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Carl Meißner Hrsg.

Basic Skills PJ
Praktische Tipps
für Chirurgie und Innere
Springer-Lehrbuch
Carl Meißner
(Hrsg.)

Basic Skills PJ
Praktische Tipps für Chirurgie und Innere

Mit 221 Abbildungen

123
Herausgeber
Carl Meißner
Klinikum Magdeburg gGmbH
Magdeburg

ISBN 978-3-662-48702-0 978-3-662-48703-7 (eBook)


DOI 10.1007/978-3-662-48703-7

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V

Vorwort

Das Lehrangebot für den medizinischen Nachwuchs ist heutzutage breiter denn je. Fach-
bücher, Zeitschriften, Internet, Fortbildungen und Kongresse beleuchten viele Facetten der
Medizin. Das zu lernende Spektrum, gerade in der Medizin, wird immer weiter und auch
fundamental tiefer erforscht und gelehrt.

Die Zeiten der jungen Generation sind geprägt dadurch, dass ein Spagat zwischen exzellentem
Fachwissen auf der einen Seite und praktischen Fertigkeiten auf der anderen Seite geleistet
werden muss. Dies bedeute teilweise für den Studenten, gerade am Anfang im Praktischen
Jahr, wahrscheinlich große Lücken. Der ungewohnte und neue Umgang mit den Kollegen, die
teilweise zum ersten Mal durchgeführten praktischen ärztlichen Handlungen, die verwirren-
den Strukturen des Gesundheitssystems, die anspruchsvolle Kommunikation innerhalb der
Krankenhaushierarchie, die komplexen Anforderungen bei der Patientenführung oder das
geschickte Verhalten in der Notfallsituation werfen Fragen oder auch Probleme auf. Diese
können die herkömmlichen Lehrmittel meist nicht beantworten.

Damit Sie in Ihrer Anfangszeit einen gute Grundlage und vor allem Sicherheit finden, haben
wir dieses Buch geschrieben. In 13 spannenden Kapiteln blicken wir mit Ihnen hinter die
Kulissen, lesen zwischen den Zeilen und klären die wichtigsten Tipps und Tricks im ersten
Arzt-Patienten-Kontakt.

Dieses Buch zu schreiben hat uns sehr viel Spaß gemacht, auch wenn es wie die Vorbereitung
zu einer Prüfung oft sehr viel eisernen Willen gebraucht erforderte. Das »gute Ende« verdanke
ich in erster Linie meiner Frau Luisa und meinen Kindern Lennard und Mathilda, welche mit
viel Toleranz die intensive Arbeit an diesem vorliegenden Buch unterstützt haben. Im Weite-
ren verdanke ich es natürlich auch meinen chirurgischen Lehrern Prof. Dr. med. Gerd Meiß-
ner (meinem Vater) und Prof. Dr. med. Karsten Ridwelski. Vielen Dank für die Unterstützung
und Anregungen. Des Weiteren gilt mein besonderer Dank Frau Christine Ströhla und Frau
Rose-Marie Doyon vom Springer Verlag, ohne die die Erstellung dieses Buches nicht möglich
gewesen wäre. Sie haben an mich und meine Idee geglaubt – danke. Vergessen möchte ich auch
nicht Frau Dr. med. Dipl. Päd. Martina Kahl-Scholz für Ihre Bereitschaft, als Co-Autorin zu
arbeiten, und die sich mehr als nur eine Lektorin um dieses vorliegende Buch gekümmert hat.

Ich freue mich über Verbesserungen, Anregungen oder Wünsche der Leser, denn nur so kann das
Buch stetig besser werden und wachsen.

Mit den besten Wünschen für ein erfolgreiches PJ und Staatsexamen in der Medizin.

Carl Meißner
Magdeburg, Winter 2015
Über den Autor

Dr. med. Carl Meißner


Jahrgang 1982, studierte Medizin in Budapest und Magdeburg und promo-
vierte 2010 an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Nach Auslands-
aufenthalten unter anderem in Basel, an der Universität in Zürich und der Uni-
versity of Minnesota in Minneapolis war er Assistenzarzt am Carl-von-Basedow
Klinikum Saalekreis in Querfurt und Merseburg mit Hospitation in der BG Klinik
Bergmannstrost in Halle/Saale. 2013 wechselte er in die Klinik für Allgemein-
und Viszeralchirurgie am Klinikum Magdeburg. Dort schloss er 2015 auch
seine Facharztausbildung ab. Seine Passion gehört der Ernährungsmedizin und
Ernährungstherapie.
VII

Inhaltsverzeichnis

1 Anamnese und klinische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1


Carl Meißner, Martina Kahl-Scholz
1.1 Arzt-Patienten-Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1.2 Allgemeine Anamnese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
1.3 Körperliche Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.4 Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
1.5 Patientenvorstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

2 Hygiene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Frank Meyer
2.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
2.2 Begriffsklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
2.3 Personelle Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
2.4 Prophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
2.5 Multiresistente Mikroorganismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
2.6 Nosokomiale Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
2.7 Mikrobiologisches Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
2.8 Antibiotika und Antiinfektiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
2.9 Künstliche Materialien – »Devices« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
2.10 Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
2.11 Händedesinfektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
2.12 Handschuhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
2.13 Wundmanagement aus hygienischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
2.14 Nadelstichverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
2.15 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

3 Chirurgische Instrumentenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
Carl Meißner
3.1 Präparation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
3.2 Exploration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
3.3 Das Halten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
3.4 Blutstillung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
3.5 Resektion und Rekonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

4 Die Visite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
Carl Meißner, Martina Kahl-Scholz
4.1 Arten der Visite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
4.2 Aufbau der Visite in einem Krankenhaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
4.3 Aufgaben der Visite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
4.4 Ablauf einer Patientenvorstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
4.5 Sonderfall Intensivstation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
VIII Inhaltsverzeichnis

5 Atemwege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
Carl Meißner
5.1 Die Sauerstoffgabe bei erhaltender Atmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
5.2 Maskenbeatmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
5.3 Endotracheale Intubation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
5.4 Larynxmaske . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
5.5 Intubationslarynxmaske . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
5.6 Larynxtubus und Kombitubus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
5.7 Die retrograde Intubation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
5.8 Videolaryngoskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
5.9 Endoskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
5.10 Koniotomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
5.11 Tracheastoma, Kanülenwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
5.12 Rückatmung bei Hyperventilation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

6 Zugänge und Katheter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63


Carl Meißner, Luisa Meißner
6.1 Periphervenöse Venenverweilkanüle (PVK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
6.2 Der Zentralvenöse Katheter (ZVK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
6.3 Magensonde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
6.4 Harnblasenkatheter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
6.5 Arterienpunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
6.6 Thoraxdrainage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

7 Diagnostische Punktion (Aszites, Pleura und Kniegelenk) . . . . . . . . . . . . . 79


Carl Meißner
7.1 Aszitespunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
7.2 Pleurapunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
7.3 Gelenkpunktion am Beispiel des Kniegelenks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

8 Im Operationssaal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
Karsten Ridwelski
8.1 Etikette im OP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
8.2 Chirurgische Händedesinfektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
8.3 Naht- und Knotentechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
8.4 Abdominale Drainagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

9 Wundbehandlung (Wundversorgung und Wundbeurteilung) . . . . . . . . . . 95


Gerd Meißner
9.1 Wunde und Wundarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
9.2 Wundversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
9.3 Verbandsmaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
9.4 Verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
9.5 Kompressions- und Stützverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
9.6 Ruhigstellende Verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
IX
Inhaltsverzeichnis

10 Notfallmedizin im klinischen Alltag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107


Peter Hilbert-Carius
10.1 Advanced Life Support – ALS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
10.2 Advanced Trauma Life Support – ATLSp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

11 Durchführung und Bewertung internistischer Diagnoseverfahren . . . . . . 123


Antje Tegelbeckers, Lara Schifferer, Hendrik Schmidt
11.1 Das Elektrokardiogramm – EKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
11.2 Ergometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
11.3 Spirometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
11.4 Schellong-Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

12 Diagnostik und Beurteilung im Notfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139


Carl Meißner
12.1 Standardmonitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
12.2 EKG – kardiales Monitoring und EKG-Rhythmusdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
12.3 Labor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
12.4 Sonografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
12.5 Röntgenthorax . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

13 Wissenswertes zur Anamnese und Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167


Eva Lieske, Sebastian Lieske, Carl Meißner
13.1 Anamnese- und Untersuchungsbogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
13.2 Obere Extremität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
13.3 Untere Extremität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
13.4 Erhebungsbögen und Normwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
13.5 Ernährungszustand und Ernährungsanamnese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

Serviceteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
Meißner: Basis Skills PJ A1

Einleitung:
46 Kapitel 5 · Atemwege
Thematischer
Einstieg ins Kapitel
Jeder Assistent und jeder chirurgisch/-internistisch Assistenz den Patienten mit sehr hohem Flow die
interessierte Student sollte einige Aspekte der Anäs- Maske nur vorhalten.
thesie kennen, z. B., welche präoperativen Abklärun-
gen für die Anästhesie von Wichtigkeit sind und Zwischenmenschliches
welche Risiken bei der Operationsindikation berück- Die ersten Intubationen, die Sie im PJ durchführen,
sichtigt werden muss. Ebenso wird in diesem Kapitel sofern Sie dazu aufgefordert werden, können ziem-
auf die Intubationsvarianten und deren -technik lich nervenaufreibend sein. Das ist ganz normal.
eingegangen. Anfangs fehlt einfach auch hier die Routine, vielleicht
sind die Intubationsverhältnisse schwierig, der Um-
Gute Kenntnisse in der Lokalanästhetika und gang mit den Instrumentarium wurde zwar schon
5 Applikation von Anästhetika muss jeder chirur- einmal an einer Puppe, nie aber an einem lebenden
gisch tätige Arzt haben, damit schwerwiegende Menschen ausprobiert. Wichtig ist: versuchen Sie
Zwischenmensch-
Komplikationen vermieden werden können. Das trotz allem die Ruhe zu bewahren, auch wenn es
liches: Dinge, die
gilt auch schon für Sie im Chirurgie-Tertial bzw. nicht direkt beim ersten Mal funktioniert. Erwach-
sonst nicht im Lehr- für ein eventuelles Wahltertial Anästhesie. Auch sene Patienten tolerieren eine gewisse Sauerstoff-
buch stehen die modernen Überwachungsmethoden eines Pati- karenz (wichtig ist, hier immer auf das Monitoring zu
enten während einer Operation müssen allen Be- achten – O2-Sättigung!) länger als Kinder (s. u.), ver-
teiligten bekannt sein. Die heutigen Formen der lassen Sie sich hier auf die Erfahrung der erfahrenen
postoperativen Schmerzbekämpfung und die häu- Kollegen. Wenn Sie nach dem ersten missglückten
figen postoperativen Komplikationen sollten bzw. Versuch zu unsicher sind, übergeben Sie an den
müssen den Chirurgen geläufig sein. Ein Großteil, betreuenden Arzt und versuchen Sie es zeitnah bei
d. h. 70 bis 80 % aller großen Zwischenfälle im einem weiteren Patienten erneut. Sie werden sehen,
Operationssaal, beruhen auf menschlichem Versa- dass auch eine Intubation mit der Übung immer
gen. Davon sind etwa 90 % durch eine mangelhaf- leichter wird. Nicht umsonst ist bei der Ausbildung in
te Kommunikation verursacht. Erst in den letzten der Notfallmedizin derzeit (in Sachsen-Anhalt) eine
Jahren wurde realisiert, dass viele Trainingsmetho- 2-jährige klinische Weiterbildung, einschließlich
den zur Erhebung der Sicherheit, die heute in der 6 Monaten Intensivmedizin, dem Nachweis von
zivilen Luftfahrt selbstverständlich sind, auch im 50 begleiteten Notarzteinsätzen und der Nachweis
Operationssaal angewendet werden müssen und von Intubationen vorzubringen. Übung macht den
können. Meister.

Merke: 5.1 Die Sauerstoffgabe 5.2 Maskenbeatmung


bei erhaltender Atmung
Was sind die Dos
Eine einfache Maßnahme zur Wiederherstellung der
and Dont’s
Indikationen Die Gabe von Sauerstoff ist eine wich- Atmung ist neben der Mund-zu-Mund- oder Mund-
tige Maßnahme in der Notfallmedizin. zu-Nase-Beatmung die Maskenbeatmung.
> Sauerstoff ist das Notfallmedikament
Anleitung Hierbei werden zunächst der Mund-
der 1. Wahl!
und der Nasenrachenraum inspiziert und ggf. von
Die Beatmung durch eine O2-Maske ist am effizien- Fremdkörpern oder Schleim gereinigt. Nach Über-
testen, es gelangt also die größtmögliche Menge strecken des Kopfes kann der sogenannte Esmarch-
Sauerstoff in die Lungen. Bei der O2-Maske ist zu Handgriff angewendet werden.
beachten, dass ein Flow von > 4 l pro Minute einge- Mit beiden Händen des Helfers (Daumen am
stellt werden muss, damit es zu keiner CO2-Rück- Kinn, Finger am Unterkieferwinkel) wird der Un-
atmung kommt. terkiefer vor die obere Zahnreihe geschoben, womit
Bisweilen kommt es vor, dass die O2-Maske von ein zurückfallen der Zunge verhindert werden
den Patienten nicht toleriert wird. Dann sollte eine kann. Vorzugsweise in dieser Kieferposition (Un-
5.3 · Endotracheale Intubation
47 5
Nun können Daumen und Zeigefinger die
Checkliste zur endotrachealen Intubation Maske halten, während die restlichen Finger den
(. Abb. 5.8) Unterkiefer des Patienten fixieren (was bei Patien-
Es werden benötigt: ten ohne Gebiss schwierig sein kann.
5 Einmalhandschuhe,
5 Laryngoskop, ! Maskenbeatmung bei nicht nüchternen Cave: Vorsicht!
5 Endotrachealtubus mit einem Führungsstab, Patienten – Aspirationsgefahr! Hier kann man etwas
5 Ersatztubus, falsch machen
5 Magill-Zange, jGuedel- und Wendeltubus
5 Blockerspritze, Wenn die Beatmung mit der Maske auch nach Än-
5 AbsaugKatheter, derung der Position des Kopfes nicht gelingt, sollte
5 Beißkeil, ein Guedel- oder ein Wendeltubus eingelegt werden.
5 Binde zur Tubusfixierung,
5 Absaugpumpe,
5 Beatmungsbeutel, 5.3 Endotracheale Intubation
5 Stethoskop, Checkliste:
5 ggf. Beatmungsgerät mit Kapnometrie. Die sicherste und effizienteste Methode zur Siche- Welches Material
rung der Atmung ist die endotracheale Intubation. benötige ich wofür?
Hierbei wird ein Beatmungsschlauch als »Brücke«
terkieferzähne vor den Oberkieferzähnen) wird die in die Trachea eingebracht und dort mittels eines
Maske bei geschlossenem Mund aufgesetzt und mit Ballons geblockt. Die entscheidenden Vorteile sind
dem C-Griff gehalten. die optimale Sauerstoffversorgung (Oxygenie-

b c

. Abb. 5.1a-c Möglichkeiten der Sauerstoffapplikation. a Nasensonde. b Nasenbrille. c Maske. (Aus Rücker 2011)
Autorenverzeichnis

Dr. med. Peter Hilbert-Carius (DEAA) Prof. Dr. med. Frank Meyer
Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Universitätsklinikum Magdeburg A.ö.R.
Notfallmedizin Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie
BG-Klinikum Bergmannstrost Leipziger Str. 44
Merseburgerstr. 165 39120 Magdeburg
06112 Halle (Saale)
Prof. Dr. med. Karsten Ridwelski
Dr. med. Dipl.-Päd. Martina Kahl-Scholz Klinikum Magdeburg gGmbH
Landwehr 3 Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie
59519 Möhnesee Birkenallee 34
39103 Magdeburg
Dr. med. Eva Lieske
Klinik für Allgemein- und Visceralchirurgie Lara Schifferer
Klinikum Magdeburg gGmbH Klinikum Magdeburg gGmbH
Birkenallee 34 Klinik für Kardiologie und Diabetologie
39130 Magdeburg Birkenallee 34
39130 Magdeburg
Dr. med. Sebastian Lieske
Klinik für Orthopädie Prof. Dr. med. Hendrik Schmidt
Zentrum für Unfallchirurgie und Orthopädie Klinikum Magdeburg gGmbH
Klinikum Magdeburg gGmbH Klinik für Kardiologie und Diabetologie
Birkenallee 34 Birkenallee 34
39130 Magdeburg 39130 Magdeburg

Dr. med. Carl Meißner Antje Tegelbeckers


Klinikum Magdeburg gGmbH Klinikum Magdeburg gGmbH
Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie Klinik für Kardiologie und Diabetologie
Birkenallee 34 Birkenallee 34
39130 Magdeburg 39130 Magdeburg

Prof. Dr. med. Gerd Meißner


Carl-von-Basedow Klinikum Saalekreis gGmbH
Klinik für Chirurgie
Vor dem Nebraer Tor 11
06268 Querfurt

Luisa Meißner
Universitätsklinikum Magdeburg A.ö.R.
Klinik für Herz-Thoraxchirurgie
Leipziger Str. 44
39120 Magdeburg
1 1

Anamnese und klinische


Untersuchung
Carl Meißner, Martina Kahl-Scholz

1.1 Arzt-Patienten-Kommunikation –2
1.1.1 Patientenkommunikation – 3
1.1.2 Die Geschichte hinter dem Menschen – 4
1.1.3 Jeder Mensch ist anders – 5
1.1.4 Mitteilung schlechter Nachrichten – 6
1.1.5 Gesprächsführung – 7

1.2 Allgemeine Anamnese –8

1.3 Körperliche Untersuchung – 13

1.4 Dokumentation – 15

1.5 Patientenvorstellung – 17

C. Meißner (Hrsg.), Basic Skills PJ,


DOI 10.1007/978-3-662-48703-7_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
2 Kapitel 1 · Anamnese und klinische Untersuchung

In diesem Kapitel geht es darum, welche Schritte bei Kapitel einige Tipps finden, die Ihnen auf dem Weg
1 einer Anamneseerhebung beachtet werden müssen zu einer routinierten Abfolge im Praktischen Jahr
und welche Aspekte eine gelungene Arzt-Patienten- eine kleine Hilfestellung sein können.
Kommunikation ausmachen, die eine fundierte Anam-
nese erst ermöglicht. Auch die Vorgehensweise bei
der körperlichen Untersuchung, die Dokumentation 1.1 Arzt-Patienten-Kommunikation
der erhobenen Parameter sowie die Vorstellung des
Patienten werden behandelt. Zwischenmenschlich
Stellen Sie sich vor, Sie liegen in einem Krankenhaus-
Eine fundierte Anamneseerhebung (7 Abschn. 1.1) bett und werden in den OP-Bereich gefahren. Sie
hängt wesentlich, wie die folgenden Abschnitte zei- haben Ihre erste Operation vor sich, nichts Drama-
gen werden, von einer gelungenen Arzt-Patienten- tisches, eine Hernienrevidierung, und Sie wissen aus
Kommunikation ab (. Abb. 1.1). Was häufig als dem Medizinstudium alle Fakten dazu – trotzdem
»Psychokram« im Studium abgetan wird, ist von fühlen Sie sich nicht wohl und merken, wie sich eine
grundlegender Bedeutung für eine fundierte »Be- eigenartige Beklemmung in Ihnen breitmacht. In
standsaufnahme« dessen, was den Patienten zu der Schleuse nickt Ihnen die OP-Schwester knapp zu
Ihnen geführt hat, und damit der Schlüssel zu kor- ohne sich vorzustellen. Sie werden auf eine andere
rekten weiterführenden Untersuchungen und Ver- Liege gelagert und in die Einleitung gefahren. Dort
dachts- bzw. Differenzialdiagnosen. Nehmen Sie stehen bereits mehrere Personen in grüner OP-Klei-
sich daher für diesen Abschnitt ein wenig Zeit, so dung und mit halb nach unten gezogenem Mund-
»einfach« oder »selbsterklärend« er Ihnen auch er- schutz, die sich über ein Thema aufzuregen scheinen.
scheint, es wird Ihnen im Klinikalltag eine Hilfe Einer von Ihnen dreht sich zu Ihnen um und sagt:
sein. »Ich bin Ihr Anästhesist, ich komme gleich zu Ihnen«.
Wichtig ist, dass Sie für sich möglichst schnell Danach redet er mit den anderen beiden weiter
einen eigenen »inneren roten Faden« entwickeln, über den Dienstplan. Sie fühlen sich etwas verloren
der Ihnen hilft, während des Anamnesegesprächs und unwohl in der liegenden Position und haben
und der körperlichen Untersuchung (7 Abschn. 1.1, nun doch Angst vor der bevorstehenden Narkose,
7 Abschn. 1.3) alle wichtigen Aspekte »abzuarbei- auch wenn Sie selbst in einer Anästhesiefamulatur
ten«. Am Anfang werden Sie sich sicher noch strikt schon häufig dabei geholfen haben. Einfach »weg
an die Reihenfolge im Anamnesebogen halten, zu sein« ist kein schöner Gedanke. Sie sehen die
während Ihnen die Routine mit der Zeit ermöglicht, Schläuche, Monitore und wie im OP-Saal ein geschäf-
dass Sie Ihre ganz eigene Untersuchungsabfolge tiges Treiben zur Vorbereitung auf die OP herrscht
entwickeln. Das erleichtert zudem eine rasche und und Ihnen wird noch mulmiger. Auch wenn Sie es
effektive Dokumentation (7 Abschn. 1.4) und spä- sich selbst nicht erklären können, aber plötzlich
tere Patientenvorstellung während der Visite (7 Ab- steigen Ihnen die Tränen in die Augen, und Sie fühlen
schn. 1.5), für die Sie Teile dieses roten Fadens wie- sich wie ein hilfloses Kind. Die drei Anwesenden
deraufnehmen können. Sie werden im vorliegenden bemerken all das gar nicht, beenden einfach nur

Differenzierte
Anamnese
Erfolgreiche Arzt-
Dokumentation,
Patient-
Patientenvorstellung
Kommunikation
Körperliche
Untersuchung

. Abb. 1.1 Regelkreis der Erstvorstellung eines Patienten


1.1 · Arzt-Patienten-Kommunikation
3 1
ihr Gespräch und beginnen, die Vorkehrungen für die 4 Compliance (൹),
anästhesiologische Einleitung zu treffen. Einen Zu- 4 Angst vor der Behandlung (ൻ),
gang haben Sie bereits und werden nun wortlos 4 Komplikationen (ൻ),
mit einem Pulsoxymeter und dem EKG verbunden. 4 Bedarf an Schmerzmitteln (ൻ).
Der Anästhesist, der sich eben zu Ihnen umgedreht
hat, setzt sich neben Sie, dreht den Dreiweghahn Natürlich ist die Kommunikation nicht alles, aber
so, dass die Verbindung zum Tropf abgeschnitten ist, sie ist viel und stellt die erste Grundlage her, auf
um nacheinander die unterschiedlichen Spritzen der dann die weiteren diagnostischen und thera-
anzusetzen, die ihm der OP-Pfleger reicht. »Es kann peutischen Schritte aufbauen.
sein, dass Sie gleich ein leichtes Brennen verspüren.« Denken Sie an das Beispiel zu Beginn des Ab-
sagt er, während er die Flüssigkeit einspritzt. Ihnen schnittes zurück, versetzen Sie sich bitte noch einmal
laufen Tränen über die Wangen, dann merken Sie kurz in die dort geschilderte Lage: Wie würden Sie
nichts mehr. das Verhalten des Anästhesisten beschreiben? Wie
würden Sie seine Haltung Ihnen gegenüber einschät-
zen, obwohl (oder vielleicht gerade weil) er nur zwei
1.1.1 Patientenkommunikation Sätze mit Ihnen gesprochen hat, bevor er Sie in die
Narkose brachte? Er hat kaum mit Ihnen gesprochen
Die Situation, wie sie hier geschildert wird, ist mit und das, was er zu Ihnen gesagt hat »Ich bin Ihr
einer gewissen Dramatik dargestellt – aber sie ist Anästhesist, ich komme gleich zu Ihnen.« und »Es
nicht vollkommen unrealistisch. Was sie sehr gut kann sein, dass Sie gleich ein leichtes Brennen ver-
zeigt ist: spüren.« war weder besonders freundlich noch un-
freundlich gesprochen. Eigentlich hat er also kaum
> Was für den Mitarbeiter im Gesundheits-
mit Ihnen kommuniziert. Und trotzdem vermittelt
wesen, also z. B. Sie als angehenden Arzt/an-
er Ihnen in diesem Moment den Eindruck, dass Sie
gehende Ärztin nach einiger Zeit Routine ist,
ihm gleichgültig sind oder sein Dienstplan gerade
ist für den Patienten i. d. R. ein Ausnahme-
zumindest wesentlich wichtiger ist, und er routiniert
zustand.
seiner Arbeit nachgeht, ohne Sie als Menschen
Und, wie Paul Watzlawik (1921–2007) sagt: wahrzunehmen. Er hat Ihnen seine Haltung Ihnen
gegenüber vermittelt, ohne einen Satz über diese
> Man kann nicht nicht kommunizieren. Haltung zu sagen. Das genau meint, dass Sie mit
Nicht ohne Grund wird zunehmend an deutschen einem Menschen nicht nicht kommunizieren kön-
Universitäten ein besonderer Wert auf die Arzt- nen. Selbst ein Schweigen kann viele unterschied-
Patienten-Kommunikation und die Psychologie des liche Dinge bedeuten oder zumindest von den An-
Umgangs mit dem Patienten gelegt. Patienten sind wesenden auf vielerlei Weise gedeutet werden.
aufgrund ihrer Lage häufig sehr feinfühlig und
> Sie als angehender Arzt/angehende Ärztin
offen für jede Form der Kommunikation – in posi-
kommunizieren also immer mit den Patienten,
tiver wie in negativer Hinsicht. Und von der Be-
selbst wenn Sie sich dessen gar nicht bewusst
ziehung, die zwischen Arzt und Patient entsteht,
oder mit Ihren Gedanken und Worten gerade
hängt wie man heute weiß auch ab, ob die Patienten
ganz »woanders« sind.
bereit sind, diagnostische und therapeutische
Schritte mitzugehen. Was genau macht aber nun eine gelungene Arzt-
Viele Studien befassen sich mittlerweile mit Patient-Kommunikation aus? Welche Aspekte soll-
der Frage, wie sich die kommunikativen Fähig- ten Sie beachten?
keiten von Ärzten und Ärztinnen auf die Behand- 4 Wichtig ist zunächst, dass Sie sich empathisch
lungserfolge oder -misserfolge auswirken. Tatsäch- zeigen. Das altgriechische Wort empátheia
lich zeichnen sich Zusammenhänge ab zwischen wird zurückgeführt auf path-, dt. »leiden, füh-
einer gelungenen Arzt-Patient-Kommunikation len«. Empathisch sein bedeutet, dass man
und der versucht, sich in sein Gegenüber hinzudenken,
4 Kapitel 1 · Anamnese und klinische Untersuchung

hineinzufühlen, um zu verstehen, was in ihm


1 vorgeht. 5 Vermitteln Sie das Wissen in kleinen Schrit-
4 Bringen Sie dem Patienten eine gewisse Wert- ten und kurzen Sätzen, sodass der Patient
schätzung gegenüber. Das gelingt vor allem immer wieder die Gelegenheit findet, nach-
dadurch, dass Sie seine Ängste und Fragen zufragen.
ernst nehmen und nicht von vorneherein den 5 Freundliche und ruhige Erklärungen, gera-
Patienten in eine bestimmte »Schublade« ein- de bei geäußerten Ängsten oder Bedenken,
ordnen. können häufig zu einer Beruhigung führen.
4 Seien Sie in dem, was Sie sagen, aufrichtig und 5 Achten Sie auf Ihre Körpersprache (Zu- und
authentisch. Abwendung).
5 Wirklich wichtig ist, auch nach langer Be-
Versuchen Sie sich immer wieder vor Augen zu füh- rufserfahrung, das Eingehen auf Ängste,
ren, welchen Umgang Sie sich wünschen würden, Bedenken und Fragen, selbst wenn Sie
wenn Sie krank, evtl. schwach und verletzbar wären; diese schon zum 100.mal beantworten –
und wenn Sie nicht durch Ihren Beruf mit dem Kran- für den Patienten bleibt die Situation ein
kenhaus vertraut wären, sondern vollkommen un- Ausnahmezustand.
wissend, eben als Laie, nun etliche Untersuchungen
oder Therapien über sich ergehen lassen müssen.
Bedenken Sie: Als Arzt oder Ärztin führen Sie Wichtige Hilfsmittel in der Gesprächsführung sind
tausende von Gesprächen. Für Ihren Patienten oder darüber hinaus:
Ihre Patientin kann es aber aktuell das erste und ent- 4 Zuhören,
scheidende Gespräch über eine Krankheit sein. 4 Nachfragen,
4 Wiederholen,
4 Visualisieren,
Checklisten 4 Feedback geben.
Worauf Sie in der Kommunikation achten
sollten: Es ist eine Herausforderung, offen zu bleiben für
5 Augenkontakt: Schauen Sie den Patienten die Beziehung zum Patienten. Wenn Sie sich irgend-
wenn möglich während Sie mit ihm spre- wann sicher und routiniert fühlen und die Kollegen
chen in die Augen, damit er das Gefühl be- kennen, befinden Sie sich im »Arbeitstrott«. Und
kommt, dass Sie aufmerksam sind und das kann manchmal dazu führen, dass man in
voll in der Kommunikation mit ihm stehen. all der Routine vergisst, dass man mit Menschen
Vermeiden Sie also, z. B. aus Unsicherheit, arbeitet, für die diese Situation alles andere als
eher die vor Ihnen liegende Akte zu fixieren Routine ist.
als den Augenkontakt mit dem Patienten
direkt zu suchen.
5 Verwenden Sie im Gespräch keine medizi- 1.1.2 Die Geschichte
nische oder technische Fachsprache, son- hinter dem Menschen
dern eine verständlich einfache Sprache.
Das ist nicht immer einfach, da der kollegia- Ein Mensch ist im Krankenhaus, weil er krank ist.
le Austausch und auch der Schriftverkehr Und wie Sie aus eigener Erfahrung wissen: Krank-
durch die medizinische Fachsprache ge- heit versetzt uns in einen Zustand der Missempfin-
kennzeichnet sind. Gewöhnen Sie sich da- dung und meistens auch der Schwäche und Verletz-
her direkt zu Beginn an, auch die einfachen lichkeit. Der Grund, warum er behandelt werden
deutschen Begriffe für die lateinischen oder muss, kann vielfältiger Natur sein und von leichten
griechischen Fachtermini im Hinterkopf zu bis schwerwiegenden, das Leben bedrohenden Pa-
haben. thologien reichen. Vielleicht weiß er auch längst,
dass er so schwer erkrankt ist, dass ihm nicht viel
1.1 · Arzt-Patienten-Kommunikation
5 1
Zeit bleibt. Und er macht sich darüber Gedanken, siert wäre: Jeder neue Patient ist anders und kann
was das für ihn und seine Angehörigen bedeutet. auf ein Medikament, das bisher alle 1000 Patienten
Vielleicht ist er oder sie aber auch ganz alleine und vor ihm vertragen haben, mit Nebenwirkungen
wird nach der Untersuchung in ein Krankenzimmer reagieren. Also:
zurückkehren, in dem niemals Besuch auf ihn oder
> Bleiben Sie aufmerksam gegenüber jedem
sie wartet.
Patienten und nehmen Sie die Äußerungen
> Natürlich ist es wichtig, dass Sie solchen des Patienten über Missempfindungen oder
Aspekten nicht zu viel Gewicht geben, denn Angstgefühle ernst.
Sie brauchen Ihre professionelle Distanz. Aber
versuchen Sie sich, auch nach einigen Jahren
jInterkulturelle/religiöse Aspekte
Berufserfahrungen und Routine, immer
Manchmal werden Sie in die Situation kommen,
wieder vor Augen zu rufen, dass es hier nicht
dass Sie Patienten aufklären und untersuchen müs-
um eine Akte oder einen Untersuchungs-
sen, die aus einer gänzlich anderen Kultur kommen
bogen geht, sondern um einen Menschen.
oder einer Religion angehören, deren Vorgaben
auch Einfluss auf die Therapie haben.
Die erste Hürde, die hier entstehen kann, ist
Compliance
die sprachliche Barriere – wenn Sie den Eindruck
Für die Genesung ist die Compliance wichtig.
haben, dass der Patient nichts von dem versteht, was
Darunter versteht man das kooperative Verhal-
Sie ihm sagen oder worüber Sie ihn aufklären, er
ten eines Patienten zur Untersuchung oder
also im Grunde nicht voll aufgeklärt in eine Be-
Therapie. Fehlt diese Compliance, wird sich der
handlung einwilligt, dann sollten Sie einen erfah-
Patient vielleicht weigern, ein Medikament ein-
renen Kollegen hinzuziehen. Manchmal besteht
zunehmen oder eine wichtige Untersuchung
die Möglichkeit, muttersprachliche Kollegen oder
durchführen zu lassen.
Verwandte des Patienten im Krankenhaus an-
Zu den Grundvoraussetzungen für die Com-
zusprechen und um Übersetzung zu bitten. Ist das
pliance gehören die Einsicht in die Ernsthaftig-
nicht der Fall, sollte ein professioneller Dolmetscher
keit einer Erkrankung und die Zufriedenheit
hinzugezogen werden.
mit der medizinischen Betreuung.
Eine weitere Hürde kann der kulturelle bzw. re-
ligiöse Aspekt sein, z.  B. bei Menschen aus mus-
limischen Ländern. In den EU-Ländern leben der-
zeit ca. 14 Mio. Muslime, mehr als 3 Mio. davon in
1.1.3 Jeder Mensch ist anders Deutschland. In manchen deutschen Kliniken und
Arztpraxen erreicht der Anteil der muslimischen
Es gibt in der Anatomie des Menschen unzählige Patienten bis zu 30%, d. h. es ist sehr wahrschein-
anatomische Varianten: die Leber kann links liegen, lich, dass man oft als PJtler oder fertiger Arzt mit
der Blinddarm oben rechts, selbst das Herz kann Patienten aus den muslimischen Ländern in Kon-
eine andere Position innehaben. Gefäße können takt kommt. Daher sind einige grundlegende Un-
zweifach vorhanden sein, wo sie nur einfach sein terschiede wichtig zu nennen:
sollten, manch ein Knochen etwas anders geformt 4 Schamgefühl: Aufgrund des religiösen
als beim Durchschnitt der Bevölkerung. Genauso Kontexts lassen sich die charakteristische Be-
unterschiedlich kann der Stoffwechsel eines Men- deckung des Körpers und der distanzierte
schen sein, sein Immun- und Gerinnungssystem. körperliche Umgang zwischen Personen unter-
Der eine Mensch reagiert allergisch auf Nüsse, der schiedlichen Geschlechts, wenn sie nicht
nächste auf Gräserpollen, ein weiterer gar nicht. verwandt oder verheiratet sind, ableiten. Im
Kurzum: Egal, wie lange Sie schon in Ihrem Be- ärztlichen Kontakt lassen sich jedoch der
reich arbeiten und egal, wie viele Patienten Sie bis- körperliche Kontakt und eine gewisse Intimität
her betreut haben, ohne dass ein Zwischenfall pas- nicht vermeiden. Hier wäre es zunächst wich-
6 Kapitel 1 · Anamnese und klinische Untersuchung

tig, dass die Patienten möglichst von gleich- nen Kollegen um Rat. Eine gute Vorbereitung
1 geschlechtlichen Ärzten behandelt und unter- ermöglicht Ihnen sich im Gespräch auf den
sucht werden! Gleiches gilt für die Behandlung Patienten konzentrieren und seine Fragen be-
durch Pflegekräfte etc. antworten zu können.
4 Religiöse Regeln: Hierzu zählen das Fasten 2. Zeitpunkt: Schaffen Sie vor dem Gespräch
im Fastenmonat Ramadan, von dem zwar einen möglichst optimalen Rahmen, sodass Sie
prinzipiell Kranke ausgenommen sind, das etwas Zeit haben für die Diagnosemitteilung
aber manche Muslime trotz Erkrankung und nicht nach 5 Minuten den Raum wieder
machen möchten. Die Ernährungsregeln zäh- verlassen müssen. Es dürfen keine weiteren
len ebenfalls dazu und schließen ein, dass Patienten im Zimmer bleiben, Angehörige nur
kein Schweinefleisch verzerrt werden darf und nach Rücksprache mit dem Patienten und der
alles Alkoholhaltige (also auch alkoholhaltige Patient sollte möglichst in der Lage sein, eine
Arzneien) vermieden wird. schlechte Nachricht überhaupt aufnehmen zu
können (schwierig bei hohem Fieber, starken
Es gibt noch viele andere Aspekte, die hinsichtlich Schmerzen, Sedierung etc.).
der interkulturellen und religiösen Unterschiede 3. Vorwissen: Lassen Sie dem Patienten den
beachtet werden müssen (ein weiteres Beispiel Raum, von seinem eigenen Vorwissen zur Er-
wären die Zeugen Jehova, die grundsätzlich jegliche krankung zu berichten und knüpfen Sie dort
Bluttransfusionen ablehnen), daher ist es wichtig, an. Mittlerweile haben viele Patienten entwe-
dass Sie bei Unsicherheit einen erfahrenen Kollegen der selbst oder über Freunde und Verwandte
hinzuziehen und nicht zögern, auch den Patienten den Zugang zum Internet und bringen ein ent-
nach seinen Wünschen zu fragen. sprechendes Vorwissen mit.
4. Informationsmenge: Es gibt Patienten, die
möchten alles wissen, andere nicht – fragen Sie
1.1.4 Mitteilung schlechter den Patienten offen, wie er verfahren möchte.
Nachrichten 5. Zeit: Verstehen ist ein Prozess, der Zeit be-
nötigt – versuchen Sie also in Folgeterminen
Ein schwieriger Punkt in der Arzt-Patient-Kommu- immer wieder durch Nachfragen herauszufin-
nikation ist die Überbringung schlechter Nachrich- den, ob der Patient verstanden hat, in welcher
ten, also von Diagnosen, die für den Patienten eine Situation er sich befindet, denn Verständnis ist
chronische oder sich progredient verschlechternde wichtig für den Therapieerfolg.
Erkrankung bedeuten. Auch Ihnen im Praktischen 6. Gemeinsames Vorgehen planen: Planen
Jahr kann es bei den von Ihnen betreuten Patienten Sie gemeinsam mit dem Patienten die weiteren
passieren, dass Sie ihnen diese Diagnose vermitteln Schritte.
müssen.
Es ist besonders wichtig, sich auf ein solches Ge- jDas maximal Mögliche ist nicht das maximal
spräch gut vorzubereiten. Im Folgenden sind einige Beste für den Patienten
Punkte aufgeführt, die als Orientierung zur Vorbe- Unsere moderne Medizin setzt sich aus etlichen
reitung und Durchführung einer Diagnosemittei- Leitlinien und einer maximalen Geräte- sowie Phar-
lung ganz allgemein, aber auch speziell bei schlech- makotherapie zusammen. Dieser Stand der Wissen-
ten Nachrichten dienen können: schaft ist eine sehr dankbare Situation, eine maxi-
1. Vorbereitung: Wichtig ist, dass Sie Ihr Wissen male Versorgung ist auf der Welt nicht immer und
zu der Erkrankung, um die es gehen wird, vor überall möglich.
dem Gespräch noch einmal sichern. Informie- Sie haben die Aufgabe, den Patienten detailliert
ren Sie sich zu einen gründlich über die Vor- über seine Erkrankung und die therapeutischen
und Erkrankungsgeschichte des Patienten, Möglichkeiten, die prognostischen Parameter und
lesen Sie ggf. noch einmal wesentliche Aspekte über die Komplikationen aufzuklären und ihn in
im Fachbuch nach und fragen Sie Ihre erfahre- seiner Erkrankung zu begleiten.
1.1 · Arzt-Patienten-Kommunikation
7 1
Sie sollten sich daher trotz aller Möglichkeiten Oberarzt. Für ihn ist es nicht das erste Mal, dass er
einer Tatsache immer bewusst sein: von so einer Entscheidung hört oder sie selbst mit-
erlebt, auch wenn das noch nicht allzu oft vorgekom-
> Ihre Aufgabe ist es nicht (!), den Patienten
men ist. »Sagen Sie ihm, dass Sie die Entscheidung
zu einer Entscheidung zu drängen, nur weil
respektieren, auch wenn Sie ihm anraten würden,
es noch eine weitere Therapieoption gibt.
sich zumindest noch einmal über die Möglichkeit
Der Patient entscheidet selbst über sich,
einer Chemotherapie Gedanken zu machen, und
seine Erkrankung und sein Leben. Sie sollten
dass Sie bei Rückfragen da sind.«
ihn bei diesen Entscheidungen begleiten.
Sie sehen den Patienten regelmäßig wieder, es geht
ihm zunehmend schlechter, er bleibt aber bei seiner
Zwischenmenschliches Entscheidung. Bei einem Folgegespräch hält er Sie
Sie betreuen gleich zu Beginn Ihrer Arzttätigkeit plötzlich fest an der Hand und bedankt sich bei Ihnen
einen 68-jährigen Patient mit metastasiertem Kolon- für Ihre gute Betreuung und Ihr Verständnis.
karzinom (Stadium IV), ein operativer Eingriff ist
ausgeschlossen, die einzige therapeutische Option
stellen palliative Chemo- und Schmerztherapie dar. 1.1.5 Gesprächsführung
Sie sollen dem Patienten mitteilen, welche endgül-
tige Diagnose ermittelt wurde, welche weiteren Eine gute Gesprächsführung hängt wesentlich von
Untersuchungen Sinn machen und welchen thera- einer guten Vorbereitung ab. Das bezieht sich auf
peutischen Nutzen (immerhin bei einem guten den Zeitrahmen, das benötigte Informationsma-
Anschlagen maximal die Verdopplung der Lebens- terial, den organisatorischen Rahmen und die Ar-
erwartung von 12 auf 24 Monate) er durch die Che- beitsabläufe. Gerade, wenn schlechte Nachrichten
motherapie erlangen könnte. Auch über die Neben- überbracht werden müssen (7 Abschn. 1.1.4), ist
wirkungen möchten Sie aufklären. eine gute Gesprächsführung und -vorbereitung
Während des Gesprächs, das Sie mit dem Patienten wichtig, denn der Patient steht vielleicht unter
und seiner Frau führen, fällt Ihnen auf, wie abgeklärt Schock und braucht Hilfestellung, um alles richtig
der Patient wirkt und wie wenig er eigentlich an dem zu verstehen.
interessiert scheint, was er gerade hört. Als Sie auf
die Nebenwirkungen einer Chemotherapie zu spre-
Gesprächsvorbereitung
chen kommen, unterbricht der Patient Sie und stellt
Für die Vorbereitung auf ein Gespräch ist
fest: »Ich möchte keine Chemotherapie machen.
wichtig:
Ich habe mich genau informiert, der Verdacht stand
5 Welche Diagnose- und Therapieschritte
ja schon im Raum. Ich habe alles mit meiner Frau
sind zu besprechen und welche Zeit ist
besprochen und bin mir absolut klar darüber: ich
dafür nötig?
möchte diese Behandlung nicht!« Sie sind perplex
5 Welchen Nutzen und welche Risiken sind
und wissen zunächst nicht, was Sie sagen sollen.
zu klären?
Dann beginnen Sie noch einmal, über den zeitlichen
5 Welche Gesprächsinhalte müssen betont
Nutzen, den der Patient dadurch erlangen würde,
und ggf. wiederholt werden?
zu sprechen. Der Patient hebt die Hand und winkt ab.
5 Welche Termine sind abzusprechen?
Er hat seine Entscheidung getroffen.
5 Welches Informationsmaterial und welche
Sie sind verwirrt, das haben Sie noch nie erlebt. Wie-
Entscheidungshilfen sind zur Besprechung
so sträubt sich dieser Patient gegen das, was möglich
nötig?
ist? Die Chemotherapie wird doch oft gut vertragen,
Nebenwirkungen treten nur vorübergehend auf –
aber das konnten Sie ihm ja nicht einmal mehr ver- Planen Sie den Ablauf für sich innerlich schon im
mitteln. Voraus und beachten Sie dabei folgende Punkte:
Sie haben ein schlechtes Gewissen, nicht »das Beste« 4 Umgebung: Wählen Sie eine angemessene,
für den Patienten getan zu haben und reden mit dem ruhige Umgebung aus.
8 Kapitel 1 · Anamnese und klinische Untersuchung

4 Gesprächseinstieg: Stellen Sie sich nament- der Patient gefühlsmäßig und medizinisch fachlich
1 lich vor. Schaffen Sie eine positive Atmosphäre. verstanden, nimmt er Maßnahmen und Ratschläge
Beginnen Sie mit einer offenen Frage, zum an (Compliance, 7 Abschn. 1.1.2).
Beispiel »Wie geht es Ihnen heute?«. Bei darauffolgenden Konsultationen wird der
4 Situations- und Bedarfsanalyse: Erklären Arzt mit Zufriedenheit feststellen, dass der Patient
Sie die Ergebnisse einer Untersuchung, Labor- ihm vertraut und sich richtig verstanden und be-
befunde oder Medikationen. Erkundigen Sie handelt fühlt.
sich nach Problemen. Geben Sie Gelegenheit Im Laufe der Zeit sammelt der Arzt seine Erfah-
zum Nachfragen. rungen und entwickelt die nötige Routine, um im
4 Argumentation: Zeigen Sie in verständlicher Informationsfluss nicht zu straucheln.
Weise Therapieoptionen mit Alternativen
> Wichtig bleiben Ungestörtheit der Gespräche
auf. Nutzen Sie visuelle Hilfsmittel und Ent-
und die Anrede des Patienten mit Namen
scheidungshilfen, zum Beispiel Schaubilder.
während der gesamten Konsultation. Bei den
4 Entscheidungsphase: Fragen Sie den Patien-
Gesprächen sollten Sie sich immer ein Ziel
ten nach seiner Einschätzung oder nach Ein-
mit Problemerfassung und Lösung setzen.
wänden gegenüber einer Therapieoption. Als
Entscheidungshilfe können Sie Ihren Patienten Dabei ist zu beachten, dass die meisten Menschen
Informationsmaterial zur Verfügung stellen – sich nur ein Drittel des Gehörten merken können.
zum Beispiel Patientenleitlinien, evidenz- Dies variiert und ist von vielen Faktoren abhängig.
basierte Patienteninformationen sowie indika- Allein die Aufregung des Patienten mindert seine
tionsbezogene Selbsthilfeangebote. Aufmerksamkeit. Deshalb ist es wichtig auf alle
4 Gesprächsabschluss: Klären Sie weitere Schrit- Rückfragen seitens des Patienten zu antworten
te. Finden Sie gemeinsame Ziele. Stimmen Sie und zwar ruhig und in guter Verständlichkeit. Auch
Termine ab. Bieten Sie Informationsmaterial Bilder können wie schon erwähnt beim Erklären
an, das der Patient mitnehmen und später mit zu Hilfe genommen werden und können manchmal
seiner Familie zuhause in Ruhe durchgehen besser behalten werden als nur Worte.
kann. Weisen Sie auf Selbsthilfegruppen hin.
> Sollte ein Gespräch trotz aller Bemühungen
Sagen Sie ihm, dass er nicht allein ist.
nicht den Verlauf nehmen, den sich der Arzt
> Takt und Feingefühl müssen zum automa- erhofft, muss dieser trotzdem höflich und
tischen Instrument bei der Gesprächsführung freundlich korrekt bleiben.
werden.

Dabei hat der Arzt einige Hürden zu nehmen. Natür-


lich erfordert das Gespräch mit einem 70-jährigen 1.2 Allgemeine Anamnese
Patienten eine andere Führung als mit einem Kind
oder einer 30-jährigen Frau, ebenso wie das Ge- > Verständnisvoll reagieren – nur so kann
spräch mit einem unter Drogen stehenden Patienten ein Patient sich verstanden und ernst ge-
oder einem an Demenz erkrankten Menschen. nommen fühlen.
Hinzu kommt, dass viele Patienten heute wie
schon erwähnt eine »Vorbildung« bzw. Vorinforma- Das Ziel der Anamnese und des Erstgespräches
tion besitzen. Es gibt kaum einen Patienten mehr, dient dem Erfassen des Krankheitsbildes. Dabei
der nicht im Vorfeld schon im Internet, in der Pres- spielen psychosoziale Fakten, berufliche und per-
se oder im TV recherchiert hat – und wenn nicht er sönliche Schwierigkeiten und das subjektive Ver-
selbst, so doch wenigstens seine Verwandten oder ständnis eine große Rolle. Auch intime Probleme
Bekannten. Eine sachliche und fundierte Diskus- gehören dazu. Hier gilt es den Überblick zu be-
sion bzw. fachlich überzeugende Argumentation halten, die erhaltenden Informationen und Ein-
seitens des Arztes ist gefragt. Hier kann der Behan- drücke zu filtern und gleichzeitig sich dem Patien-
delnde den Sinn von Methoden erläutern. Fühlt sich ten zuzuwenden.
1.2 · Allgemeine Anamnese
9 1

Anamneseerhebung
Fremdanamnese
(Krankengeschichte
Eigenanamnese anhand Familienanamnese
Sozialeanamnese
(Krankengeschichte dem Gespräch (Welche
(Wie lebt der Patient?
anhand mit Angehörigen, Familienverhältnisse Medikamenten-
Was arbeitet er?
der Erzählungen der Vorbefunde, bestehen'? anamnese
Wie ist sein soziales
des Patienten stattgefundenen Erberkrankungen?
Umfeld?)
evaluieren) Arztbesuche, etc.)
Krankenhausaufenthalte
etc. evaluieren)

. Abb. 1.2 Anamneseerhebung

Ein Anamnesegespräch gliedert sich in mehrere blicken, erinnern bestimmte Erkrankungen oder
Anamneseunterpunkte (. Abb. 1.2). Hierzu zählen: auch aktuelle Medikamente nicht sofort.
4 Eigenanamnese (Befragung des Patienten),
4 Fremdanamnese (Befragung von nahestehen- jEinstieg ins Gespräch
den Menschen, mitbehandelnden Personen etc.) Ein guter Gesprächseinstieg ist es, auf den Patienten
4 Sozialanamnese (Lebens-, Wohn- und Arbeits- zuzugehen, ihm die Hand zu reichen, ihn mit sei-
verhältnisse), nem Namen zu begrüßen, sich selbst vorzustellen
4 Familienanamnese (Familienstruktur, erbliche und nach den Beschwerden des Patienten zu fragen,
Erkrankungen?), nachdem er sich gesetzt hat (also mit der Eigenanam-
4 Medikamentenanamnese, nese zu beginnen). Z. B.: »Guten Tag Frau Meier, ich
4 (somatische Anamnese), bin Dr. Loner, setzen Sie sich doch bitte. Was führt
4 (psychische Anamnese). Sie zu mir?«

Sie werden vielleicht im Verlauf des praktischen jFrageformen


Jahres merken, dass Sie sich zunächst noch sehr an Um ausführliche detaillierte Angaben zu den Be-
den Anamnesefragebögen, die es in jeder Klinik – schwerden zu bekommen eignen sich geschlossene
teilweise in unterschiedlicher Ausführung – gibt, Fragestellungen, also z.  B. »Wo befindet sich Ihr
»entlanghangeln« müssen und dass die ersten Ge- Schmerz?« Fragen, die mehrere Antworten möglich
spräche dadurch noch etwas »holprig« und »sta- machen, sind nicht gut geeignet. Manche Patienten
tisch« wirken. Es ist daher sinnreich, dass Sie sich fühlen sich dadurch überfordert. Vermeiden Sie
recht bald eine eigene Checkliste, eine Art eigenen also beispielsweise Katalogfragen wie »Waren es
inneren Anamnesefaden zurechtlegen, den Sie im ziehende, stechende oder drückende Schmerzen?«
Gespräch Schritt für Schritt abarbeiten und dann Suggestivfragen sind ebenfalls ungeeignet, da
später dokumentieren. Patienten selten dem Arzt wiedersprechen. »Ihre
Vor allem bei der Medikamentenanamnese und Schmerzen sind doch nicht ständig?« wäre eine
bei der Befragung zu Erkrankungen und Opera- solche suggestive Frage, die die Antwort bereits in
tionen sollten Sie sehr gründlich nachfragen – vor sich trägt. Auch gehören wage Formulierungen und
allem ältere Menschen, die schon auf eine lange unscharfe Fragen zu den Fragestellungen, die man
Kranken- und Medikamentengeschichte zurück- besser vermeiden sollte. Der Patient könnte dann
10 Kapitel 1 · Anamnese und klinische Untersuchung

eine Verkleinerung seines Problems vermuten oder nen eine besondere Herausforderung darstellen.
1 unterstellt dem Arzt Unwissenheit. Konfrontations- Hier ist der Arzt verstärkt auf die Aussagen und
fragen zeigen die Einstellung des Patienten selbst zu die Hilfe Fremder, Eltern oder Erziehungsbe-
seinem Problem. Interpretationsfragen sind gut, da rechtigter angewiesen. Auch die Sprache kann eine
der Patient selbst nach einer Begründung für seine Hürde für die Untersuchung sein. Ausländer haben
Probleme sucht. Zusätzliche zum offenen Gespräch oft Schwierigkeiten die Probleme sprachlich zu er-
soll der Arzt den Patienten genau beobachten. klären. Ein gutes Englisch oder Dolmetscher ist
dann hilfreich.
jKommunikationswege Bei alten Menschen, die oft multiple chronische
Krankheiten aufweisen und sich nicht deutlich aus-
> Die Körperhaltung zeigt Stimmung, Angst,
drücken können, ist die Anamneseerhebung oft
Vorspannung, Nervosität. Im Gesicht erkennt
auch erschwert. Betreuende Personen und Pfleger
man, ob Sprache und Gesten übereinstim-
können dabei sehr helfen. Respekt, Höflichkeit und
men. Augenkontakt ist unabdingbar.
Empathie müssen auch hier, wie bei jedem Ge-
Körperkontakt kann bewusst eingesetzt werden, um spräch, ständig beachtet werden.
Barrieren und Ängste auszublenden. Hier hilft Emotionen der Patienten müssen ernst genom-
manchmal schon das ganz banale kurze Berühren men werden, wie z. B. Verzweiflung, Wut, Aggres-
der Schulter oder des Armes des Patienten, um eine sionen, Trauer. Sie sagen etwas über den Patienten
vertrautere Basis zu schaffen. und seinen Zustand aus und dürfen nicht ignoriert
Die o.  g. nonverbale Kommunikation ist auch oder übergangen werden.
der entscheidende Faktor beim Aufbau des Ver-
> Die medizinische Anamnese richtet sich dann
trauensverhältnisses zwischen Patient und Arzt.
gezielt auf die Beschwerden und Schmerzen.
jBesondere Situationen > Tritt der Fall ein, dass ein Patient aufgrund
Besondere Situationen für die Anamneseerstellung, einer persönlichen Antipathie nicht objektiv
wie sie z.  B. bei bewusstlosen, geistig behinder- behandelt werden kann, darf und sollte ein
ten,  psychotischen, älteren Menschen und Babys, Kollege gefragt werden, ob er die weitere Un-
Kleinstkindern, Kleinkindern gegeben sind, kön- tersuchung/Behandlung übernehmen kann.

. Tab. 1.1 Charakteristika und Fragestellung bei Schmerzen

Charakteristikum Fragestellung

Ort, Ausstrahlung Wo genau haben Sie die Schmerzen? Strahlen diese in einen anderen Körperbereich aus?

Charakter Beschreiben Sie die Schmerzen. Sind sie eher brennend, scharf, stechend, ziehend, dumpf,
drückend oder kolikartig? Ist es ein oberflächlicher oder eher tiefer Schmerz?

Auslöser Ist der Schmerz plötzlich eingetreten oder hat er sich langsam (Tage, Wochen) entwickelt?

Intensität Geben Sie die Stärke des Schmerzes auf einer Skala von 1 bis 10 an – 1 ist der schwächste,
10 der stärkste vorstellbare Schmerz.

Begleitsymptomatik Spüren Sie weitere Krankheitszeichen wie Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Fieber oder
Husten?

Zeitlicher Verlauf Bestehen die Schmerzen immer, treten sie mit Unterbrechungen auf, gibt es Schwan-
kungen (Tageszeit)?

Bisherige Therapie Was haben Sie bis jetzt gegen die Schmerzen unternommen (Kälte, Wärme, Medikamente)?

Modifizierende Wird der Schmerz besser, wenn Sie sich bewegen/ruhen, wenn es warm/kalt ist?
Faktoren
1.2 · Allgemeine Anamnese
11 1

. Tab. 1.2 Systemübersicht über die einzelnen Organsysteme im Körper

Organsystem Fragen nach…

Allgemeinbefinden Subjektives Gesundheitsbefinden, Müdigkeit/Abgeschlagenheit, Fieber, Nachtschweiß,


Gewichtsverlust, -schwankungen, Appetit, körperliche und geistige Leistungsfähigkeit,
Hautveränderungen, Haarwuchs, Nägel

Kopf Kopfschmerzen, Konzentrations-, Sehstörungen, Synkopen, Krampfanfälle, Augen-


schmerzen, Visusstörungen, Ohrenschmerzen, Höreinschränkungen, Tinnitus, Nasen-
nebenhöhlenentzündung

Mund/Hals Mundgeruch, Geschmacksstörungen, Zahnstatus, Zahnfleischbluten, ulzeröse/aphthöse


Veränderungen, Halsschmerzen, Entzündungen, Lymphknotenschwellungen

Respirationstrakt Schmerzen bei Ein-/Ausatmung, Husten, Auswurf, Dyspnoe, Orthopnoe, Asthma,


Heiserkeit, Stridor, Giemen

Kardiovaskuläres Brust- und Thoraxschmerz, Dyspnoe, Herzrhythmusstörungen, Palpitationen, Hypertonus,


System Synkopen, Ödeme, Nykturie, Orthopnoe, Fieber, Claudicatio intermittens, chronisch-
venöse Insuffizienz

Gastrointestinaltrakt Abdominalschmerz (Ober-, Unterbauch), Dysphagie, Schluckstörungen, Übelkeit/


Erbrechen, Sodbrennen, Durchfälle, Obstipation, Veränderungen des Stuhls in Farbe,
Form und Konsistenz, Blut im Stuhl, Ikterus

Urogenitaltrakt Miktionsfrequenz, -volumen, -beschwerden (Dysurie, Algurie), Hämaturie, Infektionen,


Inkontinenz, sexuelle Aktivität
Mann: Anzahl der Kinder, Impotenz, erektile Dysfunktion, Hodenschwellung, -entzündungen,
urethraler Ausfluss, Prostatabeschwerden
Frau: letzte Periode, Menstruationsprobleme, Menarche, Klimakterium, Juckreiz, Ausfluss,
Blutungen, Anzahl der Schwangerschaften, Komplikationen, Aborte und Schwangerschafts-
abbrüche, Anzahl der Kinder, Schmerzen, Entzündung, Selbstuntersuchung der Mammae,
Vorsorgebewusstsein

Muskuloskeletales Muskuläre, ligamentäre, ossäre Schmerzen, Anlauf-, Ruheschmerz, Bewegungseinschrän-


System kungen, Gelenkschwellungen, -deformitäten, Arthritiden, Verletzungen, Knochenfrakturen,
Muskelschwäche, Gicht

Neurologie/Psychiatrie Synkopen, Bewusstlosigkeit, Kopfschmerzen, Epilepsien, Schlaganfall, Koordinations-


störungen, Sensibilitätsstörungen, motorische Störungen, kognitive Störungen, Konzen-
trationsstörungen, Veränderung der Stimmungslage, Suizidgedanken

jSchmerzcharakteristika nach der Ursache und sprechen Sie die jeweiligen


Berichtet der Patient von Schmerzen, ist es wichtig, Punkte direkt ansprechen.
den Schmerzcharakter (. Tab. 1.1) zu dokumentie-
ren, weil dieser auf die pathologische Ursache Rück- jKörperliche Beschwerden
schlüsse zulassen kann. Einbezogen werden in die Gesprächsanamnese auch
So kommt der Arzt dem Krankheitsbild näher die Organsysteme, sie können ebenfalls mit den Be-
und kann die differenzierte Diagnose erstellen. Er schwerden in Zusammenhang stehen (. Tab. 1.2).
selbst fasst zusammen und der Patient hat die Mög-
lichkeit Ergänzungen zu geben. jMedikamente/Impfungen
Jeder Patient hat auch eine medizinische Vor- Ein Bestandteil jeder Anamnese sind Fragen nach
geschichte (Tumorleiden, Unfälle, Operationen, eingenommenen Medikamenten und Impfungen.
psychische Leiden, physische Leiden, Narben, Fehl- Fragen Sie auch, ob der Patient einen Allergie- oder
stellungen, Verbrennungen u. ä.). Fragen Sie immer Impfausweis dabei hat. Erhoben wird die Anamnese
12 Kapitel 1 · Anamnese und klinische Untersuchung

in Bezug auf Dosis, Grund der Einnahme, Häufig- Kultur eine Rolle spielen. Gerade die Religion kann
1 keit/Zeiträume der Einnahme sowie der Verträg- Einfluss auf eine notwendige Therapie haben und
lichkeit von Medikamenten. diese nicht unterstützen (z. B. Zeugen Jehovas ver-
weigern Bluttransfusionen).
> Dabei unbedingt nicht nur nach den ver-
Auch die Wohnsituation kann die Gesundheit
schreibungspflichtigen Medikamenten,
beeinflussen. Beginnend bei der Hygiene bis hin
sondern auch nach selbst gekauften und
zu unzumutbaren Wohnverhältnissen. Obdachlose
nicht verschriebenen Arzneien fragen!
sind hiervon besonders betroffen. Auch an Tierhal-
Die Medikamenten-Compliance (regelrechte Ein- tung in Wohnungen sollte gedacht werden, denn
nahme von Arzneien) wird oft vernachlässigt und auch Tiere können Überträger von Krankheiten
nicht regelmäßig überprüft. Besonders bei Dauer- sein. Ebenso wichtig ist das Thema Beruf. Welche
medikamenten ist dies der Fall. Aufklärung ist der Tätigkeit führt der Patient zum Zeitpunkt aus?
einzige Weg, um den Patienten zu überzeugen, denn Macht er dies mit Freude, steht er unter Druck,
nur ein einsichtiger Patient folgt den Anweisungen leidet er unter Gängelei? Ist die Bezahlung ok?
seines Arztes. Unverträglichkeiten und Allergien Arbeitet er mit Gefahrenstoffen zusammen? Wie ist
müssen erfragt werden, ebenso wie Erfahrungen der Arbeitsschutz in der Firma? Gerade der beruf-
mit bestimmten Medikamenten und Nahrungsmit- liche Weg steht oft eng in Zusammenhang mit der
teln, auch Pflastern oder Hautdesinfektionsmitteln. Gesundheit. Doch nicht nur die gegenwärtige Tätig-
Eine Allergie kann von der Rötung der Haut bis hin keit spielt eine Rolle, sondern auch die vorangegan-
zum Herz-Kreislauf-Versagen führen. Die Mitarbeit genen beruflichen Einsätze. Gab es relevante che-
des Patienten ist hier enorm wichtig, sodass er über- mische, physikalische oder infektiöse Noxen?
haupt bereit ist, über bereits gemachte Erfahrungen Die Anamnese der Lebensgewohnheiten ist
bei Einnahme von Medikamenten zu sprechen. ein besonders heikler Gesichtspunkt. Hier sollte
schon ein gutes Vertrauenspolster geschaffen sein
> Allergien sind ein wichtiger Teil der
durch das bisher geführte Gespräch, um Antworten
Anamnese!
mit einem möglichst hohen Wahrheitsgehalt zu be-
kommen. Besonders ist Fingerspitzengefühl gefragt
jSozialanamnese bei der Evaluierung von Essgewohnheiten, kör-
Die Krankheit ist immer individuell mit dem Men- perliche Ertüchtigungen, Alkoholgenuss, Drogen-
schen verbunden. Deshalb ist die Sozialanamnese konsum, Rauchgewohnheiten und sexuellen Pro-
ein weiterer Stützpfeiler in der Befragung. So kann blemen. Sind die Patienten übergewichtig, fällt es
sich der Arzt ein Bild über den privaten und beruf- ihnen oft nicht leicht über Essgewohnheiten zu
lichen Stand des Patienten machen. Zur Sozialanam- sprechen. Dazu gehören Diäten, Essstörungen, Es-
nese gehören das soziale Umfeld des Patienten, sen als Lohn und Befriedigung bzw. Ersatz für
dessen berufliche und wirtschaftliche Situation, fehlende Dinge. Die Anzahl der Mahlzeiten, die Zu-
seine Lebensgewohnheiten und das Sexualleben. sammensetzung der Mahlzeit, auch die Menge und
Der Arzt muss ein Gespür für den Patienten ent- die Getränke geben Aufschluss über das Essverhal-
wickeln bzw. mitbringen, um solche, für den Patien- ten. Ebenso heikel ist die Frage nach dem Alkohol-
ten vertrauliche Information zu erhalten. Der Arzt konsum. Die Art, die Menge und auch die Häufig-
erfragt den Familienstand: ledig, verheiratet, verwit- keit sind wichtig. Gerade hier sind die Angaben des
wet, Anzahl der Kinder. Besteht Kontakt zur Familie, Patienten nicht nur ungenau, meist auch falsch und
wie gestaltet sich dieser, intensiv oder gar nicht? Fin- verzerrt. Der Arzt muss feststellen, ob eventuell
det der Patient dort Rückhalt oder gibt es Freunde, sogar eine Sucht vorliegt. Viele alkoholkranke Men-
Organisationen, Vereine, die sich ihm verpflichtet schen erkennen die eigene Sucht nicht. Die Frage
fühlen? nach dem Genuss von Alkohol provoziert zusätzlich
Gerade chronische Erkrankungen resultieren Schuldgefühle beim Patienten.
aus dem Umfeld und haben meist sozialen Ur- Der CAGE-Test hilft hier bei der Einschätzung
sprung. Es können auch Religionen, Glauben und (. Tab. 1.3).
1.3 · Körperliche Untersuchung
13 1

. Tab. 1.3 CAGE-Test bei Verdacht auf Alkoholismus

Abk. Bedeutung (engl.) Mögliche Frage

C Cut down Haben Sie schon einmal versucht, Ihren Alkoholkonsum zu reduzieren?

A Annoyed Haben Sie sich schon mal geärgert, weil Ihr Trinken kritisiert wird?

G Guilty Haben Sie schon einmal Schuldgefühle wegen Ihres Trinkens gehabt?

E Eye opener Benötigen Sie manchmal Alkohol, um morgens in Gang zu kommen?

Ein Verdacht auf eine Alkoholabhängigkeit besteht, wenn mindestens zwei der gestellten Fragen mit »Ja« beantwortet
werden.

Dasselbe Fingerspitzengefühl verlangt die Frage jFamilienanamnese


nach einem eventuellen Drogenkonsum oder auch Die Familienanamnese hat besonders im Hinblick
nach einer übermäßigen, unkontrollierten Medika- auf Erbkrankheiten einen hohen Stellenwert. Gibt
menteneinnahme. Auch das Rauchverhalten muss es eine familiäre Häufung von bestimmten Krank-
erfragt werden. Ist der Patient ein Aktiv- oder Pas- heiten (Diabetes, Herzkrankheiten, Depressionen,
sivraucher? Der aktive Raucher sollte wahrheits- Atopie, Darmkrebs, Brustkrebs u. a.)? Eine positive
gemäß den Beginn des Rauchens (Alter) und die Familienanamnese besteht dann, wenn innerhalb
Häufigkeit (Dosis) benennen. Die Angaben werden der Familie des Patienten eine Krankheit bzw. ein
in »Pack years (py)« notiert. Das Rauchen einer Krankheitsbild gehäuft auftreten. So besteht evtl.
Zigarettenpackung am Tag über 10  Jahre ergibt eine Vorbelastung. Es ist hilfreich, wenn der Patient
10 py (1 Packung × 10 Jahre). über die Verläufe bzw. den Zeitpunkt der Krank-
Großes Taktgefühl und Einfühlungsvermögen heiten der Familienmitglieder berichten kann. Der
sollte der Arzt bei dem Thema Sexualität beweisen. fragende Arzt kann sich einen Stammbaum als
Gefragt werden muss nach der Häufigkeit des Ge- Hilfestellung skizzieren, um später Anhaltspunkte
schlechtsverkehrs, nach den Partnern, nach Ver- für die mögliche Untersuchung einer Vererbung zu
hütungsmethoden, Schutz und Störungen. Dabei haben.
gilt es, durch offene, natürliche und wertfreie Kom-
> Jedes Gespräch zwischen Arzt und Patient
munikation das Thema zu besprechen, sodass der
hat immer ein Ziel, nämlich Lösungen und
Patient kaum Hemmungen oder Schamgefühl auf-
Handlungen zur Abhilfe der Beschwerden des
bauen kann. Auf jeden Fall sollte der Arzt immer die
Patienten zu finden. Dabei ist es unerheblich,
Fragen nach dem Sexualleben begründen (bietet
ob es ein Erstgespräch, ein Fortsetzungs-, ein
sich bei gynäkologischen und urologischen Proble-
Visiten- oder Entlassungsgespräch ist.
men an, aber auch im diabetologischen Bereich).
Zur sozialen Anamnese gehört ebenfalls eine > Nur wenn der Patient sich verstanden und
sog. Reiseanamnese. Fieber, Durchfall, Erbrechen, ernst genommen fühlt, ist er bereit, den An-
Übelkeit, Lymphknotenschwellungen können dia- weisungen des Arztes zu folgen.
gnostische Anzeichen für eine Infektion nach
Auslandsaufenthalten sein. Gebiete mit Malaria,
Hepatitis, Cholera sind prädestiniert für Erkran- 1.3 Körperliche Untersuchung
kungen, die mit in die Heimat »geschleppt« werden.
Der Impfstatus des Patienten muss auch im Hin- Die körperliche Untersuchung ist ein unverzicht-
blick auf Reiseimpfungen geprüft werden. barer Bestandteil der gründlichen Diagnostik und
dient der orientierenden Erfassung pathologischer
Abweichungen.
14 Kapitel 1 · Anamnese und klinische Untersuchung

Zur klinischen Untersuchung gehören Mess- konnten und daher u. U. nicht genau oder aussage-
1 daten. Größe, Gewicht, Blutdruck, Puls, Tempera- kräftig sind.
tur, Atemfrequenz und der neurologische Status.
> Die Beobachtung, also die Inspektion, ist
Die klinische Untersuchung dient der Überprüfung
neben Perkussion, Palpation und Auskulta-
der Beschwerdeangaben des Patienten an dessen
tion ein wichtiges, manchmal leider ver-
Organsystemen.
nachlässigtes Untersuchungsinstrument! Hat
die Haut des Patienten eine auffällige Farbe,
Untersuchungsmöglichkeiten Flecken, Wassereinlagerungen? Wie ist der
Dafür gibt es vier Untersuchungsvarianten: Nagel- und Hautstatus? Wo hat der Patient
1. Inspektion: Betrachten des Kranken Narben? etc.
2. Palpation: Abtasten des Kranken
Bei wiederholter Vorstellung des Patienten braucht
3. Perkussion: Beklopfen des Kranken
die Routineuntersuchung meist nicht so viel Zeit.
4. Auskultation: Einsatz des Stethoskops
Jedoch gilt auch hier, die Vorgehensweise einzuhal-
zum Abhorchen
ten und zu dokumentieren (7 Abschn. 1.4).
Das Alter des Patienten kann neben den gefun-
Die Untersuchung sollte möglichst in einem dafür denen Krankheitssymptomen ein weiterer Hinweis
vorgesehenen Untersuchungszimmer erfolgen, das sein. Spezifische Erkrankungen kommen gehäuft in
Helligkeit, Ruhe und Zutrauen vermittelt. bestimmten Altersgruppen vor.
Eine strukturierte systematisch abgearbeitete Der Körperbau ist ebenfalls zu dokumentieren,
körperliche Untersuchung ist effektiv und aussag- da es auch hier Zusammenhänge mit bestimmten
kräftig (. Tab. 1.4). Auch hier gilt, wie beim Anam- Erkrankungen geben kann verbunden.
nesegespräch, dass ein inneres Untersuchungs- Ernst Kretschmer (ein Psychiater) unterschei-
schema – eine Art roter Untersuchungsfaden – sehr det in drei Körperbautypen:
hilfreich ist, den Sie sich in der Anfangszeit gut erar- 4 Leptosome oder asthenische (dünn, lang,
beiten können. Legen Sie eine innere anatomische schmale Schultern, schmaler Brustkorb)
Karte an, die Sie in einer bestimmten Reihenfolge Menschen,
untersuchen möchten (und die nicht der Reihenfol- 4 pyknische (klein, gedrungen, Bauchspeck,
ge im Anamnesebogen entsprechen muss), also z. B.: rundlich) Menschen,
4 Kopf/Hals (Lymphknoten), 4 athletische (kräftig, durchtrainiert, muskulös,
4 Herz, breite Schultern) Menschen.
4 Lunge,
4 Abdomen, Die Vitalparameter (. Tab. 1.4, Blutdruck, Puls,
4 Leiste (Puls, Lymphknoten), Atemfrequenz, Temperatur und Bewusstseinslage)
4 Obere Extremitäten, gehören ebenfalls zur Untersuchung, wie auch der
4 Untere Extremitäten. Ernährungszustand. Der BMI wird nach Feststel-
lung von Gewicht und Körpergröße ermittelt.
Eine halbe Stunde sollte die körperliche Unter-
suchung nicht überschreiten. Sicher spielt der > Achten Sie gerade bei älteren Menschen
Gesundheitszustand des Patienten eine große Rolle, darauf, ob die Flüssigkeitszufuhr ausreichend
im günstigsten Fall kann der Patient Rede und Ant- erscheint. Betagte Patienten neigen dazu, z. B.
wort stehen. Bei bettlägerigen oder stark ein- aufgrund einer beginnenden Inkontinenz,
geschränkten, behinderten, schmerzgeplagten Pa- nicht mehr viel zu trinken. Die resultierende
tienten kann eine Untersuchung Schwierigkeiten Dehydratation kann zu Verwirrtheitszustän-
bereiten oder sogar unmöglich sein. Hier ist auf eine den führen, die zunächst andere Erkrankun-
entsprechende Dokumentation zu achten, um deut- gen vortäuschen können. Machen Sie daher
lich zu machen, dass bestimmte Untersuchungen auch immer den »Hautfaltentest« (stehende
nur unter erschwerten Bedingungen stattfinden Hautfalte am Handrücken bei Dehydratation).
1.4 · Dokumentation
15 1

. Tab. 1.4 Vorgehensweise bei der körperlichen Untersuchung

Gesamteindruck Name, Alter, Geschlecht, Beruf, Gewicht, Größe, Allgemein-, Ernährungszustand, Habitus,
Konstitution, Mimik, Gestik, Sprache, Haut, Schleimhäute, äußeres Erscheinungsbild, Hygiene

Vitalparameter Puls, Blutdruck, Atemfrequenz, Temperatur, Bewusstsein

Kopf Inspektion/Palpation des Schädels


Inspektion der Augenlider, Bulbi, Konjunktiven, Skleren, Untersuchung der Pupillenreak-
tion, Überprüfen der Sehschärfe (Visus), evtl. Fundoskopie
Inspektion der äußeren Nase und der Nasenschleimhäute, Beklopfen der Nasenneben-
höhlen, Palpation der Nervenaustrittspunkte

Inspektion der Ohren (Gehörgang, Trommelfell)


Überprüfen des Hörvermögens (Versuch nach Rinne/Weber)
Inspektion von Lippen, Mundhöhle, Zunge, Gaumen, Rachen, Tonsillen, Zähne, Zahnfleisch

Hals HWS-Beweglichkeit, Palpation der Lymphknoten, Inspektion der zervikalen und klavi-
kulären Halsvenen, Inspektion/Palpation der Schilddrüse

Lunge Inspektion/Palpation/Perkussion/Auskultation der Lunge

Herz Palpation des Herzspitzenstoßes, Auskultation des Herzens (Frequenz, Rhythmus, Herztöne,
Herzgeräusche), Auskultation der A. carotis

Mammae Inspektion/Palpation der Mammae auf Größe und Konsistenz

Abdomen Inspektion der Bauchdecke, Auskultation der Darm-, Gefäßgeräusche, Perkussion, Palpation
(oberflächlich/tief )

Gefäßsystem Palpation/Auskultation der Arterien und Venen

Extremitäten Inspektion/Palpation/Funktionsprüfung der Arme und Hände


Inspektion/Palpation/Funktionsprüfung der Beine und Füße
Inspektion/Palpation/Perkussion Funktionsprüfung der Wirbelsäule

Neurologische Untersuchung der Hirnnerven


Untersuchung Funktionsuntersuchung der Reflexe
Überprüfen der Kraft und Motorik
Überprüfen der Sensibilität Überprüfen der Koordination

Rektum, Genitale Inspektion des Anus, Palpation des Rektums


Inspektion/Palpation des äußeren Genitales, Palpation der inguinalen Lymphknoten

Der hygienische Zustand des Patienten lässt Rück- 1.4 Dokumentation


schlüsse auf seine Lebensumstände und Ernäh-
rungsweise zu (Erscheinungsbild, Zahnstatus, Kör- Die Dokumentation der Befunde, für die Sie ver-
perausdünstungen, ggf. parasitärer Befall). mutlich am Anfang noch etwas mehr Zeit benötigen
Das Gesicht des Patienten spiegelt die physische werden, wird mit der Zeit immer routinierter und
und psychische Verfassung des Patienten wider. rascher verlaufen. Hilfreich sind bei der Dokumen-
Auch die Augenuntersuchungen, HNO-Untersu- tation vor allem gängige klinische kurze Fachwörter
chung, Mund- und Rachenuntersuchung, Hals- und und Abkürzungen. Einige Beispiele:
Schilddrüsenuntersuchung und die Lymphknoten- 4 »AZ (Allgemeinzustand) gut«, »EZ (Ernäh-
untersuchungen gehören zur Routineuntersuchung rungszustand) gut«
und je nach Krankheitsbild und Krankheitsfort- 4 Lunge: »bds. gut auskultierbar«, »frei« oder
schritt zur erneuten körperlichen Folgeunter- »RG links« (Rasselgeräusch links)
suchung. 4 Abdomen: »schmerzfrei palbierbar« oder
»Schmerzen im linken Epigastricum
16 Kapitel 1 · Anamnese und klinische Untersuchung

Eine Dokumentation ist auch dann wichtig, wenn > Diese schriftlichen Aufzeichnungen sind in
1 Sie keine pathologischen Befunde erhoben haben. ihrer Bedeutung stark gestiegen, da es von
Man vermerkt an den entsprechenden Stellen die Seiten der Patienten, aber auch der Kranken-
Abkürzung »opB« (ohne pathologischen Befund) kassen zunehmend zu Regressforderungen
und nicht mehr »oB« (ohne Befund) – denn auch kommt.
kein pathologisches Ergebnis stellt einen Befund dar.
Gerichte akzeptieren nur eine einwandfreie Doku-
> Wichtig ist, dass Sie Ihre Befunde – und dazu
mentation, auch wenn zuvor eine genaue Unter-
zählt auch der Zustand der Abwesenheit von
suchung erfolgte, eine richtige Diagnose erstellt
pathologischen Befunden – gut dokumen-
wurde und Heilmaßnahmen folgten. Sie sollten
tieren und damit auch nachweisen, dass Sie
daher alle Vordrucke nutzen, die das Klinikum
alle wichtigen Untersuchungen durchgeführt
zur Verfügung stellt, und stets Datum, Uhrzeit und
haben.
Unterschrift eintragen. Gewöhnen Sie sich mög-
Auch wenn Sie es eilig haben, versuchen Sie so lichst von vorneherein an, in den Anamnesebogen
gut es geht leserlich zu schreiben – der Kollege, der direkt alle Befunde einzutragen und vermeiden Sie
nach Ihnen Dienst hat und den Patienten über- Notizzettel o. Ä. Sie werden schnell merken, dass Sie
nimmt, wird es Ihnen ebenso wie das Pflegeper- rascher durch den bürokratischen Teil der Unter-
sonal danken. suchung finden werden – auch wenn er zunehmend
Die Untersuchungsbefunde, die Sie in Ihrem leider einen größeren Teil des ärztlichen Alltags ein-
Anamnesebogen in jedem Fall aufnehmen sollten, nimmt.
zeigt die folgende Übersicht.
> Die Dokumentation ist Pflicht und mit der
Berufserfahrung steigt auch hier die Routine.
Mindestumfang Dokumentation
Die Pflegedokumentation ist eine Ergänzung und
Der Mindestumfang der Dokumentation der
gehört mit zur Dokumentation, ersetzt jedoch kein
körperlichen Untersuchung umfasst:
ärztliches Dokument. Wichtig ist die Niederschrift,
5 Erhebung der Vitalparameter Puls, Blut-
wenn abweichende Maßnahmen vom gesetzten
druck, Atemfrequenz, Temperatur und
Therapieplan erfolgen. Alle Untersuchungsbefun-
Bewusstsein
de, die körperliche und psychische Verfassungen
5 Bestimmung von Größe und Gewicht
des Patienten, alle Aufklärungsgespräche mit dem
5 Bestimmung des Allgemein- und Ernäh-
Patienten, den Angehörigen, alle Befundmitteilun-
rungszustands
gen, die Histologie und alle Gespräche gilt es sorg-
5 Inspektion des Mundhöhle mit Beurteilung
fältig schriftlich festzuhalten. Oft gibt es Vordrucke,
des Rachenrings
die man möglichst immer nutzen und ggf. schrift-
5 Palpation der zervikalen, klavikulären,
lich ergänzen sollte.
axilären, inguinalen Lymphknoten
5 Perkussion und Auskultation der Lunge
> Ihre gesamte ärztliche Arbeit muss für jeden
5 Auskultation des Herzens
sichtbar und nachvollziehbar sein: Für den
5 Inspektion und Palpation des Abdomens
Patienten, den Kollegen, den Pfleger, den
Vorgesetzten, den Angehörigen, den Gutach-
Die Anamnesebögen enthalten auch Skizzen für ter und den Richter. Die Dokumentation ist
bestimmte Organsysteme, so können die patholo- ein notwendiger Bestandteil der ärztlichen
gischen Befunde bzw. Narben oder Hautverände- Arbeit und gesetzlich verankert. Sie ist oft
rungen eingezeichnet werden. Visuelle Darstellun- unliebsam, jedoch in der Arzttätigkeit inte-
gen erleichtern es dem Arzt und seinen Kollegen griert und stellt keine »Zusatzaufgabe« dar.
Erkenntnisse zu finden. Zum Abschluss müssen
Unterschrift und Datum, gegebenenfalls Uhrzeit,
eingetragen werden.
1.5 · Patientenvorstellung
17 1
Wenn Sie in der Akte nach der Anamnese Anwei- Achten Sie darauf, dass Sie nach Betreten des
sungen festhalten, also z. B.: Zimmers den Patienten zunächst begrüßen und
4 Untersuchungen anordnen, während der Patientenvorstellung nicht nur den
4 bestimmte Vorgehensweisen für das Pflege- Augenkontakt zum Chefarzt oder Oberarzt suchen,
personal festhalten (etwa 3-mal tgl. RR messen sondern durch Blickkontakt auch immer wieder
oder tgl. wiegen etc.), den Patienten in das Gespräch miteinbeziehen.
4 Medikamentendosierungen ändern oder neue Stellen Sie sich vor, Sie lägen in einem Krankenbett,
Medikamente hinzunehmen, umringt von Ärzten und Pflegepersonal, und es
wird nur über Sie, aber nicht mit Ihnen gesprochen
vergessen Sie nicht, das für das Pflegepersonal auch – keine schöne Situation.
deutlich zu machen, indem Sie die sog. »Reiter« an Bei Folgevisiten muss auch noch einmal in
der Aktenseite ziehen. Hier gibt es von Haus zu modifizierter Form auf die o. g. Punkte eingegangen
Haus unterschiedliche Praktiken (blauer Reiter bei werden – ein kurzes Beispiel dazu:
Medikamentenänderungen, grüner bei Therapie-
anordnungen etc.). Fragen Sie das Pflegepersonal Zwischenmenschliches
frühzeitig danach, man wird es Ihnen danken. »Das ist Frau Meier, 46 Jahre alt. Sie liegt seit drei
Tagen auf unserer Station und wurde initial mit kolik-
artigen Schmerzen im rechten Oberbauch aufge-
1.5 Patientenvorstellung nommen. Es zeigte sich schon im Ultraschall eine
ausgeprägte Cholelithiasis, die sich in der weiteren
Nach der Anamnese, körperlichen Untersuchung Diagnostik bestätigte. Die laparoskopische Chole-
und Dokumentation werden Sie recht schnell die zystektomie am gestrigen Tage ist gut und komplika-
Ihnen im PJ anvertrauten Patienten in der Visite tionslos verlaufen. Wie geht es Ihnen heute, Frau
oder bei der Übergabe auch kurz vorstellen müssen. Meier? Dürfte ich einmal kurz auf Ihre Operations-
Auch hier wird sich mit der Routine eine all- wunden schauen?«
mähliche Sicherheit einstellen und auch hier hilft
am Anfang eine Art »roter Faden«, ähnlich dem
Schema, das Sie sich für die Anamnese und Unter-
suchung zurechtgelegt haben.
Zur Patientenvorstellung gehören die Anam-
nese und die klinische Vorstellung, um eine Dia-
gnose und geeignete Therapie für den Patienten zu
erstellen.
Leiten Sie mit Name, Alter, Beruf und den Be-
schwerden des Patienten ein, gefolgt von der Uhr-
zeit und dem Datum der ambulanten und/oder sta-
tionären Aufnahme.
Neben den akuten Beschwerden werden auch
die Krankheitsvorgeschichte, die aktuelle Medika-
menteneinnahme und Krankheitsvorkommen bei
Familienmitgliedern vorgestellt. Eine Zusammen-
fassung der akuten Hauptbeschwerden erfolgt zum
Ende.
Dann stellen Sie dar, welche ersten diagnos-
tischen und therapeutischen Maßnahmen einge-
leitet wurden.
19 2

Hygiene
Frank Meyer

2.1 Einleitung – 20

2.2 Begriffsklärung – 21
2.2.1 Asepsis – 21
2.2.2 Sterilisation – 21
2.2.3 Antisepsis – 21
2.2.4 Desinfektion – 21

2.3 Personelle Voraussetzungen – 21

2.4 Prophylaxe – 22

2.5 Multiresistente Mikroorganismen – 22

2.6 Nosokomiale Infektionen – 23

2.7 Mikrobiologisches Monitoring – 24

2.8 Antibiotika und Antiinfektiva – 24

2.9 Künstliche Materialien – »Devices« – 26

2.10 Lehre – 27

2.11 Händedesinfektion – 27

2.12 Handschuhe – 28

2.13 Wundmanagement aus hygienischer Sicht – 28

2.14 Nadelstichverletzung – 28

2.15 Zusammenfassung – 29

C. Meißner (Hrsg.), Basic Skills PJ,


DOI 10.1007/978-3-662-48703-7_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
20 Kapitel 2 · Hygiene

Die Hygiene ist ein zentrales, unabdingbares und vor Daneben steht auch die Aufklärung antibioti-
allem präventives Element im klinischen Geschehen, scher Wirkungsweisen im engen thematischen Zu-
das einen Grundpfeiler der heutigen klinischen Medi- sammenhang zu hygienischen Problemstellungen.
2 zin im funktionierenden täglichen Ablauf darstellt,
der nicht mehr wegzudenken ist, sowohl stationär als Zwischenmenschliches
auch ambulant, aber auch hinsichtlich einer adäqua- 4 Seien Sie offen für hygienische Belange und ver-
ten Kommunal- und Lebensmittelhygiene sowie an- folgen Sie den Erwerb hygienischer Kompetenz
derer Zweige, insbesondere in organisatorischer und von Beginn an.
logistischer Hinsicht. 4 Lernen Sie die/den Hygienebeauftragte(n) Ihrer
Einrichtung/Klinik kennen und verständigen Sie
sich mit ihr/ihm.
2.1 Einleitung 4 Vergegenwärtigen Sie sich die etablierten SOP’s
und Algorithmen zur Krankenhaushygiene.
> Hygiene (Teilgebiet der Medizin und Gesund-
heitsfürsorge) befasst sich mit allen organisato- Ein entwickeltes hygienisches Bewusstsein, das alle
rischen, logistischen sowie prophylaktischen als Beschäftigungsbereiche betrifft, dem aber die ärzt-
auch therapeutisch ausgerichteten Maßnah- liche Berufsgruppe insbesondere mit gutem Bei-
men des vor allem primär präventiven Infek- spiel vorangehen sollte, ist Grundlage dafür, nicht
tionsschutzes in Praxis, Forschung und Lehre. nur präventiv tätig zu werden, sondern auch Gefah-
rensituationen (Etablierung von Erregerkolonisa-
Unter Krankenhaus- bzw. medizinischer Hygiene tion, -ausbreitung, Resistenzlagen etc.) und damit
versteht man alle Maßnahmen, Aufgaben, Pflichten »Ausbrüche« mit geeigneten Gegenmaßnahmen in
und Regeln, die sich der infektiösen Prophylaxe im Grenzen zu halten.
Zusammenhang mit den Abläufen und der Tätig-
keit in Gesundheitseinrichtungen widmen. Die 4 Grundregeln der Hygiene
> Hygiene durchdringt nicht nur alle Lebens- 1. Händedesinfektion so oft wie möglich
lagen und -umstände, gerade in der Gesund- 2. Häufige Desinfektion von Medizinproduk-
heitseinrichtung ist sie von eminenter Wichtig- ten, die an Patienten eingesetzt werden
keit aufgrund ihres umfassenden, ja global zu (Stethoskop …)
nennenden Einflusses. Das wird vor allem deut- 3. Trennung Rein – Unrein
lich bei Nichtbeachtung und deren Folgen. 4. Bei schwierigen Fragestellungen: Würde ich
als Patient die Lösung akzeptieren?
Die Herausarbeitung der bedeutsamen und beach-
tungswürdigen Rolle von Hygiene bedeutete medi-
zingeschichtlich einen Meilenstein, z. B. durch das jVorbemerkung
Händewaschen vor geburtshilflichen Tätigkeiten Hygiene ist eng mit Reinheit assoziiert. Das gilt in
Mitte des 19. Jahrhunderts. Damit war ein Durch- Gesundheitseinrichtungen, auf Stationen, in OP-
bruch in der Vorbeugung infektiöser Komplikatio- bzw. Funktionstrakts, hinsichtlich der medizini-
nen erreicht, der das allgemeine, behandlungs- bzw. schen Berufsbekleidung bis hin zu OP-Kasacks. Sie
interventionsassoziierte »Outcome« entscheidend stellt rein optisch bereits damit ein orientierendes
verbesserte, aber auch das Interventions- und allge- Zeugnis aus. So trägt jeder einzelne Mitarbeiter bis
meine Behandlungsspektrum entscheidend in sei- hin zu den Reinigungskräften eine individuelle Ver-
ner sukzessiven Verbreiterung etablieren half. antwortung hinsichtlich der ordnungsgemäßen
Wesentlich begleitet wurde der »hygienische Umsetzung von Hygienevorschriften als auch den
Durchbruch« durch die wegweisenden infektions- allgemeinen Umgang mit infektiösem Material in
biologischen Entdeckungen und Erstbeschreibun- der konsequenten Rein-Unrein-(»Schwarz-Weiß«)-
gen, die pathogenetische und -physiologische Zu- Trennung!
sammenhänge aufzuklären unterstützten.
2.3 · Personelle Voraussetzungen
21 2
2.2 Begriffsklärung schädigen, dass sie den irreversiblen Zelltod
der Erreger verursachen.
> A-/Antisepsis, Sterilisation und Desinfektion 4 Bakteriostatisch: Dies sind Desinfektions-
stellen Grundbegriffe der Hygienelehre dar. mittel oder Antibiotika, welche das Wachstum
bzw. die Vermehrung von Bakterien hemmen,
ruhende Keime aber nicht abtöten.
2.2.1 Asepsis 4 Viruzid: Als viruzid bezeichnet man Desinfek-
tionsmittel oder Arzneistoffe/-mittel, welche
Aus dem Griechischen steht es für »Keimfreiheit«; Viren bzw. ihre Nukleinsäuren so stark schädi-
sie umfasst alle Maßnahmen zur Beseitigung von gen, dass sie den Erreger irreversibel schädigen
Krankheitserregern, insbesondere durch die Sterili- bzw. inaktivieren.
sation. 4 Virostatisch: Als virostatisch bezeichnet man
Desinfektionsmittel oder Arzneistoffe/-mittel,
welche die Vermehrung von Viren hemmen,
2.2.2 Sterilisation sie aber nicht abtöten.

Abtötung aller lebenden Bestandteile einschließlich


Bakteriensporen bei einer Reduktion auf die Wahr- 2.3 Personelle Voraussetzungen
scheinlichkeit von 10–6, dass Keime vorhanden sind.
> In diesem Zusammenhang: Steriles Arbeiten
Der Gesetzgeber hat dem Hygieneproblem mit
heißt, strikt eine mikrobielle Kontamination
der gesetzlich vorgeschriebenen Festlegung eines
zu vermeiden.
ärztlichen Hygienebeauftragten mittlerweile klar
Rechnung getragen, der eine entsprechende fachli-
che Qualifikation (Facharzt für Mikrobiologie, Zu-
2.2.3 Antisepsis satzqualifikation) nachweisen muss. Krankenhaus-
interne Arbeitsstäbe und klinikinterne Hygiene-
Aus dem Griechischen kommend steht es für »ge- beauftragte stufen die Verantwortlichkeit hierar-
gen Keime«; sie beinhaltet alle Maßnahmen zur chisch ab, schärfen die Sensibilität für das Problem
Verminderung von infektiösen Keimen und infek- vor Ort.
tiösem Material, insbesondere durch Desinfektion Neben der
zu erreichen. 4 Erstellung bzw. Aktualisierung einer Hygiene-
ordnung als Teil der »Krankenhausordnung«
bzw. »OP-Saal-Ordnung« nach Richtlinien des
2.2.4 Desinfektion »Robert Koch-Instituts«,
4 periodischen Kontrollen wie Hygienebegehun-
Darunter ist das Unschädlichmachen von Krank- gen mit ggf. zu erteilenden und hinsichtlich ih-
heitserregern zu verstehen, wobei jedoch keine rer Umsetzung zu kontrollierenden Auflagen
Keimfreiheit erzielt wird, die Mikroorganismen je-
doch so geschädigt werden, dass sie ihre Infektiö- sind
sität einbüßen. Sie unterliegt der Anforderung, die 4 regelmäßige Schulungen bzw.
Keimzahl von 1010 auf 105 zu reduzieren. Insbeson- 4 (günstigenfalls) die Erstellung einer einrich-
dere kommt sie in Betracht, wenn die Sterilisation tungsspezifischen »Antiinfektiva-Leitlinie«
nicht möglich ist.
Es sind folgende Desinfektionsmittelqualitäten die Hauptarbeitsfelder.
verfügbar: bakterizid – viruzid- bakteriostatisch –
virostatisch.
4 Bakterizid: Dies sind Desinfektionsmittel oder
auch Antibiotika, welche Bakterien so stark
22 Kapitel 2 · Hygiene

2.4 Prophylaxe vor allem in Staaten mit einer hochentwickelten


Medizin erheblich zugenommen.
Für die Prophylaxe ist ein geschultes Personal in al- Ihr kompetentes Management und letztlich ihre
2 len hierarchischen Ebenen Grundvoraussetzung. langzeitige Beherrschung hat insbesondere prophy-
Vor allem ist ärztlicherseits dem Pflegepersonal laktische Hygieneüberlegungen richtigerweise und
oder aber die/der erfahrene Kollegen/in der/dem angezeigtermaßen wieder weit mehr in den Vorder-
jüngeren Kollegen/in stets mit Vorbildfunktion ge- grund rücken lassen.
genüber aufzutreten. Allen voran ist Methicillin-resistenter Staphylo-
coccus aureus (MRSA), daneben »VRE« (Vancomy-
Zwischenmenschliches cin-resistenter Enterokokken) zu nennen.
Eine kompetente junge ärztliche Absolventengene- Daneben sind nach neuer Nomenklatur
ration hat dabei –auch schon im Pflichtjahr – eine »3MRGN« (multiresistente Gram-negative Stäb-
besondere Verantwortung, um für die hygienischen, chen) und »4MRGN« aufzuführen, die begrifflich
infektiösen und gerade prophylaktischen Herausfor- bereits das Problem der Resistenz gegen 3 der 4 bzw.
derungen der Zukunft ausreichend gut und sicher gegen alle 4 Basismedikamentengruppen der Anti-
anwendbar gewappnet zu sein. biotika ausweisen und vor allem im Infektionsfalle
ein nicht unerhebliches Problem im Medikamen-
Nicht zuletzt sind die ungebrochene Gewährleis- tenregime einer angezeigten antibiotischen Medi-
tung und stetige Kontrolle der Prinzipien von Asep- kation ausmachen können.
sis, Antisepsis, Sterilisation und Desinfektion dafür 4 3MRGN (gramnegative Stäbchen, bei der noch
unentbehrliche Basisaspekte. eine der Antibiotikagruppe wirksam ist)
4 4MRGN (gramnegative Stäbchen, die gegen alle
Zwischenmenschliches vier Gruppen resistent sind)
Im Falle des eigenen Infekts der oberen Luftwege/der
Diarrhoe etc. ist die anzunehmende Kontagiösität hin- . Tab. 2.1 Antibiotikabeispiele und ihre Anwendung
reichendes Argument der erforderlichen Krankschrei-
bung. Vergessen Sie nicht, dass Sie bereits immun- Antibiotika- Leitsubstanz Häufig angewen-
gruppe det bei
schwache Patienten schnell anstecken und in eine
noch schlechtere gesundheitliche Situation führen Acylamino- Piperacillin Grampositive
können. Daher arbeiten Sie bei infektiösen Krankheiten penicilline und Gramnega-
bitte nicht heroisch weiter, sondern gönnen Sie sich – tive Erreger

auch im Sinne der Patienten – ein paar Tage Ruhe. Cephalosporine Cefotaxim Grampositive
der 3a- und und/oder und Gramnega-
3b-Gruppe Ceftazidim tive Erreger

2.5 Multiresistente Mikroorganismen Carbapeneme Imipenem Grampositive


und/oder und Gramnega-
Meropenem tive Erreger inkl.
> Multiresistente Mikroorganismen sind Anaerobier
Erreger, die gegen eine oder mehrere
Chinolone Ciprofloxacin Gramnegative
Medikamente(ngruppen) – ob bakteriozid Errecher
oder -statisch – unempfindlich sind.

Ihre Verbreitung hat Zu den wichtigen Erregern dieser gramnegativen


4 mit dem (teils unkritischen, z. B. nicht indika- Stäbchen gehören die Familie der Enterobacteria-
tionsgerechten oder überlangen) Einsatz von ceae, z. B. Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae,
Antibiotika, Proteus spp., Enterobacter spp., sowie Pseudomonas
4 der Zunahme chronisch(-rezidivierend)er aeruginosa und Acinetobacter baumannii.
Infektionen, Noch immer gilt die Zimmerisolation (bis auf
4 der intensivmedizinischer Langzeittherapien wenige Länder) als angezeigte Prophylaxe, um die
2.6 · Nosokomiale Infektionen
23 2
Erregerverbreitung zu unterbrechen. Damit ist je- Sie machen ein enormes gesundheitsökonomisches
doch eine kompetente Einhaltung der Isolations- Problem aus, das die Kostenaufwendungen erheb-
grundsätze durch das medizinische Personal (inklu- lich potenzieren können. Die meist im Fokus ste-
sive Reinigungs- oder Patiententransportkräfte) henden Teildisziplinen sind die operativen Fächer
bzw. der Angehörigen verbunden wie z. B.: mit den Wundinfektionen, die zu den »speziellen
4 Begrenzung der Personenbewegung, Komplikationen« im perioperativen(/-interventio-
4 Handschuhe, Kittel, Mundschutz bei Tätigkeit nellen Management gezählt werden. Dem stehen
im Isolationszimmer mit Abwurf im Zimmer, die Pneumonie und Harnwegsinfektion – peri-
4 Visite durch begrenzte Personenzahl, operativ/-interventionell als »allgemeine Komplika-
4 Blutabnahme durch Einzelperson, tionen« klassifiziert – gegenüber, natürlich Letztere
4 strikte Einhaltung bei Vermeidung der sozia- ebenso bedeutsam für die eher nichtoperativen bzw.
len Isolierung betroffener zimmerisolierter konservativen Fächer.
Patienten, Damit kommt der Prophylaxe eine enorme Be-
4 Zimmereingliederung im organisatorischen deutung zu:
Arbeitsablauf (Körperpflege, Essenausgabe, 4 Exakte Einhaltung der Regeln einer stationären
Reinigung, Verbandswechsel) der Station Hygiene,
4 Ein infizierter Patienten darf unter peinlicher 4 sorgsame, ja peinlich genaue Hände-
Einhaltung von Verhaltensinstruktionen durch desinfektion,
geschultes Personal durchs Haus transportiert 4 Bettplatzisolationsabgeleitetes Vorgehen bei
werden – ein selbständige Bewegen ist weitest- »bed-side«-Pflege und -Interventionen,
gehend zu begrenzen und nur bei absoluter 4 standardisierte Interventions- bzw. OP-Vor-
Verlässlichkeit zu gestatten (ähnliche Grundsät- bereitung,
ze gelten für den Besuch im Krankenzimmer 4 unmittelbar präoperative Hautdesinfektion,
des isolierten Patienten) etc., insbesondere im 4 perioperative Antibiotikaprophylaxe,
Zeitalter personeller Minderbesetzungen auf 4 Schulungen u. a. m.
Station (z. B. nachts oder im Problem-/Notfall).
Eine besondere Herausforderung sind die Infektio-
Einen bedeutsamen Platz nimmt das Screening
nen mit multiresistenten Keimen, da hiermit der
nach Risikogruppen (Altersheim, Krankenhausauf-
zwingende Einsatz von Reserveantibiotika verbun-
enthalt innerhalb des letzten Jahres, früherer Kolo-
den sein kann.
nisations-/Infektionsnachweis mit multiresistentem
Vor allem im Zuge von Anstrengungen der
Keim etc.) im Rahmen der Hygieneprophylaxe z. B.
Kostenoptimierung so z. B. im Hinblick auf eine
bei Krankenhausaufnahme oder eruiertem Kontakt
Personalreduzierung im Rahmen des Kranken-
eines Patienten (Bett-/Zimmernachbar eines kolo-
hausmanagements ist auf die exakte und konti-
nisierten/infizierten Patienten mit einem multire-
nuierliche Einhaltung der Hygienerichtlinien zu
sistenten Erreger) ein.
achten, die keinesfalls Gegenstand von Einspar-
> Interessieren Sie sich für die Resistenzlage der maßnahmen werden können.
Beschäftigungs-(Bewerbungs-)Einrichtung.
Wichtige Aspekte
2.6 Nosokomiale Infektionen 5 Nosokomiale Infektionen gelten grundsätz-
lich als vermeidbar.
> Nosokomiale Infektionen stellen definitions- 5 Wichtigste Maßnahme zur Vermeidung und
gemäß alle Infektionen mit Mikroorganismen Reduktion nosokomialer Infektionen ist die
dar, die zeitlich im Zusammenhang mit gewissenhafte Einhaltung der Hygieneregeln!
einem stationären Krankenhausaufenthalt
oder ambulanten Vorstellung in einer
Gesundheitseinrichtung bzw. anderen medi-
zinischen Einrichtung stehen.
24 Kapitel 2 · Hygiene

2.7 Mikrobiologisches Monitoring Ihre Anwendung obliegt strengen Basisregeln als


auch angezeigten Indikationen und tangiert jede
Das mikrobiologische Monitoring, dem alle Maß- klinische Disziplin. Einen groben Überblick über
2 nahmen der die verschiedenen Antibiotikaklassen sowie deren
4 mikrobiellen Probengewinnung (insbesondere Wirkspektrum zeigt . Tab. 2.2.
Abstriche und Gewebs- bzw. Sekret-/Flüssig-
keitsproben), Ein(e)
4 genamplifizierenden Vervielfältigung (PCR) 4 solides Basiswissen,
und kulturellen Anzüchtung (Nährmedium), & 4 intendierte Vervollkommnung und
4 Auswertung 4 abgeleitetes kompetentes Vorgehen

unterliegen, stellt ein wesentliches Instrument im sollte daher für den PJ-ler schon frühe Richtschnur
heutigen kompetenten Hygienemanagement dar, für ein klinisch effektives Handeln sein.
wenn es auch im Zuge der Kostenzwänge im Ge- Folgende Basisprinzipien sind zu beachten:
sundheitswesen nur schwerlich in stetiger Durch- 4 indikationsgerechte, dann aber im Akutfalle
führung auch eben aus prophylaktischer bzw. aka- zeitigstmögliche Gabe von kalkulierter Breit-
demisch-informativer Sicht durchzuhalten ist. spektrumantibiotikagabe (»hit hard and early«),
> Das mikrobiologische Monitoring stellt ein
4 frühe bzw. schnellstmögliche Adaptation an
Basistool hygienischer Tätigkeit dar.
resistogrammgerechte Antibiotikagabe,
4 zeitgerechte Deeskalation,
Neben tages- bzw. befund- oder patientenaktuellen 4 strikte Vermeidung einer »prophylaktischen
Befunden (z. B. zur resistogrammgerechten Antiin- Antibiotikagabe« (außer der etablierten
fektivaausrichtung) dient das mikrobiologische Mo- perioperativen/-interventionellen Antibiotika-
nitoring gerade prophylaktisch bzw. epidemiologisch prophylaxe),
4 der Ermittlung eines Erregerspektrums (z. B. je 4 Erwägung/Anwendung einer Antibiotikapause,
nach mikrobiologischer Probe), der »Durch- 4 Schonung/kritischer Einsatz von Reserve-
seuchung« mit bestimmten Erregern/Erreger- antibiotika,
gruppen, der Resistenzlage, oder aber auch 4 Beachtung/kompetente Deutung von »drug-
4 der Charakterisierung mikrobiologischer mit- induced fever«.
tel- bis langfristiger Trends der Erregerlage. > Indikations-, dosis- und zeitgerechte Anti-
infektivagabe ist essenziell für eine erfolgrei-
che klinische Behandlung im Infektionsfalle.
2.8 Antibiotika und Antiinfektiva
Neben den Antibiotika sind die Antimykotika (vor
Antibiotika, Antiinfektiva sind in der modernen allem bei längerem intensivmedizinischen Thera-
Medizin eine unentbehrliche Medikamentengruppe piebedarf, persistierenden Infektionen, immunsup-
gerade im Zusammenhang mit pressiven Konstellationen) und Virostatika (vor al-
4 schweren Infektionen, lem bei immunsupprimierten Transplantatempfän-
4 polymorbiden Patienten, gern bedeutsam) zu nennen.
4 fortgeschrittenen (infektiösen) Krankheits- Einrichtungsspezifische leitliniengerechte »Anti-
bildern, infektiva-Leitfäden« fassen dabei in kompetenter
4 multiinfektiösen Konstellationen, Weise das früher eher nur klinikbasiert festgelegte
4 intensivmedizinischem Therapieerfordernis, Vorgehen multi- bzw. interdisziplinär zusammen
4 multimodalem Behandlungsspektrum, und aktualisieren diese regelmäßig nach Empfeh-
4 immunsuppressiven klinischen Erscheinungs- lungen des Robert Koch- und Paul-Ehrlich-Insti-
bildern (langes Krankenlager, immunsuppres- tuts.
sive Medikation, Blutverlust, Schock etc.),
4 multiresistenten Keimen.
2.8 · Antibiotika und Antiinfektiva
25 2

. Tab. 2.2 Beispiele einiger Wirkspektren von Antibiotikaklassen. (Mod. nach Herold 2012)

Penicilline

Penicilline Benzylpenicillin Streptokokken inkl. Pneumokokken


(= Penicillin G)

Aminopenicilline Amoxicillin Penicillin-Wirkspektrum


Enterokokken, gramnegative Erreger ohne Betalakta-
Ampicillin
mase-Produktion

Aminopenicilline/ Amoxillin/Clavulansäure Penicillin-Wirkspektrum


Betalaktamase- Enterokokken und einige gramnegative Erreger mit
Ampicillin/Sulbactam
Inhibitoren Betalaktamase-Produktion

Acylaminopenicilline Azlocillin Grampositiver Bereich inkl. Enterokokken


Nicht wirksam gegen Betalaktamaseproduzierende
Mezlocillin
Staphylokokken
Piperacillin Gramnegative Erreger ohne Betalaktamase-Produktion
Unterschiedliche Aktivität gegen Pseudomonaden

Acylaminopenicil- Piperacillin Tazobactam Grampositiver Bereich inkl. Enterokokken


line/Betalaktamase- Einige gramnegative Erreger mit Betalaktamase-
Piperacillin/Sulbactam
Inhibitoren Produktion, Aktivität gegen Pseudomonaden

Isoxazolylpenicilline Dicloxacillin Grampositive Erreger mit Betalaktamase-Produktion


(Staphylokokken-Penicilline)
Flucloxacillin

Oxacillin

Cephalosporine

Gruppe 1 Cefazolin Grampositive und einige wenige gramnegative


Bakterien
Cefalexin
Stabil gegenüber Penicillasen aus Staphylokokken
Cefadroxil Instabil gegenüber Betalaktamasen gram-negativer
Bakterien
Cefaclor

Gruppe 2 Cefuroxim Grampositive und gramnegative Bakterien


Stabil gegenüber Penicillasen aus Staphylokokken und
den meisten Betalaktamasen gramnegativer Bakterien

Gruppe 3a Cefotaxim Gramnegative Bakterien


Stabil gegenüber zahlreichen Betalaktamasen gram-
Ceftriaxon
negativer Bakterien
Ceftibuten Unwirksam gegen Enterokokken

Cefixim

Gruppe 3b Ceftazidim Wirkungsspektrum wie Cephalosporine Gruppe 3a


Zusätzlich gute Wirksamkeit gegen Pseudomonaden
Cefepim

Carbapeneme

Imipenem/Cilastatin Grampositiver und gramnegativer Bereich inkl.


Anaerobier
Meropenem

Ertapenem

Doripenem
26 Kapitel 2 · Hygiene

. Tab. 2.2 (Fortsetzung)

Glykopeptide
2 Vancomycin Streptokokken inkl. Enterokokken, Staphylokokken inkl.
MRSA
Teicoplanin

Fluorchinolone

Gruppe 1 Norfloxacin Harnwegsinfektionen


Gramnegativer Bereich

Gruppe 2 Ofloxacin Gramnegative Erreger, teilweise mit Aktivität gegen


Pseudomonas
Ciprofloxacin
Begrenzt wirksam gegen Pneumokokken, Staphylokok-
ken und »atypische« Pneumonieerreger (Chlamydien,
Mykoplasmen, Legionellen)

Gruppe 3 Levofloxacin Gramnegativer und grampositiver Bereich inkl. Pneu-


mokokken, Staphylokokken, Streptokokken, »atypische«
Pneumonieerreger (Chlamydien, Mykoplasmen, Legio-
nellen)

Gruppe 4 Moxifloxacin o Ähnliches antibakterielles Wirkspektrum wie Gruppe 3

Makrolide

Ältere Makrolide Erythromycin »Atypische« Pneumonieerreger (Chlamydien, Mykoplas-


men, Legionellen), Streptokokken inkl. Pneumokokken

Neuere Makrolide Azithromycin Wirkspektrum wie ältere Makrolide mit verbesserter


Aktivität gegen Haemophilus influenzae
Clarithromycin

Roxithromycin

Telithromycin

Aminoglykoside

Amikacin Enterobakterien, Pseudomonaden

Gentamicin

Tobramycin

Tetracycline

Doxycyclin »Atypische« Pneumonieerreger (Chlamydien, Mykoplas-


men, Legionellen)

Diaminopyrimidine

Trimethoprim mit oder Trimethoprim, Cotrimoxazol Grampositive und gramnegative Bakterien


ohne Sulfonamid

> Arbeiten Sie aktiv/täglich/stets mit dem ein- 2.9 Künstliche Materialien –
richtungsspezifischen »Antiinfektivaleit- »Devices«
faden« oder äquivalenten Vorgaben bzw. hilf
(mit), für deren Umsetzung zu sorgen. Biomaterialien sind aus der klinischen Tätigkeit
nicht mehr wegzudenken. Ihre keimfreie Verwen-
dung, ob als Hilfsmittel, Instrument oder Implantat
2.11 · Händedesinfektion
27 2
erhöht den Anspruch an ein effektives Hygienema- 4 eines angezeigten Selbststudiums,
nagement prä-, peri- und postinterventionell, des- 4 einer indizierten Unterweisung in Basis-
sen peinliche Einhaltung essenziell für ein kompetenzen,
4 problemarmes Vorgehen bzw. 4 der Vermittlung von Erfahrungen und Wissens-
4 wiederholte Anwendung oder weitergabe, sowie
4 permanentes Verbleiben 4 der Gewährleistung der Umsetzung eines
unbeeinträchtigten Hygieneregimes.
ist.
Eine mikrobielle Kolonisation an Biomateria-
lien löst zumeist weiterführende einschneidende, 2.11 Händedesinfektion
weit traumatischere Konsequenzen hinsichtlich in-
vasiver Maßnahmen aus, die z. B. zu Sie steht im Mittelpunkt der Desinfektionsanstren-
4 lokal-chirurgischer (Wund-)Sanierung, gungen nicht nur bei periodischen Schulungen, da
4 Explantation, die Hände des medizinischen Personals als mikro-
4 Antibiotikaeinsatz bieller Hauptüberträgermechanismus gelten.
> Die Händedesinfektion dient der Unterbre-
veranlassen. chung des Hauptüberträgermechanismus.

Die Erzeugung einer Sensibilität gerade dahinge-


2.10 Lehre hend kann einen immensen Schub in den hygiene-
prophylaktischen Anstrengungen bewirken, wenn
Hygiene als am ehesten klassisches Themenfeld nicht längst schon – wie angezeigt – bewirkt.
bzw. Teilbereich der Mikrobiologie hat neben dem Hygienekampagnen, die gerade darauf gerichtet
Stellenwert im Humanmedizinstudium eine anhal- sind, sollten die Einsicht und Sensibilität fördern
tende Bedeutung als Fort- und Weiterbildungs- helfen und die Unterstützung auch von PJ-ler-Seite
thema im klinischen Alltag als auch im allgemeinen erfahren.
Gesundheitsmanagement. Nicht zuletzt ist sie durch Die mittlerweile weit verbreitete Ausstattung
die der Stationen (Stationszimmer), Eingänge und Tür-
4 Dynamik in der Krankenhausentwicklung, durchtritte und Gesundheits- als auch mittlerweile
4 diagnostischen und therapeutischen Fort- Pflegeeinrichtungen mit Händedesinfektionsspen-
schritte in der Medizin, dern hat zu einer gewünschten Sensibilisierung auf
4 epidemiologischen Veränderungen die häufigere, da angezeigten Nutzung der Hände-
desinfektion beigetragen.
persistierender Betrachtungs-, Forschungs- und da- Mitgeführte Kittelflaschen sind eine zu begrü-
mit Lehrgegenstand. ßende individuelle Aktivität de Krankenhausmitar-
Als Basis jeglichen klinischen Handelns – ob beiter-, Pflege- und Ärzteschaft, Händedesinfektion
ambulant oder stationär, bei alt oder jung, präven- zu demonstrieren und zu pflegen.
tiv/diagnostisch oder therapeutisch – sollte die Hy- Es besteht ein Unterschied zwischen medizini-
giene eine gebührende Beachtung in der aktuellen scher (Benetzen/Verreiben der Hautoberfläche mit
modernen Lehrvermittlung erfahren, die ihr ange- hautverträglichem Desinfektionsmittel) und chirur-
zeigtermaßen zukommt. gischer Händedesinfektion (Hände und Unterarme
mit Seife komplett zirkulär waschen, trocknen und
Zwischenmenschliches wiederholtes [insgesamt 3x] Benetzen/Verreiben
Die/Der erfahrene Mitarbeiter/in hat dabei ebenso der Hautoberfläche mit hautverträglichem Desin-
wie die/der qualifiziert(er)e medizinische Akademi- fektionsmittel)
ker/in als auch insbesondere die/der Mediziner/in Besondere Verhaltensmaßregeln umfassen:
in Leitungsfunktion eine stete Verantwortung hin- 4 Händedesinfektion bei jedem neuen Patienten-
sichtlich kontakt in der Visite am Bett neu/wiederholen!
28 Kapitel 2 · Hygiene

4 Hygienische Händedesinfektion: Die Hände als 2.13 Wundmanagement


Keimüberträger Nummer 1 aus hygienischer Sicht
4 Länge der Fingernägel darf die Fingerkuppen
2 nicht überschreiten Tätigkeiten an der Wunde dürfen nur mit Hand-
4 Nagellack ist nicht zulässig, ebenso keine schuhen vorgenommen werden – bei Unterbre-
künstlichen Fingernägel chung der Tätigkeiten an der Wunde sind neue
4 Tragen von Schmuck (einschl. Uhren und Handschuhe zu verwenden!
Ringe) an Händen und Unterarmen ist nicht Als Grundregel wird die aufgeführte Reihen-
erlaubt. folge der Verbandswechsel empfohlen:
4 Nach jedem Besuch der Toilette die Hände 4 Aseptische Wunde,
desinfizieren! 4 kontaminierte Wunde,
4 Nach jedem Naseputzen und Niesen sind die 4 septische Wunde.
Hände zu desinfizieren.
> Pflegen Sie die häufige Händedesinfektion,
Materialien zum Verbandswechsel umfassen:
wie angezeigt – unterstützen Sie das
4 Händedesinfektionsmittel
»Aktionsbündnis ›Saubere Hände‹«!
4 Hautdesinfektionsmittel
4 Wund-/Schleimhautantiseptikum.
Zwischenmenschliches
Sollten Sie Probleme mit einem Desinfektionsmittel Die Desinfektion von Wunde und Wundumgebung
haben, z. B. auf Sterilium topisch allergisch reagieren, erfolgt bei einer:
dann fragen Sie bei dem Hygienebeauftragten oder 4 saseptischen Wunde von innen nach außen,
einfach dem Pflegepersonal nach, ob es möglich ist, 4 septischen Wunde von außen nach innen.
ein anderes Desinfektionsmittel (z. B. Desderman) für
Sie zu bestellen – in aller Regel ist das kein Problem!
2.14 Nadelstichverletzung

2.12 Handschuhe Zu den häufigsten Arbeitsunfällen bei Mitarbeitern


im Gesundheitswesen zählen Stich- und Schnittver-
Handschuhe stellen eine simple, effektvolle weitest- letzungen, was eine immense arbeitsmedizinische
gehend hautverträgliche Barriere der manuellen Dimension aufweist. Sind die Instrumente, mit de-
Hautoberfläche dar, deren praktischer Nutzen im nen sich die Beschäftigten verletzen, mit Blut oder
Alltag auszuschöpfen ist. Handschuhe sind jedoch anderen Körperflüssigkeiten kontaminiert, besteht
nicht nur zum Selbstschutz, sondern auch zum das Risiko einer Infektion. Die wichtigsten Erreger,
Schutze des Patienten zu tragen. So oft, wie Sie eine die durch Blutkontakt übertragen werden, sind das
Händedesinfektion vornehmen müssten, so oft Hepatitis-B-Virus (HBV), das Hepatitis-C-Virus
müssen Sie die Handschuhe wechseln! (HCV) und das Humane Immundefizienzvirus
Die Frage nach Begrüßen des Patienten mit (HIV). Das Risiko der Ansteckung hängt sowohl
Handschuhen im Krankenhaus stellt sich eigentlich vom Infektionsstatus des Indexpatienten ab als auch
nicht wirklich, denn eine Begrüßung mit Hände- vom Immunstatus des exponierten Mitarbeiters
schütteln in Gesundheitseinrichtungen wird allge- und der Virus-/bzw. Bakterienlast. Weiterhin spie-
mein nicht befürwortet. len Art und Schwere der Verletzung, die kontami-
Handschuhe anzuziehen ist zu üben: Sie werden nierende Menge Blut, die Dauer des Blutkontaktes
durch Hereinfahren innen mit der kontralateralen sowie das Zeitintervall zwischen Verletzung und
Hand erfasst und der ipsilateralen Hand überge- Reinigung und der Anwendung von Postexpositions-
streift (7 Kap. 8) – dann kann die behandschuhte maßnahmen eine Rolle.
Seite das Überstreifen der kontralateralen Hand
bewerkstelligen durch Aufladen des handgelenks-
nahen Gummizuges von außen.
2.15 · Zusammenfassung
29 2
> Die Prävention steht absolut im Vordergrund
mit dem Ziel, sich erst gar keine NSV zuzuzie-
hen und sich so vor Infektionen zu schützen.

Die Verwendung von sicheren Instrumenten bei


invasiven Eingriffen sowie das Tragen von doppel-
ten Handschuhen für eine verstärkte Sicherheit
beim Umgang mit spitzen und scharfen Gegenstän-
den, sollten zur Selbstverständlichkeit beim medizi-
nischen Personal nicht nur im operativen Bereich
werden. Im Verletzungsfalle ist die »Postexposi-
tionsprophylaxe« indiziert und der D-Arzt zu kon-
sultieren, um versicherungsrechtlichen Aspekten zu
Berufskrankheiten Rechnung zu tragen.

2.15 Zusammenfassung

Hygiene ist ein nicht wegzudenkender Bestandteil


eines kompetenten klinischen und allgemeinen Ge-
sundheitsmanagements, der alle Bereiche der Medi-
zin durchdringt. Ein anwendungsbereites Basiswis-
sen und die kompetente Anwendung/Beachtung
hygienischer Prinzipien sind Grundpfeiler einer
erfolgreichen und nutzbringenden Tätigkeit als
Ärztin/Arzt auch schon in jungen Jahren. Daher hat
ein hygienisch angezeigtes und richtiges Verhalten
einen nachhaltigen Effekt auf den angestrebten Be-
handlungs- bzw. Betreuungserfolg.

Wichtiges auf einen Blick


5 Hygiene ist ein nicht wegzudenkender Be-
standteil eines kompetenten klinischen und
allgemeinen Gesundheitsmanagements,
der alle Bereiche der Medizin durchdringt.
5 Seien Sie Vorbild und Partner für über- bzw.
untergeordnete hierarchische Ebenen.
5 Verfolgen Sie die stetige hygienische Fort-
und Weiterbildung persönlich und in Ihrem
Verantwortungsbereich.
31 3

Chirurgische Instrumentenlehre
Carl Meißner

3.1 Präparation – 32

3.2 Exploration – 35

3.3 Das Halten – 36

3.4 Blutstillung – 38

3.5 Resektion und Rekonstruktion – 39

C. Meißner (Hrsg.), Basic Skills PJ,


DOI 10.1007/978-3-662-48703-7_3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
32 Kapitel 3 · Chirurgische Instrumentenlehre

In Ihrem Chirurgietertial werden Sie merken, dass es lich muss in der sog. Schlüsselloch-Chirurgie auch
eine Vielzahl medizinischer Instrumente im Opera- die apparative Zusatzausrüstung mit benannt wer-
tionssaal gibt, die auseinanderzuhalten anfänglich den, da sie ein wichtiger Bestandteil des Instrumen-
schwerfällt. Zu den sogenannten chirurgischen tariums darstellt.
Instrumenten zählen alle medizinischen Instrumente,
welche historisch vornehmlich in der Chirurgie ihre
3 Anwendung fanden. Um Ihnen ein erstes Vertraut- 3.1 Präparation
machen mit den chirurgischen Werkzeugen zu er-
möglichen, sind in diesem Kapitel die wichtigsten jDefinition
Instrumente und einige Tipps dazu aufgeführt. Im Lateinischen bedeutet praeparatio «Vorberei-
tung» und wie Sie sicher noch aus dem Präp-Kurs
Die Benennung der chirurgischen Instrumente er- wissen, dient hier die Präparation dem gezielten
folgt häufig nach den Namen von Chirurgen, wel- Freilegen und der Darstellung anatomischer Struk-
che diese Instrumente entwickelt haben. Ein Bei- turen – nicht anders ist es in der Chirurgie. Durch
spiel wäre die Kocherklemme nach Emil Theodor die Präparation gelangt der Chirurg an die körper-
Kocher. lichen Strukturen, die er im weiteren Verlauf der
Heutzutage kommen immer mehr Firmenna- Operation begutachten (7 Abschn. 3.2), bei denen er
men oder Universitäten in Mode. Dadurch sind die eine Blutung stillen (7 Abschn. 3.3) oder die er rese-
Instrumente in Katalogen zu finden und mit zieren bzw. rekonstruieren möchte (7 Abschn. 3.5).
»mod. N. Name« (= »Modifiziert nach«) gekenn-
zeichnet, um den jüngsten Weiterentwickler eben- jInstrumente
falls zu benennen. Hierzu zählen Skalpell, Schere, Diathermiegeräte,
Da die chirurgischen Instrumente in Wunden Ultraschalldissektoren, Laser, Wasserstrahl-Dissek-
eingesetzt werden, findet heute in ihrer Fertigung tion und stumpfe Gewebedurchtrennung.
vornehmlich Edelstahl, Tantal oder Titan die An-
wendung. Diese sind besonders stabil und halten Skalpell (. Abb. 3.1)
den vielen folgenden Reinigungs- und Desinfek- Das wohl auch in der Laienbevölkerung bekann-
tionsverfahren stand. Andere Edelmetalle wie Silber teste chirurgische Instrument ist das Skalpell. Es ist
hingegen nutzen sich ab und korrodieren zu schnell das klassische Dissektionsinstrument in der Chirur-
beim Sterilisationsprozess. Weiterhin sollte der gie. Während früher in der Chirurgie Instrumente
Chirurg zumindest prinzipielle Vorstellungen über nach der Reinigung und Sterilisation wiederver-
die Vor- und Nachbereitung sowie den spezifischen wendet wurden, finden heute aus hygienischen
finanziellen Aufwand einzelner Verfahren haben. Gründen überwiegend Einmalinstrumente (Ein-
Aufgrund der fast unübersehbaren Zahl der malskalpelle) ihre Anwendung. Es werden heutzu-
heute verfügbaren chirurgischen bzw. medizini- tage prinzipiell 4 verschiedene Klingenformen an-
schen Instrumente ist es wohl am sinnvollsten die geboten. Die unterschiedlichen Größen sind nach
Beschreibung des Instrumentariums nach seinen einem Nummernsystem codiert. Eine besondere
Hauptfunktionen zu strukturieren. Form des chirurgischen Messers ist das sog. Ampu-
tationsmesser.
Hauptfunktion der Instrumente
5 Präparation, Schere (. Abb. 3.2)
5 Exposition, Hinter dem Skalpell folgt die Schere. Sie ist das viel-
5 Blutstillung, seitigste Dissektionsinstrument. Hierdurch ist eine
5 Rekonstruktion/Resektion. gezielte Gewebedurchtrennung möglich und gleich-
zeitig besteht die Kontrolle zur Erfassung der Gewe-
bequalität im Rahmen des Schneidevorgangs durch
Diese grundlegende Einteilung gilt natürlich auch die notwendige aufzubringende Kraft. Folgende
für die Minimal-invasive Chirurgie (MIC). Natür- Hauptgruppen werden unterschieden:
3.1 · Präparation
33 3

. Abb. 3.1 Skalpellvarianten. (Aus Siewert 2012) . Abb. 3.2 Scherenformen. (Aus Siewert 2012)

4 Präparationsscheren: Hier gibt es unter- 4 Faden- und Ligaturscheren: Man kann sie fast
schiedliche Längen und Biegungen für die als robuste Alltagsscheren bezeichnen. Sie
Gewebepräparation und -durchtrennung. haben häufig im Bereich der Branchen einen
4 Bipolare Scheren: Sie ermöglichen gleichzeitig Wellenschliff, damit der Faden, welcher durch-
das Schneiden und die Applikation von Strom trennt werden soll, nicht ausweichen kann.
zur Blutstillung. 4 Verbandsscheren: Das sind meist abgewin-
4 Gefäßscheren: Sie sind für spezielle Anforde- kelte Scheren, wobei die untere Lippe zu einer
rungen, wie dem Schneiden intravasal, d. h. bei knolligen Form ausläuft. Hiermit ist das Unter-
Röhrenstrukturen entwickelt worden. fahren eines Verbandes in Richtung Haut mög-
4 Mikro- und Federscheren: Für das mikro- lich, ohne dabei die Haut zu verletzen.
skopisch kleine, d. h. mikrochirurgische
Anwendungsgebiet wurden sog. Feder- Diathermie-Geräte (. Abb. 3.3)
scheren entwickelt. Diese Scheren werden Sie werden auch als elektrische Messer bezeichnet.
gegen einen Federdruck betätigt, sodass nach Mit ihnen ist es möglich über einen Stromimpuls
dem Schneidvorgang die Schere selbständig Gewebe zu durchtrennen. Es gibt hier verschiedene
öffnet. Formen.
4 Rippenscheren: Dies sind sehr kräftige und
leicht gewinkelte Scheren für das Absetzen von Ultraschalldissektor (. Abb. 3.4)
Rippen. Das Hauptanwendungsgebiet ist die Der Ultraschalldissektor steht zur Durchtrennung
Thoraxchirurgie. von parenchymatösen Geweben (z. B. der Leber)
34 Kapitel 3 · Chirurgische Instrumentenlehre

3
. Abb. 3.5 Ultraschalldissektor in der MIC. (Aus Siewert
2012)

Laser Eine Gewebedurchtrennung ist auch durch


den Laser möglich. Wir unterscheiden verschiedene
Formen: Gas-, Festkörper- und Flüssigkeitslaser.
Der Dissektionseffekt wird durch die Verdampfung
. Abb. 3.3 Diathermie-Geräte. (Aus Siewert 2012) des vom Laserstrahl getroffenen Gewebes erzielt.

Wasserstrahlskalpell (. Abb. 3.6)


Bei der Wasserstrahldissektion wird Wasser mit
sehr hohem Druck über eine Düse gepresst. Da-
durch entsteht ein scharfer Strahl, welcher Gewebe
durchtrennen kann. Durch Druckanpassung kön-
nen dabei Strukturen, wie Gefäße oder kleine Gal-
lengänge, geschont und selektiv versorgt werden,

. Abb. 3.4 Ultraschalldissektor. (Aus Siewert 2012)

zur Verfügung. Die Gewebetrümmer werden


gleichzeitig durch koaxialen Sog unter kontinu-
ierlicher Spülung entfernt. Die Röhrenstrukturen,
wie z. B. Blutgefäße und Gallenwege, bleiben da-
bei  intakt und können so gezielt extra versorgt
werden.
Dieser Ultraschalldissektor wurde auch für die
sogenannte Minimal-invase Chirurgie (MIC) wei-
terentwickelt (. Abb. 3.5). Hier ist es nun möglich,
über sogenannte scherenartig ausgeformte Instru-
mente Gewebe zu fassen und durch die gezielte Ap-
plikation von Strom zu durchtrennen. . Abb. 3.6 Wasserstrahlskalpell. (Aus Siewert 2012)
3.2 · Exploration
35 3

. Abb. 3.8 Pinzetten. (Aus Siewert 2012)

3.2 Exploration

jDefinition
Das Wort Exploration stammt aus dem Lateini-
schen (exploratio) und bedeutet »Untersuchung,
Erforschung«. In der Chirurgie dient die Explora-
. Abb. 3.7 Stumpfe Gewebsdurchtrennung mittels Klem- tion dazu, sich einen Überblick über die anatomi-
men. (Aus Siewert 2012) sche und pathologische Situation zu verschaffen,
um die weiteren Schritte (7 Abschn. 3.3, 7 Abschn.
3.5) besser planen zu können.
z. B. mit Clips. Das Wasserstrahlskalpell ist beson-
ders für die Leberoperation geeignet. Hierbei kann jInstrumente
das Lebergewebe, die Hepatozyten, selektiv durch- Hierzu zählen Pinzetten, Wundhaken, Organ- und
trennt und kleine Gefäße und Gallengänge via Clip- Gewebefasszangen.
ping versorgt werden.
Pinzetten (. Abb. 3.8)
Stumpfe Gewebedurchtrennung (. Abb. 3.7) Für Man unterscheidet nach der »Maulform« zwischen
die sogenannte stumpfe Gewebedurchtrennung zwei großen Gruppen, den chirurgischen und den
werden Tupfer, Präparationsklemmen oder Ligatur- anatomischen (atraumatischen Pinzetten)
klemmen benutzt. Sie finden z. B. Anwendung bei
der offenen chirurgischen Durchtrennung des gro- Wundhaken (. Abb. 3.9)
ßen Netzes bei einer Hemikolektomie rechts auf- Heutzutage gibt es ein großes Angebot von Ein-
grund einer onkologischen Resektion. bzw. Mehrzinkern sowie flächigen Wundhaken.

. Abb. 3.9 Wundhaken. (Aus Siewert 2012)


36 Kapitel 3 · Chirurgische Instrumentenlehre

Weiterhin gibt es eine große Anzahl an selbst-


haltenden Wundhaken (. Abb. 3.10), z. B. Stuhler-
Haken oder Spreizern.

Organ- und Gewebefasszangen (. Abb. 3.11) Für


jede Gewebeart wurden spezielle Fasszangen entwi-
3 ckelt.
Eine besonders hohe Anforderung wird an Ge-
fäßklemmen gestellt (. Abb. 3.12). Diese sollen zum
einen eine sichere Fixierung gewährleisten und zum
anderen dürfen sie nur ein minimales Trauma an
den Gefäßen hinterlassen.

3.3 Das Halten

In diesem Abschnitt sollen ein paar gesonderte


Worte an Sie gerichtet werden – nämlich zu der Tä-
tigkeit, die Ihnen im Chirurgietertial am häufigsten
. Abb. 3.10 Selbsthaltende Wundhaken. (Aus Siewert 2012) zukommen wird: das Halten.

. Abb. 3.11 Organ- und Gewebszangen. (Aus Siewert 2012)


3.3 · Das Halten
37 3

. Abb. 3.12 Gefäßklemmen. (Aus Siewert 2012)

So einfach sich diese Tätigkeit auch anhören


Ihnen angibt. Geben Sie in dem Moment an
mag, wenn man sie länger als einige Minuten aus-
Druck nach, in dem er versucht, die Sicht
üben muss, wird sie zunehmend schwierig – nach
durch Veränderung der Instrumentenlage
einigen Stunden kann sie eine echte Herausforde-
zu verbessern.
rung darstellen.
Sie werden als »2. Assistenz« (mit etwas Erfah-
rung oder bei kleineren Eingriffen sogar vielleicht Wichtig ist aber nicht nur, dass Sie auf den OP-Be-
im Laufe der Zeit manchmal als 1. Assistenz) mit reich, sondern auch auf sich achten!
am Operationstisch stehen und vor allen Dingen
damit zu tun haben, den vom Operateur in Ihre
Hand gelegten Haken so zu halten, dass er eine freie Regeln zum Selbstschutz
Sicht auf das Operationsfeld hat. Dabei sollten Sie 5 Suchen sie sich eine möglichst bequeme Po-
auf folgende Dinge achten. sition, gerade denn, wenn Sie wissen, dass
die OP länger dauern wird (bei einigen Ope-
rationen, z. B. in der Neurochirurgie, darf
Beim Halten…. auch nach einem Stuhl gefragt werden).
5 … soll das OP-Feld für den Operateur über- 5 So einfach es klingen mag: Achten Sie auf
sichtlich gehalten werden. einen geraden Rücken!
5 … soll der Haken gerade mit so viel Zug wie 5 Versuchen Sie, das Instrumentarium nicht
nötig gehändelt werden – bedenken Sie, mit der Kraft Ihrer gesamten zu halten, son-
dass Sie an Gewebe ziehen, das möglichst dern nutzen Sie die Griffmöglichkeiten, die
nicht zusätzlich traumatisiert werden soll. sich bieten – z. B. beim Langenbeck-Wund-
5 … sollten Sie trotz der Eintönigkeit Ihrer haken das Loch in der Mitte, um mit Zeige-
Aufgabe konzentriert beim OP-Geschehen oder Mittelfinger den Druck zu unterstüt-
bleiben, damit Sie frühzeitig wahrnehmen, zen bzw. hier den Hebel der Kraftwirkung
wenn der Operateur das Instrumentarium anzusetzen.
wechseln möchte. 5 Bitten Sie rechtzeitig um eine Pause bzw.
5 … sollten sie das Instrumentarium mög- um einen Austausch, wenn Sie merken,
lichst genau so halten, wie der Operateur es dass es nicht mehr geht.
38 Kapitel 3 · Chirurgische Instrumentenlehre

! Wenn Sie merken, dass Sie keine Kraft mehr


haben oder Ihnen bei einer langen OP schwin-
delig wird, bitten Sie lieber FRÜHZEITIG um
Austausch. Das mag unangenehm sein, noch
unangenehmer für alle Beteiligen wäre es,
wenn Sie kopfüber auf den OP-Tisch fallen.
3
3.4 Blutstillung

Die Blutstillung in der Chirurgie kann einerseits


durch eine manuelle Kompression, durch ein Naht-
verfahren oder auch durch die Elektrokoagulation
erfolgen.
In diesem Abschnitt möchten wir uns auf die
heute verwendeten Titan- und resorbierbaren Clips
beschränken (. Abb. 3.13).
Diesen werden heute vornehmlich in der Mini-
mal-invasiven Chirurgie regelhaft eingesetzt.
Eine weitere wichtige Rolle spielt die Thermo-
kauterisierung von Gewebeblutungen (. Abb. 3.14).
Der Koagulationsstrom wird bei monopolaren Ko-
agulationen direkt mit der Spitze des Handrückens,
die als Kugel-, Flächen- oder Hakenelektrode ausge-
bildet ist, appliziert.
! Der Koagulationsstrom kann Auswirkungen
auf die Schrittmacherfunktion haben!
Eine sehr gute Weiterentwicklung beim chirurgi-
schen Instrumentarium ist die sogenannte Impe-
danz-gestörte Koagulation (. Abb. 3.15). Durch die
computergesteuerte Leistungsabgabe wird bewirkt,
dass es während der Koagulationsvorgang im Ge-
webe nicht zu Karbonisationsvorgängen kommt. Es
. Abb. 3.13 Clips. (Aus Siewert 2012)
wird also möglich, eine sehr viel höhere Energie-
dichte lokal zu applizieren und so auch Gewebe bzw.
größere Gefäße sicher zu verschließen.
Eine weitere Möglichkeit der Blutstillung bei der
Leber (parenchymatösen Organen) ist die soge-
nannte Schutzgaskoagulation (. Abb. 3.16). Dieses
Verfahren, wie z. B. der »Argon Beamer«, verwen-
det ein ionisiertes Gas. Diese ionisierten Gasparti-
kel führen bei Gewebe zu einer festen Nekrosebil-
dung, wobei die Verdrängung des Luftsauerstoffs
zusätzlich eine Verbrennung des Gewebes verhin-
dert – d. h., da wo das Gas gebraucht wird, kommt
es auch an. Da hier der sogenannte Gasstrom das
Austreten von Blut erschwert, spricht man vom so-
genannten trockenen Koagulieren. . Abb. 3.14 Thermokauterisierung. (Aus Siewert 2012)
3.5 · Resektion und Rekonstruktion
39 3

. Abb. 3.15 Impedanz-gestörte Koagulation. (Aus Siewert


2012)

. Abb. 3.16 Schutzgaskoagulation. (Aus Siewert 2012)

3.5 Resektion und Rekonstruktion

jDefinition
Resektion kommt aus dem Lateinischen (resecare) . Abb. 3.17 Stapler. (Aus Siewert 2012)
und bedeutet weg- bzw. abschneiden. Es geht hier
also darum, aus kurativen oder palliativen Gründen
Gewebe oder Organe zu entfernen. nen bei bestimmten Indikationen diese Schritte
Die Rekonstruktion stammt vom französischen auch maschinell erfolgen.
Wort »reconstruction« und bedeutet »Nachbilden«
bzw. Wiederherstellen – es werden also in der Chi- Stapler Mit dem sogenannten «Stapler» wird Ge-
rurgie anatomische Strukturen wiederhergestellt webe geklammert und auch gegebenenfalls mit in-
oder nachgebildet, die durch Trauma oder Krank- tegriertem Messer durchtrennt (. Abb. 3.17).
heit zerstört wurden.
Klammernahtapparatl Möchte man nach einer
jInstrumente Darmresektion eine Darmanastomose herstellen,
Neben der chirurgischen Resektion des Präparates werden zirkuläre Klammernahtgeräte verwendet.
zur histologischen Untersuchung mit dem Messer Ein weiteres Anwendungsgebiet stellen lineare Ap-
oder Diathermiegerät und der Naht per Hand kön- parate dar, welche nur eine einseitige Klammer-
40 Kapitel 3 · Chirurgische Instrumentenlehre

nahtreihe erstellen, z. B. beim Duodenal Stromver-


a schluss.

Instrumentarium für die laparoskopische Chirurgie


(. Abb. 3.18) Neben dem eigentlichen medizini-
schen chirurgischen Instrumentarium stellt die
3 Minimal-invasive Chirurgie bei vielen Operatio-
c nen, wie z. B. der Gallenblase, den Goldstandard
a heutzutage dar. So ist es auch notwendig, wichtige
Grundbegriffe hier zu klären. Die wichtigsten
e b Grundgeräte sind das Kamerasystem mit der Licht-
quelle und Monitor. Zusätzlich wird eine Pumpe
zur CO2-Insufflation für die Erzeugung des Pneu-
moperitoneums im Bauch und einer Saugspül-
pumpe für die intraoperative Reinigung des Opera-
tionsgebietes benötigt.
Als wesentliches zusätzliches Instrument im Be-
reich der Minimal-invasiven Chirurgie ist der Trokar
d zu nennen (. Abb. 3.19). Über dieses Instrument ist
bei der Applikation der Instrumente auch die Gaszu-
fuhr möglich. Gasverluste können hier durch Ventil-
mechanismen sicher vermieden werden.
Navigationssysteme und Vernetzungssysteme
stellen natürlich bedeutende Innovationen in der
. Abb. 3.18 Instrumentturm in der laparoskopischen Chirurgie bzw. in der Ausrüstung eines Operations-
Chirurgie. Laparoskopie-Turm: a Monitor, b Kamerasystem- saales dar. Als Stichwort soll hier nur der Computer-
teil, c Lichtquelle, d Video, e Insufflator (Fa. Storz). assistierten Chirurgie (»CAS«) genannt sein.
(Aus Siewert 2012)

. Abb. 3.19 Trokar. (Aus Siewert 2012)


41 4

Die Visite
Carl Meißner, Martina Kahl-Scholz

4.1 Arten der Visite – 42

4.2 Aufbau der Visite in einem Krankenhaus – 42

4.3 Aufgaben der Visite – 43

4.4 Ablauf einer Patientenvorstellung – 43

4.5 Sonderfall Intensivstation – 44

C. Meißner (Hrsg.), Basic Skills PJ,


DOI 10.1007/978-3-662-48703-7_4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
42 Kapitel 4 · Die Visite

Die Visite (lat.: visitare = besuchen) bezeichnet im 4.1 Arten der Visite
klinischen Alltag das Aufsuchen des Patienten am
Krankenbett durch einen oder mehrere Ärzte. Hierzu 4 Chefarztvisite
zählt auch der hausärztliche Besuch des niedergelas- 4 Oberarztvisite
senen Facharztes bei seinen Patienten zu Hause oder 4 Stationsarztvisite
in einer Pflege- bzw. Betreuungseinrichtung. 4 Fachspezifische Visiten (s. o.)
4 Sonderform: Kurvenvisite (s. u.)
Die Visite ist wohl auch im Praktischen Jahr das > Bei der Kurvenvisite wird nicht der Patient
4 erste, was man als Student selbst mitmachen kann selbst, sondern nur die Eintragungen in
und muss. Am ersten Tag im PJ lernt man Patienten seiner Kurve »visitiert«. Um den Zustand des
direkt am Bett kennen, wie Sie es vermutlich auch Patienten zu beurteilen, werden z. B. die
schon aus Famulaturen und Blockpraktika kennen, Fieberkurven, Gewichtsverläufe und Pflege-
mit dem Unterschied, dass Sie nun recht schnell ei- dokumentation begutachtet und entspre-
gene Patienten zur Betreuung vom Kollegen anver- chend weitere diagnostisch-therapeutische
traut bekommen werden. Sie müssen dann – wenn Schritte abgeleitet.
auch in Rücksprache mit den erfahrenen Betreuern
– über die Behandlung und Diagnostik entscheiden. Bei dem Visitengespräch soll der Patient seine Be-
Im Krankenhaus nimmt die regelmäßige, in der schwerden und Probleme äußern können und In-
Regel einmal täglich (meistens vormittags) stattfin- formationen zum weiteren Vorgehen erhalten oder
dende Visite eine wichtige Rolle im Ablauf des auch dazu, wie die bisherigen Behandlungen verlau-
Stationsbetriebes bzw. des Tagesgeschäftes ein. Bei fen sind. Zum anderen soll sich der Arzt gemeinsam
dieser Visite müssen dann auch die Patienten vorge- mit seinen Kollegen über Fortschritt oder mögliche
stellt werden, die Sie als PJtler gerade betreuen. Hier Fehlschläge der Therapie am Patienten vergewis-
ist eine gute und vor allem strukturierte Vorberei- sern und mit seinen Mitarbeitern das weitere Vor-
tung (siehe auch 7 Kap. 1) sehr wichtig und hilft gehen abstimmen.
Ihnen, mit weniger Nervosität an diesen Bereich der
ärztlichen Tätigkeit heranzugehen.
> Im Rahmen der Visite werden oft Diagnostik
4.2 Aufbau der Visite
und Therapie für den Patienten festgelegt
in einem Krankenhaus
und es kann das weitere Prozedere direkt
auch mit dem Patienten gemeinsam bespro-
Bei der Visite wird der Arzt (einer bestimmten
chen werden.
Fachrichtung der jeweiligen Station) in der Regel
von Mitgliedern des Pflegepersonals begleitet. Sie
Schon am ersten Tag, an dem man sich als Student findet zu festen Zeiten in der Woche statt (z. B.
auf der jeweiligen Station vorstellt, bekommt man Chefarztvisite immer dienstags und donnerstags
schnell mit, dass es unterschiedliche Arten von Vi- um 10:00 h), die selbstverständlich je nach Station
siten gibt. Dabei nimmt manchmal eine ganze variieren können. In Kliniken, die Medizinstuden-
Gruppe (z. B. Chefarzt, Stationsarzt, Studenten, Ge- ten im praktischen Jahr haben, nehmen auch Sie zu
sundheits- und Krankenpfleger) an der Visite teil, Ausbildungszwecken teil bzw. haben selbst bereits
manchmal aber auch nur die Ärzte/Pfleger einer die Aufgabe, Patienten zu betreuen und auch ent-
Fachrichtung bei bestimmten Patienten (z. B. in der sprechend während der Visite den Kollegen vorzu-
Diabetologie die chirurgische Visite bei den Patien- stellen.
ten, die aufgrund eines diabetischen Fußsyndroms Die wichtigsten Utensilien, die Sie vorbereitend
operiert werden müssen). für die Visite zurechtlegen sollten, sind:
4 Kurvenwagen (mit Laboransicht und Röntgen-
dokumentation (PACS-System) und zuneh-
mend die »elektronische Patientenakte«)
4 Verbandswagen (je nach Station/Fachrichtung)
4.4 · Ablauf einer Patientenvorstellung
43 4
4 Stethoskop etc. Weiterhin gibt es im Rahmen der Visiten-Rang-Ord-
4 Ausreichend Handschuhe nung eine ganz klare Rangfolge. Der am höchsten
4 Ggf. Ihre eigenen Notizen, die Sie sich für Ihre gestellte Arzt in der Klinik, welcher anwesend ist,
Patienten zurechtgelegt haben. betritt und verlässt das Patientenzimmer zuerst.
Im Rahmen der Visite gibt es keine »Hintergrund-
> Vergewissern Sie sich VOR der Visite, dass alle
gespräche« mit Kollegen oder Schwestern – es ist
Kurven Ihrer Patienten auch im Wagen sind –
unhöflich und stört den Visitenablauf.
der Chef- oder Oberarzt ist meist sehr in Eile
und wartet ungern darauf, dass nun erst noch
eine bestimmte Akte gesucht werden muss. > Bedenken Sie dringend (siehe auch 7 Kap. 2),
sich nach jedem Zimmeraufenthalt die
Hände am Desinfektionsspender auf dem
4.3 Aufgaben der Visite Zimmer oder auf dem Flur zu desinfizieren –
selbst dann, wenn Chef- oder Oberarzt
4 Sichtung der Untersuchungsergebnisse und hier nicht »immer« mit gutem Beispiel vor-
Fokussierung auf die aktuelle Situation ausgehen!
4 Anamnese
4 Körperliche Untersuchung
4 Dokumentation des Krankheitsverlaufs (in der 4.4 Ablauf einer Patienten-
Patientenkurve täglich) vorstellung
4 Anordnungen/Verordnungen (diese sind
schriftlich zu erfolgen und nicht »auf Zuruf«) Wie kann nun so eine Patientenvorstellung ausse-
4 Medikamente und Anpassung der Dosie- hen bzw. was sollten Sie möglichst beachten?
rungen (ggf. pharmakologische Visiten) Ideal wäre es natürlich, wenn Sie den Patienten
4 Diät bzw. Festlegung der Kostform (besonders bereits auch selbst aufgenommen und körperlich
nach chirurgischen Operationen) untersucht haben, denn so sind Sie selbstverständ-
4 Therapeutische Maßnahmen wie Kranken- lich ganz anders vertraut mit seiner Krankenge-
gymnastik schichte, den vorliegenden Pathologien und Sie
4 Pflegerische Maßnahmen haben auch schon »einen Draht« zu dem Patienten
4 Untersuchungen wie Labor, Sonographie, entwickeln können.
EKG, Labor, Endoskopie und Röntgen Sollte dieser Idealfall nicht gegeben sein ist es
4 Anforderungen von Konsilen (Untersu- umso wichtiger, dass Sie sich möglichst gut in die
chungen und Beratung durch anderer Fach- Kurve des Patienten einlesen und sich die Anamne-
richtungen) seerhebung des Kollegen genau anschauen. Machen
4 Operationen (OP) planen und Anweisungen Sie sich ruhig die ersten Male Notizen, die Sie dann
zu deren Vorbereitung (Operationsvorberei- auch während der Visitenvorstellung entsprechend
tung) benutzen können.

Zwischenmenschliches Zwischenmenschliches
In der Visite sollten Sie, wenn Sie nicht gerade ohne- Keiner erwartet von Ihnen als PJtler, dass Sie die Visi-
hin Ihren Patienten vorstellen, zuhören und versu- tenvorstellungen perfekt beherrschen. Gerade, wenn
chen unterschiedliche Fragetechniken eines Chef-, Sie mehr als einen Patienten betreuen sollen, ist es
Ober- oder Stationsarztes zu folgen. Hierbei kann am Anfang ganz schön schwer, den Überblick über
man für seinen späteren klinischen Alltag viel Nütz- die verschiedenen Krankengeschichten, Diagnose-
liches lernen. schritte und -ergebnisse zu behalten. Also scheuen
Im Rahmen der Visite bitte nicht die Arme vor dem sie sich nicht, gerade am Anfang einen kleinen
Körper verschränken oder gar in die Tasche stecken. »Spickzettel« anzulegen, auf dem Sie sich die wich-
Dies macht im Allgemeinen keinen guten ersten tigsten Patientendaten notieren.
Eindruck.
44 Kapitel 4 · Die Visite

Wie schon in 7 Kap. 1 erklärt, sollten Sie Ihre Patien- malstation« auf die Kurvenvisite (7 Abschn. 3.1),
tenvorstellung mit Name, Alter, Beruf und den Be- denn viele Patienten sind meist nicht ansprechbar.
schwerden des Patienten einleiten, gefolgt von der Auf einer Intensivstation ist daher das Studium
Uhrzeit und dem Datum der ambulanten und/oder der Kurvenparameter, allen voran
stationären Aufnahme. Wenn der Patient schon län- 4 der Blutwerte
gere Zeit im Krankenhaus liegt und den Kollegen 4 der Ergebnisse der BGAs
durch mehrere vorangegangene Visiten bekannt ist, 4 der Beatmungsparameter, sofern beatmet wird
erübrigt sich dieser Teil in dieser Ausführlichkeit 4 der Bewertung der invasiven Blutdruckmessung
4 und kann entsprechend abgekürzt werden. 4 der Ausscheidungsmenge von Urin im Zusam-
Neben den akuten Beschwerden werden auch menhang mit der Flüssigkeitszufuhr
die Krankheitsvorgeschichte, die aktuelle Medika- 4 die mikrobiologische Untersuchungen
menteneinnahme und Krankheitsvorkommen bei 4 sowie der weiteren speziellen Untersuchungs-
Familienmitgliedern vorgestellt. Eine Zusammen- ergebnisse wie z. B. einer Liquorpunktion
fassung der akuten Hauptbeschwerden erfolgt zum
Ende. besonders wichtig.
Dann stellen Sie dar, welche ersten diagnosti-
schen und therapeutischen Maßnahmen eingelei- Zwischenmenschliches
tet wurden. Bitte bedenken Sie, dass bis heute nicht geklärt ist,
Achten Sie darauf, dass Sie nach Betreten des was Patienten im komatösen Zustand wirklich
Zimmers den Patienten zunächst begrüßen und erleben und was nicht. Sprechen Sie auch mit dem
während der Patientenvorstellung nicht nur den Patienten und nicht nur über ihn – selbst wenn er
Augenkontakt zum Chefarzt oder Oberarzt suchen, Ihnen nicht bei Bewusstsein erscheint!
sondern durch Blickkontakt auch immer wieder
den Patienten in das Gespräch miteinbeziehen. Stel-
len Sie sich vor, Sie lägen in einem Krankenbett,
umringt von Ärzten und Pflegepersonal, und es
wird nur über Sie, aber nicht mit Ihnen gesprochen
– keine schöne Situation. Gleiches gilt für eventuell
nötige Untersuchungen am Krankenbett:

Zwischenmenschliches
Bitte denken Sie daran, dass es nicht immer ange-
nehm ist, wenn der Patient »halbnackt« in einem
Zimmer liegt und eine gewisse »intime« Stelle, z. B.
bei Vorhandensein einer Operationswunde, unter-
sucht werden muss. Denken Sie an Diskretion gegen-
über dem Patienten und bedenken Sie, dass er seine
Schamgrenzen hat. Auch wenn der Patient im hoch-
betagten Alter ist und/oder wohlmöglich der Ver-
dacht auf einen Demenz besteht – ein Schamgefühl
bleibt immer.

4.5 Sonderfall Intensivstation

Auch auf einer Intensivstation müssen die Patienten


regelmäßig visitiert werden. Allerdings beschränkt
sich die Visite hier viel häufiger als auf einer »Nor-
45 5

Atemwege
Carl Meißner

5.1 Die Sauerstoffgabe bei erhaltender Atmung – 46

5.2 Maskenbeatmung – 46

5.3 Endotracheale Intubation – 49

5.4 Larynxmaske – 54

5.5 Intubationslarynxmaske – 54

5.6 Larynxtubus und Kombitubus – 54

5.7 Die retrograde Intubation – 55

5.8 Videolaryngoskopie – 58

5.9 Endoskopie – 58

5.10 Koniotomie – 59

5.11 Tracheastoma, Kanülenwechsel – 59

5.12 Rückatmung bei Hyperventilation – 61

C. Meißner (Hrsg.), Basic Skills PJ,


DOI 10.1007/978-3-662-48703-7_5, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
46 Kapitel 5 · Atemwege

Jeder Assistent und jeder chirurgisch/-internistisch Bisweilen kommt es vor, dass die O2-Maske von
interessierte Student sollte einige Aspekte der Anäs- den Patienten nicht toleriert wird. Dann sollte eine
thesie kennen, z. B., welche präoperativen Abklärun- Assistenz den Patienten mit sehr hohem Flow die
gen für die Anästhesie von Wichtigkeit sind und Maske nur vorhalten.
welche Risiken bei der Operationsindikation berück-
sichtigt werden muss. Ebenso wird in diesem Kapitel Zwischenmenschliches
auf die Intubationsvarianten und deren -technik Notfallpatienten unter einer O2-Maske verspüren
eingegangen. häufig Angst. Wichtig ist, dem Patienten Sicherheit
und Ruhe zu vermitteln. Das, was Sie machen sollten,
Gute Kenntnisse in der Lokalanästhetika und Ap- ist dem Patienten zu erklären, was warum gerade mit
5 plikation von Anästhetika muss jeder chirurgisch ihm passiert und ihm so versuchen die Angst zu neh-
tätige Arzt haben, damit schwerwiegende Kompli- men. Reden Sie mit dem Patienten mit »ruhiger«
kationen vermieden werden können. Das gilt auch Stimme, um die Notfallsituation für den Patienten zu
schon für Sie im Chirurgie-Tertial bzw. für ein even- erleichtern. Wer ruhig ist, kann klar denken und wer
tuelles Wahltertial Anästhesie. Auch die modernen klar denken kann, macht weniger Fehler.
Überwachungsmethoden eines Patienten während
einer Operation müssen allen Beteiligten bekannt
sein. Die heutigen Formen der postoperativen 5.2 Maskenbeatmung
Schmerzbekämpfung und die häufigen postoperati-
ven Komplikationen sollten bzw. müssen den Chi- Eine einfache Maßnahme zur Wiederherstel-
rurgen geläufig sein. Ein Großteil, d. h. 70 bis 80 % lung  der Atmung ist neben der Mund-zu-Mund-
aller großen Zwischenfälle im Operationssaal, beru- oder Mund-zu-Nase-Beatmung die Maskenbeat-
hen auf menschlichem Versagen. Davon sind etwa mung.
90 % durch eine mangelhafte Kommunikation
verursacht. Erst in den letzten Jahren wurde reali- Anleitung Hierbei werden zunächst der Mund-
siert, dass viele Trainingsmethoden zur Erhebung und der Nasenrachenraum inspiziert und ggf. von
der Sicherheit, die heute in der zivilen Luftfahrt Fremdkörpern oder Schleim gereinigt. Nach Über-
selbstverständlich sind, auch im Operationssaal an- strecken des Kopfes kann der sogenannte Esmarch-
gewendet werden müssen und können. Handgriff angewendet werden: (. Abb. 5.2)
Mit beiden Händen des Helfers (Daumen am
Kinn, Finger am Unterkieferwinkel) wird der Un-
5.1 Die Sauerstoffgabe terkiefer vor die obere Zahnreihe geschoben, womit
bei erhaltender Atmung ein zurückfallen der Zunge verhindert werden
kann. Vorzugsweise in dieser Kieferposition (Un-
Indikationen Die Gabe von Sauerstoff ist eine wich- terkieferzähne vor den Oberkieferzähnen) wird die
tige Maßnahme in der Notfallmedizin. Maske bei geschlossenem Mund aufgesetzt und mit
> Sauerstoff ist das Notfallmedikament
dem C-Griff gehalten (. Abb. 5.3).
der 1. Wahl!
Nun können Daumen und Zeigefinger die
Maske halten, während die restlichen Finger den
Sauerstoff kann durch verschiedene Möglichkeiten Unterkiefer des Patienten fixieren (was bei Patien-
appliziert werden, zum einen durch eine O2-Nasen- ten ohne Gebiss schwierig sein kann, . Abb. 5.4).
sonde, O2-Nasenbrille oder O2-Maske (. Abb. 5.1). Die andere Hand des Helfers komprimiert den Be-
Die Beatmung durch eine O2-Maske ist am effi- atmungsbeutel.
zientesten, es gelangt also die größtmögliche Menge
Sauerstoff in die Lungen. Bei der O2-Maske ist zu ! Maskenbeatmung bei nicht nüchternen
beachten, dass ein Flow von > 4 l pro Minute einge- Patienten – Aspirationsgefahr!
stellt werden muss, damit es zu keiner CO2-Rück-
atmung kommt.
5.2 · Maskenbeatmung
47 5

b c

. Abb. 5.1a-c Möglichkeiten der Sauerstoffapplikation. a Nasensonde. b Nasenbrille. c Maske. (Aus Rücker 2011)

. Abb. 5.2 Esmarch-Handgriff. (Aus Rücker 2011) . Abb. 5.3 Maskenbeatmung mit C-Griff. (Aus Rücker 2011)

jGuedel- und Wendeltubus Guedeltubus (. Abb. 5.5) Der Guedeltubus ist der
Wenn die Beatmung mit der Maske auch nach Än- Form der Zunge angepasst und wird, um den Oro-
derung der Position des Kopfes nicht gelingt, sollte pharynx zu schützen, gegen das zurückfallen der
ein Guedel- oder ein Wendeltubus eingelegt wer- Zunge eingesetzt.
den.
48 Kapitel 5 · Atemwege

5
a

. Abb. 5.4 Schwierige Verhältnisse bei zahnlosen Patien-


ten. (Aus Rücker 2011)

. Abb. 5.5 Unterschieldiche Größen des Guedeltubus. (Aus


Rücker 2011)

Anleitung (. Abb. 5.6) Einlage des Guedeltubus


1. Die Spitze des Tubus zeigt zunächst in
Richtung Gaumen.
2. Beim Einführen wird dann der Tubus um
180 °C gedreht.
3. Dann erfolgt die Platzierung.

Der Guedeltubus setzt jedoch eine hohe Toleranz c


des Patienten voraus, sodass in der Mehrzahl der . Abb. 5.6a-c Einlage des Guedeltubus. (Aus Rücker 2011)
täglichen Notfallpatienten die Duldung dieses Tu-
bus mit einer Indikation zur Intubation gleichzuset-
zen ist. In der klinischen Anästhesiologie wird er Anleitung Der mit Gleitgel präparierte Tubus wird
verwendet, wenn sich ein nüchterner Patient im nach Inspektion auf die Engstelle in der Nase streng
Rahmen einer Narkose-Einleitung mit einer Maske parallel zum harten Gaumen in den unteren Nasen-
nicht insuffizient beatmen lässt. Der Guedeltubus eingang eingeführt.
dient auch als Beißschutz nach einer Intubation. Der Wendel-Tubus wird besser toleriert als der
Guedeltubus, hat jedoch eine kleinere Öffnung und
Wendel-Tubus Der Wendel-Tubus wird in den Na- verhindert das Zurücksinken der Zunge nicht.
sopharyngx eingelegt (. Abb. 5.7). Durch Kontakt mit der Rachenhinterwand kann
5.3 · Endotracheale Intubation
49 5

a
. Abb. 5.8 Instrumentarium für die endotracheale Intuba-
tion. (Aus Rücker 2011)

> Die endotracheale Intubation stellt damit


den sogenannten Golden-Standard zur
Sicherung der Atemwege dar.
Sie erfordert jedoch die Bewusstlosigkeit oder eine
Narkose. Der Eingriff setzt eine freie Sicht auf den
Larynxeingang voraus, die jedoch nicht immer ana-
tomisch und situativ gegeben ist.
b
Anleitung
. Abb. 5.7a,b Einlage des Wendel-Tubus. (Aus Rücker 2011)

Checkliste zur endotrachealen Intubation


(. Abb. 5.8)
bei beiden Tuben Erbrechen ausgelöst werden. Da- Es werden benötigt:
her ist mit der Einlage eines eingetrübten, nicht- 5 Einmalhandschuhe,
nüchternen Patienten ein Aspirationsrisiko ver- 5 Laryngoskop,
bunden. 5 Endotrachealtubus mit einem Führungsstab,
> Nicht-nüchterner Patient und Toleranz eines 5 Ersatztubus,
Guedeltubus – Intubationsindikation? 5 Magill-Zange,
5 Blockerspritze,
5 AbsaugKatheter,
5.3 Endotracheale Intubation 5 Güdeltubus,
5 Beißkeil,
Die sicherste und effizienteste Methode zur Siche- 5 Binde zur Tubusfixierung,
rung der Atmung ist die endotracheale Intubation. 5 Absaugpumpe,
Hierbei wird ein Beatmungsschlauch als »Brücke« 5 Beatmungsbeutel,
in die Trachea eingebracht und dort mittels eines 5 Stethoskop,
Ballons geblockt. Die entscheidenden Vorteile sind 5 ggf. Beatmungsgerät mit Kapnometrie.
die optimale Sauerstoffversorgung (Oxygenie-
rung) und Ventilation durch apparative Beatmung
sowie der Aspirationsschutz durch die Tubusblo- Durchführung einer Intubation (. Abb. 5.10) Die
ckung. Geräte und Materialien sind vorher auf Funktions-
tüchtigkeit und Vollständigkeit zu prüfen. Der En-
50 Kapitel 5 · Atemwege

CO2-Rückatmung detektiert werden kann).


Das Kapnometer ist der sichere Nachweis einer
korrekten Tubuslage.
8. Die Lagekontrolle des Tubus erfolgt durch
dieAuskultation zunächst über den Magen,
anschließend über den beiden oberen sowie
den beiden unteren Lungenflügeln. Danach
wird der Tubus fixiert. Schließlich wird die
korrekte Lage des Endotrachealtubus nochmal
mittels Auskultation beider Lungenseiten über-
5 prüft. Zum Transport muss der Endo-
trachealtubus ausreichend fixiert sein. Im
Einzelfall ist eine Fixation des Kopfes auch
hilfreich.

jKapnometrie
Die sogenannte Kapnometrie ist in der klinischen
Anästhesie für die Narkoseführung vorgeschrieben.
. Abb. 5.9 Endotrachealtubus. (Aus Rücker 2011) Dies sollte auch im präklinischen Bereich, der Not-
fallmedizin, ein Standard sein. Kapnometrisch wird
der sogenannte endexspiratorische CO2-Gehalt der
dotrachealtubus (. Abb. 5.9) wird vor der Intuba- Ausatemluft gemessen. Dieser entspricht bei weit-
tion geblockt und mit Gel versehen. gehend normaler Lungenfunktion dem arteriellen
1. Rückenlage des Patienten CO2-Partialpunkt (PCO2). Die Messung hat zwei
2. Präoxygenierung positive Effekte:
3. Patient idealerweise mit leicht erhöhtem und 4 Zum einen ist es möglich, im Rahmen der
überstreckten Kopf gelagert (sogenannte ver- Intubation sicher zu überprüfen, ob der Tubus
besserte Jackson-Position) endotracheal liegt (da er bei ösophagealer Lage
4. Durch einen Kreuzgriff wird zunächst der nicht zu einer regelmäßigen CO2-Detektion
Mund geöffnet und auf Sekrete oder Fremd- kommt).
körper inspiziert ggf. gereinigt. Mit der kon- 4 Zum anderen lässt sich bei der Beatmung der
tralateralen Gebrauchshand (bei Rechtshän- PCO2 regulieren, sodass extreme Hyper- und/
dern links) wird das Laryngoskop unter Ver- oder Hypoventilationen vermieden werden.
meidung von Zahnverletzung/Zahnkontakt
über die rechte Seite der Zunge in den Mund Zwischenmenschliches
eingeführt, bis die Epiglottis sichtbar ist. Die ersten Intubationen, die Sie im PJ durchführen,
5. Der Spatel wird dann weiter in die epiglotti- sofern Sie dazu aufgefordert werden, können ziem-
sche Falte vorgeschoben und das Instrument lich nervenaufreibend sein. Das ist ganz normal.
anschließend nach vorne oben gezogen, bis der Anfangs fehlt einfach auch hier die Routine, vielleicht
Larynxeingang sichtbar ist. sind die Intubationsverhältnisse schwierig, der Um-
6. Mit der Gebrauchshand wird dann der Endo- gang mit den Instrumentarium wurde zwar schon
trachealtubus eingeführt bis die Blockung un- einmal an einer Puppe, nie aber an einem lebenden
ter der Stimmritze verschwindet und mit Luft Menschen ausprobiert. Wichtig ist: versuchen Sie
geblockt wird. trotz allem die Ruhe zu bewahren, auch wenn es
7. Die Beatmung wird über ein dazwischen nicht direkt beim ersten Mal funktioniert. Erwach-
gehaltenes Kapnometer, falls vorhanden, sene Patienten tolerieren eine gewisse Sauerstoff-
konnektiert. (Dies dient dem sicheren Nach- karenz (wichtig ist, hier immer auf das Monitoring zu
weis der korrekten Tubuslage, da hier eine achten – O2-Sättigung!) länger als Kinder (s. u.), ver-
5.3 · Endotracheale Intubation
51 5

a b

c d

e f

g h

. Abb. 5.10a-h Durchführung einer endotrachealen Intubation. (Aus Rücker 2011)


52 Kapitel 5 · Atemwege

lassen Sie sich hier auf die Erfahrung der erfahrenen Schwere Intubation Eine gefürchtete Komplikation
Kollegen. Wenn Sie nach dem ersten missglückten ist die erschwerte Intubation. Die Intubation, die
Versuch zu unsicher sind, übergeben Sie an den präklinisch bei vitaler Indikation durchgeführt
betreuenden Arzt und versuchen Sie es zeitnah bei wird, kann durch zahlreiche Faktoren komplizierter
einem weiteren Patienten erneut. Sie werden sehen, als normal sein. In dieser kritischen Situation sind
dass auch eine Intubation mit der Übung immer daher Alternativtechniken unbedingt erforderlich,
leichter wird. Nicht umsonst ist bei der Ausbildung in um die jeweilige Situation im Notfall beherrschen
der Notfallmedizin derzeit (in Sachsen-Anhalt) eine zu können.
2-jährige klinische Weiterbildung, einschließlich
6 Monaten Intensivmedizin, dem Nachweis von
Hinweise auf eine zu erwartende schwere
5 50 begleiteten Notarzteinsätzen und der Nachweis
Intubation
von Intubationen vorzubringen. Übung macht den
Es gibt verschiedene Krankheitsbilder, bei de-
Meister.
nen die erschwerte Intubation zu erwarten ist,
aber eine Bewegung des Kopfes im Sinne einer
! Bei Kindern ist das Bronchialsystem häufig
Überstreckung zu Schäden führen kann bzw.
hyperreagebil, es kann schneller zu einem
nicht möglich ist. Hierzu zählen:
Laryngospasmus kommen und die O2-Sätti-
5 Patienten mit HWS-Verletzungen, die z. B.
gung fällt schneller ab!
auch mit einer HWS-Schadensgrad immobi-
lisert sind,
Aspirationsvermeidung Zur Vermeidung einer
5 Missbildungen im Gesichtsbereich,
Aspiration, insbesondere während der Einleitung
5 Missbildungen/Hindernisse im Zahnbereich
in eine Intubationsnarkose, kann, soweit der
und im Gaumen (. Abb. 5.12),
Zustand des Patienten es zulässt, der Oberkörper
5 Deformierung der Halswirbelsäule, z. B. bei
leicht erhöht werden. Zusätzlich kann ein Helfer auf
Morbus Bechterew (. Abb. 5.13),
den Ringknorpel (Krikoid) drücken, also den
5 spastischen Paresen (. Abb. 5.14),
Sellick-Handgriff anwenden. Es wird gegen die
5 vergrößerte Schilddrüse,
Wirbelsäule Druck ausgeübt (. Abb. 5.11) und
5 kurzer Hals, Doppelkinn, fliehendes Kinn
damit der Ösophagus abgedichtet. Der Handgriff
(. Abb. 5.15),
darf nicht angewendet werden, wenn der Patient er-
5 Tumoren im Mund-Hals-Bereich
bricht, da ansonsten die Gefahr einer Ösophagus-
(. Abb. 5.16),
ruptur besteht.
5 Zungenschwellungen, z. B. bei allergischen
! Kein Krikoiddruck bei Erbrechen! Reaktionen.

Bei der Indikationsstellung zur Intubation –


gerade, wenn es sich um eine zu erwartende
schwierige Intubation handelt – sollte der Nut-
zen für das Einlegen einer Luftbrücke vom
möglichen Schaden durch das Einlegen einer
Luftbrücke abgewogen werden.

BURP-Manöver (. Abb. 5.17) Gelingt die Einstel-


lung des Larynx eingangs bei der Intubation nicht,
so kann ein BURP-Manöver versucht werden. Hier-
bei wird der Kehlkopf von einem Helfer während
der Laryngoskopie durch Druck auf den Schild-
knorpel nach hinten oben rechts (BURP: backward,
. Abb. 5.11 Sellick-Handgriff. (Aus Rücker 2011) upward, rightward pressure) gedrückt.
5.3 · Endotracheale Intubation
53 5

. Abb. 5.12 Schwierige Intubationsverhältnisse im . Abb. 5.13 Deformierung der HWS. (Aus Rücker 2011)
Mundraum. (Aus Rücker 2011)

. Abb. 5.14 Spastische Parese. (Aus Rücker 2011) . Abb. 5.15 Doppelkinn. (Aus Rücker 2011)

. Abb. 5.16 Tumore im Kopf-Hals-Bereich. (Aus Rücker 2011) . Abb. 5.17 BURP-Manöver. (Aus Rücker 2011)
54 Kapitel 5 · Atemwege

stand zu spüren, der durch Achsenveränderun-


gen überwunden werden kann.
4. Nach einem weiteren Vorschieben gleitet die
Maske in die Endposition.
5. Blocken des Cuffs, die Maske sollte hierbei
nicht festgehalten werden, da sie sich in der
Lage der Blockung an das Verhältnis anpasst.
6. Auskultation und Fixation

5 5.5 Intubationslarynxmaske

. Abb. 5.18 Larynxmaske. (Aus Rücker 2011) Eine Weiterentwicklung der Larynxmaske ist die
sogenannte Intubationslarynxmaske (. Abb. 5.20).
Sie stellt eine Alternative dar. Diese erfordert jedoch
Dabei kommt der Larynx besser zur Darstel- Übung, da sie etwas komplizierter in der Handha-
lung. Auch die Positionsänderung des Kehlkopfes bung ist.
kann zu einer Verbesserung der Sichtverhältnisse
beitragen. Anleitung Zunächst wird diese analog der Larynx-
maske eingelegt. Durch die Beatmungsöffnung
Alternativen bei schwierigen Atemwegen bzw. zur wird dann ein spezieller Endotrachealtubus einge-
Intubation bei Schwierigkeiten Gelingt die Intuba- führt, der exakt in das Lumen passt. Liegt die La-
tion nicht, sei es technisch, anatomisch oder auf- rynxmaske richtig, so kommt der Tubus mittig aus
grund des Krankheitsbildes, so muss auf andere der Maske und zieht damit direkt auf die Stimmritze
Methoden zur Sicherung der Atmung zurückgriffen zu. Nach einem weiteren Vorschieben kann der
werden. Im Rahmen der notfallmedizinischen Tä- Tubus dann endotracheal platziert werden. Da bei
tigkeiten müssen daher Spezialtechniken zur Siche- Einlage des Tubus bisweilen Widerstände auftreten
rung der Atmung beherrscht und technische Alter- (Reibung im Lumen, Austritt aus der Maske, Eintritt
nativen vorgehalten werden. Alle diese Prozeduren in der Stimmritze), sollte die Einlage klinisch geübt
erfordern aber ein ständiges Training, sodass eine werden, um verfahrensbedingte Widerstände von
Notfallalternative schon im Vorfeld ausgewählt der Fehllage der Larynxmaske abzugrenzen. Wenn
werden sollte. der Tubus korrekt liegt, wird die Larynxmaske unter
Festhalten des Tubus wieder entfernt.

5.4 Larynxmaske
5.6 Larynxtubus und Kombitubus
Die einfachste Möglichkeit ist die Maskenbeat-
mung. Eine Larynxmaske (. Abb. 5.18) stellt eine Weiterhin stehen noch der Larynxtubus und der
weitere Option dar. Sie bietet jedoch keinen Aspira- Kombitubus zur Verfügung. Der Larynxtubus ver-
tionsschutz und wird eher in der Klinik bei nüch- fügt über zwei blockbare Ballons. Der distale Ballon
ternen Patienten angewendet. dichtet den Ösophagus ab, während der proximale
Ballon im Rachenbereich zu liegen kommt. Mehrere
Anleitung Zur Einlage einer Larynxmaske (. Abb. größere Öffnungen bestehen zwischen den Ballons
5.19): und machen die Beatmung möglich. Es ist jedoch
1. Die Einlage erfolgt mit der Gebrauchshand. kein sicherer Aspirationsschutz (. Abb. 5.21).
2. Öffnen des Mundes und Einführen der Maske Der Kombitubus besitzt zwei blockbare Ballons
3. Bei einem Anstoßen der Maske an die mit einer distalen Öffnung und mehreren großen
Rachenhinterwand ist gelegentlich ein Wider- Öffnungen zwischen beiden Ballons. Die beiden
5.7 · Die retrograde Intubation
55 5

a b

c d

e f

. Abb. 5.19a-f Einlage einer Larynxmaske. (Aus Rücker 2011)

Öffnungsorte münden in separate Tuben, die mitei- 5.7 Die retrograde Intubation
nander verschweißt sind. Damit kann durch die je-
weilige Öffnung beatmet werden, je nachdem, ob die Hier gilt es, spezielle anästhesiologische Erfah-
Tubusspitze in der Speiseröhre oder in der Luftröhre rungen zu besitzen. Besteht die Notwendigkeit zu
liegt. Bei trachealer Lage besteht durch die Blockung einer endotrachealen Intubation bei anatomischen
ein Aspirationsschutz, bei ösophagealer Lage durch Schwierigkeiten, so kann die retrograde Intubation
die dortige kleine Blockung nur bedingt. angewendet werden. Für die Durchführung werden
56 Kapitel 5 · Atemwege

a
5
. Abb. 5.22 Zubehör für eine retrograde Intubation. (Aus
Rücker 2011)

Anleitung (. Abb. 5.23) Zunächst wird das Liga-


mentum Conicum zwischen Schild- und Ringknor-
pel aufgesucht (. Abb. 5.26). Es erfolgt die Perfora-
tion mit einer Venenverweilkanüle und aufgesetzter
Spritze.

Durchführung
1. Perforation des Ligamentum cricothyroideum
mit der Venenverweilkanüle und aufgesetzter
Spritze. Luftaspiration ist ohne Widerstand
b möglich.
. Abb. 5.20a,b Intubationslarynxmaske. (Aus Rücker 2011) 2. Eindringen des Seldinger-Drahtes in die
Venenverweilkanüle. Das distale Ende des
Drahtes ist mit einem Dreiwegehahn vor dem
versehentlichen Hineinziehen in die Trachea
gesichert. Als Seldinger-Draht dient ein 70 cm
langer Draht eines VenenverweilKatheters, der
von verschiedenen Herstellern in unterschied-
lichen Größen separat angeboten wird.
3. Ergreifen und Herausziehen des Seldinger-
Drahtes mit der Magill-Zange.
4. Einfädeln des Tubus über den Seldinger-Draht.
Der Tubus sollte nicht zu groß im Durchmes-
ser gewählt werden. Der Dreiwegehahn ver-
. Abb. 5.21 Larynxtubus. (Aus Rücker 2011) hindert einen Durchzug. Danach wird der
Tubus bis zum Widerstand, ggf. unter laryngo-
skopischer Sicht, vorgeschoben. Beim Spüren
nach dem üblichen Intubationszubehör eine Seldin- des Widerstandes liegt die Spitze am Eintritts-
ger-Draht, ein Dreiwegehahn oder eine Venenver- ort des Seldinger-Drahtes im Ligamentum
weilkanüle und eine darauf eingesetzte Spritze be- cricothyroideum.
nötigt (. Abb. 5.22). 5. Vorschieben des Tubus bis ein Widerstand zu
spüren ist.
5.7 · Die retrograde Intubation
57 5

a b

c d

e f

. Abb. 5.23a-f Anleitung retrograde Intubation. (Aus Rücker 2011)

6. Rückzug des Drahtes und Vorschieben des 7. Vor der Durchführung der retrograden Intuba-
Tubus. Anschließend Sicherung des Tubus mit tion muss Material geprüft werden, da die
zwei Fingern und Anschluss der Beatmung. Es Dicke der Venenverweilkanüle, Länge und
folgt die Auskultation und Feststellung der Dicke des Drahtes und Länge des Tubus auf-
endotrachealen Tubuslage. Anschließend Fixa- einander abgestimmt werden müssen.
tion, sofern vorhanden die Konnektion der
Kapnometrie.
58 Kapitel 5 · Atemwege

5
. Abb. 5.24 Videolaryngoskopie. (Aus Rücker 2011)

5.8 Videolaryngoskopie

Neben dem klassischen Verfahren zur Intubation


und deren Ausweichmethoden setzen sich im Zuge
der Verbesserung optische Mikroelektronik-Sys-
teme durch, da sie eine direkte Sicht auf den Kehl-
kopf erlauben. Ein bekanntes Verfahren stellt hier- . Abb. 5.25 Fiberoptisches Endoskop. (Aus Rücker 2011)
bei die Videolaryngoskopie dar (. Abb. 5.24).
Es gibt Geräte mit dem Sichtschirm direkt am
Laryngoskop, mit speziell geformten Einführhilfen
oder mit einem klassischen Laryngoskopspatel, in
dessen Spitze direkt an der Kaltlichtquelle eine Mi-
nikamera installiert ist. Der Vorteil des letztgenann-
ten Systems liegt nicht nur in einem erweiterten
Blickwinkel, sondern auch in der Tatsache, dass der
Instruktor die Instrumentenführung des Ausbil-
denden überwachen oder andere Personen an der
Prozedur teilhaben lassen kann.

5.9 Endoskopie

In manchen Rettungsdienstbereichen mit primär


klinisch-anästhesiologischer Besetzung der ärztli-
chen Rettungsmittel werden neuerdings tragbare,
batteriebetriebene fiberoptische Endoskope einge-
führt (. Abb. 5.25), damit eine primäre fiberopti-
sche Intubation am Einsatzort gewährleistet wird.
Hauptindikationen sind erschwerten Intubationen
bei Patienten mit HWS-Verletzungen und Immobi-
lisation. Die Geräte sind jedoch sehr teuer und bei . Abb. 5.26 Schnittpunkte für eine Koniotomie. (Aus
unvorsichtigem Umgang ausgesprochen anfällig. Rücker 2011)
5.11 · Tracheastoma, Kanülenwechsel
59 5
Stelle des inneren Atemtraktes befindet. Das Liga-
ment kann mit mehreren großen Venenverweil-
kanülen gespickt (koniotomische Spickung) oder
mittels Skalpell eröffnet werden. Durch den Schnitt
wird anschließend ein kleiner Kinderendotracheal-
tubus eingeführt und geblockt. Ferner gibt es kom-
merzielle Punktionskanülen. Eine Tracheotomie ist
präklinisch nicht indiziert, da die Trachea zu tief im
Halsgewebe liegt und eine lebensbedrohliche
. Abb. 5.27 Instrumentarium. (Aus Rücker 2011)
Schilddrüsenblutung ausgelöst werden kann.

5.10 Koniotomie 5.11 Tracheastoma, Kanülenwechsel

Sollte ein Zugang zu den Atemwegen nicht über den Gelegentlich kann der Wechsel nach Tracheostoma-
Gesichtsbereich erfolgen können, z. B. bei großen kanüle, Trachealkanüle erforderlich werden (. Abb.
Verletzungen, so besteht die Möglichkeit eines pri- 5.29, . Abb. 5.30, . Abb. 5.31), sei es auf der Normal-
mären perkutanen Zugangs zu den Luftwegen station oder auf der Intensivstation. Gelingt der
durch eine Koniotomie (. Abb. 5.26, . Abb. 5.27, Wechsel nicht oder besteht nicht ausreichende Si-
. Abb. 5.28). Hierbei wird das Ligamentum coni- cherheit, ob die Kanüle wieder eingesetzt werden
cum zwischen Ring- und Schildknorpel als Zu- kann, so kann der Wechsel über einen Guide erfol-
gangsort benutzt, da sich hier die oberflächliche gen; es gibt hierfür kommerzielle Produkte. Falls ein

a b

. Abb. 5.28a,b Durchführung einer Koniotomie. (Aus Rücker 2011)


60 Kapitel 5 · Atemwege

5
. Abb. 5.29 Schnittführung. (Aus Rücker 2011) . Abb. 5.30 Tracheostomavarianten. (Aus Rücker 2011)

a b

c d

. Abb. 5.31a-e Durchführung des Kanülenwechsels.


e
(Aus Rücker 2011)
5.12 · Rückatmung bei Hyperventilation
61 5

. Abb. 5.32 Absaugen des Tracheostomas. (Aus Rücker


2011)

. Abb. 5.34 Rückatmung bei Hyperventilation. (Aus Rücker


2011)

gung steht. Gelingt der Tracheostomakanülenwech-


sel nicht, d. h. kann die Trachealkanüle nicht durch
einen Endotrachealtubus ausgetauscht werden, kann
man sich vorübergehend für die Beatmung mit einer
(kleinen) runden Neugeborenenbeatmungsmaske
bedienen. Diese hat die Form der Trachealöffnung,
um diese abzudichten, jedoch muss manchmal die
Mund- und Nasenöffnung gegen das Entweichen von
. Abb. 5.33 Beatmungsmaske. (Aus Rücker 2011) Luft abgedichtet werden (. Abb. 5.33).

Zwischenmenschliches
solches nicht vorhanden ist, kann der Einsatz eines Bedenken Sie, dass ein Tracheostoma für den Patien-
abgeschnittenen AbsaugKatheters verwendet werden ten alles andere als angenehm ist. Gehen Sie daher
(. Abb. 5.32). Dieser wird über die liegende Kanüle vorsichtig vor und erklären Sie Ihre Schritte dem
eingeführt, anschließend die Kanüle entfernt. Ist die Patienten, auch, wenn Sie das Gefühl haben, »er be-
Tracheastomakanüle beim Eintreffen bereits entfernt, käme eh nichts mit«.
kann auch mit einem AbsaugKatheter ohne Konnek-
tor die Trachea sondiert werden. Die Patienten re-
agieren hierbei häufig mit Husten. Der Guide muss 5.12 Rückatmung bei Hyperventilation
dabei festgehalten werden, damit er durch den Atem-
stoß nicht disloziert werden kann. Anschließend wird Im Falle einer Hyperventilation kann eine Rück-
über den Katheter die neue Kanüle aufgefädelt und atmung erforderlich werden, da der Abfall der CO2,
hinten eingeschoben. Es tritt ebenfalls Hustenreiz auf. des Kohlenstoffdioxids eine Hyperventilations-
Die neu platzierte Kanüle wird nun noch mit einem deternie mit Krämpfen auslösen kann. Eine Erhö-
beigefügten Bändchen um den Hals fixiert, ggf. an hung der CO2-Konzentration kann durch Rezirku-
eine künstliche oder feuchte Nase, Schaumstoffauf- lation der Atemluft herbeigeführt werden. Eine
satz und Anfeuchtung der Luft oder ein Beatmungs- handelsübliche Plastiktüte verschafft hier die Abhil-
gerät angeschlossen. Der Endotrachealtubus kann fe, falls keine kommerziellen Produkte zur Verfü-
eine Trachealkanüle ersetzen, falls keine zur Verfü- gung stehen.
63 6

Zugänge und Katheter


Carl Meißner, Luisa Meißner

6.1 Periphervenöse Venenverweilkanüle (PVK) – 64

6.2 Der Zentralvenöse Katheter (ZVK) – 65

6.3 Magensonde – 70

6.4 Harnblasenkatheter – 72

6.5 Arterienpunktion – 74

6.6 Thoraxdrainage – 75

C. Meißner (Hrsg.), Basic Skills PJ,


DOI 10.1007/978-3-662-48703-7_6, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
64 Kapitel 6 · Zugänge und Katheter

Die Gabe von Medikamenten ist eine der wichtigs- Instabile Vitalfunktionen bei einem Patienten ma-
ten Maßnahmen in der Medizin, besonders in der chen mindestens eine periphervenöse Venenver-
Notfallmedizin. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, weilkanüle (PVK) notwendig. Dies ist »Conditio
diese dem Patienten zuzuführen. Welche Variante sine qua non!«
infrage kommt, ist in erster Linie abhängig von der
> Instabile Vitalfunktionen machen mindestens
Notwendigkeit der Wirkungsweise des Medikamen-
eine periphervenöse Venenverweilkanüle
tes, d. h. es spielt die Art des Wirkstoffes eine Rolle,
(PVK) notwendig!
die Schnelligkeit der Wirkungsweise und auch
spezifische Besonderheiten und Gegebenheiten Bei allen anderen Patienten sollte man abwägen, ob
des Patienten. das Medikament vielleicht oral gereicht werden
kann. Zum anderen brauchen parentale Infusionen
Zur Verfügung stehen verschiedene Wege: z. T. einen zentralenvenösen Katheter (ZVK), eine
4 intravenös periphervenöse Venenverweilkanüle (PVK) ist
6 4 inhalativ nicht ausreichend.
4 rektal > Parenterale Infusion benötigen z. T einen
4 oral ZVK!
4 endobronchial
4 subkutan Über die Größe der Kanüle entscheidet der Arzt in
4 lokal Abhängigkeit der medizinischen Notwendigkeiten.
4 nasal Der Außendurchmesser einer periphervenösen
4 intraossär Verweilkanüle (PVK) wird in Gauge gemessen. Bei
4 intramuskulär Kindern werden i. d. R. periphere Venenverweilka-
nülen zwischen 20 und 24 G verwendet.
Die häufigsten und gängigsten Zugänge und Kathe- > Je kleiner der Gauge-Wert, desto höher ist
ter für die Patienten sind die Durchflussrate des Katheters.
4 die periphere Verweilkanüle,
4 der zentralvenöse Zugang, Beim Erwachsenen richtet sich der verwendete
4 der Portkatheter, Gauge-Wert nach den Gefäßverhältnissen und der
4 die Magensonde, Indikation für die periphere Venenverweilkanüle
4 der Harnblasenkatheter. (PVK).
> Je höher der Gauge- Wert, desto kleiner ist
der Außenmesser der PVK.
6.1 Periphervenöse Venen-
verweilkanüle (PVK) Äußerlich sind die PVK’s durch unterschiedliche
Farben gekennzeichnet (. Tab. 6.1).
Indikationen Medikamente, die intravenös gege-
> Muss viel Volumen in kurzer Zeit gegeben
ben werden, wirken am schnellsten und sind gut
werden (z. B. bei Schock oder Polytrauma),
steuerbar. Deshalb ist der venöse Zugang sehr
setzt man 14 und 16 G Venenkatheter ein.
wichtig. So kann man durch den Zugang das Gefäß
»offenhalten«, um Medikamente, Spülungen und
Anleitung (. Abb. 6.1)
Infusionen nacheinander zu injizieren, ohne immer
erneut »stechen« zu müssen. Dies dankt der Patient,
Sie ersparen ihm Schmerzen und Hämatome. Checkliste zum Legen einer PVK
Es werden benötigt:
> Spätestens nach drei missglückten Versuchen 5 Einmalhandschuhe
sollten Sie, um das Leiden für den Patienten 5 Stauband
möglichst gering zu halten, einen erfahrenen 5 Blutdruckmessgerät
Kollegen hinzurufen.
6.2 · Der Zentralvenöse Katheter (ZVK)
65 6
Komplikationen Komplikationen sind nicht ausge-
. Tab. 6.1 Periphere Venenverweilkatheter – Farb-
schlossen. So kann es
kodierung und Flussraten
4 zum Verfehlen der Vene,
Farbkodierung Flussrate [l/h] Größe [Gauge]
4 zum Platzen des Gefäßes,
4 zur Ausbildung einen Hämatoms kommen.
Gelb 1 24

Blau 2 22 Die Medikamente verfehlen ihre Wirkung und


können zu Nekrosen führen. Ebenfalls kann es zu
Rosa 3,5 20
Entzündungen bishin zu Abszessen kommen, im
Grün 6 18 schlimmsten Fall folgt eine Sepsis folgen.
Weiß 7,5 17 > Kommt es zu einer Komplikation durch eine
Grau 12 16 periphere Venenverweilkanüle (PVK), muss
Orange 20 14
eine lückenlose Dokumentation und Meldung
in der Klinik erfolgen. Diese »Schäden« sind
iatrogen (also »durch einen Arzt verursacht«).

5 Desinfektionslösung
Zwischenmenschliches
5 Kanüle
Sollte es nach 3 Fehlversuchen nicht gelingen, einen
5 Spritze mit isotonische Kochsalzlösung
Zugang zu setzen, dann immer ehrlich den Patienten
5 vorgespültem Drainagehahn
informieren und einen Kollegen um Hilfe bitten. Dem
5 Tupfer
Patienten kann man folgendes sagen: »Nun habe ich
5 Pflaster
es 3 Mal versucht und möchte Sie nicht weiter ärgern
und würde einen Kollegen bitten – vielleicht hat
dieser mehr Glück?« Dies gilt für alle Zugänge, ob an
1. Für den Zugang wird i. d. R. eine Vene der Hals, Fuß u. a. Extremitäten. Sollte der Patient einen
oberen Extremitäten ausgesucht. Möglichst sicheren Zugang benötigen und die peripheren
sollte eine herzferne Vene genommen werden, Venenverhältnisse schlecht sein, dann steht die
z. B. Handrücken, Unterarm. Die Ellenbeuge Überlegung, einen zentralvenösen Katheter zu legen.
als Punktionsort ist möglichst zu vermeiden. Dies immer mit dem Stationsarzt bzw. Oberarzt ab-
Hier besteht immer das Risiko, dass der Patient sprechen.
sich während des Legens mehr bewegt, die Bei mehreren Fehlversuchen bitte nicht »fluchen«
Kanüle abknickt, sich verschiebt und der Infu- oder meinen, sei alles Mist – stets bitte Ruhe bewah-
sionsfluss unterbrochen wird bzw. nicht sicher ren und die nötige »Professionalität« wahren.
läuft.
2. Das Tiefhalten des Armes ist günstig.
3. Der Stau sollte nicht allzu lange sein, um das 6.2 Der Zentralvenöse Katheter
mögliche Platzen von Kapillaren zu verhindern (ZVK)
und bei eventuell geplanter Blutabnahme z. B.
die Gerinnungswerte nicht zu verfälschen. Zentralvenöse Katheter sind heute nicht mehr aus
4. Nach Setzen der Kanüle muss diese sicher der Medizin wegzudenken. In der Medizinausbil-
fixiert werden. Dafür gibt es durchsichtige dung erlernen Sie, die Katheter anzubringen und
periphere Venenverweilkanülenpflaster, welche diese dann sicher zu handhaben.
i. d. R. von allen Kliniken genutzt werden.
Bei Nichtvorhanden gibt es eine alte Regel: Anleitung Nach Punktion der V. jugularis interna
Je zwei Querpflaster und Längspflaster an der oder V. subclavia werden die zentralvenösen Kathe-
Punktionsstelle anbringen. ter eingeschoben und mit der Spritze in die obere
Hohlvene geführt bzw. gelegt (. Abb. 6.2).
66 Kapitel 6 · Zugänge und Katheter

a b
6

c d

e f

. Abb. 6.1 Anlage einer peripheren Verweilkanüle. (Aus Schröder 2013)

Die Seldinger-Technik steht hier zur Verfü- Arten und Indikationen In erster Linie ist eine pa-
gung. Die Katheter gibt es ein-, zwei-, und dreilu- renterale temporäre Ernährung eines Patienten vor
mig. In der Regel werden zweilumige Katheter in und nach einem großen viszeralchirurgischen Ein-
den Kliniken verwendet. Bei den Kathetern wird griff, aber auch bei einem komplizierten postopera-
der Innendurchmesser klassifiziert und in French tiven Verlauf der Grund für den Einsatz des ZVK.
angegeben. Natürlich bietet der Einsatz des ZVK große Vor-
teile. Alle Medikamente und Blutprodukte können
6.2 · Der Zentralvenöse Katheter (ZVK)
67 6
4 Der Broviac-Katheter ist ein dünner, kleinlu-
miger und flexibler Katheter (ebenfalls aus
Silikon). Dieser ist mit dem Hickman-Katheter
vergleichbar. Er zählt zu den venösen Langzeit-
Kathetern.
> Der unter die Haut implantierte Port-Kathe-
ter (kurz: Port) ist vor äußeren Einflüssen
geschützt und ermöglicht den ihn tragenden
Patienten die bisher gewohnte Bewegungs-
freiheit beizubehalten. Damit ermöglichen
Port-Katheter eine hohe Lebensqualität. Die
Patienten können in therapiefreien Zeiten
ihren bisher gewohnten Tagesbeschäftigun-
gen weiter nachgehen, wie z. B. Duschen,
Baden und Schwimmen.
. Abb. 6.2 Anlage eines ZVKs. (Aus Schröder 2013)
Anleitung Seldinger-Technik

intravenös problemlos gegeben werden. Erforder- Checkliste für Seldinger-Technik


liche Blutentnahmen erfolgen über diesen Katheter Es werden benötigt:
schmerzlos für den Patienten und sorglos für den 5 Aufklärungsbogen zum geplanten Katheter
Arzt bei Patienten mit »schlechten« Venen. Die Ap- 5 Sterile Einmalhandschuhe
plikation von i.-V.-Medikamenten ist sicherer als 5 Sterile Tücher
Kurzinfusionen in 50 ml NaCl. Eine unkontrollierte 5 Mundschutz, Kittel, Kopfbedeckung
Bolusgabe wird somit verhindert. 5 Blutdruckmessgerät
Folgende Arten stehen zur Verfügung: 5 Desinfektionslösung
4 Der Shaldon-Katheter ist ein Dialysekatheter. 5 Kanüle
Ist ein Patient akut dialysepflichtig, darf nicht 5 Spritze mit isotonische Kochsalzlösung
zu viel Zeit vergehen, bis mit der Dialyse be- 5 »ZVK-Set«
gonnen wird. Ein Dialyseshunt braucht jedoch 5 Tupfer
3 bis 6 Wochen, bis er gut bzw. suffizient 5 Pflaster
verheilt und einsatzbereit ist. Daher muss in 5 Lokalanästhetikum
solchen Fällen ein Shaldon-Katheter (Dialyse- 5 Wenn möglich eine Assistenzperson
katheter) gelegt werden. 5 Höhenverstellbares Bett/Trage – ggf. für
4 Der Port-Katheter ist ein subkutaner, dauer- eine Kopftieflagerung
hafter Zugang zum venösen oder arteriellen 5 EKG-Monitor im OP zur Lagekontrolle und
Blutkreislauf oder in seltenen Fällen in die eine funktionierende Röntgenabteilung –
Bauchhöhle. Mit besonders dünnen Kathetern Röntgen-Thorax-Lage-Kontrolle
und mit einem Filter versehen werden Ports
auch in der Langzeit-Epiduralanästhesie einge-
setzt. Weiterhin dient er zur Chemotherapie 1. Aufklärung und Einwilligung
sowie parenteralen Ernährungstherapie. Die 2. Patientenlagerung erfolgt in Abhängigkeit vom
Verweil- und damit Nutzungsdauer kann bis zu punktierenden Gefäß, in den allermeisten
zu 5 Jahre und länger betragen. Fällen in Rückenlage.
4 Hickman-Katheter sind aus Silikon. Sie wer- 3. Die Einstichregion wird zunächst steril gewa-
den meistens für eine Chemotherapie oder die schen, dann mittels Lochtuch abgedeckt.
regelmäßige, längerfristige Gabe anderer Me- 4. System luftleer machen mit z. B. Kochsalzlösung
dikamente implantiert. 5. Infiltration mittels Lokalanästhetikum
68 Kapitel 6 · Zugänge und Katheter

6. Das Gefäß wird an der entsprechenden Stelle 17. Nach Abschluss der Blutentnahme muss der
(z. B. am Hals oder am Arm) mit einer Punk- ZVK mit einer sterilen Kochsalzlösung, ca.
tionskanüle punktiert. 5–10 ml, gespült werden.
7. Die Lage im Blutgefäß (intravasale Lage) wird 18. Der offene Katheter und der Drainagehahn
durch Blutfüllung im hinteren Teil der Kanüle werden zum Abschluss mit einem Desinfek-
erkennbar. tionsmittel behandelt/besprüht.
8. Nach der Entfernung des Mandrin (»Innenle- 19. Dann wird eine neue Verschlusskappe für den
ben«) wird über die nun im Blutgefäß liegende Katheter verwendet.
Kanüle ein Führungsdraht vorgeschoben. (Dies 20. Diese Hygienemaßnahmen sind immens wich-
erfolgt in vielen Fällen unter Durchleuchtung, tig, um Komplikationen, Infektionen usw. zu
um die Lage des Drahtes verfolgen zu können.) vermeiden.
9. Unter Fixierung des Führungsdrahtes wird
nun die Punktionskanüle entfernt. Des Weiteren gibt es den Port-, Hickman- und Bro-
6 10. Danach wird die Schleuse oder der Katheter viac-Katheter. Unterschieden werden diese durch
(z. B. ZVK) über den Draht an seine Ziel- das angeschlossene System und die Ausleitung aus
position vorgeschoben. der Haut.
11. Der Führungsdraht kann nun entfernt werden
und die Schleuse (bzw. Katheter oder Drain) Anleitung Port-Katheter (. Abb. 6.3) Port-Katheter
nochmals durchgespült. haben eine subkutan liegende Portkammer und wer-
12. Die Seldinger-Technik wird bis heute zur An- den transkutan punktiert. Diese Portkammer be-
lage von arteriellen Gefäßzugängen und zen- steht aus einer spezifischen Silikonmembran und
tralen Venenkathetern verwendet. Die Technik darf daher nur mit einer Spezialnadel punktiert wer-
kommt aber auch bei der Punktion anderer ana- den. Diese hat einen Huberschliff – jede andere Na-
tomischer Strukturen zum Einsatz (z. B. Dar- del zerstört die empfindliche Membran. Die Punk-
stellung der Gallenwege, Abszessdrainage u. a.). tion des Ports (Portpunktion) ist eine pflegerische
> Zu Punkt 7: Unter Fixierung des Führungs-
oder ärztliche Handlung, um Medikamente oder
drahtes wird nun die Punktionskanüle ent-
Infusionslösungen nach ärztlicher Verordnung und
fernt. Dabei ist das Gefäß an der Einstich-
gemäß einem Zeitplan wiederholt zuzuführen. Fak-
stelle zu komprimieren und streng darauf zu
tisch kann es sich um eine Portkatheterpunktion
achten, dass die Position des Drahtes unver-
oder aber auch um einen Portnadelwechsel handeln.
ändert bleibt. Je nach Kaliber des einzubrin-
Für die Punktion werden immer spezielle Port-
genden Katheters (bzw. Drains oder der
nadeln eingesetzt (Hubernadel), die im Gegensatz
Schleuse) muss zuvor mittels Dilatator der
zu normalen Injektionsnadeln – aufgrund der spe-
Stichkanal aufgedehnt werden, um die Ein-
ziellen Form ihrer Kanülenspitze – keine Partikel aus
führung zu erleichtern.
der Silikonmembran des Ports ausstanzen können.

Anleitung Blutentnahme vom ZVK Zwischenmenschliches


Ein PORT ist ein Fremdkörper. Wenn möglich, sollte
> Bei der Blutentnahme vom ZVK die ersten
bei der Aufklärung zur Implantation ein Modell dem
5 ml Blut immer verwerfen!
Patienten gezeigt werden. Weiterhin sollte der Pa-
13. Handschuhe tragen tient daraufhin hingewiesen werden, dass dieser in
14. Darauf achten, dass der Schenkel, in dem die einem »kleinen« Eingriff eingesetzt wird, er dann
Blutentnahme erfolgen soll, geschlossen ist. unter der Haut liegt und für den Laien schwer er-
15. Vor der eigentlichen Blutentnahme ca. 5 ml kennbar ist. Der PORT hat mehrere Vorteile: über ihn
Blut abziehen und verwerfen, da es durch können die medikamentöse Therapie, Ernährungs-
Rückstände gegebener Medikamente zu Ver- therapie und Blutentnahmen erfolgen. Dies sollte
fälschungen der Werte kommen kann. man dem Patienten bei der Aufklärung zur Abwä-
16. Adpater für Blutentnahmeröhrchen aufsetzen gung von Sinn und Zweck erläutern.
6.2 · Der Zentralvenöse Katheter (ZVK)
69 6
Systems sollte der Heparinblock alle 4 Wochen
erneuert werden.
Punktionsnadel mit
Huberschliff
Alle geltenden hygienischen Regeln sind hier unab-
dingbar (sterile Handschuhe, Desinfektion). Für
Blutentnahmen ist das Portmodell geeignet, doch
Membran
ungern genutzt, da in der Portkammer das Blut
Katheter Haut schnell gerinnt und diese verstopft. Das bedeutet
dann für den Patienten eine erneute Operation, d. h.
Entfernung und Neuplatzierung des Katheters. Bei
jeder Entnahme von Blut sollte immer mit hepari-
nisierter Kochsalzlösung gespült werden. Sollte der
Patient adipös sein, so gibt es extra längere Huber-
Nadeln. Die korrekte Position der Nadel kann auch
Porkammer mithilfe der Durchblutung erfolgen.
> Den Port nicht beim liegenden Patienten
. Abb. 6.3 Punktion eines PORTs. (Aus Schröder 2013)
punktieren, sondern in »Beach Chair Position«
(ca. 60° bis nahezu aufrecht sitzend), die
1. Tragen von sterilen Handschuhen wird voraus- Gewebemassen im Oberkörper folgen so gut
gesetzt. (Die verwendeten Materialien müssen der Schwerkraft und sind vor der Punktion
steril gehalten werden.) «lagerichtig«. Eine druckstabile Abstützung
2. Desinfektion (Einwirkzeit des jeweils verwen- des Patienten im Rücken herstellen, um Zu-
deten Desinfektionsmittels beachten): zirku- rückweichen bei der Punktion zu minimieren.
läre, von innen nach außen kreisende Wisch- Aufgrund der Infektionsgefahr die Manipula-
desinfektion des Hautareals über dem Port tionen am Katheter auf das Nötigste be-
durchführen schränken!
3. Auf die Portnadel keinen Überdruck aufbauen
(deshalb keine kleineren Spritzen als 10-ml- Anleitung Hickman- und Broviac-Katheter Die
Spritzen verwenden. Je kleiner der Spritzen- Hickman- und Broviac- Katheter sind auch aus Si-
kolben, umso höher ist bei gleicher Kraft der likon, doppel- und mehrläufig. Hier gelten die Hin-
dabei erzeugte Druck). weise und Verfahren wir beim ZVK (s. o.).
4. Die Fixierung der Portnadel sollte transparent
sein, damit die Einstichstelle der Nadel sicht- Anleitung Entfernung
bar ist. 1. Desinfektion des betreffenden Gebietes und
5. Der Portkatheter ist vor der Nadelentfernung steriles Umlegen (Tücher)
mit ausreichend Kochsalzlösung zu spülen. 2. Entfernung der Fixiernähte mit Pinzette und
6. Nach Blutabnahme über den Port ist umge- Schere oder Skalpell
hend mit mindestens 2 x 20 ml Kochsalzlösung 3. Herausziehen des Silikonschlauches (unter
zu spülen. Um die Funktionsfähigkeit (Vermei- einer Kompresse) und Überprüfung auf Voll-
dung von Verstopfung) des Portsystems zu er- ständigkeit
halten, ist eine regelmäßige Pflege nach den 4. Manuelle Kompression der »Austrittsstelle« für
Anweisungen der Porthersteller durchzufüh- ca. 5 min
ren. Nach jeder Blutentnahme ist der Port mit 5. Anlage eines aseptischen Verbandes/Pfaster-
einer heparinisierte Kochsalzlösung zu blo- verbandes
cken. Auch zwischen der Applikation von
Arzneimitteln oder einer Chemotherapie ist Komplikationen Auch der ZVK hat Risiken. So
eine Blockung mit heparinisierter Kochsalz- kann es zu Katheterinfektionen, sogar zur assozier-
lösung notwendig. Bei der Nichtbenutzung des ten Kathetersepsis kommen. Diese Gefahren stei-
70 Kapitel 6 · Zugänge und Katheter

gen bei jeder Infusion/Blutentnahme, d. h. je öfter


mit dem Katheter gearbeitet wird. Somit ist es rat- 5. Seldinger-Technik beachten
sam, die Manipulationen am Katheter auf ein Mini- 6. Kontrolle, ob arterielle oder venöse Punk-
mum zu beschränken. tion (im Zweifelsfall Blutgasanalyse)
7. Lage kontrollieren per EKG und Röntgen
> Aufgrund der Infektionsgefahr sollten Sie die
Manipulationen am Katheter auf das Nötigs-
te beschränken! Wenn Verdacht auf eine Ka-
theterinfektion besteht, dann bei Entfernung
6.3 Magensonde
des ZVK die Spitze zur mikrobiologischen
Indikationen Die Magensonden erfüllen 3 Auf-
Untersuchung einsenden.
gaben:
Die Einhaltung der hygienischen Vorschriften ist 4 Erstens dienen sie dem Absaugen des Magen-
eine unumstößliche Regel. inhalts, um eine Aspiration zu verhindern.
6 Nicht wenig Patienten sterben jährlich an diesen 4 Zweitens können so Medikamente verabreicht
Komplikationen. Desweiterem ist die Thrombose werden, ohne dass der Patient schlucken muss.
eine Gefahr, welche im schlimmsten Fall zur 4 Die Magensonde wird durch die Nase (nasal)
Thrombembolie führen kann. Bei jeder Begutach- eingeführt
tung (Visite) sollten Sie daher auf Schwellungen der
betroffenen Extremität achten als sicheres Zeichen Angewendet wird die zeitweilige Magensonde, um
einer sich entwickelnden Thrombose. den Magen-Darm-Trakt zu entlasten, besonders bei
> Bei jeder Visite auf Schwellungen der
einem Ileus. Auch hier gibt es verschiedene Modelle
betroffenen Extremität achten!
für Magensonden, einlumige und doppellumige.
Bei Einleitung der Narkose wird i. d. R. eine einlu-
Um Gewissheit zu erhalten, ist eine Duplexsonogra- mige Sonde verwendet. Diese wird nach Narkose
phie ratsam. Sollte sich der Verdacht erhärten, eine meist wieder entfernt. Soll die Sonde länger verblei-
Thrombose diagnostiziert werden, muss der ZVK ben, platzieren die Ärzte meist die doppellumige
sofort entfernt und eine therapeutische Antikoagu- Sonde. Dabei dient der größere Schenkel dem Sek-
lation mit Heparin begonnen werden. retabfluss und der zweite kleinere, der Belüftung,
d. h. diese ist oben offen. Der Ablaufbeutel wird
> Bei Thrombose ZVK sofort entfernen!
unter der Bettkante fixiert. Der Mageninhalt (Se-
Der ZVK muss auch bei dem Verschluss einer der kret) gibt Auskunft über den Status des Magen-
Schenkel durch geronnenes Blut entfernt und darf Darm-Traktes. Quantität und Qualität des Sekrets
nicht mehr angewendet werden. Hier würde das können sehr unterschiedlich sein. 1500 ml produ-
Risiko der Appositionsthromben ansteigen. Beim ziert unser Magen im Normalfall an Sekret, plus
Entfernen durch Pflegepersonal muss der Arzt die Gallenflüssigkeit und Pankreassekret. Sollte die
Einstichstelle begutachten und eine Wundinfektion Fördermenge weniger als 200 ml/Tag betragen,
ausschließen. Die Katheterspitze muss abgeschnit- kann über das Entfernen der Sonde nachgedacht
ten (sterile Schere) und einer mikrobiologischen werden. Jede Sonde erhöht auch das Aspirations-
Untersuchung zugeführt werden. risiko. Ist eine ausreichende Motilität des oberen
Gastrointestinaltraktes gegeben, können auch Me-
dikamente über die Sonde gereicht werden. Für eine
Worauf müssen Sie achten? enterale Ernährung sind die normalen Magenson-
1. Patienten aufklären den nicht besonders geeignet. Es gibt Modelle dafür.
2. Zugangsweg wählen (Indikation, Erfahrung) Diese müssen jedoch endoskopisch ins Duodenum
3. Arbeitsmaterial sorgfältig vorbereiten, über den Pylorus eingeführt werden. Beachtet wer-
z. B. Katheter durchspülen den muss unbedingt die Fördermenge und es kann
4. Punktionsort sicher aufsuchen eine Hypokaliämie drohen, diese muss ausgegli-
chen werden. Sollte das abzuführende Sekret in der
6.3 · Magensonde
71 6

a
. Abb. 6.4 Anlagematerialien für eine Magensonde. (Aus
Schröder 2013)

Sonde sistieren, helfen 20–40 ml Kochsalz. Lei-


tungswasser empfiehlt sich auch, um die Sonde wie-
der durchgängig zu machen.
> Nicht angewendet werden darf diese Sonde
bei Verletzungen oder Verstopfung der Nase,
wie bei Tumoren, Nasenbeinfrakturen,
Schädelbasisfrakturen, Polypen und Nasen-
scheidewandabweichungen. b

Anleitung zum Legen einer Magensonde


(. Abb. 6.4, . Abb. 6.5)

Zwischenmenschliches
Bei wachen und ansprechbaren Patienten erregt
allein der Gedanke an eine Magensonde bereits
Angst. Wichtig ist es, dem Patienten Schritt für Schritt
sein Tun zu erklären. Betonen Sie, dass es nicht
schlimm ist, aber etwas unangenehm sein kann.
Nicht sagen sollte man: »So, es geht los – es wird unan-
genehm, aber da müssen Sie jetzt durch.« Bitte ruhig
auf den Patienten eingehen und ihm jederzeit Sicher- c
heit vermitteln. Zeigen Sie dem Patienten, dass Sie die- . Abb. 6.5 Anlage einer Magensonde. (Aus Schröder 2013)
sen verstehen und die Situation im »Griff« haben.

5 Moltexunterlage
Checkliste zur Anlage einer Magensonde 5 Nierenschale
Es werden benötigt: 5 Pflaster (um die Sonde zu fixieren)
5 Magensonde 5 evtl. Beutel für die Ableitung des Magen-
5 Gleitmittel (evtl. Lokalanästhetikum) inhaltes
5 Einmalhandschuhe 5 Spülspritze
5 Stethoskop 5 Wenn möglich eine Assistenzperson
72 Kapitel 6 · Zugänge und Katheter

1. Die Magensonde kann durch die Nase oder wechsel oder Harnableitung bei forcierter Diurese
durch den Mund gelegt werden, wobei die notwendig sein. Die Größe der Blasenkatheter wird
Platzierung über die Nase bevorzugt wird. Falls in Charriere angegeben. Für Frauen genügen in
möglich, ist eine sitzende Haltung des Patien- der Praxis 12–16 Charriere und für Männer 14–
ten beim Einführen der Sonde in ein vom Pa- 18 Charriere.
tienten bevorzugtes Nasenloch mit leicht vor- Nicht zum Einsatz kommen darf dieser bei
gebeugtem Kopf, hilfreich. 4 Prostataerkrankungen,
2. Gleitmittel wird auf das Ende der Magensonde 4 Tumoren,
aufgebracht. 4 Stenosen und
3. Der Kopf wird etwas nach vorn geneigt und 4 Verletzungen der harnableitenden Wege.
der wache Patient zum Schlucken aufgefordert. > Vorsichtig muss man ebenso walten lassen
Vorsichtig wird der Schlauch eingeschoben bei Beckenfrakturen, blutigem Spontanurin
und vorwärtsbewegt. Wiederstände bilden die
6 Nasenmuscheln, dann die Biegung vom Naso-
und Blutungen aus der Harnröhre.

in den Hypopharnax. Jetzt sollte der Patient Anleitung zum Legen eines Harnblasenkatheters
wieder schlucken, so öffnet sich der nächste (. Abb. 6.6)
Wiederstand, die obere Ösophagussphinkter
automatisch. Sollte der Patient husten ist Vor- Zwischenmenschliches
sicht geboten, die Sonde muss zurück in den Wenn möglich sollten bei wachen und ansprechba-
Pharnyx. Dann weiter in den Magen schieben. ren Patienten, welche einen Blasenkatheter bekom-
Mindestens 50 cm, denn der Abstand von der men sollen, Männer bei Männern und Frauen bei
vorderen Zahnreihe bis zum unteren Ösopha- Frauen die Einlage des Blasenkatheters vornehmen.
gussphinkter beträgt 40 cm (beim schlafenden Wir alle haben ein natürliches Schamgefühl und dies
Patienten kann die Sonde mit den Fingern besteht auch bis ins hohe Alter, auch wenn Patienten
geführt werden, in schwierigen Situationen sich nicht sicher äußern können.
können ein Laryngoskop und eine Magill- Sie können dem Patienten sagen: »Es tut nicht
Zange notwendig werden). weh – vielleicht gibt es ein unangenehmes Gefühl,
4. Lagekontrolle: Die exakte Lage kann über die aber ich bin vorsichtig und Sie melden sich bitte,
Durchleitung von 50 ml Luft erfolgen, wobei wenn etwas ist.«
bei Lage im Magen ein typisches Plätscherge-
räusch zu hören ist und sich anschließend die Für die Blasenkatheterisierung gibt es in den Klini-
gleiche Menge Luft und etwas Magensaft an- ken fertige Kathetersets.
ziehen lassen. Im Zweifelsfall muss die Lage
röntgenologisch überprüft werden. Checkliste für die Blasenkatheteranlage
5. Auffangbeutel anbringen Es werden benötigt:
6. Die Sonde muss sicher und spannungsfrei mit 5 Unterlegtuch
einem Pflaster fixiert werden (meist an der 5 Sterile Handschuhe
Nase). 5 Das Loch-/Schlitz-Abdecktuch
> Eine Magensonde liegt korrekt bzw. ist in 5 Pinzette
guter Funktion, wenn die Menge, welche 5 Tupfer
über die Sonde appliziert wird, auch abge- 5 10-ml-Blocker-Spritze
saut werden kann. 5 Gleitgel und Desinfektionsmittel
5 Sterile Blasenkatheter
5 Katheterablaufbeutel
6.4 Harnblasenkatheter 5 Wenn möglich eine Assistenzperson

Indikationen Die Einlage eines Harnblasenkathe-


ters kann u. a. bei akutem Harnverhalt, Katheter-
6.4 · Harnblasenkatheter
73 6

a b

c d

e f

. Abb. 6.6a-g Vorgang bei Anlage eines Blasenkatheters.


g
(Aus Rücker 2012)
74 Kapitel 6 · Zugänge und Katheter

1. Der Patient befindet sich in Rückenlage. > Der Katheter sollte sich immer leicht schieben
2. Die steilen Handschuhe werden angezogen lassen, wenn nicht, stets die Lage des Penis
und die Abdecktücher ausgelegt. ändern. Bei der Frau ist die Harnröhre viel
3. Die Tupfer mit Desinfektionslösung besprü- kürzer und somit ist die Katheterisierung pro-
hen und die Blocker-Spritze füllen mit Koch- blemloser. Beim Auftreten von Schmerzen
salzlösung. (Auch sollte der Arzt den sterilen oder Widerständen stoppen und aufhören.
Blasenkatheter auf Funktionstüchtigkeit über-
prüfen.) Bei einer übervollen Blase darauf achten, dass kein
4. Die Glans desinfizieren, 3 Mal, dabei nicht Blasenkollaps entsteht. Dabei können sich die Ein-
die Peniswurzel erreichen. Beim Mann die geweide in die Delle der Blase eindrücken. Deshalb
Vorhaut mit der linken Hand zurückziehen nie mehr als 800 ml Urin ablassen
(Linkshänder nehmen die rechte Hand) und
den Penis festhalten. Diese Hand bleibt wäh-
6 rend der ganzen Prozedur am Penis, um die 6.5 Arterienpunktion
Sterilität des Sets zu gewährleisten. Dann die
Eichel zweimal und die Urethra einmal des- Indikationen Eine arterielle Punktion braucht man
infizieren! Bei der Frau mit der linken Hand zur Blutgasanalyse (BGA) außerhalb von kapillären
die Labien spreizen (Linkshänder nehmen Blutentnahme.
wieder die rechte Hand). Zweimal desinfizie- Als Arterienpunktion bezeichnet man das Ein-
ren, einmal in Richtung Anus und einmal in stechen (Punktion) in eine Arterie – entweder zur
Richtung Urethra. Gewinnung diagnostischen Materials oder zur In-
5. Nun wird das Gleitgel (10 ml) in die Urethra jektion von diagnostisch oder therapeutisch rele-
gegeben. Jetzt den Penis senkrecht halten und vanten Substanzen.
den Blasenkatheter mit einer Pinzette in die In der Regel wird diese an der distalen A. radia-
Harnröhrenöffnung einführen und vorschie- lis gemacht, diese ist am besten zu palpieren und
ben. Dabei wird das Ende des Katheters zwi- komprimieren.
schen dem Ring- und kleinen Finger gehaltern
und so eingeführt. Damit wird die Kontami- Anleitung zur Aterienpunktion
nation des langen Katheters verhindert. Das
ganze Prozedere erfolgt ohne Gewalt, um die Checkliste Arterienpunktion
empfindlichen Harnwege nicht zu verletzen. Es werden benötigt:
Beim Mann muss der Katheter einen Rich- 5 Sterile Einmalhandschuhe
tungswechsel beim Eintritt in den Scharm- 5 Steriles Lochtuch
bereich, ca. 10 cm nach Einführung des Kathe- 5 Blutdruckmessgerät
ters, machen. Hierbei sollte der Penis gesenkt 5 Desinfektionslösung
werden. Das nächste Hindernis bzw. der 5 Kanüle
nächste Richtungswechsel kommt beim Ein- 5 Spritze mit isotonische Kochsalzlösung
tritt in das Becken und auch die Engstelle um 5 Vorgespültem Drainagehahn
die Prostata kann Schwierigkeiten bereiten. 5 Tupfer
6. Erreicht der Katheter die Harnblase (es kommt 5 Pflaster
Urin), noch ca. 5 cm weiter vorschieben. Der
Ballon wird mit der Kochsalzlösung (10 ml)
durch die Blockerspritze aufgefüllt und mit > Zuerst muss allerdings der Ellentest vorge-
dem Urinbeutel verbunden. nommen werden, um die Funktion des Hohl-
7. Der Katheter wird wieder zurückgezogen, bis handbogens zu prüfen. Dabei wird meist die
ein leichter federnder Widerstand gefühlt wird. linke Hand bei Rechtshändern und die rechte
8. Die Vorhaut wieder über die Eichel zurückzie- Hand bei Linkshändern benutzt. Anschlie-
hen, um eine Paraphimose zu vermeiden. ßend werden A. radialis und ulnaris gestaut.
6.6 · Thoraxdrainage
75 6
Nun muss der Patient die Faust schließen bis 10. Das Gefäß unterhalb des Leistenbandes zwi-
zum Loslassen der Hand. Die A. radialis wird schen Mittel- und Zeigefinger klemmen und
mit zwei Fingern in Höhe Handgelenk zusam- die Kanüle proximal davon einführen. Alles
mengedrückt, dann die Manschette vom Weitere erfolgt nach denselben Regeln wie am
Druck befreit und somit ist die A- ulnaris Handgelenk.
selektiv frei. Allerdings darf eine Punktion der
> Es sollte keine Injektion in eine Arterie erfol-
A. radialis nicht durchgeführt werden wenn
gen – das ist ein Kernsatz jeder medizini-
die Hand nach ca. 10 sec immer noch sehr
schen Versorgung. Das ist strengstens
blass ist. Hier darf man eine nicht ausreichen-
verboten. Solche Fehler führen zum irrever-
de Kollateralisierung annehmen. Führt man
siblen und vollständigen Verschluss aller
die Punktion trotzdem durch, könnte dies zu
arteriellen peripheren Äste und das heißt
einer totalen Ischämie der Hand kommen.
immer: Amputation.

1. Die Haut wird desinfiziert (besprüht) und nun Punktionen sind invasive Maßnahmen. Die Indika-
darf die Desinfektionsmittelflasche gleich als tion, die richtige Aufklärung und eine technisch
Unterlage dienen. So kann das Handgelenk sichere Handhabung sind Voraussetzung für eine
maximal überstreckt werden. Am besten die Punktion. Auch sollte sich jeder durchführende
Hand noch zusätzlich mit einem Klebestreifen Arzt bewusst sein, dass das Selbstverletzungsrisiko
fest fixieren, dass der Patient diese überstreckte ein vielfach höheres und somit das Infektionsrisiko
Haltung ohne Wackeln über längere Zeit hal- erhöht ist. Stichverletzungen im OP sind harmlos
ten kann. dagegen, da sie hier mit Kanülen arbeiten, die innen
2. Zur Anwendung sollten kleinlumige Kanülen hohl sind. Diese haben immer eine Restflüssigkeit,
kommen. die schnell zur Infektion führen kann. Deshalb auch
3. Für das Heparin gibt es Fertigspritzen. Vorsicht bei der Entsorgung.
4. Nun wird der beste Punkt an der Arterie ge- > Alles spitze in dafür vorgesehene Behälter,
sucht, um zu palpieren. Die Gefäßwand der nicht zurück in die Folienhüllen.
Venen ist kleiner als die der Arterien, das
Lumen der Kanüle auch. Bitte auch nicht an andere Personen weitergeben,
5. Die Punktion erfolgt mit leichtem Unterdruck d. h. die »Gefahr« weiterreichen, sondern sofort
auf der Haut durch zurückziehen des Stempels selbst entsorgen in dafür vorgesehene Behälter und
der Spritze. beim Aufräumen die Handschuhe anbehalten.
6. Der Einstichwinkel beträgt 30 °C zur Arterie.
Ca. 1 ml Blut wird für eine Blutanalyse ge-
braucht. 6.6 Thoraxdrainage
7. Anschließend die Kanüle schnell entfernen
und einige Minuten fest einen Tupfer auf die Indikationen Als Thoraxdrainage bezeichnet
punktierte Stelle drücken. Diesmal sollte dieses man  ein Ableitungssystem, welches dazu dient,
nicht der Patient tun. Dann wird der Pflaster- Flüssigkeiten und/oder Luft aus dem Brustkorb
streifen wie ein Druckverband festgeklebt, die (Thorax) bzw. dem Pleuraraum oder Mediastinal-
A. ulnaris soll dabei offen bleiben, also das raum zu trainieren bzw. abzuleiten. Je nach zu drai-
Pflaster nicht zirkulär anbringen. nierendem Raum, aus dem Flüssigkeiten abgeleitet
8. Jetzt die Spritze luftfrei machen und luftdicht werden sollen, unterscheidet man die Pleuradrai-
verschließen. Die Verschlusskappe gehört zum nage, die Mediastinaldrainage und die Perikard-
Fertigspritzenset. drainage. Im Gegensatz zu den vielen anderen
9. Mithilfe von Point-of-Care-Geräten wird die Drainagen in der Chirurgie haben die Thoraxdrai-
Blutgasanalyse vorgenommen. Sollte es bei der nagen keine diagnostische Funktion, sondern ver-
Arteria-Radialis-Komplikationen geben gibt folgen immer einen medizinisch therapeutischen
es eine Alternative, die A. femoralis. Zweck.
76 Kapitel 6 · Zugänge und Katheter

. Abb. 6.7 Schemazeichnung Thoraxdrainage, Monaldi- . Abb. 6.8 Schemazeichnung Thoraxdrainage, Bülauposi-
position. (Aus Schröder 2013) tion. (Aus Schröder 2013)

a b

c d

. Abb. 6.9 Anlage nach Bülau. (Aus Schröder 2013)


6.6 · Thoraxdrainage
77 6
Wir unterscheiden die absolute Indikation:
4 Spannungspneumothorax

und relative Indikation:


4 Pneumothorax,
4 Hautemphysem,
4 Rippenserienfraktur,
4 Hämatopneumothorax.

Es werden 2 typische Positionen für die Anlage ei-


ner Thoraxdrainage unterschieden (. Abb. 6.7,
. Abb. 6.8):
4 die Monaldi- und
4 die Bülauposition.

Wenn man sich nun die wesentlichen Indikationen


wie den Pneumothorax oder auch einen Pleura-
erguss vor Augen führt, ist die Position der Drai-
nage relativ simpel: »Luft beim Pneumothorax
sammelt sich im kranialen Anteil der Brusthöhle
und wird auch dort trainiert«: Monaldiposition.
Das Sekret des Pleuraergusses hingegen sam-
melt sich kaudal im Sinus phrenicocostalis an und
wird auch hier abgeleitet: sog. Bülauposition.
Die Anlage einer Thoraxdrainage nach Bülau
(. Abb. 6.9) ist die häufigste Anwendung in der
Chirurgie im Bereich der Drainagesysteme am
Brustkorb. Der Patient befindet sich in Rückenlage
und es wird im sog. »Safe Triangle« auf Höhe der
mittleren Axillarlinie quer verlaufend auf ca. 2 cm
Länge und auf Höhe der 6. Rippe durchgeführt. Es
folgt die Untersuchung der Weichteile mit der
Schere, wobei zunächst auf den Knochen und dann
streng am Oberrand der Rippe präpariert wird (die
Gefäßstrukturen laufen am unteren der Rippe). Die
Pleura parietalis wird stumpf mit der Schere durch-
stoßen. Dann erfolgt das digitale Austasten der
Pleurahöhle auf etwaige Verwachsungen und es
wird eine Thoraxdrainage zum Beispiel Charriére
Größe 22 mit einer Kornzange nach dorso-apikal
eingeführt. Es erfolgt das Fixieren der Drainage mit
entsprechenden Nahtmaterialien in U-Nahttech-
nik. Das Wasserschloss wird angeschlossen und es
erfolgt eine postoperative Röntgenkontrolle zur
korrekten Lage und Entfaltung der Lunge.
79 7

Diagnostische Punktion
(Aszites, Pleura und Kniegelenk)
Carl Meißner

7.1 Aszitespunktion – 80

7.2 Pleurapunktion – 81

7.3 Gelenkpunktion am Beispiel des Kniegelenks – 83

C. Meißner (Hrsg.), Basic Skills PJ,


DOI 10.1007/978-3-662-48703-7_7, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
80 Kapitel 7 · Diagnostische Punktion (Aszites, Pleura und Kniegelenk)

Im klinischen Alltag unterscheidet man zwischen Im Rahmen der sonografischen Untersuchung


einer diagnostischen und einer therapeutischen kann nun der Punktionsort wasserfest markiert
Punktion. Bei der diagnostischen Punktion dient die werden. Die Darmschlingen sollten der Bauch-
Punktion der Materialgewinnung, um Aussagen über wand hier natürlich nicht direkt anliegen, sondern
die Art der Flüssigkeit treffen zu können. So können frei flottieren (Ultraschall: Seeanomonenphäno-
beispielsweise Zellen im Punktat für ein Malignom men).
und Bakterien für eine Entzündung sprechen. Typischerweise liegt der Punktionsort im rech-
Die therapeutische Punktion dient in aller Regel der ten oder linken Unterbauch. Berücksichtigen Sie
Entlastung. bitte bei anschließender Punktion auch den Verlauf
Eine klare Trennung zwischen therapeutischer und der epigastrischen Gefäße. Eine Verletzung kann zu
diagnostischer Punktion erfolgt nur in einem Teil der einem großen Rektusscheidenhämatom führen
Punktionen, da bei den meisten therapeutischen was gegebenenfalls operativ ausgeräumt werden
Punktionen auch eine Diagnostik durchgeführt wird. muss.
Ähnlich wie bei der Einmalpunktion der Pleura
Zwischenmenschliches kann die Aszitespunktion mit einer großlumigen
7 Bei allen Punktionen in Lokalanästhesie müssen Sie peripheren Venenverweilkanüle/Braunüle oder ei-
den Patienten aufklären und mit diesem auch reden. nem vorgefertigten Punktionssitz erfolgen. Das
Es ist für den Patienten schon ein »komisches« hängt schon davon ab, ob ein Katheter bleiben soll
Gefühl, wenn der Arzt mit einer Nadel kommt und oder auch nicht.
irgendwo reinstechen möchte. Punktionsnadeln sind
> Die Punktion selbst läuft natürlich unter
i. d. R. länger und dicker als die einer einfachen
streng sterilen Bedingungen ab.
Venenverweilkanüle – dies sieht auch der Patient.
Bei diesen Sachen ist »reden Gold«, denn es hilft bei
der Ablenkung und Beruhigung des Patienten. Checkliste für die Aszitespunktion
Es werden benötigt:
5 Aufklärungsbogen
7.1 Aszitespunktion 5 Ultraschallgerät
5 Punktionsset, ggf. vorhanden
Indikationen Aszitespunktion wird auch Perito- 5 Einmalhandschuhe
nealpunktion genannt. Die Aszitespunktion kann 5 Steriles Lochtuch
als diagnostisch- oder therapeutisch-begründete 5 Lokalanästhetikum
Maßnahme erfolgen. Je nach Indikation erfolgt sie 5 Desinfektionslösung
dann als Einmalpunktion oder endet mit der 5 Kanüle
Implantation eines Kathetersystems. 5 Tupfer
5 Pflaster
! Keine Aszitespunktion ohne Ultraschall-
begleitung!

Nach der klinischen Untersuchung überzeugen Sie Vorgehen


sich zunächst mit Ultraschall, dass dem ausladenden 1. Aufklärung, Einwilligung des Patienten
Abdomen auch wirklich intraabdominelle Flüssig- 2. Sprühdesinfektion der markierten Stelle
keit zugrunde liegt. Hierfür liegt der Patient zu- 3. Injektion von Lokalanästhetikum mit dia-
nächst auf dem Rücken. Bei Nachweis freier Flüssig- gnostischer Vorpunktion; dabei Länge der
keit im Abdomen wird er dann um ca. 30 °C zum Punktionsstrecke merken
Untersucher hin gekippt. Hiermit kann man testen, 4. Nochmalige Desinfektion und steriles Um-
ob der Aszites im Abdomen frei ausläuft. Bei gekam- legen mit einem Lochtuch
merten Aszites ist eine diagnostisch motivierte Pro- 5. Punktion mit dem Katheterset oder der
benentnahme noch möglich, eine therapeutische Braunüle unter Aspiration; der Patient soll die
Punktion verläuft dagegen zwangsläufig frustran. Bauchdecken dabei locker lassen
7.2 · Pleurapunktion
81 7
6. Die ersten 50 bis 100 ml werden für laborche- konsekutiven Umverteilung von intravasalem
mische und/oder mikrobiologische Unter- Volumen nach intraabdominell ein Volumen-
suchungen asserviert. mangelschock auftreten. Lösen kann man das
7. Nach Abschluss der Punktion wird die peri- Problem, indem man große Mengen Aszites
phere Venenverweilkanüle/Braunüle entfernt immer fraktioniert ablässt.
oder das Drainagesystem angeschlossen.

Es kann vorkommen, dass der starke Stempelsog 7.2 Pleurapunktion


oder die lokale Abnahme der intraabdominellen
Flüssigkeit zur Aspiration von Darmwand oder Indikationen Auch die Punktion der Pleurahöhle
Omentum majus, selbst wenn das Abdomen noch kann aus diagnostischen oder therapeutischen
voll mit Aszites ist, führt. Hier können eine Kathe- Gründen erforderlich sein.
terdrehung oder eine Lageänderung des Patienten
helfen. Alternativ entschließen Sie sich zu einer pas- Checkliste für die Pleurapunktion
siven Drainage. Es werden benötigt:
Fixieren Sie abschließend den Katheter mit ei- 5 Aufklärungsbogen
ner lockeren Naht und einem trockenen asepti- 5 Ultraschallgerät
schen Verband. 5 Punktionsset, ggf. vorhanden
Die Komplikationsrate von Aszitespunktionen 5 Einmalhandschuhe
ist grundsätzlich gering. Folgen können jedoch 5 Steriles Lochtuch
sein: 5 Lokalanästhetikum
4 Die Perforation von Hohlorganen (auf Darm) 5 Desinfektionslösung
tritt selten auf. Sollten Sie Stuhl- oder Darmgas 5 Kanüle
aspirieren, ziehen Sie die Kanüle ganz zurück. 5 Tupfer
Die meisten Fehlpunktionen von Darman- 5 Pflaster
teilen schließen sich wie eine Kulisse spontan,
da man den Darm fast immer tangential und
nicht senkrecht trifft. Allerdings muss der Pa- Man führt sie typischerweise am sitzenden, nach
tient aufmerksam beobachtet werden. Tritt ein vorne übergebeugten Patienten durch (. Abb. 7.1).
akutes Abdomen auf, muss der Schaden gege- Die Punktionsstelle liegt oft in Verlängerung der
benenfalls operativ behoben werden. Eine Scapulaspitze, richtet sich im Einzelfall aber wie
Antibiotikaprophylaxe in diesem Falle besitzt am Abdomen immer nach dem Ergebnis der sono-
keine Evidence.
4 Blutungen sind meist Folge einer Gefäßverlet-
zung; oft sind die Vasa epigastrica beteiligt,
aber auch aus Territorialvenen kann es bluten.
Entweder blutet es in die Bauchhöhle oder in
die Bauchdecke. Im einfachen Fall ändert sich
die Sekretfarbe und Konsistenz von bernstein-
farben nach hämorrhagisch. Erreicht die Drai-
nage die Blutung aber nicht, fällt die Diagnose
deutlich schwerer. Manchmal merkt man dies
auch durch eine Kreislaufdepression; hilfreich
sind hier sonografische und laborchemische
(Hb) Kontrollen.
4 Berücksichtigen muss man schließlich auch die
Volumenverschiebung. Wenn Sie mehrere Li- . Abb. 7.1 Anatomische Verhältnisse bei einer Pleurapunk-
ter Aszites ablaufen lassen, kann als Folge einer tion. (Aus Rücker 2011)
82 Kapitel 7 · Diagnostische Punktion (Aszites, Pleura und Kniegelenk)

a b c

7 d e f
d

g h i

. Abb. 7.2a-i Durchführung einer Pleurapunktion. (Aus Rücker 2011)

grafischen Untersuchung. Markieren Sie die tiefst- 7. Wechsel auf das Drainageset; nach Entfernen
mögliche Punktionsstelle und überprüfen Sie dabei des Mandrins muss der Punktionskatheter
auch die Lungenverschieblichkeit in In- und Exspi- weitere 5 mm vorgeschoben werden, damit er
ration. nicht aus der Pleura rutscht
8. Anschluss an das Kathetersystem.
Vorgehen (. Abb. 7.2)
1. Aufklärung, Einwilligung des Patienten Während der Punktion sollte der Patient große
2. Sprühdesinfektion an markierter Stelle Atemexkursionen vermeiden; die ganze Zeit die
3. Großzügige Injektion von Lokalanästhetikum Luft anzuhalten schafft kaum jemand. Eine weitere
inklusive der Infiltration von Pleura und an- Hilfsperson, die sich am Kopf befindet und den
grenzendem Periost am Oberrand der Rippe Oberkörper unterstützend festhält, schafft Sicher-
4. Diagnostische Vorpunktion; die Punktions- heit und Vertrauen. Nach der Punktion kann der
strecke ist am Thorax zumeist deutlich kürzer; Patient natürlich normal weiteratmen.
das Punktat wird bei Bedarf zur Aufarbeitung Sie können jetzt mit einer Spritze den Erguss
benutzt evakuieren oder ein vorgefertigtes Punktionsset be-
5. Nochmalige Desinfektion und steriles Um- nutzen. Solch ein Set besteht typischerweise aus
legen mit dem Lochtuch einer Punktionskanüle mit Mandrin und einem ge-
6. Punktion mit dem Katheterset oder der peri- schlossenen Drainagesystem. Über ein Rückschlag-
pheren Venenverweilkanüle/Braunüle unter ventil wird das Pleurasekret zunächst mit einer
Aspiration großen Spritze aspiriert und dann in einem Sekret-
7.3 · Gelenkpunktion am Beispiel des Kniegelenks
83 7
beutel aufgefangen. Diese Sets eignen sich insbeson-
dere für die therapeutische Einmalpunktion größe- Checkliste für die Kniegelenkspunktion
rer Pleuraergüsse. Es werden benötigt:
Wie bei der Punktion am Abdomen darf man 5 Aufklärungsbogen
die Drainagelänge nicht überziehen, da man sonst 5 Punktionsset, ggf. vorhanden
ebenfalls Volumenverschiebung induziert. In einer 5 Sterile Einmalhandschuhe
Sitzung lässt man also maximal 1.000 bis 1.500 ml 5 Mundschutz, Haube, Kittel
Flüssigkeit ab. Entfernen Sie die Punktionskanüle 5 Steriles Lochtuch
zum Schluss in Expiration. Ein normaler Pflaster- 5 Lokalanästhetikum
verband ist dann ausreichend. 5 Desinfektionslösung
5 Kanüle
> Jede Pleurapunktion wird zuletzt mit einer
5 Tupfer
Röntgenkontrolle des Brustkorbes (Thorax)
5 Pflaster
abgeschlossen.

7.3 Gelenkpunktion am Beispiel


des Kniegelenks Vorgehen
1. Aufklärung, Einwilligung des Patienten
Indikationen Die Punktion von Gelenken kann zur 2. Patientenknie in leichter Beugestellung
Diagnostik oder Therapie von Ergüssen, aber auch gelagert
zur Applikation von Medikamenten eingesetzt 3. Sterile Händedesinfektion
werden. 4. Steriles Tuch als Unterlage, dann mehrfache
> Die Erweiterung der Vorsichtsmaßnahmen
Sprühdesinfektion mit langer Einwirkzeit
bei Punktionen von Pleura und Abdomen
(mindestens 1 min); eine Rasur ist wegen ent-
sind streng aseptisch und bei Gelenkpunk-
stehenden Mikroverletzungen der Haut nicht
tion von noch viel größerer Bedeutung.
zu empfehlen
5. Infiltration der Punktionsstelle mit einem
Das postinterventionelle, iatrogene in der Gelenk- Lokalanästhetikum
höhle stellt eine schwerwiegende Komplikation dar, 6. Nochmalige Hautdesinfektion
welche trotz aufwendiger Behandlungsmöglichkei- 7. Alle Materialien auf den sterilen Tisch platzie-
ten zu einem großen Schaden führen kann und ge- ren: ausreichend dicke Kanüle, steriles Loch-
fürchtet ist. tuch, sterile Spritzen, sterile Tupfer und Kom-
Eigentlich kann man jedes Gelenk punktieren. pressen
Von den vielen Möglichkeiten fiel aber exempla- 8. Ertasten des kranialen Patellarand – die Punk-
risch nur das Kniegelenk auf, da es am häufigsten tionsstelle liegt ca. 1 bis 1,5 cm lateral und kra-
punktiert wird. Die wichtigsten Indikationen sind nial davon; man punktiert also den kranialen
die entzündliche und der traumatische hämorrha- Recessus am Kniegelenk
gische Gelenkerguss. 9. Vorschieben der Punktionsnadel unter Aspi-
> Eine Kniepunktion darf nur unter streng
ration; die Gelenkkapsel stellt einen harten
sterilen mit einem Operationssaal vergleich-
Widerstand dar
baren Bedingungen durchgeführt werden.
10. Desinfektion und aseptischer Verband

In einer Notfallambulanz ist dies oft der Wund-OP, Wenn Sie eine Punktion am Kniegelenk oder an an-
in dem auch komplexe Wundversorgungen vorge- deren Gelenken durchführen, sollten Sie allein aus
nommen werden. Ein ambulanter Operationsraum forensischen Gründen das gewonnene Material zu-
ist natürlich genauso gut geeignet wie ein richtiger mindest mikrobiologisch untersuchen lassen, und
Operationssaal. Vor der Punktion ist Mundschutz, zwar auch dann, wenn nicht der Verdacht auf einen
Haube und steriler Kittel zu tragen. Infekt besteht. Dies ist der einzige Weg, um später
84 Kapitel 7 · Diagnostische Punktion (Aszites, Pleura und Kniegelenk)

nachzuvollziehen, wann eine Infektion in einem


Gelenk erstmal nachgewiesen wurde. Und im Um-
kehrschluss können Sie nur auf diesem Wege zwei-
felsfrei nachweisen, dass eine Infektion bereits vor
der Punktion bestanden hat

7
85 8

Im Operationssaal
Karsten Ridwelski

8.1 Etikette im OP – 86

8.2 Chirurgische Händedesinfektion – 86

8.3 Naht- und Knotentechnik – 89

8.4 Abdominale Drainagen – 92

C. Meißner (Hrsg.), Basic Skills PJ,


DOI 10.1007/978-3-662-48703-7_8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
86 Kapitel 8 · Im Operationssaal

Für viele angehende Ärzte ist der erste OP-Einsatz jHerausforderung: Der Einsatz am
immer wie ein Sprung ins kalte Wasser. Viele Fach- Operationstisch
begriffe und Operationstechniken sind nur aus dem Der Operateur wird Sie zunächst auffordern, sich
Lehrbuch bekannt und nun sollen Sie diese in die erst einmal zu waschen. Im Operationssaal gibt
Praxis umsetzen. Dass fängt schon mit der richtigen es  immer eine/-n sogenannte sterile/-n opera-
Vorbereitung auf die Operation an: wie wäscht man tionstechnische/-n Assistent/-in und ein/-e unste-
sich korrekt? Wie ziehe ich mich korrekt an? Und rile operationstechnische/-n Assistentin/-en (OTA).
wie verhalte ich mich dann im Saal richtig? Wie das Wort schon sagt, ist die/der »Sterile« nur
für den Bereich der Operation zuständig und man
sollte sich stets an die unsterile Schwester wenden.
8.1 Etikette im OP Wenn man sich noch nie eingewaschen hat und gar
nicht weiß, wie eine chirurgische Händedesinfek-
Der Operationsbereich ist ein Bereich, in dem An- tion geht, dann sollte man einfach den Mut fassen
gehörige von Patienten keinen Zutritt haben. Schon und auf die Schwester zugehen, fragen: »Können sie
auf dem Weg dorthin befindet sich ein Schild »Zu- mir helfen, können sie es mir zeigen, wo finde ich
tritt für Unbefugte verboten«. Im Bereich der OP- eine Anleitung?« Dabei sollten Sie ruhig erwähnen,
Schleuse findet man einen unreinen Bereich, wo die dass Sie den ersten Tag im Operationssaal sind. Es
Straßenkleidung bzw. allgemeine Krankenhausklei- wird Ihnen von allen Anwesenden Verständnis ent-
8 dung abgelegt werden kann. Auf der sauberen Seite, gegengebracht werden.
der sogenannten reinen Zone, bedient man sich der Sollte es sich um eine unfallchirurgisch-/ortho-
Operationskleidung. Dazu gehören: Hose, Oberteil, pädische Operation handeln, wo ein Röntgenbild-
OP-Schuhe, OP-Haube und Mundschutz. Schmuck wandler mit ionisierenden Strahlen eingesetzt wird,
(Ringe, Ohrringe, Ketten, Uhren und Piercing im ist man verpflichtet, eine sogenannte Röntgenblei-
sichtbaren Bereich) müssen abgelegt bzw. in der schürze zu tragen. In den ersten Tagen wird natür-
Umkleideschleuse weggeschlossen werden. Lange lich einer der operationstechnischen Assistenten Sie
Haare muss man nach oben stecken und komplett darauf hinweisen, Sie sollten von vorneherein aber
unter der Operationshaube verbergen. versuchen, zu Ihrer eigenen Sicherheit auch selbst
Fast in allen OP-Sälen finden sich die Personal- daran zu denken:
toiletten im Schleusenbereich! > Bei einer Operation mit Bildwandlerkontrolle
Röntgenschürze tragen!
Zwischenmenschliches
Ist man völlig neu im Operationssaal, sollte man sich Der Zutritt für Schwangere ist natürlich nicht ge-
in der Nähe eines erfahrenen OP-Gängers aufhalten. stattet.
Hierbei können verschiedene Fragen geklärt werden:
4 Wo liegen die Operationssäle?
4 Wo findet die Einleitung oder die Ausleitung der 8.2 Chirurgische Händedesinfektion
Patienten statt?
4 Wo ist der Aufenthaltsraum? Die chirurgische Händedesinfektion ist eine Rou-
tinemaßnahme zur Reduzierung der Keimbesied-
Die Einhaltung von Höflichkeiten und gesellschaft- lung der Haut. Vor chirurgischen Eingriffen oder
lichen Normen ist sehr wichtig. Dazu gehört u. a. anderen invasiven diagnostischen Verfahren wird
die Pünktlichkeit! daher diese Form der Händedesinfektion durch-
geführt.
> Wichtig ist, wenn Sie das erste Mal den Ope-
rationssaal betreten, das Vorstellen: »Mein jAnleitung
Name ist Maximilian Mustermann, ich bin Die chirurgische Händedesinfektion wird in
Medizinstudent im 3. Ausbildungsjahr und 2 Schritten mit einer speziellen Waschlotion und
heute den ersten Tag im Operationssaal.« einer alkoholischen Desinfektionslösung vorge-
8.2 · Chirurgische Händedesinfektion
87 8

. Abb. 8.1 Korrekte Bedienung mit dem Ellenbogen . Abb. 8.2 Hände und Unterarme steril halten

nommen. Beim Entnehmen der Lösung aus dem


sogenannten Spender wird der Spenderbügel mit
dem Ellenbogen bedient (. Abb. 8.1). Die genaue
Einwirkzeit für das Desinfektionsmittel richtet sich
nach Herstellerangaben und beträgt i. d. R. 3 bis
5 Minuten.
Gleich eine Frage vorweg: Wann wirkt ein Des-
infektionsmittel? Wenn es getrocknet ist. Zur ei-
gentlichen Desinfektion kann man nach der soge-
nannten Dreierregel verfahren:
a
4 1. Minute: Die Lösung wird in die Haut über
die volle Länge von den Fingerspitzen bis zum
Ellenbogen eingerieben.
4 2. Minute: Es wird eine Minute lang über die
Handschuhlängen desinfiziert.
4 3. Minute: Es werden ausschließlich die Hände
selbst eingerieben.

Während dieser Desinfektion sollte der Arzt keine


nicht-desinfizierten Hautbereiche oberhalb des
Ellenbogengelenkes berühren (sich also z. B. nicht
b
unbedacht eben an der Nase kratzen). Noch vor
einigen Jahren war das sogenannte Bürsten der
Haut zur Reduzierung der Keime notwendig. Das
ist heute obsolet. Warum? Hierdurch entstehen
Mikroverletzungen, die natürlich wieder Risiken
und Probleme nach sich ziehen. Nach der chirurgi-
schen Händedesinfektion geht es in den Opera-
tionssaal. Manchmal muss die sterile operations-
technische Assistentin noch die Instrumente rich-
ten oder den Operateur als erstes anziehen. Bis der
sterile Kittel angezogen wird (. Abb. 8.3), müssen
c
die Hände und Unterarme steril gehalten werden
(. Abb. 8.2). Jetzt darf man nichts mehr anfassen. . Abb. 8.3a-c Kittelankleidung
88 Kapitel 8 · Im Operationssaal

. Abb. 8.5 Gebetsstellung

. Abb. 8.4a-c Anziehen der sterilen Handschuhe

b
Die Hände sollten etwa auf Brusthöhe ineinander . Abb. 8.6a,b a Hände NICHT über den Kopf heben.
verschränkt vor dem Körper gehalten werden (so- b Arme nicht unter den Achseln verschränken
genannte Gebetsstellung, . Abb. 8.5). Dabei sind die
Fingerspitzen oder Handflächen aneinanderzule-
gen. Die Zonen oberhalb der Brust und unterhalb Handschuhe angezogen (. Abb. 8.4). Hierbei ist
des Bauchnabels sind dabei die Tabuzone. Es ist auch die sterile operationstechnische Assistentin
peinlich genau darauf zu achten nichts zu berühren, behilflich.
weder den sterilen OP-Tisch, noch Abdeckungen
oder das Narkosegerät. Die sterile operationstechni- > Es ist darauf zu achten, dass die Hände
sche Assistentin sowie die unsterile operationstech- nicht über den Kopf gehalten oder die Arme
nische Assistentin werden bei der Ankleidung be- unter den Achseln verschränkt werden
hilflich sein. Zum Schluss werden noch sterile (. Abb. 8.6).
8.3 · Naht- und Knotentechnik
89 8
jWie verhält man sich am Operationstisch? 8.3 Naht- und Knotentechnik
Der Operateur wird Ihren Platz am Operationstisch
festlegen. Sollte es deutliche Unterschiede in der Zwischenmenschliches
Körpergröße am Operationstisch geben, so ist es Oft kommt es vor, dass man im Operationsaal vom
möglich, dass Sie sich ein kleines Podest (die meist Operateur aufgefordert wird, eine Naht zu legen oder
in unterschiedlichen Größen im Saal vorhanden einen Faden zu knüpfen (z. B. im Bereich des Wund-
sind) von der unsterilen operationstechnischen As- oder Hautverschlusses). Darauf sollte man vorberei-
sistentin aufstellen zu lassen. Besser ist es, vor der tet sein und einfache Techniken beherrschen. Sehen
Operation danach zu fragen und es sich selbst zu Sie bei der Operation genau hin. Man lernt die Tech-
holen – was aber am Anfang natürlich für Sie noch nik schnell durch Beobachten und eigene Übungen
nicht selbstverständlich sein kann! Während der ergänzen das theoretische Wissen.
Operation ist auch nur der Operationstisch die
»Baustelle«. Infusionsständer, Generatoren, elektro- Mithilfe der chirurgischen Naht erfolgt die Gewebe-
chirurgische Geräte bis hin zum Röntgenbogen sind vereinigung mittels Nadel und Faden, wobei die
Tabuzonen. Der Operateur wird dann nach Opera- Enden entsprechend verknotet werden. Dies ist eine
tionsbeginn auch dem Assistenten verschiedene grundlegende und unverzichtbare chirurgische
Aufgaben zuteilen. Früher hieß es »Haken halten, Technik, da eine Wunde so am schnellsten erwar-
Schnauze halten«, das ist heute nicht mehr Grund- tungsmäßig verheilen kann. Es gibt eine Reihe ver-
thema und Grundstimmung im Operationssaal. schiedenster chirurgischer Naht- und Knotentech-
Jedoch ist es immer wichtig, zum richtigen Zeit- niken.
punkt Fragen zu stellen – in einer hoch konzentrier-
ten Phase z. B. im Rahmen einer Bauchschlagader- jKnotentechnik
operation sollte nicht unbedingt gefragt werden, Grundlage eines sogenannten Knotens ist eine hal-
warum eine Klemme nach Mikulitzch oder eine be Schlinge, welche aus einer einfachen Fadenum-
Drainage nach Robinson benannt ist. schlingung (. Abb. 8.7) mit einfachen Kreuzen der
beiden Fadenenden besteht.
1./2./3. Assistenz Dieser Halbknoten (. Abb. 8.8) kann in der so-
Was bedeutet es, dritte oder zweite Assistenz genannten einhandlichen Technik mit Zeige- oder
am Tisch zu sein? Je nach Operateur (Chefarzt/ Mittelfinger angelegt werden. Diese elementare
Oberarzt/Assistenzarzt) wird eine erste Assis- Knotentechnik kann mit der rechten und/oder lin-
tenz eingesetzt, die i. d. R. nicht nur die Haken ken Hand durchgeführt werden.
hält, sondern auch mehr in das Geschehen ein-
greift, teilweise selbst schneidet, koaguliert
etc. – wenn auch nach wie vor in enger Ab-
stimmung mit dem Operateur bzw. nach Vor-
gabe durch diesen. Die zweite Assistenz ist
dann häufig tatsächlich hauptsächlich für das
Hakenhalten da. Ist es eine umfangreichere OP,
kann eventuell auch eine dritte Assistenz für
das Hakenhalten nötig sein. Trotzdem Sie im PJ
sind kann es durchaus vorkommen, dass Sie –
wenn Sie sich gut in der Abteilung etabliert
haben – auch bei kleineren Eingriffen als erste
Assistenz eingesetzt werden.

. Abb. 8.7 Schlinge. (Aus Schröder, Krones 2012)


90 Kapitel 8 · Im Operationssaal

a b

8
c d

e f

g h

. Abb. 8.8 Halbknoten. (Aus Schröder, Karges 2012)


8.3 · Naht- und Knotentechnik
91 8

a b c d

. Abb. 8.9 Einzelknopftechnik. (Aus Schröder, Karges 2012)

a b c

. Abb. 8.10 Rückstichtechnik nach Donati und Allgöwer. (Aus Siewert 2006)

Werden nun zwei dieser Schlingen oder Halb- Grundprinzip eines jeden Wundverschlusses ist der
knoten übereinander gelegt, erhalten wir den soge- schichtweise sichere Wundverschluss. Hierbei ist
nannten Knotenpunkt. Das Anlegen von zwei ein gewebeschonendes, das heißt, chirurgisch
gleichläufigen Schlingen führt dazu, dass der Kno- atraumatisches Verfahren sinnvoll. Wundheilungs-
ten am fixierten Fadenende bewegt werden kann störungen können viele Ursachen haben. Das Ge-
(sogenannter Schiebeknoten). Zwei gegenläufige webe kann gequetscht werden oder durch Zug am
Schlingen fixieren und sichern den Knoten vor un- Faden wird das Gewebe zu sehr komprimiert,
absichtlichem Lösen und geben den entsprechen- Durchblutungsstörungen entstehen. Der einfachste
den Halt. Dieser Knoten wird dann auch als Schif- Wundverschluss ist das Nähen der Haut in Einzel-
ferknoten oder Achterknoten bezeichnet. knopftechnik (. Abb. 8.9).
Diese Knotentechnik kann ebenfalls mit einem Der Vorteil hierbei ist eine gute Adaptation und
chirurgischen Instrument, dem sogenannten Na- die Option, bei einem Wundinfekt Nähte lösen zu
delhalter durchgeführt werden können, um genug Sekretabfluss zu erreichen. Es
gibt verschiedene Modifikationen der Einzelknopf-
jNahttechniken nähte, wie die Rückstichtechnik nach Donati oder
Zwei wesentliche Grundvoraussetzungen zur kor- Allgöwer (. Abb. 8.10).
rekten Adaptation von Wundrändern sind wichtig: Beide Techniken erlauben eine anatomisch
1. Anatomisch exakte, stabile und spannungsfreie exakte und mechanisch stabile Adaptation. Der
Adaptation der Wundränder ohne Beeinträch- Abstand zwischen 2 Stichen beträgt ungefähr 0,5–
tigung der Gewebedurchblutung und 1,0 cm. Ist dieser kleiner, so gefährden sie die Durch-
2. der atraumatische Umgang mit den zu adaptie- blutung der Wundränder. Ist er größer, adaptieren
renden Wundrändern. die Wundränder nur ungenügend. Gleiches gilt für
den Abstand des Einstichs zum Wundrand der un-
gefähr 0,5 cm beträgt. Eine weitere Nahttechnik ist
die fortlaufende intrakutane Naht (. Abb. 8.11).
92 Kapitel 8 · Im Operationssaal

Das kosmetisch beste Ergebnis der »Narbe« findet


sich meist bei »alten Menschen«. Da die Prolifera-
tion, die Wundheilung aufgrund des Mangels an
Wachstumsfaktoren und ähnlichem nicht mehr wie
bei einem jungen Menschen vorhanden ist und so
die Narbe an sich eher in eine atrophe Ausheilung
führt. Junge Menschen haben viel Potential, haben
noch viel Proliferationsmöglichkeiten im Bereich
der Wundheilung und hier kann es öfter im Ver-
gleich zu Alten zu einer überschießenden Granula-
. Abb. 8.11 Fortlaufende intrakutane Naht. (Aus Schröder,
tion kommen.
Karges 2012)

Die Vorteile dieser Technik liegen auf der Hand. 8.4 Abdominale Drainagen
Der fortlaufende Wundverschluss ist für den Geüb-
ten schneller angelegt und ergibt das bessere kosme- In der Chirurgie gibt es eine Vielzahl, fast schier
tische Ergebnis. Die anatomische exakte Adaptation endlose Zahl verschiedener Drainagesysteme
ist jedoch technisch schwierig auszuführen und sie (. Abb. 8.12).
8 werden bei ihren ersten Versuchen nicht selten erle- Folgende Drainagetypen werden unterschieden:
ben, dass sie in den Händen ein kleines Eselsohr üb- 4 Redon-Drainage,
rigbleibt. Hinzu kommt, dass ein konstanter Adapta- 4 Robinson-Drainage (. Abb. 8.13),
tionszug der Wundränder nicht immer einfach über 4 Easy-Flow-Drainage und Doubbel-Flow-
die ganze Länge der Wunde zu nähen ist und somit Drainage,
die mechanische Stabilität geringer als bei einer Ein- 4 Gallengangs-Drainage,
zelknopftechnik. Problematisch ist es hier, wenn es 4 Pankreas-Drainage.
zu einer Wundinfektion kommt, da die Wunde par-
tiell eröffnet werden müsste und bei einer fortlaufen- Grundsätzlich gilt: das Ziel jeder Drainage ist die
den Naht die gesamte Wunde klaffen würde. Ableitung von Sekret, Blut oder Luft aus natürlichen
Eine weitere Technik der Wundversorgung ist oder pathologischen Röhren nach außen. Basierend
die Klammernahttechnik. Diese Technik ist eben- auf dem physikalischen Prinzip unterscheiden wir
falls sehr einfach und schnell durchführbar und 3 Drainagetypen:
eine häufig angewendete Methode. Kosmetisch sind 1. die Sog-Drainage, z. B., Redon-Drainage oder
die Ergebnisse, insbesondere wenn der Abstand Jackson-Pratt-Drainage,
zwischen den Klammern zu eng gewählt wird, eher 2. Schwerkraft-Drainage, z. B. Robinson-
zweifelhaft, aber schnell und effektiv. In exponier- Drainage oder Magensonde und
ten Körperregionen, wie Gesicht oder Händen, hat 3. die kapillare Drainage, z. B. Easy-Flow-
diese Technik jedoch nichts verloren. Drainage.
Eine weitere Methode wäre die Anwendung von
sogenannte Gewebekleber (Histoacryl), der bei Um sich der physikalischen Eigenschaft der Sekret-
kleinen nicht infizierten Wunden zu einem kosme- förderung, z. B. bei Schwerkraft-Drainagen zunutze
tisch guten Ergebnis führt. In der Nähe des Auges zu machen, ist dieser Beutel nach unten zu hängen.
muss allerdings die ätzende Wirkung des Gewebe- Die kapillare Drainage beruhen auf dem physikali-
klebers beachtet werden. Bei all Ihren Bemühungen schen Prinzip der Kapillar- oder Adhäsionskräfte zur
sollten Sie daran denken, dass heute gilt: Ableitung von Flüssigkeit, z. B. der Easy-Flow-Drai-
nage oder auch Doppel-Flow-Drainage. Die soge-
> Die äußerlich sichtbare Narbe ist die Visiten- nannten Sog-Drainagen fördern die Wundsekrete
karte des Chirurgen. Es heißt nicht mehr: durch Anlage eines Unterdrucks, der durch ein Va-
große Schnitte, große Narben, große Chirurgen. kuum zum Auffangbehälter oder einer externen
8.4 · Abdominale Drainagen
93 8
Wichtig ist aber zu wissen, dass jeder Fremd-
körper in der Bauchhöhle bzw. im OP-Gebiet
und somit auch eine Drainage die Sekretions-
flüssigkeit injizieren und auch unterhalten.

Die Fördermenge einer einzelnen Drainage sollte


über 24 Stunden dokumentiert werden. Diese Bi-
lanzierung sollte möglichst immer zur gleichen Zeit
erfolgen, am besten während der Visite. Zur Doku-
mentation der Drainageflüssigkeit sollten Uhrzeit,
Menge und Qualität festgehalten werden.

Zwischenmenschliches
Viele Patienten haben Angst vor dem Zug einer Drai-
nage, sodass einige Chirurgen den Patienten unmit-
telbar davor tief einatmen lassen, um vom eigentli-
chen Geschehen abzulenken. Wenn der Patient tief
einatmet, kann die Drainage gezogen werden. Es
. Abb. 8.12 Drainagesysteme. 1 T-Drainage, 2 Easy-flow-
Drainage, 3 Jackson-Pratt-Drainage, 4 Robinson-Drainage, geht um die Reduzierung des Schmerzes und darum,
5 Blake-Drainage, 6 Salem-Drainage (Aus Schröder, Karges den Patienten abzulenken.
2012)
jRedon-Drainage
Pumpe, wie z. B. klassischer Vakuumverband erzeugt Die Redon-Drainage wird meist im subkutanen
werden kann. Die abdominalen Drainagen werden Kompartiment oder in Faszienlogen eingesetzt. Die
meist am tiefsten Punkt der Bauchhöhle eingebracht, Redon-Drainage wurde nach dem Kieferchirurgen
um die Wundsekrete auch vollständig drainieren zu Dr. Henry Redon (Paris) benannt und zielt darauf
können. Die tiefste anatomische Stelle im Bauchraum ab, mittels multipler Lochungen im vorderen Be-
ist der Douglas-Raum, der deshalb oft für eine unge- reich in Kombination mit einem negativen Druck
zielte Drainage der Bauchhöhle genutzt wird. Ähn- (Unterdruck), der mit einem in einer Auffangflasche
lich verhält es sich mit der rechten und linken para- vorherrschendem Vakuum erzeugt wird, Hohl-
bolischen Rinne sowie dem suprahepatischen Raum, räume im subkutanen Gewebe und in bestimmten
wo entsprechend der intraabdominellen Verteilun- Faszienlogen zu verkleinern und Sekret abzutrans-
gen ebenfalls Ansammlungen von Sekreten/Flüssig- portieren. An dieser sogenannten Redon-Flasche
keiten zu erwarten sind. Dem gegenüber stehen so- befindet sich Gummistopfen, die anzeigen, ob das
genannte Zieldrainagen, die direkt am Ort des Ziel- geschlossene Drainagesystem noch Unterdruck hält
oder Operationsgebietes platziert werden. oder nicht. Ist der Gummistopfen eingedrückt, ar-
Ein Beispiel ist die intestinale Anastomose, ein beitet das Vakuum. Ist er nach außen und nicht mehr
blind verschlossene Duodenalstumpf oder am eingezogen, ist das Vakuum nicht mehr vorhanden
Pankreasschwanz nach einer Milzentfernung. und es muss eine Redon-Flasche angelegt werden
Wenn die abdominalen Drainagen entfernt werden, oder die verschlossene Wunde zieht irgendwo Luft.
hängt der Erfolg neben der Eingriffsart in erster Redon-Drainagen werden i. d. R. für 1–2 Tage belas-
Linie von der Quantität und der Qualität der geför- sen und können dann entfernt werden.
derten Sekrete ab. Im Hinblick auf die Sekretmenge
vor der Entfernung gibt es einen großen Opera- jRobinson-, Easy-flow-, und Double-flow-
tions- und operationsunabhängigen Spielraum. Drainagen
> Intraabdominelle Drainagen sind das post-
> Eine Faustregel für den goldenen Zeitpunkt operative Auge oder der sogenannte Spion in
der Entfernung einer Drainage existiert nicht. der Chirurgie des Bauches.
94 Kapitel 8 · Im Operationssaal

besonders anspruchsvoll und wichtig. Fixierende


Nähte können bei zu fest gezogenen Knoten das Lu-
men der Drainagen einengen oder sogar verschlie-
ßen. Häufiger werden diese Systeme jedoch zu
locker angenäht, sodass sie eine Gefahr des Heraus-
rutschens bergen. Pankreas-Drainagen werden
i. d. R. nur nach einer Resektion des Bauchspeichel-
drüsenkopfes in das verbliebene Parenchym einge-
legt. Mit der Anlage dieser Drainage wird die Flüs-
sigkeit mit ihrer hohen enzymatischen Aggressivität
bis zur lokalen Wundheilung der sogenannten Pan-
kreasanastomose temporär nach extern abgeleitet.
Dieser Drainagetyp bleibt geschlossen oder offen
deutlich länger als andere intraabdominelle Draina-
gen liegen, oft auch mehrere Wochen. Beim Ver-
such, die Drainagen zu ziehen, zeigt sich manchmal
. Abb. 8.13 Robinson-Drainage. (Aus Schröder, Karges 2012) ein kleiner Widerstand. Das kommt meistens von
einer monofilen Naht, die diesen Schlauch am Or-
8 gan noch fixiert. Sollte man sich beim ersten Mal
Sie können helfen, eventuell auftretende Komplika- nicht trauen diese Drainage selbst zu ziehen, so ist
tionen, wie z. B. eine Anastomosen-Insuffizienz der Operateur anzurufen bzw. zu informieren.
frühzeitig anzuzeigen. Die Drainagen sollten daher
täglich kontrolliert und bei Veränderung der Se- Zwischenmenschliches
kretmenge oder -qualität der zuständige Stations- Wenn man jemanden um Hilfe bittet, wie hier bei der
oder Oberarzt informiert werden. In der Bauchchi- Entfernung einer Drainage, dann sollte man ihn an-
rurgie kommen die Easy-Flow- oder Robinson- schließend bei der Maßnahme auch begleiten, sonst
Drainagen häufig zum Einsatz (. Abb. 8.13). lernt man es nämlich nie. Also nicht am Schreibtisch
Die Easy-Flow-Drainagen nutzen die schon verschanzen, sondern die Aktion vorbereiten und
beschriebenen physikalischen Kapillarkräfte zur assistieren. Dies macht auch Eindruck auf den Vorge-
Sekretableitung. Eine besondere Form der abdomi- setzten und ist gleichzeitig lehrreich.
nellen Drainagen ist die sogenannte Jackson-Pratt-
Drainage, die auch aus Silikon besteht, aber im Ge- Die Gallengangs-Drainagen werden in Form oft als
gensatz zur Robinson-Drainage am äußeren Ende sogenannte T-Drainagen bezeichnet oder T-Drain.
mit einem Gummiball konnektiert ist, welcher nach Das Entfernen dieser Drainage läuft stufenweise ab.
Ablassen von Luft einen Unterdruck aufbaut. Hier- Zunächst werden sie häufig im Bett hochgelegt. Das
bei handelt es sich um eine Sog-Drainage. Aller- führt dazu, dass der größte Anteil der Flüssigkeit
dings kommt dieser Typ nur noch in wenigen Kli- wieder durch den Gallengang neben der Drainage
niken zur Anwendung. fließt. Somit kann ein ausreichender Abfluss nach
intraluminal ins Duodenum bzw. Darm getestet
jGallengangs- und Pankreas-Drainagen werden. Läuft das problemlos, dann wird am nächs-
Gallengangs- bzw. Pankreas-Drainagen liegen in- ten Tag der Schlauch geklemmt oder abgestöpselt,
traluminal, d. h. in den jeweiligen Gangsystemen. d. h. verschlossen. Dies erfolgt stundenweise, 2 × 2
Beide Drainagetypen fördern somit hoch konzen- Stunden, 2 × 4 Stunden, 2 × 6 Stunden, 2 × 12 Stun-
trierte und z. T. aggressive Sekrete: Galle- und Pan- den. Wenn auch diese Maßnahme erfolgreich ist,
kreasflüssigkeit. Entsprechend klein ist der Durch- wird der Schlauch gezogen. Auch hier ist unter allen
messer dieser Drainagen, die überwiegend aus gra- Umständen auf sauberes Arbeiten zu achten, damit
nulationsfördernden Gummimischungen bestehen. eine bakterielle Kontamination vermieden wird.
Die Fixierung, d. h. das Anlegen dieser Drainage ist
95 9

Wundbehandlung
(Wundversorgung und
Wundbeurteilung)
Gerd Meißner

9.1 Wunde und Wundarten – 96


9.1.1 Wundheilung – 96

9.2 Wundversorgung – 96

9.3 Verbandsmaterial – 99
9.3.1 Antiseptika – 100
9.3.2 Inaktive Wundauflagen – 100
9.3.3 Interaktive Wundauflagen – 100
9.3.4 Vakuumversiegelung (VAC-System) – 101

9.4 Verbände – 101

9.5 Kompressions- und Stützverbände – 102

9.6 Ruhigstellende Verbände – 102


9.6.1 Gips und Cast – 102

C. Meißner (Hrsg.), Basic Skills PJ,


DOI 10.1007/978-3-662-48703-7_9, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
96 Kapitel 9 · Wundbehandlung (Wundversorgung und Wundbeurteilung)

Nach dem Entstehungsmechanismus kann man eine 9.1.1 Wundheilung


Vielzahl von Wundarten differenzieren, die sich be-
züglich Therapie und Heilungsverlauf grundsätzlich Der Ablauf der Wundheilung kann in 4 Phasen un-
unterscheiden können. Das Verständnis ist somit terteilt werden
essentiell in der Therapie. 1. Exudations- oder Entzündungsphase
2. Resorptionsphase
3. Proliferations- oder Granulationsphase
9.1 Wunde und Wundarten 4. Reparationsphase

Die Wunde ist eine Trennung oder Zerstörung von Es ist ein dynamischer Ablauf, der von den Stoff-
Geweben. Diese kann innerlich und äußerlich an wechselvorgängen abhängig ist. Bei geschlossenen
den Körperoberflächen auftreten und mit oder Wunden dauert dieser ca. 2 Wochen.
ohne Gewebeverlust einhergehen. Es werden akute Die primäre Wundheilung ist ein komplika-
und chronische Wunden unterschieden. tionsloser, nicht infizierter Heilungsprozess mit sau-
Zu den akuten Wunden zählen: beren, glatten Wundrändern und guter Gewebe-
4 mechanisch, offene Wunden, wie Schnittwun- durchblutung. Meist bleibt eine kleine Narbe zurück.
den, Platzwunden, iatrogene Wunden (Punk- Dazu gehören scharfkantige Verletzungen oder Ope-
tion, Amputation), Bisswunden, Schusswun- rationen. Diese Methode kann maximal 8 Stunden
den, Amputation, Stichwunden mit Sonder- nach einer Verletzung zur Anwendung kommen.
form, Pfählungsverletzung, Schürfwunden mit Bei der sekundären Wundheilung kommt es zu
9 Sonderform, Ablederung/Decollement und Heilungsstörungen mit größeren Gewebedefekten.
Risswunden mit Sonderform, Kratzwunde. Die Folge ist die Bildung von Narbengewebe. Durch
4 mechanisch geschlossene Wunde, wie Prel- geeignete chirurgische Maßnahmen kann hier der
lung, Quetschung und Distorsion. Heilungsprozess verkürzt werden. Die sekundäre
4 thermische Wunden, wie Erfrierungen 1. bis Wundheilung dauert sehr viel länger. Stark infizier-
3. Grades, Verbrennungen 1. bis 3. Grades und te Wunden, z. B. Bisswunden, dürfen nicht primär
Stromverletzungen. verschlossen, sondern müssen sekundär geheilt
4 chemische Wunden, wie Säure oder Laugen- werden. Granulationsgewebe kommt für den Ver-
verätzungen und radiogene Wunden (Strah- schluss zum Einsatz.
lenverletzungen). > Um eine Wunde zu beurteilen und zu behan-
deln, muss der Wundort richtig bestimmt wer-
Chronische Wunden heilen selten, sie sind bakte- den. Wundränder, Wundtiefe und die Größe
riell infiziert und bergen viele Gefahren für die der Kontamination, die Blutung, Fremdkörper-
Wundheilung. Da oft Granulationsgewebe fehlt, beteiligung – das sind alles Faktoren, die für
dauert die Heilungsphase Monate oder sogar Jahre. das weitere Handeln von Bedeutung sind.
Von einer chronischen Wunde spricht man, wenn
die Heilung länger als 3 Monate dauert. Merkmale und Besonderheiten der Wunden sind in
Ziel ist es, das zerstörte Gewebe wieder aufzu- . Tab. 9.1 zusammengefasst.
bauen bzw. das getrennte Gewebe wieder zusam-
menzuführen. Den Prozess nennt man Wundhei-
lung. Diese Wundheilung schafft der Körper meist 9.2 Wundversorgung
allein, außer wie schon erwähnt bei chronischen
Wunden. Sie wird auch als pathologische Regene- Die ersten Maßnahmen zur Behandlung bestehen
ration bezeichnet. Dabei unterscheidet man eine in einer keimfreien Abdeckung. Sollte die Wunde
vollständige und unvollständige pathologische Re- bluten, muss ein Druckverband zur Blutstillung an-
generation. Die Reparation bedeutet Defektheilung gelegt werden. Fremdkörper sollten evtl. nicht ent-
und Narbenbildung. fernt werden, da sie Blutgefäße abdrücken und so
größere Blutungen verhindern.
9.2 · Wundversorgung
97 9

. Tab. 9.1 Traumatische Wundarten mit Merkmalen und Art der Versorgung

Merkmale Art der Versorgung

Schnittwunde Glatte, selten auch klaffende Wundränder, Versorgung in Abhängigkeit vom Zeitintervall
wenig bis stark kontaminiert und der Kontamination

Stichwunde Hohe Keimbelastung, u. U. Penetration Offene Wundbehandlung, sorgfältige Explora-


der Körperhöhlen tion/Inspektion, ggf. bildgebende Diagnostik

Platzwunde Unregelmäßige Wundränder, Neigung zu Wunddesinfektion und Débridement, meist


Nekrosen und Infekten primäre Naht möglich

Schürfwunde Oberflächlicher Abrieb der Epidermis, Wundreinigung und Desinfektion, offene


stark kontaminiert Wundbehandlung

Quetschwunde, Schädigung tieferer Gewebeareale bei Regeneration möglich, strenge konservative


Kontusion, Prellung intakter Dermis Beobachtung zur frühen Erkennung von Kom-
plikationen (Nekrose, Superinfektion)

Bisswunde Hohe Keimbelastung durch mensch- Offene Wundbehandlung (Ausnahmen sind z. B.


lichen/tierischen Speichel Gesicht), spezielle Maßnahmen bei V.a. HIV-,
Tetanus-, Tollwut- oder Hepatitisexposition

Verbrennung Schädigungen Grad I-IV (Rötung bis Konservative Behandlung mit Kühlung und
(. Abb. 9.1, Nekrose) Infektionsprophylaxe, bei Grad IV Nekrosekto-
. Abb. 9.2, mie, ggf. Intensivtherapie
. Abb. 9.3)

. Abb. 9.1 Verbrennungen 1. Grades. (Aus Rücker 2011) . Abb. 9.2 Verbrennungen 1./2. Grades. (Aus Rücker 2011)
98 Kapitel 9 · Wundbehandlung (Wundversorgung und Wundbeurteilung)

Die Reinigung erfolgt mit alkoholischen Präparaten


bzw. mit Betaisodona-Lösungen. Die Behandlung
der Wunde erfolgt unter aseptischen Bedingungen.
Desinfektionsmittel oder sterile physiologische
Kochsalzlösungen reinigen und desinfizieren Kom-
pressionen stillen die Blutungen. Das verwendete
Nahtmaterial richtet sich nach der Wunde.
> Die Tetanusüberprüfung ist wichtig. Der
Schutz reicht 10 Jahre nach der letzten Auf-
frischimpfung. Bei Verletzung wird bereits
nach 5 Jahren eine »Boosterung« vorgenom-
men mit 0,5 ml Td-Impfstoff.
. Abb. 9.3 Verbrennungen 3. Grades. (Aus Rücker 2011)
Bei sekundär heilenden Wunden kann auch ein Va-
kuumverband zum Einsatz kommen. Bei postope-
Zu einem wichtigen Teil der ärztlichen Tätig- rativen Wunden ist meist klinische Erfahrung not-
keit, nicht nur in der Chirurgie, zählt die Wundver- wendig, um eine sichere Diagnose zu stellen. Dabei
sorgung, einschließlich dem Wunddebridement. ist wichtig, ob eine Wundinfektion vorliegt oder
nicht.
Anleitung
> Die klassischen Zeichen einer Wundinfektion:
9 5 Schwellung (Tumor),
Checkliste 5 Rötung (Rubor),
Es werden benötigt: 5 Schmerz (Dolor) und
5 Aufklärungsbogen zur Wundversorgung 5 Überwärmung (Calor)
5 Einmalhandschuhe
5 Desinfektionslösung Sollte es Zeichen der Wundinfektion geben, er-
5 »Grundsieb« für die Wundversorgung (bein- folgt  die Suche nach der Wundsekretion zur Sa-
halten Pinzetten chirurgisch und anatomi- nierung. Bleibt diese aus, kann auch eine antibio-
sche, Scheren, Klemmen, Nadelhalter) tische Therapie infrage kommen. Bei Sekretionen
5 Lokalanästhesie ist die Wunde zu öffnen und mit Kochsalzlösung
5 Spritze mit isotonische Kochsalzlösung zur auszuspülen, bis das Sekret klar ist. Es sollte ein
Wundspülung Abstrich für die mikrobiologische Untersuchung
5 Nahtmaterial erfolgen. Dann wird die Wunde wieder verbun-
5 Tupfer, Kompressen, Mull den.  Das anschließende Sekret bei sekundär hei-
5 Binden lenden Wunden muss beobachtet und regelmä-
5 Pflaster ßig (alle 5 bis 7 Tage) mikrobiologisch untersucht
werden.
> Die analgetische Therapie ist ein Muss.
Die chirurgische Wundversorgung erfolgt nach ei-
nem standardisierten Ablauf (nach Friedrich): Patienten können einen oder mehrere Risikofakto-
1. Aufklärung und Einwilligung ren für eine Wundheilungsstörung in sich tragen.
2. Säuberung und Desinfektion der Wunde Diese werden durch lokale und systemische Fakto-
3. Lokalanästhesie ren beeinflusst.
4. Wundinspektion Zu den lokalen Faktoren gehören die Art und
5. Wunddebridement, die Größe einer Wunde, der Zustand dieser Wunde,
6. Wundadaptation mit Wundnaht das heißt der Kontaminationsgrad, die Durchblu-
7. Steriler Verband und Ruhigstellung tung der Wunde, die Beschaffenheit des umliegen-
8. Prüfung des Tetanusschutzes den Gewebes.
9.3 · Verbandsmaterial
99 9

. Tab. 9.2 Klassifikation und Indikation von Wundmaterialien

Wundmaterialien Indikation

Antiseptika - Bei infizierten Wunden zur Desinfektion


- Polihexanid (z. B. Lavasept)
- Octenidin/Phenoxyethanol (z. B. Octenisept)
- Povidon-Iod (z. B. Betaisodona)

Inaktive Wundauflagen - Primäre Wundheilungen


- Mullkompressen - Sekundäre Wundabdeckung in Kombination mit inter-
- Vliesstoffauflagen aktiven Wundauflagen
- Gaze
- Folienverbände

Interaktive Wundauflagen - Einsatz in allen Phasen der sekundären Wundheilungen;


- Hydrogele,-kompressen Bei stark infizierten Wunden
- Alginate
- Hydrokolloide
- Silberhaltige Wundauflagen
Sonderform: (Bio-)Aktive Wundauflagen

Vakuumverband (VAC) - Tiefe, stark sezernierende Wunden


- Laparostoma

Zu den systemischen Faktoren zählen das Um einen Verbandswechsel durchzuführen,


Alter, die allgemeine Immunschwäche, der Ni- gilt es bestimmte Hygienevorschriften einzuhalten
kotinverbrauch, Mangelernährung und Medika- und entsprechende Hilfsmittel anzuwenden. Dazu
mente. gehören:

Checkliste
9.3 Verbandsmaterial Es werden benötigt:
5 Abdecktücher, Unterlagen
Das Wissen um geeignetes Verbandsmaterial ist 5 Sterile Handschuhe/Einmalhandschuhe
Grundwissen eines jeden Arztes. Dies beginnt beim 5 Steril verpackte Einmalverpackungen als
einfachen Pflaster bzw. Pflasterwechsel bis hin zum Wundversorgungsset mit Schere, Pinzette,
Behandeln einer chronischen Wunde. Nadelhalter, Kompressen und Tupfer
5 Spülflüssigkeit zur Wundsäuberung
Zwischenmenschlich
5 Antiseptika zur Desinfektion der Wunde
Nicht nur jeder Arzt, sondern auch das Pflegeperso- und Verbandsmaterialien
nal sollte ein fundiertes Grundwissen zum Thema
»Verbandsvarianten/Verbandmaterial« haben. Häufig
variieren hier wie sooft die üblichen Standards von 4 Gruppen der Verbandsmaterialien werden heute
»Haus zu Haus«. Orientieren Sie sich bei den ersten in der modernen Wundheilung angewendet:
Verbandswechseln auch am Pflegepersonal, fragen 1. Antiseptika
Sie nach, was Usus ist, dann können Sie nicht viel 2. Inaktive Wundauflagen
falsch machen. 3. Interaktive Wundauflagen
4. Vakuumversiegelung
Das Verbandsmaterial für die verschiedenen Wun-
den wird unter verschiedenen Aspekten eingeteilt in
(. Tab. 9.2):
100 Kapitel 9 · Wundbehandlung (Wundversorgung und Wundbeurteilung)

9.3.1 Antiseptika pressen kommt steriles Kochsalz zum Einsatz. Las-


sen Sie das NaCl lange einweichen, bis sich der Ver-
Sind Wunden nicht infiziert, sind Antiseptika nicht band selbständig löst, damit es für den Patienten
nötig, sie können sogar kontraproduktiv wirken. nicht zu schmerzhaft wird.
> Steriles Kochsalz ist das Beste für jede primär > Niemals gewaltsam entfernen, sonst ist es
heilende Wunde! sehr schmerzhaft für den Patienten und die
Wunde wird extrem protrahiert.
Infizierte Wunden erfordern ein Antiseptikum zum
Desinfizieren der mit Erreger besetzten Wunde. Da- Im Handel sind nicht-haftende Wundauflagen er-
bei ist es von Vorteil, wenn ein möglichst großes hältlich, um die negativen Effekte auszuschließen.
Spektrum an Erregern erreicht wird und keine Re- Silikonauflagen (z. B. Mepitel) und Gazeverbände,
sistenzen fördern. die mit einer PVP-jodhaltigen Salbe versehen sind,
Klassiker wie Polyhexanid (Lavasept), Octeni- sorgen für einen schmerzfreien Verbandswechsel.
din/Phenoxyethanol (Octenisept) und PVP-Jod- Selbstklebende polyurethanische Folienverbände
Präparat (Betaisodona) werden am häufigsten ver- sind bei primären und sekundären Wundheilungen
wendet. Viele andere Produkte sind wieder vom einsetzbar. Sie können mehrere Tage auf der Wunde
Markt genommen worden, da sie Unverträglichkei- belassen werden und bieten einen guten Schutz vor
ten bei der Desinfektion aufwiesen. Sekundärinfektionen. Ein Vorteil ist auch die
> Octenisept sollte nicht für die Wundspülung
Durchsichtigkeit dieser Folien, sodass der Arzt
an z. B. Fingersehnenverletzung mit nachfol-
stets die Heilung sehen und verfolgen kann, ohne
9 genden Wundverschluss verwendet werden.
einen Wechsel der Folie vornehmen zu müssen. Zu-
Hier können Faszien bzw. Sehnennekrosen
dem ist die Folie wasserresistent und damit zum
auftreten. Nutzen Sie Kochsalzlösung oder
Duschen und Waschen geeignet – ein Stück Lebens-
Lavasept.
qualität mehr für den Patienten.

Bei der Anwendung für Schleimhäute sind oben ge-


nannte Produkte geeignet, jedoch können diese zu 9.3.3 Interaktive Wundauflagen
Allergien führen.
Für chronische Wunden sind die Substanzen Interaktive Wundauflagen verbessern die Heilungs-
nicht unbedingt zu verwenden. chancen und beschleunigen diese. Sie halten die
! Vor der Anwendung sollten Sie den Patienten
feuchte Wundumgebung, schaffen ein feuchtes
(sofern ansprechbar) nach Unverträglich-
Wundmilieu, fördern die Granulation, absorbieren
keiten (wie z. B. topische Allergien) fragen.
Keime und Detritus im Sekret, schützen vor weite-
ren Infektionen und der Verbandswechsel ist völlig
schmerzfrei ohne traumatische Folgen. Es gibt eine
9.3.2 Inaktive Wundauflagen Vielzahl solcher Wundauflagen mit verschiedenen
Eigenschaften. Deshalb ist es von Vorteil, wenn die-
Inaktive Wundauflagen haben die Aufgabe, das se in Kombination eingesetzt werden.
Sekret der Wunde aufzusaugen. Das Wundmilieu Die Wundauflagen werden in verschiedenen
bleibt unangetastet. Alle nicht infizierten Wunden Konsistenzen angeboten. Je nach Wunde kann man
bekommen diese Mullkompressen oder Vliesstoff- zwischen Gel oder Kompresse wählen. In Abhän-
auflagen. Sie lassen sich einfach handhaben und gigkeit der Wunde wird die inaktive Wundauflage
auflegen, ihre Saugkraft ist hoch und der Preis für auch mit einer sekundären Wundabdeckung, einem
diese Kompressen bzw. Auflagen niedrig. Leider Folienverband oder einer Mullkompresse zusam-
trocknen sie den Wundgrund aus und verkleben men angewendet.
mit diesen. Dies ist auch der Grund, warum sie Die wichtigsten 3 Produktarten sind:
nicht für sekundär heilende Wunden verwendet a. Hydrogele (dreidimensionale Netze) aus
werden dürfen. Zum Lösen verklebter Wundkom- hydrophilen Polymeren
9.4 · Verbände
101 9
b. Alginate (zelluloseähnliche Polysaccharide aus
Algenfasern mit hoher Kalziumkonzentration)
c. Hydrokolloide (hydrophobe Matrix mit Einla-
gerung von Zellulose und Gelantin)

Alle 3 Arten sind fähig, sekretes Material und abge-


storbenes Zellmaterial in großer Menge aufzusau-
gen. Sie quellen dabei regelrecht auf, verändern sich
selbst in eine weiche Masse und bleiben voll funk-
tionsfähig.
Sie können einige Tage ohne Wechsel auf der
Wunde belassen werden. Der Wechsel ist schmerz- . Abb. 9.4 VAC-Systeme. (Aus Schröder, Krones 2012)
frei, wenn auch nicht unbedingt ästhetisch schön
anzusehen. Nach Entfernen der aufgequollenen
Wundauflage und der Säuberung der Wunde, wird eine wasserdampfdurchlässige Folie, die auf der
das Ergebnis der Heilung sichtbar. Wunde fixiert wird und eine Drainage, die mit einer
Kostspieliger sind sogenannte Silberverbände. Vakuumpumpe verbunden ist, stellen das System
Sie bestehen aus 2 Schichten eines silberbeschichte- dar.
ten Polyethylennetzes. In Kontakt mit den Wund- Diese Wundbehandlung ist teuer, aufwendig
sekreten werden Silberkristalle freigesetzt, die alle und wird fast nur im stationären Bereich verwendet.
Bakterien, Mikroorganismen und zum Teil auch Der Schwamm besitzt eine große Saugfähigkeit
Viren vernichten. Verwendet werden die Silberver- und Saugkraft, erweist sich als wundsäubernd und
bände bei stark verschmutzten und infizierten fördert die Granulation.
Wunden. Ebenso teuer sind auch (bio)aktive Wund- Die Folie wird darauf angebracht, sie fixiert sie
auflagen, sie kommen in erster Linie bei Problem- den Schwamm und dichtet die Wunde ab bzw. ver-
wunden zum Einsatz. siegelt diese. Das Wundkompartiment wird abge-
Wenn trotz längerer Behandlung mit anderen schlossen und sorgt so für ein feuchtes Wundmilieu.
Wundauflagen kein Erfolg bei der Wundheilung Über eine Drainage sind Schwamm und Folie mit
eingetreten ist, spricht man von Problemwunden. einer Vakuumpumpe verbunden. Diese erhält die
Diese werden mit teuren (Bio-) aktiven Wundauf- Sogstärke aufrecht. Das ausgeschiedene Sekret wird
lagen behandelt. Sie bestehen aus Hyaluronsäure, entfernt und in einem Behälter gesammelt, der ne-
Kollagenprodukten u. a. Wachstumsfaktoren. Diese ben der Pumpe angebracht ist.
Wundauflagen müssen immer mit einem Sekun- 2 Effekte dieser Therapie sind vorteilhaft für
därverband abgedeckt werden. Problemwunden:
Der Prozess der sekundären Wundheilung wird 4 Der Unterdruck im Wundkompartiment sorgt
beschleunigt durch die chemotaktische Migration für einen Zug auf die Wundränder, hat Einfluss
von Entzündungszellen, insbesondere Fibroblasten. auf die Wundkontraktion und fördert eindeu-
Diese werden in die Wunde geleitet und führen zur tig den Wundverschluss.
Angioneogenese. 4 Ein optimales Wundmilieu wird durch die
Drainage gebildet, somit bildet sich Granula-
tionsgewebe aus.
9.3.4 Vakuumversiegelung
(VAC-System)
9.4 Verbände
Das VAC-System (. Abb. 9.4) ist aus der Wundhei-
lung nicht mehr wegzudenken. Große, sekundär Am ersten Tag des Praktische Jahres kommt der Sta-
heilende Wunden profitieren davon. Ein schwarzer tionsarzt auf Sie zu und sagt: »Können Sie bitte
Polyurethanschwamm, der der Wunde angepasst, gleich mal der Wundschwester Luisa bei den Ver-
102 Kapitel 9 · Wundbehandlung (Wundversorgung und Wundbeurteilung)

bänden helfen?« Natürlich willigen Sie ein und ge- 9.5 Kompressions-
hen mit zur Wundvisite. und Stützverbände
Hierbei wollen Sie gleich den ersten Verband
mit anlegen, aber wie? So einfach es auch klingen jPütterverband
mag, Verbände anlegen muss gelernt sein, denn es Dieser Unterschenkelverband wird zur Behandlung
gibt unterschiedliche Arten. venöser Beinleiden eingesetzt. Er wurde erstmals in
Anlage einer elastischen Binde oder Mullbinde: der Literatur 1952 von Gustav Pütter beschrieben
4 Am Ende des Verbandes lässt man das frei und ist bekannt als der originale Pütterverband. Es
hängende Bindenende auf einer Seite schräg handelt sich um eine spezielle Verbandtechnik.
herausstehen. Hierbei beginnt die erste Bindetour oberhalb des
4 Nach der ersten Bindentour wird es einge- Sprunggelenks. Die gegenläufige Bindeanlage ge-
schlagen und mit der zweiten Tour fixiert. währleistet einen besseren Sitz und Halt des Ver-
4 Nun kann die Binde (beim Wickeln schauen bandes.
Sie in die Binde »herein«) am Ende mit z. B.
Pflasterstreifen fixiert werden. jModifizierter Pütterverband
Wie beim Pütterverband beschrieben wird auch
Idealbinden (elastische Binden) sind für Gelenk- hier vorgegangen, jedoch beginnt die erste Binden-
und Kompressionsverbände besonders gut geeig- tour an den Zehengrundgelenken.
net. Bei Gelenkverbänden wird ein Achtertour-
oder Kreuzgangverlauf gewählt: Der Kreuzungs- jVerband nach Sigg
9 punkt bleibt immer an der gleichen Stelle im Inne- Hier werden Vorfußödeme und retromalleolare
ren des Gelenks. Schwellungen durch gut anliegende Bindentouren
Elastische Mullbinden haben die »klassischen« effektiv verhindert. Der Verband erzielt eine hohe
Mullbinden heute weitgehend ersetzt und dienen Widerstandskraft im Bereich des oberen Sprung-
vor allem der Verbandsfixation. Dabei wird oft ein gelenks.
sog. Schrauben- oder Spiralgang gewählt und die
Binde zum Herzen hin gewickelt (z. B. vom Hand- jVerband nach Fischer
gelenk zum Ellenbogen). Die einzelnen Bindentou- Bei diesem Verband werden Vorfußödeme und
ren sollten sich mindestens zur Hälfte abdecken. Je retromalleolare Schwellungen durch die dorsalen
schmaler eine Binde ist, desto besser lässt sie sich Lagen effektiv verhindert. Durch die mehrfachen
modellieren. Beachten Sie bitte aber, dass schmale Bindentouren wird ein hoher Arbeitswiderstand
Binden schneller einschnüren können – das birgt erreicht.
die Gefahr der Stauung.
jVerband nach Schneider
> Binden im von »peripher« nach »zentral« Hier wir eine starke Unterstützung der Pronation
wickeln. im Bereich von Mittelfuß und Fußsohlenmuskula-
! Immer die Spannung kontrollieren, damit ein
tur erreicht. Die zweite Binde deckt die Ferse ab und
Verband nicht zur Stauung führt!
gibt dann der Wade durch mehrfache Lagen einen
festen Widerhalt.
Die komplexen Bindenverbände wie die sog. Mitra
Hippocratis (Kopfkappe) wurden durch Schlauch-
mullkopfverbände weitgehend ersetzt. Diese sind 9.6 Ruhigstellende Verbände
heutzutage in jeder Notfallambulanz/Klinik ver-
fügbar. 9.6.1 Gips und Cast

Gips und Cast stehen heute bei den ruhigstellenden


Verbänden nicht mehr im Mittelpunkt. Im Laufe der
letzten Jahrzehnte hat sich die Bedeutung der An-
9.6 · Ruhigstellende Verbände
103 9
wendung gewandelt und dank moderner und wirk- diese Behandlung nicht angebracht, da es mit Gips
samer Verbände wird heute nur noch selten gegipst. zu einer neuen Dislokation kommt und die Reten-
Operative Osteosyntheseverfahren werden an- tion unmöglich wird.
stelle des klassischen Gipses angewendet. Heute Der ruhigstellende Verband hat auch Nachteile.
wird mehr genagelt, geschraubt und fixiert. Der Die Gefahr von Druckschäden auf der Haut, Mus-
Grund ist nachvollziehbar: die konservative Be- kulatur und den Nerven bis hin zum Dekubitus ist
handlung mit Gips weist oft nicht dieselben guten gegeben und verlangt eine Verbandskontrolle in
funktionellen Ergebnisse auf wie eine Operation. kürzeren Abständen. Die Verbandsart erleichtert
Auch klagen die Patienten aufgrund der Behand- die Ausbildung von Muskel-, Knochen-, Knorpel-
lungsdauer mit Gips über unerträgliche Schmerzen, oder Kapselatropathie. In der Regel sind diese rever-
Jucken und Unverträglichkeit. sibel, können jedoch auch irreversibel sein. Auch sei
Heute bekommt jeder »seine Osteosynthese«, das Thrombembolierisiko erwähnt, welches dann
früher war diese wegen ihrer Kosten oft nur Sport- eine Antikoagulation verlangt.
lern und Persönlichkeiten aus Politik und Kultur Frakturen bei Kindern werden öfter konservativ
vorbehalten. Die Chirurgie und Neurochirurgie ha- behandelt. Das im Wachstum befindliche Skelett
ben sich in letzten 2 Jahrzehnten auch spezialisiert, eines Kindes kann Fehlstellungen noch besser aus-
d. h. es sind verschiedene neue chirurgische eigen- gleichen. Deshalb sind die Zeitspannen der Ruhig-
ständige Disziplinen entstanden. stellung bei Kindern kürzer. Ihre Knochen heilen
Somit erfolgt die Anwendung von Gips und einfach schneller. Beobachtungen und Untersu-
Cast in der Unfallchirurgie und der Orthopädie. chungen ergaben, dass Kinder so gut wie nie einen
Eingesetzt werden beide auch noch in der Grund- Immobilisationsschaden haben. Gipsverbände sind
und Regelversorgung in der Allgemeinchirurgie. für Kinder problemloser als bei erwachsenen
Hier bekommen Gips und Cast des Öfteren die Menschen.
Funktion der Ruhigstellung, so z. B. nach einem Erwachsene beklagen in erster Linie bei ruhig-
Insektenstich oder auch nach einem Abszess. Die stellenden Verbänden die große Bewegungsein-
Ruhigstellung spielt auch in der plastischen Chirur- schränkung, egal welche Verletzung vorliegt. Somit
gie eine Rolle. Ruhigstellende Verbände werden zur ist hier die Nachbehandlung oft schwierig und lang-
Immobilisation der bei Frakturen und Gelenkver- wierig. Beim Anlegen ruhigstellender Verbände
letzungen gebraucht, bei Entzündungen an den Ex- muss immer niedermolekulares Heparin gegeben
tremitäten, zum Schutz vor mechanischer Belas- oder oral eine Antikoagulation verabreicht werden.
tung nach Operation und als Maßnahme zur Trotzdem bleibt ein großer Nachteil dieser Ver-
Schmerzbehandlung und Wundbehandlung bei bände gegenüber den modernen OP-Verfahren: Sie
ausgedehnten Weichteilverletzungen. Die häufigste bieten immer mehr oder weniger Bewegungsspiel-
Indikation für einen ruhigstellenden Verband ist die raum. 2 Materialien kommen bei den ruhigstellen-
konservative Fraktur. den Verbänden zum Einsatz: Gips und Cast.
»Konservativ kann ich Frakturen behandeln,
welche ich reponieren und retinieren kann«, so lau- Gips
tet ein Merksatz in der Chirurgie, ausgesprochen Gips ist ein hartes, unelastisches Material. Die Gips-
vom Vater der konservativen Frakturbehandlung, bandagen stellen die Fraktur oder die angrenzenden
Konrad Böhler. Eindeutiger Vorteil ist das fehlende Extremitäten ruhig. Dazu gibt es Gipsbinden und
Narkose- und Operationsrisiko. Damit wird schon Gipslongetten. Die Extremität mit der Fraktur wird
eine Infektion ausgeschlossen, die durch den opera- immer in Funktionsstellung bandagiert (so z. B. ein
tiven Zugang entstehen kann. Handgelenk leicht gebeugt, ein Sprunggelenk in
Trotzdem wird hier Gips bzw. Cast nur bei ein- 90  °C-Stellung, Ellenbogen in leichter Streckstel-
fachen gut stehenden und geschlossenen Frakturen lung, 110 °C, . Abb. 9.5).
eingesetzt. So zum Beispiel bei einer distalen Ra- Besondere Vorsicht und Aufmerksamkeit ge-
diusfraktur ohne dorsaler Trümmerzone. Weist die hört der Hand. Angestrebt wird hier die Intrinsic-
Radiusfraktur eine dorsale Trümmerzone auf, ist plus-Stellung von 90 °C, . Abb. 9.6) in den Metacar-
104 Kapitel 9 · Wundbehandlung (Wundversorgung und Wundbeurteilung)

. Abb. 9.5 Fixation einer Radiusfraktur. (Aus Siewert 2012)

pophalangealgelenken. Dazu sollen die Langfinger


in Streckstellung gebracht werden. So sind die Sei-
. Abb. 9.6 Intrinsic-plus-Stellung. (Aus Schröder, Krones
tenbänder der Fingergelenke maximal gestreckt, 2012)
können also während des Verbandes nicht schrump-
fen. Eine Ruhestellung in Streckstellung endet ka-
9 tastrophal für den Patienten. Ein gespaltener Verband entsteht durch Aufsä-
Vor Anlegen des Gipses (. Abb. 9.7) muss die gen des Gipsverbandes an einer Seite. Wird er an
Frakturstelle der betroffenen Extremitäten sorgfäl- beiden Seiten nach dem Aushärten aufgesägt,
tig gepolstert werden. Verwendet werden Stoff- spricht man vom gespaltenen Gips.
strümpfe, Watte, Schaumstoff, Gelkissen oder > Von großer Wichtigkeit ist die Tatsache, dass
Krepppapier. Alle Materialien können direkt auf die bei einer frischen Fraktur niemals ein zirkulä-
Haut gebracht werden. Dadurch wird die Gefahr rer geschlossener Gipsverband angelegt wer-
eines Dekubitus oder Nerven- und Gefäßschadens den darf. Dies entspricht einem Behand-
verringert. Wird ein Gipsverband angelegt, egal lungsfehler.
welcher Art, müssen Knochenvorsprünge (Schien-
bein, Wadenbeinköpfchen, Knöchel usw.) gepols- Die betroffene Extremität schwillt an, es kommt
tert werden, in der Regel mit Filz. dann zu Durchblutungsstörungen, Druckstellen,
Die Ruhigstellung der Fraktur verlangt immer Nervenschäden. Es empfiehlt sich entweder das An-
die Immobilisation der beiden benachbarten Gelen- legen eines Schienenverbandes oder auch die
ke. Somit verlaufen alle Gipse in der Regel über zwei Längsspaltung eines zirkulären Gipses mit anschlie-
Gelenke. Ausnahmen sind distale Radiusfrakturen, ßender lockeren Umwicklung einer Binde/Bandage.
Verletzungen des Ellenbogengelenkes, Patella-In- Tage später, nach Abschwellung, kann ein zirku-
fraktionen und Knöchelfrakturen. lärer Gips angelegt werden.
Angebracht werden der Gipsschienenverband, Der Patient sollte für Ruhigstellung, Hochlagern
der zirkuläre und der gespaltene Gips. und Kühlung sorgen, um den Schmerz zu lindern.
Der Gipsschienenverband wird am häufigsten Bereits einen Tag nach Anbringen des Gipsver-
angewendet in der Akuttherapie. Hierbei wird eine bandes muss eine Kontrolle erfolgen. Kontrolliert
Gipsschiene angelegt und dann mit Binden fixiert. werden Schmerzen, Durchblutung und Motorik.
Die Dicke des Gipses richtet sich nach der betroffe- Beklagte Schmerzen des Patienten sollten stets
nen Extremität. Beim zirkulären Gips verzichtet ernstgenommen werden und eine klinische Unter-
man auf die Schiene und umwickelt den betroffenen suchung rechtfertigen. Eine Gipsabnahme für die
Körperabschnitt mit Gipsbinden und erhält so eine Kontrolle auf Wunden oder Druckstellen ist oft die
hohe Stabilität. Folge. Dies gilt für ambulante und stationäre Patien-
9.6 · Ruhigstellende Verbände
105 9

a b

c d

e f

g h

. Abb. 9.7 Gipsanlage. (Aus Schröder, Krones 2012)


106 Kapitel 9 · Wundbehandlung (Wundversorgung und Wundbeurteilung)

ten. Letztere werden täglich untersucht und die Er- ein Gipsverband (»Weißgips«) angelegt wird.
gebnisse hinsichtlich Durchblutung, Motorik, Sen- Dauert die Behandlung der Ruhestellung länger,
sibilität dokumentiert. wird nach Abschwellen der Extremität oder/und
Abheilen der Wunde/OP-Nähte ein zirkulärer Cast
> Der Patient in Gips hat immer Recht.
verwendet.
Die Gips-/Cast-Anwendung bleibt problema-
Cast tisch. Ist er gut angelegt und richtig, kann man alles
Cast kommt aus dem Englischen und bedeutet wieder herstellen, ist er schlecht und ungenau loka-
»Guss«. Cast ist aus Kunststoff (meist wasserpoly- lisiert, entsteht ein hoher Schaden.
merisierende, thermoplastische, glasfaserverstärkte
Polyesther mit Polypropylen), daher der Begriff
»Kunststoffgips«.
Er bietet einige Vorteile gegenüber dem klassi-
schen Gips und so »vertreibt« Cast immer mehr den
Gipsverband. Die Aushärtung braucht weniger Zeit
als Gips, er ist durchlässig für Röntgenstrahlen und
wasserresistent. Polypropylenstützverbände und
Glasfaserstützverbände sind sehr starr und wenig
gut modellierbar. Besser lassen sich Polyesterstütz-
verbände händeln. Alle gibt es in Longetten- und
9 Bindenform. Stützverbände aus thermoplastischem
Material gibt es als fertige Schienen oder auch als
vorgeformte Platten. Sie müssen erwärmt und kön-
nen dann angepasst werden. Gegenüber dem Gips
haben sie eine nicht so gute Modellierbarkeit, die
Schienenverbände sind nicht derart stabil und es
kommt ein höherer Kostenfaktor hinzu. Die Patien-
ten schätzen das geringe Gewicht und die Farbpa-
lette. Solche Nichtigkeiten, wie die Farbe, haben
eine enorme Stimulierungsfähigkeit für die betrof-
fenen Patienten (insbesondere von Kindern). Hier
sollte man in der Klinik alle aktuellen Fußballver-
einsfarben vorrätig haben.
> Auch hier gelten die Regeln des Gipsverban-
des bzw. der ruhigstellenden Verbände.

Frische Frakturen und Verletzungen erhalten kei-


nen zirkulären Verband aus Cast. Motorik, Sensi-
bilität und Durchblutung müssen regelmäßig
(täglich) kontrolliert werden. Der Cast ist ebenso
anwendbar wie der Gips, als Schiene oder zirkulär.
Da die Kosten wesentlich höher sind als die für den
Gips ist es »Routine« in vielen Kliniken, dass zuerst
107 10

Notfallmedizin
im klinischen Alltag
Peter Hilbert-Carius

10.1 Advanced Life Support – ALS – 108


10.1.1 Die Überlebenskette (»Chain of Survival«) – 108
10.1.2 Grundlagen der Wiederbelegung – 109
10.1.3 Wiederbelegung von Erwachsenen, Basismaßnahmen
(BLS-Basic Life Support) – 109
10.1.4 Advanced Life Support (ALS) – Erwachsene – 110
10.1.5 Paediatric basic life support – PBSL – 111
10.1.6 Advanced Paediatric life support – APLS – 112
10.1.7 Akutes Coronar Syndrom (ACS) – 112

10.2 Advanced Trauma Life Support – ATLSp – 114


10.2.1 Geschichtliche Hintergründe des ATLSp – 115
10.2.2 Grundlagen des Konzepts – 115
10.2.3 Wichtige Grundsätze des ATLSp – 116
10.2.4 Die A-B-C-D-E’s des ATLSp – 116
10.2.5 Primary und Secondary Survey – 119
10.2.6 Der Schwerverletzte – 119
10.2.7 Zusammenfassung – 120

C. Meißner (Hrsg.), Basic Skills PJ,


DOI 10.1007/978-3-662-48703-7_10, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
108 Kapitel 10 · Notfallmedizin im klinischen Alltag

10.1 Advanced Life Support – ALS Zwischenmenschliches


Eine CPR ist immer ein besonderes und zeitkritisches
Die Versorgung von lebensbedrohlichen Krankheits- Ereignis, bei dem es auf schnelles und konsequentes
zuständen oder gar die Kardio-Pulmonale-Reanima- Handeln ankommt. Das wichtigste in einer solchen
tion (CPR) stellt hohe Anforderungen an Ersthelfer, Situation sind die Berücksichtigung und Beherr-
Rettungsdienst und klinische Versorgungsstrukturen. schung der Basismaßnahmen der CPR (s. u.), welche
Die Versorgung muss ohne Zeitverzug beginnen und mittlerweile teilweise Einzug in den Schulunterricht
im Rahmen der sogenannten »Chain of Survival« gefunden haben. Es ist daher auch von PJ-Studenten
(Überlebenskette) konsequent vom Ersthelfer bis zur zu fordern, dass sie diese Basismaßnahmen beherr-
Entlassung von der Intensivstation strukturiert, stan- schen und sicher anwenden können. Trotzdem ist es
dardisiert und auf Grundlage der aktuellsten Empfeh- natürlich verständlich, wenn Sie die ersten Male bei
lungen des ERC (European Resuscitation Council) der Durchführung nervös und unsicher sind – umso
durchgeführt werden. wichtiger ist die Kenntnis der Basismaßnahmen, die
Die Versorgung von Schwerverletzten stellt hohe Ihnen in dieser Situation ein kleiner Rettungsanker
Anforderungen an das versorgende Team. Die Versor- sein können.
gung muss daher strukturiert, unter zeitkritischen
Gesichtspunkten und dem Wissen um die eigenen
Versorgungsmöglichkeiten erfolgen. 10.1.1 Die Überlebenskette
(»Chain of Survival«)
ALS beschreibt die grundlegenden und erweiterten
Maßnahmen der CPR von Erwachsenen, Kindern, Die Überlebenskette fasst alle Glieder, die für das
Säuglingen, die CPR nach bestimmten Ereignissen erfolgreiche und mit gutem neurologischem Out-
10 (Ertrinken, Trauma usw.) sowie Behandlung des come verbundene Überleben notwendig sind, zu-
Akuten-Coronar-Syndroms (ACS). Weitere Be- sammen. Wie aus . Abb. 10.1 zu erkennen, sollte
standteile des ALS sind die Post-Reanimations-Be- diese, wenn immer möglich, bereits vor dem Ein-
handlung, Ausbildung und Schulung der CPR- setzten des Herz-Kreislauf-Stillstandes beginnen.
Maßnahmen, Erste Hilfe und Darlegung ethischer Denn besser als eine erfolgreiche CPR ist das Ver-
Aspekte der CPR am Lebensende. Im Rahmen die- hindern derselben durch frühzeitiges Erkennen von
ses Kapitels können nur die grundlegenden Maß- Vorboten (»Herzschmerzen« usw.) eines Kreislauf-
nahmen der CPR für Erwachsene, Kinder und das stillstandes und Umgehenden Alarmierung des Ret-
ACS behandelt werden. tungsdienstes.

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. Abb. 10.1 Überlebenskette des GRC Leitlinien 2015. (Aus Notfall+Rettungsmedizin 18/8, © European Resuscitation Coun-
cil, ERC, 2015)
10.1 · Advanced Life Support – ALS
109 10
Zwischenmenschliches Sollte eine normale Atmung vorliegen, bringen Sie
Wie für jede Kette gilt auch bei der »Chain of Survi- den Patienten in stabile Seitenlage und setzten Sie
val«, dass diese nur so stark ist, wie ihr schwächstes den Notruf (112) ab.
Glied. Die zurzeit schwächsten Glieder in unserem Da viele Kreislaufstillstände rhythmogener Na-
Land sind die beiden ersten. Ein noch so professio- tur sind (Kammerflimmern/-flattern, pulslose ven-
nelles und hochtechnisches rettungsdienstliches und trikuläre Tachykardie) erscheint der frühestmögli-
intensivmedizinisches Versorgungssystem bleiben che Einsatz eines automatischen externen Defibril-
chancenlos, wenn der Kreislaufstillstand nicht unver- lators (AED) sinnvoll. Daher wird empfohlen be-
züglich erkannt und/oder eine Laienreanimation reits jetzt einen Defibrillator zu holen.
eingeleitet wird.
> Lassen Sie einen Defibrillator holen. Sind Sie
allein, verlassen Sie den Patienten nicht.

10.1.2 Grundlagen der Wiederbelegung Um den oben erwähnten Minimalkreislauf zu etab-


lieren, ist eine frühes Einsetzten der Thoraxkom-
Um einen Kreislaufstillstand erfolgreich zu thera- pressionen im Bereich der Mitte der Brust (ent-
pieren, sind einige Grundlagen zu beachten. spricht etwa dem unteren Sternumdrittel) mit nur
Voraussetzung einer erfolgreichen Reanimation minimalen Unterbrechungen notwendig.
ist das zeitnahe Erkennen eines Kreislaufstillstan-
> Beginnen Sie mit den Thoraxkompressionen
des. Hier gelten fehlende Reaktion auf Ansprache
und drücken Sie das Sternum dabei ca. 5 cm
und das Fehlen einer normalen Atmung als »Kardi-
tief ein. Drücken Sie mit einer Frequenz von
nalsymptome«. Liegen diese Symptome vor, muss
ca. 100–120/min.
sofort professionelle Hilfe alarmiert werden. Wei-
terhin ist es essentiell, dass das Myokard und das Um ein ausreichenden Sauerstoffgehalt des Blutes
Gehirn mit Sauerstoff versorgt werden, hierzu muss zu gewährleisten, ist spätestens, wenn der in den
ein Minimalkreislauf (Thoraxkompressionen) und Lungen noch verfügbare Sauerstoff aufgebraucht
eine Sauerstoffaufnahme in der Lunge (Beatmung) ist, eine Beatmung notwendig.
durchgeführt werden.
> Kombinieren Sie Thoraxkompressionen und
> Diese Basismaßnahmen von 30 Thoraxkom- Beatmung im Verhältnis von 30:2. Überstre-
pressionen im Wechsel mit 2 Beatmungen cken Sie den Kopf leicht und beatmen den
sind die Grundlage jeder Reanimation und Patienten so, dass sich der Brustkorb wie bei
können bei Erwachsenen und Kindern zur einer normalen Atmung hebt.
Anwendung kommen.
Die Unterbrechung der Thoraxkompressionen für
die Beatmung soll nicht länger als maximal 10 Se-
10.1.3 Wiederbelegung von Erwach- kunden dauern. Die Kombination aus 30 Thorax-
senen, Basismaßnahmen komperssionen und 2 Beatmungen wird fortge-
(BLS-Basic Life Support) führt, bis ein AED oder professionelle Hilfe verfüg-
bar ist. Ist ein AED verfügbar wird folgendes Vorge-
Zunächst muss, wie oben bereits erwähnt, geklärt hen empfohlen:
werden, ob ein Kreislaufstillstand vorliegt. Hierzu
wird folgendes Vorgehen empfohlen: > Schalten Sie das Gerät ein, schließen Sie den
AED wie gekennzeichnet am Patienten an
> Reaktionsfähigkeit kontrollieren (Ansprechen/ und folgen den Anweisungen des Gerätes.
Schütteln an den Schultern) – keine Reaktion Wird ein Schock empfohlen, lösen Sie diesen
(bewusstlos), dann Atemwege freimachen (Kopf aus und starten anschließend sofort wieder
leicht überstrecken) und Kontrolle der Atmung mit der CPR 30:2. Wird kein Schock empfoh-
(sehen, hören, fühlen). Liegt keine normale len, führen Sie die CPR 30:2 fort. Folgen Sie
Atmung vor, dann Notruf (112) absetzten. im Weiteren den Anweisungen des Gerätes.
110 Kapitel 10 · Notfallmedizin im klinischen Alltag

Neben der konsequenten Durchführung der Basis-


keine Reaktion und maßnahmen sollte frühzeitig Sauerstoff appliziert
keine normale Atmung
und der Atemweg gesichert werden. Goldstandard
hier ist die Endotracheale Intubation (ETI). Für in
Notruf 112 * der ETI nicht ausreichend geschulte Helfer können
supraglottische Atemwegshilfen, wie der Larynx-
tubus oder die Larynxmaske, zur Anwendung kom-
30 Thoraxkompressionen
men. Ist der Atemweg durch ETI gesichert, werden
die Thoraxkompressionen nicht mehr für die Beat-
2 Beatmungen mung unterbrochen. Es sollten dann ca. 100 Tho-
raxkompressionen und ca. 10 Beatmungen pro Mi-
nute durchgeführt werden. Nach jeder atemwegs-
weiter CPR 30:2 sichernden Maßnahme sollte die Kapnometrie/
-graphie zur Anwendung kommen. Sowie ein Defi-
sobald ein AED eintrifft – brillator verfügbar ist, wird dieser an den Patienten
einschalten und den angeschlossen und der Herzrhythmus analysiert.
Anweisungen folgen Liegt ein »schockbarer = defibrillierbarer« Herz-
rhythmus vor (Kammerflimmern, -flatter, pulslose
. Abb. 10.2 Basic-Life-Support-Algorithmus. (Aus Notfall ventrikuläer Tachykardie) wird schnellstmöglich
+Rettungsmedizin 18/8 © German Resuscitation Council, eine Schock (150 J) abgegeben. Danach wird unver-
GRC, und Austrian Resuscitation Council, ARC, 2015)
züglich mit der CPR für 2 Minuten fortgefahren.
Liegt kein »schockbarer« Rhythmus vor (Asytolie,
10 pulslose elektrische Aktivität/elektromechanische
AED’s sind bei Verwendung von speziellen Kin- Entkopplung) wird die CPR ununterbrochen wei-
derelektroden auch bei Kindern von 1–8 Jahren tergeführt. Alle 2 Minuten erfolgt die erneute
einsetzbar. Bei älteren Kindern können die Erwach- Rhythmuskontrolle, bei schockbaren Herzrhyth-
senenelektroeden verwendet werden. mus wird erneute defibrillieret (150–360 J) und da-
. Abb. 10.2 fasst die Basismaßnahmen der CPR nach die CPR sofort weitergeführt, bei nicht schock-
in einem Algorithmus zusammen. baren Rhythmen sofort mit der CPR weitergemacht.
Als Standardreanimationsmedikament wird alle
3–5 Minuten nach Etablierung eines intravenösen
10.1.4 Advanced Life Support (ALS) – oder intraossären Zugangs 1mg Adrenalin injiziert.
Erwachsene Bei schockbaren Herzrhythmen erfolgt nach der
3. erfolglosen Defibrillation die Gabe von 300 mg
Unter den erweiterten Reanimationsmaßnahmen Amiodaron, welche nach dem 5. Schocks mit
(ALS) versteht man die Erweiterung des BLS um 150 mg repetiert werden kann. Während der CPR
die Sicherung der Atemwege (z. B. endotracheale sollten reversible Ursachen eines Kreislaufstillstan-
Intubation), die medikamentöse Therapie, die er- des (. Abb. 10.3) beseitigt werden.
weiterte elektrische Therapie und die Beseitigung Dieser Algorithmus wird bis zum Erreichen ei-
reversibler Ursachen (. Abb. 10.3) des Kreislauf- nes ROSC (Return Of Spontaneous Circulation/
stillstandes. Spontankreislauf ) oder dem Entschluss des Ab-
bruchs der CPR konsequent durchgeführt.
> Der ALS beginnt grundsätzlich mit den glei-
chen Maßnahmen wie der BLS, da dieser die Zwischenmenschliches
Grundlage eines erfolgreichen ALS darstellt. Über die Fortführung oder den Abbruch der CPR
Qualitativ hochwertige Thoraxkompressio- sollte immer im Team und nach kurzer Darlegung des
nen und suffiziente Beatmungen sind der Für und Wider der einzelnen Teammitglieder (unter
grundlegende Schlüssel zum Erfolg. Fortführung der CPR) entschieden werden.
10.1 · Advanced Life Support – ALS
111 10

keine Reaktion
keine normale Atmung?

Reanimationsteam rufen

kardiopulmonale Reanimation (CPR) 30:2


Defibrillator/EKG-Monitor anschließen
Unterbrechungen minimieren

EKG-Rhythmus beurteilen

defibrillierbar nicht defibrillierbar


(VF/pulslose VT) (PEA/Asystolie)

1 Schock
wiedereinsetzender
Unterbrechungen
Spontankreislauf
minimieren

CPR sofort für 2 Minuten sofortige Behandlung CPR sofort für 2 Minuten
weiterführen  ABCDE-Methode weiterführen
Unterbrechungen anwenden Unterbrechungen
minimieren  Ziel-SpO2: 94–98% minimieren
 Ziel: Normokapnie
 12-Kanal EKG
 Ursache des Kreislauf-
stillstands behandeln
 Temperaturkontrolle

während CPR reversible Ursachen behandeln


 CPR hoher Qualität sichern: Rate, Tiefe, Hypoxie Herzbeuteltamponade
Entlastung Hypovolämie Intoxikation
 Unterbrechungen der Thoraxkompression Hypo-/Hyperkaliämie/metabolisch Thrombose (kardial oder pulmonal)
minimieren Hypo-/Hyperthermie Spannungspneumothorax
 Sauerstoff geben
 Kapnographie verwenden Erwägen
 Thoraxkompression ohne Unterbrechung  Ultraschall Untersuchung
wenn Atemweg gesichert  Verwendung von mechanischen Reanimationsgeräten
 Gefäßzugang (intravenös oder intraossär) für Transports oder weitere Behandlung
 Adrenalin alle 3–5 Minuten  Coronarangiographie und Perkutane Coronar Intervention (PCI)
 Amiodaron nach dem 3. Schock  extrakorporale CPR

. Abb. 10.3 Advanced Life Support Algorithmus. (Aus Notfall+Rettungsmedizin 18/8 © German Resuscitation Council, GRC,
und Austrian Resuscitation Council, ARC, 2015)

10.1.5 Paediatric basic life support – begonnen, bevor, beim Fehlen von Lebenszeichen,
PBSL Thoraxkompressionen folgen. Weiterhin unter-
scheidet sich die Frequenz zwischen Thoraxkom-
Bei Kindern ist die Hypoxie/Asphyxie häufiger Ur- pression und Beatmung, diese beträgt bei Kin-
sache des Kreislaufstillstandes als bei Erwachsenen. dern15:2. Die Thoraxkompressionen sollen so aus-
Daher hat auch die Beatmung einen höheren Stel- geführt werden, dass der Thorax um ca. 1/3 oder bis
lenwert und es wird bei der CPR von Kinder, die 5 cm komprimiert wird. Bei der Beatmung ist dar-
keine normale Atmung haben, mit 5 Beatmungen auf zu achten, dass sich der Thorax wie bei einem
112 Kapitel 10 · Notfallmedizin im klinischen Alltag

hin bestehen Unterschiede in Medikamentendosie-


Reaktion? rung (Adrenalin bei Kindern 0,01 mg/kgKG alle
3–5 Minuten/Erwachsene 1 mg, Amiodaron 5 mg/
kgKG / Erwachsene initial 300 mg) sowie bei der
Hilferuf Energiemenge für die Defibrillation (Kinder 4 J/
kgKG / Erwachsene 150–360 J). . Abb. 10.5 stellt
den PALS-Algorithmus unterschieden nach nicht
Atemwege öffnen
defibrillierbarem und defibrillierbarem Rhythmus
dar. Beachten Sie, dass bei Kindern die gleichen re-
keine normale Atmung? versiblen Ursachen des Kreislaufstillstandes wie
beim Erwachsenen vorliegen können (. Abb. 10.3).
> Um Adrenalin bei der Kinderreanimation rich-
5 initiale Beatmungen
tig zu dosieren, ist es forteilhaft, sich 1 mg
Adrenalin (1 Amp = 1 ml) auf 10 ml zu verdün-
Lebenszeichen? nen und von dieser Lösung (100 μg/ml =
0,1 mg/ml) 1 ml pro geschätzte 10 kgKG des
Kindes zu injizieren. So würde bei der Reani-
15 Thoraxkompressionen
mation eines Kindes von geschätzten 30 kg
alle 3–5 Minuten 3 ml dieser Lösung injiziert.
2 Beatmungen
15 Kompressionen > Thoraxkompressionen bei Erwachsenen und
Kindern führen schnell zur Ermüdung des
10 Verständigung des Helfers, sodass die Kompressionstiefe nach-
Notfallteams lässt und ineffektiv wird. Daher sollen sich
nach 1 Minute CPR mehrere Helfer alle 1–2 Minuten bei den
Thoraxkompressionen abwechseln, damit
. Abb. 10.4 Peadiatric-Basic-Life-Support-Algorithmus. diese effektiv bleiben.
(Aus Notfall+Rettungsmedizin 18/8 © German Resuscitation
Council, GRC, und Austrian Resuscitation Council, ARC, 2015)

10.1.7 Akutes Coronar Syndrom (ACS)

normalen Atemzug hebt, dann ist es eine effektive > Unter dem Begriff ACS (Akutes Coronar Syn-
Beatmung. drom) werden drei unterschiedliche Akut-
. Abb. 10.4 stellt den PBLS-Algorithmus dar. manifestationen der KHK (Koronare Herz-
krankheit), die instabile Angina pectoris, der
> Sollte einem bei der Kinderreanimation das
nicht ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI – Non-ST-
Verhältnis von Thoraxkompressionen zu Beat-
elevation myocardial infarction) und der
mung (15:2) nicht mehr geläufig sein, so kön-
ST-Hebungsinfarkt (STEMI - ST-elevation
nen auch Kinder nach dem 30:2 Algorithmus
myocardial infarction), zusammengefasst.
für Erwachsene sicher reanimiert werden.

Das ACS präsentiert sich typischerweise mit Brust-


10.1.6 Advanced Paediatric life support schmerzen, welche eventuell in Arm, Rücken und
– APLS Epigastrium ausstrahlen können. Weiterhin können
Unwohlsein, eventuell Übelkeit, Abgeschlagenheit,
Grundsätzlich unterscheidet sich der APLS und Luftnot bis hin zum Vollbild des kardiogenen
ALS-Algorithmus kaum. Unterschiede bestehen in Schocks auftreten. Diese genannten typischen
der Frequenz zwischen Thoraxkompressionen und Symptome können aber auch ganz fehlen und es
Beatmung (Kinder 15:2/Erwachsene 30:2). Weiter- zeigen sich nur völlig unspezifische Symptome (z. B.
10.1 · Advanced Life Support – ALS
113 10

Kreislaufstillstand
nicht defibrillierbare Rhythmen

2 min 2 min 2 min 2 min 2 min


CPR ROSC
1° 2° 3° 4° 5°

Adrenalin Adrenalin Adrenalin


0,01 mg/kg 0,01 mg/kg 0,01 mg/kg

Beatmen/
Oxygenierung
Gefäßzugang i.o./i.v.
Medikamente
Intubation
a

Kreislaufstillstand
defibrillierbare Rhythmen

Schock Schock Schock Schock Schock Schock Schock Schock


4 J/kg 4 J/kg 4 J/kg 4 J/kg 4 J/kg 4 J/kg 4 J/kg 4 J/kg
2 min 2 min 2 min 2 min 2 min 2 min 2 min
CPR ROSC
1° 2° 3° 4° 5° 6° 7°

Adrenalin Adrenalin Adrenalin


0,01 mg/kg 0,01 mg/kg 0,01 mg/kg
Beatmen/
Oxygenierung
Gefäßzugang i.o./i.v. Amiodaron Amiodaron
Medikament 5 mg/kg 5 mg/kg
Intubation
b

. Abb. 10.5 Advanced-Paediatric-Life-Support-Algorithmus. (Aus Notfall+Rettungsmedizin 18/8 © German Resuscitation


Council, GRC, und Austrian Resuscitation Council, ARC, 2015)

bei Patienten mit Diabetes mellitus). Lebensbe- keine ST-Hebung nachweisbar, wird anhand des
drohlich können die nicht seltenen malignen Troponin zwischen NSTEMI (Troponin positiv)
Rhythmusstörungen sein, weshalb beim ACS eine und instabiler Angina pectoris (Troponin negativ)
kontinuierliche Monitorüberwachung notwendig unterschieden.
ist (. Tab. 10.1). Um die 3 unterschiedlichen Akut- Die medikamentöse Notfalltherapie des ACS ist
manifestationen der KHK im Rahmen des ACS zu zunächst für alle drei Erscheinungsbilder identisch:
differenzieren, ist zwingend ein 12 Kanal-EKG und Nitroglycerin wenn der Blutdruck über 90 mmHg
eine Laboruntersuchung (Troponin) notwendig. systolisch beträgt, eine ausreichende Analgesie mit
Zeigt sich eine ST-Hebung in mindestens zwei be- Morphin, eine Thrombozytenaggregationshem-
nachbarten EKG-Ableitungen (siehe Tabelle), so mung mit ASS und die Gabe von unfraktioniertem
handelt es sich um einen klassischen STEMI. Ist Heparin sind die wesentlichen Basistherapiemaß-
114 Kapitel 10 · Notfallmedizin im klinischen Alltag

. Tab. 10.1 Versorgungsgebiete und Infarktlokalisation mit den entsprechenden dazugehörigen EKG-Ableitungen

Stromgebiet Lokalisation Benachbarte Ableitungen

RIVA (Ramus interventricularis anterior) Vorderwand V1 (V2) – V4 (V5)

RCA (Rigth coronary artery) Hinterwand II, III, aVF

RCX (Ramus circumflexus) Seitenwand I, aVL, (V5), V6

nahmen. Bei hypertonen und tachykarden Kreis- fahrer in einen Frontalzusammenstoß von zwei
laufsituationen bieten sich zur Senkung des myo- PKW verwickelt war, wobei der Fahrer des PKW’s
kardialen Sauerstoffverbrauchs zusätzlich kardio- des Patienten ums Leben kam. Der 25-jährige
selektive Betarezeptorblocker an. Auf erweiterte Patient war am Unfallort somnolent, klagte über
medikamentöse Maßnahmen wie ADP-Rezepto- starke Schmerzen im Thorax und Beckenbereich
rantagonisten (z. B. Clopidogrel) und Glykopro- und hatte laut Rettungsdienstprotokoll initial fol-
tein-IIB/IIIA-Rezeptorantagonisten (z. B. Trio- gende Vitalparameter: Atemfrequenz (AF) 22/min,
fiban) soll hier nicht weiter eingegangen werden. Herzfrequenz (HF) 95/min, Blutdruck (RR)
Entscheidend bei einem STEMI ist die frühzei- 140/60 mmHg, Glasgow Coma Scale (GCS) 10, Pu-
tige Reperfusion des betroffenen Myokards. Hier pillen mittelweit mit bds. positiver Lichtreaktion,
stehen mit der perkutanen Koronarintervention bewegte alle Extremitäten.
(PCI) und der Fibrinolyse zwei Verfahren zur Ver- Im Schockraum können Sie folgende Befunde
10 fügung, wobei der PCI (mit oder ohne Stentimplan- erheben: Patient intubiert und beatmet, AF 12 bei
tation) der Vorrang gegeben wird. Um die Zeit bis maschineller Beatmung, Atemgeräusch beim Lärm
zur Reperfusion so kurz wie möglich zu halten, soll- im Schockraum kaum zu hören, HF 140/min,
ten Patienten mit einem eindeutigen STEMI direkt RR 80 mmHg systolisch, GCS 3 unter Analgosedie-
vom Rettungsdienst zum Herzkatether gebracht rung, Pupille rechts mittelweit, keine sichere Licht-
werden. reaktion, Pupille links eng. Als zusätzliche klinische
> Das ACS ist eines der häufigsten Gründe der
Befunde können Sie, da der Patient bisher keine
Rettungsdienstalarmierung und begegnet
HWS-Immobilisation erhalten hat, leicht gestaute
einem im Notarztdienst oder in der Notauf-
Halsvenen, eine rechts temporale Kopfplatzwunde
nahme nahezu täglich. Daher sind grund-
und ein klinisch instabiles Becken verifizieren.
legende Kenntnisse hierzu auch für PJ-Stu-
Bei diesem Schwerverletzten liegen offensicht-
denten wichtig.
lich mehrere gravierende Probleme vor. Welches
weitere Vorgehen wäre für den Patienten sinnvoll
und welches der aufgeführten Probleme hat Ihrer
10.2 Advanced Trauma Life Support – Meinung nach zum jetzigen Zeitpunkt die höchste
ATLSp Priorität?

Die Versorgung von Schwerverletzten stellt hohe Zwischenmenschliches


Anforderungen an das versorgende Team. Die Ver- Bei so komplexen Situationen wie der Polytrauma-
sorgung muss daher strukturiert, unter zeitkriti- versorgung erwartet man von PJ-Studenten zunächst
schen Gesichtspunkten und dem Wissen um die ein Agieren im Hintergrund. Daher: Fragen und Pro-
eigenen Versorgungsmöglichkeiten erfolgen. bleme für hinterher merken und im Nachgang in
Ein Schwerverletzter wird Ihnen vom Rettungs- Ruhe mit dem Schockraumteam besprechen; Abläufe
dienst intubiert und beatmet in den Schockraum und die Patientenversorgung auf keinen Fall stören
gebracht. Zum Unfallhergang erfahren Sie vom Ret- oder behindern.
tungsdienst, dass der Patient als angeschnallter Bei-
10.2 · Advanced Trauma Life Support – ATLS
115 10
10.2.1 Geschichtliche Hintergründe 10.2.2 Grundlagen des Konzepts
des ATLSp
Das ATLS-Konzept ist ein standardisiertes und
Der Chirurg/Orthopäde Dr. J. Styner und seine Fa- prinzipiell einfach aufgebautes Konzept. Grundlage
milie wurden 1976 bei einem Absturz seines Klein- ist das prioritätenorientierte Abarbeiten der Ge-
flugzeuges im Bundesstaat Nebraska (USA) schwer dächtnisstütze »A-B-C-D-E«. Dabei kommt jedem
verletzt. Seine Frau erlag noch am Unfallort ihren Buchstaben eine Bedeutung und Priorität zu.
Verletzungen, er selbst und 3 seiner Kinder wurden 4 A – Airway and C-Spine protection (Luftweg
schwer, ein Kind leicht verletzt und zur Versorgung und HWS-Immobilistaion)
in ein lokales Krankenhaus gebracht. Die Erstver- 4 B – Breathing (Atmung/Beatmung und
sorgung, die Dr. Styner und seine Familie in der Ventialtion)
Klinik erhielten, war aus seiner Sicht vollkommen 4 C – Circulation and hemorrhage control
inadäquat und katastrophal. Das Personal war für (Kreislauf und Blutungskontrolle)
eine solche Situation nicht vorbereitet und auch 4 D – Disability (Neurologie/Neurologischer
nicht ausreichend trainiert. So stellte er folgendes Status)
fest: »Wenn eine bessere Versorgung am Unfallort 4 E – Exposure/Environment (Entkleiden/
mit limitierten Ressourcen möglich ist, als die in Temperaturkontrolle)
einem Krankenhaus, ist das bisherige System falsch
und muss geändert werden«. Die höchste Priorität hat demzufolge ein A-Pro-
Um das System zu optimieren, beschäftigte er blem, gefolgt von B, bis hin zum E-Problem. Sollten
sich intensiv mit der Traumaversorgung, um diese mehrere Probleme parallel bestehen, wird zuerst
zu verbessern. Aufgrund seiner Initiative wurden das Problem mit der höchsten Priorität gelöst. Ganz
zunächst in Nebraska große Anstrengungen unter- dem ATLSp-Grundsatz folgend »Treat first what
nommen, die Traumaversorgung in den aufneh- kills first« (siehe unten).
menden Kliniken zu optimieren. Nach 2 Jahren in- Die erste Einschätzung (»primary survey«) des
tensiver Entwicklungsarbeit entstand das Advanced Traumapatienten erfolgt anhand der Vitalfunktio-
Trauma Life Support (ATLSp)-Kursformat als erstes nen und soll potenziell lebensbedrohliche Verlet-
systematisches Trainingsprogramm für ein frühes zungen aufzeigen, ohne zwingend die definitive
klinisches Traumamanagement. Diagnose zu stellen. Es geht um das Erkennen und
Bereits 1980 übernahm das American College die Behandlung der lebensbedrohlichen Verletzun-
of Surgeons (ACS) das Kurskonzept und entwickel- gen und orientiert sich an der führenden Priorität
te es weiter. Mittlerweile ist die 9. Auflage des ATLS (»treat first what kills first«). Der Schwerpunkt des
Student Course Manual (2012) aktuell und das Konzepts beruht darauf, lebensrettende Maßnah-
ATLSp-Konzept weltweit verbreitet und Standard in men prioritätenorientiert durchzuführen. Im Rah-
der Traumaversorgung. In Deutschland wurde men des folgenden »secondary survey« erfolgt dann
ATLSp auf Bestreben der Deutschen Gesellschaft die diagnostische Abarbeitung parallel zur weiteren
für Unfallchirurgie (DGU) im Jahr 2003 eingeführt Stabilisierung des Patienten. Am Ende dieses Pro-
und besteht hier somit seit über 10 Jahren. zesses sollten dann die Verletzungen des Patienten
bekannt und klar sein, ob die eigenen Ressourcen
> ATLS ist nur eines von verschiedenen Versor- zur Versorgung ausreichen.
gungskonzepten in der Polytraumaversor-
gung, ein anderes ist z. B. der ETC (European Zwischenmenschliches
Trauma Course). ATLS ist aber derzeit das Wenn uns also der Notarzt einen Patienten in den
wohl am meisten verbreitete Versorgungs- Schockraum bringt und bei der Übergabe erwähnt,
konzept. dass dieser Patient ein A- und ein C-Problem hat,
dann wissen wir jetzt, dass es sich um ein Atemwegs-
und Kreislauf-/Blutungsproblem handelt.
116 Kapitel 10 · Notfallmedizin im klinischen Alltag

10.2.3 Wichtige Grundsätze des ATLSp bal kommunizieren kann, kaum ein gravierendes
A-Problem hat. Unabhängig vom Vorliegen eines
Das ATLSp-Konzept beinhaltet einige wichtige Problems gehört beim Abarbeiten des ATLSp-
Grundsätze, die nicht nur in der Traumaversorgung Algorithmus zum Punkt A immer die Immobilisa-
wichtig sind und die man sich verinnerlichen sollte. tion der Halswirbelsäule mittels Stiffneck. Sollten
4 Treat first what kills first. (Zuerst das behan- sich im Rahmen des »primary survey« Hinweise auf
deln, was lebensbedrohlich ist) das Vorliegen eines A-Problems ergeben, müssen
4 Do no further harm. (Keinen weiteren Scha- diese möglichst unmittelbar gelöst werden. Neben
den anrichten/Sekundärschäden vermeiden) der standardmäßigen Applikation von Sauerstoff
4 Time is of essence. (Zeit ist von Bedeutung/den via Gesichtsmaske hängt das weitere Vorgehen bei
Zeitfaktor nicht aus den Augen verlieren) der Atemwegssicherung vom zugrundeliegenden
4 Stop the bleeding. (Blutung stoppen) Problem und der Erfahrung des Behandlers ab.
Temporäre oder partielle Atemwegsverlegungen im
Zwischenmenschliches Mund-Rachen-Bereich können überbrückend mit
»Do no further harm«, also keinen weiteren Scha- dem einfachen Anheben des Unterkiefers, dem
den  anrichten, sollte man sich als ganz allgemeinen Esmar’schen Handgriff oder einem Oropharynx-
Grundsatz in der Medizin zu Eigen machen. tubus (Wendletubus/Guedeltubus, 7 Kap. 5) besei-
tigt werden. Eine definitive Atemwegssicherung,
Weitere wichtige Grundsätze bestehen darin, dass wie sie z. B. auch bei bewusstlosen Personen mit
der Patientenzustand und alle Maßnahmen, die einer GCS (Glasgow Coma Scale) ≤ 8 notwendig ist,
man ergriffen hat, reevaluiert werden. Bei einer Ver- gelingt nur durch eine endotracheale Intubation.
schlechterung des Patienten zu irgendeinem Zeit- Diese wird aufgrund der fehlenden Nüchternheit
10 punkt des Algorithmus ist eine Reevaluation zur der Patienten grundsätzlich als RSI (Rapid Sequenz
Ursachenklärung erforderlich. Kommt man zu Induction) durchgeführt. Für den Fall, dass eine en-
während der Versorgung zu dem Punkt, dass man dotracheale Intubation nicht möglich ist, sollte als
erkennt, dass die eigenen Ressourcen zur Versor- Sekundärstrategie auf einen extraglottischen Atem-
gung des Patienten nicht ausreichen, sollte eine zeit- weg (z. B. Larynxtubus oder Larynxmaske) zurück-
nahe Verlegung in eine übergeordnete Versor- gegriffen werden. Ist auch hierdurch keine ausrei-
gungseinheit initiiert werden. chende Ventilation und Oxygenierung möglich,
> Reevaluierung ist ein sehr wichtiger Punkt.
muss auf einen chirurgischen Atemweg zurückge-
Kommt es zu einem Zeitpunkt in der Ver-
griffen werden.
sorgung des Patienten zur Verschlechterung,
jB – Breathing
müssen alle Punkte (A, B, C, D, E) erneut
kontrolliert werden, um neu aufgetretene
B-Probleme stellen Probleme der Atmung, der Oxy-
Probleme oder unzureichend therapierte
genierung, Ventilation und Beatmung dar, die nicht
Probleme zu erkennen.
den Atemweg betreffen. Diesen können z. B. Lun-
genkontusionen, Hämato- und/oder Pneumotho-
rax, aber auch Rippenfrakturen sein. Ein lebensbe-
10.2.4 Die A-B-C-D-E’s des ATLSp drohliches B-Problem, welches ein sofortiges
Handeln notwendig macht, wäre z. B. ein Span-
jA – Airway and C-Spine protection nungspneumothorax, der zur Abwendung der Le-
Probleme des Luftweges und der Oxygenierung ha- bensbedrohung natürlich sofort entlastet werden
ben die höchste Priorität im Versorgungsalgorith- muss. Auch zur Identifizierung bedrohlicher B-
mus des ATLSp und werden daher als erstes geprüft Probleme reichen im Rahmen des »primary survey«
und falls notwendig therapiert. Zur Prüfung eignen die Inspektion, Auskultation und Palpation/Perkus-
sich die notfallmedizinisch üblichen Maßnahmen sion aus. Zur Therapie bestehender B-Probleme
wie Inspektion, Palpation und Auskultation. Ferner erfolgt als erste Maßnahme wieder die standardmä-
ist zu beachten, dass ein Patient, der problemlos ver- ßige Sauerstoffapplikation via Gesichtsmaske. Ist
10.2 · Advanced Trauma Life Support – ATLS
117 10
hiermit eine Sicherstellung einer ausreichenden
. Tab. 10.2 Einteilung der Blutverluste nach Verletzung
Oxygenierung und/oder Ventilation nicht möglich,
erfolgt im nächsten Schritt die endotracheale Intu- Frakturen Tibia und Fibula 250 ml
bation. Zur Entlastung von Luft oder Flüssigkeits-/
Femur 500 ml
Blutansammlungen im Pleuraraum erfolgt die An-
lage einer Thoraxdrainage in Form einer Minitho- Pelvis 1500–3000 ml
rakotomie. Da es im Rahmen eines Throaxtraumas Einblutung in Unterschenkel 500–1000 ml
nach Intubation und Überdruckbeatmung zur Aus- die Weichteile
Oberschenkel 300–2000 ml
bildung eines Pneumo-/bis Spannungspneumotho-
rax kommen kann, sollte hier die Indikation zur Pelvis 500–5000 ml

Anlage einer Thoraxdrainage eher großzügig ge- Einlutung in Abdomen Mehrere Liter
stellt werden. Körperhöhlen
Thorax Bis zu 7000 ml
> Für die meisten A- und B-Probleme ist die
Vorsicht bei einer Serie von Verletzungen (Polytrauma)!
Applikation von Sauerstoff sehr hilfreich, die-
ser sollte daher frühzeitig appliziert werden.

jC – Circulation and hemorrhage control


Unter diesem Punkt werden alle Kreislauf- und genden physiologischen Reaktionen orientieren
kreislaufrelevanten Blutungsprobleme zusammen- (. Tab. 10.3).
gefasst. Die schwere Blutung ist eine der wesentli- Die genannten Schockklassen sind nicht unum-
chen Ursachen für das Versterben nach Trauma. stritten und aktuelle Arbeiten stellen diese in Frage.
Daher muss eine relevante Blutung frühzeitig dia- Weiterhin ist bei der Schockklassifizierung zu be-
gnostiziert oder ausgeschlossen werden. Wichtigs- rücksichtigen, dass die Reaktion auf einen entspre-
ter Indikator für eine Blutung ist neben einer offen- chenden Blutverlust je nach Konstitution, Alter und
sichtlichen Blutung nach außen das Vorliegen einer Dauermedikation des Verletzten sehr unterschied-
Hypotension (RR <90 mmHg). Relevante Blutun- lich ausfallen kann.
gen treten bei abdominellem Trauma, bei Thoraxt- Zur Therapie eines entsprechenden Schockzu-
raumen oder bei Frakturen großer Röhrenknochen standes wird die Infusion von warmen kristalloiden,
und des Beckens auf (. Tab. 10.2). balancierten Vollelektrolytlösungen eingesetzt.
Grundlage der Beurteilung der Kreislaufsitua- Grundlage hierfür sind zwei großlumige suffiziente
tion des Patienten sind physiologische Parameter venöse Zugänge. Sollte die Schaffung eines periphe-
wie systolischer Blutdruck, Herzfrequenz, Atem- ren venösen Zugangs nicht möglich sein, so bietet
frequenz, Sensorium, Rekapilarisierung und sich zur Überbrückung bis zur Anlage eines zentral-
Urinproduktion. Im Rahmen des ATLSp werden venösen Zugangs die Etablierung eines intraossären
4 Schockstadien beim Trauma unterschieden, die (i. o.) Zugangs an. Um den Effekt einer Volumen-
sich am vermuteten Blutverlust und den darauf fol- therapie zu beurteilen, wird initial eine sogenannte

. Tab. 10.3 Schockklassifikation nach ATLSp-Kriterien

Schock- Blutverlust RR systl HF/ AF/ Sensorium Urinproduktion


klasse (ml) min min

1 <750 Meist normal <100 14-20 Eventuell ängstlich Leicht vermindert

2 750-1500 Eventuell leicht Erniedrigt >100 20-30 Ängstlich Vermindert

3 1500-2000 Erniedrigt >120 30-40 Verwirrt, ängstlich Oligurisch

4 >2000 Deutlich erniedrigt >140 >35 Lethargisch, konfus Anurisch


118 Kapitel 10 · Notfallmedizin im klinischen Alltag

»Volume challenge« durchgeführt. Hierzu wird 1 l


. Tab. 10.4 Glasgow Coma Scale (GCS)
kristalloide Infusionslösung in kurzer Zeit infun-
diert und die Reaktion hierauf beurteilt. Folgende Modalität Reaktion Punkt-
3 Reaktionen sind möglich: zahl
4 Volume challenge – Blutdruck und Herzfre-
quenz normalisieren sich = Responder (meist Augen öffnen Spontan 4

Klasse 1 oder Klasse 2 Schock), Auf Aufforderung 3


4 Volume challenge – Blutdruck und Herzfre- Auf Schmerzreiz 2
quenz normalisieren sich nur temporär und
Keine 1
verschlechtern sich dann wieder = transienter
Responder (meist Klasse 2 oder Klasse 3 Verbale Kom- Orientiert 5
Schock), munikation
Verwirrt/desorientiert 4
4 Volume challenge – Blutdruck und Herzfre-
Inadäquat/einzelne 3
quenz normalisieren sich nicht = Non-Respon- Wörter
der (meist Klasse 3 oder Klasse 4 Schock).
Unverständliche Laute 2

Neben einer adäquaten Schocktherapie gehört zum Keine 1


Punkt C des Algorithmus auch die Blutungskon- Motorische Auf Aufforderung 6
trolle. Hierfür steht der oft zitierte Slogan »Stop the Antwort
Gezielte Abwehr auf 5
bleeding«. Dies klingt zunächst trivial, ist es aber Schmerzreiz
nicht. Offensichtliche Blutungen nach außen sollten
Ungezielte Abwehr auf 4
bereits im Rahmen des primary survey gestillt wer-
Schmerzreiz
10 den. Hierzu kann neben Verbänden und Druckver-
bänden bei starken Extremitätenblutungen auch Beugesynergismen auf 3
Schmerzreiz
das Tourniquet zur Anwendung kommen. Da Be-
ckenfrakturen mit hohen Blutverlusten einherge- Strecksynergismen auf 2
hen können, sollte hier zur Blutungskontrolle das Schmerzreiz

Beckenvolumen mittels Tuchschlinge oder Becken- Keine 1


gurt verkleinert werden. Auch die Reposition und
Retention von Extremitätenfrakturen tragen zur
Verringerung des Blutverlustes bei.
> Blutungen sind eine der häufigsten vermeid-
reaktion geprüft und nach offensichtlichen moto-
baren Todesursachen. Blutungen nach Außen
rischen Ausfällen, wie sie z. B. im Rahmen einer
sind oft problemlos durch Verband/Druckver-
traumatischen Rückenmarksverletzung auftreten
band, manuelle Kompression, Lagerung oder
können, gesucht.
eventuell durch Tourniquet zu stoppen. > Merksatz: GCS 7, Tubus schieben!
jD – Disability Eine ausführlichere neurologische Untersuchung
Unter dem Punkt D werden alle neurologischen erfolgt erst im »secondary survey«. Veränderungen
Probleme des Patienten zusammengefasst. Hier gilt des Bewusstseins können auf Hirnverletzungen,
es im Rahmen des »primary survey« sich einen eine zerebrale Hypoxie oder Perfusionsminderung
schnellen Überblick zu verschaffen. Dazu wird zu- hinweisen, daher sollte ein veränderter Bewusst-
nächst die GCS des Patienten nach folgendem Sche- seinszustand zu einer sofortigen Reevaluation von
ma erhoben (. Tab. 10.4). Atemweg (A), Atmung (B) und Kreislauf (C) füh-
Die erreichten Punkte pro Modalität werden ren. Auch Alkohol und andere Drogen können das
addiert, sodass die GCS einen Maximalwert von 15 Bewusstsein verändern. Dies sollte erst erwogen
und einen Minimalwert von 3 Punkten erreichen werden, wenn zentrale Ursachen ausgeschlossen
kann. Weiterhin wird die Pupillenweite und Licht- sind. Beachten muss man, dass auch das Bewusst-
10.2 · Advanced Trauma Life Support – ATLS
119 10
sein nach einem Unfall einer Dynamik unterliegen 10.2.5 Primary und Secondary Survey
kann. Ein primär intaktes Bewusstsein schließt ein
Schädel-Hirn-Trauma nicht grundsätzlich aus und Die Untersuchung des Patienten im Rahmen des
kann sich erst nach Stunden demaskieren. Ein pri- ATLSp erfolgt in zwei Schritten oder Stufen anhand
mär bewusstseinsklarer Patient kann bei Entwick- des A-B-C-D-E-Schemas. Im Rahmen der ersten
lung eines epiduralen Hämatoms erst sekundär ein- Untersuchung oder auch »primary survey« erfolgt
trüben (»talk and die«). Deshalb muss das Bewusst- eine schnelle groborientierte Abarbeitung der
sein regelmäßig reevaluiert werden und die Vigilanz Punkte, um lebensbedrohliche Verletzungen schnell
der Patienten über Nacht immer wieder durch das zu erkennen und zu therapieren. Nachdem die ent-
Personal kontrolliert werden. sprechenden Punkte abgearbeitet sind und akute
> Für den Neurochirurgen ist nicht nur die
Probleme therapiert wurden, erfolgt eine zweiter
Gesamtpunktzahl der GCS von Interesse,
deutlich ausgeprägterer Untersuchungsgang oder
sondern auch die Verteilung auf die 3 Moda-
auch »secondary survey«. Im Rahmen dieses »se-
litäten, da hieraus auf bestimmte Schädi-
condary survey« erfolgt eine erneute und jetzt deut-
gungsareale geschlossen werden kann.
lich umfassendere körperliche Untersuchung und
Erhebung des neurologischen Status und es können
jE – Exposure / Environment alle Untersuchungsmodalitäten eingesetzt werden,
Unter dem Punkt E geht es darum, am entkleideten die geeignet sind, das Verletzungsausmaß des Pa-
Patienten offensichtliche Verletzungen schnell zu tienten zu bestimmen, sodass das ATLSp-Konzept
diagnostizieren. Um auch Verletzungen am Rücken auch in moderne Schockraumprotokolle mit Ganz-
zu entdecken, wird der Patient in Form eines soge- körper-CT-Untersuchung integriert werden kann.
nannten »lock role« unter achsengerechten Wirbel- Am Ende des »secondary survey« soll das Verlet-
säulenlagerung kurz auf die Seite gedreht. Im Rah- zungsmuster des Patienten bekannt sein, eine ini-
men dieser schnellen körperlichen Untersuchung tiale Versorgungsstrategie festgelegt sein und fest-
am entkleideten Patienten können instabile Fraktu- stehen, ob die in der Klinik zur Verfügung stehen-
ren der großen Röhrenknochen oder eine instabile den Ressourcen zur Versorgung des Patienten aus-
Beckenfraktur als mögliche Blutungsursache mit reichend sind. Sollte zu irgendeinem Zeitpunkt in
Auswirkung auf das Kreislaufsystem frühzeitig ent- der Versorgung klar werden, dass die eigenen Res-
deckt und provisorisch stabilisiert werden. Damit sourcen (operative Möglichkeiten, Intensivkapazi-
der Patient nicht auskühlt, sollte er warme Infusio- tät, Blutdepot usw.) eventuell nicht ausreichen, soll
nen erhalten und zugedeckt werden. Die Hypother- die Verlegung in eine höhere Versorgungseinheit
mie ist ein negativer Prognosefaktor mit Auswir- initiiert werden.
kung auf das Gerinnungssystem und sollte unbe- > Oft erscheint bei Aufnahme auf der Intensiv-
dingt verhindert werden. station ein »tertiary survey« sinnvoll, bei dem
am Intensivbett des Patienten nochmals A
> Die Hypothermie als Bestandteil der soge-
bis E abgearbeitet wird. Dies hilft, übersehne
nannten »Letalen Trias« (Hypothermie, Azi-
oder bisher unzureichend therapierte Pro-
dose, Gerinnungsstörung) muss von Anfang
bleme aufzudecken.
an konsequent vermieden und/oder thera-
piert werden! Dies gelingt durch Zudecken
des Patienten, Aufheizten der Rettungsmittel 10.2.6 Der Schwerverletzte
und des Schockraum, Verwenden von warme
Infusionslösung, Wärmematten, Wärme- Zu Beginn des Kapitels wurde Ihnen ein Patient
strahler usw. nach VKU vorgestellt. An dieser Stelle soll nun ver-
sucht werden, diesen Patienten nach ATLSp zu be-
handeln. Zunächst werden wir die bei Schockraum-
aufnahme genannten Befunde in das A-B-C-D-E-
Schema einordnen.
120 Kapitel 10 · Notfallmedizin im klinischen Alltag

4 A – Airway: Patient ist orotracheal intubiert 105 mmHg systolisch und einem Abfall der HF auf
und maschinell beatmet mit einer AF 12/min, 110/min. Trotz dieser Verbesserung durch die er-
fehlende HWS-Immobilisation griffenen Maßnahmen weisen die Befunde auf ein
4 B – Breathing: Atemgeräusch beim Lärm im weiterbestehendes C-Problem. Neben der Anlage
Schockraum kaum zu hören eines Beckengurtes zur temporären Beckenstabili-
4 C – Circulation: HF 140/min, RR 80 mmHg sierung, der Infusion von warmer kristalloider In-
systolisch fusionslösung erfolgt eine orientierende Sonografie
4 D – Disability: GCS 3 unter Analgosedierung, des Abdomens als FAST (focused assessment with
Pupille rechts mittelweit, keine sichere Licht- sonography for trauma) zur Beurteilung. Hier zeigt
reaktion, Pupille links eng sich keine freie intraabdominelle Flüssigkeit, sodass
4 E – Exposure: leicht gestaute Halsvenen, insta- vermutlich die klinisch vermutete Beckenfraktur
biles Becken, Kopfplatzwunde für das C-Problem ursächlich scheint. Zur diagnos-
tischen Abklärung des bestehenden D-Problems ist
Die beiden unter E genannten Punkte könnten auch dringen eine CCT-Untersuchung erforderlich.
unter weiter oben genannten Punkten aufgeführt Zur weiteren diagnostischen Abklärung sollte
werden, da z. B. Beckenfrakturen mit einem erheb- der Patient aufgrund der bisher erhobenen Befun-
lichen Blutverlust einhergehen können und somit de, des vorliegenden Hochrasanztraumas und der
ein C-Problem darstellen. Gestaute Halsvenen Zeitersparnis ein Ganzkörper-CT erhalten. Diese
könnten Zeichen einer Herzbeuteltamponade sein, offenbarte dann folgende Verletzungen:
dann wäre es ein C-Problem, sie können aber auch 4 Traumatische Epidurale Blutung (EDH) rechts
Ausdruck eines Spannungspneumothorax sein, und traumatische Subarachnoidalblutung
dann würden sie ein B-Problem aufzeigen. (SAB)
10 Wir haben also bei unserem Verletzten im 4 Rippenserienfraktur rechts mit beidseitigen
Schockraum mehrere Probleme. Der Luftweg (A) Lungenkontusionen re.>li. Und Restpneumo-
ist zwar mittels Tubus gesichert, jedoch fehlt noch thorax rechts
die Immobilisation der HWS. Neben einem mögli- 4 Stabile BWK 3 und 4 Deckplattenfraktur
chen B-Problem (noch nicht definitiv ausgeschlos- 4 LWK 5 Querfortsatzfraktur
sen), liegen ein C-Problem und ein D-Problem vor. 4 Instabile Beckenfraktur
Zunächst muss jetzt schnell geklärt werden, ob nun 4 Femurfraktur rechts
ein B-Problem besteht oder nicht, da die Anamnese
(starke Thoraxschmerzen) und die gestauten Hals- Nach Schockraumversorgung geht der Patient so-
venen ein mögliches B-Problem vermuten lassen. fort in den OP. Hier werden parallel zur neurochi-
Neben der Anlage eines Stiffnecks zur definitiven rurgischen Entlastung des EDH eine Beckenzwinge
Abarbeitung von A, kann, falls Inspektion, Auskul- und ein Fixateur externe an die Femurfraktur ange-
tation und Perkussion nicht ausreichen, um ein akut legt. Nach operativer Versorgung wird der Patient
bedrohliches B-Problem auszuschließen, eine zur weiteren Therapie auf die Intensivstation ver-
Thoraxübersichtsaufnahme durchgeführt werden. legt.
Hier werden wir bei unserem Patienten einen Span-
nungspneumothorax bei Rippenserienfraktur
rechts sehen, welcher akut entlastet werden muss. 10.2.7 Zusammenfassung
Zur Akutbehandlung dieses B-Problems kann ini-
tial eine Punktion mit einer dicklumigen Flexüle im ATLSp ist ein Ausbildungskonzept und Handlungs-
2/3 ICR medioclavikular durchgeführt werden, wel- algorithmus, der ein standardisiertes, prioritäten-
che im weiteren Verlauf durch die Anlage einer orientiertes Schockraummanagement verfolgt. Zie-
Thoraxdrainage in eine definitive Therapie über- le sind die schnelle und genaue Einschätzung des
führt wird. Nach Entlastungspunktion kommt es Zustands des Traumapatienten, die prioritätenori-
bei unserem Patienten zu einer Verbesserung der entierte Behandlung und die Entscheidung, ob ein
Kreislaufparameter mit einem RR-Anstieg auf Transfer des Patienten notwendig ist. Dies erfolgt an
10.2 · Advanced Trauma Life Support – ATLS
121 10
der konsequenten Abarbeitung der A-B-C-D-E-
Punkte des Konzepts, einer entsprechenden Reeva-
luierung des Patientenzustandes und Beachtung
wichtiger Grundsätze.

Zwischenmenschliches
Bei komplexen Handlungsabläufen, wie der Schwer-
verletztenversorgung, können jederzeit Fehler auf-
treten. Ein strukturiertes, an Handlungsempfehlun-
gen orientiertes Vorgehen, wie beim ATLS oder ETC,
hilft Fehler zu vermeiden und aufgetretene Fehler
zeitnah zu detektieren. Keiner ist perfekt und fehler-
frei!
123 11

Durchführung und
Bewertung internistischer
Diagnoseverfahren
Antje Tegelbeckers, Lara Schifferer, Hendrik Schmidt

11.1 Das Elektrokardiogramm – EKG – 124


11.1.1 Normales EKG – 125
11.1.2 Tachykarde Herzrhythmusstörungen (HRST) – 127
11.1.3 Bradykarde Herzrhythmusstörungen: AV-Block vs. SA-Block – 129
11.1.4 Supraventrikuläre vs. ventrikuläre Extrasystolen – 130
11.1.5 Intraventrikuläre Leitungsstörungen – 131
11.1.6 Ischämiezeichen – 133

11.2 Ergometrie – 134

11.3 Spirometrie – 135

11.4 Schellong-Test – 136

C. Meißner (Hrsg.), Basic Skills PJ,


DOI 10.1007/978-3-662-48703-7_11, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
124 Kapitel 11 · Durchführung und Bewertung internistischer Diagnoseverfahren

Medizinische Testverfahren sind ergänzend zur


Anamnese für das Stellen einer Diagnose bzw. die V4 5. ICR Medioklavikularlinie links
Bestätigung einer Verdachtsdiagnose entscheidend. V5 5. ICR vordere Axillarlinie
Die Aussagekraft solcher Methoden hängt wiederum V6 5. ICR mittlere Axillarlinie
entscheidend von der korrekten Durchführung sowie
einer adäquaten Auswertung, Bewertung und Inter- ICR = Intercostalraum
pretation der Testergebnisse ab.

Vor Beginn eines entsprechenden klinischen Test- Zwischenmenschliches


verfahrens sollten sich Indikationen, Kontraindika- Bedenken Sie beim Anlegen der Elektroden, dass die
tionen, Durchführung, möglicher Informationsge- Situation (sich in der liegenden Position mit bloßem
winn während des Tests und Kriterien der Bewer- Oberkörper zu befinden) für den Patienten (vor allem
tung der Ergebnisse genau vor Augen geführt wer- dem weiblichen) meist sehr unangenehm ist. Reden
den, um Fehler zu vermeiden und fundierte Sie mit dem Patienten, erklären Sie, was Sie tun und
medizinische Aussagen treffen zu können. warum.

Zwischenmenschliches
Um valide Ergebnisse zu erhalten, ist es wichtig,
freundlich und höflich aufzutreten, den Patienten
vor jedem Test genau darüber zu informieren,
warum dieser notwendig ist, wie genau er abläuft,
was der Patient dabei tun muss und welche
Informationen durch diesen Test erhalten werden
können.

11
11.1 Das Elektrokardiogramm – EKG

Das EKG ist in fast allen Fachrichtungen ein wich- V1 V2


tiges diagnostisches Verfahren. Obgleich die Durch- V3 V6
führung meist durch pflegerisches Fachpersonal V4 V5
erfolgt, sollte jeder PJ-Student und Arzt mit dem
Anlegen der Elektronen und dem Schreiben eines
EKGs vertraut sein (. Abb. 11.1).

Elektrodenplatzierung
Extremitätenelektronen
ROT Rechter Arm
V6

GELB Linker Arm


GRÜN Linkes- Bein
SCHWARZ Rechtes Bein
V5

Brustwandableitungen V4
V1 V2 V3
V1 4. ICR parasternal rechts
V2 4. ICR parasternal links
V3 zwischen V2 und V4 . Abb. 11.1 Elektrodenposition der Wilson-Brustwand-
ableitung. (Aus Erdmann 2000)
11.1 · Das Elektrokardiogramm – EKG
125 11
> Bedenken Sie, dass für eine funktionierende 11.1.1 Normales EKG
Ableitung bei manchen EKGs das EKG-Kon-
taktspray zwischen Körper und Elektroden In einem EKG lassen sich Aussagen über die Erre-
aufgetragen werden muss! gungsausbreitung im Herzen treffen sowie Herz-
aktionen ableiten und differenzieren:
Wichtig für die korrekte Interpretation eines EKG 4 Erregungsausbreitung und Erregungsrück-
ist es darauf zu achten, dass der EKG-Ausdruck bildung in den Vorhöfen: P-Welle
möglichst artefaktfrei ist. Übermäßige Bewegungen 4 Atrioventrikuläre Überleitung: PQ-Strecke
des Patienten (dazu zählt auch vermehrtes Spre- 4 Erregungsausbreitung und Erregungsrückbil-
chen, Husten etc.) oder falsch angelegte bzw. nicht dung in den Kammern: QRS-Komplex (Kam-
gut haftende Elektronen führen zu Störsignalen mererregung); T, U (Kammerrepolarisation)
(sog. Artefakten), welche eine Auswertung des EKG
erschweren bzw. unmöglich machen. Die registrierten Zacken und Ausschläge des EKG
In vielen, umfangreichen Lehrbüchern zum weisen bestimmte Charakteristika und Normwerte
Thema »EKG-Auswertung« wird detailliert auf jede auf (. Abb. 11.2). Die Vermessung der verschiede-
elektrokardiografische Pathologie eingegangen. In nen Ausschläge ist für die korrekte Auswertung
der Praxis führt dies jedoch für den PJ-Studenten eines EKG unablässig.
häufig zu einer gewissen Ratlosigkeit, da die Masse
an Informationen nur schwerlich angewandt wer-
Eckdaten der EKG-Strecken
den kann. Nachfolgend stellen wir die aus unserer
P-Welle
Sicht klinisch wichtigsten und am häufigsten auftre-
5 Depolarisation der Vorhöfe
tenden EKG-Veränderungen vor und zeigen kurz
5 Anfangsteil = Erregung rechter Vorhof
auf, wie diese leicht zu erkennen und zu unter-
5 Zweite Anteil = Erregung linker Vorhof
scheiden sind.
5 Normale Dauer: bis 100 ms

EAG = Vorhofteil EVG = Kammerteil


[mV]
P- PQ- QRS- ST- T-Welle U-Welle
Zacke Strecke Gruppe Strecke
R

[s]
Q

S
0,10“ 0,10“
PQ-Dauer QT-Dauer
0,12“– 0,20“ frequenzabhängig

. Abb. 11.2 Terminologie der normalen EKG-Kurve. (Aus Erdmann 2000)


126 Kapitel 11 · Durchführung und Bewertung internistischer Diagnoseverfahren

5 Normale Amplitude: 0,1 – 0,25 mV Übe


5 Meist in allen Ableitungen positiv außer in Link rdreh
270 ssty te
III, V1 p

r
(= –90)
aVR aVL
PQ-Strecke

Übe
210 –30
5 Atrioventrikuläre Überleitung

r d re h t e r R e c h t s t y p
5 Beginn P-Welle bis Beginn QRS-Komplex

L in ks t y p
5 Normale Dauer ca. 120 – 200 ms 180 0 I

QRS-Komplex
5 Depolarisation der Kammern 150 30

-
5 Normale Dauer: 60 – 100 ms

p re n z
–aVR
120 60 e
5 Normale Amplitude: SV1 + RV5 < 3,5mV, Re 90 iff y
ch
tst y Ind t
RV1 + SV5 < 1,05mV p p
III Ste ilt y
II
Q-Zacke aVF
5 < ¼ der Amplitude der folgenden R-Zacke
5 Normale Dauer ca. 30 ms . Abb. 11.3 Lagetypen im Cabrera-Kreis. (Aus Erdmann
5 In V1- V3 normalerweise keine Q-Zacke 2000)

R-Zacke
5 Elektrischer Hauptvektor Wenn dies gut beherrscht wird, ist diese Art der
5 Amplitudenzunahme von V1- V5 (R- Pro- Lagetypbestimmung auch eine sehr elegante Me-
gression) thodik. Einfacher ist es jedoch, wenn man sich op-
5 Verhältnis R- zu S-Zacke = R/S-Quotient tisch die Ausrichtung des Hauptvektors in den Ab-
11 (V1 < 1, Wert nimmt bis V5 zu, in V2 – V4 bildungen I, II und III einprägt (. Abb. 11.4).
überschreitet R/S- Quotient den Wert 1)
jAuswertungskriterien
S-Zacke
Um die Auswertung des EKG zu erleichtern und
5 Terminale Depolarisation des Ventrikels
dabei keine Angaben zu vergessen, ist es günstig,
5 Norm: tiefe S- Zacken in V1- V3. Kleine
nach einem festen Schema vorzugehen und die
S- Zacken in I, aVL, V6
einzelnen Auswertkriterien Schritt für Schritt abzu-
ST-Strecke arbeiten. Die Reihenfolge der Punkte kann indivi-
5 Vollständige Kammerdepolarisation duell variieren, wichtig ist jedoch, dass keines der
5 Verläuft isoelektrisch folgenden Auswertkriterien vergessen wird:
4 Rhythmus
T-Welle 4 Frequenz
5 Repolarisation der Kammern 4 Lagetyp
5 Vektor der T Welle entspricht außer in III 4 Zeitintervalle (P, PQ, QRS, QT)
dem Vektor des QRS-Komplexes 4 P-Welle: Amplitude, Breite, Morphologie,
5 In V1 kann die T-Welle isoelektrisch oder positiv/negativ
negativ sein 4 PQ-Strecke: AV-Synchronität, Überleitungs-
verhältnis
4 QRS-Komplex: Morphologie, Amplitude, Breite
jLagetyp 4 ST-Strecke: isoelektrisch, Hebung, Senkung
Am besten lässt sich der Lagetyp durch die Lagebe- 4 T-Welle: Morphologie, dem Hauptvektor ent-
stimmung des Hauptvektors im Cabrera-Kreis er- sprechend, Negativierung
mitteln (. Abb. 11.3). 4 Rhythmusstörungen
11.1 · Das Elektrokardiogramm – EKG
127 11

ÜRT RT ST IT LT ÜLT Sagital-T

II

III

. Abb. 11.4 Lagetypen. (Nach Ralph Haberl, Börm Bruckmeier Verlag, 2013)

11.1.2 Tachykarde Herzrhythmus- den. Da diese Manöver eine Reduktion der Herzfre-
störungen (HRST) quenz auslösen, kann meist über wenige Sekunden
die Lokalisation und Morphologie der P-Welle er-
Eine wichtige Information, die bei einer tachykar- kannt werden.
den Herzrhythmusstörung als erstes geprüft werden
sollte ist, ob der QRS-Komplex verbeitert (>120 ms) Vorhofflimmern vs. Vorhofflattern Die Unterschei-
ist oder nicht. dung zwischen Vorhofflimmern und Vorhofflattern
> Breitkomplextachykardien (QRS > 120 ms)
fällt in der Praxis oft nicht leicht, da die P-Morpho-
weisen meist auf eine Kammertachykardie
logie sich in vielen EKGs nicht so eindeutig darstellt,
hin = Alarmbereitschaft! Sofortiges Hinzu-
wie sie in der Literatur beschrieben wird.
ziehen von fachärztlichen Kollegen ist
Ein guter Leitsatz, der eine Differenzierung er-
nötig!
möglichen kann, ist, auf die Regelmäßigkeit der
QRS-Komplexe sowie auf die gleichartige Morpho-
Ist der QRS-Komplex schmal (< 120 ms), so spricht logie der P-Wellen zu achten!
dies a. e. für eine Tachykardie, die auf Vorhofebene
entsteht (»supraventrikuläre Tachykardie«).
Vorhofflimmern/-flattern
jSupraventrikuläre Tachykardien Vorhofflimmern
Zur Differenzierung der verschiedenen Vorhof- 5 Unregelmäßige polymorphe Flimmerwellen
tachykardien müssen die Vorhofaktionen im EKG oft ohne erkennbare einzelne P-Welle
beurteilt werden. 5 QRS-Komplex schmal
In vielen Fällen ist dies aufgrund der Tachykar- 5 Vorhoffrequenz > 300/min
die und der kurzen Abstände der QRS-Komplexe 5 Herzfrequenz (HF) < 40/min = Brady-
jedoch nicht möglich. Abhilfe kann dann mittels arrhythmia absoluta
vagalen Manövern wie dem Vasalva-Pressversuch 5 HF > 90/min= Tachyarrhythmia absoluta
oder dem Karotis-Druckversuch geschaffen wer-
128 Kapitel 11 · Durchführung und Bewertung internistischer Diagnoseverfahren

a Vorhofflimmern
Vorhofflattern
5 Regelmäßige sägezahnartige Vorhofsaktio-
nen in II, III, aVF (typisches Flattern)
5 Vorsicht: bei wechselnden Überleitungen
kann das EKG auf den ersten Blick unregel-
mäßig aussehen!
5 Monomorphe P- Wellen
b Vorhofflattern
5 Vorhoffrequenz 240 – 300/min
5 Überwiegend konstantes Überleitungsver-
hältnis z. B. 2:1

Sinustachykardie vs. atriale Tachykardie Beim Vor-


liegen einer regelmäßigen Vorhoftachykardie und
c Sinustachykardie
Ausschluss eines Vorhofflattern ist es hinsichtlich
Ursache und Therapie von Bedeutung zwischen ei-
ner atrialen und einer Sinustachykardie zu differen-
zieren.

Sinustachykardie/atriale Tachykardie
Sinustachykardie
d Atriale Tachykardie (mit wechselnder Überleitung)
5 Regelmäßige, in Morphologie gleichblei-
bende typische geformte P-Welle vor dem
11 QRS-Komplex, HF >90/min

Atriale Tachykardie
5 Regelmäßige P-Wellen vor QRS-Komplex
(unterschiedliche Morphologie möglich)
5 P kann negativ sein in II, III, aVF oder I und . Abb. 11.5a-d a Vorhofflimmern. b Vorhofflattern. c Sinus-
aVL tachykardie. d atriale Tachykardie

5 Oft wechselnde Überleitung auf die Kam-


mer (nicht jeder P-Welle folgt ein QRS-Kom-
jTachykarde ventrikuläre Rhythmusstörungen
plex)
5 Typische Frequenz ca. 100-200/min Ventrikuläre Tachykardie (. Abb. 11.7)
> Ventrikuläre Tachykardien stellen oft lebens-
bedrohliche Komplikation dar und erfordern
jGrafische Darstellung supraventrikulärer
eine sofortige Abklärung und ggf. Therapie
Tachykardien
(EKG: QRS >120ms, HF >90/min).
(Auf die Darstellung der T-Welle wurde aus didak-
tischen Gründen verzichtet.) Eine Kammertachykardie ist meist regelmäßig und
4 Vorhofflimmern (. Abb. 11.5a) kann monomorph oder polymorph (morpholo-
4 Vorhofflattern (. Abb. 11.5b) gisch gleichbleibende oder wechselnde QRS-Kom-
4 Sinustachykardie (. Abb. 11.5c) plexe) sein. In speziellen Fällen findet sich ein Rich-
4 Atriale Tachykardie (mit wechselnder Überlei- tungswechsel des QRS-Komplexes (z. B. bei Torsade
tung) (. Abb. 11.5d) de pointes, . Abb. 11.6)
11.1 · Das Elektrokardiogramm – EKG
129 11

. Abb. 11.6 Torsade–de-pointes-Tachykardie. (Aus Erdmann . Abb. 11.8 Kammerflimmern


2000)

Nicht anhaltende ventrikuläre Tachykardie:


Dauer <30 s, endet ohne Einfluss von extern spon-
tan, oft nicht hämodynamisch wirksam.
Anhaltende ventrikuläre Tachykardie: Dauer von
>30 s, oft hämodynamisch wirksam (z. B. Synkope,
Dyspnoe, Angina pectoris)
. Abb. 11.9 Sinuatrialer Block
Sonderform: Blickdiagnose Spitzentorsaden (Tor-
sade de pointes) Polymorphe Kammertachykardie,
die ca. alle 5–10 Schläge die Ausschlagrichtung des jSinuatrialer Block
QRS-Komplexes ändert. (typische Spindelform), 4 Blockierung der sinuatrialen Überleitung bis
HF >150/min hin zum Ausfall der Sinusknotenaktivität und
somit fehlende Vorhofserregung
Kammerflimmern Kammerflimmern: HF > 250/ 4 SA-Block I°: im normalen EKG nicht diagnos-
min, unregelmäßig konfigurierte, breite QRS-Kom- tizierbar, verlängerte sinuatriale Überleitung
plexe, vielfältige Reentry-Kreise chaotische Ventri- 4 SA-Block II° Typ Wenkebach: zunehmende
kelerregung, funktioneller Herzstillstand sinuatriale Überleitungszeit
4 EKG: kleiner werdende RR-Abstände, bei
gleichbleibendem PQ-Abstand + anschlie-
11.1.3 Bradykarde Herzrhythmusstö- ßender Pause (< PP-Abstand), . Abb. 11.9
rungen: AV-Block vs. SA-Block 4 SA-Block II° Typ Mobitz: intermittierender
kompletter Block der sinuatrialen Überleitung,
Bradykardien können vielerlei Ursache haben. Zwei EKG: intermittierend auftretende Pausen (= 2x
wichtige Blockbilder, mit denen man im klinischen PP-Abstand), . Abb. 11.10
Alltag häufig konfrontiert ist, und die oft ursächlich 4 SA-Block III°: Komplette, durchgehende
für eine Bradykardie sind, sind der sinuatriale Block Blockierung der sinuatrialen Überleitung, oft
(SA-Block) sowie der atrioventrikuläre Block (AV- Ersatzrhythmus aus (meist) AV-Knoten (keine
Block). P-Welle!)

II

III

. Abb. 11.7 Ventrikuläre Tachykardie


130 Kapitel 11 · Durchführung und Bewertung internistischer Diagnoseverfahren

2× PP-Abstand

. Abb. 11.10 SA-Block II, Typ Mobitz

. Abb. 11.12 AV-Block II, Typ Wenkebach

. Abb. 11.13 AV-Block II, Typ Mobitz


. Abb. 11.11 AV-Block I

jAtrioventrikulärer Block
Beim AV- Block ist die Überleitung der stattfinden-
den Vorhoferregung auf die Herzkammer blockiert.
4 AV-Block I°: EKG – PQ-Zeit > 200 m (. Abb.
11.11)
11 4 AV- Block II°, Typ Wenkebach: EKG – zuneh-
. Abb. 11.14 AV-Block III

mende PQ-Zeit bis letztlich ein QRS-Komplex


ausfällt (. Abb. 11.12)
SVES/VES
4 AV-Block II°, Typ Mobitz: EKG-konstantes PQ-
Supraventrikuläre Extrasystole (SVES)
Intervall mit intermittierendem Ausfall eines
5 Schmaler QRS-Komplex, nahezu identische
QRS-Komplexes (. Abb. 11.13)
Kammermorphologie, oft vorausgehende,
4 AV-Block III°: EKG – komplette AV-Dissozia-
deformierte P-Welle
tion, keine konstante Abhängigkeit zwischen
Vorhof- und langsamem Ersatzrhythmus
Ventrikuläre Extrasystolen (VES)
(oft verbreiterte QRS-Komplexe), P-Wellen in
5 Breiter QRS-Komplex >120 ms, deformierte,
regelmäßigen Abständen (. Abb. 11.14)
ggf. unterschiedliche Kammermorphologie

monomorph = ein Ursprungsort


11.1.4 Supraventrikuläre
polymorph= verschiedene Ursprungsorte
vs. ventrikuläre Extrasystolen

Die Differenzierung zwischen supraventrikulärer Klinisch und hämodynamisch relevant können ven-
und ventrikulärer Extrasystolen kann anhand der trikuläre Extrasystolen werden, wenn eine gewisse
QRS-Breite sowie der Kammermorphologie getrof- Regelmäßigkeit/ein Rhythmus des Auftretens zu
fen werden. Kompensatorische Pausen sind in bei- verzeichnen ist.
den Fällen möglich. Von besonderer Bedeutung sind dabei der Bige-
minus, Trigeminus, Couplets, Triplets und Salven
sowie in seltenen Fällen das R-auf-T-Phänomen.
11.1 · Das Elektrokardiogramm – EKG
131 11

. Abb. 11.15 Couplets . Abb. 11.19 Trigeminus

. Abb. 11.20 Trigeminus II

. Abb. 11.16 Triplets

. Abb. 11.17 Salve

. Abb. 11.21 R-auf-T-Phänomen

4 R-auf-T-Phänomen – VES fällt während der


Repolarisation erneut ein (in die T-Welle)
(. Abb. 11.21)

. Abb. 11.18 Bigeminus

11.1.5 Intraventrikuläre
Diese können Vorboten oder Ausdruck kardialer Leitungsstörungen
Erkrankungen sein.
4 Couplets – 2 VES hintereinander Ein Schenkelblock (. Abb. 11.22) stellt eine Blockie-
(. Abb. 11.15) rung der Reizleitung im Bereich der Tawaraschen-
4 Triplets – 3VES hintereinander (. Abb. 11.16) kel dar. Elektrokardiografisch zeigt sich diese in ei-
4 Salve – >3 VES hintereinander, < 30 s Dauer ner QRS-Verbreiterung.
(. Abb. 11.17) Eine Unterteilung der Schenkelblöcke findet ei-
4 Bigeminus – Sinusschlag – VES – Sinusschlag nerseits entsprechend der Lokalisation sowie ande-
– VES (. Abb. 11.18) rerseits entsprechend der QRS-Verbreiterung in
4 Trigeminus I – Sinusschlag – VES – VES – »komplett« oder »inkomplett« statt. Liegen mehrere
Sinusschlag – VES – VES (. Abb. 11.19) Blockbilder vor, so kann das Blockbild als bifasziku-
4 Trigeminus II – Sinusschlag – Sinusschlag – lärer oder bilateraler Block beschrieben werden. Ein
VES – Sinusschlag – Sinusschlag – VES Schenkelblock kann auch nur funktionell auftreten,
(. Abb. 11.20) d. h. z. B. im Rahmen einer tachykarden Überlei-
132 Kapitel 11 · Durchführung und Bewertung internistischer Diagnoseverfahren

Einteilung-Schenkelblock

Inkompletter Block – QRS 100–120 ms

Kompletter Block – QRS >120 ms

Rechtsschenkelblock
Linksanterior
Linksschenkelblock
Linksposterior

Bifaszikulärer Block

Bilateraler Block

. Abb. 11.22 Einteilung Schenkelblock

tung aus dem Vorhof und bei normofrequenter jSchenkelblock (rechts oben Rechtsschenkel-
Überleitung nicht mehr nachweisbar sein. block, sonst Linksschenkelblock)
Für die Entscheidung, ob und wo ein Schenkel-
block vorliegt, wird die Verzögerung des oberen Blockvarianten
Umschlagpunktes im EKG genutzt. Als oberer 5 Rechtsschenkelblock: Oberer Umschlags-
Umschlagspunkt wird der Beginn der letzten Ne- punkt verzögert (>30 ms) in V1
gativitätsbewegung bezeichnet. 5 Linksschenkelblock: Oberer Umschlagpunkt
11 verzögert (>50 ms) in V6
jNormal (. Abb. 11.23)

Normal Schenkelblock (rechts oben Rechtsschenkelblock,


sonst Linksschenkelblock)

> 30 ms / 50 ms
< 30ms /50 ms

. Abb. 11.23 Normales EKG


11.1 · Das Elektrokardiogramm – EKG
133 11
T-Welle (. Abb. 11.25)
5 Linksanteriorer Hemiblock: Überdrehter
Linkstyp + S-Persistenz bis V6 + normale T-Welle
QRS-Breite
T- Negativierungen als Zeichen älterer Ischämien.
5 Linksposteriorer Hemiblock: Überdrehter
Rechtstyp oder Rechtstyp + ggfs. Rechts-
schenkelblock
5 Bifaszikulärer Block: RSB + LAHB oder LPHB
(RSB= Rechtsschenkelblock, LAHB= Links-
anteriorer Hemiblock, LPHB= Linksposterio-
rer Hemiblock)
5 Bilateraler Block: Block aller Schenkel unter-
halb des Hisbündels, entspricht im EKG ei-
nem AV-Block III°

11.1.6 Ischämiezeichen . Abb. 11.25 T-Negativierungen als Zeichen älterer


Ischämien
Das sichere Erkennen und Deuten von Ischämiezei-
chen im EKG kann im Zweifelsfall lebensrettend Q-Zacke Mindestens in zwei zusammenhängenden
sein. Deshalb sollte sich jeder angehende Arzt hier- Ableitungen muss sich eine pathologische Verände-
mit besonders gründlich beschäftigen. rung zeigen (. Abb. 11.26)

jST-Strecke Q-Zacke:
Senkung (Subendokardiale Ischämie) . Abb. 11.24
Mindestens in zwei zusammenhängenden Ableitungen.

ST- Strecke
Senkung (Subendokardiale Ischämie)

> 30 ms, Amplitude > 1 R


4

. Abb. 11.26 Pathologische Veränderung der Q-Zacke

Hebung (Transmurale Ischämie)

Häufige Lokalisation der Ischämie


5 Vorderwand: I, aVL, V1 – V4
5 Lateralwand: I, aVL, V5 – V6
5 Inferior: II, III, aVF

Bei V. a. auf eine posteriore Infarktlokalisation


an die Ableitungen V7 – V9 denken!
. Abb. 11.24 ST-Strecken-Senkung und -Hebung
134 Kapitel 11 · Durchführung und Bewertung internistischer Diagnoseverfahren

11.2 Ergometrie 4 Vor Testbeginn


5 Optimale Einstellung des Ergometers
Ergometrie ist ein diagnostisches Verfahren, durch (Standard: Fahrradergometer)
das der V. a. myokardiale Ischämien unter Belas- 5 Anlegen der Blutdruckmanschette und des
tung aufgedeckt werden können. EKG
5 Messung des Ruheblutdrucks, Ruhe-Herz-
Indikationen/Kontrandikationen frequenz, Ruhe-EKG
Typische Indikationen 4 Testphase
5 V. a. belastungsinduzierte Myokardischämien 5 ggf. 1-2 Minuten ohne Last (Aufwärm-
5 V. a. belastungsinduzierte Herzrhythmus- phase)
störungen 5 Start mit 25 Watt (Sportler 50 W)
5 V. a. Belastungshypertonie 5 Steigerung um 25/50 W alle 2 Minuten
5 Beurteilung kardiale Leistungsfähigkeit 5 Ziel-Trittfrequenz 50–60
(z. B. im Rahmen von Gutachten, sportärzt- 5 Ziel-Belastungsdauer: 8–12 Minuten
lichen Untersuchungen, Therapieerfolge) 4 Abbruch des Tests
5 Erreichen der max. zu erreichenden Herz-
Wichtige Kontraindikationen frequenz oder der max. zu erreichenden
5 Akute Ereignisse wie: frischer Myokard- Solleistung.
infarkt (< 3 Wochen), dekompensierte Herz- 5 Auftreten von Abbruchskriterien
insuffizienz, Myo-Endo-Perikarditis, frischer (siehe unten)
Schlaganfall, akute fieberhafte Infekte, fri-
sche thrombembolische Ereignisse Wichtige Parameter
5 Instabile Angina Pectoris Max. zu erreichende Herzfrequenz:
5 Ruhe-Blutdruck-Werte > 220/120 mmHg 220 – Lebensalter für Sportler, Gesunde 200 –
11 5 Schwere pulmonale Hypertonie Lebensalter für Patienten
5 Hochgradige Aortenstenose Max. zu erreichende: 3 W/ kg – 1% / Lebens-
5 Maligne Herzrhythmusstörungen jahr > 30. Lebensjahr
5 Symptomatische, höhergradige AV-Blockie-
rungen Sollleistung
Bsp.: Patient 80kg, 180cm Körpergröße,
50 Jahre = 3W x 80 Kg - 20% (1% pro Lebens-
> Während der Ergometrie können jederzeit jahr ab > 30.Lj)
schwere Komplikationen wie ein akuter
Myokardinfarkt, maligne Kammertachy-
kardien, Schlaganfälle, Synkopen mit Sturz > Abbruchkriterien
und Verletzungen bis hin zur Reanimations- 5 Auftreten von Angina pectoris
pflichtigkeit und zum Tod des Patienten 5 Auftreten subjektiver Symptome wie
auftreten. Aus diesem Grund ist eine ausführ- Schwindel, Übelkeit, Luftnot starke
liche ärztliche Aufklärung mit schriftlichem Erschöpfung
Einverständnis durch den Patienten uner- 5 Ventrikuläre Tachykardie oder Brady-
lässlich. kardien
5 Signifikante ST-Strecken-Senkung/
jDurchführung Hebung
Aufgrund oben genannter Komplikationen sollte 5 RR-Anstieg > 230 mmHg systolisch,
eine Ergometrie in Anwesenheit eines Arztes plötzlicher RR-Abfall >10 mmHg
durchgeführt werden. Bei Patienten mit höherem 5 Fehlender HF-Anstieg
Risikoprofil empfiehlt sich vorab das Legen eines
venösen Zugangsweges.
11.3 · Spirometrie
135 11
jAuswertung 4 Verlaufsbeobachtung, Therapiekontrolle,
Während der Belastung ist auf Veränderungen im Begutachtung
EKG, des Blutdruckverhaltens und des Herzfre- 4 Präoperative Diagnostik
quenzverlaufs zu achten.
jWichtige Kontraindikationen
Blutdruck (RR) 4 Akute Ereignisse wie z. B. frischer Myokard-
4 Norm: RR-Anstieg systolisch 5–10 mmHg/20– infarkt, fulminante Lungenarterienembolie
30 W, diastolisch ± 10 mmHg/gesamter Test 4 Aortenaneurysma Spannungspneumothorax
4 Belastungshypertonie: RR-Anstieg bei 75 W 4 Hämatopneumothorax, fluride Pneumonie
>180/95 mmHg bei 100 W > 200/100 mmHg 4 Jeder lebensbedrohliche Zustand

EKG Zeichen der Myokardischämie – deszendie- jDurchführung


rende/horizontale ST-Senkungen ≥ 0,1 mV 4 Spirometriegerät mit Atemstück
4 Aszendierende ST-Senkung ≥ 1,5 mV 5 Patienten ruhig über dieses Atemstück ein-
4 ST-Hebung ≥0,1 mV und ausatmen lassen
4 Neu auftretende Schenkelblockbilder 5 Nach Expiration – Atemkommando zur
tiefen Einatmung
Herzrhythmusstörungen 5 Dann Atemkommando zur schnellen maxi-
4 VES, Couplet, Triplet, Salven, Bigeminus etc. malen Ausatmung
4 Ventrikuläre (supraventrikuläre) Tachykardie 5 Danach normal weiteratmen
4 Bradykardien, AV- Blöcke, SA- Blöcke, Schen- 5 Erneute forcierte Ein-/Ausatmung
kelblöcke > Motivation ist alles! Die Patienten müssen
sowohl bei der forcierten Ein- als auch Aus-
Erholungsphase Norm – innerhalb von max. 3 Mi-
atmung maximal motiviert werden, damit
nuten Abfall der RR-Werte und der Herzfrequenz der Versuch korrekte Messwerte ergibt. Bei
auf die Ausgangswerte mangelnder Mitarbeit sind die erzielten
4 Keine Herzrhyhtmusstörungen, keine Erre- Ergebnisse meist nicht verwertbar.
gungsrückbildungsstörungen
jAuswertung
Gemessene Parameter
11.3 Spirometrie 4 VC = Vitalkapazität, Volumen, was zwischen I
und E bewegt wird
Die Spirometrie ist ein schnelles und einfach durch- 4 FVC= Forcierte Vitalkapazität, Volumen, dass
zuführendes Testverfahren, um die Lungenfunktion nach max. I ausgeatmet werden kann
eines Patienten nicht-invasiv beurteilen zu können. 4 FEV1= Einsekundenkapazität, Volumen, dass
Besonders zur Quantifizierung, Schweregradeintei- nach max. I innerhalb von 1 s max. ausgeatmet
lung und Therapiekontrolle einer Obstruktion hat werden kann
sich dieses Testverfahren bewährt. Daneben erhält 4 FEV1/FVC= Tiffeneau-Index, relative Ein-
der Untersucher ebenfalls Hinweise auf eine vorlie- sekundenkapazität (I = Inspiration, E = Expi-
gende Restriktion. Diese muss allerdings in einer ration)
weiterführenden, nachfolgenden Lungenfunktions-
diagnostik (z. B. Bodyplethysmographie) quantifi- jFluss-Volumen-Kurve
ziert werden. Das Spirometriegerät gibt zweierlei aus: eine grafi-
sche Darstellung der Fluss-Volumen-Kurve (. Abb.
jTypische Indikationen 11.27) und eine Tabelle mit entsprechenden Mess-
4 V. a. Atemwegserkrankungen (COPD, Asthma werten. Die grafische Darstellung ermöglicht be-
bronchiale) reits eine Blickdiagnose einer Obstruktion, Restrik-
4 Dyspnoe, Husten und/oder Auswurf tion oder eines Emphysems.
136 Kapitel 11 · Durchführung und Bewertung internistischer Diagnoseverfahren

Ruhespirometrie Forcierte Spirometrie Ruhespirometrie


1 Sekunde

FEV1 FVC
Volumen (L)

Inspiration

Expiration

Zeit (s)

. Abb. 11.27 Fluss-Volumen-Kurve (S2k- Leitlinie der deutschen Atemwegsliga, der deutschen Gesellschaft für Pneumo-
logie und Beatmungsmedizin und der deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin zur Spirometrie, Leit-
linie 020-017

jInterpretation (. Abb. 11.29) 11.4 Schellong-Test


Obstruktion (. Abb. 11.28)
FEV1 / FVC < 70% (altersabhängig 70 – 80 Jahre Dieser Test wird in der Klinik gern angewandt, um
11 <65%, >80 Jahre <60%) bei Patienten mit V. a. Synkopen und Schwindel
aufgrund einer Kreislaufdysregulation die Kreis-
Schweregradeinteilung lauffunktion, d. h. die Veränderungen des Blut-
nach GOLD drucks und der HF in Ruhe im Liegen, Stehen und
I, leicht: FEV1, >80% beim Wechsel der Körperposition, zu beurteilen.
II, mittelschwer: FEV1, 50–80%
jDurchführung (. Tab. 11.1)
III, schwer: FEV1, 30–50 %
IV, sehr schwer: FEV1, <30 % 4 5 Minuten Liegen – 10 Minuten Stehen –
5 Minuten Liegen
laut Leitlinie (S2k 020-017) 4 Jede Minute Messung des Blutdrucks sowie der
I, leicht: FEV1 >60% HF
II, mittelschwer: FEV1 40–60% 4 Empfehlung: zur Dokumentation vorbereitete
III, schwer: FEV1 <40% Tabellen nutzen (. Tab. 11.1)

jAuswertung
Restriktion (. Abb. 11.28) FEV1/FVC > 70%, FVC 4 Normale Reaktion: syst. RR-Abfall <20 mmHg,
< 80% diastol. <10 mmHg
4 Mögliche Symptome: Schwindel, Bewusst-
Schweregradeinteilung seinsstörungen, Schweißausbruch, Palpita-
I, leicht: FVC >60% tionen, Übelkeit, Ohrensausen, Blässe
II, mittel:: FVC 40–60% 4 Orthostatische Hypotonie: Sympathikoton:
III, schwer: FVC <40 % Abfall syst. RR >20 mmHg, Anstieg HF
> 20/min
11.4 · Schellong-Test
137 11

Normalbefund Obstruktion (Sesselform) Emphysem (Emphysemknick)

Extrathorakale Stenose Intrathorakale Stenose Restriktion (Eiform)


(Plateau in Einatmungsphase) (Plateau in Ausatmungsphase)

. Abb. 11.28 Restriktive und obstruktive Störung (S2k- Leitlinie der deutschen Atemwegsliga, der deutschen Gesellschaft
für Pneumologie und Beatmungsmedizin und der deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin zur Spiro-
metrie, Leitlinie 020-017)

Ja FEV1/FVC < 70 % Nein

FVC

> 80 % < 80 %

Obstruktion Normalbefund Restriktion

Grad nach FEV1 Fluss – Volumen – Kurve? Grad nach FVC

Weiterführende
Lungenfunktionsdiagnostik

. Abb. 11.29 Algorithmus bei Lungenfunktionsstörungen (S2k- Leitlinie der deutschen Atemwegsliga, der deutschen Ge-
sellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin und der deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin
zur Spirometrie, Leitlinie 020-017)
138 Kapitel 11 · Durchführung und Bewertung internistischer Diagnoseverfahren

. Tab. 11.1 Tabelle zur Dokumentation der Ergebnisse beim Schellong-Test

Liegen Stehen Liegen

Min 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 1 2 3 4 5

mmHg

170

160

150

140

130

120

110

100

90

80

70

60

50

40
11 30

20

10

4 Asympathikoton: Abfall systol. RR >20 mmHg,


diastol >10 mmHg, HF gleichbleibend
4 Orthosthaseintoleranz: HF-Anstieg >30/min
(posturales orthosthatisches Tachykardiesyn-
drom)
> Es sollte genau auf die Korrelation der typi-
schen Symptomatik (z. B. Schwindel) mit den
auftretenden Herz-Kreislauf-Veränderungen
geachtet werden.
139 12

Diagnostik und Beurteilung


im Notfall
Carl Meißner

12.1 Standardmonitoring – 140


12.1.1 Pulsoxymetrie – 140
12.1.2 Blutdruckmessung – 140
12.1.3 Elektrokardiogramm (EKG) – 141
12.1.4 Blutzuckermessung (BZ-Messung) – 142
12.1.5 Körpertemperaturmessung – 142
12.1.6 Blutgasanalyse – 142
12.1.7 Kapnometrie – 143

12.2 EKG – kardiales Monitoring und


EKG-Rhythmusdiagnostik – 144

12.3 Labor – 147


12.3.1 Klinische Chemie – 147
12.3.2 Gerinnung – 148
12.3.3 Kleines Blutbild – 149
12.3.4 Differentialblutbild – 149
12.3.5 Therapeutische Be reich von Medikamenten – 150
12.3.6 Hormone – 150
12.3.7 Hepatitisserologie – 151
12.3.8 Tumormarker – 151
12.3.9 Blutgasanalyse (BGA) – 151
12.3.10 Eiweiße (Proteine) – 151
12.3.11 Elektrophorese – 151
12.3.12 Urinanalyse – 151
12.3.13 Stuhluntersuchung auf Blut – 152
12.3.14 Immunologie – 152
12.3.15 Autoantikörper – 152
12.3.16 Pathologische Laborwerte und deren Erkrankung – 155

12.4 Sonografie – 156

12.5 Röntgenthorax – 157

C. Meißner (Hrsg.), Basic Skills PJ,


DOI 10.1007/978-3-662-48703-7_12, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
140 Kapitel 12 · Diagnostik und Beurteilung im Notfall

Sowohl im präklinischen Rettungsdienst als auch in 12.1.2 Blutdruckmessung


der Notfallambulanz steht heute eine Reihe von
Apparaturen zur Verfügung, die eine Überwachung Die Blutdruckmessung nach Riva Rocci (RR) oder
des Notfallpatienten ermöglichen. In der Notfall- mithilfe einer oszillatorischen Messung (NIBP) ist
medizin sind vor allem das 12-Kanal-EKG, das Puls- bei jedem Notfallpatienten unerlässlich.
oxymeter und die Möglichkeit der Bestimmung von Der Referenzbereich für den systolischen und
Blut- und Urinwerten bzw. die bildgebende Darstel- diastolischen Blutdruck wird von der WHO (Welt-
lung die ersten diagnostischen Schritte. In diesem gesundheitsorganisation) wie folgt formuliert
Kapitel sollen die wesentlichen Aspekte hierzu kurz (. Tab. 12.1):
dargestellt werden. Ein erhöhter arterieller Blutdruckwert wird Hy-
pertonie genannt. Ein erniedrigter arterieller Blut-
druck Hypotonie. Häufiger, gefährlich und damit
12.1 Standardmonitoring klinische relevanter ist die Hypertonie.
> Die Hypotonie macht meist wesentlich mehr
Durch den steigenden Anspruch an die notfallme- Beschwerden (Schwindel, Schwarzwerden
dizinische Grundversorgung und die Erkenntnis, vor den Augen, Müdigkeit etc.), ist aber un-
dass eine frühzeitige und optimale Versorgung vor gefährlicher als die Hypertonie, die häufig
Ort das Auskommen in der Klinik verbessert wird klinisch stumm verläuft, aber Gefäße und
diesem Trend zum Wohle des Patienten Vorschub Herz vielmehr beansprucht und schädigt.
geleistet.
Es ist Standard, die Notfallpatienten primär zu Die Blutdruckmessung kann auf zweierlei Weisen
untersuchen und durch ein angepasstes Monitoring erfolgen:
zu beobachten. So können pathologische Zustände 4 Blutige Blutdruckmessung: ein Druckfühler
oder Veränderungen frühzeitig festgestellt und the- wird direkt ins Blutgefäß gebracht und der dort
rapiert werden. herrschende Druck registriert.
Trotz aller Technik ist immer noch daran zu 4 Unblutige Blutdruckmessung: indirekte
denken, seine eigenen 5 Sinne einzusetzen, denn Messmethode mit Druckmanschette am Ober-
12 auch moderne Technik unterliegt Messfehlern, die arm oder Handgelenk. Entweder akustisch
sich nur mit genauen Kenntnissen von Geräten und über die Korotkoff-Geräusche oder pulsoszil-
Fehlmessungseinflüssen einschätzen lassen. lometrisch. Klinisch ist die unblutige Methode
> Zu den Komponenten des Basismonitorings
am weitesten verbreitet, während die blutige
zählen die Pulsoxymetrie, die Blutdruckmes-
Blutdruckmessung nur im Bereich der Inten-
sung, das Elektrokardiogramm (EKG), die
sivmedizin oder in der klinischen Forschung
Blutzuckermessung (BZ-Messung), die Kör-
eingesetzt wird. Die Einheit des Blutdruck-
pertemperatur und die Blutgasanalyse (BGA).

12.1.1 Pulsoxymetrie

Die Pulsoxymetrie dient zur Messung der prozen-


tualen Sauerstoffsättigung des Hämoglobins (SpO2)
sowie der peripheren Pulsbestimmung. Sie ist zu
einem der wichtigsten präklinischen Parameter ge-
worden, weil hiermit quantitativ und schnell be-
drohliche Störungen des Patienten zu detektieren
sind.
Es ist sowohl eine Messung an den Fingern als
auch am Fuß (. Abb. 12.1) möglich. . Abb. 12.1 Pulsoxymetrie am Fuß. (Aus Rücker 2011)
12.1 · Standardmonitoring
141 12

. Tab. 12.1 Referenzbereiche bei der Blutdruckbe-


stimmung

Bewertung Systolischer Diastolischer


Wert (mmHg) Wert (mmHg)

Optimal < 120 < 85

Normal < 130 < 85

Hoch normal 130–139 85–89

Hypertoniegrad I 140–159 90–99

Hypertoniegrad II 160–179 100–109

Hypertoniegrad III < 180 < 110


. Abb. 12.2 Defibrillator. (Aus Rücker 2011)

wertes ist »mmHg« = mm Quecksilbersäule. Fast alle EKG-Sichtgeräte verfügen zusätzlich über
Eine gängige Abkürzung für den arteriellen einen Defibrillator, der halb- oder vollautomatisch
Blutdruck ist RR nach Scipione Riva-Rocci, den Herzrhythmus analysieren kann und nach ent-
1863–1973, einem italienischen Internist. sprechender Indikation die manuelle oder vollau-
tomatische Freigabe zur Defibrillation vornimmt
(Die Weltgesundheitsorganisation stellt die Werte (. Abb. 12.2, . Abb. 12.3). Auch als externer
für den Blutdruck, jedoch ist der initiale Richtwert Schrittmacher können einige Geräte verwendet
vor Jahren von einer großen amerikanischen Versi- werden.
cherungsgesellschaft als Pulsgeber der Einteilung
gekommen.)

Zwischenmenschliches
Die ersten festgelegten Blutdruckwerte wurden
durch eine Versicherungsgesellschaft mehr oder
weniger definiert. Hier wurde bemerkt, dass Versiche-
rungsnehmer mit erhöhten Werten die Versicherung
häufiger in Anspruch genommen hatten. Hierdurch
wurden die ersten »Richtgrenzen« gesetzt.

12.1.3 Elektrokardiogramm (EKG)

Das EKG-Ableitungsmonitoring wird bei der Dia-


gnostik von Rhythmusstörungen oder zur Herz-
überwachung eingesetzt (7 Kap. 11).

> Bei Verdacht auf einen akuten Myokard-


infarkt oder anderen Störungen des Herzens
werden die Extremitäten ableitend nach
Eindhoven (I, II und III, bipolar), Goldberger
(aVR, aVL und aVF, unipolar) und die Brust-
wandableitung nach Wilson (V1-V6, unipolar)
aufgezeichnet. . Abb. 12.3 Platzierung der Elektroden. (Aus Rücker 2011)
142 Kapitel 12 · Diagnostik und Beurteilung im Notfall

gen. Die Geräte sollten einen Temperaturbereich


von mindestens 28–41 °C haben. Die sogenannten
altbekannten Glasfieberthermometer sind wegen
der Bruchgefahr obsolet. Klassische, nunmehr elek-
tronische Fieberthermometer arbeiten zu langsam
und liefern an der Körperoberfläche sehr ungenaue
Werte. Bei Verletzungen oder Zuständen, die kei-
nen freien Weg zum Trommelfell zulassen (Verun-
reinigung durch z. B. Cerumen, Fremdkörper oder
Wasser im Gehörgang), können die gemessenen
Werte eines Infrarotthermometers von der tatsäch-
. Abb. 12.4 Blutzuckermessungsequipment. (Aus Rücker
lichen Körperkerntemperatur abweichen, da der
2011) Infrarotsensor freie Sicht auf das Trommelfell haben
muss.

12.1.4 Blutzuckermessung
(BZ-Messung) 12.1.6 Blutgasanalyse

Die Blutzuckermessung dient der Bestimmung des Synonym: BGA, aber auch unter dem Eponym
Glukosespiegels im Blut. Heutzutage gibt es sehr Astrup nach Poul Bjørndahl Astrup bekannt
kompakte Blutzuckermessgeräte (. Abb. 12.4). Die Blutgasanalyse ist ein diagnostisches Ver-
> Die Blutzuckermessung sollte zum diagnosti-
fahren, welches Aussagen über die Gasverteilung
schen Standard gehören, da eine Unterzucke-
von Sauerstoff, Kohlendioxid und über den pH-
rung (Hypoglykämie) lebensbedrohliche Be-
Wert inklusive dem Säure-Basen-Haushalt ermög-
wusstseinsstörung induzieren kann und mit-
licht.
tels Glukoselösung einfach zu therapieren ist.
Was wird benötigt? Für die Blutgasanalyse wird
12 arterielles Vollblut benötigt, z. B. im Rahmen der
jAnleitung zur Durchführung einer arteriellen Punktion auf der Intensivstation oder im
Blutzuckermessung (. Abb. 12.5) Operationssaal (bevorzugt A. radialis).
1. Desinfektion Aber es kann auch Kapillarblut aus der Finger-
2. Benutzung einer Einmallanzette beere verwendet werden. In der Notfallsituation
3. 1. Bluttropfen ist zu entfernen muss es schnell gehen und hier genügt oftmals ve-
4. Testung des 2. Bluttropfens auf Blutzucker. nöses Blut (sog. venöse BGA).
Die Auswertung der Blutprobe erfolgt maschi-
nell und dauert i. d. R. wenige Minuten. BGA-Ge-
12.1.5 Körpertemperaturmessung räte werden häufig zur Sofortdiagnostik (in Not-
fallambulanz, Operationstrakt und Intensivstation)
Die Temperaturmessung gehört ebenfalls zur Basis- vorgehalten.
diagnostik. Sie wird mit einem Infrarotthermo-
meter im Ohr durchgeführt (. Abb. 12.6), das die Referenzbereich Der pH-Wert in der BGA sollte
Temperatur am Trommelfell misst (Korrelation eng bei Werten zwischen 7,36 bis 7,44 liegen.
zur Körperkerntemperatur). Abweichungen, unterhalb oder oberhalb dieses
Die Messung dauert nur einige Sekunden. Eine Normbereiches, werden als Azidose oder Alkalose
wichtige Indikation ist die Feststellung von Fieber- bezeichnet. Der Sauerstoffpartialdruck (pO2) sollte
zuständen, Hypotonien bei Notfallpatienten sowie je nach Alter zwischen 72 und 107 mmHg liegen
die Ermittlung des Körperkerntemperaturverlaufs und es sollte eine Sauerstoffsättigung von 95–99%
bei Fiebersenkung und Kühlung nach Verbrennun- vorhanden sein.
12.1 · Standardmonitoring
143 12

a b

c d

. Abb. 12.5a-e Durchführung einer Blutzuckermessung.


e (Aus Rücker 2011)

Der Kohlendioxidpartialdruck (pCO2) sollte das Standardbikarbonat zwischen 23 bis 27 mmol/l


zwischen 35 und 46 mmHg bei Männern und 32 bis betragen.
43 mmHg bei Frauen betragen. Ist dieser aber ge-
ringer, so ist dies ein Zeichen einer Hyperventila-
tion, ist er höher, liegt eine Hypoventilation vor. Bei 12.1.7 Kapnometrie
einem Basendefizit von 0 mval/l mit einem Refe-
renzbereich von -2 bis +3mmol/l sollte das aktuelle Die sogenannte Kapnometrie ist in der klinischen
Bikarbonat zwischen 21 bis 26 mmol/l liegen und Anästhesie für die Narkoseführung vorgeschrieben.
144 Kapitel 12 · Diagnostik und Beurteilung im Notfall

> Risikopatienten sind solche mit unklaren


Brustschmerzen, Bewusstseinsstörungen,
Herzschwäche, Palpitation oder einem
Schock. Alle Risikopatienten benötigen des-
halb ein EKG-Monitoring!

Beim Auftreten einer Rhythmusstörung kann schon


das Monitoring einer einzelnen EKG-Ableitung
hilfreich sein, führt jedoch nicht immer zur exakten
Rhythmusdiagnose. Deshalb sollte nach Möglich-
keit immer ein 12-Kanal-EKG zur Dokumentation
der Rhythmusstörung erfolgen.
Das Monitoring einer einzelnen Ableitung ist
. Abb. 12.6 Temperaturmessung im Ohr. (Aus Rücker 2011)
keine verlässliche Technik, um Hinweise auf eine
Myokardischämie (ST-Streckensenkung) zu er-
Dies sollte auch im präklinischen Bereich, der Not- kennen.
fallmedizin, ein Standard sein. Kapnometrisch wird Im Kreislaufstillstand ist das Erkennen des
der sogenannte endexspiratorische CO2-Gehalt der Kammerflimmerns (VF) und der pulslosen ventri-
Ausatemluft gemessen. Dieser entspricht bei weit- kulären Tachykardie (VT) als defibrillierbarer
gehend normaler Lungenfunktion dem arteriellen Rhythmus ausschlaggebend für die erfolgreiche
CO2-Partialpunkt (PCO2). Die Messung hat zwei Therapie. Automatisch externe Defibrillatoren
positive Effekte: (AED) und Geräte mit halbautomatischen Bera-
4 Zum einen ist es möglich, im Rahmen der In- tungsfunktionen können diese Rhythmen durch
tubation sicher zu überprüfen, ob der Tubus elektronische Auswertung verlässlich erkennen.
endotracheal liegt (da er bei ösophagealer Lage Falls hier ein defibrillierbarer Rhythmus vorliegt,
nicht zu einer regelmäßigen CO2-Detektion lädt der Defibrillator die geeignete Energie und in-
kommt). formiert den Anwender über die Notwendigkeit des
12 4 Zum anderen lässt sich bei der Beatmung der Schocks. Die Einführung des AEDs hat es ermög-
PCO2 regulieren, sodass extreme Hyper- und/ licht, dass Helfer ohne ausreichende Kenntnisse in
oder Hypoventilationen vermieden werden. Rhythmusdiagnostik sowohl innerklinisch als in
der Öffentlichkeit bei VS/VT erfolgreich eine The-
rapie einleiten können. Die korrekte Diagnose eini-
12.2 EKG – kardiales Monitoring ger Herzrhythmusstörungen erfordert Fachwissen
und EKG-Rhythmusdiagnostik und Erfahrung, allerdings kann auch der Nichtfach-
mann die meisten Rhythmusstörungen ausreichend
Bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand ist die Beurtei- für eine geeignete Therapie beurteilen. Oberste Pri-
lung des Herzrhythmus bedeutsam für das Einleiten orität hat dabei, das Vorliegen einer Rhythmusstö-
der korrekten Therapie. Deswegen sollte so früh wie rung sowie unangemessene schneller oder langsam
möglich ein EKG-Monitoring erfolgen (siehe auch werdende Frequenzen zu erkennen. Um Fehler zu
7 Kap. 11). vermeiden, ist daher ein strukturiertes Herangehen
Bei einigen Patienten besteht immer die Gefahr, an die Rhythmusinterpretation erforderlich. Die
dass eine Herzrhythmusstörung zum Kreislaufstill- Dringlichkeit der Therapie wird mehr durch die
stand oder anderen schwerwiegenden Verschlech- Auswirkung der Rhythmusstörung auf den Patien-
terungen des Gesundheitszustandes führen kann. tenzustand als durch die Art der Rhythmusstörung
Das frühzeitige Erkennen und Behandeln einer bestimmt. Bei einer Rhythmusstörung muss zuerst
Rhythmusstörung kann im Einzelfall den Kreislauf- der Zustand des Patienten beurteilt werden. Erst
stillstand oder eine lebensbedrohliche Entwicklung dann erfolgt die bestmögliche Interpretation des
verhindern. Rhythmus.
12.2 · EKG – kardiales Monitoring und EKG-Rhythmusdiagnostik
145 12
> Behandle den Patienten und nicht das EKG! 4 Selbstklebende Elektrodenpads können für das
Monitoring und die freihändige Schockabgabe
EKG-Geräte zeigen das EKG auf einem Bildschirm benutzt werden (. Abb. 12.3).
in Echtzeit an. Das Signal wird durch selbstklebende 5 Die Pads in der üblichen »Paddle-Position«
Elektroden an der Haut des Patienten aufgenom- aufkleben sowie unter dem rechten Schlüs-
men und über Kabel oder Telemetrie zu einem Mo- selbein und der linken Brustwand. Kann die
nitor übertragen. Viele Geräte haben weitere Funk- übliche Position nicht verwendet werden,
tionen, wie die Möglichkeit EKG-Streifen auszu- ist die anterior-posteriore Platzierung als
drucken oder zu speichern. Die meisten modernen Alternative sinnvoll (z. B. beim rechts-
Geräte verfügen über eine Anzeige der Herzfre- pectoralem Schrittmacher oder linkssei-
quenz, einige haben programmierbare Alarme, die tigem Brustwandtrauma).
bei einer Über- oder Unterschreitung eines einge- 4 Stellableitung: Die meisten manuellen Defi-
stellten Herzfrequenzbereichs warnen. Viele Sys- brillatoren ermöglichen ein EKG-Monitoring
teme ermöglichen das Monitoring anderweitig, wie über die manuelle Hardpaddeds, wenn diese
Blutdruck oder Sauerstoffsättigung, die für die Be- auf die Brustwand aufgesetzt werden. Dies ist
urteilung von Risikopatienten wichtig sind. jedoch nicht nur für eine Stellableitung geeig-
net. Die Herzdruckmassage sollte nur für
jAnlegen des EKGs wenige Sekunden zur Rhythmusbeurteilung
Die Elektroden sollten wie in . Abb. 12.3 gezeigt unterbrochen werden. Falls über die Paddles
angelegt werden. Die Haut muss dabei trocken und abgeleitet wird, müssen sie sehr ruhig gehalten
fettfrei sein (evtl. mit Alkoholtupfer oder ähnli- werden, um Bewegungsartefakte zu vermei-
chem reinigen); die Elektroden sollten auf wenig den.
behaartem Gebiet oder nach Rasur dicht behaarter
Stellen angebracht werden. Die Elektroden sollen jDiagnostik im EKG-Monitor
eher über knöchernen Arealen als über Muskulatur Die Anzeige oder der ausgedruckte EKG-Streifen
angebracht werden, damit Indifferenzen durch eines Überwachungsmonitors sind nur für die
Muskelartefakte im EKG minimiert werden. Bei Rhythmuserkennung zu verwenden. ST-Strecken-
Bedarf können verschiedenen Positionen verwen- veränderung oder weitere differenzierte Beurteilun-
det werden, zum Beispiel beim Trauma, postopera- gen können nicht am Monitor-EKG diagnostiziert
tiv oder bei Hauterkrankungen. Häufig sind Ablei- werden.
tungen zu leichtern anbringen bzw. ankleben farb- Hält die Herzrhythmusstörung länger an, ist ein
codiert. Typischerweise wird das Ampelschema rot 12-EKG zu schreiben. Es ist jedoch nicht immer
(rechter Arm), gelb (auf linker Arm) und grün möglich, eine Rhythmusstörung in den einzigen
(linkes Bein bis normalerweise über dem Abdo- Ableitungen zu erkennen. Das Herz ist ein drei-
men, unterer Brustwand platziert) für die modifi- dimensionales Organ und nur in einem 12-Kanal-
zierte Extremitätenableitung angewendet. Primär EKG werden diese elektrischen Signale dreidimen-
sollte die Ableitung 2 für das Monitoring benutzt sional erfasst. Manchmal sind es einzelne Aspekte,
werden, da hier im Regelfall eine gute Amplitude die eine präzise Rhythmusdiagnostik ermöglichen.
der p-Wellen und der QRS-Komplexe gegeben ist. Diese können aber nur in einer der vielen Ableitun-
Falls notwendig kann es zu anderen Ableitungen gen des 12-Kanal-EKGs vorhanden sein. Die EKG-
gewechselt werden, um das bestmögliche EKG-Si- Aufzeichnung ist zum einen für die primäre Rhyth-
gnal zu erhalten. musdiagnostik hilfreich, aber auch für die Verlaufs-
kontrolle und Langzeittherapie notwendig.
jDas präklinische-Notfallmonitoring
Beim Notfall zum Beispiel sollte beim bewusstlo- jGrundlagen der Elektrokardiografie
sen Patienten der EKG-Rhythmus sobald wie mög- (. Abb. 12.7)
lich analysiert werden. Dafür gibt es zwei Möglich- Im Ruhezustand sind die Zellen des Herzreizlei-
keiten: tungssystems und des Myokards polarisiert geladen.
146 Kapitel 12 · Diagnostik und Beurteilung im Notfall

Eine Spannungsdifferenz von ungefähr 90 mV be-


steht zwischen dem Inneren, das geladen ist, und
dem Extrazellulärraum. Eine plötzliche Verschie-
bung der Kalzium- und/oder Natrium-Ionen durch
die Zellmembran bewirkt eine Depolarisation, wo-
bei die elektrischen Signale entstehen, welche durch
das Reizleitungssystem fortgeführt werden, die
dann die Kontraktion der Myokardzellen verursa-
chen. Bei einem normalen Sinusrhythmus beginnt
die Depolarisation in einer Gruppe spezialisierter
Schrittmacherzellen, dem Sinusknoten. Dieser ist
nahe der Eintrittsstelle der oberen V. cava im rech-
ten Vorhof lokalisiert. Die Depolarisationswelle
läuft dann vom Sinusknoten vorübergehend über
das Vorhofmyokard. Dieser Vorgang imponiert im
EKG als sogenannte P-Welle. Die Vorhofkontrak-
tion ist dann die mechanische Antwort auf den elek-
trischen Impuls. Im Ventrikel geschieht die Weiter-
leitung durch ein spezialisiertes Leitungsgewebe.
Beginnend mit der langsamen Weiterleitung durch
. Abb. 12.7 Normales EKG. (Aus Schmidt, Lang, Thews
den atrioventrikular (AV)-Knoten findet eine spe-
2000)
zielle Weiterleitung auf das ventrikuläre Myokard
über spezialisiertes Leitungsgewebe (Purkinje-
fasern) statt. Das His-Bündel verteilt die Fasern gen Ventrikel und erst dann langsamer durch das
vom AV-Knoten zum rechten Kammerschenkel, die reguläre Kammermyokard zum Ventrikel. Dieser
sich dann über den rechten und linken Ventrikel Zustand wird als Schenkelblock bezeichnet, weil
verteilen. Die Depolarisation des His-Bündels, der dabei die Depolarisation beider Ventrikel länger
12 Kammerschenkel und des Ventrikelmyokards er- dauert.
scheint auf dem EKG als QRS-Komplex. Die Kam-
merkontraktion ist mechanische Antwort auf den jLesen eines Rhythmusstreifen
elektrischen Impuls. Zwischen der P-Welle und dem Ein gewisses Fachwissen und Erfahrungen sind not-
QRS-Komplex findet sich eine schmale isoelektri- wendig, um Rhythmusstörungen exakt zu erken-
sche Strecke, die vor allem die Verzögerung der nen.
Überleitung durch den AV-Knoten darstellt. Der 6 Schritte sollten zur Analyse eines jeden EKG-
normale Ablauf einer Vorhofdepolarisation gefolgt Rhythmus verwendet werden:
von einer Kammerdepolarisation (P-Welle gefolgt 1. Ist das EKG überhaupt an?
von QRS-Komplex) ist der Sinusrhythmus. Die 2. Wie hoch ist die ventrikuläre (QRS) Frequenz?
dem QRS-Komplex folgende T-Welle entsteht durch 3. Ist der QRS-Rhythmus regelmäßig oder
die Erregungszurückbildung in den Zellen des Reiz- unregelmäßig?
leitungssystems und im Ventrikelmyokard (ventri- 4. Ist der QRS-Komplex schmal oder verbrei-
kuläre Depolarisation). Weil das normale Reizlei- tert?
tungssystem den Impuls schnell auf beide Ventrikel 5. Ist Vorhofaktivität (T-Welle) erkennbar?
verteilt, ist der normale QRS-Komplex von relativ 6. Stehen Vorhofaktivitäten und Kammeraktivi-
kurzer Dauer (unter 0,12 s). Wenn ein Kammer- täten miteinander in Beziehung? Wie?
schenkel pathologisch verändert ist, wird die
schnelle Weiterleitung entsprechend verhindert. Jeder EKG-Rhythmus kann unter Verwendung der
Der depolarisierende Impuls wandert rasch entlang ersten 4 Schritte genau beschrieben werden. Ist zum
der gegenseitigen Kammerschenkel zum zugehöri- Beispiel eine unregelmäßige schmale Komplexta-
12.3 · Labor
147 12
chykardie, eine regelmäßige Breitkomplextachykar- Zu den ersten Schritten einer zielführenden
die oder dergleichen. Diagnostik zählt auch die Analyse der Blut- und
Urinparamter. Im Folgenden finden Sie daher eine
Übersicht der wichtigsten Normalwerte und der
12.3 Labor pathologischen Abweichungen.
Wichtiger Hinweis: Die hier angegebenen Refe-
Als Normalwerte bezeichnet man sogenannte renzbereiche geben nur eine Orientierung. Da Re-
Richtgrößen zur Beurteilung von Messgrößen (z. B. ferenzbereiche u. a. von den angewendeten Analyse-
Laborparameter). Sie werden meist als Grenzwert- methoden und dem zuständigen Labor abhängen,
bereiche (Normal- oder Referenzbereiche) ange- ist im Zweifelsfall immer der vom untersuchenden
geben, innerhalb derer sich die jeweiligen Mess- Labor angegebene Referenzbereich relevant.
werte von 95 % einer repräsentativen Bevölke-
rungsgruppe befinden.

12.3.1 Klinische Chemie (. Tab. 12.2)

. Tab. 12.2 Klinische Chemie

Wert Referenzbereich Frau Mann Kind Einheit

Natrium 135–148 130-145 mmol/l

Kalium 3,6–5,2 mmol/l

Calcium ges. 2,20–2,65 mmol/l

Calcium ion. 1,15–1,32 mmol/l

Chlorid 95–110 mmol/l

Magnesium 0,7–1,1 mmol/l

Phosphat 0,84–1,45 mmol/l

Glucose 70–100 (nüchtern) mg/dl

Gesamteiweiß 6,6–8,3 g/dl

Harnstoff 10–55 mg/dl

Kreatinin 0,8–1,2 0,9–1,4 mg/dl

Krea.Clearance 98–156 95–160 ml/min

Harnsäure 2,5–5,7 3,5–7,0 mg/dl

Triglyceride 150–200 mg/dl

Cholesterin 140–200 mg/dl

HDL >42 >35 mg/dl

LDL < 130 mg/dl

Eisen 23–163 35–168 μg/dl

Ferritin 35–217 23–110 35–217 μg/l

GOT (= AST) <35 <50 U/l


148 Kapitel 12 · Diagnostik und Beurteilung im Notfall

. Tab. 12.2 (Fortsetzung)

Wert Referenzbereich Frau Mann Kind Einheit

GPT (= ALT) <35 <50 U/l

Gamma-GT 4–18 10–71 U/l

Alkalische Phos- 60–170 70–175 U/l


phatase

GLDH <5 <7 U/l

CHE 3500–8500 U/l

Bilirubin gesamt < 1,1 mg/dl

Bilirubin direkt < 0,3 mg/dl

Ammoniak 20–65 28–80 μg/dl

CK-NAC 10–70 10–80 U/l

Myoglobin ca. < 70 19–56 21–98 ng/ml

Troponin 0,01–0,08 ng/ml

LDH 266–500 U/l

Blutalkohol 0 ‰

Lipase < 60 U/l

Pankreasamylase 17–115 U/l

Osmolalität 280–300 mosm/kg

Lactat < 16 mg/dl

12
12.3.2 Gerinnung (. Tab. 12.3)

. Tab. 12.3 Gerinnungswerte

Wert Referenzbereich Einheit

Quick-Wert 70–100 %

INR 1 dimensionslos

PTT 26–36 sec

PTZ 14–21 sec

Thrombozyten 150–300 Tsd./μl

Fibrinogen 180–350 mg/dl

Antithrombin III (AT3) 70–120 %

Blutungszeit <5 min

PFA-Verschlusszeit, Collagen/Epinephrin 85–165 sec

PFA-Verschlusszeit, Collagen/ADP 71–118 sec


12.3 · Labor
149 12
12.3.3 Kleines Blutbild (. Tab. 12.4)

. Tab. 12.4 Kleines Blutbild

Wert Referenzbereich Frau Mann Säuglinge Einheit

Leukozytenzahl 4,4–11,3 9,4–34,0 Tsd./mikrol

Lymphozyten 20–40 %

Neutrophile 45–85 %

Erythrozytenzahl 4,1–5,4 4,5–6,0 4,0–6,8 Mio./mikrol

Hämoglobin 11,5–16,4 13,5–18,0 14–20 g/dl

Hämatokrit 35–45 36–48 %

MCV 76–88 fl

MCH (HbE) 28–32 pg

Thrombozytenzahl 150–300 Tsd./mikrol

Malarianachweis negativ

Retikulozyten 7–15 o/oo

Retikulozytenhämoglobin 28–35 pg

12.3.4 Differentialblutbild (. Tab. 12.5)

. Tab. 12.5 Differentialblutbild

Zelltyp Anteil an Gesamt-Leukozyten (%) Anzahl /μl (absolut)

Stabkernige neutrophile Granulozyten 3–5 150–400

Segmentkernige neutrophile Granulozyten 54–62 3.000–5.800

Eosinophile Granulozyten 1–3 50–250

Basophile Granulozyten 0–1 15–50

Lymphozyten 25–33 1.500–3000

Monozyten 3–7 280–500

Gesamt-Leukozyten (Erwachsene) 100 4.000–10.000


150 Kapitel 12 · Diagnostik und Beurteilung im Notfall

12.3.5 Therapeutische Be reich von 12.3.6 Hormone


Medikamenten (. Tab. 12.6)
Diabetes-relevante Hormone (. Tab. 12.7)
. Tab. 12.6 Medikamentenspiegel . Tab. 12.7 Diabetes-relevante Hormone

Name Referenzbereich Einheit FT3 1,64–3,45 pg/ml


FT4 0,71–1,85 ng/dl
Digoxin 0,8–2,0 μg/l
TSH basal 0,3–4,0 mI.E./l
Digitoxin 10–30 μg/l
TRH-Test 2–25 mI.E./l
Theophyllin 8–20 mg/l
Beta-HCG < 10 I.U./l
Lithium 0,4–1,3 mmol/l
Insulin 1,6–10,8 mU/l
Amiodaron 0,7–2,0 (> 5 mg/l toxisch) mg/l
Insulin OGTT 1. Std < 140
Vancomycin 5,0–40 (> 5 mg/l toxisch) μg/ml
Fructosamin 2,0–2,8 mmol/dl
HbA1c 4,2–6,2 %

Sexualhormone (. Tab. 12.8)

. Tab. 12.8 Sexualhormone

Hormon Bemerkung Normwert Einheit

FSH Follikelphase 2,5–10 U/l


Ovulation 3–33 U/l
Lutealphase 1–9 U/l
Schwangerschaft < 0,3 ng/l
12 Menopause 23–116 ng/l
LH Follikelphase 2–15 U/l
Ovulation 22–105 U/l
Lutealphase 1–19 U/l
(17-β)-Östradiol Follikelphase 30–120 ng/l
Ovulation 90–330 ng/l
Lutealphase 60–185 ng/l
Schw.1.Tri 100–5500 ng/l
Schw.2.Tri 850–17000 ng/l
Schw.3.Tri 4200–30000 ng/l
Menopause 10–50 ng/l
Progesteron Follikelphase 0,15–1,4 μg/l
Lutealphase 3–25 μg/l
21. Zyklustag >10 μg/l
Prolaktin 3,0–25 μg/l
Androstendion < 3,1 μg/l
DHEAS 0,35–4,3 mg/l
Testosteron 0,85 μg/l
12.3 · Labor
151 12
12.3.7 Hepatitisserologie (. Tab. 12.9) 12.3.10 Eiweiße (Proteine,
. Tab. 12.12)

. Tab. 12.9 Hepatitisserologie


. Tab. 12.12 Proteinwerte
Anti-HAV (IgG/IgM) negativ

Anti-Hbs negativ Protein Referenzbereich Einheit

Anti-HBc ( IgG/IgM) negativ IgE <100 IU/ml

HBs-Antigen negativ IgG 700-1600 mg/dl

Anti-HCV negativ IgA 70-380 mg/dl

IgM 40-230 mg/dl

Transferrin 200 - 360 mg/dl


12.3.8 Tumormarker (. Tab. 12.10)

12.3.11 Elektrophorese (. Tab. 12.13)


. Tab. 12.10 Tumormarker

PSA < 4,0 ng/ml . Tab. 12.13 Elektrophoresewerte


CEA < 5,0 ng/ml
Albumin 55,3–68,9 %
AFP < 11 IU/ml
Alpha1-Globulin 1,6–5,8 %
CA 19-9 < 40 IU/ml
Alpha2-Globulin 5,9–11,1 %

Beta-Globulin 7,9–13,9 %
12.3.9 Blutgasanalyse Gamma-Globulin 11,4–18,2 %
(BGA, . Tab. 12.11)

12.3.12 Urinanalyse (. Tab. 12.14)


. Tab. 12.11 Blutgasanalyse (BGA)

pH 7,37–7,45 . Tab. 12.14 Urinanalyse


pCO2 32–43 M.35-46 W.32–43 mmHg
Leukos < 25 Leu/mikrol
pO2 71–104 mmHg
Erys 2 Erys/mikrol
BE –2 – +3 mmol/l
Plattenepithelien keine
Bikarbonat 21–26 mmol/l
Rundepithelien keine
O2-Sättigung 94–98 %
Bakterien keine

Nitrit 0 mg/dl

pH-wert 6–7

Eiweiß < 10 mg/dl

Glucose 0 mg/dl

Aceton 0 mg/dl

Bilirubin

Urobilinogen

Urinsediment
152 Kapitel 12 · Diagnostik und Beurteilung im Notfall

12.3.13 Stuhluntersuchung auf Blut

* Hämoccult-Test (Guajak-Test): negativ

12.3.14 Immunologie (. Tab. 12.15)

. Tab. 12.15 Immunologie

Wert Allgemein Frau Mann Einheit

CRP < 1,0 < 0,5 mg/dl

PCT (Procalcitonin) < 0,5 ng/ml

Blutsenkung (1. Std) < 25 < 15 mm/h

Immunglobulin G 700–1600 mg/dl

Immunglobulin M 40–280 40–230 mg/dl

Immunglobulin A 70–380 mg/dl

Immunglobulin E bis 100 IU/ml

RF < 40

Anti-Citrullin-AK

ASL < 200

12.3.15 Autoantikörper (. Tab. 12.16)


12
Beim Gesunden sind Autoantikörper i. d. R. i. d. R.nicht nachweisbar.

. Tab. 12.16 Autoantikörper

Autoantikörper Vorkommen bei

Acetylcholin-Rezeptor-Antikörper Myasthenia gravis

ANCA (ACPA, Granulozytencytoplasma) Wegener-Granulomatose

Vaskulitiden

Colitis ulcerosa

Morbus Crohn

Primär-sklerosierende Cholangitis

AMA (Mitochondrien) Primäre biliäre Zirrhose

Lues

ANA/ENA-Antikörper (antinukleäre Antikörper) Kollagenosen

Rheumatoide Arthritis

Autoimmune chronische Hepatitis Typ I


12.3 · Labor
153 12

. Tab. 12.16 (Fortsetzung)

Autoantikörper Vorkommen bei

Becherzell-Antikörper Colitis ulcerosa

Colonepithel-AK Colitis ulcerosa

ds-DNS-Antikörper (Doppelstrang-DNS) Lupus erythematodes

Endomysium-Antikörper Zöliakie/Sprue

Dermatitis herpetiformis

Epidermale Basalmembran AK Pemphigoid

GADA (Glutamat-Decarboxylase-Antikörper) Typ-1-Diabetes

Glatte Muskulatur (ASMA) Autoimmune chronisch-aktive Hepatitis

Polymyositis

Primär biliäre Leberzirrhose

Gliadin-Antikörper Zöliakie/Sprue

Dermatitis herpetiformis

Glomerulus-Basalmembran-Antikörper Autoimmune Glomerulonephritis

Goodpasture-Syndrom

Granulozyten-Cytoplasma-Antikörper (ANCA, ACPA) Wegener-Granulomatose

Vaskulitiden

Colitis ulcerosa

Morbus Crohn

Primär-sklerosierende Cholangitis

Histon-Antikörper Medikamentöser LE

SLE

IA2-AK (Tyrosin-Phospatase-Antikörper) Typ-1-Diabetes

Inselzell-Antikörper Typ-1-Diabetes

Insulin-Antikörper Insulinresistenz

Leber-Nieren-Mikrosomen-Antikörper (LKM) Autoimmunhepatitis Typ II

Chronisch-aktive Hepatitis

Medikamenten-induzierte Hepatitis

Lebermembran-Antikörper Chronisch-aktive Hepatitis

Leber-spezifisches Protein (LSP, LSA) Akute Hepatitis

Chronisch-aktive Hepatitis

Primär biliäre Zirrhose

Nebennieren-Antikörper Morbus Addison

Polyglanduläre Autoimmunität Typ 1

NNR-Metastasen
154 Kapitel 12 · Diagnostik und Beurteilung im Notfall

. Tab. 12.16 (Fortsetzung)

Autoantikörper Vorkommen bei

Nebennieren-Antikörper NNR-Einblutungen

(z. B. Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom)

Parietalzell-Antikörper (Magen) Perniziöse Anämie

Chronisch-atrophische Gastritis

Parotis-Antikörper Sjögren-Syndrom

Peroxidase-Antikörper (Schilddrüse) Autoimmunthyreoiditis (Hashimoto)

Myxödem

Phospholipid-Antikörper (ACLA) Primäres Anti-Phospholipid-Syndrom (APLS)

Sekundäres APLS (SLE, Kollagenosen)

Rheumafaktor (RF) Rheumatoide Arthritis

Cyclische Citrullin Peptid-Antikörper Rheumatoide Arthritis

Chronische Lebererkrankungen

Sarkoidose

Interstitielle Lungenerkrankungen

EBV-Infektion

Tuberkulose

Lues

Z. n. Impfung
12 Z.n. Transfusion

Skelett-Muskel-Antikörper Myasthenia gravis

Thymom

Polymyositis

Speicheldrüsen-Antikörper Sjögren-Syndrom

ss-DNS (Einzelstrang-DNS) SLE

Medikamenteninduzierter LE

Rheumatoide Arthritis

Stachelzelldesmosomen Pemphigus vulgaris

Spermatozoen-Antikörper Infertilität

Thyreoglobulin-Antikörper (TAK) Hashimoto-Thyreoiditis

Myxödem

Hypothyreose

TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK) Morbus Basedow

endokrine Orbitopathie

Thrombozyten-Antikörper Autoimmunthrombozytopenie (Morbus Werlhof )


12.3 · Labor
155 12

. Tab. 12.16 (Fortsetzung)

Autoantikörper Vorkommen bei

Tubulus-Basalmembran Autoimmune interstitielle Nephritis

Goodpasture-Syndrom

Autoimmunglomerulonephritis

progressive Glomerulonephritis

12.3.16 Pathologische Laborwerte und deren Erkrankung

. Tab. 12.17 Pathologische Laborwerte

Parameter Pathologisch erhöht Pathologisch erniedrigt

Albumin Erniedrigt bei Mangelernährung, Malassimilation, exsudativer Enteropathie, akuten Infektionen,


Nieren- und Lebererkrankungen, Malignomen. Erhöhung klinisch nicht relevant (relativ bei Flüs-
sigkeitsmangel/Exsikkose).

Alkalische Phos- Osteomalazie, Rachitis, Hyperparathyreoidismus, Malssimilation, Mangelerernährung, Vita-


phatase (aP) Morbus Paget, Knochentumoren, paraneoplas- min-D-Überdosierung, Hypothyreose,
tisch bei Bronchialkarzinom, Nierenzellkarzinom, perniziöse Anämie
Morbus Hodgkin
α-Amylase Erhöht bei akuter Pankreatitis, akutes Abdomen, Nierenerkrankungen, Ulkuspenetration, Mumps,
diabetischer Ketoazidose, Morphingabe
α-Fetoprotein Erhöht bei primärem Leberzellkarzinom und andere Neoplasien (u. a. Keimzelltumoren), fetalen
(AFP) Missbildungen, physiologisch leichte Erhöhung bei Gravidität
Ammoniak Erhöht bei Leberkoma infolge von Leberversagen, Begünstigung durch portokavale Anastomosen
Antithrombin Erniedrigt bei Leberzirrhose, schwerer Hepatitis, nephrotischem Syndrom, Sepsis, intravasaler
(AT) III Gerinnung, angeboren, Östrogentherapie
Bilirubin Erhöht bei Hämolyse, großflächigen Verbrennungen, Morbus Meulengracht, Lebererkrankungen
(u. a. Hepatitis, Zirrhose, Steatose, Karzinom, Metastase, Alkohol, Drogen, Pilze), Erniedrigung
eher ohne Krankheitswert
BSG(BKS) Erhöht bei Entzündungen, Karzinom, Blutkrankheiten (Leukämien, Anämien), Plasmozytom,
Morbus Waldenström, Erniedrigung bei Polycythämia vera
Calcium Primärer Hyperparathyreoidismus, Tumoren Mangelernährung mit niedrigem Albumin-
(Metastasen, Plasmozytom), Vitamin A- und D- bzw. Eiweißkonzentration, Leberzirrhose,
Überdosierung, Sarkoidose, Schilddrüsenüber- Vitamin-D-Mangel, Rachitis. Niereninsuffi-
funktion, Unterfunktion der Nebennierenrinde zienz, Hypoparathyreoidismus, Pseudohy-
poparathyreoidismus, Medikamente
CEA Erhöht bei kolorektalem, Magen-, Mamma-, Pankreas-, Uterus-, Ovarial-, Bronchial-, Nieren-,
medullärem Schilddrüsenkarzinom, Unspezifische leichte Erhöhung bei Alkoholismus, Leberzir-
rhose, Pankreastitis, Rauchern, Lungenemphysem, Pneumonie, Morbus Crohn, Collitis ulzerosa
Chlorid Serumspiegel verhält sich meist parallel zur Na+ und gegensinnig zur HCO3-Konzentration

Cholesterin Erhöht bei genetischer Vorbelastung, häufigem (rotem) Fleischkonsum, Adipositas, Diabetes
mellitus, Schwangerschaft, Schilddrüsenunterfunktion, Medikamente, Erniedrigung bei Mangel-/
Unterernährung, Leberzirrhose, Hyperthreose
156 Kapitel 12 · Diagnostik und Beurteilung im Notfall

. Tab. 12.17 (Fortsetzung)

Parameter Pathologisch erhöht Pathologisch erniedrigt

Cholinesterase Adipositas, Nierenerkrankungen, Fettleber, Tumoren, Lebererkrankungen, chronische


(CHE) Hyperthyreose, exsudative Enteropathie Infektionen, Medikamente (Zytostatika),
Muskelerkrankungen

Coeruloplasmin Tumoren, akute Entzündungen, Cholestase, Morbus Wilson, nephrotisches Syndrom,


Gravidität Leberzirrhose

C-Peptid Erhöht bei Insulinom, Niereninsuffizienz, Cortisoltherapie, matabolisches Syndrom, Erniedrigung


bei Diabetes mellitus, Morbus Addison, Hunger, Medikamente

CRP Erhöht bei Entzündungen

Creatinkinase Erhöht bei Akutem Myokardinfarkt, Myokarditis, Muskelverletzungen, progressiver Muskeldystro-


(CK) phie, Polymyoitis, i. m. Injektion, Trauma

CK-MB Erhöht bei frischem Myokardinfarkt

Differenzialblutbild = Blutausstrichdifferenzierung

Leukozyten Bakterielle Infektionen, Systemmykosten, Stress, Virusinfekte, bakterielle Sepsis, Typhus,


(allgemein) Trauma, Nekrosen, Hämolyse, Urämie, Coma Brucellose, zahlreiche Medikamente (z. B.
diabeticum und hepaticum, Gichtanfall, Cortison- Zytostatika), Benzol, ionisierende Strahlen,
therapie, myeloproliferative Erkrankungen, Leu- maligne Erkrankungen mit Knochenmar-
kämien und andere maligne Neoplasien, chro- kinfiltration, Myelodysplasie, Autoimmun-
nisch entzündliche Erkrankungen erkrankungen, Vitamin B12- und Fol-
säuremangel

12.4 Sonografie jDarstellungsmethoden


12 A-Mode (obsolet), B-Mode: M-Mode, 2D-Echtzeit-
Unter Sonografie versteht man in der Medizin die modus, 3D-Ultraschall
Anwendung von Ultraschall. Dies dient der nicht- Die Aussagekraft der Sonografie kann durch die
invasiven Untersuchung von organischem Gewebe. Anwendung des Dopplereffekts erhöht werden, der
Das durch die Sonografie ermittelte Bild nennt man z. B. bei der Farbdopplersonografie zum Einsatz
Sonogramm. Bei der Sonografie handelt es sich um kommt (Gefäßmedizin).
eines der am häufigsten eingesetzten bildgebenden
Verfahren der Medizin. Im Gegensatz zur konven- jDarstellung
tionellen Röntgendiagnostik und der Computer- Im B-Mode-Verfahren (am häufigsten) gilt folgende
tomographie ist die Sonographie ein diagnostisches grobe Regel: Alles, was schwarz zur Darstellung
Verfahren ohne Strahlenbelastung für den Patien- kommt, ist mehr oder weniger flüssig. Alles, was
ten, das zudem rasch angewendet werden kann. weiß zur Darstellung kommt, ist entweder Luft,
Knochen oder z. B. Kalk. Um die Gewebe besser
jGrundlage differenzieren zu können, werden in der Abdomi-
Die sonografische Diagnostik beruht auf dem Echo- nalsonografie auch spezielle Kontrastmittel einge-
prinzip. Ein gerichteter Ultraschall wird ausgesandt setzt. Die Kontrastmittelsonographie findet großen
und von den aufeinanderfolgenden Schichten des Stellwert in der Beurteilung von Raumforderungen
beschallten Objektes (Organe bzw. Organebenen) in der Leber.
mehr oder weniger stark reflektiert. Aus der Lauf- In der Sonographie werden Strukturen bzw.
zeit des reflektierten Signals kann die Schichtstruk- Gewebe im Hinblick auf ihre Echogenität beschrie-
tur des Objekts rekonstruiert werden. ben – als:
12.5 · Röntgenthorax
157 12
4 anechogen: echofrei jTechnik
4 hypoechogen: echoarm Die Aufnahmen werden heute i. d. R. in Hartstrahl-
4 isoechogen: echogleich technik als p. a. und als Seitenaufnahme in 2 Ebe-
4 hyperechogen: echoreich nen gefertigt.
> Die Angabe auf dem Anforderungsschein
Mit der Sonographie lassen sich alle flüssigen bzw. sollte lauten:
weichen und von außen zugänglichen Strukturen »Rö-Thorax, 2 Ebenen« (bzw. für 2 Ebenen das
gut darstellen, z. B.: Schilddrüse, Hoden, Herz, Symbol eines waagerechten Striches, auf den
Bauchspeicheldrüse, Leber, Gallenblase, Nieren, mittig ein senkrechter Strich platziert ist).
Milz, Harnblase, Pleura, Prostata beim Mann und
Uterus mit seinem Inhalt bei der Frau. Unter Hartstrahltechnik versteht man in der Rönt-
Hingegen gibt es natürlich auch schlecht dar- gendiagnostik die Anwendung von Röntgenspan-
stellbare Strukturen. Dies sind alle lufthaltigen oder nung von 100 kV bis 150 kV. Die Untersuchung
von Hartgeweben (Knochen) umgebenen bzw. ver- besteht aus zwei Phasen:
deckten Strukturen, z. B. Lunge, Luftröhre, Magen, 1. Die technische Phase der Fertigung des Rönt-
Darm, Knochen (Ausnahme die Kalotte bei Klein- genbildes oder der digital gespeicherten Infor-
kindern und die Hüftsonographie bei Säuglingen) mationen
und das Gehirn. 2. Die Phase der Befundung (ärztlichen Befund-
Sonderformen: Herzultraschall, Gefäßultra- verarbeitung)
schall
Die Anfertigung von Aufnahmen in 2 Ebenen er-
möglicht eine dreidimensionale Beurteilung und ist
12.5 Röntgenthorax erforderlich, wenn eine morphologische Detailana-
lyse erfolgen soll. Die Befundung erfolgt als optische
Die Röntgenuntersuchung des Brustkorbes (Tho- Wahrnehmung und als Deutung. Die Indikationen
rax), kurz genannt Röntgenthorax (Synonym: Tho- sind zur Abklärung und zum Ausschluss folgender
raxröntgen), ist die häufigste röntgenologische Un- Erkrankungen für die Röntgenaufnahme des Tho-
tersuchung und gehört vor allem in der Notfallauf- rax geeignet:
nahme zur Standarddiagnostik. In der Pulmologie 4 Pneumothorax
(Heilkunde der Lungenerkrankungen) ist die Rönt- 4 Pleuraerguss (Hämatothorax, Chylothorax),
genuntersuchung ebenfalls von größter Wichtigkeit Lungenemphysem, Pneumonie
und gehört zur Basisdiagnostik. Die korrekte Beur-
teilung der Aufnahmen setzt eine genaue Kenntnis Röntgenthorax-Untersuchungen werden zum
der anatomischen Verhältnisse voraus. Weiterfüh- Nachweis oder Ausschluss von Erkrankungen der
rend können eine Durchleuchtung (Röntgendar- Lungen, der Mediastinalorgane, des Rippenfells, be-
stellung mit Projektion auf einen Fernsehmonitor in grenzt auch des knöchernen Brustkorbskeletts und
Echtzeit), eine Computertomographie (CT), eine des Herzens durchgeführt.
Magnetresonanztomographie (MRT) sowie diverse Diese zählen zu den diagnostischen Königs-
der Fragestellung entsprechende Untersuchungen disziplinen der Pneumologen. Die radiologischen
durchgeführt werden. Befunde des Thorax liefern eine große Zahl von Er-
kenntnissen, die diagnostische und therapeutische
jDefinition Entscheidung sehr weitgehend beeinflussen.
Als Röntgenthorax wird die standardisierte Untersu- Die normale Lunge (. Abb. 12.8) besteht aus
chung des Thorax durch Anfertigen von Röntgen- dem Bronchialbau mit den peripheren Alveolen,
aufnahmen in posterior-anteriorem (p. a.) und seit- den Lungengefäßen und dem bindegewebigen Ge-
lichem Strahlengang bezeichnet. Ein Röntgenthorax rüst. Die Grundstruktur der Lungen wird durch die
gehört für viele medizinische Prozeduren (z. B. vor Gefäße geprägt, die von den Lungenwurzeln zur
operativen Eingriffen) zur Basisdiagnostik. Peripherie hin sich verzweigend und verjüngend,
158 Kapitel 12 · Diagnostik und Beurteilung im Notfall

. Abb. 12.8 Normaler Röntgenthorax. (Aus Hamer et al. 2013)

teils parallel, teils schräg oder in querschnittlich > Auf den Röntgenbildern müssen folgende
darstellenden Schatten imponieren. Alveolen ent- Daten vermerkt sein: Name, Vorname,
halten Luft und stellen sich somit im Einzelnen Geburtsdatum, Geschlecht des Patienten,
nicht dar. Von den Bronchien bilden sich nur die Aufnahmedatum, Aufnahmeuhrzeit und die
12 größeren auf dem Film ab. Somit entsteht eine anfertigende Institution.
»Hintergrundstruktur«, die ein recht unruhiges
Muster bildet. In diesem Muster können pathologi- Weiterhin müssen die Bilder mit einem Seitenzei-
sche Veränderungen von geübten Befundern er- chen versehen werden, wobei bei der p.-a.- bzw. a.-
kannt werden, wenn sie größer als ca. 4 mm im p.-Aufnahme entweder ein »l« an der linken Kör-
Durchmesser sind. perhälfte oder ein »r« an der rechten Körperhälfte
Das Herz (. Abb. 12.8) stellt sich als binnen- angebracht wird.
förmiger Schatten von etwa Faustgröße dar. Die Es gibt Qualitätsmerkmale für eine technisch
erkennbaren Veränderungen betreffen Herzform einwandfreie Röntgenthorax-Aufnahme:
und -größe. Durch die modernen echokardiogra- 4 richtige Bildbeschriftung mit richtigem
fischen Verfahren hat die Bewertung der radiolo- Patienten,
gisch erkennbaren pathologischen Veränderungen 4 Thoraxkompartimente komplett abgebildet,
des Herzens an Bedeutung verloren. Bei Herz- 4 ausreichend eingeatmet,
insuffizienz sind jedoch valide Aussagen über kar- 4 Knochenüberlagerung ausgeblendet (Scapula),
diales Lungenödem mit entsprechenden thera- 4 korrekte Einstellung und korrekte Belichtung,
peutischen Konsequenzen oft unverzichtbar. Wei- 4 Systematik der Bildanalyse.
tere, wichtige Befunde liefern die Betrachtung des
Mediastinums, der Pleura und der ossären Struktu- Die Befundung und Betrachtung eines Röntgentho-
ren des Thorax. rax beginnt mit sehr banalen, jedoch wichtigen
Schritten (. Abb. 12.9):
12.5 · Röntgenthorax
159 12

. Abb. 12.9 Systematische Bildanalyse. (Aus Hamer et la. 2013)

Zunächst werden Name und Geburtsdatum des jBeispiele


Patienten erfasst und es wird überprüft, ob die Da- 4 Vergrößerung des linken und rechten Vorhofs
ten mit den Angaben des Anforderungsscheins (. Abb. 12.10)
übereinstimmen. Der nächste Blick auf das Aufnah- 4 Perikarderguss
medatum gewährleistet, dass die aktuelle Aufnahme 4 Lungenödem (. Abb. 12.11)
interpretiert wird. Für die nun eigentliche Bildana- 4 Lobärpneumonie im rechten Oberlappen
lyse ist es dann sinnvoll, Thoraxaufnahmen nach (. Abb. 12.12)
dem gleichen Schema und in gleicher Reihenfolge 4 Zentrales Bronchialkarzinom links
zu analysieren, um alle wichtigen Strukturen zu be- (. Abb. 12.13)
rücksichtigen. Eine Reihenfolge hat sich jeder geüb- 4 Pneumoperitonium und Pneumomediastinum
te Röntgenthorax-Untersucher und -Befunder (. Abb. 12.14)
selbst gestellt und ist nicht didaktisch festgelegt. Die 4 Pleuraerguss links, Pneumothorax rechts
einzelnen Strukturen sind: (. Abb. 12.15)
1. Mediastinum 4 Pneumothorax links (. Abb. 12.16)
2. Hilus 4 Morbus Hodgkin (. Abb. 12.17)
3. Lungen 4 Sarkoidose (. Abb. 12.18)
4. Pleura 4 Hiatushernie (. Abb. 12.19)
5. Zwerchfell 4 Zustand nach Ablatio Mammae rechts, Weich-
6. Oberbauch teil Asymmetrie (. Abb. 12.20)
7. Skelett
8. Weichteile
9. Fremdmaterial.
160 Kapitel 12 · Diagnostik und Beurteilung im Notfall

. Abb. 12.10a,b Vergrößerter linker und rechter Vorhof. (Aus Hamer et al. 2013)

12

. Abb. 12.11 Lungenödem. (Aus Hamer et al. 2013)


12.5 · Röntgenthorax
161 12

. Abb. 12.12 Lobärpneumonie. (Aus Hamer et al. 2013)

. Abb. 12.13a,b Bronchialkarzinom. (Aus Hamer et al. 2013)


162 Kapitel 12 · Diagnostik und Beurteilung im Notfall

. Abb. 12.14a,b Pneumoperitonium und Pneumomediastinum. (Aus Hamer et al. 2013)

12

. Abb. 12.15 Pleuraerguss links, Pneumothorax rechts. (Aus Hamer et al. 2013)
12.5 · Röntgenthorax
163 12

. Abb. 12.16 Pneumothorax links. (Aus Hamer et al. 2013)

. Abb. 12.17 Morbus Hodgkin. (Aus Hamer et al. 2013)


164 Kapitel 12 · Diagnostik und Beurteilung im Notfall

. Abb. 12.18 Sarkoidose. (Aus Hamer et al. 2013)

12

. Abb. 12.19 Hiatushernie. (Aus Hamer et al. 2013)


12.5 · Röntgenthorax
165 12

. Abb. 12.20 Z. n. Ablatio mammae. (Aus Hamer et al. 2013)


167 13

Wissenswertes zur Anamnese


und Untersuchung
Eva Lieske, Sebastian Lieske , Carl Meißner

13.1 Anamnese- und Untersuchungsbogen – 168


13.1.1 Anamnesebogen – 169
13.1.2 Untersuchungsbogen (Chirurgie) – 170
13.1.3 Die Neutral-Null-Methode – 171
13.1.4 Inspektion – 171
13.1.5 Untersuchung – 172

13.2 Obere Extremität – 172


13.2.1 Schulter- und Ellenbogengelenk – 172
13.2.2 Handgelenk und Finger – 174

13.3 Untere Extremität – 175


13.3.1 Hüftgelenk – 175
13.3.2 Kniegelenk – 176
13.3.3 Sprunggelenk und Fuß – 176

13.4 Erhebungsbögen und Normwerte – 176

13.5 Ernährungszustand und Ernährungsanamnese – 177


13.5.1 Begriffsklärung in der Ernährungsmedizin – 181
13.5.2 Vorgehensempfehlung der Ernährungsanamnese und Intervention
mit dem Magdeburger Schema nach Meissner C. et. al. – 184
13.5.3 Schlussfolgerung – 184

C. Meißner (Hrsg.), Basic Skills PJ,


DOI 10.1007/978-3-662-48703-7_13, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
168 Kapitel 13 · Wissenswertes zur Anamnese und Untersuchung

Die Anamnese und Untersuchung eines jeden Pa- ermöglicht die differentialdiagnostische Einschät-
tienten ist das wichtigste Instrument zur Diagnostik zung der im Aufnahmegespräche erhobenen Be-
und Evaluierung der Beschwerdesymptomatik. Ohne funde. Die ausführlichen Untersuchungsbögen
Anamnese keine Therapieentscheidung. Ohne Doku- (. Tab. 13.1, . Tab. 13.2) sollen eine Hilfestellung
mentation keine Grundlage zur Therapie. geben. In der Praxis hat es sich als hilfreich erwie-
sen, die erhobenen Befunde auf dem Untersu-
chungsbogen »einzukreisen«. Im Bedarfsfall ist es
13.1 Anamnese- und Untersuchungs- natürlich erforderlich, kurze schriftliche Kommen-
bogen tare einzufügen.
> Vergessen Sie bitte nicht: viele klinische
Der klinische Alltag lässt sich durch eine geschickte Fehldiagnosen beruhen auf einer unvollstän-
Anamneseerhebung und systematische Untersu- digen körperlichen Untersuchung.
chung deutlich vereinfachen (7 Kap. 1). Schon als
Student wird man im Rahmen von Famulaturen und In der Notfallambulanz ist die Zeit oft knapp, da-
dem Praktischen Jahr häufig für diese Tätigkeiten für  die Patientenzahl hoch. Auch hier sollte
eingesetzt. Nutzen Sie diese Gelegenheit, um sich für dennoch eine gute Anamnese erfolgen. Hierbei
Ihren Berufsalltag eine gewisse Routine im Patien- sind vor allem die jetzige Anamnese, die All-
tengespräch zuzulegen. Die Anamnese ist ein wich- gemein- und die Eigenanamnese wichtig. Sozial-
tiger Kernpunkt in der Arzt-Patienten-Beziehung. und Familienanamnese können zunächst vernach-
Das Gespräch, wie schon ausführlich in 7 Kap. 1 lässigt werden, sollten aber bei Bedarf nachgeholt
erklärt, beginnt nach der Vorstellung mit einer Er- werden. Der Status konzentriert sich in der Not-
öffnungsfrage, wie z. B. » Was führte Sie ins Kran- fallambulanz meist auf das betroffene Organsys-
kenhaus?«. Anschließend geht man dann auf die tem. Dieses muss aber gründlich untersucht wer-
aktuellen Beschwerden ein. den. Natürlich wird eine ausführliche Anamnese
Die Aufnahmeuntersuchung, ebenfalls aus- und Untersuchung bei notwendiger stationärer
führlich in 7 Kap. 1 behandelt, ist elementar und Aufnahme nachgeholt.

13
13.1 · Anamnese- und Untersuchungsbogen
169 13
13.1.1 Anamnesebogen (. Tab. 13.1)

. Tab. 13.1 Anamnesebogen

Name: Hausarzt
Vorname: Einweisender Arzt:
Geburtsdatum:

Jetzige Anamnese:

Eigenanamnese: Allgemeinanamnese:
Gewicht: Gewicht in den letzten 6 Monaten:
Größe:
Fieber:
Appetit: Nahrungsmittelunverträglichkeiten:
Miktion: unauffällig – Dysurie: Nykturie:
Stuhlgang: regelmäßig – unregelmäßig ; geformt – sehr fest – dünn – wechselnd
– Blut – Schleim
Kontinenz:
Allergien:
Husten: Auswurf: Dyspnoe:
Alkohol: nie – selten – regelmäßig
Nikotin: nie – früher Zigaretten/Tag über Jahre –
jetzt Zigaretten/Tag über Jahre
Kaffee:

Sozialanamnese: Familienamnese:
Familienstand: Diabetes mellitus:
Erlernter Beruf: Hypertonie:
Derzeit ausgeübte Tätigkeit: Allergien:
Kinder: Erbleiden:
Betreuung: Tumorerkrankungen:
Sonstiges:

Gynäkologische Anamnese:
Letzte Mens: Letzte gynäkolg. US:
Schwangerschaften: Geburten:
170 Kapitel 13 · Wissenswertes zur Anamnese und Untersuchung

13.1.2 Untersuchungsbogen (Chirurgie)

. Tab. 13.2 Untersuchungsbogen Chirurgie

Allgemein Kopf / Hals


Konstitution: Mischtyp – asthenisch – pyknisch – Motilität: frei – eingeschränkt – Meningismus
athletisch Kalottenklopfschmerz: nein – ja NAP:
AZ: gut – mäßig – schlecht Augen: o.p.B. – rechts – links Sehschwäche:
Foetor: nein – ex ore – alkoholisch – urämisch Nystagmus:
Haut: unaufällig – feucht – trocken – blass – gerötet Pupillenreaktion: o.p.B. – rechts – links prompt – träge –
Schleimhäute: gut – mittel – schlecht durchblutet reaktionslos – Anisokorie
Ikterus: nein – Skleren – allgemein Zunge: feucht – trocken – belegt – Seitabweichung
Zyanose: nein – Lippen – allgemein Tonsillen: unauffällig – gerötet – vergrößert – Z. n. Tonsil-
Ödeme: nein – Beine – Dekompensationszeichen lektomie
LK-Schwellung: nein – cervikal – periclaviculär – axillär Rachenring: reizlos – gerötet – entzündet
– inguinal Ohren: o. p. B rechts / links Presbyakusis
Gebiss: saniert – kariös – lückenhaft –Prothese OK/UK
Neurologische Beurteilung:
Struma: nein – Grad:
Bewusstseinslage: wach – ansprechbar – somnolent –
HVES: nein – leicht – stark
bewusstlos
Schluckstörung: ja – nein
Reflexe:
Orientierung: zur Person – örtlich – zeitlich – nein

Thorax / Pulmo / Cor Abdomen


Äußeres: symmetrisch – deformiert – Einzug Bauchdecke: gut – schlecht palpabel – adipös – schlaff –
Mamma: o.p.B. – rechts – links straff
Dyspnoe: nein – ja – Belastung – Ruhe Bauch: weich – gebläht – Abwehrspannung: gesamt –
Klopfschall: sonor – hypersonor – gedämpft lokal:
Atemgeräusch: vesikulär – abgeschwächt – verschärft Druckschmerz:
– Rasselgeräusche Darmgeräusche: leise – laut – keine – Quadranten:
Herzfrequenz: bpm Hepar: nicht palpabel – vergrößert – Druckschmerz
Puls: kräftig – flach – nicht tastbar – Pulsdefizit Lien: nicht palpabel – vergrößert – Druckschmerz
Herztöne: rein – laut – leise Nierenlager: rechts – links – frei – Klopfschmerz – Druck-
Herzaktion: rhythmisch – arrhythmisch schmerz
Bruchpforten:
13 Genital:
Digitale rektale Untersuchung:
Ampulle: leer – gefühlt Blut: keines – hellrot – dunkelrot
Druckschmerz: ja – nein Prostata:

Extremitäten
Funktionseinschränkungen: Lähmungen: nein – schlaff – spastisch Varizen: nein – rechts – links – OS – US Trophische
Störungen /Ulcus: nein – rechts – links

opB = ohne pathologischen Befund, AZ = Allgemeinzustand, LK = Lymphknoten, OK = Oberkiefer, UK = Unterkiefer,


HVES = Halsveneneinflussstauung, bpm = beats per minute (Pulsfrequenz), NAP = Nervenasutrittspunkte, Z. n. =
Zustand nach
13.1 · Anamnese- und Untersuchungsbogen
171 13
13.1.3 Die Neutral-Null-Methode
. Tab. 13.3 Inspektion

Die Neutral-Null-Methode dient der standardisier- Gangbild (Hinken etc.)


ten Erfassung und Dokumentation der Bewegungs- Schulter- und Beckenstand in der Frontal- und Seit-
ausmaße der Wirbelsäule und der Gelenke der obe- ansicht (Beinlängendifferenz, Wirbelsäulendeformi-
ren und unteren Extremitäten. Dies ermöglicht eine täten etc.)
klare und unmissverständliche Dokumentation und Schulterstand (Hoch- oder Tiefstand, Scapula alata etc.)
eine interkollegiale Kommunikation. Hierbei macht
Kopf- und Halshaltung (Schiefhals etc.)
es keinen Unterschied, ob Sie im Schockraum mit
ihren Kollegen oder mit einem Arzt eines anderen Achsen der oberen und unteren Extremität (Varus-
Krankenhauses per Telefon sprechen. Anhand Ihrer oder Valgusfehlstellungen etc.)
erhobenen Daten kann sich jeder ein unmissver- Fuß- und Sprunggelenkstellung (Pes planovalgus etc.)
ständliches Bild vom Patienten machen. Im Rah-
men von Nachuntersuchungen kann, zusammen
mit den erhoben Vorbefunden, eine genaue Ver- Extremitäten sind am stehenden Patienten gut zu
laufsbeurteilung erfolgen. Funktionsverbesserun- erkennen und leiten uns in der späteren genaueren
gen oder -verschlechterungen können objektiviert Untersuchung.
werden. Dies ist von besonderer Bedeutung in der Die Beurteilung des Gangbildes ist ein wichtiger
berufsgenossenschaftlichen Behandlung. Bestandteil fast jeder Fachrichtung und sollte nicht
Auch International findet die Neutral-Null-Me- nur bei orthopädisch-traumatologischen Patienten
thode Anwendung. Hier wird aber meist der Begriff durchgeführt werden. Bewegungseinschränkungen
ROM (range of motion) verwendet. der Gelenke können hiermit ebenso gut beurteilt
Anfänglich fällt es den meisten jungen Ärzten werden wie neurologische Defizite.
schwer, aber durch zunehmenden Patientenkontakt
werden Sie im Laufe der Ausbildung Sicherheit bei
Checkliste
der Befunderhebung erlangen.
Es werden benötigt:
Die Untersuchung des Patienten erfolgt immer
5 Goniometer
am vollständig (bis auf die Unterwäsche) entkleide-
5 Maßband
ten Patienten. Dadurch können wir uns inspekto-
risch einen ersten Eindruck machen und sehen
gleichzeitig, was der Patient selbstständig machen Bei der Untersuchung werden aktive und passive
kann. Auch vermeidet man hiermit das Übersehen Bewegungsumfänge unterschieden. Bei der passi-
eindrücklicher Befunde. Gerne erinnert man sich ven Bewegungsüberprüfung führt der Untersucher
an eine übersehene infizierte Wunde des Unter- das zu prüfende Gelenk ohne eine Unterstützung
schenkels bei einem Patienten, der für eine Opera- durch den Patienten. Das Gelenk wird so lange in
tion am Kniegelenk geplant war. Fällt diese erst im der Bewegungsebene geführt, bis eine knöcherne
Operationssaal auf, gerät man in Erklärungsnot. oder muskuläre Hemmung oder der Schmerz den
Endpunkt anzeigt.
> Keine Diagnose durch die Hose!
Abnorme Bewegungsausmaße – über die phy-
siologischen Normwerte hinaus – geben uns einen
13.1.4 Inspektion Hinweis auf vorliegende Pathologien (Frakturen,
Luxationen). Dies ist von besonderem Interesse bei
Mit dem ersten Blick kann Auskunft über den Er- Patienten, die uns kein Feedback während der Un-
nährungszustand des Patienten, seinen Konstitu- tersuchung geben können (z. B. analgosedierter Pa-
tionstyp und das Muskelrelief gegeben werden. tient im Schockraum).
Auch das Hautkolorit und eventuell vorhandene Die aktive Untersuchung erfasst die Bewegungs-
Hautveränderungen können so beurteilt werden. umfänge, die der Patient ohne Unterstützung selbst-
Ausgeprägte Deformitäten des Rumpfes und der ständig ausführen kann.
172 Kapitel 13 · Wissenswertes zur Anamnese und Untersuchung

13.2 Obere Extremität


F
S
13.2.1 Schulter- und Ellenbogengelenk

An der Bewegung des Armes in der Schulter sind


mehrere Gelenke beteiligt. Das Glenohumeralge-
lenk bildet das Hauptgelenk und das Sternoclavicu-
largelenk, das Acromiclaviculargelenk, das Subac-
T
romialgelenk, und das scapulothorakale Gleitlager
die Nebengelenke (. Abb. 13.2). Ihr Zusammenspiel
ermöglicht eine große, dreidimensionale Beweg-
lichkeit des Armes.
Für die funktionelle Untersuchung ist die Ge-
samtbeweglichkeit entscheidend und wird doku-
mentiert (. Abb. 13.3).
Das Ellenbogengelenk hat als Schaniergelenk
mit der Extension und Flexion nur zwei Bewe-
gungsrichtungen (. Abb. 13.4a). In Zusammen-
. Abb. 13.1 Anatomische Bezugsebenen (S= Sagittalebe-
ne, F= Frontalebene, T= Transversalebene). (Aus Gühne
arbeit mit dem proximalen und distalen Humero-
2007) radialgelenk wird zusätzlich eine Innen- und Au-
ßenrotation des Unterarmes ermöglicht, welche als
weitere Bewegungsebenen dem Ellenbogen zuge-
Bei Muskellähmungen, -kontrakturen und schrieben werden (. Abb. 13.4b).
Schmerzen unterscheiden sich das aktive und pas-
sive Bewegungsausmaß mitunter erheblich. Zwischenmenschliches
Zum besseren Verständnis der Befunderhebung wird
im Folgenden die Dokumentation am Ellenbogen
13.1.5 Untersuchung aufgeführt (. Abb. 13.5).
Körperfern/ Neutral Körpernah
13 Die Untersuchung umfasst alle Ebenen im Raum 0° – 0° – 150°
(. Abb. 13.1), die von dem Gelenk ausgeführt wer- Bei einem gesunden Menschen befindet sich der
den können. Entsprechend der Anatomie können Ellenbogen am hängenden Arm in Neutralstellung,
am Schulter- und Hüftgelenk (Kugelgelenke) mehr also 0°. Bei der Normalbevölkerung ist die Überstre-
Ebenen erfasst werden als am Ellenbogen (Scha- ckung des Ellenbogens nicht möglich, daher ist der
niergelenk). körperferne Wert ebenfalls 0°. Die Beugung ist i. d. R.
Bei der Neutral-Null-Methode wird als Neut- bis maximal 150° möglich. Wir dokumentieren somit:
ralstellung ein stehender Patient mit herabhängen- körperfern 0°, neutral 0° und körpernah 150°: 0° – 0°
den Armen angenommen. Aus dieser »Nullstel- – 150° (. Abb. 13.6).
lung« wird die Untersuchung ausgeführt. Natürlich Bei hyperlaxen Patienten ist die Überstreckung bis
kann sie ebenso im Liegen durchgeführt werden. 10° möglich. Körperfern dokumentieren wir 10°,
Neben dem Bewegungsausmaß müssen auch pal- durchlaufen die Neutralstellung (0°) und können bis
patorische Befunde mit aufgeführt werden, die 150° flektieren: 10° – 0° – 150°.
während der Untersuchung erhoben werden (Kre- Liegt eine Pathologie vor und eine vollständige Stre-
pitation, weicher oder harter Anschlag in der End- ckung des Ellenbogengelenkes ist nur bis 30° vor der
stellung etc.). Neutralstellung möglich, dokumentieren wir dies wie
folgt: 0° – 30° – 150° (Abbildung 5).
Bei einer Ankylose (Einsteifung des Gelenkes) in 20°
Beugestellung wird folgendes dokumentiert: 0° – 20°
– 20°.
13.2 · Obere Extremität
173 13

4
5

1 2

3 4

5
40°–60°

95°
c

. Abb. 13.2 Das Schultergelenk mit seinen Haupt- und Ne- . Abb. 13.3a-c Bewegungsumfänge der Schulter. (a und b
bengelenken. 1. Glenohumerales Gelenk. 2. Skapulothora- nach Krämer, Grifka 2005)
kales Nebengelenk. 3. Akromioklavikulares Gelenk. 4. Ster-
noklavikulares Gelenk. 5. Subakromiales Nebengelenk.
(Nach Jerosch/Heisel, Steinkopff-Verlag)
174 Kapitel 13 · Wissenswertes zur Anamnese und Untersuchung

90°

150°



10°
90° 90°

a b

. Abb. 13.4a,b Bewegungsumfänge des Ellenbogens; (a) Extension/ Flexion; (b) Pronation/ Supination. (Nach Güne 2007)

Körperfern Neutral Körpernah


0° 0° 150°

. Abb. 13.5 Dokumentation der Beweglichkeit Anhand des Ellenbogengelenkes

13

30°


a b

. Abb. 13.6a,b a Physiologische Extension bis 0°: 0° – 0° – 150°; b pathologisches Extensionsdefizit von 30°: 0° – 30° – 150°

13.2.2 Handgelenk und Finger Handgelenk ist eine Kombination aus Extension und
Flexion sowie der Ulnar- und Radialabduktion.
Als Nussgelenk kann die Hand Bewegungen in zwei Jeder Finger der Hand kann in jedem seiner Ge-
Ebenen ausführen (. Abb. 13.7). Die Rotation im lenke in der Funktion eingeschränkt sein. Um einen
13.3 · Untere Extremität
175 13

25°
40°

60°

a 60° b

. Abb. 13.7a,b Bewegungsumfänge der Hand (a) Dorsalextension und Palmarflexion; (b) Radial- und Ulnarabduktion.
(Nach Krämer, Grifka 2005)

70°

a b 70°

. Abb. 13.8 Bewegungsumfänge des Daumens

schnellen und einfachen Überblick zu erhalten, verkürzte und außenrotierte Bein der klassische in-
werden der Fingerkuppen-Hohlhand-Abstand und spektorische Befund einer Schenkelhalsfraktur. In
das Fingerstreckdefizit bestimmt. Eine genauere diesen Fällen muss die weitere Untersuchung der
Untersuchung sollte dann an den Fingern mit einer Verdachtsdiagnose »Fraktur« angepasst werden, um
auffälligen Pathologie durchgeführt werden. weitere Schmerzen für den Patienten zu vermeiden.
Der Daumen hat durch das Sattelgelenk, im Ver- Im Gegensatz dazu können andere Pathologien
gleich zu den Langfingern, eine weitere Bewegungs- im Bereich des Hüftgelenkes leicht übersehen wer-
achse und somit eine vermehrte Beweglichkeit den. Hierzu zählt unter anderem die Hüftbeuge-
(. Abb. 13.8). kontraktur. Bei diesen Patienten findet sich ein
Extensionsdefizit im Hüftgelenk. Im Liegen wird
diese durch eine Hyperlordose der Lendenwirbel-
13.3 Untere Extremität säule kompensiert und kann bei einer unvollständi-
gen Untersuchung übersehen werden. Durch eine
13.3.1 Hüftgelenk Flexion der Hüfte der Gegenseite durch den Unter-
sucher kann die Hyperlordose bei der Untersu-
Die visuelle Inspektion und manuelle Untersuchung chung ausgeglichen werden. Dadurch kann auf der
des Hüftgelenkes lässt oft eine erste »Blickdiagnose« pathologischen Gegenseite das Ausmaß der Beuge-
ohne weiter radiologische Diagnostik zu. So ist das kontraktur direkt beurteilt werden.
176 Kapitel 13 · Wissenswertes zur Anamnese und Untersuchung

130–140°

a 0°

12°
50°
45° 30°
30°


0° 10°

b c d

. Abb. 13.9 Bewegungsumfänge des Hüftgelenkes. (b und c nach Krämer, Grifka 2005)

13 . Abb. 13.9 zeigt die Bewegungsumfänge im 13.3.3 Sprunggelenk und Fuß


Hüftgelenk.
Das obere Sprunggelenk (OSG) kann als Scharnier-
gelenk eine Flexions- und Extensionsbewegung
13.3.2 Kniegelenk ausführen (. Abb. 13.11a). Das untere Sprungge-
lenk (USG) sollte in Bauchlage, bei flektiertem
Für die allgemeine Untersuchung der Bewegungs- Kniegelenk und in Neutralstellung des Sprungge-
umfänge (. Abb. 13.10) des Kniegelenks ist im We- lenkes untersucht werden (. Abb. 13.11b).
sentlichen die Extensions- und Flexionsbewegung
von Bedeutung. Aber auch Rotationsbewegungen
sind möglich. Die Schlussrotation im Kniegelenk ist 13.4 Erhebungsbögen und Normwerte
eine physiologische Bewegung des Kniegelenkes. In
der letzten Phase der Extension (Streckung) des Im Rahmen der berufsgenossenschaftlichen Doku-
Kniegelenkes (ab ca. 10°) kommt es zu einer Außen- mentation für die Unfallversicherer sind seit vielen
rotation des Unterschenkels in Bezug auf den Ober- Jahren spezielle Untersuchungsbögen etabliert. Sie
schenkel. erlauben einen schnellen Überblick über den Bewe-
Diese ist für die Kinematik des Kniegelenkes von gungsstatus der Gelenke und sind ein wichtiger Be-
entscheidender Bedeutung und kann insbesondere standteil der Erhebung von akuten Befunden und in
bei intraartikulären Pathologien gestört sein. der Verlaufsdokumentation. Zur Vereinfachung der
13.5 · Ernährungszustand und Ernährungsanamnese
177 13

30°

10°

50°
a
a 150°

35°

15°
0° 0°
b

. Abb. 13.11a,b Bewegungsumfänge von Sprunggelenk


und Fuß; (a) Dorsalextension und Plantarflexion; (b) Inver-
sion und Eversion. (Nach Krämer, Grifka 2005)

2
1 den ernährungstherapeutischen Konsequenz ist
heut zutage gefordert und wichtig.
b Patienten, die mit einem normalen Ernährungs-
zustand zur Behandlung ins Krankenhaus kommen,
entsprechen 20 % des gesamten Patientenklientels;
. Abb. 13.10a,b Bewegungsumfänge des Kniegelenkes,
(a) Extension und Flexion; (b) Rotation. (Nach Krämer, Grifka sie sind damit in der Minderheit. Ca. 55 % der Pa-
2005) tienten sind übergewichtig und ca. 25 % der einge-
wiesenen Patienten leiden an Unter- bzw. Mangel-
ernährung. Hinzu kommt, dass ca. 75 % aller im
Erhebung, besonders für unerfahrene Untersucher, Krankenhaus stationär betreuten Patienten einen
sind auf ihnen die Normwerte mit aufgeführt deutlichen Gewichtsverlust während ihres Kran-
(. Abb. 13.12, . Abb. 13.13). Ergänzend ist auch der kenhausaufenthaltes haben. Somit muss es das er-
Erhebungsbogen für die Wirbelsäulenuntersu- klärte Ziel sein, Patienten mit erhöhtem nutritiven
chung abgebildet (. Abb. 13.14). und metabolischen Risiko frühestmöglich nicht nur
zu erkennen, sondern umgehend und befundgemäß
die angepasste ernährungsmedizinische (Begleit-)
13.5 Ernährungszustand Behandlung zu initiieren.
und Ernährungsanamnese
> In der Anamnese, unabhängig von der Fach-
Bis vor einigen Jahren war es normal den Zustand richtung, sollten folgende Daten zum Thema
des Patienten wie im Folgenden zu beschreiben: Ernährungszustand enthalten sein: Größe,
»Ein 84-jähriger Patient in mäßigem Allgemeinzu- Gewicht, BMI, Gewichtsverlust in den letzten
stand und kachektischen oder mangelernährten 3 Monaten und Grunderkrankung. Sind hier
Zustand:« Das reicht heute nicht mehr aus. Auffälligkeiten, sollte ein spezielles Ernäh-
Die Dokumentation bzw. Ermittlung des Er- rungsassesment erfolgen (siehe SOP-Bogen
nährungszustandes mit folgender befundapatieren- nach Meissner et. al., . Abb. 13.15)
178 Kapitel 13 · Wissenswertes zur Anamnese und Untersuchung

180°
150°–170°

90°
90°

20°– 40°
40°
0° 0°

90°

50°– 70°

80°
80°

135° 0°


10°
80°– 90° 80°– 90°

20°– 30° 30°– 40°


40°– 60°

50°– 70°

13

50°
40°

. Abb. 13.12 Messblatt für obere Gliedmaßen (Quelle: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung. (Mit freundlicher Geneh-
migung der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, http://www.dguv.de/formtexte/index.jsp)
13.5 · Ernährungszustand und Ernährungsanamnese
179 13

. Abb. 13.13 Messblatt für untere Gliedmaßen. (Mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Gesetzlichen Unfallver-
sicherung, http://www.dguv.de/formtexte/index.jsp)
180 Kapitel 13 · Wissenswertes zur Anamnese und Untersuchung

13

. Abb. 13.14 Messblatt Wirbelsäule. (Mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung,
http://www.dguv.de/formtexte/index.jsp)
13.5 · Ernährungszustand und Ernährungsanamnese
181 13
13.5.1 Begriffsklärung tienten sind teilweise gleichzeitig von einer Malnu-
in der Ernährungsmedizin trition betroffen. Es kommt außerdem zu einem
krankheitsassoziierten Gewichtsverlust, wie dies bei
Eine international einheitliche und standardisierte dialysepflichtiger Niereninsuffizienz, Tumorer-
Definition der einzelnen Entitäten von Mangel- krankungen oder fortgeschrittener Herzinsuffi-
ernährung liegt bis heute nicht vor. Die Bezeich- zienz der Fall ist. Die Prävalenz krankheitsassoziier-
nung Mangelernährung selbst ist nur ein Über- ter Mangelernährung wird europaweit auf etwa 30%
begriff, der das weite Spektrum der Krankheitsenti- geschätzt. Meist sind geriatrische und/oder onkolo-
täten (Malnutrition, Unterernährung, spezielle gische Patienten betroffen. Ursächlich können Ap-
Nährstoffdefizite, Anorexie, Kachexie, Refeeding- petitverlust, Schmerzen, Kau- und Schluckbe-
Syndrom) umfasst. Aus diesem besagten Grund ist schwerden, verminderte Nährstoffverwertung, ein
die Kenntnis der im Kontext stehenden Erkrankun- erhöhter Bedarf, unkontrollierter Substanzabbau,
gen für die weitere Therapie essenziell. sowie Geschmacksveränderungen sein. Auch feh-
lende Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme,
jUnterernährung gerade bei älteren Patienten oder psychische Fakto-
Aufgrund einer unzureichenden Kalorienzufuhr ren können Gründe für die Kachexie sein.
kann es zur Unterernährung kommen, hierbei
nimmt sichtbar die Fettmasse ab. Klinische Bei- jSpezielle Nährstoffdefizite
spiele sind Hungerzustände, aber auch Marasmus. Bei Mangelzuständen eines Makro- oder Mikro-
nährstoffs liegt ein »Spezielles Nährstoffdefizit« vor.
jMangelernährung Kwashiorkor oder ein Vitamin-D-Mangel kann
Hierunter versteht man das Ungleichgewicht zwi- dann die Folge sein.
schen Nährstoffzufuhr und -bedarf, eine gestörte
Nährstoffverwertung und/oder den unkontrollier- jAnorexie
ten Abbau von Körpersubstanz. Die Appetitregulation ist gestört und aufgrund des-
sen kann nur eine unzureichende Zufuhr von Nähr-
jMalnutrition stoffen erfolgen.
Bei einem Gewichtsverlust infolge einer Krankheit
und bei den damit verbundenen Veränderung der jSarkopenie
Körperzusammensetzung wird von Malnutrition Wenn ein Verlust der Muskelmasse und -kraft auf-
gesprochen. Dies ist beispielsweise bei Infektions- grund des Alters vorliegt, wird von Sarkopenie ge-
krankheiten, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa oder sprochen. Ursachen können sein z. B. eine länger
auch Depressionen der Fall. Es kann auch zu Passage- währende körperliche Inaktivität oder Bettlägerig-
störungen im Gastrointestinaltraktes kommen, wie keit.
sie durch Karzinome des Verdauungstraktes ausge-
löst werden können. Bei hochbetagten/geriatri- jRefeeding-Syndrom
schen Patienten kommt hinzu, dass diese oft einen Bei einer schweren Entgleisung des Stoffwechsels in
schlechten Zahnstatus oder schlecht sitzende Pro- Verbindung mit Störungen des Elektrolyt- und
thesen aufweisen, wodurch das Kauen erschwert Wasserhaushalts kann es zum sogenannten Refee-
wird. Auch die fortschreitende Demenz und das ding-Syndrom kommen. Es liegen zudem Störun-
daraus resultierende »Vergessen der Nahrungsauf- gen der Glukoseverwertung vor. Bei einer zu ag-
nahme« spielt bei älteren Patienten eine Rolle. gressiven Ernährungstherapie chronisch mangeler-
nährter Patienten kommt es zu diesem Syndrom.
jKachexie
Dies bedeutet, dass eine Abnahme von Körperge-
wicht, Fett- und Muskelmasse zu beobachten ist.
Der Proteinkatabolismus ist gesteigert und oft liegt
eine entzündliche Grunderkrankung vor. Diese Pa-
182 Kapitel 13 · Wissenswertes zur Anamnese und Untersuchung

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STANDARD OPERATION PROCEDURE „Ernährungsevaluation & -therapie“


Screening zur Ernährungstherapie
– ZIELE: *Steigerung der Energie-, Nährstoffzufuhr
* Erhaltung und/oder Verbesserung i) des EZ, ii) Funktionalität/Aktivität, iii) der LQ
*Reduktion von Morbidität/Mortalität
* ME früh erkennen bei zeitnahem adäquaten Therapiebeginn

Unter-/Mangelernährung
Eine international einheitliche und standardisierte Definition der einzelnen Entitäten von Mangelernährung liegt
bis heute nicht vor. Die Bezeichnung Mangelernährung selbst ist nur ein Überbegriff, der das weite Spektrum der
Krankheitsentitäten (Malnutrition, Unterernährung, spezielle Nährstoffdefizite, Anorexie, Kachexie, Refeeding-
Syndrom) umfasst. Aus diesem besagten Grund ist die Kenntnis der im Kontext stehenden Erkrankungen für die
weitere Therapie essenziell.

Stufenschema der Ernährung nach DGEM [1]

r
Stufe Form der Ernährung oder des Ernährungssupports

I Normalkost, Sonderkostform, Speisenanreicherung (Makro-, Mikronährstoffe), Diätberatung

e
II I + orale bilanzierte Diäten (OBD)
III (I, II) + supplementierende enterale/parenterale Ernährung

t
IV totale enterale Ernährung
V enterale Ernährung + parenterale Ernährung
VI parenterale Ernährung + minimale enterale Ernährung

s
VII totale parenterale Ernährung

u
Erfassung & Therapienachweis der Unter- & Mangelernährung im DRG-System (E40–E46)
– gilt auch zur Vorlage beim MDK –

DOKUMENTATION/Maßnahme ( Arzt, Pflege, Ernährungsassisentin):

M
Patientendaten (Klebchen):

13 Diagnose: …………………………………………
…………………………………………
Diagnose: …………………………………………
…………………………………………

DATUM

KLINIK

– Körpergewicht: ……… kg // – Körpergröße: ……… cm // – BMI: ……… kg/m2

VORSCREENING nach Kondrup J et al. Clin Nutrit 2003;22:415–21

– Ist der Body Mass Index < 20,5 kg/m2? JA / NEIN


– Hat der Patient in den vergangenen 3 Monaten Gewicht verloren? JA / NEIN
– War die Nahrungszufuhr in der letzten Woche vermindert? JA / NEIN
– Ist der Patient schwer erkrankt (z. B. Intensivtherapie)? JA / NEIN

 Wird eine dieser Fragen mit „JA“ beantwortet wird mit dem Hauptscreening fortgefahren
 Werden alle Fragen mit „NEIN“ beantwortet, wird der Patient wöchentlich neu gescreent
 Wenn für den Patienten z.B. eine große Operation geplant ist, sollte ein präventiver
Ernährungsplan verfolgt werden, um dem assoziierten Risiko vorzubeugen. 

. Abb. 13.15 Bogen: Ernährungsevaluation und -therapie


13.5 · Ernährungszustand und Ernährungsanamnese
183 13

Meißner et Meyer:: – Ernährungsevaluation–

Labor:
CRP [mg/l]: ……… // Serumalbumin [g/l]: ……… // Protein [g/l]: ……… // Hämoglobin [mmol/l]: ………

[BIA (Bioimpedanz – Analyse):


BCM: ECM/BCM: Phasenwinkel: ]
Kondrup-Score (NRS) 2002:
– ERGEBNIS: * kein Risiko (0 Punkte) * Risiko (1–2 Punkte) * Mangelernährung (3/>3 Punkte)

– ggf. Ernährungsberatung am ……………………………… erfolgt (nach ICD-10:Z71)

Ernährungstherapie: * Enteral
* Parenteral

r
WAS? – Eiweißpulver
– Trink- und Zusatznahrung
– Olimel ……% (+ 1 Amp. Addel + 1 Amp. Cernevit)
evit)

e
Zusatzempfehlung – Ernährungsassistentin/Arzt – angeordnet am:

t
………………………………………
……………………………………………………………………………………………

……………………………………………………………………………………………
…………………………………

s
Wiedervorstellung am: …………………………

Ernährungsmedizinische Diagnose nach ICD-10 ((Zutreffendes ankreuzen):

u
E43 (Kondrup-Score > 4 Punkte & BMIMI <18,5 kg/m2 oder ungewollter
gewoll
Gewichtsverlustt > 10 % in 3 Mona
Monaten)
E44.0 ore: 3–6 Punkte & BMI 18,5–22,5 kg/m2 oder ungewollter
(Kondrup-Score:
Gewichtsverlsut
sut > 5 % in 3 Monaten)

M
E44.1 (Kondrup-Score: 3–6 Punkte & Gewichtsverlu
Gewichtsverlust von < 5 % in 3 Monaten)
E46 (Gewichtsverlust: > 10 %, Kondrup
Kondrup-Score: ≥ 3)
R64 MI: < 18,5 kg/m2 &/od. Albumin
(BMI: Albumin: < 30 g/l)

……………………………………… Arztunterschrift / -stempel

Literatur
[1] Valentini L et al.: Leitlinien der … (DGEM): DGEM-Terminologie in der Klinischen Ernährung. Aktuel Ernährungsmed 2013; 38: 97–111
[2] Pirlich M „Was ist Mangelernährung?“ Wiener Klin Wochenschr 2004; 116(17–18):575–8
[3] Volkert D et al. ESPEN Guidelines on Enteral Nutrition: Geriatrics. Clin Nutr 2006; 25(2):330–60
[4] Pirlich M et al. Ernährungsstatus. Akt Ernähr Med 2003; Suppl 1:S10–25
[5] Norman K et al. Prognostic impact of disease-related malnutrition. Clin Nutr 2008;27(1):5–15
[6] Kondrup J et al. Nutritional Risk Screening (NRS 2002). Clin Nutr 2003; 22:415–21
[7] Detsky AS et al. What is Subjective Global Assessment of Nutritional Status. JPEN 1987;11(1):8–13
[8] Guigoz Y et al. Mini Nutritional Assessment (MNA): A practical assessment tool … of elderly patients. Facts Res Gerontol 1994;4(Suppl 2):15–59
[9] Bosy-Westphal A et al. Patterns of bioelectrical impedance vector distribution by body mass index and age: implications for
body-composition analysis. Am J Clin Nutr 2005;82(1):60–8. Erratum in: Am J Clin Nutr 2005;82(6):1358
[10] Lochs H et al. Introductory to the ESPEN Guidelines on Enteral Nutrition: Terminology, Definitions and General Topics. Clin Nutr 2006;25:180–6

Abkürzungsverzeichnis
LQ – Lebensqualität ME – Minderernährung
DRG – Diagnosis-Related Groups BMI – Body Mass Index [kg/m2]
NRS – Nutritional Risk Screening SGA – Subjective Global Assessment
MNA – Mini Nutritional Assessment ESPEN – European Society for Nutrition & Metabolism
© Meissner/Meyer II-2014

. Abb. 13.15 (Fortsetzung)


184 Kapitel 13 · Wissenswertes zur Anamnese und Untersuchung

13.5.2 Vorgehensempfehlung der Um einen Therapieerfolg zu erzielen, ist die


Ernährungsanamnese und Inter- frühzeitige, gezielte Erfassung des Ernährungszu-
vention mit dem Magdeburger standes notwendig, um die leitliniengerechte Um-
Schema nach Meissner C. et. al. setzung der erarbeiteten Ernährungskonzepte an-
hand des Stufentherapieschemas durchzusetzen.
Ablaufschema (. Abb. 13.15): Erfolg garantiert nur die konsequente Umsetzung
1. Pflege: Stationäre Aufnahme, Dokumentation: der erstellten Ernährungskonzepte, die zum Ziel
Datum, Diagnose, Größe, Gewicht, BMI und haben, den Energie- und Proteinhaushalt des Pa-
Vorscreening nach Kondrup J et al. (Bogen tienten zu erhalten und zu verbessern.
NRS) Europaweite Studien und Metaanalysen bestäti-
2. Wird hierbei eine Frage mit »Ja« beantwortet – gen eindrucksvoll die Wichtigkeit einer medizini-
Weitergabe an den Arzt und Information an schen Ernährungsanalyse bei stationären Patienten.
Ernährungstherapeutin (z.B. Diätassistentin, Die Evaluationsscores sind eine sichere Basis für die
Ökotrophologin) Erfassung einer Unter- und Mangelernährung.
3. Ernährungstherapeutin: NRS-Screening, ggf. Trink-, Zusatz- und Sondennahrung haben einen
Beratung und ernährungstherapeutische Emp- hohen therapeutischen Nutzen. Es sollte eine rou-
fehlung, ggf. BIA-Dokumentation tinemäßige Ernährungsbetreuung mit bei Bedarf
4. Arzt: Labor (Hämoglobin, Protein, Albumin Eskalation bis zur additiven parenteralen Ernäh-
und CRP), Dokumentation, Auswahl der er- rungstherapie erfolgen. Die setzt ein qualifiziertes
nährungsmedizinischen Diagnose Ernährungsteam voraus. Dieses Team ist der Um-
setzung der Leitlinien verpflichtet.
Die derzeitig zu dokumentierenden Befunde und
Vorgehensweisen im Rahmen der DRG (»Diagnosis
» Das, was mit der Ernährungsmedizin erreicht
werden kann, bewirkt kein einziges Medika-
Relatetd Groups«)-Abbildung von Mangelernäh-
ment. (C. Meißner)
rung, insbesondere im Vorfeld einer potenziellen
MDK (Medizinische Dienst der Krankenkasse)-
Anfrage lauten:
4 Körpergröße und Körpergewicht,
4 BMI,
13 4 Ernährungsscreening (z. B. NRS-2002),
4 Paraklinik: Albumin und Protein,
4 ggf. Bestimmung der Köperzusammensetzung
(BIA=Bioeletrische Impedanzanalyse),
4 ggf. Ernährungsberatung,
4 ärztliche Anordnung und Dokumentation
einer Ernährungstherapie.

13.5.3 Schlussfolgerung

Unter- und Mangelernährung sind relevante Risi-


kofaktoren in den Krankenhäusern und Kliniken,
die wesentliche klinische Parameter beeinflussen,
vor allem die Letalität, Morbidität, Verweildauer
im Krankenhaus, die Komplikationen, den Thera-
pierfolg und – nicht zu unterschätzen – die Lebens-
qualität des Patienten.
185

Serviceteil
Stichwortverzeichnis – 186

C. Meißner (Hrsg.), Basic Skills PJ,


DOI 10.1007/978-3-662-48703-7, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
186 Serviceteil

Stichwortverzeichnis

A Blutstillung 38
Blutungskontrolle 118
Ellenbogengelenk 172
Empathie 3
ABCDE-Schema 115 Blutungsprobleme 117 Endoskop 58
Achterknoten 91 Blutwerte 44 Endotrachealtubus 50
Adrenalin 112 Blutzuckermessung 142 Entscheidungsphase 8
Advanced Life Support (ALS) 108 – Anleitung 142 Ergometrie 134
– Erwachsene 110 B-Mode-Verfahren 156 – Auswertung 135
Advanced Paediatric Life Support Bodyplethysmographie 135 – Durchführung 134
(APLS) 112 Bradykardie 129 Erhebungsbogen 176
Advanced Trauma Life Support (ATLS) Broviac-Katheter 67, 69 Ernährungszustand 14
114 BURP-Manöver 52 Erstvorstellung 2
Akutes Coronar Syndrom (ACS) 112 Esmarch-Handgriff 47
Alkalose 142 Exploration 35
Amiodaron 110, 112
Amputation 75
C
Anamnese 8, 168
Anamnesebogen 169
Cabrera-Kreis 126
CAGE-Test 12
F
Anamneseerhebung 9 Cast 102, 106 Familienanamnese 13
Anorexie 181 C-Griff 47 Finger 174
Antibiotika 24 Chain of Survival 109 Fluss-Volumen-Kurve 135
Antiinfektiva 24 Chefarztvisite 42 Fuß 177
Antimykotika 24 Chirurgie, laparoskopische 40
Antisepsis 21 CO2-Rückatmung 50
Antiseptika 100
Appositionsthromben 70
Compliance 5
Couplet 131
G
Arterienpunktion 74 Gallengangs-Drainage 92, 94
Arzt-Patient-Kommunikation 6 Gauge 64
Asepsis 21
Aspiration 52
D Gefäßklemme 37
Gelenkpunktion 83
ASS 113 Defibrillator 141 Gesprächseinstieg 8
Aszitespunktion 80 Desinfektion 21 Gesprächsführung 7
– Instrumentarium 80 Devices 26 Gesprächsvorbereitung 7
– Komplikation 81 Diathermie-Gerät 33 Gewebedurchtrennung 35
– Vorgehen 80 Dokumentation 15 Gewebekleber 92
Atemmaske 47 – Mindestumfang 16 Gewebsfasszange 36
ATLS-Konzept 115 Doubbel-Flow-Drainage 92 Gips 102, 103
Atrioventrikulärer Block (AV-Block) Drainagesysteme 92 Glasgow Coma Scale (GCS) 118
130 Drogenkonsum 13 Guedeltubus 47
Augenkontakt 4 – Einlage 48
Automatischer externer Defibrillator
(AED) 109, 144
E
Azidose 142
Easy-Flow-Drainage 92, 94
H
Einsekundenkapazität 135 Händedesinfektion 27, 43
B Einzelknopftechnik 91
Elektrodenposition 124
– chirurgische 86
– Dreierregel 87
Beatmung 109 Elektrokardiogramm 124, 141 Handgelenk 174
– Verhältnisse, schwierige 48 – Artefakte 125 Handschuhe 28
Bewegungsausmaß, abnormes 171 – Auswertung 126 Harnblasenkatheter 72
Bezugsebene, anatomische 172 – Ischämiezeichen 133 – Anlage 72
Bigeminus 131 – Kurve 125 Heparin 113
Biomaterial 27 – normales 125 Herz-Kreislauf-Stillstand 144
Blutdruckmessung 140 – Platzierung der Elektroden 124 Herzrhythmus 144
Blutgasanalyse 74 Elektrokoagulation 38 Hickman-Katheter 67, 69
187 A–R
Stichwortverzeichnis

Hubernadel 68
Hüftbeugekontraktur 175
L P
Hüftgelenk 175 Lagetyp 126 Paediatric basic life support (PBSL)
Hygiene 20 Larynxmaske 54 111
– Grundregeln 20 – Einlage 55 Pankreas-Drainage 92, 94
– Prophylaxe 22 Larynxtubus 54 Paraphimose 74
– Weiterbildung 27 Laser 34 Patientenkommunikation 3
Hypertonie 140 Letale Trias 119 Patientenvorstellung 17, 43
Hyperventilation 61, 143 Luftwege 116 Periphere Venenverweilkanüle (PVK)
Hypoglykämie 142 Lungenemphysem 157 64
Hypothermie 119 – Anleitung 64
Hypotonie 140 – Instrumentarium 64
Hypoventilation 143
M – Komplikationen 65
Peritonealpunktion 80
Magensonde 70 Pinzette 35
I – Anlage 71
Malnutrition 181
Pleuraerguss 157
Pleurapunktion 81
Idealbinde 102 Mangelernährung 181 – Instrumentarium 81
Impedanz-gestörte Koagulation 39 Maskenbeatmung 46 – Vorgehen 82
Impfung 11 Medikamente 11 Pneumonie 157
Infarktlokalisation 114 Methicillin-resistenter Staphylococcus Pneumothorax 157
Inspektion 171 aureus (MRSA) 22 Polytrauma 114, 117
Intensivstation 44 Mikrobiologie 27 Port 67
Intubation Mikrobiologisches Monitoring 24 – Anlage 68
– endotracheale 49 Morphin 113 – Heparinblock 69
– retrograde 55 Mullbinde 102 Port-Katheter 67
– schwere 52 Multiresistente Gram-negative Stäb- Postexpositionsprophylaxe 29
Intubationslarynxmaske 56 chen (MRGN) 22 PQ-Strecke 126
Multiresistente Mikroorganismen 22 Präparation 32
Muskellähmung 172 primary survey 115, 119
J Problemwunde 101
Pulsoxymetrie 140
Jackson-Position 50
Jackson-Pratt-Drainage 94
N Purkinjefasern 146
Pütterverband 102
Nadelstichverletzung 28 – modifizierter 102
Nährstoffdefizit 181 P-Welle 125, 146
K Naht, fortlaufende intrakutane 91
Nahttechnik 89, 91
Kachexie 181
Kammerflimmern 129, 144
Narbe 92
Nasenbrille 47
Q
Kammertachykardie 127 Nasensonde 47 QRS-Komplex 126, 146
Kapnometer 50 Neutral-Null-Methode 171, 172 Q-Zacke 126, 133
Kapnometrie 50, 143 Nitroglycerin 113
Kardio-Pulmonale-Reanimation (CPR) Nosokomiale Infektion 23
108
Klammernahtapparat 39
R
Klammernahttechnik 92
Kniegelenk 176
O range of motion (ROM) 7 Neutral-Null-
Methode
Knotentechnik 89 Oberarztvisite 42 Rapid Sequenz Induction (RSI) 116
Kohlendioxidpartialdruck (pCO2) 143 Obstruktion 136 R-auf-T-Phänomen 131
Kombitubus 54 Operationssaal 86 Redon-Drainage 92, 93
Koniotomie 59 Organsysteme 11 Refeeding-Syndrom 181
Kreislaufstillstand 109 Organzange 36 Reiseanamnese 13
Krikoiddruck 52 Oxygenierung 116 Rekonstruktion 39
Kurvenvisite 42, 44 Rektusscheidenhämatom 80
Kurvenwagen 42 Resektion 39
Resistenzlage 23
Restriktion 136
188 Serviceteil

Robinson-Drainage 92, 94
Röntgenbleischürze 86
T Vorhofflattern 127, 128
Vorhofflimmern 127, 128
Röntgenthorax 157 Tachykarde Herzrhythmusstörung
R/S-Quotient 126 (HRST) 127
Rückatmung 61
Rückstichtechnik 91
Tachykardie
– atriale 128
W
R-Zacke 126 – supraventrikuläre 127 Wasserstrahlskalpell 34
– ventrikuläre 128 Wendel-Tubus 49
Temperaturmessung 142 – Einlage 49
S Tetanus 98
Thermokauterisierung 38
Wertschätzung 4
Wundarten 97
Salve 131 Thoraxdrainage 75, 117, 120 Wundauflage
Sarkopenie 181 – Bülau 76 – inaktive 100
Sauerstoff 46 – Monaldi 76 – interaktive 100
Sauerstoffapplikation 47 Thoraxkompression 109, 110, 111 Wunde 96
Schellong-Test 136 Tiffeneau-Index 135 – akute 96
Schenkelblock 131, 146 Titan-Clips 38 – chronische 96
Schenkelhalsfraktur 175 Torsade–de-pointes-Tachykardie 129 Wundhaken 35
Schere 32 Tracheostoma 59 Wundheilung 96
Schifferknoten 91 – Kanülenwechsel 60 – primäre 96
Schmerzcharakter 11 Traumaversorgung 115 – sekundäre 96
Schockstadien 117 Trigeminus 131 Wundinfektion 98
Schultergelenk 173 Triplet 131 Wundmanagement 28
Schutzgaskoagulation 39 Trokar 40 Wundmaterial 99
Schwerverletzte 114 Troponin 113 Wundversorgung 98
secondary survey 115, 119 T-Welle 126, 133, 146
Seeanomonenphänomen 80
Seldinger-Technik 67
Z
Sellick-Handgriff 52
Sexualität 13
U Zentralvenöser Katheter (ZVK) 65
Shaldon-Katheter 67 Überlebenskette 108 – Anlage 67
Sinuatrialer Block (SA-Block) 129 Ultraschalldissektor 33 – Arten 66
Sinusknoten 146 Unterernährung 181 – Blutentnahme 68
Sinusrhythmus 146 Untersuchung 172 – Indikation 66
Sinustachykardie 128 – körperliche 13 – Komplikation 69
Skalpell 32 Untersuchungsbogen Chirurgie 170 Zimmerisolation 22
Sonografie 156
Sozialanamnese 12
Spannungspneumothorax 116, 120
Spirometrie 135
V
– Auswertung 136 VAC-System 101
Spontankreislauf 110 Venenverweilkanülenpflaster 65
Spreizer 36 Ventilation 116
Sprunggelenk 176 Ventrikuläre Extrasystolen (VES) 130
Standardmonitoring 140 Verband
Stapler 39 – nach Fischer 102
Stellableitung 145 – nach Schneider 102
Sterilisation 21 – nach Sigg 102
Stiffneck 116 Verbandsmaterial 99
ST-Strecke 126, 133 Verbandswagen 42
Supraventrikuläre Extrasystole (SVES) Videolaryngoskopie 58
130 Virostatika 24
S-Zacke 126 Visite 17, 42
– Aufgaben 43
– Intensivstation 44
Vitalkapazität 135
Vitalparameter 14
Volume challenge 118

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