1896 - Georg Von Schanz - Der Einkommensbegriff Und Die Einkommensteuergesetze
1896 - Georg Von Schanz - Der Einkommensbegriff Und Die Einkommensteuergesetze
1896 - Georg Von Schanz - Der Einkommensbegriff Und Die Einkommensteuergesetze
Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at .
http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp
.
JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of
content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms
of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected].
Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to
FinanzArchiv / Public Finance Analysis.
http://www.jstor.org
GeorgSchanz·
I.
Die privatwirtschaftlicheAnalyseund Steuergesetzgebung haben
das Bedürfnis nach einem möglichst scharf umschriebenenEin-
kommensbegriff. Leider bestehthinsichtlichdesselben in der Theorie
keineUebereinstimmung.Vielleichttragendie folgendenErörterungen
dazu bei, einige Seiten zu klären und eine Verständigunganzubahnen.
Wir gehen aus vom Ertrag. Keine Meinungsverschiedenheit
bestehtdarüber,dass es sich bei Ertrag stets um die Rückbeziehung
einer bestimmten Gütermengebezw. ihresWertes auf ihrenUrsprung
handelt, dass er, um mit Neumann zu reden, sozusagen etwas
Hervortretendes, Erzieltes oder zu Erzielendes ist. Die persönliche
Seite wird in den Hintergrundgedrängt, das Objekt, an dem die
persönlicheThätigkeit sich äussert, als Ertragsquelle angesehen,
vielfach diese Thätigkeit selbst wie ein Objekt und selbständige
Ertragsquelle behandelt. Es ist aller Welt geläufig, vom Ertrag
eines Gartens, eines Ackers, eines Hauses, vom Ertrag der Arbeit,
des Kapitals, eines landwirtschaftlichen oder gewerblichenUnter-
nehmens, der schriftstellerischen Thätigkeitzu sprechen. Man hat
hierbei stets die in bestimmterZeit aus der Produktionoder dem
Erwerbe hervorgehendeGütermengebezw. deren Wert im Auge.
Eine Schwierigkeitergibtsich, wenn es sich darum handelt zu
entscheiden,ob auch Nutzungen,geldwerteDienstleistungenDritter,
Berechtigungenund Werterhöhungeneinzurechnensind. Man wird
diese Frage im allgemeinen bejahen müssen*). Es erscheintnicht
*) Selbstverständlich
wird man hierbei Doppelrechnungenvermeiden;
man kann also nichtζ. Β. den GeldwertetwaigerFronarbeitverrechnenund
Finanzarchiv.XIII, Jahrg. x '
*) Wohl weiss ich, dass der Geschäftsmann oft weiter geht und unter
Reingewinnnur das versteht,was nach DeckungseinerHaushaltungskosten und
persönlichen Verbindlichkeiten, ja zuweilenselbst nach Abzug der Zinsenseiner
eigenenKapitalien, als Vermehrung des StammVermögensübrig bleibt, allein
selbstverständlich ist für eine derartigeAuffassungdes Reingewinnesein theo-
retischesBedürfnisnichtgegeben. Dagegen hat es einen gewissenWert, zu
wissen,was demUnternehmer bleibt,nachdemer alle aus dem Geschäftselbst
entsprungenen Verbindlichkeiten gedeckthat.
2) Auch die Steuergesetzerespektieren vielfachdiesenUnterschied, wenn
sie ihn auch nichtkonsequentfesthalten;vgl. Anweisungvom 5. August 1891
zur Ausführung des preuss.Einkommensteuergesetzes Art.19 und Art.24 Ziff.3;
sächs. Einkommensteuergesetz § 21.
8) So iet z. B. in Bayerndie Grundsteuer überwiegendeine Rohertrags-
steuer; sie legt den Körnerertrag zu Grunde und läset
der.Dreifelderwirtschaft
nur fürdie Aussaat einen Abzug machen, rechnetallerdings-auch nichtsfür
4
u
Alleinauch „die regelmässige Folge ist eine höchstbedenk-
licheSeite,und es will mirscheinen,als ob mandamitzu Resultaten
komme,die Neu mann keineswegswünscht. So rechneter auch
die Wertsteigerung des VermögenseinerPerson zum Einkommen.
Er wird aber zugebenmüssen,dass diese durchausnichtregel-
mässige Folge dauernderBezugsquellenist. Warenvorräte, Ma-
schinenpflegensehrhäufigim Wertzu sinken. Ebensowenigsind
Konjunkturengewinne, die er ebenfallszum Einkommenzählt, die
regelmässige Folge dauernder Bezugsquellen;es stehenihnensehr
viele Konjunkturenverluste gegenüber. Auch mit den Lotteriege-
winnenist es eine eigeneSache. Nach Neu mann fallensie aus
dem Einkommensbegriff heraus. Man kann nun wohl sagen, die
sei objektiveine dauerndeBezugsquelle1),dennwir
Klassenlotterie
sehen,dass sie bei jeder AusspielungGewinneverteilt;dagegenist
die Einnahmeaus einemLotteriegewinn füreinenSpielerallerdings
nichtregelmässige Folge dieserdauernden Bezugsquellein demSinn,
dassjederSpielergewinnt.Alleinist es bei Professoren, die Dekane
fürein Jahrsind,anders?Der eine erlebtzehnPromotionen, der
anderekeine währendseines.Dekanatsjahres.Oder liegt, um ein
umfassenderes undwichtigeres Beispielbeizubringen, die Sache nicht
ebensobei der Arbeiterversicherung? Die Versicherungskasse bezw.
der Versicherungskreis ist gewiss eine dauerndeBezugsquelle,aber
nichtfürjeden Versicherten ergibtsich eine Einnahmedarausals
regelmässige Folge dieser dauernden Bezugsquelle. Viele Arbeiter
erleidenkeinenUnfall,die Mehrzahlwirdnicht70 Jahrealt, viele
sterben,ehe sie invalide werdenu. s. w. Ne uman η wird aber
dochnichtleugnenwollen,dass die Alters-,Invaliditäts-, Unfallver-
sicherungsrentefürdenBezügerEinkommen sind. Ausserordentliche
Holzeinschläge sollen kein Einkommen sein, weil sie nicht regel-
mässigeFolge einerdauernden Bezugsquellesind2); allein ein er-
höhterHolzeinschlaginfolgeSchneedrucksund andererUrsachen
*), wohlaberbrauchen
griffe wirnocheinenBegriff, derersehenlässt,
was in einemZeitabschnitt einerPersonderartzugeflossen ist, dass
dieselbedarüberdisponieren kann, ohne ihr bisherigesVermögen
selbstzu mindern - und dieserBegriff ist das Einkommen.Er zeigt
uns, welche Leistungsfähigkeit dieserPerson in einembestimmten
Zeitmoment zugeführt wordenist. Der Begriff erweistsich als Rein-
vermögenszugang eines bestimmten Zeitabschnitts inkl.der
und
Nutzungen geldwerten Leistungen Dritter.Das, was derGeschäfts-
mannmitgeordneter Buchführung heuteschonthut,dass er seinen
ganzenJahresverdienst - natürlich wirdhierbeivorausgesetzt, dass
die Haushaltungskosten nichtabgezogensind- unterdemGesichts-
punktdes Vermögenszugangs ansieht,das ist hiergeneralisiert; man
kommtauf diesemWeg zu einereinheitlichen Auffassung. Praktiker,
die gezwungensind,den Einkommensbegriff kasuistischund gesetz-
geberischzu verwerten, haben das IdentischederVermögenszugänge
undEinkommen auch herausgefühlt. Ein Ausspruch des preussischen
Generalsteuerdirektors Burghart in der des
Sitzung Abgeordneten-
hauses vom 14. Februar1891 2) ist in dieserHinsichthöchstbe-
zeichnend:„Ein durchgreif ender Unterschied, meinter, mit
dem die HandhabungderEinkommensteuer zu rechnenhat und der
nichtgerade am leichtesten zu erledigenist, der zwischen Ein-
kommen und Vermögen, ist unterUmständen sehr schwer
aufrecht zu erhalten." Alles, was wir beziehen,lässt sich,
wennman die entsprechenden Abzügemacht,als Vermögenspartikel
ansehen, das Gehalt,derReingewinn desGeschäfts, dieErbschaftu.s.w.
Diese Zugänge von Reinvermögen sind nichtzu verwechseln mit
st
Vermögens and, der alle in einem Moment vorhandenen Reinver-
mögensteile zusammenfasst, sie sindauchnichtZugängezumStamm-
vermögen; ob sie zu einem selbstwiederGewinnoder Nutzungab-
werfenden Vermögen werden, hängterstvon ihrerVerwendung ab,
sie werdenerstsolches,wennman sie nichtverbraucht.
*) Man gebrauchtallerdingszuweilenden Begriff
Roheinkommen.Soll er
einen Sinn haben, so kann man sagen: wir wollen damit alle Roherträge,die
bei einer Person zusammenfliessen
, zusammenfassen.Dafür bestehtaber kein
Bedürfnis;ich wüsstenicht,wozu das nötigwäre; vom Roheinkommen werden
die Kostennichtin Bausch und Bogen abgezogen,sondernvon dem einzelnen
Rohertrag. Rohertragdes einzelnenObjektsoder der einzelnenUnternehmung
aber mit Roheinkommen trägtnur dazu bei, an sich bereits
zu identifizieren,
klare Verhältnisseunklarzu machen.
2) Verhandlungendes preuss.Abgeordnetenhauses S. 843.
2.'i
S. 81.
*)Philippovich, Allg.Volkswirtsehaftslehre,
27
S. 220.
') Allg. Volkswirtschaftslehre,
23
II.
Wie hat sich der Gesetzgebermit dem Einkommensbegriff
bisherabgefunden?Selbstverständlich
mussteer Stellungnehmen:
er konntesich nicht,wie etwa die Theorie,mit einerungefähren
vagenDefinition
begnügen,die Steuerpflicht
verlangteinekasuistische
31
l) Finanzarchiv1890 S. 639.
2) Lewald (Finanzarchiv1880 S. 344) meint, die zweite Betrachtungs-
weise entsprechemehrden Anschauungendes Geschäftslebens; das dürfteaber
nur zutreffenfürdas wenigerfortgeschrittene.
40
undwurdeeinegerechte
dieserinVerlegenheit Gleichstellung
gehindert.
Weder mit dem Momentder Regelmässigkeit noch mit dem der
dauerndenQuellevermochte manstrenggenommen die Konjunkturen-
gewinne dem Einkommen einzuverleiben; galtenals „Vermögen"
sie
im Gegensatzzu Einkommen, es war „Vermögensbildung*, nichtEin-
Die
kommensbildung. Steuergesetzgeber liessen sich dadurch zu-
rückschrecken*), und erst die harteWirklichkeit musste sie über-
zeugen, dass man hier nur -mit Phantomen operiere. Mehr und
mehr brichtsich der Gedanke Bahn, dass alle Konjunkturengewinne
und alle Vermögensverlustebei Feststellung des Einkommens in
Anrechnunggebracht werden müssen. Das entsprichtaber auch
dem von uns festgehaltenenBegriff. Der Konjunkturengewinn ist
ein Reinvermögenszugangwie jeder andere auch; und wenn Ein-
kommen das ist, worüber ich disponierenkann, ohne in meinem
bisherigenVermögensstockzurückzugehen, so ist klar, dass der
Vermögensverlusterst abgezogen werden muss, ehe ich von einem
Einkommen reden kann; es ist hier nicht anders, wie mit Ab-
nutzung, Abschreibung auch. Lässt man eine volle Berücksich-
tigungnur zu bei denen, welche kaufmännische Buchführunghaben,
begehtman eine flagranteUngerechtigkeit.Warum soll der Beamte,
der Landwirt nicht auch das Recht haben, bei einer Aktie, die er
um den halben Ankaufspreisverkaufthat, diesen Verlust bei Fest-
stellung seines Einkommenszur Geltung zu bringen?
Die bis jetzt bei der EinkommensteuergemachtenVersuche,
die Konjunkturengewinneauch bei Nichtkaufleutenund Nicht-
gewerbetreibenden(ohne kaufmännischeBuchführung)dem steuer-
pflichtigenEinkommen zuzurechnen, lassen sich in drei Gruppen
bringen.
Los-und Lotteriegewinne,
lautete: „Erbschaften,
*) Die Regierungsvorlage
und ähnlicheausserordentliche
Lebenskapitalsversicherungen Einnahmengelten
nichtals steuerpflichtiges
Einkommen."
2) Auf den generellenAusdruck „und ähnliche unentgeltliche. Zuwen-
dungen*kann man sich für die Einbeziehungnatürlichnicht stützen,denn
der Anfalleines Versicherungskapitalsist keine Zuwendungund noch weniger
nichtselten zahlt man mehr,als man erhält; der Ausdruck
eine unentgeltliche,
Zuwendungen"bezieht sich deshalb auch nicht
„und. ähnliche unentgeltliche
auf die Erbschaftenund Lebensversicherungskapitalien,sondern nur auf die
„Schenkungen".
79
87