom elastischen in den plastischen ableiten. Er ist die Steigung der Spannungs-
Bereich monoton oder nicht monoton. Erfolgt Dehnungs-Kurve im Ursprung. In Abb. 2.85 ist
der Übergang stetig (Abb. 2.87a), dann wird als E D 2105 N=mm2 . Eine weitere Werkstoffkenn-
Dehngrenze Rp diejenige Spannung herangezo- größe ist die Bruchdehnung "B , also die Dehnung
gen, die zu einer bestimmten plastischen (blei- im Bruchpunkt B. In Abb. 2.85 ist "B D 6 %.
benden) Dehnung "r geführt hat. Üblich ist die Die plastische Verformung hinterlässt keine
0,2 %-Dehngrenze Rp0;2 . Eine Parallele zur Hoo- Volumenänderung (V D 0). Dies bedeutet, dass
ke’schen Geraden (gestrichelte Linie) schneidet die Querdehnungszahl nach (2.155) D 0;5 be-
die Spannungs-Dehnungs-Kurve im Punkt mit trägt. Für diese reinen Gestaltsänderungen sind
der Ordinate Rp0;2 . In Abb. 2.85 ist Rp0;2 D also nur Schubspannungen verantwortlich. Sie
1080 N=mm2. bringen ganze Kristallebenen entlang bestimmter
Die Spannung, die zur Höchstzugkraft ge- Gitterbaufehler (Versetzungen, Abschn. 9.1.3.2)
hört, ist die Zugfestigkeit Rm . In Abb. 2.85 ist zum Abgleiten, ohne dass sich das Kristallgitter
Rm D 1275 N=mm2 . Die Zugfestigkeit reiner geändert hat. Die aus den Zugversuchen errech-
Metalle beträgt Rm D 10 bis Rm D 20 N=mm2 neten Materialkennwerte müssen unter gleichen
(z. B. Blei), diejenige hochfester Stähle Rm D Versuchsbedingungen (DIN EN 10 002) stattfin-
2500 bis Rm D 4500 N=mm2. Die sehr häufig den. Hierzu zählen die Versuchstemperatur (z. B.
im Maschinenbau eingesetzten Bau- und Vergü- 18 ı C bis 25 ı C) und die im Zugversuch ge-
tungsstähle haben eine Zugfestigkeit zwischen fahrene Zuggeschwindigkeit zwischen den Span-
Rm D 400 N=mm2 und Rm D 1200 N=mm2 . nungswerten 10 N=mm2 und 30 N=mm2 .
Bleibt bei zunehmender Dehnung die Zugkraft
erstmalig gleich oder fällt sie ab, dann ist die
Streckgrenze erreicht. 2.11.3 Härte fester Körper
Beim nicht monotonen Übergang vom elasti-
schen in den plastischen Bereich wird eine obere Die Härte eines Stoffs ist der Widerstand gegen
Streckgrenze ReH und eine untere Streckgrenze das Eindringen eines anderen Körpers. Am häu-
ReL unterschieden (Abb. 2.87b). figsten werden in der Materialprüfung zur Här-
Aus der Spannungs-Dehnungs-Kurve lässt tebestimmung metallischer Werkstoffe statische
sich auch der Elastizitätsmodul E nach (2.151) Eindring-Härteprüfverfahren eingesetzt. Dabei
2.11 Mechanik deformierbarer fester Körper – Elastomechanik 103
drückt man einen Probekörper mit einer Prüfkraft tigkeit Rm für Stahl aus der Vickers-Härte nach
F stoßfrei in einer bestimmten Zeit in das zu der Beziehung Rm 3;38 HV als ersten Anhalts-
prüfende Material und misst den Eindruck oder punkt abschätzen.
bestimmt die Eindringtiefe. In Abb. 2.88 sind die
drei wichtigsten Verfahren, das Rockwell-Verfahren (HR)
nach DIN EN 50 103
Brinell-Verfahren, Hierbei wird die Härte aus der Eindringtiefe eines
Vickers-Verfahren und Probekörpers direkt ermittelt. Eine Prüfvorkraft
Rockwell-Verfahren F0 (98 N) stellt einen sicheren Kontakt zum Prüf-
ling her und erzeugt die Eindringtiefe s0 , die die
vergleichend gegenübergestellt und das Mess- Bezugsskala darstellt. Durch mindestens viermal
prinzip, die Auswertungsformeln und die An- so große Prüfkräfte wird die Eindringtiefe sh be-
wendungsgebiete aufgezeigt. Wichtig ist die An- stimmt, aus der an einer Skala der Härtewert
gabe der Prüfbedingungen beim Dokumentieren direkt abgelesen werden kann.
der Härtegrade. In der Praxis werden zwei Varianten eingesetzt,
das Rockwell-B-Verfahren (HRB) und das Rock-
Brinell-Verfahren (HB) nach DIN EN 50 351 well-C-Verfahren (HRC). Beide Verfahren benut-
Hierbei wird eine Kugel aus gehärtetem Stahl zen die Prüfvorkraft F0 D 98 N und legen den
oder Hartmetall mit einer Prüfkraft F in die Härtemaßstab auf 2 m je Härteeinheit fest. Der
Oberfläche des zu prüfenden Werkstoffs gedrückt große Vorteil bei der Härtemessung nach Rock-
und der Durchmesser d der Eindrückkalotte ge- well ist die Automatisierbarkeit der Methode. Ein
messen. Der Quotient aus Prüfkraft F und einge- Nachteil ist die im Vergleich zum Brinell- und
drückter Oberfläche A ist der Brinell-Härtewert Vickers-Verfahren geringere Messgenauigkeit.
HB. Er wird nach (1) in Abb. 2.88 errechnet. Obwohl die Härtewerte nach Brinell, Vickers
Der Faktor 0;102 rechnet die SI-Krafteinheit N und Rockwell auf unterschiedliche Weise ermit-
in kp um (1 N ¶ 0;102 kp). Durch diesen Kunst- telt werden, können die Härtegrade innerhalb be-
griff bleiben die alten Härtewerte unverändert. stimmter Bereiche ineinander umgerechnet wer-
Letztendlich bedeutet dies jedoch, dass unver- den. Die Vickers-Härte ist der Bezugsmaßstab,
ständlicherweise die Einheit kp=mm2 künstlich weil diese Methode das ganze Härtespektrum von
beibehalten wird. In Abb. 2.88 sind die Prüfbe- weich bis extrem hart überdeckt. Die Härtever-
dingungen angegeben. Dieses Härteprüfverfah- gleichstabellen sind in DIN 50 150 genormt.
ren wird nur für weiche Werkstoffe angewandt.
gilt
V V
% D m 2
D %
V V
und damit
%
D ~p: (2.171)
%
Die Kompressibilität der Flüssigkeiten ist im
Vergleich zu den Werten bei Gasen sehr klein.
Abb. 2.90 Zur Definition des Drucks Die Eigenschaft von Flüssigkeiten, leicht ver-
schiebbar und näherungsweise inkompressibel zu
sein, wird in der Technik zur räumlichen Kraft-
verfolgung bei schnell wechselnden Druckvertei- übertragung ausgenützt (Hydraulik). Abb. 2.92
lungen hoher Frequenzen eingesetzt. Sie haben zeigt als Anwendung dieses Effekts die hydrau-
den Vorteil, dass ihre elektrischen Ausgangssi- lische Presse. Diese hat zwei bewegliche Kol-
gnale direkt zur Steuerung und Regelung wei- ben mit unterschiedlichen Querschnittsflächen
terverarbeitet werden können. Bei der Auswahl A1 und A2 . Die Rückschlagventile ermöglichen
eines geeigneten Manometers sind vor allem fol- wiederholte Pumpstöße auf den Presskolben:
gende Punkte zu berücksichtigen: Durch Öffnen des Absperrventils kann der Press-
kolben wieder zurückgefahren werden. Wird der
Aggregatszustand des Messstoffs, Pumpenkolben durch eine Kraft F1 reibungsfrei
Druck, Temperatur und weitere Stoffeigen- um die Wegstrecke s1 verschoben, so drückt das
schaften des Messstoffs sowie verschobene Volumen den Presskolben mit einer
Beeinflussung des Zeitverhaltens der Messein- Kraft F2 um die Wegstrecke s2 nach oben. Wegen
richtung durch die Messanordnung. der Gleichheit des Volumens (Inkompressibilität
der Flüssigkeiten) gilt A1 s1 D A2 s2 .
Empfehlungen für eine messtechnisch sinnvol- Ferner muss die am Pumpenkolben aufge-
le Druckbestimmung sind in der VDI/VDE- wandte Arbeit W1 D F1 s1 gleich der am Press-
Richtlinie 3512, Blatt 3 (Messanordnungen für kolben frei werdenden Arbeit W2 D F2 s2 sein.
Druckmessungen) enthalten. Es gilt F1 s1 D F2 s2 . Durch Division erhält man
2.12.1.2 Kompressibilität F1 F2
D oder p1 D p2 D p:
Druckerhöhungen bewirken bei Flüssigkeiten A1 A2
und Gasen eine Volumenabnahme. Näherungs-
weise ist die relative Volumenänderung V =V Für die Kraft F2 am Presskolben folgt
proportional zur Druckänderung p:
A2
F2 D F1 :
V A1
D ~p: (2.170)
V
Dies bedeutet, dass die Kraft F2 im Presskol-
Die Kompressibilität mit der Maßeinheit Pa1 ben um das Verhältnis A2 W A1 größer ist als die
ist die Proportionalitätskonstante; das Minuszei- Pumpkraft F1 . Für kreisförmige Kolben mit den
chen kennzeichnet die gegenläufigen Änderun- Durchmessern d1 und d2 ergibt sich
gen von Volumen und Druck. Wegen der Vo-
lumenänderung erfolgt auch eine Änderung der F1 A1 d2
D D 12 : (2.172)
Dichte % D m=V der Flüssigkeiten und Gase. Es F2 A2 d2
108
V D V0 C V D V0 .1 C #/
m %0
%D D : (2.175)
V 1 C #
2.12.1.4 Schweredruck
Durch die Gewichtskraft der Moleküle wird in
tieferen Schichten von Flüssigkeiten und Ga-
sen die Kraft auf die Begrenzungsfläche des
Flüssigkeits- oder Gasvolumens erhöht. In größe-
ren Tiefen ist der Druck in der Flüssigkeit oder
im Gas um den Schweredruck erhöht. Die Druck-
Abb. 2.95 Seitendruck in einer Flüssigkeit
erhöhung dp bei einer kleinen Zunahme dy der
Tiefe der Flüssigkeits- oder Gassäule beträgt
Die Summe von äußerem Druck pa und
dp D %gdy: (2.176)
Schweredruck py wird hydrostatischer Druck
phydr genannt. Die Abhängigkeit des hydrostati-
% ist die Dichte der Flüssigkeits- oder Gasschicht
schen Drucks von der Tiefe y (Abb. 2.94) ergibt
in der Tiefe y.
sich aus
phydr D pa C %gy: (2.178)
Schweredruck in Flüssigkeiten
Wegen der Schwerkraft wirkt auf eine Fläche Wie (2.178) zeigt, kann zur Druckmessung die
zusätzlich zu einem äußeren Druck pa die Ge- Höhe einer Flüssigkeitssäule verwendet werden
wichtskraft FG der über dieser Fläche liegenden (Flüssigkeitsmanometer). Der Schweredruck von
Flüssigkeitssäule, wie Abb. 2.94 zeigt. Diese Ge- 10 m Wasser beträgt nach (2.177) etwa 1 bar D
wichtskraft beträgt FG D mg D %Ayg. Für den 105 Pa.
Flüssigkeitsdruck am Ende der Säule ergibt sich Der Schweredruck auf eine seitliche Fläche As
durch Integration von (2.176) wird Seitendruck genannt. Da der Schweredruck
proportional zur Tiefe y zunimmt, greift die
py0 D %gy0 : (2.177) resultierende Kraft Fs nicht im Flächenschwer-
punkt S, sondern in einem tiefer gelegenen Punkt,
Dies bedeutet, dass der Schweredruck von Flüs- dem Druckmittelpunkt S0 an, wie Abb. 2.95 ver-
sigkeiten lediglich von der Füllhöhe, nicht aber deutlicht. Zur Berechnung der seitlich wirkenden
von der Form des Gefäßes abhängt. Man spricht Kraft wird die Fläche in Teilflächenstücke dA
hierbei vom hydrostatischen Paradoxon. unterteilt. Die Seitenkraft dFs innerhalb einer
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 111
mit mverd bzw. FG;verd als der Masse bzw. der In Flüssigkeiten verschiedener Dichten taucht ein
Gewichtskraft des verdrängten Flüssigkeits- oder schwimmender Körper unterschiedlich tief ein.
Gasvolumens. Die Auftriebskraft FA ist dem- Aus der Bestimmung der Senktiefe wird durch
nach gleich der Gewichtskraft des verdrängten Benutzung von Senkwaagen oder Aräometern in
Flüssigkeits- bzw. Gasvolumens. Sie hängt nur der Praxis häufig die Dichte von Flüssigkeiten er-
vom Volumen des eingetauchten Körpers bzw. mittelt.
von der verdrängten Flüssigkeitsmenge, nicht Bei einem schwimmenden Körper können
aber von seinem Gewicht ab. Bei gleichem Ein- sich Stabilitätsprobleme ergeben, wie Abb. 2.98
tauchvolumen erfährt also ein Stück Holz diesel- zeigt. Die Gewichtskraft FG greift im Schwer-
be Auftriebskraft wie ein Stück Blei. punkt des Körpers SK und die Auftriebskraft FA
Je nach dem Gewicht FG des eingetauchten im Schwerpunkt SFl an. Im Gleichgewichtszu-
Körpers sind drei Fälle zu unterscheiden: stand fallen die Wirkungslinien der beiden Kräfte
zusammen, sodass kein Drehmoment M wirk-
FG < FA : Der Körper schwimmt. sam werden kann. Wird der Körper gedreht, so
FG D FA : Der Körper schwebt. gibt es einen Schnittpunkt zwischen der Symme-
FG > FA : Der Körper sinkt. trielinie des Körpers und der Auftriebskraft FA .
Er wird Metazentrum M genannt. Der Abstand
Durch die Wirkung ihrer Auftriebskraft können zwischen den beiden Schwerpunkten SK und Sfl
die Dichten von festen Körpern und Flüssigkeiten ist der Ortsvektor r. Liegt das Metazentrum M
bestimmt werden. Dabei ist es erforderlich, dass über dem Körperschwerpunkt SK , dann wird der
die Gewichtskräfte des festen Körpers in Luft Körper vom Drehmoment M D r FA in die
(FG;L ) und nach dem Eintauchen in eine Flüs- Gleichgewichtslage zurückgedreht (stabile Lage,
sigkeit (FG;E ) gemessen werden, z. B. durch eine Abb. 2.98b). Befindet sich das Metazentrum M
hydrostatische Waage. Der Gewichtsunterschied unterhalb des Körperschwerpunktes SK , so kippt
FG;L FG;E ist gleich der Auftriebskraft: der Körper wegen des Momentes M D r FA
um (instabile Lage, Abb. 2.98c).
FG;L FG;E D FA D %fl Vg:
2.12.1.6 Grenzflächeneffekte
Wird für das Volumen des festen Körpers V D Kräfte, die zwischen gleichartigen Atomen oder
m=%K gesetzt und das Gewicht des festen Kör- Molekülen eines Stoffes wirken, werden Kohä-
pers durch FG;L D mg ausgedrückt, ergibt sich sionskräfte (Zusammenhangskräfte) genannt. Sie
sind elektrischen Ursprungs und werden auch van
m %fl
FG;L FG;E D %fl g D FG;L : (2.187) der Waals’sche Kräfte genannt (Abschn. 9.1.1.1).
%K %K
Kohäsionskräfte treten in festen Körpern und
Bei bekannter Dichte %fl der Flüssigkeit lässt sich Flüssigkeiten auf. Bei Gasen ist ihre Wirkung
die Dichte %K des festen Körpers berechnen: erst kurz oberhalb der Siedepunkte feststellbar;
die Kohäsionskräfte verursachen die Abweichun-
FG;L %fl gen vom idealen Gasverhalten und den Übergang
%K D %fl D : (2.188) zum realen Gas (Abschn. 3.4). Die Kohäsions-
FG;L FG;E FG;E
1 kräfte sind allgemein wesentlich stärker als die
FG;L
Gravitationskräfte.
Ist dagegen die Dichte des festen Körpers be- Wirken zwischen den Molekülen zweier ver-
kannt, so ergibt sich die Dichte der Flüssigkeit schiedener Stoffe Anziehungskräfte, so werden
gemäß sie Adhäsionskräfte (Anhangskräfte) genannt. Sie
können zwischen festen Körpern, festen Körpern
FG;E und Flüssigkeiten sowie zwischen festen Körpern
%fl D %K 1 : (2.189)
FG;L und Gasen (Adsorption) wirken.
114 2 Mechanik
a b c
dW
D : (2.190)
dA
Abb. 2.99 Kohäsionskräfte in Flüssigkeiten Die Einheit ist 1 J=m2 D 1 kg=s2 D 1 N=m.
Da ein System immer den Zustand kleinst-
möglicher potenzieller Energie einnimmt, sind
Oberflächenspannung Flüssigkeitsoberflächen stets Minimalflächen;
Die zwischen den Molekülen einer Flüssigkeit z. B. besitzt die Kugel die kleinste Oberfläche
wirkenden Kohäsionskräfte heben sich im Innern unter allen Körpern gleichen Volumens.
der Flüssigkeit auf, da jedes Molekül allseitig Die Oberflächenspannung wird häufig mit ei-
von gleichartigen Molekülen umgeben ist, wie nem beweglichen Bügel nach Abb. 2.100 ge-
Abb. 2.99 zeigt. An der Oberfläche fehlen die messen. Ein Drahtbügel der Länge l wird in
nach außen gerichteten Kräfte. Deshalb entsteht die Flüssigkeit getaucht und mit einer Kraft F
eine resultierende Kraft Fres ins Innere der Flüs- herausgezogen. Dabei bildet sich zwischen den
sigkeit. Um Moleküle gegen diese Kraft an die Eckpunkten ABCD eine dünne Flüssigkeitshaut.
Oberfläche zu bringen, muss die Arbeit W ver- Werden die Kraft F , bei der die Flüssigkeitshaut
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 115
zwischen gasförmiger (1) und flüssiger (2) und Benetzungsvorgänge sind beispielsweise wichtig
23 zwischen flüssiger (2) und fester Phase (3).
für die Wirksamkeit von Waschmitteln, Herstel-
Der Winkel zwischen der festen Phase und der lung von Emulsionen oder bei der Schwimmauf-
Flüssigkeitsoberfläche ist ˛. Wie aus Abb. 2.101
bereitung von Erzen. Benetzungserscheinungen
hervorgeht, müssen die waagrechten Spannungs- spielen auch eine Rolle, wenn enge Röhrchen
komponenten gleich groß sein, damit sich die (Kapillaren) in Flüssigkeiten getaucht werden.
Flüssigkeit nicht verschiebt: Wie Abb. 2.101 zeigt, tritt der Fall ein, dass in
der Kapillare die Flüssigkeit um die Höhe h hö-
13 D 23 C 12 cos ˛ oder her (Kapillaraszension oder kapillare Hebung)
12 cos ˛ D 13 23 : (2.193) oder tiefer steht (Kapillardepression oder kapil-
lare Senkung). Diese Erscheinung wird allgemein
Hinsichtlich der Benetzung gilt: Kapillarität genannt.
Im Folgenden ist die Kapillaraszension (kapil-
0 5 ˛ 5 =2: vollkommene Benetzung (z. B. lare Hebung) von Interesse. Die von der Ober-
Wasser/Glas ˛ 0ı ). flächenspannung herrührende Kraft F und
=2 < ˛ 5 : keine Benetzung (z. B. Quecksil- die Gewichtskraft der angehobenen Flüssigkeits-
ber/Glas ˛ D 140ı ). säule FG müssen gleich groß sein: F D FG .
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 117
Abb. 2.103 Vergleich der Felder in der Hydrodynamik mit den Feldern in der Wärmelehre und in der Elektrizitätslehre
119
120 2 Mechanik
Kontinuitätsgleichung (Durchflussgleichung)
Für den Vektor der Massenstromdichte gilt nach
Abb. 2.103
Abb. 2.104 Elektrolytischer Trog (schematisch) j D %v: (2.196)
Im allgemeinen Fall wird weder die Strömungs-
geschwindigkeit v konstant sein (keine paralle-
le Stromlinien), noch die Fläche A senkrecht
durchströmt werden, wie aus Abb. 2.106 hervor-
geht. Der Anteil des Massenstroms dm,P der ein
kleines Flächenelement dA durchströmt, beträgt
(mit dem Winkel ˛ zwischen dem Strömungsge-
schwindigkeitsvektor v und dem Vektor dA des
Flächenelements, der senkrecht auf der Fläche
dA steht)
P D
m D j dA D %vdA: (2.198) 2
dt 1
O O %V v22 C %Vgh2 :
2
Drei Fälle treten auf:
Mit W D p2 V p1 V folgt daraus
Quelle: Das Integral ist > 0; 1 1
Senke: Das Integral ist < 0 und p1 C %v12 C%gh1 D p2 C %v22 C%gh2 (2.201)
2 2
Quellenfreiheit: Das Integral ist D 0.
oder allgemein
Quellen- bzw. Senkenfreiheit bedeutet, dass der 1 2
Massenstrom durch ein Volumenelement kon- p C %v C %gh
„ƒ‚… 2
„ƒ‚… „ƒ‚…
stant bleibt. Für eine solche stationäre Strömung
statischer dynamischer geodätischer
existiert eine Kontinuitätsgleichung; sie ergibt Druck Druck Druck
(Staudruck)
sich aus (2.198) für dm=dt D konstant durch In-
tegration zu D pges D konstant: (2.202)
Während der geodätische Druck %gh und Die Drucksonde misst durch radiale Öff-
der Betriebsdruck p bereits aus der Mecha- nungen im Mantel der Sonde (parallel zu den
nik der ruhenden Flüssigkeiten und Gase be- Stromlinien) den statischen Druck pstat . Bei den
kannt sind (hydrostatischer Druck, (2.178) in Drucksonden wird meist ein piezoelektrischer
Abschn. 2.12.1.4), tritt der dynamische Druck Drucksensor eingesetzt. Den statischen Druck
(Staudruck) nur in strömenden Medien auf. pstat und den Staudruck pdyn misst das Pitot-
Rohr (H. P ITOT, 1695 bis 1771), das eine
Anwendungen der Kontinuitäts- und der axiale Bohrung hat. Das Prandtl’sche Staurohr
Bernoulli-Gleichung (L. P RANDTL, 1875 bis 1953) ist eine Kombinati-
on von Drucksonde und Pitot-Rohr. Es misst den
Druck- und Volumenstrommessung Differenzdruck zwischen Gesamtdruck und stati-
Abb. 2.109 zeigt die Wirkungsweise von Druck- schem Druck, d. h. den dynamischen Druck bzw.
messern, deren Messgrößen sowie die Berech- den Staudruck pdyn direkt. Sind Druck und Dich-
nungsgleichungen. te konstant, dann eignet sich das Prandtl’sche
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 123
dyn
dyn
= pstat + pdyn
Beispiel 2.12-3
In einer Stahlflasche befindet sich Gas unter
dem Druck pGas . Der äußere Druck beträgt
p0 . Wie groß ist die Ausströmgeschwindigkeit
vaus beim Öffnen des Ventils?
Lösung
Abb. 2.115 Hydrodynamisches Paradoxon Nach der Bernoulli-Gleichung (2.202) gilt im
vorliegenden Fall pGas D %vaus 2
=2 C p0 . Dar-
aus ergibt sich das Ausströmgesetz nach Bun-
gemäß Abb. 2.115 gegen eine bewegliche sen:
Platte gerichtet ist, drückt diese nicht weg, s
sondern zieht sie an. Der statische Druck pstat 2.pGas p0 /
vaus D : (2.212)
nimmt an der Plattenoberfläche ab, sodass der %
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 127
Strömungsimpuls a b
Geschwindigkeitsänderungen strömender Medi-
en bewirken Impulsänderungen, die nach dem
Impulssatz (Abschn. 2.5.2.1) Kräfte ergeben. Sol-
che Kräfte treten in der Strömungslehre vor allem
beim Verzögern oder Beschleunigen der Medien
sowie beim Umlenken auf. Der Impulssatz wird
im Folgenden auf reibungsfreie, inkompressible
Medien und stationäre Strömungen beschränkt.
Der Vorteil bei der Anwendung des Impulssat-
zes ist, dass nur die Strömungsverhältnisse beim
Eintritt in und Austritt aus dem Strömungsraum
bekannt sein müssen, um die Kraftwirkungen zu
bestimmen, nicht aber die Strömungsvorgänge im Abb. 2.117 Zum Impulssatz in der Hydrodynamik: Was-
serstrahl aus einer Düse a auf eine feststehende Platte,
Inneren des Strömungsraumes. Der Impulssatz b auf eine mit der Geschwindigkeit u bewegte Platte
lautet nach (2.50)
X dp
Fa D : Abgrenzen des Systems (Strömungsraums)
dt
und Festlegen des Ein- und Austritts des Strö-
Darin ist der Impuls p D mv. Mit der Dichte mungsraums;
% D m=V kann für den Impuls in strömenden Ermitteln der Querschnitte, der Strömungs-
Medien geschrieben werden geschwindigkeiten und Drücke am Ein- und
Austritt;
p D %V v: (2.213) Bestimmen der äußeren Kräfte und der Im-
pulskräfte sowie
In inkompressiblen, stationären Strömungen sind Ermitteln der resultierenden Kraft (grafisch
Dichte und Geschwindigkeit konstant. Dann gilt und analytisch).
für die Impulsänderung
Der Impulssatz spielt bei Wasserkraftmaschinen
dp dV wegen der Strahlablenkung eine wichtige Rolle.
D %v : (2.214)
dt dt Ein Strahl, der aus einer Düse austritt, wird an ei-
ner Wand so umgelenkt, dass er parallel zur Wand
Der Impulssatz für einen beliebigen Strömungs- abströmt. Wird der Strahl wie in Abb. 2.117 senk-
raum lautet damit recht auf eine Platte gerichtet, so gilt für die
X X dV Kraft in x-Richtung Fx D %vdV =dt und wegen
Fa D %v : (2.215) dV =dt D Av
dt
P Fx D %v 2 A: (2.216)
Fa äußere Kräfte, die an den Grenzen des
Strömungsraums von außen angreifen Bewegt sich die Wand mit der Geschwindigkeit
(z. B. Druck- oder Schwerekräfte),
P dV u in Strahlrichtung, dann nimmt die Kraft ab
%v Impulskräfte, die an den Grenzen des (Abb. 2.117b):
dt
Strömungsraums nach außen wirken.
Fx D %A.v u/2 : (2.217)
Das Vorzeichen ist beim Eintritt in den Strö-
mungsraum positiv und beim Verlassen negativ. Je nach Form der Wand und Auftreffwinkel des
Bei der Anwendung des Impulssatzes ist folgen- Strahls ergeben sich unterschiedliche Kräfte bzw.
de Vorgehensweise zweckmäßig: Drehmomente.
128 2 Mechanik
a d 2
Druckkraft Fp1 D p1 A D p1 ,
4
dV
Impulskraft FI1 D %v D %Av 2 D
dt
d 2
%v 2 .
4
Kräfte am Austritt
2 (gegen die Strömungs-
richtung):
d 2
Druckkraft Fp2 D p2 A D p2 ;
4
d 2
Impulskraft FI2 D %v 2 :
4
Nach dem Kräftedreieck in Abb. 2.118b ist
˛ Fres 1
sin D 2
:
2 2 d d 2
%v 2 C p1
4 4
b
Daraus folgt
d 2 ˛
Fres D .p1 C %v 2 / sin : (2.218)
2 2
Man erhält mit v D 4VP =d 2 D 25;46 m=s,
% D 103 kg=m3 und ˛ D 90ı
dL D dmr v:
Lösung
Die Geschwindigkeiten am Ein- und Austritt Mit der Umfangsgeschwindigkeit vu gilt für den
sind v1 D v2 D v. Betrag des Drehimpulses
Kräfte am Eintritt
1 (in Strömungsrich-
tung): dL D dmrvu :
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 129
dV
M D% .vu2 r2 vu1 r1 /: (2.220)
dt
Bei Pumpen ist das feststehende Leitrad dem
Laufrad zur Druckerhöhung nachgeschaltet. Des-
halb sind die Komponenten der Umfangsge-
schwindigkeiten vu2 kleiner als vu1 , sodass
nach (2.220) ein verzögerndes Moment auftritt.
In Abb. 2.121 sind die Strömungsverhältnis-
Abb. 2.119 Zum Drehimpulssatz se für radiale Laufräder in Turbinen und Pumpen
vergleichend gegenübergestellt. Hierin sind
Abb. 2.122 Zum Newton’schen Reibungsgesetz: a lineares Geschwindigkeitsgefälle, b Abgleiten der Flüssigkeits-
schichten
Laminare Rohrströmung
Bei einer laminaren Strömung durch ein Rohr
haftet die Flüssigkeit am Rand und bewegt sich
in der Mitte am schnellsten. Die Strömung kann
zusammengesetzt gedacht werden aus dünnen
Hohlzylindern, die reibungsbehaftet aneinander
vorbeigleiten. Abb. 2.123 zeigt die Geschwin-
digkeitsverteilung in einer Rohrströmung. Ein Abb. 2.123 Laminare Rohrströmung nach dem Hagen-
Flüssigkeitszylinder mit dem Radius r gleitet Poiseuille’schen Gesetz
am angrenzenden Hohlzylinder (rot) ab. An der
Grenzfläche ist die Druckkraft Fp gleich der Rei-
Hagen-Poiseuille’sche Gesetz (G. H AGEN, 1797
bungskraft FR : Fp D FR . Aus
bis 1884; J. L. M. P OISEUILLE, 1799 bis 1869):
dv p1 p2 2
.p1 p2 / r 2 D A bzw: v.r/ D .R r 2 /: (2.230)
dr 4l
dv
.p1 p2 / r 2 D 2 rl
dr Gleichung (2.230) beschreibt einen parabelför-
migen Verlauf der Geschwindigkeit in Abhängig-
ergibt sich keit vom Radius. Der Massenstrom dm P errech-
net sich nach (2.198) aus dmP D %v.r/dA D
2l
rdr D dv: 2 %v.r/r dr. Wird v.r/ nach dem Hagen-
.p1 p2 / Poisseuille’schen Gesetz eingesetzt und inte-
griert, dann resultiert
Durch Integration wird daraus
ZR
4l dm % .p1 p2 / 2
r D
2
v C C: P D
m D .R r 2 /rdr
.p1 p2 / dt 2l
0
R4 .p1 p2 /
Wird diese Gleichung nach der Strömungsge- VP D : (2.232)
schwindigkeit v aufgelöst, so ergibt sich das 8l
134 2 Mechanik
.p1 p2 / l: (2.233)
folgen mit dem Kugelvolumen VK D 43 r 3 parallel verlaufen, ändern sich in der turbulenten
Strömung die Geschwindigkeitsvektoren ständig
2gr 2 .%K %Fl / nach Richtung und Größe. Streng genommen ist
vD und (2.236)
9 eine turbulente Strömung deshalb immer insta-
2gr 2 .%K %Fl / tionär. Als stationär wird sie angesehen, wenn die
D : (2.237) über den Querschnitt gemittelte Geschwindigkeit
9v
von der Zeit unabhängig ist.
Bernoulli-Gleichung bei Newton’scher Eine Wirbelbildung tritt auf, wenn sich die
Reibung Flüssigkeitsschichten ablösen. Die Entstehung
Die Reibungskraft verursacht in der Stromröhre von Wirbeln kann modellmäßig erklärt werden.
(Abb. 2.102) einen Druckverlust pV und vermin- Abb. 2.125a zeigt den reibungsfreien Idealfall.
dert dadurch die Druckdifferenz p1 p2 . Wird Während an den Punkten A und C die Strö-
die Bernoulli-Gleichung (2.201) um den Druck- mungsgeschwindigkeit v D 0 und deshalb nach
verlust erweitert, so ergibt sich der Bernoulli-Gleichung der statische Druck ma-
ximal ist, wird an den Punkten B und D die
%v12 %v 2 Geschwindigkeit am größten (v D vmax ) und des-
%gh1 C C p1 D %gh2 C 2 C p2 C pV :
2 2 halb der Druck am geringsten. Ohne Wirkung
(2.238) einer Reibungskraft werden die Flüssigkeitsteil-
chen von A nach B beschleunigt und durch die
In der Praxis wird der Druckverlust oft als Ver-
zunehmende Druckkraft von B nach C auf v D
lusthöhe hV angegeben:
0 wieder abgebremst; Entsprechendes gilt für
den Weg ADC. Unter der Wirkung von Rei-
pV D %ghV : (2.239)
bungskräften werden die Flüssigkeitsteilchen vor
dem Punkt C zur Ruhe kommen. Die Reibungs-
Die Verlusthöhe hV ist diejenige Höhe, um die
kraft wird sie zwingen, ihre Richtung zu ändern.
der Zufluss angehoben werden muss, um am Aus-
Dadurch treten Wirbel auf, die nach dem Dre-
fluss aus der Stromröhre denselben Druck wie im
himpulserhaltungssatz (Abschn. 2.8.4) paarweise
reibungsfreien Fall zu erzeugen.
auftreten (Abb. 2.125b).
Für die Verlusthöhe hV in geraden Rohrleitun-
Die Widerstandskraft FW setzt sich aus
gen mit konstantem Querschnitt gilt das Rohrwi-
zwei Anteilen zusammen. Dies verdeutlicht
derstandsgesetz
Abb. 2.126.
l v2
hV D : (2.240) Reibungswiderstandskraft FR (z. B. längs ei-
d 2g
ner überströmten Platte, Abb. 2.126a). Dies ist
Hierin sind die bei der Strömung wirkende Reibungskraft.
Nach einer bestimmten „Lauflänge“ entlang
l Länge der Rohrleitung, der Platte wird die Grenzschicht der Strö-
d Durchmesser des Rohres, mung turbulent. Der Umschlag in Turbulenz
v Strömungsgeschwindigkeit, hängt von der Form der Plattenvorderkante,
g D 9;81 m=s2 Fallbeschleunigung. aber auch von der Rauigkeit der Oberfläche ab.
Druckwiderstandskraft FD (z. B. quer ange-
Der dimensionslose Proportionalitätsfaktor ist strömte Platte, Abb. 2.126b). Beispielsweise
die Rohrreibungszahl. Sie ist stark abhängig von bilden sich auf der Rückseite einer quer ange-
der Oberflächenrauigkeit und der Reynoldszahl. strömten Platte Wirbel, in denen sich die Flüs-
sigkeitsteilchen sehr schnell bewegen. Nach
Umströmen von Körpern der Bernoulli-Gleichung hat dies einen ver-
Während bei der laminaren Strömung die Ge- minderten statischen Druck zur Folge. Da-
schwindigkeitsvektoren der Flüssigkeitsteilchen durch entsteht eine Druckdifferenz vor und
136 2 Mechanik
a b
hinter der Platte. Die dieser Druckdifferenz Sie nimmt quadratisch mit der Strömungsge-
entsprechende Kraft ist die Druckwiderstands- schwindigkeit zu.
kraft. Sie tritt auch bei Umlenkungen und Der Proportionalitätsfaktor cW in (2.242) ist
Querschnittsveränderungen auf. Sie ist pro- dimensionslos und wird Widerstandsbeiwert ge-
portional zum Staudruck und zur angeström- nannt. Man misst ihn experimentell im Wind-
ten Stirnfläche A, d. h. dem in Strömungsrich- kanal, und er ist nur bei Vernachlässigung der
tung wirkenden Profil: Reibungswiderstandskraft konstant, d. h. bei ho-
% hen Anströmgeschwindigkeiten. Abb. 2.127 zeigt
FD D cD v 2 A: (2.241) einen Pkw im Strömungskanal. In Abb. 2.128
2
sind einige Widerstandsbeiwerte cW für un-
cD ist der Druckwiderstandsbeiwert. Für den ge- terschiedliche Anströmgeometrien zusammenge-
samten Widerstand (Abb. 2.126c) ergibt sich die stellt. Ein Körper in Stromlinienform mit cW D
Widerstandskraft aus 0;055 zeigt den geringsten Widerstandsbeiwert.
% Diese Geometrie hat die Besonderheit, dass der
FW D FR C FD D cw Av 2 : (2.242)
2 Druckabfall entlang des Körpers so langsam
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 137
Abb. 2.127 PKW (Audi A6) mit dem Widerstandsbeiwert cW D 0;30 im Windkanal. Werkfoto: Audi
stattfindet, dass keine Wirbel auftreten können. nes umströmten Profils zeigt, bildet sich zunächst
In der Praxis würden bei Fahrzeugen dadurch al- eine laminare Grenzschicht aus. In diesem Be-
lerdings sehr lange Heckteile notwendig werden. reich werden die Teilchen beschleunigt. Bei der
Um sie zu verkürzen und trotzdem günstige cW - weiteren Strömung entlang der Platte nimmt der
Werte zu erreichen, wird das Strömungsprofil nur Strömungsdruck zu, sodass wegen der jetzt be-
schwach verjüngt und dann plötzlich senkrecht ginnenden Verzögerung der strömenden Teilchen
mit einer Abrisskante begrenzt. Die störende Rei- eine Wirbelbildung einsetzt. Es entsteht auf ei-
bungswirkung von Wirbeln kann auch dadurch ner laminaren Grenzschicht eine turbulente Strö-
gemildert werden, dass die Wirbel durch Schlitze mung.
an der Oberfläche abgesaugt werden. Die Leis- Der Begriff Grenzschicht wurde von
tung, die gegen eine turbulente Strömung aufge- L. P RANDTL (1875 bis 1957) in die Strömungs-
bracht werden muss, errechnet sich wegen P D lehre eingeführt. Die Grenzschichtdicke Dl der
F v zu laminaren Strömung nimmt mit p zunehmender
% Länge des Profils proportional zu l zu. Sie ist
P D cW Av 3 : (2.243) umso dünner, je kleiner die Viskosität ist. Die
2
Grenzschichtdicke Dl kann folgendermaßen ab-
Die Strömungsleistung nimmt also mit der dritten geschätzt werden:
Potenz der Anströmgeschwindigkeit zu. (Bei der Wird eine Platte der Fläche A und der Län-
Verdopplung der Anströmgeschwindigkeit z. B. ge l mit der konstanten Geschwindigkeit v durch
verachtfacht sich die Strömungsleistung.) eine Flüssigkeitsschicht gezogen, dann muss
Bei der Umströmung von Körpern bildet sich nach (2.225) die Reibungskraft
eine Grenzschicht D aus, innerhalb der die Strö-
mungsgeschwindigkeit von v D 0 auf den vollen v
FR D 2A
Wert ansteigt. Wie Abb. 2.129 am Beispiel ei- Dl
138 2 Mechanik
Ähnlichkeitsgesetze
Um Vorgänge der Strömungsmechanik im Labor-
maßstab studieren und um strömungsmechani-
sche Anlagen, z. B. Wasserkraftwerke, entwerfen
zu können, werden im verkleinerten Maßstab
Modelle angefertigt. Damit man richtige Aussa-
gen erhält, muss das Modell dem Original ähnlich
sein. Wie Abb. 2.130 zeigt, muss für strömungs-
mechanische Modelle Ähnlichkeit in zwei Berei-
chen vorliegen:
Abb. 2.129 Laminare und turbulente Grenzschichtbildung bei der Umströmung von Körpern
einen konstanten geometrischen Faktor verklei- Tab. 2.10 Kritische Reynoldszahl Rekrit sowie Rohrrei-
nert, dann entsteht eine entsprechende Geometrie bungszahl bzw. Widerstandsbeiwert cW (bei Re
Rekrit ) für verschiedene Strömungsgeometrien
für den Körper B.
Wegen der Kontinuitätsgleichung (2.199) blei- Rekrit I cW
64
ben die Geschwindigkeitsverhältnisse gleich, kreisrundes Rohr 2320 D
Re
wenn gilt: vA0 =vA D vB0 =vB . Damit ändern
24
sich auch die Verhältnisse der anderen Grö- Kugel 1;7 105 bis cW D
4 105 Re
ßen entsprechend, sodass für die Grenzschichtdi-
cken D und die charakteristischen Längen L gilt: 1;328
Platte 3;2 105 bis 106 cW D p
DA =DB D LA =LB . Mit (2.244) für die Grenz- (längs angeströmt) Re
schichtdicke D erhält man:
s
A LA %B vB LA Bei turbulenten Strömungen spielt die Ober-
D : (2.245) flächenrauigkeit k eine wichtige Rolle. Sie hängt
%A vA B LB LB
sehr von der Bearbeitung der Werkstückoberflä-
Daraus ergibt sich folgende Gleichung: che ab. Die Rauigkeitswerte dieser Oberflächen
werden ermittelt, indem man ihre Strömungs-
vA LA %A vB LB %B widerstände vergleicht mit denen, die künst-
D : lich erzeugte Sandrauigkeiten verursachen. In
A B
Abb. 2.132 ist für Rohre das Rohrreibungszahl-
Der Ausdruck vL%= ist die dimensionslose (), -Reynoldszahl-(Re)-Diagramm dargestellt.
Reynoldszahl Re. Es gilt also: Es ist doppeltlogarithmisch ausgeführt und zeigt
vier Bereiche:
vL% vL
Re D D : (2.246)
Laminarer Bereich (schräg abwärts geneigte
Gerade für D 64=Re; Re < 2320);
Hierbei ist v die Strömungsgeschwindigkeit und turbulenter Bereich (Re > 2320) und zwar für
L eine charakteristische Länge. Diese wird durch – hydraulisch glatte Rohre (k D 0; Kurve a;
den Versuchsaufbau bestimmt, mit dem die D f(Re)) und für
Reynoldszahl gemessen wird (z. B. ein Rohr- – hydraulisch raue Rohre (Bereich II; D
oder Kugeldurchmesser oder die Länge einer f.k=D// sowie das
Platte). ist die dynamische, die kinematische – Übergangsgebiet (Bereich I; D
Viskosität. Durch den Zusammenhang mit der f.Re; k=D//.
Viskosität ist die Reynoldszahl temperatur- und
bei Gasen auch druckabhängig. Der in der Praxis wichtige Bereich ist in
Bei einer laminaren Strömung ist Re < Rekrit Abb. 2.132 hervorgehoben. Tab. 2.11 zeigt den
mit Rekrit als der kritischen Reynoldszahl. Die Zusammenhang zwischen der Rohrreibungszahl
Strömung ist turbulent, wenn Re > Rekrit ist. bzw. dem Widerstandsbeiwert cW und der
Der Umschlag der beiden Zustände (bei Rekrit / ist Reynoldszahl Re für Rohre und Platten in diesen
nicht sprunghaft und hängt beispielsweise auch vier Strömungsgebieten.
von der Störfreiheit an der Einlaufstelle ab.
Tab. 2.10 zeigt die kritischen Reynoldszahlen Beispiel 2.12-7
und die Widerstandsbeiwerte für ein kreisrundes Das Modell eines Pkw wird im Maßstab 1:10
Rohr, eine Kugel und eine Platte im Laminar- im Windkanal erprobt. Berechnet werden soll
bereich. (Für ein kreisrundes Rohr wird statt cW die Anblasgeschwindigkeit v2 , wenn die Strö-
üblicherweise die Rohrreibungszahl verwendet, mungsverhältnisse des Fahrzeugs bei einer
s. (2.240).) Fahrtgeschwindigkeit v1 D 120 km=h un-
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 141
Tab. 2.11 Rohrreibungszahl und Widerstandsbeiwert cW für Rohre mit dem Durchmesser D und Platten mit der Länge l in Abhängigkeit von der Rauigkeit k und der
Reynoldszahl Re
laminare Grenzschicht turbulente Grenzschicht
hydraulisch glatt hydraulisch rau Übergangsgebiet
64
Rohre D (1) Blasius Nikuradse Colebrook
Re 0;3164 1 D 1 2;51 k
D p 4
(2) p D 2 lg C 1;14 (4) p D 2 lg p C 0;27 (5)
Re k Re D
.2320 < Re < 105 /
Prandtl/Karman p !
1 Re
p D 2 lg (3)
2;31
0;309
cW
.lg.Re=7/2 /
1;328 0;0745
Platten cW D p (6) cW D p 5
(7) Voraussetzung: cW aus empirischen Tabellenwerken
Re Re k
Re = 100
l
0;418
cW D 2;53 (8)
l
2 C lg
k
2 Mechanik
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 143
a b
M um den vorderen Punkt O, das vom Anstell- nicht vernachlässigbare Dichteänderungen. Die
winkel ˛ abhängt, kann der Abstand r D OP Bernoulli-Gleichung (2.202) gilt dann nur noch
des Druckpunkts bestimmt werden. Mit (2.249) für sehr kleine Strömungsbereiche, in denen
und (2.242) folgt die Höhendifferenzen vernachlässigbar klein sind
und die Dichte näherungsweise konstant ist. Ei-
M D r.FA cos ˛ C FW sin ˛/ oder ne differenzielle Druckänderung dp bewirkt dann
% 2 eine differenzielle Änderung der Strömungsge-
M D v Ar.cA cos ˛ C cW sin ˛/: (2.253)
2 schwindigkeit vdv:
Mit cM l D r.cA cos ˛ C cW sin ˛/ resultiert
dp
% vdv C D0 oder integriert
M D cM v 2 Al: (2.254) %
2 Z
v2 dp
cM wird Momentenbeiwert genannt. Durch die C D konstant: (2.256)
2 %
Messung des Drehmomentes M im Windkanal
kann der Momentenbeiwert cM und damit die Diese Gleichung ist die verallgemeinerte Ber-
Lage des Druckpunktes eines Tragflügelprofils noulli-Gleichung für kompressible Medien.
bestimmt werden. Für die adiabatischen Strömungen idealer Ga-
Für einen Tragflügel soll die Auftriebskraft se ergibt sich nach (3.66) (Abschn. 3.3.5.4)
FA möglichst groß und die Widerstandskraft FW p=%~ D konstant. Wird daraus die Dichte %
möglichst gering werden. Ein Maß dafür ist die in (2.256) eingesetzt und diese integriert, ergibt
Gleitzahl sich
FW cW
"D D : (2.255)
FA cA v2 ~ p
C D konstant: (2.257)
Die Werte für den Widerstandsbeiwert cW und 2 ~1 %
den Auftriebsbeiwert cA sind vom Anstellwinkel
˛ (Abb. 2.133a) abhängig. Diese Zusammenhän- Bei idealen Gasen ist der Isentropenexponent
ge werden empirisch im Windkanal ermittelt und ~ D cp =.cp Ri / (Abschn. 3.3.4, (3.60)). Mit
in ein Polardiagramm eingezeichnet. Abb. 2.134 Hilfe der Zustandsgleichung idealer Gase (Ab-
zeigt das Polardiagramm der Auftriebs- und schn. 3.1.5, (3.20)) erhält man für die adiabati-
Widerstandsbeiwerte eines Hubschrauberrotor- schen Gasströmungen den folgenden Zusammen-
blatts. hang zwischen der Strömungsgeschwindigkeit v
und der absoluten Gastemperatur T :
Bernoulli-Gleichung für kompressible Medien
Gase zeigen bei hohen Strömungsgeschwindig- v2
C cp T D konstant: (2.258)
keiten (v > 0;3c; c Schallgeschwindigkeit) 2
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 145
Abb. 2.134 Auftriebs- und Widerstandsbeiwerte für das Rotorblatt eines Hubschraubers. Werkbild: MBB
Tab. 2.12 Unterschall- und Überschallströmung bei Bei der Pumpenkennlinie H D f .Q/ dagegen
Querschnittsänderung (v Strömungsgeschwindigkeit, c nimmt bei Strömungspumpen mit zunehmen-
Schallgeschwindigkeit)
dem Förderstrom Q die Förderhöhe H ab
Quer- Quer- Quer- (Abb. 2.136).
schnitts- schnittser- schnitts-
verengung weiterung minimum Abb. 2.137 zeigt das Schema einer Pumpsta-
dA < 0 dA > 0 dA D 0 tion. Die Bernoulli-Gleichung (2.202) für diese
Unterschall dv > 0 dv < 0 entweder Anlage lautet unter der Berücksichtigung der
Ma < 1 dv D 0 Reibungsverluste durch die Verlusthöhe hV für
Überschall dv < 0 dv > 0 oder
den Eintritt e bzw. den Austritt a
Ma > 1 vDc
Pe v2
he C HA C C e
%g 2g
terschallbereich erhöht sich bei Querschnittsver- Pa v2
engung die Geschwindigkeit, während sie sich D ha C h C C a:
%g 2g
im Überschallbereich vermindert. In Höhen ober-
halb h D 180 km ist die Atmosphäre allerdings Die Geschwindigkeiten ve und va sind in den
so dünn, dass keine Schallausbreitung mehr statt- Punkten e und a zu messen. Daraus errechnet
finden kann. Die Machzahl ist dann bedeutungs- sich die Förderhöhe HA zu
los. – Wichtig ist ebenfalls das unterschiedliche
pa pe
Verhalten bei einer Querschnittserweiterung. Bei HA D .ha he / C
%g
einer Lavaldüse ist dies beispielsweise der Fall. „ ƒ‚ …
Deshalb ist am Einlauf v < c, sodass am engsten statischer Anteil
Querschnitt v D c wird. Bei einem Diffusor hin- v 2 ve2
C a C hV (2.262)
gegen wird v > c, wenn p genügend abgesenkt 2g
wird. „ ƒ‚ …
dynamischer Anteil
2
6 .11 6/ 105
D 6
4 5 C
907 9;81
3
0;062 0;062
0;82 1;52 7
C C 77
5m
2 9;81
D 68;19 m:
Wasserturbinen
Wasserturbinen sind Wasserkraftmaschinen, in
denen hydraulische Energie (Lageenergie und
Strömungsenergie) in mechanische Arbeit um-
gewandelt wird. Je nach Anteil der Lageener-
gie (bestimmt durch die Fallhöhe H ) im Ver-
hältnis zur Strömungsenergie unterscheidet man
drei Ausführungen, die nach ihren Konstrukteu-
ren Pelton-Turbinen (L. A. P ELTON, 1829 bis
1908), Francis-Turbinen (J. B. F RANCIS, 1815
bis 1892) und Kaplan-Turbinen (V. K APLAN,
1876 bis 1934) genannt werden; außerdem gibt
es noch S-Turbinen (S-förmiger Strömungskanal)
Abb. 2.137 Schema einer Pumpstation
und Rohrturbinen (Abb. 2.139). Nach der Fallhö-
he werden die Wasserturbinen eingeteilt in
Eintrittsdruck pe D 6 105 Pa,
Hochdruck-Turbinen: Bei ihnen ist die Fallhö-
Austrittsdruck pa D 11 105 Pa,
he H groß (H > 200 m) und der Volumen-
Förderstrom Q D 0;06 m3 =s,
strom Q klein. Beispiele dafür sind Pelton-
Verlusthöhe hV D 7 m,
und Francis-Turbinen;
Eintrittsquerschnitt Ae D 1;5 m2 ,
Mitteldruck-Turbinen: Bei ihnen ist die Fall-
Austrittsquerschnitt Aa D 0;8 m2 ,
höhe H mittelgroß und der Volumenstrom Q
Wirkungsgrad D 0;85.
ebenfalls. Beispiele dafür sind Francis- und
Kaplan-Turbinen;
Niederdruck-Turbinen: Bei ihnen ist die Fall-
Lösung
höhe H klein (H < 50 m) und der Volumen-
strom Q groß. Beispiele hierfür sind Kaplan-,
a) Nach (2.263) ergibt sich für die Förderhöhe
S- und Rohr-Turbinen.
pa pe
HA D .ha he / C Um diese verschiedenen Turbinentypen sowie
%g
2 2 unterschiedliche Baugrößen desselben Typs un-
Q Q
tereinander vergleichen zu können, dient die spe-
A2a A2e
C C hV zifische Drehzahl nq . Sie ergibt sich aufgrund
2g
2.12 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase-, Hydro- und Aeromechanik 149
Abb. 2.138 Anwendungsbereiche der verschiedenen Arten von Wasserturbinen. Werkbild: Voith
von Ähnlichkeitsgesetzen aus analogen Überle- spiele und Laufräder der verschiedenen Turbi-
gungen wie die Reynolds- bzw. die Froundezahl nenarten sowie konstruktive Merkmale und Ein-
(Abschn. 2.12.2.4). Sie ist die Drehzahl, die sich satzbereiche aufgeführt.
ergibt, wenn die Turbinen bei einer Fallhöhe In Abschn. 2.12.2.2 ist darauf hingewiesen,
H D 1 m einen Volumenstrom Q D 1 m3 =s ver- dass nach der Bernoulli-Gleichung (2.202) der
arbeiten. Der Zusammenhang zwischen Fallhöhe statische Druck pstat mit zunehmender Strö-
und Volumenstrom ergibt sich aus mungsgeschwindigkeit v abnimmt. Sinkt der sta-
p tische Druck unter den Dampfdruck pD der
n Q Flüssigkeit, dann bilden sich Dampfblasen oder
nq D 0;75 (2.264)
H vorhandene Blasen vergrößern sich. Steigt der
mit n als der Drehzahl der Anlage. Druck wieder an, dann kondensiert der Dampf
Die Anwendungsbereiche von Wasserturbinen in den Hohlräumen, und das Strömungsmedi-
in Abhängigkeit von Fallhöhe H und spezifi- um schlägt mit hoher Geschwindigkeit auf das
scher Drehzahl nq sind in Abb. 2.138 dargestellt. Turbinenmaterial. Dieser Vorgang wird Kavita-
Daraus ist ersichtlich, dass Pelton-Turbinen für tion (Hohlraumbildung) genannt. Dabei können
hohe Fallhöhen bei niedrigen spezifischen Dreh- Druckspitzen bis 1010 Pa bei Frequenzen um
zahlen und Kaplan- bzw. S- oder Rohrturbinen 2 kHz auftreten. Diese ständigen Beanspruchun-
bei niedrigen Fallhöhen und hohen spezifischen gen führen zur Zerstörung der Materialoberflä-
Drehzahlen zum Einsatz kommen. In den Über- che. Die kritische Geschwindigkeit, oberhalb der
schneidungsbereichen muss man die Vor- und Kavitation eintritt, lässt sich aus der Bernoulli-
Nachteile der Turbinenart abwägen. Häufig sind Gleichung (2.202) zu
die örtlichen Gegebenheiten ausschlaggebend. In s
Abb. 2.139 sind die Turbinentypen vergleichend 2.pges pD /
vkrit D (2.265)
gegenübergestellt. Es sind außerdem Einbaubei- %
150
abschätzen. Sie ist für Wasser bei pges D 1 bar tungsrohr hat eine Länge von l D 7 m und einen
und 20 ı C (pD D 2340 Pa) vkrit D 14 m=s. Durchmesser d D 1;7 cm. Wie groß ist der erfor-
Dies bedeutet, dass mit der Kavitation bei vielen derliche Pumpendruck (%Öl D 0;85 kg=l; Öl D
Wassermaschinen gerechnet werden muss. Bei 0;2 N s=m2 )?
der Konstruktion von Wasserturbinen sollte daher
darauf geachtet werden, dass Ü 2-58 Zur Messung der dynamischen Viskosi-
tät eines Öls (%Öl D 0;85 kg=l) wird ein Kugel-
möglichst hohe äußere Drücke auftreten, fallviskosimeter benutzt. Die Stahlkugel (%K D
dünne Schaufelprofile verwendet werden und 7;85 kg=dm3) hat einen Durchmesser d D 2 mm
nur kleine Anstellwinkel möglich sind. und fällt in t D 2 s s D 10 cm weit. Wie groß
ist ?
Zur Beurteilung der Gefahr auftretender Kavita-
tion kann die Kavitationszahl nach D. T HOMA
Ü 2-59 Ein Segelflugzeug der Masse m D
herangezogen werden:
200 kg und der Projektionsfläche A D 18 m2
p0 pD fliegt mit einer Geschwindigkeit v D 60 km=h
D 1 2 (2.266)
2 %v 0
unter einem Gleitwinkel D 8ı . Wie groß sind
Auftriebs- und Widerstandskraft? Zu bestimmen
Dabei ist p0 der Referenzdruck und v0 die Refe- sind ferner der Widerstandsbeiwert cW und der
renzgeschwindigkeit. Bestimmt man experimen- Auftriebsbeiwert cA .%Luft D 1;25 kg=m3 /.
tell die kritische Kavitationszahl kr , bei der
Kavitation einsetzt, dann ist für > kr die Strö- Ü 2-60 Ein Wasserbehälter hat am Boden eine
mung frei von Kavitation. waagerechte Ausflussröhre mit dem Durchmes-
ser d D 1;2 mm, die l D 50 cm lang ist.
2.12.2.6 Zur Übung Aus welcher Höhe h über der Ausflussröhre
sinkt der Wasserspiegel ab, wenn turbulente Strö-
Ü 2-57 Ein Öltankeinlauf liegt 6 m höher als die mung in laminare Strömung umschlägt (W D
Pumpe (Förderstrom VP D 0;8 l=s). Das Zulei- 103 N s=m2 )?
Thermodynamik
3
3.1.2 Thermodynamische
Grundbegriffe Die Änderung Z einer Zustandsgröße Z
hängt nicht von der Art der Prozessführung
Systeme ab, sondern nur vom Anfangs- und Endzu-
Ein räumlich abgrenzbarer Bereich, der heraus- stand. Es gilt
gelöst von seiner Umgebung betrachtet werden
soll, wird als System bezeichnet. Nach Art der Z D Z2 Z1 : (3.1)
Systemgrenzen werden verschiedenartige Syste-
me unterschieden, wie aus Tab. 3.1 hervorgeht.
Eine Zustandsgröße ist also eine eindeutige
Zustand, Zustandsgrößen, Prozessgrößen Funktion der unabhängigen Variablen. Beispiels-
In der Mechanik wird die Lage eines Punktes weise lässt sich die innere Energie U eines Sys-
im Raum durch drei Koordinaten festgelegt; in tems (Abschn. 3.3.3) als Funktion der Variablen
der Thermodynamik benutzt man Zustandsgrö- T und V schreiben: U D U.T; V /. Daher ist das
ßen, um den Zustand eines Systems zu beschrei- Differenzial
ben. Historisch bedingt wird zwischen den direkt
messbaren thermischen Zustandsgrößen @U @U
dU D dT C dV
@T V @V T
Druck p,
Volumen V , das totale Differenzial einer Funktion der Zu-
Temperatur T standsvariablen.
Im Gegensatz zu den wegunabhängigen Zu-
und den davon abgeleiteten kalorischen Zu- standsgrößen sind Wärme und mechanische Ar-
standsgrößen, wie z. B. beit wegabhängige Prozessgrößen. Die mit dem
System bei einer Zustandsänderung ausgetausch-
innere Energie U , ten Energiebeträge sind von dem Verlauf des
Enthalpie H und Prozesses abhängig.
Entropie S Infolgedessen ist eine differenziell kleine Grö-
ße einer solchen Prozessgröße nicht das totale
unterschieden. Differenzial einer Funktion von Zustandsvaria-
Bleiben die Zustandsgrößen zeitlich konstant, blen. Derartige kleine Größen werden im Fol-
dann befindet sich das System in einem Gleichge- genden nicht mit einem d versehen, sondern mit
wichtszustand. Der Zustand eines Systems kann einem •. So ist also beispielsweise eine diffe-
auf verschiedene Weise verändert werden (z. B. renziell kleine Wärme •Q oder ein differenziell
durch Wärmezufuhr von außen). Hat sich, aus- kleiner Arbeitsbetrag •W .
gehend von dem Gleichgewichtszustand 1, ein Für jeden Gleichgewichtszustand sind die Zu-
neuer Gleichgewichtszustand 2 eingestellt, dann standsgrößen durch eine Zustandsgleichung mit-
haben alle Zustandsgrößen wieder wohldefinierte einander verknüpft. So gilt z. B. für ideale Gase
Werte angenommen. ein einfacher Zusammenhang zwischen Druck,
156 3 Thermodynamik
Tab. 3.2 Definierende Fixpunkte der ITS-90. Wenn nicht anders angegeben, beträgt der Druck pn D 101;325 kPa
Gleichgewichtszustand T90 in K #90 in ı C
Siedepunkt von Helium bei verschiedenen Dampfdrücken 3 bis 5 270;15 bis 268;15
Tripelpunkt des Gleichgewichtswasserstoffs 13;8033 259;3467
Siedepunkt von Wasserstoff beim Dampfdruck 32,9 kPa 17 256;15
und 102,2 kPa 20;3 252;85
Tripelpunkt des Neons 24;5561 248;5939
Tripelpunkt des Sauerstoffs 54;3584 218;7916
Tripelpunkt des Argons 83;8058 189;3442
Tripelpunkt des Quecksilbers 234;3156 38;8344
Tripelpunkt des Wassers 273;16 0;01
Schmelzpunkt der Galliums 302;9146 29;7646
Erstarrungspunkt des Indiums 429;7485 156;5985
Erstarrungspunkt des Zinns 505;078 231;928
Erstarrungspunkt des Zinks 692;677 419;527
Erstarrungspunkt des Aluminiums 933;473 660;323
Erstarrungspunkt des Silbers 1234;93 961;78
Erstarrungspunkt des Goldes 1337;33 1064,18
Erstarrungspunkt des Kupfers 1357;77 1084,62
Tab. 3.4 Mittlerer linearer Längenausdehnungskoeffizi- Die beiden letzten Glieder der Klammer sind
ent ˛ einiger Festkörper in verschiedenen Temperaturbe- gegenüber dem linearen Glied vernachlässigbar.
reichen
Daher erhält man in guter Näherung
106 ˛ in K1 106 ˛ in K1
Temperaturbereich 0 ı C 5 # 5 0 ıC 5 # 5 V2 D V1 Œ1 C .#2 #1 / (3.8)
100 ı C 500 ı C
Aluminium 23;8 27;4 oder für die relative Volumenänderung
Kupfer 16;4 17;9
V
Stahl C 60 11;1 13;9 D T (3.9)
rostfreier Stahl 16;4 18;2 V
Invarstahl 0;9 mit T D T2 T1 D #2 #1 und dem Raum-
Quarzglas 0;51 0;61
ausdehnungskoeffizienten
gewöhnliches Glas 9 10;2
D 3˛: (3.10)
Also ist die erforderliche Temperatur #2 D C HARLES (1746 bis 1823), die von J. L. G AY-
99 ı C. Die relative Volumenvergrößerung be- L USSAC (1778 bis 1823) vertieft wurden, er-
trägt nach (3.9) und (3.10) gaben, dass bei einem Gas unter konstantem
Druck das Volumen linear mit der Temperatur ge-
V 3
D T D 3˛T D 4;5 10 : mäß (3.9) variiert:
V
V .#/ D V0 .1 C #/;
Die Dichte % eines Körpers ist umgekehrt
proportional zum Volumen. Für die Temperatur- wenn V das Volumen bei # D 0 ı C ist.
0 0
abhängigkeit gilt Experimente liefern für den Raumausdeh-
m nungskoeffizienten im Gay-Lussac’schen Ge-
%.#/ D : setz für fast alle Gase den gleichen Wert. Die
V0 .1 C #/
Unterschiede zwischen den einzelnen Gasen wer-
Ist %0 D m=V0 die Dichte bei #0 D 0 ı C, dann ist den umso geringer, je niedriger der Druck p ist.
die Dichte bei der Temperatur # Im Grenzfall p ! 0 ergibt sich für alle Gase
%0 1
%.#/ D %0 .1 #/: (3.11) D 0;003661 K1 D :
1 C # 273;15 K
Flüssigkeiten Ein Gas in diesem Grenzzustand wird als ideales
Weil Flüssigkeiten keine Eigengestalt haben, ist Gas bezeichnet.
nur die Volumenänderung von Interesse. Es gel- Wie die grafische Darstellung des Gay-
ten (3.8), (3.9) und (3.11); allerdings ist der Lussac’schen Gesetzes in Abb. 3.3 zeigt, wird
Raumausdehnungskoeffizient größer als bei das Volumen bei # D 273;15 ı C gleich null.
Festkörpern. Einige Zahlenwerte enthält Tab. 3.5. Dies ist der absolute Nullpunkt der Tempera-
Bemerkenswert ist die Anomalie des Wassers. tur. Natürlich gilt das Gay-Lussac’sche Gesetz
Bei der Temperatur # D 4 ı C hat die Dichte ihr bei sehr tiefen Temperaturen nicht mehr. Rea-
Maximum mit %max D 0;999973 kg=dm3. Wenn le Gase kondensieren beim Abkühlen; selbst am
im Winter ein See zufriert, sammelt sich das Was- absoluten Nullpunkt muss noch ein bestimm-
ser von # D 4 ı C und größter Dichte am Grund; tes Restvolumen, nämlich das Eigenvolumen der
darüber liegen die kälteren und leichteren Schich- Atome, übrig bleiben. Die absolute Temperatur
ten. Weil die kalten Schichten nicht absinken, T erlaubt eine einfache Formulierung des Gay-
erfolgt keine Wärmeübertragung durch Konvek- Lussac’schen Gesetzes:
tion. Der Wärmetransport durch Wärmeleitung
T V
ist nicht sehr effektiv (Abschn. 3.5), sodass tiefe V .T / D V0 bzw. D konst: (3.12)
Seen nicht bis zum Grund durchgefrieren. T0 T
Hierbei ist T0 D 273;15 K.
Gase Wird das Volumen eines Gases konstant gehal-
Bei Gasen hängt das Volumen vom Druck ten und die Temperatur verändert, dann variiert
und der Temperatur ab. Messungen von J. A. C. der Druck p gemäß
pV
D konst: (3.16) Beispiel 3.1-3
T Wie groß ist die individuelle Gaskonstante von
Reale Gase befolgen (3.16) umso besser, je ge- trockener Luft?
ringer der Druck und je höher die Temperatur ist.
Die physikalischen Gründe hierfür sind in Ab- Lösung
schn. 3.2.1 erläutert. Die Dichte beim Normzustand beträgt %n D
Die Zustandsgrößen Druck p, Volumen V und 1;2923 kg=m3. Damit errechnet man für die
Temperatur T einer konstanten Stoffmenge eines Gaskonstante
idealen Gases gehorchen stets (3.16). Durch Auf-
lösung nach dem Druck ergibt sich p D konst. 101325 N m2
Ri D
T =V . 273;15 K 1;2923 kg m3
Werden das Gefäßvolumen und die Tempe- J
D 287;05 :
ratur vorgegeben, dann hängt der Gasdruck und kg K
3.1 Grundlagen 163
Der Nachteil, für jedes Gas eine besondere Hierin ist N D NA die Teilchenanzahl des Sys-
Gaskonstante in (3.19) einsetzen zu müssen, ent- tems. Der Quotient
fällt, wenn in (3.17) das Volumen Vn durch die
Rm J
Stoffmenge ausgedrückt wird. Nach dem Satz kD D 1;38065 1023
von A. AVOGADRO (1776 bis 1856) benötigt NA K
eine bestimmte Teilchenmenge eines idealen Ga-
wird als Boltzmann-Konstante (L. B OLTZMANN,
ses bei bestimmten Werten des Drucks und der
1844 bis 1906) bezeichnet. Hiermit ergibt sich ei-
Temperatur stets das gleiche Volumen, und zwar
ne weitere Form der Zustandsgleichung idealer
unabhängig von der Gasart. Für die Stoffmenge
Gase:
D 1 mol beträgt beim Normzustand nach DIN
pV D N kT: (3.22)
1443 das Molvolumen Vmn D 22;414 dm3 =mol.
Somit ist das Volumen Vn der Teilchenmenge
Beispiel 3.1-4
Vn D Vmn ; Ein Gefäß mit V D 2 l Inhalt wird bei der
Temperatur # D 22 ı C evakuiert und an-
und (3.17) erhält die Form schließend mit Helium gefüllt, bis sich gegen-
über dem äußeren Luftdruck pL D 1016 hPa
pV pn Vmn
D : der Überdruck pü D 2;0 bar eingestellt hat.
T Tn Wie groß sind die Teilchenanzahl N , die Teil-
Die Konstanten der rechten Seite fasst man zur chenmenge v und die Masse m des Gases?
universellen (molaren) Gaskonstante Rm zusam-
men: Lösung
pn Vmn J Der Druck des Gases beträgt p D pL C pü D
Rm D D 8;3145 :
Tn mol K 3;016 105 Pa. Die absolute Temperatur ist
Damit erhält man die Zustandsgleichung der T D 295;15 K. Nach (3.22) folgt für die Teil-
idealen Gase: chenanzahl
pV D Rm T: (3.20) pV
N D
kT
Diese Form hat den Vorteil, dass für alle Gase
3;016 105 N m2 2 103 m3
dieselbe Gaskonstante verwendet werden kann. D
Die individuelle Gaskonstante Ri kann bei 1;381 1023 N m K1 295;15 K
Kenntnis der Molmasse M des Gases aus der D 1;48 1023 :
molaren Gaskonstante Rm berechnet werden.
Nach (3.4), die den allgemeinen Zusammenhang Die Teilchenmenge ist
zwischen spezifischen und molaren Größen be-
pV N
schreibt, gilt D D D 0;246 mol:
Rm TRm NA
Ri D : (3.21)
M Helium hat die Molmasse M D 4;003 g=mol.
Die Anzahl der Teilchen in der Teilchenmenge Damit ist die Masse des Gases m D M D
D 1 mol wird durch die Avogadro’sche Kon- 0;985 g.
stante angegeben:
Der funktionale Zusammenhang der drei Zu-
NA D 6;0221 1023 mol1 :
standsgrößen Druck, Volumen und Tempera-
Mit der Avogadro-Konstante kann die rechte Sei- tur in der Zustandsgleichung der idealen Gase
te von (3.20) umgeformt werden: kann in einem dreidimensionalen Raum nach
Abb. 3.4 anschaulich dargestellt werden. Al-
Rm le Gleichgewichtszustände liegen auf der ge-
pV D NA T:
NA krümmten Fläche. Schnitte durch die Fläche
164 3 Thermodynamik
Die Geschwindigkeiten der einzelnen Mole- Tab. 3.6 Mittlere Geschwindigkeit vm und Schallge-
küle messen zu wollen, ist ein hoffnungsloses schwindigkeit c einiger Gase beim Normzustand #n D
0 ı C und pn D 1;013 bar (% Dichte, ~ Isentropenexpo-
Unterfangen. Sinnvoll sind nur statistische Aus- nent)
sagen, z. B. eine Berechnung des Mittelwerts.
Gas % in kg=m3 ~ vm in m=s c in m=s
Der obige Ausdruck lässt sich mit dem mittleren
Helium 0,1785 1,67 1305 974
Geschwindigkeitsquadrat Argon 1,784 1,67 413 308
Wasserstoff 0,0899 1,41 1840 1260
1 X 2
N
Sauerstoff 1,4289 1,40 461 315
vx2 D v
N i D1 xi Stickstoff 1,2505 1,40 493 337
Luft 1,2928 1,40 485 331
vereinfachen zu
mM
pD N vx2 : Beispiel 3.2-1
V Beim Normzustand beträgt die Dichte von
Nun gilt für jedes Teilchen Stickstoff %n D 1;2505 kg=m3. Wie groß ist
die mittlere Geschwindigkeit?
v2 D v2x C vy2 C v2z :
Lösung
s
Da bei vielen Teilchen alle Raumrichtungen 3 101:325 N m2
gleichmäßig vorkommen, gilt für die Mittelwer- vm D D 493 m=s:
1;2505 kg m3
te der Geschwindigkeitsquadrate
1 2
pD %v : (3.24) 3.2.2 Thermische Energie und
3
Temperatur
Diese Beziehung kann benutzt werden, um die
mittleren Molekülgeschwindigkeiten in Gasen zu Wird die Grundgleichung (3.23) der kinetischen
berechnen. Als mittlere Geschwindigkeit vm wird Gastheorie in der Form
die Wurzel aus dem mittleren Geschwindigkeits-
quadrat v 2 definiert: 1
pV D N mM v 2
3
s
p 3p
vm D v 2 D : (3.25) geschrieben, so ist eine Verwandtschaft mit der
% allgemeinen Zustandsgleichung (3.22) idealer
3.2 Kinetische Gastheorie 167
Gase
pV D N kT Die Temperatur ist ein Maß für die mittlere
kinetische Energie der Moleküle.
offensichtlich. Durch Gleichsetzen der rechten
Seiten entsteht die Beziehung
nh mM gh Maxwell’sche Verteilungsfunktion
D e kT :
n0 Bei einem Gas ändern sich infolge der Zusam-
menstöße zwischen den Gasmolekülen ständig
Der Zähler im Exponenten entspricht der Diffe- deren Geschwindigkeiten. Trotzdem ist eine sta-
renz der potenziellen Energie Epot im Schwe- tistische Aussage darüber möglich, mit welcher
refeld zwischen den beiden betrachteten Zustän- Wahrscheinlichkeit eine bestimmte Geschwin-
den, sodass auch gilt digkeit vorkommt. Nach (3.33) ist die Wahr-
scheinlichkeit für das Auftreten einer Geschwin-
nh Epot
D e kT : digkeit zwischen v und v C dv gegeben durch die
n0 Verteilungsfunktion
Dieses Ergebnis lässt sich verallgemeinern auf mM v 2
g.v/ D 4 v 2 ;
Der Boltzmann-Faktor gibt an, welcher dann ergibt sich die Normierungskonstante C aus
Bruchteil der Teilchen aufgrund ihrer ther- der Forderung
mischen Bewegung die Energieschwelle Z1
E2 E1 überschritten hat. f .v/dv D 1:
0
3.2 Kinetische Gastheorie 169
2625 m=s. Im Vergleich hierzu sind die mitt- 5 ı C beträgt? (Zur Temperaturabhängigkeit der
leren Geschwindigkeiten klein: Schallgeschwindigkeit siehe Beispiel 3.2-2. Die
s Längenänderung der Pfeife ist ein vernachlässig-
3kT1 barer Effekt.)
vm;1 D D 517 m=s und
mM
Ü 3-10 Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit da-
vm;2 D 895 m=s: für, dass Stickstoff-Moleküle bei Raumtempera-
tur (T D 300 K) Geschwindigkeiten im Intervall
Der Bruchteil x der Moleküle mit v = v0 be- 1000 m=s 5 v 5 1100 m=s haben? Wie vie-
trägt le Moleküle erfüllen diese Bedingung, wenn das
R1 Z1
v0 f .v/dv Gas beim Normdruck das Volumen V D 1 l aus-
x D R1 D f .v/dv:
f .v/dv füllt?
0
v0
Ist die Mindestgeschwindigkeit v0 sehr viel Aus dem letzten Abschnitt geht hervor, dass
größer als die mittlere Geschwindigkeit vm , dann die Temperatur ein Maß ist für die Energie, die
gilt in guter Näherung für den Bruchteil x der re- in der ungeordneten thermischen Bewegung der
aktionsfähigen Teilchen Teilchen steckt. Bei Gasen und Flüssigkeiten ist
r dies die kinetische Energie der Translation und
2 EA EA Rotation der Moleküle sowie die Schwingungs-
xDp e kT : (3.37)
kT energie der Molekülschwingungen. In Festkör-
pern schwingen die Atome um ihre Ruhelagen;
hierbei werden mit zunehmender Temperatur die
3.2.4 Zur Übung Schwingungsamplituden immer größer.
Bringt man zwei Körper, die sich auf verschie-
Ü 3-8 Ein Gefäß mit V D 1 l Inhalt ist mit He- denen Temperaturen befinden, in Kontakt, dann
lium gefüllt. Das Gas befindet sich im Normzu- findet ein Temperaturausgleich statt: Die Tem-
stand. a) Wie groß ist die mittlere Geschwindig- peratur des kälteren Körpers nimmt zu und die
keit vm der Atome? b) Wie groß ist die gesamte des wärmeren nimmt ab. Dies bedeutet nach den
kinetische Energie aller He-Atome, die sich in vorgenannten Erläuterungen, dass vom warmen
dem Gefäß befinden? System an das kalte System Energie übertragen
wird. Diese Energieübertragung belegt man mit
Ü 3-9 Eine Orgelpfeife einer Kirchenorgel dem Begriff Wärme:
schwingt bei #1 D 20 ı C mit der Frequenz
f1 D 440 Hz. Die Frequenz einer Pfeife ist pro-
portional zur Schallgeschwindigkeit in der Luft. Wärme ist Energie, die aufgrund ei-
Welche Frequenz gibt die Pfeife im Winter ab, nes Temperaturunterschieds zwischen zwei
wenn die Temperatur der angesaugten Luft #2 D
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 171
Kalorimetrie
Wärmekapazitäten werden in Kalorimetern ge-
messen. Abb. 3.9 zeigt das Prinzip eines Mi-
schungskalorimeters, das geeignet ist, die Wär-
mekapazität von Festkörpern und Flüssigkeiten
zu messen. Im Innern des gut isolierten Dewar- Abb. 3.9 Mischungskalorimeter. m Masse, c spezifische
Gefäßes befindet sich eine Flüssigkeit (meist Wärmekapazität 1 Flüssigkeit, 2 Festkörper
Wasser) der Masse m1 bei der Temperatur T1 .
Wird ein Körper der Masse m2 mit der Tempera-
tur T2 in die Flüssigkeit eingetaucht, so stellt sich ist verhältnismäßig schwierig. Das Gas wird in
nach einiger Zeit die Mischungstemperatur Tm ein Kalorimetergefäß eingeschlossen und – z. B.
ein. Es muss folgende Energiebilanzgleichung er- mit einer elektrischen Heizung – aufgeheizt. Da
füllt sein: die Wärmekapazität des Gefäßes sehr viel grö-
ßer ist als die des Gases, ist das Messergebnis
m1 c1 .Tm T1 / C CK .Tm T1 /
nicht sonderlich genau. Einfacher ist die Bestim-
D m2 c2 .T2 Tm /: mung der spezifischen Wärmekapazität cp unter
konstantem Druck:
CK ist die Wärmekapazität des Kalorimeters. Gemäß Abb. 3.10 leitet man eine bestimm-
Daraus bestimmt sich die zu messende spezifi- te Menge erhitztes Gas in einer Rohrschlange
sche Wärmekapazität des Körpers 2: durch ein Wasserkalorimeter. Aus der Tempera-
.m1 c1 C CK /.Tm T1 / turdifferenz T1 T2 , dem Massenstrom und der
c2 D : (3.43) Temperaturzunahme der Flüssigkeit lässt sich die
m2 .T2 Tm /
Wärmekapazität cp bestimmen. cV kann aus cp
Es ist einleuchtend, dass mit dieser Methode die berechnet werden (Abschn. 3.3.4).
spezifische Wärmekapazität nur relativ zu der des
Wassers c1 gemessen werden kann. Aus diesem
Grund hat man früher die spezifische Wärme- 3.3.2 Zur Übung
kapazität des Wassers mit c1 D 1 kcal=.kg K/
festgelegt und darauf alle anderen Wärmekapa- Ü 3-12 Die Wärmekapazität CK eines Kalori-
zitäten bezogen. meters soll bestimmt werden. Dazu wird ein
Die Bestimmung der spezifischen Wärmeka- Kupferblock der Masse m2 D 150 g und der
pazität cV von Gasen bei konstantem Volumen Temperatur #2 D 35 ı C in das Wasserbad der
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 173
nauer Messdaten erhielt Mayer einen Zahlenwert, die Systemgrenzen Energie mit der Umgebung
der um 14 % vom korrekten Wert abwich. ausgetauscht wird. Die Energieübertragung um-
Von 1843 bis 1850 bemühte sich J. P. J OULE fasst in den folgenden Betrachtungen lediglich
(1818 bis 1889) in vielen verschiedenartigen Ex- Wärme und mechanische Arbeit, kann aber jeder-
perimenten um eine genaue Bestimmung des me- zeit auf alle vorhandenen Energieformen ausge-
chanischen Wärmeäquivalents. Er erhielt einen dehnt werden. Für die Änderung dU der inneren
Zahlenwert für das mechanische Wärmeäquiva- Energie gilt somit
lent, der lediglich um 1 % von dem heute aner-
kannten Wert 4;1868 kJ D 1 kcal abweicht. dU D •Q C •W: (3.44)
Unabhängig von Mayer entwickelte 1847
H. v. H ELMHOLTZ (1821 bis 1894) den allge-
meinen Energiesatz, der außer mechanischer und
Die Änderung der inneren Energie eines
Wärmeenergie auch alle anderen Energieformen,
geschlossenen Systems entspricht der Sum-
wie z. B. elektrische, magnetische und chemische
me von übertragener Wärme und Arbeit.
Energie, einschließt. Dieser erste Hauptsatz der
Thermodynamik lautet:
Das Vorzeichen der umgesetzten Energiebeträ-
ge wird wie folgt festgelegt: Wärme und Arbeit,
In einem abgeschlossenen System bleibt
die dem System zugeführt werden, erhalten ein
der Gesamtbetrag der Energie konstant.
positives Vorzeichen. Wenn das System Energie
Innerhalb des Systems können die ver-
nach außen abgibt, ist diese negativ.
schiedenen Energieformen ineinander um-
Die innere Energie ist eine Zustandsgröße
gewandelt werden.
(Abschn. 3.1.2), d. h., sie hängt nur vom augen-
blicklichen Zustand des Systems ab, nicht aber
davon, wie das System in diesen Zustand ge-
Helmholtz kam zu seiner Schlussfolgerung
langt ist. Wäre dies nicht so, dann ließe sich
aufgrund der Tatsache, dass es nicht gelingt, ein
ein Perpetuum mobile konstruieren. Speziell bei
Perpetuum mobile zu bauen, also eine Maschi-
den idealen Gasen gilt nach (3.30) für die innere
ne, die ständig Arbeit abgibt, ohne gleichzeitig
Energie
entsprechende Energie aufzunehmen. Eine solche
Maschine, die dem ersten Hauptsatz widerspre- f f
chen würde, wäre ein Perpetuum mobile erster U D N EN kin D N kT D Rm T: (3.45)
2 2
Art.
ZT2
U D U2 U1 D CmV .T /dT
T1
ZT2
Dm cV .T /dT (3.47)
T1
abhängt. Für dieselben Endpunkte 1 und 2 er- Die innere Energie ändert sich dabei nach (3.44)
fordert der Weg a eine geringere Arbeit als der und (3.49) um
Weg b.
dU D •Q C •W D Cmp dT pdV:
Enthalpie
Außer der inneren Energie U ist eine weitere Zu- Da die innere Energie eine Zustandsgröße ist,
standsgröße, die Enthalpie H sehr nützlich: lässt sich ihre Änderung für beliebige Zustands-
änderungen nach (3.46) berechnen:
H D U C pV: (3.51)
dU D CmV dT:
Das totale Differenzial der Enthalpie ist dH D
dU C pdV C V dp. Für Zustandsänderungen, die Durch Gleichsetzen dieser beiden Ausdrücke er-
unter konstantem Druck ablaufen, vereinfacht es hält man
sich zu dH D dU C pdV .
Mit der Volumenänderungsarbeit in geschlos- CmV dT D Cmp dT pdV
senen Systemen •W D pdV ergibt sich dH D
dU •W . Diese Beziehung lässt sich mit dem oder
ersten Hauptsatz (3.44) so schreiben: p dV
Cmp CmV D :
dT
dH D •QjpDkonst. D Cmp dT D mcp dT:
Aus der Zustandsgleichung idealer Gase ergibt
(3.52)
sich dV =dT D Rm =p und schließlich
cp cV D Ri : (3.54)
Die Einführung der Enthalpie vereinfacht ther-
modynamische Berechnungen bei Zustandsände-
Die isochore molare Wärmekapazität kann nun
rungen, die bei konstantem Druck ablaufen sowie
aus der inneren Energie des Systems berechnet
bei Strömungsvorgängen in offenen Systemen.
werden. Nach (3.46) gilt
1 dU
3.3.4 Berechnung der CmV D : (3.55)
dT
Wärmekapazitäten
Die Temperaturabhängigkeit der inneren Energie
In diesem Abschnitt soll gezeigt werden, dass wird durch (3.45) beschrieben:
die isochore spezifische bzw. molare Wärmeka-
pazität einfach gebauter Moleküle mit Hilfe der f
U.T / D Rm T:
Ergebnisse der kinetischen Gastheorie berechnet 2
werden kann. Die isobaren Wärmekapazitäten cp
Die Basis dieser Beziehung ist der Gleichver-
und Cmp hängen mit den isochoren Wärmekapa-
teilungssatz (Abschn. 3.2.2), nach dem die ther-
zitäten cV und CmV wie folgt zusammen:
mische Energie eines Moleküls gleichmäßig auf
Die Temperatur eines idealen Gases der Teil-
seine verschiedenen Freiheitsgrade f verteilt ist.
chenmenge soll isobar um dT erhöht werden.
Somit gilt für die isochore molare Wärmekapazi-
Die erforderliche Wärme ist
tät
f
•QjpDkonst. D Cmp dT: CmV D Rm : (3.56)
2
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 177
Tab. 3.7 Freiheitsgrade, molare Wärmekapazitäten Cm und Isentropenexponent ~ für verschiedene Molekülformen
Molekülform Symbol Freiheitsgrade J J ~
CmV in Cmp in
Translation Rotation Oszillation gesamt mol K mol K
punktförmig 3 – – 3 12,47 20,79 1,67
starre Hantel 3 2 – 5 20,79 29,10 1,40
schwingende Hantel 3 2 2 7 29,10 37,41 1,29
mehratomig, starr 3 3 – 6 24,94 33,26 1,33
Die isobare molare Wärmekapazität folgt Tab. 3.8 Gemessene molare Wärmekapazitäten Cm ei-
aus (3.53) niger Gase beim Normdruck pn D 1;013 bar und der
Temperatur # D 20 ı C
f Gas CmV in Cmp in ~
Cmp D C 1 Rm : (3.57) J J
2
mol K mol K
Entsprechend sind die spezifischen Wärmekapa- Helium He 12,47 20,79 1,67
zitäten Argon Ar 12,47 20,78 1,67
f Wasserstoff H2 20,49 28,80 1,41
cV D Ri (3.58) Sauerstoff O2 21,04 29,36 1,40
2
Stickstoff N2 20,79 29,10 1,40
und Luft 20,76 29,08 1,40
f
cp D C 1 Ri : (3.59) Chlor Cl2 25,74 34,05 1,35
2
Kohlendioxid CO2 28,57 36,88 1,29
Das Verhältnis von isobarer und isochorer Wär- Schwefeldioxid SO2 31,37 39,69 1,27
mekapazität ist der Isentropenexponent ~, der Methan CH4 26,71 35,02 1,31
bei isentropen Zustandsänderungen eine wichtige Ethan C2 H6 43,68 51,99 1,19
Rolle spielt (Abschn. 3.3.5). Mit (3.56) bis (3.59) Ammoniak NH3 27,70 35,01 1,31
folgt
Abb. 3.13 Temperaturabhängigkeit der isochoren molaren Wärmekapazität CmV von Wasserstoff. Wasserstoff disso-
ziiert bei etwa T D 3200 K. Die fortgesetzte gestrichelte Linie gilt für ein stabiles zweiatomiges Molekül
für die starre und die schwingende Hantel. Tat- Drehimpuls eines Moleküls gequantelt. Der mi-
sächlich schwingt bei Raumtemperatur etwa die nimale Drehimpuls Lmin beträgt „ D h=2 mit
Hälfte der Cl2 -Moleküle, während die andere der Planck’schen Konstanten h. Damit ist die mi-
Hälfte starr ist. Dieses auf den ersten Blick merk- nimale Rotationsenergie eines Moleküls mit dem
würdige Verhalten wird verständlich, wenn die Massenträgheitsmoment J
Temperaturabhängigkeit der Wärmekapazität be-
trachtet wird. 1 L2min 1 „2
Erot,min D D :
Abb. 3.13 zeigt den Verlauf der molaren Wär- 2 J 2J
mekapazität CmV von Wasserstoff in Abhängig- Ist die mittlere thermische Energie 12 kT je Frei-
keit von der Temperatur. Offenbar verhält sich H2 heitsgrad kleiner als diese minimale Rotations-
bei tiefen Temperaturen wie ein einatomiges Gas energie, so wird das Molekül bei einem Stoß
mit drei Freiheitsgraden. Mit steigender Tempe- i. Allg. nicht in Rotation versetzt werden kön-
ratur beginnen die Moleküle ab etwa T D 80 K nen. Nach den Regeln der Quantenmechanik ist
zu rotieren; dies bewirkt einen Anstieg der Wär- auch die Schwingungsenergie gequantelt mit der
mekapazität. Bei Raumtemperatur rotieren prak- Mindestenergie hf , f ist hierbei die Schwin-
tisch alle Moleküle. Die Wärmekapazität nimmt gungsfrequenz. Diese Energie liegt üblicherweise
erneut zu, wenn ab etwa T D 800 K die Molekü- höher als die Schwellenenergie für die Rotation.
le zu schwingen beginnen. Die Schwelle, bei der
die Oszillation einsetzt, liegt für Cl2 tiefer als für Beispiel 3.3-2
H2 , sodass bei Cl2 unterhalb der Raumtemperatur Bei welcher Temperatur beginnen die Wasser-
bereits ein Großteil der Moleküle schwingt. stoff-Moleküle zu rotieren?
Vom klassischen Gleichverteilungssatz her
ist das Ausfrieren von Freiheitsgraden mit ab- Lösung
nehmender Temperatur nicht verständlich. Nach Die Grenze ist näherungsweise gegeben durch
den Gesetzen der Quantenmechanik aber ist der 1
2
kT 12 „2 =J . Für das Massenträgheitsmo-
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 179
CmV ist in diesem Fall die mittlere molare Wär- Q12 D Cmp .T2 T1 /: (3.64)
mekapazität zwischen den Temperaturen T1 und
T2 . Die Volumenänderungsarbeit entspricht der Flä-
Da bei konstantem Volumen keine Volu- che unter der Isobare. Sie beträgt
menänderungsarbeit vorkommt, nimmt der erste
Hauptsatz die Form dU D •Q und U2 U1 D W12 D p.V1 V2 /: (3.65)
Q12 an. Dies bedeutet, dass die zugeführte Wär-
me ausschließlich der Erhöhung der inneren Diese Arbeit ist bei einer Expansion negativ, d. h.,
Energie dient. sie wird vom System nach außen abgegeben. Bei
182 3 Thermodynamik
dU C pdV D 0 (1)
pV n D konst. (3.71)
Die Poisson’schen Gleichungen (3.66) bis (3.68) Ü 3-17 Ein Wetterballon hätte prall gefüllt das
gelten auch für polytrope Zustandsänderun- Volumen Vmax D 50 m3 . Am Erdboden ist er nur
gen, wenn der Isentropenexponent ~ durch den teilweise gefüllt worden: Beim Druck p1 D 1 bar
Polytropenexponenten n ersetzt wird. Ebenso und der Temperatur #1 D 7 ı C nimmt das ein-
gilt (3.69) für die Berechnung der Volumenän- gefüllte Wasserstoffgas nur das Volumen V1 D
1
derungsarbeit, wenn anstelle des Isentropenexpo- 6 Vmax ein.
nenten der Polytropenexponent eingesetzt wird.
Eine Zusammenstellung der wichtigsten Er- a) Welche Gasmenge und welche Masse m
gebnisse von Abschn. 3.3.5 zeigt Abb. 3.22. enthält der Ballon?
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik
Abb. 3.24 Carnot’scher Kraftmaschinenprozess. Q Wärme, W Arbeit, rot umgrenzte Fläche: Nutzarbeit
Die Nutzarbeit je Zyklus entspricht dem Inhalt Sie ist negativ, weil sie vom System nach außen
der rot begrenzten Fläche im p; V -Diagramm der abgegeben wird.
Abb. 3.24. Sie beträgt Die Energieströme, die bei der Carnot-Kraft-
I maschine (und im Prinzip bei jeder Wärmekraft-
W D •W D W12 C W23 C W34 C W41 : maschine) umgesetzt werden, sind in Abb. 3.25
anschaulich dargestellt. Von der zugeführten
Mit W23 D W41 ergibt sich Wärme kann nur ein Teil (meist der kleinere)
als mechanische Arbeit abgegeben werden. Den
W D W12 C W34 anderen Teil muss das System als Abwärme an ei-
V4 V1 ne Wärmesenke tiefer Temperatur abführen. Aus
D Rm T3 ln T1 ln :
V3 V2 dem ersten Hauptsatz folgt die Bilanzgleichung
Für die beiden Isentropen gilt nach (3.67) jW j D Qzu jQab j
T3 V3~1 D T1 V2~1 und oder, mit den Bezeichnungen des Carnot-
T3 V4~1 D T1 V1~1 : Prozesses und richtigen Vorzeichen,
Daraus folgt für die Volumina V4 =V3 D V1 =V2 Q12 C Q34 C W D 0: (3.74)
und schließlich für die Nutzarbeit
Verschiedene Kreisprozesse lassen sich mitein-
V4 ander vergleichen durch Berechnung des ther-
W D Rm ln .T3 T1 /:
V3 mischen Wirkungsgrades th , der den Nutzen
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 189
Beispiel 3.3-4
Welcher thermische Wirkungsgrad ist mit ei-
nem Carnot-Prozess erreichbar, der zwischen
den Temperaturen #3 D 500 ı C und #1 D
50 ı C abläuft?
Lösung
Nach (3.76) ist
450 K
th;C D D 0;58 D 58 %
773 K
Der Carnot-Prozess lässt sich praktisch nicht
realisieren, da zu viele widersprüchliche Eigen-
schaften in einem System vereinigt sein müssten.
Seine große Bedeutung liegt in der Abschätzung
Abb. 3.25 Energieflussdiagramm eines rechtsläufigen des maximalen Nutzeffekts einer Wärmekraftma-
Carnot-Prozesses schine, die zwischen zwei Temperaturgrenzen
Wärme in Arbeit umwandeln soll. Ein Vergleich
verschiedener rechtsläufiger Kreisprozesse, die
(abgegebene Arbeit) zum Aufwand (zugeführte
zwischen der Maximaltemperatur T3 und der
Wärme) ins Verhältnis setzt:
Minimaltemperatur T1 ablaufen, zeigt, dass der
jW j jP j höchstmögliche thermische Wirkungsgrad durch
th D D : (3.75) den Carnot-Prozess erreicht wird.
Qzu QP zu
Qzu QP zu
"K D D : (3.79)
W P
T1
"K;C D : (3.80)
Wird die Temperatur eines Wärmebads festge- T3 T1
legt, z. B. die Temperatur von Wasser am Tri-
pelpunkt mit TTr D 273;16 K, dann kann die Die Leistungszahl ist umso günstiger, je näher die
ganze Temperaturskala ausgemessen werden. Die Temperaturen von Wärmequelle und Wärmesen-
so definierte thermodynamische Temperatur ist ke beieinander liegen.
identisch mit der Gastemperatur des Gasthermo-
meters (Abschn. 3.1.3). Beispiel 3.3-5
Eine Kältemaschine nach Carnot soll eine
Linksläufiger Prozess Kühlraumtemperatur von #1 D 5 ı C bei einer
Beim linksläufigen Carnot-Prozess wird das Außentemperatur von #3 D 35 ı C erreichen.
p; V -Diagramm von Abb. 3.24 im Gegenuhrzei- Wie groß ist die Leistungszahl "K;C ?
gersinn durchlaufen. Dabei wird bei der tiefen
Temperatur T1 Wärme aus der Umgebung aufge- Lösung
nommen und bei der hohen Temperatur T3 wieder Nach (3.80) ist "K;C D 278 K=30 K D 9;27.
abgegeben. Das Energieflussdiagramm des links- Dies bedeutet, dass die Leistung des Antriebs-
läufigen Prozesses ist in Abb. 3.26 dargestellt. motors nur rund ein Neuntel der Wärmeleis-
Die Energiebilanz sagt aus, dass die abgegebene tung sein muss, die dem Kühlraum entzogen
Wärme betragsmäßig gleich ist der Summe aus werden soll.
zugeführter Wärme und mechanischer Arbeit:
b) Wärmepumpe
jQab j D Qzu C W: (3.78) Bei der Wärmepumpe ist die Wärmequelle die
Umgebung (z. B. Luft, Erdreich, Grundwasser),
Der linksläufige Kreisprozess kann auf zweierlei der die Wärme bei tiefer Temperatur entzogen
Arten genutzt werden: und dem System zugeführt wird. Wärmesenke ist
z. B. die Warmwasserheizung eines Hauses. Der
a) Kältemaschine Nutzen bei der Wärmepumpe liegt also in der bei
Eine Kältemaschine hat die Aufgabe, einen Raum hoher Temperatur abgegebenen Wärme Qab ; der
zu kühlen, in dem z. B. Lebensmittel gelagert Aufwand ist auch in diesem Fall die Arbeit W
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 191
jQab j jQP ab j
"W D D : (3.81)
W P
Für den Carnot-Prozess ergibt sich
T3 1
"W;C D D : (3.82)
T3 T1 th;C
Die Leistungszahl der Wärmepumpe nach Car-
not ist immer größer als eins, und zwar umso Abb. 3.27 Kreislauf einer Kompressor-Kältemaschine
größer, je kleiner der thermische Wirkungsgrad bzw. -Wärmepumpe
eines rechtsläufigen Carnot-Prozesses zwischen
denselben Temperaturgrenzen ist, d. h., je kleiner
die Temperaturdifferenz T3 T1 ist. großen Anlagen, die mit einem Dieselmotor an-
getrieben werden, sind die erreichbaren Leis-
Beispiel 3.3-6 tungszahlen größer.
Eine Wärmepumpe nimmt Wärme aus der
Umgebungsluft bei #1 D 10 ı C auf und gibt 3.3.6.2 Technische Kreisprozesse
Wärme an eine Warmwasserheizung mit der Die Kreisprozesse, die in realen Maschinen ab-
Vorlauftemperatur #3 D 40 ı C ab. Wie groß laufen, können durch idealisierte Vergleichspro-
ist die Leistungszahl nach Carnot? zesse angenähert werden. Abb. 3.28 zeigt eine
Zusammenstellung von Vergleichsprozessen, die
Lösung in technischen Wärmekraftmaschinen idealisiert
Nach (3.82) gilt "W;C D 313 K=50 K D 6;26. ablaufen. Die Pfeile im p; V -Diagramm zeigen
die Prozesse, bei denen Wärme zu- bzw. abge-
In der Praxis werden Kältemaschinen und führt wird.
Wärmepumpen meist mit Kältemitteln, wie z. B. Obwohl Verbrennungsmotoren offene Syste-
Butan, Propan und Kohlenstoffdioxid, betrieben, me sind, können sie näherungsweise als geschlos-
die während des Kreisprozesses Phasenänderun- sene Systeme angesehen werden. Beim Seiliger-
gen (Abschn. 3.4.3) durchlaufen. Das Prinzip des Prozess (nach einem Vorschlag von M. S EILI -
Kreislaufs zeigt Abb. 3.27. In einem Verdamp- GER, 1922) wird Frischluft isentrop verdichtet.
fer wird dem flüssigen Kältemittel, das geringen Nach Zündung des Luft-Kraftstoff-Gemisches
Druck und niedrige Temperatur hat, die Wärme läuft eine Verbrennung ab, die näherungsweise
Qzu zugeführt, sodass es verdampft. Der Dampf durch eine isochore und isobare Wärmezufuhr
wird in einem Kompressor verdichtet und so- beschrieben wird. Die Expansion des verbrann-
mit erwärmt. Im Kondensator wird dem heißen ten Gemisches erfolgt isentrop. Der nachfolgende
Dampf die Wärmemenge Qab entzogen, sodass Austausch von verbrannten Gasen durch Frisch-
das Kältemittel kondensiert. Die unter hohem luft wird als isochore Wärmeabgabe angenähert.
Druck stehende Flüssigkeit wird durch ein Dros- Der thermische Wirkungsgrad ist abhängig von
selventil entspannt. Dabei kühlt sie sich ab und den Temperaturen der fünf Eckpunkte.
wird dem Verdampfer für den nächsten Kreislauf Ein Spezialfall des Seiliger-Prozesses mit
zugeleitet. V2 D V3 D V4 ist der Otto-Prozess (N. OT-
Die Leistungszahlen realer Wärmepumpen TO, 1832 bis 1892, Abb. 3.29). Hierbei verbrennt
sind niedriger als die Leistungszahl eines Carnot- das Luft-Kraftstoff-Gemisch nach der Zündung
Prozesses. Für elektrisch betriebene Luft/Wasser- so schnell, dass die Wärmezufuhr idealisierend
Wärmepumpen ist beispielsweise W 3. Bei wie eine isochore Zustandsänderung erfolgt. Der
192 3 Thermodynamik
Abb. 3.29 p; V -Diagramm eines Zylinders eines 3-Zy- Mitteldruck 12; 25 bar. Der Ausschnitt bis 10 bar zeigt die
linder-Otto-Motors, " D 12, Hubraum 443 cm3 pro Zylin- Ladungswechselschleife. Messungen René Grössl, RO-
der, Drehzahl n D 6200 min1 , Volllastbetrieb, indizierter TAX
thermische Wirkungsgrad hängt ab vom Kom- Der Stirling-Prozess kann nach Abb. 3.30 nä-
pressionsverhältnis " D V1 =V2 . herungsweise so realisiert werden, dass ein Ar-
Ein weiterer Spezialfall des Seiliger-Prozesses beitskolben und ein Verdrängerkolben, um 90ı
mit p2 D p3 D p4 ist der Diesel-Prozess phasenverschoben, auf eine Kurbelwelle arbei-
(R. D IESEL, 1858 bis 1913). Der Kraftstoff wird ten. Der Verdrängerkolben schiebt die Luft im
so in die komprimierte Luft eingespritzt, dass die Zylinder hin und her und bringt sie abwech-
Verbrennung näherungsweise isobar erfolgt. Der selnd in Kontakt mit dem heißen bzw. kalten
thermische Wirkungsgrad des Diesel-Prozesses Teil der Maschine. Der Regenerator besteht aus
übertrifft den des Otto-Prozesses, allerdings ist Metallspänen, die beim Durchströmen der hei-
der mittlere Kolbendruck im Dieselmotor we- ßen Luft Wärme aufnehmen und diese nachher
sentlich höher als im Ottomotor und der Ausstoß wieder an die durchströmende kalte Luft abge-
an NOx -Abgasen ungünstiger. ben.
Das Arbeitsmedium beim Stirling-Prozess Abb. 3.31 zeigt ein Demonstrationsmodell ei-
(R. S TIRLING, 1790 bis 1878) ist ein Gas (meis- nes Heißluftmotors. Im Deckel ist eine Glüh-
tens Luft). Die Wärmezufuhr erfolgt bei der wendel eingebaut, die als elektrische Wärme-
isochoren Erwärmung und der isothermen Ex- quelle dient. Die Wärmesenke ist Kühlwasser,
pansion. Die während der isochoren Abkühlung das den unteren Teil des doppelwandigen Zy-
abgegebene Wärme ist betragsmäßig so groß wie linders durchfließt. Der Heißluftmotor kann be-
die bei der isochoren Erwärmung zugeführte: züglich des thermischen Wirkungsgrades bis-
Q23 D Q41 . Gelingt es, die abgegebene Wärme lang nicht mit den Verbrennungsmotoren kon-
Q41 zwischenzuspeichern und bei der isocho- kurrieren, weil die interne Wärmeübertragung
ren Erwärmung wieder dem System zuzuführen, .Q41 ! Q23 / nur unvollkommen gelingt. Der
dann muss von außen her nur noch die Wär- linksläufige Stirling-Prozess wurde z. B. bei der
me Q34 zugeführt werden und der thermische Philips-Gaskältemaschine verwirklicht, die mit
Wirkungsgrad erreicht den Wert des Carnot- dem Arbeitsmedium Wasserstoff oder Helium bei
Prozesses. der Luftverflüssigung eingesetzt wird.
194 3 Thermodynamik
gang abgelaufen sein; keine der beiden Varian- Konzentration räumlich konstant ist. Konzen-
ten verletzt die Stoßgesetze. Solche umkehrbaren trationsunterschiede dagegen bauen sich nicht
oder reversiblen Vorgänge werden in der Mecha- von selbst auf;
nik beobachtet, wenn keine Wärmeentwicklung Wärmeübergang: Wärme geht von einem war-
infolge von Reibung auftritt. men auf einen kalten Körper über, bis die
Temperatur ausgeglichen ist. Temperaturun-
terschiede jedoch entstehen nicht von selbst;
Ein Prozess ist reversibel, wenn bei seiner Chemische Reaktionen, die von selbst ablau-
Umkehr der Ausgangszustand wieder er- fen: Wasserstoff verbindet sich mit Sauerstoff
reicht wird, ohne dass Änderungen in der zu Wasser. Für die Zersetzung des Wassers in
Umgebung zurückbleiben. seine Bestandteile hingegen muss Energie auf-
gewendet werden.
Reversible Zustandsänderungen von Gasen Bei genauer Betrachtung sind alle natürlich ab-
sind als idealisierte Grenzfälle denkbar, wenn die laufenden und technischen Prozesse irreversibel.
Prozesse reibungsfrei und quasistatisch verlau- Reversible Vorgänge sind lediglich idealisierte
fen, sodass der Druck und die Temperatur des Grenzfälle.
Gases zu jeder Zeit mit der Umgebung im Gleich-
gewicht sind. 3.3.7.2 Formulierungen des zweiten
Wird der Fall eines Apfels von einem Baum Hauptsatzes
gefilmt und der Film später rückwärts laufend be- Die Irreversibilität natürlicher und technischer
trachtet, so löst die Szene allgemeine Heiterkeit Prozesse ist der Inhalt des zweiten Hauptsatzes
aus. Jedermann weiß aus Erfahrung, dass dieser der Thermodynamik. Dieser legt die Richtung
Vorgang irreversibel ist, also nicht von allein in der von selbst ablaufenden Vorgänge fest, die
umgekehrter Richtung abläuft. stets einem Gleichgewichtszustand zustreben. Ei-
ne klassische Formulierung des zweiten Haupt-
satzes stammt von Thomson (Lord Kelvin) aus
Ein Vorgang ist irreversibel, wenn seine dem Jahr 1851:
Umkehr zum Ausgangszustand nur unter
äußerer Einwirkung möglich ist, wobei ei-
ne Veränderung in der Umgebung zurück- Es gibt keine periodisch arbeitende Ma-
bleibt. schine, die Wärme aus einer Wärmequelle
entnimmt und vollständig in mechanische
Arbeit umwandelt.
Beim unelastischen Aufprall des Apfels auf
den Boden wird seine kinetische Energie in ther-
mische Energie umgesetzt; die Temperatur des Die Erfahrung zeigt, dass eine Wärmekraftma-
Apfels und der unmittelbaren Umgebung erhöht schine stets auch Wärme an eine Wärmesenke
sich demnach geringfügig. Der umgekehrte Vor- tiefer Temperaturen abgeben muss (Abb. 3.25).
gang, dass der Apfel sich abkühlt und dann nach Ließe sich eine Maschine konstruieren, die oh-
oben hüpft, ist noch nie beobachtet worden, ob- ne Wärmeabgabe bei tiefer Temperatur auskäme,
wohl er den ersten Hauptsatz nicht verletzen so wären die Energieprobleme der Menschheit
würde. für alle Zeiten gelöst. Da z. B. in den Weltmee-
Weitere Beispiele für irreversible Vorgänge ren ein ungeheuerer Betrag an innerer Energie
sind steckt, könnten durch geringfügiges Abkühlen
des Meerwassers nahezu unbegrenzte Energiere-
Diffusion: Stoffe breiten sich aufgrund eines serven freigesetzt werden. Eine solche Maschi-
Konzentrationsgefälles so lange aus, bis die ne, die zwar den zweiten, nicht aber den ersten
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 197
J J
S D 1 mol 8;314 ln 2 D 5;76 :
mol K K
T2 p2 Q12 Q34
S D S2 S1 D Cmp ln Rm ln : C < 0:
T1 p1 T1 T3
(3.87)
Für beliebige irreversible Kreisprozesse gilt ent-
Beispiel 3.3-7 sprechend (im Gegensatz zu (3.83), die nur bei
In einem berühmt gewordenen Versuch ließ reversibler Prozessführung gültig ist)
Gay-Lussac nach Abb. 3.35 ein Gas aus einem I
•Qirr
Behälter in einen zunächst evakuierten Re- < 0: (3.88)
T
zipienten strömen. Die Anordnung war nach
außen wärmeisoliert (adiabates System). Gay- Nach Abb. 3.36 sei jetzt ein Kreisprozess be-
Lussac fand, dass nach Erreichen des Gleich- trachtet, der aus einem irreversiblen .1 ! 2/
gewichtszustands die Temperatur des Gases und einem reversiblen .2 ! 1/ Weg besteht.
nicht verändert war und schloss daraus, dass Der Gesamtprozess ist damit irreversibel, und
die innere Energie idealer Gase nicht vom nach (3.88) gilt
Volumen abhängt. Wie groß ist die Entropie-
änderung bei dem geschilderten Vorgang? I Z2 Z1
•Q •Qirr •Qrev
D C < 0:
T T T
Lösung 1 2
Obwohl die Ausströmung ins Vakuum ein
Mit (3.85) kann man schreiben
hochgradig irreversibler Prozess ist, lässt sich
die Entropieänderung mit Hilfe eines rever- Z2
siblen Ersatzprozesses berechnen. Ein denk- •Qirr
C S1 S2 < 0:
barer Ersatzprozess ist die isotherme Ex- T
1
pansion mit jeweils dem gleichen Anfangs-
und Endzustand wie der tatsächliche Prozess. Betrachtet man insbesondere adiabate Systeme,
Nach (3.86) gilt dann mit T1 D T2 bei denen keine Wärmeübertragung stattfindet
(•Qirr D 0), dann gilt
V2
S D S2 S1 D Rm ln :
V1 S2 S1 > 0: (3.89)
200 3 Thermodynamik
•Qrev D T dS oder
Mathematisch kann diese Aussage auch so Z2
formuliert werden: Q12;rev D T dS: (3.91)
1
dS = 0: (3.90)
Abb. 3.37 zeigt das Wärmeschaubild des Carnot-
Das Gleichheitszeichen gilt für reversible, das Prozesses. Die zugeführte Wärme entspricht der
Größer-als-Zeichen für irreversible Prozesse. Da Fläche unterhalb der Geraden 3–4, die abgege-
in der Natur von selbst nur irreversible Prozesse bene Wärme ist sichtbar als Fläche unterhalb der
ablaufen, gilt: Geraden 1–2. Die Nutzarbeit entspricht wie beim
p; V -Diagramm dem Flächeninhalt der umfahre-
nen Figur.
In einem adiabaten geschlossenen System
können von selbst nur Vorgänge ablaufen, 3.3.7.4 Statistische Deutung der
bei denen die Entropie ansteigt. Entropie
Mit Hilfe statistischer Betrachtungen soll gezeigt
werden, dass die Entropie in engem Zusammen-
Ein Beispiel für den Entropieanstieg ist die hang steht zu der Wahrscheinlichkeit, mit der ein
Ausströmung eines Gases ins Vakuum (Bei- bestimmter Zustand realisiert werden kann.
spiel 3.3-7). Ist ein System abgeschlossen, dann Zunächst soll gemäß Abb. 3.38 der übersicht-
ist die innere Energie des Systems konstant und liche Fall betrachtet werden, dass sich lediglich
die Entropie des Systems strebt einem Maxi- N D 4 Moleküle in einem Gefäß befinden.
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 201
Der Endzustand mit der größten Realisie- charakteristischen Schwellwert der Energie- oder
rungswahrscheinlichkeit ist die Gleichvertei- Stoffzufuhr plötzlich zu makroskopisch wahr-
lung mit der Komplexionenzahl WE D NN Š 2 nehmbaren Ordnungszuständen. Durch Selbstor-
. 2
Š/
ganisation setzen sich jene neuartigen Moden
und der Entropie SE D k ln N Š 2 ln N2 Š .
(Ordner) durch, die den anderen Systemteilen
Mithilfe der Stirling’schen Formel (3.94)
ihre Ordnung am erfolgreichsten aufprägen (Ver-
wird daraus
sklavung) und die höchsten Wachstumsraten ha-
ben. Aus der Unordnung (Chaos) entstehen al-
SE D N k ln 2 D Rm ln 2:
so in offenen Systemen geordnete Strukturen.
Die Entropieänderung ist damit Welche Ordnungszustände sich unter gegebenen
Randbedingungen bilden, ist Untersuchungsge-
S D SE SA D Rm ln 2; genstand der von H. H AKEN ( 1927) begründe-
ten Lehre vom Zusammenwirken der Einzelteile
in Übereinstimmung mit der thermodynami- offener Systeme, der Synergetik.
schen Berechnung von Beispiel 3.3-7.
3.3.7.5 Zur Übung
Füllt man in einen Behälter weißen Sand und
schichtet darüber vorsichtig dunklen Sand, dann Ü 3-23 Wie groß ist die Energie, die man mit
werden sich die beiden Sandsorten beim Schüt- einem Perpetuum mobile zweiter Art aus dem
teln des Gefäßes mischen. Dieser typisch irrever- Meerwasser gewinnen könnte, wenn dieses um
sible Mischungsvorgang kann vom Standpunkt # D 1 ı C abgekühlt würde? Die Masse des
der Wahrscheinlichkeitsrechnung so interpretiert Meerwassers ist m 1;4 1021 kg. Wie lan-
werden, dass das System vom unwahrscheinli- ge würde dieser Energievorrat reichen bei einem
chen Zustand hoher Ordnung in den wahrschein- mittleren Leistungsbedarf der Menschheit von
licheren Zustand großer Unordnung übergeht. ungefähr P D 17 TW (Prognose bis 2020)?
Von selbst ablaufende Vorgänge gehen stets von
geordneten Zuständen in Richtung größerer Un- Ü 3-24 Stickstoff wird vom Normzustand pn ; Tn
ordnung. Da sie gleichzeitig mit einem Entropie- und Vn D 1 l a) isobar, b) isochor auf die Tempe-
anstieg verknüpft sind, folgt: ratur T1 D 500 K erwärmt. Wie groß ist in beiden
Fällen die Entropieänderung?
Die Entropie ist ein Maß für den Grad der Ü 3-25 Welche Kurvenform hat eine Isocho-
Unordnung eines Systems. re im T; S-Diagramm? Wie sieht demnach das
T; S-Diagramm des Stirling-Prozesses aus? Wie
kann man zeigen, dass der thermische Wirkungs-
Das Prinzip des Entropieanstiegs gilt nur für grad des idealen Stirling-Prozesses mit funktio-
abgeschlossene Systeme, nicht aber für offene. nierender interner Wärmeübertragung mit dem
Ist ein offenes System weit entfernt vom thermi- des Carnot-Prozesses identisch ist?
schen Gleichgewicht, so bewirken einerseits die
Energiezufuhr oder auch der Zustrom neuer Stof- Ü 3-26 Ein Teil aus Kupfer mit der Masse m D
fe und andererseits die Umwandlung im System 1 kg und der Temperatur #1 D 10 ı C wird in Kon-
in andere Energie- und Stoffformen, dass sich im takt gebracht mit einem gleich schweren Kupfer-
System ständig neue Lagen der Systemteile zu- teil mit #2 D 30 ı C. a) Um welchen Betrag ändert
einander, neuartige Bewegungsabläufe oder neu- sich die Entropie der beiden Körper beim Tem-
artige Reaktionsabläufe bilden, an denen größere peraturausgleich, wenn kein Wärmetransport zur
Bereiche des Systems beteiligt sind. Unter den Umgebung erfolgt?
sich kurzzeitig bildenden, miteinander konkurrie- b) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass
renden Strukturen (Moden) kommt es ab einem der umgekehrte Vorgang von selbst abläuft?
3.3 Hauptsätze der Thermodynamik 203
3.3.8 Thermodynamische Potenziale auch jede andere Form von Arbeit •W 0 (z. B.
elektrische Arbeit bei elektrochemischen Reak-
Der zweite Hauptsatz erlaubt Aussagen über die tionen und Oberflächenarbeit) verstanden wird:
Richtung von selbst ablaufender Prozesse in adia- •W D •WV C •W 0 .
baten bzw. abgeschlossenen Systemen. Viele Pro- Wird das Volumen eines Systems konstant ge-
zesse, besonders chemische Reaktionen, laufen halten, dann ist •WV D 0, und aus (3.96) folgt
bei konstanter Temperatur ab. Hierbei kann die •W 0 5 dF oder dF •W 0 5 0.
Richtung von selbst ablaufender Vorgänge mit Bei spontan ablaufenden Reaktionen wird
der von Helmholtz eingeführten freien Energie F Nutzarbeit abgegeben, d. h. •W 0 = 0. Für die
bestimmt werden: freie Energie folgt daraus
F D U T S: (3.95) dF 5 0: (3.97)
Vmk D 3b (3.110)
und
8a
Tk D : (3.111)
27bRm
Werden diese beiden Gleichungen in die van-
der-Waals’sche Zustandsgleichung (3.109) einge-
setzt, ergibt sich
a
pk D : (3.112)
27b 2
Tab. 3.10 Kritische Temperatur Tk , kritischer Druck pk sowie van-der-Waals’sche Konstanten a und b verschiedener
Stoffe
N m4 m3
Stoff Tk in K pk in MPa a in 105 kmol2
b in 102 kmol
Elemente
Wasserstoff (H2 ) 33,240 1,296 0,2486 2,666
Helium (He) 5,2010 0,2275 0,0347 2,376
Stickstoff (N2 ) 126,20 3,400 1,366 3,858
Sauerstoff (O2 ) 154,576 5,043 1,382 3,186
Luft 132,507 3,766 1,360 3,657
anorganische Verbindungen
Chlor (Cl2 ) 417 7,70 6,59 5,63
Wasser (H2 O) 647,30 22,120 5,5242 3,041
Ammoniak (NH3 ) 405,6 11,30 4,246 3,730
Kohlendioxid (CO2 ) 304,2 7,3825 3,656 4,282
organische Verbindungen
Methan (CH4 ) 190,56 4,5950 2,3047 4,310
Propan (C3 H8 ) 370 4,26 9,37 9,03
Butan (C4 H10 ) 425,18 3,796 13,89 11,64
schen Effekte zusammengestellt. Für die Unter- und zweckmäßigerweise durch eine chemische
suchung von Werkstoffen bei tiefen Temperatu- Strukturformel angegeben.
ren kühlt man die Proben mit flüssiger Luft (T D Abb. 3.42 zeigt die möglichen Phasenüber-
79 K) oder flüssigem Stickstoff (T D 77 K) ab. gänge für die drei Aggregatzustände fest, flüssig
Zur Untersuchung des supraleitenden Zustandes und gasförmig unter Berücksichtigung von Mo-
(Abschn. 9.2.3) kühlt man meist mit flüssigem difikationsänderungen innerhalb des festen Zu-
Helium (T D 4;2 K bis 0;83 K). Um tiefere Tem- stands. Allen Phasenübergängen ist gemeinsam,
peraturen, die durch den Joule-Thomson-Effekt dass Wärme zu- bzw. abgeführt werden muss, oh-
nicht mehr erreicht werden, zu erhalten, müssen ne dass eine Temperaturänderung eintritt. Diese
paramagnetische Salze adiabat entmagnetisiert Wärme wird deshalb als latente Wärme bezeich-
werden. Infolge der während der Entmagnetisie- net. Wird beispielsweise der Phasenübergang von
rung zunehmenden Unordnung der magnetischen fest nach flüssig betrachtet, dann dient die zuge-
Struktur wird – analog zum Verdampfungspro- führte Wärme der Aufbrechung des Festkörper-
zess – dem Stoff Wärme entzogen, sodass ei- gitters. Die bei konstantem Druck und konstanter
ne Abkühlung eintritt (z. B. Cäsium-Titan-Alaun, Temperatur zugeführte Wärme erhöht die En-
T D 0;0034 K). Nach diesem magnetokalo- thalpie der Substanz: Hflüssig D Hfest C HS .
rischen Effekt werden Temperaturen bis T D HS wird als Schmelzenthalpie bezeichnet. Sie
102 K erzeugt. Noch tiefere Temperaturen (bis wird bei der Erstarrung wieder frei (HS ).
T D 106 K) kann man durch Entmagnetisierung Beim Übergang vom festen in den gasförmigen
von Atomkernen erreichen. Zustand muss die Summe aus Schmelzenthal-
pie HS und Verdampfungsenthalpie HV als
Sublimationsenthalpie Hsub D HS C HV
3.4.3 Phasenumwandlungen zugeführt werden.
Abb. 3.43 zeigt den Temperaturverlauf als
Eine Phase ist ein räumlich abgegrenztes Gebiet Funktion der zugeführten spezifischen Enthal-
eines Stoffes mit gleichen physikalischen Eigen- pie für Wasser vom Aggregatzustand fest (Eis)
schaften. Der Begriff Phase kann sowohl auf die bis gasförmig (Wasserdampf). In Tab. 3.11 sind
drei Aggregatzustände der Materie (fest, flüssig, die Schmelz- bzw. Siedepunkte sowie die spe-
gasförmig) als auch auf die verschiedenen Modi- zifischen Schmelz- bzw. Verdampfungsenthal-
fikationen desselben Stoffs (z. B. ˛- und -Eisen) pien zusammengestellt (die Siedepunkte und
angewandt werden. Die unterschiedlichen chemi- Verdampfungsenthalpien beziehen sich auf den
schen Bestandteile werden Komponenten genannt Normdruck pn D 1;013 105 Pa).
210 3 Thermodynamik
Tab. 3.11 Schmelz- bzw. Verdampfungstemperatur # sowie spezifische Schmelzenthalpie hS und spezifische Ver-
dampfungsenthalpie hV verschiedener Stoffe beim Druck pn D 1013 hPa
Stoff Schmelzen # in ı C hS in kJ=kg Verdampfen # in ı C hV in kJ=kg
Elemente
Wasserstoff (H2 ) 259;15 58,6 252;75 461
Helium (He) 270;7 3,52 268;94 20,9
Stickstoff (N2 ) 209;85 25,75 195;75 201
Sauerstoff (O2 ) 218;75 13,82 182;95 214
Luft 213 192;3 197
anorganische Verbindungen
Chlor (Cl2 ) 100;95 90,4 34;45 289
Wasser (H2 O) 0;00 335 100;00 2257
Ammoniak (NH3 ) 80 339 33;45 1369
Kohlendioxid (CO2 ) 56;55 184 78;45 574
organische Verbindungen
Methan (CH4 ) 182;45 58,6 161;45 510
Propan (C3 H8 ) 187;65 80,0 42;05 426
Butan (C4 H10 ) 138;35 77,5 0;65 386
In der Wärmelehre können je nach Systemzu- te Anzahl von Teilchen vorhanden, deren Ge-
stand fünf Gleichgewichtsforderungen auftreten schwindigkeit und somit deren kinetische Ener-
(Abschn. 3.3.8). Sie sind in Abb. 3.44 zusammen- gie groß genug ist, um gegen die Kohäsionskräfte
gestellt: der Nachbarteilchen die Flüssigkeitsoberfläche
zu durchstoßen.
Maximum der Entropie S für ein abgeschlos- Betrachtet sei ein Gefäß, in dem sich eine
senes System ohne Materie- und Energieaus- Flüssigkeit befindet. Wird der Gasraum evaku-
tausch; iert, so steigt der Dampfdruck so lange, bis sich
Minimum der freien Enthalpie G für ein ein Gleichgewicht zwischen der Verdampfungs-
isobar-isothermes System; und der Kondensationsrate einstellt. Dann liegt
Minimum der freien Energie F für ein isochor- ein gesättigter Dampf vor und der zugehörige
isothermes System; Dampfdruck heißt Sättigungsdampfdruck ps . Er
Minimum der Enthalpie H für ein isobar- ist unabhängig vom Volumen, da sich bei Ver-
adiabates System sowie größerung bzw. bei Verkleinerung des Volumens
Minimum der inneren Energie U für ein entsprechend mehr Dampf bildet bzw. konden-
isochor-adiabates System. siert. Auch das Einbringen von Körpern oder
anderen Gasmolekülen beeinflusst also den Sät-
Chemische Reaktionen, die isobar und isotherm tigungsdampfdruck nicht. Für die Dampfdrücke
spontan ablaufen, haben alle eine negative molare eines Gasgemischs (Partialdrücke) gilt deshalb
freie Enthalpie Gm . Dabei kann entweder Wär- das Dalton’sche Gesetz (J. DALTON, 1766 bis
me frei werden .H < 0/ oder der Endzustand 1844):
der Reaktion weist eine sehr viel höhere Entropie
auf .S D .H G/= T < 0/.
Der gesamte Druck eines Gasgemisches ist
3.4.3.2 Gleichgewicht zwischen flüssiger gleich der Summe der Partialdrücke:
und gasförmiger Phase
Analog zur Maxwell’schen Geschwindigkeitsver- X
n
teilung in Gasen (Abschn. 3.2.3) gibt es auch pges D pi : (3.119)
in Flüssigkeiten eine temperaturabhängige Ver- i D1
teilungsfunktion. Es ist immer eine bestimm-
212 3 Thermodynamik
Der Sättigungsdampfdruck steigt mit zuneh- schn. 3.3.6) durchlaufen wird. Wie Abb. 3.46
mender Temperatur, da zusätzlich Flüssigkeit zeigt, wird die Flüssigkeit auf dem Weg 3–4
verdampft, und nimmt ab mit fallender Tempe- bei der Temperatur T C dT und dem Sätti-
ratur, weil Dampf kondensiert. Abb. 3.45 zeigt gungsdruck ps C dps durch Zufuhr der molaren
den Verlauf des Sättigungsdampfdruckes ps von Verdampfungsenthalpie Hmv verdampft. Auf
Wasser in Abhängigkeit von der Temperatur. dem Weg 1–2 erfolgt bei der Temperatur T
Diese Dampfdruckkurve beschreibt die für das und dem Dampfdruck ps eine Kondensation. Zu-
Gleichgewicht zwischen flüssiger und gasförmi- nächst liegt das Volumen VmD in gasförmigem Zu-
ger Phase maßgebenden Wertepaare von Sätti- stand vor, am Ende ist das Volumen VmFl flüssig.
gungsdampfdruck ps und Temperatur. (Die adiabaten Teilstücke 4–1 und 2–3 sind infi-
Die Dampfdruckkurve wird durch den Boltz- nitesimal klein und daher bedeutungslos.) Die in
mann-Faktor (3.31) beschrieben: diesem Diagramm verrichtete Arbeit ist dW D
E .VmD VmFl /dps . Nach (3.75) und (3.76) lässt sich
ps e kT : (3.120) der thermische Wirkungsgrad des Carnot’schen
Kreisprozesses ermitteln aus
E ist die Energie, die benötigt wird, um vom
D
flüssigen in den gasförmigen Zustand zu gelan- dT Vm VmFl dps
gen. th D D :
T Hmv
Der Verlauf der Dampfdruckkurve kann ge-
nauer berechnet werden. Hierbei geht man da- Daraus ergibt sich als Steigung der Dampf-
von aus, dass mit einem Mol verdampfender druckkurve die Clausius-Clapeyron’sche-Glei-
Flüssigkeit ein Carnot’scher Kreisprozess (Ab- chung (R. E. C LAUSIUS, 1822 bis 1888, und
3.4 Zustandsänderungen realer Gase 213
Abb. 3.45 Verlauf des Sättigungsdampfdrucks ps von Wasser in Abhängigkeit von der Temperatur
dps Hmv ps
D oder
dT Rm T 2
dps Hmv dT
D :
ps Rm T 2
Abb. 3.46 Carnot’scher Kreisprozess für eine verdamp- Nach Integration erhält man
fende und kondensierende Flüssigkeit
ps Hmv
ln D C c: (3.122)
ps0 Rm T
B. P. E. C LAPEYRON, 1799 bis 1864):
Dies entspricht dem Boltzmann-Faktor (3.120).
dps Hmv Die Dampfdruckkurve lässt sich unter Be-
D D : (3.121)
dT Vm VmFl T rücksichtigung der Temperaturabhängigkeit der
214 3 Thermodynamik
Verdampfungsenthalpie für viele Substanzen in Übergang vom festen in den flüssigen Zustand,
folgender Form darstellen: ist wesentlich geringer als vom gasförmigen
in den flüssigen Zustand. Deshalb zeigen die
ps a T Schmelzdruckkurven einen steileren Anstieg als
ln D b ln C c: (3.123)
ps0 T T0 die Dampfdruckkurven (Abb. 3.47). In den meis-
ten Fällen ist das Volumen des festen Körpers
a; b und c sind materialabhängige Konstanten.
VmFest kleiner als das Flüssigkeitsvolumen VmFl ,
Die Dampfdruckkurve endet bei hohen Tempera-
sodass die Schmelzdruckkurve mit zunehmender
turen am kritischen Punkt.
Temperatur steigt. Bei Wasser dagegen ist das
Ist der Dampfdruck einer Flüssigkeit gleich
Eisvolumen größer als das Flüssigkeitsvolumen
dem auf der Flüssigkeit wirkenden Druck eines
(Anomalie des Wassers). Dann wird nach (3.124)
anderen Gases (z. B. Luft auf Wasser), so bilden
die Steigung der Schmelzdruckkurve dpf =dT ne-
sich auch im Innern der Flüssigkeit Dampfblasen;
gativ. Dies hat zur Folge, dass die Schmelz-
die Flüssigkeit siedet. Wird der auf der Flüs-
temperatur mit zunehmendem Druck sinkt, so-
sigkeitsoberfläche liegende Druck erhöht, dann
dass Eis bei gleichbleibender Temperatur durch
steigt der Siedepunkt. Dieser Effekt wird bei ei-
Druckerhöhung schmilzt. Dieser Effekt macht
nem Dampfkochtopf ausgenützt. Wird der Druck
Eissportarten, z. B. Schlittschuhlaufen, möglich:
erniedrigt, so fällt der Siedepunkt, sodass bei-
Infolge des Drucks schmilzt das Eis; wird der
spielsweise Wasser in großen Höhen deutlich
Druck weggenommen, dann gefriert der Wasser-
unterhalb # D 100 ı C kocht. Die Temperaturab-
film wieder.
hängigkeit des Siedepunkts wird aus der Dampf-
Der Übergang vom festen in den gasförmigen
druckkurve (Abb. 3.45) erkennbar.
Aggregatzustand (Sublimieren) findet bei ent-
Eine Verdampfung in offener Umgebung ist
sprechend niedrigen Drücken und Temperaturen
eine Verdunstung. Da der Dampf ständig weg-
statt. Diesen Vorgang kann man bei Normaldruck
transportiert wird, kann sich kein Phasengleich-
bei Kohlensäureschnee (Trockeneis) beobachten.
gewicht bilden, sodass große Mengen Flüssig-
keit verdunsten können. Die aufzuwendende Ver-
3.4.3.4 Koexistenz dreier Phasen
dampfungswärme wird zum Teil der Flüssigkeit
Der Verlauf der Phasengrenzen zwischen den
entzogen, die sich deshalb abkühlt (Verduns-
drei Aggregatzuständen fest, flüssig und gasför-
tungskälte).
mig in Abhängigkeit von Druck, Temperatur und
Volumen wird durch ein Zustandsdiagramm be-
3.4.3.3 Gleichgewicht zwischen fester
schrieben. Abb. 3.47a zeigt dieses dreidimensio-
und flüssiger Phase
nale „Gebirge“, Abb. 3.47b das p; T -Zustands-
Auch zwischen flüssiger und fester Phase besteht
diagramm und Abb. 3.47c nochmals das p; T -
ein Gleichgewicht Die Schmelztemperatur ist wie
Zustandsdiagramm speziell für Kohlendioxid in
bei der Phasenumwandlung flüssig–gasförmig
detaillierter Form. Besonders wichtig sind die
nach der Clausius-Clapeyron’schen Gleichung
Gleichgewichtsgebiete (Koexistenzgebiete). Die
vom Druck abhängig. Diese Schmelzdruckkurve
grauen Flächen in Abb. 3.47a zeigen die Gleich-
beschreibt die für das Gleichgewicht zwischen
gewichtsgebiete zwischen Festkörper und Flüs-
fester und flüssiger Phase maßgebenden Werte-
sigkeit (1), Flüssigkeit und Gas (2) sowie Fest-
paare von Schmelzdruck pf und Temperatur T :
körper und Gas (3). Außerdem ist der kritische
dpf Hms Punkt K ersichtlich. Das Flüssigkeitsgebiet wird
D Fl : (3.124) oberhalb des kritischen Drucks p durch die
dT Vm Vm T
Fest k
kritische Isotherme Tk gegen das Gasgebiet ab-
Hierbei ist Hms die molare Schmelzenthalpie, gegrenzt (gestrichelte rote Linie in Abb. 3.47).
VmFl bzw. FmFest das Molvolumen der flüssigen Die Begrenzungshyperbel am rechten Bildrand
bzw. festen Substanz und T die Schmelztempe- gibt den Übergang zum idealen Gas an. Am kri-
ratur. Die Volumenänderung VmFl VmFest , beim tischen Punkt K für Kohlendioxid betragen die
3.4 Zustandsänderungen realer Gase 215
b a
Werte für die Zustandsgrößen pk D 7;38 MPa pelpunkt des Wassers ist der Fundamentalpunkt
und Tk D 304;2 K. An der Sublimationsdruck- für die Temperaturskala nach Kelvin. Er liegt bei
kurve von Kohlendioxid lässt sich der Vorgang der Temperatur TTr D 273;16 K, der Druck be-
der Sublimation bei Normaldruck zeigen, für den trägt pTr D 612 Pa. Für Kohlendioxid betragen
Normdruck pn D 0;1013 MPa ergibt sich im die Werte TTr D 216;6 K und pTr D 0;52 MPa
Gleichgewicht aus der Sublimationsdruckkurve (Abb. 3.47c).
die Temperatur T D 195 K (# D 78 ı C). Befinden sich in einem Gefäß mehrere Phasen,
Bei dieser Temperatur findet ein direkter Über- dann sind die Zustandsvariablen Druck und Tem-
gang vom festen in den gasförmigen Zustand statt peratur nicht voneinander unabhängig.
(Sublimation). Im p; T -Zustandsdiagramm gibt Die Anzahl der Freiheitsgrade f , d. h. die
es einen einzigen Punkt Tr, in dem die feste, Anzahl der physikalischen Zustandsgrößen, die
flüssige und gasförmige Phase im Gleichgewicht frei variiert werden können, sind durch die
stehen. Er wird Tripelpunkt genannt. Die Koexis- Gibbs’sche Phasenregel (J. W. G IBBS, 1839 bis
tenz von drei Phasen tritt nur bei einer wohldefi- 1903) gegeben:
nierten Temperatur auf, weshalb der Tripelpunkt
zur Temperaturdefinition geeignet ist. Der Tri- f D k C 2 P: (3.125)
216 3 Thermodynamik
Es bedeuten hierbei k die Anzahl der unabhängi- Freiheitsgrad mehr (f D 0), d. h., die physikali-
gen chemischen Komponenten und P die Anzahl schen Zustandsgrößen Druck p und Temperatur
der Phasen. Für reines Wasser ist k D 1. Liegt T sind festgelegt.
nur eine Phase vor (z. B. die Gasphase), dann ist
P D 1 und es gibt f D 2 Freiheitsgrade. Dies
bedeutet, dass die Temperatur und der Druck un- 3.4.4 Dämpfe und Luftfeuchtigkeit
abhängig voneinander variieren können. Liegen
aber zwei Phasen gleichzeitig vor (z. B. entlang Die Berechnung und Auslegung von Luftzustän-
der Dampfdruckkurve), so gibt es nur noch einen den (Konditionierung) ist ein wichtiges Arbeits-
Freiheitsgrad (f D 1); beispielsweise ist dann feld der Klimatechnik und Luft das technisch
nur die Temperatur unabhängig variierbar. Im wichtigste Dampf-Gas-Gemisch. Wenn in der
Tripelpunkt liegen alle drei Phasen nebeneinan- Luft Wasserdampf enthalten ist, liegt feuchte Luft
der vor (P D 3). In diesem Fall gibt es keinen vor. Die Aufgabe der Klimatechnik besteht dar-
3.4 Zustandsänderungen realer Gase 217
in, Luftmassen zu befeuchten oder zu trocknen. ton’schen Gesetz aus der Summe der Partial-
Nach Abb. 3.48 gibt es hierfür drei Möglichkei- drücke (Druck der trockenen Luft pTL und Druck
ten: des Wasserdampfes pD ) zusammen: pFL D
pTL C pD .
Mischung von Luftmassen,
Wärmezu- bzw. -abfuhr und Absolute Luftfeuchtigkeit
Wasserzu- bzw. -abfuhr. Die absolute Luftfeuchtigkeit 'a ist der Quotient
aus der Masse des in der Luft enthaltenen Was-
Diese Konditionierungskonzepte für Luft werden serdampfes mD und dem Volumen der feuchten
beispielsweise zur Lösung folgender Aufgaben Luft VFL :
mD
eingesetzt: 'a D : (3.126)
VFL
Auslegung von stationären Klimaanlagen,
Relative Luftfeuchtigkeit
Auslegung der Klimatisierung von Verkehrs-
Die relative Luftfeuchtigkeit ' ist der Quotient
mitteln (air condition in Bussen und Flugzeu-
aus dem Partialdruck des Wasserdampfes pD und
gen) sowie
dem Sättigungsdampfdruck des Wasserdampfes
Auslegung von Produktionshallen zur Kunst-
ps (bei der jeweiligen Temperatur):
stoffverarbeitung. (Einige Kunststoffe geben
nach zu feuchter Verarbeitung Wasser ab. pD
Dann schrumpft das Kunststoffteil, es ist nicht 'D : (3.127)
ps
mehr maßhaltig.)
(Der Wert wird manchmal noch mit 100 mul-
Die zahlenmäßigen Angaben in den folgenden tipliziert, und die relative Luftfeuchtigkeit ' in
Gleichungen sind auf den Normdruck (pn D Prozent angegeben.) Je nachdem, ob die relative
Luftfeuchtigkeit ' < 1, ' D 1 oder ' > 1 ist, ist
1;013 105 Pa) bezogen und für den in der Kli-
matechnik üblichen Temperaturbereich zwischendie Luft ungesättigt, gesättigt oder übersättigt.
# D 10 ı C und # D C40 ı C näherungsweise Physikalische Effekte, die stark abhängig von
gültig. der Feuchtigkeit sind, dienen zur Messung und
Regelung der relativen Luftfeuchtigkeit. Früher
Druck der feuchten Luft wurde vorwiegend die Längenänderung hygro-
Der Druck pFL der feuchten Luft wird un- skopischer Stoffe zur Messung herangezogen.
mittelbar an einem Barometer abgelesen (Ab- In Feuchtesensoren modernerer Art nutzt man
schn. 2.12.1.1) und setzt sich nach dem Dal- die Änderung von elektrischen Eigenschaften
218 3 Thermodynamik
Abb. 3.50 h; x-Diagramm nach Mollier für feuchte Luft beim Druck p D 1013 hPa (VDI-Richtlinie 2067, Blatt 3).
' relative Feuchte. Die roten Linien beziehen sich auf Beispiel 3.4-2
(G. H. W IEDEMANN, 1826 bis 1899, R. F RANZ, renanteil (abnehmende Rohdichte) ab. Porosierte,
1827 bis 1902) die Wärmeleitfähigkeit pro- luft- oder schwergasgeschäumte sowie faserarti-
portional zur elektrischen Leitfähigkeit ~ (Ab- ge Stoffe mit einer Wärmeleitfähigkeit unter D
schn. 9.3.1.3) gemäß 0;1 W=.m K/ werden als Wärmedämmstoffe be-
zeichnet.
D LT ~: (3.133) Die Wärmeleitfähigkeit ist temperaturabhän-
gig und besonders bei porosierten Stoffen stark
T ist die absolute Temperatur des Stoffs, L wird abhängig von der Materialfeuchtigkeit. Zur Be-
als Lorenz’sche Zahl bezeichnet und hat für urteilung des Wärmeschutzes im Hochbau nach
alle Metalle annähernd denselben Wert L D DIN 4108 werden deshalb nur Rechenwer-
2;45 108 V2 =K2 . Isolatoren, beispielsweise die te der Wärmeleitfähigkeit R verwendet, die
nichtmetallischen Baustoffe, sind schlechte Wär- einen der praktischen Baufeuchtigkeit entspre-
meleiter. Ruhende Gasschichten in Poren oder chenden Zuschlag zu den experimentell im
zwischen Mineral-, Glas-, Holz- oder Korkfa- trockenen Zustand gemessenen Wärmeleitfähig-
sern vermindern die Wärmeleitfähigkeit erheb- keitswerten enthalten. In Tab. 3.12 sind eini-
lich. Bei Mauersteinen nimmt die Wärmeleitfä- ge wärmetechnische Stoffwerte zusammenge-
higkeit etwa proportional zum wachsenden Po- stellt.
222 3 Thermodynamik
Wärmeleitung:
@# @jqx @jqy @jqz
c% D fP C C : (3.135)
@t @x @y @z
führt.
Beispiel 3.5-1
Wie groß ist der stationäre Wärmestrom durch
eine s2 D 24 cm dicke Hochlochziegel-
wand .R D 0;50 W=.m K/) mit einer au-
ßenseitigen s3 D 60 mm dicken Polystyrol-
Dämmplattenschicht (R D 0;04 W=.m K/)
und s4 D 6 mm Kunstharzputz (R D Oa
3.5.2 Konvektion
Abb. 3.55 Divergente Wärmeströme geometrischer Wär-
mebrücken Beim konvektiven Wärmeübergang findet die
Wärmeübertragung zwischen zwei thermodyna-
mischen Systemen statt, die sich relativ zueinan-
gemäß Abb. 3.55 (gekrümmte Isothermen), dann der bewegen, wie es beispielsweise bei der Wär-
ergibt die Anwendung von (3.141) falsche Wär- meübertragung von einem Fluid, also einer Flüs-
medurchlasswiderstandswerte; dies zeigt schon sigkeit oder einem Gas, an eine Wand der Fall
der Vergleich von (3.141) mit (7) in Abb. 3.53 ist, wie Abb. 3.56 zeigt. Erfolgt die Strömung des
im einfachen Fall der radialen Wärmestromlinien Fluids nur durch Auftriebskräfte, die ein tempera-
eines zylindrischen Rohrs. turabhängiges Dichtegefälle im Fluid verursacht,
Instationäre Wärmeleitungsvorgänge, bei- dann wird dieser Wärmeübergang als freie Kon-
spielsweise der Aufheizvorgang einer Wand vektion bezeichnet. Bei der erzwungenen Kon-
oder periodische Wärmeübertragungsprozesse, vektion handelt es sich um eine Zwangsströmung
erfordern die Lösung der zeitabhängigen Wärme- unter der Wirkung äußerer Kräfte, beispielsweise
leitungsgleichung (3.136). Die Lösungen haben von Antriebskräften von Pumpen oder Ventilato-
als charakteristische Kenngröße die Temperatur- ren. Auch beim konvektiven Wärmeübergang an
leitfähigkeit a der Trennwand in m2 =s: windausgesetzten Bauteilen überwiegt in der Re-
gel der Anteil der erzwungenen Konvektion.
Die Proportionalitätskonstante zwischen der
aD : (3.147)
c% auf die wärmeübertragende Wandfläche A bezo-
226 3 Thermodynamik
Tab. 3.15 Wärmetechnische Stoffwerte von Wasser und trockener Luft bei dem Druck p D 1 bar (aus: VDI-
Wärmeatlas, 10. Aufl. 2006)
# % cp a Pr
ı
C kg=m3 kJ=.kg K/ 103 K 103 W=.m K/ 106 kg=.m s/ 106 m2 =s 106 m2 =s
Wasser
0 999,8 4,218 0,0672 561,0 1791,3 1,792 0,133 13,48
20 998,2 4,181 0,2067 598,4 1002,0 1,004 0,143 7,00
50 988,0 4,180 0,4578 643,6 547,1 0,554 0,156 3,55
99,63 958,6 4,216 0,7487 678,9 293,0 0,295 0,168 1,76
trockene Luft
100 2,019 1,011 5,852 16,02 11,77 5,829 7,85 0,742
0 1,275 1,006 3,674 24,18 17,24 13,52 18,83 0,718
20 1,188 1,007 3,421 25,69 18,24 15,35 21,47 0,715
100 0,9329 1,012 2,683 31,39 21,94 23,51 33,26 0,707
200 0,7356 1,026 2,115 37,95 26,09 35,47 50,30 0,705
500 0,4502 1,093 1,293 55,64 36,62 81,35 113,1 0,719
1000 0,2734 1,185 0,785 80,77 50,82 185,9 249,2 0,746
# Celsius-Temperatur, % Dichte, cp Spezifische Wärmekapazität bei konstantem Druck, Wärmeausdehnungs-
koeffizient, Wärmeleitfähigkeit, dynamische Viskosität, kinematische Viskosität, a Temperaturleitfähigkeit,
Pr Prandtlzahl.
eine mittlere Temperatur von Tm D 290 K er- der effektive Wärmeübergangskoeffizient ab-
gibt sich geschätzt werden mit der Beziehung
q W
W m1=4 T 1=4
˛K;eff D 2
˛K;lam 2
C ˛K;turb D 3;2 2 :
˛K;lam D 5;7 m K
m2 K Tm h
1=4 (3.164)
W T
6 2 : (3.163)
m K Tm h=m Bei der erzwungenen Konvektion ist häu-
fig der Einfluss der Anströmgeschwindigkeit auf
Dies ist eine häufig angeführte Näherungs- den übertragenen Wärmestrom von Interesse. In
formel für die freie Konvektion in Luft. diesem Fall muss der Faktor der Strömungsge-
Mit den angegebenen Daten des Beispiels schwindigkeit v aus der Nußeltzahl abgespaltet
ist der konvektive Wärmeübergangskoeffizient werden.
auf der Raumseite der Außenwand ˛K;lam D
2
1;8 W=.m K/.
Bei der freien Konvektion in Luft kann je- 3.5.3 Wärmestrahlung
doch vor Wänden der turbulente Anteil des
konvektiven Wärmeübergangs nicht vernach- Die Abgabe von Wärmestrahlung hängt außer
lässigt werden. Die Nußeltzahl Nu ist größer von der Temperatur T nur noch von der Größe
als der Näherung ˛K T 1=4 zugrunde liegt. und der Struktur der Oberfläche ab. Die höchste
Im vorliegenden Beispiel ist die Grashof- Strahlungsdichte emittiert ein schwarzer Körper
zahl Gr D 1;47 1010 und die Nußelt- (Hohlraumstrahler, Abb. 6.69 in Abschn. 6.3.2).
zahl für den turbulenten Bereich nach (6) in Ein solcher schwarzer Körper absorbiert ande-
Tab. 3.14 Nu D 254. Der sich mit diesem rerseits auch die gesamte auffallende Strahlungs-
Wert nach (3.161) für den turbulenten kon- energie und wandelt sie in Wärme um.
vektiven Wärmeübergangskoeffizienten erge- Bei nicht schwarzen Körpern ist das Ab-
bende Wert ist ˛K;turb D 2;6 W=.m2 K/. Im strahlungsvermögen gleich dem Absorptions-
Übergangsbereich der Strömungsarten kann grad. Blanke Metalloberflächen haben deshalb
3.5 Wärmeübertragung 231
ein geringes Abstrahlungsvermögen, weil sie we- Tab. 3.16 Emissionsgrad " für die Gesamtstrahlung bei
nig absorbieren. Wenn das Absorptionsvermögen der Temperatur # (aus: VDI-Wärmeatlas, 10. Auflage
2006 und Kohlrausch Praktische Physik, 24. Auflage
eines nicht schwarzen Körpers < 1 und unab- 1996)
hängig von der Wellenlänge ist, dann liegt ein
Oberfläche # in ı C "
grauer Körper vor. Auf den schwarzen Körper
Metalle
wird das Emissions- und Absorptionsvermögen Aluminium
anderer grauer Körper bezogen und durch den poliert 100 0,12
Emissionsgrad " und den Absorptionsgrad ˛ ge- oxidiert 93 0,23
kennzeichnet. Ist Me die spezifische Ausstrahlung Chrom poliert 150 0,071
des grauen Körpers und Me;s die des schwarzen, Gold poliert 227 0,021
dann ist der Emissionsgrad " des grauen Körpers Eisen
poliert 100 0,20
Me angerostet 20 0,62
"D : (3.165)
Me;s verzinkt 28 0,26
Messing
Entsprechend hängt der Absorptionsgrad ˛ des nicht oxidiert 25 0,045
grauen Körpers vom Verhältnis der absorbierten oxidiert 200 0,61
Strahlungsleistungen Ma des grauen und Ma;s des Nichtmetalle
schwarzen Körpers ab: Beton 20 0,94
Dachpappe 20 0,86
Ma Glas 20 0,88
˛D : (3.166) Holz (Eiche) 20 0,90
Ma;s
Mauerwerk. Putz 20 0,91
Kunststoffe 20 0,92
Definitionsgemäß sind für einen schwarzen
Lacke, Farben 100 0,88 bis 0,92
Körper " D 1 und ˛ D 1. Die Emissionszah-
Wasser 20 0,90
len ausgewählter grauer Körper sind in Tab. 3.16 Ziegelstein, rot 20 0,93
aufgeführt.
Der Emissionsgrad und der Absorptionsgrad
eines Temperaturstrahlers sind nach dem Kirch-
hoff’schen Strahlungsgesetz (G. R. K IRCHHOFF,
1824 bis 1887) immer gleich:
" D ˛: (3.167)
˚a . Nach dem Energieerhaltungssatz besteht zwi- Ein grauer Temperaturstrahler mit der Strahl-
schen dem Reflexionsgrad % D ˚r =˚e , dem dichte Le1 D Me1 =. ˝0 / (6.76), der Tempera-
Transmissionsgrad
D ˚t =˚e und dem Absorp- tur T1 , der Fläche A1 und dem Emissionsgrad "1
tionsgrad ˛ D ˚a =˚e der Zusammenhang strahlt also an eine Fläche A2 die Strahlungsleis-
tung ˚e1 ab:
% C
C ˛ D 1: (3.168)
˚e1 D A1 "1 '12 T14 : (3.172)
Für einen nicht transparenten Stoff mit dem
Der graue Temperaturstrahler mit den Strah-
Transmissionsgrad
D 0, wie es die meisten
lungskennwerten A1 ; "1 und T1 emittiert nicht
technischen Stoffe im Infrarotbereich der elektro-
nur die Strahlungsleistung ˚e1 an die Fläche A2 ,
magnetischen Strahlung sind, gilt
sondern empfängt auch von dieser die Strah-
lungsleistung ˚e2 . Der von der Fläche A1 mit
% D 1 ˛ D 1 ": (3.169)
der höheren absoluten Temperatur T1 an die Flä-
che A2 mit der niedrigeren absoluten Temperatur
Bei der Wärmestrahlung gelten die gleichen Ge-
T2 durch Wärmestrahlung transportierte Wärme-
setze wie bei der elektromagnetischen Strahlung
strom QP 12 ist
im Sichtbaren (Fotometrie, Abschn. 6.3), nur
liegen, wie Abschn. 6.3, Abb. 6.70 zeigt, die QP 12 D C12 A1 T14 T24 : (3.173)
Strahlungsmaxima der Temperaturstrahler mit ei-
ner Oberflächentemperatur unter 600 ı C weit im C12 mit der Maßeinheit W=.m2 K4 / ist der Strah-
infraroten Wellenlängenbereich der elektroma- lungsaustauschkoeffizient. Aus der Bilanz der
gnetischen Strahlung. ausgetauschten Strahlungsleistungen zwischen
Nach dem Stefan-Boltzmann-Gesetz (Ab- den beiden grauen Körpern unterschiedlicher
schn. 6.3.2, (6.84), ist die spezifische Ausstrah- Temperatur folgt für den Strahlungsaustauschko-
lung Me eines grauen Temperaturstrahlers effizienten
"1 "2 '12
Me .T / D " T 4 I (3.170) C12 D : (3.174)
1 .1 "1 /.1 "2 / A1 2
'
A2 12
D 5;670 108 W m2 K4 ist die Stefan- Für nichtmetallische Strahler mit (1 "/ <
Boltzmann-Konstante. 0;1 kann (3.174) näherungsweise ersetzt werden
Beim Wärmetransport durch Wärmestrahlung durch
sind die Flächen, die die elektromagnetische C12 D "1 "2 '12 : (3.175)
Energie übertragen, nicht mehr klein. In die-
sem Fall muss das fotometrische Grundgesetz In Abb. 3.59 sind die Strahlungsaustauschkoef-
(Abschn. 6.3.2, (6.72)) über die Strahlungsaus- fizienten C12 einiger Spezialfälle zusammenge-
tauschflächen A1 und A2 integriert werden. Zur stellt.
dimensionslosen Einstrahlzahl '12 wird der nur
Beispiel 3.5-3
von der Geometrie abhängige Teil von (6.72) zu-
Wie groß ist die Wärmestromdichte jq S des
sammengefasst:
Wärmestrahlungsaustausches zwischen zwei
Z Z sehr großen Platten mit den Oberflächentem-
1 cos ˇ1 cos ˇ2
'12 D dA1 dA2 : peraturen T1 und T2 sowie den Emissionszah-
A1 r2
A1 A2 len "1 und "2 ?
(3.171)
Hierbei ist r der Abstand der Flächen A1 und Lösung
A2 ; ˇ1 und ˇ2 sind die Winkel zwischen der Die von der Platte 1 abgestrahlte Gesamt-
.1/
Strahlungsrichtung und den jeweiligen Flächen- Ausstrahlung Me;ges ist die spezifische Aus-
normalen. strahlung Me1 der Platte 1 zuzüglich der
3.5 Wärmeübertragung 233
"1 T14 C .1 "1 /"2 T24 Die Kenngröße für den Wärmetransport von ei-
.1/
Me;ges D und
nem Medium 1 mit der Temperatur #M1 in ein
1 .1 "1 /.1 "2 /
Medium 2 mit der Temperatur #M2 < #M1 durch
"2 T24 C .1 "2 /"1 T14
.2/
Me;ges D die Fläche A einer wärmedämmenden Trenn-
1 .1 "1 /.1 "2 / wand, beispielsweise von der Raumluft durch die
Außenwand an die Außenluft, ist der Wärme-
bestimmt, dann beträgt die Wärmestromdichte
durchgangskoeffizient U . Im Beharrungszustand
jqS der Wärmestrahlung
ist der Wärmestrom
jqS D Me;ges
.1/
Me;ges
.2/
QP D UA.#M1 #M2 /: (3.178)
"1 "2 T14 T24
D :
1 .1 "1 /.1 "2 / Die Maßeinheit des Wärmedurchgangskoeffizi-
enten ist W=.m2 K/. Bei gekrümmten wärme-
Ein Vergleich mit (3.173) bestätigt (1) aus übertragenden Flächen, wie beispielsweise einem
Abb. 3.59 für den Strahlungsaustauschkoef- dickwandigen Heizungsrohr, bezieht man den
fizienten C12 zwischen zwei parallelen Flä- Wärmedurchgangskoeffizient auf die Innenober-
chen. Die Strahlungswärmestromdichte zwi- fiäche Ai oder die Außenoberfläche Aa .
schen den beiden Scheiben einer Isoliervergla- Eine Analyse der Fourier’schen Wärmelei-
sung ."1 D "2 D 0;88/ mit den Temperaturen tungsgleichung (3.135) ergibt, dass die unter sta-
#o1 D 10 ı C und #o2 D 0 ı C beträgt beispiels- tionären Bedingungen nach (3.178) ermittelten
weise jq S D 38;4 W=m2 . Wärmedurchgangskoeffizienten die Wärmedäm-
mung auch beschreiben, wenn die Wärmeströme
Die absoluten Temperaturen der Temperatur- instationär, aber, wie beispielsweise bei einer
strahler bestimmen den Wärmetransport durch Heizperiode, mit einer Zykluszeit tZ periodisch
Wärmestrahlung. Wird (3.173) umgeschrieben in verlaufen. In diesen Fällen sind die in (3.178)
über die Zykluszeit tZ gemittelten Werte
QP 12
jqS D (3.176) ZtZ
A1 1
D C12 T12 C T22 .T1 C T2 /.T1 T2 /; QNP D P
Q.t/dt und (3.179)
tZ
0
Bei gekrümmten Trennwänden ist (3.190) nicht dert sich der Gesamtwärmestrom, wenn eine der
anwendbar. In einem solchen Fall müssen die beiden Scheiben zur Luftschicht hin durch ei-
Faktoren von (3.190) mit den Wärmeübertra- ne Bedampfung nur noch einen Emissionsgrad
gungsflächen der Einzelschichten gewichtet wer- " D 0;08 aufweist?
den, weshalb die Bestimmungsgleichungen des
Wärmeübergangskoeffizienten mathematisch äu- Ü 3-29 Das Flachdach über einer Halle mit
ßerst kompliziert sind. einer Lufttemperatur #L D 20 ı C hat von
Die Oberflächentemperaturen zu beiden Sei- außen nach innen den folgenden Aufbau:
ten der Trennwand werden berechnet, in- Dachhaut (UV-geschützt, Wärmedämmung
dem (3.188) in (3.183) oder (3.187) eingesetzt vernachlässigbar), 60 mm Wärmedämmung
wird: ( D 0;04 W=.m K/), 160 mm Stahlbetonde-
cke ( D 2;1 W=.m K/), 10 mm Innenputz
U.#M1 #M 2 / ( D 0;70 W=.m K/. Man rechne mit den Norm-
#Oi D #M1 ; (3.191)
˛i Übergangswiderständen 1=˛i D 0;13 m2 K=W
U.#M1 #M 2 / und 1=˛a D 0;035 m2 K=W gemäß DIN 4108.
#Oa D #M2 : (3.192)
˛a Welchen Wärmedurchgangskoeffizienten hat die-
ses Flachdach? Wie groß ist zwischen Sommer
Die Temperaturen #1 und #2 der Berührungsflä- und Winter der Temperaturunterschied an der
chen der Trennwandschichten in Abb. 3.60 lassen Berührungsfläche von Betondecke und Wärme-
sich dann über (3.143) und (3.144) bestimmen. dämmung, wenn für die Sommerzeit mit einer
durch Sonneneinstrahlung auf #O D 60 ı C an-
gehobenen Oberflächentemperatur außen und für
3.5.5 Zur Übung die Winterzeit mit einer Außenlufttemperatur
#a D 15 ı C gerechnet wird?
Ü 3-27 Welchen konvektiven Wärmestrom gibt
ein senkrechter Plattenheizkörper mit der Höhe Ü 3-30 Die Körperkerntemperatur des Men-
h D 0;6 m und der Breite b D 1;2 m turbulent schen beträgt #K D 37 ı C, der Wärmedurch-
an die Umgebungs luft ab, wenn die gleichförmi- lasswiderstand des menschlichen Gewebes etwa
ge Oberflächentemperatur #O D 40 ı C und die RG D 0;08 m2 K=W. Wie groß ist die Wärme-
Lufttemperatur #L D 20 ı C beträgt? stromdichte auf der menschlichen Haut, wenn
der Mensch, bekleidet mit einer Kleidung, deren
Ü 3-28 Wie groß sind die Teilwärmeströme Wärmedurchlasswiderstand RKL D 0;2 m2 K=W
der Wärmeleitung, Konvektion (turbulent oh- beträgt, sich in einem Raum befindet, dessen
ne Verknüpfung mit der Wärmeleitung) und Raumlufttemperatur #Li D 21 ı C ist und des-
Wärmestrahlung durch die 12 mm dicke Luft- sen Wände, Decke und Boden eine Oberflächen-
schicht einer 1 m mal 1 m großen Zweischeiben- temperatur von #u D 14 ı C haben? Die Wär-
Isolierverglasung (Außenscheibe 0 ı C, Innen- meübergangskoeffizienten seien näherungsweise
scheibe 10 ı C)? Um welchen Prozentsatz vermin- ˛K D 3;3 W=.m2 K/ und ˛S D 5;1 W=.m2 K/.
Elektrizität und Magnetismus
4
gleichungen) zusammengefasst, die die Feld- schn. 10.5) bedürfen sie deshalb keiner Korrek-
größen E ; D; H und B miteinander verknüp- tur.
fen (Maxwell’sche Gleichungen). Zur Lösung
der Maxwell’schen Gleichungen sind die drei
Feldgleichungen .D D "E ; B D H und 4.1 Physikalische Gesetze und
j D ~E erforderlich. Die Maxwell’schen Definitionen
Gleichungen beinhalten bereits die endliche
Geschwindigkeit der Informationsausbreitung In diesem Abschnitt sind die grundlegenden Er-
(Konstanz der Vakuumlichtgeschwindigkeit c); scheinungen der Elektrizitätslehre beschrieben,
aufgrund der Relativitätstheorie Einsteins (Ab- die wichtigsten physikalischen Größen definiert
4.1 Physikalische Gesetze und Definitionen 239
und die physikalischen Gesetze am Beispiel des ungleichnamige Ladungen ziehen sich an. Für
metallischen Leiters wiedergegeben. die anziehende oder abstoßende Kraft, die ei-
ne Punktladung Q1 auf eine im Abstand r12
sich befindende Punktladung Q2 ausübt, gilt das
4.1.1 Ladung Coulomb’sche Gesetz (benannt nach dem fran-
zösischen Physiker C. A. C OULOMB, 1736 bis
Die Ladung Q hat folgende Eigenschaften: 1806):
1 Q1 Q2 r 12
Es gibt nur zwei Sorten von Ladungen: positi- F12 D 2
: (4.2)
4 "0 r12 r12
ve und negative. Sie dienen zur Erklärung der
Abstoßung und Anziehung von Ladungen so- r 12
: Einheitsvektor von Q1 nach Q2
wie der Ladungsneutralität. r12
Die Ladung ist quantisiert, d. h., es gibt eine Diese Kraft weist dabei in Richtung der Ver-
kleinste elektrische Ladungsmenge, die Ele- bindungslinie beider Ladungen. Die Maßstabs-
mentarladung e. Sie ist eine Naturkonstante konstante "0 ist die elektrische Feldkonstante
und hat den Wert bzw. die Dielektrizitätskonstante des Vakuums:
C2
e D 1;602177 1019 C: (4.1) "0 D 8;854 1012 : (4.3)
N m2
Diese Elementarladung tragen z. B. die Ele- Mit ihr errechnet sich der Proportionalitätsfaktor
mentarteilchen Proton (positive Ladung) und des Coulomb’schen Gesetzes:
Elektron (negative Ladung). Jede elektrische
Ladung ist damit ein Vielfaches der elektri- 1 N m2
D 8;988 109 2 : (4.4)
schen Elementarladung. So entspricht die La- 4 "0 C
dungseinheit von 1 C etwa der Ladung von
6;24 1018 Elektronen. Die Messung der Ele- Das Coulomb’sche Gesetz gilt nicht nur für
mentarladung glückte erstmalig R. A. M ILLI - punktförmige Ladungen, sondern auch noch nä-
KAN im Jahr 1910 (Abschn. 4.3.5.5). herungsweise für Kugeln, wenn deren Abstand
Die Ladung ist an Materie gebunden, sie (von Kugelmitte zu Kugelmitte) groß im Ver-
ist – wie bereits ausgeführt – eine diskrete gleich zu den Kugelradien ist. Abb. 4.2 zeigt
Eigenschaft der Materie. Elementarladungen den Verlauf der Coulomb-Kraft zwischen zwei
tragen beispielsweise folgende Elementarteil- Ladungen in Abhängigkeit von der Ladungsent-
chen (Abschn. 8.9): fernung. Es wird deutlich, dass die Coulomb-
Ce: Proton, Positron, C Myon, C Pion, Kraft für kleine Ladungsabstände sehr groß ist,
e: Elektron, Antiproton, Myon, Pion, aber mit zunehmendem Ladungsabstand schnell
0: Neutron, Neutrino, Photon, 0 Pion. an Bedeutung verliert.
Für die Ladung gilt der Erhaltungssatz: In ei- Die Coulomb-Kraft weist mathematisch die-
nem abgeschlossenen System bleibt die Netto- selbe Struktur auf wie die Gravitationskraft, näm-
ladung (Menge aller positiver abzüglich Men- lich
ge aller negativer Ladungen) erhalten. m1 m2 r12
Im makroskopischen Bereich bedeutet nega- F D G 2
: (2.137)
r12 r12
tive Ladung Elektronenüberschuss und posi-
tive Ladung Elektronenmangel. Die Ladung da sie
wird durch Elektronen bzw. Ionen transpor-
tiert (Abschn. 4.2). eine Zentralkraft ist,
quadratisch mit der Teilchenentfernung ab-
Elektrische Ladungen üben Kräfte aufeinander nimmt und
aus. Gleichnamige Ladungen stoßen sich ab und symmetrisch in den Ladungen ist.
240 4 Elektrizität und Magnetismus
als Wärmewirkung
Zt2 Stromdurchflossene Leiter erwärmen sich, än-
QD I.t/dt: (4.7) dern ihre Länge (ihr Volumen) und oft andere
t1 temperaturabhängige Größen, z. B. den elek-
trischen Widerstand oder die Farbe.
Dies ist eine wichtige Methode der Ladungsbe- Chemische Wirkung (Elektrochemie)
stimmung für zeitabhängige Ströme. Die Ladung In elektrolytischen Leitern können Ladun-
ist anschaulich als Fläche unter der I.t/-Kurve gen und Ionen transportiert und an Festkör-
zu verstehen. Ist die Stromstärke in der Zeit kon- pern, den sogenannten Elektroden, abgeschie-
stant, d. h. der Ladungstransport stationär, so gilt den werden (Galvanotechnik). Diese Wirkung
wurde früher zur Definition des Ampere her-
Q D I t: (4.8) angezogen: 1 A scheidet nämlich in 1 s aus
einer wässrigen Silbernitratlösung 1,118 mg
Die Stromstärke I ist im Internationalen Einhei- Silber ab.
tensystem als Basisgröße über die Kraftwirkung Magnetische Wirkung (Elektromagnetismus)
zweier stromdurchflossener Leiter definiert (Ab- Stromdurchflossene, gerade Leiter werden
schn. 1.3): von einem zylindersymmetrischen Magnet-
feld umgeben.
I
j D : (4.9) Bei passiven Bauelementen (z. B. Ohm’-
A
scher Widerstand) fließt im äußeren Strom-
Wie in nachfolgenden Abschnitten ausführlich kreis der Strom vom Pluspol der Span-
erläutert ist, zeigt der elektrische Strom drei Wir- nungsquelle zu ihrem Minuspol.
kungen:
242 4 Elektrizität und Magnetismus
Es gilt
Pab Der elektrische Widerstand R beträgt
U D : (4.10) 1 Ohm, wenn zwischen zwei Punkten eines
I
metallischen Leiters beim Spannungsabfall
In Abschn. 4.3 ist der wichtige Zusammenhang von 1 Volt genau 1 Ampere fließt.
zwischen elektrischer Feldstärke, elektrischem
Potenzial und Spannung hergeleitet. An dieser
Stelle soll lediglich angemerkt werden, dass im Die Einheit ist 1 V=A D 1 .
Falle elektrischer Kräfte die Spannung UAB zwi- Mit der Entdeckung des Quanten-Hall-Effek-
schen zwei Punkten A und B gleich der Potenzi- tes durch K. v. K LITZING (Abschn. 8.2.5) lässt
aldifferenz ' zwischen diesen Punkten ist: sich das Ohm unabhängig von der Geometrie und
den physikalischen Eigenschaften verschiedener
UAB D ' D 'A 'B : (4.11) Werkstoffe allein durch Naturkonstanten mit ho-
her Genauigkeit (108 ) darstellen .h=e 2 / D
Spannungsquellen halten zwischen zwei Punk- 25:812;8 ; hierbei ist h das Planck’sche Wir-
ten eine Spannung aufrecht. Dies geschieht durch kungsquantum h D 6;626176 1034 J s und e die
Umwandlung von chemischer Energie (galvani- Elementarladung.
sche Elemente), mechanischer Energie (Genera- Der Kehrwert des elektrischen Widerstandes
toren) oder Lichtenergie (Solarzellen) in elektri- ist der Leitwert G:
sche Energie. Abb. 4.5 gibt eine Übersicht. Die 1
elektrochemischen Vorgänge in den galvanischen GD : (4.12)
R
Elementen sind in Abschn. 4.2, die durch me-
chanische Änderung des Magnetflusses erzeugte Er wird in Siemens S oder in 1 gemessen.
4.1 Physikalische Gesetze und Definitionen 243
Der elektrische Widerstand R eines metalli- Coefficient). Sie werden als Temperatur-
schen Leiters der Länge l und dem Querschnitt A fühler, zur Messung von Strömungsge-
ist schwindigkeiten oder zur Spannungsstabi-
l lisierung verwendet und bestehen aus einer
RD% : (4.13)
A halbleitenden Oxidkeramik.
– Kaltleiter:
Die Proportionalitätskonstante ist der spezifische
stark zunehmender Widerstand bei zuneh-
Widerstand % (Resistivität).
mender Temperatur (PTC: Positive Tempe-
RA rature Coefficient). Sie werden als Tempe-
%D : (4.14) raturfühler, als Thermostat und zur Strom-
l
stabilisierung verwendet und bestehen aus
Er wird üblicherweise für Festkörper in Metalldrähten.
. mm2 /=m und für Flüssigkeiten in cm ge- Spannung
messen. VDR-Widerstände oder Variatoren (VDR: Vol-
Analog zum Leitwert ist der Kehrwert des tage Dependent Resistance) sind stark span-
spezifischen elektrischen Widerstandes die elek- nungsabhängig und werden zur Spannungssta-
trische Leitfähigkeit ~: bilisierung und zur Stoßspannungsbegrenzung
eingesetzt.
1 l Gl Licht
~D D D : (4.15)
% RA A In diesem Fall handelt es sich um lichtemp-
findliche Widerstände (LDR: Light Dependent
Abb. 4.6 zeigt einen Überblick über die gängigen Resistance), die z. B. in Belichtungsmessern
technischen Widerstände, über ihre Werkstoffe, eingebaut werden.
ihre Eigenschaften, ihre normierten Bauausfüh-
rungen (nach DIN) und ihre Anwendungsfelder. Die einstellbaren Widerstände ändern den Wider-
Zur besseren Anschauung sind einige Wider- stand entweder linear oder logarithmisch (posi-
standstypen abgebildet. tiv oder negativ). Linear einteilbare Widerstände
Widerstände können in feste oder einstellbare werden als Spannungsteiler (Potenziometer oder
Widerstände eingeteilt werden. Die Festwider- Trimmer) eingesetzt, logarithmisch verstellbare
stände lassen sich weiter untergliedern in lineare Widerstände zur Lautstärkeregelung verwendet.
oder nichtlineare Widerstände. Die linearen Wi- Als Werkstoffe werden Draht, Kohleschichten
derstände genügen dem Ohm’schen Gesetz (un- und Cermet (Keramikträger mit eingebranntem
ter Berücksichtigung des Temperaturverhaltens). Metalloxid und Glaspulver) eingesetzt.
Sie bestehen aus Cr–Ni-Draht (wegen des gerin- Da der spezifische elektrische Widerstand zu
gen Temperaturkoeffizienten) oder aus Schicht- denjenigen physikalischen Größen gehört, die
materialien, wie z. B. Kohlenstoff, Cr–Ni, SnO2 , den größten Messbereich abdecken (von % D
Au–Pt oder in Lack dispergierten Kohlenstoff- 108 m bei Edelmetallen bis zur 1013 m bei
teilchen. Abb. 4.6 zeigt weitere Unterscheidungs- Isolatoren; dies sind 21 Zehnerpotenzen), gibt
merkmale und die bevorzugten Anwendungsfel- seine Analyse oftmals genauen Aufschluss über
der. Der Widerstandswert und die Toleranzen die physikalischen Prozesse im atomaren Be-
werden häufig als Farbringe aufgebracht. Bei den reich.
nichtlinearen Widerständen ist der Widerstand Elektrischer Widerstand und spezifischer elek-
abhängig von folgenden physikalischen Größen: trischer Widerstand (und selbstverständlich auch
Leitwert und elektrische Leitfähigkeit) sind tem-
Temperatur peraturabhängig. Abb. 4.7 zeigt den prinzipiellen
– Heißleiter: Verlauf des spezifischen elektrischer Widerstan-
fallender Widerstand bei zunehmender des von der Temperatur T für einen metallischen
Temperatur (NTC: Negative Temperature Leiter, einen Halbleiter und einen Supraleiter.
244
4
U I1 C I2 I3 I4 I5 I6 D 0
RD ; (4.19)
I
U D RI: (4.20) oder
1 1 1 1
I W I1 W I2 W I3 D W W W :
Die Summe aller Ströme eines Stromkno- R R1 R2 R3
tens ist null:
Für den häufig vorkommenden Fall zweier paral-
X
m lelgeschalteter Widerstände schreibt man
Ii D 0: (4.21)
i D1 1 1 1
I W I1 W I2 D W W :
R R1 R2
4.1 Physikalische Gesetze und Definitionen 247
Die Summe aller treibenden Spannungen In einer Reihenschaltung verhalten sich die
(U0i ) ist gleich der Summe aller Span- Teilspannungen wie die zugehörigen Wi-
nungsabfälle (Uabj ). derstände.
X
k X
n
U1 W U2 W U3 W W Un D R1 W R2 W R3 W W Rn :
U0i D Uabj : (4.24) (4.26)
i D1 j D1
Werden die Spannungspfeile entsprechend den Für drei Reihenwiderstände lautet das Verhältnis
Vorschriften (für Spannungsquellen von Plus
nach Minus und für Spannungsabfälle in Rich- U1 W U2 W U3 D R1 W R2 W R3 :
tung der Stromstärke, Abb. 4.4) eingesetzt, so
kann die Maschenregel auch folgendermaßen for- Für den häufig vorkommenden Fall zweier Wi-
muliert werden: derstände, wiedergegeben in Abb. 4.12, ergibt
sich
U1 R1
Die Summe aller Spannungen eines Strom- D : (4.27)
kreises (Masche) ist null. U2 R2
oder
X
m
Ul D 0: (4.25) U0 .R1 C R2 /
D ;
lD1 U1 R1
Es sind in Zählrichtung verlaufende Spannungen hieraus folgt
positiv und gegen die Zählrichtung verlaufende
Spannungen negativ einzusetzen. Für die vorlie- R1
U1 D U0 : (4.28)
gende Masche gemäß Abb. 4.11 gilt also nach .R1 C R2 /
(4.25)
Diese Gleichung spielt bei der Spannungsteiler-
U1 U02 C U4 C U03 U3 U2 U01 D 0: schaltung (Abschn. 4.1.9) eine wichtige Rolle.
248 4 Elektrizität und Magnetismus
U
I D :
Rges
Somit ist
U U U U U
D C C C C
Rges R1 R2 R3 Rn
I 1 1 1 1
D C C CC
Rges R1 R2 R3 Rn
X n
1
D ; (4.32)
i D1
Ri
X
n
Gges D G1 C G2 C G3 C C Gn D Gi :
Abb. 4.14 Gesamtwiderstand bei der Parallelschaltung i D1
(4.33)
Bauelement fällt dieselbe Spannung U ab. Das In einer Parallelschaltung ist der Kehrwert
vorliegende Netzwerk hat einen Knoten und n des Gesamtwiderstandes gleich der Summe
Maschen. der Kehrwerte der Einzelwiderstände. Dies
Knotenregel: hat zur Folge, dass der Gesamtwiderstand
kleiner als der kleinste Einzelwiderstand
I D I1 C I2 C I3 C C In : (a) ist. Der gesamte Leitwert ist die Summe der
Einzelleitwerte.
Maschenregel:
U
U D I1 R1 ergibt I1 D ; (b) Beispiel 4.1-2
R1
U Gegeben seien die Widerstände einer Drei-
U D I2 R2 ergibt I2 D ; (c) ecksschaltung .RD / oder einer Sternschal-
R2
tung .RS / gemäß Abb. 4.15. Es sollen aus
U
U D I3 R3 ergibt I3 D ; (d) der Dreiecksschaltung die Sternwiderstän-
R3
de (Dreieck-Stern-Transformation) bzw. aus
und so fort bis der Sternschaltung die Dreieckswiderstän-
de (Stern-Dreieck-Transformation) errechnet
U
U D In Rn ergibt In D : (n C 1) werden. Wie groß sind die entsprechenden Wi-
Rn
derstände, wenn a) alle Widerstände gleich,
Werden die aus den Maschenregeln berechne- bzw. b) wenn RD12 D 100 , RD23 D 150 ,
ten Stromstärken I1 bis In (Gleichungen (b) bis RD31 D 200 und RS10 D 12 , RS20 D
(n C 1)) in die Formel für die Gesamtstromstärke 48 , RS30 D 72 sind?
I (a) eingesetzt, so ist
Lösung
U U U U a) Dreieck-Stern-Transformation für gleiche
I D C C CC :
R1 R2 R3 Rn Widerstände:
250 4 Elektrizität und Magnetismus
Abb. 4.15 Dreieck-Stern-Schaltung (a) und Stern-Dreieck-Schaltung (b) für gleiche Widerstände
Für den Widerstand zwischen zwei Klem- erhält man folgenden Ausdruck für 2RS2
men (Abb. 4.15) gilt (4.41) bzw. (4.42):
oder
2RD12 RD23
RD 2RS2 D (4.41)
RS D und (4.35) RD12 C RD23 C RD31
3
RD12 RD23
RD D 3RS : (4.36) RS2 D : (4.42)
RD12 C RD23 C RD31
b) Dreieck-Stern-Transformation für unter-
Entsprechend gelten die Umrechnungs-
schiedliche Widerstände:
gleichungen
Dabei geht man folgendermaßen vor. Zu-
nächst bildet man die drei möglichen Sum- RD12 RD31
men zweier Sternwiderstände RS1 C RS2 RS1 D ; (4.43)
RD12 C RD23 C RD31
(4.37), RS1 C RS3 (4.38) und RS2 C RS3 RD23 RD31
(4.40). Wird (4.38) von (4.37) abgezogen, RS3 D : (4.44)
RD12 C RD23 C RD31
dann erhält man (4.39):
Für die drei Unbekannten RD12 , RD23 und
RD12 .RD23 C RD31 /
RS1 C RS2 D (4.37) RD31 gelten folgende Umrechnungsbezie-
RD12 C RD23 C RD31 hungen:
RD31 .RD12 C RD23 /
RS1 C RS3 D (4.38)
RD12 C RD23 C RD31 RS1 RS2
RD12 D RS1 C RS2 C ; (4.45)
RS3
RS2 RS3 D RS2 RS3
RD23 D RS2 C RS3 C ; (4.46)
RD12 RD23 C RD12 RD31 RD31 RD12 RD31 RD23 RS1
RD12 C RD23 C RD31 RS3 RS1
(4.39) RD31 D RS3 C RS1 C : (4.47)
RS2
Wird zu dieser Gleichung (4.40) addiert Mit den angegebenen Widerständen er-
(Eliminierung des Sternwiderstands RS3 ), rechnen sich die Sternwiderstände ((4.42)
4.1 Physikalische Gesetze und Definitionen 251
bis (4.44)) zu
100 200
RS1 D D 44;44 I
100 C 150 C 200
100 150
RS2 D D 33;33 I
100 C 150 C 200
150 200
RS3 D D 66;67 :
100 C 150 C 200
Für die Dreieckswiderstände gelten nach
(4.45) bis (4.47)
12 48
RD12 D 12 C 48 C
72
D 68 I Abb. 4.16 Messbereichserweiterung eines Strommessers
48 72
RD23 D 48 C 72 C
12 Daraus lässt sich der parallel zu schaltende Wi-
D 408 I derstand errechnen:
72 12
RD31 D 72 C 12 C Ri
48 Rp D : (4.48)
D 102 : In
1
Ia
Spannungsmesser (Voltmeter)
4.1.8 Messbereichserweiterung
Um den Spannungsabfall in einem Stromkreis
Strommesser (Amperemeter) messen zu können, muss der Spannungsmesser
Um die Stromstärke in einem Stromkreis messen parallel zum zu messenden Spannungsabfall (Ne-
zu können, muss der Strommesser im Strom- benschluss) liegen. Der Innenwiderstand Ri des
kreis (Hauptschluss) liegen. Der Innenwiderstand Spannungsmessers muss möglichst groß sein, da-
Ri des Strommessers muss möglichst klein sein, mit möglichst wenig Strom durch das Voltmeter
damit die volle Spannung U0 am äußeren Wider- fließt und der ganze Strom durch Ra fließen kann.
stand Ra abfallen kann. Müssen Spannungen gemessen werden, die
Müssen Ströme gemessen werden, die den den Messbereich des Spannungsmessers über-
Messbereich des Strommessers überschreiten schreiten, so muss der die Höchstspannung über-
würden, so muss der überschüssige Stroman- steigende Teil der Spannung an einem Vorwider-
teil am Amperemeter vorbeigeleitet werden. Dies stand RV abfallen, verdeutlicht in Abb. 4.17. Die
bezweckt ein parallel geschalteter Widerstand neu zu messende Spannung wird mit Un und der
Rp (Shunt, Nebenwiderstand). Abb. 4.16 zeigt höchstmögliche Spannungsabfall im Voltmeter
die Schaltung zur Messbereichserweiterung eines mit Ua bezeichnet. Da sowohl der Vorwiderstand
Strommessers. Wird die neu zu messende Strom- RV als auch das Voltmeter von demselben Strom
stärke mit In und die höchstmögliche Stromstärke I durchflossen werden, gilt
durch das Amperemeter mit Ia bezeichnet, so
Un Ua Ua
fließt durch den Parallelwiderstand Rp die Strom- I D D :
stärke In Ia . Da sich gemäß (4.23) bei der Paral- RV Ri
lelschaltung die Stromstärken umgekehrt wie die
Daraus ergibt sich der Vorwiderstand
Widerstände verhalten, gilt
Ia Rp Un
D : RV D Ri 1 : (4.49)
In Ia Ri Ua
252 4 Elektrizität und Magnetismus
Erweiterung auf
Lösung
a) Messbereichserweiterung des Ampereme- 1 VW RV D 100 .10 1/
ters: D 900 I
Nach (4.48) gilt im vorliegenden Fall 10 VW RV D 100 .100 1/
D 9900 I
0;5
Rp D : 100 VW RV D 100 .1000 1/
In
1
0;01 D 99:900 I
1 kVW RV D 100 .10:000 1/
Erweiterung auf
D 999:900 :
0;5
100 mAW Rp D
10 1
D 0;055 I 4.1.9 Ausgewählte Messanordnungen
0;5
1 AW Rp D Wheatstone’sche Brücke
100 1
Mit der Wheatstone’schen Brücke (C. W HEAT-
D 5;050 103 I STONE , 1802 bis 1875) lassen sich Ohm’sche
0;5 Widerstände bestimmen. Abb. 4.18 zeigt das
10 AW Rp D
1000 1 Schaltschema der Wheatstone’schen Brücke.
D 5;005 104 I Der zu messende Widerstand Rx wird zwi-
0;5 schen die Klemmen C und B eingesteckt. Der
20 AW Rp D Gleitkontakt wird auf einem Widerstandsdraht
2000 1
D 2;501 104 : zwischen A und B so lange verschoben, bis über
4.1 Physikalische Gesetze und Definitionen 253
Rx R2
D : R1 R2 =.R1 C R2 ). Dann ist der Strom Ia durch
Rn R1 den Außenwiderstand Ra vernachlässigbar.
Damit errechnet sich der gesuchte Widerstand zu
Beispiel 4.1-4
R2 Eine Spannungsquelle mit U1 D 24 V ist an
Rx D Rn : (4.50) einem Gesamtwiderstand von 8 angeschlos-
R1
sen. An einem Teilwiderstand von R2 D 1
Potenziometerschaltung wird die Spannung Ux abgegriffen. Wie groß
Mit Hilfe der Schaltung entsprechend Abb. 4.19 ist sie im unbelasteten und im belasteten Zu-
wird eine Aufteilung der Gesamtspannung U1 in stand, wenn der äußere Widerstand a) gering
kleinere Teilspannungen möglich (Spannungstei- .Ra D 0;5 / bzw. wenn er b) hoch ist .Ra D
ler), indem ein Schleifkontakt den Gesamtwider- 100 /?
stand Rges in die Anteile R1 und R2 aufteilt (zur
technischen Ausführung s. Abb. 4.6). Für die ab- Lösung
gegriffene Spannung Ux ist es entscheidend, ob a) Geringer äußerer Widerstand Ra D 0;5 .
der Spannungsteiler unbelastet (Abb. 4.19a) oder Unbelasteter Zustand:
wegen des Stromflusses durch einen äußeren Wi- 1
Ux D 24 V D 3 V;
derstand Ra belastet ist (Abb. 4.19b). 8
Für den unbelasteten Fall gilt
belasteter Zustand:
U1 1 0;5
I D .a/ und Ux D R2 I: .b/ Ux0 D 24 V D 1;109 V:
R1 C R2 7 1 C 0;5 8
254 4 Elektrizität und Magnetismus
belasteter Zustand:
4.1.10 Klemmenspannung und innerer
1 100 Widerstand
Ux0 D 24 V D 2;97 V:
7 1 C 100 8
Spannungsquellen erzeugen zwischen zwei
Der Wert der abgegriffenen Spannung Ux0 im Punkten (den Klemmen) eine Spannung (Klem-
belasteten Fall weicht bei einem großen äu- menspannung UKl ). Im Inneren der Spannungs-
ßeren Widerstand kaum vom unbelasteten Fall quellen findet eine Umwandlung in elektrische
ab (in diesem Beispiel lediglich um 1 %). Energie statt (z. B. bei galvanischen Elementen
von chemischer in elektrische Energie, Abb. 4.5).
Kompensationsmethode nach Poggendorf Die dadurch erzeugte Urspannung U0 , angelegt
Die nach J. C. P OGGENDORF (1796 bis 1877) be- an einen Stromkreis, führt zum Transport der
nannte Methode gestattet es, die „Urspannung“ Ladungsträger.
U0 von solchen Spannungsquellen zu ermitteln, Wegen des inneren Widerstandes Ri der Span-
deren Spannung mit steigendem Stromdurch- nungsquellen selbst (z. B. Widerstand der Elek-
fluss absinkt (z. B. bei galvanischen Elementen, trolytflüssigkeit bei einem galvanischen Element)
Abb. 4.5 und Abschn. 4.2). Dies geschieht da- fällt ein Teil der Urspannung als innerer Span-
durch, dass der Stromfluss durch eine entge- nungsabfall Ui D Ri I bereits in der Spannungs-
gengesetzt gleich große Spannung „kompensiert“ quelle ab, wie es Abb. 4.21 verdeutlicht. Damit
wird (daher der Name Kompensationsmethode). steht zum Abfall an einem Verbraucherwider-
Abb. 4.20 zeigt die zugehörige Schaltung. Eine stand nur noch die Klemmenspannung UKl zur
Spannungsquelle mit der Spannung U wird mit Verfügung:
den gleichen Polen über einen Spannungsteiler UKl D U0 Ui ; (4.54)
an die zu messende Urspannung U0 angeschlos- UKl D U0 Ri I: (4.55)
sen. Ein Schleifkontakt wird so verschoben, dass
der Stromkreis mit der Urspannung U0 stromlos Aus (4.55) ist ersichtlich, dass die Klemmen-
wird (I0 D 0). Dann fällt am Teilwiderstand Rx spannung UKl umso kleiner wird, je größer die
die Spannung U0 ab, sodass gilt U0 D Rx I . Mit Stromstärke I ist. Diese errechnet sich nach dem
I D U=R erhält man Ohm’schen Gesetz zu
Rx U0
U0 D U: (4.53) I D : (4.56)
R Ri C Ra
4.1 Physikalische Gesetze und Definitionen 255
U0
Ri D Ra 1 : (4.58) Widerstand R die Parallelschaltung vorteilhaft.
UKl a
Am Beispiel gleich großer Spannungselemente
Beispiel 4.1-5 seien die Zusammenhänge erläutert.
Eine Autobatterie hat eine Urspannung von
12,6 V und einen inneren Widerstand Ri D Reihenschaltung
120 m. Der Zuleitungswiderstand zum An- Werden n Spannungsquellen in Reihe geschaltet,
lasser beträgt 10 m. Zum Anlassen wird eine wie es Abb. 4.22 zeigt, so addieren sich die Ur-
Stromstärke von 60 A benötigt. Wie groß ist spannungen zu nU0 und die inneren Widerstände
beim Beginn des Anlassens die Klemmen- zu nRi . Damit erhält man nach (4.56) für die
spannung an der Batterie und am Anlasser Stromstärke I
sowie der Verbraucherwiderstand Ra ? nU0
I D : (4.59)
Ra C nRi
Lösung
Für die Klemmenspannung gilt nach (4.55) Ist Ra klein im Vergleich zu Ri , so kann der äu-
ßere Widerstand vernachlässigt werden. Dann ist
UKl D U0 Ri I: I D U0 =Ri , d. h., die Stromstärke ist nur so
Ri D 0;12 für Batterieklemmen: groß wie bei einem einzigen Spannungselement
UKl D 12;6 V 0;12 :60 A D 5;4 VI und die Schaltung bietet keinen Vorteil. Ist dage-
gen Ra vergleichsweise zu nRi groß, so ist I D
Ri D 0;13 für Anlasserklemmen:
nU0 =Ra , d. h. die Stromstärke wird proportional
UKl D 12;6 V 0;13 60 A D 4;8 V: zur Anzahl der Spannungsquellen vergrößert.
Lösung
Abb. 4.23 Parallelschaltung von Spannungsquellen a) Reihenschaltung.
Nach (4.59) gilt
10 1;5
I D A D 2;14 104 A:
80 C 10 7000
b) Parallelschaltung.
Nach (4.60) gilt
1;5
I D A D 1;92 103 A:
7000
80 C
10
c) Gruppenschaltung 2 5.
Nach (4.61) gilt
2 1;5
I D A D 1;04 103 A:
2 7000
Abb. 4.24 Gruppenschaltung von Spannungsquellen 80 C
5
Gruppenschaltung 5 2.
Vorteil. Ist dagegen Ra vergleichsweise vernach- Nach (4.61) gilt
lässigbar zu Ri =n, dann steigt die Stromstärke
um das n-fache an. 5 1;5
I D A D 4;27 104 A:
5 7000
80 C
Gruppenschaltung 2
Werden n Spannungsquellen hintereinander und
m solcher Reihen parallel geschaltet, so liegt eine Die Stromstärke bei der Parallelschaltung ist
Gruppenschaltung vor. Abb. 4.24 zeigt das Prin- am größten .Ra
Ri /.
zip. Die gesamte Urspannung beträgt dann nU0
und der gesamte innere Widerstand nRi =m. Da- Beispiel 4.1-7
mit ist die Stromstärke I nach (4.56) Für eine Gruppenschaltung soll die Stromstär-
ke maximiert werden. Gegeben ist die Ge-
nU0 samtanzahl z D mn Elemente.
I D : (4.61)
nRi
Ra C
m Lösung
Nach (4.61) gilt
Beispiel 4.1-6
Zehn Trockenbatterien mit einer Nennspan- nU0 z
I D ; da n D I
nung von je 1,5 V und einem Innenwiderstand nRi m
Ra C
von Ri D 7 k werden an einen Verbrau- m
cher mit Ra D 80 angeschlossen. Wie groß z mU0
I D 2 :
ist die Stromstärke bei a) Reihenschaltung, m Ra C zRi
4.1 Physikalische Gesetze und Definitionen 257
dI
D0
dm
.m2 Ra C zRi / zU0 z mU0 .2mRa /
D :
.m2 Ra C zRi /2
sind, wenn die Stromstärke I konstant ist. In Der Strom steigt in 0,3 s von 0 auf 1,5 A und
diesem Fall ist die abgegebene Arbeit W propor- bleibt dann konstant. Wie groß ist die elektri-
tional zur Zeit, sodass die Leistung P konstant sche Arbeit nach 0,3 s und nach 1 s? – Wird
ist. Fließt dagegen keine konstante Stromstärke, die abgegebene Leistung bei 0,5 A, 1 A und
so muss die Momentanleistung bestimmt werden, 1,5 A nach den Beziehungen P D UI oder
die als Differenzialquotient der Arbeit W nach P D I 2 =R berechnet, so ergeben sich teilwei-
der Zeit t definiert ist (vgl. dazu die Ausführun- se unterschiedliche Werte. Warum treten diese
gen in der Mechanik, Abschn. 2.6.2, (2.70)): Abweichungen auf und welche Gleichung be-
schreibt die Leistungsabgabe richtig?
dW
P .t/ D : (2.70) Anmerkung: Der zeitlich lineare Stroman-
dt
stieg ist eine Vereinfachung. Der exakte Ver-
Daraus ergibt sich lauf ist durch (4.285) in Abschn. 4.5.3.2 gege-
Z ben.
W D P .t/dt (4.68)
Lösung
und mit P D UI.t/ a) Arbeit innerhalb t D 0;3 s.
Z Da die Stromstärke bis zur Zeit t D 0;3 s
W D UI.t/dt: (4.69) stetig zunimmt, muss (4.69) angewendet
werden:
Die elektrische Arbeit hat die Einheit V A s D Z0;3 s
W s D N m D J. Damit ist die Gleichheit der Wel D UI.t/dt mit I.t/ D kt
elektrischen und der mechanischen Arbeit her- 0
gestellt, die es direkt gestattet, elektrische Grö- .k: Konstante/:
ßen in mechanische umzurechnen. Gebräuchlich Damit gilt
als Einheit für die elektrische Arbeit ist auch
1 kW h D 3;6 106 W s (N m oder J). Z0;3 s
1
Die Arbeit des elektrischen Stroms besteht Wel D U ktdt D U kt 2 j0;3
0 :
s
(a)
2
sehr häufig in der Reibungsarbeit der fließen- 0
den Ladungsträger (Elektronen), die Stromwär-
me oder Joule’sche Wärme erzeugen. Die engen Für die Konstante ergibt sich
Beziehungen zwischen Wärme und elektrischer I 1;5 A
Leitfähigkeit sind in Abschn. 9.3.2 (thermoelek- kD D ;
t 0;3 s
trische Effekte) ausführlich beschrieben.
Die Zusammenhänge zwischen elektrischer in (a) eingesetzt ergibt
Arbeit, elektrischer Feldstärke E und der elek- 1 1;5
trischen Kraft Fel sind in Abschn. 4.3 hergeleitet. Wel D 12 0;32 V A s D 2;7 W s:
2 0;3
Beispiel 4.1-8 b) Arbeit innerhalb t D 1 s.
An einer Spule mit einem Widerstand von Von 0,3 s bis 1 s, d. h. 0,7 s lang fließt
8 liegt eine konstante Spannung von 12 V. der konstante Strom von 1,5 A. Dann gilt
4.2 Ladungstransport in Flüssigkeiten und Gasen 259
nach (4.64)
c) Leistungsberechnung.
0;5 A W P D I 2 R D 2 WI
P D UI D 6 WI
1A W P D I 2 R D 8 WI
P D UI D 12 WI
Abb. 4.26 Schaltung zu Ü 4-1
1;5 A W P D I 2 R D 18 WI
P D UI D 18 W:
Me ! MeC C e :
Bei der Dissoziation in Wasser schieben sich Dies bedeutet: Das Metall löst sich an der Anode
die Wassermoleküle durch ihr anisotropes Dipol- auf und geht in Lösung. An der Kathode findet
moment (Beispiel 4.1-1 und Abb. 4.3) zwischen dagegen durch Elektronenaufnahme immer eine
die Ionen und ordnen sich um diese an, etwa wie Reduktion statt. Bei dem genannten Beispiel wird
es Abb. 4.27 zeigt. Die Ionen sind in diesem Fall das Metallion zum Metall reduziert:
hydratisiert, d. h. von einer Wolke von Wasserdi-
polen umgeben. MeC C e ! Me:
Da die positiven Ionen zur Kathode (Minus-
pol) wandern, werden sie Kationen genannt, im In diesem Fall wird das Metall an der Kathode
Gegensatz zu den Anionen, die zur Anode (Plus- abgeschieden.
pol) wandern. Elektrisch leitende Lösungen, die Die Elektrolyse spielt in der Technik bei dem
aus Kationen und Anionen bestehen, heißen Elek- Aufbringen von Metallüberzügen, dem Galvani-
trolyte. sieren (nach L. G ALVANI, 1737 bis 1798), eine
Werden zwei Elektroden (Kathode und An- wichtige Rolle. Die häufigsten galvanischen Me-
ode) gemäß Abb. 4.28 in einen Elektrolyten ge- tallüberzüge bestehen aus Chrom, Nickel, Cad-
taucht und an eine Spannungsquelle angeschlos- mium, Gold und Silber. Sie dienen vor allem zur
sen, dann findet eine elektrolytische Stromleitung Erhöhung der mechanischen (Hartverchromen)
statt (Elektrolyse). Sie unterscheidet sich von der oder chemischen Widerstandsfähigkeit (Verni-
metallischen Leitung sehr wesentlich, weil zu- ckeln von Eisen), zur Verbesserung der elektri-
sammen mit den Ionen nicht nur Elementarla- schen Leitfähigkeit (Vergolden oder Versilbern
dungen, sondern auch Materie transportiert wird. von Kontakten) oder aber auch nur zur Verschö-
Grundsätzlich laufen an den Elektroden folgende nerung. Selbst auf Kunststoffen können galvani-
Reduktions- bzw. Oxidationsprozesse, die Re- sche Überzüge abgeschieden werden (Galvano-
doxreaktionen, ab: plastik).
An die Anode werden vom Elektrolyten Elek- Auch zur Metallgewinnung werden elektro-
tronen abgegeben; es findet eine Oxidation statt. lytische Verfahren eingesetzt. In diesem Fall
4.2 Ladungstransport in Flüssigkeiten und Gasen 261
verwendet man eine unlösliche Anode und ei- dung je transportiertem Molekül ze (e ist die
ne Metallsalzlösung dient als Elektrolyt. An Elementarladung) errechnen:
der Kathode wird dann das sehr reine Metall
(99,9 %) abgeschieden. Ein spezielles Verfahren Q It
N D D : (4.71)
zur Metallgewinnung auf diesem Wege ist die ze ze
Schmelzfluss-Elektrolyse. Hierbei werden nied- Mit (4.70) und (4.71) gilt für die Masse in Abhän-
riger schmelzende Metallgemische erschmolzen gigkeit der transportierten Ladung m D nM D
und aus dieser Schmelze das Metall an der Ka- Q=.zeNA /M ,
thode elektrolytisch abgeschieden. Bei Alumi-
nium besteht die Schmelze aus Aluminiumoxid M
mD I t: (4.72)
(Al2 O3 ) in geschmolzenem Kryolith (Na3 AlF6 ). zNA e
Der Schmelzpunkt für Al2 O3 ist 2000 ı C; durch
das Zusatzmittel Kryolith wird er auf 935 ı C Dies ist das erste Faraday’sche Gesetz:
herabgesetzt. Auf diese Weise werden außer Alu-
minium auch Magnesium, Beryllium und Cer
gewonnen. Die Masse m des abgeschiedenen Stoffes
Außerdem setzt man die Elektrolyse ein, um ist nur der transportierten Ladungsmenge
aus Wasser Knallgas oder Wasserstoff herzustel- Q D I t proportional. Sie hängt weder von
len oder um Ätznatron bzw. Ätzkali zu gewinnen. der Geometrie der Elektroden noch von der
An der Anode können auch Oxidschichten Konzentration des Elektrolyten ab.
abgeschieden werden (anodische Oxidation). Be-
sondere Anwendung findet dies beim Eloxalver-
fahren (elektrolytisch oxidiertes Aluminium), in Aufgrund des ersten Faraday’schen Gesetzes
dem der anodisch gepolte Aluminiumkörper mit ist es möglich, die Stromstärke I bzw. die elektri-
einer einfärbbaren korrosionsbeständigen Oxid- sche Ladung Q durch die abgeschiedenen Stoff-
haut überzogen wird. mengen zu messen (Voltameter nach A. VOL -
Beim elektrolytischen Polieren (z. B. von Alu- TA, 1745 bis 1827, bzw. Coulombmeter nach
minium und Edelstahl) wird das Metall anodisch A. C OULOMB, 1736 bis 1806). Für Silber gilt
so abgetragen, dass besonders glatte Oberflächen Ä D 1;11817 mg=.A s/. Dies bedeutet, dass bei
entstehen. In einem fertigungstechnischen Ver- einer Stromstärke von 1 A in 1 s m D 1;11817 mg
fahren können auch elektrolytisch feinste Löcher Silber abgeschieden werden (frühere Definition
gebohrt (Elektroerosion) oder gezielt Bohrlöcher des Ampere als Einheit der Stromstärke).
entgratet werden. Weiterhin gelten folgende Definitionen:
Das Produkt aus Avogadro-Konstante NA und
4.2.1.2 Faraday’sche Gesetze Elementarladung e wird Faraday-Konstante F
Die beiden Faraday’schen Gesetze (M. FARA - genannt:
DAY, 1791 bis 1867) beschreiben den Zusam-
menhang zwischen transportierter Masse und F D NA e D 96:485 A s=mol: (4.73)
Ladung. Die transportierte Masse wird durch das
Das elektrochemische Äquivalent Ä ist definiert
Produkt aus der Stoffmenge n und der Molmasse
als
M bestimmt: m D nM . Die Molzahl n errechnet
sich aus der Molekülanzahl N dividiert durch die M m
Avogadro-Konstante NA : ÄD D : (4.74)
zF Q
N
nD : (4.70) Das elektrochemische Äquivalent Ä hat die Ein-
NA
heit kg/(A s) und gibt an, wie viel kg eines
Die Molekülanzahl N lässt sich auch aus dem Stoffes bei einer Stromstärke von 1 A in 1 s abge-
Quotienten aus transportierter Ladung Q und La- schieden werden. Gemäß (4.74) ist die Masse m
262 4 Elektrizität und Magnetismus
m1 M1 M2 Ä1
D W D : (4.75)
m2 z1 z2 Ä2
tung in mA=cm2 . Ferner sind die wichtigsten Lithium) oxidiert (Freisetzung von Elektronen)
Einsatzgebiete aufgeführt sowie der Aufbau und und eine oxidische Metallverbindung (Mangan-,
die Ausführung einiger galvanischen Zellen ge- Silber-, Quecksilberoxid) als positive Elektrode
zeigt. (Kathode) reduziert. Für Primärelemente sind die
Wie Abb. 4.32 zu entnehmen ist, liegt bei den Normen DIN EN 60 086-1 bis -05 maßgebend.
Primärelementen der Schwerpunkt bei den Zink- Eine wichtige Vergleichsgröße sind die vo-
und Lithium-Systemen. Die chemische Reakti- lumen- bzw. gewichtsbezogenen Energiedichten.
on, die den elektrischen Strom erzeugt, ist trotz Hierbei wird deutlich, dass das Leclanché-Sys-
unterschiedlicher Reaktionspartner grundsätzlich tem den niedrigsten Wert hat und die alkali-
immer dieselbe: An der negativen Elektrode (An- schen Zink/Luft- sowie die Lithium-Systeme die
ode) wird ein Metall (in diesem Fall Zink oder höchsten Energiedichten aufweisen. Eine Fülle
266 4 Elektrizität und Magnetismus
trennung sowie zur Aufnahme und Bindung des Nennstrom). Deshalb ist auch ein Schnellladen
Elektrolyten. bei völliger Entladung möglich.
Die Blei-Akkumulatoren finden hauptsächlich Seit etwa 15 Jahren findet in diesem Bereich
in drei Bereichen Anwendung, für die Normen ein Verdrängungsprozess statt. Das moderne Sys-
vorliegen: tem Nickel/Metallhydrid hat schon in den meisten
Bereichen das System Nickel/Cadmium ersetzt.
Starterbatterien Die Vorteile der Nickel/Metallhydrid-Batterien
(Batterien zum Anlassen von Verbrennungs- sind:
motoren; DIN 72 310, DIN 72 311, DIN 72
331 bis DIN 72 333, DIN EN 50 342, DIN EN höhere Kapazität,
60 095, DIN IEC 60 095-2, SN EN 50 342, Cadmium-frei, dadurch wesentlich umwelt-
SN EN 60 095), freundlicher,
Antriebsbatterien kein „Memory-Effekt“.
(DIN 40 540, DIN 43 534 bis DIN 43 539,
DIN 43 595, DIN EN 60 254), Dem gegenüber steht die momentan noch et-
ortsfeste Bleibatterien was geringere Belastbarkeit des Nickel/Metall-
(DIN 40 734 bis DIN 40 744, DIN EN 60 896). hydrids. Deswegen konnten bisher Nickel/Cad-
mium-Batterien im Bereich der niedrigen und
Die herkömmliche Bleibatterie ist kostengünstig mittleren Leistungen (z. B. Rasierer, digitale Ka-
und hat ihre Vorteile vor allem bei einer stark mera, Elektrozahnbürste) ersetzt werden. Aller-
wechselnden Stromentnahme, z. B. als Starter- dings werden die Hochstrom-Anwendungen, wie
oder Antriebsbatterie. In vielen Anwendungs- elektrische Werkzeuge, heute noch weitestge-
bereichen tritt sie in Konkurrenz zu den Ni- hend mit Nickel/Cadmium-Batterien ausgerüstet.
ckel/Cadmium-Stahlakkumulatoren. Diese zeich- Ein weiterer Vorteil der wieder aufladbaren
nen sich vor allem durch die Möglichkeit eines Nickel/Cadmium-Zellen besteht in ihren hervor-
lageunabhängigen Einbaus, eine lange Lebens- ragenden Eigenschaften bei tiefer Temperatur.
dauer und eine hohe Belastbarkeit aus. Die ebenfalls zu den Stahlakkumulatoren zäh-
In zunehmendem Maß ersetzen die wiederauf- lenden Nickel/Eisen-Systeme sind wegen des
ladbaren Nickel/Cadmium-Zellen die Primärbat- Nachteils der schnellen Selbstentladung durch
terien. Deshalb sind sie, mit diesen austauschbar, die Nickel/Cadmium-Akkumulatoren ersetzt
baugleich auf dem Markt (Abb. 4.33d). Aller- worden. Ihr Einsatzgebiet liegt noch in Schie-
dings sind die volumen- und gewichtsbezoge- nenfahrzeugen und Schiffen.
nen Energiedichten bei den Nickel/Cadmium-
Zellen bedeutend ungünstiger als bei vergleich- Beispiel 4.2-1
baren Primärbatterien (Abb. 4.32 im Vergleich Eine alkalische Zink/Braunstein-Babybatterie
mit Abb. 4.33), sie sind jedoch wieder aufladbar. (IEC LR 14) hat eine Masse m D 64;5 g
Gasdichte Nickel/Cadmium-Akkumulatoren und ein Volumen V D 26;53 cm3 . Berechnet
unterscheiden sich im Elektrodenaufbau. Es gibt werden soll die Nutzungsdauer bei einem kon-
die Ausführung mit einer Masse- oder einer stanten Stromverbrauch von I D 30 mA und
Sinterelektrode (Abb. 4.33c und d). Die Sin- einer mittleren Lastspannung von U D 1;2 V.
terelektroden bestehen aus einem hochporösen
Gerüst (Pluspol: Nickel-Sauerstoff; Minuspol: Lösung
Cadmium-Sauerstoff), das vom Elektrolyten Gemäß Abb. 4.32 gilt für die Energie-
(Kalilauge) durchtränkt ist. Die Isolierung der dichte des Elementes W D 100 W h=kg.
Elektroden erfolgt durch einen Separator aus Daraus errechnet sich die Energie E D
Kunststoffgewebe. Die Sinterzellen sind beson- 100 W h=kg 0;0645 kg D 6;45 W h. Für die
ders für hohe Belastungen geeignet (100-facher gespeicherte Ladung errechnet sich Q D
4.2 Ladungstransport in Flüssigkeiten und Gasen 269
4.2.1.4 Brennstoffzellen
Die direkte Gewinnung elektrischer aus che-
mischer Energie (kalte Verbrennung) findet in
Brennstoffzellen statt. Der Umweg über die heiße
Verbrennung, bei der zunächst Wärme erzeugt
wird, die dann über einen thermodynamischen
Kreisprozess in mechanische und schließlich
elektrische Energie umgewandelt wird, entfällt.
Damit ist auch der Wirkungsgrad einer Brenn-
stoffzelle nicht durch den Carnot’schen Wir-
kungsgrad (Abschn. 3.3.6.1) begrenzt, sondern
kann höhere Werte annehmen. Die klassische
Brennstoffzelle „verbrennt“ Wasserstoff und Sau- Abb. 4.34 Prinzipieller Aufbau einer H2 =O-Brennstoff-
erstoff zu Wasser. Dies ist die Umkehrreakti- zelle mit Protonen leitendem Elektrolyten (PEM FC)
on zur Elektrolyse, bei der unter Zufuhr von
elektrischer Energie mithilfe von Platinelektro-
den Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und giert:
Sauerstoff zerlegt wird. Bereits 1839 wurde von O2 C 4 e ! 2 O2 und
S IR W ILLIAM G ROVE eine derartige Zelle vor- 2 O2 C 4 HC ! 2 H2 O:
gestellt.
Das Redoxpotenzial dieser Reaktion liegt bei
Funktionsweise ' 1;23 V (NHE). Im Leerlauf könnte eine
Im Prinzip besteht eine Brennstoffzelle aus zwei H2 /O2 -Zelle also eine Urspannung von U0 D
Elektroden, an denen Redoxreaktionen ablaufen, 1;23 V liefern.
und einem elektronisch isolierenden Elektroly- Die Reaktionen finden an der Dreipha-
ten, der aber Ionen leitend ist (Abb. 4.34). Bei sengrenze Gasraum/Elektronenleiter/Ionenleiter
einer H2 /O2 -Zelle wird an der Anode Wasserstoff statt. Der Ionenleiter, durch den die Protonen
oxidiert (Elektronenabgabe): wandern, besteht meist aus einer perfluorierten
und mit Sulfonylgruppen (SO 3 ) modifizierten
C
2 H2 ! 4 H C 4 e : Kunststofffolie (Nafion™). Im Prinzip wirkt die
Folie wie ein wasserhaltiger Schwamm, der von
Das Redoxpotenzial dieser Reaktion gegen- nanometerbreiten Kanälen durchzogen ist, durch
über der Normalwasserstoffelektrode (NHE, welche die Protonen von einer Seite auf die an-
Abb. 4.30) beträgt ' D 0 V. dere gelangen. Brennstoffzellen mit Protonen lei-
Während die gebildeten Protonen durch die tenden Membranen werden als PEMFC (Proton
Membran zur Kathode gelangen, fließen die Exchange Membrane Fuel Cell) bezeichnet. Die
Elektronen über den äußeren Stromkreis und Kunststofffolien sind stabil unterhalb ca. 120 ı C.
können dort an einem Verbraucher mit dem Last- Sie werden meist für mobilen Einsatz im Kraft-
widerstand RL elektrische Arbeit verrichten. fahrzeug verwendet oder als Batterieersatz im
An der Kathode findet eine Reduktion (Elek- Kleinleistungsbereich.
tronenaufnahme) des zugeführten Sauerstoffs Es gibt auch die Möglichkeit, anstatt des
statt, der dann mit den Protonen zu Wasser rea- Protonentransports von der Anode zur Kathode,
270 4 Elektrizität und Magnetismus
Tab. 4.7 Daten verschiedener Brennstoffzellen. BZ: Brennstoffzelle, FC: Fuel Cell, BHKW: Block-Heizkraftwerk
Zellentyp Betriebstem- Elektrolyt Brennstoff wanderndes Wirkungsgrad Anwendungen
peratur in °C Ion in %
Polymer-Elektrolyt- 60 bis 100 Polymer- H2 HC nH2 O 50 bis 70 Kfz-Antrieb,
Membran-BZ Membran CH3 OH portable Strom-
PEMFC (Proton Ex- (Nafion™) versorgung,
change Membrane FC) Klein-BHKW
Alkalische BZ 50 bis 120 KOH H2 OH 60 bis 70 Raumfahrt,
AFC (Alkaline FC) CH3 OH portable Strom-
versorgung
Phosphorsaure BZ 190 bis 210 H3 PO4 CH4 refor- HC nH2 O 35 bis 555 BHKW
PAFC (Phosphoric miert
Acid FC) H2
Schmelzkarbonat-BZ 600 bis 700 Li2x Kx CO3 CH4 refor- CO2
3 55 bis 65 Kraftwerke
MCFC (Molten Car- Schmelze miert, CO BHKW
bonate FC) H2
Oxidkeramische BZ 800 bis 1050 Y2 O3 /ZrO2 CH4 refor- O
2 60 bis 65 Kraftwerke,
SOFC (Solid Oxide Keramik miert, CO, BHKW
FC) H2 , CH4
Vollständiger Umgriff
Beim Beschichten von Automobilkarossen
werden zuerst die Außenhautteile beschichtet.
Diese isolieren sich bei höherer Schichtdicke
von selbst, sodass die elektrische Stromdichte
von außen nach innen in die Hohlräume wan-
dert.
Unterwanderungsbeständigkeit
b
Die Unterwanderungsbeständigkeit der KTL-
Materialien ist im Vergleich zu den ATL-
Lacken um den Faktor drei besser.
Gute Haftung
KTL-Lackschichten sind sehr gleichmäßig
und haften mechanisch sehr fest auf der Phos-
phatierung.
Fotoemission
und sinkt auf der linken. Mit Hilfe elektroosmo- Werden Lichtquanten mit der Energie W D
tischer Wasserbewegungen können u. a. Mauer- hf (Abschn. 6.5.1.1) auf eine Metalloberfläche
werke oder Schlamm-Massen entwässert werden. gestrahlt, dann lösen sich Elektronen aus dem
Metallverbund, wenn die Energie der Photonen
größer als die Austrittsarbeit WA ist. Diese Elek-
4.2.2 Ladungstransport im Vakuum tronen werden als Fotostrom außerhalb des Me-
und in Gasen talls registriert. Der Fotostrom ist ein Maß für
die Lichtintensität. Als Kathode wird eine mit
4.2.2.1 Ladungstransport im Vakuum Cadmium, Cäsium oder Kalium verspiegelte eva-
Für einen Ladungstransport im Vakuum (bei ei- kuierte Glasröhre verwendet, die bei Lichteinfall
nem Druck von etwa 102 Pa bis 104 Pa) müssen Elektronen zur ringförmigen Anode aussendet.
freie Ladungsträger erzeugt werden. Dieser Vor- Die kinetische Energie Wkin der freigesetzten
gang wird Ladungsträgerinjektion oder Emission Elektronen berechnet sich dann zu
genannt. Von großer praktischer Bedeutung ist
die Elektronenemission. Elektronen sind im Me- Wkin D hf WA : (4.80)
tallverbund zwar leicht beweglich, doch werden
sie an der Oberfläche wegen der Anziehungs- Innerhalb bestimmter Grenzen ist in diesen Fo-
kräfte der zurückbleibenden Atomrümpfe, die die tozellen der gemessene Fotostrom proportional
Austrittsarbeit WA erfordern, am Verlassen ge- zur Intensität des Lichtes. Die Fotozellen ersetzt
hindert. Abb. 4.41 zeigt, dass hierfür die Zufuhr man in zunehmendem Maß durch Halbleiter-
von kinetischer Energie in Form von Wärme Fotodetektoren (Abschn. 9.4).
(thermische Emission), Licht (Fotoemission) und
elektrischer Energie (Feldemission) nötig ist oder Feldemission
dass kinetische Energie durch Stoßprozesse be- Zur Überwindung der Austrittsarbeit WA bedarf
reits erzeugter Ladungsträger (Sekundärelektro- es elektrischer Feldstärken von etwa 109 V=m
nenemission) zugeführt werden muss. (Zusammenhang zwischen elektrischer Feldstär-
ke E und Spannung U , Abschn. 4.3.4, (4.87)).
Thermische Emission (Glühemission) Um diese hohen Feldstärken für verhältnismäßig
Durch Erwärmen der Glühkathode nimmt die geringe Spannungen (etwa 100 V) zu erzeugen,
mittlere kinetische Energie der Elektronen an den wird die Kathode zu einer feinen Spitze geformt
Elektroden so stark zu, dass Elektronen austre- (Radius der Spitze etwa 107 m).
ten können. Die Abhängigkeit der Stromdichte Als Anode dient eine Glaskugel, die um
j der austretenden Elektronen von der Austritts- die Kathodenspitze angeordnet ist und mit ei-
arbeit WA und der Temperatur T beschreibt die ner Leuchtschicht (ZnS) überzogen ist. Die von
Richardson-Gleichung (O. R ICHARDSON, 1879 der Kathodenspitze emittierten Elektronen geben
bis 1959): ihre kinetische Energie beim Aufprall auf die
WA
Anode als Lichtquanten ab. Dadurch entsteht ein
j D AT 2 e kT : (4.79) Abbild der atomaren Struktur des Kathodenma-
4.2 Ladungstransport in Flüssigkeiten und Gasen 275
Glühlampen zeichnen sich durch folgende Ei- entsprechend deutlich die Lebensdauer der Halo-
genschaften aus: genlampe unter Absenkung des Lichtstroms und
der Lichtausbeute erhöht werden.
kontinuierliches Spektrum (Temperaturstrah- Je nach Füllgas und Fülldruck können
ler); Glühlampen eingeteilt werden in Vakuumlampen,
über alle Spannungsbereiche ohne Vorschalt- gasgefüllte Lampen mit Normal- und Überdruck
geräte betreibbar; sowie in gasgefüllte Überdrucklampen mit Halo-
sofort betriebsbereit (d. h. kein Zündvorgang genzusätzen (Halogenlampen). Bei Lampen mit
und keine Einbrennzeit). geringer Leistungsaufnahme (z. B. Allgebrauchs-
glühlampen bis 15 W) sind Vakuumlampen in-
Die wichtigsten Vorzüge von Entladungslampen folge geringerer Verluste durch fehlende Wärme-
sind: ableitung über das Füllgas im Vergleich zu gas-
gefüllten vorteilhafter. Bei höheren Leistungen
Lichtausbeute ist größer als bei Glühlampen; kann dieser Wärmeverlust durch höhere Tempe-
Lebensdauer ist höher als bei Glühlampen; raturbelastung des Leuchtkörpers ausgeglichen,
Farbspektrum ist durch Zusätze und Leucht- die damit verbundene Erhöhung der Verdamp-
stoffe beeinflussbar. fungsgeschwindigkeit des Wolframs (Leuchtkör-
per) durch Größe und Anzahl (Fülldruck) der
Leuchtdioden besitzen folgende Merkmale: Gasmoleküle (inaktive Edelgase wie Argon (Ar),
Xenon (Xe) oder Krypton (Kr)) reduziert und
schmalbandiges Emissionsspektrum (farbige somit der Schwärzungsprozess durch Wolfram-
Lichtemission je nach Halbleitermaterial); ablagerungen an den kalten Lampenteilen (Kol-
hohe Lebensdauer bis zu 100.000 h; ben) verzögert werden.
geringe Größe; Halogenzusätze zum Füllgas in Form halo-
schnelle Ein-Aus-Schaltvorgänge. genierter Kohlenwasserstoffe oder Jod (I2 ) be-
wirken einen Kreisprozess zwischen den vom
Abb. 4.45 zeigt eine Einteilung der Glühlam- Leuchtkörper abdampfenden Wolframteilchen
pen, ihre besonderen Eigenschaften, ihre Norm- und dem Halogen. Bei Temperaturen um 250 ı C
vorschriften und typische Anwendungsbereiche (also in der Nähe der kälteren Kolbenwand) ver-
sowie einige typische Bauarten. Das zugehörige binden sich diese Wolframteilchen mit dem Ha-
Diagramm zeigt den Zusammenhang zwischen logen zu Wolframhalogeniden. Gelangen diese
Lichtstrom, Lichtausbeute und Lebensdauer in infolge von Konvektion wieder in Temperatur-
Abhängigkeit von der Spannung. Im gemeinsa- bereiche um 1500 ıC (in Leuchtkörpernähe), so
men Schnittpunkt aller Kurven ist 100 % Lebens- zerfallen diese Verbindungen wieder in Wolf-
dauer, Lichtstrom und Lichtausbeute bei 100 % ram und Halogen. Damit stehen die freigewor-
Spannung. denen Halogenbestandteile erneut zum Kreispro-
Die stark nichtlinearen Abhängigkeiten wer- zess zur Verfügung. Durch diesen Kreisprozess
den zum Beispiel bei Betrachtung einer 12 V- wird bewirkt, dass sich die abdampfenden Wolf-
Halogenlampe besonders deutlich. Betreibt man ramteilchen nicht auf der kälteren Kolbenwan-
eine 12 V-Lampe anstatt bei der Nennspannung dung niederschlagen, sodass eine Schwärzung
von 12,0 V bei 12,6 V so resultiert aus dieser des Lampenkolbens während der Lebensdauer
Spannungserhöhung um 5 % eine Lebensdauer- weitgehend unterbunden wird.
reduzierung um 50 %. Die Halogenlampe fällt Halogenglühlampen können heute in Leis-
also bereits nach der Hälfte der Nennlebens- tungsstufen zwischen 1 W und 20.000 W her-
dauer aus. Dagegen steigert diese 5 %ige Span- gestellt werden. Halogenzusätze in Verbindung
nungserhöhung den Lichtstrom um 20 % und mit der Überdrucktechnik ermöglichen in Relati-
die Lichtausbeute verbessert sich um 12 %. Bei on zur herkömmlichen Glühlampentechnik auch
einer geringfügigen Spannungsabsenkung kann bei Lampen mit hoher Leistung kleine Bauab-
4.2 Ladungstransport in Flüssigkeiten und Gasen 281
messungen sowie höhere Temperaturbelastungen LED und einem gelb emittierenden Leuchtstoff
des Leuchtkörpers oder alternativ hierzu länge- erzeugt. Dieser Leuchtstoff befindet sich unmit-
re Lebensdauern. Typische Anwendungsgebiete telbar auf der LED und wird durch das blaue
sind Fahrzeugscheinwerfer, Allgemeinbeleuch- Licht der LED zur Luminiszenz angeregt.
tung (z. B. Flutlichtanlagen, Effektbeleuchtung) Wesentliche Vorteile der LED im Vergleich
und Foto-, Studio- und Bühnenbeleuchtung. zur Glühlampe sind die kompakte Bauform und
In Abb. 4.46 sind die Entladungslampen in die hohe Lebensdauer. So verdrängte bereits im
Glimm-, Niederdruck-, Spektral-, Hochdruck- Automobilbereich zur Beleuchtung des Armatu-
und Höchstdrucklampen eingeteilt, die ent- renbretts die LED weitgehend die Glühlampe.
sprechenden Kenngrößen zusammengestellt, die Im Bereich der Signal- und Anzeigenanwendung
wichtigsten Normen erwähnt und hauptsächli- liegt die Stärke der LED in der hohen Effizienz
chen Anwendungsfelder aufgezeigt sowie einige der farbigen Lichterzeugung. Bei der Lichter-
Lampentypen exemplarisch dargestellt. Bei den zeugung von farbigen Licht mittels Glühlam-
Entladungslampen werden beim Stromdurchgang pen müssen verlustbehaftete Farbfilter eingesetzt
Gase oder Metalldämpfe (z. B. Quecksilber oder werden, die die Gesamteffizienz des Systems er-
Natrium) angeregt. Die dabei aufgenommene ki- heblich reduzieren. LEDs lassen sich in allen
netische Energie wird als Strahlung wieder ab- Betriebsarten, wie Sofortstart, Blinken und Dim-
gegeben. Je nach Gas, Druck, Leuchtstoffen und men von 0 % bis 100 % mit relativ einfachen
anderen Zusätzen in der Lampe können Lichtfar- Betriebsgeräten bei niedrigen Betriebsspannun-
be, Lichtstrom und Strahlenintensität beeinflusst gen anwenden.
und gezielt eingestellt werden. Organische Leuchtdioden (OLED) sind im
Entladungslampen benötigen im Gegensatz Vergleich zur LED nicht aus Halbleiterkristallen,
zu Glühlampen eine Zündhilfe (z. B. Glimmstar- sondern aus verschiedenen dünnen organischen
ter, Zündelektrode oder Zündgerät) und strom- Polymerschichten aufgebaut. Aufgrund der Poly-
begrenzende Vorschaltgeräte (VG), z. B. Dros- mereigenschaften und der geringen Gesamtdicke
selspulen, Streufeldtransformatoren oder elek- einer OLED von etwa 0;5 m lassen sich fle-
tronische Vorschaltgeräte (EVG). Infolge der xible, flächige und farbige Lichtquellen herstel-
geringen Leistungsaufnahme bei gleicher Licht- len. Hauptanwendungen der OLED sind aktive
emission (z. B. 9 W-Leuchtstofflampe statt 60 W- Matrix-Displays für die Text- und Bilddarstel-
Glühlampe oder in Form von Energiesparlampen) lung.
sowie wegen der wesentlich höheren Lebensdau-
er haben Entladungslampen in vielen lichttechni-
schen Anwendungen die Glühlampen ersetzt. 4.2.3 Plasmaströme
Neben der Lichterzeugung durch Glüh- und
Entladungslampen werden immer häufiger Fest- Ein Plasma besteht aus positiven Ionen und ne-
körperlampen in zahlreichen Anwendungen ein- gativen Elektronen großer Dichte. Wegen der an-
gesetzt (Abb. 4.50). Im Fall der Leuchtdi- nähernd vollständigen Ionisation der Materie (bis
ode (LED) wird ein Festkörperkristall aus zu 99 %) wird der Plasmazustand auch als vierter
verschiedenen Halbleitermaterialschichten durch Aggregatszustand bezeichnet. Ein Beispiel eines
einen Stromfluss zum Leuchten angeregt (Ab- quasineutralen Plasmas (gleich viel positive wie
schn. 9.4.1.1, Abb. 9.72). Je nach Art des ver- negative Ladungsträger) ist die positive Säule ei-
wendeten Materials strahlt die Leuchtdiode in ner Glimmentladung (Abb. 4.44a).
unterschiedlichen Farben mit schmalbandigem Das physikalische Verhalten von Materie im
Spektrum ( 15 nm bis 30 nm). Als Halblei- Plasmazustand spielt vor allem in der Astro-
termaterial kommen die Verbindungen InGaAlP physik und in der Kernphysik eine Rolle. Die
(Rot, Amber, Gelb) und InGaN (Grün, Blau) Ladungsträgerkonzentrationen liegen z. B. in der
zum Einsatz. Das Licht einer weißen LED wird Ionosphäre bei 1010 Ladungsträgern je m3 , in
aus der Farbmischung einer blau leuchtenden der Sternatmosphäre bei 1020 je m3 und im
282 4 Elektrizität und Magnetismus
Sterninnern sogar bei 1030 je m3 . Diese ho- kalische Größe Z, die nicht nur in einem einzigen
hen Konzentrationen werden durch extrem ho- Punkt, sondern im gesamten Raum wirksam und
he Temperaturen (10.000 bis 30.000 K) verur- damit messbar ist. Ein Feld kann daher mathema-
sacht. Die Atomkerne und die Elektronen werden tisch beschrieben werden:
bei einer Temperatur von 108 K völlig vonein-
ander getrennt, sodass es zu einer Atomkern- Z D Z.x; y; zI t/: (4.81)
verschmelzung (Kernfusion) kommen kann (Ab-
Abb. 4.47 zeigt, dass Felder eingeteilt werden
schn. 8.8.4).
können je nach ihrer Unabhängigkeit bzw. Ab-
Beim magnetohydrodynamischen Generator
hängigkeit von bestimmten Größen:
(MHD-G.) wird ein Plasmastrom durch ein trans-
versales Magnetfeld geschickt. Ähnlich wie beim Richtung
Hall-Effekt (Abschn. 4.4.3.2, Abb. 4.108) werden Richtungsunabhängige Felder sind skalare
positive und negative Teilchen getrennt, sodass (z. B. Temperaturfelder) und richtungsabhän-
eine elektrische Spannung auftritt. Dadurch wird gige sind Vektorfelder.
thermische direkt in elektrische Energie umge- Ort
wandelt. Im allgemeinen Fall sind die Felder abhän-
gig vom Ort (inhomogen). Nur in Spezialfällen
sind sie unabhängig vom Ort (homogen), z. B.
4.2.4 Zur Übung das elektrische Feld zwischen den Platten ei-
nes Plattenkondensators oder das magnetische
Ü 4-4 Für ein Aluminiumwerk mit 20 Schmelz- Feld im Innern einer lang gestreckten Spule.
öfen steht in einer Entfernung von 500 m ein Zeit
Generator eines Kraftwerks, der diese mit Strom Zeitunabhängige Felder werden stationär
versorgt. Die Verbindungsleitungen bestehen aus (z. B. laminare Strömung durch ein Rohr) und
Kupfer (%Cu D 0;018 mm2 =m; Querschnitt zeitabhängige Felder instationär genannt.
A D 64 cm2 ). Die Aluminiumöfen sind in Rei-
he geschaltet und an jedem liegt eine Spannung
von 4,6 V. Jeder Ofen soll je Schicht (8 h) 100 kg 4.3.2 Beschreibung des elektrischen
Aluminium erzeugen .Ä D 0;09321 mg=.A s/). Feldes
Wie groß muss die am Generator erzeugte Leis-
tung sein? Aus Abschn. 4.1 geht hervor, dass eine der Ursa-
chen für elektrische Kraftwirkungen die Ladun-
Ü 4-5 Ein Stahlzylinder (Länge l D 1;50 m; gen sind. Diese elektrischen Kräfte lassen sich
Radius r D 5 cm) soll galvanisch mit einer nach dem Coulomb’schen Gesetz (4.2) berechnen
Schichtdicke d D 5 102 mm vernickelt wer- (nicht für zeitlich sich ändernde Felder). Sie wir-
den (%Ni D 8;7 kg=dm3; Ä D 0;30415 mg=.A s/). ken nicht nur im Ort der Ladung selbst, sondern
Welche Stromstärke ist dazu erforderlich und wie auch in deren Umgebung. Es ist deshalb ein elek-
lange muss das Werkstück im Bad bleiben, wenn trisches Feld vorhanden:
die Stromdichte j D 25 A=m2 nicht überschrit-
ten werden darf?
Das elektrische Feld wird mathematisch
durch ein Vektorfeld beschrieben. Es rührt
4.3 Elektrisches Feld von elektrischen Ladungen her und be-
schreibt die Wirkungslinien der elektri-
4.3.1 Allgemeiner Feldbegriff schen Kräfte in Betrag und Raumrichtung.
Als anschauliches Hilfsmittel verwendet
In der Physik tritt die Bezeichnung Feld in ver- man hierfür den Begriff elektrische Feldli-
schiedenen Zusammenhängen auf (z. B. in Ab- nien.
schn. 2.12.2.1). Ein Feld ist allgemein eine physi-
4.3 Elektrisches Feld 283
Die elektrischen Feldlinien weisen folgende Innere von metallischen Körpern immer feld-
Eigenschaften auf: frei ist, wie es in Abb. 4.48f angedeutet ist.
Mit metallischen Umhüllungen können des-
Sie beschreiben die elektrischen Kraftwirkun- halb elektrische Felder abgeschirmt werden
gen: (Faraday’scher Käfig).
– die Tangente an die Feldlinie gibt die
Kraftrichtung an; Abb. 4.48 zeigt den Verlauf der elektrischen Feld-
– die Kraftwirkungen sind eindeutig, d. h. die linien für eine positive Ladung (a), für zwei
Feldlinien schneiden sich nicht; gleich große, entgegengesetzte Ladungen (b), für
– die Dichte der Feldlinien gibt Anhaltspunk- zwei gleich große gleichnamige Ladungen (c),
te für die Stärke der Kraftwirkungen an für zwei gleich große Metallplatten (d), für ei-
verschiedenen Stellen; ne Metallplatte und eine Metallspitze (e) und für
sie besitzen einen Anfang (positive Ladung) einen Metallrahmen zwischen zwei Metallplat-
und ein Ende (negative Ladung). Dies be- ten (f).
deutet, dass es keine in sich geschlossenen
Feldlinien gibt. Die Richtung von positiver zu
negativer Ladung ist willkürlich festgelegt; 4.3.3 Elektrische Feldstärke und Kraft
positiv geladene Körper werden in Richtung
der Feldlinien beschleunigt, negativ geladene Wird in ein elektrisches Feld eine punktförmige
den Feldlinien entgegen; Prüfladung Q gebracht, so spürt diese eine Kraft
da auf metallischen Leitern die Elektronen frei F : Der Quotient aus der Kraft F und der Prüfla-
beweglich sind, werden sie so lange verscho- dung Q wird elektrische Feldstärke E genannt:
ben, bis keine tangentiale Kraftkomponente F
mehr vorhanden ist. Dies bedeutet, dass auf ED : (4.82)
Q
elektrischen Leitern die elektrischen Feldlini-
en senkrecht stehen; Die Maßeinheit ist 1 N=C D 1 V=m.
befinden sich metallische Körper im elektri- Die elektrische Feldstärke ist ein Vektor in
schen Feld, so sitzen die Ladungen immer Richtung der Kraft. Die Definition der elektri-
an der Oberfläche. Dies bedeutet, dass das schen Feldstärke E als Kraft je Probeladung
284 4 Elektrizität und Magnetismus
a b c
d e f
R
U D E ds. Für homogene Felder ergibt sich
U DEd
Beispiel 4.3-1
An den Eckpunkten eines Quadrates mit der
Seitenlänge von 10 cm befinden sich gleiche
Ladungen Q1 bis Q4 von je 5 107 C, wie es
Abb. 4.49 verdeutlicht. Ermitteln Sie mit ei-
nem Rechenprogramm die Feldstärke E (Be-
trag und Richtung) im Mittelpunkt P des Qua-
drates für folgende vier Ladungsanordnungen:
Q1 Q2 Q3 Q4
a/
b/ C C
c/ C C
d/ C
Lösung
Für die Feldstärke E der Punktladung Q1 am Feldstärke E am Ort P in Betrag und Rich-
Ort P gilt nach (4.84) tung.
Im Programm werden die Ladungen Q1 bis
Q1 Q1 Q4 und der Ladungsabstand D eingegeben.
jE Q;P j D 2 D 2 :
Dp D Ausgegeben werden eine kurze Darstellung
4 "0 2 8 "0 des Problems und der Vektor der elektrischen
2 2
Feldstärke E im Punkt P in Betrag und Rich-
D ist der Ladungsabstand. Durch Vektorad- tung. Die Richtungsangabe erfolgt in Grad, 0ı
dition werden alle vier elektrischen Feldstär- bedeutet die Linie senkrecht nach oben. Der
ken (herrührend von den vier Ladungen) im Winkel wird in mathematisch positiver Rich-
Punkt P addiert und ergeben die resultierende tung größer. Abb. 4.49 zeigt den Ausdruck für
286 4 Elektrizität und Magnetismus
Im allgemeinen Fall e) seien als Ladungen Probeladung Q vom Ort A (rA ) zum Ort B .rB /
eingegeben: verschoben, so ist mit Hilfe von (4.84) die Span-
Q1 D 1 C, Q2 D 2 C, Q3 D 5 C und nung zwischen den Punkten A und B
Q4 D 1;5 C sowie ein Ladungsabstand von
Q1 1 1
1000 m. Man erhält eine Feldstärke von 5;46 UAB D : (4.88)
4 "0 rA rB
104 V=m und einen Winkel von 305;54ı .
Wird die Probeladung Q vom Unendlichen
.rA D 1/ zum Punkt B geführt, dann ist die
4.3.4 Elektrische Feldstärke und Spannung zwischen unendlich und Punkt B
elektrostatisches Potenzial
ZB
Q1
U1B D E ds D :
Um eine positive, punktförmige Probeladung Q 4 "0 rB
im elektrischen Feld vom Punkt A nach Punkt 1
B zu verschieben (Abb. 4.50), muss gegen die Sie hängt also nur von der Lage des Punktes B
Feldkraft F D QE eine Verschiebungsarbeit im elektrischen Feld ab. Als elektrisches Potenzi-
verrichtet werden: al 'B des Punktes B wird bezeichnet:
ZB ZB
W1B
WAB D F .s/ds: 'B D E ds D : (4.89)
Q
A 1
4.3 Elektrisches Feld 287
formuliert werden:
E D grad': (4.94)
Die Bewegung geladener Teilchen im elektri- umso größer ist, je kleiner der Spitzenradius
schen Feld lässt sich gut mit der reibungsfrei- ist und
en Bewegung von Wasserteilchen in einer ber- kaum von der Geometrie der Gegenelektrode
gigen Landschaft vergleichen. Dies rührt u. a. beeinflusst wird.
von der Ähnlichkeit der Gravitationskraft mit
der elektrostatischen Coulomb-Kraft her. Wie Die hohe elektrische Feldstärke und damit die
Abb. 4.53 zeigt, ist der Verlauf des elektrosta- großen elektrischen Kräfte um metallische Spit-
tischen Potenzials einem Gebirge vergleichbar, zen nutzt man in der Technik
in dem die Äquipotenziallinien den Höhenlinien
(Linien gleicher potenzieller Energie) entspre- beim Blitzableiter,
chen. Wie die Wasserteilchen senkrecht zu den im Geiger’schen Spitzenzähler zum Nachweis
Höhenlinien in Richtung des Gefälles reibungs- ionisierender Strahlung (Abschn. 8.8.1.4) und
frei nach unten laufen, so werden die Ladungen im Feldelektronenmikroskop zur Untersu-
senkrecht zu den Äquipotenziallinien beschleu- chung atomarer Strukturen (Abschn. 4.2.2.1).
nigt. In Richtung des steilsten Abfalls sind die
Höhenlinien wie die Äquipotenziallinien dicht Beispiel 4.3-2
gedrängt und dies ist die bevorzugte Bewegungs- Eine Ladung Q wird mit konstanter Ge-
richtung. schwindigkeit vom Punkt A zum Punkt C
Wegen dieser Eigenschaft, dass die elektri- über die Strecke ABC bewegt (Abb. 4.56).
schen Feldlinien immer senkrecht zu den Linien Berechnet werden soll die Potenzialdifferenz
gleichen Potenzials stehen, ist es häufig weniger zwischen den Punkten C und A (UCA /.
4.3 Elektrisches Feld 289
Fel D ma;
QE D ma:
Ekin D Epot ;
1
Abb. 4.56 Zu Beispiel 4.3-2. Eine äußere Kraft F be- m v 2 v02 D Q.'1 '2 / D QU;
wegt eine Ladung Q auf dem Weg ABC 2
1 2
m v v02 D QU: (4.97)
2
Lösung Man erkennt, dass die kinetische Energie propor-
RB
Nach (4.91) gilt UAB D A E dl . Somit er- tional zur durchlaufenden Beschleunigungsspan-
gibt sich nung U zunimmt. Falls die Anfangsgeschwindig-
keit v0 D 0 ist, setzt man an
ZB ZB
E 1
UBA D 'B 'A D E cos ˛ dl D p dl Ekin D mv 2 D QU: (4.98)
2 2
A A
E E p In der Atom- und Kernphysik (Kap. 8) werden
Dp lDp 2 d D Ed: die Energien von Elementarteilchen üblicherwei-
2 2
se in Elektronenvolt (eV) gemessen:
Die Punkte B und C haben gleiches Potenzial,
da die Feldstärke E senkrecht zum Wegele-
ment dl steht, sodass E dl D 0 wird. Es Ein Elementarteilchen mit der Elementarla-
handelt sich also um die Äquipotenziallinie dung e D 1;60219 1019 A s erhält beim
(BC), sodass gilt UCA D UBA D Ed . Durchlaufen einer Potenzialdifferenz von
1 V eine Energiezunahme von
und für v errechnet sich nach (4.102) b) Abb. 4.57 zeigt die Abhängigkeit der Elek-
tronengeschwindigkeit von der Spannung
v
u 1 im klassischen bzw. im relativistischen
v D cu
u1 2 : (4.103) Fall: Die Geschwindigkeit nach der klassi-
t QU
C1 schen Formel würde ab 105 V sehr schnell
m0 c 2 ins Unendliche anwachsen, während sie im
relativistischen Fall in die Gerade vel D c
Beispiel 4.3-3 einmündet.
Für ein Elektron (Ruhemasse m0 D 9;11
1031 kg) sollen anhand eines Programms für
die durchlaufenen Spannungen von 1 V bis 4.3.5.2 Bewegung eines geladenen
1010 V (in 10 V-Schritten) die Elektronenge- Teilchens quer zum elektrischen
schwindigkeit v, die Elektronenmasse m so- Feld
wie die relative Massenzunahme m=m0 er- Es sei angenommen, dass Elektronen nach
rechnet werden. Bei wie viel eV ist die Elek- (4.101) mit einer Geschwindigkeit von
tronenmasse im Vergleich zur Ruhemasse um
s
5 %; 10 %; : : : ; 100 % größer? Zeichnen Sie v
2e
in Abhängigkeit von U im klassischen und im vox D Ua
me
relativistischen Fall auf.
292 4 Elektrizität und Magnetismus
UKond 2
yD x : (4.109)
4d Ua
vy eE
tan ' D D t: (4.110)
vox me vox
eEl
tan ' D 2
: (4.111)
Abb. 4.58 Flugbahn eines Elektrons im homogenen me vox
elektrischen Querfeld
2
Mit (4.85) für E und (4.101) für vox erhält man
mäß
l
b D yA C s tan ':
2
eE
aD :
mP Abb. 4.60 Braun’sche Röhre, schematisch
b
In Abb. 4.61 wird als Beispiel die Schaltung
zur Messung der Strom-Spannungs-Kennlinie ei-
nes spannungsabhängigen Widerstandes (VDR)
gezeigt. Die horizontale Ablenkung (x) wird von
der am VDR-Widerstand abfallenden Spannung
bestimmt, während die vertikale Ablenkung (y)
einer Spannung entspricht, die dem Stromfluss
durch den VDR-Widerstand proportional ist.
Bei der Messung eines Spannungssignals wird
die zu messende Spannung an die Vertikalplatte
angelegt; an der Horizontalplatte befindet sich in Abb. 4.62 a Kräfte auf einen geladenen Körper in einer
diesem Fall eine zeitlich einstellbare, interne Sä- Flüssigkeit, b Kräftegleichgewicht beim Schweben eines
gezahnspannung (Kippspannung). Wird die zeit- Körpers in einer Flüssigkeit unter der Wirkung eines elek-
liche Ablenkung (von links nach rechts) synchron trischen Feldes
zur Ablenkung der zu untersuchenden Messgrö-
ße geschaltet (getriggert), dann entsteht auf dem
Schirm ein stehendes Bild. In Abb. 4.62b ist zusammengestellt, wie mit die-
ser Anordnung die Bestimmung
4.3.5.5 Bewegung elektrisch geladener
Körper in einer Flüssigkeit und der Ladung Q der Kugel,
im elektrischen Feld der Dichte %Fl der Flüssigkeit und
Es sei angenommen, dass sich in einem senk- der Dichte %K des festen Körpers
rechten elektrischen Feld ein geladener Körper in
einer Flüssigkeit befindet. Es wirken auf ihn drei erfolgen kann. Dabei ist VK das Volumen der Ku-
Kräfte, wie Abb. 4.62a zeigt: die des elektrischen gel, Q die Ladungsmenge des Körpers, E die
Feldes Fel , die Auftriebskraft FAuftrieb und die elektrische Feldstärke und g die Erdbeschleuni-
Gewichtskraft FG . Wird das elektrische Feld so gung.
eingestellt, dass der geladene Körper schwebt, Mit einer ähnlichen Messanordnung (mit Luft-
dann muss die Summe aller äußeren Kräfte gleich füllung) gelang es im Jahr 1910 R. A. M ILLIKAN
P
null sein ( Faußen D 0): (1868 bis 1953), die Elementarladung zu bestim-
men und ihre Quantisierung nachzuweisen. Für
Fel C FAuftrieb C FG D 0: (4.117) diesen Schwebezustand gilt dann (ohne die Auf-
4.3 Elektrisches Feld 295
Fel C FG D 0; Q
D : (4.119)
U A
Q D mg;
d Die Maßeinheit ist Œ D 1 C=m2 D 1 A s=m2 .
mgd
QD : (4.118) Anhand der Messung der influenzierten La-
U dung ist eine Beschreibung und Berechnung des
Die Teilchenmasse kann durch die Sinkge- elektrischen Feldes möglich. Bringt man bei-
schwindigkeit im Gravitationsfeld unter Berück- spielsweise gemäß Abb. 4.64a ein metallisches
sichtigung der Stokes’schen Reibungskraft (Ab- Doppelplättchen in ein homogenes elektrisches
schn. 2.12.2.4, (2.235)) bestimmt werden; hierbei Feld, so werden Ladungen auf dem Doppelplätt-
wird der Radius des Masseteilchens mikrosko- chen getrennt (Abb. 4.64b). Werden anschlie-
pisch ermittelt. ßend die Plättchen innerhalb des Feldes getrennt
(Abb. 4.64c), so verbleibt der Raum zwischen
den Plättchen feldfrei. Dies ist nur möglich, wenn
4.3.6 Leiter im elektrischen Feld die Flächenladungsdichte auf den Influenz-
plättchen genau so groß ist, wie diejenige auf
Befindet sich Materie in einem elektrischen Feld, den Kondensatorplatten. Die Ladung Q, die
so wirkt auf alle Ladungen in dieser Materie eine auf den Influenzplättchen sitzt, kann nun außer-
elektrische Kraft. Wegen der unterschiedlichen halb des elektrischen Feldes gemessen werden,
Beweglichkeit der Ladungsträger im Leiter (frei beispielsweise nach (4.7) über den Entladestrom
beweglich) und im Nichtleiter (gering beweglich) (Abb. 4.64d). Es zeigt sich, dass die so bestimmte
lassen sich die in Abb. 4.63 zusammengestellten Ladungsdichte auf den Influenzplatten der elek-
Effekte beobachten: trischen Feldstärke proportional ist. Die Propor-
tionalitätskonstante ist die elektrische Feldkon-
Im Leiter werden die beweglichen Elektronen stante "0 :
relativ zu den Atomrümpfen verschoben und D "0 E:
dadurch positive und negative Ladungsträger
getrennt (Influenz). Das vektorielle Produkt "0 E ist eine interessan-
Im Nichtleiter werden die Ladungsträger nur te Feldgröße, die allerdings erst dann wichtig
geringfügig verschoben (Polarisation). wird, wenn sich Materie im elektrischen Feld
befindet (Abschn. 4.3.7). Sie wird als elektri-
Nachfolgend sind die Erscheinungen in Leitern, sche Verschiebungsdichte D bezeichnet, weil sie
in Abschn. 4.3.7 die in Nichtleitern beschrieben. durch Verschieben von Influenzplättchen gemes-
296 4 Elektrizität und Magnetismus
a b
c d
Q
E.R/ D :
4 "0 R2
Die Feldlinien weisen radial vom Zentrum weg
(Abb. 4.66). Damit ist in jedem Punkt der Ober-
fläche der Normalenvektor dA parallel zur Ver-
Abb. 4.65 Elektrischer Fluss durch eine Fläche
schiebungsdichte D bzw. der Feldstärke E . Für
das Integral von (4.123) ergibt sich
I I
D DdA D "0 E dA
Die elektrische Verschiebungsdichte ist I
Q
gleich dem elektrischen Fluss je Flächen- D dA D Q:
Einheit. 4 R2
Der von einer Punktladung ausgehende Fluss
durch eine beliebige konzentrische Kugelfläche
Der gesamte Fluss durch eine größere Flä- entspricht also der Ladung Q der Punktladung.
che ergibt sich durch Integration über die Fläche: Hätte man anstatt der Kugel eine beliebige ande-
Z Z re geschlossene Fläche um die Ladung Q gelegt,
D D dA D "0 E dA: (4.123) dann wäre wegen des Skalarproduktes DdA das-
A A
selbe Ergebnis heraus gekommen.
Sitzen innerhalb einer geschlossenen Fläche n
Als Beispiel soll der Fluss durch eine Kugel- Ladungen Qi , dann ist der Fluss durch die Ober-
oberfläche mit Radius R berechnet werden, in fläche gleich der Summe der Ladungen. Dieses
298 4 Elektrizität und Magnetismus
Beispiel 4.3-6
Die Erdkugel ist stets negativ geladen mit der Schaltung von Kapazitäten
Ladung Q 900:000 C. Die positive Ge- Bei der Parallelschaltung addieren sich die spei-
genladung sitzt in den höheren Schichten der chernden Flächen für die Speicherung der nega-
Atmosphäre (h D 100 km). Wie groß ist die tiven bzw. positiven Ladungen (4.127) und des-
Kapazität dieses riesigen Kugelkondensators? halb ist die Gesamtkapazität gleich der Summe
4.3 Elektrisches Feld 303
Cm
D "r ; Cm D " r C0 : (4.133)
C0
b
Die Größe "r wird Permittivitätszahl oder re-
lative Dielektrizitätszahl genannt und ist dimen-
sionslos. Ihr Wert ist stets = 1. Wie Abb. 4.77b
zeigt, wird die ursprüngliche Feldstärke E 0 um
das Gegenfeld E P , d. h. um das elektrische Feld
der Polarisationsladungen im Dielektrikum ge-
schwächt:
E0
Em D D E0 EP : (4.134)
"r
D m D "r D 0 D D 0 C P: (4.135)
Tab. 4.8 Permittivitätszahl einiger Werkstoffe Bei einer Verbindung einer Spannungsquel-
Werkstoffe Permittivitätszahl "r le mit einem Kondensator ist die Spannung U
Paraffin 2,2 und damit E konstant, während bei Trennung des
Polypropylen 2,2 Kondensators von der Spannungsquelle die La-
Polystyrol 2,5 dung Q und damit die Verschiebungsdichte D
Polycarbonat 2,8 gleich bleibt. In beiden Fällen steigt die Kapa-
Polyester 3,3 zität auf das "r -fache an, wenn ein Dielektrikum
Kondensatorpapier 4 bis 6 in den Kondensator eingebracht wird. Bleibt der
Zellulose 4,5
Kondensator mit der Spannungsquelle verbun-
Al2 O3 12
den, dann erhöht sich die elektrische Energie Wel
Ta2 O5 27
Wasser 81
auf das "r -fache, während sie sich im anderen Fall
Keramik (NDK) 10 bis 200 auf den "r -ten Teil verringert.
Keramik (HDK) 103 bis 104 Tab. 4.9 zeigt in den Spalten die beiden Fälle
(Kondensator mit der Spannungsquelle verbun-
den oder getrennt) und in den Zeilen, welche der
elektrischen Größen konstant bleiben bzw. sich
Für das elektrische Feld in einem Dielek- ändern.
trikum steht bei allen physikalischen Glei- Abb. 4.77c zeigt den Fall eines teilweise ge-
chungen statt "0 das Produkt " D "0 "r füllten Kondensators. Schwarz gezeichnet sind
(Permittivität). die Feldlinien des elektrischen Feldes E und rot
diejenigen des Feldes der Verschiebungsdichte
D. Während E im Innenraum der Materie redu-
Tab. 4.8 zeigt die Permittivitätszahl einiger ziert wird, also an der Grenzfläche einen Sprung
wichtiger Dielektrika. Aus (4.136) folgt für die erleidet, ist D überall konstant. Das bedeutet,
elektrische Polarisation dass das D-Feld eine Grenzfläche stetig durch-
setzt. Bei schräg zu den Feldlinien verlaufenden
P D D m "0 E m D "0 "r E m "0 E m Grenzflächen gilt dies für die Normalkomponen-
te (Abb. 4.83).
oder
Kondensatoren als Bauelemente in der
P D "0 E m ."r 1/: (4.138) Elektrotechnik
Kondensatoren gehören zu den wichtigsten Bau-
Der Faktor ."r 1/ ist die elektrische Suszeptibi-
elementen in der Elektrotechnik. Die Werte für
lität e . Somit gilt
die Kapazitäten erstrecken sich über zwölf De-
P D e "0 E m : (4.139) kaden (von 1 pF bis über 1 F). In sehr unter-
schiedlichen Bereichen werden Kondensatoren
Für das zur Polarisation P gehörende elektrische eingesetzt, beispielsweise
Gegenfeld E P ergibt sich
beim Speichern von Ladung und elektrischer
EP D ."r 1/Em D e Em (4.140) Energie (Elektronen-Blitzgerät, Plasmaerzeu-
gung, Laser, Kopierer);
und im Fall des von der Spannungsquelle ge- bei der Trennung von Gleich- und Wechsel-
trennten Kondensators strom bzw. von Wechselströmen unterschied-
"r 1 licher Frequenzen (Lautsprecherankopplung,
EP D E0 Em D E0 D e Em : Verstärker, Störschutz) sowie zur Siebung und
"r
Glättung von pulsierenden Gleichspannungen
Für Dielektrika ist "r > 1 und deshalb e > 0. (Brumm-Siebung bei netzbetriebenen Elektro-
Für Vakuum gilt "r D 1 bzw. e D 0. geräten);
306 4 Elektrizität und Magnetismus
in Schwingkreisen, beispielsweise zur Sender- minium) und die Dielektrika aus Papier- oder
abstimmung bei Rundfunk- und Fernsehemp- aus Kunststofffolien. Metallfolien und Dielek-
fängern; trika werden aufgewickelt. Kunststofffolien ha-
in Zeitkreisen ben wegen ihres niedrigeren Verlustfaktors, ihrer
(RC-Glieder, Blinkschaltungen, Anzugs- und großen Homogenität und ihrer kleineren Dicken
Abfallsverzögerungen für Relais); (bis zu 1;5 m) Papier als Dielektrikum zum Teil
als Phasenschieber verdrängt. Papier ist pflanzlicher Herkunft, das
– zur Blindstromkompensation oft die geforderten engen Toleranzen elektrischer
(Leuchtstofflampen mit Spule oder Leis- Werte nicht einhalten kann. Abb. 4.79 zeigt eine
tungskondensatoren nach VDE 0560-4); elektronenmikroskopische Aufnahme von Kon-
– zur Drehfelderzeugung densatorpapier (32.000-fach vergrößert). Hierbei
(Hilfsphase für Motoranlauf oder Motor- wird die zerklüftete Oberflächenstruktur deutlich.
betrieb an ein Ein-Phasen-Netz, Motorbe- Von den Kunststoffen sind als Dielektrikum
triebs-Kondensatoren nach VDE 0560-8); vor allem Polycarbonat (C), Polypropylen (P),
in der Leistungselektronik Polystyrol (S) und Polyester (Polyethylentereph-
(Bedämpfen von Spannungsspitzen, Kommu- thalat (T)) im Einsatz. Die in Klammern gesetz-
tierung, Filtern von Oberwellen). ten Abkürzungen werden zur Kennzeichnung des
Kunststoffes verwendet. Der wichtigste Kunst-
Abb. 4.78 zeigt eine Einteilung von Fest-Konden- stoff ist Polypropylen (P). Besondere Bedeu-
satoren nach ihren Technologien sowie die ein- tung hat auch Polystyrol (S) im „Styroflex“-
stellbaren Kondensatoren. Diese Übersicht ent- Kondensator, da dieser Kunststoff einen negati-
hält die einzelnen Kondensatortypen, ferner die ven Temperaturkoeffizienten aufweist und damit
zugehörigen Nennspannungs- und Kapazitäts- gut zur Temperaturkompensation verwendet wer-
bereiche, die Verlustfaktoren, wichtige Normen den kann. Ein spezielles Anwendungsgebiet für
und typische Anwendungsfelder. Schnittbilder, Kunststofffolien-Kondensatoren ist in der Leis-
Prinzipskizzen und Bilder veranschaulichen die tungselektronik der Bereich hoher Spannungen
Funktionsweise bzw. die Bauformen von Kon- (100 V bis 6,6 kV) und hoher Kapazitäten (0;1 F
densatoren. Das Diagramm rechts zeigt, für wel- bis 15 mF). Diese Kondensatoren werden als
che Spannungs-Kapazitäts-Bereiche die entspre- Leistungs-Kondensatoren (Lei-Ko) bezeichnet.
chenden Kondensatorentypen Verwendung fin- Bei Kondensatoren mit metallisierten Elektro-
den. den werden die Dielektrika mit Metall (meist
Bei den Folien-Kondensatoren bestehen die Aluminium oder Zink) bedampft. Metallisierte
Kondensatorplatten aus Metallfolien (meist Alu- Papierfolien werden häufig mit MP, metallisier-
4.3 Elektrisches Feld 307
te Kunststofffolien mit MK abgekürzt. Bei den Elko) ist der Tantal-Elko (Ta-Elko) vor allem
Kunststoffen dient ein weiterer Buchstabe zur wegen seiner hohen Ladungsdichte begehrt. Bei
Kennzeichnung der Kunststoffart (z. B. MKP: einem Elko besteht die Anode aus Metall (Al
metallisierte Kunststofffolie aus Polypropylen). oder Ta). In Al-Elkos werden Aluminiumfoli-
Die Kunststofffolien werden in Dicken bis un- en (100 m dick) verwendet, deren Oberfläche
ter 2 m verwendet. Eine wichtige Eigenschaft durch Ätzen etwa um das 20- bis 100-fache ver-
der MK-Kondensatoren ist die Fähigkeit zur Aus- größert ist. Bei Tantal wird die große Oberfläche
heilung nach erfolgten Durchschlägen. durch Sintern von Tantal-Pulver erzeugt (1 cm3
Die Elektrolytkondensatoren überdecken den gesintertes Ta-Pulver hat eine Oberfläche bis zu
größten Bereich an Spannung und Kapazi- etwa 30:000 cm2, d. h. 3 m2 ).
tät und zählen zu den zuverlässigsten Bauele- Abb. 4.80 zeigt eine Aufnahme mit dem
menten. Außer dem verhältnismäßig preisgüns- Rasterelektronenmikroskop (3000-fache Vergrö-
tigen Aluminium-Elektrolyt-Kondensator (Alu- ßerung) von der Oberfläche einer geätzten
4.3 Elektrisches Feld 309
Typ-I-Kondensatoren
Abb. 4.79 Elektronenmikroskopische Aufnahme eines
Das Dielektrikum besteht aus einer Keramik-
Kondensatorpapiers (32.000-fache Vergrößerung)
schicht mit niedriger Dielektrizitätszahl (ND;
"r von 10 bis 200), z. B. Titandioxid und Ma-
gnesiumtitanat;
Typ-II-Kondensatoren
Die dielektrische Keramikschicht besitzt eine
hohe Dielektrizitätszahl (HD; "r von 700 bis
104 ), z. B. Bariumtitanat;
Typ-III-Kondensatoren
Als Ausgangsmaterial wird eine ferroelektri-
sche Scheibe verwendet (z. B. Bariumtitanat),
die durch Reduktions- und Oxidationsprozes-
se Halbleitersperrschichten bildet, die wie ein
Dielektrikum wirken. Diese Kondensatoren
haben spannungsabhängige Kapazitätswerte.
(1) (2)
Abb. 4.83 Elektrische Feldstärke und Verschiebungsdichte an der Grenzfläche zweier unterschiedlicher Dielektrika
Q
und mit (1) aus Abb. 4.83 und wegen U.Q/ D C lauten die Umformungen
Wel 1
wel D D "0 "r E 2 (4.147)
V 2
oder wegen "0 "r E D D
Wel 1
wel D D DE : (4.148)
V 2
Gleichung (4.148) ist nicht nur für den Platten-
kondensator, sondern allgemein gültig.
Kraft zwischen zwei Kondensatorplatten Abb. 4.84 Schaltung von Kapazitäten gemäß Ü 4-8
Aus dem Zusammenhang zwischen Arbeit und
Kraft dW D F ds errechnet sich die Anziehungs- a
kraft zu
dW
F D :
ds
QdU dU
F D und wegen DE
2ds ds
QE
F D : (4.149)
2 b
CU2
F D (4.150)
2d
"0 "r AU 2
F D : (4.151) Abb. 4.85 Plattenkondensator (Fläche A, Plattenab-
2d 2 stand d ) mit verschiedenen Füllungen. Zu Ü 4-9
tungsgesetz (4.149) a
I Z Z
H ds D H i .s/dsi C H a .s/dsa D NI:
d d
R 5r 5RC :
2 2
Nach dem Durchflutungsgesetz gilt
H 2 r D NI:
NI
dH D sin3 ˇdh:
2Rl
Zur Integration empfiehlt sich eine Integration
über alle möglichen Winkel ˇ. Mit
h R
cot ˇ D ergibt sich dh D 2 dˇ und
R sin ˇ
NI R NI
dH D sin ˇ 2 dˇ D
3
sin ˇdˇ:
2Rl sin ˇ 2l
Abb. 4.96 Kurze Zylinderspule. Die Variable x wird aus
der Spulenmitte heraus gemessen Die Integration
Zˇ1
NI
Im Mittelpunkt des Kreisrings ist ˇ D 90ı . H D sin ˇdˇ ergibt
Daraus folgt für die magnetische Feldstärke 2l
180ı ˇ2
im Mittelpunkt eines Ringstromes die bereits IN
von (4.158) bekannte Beziehung. H D .cos ˇ1 C cos ˇ2 /: (4.164)
p 2l
Mit sin ˇ D Rr und r D R2 C l 2 lässt
sich (4.161) umformen in Nun gilt
IR2
l
Cx
H D p 3 : (4.162) cos ˇ1 D q 2 2 und
2 R2 C l 2 R C 2 Cx
2 l
l
x
Aus dieser Gleichung lässt sich für große Ab- cos ˇ2 D q 2 2 :
stände vom Kreisleiter (l
R) folgende R2 C 2l x
Näherungslösung herleiten:
Damit wird die Feldstärke in Abhängigkeit
IR 2 von x:
H D : (4.163)
2l 3 NI
H.x/ D
0 2l 1
Aus (4.161) lässt sich die Feldstärke auf der
Symmetrieachse einer Spule berechnen. Dazu B l l C
B Cx x C
denkt man sich nach Abb. 4.96 die Spule auf-
B
B s 2
2 C s 2
C
2 C :
gebaut aus dünnen Ringen der Dicke dh. @ A
l l
Ein solcher Ring erzeugt im Punkt A ein R2 C Cx R2 C x
2 2
Magnetfeld der Stärke
(4.165)
sin3 ˇ
dH D dI: In der Spulenmitte, bei x D 0 ergibt sich
2R
NI NI
Wenn auf die Länge l der Spule N Windungen HMitte D q Dp : (4.166)
2 R2 C l2 d2 C l2
kommen, dann ist der Anteil des Stromes I , 4
320 4 Elektrizität und Magnetismus
R
Der Spannungsstoß U dt ist gleich der
Änderung des magnetischen Flusses ˚, der
die Fläche eines Leiters senkrecht durch-
setzt.
tierenden Feld lassen sich Kraftwirkungen ablei- gneten, wie Abb. 4.99b zeigt. Das resultierende
ten. Feld hat in diesem Fall eine Feldlinienverdich-
tung auf der linken und eine Feldlinienverdün-
Stromdurchflossener Leiter im Magnetfeld nung auf der rechten Seite. Auf den Leiter wird
Abb. 4.99a zeigt einen stromdurchflossenen Lei- eine Kraft in Richtung der Feldverdünnung (nach
ter im Feld eines Permanentmagneten. Die im rechts) wirksam.
mathematisch negativen Sinne umlaufenden ma- Experimentell gilt für den Kraftbeitrag dF
gnetischen Feldlinien des stromdurchflossenen eines stromdurchflossenen Leiterelementes der
Leiters überlagern sich mit den vom Nord- zum Länge dl
Südpol laufenden Feldlinien des Permanentma- dF D I.dl B/: (4.174)
4.4 Magnetisches Feld 323
Zl Zl
F DI .dl B/ D I B dl
0 0
Zl
D I B dl ;
0
F D I B l oder Abb. 4.100 Prinzip des Drehspulinstrumentes
Abb. 4.101 Dipole im homogenen Feld: a elektrischer Dipol im E -Feld, b magnetischer Dipol im B-Feld, links Sei-
tenansicht, rechts Draufsicht
a b
lässt sich für diesen Fall umformen: Für die Ge- Abb. 4.103 verdeutlicht den Zusammenhang.
schwindigkeit der Ladungsträger gilt v D dl =dt, Die Kraft wird nach ihrem Entdecker Lorentz-
hieraus folgt dl D vdt. Eingesetzt ergibt dies Kraft genannt (H. A. L ORENTZ, 1853 bis 1928).
Der Betrag der Lorentz-Kraft ist
dF D I dt.v B/:
jFL j D QvB sin.v; B/: (4.185)
Mit I dt D dQ erhält man dF D dQ.vB/ oder
Q v
D : (4.194)
m rB
b Für ein Elektron gilt dann
Q e C
D D 1;76 1011 : (4.195)
m mel kg
D D "0 E und B D 0 H ; Analog zum elektrischen Feld wird die durch die
Materie zusätzlich hervorgerufene magnetische
bzw. in Materie Flussdichte magnetische Polarisation J genannt:
entsprechen. Tatsächlich zeigen die Kraftwirkun- Der Faktor .r 1/ heißt analog zur elektrischen
gen auf elektrische Ströme oder allgemeiner auf Suszeptibilität (4.139) magnetische Suszeptibili-
bewegte Ladungen im Magnetfeld, sowie auf ru- tät m . Somit formt sich (4.201) um zu
hende und bewegte Ladungen im elektrischen
Feld, dass J D m B 0 D m 0 H ; (4.202)
jJ j jJ j
E , B und D , H m D D : (4.203)
jB 0 j 0 jH j
miteinander korrespondieren.
Die magnetische Suszeptibilität m be-
schreibt das Verhältnis von Polarisation J ,
4.4.4 Materie im Magnetfeld hervorgerufen durch Materie im Magnet-
feld, und der magnetischen Flussdichte B 0
4.4.4.1 Grundbegriffe (ohne Materie).
Wird Materie in ein magnetisches Feld gebracht,
so ändert sich – analog zur Materie im elektri-
schen Feld (Abschn. 4.3.7) – die magnetische Wird am System außer dem Einbringen von
Flussdichte B. Es ist Materie nichts geändert, dann bleibt der einge-
prägte Strom in der Spule konstant und damit
jB m j
r D : (4.198) auch die Feldstärke; H ist also im Vakuum und
jB 0 j in Materie gleich (H invariant). Für die Magneti-
4.4 Magnetisches Feld 331
paramagnetische Stoffe
r wenig größer als 1 bzw. m geringfügig po-
sitiv, Beispiele: Al, Pt, Ta;
ferromagnetische Stoffe
r wesentlich größer als 1 bzw. m deutlich
positiv, Beispiele: Co, Fe, Ni.
4.4.4.2 Stoffmagnetismus
Abb. 4.107 Einteilung magnetischer Werkstoffe nach Das unterschiedliche magnetische Verhalten von
den Zahlenwerten von r bzw. m
Materie ist auf deren Elektronenstruktur zurück-
zuführen. Die Elektronen erzeugen als sich be-
wegende elektrische Ladungen magnetische Mo-
sierung M gilt:
mente, und zwar durch
J
MD : (4.204) die Bahnbewegung ein magnetisches Bahnmo-
0
ment mBahn senkrecht zur Umlauffläche und
Nach weiteren Umformungen ergeben sich fol- durch
gende Formulierungen: die Eigenrotation (Elektronen-Spin) ein ma-
gnetisches Spinmoment mSpin .
M D .r 1/H D m H : (4.205)
Das von der Kernbewegung herrührende Kern-
spinmoment kann wegen der geringen Magnet-
Für die magnetische Induktion B ergibt sich dann
wirkung vernachlässigt werden. Abb. 4.108 zeigt mente und damit die magnetische Suszeptibilität
die Arten des Stoffmagnetismus, die jeweiligen ab. Es gilt hierbei das Curie’sche Gesetz (P. C U -
Ursachen und Wirkungen, die Temperaturabhän- RIE, 1859 bis 1906):
gigkeit des Kehrwertes der Suszeptibilität sowie
typische magnetische Werkstoffe. Der Ferroma- C
m D : (4.207)
gnetismus ist wegen seiner großen technischen T
Bedeutung ausführlich beschrieben.
Der Faktor C ist eine stoffabhängige Größe.
Diamagnetismus
Ferromagnetismus
Der Diamagnetismus ist eine Eigenschaft aller
Unaufgefüllte innere Elektronenschalen, wie sie
Körper; er kann aber durch andere magneti-
vor allem bei den Übergangsmetallen (Fe, Ni, Co,
sche Erscheinungen überdeckt werden. In rei-
Gd, Er) vorkommen, führen zu gleichgerichteten
ner Form tritt er auf, wenn sich die magneti-
Spinmomenten. Es existieren ganze Kristallbe-
schen Spinmomente aller Atomelektronen aufhe-
reiche gleicher Magnetisierung in der Größe von
ben. Dies ist bei Elementen mit abgeschlossenen
etwa 10 m bis 1 mm. Sie werden Weiss’sche
Elektronenschalen der Fall (Pauli-Prinzip, Ab-
Bezirke genannt (P. E. W EISS, 1865 bis 1940).
schn. 8.4). Wird ein diamagnetischer Stoff in
Sie sind im unmagnetisierten Zustand regellos
ein äußeres Magnetfeld gebracht, erzeugt die
verteilt, sodass der Werkstoff nach außen unma-
Wechselwirkung des magnetischen Elektronen-
gnetisch ist. Durch Anlegen eines äußeren Feldes
Bahnmomentes mBahn mit diesem äußeren Ma-
werden die Weiss’schen Bezirke zunehmend in
gnetfeld eine Präzession der Elektronenbahn.
Feldrichtung ausgerichtet. Die parallele Ausrich-
Durch diese Kopplung der Elektronenbewegung
tung der magnetischen Spinmomente wird mit
entstehen inneratomare Ringströme, deren Ma-
zunehmender Temperatur zerstört, bis sie ober-
gnetfeld dem äußeren Magnetfeld entgegenge-
halb der ferromagnetischen Curie-Temperatur TC
setzt gerichtet ist (Lenz’sche Regel, Abschn. 4.5).
völlig aufgehoben ist und die ferromagnetischen
Das gesamte Magnetfeld wird dadurch schwä-
Stoffe nur noch ein paramagnetisches Verhalten
cher. Aus diesem Grund ist die Permeabilitätszahl
aufweisen.
r < 1 bzw. die magnetische Suszeptibilität
Für Temperaturen oberhalb TC gilt das Curie-
m < 0. Der Diamagnetismus verschwindet wie-
Weiss’sche Gesetz:
der, wenn das äußere Feld abgeschaltet wird.
Eine Temperaturabhängigkeit der Suszeptibilität C
ist nicht festzustellen. Typische Stoffe mit dia- m D : (4.208)
T TC
magnetischem Verhalten sind Ag, Au, Cu, Bi
oder H2 . Die Curie-Temperaturen einiger ferromagneti-
scher Werkstoffe sind in Tab. 4.12 zusammenge-
Paramagnetismus stellt.
Unaufgefüllte Elektronenschalen (bzw. eine un- Ferromagnetika weisen ein nichtlineares Ver-
gerade Anzahl von Elektronen) führen zu nicht halten der magnetischen Induktion B in Abhän-
vollständig kompensierten magnetischen Spin- gigkeit von der magnetischen Feldstärke H auf,
momenten. Diese magnetischen Spinmomente d. h., die Permeabilitätszahl r bzw. die magneti-
sind regellos verteilt. Das äußere Magnetfeld sche Suszeptibilität m ist nicht konstant, sondern
richtet die Elementarmagnete durch seine Wech- eine komplizierte Funktion von H . Einen typi-
selwirkung mit dem magnetischen Spinmoment schen Verlauf der Permeabilitätszahl bei zuneh-
aus; dieser vollständigen Ausrichtung steht je- mender magnetischer Feldstärke H zeigt sche-
doch die Wärmebewegung der Atome entgegen. matisch Abb. 4.109. Der spezielle Verlauf von r
Die thermische Bewegung der Atome nimmt mit in Abhängigkeit von der magnetischen Feldstär-
steigender Temperatur zu, dementsprechend der ke H ist vom Werkstoff und von der Vorbehand-
Grad der Ausrichtung der magnetischen Spinmo- lung des Werkstoffs abhängig.
4.4 Magnetisches Feld
Tab. 4.12 Ferromagnetische Curie-Temperatur einiger Neukurve. Sie nähert sich asymptotisch der Gera-
Werkstoffe den
Werkstoff ferromagnetische Curie-
Temperatur TC in K B D 0 H C JS D 0 .H C MS /;
Dy 87
Gd 289 wenn alle Elektronenspins parallel zum äuße-
Cu2 MnAl 603 ren Feld ausgerichtet sind, d. h. wenn die ma-
Ni 631 gnetische Polarisation ihren Sättigungswert JS
Fe 1042 erreicht hat. Abb. 4.111 zeigt die Weiss’schen
Co 1400 Bezirke eines Nickel-Einkristalls im unmagne-
tischen Zustand (Abb. 4.111a, entspricht dem
Punkt 0 der Neukurve), bei teilweiser Magneti-
sierung (Abb. 4.111b, entspricht dem Gebiet II
der Neukurve) und bei vollständiger Magneti-
sierung (Abb. 4.111c, entspricht der Sättigungs-
induktion BS ). Besonders gut sichtbar ist die
einheitliche Magnetisierung der Weiss’schen Be-
zirke, die durch die Bloch-Wände (F. B LOCH,
1905 bis 1983) voneinander getrennt sind. Diese
Bloch-Wände sind die Übergangszonen, in denen
Abb. 4.109 Verlauf der Permeabilitätszahl r in Abhän- sich die Magnetisierung von einem Weiss’schen
gigkeit von der Feldstärke H für einen Ferromagneten Bezirk zum andern ändert.
In der Neukurve laufen drei Elementarpro-
zesse ab: Bei der Erhöhung der äußeren ma-
gnetischen Feldstärke H nimmt die magneti-
sche Induktion B aufgrund von Bloch-Wand-
Verschiebungen schnell zu. Zunächst finden die
leichter verschiebbaren reversiblen Wandver-
schiebungen (Bereich I) und später die schwerer
verschiebbaren irreversiblen Wandverschiebun-
gen statt (Bereich II). Die Bezirke, die annä-
hernd in Feldrichtung ausgerichtet sind, vergrö-
ßern sich in diesen beiden Phasen auf Kosten
der anderen. Das Material ist teilweise magne-
tisiert (Abb. 4.111b). Bei weiter zunehmendem
Magnetfeld H nimmt die magnetische Indukti-
on B nur noch geringfügig zu. In diesem Bereich
finden Drehprozesse statt (Bereich III), bei de-
nen sich die magnetischen Momente vollends in
Abb. 4.110 Hysteresekurve die vorgegebene Feldrichtung drehen. Das Ma-
terial ist dann bis zur Sättigungspolarisation JS
magnetisiert (Abb. 4.111c). Von diesem Punkt an
In Abb. 4.110 ist die Abhängigkeit der ma- nimmt B nur noch geringfügig zu.
gnetischen Flussdichte B von der magnetischen Wird das magnetische Feld ausgeschaltet
Feldstärke H (Hysteresekurve) dargestellt. Vom (H D 0), dann bleibt eine Restinduktion üb-
unmagnetisierten Zustand H D B D 0 aus- rig, die man Remanenzflussdichte (Remanenz) BR
gehend verändert sich die Flussdichte B bei nennt. Um wieder einen unmagnetischen Ma-
monoton anwachsender Feldstärke H längs der terialzustand zu erreichen (B D 0), muss ei-
4.4 Magnetisches Feld 335
Scherung
Wird mit einem stabförmigen Magnetwerkstoff
eine Magnetisierungskurve aufgenommen, so
kann diese je nach Geometrie des Stabes unter
Umständen erheblich von der Magnetisierungs-
kurve abweichen, die man mit einem geschlosse-
nen Ring desselben Materials misst.
Der Grund liegt in der entmagnetisierenden
Abb. 4.111 Veränderung der Weiss’schen Bezirke eines Wirkung der Magnetpole an den Stabenden. Die-
Nickel-Einkristalls bei Zunahme des Magnetfeldes se erzeugen ein entmagnetisierendes Feld H 00 ,
das dem von außen angelegten Feld H 0 (bei-
spielsweise durch eine Spule erzeugt, mit H 0 D
ne Gegenfeldstärke eingestellt werden. Sie wird NI = l/ entgegengesetzt gerichtet ist und dieses
Koerzitivfeldstärke HC genannt. Bei weiter zu- schwächt. Im Innern der Probe ist deshalb die
nehmendem Gegenfeld wird das Material bis zur Feldstärke H kleiner als die Feldstärke des äuße-
Sättigung in Gegenrichtung (JS ) aufmagneti- ren Feldes: H D H 0 H 00 . Das entmagnetisieren-
siert. Beim Ausschalten des Magnetfeldes (H D de Feld ist umso größer, je größer die Polarisation
0) fällt die magnetische Induktion wieder bis zur in der Probe ist: H 00 D NM D N J0 . N wird als
Remanenzflussdichte (BR ) und erst ein positi- Entmagnetisierungsfaktor bezeichnet. Er hängt
ves Magnetfeld (HC ) erzeugt wieder ein unma- nur von der Probengeometrie ab (Tab. 4.13).
336 4 Elektrizität und Magnetismus
Curie-Gesetz:
C
m D : (4.210)
T C TN
Hm lm D HL lL (4.211)
Bm Am D BL AL (4.212)
BL2
.Bm Hm /Vm D BL HL VL D VL :
0
(4.214)
Hieraus ist ersichtlich, dass die Scherungsgerade a) Wie groß muss die magnetische Fläche Am
vom Werkstoff unabhängig ist und nur von der bzw. das Magnetvolumen Vm gewählt wer-
Geometrie des Magneten abhängt. den, um diese Anforderungen zu erfüllen?
Der Arbeitspunkt A ergibt sich als Schnitt- b) Wie groß ist die im Luftspalt nutzbare ma-
punkt der Scherungsgerade mit der Entmagne- gnetische Flussdichte?
tisierungskurve (Abb. 4.118). Es ist erwähnens- c) Der .BH /max -Wert der AlNiCo-Legierung
wert, dass die sich einstellende Flussdichte Bm liegt bei 42 kJ=m3 . Wie lautet der optimale
deutlich geringer ist, als die Remanenzflussdich- Arbeitspunkt A(HA =BA )?
te BR . Hierbei gilt: Je größer der Luftspalt, um so d) Um wie viel Prozent kann das Magnetvo-
geringer ist die Flussdichte. lumen verringert werden, wenn der Dauer-
Da das Produkt BH die magnetische Energie magnetwerkstoff SmCo5 mit .BH /max D
je Volumen darstellt, ergibt sich die im Luftspalt 144 kJ=m3 eingesetzt wird?
4.4 Magnetisches Feld 341
Lösung
a) Die Gleichung der Scherungsgeraden
(4.213) wird nach Am aufgelöst:
0 AL lm
Am D Hm D 0;805 cm2 :
lL Bm
Bm Am
BL D D 89;4 mT:
AL
Abb. 4.119 Elektromagnet
c) Es gelten folgende Gleichungen:
Beispiel 4.4-8
Ein Ringkern entsprechend Abb. 4.122 hat die
Abmessungen d1 D 16 mm, d2 D 12;5 mm
und h D 6 mm. Der Luftspalt beträgt 1 mm.
Wie groß ist der magnetische Widerstand a) im
Ringkern und b) im Luftspalt? c) Welcher
Strom muss durch die Spule mit N D 1200
Windungen fließen, wenn eine Luftspaltinduk-
tion von B D 1;5 T gefordert wird? Die
Magnetisierungskurve des Eisenkerns ist in
Abb. 4.120 gegeben.
Abb. 4.120 Arbeitspunkt A eines Elektromagneten mit
D 2000 A, lL D 2 mm, lFe D 200 mm, AFe D AL ,
D1 Lösung
a) Aus Abb. 4.120 kann abgelesen werden,
dass die Flussdichte B D 1;5 T eine ma-
Gleichung (4.217) hat formale Ähnlichkeit mit gnetische Erregung von H D 2;72 kA=m
dem Ohm’schen Gesetz U D IR, wobei die ma- erfordert. Die Permeabilität beträgt damit
gnetische Spannung Vm die Rolle der elektrischen
B Vs
Spannung U spielt, der Fluss ˚ den Strom I er- Fe D D 5;51 104 :
setzt und der Klammerausdruck H Am
Die relative Permeabilität ist r D
lFe lL
C Fe =0 D 439. Mit
Fe AFe 0 AFe L
d1 d2
schließlich den gesamten magnetischen Wider- AD h D 10;5 106 m2 und
2
stand des Kreises darstellt. Der Gesamtwider- d1 C d2
stand ist in diesem Fall die Summe der magne- l1 D l2 D 43;8 mm
2
tischen Widerstände des Eisens und des Luftspal-
tes. Die Analogien zwischen den Beziehungen beträgt der magnetische Widerstand im Ei-
im elektrischen und magnetischen Kreis sind in senkern nach (4.218)
Abb. 4.121 zusammengestellt. l1 A
Der magnetische Widerstand einer Substanz in Rm1 D D 7;56 106 :
0 r A Wb
einem magnetischen Kreis ist
b) Der magnetische Widerstand im Luftspalt
l ist Rm2 D l02A D 75;8 106 Wb
A
. Somit ist
Rm D : (4.218)
r 0 A der gesamte magnetische Widerstand des
Kreises Rm ges D Rm1 C Rm2 D 83;4
Im Vergleich zum elektrischen Widerstand R D A
106 Wb .
.1=~/.l=A/ kann 0 r als magnetische Leitfä- c) Nach dem Ohm’schen Gesetz gilt (2) in
higkeit gedeutet werden. Tatsächlich ist die rela- Abb. 4.121
tive Permeabilität r ein Maß für die Fähigkeit,
magnetische Feldlinien zu leiten. Es muss an die- NI
Rm ges D D :
ser Stelle betont werden, dass diese Analogie ˚ BL A
4.4 Magnetisches Feld 343
Rm ges BL A
Daraus folgt I D D 1;09 A.
N
A, durch die der magnetische Fluss tritt, und der (zweite Maxwell’sche Gleichung, Abschn. 4.5.5)
Richtung der magnetischen Flussdichte B (Ab- und hat eine überragende Bedeutung in den elek-
schn. 4.4.3.1, Abb. 4.98). An ist der Flächenanteil trotechnischen Anwendungen.
senkrecht zu den Feldlinien. Wird der Term für
den magnetischen Fluss in (4.219) eingesetzt, so 4.5.1.2 Induktionsvorgänge
ergibt sich Die verschiedenen Möglichkeiten, Spannungen
zu induzieren, sind in Abb. 4.125 zusammen-
dB dAn
uind D N An C B : (4.220) gestellt. Zunächst ist zu unterscheiden, ob die
dt dt Änderung des magnetischen Flusses durch die
Aus dieser Gleichung geht hervor, dass es gleich- Änderung des Magnetfeldes oder durch die Flä-
gültig ist, ob sich chenänderung geschieht. Diese unterschiedlichen
Fälle sind in einer Skizze veranschaulicht, die
die Flussdichte .dB=dt/ bei gleich bleibender sich ändernde Größe ist beschrieben und das In-
Fläche An (Transformatorprinzip) oder duktionsgesetz formuliert. Zum Schluss ist auf
die senkrecht zum Magnetfeld stehende Flä- mögliche Anwendungen hingewiesen.
che .dAn =dt/ bei gleich bleibender Flussdich- Zur Erklärung von Induktionsvorgängen bei
te B (Generatorprinzip) ändert. Spulen ist es wichtig, Feldspule und Indukti-
onsspule zu unterscheiden. Die Feldspule erzeugt
Das Induktionsgesetz zeigt den Zusammenhang wegen des Stromflusses durch einen wendelför-
zwischen elektrischem und magnetischem Feld mig gewickelten Draht ein magnetisches Feld
346 4 Elektrizität und Magnetismus
(Abschn. 4.4.2, Abb. 4.91). In der Induktionsspu- Änderung des Erregerstroms in einer
le wird aufgrund der Änderung des magnetischen Feldspule (Fall b)
Flusses eine Spannung induziert. Das Magnetfeld wird in diesem Fall durch Än-
derung des Erregerstroms dIerr =dt geändert (3)
Relativbewegung eines Magneten und einer in Abb. 4.125. Beim Induktionsgesetz muss be-
Induktionsspule (Fall a) achtet werden, welches die Windungszahl der
In diesem Fall ist es gleichgültig, ob Feldspule nFeld und welches die Windungszahl
der Induktionsspule Nind ist (4) in Abb. 4.125.
das Magnetfeld von einem Dauermagneten
oder einem Elektromagneten herrührt und Bewegter Leiter im Magnetfeld (Fall c)
der Magnet sich gegen eine Spule oder die Wird ein Leiter der Länge l senkrecht zu den
Spule sich gegen einen Magneten bewegt. Feldlinien mit einer Geschwindigkeit v D ds=dt
bewegt, so ändert sich die Fläche um dA=dt D
Beispiel 4.5-1 lv ((5) in Abb. 4.125). Somit wird die Spannung
Ein ballistisches Galvanometer kann zur Mes- uind D NBlv ((6) in Abb. 4.125) induziert. Das
sung der magnetischen Flussdichte B benutzt Auftreten der Induktionsspannung uind im be-
werden. Dazu zeigt die Skala die Ladungs- wegten Leiter lässt sich auch mit der Wirkung der
menge an. Die Galvanometerspule hat 50 Lorentz-Kraft auf bewegte Ladungsträger erklä-
Windungen und einen Windungsquerschnitt ren (Abschn. 4.4.3.2). Die Lorentz-Kraft FL D
von 4 cm2 . (Der Vektor der magnetischen e.v B/ (4.184) greift an jedem Elektron an
Flussdichte B ist parallel zur Flächennorma- und führt zur Ladungstrennung. Dadurch tritt
len An .) Wie groß ist die magnetische Fluss- ein Gegenfeld E ind auf, in dem die Gegenkraft
dichte B, wenn beim schnellen Entfernen der Find D eE ind wirksam ist. Abb. 4.126 verdeut-
Spule aus dem Magnetfeld die Skala eine La- licht den Zusammenhang. Die Ladungen können
dungsmenge von 8;3 106 C anzeigt (innerer so lange verschoben werden, bis ein Gleichge-
Widerstand des Galvanometers Ri D 40 , wicht zwischen der Lorentz-Kraft FL und der
Messspulenwiderstand RS D 18 )? Feldkraft Find existiert.
Für die Beträge gilt:
Lösung
Nach dem Induktionsgesetz (4.219) folgt jFL j D jFind j;
uind D N evB D eEind ;
R d˚=dt. Daraus wird uind dt D
N d˚ und uind dt D N ˚ D NBA. vB D Eind :
Nach dem Ohm’schen Gesetz ist U D
I.Ri C RS /. Dann ist Wegen Eind D uind = l gilt für die Windung
Z
uind D Blv: (4.221)
.Ri C RS / idt D NBA;
R Wirbelströme
und da idt D Q ist, gilt Werden ausgedehnte leitende Körper in einem
Magnetfeld bewegt oder sind sie ruhend wech-
.Ri C RS /Q D NBA: selnden Magnetfeldern ausgesetzt, so werden in
dem Leiter durch die induzierte Spannung Strö-
Daraus folgt me induziert. Man nennt diese Wirbelströme,
weil die Induktionsstromlinien wie Wirbel in
.Ri C RS /Q sich geschlossen sind. Die Wirbelströme hem-
BD D 2;4 102 T:
NA men nach der Lenz’schen Regel durch ihr ma-
4.5 Instationäre Felder 347
Bei der Reihenschaltung ist die gesamte Aus dieser Gleichung folgt für die Länge l D
Selbstinduktivität Lges gleich der Summe 0;136 m.
der einzelnen Selbstinduktivitäten.
4.5.1.4 Energie des magnetischen Feldes
Die Energie des magnetischen Feldes kann aus
X
n
der elektrischen Energie des induzierten Feldes
LR;ges D L1 C L2 C L3 C C Ln D Li : hergeleitet werden:
i D1
(4.229) Zt
di
W D uL idt mit uL D L ;
dt
0
Bei der Parallelschaltung ist der Kehrwert
der gesamten Selbstinduktivität 1=Lges Zt ZI
di
gleich der Summe der Kehrwerte der ein- W D L idt; W D Lidi;
dt
zelnen Selbstinduktivitäten. 0 0
1
Wmagn D LI 2 : (4.232)
2
1 1 1 1 1
D C C CC Diese Formel ist allgemein für jedes magnetische
LP;ges L1 L2 L3 Ln
Feld gültig. Für die magnetische Energie in ei-
X n
1
D oder (4.230) ner langen Zylinderspule ergibt sich mit L D
i D1
L i 0 r AN 2 = l und H D I N= l oder I D H l=N
!1
X n
1 1
LP;ges D : (4.231) Wmagn D 0 r H 2 Al (4.233)
i D1
Li 2
Wie bei den Ohm’schen Widerständen ist bei und mit 0 r H D B sowie Al D V
einer Parallelschaltung die gesamte Selbstinduk-
1
tivität LP;ges kleiner als die kleinste einzelne Wmagn D BH V: (4.234)
Selbstinduktivität. 2
0 r H 2
Fl D Al:
2
Es kürzt sich der Weg l heraus, sodass übrig
bleibt
Abb. 4.130 Darstellung komplexer Größen im Zeigerdia- Abb. 4.131 Bezeichnung elektrischer Wechselstromgrö-
gramm ßen im Zeigerdiagramm
(1)
(2) (3)
j j
(4) (5) (6)
U D IZ: (4.250) U
I D D U Y: (4.252)
Z
Daraus ergeben sich die schaltungstypischen
Daraus ergeben sich für die jeweilige Schal-
komplexen Wechselstromwiderstände Z sowie
tung spezifische komplexe Leitwerte Y D G C
die Phasenverschiebungswinkel tan '.
jB sowie Phasenverschiebungswinkel. – Bei der
Bei der Reihenschaltung aller drei Bauele-
Parallelschaltung aller drei Bauelemente R, L
mente R, L und C besteht die Möglichkeit, die
und C tritt eine Stromresonanz des Parallel-
Phasenverschiebung zwischen Strom und Span-
kreises auf. Die Thomson-Gleichung für die
nung aufzuheben. Dies ist der Fall, wenn UL D
Resonanzfrequenz ist für die Reihenschaltung
UC ist. Dann gilt die Thomson-Gleichung (W.
und für die Parallelschaltung gleich. Die RLC-
T HOMSON, 1824 bis 1907, später Lord Kelvin)
Resonanzschaltungen eignen sich zum Bau von
für Reihenresonanz:
Siebelementen oder Sperrkreisen, zum Unter-
r
1 drücken von Störfrequenzen und als Filter zur
!D (4.251) Frequenzwahl.
LC
j
j j
j
L C
j j
j
j
j
C L
(7)
und zeigt je nach Richtung und Größe der Wech- Abb. 4.136 Momentan-, Schein-, Wirk- und Blindleis-
selspannung bzw. des Wechselstroms positive tung im Wechselstromkreis
oder negative Energieflüsse. Die mittlere Leis-
tung oder Wirkleistung ergibt sich aus der Dif-
ferenz der positiven und negativen Flächen der Daraus errechnet sich der zeitliche Verlauf der
ui-Kurve und der Zeitachse in Abb. 4.136 und Leistung:
errechnet sich zu
p.t/ D u.t/; i.t/
ZT D 2UI cos.!t C 'u / cos.!t C 'i /:
1
P D u.t/i.t/dt: (4.254)
T
0 Durch Anwendung des Additionstheorems
2 cos2 !t D cos.2!t/ C 1 ergibt sich
Bei harmonischem Spannungs- und Stromverlauf
ist die Wirkleistung
p.t/ D UI cos ' (4.258)
1 C UI cos.2!t C 'u C 'i /:
P D uO iO cos ' D UI cos ': (4.255)
2
(Der Winkel ' ist in Übereinstimmung mit
Hierbei ist der Winkel ' die Phasenverschie-
(4.243) gegeben durch ' D 'u 'i .)
bung zwischen Wechselspannung und Wechsel-
Wie Abb. 4.136a zeigt, schwingt die Mo-
strom (4.243).
mentanleistung mit der doppelten Frequenz der
Für einen harmonischen Spannungs- und
Wechselspannung um den Durchschnittswert, der
Stromverlauf gilt nach (4.241), (4.242)
nach (4.255) der Wirkleistung P entspricht.
und (4.243)
Abb. 4.136b zeigt, wie die Scheinleistung S aus
u.t/ D uO cos.!t C 'u / Anteilen der Wirkleistung P und der Blindleis-
p tung Q besteht. Es gilt
D U 2 cos.!t C 'u /; (4.256)
i.t/ D iO cos.!t C 'i / S D UI; (4.259)
p p
D I 2 cos.!t C 'i /: (4.257) S D P 2 C Q2 (4.260)
358 4 Elektrizität und Magnetismus
Der Blindfaktor sin ' errechnet sich dann als Beispiel 4.5-4
Ein Elektromotor hat die Leistung P D
Q
sin ' D : (4.265) 45 kW und wird mit einer Klemmenspannung
S von U D 400 V betrieben. Der Leistungsfak-
Die durch elektrische Zuleitungen und durch tor ist cos ' D 0;85. Wie groß ist die Schein-
elektrische Geräte fließende Stromstärke kann und Blindleistung, wie groß ist die Stromstär-
tatsächlich größer sein als der Wirkstrom IWirk , ke I sowie der Wirk- und Blindstrom?
der wirklich nutzbar ist. Es ist deshalb wich-
tig, den Blindfaktor sin ' möglichst klein oder Lösung
den Leistungsfaktor cos ' nahe bei 1 zu halten. Aus (4.263) ergibt sich für die Scheinleistung
Zur Kompensation des Blindstromanteils können
Phasenschieberkondensatoren (Abschn. 4.3.7, P 45 kW
SD D D 52;94 kW:
Abb. 4.78) verwendet werden, deren kapazitiver cos ' 0;85
Blindwiderstand so groß wie der induktive Blind-
widerstand ist. Für die Blindleistung Q gilt Die Blindleistung beträgt nach (4.264)
a
4.5.2.6 Drehstrom
Im öffentlichen Stromnetz fließt ein sogenann-
ter Dreiphasenstrom oder Drehstrom. Ursache
sind drei Wechselspannungen u1 ; u2 und u3 , die
um jeweils 120ı .2 =3/ phasenverschoben sind,
wie Abb. 4.137 zeigt. Die drei Wechselspan-
nungen werden durch drei voneinander unab-
hängige Spulenwicklungen im Generator erzeugt b
(Abschn. 4.5.2.8). Dann ergeben sich sechs Spu-
lenendpunkte. Durch eine geeignete Verkettung
als Dreiecksschaltung bzw. als Sternschaltung Abb. 4.139 Schema des Transformators
gemäß Abb. 4.138 können die notwendigen An-
schlussstellen auf drei (U, V, W) bzw. vier (U, V, p
W, N) verringert werden. 400 V= 3 230 V. Gleichung (4.274) gilt nur,
In Tab. 4.16 sind die Zusammenhänge zwi- wenn alle drei Stränge gleichmäßig belastet sind.
schen dem Leiterstrom und der Leiterspannung
für die Dreieck- bzw. Sternschaltung zusammen- 4.5.2.7 Transformation von
gestellt. Durch die Spule fließende Ströme bzw. Wechselströmen
an den Spulen abfallende Spannungen werden als Werden um einen gemeinsamen Eisenkern an
Strangströme bzw. Strangspannungen bezeich- zwei gegenüberliegenden Seiten (Primär- bzw.
net, zu den Punkten fließende Ströme bzw. zwi- Sekundärseite) Spulenwicklungen angebracht,
schen den Punkten auftretende Spannungsabfälle dann entstehen zwei induktiv gekoppelte Spulen.
als Leiterströme bzw. Leiterspannungen. Da mit solchen Bauelementen Spannungen trans-
Im öffentlichen Stromnetz ist die Sternschal- formiert werden können, werden sie Transfor-
tung anzutreffen. Die Leiterspannung beträgt matoren genannt. Abb. 4.139 zeigt das Schema
400 V (früher 380 V) und die Strangspannung eines Transformators (a) und das Symbol (b).
360 4 Elektrizität und Magnetismus
d˚1
u1 D N1 :
dt
Wegen der induktiven Kopplung wird die ma- Abb. 4.140 Widerstandstransformation
gnetische Flussänderung an die Sekundärseite
weitertransportiert, sodass dort die Spannung
zur Spannungsversorgung eines niederohmigen
d˚2 Lautsprechers. Abb. 4.140 zeigt das Prinzip. Für
u2 D N2
dt die Impedanzen Z D U=I gilt nach (4.268)
induziert wird. Werden beide Gleichungen durch- Z2 D I1 U2 D ü . Damit wird die Impedanz Za
Z1 U1 I2 2
Da dq=dt D i ist, folgt aus (4.273) nach Diffe- RL-Stromkreis geschlossen, so gilt nach der Ma-
renziation nach der Zeit schenregel (Abschn. 4.1.6, (4.25)), dass die Sum-
me aller Spannungen null sein muss:
U0 1 t
iD e RC : (4.275)
R di
U0 Ri L D 0: (4.280)
Der Faktor RC hat die Dimension Zeit: dt
A s=V D V A s=.A V/ D s. Er wird kapazi- Die Spannung U0 fällt an zwei Bauteilen ab:
tive Zeitkonstante
genannt, weil er angibt, wie
schnell sich die Spannung uC dem Endwert U0 erstens am Widerstand R; dies entspricht einer
nähert. Bei Stromkreisen mit hoher Kapazität ist konstanten Stromstärke I D U0 =R (gestri-
die Zeitkonstante groß, da es lange dauert, bis der chelte Linie in Abb. 4.146);
Kondensator aufgeladen ist. zweitens wird in der Spule ein Magnetfeld
Beim Ausschalten der Spannungsquelle U0 aufgebaut, das zur stetigen Zunahme des
entlädt sich der Kondensator über den Wider- Stroms entsprechend i D .U0 =L/t führt
stand R. Es wird in der Differenzialgleichung (punktierte Linie).
(4.272) U0 D 0. Damit gilt
Das Zusammenwirken dieser beiden Teile er-
dq 1
C q D 0: (4.276) zeugt zunächst eine linear zunehmende Strom-
dt RC stärke, die in den konstanten Endwert I0 D U0 =R
Diese Form der Differenzialgleichung lässt sich einbiegt. Dieser Kurvenverlauf lässt sich analy-
durch Trennung der Variablen direkt integrieren: tisch aus der Lösung der Differenzialgleichung
(4.280) herleiten. Nach Division durch L ergibt
1
qC D Q0 e RC t : (4.277) sich die Differenzialgleichung für die Stromstär-
ke:
Nach entsprechender Umformung ergibt sich di R U0
C i D 0: (4.281)
1
RC dt L L
u C D U0 e t
: (4.278)
Die zugehörige Lösung lautet
und wegen i D dq=dt
U0 R
U0 iD 1 e L t : (4.282)
i D e
1
RC t
: (4.279) R
R
Der Faktor L=R hat die Dimension Zeit: H= D
4.5.3.2 Ein- und Ausschalten mit einer V s A=.A V/ D s. Er wird induktive Zeitkonstan-
Induktivität te
genannt, weil er angibt, wie schnell sich die
Wird in einem Stromkreis mit einem Wider- Stromstärke i dem Endwert I0 D U0 =R nähert.
stand R und einer Spule der Induktivität L eine Bei Stromkreisen mit hoher Induktivität ist die
Spannung U ein- bzw. ausgeschaltet, so ergeben Zeitkonstante groß, sodass der Endwert sehr spät
sich verzögerte Anpassungen der Stromstärke an erreicht wird. Die Zeitkonstante
kann grafisch
diese Situationen. Abb. 4.146 zeigt die zugehö- ermittelt werden als Schnittpunkt der beiden Kur-
rige Schaltung, die entsprechende Differenzial- ven i D .U0 =L/t (punktierte Linie in Abb. 4.146)
gleichung mit ihrer Lösung sowie die Strom-Zeit- und I0 D U0 =R (gestrichelte Linie). Dann gilt
Diagramme. Die Differenzialgleichungen sind
analog zum Stromkreis mit einer Kapazität. Wäh- U0 U0
D oder
rend in einem RC -Kreis die Differenzialglei- L R
chungen für die Ladungen gelten, sind sie in L
D : (4.283)
diesem Fall für die Ströme gültig. Wird der R
366 4 Elektrizität und Magnetismus
(1) (3)
(2) (4)
Beim Ausschalten wird die Spannung U0 D 0, würde besonders für hohe Induktivitäten die ge-
sodass sich die Differenzialgleichung verein- samte Induktionsspannung L.di=dt/ lange Zeit
facht: zwischen den Schaltkontakten liegen. Dadurch
di R könnten die Schaltkontakte oder die Bauelemente
C i D 0: (4.284) zerstört werden.
dt L
Abb. 4.147a zeigt das Ein- und Ausschalt-
Diese Gleichung lässt sich analog zur Differen-
verhalten (Spannungs-Zeit-Verlauf nach (4.274)
zialgleichung (4.272) durch Trennung der Varia-
und (4.278)) für eine Batteriespannung von U0 D
blen direkt lösen. Es gilt
24 V und Kapazitäten von C D 50 nF, 100 nF
R
i D I0 e L t : (4.285) und 150 nF. Mit größeren Werten der Kapazität
C vergrößern sich also die Ein- und Ausschalt-
Beim Ausschalten ist eine Parallelschaltung von zeiten. Abb. 4.147b zeigt das Ein- und Ausschalt-
Widerstand und Spule empfehlenswerter als die verhalten nach ((4.282) und (4.285)) für eine
Reihenschaltung (Abb. 4.146), weil dann sofort Batteriespannung von U0 D 24 V, einen Wi-
ein Teil des Stroms über den Widerstand abflie- derstand von R D 2 und Induktivitäten von
ßen kann. Für den Fall einer Reihenschaltung L D 100 mH, 300 mH und 500 mH. Auch hier
4.5 Instationäre Felder 367
Drehspulmesswerk
Ein Drehspulmesswerk besteht aus einem dreh-
baren zylindrischen Spulenkörper, der sich in
einem ringförmigen Spalt eines Dauermagneten
bewegen kann. Auf der Achse der Drehspule
befinden sich zwei Spiralfedern, die als Stromzu-
führungen für die Spule dienen, sowie ein Zeiger.
Im Luftspalt zwischen dem Dauermagneten und
dem Spulenkörper herrscht ein radiales Magnet-
feld. Wenn durch den Spulenkörper ein Gleich-
strom fließt, dann tritt ein Drehmoment auf, das
proportional der Stromstärke ist und von dem
Gegendrehmoment der Spiralfeder im Gleichge-
wicht gehalten wird. Der Ausschlagwinkel des
Zeigers ist demnach proportional zur Stromstär-
ke .' I /.
Kleinere Bauformen werden dadurch erreicht,
dass sich der Dauermagnet als feststehender Zy-
linder im Zentrum des Messwerkes befindet. Die
Spule ist drehend um ihn gelagert und der Luft-
spalt wird durch einen Hohlzylinder aus Weichei-
Abb. 4.147 Ein- und Ausschaltverhalten von a Kapazitä- sen abgeschlossen (Drehspul-Kernmagnet-Mess-
ten; b Induktivitäten werk). Drehspulmesswerke werden zur Messung
von Gleichströmen und Gleichspannungen ver-
wendet. Sie gehören zu den empfindlichsten
erkennt man, dass sich die Ein- und Ausschalt- elektrischen Messwerken (minimale Stromstär-
zeiten für höhere Werte für L vergrößern. ke 109 A). Wird ein Gleichrichter vorgeschaltet,
so können auch Effektivwerte von Wechselströ-
men und -spannungen bei sinusförmigem Kur-
4.5.4 Messgeräte venverlauf gemessen werden. Ebenso kann man
sie als Widerstandsmesser einsetzen, wenn sie
Elektrische Messgeräte dominieren in der physi- als Brücke in Zusammenhang mit einer konstan-
kalischen Messtechnik; für die meisten physika- ten Spannungsquelle geschaltet werden (Wheat-
lischen Größen, wie z. B. Temperatur oder Kraft, stone’sche Brücke, Abschn. 4.1.9). Durch Vor-
gibt es elektrische Messwertaufnehmer, sodass schalten eines Thermoumformers, bei dem mit
die Messwerte als elektrische Signale zur Verfü- Hilfe eines Thermoelements die Temperaturerhö-
gung stehen. Diese elektrischen Signale können hung an einem kleinen Lastwiderstand gemessen
als Daten sofort weiterverarbeitet oder als Steuer- und über einen Kalibrierfaktor auf den anliegen-
bzw. Regelgrößen verwendet werden. Üblicher- den Wechselstrom zurückgeschlossen wird, las-
weise unterscheidet man zwischen analogen und sen sich die Effektivwerte von Wechselströmen
digitalen Messgeräten, ferner zwischen solchen, und -spannungen beliebiger Welligkeit messen.
die nur gemittelte Werte (z. B. Effektivwerte) Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Dreh-
messen und solchen, die es gestatten, den zeitli- spulmessgeräten sind der Grund für die kompakte
chen Verlauf der Messgrößen darzustellen. Bauform von Vielfachmessinstrumenten.
368 4 Elektrizität und Magnetismus
Ein wichtiger Spezialfall ist das Drehspul- Ein eisenloses Messwerk ist sehr empfindlich
quotientenmesswerk (oder Kreuzspulinstrument). für fremde Magnetfelder. Häufig wird deshalb ein
Hierbei bewegen sich zwei um 30ı versetzte Spu- eisengeschlossenes Messwerk gebaut. Dies hat
len im Dauermagnetfeld. Werden die beiden Spu- aber den Nachteil, dass man nur bei geringen Fre-
len von unterschiedlichen Stromstärken i1 und i2 quenzen (um 50 Hz) richtig messen kann. Mit
durchflossen, ist der Zeigerausschlag ' propor- einem elektrodynamischen Quotientenmesswerk
tional zum Quotienten der beiden Stromstärken kann der Leistungsfaktor cos ' ermittelt werden.
i1 =i2 . Eine Spule kann man als Amperemeter und
die andere als Voltmeter schalten. Dann misst der Hitzdrahtmesswerk
Quotient direkt den Widerstand (unabhängig von Das klassische Hitzdrahtinstrument, bei dem
einer Batteriespannung). Eine Hauptanwendung die Ausdehnung eines Drahtes durch die beim
dieses Messwerkes ist die Temperaturmessung Stromfluss entstehende Wärme zu Messzwe-
mit Hilfe von Widerstandsthermometern. cken ausgenutzt wird, ist heute kaum noch im
Einsatz. Statt dessen werden wärmeempfindli-
Dreheisenmesswerk che Bauelemente (z. B. PTC-Widerstände, Ab-
Das Dreheisenmesswerk besteht aus einer Spu- schn. 4.1.4 und Abb. 4.6) oder Thermoelemente
le, die vom Messstrom durchflossen wird. Im (Abschn. 9.3.2.2) eingebaut. Auf diese Weise
Zentrum dieser Spule befinden sich zwei Weich- ist es möglich, Effektivwerte von Strömen und
eisenplättchen, von denen eines an der Spule Spannungen bei höchsten Frequenzen zu messen.
und das andere an der Zeigerachse befestigt ist.
Beim Stromfluss durch die Spule werden bei- Bimetallmesswerk
de Plättchen gleichnamig magnetisiert. Dadurch Werden Bimetallspiralen von Strom durchflos-
stoßen sie sich ab. Der Zeigerausschlag ist pro- sen, so biegen sie sich aufgrund der Erwärmung
portional zum Effektivwert der Messgröße, und auf. Das hierbei auf die Zeigerachse übertragene
zwar unabhängig von der Kurvenform. Drehei- Moment ist so groß, dass auch ein Schleppzeiger
seninstrumente sind sehr robuste Geräte, haben mitgeführt werden kann. Auf diese Weise können
allerdings einen hohen Leistungsverbrauch und Maximalwerte angezeigt werden. Bimetallmess-
sind wegen der Wirbelstromverluste nicht bei werke finden vorzugsweise Anwendung bei der
Frequenzen über 1 kHz einsetzbar. Überwachung thermischer Belastungen von Ka-
beln und Transformatoren.
Elektrodynamisches Messwerk
Beim elektrodynamischen Messwerk wird der Elektrostatisches Messwerk
Permanentmagnet des Drehspulmesswerks durch Im elektrostatischen Messwerk dient die Cou-
einen Elektromagneten ersetzt. Wird der Strom lomb’sche Kraft (Abschn. 4.3.8, (4.150)) zwi-
durch beide Spulen geleitet, so ist der Ausschlag schen zwei Platten als Messgröße. Um Durch-
proportional zum Quadrat der Stromstärke. Aus schläge zu verhindern, wird bei Gleichstrom ein
diesem Grund können sowohl Gleich- als auch sehr hochohmiger Widerstand (R > 1014 ) und
Wechselgrößen gemessen werden. Sehr wich- bei Wechselstrom ein Kondensator vorgeschal-
tig ist auch die Möglichkeit, das Produkt UI , tet. Wegen der geringen elektrostatischen Kraft
d. h. die elektrische Leistung zu messen. Dazu können zwei Platten erst ab Spannungen grö-
dient eine Spule als Strompfad, die andere mit ßer als 1 kV zu Messzwecken eingesetzt wer-
einem Vorschaltwiderstand als Spannungspfad. den. Ordnet man eine Vielzahl von Metallplat-
Die Phasenverschiebung cos ' ist annähernd null, ten vertikal stapelartig übereinander, so liegt ein
wenn der Widerstand im Spannungsfeld sehr Multizellular-Messwerk vor. Leichte Metallna-
hoch ist. Die Blindleistung lässt sich dadurch deln, die an der vertikal aufgehängten Achse
messen dass eine Spule (Phasenverschiebung um befestigt sind, können sich nach Art des Drehkon-
90ı ) den Widerstand ersetzt. densators zwischen den Platten drehen. Durch die
370 4 Elektrizität und Magnetismus
Induktionsmesswerk
In einem Induktionsmesswerk bewegt sich ei-
ne nicht ferromagnetische Scheibe (meist aus
Aluminium) zwischen zwei um 90ı versetzten
Elektromagneten. Der Elektromagnet zwischen
Abb. 4.149 Digitales Messwerk, schematisch. Werkfoto:
der drehbaren Scheibe erzeugt beim Stromfluss Gossen
ein Magnetfeld, das Wirbelströme in der Schei-
be induziert. Der in der Ebene der Scheibe be-
findliche zweite Elektromagnet erzeugt ein Ma- Abb. 4.149 gibt einen schematischen Einblick
gnetfeld, das auf die Wirbelströme einwirkt und in den Aufbau digitaler Messwerke. Die digitalen
die Scheibe in Drehung versetzt. Wenn in dem Vielfachinstrumente ersetzen in zunehmendem
zwischen der Scheibe befindlichen Magneten ei- Maß die analogen Multimeter. Digitale Multi-
ne Spannung geschaltet wird (Spannungsjoch) meter messen nicht nur die gewünschten elektri-
und im senkrecht dazu stehenden Magneten ein schen Grundgrößen (Spannung, Stromstärke und
Strom fließt, dann ist die Drehfrequenz proportio- Widerstand für Gleich- und Wechselstrom), son-
nal zur Wirkleistung UI cos '. Wird die Anzahl dern nehmen auch nach eigenen Programmen
der Umdrehungen gezählt, handelt es sich um Messauswertungen vor.
einen Energiezähler (kWh-Zähler). Die Scheibe
wird durch einen Permanentmagneten gebremst. Elektronenstrahl-Oszilloskop
Das so beschriebene Induktionsmesswerk ist als Um den zeitlichen Verlauf von Messgrößen ver-
elektrische Maschine ein gebremster Asynchron- folgen zu können, benutzt man Elektronenstrahl-
motor (Abschn. 4.5.2.8). Oszilloskope. Das Messprinzip basiert auf der
Ablenkung von Elektronen im elektrischen und
Vibrationsmesswerk magnetischen Feld in einer Braun’schen Röhre
Ein Vibrationsmesswerk besteht aus einem auf (Abschn. 4.3.5.5).
die Schwingungsfrequenz abgestimmten Satz Die Verwendungsart der beschriebenen Mess-
federnder Zungen (13 bis 21 Stück), die bei geräte sowie die Geräteeigenschaften müssen
Resonanz ihre Amplitude vergrößern. Vibrations- nach VDE 0410 auf den Geräten angegeben wer-
messwerke dienen zur Bestimmung der Wechsel- den. Abb. 4.150 zeigt eine Zusammenstellung
stromfrequenz und werden als Zungenfrequenz- dieser Symbole. So bedeutet z. B.
messer zur Frequenzüberwachung von 50 Hz
bzw. 60 Hz eingesetzt.
(1)
∂ (3)
∂
(2)
(4) (5)
(6) (7)
(8) (11)
(9) (12)
(10)
(13)
Abb. 4.151 Maxwell’sche Gleichungen für das elektrische und magnetische Feld
Für die Bewegungsinduktion (Abb. 4.126) Die Quellen des Verschiebungsfeldes D sind La-
folgt mithilfe der Vektoranalysis bei kleinen Ge- dungen, an denen die Feldlinien beginnen und
schwindigkeiten v c die Faraday’sche Fluss- enden. Nach dem Gauß’schen Satz, (4.124), ist
regel das Integral des elektrischen Flusses über eine
I Z geschlossene FlächeH S gleich der Ladung im In-
d d˚ nern der Fläche: DdA D Q. Da es keine
E 0 ds D BdA D : (4.286)
dt dt magnetischen Monopole gibt, an denen die B-
C A
Feldlinien beginnen
H und enden könnten, gilt im
E 0 D E C v B ist die im bewegten Draht Magnetfeld BdA D 0. Das Magnetfeld ist
wirksame Feldstärke. Bei einer geschlossenen demnach quellenfrei, es ist ein Wirbelfeld. Das
Leiterschleife mit Widerstand R gilt elektrische Feld ist in der Elektrodynamik eben-
falls ein Wirbelfeld mit geschlossenen Feldlinien
Z (Abb. 4.151). Lediglich in der Elektrostatik be-
d d˚
RI D BdA D : (4.287) ginnen und enden die Feldlinien des elektrischen
dt dt
A Feldes an Ladungen.
4.5 Instationäre Felder 373
Die Materialgleichungen beschreiben die Ein- das Ohm’sche Gesetz in der Formulierung
flüsse des Materials auf die elektrischen und j D ~E (4.188).
magnetischen Felder. Die elektrische (P) und 3.) Elektrodynamik quasistationärer Ströme
magnetische (J ) Polarisation ist im einfachs- Fließt ein Strom (j ¤ 0) und ändert sich das
ten Fall proportional zur jeweiligen Feldstärke Magnetfeld (dB=dt ¤ 0), wobei der Ver-
E bzw. H . Die Proportionalitätskonstante ist schiebungsstrom gegenüber dem Leitungs-
die Suszeptibilität . Bei hohen Feldstärken tre- strom vernachlässigt werden kann (nahezu
ten nichtlineare Effekte auf wie die nichtlineare stationär: (dD=dt 0/, dann gelten das
Optik bei intensiven Laserfeldern. Die Strom- Durchflutungsgesetz und das Induktionsge-
dichte j ist mit der elektrischen Feldstärke E setz (die erste und die zweite Maxwell’sche
über das Ohm’sche Gesetz j D ~E verknüpft. Gleichung). Sie sind die Grundlagen der in
Während auf jede Ladung in einem elektri- Abschn. 4.5 beschriebenen Phänomene zeit-
schen Feld eine Kraft ausgeübt wird, tritt die lich sich ändernder elektrischer und magne-
Lorentz-Kraft im Magnetfeld nur bei bewegten tischer Felder.
Ladungen auf. 4.) Elektromagnetische Wellen
Mit den Maxwell’schen Gleichungen ist eine Die geniale Voraussage von Maxwell bestand
vollständige Beschreibung elektromagnetischer darin, dass er seine Gleichungen als For-
Vorgänge möglich. Tab. 4.17 zeigt die vier denk- mulierungen für elektromagnetische Wellen
baren Spezialfälle: interpretieren konnte für den Fall, dass kein
Stromfluss vorhanden war (j D 0).
1.) Elektrostatik und Magnetostatik In Abb. 4.152 ist der Fall dargestellt, dass
Fließt weder ein Strom (j D 0) noch än- die zeitliche Änderung dB=dt des primären
dert sich das magnetische Feld (dB=dt D 0) Magnetfeldes nicht konstant ist. Wenn bei-
sowie die elektrische Verschiebungsdichte spielsweise die Flussdichte harmonisch von
(dD=dt D 0), dann existieren elektrostati- der Zeit abhängt, gemäß B D BO sin !t, dann
sche und magnetostatische Felder vollkom- ist BP D B!O cos !t. In diesem Fall ist das er-
men unabhängig voneinander. zeugte elektrische Wirbelfeld ebenfalls zeit-
2.) Elektrodynamik stationärer Ströme lich veränderlich, was seinerseits wieder ein
Fließt lediglich ein Strom (j ¤ 0), ist zeitlich veränderliches magnetisches Wirbel-
jedoch keine Änderung des magnetischen feld bildet usw. Die Verkettung von elektri-
Feldes (dB=dt D 0) und der elektrischen schen und magnetischen Feldern stellt eine
Verschiebungsdichte (dD=dt D 0) vor- elektromagnetische Welle dar, die sich mit
handen, so ist wegen des Durchflutungs- Lichtgeschwindigkeit im Raum ausbreitet.
gesetzes (Abb. 4.89, (4.152)) bereits eine Diese elektromagnetischen Wellen wurden
magnetische Wirkung spürbar. Ferner gilt von H. H ERTZ (1857 bis 1894) experi-
374 4 Elektrizität und Magnetismus
Bei der freien Schwingung wird dem Oszil- Ein Resonator ist ein Oszillator, dem von
lator einmalig zu einem bestimmten Zeitpunkt außen eine periodische Erregung mit der Erreger-
Energie durch Stoß oder durch die Auslenkung frequenz fE aufgezwungen werden kann. Unter
des Oszillators zugeführt. Anschließend wird dem Einfluss des Erregers führt der Resonator er-
das System sich selbst überlassen; der Oszil- zwungene Schwingungen mit der Erregerfrequenz
lator schwingt dann mit einer systemtypischen, fE aus. Wenn die Erregerfrequenz fE gleich oder
konstanten Eigenfrequenz f0 . Wird dem Schwin- annähernd gleich der Resonanzfrequenz fR ist,
gungssystem im weiteren zeitlichen Verlauf keine tritt Resonanz ein. Bei Resonanz wächst im un-
Energie zugeführt oder entzogen, so schwankt gedämpften Fall (ohne Energieverluste) die Am-
die Auslenkung des Oszillators periodisch mit plitude unendlich an (Resonanzkatastrophe). Im
der Eigenfrequenz f0 zwischen zwei konstanten gedämpften Fall steigt dagegen die Amplitude bei
Maximalwerten (Scheitelwert oder Amplitude y).O Resonanz lediglich bis auf einen endlichen Ma-
Der Scheitelwert der Schwingung, die als unge- ximalwert der Auslenkung an, bei dem der Ener-
dämpfte freie Schwingung bezeichnet wird, ist gieverlust je Schwingungsperiode gerade gleich
konstant und abhängig vom Energiebetrag, mit der zugeführten Erregerenergie ist. Ist die Er-
dem die freie Schwingung erregt wurde. Wirken regerfrequenz fE wesentlich niedriger als die
dagegen äußere Kräfte, z. B. die Reibung oder Resonanzfrequenz fR , so schwingen Erreger und
Energieverluste des Oszillators, so nimmt der Resonator gleichphasig; die Phasenverschiebung
Scheitelwert der freien Schwingung im zeitlichen zwischen den beiden Schwingungen ist null. Ist
Verlauf ab. Dies kennzeichnet die gedämpfte freie fE
fR , dann schwingen Erreger und Resona-
Schwingung. Ferner ist die Frequenz fd der ge- tor gegenphasig; die Phasenverschiebung beträgt
dämpften freien Schwingung wegen des stattfin- in diesem Fall D 180ı . Ohne Dämpfung
denden Energieverlustes kleiner als die Eigenfre- kommt es bei Resonanz zu einem Phasensprung
quenz f0 der ungedämpften freien Schwingung. von D 180ı . Mit Dämpfung verläuft die
5.1 Schwingungen 379
a d
Abb. 5.3 Zusammenhang zwischen der Kreisbewegung und den harmonischen Schwingungen (a bis c) sowie rotie-
rende Zeiger in der komplexen Ebene (d)
Startet der Zeiger seine Bewegung im Null- eine für das schwingungsfähige System typi-
punkt und wird die Auslenkung y.t/ als Projek- sche Kreisfrequenz !0 D 2 f0 D 2 =T0 und
tion des Zeigers auf die Waagrechte verstanden durch
(Abb. 5.3a), so ergibt sich eine Cosinusfunktion: die zwei Konstanten yO und '0 , die von den An-
fangsbedingungen abhängen.
y.t/ D yO cos.!0 t/: (5.3)
Abb. 5.3d zeigt die Analogie zwischen einer
Wird dagegen die Auslenkung als Projekti- Kreisbewegung von Zeigern und der Darstel-
on des Zeigers auf die Senkrechte verstanden lung komplexer Zahlen nach der Euler’schen
(Abb. 5.3b), so ergibt sich eine Sinusfunktion: Formel. Werden in der waagrechten Achse (x-
Achse) die Realteile und in der senkrechten Ach-
y.t/ D yO sin.!0 t/: (5.4)
se (y-Achse) die Imaginärteile (j ) aufgezeichnet,
j.!t C'0 /
Ist der Zeiger um einen Winkel '0 vom Nullpunkt dann kann ein komplexer Zeiger re in
verschoben (Nullphasenwinkel) und wird er auf seinen Realteil r cos.!t C ' 0 / und seinen Ima-
die Waagrechte projiziert, dann ergibt sich eine ginärteil r sin.!t C '0 / zerlegt werden. Wegen
phasenverschobene Cosinusfunktion: dieses Zusammenhangs zwischen den trigonome-
trischen Funktionen im Bereich der komplexen
y.t/ D yO cos.!0 t C '0 /: (5.5) Zahlen mit der Exponentialfunktion wird das
Verhalten von Schwingungen häufig mit komple-
Gleichungen (5.3) bis (5.5) beschreiben das Weg- xen Zahlen in der komplexen Ebene beschrie-
Zeit-Gesetz der harmonischen Schwingung. Sie ben.
zeigen, dass harmonische Schwingungen be- Die wichtigsten Kenngrößen harmonischer
schrieben werden durch Schwingungen sind in Tab. 5.1 zusammengestellt
5.1 Schwingungen 381
b
Abb. 5.5 Eindimensionales Feder-Masse-System
Fa D ma
d2 y
Lösung ky D m oder
T0 D 1=f0 D 5 sI !0 D 2 f0 D 0;4 s1 . dt 2
Für den Nullphasenwinkel '0 gilt nach (1) in d2 y
m C ky D 0 oder
O '0 D 60ı (da Ma-
Tab. 5.1 cos '0 D y.0/=yI dt 2
2
ximum später); '0 D 1;05. dy k
C y D 0: (5.7)
dt 2 m
y.t/ D 2 cm cos.0;4 t=s 1;05/;
Diese Gleichung ist die Differenzialgleichung
y.11 s/ D 2 cm cos.0;4 11 1;05/ (DGL) des linearen Feder-Masse-Systems mit
D 1;96 cm: folgenden Eigenschaften: Sie ist
382 5 Schwingungen und Wellen
linear, d. h., die Variable oder ihre Ableitun- Abb. 5.6a zeigt den Weg-Zeit-Verlauf des Feder-
gen treten nicht als Produkte oder Potenzen Masse-Systems. Bei der Momentanphase ' D 0
auf; ist der Körper bis zur Amplitude yO ausgelenkt. Er
eine Gleichung zweiter Ordnung, d. h., die läuft bei ' D =2 durch den Nullpunkt, drückt
höchste Ableitung ist die zweite Ableitung; bei ' D die Feder um die negative Amplitu-
homogen, d. h., die Differenzialgleichung wird de zusammen, schwingt bei ' D 3 =2 wieder
null, wenn die Werte der Variablen und deren durch den Nullpunkt und ist bei ' D 2 wie-
Ableitungen null werden, und sie hat der maximal ausgelenkt. In Abb. 5.6b sind die
konstante Koeffizienten, d. h., die Faktoren vor periodischen Abläufe der drei Bewegungsglei-
den Variablen und deren Ableitungen sind chungen dargestellt:
konstant.
das Weg-Zeit-Gesetz y.t/ (5.5) mit durchge-
Die Lösung der Differenzialgleichung (5.7) ent- zogener Linie,
sprechend (5.5) wird durch folgenden Ansatz das Geschwindigkeit-Zeit-Gesetz v.t/ (5.8),
erreicht: gestrichelt, und
das Beschleunigung-Zeit-Gesetz a.t/ (5.9),
Weg-Zeit-Gleichung:
strichpunktiert.
y.t/ D yO cos.!0 t C '0 /; (5.5)
Geschwindigkeit-Zeit-Gleichung: Für die Maximalwerte von Weg y; Geschwindig-
dy keit v und Beschleunigung a gilt
D v.t/ D y!O 0 sin.!0 t C '0 /; (5.8)
dt
Beschleunigung-Zeit-Gleichung: ymax D y;
O (5.13)
d2 y vmax D y!
O 0; (5.14)
D a.t/ D y!
O 02 cos.!0 t C '0 /: (5.9)
dt 2 amax D O 02 :
y! (5.15)
Werden die Weg-Zeit-Gleichung (5.5) und die
Die Bewegungsabläufe zeigen, dass in der Aus-
Beschleunigung-Zeit-Gleichung (5.9) in die Dif-
gangslage ' D 0 die Auslenkung maximal, die
ferenzialgleichung (5.7) eingesetzt, so ergibt sich
Geschwindigkeit des Körpers gleich null und die
k Beschleunigung in negativer Richtung maximal
y!O 02 cos.!0 t C '0 / C yO cos.!0 t C '0 / D 0:
m ist. Dies bedeutet, die gesamte Energie des Sys-
tems ist in der potenziellen Energie der Feder
Der Term yO cos.!0 t C '0 / kürzt sich heraus, so-
gespeichert. Beim Winkel ' D =2 schwingt
dass gilt
k der Körper durch den Nullpunkt. In diesem Fall
!02 C D 0; ist die Auslenkung gleich null (und damit die
m
k Beschleunigung) und die Geschwindigkeit des
!02 D : (5.10) Körpers maximal. Es ist die gesamte potenzielle
m
Energie der Feder in kinetische Energie des Kör-
Das Quadrat der Kreisfrequenz !0 hängt somit pers verwandelt worden, die sich nach ' D
nur ab von den charakteristischen Konstanten wieder in potenzielle Energie der Feder, nach
Masse und Federkonstante (Federsteifigkeit) des ' D 3 =2 wieder beim Nulldurchgang in ki-
Feder-Masse-Systems. Aus (5.10) errechnet sich netische Energie des Körpers und nach ' D
r 2 wieder in potenzielle Energie der Feder ver-
k !0
!0 D und f0 D ; (5.11) wandelt. Am Beispiel des Feder-Masse-Systems
m 2
r wird deutlich, dass bei Schwingungen Energie
2 m
T0 D D 2 : (5.12) zwischen Energiezuständen periodisch hin- und
!0 k hergeschoben wird.
5.1 Schwingungen 383
4 2 J 0
kt D 0 :
T0 2
Gesetz gilt
Fa D ma;
mFl g D mges y:
R
Allgemein gilt
Lösung
Nach (5.43) ist T0 D 0;974 s, f0 D 1=T0 D
1;027 Hz !0 D 2 f0 D 6;45 s1 .
Bei einer Schenkelneigung von D
50ı wirkt die rücktreibende Kraft Frück D
mFl g sin D 2A%g sin y. Diese Kraft
beschleunigt die Gesamtmasse mges D A%l.
2g sin
Die Differenzialgleichung yR C yD0
r l
2g sin
führt zu !0 D D 5;65 s1 , f0 D
l
0;90 Hz, T0 D 1;11 s.
mit
O 0 sin.!0 t C '0 /;
v.t/ D y!
dann ist
1
Ekin .t/ D myO 2 !02 sin2 .!0 t C '0 /: (5.49)
2
1 2 2
Ekin .t/ D k yO sin .!0 t C '0 /: (5.50)
2 Ekin .t/ und der Gesamtenergie Eges .t/ einge-
Werden (5.48) und (5.49) in die Gleichung zeichnet. Es wird deutlich, dass die Summe von
für den Energieerhaltungssatz (5.47) eingesetzt, potenzieller und kinetischer Energie zu jedem
dann ergibt sich Zeitpunkt t gleich dem Wert der gesamten Ener-
gie Eges .t/ ist. Außerdem erkennt man, dass
1 2 sich die potenzielle und kinetische Energie mit
Eges .t/ D k yO Œcos2 .!0 t C '0 / der doppelten Systemfrequenz periodisch hin-
2
C sin2 .!0 t C '0 /: (5.51) und herbewegen. Dieser periodische Energieaus-
tausch ist – wie bereits in der Einführung zu
Mit cos2 .!0 t/ C sin2 .!0 t/ D 1, vO D !0 yO und diesem Hauptabschnitt erwähnt – die Grundei-
k D m!02 gelten die Beziehungen genschaft von Schwingungen.
Beispiel 5.1-5 !0 1
f0 D D p D 1;59 103 s1 :
Die Kapazität des Schwingkreises (Abb. 5.17) 2 2 LC
wird in Schalterstellung 0-2 durch eine an-
gelegte Gleichspannung U0 aufgeladen und Abb. 5.19 zeigt die Analogie mechanischer
durch Umschalten auf Stellung 1-2 wird die (am Beispiel des Feder-Masse-Systems) und
Schwingung erregt. Es ist U0 D 2 V, L D elektromagnetischer Schwingungen (am Beispiel
10 mH und C D 1 F. Zu berechnen sind des Schwingkreises Kondensator–Spule). Wäh-
rend beim mechanischen System die Auslen-
a) Amplitude qO und Nullphasenwinkel '0q kung periodisch schwingt und ein periodischer
der Ladung, Austausch zwischen potenzieller und kinetischer
b) Amplitude iO und Nullphasenwinkel '0i der Energie stattfindet, schwingt im elektromagne-
Stromstärke sowie tischen System die Ladung zwischen Kapazität
c) die Eigenfrequenz f0 . und Spule hin und her und es findet ein pe-
riodischer Austausch zwischen elektrischer und
Lösung magnetischer Energie statt. Der Masse im me-
chanischen System entspricht die Spule im elek-
a) Es gilt qO D C uO C mit uO C D U0 . Also ist
tromagnetischen Schwingkreis, die sich als trä-
qO D 2 106 C; für den Nullphasenwinkel
ges Element der Stromänderung widersetzt. Die
gilt '0q D '0u D 0.
rücktreibende Kraft ist im mechanischen System
b) Es ist
proportional zur Federkonstanten k und im elek-
dq tromagnetischen Schwingkreis umso größer, je
iD D q!O 0 sin.!0 t/ kleiner die Kapazität ist.
dt Im Ausgangszustand (Abb. 5.19, ' D 0) ist im
D q!
O 0 cos !0 t I
2 mechanischen System die Auslenkung maximal
392 5 Schwingungen und Wellen
Tab. 5.3 Unterschiedliche Reibungskräfte und die entsprechenden Differenzialgleichungen bei gedämpften Schwin-
gungen
Reibungskraft geschwindigkeitsunabhängige geschwindigkeitsabhängige geschwindigkeitsabhängige
Reibungskraft viskose Reibungskraft Luftreibungskraft
FR D FN FR D dv FR D bv 2
Differenzialgleichung myR ˙ FN C ky D 0 myR C d yP C ky D 0 myR ˙ b yP 2 C ky D 0
des Feder-Masse- Substitution:
Systems FN
y0 D
k
d k b 2 k
s D y ˙ y0 yR C yP C y D 0 yR ˙ yP C y D 0
m m m m
sR D yR
k
sR C sD0
m
und deshalb die potenzielle Energie maximal und die geschwindigkeitsabhängige Reibungs-
die kinetische Energie null. Im elektromagneti- kraft, die proportional zur Geschwindigkeit
schen Schwingkreis ist die Kondensatorspannung ist (Newton’sches Reibungsgesetz der visko-
und somit die elektrische Energie maximal; dage- sen Reibung),
gen fließt kein Strom durch die Spule, sodass die FR D dv; (5.57)
magnetische Energie null ist. Nach einem Win-
kel von =2 durchläuft die Masse mit maximaler die geschwindigkeitsabhängige Reibungs-
Geschwindigkeit die Nulllage. Die potenzielle kraft, die proportional zum Quadrat der
Energie ist null und die kinetische Energie ma- Geschwindigkeit ist (z. B. Luftreibung),
ximal. Entsprechend ist im elektromagnetischen FR D bv 2 : (5.58)
Schwingkreis die Spannung am Kondensator und
damit die elektrische Energie gleich null, wäh- Auch die Differenzialgleichungen des Feder-
rend der Spulenstrom und die magnetische Ener- Masse-Systems sind für diese drei Fälle in
gie maximal sind. Im mechanischen bzw. elektro- Tab. 5.3 zusammengestellt. Die Lösungen wer-
magnetischen Schwingungssystem wiederholen den (bis auf die vom Quadrat der Geschwin-
sich diese Zustände periodisch. digkeit abhängige Reibungskraft) im Folgenden
näher erläutert.
5.1.2.6 Freie gedämpfte Schwingung
Wird eine freie Schwingung durch Wirken Geschwindigkeitsunabhängige Reibungskraft
von Reibungskräften gedämpft, so kommt die Je nachdem, ob sich der Körper nach oben (v
Schwingung im Laufe der Zeit zur Ruhe. Energe- in Richtung y) oder nach unten (v in Richtung
tisch betrachtet wird ein Teil der Schwingungs- y) bewegt, wirkt die Reibungskraft in negativer
energie in thermische Energie verwandelt, und oder positiver y-Richtung. Deshalb müssen die-
zwar so lange, bis keine Schwingungsenergie se Bewegungsabläufe getrennt betrachtet werden.
mehr vorhanden ist. Tab. 5.3 zeigt übersichtlich Abb. 5.20 zeigt eine Übersicht.
drei unterschiedliche Reibungskräfte bei freien, Für die Aufwärtsbewegung gilt die Bewe-
gedämpften Schwingungen: gungsgleichung
(1) (4)
(2) (2)
(3) (5)
ergibt sich für s die Differenzialgleichung der Durch Ersetzen von s durch y C y0 gilt für den
ungedämpften harmonischen Schwingung (Ab- zeitlichen Verlauf der Auslenkung y
schn. 5.1.2.2, (5.16))
y D .yO C y0 / cos.!0 t C '0 / y0 : (5.63)
k
sR C s D 0 (5.60)
m Beginnt die Bewegung beim negativen Maximal-
wert A ('0 D 0 am Punkt A) nach oben, so
mit der Lösung
findet eine völlig ungedämpfte Cosinus-Schwin-
gung statt, allerdings um die um y0 verschobene
s D sO0 cos.!0 t C '0 /; (5.61)
r t-Achse. Nach der halben Periodendauer T0 =2
k ist die Schwingung am höchsten Punkt B ange-
!0 D : (5.62)
m langt. Dort beginnt die Abwärtsbewegung, bei
5.1 Schwingungen 395
der die Reibungskraft das Vorzeichen umkehrt Das Verhältnis von Abklingkoeffizient ı und
(Abb. 5.20), sodass eine ungedämpfte Schwin- Kreisfrequenz !0 ergibt den dimensionslosen
gung um die um Cy0 verschobene t-Achse statt- Dämpfungsgrad # der gedämpften Schwingung:
findet. Da die Kurve stetig verlaufen muss (unte-
ı
res Teilbild in Abb. 5.20), ist nach jeder halben #D : (5.66)
Periodendauer die Amplitude um 2y0 kleiner, !0
d. h. nach einer ganzen Periodendauer T um Der doppelte Wert wird Verlustfaktor d genannt.
4FN Sein Kehrwert ist die Güte Q:
4y0 D .
k
Die Amplituden werden aus diesem Grund im- d d
mer um denselben Betrag kleiner, sodass ihre d D 2# D Dp ; (5.67)
m!0 mk
Zahlenwerte einer arithmetischen Reihe entspre- p
1 m!0 mk
chen. Dieser Reibungsvorgang hat zur Folge, dass QD D D : (5.68)
das System nicht genau bei y D 0 zur Ru- 2# d d
he kommt, sondern außerhalb (in diesem Fall Mit dem charakteristischen Parameter # lautet
bei y0 ). Dies kann bei Messsystemen zu Null- die Differenzialgleichung eines freien, gedämpf-
punktsabweichungen führen, die bei der Aus- ten Systems
wertung von Messdaten berücksichtigt werden
müssen. yR C 2#!0 yP C !02 y D 0: (5.69)
Der Abklingkoeffizient ı kann sowohl analytisch Daraus errechnet sich der Abklingkoeffizient
als auch grafisch ermittelt werden. Nach (5.70)
gilt für die Amplituden zweier aufeinander fol- yOi
ln
gender Schwingungen yOi C1
ıD D : (5.78)
Td Td
ıTd
yOi C1 D yOi e oder
yOi Bei der grafischen Bestimmung von ı geht man
D eıTd D c; (5.75) ebenfalls von (5.70) aus:
yOi C1
yOi O
ln.y.t/= yO0 / D ıt;
D cn : (5.76)
yOi Cn y D mx C b: (5.79)
Zur Bestimmung des Abklingkoeffizienten ı wird Daraus ist ersichtlich, dass der Abklingkoeffizi-
(5.75) logarithmiert. Der Logarithmus zweier ent ı der Steigung m der Geraden entspricht.
aufeinander folgenden Amplituden wird loga- In einer Grafik wird zweckmäßigerweise auf
rithmisches Dekrement genannt: halblogarithmischem Papier der Logarithmus der
Amplituden yOi aufeinander folgender Schwin-
yOi
D ln D ln.c/ D ıTd : (5.77) gungen als Funktion der Zeit aufgetragen und aus
yOi C1 der Steigung der Abklingkoeffizient ı bestimmt.
5.1 Schwingungen 397
= ( )=( + )e = (1 + )e = ; =
aperiodischer
Grenzfall
< ( )= e √
+ e √
= 1+
2 √ −1
= 1−
Kriechfall
2 √ −1
Abb. 5.22 Schwingfall, aperiodischer Grenzfall und Kriechfall eines gedämpften Systems mit den Anfangsbedingun-
gen y.0/ D y0 D 1 und y.0/
P D0
5.1 Schwingungen 399
zu wählen. Der Winkel beschreibt die Pha- Der komplexe Ausdruck auf der linken Glei-
senverschiebung zwischen der Erreger- und der chungsseite wird nach Real- und Imaginärteil
Resonatorschwingung. Abb. 5.26 zeigt diesen getrennt:
Zusammenhang in der komplexen Ebene. Hierbei
ist die erregende Kraft FE ein komplexer Zeiger
FOE j
yO !02 ˝ 2 Cj 2#!0 ˝ yO D e : (5.90)
FOE ej˝t , der mit der erregenden Kreisfrequenz ˝ „ ƒ‚ … „ ƒ‚ … m
Realteil Imaginärteil
rotiert. Die Auslenkung des Schwingers ye O j.˝t /
rotiert als Zeiger mit derselben Frequenz, jedoch Nach der Euler’schen Formel gilt für den rechten
um die Phasenverschiebung verzögert. Wie Teil der Gleichung
groß diese Phasenverschiebung ist, hängt von der
Erregerfrequenz ˝, der Eigenfrequenz !0 und FOE j FOE
der Dämpfung ab. e D .cos C j sin /: (5.91)
m m
Als Ableitungen von (5.87) errechnen sich
Somit kann der komplexe Zeiger FOE =m in
dy
O j.˝t / ;
D jy˝e (5.88) Abb. 5.27 in seinen Realteil
dt
d2 y FOE
O 2 ej.˝t / :
D y˝ (5.89) .Real/ D yO !02 ˝ 2 (5.92)
dt 2 m
402 5 Schwingungen und Wellen
FOE
.Imaginär/ D 2#!0 ˝ yO (5.93) 5.1.3.3 Amplitudenresonanzfunktion
m Für den Betrag des Zeigers in Abb. 5.27 gilt nach
Pythagoras
zerlegt werden. Der Winkel zwischen dem kom-
plexen Zeiger FOE =m und der Realteilachse ist die !2
FOE
Phasenverschiebung . O 2:
D yO 2 .!02 ˝ 2 /2 C .2#!0 ˝ y/
Aus der Lage des komplexen Zeigers lässt sich m
der Amplitudenverlauf in Abhängigkeit von der Daraus ergibt sich für den Amplitudenverlauf
Erregerfrequenz ˝ (Amplitudenresonanzfunkti-
on) und der Verlauf der Phasenverschiebung FOE
zwischen Resonator und Erreger ebenfalls als yO D q : (5.94)
m .!02 ˝ 2 /2 C .2#!0 ˝/2
Funktion der Erregerfrequenz (Phasenresonanz-
funktion) bestimmen. Zweckmäßigerweise wird das Verhältnis der
Die Amplituden- und die Phasenresonanz- Kreisfrequenz der erzwungenen Schwingung ˝
funktion sind in Abhängigkeit des Kreisfre- und der ungedämpften freien Schwingung !0 ein-
quenzverhältnisses D ˝=!0 in Abb. 5.28 geführt:
bzw. 5.30 dargestellt. Es sind drei wichtige Fäl- ˝
le in den Frequenzverhältnissen zu unterschei- D : (5.95)
!0
den:
Ohne Dämpfung gilt: Wenn ˝ D !0 ist, wird
D 1 und es tritt der für die erzwungene Schwin-
die quasistatische Anregung 1,
gung charakteristische Resonanzfall ein. Für
die Resonanz 1 und
< 1 ist der Resonanzfall noch nicht erreicht
die hochfrequente Anregung
1.
(˝ < !0 ) und für > 1 ist der Resonanzfall
bereits überschritten .˝ > !0 /.
Für jeden dieser Fälle kann es je nach Dämp-
Unter Berücksichtigung des Parameters und
fungsgrad # (keine Dämpfung, geringe oder
m D k=!02 gilt für die Amplitudenresonanzfunk-
überkritische Dämpfung) Unterschiede im Am-
tion allgemein
plituden- und Phasenverhalten geben. Sie werden
FOE
im Folgenden ausführlicher erläutert. Die Ergeb- yO D p : (5.96)
nisse sind in Tab. 5.5 zusammengefasst. k .1 2 /2 C .2#/2
5.1 Schwingungen 403
Tab. 5.5 Amplituden- und Phasenverlauf einer erzwungenen Schwingung für verschiedene Dämpfungsgrade und un-
terschiedliche Kreisfrequenzverhältnisse
Kreisfrequenzverhältnis Dämpfungsgrad #
ohne Dämpfung geringe Dämpfung überkritische Dämpfung
p
# D0 # 5 0;1 # = 12 2
FOE FOE FOE
Amplitude yO D yO D yO D
quasistatische Anregung k k k
1 nimmt für 0 < < 1 mit zu nimmt für 0 < < 1 mit zu mit > 0 abnehmend
(˝ !0 ) Phasenverschiebung D 0
Resonanz 1 Amplitude Amplitude Amplitude
(˝ !0 ) yO ! 1 yO ! Maximum FOE
yO <
k
Phasenverschiebung D
2
hochfrequente Anregung Amplitude yO ! 0 yO ! 0 yO ! 0
1
(˝
!0 )
Phasenverschiebung Phasenverschiebung Phasenverschiebung
D ! (abhängig von #) !
Abb. 5.28 zeigt den Verlauf der Amplitudenre- 3. Resonanzfall ( 1) mit Dämpfung #
sonanzfunktion in Abhängigkeit von für ei- Ist eine Dämpfung vorhanden, so wird der
nige Dämpfungsgrade #. In der Amplitudenre- Nenner in der Formel für die Amplituden-
sonanzfunktion treten folgende Spezialfälle auf resonanzfunktion (5.96) nicht mehr null. Es
(Tab. 5.5). kann das Kreisfrequenzverhältnis Res bzw.
die Resonanzfrequenz !Res ermittelt werden,
1. Sehr langsame, quasistatische Auslenkung für die die Amplitude maximal wird. Dies ist
( 1) der Fall, wenn der Radiand R der Wurzel im
Es wird Nenner von (5.96) ein Minimum wird:
FOE
yO (Res) D p : (5.99)
k2# 1 # 2
Aus den Gleichungen für die Resonanzfre-
quenz (5.97) bzw. (5.98) und der Resonanz-
amplitude (5.99) geht hervor, dass mit stei-
gendem Dämpfungsgrad # die Resonanzfre-
quenzen immer kleiner werden und die Am-
plituden ebenfalls abnehmen (Abb. 5.28).
Die Amplitudenüberhöhung findet nur bis zu
einer Grenzdämpfung #Gr statt, für die die
Wurzel in (5.97) noch reell ist. Diese Grenze Abb. 5.29 Resonanzüberhöhung und Güte eines
Schwingkreises
liegt bei
1 1 p
#Gr D p D 2: (5.100)
2 2
Wird (5.102) mit (5.103) multipliziert, so ist
Bei Überschreiten dieses Grenzdämpfungs- das Ergebnis 1. Dies bedeutet, dass für gerin-
grades #Gr fallen die Amplituden mit zuneh- ge Dämpfungsgrade (# 5 0;1) gilt
menden Kreisfrequenzverhältnissen ständig
yO (Res)
ab (überkritische Dämpfung). Höhe Breite D 1: (5.104)
Das Verhältnis von Resonanzamplitude yO (stat)
yO (Res) und der statischen Auslenkung
Ein wichtiges Anwendungsgebiet sind die
yO (stat) wird Resonanzüberhöhung genannt:
mechanischen Frequenzfilter in der Nachrich-
yO (Res) 1 tentechnik. Hat ein solches Filter bei einer
D p : (5.101) Resonanzfrequenz von fRes D 50 kHz eine
yO (stat) 2# 1 # 2
Güte von Q D 15:000, so beträgt die Band-
Für einen geringen Dämpfungsgrad # gilt breite
yO (Res) 1
. Dies beschreibt nach (5.68) fRes 50:000 1
yO (stat) 2# f D D Hz D 3 Hz:
die Güte eines Schwingkreises, sodass nähe- Q 15:000 3
rungsweise gilt
4. Hochfrequente Anregung .
1/
yO (Res) 1 Für hohe Erregerfrequenzen geht unabhän-
D Q: (5.102)
yO (stat) 2# gig vom Dämpfungsgrad # die Amplitude
der erzwungenen Schwingung gegen null. In
Die Güte eines Schwingkreises nimmt also
der Praxis wird dieser Grenzfall verwendet,
mit steigender Resonanzüberhöhung zu.
um die Übertragung von Eigenschwingungen
Die Halbwertsbreite der Resonanzkurve bei
zu vermeiden, so z. B. in der Akustik die
schwacher Dämpfung ist die Breite an der
yO (Res) Schalldämmung zu erhöhen; die Eigenkreis-
Stelle p , verdeutlicht in Abb. 5.29. frequenz !0 des erregten Bauteils muss durch
yO (stat) 2 eine entsprechende Wahl des Verhältnisses
Sie beträgt
1 Federkonstante zu Masse weit unterhalb der
: (5.103) Erregerkreisfrequenz ˝ liegen.
Q
5.1 Schwingungen 405
Tab. 5.6 Resultierende Schwingung bei Schwingungs- bung zwischen den beiden Zeigern beträgt
überlagerung
Frequenzart Bewegungsrich- Bewegungsrich- ' D '01 '02 : (5.110)
tungen parallel tungen senkrecht
gleiche Schwingung glei- verschiedene El- In einem solchen Zeigerdiagramm kann man die
Frequenzen cher Frequenz, lipsen je nach neue Schwingung yneu durch Vektoraddition der
verschiedener Am- Amplitude und Zeiger y1 und y2 grafisch ermitteln. Bei der
plitude und/oder Phasenlage
Phase Rechnung müssen Additionstheoreme berück-
unter- Schwebungen ganzzahlige Fre- sichtigt werden, die zu folgenden Ergebnissen für
schiedliche Fourier-Synthese quenzverhältnisse die neue Amplitude yOneu und den neuen Nullpha-
Frequenzen Lissajous-Figuren senwinkel '0 neu führen:
q
yOneu D yO12 C 2yO1 yO2 cos.'01 '02 / C yO22 ;
(5.111)
yO1 sin '01 C yO2 sin '02
tan '0 neu D : (5.112)
yO1 cos '01 C yO2 cos '02
Abb. 5.32 zeigt Spezialfälle:
5.1.4.1 Überlagerung harmonischer Sind die beiden Amplituden gleich groß (yO1 D
Schwingungen gleicher yO2 D y),
O dann ist die resultierende Amplitude
Raumrichtung und gleicher doppelt so groß:
Frequenz yOneu D 2y:
O (5.114)
Folgende zwei harmonische Schwingungen sol-
len sich überlagern: Auslöschung (yO1 D yO2 I ' D .2n 1/ )
Sind beide Amplituden gleich groß und die Pha-
y1 .t/ D yO1 cos.!t C '01 /; (5.107) senverschiebung ' D oder ein ungeradzahli-
ges Vielfaches davon, dann wird die Schwingung
y2 .t/ D yO2 cos.!t C '02 /: (5.108)
ausgelöscht (Abb. 5.32b):
Sie ergeben die neue harmonische Schwingung yOneu D 0: (5.115)
!1 C !2
!neu D !1 !2 : (5.119)
2
Die resultierende Schwingung nach (5.118) ist
harmonisch mit der neuen Kreisfrequenz !neu
c
und einer sich ändernden Amplitude mit der
Schwebungsfrequenz fS . Es resultiert
fS D f2 f1 (5.121)
Abb. 5.32 Verstärkung und Auslöschung bei der Über- und für die Periodendauer der Schwebung TS
lagerung gleichfrequenter Schwingungen gleicher Raum-
richtung 1 T1 T2
TS D D : (5.122)
fS T1 T2
5.1.4.2 Überlagerung harmonischer Für die Frequenz der neuen Schwingung gilt nach
Schwingungen gleicher (5.118) unter Berücksichtigung von (5.119)
Raumrichtung mit geringen f1 C f2
Frequenzunterschieden fneu D : (5.123)
2
(Schwebung)
Unterscheiden sich die Frequenzen von zwei zu Für die Schwingungsdauer errechnet sich
überlagernden Schwingungen nur geringfügig,
dann treten Schwebungen auf: Die Amplituden 2T1 T2
Tneu D : (5.124)
der resultierenden Schwingung schwellen lang- T1 C T2
sam an und wieder ab.
Die Amplitude der neuen Schwingung ist doppelt
Als Voraussetzung für eine reine Schwebung
so groß wie die der Ausgangsschwingungen:
müssen die beiden Schwingungen dieselbe Am-
plitude haben. Bei gleicher Phase '01 D '02 D 0 yOneu D 2y:
O (5.125)
gilt
y1 .t/ D yO cos.!1 t/; (5.116) Sind die Amplituden der sich überlagernden
y2 .t/ D yO cos.!2 t/: (5.117) Schwingungen nicht gleich groß, dann tritt eine
408 5 Schwingungen und Wellen
Lösung
1. Fall: nahe beieinander liegende Frequenzen
(Schwebungsfall)
Abb. 5.33a zeigt die beiden Ausgangs-
schwingungen, Abb. 5.33b die resultierende
Schwebung. Die beiden Ausgangsamplituden
betragen yO1 D yO2 D 1;5 cm, die Perioden-
dauer der ersten Schwingung T1 D 1 s und
die der zweiten Schwingung T2 D 10=11 s.
Die zweite Periodendauer ist also um 9 %
kleiner als die erste. Das Verhältnis der Pe-
riodendauer beträgt T2 =T1 D 10=11. Wie
Abb. 5.33b verdeutlicht, hat die Amplitu-
de der Schwebung den doppelten Wert der
Ausgangsschwingung (2yO D 3 cm) und die
Schwebungsdauer TS (von Maximum zu Ma-
ximum) beträgt 10 s (auch nach (5.122)). Die
Schwingungsdauer der Schwebung Tneu ist
nach (5.124) Tneu D 0;952 s und wird in
Abb. 5.33b bestätigt.
ZT
2
ak D yR .t/ cos.k!t/dt (5.128)
T
0
.k D 0; 1; 2 : : :/
und
ZT
2
bk D yR .t/ sin.k!t/dt: (5.129)
T
0
.k D 1; 2; 3 : : :/:
Beispielsweise lautet die Fourier-Reihe einer Abb. 5.38 Fourier-Analyse des Spannungsverlaufs bei
Rechteckkurve gemäß Abb. 5.37 mit der Peri- einem Kommutierungskondensator
odendauer T D 2 =!
4yO 1 bei der Grundfrequenz 200 Hz die Teilspan-
yR .t/ D sin.!t/ C
sin.3!t/
3 nung 3200 V.) Aus Abb. 5.38b und 5.38c geht
1 das Amplitudenspektrum der Spannung bzw. der
C sin.5!t/ C : : : : (5.130) Stromstärke hervor. Aufgrund der starken Ab-
5
weichung des trapezförmigen Spannungsimpul-
Die Summe der ersten drei Glieder des Klammer- ses von der reinen Sinusform wirken auch noch
ausdrucks zeigt Abb. 5.36b (s. auch (5.126)). höherfrequente Anteile von Spannungen und
Abb. 5.38 zeigt ein Beispiel für eine Fourier- Stromstärken auf den Kondensator. Beispiels-
Analyse in der Elektrotechnik. In Abb. 5.38a ist weise zeigt das Amplitudenspektrum der Strom-
das Oszillogramm der Spannung eines Kommu- stärke, dass trotz niedriger Grundfrequenz von
tierungskondensators dargestellt. Diese Konden- 200 Hz (Stromamplitude iO D 125 A) auch noch
satoren dienen zur Löschung des leitenden Zu- die 15. Oberschwingung .15200 Hz D 3000 Hz)
standes eines Halbleiterbauelementes und wer- mit einer Stromamplitude von iO27 D 50 A auf
den dazu periodisch stoßartig umgeladen. (In den Kondensator einwirkt. Die Fourier-Analyse
diesem Fall beträgt die Umladezeit 300 s und lässt erkennen, in welchen Frequenzen und bei
412 5 Schwingungen und Wellen
F/N
Abb. 5.39 Fourier-Analyse der tangentialen Komponente der Pleuelkraft eines Kolbens nach Beispiel 5.1-8
y2 x 2 2yx d e
C 2 cos ' D sin2 ': (5.134)
yO 2 xO yO xO
y.0/ x.0/
sin ' D D : (5.135)
yO xO
Abb. 5.40 Senkrechte Überlagerung gleichfrequenter
Dabei ist y.0/ die Auslenkung für x D 0 und Schwingungen (Lissajous-Figuren)
x.0/ die Auslenkung für y D 0.
Für die Phasenverschiebungen ' D 0, ' D
und ' D treten folgende Spezialfälle auf Ellipse mit der Hauptachse parallel zur y-
2
((5.134), Abb. 5.40b bis 5.40e): Achse (' D
2
; Abb. 5.40c):
y2 x2
Gerade mit positiver Steigung (' D 0) C D 1: (5.137)
yO 2 xO 2
Es wird
Kreis mit Mittelpunkt im Koordinatenursprung
y2 x 2 2yx (' D 2 ; yO D x;
O Abb. 5.40d)
C D0
yO 2 xO 2 yO xO Bei gleichen Amplituden yO D xO wird aus der
Ellipse ein Kreis:
oder 2
y x y 2 C x 2 D yO 2 D konst: (5.138)
D 0I
yO xO
Gerade mit negativer Steigung (' D ;
daraus ergibt sich (Abb. 5.40b) Abb. 5.40e):
yO yO
yD x: (5.136) y D x: (5.139)
xO xO
414 5 Schwingungen und Wellen
Werden für den allgemeinen Fall ungleicher 5.1.5 Schwingungen mit mehreren
ganzzahliger Frequenzen die resultierenden Aus- Freiheitsgraden (gekoppeltes
lenkungen ermittelt, so entstehen komplizierte Schwingungssystem)
Bahnkurven. Aus der Anzahl der Maxima auf der
waagrechten oder senkrechten Achse können die Die hierfür wichtigen Begriffe sind in DIN 1311,
Frequenzverhältnisse abgelesen werden. Es gilt Blatt 3, definiert. Unter Freiheitsgrad wird analog
zur Mechanik (Abschn. 2.9.1) die Mindestanzahl
!x W !y D fx W fy D k W l: (5.140) der Koordinaten verstanden, die zur Beschrei-
bung des Systems notwendig sind.
Hierbei sind !x und !y bzw. fx und fy die Fre- Zum besseren Verständnis gekoppelter Vor-
quenzen der x- und y-Schwingung, k die Anzahl gänge seien zwei gleiche Feder-Masse-Pendel
der senkrechten und l die Anzahl der waagrech- betrachtet, die durch eine Kopplungsfeder ver-
ten Maxima. bunden sind, wie es Abb. 5.42 zeigt. Das ge-
koppelte Schwingungssystem hat zwei Freiheits-
Beispiel 5.1-9 grade der Auslenkung y1 und y2 ; zwei gleiche
Nach Eingabe der beiden Frequenzverhältnis- Massen m, gleiche Federkonstanten k sowie eine
se sollen mittels eines Rechner-Programms Kopplungsfeder mit der Federkonstanten k12 . Es
die Lissajous-Figuren für unterschiedliche besteht also aus zwei gleich großen Energiespei-
Phasenlagen gezeichnet werden. chern, zwischen denen durch die Kopplungsfe-
der ein periodischer Energieaustausch stattfinden
Lösung kann. Wird z. B. der erste Körper in Abb. 5.42a
Abb. 5.41 zeigt das Ergebnis jeweils für ein ausgelenkt, dann gibt das erste Pendel seine Ener-
Frequenzverhältnis von 1 W 1, 1 W 2, 1 W 3 und gie allmählich an das zweite Pendel ab, bis dieses
2 W 3. Der Phasenwinkel beträgt in allen Fällen die gesamte Energie besitzt und der Vorgang
' D 0ı bis ' D 360ı . wieder in die andere Richtung abläuft. Es gibt
5.1 Schwingungen 415
a Kopplungsfeder um y1 y2 zusammengedrückt,
sodass das Newton’sche Gesetz der Bewegung
lautet
d2 y1 k k12
C y1 C .y1 y2 / D 0: (5.143)
dt 2 m m
Abb. 5.42 Elastisch gekoppelte Feder-Masse-Schwinger Beim zweiten Schwinger ist die Kopplungsfeder
um y1 y2 zusammengedrückt, sodass das New-
ton’sche Gesetz heißt
lediglich zwei Schwingungszustände, bei denen
keine Energieübertragung stattfindet. Sie werden ky2 k12 .y2 y1 / D ma2 :
Fundamentalschwingungen genannt.
Daraus bildet man die Differenzialgleichung für
Gleichphasige Schwingung den zweiten Schwinger:
Das Kopplungsglied ist in diesem Fall nicht
wirksam, weil die Kopplungsfeder immer ent- d2 y2 k k12
C y2 C .y2 y1 / D 0: (5.144)
spannt bleibt. Deshalb schwingen die Massen dt 2 m m
mit der Frequenz der ungedämpften harmoni-
Werden beide Differenzialgleichungen addiert, so
schen Schwingung:
ergibt sich folgende gekoppelte Differenzialglei-
r
1 k chung für y1 C y2 :
f1 D f0 D : (5.11)
2 m
d2 k
Gegenphasige Schwingung .y1 C y2 / C .y1 C y2 / D 0: (5.145)
dt 2 m
In diesem Fall bleibt aus Symmetriegründen
die Mitte der Kopplungsfeder in Ruhe. Jedem Werden beide Differenzialgleichungen subtra-
Körper (System) kann somit die Federkon- hiert, dann entsteht eine andere Differenzialglei-
stante der eigenen Feder k und die Federkon- chung für y1 y2 :
stante der halben Kopplungsfeder 2k12 zuge-
d2 k C 2k12
rechnet werden. Daraus ergibt sich die Fre-
2
.y1 y2 /C .y1 y2 / D 0: (5.146)
quenz der zweiten Fundamentalschwingung: dt m
r Gleichungen (5.145) und (5.146) beschreiben un-
1 k C 2k12
f2 D : (5.141) gedämpfte harmonische Schwingungen. Die Lö-
2 m sungen sind die Frequenzen bzw. die Schwin-
In allen anderen Fällen findet eine Überlage- gungsdauern der bereits oben genannten Funda-
rung der Fundamentalschwingungen so statt, dass mentalschwingungen. Aus (5.145) folgt
eine Schwebung entsteht mit der Schwebungsfre- r
quenz k
!1 D !0 D ; (5.10)
fS D f2 f1 (5.142) m
r
1 k
(Abschn. 5.1.4.2). Um die Vorgänge genauer zu f1 D f0 D ; (5.11)
2 m
analysieren, werden im Folgenden die Differen- r
zialgleichungen für die beiden Schwinger aufge- m
T1 D T0 D 2 : (5.12)
stellt (Abb. 5.42b). Beim ersten Schwinger ist die k
416 5 Schwingungen und Wellen
Zeilenende schlagartig zurückzusetzen. Meist kleinster elektrischer Signale (z. B. aus dem Welt-
werden hierzu Kondensatoren aufgeladen, die raum).
nach Erreichen der Zündspannung uZ über eine
Glimmlampe entladen werden.
5.1.8 Zur Übung
5.1.7 Parametrisch erregte Ü 5-7 Es überlagern sich die folgenden paralle-
Schwingungen len, ungedämpften Schwingungen:
5.2 Wellen
Abb. 5.48 Zustände einer Longitudinalwelle. Der Pfeil markiert jeweils den Ort größter Verdünnung
In Festkörpern sind alle Wellentypen ausbrei- Verbindet man benachbarte Punkte mit gleich-
tungsfähig: Außer den Longitudinalwellen gibt artigem Schwingungszustand (z. B. Wellenberge)
es verschiedene Transversalwellen: Biegewellen einer Welle miteinander, so erhält man eine geo-
und Scherungswellen. Die wichtigste Transver- metrische Fläche, die Wellenfläche oder Wellen-
salwelle in Stäben ist die Torsionswelle. Es findet front. Die Form der Wellenfläche hängt vom er-
auch Wellenumformung von einem Typ in einen regenden Zentrum sowie von den Eigenschaften
anderen statt. So löst z. B. eine Longitudinalwelle des Übertragungsmediums ab. Von besonderer
bei einem Stab mit einem exzentrisch aufgesetz- Bedeutung sind die in Abb. 5.51 dargestellten Ku-
ten Körper eine sekundäre Biegewelle aus. gelwellen und ebenen Wellen. Kugelwellen ent-
Eine besondere Form der Transversalwellen stehen, wenn ein punktförmiger Erreger Wellen
sind die elektromagnetischen Wellen. Bei ihnen aussendet. Beispielsweise breitet sich nach der
schwingt entsprechend Abb. 5.50 ein elektrischer Zündung eines kleinen Knallkörpers eine kugel-
und ein magnetischer Feldstärkevektor senkrecht förmige Verdichtungswelle in der Luft aus. Ebene
zur Ausbreitungsrichtung. Die elektromagneti- Wellen entstehen, wenn ein ausgedehnter ebener
schen Wellen benötigen im Gegensatz zu den Strahler Wellen aussendet. Ein Lautsprecher mit
oben behandelten elastischen Wellen kein Über- einer großen Membran gibt näherungsweise ebe-
tragungsmedium. Sie können sich sowohl im ne Wellen ab. Ein Ausschnitt einer Kugelwelle
Vakuum als auch (in bestimmten Grenzen) in Ma- kann in großem Abstand vom Erregerzentrum als
terie ausbreiten. ebene Welle angesehen werden.
oder
5.2.2 Harmonische Wellen Durch (5.159) und (5.161) wird auch mathema-
tisch noch einmal zum Ausdruck gebracht, dass
5.2.2.1 Mathematische Beschreibung die Auslenkungen bei einer Welle vom Ort und
harmonischer Wellen von der Zeit abhängen. Ist wie in diesem Fall die
Der mathematische Zusammenhang zwischen Ortsabhängigkeit nur die Funktion einer Ortsko-
Auslenkung y, Ort x und Zeit t bei einer Welle ordinate, dann nennt man die Welle einfach. Im
hängt von der Art der Anregung ab. Von beson- Rahmen dieses Buches werden nur einfache Wel-
derer Bedeutung ist die harmonische Anregung. len betrachtet.
Wird z. B. in Abb. 5.46 das erste Pendel bei x D 0 Hält man die Raumkoordinate x fest, so wird
harmonisch, d. h. gemäß y D yO cos.!t C '0 / aus (5.159) y.t/ D yO cos.!t '1 /, also eine
angeregt, so bildet sich eine harmonische Welle harmonische Schwingung. Dieser Fall tritt bei-
oder Sinuswelle aus. Ein Oszillator an einem be- spielsweise auf, wenn eine Schallwelle an das
5.2 Wellen 423
Ohr gelangt und dort am festen Ort x das Trom- Wie in Abschn. 7.2.1 gezeigt wird, lässt sich
melfell zu erzwungenen Schwingungen mit der die Intensität einer Schallwelle nach (7.22) auch
Frequenz f erregt. Zu einer bestimmten Zeit t schreiben als
wird aus (5.159) y.x/ D yO cos.kx C '2 ), also
1 1 pO 2 1
das Momentbild einer harmonischen Welle, wie I D vO pO D D vO 2 Z:
2 2Z 2
es z. B. in Abb. 5.47 gezeigt ist.
Dabei ist vO die maximale Geschwindigkeit der
5.2.2.2 Energietransport Teilchen, die so genannte Schnellenamplitude
In Abschn. 5.2.1 ist bereits darauf hingewie- und pO die Amplitude des Schallwechseldrucks.
sen worden, dass eine laufende Welle Energie Z ist die Feldwellenimpedanz oder kurz der Wel-
von einem Ort zum andern transportiert. Solange lenwiderstand. Bei Schallwellen ist nach (7.15)
die Wellenbewegung anhält, enthält jedes Vo-
pO
lumenelement des Übertragungsmediums einen Z D D %c;
bestimmten Energiebetrag. Die Energie je Volu- vO
meinheit nennt man Energiedichte. das Produkt aus Dichte und Phasengeschwindig-
Bei mechanischen Wellen hat ein Volumenele- keit, also eine spezifische Größe des Mediums, in
ment dV mit der Masse dm D %dV nach (5.52) dem die Welle läuft.
die Schwingungsenergie (kinetische plus poten- Allgemein wird der Quotient aus einer dyna-
zielle Energie) mischen Feldgröße (hier: p) O und einer kinema-
tischen Feldgröße (hier: v) O als Wellenwiderstand
1 1 oder Impedanz bezeichnet.
dW D %dV vO 2 D %dV yO 2 ! 2 :
2 2 Die Energiedichte elektromagnetischer Wel-
len setzt sich aus elektrischer und magnetischer
Energiedichte (Abschn. 4.5.5) zusammen:
Die Energiedichte w mechanischer Wel-
len ist proportional dem Quadrat der Am- dE 1
plitude yO und dem Quadrat der Kreisfre- wD D .ED C HB/
dV 2
quenz !: 1
D "r "0 E 2 C r 0 H 2 :
2
dW 1 2 2
wD D %yO ! : (5.162) Die elektrische und magnetische Energiedichte
dV 2
sind gleich, sodass auch gilt
Die Energiestromdichte S einer elektromagneti- Tab. 5.8 Wellenwiderstand Z bei der Ausbreitung elek-
schen Welle ist nach (5.163) tromagnetischer Wellen im freien Raum auf Leitungen
in komplexer Notation. ~: elektrische Leitfähigkeit, !:
Kreisfrequenz der Welle
S D "r "0 E 2 c D r 0 H 2 c: (5.166)
Wellen auf Leitungen Wellen im freien Raum
Definition des Wellenwiderstandes
Sie schwankt wie die Energiedichte räumlich und
U E
zeitlich. Der Mittelwert der Energiestromdichte, ZL D (1) ZF D (2)
I H
die Intensität I , ist gegeben durch verlustbehaftetes Übertragungsmedium
s r
1 1 R C j!L0
0
r 0
2 2 ZL D D
SN D I D "r "0 EO c D r 0 HO c
(3) Z (4)
G 0 C j!C 0 F
"r "0 j~=!
2 2
verlustloses Übertragungsmedium
r 0 r
1 L 0
oder, mit c D p (Abschn. 5.2.2.3) Z L;0 D (5) Z D (6)
"r "0 r 0 C0 F;0
"0
r r
1 "r "0 O 2 1 r 0 O 2
SN D I D E D H :
2 r 0 2 "r "0 Für eine Koaxialleitung mit dem Innenleiter-
(5.167) durchmesser d und dem Außenleiterdurchmes-
Ein Detektor, der die Energiestromdichte des ser D (Abb. 4.74) gilt
Lichts misst, wird infolge der hohen Frequenz
des Lichtes immer nur den Mittelwert SN anzei- 0 2"r "0 0 r 0 D
C D und L D ln :
gen. ln.D=d / 2 d
Die Energiestromdichte lässt sich auch sehr
einfach als Vektorprodukt der elektrischen und Bei der verlustlosen Freiraumübertragung im Va-
magnetischen Feldstärke darstellen: kuum beträgt der Wellenwiderstand
r
S D E H: (5.168) 0
ZF;0 D D 376;7 :
"0
Der Vektor S weist in Ausbreitungsrichtung
der Welle und wird Poynting’scher Vektor Dieser Wert wird als Wellenwiderstand des Vaku-
(J. H. P OYNTING , 1852 bis 1914) der Energie- ums bezeichnet.
stromdichte genannt. Fällt eine Welle auf eine Grenzfläche, die zwei
Auch bei elektromagnetischen Wellen sind Medien mit unterschiedlichen Wellenwiderstän-
die charakteristischen Feldgrößen E und H den Z1 und Z2 voneinander trennt, so wird ein
bzw. Spannung U und Strom I auf Leitungen Teil der Welle an der Grenzfläche reflektiert,
durch einen Wellenwiderstand in Analogie zum der andere Teil tritt durch, er wird transmittiert
Ohm’schen Gesetz miteinander verknüpft. (Abb. 7.5). Wie in Abschn. 7.2.3 hergeleitet wird,
Tab. 5.8 gibt einen Überblick über die Abhän- ist der Reflexionsgrad %, der die reflektierte In-
gigkeiten. Dabei sind die gestrichenen Größen tensität Ir mit der einfallenden Ie verknüpft, bei
die so genannten Leitungsbeläge, d. h. der län- senkrechtem Einfall
genbezogene Widerstand R0 des Leiters, der län-
genbezogene Querleitwert G 0 des Isolators sowie Ir Z1 Z2 2
%D D : (5.169)
die längenbezogene Kapazität C 0 und Indukti- Ie Z1 C Z2
vität L0 der Leitung. Für eine einfache Doppel-
Die transmittierte Intensität ergibt sich aus dem
leitung mit Drahtradius r und Drahtabstand a
Transmissionsgrad
Tab. 5.9 Phasengeschwindigkeit diverser Wellen in ver- durchmesser ist d D 10 mm, die Dichte beträgt
schiedenen Medien % D 1;5 kg=dm3 .
Wellentyp Phasengeschwindigkeit
q p
Longitudinalwellen in c D ~p %
D ~Ri T (1) a) Wie groß ist die Phasengeschwindigkeit c der
Gasen Welle?
q
Longitudinalwellen in cD K
%
(2) b) Welche Wellenlänge tritt auf?
Flüssigkeiten c) Wie lautet die Gleichung der Welle, wenn zur
q
Longitudinalwellen in cD E
%
(3) Zeit t D 0 am Ort x D 0 die Auslenkung
dünnen Stäben
q y D 0 und die Geschwindigkeit v < 0 ist?
Torsionswellen in cD G
%
(4)
dünnen Rundstäben
q p q Ü 5-13 Das menschliche Ohr kann Schallinten-
Biegewellen in dünnen c D 2
EI
%A
D ! 4 EI
%A
(5) sitäten ab etwa I D 1012 W=m2 wahrnehmen.
Stäben
q q q Berechnen Sie für die Frequenz f D 1000 Hz
Seilwellen cD F
A%
D
%
D F
m0
(6) und die Schallgeschwindigkeit c D 340 m=s
Elektromagnetische cD p1
"0 0
(7) die Schwingungsamplitude yO der schwingenden
Wellen im Vakuum Partikeln. Vergleichen Sie das Ergebnis mit der
Elektromagnetische cD p 1
"r "0 r 0
(8) Molekülgröße der Partikel.
Wellen in Materie
Elektromagnetische cD p1
L0 C 0
(9)
Wellen auf Leitungen Ü 5-14 Berechnen Sie die Amplitude der elektri-
0 schen und magnetischen Feldstärke der Lichtwel-
A Fläche, C Kapazitätsbelag, E Elastizitätsmodul,
G Schubmodul, I Flächenträgheitsmoment, K Kom- le eines Lasers, der im Pulsbetrieb die Leistung
pressionsmodul, L0 Induktivitätsbelag, m0 Massenbelag, P D 1 GW an die Fläche A D 0;01 mm2 abgibt.
p Druck, Ri individuelle Gaskonstante, T thermodynami-
sche Temperatur, "0 elektrische Feldkonstante, "r relative
Permittivitätszahl, ~ Isentropenexponent, Wellenlänge, Ü 5-15 Ein Radiosender mit der Leistung P D
0 magnetische Feldkonstante, r relative Permeabilität, 100 kW strahle Kugelwellen in den isotropen
% Dichte, Zugspannung, ! Kreisfrequenz. Ein Stab gilt Raum. Welche Intensität hat die elektromagne-
als dünn, wenn die Querdimensionen klein gegen die Wel- tische Welle im Abstand 100 km vom Sender?
lenlänge sind.
(Verluste seien vernachlässigt.)
a b c
Abb. 5.53 Wellenfelder zum Doppler-Effekt: a ruhende Quelle, bewegter Beobachter, b bewegte Quelle, ruhender
Beobachter und c Mach’scher Kegel beim Überschallflug
und beiderseitige Bewegung. „Bewegung“ be- b) Beobachter ruht, Quelle bewegt sich
deutet in diesem Fall, dass sich die Quelle bzw. Abb. 5.53b zeigt das Wellenfeld einer nach rechts
der Beobachter relativ zum Übertragungsmedium laufenden Schallquelle. Da die Quelle ihren ei-
(Luft), in dem sich die Welle ausbreitet, bewegt. genen Wellenzügen nacheilt, ist der Abstand
zwischen den Wellenflächen auf der Vorderseite
a) Beobachter bewegt sich, Quelle ruht gestaucht, auf der Rückseite gedehnt. Für einen
Die Schwingungen einer Schallquelle breiten Beobachter, auf den die Welle zuläuft, ist die
sich in Form von Kugelwellen in der Luft aus, wirksame Wellenlänge B D vQ TQ ver-
wie Abb. 5.53a zeigt. Bewegt sich ein Beobachter kürzt und die Frequenz fB D cB erhöht. Mit
mit der Geschwindigkeit vB auf die Quelle zu, so c D fQ D TQ ergibt sich
kommen die Verdichtungen und Verdünnungen
der Luft in rascherer Folge an sein Ohr als beim fQ
fB D : (5.179)
Stillstand. Der zeitliche Abstand, in dem zwei 1 vQ =c
aufeinander folgende Verdichtungen beim Beob- Entfernt sich die Quelle vom Beobachter, so gilt
achter ankommen, beträgt TB D cCv
B
. Damit fQ
ist die Frequenz, die der Beobachter wahrnimmt, fB D : (5.180)
1 C vQ =c
fB D cCv
B
. Mit der Beziehung c D fQ ergibt
Gleichungen (5.179) und (5.180) unterscheiden
sich !
vB sich von (5.177) und (5.178). Bei kleinen Ge-
fB D fQ 1 C : (5.177)schwindigkeiten gehen die entsprechenden Aus-
c
drücke ineinander über. Bei großen Geschwin-
Entfernt sich der Beobachter von der Quelle, so digkeiten, besonders nahe der Schallgeschwin-
gilt ! digkeit c, ergeben sich erhebliche Abweichun-
vB gen.
fB D fQ 1 : (5.178)
c
c) Beobachter und Quelle bewegen sich
Die beiden Endformeln gelten nur für den Fall, Falls sich sowohl der Beobachter als auch die
dass sich der Beobachter radial auf die Quelle zu Quelle relativ zur Luft bewegen, gibt es je nach
bzw. von ihr weg bewegt. Erfolgt die Bewegung Bewegungsrichtung mehrere Möglichkeiten der
auf einem um die Quelle konzentrischen Kreis, Frequenzverschiebung. In Tab. 5.10 sind alle Fäl-
so beobachtet man keine Doppler-Verschiebung. le schematisch dargestellt.
Für beliebige Bewegungen muss man in (5.177)
und (5.178) die Radialkomponente der Beob- Beispiel 5.2-1
achtergeschwindigkeit einsetzen, um die richtige Zwei Züge fahren auf parallelen Gleisen mit
Frequenz zu erhalten. der gleichen Geschwindigkeit v einander ent-
5.2 Wellen 429
Tab. 5.10 Doppler-Effekt: Die verschiedenen Bewe- Michelson und Morley 1887 zeigten, bedarf es
gungsmöglichkeiten von Quelle und Beobachter sind keines Übertragungsmediums (Äther) für die
durch Pfeile angedeutet. Die Geschwindigkeiten vB ; vQ
und c sind betragsmäßig in die Gleichungen einzusetzen Ausbreitung elektromagnetischer Wellen. Für die
Doppler-Verschiebung ist nicht die Geschwin-
Quelle Beobachter beobachtete Frequenz
digkeit relativ zu einem ruhenden Koordinaten-
vB
fB D fQ 1 C (5.177) system, sondern nur die Relativgeschwindigkeit
c
vB v von Quelle und Beobachter zueinander maß-
! fB D fQ 1 (5.178) gebend. Es ergibt sich bei Annäherung (Ab-
c
fQ schn. 10.5.2)
! fB D vQ (5.179) r
1 cCv
c fB D fQ : (5.181)
fB D
fQ
(5.180) cv
vQ
1C Entfernen sich Quelle und Beobachter voneinan-
c
c C vB der, werden bei dem Bruch in (5.181) Zähler und
! fB D fQ (1)
c vQ Nenner vertauscht.
c vB
! fB D fQ (2)
c C vQ d) Quelle bewegt sich mit
c C vB Überschallgeschwindigkeit
fB D fQ (3)
c C vQ Abb. 5.53b zeigt das Wellenfeld, das um ei-
c vB ne bewegte Quelle entsteht. Mit zunehmender
! ! fB D fQ (4)
c vQ Geschwindigkeit der Quelle nähern sich die Wel-
lenflächen auf der Vorderseite immer mehr, bis
sie schließlich für vQ D c alle durch einen
gegen. Ein Zug gibt ein Pfeifsignal ab, das Punkt gehen und die Einhüllende wie eine ebe-
ein Reisender im anderen Zug hört. Der Rei- ne Wand aussieht. Durchstößt die Quelle die-
sende ist musikalisch und behauptet, beim se „Schallmauer“ und fliegt mit Überschallge-
Vorbeifahren eine Tonhöhenänderung von ei- schwindigkeit, dann stellt sich ein Wellenfeld
ner Quinte (Frequenzverhältnis 3 W 2) gehört gemäß Abb. 5.53c ein. An der Spitze des Kegels
zu haben. Wie schnell fahren die Züge? Die befindet sich das auslösende Objekt. Dieses muss
Schallgeschwindigkeit beträgt c D 340 m=s. von sich aus gar keine Schallwellen aussenden.
Bei seiner Bewegung drängt es die Luftmoleküle
Lösung
zur Seite, erzeugt also vor sich eine Drucker-
Nach (1) und (2) in Tab. 5.10 ist die Fre-
höhung, hinter sich eine Druckerniedrigung. Die
quenz, die der Beobachter bei Annäherung
cCv Druckwellen breiten sich vom jeweiligen Ent-
hört, fB1 D fQ , bei Entfernung fB2 D stehungspunkt kugelförmig im Raum aus. Im
cv
cv stationären Zustand ergibt die Überlagerung al-
fQ . Das Frequenzenverhältnis beträgt
cCv ler Kugelwellen als Einhüllende einen Kegel,
den Mach’schen Kegel (E RNST M ACH, 1838
fB1 3 cCv 2
D D : bis 1916). Die kegelförmige Wellenfront nennt
fB2 2 cv man eine Kopfwelle. Weil sich auf dem Kegel-
Daraus folgt mantel die Druckerhöhungen addieren, hört ein
Beobachter, über den diese Stoßfront hinwegrast,
q
3
1 einen explosionsartigen Knall.
2
v D cq D 34;35 m=s D 123;6 km=h: Der Überschallknall tritt auf bei schnellen Ge-
2 C1
3 schossen und Überschallflugzeugen.
Der halbe Öffnungswinkel ˛ des Mach’schen
Die bisher angegebenen Formeln sind nicht Kegels ergibt sich nach Abb. 5.53c aus folgen-
anwendbar beim Doppler-Effekt des Lichts. Wie der Überlegung: Eine zur Zeit t D 0 am Punkt
430 5 Schwingungen und Wellen
A erzeugte Druckwelle ist in der Zeit t mit der Ü 5-19 Ein Flugzeug fliegt mit der Machzahl
Schallgeschwindigkeit c von A nach B gelaufen, Ma D 1;5.
hat also den Weg AB, d. h. ct zurückgelegt. In der
gleichen Zeit flog die Quelle von A nach Q, legtea) Wie groß ist der halbe Öffungswinkel des
also den Weg AQ, d. h. vQ t zurück. Der Sinus des Mach’schen Kegels?
Mach’schen Winkels ˛ ist damit b) Das Flugzeug befinde sich zur Zeit t D 0
c 1 genau senkrecht über einem Beobachter in
sin ˛ D D : (5.182) einer Höhe von h D 5000 m. Nach wel-
vQ Ma
cher Zeit hört der Beobachter den Überschall-
Ma nennt man die Mach’sche Zahl (s. a. (2.259)). knall?
a b c
ge, aber anderer Amplitude und Phasenlage: Tab. 5.11 Interferenzbedingungen für konstruktive und
! destruktive Interferenz, Ordnungszahl m D 0; 1; 2; 3 : : :
' ' Bedingung für konstruktive destruktive
y D 2yO cos cos !t kx C
2 2 Interferenz Interferenz
Gangunterschied
D m
D .2mC1/ 2
oder
! ! Phasenverschiebung ' D m2 ' D .2m C 1/
y D 2yO cos cos !t kx C :
(5.183) beiden Teilwellen ein ungeradzahliges Vielfaches
der halben Wellenlänge beträgt.
In Abb. 5.54 sind einige Sonderfälle dargestellt:
Abb. 5.57 Reflexion einer Transversalwelle am festen (a) Abb. 5.58 Stehende Wellen auf einer Saite
und losen Ende (b)
Die Einhüllende der Gruppe entspricht dem Man unterscheidet hierbei drei Fälle:
langwelligen Anteil von (5.190): dc
> 0; cgr < c, normale Dispersion;
d
y D 2yO cos.!t kx/: dc
< 0; cgr > c, anomale Dispersion;
d
Ein Zustand konstanter Phase dieser Funktion dc
D 0; cgr D c, keine Dispersion.
wird beschrieben durch !t kx D konst. d
Orte konstanter Phase sind Die in Abb. 5.66 dargestellte Welle zeigt normale
!t konst. Dispersion: Ein Zustand konstanter Phase, durch
xD : einen kleinen Kreis gekennzeichnet, bewegt sich
k
rascher als das Maximum der Wellengruppe.
Damit ergibt sich die Geschwindigkeit der Grup- In der Optik wird die Lichtgeschwindigkeit
pe: c in einem Medium über den Brechungsindex n
dx ! !1 !2 ausgedrückt (Abschn. 6.2.3.1):
cgr D D D :
dt k k1 k2 c0
cD ;
Für beliebige Wellenpakete, die durch Fourier- n
Synthese erzeugt werden, ist die Gruppenge- c ist die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum.
0
schwindigkeit Dieser Brechungsindex zeigt üblicherweise
d!
cgr D : (5.191) Dispersion, d. h., er hängt von der Lichtwellen-
dk
länge ab: n D n./.
Wird für die Gruppengeschwindigkeit von
Lichtwellen ein Gruppenindex definiert gemäß
Die Gruppengeschwindigkeit ist die Ge-
schwindigkeit, mit der sich die Hüllkurve c0
ngr D ;
einer Wellengruppe weiterbewegt und so- cgr
mit auch die Geschwindigkeit, mit der die dann besteht für diese beiden Brechungsindizes
Energie transportiert wird. folgender Zusammenhang
dn
ngr D n :
(5.193)
Die Gruppengeschwindigkeit ist von großer d
praktischer Bedeutung. Wie man leicht zeigen In der optischen Nachrichtentechnik laufen mo-
kann, hängt die Gruppengeschwindigkeit cgr mit dulierte Lichtsignale auf Glasfasern. Die für
der Phasengeschwindigkeit c über die Beziehung die Signalübertragung maßgebliche Geschwin-
digkeit ist die Gruppengeschwindigkeit, die mit
dc
cgr D c (5.192) Hilfe des Gruppenindex bestimmt wird.
d
Beispiel 5.2-4
zusammen. Aus dieser Gleichung erkennt man, In der Nachrichtentechnik werden elektroma-
dass Gruppen- und Phasengeschwindigkeit nur gnetische Wellen häufig auf Hohlleitern über-
dann gleich sind, wenn die Phasengeschwindig- tragen. Schwingt nach Abb. 5.67 der elektri-
keit c nicht von der Wellenlänge abhängt, d. h. sche Feldvektor E in z-Richtung und läuft die
wenn dc=d D 0 ist. Bei sehr vielen prakti- Welle in y-Richtung, dann gilt folgende Dis-
schen Anwendungen hängt jedoch die Phasen- persionsrelation:
geschwindigkeit von der Wellenlänge ab. Dies v
u !2
nennt man Dispersion. Sie bewirkt, dass ein Wel- u
lenpaket im Laufe der Zeit seine Form verän- t
!.k/ D c0 k C 2 :
a
dert – es zerläuft.
5.2 Wellen 439
digkeit
s
2
d! fgr
cgr D D c0 1 :
dk f
Für das Produkt der beiden Geschwindigkei-
ten gilt:
cgr c D c02 :
Eine Wellenausbreitung ist offensichtlich nur a) Wie groß ist die Schallgeschwindigkeit im
möglich, wenn die Frequenz f größer ist als Stab?
eine Grenzfrequenz fgr : b) Bestimmen Sie den Elastizitätsmodul des
Stahls.
c0 c) Welche Frequenzen haben die möglichen
f > fgr D :
2a Obertöne?
Zudem ist die Phasengeschwindigkeit c stets Ü 5-22 Zwei ebene ungedämpfte Wellen laufen
größer als die Vakuumlichtgeschwindigkeit c0 in gleicher Richtung und überlagern sich. Die
(Abb. 5.67). Dies ist kein Widerspruch zur Frequenzen sind f1 D 30 Hz und f2 D 33 Hz.
Relativitätstheorie, nach der weder materielle Die Ausbreitungsgeschwindigkeit ist für beide
Körper schneller sein können als die Vakuum- c1 D c2 D 330 m=s.
lichtgeschwindigkeit, noch Energie mit einer
größeren Geschwindigkeit übertragen werden a) Welchen räumlichen Abstand haben zwei auf-
kann. Tatsächlich werden Signale (Energie) einander folgende Wellengruppen?
auf dem Hohlleiter mit der Gruppengeschwin- b) Wie groß ist die Schwebungsfrequenz am fes-
digkeit übertragen, die stets kleiner ist als die ten Ort eines Detektors?
Vakuumlichtgeschwindigkeit. Aus der Disper- c) Wie groß ist die Gruppengeschwindigkeit ei-
sionsrelation folgt für die Gruppengeschwin- ner Schwebungsgruppe ?
440 5 Schwingungen und Wellen
Ü 5-23 Der Brechungsindex von Quarzglas zeigt von einem GaAlAs-Laser, der bei der Wellen-
normale Dispersion. Im Kern einer Glasfaser länge D 850 nm emittiert. Wie groß ist der
werden folgende Werte gemessen: Gruppenindex?
6.2.1 Lichtstrahlen
Abb. 6.3 Strahlen- und Wellenflächen: a Homozentri- Die Normale zur Fläche durch den Auftreffpunkt
sches Strahlenbündel und Kugelwellen, b paralleles Strah- wird als Einfallslot bezeichnet. Es gilt das Refle-
lenbündel und ebene Wellen xionsgesetz:
Abb. 6.5 Strahlengang im Winkelspiegel (zu Bei- Abb. 6.6 Spiegelbild einer punktförmigen Lichtquelle L
spiel 6.2-1) in einem Spiegel
schn. 5.2.6.3). Hinweis: Wenn eine ebene Welle Selbst bei geometrisch idealer Paraboloidform
auf einen Spiegel fällt, werden an den Schnitt- sind bei einem Scheinwerfer nicht alle Strahlen
punkten der Wellenflächen mit der Spiegelebene parallel, weil die Lichtquelle (Lampenwendel)
Kugelwellen ausgesandt, deren Einhüllende die nicht punktförmig ist, sondern eine endliche Aus-
neue Wellenfront bildet. dehnung hat.
Für die Praxis sind sphärische Hohl- oder
Ü 6-2 Ein Winkelspiegel hat den Öffungswinkel Konkavspiegel von größerer Bedeutung als die
D 72ı . Konstruieren Sie sämtliche Bilder ei- Parabolspiegel. Ein sphärischer Hohlspiegel ist
ner punktförmigen Lichtquelle, die innerhalb des eine innen verspiegelte Kugelkalotte. Fällt ent-
Spiegels steht. Wie viele Bilder ergeben sich?
a
6.2.2.3 Reflexion an gekrümmten
Flächen
Wenn ein Lichtstrahl auf eine gekrümmte spie-
gelnde Fläche fällt, so ist nach dem Reflexions-
gesetz der Einfallswinkel gleich dem Ausfalls-
winkel. Die gekrümmte Fläche wird im Auftreff-
punkt des Lichtstrahls durch ihre Tangentialebe-
ne ersetzt, das Einfallslot ist die Normale durch
den Berührpunkt.
Fällt Licht gemäß Abb. 6.7 parallel zur
optischen Achse (Rotationssymmetrieachse) auf
einen Parabolspiegel, so schneiden sich alle
Strahlen in einem Punkt, dem Brennpunkt F.
Sitzt dagegen im Brennpunkt eine punktförmige
Lichtquelle, so verlassen wegen der Umkehrbar-
keit des Strahlengangs alle Strahlen als paralleles b
Lichtbündel den Parabolspiegel. Parabolspiegel
werden bei Scheinwerfern benutzt, um eine mög-
lichst gute Bündelung des Lichtes zu erhalten.
Abb. 6.7 Strahlengang bei einem Parabolspiegel mit Abb. 6.8 Katakaustik beim Hohlspiegel: a Entstehung,
Brennpunkt F b Fotografie
446 6 Optik
Lösung
Nach (6.4) ist die Bildweite
af 0 .2;5/ .5/
a0 D D cm D 5 cm :
af0 2;5 C 5
Das Verhältnis der Sinus-Werte von n1 sin "1 D n2 sin "2 D n3 sin "3 : : :
Einfalls- und Brechungswinkel ist gleich
dem Verhältnis der Lichtgeschwindigkei- In Tab. 6.1 sind die Brechzahlen einiger Stoffe
ten in den benachbarten Gebieten. zusammengestellt.
Besonders häufig ist der Fall, dass ein Licht-
strahl an der Grenzfläche zwischen Luft und
Der Quotient zwischen der Lichtgeschwindig- einem dichteren Medium gebrochen wird. Mit
keit c0 im Vakuum und der Lichtgeschwindigkeit guter Näherung kann der Brechungsindex von
6.2 Geometrische Optik 451
sin "
D n0 : (6.12)
sin "0
Beispiel 6.2-4
Das Foto Abb. 6.14b zeigt die Brechung ei-
nes roten Laserstrahls der Wellenlänge D
633 nm an der Grenzfläche Luft-Plexiglas.
Wie groß ist der Brechungsindex von Plexi-
glas?
b
Lösung
sin " sin 40ı
n0 D 0
D D 1;49 :
sin " sin 25;5ı
n0
sin "g D : (6.13)
n
Hierbei ist n der Brechungsindex des optisch Abb. 6.16 Totalreflexion. a Prinzip, b gebrochener (" <
dichteren, n0 der des dünneren Mediums. Ist das "g ) und c total reflektierter Laserstrahl (" > "g /
452 6 Optik
1
sin "g D : (6.14)
n
Beispiel 6.2-5
Im Halbleiter GaP (Ausgangsmaterial für
Leuchtdioden) ist der Brechungsindex n D 3;3.
Wie groß ist der Grenzwinkel der Totalreflexi-
on?
Lösung
sin "g D 1=n D 1=3;3 D 0;3 liefert
"g D 17;6ı . Von den Lichtstrahlen, die im
Innern des Kristalls erzeugt werden, können
also nur diejenigen den Kristall verlassen, die
innerhalb eines schlanken Kegels von "g D
17;6ı Öffnungswinkel auf die Kristallober-
fläche auftreffen. Alle anderen werden total
reflektiert.
Ü 6-8 Ein Lichtstrahl fällt auf einen Glaswür- Ü 6-10 Wie groß ist der Grenzwinkel der Total-
fel mit dem Brechungsindex n D 1;5. Der reflexion für Plexiglas an Luft? Der Brechungs-
Strahl trifft genau die Mitte einer Würfelfläche index kann aus Abb. 6.16b entnommen werden.
454 6 Optik
6.2.3.3 Brechung an einem Prisma Abb. 6.21 Ablenkwinkel ı und Austrittwinkel "02 in Ab-
In der Optik versteht man unter einem Pris- hängigkeit vom Einfallswinkel "01 bei der Brechung eines
ma meist einen dreikantigen Glaskörper gemäß Lichtstrahls an einem Prisma; Brechungsindex n D 1;5,
Abb. 6.20. Zwei ebene polierte Flächen sind Prismenwinkel ˛ D 60ı
um den brechenden Winkel ˛ gegeneinander ge-
neigt, sie schneiden sich in der brechenden Kante
K. Im Folgenden wird stets vorausgesetzt, dass kungswinkel ı als Funktion des Einfallswin-
Lichtstrahlen im Hauptschnitt verlaufen, d. h. in kels "01 dargestellt werden. Die Umgebung sei
einer Ebene, die senkrecht zur brechenden Kan- Luft mit n0 D 1.
te steht. Das Prisma mit dem Brechungsindex n
Lösung
sei umgeben von einem Medium mit dem Bre-
Gleichung (6.16) sollte am besten mit ei-
chungsindex n0 . In Abb. 6.20 fällt ein Strahl unter
nem programmierbaren Rechner ausgewertet
dem Einfallswinkel "01 auf die linke Prismenflä-
werden. Abb. 6.21 zeigt das Ergebnis. Der
che und verlässt nach zweimaliger Brechung die
Ablenkwinkel ı zeigt ein Minimum beim Ein-
rechte Prismenfläche unter dem Ausfallswinkel
fallswinkel "01;min D 48;6ı . Der zugehöri-
"02 . Der Ablenkungswinkel ı lässt sich aus ele-
ge Ausfallswinkel beträgt ebenfalls "02;min D
mentaren geometrischen Sätzen bestimmen: ı D
48;6ı . Der Strahl durchläuft das Prisma also
"01 C "02 ˛. Mit Hilfe des Brechungsgesetzes
symmetrisch. Dieses Ergebnis kann allgemein
n0 sin "01 D n sin "1 und n0 sin "02 D n sin "2 so-
mit Hilfe der Differenzialrechnung bewiesen
wie der Beziehung "1 C "2 D ˛ lässt sich der
werden:
Ablenkungswinkel ı für beliebige Einfallswinkel
"01 berechnen:
Bei einem Prisma ist die Strahlablenkung
ı D "01 ˛ minimal, wenn Eintritts- und Austrittswin-
v
" u ! kel gleich sind.
u n 2
C arcsin sin ˛ t 0 sin2 "01
n
# Für symmetrischen Durchgang gelten "01 D
"02
D 12 .ı C ˛/ und "1 D "2 D 12 ˛. Mithilfe
cos ˛ sin "01 : (6.16)
des Brechungsgesetzes ergibt sich sofort der mi-
nimale Ablenkwinkel
!
Beispiel 6.2-6 n ˛
Für ein Prisma mit dem Brechungsindex n D ımin D 2 arcsin sin ˛ : (6.17)
n0 2
ı
1;5 und dem brechenden Winkel ˛ D 60
sollen der Austrittswinkel "02 und der Ablen- Für Beispiel 6.2-6 erhält man ımin D 37;2ı .
6.2 Geometrische Optik 455
Vorzeichenkonvention
Zwei Medien mit den Brechzahlen n und n0 seien
nach Abb. 6.26 durch eine Kugelfläche vonein-
ander getrennt. Im Folgenden werden für alle
Abb. 6.25 Pentagonalprisma für konstante Ablenkung Strecken und Winkel Vorzeichen verwendet, wie
ı D 90ı sie in der technischen Optik gebräuchlich und
durch DIN 1335 festgelegt sind.
einfallenden Lichtstrahls ist der Ablenkwinkel Die Achse durch den Kugelmittelpunkt C ist
ı D 2˛, er ist unabhängig vom Einfallswin- die optische Achse, zugleich z-Achse des Ko-
kel. Das Pentagonalprisma ist im Prinzip ein mit ordinatensystems. Die positive z-Richtung wird
Glas gefüllter Winkelspiegel (Abb. 6.5). Auch in durch die Laufrichtung des Lichts bestimmt und
diesem Fall müssen die Seitenflächen verspiegelt geht im Allgemeinen von links nach rechts. Die
sein, weil die Lichtstrahlen so steil auf die Grenz- y-Achse steht senkrecht auf der z-Achse und
fläche fallen, dass eine Totalreflexion nicht mehr weist von unten nach oben. Der Durchstoßpunkt
möglich ist. der optischen Achse durch die Kugelfläche ist
der Scheitel S. Der Radius der Kugel ist posi-
6.2.3.4 Zur Übung tiv, wenn der Mittelpunkt C rechts vom Scheitel
S liegt und negativ, falls C links von S liegt.
Ü 6-11 Ein Prisma mit brechendem Winkel ˛ D Sämtliche Strecken, die vom Bezugspunkt S aus
45ı und der Brechzahl n D 1;51 wird nach nach links gemessen werden, also entgegen der
Abb. 6.20 durchstrahlt. Zeichnen Sie ein Dia- z-Richtung, erhalten ein negatives Vorzeichen.
gramm analog Abb. 6.21. Wie groß ist der mi- Strecken, die nach rechts gemessen werden, sind
nimale Ablenkwinkel ımin und der zugehörige positiv.
Eintritts- und Austrittswinkel "01;min und "02;min ? Die Vorzeichen der Winkel sind gemäß
Bei welchem Grenzwinkel "01;g tritt an der rech- Abb. 6.27 definiert: Die Richtungen des Licht-
ten Fläche Totalreflexion auf? strahls ( und 0 ) und des Lotes (') werden von
der optischen Achse aus angegeben. Bei Drehung
Ü 6-12 Für ein Prisma mit brechendem Winkel im Gegenuhrzeigersinn (mathematisch positiv)
˛ D 60ı wird experimentell der minimale Ab- erhält der Winkel ein positives Vorzeichen. Der
lenkwinkel ımin D 47;2ı ermittelt. Wie groß ist Einfallswinkel " und der Brechungswinkel "0 sind
der Brechungsindex n des Glases? mit den beiden anderen Winkeln folgendermaßen
6.2 Geometrische Optik 457
verknüpft: c
Lösung
Nach (6.21) gilt
n0 r 1;5 80
s0 D sr D mm D 353 mm :
n0 s 1;5 50080
500
s 0 D 400 mm :
Ein kleiner, achsennaher und senkrecht
Das negative Vorzeichen des Wertes bedeutet, zur optischen Achse stehender Gegenstand
dass der Bildort links vom Scheitel liegt, das wird mit Hilfe von Paraxialstrahlen ähnlich
Bild ist virtuell. abgebildet.
6.2.4 Abbildung durch Linsen Setzt man diese in die obige Gleichung ein, so
ergibt sich
6.2.4.1 Dünne Linsen
1 1 0 1 1
Linse grenzt an verschiedene Medien nL 0 Dn 0 : (2)
r2 s1 d r2 s2
In den meisten optischen Systemen tritt Licht-
brechung an Gläsern auf, die von zwei kugel- Aus den Gleichungen (1) und (2) lässt sich s10
förmigen Flächen begrenzt werden. Abb. 6.30 eliminieren und eine Beziehung zwischen den
zeigt eine solche Linse und die Abbildung ei- Schnittweiten s1 und s20 herstellen:
nes Lichtpunktes O auf der optischen Achse. Der
Brechungsindex der Linse sei nL , der der angren- nL r1 s1 nL r2 s20
D 0 Cd :
zenden Gebiete n bzw. n0 . Die Krümmungsradien nr1 C .nL n/s1 n r2 C .nL n0 /s20
der Kugelflächen sind r1 und r2 . (6.24)
Ein Lichtstrahl, der von O ausgehend die Lin- Die Schnittweitengleichung (6.24) verknüpft die
se in A trifft, würde nach O01 gebrochen, falls nur Schnittweiten s1 und s20 für ein beliebiges Flä-
die linke Kugelfläche allein vorhanden wäre. Das chenpaar im Abstand d .
Bild O01 befände sich dann im Medium mit dem Eine wesentliche Vereinfachung der etwas un-
Brechungsindex nL im Abstand s10 von der linken handlichen Gleichung ist möglich, wenn die Lin-
Fläche. Die Schnittweiten s1 und s10 sind durch sendicke d vernachlässigbar ist. Für die unend-
die Abbe’sche Invariante (6.21) verknüpft: lich dünne Linse .d D 0/ geht die objektseitige
Schnittweite s1 in die Objektweite a und die bild-
1 1 1 1 seitige Schnittweite s20 in die Bildweite a0 über
n D nL 0 : (1)
r1 s1 r1 s1 (Abb. 6.30). Aus (6.24) wird dann
Tatsächlich wird der Strahl im Punkt B an n0 n nL n nL n0
der rechten Grenzfläche noch einmal gebrochen, D : (6.25)
a0 a r1 r2
sodass das Bild im Punkt O0 entsteht. Glei-
chung (6.21) ergibt, auf die rechte Kugelfläche Bei bekannten Linsendaten lässt sich aus (6.25)
angewandt (O’1 spielt die Rolle eines virtuellen zu jedem Gegenstandsort der zugehörige Bildort
Gegenstandes), berechnen.
Der Abbildungsmaßstab kann aus der
1 1 1 1
nL D n0 0 : Helmholtz-Lagrange’schen Gleichung (6.23) be-
r2 s2 r2 s2 rechnet werden:
Die Strecke s2 hängt mit der Linsendicke d und y0 n
ˇ0 D D 0 0 :
s10 zusammen über die Beziehung s2 D s10 d . y n
460 6 Optik
f D f 0 : (6.30)
1 1 1
Für das Verhältnis der beiden Winkel gilt bei pa- D 0 : (6.31)
a0 a f
raxialen Strahlen nach Abb. 6.30 = 0 D a0 =a.
Somit erhält man für den Abbildungsmaßstab
Beispiel 6.2-8
0n a0 Im Abstand a D 50 cm von einer Sammel-
ˇ D 0 : (6.26)
n a linse mit der Brennweite f 0 D 20 cm steht ein
Die Linse ist beiderseits von Luft umgeben Gegenstand. Wie groß ist die Bildweite a0 und
Eine weitere wesentliche Vereinfachung ergibt der Abbildungsmaßstab ˇ 0 ?
sich für den Fall, dass die dünne Linse beidseitig
von Luft mit n D n0 D 1 umgeben ist. Aus (6.25) Lösung
folgt dann Die Abbildungsgleichung (6.31) liefert für den
Bildort
1 1 1 1 af 0
D .n L 1/ : (6.27) a0 D (6.32)
a0 a r1 r2 aCf0
Der Abbildungsmaßstab ist in diesem Fall und für den Abbildungsmaßstab
a0 f0
ˇ0 D : (6.28) ˇ0 D : (6.33)
a aCf0
Abb. 6.31 zeigt, dass sich alle Strahlen eines
Für dieses Beispiel ergibt sich also
Lichtbündels, das parallel zur optischen Ach-
se auf eine bikonvexe Linse fällt, in einem 50 cm 20 cm
Punkt schneiden. Dieser Punkt ist der bildseitige a0 D D 33;3 cm und
0 50 cm C 20 cm
Brennpunkt F dieser Sammellinse. Die bildsei-
20 cm
tige Brennweite f 0 lässt sich einfach aus (6.27) ˇ0 D D 0;667 :
50 cm C 20 cm
berechnen. Wenn die Gegenstandsweite a D 1
gesetzt wird, folgt für die Bildweite, d. h. für die Die Eigenschaften der Brennpunktsstrahlen
bildseitige Brennweite die Linsenmacherformel machen auch eine sehr einfache zeichnerische
Konstruktion der Abbildung möglich, die anhand
1 0 1 1
D D D .n L 1/ : (6.29) von Abb. 6.32 erläutert werden soll. Die vom
f0 r1 r2
Punkt P ausgesandten Strahlen 1, 2 und 3 tref-
Die Größe D 0 D 1=f 0 nennt man die Brechkraft fen sich wieder im Punkt P0 ; also ist P0 das Bild
einer Linse. Die Maßeinheit für die Brechkraft ist des Gegenstandes P. Strahl 1 verläuft parallel zur
die Dioptrie: 1 dpt D 1 m1 . optischen Achse bis zur Mitte der im Idealfall
Wie Abb. 6.31 ebenfalls zeigt, verlaufen al- unendlich dünnen Linse; von dort wird er zum
le Strahlen, die durch den gegenstandsseitigen bildseitigen Brennpunkt F0 gebrochen. Strahl 3
6.2 Geometrische Optik 461
Linsentypen
Die bisher behandelte Sammellinse hat ihren
Abb. 6.33 Zuordnung von Gegenstand und Bild bei einer Namen von der Fähigkeit, parallel einfallende
Sammellinse Strahlen in der Brennebene zu sammeln. Die
Brennweite f 0 hängt nach (6.29) von den Radien
der beiden Kugelflächen ab. Wird die Brennwei-
geht durch den objektseitigen Brennpunkt F und te f 0 negativ, dann liegt der bildseitige Brenn-
läuft hinter der Linse parallel zur optischen Ach- punkt F0 im Gegenstandsraum, der objektseitige
se. Strahl 2 geht durch den Mittelpunkt der Linse im Bildraum. Mit einer solchen Zerstreuungs-
und erfährt keine Ablenkung (planparallele Platte linse können Lichtstrahlen nicht gebündelt wer-
der Dicke d 0). den, es sind lediglich virtuelle Bilder erzeugbar.
Die Diskussion der Abbildungsgleichung Abb. 6.34 zeigt eine Übersicht gebräuchlicher
(6.31) sowie der daraus resultierenden Beziehun- Linsenformen.
mit der Gegenstandsweite a D 70 cm im Ab- Die Brennweiten f 0 und f , die gemäß Abb. 6.37
stand a0 D 93;5 cm ab. Wie groß ist die Brech- von den Hauptebenen zu den entsprechenden
kraft D 0 und der Brechungsindex nL der Linse? Brennpunkten gerechnet werden, können aus fol-
gender Überlegung gewonnen werden: Für den
6.2.4.3 Dicke Linsen Tangens des Winkels 20 gilt bei paraxialen Strah-
Ist die Linsendicke d nicht mehr vernachläs- len tan 20 D h0 =sF0 0 D h=f 0 ; also ist
sigbar klein, so müssen die vorgenannten Ab-
bildungsgleichungen etwas modifiziert werden. h
f 0 D 0 sF0 0 : (1)
Fällt ein Lichtstrahl entsprechend Abb. 6.37 par- h
allel zur optischen Achse auf eine dicke Sammel-
Ebenso gilt
linse, so wird er nach zweimaliger Brechung an
den beiden Kugelflächen im bildseitigen Brenn- h0 h h s0
0
punkt F0 die optische Achse schneiden. Der tan 1 D 0 D 0 oder 0
D 0 1 :
s1 d s1 h s1 d
Strahlenverlauf im Innern der Linse ist für die (2)
optische Abbildung völlig unwichtig. Der Strah- Wird (2) in (1) eingesetzt, so gilt für die Brenn-
lenverlauf im bildseitigen Außenraum sieht je- weite
denfalls so aus, als ob der Strahl vom Punkt Q0 s0
f 0 D 0 1 sF0 0 :
herkäme. Dieser Schnittpunkt der gestrichelten s1 d
Strahlverlängerung definiert die Lage der bild- 0
Der Abstand s1 folgt unmittelbar aus der Ab-
seitigen Hauptebene H0 . Wie später noch gezeigt
be’schen Invarianten (6.21) zu
wird, kann die Lage der Hauptebenen berechnet
werden. Dadurch ist eine sehr einfache Konstruk- nL
tion der Strahlen im Außenraum der Linse mög- s10 D r1 :
nL 1
lich. Beispielsweise wird ein Strahl, der durch
den gegenstandsseitigen Brennpunkt F geht, un- Damit erhält man folgenden Ausdruck für die
geachtet seines tatsächlichen Verlaufs bis zur ge- Brechkraft:
genstandsseitigen Hauptebene H verlängert und
1 0 1 1
verläuft von dort parallel zur optischen Achse. D D D .n L 1/
Der Abstand des bildseitigen Brennpunktes f0 r1 r2
0 0
F vom Linsenscheitel S , d. h. die Strecke sF0 , 0 .n L 1/ 2
d
C : (6.36)
ergibt sich unmittelbar aus der Schnittweitenglei- nL r1 r2
chung (6.24) für einen unendlich weit entfernten
Gegenstand, also für s1 D 1. Ebenso ist der Hierin ist das erste Glied die Brechkraft der dün-
Ort des objektseitigen Brennpunktes, d. h. die nen Linse, wie sie bereits in (6.29) angegeben
Strecke sF , aus (6.24) zu ermitteln, indem die wurde. Das zweite Glied wirkt gleichsam als Kor-
Bildweite s20 D 1 gesetzt wird. Im Folgenden rekturglied und erfasst den Einfluss der Linsendi-
werden nur Gleichungen angegeben für den Fall, cke d . Es ist immer dann vernachlässigbar, wenn
dass die Linse beidseitig von Luft umgeben ist. die Linsendicke klein ist gegenüber der Differenz
Für diesen Spezialfall liefert die Schnittweiten- der Radien, d. h., wenn gilt d jr2 r1 j.
gleichung (6.24) Gleichung (6.36) lässt sich auch direkt nach
der Brennweite auflösen:
nL r1 .nL 1/d
sF0 0 D r2 I f0 D
nL
r1 r2
: (6.37)
.nL 1/ŒnL .r2 r1 / C .nL 1/d nL 1 nL .r2 r1 / C .nL 1/d
nL r2 C .nL 1/d
sF D r1 :
.nL 1/ŒnL .r2 r1 /C.nL 1/d Die gegenstandsseitige Brennweite f wird ana-
(6.35) log zur eben gezeigten Methode berechnet. Wie
464 6 Optik
schon bei der dünnen Linse sind auch bei der di-
cken Linse die Beträge der Brennweiten gleich.
Es gilt nach (6.30) f D f 0 .
Falls die Brennweite einer Linse bekannt ist,
lässt sich das Gleichungspaar (6.35) für die Ab-
stände der Brennpunkte von den Scheiteln sehr
viel einfacher ausdrücken. Aus dem Vergleich
von (6.35) und (6.37) folgt
nL 1 d Abb. 6.38 Abbildung eines Gegenstandes durch eine di-
sF0 0 D f 0 1 I cke Sammellinse (zu Beispiel 6.2-10)
nL r1
nL 1 d
sF D f 0 1 C : (6.38)
nL r2
a0 als Abstand zwischen Hauptebene H 0 und
Den Abstand der Hauptebenen von den Schei- Bild, so gilt auch bei dicken Linsen die von den
teln erhält man nach Abb. 6.37 durch einfache dünnen Linsen her bereits bekannte Abbildungs-
0 0
Differenzbildung zweier Strecken, nämlich sH0 0 D gleichung (6.31): 1=a 1=a D 1=f . Ebenso
sF0 0 f 0 und sH D sF f . Dabei ergibt sich wird der Abbildungsmaßstab nach der bereits be-
kannten Gleichung (6.28) berechnet: ˇ 0 D a0 =a.
nL 1 d
sH0 0 D f 0 I
nL r1 Beispiel 6.2-10
n 1 d Gegeben sei eine Linse mit r1 D 5 cm. r2 D
sH D f 0
L
: (6.39) 5 cm, d D 3 cm, nL D 1;7. Ein Gegen-
nL r2
stand ist sO D 8 cm vom linken Scheitel
Wird nach Abb. 6.38 die Gegenstandsweite a als entfernt (Abb. 6.38). In welchem Abstand sO0 0
Entfernung des Gegenstandes von der Hauptebe- vom rechten Scheitel entsteht das Bild? Wie
ne H definiert und entsprechend die Bildweite groß ist ˇ 0 ?
6.2 Geometrische Optik 465
brennweite f 0 und wo liegen die Hauptebenen Brennweiten vernachlässigbar ist. Dies ist prak-
des Systems? tisch der Fall, wenn sich zwei Linsen berühren.
Aus (6.42) resultiert dann
Lösung
Sehr einfach lässt sich das Problem zeichne- D 0 D D10 C D20 : (6.43)
risch lösen. In Abb. 6.39 fällt von links her
ein achsenparalleler Strahl auf die Linse L1
und wird auf F01 zu gebrochen. Hinter der Lin- Bei eng zusammenstehenden Linsen ist die
se L2 verläuft der Strahl parallel zur Geraden Brechkraft des Systems gleich der Summe
AB (s. Ü 6-14), sodass er schließlich die opti- der Brechkräfte der einzelnen Linsen.
sche Achse im Brennpunkt F0 schneidet. Der
Schnittpunkt der Strahlverlängerungen defi-
niert die Lage der bildseitigen Hauptebene Um die Brennweite einer Zerstreuungslin-
H0 . Nach obigem Muster wird der Weg einesse zu messen, kombiniert man diese mit ei-
ner Sammellinse größerer Brechkraft, sodass das
von rechts parallel zur optischen Achse einfal-
System insgesamt sammelnd wirkt. Für die-
lenden Strahls konstruiert. Brennpunkt F und
Hauptebene H sind somit bestimmt. ses System bestimmt man dann durch Ausmes-
sen einer reellen Abbildung die Gesamtbrenn-
Durch Anwendung der Abbildungsglei- weite (Ü 6-16). Die Brennweite der Zerstreu-
chung (6.31) erhält man für die Abstände der ungslinse lässt sich dann aus (6.43) berech-
Brennpunkte von den Linsen nen.
1 1 1 e
D0 D D 0C 0 0 0 oderÜ 6-23 Ein Laserstrahl soll von 2 mm Durch-
f0 f1 f2 f1 f2 messer auf 10 mm aufgeweitet werden. Zur Ver-
D 0 D D10 C D20 e D10 D20 : (6.42) fügung steht eine Zerstreuungslinse mit f10 D
10 cm. Welche Brennweite f20 braucht die noch
Besonders einfache Verhältnisse liegen vor, erforderliche Sammellinse? Wie groß ist der Ab-
wenn der Abstand e der Linsen gegenüber den stand e der zwei Linsen?
6.2 Geometrische Optik 467
Abb. 6.40 Strahlenverlauf bei einem beliebigen opti- Abb. 6.41 Transfer eines Strahls zwischen zwei Refe-
schen System renzebenen
Transfermatrix
Als Transfer wird der Weg eines Strahls inner-
halb eines homogenen Mediums (einheitlicher
Brechungsindex) bezeichnet. Nach Abb. 6.41 gilt
für die Winkel 2 D 1 und für die Höhen
h2 D h1 C d tan 1 bzw. bei paraxialer Optik
h2 D h1 C d 1 . In Matrixschreibweise gilt
! !
h2 h1
DT Abb. 6.42 Brechung an einer Kugelfläche
2 1
468 6 Optik
sich
Abb. 6.43 Verlauf eines Strahls durch eine dicke Linse Ldünn, Luft D
! ! !
1 0 1 0 1 0
nL 1 1nL 1
:
geben ist von Medien mit den Brechzahlen n1 r2
nL 0 1
nL r1 nL
und n2 . Der Weg des Lichtstrahls wird durch drei
Matrizen beschrieben: Nach den Regeln der Matrizenmultiplikation
Brechung an der Fläche S1 führt dies zu der Matrix
! ! !
h01 h1 1 0
D B S1 ; Ldünn, Luft D :
10 S 1 S .nL 1/ r12 r11 1
1 1
!
Transfer von S1 nach S2 A B
Das Matrixelement C der -Matrix ist
! ! C D
h2 h01
D T S1 S2 nach (6.29) identisch mit der negativen Brech-
2 10 kraft der Linse. Damit vereinfacht sich die Matrix
zu
und Brechung an der Fläche S2 ! !
! ! 1 0 1 0
h02 h2 Ldünn, Luft D D (6.48)
D B S2 : f10 1 D 0 1
20 S 2 S
2 2
Reflexionsmatrix
Insgesamt werden damit die Ausgangsgrößen mit Abb. 6.44 zeigt die Reflexion an einem sphäri-
den Eingangsgrößen verknüpft durch schen Spiegel (Abb. 6.10). In der Praxis wird der
! ! Strahlengang gerne aufgefaltet, d. h. nach rechts
h02 h1 weiter gezeichnet. Die Höhen und Winkel hängen
D B S2 T S1 S2 B S1
20 S 1 S zusammen gemäß
2
! 1
! !
h1 h0 h
D Ldick DR mit der Reflexionsmatrix
1 S 0
1
!
mit der Strahlmatrix für dicke Linsen 1 0
RD 2 : (6.49)
! ! ! r
1
1 0 1 d 1 0
Ldick D nL n0 nL nnL n
n0 r2 n0 0 1 nL r1
Systemmatrix
nL
(6.47) Für ein beliebiges System brechender und reflek-
tierender Flächen (Abb. 6.40) sind die Höhen und
Für den Fall der dünnen Linse (d D 0), die beid- Winkel an zwei Referenzebenen durch (6.44) ver-
seitig von Luft umgeben ist (n D n0 D 1) ergibt knüpft. Die Systemmatrix ergibt sich durch Ma-
6.2 Geometrische Optik 469
y0
ˇ0 D DA: (6.51)
y
C D 0: Parallelstrahlen werden in Parallelstrah-
len übergeführt. Es liegt also ein afokales
System vor (Fernrohr, Abschn. 6.2.8.6).
Die Winkelvergrößerung (Vergrößerung
des Fernrohrs) ist
Abb. 6.45 Strahlengänge beim Verschwinden spezieller 0
Matrixelemente 0 D DD: (6.52)
D D 0: Alle Strahlen, die von einem Punkt der
trizenmultiplikation verschiedenster Transfer-, Referenzebene RE1 ausgehen, werden
Brechungs- und Reflexionsmatrizen: zu Parallelstrahlen. Damit ist RE1 die ge-
! ! genstandseitige Brennebene.
h2 h1
DM ; mit Lage der Kardinalpunkte
2 1
! Bezüglich der zwei Referenzebenen RE1 und
A B RE2 (Abb. 6.40) lassen sich einfache Ausdrücke
MD D Mk Mk1 : : : M2 M1 :
C D finden für die Abstände zu den interessanten
Punkten eines optischen Systems. Sie sind in
Für die Determinante der Systemmatrix gilt Tab. 6.2 zusammen gestellt.
n1
det M D AD BC D ; (6.50) Beispiel 6.2-12
n2
Für das System von zwei dünnen Sammellin-
wobei n1 und n2 die Brechungsindizes an den Re- sen des Beispiels 6.2-11 Abb. 6.39 soll mithil-
ferenzebenen RE1 und RE2 sind. Sehr häufig ist fe der Matrizenmethode die Systembrennwei-
am Anfang und am Ende eines Systems Luft, so- te bestimmt werden.
dass sich (6.54) vereinfacht zu
Lösung
det M D AD BC D 1 : Zweckmäßigerweise legt man die Referenz-
ebene RE1 in die Linse L1 und die Ebene RE2 in
Dies ist ein wichtiges Ergebnis zur Kontrolle der die Linse L2 . Damit wird die Systemmatrix ein
Systemmatrix auf etwaige Rechenfehler. Produkt aus zwei Linsenmatrizen nach (6.48)
Falls eines oder mehrere Matrixelemente der sowie einer Transfermatrix nach (6.45) :
Systemmatrix null sind, ergeben sich interessante
Schlussfolgerungen (Abb. 6.45). M D L2 T L1
! ! !
1 0 1 e 1 0
A D 0: Ein paralleles Strahlenbündel wird auf D :
f10 1 0 1 f10 1
einen Punkt in der Referenzebene RE2 2 1
470 6 Optik
0 A
Abstand des bildseitigen s2;F 0 D (2)
Brennpunktes F0 von RE C
2
D .n1 =n02 /
Abstand der objektseitigen s1;H D (3)
Hauptebene H von RE1 C
Abb. 6.46 Zu Beispiel 6.2-13
0 1A
Abstand der bildseitigen s2;H 0 D (4)
Hauptebene H0 von RE2 C
n1 =n02 der Gegenstandsebene übereinstimmt und RE2
objektseitige Brennweite f D (5)
C mit der Bildebene (Abb. 6.46).
1
bildseitige Brennweite f0 D (6) Die Systemmatrix wird damit:
C
0 10 10 1
1 sO0 0 0;5833 25 cm 1 40 cm
M D@ A@ A@ A
Nach Ausmultiplikation ergibt sich 0 1 0;02833 cm1 0;5 0 1
0 1
! 0;5833 0;02833 cm1 sO0 0 48;33 cm 0;6333sO0 0
1 e
e D@ A
f10
MD 0;02833 cm1 0;6333
f10 1
f20 C e
f10 f20 1 e
f20
1
Nach Abb. (6.45) liegt eine optische Abbil-
und numerisch mit f10 D 60 cm, f20 D 50 cm dung vor, wenn B D 0 ist. Aus 48;33 cm
und e D 25 cm 0;6333 s0O0 D 0 folgt sO0 0 D 76;3 cm. Der Ab-
! bildungsmaßstab ist nach (6.51) ˇ 0 D A D
MD
0;5833 25 cm
: 0;5833 0;02833 cm1 76;3 cm D 1;58.
0;02833 cm1 0;5 Das Bild ist reell, umgekehrt und vergrößert.
50 cm Gegenstandsweite und y D 1 cm Größe. gegenläufig sind, sodass sie sich bei der Kombi-
c) Wie groß muss der Linsendurchmesser min- nation ganz oder teilweise aufheben. Eine voll-
destens sein, damit auch die Randpartien ohne kommene Korrektur aller Abbildungsfehler ist
Abschattung abgebildet werden? nicht möglich.
der Zapfen ab, gleichzeitig nimmt die Anzahl der Dabei ist 0 der Sehwinkel mit, derjenige ohne
Stäbchen zu. Instrument. Meist kann man den Tangens durch
Das Auflösungsvermögen des Auges ist eng den Winkel selbst ersetzen.
mit der Struktur der Netzhaut verknüpft. So kön-
nen zwei Punkte nicht mehr getrennt wahrgenom- 6.2.8.2 Zur Übung
men werden, wenn ihre Bildpunkte so aneinander
liegen, dass nur ein einziger Zapfen angeregt Ü 6-27 Der Nahpunkt eines übersichtigen Auges
wird. Der physiologische Grenzwinkel, unter dem sei aN D 50 cm. Welche Brechkraft muss eine
Gegenstände noch getrennt wahrgenommen wer- Brille haben, damit der Nahpunkt des Auges in
den können, beträgt etwa eine Winkelminute für die Bezugssehweite aB D 25 cm rückt? (Der
Bilder in der Netzhautgrube NG (Abb. 6.49). Abstand e 0 zwischen Brillenglas und Augenlinse
In der Bezugssehweite 25 cm müssen demnach sei vernachlässigbar.)
zwei Punkte 0,07 mm weit auseinander sein, da-
mit man sie noch als getrennt wahrnimmt. Ü 6-28 Bei einem kurzsichtigen Menschen liegt
der Fernpunkt aF D 50 cm vor dem Auge.
Funktion der optischen Instrumente Welche Brechkraft braucht seine Brille, damit er
Nach Abb. 6.51 entwerfen die brechenden Tei- wieder bis unendlich sehen kann?
le des Auges auf der Netzhaut ein umgekehrtes
reelles Bild eines Gegenstandes. Die Größe des 6.2.8.3 Lupe
Netzhautbildes ist direkt proportional zum Seh- Die Lupe ist eine Sammellinse kurzer Brennwei-
winkel , unter dem das Objekt erscheint. Will te. Ihre Vergrößerung ist umso höher, je stärker
man von einem Gegenstand mehr Details erken- die Brechkraft der Linse ist. Nach DIN 58 383
nen, muss er näher ans Auge gebracht werden. versteht man unter Lupen im engeren Sinne sol-
Dadurch nimmt der Sehwinkel bzw. die scheinba- che, die eine mindestens dreifache Vergrößerung
re Größe des Gegenstandes zu. Bei Unterschrei- haben. Bei geringeren Vergrößerungen spricht
ten des Nahpunktes wird das Netzhautbild wegen man von Lesegläsern. Die Vergrößerung hängt
mangelnder Akkommodationsfähigkeit unscharf. nicht nur von der Lupe selbst ab, sondern auch
Eine weitere Vergrößerung ist nur möglich, wenn ganz wesentlich vom Abstand zwischen Gegen-
optische Instrumente (Lupe, Mikroskop, Fern- stand und Lupe bzw. Auge. Da es praktisch
rohr) zu Hilfe genommen werden. Die Aufgabe unmöglich ist, für alle vorkommenden Abstän-
der optischen Instrumente besteht darin, den Seh-de mit einfachen Formeln eine Vergrößerung zu
winkel zu vergrößern. Da das Netzhautbild dem berechnen, gibt man in der Regel die Normal-
Tangens des Sehwinkels proportional ist, defi- vergrößerung der Lupe an. Dazu wird festgelegt,
niert man sinnvollerweise als Vergrößerung (An- dass der Gegenstand in der Brennebene der Linse
gularvergrößerung) eines Instruments steht und das Auge auf Unendlich akkommodiert
ist.
tan 0 0
0 D : (6.53) Abb. 6.52 zeigt den Strahlengang für diesen
tan Fall. Es ist im Prinzip gleichgültig für die Ver-
größerung, wo das Auge steht; denn alle Strahlen,
die von einem Punkt des Gegenstandes ausgehen,
verlaufen hinter der Linse unter demselben Win-
kel 0 zur optischen Achse. Allerdings ist das Ge-
sichtsfeld am größten, wenn sich das Auge mög-
lichst nahe an der Linse befindet. Welches Strah-
lenbündel zur Abbildung herangezogen wird, legt
Abb. 6.51 Definition des Sehwinkels die Augenpupille fest. Die Augenlinse vereinigt
6.2 Geometrische Optik 475
Abb. 6.52 Strahlengang bei der Lupe Abb. 6.53 Gegenstand innerhalb der Brennweite einer
Lupe
0
Der Abbildungsmaßstab ˇOb wird mithilfe der
elementaren Gleichungen (6.28) und (6.31) be-
rechnet. Er ist besonders einfach darstellbar mit-
hilfe der optischen Tubuslänge t des Mikroskops:
0 0
ˇOb D t=fOb . Somit ist die Gesamtvergröße-
rung des Mikroskops
t aB
M0 D 0 0 : (6.57)
fOb fOk
b
Ü 6-30 Ein Mikroskop kann ersatzweise wie ei-
ne Lupe mit extrem kleiner Brennweite behandelt
werden. Berechnen Sie für das Mikroskop von
Ü 6-29 die Gesamtbrennweite f 0 und die Lupen-
vergrößerung L0 Wieso ist die Gesamtbrennweite
negativ?
6.2.8.6 Fernrohr
Das Fernrohr hat die Aufgabe, den Sehwinkel,
unter dem weit entfernte Gegenstände erschei- Abb. 6.56 Grundtypen des Fernrohrs: a Kepler’sches
nen, zu vergrößern. Das Bild soll mit entspann- Fernrohr, b Galilei’sches Fernrohr
tem Auge betrachtet werden. Dies bedeutet, dass
ein ins Fernrohr eintretendes paralleles Strahlen-
bündel auch wieder als paralleles Bündel aus- Die Vergrößerung des Fernrohrs lässt sich an-
treten muss. Diese Bedingung wird von einem hand von Abb. 6.56 folgendermaßen bestimmen:
afokalen System mit zwei Linsen erfüllt. Dabei Der Winkel , unter dem ein Strahlenbündel von
fällt der bildseitige Brennpunkt der ersten Linse einem weit entfernten Gegenstand ins Objektiv
mit dem gegenstandsseitigen der zweiten zusam- fällt, ist derselbe Winkel, unter dem man den Ge-
men. genstand mit unbewaffnetem Auge sehen würde.
Abb. 6.56 zeigt die beiden Grundtypen des Der Sehwinkel 0 , unter dem die Strahlen ins Au-
Fernrohrs. Das Kepler’sche (1611) oder astro- ge gelangen, ist offensichtlich größer als . Nach
nomische Fernrohr hat zwei Sammellinsen, das Abb. 6.56 gilt für die Winkelfunktionen (Vor-
Galilei’sche (1609) oder holländische Fernrohr zeichen der Winkel s. Abschn. 6.2.3.5 und DIN
eine Sammel- und eine Zerstreuungslinse. Beim 1335) tan 0 D y 0 =fOk 0
und tan D y 0 =fOb0
.
Kepler’schen Fernrohr entwirft das Objektiv in Damit ergibt sich für die Vergrößerung des Fern-
seiner bildseitigen Brennebene ein reelles Zwi- rohrs
schenbild ZB eines unendlich entfernten Gegen- 0
fOb
standes, das dann mit dem als Lupe wirkenden F0 D 0 : (6.58)
fOk
Okular betrachtet wird. Befindet sich das Ob-
jekt in endlicher Entfernung, so entsteht das Setzt man die Brennweiten vorzeichenrichtig
Zwischenbild hinter der bildseitigen Brennebene. in (6.58) ein, wird die Vergrößerung des Kep-
Eine Scharfeinstellung geschieht am einfachsten ler’schen Fernrohrs negativ, die des Galilei’schen
dadurch, dass der Abstand zwischen Objektiv Fernrohrs positiv. Dieser Sachverhalt lässt sich
und Okular verlängert wird. Beim Galilei’schen auch leicht anhand von Abb. 6.56 erkennen: Die
Fernrohr kommt es nicht zur Ausbildung eines re- prinzipielle Richtung eines Lichtbündels beim
ellen Zwischenbildes, denn die konvergierenden Galilei’schen Fernrohr wird beibehalten, wäh-
Strahlen treffen auf die Zerstreuungslinse, bevor rend sie sich beim Kepler’schen umkehrt. Das
sie sich in einem Punkt vereinigen können. Kopf stehende Bild stört in der Astronomie nicht,
478 6 Optik
Ü 6-31 Bei einem Feldstecher 8 30 beträgt Abb. 6.60 „Unendliche“ Einstellung beim Fotoapparat
der Abstand zwischen Objektiv und Okular l D
200 mm bei Einstellung auf Unendlich. a) Wie
Das Objektiv kann nicht wie das Auge auf un-
groß ist die Brennweite von Objektiv und Oku-
terschiedliche Objektabstände akkommodieren.
lar? b) Zur Einstellung auf nahe Objekte lässt sich
Deshalb muss für verschiedene Entfernungen der
das Okular um l D 5 mm herausdrehen. Wel-
Abstand zwischen Objektiv und Film gemäß der
ches ist der kürzeste Abstand vom Objektiv, in
Abbildungsgleichung variiert werden.
dem Gegenstände noch scharf gesehen werden,
Wie beim Auge kann der Lichtstrom, der auf
wenn das Auge auf unendlich akkommodiert ist?
den Film fällt, mithilfe einer Irisblende geregelt
werden. Ein Maß für die einfallende Lichtmen-
Ü 6-32 Zeigen Sie, dass der Einbau einer Feld-
ge ist nach DIN ISO 517 die relative Öffnung
linse gemäß Abb. 6.59 die Vergrößerung eines
DEP =f 0 . Diese wichtige Kenngröße ist meist auf
Fernrohrs nicht beeinflusst. (Hinweis: Berech-
dem Kameraobjektiv angegeben. Steht beispiels-
nen Sie die Brennweite des Systems Feldlinse-
weise auf einer Kamera 1 W 2;8; f D 45 mm,
Okular.)
dann beträgt die maximale relative Öffnung 1/2,8
und die Brennweite f 0 D 45 mm. Der Objek-
Ü 6-33 Ein Fixstern wird mit einem astrono-
tivdurchmesser ist bei dieser Kamera DEP D
mischen Fernrohr betrachtet. Die Objektivbrenn-
0 16 mm.
weite ist fOb D 2;4 m, die Okularbrennweite
0 Von größerer praktischer Bedeutung ist der
fOk D 4 cm, der Objektivdurchmesser DEP D
Kehrwert der relativen Öffnung, die Blendenzahl
32 cm. a) Wie groß ist die Fernrohrvergrößerung?
k. Es gilt
b) Welchen Durchmesser hat die Austrittspupil- f0
le? c) Berechnen Sie die Dämmerungszahl Z. d) kD : (6.62)
DEP
Wie groß ist die Helligkeitssteigerung gegenüber
der Beobachtung mit bloßem Auge, falls Augen- Die Blendenzahl kann an der Kamera eingestellt
pupille und Austrittspupille gleich groß sind? e) werden. Die Werte sind so abgestuft, dass sich
Wie groß ist die Helligkeitssteigerung, wenn sich die Fläche und damit der Lichtstrom von einem
die Augenpupille auf 8 mm vergrößert hat? Wert auf den andern um den Faktor 2 ändern.
Dies bedeutet, dasspsich aufeinander folgende
6.2.8.8 Fotoapparat Blendenzahlen um 2 ändern müssen. Die in
Der Fotoapparat ist das optische Instrument, das DIN ISO 517 genormte Hauptreihe der Blenden-
dem menschlichen Auge am meisten ähnelt. An- zahlen lautet ausschnittsweise
stelle der Augenlinse steht ein Objektiv, das
zur Korrektur von Abbildungsfehlern immer aus 1I 1;4I 2I 2;8I 4I 5;6I 8I 11I 16I 22 :
mehreren Einzellinsen zusammengesetzt ist. Das
Objektiv entwirft das Bild eines Gegenstandes Eine absolut scharfe Abbildung auf einem ebenen
nach Abb. 6.60 in der Filmebene FE. Dort befin- Film ist theoretisch nur möglich, wenn das Ob-
det sich statt der Netzhaut ein lichtempfindlicher jekt auch eben ist; hierbei steht die Objektebene
Film, oder bei Digitalkameras ein CCD-Chip. OE in Abb. 6.61 senkrecht zur optischen Achse.
6.3 Radio- und Fotometrie 481
Lösung
Zulässiger Unschärfekreis nach (6.65):
Formatdiagonale
u0 D
1000
43;3 mm
Abb. 6.61 Schärfentiefe beim Fotoapparat D D 0;0433 mm I
1000
nach (6.63) ist av D 1;99 m, ah D 6;07 m
Objektpunkte, die vor oder hinter der idealen Ob- und die Schärfentiefe a D av ah D 4;08 m.
jektebene OE liegen, werden in der Filmebene FE
als kleine Unschärfekreise abgebildet. Da sowohl 6.2.8.9 Zur Übung
das Auge als auch das Filmmaterial bzw. der
CCD-Chip infolge seiner Körnung ein begrenztes Ü 6-34 Berechnen Sie die Schärfentiefe für die
Auflösungsvermögen haben, kann man stets ei- in Beispiel 6.2-14 angegebenen Zahlenwerte, je-
ne bestimmte Unschärfe auf dem Film tolerieren. doch mit Blende 2;8.
Gibt man einen akzeptablen Durchmesser u0 des
Unschärfekreises an, so liegt der Objektbereich, Ü 6-35 Mit einer Kleinbildkamera (f 0 D 45 mm)
der „scharf“ abgebildet wird, zwischen den Gren- soll mit Blende 8 fotografiert werden. Welche
zen av und ah . Dabei liegt av vor, ah hinter der Entfernung a muss eingestellt werden, wenn
theoretischen Objektebene OE. Durch elementa- die hintere Grenzentfernung ah D 1 sein
re Rechnung erhält man für die Grenzwerte soll? Wie groß ist dann die vordere Grenzentfer-
nung av ?
af 0 2
av D und
f 0 2 u0 k.a C f 0 /
af 0 2 6.3 Radio- und Fotometrie
ah D : (6.63)
f 02 C u0 k.a C f 0 /
6.3.1 Einführung
Die Schärfentiefe beträgt dann
In der geometrischen Optik des letzten Ab-
a D av ah : (6.64) schnitts werden oft Begriffe, wie z. B. Lichtinten-
sität und Helligkeit, verwendet, ohne dass diese
Die Schärfentiefe wird mit zunehmender Blen- im Einzelnen definiert sind. Die Strahlungs- oder
denzahl k immer größer. Die Größe des zulässi- Lichtmessung beschäftigt sich mit der Messung
gen Unschärfekreises hängt von dem verwende- dieser Größen. Hierbei interessiert z. B. die Mes-
ten Filmformat ab. Als Faustformel kann verwen- sung der Strahlungsleistung sowie deren räumli-
det werden che und spektrale Verteilung.
Bei der objektiven Radiometrie wird die
Formatdiagonale Strahlungsleistung mit einem „unbestechlichen“
u0 D : (6.65)
1000 Messinstrument gemessen. Je nach Empfänger-
typ ist der Wellenbereich nicht auf das sicht-
Beispiel 6.2-14 bare Spektrum beschränkt. Zur Kennzeichnung
Mit einer Kleinbildkamera (Format 24 mm solcher strahlungsphysikalischer Größen werden
36 mm) mit f 0 D 45 mm Brennweite soll bei die Formelzeichen mit dem Index „e“ (für ener-
Blende 8 ein Objekt fotografiert werden, das getisch) versehen. Wird die Strahlung mit dem
482 6 Optik
˚e D Le A1 cos "1 ˝ :
A2 cos "2
˝D ˝0
r2
Bei ausgedehnten Strahlungsquellen und Emp- In den roten Raumbereich, der von den Kegeln
fängern erscheinen verschiedene Orte auf der mit den Öffnungswinkeln "1 und "1 C d"1 be-
Sender- bzw. Empfängeroberfläche unter ver- grenzt wird, fließt der Strahlungsfluss d˚e D
schiedenen Winkeln "1 und "2 . Ferner kann die Ie ."1 /d˝. Dabei ist der Raumwinkel
Strahldichte Le vom Ort auf der Senderoberflä-
che abhängen. Das bedeutet, dass (6.72) streng dA
genommen nur differenziell formuliert werden d˝ D ˝0 D 2 sin "1 d"1 ˝0 :
r2
kann:
Mit Ie ."1 / D Le A1 cos "1 beträgt der Strahlungs-
dA1 cos "1 dA2 cos "2
d ˚e D Le
2
˝0 : (6.73) fluss
r2
d˚e D Le A1 cos "1 sin "1 2 d"1 ˝0 :
Dies ist die Strahlungsleistung, die von einem
Senderelement der Fläche dA1 auf ein Element Den gesamten Strahlungsfluss erhält man
dA2 des Empfängers fällt. Die gesamte Strah- durch Integration vom Winkel " D 0 bis " D '
1 1 1
lungsleistung ˚e ergibt sich dann aus einer Inte- zu
gration über die Sender- und Empfängerfläche.
Eine weitere Größe, die den Sender charakte- Z'1
risiert, ist die spezifische Ausstrahlung Me . Dar- ˚e D Le A1 2 ˝0 cos "1 sin "1 d"1
unter versteht man das Verhältnis von insgesamt 0
abgegebener Strahlungsleistung ˚e zur Sender- D Le A1 sin '1 ˝0 :
2
fläche A1 :
Für die spezifische Ausstrahlung folgt unmittel-
˚e
Me D D Le cos "1 ˝ : (6.74) bar
A1 Me D Le sin2 '1 ˝0 : (6.75)
Die spezifische Ausstrahlung wird in W/m2 ge- Von besonderem Interesse ist es, wenn der Strah-
messen. ler in den kompletten Halbraum emittiert. Der
Für einen Lambert-Strahler sei ein Zusam- Öffnungswinkel des Kegels beträgt dann '1 D
menhang zwischen der spezifischen Ausstrah- =2 und aus (6.75) folgt für die spezifische Aus-
lung und der Strahldichte hergeleitet. Der Sender strahlung des Lambert’schen Strahlers
schickt die Strahlung in einen Kegel mit dem hal-
ben Öffnungswinkel '1 , wie es Abb. 6.65 zeigt. M e D L e ˝0 : (6.76)
6.3 Radio- und Fotometrie 485
Tab. 6.4 Zusammenstellung radiometrischer Größen. Zeit, Fläche und Raumwinkel. Wenn dies nicht erfüllt ist,
Die vereinfachten Gleichungen gelten unter der Voraus- gelten die vereinfachten Gleichungen für die Mittelwerte
setzung, dass die Strahlungsenergie konstant ist bezüglich
Auf der Empfängerseite interessiert außer dem Die strahlungsphysikalischen Größen sind noch
auftreffenden Strahlungsfluss ˚e auch die Be- einmal in Tab. 6.4 zusammengestellt.
strahlungsstärke Ee , d. h. der auf die Empfänger-
fläche bezogene Strahlungsfluss Beispiel 6.3-1
Ein Flächenelement der Erde, das senkrecht
˚e
Ee D : (6.77) zur Sonne ausgerichtet ist, empfängt die Be-
A2 strahlungsstärke Ee D 1;35 kW=m2 (außer-
Die Maßeinheit der Bestrahlungsstärke ist halb der Atmosphäre). Diese Größe heißt So-
2
1 W/m . Für die Bestrahlungsstärke folgt larkonstante. Die Sonne erscheint unter dem
mit (6.68) und (6.69) das fotometrische Ent- halben Öffnungswinkel '2 D 160 . Wie groß ist
fernungsgesetz die spezifische Ausstrahlung Me der Sonne?
Ie ."1 / Lösung
Ee D cos "2 ˝0 : (6.78)
r2 Abb. 6.66 zeigt schematisch die kugelförmige
Wird ein Empfänger eine bestimmte Zeitspanne Sonne mit Radius r sowie einen Empfänger
t bestrahlt, dann ergibt das Produkt aus Be- auf der Erde im Abstand R .R
r/. Die
strahlungsstärke und Zeit die Bestrahlung He ; Kugelschicht auf der Sonne, begrenzt durch
nämlich die auftreffende Energie je Flächenein- die Winkel "1 und "1 C d"1 , hat die Fläche
heit: He D Ee t, gemessen in W s=m2 D J=m2 . dA1 D 2 r 2 sin "1 d"1 . Von ihr fällt der Strah-
Allgemein gilt lungsfluss
Z
dA1 cos."1 C "2 / A2 cos "2
He D Ee .t/dt : (6.79) d˚e D Le ˝0
R2
486 6 Optik
Abb. 6.66 Zur Ableitung der spezifischen Ausstrahlung Abb. 6.67 Strahlungsverhältnisse bei der optischen Ab-
der Sonne (zu Beispiel 6.3-1) bildung
auf den Empfänger. Infolge des großen Ab- Strahlungsfluss, der von der Linse aufgenommen
stands von Erde und Sonne gilt in guter Nä- wird, ist nach (6.75)
herung cos."1 C "2 / D cos "1 und cos "2 D 1.
Damit sind ˚e D A1 Le;1 sin2 '1 ˝0 : (1)
Die gesamte Bestrahlungsstärke erhält man Für schlanke Strahlenbüschel gilt sin ' ', so-
durch Integration über alle Winkel "1 von 0 bis dass aus (1) und (2) folgt
=2:
!2 Le;1 A1 '12 D Le;2 A2 '22 :
r
Ee D Le ˝0 :
R Nun ist aber nach der Helmholtz-Lagrange’schen
Für das Verhältnis der Längen gilt r=R '2 . Gleichung (6.23) y1 '1 D y2 '2 oder A1 '12 D
2
Nach (6.76) ist Me D Le ˝0 ; damit folgt A2 '2 .
Ee D Me '22 . Die spezifische Ausstrahlung der Daraus ergibt sich, dass die Strahldichte für
Sonne ist somit Gegenstand und Bild gleich groß ist, d. h. Le;1 D
Le;2 . Selbstverständlich kann sich die Bestrah-
Ee 1;35 103 W=m2 lungsstärke Ee ändern. Falls der Strahlungsfluss
Me D 2 D 3/
D 62;4 MW=m2 : vom Objekt verlustlos zum Bild gelangt, hängt
'2 .4;65 10 2
Spektrale Größen
Abb. 6.69 Hohlraumstrahler
Wenn die Strahlung über einen größeren Wellen-
längenbereich verteilt ist, werden zur Charakteri-
sierung der Wellenlängenabhängigkeit spektrale sendet in Abhängigkeit von seiner Temperatur
strahlungsphysikalische Größen erforderlich. Zu elektromagnetische Strahlung aus. Diese Strah-
jeder Größe Xe wird die spektrale Größe Xe; de- lung wird sichtbar, wenn die Temperatur etwa
finiert als 600 ı C erreicht (Rotglut). Mit steigender Tempe-
dXe
Xe; D : (6.80) ratur verschiebt sich die Glühfarbe über hellrot
d
(850 ı C), gelb (1000 ı C) nach weiß (1300 ı C).
So ist z. B. die spektrale Strahldichte Le; D Der spektrale Verlauf der ausgesandten Strahlung
dLe =d, gemessen in W/(m2 sr nm). ist für einen schwarzen Körper theoretisch be-
Die spektralen strahlungsphysikalischen Grö- rechenbar. Ein schwarzer Körper zeichnet sich
ßen Xe; werden mit einem Spektrometer experi- dadurch aus, dass er alle auftreffende Strahlung
mentell bestimmt. Die jeweilige Größe Xe erhält absorbiert; sein Reflexionsvermögen ist null. Ein
man bei bekanntem Xe; durch Integration: schwarz gestrichener oder berußter Körper er-
füllt diese Bedingung nur unvollkommen, sehr
Z2 gut dagegen ein kleines Loch in der Wand eines
Xe D Xe; ./d : (6.81) Hohlraums. Abb. 6.69 zeigt die technische Aus-
1 führung eines solchen Hohlraumstrahlers. Licht-
strahlen, die durch das Loch ins Innere gelangen,
Der spektrale Strahlungsfluss einer blauen LED
werden vielfach reflektiert und gestreut, bis sie
ist in Abb. 6.68 wiedergegeben. Die Breite sol-
schließlich absorbiert werden. Es besteht nur eine
cher LED-Spektren ist typischerweise
geringe Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Strahl
40 nm.
wieder durch das Loch nach außen gelangt. Die-
Von großer praktischer Bedeutung ist das
ses erscheint daher absolut schwarz. Heizt man
Spektrum der Temperaturstrahler. Jeder Körper
die Wände des Hohlraums, tritt aus der Öffnung
Strahlung, die bei höherer Temperatur sichtbar
wird. (Das Loch ist dann selbstverständlich nicht
mehr schwarz.)
Eine gültige theoretische Beschreibung des
Spektrums der Wärmestrahlung (s. auch Ab-
schn. 6.5.3) gelang 1900 M. P LANCK (1858 bis
1947). Danach gilt für die spektrale Strahldichte
c1 1 1
Le; .; T / D : (6.82)
5 ec2 =T 1 ˝0
Die Konstanten c1 und c2 in der Planck’schen
Strahlungsgleichung sind
der Wellenlänge ist in Abb. 6.70 dargestellt. Dieses Stefan-Boltzmann’sche Gesetz wird übli-
Hat der Strahler eine Temperatur nahe der Raum- cherweise für die spezifische Ausstrahlung Me
temperatur, liegt die maximale Emission bei geschrieben:
10 m. Mit zunehmender Temperatur verschiebt
sich das Maximum ins sichtbare Gebiet. Bei T D Me .T / D T 4 (6.84)
6000 K, etwa der Temperatur an der Sonnenober-
fläche entsprechend, liegt das Maximum mitten mit der Konstanten
im sichtbaren Spektralbereich 0;38 m < < 2 5 k 4
0;78 m. D D 5;670 108 W=.m2 K4 / :
15h3 c 2
Die gestrichelte Hyperbel (in der doppelt-
logarithmischen Darstellung eine Gerade) in
Abb. 6.70 verbindet die Maxima der Strahlungs- 6.3.3 Zur Übung
isothermen. Die Verschiebung des Maximums
mit der Temperatur wird durch das Wien’sche Ü 6-36 Um die Strahlungseigenschaften einer
Verschiebungsgesetz beschrieben (W. W IEN, Leuchtdiode zu messen, wird gemäß Abb. 6.63
1864 bis 1928): ein Detektor im Abstand r D 0;5 m um die LED
max T D konstant D 2898 m K : (6.83) geführt. Als Funktion des Winkels "1 registriert
man folgende Strahlungsleistungen ("2 D 0):
Die gesamte Strahldichte Le eines schwarzen
Körpers erhält man nach (6.81) durch Integrati- "1 in ı 0 30 45 60 80 90
on ausR der spektralen Strahldichte Le; gemäß ˚e in nW 62,0 53,3 43,8 31,7 10,8 0
Le D Le; d.
Sender- und Empfängerfläche sind A1 D
A2 D 1 mm2 . a) Berechnen Sie die Strahlstär-
ke Ie für die angegebenen Winkel. b) Prüfen Sie
nach, ob sich die LED wie ein Lambert-Strahler
verhält und zeichnen Sie ein Strahlungsdiagramm
analog Abb. 6.64. c) Wie groß ist die Strahldich-
te Le ? d) Welche spezifische Ausstrahlung hat die
LED? e) Wie groß ist die maximale Bestrahlungs-
stärke Ee des Empfängers?
Die in Abschn. 6.3.2 definierten strahlungsphy- Abb. 6.71 Hellempfindlichkeitsgrad des Standard-Beob-
sikalischen Größen lassen sich mit einem ge- achters. V ./: Tagessehen, fotopische Anpassung V 0 ./:
eichten Empfänger objektiv messen. Dient als Nachtsehen, skotopische Anpassung
Empfänger das Auge, so bewertet dieses die auf-
treffende Strahlung nach einer bestimmten Cha-
rakteristik. Betrachtet man beispielsweise eine Die Helligkeitsempfindung des Auges hängt
rote ( D 660 nm) und eine grüne Leuchtdiode also ab von der Strahlungsleistung ˚e , die ins
( D 560 nm), die beide dieselbe Strahlungs- Auge gelangt, und vom Hellempfindlichkeitsgrad
leistung abgeben, dann erscheint im Vergleich V ./. Der Lichtstrom ˚v (Index v für visuell)
die grüne LED etwa 16 mal heller als die rote. ist ein Maß für den Helligkeitseindruck. Für mo-
Die Augenempfindlichkeit hängt also offensicht- nochromatische Lichtquellen gilt bei fotopischer
lich stark von der Wellenlänge des Lichtes ab. Anpassung
Da die Helligkeitsempfindung von einem zum
anderen Beobachter schwankt, wurden mit ei- ˚v D Km ˚e V ./ : (6.85)
ner großen Anzahl von Testpersonen Vergleiche
durchgeführt. So entstand der Hellempfindlich- Die Konstante Km wird als Maximalwert des
keitsgrad des Standard-Beobachters, der von der fotometrischen Strahlungsäquivalents bei Tages-
Commission Internationale de l’Eclairage (CIE) sehen bezeichnet. Sie ist eng verknüpft mit der
festgelegt wurde. weiter unten eingeführten Maßeinheit für die
Abb. 6.71 zeigt den spektralen Verlauf des Lichtstärke, der Candela, und beträgt Km D
Hellempfindlichkeitsgrads. Bei Tageslicht (Zap- 683 lm=W (Lumen/Watt).
fensehen, fotopische Anpassung) ist der Hell-
empfindlichkeitsgrad V ./. Bei Nacht (Stäb- Beispiel 6.3-2
chensehen, skotopische Anpassung) wird der Eine rote LED emittiert Licht der Wellenlänge
Hellempfindlichkeitsgrad durch die Kurve V 0 ./ D 660 nm. Die Strahlungsleistung beträgt
beschrieben; beide Kurven sind auf 1 normiert. ˚e D 46 W. Wie groß ist der Lichtstrom ˚v ?
Offensichtlich spricht das Auge bei Nacht auf
Blautöne stärker an als am Tage (Purkinje- Lösung
Effekt). Die Zahlenwerte für V ./ und V 0 ./ sind Bei D 660 nm ist der Hellempfindlichkeits-
in DIN 5031 tabelliert. grad V ./ D 6;1 102 . Damit errechnet sich
490 6 Optik
Der Maximalwert des fotometrischen Strah- Die lichttechnischen Größen haben Maßein-
lungsäquivalents bei Nachtsehen beträgt Km0 D heiten, die mit der SI-Basiseinheit für die Licht-
1699 lm=W. Im Folgenden sind nur noch die stärke 1 cd (Candela) verknüpft sind. Die Can-
Gleichungen für das Tagessehen angegeben. Die dela ist die Lichtstärke einer Strahlungsquelle,
Beziehungen für das Nachtsehen entsprechen den die monochromatische Strahlung der Frequenz
vorgenannten Darlegungen. 540 1012 Hz in eine bestimmte Richtung aus-
Ist die Strahlung nicht monochromatisch son- sendet und deren Strahlstärke in dieser Richtung
dern spektral breitbandig, dann muss für die Ie D 1=683 W=sr beträgt (Abschn. 1.3).
Berechnung des Lichtstroms über das sichtbare Licht mit der Frequenz f D 540 THz hat
Spektrum integriert werden: die Wellenlänge D 555 nm. Der Hellempfind-
lichkeitsgrad ist in diesem Fall V .555 nm/ D 1.
Z nm
780
Somit gilt für die Lichtstärke 1 Candela
˚v D Km ˚e; ./V ./d : (6.87)
380 nm 1 W
Iv D 1 cd D Km Ie D Km :
So wie die Strahlungsleistung nach der Bewer- 683 sr
tung durch das Auge in den Lichtstrom umge- Hieraus folgt sofort für den Umrechnungsfak-
wandelt wird, kann für jede andere strahlungs- tor Km der bereits genannte Wert Km D
physikalische Größe Xe eine entsprechende licht- 683 .cd sr/=W D 683 lm=W. Als abgeleitete
technische Größe Xv angegeben werden. Die Einheiten sind für den Lichtstrom das Lumen
Berechnung erfolgt nach (1 lm D 1 cd sr) und für die Beleuchtungsstärke
Z nm
780 das Lux (1 lx D 1 lm=m2 ) eingeführt.
Xv D Km Xe; ./V ./d : (6.88) In Tab. 6.6 sind einige in der Praxis vor-
kommende Werte für den Lichtstrom zusam-
380 nm
mengestellt. Daten zur Beleuchtungsstärke zeigt
Die Bezeichnungen dieser neuen lichttechni- Tab. 6.7. Die Anforderungen an die Beleuch-
schen Größen sind zusammen mit ihren Maßein- tungsstärke in Innenräumen sind in DIN 5035
heiten in Tab. 6.5 den entsprechenden strahlungs- niedergelegt. Beleuchtungsstärken für Straßenbe-
physikalischen Größen gegenübergestellt. leuchtung findet man in DIN 5044. Die lichttech-
6.3 Radio- und Fotometrie 491
Tab. 6.7 Daten zur Beleuchtungsstärke Tab. 6.8 Primärvalenztripel Rot, Grün und Blau
Beleuchtung Beleuchtungsstärke Farbe Wellenlänge relative Strah-
Sonne, Sommer 70.000 lx lungsleistung
Sonne, Winter 5500 lx Rot R 700,0 nm 72,096
Tageslicht, bedeckter Himmel 1000 bis 2000 lx Grün G 546,1 nm 1,3791
Vollmond 0,25 lx Blau B 435,8 nm 1,0000
Sterne ohne Mond, klare Nacht 103 lx
Grenze der Farbwahrnehmung 3 lx
Arbeitsplatzbeleuchtung, hohe 1000 lx
Ansprüche
Wohnzimmerbeleuchtung 120 lx
Straßenbeleuchung 1 lx bis 16 lx
Ü 6-40 Eine gelbe LED emittiert Licht bei empfunden wird. Deshalb wurden Methoden ent-
D 590 nm. Die Emissionsfläche beträgt wickelt, um eine Farbe durch Maßzahlen objektiv
A1 D 0;5 mm2 . Die Abstrahlungscharakteris- zu charakterisieren. Mit solchen Maßzahlen kann
tik gehorcht dem Lambert’schen Cosinus-Gesetz. eine bestimmte Farbe überwacht und reproduziert
Im Abstand r D 1 m unter dem Winkel "1 D werden. Die Grundlagen der Farbmessung sind in
30ı zur Sendernormalen (Abb. 6.63) befindet DIN 5033 festgelegt.
sich ein Empfänger ("2 D 0) mit der Fläche Zur eindeutigen Kennzeichnung einer Farbe
A2 D 20 mm2 . Die auf den Empfänger fallen- genügen drei Angaben: entweder abstrakte Zah-
de Strahlungsleistung beträgt ˚e D 1;2 108 W. len oder anschauliche Begriffe wie Farbton, Sät-
a) Wie groß ist der Lichtstrom ˚v , der auf tigung und Helligkeit. Durch Farbmischung kann
den Detektor trifft? (Die Augenempfindlichkeit mithilfe von drei beliebigen, aber voneinander
ist V .590 nm/ D 0;757.) b) Berechnen Sie unabhängigen Grundfarben (sogen. Primärvalen-
die Beleuchtungsstärke am Ort des Empfängers. zen) jede beliebige Farbe erzeugt werden. Häufig
c) Unter welchem Raumwinkel ˝ erscheint der werden für Farbmischversuche die von der CIE
Detektor vom Sender aus? d) Wie groß ist die im Jahr 1931 festgelegten Primärvalenzen Rot,
Lichtstärke Iv .0/ der LED senkrecht zur strahlen- Grün und Blau verwendet, die in Tab. 6.8 näher
den Fläche? e) Wie groß ist die Leuchtdichte Lv beschrieben sind.
der LED? (Die LED kann als monochromatische
Lichtquelle angesehen werden.) Farbmischung
Bei additiver Farbmischung werden beispiels-
weise nach dem Schema von Abb. 6.72 drei Far-
6.3.6 Farbmetrik ben auf einer ideal weißen Wand überlagert. Die
Farben verschmelzen auch dann zu einer Misch-
Die verbale Beschreibung einer Farbe ist schwie- farbe, wenn sie nicht miteinander, sondern hinter-
rig, da der Farbeindruck subjektiv unterschiedlich einander in schneller Folge dem Auge dargeboten
492 6 Optik
werden (z. B. beim Farbenkreisel). Beim Farb- sättigten Spektralfarben nur so gemischt werden,
fernseher liegen kleine Farbelemente so dicht dass beispielsweise Rot zusammen mit der aus-
beieinander, dass sie vom Auge nicht mehr ge- zumessenden Farbe genau so erscheint, wie die
trennt werden können und so eine Mischfarbe Mischung aus Grün und Blau (so genannte äuße-
entsteht. Die additive Mischung des Sonnenlichts re Mischung):
ergibt die Farbe Weiß. Ebenso ergibt sich Weiß,
wenn zwei sogen. Komplementärfarben additiv F C RR D GG C BB ; oder
gemischt werden, z. B. F D RR C GG C BB :
Rot – Blaugrün, Orange – Blau, Gelb – Vio-
lett. Die Nachteile negativer Farbmaßzahlen umgeht
Bei der additiven Mischung zu „Weiß“ ent- man durch eine rechnerische Koordinatentrans-
steht je nach Helligkeit der verwendeten Licht- formation auf ein anderes Primärvalenzsystem,
quellen die Reihe der unbunten Farben von Weiß in dem nur positive Farbmaßzahlen vorkommen.
über verschiedene Graustufen bis Schwarz. Von der CIE wurde deshalb 1931 ein Normva-
Werden mithilfe von Farbfiltern aus weißem lenzsystem mit den Normvalenzen X , Y und Z
Licht spektrale Anteile entfernt, entsteht durch eingeführt. Diese sind zwar physikalisch nicht er-
subtraktive Farbmischung farbiges Licht (z. B. zeugbar, trotzdem kann jede Farbe in diesem vir-
beim Diapositiv). Wird eine bestimmte Farbe aus tuellen Primärvalenzsystem dargestellt werden:
dem Spektrum entfernt, so verbleibt als Misch-
farbe seine Komplementärfarbe. Mit drei passend F D XX C Y Y C ZZ : (6.89)
gewählten Filtern (z. B. Blaugrün, Gelb und Pur-
pur) kann die ganze Reihe der unbunten Farben Die Normfarbwerte X, Y und Z werden folgen-
erzeugt werden. Körperfarben undurchsichtiger dermaßen berechnet:
Körper beruhen auf selektiver Remission. So ent- Z
steht beispielsweise das Blattgrün der Pflanzen
X Dk N
' x./ d ;
dadurch, dass das Chlorophyll im roten Spektral-
Z
bereich (640 nm 680 nm) absorbiert und
Y Dk N
' y./ d ;
deshalb die Komplementärfarbe grün vom Blatt
Z
remittiert wird.
ZDk ' zN ./ d : (6.90)
Farbmaßzahlen
Eine Strahlung, die auf das Auge trifft und k ist eine geeignet wählbare Konstante,
schließlich eine bestimmte Farbempfindung aus- N
x./; N
y./ N
und z./ sind die Normspektral-
löst, wird beschrieben durch die als Farb- werte, die durch Messungen mit Testpersonen
gefunden wurden und durch die CIE 1931
reizfunktion ' bezeichnete spektrale Strahlungs-
verteilung. Zur Bestimmung der Maßzahlen einer für den farbmetrischen Normalbeobachter mit
Farbe F kann man beispielsweise durch additive 2ı -Gesichtsfeldgröße festgelegt wurde. Weitere
Farbmischung aus den drei Primärvalenzen R, G Funktionen für ein Gesichtsfeld von 10ı wur-
und B eine Farbe erzeugen, die der vorgegebe- den 1964 definiert. Die Normspektralwerte sind
nen Farbe gleich ist. In einem dreidimensionalenin DIN 5033 in Schritten von D 5 nm
Farbraum, der von den drei Basisvektoren R, G tabelliert und in Abb. 6.73 dargestellt. In der
und B aufgespannt wird, kann jede Farbe F ein- Praxis werden obige Integrale über Summen be-
deutig als Vektor dargestellt werden: rechnet. Im 2ı -Normvalenzsystem ist die Norm-
N
spektralwertfunktion y./ identisch mit dem in
F D RR C GG C BB Abb. 6.71 dargestellten Hellempfindlichkeitsgrad
V ./. Dadurch ist der Normfarbwert Y propor-
Die Farbmaßzahlen R; G und B sind nicht immer tional zu den fotometrischen Größen wie Leucht-
positiv. Insbesondere können viele der hoch ge- dichte, Lichtstrom usw.
6.3 Radio- und Fotometrie 493
N
Abb. 6.73 Normspektralwertfunktionen x./, N
y./ und
zN ./ für den farbmetrischen Normalbeobachter mit 2ı -
Gesichtsfeldgröße. Die Kurven sind so normiert, dass die
Fläche unter den Kurven gleich ist Abb. 6.74 Normfarbtafel für das 2ı -Normvalenzsystem.
E: Farbort des energiegleichen Spektrums (Unbuntpunkt).
1; 1,5; 2 : : : 10: Farborte des schwarzen Strahlers mit Tem-
Farbtafel peraturen in 1000 K. Innerhalb des gestrichelten Dreiecks
liegen die Farborte, die sich mit einer Farbfernsehbildröh-
Verzichtet man beispielsweise auf die Angabe
re realisieren lassen
der Helligkeit, dann kann die Farbart durch zwei
Angaben gekennzeichnet werden. Anstelle der
dreidimensionalen Darstellung einer Farbvalenz
durch die Normfarbwerte X, Y und Z wird des- Beispiel 6.3-3
halb in der Praxis meist eine Darstellung in einer Welche Normfarbwertanteile x und y hat
ebenen Normfarbtafel bevorzugt. Dazu werden gelbes Natriumlicht der Wellenlänge D
die Normfarbwertanteile 589 nm, das von einer Spektrallampe ausge-
sandt wird?
X
xD ;
X CY CZ Lösung
Y Für spektral schmalbandiges Licht gilt
yD ; nach (6.90) X D k x./,N Y D k y./
N
X CY CZ
Z und Z D k z./.N Die Normspektralwerte
zD (6.91) für D 589 nm können durch lineare In-
X CY CZ
terpolation aus der DIN 5033 entnommen
gebildet und y gegen x aufgetragen. Die Berech- werden: xN D 1;0168, yN D 0;7689 und
nung von z ist entbehrlich, denn x C y C z D 1. zN D 0;0012. Damit ergibt sich X = 1;0168 k,
Nach der Darstellung von Abb. 6.74 ist jeder Y D 0;7689 k und Z D 0;0012 k. Mit
Farbart in der Farbtafel ein Punkt zugeordnet. Die X C Y C Z D 1;7869 k folgt x D 0;5690,
Normfarbwertanteile der Spektralfarben bilden y D 0;4303 und z D 0;0007. Zur Kontrolle:
einen geschlossenen hufeisenförmigen Kurven- x C y C z D 1.
zug, den Spektralfarbenzug. Die Verbindungsge-
rade seiner Eckpunkte ist die Purpurgerade. Alle Der Unbuntpunkt E in Abb. 6.74 ist der Farb-
reellen Farben liegen innerhalb der so umschlos- ort des energiegleichen Spektrums, d. h. ' D
senen Fläche. konstant. Er hat die Normfarbwertanteile x D
494 6 Optik
Farbreizfunktion ' muss mit einem Spektral- 1801 gezeigt. Der Young’sche Interferenzversuch
fotometer gemessen werden. am Doppelspalt (Abschn. 6.4.1.10) beweist ein-
Beim Dreibereichsverfahren wird die Strah- deutig die Wellennatur des Lichtes.
lung auf drei verschiedene Detektoren gerich- Im Gegensatz zur Interferenz mechanischer
tet, deren spektrale Empfindlichkeit mithilfe Wellen ist die Interferenz von Licht nicht ganz
von Filterschichten den drei Normspektral- einfach zu beobachten. Eine wesentliche Bedin-
funktionen von Abb. 6.73 angepasst sind. Die gung für die Beobachtung stationärer Interferenz-
drei Empfängersignale sind damit proportio- muster ist die Kohärenz der wechselwirkenden
nal zu den Normfarbwerten X, Y und Z. Wellen. Zwei Wellen werden kohärent genannt,
wenn die gegenseitige Phasendifferenz während
der Beobachtungszeit konstant bleibt. Gibt es
6.3.7 Zur Übung zwischen zwei Wellen keine feste Phasenbezie-
hung, spricht man von inkohärenten Wellen. Das
Ü 6-41 Alle Farbarten, die sich durch Mischung spontan emittierte Licht eines heißen Körpers
aus zwei Ausgangsfarben herstellen lassen, lie- stammt von einzelnen voneinander unabhängi-
gen in der Normfarbtafel von Abb. 6.74 auf einer gen Atomen. Aus diesem Grund können Wellen,
Geraden. Zeigen Sie, dass man durch Mischen die von zwei verschiedenen Lichtquellen aus-
der Spektralfarben D 490 nm (Türkis) und gesandt werden, nicht miteinander interferieren.
D 600 nm (Orange) Weiß erzeugen kann. Es ist praktisch ausgeschlossen, dass zwischen
den unabhängig ausgestrahlten Wellenzügen eine
Ü 6-42 Die Farbreizfunktion einer LED wird feste Phasenbeziehung besteht. Zur Interferenz
näherungsweise
beschrieben
durch './ D des Lichtes müssen deshalb die interferierenden
.x 0 /2 Lichtwellen von demselben Punkt einer Licht-
k exp , mit 0 D 640 nm und D
2 2 quelle stammen. Experimentell ist dies mög-
17 nm. Bestimmen Sie die Normfarbwertanteile lich durch Aufspalten eines Lichtstrahls mithilfe
x und y des Lichts. von z. B. teildurchlässigen Platten und Spiegeln.
Abb. 6.75 zeigt die Überlagerung von zwei Wel-
lenzügen, die jeweils aus derselben Lichtquelle
6.4 Wellenoptik stammen.
Die elektromagnetischen Wellen, die von
6.4.1 Interferenz und Beugung Temperaturstrahlern ausgesandt werden, sind
nicht beliebig lang, sondern sie sind Wellen-
6.4.1.1 Kohärenz züge endlicher Länge (Abb. 5.65). Die Bedeu-
Die grundlegenden Gesetzmäßigkeiten der Wel- tung dieser Tatsache für die Interferenz geht aus
lenausbreitung gehen aus Abschn. 5.2 hervor. Der Abb. 6.75 klar hervor. Während in Abb. 6.75a
vorliegende Abschnitt soll spezielle Eigenschaf- die beiden Wellenzüge miteinander interferieren,
ten der Lichtwellen vertiefen. kommt es in Abb. 6.75b und c nicht zur Interfe-
In Abschn. 5.2.6 ist gezeigt, dass sich zwei renz. Der Grund ist offensichtlich: In Abb. 6.75b
Wellen derselben Frequenz auslöschen, wenn der ist die Wegdifferenz s zwischen den beiden Teil-
Gangunterschied
der beiden Wellen ein un- wellen größer als die Länge der beiden Wel-
geradzahliges Vielfaches der halben Wellenlänge lenzüge. Sie treffen deshalb nacheinander am
beträgt: Interferenzort ein und können nicht miteinander
interferieren. In Abb. 6.75c sind zwar die geo-
D .2m C 1/ I m D 0; 1; 2; : : : metrischen Wege gleich, das rechte Wellenpaket
2 läuft aber eine bestimmte Strecke durch ein Me-
Umgekehrt verstärken sich die Wellen beim dium (Brechungsindex n) und kommt infolge der
Gangunterschied
D m (Tab. 5.10). Dass sol- verminderten Ausbreitungsgeschwindigkeit ver-
che Interferenzeffekte auch bei Licht beobachtet spätet am Interferenzort an. Entscheidend für die
werden können, wurde erstmals von T. YOUNG Beobachtung der Interferenz ist daher, dass die
496 6 Optik
x2 y2
D1 (6.98)
a2 b 2
mit a D m.=2/ und b 2 D .d=2/2 a2 I d ist
der Abstand der beiden virtuellen Lichtquellen.
In großem Abstand von den Lichtquellen schmie-
gen sich die Hyperbeln an ihre Asymptoten an.
Dies sind Geraden, die aus dem Koordinatenur-
sprung kommen und mit der y-Achse die Winkel
˛m einschließen. Für die Asymptotenwinkel gilt
Abb. 6.76 Fresnel’scher Spiegelversuch sin ˛m D m : (6.99)
d
Der Abstand zwischen zwei Interferenzstreifen
der einzelnen Atome nicht miteinander korre- an der Wand ist proportional zur verwendeten
liert sind. Der Laser (Abschn. 6.5.4) ist eine Wellenlänge. Nimmt man Weißlicht anstelle von
Lichtquelle, bei der die einzelnen Atome bei der monochromatischem Licht, ist die konstruktive
Lichtaussendung miteinander kooperieren und Interferenzbedingung nur für die Interferenzli-
ihr Licht jeweils phasengerecht aussenden. Da- nie nullter Ordnung .m D 0/ zu erfüllen. Es
durch entsteht ein fast monochromatischer Wel- erscheint ein weißer Interferenzstreifen nullter
lenzug mit mehreren Kilometern Kohärenzlänge. Ordnung, der von schwarzen Streifen begrenzt
In der Praxis vorkommende Kohärenzlängen sind ist. Die Interferenzstreifen höherer Ordnung be-
in Tab. 6.9 zusammengestellt. kommen farbige Ränder.
Die Interferenz von Licht aus zwei kohären-
ten Lichtquellen wurde 1821 von A. J. F RES - 6.4.1.2 Zur Übung
NEL (1788 bis 1827) demonstriert. Im klassi-
schen Fresnel’schen Spiegelversuch wird nach Ü 6-43 Die theoretische Grenze der Frequenz-
Abb. 6.76 das Licht einer Lichtquelle L mithil- bandbreite eines Lasers ist f 1 Hz. Berech-
498 6 Optik
Beispiel 6.4-1
Eine Seifenlamelle mit der Dicke d D 350 nm
wird mit weißem Licht senkrecht beleuch-
tet. Welche Farbe hat das von der Seifenhaut
reflektierte Licht, wenn der Brechungsindex Abb. 6.78 Interferenzen an dünnen Schichten: a Reflex
n D 1;33 beträgt? vermindernde Schicht, b dielektrischer Spiegel
500 6 Optik
Brechungsindex nG sei eine dünne Schicht (Di- sodass man für das ganze sichtbare Spektrum ei-
cke d ) mit dem Brechungsindex n1 aufgebracht. ne merkliche Entspiegelung erhält. Das rötliche
Darüber sei Luft mit dem Brechungsindex n0 D oder violette Aussehen vergüteter Linsen kommt
1. Der einfallende Strahl e wird an zwei Grenz- daher, dass bevorzugt die Wellenlängen von den
flächen reflektiert und liefert die Strahlen r1 und Enden des sichtbaren Spektrums reflektiert wer-
r2 . Schichtdicke d und Brechungsindex n1 sind den.
nun so zu wählen, dass sich die beiden reflek- Eine spektral breitbandige Entspiegelung ist
tierten Strahlen auslöschen. Nach dem Energie- möglich, wenn drei /4-Schichten aufgedampft
erhaltungssatz hat dann der durchgehende Strahl werden.
d die ganze Strahlungsleistung des einfallenden
Strahls. Dielektrische Spiegel
Ist nG > n1 > n0 , dann entsteht sowohl Spiegel mit Reflexionsgraden von % > 99;9 %
r1 als auch r2 durch Reflexion am optisch dich- sind möglich mit dielektrischen Mehrfachschich-
teren Medium. Beide Strahlen erfahren also den ten, bei denen abwechselnd eine Schicht mit
Phasensprung . Bei senkrechtem Einfall ist des- hohem n1 und niedrigem Brechungsindex n2 auf
halb die Gangdifferenz der beiden Strahlen
D ein Substrat aufgebracht wird (Abb. 6.78b). Die
2 n1 d . Schichtdicken werden so gewählt, dass die opti-
Die Bedingung für Auslöschung ist
D schen Dicken ein Viertel der Vakuumwellenlänge
.2 m C 1/.=2/ oder .2 m C 1/.=2/ D 2n1 d . betragen:
Für m D 0 erhält man die kleinste Schichtdicke.
Sie beträgt ein Viertel der Lichtwellenlänge in der n1 d1 D n2 d2 D =4 : (6.104)
Schicht:
Da bei jeder Reflexion an einer Schicht mit hö-
dD : (6.103)
4 n1 herem Brechungsindex ein Phasensprung von
Eine vollständige Auslöschung der reflektierten oder =2 auftritt, sind die Gangunterschiede von
Wellen erreicht man nur, wenn deren Amplitu- jeweils zwei benachbarten reflektierten Strahlen
den gleich sind. Dies ist dann der Fall, wenn r1 und r2 eine ganze Wellenlänge. Es kommt
der Brechungsindex n1 des Vergütungsmaterials also zu konstruktiver Interferenz. Dielektrische
p Spiegel werden vorzugsweise als Laserspiegel
der Bedingung n1 D n0 nG genügt. Als Be-
schichtungssubstanzen haben sich z. B. Kryolith eingesetzt.
(Na3 AlF6 ) mit n D 1;33 und Magnesiumfluorid
(MgF2 ) mit n D 1;38 bewährt. Interferenzen gleicher Dicke
Fallen nach Abb. 6.79 zwei kohärente Strahlen
Beispiel 6.4-2
auf einen Keil, sodass sie sich im Punkt P wie-
Wie dick muss eine Entspiegelungsschicht aus der vereinigen, dann herrscht in P Helligkeit oder
MgF2 sein, um die Reflexe für sichtbares Licht Dunkelheit je nach Gangunterschied0
der beiden
( D 550 nm) zu verringern? Strahlen. Die beiden Strahlen 1 und 20 können
entweder mit einer Linse auf einem Schirm oder
mit der Augenlinse auf der Netzhaut vereinigt
Lösung
werden. Der Gangunterschied der beiden Teil-
Nach (6.103) ist die erforderliche Mindestdi-
wellen bestimmt sich bei kleinem Keilwinkel ˛
cke
550 nm nach (6.100) zu
dD D 100 nm :
4 1;38 p
D 2d n2 sin2 " :
2
Grundsätzlich gelingt die Beseitigung der Re-
flexe nur für eine diskrete Wellenlänge, z. B. für Da mit größer werdendem Abstand von der
die Mitte des sichtbaren Spektrums mit D Keilkante die Dicke d zunimmt, erhält man in re-
550 nm. Der Effekt ist aber nicht sehr selektiv, gelmäßigen Abständen helle und dunkle Interfe-
6.4 Wellenoptik 501
p
dm D R R2 rm2 . Für rm R gilt nähe-
rungsweise
1 rm2
dm : (2)
2R
Durch Kombination von (1) und (2) folgt für die
Radien der hellen Kreise
s
1
rm D mC R (6.105)
2
O cos.!t/ C E
E˛ D E O cos.!t C '/ C Der Vorfaktor E O 0 D p EO ist die Amplitude der
O cos.!t C 2'/ C Feldstärke, die aus der Überlagerung von p Wel-
CE
len ohne Phasenverschiebung resultiert, die also
CCE O cosŒ!t C .p 1/' : in Geradeausrichtung .˛ D 0/ beobachtet wird.
Beachtet man, dass die Intensität proportional
Diese Summe kann sehr einfach bestimmt wer- zum Quadrat der Feldstärke ist (Abschn. 5.2.2.2),
den, wenn die Wellen komplex geschrieben und dann ergibt sich für die Intensität I˛ der in Rich-
in der komplexen Ebene addiert werden: tung ˛ abgebeugten Strahlung
E ˛ D EeO j!t .e 0 C e j' C e j2' C C e j.p1/' / sin2 b sin ˛
I˛ D I0 2 : (6.107)
b
sin ˛
Abb. 6.86 zeigt die Addition der acht Zeiger, die
jeweils um den Phasenwinkel ' gegeneinander Abb. 6.87 zeigt die Intensitätsverhältnisse bei der
verdreht sind. Für die Länge des resultierenden Beugung am Spalt. Aufgetragen ist die mathe-
Zeigers liest man ab matische Funktion I˛ =I0 D sin2 x=x 2 mit x D
. b=/ sin ˛. Die Funktion hat Nullstellen (phy-
EO ˛ D 2r sin.˚=2/ mit ˚ D p' : sikalisch: Dunkelheit) für x D ˙ ; ˙2 ; ˙3
und so fort. Daraus folgt, dass sich die Teilwel-
len völlig auslöschen in den Richtungen mit den
Mit ' E=rO ergibt sich Winkeln ˛m , die gegeben sind durch die Bezie-
hung
EO p'
O ˛ D 2 sin
E : sin ˛m D ˙m (6.108)
' 2 b
506 6 Optik
Lösung
Abb. 6.87 Intensitätsverteilung bei der Beugung am Nach (6.108) gilt für die Winkel des ersten
Spalt Minimums sin ˛1 D ˙=b. Der Abstand der
beiden Minima ist deshalb
Lösung
Für die Wellenlänge D 550 nm folgt
aus (6.112) für den Grenzwinkel
Lösung
Mikroskope mit Ölimmersion haben eine ma-
ximale numerische Apertur von etwa AN D
1;4. Nach (6.113) gilt dann y = 0;44 . Dies
bedeutet also praktisch, dass zwei Teilchen
dann getrennt werden, wenn ihr Abstand ei-
ne halbe Wellenlänge beträgt. Beleuchtet man
das Objekt mit blauem Licht der Wellenlänge
D 450 nm, dann ist y = 200 nm.
Ü 6-51 Welchen Grenzwinkel können zwei Ob- Abb. 6.91 Beugung am Gitter
jektpunkte haben, damit sie mit dem Auge aufge-
löst werden? Der Pupillendurchmesser sei d D
2 mm. Der Glaskörper des Auges hat den Bre- Zur Berechnung der abgebeugten Intensität I˛
chungsindex n D 1;34. Die Berechnung soll für bei insgesamt p Spalten werden entsprechend
grünes Licht der Wellenlänge D 550 nm durch- Abb. 6.85 die Feldstärken von p interferierenden
geführt werden. Vergleichen Sie das Ergebnis mit Wellen addiert.
dem physiologischen Grenzwinkel. Zwei benachbarte Wellen haben den Gangun-
terschied
D g sin ˛; die Phasenwinkel unter-
Ü 6-52 Ab welcher Größe kann man Objekte auf scheiden sich um ' D .2 =/g sin ˛.
dem Mond mit dem bloßen Auge unterscheiden, Die Addition der p Wellen ergibt eine resul-
wenn die Augenpupille d D 4 mm Durchmesser tierende Feldstärke !
hat? g
p' sin p sin ˛
O 0 sin
E O0
E
Ü 6-53 Ein Wanderer betrachtet eine s D 15 km EO˛ D 2 D ! :
weit entfernte Burg. An einer Burgwand befindet p sin ' p g
2 sin sin ˛
sich eine Fensterfront mit Fenstern im Abstand
y D 1 m. a) Kann er mithilfe eines Fernroh- Für die Intensität erhält man
res 8 30 die Fensterreihe auflösen? b) Welches !
Auflösungsvermögen hat sein Auge bei einer Pu- g
sin2 p sin ˛
pillengröße von d D 1;5 mm? I0
I˛ D 2 ! :
p
2 g
6.4.1.10 Beugung am Gitter sin sin ˛
Mehrere Spalte, die nach dem Muster gemäß
Abb. 6.91 in regelmäßigen Abständen angeord- Die Intensitätsverteilung infolge der Beugung an
net sind, bezeichnet man als Beugungsgitter. Ein jedem einzelnen Spalt wird durch (6.107) berück-
solches Gitter kann z. B. so hergestellt werden, sichtigt.
dass in eine durchsichtige Glasplatte Striche ein- Die gesamte Gitterbeugungsfunktion lautet
geritzt werden, die lichtundurchlässig sind. Die
Breite eines Spaltes sei b, der Abstand zweier 2 b
sin sin ˛
Spalte ist die Gitterkonstante g. Senkrecht zur I˛
D 2
Zeichenebene seien die Spalte unbegrenzt. Bei I0 b
Fraunhofer’scher Beobachtung fällt von links her sin ˛
ein paralleles Lichtbündel (ebene Wellen) auf g
2
das Gitter. Beobachtet wird die in Richtung des sin p sin ˛
: (6.114)
Winkels ˛ abgebeugte Intensität I˛ in unendlich 2 2 g
p sin sin ˛
großer Entfernung (Abb. 6.83b).
510 6 Optik
Die Gitterbeugungsfunktion ist ein Produkt Abb. 6.93 Interferenzfunktion bei p D 2; 4 und 8 Spal-
ten
aus zwei Faktoren; hierbei beschreibt der erste
Faktor I1 die Beugungsfunktion des Einzelspal-
tes, der zweite Faktor I2 die Interferenzfunktion Interferenzfunktion
des Gitters.
sin2 .p z/ g
Zunächst sei der historisch bedeutsame Fall I2 D mit z D sin ˛
des Doppelspalts .p D 2/ angeführt. Mithilfe p 2 sin2 .z/
eines Doppelspalts wurde 1802 von Young erst- betrachtet. Wie Abb. 6.93 zeigt, hat diese
mals ein Interferenzversuch mit Licht erfolgreich Funktion Hauptmaxima bei den Stellen z D
durchgeführt und die Wellennatur des Lichtes be- 0; ˙ ; ˙2 : : : Hauptmaxima treten also auf un-
wiesen. Young bestimmte damit als erster die ter den Winkeln ˛m , die die Gleichung
Wellenlänge des Lichtes. Abb. 6.92 zeigt die In-
tensitätsverteilung bei der Beugung am Doppel- sin ˛m D ˙m (6.115)
spalt. Man sieht deutlich die langsam variierende g
Einhüllende der Spaltfunktion, die die rasch vari- mit m D 0; 1; 2; : : : erfüllen. Bei diesen Win-
ierende Interferenzfunktion moduliert. keln beträgt der Gangunterschied benachbarter
Für die allgemeine Untersuchung des Auftre- Wellen ein ganzzahliges Vielfaches der Wellen-
tens von Maxima und Minima wird zunächst die länge. Das Ergebnis stimmt mit (1) aus Tab. 5.10
6.4 Wellenoptik 511
Beispiel 6.4-6
Mit einem Gitter mit der Strichanzahl p D
120:000 bei 1200 Strichen/mm sollen die bei-
den Natrium-D-Linien getrennt werden. Ist
dies möglich? Wie groß ist der nutzbare
Wellenlängenbereich ? Die Wellenlängen Abb. 6.100 Schema eines Prismenspektrometers
betragen 1 D 589;5930 nm und 2 D
588;9963 nm.
D 633 nm unter dem Einfallswinkel ˇ D 50ı .
a) Wie groß ist der Beugungswinkel ˛1 für die
Lösung
erste Ordnung? b) Wie groß muss der Blaze-
Mit dem genannten Gitter kann nur in der ers-
Winkel ı sein, damit maximale Intensität in der
ten Ordnung gemessen werden, da für m > 1
ersten Ordnung auftritt?
nach (6.115) der Sinus des Beugungswinkels
größer als 1 wäre. Das Auflösungsvermögen
Ü 6-58 Die beiden Natrium-D-Linien mit 1 D
beträgt somit =d D 1;2 105 . Erforderlich
589;5930 nm und 2 D 588;9963 nm sollen mit
ist zur Trennung der D-Linien
einem Gitter getrennt werden, das 50 Striche/mm
589 nm hat. a) Wie breit muss das Gitter mindestens sein,
D D 987 : wenn in der ersten Ordnung gemessen werden
d 0;5967 nm
soll? b) Welches Auflösungsvermögen hat dieses
Das genannte Gitter kann also mehr als hun- Gitter, wenn es in der dritten Ordnung benutzt
dert mal feinere Wellenlängendifferenzen auf- wird?
lösen. Der nutzbare Wellenlängenbereich ist
D D 589 nm. Ü 6-59 Welche Basisbreite muss ein Prisma
mindestens haben, damit man mit ihm die bei-
Ist ein Spektrum mit einem großen Wellenlän- den Na-D-Linien auflösen kann? Das Prisma aus
genbereich zu untersuchen, muss eine Vorzerle- Flintglas F3 hat bei D 589 nm die Dispersion
4 1
gung des Spektrum beispielsweise mithilfe eines dn=d D 8;5 10 m .
Prismenmonochromators durchgeführt werden,
der in Abb. 6.100 schematisch dargestellt ist. Die 6.4.1.14 Röntgenbeugung an
Trennung benachbarter Wellenlängen (ausgezo- Kristallgittern
gene und gestrichelte Strahlen) hängt ab von der Die Röntgenbeugung an Raumgittern ist von be-
Basislänge B des Prismas sowie von der Disper- sonderer Wichtigkeit bei der Untersuchung der
sion dn=d des Glases. Das Auflösungsvermögen Kristallstruktur fester Körper. Zur Herleitung der
eines Prismas beträgt (ohne Beweisführung an wesentlichen Beziehungen sei als erstes die Beu-
dieser Stelle) gung einer Lichtwelle an einer linearen Punktrei-
ˇ ˇ
ˇ dn ˇ he nach Abb. 6.101a betrachtet. Parallele Strahlen
D B ˇˇ ˇˇ : (6.121)
d d sollen unter dem Glanzwinkel ˛0 gegen die x-
Achse auf die Punktreihe fallen. Die an den ein-
Im Allgemeinen haben Gitterspektrometer ein zelnen Punkten gestreuten Lichtwellen interferie-
höheres Auflösungsvermögen als Prismenspek- ren konstruktiv miteinander, wenn der Gangun-
trometer. Letztere haben aber keine Begrenzung terschied zwischen zwei benachbarten Strahlen
im nutzbaren Wellenlängenbereich. ein ganzes Vielfaches der Wellenlänge beträgt.
Aus Abb. 6.101a folgt sofort, dass Interferenz-
6.4.1.13 Zur Übung maxima auftreten für die Winkel ˛ gegen die
x-Achse, für die gilt
Ü 6-57 Auf ein Echelette-Gitter mit 450 Stri-
chen/mm fällt das Licht eines HeNe-Lasers mit a .cos ˛ cos ˛0 / D h (6.122)
6.4 Wellenoptik 515
a .cos ˛ cos ˛0 / D h ;
b .cos ˇ cos ˇ0 / D k ;
c .cos cos 0 / D l (6.123)
Lösung
Nach (6.124) gilt
Abb. 6.107 Pulvermethode nach Debye-Scherrer: a De- fisches Positiv). Foto: Max-Planck-Institut für Metallfor-
bye-Scherrer-Kamera (schematisch), b Debye-Scherrer- schung, Stuttgart
Aufnahme einer Palladium-Silicium-Legierung (fotogra-
Abb. 6.108 Prinzip der Holografie. a Überlagerung einer Kugelwelle des Punktes P mit einer ebenen Referenzwelle,
b Hologramm (Fresnel’sches Zonensystem), c Wiedergabe des Bildes
Anwendungen
Einen Überblick über die wichtigsten technischen
Anwendungen der Holografie zeigt Tab. 6.11.
Für die Speicherung von Informationen sind
Hologramme besonders gut geeignet, weil in
jedem Punkt des Hologramms die Information
vom ganzen Objekt steckt. Dies bedeutet prak-
tisch, dass selbst ein Teilstück eines zerbroche-
nen Hologramms bei der Rekonstruktion wieder
das gesamte dreidimensionale Bild liefert (aller-
dings konstrastärmer als das Bild eines vollstän-
Abb. 6.110 Reflexion von weißem Licht an den Schwär- digen Hologramms). Ein Hologramm ist daher
zungsebenen eines Weißlichthologramms ein gegen Informationsverlust geschützter Spei-
cher. Hat man digitale Daten in Form von ebe-
nen Punktmustern vorliegen, dann kann man auf
an seine alte Stelle und beleuchtet es mit der Re- einem Hologramm mehrere hundert Vorlagen ab-
ferenzwelle. Für das Auge A entsteht dann ein speichern. Dazu wird nach jeder Aufnahme das
dreidimensionales Bild B an der Stelle, wo vor- Hologramm um einen definierten Winkel gedreht
her das Objekt stand. (Winkelkodierung). Bei der Wiedergabe kann
Für die Wiedergabe des Bildes ist in der Re- je nach Winkel zwischen Hologramm und Re-
gel derselbe Laser wie bei der Aufnahme erfor- ferenzwelle ein bestimmtes Teilbild ausgelesen
derlich. Ein Weißlichthologramm kann dagegen werden. Man rechnet mit einer Speicherkapazität
auch mit weißem Licht betrachtet werden. Bei von 1011 bis 1012 bit auf einem Hologramm.
der Aufnahme eines Weißlichthologramms fällt Bei der holografischen Korrelation wird zu-
die Gegenstandswelle z. B. von vorn, die Re- nächst von einem Muster ein Hologramm aufge-
ferenzwelle von hinten auf die Fotoplatte. Da- nommen. Bei der Wiedergabe sitzt ein Bauteil,
durch bilden sich stehende Wellen aus, die ge- das mit dem Muster verglichen werden soll, an
mäß Abb. 6.110 im Abstand =2 die Fotoplat- der Stelle des Objekts. Beleuchtet man das Holo-
te schwärzen. Bei dicker Emulsion erhält man gramm nur noch mit der Objektwelle (Referenz-
damit mehrere praktisch parallel übereinander welle ausgeschaltet), dann wird durch Beugung
liegende Hologramme. Die Betrachtung des Ho- der Objektwelle am Hologramm die Referenz-
logramms erfolgt in Reflexion. Weißes Licht fällt welle rekonstruiert, die auf einen Fotodetektor
auf die verschiedenen einzelnen Hologramme fokussiert werden kann. Dies gelingt ideal, wenn
und wird an ihnen reflektiert wie an den Netz- die beiden zu vergleichenden Bauteile formgleich
ebenen eines Kristalls. Nach der Bragg’schen sind. Weicht die Form des Prüflings vom Muster
Gleichung (6.124) wird nur einfarbiges Licht ab, so wird ein abweichender Fotostrom regis-
reflektiert. Je nach Blickrichtung erscheint das triert, dessen Abweichung vom Sollwert ein Maß
Bild in einer anderen Farbe. Verwendet man bei für den Formfehler des Objektes ist. Dieses Prüf-
der Aufnahme drei Laser mit den Farben rot, verfahren ist kaum zeitaufwändig und kann auto-
grün und blau, so werden in verschiedenen Tie- matisiert werden.
fen der Emulsion Hologramme für rotes, grünes Die Interferenzholografie ist eine wichtige
bzw. blaues Licht erzeugt. Bei Betrachtung die- Methode in der zerstörungsfreien Werkstoffprü-
ses Farbhologramms mit weißem Licht entsteht fung, der Verformungs- und Schwingungsanalyse
durch additive Farbmischung ein farbiges Bild von Bauteilen. Bewegungen oder Verformungen
des Gegenstands. aufgrund mechanischer oder thermischer Belas-
6.4 Wellenoptik 521
Abb. 6.115 Doppelbrechender Kalkspat te Ebene, die sowohl den Lichtstrahl als auch
die optische Achse enthält, wird Hauptschnitt ge-
nannt. Es zeigt sich, dass der Lichtstrahl in zwei
Teilstrahlen aufspaltet. Der ordentliche Strahl o
geht ungebrochen durch die Grenzfläche, wie
man es von den Gläsern gewohnt ist. Der au-
ßerordentliche Strahl e (extraordinär) wird seit-
lich abgelenkt. Eine Untersuchung mit Hilfe ei-
nes Analysators zeigt, dass die beiden Strahlen
Abb. 6.116 Optische Achse eines Kalkspats senkrecht zueinander polarisiert sind. Beim or-
dentlichen Strahl liegt die Schwingungsrichtung
senkrecht zum Hauptschnitt, beim außerordentli-
(Rauten), bei denen jeweils zwei gegenüberlie- chen liegt sie im Hauptschnitt.
gende Winkel 102ı bzw. 78ı betragen. Die strich- Die Geschwindigkeit, mit der sich ordentli-
punktierte Achse geht durch zwei gegenüberlie- che Strahlen ausbreiten, ist in jeder Raumrich-
gende Ecken, an denen drei 102ı -Winkel zusam- tung gleich. Wellenflächen von Elementarwellen
menstoßen. Sie wird kristallografische Haupt- sind daher Kugeln. Bei außerordentlichen Strah-
achse oder optische Achse genannt. Sie ist eine len ist die Lichtgeschwindigkeit richtungsabhän-
dreizählige Symmetrieachse des Kristalls. gig. Wellenflächen sind in diesem Fall Rotati-
In Abb. 6.117 fällt ein Strahl senkrecht auf onsellipsoide, wie sie in Abb. 6.118 dargestellt
eine Spaltfläche eines Kalkspats. Die gezeichne- sind. In Richtung der optischen Achse ist die
Ausbreitungsgeschwindigkeit für beide Polarisa-
tionsrichtungen gleich. Senkrecht dazu ergeben
sich die größten Abweichungen. In negativen
Kristallen ist die Lichtgeschwindigkeit des außer-
ordentlichen Strahls größer, in positiven kleiner
als die des ordentlichen Strahls. Quantitativ wird
dies beschrieben durch zwei verschiedene Bre-
chungsindizes; Tab. 6.12 enthält einige Zahlen-
werte.
Abb. 6.119 zeigt das Zustandekommen der
verschiedenen Laufrichtungen im Kristall. An
den Auftreffstellen der einfallenden Strahlen wer-
Abb. 6.117 Strahlenverlauf im Hauptschnitt eines Kalk-
den Huygens’sche Elementarwellen ausgesandt
spats (Abschn. 5.2.6.3). Als Einhüllende der Kugeln
6.4 Wellenoptik 525
ein positiv einachsiger Kristall mit der optischen Rasch abgekühlte Gläser stehen unter per-
Achse in der Beanspruchungsrichtung. manenten inneren Spannungen, die man span-
Zur experimentellen Untersuchung des ebe- nungsoptisch sichtbar machen kann. Linsen und
nen Spannungszustands in mechanisch belaste- Prismen müssen absolut spannungsfrei sein. (Der
ten Bauteilen stellt man ein Modell des Bau- Brechungsindex darf nicht von der Richtung ab-
teils aus Kunststoff her. Bringt man dieses Mo- hängen.) Sie dürfen daher zwischen gekreuzten
dell zwischen gekreuzte Polarisationsfolien, dann Polarisatoren keine Aufhellung bewirken.
wird das an sich schwarze Gesichtsfeld infolge
der Spannungsdoppelbrechung aufgehellt. (Das Elektromagnetische Lichtschalter
Licht wird elliptisch polarisiert.) Dabei schwin- Elektrische und magnetische Felder können in
gen ordentlicher und außerordentlicher Strahl in isotropen Substanzen Doppelbrechung hervor-
den Hauptspannungsrichtungen. Nach Durchlau- rufen. Tab. 6.13 zeigt eine Zusammenstellung
fen des Modells besteht ein Gangunterschied der wichtigsten Effekte. Lichtmodulatoren oder
zwischen den Teilstrahlen, der proportional ist Lichtschalter, die einen dieser Effekte ausnutzen,
zur Differenz der Hauptspannungen:
1 2 . haben im Prinzip den Aufbau, der in Abb. 6.124
Alle Orte, bei denen die Hauptspannungsrichtun- für eine Pockels-Zelle (W. P OCKELS , 1865 bis
gen mit den Schwingungsrichtungen von Polari- 1913) dargestellt ist. Zwischen gekreuzten Po-
sator und Analysator übereinstimmen, erscheinen larisatoren P und A ist ein Kristall K ange-
schwarz, da hier kein elliptisches Licht entsteht. bracht, bei dem z. B. die Stirnseiten mit einem
Auf diese Weise entstehen im Bild dunkle Li- transparenten Metallfilm überzogen sind. Legt
nien, die Isoklinen, die Punkte gleicher Haupt- man eine Spannung U und damit ein elektri-
spannungsrichtung verbinden. Bei Verwendung sches Feld in longitudinaler Richtung an, dann
von weißem Licht entstehen als Isochromaten wird der Kristall doppelbrechend. Die ordentli-
bezeichnete farbige Linien. Sie kennzeichnen Or- che und außerordentliche Welle, deren Schwin-
te mit gleicher Hauptspannungsdifferenz 1 gungsrichtung senkrecht aufeinander stehen, lau-
2 oder Hauptschubspannung
max . Abb. 6.123 fen mit verschiedenen Geschwindigkeiten durch
zeigt Isochromaten, die an einem Modell aus ei- den Kristall, sodass an dessen Ende zwei Wellen
nem Verbundwerkstoff (GFK, glasfaserverstärk- mit einem Gangunterschied
ankommen. Die
ter Kunststoff) aufgenommen wurden. Überlagerung ergibt elliptisch polarisiertes Licht,
das vom Analysator nicht zurückgehalten wer-
den kann. Besteht zwischen der ordentlichen und
der außerordentlichen Welle ein Gangunterschied
von einer halben Wellenlänge, dann ergibt die
Überlagerung wieder linear polarisiertes Licht,
das aber gegenüber der Polarisationsrichtung um
90ı gedreht ist und somit durch den Analysator
nicht geschwächt wird.
Mit elektrooptischen Zellen lässt sich Licht
praktisch trägheitslos schalten. Sie finden Ver-
wendung bei der Hochgeschwindigkeitsfotogra-
fie, Lichtmodulation beim Tonfilm und Bildfunk,
zur Lichtgeschwindigkeitsmessung und als Gü-
Abb. 6.123 Isochromaten an einem Modell eines glas- teschalter (Q-switch) in Riesenimpulslasern. Die
faserverstärkten Kunststoffs, das senkrecht zu den Fa- magnetooptische Doppelbrechung ist von gerin-
serachsen auf Zug beansprucht wird. a Bohrungen ohne
Einlagerungen, b Einlagerungen mit guter Haftung zur gem praktischen Interesse, da der Effekt verhält-
Matrix. Fotos: S. Roth, G. Grüninger, DFVLR Stuttgart nismäßig schwach ausgeprägt ist.
528 6 Optik
a b
V nennt man die Verdet’sche Konstante. Auch Nach Biot lässt sich die Rotationsdispersion
mithilfe des Faraday-Effekts lässt sich Licht durch die Gleichung Œ˛ D A=2 C B=4 be-
schnell modulieren. Es gibt Modulatoren für Fre- schreiben. Bestimmen Sie die Konstanten A und
quenzen von mehr als 200 MHz. Als aktive Ma- B. Wie groß ist das Drehvermögen für D
terialien verwendet man ferromagnetische Gra- 589;3 nm?
nate seltener Erden, beispielsweise Ga-dotiertes
Yttrium-Eisen-Granat (YIG). Der Drehwinkel
hängt nicht linear vom Magnetfeld ab, sondern 6.5 Quantenoptik
zeigt wie die Magnetisierung selbst eine star-
ke Feldabhängigkeit mit Sättigungsverhalten. Im 6.5.1 Lichtquanten
Bereich der Sättigung ist der Drehwinkel typisch
100 ı =cm bis 200 ı =cm; er zeigt starke Disper- 6.5.1.1 Lichtelektrischer Effekt
sion. YIG ist im sichtbaren Spektralbereich un- Beleuchtet man eine negativ geladene Metallplat-
durchsichtig, jedoch zwischen D 1;2 m und te mit kurzwelligem Licht, so entlädt sie sich.
D 5 m völlig transparent. Dieser lichtelektrische Effekt oder äußere Fotoef-
6.5 Quantenoptik 531
Abb. 6.127 Lichtelektrischer Effekt, a Vakuumfotozelle, für verschiedene Wellenlängen .2 > 1 / und d kineti-
b Fotostrom in Abhängigkeit von der Bremsspannung für sche Energie Ekin der Fotoelektronen in Abhängigkeit von
monochromatisches Licht verschiedener Intensität .I2 > der Lichtfrequenz f
I1 /; c Fotostrom in Abhängigkeit von der Bremsspannung
fekt wurde 1887 erstmals von W. H ALLWACHS d. h., wenn eine Bremsspannung zwischen An-
(1859 bis 1922) studiert. Genauere Untersuchun- ode und Kathode anliegt. Abb. 6.127b und c
gen von P. L ENARD (1862 bis 1947) zeigten, dass zeigen den Zusammenhang zwischen Fotostrom
infolge der Bestrahlung Elektronen aus dem Me- und Bremsspannung. Der Fotostrom verschwin-
tall herausgeschlagen werden. det, wenn die Bremsspannung den Grenzwert Ugr
Die kinetische Energie der wegfliegenden erreicht hat, der mit der kinetischen Energie der
Elektronen kann mit einer Vorrichtung gemäß Elektronen gemäß
Abb. 6.127a gemessen werden. In einer Vaku-
1 2
umfotozelle befindet sich eine Fotokathode K Ekin D mv D eUgr
gegenüber einer Anode A. Die vom Licht aus- 2
gelösten Fotoelektronen werden von der Anode zusammenhängt. Hierbei ist m die Masse und
abgesaugt, wenn diese auf positivem Potenzial v die Geschwindigkeit der Elektronen sowie e
gegenüber der Kathode liegt. Der Fotostrom kann die Elementarladung. Die kinetische Energie der
am Amperemeter abgelesen werden. Er verrin- emittierten Fotoelektronen ist also proportional
gert sich, wenn die Spannung umgepolt wird, zur Grenzspannung Ugr .
532 6 Optik
Abb. 6.127b bis d sagen aus: hat die mathematische Form einer Geradenglei-
chung:
Die kinetische Energie der Fotoelektronen Ekin D hf WA I
hängt nicht von der Intensität, sondern nur
h ist die Geradensteigung, WA die Nullpunkt-
von der Frequenz des eingestrahlten Lichtes
verschiebung. Physikalisch können die Glieder
ab (Abb. 6.127d). Die Fotoemission kommt
auf der rechten Seite mithilfe des Energiesatzes
zum Erliegen, wenn die Frequenz einen unte-
interpretiert werden: Die Energie des Photons be-
ren Grenzwert fgr erreicht.
trägt
Erhöht man die Intensität des Lichtes, dann
Eph D hf : (6.130)
nimmt auch der Strom der emittierten Fo-
toelektronen zu, nicht aber deren kinetische Um ein Elektron vom Metall abzulösen, ist ei-
Energie. ne Austrittsarbeit WA aufzubringen, sodass für
das Elektron als kinetische Energie die Differenz
Diese Ergebnisse stehen im Widerspruch zu den von Photonenenergie und Austrittsarbeit zur Ver-
Erwartungen, die man aufgrund der Wellentheo- fügung steht:
rie des Lichtes an ein solches Experiment stellt. Ekin D Eph WA :
In Anwesenheit eines oszillierenden elektrischen
Damit ist auch die Existenz einer Grenzfrequenz
Feldes der Form E D EO cos !t erwartet man,
fgr verständlich. Der Auslöseprozess kann über-
dass die Elektronen des Metalls zu erzwungenen
haupt nur ablaufen, wenn die Photonenenergie
Schwingungen angeregt werden, und zwar mit
größer ist als die erforderliche Austrittsarbeit. Im
der Amplitude
Grenzfall gilt hfgr D WA .
e EO
yO D 2 : Die Konstante h ist das bereits von Planck
m !0 ! 2 im Jahr 1900 eingeführte und nach ihm benann-
te Planck’sche Wirkungsquantum. Planck nahm
Elektronen, die an der Metalloberfläche sitzen,
bei der Ableitung des Strahlungsgesetzes der
sollten daher das Metall verlassen, wenn ihre
Wärmestrahler (6.82) an, dass die Strahlung von
Amplitude yO einen bestimmten kritischen Wert
einzelnen Oszillatoren ausgeht, deren Energie ge-
überschreitet. Daraus folgt:
mäß En D nhf von der Frequenz abhängt. Die
Planck’sche Konstante beträgt
Die kinetische Energie der Elektronen sollte
mit steigender Lichtintensität . EO 2 / anwach- h D 6;626 1034 J s D 4;136 1015 eV s :
sen.
Die Fotoemission sollte bei jeder Frequenz Sie kann als Geradensteigung aus Abb. 6.117d
stattfinden, vorausgesetzt, die Lichtintensität experimentell bestimmt werden. Dies gelang Mil-
ist ausreichend. likan im Jahr 1916.
Da die Photonenenergie Eph der Frequenz f
Die Schwierigkeiten bei der Interpretation des des Lichtes proportional ist, muss sie der Wellen-
lichtelektrischen Effekts wurden durch A. E IN - länge umgekehrt proportional sein:
STEIN (1879 bis 1955) überwunden, der 1905 sei-
hc
ne revolutionäre Lichtquantenhypothese formu- Eph D : (6.131)
lierte. Nach Einstein wird die Energie einer Licht-
quelle in einzelnen Paketen (Lichtquanten oder Für den praktischen Gebrauch kann man die bei-
Photonen) transportiert. Jedes emittierte Elektron den Naturkonstanten h und c sofort in diese
wird durch ein Photon ausgelöst, das seine Ener- Gleichung einsetzen und erhält damit
gie dabei an das Elektron abgibt. Die Energie ei-
h0
nes Lichtquants kann aus Abb. 6.127d abgelesen Eph D (6.132)
werden. Die Abhängigkeit der kinetischen Ener-
gie der Fotoelektronen von der Lichtfrequenz mit h0 D hc D 1;24 eV m.
6.5 Quantenoptik 533
Beispiel 6.5-1 a
Bei der Untersuchung des lichtelektrischen
Effekts an Natrium stellt man fest, dass für
Wellenlängen > gr D 451 nm keine Foto-
elektronen ausgelöst werden. Wie groß ist die
Austrittsarbeit von Natrium?
Lösung
Fotoelektronen werden emittiert, wenn die
Photonenenergie größer ist als die Austritts- b
arbeit. Im Grenzfall gilt WA D Eph;gr .
Mit (6.132) ergibt sich
1;24 m eV 1;24 m eV
WA D D D 2;75 eV :
gr 0;451 m
Die Werte für die Austrittsarbeit der Elektro-
nen in Metallen betragen einige Elektronenvolt.
Besonders niedrige Werte haben die Alkalimetal-
le, bei denen das Valenzelektron offenbar verhält-
nismäßig schwach gebunden ist.
6.5.1.2 Compton-Effekt
Eine besondere Unterstützung der Einstein’schen
Lichtquantenhypothese wurde von A. H. C OMP -
TON (1892 bis 1962) geliefert, der 1923 die
Streuung von Röntgenstrahlen an freien und
schwach gebundenen Elektronen untersuchte.
Compton ließ nach Abb. 6.128a einen Röntgen-
strahl der Wellenlänge auf einen Grafitblock S
fallen. Mithilfe eines Röntgendetektors D maß er
die Intensität und Wellenlänge 0 der gestreuten
Röntgenstrahlung in Abhängigkeit vom Streu-
winkel #. Die Ergebnisse sind in Abb. 6.128b
qualitativ dargestellt. Compton beobachtete, dass
die gestreute Röntgenstrahlung zusätzlich zur pri-
mären Wellenlänge eine spektral verschobene
Komponente enthält, deren Wellenlänge 0 vom
Winkel # abhängt.
Abb. 6.128 Compton-Streuung: a Messanordnung, b In-
Im Rahmen der Wellenlehre ist Comptons
tensität der gestreuten Röntgenstrahlung in Abhängigkeit
Ergebnis nicht interpretierbar, denn man erwar- von der Wellenlänge für verschiedene Streuwinkel #
tet, dass die Elektronen des Streukörpers von
der elektromagnetischen Welle zu erzwungenen
Schwingungen angeregt werden. Die schwingen- Frequenz haben wie die einfallende Welle. Ei-
den Elektronen können dann ihrerseits elektro- ne Frequenz- bzw. Wellenlängenverschiebung ist
magnetische Wellen aussenden, die aber dieselbe nicht möglich.
534 6 Optik
6.5.3 Wärmestrahlung
A21
uf .f / D hf
:
B12 e kT 1
8 f 2
uf .f / D kT : (6.136) Abb. 6.133 Spektrale Strahldichte Le; eines schwarzen
c3 Strahlers für verschiedene Temperaturen T
A21 kT 2 hc 2 1
uf .f / D : Le; .; T /d D 5
hc d : (6.140)
B12 hf ˝0 e kT 1
Ein Vergleich mit (6.136) führt zu Abb. 6.133 zeigt Strahlungsisothermen der
Planck’schen Strahlungsformel (s. dazu auch
A21 8 hf 3 Abb. 6.70). Die gestrichelte Kurve gibt das Wi-
D : (6.137) en’sche Verschiebungsgesetz (6.83) wieder.
B12 c3
Gaslaser
Je nach verwendeter Art des Gases unterscheidet
man zwischen folgenden Lasertypen:
serprintern und in der Nachrichtentechnik einge- Bestrahlungsstärken dieser Intensität sind weit
setzt. Bei höheren Leistungen ab 2,5 kW können größer, als man sie mit konventionellen Licht-
sie auch in der Materialbearbeitung Verwendung quellen erzeugen kann (Ü 6-38). Bei Riesen-
finden. impulslasern (Festkörperlaser oder CO2 -Laser
mit Q-switch) lassen sich im Puls Leistun-
Flüssigkeitslaser gen von 100 MW und Bestrahlungsstärken
Sie bestehen aus organischen Farbstoffen in stark von 1013 W=cm2 erzielen. Bei kontinuierlich
verdünnter Lösung und werden optisch mit Blitz- arbeitenden CO2 -Lasern erreicht man Leistun-
lampen oder Lasern gepumpt. Sie finden Einsatz gen von über 10 kW und Bestrahlungsstärken
in der Spektroskopie, weil sie von 300 nm bis von mehr als 5 GW=cm2 .
1;2 m einstellbar sind.
Ein nahezu paralleler Laserstrahl lässt sich mit
einer Sammellinse ideal fokussieren und kann 6.5.5 Materiewellen
so der Materialbearbeitung dienen. Aufgrund der
Beugung an der Linse erzeugt man allerdings kei- 6.5.5.1 De-Broglie-Beziehung
nen punktförmigen Fokus, sondern der Strahl mit Stimuliert durch die Erfolge der Einstein’schen
dem Durchmesser D schnürt sich zu einem mini- Lichtquantenhypothese, in der den klassi-
malen Durchmesser d ein und wird dann wieder schen elektromagnetischen Wellen Teilchen-
breiter. Für einen Strahl mit gaußförmiger Inten- eigenschaften zugeschrieben wurde, postulierte
sitätsverteilung gilt für den Taillendurchmesser in 1924 der französische Physiker L. DE B ROGLIE
guter Näherung (1892 bis 1987), dass die bisher als Teilchen
4 f 0 interpretierten Elektronen auch Welleneigen-
dD : (6.141)
D schaften aufweisen sollten. Die Wellenlänge
Bei guter Fokussierung und großer Strahlungs- dieser Materiewellen sollte nach de Broglie mit
leistung wird die Bestrahlungsstärke so groß, dem Impuls p der Teilchen nach (6.133) zusam-
dass alle absorbierenden Materialien verdampfen menhängen:
und auf diese Weise abgetragen werden.
h
D : (6.142)
Beispiel 6.5-2
p
Wie groß ist die Bestrahlungsstärke in der Schnelle Elektronen mit großem Impuls haben
Taille eines CO2 -Lasers mit einem Strahl- demnach eine kleine Wellenlänge. Beschleunigt
durchmesser von D D 5 mm, der mit einer man ein Elektron in einem elektrischen Feld mit
Linse der Brennweite f 0 D 5 mm fokussiert der Beschleunigungsspannung U , dann lässt sich
wird? Der Laser emittiert die Strahlungsleis- seine Endgeschwindigkeit aus der Zunahme der
tung ˚e D 1 kW bei der Wellenlänge D kinetischen Energie berechnen:
10;59 m. r
1 2eU
m v D eU; v D
2
:
Lösung 2 m
Der Taillendurchmesser ist nach (6.141)
Der Impuls des Elektrons beträgt p D mv D
p
4 10;59 106 m 5 103 m 2eUm. Somit ist die Materiewellenlänge
d D
5 103 m
h
D 1;35 105 m : D p : (6.143)
2eUm
Damit ist die Fläche der Taille A D
Diese „klassische“ Rechnung muss bei großen
1;43 1010 m2 und die Bestrahlungsstärke
Beschleunigungsspannungen durch eine „relati-
˚e W W vistische“ ersetzt werden, die dem Massenzu-
Ee D D 7 1012 2 D 7 108 :
A m cm2 wachs bei großen Geschwindigkeiten Rechnung
542 6 Optik
h
D r 2 : (6.144)
m0 c eU
m0 c 2
C1 1
ymin D :
sin ˛
Enthält der Raum zwischen Objekt und Objektiv
eine Immersionsflüssigkeit mit Brechungsindex
n, dann wird die Wellenlänge um n reduziert und
es gilt
ymin D :
n sin ˛
Das Produkt aus Brechzahl und Sinus des Öff-
nungswinkels wird als numerische Apertur be-
zeichnet (6.15):
AN D n sin ˛ :
Trockensysteme haben eine numerische Aper- kussiert. Die durchgehenden Strahlen erzeugen
tur von AN < 0;95. Mit Immersionsflüssigkeit dann mittels einer weiteren Zonenplatte (Objek-
kommt man auf Werte von AN < 1;6 (Abb. 6.55, tiv) ein stark vergrößertes Bild, das mit einer
AN D 1;4). CCD-Kamera aufgenommen wird. Die numeri-
Grob gesprochen ist nach (6.146) das Auflö- sche Apertur ist typischerweise AN 0;05,
sungsvermögen eines Mikroskops begrenzt auf sodass nach (6.146) eine Auflösung vom Zwan-
Objektdetails von der Größe der Wellenlänge. zigfachen der Wellenlänge erwartet wird. Die
Durch Verwendung von kürzeren Wellenlängen tatsächliche Auflösung entspricht etwa der Brei-
bei UV-, Röntgen- und Elektronenmikroskopen te des äußersten Rings der Zonenplatte. Praktisch
konnte die Auflösungsgrenze bis in atomare Di- erreicht man mit weicher Röntgenstrahlung ei-
mensionen vorangetrieben werden (Abb. 6.141). ne Auflösung von etwa 20 nm. Besonders inter-
Das Lichtmikroskop arbeitet mit sichtbarem essant sind die Wellenlängen zwischen 2,4 nm
Licht (VIS), das mittels Glaslinsen die Abbil- und 4,4 nm, dem so genannten „Wasserfenster“.
dung und Vergrößerung des Gegenstandes be- Dort absorbieren organische Substanzen wesent-
wirkt (Abschn. 6.2.8.4). Für eine Bildentstehung lich stärker als Wasser, sodass ein guter Kontrast
sind gefärbte oder geätzte Präparate erforderlich, entsteht. Es lassen sich somit biologische Prä-
die das Licht amplitudenmodulieren. Optische parate in wässriger Lösung untersuchen. Harte
Kontrastierungsverfahren erlauben auch Unter- Röntgenstrahlung (Eph > 10 keV) lässt sich
suchungen an unveränderten Präparaten. Durch- mit brechenden konkaven Metall-Linsen (Al) fo-
lichtpräparate müssen dünn geschnitten, Auf- kussieren. Damit wurden Auflösungen von etwa
lichtpräparate geschliffen und poliert sein. Das 300 nm erzielt.
Lichtmikroskop erreicht die theoretische Auflö- Das Elektronenmikroskop, hier das Transmis-
sung nach (6.146). In der Praxis wird eine mini- sions-Elektronenmikroskop (TEM) arbeitet mit
male Auflösung von etwa 200 nm erreicht. Elektronen, die beschleunigt werden mit Span-
Das UV-Mikroskop arbeitet mit UV-Strahlung nungen zwischen 50 kV und 3 MV. Nach (6.144)
im Bereich von 340 nm bis 193 nm. Zur Abbil- ergeben sich dadurch Materiewellenlängen von
dung sind Quarzlinsen erforderlich. Die Präpa- 5,4 pm bis 360 fm. Die Elektronenstrahlen wer-
rate müssen UV-Strahlung absorbieren, reflek- den mit elektrostatischen bzw. elektromagne-
tieren oder in längerwelliges Lumineszenzlicht tischen Linsen fokussiert. Der Aufbau ent-
umwandeln. Auch beim UV-Mikroskop wird die spricht dem klassischen Lichtmikroskop. Wegen
theoretische Auflösungsgrenze nach (6.146) er- der großen Öffnungsfehler der Elektronenlinsen
reicht. In der Halbleiter-Fotolithografie mit D muss die Apertur sehr klein gemacht werden
193 nm (ArF-Excimerlaser) werden standardmä- (AN 0;04). Dadurch ist die Auflösungsgren-
ßig Strukturen mit 65 nm Abstand hergestellt, die ze deutlich größer als die Wellenlänge. Praktisch
im Labor bereits auf 30 nm reduziert wurden. erreicht ein 500 kV-Mikroskop eine Auflösung
Lange Zeit galt es unmöglich, ein Röntgen- von etwa 100 pm. Man kann damit also Ato-
mikroskop zu bauen, weil der Brechungsindex me in Kristallgittern abbilden (Abb. 6.142). Weil
von Gläsern für Röntgenstrahlen nahe bei 1 liegt Elektronen in Materie stark absorbiert werden,
(n D 1 ı, mit ı 103 ), Röntgenstrahlen al- können nur ultradünn geschnittene, vakuumbe-
so praktisch nicht gebrochen werden. Möglich ist ständige Präparate untersucht werden.
eine Reflexion an Kristallgittern bei streifendem
Einfall (Abschn. 6.4.1.14, Abb. 6.105). Heute
können Röntgenlinsen aus Fresnel’schen Zonen- 6.6.2 Überwindung der
platten (Abb. 6.108) hergestellt werden. Beim Beugungsbegrenzung
Transmissions-Röntgenmikroskop (TXM) wird
monochromatische Strahlung einer starken Rönt- Die Beugungsbegrenzung der Auflösung lässt
genquelle (z. B. Synchrotronstrahlung) mithilfe sich umgehen, wenn nicht das gesamte Objekt
einer Zonenplatte (Kondensor) auf das Objekt fo- simultan abgebildet, sondern mithilfe einer Son-
6.6 Abbildung mikroskopischer Objekte 547
Rasterelektronenmikroskop
Beim Rasterelektronenmikroskop (REM, engl.
Scanning Electron Microscope, SEM) wird als
Sonde ein mithilfe von magnetischen Linsen
erzeugter schlanker Elektronenstrahl scharf auf
die Probe fokussiert. Rastert dieser die Pro-
benoberfläche zeilenförmig ab, so werden teils
die primären Elektronen zurück gestreut, teils
aus der Probe Sekundärelektronen ausgelöst und
mit einem Kollektor gesammelt. Mit dem dar-
aus gewonnenen elektronischen Signal wird die
Helligkeit eines parallel dazu laufenden Fern-
sehmonitors gesteuert, so dass auf dem Monitor
ein vergrößertes Abbild der Oberfläche entsteht
(Abb. 6.147).
Die Bedeutung der REM-Bilder liegt nicht
so sehr in der erzielbaren Vergrößerung (Auf-
lösungsgrenze etwa 10 nm), als vielmehr in der
enormen Schärfentiefe und Plastizität der Bil-
der. Abb. 6.147a zeigt die Wendel der Lampe
eines Kfz-Scheinwerfers. Der Glaskolben wur-
de bei einem Unfall zerstört, so dass die Wendel
durchbrannte und das entstehende Wolframoxid
sich auf den kälteren Bereichen niederschlug. Die
große Schärfentiefe zeigt sich auch in der Aus-
schnittsvergrößerung von Abb. 6.147b.
Der Elektronenstrahl löst beim Rastern nicht
nur Elektronen aus der Oberfläche aus, sondern
auch charakteristische Röntgenstrahlung (Ab-
schn. 8.5). Mithilfe der Röntgenfluoreszenzana-
lyse (RFA) kann somit eine Materialbestimmung
des untersuchten Objekts durchgeführt werden.
Abb. 6.147c zeigt ein auf der heißen Glühwen-
del aufgeschmolzenes Glaskügelchen sowie die
Konzentration von Silicium längs der horizonta-
len Linie.
Die im REM untersuchten Präparate müssen
vakuumfest und elektrisch leitend sein. Nicht-
leitende Substanzen werden mit einer dünnen
Goldschicht besputtert und dadurch leitend.
Optisches Nahfeldmikroskop
Dass auch bei einer optischen Abbildung die
Beugungsbegrenzung überwunden werden kann,
wenn im Nahfeld anstatt im Fernfeld gemessen Abb. 6.147 REM-Aufnahmen einer durchgebrannten
Lampenwendel. a Wendel mit Wolframoxid, 100 m,
wird, hat der Ire E. Synge bereits 1928 erkannt. b Ausschnittsvergrößerung vom oberen Bildrand des Teil-
Die technischen Probleme konnten aber erst Mit- bilds a, 10 m, c aufgeschmolzenes Glaskügelchen
te der 1980er Jahre gemeistert werden. Bei der mit Elementanalyse, 10 m
550 6 Optik
b c
Spitzen und Methoden auf etwa 1 nm verbessert Abb. 6.149 zeigt einen durch ein Gitter von Boh-
werden kann. Die schwierige Aufgabe der Ab- rungen gebildeten photonischen Kristall, in dem
standsregelung zwischen Spitze und Probe wird Licht einer bestimmten Wellenlänge gefangen ist.
mit den Methoden, die bereits vom AFM her be- Mittels einer unbeschichteten Faserspitze wur-
kannt sind (tapping mode) realisiert. de das evaneszente Feld (Abb. 6.148c) an der
Mit dem optischen Nahfeldmikroskop kön- Oberfläche des photonischen Kristalls abgetastet
nen nicht nur materielle Objekte abgebildet, son- und damit die Feldverteilung der eingeschlosse-
dern auch das Lichtfeld selbst vermessen werden. nen Lichtwelle sichtbar gemacht.
Akustik
7
dv und somit
F t D ma D %V : (7.2) dV
DV
dv
: (7.4)
dt dt dx
Aus dem dynamischen Kräftegleichgewicht Ft C Die Volumenänderung eines komprimierbaren
Frück D 0 folgt der Zusammenhang zwischen Mediums ist über den Kompressionsmodul K
der Beschleunigung a D dv=dt eines Volumens mit der Druckänderung im Medium verknüpft;
7.2 Schallwellen 555
nach (2.158) und Abb. 2.80 gilt für ein Volu- Sind die Querabmessungen bei Festkörpern
men V klein gegen die Wellenlänge (z. B. dünner Stab),
so tritt auch eine Querdehnung oder Kontrak-
dV V
D oder tion des Körpers ein. Dann muss anstelle des
dp K Kompressionsmoduls K der Elastizitätsmodul E
dV V dp
D : (7.5) gesetzt werden, sodass gilt:
dt K dt s
Durch Gleichsetzung von (7.4) und (7.5) er- E
cdünner Stab D : (7.9)
hält man für den Zusammenhang zwischen ei- %
nem räumlichen Geschwindigkeitsgefälle und
Die Druckänderung bei der Schallausbreitung in
der dadurch hervorgerufenen zeitlichen Druckän-
Gasen erfolgt im Vergleich zur Wärmeleitung so
derung
dv 1 dp schnell, dass die Zustandsänderung isentrop ohne
D : (7.6) Wärmeübertragung verläuft. Durch Differenzie-
dx K dt
ren folgt aus (3.66) pV ~ D konstant für isentrope
Durch Differenzieren von (7.3) nach x und (7.6)
Zustandsänderungen
nach t lassen sich die beiden Beziehungen ver-
knüpfen: dV V
D
dp ~p
1 @2 p @2 v 1 @2 p
D D bzw:
% @x 2 @t @x K @t 2 und durch Vergleich mit (7.5) für den isentropen
2
@ p K@ p 2 Kompressionsmodul K idealer Gase
D : (7.7)
@t 2 % @x 2 cp p
K D ~p D : (7.10)
cV
Gleichung (7.7) hat die Form der
d’Alembert’schen Wellengleichung (5.175) (Ab- ~ ist der Isentropenexponent nach (3.60) (Ab-
schn. 5.2.2.3). Wie dort gezeigt, erfüllen alle schn. 3.3.4), der vom Verhältnis der spezifischen
Druckfunktionen der Form p.x; t/ D p.x ˙ c t/ Wärmekapazitäten der Gase abhängt. Wird (7.10)
diese partielle Differenzialgleichung zweiter mit Hilfe der Zustandsgleichung idealer Gase
Ordnung, c ist dabei die konstante Phasen- p D %Ri T umgeformt und in (7.8) eingesetzt,
geschwindigkeit, mit der sich die Störung im so ergibt sich die Schallgeschwindigkeit in Gasen
kompressiblen Medium ausbreitet. Im Fall der zu
Ausbreitung von Druckstörungen wird die Pha- s
sengeschwindigkeit c als Schallgeschwindigkeit p cp Ri
cGas D ~Ri T D T : (7.11)
bezeichnet. Der Vergleich von (7.7) mit (5.194) cV
ergibt, dass die Schallgeschwindigkeit c durch
die Dichte % und den Kompressionsmodul K Hierin sind cp und cV die spezifischen Wärmeka-
bestimmt ist: s pazitäten bei konstantem Druck bzw. konstantem
K Volumen und Ri die spezifische (massebezogene)
cD : (7.8) Gaskonstante.
%
Werden – wie bei Stoßwellenexperimenten – sehr Beispiel 7.2-1
große Dichtegradienten und Geschwindigkeits- Es soll eine Näherungsgleichung für die Tem-
änderungen erzeugt, sind die Näherungen des peraturabhängigkeit der Schallgeschwindig-
hydrodynamischen Grundgesetzes nicht mehr er- keit cL in Luft abgeleitet werden.
füllt. Die Druckausbreitung wird dann nicht
durch die Differenzialgleichung (7.7) beschrie- Lösung
ben; insbesondere ist die Schallgeschwindigkeit Werden die Werte cp D 1;005 J=.g K/, cV D
nicht mehr konstant. 0;717 J=.g K/ und Ri D 287 J=.kg K/ von
556 7 Akustik
Tab. 7.1 Dichte, Schallgeschwindigkeit und Schallkennimpedanz einiger Stoffe beim Normdruck pn D 1013 hPa
Dichte % Schallgeschwindigkeit c Schallkennimpedanz Z0
kg m kg
in 3 in in 2
m s m s
Luft 20 ı C trocken 1;396 319 445
Luft 0 ı C trocken 1;293 331 427
Luft 20 ı C trocken 1;21 344 416
Luft 100 ı C trocken 0;947 387 366
Wasserstoff 0 ı C 0;090 1260 113
Wasserdampf 130 ı C 0;54 450 243
Wasser 0 ı C 1000 1400 1;40 106
20 ı C 998 1480 1;48 106
Glyzerin 1260 1950 2;46 106
Eis 920 3200 2;94 106
Holz 600 4500 2;70 106
Glas 2500 5300 13;0 106
Beton 2100 4000 8;4 106
Stahl 7700 5050 39 106
schwindigkeit von dem statischen Druck p0 und Der am Ort x0 gemessene resultierende Effektiv-
der Temperatur T des Gases abhängig. Anhand wert ist dann für zwei Schalldrücke
einer Schnellemessung kann also der Schall- v
u Z
külschwingung: 0 0 0
( !)
1 1 x Für nichtkohärente Schallwellen verschwindet im
y.x; t/ D pO sin 2 f t zeitlichen Mittel das Produkt der Schallwechsel-
2 f %c c
amplituden und in diesem häufigen Fall gilt
(7.16)
q
und peff D eff C p2; eff C :
2 2
p1; (7.20)
a.x; t/ D 2 f
( !) Mit den Beziehungen (7.14) und (7.16) ist die
1 x
pO sin 2 f t : (7.17) Energiedichte w D dW=dV einer Schallwelle
%c c
1 1 1 pO 2
Schallaufnehmer zeigen den über die Integrati- w D %.2 f /2 yO 2 D % vO 2 D : (7.21)
2 2 2 %c 2
onszeit
gebildeten Effektivwert peff des Schall-
wechseldrucks an: Nach (5.163) ist die Schallintensität
v
u Z
u I D
1 dW 1
D wc D %c vO 2
u1 oder
peff D t 2
pw .x; t/dt : (7.18) S dt 2
1 p2
0
I D vO pO D veff peff D eff : (7.22)
2 Z
Für sinusförmige Schallwellen gilt analog den
Effektivwerten elektrischer Wechselströme Die Schallleistung P einer Schallquelle ergibt
sich, wenn die Schallintensität auf einer Oberflä-
pO che um die Schallquelle, z. B. einer Kugeloberflä-
peff D p : (7.19)
2 che, aufsummiert wird, aus
Z
Solange die Schallwechselamplituden im Ver- P D I dS : (7.23)
gleich zum statischen Gasdruck klein sind
S
(Schalldruckpegel L < 130 dB, Abschn. 7.2.2),
überlagern sich an einem Ort des Schallfeldes die Die geometrische Form einer Schallquelle be-
Schalldrücke additiv (Superpositionsprinzip): stimmt die Lösung der Wellengleichung (7.7),
die räumliche Ausbreitung des Schallwechsel-
p.x0 ; t/ D p1 .x0 ; t/ C p2 .x0 ; t/ C drucks und damit die Schallintensität an jedem
558 7 Akustik
(1) (2)
(3) (4)
Ort im Schallfeld der Schallquelle. Eindimen- delt (Dissipation); zum anderen regt die Schall-
sionale Schallfelder, wie sie (7.12) beschreibt, welle translatorische, rotatorische und andere
und die nach (7.22) eine konstante Schallin- Freiheitsgrade der Moleküle des Schallübertra-
tensität haben, gibt es näherungsweise nur im gungsmediums an (Relaxation), sodass die der
Nahfeld ausgedehnter ebener Schallquellen oder Schallwelle entzogene Anregungsenergie nach
in vergleichsweise kleinen Schallfeldbereichen einer charakteristischen Zeitkonstante (Relaxati-
weit entfernt von lokalisierten Schallquellen. Bei onszeit) ebenfalls der inneren Energie des Me-
punkt- oder kugelförmigen Schallquellen ist die diums zugeführt wird. Diese Schallausbreitungs-
Schallintensität räumlich nicht konstant; bei Ver- dämpfung führt zu einer exponentiellen Abnahme
dopplung des Abstands zum Kugelmittelpunkt der Schallintensität. Zusätzlich zu einer eventuell
sinkt die Schallintensität auf ein Viertel. durch die Schallquellengeometrie verursachten
In Abb. 7.3 sind die Beziehungen für die drei Intensitätsabnahme bewirkt diese Absorptions-
Grundgeometrien der ebenen, linien- und punkt- dämpfung einen Schallintensitätsabfall an einem
förmigen Schallquellen zusammengestellt. Ort r, bezogen auf die Intensität an einem Ort r0 ,
Erfolgt die Schallwellenausbreitung über grö- von
ßere Entfernungen, beispielsweise in Luft über
mehr als 100 m, dann machen sich Schallener- I.r/ D I.r0 /e˛.rr0 / : (7.24)
gieverluste durch Schallabsorption bemerkbar.
Die Schallenergie wird dabei zum einen durch Der Dämpfungskoeffizient ˛ (Maßeinheit m1 )
innere Reibung und durch nicht vollständige isen- ist abhängig von der Schallfrequenz und von
trope Kompression direkt in Wärme umgewan- den Schallabsorptionseigenschaften des Medi-
7.2 Schallwellen 559
ums. Der Luftdämpfungskoeffizient hängt bei- den Luftspalt eines Magneten; hierdurch wird
spielsweise von der Luftfeuchtigkeit ab; bei nor- der magnetische Fluss im Magnetjoch modu-
malen klimatischen Verhältnissen ist die Luftab- liert und in einer Wicklung eine elektrische
sorption bei tiefen Schallfrequenzen gering, erst Spannung induziert.
oberhalb f D 1000 Hz beträgt der Luftdämp- Beim piezoelektrischen Wandler bewirkt die
fungskoeffizient ˛L 103 m1 entsprechend Deformation des Kristalls durch den Schall-
einer Intensitätsabnahme von mehr als 4 dB=km. druck eine Verschiebung der Ladungsstruk-
Einen besonders hohen Dämpfungskoeffizi- tur und piezoelektrisch, erzeugte Oberflächen-
enten weisen Schallabsorbermaterialien auf. Die ladungen, deren elektrische Spannung zum
große innere Reibungsfläche der faserartigen Schalldruck proportional ist.
oder porösen Stoffe, wie z. B. Mineralfasern, Beim piezoresistiven Wandler werden durch
Steinwolle und Filze, erhöht die Dissipation. den Schalldruck die Körner von Kohlegrieß
unterschiedlich gepresst, sodass sich der elek-
trische Widerstand des Kohlegrießes ändert
7.2.2 Schallwandler und der dadurch modulierte elektrische Strom
an einem Lastwiderstand eine in erster Nä-
Die Wechseldrücke von Schallwellen überspan- herung zum Schalldruck proportionale Span-
nen in der Technik einen Wertebereich von mehr nung erzeugt.
als sechs Zehnerpotenzen. Schallwandler müs-
sen also in diesem großen Bereich den Schall- Schalldruckmessgeräte bilden über Gleichrich-
wechseldruck oder die nach (7.3) damit ver- ter die Effektivwerte der Ausgangsspannungen
knüpfte Schallschnelle über ein mechanisches elektroakustischer Wandler und korrigieren durch
Schwingungssystem (Membran) in eine elektri- spezielle Verstärkerkennlinien den Frequenzgang
sche Spannung umwandeln können. Schallemp- des Übertragungsmaßes. Die Messanzeige muss
fänger oder Mikrofone wandeln den Schalldruck mit Eichschallquellen kalibriert werden.
in elektrische Spannung, Schallgeber oder Laut- Handliche Zahlenwerte für die Schallwechsel-
sprecher elektrische Leistung in Schallleistung. druck-Effektivwerte ergeben sich, wenn diese in
Die verschiedenen elektroakustischen Wand- einem relativen logarithmischen Maßstab, dem
ler unterscheiden sich im Absolutwert und in der Schalldruckpegel Lp , angegeben werden:
Frequenzabhängigkeit des Wandlerwirkungsgra- !
2
des, aber auch in ihrer mechanischen Empfind- p
Lp D 10 lg 2
eff
dB
lichkeit und ihrer Schalldruckbelastbarkeit. peff; 0
In Abb. 7.4 sind die gebräuchlichen elektro-
peff
akustischen Wandlerprinzipien einander gegen- D 20 lg dB : (7.25)
peff; 0
übergestellt:
Der Bezugsschalldruck peff; 0 liegt an der unte-
Beim elektrostatischen Wandler bildet die ren Hörgrenze und ist nach DIN EN ISO 1 683
Schallwandlermembran zusammen mit einer auf peff; 0 D 2 105 Pa festgelegt. Wie in der
Gegenelektrode einen Kondensator, dessen Elektrotechnik wird das Zehnfache des logarith-
Kapazität und damit elektrische Spannung mischen Relativmaßes des Schallpegels mit der
sich mit der Membranauslenkung ändert. Einheit Dezibel gekennzeichnet.
Beim elektrodynamischen Wandler bewegt die Außer dem Schalldruckpegel gibt es weitere
Membran eine Spule in einem Topfmagne- Schallpegel; sie sind in Tab. 7.2 zusammenge-
ten, sodass zur Schallschnelle proportionale stellt. Nur bei einer Schallkennimpedanz Z D
elektrische Spannungen in der Schwingspule 400 kg=.m2 s/ des Ausbreitungsmediums, wie sie
induziert werden. etwa Luft bei # D 20 ı C aufweist, und bei
Beim elektromagnetischen Wandler verändert gleichen Bezugsflächen S D S0 für den Schall-
die Bewegung der magnetischen Membran leistungspegel ergeben sich gleiche Pegelwerte.
560 7 Akustik
Die Addition von Schallpegeln ist nicht algebra- ergibt den Gesamtschallpegel
isch; so ist beispielsweise 0 dB C 0 dB D 3 dB.
Addiert werden können nur die Schallintensitä- I
Lges D 10 lg dB
ten oder entsprechend (7.22) die Quadrate der I0
!
Schalldruckeffektivwerte. Die Summe relativer Xn
Li
Schallintensitäten D 10 lg 10 10 dB dB : (7.26)
i D1
I I1 I2 L1 L2
D C C : : : D 10 10 dB C 10 10 dB C In der Praxis führt man die Pegeladdition sukzes-
I0 I0 I0 Xn
Li sive für jeweils zwei Pegel aus, indem man die
D 10 10 dB
Schallpegel-Additionstabelle 7.3 benutzt. Zum
i D1
7.2 Schallwellen 561
Tab. 7.3 Schallpegel-Additionstabelle (L Pegel- Dieser Wert ergibt sich auch anhand von
differenz, Lz Pegelzuschlag) Tab. 7.3:
L Lz L Lz L Lz
dB dB dB dB dB dB L32 D L3 L2 D 1 dB; Lz; 32 D 2;5 dB I
0,0 3,0 4,0 1,5 8,0 0,6
L4 D L3 C Lz; 32 D 76;5 dBI
0,5 2,8 4,5 1,3 9,0 0,5
1,0 2,5 5,0 1,2 10,0 0,4 L41 D L4 L1 D 6;5 dB; Lz; 41 D 0;9 dB I
1,5 2,3 5,5 1,1 12,0 0,3 Lges D L4 C Lz; 41 D 77;4 dB :
2,0 2,1 6,0 1,0 14,0 0,2
2,5 1,9 6,5 0,9 16,0 0,1 Zur Charakterisierung von Schallgebern, zur
3,0 1,8 7,0 0,8 =20 0,0
Analyse von Schallquellen und zur Messung
3,5 1,6 7,5 0,7
des Koinzidenzeffekts bei Trennwänden (Ab-
schn. 7.2.3) ist die Bestimmung der Frequenz-
abhängigkeit des Schallpegels erforderlich, das
größeren Pegel L1 addiert man einen Pegelzu-
Schallfrequenzspektrum. Dazu wird das Span-
schlag Lz , der entsprechend der Pegeldifferenz
nungssignal des elektroakustischen Schallwand-
L D L1 L2 Tab. 7.3 entnommen wird.
lers durch Bandfilter, im einfachsten Fall durch
elektrische Resonanzkreise entsprechend Ab-
Beispiel 7.2-2
schn. 4.5.2.4 mit variabler Resonanzfrequenz, nur
Wie groß ist der Gesamtschallpegel von drei
in einem Frequenzintervall verstärkt und damit
Schallquellen mit den Schallpegeln L1 D
der Schallpegel in Abhängigkeit von der Reso-
70 dB, L2 D 73 dB, L3 D 74 dB?
nanzfrequenz des Bandfilters gemessen. Akus-
tische Bandfilter werden durch das Verhältnis
Lösung
fo =fu der oberen zur unteren Grenzfrequenz
p so-
Nach (7.26) ermittelt man
wie die Bandmittenfrequenz fm D fo fu cha-
rakterisiert. Je schmaler das Frequenzintervall
Lges D 10 lg.100;170 C 100;173 C 100;174 / dB
fo fu ist, desto höher ist die Auflösung des
D 10 lg.5;507 107 / dB D 77;4 dB : Schallfrequenzspektrums. Für Schall- und Lärm-
562 7 Akustik
Tab. 7.4 Terz und Oktavfilter (fu ; fo untere bzw. obere Frequenzgrenze,
A Schallpegelabschwächung bei A-
Bewertung)
Oktave Terz
fu fo fm
A fu fo fm
A
Hz Hz Hz dB Hz Hz Hz dB
11 22 16 56;7 14,1 17,8 16 56;7
17,8 22,4 20 50;5
22,4 28,2 25 44;7
22 44 31,5 39;4 28,2 35,5 31,5 39;4
35,5 44,7 40 34;6
44,7 56,2 50 30;2
44 88 63 26;2 56,2 70,7 63 26;2
70,7 89,1 80 22;5
89,1 112 100 19;1
88 177 125 16;1 112 141 125 16;1
141 178 160 13;4
178 224 200 10;9
177 355 250 8;6 224 282 250 8;6
282 355 315 6;6
355 447 400 4;8
355 710 500 3;2 447 562 500 3;2
562 708 630 1;9
708 891 800 0;8
710 1420 1000 0 891 1122 1000 0
1122 1413 1250 C0;6
1413 1778 1600 C1;0
1420 2840 2000 C1;2 1778 2239 2000 C1;2
2239 2818 2500 C1;3
2818 3548 3150 C1;2
2840 5680 4000 C1;0 3548 4467 4000 C1;0
4467 5623 5000 C0;5
5623 7079 6300 0;1
5680 11.360 8000 1;1 7079 8913 8000 1;1
8913 11.220 10.000 2;5
11.220 14.130 12.500 4;3
11.360 22.720 16.000 6;6 14.130 17.780 16.000 6;6
17.780 22.390 20.000 9;3
schutzanalysen
p ist das Grenzfrequenzverhältnis Beispiel 7.2-3
fo =fu D 3 2 des Terzfilters ausreichend; es ent- Wie groß ist der Oktavpegel, wenn bei den
spricht etwa der Auflösung des menschlichen Mittenfrequenzen fm folgende Terzpegel LT
Ohres. gemessen werden:
Für Grobanalysen werden Oktavfilter mit dem
Grenzfrequenzverhältnis fo =fu D 2 eingesetzt. fm LT
In Tab. 7.4 sind die Bandmittenfrequenzen und 400 Hz 55 dB
Grenzfrequenzen der Terz- und Oktavfilter zu- 500 Hz 59 dB
sammengestellt. 630 Hz 58 dB .
7.2 Schallwellen 563
LOktav D 10 lg.100;1 L400 C 100;1 L500 1 pOe2 .0/ 1 pOr2 .0/ 1 pOt2 .0/
D C : (7.29)
2 Z1 2 Z1 2 Z2
C 100;1 L630 / dB
D 62;4 dB : Diese Gleichung lässt sich umschreiben in
An der Grenzfläche zweier Medien mit un- Nun gilt als Folge des Kräftegleichgewichts für
terschiedlicher Schallkennimpedanz Z D % c die Amplituden der Schallwechseldrücke
wird die Schallwelle teilweise reflektiert, wie
Abb. 7.5 zeigt. Bei senkrechtem Einfall ist nach pOe .0/ C pOr .0/ D pOt .0/ : (7.30)
dem Energieerhaltungssatz die Summe der re-
flektierten Schallintensität Ir und der transmit- Dividiert man die vorige Gleichung durch (7.30),
tierten Schallintensität It gleich der einfallenden so entsteht
Schallintensität Ie .
Damit gilt für den Zusammenhang zwischen Z2 .pOe .0/ pOr .0// D Z1 pOt .0/
dem Schall-Reflexionsgrad %S D Ir =Ie und
D Z1 .pOe .0/ C pOr .0// :
dem Schall-Transmissionsgrad
S D It =Ie einer
Grenzfläche .x D 0/
Hieraus folgt für den Reflexionsfaktor r einer
Grenzfläche
%S C
S D 1 : (7.27)
pOr .0/ peff; r .0/ Z2 Z1
Wird im Medium II die transmittierte Schall- rD D D : (7.31)
pOe .0/ peff; e .0/ Z2 C Z1
energie absorbiert und in Wärme umgewandelt
(Dissipation), dann ist der Schallabsorptions- Für den Schall-Reflexionsgrad gilt
grad ˛S D Ia =Ie des absorbierenden Mediums
nach (7.27) Ir .0/ Z2 Z1 2
˛S D 1 %S : (7.28) %S D Dr D
2
: (7.32)
Ie .0/ Z2 C Z1
4Z1 Z2
˛S D 1 %S D : (7.33)
.Z1 C Z2 /2
An schallharten Grenzflächen Z2
Z1 , bei-
spielsweise beim Übergang von Luft in Wasser
oder Beton, wird die Schallwelle nahezu total re-
flektiert. Eine ebenfalls sehr große Schallreflexi-
on tritt bei schallweichen Grenzflächen Z2 Z1
auf. In beiden Fällen kommt es durch die Überla-
gerung von einfallender und reflektierter Schall-
Abb. 7.5 Schall an einer Grenzfläche welle zu Schallinterferenzen (Abschn. 5.2.6) und
564 7 Akustik
Die Grenzfläche ist biegeweich, die Schall- und für die Schallwechseldruckdifferenz über
schnelle v2 und der Schallwechseldruck p2 dem Wandquerschnitt, vernachlässigbare Schall-
der auf der Wandrückseite abgestrahlten absorption in der Wand und damit pt .x2 / D
7.2 Schallwellen 565
pt .x1 / vorausgesetzt.
p1 .x1 / p2 .x2 /
D .2pe .x1 / pt .x1 // pt .x2 /
D 2.pe .x1 / pt .x1 // : (7.35)
oder mit der Wanddicke s D x2 x1 und der Für senkrechten Schalleinfall ı D 0 ergibt sich
flächenbezogenen Masse m00 D %s
1
dv
S .0ı / D : (7.40)
m00
x
D p1 p2 : (7.36) m00 f 2
dt 1C
Z
Die Beschleunigung wird durch die zeitliche Än-
In diesem Fall ist also der Transmissionsgrad
derung der Schnelle vt der transmittierten Welle
einer Trennwand umso größer, je kleiner die flä-
bewirkt. Deren x-Komponente ist bei einem Aus-
chenbezogene Masse und je niedriger die Schall-
fallwinkel ı
frequenz ist. Für Schallschutztrennwände gilt
vx .x1 / D vtx .x1 / D vt .x1 / cos ı : (7.37) meistens m00 f =Z
1, sodass für ı <
ı
90 (7.39) in
In komplexer Schreibweise gelten für die Schall- 2
wellen an der Grenzfläche x D x1 mit der Z
S .ı/ (7.41)
Kreisfrequenz ! D 2 f m00 f cos ı
pe .x1 / D pOe ej!t und v1 .x1 / D vO 1 ej!t übergeht. Vielfachreflexionen bewirken in Räu-
men, dass die Schalleinstrahlung gleichmäßig
sowie über alle Einfallswinkel ı, d. h. diffus verteilt
ist. Wegen cos2 ı D 0;5 ist daher der Trans-
pt .x1 / D pOt ej!t und vt .x1 / D vOt ej!t : missionsgrad
S .ı/ einer Trennwand im diffusen
Schallfeld
Damit ergibt sich aus (7.36), wenn (7.37)
und (7.35) eingesetzt werden, p !2
2Z
S .ı/ D D 2
S .0ı / : (7.42)
dvt m00 f
m00 cos ı D m00 cos ı.j!/vO t e j!t
dt
D 2.pOe pOt /e j!t : Als Schalldämmmaß R der Trennwand wird
quellen ist eine Lärmminderungsmaßnahme am und verstärken die Auslenkungen des Trommel-
sinnvollsten, um den Gesamtpegel am Wohnge- fells auf das ovale Fenster.
bäude zu senken? Um wie viel muss der Pegel Das Innenohr ist sehr kompliziert aufgebaut.
mindestens gemindert werden, dass der Gesamt- Grob vereinfachend besteht es aus zwei mit-
pegel am Gebäude höchstens 60 dB beträgt? einander verbundenen Räumen (Skalae vestibuli
und tympani) und ist mit einer natriumionen-
Ü 7-6 Eine s D 10 mm dicke einscheibige reichen Flüssigkeit (Perilymphe) gefüllt. Beim
Glaswand (Dichte % D 2500 kg=m3 ; Querdeh- ovalen und runden Fenster ist das Flüssigkeitsvo-
nungszahl D 0;17; Elastizitätsmodul E D lumen jeweils durch bewegliche Membranen ab-
76 GN=m2 / ist schalltechnisch zu analysieren. geschlossen, so dass die vom Schall verursachte
a) Welches Luftschalldämmmaß hat die Glas- Steigbügelfußbewegung in eine Schwingung der
wand bei 250 Hz und 1000 Hz? b) Wo liegt die inkompressiblen Perilymphflüssigkeit umgewan-
Grenzfrequenz dieser Glaswand? c) Welche Aus- delt wird. Diese Flüssigkeitsschwingung erzeugt
wirkung hat der Koinzidenzeffekt auf das Luft- mechanische Deformationen der Basilarmem-
schalldämmmaß der Glaswand? (Schätzwert für bran der Schneckenspindel, die die beiden Pe-
R bei 250 Hz und 1000 Hz). rilymphteilräume trennt. Die Schneckenspindel
ist mit kaliumionenreicher Flüssigkeit (Endolym-
phe) gefüllt, zwischen Endo- und Perilymphe
7.3 Schallempfindung besteht also ein elektrisches Gleichspannungspo-
tenzial. Die Haarzellen des Cortischen Organs
7.3.1 Physiologische Akustik auf der Basilarmembran erleiden durch die Ba-
silarmembranbewegung elektrische Potenzialän-
Das menschliche Ohr ist nach statistischen Rei- derungen und die dadurch im Hörnerv erzeugten
henuntersuchungen erst dann in der Lage, Schall- Reizströme lösen im Gehirn die Schallempfin-
wellen zu registrieren und eine Schallempfindung dung aus.
im Bewusstsein auszulösen, wenn die Schall- Gleiche Schallpegel unterschiedlicher Fre-
frequenz im Bereich f D 16 Hz bis 20 kHz quenz führen zu einer unterschiedlichen Schall-
und der Effektivwert des Schallwechseldrucks empfindung. In Abb. 7.12 ist als untere Grenz-
über ca. peff D 2 105 Pa liegt. Die obere kurve in Abhängigkeit von der Schallfrequenz
Frequenzgrenze des Hörbereichs verringert sich der Schalldruckpegel Lp eingezeichnet, der eben
mit zunehmendem Alter erheblich. Bei Schall- noch einen Höreindruck hervorruft, die Hör-
drücken oberhalb p D 20 Pa oder Schallpegeln schwelle.
höher als L D 120 dB registriert der Mensch Der Maßstab für das Lautheitsempfinden des
nahezu keine Frequenz- und Amplitudenabhän- Gehörorgans ist die Lautstärke LS . Er ist so
gigkeit des Schalls mehr, sondern er empfindet gewählt, dass bei einer Schallfrequenz f D
nur noch Schmerz (akustische Schmerzgrenze). 1000 Hz der Wert der Lautstärke gleich dem Wert
Einen Überblick über die Abgrenzung des Hörbe- des Schalldruckpegels ist:
reichs von den übrigen Schallfrequenzbereichen
gibt Tab. 7.5. LS .1 kHz/ Lp .1 kHz/
Das menschliche Gehörorgan besteht, wie D (7.51)
phon dB
Abb. 7.11 schematisch wiedergibt, aus drei Berei-
chen, dem äußeren Ohr, dem Mittelohr und dem Die Lautstärke wird in der Maßeinheit phon
Innenohr. Der äußere Gehörgang wirkt als offe- gemessen. Der Verlauf der Lautstärkepegel in
ne Pfeife (Abschn. 5.2.6.2), die Eigenfrequenz Abb. 7.12 gibt an, welcher Schalldruckpegel
der Luftsäule bewirkt im Bereich 2 kHz < f < Lp .f / einer Schallwelle die gleiche Schallemp-
4 kHz eine Resonanzverstärkung der Schallam- findung auslöst wie der Schalldruckpegel Lp
plituden. Hammer, Amboss und Steigbügel wir- (1000 Hz) einer 1 kHz-Schallwelle. Anhand von
ken als mechanische Übersetzung; sie übertragen Abb. 7.12 kann für Schall mit einem schmalban-
570 7 Akustik
Abb. 7.15 Charakteristische Schallspektren: Schnellever- Frequenzspektrum (Abszisse: f , Ordinate: I ): e Ton a00 ,
lauf (Abszisse: t , Ordinate: v): a Ton a0 , b Klang a0 -cis00 - f Dreiklang a0 -cis00 -e00 , g Geräusch (Wassereinlauf in Be-
e00 , c Geräusch (Wasserauslauf), d Knall (Handklatschen). cken), h Knall (Handklatschen)
574 7 Akustik
Abb. 7.16 Lautstärkespektren von Musikinstrumenten im ton Hering), b Trompete (Originalton Martin), c Akkorde-
Vergleich, Kammerton a0 D 440 Hz (Aufnahme mit on (Originalton Stohrer)
Fast-Fourier-Transform-Analysator): a Violine (Original-
Die stufenweise Anordnung der Töne inner- a) Welcher Gesamt-Schallpegel wird gemessen?
halb der Oktave ergibt die Tonleiter. Basis der b) Welchen A-bewerteten Schallpegel hat das
abendländischen Musik ist die diatonische C- gemessene Frequenzspektrum? c) Wie hoch ist
Dur Tonleiter mit der Grundtonbezeichnung c. der äquivalente Dauerschallpegel an diesem Ar-
Die Frequenzverhältnisse f :fc0 der sieben Tö- beitsplatz, wenn wegen eines zusätzlichen Ma-
ne zum Grundton sind in Tab. 7.7 aufgeführt; schinengeräusches während eines 10-stündigen
für die internationale Stimmung des Normstimm- Arbeitstages zwei Stunden lang der Oktavpegel
tons a0 (Kammerton) auf fa0 D 440 Hz sind die bei 250 Hz auf 80 dB ansteigt?
Frequenzen der Töne der eingestrichenen Oktave
angegeben. Ü 7-8 Einem Menschen wird ein Sinuston nied-
Die diatonische Tonleiter, die mit ganzzahli- riger Frequenz vorgespielt. Der Ton erzeugt beim
gen Frequenzverhältnissen gebildet wird, ist in Hörer einen Schalldruckpegel von 92 dB. Der
sich nicht widerspruchsfrei, wie folgendes Bei- Hörer empfindet den Ton als gleich laut wie einen
spiel zeigt: Ausgehend von der Frequenz fc0 des Sinuston der Frequenz 1 kHz mit einem Schall-
Tons c0 kommt man durch einen großen Sext- und druckpegel von 70 dB. a) Was war die Frequenz
einen Quartschritt auf den Ton d00 mit der Fre- des tiefen Tones? b) Wie groß ist die Lautstärke
576 7 Akustik
7.4.1 Raumakustik
Wird (7.58) durch den Schallleistungsgrenzwert Abb. 7.19 Bestimmung der Nachhallzeit aus dem Schall-
P0 D I0 S0 der Hörschwelle dividiert, so ergibt pegelabfall eines diffusen Schallfeldes. Nachhallzeit
T =2 D 0;55 s oder T D 1;1 s
sich mit den Gleichungen in Tab. 7.2 der Schallin-
tensitätspegel des diffusen Schallfelds:
Die Integration von (7.61) ergibt, dass die Schall-
A
LI;diffus D LW 10 lg dB : (7.60) energie in einem Raum exponentiell abnimmt,
4S0
wenn die Schallquelle ausgeschaltet wird:
LW ist der Schallleistungspegel der Schallquel-
W .t/ D W .0/ecAt =.4V / : (7.62)
le, S0 D 1 m2 die Bezugsfläche. Die äquivalente
Absorptionsfläche A eines Raumes bestimmt al-
Als charakteristische Zeitkonstante für den Ab-
so den Schallpegel des diffusen Schallfeldes und
fall der Schallenergie ist die Nachhallzeit T
darüber hinaus den akustischen Raumeindruck.
festgelegt. Es ist die Zeitspanne, in der die Schall-
Ist A groß, hat der Raum eine geringe Halligkeit,
energie auf W .T / D 106 W .0/ oder der Schall-
seine Akustik wird als trockene Akustik gekenn-
pegel Ldiffus des diffusen Schallfelds um L D
zeichnet. Sehr hallige Räume dagegen haben eine
60 dB abgenommen hat. Aus (7.62) ergibt sich
geringe äquivalente Absorptionsfläche.
Diese für den raumakustischen Eindruck cha- 24 ln 10 V
rakteristische Größe A kann messtechnisch ein- T D : (7.63)
c A
fach durch eine Nachhallmessung bestimmt wer-
den. Dazu wird entsprechend Abb. 7.19 der Für Luftschall mit einer mittleren Schallge-
zeitliche Abfall des Schallpegels Ldiffus im dif- schwindigkeit von cL D 340 m=s geht (7.63) über
fusen Schallfeld untersucht, wenn die Schall- in die Sabine’sche Formel:
quelle abgeschaltet wird. Die im Zeitintervall dt 0;163 V
dem Raumvolumen V durch Absorption verlo- T D : (7.64)
m=s A
ren gehende Schallenergie dW=dt ist gleich
der absorbierten Schallleistung Pges nach (7.58). Die Nachhallzeit T hängt vom Raumvolumen
Die Schallintensität des diffusen Schallfeldes ist und – über den Zusammenhang mit der äqui-
Idiffus D wc und hängt damit von der Schall- valenten Absorptionsfläche A – wie der Schall-
energiedichte w D W=V ab; es gilt die Bestim- absorptionsgrad ˛S (Abb. 7.7) von der Schall-
mungsgleichung frequenz ab. Um eine optimale Hörsamkeit in
Vortragsräumen, einen vollen Klangeindruck in
dW 1 cA
D Pges D W : (7.61) Musiksälen oder eine ausreichende Schallpe-
dt 4 V gelreduktion in Sporthallen zu erreichen, sind
578 7 Akustik
Außer vom Schalldämmmaß R hängt also die Ziel der Körperschalldämmung ist es, die Ein-
von den Bewohnern empfundene Schalldäm- leitung von Körperschall in ein Bauteil sowie die
mung L1 L2 vom Verhältnis der Trennwandflä- Ausbreitung und die Abstrahlung als Luftschall
che S zur äquivalenten Absorptionsfläche A des möglichst niedrig zu halten. Die Möglichkeiten
Empfangsraums ab. hierzu sind
Gleichung (7.68) wird in der Praxis dazu ver-
wendet, das Schalldämmmaß einer Konstruktion die Körperschalldämmung durch Reflexion
zu bestimmen: des Körperschalls an Grenzflächen mit ho-
hen Schallkennimpedanzunterschieden (Luft-
S
R D L1 L2 C 10 lg dB : (7.69) zwischenschichten in zweischaligen Trenn-
A
wänden, Sperrmassen) oder abgestimmter
Zu diesem Zweck werden der diffuse Schallpegel elastischer Zwischenschichten (Federelemen-
L1 der Lautsprecher im Senderaum, der diffuse te, Gummiplatten);
Schallpegel L2 im Empfangsraum und die Trenn- die geometrische Körperschalldämmung
wandfläche S gemessen sowie nach (7.64) über durch Verminderung der Körperschalldichte,
eine Nachhallzeitanalyse im Empfangsraum die indem die Entfernung von der Quelle ver-
äquivalente Absorptionsfläche A ermittelt. größert wird und die abstrahlenden Flächen
R ist von der Schallfrequenz abhängig und verkleinert werden;
muss nach DIN 52 210 terzweise im Bereich die Körperschalldämmung durch Dissipation
100 Hz < f < 3200 Hz bestimmt werden. der Körperschallenergie in zwischengeschal-
Der Schallschutz hängt nicht nur von der teten Materialien mit hoher innerer Rei-
Schalldämmung der Trennfläche S zwischen den bung (Hochpolymere, Sand, Entdröhnmate-
Räumen ab, sondern in hohem Maß auch von rialien) und über Reibungsverluste an Kon-
der Schalllängsleitung entlang der flankieren- taktflächen (Nagelverbindungen, Stoßstellen-
den Bauteile. Die Luftschalldämmung der Trenn- Dämmung an Bauteilübergängen);
wand oder Trenndecke wird durch diese Schall- die Verminderung des Abstrahlgrads der kör-
längsleitung begrenzt. perschallabstrahlenden Fläche, indem durch
konstruktive Maßnahmen (kleinflächige Un-
terteilung, Aussteifungen, Lochungen) die
7.4.3 Körperschalldämmung Abstrahlfläche möglichst klein gemacht (cha-
rakteristische Durchmesser kleiner als die
Körperschall ist die Ausbreitung von Schall in Luftschallwellenlänge) und in nebeneinander-
einem festen Medium oder an der Oberfläche liegende Gebiete mit entgegengesetzter Pha-
eines Festkörpers mit Schallfrequenzen im Hör- senlage (Schallinterferenz-Auslöschung) zer-
bereich oberhalb f D 15 Hz. Schallwellen mit legt wird.
kleineren Frequenzen werden als Schwingungen
oder Erschütterungen bezeichnet. Die Erregung In der Praxis werden die verschiedenen Mög-
von Körperschall in festen Bauteilen durch di- lichkeiten miteinander kombiniert. Eine beson-
rekt einwirkende mechanische Kräfte ist viel ders wirkungsvolle Körperschallisolation ist die
wirksamer als die Luftschallanregung. Beson- elastische Lagerung des Schallgebers, wie in
ders wirksam sind stoßartige Körperschallerre- Abb. 7.21 dargestellt. Hierbei steht der Erreger
gungen. Das Frequenzspektrum dieser Schlagge- mit seiner Fundamentplatte auf einer federnden
räusche ist so breit, dass eine Vielzahl der mög- Zwischenschicht gemäß Abb. 7.22 (z. B. Metall-
lichen Körperschallwellenformen, wie beispiels- oder Gummifederkörper, weiche Gummi-, Kork-
weise Longitudinal-, Transversal- oder Rayleigh- oder Schaumstoffplatten, Fasermatten) und bildet
Oberflächenwellen, angeregt werden. so ein schwingungsfähiges Masse-Feder-System.
580 7 Akustik
FOL
D1 : (7.71)
FOE
AE
!0 proportional zu 1=˝ 2 . Einen steileren Ab- Ln D Lgem C 10 lg dB : (7.75)
A0
fall ( 1=˝ 4 ) und damit einen höheren Isolier-
wirkungsgrad erreicht eine elastische Lagerung AE wird durch eine Nachhallzeitmessung
nach dem Prinzip eines schwingungsgekoppelten nach (7.64) bestimmt.
582 7 Akustik
7.4.4 Strömungsgeräusche
an der Oberfläche der Festkörper kommt es zu wird als Infraschall bezeichnet. Der Schallfre-
Oberflächenwellen, die Biegewelle auf platten- quenzbereich oberhalb der Hörakustikfrequenzen
förmigen Bauteilen (Abb. 7.10) ist ein Beispiel wird in Ultraschall und Hyperschall unterteilt.
dafür. Während es im Ultraschallbereich viele inter-
Im hörakustischen Frequenzbereich der essante technische Schallanwendungen in allen
Schallwellen findet sich der Großteil der Aggregatzuständen gibt, ist die Hyperschallaus-
Schallanwendungen. Sprach- und Musikübertra- breitung ausschließlich ein Festkörperphänomen.
gungen, aber auch Schall- und Lärmschutz sind Tab. 7.8 weist, aufgeschlüsselt nach den ver-
die Hauptanwendungsgebiete. Der Schallfre- schiedenen Schallarten, die Einsatzbereiche und
quenzbereich unterhalb der Tiefton-Hörschwelle Anwendungsgebiete von Schall aus.
586 7 Akustik
7.4.7 Zur Übung geht. Dieser Abstand, bei dem die Intensität des
Direktschalls gleich der konstanten Intensität des
Ü 7-9 Eine Werkhalle (Länge 25 m, Breite 15 m, diffusen Schallfelds wird, heißt Hallradius rH .
Höhe 7 m) soll für kulturelle Veranstaltungen als
Saal für Musik- und Sprechdarbietungen genutzt
B
werden. Bei den Veranstaltungen wird von ei-
ner durchschnittlichen Zuhörerzahl von 300 Per-
sonen (äquivalente Schallabsorptionsfläche pro 1 2
Person A D 0;5 m2 / ausgegangen. Die Schall-
absorptionsgrade der Raumoberflächen im mitt- L H
leren Frequenzbereich von 500 Hz betragen für
die Wände ˛W D 0;02, für den Boden ˛B D 0;04
und für die Decke ˛D D 0;15. a) Wie groß ist a) Der Hallradius rH ist ein Maß für die äqui-
im vorgefundenen Raumzustand die Nachhallzeit valente Absorptionsfläche A. Leiten Sie einen
bei 500 Hz mit und ohne Publikum? b) Bestim- Zusammenhang zwischen beiden Größen her!
men Sie unter Berücksichtigung von Publikum b) Wie groß ist die äquivalente Absorptionsflä-
die erforderliche raumakustische Maßnahme an che A von Raum 1?
der Decke, wenn für die vorgesehene Nutzung bei c) Welche akustische Leistung PW gibt die Test-
500 Hz die optimale Nachhallzeit 1,3 s beträgt. schallquelle ab?
Welche Fläche SAbs der Decke muss mit Absor-
bermaterial abgedeckt werden, wenn ˛Abs D 0;8 Beide Räume haben dieselbe äquivalente Absorp-
beträgt? tionsfläche A. In Raum 2 wird ein konstanter
diffuser Pegel von L2 D 40 dB gemessen.
Ü 7-10 Die Schalldämmung eines Fensters soll
unter folgenden Voraussetzungen abgeschätzt d) Wie groß sind Schalldämmmaß R und Trans-
werden: Fensterfläche 2;2 m2 , Raumvolumen missionsgrad
der Trennwand?
45 m3 , Nachhallzeit des Raumes 0,4 s. Der dif-
fuse Schallpegel außerhalb des Fensters wird
gemessen zu L1 D 75 dB. Im Innern ergibt sich Ü 7-12 Zur zerstörungsfreien Prüfung des nach-
ein Pegel von L2 D 38 dB. a) Das Schalldämmaß stehend skizzierten Werkstücks werden darin mit
R des Fensters ist zu berechnen unter der Annah- einem Schallwandler kurze Ultraschallpulse ein-
me, dass die Schallübertragung durch die Mauern strahlt. An Materialfehlern und Grenzflächen er-
vernachlässigbar ist. b) Wie groß wird der diffuse folgt eine Reflexion dieser Schallwellen. Im Fol-
Pegel im Raum, wenn das Fenster halb bzw. ganz genden wird die Dämpfung im Material vernach-
geöffnet wird? lässigt, Schallgeschwindigkeit c und Dichte %
betragen in Stahl cSt D 5000 m=s und %St D
Ü 7-11 Zwei aneinander grenzende, quaderför- 7;85 g=cm3 sowie in Aluminium cAl D 5100 m=s
mige Räume mit gleichem Volumen V1 D V2 D und %Al D 2;70 g=cm .
3
eingeführt. Der moderne Atombegriff bezeich- gel mit einem Durchmesser der Größenordnung
net den kleinsten Bestandteil eines chemischen von 1010 m. Führen die Elektronen in der homo-
Elements, der noch die Eigenschaften des Ele- genen positiven Ladungsverteilung Schwingun-
ments hat. Eine Zerlegung des Atoms in seine gen aus, so findet eine Emission von elektro-
Bestandteile Protonen, Neutronen und Elektro- magnetischer Strahlung statt (Hertz’scher Dipol).
nen hat den Verlust der Elementeigenschaften Die nach diesem Modell errechneten Schwin-
(z. B. Spektrum) zur Folge. Der atomare Auf- gungsfrequenzen konnten experimentell nicht be-
bau der Materie (Abb. 8.2) zeigt sich u. a. dar- stätigt werden. Streuexperimente von E. RU -
in, dass es bestimmte ganzzahlige Massenver- THERFORD (1871 bis 1937) mit ˛-Teilchen an
hältnisse gibt, in denen die Elemente chemi- Atomen führten zu folgendem Atommodell: Die
sche Reaktionen eingehen (Dalton’sches Gesetz). positive Ladung und fast die gesamte Masse des
Für Gase stellte Gay-Lussac fest, dass sie nur Atoms ist in einem Atomkern (Durchmesser etwa
in bestimmten ganzzahligen Volumenverhältnis- 1014 m) konzentriert, der von einer Elektronen-
sen miteinander reagieren. Avogadro zog daraus hülle umgeben ist (Durchmesser etwa 1010 m).
den Schluss, dass gleiche Volumina gleich viele Auch mit diesem Atommodell konnten die dis-
Teilchen enthalten (Avogadro-Konstante NA D kreten Frequenzen der emittierten elektromagne-
6;022 1023 mol1 , Abschn. 3.1.5). Die Atomis- tischen Strahlung nicht berechnet werden.
tik der Elektrizität zeigen die Faraday’schen Ge-
setze (Abschn. 4.2.1.2), da die abgeschiedene
Stoffmenge proportional zur Ladungsmenge ist. 8.1.1 Optisches Spektrum des
Das Auftreten von Energie in unteilbaren Por- Wasserstoffatoms
tionen (Quanten) wurde von Planck zur Erklä-
rung des Energieaustausches zwischen Materie Unter einem Spektrum versteht man in der Op-
und Strahlung (Planck’sches Strahlungsgesetz, tik die Abhängigkeit der Strahlungsintensität von
der Frequenz bzw. der Wellenlänge der Strah-
Abschn. 6.5.3) eingeführt. Dies ist der Ausgangs-
punkt der Quantentheorie, ohne die eine quan- lung. Die Auswertung und die Interpretation von
titative Beschreibung molekularer, atomarer und Spektren geschieht in der Spektroskopie. Zur
subatomarer Vorgänge nicht möglich wäre. Messung von Spektren, beispielsweise von Fest-
körpern, Molekülen und Atomen, werden die
in Abb. 8.3 zusammengestellten Spektroskopie-
8.1 Bohr’sches Atommodell Verfahren eingesetzt.
Bei der Emissionsspektroskopie wird die Pro-
J. J. T HOMSON (1856 bis 1940) entwickelte 1904 be beispielsweise durch Hochfrequenzfelder io-
folgende Atomvorstellung: Die Elektronen befin- nisiert und zur Lichtemission angeregt. Nach der
den sich in einer homogen positiv geladenen Ku- spektralen Zerlegung des Lichts durch einen Mo-
8.1 Bohr’sches Atommodell 591
(2)
(3)
(1)
(4)
zahl k, eingeführt. Für sie gilt 1 5 k 5 n. windliche Schwierigkeiten bei der Berechnung
Das Verhältnis der beiden Halbachsen wird durch der Spektren von Mehrelektronensystemen.
bn; k =an D k=n bestimmt. Dies bedeutet, dass
zu einer Energie En n Energiezustände gleicher
Energie gehören (n-fache Entartung), die sich
8.2 Quantentheorie
durch die Nebenquantenzahl (k D 1 bis n) un-
terscheiden (Abb. 8.5). So ist beispielsweise der
Die klassische Physik umfasst die Mechanik
Energiezustand für n D 3 dreifach entartet, d. h.,
(Newton) und die Elektrodynamik (Maxwell). Ei-
es handelt sich um drei Energiezustände gleicher
ne Konsequenz der Maxwellgleichungen ist das
Energie mit k D 1; 2; 3.
Auftreten elektromagnetischer Wellen. Das klas-
Bei einer klassischen Betrachtungsweise der
sische Weltbild umfasst somit
Bewegung des Elektrons auf einer Ellipsenbahn
muss sich infolge des Drehimpulserhaltungssat-
Materie: punktförmige Teilchen mit der Mas-
zes (Flächensatz, Abschn. 2.10) das Elektron
se m und der Ladung Q,
in Kernnähe schneller bewegen als in großer
Strahlung: elektromagnetische Wellen,
Entfernung. Nach der Relativitätstheorie nimmt
Kräfte: Gravitationskraft und Lorentz-Kraft.
die Masse des Elektrons mit zunehmender Ge-
schwindigkeit zu (Abschn. 10.2), sodass das
(Die Lorentz-Kraft ist das Kopplungsglied zwi-
Elektron in Kernnähe schwerer ist. Wegen En
schen Mechanik und Elektrodynamik.)
m0 kommt es zu einer Energieabsenkung des
Mit der klassischen Physik konnten aber nicht
Zustandes, die umso größer ist, je kleiner die
alle experimentellen Befunde erklärt und berech-
Halbachse bn; k und damit die Nebenquantenzahl
net werden. In Abb. 8.6 sind einige grundlegende
k ist. Das rechnerische Ergebnis von Sommerfeld
Experimente zusammengestellt, deren Ergebnis-
ist in Abb. 8.5 angegeben (4). Die relativistische
se einen Widerspruch zur klassischen Physik dar-
Energieänderung ist abhängig von dem Quadrat
stellen.
einer Konstanten ˛, die Sommerfeld’sche Fein-
Plancks Einführung der Quantenhypothe-
strukturkonstante genannt wird:
se zur Beschreibung der schwarzen Strahlung
Geschwindigkeit des Elektrons auf der 1. Bohr-Bahn (Hohlraumstrahlung, Abschn. 6.5.3) führte zu
˛D einer völligen Revision des physikalischen Welt-
Lichtgeschwindigkeit
bildes. Hierbei geht es um die Beschreibung des
und beträgt Energieaustausches zwischen Materie und Strah-
lung, die nach der klassischen Theorie kontinu-
˛ D 0 c0 e 2 =2h D 7;297352568 103 1=137 : ierlich erfolgt, sodass die Energie im Lauf der
Zeit vollständig aus der Materie in die Strah-
Eine genaue Bestimmung von ˛ kann durch den lung übergeht. Dies ist dann nicht mehr mög-
von K. VON K LITZING (geb. 1943) entdeck- lich, wenn die Energie in bestimmten Portionen
ten Quanten-Hall-Effekt vorgenommen werden (Quanten) beieinander bleibt. Die Strahlung ist
(Abschn. 8.2.5). Infolge der relativistischen Mas- somit ein Teilchenstrom aus Energie-Quanten
senänderung des Elektrons wird die Entartung (Photonen) mit der Energie E D hf D „ !
aufgehoben und führt zu einer Aufspaltung der (Planck’sches Wirkungsquantum h, ! D 2 f )
Spektrallinien (Abb. 8.5). und dem Impuls p D h= D „ k (Wellenzahl
Trotz dieser großen Erfolge der Bohr-Som- k D 2 =). Dieser Teilchencharakter der Strah-
merfeld’schen Theorie zur Deutung der Spektren lung zeigt sich deutlich bei der Beschreibung
von Einelektronensystemen ergaben sich unüber- des lichtelektrischen Effekts und der Compton-
596
Streuung (Abb. 8.6, s. Abschn. 6.5.1.1 und Ab- Unschärferelation und damit durch die Größe des
schn. 6.5.1.2). Planck’schen Wirkungsquantums (vgl. Abb. 1.2
De Broglie stellte 1925 die Hypothese auf, in Abschn. 1.2).
dass jedem freien Teilchen eine Welle zugeord-
net werden kann, dessen Wellenlänge durch
8.2.1 Hamilton-Operator
D h =p I (8.3)
p D m v (Impuls des Teilchens) Extremalprinzipien (d. h., bestimmte physikali-
sche Größen werden zu Extremwerten) spielen in
gegeben ist (Abschn. 6.5.5). Diese Umkehrung der Physik eine bedeutende Rolle zur Erklärung
der Planck’schen Vorstellung, dass die Teilchen von Zustandsänderungen bzw. Bewegungsabläu-
ebenso Wellencharakter haben, wurde 1927 ein- fen. In der Thermodynamik laufen beispielswei-
drucksvoll durch die Experimente von C. J. DA - se Prozesse so ab, dass die Gesamtentropie ein
VISSON (1881 bis 1958) und L. H. G ERMER Maximum annimmt. In der Optik muss nach
(1896 bis 1971) bestätigt. Die aus dem In- dem Fermat’schen Prinzip (Abschn. 6.1) der op-
terferenzmuster der Beugung von Elektronen tische Weg (Produkt aus Brechungsindex und
an einer Kristalloberfläche ermittelte Wellenlän- geometrischem Weg) einen Extremwert anneh-
ge der Elektronen entspricht der De-Broglie- men (i. Allg. ein Minimum). Für Bewegungen der
Wellenlänge (8.3). Mechanik existiert ebenfalls ein Extremalprinzip,
Anhand der in Abb. 8.6 zusammengestell- das Hamilton’sche Prinzip (W. R. H AMILTON ,
ten Experimente wird deutlich, dass Materie und 1805 bis 1865), nach dem die Wirkung (Energie
Strahlung eine Doppelnatur aufweisen, indem sie mal Zeit) extremal wird.
sich je nach Experiment einmal als Welle, ein Ein mechanisches System wird durch den zeit-
anderes Mal als Teilchen verhalten (Dualismus lichen Verlauf der Ortskoordinaten der System-
Welle–Teilchen). Es ist offensichtlich, dass Ma- bestandteile (Bewegungsgleichung) beschrieben.
terie nicht gleichzeitig aus Wellen und Partikeln Für die Bewegung eines Teilchens kann dies
bestehen kann. Dieser Dualismus ist somit nichts beispielsweise durch die Bewegungsgleichungen
anderes als der Ausdruck unserer Unzulänglich- x.t/; y.t/ und z.t/ erfolgen. In vielen Fällen
keit, das Verhalten der uns umgebenden Objekte sind die Bewegungsmöglichkeiten der Systembe-
widerspruchsfrei zu beschreiben. Die Beschrei- standteile durch Zwangsbedingungen oder Bin-
bung von Vorgängen und die Begriffsbildung dungen eingeschränkt. Wenn beispielsweise die
stammen aus unserer Erfahrung des täglichen Le- Bewegung eines Teilchens nur in einer Ebene
bens. Begriffe wie Ort, Impuls oder Energie ver- stattfindet, ist z konstant, sodass z.t/ entfällt.
binden wir mit Körpern, die sich für uns sichtbar Durch derartige Bindungen wird die Anzahl der
bewegen; die Begriffe Wellenlänge und Frequenz Freiheitsgrade des Systems verringert. Für ein
bringen wir in Zusammenhang mit Wasserwel- System aus n Teilchen ergibt sich die Anzahl der
len oder der Farbe des Lichts. Objekte unserer Freiheitsgrade zu f D 3n r mit r als der An-
Anschauung bestehen aus vielen Teilchen (Mo- zahl der Bindungen.
leküle, Atome). Betrachten wir dagegen einzelne Für jedes dieser n Teilchen gilt die New-
Atome oder atomare Prozesse, so sind diese un- ton’sche Bewegungsgleichung, beispielsweise
serer Anschauung nicht direkt zugänglich, sodass für das i-te Teilchen in x-Richtung Fxi D mi xR i .
eine Beschreibung mit makroskopisch gewonne- Die r Bindungen verknüpfen die Koordinaten
nen Begriffen widersprüchlich sein muss. Durch der n Teilchen untereinander. Deshalb sind die
die mathematische Beschreibung in der Quanten- Newton’schen Bewegungsgleichungen der ein-
theorie wird der Widerspruch beseitigt, und der zelnen Teilchen voneinander abhängig (gekop-
Dualismus tritt nicht auf, da man sich von der pelt). Die Lösungen solcher gekoppelter Bewe-
Anschauung löst. Die Grenze der Anwendbarkeit gungsgleichungen sind, wenn überhaupt, nur mit
des Partikel- oder Wellenbildes ergibt sich aus der sehr großem mathematischem Aufwand zu fin-
598 8 Atom- und Kernphysik
Zt2
W D L.q1 ; : : : ; qf ; qP1 ; : : : ; qPf ; t/ dt
t1
! Extremwert : (8.4)
Abb. 8.7 Phasenraum
lisierten Koordinaten qk ergeben sich die Bewe- Für die Bewegungsgleichung ergibt sich
gungsgleichungen nach (8.9)
@H pˇ
@H @H D ˇP D I
D qPk I D pPk I (8.9) @pˇ m l2
@pk @qk
@H
k D 1; 2; : : : ; f : D pPˇ D mgl sin ˇ :
@ˇ
für ein freies Teilchen .V .r/ D 0/ eingesetzt, so Wird dieser Ausdruck in die Schrödinger-
erhält man (unter Berücksichtigung von p r D Gleichung (8.14) eingesetzt, so ergibt sich
px x C py y C pz z/ als Lösung 2
pO
C V .xO O
y; O
z/ .x; y; z/
„2 i .prEt / @ i .prE t / 2m
ae „ D i„ ae „ ; „ ƒ‚ …
2m @t O
H
p2 D E .x; y; z/ : (8.18)
DE: (8.15)
2m
Der Operator HO ist die quantenmechanische
Dies ist die kinetische Energie eines freien Teil- Übersetzung der Hamilton-Funktion H D
chens in der klassischen Physik. p 2 =.2 m/ C V .x; y; z/ D Egesamt , in der die
Wird die Operation „
D „ r auf klassischen Größen durch die Operatoren ersetzt
2 2 2
Zeit: t Zeit: t
mathematische Vektorrechnung – Vektoranalysis Operatorenalgebra
Abbildung des
physikalischen
Systems
Gesamtenergie H.r.t /; p.t // HO .x;
O y;
O zO ; pOx ; pOy ; pOz /
des Systems D Ekin .r.t /; p.t // C V .r.t // D Ekin .x;
O y; O zO ; pOx ; pOy ; pOz / C V .x;
O y;
O zO /
(Hamilton-
Funktion)
Beschreibung der
@H
@x
D pPx I @<y
@H
D pPy I @H
@z
D pPz HO .r; t / D i„ @t@ .r; t /
zeitlichen und @H
D xI
P @H
D yI
P @H
D zP zeitabhängige Schrödinger-Gleichung
@px @py @pz
räumlichen Lösung dieser Gleichungen liefert die Lösung der Schrödinger-Gleichung liefert die
Entwicklung des Bahnkurve des Teilchens (Bewegungs- Wellenfunktion
Systems gleichung): ) .r; t / Skalar
) r.t / Es gibt keine Bahnkurve eines Teilchens, sondern
nur seine Wahrscheinlichkeit .r; t / .r; t /dV ,
es in dem Volumen dV anzutreffen:
.r; t / .r; t / D j .r; t /j2 = 0
„ ƒ‚ …
R
Wahrscheinlichkeitsdichte
. dV D1/
( konjugiert komplex)
enthält alle verfügbaren Informationen über
das System
Messprozess Die Observablen können zu jedem Zeit- Der Messprozess verändert das System,
punkt unabhängig voneinander genau sodass beispielsweise Ort und Impuls
gemessen werden, beispielsweise Ort nicht gleichzeitig scharf messbar sind.
und Impuls. – Das System wird durch Unschärferelation
x
px = „2
den Messvorgang nicht verändert
Korrespondenz- Die Definitionsgleichungen der klassischen Mechanik, die keine Ableitungen enthalten, gelten
prinzip auch für die entsprechenden Operatoren der Quantenmechanik. – Wenn das quantenmechani-
sche System „genügend groß“ wird, muss die Quantenmechanik in die klassische Mechanik
übergehen
mit Faktoren cn , die komplex sein können. Vor- Dies bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit eins
aussetzung ist stets, dass die Wellenfunktion nor- ist, das Teilchen irgendwo im Raum anzutreffen.
8.2 Quantentheorie 603
Deshalb muss die Wellenfunktion für r ! ˙1 zeigt. Das quantenmechanische Ergebnis zeigt,
schnell gegen null gehen oder periodisch sein. dass sich n .x/ über diese Umkehrpunkte hinaus
Im Folgenden soll die Lösung der erstreckt. Da j n .x/j2 dV die Aufenthaltswahr-
Schrödinger-Gleichung für einige konkrete scheinlichkeit angibt, bedeutet dies, dass sich das
Probleme, den Potenzialtopf, den harmoni- Teilchen auch außerhalb der klassischen Um-
schen Oszillator und die Potenzialschwelle kehrpunkte aufhalten kann.
genauer betrachtet werden. In Abb. 8.9 ist die Der Widerspruch zum klassischen Verhalten
Schrödinger-Gleichung für diese Potenziale mit eines Teilchens wird noch deutlicher beim Anlau-
den Randbedingungen und den Lösungen ange- fen eines Teilchens gegen eine Potenzialschwelle.
geben. Aus diesen Beispielen ist ersichtlich, dass Bei einer Energie E des Teilchens kleiner als die
zur Lösung der Differenzialgleichung bei den Potenzialschwelle kann das Teilchen klassisch
vorgegebenen Randbedingungen ein erheblicher die Schwelle nicht überwinden, sodass es voll-
mathematischer Aufwand erforderlich ist. ständig reflektiert wird (Abb. 8.9). In der Quan-
Betrachtet man das quantenmechanische Er- tenmechanik besteht dagegen eine Wahrschein-
gebnis des Rechteckpotenzials und des harmoni- lichkeit, das Teilchen hinter der Potenzialschwel-
schen Oszillators, so zeigt sich als fundamentaler le anzutreffen. Diese Wahrscheinlichkeit wird
Unterschied zum klassischen Ergebnis, dass nur durch den Transmissionskoeffizienten T ausge-
diskrete Energiezustände En erlaubt sind. Die drückt. Je dünner die Potenzialschwelle ist, umso
Aufeinanderfolge der Energieniveaus wird durch größer wird T . Dieses Durchdringen einer Poten-
eine ganze Zahl n bestimmt, die als Quanten- zialschwelle, obwohl es klassisch nicht möglich
zahl bezeichnet wird. Beim Rechteckpotenzial wäre, wird Tunneleffekt genannt und spielt bei-
.En n2 / nimmt der Abstand E zwischen be- spielsweise beim ˛-Zerfall (Abschn. 8.8.1.2) und
nachbarten Energieniveaus mit der Quantenzahl dem Tunnelmikroskop (Abschn. 8.2.6) eine ent-
n zu .E n/. Beim harmonischen Oszillator scheidende Rolle.
ist En n, d. h., der Abstand zwischen benach-
barten Energieniveaus ist konstant. Ein weiterer
Unterschied zum klassischen Ergebnis besteht 8.2.3 Unschärferelation
darin, dass der quantenmechanisch niedrigste
Energiezustand von null verschieden ist, sodass Wie in Abschn. 8.2.2 ausgeführt, ist es ein Grund-
dem Teilchen auch am absoluten Nullpunkt eine postulat der Quantentheorie, dass die Eigenwerte
Energie (Nullpunktsenergie) zukommt. Weil das der Messgröße (dargestellt durch ihren Operator)
Planck’sche Wirkungsquantum h sehr klein ist identisch mit den Messwerten sind. Wendet man
.h D 6;6261 1034 J s/, wird die Energiequante- dieses Postulat auf ein freies Teilchen an, das
lung erst bei atomaren Dimensionen und Teilchen durch eine ebene Welle beschrieben wird, so er-
geringer Masse (z. B. Elektronen) erkennbar. Für gibt sich
makroskopische Systeme liegt die Energiequan-
telung weit unterhalb jeder Messgenauigkeit pOx eikx x D px eikx x ;
Für einen Potenzialtopf mit der Länge l D „ @ ikx x
1 cm und ein Teilchen mit der Masse m D 1 g e D „ kx eikx x I „kx D px : (8.23)
i @x
ergibt sich für die Energieniveaus
Der Ausdruck eikx x ist die Eigenfunktion zum
„2 2 2
En D n D 3;4 1044 n2 eV : Impulsoperator pOx (analog y und z). Ein ent-
2 m l2 sprechendes Experiment würde als Resultat einer
Für den harmonischen Oszillator mit der Energie Impulsmessung pn ergeben. Befindet sich das
E (klassisch z. B. eine an einer Feder schwingen- Teilchen in einem allgemeinen Zustand, so kann
de Masse m) bewegt sich klassisch das Teilchen dieser durch die Superposition von ebenen Wel-
zwischen den Umkehrpunkten x0 , wie Abb. 8.9 len (8.24) innerhalb eines Bereichs k um k0
604 8 Atom- und Kernphysik
der Quantentheorie kann die Gültigkeit folgender Ergebnisse sind in Abb. 8.11 dargestellt. Es ist
Relation für die Eigenwerte a, b, c der Operato- zweckmäßig, das kugelsymmetrische Problem in
ren aus (8.28) gezeigt werden. Kugelkoordinaten zu rechnen.
Aufgrund der in Abschn. 8.2.3 durchgeführten
c2 allgemeine Heisen- Überlegungen gilt für den Drehimpulsoperator lO,
.a/2 .b/2 = berg’sche Unschärfe- dass seine Komponenten lOx ; lOy ; lOz nicht gleich-
4
zeitig scharf messbar sind, dagegen lOz und lO .
relation 2
„2
.px /2 .x/2 = I analog y; z : (8.30) diskret (gequantelt). Durch2 Einsetzen des Ei-
4 genwerts „2 l.l C 1/ von lO in den Radialanteil
oder weniger exakt der Wellenfunktion ergibt sich für die effektive
potenzielle Energie Veff der Ausdruck
„
px x = ; analog y; z : (8.31) 1 Ze 2 „2 l.l C 1/
2 Veff D C : (8.32)
4 "0 r 2mred r 2
Für den Drehimpulsoperator (Tab. 8.1) erge- Coulomb-Energie Rotationsenergie
O2 O
ben sich folgende Kommutatoren: Œl ; lz D 0,
Der zweite Term von (8.32) ist die Rotations-
ŒlOz ; lOx D i„lOy (x; y; z zyklisch vertauschbar).
energie eines auf der Kreisbahn mit Radius r
Es ist lO mit jeweils nur einer Komponente lOx ; lOy umlaufenden Teilchens mit der reduzierten Mas-
2
8.2.5 Quanten-Hall-Effekt
Abb. 8.14 Klassische und quantenmechanische Beschreibung des freien Elektrons in einem Magnetfeld
Bz aufweisen. Ein Vektorpotenzial A, das ein Impuls des Elektrons in y-Richtung py D „ky
Magnetfeld B D rot A D .0; 0; Bz / erzeugt, ist eine Konstante der Bewegung .pPy D 0/.
ist gegeben durch A D .0; Bz x; 0/. Mit die- Die Gesamtenergie H des Systems wird durch
sem Vektorpotenzial ergibt sich die in Abb. 8.14 das Magnetfeld nicht verändert, da die Lorentz-
angegebene Hamilton-Funktion H für die Elek- Kraft stets senkrecht zur Bewegungsrichtung des
tronenbewegung in der x; y-Ebene senkrecht zur Elektrons wirkt. Die quantenmechanische Lö-
Magnetfeldrichtung Bz . sung liefert die Energiewerte des harmonischen
In Abb. 8.14 ist dieses Problem klassisch und Oszillators E D . C1=2/„!c mit dem konstan-
quantenmechanisch gelöst. Klassisch ergibt sich ten Energieabstand „!c . (!c ist die Zyklotron-
als Bahnkurve des Elektrons eine Kreisbahn um frequenz.) Die Energiewerte E sind unabhängig
den Mittelpunkt .x0 D 1=.m!c / „ky ; y0 /. Der von der Wellenzahl ky (Elektronenspin nicht be-
8.2 Quantentheorie 611
zeigt, dass unter dem Einfluss eines elektrischen dann sind mögliche ky -Werte ganzzahlige Vielfa-
Feldes in x-Richtung und eines Magnetfeldes che von 2 =Ly . Die maximale Wellenzahl ky, max
in z-Richtung die Elektronen sich auf Zykloi- folgt aus der Forderung, dass x0 maximal so
denbahnen in y-Richtung bewegen mit der Ge- groß sein kann wie Lx . Damit wird ky, max D
schwindigkeit vy D Ex =Bz . Das bedeutet, dass .eBz =„/Lx und die maximale Zahl von Zustän-
Lx Ly
ein Strom in y-Richtung fließt mit der Strom- den auf einem Landau-Niveau Nmax D eB„ z 2 .
dichte jy D ens vy D ens Ex =Bz . Für die Der Entartungsgrad D D Nmax =Lx Ly ist so-
Stromdichte j und elektrische Feldstärke E be- mit
eBz
steht damit folgender Zusammenhang: DD : (8.44)
j D E , mit dem Leitfähigkeitstensor h
! Wenn nun die Dichte ns der Elektronen erhöht
0 xy ns e wird, dann wird zuerst das tiefste Landau-Niveau
D und xy D :
yx 0 Bz mit D Elektronen gefüllt, dann das nächsthöhere
und so fort.
Umgekehrt ist mit dem Widerstandstensor In realen Systemen entsteht der Widerstand in-
! folge von Streuung der Elektronen. Dabei muss
0 %xy Bz ein Elektron von seinem Ausgangszustand in
%D und %xy D ;
%yx 0 ns e einen freien Endzustand gestreut werden. Sind
nun alle Landau-Niveaus voll belegt, dann liegt
E D %j :
der nächste freie Zustand um „ !c höher. Bei tie-
Ferner gilt fen Temperaturen und hohen Magnetfeldern ist
diese Energie so groß, dass sie nicht aufgebracht
Bz werden kann. Mit anderen Worten: der Streu-
RH D D %xy D %H : (8.42)
ns e prozess kann nicht stattfinden. Also führt eine
komplette Besetzung der Landau-Niveaus zu ei-
Das bedeutet, dass der spezifische Widerstand
nem Verschwinden des Widerstandes %xx .
%xx in Längsrichtung verschwindet, zugleich mit
Für das Verschwinden des Widerstandes ist
der Leitfähigkeit xx . In realen Systemen sorgt
somit erforderlich, dass die Elektronendichte ein
die Streuung der Elektronen am Gitter und an
ganzzahliges Vielfaches des Entartungsgrades
Verunreinigungen dafür, dass %xx und xx nicht
ist: ns D i D. Mit (8.42) ergibt sich damit für
null werden.
den Hall-Widerstand RH D Bz =ns e D Bz =iDe
Quantenmechanisch werden die Elektronen-
und mit (8.44)
wellenfunktionen beschrieben durch eine ebene
Welle in y-Richtung und Wellenfunktionen des h
harmonischen Oszillators in x-Richtung um den RH D %H D 2 ; i D 1; 2; 3 : : : (8.45)
ie
Punkt x0 D .„=eBz /ky (Abschn. 8.2.5.1). Ener-
getisch tritt eine Quantelung der Energieniveaus Eine weitere Betrachtungsweise ergibt sich, wenn
in die Landau-Niveaus ein, deren Energie gege- der magnetische Fluss ˚ durch die Probe berech-
ben ist durch net wird: ˚ D BA D BLx Ly . Der magnetische
Fluss ist quantisiert in Vielfachen des Flussquants
E D . C 1/„ !c ; D 0; 1; 2; : : : (8.43) (Abschn. 9.2.4)
h
Jedes Landau-Niveau kann nur eine begrenz- ˚0 D : (8.46)
e
te Zahl von Elektronen aufnehmen. Dieser sog.
Entartungsgrad kann folgendermaßen bestimmt Damit ist die Zahl der Flussquanten, welche
werden: die Probe durchdringen N˚ D ˚=˚0 D
Werden für die Wellenfunktionen in y- Bz Lx Ly e= h. Die Dichte der Flussquanten ist
Richtung periodische Randbedingungen voraus- n˚ D N˚ =Lx Ly D eBz = h. Das Verhältnis
gesetzt, .x; yCLy / D .x; y/ (Abschn. 9.2.2), von Elektronendichte ns zu Flussquantendichte
614 8 Atom- und Kernphysik
Abb. 8.27 Bahn- und Spinmagnetismus des Elektrons; Kernmagnetismus durch Protonen und Neutronen
8.3 Bahn- und Spinmagnetismus 619
ten) von B anzugeben. – In Abschn. 8.2.4 ist ge- drehimpuls J . Da die magnetischen Dipolmo-
zeigt, dass der Bahndrehimpuls um die z-Achse mente mit den entsprechenden Drehimpulsen ge-
präzediert. Dies gilt auch für den Spin des Elek- koppelt sind, addieren sich die magnetischen Di-
trons. Da mit dem Drehimpuls ein magnetisches polmomente zu einem Gesamtdipolmoment J .
Dipolmoment l bzw. s verbunden ist, präze- Die Komponente von J in z-Richtung .J; z /
diert auch dieses um die z-Achse und ist wie l kann die Werte mJ „ .mJ D J; J 1; : : : ; J /
bzw. s gequantelt. Experimentell kann somit nur annehmen. Die Energie des magnetischen Dipols
die Komponente von in z-Richtung gemessen in einem Magnetfeld B0 in z-Richtung ergibt sich
werden. nach (8.52) zu Emag D J; z B0 . Für den Ener-
Befindet sich das magnetische Dipolmo- gieunterschied E zweier Zustände .mJ D 1/
ment in einem Magnetfeld mit der magneti- gilt
schen Induktion Bz , so ist damit eine Vor-
zugsrichtung festgelegt. Das magnetische Dipol- EmJ ;mJ 1 D gJ B B0 : (8.57)
moment kann sich zu Bz nur in bestimmten
Werten einstellen, die durch l; z bzw. s; z ((2) Die Aufspaltung von Energiezuständen im Ma-
und (4) in Abb. 8.27) gegeben sind. Mit (8.52) er- gnetfeld wird als Zeeman-Effekt bezeichnet
gibt sich damit für die Energie des magnetischen (P. Z EEMAN, 1865 bis 1943). Die Auswahlregel
Dipolmoments in einem Magnetfeld der magne- für optische Übergänge lautet mJ D 0; ˙1.
tischen Induktion Bz Übergänge mit mJ D 0 heißen -
( Übergänge, die mit mJ D ˙1 heißen -
ml B B z Übergänge. Die - und -Strahlung ist unter-
Emag D z Bz D :
2;0023 msB Bz schiedlich polarisiert. Wird das Atom in ein elek-
(8.56) trisches Feld E gebracht, so wird ein elektrisches
Es sind somit nur diskrete Energiezustände mög- Dipolmoment p induziert, das proportional zu
lich. Das Verhältnis von magnetischem Dipolmo- E ist .p D ˛E / (Abschn. 4.3.7). ˛ wird als
ment und dem entsprechenden Drehimpuls l Polarisierbarkeit bezeichnet. Die Energie Eel ei-
bzw. s wird als gyromagnetisches Verhältnis nes elektrischen Dipols p im elektrischen Feld E
bezeichnet und kann makroskopisch gemessen beträgt Eel D 12 pE D 12 ˛E 2 . Die Größe des in-
werden. Zwischen magnetischem Dipolmoment duzierten elektrischen Dipolmoments hängt von
l bzw. s und dem Drehimpuls l bzw. s tritt der Elektronenverteilung (gegeben durch n, l, m)
ein Proportionalitätsfaktor (g-Faktor) auf. Dieser ab. Dadurch erfahren die Atomorbitale im elektri-
g-Faktor ist mit dem gyromagnetischen Verhält- schen Feld unterschiedliche Energieänderungen,
nis verknüpft (Abb. 8.27). Er beträgt für den die zu einer Aufspaltung der Spektrallinien füh-
Bahnmagnetismus gl D 1 und für den Spin- ren. (Stark-Effekt; J. S TARK, 1874 bis 1957).
magnetismus gs D 2;0023 (Ermittlung durch
quantenmechanische Berechnung).
8.3.2 Elektronen- und
Kernspinresonanz
8.3.1 Zeeman- und Stark-Effekt
In Abb. 8.27 ist dem Bahn- und Spinmagnetismus
Aus Abb. 8.27 geht hervor, dass sich in einem der Elektronen Kernmagnetismus gegenüberge-
äußeren Magnetfeld B0 in z-Richtung das ma- stellt. Der Atomkern hat einen Eigendrehimpuls
gnetische Dipolmoment des Spins s bzw. das I, der gequantelt ist und deshalb nur diskrete
magnetische Dipolmoment der Bahn l nur dis- Werte annehmen kann. Die Kernspinquantenzahl
kret einstellen kann: s; z D gs ms B bzw. I hat je nach Atomkern halb- oder ganzzahlige
l; z D gl ml B . (m ist die magnetische Quan- Werte zwischen 0 und 15=2. Das magnetische
tenzahl.) Für ein Mehrelektronensystem addieren Moment des Kerns I ist über den gI -Faktor
sich die Drehimpulse l und s zu einem Gesamt- mit dem Drehimpuls I verknüpft. Analog dem
620 8 Atom- und Kernphysik
In Abschn. 8.2.4 ist die quantenmechanische Lö- Abb. 8.32 Energiediagramm der besetzten Atomorbitale
sung für das Wasserstoffatom beschrieben. Für
Mehrelektronensysteme kann die Lösung der
Schrödinger-Gleichung nur noch näherungsweise keine Elektronen in allen vier Quantenzahlen
erfolgen. Die Lösung für das Wasserstoffproblem .n; l; ml ; ms / übereinstimmen dürfen.
ergibt für das Elektron drei Quantenzahlen: Aus dem Energiediagramm Abb. 8.32 folgt,
dass sich nach Abschluss von Zuständen mit glei-
Hauptquantenzahl n, chem n; l (Teilschalen) besonders stabile Elek-
Bahndrehimpulsquantenzahl tronenanordnungen ergeben. Für abgeschlossene
l D 0; 1; 2; : : : ; n 1; TeilschalenPaddieren sich die Bahndrehimpulse l i
magnetische Quantenzahl D
zu
P L i l i D 0 bzw. die Spins s i zu S D
ml D 0; ˙1; ˙2; : : : ; ˙l. s D 0 und diese abgeschlossenen Schalen ha-
i i
ben damit auch kein magnetisches Dipolmoment.
Zu diesen Quantenzahlen muss die magneti- Die Elektronenanordnung (Elektronenkonfi-
sche Quantenzahl des Elektronenspins hinzuge- guration) im Atom wird durch die Symbolik
fügt werden: ms D ˙1=2.
Beim Mehrelektronensystem wird durch (Hauptquantenzahl)(Bahndrehimpuls) (Anzahl der Elektronen)
die zusätzliche elektrostatische Wechselwir-
kung zwischen den Elektronen die Entartung vorgenommen. In Tab. 8.2 ist die maximale An-
der Energiezustände (Abschn. 8.2.4) bezüglich zahl der Elektronen zur Hauptquantenzahl n mit
des Bahndrehimpulses l aufgehoben. Es ergibt der Kurzschreibweise zusammengestellt. Da die
sich das in Abb. 8.32 dargestellte Energiedia- Entartung im Wasserstoffatom n2 ist, können 2n2
gramm. Dieses gilt nur, wenn die Zustände mit Elektronen mit der Hauptquantenzahl n im Atom
Elektronen besetzt sind. Die Auffüllung der Ener- auftreten.
giezustände mit Elektronen erfolgt nach dem Zur Vereinfachung kürzt man die Elektronen-
Pauli-Prinzip, das besagt, dass in einem Atom konfiguration des jeweils letzten Edelgases ab
8.5 Röntgenstrahlung 623
8.5 Röntgenstrahlung
Abb. 8.39 Schnittbilder eines Kopfes, aufgenommen mit einem Röntgencomputertomografen. (Ostalbklinikum
Aalen)
8.6 Molekülspektren 627
fSchw = 3 · 3 – 5 = 4 fSchw = 3 · 3 – 6 = 3
+ • +
Abb. 8.44 Harmonischer Oszillator mit den Wellenfunktionen .r/ und den Aufenthaltswahrscheinlichkeiten j .r/j2
im Vergleich zum anharmonischen Oszillator
re /2 ersetzt werden. Die Lösung der Schrödinger- so treten im Spektrum Oberschwingungen bei
Gleichung für dieses Potenzial ist in Abb. 8.9 2 „ !; 3„ !; : : : auf.
angegeben (Abschn. 8.2.2). Für große Schwingungsamplituden gilt die
In Abb. 8.44 sind die Energieniveaus ESchw D Näherung durch das harmonische Potenzial nicht
„!. 12 C v/ mit den Energien und den Aufent- mehr. Die Energiezustände rücken bis zur Dis-
haltswahrscheinlichkeiten j Schw .r re /j2 ein- soziation des Moleküls immer dichter zusam-
gezeichnet. (v ist die Schwingungsquantenzahl.) men (Abb. 8.44). Gleichzeitig verschiebt sich
Die Wahrscheinlichkeit, die Atomkerne in ei- der Gleichgewichtsabstand re zu größeren Wer-
nem Abstand zwischen .r re / und .r re C ten (Unsymmetrie des Potenzials).
dr/ anzutreffen .j Schw .r re /j2 dr/, ist für die Zur Berechnung der Energiewerte Erot (Ei-
angeregten Zustände am Parabelrand am größ- genwerte) und der zugehörigen Wellenfunktionen
ten. Lediglich im Grundzustand .v D 0/ mit der Rotationszustände rot .#; '/ benötigt man
der Nullpunktsenergie 12 .„ !/ liegt das Maxi- die Schrödinger-Gleichung
mum der Aufenthaltswahrscheinlichkeit in der
Mitte der Parabel. Durch Absorption oder Emis- lO2
sion eines Photons der Energie „ ! findet ein rot .#; '/ D Erot rot .#; '/ : (8.61)
2J
Übergang zwischen benachbarten Energiezu-
ständen statt (Grundschwingung). Ändert sich Dabei ist der Abstand re zwischen den Ato-
die Schwingungsquantenzahl v um ˙2; ˙3; : : : , men A und B konstant (V .r/ D konst D 0,
630 8 Atom- und Kernphysik
„2
Erot .l C 1/ Erot .l/ D .l C 1/ (8.63)
J
und nimmt mit l stark zu. Das Quadrat der
Eigenfunktionen des Drehimpulses einer rotie-
renden Hantel jFl; m .#; '/j2 ist in Abb. 8.45 als
Polardiagramm für einige Quantenzahlen l dar-
gestellt (Abschn. 8.2.4). Der Radiusvektor r in
#-Richtung gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass
die Molekülachse in dieser Richtung liegt. Abb. 8.45 Polardiagramm zur Verdeutlichung der Lage
Mit zunehmender Rotationsenergie werden der Molekülachse bei der Rotation
die Fliehkräfte größer und führen zu einer Ver-
größerung des Abstands und damit des Trägheits-
moments J (unstarrer Rotator). Dies führt zu
einer Absenkung der Rotationsenergie (8.62).
Wird ein Molekül, beispielsweise HCl, mit In-
frarotstrahlung bestrahlt, so finden Schwingungs-
und Rotationsübergänge gleichzeitig statt (Rota-
tionsschwingungsspektrum). Abb. 8.46 zeigt die
beiden Schwingungsniveaus v D 0 und v 0 D
1 mit den zu jedem Schwingungszustand gehö-
renden Rotationszuständen l bzw. l 0 . Mit den
Auswahlregeln v D 0; ˙1; ˙2; : : : und l D
˙1 ergeben sich zwei Zweige im Absorptions-
spektrum, ein R-Zweig mit l D C1 und ein
P-Zweig mit l D 1. Der Übergang mit l D
Abb. 8.46 Infrarot-Gasspektrum von Chlorwasserstoff
0 ist in einem zweiatomigen Molekül nicht er-
(HCl) mit den entsprechenden Übergängen im Energieni-
laubt und erscheint als Lücke im Spektrum. Bei veauschema (Nicolet 5DX FT-IR-Spektrometer)
mehratomigen Molekülen gelten die Auswahlre-
geln nicht in voller Strenge, und der Übergang
mit l D 0 tritt auf. .v; l/ befinden. Ist dieser Energiezustand von vie-
Die Stärke der Absorption hängt von der An- len Molekülen besetzt, so kann mehr Strahlung
zahl der Moleküle ab, die sich im Energiezustand absorbiert werden, als wenn sich nur wenige
8.6 Molekülspektren 631
absorbiert werden. Man misst die von der Pro- Der Kern hat eine positive Ladung der Größe
be gestreute Strahlung. Infolge der intensiven Z e. (Z ist die Ordnungszahl.)
Bestrahlung wird ein Elektron auf ein virtuel- Der positiv geladene Atomkern erzeugt
les Niveau (kein Eigenzustand des Moleküls) ein elektrisches Feld (Coulombfeld ei-
angeregt und geht sofort wieder in einen Ener- ner Punktladung mit der Feldstärke E D
giezustand des Moleküls über. Dabei sind die in .1=4 "0 /.Z e=r 3 /r.
Abb. 8.48 dargestellten Fälle möglich: In der Streufolie soll keine Mehrfachstreuung
der ˛-Teilchen auftreten.
Rayleigh-Streuung: Das Molekül geht in sei-
nen Ausgangszustand zurück .! D !L /; Der Abstand b (Stoßparameter), mit dem das ˛-
Raman-Streuung: Das Molekül geht in einen Teilchen am punktförmigen Streuzentrum (Kern)
angeregten Zustand über (! < !L , Stokes- vorbeifliegt, ist durch
Übergang); das Molekül geht in einen abge-
regten Zustand über (! > !L , Antistokes- ZZ 0 e 2 1
Übergang). bD cot (8.64)
2E 2
Damit ist der Streustrahlung mit der Grund-
gegeben mit E als der Energie und Z 0 als der La-
frequenz !L das Schwingungs- und Rotations-
dung des Teilchens.
spektrum überlagert. Durch die Anregung über
Bei einem konstanten Streuwinkel muss ein
den virtuellen Zustand gelten nicht die Auswahl-
˛-Teilchen mit höherer Energie näher am Streu-
regeln für Dipolstrahlung.
zentrum vorbeifliegen als ein ˛-Teilchen mit ge-
ringerer Energie. Das Auftreten von Abweichun-
gen (anomale Rutherford-Streuung), beispiels-
8.7 Aufbau der Atomkerne
weise bei Aluminium unterhalb b 6 1015 m
(6 fm), weist auf eine kurzreichweitige anziehen-
8.7.1 Größe und Ladungsverteilung
de Kraft hin (Kernkraft). Somit hat ein positiv
geladenes Teilchen den in Abb. 8.50 dargestellten
Die ersten Erkenntnisse über einen Atomkern er-
Potenzialverlauf, bestehend aus dem Coulomb-
gaben Untersuchungen über die Streuung von
Potenzial und dem Kernpotenzial. Als Kernradi-
˛-Teilchen (Heliumkerne) an dünnen Metallfo-
us R kann man den Abstand definieren, bei dem
lien durch E. RUTHERFORD (1871 bis 1937)
sich beide Kräfte etwa das Gleichgewicht halten.
im Jahr 1911. In Abb. 8.49 ist die Rutherford-
Als Ergebnis einer Großzahl von Messungen er-
Streuung anderen elastischen Streuprozessen ge-
gibt sich für den so definierten Kernradius
genübergestellt. Die quantitative Beschreibung
von Streuprozessen erfolgt durch den differen-
R D R0 A1=3 :
ziellen Wirkungsquerschnitt d =d˝. Dieser gibt
an, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein auf das .R0 D 1;2 1015 m/ (8.65)
Streuobjekt auftreffendes Teilchen (Quant) unter
dem Winkel in den Raumwinkel ˝ gestreut mit der Massenzahl A D N C Z. Für die Dichte
wird. Die theoretische Beschreibung der Ergeb- der Kernmaterie gilt (Kern als Kugel angenom-
nisse der Rutherford-Streuung an unterschiedli- men)
chen Streumaterialien kann mit folgenden Vor- Amu
%Kern D 4
aussetzungen durchgeführt werden: 3
.R0 A1=3 /3
g
Das Atom besteht aus einem Kern, der fast 2 1014 D konstant : (8.66)
cm3
die gesamte Masse des Atoms vereinigt. Die
Wechselwirkung der ˛-Teilchen mit den Elek- Mit Teilchenstrahlen, deren Wellenlänge größer
tronen führt zu keiner merklichen Winkelab- als das zu untersuchende Objekt ist, können keine
lenkung. Informationen über die innere Struktur des Kerns,
8.7 Aufbau der Atomkerne 633
Coulomb-Potenzial
Kernpotenzial
(genauer Verlauf nicht bekannt)
8.7.2 Kernmodelle
berechnet werden. Der E-Wert dieser Reaktion Näherungsweise ist die Bindungsenergie je Nu-
ergibt die Bindungsenergie EB des Kerns: kleon (7,5 MeV bis 8,8 MeV) konstant. Dies hat
zur Folge, dass ein Nukleon nicht mit jedem an-
EB D .N ma .n/ C Z ma .1 H/ deren Nukleon eine Wechselwirkung durch Kern-
N CZ
ma . 2
K//c : (8.69) kräfte eingeht. In einem solchen Fall müssten
A.A 1/=2 „Bindungen“ gebildet werden, so-
Hierin ist ma .n/ die Masse des Neutrons, dass EB =A proportional A wäre. Die Kernkräfte
ma .1 H/ die des neutralen Wasserstoffatoms und haben somit „Sättigungscharakter“ wie die kova-
ma .N CZ K/ die Atommasse des K-Atoms. lente Bindung zwischen zwei Wasserstoffatomen.
8.7 Aufbau der Atomkerne 637
Abb. 8.54 Linien konstanter Bindungsenergie je Nukleon nach der Weizsäcker-Formel ohne Paarungsterm (stabile
Nuklide eingezeichnet)
Die Betrachtung der Separationsenergie für Neu- Nukleonen des Kerns wie die Leitungselektro-
tronen En bzw. Protonen Ep liefert nen des Metalls beschrieben werden. Dies ist
in Abb. 8.55 dargestellt. Alle Teilchen mit dem
En .Z; N / Spin 1/2 (Elektronen, Protonen, Neutronen) be-
h A1 i
D ma Z K ma finden sich in einem rechteckigen Potenzialtopf
Z K ma .n/ c ;
A 2
unterschiedlicher Höhe mit der Kantenlänge a.
Ep .Z; N / Die Lösung der Schrödinger-Gleichung, die für
h A1 i
D ma Z K ma Z1 K ma .p/ c :
A 2 jede Koordinate getrennt durchgeführt werden
kann, ergibt die Energieniveaus mit den Quan-
Dies führt zu einem ähnlichen Verlauf wie das tenzahlen i . In einem Koordinatensystem mit
Ionisierungspotenzial der Elektronenhülle. Bei den Achsen x ; y ; z stellen die Gitterpunkte
bestimmten Werten von N oder Z (den magi- die erlaubten Zustände dar. In q 1/8 der Kugel-
schen Zahlen) treten Extremwerte von En und Ep schale mit dem Radius % D 2x C y2 C 2z
auf (Abschn. 8.7.2.2, Abb. 8.56). befinden sich dann dN D 12 %2 d% Zustände. Mit
Die Differenz der Separationsenergien En Ep % D ap=. „/ und p 2 dp D p2m3 E dE ergibt
von benachbarten Isotopen bzw. Isotonen sich die angegebene Zustandsdichte als Funkti-
ın D En .Z; N / En .Z; N 1/ ; on der Energie. Da in diesem Potenzialtopf N
Teilchen untergebracht werden sollen, und nach
ıp D Ep .Z; N / Ep .Z 1; N / dem Pauli-Prinzip bei Spin 1/2 Teilchen 2 Teil-
weist darauf hin, dass bei geraden N - bzw. Z- chen je Zustand Platz haben, muss der Topf bis
Werten stets eine größere Separationsenergie er- zu einer bestimmten Energie EF (Fermi-Energie)
forderlich ist. Zwei Nukleonen (Protonen oder lückenlos aufgefüllt werden. Der Kern oder das
Neutronen) bilden ein energetisch günstiges Paar. Elektronensystem befindet sich dann im Grund-
Deshalb bezeichnet man ın bzw. ıp als Paa- zustand (thermodynamisch T D 0). Anhand der
rungsenergie ( 2 MeV). Auch im Verlauf der bekannten Teilchenanzahldichte n D N=V kann
Paarungsenergie treten bei den magischen Zahlen mit der Beziehung
Extremwerte auf. Diese Effekte weisen auf eine ZEF
Schalenstruktur des Kerns hin. dn
nD 2 dE
dE
0
8.7.2.2 Schalenmodell
Im Tröpfchenmodell werden die Nukleonen wie die Fermi-Energie berechnet werden.
die Moleküle eines Tropfens behandelt. Beim Bei der bisherigen Betrachtung des Kerns
Schalenmodell geht man davon aus, dass ein Nu- nach dem Fermi-Gas-Modell wurde die Ladung
kleon in einem mittleren Kernpotenzial, hervor- der Protonen und damit die Coulomb-Abstoßung
gerufen durch die andern Nukleonen, einen be- nicht berücksichtigt, sodass sich für Protonen
stimmten Eigenzustand einnimmt, der durch die und Neutronen der gleiche Potenzialtopf mit
Eigenwerte Energie und Bahndrehimpuls charak- den gleichen Eigenzuständen ergibt. Durch die
terisiert ist. Im Grundzustand des Kerns wer- Berücksichtigung der Coulomb-Abstoßung ver-
den die Zustände nacheinander nach dem Pauli- schiebt sich der Potenzialtopf der Protonen zu
Prinzip mit der entsprechenden Anzahl Nukleo- geringeren Bindungsenergien. Die Folge ist, dass
nen besetzt. die Fermi-Energien EFp des Protonentopfes hö-
Trotz der starken Wechselwirkung zwischen her liegen als die des Neutronentopfes EFn . Dies
den Nukleonen gibt es keine Möglichkeit für ein ist vergleichbar mit dem Kontakt zweier Metal-
Teilchen, seinen Zustand, d. h. seine Quantenzah- le mit unterschiedlicher Fermi-Energie, bei denen
len, ohne eine äußere Energiezufuhr zu ändern. es im Gleichgewicht durch Elektronenfluss zum
Sie verhalten sich deshalb wie wechselwirkungs- Ausgleich der beiden Fermi-Energien kommt. Es
freie Teilchen. Aus diesem Grund können die entsteht ein Kontaktpotenzial (s. auch Abb. 9.68
640 8 Atom- und Kernphysik
in Abschn. 9.3.2.2). Der gleiche Vorgang erfolgt Mit Hilfe des Fermi-Gas-Modells hat man
auch im Kern. Es wandeln sich Protonen in Neu- ungefähre Daten über die Tiefe des Potenzials
tronen um, sodass EFp D EFn ist. Die Energie- und die Begründung des Neutronenüberschusses,
verschiebung E des Protonentopfes gegenüber nicht aber über den Verlauf der Separations-
dem Neutronentopf lässt sich aus der Differenz energien. Aus der Physik der Elektronenhülle ist
der Gesamtenergie bekannt, dass Extremwerte, beispielsweise des
Ionisierungspotenzials, durch Schalenabschluss
ZEF zustande kommen. Im Kern liegen die Schalen-
dn 5=2 3
EG D E dE D C0 EF D NEF abschlüsse bei den magischen Zahlen. Abb. 8.56
dE 5
0 zeigt den Vergleich der Schalenstruktur von Elek-
tronenhülle und Kern. Es gilt, die Eigenzustände
für eine gleichmäßige Verteilung .N D Z/ und in einem mittleren Kernpotenzial durch Lösung
eine Verteilung Z; N abschätzen. Dieser Ener- der Schrödinger-Gleichung zu ermitteln. Für das
gieunterschied E .1=4/.N Z/2 =A ist Elektron im Wasserstoffatom ist dieses Potenzial
proportional dem Neutronenüberschuss und ent- das Coulomb-Potenzial (Abb. 8.11).
spricht dem Asymmetrie- bzw. Symmetrieterm Der Verlauf des Kernpotenzials lässt sich nicht
der Weizsäcker-Gleichung. auf ein einfaches Potenzial zurückführen, sondern
8.7 Aufbau der Atomkerne 641
kann nur empirisch ermittelt werden. Aufgrund niveaus hat dies keinen merklichen Einfluss. Die
der kurzen Reichweite der Kernkräfte muss man Lösungen für das so angenäherte Woods-Saxon-
annehmen, dass das Kernpotenzial sehr schnell Potenzial ergeben sich durch Interpolation beider
abfällt und im Kernmittelpunkt konstant ist, da oben genannter Potenzialverläufe.
dort das Nukleon allseitig von Nukleonen umge- Die Bezeichnung der Energiezustände erfolgt
ben ist und keine resultierende Kraft erfährt. Ein in gleicher Weise wie bei der Elektronenhülle.
Potenzial, das den Anforderungen genügt, ist das In Abb. 8.56 sind die Energiezustände mit den
Woods-Saxon-Potenzial (Abb. 8.56). Die Lösung maximal besetzbaren Teilchenzahlen angegeben.
der Schrödinger-Gleichung mit diesem Potenzial Man erkennt, dass dieses Modell die Schalen-
ist nur numerisch möglich. Dieses Potenzial kann abschlüsse bei 2 und 8 erklärt, nicht aber die
näherungsweise aus einem kugelsymmetrischen höheren. Der Grund liegt in der Wechselwirkung
Rechteckpotenzial und dem Potenzial des har- des Spinmoments mit dem Bahnmoment (Spin-
monischen Oszillators zusammengesetzt werden Bahn-Kopplung); hierbei kommt es zu einer Auf-
(Abb. 8.56). Für diese Potenziale lässt sich die spaltung der Energieniveaus, wie Abb. 8.57 zeigt.
Schrödinger-Gleichung explizit lösen, wenn der Man erkennt deutlich die Schalenabschlüsse bei
Potenzialverlauf nicht bei r D R abgeschnitten den magischen Zahlen sowohl für die Neutronen
wird. Auf die Lage der tiefer liegenden Energie- als auch für die Protonen.
642 8 Atom- und Kernphysik
8.8.1.1 Strahlenarten
Die von den natürlich vorkommenden Substan-
zen emittierte Strahlung (natürliche Radioakti-
vität) lässt sich in einem Magnetfeld in drei
Komponenten zerlegen.
’-Strahlung
’-Strahlen werden nur wenig abgelenkt und sind
aufgrund der Ablenkungsrichtung positiv gela-
den. Es handelt sich hierbei um Heliumkerne
(bestehend aus 2 Protonen und 2 Neutronen).
“ -Strahlung
“ -Teilchen werden im Magnetfeld stärker als
’-Teilchen abgelenkt und haben eine negative
Ladung. Es handelt sich hierbei um Elektronen
mit sehr hoher Geschwindigkeit (etwa 99 % der
Lichtgeschwindigkeit c).
”-Strahlung
Diese Strahlung wird durch ein Magnetfeld nicht
Abb. 8.57 Energiediagramm der Protonen und Neutro- abgelenkt. Es handelt sich um eine elektromagne-
nen im Kern mit Spin-Bahn-Kopplung tische Strahlung vergleichbar der Röntgenstrah-
lung, jedoch mit größerer Energie (> 100 keV).
Da die ”-Strahlung in vielen Wechselwirkungs-
8.8 Kernumwandlung prozessen Teilchencharakter hat, spricht man
auch von ”-Quanten.
Es gibt grundsätzlich zwei Typen von Kernum-
wandlungen, den radioaktiven Zerfall und die “C -Strahlung
Kernreaktionen. Während beim radioaktiven Zer- Hierbei handelt es sich um positiv geladene Elek-
fall die Prozesse ohne äußere Beeinflussung ab- tronen (Positronen). Bei Kernreaktionen entste-
laufen, müssen sie bei Kernreaktionen von außen hen instabile Kerne (radioaktive Nuklide), die
in Gang gesetzt werden (z. B. durch Beschuss des Positronen aussenden (künstliche Radioaktivität).
Atomkerns mit Teilchen).
8.8.1.2 Zerfallsreaktionen
Die bei der Kernumwandlung ablaufende Kern-
8.8.1 Radioaktiver Zerfall reaktion kann für den radioaktiven Zerfall allge-
mein geschrieben werden
Der französische Physiker H. A. B ECQUEREL
A0 0 AA0
Z K ! Z 0 K C ZZ 0 x C E :
A
(1852 bis 1908) entdeckte 1896, dass von Uran-
salzen eine Strahlung ausgeht, die eine lichtdicht
verpackte Fotoplatte schwärzt. Das Ehepaar M. Bei dem von selbst ablaufenden radioaktiven
und P. C URIE (1867 bis 1934 bzw. 1859 bis 1906) Zerfall ist E stets positiv (exoergische Reakti-
8.8 Kernumwandlung 643
˛-Zerfall
Die von den Radionukliden emittierten ’-Teil-
chen haben eine Energie zwischen E˛ D 4 MeV
und 9 MeV. Der Potenzialverlauf für die Wech-
selwirkung eines ’-Teilchens mit dem Kern ist
vereinfacht in Abb. 8.60 gezeigt. Damit ein ’-
Teilchen in das anziehende Kernpotenzial ge-
langt, muss es die Coulomb-Abstoßung überwin-
den (z. B. > 9 MeV für 238 92 U). Ein vom Kern
Abb. 8.58 Energiediagramm des radioaktiven Zerfalls emittiertes ’-Teilchen müsste klassisch eine kine-
131
von I tische Energie besitzen, die größer als die Poten-
zialschwelle ist. Die ’-Teilchen, die beispielswei-
se den Uran-238-Kern verlassen, haben jedoch
on) und berechnet sich aus den Massendifferen- lediglich eine Energie von 4;20 MeV. Sie müs-
zen (Abschn. 8.7.2): sen somit die Potenzialschwelle durchtunneln.
In Abschn. 8.2.2 ist für ein Rechteckpotenzial
E D ŒmN .K/ mN .K0 / mN .x/c 2 : gezeigt, dass quantenmechanisch ein solcher Vor-
gang möglich ist.
Hierbei ist mN die Masse des Atomkerns. Mit der
Atommasse ma .A Z K/ D mN .Z K/ C Z me ergibt “-Zerfall
A
”-Emission
Nach einer Kernumwandlung (’-, “ -, “C -
Zerfall) befindet sich der Kern K0 häufig in ei-
Abb. 8.60 Energieverhältnisse beim Beschuss eines nem angeregten Zustand (Lebensdauer 1016 s
Kerns mit ’-Teilchen bis 1013 s). Beim Übergang zwischen Energie-
niveaus des Kerns wird ”-Strahlung frei. Das
diskontinuierliche ”-Spektrum ist für jedes Ra-
schn. 8.8.2) auftretende ”-Strahlung. Der Wir- dionuklid charakteristisch. Für die Übergänge
kungsquerschnitt dieser Antineutrinoreaktion ist zwischen den Niveaus gelten die Auswahlregeln
sehr gering und beträgt 1043 cm2 . analog zur Elektronenhülle. Das emittierte ”-
Der ˇ -Zerfall führt zu einem Abbau eines Quant nimmt einen Drehimpuls L„ mit .Ia CIe =
Neutronenüberschusses im Kern; hierbei wird ein L = jIa Ie jI Ia ist die Kernspinquantenzahl
Elektron aus dem Kern emittiert. Es entsteht ein des Ausgangszustandes, Ie die des Endzustan-
Nuklid mit gleicher Massenzahl, aber mit einer des). 2L bezeichnet die Ordnung der Strahlung
um eins größeren Ordnungszahl. “ -Strahler lie- (21 D 2: Dipolstrahlung; 22 D 4: Quadrupol-
gen deshalb unterhalb der Linie der “-Stabilität strahlung; 23 D 8: Oktupolstrahlung). Je höher
(Abb. 8.54). die Ordnung der Strahlung, desto geringer ist
Der “C -Zerfall führt zu einem Abbau eines die Übergangswahrscheinlichkeit zwischen den
Protonenüberschusses im Kern. Es entsteht ein entsprechenden Kernniveaus. Außer der Dreh-
Nuklid mit gleicher Massenzahl, aber mit einer impulserhaltung muss noch die Erhaltung der
um eins geringeren Ordnungszahl (deshalb Zer- Parität (Abschn. 8.9) berücksichtigt werden.
fallsrichtung im Energiediagramm nach links). Ist der Unterschied im Kernspin zwischen
“C -Strahler liegen oberhalb der Linie der “- Ausgangszustand Ia und Endzustand Ie (Grund-
Stabilität (Abb. 8.54). zustand) besonders groß, so ist die Übergangs-
wahrscheinlichkeit sehr gering (Lebensdauer be-
Elektroneneinfang sonders groß). In diesem Fall spricht man von
Beim Elektroneneinfang wird vom Kern ein Hül- einem mesomeren Zustand, der mit dem Zusatz
lenelektron (meist K-Elektron) eingefangen. Be- m bezeichnet wird (z. B. 137 m Ba).
trachtet man die Aufenthaltswahrscheinlichkeit Das ”-Quant (Photon) hat einen Eigendrehim-
des K-Elektrons, so besteht eine Wahrscheinlich- puls mit der Spinquantenzahl s D 1. Übergänge
keit, dieses Elektron auch im Kern anzutreffen. zwischen Ia D 0 und Ie D 0 können deshalb
Beim “C -Zerfall treten im Gegensatz zum nicht unter Aussendung eines ”-Quants erfol-
“ -Zerfall im E-Wert zwei Elektronenmassen gen. Wenn sich bei einem solchen Übergang die
auf. Dies bedeutet, dass die Atommasse von K Parität nicht ändert, so kann ein Konversionselek-
646 8 Atom- und Kernphysik
tron ausgesandt werden oder bei genügend hoher Anzahl der Zerfälle je Zeiteinheit .dN=dt/ wird
Zerfallsenergie (E > 1;02 MeV) ein Elektron- als Aktivität A bezeichnet.
Positron-Paar. dN
Bei der inneren Konversion gibt der Kern seine AD D N : (8.72)
dt
Anregungsenergie nicht in Form von -Quanten,
sondern durch direkte Wechselwirkung mit der Die Einheit der Aktivität ist das Becquerel
Elektronenhülle (meist 1 s-Elektron) an das Hül- (Bq). 1 Bq entspricht einem Zerfall je Sekunde.
lenelektron ab. Dabei entstehen monoenergeti- Aus (8.71) ergibt sich durch Integration das Zer-
sche Elektronen. Die Elektronenlücke wird unter fallsgesetz:
Aussendung charakteristischer Röntgenstrahlung N D N0 et : (8.73)
aufgefüllt. Die Größe N ist die Anzahl der noch vorhande-
nen und N0 die zum Zeitpunkt t D 0 vorhandene
p-Emission, n-Emission Anzahl zerfallsfähiger Kerne. In der Praxis wird
Befindet sich nach einem Kernzerfall der Folge- die weniger anschauliche Größe durch die
kern in einem hoch angeregten Zustand, so ist Halbwertszeit T ersetzt. Sie gibt an, in welcher
ein Zerfall unter Aussendung eines Protons oder Zeit eine ursprünglich vorhandene Anzahl Kerne
Neutrons möglich (verzögerte Protonen, verzö- N0 durch Zerfall auf die Hälfte N0 =2 abgenom-
gerte Neutronen). Die Emission verzögerter Neu- men hat. Aus (8.73) ergibt sich damit für die
tronen spielt bei der Regelung eines Kernreaktors Halbwertszeit
eine entscheidende Rolle.
ln 2 0;69315
T D D : (8.74)
Spontanspaltung
Im Jahre 1940 entdeckte man die Spontanspal- Ist die Zerfallswahrscheinlichkeit groß, so wer-
tung (ohne äußere Beeinflussung) von Uran- den in kürzerer Zeit T die Hälfte der Kerne
238-Kernen. Die zugehörige Halbwertszeit (Ab- zerfallen als bei kleiner Zerfallswahrscheinlich-
schn. 8.8.1.3) beträgt 9 1015 a (Halbwertszeit keit. Mit (8.74) kann das Zerfallsgesetz für die
für ’-Zerfall 4;47 109 a). Die Spontanspaltung Kernanzahl N bzw. Aktivität A geschrieben wer-
überwiegt bei schweren, neutronenreichen Ker- den als
nen. Cf-254 spaltet sich mit einer Halbwertszeit ln 2 t
von 60 d unter Aussendung von durchschnittlich N D N0 et D N0 e T t
D N0 2 T ;
3;88 Neutronen und eignet sich deshalb gut als A D A0 et D A0 e
ln 2
T t
t
D A0 2 T : (8.75)
Laborneutronenquelle.
Hierbei ist A die Aktivität zum Zeitpunkt t und
8.8.1.3 Radioaktives Zerfallsgesetz A0 die zum Zeitpunkt t D 0. Abb. 8.61 zeigt den
Zu welchem Zeitpunkt ein bestimmter instabi- zeitlichen Verlauf der Aktivität.
ler Kern zerfällt, lässt sich nicht vorhersagen. Es Wird der Logarithmus der Aktivität aufgetra-
sind nur Aussagen über die Wahrscheinlichkeit gen, so entsteht eine Gerade. In Tab. 8.6 sind
des Zerfalls möglich. Diese Zerfallswahrschein- Angaben über die natürliche Radioaktivität von
lichkeit ergibt sich aus dem Verhältnis von im Wasser und einigen Nahrungsmitteln zusammen-
Moment zerfallenden Kernen (dN=dt/ zur Ge- gestellt.
samtanzahl vorhandener instabiler Kerne N : Die Beziehung zwischen Aktivität A und Teil-
chenzahl N .A D N / ist die Grundlage vieler
dN=dt
D : (8.71) Anwendungen radioaktiver Stoffe in der Chemie
N
und Technik (z. B. klinische Chemie, Korrosions-
Die Zerfallswahrscheinlichkeit ist für jeden ra- untersuchungen). Wird N durch die Masse der
dioaktiven Zerfall eine charakteristische Größe Substanz ersetzt, so gilt
und wird Zerfallskonstante genannt. Die Dimen- mNA
A D N D (8.76)
sion von ist eine reziproke Zeit (1/s). Die M
8.8 Kernumwandlung 647
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
sich ein Gleichgewichtszustand ein (radioaktives die beiden Aktivitäten im Gleichgewicht gleich
Gleichgewicht). Die Größe des Aktivitätsverhält- .Aa D Ab /. Wird aus einem radioaktiven Geich-
nisses wird durch die Halbwertszeiten bestimmt. gewicht b entfernt, so bildet sich b durch Zerfall
Für den häufigen Fall, dass die Halbwertszeit von a wieder nach (Abb. 8.62). Nach zehn Halb-
von a wesentlich größer als die von b ist, sind wertszeiten von b (5) in Abb. 8.62 hat sich b bis
650 8 Atom- und Kernphysik
auf 0;1 % nachgebildet. Für Uran-238, das von Füllgas zusätzliche Elektronen erzeugen (Foto-
seinen Folgeprodukten abgetrennt wurde, sind effekt). Im Proportionalbereich (Abb. 8.64) liegt
nach zehn Halbwertszeiten von Thorium-234 die Gasverstärkung Ag zwischen 102 und 105 .
folgende Radionuklide im Gleichgewicht: 238 U, Der Stromimpuls, den ein geladenes Teilchen im
234
Th, 234 m Pa; AU238 D ATh234 D APa234 m . Proportionalzählrohr auslöst, ist proportional der
Aufgrund des radioaktiven Gleichgewichts kom- primär erzeugten Elektronenanzahl. Deshalb ist
men kurzlebige Radionuklide noch natürlich vor. eine Teilchenunterscheidung bzw. Energiemes-
sung möglich.
8.8.1.4 Messung ionisierender Strahlung Bei weiterer Erhöhung der Spannung vergrö-
Ionisierende Strahlung (’; “; ”-Strahlung) kann ßert sich die Gasverstärkung Ag auf 106 bis
nur über ihre Wechselwirkungsprozesse mit 108 . Die einzelnen Elektronenlawinen überlagern
Materie nachgewiesen werden (Abschn. 8.10, sich, und die Anzahl der durch Fotoeffekt erzeug-
Abb. 8.91). Zur Messung der Aktivität oder Ener- ten Elektronen erhöht sich. Da die Elektronen
gie der Strahlung eines radioaktiven Präparats wesentlich beweglicher sind als die Ionen (gerin-
wird hauptsächlich die Ionisation und die Anre- gere Masse), wandern sie schneller zur Anode als
gung von Materie ausgenutzt. Die entsprechen- die Ionen zur Kathode. Dadurch bildet sich ei-
den Strahlungsdetektoren werden als Ionisations- ne positive Raumladung aus, die die Feldstärke
detektoren bzw. Anregungsdetektoren bezeichnet. so weit herabsetzt, dass das Entstehen einer neu-
Sie sind in Abb. 8.64 mit ihrem Aufbau und ihren en Elektronenlawine nicht mehr möglich ist. Das
Eigenschaften zusammengestellt. Zählrohr kann eine bestimmte Zeit (Totzeit) kei-
Bei den Ionisationsdetektoren wird die durch ne Strahlung registrieren. Nach 104 s wandern
die Strahlung im Zählgas oder Halbleiterkris- die positiven Ionen zur Kathode und erzeugen bei
tall erzeugte Ladung (Primärionisation) gemes- ihrer Neutralisation aus der Kathode oder durch
sen. Die im Gasraum durch Primärionisation Fotoeffekt weitere Elektronen, die eine erneu-
des Zählgases (Edelgase He, Ne, Ar) erzeug- te Lawine auslösen. Der Vorgang muss deshalb
ten Elektronen und Ionen wandern infolge des durch Zusatz eines Löschgases (Methan, Ethanol,
angelegten elektrischen Feldes zu den Elektro- Brom, Chlor) gelöscht werden. Das Löschgas
den. Dies ist der Ionisationskammerbereich. Die mindert zum einen das Entstehen von Fotoelek-
Anzahl der gebildeten Ionen hängt von der Strah- tronen (durch Absorption der Photonen), zum
lungsart und -energie ab. ’-Teilchen erzeugen andern übergeben die Ionen durch Stoß ihre La-
längs ihres Wegs mehr Ionen als “-Teilchen dung an das Löschgas. Beim Entladen der Lösch-
(Abschn. 8.10). Deshalb liegt die Kurve für gasmoleküle an der Kathode dissoziieren diese
’-Teilchen in Abb. 8.64 höher als die für “- ohne Aussendung von Sekundärelektronen. Da
Teilchen. Durch Erhöhung der angelegten Span- die Erzeugung eines Ionenpaars zur Auslösung
nung werden die primär erzeugten Elektronen einer Elektronenlawine und damit eines Impul-
zwischen zwei Stößen mit Gasatomen so stark ses ausreicht, bezeichnet man diese Zählrohre als
beschleunigt, dass sie ihrerseits ionisieren kön- Auslösezählrohre (Geiger-Müller-Zählrohr).
nen (Sekundärionisation). Die sekundär erzeug- Bei den Halbleiterdetektoren wird das emp-
ten Elektronen können wieder Gasatome oder findliche Volumen durch die Raumladungszone
Gasmoleküle ionisieren. Dieser Prozess wird eines pn-Übergangs gebildet (Abb. 8.64). An ihr
noch durch das zur Anode zunehmende elek- fällt fast die gesamte, von außen angelegte Span-
trische Feld (Zylinderkondensator) begünstigt. nung U ab. Erzeugt ein geladenes Teilchen oder
Es entstehen örtlich begrenzte Elektronenlawi- ein ”-Quant entlang des Weges durch Ionisation
nen (Bereich 1 mm). Aus einem primär erzeugten Elektron-Lochpaare, so führt dies zu einem Span-
Elektron entstehen somit Ag -Elektronen (Gasver- nungsimpuls am Widerstand R. Außer den in
stärkungsfaktor Ag ). Die von angeregten Atomen unterschiedlichen Bauformen eingesetzten Ober-
oder Molekülen (durch Stoßprozesse) ausgesand- flächensperrschichtdetektoren werden zur Ener-
ten Photonen können aus dem Wandmaterial und giemessung von ”-Quanten Ge(Li)-Detektoren
8.8 Kernumwandlung 651
Abb. 8.64 Eigenschaften und Anwendung von Strahlungsdetektoren Werkfotos: Zinser und Canberra
652 8 Atom- und Kernphysik
wegen ihrer großen Energieauflösung eingesetzt Tab. 8.8 Anwendung radioaktiver Nuklide
(Si (Li) für Röntgenstrahlung). Zur Vergröße- Bereiche Anwendungsfelder
rung der Raumladungszone wird Li bei 400 ı C umschlossene Strahlungsquellen
in einen p-leitenden Si- oder Ge-Einkristall ein- Medizin Strahlentherapie
diffundiert. Da die auf Zwischengitterplätzen ab- Strahlenchemie Sterilisierung medizinischer Pro-
gelagerten Li-Atome als Donatoren wirken (bei dukte (z. B. Einwegspritzen);
Konservierung von Nahrungsmit-
Raumtemperatur bereits ionisiert), bildet sich ein teln; Abwasserbehandlung
pn-Übergang aus. Unter dem Einfluss einer in chemische Ana- Röntgenfluoreszenz-Analyse;
Sperrichtung angelegten Spannung lässt man bei lytik Elektroneneinfangdetektor zum
100 ı C die Li-Ionen von der n-Seite in das p- Spurennachweis halogenierter Koh-
lenwasserstoffe
Gebiet driften. Auf diese Weise entsteht zwischen
Messtechnik Durchstrahl- und Rückstrahl-
dem n- und dem p-Gebiet eine hochohmige, Verfahren mit ˇ- und -Quellen
eigenleitende Zone (i-Schicht, Abschn. 9.2.3). (z. B. Messung der Füllhöhe, der
Diese i-Zone stellt das empfindliche Detektorvo- Dichte und der Dicke)
lumen dar (pin-Fotodiode Abschn. 9.4.2.3). Um Energieum- Umwandlung der Zerfallsenergie in
das Herausdiffundieren der Li-Atome zu verhin- wandlung Wärme; weitere Umwandlung der
Wärme (Seebeck-Effekt) in elektri-
dern, muss der Ge- oder Si-Kristall mit flüssigem sche Energie; Radionuklid-Batterien
Stickstoff (77 K) gekühlt werden. offene Strahlungsquellen
Durch Herstellung von extrem reinen Medizin Organ-Funktionsdiagnostik (Leber-
Germanium-Einkristallen ist die Dotierung mit und Nierendiagnostik); Lokalisa-
Li-Atomen nicht mehr erforderlich. Derartige tionsdiagnostik (Anreicherung im
Gewebe); Szintigrafen
Detektoren werden als Reinstgermaniumdetekto-
chemische Ana- Bestimmung des Schilddrüsenhor-
ren bezeichnet. lytik mons
Bei den Anregungsdetektoren führt die Strah- Ökotoxikologie Bestimmung der Anreicherung von
lung zu einer Lichtemission in einem Szin- Umweltchemikalien in Organen und
tillator. Der Aufbau eines Szintillationsdetek- Geweben von Tieren durch radioakti-
ve Markierung
tors ist in Abb. 8.64 dargestellt. Der Lichtblitz
Prozessanalyse quantitative Verfolgung des Stoff-
wird mit einem Photosekundärelektronenverviel- Transports in verfahrenstechnischen
facher (PSEV) in ein elektrisches Signal um- Anlagen durch Zusatz radioaktiver
gewandelt und verstärkt (Abschn. 4.2.2.1). Als Indikatoren
Szintillatoren werden anorganische oder orga- Verschleißmes- Abriebmessung bis 103 m bis
sungen 104 m
nische Kristalle sowie Flüssigkeiten bzw. fes-
te Lösungen (Plastszintillatoren) eingesetzt. An-
organische Stoffe lumineszieren im Gegensatz
zu organischen Stoffen nur im kristallinen Zu- festen, inaktiven Hülle oder in einem festen, in-
stand. Die meisten Kristalle müssen durch Einbau aktiven Stoff eingebettet.
von Fremdatomen (Aktivatoren) lumineszenzfä- Unter betriebsmäßiger Beanspruchung wird
hig gemacht werden. Organische Verbindungen ein Austritt radioaktiver Stoffe mit Sicherheit ver-
können sowohl in Lösung als auch im kristallinen hindert. Offene radioaktive Strahlenquellen sind
Zustand eingesetzt werden. beispielsweise radioaktive Lösungen.
Tab. 8.8 gibt einen Überblick der Einsatzge-
8.8.1.5 Anwendung radioaktiver Stoffe biete radioaktiver Stoffe. Wichtige Bereiche sind
Beim Einsatz radioaktiver Stoffe unterscheidet die Medizin und Chemie. Außer der Funktions-
man gemäß Tab. 8.8 zwischen offenen und um- und Lokalisationsdiagnostik werden radioakti-
schlossenen radioaktiven Strahlenquellen. In um- ve Stoffe zur Bestimmung beispielsweise des
schlossenen radioaktiven Strahlenquellen sind Schilddrüsenhormons Triiodthyronin (T3) im
die radioaktiven Stoffe in einer allseitig dichten, Konzentrationsbereich ng/ml (109 g=ml) routi-
8.8 Kernumwandlung 653
nemäßig eingesetzt. Ein immer wichtigeres Ge- bis 1956) die erste Kernreaktion durch, bei der
biet ist die Untersuchung des Verhaltens von ein künstliches radioaktives Nuklid entstand:
Chemikalien in der Umwelt (Ökotoxikologie).
Abb. 8.65 zeigt einige wichtige Einsatzgebiete
27
13 Al C 42 ’ ! 15 P C 0 n C E ;
30 1
13 Al (’, n) 15 P mit E D
Für die Reaktion 27 30
Trefferzahl
Zeit
D Projektilteilchen a
FlächeZeit
Wahrscheinlichkeit
des Treffers
d N=dt D ˚ NA :
Die Energie der Neutronen und der ”-Strahlung Zum Vergleich: Bei der Verbrennung von 1 kg
steht nur dann als Wärme zur Verfügung, wenn Kohlenstoff wird eine Energie von 34 103 kJ frei
diese im betreffenden Medium absorbiert wird. (5 107 mal weniger als für 1 kg 235 U).
Die Energie der Neutrinos geht infolge der gerin- Voraussetzung für die Energiegewinnung
gen Wechselwirkung verloren. Durch Neutronen- durch Kernspaltung ist das Freiwerden von 2 bis
einfang erhöht sich die Energie je Spaltung um 3 Neutronen je Spaltung, um eine Kettenreaktion
den Wert der Bindungsenergie der Neutronen. Im zu ermöglichen. Die Spaltung eines 235 U-Kerns
Mittel wird je Kernspaltung des 235 U eine nutz- führt zu 2 Neutronen, die ihrerseits eine Spaltung
bare Energie von 200 MeV frei. induzieren und somit 2 2 Neutronen freisetzen.
Für die Berechnung der Energie, die aus 1 kg Diese 4 Neutronen erzeugen durch Kernspaltung
spaltbaren Materials 235 U in einem Kernreak- 2 4 Neutronen und so fort. Für diese Kettenre-
tor gewonnen werden kann, muss berücksichtigt aktion ist der Multiplikationsfaktor k D 2, da je
werden, dass ein Teil des spaltbaren Materials Neutron 2 Neutronen erzeugt werden. Um eine
durch (n, ”)-Reaktion in weniger leicht spaltbares kontrollierte Kettenreaktion zur Energiegewin-
Material umgewandelt wird. Dieser Anteil ergibt nung aufrecht zu erhalten, muss k D 1 sein.
sich aus dem Verhältnis der Wirkungsquerschnit- In Abb. 8.76 ist die Neutronenbilanz für einen
te für Spaltung und Absorption ( (n,f) = (n,”) D idealisierten (unendlich ausgedehnten) Reaktor
0;839): dargestellt. Ein Neutron erzeugt durch die Kern-
1000 g spaltung schnelle Neutronen ( D 2;43 für
E D 200 106 eV 0;839 235
U). Infolge der Spaltung von 238 U mit schnel-
235 g=mol
len Neutronen werden " 1 zusätzliche schnelle
1
6;022 1023 ; Neutronen erzeugt. Damit diese schnellen Neu-
mol tronen (Energie einige MeV) weitere 235 U-Kerne
E D 6;89 1013 Ws D 6;89 1010 kJ spalten können, müssen sie durch Streuprozes-
D 797 MWd : se auf thermische Energie abgebremst werden.
662 8 Atom- und Kernphysik
235
U ergibt sich für thermische Neutronen (En Für den Betrieb eines Druckwasserreaktors
102 eV) mit D 2;43 der Wert D 2;07. Es (Abb. 8.78) mit 235 U als Spaltstoff muss dieser
sind also nur 2;07 Neutronen weiterhin nutzbar, etwa auf 5 % angereichert werden (natürlicher
der Rest geht durch die (n, ”)-Reaktion mit 238 U 235
U-Gehalt 0;72 %). Die abgebrannten Brenn-
verloren. stoffelemente enthalten noch etwa 0;8 % 235 U.
Beim realen Reaktor muss der Neutronen- Die gewonnene Energie stammt dabei zur Hälfte
verlust durch die endliche Ausdehnung des Re- aus der Spaltung von 239 Pu, das durch Neutronen-
aktorkerns berücksichtigt werden. Der effektive einfang aus 238 U gebildet wird.
Multiplikationsfaktor ist Das Verhältnis neu gebildeter spaltbarer Ato-
me zur Anzahl der gespaltenen Atome wird als
keff D k1 L : (8.83) Konversionsfaktor bzw. Brutrate bezeichnet. Ist
die Brutrate größer als 1, so erzeugt der Reaktor
L ist die Leckage, d. h. die Wahrscheinlichkeit, mehr spaltbares Material als er verbraucht (Brut-
dass ein Spaltneutron im Reaktor verbleibt. Je reaktor s. Abb. 8.80). Folgende Kombinationen
nach Größe von keff unterscheidet man drei Fälle: von Spalt- und Brutstoff sind sinnvoll:
Durch den Verbrauch an Kernbrennstoff und das Zur Beurteilung der Möglichkeit eines Brutreak-
Entstehen neutronenabsorbierender Spaltproduk- tors ist der Vermehrungsfaktor wichtig. Aus
te ist eine bestimmte Überschussreaktivität ı D Abb. 8.77 ist zu erkennen, dass 239 Pu als Spalt-
keff 1 erforderlich. Diese wird durch Kontroll-stoff mit thermischen Neutronen (En 102 eV)
stäbe aus stark neutronenabsorbierendem Materi- lediglich den Wert 2;1 hat. Dieser Wert ist zur
al (z. B. Cadmium, Bor) gesteuert. Das Auftreten Aufrechterhaltung einer Kettenreaktion zu ge-
verzögerter Neutronen spielt bei der Regelung ring. Für schnelle Neutronen (En MeV)
des Reaktors eine wichtige Rolle, da durch sie steigt der -Wert auf 2;93 an. Deshalb ist ein
eine Verlängerung der Regelzeit hervorgerufen Brutreaktor auf der Basis Uran-238/Plutonium-
wird. 239 nur mit schnellen Neutronen durchführbar
(schneller Brutreaktor). Für 233 U als Spaltstoff
8.8.3.3 Reaktortypen beträgt der -Wert für thermische Neutronen 2;3
Die Einteilung der Reaktoren kann nach verschie- und damit ist ein thermischer Brüter möglich.
denen Gesichtspunkten erfolgen, beispielsweise Im Thorium-Hochtemperaturreaktor (Abb. 8.79)
nach dem wird ein Konversionsfaktor nahe bei 1 erreicht.
Abb. 8.79 Reaktorgebäude, Reaktorkern und Brennelement eines Hochtemperaturreaktors. Werkfoto: Hochtempera-
tur-Reaktorbau GmbH
6C C 1p ! 7N C ”
13 1 14
Deuterium-Zyklus C
7 N C 1 p ! 8 O ! 7 N C e C e
14 1 15 15
C
1 p C 1 p ! 1 D C e C e
1 1 2
(langsam)
7 N C 1 p ! 6 C C 2 He
15 1 12 4
1 D C 1 p ! 2 He C ”
2 1 3
(rasch)
Bruttoreaktion 4 1 p ! 42 He C 2 eC C 2 e C E
1
3
2 He C 3
2 He ! 4
2 He C 2 1
1 p (rasch)
Bruttoreaktion 4 11 p ! 42 He C 2 eC C 2 e C E
666 8 Atom- und Kernphysik
Abb. 8.80 Reaktortank und Brennelemente eines schnellen Brutreaktors. Werkfoto: Schnell-Brüter-Kernkraftwerks-
gesellschaft
Die Bruttoreaktion ist für beide Zyklen gleich. Bei der Explosion einer Wasserstoffbombe
Aus der Massendifferenz errechnet sich E D findet eine Kernfusion statt. Die für die Fusion
.4ma (H) ma . 4 He/ 4me /c 2 zu 24;69 MeV. benötigten hohen Temperaturen werden hierbei
Zur Überwindung der Coulomb-Abstoßung zwi- durch eine Kernspaltung erzeugt.
schen den gleichnamig geladenen Kernen müssen Für die Durchführung der Kernfusion zur
die Kerne eine ausreichende kinetische Energie Energiegewinnung kann man folgende Fusions-
Ekin haben. Aus der kinetischen Gastheorie ergibt reaktionen in Betracht ziehen:
sich für die wahrscheinlichste kinetische Ener-
1D C 1T ! 42 He C 10 n C 17;61 MeV
2 3
gie (Maximum der Maxwell’schen Geschwindig-
keitsverteilung vw2 D 2=3v 2 , Abschn. 3.2.3) 1D C 1D
2 2
! 32 He C 10 n C 3;27 MeV
1D C 1D ! 31 T C 11 p C 4;03 MeV
m 2 2 2
Ekin D v D kT : (8.84)
2 w
1 D C 2 He ! 42 He C 11 p C 18;35 MeV
2 3
Abb. 8.83 Plasmaeinschluss-Verfahren zur Kernfusion. Fotos: Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, Garching
tischen Divertor studieren. Divertoren sind Ne- und von dort an die Wand des Plasmagefäßes
benkammern, die durch besondere Führung des gestreut werden können. Beim Auftreffen der
Magnetfeldes ober- und unterhalb des Plasma- Elektronen, Ionen, Neutralteilchen und Neutro-
schlauches entstehen. nen auf die Gefäßwand oder durch Strahlenein-
Das Transformatorprinzip funktioniert nur wirkung können Atome von der Wand gelöst
während der Einschaltphase der zentralen Trans- werden und das Plasma verunreinigen. Beson-
formatorspule (zentrale OH-Spule in Abb. 8.83). ders problematisch sind Schwermetalle, da sie bei
Nur dann wird ein Plasmastrom induziert, der das den Fusionstemperaturen erst teilweise ionisiert
poloidale Feld zur Plasmastabilisierung erzeugt. sind und deshalb intensive Linien- und Rekombi-
Im Tokamak ist daher nur Pulsbetrieb möglich. nationsstrahlung aussenden, die zu einem Ener-
Im Gegensatz zu den Tokamaks arbeiten die gieverlust des Plasmas führt. Ein Wolframatom
Stellaratoren nur mit externen Magnetfeldern unter 10:000 Plasmateilchen würde die thermo-
und können daher kontinuierlich betrieben wer- nukleare Zündung verhindern.
den. Zur Erzeugung der schraubenförmigen Feld- Der aus dem Plasma an der Gefäßwand an-
linien sollen beim Stellarator-Experiment Wen- gelagerte Wasserstoff wird durch die Bestrahlung
delstein VII-AS am Max-Planck-Institut für Plas- freigesetzt und wieder zurückgeführt. Der Rück-
maphysik 45 unterschiedlich geformte Einzel- fluss von kälteren, vorwiegend neutralen Wasser-
spulen eingesetzt werden. Folgende Problemkrei- stoffatomen von der Gefäßwand in das Plasma
se sind besonders kritisch: spielt bei der Teilchen- und Energiebilanz des
Plasmas eine wichtige Rolle.
Plasmaverunreinigungen
Im Plasma findet eine Vielzahl von Stößen der Plasmainstabilitäten
Teilchen untereinander statt, durch die die Teil- Eine stromdurchflossene Plasmasäule ist von ei-
chen aus dem Plasmainnern an den Plasmarand nem zylindrischen Magnetfeld umgeben. Schnürt
670 8 Atom- und Kernphysik
sich der Plasmaschlauch zufällig an einer Stelle entspricht der Verbrennung von 8 106 kg Koh-
leicht ein, so vergrößert sich das Magnetfeld und le, die aus 1 kg Uran-235 durch Kernspaltung
damit der Druck des Magnetfeldes auf das Plas- der von 2 106 kg Kohle. Die Kernspaltung kann
ma. Dieser Druck verstärkt die Einschnürung der leicht mit thermischen Neutronen in Gang ge-
Plasmasäule, bis es u. U. zur Stromunterbrechung setzt werden. Für die Kernfusion müssen erst un-
kommt. Ein zufälliger Knick in der Plasmasäu- gewöhnlich hohe Temperaturen (108 K) erzeugt
le führt auf der Seite mit dem kleineren Radius werden. Bei der Kernspaltung entstehen große
zu einer Magnetfeldvergrößerung und damit zu Mengen an hochradioaktivem Abfall, im Gegen-
einer Druckerhöhung in Knickrichtung. Die In- satz zur Fusionsreaktion, bei dem das radioakti-
stabilität nimmt von selbst zu. ve Tritium im Kreislauf geführt wird; lediglich
durch Neutronenaktivierung der Materialien ent-
Plasmaheizung stehen radioaktive Stoffe.
Damit die Kernfusion mit Energiegewinn abläuft,
muss das Plasma auf 108 K aufgeheizt werden.
Die Heizung des Plasmas kann durch Ohm’sche 8.9 Elementarteilchen
Heizung, Neutralteilcheninjektionsheizung oder
Hochfrequenzheizung erfolgen. Die Ohm’sche Das Ziel der Elementarteilchenphysik ist die Auf-
Heizung geschieht durch einen Plasmastrom (vgl. deckung und Beschreibung der fundamentalen
Tokamak). Durch den Plasmawiderstand wird Gesetze der Wechselwirkung von Materie. Unter
dem Plasma Energie (Wärme) zugeführt. Da Wechselwirkung wird dabei ganz allgemein jede
der Widerstand des Plasmas mit zunehmender Kraft oder jeder Einfluss auf Materie verstanden,
Temperatur abnimmt, ist diese Methode nur zur der zu einer Zustandsänderung führt.
Anfangsheizung geeignet. – Bei der Neutral- Die Frage nach den Elementarteilchen ist
teilcheninjektionsheizung werden geladene Teil- grundlegend mit der Frage nach dem Zusam-
chen beschleunigt und vor Einschuss in das menhalt der Atomkerne (Kernkraft) verbun-
Plasma neutralisiert. (Geladene Teilchen können den. Um eine Auflösung x zu erreichen, ist
das Magnetfeld nicht durchdringen.) Die kine- nach der Unschärferelation px = „=2
tische Energie der eingeschossenen Neutralteil- ein Impuls p = „=.2 x/ erforderlich. Nach
chen liegt weit über der der Plasmaionen und der Relativitätstheorie kann gemäß E 2 D p 2 c 2 C
wird durch Stöße an sie übertragen. m20 c 4 (10.19) die entsprechende Energie berech-
Die Ionen und Elektronen eines Plasmas füh- net werden. Zur Ermittlung der inneren Struktur
ren verschiedenartige Eigenschwingungen aus, des Protons (x 1016 m) sind Energien in der
die durch Einstrahlung einer elektromagneti- Größenordnung GeV erforderlich. Experimente
schen Welle zur Resonanz angeregt werden kön- in der Elementarteilchenphysik sind deshalb nur
nen. Die spiralförmige Bewegung der gelade- mit äußerst leistungsstarken Beschleunigeranla-
nen Teilchen um die Magnetfeldlinien erfolgt gen möglich.
mit einer bestimmten Kreisfrequenz (Zyklotron- Tab. 8.12 zeigt die Bauelemente von mo-
frequenz). Diese liegt bei Ionen und den übli- dernen Beschleunigeranlagen. Seit den siebziger
chen Magnetfeldstärken zwischen 10 MHz und Jahren sind Kollisionsexperimente (Speicherring-
100 MHz, für Elektronen zwischen 60 GHz und experimente) üblich, bei denen die zusammen-
150 GHz. Durch Einstrahlung mit der entspre- stoßenden Teilchen (z. B. e , eC , p, p ) einen
chenden Frequenz nehmen die Teilchen aus dem entgegengesetzten Impuls haben. Deshalb bleibt
elektromagnetichen Feld Energie auf und geben der Schwerpunkt des gesamten Systems in Ru-
sie durch Stöße an das Plasma ab. he, sodass die doppelte Teilchenenergie (z. B. für
Kernspaltung und Kernfusion unterscheiden Protonen 2 Ep D 2270 GeV D 540 GeV) zur Er-
sich in folgenden wichtigen Punkten: Die Ener- zeugung neuer Teilchen zur Verfügung steht. Um
giegewinnung aus 1 kg Deuterium durch Fusion den gleichen Energiebetrag (540 GeV) beim Be-
8.9 Elementarteilchen 671
schuss eines ruhenden Protons zur Verfügung zu tenzahlen (z. B. B, S, C, I3 /. Alle anderen Eigen-
haben, muss das bewegte Proton eine Energie von schaften, beispielsweise Masse und Lebensdauer,
155 TeV (1012 eV) haben. stimmen bei Teilchen und Antiteilchen überein.
Zum Nachweis der Reaktionsprodukte sind In Abb. 8.86 sind nur für die Leptonen und
aufwändige Detektoren erforderlich, die nicht nur Quarks die Antiteilchen mit angegeben (rot). Die
Art und Energie der Teilchen, sondern auch ih- grau unterlegten Teilchen sind aus heutiger Sicht
re Richtung genau bestimmen. Abb. 8.84a zeigt stabil. Dies gilt auch für die entsprechenden An-
den Detektor TASSO (Two Arm Spektrometer titeilchen (sofern sie nicht mit anderen Teilchen
Solenoid) und Abb. 8.84b den Querschnitt sche- zusammenkommen). Das Neutron ist nur im ge-
matisch. Die vom Computer rekonstruierten Teil- bundenen Zustand (z. B. im Atomkern) stabil.
chenbahnen (z. B. C , KC , K ) für eine Energie Man unterscheidet zwischen Teilchen mit
von 35 GeV (e , eC ) sind in Abb. 8.85 dargestellt.
schwacher (Leptonen) und Teilchen mit starker
Wechselwirkung, den Hadronen. Die Hadronen
bestehen aus den Baryonen (Spin J halbzahlig)
8.9.1 Einteilung und den Mesonen (Spin J ganzzahlig). Baryonen
zerfallen stets direkt oder über einen Umweg in
Die ersten Elementarteilchen, die Pionen Nukleonen (Protonen oder Neutronen):
C ; ı ; , Myonen , Kaonen und Positronen,
wurden in der Höhenstrahlung durch Bestrahlung n ! p C e C N e .T D 918 s/
fotografischer Emulsionen oder durch Nebelkam- †C ! p C ı .T D 0;8 1010 s/
meraufnahmen nachgewiesen. C
!n C
In Abb. 8.86 oben sind einige Teilchen mit
ihren charakteristischen Größen (Quantenzahlen) „
0
! ı C ı .T D 3 1010 s/
ı
aufgeführt. Die Masse der Teilchen ist durch die ƒ ! p C
Beziehung m D E=c in der Einheit MeV=c an- C .1232/ ! n C C
2 2
.T D 6 1024 s/ :
gegeben. Zu jedem Teilchen existiert ein Antiteil-
chen mit entgegengesetzter Ladung und entge- Baryonen können im Gegensatz zu Mesonen we-
gengesetzten Werten aller ladungsartigen Quan- der einzeln erzeugt werden, noch durch Zerfall
672 8 Atom- und Kernphysik
Abb. 8.84 a Detektor TASSO am DESY, b Querschnitt des Detektors TASSO. Foto: Deutsches Elektronen-Synchro-
tron, Hamburg
8.9 Elementarteilchen 673
Leptonenzahl L
Es gibt sechs Leptonen (Le , L , L£ ) in den Fa-
milien (e, e ), (, ) und (£, £ ) mit ihren
Antiteilchen (Abb. 8.86). Sie haben den Spin 1/2
und nur elektromagnetische schwache Wechsel-
wirkung. Den Leptonen wird die Leptonenzahl
L D 1 (Antiteilchen L D 1) zugeordnet. Diese
bleibt bei einer Reaktion erhalten:
C ! eC C C e
1 D .1/ C .1/ C .C1/ :
LW „ƒ‚…
„ƒ‚… „ƒ‚… „ƒ‚…
L Le L Le
Baryonenzahl B
Abb. 8.87 Quarkoniumzustände Baryonen (Spin 1/2) zerfallen direkt oder indi-
rekt stets in ein Proton (Neutron zerfällt in ein
Proton). Baryonen können sich nur ineinander
kaum wechselwirkt. Dieses Füllmaterial wird im verwandeln aber sie können nicht verschwinden.
Wesentlichen mit Trägern der Quarkkräfte (Gluo- Demzufolge bleibt die Baryonenzahl B erhalten
nen) identifiziert. (Baryonen B D 1; Antibaryonen B D 1; alle
anderen Teilchen B D 0, auch die Photonen):
8.9.2 Erhaltungssätze eC C e ! p C p
BW 0 C 0 D 1 C .1/ :
Elektrische Ladung Q
Die elektrische Ladung eines abgeschlossenen Die Erhaltung der Baryonenzahl führt zur Stabi-
Systems bleibt erhalten: lität des leichtesten Baryons, dem Proton (analog
dem Elektron bei Ladungserhaltung), und gilt für
! C alle Wechselwirkungen.
QW 1 D 1 C 0 :
Seltsamkeit S
Das Pion und das Muon müssen deshalb exakt Diese Quantenzahl leitet sich von den „seltsamen
dieselbe Ladung haben. Neutrinos sind elektrisch Teilchen“, z. B. ƒ und Kı , ab. Solche Teilchen
neutral und können deshalb große Materiemen- sollten theoretisch eine Lebensdauer von 1023 s
gen ohne Energieverlust durch Ionisationspro- haben. Seltsamerweise ist ihre tatsächliche Le-
676 8 Atom- und Kernphysik
bensdauer aber 1013 -mal länger. Diese Seltsam- Wellenfunktion somit nur ihr Vorzeichen ändern:
keit bleibt bei Reaktionen mit starker und elek-
tromagnetischer Wechselwirkung erhalten, nicht .x; y; z/ D .x; y; z/
aber bei der schwachen Wechselwirkung. P D 1 .gerade Parität/ ;
.x; y; z/ D .x; y; z/
Charme C, Bottom B P D 1 .ungerade Parität/ :
Außer der Seltsamkeit S können noch weitere
Quantenzahlen, wie z. B. Charme C und Bottom Die Parität kann sich bei der schwachen Wech-
B , eingeführt werden, die bei elektromagneti- selwirkung ändern. Anschaulich bedeutet dies,
scher und starker Wechselwirkung erhalten blei- dass eine Reaktion in ihrer räumlich gespiegel-
ben. Diese Quantenzahlen sind mit den c- bzw. ten Form nicht genau in derselben Weise (mit
b-Quarks verknüpft. derselben Häufigkeit) abläuft. Es tritt bei der
schwachen Wechselwirkung eine grundlegende
Isospin I Rechts-links-Unsymmetrie auf.
Das Proton und das Neutron (Abb. 8.86) können
als zwei verschiedene Zustände ein und dessel-
ben Teilchens aufgefasst werden. Der jeweilige 8.9.3 Fundamentale
Zustand des Teilchens wird durch den Isospin I Wechselwirkungen
mit der Multiplizität .2I C 1/ gekennzeichnet.
Der Isospin ist ein Vektor mit drei Komponenten Man unterscheidet vier fundamentale Wechsel-
im abstrakten Isospinraum. Die dritte Komponen- wirkungen, die Gravitation, die elektromagneti-
te des Isospins I3 .Iz / liefert eine Aussage über sche, die starke und die schwache Wechselwir-
die Ladung. Für ein Proton ist I3 D C1=2, für kung. Aufgrund neuer Erkenntnisse können die
ein Neutron I3 D 1=2. Bei der starken Wech- elektromagnetische und die schwache Wechsel-
selwirkung bleibt der Isospin erhalten (I D wirkung zur elektroschwachen Wechselwirkung
0), während bei der elektromagnetischen Wech- zusammengefasst werden. In Abb. 8.88 sind die
selwirkung nur die dritte Komponente erhalten Wechselwirkungen mit ihren wichtigen Merkma-
bleibt (I D 0;1; I3 D 0). len zusammengestellt.
Die elektromagnetische Wechselwirkung
Spin J, Parität P wirkt zwischen geladenen Teilchen und wird
Der Spin eines Teilchens ergibt sich durch Kom- in der nichtrelativistischen Quantenmechanik
bination der Quarkspins und des Bahndrehimpul- durch die Schrödinger-Gleichung mit dem elek-
ses. Die Teilchen lassen sich durch das Produkt trischen Potenzial ' und dem Vektorpotenzial A
aus einer Wellenfunktion .x; y; z/ und einer beschrieben. Durch Einführung des Spins und des
Spinfunktion '.s/ beschreiben. Die Wahrschein- magnetischen Moments ist damit eine Beschrei-
lichkeit, das Teilchen an einem bestimmten Ort bung aller elektromagnetischen Niederenergie-
mit einem bestimmten Spin anzutreffen, ist durch Phänomene, wie z. B. Atombau, Spektren, mole-
das Quadrat der Wellenfunktion j .x; y; z/j2 ge- kulare Bindung, Makromoleküle und Festkörper,
geben. Dieses Betragsquadrat ist prinzipiell un- möglich.
abhängig von einer Spiegelung der Koordinaten Gravitation, Kern- und Elementarteilchenphy-
an einer Ebene (Übergang eines rechtsdrehenden sik können damit nicht beschrieben werden. Die
in ein linksdrehendes Koordinatensystem). Diese relativistische Beschreibung von Teilchen erfolgt
Spiegelung an einer Ebene ist identisch mit einer durch die Wellengleichung von P. A. M. D IRAC
Inversion (Spiegelung am Koordinatenursprung (1902 bis 1984). Diese stellt die Verknüpfung
x; y; z; s ! x; y; z; s), verbunden mit ei- von Relativitätstheorie und Quantenmechanik dar
ner Drehung. Die Invarianz der Wellenfunktion (Abb. 1.3). Die Lösung dieser Gleichung enthält
gegenüber der Drehung ist durch die Drehim- den Eigendrehimpuls und das magnetische Mo-
pulserhaltung gegeben. Bei der Inversion darf die ment der Teilchen, weshalb diese Größen nicht
8.9 Elementarteilchen 677
extra eingeführt werden müssen. Außerdem ent- sacht. Dieses Austauschteilchen ist das Pion
hält die Dirac-Gleichung als Lösung die Antiteil- ( C ; ; ı ):
chen. p ! n C C
Die starke Wechselwirkung beschreibt n ! p C
den Zusammenhalt der Atomkerne durch
n ! n C ı
die kurzreichweitige Kernkraft (Reichweite
etwa 1015 m). Mit Hilfe der relativisti- p C ı ! p
schen Energiebeziehung ergibt sich analog p C ! n
zur Schrödinger-Gleichung die Klein-Gordon- n C C ! p :
Gleichung, wiedergegeben in Tab. 8.14. Aus
der Reichweite r0 D 1=k der Wellenfunktion Dementsprechend kann die elektromagnetische
errechnet sich die Masse m zu etwa einem Wechselwirkung ebenfalls durch den Austausch
Fünftel der Protonenmasse. Diese Lösung kann von Teilchen (Photonen) verstanden werden. Da
als Teilchen interpretiert werden (Austausch- die Reichweite der elektromagnetischen Wech-
teilchen), das ständig zwischen den Nukleonen selwirkung unendlich ist, muss das Photon die
ausgetauscht wird und so die Kernkraft verur- Masse null haben. Die anschauliche Beschrei-
678 8 Atom- und Kernphysik
n ! p C e C N e :
8.10 Strahlenschutz
Wechselwirkung der verschiedenen Strahlenarten schaft und Technik und unter Berücksichti-
(z. B. ’, p, d, n, ”; “) unterschiedlichster Ener- gung aller Umstände des Einzelfalles auch
gie und Flussdichte mit der Materie. Durch diese unterhalb der festgesetzten Grenzwerte so ge-
Wechselwirkungsprozesse sind die Messgrößen ring wie möglich zu halten.
und Messprinzipien vorgegeben. Die Wechsel-
wirkungsprozesse der Strahlung mit dem leben- Unter Kontamination versteht man eine uner-
den Organismus und der daraus resultierenden wünschte Verunreinigung durch radioaktive Stof-
biologischen Wirkung ermöglicht die Beurtei- fe, beispielsweise von Arbeitsflächen, Geräten,
lung bezüglich der Qualität der Strahlung. Ferner Räumen, Wasser, Luft. Es muss nicht nur die äu-
führt die Wechselwirkung der Strahlung mit der ßere Strahlenbelastung des Menschen begrenzt
Materie über die Sekundärstrahlung zur Beein- werden, sondern auch die innere Strahlenbelas-
flussung des primären Strahlungsfeldes und somit tung, die durch Aufnahme radioaktiver Substan-
der Strahlenbelastung (Abb. 8.90). zen über Kontamination der Umwelt (Luft, Was-
Die – in der Regel schädliche – biologi- ser) direkt oder indirekt (über die Nahrungskette)
sche Wirkung der Strahlung erfordert Strahlen- in den Körper gelangen (Inkorporation).
schutzmaßnahmen zur Minderung der Strahlen-
belastung auf ein nach dem jeweiligen Stand
der Wissenschaften für vertretbar angesehenes 8.10.1 Wechselwirkung der Strahlung
Maß. Die gesetzlichen Regelungen enthalten die mit Materie
Strahlenschutz- und Röntgenverordnung. In die-
sen sind die Aufgaben des Strahlenschutzes for- Die wichtigsten Wechselwirkungsprozesse der
muliert: verschiedenen Strahlenarten mit der Materie sind
in Abb. 8.91 zusammengestellt. Durch die Wech-
1. Jede unnötige Strahlenexposition oder Konta- selwirkungsprozesse mit dem Absorbermateri-
mination von Personen, Sachgütern oder der al wird die Flussdichte der Strahlung und de-
Umwelt ist zu vermeiden. ren Energie durch Energieabgabe an das Ab-
2. Jede Strahlenexposition oder Kontamination sorbermaterial oder durch Streuprozesse gemin-
von Personen, Sachgütern oder der Umwelt dert. Die Abhängigkeit der Flussdichte von der
ist unter Beachtung des Standes von Wissen- Schichtdicke oder Flächenmasse des Absorber-
680 8 Atom- und Kernphysik
Tab. 8.16 Mittlerer Energieverbrauch EN zur Bildung ei- renzielle Ionisationsvermögen von Elektronen ist
nes Ionenpaars um den Faktor 1000 kleiner als bei ’-Teilchen.
Gas EN in eV EI in eV Gleichung (8.87) berücksichtigt lediglich den
Elektronen, ’-Teilchen, Ionisierungs- Energieverlust durch Ionisation und Anregung,
“-Teilchen energie nicht dagegen den Energieverlust durch Brems-
Helium 41;4 44;4 24;6 strahlung. Der Energieverlust durch Bremsstrah-
Argon 26;1 26;4 15;8 lung wird erst oberhalb der Ruheenergie des Teil-
Wasserstoff 36;3 36;7 15;4
chens merklich, z. B. für Protonen oberhalb einer
Stickstoff 34;7 36;5 15;6
Ruheenergie von etwa 103 MeV; hierbei laufen
Luft 34;0 35;1 –
dann zum großen Teil Kernreaktionen ab. Bei
Elektronen steigt das Massenbremsvermögen in-
der Wendetangente mit der Schichtdickenachse) folge der Bremsstrahlung .S=%/Strahlung oberhalb
an. 1 MeV stark an (Abb. 8.91). Die Elektronenbahn
Betrachtet man das differenzielle Ionisations- im Absorbermaterial ist im Gegensatz zu den
vermögen dN=dx, so ist dies für Protonen, vergli- schweren geladenen Teilchen nicht geradlinig,
chen mit ’-Teilchen, um den Faktor 10 geringer weil infolge der wesentlich geringeren Masse des
(Abb. 8.91). ’-Teilchen zeigen im differenziel- Elektrons Streuungen auftreten. Die Integration
len Ionisationsvermögen in Luft ein Maximum über das reziproke Bremsvermögen .dE=dx/1
bei ungefähr 1 MeV, das zu einem Maximum (Summe der Energieverluste durch Ionisation und
der Ionendichte am Ende der Teilchenbahn führt. Bremsstrahlung) analog den schweren geladenen
Der Energieverbrauch zur Erzeugung eines Io- Teilchen ergibt die mittlere Bahnlänge. Infolge
nenpaars ist für ’- und “-Teilchen in Tab. 8.16 mit der Vielfachstreuung haben die Elektronen kei-
der Ionisierungsenergie zusammengestellt. Die ne einheitliche Reichweite nach (8.86), sondern
für ’-Teilchen angegebenen Daten gelten auch in nur eine maximale Reichweite. Hierunter ver-
guter Näherung für Protonen und Deuteronen, da steht man die zur vollständigen Absorption der
der Energieverlust unabhängig von der Teilchen- Elektronenstrahlung erforderliche Absorberdicke
art ist. Aus diesen Daten ist ersichtlich, dass der oder Flächenmasse.
Energieverbrauch etwa doppelt so groß ist wie die Das exponentielle Absorptionsverhalten von
Ionisierungsenergie. Die Hälfte der Energie wird “-Teilchen für radioaktive Strahlung (Abb. 8.91)
somit zur Anregung von Atomen oder Molekülen ist rein zufällig und durch die Messgeome-
verbraucht. trie (Anordnung von Strahlenquelle-Absorber-
Für Elektronen muss das Bremsvermögen re- Detektor) beeinflussbar. Da bei der Absorpti-
lativistisch berechnet werden, da die Ruheenergie on – besonders bei hohen Elektronenenergien
des Elektrons E D moe c 2 D 0;511 MeV beträgt. und großer Ordnungszahl des Absorbermateri-
Das Bremsvermögen für Elektronen ergibt sich als – Bremsstrahlung auftritt, führt dies in der
damit zu Absorptionskurve zu einer Konstanten, von der
Flächenmasse unabhängigen Flussdichte (Brems-
dE Ze4 n strahluntergrund). Aus der maximalen Reichwei-
SD D
dx 8 "20 moe v 2 te kann auf die Energie bzw. die Maximalenergie
der “-Teilchen geschlossen werden.
moe v 2 Ekin
ln C f .ˇ/ : (8.87) Das Auftreten von Vielfachstreuung im Ab-
2IN2 .1 ˇ 2 /
sorber wird besonders durch die Rückstreuung
mit f .ˇ/ als Funktion, die ˇ D v=c enthält. Das deutlich. Bei der Rückstreuung verlassen die
Bremsvermögen für Luft in Abhängigkeit von der Elektronen entgegen der Auftreffrichtung den
Elektronenenergie (Abb. 8.91) zeigt den Anstieg Absorber. “C -Teilchen verhalten sich analog “ -
von S über 1 MeV, der durch den logarithmi- Teilchen. Nachdem das “C -Teilchen durch Wech-
schen Term in (8.87) verursacht wird. Das diffe- selwirkungsprozesse seine kinetische Energie an
686 8 Atom- und Kernphysik
ser bzw. schweres Wasser (D2 O), Paraffin oder dm. Bei gleichem Strahlungsfeld ergeben sich für
Graphit eingesetzt. Bereits während des Brems- unterschiedliche Stoffe unterschiedliche Ionen-
vorgangs können die Neutronen von Kernen ein- dosen, da die zur Erzeugung eines Ionenpaares
gefangen werden (.n; ”)-Reaktion). Mit kleiner erforderliche Energie vom Material abhängig ist.
werdender Neutronenenergie nimmt die Wahr- Außer der SI-Einheit C/kg findet man noch die
scheinlichkeit .n; ”/ des Neutroneneinfangs zu.
ältere Einheit Röntgen (R). 1 R ist diejenige Io-
Beim Neutroneneinfang werden ein oder meh- nendosis einer ionisierenden Strahlung, bei der
rere ”-Quanten frei, deren Gesamtenergie der in 0;001293 g Luft (1 cm3 Luft unter Normal-
Bindungsenergie des Neutrons (etwa 8 MeV) ent- bedingungen) bei Elektronengleichgewicht mit
der Umgebung eine Ionisation von 3;33 1010 C
spricht. Beim Strahlenschutz ist zu beachten, dass
die durch Neutroneneinfang oder andere Kernre- jedes Vorzeichens erzeugt wird. Für Luft benö-
aktionen entstandenen Nuklide häufig radioaktivtigt man zur Erzeugung eines Ionenpaars 34 eV.
sind. Somit entspricht 1 R einer Energiedosis von
0;877 102 Gy (in Luft).
Die Ionendosis und Ionendosisleistung sind
8.10.2 Dosisgrößen für alle ionisierenden Strahlen mit Ausnahme
der Neutronen gültig. Für die Umrechnung der
Abb. 8.92 zeigt die Dosisgrößen, deren Ein- Ionendosis in Luft in die Energiedosis eines Ma-
teilung und Zusammenhänge. Die fundamentale terials gilt für Röntgen- und ”-Strahlung
physikalische Dosisgröße ist die Energiedosis
D (Messung in Gray: Gy), während die Ionen- .e =%/Material
DDf I : (8.91)
dosis J aus messtechnischem Grund und die .e =%/Luft
Äquivalentdosis H (Messung in Sievert: Sv) so-
wie die effektive Äquivalentdosis E wegen ih- Bei Verwendung der Einheit C=kg für die Io-
rer Bedeutung in der Strahlenbiologie und im nendosis I und J=kg für die Energiedosis D gilt
Strahlenschutz eingeführt wurden. Die Energie- f D 34;0 J=C.
dosis D gibt die in einem Masseelement dm D In Abb. 8.93 ist die Energieabhängigkeit von
% dV absorbierte Energie dE an. Diese Größe e für verschiedene Materialien dargestellt. Für
ist unabhängig von der Art der Wechselwirkung Weichteilgewebe (entspricht etwa Wasser) ergibt
der Strahlung und dem Absorbermaterial. Zur sich mit (e =%/Gewebe =.e =%/Luft D 1;1),
Kennzeichnung eines Strahlenfeldes oder einer
Strahlenwirkung durch die Energiedosis ist die 1 R (in Luft) D 0;97 102 Gy (in Gewebe) :
Angabe des bestrahlten Materials notwendig, da
die Wahrscheinlichkeit der Wechselwirkungspro- In der Strahlenschutzpraxis gilt
zesse vom Material abhängig ist. 1 C=kg (in Luft) ¶ 37;6 Gy (in Weichteilge-
Eine für den Menschen tödliche Energiedosis webe).
von 10 Gy D 10 J=kg führt in Wasser ledig- Zur Beurteilung der biologischen Wirkung der
lich zu einer Temperaturerhöhung von 2 103 K. Strahlung ist die Energiedosis ungeeignet, da
Aus diesem Grund ist die direkte Messung der gleiche Dosen verschiedener Strahlungsarten un-
Energiedosis mit einem Kalorimeter nur bei ver- terschiedliche Schädigungen in Art und Stärke
hältnismäßig hohen Dosen möglich und sehr zeigen. In der Strahlenbiologie wurde deshalb
aufwändig. Messtechnisch lassen sich verhält- der Faktor der relativen biologischen Wirksam-
nismäßig einfach und genau Ladungen erfassen. keit fRBW eingeführt. Dieser ergibt sich durch
Deshalb betrachtet man nicht die Summe aller den Vergleich der für eine bestimmte biologi-
Wechselwirkungsprozesse, die zu einer Energie- sche Wirkung erforderlichen Energiedosis Di der
abgabe an das Masseelement dm führen, sondern zu beurteilenden Strahlung mit der Energiedo-
nur die Ionisation und definiert die Ionendosis sis Do einer Vergleichsstrahlung, z. B. 250 kV
J als erzeugte Ladung eines Vorzeichens dQ je Röntgenstrahlung oder 60 Co ”-Strahlung. Für ei-
688 8 Atom- und Kernphysik
ne bestimmte biologische Wirkung gilt Der Faktor fRBW ist von der betrachteten Strah-
lenwirkung abhängig. Man führt deshalb zur Be-
Do .Vergleichsstrahlung/ urteilung der biologischen Wirkung den dimensi-
fRBW D :
Di .zu bewertende Strahlung/ onslosen Strahlungs-Wichtungsfaktor wR (R für
(8.92) radiation) ein. Das Produkt aus Energiedosis und
8.10 Strahlenschutz 689
Im Gegensatz zum Faktor fRBW , der gemes- 8.10.3 Biologische Wirkung der
sen werden kann, wird wR unter Berücksichti- Strahlung
gung der biologischen Erkenntnisse festgesetzt.
H ist somit prinzipiell nicht messbar. In Abb. 8.94 sind die Wechselwirkungen der un-
Die biologische Wirkung einer Strahlung ist terschiedlichen Strahlen in Materie (z. B. Gewe-
eng verknüpft mit der linearen Energieübertra- be) mit dem Verlauf des Qualitätsfaktors zusam-
690 8 Atom- und Kernphysik
Abb. 8.94 Abhängigkeit des Strahlungs-Wichtungsfaktor von der linearen Energieübertragung und Zusammenstel-
lung von Gewebe-Wichtungsfaktoren
8.10 Strahlenschutz 691
Tab. 8.17 Somatische Strahlenwirkungen bei kurzzeitiger Ganzkörperbestrahlung mit ”-Strahlung angegeben in ef-
fektiver Dosis
Dosis 1. Woche 2. Woche 3. Woche 4. Woche
Schwellendosis keine subjektiven Blutbild wird rasch
0;25 Sv Symptome, Absinken wieder normal
der Anzahl von Lym-
phozyten im Verlauf
von zwei Tagen
subletale Dosis 1 Sv Blutbild wird rasch keine deutlichen sub- Unwohlsein, Mattig- Spermienproduktion
wieder normal jektiven Symptome keit, Appetitmangel; lässt vorübergehend
Haarausfall, wunder nach. Kräfteverfall,
Rachen Erholung wahr-
scheinlich
mittlere letale Dosis am ersten Tag Erbre- keine deutlichen Unwohlsein, Mattig- längere bis lebens-
4 Sv chen und Übelkeit, Symptome keit, Appetitlosigkeit; lange Sterilität bei
Absinken der Anzahl Haarausfall, Ent- Männern; Kräftever-
der Lymphozyten auf zündungen im fall, 50 % Todesfälle
1000/mm3 innerhalb Rachenraum und
von zwei Tagen Dünndarm
letale Dosis 7 Sv nach 1 bis 2 h Erbre- Mattigkeit, Ap-
chen und Übelkeit. petitlosigkeit,
Nach zwei Tagen Entzündungen im
keine Lymphozyten Mund- und Ra-
mehr chenraum, innere
Blutungen, hohes
Fieber
über dem Meerespiegel erhöht die Strahlenbe- in Tab. 8.18 angegebenen Werten. Diese liegen
lastung durch kosmische Strahlung bereits um deutlich unterhalb des in der Strahlenschutzver-
0;15 mSv=a. ordnung angegebenen Grenzwertes von 1 mSv=a.
Abb. 8.97 zeigt die Häufigkeitsverteilung der
terrestrischen Komponente der natürlichen Strah-
lenbelastung für die Bevölkerung der Bundes- 8.10.4 Dosismessung
republik Deutschland. Ein Langstreckenflugzeug
in einer Höhe von 10 km bis 20 km kann für Zur Dosismessung muss ein durch die Strah-
den Flugreisenden eine Erhöhung der Strahlen- lung in Materie verursachter, dosisproportionaler
belastung durch die kosmische Strahlung bis messbarer Effekt ausgenutzt werden, wie z. B.
0;005 mSv je Flugstunde bedeuten. Ionisation, Lichterzeugung in einem Szintillator,
Auch Kohlekraftwerke emittieren natürli- Veränderungen in Festkörpern, chemische Reak-
che radioaktive Stoffe, beispielsweise die ’- tionen oder Wärmeerzeugung. In Abb. 8.98 sind
Strahler 238 U, 234 U, 232 Th, 226 Ra und 210 Po. Ein einige Messverfahren mit der Energieabhängig-
320-MW-Kohlekraftwerk emittiert jährlich etwa keit der Anzeige und dem Messbereich zusam-
4 109 Bq. Die Gesamtjahresabgaben radioak- mengestellt.
tiver Stoffe in der Abluft und im Abwasser Bei der in der Praxis wichtigen Messung der
aus kerntechnischen Anlagen der Bundesrepu- Ionendosis unterscheidet man je nach Messbedin-
blik Deutschland bezogen auf eine erzeugte elek- gungen zwischen der Standard-Gleichgewichts-
trische Energie von 1 GWa betragen für Edel- Ionendosis und der Hohlraum-Ionendosis. Die
gase 3200 GBq=GWa, Tritium 10360 GBq=GWa Standard-Gleichgewichts-Ionendosis ist die Io-
und 131 I 0;023 GBq=GWa. Anhand der Emissi- nendosis, die von einer Photonenstrahlung an ei-
onswerte berechnet sich die Strahlenexposition nem Punkt bei Sekundärelektronengleichgewicht
in der Umgebung von Kernkraftwerken zu den frei in Luft erzeugt wird. Man wählt ein ent-
8.10 Strahlenschutz
Abb. 8.96 Strahlenexposition der Bevölkerung in Deutschland mit Wertebereich für exponierte Einzelpersonen in Klammern
693
694 8 Atom- und Kernphysik
sprechend großes Luftvolumen und misst die in Wandmaterial. Solche Dosimeter sind bis 3 MeV
einem allseitig von Luft umgebenen Teilvolu- einsetzbar. In Abb. 8.99 ist ein Stabdosimeter
men erzeugte Ladung. Dadurch wird erreicht, schematisch dargestellt. Die in die Ionisations-
dass die Summe der Elektronenenergien, die in kammer eindringende Strahlung erzeugt durch
das Messvolumen gelangen, gleich der Energie primäre Ionisationsprozesse Ladungen, die zu
der austretenden Elektronen ist (Sekundärelek- einer Entladung des Kondensators führen. Die
tronengleichgewicht). Dies kann nur bis zu einer Ladung des Kondensators wird durch das Quarz-
Energie von 500 keV verwirklicht werden. Wird fadenelektrometer angezeigt und kann durch das
das Messvolumen mit einer Wand umgeben, für Mikroskop (Okularlinse – Objektiv) abgelesen
die gilt werden. Die Aufladung des Kondensators erfolgt
mit einem Ladegerät über den Ladestift. Diese
.e =S/Kammerwand D .e =S/Luft (8.95) Stabdosimeter sind vorzugsweise zur Ermittlung
der Personendosis bestimmt und werden hierzu
mit S als dem Bremsvermögen der Sekundär- am Körper getragen. Außerdem können sie auch
elektronen, so spricht man von luftäquivalentem als Ortsdosimeter verwendet werden. Bei höhe-
ren Energien und anderen Strahlenarten wird die
Ionendosis in einem kleinen gasgefüllten Hohl-
raum mit „gewebeäquivalenten“ Wänden gemes-
sen (Hohlraum-Ionendosis).
Die Messung der Neutronen-Ortsdosisleistung
ist infolge der unterschiedlichen Neutronen-
energien (0;025 eV bis MeV) problematisch.
Dies zeigen die Absorptionskurven für schnel-
le Neutronen (Abb. 8.91), jeweils gemessen
mit einem Detektor, der nur schnelle Neu-
tronen bzw. thermische Neutronen nachweist.
Die Zunahme des Flusses thermischer Neu-
tronen erfolgt durch die Abbremsung der
schnellen Neutronen im Absorbermaterial. Zur
Abb. 8.97 Terrestrische Strahleneinwirkung Messsung der Neutronen-Ortsdosisleistung dient
8.10 Strahlenschutz
Tab. 8.19 Strahlenschutzbereiche (§ 36, StrschV.) und Dosisgrenzwerte für beruflich Strahlenexponierte Personen
(§ 54–59, StrschV.)
lenbelastung. Die Gefahr einer inneren Strahlen- portional zur Zeit verhält:
belastung ist bei Arbeiten mit offenen radioakti-
ven Stoffen durch Inkorporation besonders groß. H D HP t .H konstant/ I
Zt
Schutz vor äußerer Strahlenbelastung H D HP .t/dt : (8.96)
Mit folgenden Maßnahmen schützt man sich vor
0
äußerer Strahlenbelastung:
Einhaltung möglichst großer Abstände von
Strahlenquellen mit möglichst kleiner Quell- der Strahlenquelle sowie
stärke verwenden, soweit dies technisch ein- Verwendung von Abschirmungen.
zurichten ist,
Minimierung der Aufenthaltsdauer im Strah- Eine punktförmige Strahlenquelle (Dimensionen
lungsfeld. Dies ist eine einfache, aber wir- der Quelle klein im Verhältnis zur betrachteten
kungsvolle Maßnahme, da sich die Dosis pro- Umgebung), die in alle Richtungen gleichmäßig
698 8 Atom- und Kernphysik
Tab. 8.20 Gammastrahlendosiskonstante H einiger Ra- “-Strahlung kann im Prinzip eine ähnliche Be-
dionuklide ziehung aufgestellt werden; hierbei wird aller-
Radionuklid Dosiskonstante H dings die Äquivalent-Dosisleistungskonstante zur
in Sv m2 h1 Bq1 Dosisleistungs-Funktion, da die “-Teilchen ent-
24
Na 4;72 1013
lang ihres Weges Energie verlieren. Außerdem
60
Co 3;36 1013
werden die “-Teilchen bereits im radioaktiven
131
I 5;45 1014
Präparat absorbiert (Selbstabsorption), sodass die
137
Cs 7;70 1014
226
Ra 2;14 1013
Berechnung der Äquivalentdosis von “-Strahlung
sehr schwierig ist.
Aus (8.97) entnimmt man, dass sich die Dosis-
abstrahlt (isotrop), erzeugt an einem Punkt im leistung mit dem Quadrat des Abstandes vermin-
Abstand r von der Quelle eine Flussdichte, die dert. Deshalb sollten auch schwach radioaktive
proportional der Quellstärke (Anzahl der Teil- Präparate niemals mit den Händen angefasst wer-
chen oder Quanten je Zeiteinheit) und umgekehrt den, wie das Rechenbeispiel Tab. 8.21 belegt.
proportional dem Quadrat des Abstandes ist. Dies Man erkennt, welchen Einfluss auf die Dosis der
ist dadurch bedingt, dass die Oberfläche einer Ku- Abstand des Objekts zu einem Strahler hat.
gel um die Strahlenquelle mit r 2 zunimmt. Je Eine weitere Möglichkeit, die Dosisleistung
größer die Flussdichte, desto größer ist bei kon- zu senken, ist die Verwendung von Abschirmun-
stantem Energieabsorptionskoeffizienten e die gen. ’-Teilchen lassen sich bereits durch ein
je Zeiteinheit absorbierte Energie im Material. Stück Papier vollständig absorbieren. Mit milli-
Somit ist die Flussdichte proportional zur Dosis- meterdickem Aluminium erreicht man eine voll-
leistung. Für Photonenstrahlung gilt ständige Absorption von “-Teilchen. Hierbei ist
allerdings das Auftreten von Sekundärstrahlung
d A größerer Reichweite (Bremsstrahlung, Röntgen-
H D HP D H 2 : (8.97)
dt r strahlung) zu berücksichtigen. Im Gegensatz zur
’- und “-Strahlung kann die ”-Strahlung nicht
Hierin ist HP die Äquivalentdosisleistung in Sv=h, vollständig absorbiert, sondern nur geschwächt
A die Aktivität der Quelle in Bq, r der Ab- werden. Es gilt das exponentielle Absorptions-
stand von der Quelle und H die Äquivalent- gesetz (8.88) mit dem linearen Schwächungs-
Dosisleistungskonstante in Sv h1 m2 Bq1 . koeffizienten . In Abb. 8.100 ist diese Größe
Die Äquivalent-Dosisleistungskonstante H für einige Materialien in Abhängigkeit von der
ist abhängig vom Energiespektrum der Quel- Energie dargestellt. Da infolge des Comptonef-
le und dem Energieabsorptionskoeffizienten e fekts im Absorbermaterial auch Streuung von
für Weichteilgewebe (wR D 1 für Röntgen- ”-Strahlung auftritt, kann dies zu einer Erhö-
und ”-Strahlung). In Tab. 8.20 sind für eini- hung der Dosisleistung führen. Dies wird durch
ge Radionuklide die Konstanten angegeben. Für den Dosisaufbaufaktor B, der eine Funktion der
Abb. 8.100 Energieabhängigkeit des linearen Schwä- Schutz vor innerer Strahlenbelastung
chungskoeffizienten einiger Metalle Man unterscheidet zwischen offenen und um-
schlossenen radioaktiven Stoffen. Umschlossene
radioaktive Stoffe sind ständig von einer allsei-
Energie. Absorberdicke und des Absorbermate- tig dichten, festen, inaktiven Hülle umschlossen
rials ist, berücksichtigt. In Abb. 8.101 sind die oder in festen inaktiven Stoffen ständig so ein-
B-Werte für Blei und Eisen in Abhängigkeit von gebettet, dass bei üblicher betriebsmäßiger Be-
x dargestellt. Damit ergibt sich für die Äquiva- anspruchung ein Austritt radioaktiver Stoffe mit
lentdosisleistung hinter einer Abschirmung Sicherheit verhindert wird.
Beim Arbeiten mit offenen radioaktiven Stof-
A
HP D H 2 ex B.x; E/
„ƒ‚… (8.98) fen (z. B. Lösungen, Feststoffe, Gase) besteht
r
„ƒ‚… „ ƒ‚ …
Schwächungs- Aufbau- die Gefahr einer Aufnahme in den Körper
Dosis ohne faktor faktor
Abschirmung (Inkorporation). Dies muss durch entsprechen-
de Laboreinrichtungen und umsichtiges Arbei-
Zur Berechnung der Dosisleistung hinter einer ten verhindert werden, denn eine innere Strah-
Abschirmung entnimmt man aus Abb. 8.100 lenbelastung ist bedeutend gefährlicher als ei-
und 8.101 die Werte für und B. Für 137 Cs ne äußere Strahleneinwirkung. Die inkorporier-
.E” D 0;662 MeV) entnimmt man die in ten Radionuklide können sich im Körper in
Tab. 8.21 angegebenen Werte und kann damit die bestimmten Organen anreichern und diese bis
Dosisleistung hinter einer 5 cm dicken Bleiwand zu ihrem vollständigen Zerfall direkt schädi-
ermitteln. gen.
700 8 Atom- und Kernphysik
14
Ü 8-2 Charakteristische Röntgenstrahlung ent- C, das entsprechend seiner Halbwertszeit zer-
steht beim Übergang von Elektronen aus Schalen fällt. In einem lebendigen Organismus ist das
höherer in solche niedrigerer Energie, insbeson- Verhältnis von 14 C zu 12 C etwa 1;3 1012 . Da-
dere in innere Schalen mit kleiner Hauptquan- mit ist die spezifische Aktivität 0;25 Bq=g. Da
tenzahl n. a) Berechnen Sie die Quantenenergie nach dem Absterben des Organismus kein Koh-
und Wellenlänge der Kupfer-K’ -Strahlung, die lenstoff mehr eingebaut wird, kann aus der heute
entsteht, wenn Elektronen von der L-Schale auf noch messbaren Aktivität an 14 C-Zerfällen in ei-
die K-Schale fallen. Benutzen Sie dazu nähe- nem solchen Objekt auf sein Alter geschlossen
rungsweise das Bohr’sche Atommodell. b) Das werden.
Bohr’sche Atommodell ist natürlich für ein
Mehrelektronenproblem nicht anwendbar. Be- Ü 8-4 Natürliches Silicium enthält die Isotope
28
rechnen Sie mit Hilfe der Tab. 8.3 die exakte Si, 29 Si und 30 Si. Beim Transmutation Doping
Wellenlänge der Röntgen-K’1 -Strahlung, die ent- wird es mit Neutronen bestrahlt. Dabei wandeln
steht, wenn Elektronen aus der LIII - in die K- sich Kerne in 29 Si, 30 Si und 31 Si um. 31 Si ist in-
Schale übergehen. stabil und geht durch einen “-Zerfall mit einer
Halbwertszeit von 2;6 h in den stabilen Kern 31 P
Ü 8-3 Berechnen Sie mit Hilfe der Radiokar- über. Damit ist Silicium mit Phosphor dotiert.
bonmethode das Alter eines in einer archäologi- a) Ein Siliciumkristall der Masse 1 kg soll mit ei-
schen Fundstätte ausgegrabenen Knochens, der ner Phosphor-Konzentration von np D 1017 cm3
80 g Kohlenstoff enthält. Die 14 C-Zerfallsrate be- dotiert werden. Wie groß ist dann die Zahl der be-
trägt 6;4 Bq. nötigten 31 Si-Kerne? b) Wie groß ist die Aktivität
Hinweis: In organischen Substanzen befindet des Kristalls? c) Wie lange muss man warten bis
sich stets ein geringer Anteil an radioaktivem die Aktivität auf 1 Bq abgenommen hat?
Festkörperphysik
9
Die Festkörperphysik hat sich seit Mitte des ramische Werkstoffe) und in der Halbleitertech-
20. Jh. von der reinen Grundlagenforschung zu nik verwiesen.
dem wichtigsten anwendungsorientierten Gebiet
entwickelt. Abb. 9.1 zeigt, dass die Festkörper-
physik ohne die Atom- und Quantenphysik nicht 9.1 Struktur fester Körper
verstanden werden kann, sodass des Öfteren auf
die entsprechenden Abschnitte verwiesen werden 9.1.1 Kristallbindungsarten
muss.
Wie Abb. 9.1 weiterhin zeigt, spielt die Fest- Zwischen den Atomen bzw. Molekülen fes-
körperphysik praktisch in jedem Bereich eine ter Körper wirken ausschließlich elektrostatische
Rolle, da sie die mechanischen, thermischen, Kräfte der Anziehung oder Abstoßung. Magneti-
elektrischen, magnetischen und optischen Eigen- sche Kraftwirkungen können demgegenüber völ-
schaften fester Körper beschreibt. So betrach- lig vernachlässigt werden. Je nach Wirkungswei-
tet haben alle Abschnitte dieses Buches zu ihr se der Kräfte unterscheidet man vier Bindungsty-
einen Bezug. Um die große Bedeutung der Fest- pen:
körperphysik zu zeigen, sei beispielsweise auf
die Anwendungen in der Nanotechnologie, in van-der-Waals’sche Bindung,
der Mikroelektronik (vom Computerchip bis zur kovalente (homöopolare) Bindung,
Flüssigkristallanzeige), in der Werkstofftechnik Ionenbindung (heteropolare Bindung) und
(z. B. metallische, magnetische, amorphe und ke- metallische Bindung.
stand, bis auf He, das unter T D 2;2 K superfluid stand ab (Nahwirkung) und ist zudem ziemlich
wird. Fällt aufgrund der Molekülstruktur oder der schwach (etwa 0;02 eV=Atom bis 0;1 eV=Atom).
Beweglichkeit der Atomelektronen der Schwer- van-der-Waals-Kräfte treten bei jeder Bindung
punkt der positiven Ladung nicht mit dem der auf, doch sind sie im Vergleich zu den bei an-
negativen zusammen, so entsteht ein permanen- deren Bindungsarten wirkenden Bindungskräften
tes bzw. induziertes elektrisches Dipolmoment so klein, dass sie vernachlässigt werden können.
(Abschn. 4.3.7). Dieses influenziert im Nach-
baratom oder benachbarten Molekül ein entge- 9.1.1.2 Kovalente (homöopolare)
gengesetztes Dipolmoment, sodass eine schwach Bindung
wirkende Anziehungskraft auftritt. Sie wird nach Für die homöopolare oder kovalente Bindung
ihrem Entdecker van-der-Waals-Kraft genannt sind die Elektronenstrukturen der Elemente der
(J. D. VAN DER WAALS, 1837 bis 1923). dritten bis fünften Hauptgruppe des Periodensys-
Je mehr benachbarte Atome vorhanden sind tems (Abschn. 8.5.1) besonders geeignet. Bei-
und je dichter diese beieinander liegen, umso spielsweise haben alle Elemente der vierten
fester ist die Bindung. Deshalb kristallisieren Gruppe vier Valenzelektronen in der äußers-
die Edelgase in der kubisch-dichtesten Kugelpa- ten Elektronenschale. Mit Hilfe je eines Elek-
ckung. Die Bindungsenergie der van-der-Waals- trons von vier nächsten Nachbarn kann sich
Bindung ist jedes Atom eine edelgasähnliche Elektronenkon-
figuration schaffen, die energetisch sehr günstig
Konstante
EB D : (9.1) ist. Jeweils zwei benachbarte Atome teilen sich
r6 ein Elektronenpaar, wobei der Elektronenaus-
Die Konstante liegt in der Größenordnung von tausch dann zu einer anziehenden Kraft führt,
1077 J m6 . Wie (9.1) zeigt, nimmt die Bindungs- wenn die beteiligten Elektronen entgegengesetzte
energie EB sehr schnell mit zunehmendem Ab- Spinrichtungen haben. Die Orbitale der Elek-
9.1 Struktur fester Körper 705
mit
tronen (Abschn. 8.2.4) gehen eine Hybridisie-
rung ein und dies bewirkt eine stark gerichtete ˛ 1 1 1 1
D2 C C
Bindung. So schließen beispielsweise die sp3 - r r 2r 3r 4r
Hybridorbitale des Kohlenstoffs einen Winkel 2 1 1
D 1 C :
von 109;5ı ein, sodass sich die in Abb. 9.3 skiz- r 2 3
zierte tetraedrische Struktur des Diamantgitters
ergibt. Der Faktor 2 vor der Klammer berücksichtigt,
Die kovalente Bindung herrscht in Stoffen, die dass die Ionenkette nach beiden Seiten verläuft;
Isolatoren oder Halbleiter sind. Sie sind außeror- r ist der Abstand benachbarter Ionen im Kristall.
dentlich hart und schwer verformbar und weisen Daraus ergibt sich
einen hohen Schmelzpunkt auf.
˛ 2 ln 2 1;386
D D : (9.3)
9.1.1.3 Ionenbindung r r r
Diese Bindung beruht auf der Coulomb-
Im dreidimensionalen Fall ist die Berechnung
Kraft (4.1.1) zweier Ionen, d. h. unterschiedlich
komplizierter. Der konstante Faktor ˛ wird
geladener Atome oder Moleküle. Das Anion ist
als Madelung-Konstante bezeichnet (E. M ADE -
negativ, das Kation positiv geladen. Die Bin-
LUNG, 1881 bis 1972) und beträgt für das dreidi-
dungsenergie zweier Ionen beträgt
mensionale Kochsalzgitter (NaCl) ˛ D 1;75.
Die Ionenbindung ist typisch für Salze. Diese
Q2 1
EB D : Substanzen sind bei niedrigen Temperaturen Iso-
4 "0 r
latoren, weisen aber bei höheren Temperaturen
Im Gegensatz zur van-der-Waals’schen Bin- aufgrund der Dissoziation der Ionen eine elektro-
dungsenergie, die proportional zu 1=r 6 abnimmt, lytische Ionenleitung auf. Diese Werkstoffe sind
verringert sich die Bindungsenergie der Ionen- in der Regel hart und nur plastisch verformbar.
bindung nur mit 1=r. Die Ionenbindung hat daher
eine große Reichweite und macht die Einbezie- Beispiel 9.1-1
hung auch der weiter entfernten Nachbarn erfor- Für NaCl soll die Bindungsenergie EB für
derlich. Abb. 9.4 zeigt am Beispiel einer linearen einen Atomabstand von 2;8 1010 m berech-
Kette, wie dies bei der Errechnung der Bindungs- net werden.
energie berücksichtigt wird. Für die Bindungs-
energie gilt Lösung
Q2 ˛ Nach (9.2) ergibt sich EB D .˛e 2 /=.4 "0 r/ D
EB D (9.2) 1;44 1018 J=Ion oder 8;99 eV=Ion: Experi-
4 "0 r
706 9 Festkörperphysik
mentell wird ein Wert von 7,99 eV/Ion ge- 9.1.2 Kristalline Strukturen
funden. Dies bedeutet, dass eine abstoßende
Energie von etwa 10 % der Bindungsenergie Viele Festkörper haben eine in drei Raumrichtun-
berücksichtigt werden muss. gen regelmäßige (periodische) Atomstruktur, die
kristalline Struktur genannt wird. Manche Kris-
9.1.1.4 Metallische Bindung talle lassen diese Symmetrien mit bloßem Au-
Bei der metallischen Bindung kommt die binden- ge erkennen. Festkörper ohne regelmäßige Ato-
de Wirkung dadurch zustande, dass die von den manordnung werden amorph genannt. Zu dieser
Atomen abgegebenen äußeren Valenzelektronen Stoffgruppe gehören beispielsweise die Gläser,
energetisch mit allen positiven Atomrümpfen des die keramischen Werkstoffe und viele organi-
Kristalls wechselwirken und dadurch eine metal- sche Materialien (Kunststoffe). Bei kristallinen
lische Bindungskraft hervorrufen. Diese Bindung Strukturen sind die physikalischen Größen (z. B.
kettet die Bindungspartner nicht starr aneinan- Resistivität oder Zugfestigkeit) von der Kristall-
der. Die Bindungselektronen sind nicht lokalisiert richtung abhängig (anisotropes Verhalten), wäh-
und haben eine große Beweglichkeit (Elektronen- rend sie bei homogenen amorphen Strukturen in
gas). Deshalb haben Kristalle mit metallischen allen Richtungen gleich groß sind (isotropes Ver-
Bindungen eine gute elektrische Leitfähigkeit und halten).
Wärmeleitung. Die Bindungskräfte sind nicht so Die meisten Festkörper kristallisieren aus ih-
stark wie bei der Ionenbindung, sondern eher mit ren Schmelzen polykristallin; die kristallinen
der kovalenten Bindung vergleichbar. Da die Bin- Strukturen erstrecken sich nur über eine Grö-
dungskräfte gleichmäßig im Raum wirken, wer- ße von einigen Mikrometern. Die makroskopi-
den dichteste Kugelpackungen bevorzugt. Atome schen Eigenschaften dieser Festkörper sind iso-
mit zur metallischen Bindung geeigneter Elektro- trop. Durch Kristallziehverfahren gelingt es heu-
nenstruktur, d. h. Metalle, kommen im Wesent- te, meterlange Einkristalle mit einheitlicher Git-
lichen in der ersten, zweiten und dritten Haupt- terstruktur herzustellen, wie Abb. 9.5 zeigt. Sie
gruppe sowie in den Nebengruppen des periodi- werden bevorzugt in der Halbleiterfertigung be-
schen Systems vor. nötigt.
Weil bei der metallischen Bindung die positi-
ven Atomrümpfe nicht stark aneinander gebun- 9.1.2.1 Kristallsysteme
den sind, ist es auch leicht möglich, andere Ato- Bei einem Kristall befinden sich die Atome in
me einzuschmelzen und Legierungen herzustel- jeder Raumrichtung in gleichmäßigen Abstän-
len. Die Deformationsenergie des Kristallgitters den an den Kreuzungspunkten eines räumlichen
darf jedoch nicht größer als die Bindungsener- Gitters. Das Kristallgitter kann somit durch ein
gie der metallischen Bindung sein, weil sich sonst räumliches Koordinatensystem beschrieben wer-
die Legierungspartner entmischen. Besonders le- den, dessen kleinstes Element die Elementarzelle
gierungsgeeignete Atome sind aus diesem Grund ist.
Atome aus den benachbarten Gruppen. Im Allge- Wie Abb. 9.6 verdeutlicht, wird die Ele-
meinen brauchen Legierungen jedoch kein festes mentarzelle beschrieben durch
stöchiometrisches Atomverhältnis aufzuweisen,
um stabil zu sein. die Atomabstände entlang der Koordinaten-
Wegen der räumlichen Isotropie der metalli- achsen (z. B. Gitterkonstante a in x-Richtung,
schen Bindung ist eine leichte Verschiebbarkeit b in y-Richtung und c in z-Richtung) so-
der Atomrümpfe innerhalb der Kristallstruktur wie
vorhanden. Metalle und Legierungen sind des- die Winkel ˛; ˇ und zwischen den Kristall-
halb in der Regel leicht verformbar. achsen.
9.1 Struktur fester Körper 707
primitive Gitter
Es sind nur die Eckpunkte der Elementarzelle
mit Atomen belegt;
flächenzentrierte Gitter
Zusätzlich sind die Gitterflächen mit Atomen
belegt;
Abb. 9.6 Beschreibung einer Elementarzelle durch Git-
terkonstanten in den drei Raumrichtungen
basiszentrierte Gitter
Zusätzlich sind zwei gegenüberliegende Flä-
chen mit Atomen belegt;
Man unterscheidet sieben Kristallsysteme raumzentrierte Gitter
(Abb. 9.7) nach folgenden Kriterien: Zusätzlich befindet sich noch ein Atom im In-
nern der Zelle.
die Gitterkonstanten sind gleich oder ungleich
und Die sieben Kristallsysteme mit ihren Varian-
ı ten ergeben die 14 Bravais-Gitter (A. B RAVAIS ,
die Winkel zwischen den Achsen sind 90
oder haben einen anderen Betrag. 1811 bis 1863). Sie sind in Abb. 9.7 nach zu-
708 9 Festkörperphysik
Tab. 9.1 Atomare Konstanten einiger Metalle mit kubisch-flächenzentrierter und kubisch-raumzentrierter Struktur
Kubisch- Dichte % in Gitter- Abstand Kubisch- Dichte % in Gitter- Abstand
flächen- g/cm3 konstante zweier nächs- raum- g/cm3 konstante zweier nächs-
zentriert a in 1010 m ter Nachbarn zentriert a in 1010 m ter Nachbarn
in 1010 m in 1010 m
Ce 6;9 5;16 3;64 Cs 1;9 6;08 5;24
Pb 11;34 4;94 3;49 K 0;86 5;33 4;62
Ag 10;49 4;08 2;88 Ba 3;5 5;01 4;34
Au 19;32 4;07 2;88 Na 0;97 4;28 3;71
Al 2;7 4;04 2;86 Zr 6;5 3;61 3;16
Pt 21;45 3;92 2;77 Li 0;53 3;50 3;03
Cu 8;96 3;61 2;55 W 19;3 3;16 2;73
Ni 8;90 3;52 2;49 Fe 7;87 2;86 2;48
nehmender Teilchendichte geordnet zusammen- Folge ABAB : : : über den Kugellücken der
gestellt. Ausgangslage A liegt die Kugelebene B, und
Die Kristallstrukturen ergeben sich durch die die nächste Kugelebene liegt wieder über der
Verschiebung (Translation) der Elementarzellen Ausgangslage A. Dies ist typisch für die he-
um die Gitterkonstanten in allen drei Achsen- xagonal dichteste Kugelpackung (HdP-, A3-
richtungen. Diese Gitter nennt man deshalb auch Struktur);
Translationsgitter. Die Kristallstrukturen können Folge ABCABC : : : über den Kugellücken
durch Röntgen-, Elektronen- und Neutronenbeu- der Ausgangslage A liegt die Kugelebe-
gung genau bestimmt werden (Röntgenanalyse, ne B, darauf folgt über den entstandenen
Abschn. 6.4.1.14). Kugellücken die Kugelebene C, bis sich
Bei den Metallen spielen wegen der isotropen die Kugelschichtung wiederholt. Dies
Bindungswirkung (Abschn. 9.1.1.4) nur drei Git- ist typisch für die kubisch-flächenzen-
tertypen eine wesentliche Rolle: trierte Struktur (Kfz-, A1-Struktur).
Fremdstörstellen
Fremde Atome befinden sich im Atomgit-
ter entweder an einem regulären Atomplatz
(Substitutionsatome) oder zwischen den Git-
terplätzen (Einlagerungsatome oder interstiti-
elle Atome).
9.1.3.2 Linienfehler
Die Linienfehler werden Versetzungen genannt.
Bei Stufenversetzungen enden Gitterebenen wie
Keile im Kristall. Die Gleitrichtung ist senkrecht
zur Versetzungslinie (Symbol ?). Bei Schrau-
benversetzungen ist das Kristallgitter parallel zur
Versetzungslinie um eine Netzebene (Abstand
des Burgers-Vektors b) versetzt. Schraubenver-
setzungen lassen sich modellhaft so vorstellen,
dass das Kristallgitter zur Hälfte aufgeschnitten
wird und die Schnittkanten z. B. um eine Gitter-
konstante verschoben werden. Im realen Kristall
liegen die Versetzungen sowohl als Stufen- als
auch als Schraubenversetzungen vor (gemisch-
Abb. 9.10 Miller’sche Indizes für Ebenen und Richtun-
gen in kubischen Kristallen te Versetzungen). Die Versetzungsdichte wird in
Länge je Volumen (cm/cm3 ) angegeben. Sie liegt
für weichgeglühte Metalle beispielsweise zwi-
tronenmikroskopische Aufnahme Versetzungsli- schen 106 cm2 und 108 cm2 und kann durch
nien in Kupfer-Einkristallen. Schmieden auf 1011 cm2 bis 1012 cm2 gestei-
gert werden.
9.1.3.1 Punktfehler Durch Versetzungen können Kristallebenen
Man unterscheidet folgende Punktfehler: leichter gegeneinander verschoben werden. Dies
wird deutlich, wenn eine Stufenversetzung mit
Leerstellen einer Falte im Teppich verglichen wird. Durch
Es fehlen Atome auf den Gitterplätzen die Wanderung der Teppichfalte (der Stufen-
(Schottky-Fehlordnung); versetzung) wird der Teppich verschoben (der
Zwischengitteratome Kristall verformt). Diese Verschiebung des Tep-
Es befinden sich zusätzliche Atome im Git- pichs (plastische Verformung des Kristalls) durch
ter zwischen den Atomen (Anti-Schottky- Wanderung der Falte (der Versetzung) ist mit
Fehlordnung); viel geringerem Kraftaufwand möglich als die
Frenkel-Paare Verschiebung des ganzen Teppichs (der ganzen
Es fehlen Atome auf den Gitterplätzen (Leer- Netzebene). Die äußere Spannung, die zur Ver-
stellen) und es befinden sich zusätzliche Ato- schiebung einer Versetzung notwendig ist, liegt
me auf Zwischengitterplätzen; zwischen 0;1 N=m2 und 1 N=m2 .
9.1 Struktur fester Körper
711
Abb. 9.11 Gitterfehler (Fotos: Flussliniengitter in Supraleitern nach Eßmann und Träuble)
712 9 Festkörperphysik
die Resistivität zwei- bis dreimal größer als bei 9.1.5 Makromolekulare Festkörper
vergleichbaren kristallinen Metallen. Der Tem-
Aus sehr langen Molekülen aufgebaute Fest-
peraturkoeffizient der Resistivität ist sehr klein
und liegt im Bereich von 100 106 K1 bis körper sind makromolekulare Festkörper. Die
500 106 K1 . Es sind amorphe Legierungen mit einzelnen Bausteine werden durch die ko-
einem Temperaturkoeffizienten von ungefähr null valente oder homöopolare Elektronenpaarbin-
herstellbar. dung zusammengehalten (Abschn. 9.1.1.2). Wie
Ausgangsmetalle für magnetische Anwendun- Abb. 9.13 zeigt, sind makromolekulare Fest-
gen sind die klassischen magnetischen Metalle körper Riesenmoleküle aus vielen Einzelatomen
Fe, Co und Ni. Durch kristallisationshemmende (z. B. Fullerene, C60 , C70 ) vielen einzelnen Mole-
Zusätze von Al, B, C, P und Si in der Größenord- külen (Monomeren) zusammengesetzt. Der ma-
nung von 15 bis 25 Atomprozent wird der amor- kromolekulare Festkörper kann amorph, teil-
phe Zustand erreicht (Tab. 9.2). Die amorphen kristallin oder kristallin sein. Es treten Faden-,
Legierungen zeigen eine extrem hohe Permea- Schicht- und Raumnetzstrukturen auf. Kristalline
bilitätszahl .r
500:000/, eine kleine Koer- Fadenstrukturen sind bei den Elementen Schwe-
zitivfeldstärke .Hc 1 A=m/ und sehr geringe fel (S), Selen (Se) und Tellur (Te) zu finden.
Ummagnetisierungsverluste (z. B. 10 W=kg bei Kristalline Schichtstrukturen sind typisch für
0;2 T und 20 kHz). Somit gehören sie zu den bes- die Elemente der Fünfergruppe des periodischen
ten weichmagnetischen Materialien (Abb. 4.121) Systems, wie z. B. Phosphor (P), Arsen (As),
und werden verwendet als Antimon (Sb) und Wismut (Bi) sowie Kohlen-
stoff (C) in der Graphitstruktur. Die wichtigste
Transformatorenbleche, Werkstoffgruppe sind die hochpolymeren organi-
magnetische Abschirmungen, schen Werkstoffe, die als Polymerwerkstoffe oder
hartes Tonkopfmaterial, das zugleich schnell Kunststoffe bekannt sind.
ummagnetisierbar ist,
magnetische Speicher aufgrund der schnellen 9.1.5.1 Struktur und Eigenschaften
und verlustfreien Ummagnetisierung und als der Polymerwerkstoffe
Federn und Spannbänder zur Verstärkung von Die Polymerwerkstoffe entstehen durch chemi-
Kunststoff und Gummi (z. B. Autoreifen). sche Reaktion (Polymerisieren) der Monome-
714 9 Festkörperphysik
Abb. 9.15 Spannungs-Dehnungs-Diagramme von Polystyrol: a bei verschiedenen Dehngeschwindigkeiten und b bei
verschiedenen Prüftemperaturen
ten ausgewählt. Abb. 9.15a zeigt Spannungs- für Polymerwerkstoffe die alleinige Angabe von
Dehnungs-Kurven von Polystyrol in Abhän- Werkstoffkennwerten (z. B. Zugfestigkeit) nicht
gigkeit von der Beanspruchungsgeschwindigkeit ausreicht. Es ist vielmehr notwendig, die entspre-
und Abb. 9.15b in Abhängigkeit von der Tem- chende Temperatur und die Belastungsgeschwin-
peratur. Bei hoher Belastungsgeschwindigkeit digkeit mit anzugeben.
(500 mm/s) und tiefer Temperatur (40 ı C) zeigt Die Werkstoffkennwerte von Kunststoffen
Polystyrol ein relativ sprödes Verhalten, weil (z. B. Zugfestigkeit) bleiben nicht konstant,
die Umlagerung der Makromoleküle verhindert sondern ändern sich mit der Belastungsdau-
wird. Bei geringer Belastungsgeschwindigkeit er (Kriechverhalten). Deshalb ist die Kenntnis
(0,1 mm/s) und hoher Temperatur (80 ı C) sind des Zeitstandsverhaltens von Polymerwerkstof-
Umlagerungen möglich, sodass zähes Verhal- fen wichtig. Abb. 9.16 zeigt für einige Poly-
ten auftritt. Abb. 9.15 soll verdeutlichen, dass merwerkstoffe die Zugfestigkeit in Abhängigkeit
716 9 Festkörperphysik
von der Temperatur: Die Zugfestigkeit nimmt mit Abb. 9.17 Verformungsverhalten von Kunststoffen
steigender Temperatur beträchtlich ab.
Eine weitere Besonderheit von Polymer-
werkstoffen ist der Abbau der Zugfestigkeit mender Belastungsgeschwindigkeit "P D d"=dt
bei UV-Einstrahlung. Nur Polytetrafluorethy- an (Abb. 9.15a). Das visko-elastische Verhalten
len (PTFE) weist keine UV-Abhängigkeit der (relaxierendes Verhalten) wird durch das Voigt-
Zugfestigkeit auf. Alle anderen Kunststoffe Kelvin-Modell erklärt. So werden die Gummi-
können durch Zusatz von Stabilisatoren weitge- elastizität von Kautschuk und Relaxationsvor-
hend UV-beständig gemacht werden. gänge (z. B. Kriechen) verständlich.
Das Verformungsverhalten kann durch ei- Das Vier-Parameter-Modell von H. B URGER
ne Kombination des elastischen Verhaltens (Fe- gestattet die Beschreibung des Verformungsver-
der nach Hooke) mit einem viskosen Verhalten haltens eines Polymerwerkstoffs. Die Gesamt-
(Dämpfungsglied nach Newton) modellhaft er- dehnung "ges ist die Summe aus der elastischen
klärt werden (Rheologie). Abb. 9.17 zeigt die un- Dehnung "el , der Relaxationsdehnung "r und der
terschiedlichen Modelle und das zugehörige Deh- viskosen Dehnung "v . Mit den entsprechenden
nungsverhalten. Das Maxwell-Modell beschreibt Ausdrücken ergibt sich die zeitabhängige Deh-
das elastisch-viskose Verhalten: nung:
P
"P D "Pel C "Pv D C : (9.4) 1 t 1
t
E0 0 "ges .t/ D C C 1e
E0 0 Er
Hierin ist "el der elastische Dehnungsanteil, E0 0 u.t/ : (9.5)
der Elastizitätsmodul für den elastischen Be-
reich und 0 die statische Viskosität. Dem-
D r =Er ist die Relaxationszeit, wobei Er der
nach steigt die Zugspannung ges mit zuneh- Elastizitätsmodul, r die dynamische Viskosität
9.1 Struktur fester Körper 717
Teilchenverbundwerkstoffe
(in einer Matrix eingebettete kleine Teilchen),
Durchdringungsverbundwerkstoffe
(zusammenhängende Gerüste der beteiligten
Komponenten, z. B. Tränklegierungen),
Faserverbundwerkstoffe
(in einer homogenen Grundmasse eingebettete
Fasern).
Schichtverbundwerkstoffe
Aus der Vielzahl der Schichtverbundwerkstof-
fe seien nur einige wichtige Anwendungsfälle
genannt. Für Schichtverbundwerkstoffe in der
Elektro- bzw. Wärmetechnik ist die elektrische
Leitfähigkeit bzw. die Wärmeleitfähigkeit von
Bedeutung. Die elektrische Leitfähigkeit ist stark
richtungsabhängig. Senkrecht zu den Schichten
sind die Widerstände der Einzelschichten in Rei-
he und parallel zu den Schichten parallel ge-
schaltet. Analoges gilt für die Wärmeleitfähig-
keit.
Kontaktbimetalle bestehen aus einem Kontakt-
träger aus einem Unedelmetall (z. B. Cu) und Abb. 9.19 Kontaktverbundwerkstoff AgCdO10/AgCd/
Cu (Vergrößerung 126:1). Werkfoto: RAU
einem an geeigneter Stelle aufgebrachten Kon-
taktwerkstoff aus Edelmetall (z. B. Ag, Au). Der
Kontaktträgerwerkstoff soll eine gute elektrische
Thermobimetalle finden in folgenden Gebieten
und thermische Leitfähigkeit, gute Festigkeits-
Anwendung:
und Federeigenschaften, hohe Erweichungs- und
Dauerverwendungstemperaturen sowie gute Ver- Messtechnik
arbeitungseigenschaften aufweisen. Die wich- (z. B. als Thermometer oder Temperatur-
tigsten Trägerwerkstoffe sind Kupferlegierun- schreiber),
gen (z. B. Messing und Zinnbronze). Der Kon- Elektrotechnik
taktwerkstoff soll einen niedrigen, vor allem (z. B. als Schutzschalter oder als Regler im
aber konstanten Übergangswiderstand aufweisen. Bügeleisen),
Diese Forderung wird nur von Werkstoffen auf Energietechnik
Edelmetallbasis erfüllt. Vielfach sind die Kon- (z. B. als Temperaturregler im Warmwasser-
taktwerkstoffe selbst wiederum Verbundwerk- mischer),
stoffe (Teilchen-, Durchdringungs- oder Faser- Automobilbau
verbundwerkstoffe), so z. B. Ag/CdO. Abb. 9.19 (z. B. als Kühlwasser- oder Lichtmaschinen-
zeigt das Gefüge des dreifachen Kontaktverbund- regler).
werkstoffes Silber/Cadmiumoxid (AgCdO10) in
der Folge AgCdO10/AgCd/Cu. Teilchenverbundwerkstoffe
Thermobimetalle bestehen aus zwei Werkstof- Bei den Teilchenverbundwerkstoffen werden un-
fen unterschiedlicher Wärmeausdehnung. Die lösliche metallische oder nichtmetallische Teil-
Komponente mit der kleineren Wärmeausdeh- chen in eine metallische oder nichtmetallische
nung (˛ 5 5 106 K1 ) wird passive Kompo- Matrix eingebettet. Sind es harte Teilchen (z. B.
nente, die mit der größeren Wärmeausdehnung Carbide, Oxide oder Silicide) in einer wei-
(˛ = 15 106 K1 ) aktive Komponente genannt. chen Matrix, so tritt wegen der Behinderung
9.1 Struktur fester Körper 719
ges D m Vm C f Vf :
Einwegeffekt
Martensitisches Ausgangsmaterial wird re-
versibel verformt, z. B. durch Verschieben
von Zwillingsgrenzen. Nach der Erwärmung
über die austenitische Umwandlungstempera-
tur stellt sich die unverformte Ausgangslage
wieder ein. Eine weitere Formänderung nach
der Abkühlung ist nicht möglich.
Zweiwegeffekt
Martensitisches Ausgangsmaterial wird über
den reversiblen Anteil hinaus zusätzlich durch
Versetzungsbewegung, d. h. irreversibel, ver-
formt. Bei Erwärmung über die austenitische
Umwandlungstemperatur hinaus entsteht ei-
ne bestimmte Hochtemperaturform und bei
Abkühlung eine entsprechende Niedertempe-
raturform. Diese Umwandlung kann nahezu
beliebig oft wiederholt werden.
Abb. 9.24 Saphir (Al2 O3 )-Whiskers. Werkfoto: RAU All-Round-Effekt
Diese Erscheinung tritt nur bei speziellen
NiTi-Legierungen auf. Martensitisches Aus-
gangsmaterial wird verformt und bei 400 ı C
bis 500 ı C getempert. Die Abkühlung und die
anschließende Erwärmung haben eine völlige
Formumkehr zur Folge. Diese Umwandlung
kann nahezu beliebig oft wiederholt werden.
9.1.7 Flüssigkristalle
tur, die chemische Zusammensetzung und die talle zeigen noch einen Teil der Ordnung der
Anwendungsbereiche ausgewählter Flüssigkris- Molekülschwerpunkte. Diese sind in bestimmten
talle. Ebenen angeordnet; die Molekülachsen sind in
Bei den nematischen Flüssigkristallen sind die der Regel parallel.
Molekülschwerpunkte keiner Ordnung unterwor-
fen, nur die lang gestreckten Achsen der orga- 9.1.7.2 Eigenschaften
nischen Moleküle sind parallel ausgerichtet. Die Die Flüssigkristalle weisen ein besonderes Ver-
cholesterischen Flüssigkristalle weisen verdrillte halten in ihren mechanischen, optischen und ins-
nematische Strukturen auf, d. h., die Vorzugs- besondere elektrooptischen Eigenschaften auf.
richtung der lang gestreckten Molekülachsen än-
dert sich von Ebene zu Ebene schraubenförmig. Mechanische Eigenschaften
Es entsteht eine Helix mit konstanter Ganghöhe Flüssigkristalle haben eine von der Substanz und
(teilweise in der Größenordnung der Wellenlänge der Temperatur abhängige Viskosität, die wegen
des sichtbaren Lichts). Smektische Flüssigkris- der Orientierung der Molekülachsen stark aniso-
724 9 Festkörperphysik
Kernresonanz (NMR)-, Elektronenspinresonanz etwa 102 cm vermindert, wenn nur ein Fremd-
(ESR)- und Mößbauer-Spektroskopie sowie bei atom einer Million Germaniumatome zugefügt
der Gaschromatografie. wird. Die Deutung dieser Eigenschaften erfordert
eine genauere Kenntnis der elektronischen Struk-
Anzeigetechnik tur der Festkörper.
Dieser Bereich ist das zur Zeit bedeutends-
te technische Anwendungsfeld für Flüssigkris-
talle (prinzipieller Aufbau, s. Abschn. 6.4.2.4, 9.2.1 Energiebänder-Modell
Abb. 6.125 und Abb. 6.126). Die Flüssigkris-
tallanzeige (LCD, Liquid Crystal Display) hat Modell gebundener Elektronen
folgende Vorzüge: In Abschn. 8.1.2 ist dargelegt, dass sich Elek-
tronen, die an isolierte Atome gebunden sind,
geringer Stromleistungsbedarf (2 W=cm2 nur auf diskreten Energieniveaus aufhalten kön-
bis 100 W=cm2, Batteriebetrieb möglich); nen. Abb. 9.30 zeigt ein sehr vereinfachtes
kleine Betriebsspannungen (3 V bis 100 V; Schema der Energiezustände. Die Aufenthalts-
kombinierbar mit integrierten Schaltungen); wahrscheinlichkeit der Elektronen um die Ker-
sehr kleine Stromdichte (108 A=mm2 je Bild- ne wird durch das Quadrat der Wellenfunktion
punkt; großflächige Anzeigen möglich); j j2 beschrieben. Die Lösung der Schrödinger-
mehrfarbige Anzeigen; Gleichung liefert für räumliche stehende Wel-
Speicherung von Informationen durch Mi- len. Bilden zwei Atome ein Molekül, dann über-
schung geeigneter Flüssigkristalle sowie lappen sich die Wellenfunktionen der beiden Ato-
großer Helligkeitsbereich und großer Kon- me. Die Wechselwirkung der beteiligten Elek-
trast, da kein Eigenlicht abgestrahlt wird. tronen führt dazu, dass ursprünglich gleichar-
tige Energieniveaus der Einzelatome in jeweils
Nachteilig ist, dass die Anzeige als nicht selbst- zwei eng benachbarte Energieniveaus aufspal-
leuchtende Anzeige im Dunkeln mit Fremdlicht ten. Dieser Vorgang ist analog zur Entstehung
betrieben werden muss. der zwei Eigenfrequenzen bei der Kopplung von
zwei gleichartigen schwingenden Systemen (Ab-
schn. 5.1.5).
9.2 Elektronen in Festkörpern Abb. 9.30 verdeutlicht die Aufspaltung der
Energieniveaus in zwei, drei (bei drei wechsel-
Der spezifische Widerstand oder Resistivität % wirkenden Systemen) und N (bei N Atomen im
von Festkörpern variiert von 108 m bis Festkörper) eng benachbarte Energieniveaus. Im
1017 m um 25 Zehnerpotenzen und ist daher Festkörper liegen die N Energiezustände so eng
die physikalische Größe mit dem größten Werte- beieinander, dass sie nicht getrennt werden kön-
bereich. Anhand der Resistivität erfolgt üblicher- nen, sondern zu einem breiten Energieband ver-
weise eine Einteilung der Stoffe nach Abb. 9.29 schmelzen. Diese erlaubten Energiebänder sind
in in Abb. 9.30 schraffiert gezeichnet.
Abb. 9.29 Spezifischer elektrischer Widerstand und Bandstrukturen der Festkörper. Die mit Elektronen besetzten
Energiezustände sind rot gekennzeichnet. VB: Valenzband, LB: Leitungsband, VZ: Verbotene Zone
Infolge der intensiven Wechselwirkung mit den Das oberste vollständig gefüllte Band heißt
Nachbarelektronen spalten die oberen Energieni- Valenzband. Das darüber liegende entweder teil-
veaus stärker auf als die unteren. Dadurch wer- weise gefüllte oder auch leere Band wird als Lei-
den die hoch liegenden Energiebänder breiter als tungsband bezeichnet. Bei den klassischen Lei-
die tief liegenden. Diese Verbreiterung der Ener- tern erster Art (Elemente der Gruppe 1 (I A) und
giebänder kann so weit führen, dass sie sich 11 (I B) des Periodensystems) ist nach Abb. 9.29
überlappen (Leiter zweiter Art, Abb. 9.29). das Leitungsband halb gefüllt. Dies ist verständ-
9.2 Elektronen in Festkörpern 727
h
pD D „k : (9.6)
Diesen Wellenlängen entsprechen die Wellenzah- Die meisten Eigenschaften der Metalle lassen
len sich anhand des Modells des freien Elektronen-
2
kn D D n: (9.8) gases verstehen. Dieses wurde von A. S OM -
n a MERFELD (1868 bis 1951) vorgeschlagen und
Durch Überlagerung der laufenden mit den von E. F ERMI (1901 bis 1954) erweitert. Es be-
reflektierten Wellen entstehen stehende Elektro- schreibt die Leitungselektronen der Metalle so
nenwellen mit ortsfesten Knoten und Bäuchen. wie die frei beweglichen Moleküle eines Gases,
Abb. 9.33 zeigt die Aufenthaltswahrscheinlich- vernachlässigt also die Wechselwirkung der Elek-
keit j j2 für zwei Elektronenwellen mit jeweils tronen mit den ortsfesten Atomkernen und damit
derselben Wellenlänge 1 D 2a: auch das Auftreten von Energielücken.
Befinden sich die Elektronen in einem Wür-
1 cos k1 x D cos x; fel der Kantenlänge L, dann ist ihre Auf-
a enthaltswahrscheinlichkeit durch das Quadrat
2 sin k1 x D sin x : der Wellenfunktion gegeben, die als Lö-
a
sung aus der Schrödinger-Gleichung (8.14) folgt.
Bei der Welle 1 besteht eine große Wahrschein- Für freie Elektronen lautet die zeitunabhängige
lichkeit dafür, dass die Elektronen nahe den Schrödinger-Gleichung
Atomrümpfen sind und durch die niedrige poten-
zielle Energie eine Absenkung der Gesamtener- „2 @2 k @2 k @2 k
2
C 2
C D Ek k :
gie im Vergleich zu freien Elektronen erfahren. 2m @x @y @z 2
Die Elektronen, die durch die Welle 2 beschrie-
Lösungen dieser Differenzialgleichung sind ebe-
ben werden, halten sich vorwiegend zwischen
ne Wellen der Form
den Atomrümpfen auf und haben daher eine hö-
here Energie. Daraus folgt: Elektronen mit der eikr :
k
Wellenzahl k1 D ˙ =a haben nicht die Ener-
gie E1 D „2 k12 =.2m/ der freien Elektronen, Hierbei gibt die Richtung des Wellenzahlenvek-
sondern je nach Art der Wellenfunktion eine grö- tors k die Laufrichtung der Welle an. Zweck-
ßere oder kleinere Energie. Die E.k/-Parabel in mäßigerweise wird verlangt, dass die Wellen-
Abb. 9.32a bekommt daher an der Stelle k1 D funktionen in x-, y- und z-Richtung periodische
˙ =a eine Unstetigkeitsstelle, an der für einen Randbedingungen erfüllen, d. h., es soll gelten
k-Wert zwei Energiewerte existieren, die durch .x CL; y; z/ D .x; y; z/ und Entsprechendes
eine verbotene Zone oder Energielücke voneinan- für die y- und z-Richtung. Diese Randbedingun-
der getrennt sind. Weitere Energielücken ergeben gen werden erfüllt, wenn die Komponenten des
sich für die stehenden Wellen der höheren Wel- k-Vektors den Bedingungen
lenzahlen nach (9.8): kn D ˙. =a/n.
Das E.k/-Diagramm wird gemäß Abb. 9.32a 2 4
kx D 0; ˙ ; ˙
in Brillouin-Zonen (L. B RILLOUIN, 1889 bis L L
9.2 Elektronen in Festkörpern 729
4 k 2 dk
dN D 2 :
.2 /3 =V
p
Mit k D 2mE=„ und
r
1 m
dk D dE
„ 2E
resultiert
3=2 Abb. 9.35 Fermi-Dirac-Verteilungsfunktion (k: Boltz-
V 2m
dN D E 1=2 dE : mann-Konstante)
2 2 „2
3 3 T
Uel D N kT N kT :
2 2 TF
1 2 T
Cm; el D Rm : (9.16)
2 TF
sammen gemäß
j D envd, 0 (9.21)
e2
j D n
E 0 D ~E 0 : (9.22)
m
Dies ist das Ohm’sche Gesetz (Abschn. 4.1.5),
das besagt, dass die Stromdichte proportional zur
Abb. 9.37 Abhängigkeit der Driftgeschwindigkeit von elektrischen Feldstärke ist; die Proportionalitäts-
der Zeit im Fall des Gleichstroms konstante ~ ist die elektrische Leitfähigkeit. Für
einen Leiter mit konstantem Querschnitt ergibt
sich hieraus die bekannte Form I D U=R.
vorwiegend durch Gitterschwingungen (Phono- Aus (9.20) und (9.22) folgt die für die Pra-
nen, Abschn. 9.3.1) und an Störungen des Gitters xis wichtige Verknüpfung zwischen elektrischer
(z. B. Gitterbaufehler, Verunreinigungen, Korn- Leitfähigkeit ~ und Beweglichkeit :
grenzen) gestreut. Die mittlere Beschleunigung
beträgt ~ D en : (9.23)
dvd eE vd
D : (9.17)
dt m
Beispiel 9.2-2
Das Glied eE =m beschreibt die Geschwin-
Wie groß ist die Beweglichkeit von Elektro-
digkeitszunahme durch das angelegte elektrische
nen in Kupfer bei Raumtemperatur?
Feld; das Glied vd =
berücksichtigt die Rei-
bungsvorgänge im Gitter. Dabei geht man wie
Lösung
bei der inneren Reibung laminar strömender Flüs-
Die elektrische Leitfähigkeit von reinem Kup-
sigkeiten davon aus, dass die Reibungskraft pro-
fer ist ~ D 5;9 105 1 cm1 . Die Konzen-
portional zur Strömungsgeschwindigkeit ist. Die
tration der freien Elektronen ist nach Tab. 9.5
Zeitkonstante
heißt Relaxationszeit.
n 8;5 1022 cm3 . Somit ist nach (9.23) die
Im zeitlich konstanten Feld (Gleichstromver-
Beweglichkeit
halten) E D E 0 ergibt die Integration von (9.17)
~ cm2
vd D vd; 0 .1 et =
/ ; (9.18) D 43 :
en Vs
Beispiel 9.2-3
Wie groß ist die mittlere freie Weglänge der
Elektronen in Kupfer bei Raumtemperatur?
Lösung
Mit ~ D 5;9 105 1 cm1 und n
8;5 1022 cm3 ist die Relaxationszeit
nach (9.24)
D 2;5 1014 s. Die Fermi-
Geschwindigkeit ist nach (9.11) bzw. Tab. 9.5
vF D 1;56 106 m=s. Demnach beträgt
die mittlere freie Weglänge l D vF
D
3;9 108 m.
Im Vergleich hierzu ist der Abstand zwi-
schen nächsten Nachbarn im Kupfergitter
nach Tab. 9.1 2;55 1010 m.
%.T / D %R C %G .T / : (9.26)
Bei Na und K sind die Abweichungen kleiner Tab. 9.6 Halbleitende Verbindungen
als 0;15 %, bei anderen Metallen dagegen zum Gruppen des Periodensystems zur Beispiele
Teil erheblich größer. Abb. 9.39 zeigt als Bei- Kombination der Elemente
spiel die experimentell bestimmte Fermi-Fläche IV Si, Ge, Sn (grau)
von Zinn. Ihre Form bestimmt die elektronischen IV–IV SiC
Eigenschaften der Festkörper, da nur diejenigen III–V GaAs, InSb
Elektronen durch äußere Felder beeinflusst wer- II–VI ZnTe, CdSe, HgS
Tab. 9.7 Eigenschaften der Halbleiter Ge, Si und GaAs. (Die Zahlenwerte gelten für T D 300 K)
Ge Si GaAs
Kristallstruktur Diamant Diamant Zinkblende
Gitterkonstante a in 1010 m 5,65771 5,43043 5,65325
linearer Ausdehnungskoeffizient ˛ in 106 K1 5,90 2,56 6,86
spezifische Wärmekapazität c in kJ/(kg K) 0,31 0,70 0,35
Wärmeleitfähigkeit in W/(m K) 64 145 46
Schmelzpunkt #s in ı C 937 1415 1238
Atomdichte N=V in 1022 cm3 4,42 5,0 4,42
Dichte % in kg/m3 5326,7 2328 5320
Molmasse M in g/mol 72,60 28,09 144,63
Bandgap Eg in eV 0,660 1,11 1,43
intrinsische Trägerdichte ni in cm3 2;33 1013 1;02 1010 2;00 106
Effektive Zustandsdichte
im Leitungsband NL in cm3 1;24 1019 2;85 1019 4;55 1017
im Valenzband NV in cm3 5;35 1018 1;62 1019 9;32 1018
relative Dielektrizitätszahl 16 11,8 12,9
Beweglichkeit n in cm2 /(V s) 3900 1350 8500
p in cm2 /(V s) 1900 480 435
Die Berechnung der Ladungsträgerdichten n und träger, die sich als Produkt aus Zustandsdichte
p geschieht mit Hilfe der Fermi-Dirac-Statistik und Besetzungswahrscheinlichkeit ergibt:
(Abschn. 9.2.2).
Abb. 9.41 zeigt die Zustandsdichte im n.E/ D De .E/ f .E/ ;
Leitungs- und Valenzband, die Fermi-Dirac-
Verteilungsfunktion und die Dichte der Ladungs- p.E/ D Dh .E/.1 f .E// :
736 9 Festkörperphysik
E
np D n2i .T / D n2i0 T 3 e kT : (9.31)
L
Somit beträgt der spezifische Widerstand Tab. 9.8 Ionisationsenergie ED von Donatoren und EA
%.200 K/ D 2;72 104 cm. von Akzeptoren in Silicium und Germanium
Störstelle Ionisierungsenergie ED bzw. EA in meV
Bei dieser Rechnung wurde vereinfachend Silicium Germanium
vorausgesetzt, dass die Breite der verbotenen Zo- Donatoren
ne konstant ist. Tatsächlich hängt Eg von der P 44 12,76
Temperatur ab. As 49 14,04
Sb 39 10,19
Die große Temperaturabhängigkeit des elek-
Akzeptoren
trischen Widerstandes von Halbleitern liegt in
B 45 10,4
der exponentiellen Abhängigkeit der Trägerdich- Al 57 10,2
te von der Temperatur begründet. Mit Hilfe Ga 65 10,8
von (9.28) bis (9.30) folgt In 160 11
Eg
R.T / R0 e 2kT : (9.32)
kann als freies Loch am Ladungstransport teil-
Der Widerstand steigt mit abnehmender Tem- nehmen. Die elektrische Leitung beruht also vor-
peratur an. Aus diesem Grund sind Halbleiter- wiegend auf der Wanderung der positiven Löcher,
widerstände besonders gut geeignet als Tempe- man spricht deshalb von p-Leitung und von p-
ratursensoren zur Messung tiefer Temperaturen Typ-Halbleitern. Da die Störstellen aus der III.
(NTC-Widerstand, Abb. 4.6). Gruppe Elektronen aus dem Valenzband aufneh-
men, werden sie als Akzeptoren bezeichnet. Die
9.2.3.2 Störstellenleitung Ionisationsenergie EA der wichtigsten Akzepto-
Der spezifische Widerstand von Halbleitern kann ren sind in Tab. 9.8 zusammengestellt.
erheblich verändert werden durch den Einbau Am absoluten Nullpunkt sind alle Störstellen
von Fremdatomen. Wird beispielsweise Silicium neutral. Der spezifische Widerstand des Halblei-
mit Atomen aus der V. Gruppe des Periodensys- ters ist wie bei der Eigenleitung unendlich groß.
tems dotiert, dann bringt nach Abb. 9.40 jedes Mit steigender Temperatur werden die Störstellen
Störatom ein Elektron mit, das keine Bindung ionisiert, und die Dichte der freien Ladungsträ-
mit nächsten Nachbarn eingeht und durch gerin- ger nimmt rasch zu. Solange erst ein Teil der
ge Energiezufuhr von seinem Atom abgetrennt Störstellen ionisiert ist, spricht man von Stör-
werden kann. Im Bänderschema sind diese Elek- stellenreserve. Die Trägerdichte wird wie bei der
tronen energetisch dicht unter der Leitungsband- Eigenleitung mit Hilfe der Fermi-Dirac-Statistik
kante angesiedelt. Die Ionisierungsenergien ED berechnet. Abb. 9.42 zeigt die Verteilungsfunkti-
einiger Donatoren (Elektronenspender) sind in on der Elektronen bei tiefen Temperaturen. Die
Tab. 9.8 für die Halbleiter Silicium und Germa- Fermi-Energie EF liegt dabei in der Mitte zwi-
nium zusammengestellt. Aus den Zahlenwerten schen den Störstellenniveaus und den benachbar-
ist ersichtlich, dass bereits bei Raumtemperatur ten Bandkanten.
praktisch alle Störstellen ionisiert sind. In diesem Ist bei n-Dotierung die Konzentration der Do-
Fall beruht die elektrische Leitung vorwiegend natoratome nD , dann ergibt sich für die Konzen-
auf dem Transport der negativen Elektronen (Ma- tration der freien Elektronen
joritätsträger). Der Halbleiter wird deshalb als
r
n-leitend oder als n-Typ bezeichnet. nD NL ED
Dotiert man mit Elementen aus der III. Grup- n.T / D e 2kT : (9.33)
2
pe, so fehlt an jedem Störatom ein Elektron
zur Bindung. Bereits durch geringe Energiezu- Der Ausdruck ist analog zu (9.30) für die Ei-
fuhr kann dieses lokalisierte Loch von einem genleitung. ED spielt in diesem Fall die Rolle
Elektron eines Nachbaratoms ausgefüllt werden. der Bandlücke (Bandgap). Bei p-Typ-Halbleitern
Dadurch wandert das Loch ins Valenzband und gilt entsprechend mit der Akzeptoren-Konzentra-
738 9 Festkörperphysik
tion nA
r
nA NV EA
p.T / D e 2kT : (9.34)
2
Abb. 9.43 zeigt den Verlauf der Trägerdichte bei
n-Typ-Silicium in Abhängigkeit von der Tem-
peratur. Mit steigender Temperatur nimmt die Abb. 9.43 Ladungsträgerdichte in n-Typ-Silicium in Ab-
hängigkeit von der Temperatur. Dotierung: Phosphor,
Dichte der freien Ladungsträger rasch zu und nD D 1015 cm3
geht schließlich in ein waagrechtes Plateau über,
wenn im Zustand der Störstellenerschöpfung al- Tab. 9.9 Halbleitereigenschaften im Zustand der Stör-
le Störstellen ionisiert sind. Ein weiterer Tem- stellenerschöpfung (bei Raumtemperatur; nD
ni bzw.
nA
ni )
peraturanstieg verursacht eine erneute Zunahme
der Trägerdichte, wenn die Eigenleitungsdichte n-Typ p-Typ
ni .T / größer wird als die Störstellenkonzentra- Majoritätsträgerdichte n D nD p D nA
tion. Im Bereich der Störstellenerschöpfung gilt Minoritätsträgerdichte p D n2i =nD n D n2i =nA
elektrische Leitfähigkeit ~ D en nD ~ D ep nA
bei n-Dotierung
v
u !2
nD u t nD nimmt mit steigender Dotierung etwas ab und
nD C C n2i wird temperaturunabhänig.
2 2
dn n D D dp n A : (9.35)
d
Wegen der positiven und negativen Raumla-
dungszone entstehen ähnlich wie beim Platten-
kondensator ein Potenzialgefälle und ein elek-
trisches Feld zwischen dem n- und p-Gebiet.
Abb. 9.44e zeigt den Potenzialverlauf, der mit
Hilfe der Poisson-Gleichung berechnet werden
kann und parabolisch vom Ort abhängt. Die Po-
e
tenzialdifferenz Ud zwischen n- und p-Gebiet
wird Diffusionsspannung genannt, weil sie in-
folge der Diffusion der beweglichen Ladungs-
träger entsteht. Abb. 9.44f zeigt den Verlauf der
elektrischen Feldstärke, die dem Gradienten des
Potenzials ' entspricht (Abschn. 4.3.4: E D
grad ' (4.94)).
Der Betrag der Diffusionsspannung kann
f aus thermodynamischen Überlegungen berech-
net werden. Nach Abschn. 3.2.3 ist das Ver-
hältnis der Elektronendichte im p-Gebiet zu
der im n-Gebiet gegeben durch den Boltzmann-
Faktor (Boltzmann-Näherung der Fermi-Dirac-
Verteilung)
Abb. 9.44 pn-Übergang: a p- und n-leitendes Silicium
np n2i
in Kontakt, b Störstellenkonzentration, c Dichteverlauf D D eeUd =.kT / :
der beweglichen Ladungsträger, d Raumladungsgebiete, nn nA nD
e Potenzialverlauf (Ud Diffusionsspannung), f elektrische
Feldstärke Daraus folgt für die Diffusionsspannung
kT nA nD
Ud D (9.36)
ln :
e n2i
den Störstellenkonzentrationen. Die Minoritäts-
dichten sind nach (9.31) berechnet. Infolge des Die Größe kT =e D UT wird oft als Tempe-
großen Konzentrationsunterschieds diffundieren raturspannung bezeichnet. Bei Raumtemperatur
740 9 Festkörperphysik
Lösung c
Nach (9.36) ist
2 1032 cm6
Ud D 25;9 mV ln
1;04 1020 cm6
D 0;73 V : Abb. 9.45 Verteilung der Ladungsträger und Bändermo-
dell beim pn-Übergang a ohne äußere Spannung, b Span-
nung in Sperrrichtung (U < 0) und c Spannung in
Die Breite der Raumladungszone ist
Flussrichtung (U > 0)
nach (9.37) mit "r D 11;8 d D 0;38 m. Auf
die beiden Teilgebiete entfallen nach (9.35)
dp D 0;25 m und dn D 0;13 m.
sättigt der Strom und geht in den Sperrsättigungs-
Abb. 9.45a zeigt links anschaulich die Vertei- strom IS über.
lung der Ladungsträger in einem pn-Übergang. Abb. 9.45c zeigt die Verhältnisse im pn-
Die Kreise stellen die ortsfesten ionisierten Ak- Übergang unter der Wirkung einer Spannung in
zeptoren und Donatoren dar. Der graue Bereich Flussrichtung (U > 0). Die angelegte Spannung
symbolisiert das Gebiet der beweglichen Elektro- baut die Diffusionsspannung ab, sodass die Band-
nen, der rote das der Löcher. Die Bänderdarstel- verbiegung kleiner wird. Die Breite der Raum-
lung rechts zeichnet sich dadurch aus, dass im ladungszone wird verringert (in (9.37) wird Ud
thermodynamischen Gleichgewicht ohne äußere ersetzt durch Ud U ); die beweglichen Ladungs-
Spannung das Fermi-Niveau in allen Bereichen träger reichern sich in der Verarmungszone an
auf gleicher Höhe liegt. Die Bandkanten ver- und dringen ins benachbarte Gebiet ein, wo sie
schieben sich zwischen dem n- und p-Gebiet um mit den dortigen Majoritäten rekombinieren. Der
den Energiebetrag eUd . fließende Strom nimmt mit wachsender Span-
Legt man nach Abb. 9.45b eine Sperrspan- nung stark zu. Nach W. S HOCKLEY (1910 bis
nung an (U < 0), dann werden die beweg- 1989) gilt für die Abhängigkeit des Stroms von
lichen Elektronen zum Pluspol und die Löcher der Spannung
zum Minuspol gezogen. Dadurch verbreitert sich
die Raumladungszone (in (9.37) wird Ud ersetzt I D IS eeU=.kT / 1 : (9.38)
durch Ud C jU j). Es fließt nur noch ein geringer
Sperrstrom, der darauf beruht, dass Minoritäten Abb. 9.46 zeigt typische Kennlinien für Ge-
an den Übergang diffundieren und dort von dem und Si-Dioden. Der Sperrsättigungsstrom IS ist
starken elektrischen Feld auf die andere Seite bei Raumtemperatur in der Größenordnung von
befördert werden. Bei großen Sperrspannungen 1 nA für Si und 1 A für Ge. Er ist sehr stark tem-
9.2 Elektronen in Festkörpern 741
peraturabhängig gemäß
IS eEg =.kT / :
Abb. 9.47 Durchbruch des pn-Übergangs: a Zener-
In Sperrrichtung kann es zu einem Durchbruch Effekt, b Lawinenmultiplikation
kommen. Dies beruht zum einen auf dem Zener-
Effekt (C. M. Z ENER, 1905 bis 1993). Hier-
bei werden nach Abb. 9.47a infolge der großen 9.2.3.4 Transistor
Feldstärke im Innern des Übergangs Elektronen Transistoren gehören zu den wichtigsten elektro-
aus dem Valenzband des p-Materials waagrecht nischen Bauelementen. Sie werden zum Verstär-
über die verbotene Zone ins Leitungsband des ken und Schalten elektrischer Signale verwendet.
n-Materials gezogen (tunneln). Der Zener-Effekt Man unterscheidet bipolare und unipolare Tran-
tritt bevorzugt bei stark dotierten Dioden auf und sistoren. Letztere werden auch Feldeffekttransis-
kann dort schon bei wenigen Volt Sperrspannung toren genannt, die wiederum in Sperrschicht-
einsetzen. Der zweite Mechanismus, der zum bzw. MOS-Feldeffekttransistoren unterteilt wer-
Durchbruch führt, ist in Abb. 9.47b angedeutet. den. Eine Übersicht über den Aufbau, die Kenn-
Ein Elektron bewegt sich bei großer elektrischer linien und die Anwendungsbereiche vermittelt
Feldstärke so schnell, dass es bei einem Zusam- Abb. 9.49.
menstoß mit dem Gitter einen Teil seiner Energie Der bipolare Transistor arbeitet im Unter-
abgeben und ein neues freies Elektron-Loch-Paar schied zum Feldeffekttransistor mit Ladungs-
erzeugen kann. Diese Ladungsträger werden in trägern beider Polaritäten (Elektronen und Lö-
gleicher Weise beschleunigt und können ihrer- cher). Er besteht aus zwei hintereinander geschal-
seits neue freie Paare schaffen, sodass der Strom teten pn-Übergängen. Je nach Dotierung wer-
lawinenartig anwächst. den npn- und pnp-Transistoren unterschieden.
Beide Effekte weisen eine gegenläufige Tem- Abb. 9.50a zeigt die Schaltzeichen der Transis-
peraturabhängigkeit der Durchbruchspannung toren, Abb. 9.50b die drei Zonen unterschiedli-
UZ (Z-Spannung) auf. Bei Si-Dioden mit UZ D cher Dotierung, Abb. 9.50c die Wirkungsweise
5;6 V lässt sich die beste Temperaturkonstanz eines npn-Transistors und Abb. 9.50d die Basis-
der Durchbruchspannung erzielen. In Abb. 9.48 Schaltung eines npn-Transistors. Die Beschal-
sind die in der Technik wichtigsten Diodentypen tung des pnp-Transistors ist im Prinzip gleich,
(Aufbau, Kennlinien, Funktionsweise und An- lediglich die Polaritäten sind vertauscht. Für den
wendungen) zusammengestellt. bipolaren Transistor sind je nach Zuordnung von
742
9
effiziente Licht-
quelle für Be-
leuchtungszwecke
Basis, Emitter und Kollektor zum Eingang oder darauf, dass praktisch derselbe Strom am Ein-
zum Ausgang drei Schaltungsarten möglich. Der gang bei einem niedrigen Eingangswiderstand
Schaltungstyp trägt den Namen des Transistor- (Durchlassrichtung) eine kleine Spannung UEB
teils, der sowohl am Eingang als auch am Aus- am Ausgang wegen des hohen Ausgangswider-
gang liegt. Aus diesem Grund unterscheidet man stands (Sperrrichtung) eine große Spannung UCB
zwischen Basis-, Emitter- und Kollektorschal- hervorruft. Der Transistor dient in diesem Fall
tung. zur Spannungsverstärkung (100- bis 1000-fach)
Bei der Basisschaltung (Abb. 9.50c und d) und zur Leistungsverstärkung (20 dB bis 30 dB).
wird an den Emitter-Basis-Übergang eine Span- Die Transistorkennlinien in Abb. 9.51 zeigen für
nung UEB (kleiner 1 V) in Durchlassrichtung die Basisschaltung die Kollektorstromstärke IC in
gelegt, am Basis-Kollektor-Übergang liegt die Abhängigkeit von der Kollektor-Basis-Spannung
Sperrspannung UCB . Die Elektronen fließen vom UCB für unterschiedliche Emitterströme IE . Der
Emitter zur Basis. Dort teilt sich der Strom inVerstärkungseffekt wird daraus ersichtlich.
einen geringen Basisstrom IB und einen hohen Abb. 9.51 zeigt auch die Kennlinien, glei-
Kollektorstrom IC auf. Die Basiszone ist sehr chungsmäßigen Zusammenhänge und Anwen-
dünn, sodass der Kollektorstrom beinahe so großdungsgebiete der anderen Transistorschaltungen.
ist wie der Emitterstrom. Der Stromverstärkungs-
Die Kennlinien beschreiben die Abhängigkeiten
faktor der wichtigsten Kenngrößen eines Transistors.
ˇ ˇ
ˇ IC ˇ Sie werden meist in vier Quadranten dargestellt.
A D ˇˇ ˇˇ (9.39)
Der erste Quadrant beschreibt die Ausgangskenn-
E I
linie (UCB für die Basis-, UCE für die Emitter-
der Basisschaltung ist annähernd eins, genauer und UEC für die Kollektorschaltung). Der zwei-
0,95 bis 0,995. Der Verstärkungseffekt beruht te Quadrant zeigt den Verlauf der Stromverstär-
744 9 Festkörperphysik
9.2.4 Supraleitung
Abb. 9.52 Herstellungsgang für zwei nebeneinander lie- Als 1908 dem holländischen Physiker H. K A -
gende Planar-Transistor-Systeme MERLINGH -O NNES (1853 bis 1926) die Ver-
746 9 Festkörperphysik
Tab. 9.10 Kritische Temperatur Tc und kritische Flussdichte Bc supraleitender Elemente und Verbindungen
Supraleiter erster Art Supraleiter zweiter Art
Stoffe Tc in K B0 in T Stoffe Tc in K Bc2 in T
Al 1,19 0,0099 MoRe 12,6
Hg 4,15 0,0412 Nb3 Al 18 32
In 3,4 0,0293 Nb3 Ge 23 30
Pb 7,2 0,0803 Nb3 Sn 18 20
Sn 3,72 0,0309 NbTi 10,6 11,8
Th 1,37 0,0162 NbZr 10,8 11
Tl 2,39 0,0171 PbMo6 S8 15 60
V3 Ga 14,5 23
V3 Si 17,1 23
Supraleiter zweiter Art Hochtemperatur-Supraleiter
Stoffe Tc in K Bc2 in T Stoffe Tc in K Bc2 in T
Nb 9,2 0,27 YBa2 Cu3 O7x 93 110 bis 240
Ta 4,39 0,18 Bi2 Sr2 CaCu2 O8Cx 85 60 bis 250
V 5,3 0,34 Bi2 Sr2 Ca2 Cu3 O10Cx 110 40 bis 250
Zn 0,9 0,0053 HgBa2 Ca2 Cu3 O8Cx 133 108
Bi3 Ba 5,69 0,074 Te2 Ca2 Ba2 Cu3 Ox 135 100 bis 200
Bi3 Sr 5,62 0,053
Mo3 Re 9,8 0,053
Nb3 Au 11 –
NbSn2 2,6 0,062
den. Es handelt sich hierbei um Keramiken mit mation des Atomgitters. Durch die elektrische
Perowskit-Struktur auf der Basis von Kupfer- Wechselwirkung verzerrt ein Elektron das lo-
oxid in Verbindung mit Erdalkalimetallen und kale Atomgitter. Ist diese Deformationsenergie
seltenen Erden wie beispielsweise La-Ba-Cu-O, größer als die thermischen oder magnetischen
La-Sr-Cu-O und Y-Ba-Cu-O. Es wurden Sprung- Einflüsse auf das Gitter, so wirkt sich diese
temperaturen Tc von weit über 100 K gemessen Deformation bindend auf ein zweites Elektron
und kritische Flussdichten (bei T D 4;2 K) von aus, das damit an das erste Elektron gekoppelt
Bc > 350 T. Diese Hochtemperatur-Supraleiter ist und einen gemeinsamen Energiezustand ein-
benötigen zur Herbeiführung des supraleitenden nimmt. Bei Cooper-Paaren ist der Gesamtspin
Zustands nicht mehr das teuere flüssige Helium, bzw. Gesamtimpuls null. Aus diesem Grund sind
sondern sie werden bereits bei der Siedetempera- sie nicht dem Pauli-Prinzip unterworfen, sodass
tur des flüssigen Stickstoffs (T D 77 K) supralei- alle Cooper-Paare den tiefstmöglichen quanten-
tend. Somit versprechen diese neuen Werkstoffe mechanischen Energiezustand einnehmen kön-
sensationelle technische Anwendungen. nen. Die Cooper-Paare unterliegen nicht mehr der
Die physikalische Deutung der Supralei- Fermi-Dirac-Statistik (Abschn. 9.2.1), sondern
tung gelang J. BARDEEN (1908 bis 1991), der Bose-Einstein-Statistik wechselwirkungsfrei-
L. N. C OOPER (geb. 1930) und J. R. S HRIEF - er Teilchen. Die Cooper-Paare treten nicht mehr
FER (geb. 1931) erstmals im Jahr 1957. Die mit dem Atomgitter in störende Wechselwir-
nach ihnen benannte BCS-Theorie geht davon kung, weshalb sie sich auch widerstandslos durch
aus, dass jeweils zwei Elektronen mit entge- den Supraleiter bewegen können. Die Existenz
gengesetztem Eigendrehimpuls (Spin) und Im- von Cooper-Paaren konnte bei der Bestimmung
puls ein sogenanntes Cooper-Paar bilden. Die des Wertes eines Flussquantes bestätigt werden.
Kopplung der beiden das Cooper-Paar bilden- Nach (9.42) wird das Flussquant durch Teilchen
den Leitungselektronen erfolgt über die Defor- mit doppelter Elementarladung gebildet.
9.2 Elektronen in Festkörpern 749
h
pPhonon D D „k : (9.44)
Die Vorzeichen der k-Vektoren geben die Lauf- Hooke’schen Gesetzes mit der Spannung und
richtung der Welle an. Die maximale Wellenzahl dem Elastizitätsmodul E verknüpft ist: D E".
Für die Spannung gilt
kmax D (9.46)
a F F a
D D 2 DE :
entspricht der minimalen Wellenlänge A a a
Die Kraft F , die auf ein Teilchen wirkt, ist nach
min D 2a ; (9.47) Hooke der Verschiebung a proportional: F D
kF a. Daraus folgt eine Beziehung zwischen Fe-
die sich nach Abb. 9.60 dadurch auszeichnet, derkonstante kF und E-Modul E:
dass benachbarte Atome gegenphasig schwin-
gen. Die Geschwindigkeit der Phononen ent- kF D a E : (9.52)
spricht der Gruppengeschwindigkeit der Gitter-
Wird (9.52) in (9.50) eingesetzt, dann ergibt sich
welle. Nach (5.191) ist diese cgr D d!=.dk/. Mit
für den Grenzfall langer Wellen (tiefe Frequen-
!.k/ aus (9.45) folgt
zen) die maximale Schallgeschwindigkeit cs;max
r der Longitudinalwellen
kF sin ka
cgr D a p : (9.48) r s
2m 1 cos ka a3E E
cs; max D D : (9.53)
m %
Die Phasengeschwindigkeit der Welle beträgt
nach (5.176) cph D f D !=k und mit 9.45) Diese Gleichung ist identisch mit (3) in Tab. 5.9
r p aus der Kontinuumstheorie.
2kF 1 cos ka Die größte Eigenfrequenz ist nach (9.45) für
cph D :(9.49)
m k k D =a
r
Die Funktionen (9.48) und (9.49) sind in kF
Abb. 9.62b dargestellt. Bei k D 0 ist die Phasen- !max D 2 :
m
geschwindigkeit gleich der Gruppengeschwin-
Mit (9.52) resultiert
digkeit
r
r 1 aE
kF fmax D : (9.54)
cph .k D 0/ D cgr .k D 0/ D a : (9.50) m
m
Beispiel 9.3-1
Für sehr lange Wellen .
a/ gibt es also keine Wie groß ist die maximale Schallgeschwin-
Dispersion. Am Rand der Brillouin-Zone ist digkeit und die maximale Eigenfrequenz von
! r Eisenatomen in einem Eisenstab, der zu Lon-
2a kF gitudinalschwingungen angeregt wird? (Elas-
cph kD D ;
a m tizitätsmodul E D 2 1011 N=m2 , Gitterkon-
! stante a D 2;9 1010 m, Molmasse M D
cgr kD D0: (9.51) 55;85 kg=kmol, Dichte % D 7850 kg=m3 )
a
Lösung
Die verschwindende Gruppengeschwindigkeit ist Nach (9.53) ist die p
maximale Schallgeschwin-
ein Ausdruck dafür, dass die Wellen mit k D digkeit cs; max D E=% D 5048 m=s. Die
˙ =a stehende Wellen sind (Abschn. 9.2.1). maximale Eigenfrequenz ist nach (9.54)
Ist a die Auslenkung eines Teilchens aus der r
Gleichgewichtslage, dann ist " D a=a die Deh- 1 aE
fmax D :
nung, die nach Abschn. 2.3.1 bei Gültigkeit des m
9.3 Thermodynamik fester Körper 753
Beispiel 9.3-2
1
Die Gitterschwingungen mit k D
a
1 ha-
Abb. 9.63 Phononen in Kristallen mit zwei Atomen in 1
der Elementarzelle: a Dispersionsrelation von Germani- ben in Germanium die Frequenzen fTA D
um, b akustische und c optische Phononen 1;90 THz, fLA D 6;65 THz, fLO D 7;33 THz,
fTO D 8;68 THz. a) Wie groß sind die zuge-
hörigen Phononenenergien? b) Wie groß sind
Mit m D M=NA D 9;27 1026 kg ergibt sich die Impulse der Phononen, wenn in Ge die
fmax D 7;96 GHz. Gitterkonstante a D 5;65 1010 m beträgt?
c) Welchen Impuls hat ein Photon mit der glei-
Befinden sich zwei oder mehr Atome in chen Energie wie das LA-Phonon?
der Elementarzelle, dann ergeben sich je nach
Schwingungstyp verschiedene Dispersionsrela-
Lösung
tionen, wie sie in Abb. 9.63a für Germanium dar-
gestellt sind. Man unterscheidet akustische und a) Für die Phononenenergien gilt nach (9.43)
optische Phononen, die jeweils noch in longitu- EPhonon D hf . Man errechnet ETA D
dinale und transversale unterteilt sind. Folgende 7;85 meV, ELA D 27;5 meV, ELO D
Abkürzungen sind üblich: 30;3 meV und ETO D 35;9 meV.
p (9.44) pPhonon D „k.
b) Der Impuls ist nach
TA: transversal akustisch, Mit jkj D . =a/ 3 erhält man pLA D
LA: longitudinal akustisch, 1;02 1024 N s.
LO: longitudinal optisch, c) Der Impuls eines Photons ist nach (6.112)
TO: transversal optisch. pPhoton D .hf /=c. Mit hf D ELA D
27;5 meV ergibt sich pPhoton D 1;47
Bei den akustischen Phononen schwingen 1029 N s pPhonon .
nach Abb. 9.63b die beiden verschiedenen Teil-
chensorten gleichphasig, bei den optischen Pho- Praktisch kann der Photonenimpuls im Ver-
nonen nach Abb. 9.63c gegenphasig. Falls die gleich zum Phononenimpuls immer vernachläs-
beiden Atome unterschiedliche Ladung tragen sigt werden.
754 9 Festkörperphysik
konstante Temperaturdifferenz T D T1 T2
anliegt. Die je Flächen und Zeiteinheit transpor-
tierte Wärme, die Wärmestromdichte jq beträgt
T
jq D : (9.64)
x
Abb. 9.64 Molare Wärmekapazität der Festkörper nach
den Theorien von Einstein, Debye und Dulong-Petit Hierbei ist die Wärmleitfähigkeit in W/(m K)
(Abschn. 3.5.1).
Der Zusammenhang zwischen der Wärmeleit-
Für T ! 0 geht die molare bzw. spezifische fähigkeit und der Phononenbewegung lässt sich
Wärmekapazität mit T 3 gegen null. Die De- berechnen. Wenn in der Mitte des Festkörpers
bye’sche Beschreibung ist wesentlich genauer als die Temperatur T herrscht, dann liegt links und
die Einstein’sche. Noch vorhandene Unterschie- rechts im Abstand ˙lph ein Bereich, in dem
de zum Experiment rühren von der bei Debye kein Phononenzusammenstoß stattfindet. Die von
nicht berücksichtigten Dispersion der Gitterwel- links kommenden Phononen haben die Energie
len her. Abb. 9.64 zeigt die molare Wärmekapazi-
tät in Abhängigkeit von der Temperatur nach dem 3 T
ET1 D k T C lph
Einstein’schen bzw. dem Debye’schen Ansatz. 2 x
me und damit eine Potenzialdifferenz in longi- 1856 bis 1937). Liegt die beobachtete Differenz
tudinaler Richtung. Dies ist der Thomson-Effekt in Richtung des Wärmestroms, so wird diese
(W. T HOMSON, 1824 bis 1907). Erscheinung zweiter Righi-Leduc- oder Maggi-
Bei den thermomagnetischen Effekten fließt Righi-Effekt genannt.
ein Wärmestrom ˚ und es wirkt ein homogenes
Magnetfeld (im Bild transversal). Unter diesen 9.3.2.2 Thermoelektrische Effekte
Bedingungen kann entweder eine Potenzialdiffe- Fließt durch einen Festkörper ein Wärmestrom
renz ' oder eine Temperaturdifferenz T ge- ˚, so kann eine Potenzialdifferenz in Strom-
messen werden. Der Ettingshausen-Nernst-Effekt richtung auftreten. Diese Erscheinung nennt man
ist die Umkehrung des Ettingshausen-Effekts. Seebeck-Effekt (T. J. S EEBECK, 1770 bis 1831).
Fließt ein Wärmestrom ˚ senkrecht zum Ma- Den umgekehrten Effekt, bei dem durch Anle-
gnetfeld H , dann wird eine transversale Potenzi- gen einer Potenzialdifferenz ' ein Tempera-
aldifferenz ' gemessen. Diese Erscheinung ist turunterschied T gemessen wird, nennt man
das thermische Analogon zum Hall-Effekt. Wird Peltier-Effekt (J. C. A. P ELTIER, 1785 bis 1845).
eine longitudinale Potenzialdifferenz entlang des Abb. 9.67 verdeutlicht die Vorgänge.
Wärmestromes gemessen (Thermokraft), so ist Wenn sich zwei Metalle mit unterschiedlichen
dies der zweite Ettingshausen-Nernst-Effekt. Bei Fermi-Grenzen gemäß Abb. 9.68a berühren, er-
einem Wärmefluss ˚ und einem transversalen folgt durch einen Diffusionsstrom ein Ausgleich
homogenen Magnetfeld H tritt eine senkrecht dieser Niveaus. Das eine Metall (z. B. Zn) mit
zu beiden Größen stehende Temperaturdifferenz dem höheren Fermi-Niveau EF2 (geringere Aus-
auf; dabei handelt es sich um den Righi-Leduc- trittsarbeit WA2 ) gibt Elektronen an das andere
Effekt (A. R IGHI, 1850 bis 1920; S. A. L EDUC, Metall (z. B. Cu) mit niedrigerem Fermi-Niveau
9.3 Thermodynamik fester Körper 759
Tab. 9.12 Werkstoffe für Thermopaare und ihre Eigenschaften nach DIN EN 60 584-1
Thermopaar NiCr–Ni Eisen–Konstantan Kupfer–Konstantan Platin/Rhodium–
(100Fe–45Ni55Cu) (100Cu–45Ni55Cu) Platin (90Pt10Rh–
100Pt)
Eigenschaften
spezifischer Wider- 0,72 bis 0,27 0,49 bis 0,11 0,49 bis 0,017 0,062 bis 0,034
stand % bei 20 ı C in
˝ mm2 =m
Temperatur in ı C Thermospannungen in mV
200 5,89 8,15 5,70
100 3,55 4,75 3,40
0 0 0 0 0
100 4,10 5,37 4,25 0,645
200 8,14 10,95 9,20 1,44
300 12,21 16,56 14,90 2,32
400 16,40 22,16 21,00 3,26
500 20,64 27,85 27,41 4,23
600 24,90 33,67 34,31 5,24
700 29,13 39,72 6,27
800 33,28 46,22 7,35
900 37,33 53,14 8,45
1000 41,27 9,59
1100 45,11 10,75
1200 48,83 11,95
1300 52,40 13,16
1400 14,37
1500 15,58
1600 16,77
1700 17,94
9.4 Optoelektronische
Abb. 9.72 Leuchtdiode, in Flussrichtung betrieben (sche-
Halbleiter-Bauelemente matisch)
a b
Abb. 9.73 zeigt Spektren verschieden farbi- Abb. 9.75 Bauformen von Lumineszenzdioden: a Chip
ger Leuchtdioden. Die Linienbreite liegt in der in Kunststoffgehäuse vergossen, b Reflektorwanne mit
transparentem Kunststoff, (Diode erhält starke Richt-
Größenordnung von 40 nm. Sie hängt im charakteristik), c Reflektorwanne mit diffus streuendem
Wesentlichen von der Temperatur ab und nimmt Kunststoff (Diode strahlt breit ab; für Displays geeignet)
mit steigender thermischer Energie der Ladungs-
träger zu.
Die Farbe der LED ist nach (9.72) direkt Anzahl der injizierten Elektronen (falls keine
von der Breite der verbotenen Zone Eg abhän- strahlungslosen Übergänge stattfinden). Daraus
gig. Sie kann also durch die Wahl des Halb- folgt, dass die abgegebene Strahlungsleistung im
leiters bestimmt werden. Besonders zu erwäh- Idealfall proportional zum Flussstrom sein muss.
nen sind Mischkristalle auf der Basis von GaAs Der Aufbau einer GaAsP-LED ist schema-
und GaP in der Zusammensetzung GaAsx P1x . tisch in Abb. 9.74 gezeigt. Auf einem einkris-
Je nach Mischungsverhältnis kann das Bandgap tallinen Substrat wird der Mischkristall durch
zwischen 2;24 eV (x D 0) und 1;43 eV (x D 1) Flüssig- oder Gasphasenepitaxie abgeschieden.
und damit die Farbe zwischen grün und IR ein- Nach rückwärts ausgesandte Photonen werden
gestellt werden. Tab. 9.13 zeigt eine Zusammen- nur im GaAs-Substrat absorbiert, da nur dort
stellung der Daten gebräuchlicher Leuchtdioden. die Energie der Lichtquanten ausreicht, um ein
Weißlicht-LEDs bestehen aus blau emittierenden Elektron vom Valenz- ins Leitungsband zu heben
InGaN-LEDs, deren kurzwelliges Licht durch (Abschn. 9.4.2). Je nach Anwendungszweck setzt
Beschichtung mit Leuchtstoffen (z. B. YAG:Ce) man die Chips in verschiedene Gehäuseformen;
bis ins Rote transformiert wird. Abb. 9.75 zeigt einige Beispiele.
Da jedes Elektron, das vom externen An- Lumineszenzdioden sind sehr zuverlässig. Im
schluss ins n-Gebiet strömt, irgendwann einmal normalen Betrieb sind Lebensdauern von etwa
mit einem Loch rekombinieren muss, ist die An- 106 h zu erwarten. Die Lebensdauer ist dabei
zahl der generierten Photonen so groß wie die so definiert, dass bis zum Ende die Strahlungs-
764 9 Festkörperphysik
9.4.2 Empfänger
Abb. 9.81 Absorptionskoeffizienten verschiedener Halb-
9.4.2.1 Absorption elektromagnetischer
leiter
Strahlung
Aus der Vielzahl von Detektoren für elektroma-
gnetische Strahlung zeigt Tab. 9.15 eine Zusam- Für die Wellenlänge gilt mit (9.72)
menstellung der Detektoren, die auf dem Foto-
effekt beruhen. Beim äußeren Fotoeffekt wird hc 1;24 m eV
5 D : (9.76)
ein Elektron durch ein auftreffendes Photon voll- Eg Eg
ständig aus dem Festkörper entfernt. Das Photon
Diese Schwellenbedingung zeigt sich im Ver-
muss als Mindestenergie die Austrittsarbeit des
lauf des Absorptionskoeffizienten ˛, der für einige
betreffenden Materials haben (Abschn. 6.5.1.1).
Halbleiter in Abb. 9.81 dargestellt ist. Der Ab-
Im Folgenden sind ausschließlich Detektoren be-
sorptionskoeffizient (Absorptionskonstante) ˛ ist
schrieben, die auf dem inneren Fotoeffekt von
folgendermaßen definiert: Fällt auf einen Kris-
Halbleitern beruhen. Hierbei wird durch ein auf-
tall der Dicke d Strahlung der Leistung ˚0 , dann
treffendes Photon ein Elektron aus seiner Bin-
ist die durchgelassene Strahlungsleistung ˚ ge-
dung gerissen und im Kristall beweglich, den es
geben durch
aber nicht verlässt. Im Bänderschema wird bei
˚ D ˚0 e˛ d : (9.77)
der Absorption eines Photons ein Elektron vom
Valenz- ins Leitungsband gehoben, also ein freies
Elektron-Loch-Paar erzeugt. Damit dieser Vor- Beispiel 9.4-1
gang ablaufen kann, muss die Photonenenergie Wie dick muss ein Siliciumkristall mindes-
Eph D hf mindestens so groß sein wie die Breite tens sein, damit er Licht der Wellenlänge D
der verbotenen Zone: 700 nm so absorbiert, dass nur noch 1/1000
der auffallenden Strahlungsleistung durchge-
Eph = Eg : (9.75) lassen wird?
9.4 Optoelektronische Halbleiter-Bauelemente 767
Lösung
Nach Abb. 9.81 ist der Absorptionskoeffizient
˛ D 2;5 103 cm1 . Die erforderliche Schicht-
dicke ist nach (9.77) d D 1=˛ ln.˚0 =˚/ D
27;6 m.
9.4.2.2 Fotowiderstand
Beim Fotowiderstand oder Fotoleiter wird die
Tatsache genutzt, dass der Ohm’sche Wider-
stand des Bauteils von der Bestrahlung abhängt.
Nach (9.28) gilt für die elektrische Leitfähigkeit
~ D e.nn C pp /. Werden zusätzlich zu den
bereits im Material vorhandenen Ladungsträgern
durch absorbierte Photonen weitere geschaffen,
dann nimmt die Leitfähigkeit zu bzw. vermin-
Abb. 9.82 Detektivität verschiedener Fotoleiter
dert sich der Widerstand. Die Widerstandsände-
rung kann in einer elektrischen Schaltung in eine
Spannungsänderung verwandelt und nachgewie-
sen werden.
Für verschiedene Wellenlängenbereiche wur-
den unterschiedliche Detektoren entwickelt, de-
ren Detektivität D in Abb. 9.82 dargestellt ist.
Die Detektivität ist eine Größe, die gestattet,
die Leistungsfähigkeit verschiedener Detektoren
miteinander zu vergleichen:
US =UN p
D D Af : (9.78) Abb. 9.83 Bänderschema einer Fotodiode ohne äußere
˚e Spannung
Beispiel 9.4-2
Wie groß ist die Quantenausbeute der Fo-
todiode von Abb. 9.85 bei der Wellenlänge
D 800 nm?
Lösung
Nach (9.80) ist die Quantenausbeute
S./ 1;24 m W
./ D :
A
in der dicken i-Schicht absorbiert, erzeugen al- Ge-APD: M D 40 bis maximal 200.
so dort Elektron-Loch-Paare, die sofort durch das
Ein großer Verstärkungsfaktor bedeutet, dass
elektrische Feld getrennt werden. Dadurch fallen
durch ein Photon eine große Ladungsträgerlawi-
die langsamen Diffusionsprozesse der einfachen
ne ausgelöst wird. Je größer die Lawine ist, umso
pn-Dioden weg. Pin-Dioden reagieren schnell
länger dauert es aber, bis alle Ladungsträger
und können bis in den GHz-Bereich eingesetzt
den Übergang überquert haben. Große Verstär-
werden. Durch das große Sammelvolumen wird
kung und hohe Grenzfrequenz lassen sich daher
ihre Empfindlichkeit gegenüber normalen pn-
nicht gleichzeitig realisieren. In der Praxis wird
Übergängen weiter ins IR ausgedehnt.
ein Verstärkungs-Bandbreite-Produkt angegeben,
Abb. 9.87 zeigt einen Baustein mit einem
das typischerweise folgende Werte aufweist:
Pin-FET-Empfänger für die optische Nachrich-
tenübertragung. Das optische Signal fällt von Si-APD: Mf 200 GHz,
der Glasfaser auf eine Pin-Diode und wird im Ge-APD: Mf 20 GHz.
nachgeschalteten Verstärker mit einem FET am
Eingang verstärkt. Hat beispielsweise eine APD ein Verstärkungs-
Sehr großflächige Pin-Dioden mit i-Zonen von Bandbreite-Produkt von 160 GHz, dann ist bei
einigen Millimetern Dicke werden als Detektoren einer Bandbreite von f D 2 GHz der Multi-
für Röntgenstrahlung (Si) und Gammastrahlung plikationsfaktor M D 80. Bei hohen Frequenzen
(Ge) verwendet. wird die APD der Pin-Diode häufig vorgezogen
wegen der internen Verstärkung.
Lawinen-Fotodiode
Lawinen-Fotodioden (Avalanche Foto Diode, 9.4.2.4 Fototransistor
APD) werden mit einer Sperrspannung knapp Der Fototransistor ist wie die APD ein Detek-
unterhalb der Durchbruchspannung betrieben. In- tor mit innerer Verstärkung. Abb. 9.88a zeigt
9.4 Optoelektronische Halbleiter-Bauelemente 771
9.4.2.5 Solarzellen
Die Solarzelle ist grundsätzlich eine Fotodiode
Abb. 9.88 Bipolarer Fototransistor: a Aufbau, b Kennli- mit großer Fläche (Abb. 9.89). Durch absor-
nien bierte Photonen gebildete Elektron-Loch-Paare
werden infolge des eingebauten elektrischen Fel-
des getrennt. Dabei werden die Elektronen zum
den Aufbau eines Bipolartransistors. Der Basis- n-Kontakt, die Löcher zum p-Kontakt befördert
Kollektor-Übergang ist großflächig ausgeführt (Abb. 9.83). Die Deckfläche der Solarzelle ist
und in Sperrrichtung gepolt. Durch Photonen- mit einem Gitter dünner Kontaktfinger versehen,
absorption erzeugte Elektron-Loch-Paare werden die den erzeugten Fotostrom ableiten. Wegen des
getrennt. Die Löcher fließen durch die Basis zum hohen Reflexionsgrades der Halbleiter muss die
Emitter, die Elektronen zum Kollektor. Die Span- Oberfläche der Zelle stets mit einer reflexver-
nung am flussgepolten Emitter-Basis-Übergang mindernden Schicht versehen werden. Da der
nimmt leicht zu und somit der Emitter- bzw. Absorptionskoeffizient beim Halbleiter Silicium
Kollektorstrom. Der Kollektorstrom beträgt nä- nur langsam mit der Photonenenergie ansteigt
herungsweise (Abb. 9.81), benötigen Si-Solarzellen eine Dicke
von 200 m bis 300 m. Solarzellen aus GaAs
IC D .1 C B/IF ; (9.83)
kommen dagegen mit Dicken von 1 m bis 2 m
ist also um den Stromverstärkungsfaktor B in aus.
Emitterschaltung größer als der Fotostrom IF . Ty- Im Kurzschlussbetrieb fließt durch die Solar-
pische Werte für die Stromverstärkung liegen bei zelle ein Fotostrom IK , der proportional ist zur
B D 100 bis B D 1000. eingestrahlten Leistung ˚e :
Das Ausgangskennlinienfeld von Abb. 9.88b IK ˚e D Ee A (9.84)
unterscheidet sich nicht grundlegend von dem ei-
nes normalen Transistors. Lediglich ist anstelle Bei gegebener Bestrahlungsstärke Ee steigt der
des Basisstroms als Parameter die Beleuchtungs- Strom und damit die produzierte elektrische Leis-
stärke Ev aufgetragen. Am Basisanschluss kann tung proportional zur Fläche A.
772 9 Festkörperphysik
UL
RL;opt : (9.88)
IK
Beispiel 9.4-3
Im Leerlaufbetrieb ist nach (9.82) an den Kon- Wie groß ist der Füllfaktor der Zelle in
takten der Solarzelle die Leerlaufspannung Abb. 9.90?
kT IK kT IK
UL D ln C1 ln Lösung
e IS e IS Aus dem Diagramm wird entnommen: UL D
(9.85)
0;6 V, Um D 0;49 V, IK D 7;6 A, Im D 6;7 A.
abgreifbar, die logarithmisch von der Strahlungs-
Damit ist der Füllfaktor FF D 72 %.
leistung abhängt (Abb. 9.84).
Zeichnet man – anders als in Abb. 9.86 – Der Wirkungsgrad einer Solarzelle ist definiert
die Kennlinie der Solarzelle im ersten Quadran- als Verhältnis der maximal entnehmbaren elektri-
ten, so gilt für die Strom-Spannungs-Kennlinie schen Leistung P zur eingestrahlten optischen
m
(Abb. 9.90) einer idealen Solarzelle Leistung ˚e :
eU Pm IK UL FF
I D IK IS exp 1 : (9.86) D D : (9.90)
kT ˚e Ee A
Ist der Lastwiderstand im Außenkreis RL , dann Trotz großer Anstrengungen ist der Wirkungs-
definiert der Schnittpunkt der Widerstandsgera- grad handelsüblicher Solarzellen nicht höher als
den I D U=RL mit der Kennlinie den Arbeits- etwa 15 %. Die wichtigsten Verlustmechanismen
punkt. Der optimale Lastwiderstand liegt vor, sind in Tab. 9.16 zusammengestellt.
wenn die Fläche des weißen Rechtecks maximal Entscheidend für die optischen Verluste ist
ist, nämlich die in Abb. 9.91 dargestellte spektrale Bestrah-
Pm D Im Um : (9.87) lungsstärke Ee; des Sonnenlichts. Außerhalb
der Lufthülle (AM0, Air Mass Zero) entspricht
Der zugehörige Arbeitspunkt ist in Abb. 9.90 mit
die Verteilung etwa der eines schwarzen Strahlers
MPP (Maximum Power Point) gekennzeichnet.
mit T D 5960 K (Abschn. 6.5.3). Die integrale
Da sich die Kennlinie mit der Sonneneinstrahlung
Bestrahlungsstärke
verändert, muss für effektiven Betrieb der Last-
widerstand durch eine elektronische Schaltung so Z1
angepasst werden, dass stets im Punkt maximaler W
Ee D Ee; d D 1353 2
Leistung gearbeitet wird. Ein erster Schätzwert m
0
9.4 Optoelektronische Halbleiter-Bauelemente 773
Tab. 9.16 Verluste in Si-Solarzellen Tab. 9.17 Wirkungsgrade verschiedener Solarzellen aus
industrieller Fertigung
optische Verluste elektrische Verluste
Reflexion an der Interne Zellenverluste infolge Material Technologie Wirkungsgrad
Oberfläche 3 % des Serienwiderstands des Si einkristallin 16 % bis 18 %
Abschattung durch Zellenmaterials und der polykristallin 14 % bis 16 %
Kontaktfinger 3 % Kontaktfinger 1 % polykr. Band 11 % bis 16 %
Photonen mit über- Rekombination von Dünnschicht 7 % bis 8 %
schüssiger Energie Ladungsträgern in Basis
CdTe Dünnschicht 9 % bis 10 %
32 % und Emitter 22 %
Photonen mit unge- Cu(In,Ga) (S,Se)2 Dünnschicht 9 % bis 12 %
nügender Energie
24 %
schüssige Energie Eph Eg wird in der Solarzelle
in Wärme verwandelt.
Die größten elektrischen Verluste entstehen
durch Rekombination der Ladungsträger an der
Grenzfläche zwischen der p-dotierten Basis und
der metallisierten Rückseite (Abb. 9.89). Die Re-
kombination wird stark reduziert, wenn der Halb-
leiter passiviert wird durch eine dünne Schicht
aus SiO2 oder SiN. Da diese Schicht elektrisch
isoliert, müssen viele punktförmige Kontakte
durch die Schicht hergestellt werden. Ein kleines
Gebiet mit hoher p-Dotierung erzeugt ein elek-
trisches Feld, das die Elektronen von den Kon-
takten fern hält (local back surface field). In der
Forschung sucht man nach preisgünstigen Ver-
Abb. 9.91 Spektrale Bestrahlungsstärke des Sonnen- fahren, um diese Tausende von Punktkontakten
lichts außerhalb der Atmosphäre (AM0) und auf der
Erdoberfläche (AM1,5). g ist die Grenzwellenlänge für an der Zellenrückseite herzustellen. Wenn dieses
Absorption in Silicium Problem gelöst ist, sollten Si-Solarzellen in der
Massenproduktion mit Wirkungsgraden von etwa
20% möglich sein.
wird als Solarkonstante bezeichnet. Je nach Ein- Das nach wie vor wichtigste Material zum Bau
strahlwinkel und Weglänge der Strahlen durch von Solarzellen ist Silicium. Wegen der hohen
die Atmosphäre wird die Bestrahlungsstärke in- Materialkosten wird intensiv nach Alternativen
folge von Absorption an Luftmolekülen verrin- gesucht (Tab. 9.17).
gert. Wird die Lufthülle senkrecht durchstrahlt,
spricht man von AM1-Verhältnissen (Air Mass 9.4.2.6 Zur Übung
One). Bei AM2 legen die Strahlen den doppel-
ten Weg zurück usw. Als Standard zur Messung Ü 9-16 Bei einem GaAlAs-Laser ist der
des Wirkungsgrades wurde das AM1,5-Spektrum Schwellstrom bei 0 ı C Ith;0 D 38;6 mA und
mit Ee D 1000 W=m2 festgelegt (STC, Standard bei 70 ı C Ith;70 D 60;8 mA. a) Wie groß ist die
Test Conditions). charakteristische Temperatur T0 ? b) Wie groß ist
Der ganze Teil des Spektrums, der rechts von der Schwellstrom Ith;20 bei 20 ı C?
der Grenzwellenlänge g liegt, wird nicht absor-
biert, weil die Photonenenergie nicht ausreicht, Ü 9-17 Wie groß ist der Modenabstand longi-
um ein Elektron-Loch-Paar zu bilden. Strahlung tudinaler Moden bei einem InGaAsP-Laser der
mit < g wird zwar absorbiert, aber die über- Wellenlänge D 1;3 m, wenn der Laserreso-
774 9 Festkörperphysik
nator L D 500 m lang ist? Der Brechungsindex Ü 9-21 Die Abbildung zeigt ein Kennlinien-
ist nN D 3;31; die Dispersion sei vernachlässigt. feld eines Solarmoduls. Welches ist der opti-
male Lastwiderstand für die Bestrahlungsstärke
Ü 9-18 Ab welcher Wellenlänge g wird InSb 1 kW=m2 ? Wie groß ist die maximale elektrische
(Bandgap Eg D 0;18 eV) transparent? Leistung sowie der Füllfaktor des Moduls?
Die Relativitätstheorie, von A. E INSTEIN (1879 dass die Relativitätstheorie in allen Bereichen der
bis 1955) entwickelt, besteht aus der Speziel- Physik gültig ist, sodass relativistische Effekte
len Relativitätstheorie (1905 veröffentlicht) und von den Elementarteilchen bis zum Universum
der Allgemeinen Relativitätstheorie (1916 veröf- nachweisbar sind.
fentlicht). Die Spezielle Relativitätstheorie be-
fasst sich mit Fragen der Definition von Raum
und Zeit in Systemen, die sich gegeneinander 10.1 Relativität
mit konstanter Geschwindigkeit bewegen. In der des Bezugssystems
Allgemeinen Relativitätstheorie werden relativ
In Abschn. 2.4.1 sind die als Galilei-Transfor-
zueinander beschleunigte Systeme sowie der Ein-
mation bezeichneten Gleichungen (Abb. 2.21)
fluss von Gravitationsfeldern auf Maßstäbe und
für Inertialsysteme beschrieben. Inertialsyste-
Uhren untersucht. So betrachtet ist die Spezielle
me sind Bezugssysteme, in denen das Träg-
Relativitätstheorie ein Spezialfall der Allgemei-
heitsgesetz gilt, nach dem sich Körper ohne
nen Relativitätstheorie.
Krafteinwirkung entweder in Ruhe befinden oder
Weil die Spezielle Relativitätstheorie mathe-
geradlinig gleichförmig bewegen. Die Galilei-
matisch einfacher und ihre Ergebnisse für die
Transformation erlaubt die Umrechnung der Be-
ingenieurmäßigen Anwendungen wichtiger sind,
wegungsgleichungen von einem Inertialsystem S
wird auf eine ausführliche Erörterung der Allge-
in ein anderes Inertialsystem S0 , das sich relativ
meinen Relativitätstheorie verzichtet. Relativis-
zu S mit einer konstanten Geschwindigkeit v be-
tische Effekte treten nur bei Geschwindigkeiten
wegt. Daraus resultiert das Relativitätsprinzip der
nahe der Lichtgeschwindigkeit auf. Da man es
klassischen Mechanik:
im täglichen Umgang mit physikalischen Sys-
temen nicht mit solchen sehr schnell ablaufen-
den Vorgängen zu tun hat, sind die relativis- Die Gesetze der klassischen Mechanik gel-
tischen Korrekturen an der klassischen Physik ten unverändert in Inertialsystemen, die
kaum wahrnehmbar. Dies hat auch zur Folge, sich relativ zueinander mit konstanter Ge-
dass die relativistischen Effekte den alltäglichen schwindigkeit bewegen. Es gibt kein be-
Erfahrungen zu widersprechen scheinen. In der vorzugtes Bezugssystem und keine Mög-
Elementarteilchenphysik (Abschn. 8.9) aber kann lichkeit, eine Geschwindigkeit absolut zu
wegen der sehr schnellen Abläufe nur relativis- messen.
tische Mechanik und relativistische Elektrodyna-
mik betrieben werden. Dies hat beispielsweise
auch für den Ingenieur beim Bau von Beschleu- Die Galilei-Transformation fordert bei ei-
nigern Konsequenzen. Wichtig ist festzustellen, ner Geschwindigkeitsüberlagerung die Addition
1
Dv !2 : (10.5)
u
u
t1 v
c
x D 1;51.x 0 C 0;75 c t 0 /
Die Ereignisse in den jeweils anderen Be-
zugssystemen sollen errechnet und in das D 1;51.2 C 0;75 1/ Ls D 4;15 Ls I
Minkowski-Diagramm eingezeichnet werden.
t D 1;51.1 C 0;75 2/ s D 3;78 s. Das Er-
Lösung gebnis lautet demnach Q .4;15I 0I 0I 3;78/.
a) Für die t 0 -Achse gilt x D vt 0;75ct und Die beiden Ereignisse P0 und Q0 , die in S0
für die x 0 -Achse x D .c 2 =v/t D 4=3.ct/. am gleichen Ort eintreten, finden in S an
Da im Minkowski-Diagramm c D 1 ge- verschiedenen Orten statt.
setzt wird, gilt für die t 0 -Achse x D 0;75t Für R .1I 0I 0I 2/ gilt
und für die x 0 -Achse x D 4=3.t/ gemäß
Abb. 10.4. x 0 D 1;51.1 0;75 2/ Ls D 3;775 Ls I
b) Der Maßstabsfaktor für die x 0 - und die t 0 - t 0 D 1;51.2 0;75 .1// s D 4;15 s :
Achse ist der relativistische Faktor . Er
errechnet sich nach (10.5) zu Damit ist R0 .3;78I 0I 0I 4;15/.
Für T .1I 0I 0I 2/ wird
1
Dq 2
1 vc x 0 D 1;51.1 0;75 2/ Ls D 0;755 Ls I
1 t 0 D 1;51.2 0;75 1/ s D 1;89 s :
Dp D 1;51 :
1 .0;75/2
Damit ist T0 .0;755I 0I 0I 1;89/. Die bei-
0
Dies bedeutet, dass die Koordinate x D den Ereignisse R und T, die in S gleich-
1 bei x D liegt und entsprechend t 0 D zeitig stattfinden, treten in S0 zu ver-
1 bei t D . Demnach sind die Einheiten schiedenen Zeiten auf. Abb. 10.4 zeigt
auf der x 0 - und t 0 -Achse um das 1,51-fache das Minkowski-Diagramm für dieses Bei-
größer als auf der x- und t-Achse. spiel.
780 10 Spezielle Relativitätstheorie
10.3.1 Längenkontraktion
Die Zeitdilatation ist ebenfalls im Minkowski- den Weg ct D 3 108 104 km D 30 km zu-
Diagramm (Abb. 10.5) zu erkennen. Liegt bei- rücklegen können.
spielsweise im System S0 zwischen zwei Ereig-
nissen die Zeitspanne t 0 D 2 s, so erscheint Beispiel 10.3-1
diese einem Beobachter in S als t D 3 s und Ein Raumfahrer besteigt im Alter von dreißig
umgekehrt. Jahren ein sehr schnelles Raumschiff. Wäh-
Die Zeitdilatation hat zur Folge, dass für rend er nach seiner Zeitmessung fünf Jahre
zwei gegeneinander bewegte Beobachter jeder später wieder heimkehrt, ist sein Zwillings-
feststellt, dass die Uhr des anderen nachgeht bruder bereits sechzig Jahre alt. Wie schnell
(Uhrenparadoxon). Dies wurde beim deutschen muss der Raumfahrer fliegen, um diesen Zeit-
Spacelab-Flug D-1 im Experiment Navex bestä- unterschied zu erzeugen? Wie groß ist die
tigt. Es stellte sich heraus, dass die Borduhr Zeitdilatation bei der Geschwindigkeit v D
im Raumschiff, das sich mit etwa 28.000 km/h 3000 m=s?
um die Erde bewegte, je Tag um etwa 25,5 s
langsamer lief als die Vergleichsuhr der Boden-
Lösung
station. Wenn nach der Zeitdilatation die Uhren
Für die Zeitdilatation gilt nach (10.8) t 0 D
im System S0 langsamer als im System S laufen,
t. Für t 0 D 30 Jahre und t D 5 Jahre
ist es denkbar, dass bei Zwillingen, von denen
gilt: 30 a D 5 a oder D 30=5 D 6. Daraus
einer sich bei einem Raumflug sehr schnell re-
folgt
lativ zur Erde bewegt, er seinen Bruder bei der 1
Rückkehr um Jahre gealtert vorfindet (Zwillings- r v 2 D 6
paradoxon). 1
Die Längenkontraktion und die Zeitdilatation c
wurden durch Experimente mit Elementarteil- p
chen bestätigt. In etwa 30 km Höhe entstehen und somit v=c D 25=36 0;986 oder v
-Mesonen, die eine Zerfallsdauer von etwa tZ D 0;986 c.
6
2 10 s aufweisen. Sie haben eine Geschwin- Für v D 3000 m=s ist
digkeit in der Größenordnung der Lichtgeschwin-
1
digkeit .v c/. Ohne relativistische Effekte Ds 1;
können die -Mesonen nur den Weg ctZ D 3 103 2
1
3 108 2 106 m D 600 m zurücklegen. Den- 3 108
noch werden die -Mesonen auf der Erdober-
fläche nachgewiesen (30 km entfernt). Dies kann sodass dieser Effekt nicht beobachtet wird.
sowohl durch die Längenkontraktion, als auch Das Zwillingsparadoxon ist nicht umkehr-
durch die Zeitdilatation erklärt werden. Wegen bar. Es könnte argumentiert werden, dass aus
der Mesonengeschwindigkeit von v D 0;9998 c0 Symmetriegründen vom Standpunkt des fah-
beträgt der relativistische Faktor D 50. Auf- renden Astronauten aus der zurückbleibende
grund der Längenkontraktion erscheint dem be- Bruder jünger sein sollte. Dieser Schluss ist
wegten -Meson der Weg von 30 km tatsächlich nicht zulässig, weil das Problem an sich nicht
0
auf l D 30 10 0;02 m D 600 m verkürzt.
3 symmetrisch ist. Während der Zwilling auf
Verwendet man (10.8) für die Zeitdilatation, so der Erde in einem Inertialsystem bleibt, steigt
erscheint die Zerfallszeit von der Erde aus auf der Astronaut von einem System, das sich
t D 2 106 =0;02 s D 104 s gedehnt, sodass von der Erde wegbewegt auf ein System um,
die -Mesonen im Koordinatensystem der Erde das sich auf die Erde zubewegt. Wegen dieses
782 10 Spezielle Relativitätstheorie
Wechsels des Bezugssystems kann der fahren- und Entsprechendes für die z-Komponente der
de Astronaut nicht so argumentieren wie sein Geschwindigkeit u. Der komplette Satz der
ruhender Zwilling. Transformationsformeln lautet
u0x C v ux v
ux D v u0x D v ;
10.3.3 Relativistische Addition 1 C 2 u0x 1 2 ux
der Geschwindigkeiten c c
u0y uy
uy D v u0y D v ;
In einem System S0 , das sich mit der Geschwin- 1 C 2 u0x 1 2 ux
digkeit v in x-Richtung relativ zum System S c c
u0z 0 uz
bewegt, laufe ein Punkt mit der Geschwindigkeit uz D v uz D v :
1 C 2 u0x 1 2 ux
0 1 c c
u0x (10.9)
B C
u0 D @ u0y A :
u0z Für kleine Systemgeschwindigkeiten .v c/
gehen (10.9) in die klassische Form der Galilei-
Seine Geschwindigkeit u im System S ergibt Transformation von Abb. 2.21 in Abschn. 2.4.1
sich aus der Lorentz-Transformation ((10.1) bis über.
(10.4)). Demnach ist
Beispiel 10.3-2
dx D dx 0 C vdt 0 ; Im System S bewegen sich zwei Teilchen
dy D dy ;0 längs der x-Achse mit den Geschwindigkei-
ten u1x D 0;9c und u2x D 0;9c aufeinander
dz D dz 0 ; zu. Wie groß ist die Geschwindigkeit des Teil-
v 0
dt D dt 0 C dx : chens 1 relativ zum Teilchen 2?
c2
Für die Geschwindigkeitskomponente ux gilt Lösung
Das Teilchen 2 ruhe im System S0 (u02x D 0),
dx 0
dx C vdt 0 das sich seinerseits mit v D 0;9c längs
ux D D v der x-Achse des Systems S bewegt. Die Ge-
dt dt 0 C 2 dx 0
c schwindigkeit u01x des Teilchens 1 im Sys-
dx 0 tem S0 und damit relativ zu Teilchen 2 ist nach
0
dx C vdt 0 Cv
D D dt 0 :
(10.9)
v
dt 0 C 2 dx 0 v dx 0
c 1 C u1x v 0;9c C 0;9 c
c 2 dt 0 u01x D D
v 0;9c
1 2 u1x 1 C 2 0;9c
Mit u0x D dx 0 =dt 0 ergibt sich c c
1;80
u0x C v D c D 0;9945c :
ux D : 1;81
v
1 C 2 u0x
c Nach der klassischen Galilei-Transformation
wäre die Relativgeschwindigkeit die 1,8-fache
Auf dieselbe Weise ergibt sich für die y-Kompo-
Lichtgeschwindigkeit. Tatsächlich ist nach
nente
(10.9) durch Geschwindigkeitsaddition kei-
dy u0y ne Geschwindigkeit größer als die Lichtge-
uy D D v schwindigkeit erhältlich, solange u c und
dt 1 C 2 u0x v c ist.
c
10.4 Relativistische Dynamik 783
Beispiel 10.4-1
Ein Elektron der Ruhemasse m0 D
9;109 1031 kg wird durch ein elektrisches
Feld 0 1
1
B C
E D E0 @ 1 A
0
Lösung
Die Kraft beträgt immer
Findet eine Relativbewegung mit der konstanten 10
Geschwindigkeit v in x-Richtung statt, dann er- 1
B C
gibt sich aus (10.12) für die Kraftkomponente in F D E e D 1;602 1014 N @ 1 A :
x-Richtung 0
m0 a x
Fx D a) Der relativistische Faktor ist D 1 für
v 2 3=2 D m0 ax :
3
(10.13)
1 v D 0. Damit ist nach (10.13) bis (10.15)
c ax D Fx =m0 D 1;759 1016 m=s2 und
ay D 1;759 1016 m=s2 . Der Beschleuni-
Die Größe ax ist die Beschleunigungskomponen- gungsvektor lautet
te in x-Richtung. Für die Kraftkomponenten in y- 0 1
p 1
und z-Richtung bleibt der Faktor 1 .v=c/2 in B C
a D a0 @ 1 A
(10.12) konstant, sodass gilt
0
m0 a y
Fy D r v 2 D m0 ay ; (10.14)
mit a0 D 1;759 1016 m=s2 ; er ist parallel
1
c zum Kraftvektor.
m0 a z b) Der relativistische Faktor ist
Fz D r v 2 D m0 az : (10.15)
1 1
c Dr D 1;155 :
1
Aus (10.13) bis (10.15) folgt, dass die Beschleu- 1
4
nigung, die eine bestimmte Kraft hervorruft, da-
von abhängt, ob sie parallel oder senkrecht zur Die Beschleunigungskomponenten sind daher
momentanen Geschwindigkeit wirkt. Insbeson- ax D Fx =.m0 3 / D a0 = 3 D a0 =1;54I ay D
10.4 Relativistische Dynamik 785
Fy =.m0 / D a0 =1;155. Damit beträgt der Be- Gleichung (10.16) zeigt, dass die von einer äuße-
schleunigungsvektor ren Kraft an einem Massenpunkt geleistete Arbeit
0 1 zu einer Massenänderung führt. Allgemein lässt
0;650 sich zeigen, dass für alle Energieformen gilt:
B C
a D a0 @ 0;866 A I
0
Jede Energiezufuhr ist mit einer Massenzu-
er ist also nicht parallel zum Kraftvektor. nahme verknüpft.
Beispiel 10.4-2
Bei der Annihilation eines Elektrons (e) und
eines Positrons (Ce) verschwinden die beiden
Teilchen und es entsteht -Strahlung. Auf-
grund des Impulserhaltungssatzes entstehen
zwei Photonen, die in entgegengesetzter Rich-
tung ausgesandt werden. Zu berechnen sind
die Energie und die Wellenlänge jedes Pho-
tons.
Lösung
Der Impulserhaltungssatz lautet: p1 D p2
oder hf1 =c D hf2 =c und schließlich f1 D
f2 D f . Der Energieerhaltungssatz lautet
2m0 c 2 D 2hf . Dies bedeutet, dass jedes Pho- Abb. 10.7 Elektromagnetische Kraft
ton die Ruheenergie m0 c 2 des Elektrons bzw.
Positrons hat, also hf D 0;51 MeV.
nur verschiedene Spielformen desselben physi-
Die Wellenlänge beträgt D h=.m0 c/ D
kalischen Phänomens, der elektromagnetischen
2;4 1012 m. Falls das Elektron-Positron-
Wechselwirkung. Je nach Wahl des Koordinaten-
Paar bereits kinetische Energie hat, ist die
systems ist die Wechselwirkung rein elektrisch,
Photonenenergie größer als 0,51 MeV und die
rein magnetisch oder gemischt.
Wellenlänge kleiner als 2,4 pm.
Zur Illustration soll nach Abb. 10.7 die Kraft
zwischen der Ladung Q und einem Leiter be-
rechnet werden. Im System S ruht der Draht,
die Elektronen fließen mit der Geschwindigkeit
10.5 Spezielle Relativitätstheorie u nach rechts, die konventionelle Stromrichtung
in der Elektrodynamik geht nach links. Die Ladung Q bewege sich mit
der Geschwindigkeit u ebenfalls nach rechts. Der
10.5.1 Elektrodynamische Kraft Draht ist insgesamt elektrisch neutral. Aufgrund
der Lorentz-Kraft wird die Ladung Q durch das
Die elektrostatische Kraft zwischen ruhenden Magnetfeld des Stroms vom Draht abgestoßen.
Ladungen und die magnetische Kraft zwischen Das System S0 soll sich mit der Geschwin-
bewegten Ladungen erhalten eine Verknüpfung digkeit v D u längs des Leiters nach rechts
durch die Relativitätstheorie. Es lässt sich zeigen, bewegen. In S0 ruhen die Ladung Q und die Elek-
dass ein rein elektrisches Feld in einem System tronen des Leiters. Die positiven Ionen laufen
S von einem Beobachter in S0 , das sich relativ dafür nach links mit der Geschwindigkeit u0 D
zu S bewegt, als elektrisches und magnetisches u. Im Gegensatz zum System S ist in S0 der
Feld gesehen wird. Ebenso erhält ein rein magne- Draht aber elektrisch nicht neutral. Infolge der
tisches Feld durch Wechsel in ein bewegtes Ko- Längenkontraktion ist nämlich der Abstand zwi-
ordinatensystem zusätzlich ein elektrisches Feld. schen den positiven Ionen kleiner, der Abstand
Elektrische und magnetische Kräfte sind damit zwischen den negativen Elektronen größer als im
10.5 Spezielle Relativitätstheorie in der Elektrodynamik 787
System S. Dadurch wird die Ladungsdichte %0C > System S werden Photonen der Energie E D hf
%0 , der Draht ist positiv geladen. Zusätzlich zum emittiert. Im System S0 , das sich mit der Ge-
Magnetfeld entsteht ein radial nach außen gerich- schwindigkeit v vom System S entfernt, sitzt ein
tetes elektrisches Feld, das die ruhende Ladung Beobachter, der die Energie E 0 D hf 0 der Pho-
Q abstößt. tonen registriert. Werden die Photonen zunächst
Vom Standpunkt der Relativitätstheorie ist als materielle Teilchen angesehen, dann ist ihre
klar, dass zumindest bei kleinen Geschwindigkei- Energie bzw. ihr Impuls
ten (v c, 1) die Wechselwirkungskraft
unabhängig von der Wahl des Koordinatensys- in S: E D m.u/c 2 ; p D m.u/u ,
tems sein muss. Die beiden Ausdrücke für die in S’: E 0 D m.u0 /c 2 ; p 0 D m.u0 /u0 .
Kraft, die in Abb. 10.7 angegeben sind, können
also gleichgesetzt werden: Die Geschwindigkeiten transformieren sich nach
(10.9):
0 I u2 %C AQ u0 C v
Qu D 2 : uD :
2 r c 2 "0 r u0 v
1C 2
c
Mit I D %C uA ergibt sich ein Zusammen-
hang zwischen den elektrischen und magneti- Aus diesen Gleichungen folgt nach einigen Um-
schen Feldkonstanten und der Lichtgeschwindig- formungen E D .E 0 C vp 0 /. Wird jetzt speziell
keit: für Photonen E D hf , E 0 D hf 0 und p 0 D E 0 =c
1 eingesetzt, dann ergibt sich hf D hf 0 .1 C v=c/
c2 D : (10.20)
"0 0 oder für die Frequenz im System S0
r
Die rein magnetische Kraft (Lorentz-Kraft) Fmagn 0 cv
im System S ist mit der rein elektrischen Kraft Fel0 f Df : (10.22)
cCv
im System S0 verknüpft durch
Wenn sich der Beobachter der Quelle nähert,
Fel0 D Fmagn : (10.21) gilt r
0 cCv
f Df : (10.23)
cv
10.5.2 Doppler-Effekt des Lichtes
Beispiel 10.5-1
Beim Doppler-Effekt des Schalls (Abschn. 5.2.4) Ein Flugzeug fliegt mit der Geschwindigkeit
müssen mehrere Fälle unterschieden werden: Die v D 300 m=s auf einen Radarsender der
Frequenzverschiebung ist jeweils anders für den Frequenz f D 9 GHz zu. Wie groß ist die
Fall, dass der Beobachter im Übertragungsmedi- Frequenzänderung, die im Flugzeug gemessen
um Luft ruht und die Quelle bewegt wird oder wird?
dass die Quelle ruht und sich der Beobachter be-
wegt. Einstein folgerte aus dem Experiment von Lösung
Michelson und Morley, dass für Licht kein Über- Da v c ist, kann (10.23) entwickelt wer-
tragungsmedium (Äther) existiert. Dies bedeutet, den: f 0 f .1 C v=c/ D f .1 C 1 106 /. Die
dass man beim Doppler-Effekt des Lichts nicht relative Frequenzänderung beträgt f =f D
die oben erwähnten Fälle unterscheiden muss. .f 0 f /=f D f 0 =f 1 D 106 . Die ab-
Die Frequenzänderung hängt lediglich von der solute Frequenzänderung ist f D 1 kHz.
Relativgeschwindigkeit zwischen Quelle und Be-
obachter ab. Gleichungen (10.22) und (10.23) beschreiben
Eine einfache Ableitung der Doppler-Formel die Frequenzverschiebung beim longitudinalen
ist möglich mit der Lichtquantenvorstellung. Im Doppler-Effekt, bei dem der Beobachter sich
788 10 Spezielle Relativitätstheorie
längs der Lichtstrahlen bewegt. Bewegt sich der Ü 10-3 Ein Einstein-Zug der Länge l 0 D
Beobachter mit der Geschwindigkeit v senkrecht 2 106 km und der Geschwindigkeit v D 240:000
zu einem Lichtstrahl, dann wird der transversale km=s hat Türen im ersten und letzten Wagen, die
Doppler-Effekt beobachtet. In diesem Fall beträgt sich bei Lichteinfall automatisch öffnen. In der
die beobachtete Frequenz Mitte des Zuges befindet sich ein Fahrgast A. So-
r bald die Zugmitte den am Bahnsteig stehenden
v 2 Beobachter B passiert, wird im Zuginnern von A
0
f Df 1 : (10.24)
c ein Lichtsignal ausgesandt. In welchen zeitlichen
Abständen öffnen sich für A und B die Zugtü-
Dieser Ausdruck entspricht der Zeitdilatation von ren? Wie weit von A entfernt müsste eine weitere
(10.8), nach der bewegte Uhren langsamer lau- lichtgesteuerte Zugtür angebracht werden, damit
fen. In der klassischen Wellenlehre gibt es keinen der Beobachter B am Bahnsteig ein gleichzeitiges
transversalen Doppler-Effekt. Öffnen beider Türen feststellt?
Ü 1-2:
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben
a) Der wahrscheinlichste Wert der Wärmeleitfä-
higkeit berechnet sich aus den Mittelwerten
11.1.1 Einführung
der Messgrößen:
Ü 1-1: Die für die Aufgabe relevanten Gleichun- ˚N sN W
N D D 0;575 :
gen sind in Tab. 1.6 zusammengestellt. N N
aN b T2 T1 N mK
a) Der wahrscheinlichste Wert der Schwin- b) Die Standardabweichung des Mittelwerts der
gungsdauer T ist der arithmetische Mittelwert Wärmeleitfähigkeit beträgt
1 X
N
N
T D Ti D 1;2116 s : N D sN
v
N i D1 u 2
u @ N 2 @
u ˚ C Ns
b) Die minimale Fehlersumme beträgt u
u @˚ 2 @s 2
u @ @ N
X
N Duu C aN C b
F Smin D Ti2 N TN 2 D 0;007136 s2 : u
u @a @b
2
i D1 t @ N @ N 2
C T2 C T1
Daraus folgt für die Standardabweichung des @T2 @T1
Messverfahrens Die Ableitungen sind:
r
F Smin @ s
sT D D 0;0172 s : D D
N 1 @˚ ab.T2 T1 / ˚
c) Die Standardabweichung des arithmetischen 1 1
D 0;03591 m K ;
Mittelwerts beträgt
@ ˚
sT D D
sTN D TN D p D 0;00345 s : @s ab.T2 T1 / s
N 2 1
D 7;1829 W m K ;
d) Wenn eine statistische Sicherheit von 95 % @ ˚s
verlangt wird, beträgt der t-Faktor nach der D 2 D
@a a b.T2 T1 / a
Interpolationsformel von Tab. 1.7 für nW D 2 1
D 1;1493 W m K ;
N 1 D 24 Wiederholungen t0;95 D
2;08. Damit wird die Messunsicherheit uz D @ ˚s
D 2 D
TN t0;95 D 0;0072 s. Das Endergebnis lautet @b ab .T2 T1 / b
2 1
somit T0;95 D .1;2116 ˙ 0;0072/ s. D 1;1609 W m K ;
© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2016 789
E. Hering, R. Martin, M. Stohrer, Physik für Ingenieure, DOI 10.1007/978-3-662-49355-7_11
790 11 Anhang
X X X 2 sa mV
uz,a2 D t0;68 p 2 D 1;7 107 ı 2 :
D xi2 xi4 xi3 : N C
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 791
11.1.2 Mechanik 1
2
at 2 D 0;5 sm2 t 2 . Für 2 s < t < 4 s gilt
s.t/ D s0 C v0 .t t0 / D 2 m C 2 ms .t 2 s/.
Ü 2-1: Für 4 s t 5 s gilt s.t/ D s0 C v0 .t t0 / C
a) 1
a.t t0 /2 D 6 mC2 ms .t 4 s/1 sm2 .t 4 s/2 .
2
Der insgesamt zurückgelegte Weg ist s.5 s/ D
7 m. Er entspricht der Gesamtfläche unter der
v.t/-Kurve.
Ü 2-2:
a)
Grades angepasst, das folgendermaßen lau- Daraus folgt für die Zeitspanne
tet: v.t/ D 8;333 103 t 4 3;333 102 t 3 C
1;917 101 t 2 C 3;333 102 t. Durch Inte- 2s
t D D 66;5 s :
gration dieses Ausdrucks folgt für den Weg v1 C v2
s.5 s/ D 8;4 m.
b) Die Tangentialbeschleunigung ist
Ü 2-3: Die Wurfparabel für den waagrechten v v2 v1 m
Wurf entsteht durch Überlagerung einer Be- atan D D D 0;293 2 :
t t s
wegung mit konstanter Geschwindigkeit in x-
Richtung und einer Fallbewegung mit konstan- c) Mit dem in Tab. 2.1 dargestellten Zusammen-
ter Beschleunigung in y-Richtung. Entsprechend hang zwischen Tangentialbeschleunigung und
lautet! der Vektor der Beschleunigung ! a D Winkelbeschleunigung ergibt sich
0 v0 atan
, der Geschwindigkeit v D und ˛D
rad
D 1;46 104 2 :
g gt
! r s
v0 t
der Ortsvektor r D . d) Die Zentripetalbeschleunigung ist
h 12 gt 2
Die Fallzeit tF bestimmt sich aus der Forde- v2
rung, dass die y-Komponente des Ortsvektors a zp D r! 2
D :
r
null wird: y.tF / D 0 D h 2 gtF . Daraus folgt
1 2
q Damit wird
tF D 2h g D 0;391 s.
In dieser Zeit wurde in x-Richtung der Weg v2 m
azp;1 D 1 D 0;0347 2 und
s D 0;40 m D v0 tF zurück gelegt. Dies ergibt die r s
Geschwindigkeit v0 D 1;02 m=s. v22 m
azp;2 D D 0;386 2 :
r s
Ü 2-4: Im Fall konstanter Winkelbeschleuni-
gung (-verzögerung, ˛ < 0) gilt für die Win- Ü 2-6:
kelgeschwindigkeit !.t/ D !0 C ˛t und für a) Die Winkelgeschwindigkeit folgt aus der Pe-
den Drehwinkel '.t/ D !0 t C 12 ˛t 2 . Am Ende riodendauer gemäß
des Bremsvorganges (Zeitpunkt tf / gilt !.tf / D 2 rad
0 D !0 C ˛tf und N 2 D !0 tf C 12 ˛tf2 . Die !E D D 7;29 105 :
TE s
Auflösung der beiden Gleichungen für die beiden
Unbekannten ˛ und tf liefert b) Der Vektor !E verläuft parallel zur Erdachse
(Drehachse) von Süden nach Norden.
!02 n20 rad c) Die Umfangsgeschwindigkeit ist das Produkt
a) ˛ D D D 34;2 2 und
4N N s aus Winkelgeschwindigkeit und Abstand r
!0 2N
b) tf D D D 4;29 s. von der Drehachse:
˛ n0
Ü 2-5: v D r! D R! cos ' :
a) Bei gleichmäßiger Beschleunigung wächst
die Geschwindigkeit mit der Zeit linear an: Für den Äquator gilt v.0/ D 465 m=s. In
v.t/ D v1 C at und v2 D v1 C at. Der Stuttgart ist v.48ı 410 / D 307 m=s.
zurück gelegte Weg s in der Zeit t kann d) Die Zentripetalbeschleunigung ist
am einfachsten aus der mittleren Geschwin-
azp D r! 2 D R! 2 cos ' :
digkeit berechnet werden:
v1 C v2 Am Äquator gilt azp .0/ D 0;0339 m=s2 , in
s D vt
N D t : Stuttgart azp .48ı 410 / D 0;0224 m=s2 .
2
794 11 Anhang
Der Betrag der Kraft ist nach oben erforderlich. Diese wird aufge-
p bracht von der resultierenden Kraft aus Ge-
F3 D jF3 j D 4 C 25 N D 5;39 N : wichtskraft nach unten und Bodenkraft nach
oben:
Sie weist in den dritten Quadranten des Koordi-
natensystems. Der Winkel zur positiven x-Achse
Fres D FBoden mM g D mM am :
beträgt
Die mittlere Kraft in den Beinen ist die Ge-
5
' D arctan D 68;2ı C 180ı D 248;2ı : genkraft zur Bodenkraft. Also gilt
2
Ü 2-11:
a) Im reibungsfreien Fall und ohne Berücksich- h
Fm D mM .g C am / D mM g C a
tigung der Seiltrommel und der Seilmasse s
gelten die Ausführungen von Ü 2-7. Damit ist D 4802 N :
die Beschleunigung
mA C mM mG m Dies ist das 6;5-fache seiner Gewichtskraft.
aD g D 0;723 2 :
mA C mM C mG s
Ü 2-12: Die Resultierende aus Seil- und Ge-
b) Am Mitfahrer greifen zwei Kräfte an: die Ge- wichtskraft beschleunigt die Last nach oben:
wichtskraft nach unten und die Kraft vom Fres D FSeil FG D ma. Damit ist die Beschleu-
Kabinenboden auf seine Beine nach oben. nigung
Die resultierende Kraft ist verantwortlich für
die Beschleunigung des Mitfahrers. Also gilt FSeil FG
aD :
nach Newton: m
FC
aC D D 2 g !E cos " t
m
1
xD g!E cos "t 3 :
Ü 2-14: Die Coriolis-Beschleunigung ist aC D 3
2!E v0 ; dabei ist !E die Winkelgeschwindigkeit
Der Ortsvektor der Bahnkurve lautet somit
der Erde und v0 die Geschwindigkeit des Flug-
zeugs relativ zur Erde. !
1
g !E cos "t 3
Flug nach Norden: v0 hat die Richtung ei- r.t/ D 3 :
nes Meridians. Die Coriolis-Beschleunigung aC h 12 g t 2
weist damit nach Westen. Der Betrag ist aC D
2!E v 0 sin ". Dieser Fall ist in Abb. 2.24 darge- Am Ende des freien Falls ist die Ablenkung
stellt.
1
Flug nach Süden: aC weist in Richtung Osten, x.tF / D g !E cos "tF3 5 mm
der Betrag ist wieder aC D 2!E v 0 sin ". 3
Flug nach Osten: !E und v0 stehen senkrecht mit der Fallzeit
aufeinander. Der Vektor aC weist ins Erdinnere,
s
er steht senkrecht auf der Erdachse. Der Betrag 2h
ist aC D 2!E v 0 . tF D D 3;19 s :
g
Flug nach Westen: !E und v0 stehen senkrecht
aufeinander. Der Vektor aC steht senkrecht auf
der Erdachse und weist nach außen. Der Betrag
ist wieder aC D 2!E v 0 .
Ü 2-15:
a) Das Lot hängt in Richtung g eff (Abb. 2.23).
Für den Winkel ˇ zwischen g eff und g gilt
nach dem Sinus-Satz
sin ˇ sin "
D :
azf geff
Damit ist
azf rE !E2
sin ˇ D sin " D cos " sin "
geff geff
und ˇ D 0;0975ı .
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 797
Ü 2-16: Die Kräfte F1 und F2 , die von den bei- Für den Betrag gilt
den benachbarten Gliedern auf das betrachtete p
Kettenglied ausgeübt werden, verlaufen tangen- p D m v 3 D 24;06 103 N s :
tial zum Kreis (Abb. 2.25). Die Zentrifugalkraft
greift am Schwerpunkt des Kettenglieds an und Der Winkel bezüglich der x-Achse ist
zieht radial nach außen. Nach D ’A LEMBERT be-
p !
steht Gleichgewicht, wenn die Vektorsumme aus 3
F1 und F2 sowie der Zentrifugalkraft Fzf null ist: ' D arctan C 180ı D 150ı :
3
F1 CF2 CFzf D 0. Nach Abb. 2.25 bedeutet dies,
dass die drei Kräfte ein geschlossenes Krafteck
bilden müssen.
Der Winkel ˇ zwischen den Kräften F1 und
F2 ergibt sich aus der Kettengeometrie. Aus der
Ähnlichkeit der Dreiecke folgt
d Fzf
D oder
R F1
R R2
F1 D F2 D Fzf D m.2 n/2 D 574 N :
d d
Ü 2-17:
a) Die Impulsänderung entspricht nach (2.46)
dem Zeitintegral der Kraft oder der mittle-
ren Kraft multipliziert mit der Zeitdauer der
Ü 2-19: Wenn der Koordinatennullpunkt in den
Einwirkung. Damit ist der Impuls am Ende
Mittelpunkt der Erde gelegt wird, gilt nach (2.51)
der Kontaktzeit p D F t D 0;5 N s. Die Ge-
für den Ortsvektor des Schwerpunkts
schwindigkeit ist v D p=m D 0;25 m=s.
b) Die mittlere Beschleunigung ist am D v=t D mM
50 m=s2 . rS D r E; M :
m CmE M
Ü 2-18: Das Auto fährt einen Drittelskreis um Der Schwerpunkt liegt also auf der Verbindungs-
den Mittelpunkt M. Die Geschwindigkeit zu Be- linie der Schwerpunkte von Erde und Mond. Sein
ginn der Kurvenfahrt sei Abstand vom Erdmittelpunkt ist
!
1 mM
v1 D v ; RS D RE; M D 0;01215 RE; M
0 mE C mM
D 4617 km :
am Ende der Kurvenfahrt
! !
cos 120ı 1=2 Der gemeinsame Schwerpunkt liegt mit RS D
v2 D v D v p : 4617 km D 0;725RE also noch innerhalb der
sin 120ı 3=2
Erdkugel.
Die Impulsänderung ist
Ü 2-20: Unter der Voraussetzung, dass der Uran-
p D p 2 p1 D m .v2 v1 / Kern vor dem Zerfall in Ruhe ist, ist der Ge-
! samtimpuls des Systems null. In Abwesenheit
3=2
D mv p : äußerer Kräfte gilt der Impulserhaltungssatz, d. h.
3=2 es muss gelten: p Th C p ˛ D p U D 0 oder
798 11 Anhang
p Th D p ˛ . Für die Geschwindigkeiten ergibt d) Die kinetische Energie beträgt vor dem Auf-
sich damit vTh mTh D v˛ m˛ oder prall Ekin, 0 D 12 mv02 und nach dem Aufprall
m˛ 4 1 2 1
vTh D v˛ D v˛ : Ekin, 1 D mv D mv02 0;9 :
mTh 234 2 1 2
Der Betrag der Geschwindigkeit ist Der Verlust an mechanischer Energie ist da-
mit
m
vTh D 2;4 105 : 1 2
s Ev D Ekin, 0 Ekin, 1 D mv .1 0;9/
2 0
Ü 2-21: Bei einem Start auf der Erdoberflä- D 0;1 Ekin, 0 :
che gilt für die Brennschluss-Geschwindigkeit
näherungsweise (Vernachlässigung der Höhen- Es wurde demnach
abhängigkeit von g sowie des Luftwiderstands)
Ev
nach (2.60) f D D 10 %
Ekin, 0
mleer C mT
v.tB / D vrel ln g0 tB : in nicht mechanische Energieformen umge-
mleer
setzt.
Die Masse des erforderlichen Treibstoffes wird
damit
v.tB / C g0 tB
mT D mleer exp 1
vrel
D 19;6 103 kg D 19;6 t :
und
FC 5;5 m Fy 3 m D 0
oder
F 3
FC D p D 192;8 N :
5;5 2
Damit wird
F
FA; y D p FC D 160;7 N :
2
b) Die Fadenkraft über dem Körper 1 ist oder nach trigonometrischer Umformung
Über dem Körper 2 ist die Fadenkraft Die Sinusfunktion des doppelten Winkels ist null
für die Winkel # D 0 und 90ı , sie ist maximal
FF;2 D m2 .g a/ D 13;97 N : für # D 45ı .
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 803
Nach dem Drehimpulssatz (2.111), gilt für das Die Beschleunigung des Schwerpunkts ent-
Drehmoment, das die Lager aufbringen muss spricht der Tangentialbeschleunigung auf ei-
0 1 nem Kreis und beträgt nach Tab. 2.1
sin !t
dL B C l 3 m
M .t/ D D mr 2 ! 2 sin 2# @ cos !t A : aS D ˛ D g D 7;36 2 :
dt 2 4 s
0
jM j D mr 2 ! 2 sin 2# :
804 11 Anhang
b) Am Stab greifen zwei Kräfte an: die Ge- Die kinetische Energie wurde hierbei als reine
wichtskraft im Schwerpunkt S und die La- Rotationsenergie bezüglich L angesetzt. Für
gerkraft im Lager L. Nach dem Schwerpunkt- die Winkelgeschwindigkeit folgt
satz (2.52), ist es unerheblich, wo die äußeren r
Kräfte Fa angreifen. Der Schwerpunkt wird 3g rad
!D D 4;04 :
auf jeden Fall beschleunigt gemäß l s
Fa D FG C FL D maS : Ü 2-38:
a) Die Beschleunigung ist konstant, so dass das
Für die Beträge gilt Weg-Zeit-Gesetz s D 12 at 2 (Abb. 2.6) gilt.
Daraus folgt die Beschleunigung
3
mg FL D m g und 2s m
4 aD D 1;45 2 :
1 t2 s
FL D mg D 3;43 N :
4 Die Winkelbeschleunigung des abrollenden
Lösungsvariante: Rades ist ˛ D ar .
Das Grundgesetz der Drehbewegungen an- Wendet man das Grundgesetz der Drehbewe-
gewandt auf den Schwerpunkt lautet MS D gungen M D J ˛ (Tab. 2.6) auf den Momen-
JS ˛. Nun ist MS D FL 2l und JS D 12 1
ml 2 . tanpol P an, so ergibt sich
Mit dem bereits bekannten Wert für die
Winkelbeschleunigung ˛ D 32 gl ergibt sich MP D mgr sin ˇ D JP ˛ und damit
FL 2l D 12
1
ml 2 32 gl oder FL D 14 mg. JP D
mgr sin ˇ
:
c) Die gesuchte Winkelgeschwindigkeit ergibt a=r
sich aus dem Energieerhaltungssatz. Wird der
Nullpunkt der potenziellen Energie willkür-
lich in den tiefsten Punkt des Schwerpunktes
gelegt (s. Skizze), dann gilt Epot;1 D Ekin;2
oder
l 1 1 1 2
mg D JL ! D 2
ml ! 2 :
2 2 2 3
mgr 2 sin ˇ
JS D mr 2
a
g sin ˇ
D mr 2 1 D 0;601 kg m2 :
a
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 805
b) Die Winkelbeschleunigung des Rades wird Mithilfe von (1) ergibt sich für die Endge-
verursacht durch ein Drehmoment, das die schwindigkeit
Haftreibungskraft am Umfang des Rades er-
zeugt. Bezüglich Schwerpunkt S gilt MS D !0 r
vf D v.tf / D mr 2
FR r D JS ˛. 1C JS
Die Haftreibungskraft beträgt FR H FN D 2 n0 r m
H mg cos ˇ (Abb. 2.20). Damit ist der erfor- D mr 2
D 17;6 :
1C JS
s
derliche Haftreibungskoeffizient
Ü 2-39:
a) Die beschleunigende Kraft ist die Reibungs-
kraft FR D mg zwischen Rad und Fuß-
boden. Sie bewirkt eine konstante Beschleu-
nigung a D FmR D g. Damit steigt die
Geschwindigkeit des Rades linear mit der Zeit
an:
v.t/ D at D g t : (1)
Bezüglich des Mittelpunkts S bewirkt die
Reibungskraft ein konstantes Bremsmoment
MS D FR r D mgr, das die Winkelbe-
schleunigung ˛ D M S
JS
D mgr
JS
zur Folge hat.
Die Winkelgeschwindigkeit des Rades wird
dadurch zeitlich mit einer linearen Funktion
verringert:
mgr
!.t/ D !0 ˛t D !0 t (2)
JS
Schwerpunkt sowie dem Bahndrehimpuls des Ü 2-40: Bezüglich Aufhängepunkt A wirkt das
Schwerpunkts, in dem die Gesamtmasse ver- Drehmoment der Gewichtskraft M D mgl sin #.
einigt ist: Der Vektor M steht senkrecht auf der Zeichen-
ebene und weist in dieselbe hinein. Aufgrund des
L D LS C mr vS : Drehmomentes ändert sich die Horizontalkompo-
Vor dem Aufsetzen gilt L D LS D JS !0 . nente LH D L sin # des Drehimpulses L in der
Nach Ablauf des Rutschvorgangs gilt L D Zeitspanne dt um dLH D M dt.
JS !f C mrvf . Wie in Abb. 2.68c dargestellt ist, dreht sich da-
Mit der Abrollbedingung v D !r folgt durch der Vektor LH um den Winkel
vf M dt
JS !0 D JS C mrvf d' D :
r L sin #
und daraus
Die Winkelgeschwindigkeit der Präzession
r!0 wird damit
vf D JS D mr 2
:
1C JS
d' mgl sin # mgl
!P D D D ;
dt L sin # L
bzw. zum Mond erfährt, sollen gleich sein: b) Schreibt man die Gleichgewichtsbedingung
als
m mE m mM
G DG :
r02 .rE;M r0 /2 m mE
G D m.rE C h/! 2
.rE C h/2
Aus dieser Bedingung folgt eine quadratische
4 2
Gleichung für den gesuchten Abstand: D m.rE C h/ 2 ;
T
mM
r0 1
2
2rE;M r0 C rE;M
2
D0: so folgt für die Umlaufzeit
mE
s
Die Lösung dieser Gleichung liefert .rE C h/3
T D 2 D 6299 s
rE;M GmE
r0 D q :
1 ˙ mmME D 1 h 45 min :
Vernachlässigt man v02 (v02 v 2 ), dann wird Dann ist die Zentrifugalkraft
die spezifische Arbeit
l
Fzf D mrS ! 2 D m .2 n/2 D 2 2 Al 2 %n2 :
W 1 1 1 2
wD D v 2 GmE
m 2 rE C h rE
Die Zugspannung an der Einspannstelle wird da-
J J
D 27;04 106 C 8;49 106 mit
kg kg
MJ Fzf
D 35;5 : D D 2 2 l 2 %n2 :
kg A
d) Der größte Teil der aufzuwendenden Arbeit Mit der gegebenen Zugfestigkeit 3 Rm und der
entfällt auf die kinetische Energie. Der Bruch- Dichte von Stahl % D 7850 kg=m folgt für die
teil ist maximale Drehzahl
s
Wkin 27 MJ=kg 1 Rm
f D D D 76 % : nmax D D 35;9 s1 D 2156 min1 :
W 35;5 MJ=kg l% 2%
Ü 2-44: Die gesuchte Geschwindigkeit folgt aus Mit diesem Ergebnis kann der Vollständig-
dem Energieerhaltungssatz. Wird die potenzielle keit halber die Zentrifugalbeschleunigung des
Energie nach (2.141) angesetzt, dann ist sie zu Schwerpunkts berechnet werden:
Beginn der Bewegung null (r ! 1). Die kine-
tische Energie ist ebenfalls null (v ! 0). Damit azf D rS ! 2 D l .2 n/2 D 38:160 m D 3890g :
gilt: 2 s2
Daraus folgt, dass die Stabachse tatsächlich senk-
0 D Epot .r/ C Ekin .r/ recht auf der Drehachse steht. Die Abweichung
mM mS 1 infolge der Wirkung der Gewichtskraft ist nur
D G C mM v 2 :
r 2 0;014ı .
Die Geschwindigkeit
q ergibt sich daraus zu
v.r/ D 2GmS
r
.
Für die verschiedenen Fälle sind die Ergebnis-
se:
q
a) v.rSE / D 2Gm rSE D 42;2 s ,
S km
p Ü 2-47:
b) v 12 rSE D 2v.rSE / D 59;7 km s , a) Das Hooke’sche Gesetz (2.150), in der Spra-
q
c) v.rS / D 2Gm S
D 619 km . che der Festigkeitslehre, lautet D E".
rS s F 4
Nun ist die Spannung D FA D d 2 und
Ü 2-51: Die Oberflächenenergie vergrößert sich Ü 2-53: Unter der Annahme, dass die Strömung
mit Vergrößerung der Oberfläche gemäß (2.190) ideal ist, gilt mit der Gleichung von Bernoul-
um li, (2.201),
W D A D .AT AW / : 1 1
p1 C %v12 D p2 C %v22 oder
2 2
Die Oberfläche des Tropfens vor dem Zerstäuben 1 2
ist AW D 4 rW 2
. p2 D p1 C % v1 v22 :
2
Das Volumen V D 43 rW 3
des Tropfens bleibt
beim Zerstäuben unverändert. Dabei beziehen sich die Größen mit Index 1 auf
Ist N die Zahl der erzeugten Tröpfchen, dann den weiten und jene mit Index 2 auf den vereng-
gilt ten Teil des Rohres.
Mithilfe der Kontinuitätsgleichung, (2.200),
4 3 4 3 wird
r D N rT oder
3 W 3 2
3 A1 d1
rW v2 D v1 D v1 :
N D D 10 :
12
A d2
rT 2
Die Oberfläche von N Tröpfchen mit Radius Damit ergibt sich der gesuchte Druck
rT ist AT D N 4 rT2 . " 4 #
Damit steigt die Oberflächenenergie um 1 2 d1
p2 D p1 C %v1 1 D 2;63 bar :
2 d2
W D N 4 rT 4 rW :
2 2
Ü 2-54:
Die relative Zunahme beträgt a) Wenn die Reibung nicht berücksichtigt wird,
2 gilt das Ausflussgesetz von Torricelli, (2.209):
W N 4 rT2 4 rW2
rT
D 2
D N 1 p
WW 4 rW rW v D 2g.h h0 / :
rW
D 1 D 104 :
rT Der Volumenstrom ist damit
Die Oberflächenenergie steigt also um das 104 - d 2 p
fache an. Videal D Av D 2g.h h0 /
4
l m3
Ü 2-52: Nach (2.208) ist der Volumenstrom D 2;77 10 :
s h
beim Venturi-Rohr für ˛" D 1
v b) Im Realfall beträgt nach (2.211) die Ausfluss-
u
P u 2p zahl D '˛ D 0;795. Der Volumenstrom
V D AV u 2 :
t reduziert sich somit auf
% 1 AR AV
l m3
Vreal D Videal D 2;20 8 :
Daraus folgt für den Druckunterschied s h
(s. Abb. 2.110)
c) Wenn zwischen Behälter und Außenwelt
2
ein Überdruck p vorliegt, dann folgt aus
VP 2 % 1 AVR A
der Bernoulli-Gleichung für die Ausströmge-
p D
2AV 2 schwindigkeit
!2 " 4 # s
VP 2 dV
D 8% 1 D 70 Pa : p 0 / D 21;9
m
dV 2 dR v D 2 C g.h h :
% s
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 811
Ü 2-59: Beim Segelflugzeug wird im Gleitflug Bei Rohrströmungen gilt nach (2.246)
die Gewichtskraft FG kompensiert durch die Re-
sultierende F0 aus Auftriebskraft FA und Wider- dv%
Re D :
standskraft FW . Damit gilt für die Beträge:
cA D
2FA
D 0;622 : 8l VP 8lv R2 8lv
%v 2 A pV D 4
D 4
D D 21;5 kPa :
R R R2
Die Widerstandskraft beträgt FW D F0 sin ˇ D
273 N.
Nach (2.242) ist damit der Widerstandsbei-
wert
2FW
cW D 2 D 0;0874 :
%v A
cW 1
"D D tan ˇ D 0;14 D :
cA 7;1
gilt Herleitung:
Fläche: A D d 2 ,
1 2 1 2 4
p1 C %v1 C %gh1 D p2 C %v2 C %gh2 dA
2 2 Änderung der Fläche: D 2d und damit
dd 4
C pV : A D 4 2dd .
A
Die Drücke p1 und p2 sind gleich dem Atmo- Die relative Flächenänderung ist D
A
sphärendruck, v1 ist bei großem Gefäßdurchmes- d
2 D 2˛T .
ser vernachlässigbar. Damit gilt für die erforder- d
liche Höhe: Mit ˛ D 11;1 106 K1 aus Tab. 3.4 ergibt
sich
1
%v 2
C pV
hD 2 D 2;38 m : A D 2˛AT D 1908 mm2 :
%g
Ü 3-5: In Anlehnung an (3.18) beträgt die indi- Ü 3-9: Die Schallgeschwindigkeit ist proportio-
viduelle Gaskonstante am gegebenen Zustand nal zur
p Wurzel aus der absoluten Temperatur:
c T. q
p pv J Damit gilt cc21 D TT21 .
Ri D D D 457 :
T% T kg K Wenn die Grundfrequenz der Pfeife pro-
portional ist zur Schallgeschwindigkeit (Ab-
Ü 3-6: Aus der allgemeinen Zustandsgleichung
schn. 5.2.6.2), dann gilt auch für die Frequenzen
idealer Gase, (3.19) folgt die Masse:
s s
pV f2 T 2 T2
mD : D oder f2 D f1 D 428;6 Hz :
Ri T f1 T1 T1
Die individuelle Gaskonstante von Luft ist gemäß Ü 3-10: Die Wahrscheinlichkeit für das Auf-
Beispiel 3.1-3 Ri D 286;9 J=.kg K/. Damit ergibt treten von Geschwindigkeiten zwischen v1 D
sich m 2;4 kg. 1000 m=s und v2 D 1100 m=s ist nach (3.34)
Damit ist die gesamte kinetische Energie aller Die gesuchte Wahrscheinlichkeit beträgt damit
Atome
N
f .v/v D 6;78 103 :
3 pn V 3
Ekin, ges D N EN kin D kTn D pn V
2 kTn 2 Im Gefäß befinden sich N D pkTnV
D 2;45 1022
D 152 J : Moleküle. Damit wird die Zahl der Moleküle, die
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 815
kJ
Die spezifische Wärmekapazität bei T2 D 20 K
0;386 kgK . folgt aus der gegebenen molaren Wärmekapazität
Damit ergibt sich CK D 182 J=K. gemäß (3.4) zu
Damit wird die aufgenommene Wärme d) Bei einer beliebigen Zustandsänderung sind
Q23 D 1;65 MJ. die Prozessgrößen Q und W sowie die
Zustandsgröße U über den ersten Haupt-
Im p; V -Diagramm haben die Zustandsände- satz, (3.48), verknüpft:
rungen folgenden Verlauf:
U D U2 U1 D Q12 C W12 :
CmV .T2 T1 / :
ZV2 ZV2 3
dV Q12 D U W12 D p1 V1 D 150 J :
W12 D p.V / dV D p1 V12 2
V2
V1 V1 Im p; V -Diagramm haben die Zustandsände-
1 1 rungen folgenden Verlauf:
D p1 V12 D p1 V1 D 100 J :
V2 V1
Ü 3-19: Eine Zustandsänderung, die im p; V - Die molare isochore Wärmekapazität ist nach
Diagramm längs einer Geraden verläuft, lässt Tab. 3.8 CmV D 20;43 molK J
. Rechnet man
sich beispielsweise realisieren durch eine Anord- idealisierend nach (3.56) CmV D f2 Rm , mit
nung, bei welcher der Gasdruck auf den Kolben f D 5 Freiheitsgraden, so ergibt sich
durch eine gespannte Feder kompensiert wird.
U D 1000 J :
Ü 3-20:
a) Die Stoffmenge des Gases ist nach der
a) Die Temperaturen ergeben sich aus der
allgemeinen Zustandsgleichung idealer Ga-
allgemeinen Zustandsgleichung idealer Ga-
se, (3.20):
se, (3.20):
p1 V1
D D 0;08206 mol : p1 V1
Rm T1 T1 D D 301 K ;
Rm
p2 V2
T2 D D 401 K ;
Rm
p3 V3
T3 D D 601 K :
Rm
U D U2 U1 D CmV .T2 T1 / :
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 819
c) Wärme wird zugeführt bei der isochoren Er- b) Bei einem Carnot-Prozess wäre die Leis-
wärmung 1 ! 2 sowie bei der isobaren tungszahl nach (3.82)
Erwärmung (Expansion) 2 ! 3. Nach (3.63)
und (3.64) gilt T3
"W; C D D 6;36
T3 T1
Q12 D CmV .T2 T1 / und
und die erforderliche Motorleistung lediglich
Q23 D Cmp .T3 T2 / :
P D 2;36 kW.
Die molaren Wärmekapazitäten sind nach Ü 3-22:
Tab. 3.7 für Moleküle mit f D 5 Freiheits- a) Der Wirkungsgrad des idealen Stirling-Pro-
graden zesses entspricht jenem des Carnot-Prozesses
und ist nach (3.80)
5 J
CmV D Rm D 20;79 und
2 mol K T1
7 J "K;C D D 0;345 :
Cmp D Rm D 29;1 : T3 T1
2 mol K
jW j
th D D 5;27 % :
Qzu
Bei einer Drehzahl von n D 1400 min1 ist a) Im Falle der isobaren Zustandsänderung gilt
die zugeführte Wärmeleistung (d. h. die dem (s. auch (3.87))
Kühlgut entzogene Kälteleistung)
ıQ D Cmp dT und
QP zu D Qzu n D 4;08 kW :
ZT1
dT T1
c) Die Leistung des Antriebsmotors ist nach S D Cmp D Cmp ln :
(3.79) T Tn
Tn
QP zu
P D D 11;8 kW :
"K Die Stoffmenge folgt aus der allgemeinen
d) Nach dem Energieflussdiagramm von Zustandsgleichung idealer Gase, (3.20):
Abb. 3.26 wird die Summe der zugeführten
pn Vn
Leistungen bei hoher Temperatur abgegeben. D D 0;0446 mol :
Damit ist R m Tn
ˇ ˇ
ˇQP ab ˇ D QP zu C P D 15;9 kW : Die isobare molare Wärmekapazität von N2
ist nach Tab. 3.8
Ü 3-23: Ein Perpetuum Mobile 2. Art könnte
Wärme aus dem Meerwasser aufnehmen, ohne J
Cmp D 29;1 :
zugleich Wärme an ein kälteres Wärmebad ab- mol K
zugeben. Wenn die Masse m an Meerwasser um
Damit ergibt sich die Entropieänderung
die Temperatur T abgekühlt würde, dann wäre
die frei werdende Energie
S D 0;785 J=K :
Q D cmT :
b) Im Falle der isochoren Zustandsänderung er-
Mit c D 4;17 kgKkJ
ergibt sich Q D 5;8 1024 J. gibt sich (siehe (3.86))
Diese Energie würde 3;4 1011 s oder etwa
10:800 Jahre reichen. T1 J
S D CmV ln D 0;560 :
Tn K
Ü 3-24: Die Entropieänderung ist nach (3.85)
Ü 3-25: Der Stirling-Prozess verläuft zwischen
ZT1 Isothermen und Isochoren (Abb. 3.28). Isother-
ıQrev
S D S1 Sn D : men sind im T; S-Diagramm natürlich waagrech-
T
Tn te Geraden. Bei einer isochoren Zustandsände-
Beide Wege sind im Prinzip reversibel führbar. rung gilt nach (3.86) für die Entropie
T
S.T / D S0 C CmV ln ;
T0
ZTm
dT Tm
S1 D mc D mc ln ;
T T1
T1
beim Abkühlen
Beim gezeichneten T; S-Diagramm wurde
willkürlich die Entropie des Zustandes 2 auf Null Tm
S2 D mc ln :
gesetzt: S2 D 0. T2
Die Flächen unter den beiden Exponential- Damit ist die komplette Entropieänderung
funktionen sind gleich, nämlich
Z Tm Tm
S D mc ln C ln :
T .S/ dS D Q D CmV .T3 T1 / : T1 T2
Mit der Wärmekapazität c D 0;384 kJ=.kg K/
Sie stellen die Wärme dar, die intern bei der iso- für Kupfer ergibt sich S D 0;447 J=K. Die
choren Abkühlung gespeichert und anschließend Entropieänderung ist positiv. Der Vorgang des
bei der isochoren Erwärmung wieder zugeführt Temperaturausgleichs ist daher irreversibel.
wird. Damit verbleiben für den Wärmeaustausch b) Die Entropie ist mit der thermodynamischen
mit der Umgebung nur noch die schraffierten Wahrscheinlichkeit verknüpft nach (3.93):
Flächen unter den Geradenstücken. Diese sind S D k ln W .
aber flächengleich mit den Rechteckflächen des Also gilt S1 D k ln W1 und S2 D k ln W2 ,
Carnot-Prozesses von Abb. 3.37. Daraus folgt, sowie S D S2 S1 D k.ln W2 ln W1 / D
dass der ideale Stirling-Prozess den gleichen Wir- k ln W2
W1
.
kungsgrad besitzt wie der Carnot-Prozess. Das Wahrscheinlichkeitsverhältnis mit dem
die beiden Zustände realisiert werden ist da-
Ü 3-26: mit
a) Beim Kontakt entsteht eine Temperatur, die W2 22
dem Mittelwert der beiden Temperaturen ent- D eS=k D e3;2410 oder
W1
spricht (Abschn. 3.3.1, Kaloriemetrie):
W1
D e3;2410 D 101;410 :
22 22
T1 C T2 W2
Tm D D 293;15 K :
2 Das bedeutet, dass die Einstellung des Origi-
nalzustands um den Faktor 101;410 unwahr-
22
Die Grashofzahl ist nach Tab. 3.13, (3.158) Bei einer Scheibenfläche von A D 1 m2 ist der
Wärmestrom infolge Leitung
gT L3
Gr D :
2 QP L D 22 W :
Die erforderlichen Stoffwerte sind in Tab. 3.15 Der Wärmestrom infolge Konvektion wird ana-
zusammengestellt. Für Luft von 20 ı C gilt: D log zu Ü 3-27 berechnet. Hier ergibt sich:
3;421 103 K1 und D 15;35 106 m2 =s.
Die Temperaturdifferenz ist T D TO TL D Grashofzahl: Gr D 1;972 109 ,
20 K. Prandtlzahl: Pr D 0;718,
Die charakteristische Länge L entspricht der Nußeltzahl: Nu D 145,
Höhe h D 0;6 m des Heizkörpers.
Mit diesen Daten ergibt sich für die Grashof- Wärmeübergangskoeffizient ˛K D 3;5 mW
2 K .
zahl Damit wird die Wärmestromdichte infolge
Gr D 6;153 108 Konvektion
W
jq;K D ˛K T D 35 2
Die Prandtlzahl ist nach (4) in Tab. 3.13 m
QS; bedampft D 4 W :
Qges, bedampft D 61 W :
Dieser Wärmestrom muss auch durch die
Die prozentuale Reduktion ist Wärmedämmung fließen. Nach (3.131) gilt hier-
für
QP ges, normal QP ges, bedampft
D 36 % : #O #Gr
QP ges, normal QP D 1 A :
s1
Nach der Bedampfung erhöht sich der Wärme- Durch Gleichsetzen der beiden Beziehungen
durchlasswiderstand der Scheibe auf folgt
A T m2 K 1
Rbedampft D D 0;164 : U2 .#O #L / D .#O #Gr / oder
QP ges, bedampft W s
1
1
U2 #O C U2 #L
Ü 3-29: Der Wärmedurchgangskoeffizient U #Gr D
s1
D 25;1 ı C :
(DIN EN ISO 6946) des Daches beträgt nach 1
s1
(3.190)
1 Im Winter ist die Außentemperatur #a D 15 ı C.
U1 D 1 :
˛
C 1 C 2 C 3 C ˛
s1 s2 s3 1 Damit ist der Wärmestrom durch die Decke
a i
QP D U1 A.#L #a / :
Mit den angegebenen Werten ergibt sich U1 D
0;57 mW
2 K . Die Oberflächentemperatur der Dachhaut be-
Die Temperatur #Gr an der Grenzschicht zwi- stimmt sich aus
schen Wärmedämmung und Betondecke kann
berechnet werden, wenn der Wärmestrom durch QP D ˛a A.#O #a / :
die Decke bekannt ist.
Im Sommer ist die Oberflächentemperatur Durch Gleichsetzen der Wärmeströme folgt
ı
#O D 60 C direkt gegeben. Das bedeutet, dass
U1 .#L #a / D ˛a .#O #a /
der Wärmeübergang von der Außenluft auf die
Dachhaut nicht betrachtet werden muss. Der U - und für die Oberflächentemperatur
Wert beträgt in diesem Fall
U1 .#L #a / C ˛a #a
#O D D 14;3 ı C :
1 W ˛a
U2 D s1 D 0;581 2 :
1
C s22 C s33 C ˛1 m K
i Damit wird die Temperatur an der Grenzfläche
wie bereits oben abgeleitet
Der Wärmestrom durch die Decke ist
nach (3.178) 1
U #O C U2 #L
s1 2
#Gr D D 15;6 ı C :
P
Q D U2 A.#O #L / :
1
s1
824 11 Anhang
Der Temperaturunterschied an der Grenzfläche Aus diesen beiden Gleichungen lassen sich die
zwischen Sommer und Winter beträgt somit Temperaturen auf der Oberfläche der Haut und
T D 9;5 K. der Kleidung berechnen:
Für die Wärmestromdichten gelten folgende Be- 11.1.4 Elektrizität und Magnetismus
ziehungen nach (3.142):
Ü 4-1: Zur Lösung werden die Kirchhoff’schen
Im Gewebe: jG D RG .#K #H /,
1 Gesetze verwendet. Die Maschenregel, (4.25), er-
in der Kleidung: jKl D RKl .#H #Kl /
1 gibt, angewandt auf
1 1
.#K #H / D .#H #Kl / (1)
RG RKl
und
1
.#H #Kl / D ˛S .#Kl #U / C
RKl
C ˛K .#Kl #Li / : (2)
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 825
Eliminiert man beispielsweise mithilfe von (4) Ü 4-2: Zur Auswahl eines geeigneten Materials
den Strom I1a in (2), so ergibt sich wird der spezifische Widerstand berechnet. Der
Widerstand des Heizdrahtes ist nach (4.13)
6I2a C 10I2M 3I1M D 0 l 4l
oder RD% D% 2 :
A d
3I1M 10I2M Nach dem Ohm’schen Gesetz, (4.19), gilt R D UI
I2a D :
6 und somit
Dies eliminiert I2a in (3): d 2 U mm2
%D D 0;271
4lI m
8 5
.3I1M 10I2M / C 5I3M 4I2M D 0 D 2;71 10 cm :
6
oder Ü 4-3: Der Winkel ˇ, den der Faden relativ zum
Lot einnimmt, wird bestimmt aus sin ˇ D 2ls D
80
4I1M 4 C I2M C 5I3M D 0 : 0;167. Damit ist ˇ D 9;59ı .
6
Im Gleichgewicht zeigt die Resultierende aus
Damit verbleiben drei Gleichungen für drei Un- elektrischer Abstoßungskraft Fel und Gewichts-
bekannte kraft FG in Fadenrichtung. Damit gilt für den
Winkel ˇ:
U
3I1M 5I3M D Fel
tan ˇ D oder
52 FG
4I1M I2M C 5I3M D 0
3 Fel D mg tan ˇ D 3;32 103 N:
I1M C I2M C I3M D 0 ;
Die Coulomb’sche Abstoßungskraft ist nach (4.2)
die nach den gängigen Regeln der linearen Alge- 1 Q2
bra gelöst werden. Fel D :
4 "0 s 2
Es ergibt sich:
Daraus folgt die gesuchte Ladung:
p
I1M D 1;286 A; I2M D 0;058 A; Q D Fel 4 "0 s 2 D 1;52 107 C :
I3M D 1;228 A:
I D I1a C I1M :
U
Rges D D 5;08 :
I
P D I U D 19;67 W :
826 11 Anhang
Ü 4-4: Nach (4.72) ist die Masse des abgeschie- Ü 4-5: Der elektrische Strom ist nach den Fara-
denen Metalls proportional zum Strom: day’schen Gesetzen proportional zur abgeschie-
denen Masse. Mit (4.72) bis (4.74) sowie (4.9)
M
mD It : gilt
zNA e
m
Mit (4.73) und (4.74) gilt I D jA D :
R
At
M
D AR : Die Masse der Nickelschicht ist
zNA e
m D V%Ni D Ad%Ni ;
Ü 4-7: Im statischen Gleichgewicht muss die pazität für sich ist nach (4.127) und (4.136)
Gewichtskraft mg kompensiert werden durch die
A A
elektrische Feldkraft QE (der Auftrieb wird ver- C1 D "r1 "0 und C2 D "r2 "0 :
2d 2d
nachlässigt):
mg D QE : Die Gesamtkapazität ist nach (1) aus
Abb. 4.76
U "r1 C "r2 A
Mit E D folgt (s. (4.118) Cges D C1 C C2 D "0 I
d 2 d
mgd es wird also das arithmetische Mittel der bei-
U D D 368 V : den relativen Permittivitätszahlen wirksam.
Q
b) Dieser Fall entspricht der Hintereinander-
schaltung von Kondensatoren. Die Einzelka-
pazitäten sind jetzt
2A 2A
C1 D "r1 "0 und C2 D "r2 "0 :
d d
Nach (2) aus Abb. 4.76 ist die Gesamtkapazi-
tät
Ü 4-8: Abb. 4.84 kann folgendermaßen umge-
zeichnet werden: 1 1 1 d d
D C D C
Cges C1 C2 2"r1 "0 A 2"r2 "0 A
d."r1 C "r2 /
D
2"r1 "r2 "0 A
und
2"r1 "r2 A
Cges D "0 :
"r1 C "r2 d
Ü 4-10: Das Proton verspürt die Lorentz-
Kraft (4.184),
FL D Qv B :
Ü 4-12: Die Stromschleife besitzt nach (4.180) Auf der Symmetrieachse, für x D 0, ergibt sich
das magnetische Moment
20 I
B.0/ D :
m D NIA D 2NI lr : d
M D mgr sin ˛ ;
I
B1 D 0 d :
2 2 Cx
I
B2 D 0 d :
2 2
x
Hinweis: Die Konstanz der relativen Permea- Um den Blindstrom zu kompensieren, wird
bilität ist in der Realität eher nicht gegeben. ein Kondensator parallel geschaltet:
Deshalb muss man wie in Ü 4-14 durch Eintragen
der Scherungsgerade in die Magnetisierungskur-
ve den Arbeitspunkt bestimmen.
Kontrolle: L
Nach (1) in Abb. 4.140 ist der Wechselstrom- C D 2 D 1;62 F :
R C .!L/2
widerstand des Verbrauchers
p Alternative:
ZV D R2 C .!L/2 : Nach (4.266) ist die benötigte Kapazität
Der Ohm’sche Widerstand ist R D UIVR D Q
416;7 . Damit ergibt sich Z D 1917 und für C D 2 :
U !
den Strom durch den Verbraucher IV D U=Z D
0;12 A. Die Blindleistung des Verbrauchers ist Q D
Für den Phasenverschiebungswinkel zwischen S sin ' D UIV sin ' D 26;94 VA. Damit ergibt
Strom und Spannung folgt aus dem Zeigerdia- sich ebenfalls C D 1;62 F.
gramm
Ü 4-19:
UR
cos ' D D 0;217 : a) Die induzierte Spannung folgt aus der Fara-
U day’schen Flussregel juind j D d˚=dt oder
Damit ist ' D 77;4ı . juind j D Blv D 1;5 mV. Solange kein Strom
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 831
fließt, ist zur Bewegung keine Kraft erforder- 11.1.5 Schwingungen und Wellen
lich. Die Lorentz-Kraft FL D qv B drückt
die Leitungselektronen zum Punkt b. Damit Ü 5-1: Bei einer harmonischen Schwingung der
liegt a auf höherem Potenzial als b und der Form y.t/ D 0;25 m cos.4 s 1 t C =5/, ist
Spannungspfeil weist von a nach b.
b) Nach (4.287) beträgt der Strom I D d˚=dtR
D a) die Kreisfrequenz gegeben als Vorfaktor der
Blv
D 0;455 mA. Er fließt von a nach b; Zeit t:
R
im geschlossenen Stromkreis im Gegenuhr- !0 D 4 s 1 ,
zeigersinn. die Schwingungsdauer
c) Die Kraft wirkt der Bewegungsrichtung v ent-
2
gegen (Lenz’sche Regel). Sie beträgt nach T0 D D 0;5 s ;
!0
Gl. 4.177 F D I lB D 6;82 106 N.
d) Die Leistung ergibt sich entweder aus P D der Nullphasenwinkel
F v oder aus P D I 2 R zu P D 6;82107 W. '0 D =5 rad oder 36ı ,
die Amplitude
Ü 4-20: yO D 0;25 m.
a) Die
komplexe
Impedanz beträgt Z D R C b) Die momentane Auslenkung zur Zeit t D
j !L !C 1
D .100 j31; 8/ D 104;9 1;2 s beträgt y.1;2 s/ D 0;25 m. Der Körper
ı
ej17;6 . Für den Betrag folgt mit (3) aus befindet sich im unteren Totpunkt.
Abb. 4.133 Z D 104;9 . Für die Geschwindigkeit gilt allgemein
b) Die Schaltung verhält sich ohmsch-kapazitiv, nach (5.8)
da der Phasenverschiebungswinkel ' D
17;6ı negativ ist. v D yP D y! O 0 sin.!0 t C '0 / :
c) Nach dem Ohm’schen Gesetz gilt I D
ı
U 1 =Z D 95;3 mA e j17;6 . Der Strom eilt der Zur Zeit t D 1;2 s ergibt sich v.1;2 s/ D 0,
Spannung voraus; der Phasenverschiebungs- was zu erwarten war, da der Körper im Tot-
winkel ist ' D 17;6ı . punkt momentan still steht.
d) Das Verhältnis zwischen Ein- und Ausgangs- Die Beschleunigung ist nach (5.9)
spannung beträgt nach der Spannungsteiler-
regel (4.26) U 2 =U 1 D R=Z D 0;953 a D yR D y! O 02 cos.!0 t C '0 / :
ı
e j17;6 mit dem Betrag U2 =U1 D 0;953 und
Zur Zeit t D 1;2 s ergibt sich a.1;2 s/ D
dem Phasenverschiebungswinkel 'u2 'u1 D
ı 39;5 m=s2 .
17;6 (U 2 eilt gegenüber U 1 vor).
Das ist die maximale Beschleunigung
e) Aus dem Zeigerdiagramm in Abb. 4.133 geht
(Abb. 5.6).
hervor, dass der Gesamtwiderstand minimal
c) Die maximale Geschwindigkeit ist
wird, nämlich Z D R, wenn sich die bei-
den imaginären Anteile aufheben, p d. h. für
vmax D vO D y!O 0 D 3;14 m=s :
!L 1=.! C / D 0 oder !0 D 1= LC D
104 s1 . Die Resonanzfrequenz beträgt f0 D Die maximale Beschleunigung ist
!0 =.2 / D 1592 Hz. Das Spannungsverhält-
nis wird damit U2 =U1 D R=R D 1. U 2 und amax D aO D y!O 02 D 39;5 m=s2 :
U 1 sind in Phase; die Schaltung verhält sich
ohmsch. d) Die potenzielle Energie entspricht der Feder-
f) Für f ! 0 sperrt der Kondensator und es spannenergie
folgt U2 =U1 ! 0. Für f ! 1 sperrt die 1
Epot D k y 2 :
Spule und wieder gilt U2 =U1 ! 0. 2
832 11 Anhang
Die Federkonstante folgt aus der Eigenkreis- c) Nach (5.19) wird die Kreisfrequenz
frequenz: r r
k d 2 %g
k D !02 m D 15;8 N=m : !0 D D D 6;08 s1
m 4m
Damit ergibt sich Epot D 0;0790 J. und die Schwingungsdauer
Die kinetische Energie
2
1 T0 D D 1;03 s :
Ekin D m v2 !0
2
d) Die Kreisfrequenz hängt linear vom Durch-
kann am einfachsten aus dem Energieerhal-
messer ab:
tungssatz nach (5.52) berechnet werden: r
%g s1
1 2 !0 D d D 5;068 d :
Ekin D Eges Epot D k yO y 2 4m cm
2
D 0;415 J : e) Die Gleichung der Auslenkung lautet:
Ü 5-2:
y.t/ D yO cos.!0 t/ :
a) Wird das Reagenzglas der Querschnittsfläche
A um die Strecke y ins Wasser gedrückt, so Zur Zeit t D 1;2 s gilt y.1;2 s/ D 0;528 cm.
verdrängt es das Wasservolumen V D Ay. Damit ist die potenzielle Energie
Nach dem Archimedischen Prinzip, (2.186),
ist die damit erzeugte zusätzliche Auftriebs- 1 2
Epot D ky D 1;547 105 J :
kraft oder Rückstellkraft 2
Zur Kontrolle:
1 2
Eges D k yO D 5;547 105 J :
2
Ü 5-3: Die Kapazität C des Kondensators soll
vom Drehwinkel linear abhängen gemäß
A%g 1
yR C yD0: f0 D p :
m 2 LC
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 833
1 2
C D : !d D D 1;795 s1 :
2
f0 4 2 LC Td
c) Die Schwingungsgleichung lautet
Für den Winkel 1 D 0 ist f1 D 1 kHz und C1 D
2;533 F, für den Winkel 2 D 180ı ist f2 D y.t/ D yO0 eıt cos.!d t/
3 kHz und C2 D 281;4 nF. 1
D 20 cm e0;0132 s t cos.1;795 s1 t/ :
Die Konstanten a und b der Eingangsglei-
chung können damit aus folgenden Gleichungen Ü 5-5: Die sechs parallelen Federn entsprechen
bestimmt werden: einer Feder mit der resultierenden Federkonstante
kres D 6k. Die Eigenfrequenz der Schwingung
C1 D a 0 C b liefert b D C1 und beträgt somit
C2 C1 r
C2 D a 180ı C b liefert a D : 1 6k
180ı f0 D D 1;743 Hz :
2 m
Also gilt allgemein
Die erregende Drehzahl n1 D 500 min1 D
C2 C1 8;33 s1 liegt oberhalb von f0 . Wird die Drehzahl
C./ D C C 1 :
180ı erhöht, geht die Amplitude zurück. Nach (5.96)
ist die Amplitude der erzwungenen Schwingung
Die Eigenkreisfrequenz beträgt damit in Abhän-
gigkeit vom Drehwinkel FOE ˝
yO D q mit D :
!
1 1 k .1 2 /2 C .2#/2 0
!0 ./ D p Dq :
LC 2 C1
L C1 C C180 ı Nun gilt
ak D 0 : y.x; t/ D 5 104 m
sin.1980 s1 t 6 m1 x/
Für die bk folgt nach Integration
2uO besitzt nach (5.159)
bk D :
k
a) die Kreisfrequenz ! D 1980 s1 und damit
Damit lautet die Fourier-Reihe die Frequenz f D 2
!
D 315 Hz,
2uO 1 b) die Wellenzahl k D 6 m1 und damit die Wel-
u.t/ D sin.!t/ C sin.2!t/ C
2 k D 1;05 m,
lenlänge D 2
c) nach (5.158) oder (5.176) die Phasenge-
1
C sin.3!t/ C : : : : schwindigkeit
3
Das Spektrum hat folgende Form: ! m
c D f D D 330 :
k s
d) Die Geschwindigkeit oder Schnelle der
schwingenden Teilchen ist mit
vO D y!
O D 0;99 m=s :
836 11 Anhang
Ü 5-20:
a) Das Zeigerdiagramm hat zur Zeit t D 0 und
b) Nach (3) in Tab. 5.9 gilt
am Ort x D 0 folgendes Aussehen:
s
E N
cD oder E D %c 2 D 2 1011 2 :
% m
1 2
lD3 oder 1 D l :
2 3
Damit wird die Frequenz
c
f1 D 3 D 3f0 D 7581 Hz :
2l
Die Serie der Obertöne ist dieselbe wie bei
den gedackten Pfeifen (5.188):
fn D .2n C 1/f0 :
Die resultierende Amplitude ist nach Pytha-
goras
q
yO D yO12 C yO22 D 3;61 104 m :
kx/, mit ! D !1 C! 2
2
D .f1 C f2 / und Für die Wellenzahl gilt k D 2
. Also ist
k1 Ck2
kD 2 .
f 1 1
Mit k D c D 2 c ergibt sich k D c .f1 C
!
k D 2 :
2 1
f2 /:
Ferner ist ! D !1 ! 2
2
D .f1 f2 / und Damit ergibt sich für die Gruppengeschwindig-
k D c .f1 f2 /.
keit
Die Einhüllende der Funktion (Abb. 5.66) ist
!
gegeben durch cos.!t kx/. Zur Zeit t D cgr D
k
0 gilt cos.kx/. Sie hat ein Maximum am Ort
1 1
x D 0. Das nächste Maximum (Minimum)
n n1 1 n1 1 n2 2
tritt auf an der Stelle, an der gilt kx D D c0 2 2 D c0
1 1 n1 n2 .1 2 /
oder
2 1
c m
xD D D 110 m : D 0;67188c0 D 2;0143 108 :
k f2 f1 s
Damit ist der Abstand benachbarter Schwe- Der Gruppenindex wird
bungsgruppen s D 110 m. c0
b) Am Ort x D 0 ist die zeitabhängige Schwe- ngr D D 1;48835 :
cgr
bung gegeben durch den Ausdruck cos.!t/.
Nach dem ersten Maximum bei t D 0, folgt Alternative:
das nächste bei Nach (5.193) ist der Gruppenindex
1 dn n
tD D : ngr D n n :
! f1 f2 d
Dabei ist
Die Schwebungsfrequenz ist damit
n1 C n2 1 C 2
fS D f2 f1 D 3 Hz : nD ; D ;
2 2
n D n2 n1 und D 2 1 :
c) Die Gruppengeschwindigkeit beträgt nach
(5.191) Damit ergibt sich ngr D 1;48821, in guter
Übereinstimmung mit obigem Wert.
! f1 f2 m
cgr D D c D c D 330 :
k f1 f2 s Ü 5-24: Die hinlaufende Welle wird beschrieben
Die Welle erfährt keine Dispersion. durch yhin D yO cos.!t kx C '/, die rück-
laufende durch yrück D yO cos.!t C kx C /.
Ü 5-23: Nach (5.191) ist die Gruppengeschwin- Durch Addition folgt die Gleichung
der ste-
digkeit henden Welle: ysteh D 2yO cos !t C 'C2
d! !
cgr D : cos kx '2 .
dk k
Nun gilt a) Bei festem Ende muss die Auslenkung einen
Knoten bei x0 haben. Aus der Randbedin-
c c0
! D 2 f D 2 D 2 : gung ysteh .x0 ; t / D 0 für alle Zeiten, folgt
n kx0 '2 D 2 (weitere Lösungen mit 3 =2,
Also ist 5 =2 . . . ) oder D ' 2kx0 C (Pha-
sensprung ). Setzen wir willkürlich ' D 0,
1 1 dann ist D 2kx0 und ysteh D 2 yO
! D !2 !1 D 2 c0 :
n2 2 n1 1 cos !t C 2 kx0 cos kx C 2 kx0 .
840 11 Anhang
b) Bei losem Ende muss an der Stelle x0 in Kugelwellen ergibt die Wellenflächen der reflek-
Bauch entstehen. Aus der Randbedingung tierten Welle.
ysteh .x0 ; t/ D Max! für alle Zeiten folgt
kx0 '2 D 0 (weitere Lösungen , 2
. . . ) oder D ' 2kx0 (kein Phasensprung).
Für ' D 0 lautet die Gleichung der ste-
henden Welle ysteh D 2yO cos.!t kx0 /
cos.kx kx0 /.
c) Druck p und Auslenkung y sind bei einer
Schallwelle immer um =2 bzw. =4 phasen-
verschoben (s. Abbildung). Daraus folgt, dass
an der harten Wand ein Druckbauch und an Ü 6-2: Es entstehen vier Bilder.
der weichen Wand ein Druckknoten auftritt.
Mit anderen Worten: eine weiche Wand (z. B.
eine dünne Membran) kann weder Über- noch
Unterdrücken Stand halten. Daher muss der
Schallwechseldruck an der Wand zu jeder Zeit
null sein, was einem Knoten entspricht. Die
feste Wand dagegen ist in der Lage Über- und
Unterdrücke aufzunehmen, also entsteht hier
ein Druckbauch.
Für a D 15 f 0 folgt
1 02
f 1
a0 D 1 0
5
D f0 :
5
f f0 4
d 0 D 2y 0 D 15;15 cm :
5f 0 2 5
a0 D D f0 :
5f 0 f 0 4 Ü 6-7: Für die Bild- und Gegenstandsweite gilt
oder mit gemeinsamem Hauptnenner Daher wird der Strahl total reflektiert und trifft
unter dem Winkel "3 D 90ı "2 D "1 auf die
z0 C f 0 C z C f 0 1 rechte Grenzfläche, die er mit "4 D 60ı verlässt.
0 0 0
D 0 :
.z C f /.z C f / f Der Ablenkwinkel zwischen dem ein- und
f 0 .z 0 C 2f 0 C z/ D .z C f 0 /.z 0 C f 0 / dem ausfallenden Strahl ist ı D 120ı .
z 0 f 0 C 2f 0 2 C zf 0 D zz 0 C zf 0 C z 0 f 0 C f 0 2
zz 0 D f 0 :
2
1
sin "1 D sin 60ı D 0;577 oder "1 D 35;26ı :
n
Der Strahl trifft auf die obere Grenzfläche unter
dem Winkel "2 D 90ı "1 D 54;74ı . Dieser
Winkel ist aber größer als der Grenzwinkel der
Totalreflexion
Ü 6-9: Mit dem Brechungsgesetz (6.11), gilt
1
"g D arcsin D 41;8ı :
n sin " D n0 sin "0 :
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 843
af 0
a0 D D 30 cm :
a C nW f 0
Der Abbildungsmaßstab beträgt nach (6.26)
y0 nW a 0
ˇ0 D D D 2 :
y a
Das Bild ist reell und Kopf stehend.
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 845
l2 t2
f0 D :
4l
1 1 1
D0 D D 0 D 2;5 dpt :
f0 a a
Ü 6-16: Es gilt die Abbildungsgleichung (6.31) Der Brechungsindex ergibt sich aus der Linsen-
macherformel (6.29):
1 1 1
D 0
a0 a f 1 1
D0 D 0
D .nL 1/ oder
f r1
Sowie die geometrische Beziehung
nL D 1 C D 0 r1 D 1;50 :
a C a0 D l :
Ü 6-18:
a) Die Brennweite kann nach (6.36) berechnet
werden:
1 0 1
D D D .n L 1/ D 17;5 dpt
f0 r2
a2 C al C f 0 l D 0 :
Die beiden Linsenorte, für die eine scharfe Ab- Die bildseitige Brennebene H0 hat den Ab-
bildung auf der Mattscheibe möglich ist, liegen stand
symmetrisch zur Mitte des Aufbaus. Ihr Abstand nL 1 d
ist sH0 0 D f 0 D0
n L r1
s
2 p
l Vom rechten Scheitel, d. h. sie verläuft durch
t D2 f 0 l D l 2 4f 0 l :
2 den Scheitel.
846 11 Anhang
Der Abstand vom rechten Scheitel beträgt Ü 6-21: Die Brennweite folgt aus (6.37):
sO0 0 D a0 D 10;1 cm : nL r2
f0 D D 28;9 cm :
nL 1 .nL 1/ d
d) Der Abbildungsmaßstab ist nach (6.28)
Für die Lage der Hauptebenen liefert (6.39):
y0 a0
ˇ0 D D D 0;77 :
y a nL 1 d r
sH0 0 D f 0 D D 7;14 cm
nL r 1 nL
Ü 6-19: Die Brennweite bestimmt sich aus
und
(6.36) mit den Krümmungsradien: r1 D Cr,
r2 D r: nL 1 d
sH D f 0 D sH0 0 D 7;14 cm :
nL r
1 0 1 1 .nL 1/2 2r
D D D .n L 1/ C Ü 6-22:
f0 r r nL r2
2 nL 1 a) Die Brennweite der plankonvexen Linse kann
D : aus der Linsenmacherformel, (6.29), berech-
r nL
net werden:
Die Brennweite wird damit
1 0 1
r nL 0 D D1 D .nL;1 1/ D 3;75 dpt und
f0 D : f1 r1
2 nL 1
f10 D 26;7 cm:
Für die Lage der Hauptebenen gilt nach (6.39):
Nach (6.43) addieren sich die Brechkräfte,
nL 1 2r wenn die Linsen eng zusammen stehen:
sH0 0 D f 0 D r und
nL r
1 1 1
0 nL 1 2r D 0 D D10 C D20 oder D 0C 0 :
sH D f Dr: f0 f1 f2
nL r
Beide Hauptebenen liegen also in der Linsenmit- Daraus folgt D20 D 2;08 dpt oder f20 D
te. 48 cm.
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 847
f10 f20
e D f10 C f20 D 21;3 cm :
f0
d) Die Gegenstandsweite beträgt
c) Der Brennpunkt F0 hat nach (6.40) den Ab-
stand sF0 0 von der Konkavlinse (Linse L2 ):
a D sO sH D 51;7 cm :
1 1 1
D 0C 0 D 0;167 cm1 oder Nach (6.32) wird die Bildweite
sF0 0 f2 f1 e
sF0 0 D 6 cm: af 0
a0 D D 71;5 cm :
Ebenso gilt für den Brennpunkt F relativ zur aCf0
Linse L1 :
Das Bild hat von der Zerstreuungslinse den
1 1 1 Abstand
D 0 0 D 0;231 cm1
sF f1 f2 e
oder sF D 43;3 cm : sO0 0 D a0 C sH0 0 D 47;5 cm :
Die Lage der Hauptebene H0 relativ zur Linse Der Abbildungsmaßstab beträgt
L2 ergibt sich aus sF0 0 D sH0 0 C f 0 oder sH0 0 D
sF0 0 f 0 D 24 cm. y0 a0
ˇ0 D D D 1;38 :
In gleicher Weise ergibt sich für den Abstand y a
der Hauptebene H von der Linse L1 :
Das Bild ist reell, Kopf stehend und vergrö-
sH D sF f D sF C f 0 D 13;3 cm : ßert.
848 11 Anhang
Aus (6.41) folgt damit Zur Kontrolle wird die Determinante berech-
net: det M D 1.
f10 C f20 e D 0 oder e D f10 C f20 : Die Brennweite des Systems ist nach (6) in
Tab. 6.2 f 0 D C1 D 0;6 cm. Das System ist
Die Brennpunkte F01 und F2 liegen an derselben also zerstreuend.
Stelle. Aus dem Strahlensatz folgt Der objektseitige Brennpunkt F liegt nach (1)
in Tab. 6.2 am Ort s1;F D DC D 5;4 cm links von
r2 r1 0 0 r2 Linse L .
D oder f2 D f1 D 50 cm : 1
f20 f10 r1 Der bildseitige Brennpunkt F0 liegt nach (2) in
0
0 D C D 1;8 cm rechts von Linse
A
Tab. 6.2 s2;F
Der Abstand der Linsen ist e D 40 cm. L3 .
Die objektseitige Hauptebene
H liegt nach (3)
Ü 6-24: Die Referenzebene RE1 liege in L1 , die D n1 =n02
Ebene RE2 in L3 . Damit besteht die Systemma- in Tab. 6.2 s1;H D C
D 6 cm links
trix aus drei Linsenmatrizen und zwei Transfer- von L1 .
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 849
Die bildseitige Hauptebene H0 liegt nach (4) der Abstand der objektseitigen Hauptebene H von
1A
0
in Tab. 6.2 s2;H 0 D D C2;4 cm rechts von RE1 ist nach (3) in Tab. 6.2:
C s1; H D D1
C D 0, d. h. die Hauptebene verläuft
L3 .
durch den Scheitel, der Abstand der bildseitigen
Hauptebene H0 von RE2 nach (4) in Tab. 6.2:
Ü 6-25: Die Konvexfläche liegt links, die Plan-
fläche rechts. Die Referenzebene RE1 geht durch 1A
0
den Scheitel, RE2 liegt in der Planfläche. s2; H0 D D 2 cm :
C
Nach (6.47) gilt für die Linsenmatrix:
! ! ! Die Abbildung des Objekts kann mit der klas-
1 0 1 r1 1 0 sischen Abbildungsgleichung behandelt werden.
Ldick, Luft D 1nL 1
:
0 nL 0 1 nL r1 nL In diesem Fall ist die Gegenstandsweite a D
sO D 10 cm. Gleichung (6.32) liefert für die
Nach den Regeln der Matrizenmultiplikation er-
Bildweite
gibt sich
! af 0
0
1 r1
a D D 15 cm :
Ldick, Luft D 1nnL nL aCf0
r1
L
1
! Der Abstand vom rechten Scheitel ist damit
0;6667 2 cm
D :
0;1667 cm1 1 sO0 0 D a0 C s2; 0
H0 D 13 cm :
Zur Kontrolle wird die Determinante berechnet:
det Ldick; Luft D 1. Wird die Berechnung mit der Matrixmethode
Die Brennweite ist nach (6) in Tab. 6.2: durchgeführt, dann erweitert man zweckmäßiger-
weise das System so, dass die Referenzebene RE1
0 1 im Objekt liegt und die Referenzebene RE2 im
f D D 6 cm ;
C Bild. Die Systemmatrix besteht jetzt aus zwei
der Abstand des objektseitigen Brennpunktes F Transfermatrizen und der bereits bekannten Lin-
von RE1 ist nach (1) in Tab. 6.2: senmatrix:
D !0 1
s1; F D D 6 cm ; 1 sO0 0 0;6667 2 cm
C MD @ A
1
der Abstand des bildseitigen Brennpunktes F0 von
0 1 0;1667 cm 1
!
RE2 ist nach (2) in Tab. 6.2: 1 sO
:
0 A 0 1
s2; F0 D D 4 cm ;
C
850 11 Anhang
1 1 1
0
D 0 C 0 :
f fA fB
1 1 1 1
b) Die Brennweite der Linse folgt aus der Abbil- 0
D 0 C 0 : (2)
a aB fA fB
dungsgleichung (6.31):
Subtrahiert man (1) von (2), so ergibt sich
1 1 1
0
D 0 D 5 dpt oder
f aAP aEP 1 0 1 1
0
f D 20 cm : 0 D DB D C D 2 dpt :
fB aB aN
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 851
Ü 6-29:
a) Die Mikroskopvergrößerung beträgt nach
(6.57)
t aB
M0 D 0 0 D 400 :
fOb fOk
b) Nach der Newton’schen Abbildungsglei-
chung (6.34) gilt für die Abstände von Objekt
und Bild von den jeweiligen Brennpunkten
z z 0 D f 0 2 :
zOb t D f 0 Ob ; oder
2
f 0 2Ob
zOb D D 0;1 mm :
t
Ü 6-28: Wie in Ü 6-27 gilt für das unbewaffnete c) Normalerweise entsteht das Zwischenbild
Auge in der vorderen Brennebene des Okulars
1 1 1 (Abb. 6.54). Wird das Okular um zOk nach
0
D 0 (1)
a aF fA hinten verschoben, dann wird das Zwischen-
bild durch das Okular abgebildet. Die Gegen-
und für das Auge mit Zerstreuungslinse
standsweite beträgt
1 1 1 1 0
D 0 C 0 : (2) aOk D fOk C zOk :
a0 1 fA fB
Nach (6.32) entsteht das stark vergrößerte
Durch Subtraktion der beiden Gleichungen folgt Bild im Abstand
0 0
1 1 0 aOk fOk fOk 0
D DB0 D D 2 dpt : aOk D 0 D 1C fOk
fB0 aF aOk C fOk zOk
vom Okular.
Der Abbildungsmaßstab des Okulars ist
nach (6.33)
0 0
0 fOk fOk
ˇOk D 0 D :
aOk C fOk zOk
Der gesamte Abbildungsmaßstab beträgt
0
t fOk
ˇ 0 D ˇOb
0 0
ˇOk D 0 :
fOb zOk
0
Für den Fall zOk D 1 mm ergibt sich aOk D
0
650 mm und ˇ D 1000.
852 11 Anhang
a0 D fOb
0
C l :
1 1 1
D 0 oder
a0 a fOb
Ü 6-30: Das Mikroskop von Ü 6-29 hat ein Ob-
0 1 1 1
jektiv der Brennweite fOb D 4 mm und ein D 0 0 :
0 a fOb C l fOb
Okular der Brennweite fOk D 25 mm. Der Lin-
senabstand ist Dies ergibt a D 6499 mm 6;5 m.
0 0
eD fOb Ct C fOk D 189 mm :
a) Nach Abb. 6.56 gilt Nach (6.41) beträgt die Systembrennweite von
0 0
zwei Linsen
l D fOb C fOk I
0 0 0 0
fFeld fOk fFeld fOk
ferner ist die Vergrößerung f0 D 0 0 D 0
0
D fOk
fFeld C fOk e fFeld
0
fOb
F0 D 0 :
und zwar unabhängig von der Brennweite der
fOk
Feldlinse.
Aus diesen beiden Gleichung können die
Brennweiten berechnet werden: Ü 6-33:
a) Die Fernrohrvergrößerung beträgt nach (6.58)
0 F0
fOb D 0 l D 177;8 mm und 0
F 1 0 fOb
0 0
F D 0 D 60 :
fOk D l fOb D 22;2 mm : fOk
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 853
b) Der Durchmesser der Austrittspupille ist Ebenso folgt für die hintere Grenzentfernung
nach (6.59)
af 0 2
DEP ah D D 3;64 m :
DAP D D 5;33 mm : f 0 2 C u0 k.a C f 0 /
jF0 j
Die Schärfentiefe ist damit
c) Die Dämmerungszahl ist in (6.60) definiert:
q a D av ah D 1;09 m :
ZD jF0 jDEP D 139 :
Ü 6-35: Die hintere Grenzentfernung wird
d) Wenn Augenpupille und Austrittspupille den- nach (6.63) unendlich, falls f 0 2 C u0 k.a C f 0 / D
selben Durchmesser haben, steigt die Hellig- 0 ist.
keit mit Instrument nach (6.61) mit dem Qua- Daraus folgt für die einzustellende Gegen-
drat der Fernrohrvergrößerung. Der Licht- standsweite
strom ˚, der ins Auge fällt, ist im Vergleich
f 02
zum Lichtstrom ˚0 bei unbewaffnetem Auge aD f 0 D 5;89 m :
u0 k
˚ D 0 F ˚0 D 3600 ˚0 :
2
Die vordere Grenzentfernung wird dann
beleuchtet wird, beträgt der Lichtstrom mit a) Die Strahlstärke ist nach (6.69) gegeben durch
Instrument nur noch
˚e
2 Ie D ;
A D ˝
˚ D 0 2F ˚0 D 0 2F ˚0
AP AP
AAuge DAuge
wobei der Raumwinkel anhand (6.67) berech-
D 1600 ˚0 : net wird:
A2
Ü 6-34: Die vordere Grenzentfernung einer ˝D ˝0 :
„scharfen“ Abbildung ist nach (6.63) r2
Damit gilt
af 0 2 ˚e ."1 /r 2
av D : Ie ."1 / D :
f 02 u0 k.a Cf 0/
A2 ˝0
Mit f 0 D 45 mm, u0 D 0;0433 mm, a D 3 m Die Ergebnisse sind in obiger Tabelle einge-
und Blende k D 2;8 ergibt sich av D 2;55 m. tragen.
854 11 Anhang
b) Wenn die LED ein Lambert-Strahler ist, dann Diese Leistung ist maximal für "1 D "2 D 0:
muss nach (6.71) gelten:
A1 A2
˚e; max D Le ˝0 :
Ie ."1 / D Ie .0/ cos "1 : r2
˚e; max A1 mW
Ee; max D D Le 2 ˝0 D 62 2 :
A2 r m
Ü 6-37:
a) Die Strahlstärke wäre nach (6.81) als Integral
zu berechnen:
Z2
Le D Le; ./ d :
1
Das Bild in der Brennebene hat damit den Daraus folgt die gesuchte Lichtstärke mit "2 D 0
Durchmesser zu
1 lm
Iv D Ev r 2 D 1125 D 1125 cd :
0
d2 D f " D 0;931 m : ˝ 0 sr
Ü 6-40:
a) Der Lichtstrom, der auf den Empfänger fällt,
ist nach (6.85)
Ü 6-44: Die Orte konstruktiver Interferenz lie- Nach (6.106) sind die Radien der dunklen Ringe
gen in großem Abstand auf den Asymptoten, p
deren Winkel durch (6.99) gegeben sind. So ist rm D mR :
der Winkel des ersten Maximums
Damit wird die Wellenlänge des Lichts
sin ˛1 D :
d r2
D m D 640 nm :
Der Abstand von der Symmetrieachse, auf der mR
das Maximum nullter Ordnung auftritt, ist
Ü 6-46: Der geometrische Wegunterschied der
D beiden reflektierten Strahlen ist 2d . Der optische
x D D tan ˛1 D sin ˛1 D D 1;96 mm :
d Gangunterschied beträgt damit 2d nF . Wenn kei-
ne Reflexion erfolgen soll, dann müssen sich die
Ü 6-45: Aus der Brennweite lässt sich mithil- beiden reflektierten Wellen auslöschen (destruk-
fe der Linsenmachergleichung (6.29) der Krüm- tive Interferenz), also einen Gangunterschied von
mungsradius der Linse berechnen: einer halben Wellenlänge oder ungeradzahligen
1 1 Vielfachen davon aufweisen:
D .n 1/ liefert
f0 R 1
R D .n 1/f 0 D 2;5 m : 2d nF D .2m C 1/ : (1)
2
858 11 Anhang
Soll starke Reflexion auftreten, dann müssen die Für d D 119 nm und m D 0 folgt D
reflektierten Wellen konstruktiv interferieren, al- 536 nm.
so einen Gangunterschied von ganzzahligen Viel-
fachen der Wellenlänge haben: Ü 6-48: Der dritte dunkle Ring erscheint unter
dem Winkel ˛3 relativ zur Symmetrieachse, der
2d nF D m2 : (2) gegeben ist durch
Ü 6-52: Nach den Ausführungen von Ü 6-51 be- Ist also sin ˛m; max D sin ˛k; min oder
trägt der Grenzwinkel für D 550 nm
m Dk ;
g b
ı D 1;22 D 1;7 104 rad :
d
dann ist kein Beugungsreflex zu beobachten. Nun
Der Abstand Erde-Mond ist ungefähr rE;M soll gelten: g D 2b, d. h.
3;8 108 m. Damit ergibt sich auf dem Mond eine
Längendifferenz von
m Dk oder m D 2k :
2b b
y D ırE;M 64 km :
Da k D 1; 2; 3; : : :, folgt, dass für m D
Ü 6-53: 2; 4; 6; : : : Auslöschung erfolgt. Also sind nur
a) Ein Fernrohr 8 30 hat einen Objektivdurch- die Hauptmaxima mit den Ordnungszahlen m D
messer von 30 mm. Der Grenzwinkel des 0; 1; 3; 5; : : : beobachtbar.
860 11 Anhang
Ü 6-55: Die Winkel der Maxima sind nach Nach (6.119) ist das Auflösungsvermögen ei-
(6.115) gegeben durch nes Gitters in der ersten Ordnung
sin ˛m D ˙m D ˙m 0;66 : Dp:
g d
Die notwendige Strichzahl des Gitters ist da-
Da der Sinus eines Winkels nie größer sein kann
mit p
987.
als 1, kann man lediglich die Beugungsordnun-
Bei 50 Strichen pro mm ist die erforderliche
gen
Breite des Gitters s
20 mm.
b) In der dritten Ordnung wird das Auflösungs-
mD0˙1
vermögen drei mal größer:
beobachten.
D 3p 3000 :
d
Ü 6-56:
a) Die Beugungsmaxima 1. Ordnung treten Ü 6-59: Das erforderliche Auflösungsvermögen
nach (6.115) auf unter den Winkeln des Gitters ist nach Ü 6-58
˛1 D ˙ arcsin D ˙36;1ı : D 987 :
g d
Aus (6.121) folgt die Basisbreite des Prismas:
b) Bei einem verdrehten Gitter gilt nach (6.116):
=d
B
D 11;6 mm :
sin ˛C1 D C sin ˇ oder ˛C1 D 49;7 ı : jdn=dj
g
Ü 6-60:
Für m D 1 folgt a) Die Laue-Gleichungen (6.123) bestimmen die
Winkel, unter denen Interferenzmaxima auf-
treten. Für einen Röntgenstrahl in z-Richtung
sin ˛1 D C sin ˇ oder ˛1 D 24;5ı :
g ist ˛0 D ˇ0 D 90ı und 0 D 0.
Mit a D b D c und h D k D 1 sowie l D 1
Ü 6-57: werden die Laue-Gleichungen
a) Nach (6.116) beträgt der Beugungswinkel
a cos ˛ D (1)
a cos ˇ D
˛1 D arcsin C sin ˇ D 28;8ı : (2)
g
a.cos 1/ D : (3)
Für m D C1 gibt es keine Lösung.
Für die Richtungskosinusse muss gelten:
b) Der Blaze-Winkel muss nach (6.118) folgen-
dermaßen gewählt werden: cos2 ˛ C cos2 ˇ C cos2 D 1 : (4)
1
ıD .ˇ ˛/ D 10;6ı : Setzt man (1) bis (3) in (4) ein, so folgt
2
2 2
2
Ü 6-58: C C 1 D1:
a a a
a) Das erforderliche Auflösungsvermögen des
Gitters ist Die Lösung dieser Gleichung ist
589 2 2
D D 987 : D oder D a D 0;2 nm :
d 589;5930 588;9963 a 3 3
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 861
Ü 6-62:
a) Nach Abb. 6.106 ist der Winkel zwischen dem
Primärstrahl und dem gebeugten Strahl dop-
pelt so groß wie der Glanzwinkel , der die
Bragg-Bedingung (6.124) erfüllt:
2 D 2 arcsin m :
2d
rk2 C f 0 D .f 0 C k0 /2 :
2
m 1:
2d
Daraus folgt für die Ordnungszahl: Daraus folgt für die Brennweite der Zonenlinse
2d rk2 k 2 0 2 rk2
m D 3;6 : f0 D :
2k0 2k0
862 11 Anhang
D lKE 2
1 V
EDp D 2;25 106 :
2lK m
D ln30 r63 E :
Ü 6-65: Nach dem Gesetz von Malus (6.125),
ist die Intensität hinter einem Polarisator I D Die Feldstärke ist bei longitudinal anliegender
I0 cos2 ', wenn ' der Winkel zwischen der Spannung E D Ul . Damit wird der Gangunter-
Schwingungsrichtung des Lichts und der Durch- schied
lassrichtung des Polarisators ist. Nun besitzt na-
D n30 r63 U ;
türliches Licht keine Vorzugsrichtung sondern
besteht aus Wellenzügen mit statistisch regellos unabhängig von der Länge.
wechselnden Schwingungsrichtungen. Man muss Die Halbwellenspannung ist
daher über alle möglichen Winkel ' mitteln:
U=2 D D 3;64 kV :
Z2 2n30 r63
1 1
I D I0 cos2 ' D I0 cos2 ' d' D I0 :
2 2 Ü 6-69: Setzt man die Messwerte des Drehver-
0
mögens in °/mm und die Wellenlängen in nm in
Ü 6-66: Hinter dem ersten Polarisator beträgt die die Gleichung
Intensität nach den Ausführungen von Ü 6-65
A B
Œ˛ D 2 C 4
1
I1 D I0 :
2 ein, dann ergeben sich die beiden Gleichungen
Nach dem Gesetz von Malus, (6.125), ist die In- A B
tensität hinter dem zweiten Polarisator 17;314 D 2
C (1)
656;3 656;34
1 3 A B
I2 D I1 cos2 30ı D I0 32;766 D 2
C : (2)
2 4 486;1 486;14
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 863
Nach den Regeln der linearen Algebra folgen dar- Damit ist die Wellenlänge der gestreuten Rönt-
aus die beiden Konstanten genstrahlung
ı
0 D C D 75;79 1012 m :
A D 7;1116 106 .nm/2 ;
mm
ı Die Energie der ankommenden Quanten beträgt
B D 1;4904 10 11
.nm/4 :
mm hc
Eph D ;
Für die Wellenlänge D 589;3 nm wird das
Drehvermögen Œ˛ D 21;714 ı =mm. die der gestreuten Quanten
0 hc
Ü 6-70: Eph D 0 :
a) Die Energie der auftreffenden Photonen ist
nach (6.130) bis (6.132) Damit wird der Energieverlust
0 1 1
1;24 m eV E D Eph Eph D hc 0
Eph D hf D D 4;89 eV :
D 1;79 1016 J D 1;119 keV :
Von dieser Energie wird die Austrittsarbeit
WA D 2;14 eV benötigt, um die Elektronen Der relative Energieverlust ist
auszulösen. Der verbleibende Rest steht als E
kinetische Energie zur Verfügung: D 1 0 D 6;4 % :
Eph
Ü 6-71: Die Leistung ist das Produkt aus der Ü 6-74: Wie bei Ü 6-71 erläutert, ist die Leis-
Energie eines Photons und der Zahl der Photo- tung eines monochromatischen Lichtstrahls
nen, die je Zeiteinheit ausgesandt werden: hc
˚e D Eph NP D N :
P
˚e D Eph N :
Daraus folgt für den Photonenstrom
Daraus ergibt sich ˚e
NP D 5 s1 :
hc
˚e ˚e
NP D D D 3;26 1017 s1 : Ü 6-75: Nach (6.141) ist der Taillendurchmesser
Eph hc
bei einem Gauß’schen Strahl
Ü 6-72: Beim Compton-Effekt ist nach 4f 0
dD D 6;045 105 m :
(6.134) die maximale Änderung der Röntgen- D
Wellenlänge für # D 180ı Die mittlere Bestrahlungsstärke ist nach (6.77)
h ˚e 4˚e W W
D 0 D 2 D 2C D 4;85 1012 m : Ee D D 2
D 2;09 105 2 D 20;9 :
m0 c A d m cm2
864 11 Anhang
Ü 6-76: Die Wellenlänge der Materiewelle ist Für die drei Raumrichtungen ergeben sich fol-
nach (6.142) gende Resonanzfrequenzen:
Nach kurzer Umformung folgt der erforderli- Wert für das Schalldämmaß. Für die Frequenz
che Pegel von Quelle 2 am Haus: f D 250 Hz gilt also
L02, Haus D 10 lg 106 105;494 105;599 dB RMessung RRechnung D 30;5 dB :
D 54;64 dB :
Für die hohe Frequenz f D 1000 Hz, die in
In 2 m Abstand von der Quelle wird der erfor- der Größenordnung der Grenzfrequenz liegt,
derliche Pegel gilt RMessung < RRechnung .
2m Ü 7-7:
L02;2 m D L02; Haus 20 lg dB
100 m a) Der Gesamtpegel wird nach (7.26) berechnet:
D 88;6 dB : !
X
8
Lges D 10 lg 10Li =10 dB dB
Der Pegel der Quelle 2 muss also um L2 D
i D1
8;4 dB gesenkt werden.
D 62;1 dB :
Ü 7-6:
a) Unter der Annahme einer biegeweichen Wand b) Zur Berechnung des A-bewerteten
Pegels
gilt für das Schalldämmmaß (7.44): müssen die Bewertungsfaktoren
i zur Pe-
gelabschwächung berücksichtigt werden:
f m0
R D 20 lg dB 3 dB : i fm =Hz Li =dB
i =dB
Li C
i
Z 10 dB
1 16 43 56;7 1;37
Die flächenbezogene Masse der Wand ergibt 2 31;5 48 39;4 0;86
sich aus der Dicke s und der Dichte % zu 3 63 49 26;2 2;28
4 125 60 16;1 4;39
m kg 8;6
m0 D D s% D 25 2 : 5 250 52 4;34
A m 6 500 53 3;2 4;98
7 1000 50 0 5;00
Mit Z D 416 kg m2 s1 (Tab. 7.1) folgt 8 2000 38 +1;2 3;92
R250 Hz D 30;5 dB und R1000 Hz D 42;5 dB.
Da die Frequenzen sich wie 4:1 verhalten, ist P Li C
i
Mit 10 10 dB D 250:439 wird der A-
R1000 Hz um 20 lg 4 dB D 12 dB höher als
bewertete Pegel nach (7.53): LA D 54 dB.A/.
R250 Hz .
c) Mit Maschinenschaden ist der Pegel bei fm D
b) Die Grenzfrequenz der Spuranpassung ist
250 Hz
nach (7.48) r
c 2 m0
fg D L : L250 C
250 D 80 dB 8;6 dB D 71;4 dB :
2 B
Mit der Biegesteifigkeit Damit wird der gewichtete Pegel während der
zwei lauten Stunden: LA; 2 h D 71;5 dB.A/.
Es 3 Der äquivalente Dauerschallpegel während
BD D 6522 N m 10 h Mittelungszeit wird nach (7.54):
12.1 2 /
und der Schallgeschwindigkeit cL D 344 m=s 1
Lm D 10 lg 2 h 107;15 C
(Tab. 7.1) ergibt sich fg D 1166 Hz. 10 h
c) Wenn die Frequenz der Welle klein ist ge-
C 8 h 105;4 dB.A/ D 64;8 dB.A/ :
gen fg , dann liefert (7.44) einen vernünftigen
868 11 Anhang
S
Aleer D ˛W SW C ˛B SB C ˛D SD R D L1 L2 C 10 lg dB D 28 dB :
A
D 82;45 m2 :
b) Der Pegel L02 im Innenraum folgt wieder
Die Nachhallzeit beträgt nach der Sabi- aus (7.69), jetzt allerdings unter der Maßga-
ne’schen Formel, (7.64): be, dass die Dämmung des offenen Fensters
null ist:
0;163 V
Tleer D D 5;19 s : S
m=s A L02 D L1 C 10 lg dB :
A
Wenn 300 Personen anwesend sind, tragen
diese noch zusätzlich 150 m2 zur Absorpti- Bei halb geöffnetem Fenster führt dies zum
onsfläche bei. Damit beträgt die äquivalente Pegel L02; halb D 62;8 dB.
Absorptionsfläche des vollen Raums Avoll D Bei vollständiger Öffnung ist der Pegel um
232;45 m und die Nachhallzeit Tvoll D
2 3 dB höher: L02; voll D 65;8 dB.
1;84 s.
Ü 7-11:
b) Wenn die optimale Nachhallzeit erreicht wer-
a) Die Definition des Leistungspegels des dif-
den soll, muss die äquivalente Absorptionsflä-
fusen Schallfelds einer Quelle, welche die
che erhöht werden auf
Schalleistung PW abgibt, liefert:
0;163 V
Aopt D D 285;25 m2 : A
m=s Topt Ldiffus D LW 10 lg dB
4S0
Dies ist ein Anstieg um A D Aopt Avoll D D 10 lg
PW
dB 10 lg
A
dB
2 P0 4S0
52;8 m .
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 869
Idirekt PW Ie,St
Ldirekt D 10 lg dB D 10 lg dB
I0 4 r 2 I0 Ie,Al = Ie,St·τ
Für r D rH wird Ldiffus D Ldirekt . Gleichset- Ir, St = ρ·Ie,St
zen liefert
PW PW 4S0 Ir,Al = ρ ·Ie,St· τ
2
D Ir,Al/St = Ir,Al·τ
4 rH I0 P0 A
ln AA0 T Für die Energie E1 D 3;05 eV, dicht unter der
tD D 9400 a :
ln 2 Fermi-Energie, ergibt sich bei den beiden Tem-
peraturen f .E1 , T1 / D 0;874 und f .E1 , T2 / D
Ü 8-4:
0;725.
a) Der Si-Kristall hat das Volumen V D m% D
Für die Energie E2 D 3;15 eV, dicht oberhalb
429 cm3 . Die Zahl der gewünschten Phos- der Fermi-Energie, folgt f .E2 , T1 / D 0;126 und
phoratome und der damit benötigten 31 Si- f .E2 , T2 / D 0;275.
Kerne ist N0 D V nP D 4;29 1019 .
b) Die Aktivität zu Beginn ist A0 D lnT2 N0 D Ü 9-3: Der Beitrag der Elektronen zur molaren
3;18 1015 Bq. Wärmekapazität ist nach (9.16) und (9.15)
c) Aus A0(8.75)
folgt für die Wartezeit t D
ln A T 1 T 1 kT
D 154 h D 5;6 d. Cm; el D 2 Rm D 2 Rm :
ln 2 2 TF 2 EF
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 871
Mit EF D 3;1 eV nach Tab. 9.5 ergibt sich c) Die Wahrscheinlichkeit, an der Valenzband-
kante Löcher zu finden, ist
J
Cm; el D 0;334 :
mol K fh .EV / D 1 f .EV /
Das sind 1;2 % der gesamten molaren Wärmeka- 1
D1 EF :
pazität. 1 C exp EVkT
Ü 9-4: Die mittlere freie Weglänge der Elektro- Mit EV EF D .Eg E/ D 1;09 eV
nen in Metallen ist nach (9.25) ergibt sich
l D vF
: fh .EV / D 4;88 1019 :
Die Fermi-Geschwindigkeit ist nach (9.11) Ü 9-6: Der spezifische Widerstand eines Eigen-
leiters ist nach (9.28)
„
vF D .3 2 n/1=3 :
m 1 1
%D D :
Mit der Elektronendichte n D N=V D ~ eni .n C p /
8;465 1028 m3 aus Ü 9-1 ergibt sich vF D
Die intrinsische Trägerdichte ist nach (9.30)
1;57 106 ms .
Die Relaxationszeit ist nach (9.24)
Eg
ni D ni0 T exp
3=2
D 3;9 1016 cm3 :
~m m 15 2kT
D 2 D 2 D 4;19 10 s :
e n e n%
Die Summe der Beweglichkeiten ist nach Tab. 9.7
Damit wird die mittlere freie Weglänge l D bei 300 K
6;59 nm.
cm2
D n C p D 5800 :
Ü 9-5: Die Wahrscheinlichkeit, an der Leitungs- Vs
bandkante Elektronen zu finden, ist nach (9.13)
Diese hängt nach (9.29) von der Temperatur ab
1 gemäß
f .EL / D EL EF :
1 C exp kT 3=2
T cm2
.T / D 0 D 2050 :
a) Wenn das Fermi-Niveau in der Mitte der ver- T0 Vs
botenen Zone liegt, gilt
Damit ergibt sich der spezifische Widerstand bei
Eg 600 K:
EL EF D D 0;555 eV und
2
f .EL / D 4;75 1010 : % D 7;8 102 cm :
b) Für den Fall, dass das Fermi-Niveau E D Tatsächlich ist das Ergebnis nicht ganz korrekt,
20 meV unter der Leitungsbandkante liegt, weil die Breite der Energielücke Eg ebenfalls
gilt von der Temperatur abhängt. Bei T D 600 K ist
Eg .600 K/ 0;55 eV.
1 Damit wird ni D 1;13 1017 cm3 und % D
f .EL / D E D 0;316 :
1 C exp kT 2;7 102 cm.
872 11 Anhang
b) Wenn eine Sperrspannung UR anliegt, wird Für die TO- und TA-Phononen ergibt sich
in (9.37) Ud ersetzt durch fTO D EhTO D 14;1 THz und fTA D EhTA D
4;4 THz.
Ud UR D Ud C jUR j : b) Der Impuls der Phononen ist nach (9.44)
Nach Tab. 9.1 ist die Gitterkonstante von Ei- folgt für die mittlere freie Weglänge
sen a D 2;87 1010 m. Damit ergibt sich
3
kF D 57;4 N=m. lph D D 2 nm :
%ccs
Ü 9-12:
Ü 9-15: Nach dem Wiedemann-Franz’schen Ge-
a) Die Energie eines Phonons ist nach (9.43)
setz, (9.70), gilt
EPhonon D hf D „! :
D LT ~ ;
Daraus folgt für die Frequenz der elastischen
mit der Lorenz’schen Zahl
Wellen
EPhonon 2 k 2 V2
f D : L D D 2;45 108 2 :
h 3 e K
874 11 Anhang
Damit wird die Wärmeleitfähigkeit Mit (6.109) und (6.110) ergibt sich für die
Wellenlängen
LT W
D D 449
% Km hc 1;24 m eV
> g D D D 6;89 m :
Eg Eg
Ü 9-16:
a) Die Temperaturabhängigkeit des Schwell- Ü 9-19:
stroms wird durch (9.73) beschrieben: a) Die Empfindlichkeit einer Fotodiode ist
nach (9.80)
Ith D I0 eT =T0 :
e
SD ./ :
Aus hc
It h; 1 D I0 eT1 =T0 und
Daraus folgt für die Quantenausbeute
It h; 2 D I0 eT2 =T0
Shc
folgt für die charakteristische Temperatur ./ D D 57 % :
e
T1 T2 Das bedeutet, dass von je 100 auftreffenden
T0 D It h; 1
D 154 K :
ln It h; 2
Photonen 57 nachgewiesen werden.
b) Der Fotostrom, der als Kurzschlussstrom
b) Die Konstante I0 beträgt messbar ist, beträgt nach (9.79)
It h; 1 ˚e e ˚e e ./
I0 D D 6;56 mA IK D Iph D ./ D
eT1 =T0 hf hc
und damit wird D 300 A :
3;34 . Am optimalen Arbeitspunkt ist die Span- dabei ist v die Geschwindigkeit vor und u die
nung Um D 26;9 V und der Strom Im D 8;06 A. Geschwindigkeit nach dem Stoß. Der Energieer-
Mit UL D 33;3 V und IK D 8;68 A folgt für den haltungssatz lautet nach (10.10) und (10.17)
Füllfaktor FF D 75;1 %.
mp0 c 2 m0 c 2
q 2 C m p0 c 2
D q 2 : (2)
1 vc 1 uc
v
uD q 2 D 0;451c und
1 C 1 vc
q u 2
v 1 c
m0 D mp0 q 2 D 2;24 mp0 :
u
1 vc
folgt s
1Cˇ 1Cˇ
v 0 fE D fPKW D fS :
t D 2 l D 8;889 s : 1ˇ 1ˇ
c
Die beiden Diagramme zeigen die Darstel- Da ˇ 1, gilt
lung im Minkowski-Raum.
c) Die Tür befinde sich im Punkt R. Da die hin- fE fS .1 C ˇ/ fS .1 C 2ˇ/
2
tere Tür nach tP D 1;111 s öffnet, muss sich R D fS .1 C 1;85 107 / D 9;00000167 GHz :
11.1 Lösungen der Übungsaufgaben 877
Da diese Frequenz nicht mit der nötigen Genau- Ü 10-6: Die kinetische Energie ist nach (10.16)
igkeit messbar ist, werden die beiden Schwingun-
gen überlagert. Die resultierende Schwebung hat Ekin D .m m0 /c 2 :
nach (5.121) die Schwebungsfrequenz Dann ist die Masse
Ekin
fSchweb D fE fS D fS 2ˇ D 1;668 kHz : mD m0 D 5;35 1026 kg
c2
Ü 10-5: Wenn die Leistung P D 500 MW er- D 58:700 m0 :
zeugt wird, ist die Energie, die im Laufe eines Dieser Massenzuwachs erfordert nach (10.10)
Jahres produziert wird
m.v/ 1
Dr v 2
E D P t D 1;578 1016 J : m0
1
c
Nach (10.17) entspricht dies einer Massenabnah-
die Geschwindigkeit
me von
r m 2
0
E v Dc 1 :
m D 2 D 0;176 kg : m
c
Da m0 =m 1, kann die Wurzel entwickelt wer-
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass den:
im nachfolgenden thermischen Kraftwerk nur
1 m0 2
30 % bis 40 % dieser Energie in elektri- v c 1
sche Energie umgewandelt werden kann (Ab- 2 m
schn. 3.3.6). D c.1 1;45 1010 / c :
878 11 Anhang
A Aerodynamik, 117
Abbe’sche Invariante, 457 Aerostatik, 105
Abbildung, optische, 486 äußere Reibung, 37
Abbildungsfehler, 472 Aggregatzustand, vierter, 281
Abbildungsgleichung, 460 Aggregatzustände, 209
des Hohlspiegels, 447 Ähnlichkeit, geometrische und hydromechanische, 139
Newton’sche, 461 Ähnlichkeitsgesetze, 138
Abbildungsmaßstab, 447, 458 Airy’sche Beugungsscheibchen, 506
Aberration, chromatische und sphärische, 472 Akkumulator, 266
abgeschlossenes System, 46, 153 Aktionsgesetz, 33
abhängiger Zerfall, 648 Aktivität, 647
Abklingkoeffizient, 395, 396, 399 optische, 529
Ablenkung, Teilchen im elektrischen Feld, 293 radioaktive, 646
Ablenkungswinkel am Prisma, 454 zeitlicher Verlauf, 646
Ablenkwinkel, minimaler, 455 Aktivitätsgleichung, 648
Abnahme der Raketenmasse, 48 Akustik, 553
Abschattung, 471 musikalische, 572
Abschirmung, 698 physiologische, 569
absolute Luftfeuchtigkeit, 217 technische, 576
absoluter Größtfehler, 14 akustische Schmerzgrenze, 569
Messverfahren, 14 Akzeptor, 737
absoluter Nullpunkt, 161 Akzeptoren, Ionisationsenergie, 737
Absorber, Schall-, 564 Akzeptoren-Konzentration, 738
Absorberfrequenz, charakteristische, 565 Alcator, 668
Absorption, 536 allgemeine Heisenberg’sche Unschärferelation, 606
eines Photons, 536 allgemeine Zustandsgleichung idealer Gase, 162
elektromagnetischer Strahlung, 766 All-Round-Effekt, 721
von Röntgenstrahlung, 625 allseitige Kompression, 94, 95
Wechselwirkungsprozess, 681 Alpha-Strahlung, 642
Absorptionsanteil, 624 Alpha-Teilchen, Streuung, 633
Absorptionsfläche, 576 Alpha-Zerfall, 643, 644
äquivalente, Akustik, 577 amorphe Werkstoffe, 712
Absorptionsgrad, 576 Ampere, 8
Schall-, 563 Amperemeter, 250
Absorptionskoeffizient, 766 Ampere’sches Gesetz, 316
Absorptionskurve, 680 Ampere’sches magnetisches Moment, 323
Absorptionsspektroskopie, 591 Amplitude, 351, 378, 380, 403
Abstimmungsfrequenz, Masse-Feder-System, 579 Amplitudenresonanzfunktion, 402
Abweichungen, statistische, 10 Amplitudenspektrum, Fourier-Analyse, 409
systematische, 10 Analogie der Translation und Rotation, 66
Achse, freie, 77, 524 Analysator, 522
Addition von Kräften, 34 Analyse, Korrelation-, 16
Adhäsionskraft, 113 Änderung des Drehimpulses, zeitliche, 63
Adiabatengleichung, 182 Änderung einer Zustandsgröße, 155
adiabates System, 153, 182 Aneroid-Barometer, 105
Admittanz, 358 Angriffspunkt, 69
Kräfteparallelogramm, 34 grafische, 16
Kräftezerlegung, 35 Kurzschlussläufer, 362
Kraftkonstante, 66
Kraftmessung, Methoden, 36 L
Kraftstoß, 44 labiles Gleichgewicht, 72
Kraftwirkungen auf frei bewegliche Ladungsträger, 330 Ladung, 239
im Magnetfeld, 320, 321 elektrische, 9
Kraftwirkungen auf frei Ladungsträger, 328 spezifische, 329
Kreisbewegung, 29, 31 Ladungsträgerkonzentration, 612
gleichmäßig beschleunigte, 31 Ladungstransport, 259, 275
Kreisel, 80 in Flüssigkeiten, 259
gefesselter, 83 in Gasen, 259, 275
kräftefreier, 80 stationärer, 241
Kreiselhorizont, 83 Ladungsverteilung, 634
Kreiselkompass, 83 im Atomkern, 634
Kreiselmoment, 83 Längenausdehnuneskoeffizient, 158
Kreiselpendel, 83 Längenkontraktion, 776, 780
Kreiselpumpe, 147 Längswelle, 419
Kreisfrequenz, 380, 384 Lärmschwerhörigkeit, 571
Gitterwellen, 751 Lageenergie, 54
Kreiskolbenpumpe, 147 Lagerkraft, 580
Kreisprozess, allgemein, 186 Lagerung, elastische, 579
Carnot’scher, 187, 198 Lagrange-Funktion, 598
irreversibler, 199 Lambert’sches Cosinusgesetz, 483
linksläufiger, 190 Lambert-Strahler, 483
rechtsläufiger, 187 laminare Grenzschichtbildung, 139
Kreisprozesse, 186 laminare Rohrströmung, 133
Eigenschaften, 186, 187 laminare Strömung, 132
technische, 191, 192 laminare Umströmung, 134
Kriechfall, 396, 397 Landau-Effekt, 613
Kristall, negativer und positiver, 524 Landau-Niveaus, 613
Kristallbindung, 703 Landau-Quantisierung, 593
Kristalle, Brechzahlen, 525 Laplace-Gleichung, 118, 222
Kristallgitter, Richtungen und Ebenen, 709 Laser, 537, 765
kristalline Strukturen, 706 Laserdiode, 764
kristallografische Hauptachse, 524 Laserdosis, 764
Kristallsysteme, 707 Laserkreisel, 84
Kriterium, Rayleigh’sches, 507 latente Wärme, 209
kritische Geschwindigkeit, 149 Lateralvergrößerung, 447
Isotherme, 187 Laue-Diagramm, 516
magnetische Flussdichte, 746 Laue-Gleichungen, 516
Reynoldszahl, 138 Laufradleistung, Turbine, 130
Temperatur, 206 Lautheit, 570
Temperatur, Supraleitung, 746 Lautsprecher, 559
kritischer Druck, 208 Lautstärke, 569
Punkt, 207, 208 Lawinen-Fotodiode, 770
kritisches Volumen, 207 Lawson-Diagramm, 668
Kühlmittel, 663 Leckage, 663
künstliche Spaltung, 658 Leerlaufspannung, Fotodiode, 768
Kugel, elektrisches Feld, 294 Leerstellen, 710, 711
Massenträgheitsmomente, 76 Leistung, 9, 52
Kugelflächen, Lichtbrechung, 456 bei Rotation, 66
Kugelkondensator, Kapazität, 301 Drehbewegung, 63
Kugelpackung, dichteste, 708 elektrische, 257
Kugelwelle, 422 gegen turbulente Strömung, 137
Kundt’sches Rohr, 434, 564 im Wechselstromkreis, 354
Kunststoffe, 715, 716 mittlere, 52
Kurskreisel, 80 Momentan-, 52, 64
Kurvenanpassung, 13 Nenn-, 52
Translation, 66
Sachwortverzeichnis 903
Zentrifugalbeschleunigung, 42 Zug, 98
Zentrifugalkraft, 41, 43 Zugfestigkeit, 102
Zentripetalbeschleunigung, 29 Zustandänderungen, spezielle, Gase, 185
Zentripetalkraft, 35 Zustandsänderung, isentrope, 182, 185
Zerfall, radioaktiver, 642 isobare, 181, 185
Zerfallsenergie, 636 isochore, 181, 185
Zerfallsgesetz, 646 isotherme, 179, 185
Zerfallsgleichungen, 644 polytrope, 184
Zerfallskonstante, 646 Zustandsänderungen realer Gase, 205
Zerfallskurven, 648 Zustandsdiagramm, 215
Zerfallsreaktionen, 642 Zustandsdichte, 614, 639, 640, 730, 735
Zerfallsschemen, 644 Zustandsflächen idealer Gase, 163
Zerfallswahrscheinlichkeit, 646 Zustandsgleichung, 155, 162
Zerlegung von Kräften, 34 Zustandsgröße, allgemein, 155
Zerstäuber, 125 Zustandsgrößen, kalorische, 155
zirkular polarisiertes Licht, 522 thermische, 155, 185
Zirkulation, 143 zweidimensionales Elektronengas, 611
Zonenintervalle, 573 zweiter Hauptsatz der Thermodynamik, 153, 195, 197
Zonenlinse, 519 zweiter Righi-Leduc-Effekt, 758
Zonenplatte, 519 Zyklotron, 329
Zonensystem, Fresnel’sches, 519