TP Skript
TP Skript
EINFÜHRUNG IN DIE
ELEMENTARTEILCHENPHYSIK
(Skript von Prof. Dr. K. Pretzl)
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1. 1 Die Fundamentalen Bausteine der Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1. 2 Natürliche Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1. 3 Feynman - Diagramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
1. 4 Vierervektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1. 5 Der Propagator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
1. 6 Wechselwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
1. 7 Reichweite der Kraftfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
1. 8 Wirkungsquerschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
1. 9 Helizität oder Händigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
8. Neutrinos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
8. 1 Was wissen wir über die Neutrinos? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
8. 2 Neutrino Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
8. 3 W. Pauli’s Neutrino Hypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
8. 4 Erster experimenteller Nachweis des Neutrinos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
8. 5 Entdeckung des Myon - Neutrinos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
8. 6 Das Tau - Neutrino . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
8. 7 Gibt es mehr Neutrinosorten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
8. 8 Messung der Helizität des Neutrinos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
8. 9 Helizität und die Neutrino - Quark Streuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
8. 10 Sind die Neutrinos Dirac - oder Majorana - Teilchen ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
8. 11 Haben die Neutrinos eine Masse ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181
8. 12 Haben die Neutrinos ein magnetisches Moment ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
1. Einleitung
Die Teilchenphysik beschäftigt sich mit den fundamentalen Bausteinen der Materie und deren
Wechselwirkungen. Um die Physik bei kleinen Dimensionen besser studieren zu können, muss
man Experimente an hochenergetischen Telchenbeschleunigern bzw. Speicherringen durch-
führen. Fast alle heute bekannten Prozesse in der Teilchenphysik lassen sich mittels des soge-
nannten Standard Modells beschreiben. Dieses beinhaltet die Quarks und Leptonen als die
Grundbausteine der Materie und die elektroschwache sowie die starke Wechselwirkung
(Quanten-Chromo-Dynamik QCD) als deren fundamentale Wechselwirkungen.
Trotz der bisher guten Uebereinstimmung mit den experimentellen Daten weiss man, dass es
sich beim Standard Modell nicht um eine endgültige allumfassende Theorie handeln kann. Es
gibt zu viele freie Parameter und die gravitative W.W. lässt sich nicht in das Modell inte-
grieren. Die kürzlich entdeckten Neutrino-Oszillationen, welche besagen, dass sowohl die
Neutrinos eine Masse besitzen als auch die Leptonenzahl verletzt ist, sind mit dem Standard
Modell unverträglich und weisen auf die Existenz von neuer Physik hin, welche über das
Standard Modell hinausgeht.
Mit einem grossen Schritt zu höheren Energien, welcher durch den im Bau befindlichen Large
Hadron Collider (LHC) am CERN ermöglicht werden soll, wird man bald in der Lage sein,
nach dieser neuen Physik zu suchen. Dabei will man unter anderem nach sogenannten Super-
Symmetrischen Teilchen Ausschau halten, deren Existenz von Super-Symmetrischen Theorien
(SUSY) vorhergesagt wird. Die Super-Symmetrie bildet eine wichtige Grundlage für die
Grand Unified Theories (GUT), welche zum Ziel haben, alle Wechselwirkungen, inklusive die
Gravitation, zu vereinheitlichen. Eine interessante Entwicklung in dieser Richtung bilden auch
die “String Theories”, welche extra-Dimensionen zulassen und auf natürliche Weise die Gra-
vitation mit einbeziehen.
Seit kurzer Zeit sind die Teilchenphysik, die Kosmologie und die Astrophysik eng miteinander
verknüpft. Es ist daraus eine neue Disziplin, die “Astroteilchenphysik” entstanden. Die
Erkenntnisse aus der Teilchenphysik bilden eine wesentliche Voraussetzung für ein besseres
Verständnis von astrophysikalischen Prozessen und von der Entwicklung unseres Universums.
So lassen uns GUT Theorien darüber spekulieren, in welchem Zustand sich das Universum
kurz nach dem Big Bang befunden haben könnte. Experimente an Teilchenbeschleunigern
geben uns Hinweise darüber, wie die Materie im frühen Universum entstanden ist und warum
es nur Materie und keine Antimaterie im Universum gibt. Die Teilchenphysik ist auch eng mit
1
1. Einleitung
der Frage nach der dunklen Materie im Universum verknüpft. Grosse Rätsel geben uns auch
kosmische Teilchen auf, die mit ungeheuren Energien (>1020 eV) auf die Erde treffen. Von
welchen kosmischen Objekten stammen diese Teilchen und wie werden sie beschleunigt? Mit
Hilfe der Teilchenphysik lässt sich vielleicht auch eines Tages der Zustand der dicht gepackten
Materie in Neutronensternen deuten.
Leider können wir in dieser einführenden Vorlesung nicht auf alle diese Themen näher ein-
gehen. Die Vorlesung ist eher als Schnupperkurs zu verstehen, der einen kurzen Einblick in die
Physik der Elementarteilchen geben soll.
2
1. Einleitung
γ gluon W+ Z0 W- graviton
Spin 1 1 1 1 1 2
Ladung 0 0 + 0 0
Die fundamentalen Bausteine der Materie sind die Quarks und die Leptonen. Diese Teilchen
haben alle einen Spin 1/2 und lassen sich in 3 Familien unterbringen. Die Quarks und Lep-
tonen besitzen eine Masse. Eine Ausnahme bilden die Neutrinos, deren Masse nach dem Stan-
dardmodell gleich Null sein sollte. Experimentell konnte bisher nur eine obere Grenze für die
Neutrinomasse angegeben werden. Allerdings zeigen Experimente mit atmosphärischen Neu-
trinos (Super-Kamiokande), mit solaren Neutrinos (Sudbury Neutrino Observatory, SNO) und
mit Reaktor Neutrinos (KamLAND), dass die Neutrinos oszillieren und damit auch Massenei-
genzustände besitzen ( siehe dazu Kapitel 8.11 auf Seite 181 ).
3
1. Einleitung
Dazu kommt noch die gleiche Anzahl von Antiquarks und Antileptonen, welche in der freien
Natur gewöhnlich nicht in Erscheinung treten, aber in Experimenten an grossen Teilchenbe-
schleunigern beobachtet werden. Die Antiteilchen unterscheiden sich von den Teilchen durch
das umgekehrte Vorzeichen ihrer Quantenzahlen ( Ladung, Baryonenzahl, Leptonenzahl etc.)
Nach unserer heutigen Vorstellung werden die fundamentalen Kräfte in der Natur durch Eich-
felder in Form von Teilchen, sogenannten Eichbosonen, übertragen. Die Eichbosonen der
starken Kräfte sind die Gluonen g, die der elektromagnetischen Kräfte die Photonen γ , die der
schwachen Kräfte die W+- , W –- , Z0- Bosonen und die der gravitativen Kräfte die Gravitonen.
Die Eichbosonen haben den Spin 1 mit Ausnahme der Gravitonen, welche den Spin 2 besitzen.
Der Grund dafür ist, dass eine Dipolstrahlung, welche zur Emission eines Gravitons mit dem
Spin 1 führen würde, wegen der nicht existierenden negativ gravitativen Masse ( analog zur
elektrischen Ladung ) nicht möglich ist.
c = 197.3 MeVfm
In der Teilchenphysik verwendet man gerne sogenannte “natürliche Einheiten”, indem man
die Lichtgeschwindigkeit c, die Reduzierte Planck Konstante und die Feldkonstante ε0
gleich 1 setzt :
c = = ε0 = 1
4
1. Einleitung
[ Länge L ]
c = -------------------------- ⇒ [L] = [t]
[ Zeit t ]
Das heisst, Länge und Zeit haben dieselbe Dimension. Dies ergibt sich ganz natürlich aus dem
Zusammenhang von Raum und Zeit in der Relativitätstheorie. Ebenso erhalten die Energie E
und der Impuls p dieselbe Dimension :
E = [ t -1 ] und p = [ L-1 ]
[E ]=[p]
E = mc2 ⇒ m=[E ]
Masse, Energie und Impuls haben dieselbe Dimension. Sie wird in eV angegeben.
σ = [ L2 ] = [ eV ]-2
c = 197.3 MeVfm
1 - MeV –1
1fm ≅ ------------
197.3
–1
1MeV ≅ 197.3fm
5
1. Einleitung
Statt in fm2 oder MeV-2 wird der Wirkungsquerschnitt auch oft in Einheiten von barn ange-
geben. Der Ausdruck barn, im Englischen Scheune, wurde von Enrico Fermi geprägt. Er sagte
einmal überschwenglich: “Dieser Wirkungsquerschnitt ist so gross wie ein Scheunentor.”
1 barn = 10-24 cm2 = 100 fm2
1 mbarn = 10-3 barn = 0.1 fm2
Die Diagramme wurden von Feynman zur symbolischen Beschreibung von Übergangsmatrix-
elementen in der Quantenelektrodynamik eingeführt.
Die durchgezogenen Linien in den Diagrammen entsprechen den Teilchenströmen. Die Pfeile
geben dabei Richtung des zeitlichen Verlaufs an. Teilchenlinien, die zeitlich gesehen rück-
wärtslaufen, sind als zeitlich vorwärtslaufende Antiteilchen zu interpretieren.
Die Kraftübertragung wird durch den Austausch von Eichbosonen vermittelt. Dabei wird die
Wirkung des Kraftfeldes durch den Propagator - Term
1 -
------------------
2 2
q +m
beschrieben, wobei q der Vierer - Impulsübertrag und m die Masse des Eichbosons sind. Das
Eichboson koppelt mit der Stärke α ( Kopplungsstärke) an die jeweiligen Fermionen. Die
Übergangsmatrix Mfi von einem Anfangszustand i ( i = initial ) in einen Endzustand f ( f =final)
e- α α e+
γ
Elastische e- e+ Streuung
e- e+
6
1. Einleitung
Beispiele :
e+ μ-
γ
Vernichtung
e- μ+
e+ μ-
e+
γ γ
Vakuumpolarisation
e-
e- μ+
p
u e-
W-
Neutronen-Zerfall
d
n νe
q q
g
Starke Wechselwirkung
q q
7
1. Einleitung
Pinguin - Diagramme
8
1. Einleitung
ANMERKUNG
Die Wechselwirkungen werden durch den Austausch von Bosonen vermittelt. Diese Vorgänge
können jedoch nur im Rahmen der Heisenberg’schen Unschärferelation
ΔE ⋅ Δt >
verstanden werden. So würde zum Beispiel die spontane Emission eines Photons durch ein
Elektron den Energiesatz verletzen. Das Photon kann daher nur für eine bestimmte kurze Zeit
Δ t existieren, bevor es wieder ( z.B. von einem Positron ) absorbiert wird. Das ausgetauschte
Teilchen muss also immer zwei Teilchenströme miteinander verbinden! Man spricht daher
auch von virtuellen Austauschteilchen. Die Energie und der Impuls des gesamten Prozesses
bleibt allerdings immer erhalten.
Aufgrund der Unschärferelation kann man dem virtuellen Photon eine Masse m ≠ 0 zuordnen.
Man sagt, das virtuelle Photon liegt ausserhalb seiner Massenschale. Für das virtuelle Photon
gilt dann die Energie- Impuls - Beziehung
E 2 = p 2c 2 + m 2c 4
1.4 Vierervektoren
9
1. Einleitung
Das Produkt bzw. das Quadrat von Vierervektoren ist Lorentz-invariant, d.h. es besitzt in ver-
schiedenen Inertialsystemen immer denselben Wert!
2
p = E
2 2 2 2
Quadrat des Viererimpulses : ------ – p = m c
2
c
da E2 = p2c2 + m2c4
p = ⎛E
---, p⎞
gestreutes Proton
⎝c ⎠ ruhendes Proton
E
q = ⎛⎝ ------R, p R⎞⎠
ER = Rückstossenergie
pR = Rückstossimpuls
c
Viererimpulsübertrag : q = p – p'
2
q = ⎛⎝ E ----⎞⎠ – ( p – p' )
--- – E'
2 2
c c
2pp' cos θ
θ
q = – 4p sin2 ⎛⎝ ---⎞⎠
2 2
2
10
1. Einleitung
Der Propagator beschreibt im Impulsraum die Wirkung des Kraftfeldes im Ortsraum. Er lässt
sich durch Fourier - Transformation aus dem Kraftfeld ableiten.
wobei r der Abstand vom Kraftfeld, g die Stärke des Kraftfeldes und
R = -------
mc
Die Streuamplitude eines Teilchens, welches im Kraftfeld abgelenkt wird, lässt sich durch
Fourier - Transformation aus dem Potenzial des Kraftfeldes berechnen :
iqr
f ( q ) = g 0 ∫ U ( r )e dV ,
wobei q der Vierer - Impulsübertrag und g0 die intrinsische Kopplungsstärke des Teilchens an
das Kraftfeld sind. Vektoren sind zur Unterscheidung von skalaren Grössen fett gedruckt.
2 iqr cos θ 2 1 -
f ( q ) = g 0 ∫ ∫ ∫ U ( r )e sin θ dθ dΦr dr = g 0 g ------------------
2 2
q +m
11
1. Einleitung
Die Grösse 1 -
------------------
2 2
q +m
bezeichnet man als den Propagator eines kraftübertragenden Teilchens. Wobei m die Masse
des Teilchens ist.
Der Uebergang zur klassischen Physik wird bei sehr kleinem q2 erreicht. Laut Unschärfere-
lation q⋅r≥
ist das gleichbedeutend mit einer Streuung bei sehr grossem Abstand r. Dies führt dazu, dass
im klassischen Fall die Wirkung des Kraftfeldes durch das Coulomb-Gesetz
2
f ∼ e-----
2
r
beschrieben wird.
p' = ⎛⎝ E'
----, p'⎞⎠
c en
ei lc h
α-T
p = ⎛⎝ E
---, p⎞⎠
es
st reut
c ge
E
einfallendes α-Teilchen (z . e) q = ⎛⎝ ------R, p R⎞⎠
c
γ*
Kern (Z . e)
Wir betrachten die Streuung an punktförmigen Objekten und vernachlässigen die räumliche
Ladungsverteilung der Kerne (Formfaktor = 1). Wir nehmen ferner an, dass der Target Kern
gegenüber dem α-Teilchen so schwer ist, dass wir den Rückstoss vernachlässigen können,
q = p – p'
12
1. Einleitung
Die Streuamplitude f(q) lässt sich durch Fourier-Transformation aus dem Potenzial des Kraft-
feldes U(r) berechnen. Sie ergibt sich aus dem Ueberlappungsintegral zwischen dem Anfangs-
zustand ψi und dem Endzustand ψf und dem Potenzial U(r) :
f( q) = ∫ ψf U ( r )ψi dV'
Die Wellenfunktion des Anfangszustandes ψi und des Endzustandes ψf sind gegeben durch :
i ( pr – Et ) 1-
ψi = e ⋅ -------
V
– i ( p'r – E't ) 1-
ψf = e ⋅ -------
V
wobei wir = c = 1 gesetzt haben.
Wir betrachten ein endliches Volumen V, das gross im Vergleich zum Streuzentrum ist. Der
1 - hebt sich später heraus, so dass die Resultate unabhängig von V sind.
Normierungsfaktor -------
V
1- U ( r )e iqr dV'
V∫
= ---
2
1- ⋅ Zze 1- ⋅ Zz4πα
= --- ------------ = --- -----------------
V q2 V q
2
2
e - die Feinstruktur Konstante ist.
wobei α = -----------
4πε 0
1- ⋅ z α
f ( q ) ≈ Z α ⋅ ----
2
q
Kopplung . Propagator . Kopplung
13
1. Einleitung
α z α Z α Kern
γ*
1 / q2
α-Teilchen Kern
Wirkungsquerschnitt
Wir erhalten den Wirkungsquerschnitt unter Benützung von Fermi’s goldener Regel, welche
die Uebergangswahrscheinlichkeit pro Zeiteinheit zu
Γ = 2π
2 dn
—
- ⋅ M fi ⋅ -------
----- -
h dE'
n
σ ⋅ υ ⋅ ----i = 2π
2 dn
—
- ⋅ M fi ⋅ -------
----- -
V h dE'
wobei ni die Anzahl der einfallenden Teilchen und υ deren Geschwindigkeit ist.
Wir betrachten ein Teilchen, welches in das Volumen V und in den Impulsbereich p’+dp’
gestreut wird. Im Impulsraum entspricht dies einer Kugelschale mit dem Volumen
2
4πp' dp'
Wir berücksichtigen nur Prozesse, bei denen sich der Spin der Teilchen nicht ändert! Die Zahl
der möglichen Endzustände ist dann :
14
1. Einleitung
⎫
⎪
⎬
⎪
⎭
}
2
V ⋅ 4πp' dp' -
dn = ---------------------------------------
3
( 2π )
⎧
⎨
⎩
Besetzungsdichte eines Teilchens im 6–dimensionalen
Orts- und Impulsraum
Wir setzen dE’ = dE, da der Rückstoss als vernachlässigbar klein angenommen wird. Ferner
2
V ⋅ 4πp' -
dn- = -------------------------
------
dE 3
( 2π ) ⋅ υ'
Der Wirkungsquerschnitt für die Streuung eines α-Teilchens in den Raumwinkel dΩ ist dann
gegeben durch :
dσ ⋅ υ = 2π
2 dn- ⋅ dΩ
------ ⋅ M fi ⋅ V ⋅ ------
dE
2 2
dσ 2π 2 V 4πp'
------- = ------ ⋅ M fi ⋅ ------------------------------
dΩ 3
( 2π ) υ ⋅ υ'
2 2 4
2 1 ⋅Z z e-
mit M fi = ------ ----------------
2 4
V q
2 2 4 2
dσ = --------
1- ⋅ Z z e - ⋅ -----------
p' -
------- ----------------
dΩ π —h
4
q
4 υ ⋅ υ'
15
1. Einleitung
p ∼ p'
2 2
q = – 2p ( 1 – cos θ )
2 2
dq = 2p d ( cos θ )
( cos θ )- = sin θ
d-------------------
da
dθ
2
Daraus folgt : dΩ = πdq
------------
2
p
2 2 4
dσ = ----
1- ⋅ ----------------
Z z e - ⋅ ----- 1
--------
2 4 4 2
dq q υ
16
1. Einleitung
1.6 Wechselwirkungen
1. Starke Wechselwirkung
q q
Kopplung αs
g
2
g
α s = -----s- ≈ 1
4π
q q
αs αs gs = Farbladung
2. Elektromagnetische Wechselwirkung
e- e-
Kopplung α
γ
2
1 - e 1-
α = ----------- ⋅ ------ = --------
4πε 0 c 137
e- e- Feinstruktur - Konstante
α α
3. Schwache Wechselwirkung
u e- Kopplung α w
2
g-
W- α w ≈ -----
4π
g = schwache Ladung
d νe
αw αw g
2
–5 –2
G F = -------------- = 1.17 ⋅ 10 GeV
2
m W, Z
Fermi - Konstante
17
1. Einleitung
4. Gravitation
Proton Proton
Kopplung αg
Graviton
2
GN mp – 39
α g = --------------
- ≈ 6 ⋅ 10
c
αg αg
– 39 –2 –4
G N = 6.707 ⋅ 10 c ( GeV c ) ,
Die Kopplung ist ein Mass für die Wechselwirkungsenergie zweier Teilchen im Abstand von
r = 1 Fermi. Bei gegebenem Abstand r wird die Energie mit der Unschärfe ΔE > -----c- über-
r
tragen.
mp ⋅ mp
U = GN -----------------
-
r
an. Der Energieübertrag erfolgt mit Lichtgeschwindigkeit ( da die Gravitonen masselos sind ).
Unter Berücksichtigung der Energieunschärfe ΔE > -----c- erhalten wir für die gravitative
r
Kopplung :
2
GN ⋅ mp
U- = ------------------ – 39
α g = ------ - = 6.7 ⋅ 10
ΔE c
18
1. Einleitung
1 - Q ⋅ Q-
U = ----------- ------------
4πε 0 r
2
1 - = 8.98 ⋅ 10 9 Nm
Dabei ist ε 0 die elektrische Feldkonstante und ----------- ----------- .
4πε 0 2
C
2
U- 1 Q 1-
α = ------ = ------------ ------ = --------
ΔE 4πε 0 c 137
Wegen der extrem kleinen Kopplung im Vergleich zu den anderen Wechselwirkungen spielt
die Gravitation in der Teilchenphysik keine Rolle.
Allerdings sind die Kopplungen keine Konstanten. Wie wir später sehen werden, ändern sie
sich als Funktion des Impulsübertrags ( q 2 ) bzw. des Abstands der miteinander wechselwir-
kenden Teilchen.
Die Streuamplituden f, die Wirkungsquerschnitte σ und die Lebensdauern τ der Teilchen sind
proportional zur Kopplungsstärke. Sie sagen uns deshalb etwas über die Art der Wechsel-
wirkung aus :
2
Streuamplitude f ∼ ( Kopplung ) ⋅ Propagator
2 4 2
Wirkungsquerschnitt σ ∼ f ∼ ( Kopplung ) ( Propagator )
τ ∼ --1- ∼ -------------
1 - ∼ -------------------------------
1
Lebensdauer
Γ M 2
( Koppung )
4
fi
d.h. je stärker die Kopplung, umso grösser ist der Wirkungsquerschnitt bei einer Reaktion und
umso kürzer ist die Lebensdauer eines Teilchens bzw. eines angeregten Zustandes.
19
1. Einleitung
Quarks ja ja ja
e,μ,τ nein ja ja
νe , νμ , ντ nein nein ja
20
1. Einleitung
Die Reichweite R des mit dem Kräfteaustausch assoziierten Eichfeldes ergibt sich aus der
Form des Yukawa-Potenzials (siehe Kapitel 1.5) zu :
R = ------- =
mc
Die Reichweite einer Kraft ist invers proportional zur Ruhemasse m des ausgetauschten Eich-
bosons. Die Reichweite der Kraft entspricht also der Comptonwellenlänge des ausge-
tauschten Teilchens. Für Teilchen mit der Ruhemasse m = 0 (Photon, Graviton) ist die
Reichweite des Kraftfeldes unendlich. Dagegen bilden die Gluonen mit der Ruhemasse m = 0
eine Ausnahme. Ihr Kraftfeld hat eine endliche Reichweite von etwa einem Fermi. Die
Gluonen besitzen nämlich eine Farbladung und sind durch Wechselwirkung mit ihren Farb-
feldern in einem Raum mit einem Durchmesser von einem Fermi eingeschlossen. Sie können
deshalb als freie Teilchen nie in Erscheinung treten ( siehe dazu Kapitel 7.2 auf Seite 134 und
Kapitel 7.4 ”Quarkeinschluss ( Confinement )” auf Seite 141 ). Wegen ihrer Farbladung sind
Gluonen nicht Abel’sche Eichbosonen.
Wegen der hohen Masse der W und Z Eichbosonen ist die Reichweite der schwachen Kraft
sehr klein :
c - 2.2 10 –3
c - ≈ ----------------------
R = ---------------- ≈ ⋅ fm
m Z ⋅ c 90 [ GeV ]
2
γ 0 ∞
Graviton 0 ∞
nicht Abel’sches
Gluonen 0 ∼ 1 fm
Eichboson!
21
1. Einleitung
Das Kraftfeld der Kerne hat eine Reichweite R von etwa einem Fermi (1fm = 10 -15 m). Ein
hypothetisches Teilchen mit der Comptonwellenlänge von einem Fermi hätte nach obiger
Beziehung eine Masse von :
Solche Überlegungen führten den japanischen Physiker und Nobelpreisträger Yukawa dazu,
die Existenz eines Teilchens vorherzusagen, welches für den Austausch von Kernkräften (dem
sogenannten Mesonenaustausch ) verantwortlich ist. Das π - Meson mit einer Masse von
139 MeV wurde erst später entdeckt.
1.8 Wirkungsquerschnitt
2
2 g -
f ( q ) = ------------------
2 2
q +m
wobei g die Kopplung des Bosons an das streuende bzw. gestreute Teilchen ist. Je nach Art der
Wechselwirkung entspricht g der Farbladung, der elektromagnetischen Ladung oder der
schwachen Ladung.
Für die schwache Wechselwirkung ist wegen der grossen Masse der Eichbosonen die Streuam-
plitude und damit auch der Wirkungsquerschnitt sehr klein :
2
2 g
f ( q ) = -------------------------
-
2 2
q + m W, Z
22
1. Einleitung
2 2
Für q « m W, Z ist die Streuamplitude der schwachen Wechselwirkung unabhängig von q 2
( punktförmige W.W ! ).
2 2
Für q » m W, Z sind die Streuamplituden der schwachen und elektromagnetischen W.W.
der Struktur nach identisch. Sie unterscheiden sich nur noch durch die verschiedenen Kopp-
lungen. Falls die Kopplungen jedoch gleich wären, also g = e, dann könnte man bei grossen q2
die elektromagnetische W.W. nicht mehr von der schwachen W.W. unterscheiden. Diese
Überlegungen lagen Sh. Glashow, A. Salam und S. Weinberg bei ihrem Vorschlag einer ver-
einheitlichten elektro-schwachen Theorie zu Grunde (siehe Kapitel 2.
Anmerkung
Bei Experimenten an einem Beschleuniger, bei denen der Strahl auf ein fixiertes Target
gelenkt wird, ist die Ereignisrate R :
R = σ ⋅ Ni ⋅ Na
mit den Dimensionen :
–1 2 –1 –2
[ s ] = [ cm ] [ s ] [ cm ]
wobei σ = Wirkungsquerschnitt
Ni = Anzahl der Strahlteilchen pro Sekunde
Na = Anzahl der Streuzentren pro Fläche
ρ⋅l⋅N –2
Na = --------------------A- [ cm ]
A
23
1. Einleitung
34 –2 –1
Die Luminosität des Large Hadron Colliders (LHC) am CERN wird L = 10 ⋅ [ cm s ]
betragen!
Wir betrachten einen Streuprozess, bei dem ein geladenes W - Boson ausgetauscht wird. Da wir
annehmen, dass die elementarsten Fermionen keine Struktur aufweisen, wird der Wirkungs-
querschnitt nur von der Fermi - Konstanten GF abhängen.
e- νe νe
e-
W- Z0
νe e- νe e-
σ = --1- ⋅ ( c ) ⋅ G F ⋅ s
2 2
π
2 2 2 –4 2
Dimension : cm = GeV cm GeV GeV
wobei s = 2mec 2Ev das Quadrat der Schwerpunktenergie der Reaktion im Laborsystem ist.
24
1. Einleitung
Setzt man für me die Masse des Elektrons ein und für ( c ) 2 = 0.389 ⋅10 −27GeV2cm 2, sowie
2 – 10 –4
für die Fermi - Konstante G F = 1.37 ⋅ 10 GeV , dann ergibt sich für den Wirkungsquer-
schnitt im Laborsystem :
– 41 2 Eν
σ = 1.7 ⋅ 10 cm ⋅ -----------
-
GeV
Wir schätzen den Wirkungsquerschnitt für die Produktion von μ+ μ− Paaren in hochenergeti-
e+ μ-
e- μ+
Die Schwerpunktsenergie Ec.m. der Kollision sei sehr viel grösser als die Masse der Elektronen
oder der Myonen. Dann können wir die Massen vernachlässigen und schreiben :
2 2
s = E c.m. = q
Bei genauer Evaluation ergibt sich für den Wirkungsquerschnitt bei hohen Energien :
2
σ = 4--- π α
------
3 s
+ - + - – 32 2
σ ( e e → μ μ ) ≈ 8.7 ⋅ 10 cm = 87nb
25
1. Einleitung
Hadronen sind ausgedehnte Objekte, welche sich aus Quarks, Antiquarks und Gluonen zusam-
mensetzen (siehe hierzu Kapitel 4). Bei sehr kleinen Impulsüberträgen ( q2 sehr klein ) hängt
der Wirkungsquerschnitt der starken Wechselwirkung von der räumlichen Verteilung der
Farbladungen ( Formfaktor ) ab. Bei Protonen und Neutronen entspricht das etwa einem Radius
– 13
von ungefähr einem Fermi (1 fm), also r p ≈ 10 cm . Wir können deshalb aus dem Protonen-
radius den totalen Wirkungsquerschnitt für die Proton - Proton - Streuung abschätzen :
2 – 26 2
σ pp ≈ r p π ≈ 3 ⋅ 10 cm = 30mb
Da die Protonen aus 3 Quarks und die Mesonen aus Quark - Antiquark - Paaren bestehen,
können wir aus der Anzahl der Quarks die Verhältnisse der totalen Wirkungsquerschnitte
σ πp σ Kp 2
abschätzen : -------- ≈ --------- ≈ ---
σ pp σ pp 3
Die Wirkungsquerschnitte der starken Wechselwirkung sind unabhängig von der elektrischen
Ladung. Wir erhalten deshalb aus obigen Gleichungen :
σ ± ≈ 20mb
π p
σ ± ≈ 20mb
K p
σ pp ≈ 45mb
σ ± ≈ 25mb
π p
σ ± ≈ 20mb
K p
Bei sehr hohen Impulsüberträgen (q2 sehr gross ) lassen sich die hadronischen Wirkungsquer-
schnitte durch die Wechselwirkung der Konstituenten ( den Quarks und Gluonen ) beschreiben.
Wie die Leptonen sind die Quarks und Gluonen punktförmige Teilchen, d.h. sie besitzen keine
Substrukturen. Die Wirkungsquerschnitte für die Konstituenten - Streuung ( Quark - Quark oder
26
1. Einleitung
2
α 1- ≈ 1---
σ ( qq → qq ) ≈ -----s- s ≈ ----
4 2 s
q q
Für masselose relativistische Teilchen ( β ≈ 1 ) ist die Helizität eine Erhaltungsgrösse. Sie ist
die Projektion des Spins eines Teilchens auf seine Bewegungsrichtung und wird folgender-
massen definiert :
s⋅p -
H = ---------------
s ⋅ p
s
H = +1 Rechtshändigkeit
p
Teilchen mit dem Spin entgegen der Bewegungsrichtung haben negative Helizität (links-
händig) :
s
H = -1 Linkshändigkeit
p
27
1. Einleitung
Für Teilchen mit Masse ist die Helizität keine Erhaltungsgrösse. Diese Teilchen können
niemals Lichtgeschwindigkeit erreichen, deshalb kann immer ein Bezugssystem gefunden
werden, in dem die Teilchen einmal rechts- und einmal linkshändig erscheinen.
Als Beispiel betrachten wir ein massives linkshändiges Teilchen, welches von einem Photon
überholt wird. Nach dem Überholen erscheint es, vom Photon aus gesehen, als rechtshändiges
Teilchen.
s s
– –
eL eR
28
2. Elektro - Schwache Theorie
1967/68 haben Glashow, Salam und Weinberg vorgeschlagen, dass die Kopplung g der Eich-
bosonen W, Z an die Quarks und Leptonen dieselbe sei wie die der Photonen :
g=e
e - ∼ 4π ⋅ α ∼ 90GeV
m W, Z ∼ ---------- --------------
GF G F
1983 wurden die Eichbosonen, W+, W – und Z 0 am CERN von den Experimenten UA1 und
UA2 in Proton–Antiproton Kollisionen entdeckt. 1984 erhielten Carlo Rubbia und Simon Van-
dermeer dafür den Nobelpreis. Die experimentell bestimmten Werte für die Massen sind :
m = 80.22 ± 0.26GeV
W ,W
+ -
m 0 = 91.187 ± 0.007GeV
Z
Tatsächlich ist jedoch in der elektro - schwachen Theorie die elektrische und die schwache
Ladung verbunden durch die Beziehung :
e = g ⋅ sin θ W
29
2. Elektro - Schwache Theorie
wobei θ W auch als Weinbergwinkel bezeichnet wird. Experimentell kann dieser Winkel
mW o
--------- = cos θ W zu θ W = 28.7 oder sin θ W = 0.481
mZ
bestimmt werden.
W+ W+
geladene schwache W.W.
SU(2) W– W–
⊗ W3 γ elektromagnetische. W.W.
mix
U(1) B0 Z0 neutrale schwache W.W.
Die Vereinheitlichung der Kräfte liegt darin, dass sich das Photon und das Z0 als Linearkom-
B0 γ
W3
ΘW
Z0
In der elektro-schwachen Theorie lassen sich die elektromagnetischen und schwachen Kräfte
durch die Symmetriegruppen SU(2) x U(1) darstellen (siehe Kapitel 2.5 auf Seite 36).
30
2. Elektro - Schwache Theorie
Die Eich - Bosonen W +, W – und W 3 bilden ein Triplett des schwachen Isospins und koppeln
mit der gleichen Stärke g an die Fermionen.
Das Eich - Boson B 0 ist ein Singulett des schwachen Isospins und koppelt mit der Stärke g′ an
die Fermionen.
Die Kopplungen, bzw. die entsprechenden Ladungen, g , g′ und e sind durch die Relation
g ⋅ g′
e = g ⋅ sin θ W = ------------------------
2 2
g + g′
miteinander verknüpft.
Setzt man für den Weinbergwinkel sin θ W = 0.48 , dann ist die schwache Ladung etwa
zweimal stärker als die elektrische Ladung. Die bei kleinem q 2 beobachtete schwache
Kopplung ist jedoch auf die Masse des Eich - Bosons im Propagator zurückzuführen.
Während die W - Bosonen an alle Quarks und Leptonen gleich stark koppeln, hängt beim Z 0
die Kopplung auch noch von der elektrischen Ladung der Fermionen ab. Für die Kopplungs-
g - ⋅ ĝ ( f )
g ( f ) = ---------------
cos θ W
ĝ ( f ) = T 3 – Q
2
mit ---- ⋅ sin θ W ,
e
wobei Q
---- die elektrische Ladung des Fermions in Einheiten der Elementarladung e und T 3 die
e
dritte Komponente des schwachen Isospins ist.
31
2. Elektro - Schwache Theorie
ANMERKUNG
g′ - g
sin θ W = ----------------------- bzw. cos θ W = ------------------------
-
2 2 2 2
g + g′ g + g′
oben ein, so erhält man das Photon und das Z0 auch aus der Linearkombination :
0 3
|B 〉 + g′ |W 〉
|γ〉 = g-----------------------------------
2 2
g + g′
3 0
|W 〉 – g′ |B 〉-
|Z 〉 = g----------------------------------
0
2 2
g + g′
Die elektroschwache und die starke Wechselwirkung lassen sich in Symmetriegruppen dar-
stellen. Unter der Symmetrie einer Wechselwirkung versteht man die Invarianz gegenüber
einer bestimmten Transformation, z.B. einer Rotation des Isospins im Iso-Raum (siehe
Kapitel 2.3).
Mit SU bezeichnet man eine “special unitarity group”. Eine SU ( n ) hat n 2 - 1 Generatoren.
2
Zum Beispiel : SU ( 2 ) hat 2 -1 =3 Generatoren
2
SU ( 3 ) hat 3 -1 =8 Generatoren
2
SU ( 4 ) hat 4 - 1 = 15 Generatoren
2
SU ( 5 ) hat 5 - 1 = 24 Generatoren
Die Symmetriegruppe SU( 2 ), welche die schwachen Kräfte beschreibt, hat die drei Eichbo-
sonen (W+, W–, W3), welche ein schwaches Isospintriplett bilden, als Generatoren.
32
2. Elektro - Schwache Theorie
Zusammen mit dem Eichboson B0, welches ein Isospinsingulett bildet, lässt sich die elektro-
schwache Wechselwirkung durch die Symmetriegruppe SU ( 2 ) x U ( 1 ) darstellen.
Die Symmetriegruppe SU ( 3 )c=colour , welche die starke Wechselwirkung beschreibt, hat die
Farbladung der 8 Gluonen als Generatoren der Gruppe.
Man spricht von globalen Symmetrien, wenn sie von Raum- und Zeitkoordinaten unabhängig
sind und von lokalen Symmetrien, wenn sie von diesen abhängen. Zu den globalen Symme-
trien zählen z.B. die Quantenzahlen der Teilchen. Die Wechselwirkungen von Teilchen
dagegen werden durch lokale Symmetrien beschrieben.
Die Generatoren der Symmetriegruppen sind Erhaltungsgrössen (siehe Kapitel 3 auf Seite 50).
W. Heisenberg hat als erster den Begriff der Symmetrie in die Physik eingeführt. Er bemerkte,
dass sich das Proton und das Neutron bezüglich der starken W.W. völlig symmetrisch ver-
halten (siehe dazu Kapitel 3.5). Heisenberg kam zu dem Schluss, dass das Proton und das
Neutron zwei verschiedene Ladungszustände ein und desselben Teilchens, des sogenannten
Nukleons, sind. Um die beiden Zustände beschreiben zu können, hat er dem Nukleon eine
neue Quantenzahl, den sogenannten Isospin I, zugeordnet. Der Isospin hat zwar eine andere
Bedeutung als der Spin eines Teilchens, er wird aber quantenmechanisch ähnlich behandelt.
Ein Teilchen mit dem Isospin I hat demnach ( 2 I + 1 ) Eigenzustände. Das Nukleon mit dem
Isospin I = 1/2 hat also zwei Eigenzustände: das Proton mit der dritten Komponente des Iso-
spins I3 = +1/2 und das Neutron mit der dritten Komponente des Isospins I3 = -1/2. Der Isospin
I3 ist ein Vektor im Iso-Raum, welcher mit der Ladung der Teilchen zu tun hat. Wegen seiner
positiven Ladung wurde dem Proton der positive Wert des Isospins I3 = +1/2 zugeordnet. Die
starke W.W. ist also invariant gegenüber einer Rotation des Isospins I3 im Iso-Raum und damit
symmetrisch für Protonen und Neutronen.
In Analogie zur starken W.W. hat man den Teilchen, die an der schwachen W.W. beteiligt
sind, nämlich den Leptonen und den Quarks, einen schwachen Isospin T zugeordnet.
33
2. Elektro - Schwache Theorie
Die Leptonen haben den schwachen Isospin T = 1/2. Sie bilden zwei Eigenzustände mit dem
Isospin T3 = -1/2 und T3 = +1/2.
Die Quarks haben den schwachen Isospin T = 1/2. Sie bilden ebenfalls zwei Eigenzustände mit
dem Isospin T3 = -1/2 und T3 = +1/2.
Bei den Antileptonen und Antiquarks drehen sich die Vorzeichen von T3 um. Die Leptonen
und die Quarks bilden jeweils Dubletts des schwachen Isospins. Bezüglich der schwachen
Wechselwirkung unterscheiden sich die Leptonen und die Quarks nicht voneinander, sie sind
völlig symmetrisch. Sie unterscheiden sich nur bezüglich ihres schwachen Isospins, bzw. ihrer
elektrischen Ladung.
Ebenso bilden die fundamentalen Eich-Bosonen W+, W– und W3 ein Triplett des schwachen
Isospins:
Sie verhalten sich ebenfalls symmetrisch bezüglich der schwachen Wechselwirkung und unter-
scheiden sich nur bezüglich ihrer elektrischen Ladung.
Hingegen ist das fundamentale Eich-Boson B0 ein Singulett-Zustand des schwachen Isospins.
Wie oben schon erwähnt, koppelt es mit einer verschiedenen Kopplungsstärke als die W-
Bosonen an die Fermionen.
34
2. Elektro - Schwache Theorie
Ähnlich wie der starke Isospin in der starken W.W. (siehe Kapitel 3.5) ist der schwache
Isospin in der schwachen W.W. eine Erhaltungsgrösse.
– –
e + νe → e + νe
– –
W → e + νe
T = 1 → 1--- + 1---
2 2
T3 = – 1 → – 1--- – 1---
2 2
1953 haben Gell - Mann und Nishijima herausgefunden, wie die elektrische Ladung eines Teil-
chens und sein Isospin in Verbindung gebracht werden können. Ihre Formel bezog sich damals
zunächst nur auf den starken Isospin (siehe Kapitel 4.2). Hier wird sie auch bei der schwachen
Wechselwirking zur Anwendung gebracht :
Ladung = Q
---- = T3 + Y
----
e 2
Dabei ist T3 die dritte Komponente des schwachen Isospins und Y eine Quantenzahl, die man
als schwache Hyperladung bezeichnet.
Die Leptonen und die Quarks, welche sich bezüglich der schwachen W.W. völlig symmetrisch
verhalten, unterscheiden sich durch ihre schwache Hyperladung Y. Die Hyperladung kann in
der Gruppe U ( 1 )Y erfasst werden.
35
2. Elektro - Schwache Theorie
Da aber die geladenen Leptonen und Quarks eine Masse haben, können sie auch als rechts-
händige Teilchen auftreten, allerdings nehmen sie dann nicht an der schwachen W.W. teil.
Diesen Teilchen ordnet man daher den schwachen Isospin T = 0 (Singulett-Zustände!) zu.
Im Standardmodell sind die Neutrinos masselos und linkshändig, bzw. die Antineutrinos
rechtshändig. Tatsächlich sind die Neutrinos jedoch nicht masselos. Damit können sie im
Prinzip sowohl als links- als auch als rechtshändige Teilchen auftreten. In der Natur beobachtet
man jedoch nur linkshändige Neutrinos und nur rechtshändige Antineutrinos (siehe
Kapitel 3.7 ”Die Parität” auf Seite 67 und Kapitel 3.8 ”Die Ladungskonjugation” auf
Seite 76).
Die linkshändigen Dubletts sind zusammen mit ihren schwachen Isospins in der folgenden
Tabelle zusammengestellt (für Anti-Teilchen gelten jeweils die umgekehrten Vorzeichen! ) :
Fermionmultipletts T T3 Q/e
⎛ ν eL ⎞ ⎛ ν μL ⎞ ⎛ ν τL ⎞ +1/2 0
⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ 1/2
⎝ eL ⎠ ⎝ μL ⎠ ⎝ τL ⎠ -1/2 -1
eR μR τR 0 0 -1
⎛ uL ⎞ ⎛ cL ⎞ ⎛ tL ⎞ +1/2 +2/3
⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ 1/2
⎝ d' L ⎠ ⎝ s' L ⎠ ⎝ b' L ⎠ -1/2 -1/3
uR cR tR 0 0 +2/3
dR sR bR 0 0 -1/3
36
2. Elektro - Schwache Theorie
Die Gruppe, welche die schwachen Isospin - Dubletts beschreiben kann, ist die Gruppe
SU (2 )L , wobei L für linkshändig steht. Kombiniert man den schwachen Isospin und die
schwache Hyperladung, dann erhält man die Gruppe :
SU (2 )L × U ( 1 )Y
Von ihr werden alle an der elektro - schwachen W.W. teilnehmenden Teilchen erfasst.
Dabei ist zu beachten, dass die linkshändigen Quarks eines Dubletts, welche an der schwachen
Wechselwirkung teilnehmen, nicht die reinen QCD - Eigenzustände, wie wir sie aus der starken
W.W. kennen, sind. Es handelt sich vielmehr um gemischte Zustände d′, s′, b′ , welche durch
Linearkombinationen aus den Eigenzuständen d , s , b hervorgehen :
⎛ ⎞ ⎛ V ud V us V ub ⎞ ⎛ ⎞
⎜ |d′〉 ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ |d〉 ⎟
⎜ |s′〉 ⎟ = ⎜ V cd V cs V cb ⎟ ⋅ ⎜ |s〉 ⎟
⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟
⎝ |b′〉 ⎠ ⎝ V td V ts V tb ⎠ ⎝ |b〉 ⎠
wobei die 3 × 3 Matrix als Cabibbo, Kobayashi, Maskava - Matrix ( CKM ) bezeichnet wird.
Es können nur Quarks mit der gleichen elektrischen Ladung gemischt werden, dabei ist es nur
eine Frage der Konvention, welche der beiden Zustände man mischt : u, c, t oder d, s, b . Es ist
üblich, die Zustände mit der Ladung – 1--- zu mischen.
3
Die Übergangswahrscheinlichkeit Γ von einem Quark f in ein anderes f′ ist proportional zu
2
Γ ∼ V ff′
Bei den Leptonen gibt es wegen der Leptonenzahlerhaltung keine gemischten Zustände (siehe
jedoch Kapitel 8.11 ”Haben die Neutrinos eine Masse ?” auf Seite 181).
37
2. Elektro - Schwache Theorie
2.6 Übergang von Leptonen - und Quarkzuständen durch geladene schwache Ströme
Bei den Leptonen tritt wegen der Leptonenzahlerhaltung ( siehe Kapitel 3.4 ”Die Leptonen -
Zahl” ) keine familienübergreifende Kopplung auf. Übergänge dieser Art sind nicht möglich :
νμ νe
W– W–
verboten
e- μ-
Möglich sind jedoch Übergänge, bei denen die Leptonenzahl erhalten bleibt, d.h. Übergänge
innerhalb einer bestimmten Familie :
νe νμ ντ
W– W– W–
erlaubt
e- μ- τ-
38
2. Elektro - Schwache Theorie
39
2. Elektro - Schwache Theorie
Bei den Quarks sind Übergänge sowohl innerhalb als auch ausserhalb einer Familie möglich.
–
Der Neutron - Zerfall : n → p + e + νe
p
d u u e-
d→u W-
d u d νe
υe
n
–
Der Lambda - Zerfall : Λ → p + e + νe
p
d u u e-
s→u W-
d u s νe
Λ
Übergangsraten :
Die Übergangsraten Γ für einen bestimmten Prozess aus einem Anfangszustand i ( i = initial )
in einen Endzustand f ( f = final ) wird gemäss Fermi’s “Goldener Regel” durch die Übergangs-
matrix Mfi und den Phasenraum bestimmt :
Γ =⎛⎝ 2π
------⎞⎠ M fi ⋅ Phasenraum
2
40
2. Elektro - Schwache Theorie
2 2
g - g-=G 2
M fi ∼ -------------------- ⇒ -------- F für q → 0
2 2 2
q + mW mW
Der Phasenfaktor enthält nur kinematische Informationen. Er hängt von den Massen, Energien
und Impulsen der beteiligten Teilchen ab. Ein Prozess findet umso wahrscheinlicher statt, je
grösser der zur Verfügung stehende Phasenraum ( Freiheitsgrade ) im Endzustand ist.
Die Lebensdauer τ eines Zustandes ist dann umgekehrt proportional zur Übergangsrate
τ = --1-
Γ
Die Elektro - Schwache Theorie zusammen mit der Quanten - Chromo - Dynamik ( QCD ) bilden
das Standardmodell der Teilchenphysik. Das Standardmodell kann kurz wie folgt zusammen-
gefasst werden :
Die Materie wird aus je drei Familien von Leptonen und Quarks aufgebaut. Diese Teilchen
besitzen den Spin 1--- und gehorchen der Fermi - Statistik. Die Kraftquanten ( auch Eichfelder
2
genannt ), welche zwischen den Teilchen ausgetauscht werden, besitzen den Spin 1 und
gehorchen der Bose - Statistik.
Bezüglich der elektro - schwachen W.W. sind die Leptonen und Quarks Zustände der Gruppe
SU ( 2 ) L ⊗ U ( 1 ) Y , deren Generatoren der schwache Isospin und die schwache Hyperladung
( Y ) sind. An der schwachen W.W. nehmen nur linkshändige ( L=linkshändig ) Teilchen teil.
Im Standardmodell sind die Neutrinos masselos und linkshändig.
Die Quarks, welche neben der elektrischen Ladung noch eine Farbladung besitzen, sind
Zustände der Gruppe SU( 3 )c ( c = colour ). Jedes Quark existiert in drei verschiedenen Farben.
Die Generatoren der Gruppe SU( 3 )c sind acht Gluonen, welche selbst Farbladung besitzen.
Die Gluonen sind die Eichfelder der starken W.W.
41
2. Elektro - Schwache Theorie
SU ( 3 ) c ⊗ SU ( 2 ) L ⊗ U ( 1 ) Y
Während das Photon und das Gluon masselose Teilchen sind, besitzen die schwachen Eichbo-
sonen, W und Z eine Masse. Das heisst allerdings, dass die Symmetrie der Gruppe gebrochen
ist. Diese Symmetriebrechung kann jedoch durch Einführung eines zusätzlichen skalaren Eich-
feldes, dem sogenannten Higgs -Feld, erklärt werden. Diese unter dem Higgs - Mechanismus
bekannte Beschreibung der Symmetriebrechung postuliert die Existenz eines bislang unent-
deckten Teilchens, des sogenannten Higgs - Teilchens. Eine der wichtigsten Aufgaben des
neuen, im Bau befindlichen LHC - Colliders am CERN wird es sein, nach diesem Teilchen zu
suchen. Über seine Masse ist nichts bekannt, allerdings wird erwartet, dass sie zwischen
115 GeV (untere Grenze gegeben durch LEP Experimente) und 250 GeV liegt.
Die Gültigkeit des Standardmodells wurde experimentell sehr genau überprüft. Es wurden
bisher noch keine Abweichungen gefunden. Trotzdem ist anzunehmen, dass es sich beim Stan-
dardmodell nicht um der Weisheit letzter Schluss handelt. Die Liste der freien Parameter ist
beträchtlich (z.B. die Massen der Leptonen, Quarks, Eichbosonen, des Higgs - Bosons, die
Kopplungskonstanten und die Cabibbo, Kobayaschi, Maskawa (CKM) Mischungsparameter )
und die Gravitation, die andere fundamentale Kraft, ist nicht einmal enthalten in diesem
Modell.
Das Konzept einer einzigen fundamentalen Kraft würde aber auch bedeuten, dass die W.W.
zwischen Quarks und Leptonen, die ja in unserem experimentell zugänglichen Impulsbereich
sehr verschieden zu sein scheint, bei sehr hohen Impulsen ( bzw. sehr kleinen Abständen )
gleich wird. Dies liesse sich verstehen, wenn man Quarks und Leptonen als verschiedene
42
2. Elektro - Schwache Theorie
Erscheinungsformen ein und desselben Teilchens betrachtet. Um eine Symmetrie von Lep-
tonen und Quarks zu erreichen, benötigt man höhere Symmetrie - Gruppen. Die einfachste
dieser Art wäre die SU( 5 ).
Eine Erweiterung dieser Ideen stellt die Einbeziehung von Fermionen und Bosonen in eine
vereinheitlichte Super - Symmetrie ( SUSY ) dar. Da es symmetrisch zu jedem Fermion
( Boson ) auch ein Boson ( Fermion ) geben soll, wird von SUSY die Existenz vieler neuer
Teilchen vorhergesagt, nach welchen man in Zukunft beim LHC in Genf Ausschau halten
wird.
GUT - Theorien bleiben unvollständig, wenn sie nicht die Gravitation mit einbeziehen. Eine der
Hauptschwierigkeiten dabei ist, dass sich die Relativitätstheorie nicht quantisieren lässt. Dazu
muss man supersymmetrische Varianten der Einsteinschen Theorie entwickeln ( Super –
Gravitation, Quanten–Gravito– Dynamics etc.).
Viel Aufmerksamkeit wird in letzter Zeit den Theorien mit höheren Dimensionen, den soge-
nannten String-Theorien, gewidmet, da diese auf natürliche Weise Quantentheorie und Relati-
vitätstheorie mit einbeziehen. Die Schwierigkeit dieser Theorien besteht jedoch darin, die
höheren Dimensionen auf die 4 Dimensionen der Welt, in der wir leben, zu kompaktifizieren.
Denn erst wenn das gelingt, können wir die Gültigkeit dieser Theorie experimentell unter-
suchen.
43
2. Elektro - Schwache Theorie
44
2. Elektro - Schwache Theorie
45
2. Elektro - Schwache Theorie
46
2. Elektro - Schwache Theorie
47
2. Elektro - Schwache Theorie
Unification of disparate
phenomena within one Electricity
theory has long been a
central theme of physics.
The Standard Model of Magnetism Elektro-
particle physics success- magnetism
fully describes three
(electromagnetism, weak
and strong interactions) of
Light
Electroweak
the four known forces of Interactions
nature but remains to be
united definitively with
general relativity, which
governs the force of grav- Beta Decay
ity and the nature of space Weak Standard
and time. Interactions Model
Neutrino
Interactions
Protons
Strong
Neutrons
Interactions ?
Pions
Terrestrial
Gravity
Universal
Gravitation
Celestial General
Mechanics Relativity
Space-time
Geometry
Quantum Mechanics
wave-particle duality The profoundest advances
superposition,probabilities in fundamental physics
tend to occur when the
Quantum Field Theory: principles of different
virtual particles, types of theories are recon-
Special Relativity renormalization ciled within a single new
framework. We do not yet
space-time geometry, ? know what guiding princi-
relativity of motion
General Relativity: ple underlies the unifica-
equivalence principle, tion of quantum field
dynamic space-time theory, as embodied in the
Newtonian Mechanics: Standard Model, with gen-
universal gravitation, eral relativity.
force and acceleration
48
2. Elektro - Schwache Theorie
Teilchenbeschleuniger
Die Laborenergie eines äquivalenten Fix Target Experiments ergibt sich aus dem Quadrat der
Schwerpunktsenergie geteilt durch die doppelte Protonmasse.
2
FT Ecm
E Lab = ---------
-
2m p
49
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
Als Symmetrie bezeichnet man die Invarianz einer Wechselwirkung gegenüber einer
bestimmten Transformation. Die Symmetrie lässt sich mathematisch durch die Gruppentheorie
beschreiben. Nach dem Noether’schen (Emmy Noether, 1882-1935 ) Theorem sind die Gene-
ratoren der Symmetriegruppen Erhaltungsgrössen.
Beispiele :
Die Raum - Zeit Symmetrie ist eine globale bzw. kontinuierliche Symmetrie. Sie
besagt, dass die Naturgesetze gegenüber Raum - Zeit Transformationen ( z.B. Rota-
tionen etc. ) immer gleich bleiben. Dabei handelt es sich in diesen Fällen um stetige
bzw. kontinuierliche Transformationen. Die Erhaltungsgrössen sind Energie,
Impuls und Drehimpuls.
b) Diskrete Symmetrie
Als diskrete Symmetrien bezeichnet man solche, welche sich nur durch diskrete
Transformationen beschreiben lassen. Eine Raumspiegelung ist zum Beispiel eine
diskrete Transformation. Sie lässt sich durch stetige Transformationen nicht
erreichen. Die Erhaltungsgrössen sind die Parität P ( Raumspiegelung ), die
Ladungskonjugation C und die Zeitumkehr T. Die Produkte der Erhaltungsgrössen
definieren auch wiederum Symmetrien wie z.B. : CP oder CPT.
c) Innere Symmetrien
Die Symmetrien sind jedoch nicht immer exakt. Sie können in verschiedenen Wechselwir-
kungen verletzt sein. Man spricht dann von einer spontan verletzten oder gebrochenen Sym-
metrie.
Selbst mit gebrochenen Symmetrien lässt sich noch etwas anfangen. So lassen sich die
Hadronen trotz gebrochener Symmetrie ( die Quarks haben Masse! ) noch vernünftig in SU(3)-
Multipletts einteilen.
50
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
Energie, Impuls ja ja ja
Ladung ja ja ja
Baryonenzahl ja ja ja
Leptonenzahl ja ja ja
Strangeness ja ja nein
P = Parität ja ja nein
C = Ladungskonjugation ja ja nein
T = Zeitumkehr ja ja ja *)
CP ja ja ja *)
CPT ja ja ja
im K 0 - System beobachtet.
51
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
Nach einer Verletzung dieses Prinzips wurde zum Beispiel in dem verbotenen Prozess gesucht
-
e → νe + γ
Ladung –1 → 0 + 0
Leptonenzahl +1 → +1 + 0
Experimentell konnte bei diesem Prozess eine untere Grenze für die Lebensdauer des Elek-
trons von
26
τ > 4.6 ( 1.9 ) ⋅ 10 Jahre
bestimmt werden. Dieser Wert stammt von einme Protypen des Borexino Experiments am
Gran-Sasso Nachweis von niederenergetischen (sub-MeV) Sonnenneutrinos des
7 – 7
( Be + e → Li + ν e in der Sonne) in Echtzeit mit 300 t flüssig Szintilator. Neutrinos mit
einer Energie von mindestens 250 keV können so dertektiert werden. Aber auch Photonen des
-
e → ν e + γ Zerfalls von Hüllenelektronen der Szintillatorflüssigkeit, welche eine
charakteristische Energie von 256 keV aufweisen müssen, können so registriert werden. Bor-
exino wird voraussichtlich 2007–2012 in Betrieb sein.
Alle Nukleonen und ihre Resonanzen bezeichnet man als Baryonen. Sie besitzen eine Quan-
tenzahl, die sogenannte Baryonenzahl, welche bei allen Wechselwirkungen erhalten bleibt.
Die Baryonenzahl ist
52
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
Das Proton, das leichteste Nukleon mit B = 1, bleibt bei allen Zerfallsprozessen am Ende der
Zerfallskette übrig. Der Zerfall eines Protons wurde bisher nicht beobachtet.
53
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
Die Lebensdauer des Protons muss jedenfalls grösser als das Alter des Universums von
9
etwa 15 ⋅ 10 Jahren sein. Die Lebensdauer des Protons spielt auch in den Grand Unified
Theories ( GUT ) eine wichtige Rolle. In diesen Eichtheorien ist die Baryonenzahl nicht
erhalten ( Quark-Lepton Symmetrie ! ). Das Proton kann z.B. in ein Lepton und ein Meson zer-
+ 0
fallen p→e +π
Solche Übergänge sind in der SU( 5 ) Eichtheorie, welche die SU( 3 )c und die
Eichbosonen wie X und Y. Die Masse dieser Austauschteilchen ist sehr gross,
15
m X, Y ≈ 10 GeV ,
was etwa der Vereinigungsenergie aller Kräfte entspricht. Die durch die X und Y - Bosonen
vermittelte Wechselwirkung ist sehr schwach und kurzreichweitig:
– 29
r = ---------------- ≈ 10 cm
m X, Y c
Da jedoch die Ausdehnung des Protons, mit etwa 1 fm, 16 Zehnerpotenzen grösser ist,
befinden sich die Quarks nur sehr selten in einem Abstand, der einen Prozess wie diesen
ermöglichen würde:
u e+
X
p
u d
π0
d d
Die Übergangswahrscheinlichkeit Γ für diesen Prozess wird in diesem Modell durch den
Propagator - Term des X - Bosons
2 α 2
Γ ∼ M fi ∼ ------5-
2
mx
54
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
und die Kopplungsstärke α 5 bestimmt. In diesem Modell wird für das Proton eine Lebens-
dauer von
τ ( p → e + π ) ∼ --1- ∼ -------------
+ 0 1 - ∼ 5 ⋅ 10 30 Jahre
Γ M fi
2
vorhergesagt.
33
Um eine Sensitivität von etwa 10 Jahren zu erreichen, hat eine Irvine, Michigan, Brook-
haven Kollaboration ( IMB ) einen 8000 t schweren Wassertank in einer Salzmine im Staat
Ohio in den USA in einer Tiefe von 1570 mwe (meter water equivalent ) aufgebaut. Sie unter-
suchten den Zerfall
+ 0 0
p→e +π wobei π →γ+γ
Nach Konversion der beiden Photonen in e+e--Paare hat der Endzustand 5 Elektronen. Diese
werden durch ihre Cerenkov - Strahlung im Wassertank von 2058 Photomultipliern nachge-
wiesen. Das Experiment konnte für diesen Zerfall eine untere Grenze der Lebensdauer von
+ 0 32
τ ( p → e + π ) > 2.5 ⋅ 10 Jahre angeben.
+ 0 33
τ ( p → e + π ) > 1.6 ⋅ 10 Jahre .
55
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
56
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
57
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
58
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
Wie für die Baryonen lässt sich auch für die Leptonen eine Quantenzahl, die sogenannte
Leptonen - Zahl, definieren, welche bei allen Wechselwirkungen erhalten bleibt.
Die Leptonen und entsprechend die Antileptonen sind in drei Familien aufgeteilt, wobei jede
Familie ihre eigene Leptonen - Zahl besitzt :
-
e , νe L e = +1
-
μ , νμ L μ = +1
-
τ , ντ L τ = +1
Die Leptonen - Zahl ist additiv und bleibt in allen Reaktionen erhalten !
Beispiele :
-
Beta - Zerfall des Neutrons : n → p + e + νe
Leptonen - Zahl Le = 0 = 0 + 1 – 1
- -
Myon - Zerfall : μ → e + ν e + νμ
Lμ = 1 = 0 + 0 + 1
Le = 0 = 1 – 1 + 0
+ 0
Wie am Beispiel des Proton - Zerfalls p → e + π gezeigt wurde, spielt die Verletzung der
59
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
Baryonen - und der Leptonen - Zahl in der Grand Unified Theory (GUT ) eine wichtige Rolle.
Experimentell hat man nach einer möglichen Leptonen - Zahl Verletzung in dem verbotenen
Myon - Zerfall
- -
μ →e +γ
Lμ = 1 ≠ 0 + 0
Le = 0 ≠ 1 + 0
gesucht. Dabei konnte eine obere Grenze für die Übergangswahrscheinlichkeit von
– 11
< 1.2 ⋅ 10 gefunden werden. Ein Experiment, welches diese Grenze um drei Grössenord-
nungen verbessern will, ist zur Zeit am Paul Scherrer Institut in Villigen ( PSI ) in der Planung.
Der starke Isospin wurde 1932 von Heisenberg als Quantenzahl eingeführt. Er diente dazu das
Proton und das Neutron, welche bezüglich der starken Wechselwirkung gleiches Verhalten
zeigen, unterscheidbar zu machen. Das Proton unterscheidet sich nur in seiner Ladung vom
Neutron. Heisenberg zog daher den Schluss, dass das Proton und das Neutron zwei ver-
schiedene Ladungszustände ein und desselben Teilchens, des sogenannten Nukleons, sind. Ihr
geringfügiger Massenunterschied ( mn - mp ≈ 1.3 MeV ) ist durch ihre unterschiedliche elek-
trische Ladung bedingt.
Jedem Hadron ist ein Isospin I zugeordnet. Der Isospin ist ein Vektor im Iso - Raum der mit der
Ladung des Hadrons in Verbindung gebracht wird.
Die Anzahl der Eigenzustände eines Hadrons mit dem Isospin I ist ( 2I + 1 ).
60
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
Das Proton und das Neutron sind Eigenzustände des Nukleons mit dem Isospin I = 1--- . Die
2
Eigenzustände des Isovektors bilden ein Isospin - Dublett mit den Komponenten :
Proton
I3 = +1/2
Neutron
I3 = -1/2
Das Pion ist ein Hadron mit dem Isospin I = 1. Es kommt in drei Zuständen mit verschiedener
Ladung vor, wobei alle drei etwa dieselbe Masse haben. Die Eigenzustände des Pions sind :
+
π
I3 = +1
0
π I3 = 0
-
I3 = -1
π
Wie wir im Kapitel 4 ( Quark - Struktur der Hadronen ) sehen werden, lassen sich alle Hadronen
in Isospin - Multipletts klassifizieren.
In der starken Wechselwirkung ist sowohl der Isospin als auch seine dritte Komponente eine
Erhaltungsgrösse.
In der elektromagnetischen Wechselwirkung ist nur die dritte Komponente des Isospins eine
Erhaltungsgrösse (wegen der Erhaltung der elektrischen Ladung ! ), nicht aber der Isospin
selbst.
In der schwachen Wechselwirkung ist im allgemeinen weder der Isospin noch seine dritte
Komponente eine Erhaltungsgrösse.
61
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
Beispiele :
-
Schwache Wechselwirkung : n → p + e + νe
I = 1--- → 1--- + 0 + 0 ΔI = 0
2 2
+ +
π → μ + νμ
I = 1 →0 + 0 ΔI = -1
I3 = + 1 → 0 + 0 ΔI3 = -1
0
Elektromagnetische Wechselwirkung : π → γ + γ
I = 1 → 0 + 0 ΔI = 1
I 3 = 0 → 0 + 0 ΔI3 = 0
Wir benützen die Konvention ΔI = If - Ii , wobei für i = Anfangszustand und für f = Endzu-
stand steht.
62
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
-
π
0
Λ
-
π
p π
+
0
K
-
π
0
Diese Teilchen entstanden immer paarweise, d.h. ein K 0 in Verbindung mit einem Λ oder
0
einem Σ . Ihre Lebensdauer von etwa 10 -10 s ist für die schwache Wechselwirkung charakte-
ristisch. Dies erschien damals recht seltsam. 1953 haben dann Gell - Mann, Pais, Nakano und
Nishijima das Rätsel gelöst, indem sie vorschlugen, dass diese Teilchen Träger einer neuen
Quantenzahl, die sie Strangeness nannten, sind. Die Strangeness ist S = +1 für das K 0 und
0 0
S = – 1 für das Λ und Σ .
Besitzt der Anfangszustand einer starken Wechselwirkung die Strangeness S = 0 , so muss sich
die Strangeness des Endzustands zu Null addieren !
Im Quarkmodell ist die Strangeness eines Mesons oder Baryons gleich der Anzahl seiner Anti-
Strange Quarks minus der Anzahl Strange Quarks: S = n s – n s .
Die Strangeness ist in der starken und elektromagnetischen Wechselwirkung eine Erhaltungs-
grösse, nicht aber in der schwachen Wechselwirkung ( ΔS = 1 Übergänge ! ).
Beispiele :
Starke Wechselwirkung
π– + p → K0 + Λ0
Strangeness S = 0 + 0 = +1 -1 ΔS = 0
63
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
Elektromagnetische Wechselwirkung
0 0
Σ → Λ + γ
Strangeness S = – 1 → –1 + 0 ΔS = 0
Schwache Wechselwirkung
0 0
Λ → n + π
Strangeness S = –1 → 0 + 0 ΔS = – 1
+ +
K → μ + νμ
Strangeness S = +1 → 0 + 0 ΔS = +1
64
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
65
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
66
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
Unter der Paritätstransformation versteht man die Transformation von einem rechtshändigen in
ein linkshändiges Koordinatensystem oder umgekehrt. Es handelt sich dabei um eine Raum-
spiegelung, welche sich durch räumliche Drehung des Koordinatensystems nicht erreichen
lässt.
Die Raumspiegelung ist deshalb eine diskrete Transformation, im Gegensatz zur Drehung, bei
der es sich um eine stetige Transformation handelt. Die Raum - Zeit Koordinaten ändern sich
bei einer Paritätstransformation P wie folgt :
⎛ ct ⎞ ⎛ ct ⎞
⎜ ⎟ ⎜ ⎟
P⎜ x ⎟ → ⎜ –x ⎟
⎜ ⎟ ⎜ ⎟
⎜ y ⎟ ⎜ –y ⎟
⎝ z ⎠ ⎝ –z ⎠
Die Orts - und Impulsvektoren ändern bei einer Paritätstransformation ihr Vorzeichen:
P ( r ) → –r
P ( p ) → –p
1 1
⎛ ---⎞
2
---
2
analog P ⎜ r = ( r ⋅ r ) ⎟ → [ ( –r ) ⋅ ( –r ) ] = r
⎝ ⎠
Axiale Vektoren ( oder Pseudovektoren ), wie z.B. der Bahndrehimpuls, ändern bei Raumspie-
gelung ihr Vorzeichen nicht :
P ( L = r × p ) → ( – r ) × ( –p ) = L
Es gibt aber auch noch pseudoskalare Grössen, welche im Gegensatz zu den skalaren ihr Vor-
zeichen ändern. Ein Beispiel dafür liefert ein bewegtes Teilchen mit Spin :
P ( s ⋅ p ) → s ⋅ ( –p ) = –( s ⋅ p )
67
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
Eine wichtige Eigenschaft der Parität ist, dass zwei aufeinanderfolgende Transformationen das
Koordinatensystem unverändert lassen:
2
P (r) → r
Ist eine Funktion, z.B. die Hamilton - Funktion H, invariant gegenüber einer Paritätstransfor-
mation, dann ist :
P( H) = H
2
p 1 2 2
H = -------- + --- mω x
2m 2
2
P ( H ) → (------------
–p ) + 1 2 2
- --- mω ( – x ) = H
2m 2
Ψ nlm ( r ) = R nl ( r )Y lm ( θ, Φ )
Die Wellenfunktion ist das Produkt einer Funktion R nl ( r ) , welche eine skalare Grösse ist und
vom Radius r abhängt, und einer Kugelfunktion Y lm ( θ, Φ ) , welche vom Winkel abhängt. Die
Paritätstransformation hat in Kugelkoordinaten die Form :
P(r ) → r
P( θ) → π – θ
P( Φ) → π + Φ
l
P ( Y lm ( θ, Φ ) ) → Y lm ( π – θ, π + Φ ) = ( – 1 ) Y lm ( θ, Φ )
68
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
l
P ( Ψ nlm ( r ) ) → ( – 1 ) Ψ nlm ( r )
Man findet, dass in starken und elektromagnetischen Prozessen die Parität erhalten ist, wenn
man den Teilchen noch eine von ihrem Bewegungszustand unabhängige Eigen - Parität
zuordnet.
Man kann sich die intrinsische Parität eines Teilchens analog zum intrinsischen Spin vor-
stellen, der zum Bahndrehimpuls addiert den Gesamtdrehimpuls eines Teilchens ergibt.
Eine absolute Parität kann man jedoch nicht definieren. Dies ist in Analogie zur Ladung,
dessen absolutes Vorzeichen auch nicht a priori festgelegt ist.
Zur Festlegung der Parität der Teilchen benötig man eine Konvention. Man hat sich darauf
geeinigt, dass die Eigen - Parität der Quarks gleich
P ( q ) = +1 sei .
69
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
Dann folgt aus der Dirac - Theorie für relativistische Fermionen, dass die Eigen - Parität der
Anti - Quarks : P ( q ) = –1 ist .
P ( qq ) = P ( q ) ⋅ P ( q ) = – 1
P ( qqq ) = -1
P –
J = 0 PSEUDOSKALAR
P +
J = 0 SKALAR
P –
J = 1 VEKTOR
P +
J = 1 AXIALVEKTOR
70
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
PARITÄTSVERLETZUNG
Bis in die fünfziger Jahre glaubte man, dass die Parität in allen fundamentalen Wechselwir-
kungen erhalten bleibt. Das bedeutet, dass die Physik, welche sich in einem linkshändigen
System beschreiben lässt, die gleiche ist, wie in einem rechtshändigen.
Auf die Möglichkeit einer Paritätsverletzung in der schwachen Wechselwirkung wurde zuerst
1956 von T.D.Lee und Ch.N.Yang ( Nobel Preis 1957 ) hingewiesen.
60
Der experimentelle Nachweis dafür wurde 1957 im Beta - Zerfall des Co durch Madame
C.S.Wu et al. erbracht :
60 60 -
Co → Ni + e + ν e
Dieser Prozess ist äquivalent dem Beta - Zerfall des Neutrons. Bei diesem Experiment wurden
60
die Spins der Co Kerne bei tiefen Temperaturen (10 mK ) in einem äusseren Magnetfeld
ausgerichtet. Durch die Richtung des Magnetfeldes war eine Quantisierungsachse festgelegt.
Die Abkühlung geschah durch adiabatische Entmagnetisierung eines paramagnetischen
Salzes. Der Polarisationsgrad liess sich aus dem Verhältnis der Gamma - Intensität in Richtung
der Kernspins und senkrecht dazu bestimmen.
I ⋅ pe
welcher aus dem Kernspin I und dem Elektronimpuls p e gebildet wird. Man fand heraus, dass
die Elektronen, deren Spin parallel zum Kernspin ausgerichtet sein muss ( Drehimpuls-
erhaltung ! ), bevorzugt entgegengesetzt zur Magnetfeldrichtung emittiert wurden. Sollen aber
rechts- und linkshändige Koordinatensysteme physikalisch äquivalent sein, dann sollte in
beiden Systemen derselbe Erwartungswert beobachtet werden. Das heisst, dass die Elektronen
mit gleicher Wahrscheinlichkeit in beide Richtungen emittiert werden müssten. Die experi-
mentellen Resultate zeigen jedoch, dass die Elektronen immer in der dem Kernspin entgegen-
gesetzten Richtung ausgesendet werden, was bedeutet, dass beide Koordinatensysteme eben
nicht äquivalent sind und die Parität maximal verletzt wird.
71
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
νR
pν
Quantisierungsachse
s
s
I=5 I=4
60 60 pe
Co Ni
eL
P ( I ⋅ pe ) → I ⋅ ( –pe )
Wenn die Parität erhalten sein sollte, müsste ein rechtshändiges Antineutrino in ein linkshän-
diges Antineutrino
νR → νL
und ein linkshändiges Elektron in ein rechtshändiges übergehen. Ein linkshändiges Antineu-
trino existiert jedoch nicht in der Natur. Wie wir später sehen werden, ist die Händigkeit
( Helizität ) der Neutrinos experimentell bestimmt worden und für masselose Neutrinos eine
Erhaltungsgrösse :
sν ⋅ pν
Helizität H = --------------------
-
sν ⋅ p ν
72
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
73
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
74
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
75
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
Die Ladungskonjugation ( auch C - Transformation oder C - Parität genannt ) ist wie die Parität
eine diskrete Symmetrietransformation. C sei der Operator der Ladungskonjugation.
Bei der C-Transformation bleiben die Raum - Zeit - Koordinaten unverändert und nur die
inneren Quantenzahlen, wie die Ladung, die Leptonen - Zahl, die Baryonen - Zahl und die
Strangeness, werden transformiert.
Man kann sich die Ladungskonjugation klassisch als Transformation der elektrischen Ladung
vorstellen:
C ( Q ) → –Q
Da die elektrische Ladung linear in die elektrische und magnetische Feldstärke eingeht,
werden letztere wie folgt transformiert :
C ( E ) → –E
C ( B ) → –B
Daraus folgt, dass die Maxwell - Gleichungen gegenüber der Ladungskonjugation invariant
sind. Der Ausdruck “Ladungskonjugation” ist vielleicht nicht ganz zutreffend, da es bei der C-
Transformation nicht nur um eine Änderung des Vorzeichens einer Ladung handelt, sondern
um eine Änderung des Vorzeichens aller interner Quantenzahlen (Ladung, Baryonenzahl, Lep-
tonenzahl, Strangeness, Charm, etc.).
Für ein Teilchen mit den Quantenzahlen Q, wobei Q symbolisch für die Ladung, die
Leptonen zahl, die Baryonen zahl, die Strangeness etc. steht, führt die Ladungskonjugation zu
einem Antiteilchen mit den Quantenzahlen -Q :
C |Ψ ( Q, r, t )〉 → |Ψ ( – Q, r, t )〉
+ -
z.B. C |π 〉 → |π 〉
76
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
2
C |E 〉 → |E 〉
2
Folglich ist C = 1 , d. h. der C - Operator hat die Eigenwerte +1 oder -1.
Ist eine Funktion ( z.B. Hamilton - Funktion ) invariant gegenüber der Ladungskonjugation,
dann muss C mit H vertauschen :
[ C, H ] = 0
Anders als bei der Parität sind die meisten Teilchen jedoch keine Eigenzustände von C, wie
folgendes Beispiel zeigt:
+ _ +
C |π 〉 → |π 〉 ≠ ± |π 〉
+ -
Das π und das π sind keine Eigenzustände von C. Es handelt sich vielmehr um zwei ver-
schiedene Zustände, die sich nicht durch ein Vorzeichen vor der Wellenfunktion unterscheiden
lassen.
Hingegen können Teilchen, die ihre eigenen Antiteilchen sind, Eigenzustände von C sein.
0
Dazu zählen das Photon und alle neutral geladenen Mesonen, wie zB. π , η, η', ρ, φ, ω etc.
Die neutral geladenen Zustände transformieren sich dabei in sich selbst :
0 0
C |π 〉 → ± |π 〉
Dabei ist die Frage nach dem richtigen Vorzeichen zunächst noch offen. Sie lässt sich jedoch
0
aus der C-Parität des Photons und dem Zerfall π → γ + γ beantworten.
Das Photon, welches eine elektromagnetische Welle darstellt, transformiert sich unter
Anwendung des C-Operators wie das elektrische oder magnetische Feld. Es hat deshalb die
C - Parität C = -1. Da die C - Parität eine multiplikative Quantenzahl ist, erhält man die C-
0
Parität des π aus dem Zerfall :
0
π →γ+γ
2
C = ( – 1 ) = +1
0
Wenn die C - Parität eine Erhaltungsgrösse ist, dann kann das π nur in eine gerade Anzahl von
Photonen zerfallen :
77
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
n
C = ( –1 ) n = geradzahlig
Für ein neutrales Meson mit dem Bahndrehimpuls l und einem Spin s ist die C-Parität:
l+s
C = ( –1 )
0
d.h. für pseudoskalare Mesonen ( π , η, η' ) mit l = 0 und s = 0 ist C = +1 und für Vektor-
Die starke und elektromagnetische Wechselwirkung ist invariant gegenüber der Ladungskon-
jugation, d.h. die C - Parität ist bei diesen Wechselwirkungen eine Erhaltungsgrösse.
C |ν L〉 → |ν L〉
Ein linkshändiges Antineutrino existiert aber nicht in der Natur ! Zu diesem Schluss ist man
schon bei der Paritätsverletzung gekommen.
η→γ+ γ erlaubt C = +1
0 3
η→π +γ verboten C = (-1) = – 1
78
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
3.9 CP - Verletzung
Wie wir gesehen haben, ist die schwache W.W. nicht invariant gegenüber der Paritätstransfor-
mation P und der Ladungstransformation C . Hingegen ist sie invariant gegenüber der kombi-
nierten Transformation CP . Dies sei am Beispiel des Pions - Zerfalls erläutert
- -
π → μR + νμ R
–
μ νμ
wobei das Myon rechtshändig ( R ) polarisiert ist. Bei Anwendung der C - Transformation
würde sich das rechtshändige Antineutrino in ein rechtshändiges Neutrino transformieren, was
aber in der Natur nicht existiert:
C ( νμ R ) → νμ R (existiert nicht !)
CP ( ν μ R ) → ν μ L (existiert !)
+ +
π → μL + νμ L +
μ νμ
Die CP - Invarianz scheint in allen W.W. gültig zu sein. Es gibt jedoch Ausnahmen und zwar
im K0 - System und auch im B0 - System. In beiden wurde eine CP-Verletzung experimentell
bereits nachgewiesen.
0 0 0
Das K – K System stellt eine Besonderheit dar. Und zwar werden das K ( ds ) und das
0
K ( ds ) über die starke W.W. als Eigenzustände mit der Seltsamkeit S = -1 bzw. S = +1 pro-
duziert
- 0 0
π p→K +Λ
+ 0 +
π p→K +K +p ,
sie zerfallen aber über die schwache W.W. als Eigenzustände von CP, nämlich als K1 und K2.
79
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
Die Besonderheit liegt nun darin, dass die Teilchen, die wir im Labor beobachten, nicht das
0 0
K und das K sind, sondern Linearkombinationen der beiden :
1- ( |K 0〉 – |K 0〉 )
|K 1〉 = ------
2
1- ( |K 0〉 + |K 0〉 )
|K 2〉 = ------
2
0
Die dazugehörigen CP - Eigenzustände ergeben sich aus den CP - Eigenzuständen von K und
0 P –
K . Die K - Mesonen sind pseudoskalare Teilchen ( J = 0 ) und transformieren sich unter
Anwendung der Parität mit negativem Vorzeichen :
0 0 0 0
P |K 〉 → – |K 〉 und P |K 〉 → – |K 〉 .
Unter Anwendung der C-Transformation geht das Teilchen in sein Antiteilchen bzw. das Anti-
teilchen in sein Teilchen über:
0 0 0 0
C |K 〉 → |K 〉 und C |K 〉 → |K 〉
0 0 0 0
CP |K 〉 → – |K 〉 und CP |K 〉 → – |K 〉
Setzen wir dies oben ein, so erhalten wir die CP - Eigenzustände für die Teilchen K 1 und K 2 :
CP |K 1〉 → |K 1〉 und CP |K 2〉 → – |K 2〉
+ - + – 0
K1 → π π und K2 → π π π
– 10 –8
τ K1 = 0.89 ⋅ 10 s und τ K2 = 5.2 ⋅ 10 s
80
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
–6
m K2 – m K1 = 3.5 ⋅ 10 eV
J. Cronin und V. Fitch haben 1964 ein solches Experiment durchgeführt und festgestellt, dass
ein kleiner Bruchteil aller K2 Teilchen eben auch in 2π zerfällt, was ein Beweis dafür ist, dass
CP verletzt ist. Das langlebige K1 war also doch kein reiner CP - Eigenzustand, sondern ent-
hielt noch kleine Beimischungen vom kurzlebigen K1 und wird deshalb KL genannt:
0 1
|KL〉 = --------------------
- ( |K 2〉 + ε |K 1〉 ) ,
2
1+ ε
–3
wobei ε = 2.3 ⋅ 10 das Mass der CP - Verletzung angibt.
Diese spektakuläre Entdeckung hatte interessante Konsequenzen. Sollte die CPT - Invarianz
( siehe Kapitel 3.10 ”Das CPT - Theorem” ) in jedem Fall ihre Gültigkeit behalten, dann muss
eine Verletzung der CP - Invarianz gleichbedeutend sein mit einer Verletzung der Zeitumkehr
( T - Invarianz ). Experimente zum Nachweis der T Verletzung sind sehr schwierig. Zum Bei-
spiel wäre für den schwachen Zerfall
0 –
Λ →p+π
der zeitlich umgekehrte Prozess
– 0
p+π →Λ
Allerdings wird man diesen Prozess niemals beobachten, da die starke W.W. zwischen dem
Proton und dem Pion die schwache W.W. völlig verdeckt. Das klassische Experiment zum
Nachweis der Verletzung der Zeitumkehr ist die Messung des elektrischen Dipolmoments des
Neutrons. Bisher konnte jedoch nur eine Obergrenze dafür angegeben werden.
Die Verletzung der Zeitumkehr wurde erstmals 1998 mit dem CPLEAR Experiment am CERN
0
nachgewiesen. Dabei wurde die Umwandlung von K0 in K und umgekehrt als Funktion der
Zeit beobachtet. Bei Gültigkeit der T - Invarianz würde die Wahrscheinlichkeit P ein beim Zeit-
81
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
0 0
punkt t = 0 produziertes K0 zum Zeitpunkt τ als K anzutreffen identisch sein ein K ( t = 0 )
zum Zeitpunkt τ als K0 anzutreffen. Jede Abweichung von diesen Wahrscheinlichkeiten signa-
lisiert eine Verletzung der Zeitumkehr :
0 0 0 0
P[K ( t = 0) → K (τ )] – P[K (t = 0) → K ( τ) ]
----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
0 0 0 0
P[K ( t = 0) → K (τ )] + P[ K ( t = 0) → K (τ )]
Experimentell wurden diese Zustände über die schwachen semileptonischen Zerfälle nachge-
wiesen, wobei die Zerfallsrate als Funktion der Zeit bestimmt wurde. Man fand eine mittlere
Asymmetrie der Zerfallsraten von
0 + - 0 - +
P[ K (t = 0 ) → e π ν(τ )] – P[ K (t = 0 ) → e π ν(τ )] –3
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- = ( 6.6 ± 1.3 ) ⋅ 10
0 + - 0 - +
P[K (t = 0) → e π ν(τ ) ] + P[ K (t = 0 ) → e π ν( τ )]
Dieses Ergebnis signalisiert eine klare Verletzung der Zeitumkehr, welche auf diese Weise
erstmals direkt nachgewiesen werden konnte.
Die beobachtete Asymmetrie der Zerfallsraten bedeutet aber auch , dass auf Grund der CP -
Verletzung Materie und Antimaterie ungleich behandelt wird in der Natur. Man vermutet
deshalb, dass CP verletzende Prozesse im frühen Universum dafür verantwortlich sind, dass
wir in einem Universum leben, welches aus Materie und nicht aus Antimaterie besteht.
82
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
Das CPT - Theorem besagt, dass, selbst wenn die einzelnen Transformationen ( C, P, T ) die
Symmetrien verletzen, das Produkt der drei Operationen wieder eine Symmetrie darstellen
muss. Dieses Theorem deckt sich mit allen bisherigen experimentellen Beobachtungen.
Die Prinzipien der Quantenfeldtheorien beruhen auf der Gültigkeit der CPT - Invarianz in allen
Wechselwirkungen.
Die CPT - Invarianz sagt bestimmte Eigenschaften von Teilchen und Antiteilchen voraus,
welche man experimentell testen kann. Zum Beispiel müssen die Lebensdauern, die Ladungen
(absolute Beträge!), die magnetischen Momente ( absolute Beträge ! ) und die Massen von
Teilchen und Antiteilchen gleich sein :
EXPERIMENTELLE ÜBERPRÜFUNG
τ + –τ –
μ μ –4
Lebensdauer : - < 10
---------------------------
τ –
μ
μ + –μ – – 12
Magnetisches Moment : e e
- < 10
---------------------------
μ–
e
m 0–m 0 – 18
Massen : K K
- < 10
---------------------------
m 0
K
mp – mp –9
- < 10
----------------------
mp
83
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
P-Verletzung
νL νR ν R existiert nicht
P
C-Verletzung
νL νL ν L existiert nicht
CP-Erhaltung
νL νL νR ν R existiert!
C P
CPT-Erhaltung
νL νL νR νR
C P T
84
3. Symmetrien und Erhaltungssätze
Grösse P T C
Vektor r -r r r
Skalar t t -t t
Vektor p -p -p p
Helizität
Pseudoskalar s ⋅ p- -H H H
H = ---------------
s ⋅ p
Vektor E -E E -E
Axial Vektor B B -B -B
Skalar Ladung Q Q Q -Q
85
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
Fermi soll einmal gesagt haben: “Wenn ich mir die alle merken müsste, dann wäre ich lieber
Botaniker geworden.”
1960 - 61 haben Murray Gell - Mann und Yuval Ne’eman 91 Jahre nach Mendeleev (1869 ) ein
Perioden - System für Elementarteilchen aufgestellt. Sie nannten es “The eightfold way”.
Gell - Mann und Ne’eman fanden heraus, dass, wenn man die Strangeness der Teilchen auf der
einen Achse und die dritte Komponente des Isospins I3 auf der anderen Achse aufträgt, sich die
Mesonen in Oktetts und die Baryonen in Oktetts oder Dekupletts anordnen.
–
Als grosser Erfolg dieses Konzepts wurde die Entdeckung des Ω Teilchens, dessen Existenz
an prominenter Stelle im Dekuplett vorausgesagt war, gefeiert. Das Teilchen mit der Stran-
geness -3 und negativer Ladung wurde 1963 in Blasenkammerexperimenten am CERN in
Genf und am AGS Brookhaven ( USA ) gefunden. Im Rausch der Entdeckerfreude hat man
glatt vergessen, Y. Ne’eman davon in Kenntnis zu setzen. Man hat ihm später ein Telegramm
–
geschickt und sich mit den Worten entschuldigt : “ Sorry, but you knew about the Ω long
before us ! ”
86
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
MESONEN :
Oktett Spin 0
Strangeness
ds +1 us
K0 K+
– 0 +
du π π π ud Isospin I3
-1 0 +1
η
su sd
– -1 0
K K
La
La
La
du
du
du
n
n
g-
g0
g+
1
87
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
Oktett Spin 1
Strangeness
ds +1 us
*0 *+
K K
– 0 +
du ρ ρ ρ ud Isospin I3
-1 ω 0 +1
su sd
*– -1 *0
K K
La
La
La
du
du
du
n
n
g-
g0
g+
1
88
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
BARYONEN :
Strangeness
+1
udd udd
n p
Isospin I3
-1 -1/2 0 +1/2
+1
– 0 +
Σ -1 Σ Σ
dds uds uus
Λ0
Ξ - -2 Ξ0
dss uss
La
La
La
d
un
du
du
g
n
n
g0
+1
g-
1
89
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
Strangeness
+1
Δ- Δ0 Δ+ Δ++ Isospin I3
m ≈ 1235 MeV
-1 -1/2 0 +1/2 +1
Δm ∼ 150 MeV
Δm ∼ 145 MeV
Ξ∗− Ξ∗0
m ≈ 1530 MeV
-2
dss uss
Δm ∼ 150 MeV
Ω− ?? m ≈ 1680 MeV
-3 vorhergesagt
(1672MeV) sss
Viele der Mesonen und Hadronen wurden mit der Blasenkammer entdeckt. Dieses Instrument
spielte in den 60 er und 70 er Jahren eine bedeutende Rolle in der Teilchenphysik. Heute ist die
Blasenkammer durch rein elektronische Spurendetektoren ersetzt worden.
90
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
Trotzdem soll hier kurz ihr Erfinder gewürdigt und daran erinnert werden :
Dass man beim Betrachten eines Bierglases zum Nobelpreis kommen kann !
1952 hat der amerikanische Physiker D. Glaser die Blasenkammer erfunden, wobei er sich die
Idee beim Betrachten eines vollen Bierglases holte. Er sah die Bläschen aufsteigen und über-
legte sich, wie man in Flüssigkeiten Bläschen erzeugen kann. Eine Flüssigkeit, nahe am Siede-
punkt, kann dadurch zum Sieden gebracht werden, dass man plötzlich den Druck erniedrigt.
Man spricht von Überhitzung. Der Siedevorgang, welcher zur Bläschenbildung führt, kann
durch die ionisierende Wirkung der die Flüssigkeit durchlaufenden Teilchen eingeleitet
werden. Die Bläschen, welche sich entlang der Teilchenspur ausbilden, können dann photogra-
phiert werden. D. Glaser hat für diese geniale Erfindung 1960 den Nobel - Preis erhalten.
Die Big European Bubble Chamber ( BEBC ), am CERN in Genf, war die grösste je in Betrieb
genommene Blasenkammer. Sie hatte ein Volumen von 35 m3 und war mit flüssigem Wasser-
stoff ( 3.15 Tonnen ) gefüllt. Die Siedetemperatur von Wasserstoff ist T = 20.4 K. Die Kammer
war von einem supraleitenden Magneten mit einem Feld von 3.5 Tesla umgeben.
91
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
92
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
Blasenkammer-Bild 1
K-
S –1 0 → –3 +1 +1
1- 1- 1- 1-
I3 – -------- + -------- → 0 + -------- – --------
2 2 2 2
- - + 0
K + p → Ω + K + K
0 -
Ξ + π
0 0
Λ +π
γ+γ
π +p
-
e+e -
+ -
e e
93
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
S –1 0 → –3 +1 +1 0
1- 1- 1- 1-
I3 – -------- + -------- → 0 + -------- + -------- –1
2 2 2 2
- - + + -
K + p → Ω + K + K + π
0 -
Λ + K
-
p+ π
94
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
Mit dem Erfolg der Hypothese des “eightfold way”, die Elementarteilchen in Oktette und
Dekuplette einzuordnen, stellte sich natürlich die Frage, ob nicht noch andere Strukturen
möglich sind. Die Antwort auf diese Frage sollte kurz darauf das Quark - Modell geben.
1964 haben Murray Gell - Mann und George Zweig unabhängig voneinander realisiert, dass
sich die Symmetrien des “eightfold way” natürlich ergeben, wenn man die Hadronen aus drei
verschiedenen Substrukturen, den sogenannten Quarks, aufbaut.
Der Name Quark wurde von Gell - Mann aus der Novelle “Finnegan’s Wake” von James Joyce
entnommen.
M. Gell - Mann hat für die Quark - Hypothese zum Aufbau der Elementarteilchen 1969 den
Nobel - Preis erhalten.
1964 kannte man nur 3 Quarks ( u = up, d = down und s = strange ). Ihre Quantenzahlen sind
in folgender Tabelle gelistet :
Nach dem Quark - Modell setzen sich die Baryonen aus jeweils drei Quarks und die Mesonen
aus jeweils einem Quark und einem Anti quark zusammen.
95
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
EINIGE BEISPIELE ZUR QUARK - STRUKTUR BEKANNTER TEILCHEN UND DEREN QUANTENZAHLEN
Teilchen
Isospin I Hyperlad. Y Spin J Ladung Q
Quarks
p +1/2 1/2 1
1
uud 1/2, 1/2, -1/2 1/2, -1/2, 1/2 2/3, 2/3, -1/3
n −1/2 1/2 0
1
udd 1/2, -1/2, -1/2 1/2, -1/2, 1/2 2/3, -1/3, -1/3
Λ 0 1/2 0
0
uds 1/2, -1/2, 0 1/2, -1/2, 1/2 2/3, -1/3, -1/3
π+ 1 0 1
0
ud 1/2, 1/2 1/2, -1/2 2/3, 1/3
π− −1 0 −1
0
ud -1/2, -1/2 -1/2, 1/2 -2/3, -1/3
K- −1/2 0 −1
-1
su 0, -1/2 1/2, -1/2 -1/3, -2/3
K0 −1/2 0 0
1
sd 0, -1/2 -1/2, 1/2 1/3, -1/3
Trotz der Erfolge gab es anfangs Skepsis gegenüber dem einfachen Quark-Modell. Wesent-
liche Fragen waren noch ungelöst :
1.)Warum kann man Quarks nicht als freie Teilchen beobachten?
2.)Welches sind die Kräfte, die die Quarks aneinander binden?
Erst die Quantenchromodynamik (siehe Kapitel 6 ” Die Farbladung der Quarks” auf Seite 125
und Kapitel 7 ”Quantumchromodynamics (QCD )” auf Seite 130), welche den Quarks eine
Farbladung zuordnet, konnte eine Antwort auf diese Fragen liefern. Die Farbladung der
Quarks ist die Quelle der starken Kraft zwischen den Quarks. Sie ist analog zur elektrischen
Ladung, welche die Quelle der elektromagnetischen Kraft zwischen elektrisch geladenen
Teilchen ist. Freie Teilchen haben jedoch keine Farbe. Deshalb können Quarks nicht als freie
Teilchen auftreten, sondern bleiben immer in den Baryonen bzw. Mesonen gebunden. Im Eng-
lischen spricht man von quark-confinement.
96
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
Gell - Mann und Nishijima haben festgestellt, dass verschiedene Quantenzahlen, wie die elek-
trische Ladung, der starke Isospin und die Strangeness, miteinander in folgender Beziehung
stehen :
Q = I3 + B + S- = I + Y
------------ 3 ----
2 2
wobei Q die Ladung, I3 die dritte Komponente des starken Isospins, und B die Baryonen - Zahl
sind. Y = B + S ist die sogenannte starke Hyperladung. Sie erfüllt eine andere Beziehung als
diejenige der schwachen Hyperladung, welche wir im Kapitel 2.4 kennengelernt haben.
Durch die Entdeckung weiterer Quarks mit neuen Flavour - Quantenzahlen, wie
musste die Gell - Mann - Nishijima - Relation für die zusätzlichen Quark - Flavours erweitert
werden. Man definiert die Hyperladung als die Summe aus der Baryonen - Zahl, der Stran-
geness und den neuen Flavour - Quantenzahlen.
Y = B + S + C + B′ + T
wobei S für Strangeness, C für Charm, B′ für Bottom und T für Top steht. Die Hyperladung ist
in starken Prozessen eine Erhaltungsgrösse. Dies folgt schon aus der Tatsache, dass die
Ladung und der Isospin in allen starken W.W. erhalten bleiben.
Wir betrachten zunächst nur Zustände, welche sich aus den Quarks ( u, d, s ) bzw. deren
Anti quarks ( u, d, s ) zusammensetzen lassen. Trägt man nun auf der einen Achse die Hyper-
ladung und auf der anderen die dritte Komponente des Isospin auf, so erhalten wir für die
Quarks und die Antiquarks jeweils ein fundamentales Triplett. Durch geeignete Kombina-
tionen der drei Quarks bzw. der Quark - Antiquark Paare lassen sich, wie wir im nächsten
Kapitel sehen werden, die Baryonen bzw. die Mesonen in sogenannten Supermultipletts dar-
stellen.
97
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
HYPERLADUNG - ISOSPIN-MULTIPLETT
Quark-Triplett :
Y
1
S I
1--- 1⁄3
0 d u
2
I3
- 1--- + 1---
2 2
Q
---- = + 2---
-1 0 –2 ⁄ 3 s e 3
-1
Q
---- = - 1---
e 3
Antiquark-Triplett :
Y
S I 1
+1 0 2⁄3 s
– 1--- + 1---
2 2
I3
1---
0
2
u –1 ⁄ 3 d
-1
98
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
99
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
Wir betrachten π und η Mesonen, welche jeweils aus u - und d - Quarks und deren Antiquarks
zusammengesetzt sind.
d = | I I3 〉 = | 1 ⁄ 2 –1 ⁄ 2 〉
d = – | I I3 〉 = – | 1 ⁄ 2 1 ⁄ 2 〉
Das Minuszeichen rührt von einem hier nicht weiter erklärten Phasenfaktor her, der bei der
Transformation | d 〉 ⇒ – | d 〉 auftritt.
Wenn wir zwei Quarks mit dem Isospin I 1 = I 2 = 1 ⁄ 2 kombinieren, dann erhalten wir ein
Isospin - Triplett und ein Isospin - Singulett. Der Gesamtisospin kann dann folgende Werte
annehmen :
I 1 – I 2 ≤ I ≤ I 1 + I2
Isospin Triplett | I I3 〉 : | 1 1 〉 , | 1 0 〉 , | 1 –1 〉
Isospin Singulett | I I3 〉 : | 0 0 〉
Die Mesonen ergeben sich dabei aus der Vektor - Addition der Quark - Isospins :
Analog zur Spin - und Drehimpuls - Addition sind die Gewichtsfaktoren durch die Clebsch -
Gordan - Koeffizienten ( auch Wigner - Koeffizienten oder Vektor - Additions - Koeffizienten
genannt ) gegeben. Diese können aus dem Particle Physics Booklet entnommen werden.
100
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
+
π = | I I 3 〉 = | 1 1 〉 = | 1 ⁄ 2 1 ⁄ 2 〉 | 1 ⁄ 2 1 ⁄ 2 〉 = – ud
-
π = | I I 3 〉 = | 1 – 1 〉 = | 1 ⁄ 2 – 1 ⁄ 2 〉 | 1 ⁄ 2 – 1 ⁄ 2 〉 = ud
0 1- [ | 1 ⁄ 2 1 ⁄ 2 〉 | 1 ⁄ 2 – 1 ⁄ 2 〉 + | 1 ⁄ 2 – 1 ⁄ 2 〉 | 1 ⁄ 2 1 ⁄ 2 〉 ]
π = | I I 3 〉 = | 1 0 〉 = ------
2
1- [ uu – dd ]
= ------
2
1- [ | 1 ⁄ 2 1 ⁄ 2 〉 | 1 ⁄ 2 – 1 ⁄ 2 〉 - | 1 ⁄ 2 – 1 ⁄ 2 〉 | 1 ⁄ 2 1 ⁄ 2 〉 ]
η = | I I 3 〉 = | 0 0 〉 = ------
2
1- [ uu + dd ]
= ------
2
π+ I3 = +1 +1 – ud
π− I3 = - 1 -1 ud
1- ( uu – dd )
π0 I3 = 0 0 ------
2
1- ( uu + dd )
η I3 = 0 0 ------
2
101
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
Clebsch-Gordon Coefficients
102
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
Eine Special Unitarity Group SU(2) hat 22 - 1 = 3 Generatoren. Die Isospin - Multipletts der
Mesonen lassen sich in einer SU(2) Gruppe darstellen. Die 3 Generatoren dieser Gruppe sind :
I + , I – , I3
wobei I + und I– die Isospin - Verschiebungsoperatoren sind und I 3 die dritte Komponente
des Isospins darstellt. Der Operator I + verschiebt I 3 um 1 nach oben und der Operator I –
um 1 nach unten, wobei folgende Regeln gelten :
I± | I I3 〉 = I ( I + 1 ) – I3 ( I3 ± 1 ) | I I3 ± 1 〉
I+ | d 〉 → | u 〉 I– | u 〉 → | d 〉
I + |u〉 → – |d〉 I – – | d 〉 → | u〉
I + |d〉 = 0 I – |u〉 = 0
Wir berücksichtigen zunächst nur die u und d Quarks und ihre Antiquarks. Dabei ergeben sich
für die Mesonen 22 = 4 Quark - Antiquark Kombinationen, welche, wie wir gesehen haben, sich
in einem Isospin - Triplett und einem Isospin - Singulett zusammenfassen lassen. Durch
Anwendung der Verschiebungsoperatoren auf die Wellenfunktionen der Mesonen transfor-
mieren sich die Zustände wie folgt :
Isospin - Triplett :
- 0
I + | π 〉 = I + | – du 〉 = | – uu + dd 〉 = 2 |π 〉
0 | dd – uu 〉 | ud + 0 – 0 + ud 〉 +
I + | π 〉 = I + ----------------------- = ------------------------------------------ = 2 | ud 〉 = 2 |π 〉
2 2
103
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
Isospin - Singulett :
I ± | η 〉 = I ± |-----------------------
dd + uu 〉 = |----------------------
ud – ud -〉 = 0
2 2
Da das η Meson ein Isospin Singulett - Zustand ist, lässt es sich unter Anwendung der Ver-
schiebungsoperatoren in keinen anderen Zustand transformieren.
Nehmen wir nun die strange Quarks und Antiquarks noch dazu, dann erhalten wir aus
u , d , s und u, d,s
Mit dem zusätzlichen Freiheitsgrad des s Quarks und Antiquarks lassen sich die Mesonen und
Baryonen in einer SU(3) Gruppe darstellen. Die SU(3) hat 32 - 1 = 8 Generatoren, welche sich
analog zu den Isospin - Verschiebungoperatoren schreiben lassen :
I+ , I- , I3 I - Spin
U+ , U- , U3 U- Spin
V+ , V- , V3 V - Spin
Ferner gilt
I3 + U3 + V3 = 0 ,
sodass nur zwei davon unabhängige Variable sind. Die Gesamtzahl der Generatoren ist also 8 .
Die Wirkung der Verschiebungsoperatoren ist in der Figur für das fundamentale Quark -
Triplett gezeigt. Die Operatoren ändern die Quark - Zustände wie folgt :
I+ | d 〉 → | u 〉 I– | u 〉 → | d 〉
U+ | s 〉 → | d 〉 U– | d 〉 → | s 〉
V+ | s 〉 → | u 〉 V – |u 〉 → | s 〉
104
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
Quark-Triplett :
Y
I+
d u
I-
I3
U- V+
U+ V-
Baryon-Oktett :
Y
U3
n p
0 0
Λ Σ
I3
- +
Σ Σ
- 0
Ξ Ξ
V3
105
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
1. MESONEN
Die Mesonen sind aus je einem Quark und einem Antiquark zusammengesetzt. Unter Berück-
sichtigung von
In der gruppentheoretischen Darstellung lassen sich diese Zustände in einem Oktett und einem
Singulett unterbringen :
3⊗3 = 8⊕1
Symbolisch ausgedrückt, besagt dies, dass ein neundimensionaler Raum in zwei Unterräume
(das Oktett und das Singulett ), die sich nicht weiter reduzieren lassen, zerfällt. Dabei gelten für
die Multipletts folgende Regeln :
Die Mitglieder der Multipletts haben verschiedene I , I3 und Y Quantenzahlen, aber gleichen
Spin und gleiche Parität. Mesonen, bei denen die Quark - Spins antiparallel sind, also solche
mit J P = 0 - , nennt man pseudoskalare Mesonen und solche mit J P = 1– , bei denen die Quark -
Spins parallel sind, Vektor - Mesonen. Sie bilden die Grundzustände. Neben diesen gibt es aber
auch noch höhere Anregungszustände mit Bahndrehimpuls, wie z.B. J P = 2 + . Diese Zustände
sind entsprechend der höheren Anregungsenergie auch massiver.
106
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
Spin
Hyper-Ladung
Y=B+S
0 +
K = ds K = us
1
d u
Isospin
-
dd uu I3
+
π = du ss π = ud
s
- -1 0
K = su K = sd
Linear Kombinationen :
0 1- ( uu – dd )
π ≡ ------
2
0 1- ( uu + dd – 2ss )
Sind ihre eigenen η ≡ ------
Antiteilchen 6
1- ( uu + dd + ss )
η′ ≡ ------ ← Singulett
3
107
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
JP = 1- Vektor -Mesonen
Spin
Y
*0 +
K K*
ρ0 ω0
I3
ρ- φ0 ρ+
*- *0
K K
108
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
gemeinsam : JP
Mesonen-Supermultiplett
verschieden : I , I3 , Y
I S JP Y mc2 [MeV]
0 +
K +1
K
- 496
1/2 1 0
( Pseudoskalar )
0
π
-
π π
+
Nonett
1 0 0- I3 137
-1 η ( 549 ) η′ ( 958 ) +1
1/2 -1 0- - -1 0 496
K K
Y
0 +
K* K*
1/2 1 1- 890
( Vektor meson )
ρ- ρ0 ρ
+
Nonett
1 0 1- I3 765
ω ( 783 ) φ ( 1019 )
1/2 -1 1- 890
*- *0
K K
Y
0 +
K* K*
1/2 1 2+ 1415
Nonett
- 0 +
A2 A2 A2
1 0 2+ I3 1320
f0 (1254 ) f *(1500)
1/2 -1 2+ - 0
1415
K* K*
109
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
2. BARYONEN
Die Baryonen sind aus drei Quarks zusammengesetzt. Es ergeben sich also 33 Kombinationen,
bzw. 27 Zustände, welche sich gruppentheoretisch folgendermassen darstellen lassen :
3 ⊗ 3 ⊗ 3 = 10 ⊕ 8 ⊕ 8 ⊕ 1
Dabei gelten dieselben Regeln wie bei den Mesonen - Multipletts. Auch hier haben die Mit-
In den anschliessenden Figuren sind die Mesonen - und Baryonen - Multipletts aufgeführt.
Jeweils sind auch Beispiele für die Quarkzusammensetzung der Zustände gegeben.
110
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
gemeinsam : B , JP
Barionen-Supermultiplett
verschieden : I , I3 , Y
n +1 p
1/2 0 1/2+ 939
0
-
Σ Σ
+
stabile
Σ
Oktett
-1 + I3
1 1/2 0
1193
-1 Λ ( 1116 ) +1
1/2 -2 1/2+ 0
1318
-1
Ξ
-
Ξ
konstant
Y
+ ++
Δ
–
Δ
0
Δ Δ ( N* )
3/2 0 3/2+ 1236
Dekuplettt
0
*- Σ* Σ*
+
1 -1 3/2+ Σ I3 1385
instabile
- 0
1/2 -2 3/2+ Ξ* Ξ* 1530
0 -3 3/2+ Ω
- 1672
konstant
Y
N*
1/2 0 5/2+ 1688
0
Σ Σ*
Oktett
instabile
-1 + 1910
1 5/2 I3
Λ(1815 )
1/2 -2 5/2+ Ξ
* 1933
konstant
Singulett
0 -1 1/2- Λ(1405)
111
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
Dekuplett :
Y
Δ
– Δ0 Δ
+ ++
Δ
ddd ddu duu uuu
Spin
– 0 +
Σ* Σ* Σ* I3
dds dus uus
- 0
Ξ* Ξ*
dss uss
–
Ω
sss
Oktett :
Y
n p
ddu duu
+
0 Σ
Σ
– dus Σ uus
dds 0
I3
Λ
- 0
Ξ Ξ
dss uss
112
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
Betrachtet man die Wellenfunktion von zwei Teilchen 1 und 2, so ist bei Austausch der beiden
Teilchen die Wellenfunktion
Es gibt zwei Klassen von Teilchen : Bosonen, für die die Wellenfunktion symmetrisch ist, und
Fermionen, für die die Wellenfunktion antisymmetrisch ist.
Alle Teilchen mit ganzzahligem Spin ( 0, 1, 2, 3, etc. ) sind Bosonen und alle Teilchen mit
halbzahligem Spin sind Fermionen.
Betrachten wir zwei Teilchen, das eine befinde sich im Zustand ψ α und das andere im Zustand
ψ β . Wenn die Teilchen sich voneinander unterscheiden, z.B. ein Quark und ein Antiquark
oder ein u- und ein d-Quark, dann ist es sinnvoll zu fragen, welches der beiden Teilchen sich
in dem einen oder anderen Zustand befindet. Die Wellenfunktion des Systems ist dann
ψ ( 1, 2 ) = ψ α ( 1 ) ψ β ( 2 ) ,
ψ ( 1, 2 ) = ψ β ( 1 ) ψ α ( 2 ) ,
Wenn die Teilchen aber nicht unterscheidbar sind, kann man auch nicht unterscheiden,
welches Teilchen in welchem Zustand ist. Handelt es sich bei den Teilchen um identische
Bosonen, so ergibt sich für die Wellenfunktion die symmetrische Kombination
ψ ( 1, 2 ) = ⎛ ------
1-⎞ ( ψ ( 1 )ψ ( 2 ) + ψ ( 1 )ψ ( 2 ) ) .
⎝ 2⎠ α β β α
Handelt es sich jedoch um identische Fermionen, so ergibt sich für die Wellenfunktion die
antisymmetrische Kombination
ψ ( 1, 2 ) = ⎛⎝ ------
1-⎞ ( ψ ( 1 )ψ ( 2 ) –ψ ( 1 )ψ ( 2 ) ) .
2⎠
α β β α
Man sieht, dass die Wellenfunktion Null wird, wenn man versucht, zwei identische Fermionen
113
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
Da Mesonen aus Quark - Antiquark - Paaren zusammengesetzt sind, welche immer unter-
scheidbar sind, sind die Wellenfunktionen der Mesonen immer symmetrisch.
Bei den Baryonen handelt es sich durchwegs um Teilchen mit halbzahligem Spin, also um
Fermionen, welche aus drei Quarks zusammengesetzt sind, deren Wellenfunktion in ihrer
Gesamtheit immer antisymmetrisch sein muss.
Die Wellenfunktion eines Baryons setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen :
wobei der Raumanteil angibt, wie die drei Quarks räumlich verteilt sind ( Bahndrehimpuls ),
der Spinanteil die Spinverteilung (parallel oder antiparallel ) darstellt, die Flavour -
Komponente zeigt, welche Kombination von u- , d- und s - Quarks vorliegt, und die Farb -
Komponente die Farben der Quarks angibt, auf welche wir später noch zurückkommen
werden. Der Raumanteil der Wellenfunktion wird durch den Bahndrehimpuls l bestimmt,
wobei folgendes gilt : (-1)l
Wellenfunktion Zustände
Dekuplett symmetrisch S uuu , ddd , sss
Oktett gemischtsymmetrisch M uud , udd , uus etc.
Singulett antisymmetrisch A usd
114
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
Wenn wir weitere Quarks bzw. Flavours in die Multiplett - Struktur mit einschliessen, dann
erhalten wir für n Flavours die SU(n) - Darstellung :
1--- ⋅ n ( n + 1 ) ( n – 1 ) ⊕ 1--- ⋅ n ( n – 1 ) ( n – 2 )
3 6
2
Für die Mesonen : n ⊗ n = (n – 1) ⊕ 1
Beispiel: Charm
Wenn wir das Charm - Quark in die Multiplett - Struktur einschliessen, dann erhalten wir eine
SU(4) Darstellung. Neben der Hyperladung und dem Isospin führen wir eine dritte Achse, die
Charm - Achse ein ( siehe Figur ). In der Flavour SU(4) Darstellung ergibt sich :
Wegen der zunehmenden Quark-Massen wird mit zunehmenden Flavours die Symmetrie
stärker gebrochen !
115
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
C ccd ccu
4 Zustände
ccs C =2
Y
I3
cud
cdd cuu
cds
C=1
c cus
css uud
udd (p)
dds (n) uds
d u ⎛ Σ -⎞ 0
(Σ , Λ)
uus C=0
⎝ ⎠ +
(Σ )
dss uss
s (Ξ )
- 0
(Ξ ) 20 Zustände
Baryonen
(a) (b) Spin 1/2
ccc C
C=3
Y
ccd ccu C=2
css I3
cdd cud cuu C=1
cs=F +
cds uuu
ddd +
uud (Δ )
css (Δ++) C=0
(Δ-) 0
udd (Δ )
cu=D 0 cd=D + C=1
dds (Σ∗-) uds uus (Σ∗+)
( Σ*0 )
dss (Ξ∗-) uss (Ξ*0)
sss (Ω-) ds=K 0
C=0
π0 η us=K+
(c) du=π - ud=π +
η’ ηc
su=K- sd=K0
20 Zustände
C= -1
Baryonen 0
dc=D - uc=D
Spin 1/2
sc=F -
15 Zustände
Mesonen
(d)
116
4. Die Quark - Struktur der Hadronen
Die Quarks sind als freie Teilchen ausserhalb eines Hadrons bisher nicht beobachtet worden.
Nach unseren heutigen Vorstellungen sind sie permanent in den Hadronen gebunden. Deshalb
können ihre natürlichen Massen experimentell nicht direkt bestimmt werden. Die Quark -
Massen hängen von ihrer Umgebung ab. Wir unterscheiden deshalb zwischen :
1. Der effektiven Masse ( oder der Konstituenten - Masse ), unter der Berücksich-
tigung, dass die Quarks umgeben von Gluonen in den Hadronen gebunden sind.
Die effektive Masse der Quarks kann naiv aus der Masse der Hadronen und der
Anzahl der Quarks ( Konstituenten ) im jeweiligen Hadron abgeschätzt werden.
2. Der nackten Masse ( oder der Strom - Masse ), unter der Berücksichtigung, dass
sich die Quarks bei sehr kleinen Abständen als quasifreie Teilchen in den
Hadronen bewegen ( asymptotic freedom ). Die nackten Massen der leichten
Quarks lassen sich auch aus Theorien der chiralen Symmetrie abschätzen.
117
5. Magnetische Momente
5. Magnetische Momente
Das magnetische Moment eines geladenen Teilchens hängt von seinem Ladungs / Masse
Verhältnis e/m ab. Klassisch gesehen, handelt es sich um einen rotierenden Körper, dessen
Ladung und Masse räumlich verteilt sind. Für ein Spin 1/2 Teilchen ohne innere Struktur, also
ein Teilchen mit punktförmiger Ladungs - und Massenverteilung, ist das magnetische Moment
nach der Dirac - Theorie gegeben durch :
μ = g ⋅ μB ⋅ s
e ⋅ - = 5.78 ⋅ 10 – 11 MeV T– 1
μ B = --------------------
2 ⋅ me ⋅ c
mit s , dem Spin des Teilchens, μ B , dem Bor’schen Magneton und g, dem gyromagnetischen
Verhältnis. Für Teilchen mit punktförmiger Ladungs - und Massenverteilung ist das gyroma-
gnetische Verhältnis exakt g = 2 . Abweichungen von 2 bedeuten, dass das Teilchen eine innere
Struktur besitzt ( siehe magnetisches Moment des Protons und Neutrons im Kapitel 5.2 ).
Als wahre Elementarteilchen haben die Elektronen und die Myonen keine innere Struktur, man
erwartet also g = 2 . Experimentell kommt jedoch für das Elektron und Myon nicht genau g = 2
heraus. Die gemessenen Abweichungen sind von der Grössenordnung 1‰. Sie beruhen auf
2 3
Strahlungskorrekturen ( Korrekturen der Ordnung α + α + α + … ), welche auf die Emission
bzw. Absorption von virtuellen Photonen und auf Vakuum polarisations - Effekte ( Bildung und
Vernichtung von virtuellen Teilchen - Antiteilchenpaaren ) zurückzuführen sind.
+
e
γ
γ - γ
e
e e
Ordnung α2
Ordnung α
Vakuumpolarisation
Das Elektron ist also von einer Wolke aus virtuellen Photonen umgeben, welche dem Elektron
118
5. Magnetische Momente
etwas Masse entzieht, und damit das magnetische Moment des Elektrons verändert. Die Strah-
lungskorrekturen lassen sich mit Hilfe der Quanten- Elektro - Dynamik ( QED ) exakt
berechnen. Ein Vergleich der gemessenen und der berechneten Werte des g - Faktors ist der zur
Zeit genaueste Test für die Gültigkeit der QED.
Dadurch, dass die Energien der virtuellen Photonen in der Wolke mit der Masse des ursprüng-
lichen Teilchens skalieren, kommen beim schwereren Myon zusätzliche Korrekturen zum
g - Faktor ins Spiel. Die energiereicheren virtuellen Photonen transformieren sich nun nicht nur
in Lepton-Antilepton-Paare sondern auch in die schwereren Quark-Antiquark-Paare. Das
Myon ist demnach auch von einer Wolke aus virtuellen Quarks und Antiquarks umgeben.
Dadurch kommen bei sehr kleinen Abständen zu den Strahlungskorrekturen der elektromagne-
tischen W.W. auch die der starken W.W. hinzu. Die Beiträge der letzteren lassen sich aus den
+ - *
Wirkungsquerschnitten e e → γ → Hadronen abschätzen. Sie sind von der Grössen-
-8
ordnung 7 ⋅ 10 . Wegen seiner geringeren Masse sind diese Korrekturen beim Elektron sehr
viel kleiner.
Im Jahre 2001 ist es einem Experiment in Brookhaven (USA) gelungen, die Messungen des g -
Faktors beim Myon noch zu verbessern. Damit konnte man in Dimensionen vordringen, die
der Reichweite der schwachen W.W. entsprechen. In diesem Fall kommen dann die Beiträge
der elektro - schwachen Wechselwirkung mit ins Spiel.
119
5. Magnetische Momente
e+ q e+
γ γ γ γ Z0 Z0
e- q e-
μ μ μ
Wenn man zunächst annehmen würde, dass es sich beim Proton und beim Neutron um punkt-
förmige ( Spin 1/2 ) Teilchen handelt, dann würde man für ihre magnetischen Momente die fol-
genden Werte erwarten :
e – 14 –1
mit μ N = --------------------- = 3.152 ⋅ 10 MeVT , dem Kernmagneton. Da das Neutron keine
2 ⋅ mp ⋅ c
Ladung besitzt, wird man für sein magnetisches Moment den Wert gleich Null erwarten.
Die anomalen magnetischen Momente zeigen deutlich, dass es sich beim Proton und beim
Neutron nicht um punktförmige Teilchen handelt, sondern dass sie eine innere Struktur
besitzen ( Otto Stern erhielt für diese Entdeckung 1943 den Nobel Preis ). Das Verhältnis
μn
----- = – 0.68 lässt sich aus dem Quark - Modell ableiten.
μp
120
5. Magnetische Momente
Unter der Annahme, dass es sich bei den Quarks um punktförmige ( Spin 1/2 ) Teilchen
handelt, sind ihre magnetischen Momente gegeben durch :
e
wobei der erste Faktor die Ladung angibt und μ q = -------------------------
- das Quark - Magneton ist. Da
2 ⋅ m u, d ⋅ c
die effektiven Massen m u und m d des u- bzw. des d-Quarks praktisch gleich gross sind,
nehmen wir für beide Quarks denselben Wert von μ q . Die magnetischen Momente des Protons
und des Neutrons lassen sich dann aus den Spin- und Quark-Wellenfunktionen bestimmen.
Das magnetische Moment des Protons ergibt sich aus der Vektorsumme der magnetischen
Momente der einzelnen Quarks. Dazu müssen wir die Spin- und Quark-Flavour-Wellen-
funktion des Protons berechnen. Betrachten wir z.B. ein Proton mit der z - Komponente des
Spins m = +1 ⁄ 2 zusammengesetzt aus :
Proton ( u, u, d ) :
Ψ P ⎛ J = 1--- ; m = 1--- ⎞
⎝ 2 2⎠
u u d
χ uu ( J = 1 ; m = +1 )
χ d ⎛ J = 1--- ; m = – 1--- ⎞
⎝ 2 2⎠
121
5. Magnetische Momente
Zur Berechnung der Spin- und Quark-Flavour-Wellenfunktion des Protons müssen jedoch alle
möglichen Kombinationen der Quark-Flavours und deren Spins berücksichtigt werden. Aus
den Vektor - Additionskoeffizienten, auch Clebsch - Gordan Koeffizienten genannt, ergibt sich
für das Proton die Spin - Wellenfunktion ( siehe Tabelle “Clebsch-Gordon Coefficients,” auf
Seite 101):
Die Quark - Flavour - Wellenfunktion des Protons unter Berücksichtigung des Spins ist dann :
ψ p = 2--- ( u + u + d ) + 1--- ( u +u +d )
3 3
Der Erwartungwert des magnetischen Moments des Protons errechnet sich aus:
μ p = 〈 μ p〉 = 〈 Ψ p μ p Ψ p〉
zu μ p = 2--- ( μ u + μ u – μ d ) + 1--- ( μ u – μ u + μ d )
3 3
μp = μq
Das magnetische Moment des Neutrons ergibt sich aus obiger Gleichung, wenn man μ u mit
μ d vertauscht :
μ n = – 2--- μ q
3
μ
Für das Verhältnis ergibt sich also -----n = – 0.66 . Es ist konsistent mit dem experimentell
μp
gefundenen Wert von 0.68.
122
5. Magnetische Momente
Das magnetische Moment des s - Quarks erhält man aus der Messung des magnetischen
Moments des Λ − Hyperons. Da sich im Λ ( u, d, s ) die Spins der u - und der d - Quarks im Mittel
gegenseitig aufheben, tragen sie zum magnetischen Μοment nichts bei. Das magnetische
Moment des Λ wird deshalb allein durch das s - Quark bestimmt. Es gilt :
μΛ = μs
μ Λ = ( – 0.613 ± 0.004 ) μ N
Unter der Annahme, dass es sich beim s - Quark um ein punktförmiges Teilchen handelt, kann
man aus seinem magnetischen Moment eine Quarkmasse von
2
m s ≈ 510 MeV /c
ableiten.
Die magnetischen Momente der anderen Hyperonen lassen sich aus ihren Spin- bzw. Quark -
Flavour - Wellenfunktionen, unter Berücksichtigung der aus dem Experiment gewonnenen
magnetischen Momente des Protons, Neutrons und Λ - Hyperons herleiten. In der folgenden
Tabelle sind die experimentell gefundenen den dem Quark - Modell entsprechenden magneti-
schen Momenten gegenübergestellt. Die gute Übereinstimmung wurde als weiterer Triumph
des Quark - Modells gefeiert.
123
5. Magnetische Momente
124
6. Die Farbladung der Quarks
In der SU(3)Flavour als auch in der erweiterten SU(3)Flavour x SU(2)Spin Darstellung sind die
++
Zustände Δ (u , u , u )
-
und Ω (s , s , s )
sind symmetrisch beim Vertauschen der Quarks. Da es sich aber bei den Quarks um Spin 1/2
Teilchen handelt, ist das Pauli - Prinzip verletzt. Um das Problem zu beheben, schlugen 1964
Greenberg, Han und Nambu vor, dass die Quarks in Wirklichkeit noch eine zusätzliche Quan-
tenzahl besitzen, welche sie mit “colour” ( Farbe ) bezeichneten. Die drei Quarks sind somit
nicht mehr identisch, sondern tragen die Farben r = rot, g = grün, b = blau. Jedes Quark kann
also drei verschiedene Farben besitzen :
++
Δ ( u rot , ugrün , u blau )
–
und Ω ( s rot , s grün , s blau )
Durch die zusätzliche Farb - Quantenzahl “Colour” werden die Wellenfunktionen antisymme-
trisch, d.h. sie ändern das Vorzeichen beim Vertauschen der Quarks und das Pauli - Prinzip
bleibt gewahrt:
ψ = ψ ( Raum ) ψ ( Flavour ) ψ ( Spin ) ψ ( Colour )
Wie wir im nächsten Kapitel sehen werden, spielt die Farbe bei der Bindung der Quarks eine
wichtige Rolle. Sie wird in Anlehnung an die elektrische Ladung auch als Farbladung
bezeichnet.
Analog zur SU(3)Flavour , welche die drei Quark - Flavours u, d, s enthält, lassen sich die drei
Farben r, g, b in einer neuen Symmetriegruppe SU(3)Colour darstellen. Von den möglichen
Farbmultipletts kommen in der Natur allerdings nur Farb - Singuletts vor. Das bedeutet aber,
dass alle gebundenen Quark - Zustände, die Mesonen und Baryonen, die Farbladung = 0 haben.
125
6. Die Farbladung der Quarks
Analog zu den Flavour - Singulett Zuständen, gilt für die Farb - Singulett Zustände :
1--- ( rr + gg + bb )
qq =
3
wobei r, g, b die jeweiligen Antifarben bedeuten. Für die Baryonen ( 3 Quark Zustände ) gilt :
Wie man sieht, heben sich die Farben gegenseitig auf, sodass die Zustände die Farbladung = 0
haben.
Experimentell lässt sich die Farbladung der Quarks z.B. in Elektron - Positron Kollisionen in
Speicherring - Experimenten nachweisen. Man beobachtet dort neben den Resonanzen
( J ⁄ ψ, ϒ ) , welche als scharfe Linien in der Figur zu erkennen sind, auch die Erzeugung von
virtuellen Quark - Antiquark Paaren. Da die Quarks als reelle Teilchen nicht existieren können,
wandeln sie sich durch Anlagerung weiterer Quark - Antiquark Paare in Bündel von Hadronen,
die sogenannten “jets”, um. Diesen Vorgang nennt man Hadronisierung. Die jets können dann
in einem geeigneten Detektor nachgewiesen werden. Natürlich können nur jeweils diejenige
Quarksorten erzeugt werden, deren Masse kleiner als die halbe zur Verfügung stehende
e+ α α μ- e+ α α jet
q
γ γ
q
e- μ +
e- jet
126
6. Die Farbladung der Quarks
127
6. Die Farbladung der Quarks
Die Anzahl der Farbladungen der Quarks ergibt sich dann aus dem Verhältnis der Wirkungs-
querschnitte :
2
4πα 3 ∑ ⎛ Q ---- ⎞
2
+ -
σ ( e e → Hadronen ( jets ) ) ⎝ e ⎠i 2
i - = 3 ∑ ⎛⎝ Q
R = --------------------------------------------------------------------- = --------------------------------------- ---- ⎞⎠
+ - + - 2 e i
σ( e e → μ μ ) 4πα i
wobei über die an der W.W. beteiligten Quark - Flavours summiert wird. Der Faktor 3 gibt
dabei die mögliche Anzahl der Farbzustände der Quarks an. Der Wirkungsquerschnitt für die
Erzeugung der Hadronen ist proportional der Kopplung des virtuellen Photons an die Summe
der Ladungsquadrate der beteiligten Quarksorten ( i ). Da die Quarks und Antiquarks Farbe
bzw. Antifarbe besitzen, können sie in drei verschiedenen Farbzuständen auftreten, was zu
einem Faktor drei im Wirkungsquerschnitt führt. Bei niedrigen Schwerpunktsenergien, bei
denen nur die u, d, s Quarks beitragen können, erwarten wir
2 2 2
R = 3 ⎛⎝ 2---⎞⎠ + ⎛⎝ – 1---⎞⎠ + ⎛⎝ – 1---⎞⎠ = 2
3 3 3
Erhöht man die Schwerpunktsenergie, so steigt R um das Ladungsquadrat des jeweils neu
erzeugten Quarks an ( siehe folgende Tabelle ).
R Quark - Flavours
2 u, d, s
10/3 u, d, s, c
11/3 u, d, s, c, b
15/3 u, d, s, c, b, t
Das schwerste Quark, das top - Quark, wurde allerdings in Proton - Antiproton Kollisionen
Wie aus der Figur zu erkennen ist, ist die Übereinstimmung der Theorie mit dem Experiment
ziemlich gut, aber nicht perfekt. Der Grund dafür ist, dass wir die Quarks hier als freie
Teilchen betrachtet und ihre W.W. untereinander vernachlässigt haben. Die starke W.W. unter
den produzierten Quarks macht sich jedoch in der Nähe der Resonanzen ( scharfer Anstieg
unterhalb der Schwelle ! ) stark bemerkbar.
128
6. Die Farbladung der Quarks
3 3.5 4 4.5 5
8 (1S) (3S)
7 (2S)
(4S)
b
6
9.5 10 10.5 11
S GeV
Figure 40.7: R in the light-flavour, charm, and beauty threshold regions. Data errors are total below 2 GeV and statistical
above 2 GeV. The curves are the same as in Fig. 40.6. Note: CLEO data above Υ(4S) were not fully corrected for radiative
effects, and we retain them on the plot only for illustrative purposes with a normalization factor of 0.8 . The full list of
references to the original data and the details of the R ratio extraction from them can be found in hep-ph/0312114. The
computer-readable data are available at http://pdg.ihep.su/xsect/contents.html (Courtesy of the COMPAS(Protvino) and
HEPDATA(Durham) Groups, March 2004.)
129
7. Quantumchromodynamics (QCD )
7. Quantumchromodynamics (QCD )
Die Farbladung der Quarks ist die Quelle der starken, chromodynamischen Kraft zwischen den
Quarks, analog zur elektrischen Ladung, welche die Quelle der elektromagnetischen Kraft
zwischen elektrisch geladenen Teilchen ist. Wie wir im Kapitel davor gesehen haben, gibt es
drei verschiedene Farbladungen rot, grün und blau ( r, g, b ) und die entsprechenden Antifarb-
ladungen r , g, und b . Damit die Quarks in den Baryonen festgehalten werden können,
müssen die Kräfte zwischen den Farbladungen der Quarks immer anziehend sein. Ebenso
muss wegen der Bindung der Quarks und Antiquarks in den Mesonen die Kraft zwischen der
Farbladung und der Antifarbladung immer anziehend sein.
Die QCD, welche 1973 von H. Fritzsch, H. Leutwyler und M. Gell - Mann formuliert wurde
und bisher die beste Beschreibung der Phänomene der starken W.W. liefert, ist der QED im
Ansatz sehr ähnlich. Es gibt jedoch grundlegende Unterschiede zwischen den beiden ( siehe
folgende Tabelle ).
Die QED ist eine Abel’sche Eichtheorie. Das Eichfeld zwischen zwei Ladungen wird durch
ein masseloses Photon mit dem Spin 1 beschrieben.
Die QCD hingegen ist eine Nicht - Abel’sche Eichtheorie. Die Eichfelder zwischen den Farbla-
dungen werden durch masselose Teilchen, die sogenannten Gluonen ( 8 an der Zahl ) mit dem
Spin 1 beschrieben.
130
7. Quantumchromodynamics (QCD )
QED QCD
anziehend + -
Kräfte immer anziehend
abstossend + + , - -
Abel’sche : Nicht Abel’sche :
Eichtheorie
Photon hat keine Ladung ! Gluonen haben Farbladung !
γ γ
e– g g
Wechselwirkung der
Eichfelder e+ e+
e– g
γ γ
Der Unterschied besteht nun darin, dass in der QED das kraftübertragende Eichfeld ( Photon )
selbst keine Ladung trägt, daher Abel’sche Eichtheorie, wohingegen die Eichfelder
( 8 Gluonen ) der QCD selbst Farbladungen tragen, daher Nicht - Abel’sche Eichtheorie (siehe
Anmerkung zu Abel’schen Gruppen auf Seite 133).
Jedes Gluon trägt eine Farbe und eine Antifarbe. Bei einer Quark - Gluon Wechselwirkung
ändert das Quark seine Farbe. Dabei trägt das Gluon jeweils die Differenz der Quarkfarben. Im
hier gezeigten Beispiel ist die Differenz der Quarkfarben rot minus grün. Damit hat das Gluon
die Farben rot und antigrün.
ug ug grün
g
→ g
gluon gluon
r
→ r
ur ur rot
131
7. Quantumchromodynamics (QCD )
Die Farbladung ist wie die elektrische Ladung eine Erhaltungsgrösse. Deshalb können die
Linien gleicher Farbe, wie sie in den Feynmann Diagrammen oft eingezeichnet werden, nicht
unterbrochen werden.
Die chromodynamische Bindung zwischen einem Quark und einem Antiquark wird hier am
ug dg ug dg
ur dr ur dr
Um das rote u - Quark in ein grünes umzuwandeln, muss ein rotes, antigrünes Gluon emittiert
werden. Dieses wird von dem antigrünen d - Quark absorbiert, welches seine Farbe wechselt
und antirot wird. Wie wir sehen, können wir auch andere Farbkombinationen wählen, um
denselben Bindungszustand zu beschreiben. Die Farbkraft zwischen den Quarks ist somit
unabhängig von der Wahl der Farbe. Das heisst, dass die starke W.W. invariant gegenüber
SU ( 3 ) colour - Transformationen ist. Hingegen hat der ud Zustand ( π+ Meson ) sowohl vor als
auch nach der Farbumwandlung der Quarks die Farbladung = 0, er ist eben ein Colour
Singulett Zustand.
Aus drei Farben und drei Antifarben ergeben sich 3 × 3 = 9 Farbkombinationen für die
Gluonen. Die gruppentheoretische Darstellung der Gluonen in einer SU ( 3 ) colour ist mathema-
tisch identisch zur SU ( 3 ) Flavour . Man muss nur in letzterer die u, d, s - Quarks bzw. deren
Antiquarks durch die Farben r, b, g bzw. deren Antifarben ersetzen. Die Colour - Anticolour
Zustände ( Farb - Antifarbzustände ) der Gluonen bilden ein
Oktett : rb , rg , b g , br , gr , g b ,
1- ( r r – bb ), 1- ( r r + bb – 2gg )
------ ------
2 6
1- ( r r + bb + gg )
und ein Singulett : ------
3
Da der Singulettzustand des Gluons die Farbladung = 0 hat, werden die chromodynamischen
132
7. Quantumchromodynamics (QCD )
Kräfte von insgesamt nur 8 Gluonen, eben solchen mit Farbladung, übertragen. Quarks und
Gluonen mit Farbladung können aber als freie Teilchen nicht existieren, sie sind für immer
aneinander gebunden. Man nennt diesen Zustand auch “Confinement”. Die kurze Reichweite
der starken W.W. findet eben durch die Farbladung der Gluonen eine plausible Erklärung.
ANMERKUNG
Man sollte die Begriffe farblos und Farbsingulett ( Farbladung = 0 ) auseinanderhalten. Zum
Beispiel sind die Gluonen
1- ( r r – b b ) 1- ( r r + bb –2g g )
------ und ------
2 6
insoferne farblos, als der Nettobetrag jeder Farbe gleich Null ist, aber sie sind deshalb keine
Farbsinguletts. Sie besitzen immerhin noch eine von Null verschiedene Farbladung. Die
0
Situation ist analog zum Isospin, wo z.B. beim π , mit der Wellenfunktion
1- ( uu – dd )
------
2
die dritte Komponente des Isospins gleich I 3 = 0 , jedoch der Isospin gleich I = 1 ist.
Eine Gruppe heisst Abel’sche Gruppe, wenn alle Elemente g der Gruppe miteinander kommu-
tieren : g1 × g2 = g2 × g1
das heisst, dass die Reihenfolge der einzelnen Transformationen egal ist.
Ein Quark emittiert zum Beispiel zuerst ein Photon und dann absorbiert es eines. Dabei ändert
sich bei umgekehrter Reihenfolge der Endzustand des Quarks nicht. Es ist egal, ob das Photon
zuerst emittiert und dann absorbiert oder zuerst absorbiert und dann emittiert wird. Dies
bedeutet aber, dass die Eichfelder der elektromagnetischen W.W. Elemente einer Abel’schen
Gruppe sind. Man spricht daher bei der QED von einer Abel’schen Eichtheorie.
Für eine Nicht - Abel’sche Gruppe gilt das Kommutativgesetz nicht, d.h.
g1 × g2 ≠ g2 × g1
Betrachten wir zum Beispiel ein rotes Quark, welches ein Gluon mit den Farben rot, antigrün
133
7. Quantumchromodynamics (QCD )
emittiert und danach eines mit den Farben grün, antiblau absorbiert. Das Quark ändert dabei
seine Farben von rot zu grün zu blau. Am Anfang haben wir ein rotes und am Ende ein blaues
Quark. Wir können hier die Reihenfolge der Gluonen nicht vertauschen, um zum selben
Ergebnis zu gelangen. Die Eichfelder der starken W.W. sind also Elemente einer Nicht -
Abel’schen Gruppe. Die QCD ist deshalb eine Nicht–Abel’sche Eichtheorie.
Da das Photon selbst keine Ladung trägt, können Photonen nicht direkt miteinander in W.W.
treten. Die W.W. ist nur über Fermion - Antifermionpaare möglich und wird durch das soge-
nannte “Box -Diagramm” dargestellt.
Anders ist die Situation bei den Gluonen, welche selbst Farbladung besitzen und deshalb direkt
miteinander in W.W. treten können.
γ γ b
e −
g br g bg
r g
e+ e+
r g
e−
γ γ g rg
“Box-Diagramm”
Da die Gluonen wie die Quarks Farbe tragen, können sie als freie Teilchen nicht existieren. Sie
können aber in Kombination mit anderen Gluonen als farblose Teilchen, als sogenannte “Glue-
balls”, auftreten. Experimentell wird nach solchen Glueballs gesucht. Glueballs können aus
zwei Gluonen mit antiparallelen ( J P = 0 + ) bzw. parallelen Spins ( J P = 2 + ) zusammengesetzt
sein. Als Eichbosonen haben die Gluonen dabei dieselbe intrinsische Parität wie die Photonen,
nämlich P = -1. Sollten sich Glueballs experimentell eindeutig nachweisen lassen, dann wäre
dies eine zusätzliche Bestätigung für die QCD.
134
7. Quantumchromodynamics (QCD )
Eine weitere Konsequenz der Gluon - Gluon W.W. ist, dass die Kopplungskonstante α s in
Wirklichkeit keine Konstante ist, sondern vom Abstand der miteinander wechselwirkenden
Quarks bzw. Gluonen abhängt.
Wir betrachten ein Quark, das von einer Quark - Gluon Wolke umgeben ist. Wegen der Selbst-
wechselwirkung der Gluonen tritt neben der Quark - auch die Gluon - Vakuumspolarisation auf.
Durch diese Polarisation wird nun die nackte Farbladung des Quarks abgeschirmt. Und zwar
wirkt sich der Effekt so aus, dass aufgrund der Vakuumpolarisation der Gluonen die effektive
Farbladung mit grösser werdendem Abstand zu und mit geringer werdendem Abstand
abnimmt ( siehe Figur! ).
Bezüglich der Quark - Quark Wechselwirkung bedeutet dies aber, dass bei sehr kleinen
Abständen die Quarks nur noch schwach aneinander koppeln und sich als quasifreie Teilchen
bewegen. Man bezeichnet diesen Umstand auch als asymptotische Freiheit ( asymptotic
freedom ). Ein solches Verhalten der Quarks wurde experimentell in tiefinelastischer Lepton -
Nukleon - Streuung beobachtet. Bei grossen Abständen hingegen werden die Farbkräfte so
stark, dass die beiden Quarks niemals voneinander separiert werden können. Sie sind ewig
aneinander gebunden und können nur in farblosen Quarkpaketen ( wie z. B. in Protonen und
Neutronen ) eingeschlossen existieren. Man nennt diesen Umstand auch Quarkeinschluss
( confinement or infrared slavery ).
Im Gegensatz dazu führt die Vakuumpolarisation in der QED mit zunehmendem Abstand zu
einer Abschirmung der nackten Ladung des Elektrons. Dabei werden die virtuellen Positronen
aus dem Vakuum zum Elektron hingezogen, während die virtuellen Elektronen abgestossen
werden. Nähert man sich jedoch dem Elektron, so reduziert sich diese Abschirmung und die
effektive Ladung des Elektrons nimmt zu. Was wir üblicherweise als Ladung des Elektrons
bezeichnen, ist in Wirklichkeit die abgeschirmte Ladung. Für Abstände grösser als die Comp-
– 11
tonwellenlänge des Elektrons ( von etwa 4 ⋅ 10 cm ) ist die Kopplungsstärke gleich der
1- .
Feinstrukturkonstanten α = --------
137
135
7. Quantumchromodynamics (QCD )
136
7. Quantumchromodynamics (QCD )
In der QED variiert die Kopplungsstärke als Funktion des Impulsübertrags q ( bzw. des
Abstands ) infolge der Ladungsabschirmung wie :
2 α(0) 2 2
α ( q ) = -------------------------------------------
- für q » ( m e c )
2
α ( 0 ) q
1 – ----------- ln -----------------
3π ( m c ) 2
e
2 1 2 2
wobei α ( q ) ⇒ α ( 0 ) = --------- für q « ( m e c )
137
Wie man sieht, ändert sich bei grossen Distanzen die Kopplungsstärke nur sehr langsam mit
dem Abstand, sodass für die meisten Anwendungen in der Atom - und Molekülphysik die
abgeschirmte Ladung mit der Feinstrukturkonstante α ( 0 ) = 1 ⁄ 137 zur Anwendung kommt.
2 2
Jedoch divergiert die Kopplung, wenn ln [ q ⁄ ( m e c ) ] = ( 3π ) ⁄ ( α ( 0 ) ) ist. Dies geschieht
allerdings nur bei extrem hohen, für uns unerreichbaren Impulsüberträgen, sodass es hier nicht
weiter in Betracht gezogen zu werden braucht.
Ein ähnliches Verhalten würden wir in der QCD erwarten, da die Vakuumpolarisation der
Quarks zur Abschirmung der Quarkfarbe führt. Wie sich jedoch herausstellt, wirkt die Vaku-
umpolarisation der Gluonen genau in die andere Richtung und bewirkt eine Antiabschirmung,
wobei der kritische Parameter a = 11N c – 2F , mit Nc der Anzahl der Farben und F der
Anzahl der Quark-Flavours, dabei eine wichtige Rolle spielt. Im Standardmodell ist Nc= 3 und
F = 6. In der QCD ändert sich die Kopplungsstärke mit dem Impulsübertrag q wie folgt :
2 1 2 2
α s ( q ) ≈ -------------------------------------
- für q » Λ
11N c – 2F q 2
------------------------- ln ------
12π 2
Λ
wobei Λ ein experimentell bestimmbarer Skalenfaktor von der Grösse von etwa 200 MeV ist.
Der Skalenfaktor Λ entspricht etwa der Fermi - Energie der Quarks im Abstand von einem
Fermi. Wie man aus der Formel entnehmen kann, wird die starke W.W. bei kleinen Abständen
relativ schwach, was zur asymptotischen Freiheit der Quarks führt. Ein Umstand, der es uns
erlaubt, in tiefinelastischen Streuprozessen die Quarks und Gluonen im Wesentlichen als freie
Teilchen zu behandeln. Experimentell wurde die veränderliche Kopplung ( running coupling
137
7. Quantumchromodynamics (QCD )
Die starke Kopplung α s ( q ) konnte in e+ - e- - Kollisionen aus dem Verhältnis der Wirkungs-
querschnitte für die Produktion von drei jets zu der von zwei jets im Endzustand als Funktion
von q ( was äquivalent zu der Schwerpunktsenergie der e+ - e- - Kollision ist ) bestimmt werden.
Wie schon früher erwähnt, bezeichnet man als jet ein Bündel von Hadronen mit nahezu
gleicher Impulsrichtung, welche aus dem Umwandlungsprozess der Quarks bzw. der Gluonen
in Hadronen ( Hadronisierung ) stammen. Da einer der drei jets von einem Gluon stammen
musste, lieferten diese Experimente erstmals auch den direkten Nachweis für die Existenz von
Gluonen.
αs jet
e+ jet
q
γ
q
e-
jet
2
+ -
σ ( e e ⇒ 3jets ) 4πα α
αs ( q ) = σ ( q , 3jets )-
---------------------------------------- = -------------------s ⇒ ----------------------------
+ -
σ ( e e ⇒ 2jets ) 4πα
2 σ ( q , 2jets )
138
7. Quantumchromodynamics (QCD )
Wie schon im Kapitel zum Standardmodell erwähnt wurde, spielen die veränderlichen Kopp-
lungen eine wichtige Rolle bei der Vereinheitlichung der Eichtheorien ( GUT - Theorie ). Nach
der GUT - Theorie sollten die Kopplungen der elektroschwachen und der starken Wechsel-
139
7. Quantumchromodynamics (QCD )
140
7. Quantumchromodynamics (QCD )
Die starke W.W. bei kleinen Abständen (< 1fm ) wird von der QCD sehr gut beschrieben. Was
passiert jedoch, wenn die Abstände zwischen den Quarks sehr gross ( > 1fm ) werden? Hier
versagen die QCD Kalküle und wir müssen uns mit einer intuitiven Modellvorstellung
zufrieden geben.
Betrachten wir zunächst die Feldlinien zweier elektrischer Ladungen, welche einen gewissen
Abstand zueinander haben. Vergrössert man diesen Abstand, dann werden die Feldlinien aus-
einandergezogen und die elektrostatische Kraft wird mit zunehmendem Abstand immer
schwächer. Vergleichen wir damit nun die chromodynamischen Feldlinien z.B. zwischen
einem Quark und Antiquark zum Beispiel in einem Meson. Diese werden auf Grund der
Selbstwechselwirkung der Gluonen in einer chromodynamischen Flussröhre ( colour strings )
zusammengehalten. Versucht man nun die Quarks voneinander zu trennen, dann breiten sich
die Feldlinien nicht weiter aus, wie das bei der QED der Fall ist, sondern behalten innerhalb
der Flussröhre eine konstante Dichte. Das heisst aber, dass die Kraft zwischen den Quarks
unabhängig vom Abstand immer konstant bleibt. Sie gänzlich voneinander zu trennen, würde
demnach unendlich viel Energie erfordern. Das Potenzial zwischen den beiden Quarks hat in
diesem Modell die Form
α
U s ≈ -----s + kr
r
mit r dem Abstand zwischen den Quarks, und k einer Konstante. Der erste, bei kleinem
Abstand dominierende, Term beschreibt den Gluon - Austausch und ist analog zum Coulomb -
Potenzial in der QED. Der zweite Term beschreibt den Quarkeinschluss bei grossen
Abständen. Er wächst linear mit dem Abstand. Wendet man nun mehr und mehr Arbeit auf,
um die Quarks voneinander zu trennen, dann kann es passieren, dass sich die potentielle
Energie in eine energetisch günstigere Form umwandelt, indem sie aus dem Vakuum Quark -
Antiquark - Paare entstehen lässt, welche dann als neu geschaffene Mesonen auftreten. Die
Erzeugung solcher Mesonen wird experimentell auch tatsächlich beobachtet. Hingegen hat
man bisher vergeblich nach freien Quarks gesucht.
141
7. Quantumchromodynamics (QCD )
- +
e e
- +
e e Die elektrischen Feldlinien werden
auseinandergezogen, wenn der
Abstand zwischen den Ladungen
wächst.
q q
q q
Die Kraftlinien der Farbkraft behalten
ihre röhrenartige Gestalt, wenn die
Quarks getrennt werden und dehnen
sich nicht im ganzen Raum aus. Eine
einzelne Röhre wird letztlich in zwei
aufgeteilt, wenn die angewendete
q q q q Kraft genug Arbeit verrichtet hat.
142
7. Quantumchromodynamics (QCD )
Dramatische Effekte können beobachtet werden, wenn man versucht, die Quarks bei sehr
hohen Energien aus einem Hadron herauszuschlagen. So kommen sich zum Beispiel bei fron-
talen Proton - Proton - Kollisionen bei sehr hohen Energien ( einigen 100 GeV ) die Quarks in
den kollidierenden Protonen sehr nahe. Es kann zum Beispiel durch Gluonaustausch zu einer
W.W. zwischen zwei Quarks kommen, wobei die übrigen Quarks nur als Beobachter
( spectators ) fungieren. Die miteinander wechselwirkenden Quarks werden dabei seitlich her-
ausgeschleudert. Wegen des Einschlussmechanismus können aber die Quarks ihre Protonen
als freie Teilchen nicht verlassen. Sie “ hadronisieren “ deshalb in sogenannte jets ( Figur ),
welche als Teilchenbündel entlang der ursprünglichen Bewegungsrichtung der Quarks sichtbar
werden. Wie schon in früheren Kapiteln erwähnt, treten jets auch in e+ - e- -Kollisionen auf.
q0
q1 q2 q0
q1 q2 q3 q4 q0
q1 q 2 q3 q4 q5 qn q0
π π π
143
7. Quantumchromodynamics (QCD )
Jet
Jet
Frontale hadronische Stösse werden durch Prozesse mit wenigen Quarks und
Gluonen beschrieben ( hier ein einzelner Gluonaustausch ). Im Endzustand beob-
achtet man zwei Jets von Hadronen mit grossen Transversalimpulsen.
144
7. Quantumchromodynamics (QCD )
145
8. Neutrinos
8. Neutrinos
146
8. Neutrinos
Wolfgang Pauli’s offener Brief an die Gruppe der Radioaktiven bei der Gauvereinstagung zu
Tübingen vom 4. Dezember 1930 :
wie der Überbringer dieser Zeilen, den ich huldvollst anzuhören bitte, Ihnen des näheren aus-
einandersetzen wird, bin ich angesichts..... des kontinuierlichen Beta - Spektrums auf einen
verzweifelten Ausweg verfallen, ..... den Energiesatz zu retten. Nämlich die Möglichkeit, es
könnten elektrisch neutrale Teilchen, die ich Neutronen nennen will, in den Kernen existieren,
welche den Spin 1/2 haben und das Ausschliessungsprinzip befolgen und sich von Licht-
quanten ausserdem noch dadurch unterscheiden, dass sie nicht mit Lichtgeschwindigkeit
laufen. ..... Das kontinuierliche Beta - Spektrum wäre dann verständlich unter der Annahme,
dass beim Beta - Zerfall mit dem Elektron jeweils noch ein Neutron emittiert wird, derart, dass
die Summe der Energien von Neutron und Elektron konstant ist. .....
Ich traue mich aber vorläufig nicht, etwas über diese Idee zu publizieren, und wende mich erst
vertrauensvoll an Euch liebe Radioaktive, mit der Frage, wie es um den experimentellen
Nachweis eines solchen Neutrons stünde, wenn dieses ein ebensolches oder etwa 10 mal grös-
seres Durchdringungsvermögen besitzen würde wie ein Gamma - Strahl.....
Aber nur wer wagt, gewinnt, und der Ernst der Situation beim kontinuierlichen Beta - Spektrum
wird durch einen Ausspruch meines verehrten Vorgängers im Amte, Herrn Debye, beleuchtet,
der mir kürzlich in Brüssel gesagt hat : “O, daran soll man am besten gar nicht denken, so wie
an die neuen Steuern.” .....
Leider kann ich nicht persönlich in Tübigen erscheinen, da ich infolge eines in der Nacht vom
6. zum 7. Dezember in Zürich stattfindenden Balles hier unabkömmlich bin. Mit vielen
Grüssen ..... Euer untertänigster Diener
W.Pauli “
147
8. Neutrinos
Der erste direkte experimentelle Nachweis des Neutrinos wurde 1956 von Clyde Cowan und
Fred Reines in einem Experiment am Savannah River Reaktor ( U.S.A. ) erbracht. Wegen der
schwierigen Fassbarkeit des Neutrinos wurde das Experiment “Projekt Poltergeist” genannt.
Clyde Cowan und Fred Reines bauten ihr Experiment 11m vom Kern des Savannah River
Reaktors in South Carolina ( U.S.A.) auf. Der Neutrinofluss vom Reaktor war 1013 Neutrinos
cm-2s-1. Sie suchten nach der Reaktion des inversen Beta - Zerfalls
+
νe + p → n + e
Der Detektor hatte ein Gewicht von etwa 10 Tonnen. Er bestand aus 1400 Liter Flüssigkeit -
Szintillator, 110 Photomultipliern und 200 Liter Cadmiumchloride plus Wasser.
Beim inversen Beta - Zerfall handelt es sich um eine schwache Fermion - Fermion Wechsel-
wirkung :
νe e+
W+
u d
148
8. Neutrinos
Da die elementaren Fermionen keine Struktur aufweisen, ist der Wirkungsquerschnitt ( siehe
Kapitel 1.8 auf Seite 22 ) gegeben durch :
2 2 2
σ ≈ ( ⋅ c ) ⋅ GF ⋅ ( p ⋅ c )
2 – 10 -4
wobei G F = 1.37 ⋅ 10 GeV ( Fermi - Kopplungskonstante )
2 – 27 2 2
und ( ⋅ c ) = 0.3894 ⋅ 10 GeV cm ist.
Reaktor - Neutrinos haben einen typischen Impuls von etwa 2 MeV / c. Daraus ergibt sich für
den Neutrino - Wechselwirkungsquerschnitt :
– 43 2
σ ∼ 2 ⋅ 10 cm
149
8. Neutrinos
150
8. Neutrinos
151
8. Neutrinos
152
8. Neutrinos
Die Myon - Neutrinos wurden erstmals 1962 in einem 10 Tonnen schweren Funkenkammer -
Detektor am Alternating Gradient Synchroton AGS ( mit einer Protonenenergie von 30 GeV )
in Brookhaven ( USA ) nachgewiesen. Damit war der Beweis erbracht, dass es mindestens zwei
verschiedene Neutrino - Sorten gibt: die Elektron - Neutrinos, vom Reaktor Experiment, und die
Myon - Neutrinos.
Die Untergrundrate von Myonen aus der kosmischen Strahlung konnte durch eine spezielle
Koinzidenzforderung im Trigger stark reduziert werden. Es wurde verlangt, dass das in den
Szintillationszählern registrierte Teilchen zeitlich koinzident mit den auf das Produktionstarget
auftreffenden Protonen war. Auf diese Weise konnten Neutrino induzierte Ereignisse im
Detektor eindeutig nachgewiesen werden.
Aufgrund ihrer Reichweite konnten die in den Funkenkammern registrierten Teilchen ein-
deutig als Myonen identifiziert werden. Wegen der grösseren Masse ist der Energieverlust
durch Bremsstrahlung bei den Myonen geringer und damit die Reichweite viel grösser als bei
den Elektronen.
π → μ + νμ
Zerfall mit einem Myon assoziiert sind, wenn sie mit Materie in Wechselwirkung treten (die
153
8. Neutrinos
Es gibt also Elektron und Myon assoziierte Neutrinos. Man bezeichnet sie folgendermassen :
νe Elektron - Neutrino
νμ Myon - Neutrino
154
8. Neutrinos
155
8. Neutrinos
Im Juli 2000 ist es am Fermilab, bei Chicago, zum ersten Mal gelungen, τ -Neutrinos in Pro-
zessen wie
ντ + N → τ + X
( cτ = 87μm ) in einem Emulsionstarget detektiert wurden. Das Experiment wurde von der
DONUT Kollaboration durchgeführt. Wir haben also drei Sorten von Neutrinos :
νe Elektron - Neutrino
νμ Myon - Neutrino
ντ Tau - Neutrino
Die Anzahl der Neutrinosorten kann aus der Resonanzbreite des intermediären Z - Bosons und
aus dem totalen Produktionswirkungsquerschnitt bestimmt werden. Dabei betrachten wir die
Reaktion :
+ - 0
e + e → Z → Fermion + Antifermion = f + f
Die Breit - Wigner Formel für den Wirkungsquerschnitt an der Z0 Resonanz lautet dann :
2 Γi Γf
σ ( s ) = 12π ( c ) ---------------------------------------------------------
2 4 2 2 4 2
( s – m Z c ) + m Z c Γ tot
wobei Γ i die Breite des Anfangs - und Γ f die Breite des Endzustandes ist.
156
8. Neutrinos
Die totale Breite ist dann die Summe aller partiellen Zerfallsbreiten :
Γ tot = Γ e + Γ μ + Γ τ + Γ q + nΓ ν
+ –
wobei : Γe für Z0 → e + e
+ –
Γμ für Z0 → μ + μ
+ –
Γτ für Z0 → τ + τ
Γq für Z0 → q + q
Γν für Z0 → ν + ν
Γ ν ≈ 165MeV
Berücksichtigt man die bekannten Leptonen und Quarks ( mit Ausnahme des Top - Quarks,
dessen Masse mit 176 GeV viel grösser als die des Z - Bosons ist ), dann erhält man theoretisch
den Wert :
theor
Γ tot ≈ 2490MeV
exp
Γ tot ≈ 2487 ± 10MeV
Gäbe es eine vierte Sorte von Neutrinos, dann müsste die experimentelle Breite um 165 MeV
grösser herauskommen. Wir können also daraus schliessen, dass ausser den drei
Neutrino sorten keine weiteren Neutrinos existieren. Falls die Neutrinos eine Masse haben,
dann kann man jedenfalls behaupten, dass es keine weiteren Neutrinosorten gibt, deren Massen
<1/2 der Masse des Z Bosons sind.
157
8. Neutrinos
Die Anzahl der Neutrinosorten lässt sich auch aus dem Wirkungsquerschnitt ( Breit - Wigner
Formel ) der Reaktion
+ - 0
e + e → Z → Hadronen
ermitteln. Je mehr Neutrinosorten es gibt, umso geringer ist der Anteil des Wirkungsquer-
schnitts, der für die Erzeugung von Hadronen übrigbleibt.
158
8. Neutrinos
2 2
Γ f = Γ 0 ( ĝ L ( f ) + ĝ R ( f ) )
2 2
wobei ĝ L ( f ) und ĝ R ( f ) die Kopplungsstärken links - bzw. rechtshändiger Fermionen an das
Γ0 ist proportional zu der Fermi - Konstante GF mit der Dimension ( Energie )-2. Da aber Γ 0 die
Dimension ( Energie ) hat, muss der Proportionalitätsfaktor die Dimension ( Energie )3 haben.
In diesem Fall steckt die Energie in der Masse des Z0 , da die Massen der Leptonen vernach-
lässigbar klein sind. Es ist also
3
Γ0 ∼ GF ⋅ mZ
Γ ν = Γ 0 ĝ L ( ν ) = 660
2
--------- = 165MeV
4
Es gibt noch einen weiteren unabhängigen Hinweis dafür, dass es nur drei verschiedene
Neutrinosorten gibt. Dieser Hinweis kommt aus der Kosmologie. Und zwar würde die
Entstehung von den leichten Elementen, insbesonders die des 4He , im frühen Universum
(etwa 1s nach dem Urknall ), während der sogenannten Nukleo - Synthese anders abgelaufen
sein, wenn es mehr als drei Neutrinosorten gäbe.
159
8. Neutrinos
Nukleo - Synthese
11
Bei Temperaturen T ∼ 10 K ( 10-3s nach dem Urknall ) befanden sich Protonen und Neu-
tronen im thermodynamischen Gleichgewicht, d.h. sie waren in gleicher Anzahl vorhanden.
Wegen der hohen Temperatur, welche einer Energie von kT = 8.6 MeV entspricht, konnten die
Protonen und Neutronen zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu komplexen Kernen verschmelzen;
da ihre Energie noch zu hoch war und die gebildeten Kerne durch Stösse wieder auseinander
gerissen wurden.
-
e + p → n + νe
+
νe + p → n + e
-
n → p + e + νe mit τ = 888 ± 3s ( Lebensdauer des Neutrons ),
wobei der Neutronenzerfall wegen der grossen Lebensdauer anfänglich vernachlässigt werden
kann. Wenn infolge der Abkühlung des Universums die Energie der Neutrinos nicht mehr aus-
reicht, um über den Neutrinoeinfang aus Protonen neue Neutronen nachzubilden ( zweite
Reaktion ), dann hört die Neutrino - Materie W.W. im Wesentlichen auf und die Neutrinos
kapseln sich von der Materie ab. Dies geschieht genau dann, wenn die Temperatur des Uni-
versums auf den entsprechenden Energiewert von kT = 1.29 MeV gesunken ist, welcher
gerade der Massendifferenz zwischen dem Neutron und dem Proton entspricht :
Wenn nicht mehr genügend Neutronen nachgebildet werden, sinkt das Gleichgewicht
zwischen Neutronen und Protonen
( mn – mp )
– -----------------------
-
Neutronen kT
---------------------------- ∼ e
Protonen
Neutronen
---------------------------- ∼ 1---
Protonen 5
9
erreicht hat. Zu diesem Zeitpunkt hat das Universum Temperaturen von T ∼ 10 K bzw.
160
8. Neutrinos
kT = 860KeV erreicht und die Kernverschmelzung von Protonen und Neutronen zu Deu-
terium d und zu weiteren leichten Elementen hat eingesetzt ( Beginn der Nukleo - Synthese! ) :
p+n→d+γ
3
d + d → He + n
d+d→t+p
4
t + d → He + n
Fast alle Neutronen werden im Verlauf der Nukleo - Synthese in 4He gebunden. Zu diesem
Zeitpunkt bestand die Baryonen - Dichte des Universums zu 75% aus Wasserstoff H und zu
25% aus Helium 4He.
Deuterium ist weniger häufig als 4He, weil nur sehr wenige Deuteriumkerne einer Kernfusion
entkommen.
Die Nukleo - Synthese hört im Wesentlichen bei 4He auf, da die Fusion von Heliumkernen mit
Protonen oder Neutronen zu keinen stabilen Kernen führt. Es werden zwar noch winzige
Mengen von Be und Li - Kernen gebildet, die schweren Elemente im Universum entstehen aber
erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt, und dann hauptsächlich in Supernova -
Explosionen.
4
He - Häufigkeit und Anzahl der Neutrinos.
8πG- ρ ( t ) + Λ
H( t) = ---------- ----
3 3
4
ρ ( t ) = ργ + ρ e + ρ ν ∼ T
161
8. Neutrinos
Wären im Universum jedoch noch zusätzliche Neutrinosorten vorhanden, so wäre die Strah-
lungsdichte und damit auch die Expansiongeschwindigkeit zur Zeit der Nukleo - Synthese
grösser gewesen. Eine grössere Expansiongeschwindigkeit hätte jedoch bewirkt, dass die Neu-
tronen weniger Zeit gehabt hätten sich in Protonen zu verwandeln, sodass schliesslich mehr
Neutronen übriggeblieben wären. Dies hätte dann zu einer grösseren 4He - Häufigkeit geführt,
Messung
Die Figur zeigt die 4He - Häufigkeit YP als Funktion der Baryonendichte ρN des Universums
für verschiedene Anzahlen von Neutrinosorten Nν = 2 , 3 , und 4 . Die Häufigkeit YP ist das
Massenverhältnis aller 4He - Atome zur baryonischen Gesamtmasse des Universums. Die
Messung ist mit einer Anzahl von 3 Neutrinosorten ( Nν = 3 ) verträglich.
162
8. Neutrinos
Die Helizität des Neutrinos wurde am Eu → 152 Sm Zerfall nach K - Einfang gemessen.
152
Beim Elektroneneinfang aus der K - Schale wird ein Proton im 152Eu - Kern in ein Neutron
unter Emission eines Neutrinos umgewandelt :
e-
-
K-Einfang e + p → n + νe
152
Eu - 152 152 *
e + 63E u → 62S m + νe
– 14
Der metastabile 152Sm*
Kern, mit einer Lebensdauer von 3 ⋅ 10 s , zerfällt unter Emission
eines Photons in den Grundzustand :
152
Eu JP = 0-
K-Einfang
152 *
Sm
J P = 1-
Eγ = 961 KeV
152
Sm
JP = 0+
163
8. Neutrinos
νe Impulserhaltung
Sm*
Im Endzustand, nach dem K - Einfang, hat man den Sm *- Kern mit dem Spin J = 1 und das
Neutrino mit dem Spin s = 1 ⁄ 2 .
Nehmen wir die Flugrichtung des Neutrinos als Quantisierungsachse, so ergeben sich auf
Grund der Drehimpulserhaltung zwei mögliche Spineinstellungen:
J=1 s = 1⁄2
νe linkshändig
J Z = +1 ⁄ 2
Sm*
Z- Achse
J=1 s = 1⁄2
νe rechtshändig
JZ = – 1 ⁄ 2
Sm*
Z- Achse
Wegen der Impuls - und Drehimpulserhaltung haben das Neutrino und der Sm* - Kern dieselbe
Helizität. Man kennt also die Helizität des Neutrinos, wenn man die Helizität des Sm* - Kerns
bestimmen kann.
164
8. Neutrinos
Um seinen Spin loszuwerden, emittiert der angeregte Sm* - Kern ein Photon, welches in
Richtung des Rückstosskerns fliegt und dessen Helizität übernimmt. Das Photon ist zirkular-
polarisiert.
J=1 s = 1⁄2
γ νe linkshändig
Sm*
J=1 s = 1⁄2
γ νe rechtshändig
Sm*
Die Polarisation des Photons wird durch Comptonstreuung an den Elektronen von Fe - Atomen,
welche sich in einem Magnetfeld befinden, gemessen. Die Elektronen der Fe - Atome sind in
dem Magnetfeld polarisiert, d.h. deren Spins sind ausgerichtet. Der Wirkungsquerschnitt für
Comptonstreuung an Elektronen mit Spinausrichtung antiparallel zur Bewegungsrichtung der
Photonen ist grösser als an solchen mit paralleler Spinausrichtung. Aus dem Verhältnis der bei
Umpolung des Magnetfeldes gemessenen Zählraten kann die Polarisation des Photons
bestimmt und somit auf die Helizität des Neutrinos geschlossen werden.
Um sicherzustellen, dass das Photon in genau entgegensetzter Richtung wie das Neutrino aus-
gesandt wird, werden nur solche Photonen im Na I - Kristall nachgewiesen, welche sich im
Sm 2 O 3 Absorberring einer Resonanzstreuung unterzogen haben, d.h. welche zuerst absorbiert
und dann wieder emittiert wurden. Die Resonanzstreuung wird ermöglicht, weil die in der
Impuls erhalten, welcher nötig ist, um den Rückstoss des absorbierenden Sm* -Kerns im
165
8. Neutrinos
nanzabsorption sehr schmal und eine Resonanzstreuung ist nur dann möglich, wenn der Kern-
rückstoss sehr klein ist. Dieser Gesichtspunkt spielte bei der Wahl des Eu - Kerns eine grosse
Rolle, da in diesem Falle die resultierende Rückstossenergie des Sm *- Kerns nach der
Neutrino - und der Photonemission sehr viel kleiner als die Linienbreite ( Energieunschärfe ) des
angeregten Zustands ist.
Die Linienbreite des angeregten Sm* - Kernzustands erhält man aus der Lebensdauer :
– 14
Lebensdauer τ = 3 ⋅ 10 s
—
Γ = ΔE = --h- = 2.2 ⋅ 10 eV
–2
Linienbreite
τ
Wenn das Neutrino und das Photon in genau entgegengesetzter Richtung ausgesandt werden,
dann beträgt der dem Restkern übertragene Impuls :
2
pK –4
EK - = 4 ⋅ 10 eV ,
= -------
2M
Dadurch dass sich die Rückstosseffekte weitgehend kompensieren, ist die Rückstossenergie
sehr viel kleiner als die Linienbreite. Ein wichtiger Umstand, welcher die Resonanzstreuung
im Sm 2 O 3 Streukörper möglich macht.
s ⋅ p- = – 1
H = ------------ linkshändig
s⋅p
bestimmt werden. Sie ist, wie wir gesehen haben, von fundamentaler Bedeutung für das Ver-
ständnis der schwachen Wechselwirkung und der Paritätsverletzung.
166
8. Neutrinos
167
8. Neutrinos
168
8. Neutrinos
Bei der Streuung von linkshändigen Neutrinos an linkshändigen Quarks, sowie bei der
Streuung von rechtshändigen Antineutrinos an rechtshändigen Antiquarks, ergibt sich eine iso-
trope Winkelverteilung, da der Gesamtdrehimpuls J = 0 ist ( siehe Figur ! ).
Wenn wir die Neutrino - Strahlrichtung als Quantisierungsachse wählen, ist bei der Neutrino -
Antiquark - Streuung der Gesamtdrehimpuls JZ = -1, da das Antiquark eine positive Helizität
hat. Analog ergibt sich JZ = +1 für die Antineutrino - Quark Streuung. Wegen der Erhaltung des
Drehimpulses sind diese Prozesse bei grossen Streuwinkeln unterdrückt. Die Winkelverteilung
des Streuquerschnitts
2
2G F mE ν 1
dσ - ( νq, νq ) ∼ --------------------- 2
-------------- - ⋅ --- ⋅ ( 1 + cos θ )
d cos θ π 4
ist nicht mehr isotrop, sondern geht bei Streuwinkeln von θ = 180° nach Null.
Integrieren wir über die Winkelverteilungen und bilden das Verhältnis der daraus gewonnenen
Wirkungsquerschnitte, so erhalten wir ( siehe Figur ) :
νN
σ tot 1
--------- ∼ ---
νN
σ tot 3
Aus dem Ergebnis kann man schliessen, dass das Nukleon hauptsächlich aus Quarks zusam-
mengesetzt ist und demnach nur wenige Antiquarks, sogenannte “sea - Quarks”, enthalten
kann. Das Ergebnis ist aber auch gleichbedeutend mit der Tatsache, dass wegen der Erhaltung
des Drehimpulses bei der νq – Streuung nur einer der drei möglichen Zustände ( 2J + 1 )
erlaubt ist.
169
8. Neutrinos
μ-
ν q Z
JZ = 0 μ+ q
Z
ν q
dσ -
--------------
d cos θ
cos θ
+1 -1
μ-
JZ = –1 Z
ν q
μ+ q
J Z = +1 Z
ν q
dσ
---------------
d cos θ
cos θ
+1 -1
170
8. Neutrinos
σ(νN)
σ(νN)
171
8. Neutrinos
Bei der Beschreibung der Neutrinos tritt eine Besonderheit auf, welche bei den geladenen
Fermionen nicht vorkommt. Neben der Dirac’schen Beschreibung der Neutrinos gibt es eine
alternative Beschreibung von Ettore Majorana ( 1906-1938 ).
ν L νL L = Linkshändig
νR νR R = Rechtshändig
νL oder νR
Experimentell nachgewiesen sind aber nur linkshändige Neutrinos ν L und rechtshändige Anti-
neutrinos ν R . ν R ist nicht das ladungskonjugierte Teilchen zu ν L , da bei der Ladungskonju-
gation der Spin und der Impuls unverändert bleiben.
Der C - Operator wirkt nicht auf die Händigkeit der Teilchen. Das ladungskonjugierte Neutrino
zu ν L müsste wiederum ein linkshändiges Neutrino sein.
1. Das Neutrino entspricht der 4 Komponenten - Theorie von Dirac. Das heisst, es
gibt 4 physikalisch unterscheidbare Zustände, von denen nur zwei experimentell
beobachtet werden :
νL C ( νL ) = νL
beobachtet nicht beobachtet
νR C ( νR ) = νR
2. Das Neutrino ist ein Majorana - Teilchen, das heisst, es ist sein eigenes Antineu-
trino. Es gibt nur zwei physikalisch unterscheidbare Zustände :
C ( νL ) = νL
beobachtet
C ( ν R ) = νR
ν L und ν R sind durch die CP - Operation miteinander verknüpft. Der Paritätsoperator P ändert
172
8. Neutrinos
CP ( ν L ) = ν R
Experimentelle Hinweise :
+
νR + p → n + e F. Reines Experiment funktioniert !
37 37 -
νR + C l → A r + e R. Davis Experiment funktioniert nicht !
Das Chlor - Experiment von R. Davis wurde auf Anraten von F. Reines am Savannah River
Reaktor durchgeführt. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass es mit Reaktor Neutrinos ( ν R )
nicht funktioniert. Dagegen hat das Experiment mit linkshändigen Neutrinos ( νL ) von der
Sonne zu positiven Resultaten geführt.
37 37 -
νL + Cl → Ar + e Inverser Beta-Zerfall funktioniert !
Aus diesen Ergebnissen lässt sich nicht entscheiden, ob die Neutrinos Dirac - oder Majorana -
Teilchen sind. Beide Hypothesen können jedoch in einem Prozess wie dem des “neutrinolosen
doppelten Beta - Zerfalls” experimentell getestet werden.
Die starke Wechselwirkung bindet Paare identischer Nukleonen ( Protonen oder Neutronen )
fester aneinander als Paare ungleicher Nukleonen. Kerne mit einer geraden Anzahl von Pro-
tonen und einer geraden Anzahl von Neutronen ( gerade - gerade Kerne ) sind stabiler als Kerne
mit einer ungeraden Anzahl von Protonen und Neutronen ( ungerade - ungerade Kerne ).
Die Masse eines Kernes ist die Summe der Massen einzelner Nukleonen vermindert um die
Bindungsenergie. Das heisst, bei gleicher Nukleonenzahl ist ein stärker gebundener Kern
leichter als ein schwächer gebundener.
Beim doppelten Beta - Zerfall zerfallen gleichzeitig zwei Neutronen im Kern in zwei Protonen,
wobei zwei Elektronen und zwei Antineutrinos emittiert werden. Da es sich hier um eine
173
8. Neutrinos
schwache Wechselwirkung zweiter Ordnung handelt, sind solche Zerfälle äusserst selten, ver-
bunden mit typischen Halbwertszeiten von mehr als 1019 Jahren. Dies erklärt auch, weshalb
trotz der langen Erdgeschichte (~ 4 · 109 Jahre) immer noch instabile Isotope in der Erdkruste
existieren.
Der einfache Beta - Zerfall wäre aus energetischen Gründen verboten, da der Zwischenzustand
von 82Br ( mit 47 Neutronen ) eine höhere Masse als der 82Se Kern hat ( siehe Figur ). Nur der
gleichzeitige Zerfall von zwei Neutronen im 82Se führt zu einem Zustand 82Kr mit niedrigerer
Masse.
Ist nun nach der Majorana - Darstellung das Neutrino sein eigenes Antiteilchen, dann kann es
vorkommen, dass das Neutrino, welches von einem Neutron emittiert wurde, von einem
anderen Neutron im Kern absorbiert wird. In diesem Fall werden beim doppelten Beta - Zerfall
nur zwei Elektronen, jedoch keine Neutrinos emittiert. Die Häufigkeit, mit der dies passieren
m
könnte, hängt von der rechtshändigen Beimischung der Neutrinos ab, welche proportional ------ν-
Eν
ist. Das bedeutet aber, dass der neutrinolose doppelte Beta - Zerfall umso häufiger auftritt je
grösser die Neutrino Masse ist.
-
n → p + e + νR Emission
-
νL + n → p + e Absorption
174
8. Neutrinos
d (n) u (p)
W-
e-
νe
νe e-
W-
d (n) u (p)
Da in diesem Fall ein Neutron nur ein Neutrino, aber kein Antineutrino absorbieren kann, wird
deutlich, dass für ein Dirac - Neutrino dieser Prozess nicht möglich ist. Aber auch für ein mas-
seloses Majorana - Neutrino ist dieser Prozess wegen der Helizitätserhaltung verboten. Nur
wenn zwei Voraussetzungen gegeben sind, kann dieser Prozess ablaufen :
Da im Standard - Modell die Neutrinos masselos sind, würde die experimentelle Beobachtung
des neutrinolosen doppelten Beta - Zerfalls neue Physik signalisieren, welche über das
Standard - Modell hinausgeht. Dies ist es, was die Suche nach solchen Prozessen so faszi-
nierend macht.
Bisher konnte solch ein Prozess experimentell noch nicht beobachtet werden. Die Experimente
geben jedoch untere Grenzen für die Halbwertszeiten an :
0ν 76 25
T 1 ⁄ 2 ( G e ) > 1.9 ⋅ 10 Jahre (Heidelberg, Moskau)
2ν 76 21
T1 ⁄ 2 ( G e ) = ( 1.3 ± 0.1 ) ⋅ 10 Jahre
175
8. Neutrinos
176
8. Neutrinos
177
8. Neutrinos
178
8. Neutrinos
179
8. Neutrinos
180
8. Neutrinos
Im Standard Modell wird angenommen, dass die Neutrinos masselos sind. Nur masselose
linkshändige Neutrinos und masselose rechtshändige Antineutrinos sind vorhanden. Im
Rahmen von vereinheitlichten Feldtheorien ( GUT ) hingegen, können die Neutrinos durchaus
eine Masse besitzen. In diesen Theorien gehören Leptonen und Quarks, welche ihrerseits eine
Masse besitzen, zu demselben Multiplett. Die Beobachtung von Neutrinooszillationen zeigt
nun deutlich, dass die Neutrinos eine Masse besitzen und dass es Physik gibt, die über das
Standard Modell hinausgeht und sich möglicherweise in einer GUT-Theorie beschreiben lässt.
Neutrinos mit Masse sind aber auch aus kosmologischen Gründen interessant. Neutrinos mit
einer Masse von einigen eV könnten z.B. die fehlende dunkle Materie im Universum erklären.
Neueste Ergebnisse aus der kosmischen Hintergrundstrahlung (Wilkinson Microwave Aniso-
tropy Probe (WMAP)) und aus der Untersuchung von grossen Strukturen im Universum (2dF
Galaxy Redshift Survey und Sloan Digital Sky Survey (SDSS)) ergeben eine obere Massen-
grenze von Neutrinos, die bei etwa 0.7 eV liegt.
In Experimenten zur direkten Bestimmung von Neutrinomassen konnten bisher nur obere
Grenzen bestimmt werden :
m ν e < 2.2eV aus dem Tritium Beta - Zerfall
Im vorhergehenden Kapitel wurde schon der neutrinolose doppelte Beta - Zerfall erwähnt. Im
folgenden werden weitere Beispiele zur experimentellen Bestimmung der Neutrinomasse
gegeben.
Die Masse der Neutrinos lässt sich aus dem Energiespektrum der Elektronen ( bzw.
Positronen ) beim Beta - Zerfall bestimmen. Dabei ist die Endenergie der Elektronen, d.h. die
Energie, welche die Elektronen maximal erreichen können, sehr empfindlich auf die Neutrino-
masse.
181
8. Neutrinos
2 2
Ne ∼ pe F ( E 0 – E e )
wobei pe der Impuls und Ee die Energie des Elektrons ist. Der Korrekturfaktor F, welcher auch
als Fermi - Funktion bezeichnet wird, berücksichtigt die Coulombwechselwirkung des emit-
tierten Elektrons ( bzw. Positrons ) mit der Ladung des Restkerns und der Atomhülle. E0 ergibt
sich aus der Massendifferenz der Kerne vor und nach dem Zerfall zu
E0 = m A, Z – m A, Z ± 1 – m e .
Da die Masse des Kerns sehr gross im Vergleich zu den Leptonenmasse ist, kann die auf den
Kern übertragene Rückstossenergie vernachlässigt werden, sodass sich die gesamte zur
Verfügung stehende Zerfallsenergie E0 auf die kinetische Energie des Elektrons und des
Neutrinos verteilt :
E0 = E e + Eν
Die Endenergie des Zerfallsspektrums ist erreicht, wenn alle verfügbare kinetische Energie auf
das Elektron und keine auf das Neutrino übertragen wurde :
E0 = E e
Ne
K = --------
-
2
pe F
in einem Kurie - Diagramm auf, dann erhalten wir eine Gerade, welche die Abszisse bei
E = E0 für m ν = 0
182
8. Neutrinos
Da die zu erwartende Elektron - Neutrinomasse sehr klein sein wird, muss man Kerne wählen,
bei denen E0 auch klein ist, um eine möglichst grosse Wirkung zu erzielen. Zum Beispiel ist
beim Tritium Beta - Zerfall die Endpunktenergie mit E0 = 18.6 eV sehr klein.
3 3 -
H → H e + e + νe
Die bei diesen Experimenten erreichbare Genauigkeit ist durch die geringe Zählrate in der
Nähe des Schnittpunktes mit der Abszisse, durch die begrenzte Auflösung des Beta -
Spektrometers und durch die ungenaue Kenntnis der Energieverluste der Elektronen in der
Quelle selbst limitiert. Der Schnittpunkt der Zerfallskurven lässt sich daher nicht direkt
bestimmen, sondern es müssen unter der Annahme von verschiedenen Neutrinomassen simu-
lierte Kurven an die gemessenen angepasst werden.
Die bisher beste obere Grenze für die Masse des Elektron - Neutrinos
m νe < 2.2eV
183
8. Neutrinos
Das Energiespektrum beim Beta - Zerfall ist durch den Faktor dN/dE0 bestimmt, der die Dichte
der möglichen Endzustände pro Energieintervall dE0 angibt.
Dafür müssen wir die Anzahl der Zustände innerhalb eines bestimmten Volumens des Phasen-
raums berechnen. Unter einem Phasenraum versteht man das Produkt aus Orts - und
Impulsraum. Das minimale Phasenvolumen, auf das ein Elektron eingeengt werden kann, ist
durch die Heisenberg’sche Unschärferelation
Δx ⋅ Δp x ≥ h
gegeben. Ein sechsdimensionaler Phasenraum ( Δx, Δy, Δz, Δpx, Δpy, Δpz ) mit der Grösse h3
kann nach dem Pauli - Prinzip jeweils nur von einem Fermion besetzt sein.
Wir betrachten nun ein emittiertes Elektron, das innerhalb eines räumlichen Volumens V loka-
lisiert sei. Sein Impuls liege im Intervall pe und pe + dpe . Diese Impulsunschärfe wird im
Impulsraum durch eine Kugelschale mit dem Volumen
3 2
d p e = 4π p e dp e
dargestellt. Die Anzahl der im Phasenraum mit dem Volumen Vd3pe möglichen Zustände des
Elektrons ist
2
V 4π p e dp e
dN e = -----------------------------
-
3
h
2
V 4π pν dp ν
dN ν = -----------------------------
-
3
h
Da es sich um einen Dreikörperzerfall handelt, sind die Impulse des Elektrons und des Neu-
trinos nicht direkt miteinander korreliert. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Elektron in
das Impulsintervall ( pe , pe + dpe ) und das Neutrino in das Intervall ( pν , pν + dpν ) emittiert
wird, ist durch das Produkt der Einzelwahrscheinlichkeit
dN = dN e dN ν
184
8. Neutrinos
gegeben. Damit ist die Dichte der Endzustände bezogen auf das Energieintervall dE0 gegeben
durch
2 2
dN 16π V - p p dp e dp ν
--------- = ------------------ e ν -----------------
dE 0 6 dE 0
h
Die Spinfaktoren für das Elektron und das Neutrino wurden hier vernachlässigt.
pK + pν + pe = 0
TK + Eν + Ee = E0
wobei pK und TK der Rückstossimpuls bzw. die Rückstossenergie des Kerns und E0 die Zer-
fallsenergie, wie sie weiter oben schon definiert wurde, ist. Da die Masse des Kerns gross
gegenüber der Masse der Leptonen ist, kann die auf den Kern übertragene Rückstossenergie
vernachlässigt werden, sodass sich die Zerfallsenergie E0 auf die kinetische Energie des Elek-
trons und des Neutrinos verteilt :
E0 = Ee + Eν
pν = Eν = E0 – Ee
dp
--------ν- = 1
dE0
2 2
dN- = 16π V - p 2 ( E – E ) 2 dp
Oben eingesetzt, erhalten wir -------- ------------------ e 0 e e
dE 0 6
h
Für den Fall mν ≠ 0 muss nun von der Zerfallsenergie zusätzlich noch die Ruhemasse des
Neutrinos aufgebracht werden :
E0 = E e + E ν + m ν
185
8. Neutrinos
In der relativistischen Schreibweise ist dann die kinetische Energie des Neutrinos gegeben
2 2
durch : Eν = pν + m ν – mν
2 2
pν = ( E0 – Ee ) – mν
2 dp
p ν --------ν- = p ν ( E0 – E e ) = ( E 0 – E e ) ( E 0 – E e ) – m ν
2 2
dE 0
Und wir erhalten für die Zustandsdichte bezogen auf die Gesamtenergie E0 :
2 2
dN- = ------------------
16π V - p 2 ( E – E ) ( E – E ) 2 – m 2 dp
-------- e 0 e 0 e ν e
dE 0 6
h
Die Zerfallsrate, bei der das Elektron im Impulsintervall ( p e , p e + dp e ) liegt, ist dann
N e dp e = 2π
2 dN
------ M if --------
-
dE 0
wobei Mif das Matrixelement des Hamilton - Operators der schwachen Wechselwirkung zwi-
b) NEUTRINO - OSZILLATIONEN
Unter Neutrino - Oszillation versteht man die Umwandlung von einem Neutrino eines
bestimmten Flavours in ein Neutrino eines anderen Flavours.
μ e
νμ νe ?
π
Detektor
186
8. Neutrinos
wobei mit U die unitäre Mischungsmatrix bezeichnet wird und N die Anzahl der Massen bzw.
Flavour - Zustände ist. Im Falle von CP - Erhaltung sind alle Elemente der Mischungsmatrix
reell.
Die auf den Flavour bezogene Leptonen - Zahl ist bei Neutrino - Oszillationen nicht erhalten, da
die Neutrino - Flavours auf Grund der Massenterme miteinander mischen.
Wir betrachten ein Neutrino ν i , welches zum Zeitpunkt t = 0 erzeugt wurde und den Impuls
pν hat. Seine Wellenfunktion zu diesem Zeitpunkt ist gegeben durch
ip ν x
ψ ( x, t = 0 ) = ∑ Uiα να e ,
α
ip ν x -iEα t
ψ ( x, t ) = ∑ Uiα να e e
α
2 2
mit E α = E ( να ) = pν + mα
187
8. Neutrinos
2
mα
Eα ≈ p ν + --------
2p ν
Unter dieser Annahme bewegt sich unser Neutrino mit angenäherter Lichtgeschwindigkeit,
sodass es nach einer Zeit t die Strecke x = ct zurückgelegt hat. Wir betrachten also die Wellen-
funktion im Ortsraum nach der verstrichenen Zeit t :
2
m
-i -------α- x
2p ν
ψ ( t, t ) = ψ ( x, x ) ≈ ∑ U iα ν α e
α
Zustände νˆi
∑ˆ Uˆiα νˆi
*
να =
i
Die Wellenfunktion ist das Produkt von zwei Termen. Der eine enthält das Neutrino ν i an
seinem Entstehungsort als Überlagerung von Massen - Eigenzuständen να und der andere den
Massenzustand να als Überlagerung von Flavour - Eigenzuständen νˆi nach der zurückgelegten
Strecke x. Das Produkt wird dann kohärent über alle möglichen Massenzustände να summiert.
Dies ist analog zu einem Interferenzexperiment mit mehreren Schlitzen, wobei die Anzahl der
Schlitze hier der Anzahl der Massenzustände entspricht.
Zur Veranschaulichung von Neutrino - Oszillationen, betrachten wir ein Neutrino ν i , welches
an seinem Entstehungsort mit einem bestimmten Impuls pν produziert wird. Die verschiedenen
Massenzustände να bewegen sich dann mit verschiedenen Geschwindigkeiten fort. Dabei
geraten sie nach einer gewissen Wegstrecke ausser Phase, sodass sie sich nicht mehr zum
ursprünglichen Neutrino ν i addieren lassen. Der Massen - Eigenzustand να wird dafür aber
Komponenten aufnehmen, welche anderen Flavours entsprechen.
188
8. Neutrinos
Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich ein Neutrino mit dem Flavour ν i nach Durchlaufen
der Strecke x in ein Neutrino mit dem Flavour νˆi umgewandelt hat, ist gegeben durch :
2 2
im α̂ x – im α x
------------ ----------------
2p ν 2p ν
∑ Uiα̂ e ∑ Uiα e
* *
P ( ν i → νˆi , x ) = Uˆi α̂ ⋅ Uˆi α
α̂ α
∑ Uiα
2 2
= ⋅ Uˆi α
α
2 2
⎛ m α – m α̂ ⎞
∑
* *
+ Re ( U iα U iα̂ Uˆi α̂ Uˆi α ) cos ⎜ --------------------- x⎟
ˆi ≠ i ⎝ 2pν ⎠
2 2
⎛ m α – m α̂ ⎞
∑
* *
+ Im ( U iα U iα̂ Uˆi α̂ Uˆi α ) sin ⎜ --------------------- x⎟
ˆi ≠ i ⎝ 2pν ⎠
Wie schon erwähnt, ist bei der CP - Erhaltung U reell und der Ausdruck oben vereinfacht sich
Die Wahrscheinlichkeit P oszilliert als Funktion des Abstandes x, wobei die Grösse
2p ν 2p ν
L αα̂ = 2π -----------------------
- = 2π -------------
-
2 2 2
m α – m α̂ δm αα̂
Wenn alle Neutrinomassen identisch oder gleich Null sind, dann gibt es
keine Neutrino - Oszillationen. Oszillationen treten nur auf, wenn wenigstens
ein Neutrino eine von Null verschiedene Ruhemasse besitzt.
Wenn der Abstand x des Detektors von der Neutrino - Quelle sehr klein gegenüber der Oszilla-
tionslänge L ist, also x « L αα̂ , dann behält das Neutrino seinen ursprünglichen Flavour.
Wenn jedoch x » L αα̂ ist, dann werden die Oszillationen auf Grund der Impulsunschärfe des
Neutrinostrahls verwischt. Es ist dann zwar immer noch möglich, ein νˆi Neutrino in einem ν i
Neutrinostrahl zu finden, allerdings variiert die Wahrscheinlichkeit nicht mehr als Funktion
von x.
189
8. Neutrinos
Die Oszillationen können am besten beobachtet werden, wenn x von der Grössenordnung der
Oszillationslänge L ist.
1. Solche, die nach dem Auftreten von νˆi Neutrinos in einem ν i Neutrinostrahl suchen
( appearance experiments ).
Der experimentelle Nachweis von Neutrino - Oszillationen wäre ein eindeutiger Beweis dafür,
dass die Neutrinos eine von Null verschiedene Ruhemasse besitzen. In Oszillationsexperi-
2
menten können jedoch nur Massendifferenzen δm αα̂ gemessen werden, da nur diese als Para-
meter eingehen.
Beispiel: ν μ → ν τ Oszillationen
In der zwei Flavour - Darstellung von Neutrino - Oszillationen reduziert sich die Mischungs-
matrix U zu einer unitären 2 x 2 Matrix. Die Mischungsmatrix rotiert die Massenzustände ν1
und ν2 in die Flavourzustände νμ und ντ , wobei der Rotationswinkel Θ auch als Mischungs-
winkel ( manchmal auch als Cabibbo - Winkel ) bezeichnet wird.
ν2
ντ
θ
νμ
θ ν1
190
8. Neutrinos
⎛ |ν μ〉 ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ |ν 〉 ⎞
⎜ ⎟ = ⎜ cos θ sin θ ⎟ ⎜ 1 ⎟
⎝ |ν τ〉 ⎠ ⎝ – sin θ cos θ ⎠ ⎝ |ν 2〉 ⎠
oder
|ν μ〉 = cos θ |ν 1〉 + sin θ |ν 2〉
|ν τ〉 = – sin θ |ν 1〉 + cos θ |ν 2〉
Wir betrachten eine Neutrinoquelle, welche νμ ’s produziert ( z.B. das Super - Protonen -
Synchrotron (SPS) am CERN in Genf ). Zum Zeitpunkt t = 0 seiner Erzeugung lässt sich das
ν μ durch die Wellenfunktion
|ν μ ( 0 )〉 = cos θ |ν 1 ( 0 )〉 + sin θ |ν 2 ( 0 )〉
Oszillationen beobachten zu können, müssen wir die zeitliche Entwicklung der Wellen-
funktion betrachten. Nach einer verstrichenen Zeit t ist die Wellenfunktion
-iE 1 t -iE 2 t
|ν μ ( t )〉 = cos θ |ν 1 ( 0 )〉e + sin θ |ν 2 ( 0 )〉e
-iE 1 t -iE2 t
Die zeitliche Änderung der Massenzustände wird durch die Phasen e bzw. e
beschrieben, wobei E1 und E2 die Energien der Massenzustände |ν 1〉 bzw. |ν2〉 sind und
2 -iE 1 t 2 -iE 2 t
〈ν μ|ν μ ( t )〉 = cos θ ⋅ e + sin θ ⋅ e
und die Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Myon - Neutrino zu einem Zeitpunkt t nach seiner
Erzeugung noch als Myon - Neutrino angetroffen wird, ist gegeben durch
2 2 -iE1 t 2 -iE2 t 2
P ( ν μ → ν μ ( t ) ) = 〈ν μ|ν μ ( t )〉 = ( cos θ ⋅ e + sin θ ⋅ e )
191
8. Neutrinos
Wie wir bereits gesehen haben, sind bei CP - Invarianz die Elemente der Mischungsmatrix
reell. Wir betrachten also nur den Realteil der Übergangswahrscheinlichkeit :
4 4 2 2
P ( νμ → ν μ ( t ) ) = cos θ + sin θ + 2sin θcos θ cos ( E 2 – E 1 )t
2
Wir substituieren unter Zuhilfenahme der Regel cos 2α = 1 – 2sin α und erhalten
2 ( E 2 – E 1 )t⎞
P ( ν μ → ν μ ( t ) ) = 1 – sin 2θsin ⎛ ------------------------
2
-
⎝ 2 ⎠
Die Wahrscheinlichkeit, nach einer verstrichenen Zeit t ein ν τ anzutreffen, ist dann
2 ( E 2 – E 1 )t⎞
P ( νμ → ν τ ( t ) ) = 1 – P ( ν μ → ν μ ( t ) ) = sin 2θsin ⎛⎝ ------------------------
2
-⎠
2
Bisher haben wir die Oszillationswahrscheinlichkeit als Funktion der Zeit t beschrieben. Da
die Neutrinos aber mit annähernd Lichtgeschwindigkeit fliegen ( ct = x ), können wir die Zeit t
durch den Abstand x von der Neutrinoquelle ersetzen, wobei wir c = 1 setzen. Ferner können
wir für relativistische Neutrinos ( m ν « p ν )
2
· 2
m1 · m2
E 1 = p ν + -------- bzw. E 2 = p ν + --------
2p ν 2p ν
schreiben. Da wegen der Impulserhaltung die Impulse gleich gross sind, unterscheiden sich die
Energien der Massenzustände nur durch die verschiedenen Massen m1 und m2. Setzen wir
diese Quantitäten in die obige Formel ein, so erhalten wir für die Wahrscheinlichkeit, ein bei
x = 0 ausgesandtes νμ mit der Energie E ν im Abstand x als ν τ anzutreffen :
2⎛
2 ⎞
P ( ν μ → ν τ ( x ) ) = sin 2θsin ⎜ δm
-------------x⎟ ,
2
⎝ 4E ν ⎠
2 2 2
wobei δm = m 2 – m 1 ist. Die Oszillationswahrscheinlichkeit besteht also aus zwei Termen :
2
1. Dem sin 2θ Term, welcher den Mischungswinkel θ beinhaltet. Die Amplitude
der Oszillationen hängt also vom Mischungswinkel θ ab. Sie wird am grössten,
wenn θ = 45° ist ( maximale Mischung ).
2 ⎛ δm⎞ 2
2. Dem Oszillatorterm sin ⎜ ------------x-⎟ , in welchen die Massendifferenz δm der
2
⎝ 4E ν ⎠
Neutrinos als Parameter eingeht.
192
8. Neutrinos
2 2 2
Bestimmen wir die Massendifferenz δm in Einheiten von ( eV ⁄ c ) , die Neutrinoenergie Eν
in GeV und den Abstand x von der Neutrinoquelle in km, dann erhalten wir unter Berücksich-
– 19
tigung von x = ct und c = 1.973 ⋅ 10 GeV km :
2 2
2 ⎛ 1.27
⋅ δm ( eV c ) ⋅ x km⎞
2
2
P ( ν μ → ν τ ( x ) ) = sin 2θ sin ⎜ -----------------------------------------------------------------------⎟
⎝ Eν GeV ⎠
4π ⋅ E
dabei ist L = ----------------ν-
2
δm
Ausgedrückt in den oben angegebenen Einheiten ist die Oszillationslänge
4π ⋅ c ⋅ E 2.48 ⋅ E ν GeV
L = ---------------------------ν- = --------------------------------------
2 2 2
δm 2
δm ( eV c )
Sie ist also umso grösser, je grösser die Neutrinoenergie und je kleiner die Massendifferenz der
Neutrinos ist.
Das erste Minimum entspricht einem Maximum für P ( ν μ → ν τ ) . Es tritt bei L ⁄ 2 auf ( siehe
Figur ).
Oszillation
1.0
1 – P ( νμ → ντ )
Mittelwert
0.5
Δm2 = 3 × 10-3 eV2
0.0
193
8. Neutrinos
Ein Experiment mit einem vorgegebenen L ⁄ E Bereich ist dann sensitiv zu Massendifferenzen
Für die Messung von Neutrino - Oszillationen ist es wichtig, dass das Verhältnis x ⁄ Eν über
einen grossen Bereich variiert werden kann. Um dies zu erreichen, sind jedoch mehrere Expe-
rimente nötig. Ausserdem müssen die Experimente über eine genügend grosse Sensitivität ver-
fügen, um auch kleine Mischungswinkel detektieren zu können. Die bisherigen
2
experimentellen Ergebnisse sind in einem Δm2 versus sin 2θ Plot dargestellt ( siehe Figur ).
Die Linien in dem Plot geben die Sensitivitätsgrenzen einzelner Experimente an, innerhalb
deren keine Neutrino - Oszillationen beobachtet wurden. Die ausgefüllten Zonen sind
Regionen, in denen möglicherweise Oszillationen beobachtet wurden.
1998 wurde im Super - Kamiokande Experiment in Japan bei der Untersuchung atmosphäri-
scher Neutrinos erstmals Oszillationen beobachtet. Es handelt sich dabei sehr wahrscheinlich
um ν μ → ν τ Übergänge. Die beobachtete Massendifferenz ist sehr klein und von der Grössen-
2 –3 2 2 2
ordnung δm ≅ 3 ⋅ 10 ( eV ⁄ c ) bei maximaler Mischung von sin 2θ ≅ 1 . Die Beobachtung
fehlender ν e Neutrinos von der Sonne liefert ein weiteres Indiz dafür, dass sich die in der
Sonne produzierten ν e Neutrinos auf ihrem Weg zur Erde in ν μ Neutrinos verwandelt haben
könnten.
Neutrinos von der Sonne wurden erstmals 1968 von Raymond Davis und seinen Mitarbeitern
im Solar Neutrino Experiment in der Homestake Goldmine von South Dakota (USA) nachge-
wiesen. In diesem Experiment stellte man fest, dass weniger als die Hälfte der in der Sonne
produzierten Neutrinos auf der Erde gemessen werden. Raymond Davis hat dafür 2002 den
Nobelpreis für Physik erhalten. Er hat sich den Preis mit Masatoshi Koshiba (Japan) geteilt,
welcher mit den Neutrino-Detektoren Kamiokande und Super-Kamiokande ebenfalls Pionier-
arbeit für die Entdeckung der atmosphärischen Neutrino-Oszillationen geleistet hat. Erst
kürzlich, nämlich im Jahre 2002, konnte dann das Solar Neutrino Experiment (SNO) im
Sudbury Neutrino Observatory in Kanada eindeutig nachweisen, dass die fehlenden Neutrinos
von der Sonne auf Neutrino-Oszillationen zurückzuführen sind. Ende 2002 wurden dann auch
zum ersten Mal Oszillationen von Antineutrinos, welche von einem Leistungsreaktor in Japan
194
8. Neutrinos
Diese Ergebnisse haben weittragende Konsequenzen für unser Verständnis der Teilchenphysik
und der Kosmologie. Wie schon früher erwähnt, signalisieren Neutrinos mit Masse neue
Physik, welche über das Standard - Modell hinausgeht. Bei Neutrino - Oszillationen wird die
Leptonenzahl verletzt, ein Umstand, der trotz eingehender experimenteller Untersuchungen in
anderen Prozessen bisher nicht beobachtet wurde.
195
8. Neutrinos
196
8. Neutrinos
197
8. Neutrinos
In der Minimalversion des Standard Modells sind die Neutrinos masselos und deshalb besitzen
sie auch kein magnetisches Moment.
In einer erweiterten Version des Standard Modells kann es allerdings auch massive Dirac -
Neutrinos geben, ohne dass der Rest des Modells seine Gültigkeit verliert. Massive Neutrinos
besitzen dann ein geringes magnetisches Moment μ ν , welches durch Dissoziation des
Neutrinos in virtuelle Lepton - Boson Paare ( l ± W ± ) zustande kommt und ihrer Masse propor-
tional ist :
– 19 mν
μ ν ∼ 10 ---------
-μ
1eV B
wobei μ B das Bohr’sche Magneton ist. Experimentell lässt sich das magnetische Moment des
Neutrinos aus der Neutrino - Elektron Streuung bei niedrigen Energien bestimmen :
– –
νe + e → νe + e
– 10
μ ν < 2 ⋅ 10 μB
Nach dem CPT - Theorem hätten die magnetischen Momente des Neutrinos und des Antineu-
trinos entgegengesetzte Vorzeichen. Da aber Majorana - Neutrinos ihre eigenen Antiteilchen
sind, besitzen sie auch kein magnetisches Moment. Das magnetische Moment der Neutrinos
bietet also eine weitere Möglichkeit, zwischen massiven Dirac - und Majorana - Neutrinos
unterscheiden zu können.
W+
l-
ν
198
9. Einige häufig verwendete Begriffe
Aus historischen Gründen nennt man das Myon, welches ein Lepton ist, auch
fälschlicherweise Mu - Meson ( μ - Meson ).
199
Zusammenfassung
Zusammenfassung
200