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Zuschnitt Zeitschrift über Holz als Werkstoff und Werke in Holz  März 2020 Nr. 77 | 20.

Jahrgang | Euro 8 | isbn 978-3-902926-35-7 proHolz Austria

zuschnitt 77

Brandrede für Holz


Im Brandfall ist Holz berechenbar. Im Brandfall schützt Holz
sich selbst. Diese Gewissheit spiegelt sich in den gelockerten
Brandschutzvorschriften für den modernen Holzbau wider.
Damit wird das Bauen mit Holz immer sicherer und einfacher,
und das ist gut so.
Inhalt
Zuschnitt 77.2020

Seite 3 Seite 12 – 13 Seite 22 – 23


Editorial Digital vernetzte Brand- Lernen vom 60 Meter hohen
Text Anne Isopp schutzplanung Studenten- ­U nihochhaus im Kanton Zug
Seite 4 wohnheim in Norwegen Text Clementine Hegner-
Essay Text Eva Guttmann van Rooden
Riskantes Denken mit Holz Seite 14 – 16 Seite 24
Text Yves Schihin Drei Brandschutzexperten im Brandausbreitung über die
Gespräch Holz brennt überall Fassade Unterschiedliche
Themenschwerpunkt gleich, und doch unterschei- Schutzziele in Deutschland,
Seite 6 – 7 den sich die nationalen He- Österreich und der Schweiz
Allgemeine Ziele des Brand- rangehensweisen Text Thomas Engel, Michael
schutzes Text Anne Isopp Merk und Markus Lechner
Text Stefan Winter Literatur
Seite 8 – 9 Seite 17 Seite 25
Zuschnitt 78.2020 Ausbildung Mit Sprinkler und Rauchent- Alles F 30 Seitenware
erscheint im Juni 2020 lüftung Interdisziplinäres Aufstockung in Berlin Biegen mit Hitze
Laboratorium in Linz Text Claus Käpplinger Text Michael Hausenblas
Text Anne Isopp Seite 18 – 19 Biegen durch Trocknen
Welche Ausbildungswege gibt es in Österreich, Seite 10 – 11 Lernen vom 84 Meter hohen Text Anne Isopp
um in der Holzbranche im Bereich Holzbau arbeiten Lernen vom 34 Meter hohen Hochhaus in Wien Seite 26 – 27
zu können? Wie genau schauen diese Berufsbilder Wohnhaus in Heilbronn Text Maik Novotny Wald – Holz – Klima
aus und welche Anforderungen werden an die Text Roland Pawlitschko Seite 20 – 21 Care for Paris
Lehrlinge und Studierenden heute gestellt? Der kom- Wenn Holz brennt, dann Text Anne Isopp
helfen der vorbeugende und Seite 28
mende Zuschnitt führt zu den Fachschulen, Fach-
abwehrende Brandschutz Holz(an)stoß
hochschulen und Universitäten im In- und Ausland, und die Schutzschicht des Toshikatso Endō
in die Büros und zu den Firmen, um die Vielfalt der Holzes Text Stefan Tasch
Berufsbilder und Ausbildungswege im Holzbau
und in der Holzbranche nachzeichnen zu können.

Zuschnitt Impressum Offenlegung nach § 25 Redaktionsteam Fotografien


issn 1608-9642 Medieninhaber und Mediengesetz Anne Isopp (Leitung) Atelier Andrea Gassner s. 1
Zuschnitt 77 Heraus­geber Arbeitsgemeinschaft der Linda Lackner überholz⁄  Veronika Müller s. 2
isbn 978-3-902926-35-7 proHolz Austria österreichischen Holzwirt- (Assistenz) tu München s. 3
Arbeitsgemeinschaft der schaft nach Wirtschafts­ Kurt Zweifel icd⁄ itke University of Stuttgart
www.zuschnitt.at
ös­t erreichischen Holzwirt- kammergesetz (wkg § 16) redaktion @ zuschnitt.at s. 5, 25 u.
Zuschnitt erscheint viertel­ schaft zur Förderung der Mark Sengstbratl s. 8, 9
jährlich, Auflage 11.500 Stk. ­A nwendung von Holz Ordentliche Mitglieder Lektorat Bernd Borchardt s. 10, 11
Einzelheft euro 8 Obmann Richard Stralz Fachverband der Holz­- Esther Pirchner, Innsbruck Jørgen Freim s. 12, 13
Preis inkl. USt., exkl. Versand Geschäftsführer indus­t rie Österreichs Marcus Bredt s. 17
Georg Binder Bundesgremium des Holz- Gestaltung cetus Baudevelopment⁄
Projektleitung Zuschnitt und Baustoffhandels Atelier Andrea Gassner, KiTO.photography s. 18, 19
Kurt Zweifel Feldkirch; Reinhard Gassner, erne ag Holzbau⁄
A-1030 Wien Fördernde Mitglieder Marcel Bachmann, Myriam Brunner s. 22, 23
Am Heumarkt 12 Präsidentenkonferenz der Christopher Walser Thonet s. 25 o.
T +43 (0)1 ⁄ 712 04 74 Landwirtschaftskammern Toshikatso Endō s. 28 li.
info @ proholz.at Österreichs Druck Hideto Nagatsuko s. 28 re.
www.proholz.at Bundesinnung der Zimmer- Print Alliance, Bad Vöslau
meister, der Tischler und gesetzt in Foundry Journal
Copyright 2020 bei proHolz andere Interessenverbände auf GardaPat 13 Kiara
Austria und den AutorInnen der Holzwirtschaft
Die Zeitschrift und alle in Bestellung⁄ Aboverwaltung
ihr enthaltenen Beiträge Editorialboard proHolz Austria
und Abbildungen sind ­ Reinhard Gassner, Schlins info @ proholz.at
urheberrechtlich geschützt. Hermann Kaufmann, T +43 (0)1 ⁄ 712 04 74
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der Gren­z en des Urheber- Anton Oster, Wien
rechts ist ohne Zustimmung Arno Ritter, Innsbruck
des Herausgebers unzulässig Andreas Schleicher, Wien
und strafbar. Dietger Wissounig, Graz
Editorial

Editorial
Inhalt
Anne Isopp

16 Jahre ist es her, dass wir einen Zuschnitt zum Thema Brandschutz

2
3
herausgegeben haben. Damals, 2004, konnte man in Wien schon vier-
geschossige Wohnbauten in Holz errichten mit einem Erdgeschoss in

zuschnitt 77.2020
mineralischer Bauweise. Heute darf man in Österreich laut oib sechs
Vollgeschosse in Holz ohne zusätzliche Brandschutzmaßnahmen bauen.
So wie in Österreich wurden auch in Deutschland und der Schweiz
die Brandschutzvorschriften parallel zu den technologischen Entwick-
lungen des Holzbaus liberalisiert. Das Bauen mit Holz wurde damit ein-
facher und wirtschaftlicher, weil es bis zu einer bestimmten Gebäude- Vollholz nach Brand
höhe keine erhöhten Anforderungen für den Holzbau mehr gibt. Die
Schweizer liberalisierten nach einer intensiven Forschungs- und Ent-
wicklungsphase ihre Brandschutzvorschriften ­sogar so weit, dass seit
2015 brandschutztechnisch robuste Holzbauteile nicht brennbaren
Bauweisen gleichgestellt sind. Auch über die Hochhausgrenze hinaus
können hier Häuser ohne Weiteres in Holz gebaut werden.
Diese Gleichstellung mit anderen Baustoffen bietet ein großes Potenzial
für das nachhaltige Bauen in den Städten. Endlich kann auch in großem
Maßstab in den Städten in Holz gebaut werden, ohne zusätzliche Auf-
lagen erfüllen zu müssen. In diesem Sinne kann man den Essay, den der
Schweizer Architekt Yves Schihin für diesen Zuschnitt geschrieben hat,
auch als eine Art Brandrede für Holz lesen. Er sagt, wir sind gefordert, wienwood 2020
unser Verhalten im Bauwesen den neuen klimatischen Gegebenheiten Holzbaupreis Wien
anzupassen und endlich wieder nachhaltig zu planen und zu bauen.
Es ist höchste Zeit. proHolz Austria prämiert 2020, zum dritten Mal nach
2005 und 2015, in Zusammenarbeit mit der Stadt
Wien und dem Architekturzentrum Wien, herausra-
gende Holzbauten in der Bundeshauptstadt. Ziel
von wienwood ist es, Architektur zu fördern bzw.
hervorzuheben, bei der Holz als moderner Baustoff
eine zentrale Rolle spielt. Darüber hinaus soll das
proHolz Student Trophy bau:Holz-Seminare in Wien und Graz Bewusstsein für die zeitgemäße Verwendung des
Light up! Aufstockungen mit Holz Nachverdichtung und mehr­ traditionsreichen Baustoffs und dessen Nachhaltig-
Preisverleihung am 26. Mai 2020 geschossiger Holzbau keit, auch im Hinblick auf das Thema Ressourcen,
weiter gestärkt werden. Gesucht werden Beispiele
proHolz Austria lobte in Kooperation Die erfolgreiche Seminarreihe aus den Bereichen Wohnbau, öffentliche Bauten,
mit der Stadt Wien und Wiener Woh- bau:Holz geht 2020 in eine weitere Gewerbebau und Innenausbau⁄ Umbau⁄ Sonstige.
nen einen Studentenwettbewerb aus, Runde. In Graz geht es in den Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten des Werk-
an dem Teams der Fachrichtung Ar- bau:Holz-Seminaren um den mehrge- stoffs Holz sollen verdeutlicht und hervorgehoben
chitektur und Bauingenieurwesen schossigen Holzbau. Hier werden die werden. Eine hochkarätig besetzte Jury wird
zahlreicher europäischer Universitäten aktuellen Holzbautechnologien, Ge- vier bis sechs Preise v­ ergeben, die mit ­insgesamt
und Fachhochschulen teilnehmen. setze und Normen für die praktische 15.000,– Euro dotiert sind.
­Anhand von drei ausgewählten Umsetzung vermittelt. In Wien wird
Wohnbau­t en in Wien aus den 1960er ein neuer Themenschwerpunkt ange- Jury
Jahren sollen die Studierenden das boten: Hier widmen sich die vier Mo- _ Gabriele Kaiser (Publizistin, Juryvorsitzende, Wien)
Verdichtungspotenzial durch Aufsto- dule der innerstädtischen Nachver- _ Reinhard Kropf (Architekt, Stavanger⁄ NO)
ckungen mit Holz ausloten. Die Preis- dichtung mit Holz. _ Claudia Ruck (Architektin, Klagenfurt)
verleihung findet am Dienstag, proHolz Austria bietet nun auch _ Stefan Zöllig (Tragwerksplaner, Thun⁄ CH)
26. Mai 2020, im Kuppelsaal der ­Tagesexkursionen an. Sie führen von _ Sylvia Polleres (Holzforschung Austria, Wien)
tu Wien statt. Produktionsstätten bis hin zu Vor­ _ Gerhard Kast (Stv. Bundesinnungsmeister Holzbau, Gols)
Infos unter zeigebauten. Die erste Exkursion im
www.proholz-student-trophy.at Frühjahr ist bereits ausgebucht, die Einreichfrist: 18. März bis 24. Juni 2020
zweite wird im Herbst stattfinden. Preisverleihung: Donnerstag, 24. September 2020
Infos unter www.proholz.at/bauholz Infos unter www.wienwood.at
Essay Riskantes Denken mit Holz

Yves Schihin

In seiner Festrede zum Beginn der Salzburger Festspiele 2018 for- Die gelockerten Brandschutzvorschriften ermöglichen so neue
derte der Schriftsteller Philipp Blom, dass wir in Zeiten des Klima- systemische Denkweisen, mit gesundem Menschenverstand ein
notstandes wieder mehr „riskantes Denken“ wagen sollten. Als riskantes Denken und generieren schließlich auch einen neuen
Kinder der Aufklärung wissen wir, dass die Baubranche einer der Ausdruck in der Holzarchitektur.
Hauptverursacher für den enormen Ressourcenverbrauch ist und Im Zuge der Anpassung der Brandschutzvorschriften der Vereini-
dass allein die Zementindustrie für satte 8 Prozent des weltweiten gung Kantonaler Feuerversicherungen (vkf) 2015 fiel auch die
CO2-Ausstoßes verantwortlich zeichnet. Im Gegensatz dazu ist Höhenbeschränkung für Holzhäuser. Die Regulierung der Höhen
Holz ein nachwachsendes, regional verfügbares, CO2-speicherndes, für Hochhäuser wurde neu definiert. Nach den neuen Vorschriften
leicht bearbeitbares und vor allem rückbaubares und wiederver- gilt jedes Gebäude ab einer Höhe von 30 Metern unabhängig
wendbares Baumaterial. Damit steht es für einen kreislaufgerech­ von seinem Baumaterial als Hochhaus. Daraus ergeben sich neue
ten, verantwortungsvollen Umgang mit den endlichen Ressourcen ­Perspektiven für den Holzbau beim Einsatz von Hochhäusern.
unserer Erde. Holz, ein Baustoff mit hohen ökologischen und nachhaltigen
Das Pariser Klimaabkommen von 2015 wurde von den meisten ­Eigenschaften, hat nun aufgrund der Gleichstellung im Brand-
Staaten ratifiziert. Es fordert, die menschengemachte globale schutzbereich die Chance, sein Potenzial auch im Bereich hoch-
­Erwärmung auf deutlich unter 2 ° C gegenüber vorindustriellen leistungsfähiger Bauweisen und Konstruktionen unter Beweis
Werten zu begrenzen. Hierfür scheint es also entscheidend, dass zu stellen. Die Holzbauweise löst gegenüber einem Hochhaus in
die Hindernisse abgebaut werden, welche die Holzbauweise Massiv- oder Stahlbauweise hinsichtlich der Brandschutzvorgaben
(scheinbar noch) daran hindern, die konventionelle Bauweise keine erhöhten Anforderungen aus. Dies betrifft sowohl den
mit Beton, Stahl und Backstein sinnvoll zu ersetzen und Holz im ­Feuerwiderstand als auch die Fluchtwegsituationen oder tech-
großen Maßstab zur urbanen Verdichtung heranzuziehen. nischen Brandschutzmaßnahmen.
Eines der größten Hemmnisse war bis vor kurzem das Brandver- Dies wird beispielsweise im Modul 17,* einem soeben publizierten
halten von Holz. Das älteste Holzhaus in Europa steht in Schwyz Innosuisse-Forschungsprojekt zu einer hochflexiblen Typologie
und wurde 1287 errichtet. Der Einsatz von Holz als Baumaterial für Holz-Hybrid-Hochhäuser zur urbanen Verdichtung deutlich.
war bis zum Aufkommen von Stahl und Beton im 19. Jahrhundert Dabei gelangte das Autorenteam mit einem modular aufgebauten
weit verbreitet. Das Problem der eng zusammenstehenden Holz- Konzept zu einem Prototyp mit über 100 Metern Gebäudehöhe
bauten waren die Großfeuer, die Dörfer und Städte großflächig und einem sichtbaren Holzanteil von knapp 90 Prozent. Mit dem
zerstörten. Als sich im 18. Jahrhundert unsere Vorfahren in Evolène Forschungsprojekt bewiesen die Autoren, dass dank der Liberali-
im Wallis infolge des begrenzt verfügbaren bebaubaren Bodens sierung der Brandschutzvorschriften neue Wege in der Hoch-
und des regional verfügbaren Baumaterials entscheiden mussten, hausdebatte eingeschlagen werden können: Das Projekt postuliert
mit Holz in die Höhe zu bauen, und in dichter Bauweise vier- und eine komplett flexibel bespielbare vertikale Stadt mit einem
fünfstöckige „Holzhochhäuser“ errichteten, erforderte dies ein ­hybriden Nutzungsmix. Die Vorteile der Nachhaltigkeit und der
riskantes Denken. Vorfabrikation wiegen die etwas höheren Baukosten der Holz-
Eva Guttmann hat noch 2004 im Editorial zum Zuschnitt 14 ge- bauweise auf, insbesondere dann, wenn nicht nur die Erstellungs-
schrieben: „Holz brennt sicher.“ Mit dem ambivalenten Ausspruch kosten berücksichtigt werden, sondern die gesamten Lebenszy-
meinte sie, dass Holz zwar brennt, aber dank der Verkohlung kluskosten inklusive der CO2-Äquivalente für Herstellung und
­berechenbar brennt. Seither hat sich im Brandschutz zum Glück Entsorgung der Produkte der Fossilindustrie.
enorm viel getan. Mit der Liberalisierung der Brandschutzvor- Damit wir die Ziele des Pariser Klimaabkommens als globale Ge-
schriften 2005, vor allem aber 2015 erfolgte – zumindest in der sellschaft einhalten können, sind wir gefordert, unser Verhalten
Schweiz – eine Gleichstellung der Holzkonstruktionen mit Bauten im Bauwesen den neuen klimatischen Gegebenheiten anzupas-
aus nicht brennbaren Baustoffen. Während das Sicherheitsniveau sen und endlich wieder nachhaltig zu planen und zu bauen. Das
im Personenschutz beibehalten wurde, setzen die neuen Vor- Wissen, die digitalisierte Materialtechnologie und die Brand-
schriften beim Sachwertschutz dank riskanterem Denken auf eine schutznormen erlauben es uns heute. Die Leitworte dabei sind
wirtschaftliche Optimierung. „Refuse, Reuse, Reduce, Recycle“. Dahinter steht der Mut zu
Die Bedeutung dieser Liberalisierung ist in unserer Arbeit der einem riskanten Denken.
letzten zwanzig Jahre deutlich sichtbar: Vor der Jahrhundertwende Oder um nochmals mit Philipp Blom zu sprechen: „Der Homo sa-
beschränkte sich die Kubatur der neu erstellten Holzbauten auf piens kann sein Verhalten durch Verständnis der Fakten, Fantasie
eingeschossige Pavillons wie die Forstwerkhöfe und um die Jahr- und Empathie ändern und so vielleicht eine Zukunft schaffen, in
tausendwende auf zwei- bis dreigeschossige Siedlungen wie die welcher Ökonomie als Teil der Ökologie begriffen wird. Das wäre
Wohnhäuser Ziegelwies in Altendorf. Während 2013 bei der vier- riskant für unseren Wohlstand. Das wäre aufklärerisch.“
geschossigen Aufstockung beim Bahnhof Giesshübel in Zürich
noch alle tragenden Bauteile gekapselt werden mussten, sind
Yves Schihin
bei der aktuell im Bau befindlichen fünfgeschossigen Wohnüber-
ist Architekt und Mitinhaber bei burkhalter sumi architekten. Er ist an diversen
bauung Waldacker in St. Gallen sogar offene Laubengänge mit Forschungsprojekten im Holzbau beteiligt und ist Lehrbeauftragter am Lehrgang
linearen tragenden Bauteilen und Fassaden in Holz möglich. Nur Überholz, Kunstuniversität Linz.
der jeweils an beiden Enden der Veranda angeordnete vertikale
Fluchtweg ist nach wie vor mit nicht brennbaren Materialen gebaut. * Modul 17. Hochhaustypologie in Holzhybridbauweise, www.vdf.ch/modul17.html
Dieser komplex gekrümmte Turm steht im Remstal bei Stuttgart, s. S. 25 Themenschwerpunkt Brandschutz
Allgemeine Ziele des Brandschutzes

Stefan Winter

Für den Entwurf, die Planung, Werkstattzeichnungen, Ausführung, Qualitätssicherung und den Betrieb
mehrgeschossiger Gebäude aller Art spielt der vorbeugende Brandschutz eine wesentliche Rolle. Dies gilt
weltweit gleichermaßen und unabhängig von der Wahl des dominierenden konstruktiven Werkstoffs.
Holz ist allerdings im Vergleich zu Stahlbeton, Mauerwerk und Stahl der einzige Konstruktionswerkstoff,
der selbst brennbar ist und somit im Falle eines Brands einen Teil der Brandlast eines Gebäudes darstellen
kann. Diese Brennbarkeit des Werkstoffs trägt – zusammen mit der Erinnerung an zum Teil verheerende
Stadtbrände im Mittelalter und in den großen Kriegen – bis heute zu Vorurteilen bezüglich der Brand­
sicherheit moderner Holzgebäude bei. Dass diese Vorurteile sachlich unbegründet sind, wird nachfolgend
anhand einer Reihe typischer Fragestellungen dargelegt.

Brandentstehungsrisiko in Holzgebäuden Brennbarkeit und Feuerwiderstand


Das Brandentstehungsrisiko ist grundsätzlich unab- Es ist unbedingt notwendig, zwischen der Brennbar­
hängig von den Konstruktionswerkstoffen. Denn keit der Baustoffe (durch die Baustoffklassen defi-
das Risiko einer Brandentstehung geht nicht vom niert) und dem Feuerwiderstand der Bauteile (durch
Konstruktionsmaterial eines Gebäudes aus, sondern die Feuerwiderstandsklassen der Bauteile definiert)
von den technischen Installationen und im Wesent- zu unterscheiden. Die Brennbarkeit der Baustoffe
lichen von menschlichem Fehlverhalten. Hier sind beeinflusst im Wesentlichen die Ausbreitung eines
beispielsweise der implodierende alte Röhrenfern- Brands unmittelbar nach der Entstehung und wäh-
seher, der vergessene Milchtopf auf dem Herd oder rend der Brandentwicklung. Der Feuerwiderstand
die unsachgemäße Elektroinstallation neben den eines Bauteils beschreibt das Vermögen, stand­
häufig vorkommenden Brandursachen wie der sicher zu bleiben (Kriterium R) ­sowie bei raumab-
Weihnachtsbaumkerze und dem Einschlafen mit schließenden Bauteilen den Durchgang von Rauch-
brennender Zigarette die wesentlichen Brandent- gasen (Kriterium E) und den Durchgang von Wärme
stehungsrisiken. Eine Holzkonstruktion selbst stellt (Kriterium I) für die geforderte Feuerwiderstands-
für sich kein Risiko einer Brandentstehung dar. dauer zu verhindern. Entsprechend ihrer Feuer­wider­
standsdauer werden Bauteile in Feuerwiderstands-
Leistungsanforderungen an den Brandschutz klassen eingeteilt, denen die bauaufsichtli­chen
Die weltweit gleichen Leistungsanforderungen an den Brandschutz sind: ­Begriffe „feuerhemmend“, „hochfeuerhemmend“
_ die Verhinderung der Entstehung eines Brands und der Brandausbreitung und „feuerbeständig“ zugeordnet sind. Tragende
_ die mögliche Rettung von Menschen und Tieren Bauteile wie Wohnungstrennwände (rei) können
_ das Zulassen von wirksamen Rettungs- und Löscharbeiten zugleich raumabschließend sein, während einzelne
Stützen nur bezüglich ihrer Standsicherheit zu
Diese Leistungsanforderungen sind von allen Bauwerken gleichermaßen zu er-
­bemessen sind (R).
füllen. Dazu ist eine Reihe von Parametern zu berücksichtigen, beispielsweise:
_ die Größe der brandschutztechnisch abgetrennten Nutzungseinheiten
Die Brennbarkeit eines Baustoffs und der Feuer­
_ vorhandene Brandlasten
widerstand eines Bauteils haben nicht direkt mit­
_ Flucht- und Rettungswege in Abhängigkeit von der Nutzung
ein­ander zu tun. Einige Beispiele:
_ bauliche Situation des Gebäudes
_ Eine Stahlstütze (Baustoffklasse A – nicht brenn-
_ Gestaltung der Außenfassaden
bar), die weder durch eine Brandschutzbekleidung
_ Anlagen des vorbeugenden Brandschutzes (Alarmierung, Sprinkler)
noch durch einen Brandschutzanstrich geschützt
Aus den vorgenannten Anforderungen werden in wird, verliert im Regelfall spätestens nach 30 Minu-
den meisten Ländern fortlaufend präskriptive (also ten ihre Tragfähigkeit.
detailliert vorschreibende) Regeln für den vorbeu- _ Eine Stütze aus Brettschichtholz brennt zwar
genden baulichen und den anlagentechnischen an ihren Außenseiten ab, kann aber auf mehr als
Brandschutz entwickelt, die in den jeweiligen Bau- 90 Minuten Standsicherheit im Brandfall ohne
ordnungen niedergelegt sind. Als Beispiele seien ­zusätzliche Schutzbekleidungen oder -anstriche
hier die Anforderungen an den Feuerwiderstand ­bemessen werden.
der tragenden und aussteifenden Bauteile in Ab- _ Eine Glasscheibe ist nicht brennbar, lässt aber
hängigkeit von den Gebäudehöhen und Ausdehnun­ ­einen nahezu sofortigen Wärmedurchgang zu. Eine
gen genannt, weil diese wiederum die Möglichkei­ 30 mm dicke Platte aus Holzweichfasern brennt
ten der Feuerwehr für Lösch- und Rettungsarbeiten zwar, behindert aber den Wärmedurchgang wesent-
wesentlich beeinflussen. Diese bilden beispielsweise lich und führt frühestens nach ca. 15 Minuten zu
die Grundlage für die Anforderungen an den Feuer- einer Temperaturerhöhung auf der dem Feuer abge-
widerstand von Gebäuden je nach Gebäudeklasse. wandten Seite.
Brandrede für Holz
Eine wesentliche Rolle spielt die Brennbarkeit aller- den inneren Bereich. Da zudem die Wärmeleitzahl Dies ist ein Auszug aus dem

6
7
dings in der Brandentstehungsphase und hinsicht- des Holzes relativ gering ist (l ≤ 0,13 – 0,17 W⁄ mK) Text „Schutzfunktionen“ von
lich der Weiterleitung eines Brands. Daraus folgen bleibt der innere, unversehrte Bereich kühl und Stefan Winter. Der Original-

zuschnitt 77.2020
artikel ist nachzulesen in:
in den präskriptiven Bauordnungen Anforderungen damit tragfähig. Durch eine Erhöhung der Bauteil-
Atlas Mehrgeschossiger
an die Nichtbrennbarkeit von Oberflächen in dicken gegenüber den statisch erforderlichen Ab- Holzbau, Detail Business
Fluchtwegen (z. B. in notwendigen Treppenräumen messungen lässt sich somit eine Brandschutzbeklei- Information GmbH, München
und notwendigen Fluren) oder die Anforderung, dung aus Holz erzeugen. Die massiven Holzbauteile 2017, S. 72 – 87.
schwer entflammbare Baustoffe für Fassadenbeklei- haben zudem den Vorteil, dass ein Brand nicht in Zu bestellen unter:
dungen zu verwenden, um die vorgenannten gene- Hohlräume eindringen kann, in denen er sich un- shop.proholz.at

rellen Leistungsanforderungen zu erfüllen. kontrolliert und für die Feuerwehr nahezu unerreich-
bar ausbreiten könnte. Massive Holzbauteile selbst
Leistungsvermögen des Holzbaus sind gut löschbar, Nachzündungen treten nicht auf.
Da bei einem Holzbau ein gleichwertiges Sicherheits- Es ist daher durchaus möglich und wird in vielen
niveau gewährleistet sein muss, ist es erforderlich, Fällen auch realisiert, massive und sichtbare Holz-
eine realistische Beurteilung des Brandverhaltens bauteile mit einem Feuerwiderstand von 90 Minu-
von Holz und Holzkonstruktionen vorzunehmen und ten (REI 90) in Gebäuden bis zur Hochhausgrenze
unabhängig von der Brennbarkeit die im Brandfall einzusetzen, auch in Treppenraumwänden als
durchaus positiven Eigenschaften des Materials zu Brandwandersatzwand (REI 90-M).
nutzen. Die grundlegenden Leistungsanforderungen
an alle Konstruktionen im Brandfall sind durch die Fazit
Holzbauweisen gleichermaßen zu erfüllen. Beachtet man einige grundlegende Anforderungen an den Brandschutz, ist das
Da es oft Wunsch von Planern, Bauherren und Nut- Bauen mit Holz zumindest bis zur Hochhausgrenze in Europa unproblematisch.
zern ist, in Holzgebäuden das Holz auch (zumindest In vielen europäischen Ländern werden die entsprechenden baurechtlichen
in Teilbereichen) sichtbar zu belassen, muss die Anforderungen laufend angepasst. Ob dem Holzbau in größerer Anzahl auch der
Brennbarkeit des Werkstoffs in besonderem Maße Sprung über die Hochhausgrenze gelingt, ist von der Akzeptanz und Verbesse-
berücksichtigt werden. Das Brandverhalten von rung von Sprinkleranlagen, der Weiterentwicklung von ökonomisch vertretbaren
Holzbauteilen wird durch das Verhältnis von Ober- brandschutztechnisch wirksamen Bekleidungen und dem Nachweis abhängig,
fläche zu Querschnitt und durch die Rohdichte der dass auch Holztragwerke Vollbrände ohne Löscharbeiten der Feuerwehr über-
Hölzer sehr stark beeinflusst. Je größer die Rohdichte stehen können. Einzelne Pilotprojekte weltweit zeigen, dass diese Möglichkeit
eines Holzes, umso geringer ist seine Abbrandrate. generell besteht.
Das abbrennende Holz trägt zur Brandlast im Raum
bei, zugleich schützt aber die Holzkohleschicht, die Stefan Winter
sich auf der dem Feuer zugewandten Seite bildet, Professor für Holzbau und Baukonstruktion an der tu München

1.000 °C

Reanimationsgrenze
17 min. REI 30

500 °C
Erträglichkeitsgrenze
13 min.
Eintreffen Feuerwehr
Brandtemperatur

20 °C

Entzündung Entstehungsbrand Flashover Vollbrand abklingender Brand

Minuten 5 10 15 20 25 30 45 50

In Wien ist die Feuerwehr im Die Rettung von Personen muss vor Flashover und Vollbrand erfolgen.
Entwicklung Durchschnitt in 7 Minuten Danach ist der Schutz von Sachwerten relevant (Abschottung, Brandabschnitte …).
des Brandes ab Alarm vor Ort. Die Bauweise spielt erst bei ausgedehnten Bränden eine Rolle.
Mit Sprinkler und Rauchentlüftung
Interdisziplinäres Laboratorium in Linz

Anne Isopp

Der Campus der Johannes Kepler Universität liegt am Stadtrand Im Inneren sorgen die weiß lasierten Holzoberflächen für eine
von Linz, das neue interdisziplinäre Forschungsgebäude am äußer­s­ angenehme Raumatmosphäre, die großen Brandschutzver­
ten Rand dieses Campus. Der Wald ist hier zum Greifen nahe. glasungen zur angrenzenden Forschungsfabrik unterstützen die
Der lang gestreckte Kubus mit seiner rot lasierten Lamellenfassade Kommunikation von Firmen und Universität, von Labor- und
beheimatet Laborräume sowie 240 Arbeitsplätze, die sich in einer ­Bürotätigkeit. Die Sheds, die sowohl die Labors als auch die
Art Großraumbüro über zwei Geschosse verteilen. Im lit Open ­Büros mit ausreichend Licht von oben versorgen, bringen zudem
Innovation Center (lit oic) soll angewandte Forschung statt­ einen industriellen Charme mit ein. Den Sheds kommt auch beim
finden, an dem Projekt beteiligte Firmen treffen hier auf univer­ Brandschutz eine besondere Bedeutung zu. Sie sorgen für eine
sitäre Forscher. Das Untergeschoss und die Treppenhäuser sind ausreichende Rauchentlüftung im Brandfall. Nur so war es mög-
in Stahlbeton errichtet, der Rest des Gebäudes ist ein lupenreiner lich, einen Bürotrakt mit sichtbaren Holzoberflächen zu schaffen,
Holzbau. der sich als Großraumbüro über zwei Etagen erstreckt. Dies be-
Riepl Riepl Architekten gewannen 2016 den Realisierungswettbe- durfte einer Ausnahmeregelung der oib. Mithilfe einer verdichte-
werb für die Neu- und Umgestaltung des Unicampus in Linz. Der ten Sprinkleranlage und der Rauchentlüftung über die Sheds
Weg von der Straßenbahnendhaltestelle zum lit oic führt an den konnten die Behörde und die Feuerwehr vom Brandschutzkonzept
vielfältigen Bautätigkeiten vorbei, der Aufstockung der Bibliothek, überzeugt werden.
dem neuen, im Herzen der Anlage gelegenen Eingangs- und Der Holzbau ist ein Skelettbau mit Holz-Beton-Verbunddecken.
­Veranstaltungsgebäude und neu gestalteten Außenanlagen. Die Aufbauten der Decken sind dabei, dem Budget entsprechend,
Man erkennt gleich, dass Riepl Riepl keine Architekten sind, die sehr einfach gehalten: nur Holz, Beton und Teppich.
ein bevorzugtes Baumaterial haben. Holz gehört zu ihrem Reper- Kurz vor der Fertigstellung kam der Wunsch auf, eine ausgediente
toire wie viele andere Materialien. Postrutsche vom Postverteilerzentrum hierhin zu transferieren.
Dass sie beim lit oic zum Holz griffen, ist auch dem großen Gesagt, getan. Nun kann, wer will, vom zweiten Obergeschoss bis
Zeitdruck geschuldet. Denn erst, als der Wettbewerb schon ent- ins Untergeschoss rutschen. Ganz ungefährlich war der Einbau
schieden war, kam dem Bauherrn die Idee, ein interdisziplinäres nicht, erzählt Christof Pernkopf, Projektleiter und Partner im Büro
Forschungsgebäude zu errichten. Dafür sollte es umso rascher Riepl Riepl. Man musste in dem schon fast fertiggestellten Ge-
umgesetzt werden. Zwischen der ersten Ideenskizze und der bäude noch einmal schweißen, um die einzelnen Teile der Rutsche
­Fertigstellung lagen gerade einmal zwei Jahre. Um in so kurzer zusammenzusetzen. Gerade während der Bauphase bedarf der
Zeit mit geringem Budget ein hochwertiges Gebäude erstellen Brandschutz im Holzbau besonderer Achtsamkeit. Eine gute Bau-
zu können, schien den Architekten Holz optimal geeignet. Das aufsicht aber war vorhanden und bewachte die nachträglichen
nachhaltige und innovative Image des Holzbaus gefiel dem Bau- Schweißarbeiten aufmerksam.
herrn sogleich.
Der Eingang in das lit Open Innovation Center liegt an der Naht-
stelle zwischen den drei gleich großen Laboren der Forschungs­
fabrik und dem Bürotrakt. Vom Eingang aus fällt der Blick auf die
Zugangsstufen und dann weiter auf eine Treppenanlage, die die
beiden Büroetagen verbindet und mit breiten Stufen zum Sitzen
einlädt. Eine zweite, ähnlich gestaltete Treppenanlage ist räumlich
von den Büros abgetrennt und kann auch für Vorträge genutzt
werden.

Standort Altenberger Straße 69, Linz⁄ AT


Bauherr oic Open Innovation Center GmbH, Linz⁄ AT
Planung Riepl Riepl Architekten, Linz⁄ AT, www.rieplriepl.com
Statik Bollinger und Grohmann, Wien⁄ AT, www.bollinger-grohmann.com
Brandschutzplanung FireX Greßlehner GmbH, Leonding⁄ AT, www.firex.at
Holzbau Graf-Holztechnik GmbH, Loosdorf⁄ AT, www.graf-holztechnik.at
Fertigstellung Juni 2019
Brandrede für Holz
9
8
zuschnitt 77.2020
EI30 +
verdichteter
Sprinklerschutz

B randabschnitt
Rauchabschnitt
Schleuse
  Rauchentlüftung
Sprinkleranlage
  Fluchtweg
  Hauptzugang Feuerwehr

5 m Brandabschnitt
Rauchabschnitt
Schleuse
Rauchentlüftung
Sprinkleranlage

Fluchtweg
Hauptzugang für die Feuerwehr
Lernen vom 34 Meter hohen Wohnhaus in Heilbronn

Roland Pawlitschko

Zur Bundesgartenschau 2019 initiierte die Stadt Heilbronn mehre-


re Stadtentwicklungsprojekte. Die „Stadtausstellung Neckarbogen“
entstand auf dem BuGa-Gelände direkt nordwestlich des Stadt-
zentrums – auch um vorhandene innerstädtische Flächenressour-
cen neu zu erschließen. Dabei realisierten verschiedene Bauherren
mit unterschiedlichen Architekten modellhaft innovative Projekte,
die sowohl Eigentums- und Mietwohnungen als auch Wohn- und
Inklusionskonzepte für Studenten, junge und ältere Menschen
umfassen. Das Wohnhochhaus aus Holz bietet 56 kompakte Ein-
bis Zwei-Zimmer-Wohnungen, vier größere Einheiten für Wohnge-
meinschaften sowie eine gemeinschaftliche Dachterrasse, ein
­öffentliches Café und einen Gemeinschaftsraum mit Küche und
Waschsalon. Als Eckbebauung an einer der Haupterschließungs-
achsen des Geländes und als höchstes Gebäude des Stadtausstel-
lungsensembles nimmt es eine besondere städtebauliche Rolle ein.
Außergewöhnlich ist das Haus aber vor allem, weil es als ­aktuell
höchstes Holz-Hochhaus Deutschlands gilt. Genau ­genommen
handelt es sich um e­ ine Hybridkonstruktion, bei der auch Stahl-
beton- und Stahlbauteile zum Einsatz kamen.
Angesichts bereits zahlreicher in Holzbauweise realisierter Wohn-
häuser waren die Berliner Architekten des Büros Kaden+Lager
schon vor Planungsbeginn hinreichend mit diesem Baustoff Um die Wohnungen mit viel Tageslicht zu versorgen und umge-
­vertraut. Dennoch stellte der Bau eines Hochhauses auch für kehrt den ungestörten Blick auf das neu gestaltete Neckarufer zu
sie eine Herausforderung dar, nicht zuletzt, weil die in Baden- ermöglichen, entwarfen die Architekten große raumhohe Fenster,
Württemberg nicht eingeführte Muster-Hochhausrichtlinie (mhhr) die sie in der Gebäudehülle aus Aluminiumpaneelen versetzt
lediglich als Orientierungshilfe diente. Aus diesem Grund war anordneten. Als Kompensation zur dadurch entstehenden Gefahr
zur brandschutztechnischen Bewertung des Projekts die aktuelle eines Brandüberschlags über die Fassade wurde eine Hochdruck-
Landesbauordnung (lbo) Baden-Württemberg heranzuziehen. Wassernebellöschanlage eingebaut. Diese Anlage wirkt nicht nur
Diese erlaubt brennbare Tragkonstruktionen ohne nicht brennbare der Entwicklung eines Vollbrands effektiv entgegen, sie ermög­
Bekleidungen bei Bauten der Gebäudeklasse 5 nur dann, wenn lichte es auch, sämtliche Außenwände als nicht tragende, außen-
ein Brandüberschlag (insbesondere zwischen den Geschossen) seitig gedämmte Massivholzwände in F30 und von innen holzsich-
durch bauliche Maßnahmen ausgeschlossen werden kann. tig auszuführen. Als weitere Folge der fehlenden Brüstungen,
Um dies zu gewährleisten, arbeitete Kaden+Lager von Anfang an aber auch aufgrund der großen Stützenabstände von 8,5 Metern
mit den Statikern und den Brandschutzingenieuren zusammen, wurden in der Außenfassade Stahlträger eingebaut, die zugleich
die ein sehr ausführliches Brandschutzkonzept erstellten. Teil als Ringanker und Decken­auflager dienen. Holzträger kamen hier
dieses Konzepts war eine in statischer und brandschutztechni­ wegen zu großer Aufbauhöhen nicht infrage.
scher Hinsicht sehr „robuste“ Konstruktion, die beispielsweise ein Wesentliches brandschutztechnisches Thema dieses Projekts
­Sockel­geschoss und ein mittiges Sicherheitsfluchttreppenhaus ist die Rauchdichtigkeit der Deckenkonstruktion. Sie wird durch
in Stahlbeton beinhaltet. Letzteres verfügt über Schleusen und Fugen an den Bauteilverbindungen erreicht, die mehrfach mit
steht zudem unter Überdruck, wodurch verhindert wird, dass Nuten und Gipsfaserplatten sowie teils zusätzlich mit Brand-
Rauch aus einer brennenden Etage in den Treppenraum gelangt. schutzmasse und Klebebändern geschützt sind. An den Decken-
Die tragenden Stützen bestehen aus Brettschichtholz, die ­Decken stößen wird dieses Prinzip ebenso angewendet wie an den Decken­
und die vereinzelt tragenden Wände der Wohnungen aus Brett­ anschlüssen zu Beton- und Holzwänden. Hinzu kommt ein aus
sperrholz – alle Bauteile wurden aus zertifiziertem Fichtenholz vielen weiteren Einzelschichten bestehender Bodenaufbau mit
vorgefertigt. Massive Holzbauteile bieten vor allem zwei Vorteile: Trockenestrich. Der weitgehende Verzicht auf aufschäumende
Sie sind frei von Hohlräumen, in denen Hohlraumbrände entste- Brandschutzmasse ist ebenso Teil der ökologischen Nachhaltig-
hen können, und sie sind im Brandfall durch die einsetzende keit dieses Projekts wie der trockene Bodenaufbau. Letzterer
Holzkohlebildung geschützt. macht es möglich, sämtliche Baustoffe eines Tages einfach zer­
legen und getrennt recyceln oder wiederverwenden zu können.
Gebäudeentwurf und Brandschutzkonzept sind das Ergebnis aus
Standort Fruchtschuppenweg 3, Heilbronn⁄ DE
Bauherr Stadtsiedlung Heilbronn GmbH, Heilbronn⁄ DE, www.stadtsiedlung.de
den langjährigen Holzbau-Erfahrungen sowohl der Architekten
Planung Kaden+Lager, Berlin⁄ DE, www.kadenundlager.de als auch der Ingenieure. Um diese tatsächlich in die Realität um-
Statik bauart Konstruktions GmbH & Co. kg, Lauterbach⁄ DE, www.bauart-konstruktion.de setzen zu können, war es unerlässlich, sie in allen Einzelheiten
Brandschutzplanung Dehne, Kruse Brandschutzingenieure GmbH & Co. kg, Gifhorn⁄ DE,
schon sehr früh mit den Baubehörden und der Feuerwehr der Stadt
www.kd-brandschutz.de
Holzbau Züblin Timber, Aichach⁄ DE, www.zueblin-timber.com Heilbronn abzustimmen. Dies war umso wichtiger, als sich das
Fertigstellung März 2019 Projekt ja jenseits der bauaufsichtlichen Regelwerke bewegte.
Brandrede für Holz
10
11
zuschnitt 77.2020
von 1:200 um 40 Prozent auf 1:500 verkleinert

5 m

Dass sich der enge Austausch gelohnt hat, zeigt ein Genehmi- Sowohl die hybride Konstruktion als auch das Brandschutzkonzept
gungsprozess, der nach Abgabe der Pläne vergleichsweise un- hätten – zwar mit größeren Bauteilquerschnitten, aber in der
spektakulär und ohne wesentliche Nachforderungen wie Brand- gleichen innenräumlichen Qualität – die Ausführung eines viel
versuche ablief. Und auch eine Teilbaugenehmigung für den höheren Holzhochhauses erlaubt. Während die Böden Linoleum-
Betonbau wurde problemlos erteilt, weil die Aussicht auf Rea­ beläge erhielten, erscheinen sämtliche Außenwände und die
lisierung des Gesamtprojekts zu keinem Zeitpunkt infrage stand. ­Decken in unbekleidetem Holz. Die Leichtbauwände hingegen
Diese Teilbaugenehmigung bot vor allem den Vorteil, mit dem wurden mit Gipskartonbekleidung versehen und die Betonwände
Bau beginnen und gleichzeitig die Holzbauteile vorfertigen zu des Fluchttreppenhauses gespachtelt und gestrichen. Ergebnis ist
können. eine differenzierte Innenraumwirkung mit hohem Anteil an wohn­
lich warmen Holzoberflächen. Das Wohnhochhaus in Heilbronn
ist ein Wegbereiter eines undogmatischen und immer selbstver-
ständlicher werdenden Holzbaus, dem die konstruktiven und
Detail Deckenstoß brandschutztechnischen Anstrengungen nicht anzusehen sind.
Auf eine korrekte Ausführung vor Ort kommt es an. Nur dann
kann die Konstruktion als absolut rauchdicht eingeschätzt werden.
Roland Pawlitschko
ist freier Architekt, Autor und Redakteur sowie Architekturkritiker. Er kuratiert
Ausstellungen rund um das Thema Architektur und Öffentlichkeit, organisiert
Architekturexkursionen und veröffentlicht Artikel und Aufsätze in Büchern,
Zeitschriften und Tageszeitungen. Roland Pawlitschko lebt und arbeitet in
München.

Quelle (Detail): Brandschutzkonzepte für mehrgeschossige Gebäude und


Aufstockun­gen, holzbau handbuch, Reihe 3, Teil 5, Folge 1, Informationsdienst
Holz, Berlin 2019
Brandschutzmasse
Rauchdichtheitsschicht mit Gipsfaserplatte 18 mm
Fase 3 mm
Rauchdichtheitsschicht mit Klebeband

Brandschutzkonzept (Auszug)
_ Hybridbauweise: Sockelgeschoss und Treppenhaus aus Stahlbeton
_ Treppenhaus mit Schleusen und Überdruck, damit kein Rauch in den Treppenraum gelangt
_ Hochdruck-Wasserlöschanlage, verhindert Brandüberschlag über Fassade und erlaubt Außenwände in F 30
_ enger Austausch mit Behörden und Feuerwehr
_ Rauchdichtigkeit der Decken
Sorhauggata
kein Nordpfeil vorhanden!
Digital vernetzte Brandschutzplanung
0 1 5

Studentenwohnheim in Norwegen

EI 60 [B 60]
REI 120 A2-s1, d0 [A 120]

EI60
REI 120, A2-s1, d0
  Fluchtweg

5 m

Eva Guttmann

Seit der Bürogründung Mitte der 1990er Jahre beschäftigen sich tern eines Projekts auch deren inhärente Komponenten wie etwa
Helen & Hard mit dem Holzbau. Die technischen Möglichkeiten unterschiedliche, hierarchisch gegliederte inhaltliche und mate­
haben sich seither maßgeblich weiterentwickelt und in Norwegen rielle Ebenen gemeinsam mit Spezialisten aus anderen Disziplinen
gelten Siv Helene Stangeland und Reinhard Kropf zu Recht als zu berücksichtigen und in den Entwurf miteinzubeziehen.“
Holzbau­pioniere. Neben Innenraumgestaltungen, Ein- und Mehr- So wurde das 2015 fertiggestellte Studentenheim in der Sørhaug-
familienhäusern, Bürogebäuden etc. haben die Architekten auch gata 100 in Haugesund gemeinsam mit den Experten von
viele großmaßstäbliche öffentliche Bauten in Holz geplant und itre (Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie des Euro­
realisiert, u. a. das Vennesla Library and Cultural House (Vennesla, päischen Parlaments) entwickelt. Es wurde in einer Baulücke im
2011), die Grimstad Library (Grimstad, 2017), den Bjergsted Zentrum von Haugesund in Massivholzbauweise mit Sichtoberflä-
Financial Park (Stavanger, 2019) oder den Samling-Komplex, ein chen im Inneren und Holzfassaden dank Vorfertigung in einer
multifunktionales Gebäude mit Bibliothek und Wohnungen Bauzeit von nur sieben Monaten errichtet und besteht aus einem
(Nord-Odal, 2019). fünfgeschossigen straßenbegleitenden und einem kleineren,
Technische Innovation in Planung und Ausführung, Ressourcen- ­weiter hinten am Grundstück positionierten Trakt. Die beiden Teile
management, Bionik und „Relational Design“ spielen bei all diesen sind durch eine gemeinsame Terrasse miteinander verbunden,
Bauwerken eine wichtige Rolle. Reinhard Kropf beschreibt letzte- ­dazwischen gibt es einen Hof. An der Straßenfront fällt neben
ren Begriff so: „Bei Relational Design geht es darum, neben den der bewegten Trauflinie, deren Verlauf mit der Dachlandschaft
technischen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Parame- entlang der Straße zu tun hat, die Dreiteilung des Gebäudes auf.

Standort Sørhauggata 100, Haugesund⁄ NO


Bauherr Student Welfare Organization of Stord, Haugesund⁄ NO
Planung Helen & Hard, Stavanger⁄ NO, www.helenhard.no
Statik Høyer Finseth (heute wsp) Oslo⁄ NO, www.wsp.com
Brandschutzplanung Roar Jørgensen as, Hønefoss⁄ NO, www.roarjorgensen.no
Holzbau Woodcon as, Brumunddal⁄ NO, www.woodcon.no
Fertigstellung 2015
In formaler Hinsicht ist diese Dreiteilung der gewünschten Maß- Ausrüstung der örtlichen Feuerwehr im Brandschutzkonzept mit
stäblichkeit und Rhythmisierung im urbanen Kontext geschuldet, zu bedenken. Ist ein entsprechendes Brandschutzkonzept vorhan-
in funktionaler Hinsicht der Belichtung der Mittelgangerschließung den, dann ist die Freigabe durch die Behörde meist kein Problem,
in den Wohngeschossen. Technisch bestand die Notwendigkeit, auch wenn es Abweichungen von den „regulären“ Richtlinien und
zwei Treppenhäuser zu implementieren, ein Haupttreppenhaus mit Gesetzen gibt.
selbstschließenden Brandschutztüren und ein Fluchttreppenhaus.
Dazu kommen eine Sprinkleranlage, Rauchmelder und konstruk-
Eva Guttmann
tive Maßnahmen an neuralgischen Punkten.
2004 – 09 Chefredakteurin der Zeitschrift Zuschnitt, 2010 – 13 Geschäftsführerin
In Norwegen war bis 1997 Holz für Häuser mit mehr als drei des hda, Haus der Architektur in Graz. Freischaffende Autorin, Herausgeberin,
­Geschossen verboten, erst dann wurden die Gesetze nach und Redakteurin und Verlagsrepräsentantin für Park Books Zürich; lebt und arbeitet
nach adaptiert. „Doch immer noch sind die Brandschutzbestim- in Graz und Wien.
mungen in Nor­wegen streng und gerade im Holzbau eine
­Herausforderung“, berichtet ein Mitglied des Planungsteams.
­Daher war es auch bei diesem Bauwerk essenziell, von Anfang an
Brandschutzinge­nieure in den Entwurfsprozess miteinzubeziehen
und im Rahmen von digital vernetzter Planung optimale Lösun­gen
zu erzielen. Zudem ist es in Norwegen notwendig, die verfügbare

5 m

0 1 5
Drei Brandschutzexperten im Gespräch
Holz brennt überall gleich, und doch unterscheiden
sich die nationalen Herangehensweisen

Anne Isopp

Holz brennt überall gleich, und doch gibt es unterschiedliche kohle und brennbaren Gasen zersetzt) zu vieler brennbarer Ober-
Einschätzungen der Brandgefahr. Unterschiedliche Denk- und flächen schneller vonstatten gehen kann, dass wir eine ­größere
Herangehensweisen führen zu unterschiedlichen Brandschutz­ Feuersäule vor der Fassade bekommen und dass wir u­ nter Umstän-
verordnungen. Wir haben dazu die Brandschutzexperten Stefan den bei einem voll ventilierten Brand eine Tempe­ratur­ent­wicklung
Winter aus Deutschland, Reinhard Wiederkehr aus der Schweiz bekommen, die über der Einheitstemperaturkurve im Prüfverfahren
und Frank Peter aus Österreich befragt. liegt. Man muss die Grenzen kennen. Holz ist ein brennbarer Stoff.

Deutschland Welche weiteren Änderungen in Bezug auf den Brandschutz


Gespräch mit Stefan Winter sind zu erwarten? Es gibt noch eine Frage, die uns vor allem bei
Im letzten Jahrzehnt wurde in Deutschland die Gesetzgebung den Hochhäusern beschäftigt: Geht das Holz nach einem Brand
für den Brandschutz im Holzbau liberalisiert. Wie ist es dazu von allein wieder aus? Nach etwa anderthalb Stunden ist bei
gekommen? Einen großen Beitrag hat hier die internationale For- einem entsprechend ventilierten Brand die mittlere mobile
schung geleistet. Insbesondere in den dach-Ländern haben wir Brandlast (Möbel, Einrichtung, Bücher) verbrannt. Dann geht
durch koordinierte Forschungen nachweisen können, dass wir im das Feuer aus und die Konstruktion bleibt stehen. Muss aber ein
Holzbau zu einem vergleichbaren Sicherheits- und Risikoniveau Gebäude einen Brand komplett alleine überstehen, ohne dass
kommen wie bei den mineralischen Bauarten. Es braucht aber die Feuerwehr kommt? Auch schon bei der Gebäudeklasse 5?
immer seine Zeit, bis sich solche Erkenntnisse in der Praxis durch- Die Frage nach der Definition des Schutzzieles ist, zumindest in
setzen. Je mehr große und mehrgeschossige Gebäude aus Holz Deutschland, nicht vollständig beantwortet. Die wissenschaft-
entstehen, umso gesellschaftsfähiger wird diese Bauweise. liche Antwort in Deutschland, der Schweiz und Österreich lautet:
Nach 90 Minuten, nach einem Vollbrand, darf ein Gebäude theo-
Trotz koordinierter Forschungen im dach-Raum werden die retisch zusammenstürzen. Egal ob Holzbau oder Stahlbau – so
Ergebnisse in den jeweiligen Ländern verschieden ausgelegt ist das Schutzziel. Nur ist diese klare Formulierung des Schutz-
und führen zu unterschiedlichen Gesetzgebungen. Das Thema ziels gesellschaftlich nicht ausdiskutiert. Es gibt Experten, die
der brennbaren Fassaden ist hier ein gutes Beispiel. Da gab es ­s agen, ein solches Gebäude muss einen Naturbrand überleben.
Versuche in Österreich, in der Schweiz und bei uns. Es kam mehr Dann sind wir beim selbst verlöschenden Holz. Der dicke Holz-
oder weniger überall das Gleiche heraus, und doch haben wir querschnitt geht im Regelfall von allein aus. Man könnte aber
­unterschiedliche Systeme. Der Brandschutz in der Schweiz wird auch nachhelfen, daran forschen wir gerade. Man kann Massiv-
im Wesentlichen von der Vereinigung Kantonaler Feuerver­ holzbauteile herstellen, die eine innen liegende Brandstopp-
sicherungen (vkf) getrieben. Die Bauordnungen bei uns sind schicht haben, bei der ein Feuer definitiv aufhört und die den
­L andesgesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Das ­innen liegenden Querschnitt weiter schützt.
ist ein ­anderer Entscheidungsprozess, es sind andere Player mit
unterschiedli­chem Hintergrund. Gesetzestexte werden überwie-
Stefan Winter ist Professor für Holzbau und Baukonstruktion an der
gend von ­Juristen geschrieben, Brandschutzrichtlinien der vkf
tu München. Brandschutz im Holzbau zählt zu seinen Forschungsgebieten.
überwiegend von Technikern.

Der Umgang mit Sichtholzflächen ist auch ein gutes Beispiel Schweiz
dafür, wie unterschiedlich das Brandrisiko von Holz beurteilt Gespräch mit Reinhard Wiederkehr
wird. Wie schaut es hier in der deutschen Gesetzgebung aus? Worin unterscheidet sich die schweizerische Herangehenswei­
Da gibt es im Moment unterschiedliche Auffassungen. Nach se im Brandschutz von jener der Nachbarländer? Die Schweizer
­baden-württembergischer Bauordnung kann man alle Oberflä- sind weniger normengläubig als gewisse europäische Nachbar-
chen in Sichtholz bauen. länder. Wenn wir feststellen, dass eine Norm ungenügend ist, dann
Nach dem jetzigen Entwurf der Muster-Holzbaurichtlinie hingegen suchen wir nach Lösungen. In der Schweiz darf man theoretisch
darf entweder die Decke sichtbar in Holz belassen werden oder alles bauen, wenn man es verantworten kann. In Deutschland
ein Anteil der Wände. Diese Regelung halte ich für vernünftig. hingegen können Sie, wenn es für etwas keine Norm gibt, das auch
Wir wissen, dass die Brandausbreitung durch die Pyrolysen (dem nicht bauen. So können in der Schweiz natürlich Neuerun­gen viel
thermischen Prozess, bei dem sich Holz unter Bildung von Holz- schneller umgesetzt werden.
1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 Entwicklung der Brandschutzvorschriften
So hoch darf man mit Holz bauen
ohne ­Z usatzauflagen

≤ 22 m
2004 Muster-Holzbaurichtlinie
Auch in Deutschland ist die Baugesetzge-

Brandrede für Holz


bung Ländersache. In immer mehr Bundes-
ländern ist es möglich, mit Holzbau ohne

2018 Stand September


R 9 0

≤ 13 m
≤ 13 m
Kapselung bis zu einem Fluchtniveau von
A R 6 0 22 Metern zu bauen. Auch für die Muster-
R 6 0 -B
R 9 0

≤ 7 m
bauordnung liegt inzwischen ein Entwurf
A R 6 0
R 6 0 R 6 0 -B vor, der eine Abweichung für das Bauen
Deutschland
R 6 0 mit Holz bis zur Hochhausgrenze erlaubt.

14
15
≤ 100 m

zuschnitt 77.2020
≤ 30 m
R 6 0
mit
k-
S p rin
-
le r v o ll
z
s c hut
1993 vkf-Brandschutznorm

2003 vkf-Brandschutznorm

2015 vkf-Brandschutznorm
R 0
R 6 0
bei
R 0 k- Die Schweiz hat als erstes Land ein
S p rin
- materialunabhängiges Sicherheitsniveau
le r v o ll
z
R 6 0 ⁄ s c hut eingeführt. Damit können Holzbauteile
­
R 0 EI 3 0 R e duk in allen Gebäudekategorien und Nutzun­
Schweiz R 0 m
(nb b) t io n u .
R 3 0 3 0 M in gen eingesetzt werden.
R 3 0

In Österreich ist die Baugesetzgebung


Ländersache. Die hier gezeigten Angaben
gelten für Wien. Die oib-Richtlinie 2 zum
Thema Brandschutz kann und wird in den
≤ 22 m meisten Bundesländern als Basis für die
≤ 11 m
≤ 11 m
2007 Techniknovelle

2015 Techniknovelle
2001 Techniknovelle

R 6 0 länderspezifischen bautechnischen Vor-


≤ 7 m

schriften herangezogen. Die letzte Ände-


R 6 0 R 3 0 R 9 0 rung der oib von 2015 hat vor allem in der
Gebäudeklasse 5 Erleichterungen für den
Österreich R 6 0 R 6 0
2 Holzbau mit sich gebracht.
R 9 0 +A

≤ m Fluchtniveau

Die Schweizer trauen sich also in Bezug auf den Brandschutz Holzbau eine faire Chance zu geben und die Grundsätze des Vor-
mehr? Auch in der Schweiz ist ein Material viel zu stark danach schriftenwerks zu überarbeiten. Mit der rein technischen Diskus-
beurteilt worden, ob es brennbar ist oder nicht. Dabei ist das Ge- sion, ob ein Material brennbar oder nicht brennbar ist, kam man
samtbrandverhalten von Holzgebäuden nicht markant schlechter nicht weiter und hat deshalb die ganze Gesetzgebung grundsätz-
als von Gebäuden aus anderen Baustoffen. Mithilfe von Forschun- lich hinterfragt. Das zaghafte Vorwärtsgehen in den anderen
gen und Entwicklungen und anhand von Schadensfällen konnte Ländern ist darauf zurückzuführen, dass man dort das Gegenteil
aufgezeigt werden, dass die Kategorisierung in brennbar und nicht einer Norm beweisen will. Damit bleibt man immer im gleichen
brennbar nicht mehr sinnvoll ist. Heute bauen wir Holzbauten Denkmuster.
technisch robuster und haben eine ganze andere Wasserversorgung.
Darum kann der Brand im Kleinen bekämpft werden. Zugleich Sind in Zukunft noch weitere Erleichterungen für den Brand­
haben sich die Schweizer auch die Frage gestellt, wo die heuti­ schutz im Holzbau zu erwarten oder ist nun alles ausgereizt?
gen Risiken liegen, und festgestellt: Die CO2-Thematik stellt ein In der Schweiz können heute Gebäude bis zur Hochhausgrenze
viel größeres gesellschaftliches Risiko dar als ein Brand. In der ohne Weiteres in Holz gemäß Standardkonzept der Brandschutz-
Schweiz gibt es kantonale Monopol-Gebäudeversicherungen. Diese vorschriften gebaut werden. Hier gibt es sicher noch Vereinfa-
Versicherungen sind daran interessiert, ein Gebäude möglichst chungsmöglichkeiten. Da es in der Logik unserer technischen
sicher bauen zu lassen, damit es nicht niederbrennt. Während aber Entwicklung nicht mehr um die Frage geht, ob ein Material
die Brandschäden in der Schweiz gleichbleibend sind, haben die brennbar ist oder nicht, können durchaus auch Hochhäuser in
Schäden im Elementarbereich – durch Überschwemmungen oder Holz gebaut werden.
Murenabgänge – zugenommen. Das haben die Versicherungen Es gibt aber noch ein anderes Thema, das wir als Branche ernst-
erkannt. nehmen müssen: den Brandschutz auf der Baustelle. Holzgebäude
Da eine gesunde Waldwirtschaftspolitik einen positiven Einfluss sind sicher, wenn sie fertiggebaut und in Betrieb sind. Aber wäh-
auf das Klima hat, will man der Wertschöpfungskette Wald und rend der Bauphase muss sich die Branche der Risiken bewusst sein
Holz mehr Bedeutung verleihen. In diesem Kontext kann man und verantwortungsbewusst damit umgehen.
auch volkswirtschaftlich etwas mehr Brandschäden verantworten.
Die Frage der Personensicherheit hat nichts mit der Materialwahl Reinhard Wiederkehr ist Holzbauingenieur und Brandschutzexperte im Büro
der Geschossdecke oder der Trennwand zu tun. Dies ist eine Makiol Wiederkehr ag. Er war als Mitglied des Fachausschusses Brandschutz im
wohnungsinterne Frage. So hat man politisch entschieden, dem Holzbau in die Überarbeitung der Brandschutzvorschriften involviert.
Literatur

Österreich Atlas Mehrgeschossiger Holzbau


Gespräch mit Frank Peter Detail Business Information GmbH, München 2017, Euro 130,–
In Österreich wurden in den letzten Jahren die Brandschutz­ Zu bestellen unter: shop.proholz.at
vorschriften für den Holzbau liberalisiert. Welche Vorbehalte
gegenüber dem Holzbau sind dennoch geblieben? Wir können att.Zuschnitt
in Österreich sechs Geschosse in Holz errichten, ohne besondere Brandschutzvorschriften in Österreich
Anforderungen nach oib-Richtlinie 2
Anforderungen erfüllen zu müssen. Wir müssen nicht mehr, wie proHolz Austria (Hg.), 3. Auflage 2015
in einigen deutschen Bundesländern nach wie vor gefordert, die Zum Download: shop.proholz.at
Holzkonstruktion kapseln. Mit einer Kapselung will man verhin-
dern, dass sich Holzbauteile durch einen Raumbrand entzünden Fassaden aus Holz
und in weiterer Folge eine unkontrollierte Brandausbreitung Ein Fachbuch von proHolz Austria (Hg.)
stattfindet. Natürlich kann der Baustoff Holz einen zusätzlichen Zu bestellen unter: shop.proholz.at
Beitrag zum Brand leisten und damit die Größe eines Brand­
ereignisses beeinflussen. Die wesentliche Frage ist immer, ob der www.dataholz.eu
Brand für die Feuerwehr beherrschbar bleibt oder nicht. Erst ab Interaktiver Online-Bauteilkatalog behördlich zugelassener
einem gewissen Stadium in der Brandentwicklung spielt es eine sowie bauphysikalisch und ökologisch geprüfter Holzbauteile
Rolle, dass Holz ein brennbarer Baustoff ist. Ein Raumvollbrand
in der Größe von einer Wohnung ist für die Feuerwehr beherrsch- Lignum Dokumentation Brandschutz
bar, unabhängig davon, ob das Gebäude aus Holz oder einem Technische Dokumentationsreihe zur Anwendung der Schwei-
­anderen Material errichtet wurde. zer Brandschutzvorschriften. Die detaillierten Publikationen
thematisieren jeweils einzelne Aspekte der Brandschutzpla-
nung von den Anschlüssen bei Bauteilen mit Feuerwiderstand
Wie schaut es in Österreich mit Gebäuden mit mehr als sechs bis hin zur Qualitätssicherung im Brandschutz.
Geschossen in Holzbauweise aus? Derzeit haben wir eine klare www.lignum.ch
Trennlinie: Erst bei mehr als sechs Geschossen in Holzbauweise
brauchen wir ein Brandschutzkonzept, in dem wir begründen, www.proholz.at/bauholz – bau:Holz – Seminarreihe Mehr­
dass wir das gleiche Sicherheitsniveau wie mit mineralischen geschossiger Holzbau
Baustoffen erreichen. Uns fehlt hier ein Übergangsbereich von Die Vorträge von 2018 und 2019 stehen zum Download und
sechs Geschossen zu h­ öheren Gebäuden. Man sollte sich von der zum Nachlesen auf www.proholz.at/bauholz bereit.
Genehmigungsseite her überlegen, wie man Holzbauten mit
mehr als sechs Geschossen auch ohne besondere Maßnahmen Modul 17. Hochhaustypologie in Holzhybridbauweise
ausführen kann. Das kann e­ ine kleinzellige Bauweise sein oder Frank Keikut, Sonja Geier, Kompetenzzentrum Typologie & ­
es kann Kompromisse in B ­ ezug auf die Sichtholzflächen geben. Planung in Architektur (cctp), Zürich 2019
Basierend auf der Liberalisierung der Brandschutzvorschriften
So könnte man auf der Basis einer Risikobetrachtung neue Vorga-
im Jahr 2015 in der Schweiz beschäftigte sich dieses For-
ben für Gebäude aus Holz über sechs Geschosse festsetzen. schungsprojekt mit den Merkmalen einer spezifischen Hoch-
haustypologie in Holzhybridbauweise. Der Umgang mit dem
Wollen Sie das Grenzdenken durch Risikodenken ablösen? Brandschutz ist dabei wesentlich.
Die Risikobetrachtung im Brandschutz ist eine schwierige Materie. www.vdf.ch/modul17.html
Im Gegensatz zu einem Brandereignis ist das Risiko, im Straßen-
verkehr zu verunglücken, ein akzeptiertes. Ein Brand hingegen ist
ein ungewöhnliches Ereignis. Die Angst vor Feuer zählt zu den
Urängsten des Menschen und unsere Gesellschaft hat hier ein
hohes Sicherheitsbedürfnis. Nehmen wir als Beispiel einen gewöhn­
lichen Lebensmittelmarkt mit 1.200 m2 Fläche, bei dem keine
Brandschutzeinrichtung gefordert ist. Wenn das Brand­ereignis
eine entsprechende Größe entwickelt hat, wird es der Feuerwehr
nicht mehr gelingen, den Brand zu l­öschen. Der Lebens­mittel­
markt wird vollständig abbrennen, egal ob er aus Holz, Beton
oder Stahl errichtet wurde. Dieses Risiko ist in der Bauordnung
enthalten und damit gesellschaftlich akzeptiert. Dennoch tun
sich die Menschen sehr schwer, einen solchen Verlust, ein solches
Schadensereignis zu akzeptieren. Die Schweizer hingegen betrach-
ten das Risiko bei Bränden viel objektiver und lassen auch volks-
wirtschaftliche Aspekte in ihre Risikobetrachtun­gen miteinfließen.

Frank Peter ist Brandschutzexperte und Geschäftsführer der Firma brandRat


für Brandschutz, Consulting und Engineering.
Alles F 30 Aufstockung in Berlin

Brandrede für Holz


Claus Käpplinger

Die Nachverdichtung der Stadt ist heute in aller Munde, da sie die

16
17
Möglichkeit bietet, ressourcenschonend einer weiteren Zersiede-
lung entgegenzuarbeiten. Gerade der Siedlungsbau der unmittel-

zuschnitt 77.2020
baren Nachkriegszeit, der oft nur vier oder fünf Geschosse er- Standort Wassertorstraße 12 – 13, Berlin⁄ DE
reichte, bietet vielerorts und gerade auch in den Innenstädten Planer Architekturbüro Martina Trixner, Berlin⁄ DE, www.martina-trixner.de;
buchner + wienke architekten, Berlin⁄ DE, www.buchnerundwienke.de
noch Potenziale zu Aufstockungen. In Berlin-Kreuzberg fand 2014 Bauherr Bauherrengemeinschaft Wassertorstraße GbR c⁄ o Leo Ganz, Berlin⁄ DE
eine kleine Bauherrengemeinschaft ein geeignetes Gebäude für Statik Niehues Winkler Ingenieure GmbH, Berlin⁄ DE, www.niehueswinkler.de
eine Aufstockung auf einen fünfgeschossigen Wohnungsbau der Brandschutzplanung Maria Neuse⁄ Ingenieurbüro Rüdiger Jockwer, Berlin⁄ DE, www.jockwer-gmbh.de
Holzbau Kontec Montage GmbH, Storkow⁄ DE, www.kontec-montage.de
1960er Jahre, dessen statische Reserven jedoch begrenzt waren.
Fertigstellung April 2017
Für fünf neue Wohneinheiten von 32 bis 117 m2 Größe entwickel­
ten die Architekten Karsten Buchner, Birgit Wienke und Martina
Trixner für sich und die anderen Bauherren ein Konzept, das
­wesentlich auf Holzbinder und Holzständerwerke aufbaut. Die Änderung der Gebäudeklasse kommt und sich dadurch die Brand­
Lasten der Aufstockung mussten aber teilweise über einen neuen schutzanforderungen erhöhen. Der Architektengemeinschaft
Stahlträger auf die alten Außenmauern verteilt werden, weil die aber gelang es mit ihrem Entwurf, innerhalb der Gebäudeklasse 5
oberste Decke des Altbaus wie auch ­dessen Fundamente nur zu bleiben. Rüdiger Jockwer erstellte den Brandschutznachweis
recht begrenzte Lastreserven besaßen. Auf Wunsch der Stadt­ mit F30-Bauteilen und Rettungswegen über die beiden Altbau-
planung entstanden so leicht abgerückt von der Straße und der Treppenhäuser sowie Anleiterstellen für Hubrettungswägen in
­Altbauflucht ein neues Vollgeschoss und eine sehr großzügige einer Höhe von 17 Metern. Unumgänglich waren dafür jedoch
Dachterrasse mit vier Pavillonräumen, die das vorgefundene Vorhangfassaden aus Trapezblech. Den vielfältigen räumlichen
­Satteldach ersetzen. Variationsreich auf die Wahrnehmung aller und sensuellen Qualitäten der Aufstockung tut dies keinen Ab-
drei Dimensionen des Raums hin konzipiert, zeigen sich nun alle bruch, vielmehr wurde hier mit begrenzten M ­ itteln Erstaunliches
Wohnräume angenehm lichterfüllt mit wechselnden Raumhöhen, erreicht. Zu Recht erhielt das Projekt Wassertorstraße 2 den 2019
Galerien und Orientierungen, die gerade auch ihre Konstruktion erstmals verliehenen Berliner Holzbaupreis in der Kategorie Bauen
in Holz mit 72 cm hohen Leimbindern effektvoll zu inszenieren im Bestand.
verstehen. Weiß gelaugt und geölt, stehen sie w
­ iederkehrend in
sanftem Kontrast zu den reversibel konzipierten Trockenbauwän- Claus Käpplinger
den, deren Höhe nun zwischen 2,30 und 4,50 Metern differiert. lebt als freier Architektur- und Stadtkritiker in Berlin und lehrt seit 2012 am
Schwierig wird es bei Aufstockungen, wenn es dadurch zu einer Institut für Entwerfen und Gebäudelehre der tu Braunschweig.
Lernen vom 84 Meter hohen Hochhaus in Wien

Brandschutzkonzept (Auszug)
_ Konstruktionssystem ohne
Hohlräume
_ kleine Brandabschnitte
_ Hybridbauweise: Stahlbetonkern,
Holz-Beton-Verbunddecken
_ Brandversuche mit Knoten- und
Auflagerdetail
_ flächendeckende Sprinkler- und
Brandmeldeanlage

Maik Novotny

Der Brandschutz für das 84 Meter hohe Holzhochhaus in Wien In ihrer Strategie kamen die Planer den Behörden zudem entge-
war für Planer und Behörden eine besondere Herausforderung, gen, denn sie entwickelten ihr Brandschutzkonzept aus den Nor-
die Erkenntnisse daraus konnten auch für Folgeprojekte gewon- men heraus. „Die Bauordnung definiert Schutzziele“, so Alexander
nen werden. Das HoHo Wien ist nicht nur stadträumlich ein Kunz. „Wie diese einzuhalten sind, steht als Empfehlung in den
Leuchtturmprojekt der Seestadt Aspern, sondern stellt als Holz- oib-Richtlinien. Wir haben also jeden Punkt der Richtlinien den
hochhaus von Anfang an einen architektonischen Sonderfall dar. Schutzzielen zugeordnet und dargestellt, in welchen Punkten wir
Das von einem privaten Investor, der Kerbler Holding, entwi- davon abweichen. Für diese Punkte hatten wir uns bereits Gegen-
ckelte Projekt betritt eindeutig konstruktives Neuland. Ein Kern maßnahmen überlegt.“ Dies betraf im Wesentlichen die Tragkon-
aus Stahlbeton, daran angehängt eine Holz-Verbundkonstruktion, struktion.
bestehend aus vier Grundelementen: Verbunddecken, Wand­ Die erste Besprechung mit der ma 37 und der Feuerwehr verlief
elementen, Stützen und Unterzügen. Die ersten Mieter zogen vielversprechend, zu lösen war danach vor allem die Frage, wie
2019 ein, eine Hotelkette wird im Sommer 2020 eröffnen. stabil die Knoten und Auflager im Brandfall sein würden. Sprich:
Holz in der Höhe – ganz klar, dass hier von Anfang an die Frage Die kraftschlüssige Übertragung der Horizontalkräfte ins massive
des Brandschutzes zentral war. Die Planer rlp Rüdiger Lainer + „Rückgrat“ des HoHo Wien musste gewährleistet bleiben, auch
Partner setzten gemeinsam mit Brandschutzplaner Alexander unter Berücksichtigung eventueller Bautoleranzen.
Kunz und Ingenieur Richard Woschitz (Woschitz Group) ein Die große Bewährungsprobe schließlich war der Worst-Case-Test
­Strategiepapier auf und legten dieses der Kompetenzstelle Brand­ eines kompletten Elements (Stütze, Knoten, Decke) im Maßstab
schutz (ksb) der Magistratsabteilung 37 (ma 37) vor. 1:1 in der Versuchsanstalt der Prüf-, Inspektions- und Zertifizie-
„Wir haben uns genau überlegt, was wir erreichen wollen und rungsstelle der Magistratsabteilung 39 (ma 39), mit 90 Minuten
wie wir es umsetzen“, erklärt Rüdiger Lainer. Die Argumente, mit Befeuerung mit 1.000 °C. Das Ergebnis war positiv: Es kam zu
denen die Planer die Behörden überzeugen wollten, waren unter einem Abbrand von ca. 5 cm und es bildete sich eine Kohle-
anderem: Das aus den vorgefertigten Elementen bestehende schicht. Nach Entfernung der komplett verkohlten Oberflächen-
Konstruktionssystem wies – im Unterschied etwa zu traditio- schicht von 2 bis 3 cm erwies sich der Kern des Holzes als kom-
nellen Tramdecken – keine Hohlräume auf, in denen sich ein plett intakt. Erkenntnis am R­ ande: Ein wichtiger Einflussfaktor
Feuer unbemerkt entwickeln und ausbreiten kann. Die kleinen für das Brandverhalten war die Klebstoffschicht in den Brett­
Brandabschnitte, die sich aus dem Entwurf ergaben, waren ein sperrholz-Elementen, die je nach Klebstoffeigenschaft und vor
weiterer Vorteil. allem bei den Decken zu einem ­vorzeitigen Abfallen der schüt-
zenden Kohleschicht führt und damit brandbeschleunigend
wirkte, während die dazwischenliegenden Holzschichten das
­Vordringen des Feuers bremsten.
Sch
leus
e Bra
nda
bsc
hni
tt

Brandrede für Holz


19
18
zuschnitt 77.2020
Brandabschnitt
Schleuse 1
0

Sprinkleranlage 5

  Fluchtweg HO
5 m
HO

„Man muss wirklich sagen, dass die Professionalität aller Beteilig­ „Die Kernidee dabei ist, dass wir uns nicht wie beim HoHo Wien
ten hier zum Erfolg beigetragen hat“, sagt Irmgard Eder, Leiterin an einen Hersteller binden wollen, der das Marktmonopol hat“,
der Kompetenzstelle Brandschutz (ksb) bei der ma 37. „Der Test erklärt Sterl. Denn solche hoch angesetzten Preise seien für den
bei der ma 39 war hilfreich, aber ganz elementar waren die tech- geförderten Wohnbau nicht realisierbar. Das obsys ist daher als
nischen Überlegungen des Brandschutzplaners. Der Rest war ein offenes Bausystem konzipiert, das dank serieller Vorfertigung
gemeinsamer Iterationsprozess zwischen allen Planern, der Feuer- und Anbieterkonkurrenz auch für Wohnbauträger rechnerisch at-
wehr und mir.“ Zweifellos förderlich war auch die Tatsache, dass traktiv ist. „Die Umsetzung kann mit Brettsperrholz, Brettschicht-
das HoHo Wien ein Leitprojekt für die gesamte Stadt war, das holz oder klassischen Dippelbaumdecken-Systemen erfolgen.“
niemand scheitern sehen wollte. Das Brandschutzkonzept funktioniert hier, was die Fluchtwege
Hat man bei der ksb aus diesem Sonderprojekt Erkenntnisse für betrifft, ähnlich wie beim HoHo Wien, nämlich durch kleine
weitere Fälle gewonnen? „Grundsätzlich ist jedes Projekt ein Ein- Brandabschnitte und die kurze Distanz zu den Stiegenhausker-
zelfall, aber der Ansatz, die Brandlast durch kleinere gekapselte nen. Zudem profitiert man von der 2015 erfolgten Änderung der
Einheiten zu reduzieren, wurde schon in anderen Projekten er- oib-Richtlinie 2, die Holzkonstruktionen in Gebäuden bis zu sechs
folgreich umgesetzt“, sagt Irmgard Eder. Auch die Kombination Geschossen ermöglicht. Der Baubeginn für die Waldrebengasse,
„Holz, wo möglich, Beton, wo erforderlich“, sei für künftige Pro- ein Projekt der iba Wien, ist für 2022 geplant.
jekte der Schlüssel zum Erfolg. Sprich: Bei Stiegenhäusern ge-
winnt aus konstruktiven und brandschutztechnischen Gründen
Maik Novotny
der Stahlbeton, bei den Decken sind auch aus Schallschutzgrün-
ist Architekturjournalist und schreibt regelmäßig für die Tageszeitung Der
den die Holz-Verbunddecken im Vorteil. Standard, die Wochenzeitung Falter sowie für Fachmedien über Architektur,
Auch die Architekten haben Leitthemen aus dem HoHo Wien seit­ Stadtentwicklung und Design.
her weiterverfolgt. Bei rlp ist vor allem das Grundkonzept eines
fixen Kerns mit flexibel nutzbaren „Anhängseln“ seit langem eine
Konstante. „Wir versuchen jetzt, dies im verdichteten Flachbau
um­zusetzen“, sagt Projektleiter Oliver Sterl. Ein aktuelles Projekt
Standort Seeparkquartier, Wien⁄ AT
ist der Wohnbau in der Waldrebengasse in Wien-Stadlau, der im Bauherr cetus Baudevelopment GmbH, Wien⁄ AT, www.cetus.at
Rahmen eines Bauträgerwettbewerbs der Wohnbauoffensive Planung rlp Rüdiger Lainer + Partner Architekten, Wien⁄ AT, www.lainer.at
2018 bis 2020 entsteht. Hier wird ein massiver Stiegenhauskern Statik Woschitz Group, Wien⁄ AT, www.woschitzgroup.com
Brandschutzplanung Kunz – die innovativen Brandschutzplaner, Mödling⁄ AT,
mit 7 Meter tiefen Wohntrakten in Hybridbauweise kombiniert.
www.brandschutzplaner.at
Dafür entwickelten rlp das System obsys, eine Fortführung des Holzbau Handler Bau GmbH, Bad Schönau⁄ AT, www.handler-group.com
HoHo-Systems. Teilfertigstellung 2019
Wenn Holz brennt, …
… dann helfen der vorbeugende und abwehrende

Löschangriff nur von innen


Brandschutz und die Schutzschicht des Holzes

Die Einteilung der Gebäudeklassen beruht


> 32 m
auf den Einsatzmöglichkeiten der Feuerwehr max. 32 m
≤ 32 m

Löschangriff von außen möglich


Drehleiter
max. 22 m
≤ 22 m

max. 12 m
≤ 11 m

Schiebeleiter Standardfahrzeug
dreiteilig Feuerwehr

Gebäudeklasse 4 Gebäudeklasse 5 Gebäudeklasse 5


nicht mehr als vier oberirdische ≤ sechs oberirdische Geschosse mehr als sechs oberirdische Geschosse
Geschosse, Fluchtniveau ≤ 11 m Fluchtniveau ≤ 22 m Fluchtniveau > 22 m

Brandschadenstatistik Temperaturentwicklung im Vollholz


Die Brandschadenstatistik zeigt, dass die Bauweise keinen Ein-
fluss auf die Zahl der Brandtoten hat. Ein Brand bleibt meist in
einer Wohneinheit. Gibt es Todesopfer, dann stirbt meistens nur
eine Person in der Brandwohnung selbst aufgrund der brennen­
den Wohnungseinrichtung. In den letzten zehn Jahren gab es in
Österreich im Schnitt dreißig Brandtote pro Jahr.

95 mm

31 % 93 % 71 % 20 °C


der Toten lebten der Feuer entste- der Brandtoten
200 °C
allein und sind hen im Wohn- oder sterben an Rauch-
über 65 Jahre. Schlafzimmer gasvergiftungen 400 °C
600 °C
800 °C

Temperaturentwicklung nach
30 Minuten Brandeinwirkung
Brandschutz zur Erreichung der Schutzziele

vorbeugender Brandschutz abwehrender Brandschutz

baulich anlagentechnisch betrieblich Feuerwehr


Brandrede für Holz
Brandverhalten von Brettsperrholzdecken Deckenelemente

20
21
Brandversuche an der eth Zürich zeigten, dass Beim Brand von Brettsperrholzdecken können
Deckenelemente aus mehrschichtigen Holzplatten sich einzelne Schichten nach der Verkohlung

zuschnitt 77.2020
ablösen.
ein ungünstigeres Brandverhalten aufweisen als
Massivholzplatten, weil sich einzelne Schichten
nach dem Durchbrand ablösen können. Die Kohle-
schicht besitzt im Vergleich zum Holz eine gerin- Abbrand in mm
gere Wärmeleitfähigkeit und schützt daher das
innere Holz vor der Wärmeeinwirkung. Wenn sich
Teile der einzelnen Schichten der Brettsperrholz-
platte nach der Verkohlung ablösen, geht die
Schutzwirkung der sich bildenden Holzkohleschicht
verloren. Es ist dann wegen der steigenden Brand-
raumtemperatur mit einem erhöhten Abbrand zu
rechnen. Dieses Ablösen von Schichtteilen wurde
hingegen nur bei Deckenelementen aus Brettsperr- 25 mm
holz beobachtet, nicht bei Wandelementen. Des-
halb kann für die Ermittlung des Restquerschnitts
bei Wänden die eindimensionale Abbrandrate
angenommen werden. Bei Decken muss das Phäno-
men von ablösenden Schichtteilen mit einer Ver-
dopplung der Abbrandrate rechnerisch vereinfacht
berücksichtigt werden.

Abbrandrate von Holz Richtlinien und Normen


Die Verkohlungszone verzögert den Abbrand des Restquerschnitts, weil
durch diese „Schutzschicht“ die thermische Zersetzung nach innen lang- oib-Richtlinie 2, Brandschutz
samer fortschreitet, u. a. aufgrund der geringen Wärmeleitfähigkeit der oib-Richtlinie 2, Erläuterung, April 2019
Holzkohle und des Holzes. Die Abbrandgeschwin­digkeit verschiede­ner
Hölzer hängt u. a. von der Temperaturentwicklung im Brandraum ab, von önorm en 1995-1-2 Eurocode 5: Bemessung und
der Holzfeuchte und der Holzart (Rohdichte und Zellstrukturen). Konstruktion von Holzbauten – Teil 1-2: Allgemeine
Regeln – Tragwerksbemessung für den Brandfall
Einseitige Abbrandrate Sie wird bei einem einseitigen Abbrand, wie er
beispielsweise bei einer Massivholzwand bzw. -decke vorliegt, verwendet. önorm b 1995-1-2 Entwurf, Berechnung und
Abbrand pro Minute für Brettschichtholz Bemessung von Holzbauten – Teil 1-2: Allgemeine
Regeln – Bemessung für den Brandfall – Nationale
0,65 mm einseitige Abbrandrate
Festlegungen, nationale Erläuterungen und natio-
0,7 mm mehrseitige Abbrandrate nale Ergänzungen zur önorm en 1995-1-2.
Mehrseitige Abbrandrate Bei Stützen und Balken kommt es aufgrund der
mehrseitigen Brandbeanspruchung zu einem erhöhten Abbrand in der Ecke. önorm en 13501-2 Klassifizierung von Baupro-
Die nominelle Abbrandrate wird auch bei Rissen im Holz angewendet. dukten und Bauarten zu ihrem Brandverhalten –
Teil 2: Klassifizierung mit den Ergebnissen aus den
Nach 30 Minuten bildet sich eine Feuerwiderstandsprüfungen, mit Ausnahme von
Kohleschicht von ca. 2 cm. Lüftungsanlagen.

önorm b 3800-9 Brandverhalten von Baustoffen


und Bauteilen – Teil 9: Bauteile in Holzbauweise –
Anforderungen, Prüfungen und Beurteilungen.

Quelle: Brandschadenstatistik der österreichischen Brandverhütungsstelle 2018, Brandverhütung. Das Magazin zum Vorbeugenden Brandschutz.02.2015
Quelle (Temperaturentwicklung und Brettsperrholzdecken): Andrea Frangi, Michael Klippel, eth Zürich: Einfluss des Klebstoffes auf das Brandverhalten von Holzbau-
teilen, Vortrag beim 17. Internationalen Holzbau-Forum 11.
Lernen vom 60 Meter hohen Unihochhaus
im Kanton Zug

Suurstoffi West - Haus A


0 1 5 kein Nordpfeil vorhanden!

Baustoffe RF 1
(Material ohne Brandbeitrag)
EI 60-RF 1
Brandabschnitt EI 90
Schleuse
Baustoffe RF1
Sprinkleranlage
  Fluchtweg EI 60-RF1

5 m Brandabschnitt EI
Schleuse

Brandschutzkonzept (Auszug)
_ Hybridbauweise: Stahlbetonkern und Holz-Beton-Verbunddecken
_ Löschanlage ermöglicht sichtbares Holz
_ Begleitung durch Brandschutzfachperson
_ Fassade aus nicht brennbaren Baustoffen

Clementine Hegner-van Rooden

Bereits 2018 entstand im Suurstoffi-Areal in Risch-Rotkreuz ein werden und das mit einem Standard-Brandschutzkonzept.
Hochhaus aus Holz. Nun wurde im September 2019 ein weiteres Der Grundstein für solche Bauten wurde in den letzten Jahrzehn­
Holzhochhaus fertiggestellt. Dieses ist mit seinen 60 Metern ten durch die Anpassung der Schweizer Brandschutzvorschriften
das derzeit höchste Holzhochhaus der Schweiz. Der Neubau für gelegt. Noch vor zwanzig Jahren wurden nur zweigeschossige
den Informatik- und Finanzcampus der Hochschule Luzern ent- Bauten in Holzbauweise realisiert, seit 2005 auch sechsgeschos-
stand nach den Entwürfen der Arbeitsgemeinschaft des Büro sige und seit Januar 2015 sind keine höhenspezifischen Grenzen
Konstrukt aus Luzern und Manetsch Meyer Architekten aus Zürich. mehr gesetzt. Diverse Forschungsarbeiten, beispielsweise an der
Der 15-geschossige Bau ist ein Holz-Beton-Hybridbau: Die beiden eth Zürich, der Berner Fachhochschule und der Empa, sowie
Untergeschosse sind in Stahlbeton ausgeführt, ein vertikal ­Referenzprojekte, die über die letzten zehn Jahre schweizweit
tragender und horizontal aussteifender Kern in Stahlbeton reicht entstanden sind, konnten belegen, dass brandsichere Gebäude
über alle Geschosse. Die Geschossdecken sind als Holz-Beton- auch mit brennbaren Materialien realisiert werden können.
Verbunddecken konzipiert: Rippen aus Brettschichtholz bilden
das Lagerraster für die 16 cm starke Betonplatte. Holz brennt und schützt zugleich
Die Decken lagern einzig auf Stützen entlang der Fassade. Damit Das Prinzip, auf dem der Brandschutz basiert, ist nicht neu. Der
wird das Hochhaus zu einem klassischen Skelettbau, im Innen- statisch verlorene, verbrannte Holzkohle-Bereich isoliert aufgrund
raum entsteht eine umlaufende, stützenfreie und flexibel bespiel- seiner geringen Wärmeleitfähigkeit und schützt den intakten Teil
bare Raumschicht. Zwischen den Stützen spannen deckengleiche des Holzes, der kalt und tragfähig bleibt. Auch nach einem Brand­
Unterzüge in Holz-Beton-Verbund, die einen verstärken­den fall bleibt – bei einer entsprechenden Dimensionierung – genü-
­Deckenkranz bilden. Die Stützen sind zum Teil aus Fichten-Brett- gend Holzmaterial übrig, um die anfallenden Traglasten aufzu-
schichtholz, zum Teil aus Buche. Sie weisen in jedem Geschoss nehmen. Die Holzkohle kann nach einem Brand entfernt und der
den gleichen Querschnitt auf und unterscheiden sich vom Dach- Holzträger rekonstruiert bzw. zum sichtbaren Holztragelement
zum Erdgeschoss nur um 8 cm. Für diese nahezu e­ inheitlichen reprofiliert werden.
­Abmessungen über alle Geschosse hinweg waren optimierte Die Architekten konnten all jene Bauteile, die der Brandverhal-
Stützenquerschnitte mit materialtechnologischer Verstärkung tensgruppe RF 3 zugeordnet werden und damit in der Schweiz
­erforderlich. Bei den am stärksten belasteten Stützen setzten die als brennbares Material mit einem zulässigen Brandbeitrag
Ingenieure einen Kern in Buchen-Furnierschichtholz (Baubuche) ­kategorisiert werden, nur deshalb sichtbar belassen, weil sie
ein – ummantelt mit Umleimern aus Fichtenholz, damit sie sich ­zusätzliche bauliche Maßnahmen vorsahen. Eine entsprechende
optisch nicht von den anderen Stützen unterscheiden. Dimensionierung auf das Ereignis Brandfall wurde mit zusätz-
lichen technischen Brandschutzmaßnahmen ergänzt. Das ganze
Holzbau als Brandschutz Gebäude ist mit einer Löschanlage geschützt. Der Sprinklervoll-
Die Architekten konzipierten die Fassade als nicht brennbare schutz verhindert einen Flashover, e­ inen plötzlichen Übergang
­Metall-Glas-Konstruktion. Diese äußere Materialisierung des zum Vollbrand, im Gebäudeinneren. Durch die Löschanlage
Hochhauses lässt kaum vermuten, dass der Innenbereich vor allem ­konnte zudem der einzuhaltende Feuer­widerstand von 90 auf
aus Holz besteht. Obwohl brennbar, kann Holz sichtbar belassen 60 Minuten (REI 60) reduziert werden.
Brandrede für Holz
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zuschnitt 77.2020
Grundsätzlich ist der Personenschutz im Brandfall bei diesem Letztlich aber fügt sich die Holzbauweise – Holz ersetzt hier die
Holz-Hybrid-Bau genauso geregelt wie bei einem Massivbau. Hälfte des Betonbaus – vor allem auch optimal in die Nachhaltig-
Es gibt ein Sicherheitstreppenhaus und einen Feuerwehrlift, über keitsziele der Bauherrschaft für dieses Areal. Denn entsprechend
die jede Nutzungseinheit erschlossen ist. Ohne Sprinkleranlage dem Zero-Zero-Prinzip für das Suurstoffi-Areal soll dieses Holz-
hätten allerdings alle Holzbauteile gekapselt ausgeführt werden hochhaus zusammen mit seinen Nachbargebäuden ein komplett
müssen. Dann hätten alle brennbaren Bauteile gemäß Brand- CO2-freies Quartier bilden. Solare Nutzung, mehrere dynamische
schutzvorschriften mit einer allseitigen (sechsseitigen) feuerwi- Erdwärmesonden-Speicher und ein Anergienetz sollen während
derstandsfähigen Bekleidung geschützt werden müssen und die der Nutzungsperiode einen niedrigen Energieverbrauch garan­
ästhetisch wertvolle Holzsichtigkeit wäre nicht möglich gewesen. tieren. Auch sollten Konstruktionen aus Holz als nachhaltigem
Baustoff, nachwachsendem Rohstoff, als lokaler Ressource und
Vom Brandschutzkonzept bis zur Qualitätssicherung CO2-Speicher zum Einsatz kommen. Die angepassten Brand-
Die Schweizer Brandschutznorm von 2015 verlangt, dass der Bau schutznormen bildeten eine wichtige Grundlage, ja den initialen
von mehrgeschossigen Gebäuden unabhängig von ihrer Materia- Impuls für diese wertvolle Entwicklung.
lität von einer Brandschutzfachperson begleitet wird. Sie erstellt
das Brandschutzkonzept, unterstützt die Fachplaner in der Pla-
Clementine Hegner-van Rooden
nungsphase und kontrolliert die geplanten und umgesetzten
ist diplomierte Bauingenieurin (eth Zürich) und Fachjournalistin br
Maßnahmen. Für Bauherren, die sich für so innovative Gebäude-
konstruktionen entscheiden, ist eine solche verantwortungsvolle
Beratung und Begleitung besonders wichtig.
Aber auch der Ausblick auf eine effiziente Planung und Ausfüh-
rung spielte bei der Entscheidung für diese Bauweise eine Rolle.
So liefen grundsätzlich sämtliche Prozesse während des Baus
­modellbasiert ab. Mithilfe der bim-basierten Planung konnten
Vorfabrikation und Montage rationalisiert und beschleunigt wer-
den, was einen früheren Bezugstermin ermöglichte. „bim hat uns
aber auch bei der Planung des Brandschutzkonzepts geholfen“,
sagt Christoph Elsässer, Leiter der Abteilung Brandschutz bei
­Pirmin Jung Schweiz ag, die bei diesem Bau mit der Qualitätssi-
cherung und der Brandschutzbegleitung beauftragt waren. „Beim
Brandschutz war die Effizienzsteigerung am offensichtlichsten, Standort Suurstoffi West, Risch-Rotkreuz⁄ CH
weil man alle Eigenschaften im Modell erfassen und daraus Pläne Bauherr Zug Estates ag, Zug⁄ CH, www.zugestates.ch
generieren konnte“, ergänzt Elsässer. Planung Büro Konstrukt, Luzern⁄ CH, www.buerokonstrukt.ch; Manetsch Meyer Architekten ag,
Zürich⁄ CH, www.manetschmeyer.ch
Statik und Brandschutzplanung Pirmin Jung Schweiz ag, Rain⁄ CH, www.pirminjung.ch
Holzbau Erne ag Holzbau, Laufenburg⁄ CH, www.erne.net
Fertigstellung August 2019
Brandausbreitung über die Fassade
Unterschiedliche Schutzziele in Deutschland,
Österreich und der Schweiz

Thomas Engel, Michael Merk und Markus Lechner

In Deutschland existiert aktuell kein eindeutiges Schutzziel für Fazit Der voranstehende Vergleich zeigt, dass sich das Schutzziel
die Brandausbreitung über die Fassade. Es gibt lediglich eine in Österreich im Vergleich zu dem in der Schweiz um ein Geschoss
­allgemeine bauordnungsrechtliche Forderung, dass die Brandaus- unterscheidet, während für Deutschland keine präzise Vorgabe
breitung an der Fassade ausreichend lange zu begrenzen ist. existiert. Zum aktuellen Zeitpunkt werden in Deutschland Außen-
­E xemplarisch wird auf die Musterbauordnung (mbo) verwiesen. wandbekleidungen aus Holz für Gebäude bis zur Hochhausgrenze
In Deutschland ­können geregelt aktuell nur schwer­entflammbare regelmäßig in Brandschutznachweisen über bauordnungsrechtliche
Außenwandbekleidungen in Gebäudeklasse 4 und 5 verwendet Abweichungen ermöglicht. Der Nachweis, dass diese Fassaden
werden. Die Verwendung von Holz (normalentflammbar) ist brandschutztechnisch sicher sind, wird dabei über in Österreich
­folglich noch nicht geregelt möglich. Bei Außenwandbekleidun­ oder in der Schweiz zugelassene Systeme geführt. Wie zuvor
gen aus Holz sind Einzelfallbetrachtungen im Rahmen eines ­beschrieben, liegen diesen Lösungen jedoch unterschiedliche
Abweichungs­verfahrens notwendig. Ein eindeutiges Schutzziel Schutzziele zugrunde, die eine Anwendung in Deutschland nicht
ist jedoch für die Bewertung von neuartigen Fassaden und ohne Weiteres ermöglichen. Bei einer abschließenden Definition
Außenwandbe­kleidungen notwendig. In Österreich und der eines deutschen Schutzziels müssen die Parameter klar definiert
Schweiz hingegen e­ xistieren eindeutige Schutzziele für die Brand­ sein. Nur dadurch lassen sich mögliche konstruktive Maßnahmen
ausbreitung über die Fassade: auf ihre Wirksamkeit hin bewerten.
Die Flammenhöhe des Primärbrandes aus einer Fensteröffnung
lässt sich über ein allgemeines Schutzziel nicht definieren oder
begrenzen. Es sind zwar für unterschiedliche Nutzungen statisti­
Schutzziel in Österreich sche Annahmen für durchschnittliche Brandlastdichten bekannt,
In Österreich existiert ein in der diese können jedoch von der realen Situation stark abweichen.
oib-Richtlinie 2 (2015 Abschnitt 3.5.6) Brände in Räumen verlaufen in der Regel zudem ventilations­
festgeschriebenes allgemeines gesteuert. Das heißt, der Sauerstoff im Raum reicht nicht aus,
Grenze der
Brandausbreitung
Schutzziel für Fassadenbrände: um die vorhandene Brandlast (z. B. Möbel, Akten etc.) im Raum
„Bei Gebäuden der Gebäudeklasse 4 selbst vollständig zu verbrennen. In der Abluft befinden sich
Zwei Geschosse und 5 sind vorgehängte hinterlüftete, ­folglich brennbare Bestandteile, die bei Luftzutritt (Austritt aus
­belüftete oder nicht hinterlüftete Fenster) erst verbrennen. Bei stark erhöhter Brandlast werden
F­assaden so auszuführen, dass eine ­also mehr brennbare Pyrolysegase nach außen transportiert und
Brandweiterleitung über die Fassade es entstehen folglich höhere Flammenlängen an der Fassade. Die
auf das zweite über dem Brandherd Flammen, die aus einem in Vollbrand stehenden Raum schlagen,
liegende Geschoss und das Herab­ durch konstruktive Maßnahmen daran zu hindern, ins nächste
fallen großer Fassadenteile wirksam Geschoss zu gelangen, ist nur durch aufwendige Maßnahmen
eingeschränkt wird.“ umsetzbar: bei Hochhäusern beispielsweise durch eine 1 Meter
Konkret bedeutet dies, dass der hohe feuerbeständige Brüstung oder eine 1 Meter auskragende
Brand auf maximal zwei Geschosse feuerbeständige D ­ eckenplatte. Für normale Gebäude scheinen
zu begrenzen ist. solche Maßnahmen überzogen.
Die Außenwandbekleidung aus Holz selbst kann die Flammenlänge,
Schutzziel in der Schweiz die aus e­ iner Wohnung schlägt, nicht begrenzen. Ist es daher
Basierend auf Forschungsergebnissen ­praxisnah, das Schutzziel durch die zulässige Brandausbreitung
Grenze der
der Lignum-Gruppe (Lignum-Doku- über Geschosse zu definieren, oder ist es sinnvoller, die tatsäch­
Brandausbreitung mentation Brandschutz 7.1) wurde liche Ausbreitung auf der brennbaren Fassade zu bewerten?
für die Schweiz folgendes Schutzziel ­Letzteres kann durch konstruktive Maßnahmen, die ein selbst-
formuliert: ständiges Mitbrennen der Holzfassade außerhalb des Primär-
Drei Geschosse
„Bei einem Brand der Gebäudeaußen­ brandbereichs verhindern, erreicht werden. Diese Frage wird
wand darf es vor dem Löschangriff ­aktuell innerhalb von Forschungsprojekten wie dem timpuls,
der Feuerwehr nicht zu einer Brand­ (www.timpuls.tum.de) untersucht.
ausbreitung über mehr als zwei Ge­
schosse oberhalb des Brandgeschosses
Thomas Engel, Dr. Michael Merk und Markus Lechner
kommen.“
sind wissenschaftliche Mitarbeiter am Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstruk-
Hieraus ergibt sich eine Begrenzung tion der tu München.
des Brandes auf maximal drei Ge-
schosse.
Seitenware

Brandrede für Holz


Seitenware
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zuschnitt 77.2020
Michael Hausenblas

Biegen mit Hitze


Vielleicht ging es dem jungen Michael Thonet wie vielen Kindern den Biegevorgang. Dabei wird ein Metallband auf der äußeren
beim Herumstreunen im Wald. Er fand einen Ast und wollte ihn Seite des Holzstücks befestigt, das verhindert, dass die Holzfasern
auseinanderbrechen. Stattdessen bog sich das Stück Holz zu einer im Außenradius gestreckt werden. Ohne diese Maßnahme würden
Kurve und wollte sich partout nicht entzweien lassen. Was auch sie reißen, das Holz würde brechen. Damit das gebogene Holz
immer die Initialzündung für Thonet war, seine spätere Erfindung, seine neue Form behält, wird es in seiner Biegeform für zwei Tage
Holz in Kurvenform zu bringen, wurde nicht nur formal, sondern in einer Trockenkammer gelagert, anschließend geschliffen und
auch wirtschaftlich eine Weltsensation. Gegründet hatte Thonet lackiert oder gebeizt. Bis heute geistert die Idee Thonets in Köp-
sein Unternehmen vor ziemlich genau 200 Jahren, im Jahr 1819. fen von Designern und Künstlern herum. In ihrer Arbeit beschäf-
Vierzig Jahre später brachte Thonet sein wohl berühmtestes tigt haben sich damit Größen wie Robert Stadler oder Sebastian
­Möbel, den Sessel Nr. 14, heraus. Bis heute ist die unaufdringliche Herkner ebenso wie Birgit Jürgenssen oder Bruno Gironcoli.
Ikone, die ursprünglich aus sechs Holzteilen, zwei Muttern und Die Ausstellung „Bugholz, vielschichtig. Thonet und das moderne Möbeldesign“
zehn Schrauben bestand, an vielen Enden und Ecken weltweit zu mit 240 Objekten ist noch bis 13. April 2020 im Wiener Museum für angewandte
finden. Größtes Staunen löste jedoch aus, dass Thonet es schaff- Kunst zu sehen. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen. www.mak.at
te, Holz wie von Zauberhand zu biegen. Gedämpft wird es bei
mehr als 100 Grad. Durch den Druck wird der Wasserdampf in
das Holz ­gepresst, bis dieses gesättigt ist. Die hohe Temperatur Michael Hausenblas
macht den Holzstab elastisch – die wichtigste Voraussetzung für Mitarbeiter der Tageszeitung Der Standard

Anne Isopp

Biegen durch Trocknen


Dieser Turm entstand als eine von 16 „Folies“ im Zuge der
­Remstaler Gartenschau 2019. Die gekrümmten Segmente für das
14 Meter hohe Bauwerk wurden nicht mit Hitze und m ­ echanischen
Hilfsmitteln gebogen, wie man es vom Bugholzverfahren her
kennt. Sie haben sich ganz von selbst verformt – a­ llein durch das
Schwinden des Holzes bei abnehmendem Feuchtegehalt. Mithilfe
digitaler Materialmodelle machten sich die Forscher das feuchte-
bedingte Quellen und Schwinden für das Selbstformungsverhal-
ten zunutze. Die Einzelteile wurden als e­ bene Elemente herge-
stellt und dann getrocknet. Während ­dieses industriell üblichen
Trocknungsverfahrens krümmten sie sich in die endgültige,
­vorausberechnete Form. Anschließend wurden die gekrümmten
Elemente noch laminiert, um die Geometrie zu fixieren.

Forschung icd, Stuttgart⁄ DE, www.icd.uni-stuttgart.de; itke Universität Stuttgart, Stuttgart⁄ DE,
www.itke.uni-stuttgart.de
Forschungs- und Industriepartner: Angewandte Holzforschung, Empa, Dübendorf⁄ CH, www.empa.ch;
Holzbasierte Materialien, eth Zürich, Zürich⁄ CH, www.ifb.ethz.ch/woodmaterialsscience
Holzbau Blumer-Lehmann ag, Gossau⁄ CH, www.lehmann-gruppe.ch
Fertigstellung 2019
Wald – Holz – Klima Care for Paris

Welchen Beitrag leisten der österreichische Wald und das daraus entnommene
Holz zum Klimaschutz und zur Erreichung der Pariser Klimaziele? Wissenschaft-
ler der Universität für Bodenkultur Wien (boku), des Bundesforschungszentrums
für Wald (bfw), des Kompetenzzentrum Holz GmbH (Wood K plus) und des
Umweltbundesamtes untersuchten gemeinsam anhand von unterschiedlichen
Szenarien die Auswirkungen des Klimawandels bis 2150.

CO2 O2

C
Beitrag des Waldes und der C
Holznutzung zum Klima C
Das Zusammenspiel von Waldwachstum,
C
Holznutzung und vermiedenen Treib­
hausgas-Emissionen durch Holzprodukte
5 % der jährlichen CO2-Emissionen in
führen zu einer positiven Treibhausgas­ Österreich werden im Wald gespeichert.
bilanz.

Vorratsentwicklung Kohlenstoffspeicherung/-emissionen des Waldes


700 Vorratsfestmeter ⁄  Hektar 20 Mio. Tonnen CO2 ⁄  jährliche Änderungen

15
600

10
500
5 Quelle

400 0

300 -- 5

-- 10 Senke
200
-- 15

100
-- 20

0 -- 25
2020 2040 2060 2080 2100 2120 2140 2020 2040 2060 2080 2100 2120 2140

Eine an den Klimawandel angepasste Bewirtschaftung des Die Entwicklung von Zuwachs und Nutzung beeinflusst die
Waldes ist ein wichtiger Beitrag zur Lösung der Klimakrise. Kohlen­stoff-Senkenwirkung des Waldes.

Der Wald kann nicht unendlich wachsen und dementsprechend Diese Senkenwirkung ist in allen Szenarien zeitlich begrenzt und
nicht beliebig Vorrat aufbauen. Selbst im Szenario Vorratsaufbau zudem reversibel. Der Wald wird langfristig in allen Szenarien
wird ein Maximum erreicht. Werden die Pariser Klimaziele nicht zur Kohlenstoffquelle. Bereits in den letzten Jahren haben Kala-
eingehalten, sorgen die daraus resultierenden Folgen vor allem mitäten und entsprechend große Schadholzmengen die Verletz-
ab 2060 für einen Zuwachs- und Vorratsrückgang. Das heißt aber barkeit des Waldes verdeutlicht. Nur wenn wir die Pariser Klima-
auch, dass der Wald auf die Einhaltung der Pariser Klimaziele und ziele einhalten und den Wald weiterhin nachhaltig bewirtschaften,
die Dekarbonisierung des Wirtschaftssystems angewiesen ist. kann er einen positiven Beitrag zur Treibhausgas-Bilanz l­eisten
(Szenario moderater Klimawandel).

Unterschiedliche Szenarien Wir ließen uns von den beteiligten Experten – Klemens Schadauer, bfw,
moderater Klimawandel, Nachfrage nach Holz und Waldbewirtschaftung Martin Braun und Peter Schwarzbauer, boku und Wood K plus, Peter Weiss und
wie derzeit, die Pariser Klimaziele werden erreicht, Temperaturanstieg David Fritz, Umweltbundesamt – die Resultate persönlich erklären.
Ihre wichtigsten Aussagen ­haben wir hier für Sie zusammengestellt.
um 2 °C bis 2100 und 2,4 °C bis 2150.
Vorratsaufbau durch Außernutzung-Stellen und Reduktion der Nutzungsmenge CareForParis – Beteiligte Forschungseinrichtungen:
Umweltbundesamt, www.umweltbundesamt.at
(Vorratszunahme dadurch +1,7 Vfm⁄ ha⁄ Jahr), starker Klimawandel
Bundesforschungszentrum für Wald, www.bfw.ac.at
Kalamitäten, erhöhtes Schadholzaufkommen, starker Klimawandel, Universität für Bodenkultur Wien, Institut für Marketing und Innovation,
Temperaturanstieg um 4,3 °C bis 2100 und 7 °C bis 2150 und Institut für Wald-, Umwelt- und Ressourcenpolitik, www.boku.ac.at
Baumartenwechsel, vermehrt heimische Laubholzarten, starker Klimawandel Kompetenzzentrum Holz GmbH, www.wood-kplus.at
Senkenwirkungen durch Wald- und Holznutzung in Kohlendioxid-Äquivalent (CO2e)

Wald – Holz – Klima


 -- 4,3 Mio. Tonnen CO2e durch Kohlenstoffspeicherung im österreichischen Wald
-- 1,7 Mio. Tonnen CO2e durch Kohlenstoffspeicherung in Holzprodukten aus dem österreichischen Wald
 -- 8 Mio. Tonnen CO2e vermiedene Emissionen durch den Ersatz fossiler Materialien durch die Verwendung von Holzprodukten
+ 82 Mio. Tonnen Österreichische Treibhausgasemissionen (CO2e)

Quelle: Zahlen von 2017, Umweltbundesamt GmbH: Austria’s Annual Greenhouse Gas Inventory 1990 – 2017.
Submission under Regulation (eu) No 525⁄ 2013, Wien 2019; CareForParis, bfw Praxisinfo

27
26
zuschnitt 77.2020
C

2 % der jährlichen CO2-Emissionen in Österreich 10 % vermiedene Emissionen, die durch den Einsatz von Holz
werden in Holzprodukten gespeichert. anstelle fossiler Materialien erst gar nicht anfallen.

Kohlenstoffspeicherung in Holzprodukten Vermiedene Emissionen durch Ersatz fossiler Materialien mit Holz
5 Mio. Tonnen CO2 ⁄  jährliche Änderungen 0 Mio. Tonnen CO2 ⁄  jährliche Änderungen

4 -- 1
Senke
3
-- 2

2
Quelle -- 3
1
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Senke -- 6
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2020 2040 2060 2080 2100 2120 2140 2020 2040 2060 2080 2100 2120 2140

Je mehr und je länger wir Holz nutzen, desto größer wird der Durch die Verwendung von Holzprodukten werden dauerhaft
Kohlenstoffspeicher in den Holzprodukten. Emissionen vermieden.

Durch die Verwendung von Holzprodukten können der Kohlen- Holz hat einen großen Treibhausgas-Vorteil gegenüber fossilen
stoffspeicher und mit ihm die Senkenwirkung vergrößert werden. Materialien. Das bedeutet aber auch, dass bei einer Nutzungsre-
Aber auch Holzprodukte haben eine begrenzte Lebensdauer, duktion im Wald zur Erhöhung der CO2-Senkenwirkung das Mate-
am Ende geben sie den gespeicherten Kohlenstoff wieder in die rial zur Holzverwendung fehlt. In weiterer Folge kommen andere
­Atmosphäre ab. Einen dauerhaften, maßgeblich treibhausgas­ Materialien zum Einsatz, die einen größeren CO2-Fußabdruck
mindernden Effekt gibt es dann, wenn fossile Rohstoffe durch ­haben. In den nächsten Jahrzehnten werden erneuerbare Ener-
Holzprodukte ersetzt werden. gien im Energiemix in der Emissions­berechnung den Kohlenstoff-­
Fußabdruck der fossilen Materialien verringern und damit den
Treibhausgas-Vorteil von Holz gegenüber diesen Materialien.

Fazit
Der österreichische Wald, dessen Bewirtschaftung und die stofflich und energetisch verwendeten Holzprodukte spielen eine wichtige
Rolle in der Treibhausgas-Bilanz. Die Senkenwirkung des Waldes ist jedoch begrenzt. Der größere Hebel für den Klimaschutz ist der
Ersatz fossiler Rohstoffe und Energieträger durch Holz (stofflich und energetisch) sowie die damit vermiedenen Emissionen. Es ist
dringend notwendig, die Pariser Klimaziele einzuhalten, weil stärkere Klimawandelfolgen die Treibhausgas-Bilanz des Waldes deutlich
verschlechtern werden und der Wald zusätzlich zum atmosphärischen Treibhausgasanstieg beitragen wird. Zudem macht eine Reduk-
tion des Holzvorrats und der Holznutzung durch Klimawandel und -anpassung die ersatzweise Verwendung von fossilen Rohstoffen
notwendig und erhöht auch derart die fossilen Treibhausgas-Emissionen.
Holz(an)stoß Toshikatsu Endō

Toshikatsu Endō, geboren


1950 in Takayama, Japan
Lebt und arbeitet in Saitama,
Japan

Die Arbeit „Water Way“ (Stahl, Holz, Teer) war 2010 in Tokio zu sehen.

Einzelausstellungen
Stefan Tasch
(Auswahl)
2017 The Archaeology of the Sa- In der Steinzeit hielten Jäger ihre Holzspeere ins dezent, sparsam und kann auf ein breites Spektrum
cred, Museum of Modern Art Feuer, um sie zu optimieren, zu härten und entspre- von Gegenständen – auch jenseits der Kunst –
Saitama, Saitama⁄ JP chend widerstandsfähiger zu machen. Diese alte ­angewandt werden. Exemplarisch hierfür ist der
2015 Void – Water Place SCAI The
Technik der Feuerhärtung ist als archaische Methode Ise-Schrein in der gleichnamigen Stadt auf der
Bathhouse, Tokio
2010 Trieb <=> Void, Art Front Gal- auch in den Arbeiten des japanischen Künstlers Hauptinsel Honshū. Endōs Skulpturen stehen für
lery, Tokio ­Toshikatsu Endō zu finden. Auf der documenta 8 Transformation, thematisieren die gegensätzlichen
2009 Sacrifice and Void, Aomori zeigte Endō 1987 die Skulptur „Epitaph“, einen aus Eigenschaften, die man dem Feuer zuschreibt, wie
Contemporary Art Center, dreißig Holzbalken zum Quadrat geschichteten Leben und Tod, Gut und Böse. Auch psychoanaly-
Aomori⁄ JP ­Kubus, den er zunächst abflammte um – ähnlich tische Ansätze wie Eros und Thanatos spielen eine
2006 Trieb – Rain Room,
einem alchemistischen Prozess – eine Wandlung der Rolle. Dem Lebenstrieb – Eros –, der die Verlänge-
Nizayama Forest Art Museum,
Toyama⁄ JP Stofflichkeit herbeizuführen. Über die Bedeutung rung des Lebens anstrebt und sich mit Objekten
des Feuers in seinem metaphysisch aufgeladenen verbindet, steht der Todestrieb – Thanatos – gegen-
Gruppenausstellungen
Werk äußerte sich Endō: „Ich fühle eine gewisse über, der das Destruktive, das Zerstörerische an-
(Auswahl) ­Beziehung zwischen dem Akt der Schaffung einer strebt. Die hier abgebildete Arbeit „Water Way“
2019 Anish Kapoor⁄ Toshikatsu Skulptur und dem Akt der Bestattung einer Person.“ von 2010 zeigte Endō im Rahmen seiner Einzelaus-
Endō ⁄ Daisuke Ohba⁄  Vajiko Das Prozesshafte ist ein wichtiger Bestandteil im stellung Trieb <=> Void in der Art Front Gallery in
Chachkhiani, scai The Bath- Werk Endōs, dessen finale Ästhetik sich auch mit Tokio. Die Skulptur versinnbildlicht alle wichtigen
house, Tokio
dem Shou Sugi Ban, einer jahrhundertealten japa- Parameter im Werk Endōs wie das Feuer, aus dessen
2017 Naoki Ishikawa, Toshikatsu
Endō etc., scai Park, Tokio nischen Technik, Holz gegen Feuer, Nässe und zerstörerischer Kraft auch immer etwas Neues
2016 Group Show, L.A. Louver, ­Insektenbefall resistent zu machen, in Beziehung ­entsteht, und das Wasser, das für Bewegung, das
­Venice⁄ CA setzen lässt. Dabei wird die Holzoberfläche leicht Fließende und Lebensstiftende steht. Das Konzept
momat ­C ollection, The verkohlt, ohne jedoch das Holz zu verbrennen. der Abwesenheit impliziert auch immer die An­
­National Museum of Modern Die Karbonisierung macht das Holz wasserdicht wesenheit und umgekehrt. Somit sind Feuer und
Art, Tokio
und somit haltbarer. Formal lassen sich die Arbei- ­Wasser gleichermaßen Bestandteil der Arbeit –
2015 Postwar Art in Close-up,
­Museum of Contemporary Art ten des japanischen Künstlers mit der westlichen sichtbar und unsichtbar.
Tokyo, Tokio Kunstrichtung des Minimalismus vergleichen, wobei
2011 Personal Structures – Identi- Endōs Skulpturen eindeutig spirituelle Aspekte auf- Stefan Tasch
ties, Palazzo Bembo, 54. Bien- weisen und ästhetisch letztlich dem Shibusa-Stil Studium der Kunstgeschichte in Wien und Edinburgh,
nale von Venedig, Venedig (1615 – 1868) näherstehen. Shibui bedeutet schlicht, Arbeit in verschiedenen ­Museen und Galerien

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