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Tobial Kollmann E-Business
Tobial Kollmann E-Business
Tobial Kollmann E-Business
E-Business
Grundlagen elektronischer Geschäfts-
prozesse in der Digitalen Wirtschaft
7. Auflage
E-Business
Tobias Kollmann
E-Business
Grundlagen elektronischer Geschäfts
prozesse in der Digitalen Wirtschaft
7., überarbeitete und erweiterte Auflage
Tobias Kollmann
Lehrstuhl für E-Business
und E-Entrepreneurship
Universität Duisburg-Essen
Essen, Deutschland
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lierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Vorwort V
Warum sollte man sich mit dem Buch „E-Business“ in der nun vorliegenden 7. Auflage
befassen und sich durch die inzwischen über 1.000 Seiten rund um digitale Geschäftspro-
zesse und -modelle arbeiten? Die Antwort ist klar: Damit man sich im Hinblick auf eine
wirkliche Kompetenz und echtes Fachwissen von denen unterscheidet, die nur mit Buzz-
words um sich werfen. Digital Leadership bedeutet heute, dass man den Dreiklang der
Digitalen Transformation aus Wollen, Können und Machen beherrscht. In allen drei Be-
reichen beobachtet man gerade in Deutschland aber auf allen Management-Ebenen immer
noch erhebliche Defizite! Nicht alle „Wollen“ sich mit digitalen Veränderungen ausein-
andersetzen, nur wenige haben wirklich das fundierte Wissen für das „Können“ und es
scheitern immer noch zu viele an dem „Machen“ und damit an der konkreten Umsetzung
von digitalen Projekten. Aber nur, wenn alle drei Bereiche gleichermaßen betrachtet wer-
den und wirksam zusammenkommen, kann eine Digitale Transformation und Digitale In-
novation für Deutschland im Hinblick auf Industrie, Mittelstand und Startups gelingen.
Im Hinblick auf das „Wollen“ muss man es direkt am Anfang deutlich sagen: Digitalisie-
rung bedeutet Veränderung! Und die muss man eben zunächst einmal wirklich „wollen“.
Viele Verantwortliche tun sich hier schon schwer, denn eigentlich wollen sie von ihrem
Erfahrungswissen und den erarbeiteten Positionen weiter so profitieren wie in der Ver-
gangenheit. Das führt aber in der Regel zu einer Verteidigungshaltung, einem Festklam-
mern am Status Quo, und das funktioniert angesichts der tiefgreifenden Veränderungen
durch die Digitalisierung nicht mehr. Denn diese werden von außen aggressiv an die Un-
ternehmen herangetragen und können nicht von innen heraus verwaltet werden. Hinzu
kommt, dass in den meisten Anreiz- und Belohnungssystemen von Geschäftsführern und
Vorständen die Ergebniszahlen aus dem laufenden Stammgeschäft im Vordergrund ste-
hen, nicht die mutige und risikoreiche Ausrichtung auf neue digitale Geschäftsmodelle.
Dadurch verkümmern viele vermeintliche Digitalisierungsoffensiven zu einer reinen IT-
Automatisierung, um vorhandene Prozesse noch effizienter zu machen. Das Ergebnis sind
dann eher inkrementelle statt disruptive Fortschritte.
Auch dass der Mensch – insbesondere mit zunehmendem Alter – Veränderungen grund-
sätzlich eher kritisch gegenübersteht, hilft beim dynamischen Thema Digitalisierung über-
haupt nicht weiter, da die Veränderung ja gerade ihr wesentliches Merkmal ist. Wo früher
Erfahrung ein wesentliches Qualitätsmerkmal war, ist es heute der Faktor Ausprobieren.
Das bedingt aber Entscheidungen unter Unsicherheit und dafür sind die aktuellen Struk-
turen unserer Wirtschaft zu wenig ausgelegt. Es widerspricht auch der deutschen Kultur
der klaren Planung und mehr oder weniger abgesicherten Prognose. Wer allerdings wirk-
lich digital sein will, muss die Veränderungen im Kopf starten. Also wollen! Das Digital
Mindset ist die erste wesentliche Komponente für einen echten Digital Leader. Dabei ist
das freiwillige Wollen allemal besser, als von neuen digitalen Wettbewerbern dazu ge-
zwungen zu werden.
VI Vorwort
Nach dem Wollen stellt sich schnell die zweite Frage, nämlich die nach dem „Können“.
Digitale Veränderungen sind kein technischer Knopf, den man einfach so drücken kann.
Es geht vielmehr um das konkrete Wissen und das zugehörige Know-how rund um eine
digitale Wertschöpfung. Die Grundlagen der digitalen Ökonomie sind unerlässlich für
jeden Manager. Neben Fach- und Sozialkompetenz wird er künftig zwingend auch Digi-
talkompetenz brauchen, um unternehmerisch führen zu können. Und das gilt nicht nur
für die Führungsetagen, sondern für jeden Mitarbeiter im Unternehmen. Digitale Werte,
digitale Wertschöpfung, digitale Wertschöpfungsketten als Grundlage digitaler Geschäfts-
modelle müssen jedem in Fleisch und Blut übergehen. Alle wirtschaftlichen Aktivitäten
sind immer auch von einer digitalen Handelsebene aus zu betrachten und alle Maßnahmen
ganzheitlich zwischen einem analogen und einem digitalen Handelsraum zu bedenken.
Untersuchungen haben gezeigt, dass das Wissen rund um digitale Technologien, digitale
Ökonomie und digitale Märkte auf allen Arbeitsebenen und in den Führungsetagen nicht
besonders ausgeprägt ist. Nur durch konkrete Aus- und Weiterbildung lässt sich dieser
Zustand ändern. Das Können ist daher die zweite wesentliche Komponente, die einen Di-
gital Leader ausmacht – aber auch diese Digital Skills sind bei vielen deutschen Unter-
nehmen kritisch zu sehen. Genau an diesem Punkt will das vorliegende Werk „E-Busi-
ness“ ansetzen und auch weiterhin als das führende Lehrbuch im deutschsprachigen
Raum einen einzigartigen Gesamtüberblick zu wirklich allen Themen und Facetten rund
um die Digitale Wirtschaft schaffen. Kein anderes Lehrbuch hat es vor diesem Hinter-
grund geschafft, sich weit über 10 Jahre lang so konsequent aufzubauen, zu erweitern und
zu strukturieren, wie dieses. Es ist und bleibt der perfekte und umfassendste Einstieg in
die digitale Geschäftswelt mit allen Grundlagen, Plattformen und Geschäftsmodellen aus
technischer und managementorientierter Perspektive. Ein echter „Allrounder“ für das E-
Business, wie vielleicht der „Wöhe“ für die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre.
Was letztlich aber auch zählt, ist die konkrete Umsetzung digitaler Projekte und damit
das „Machen“. Alle Beteiligten werden daran gemessen, was konkret passiert und wie das
Unternehmen und seine Mitarbeiter auf diesem Weg mitgenommen werden. Dabei stehen
die drei „digitalen P“ im Mittelpunkt: Prozesse, Produkte und Plattformen sowie deren
Aufbau und Gestaltung. Die Automatisierung von Prozessen ist eine schlichte Notwen-
digkeit, ebenso die Beantwortung damit zusammenhängender Fragen wie Digital Custo-
mer Journey, Dynamic Pricing, Interaktives Bestellwesen, Tracking und so weiter. Dane-
ben wird die Digitalisierung der Produkte eine immer wichtigere Rolle spielen: Sensoren,
Internet der Dinge, künstliche Intelligenz und Fernwartung sind hierzu nur einige Stich-
worte. Nicht außer Acht gelassen werden darf aber auch der Aufbau digitaler Plattformen,
denn diese haben sich als überlegenes Geschäftsmodell im Netz erwiesen. Leider haben
wir derzeit keine echten digitalen Weltmarktführer aus Deutschland und kaum welche
aus Europa, was zu dem Schluss führt, dass es auch mit dem Machen in unseren Breiten-
graden nicht weit her ist. Die Digital Execution ist aber die dritte wesentliche Kompo-
nente, die einen Digital Leader auszeichnet und auch hierfür gibt es im Rahmen des Pro-
jektmanagements in jedem Kapitel konkrete Hinweise in diesem Lehrbuch, so dass auch
Praktiker wertvolle Anregungen finden sollten.
Vorwort VII
Fazit: Da die Digitalisierung nicht mehr aufzuhalten ist, müssen wir das digitale Zeitalter
aktiv gestalten und gemeinsam das Deutschland 4.0 für unsere digitale Wirtschaft bauen.
Dies wird abhängig sein von einem Digital Mindset (Wollen), den zugehörigen Digital
Skills (Können) sowie der Digital Execution (Machen), und damit von den Digital Lea-
dern, die unsere Unternehmen ins digitale Zeitalter führen. Das Lehrbuch „E-Business“
möchte für alle drei Bereiche einen Impuls setzen. Zunächst soll es die Chancen und Mög-
lichkeiten der Digitalisierung hervorheben und somit das „Wollen“ motivieren. Es setzt
den Hebel aber natürlich insbesondere beim zweiten Aspekt an und möchte gerade das
notwendige „Wissen“ vermitteln, damit ein erfolgreiches „Können“ mit klaren Hinweisen
auf ein zugehöriges Projektmanagement wahrscheinlicher wird. Dafür wurden erneut alle
Kapitel überarbeitet und aktuelle Entwicklungen wie u. a. Künstliche Intelligenz (KI),
Blockchain, Datenschutz (DSGVO) usw. einbezogen. Aktuelle Praxisbeispiele sowie ein-
mal mehr neue Klausur- und Übungsaufgaben wurden ebenso aufgenommen. Daneben
gibt es nun die Möglichkeit, sich selbst im Hinblick auf das eigene „Digital Leadership“
zu testen. Dafür gibt es nun im Internet den neuen begleitenden Digital Leadership Index
(www.digital-leadership-index.de), bei dem man über einen Fragebogen seine eigene Fä-
higkeit im Hinblick auf die drei Attribute Digital Mindset, Digital Skills und Digital Exe-
cution kostenlos einschätzen kann. Dieses Tool wird auch für Unternehmen im Rahmen
einer Gesamtanalyse der vorhandenen Mitarbeiter angeboten, um eine übergreifende Ein-
schätzung für die „Digital Readiness“ abgeben zu können. Hinzu kommt ein neuer be-
rufsbegleitender Studiengang zum „E-Business-Leader“ (www.e-business-leader.de)
mit Zertifikat der Universität Duisburg-Essen, bei dem sich die Teilnehmer die Kompe-
tenzen für die Unternehmensführung im digitalen Zeitalter erarbeiten können.
Die Zielgruppe des Lehrbuchs sind weiterhin Dozenten und Studierende der Studien-
richtungen Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik/Informatik, die sich mit
den Themen E-Business bzw. E-Commerce oder jetzt auch M-Commerce bzw. T-Com-
merce, (E-)Entrepreneurship, Marketing und Innovationsmanagement beschäftigen. Prak-
tiker, Politiker, Berater und Investoren, die sich mit Geschäftsmodellen bzw. -prozessen
in der Digitalen Wirtschaft oder im Rahmen der Digitalen Transformation befassen oder
dort bereits tätig sind, erhalten wertvolle Anregungen. Insbesondere ist das Lehrbuch aber
auch weiterhin die Basis für den berufsbegleitenden Studiengang zum zertifizierten „E-
Business-Manager“ (www.e-business-manager.de). Dieser bietet den Teilnehmern als
berufsbegleitendes Fernstudium die einmalige Möglichkeit, die Grundlagen elektroni-
scher Geschäftsprozesse und -modelle in den Bereichen Einkauf (E-Procurement), Ver-
kauf (E-Shop) und Handel (E-Marketplace) im Blended-Learning-Verfahren zu erlernen.
Schon über 140 erfolgreiche und zufriedene Absolventen aus allen Branchen haben hier-
von Gebrauch gemacht! Daneben gibt es weiterhin die Möglichkeit, die Grundlagen (Ka-
pitel 1) aus diesem Lehrbuch auch mit einem Online-Kurs zu begleiten. Dieses E-Busi-
ness-Seminar (www.e-business-seminar.de) ist ein Premium-Angebot im Internet mit ei-
ner aufwendigen Produktion der Lerninhalte in Text, Bild, Ton, Video, Animation, inter-
aktiven Grafiken usw. Aufgeteilt in sechs Kapitel mit vielen interessanten Medien und
VIII Vorwort
Inhalten erhalten die Teilnehmer das Rüstzeug für einen erfolgreichen Weg durch die Di-
gitale Wirtschaft bequem für zu Hause oder Ihren Arbeitsplatz. Durch das cloudbasierte
Angebot lernt man zeit- und ortsunabhängig. Die professionell aufbereiteten Inhalte und
attraktive Medienformate machen Spaß und vermehren nochmals das Wissen.
Ferner bietet der Autor unter der Marke „netSTART – WE START YOUR E-BUSINESS”
(www.netstart.de) ein umfassendes Angebot von Keynotes, Vorträgen, Seminaren und
Workshops zu den Themen Digitale Innovation, Digitale Transformation und Digitale
Wirtschaft an. In der Kombination aus dem Vortragsangebot und den Weiterbildungskur-
sen ist auch die „netSTART-Academy“ entstanden (www.netstart-academy.de). Das re-
sultierende Aus- und Weiterbildungssystem für das Digitale Zeitalter bietet als Baukasten
das Wissen und die Kompetenz für die Digitale Transformation und die Digitale Wirt-
schaft an. In diesem Zuge bieten wir nun auch den Unternehmen erstmalig an, nicht nur
die eigenen Mitarbeiter weiterzubilden, sondern auch über die Bereitstellung eines neuen
netSTART-Stipendiums (www.netstart-stipendium.de), mit talentierten Nachwuchskräften
in Kontakt zu kommen.
Mein besonderer Dank für die Unterstützung bei der Fertigstellung dieses Werkes gilt
erneut den wissenschaftlichen Mitarbeitern meines Lehrstuhls, die unter der zugehörigen
Marke „netCAMPUS – WE START YOUR E-ENTREPRENEURSHIP“ (www.netcampus
.de) nun schon seit 18 Jahren mit mir gemeinsam Forschung und Lehre für die Digitale
Wirtschaft betreiben. Dazu zählen in diesem Auflagen-Durchgang Herr Simon Hensellek,
Frau Katharina de Cruppe, Herr Philipp Jung und Herr Lucas Kleine-Stegemann. Weiter-
hin möchte ich mich sehr bei Herrn Ingo Kummutat für die Betreuung der zugehörigen
Webplattform und meinem Sekretariat mit Frau Denise Goldkuhle für die Korrekturarbei-
ten bedanken. Auch die studentischen Hilfskräfte haben sich mit den Recherche- und um-
fangreichen Layout-Arbeiten für dieses Werk verdient gemacht. Mein besonderer Dank
gilt aber erneut meiner lieben Frau Frauke Stefanie und meinen beiden Söhnen Kilian und
Niklas, die mir einen vorbehaltlosen Rückhalt bieten. Sie sind Ansporn und Erfüllung zu-
gleich und geben meinem Leben einen Sinn.
Essen, im Frühjahr 2019
Tobias Kollmann
Universität Duisburg-Essen, Campus Essen
Lehrstuhl für E-Business und E-Entrepreneurship
Internet: www.netcampus.de / www.netstart.de
Universitätsstrasse 9, D – 45141 Essen
E-Mail: [email protected]
Facebook: www.facebook.de/prof.tobias.kollmann
LinkedIn: www.linkedin.com/in/tobiaskollmann
Xing: www.xing.com/profile/tobias_kollmann
Twitter: www.twitter.com/prof_kollmann
Vorwort IX
Ein Gegensatz zwischen „realer“ und „virtueller“ Welt existiert nicht – so lautet ein
Grundsatz der Digitalpolitik der Bundesregierung. Deswegen sind Digitaler Wandel, Di-
gitale Transformation, Digitale Wirtschaft, Digitale Gesellschaft, Digitale Zukunft und
viele andere „Digitalthemen“ kein Sonderfeld oder gar nur ein vorübergehendes, tagespo-
litisches Momentum, sondern die elementare Herausforderung für Politik, Wirtschaft
und Gesellschaft für diese und die nächsten Generationen. Die zugehörigen Veränderun-
gen sind dabei leider kein „technischer Knopf“, den man so einfach drücken kann, sondern
in erster Linie ein „evolutionärer Kopf“, der benötigt wird, um digitale Geschäftsprozesse
und -modelle wirklich zu verstehen und anzugehen. Es geht dabei nicht um ein wenig
mehr IT in den Unternehmen unter dem Deckmantel „Industrie 4.0“ und auch nicht um
ein Mehr oder Weniger an Bandbreite in der Spitze der digitalen Infrastruktur. Es geht um
das digitale Know-how für die Entwicklung, den Aufbau und den Betrieb von elektroni-
schen Wertschöpfungen in Online- und Offline-Geschäftsmodellen. Dieses digitale
Know-how bildet sich in den Köpfen der handelnden Akteure und da gibt es massiven
Nachholbedarf! In diesem Zusammenhang lassen folgende Meldungen die Alarmsirenen
für unsere Wirtschaft laut aufheulen:
Alarmsirene Nr. 1: Laut Vodafone Institute Survey will kaum ein junger Deutscher
seine Karriere in der Digitalen Wirtschaft machen oder etwa in einem zugehörigen
Startup arbeiten. 33 % der Deutschen im Alter zwischen 18 und 30 Jahren schließen
eine Karriere in der Digitalen Wirtschaft für sich aus. Umgekehrt beantworten nur
13 % der Befragten die Frage nach einem möglichen Berufseinstieg im digitalen Sek-
tor mit einem eindeutigen Ja. 70 % der ‚Digital Natives‘ in Deutschland kann sich
zudem nicht vorstellen, für ein Startup zu arbeiten oder gar ein Unternehmen der
Digitalen Wirtschaft zu gründen (77 %). Das bedeutet, wir werden nicht nur kurzfris-
tig, sondern auch mittel- und langfristig nicht über ausreichend „Digitale Köpfe“ als
Manager für etablierte Unternehmen sowie Gründer für Startups verfügen.
Alarmsirene Nr. 2: In der Studie „Digital Business Readiness“ von Crisp Research
gaben über 50 % der Befragten im deutschen Mittelstand an, dass sie noch keine
umfassende Digitalstrategie besitzen und Pläne allenfalls auf dem Papier existieren.
Gleichwohl gaben fast 75 % der Mittelständler an, dass der Digitale Wandel großen
Einfluss auf ihre Unternehmensstrategie habe und IT-Expertise als unerlässliche
Qualifikation angesehen werde. Vor diesem Hintergrund gab der Deutschland-Chef
von Dimension Data, Sven Heinsen, im Handelsblatt zu Protokoll: „Vielen Unterneh-
men mangelt es neben den finanziellen oft auch an personellen Ressourcen, um den
digitalen Wandel intern voranzutreiben.“ Und BDI-Chef Ulrich Grillo ergänzte an
gleicher Stelle, „dass der deutsche Mittelstand in Schwierigkeiten geraten werde,
sollten sich die Firmen der Digitalisierung verweigern.“ Das bedeutet, wir haben zu
X Vorwort
wenig Fachkräfte und Manager, die als „digitale Köpfe“ die bestehenden KMU-Un-
ternehmen auf den Online-Wettbewerb ein- bzw. umstellen.
Alarmsirene Nr. 3: Die Manager in den Chefetagen der klassischen Industrie unter-
schätzen immer noch den Einfluss von digitalen Geschäftsprozessen und -modellen
auf das reale Kerngeschäft. Google arbeitet schon heute an Produkten für die Auto-
mobil-, Medizin- und Energieindustrie. Facebook und andere Startups bereiten welt-
weite Finanzprodukte vor, die auch für die heimische Versicherungs- und Finanzbran-
che zum Problem werden könnten. Schon heute kann man über GMAIL von Google
sein Geld als Überweisung versenden. Auch das Transportwesen mit Uber, die Le-
bensmittelbranche mit Amazon Fresh und viele andere werden betroffen sein. Wenn
es diesen Schwergewichten aus dem Online-Bereich gelingt, die digitalen Wertschöp-
fungsprozesse mit den dahinterliegenden realen Produkt- und Plattformentscheidun-
gen zu verbinden, dann werden Nachfrageströme umgeleitet, neue Handelsstruktu-
ren etabliert und die Wahl zu eigenen Endgeräten diktiert. Das bedeutet, wir haben
zu wenig visionäre Manager und Konzernlenker, die als „digitale Köpfe“ unsere
Industrie durch die Digitale Transformation führen können.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass wir uns aufgrund der fehlenden „digitalen Köpfe“ auf
folgende Probleme für die deutsche Wirtschaft einstellen müssen: 1. Unsere heimische
Startup-Szene wird weiterhin viele Digitale Innovationen verpassen und sich an den
Vorgaben aus dem Silicon Valley orientieren. Eigene digitale Weltmarktführer werden so
nicht entstehen. 2. Unser Mittelstand als oft zitiertes Rückgrat der Wirtschaft wird die
notwendige Digitale Transformation weiter unterlassen oder notgedrungen hinaus-
schieben. Das werden viele nicht überleben, Arbeitsplätze werden verloren gehen und da-
mit Substanz in unserem größten Wirtschaftssektor. Und 3. Unsere klassische Industrie
unterschätzt weiter den Digitalen Wettbewerb(er) und bleibt in der vermeintlich noch
sicheren realen Komfortzone anstatt eigene elektronische Wertschöpfungsprozesse als di-
gitale Geschäftsmodelle zu integrieren. Dass die notwendigen Maßnahmen und Instru-
mentarien nicht da wären, kann kaum einer bestreiten und die Maßnahmen im Bereich
Kapital oder Kooperation könnten wir ohne weiteres in den Griff bekommen. Aber es
mangelt offenbar vor dem Hintergrund der beschriebenen Alarmsirenen gerade an der An-
zahl, dem Willen, dem Mut oder dem zugehörigen Know-how in dem Bereich „Köpfe“
auf allen Ebenen. Im Ergebnis lauten die drei größten Baustellen für die Digitale Wirt-
schaft: Fehlende Gründer von neuen digitalen Unternehmen; fehlende Fachkräfte für not-
wendige Digitalisierung im Mittelstand; fehlende Manager mit einer digitalen Strategie in
der Industrie.
In einer Rede am 27.10.2015 im Rahmen der gemeinsamen deutsch-französischen Kon-
ferenz zur Digitalen Wirtschaft im Élysée-Palast zu der sowohl der Staatspräsident der
Französischen Republik François Hollande als auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela
Merkel eingeladen hatte, richtete der Autor des Buches die folgenden Worte an Sigmar
Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie und Emmanuel Macron, Minister für
Wirtschaft, Industrie und Digitales in Frankreich: „Wissen ist nun einmal auch für die
Vorwort XI
Digitale Welt die notwendige Basis für den Einsatz und die kompetente Nutzung von
digitalen Technologien, die Entwicklung von neuen innovativen Online-Startups sowie
die Digitale Transformation unserer klassischen Industrie und unserem Mittelstand.“ Vor
diesem Hintergrund soll die vorliegende 6. Auflage des Lehrbuchs „E-Business“ einen
erneuten Beitrag dazu leisten, das dringend benötigte Know-how für die Digitale Wirt-
schaft aufzubauen. Dafür wurden erneut alle Kapitel überarbeitet und aktuelle Entwick-
lungen u.a. in den Bereichen Digitale Transformation (z. B. Big Data, Internet of Things,
Industrie 4.0), M-Commerce (z. B. Mobile Couponing, Mobile Marketing, Mobile Pay-
ment) und der sozialen Netzwerke (z. B. Social Media Commerce, Social Media Marke-
ting, Open Innovation) einbezogen. Aktuelle Praxisbeispiele sowie neue Klausur- und
Übungsaufgaben wurden ebenso aufgenommen. Da sich inzwischen im sprachlichen Ge-
brauch der Begriff „Digitale Wirtschaft“ durchgesetzt hat, wurde auch der Titel dement-
sprechend angepasst.
Die Zielgruppe des Lehrbuchs sind weiterhin Dozenten und Studierende der Studien-
richtungen Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik/Informatik, die sich mit
den Themen E-Business bzw. E-Commerce oder jetzt auch M-Commerce bzw. T-Com-
merce, (E-)Entrepreneurship, Marketing und Innovationsmanagement beschäftigen. Prak-
tiker, Politiker, Berater und Investoren, die sich mit Geschäftsmodellen bzw. -prozessen
in der Digitalen Wirtschaft oder im Rahmen der Digitalen Transformation befassen oder
dort bereits tätig sind, erhalten wertvolle Anregungen. Insbesondere ist das Lehrbuch aber
auch die Basis für einen neuen berufsbegleitenden Studiengang geworden. Unter dem
Titel „E-Business-Manager“ (www.e-business-manager.de) bietet der Autor mit Beginn
eines jeden Semesters nun auch einen Zertifikatskurs an der Universität Duisburg-Essen
an, der es den Teilnehmern als Fernstudium ermöglicht, die Grundlagen elektronischer
Geschäftsprozesse und -modelle in den Bereichen Einkauf (E-Procurement), Verkauf (E-
Shop) und Handel (E-Marketplace) mit Hilfe von E-Learning-Komponenten zu erlernen.
Ferner bietet der Autor unter der Marke „netSTART – WE START YOUR E-BUSINESS”
(www.netstart.de) ein umfassendes Angebot von Keynotes, Vorträgen, Seminaren und
Workshops zu den Themen Digitale Innovation, Digitale Transformation und Digitale
Wirtschaft an. Über 200 Unternehmen, von der klein- und mittelständigen Firma bis hin
zum Großkonzern, haben in den letzten zehn Jahren von diesem Angebot Gebrauch ge-
macht, darunter namhafte Vertreter von Konzernen und KMUs, Verlagen, Banken, Bil-
dungseinrichtungen und Hochschulen, Interessensvertretungen und politischen Parteien
bzw. Organisationen, Messen, Seminarveranstaltern, Berufsverbänden, Clubs, Kunden-
versammlungen, Initiativkreisen, Medienunternehmen usw.
Mein besonderer Dank für die Unterstützung bei der Fertigstellung dieses Werkes gilt
erneut den wissenschaftlichen Mitarbeitern meines Lehrstuhls, die unter der zugehörigen
Marke „netCAMPUS – WE START YOUR E-ENTREPRENEURSHIP“ (www.netcampus
.de) nun schon seit 15 Jahren mit mir gemeinsam Forschung und Lehre für die Digitale
Wirtschaft betreiben. Dazu zählen in diesem Durchgang Herr Dr. Christoph Stöckmann,
Herr Simon Hensellek, Frau Julia Kensbock, Frau Jana Linstaedt und Frau Anika Peschl.
Ein besonderer Dank gilt weiterhin Herrn Alexander Michaelis, der sich insbesondere um
XII Vorwort
das Kapitel „E-Company“ verdient gemacht hat. Weiterhin möchte ich mich sehr bei
Herrn Ingo Kummutat für die Betreuung der zugehörigen Webplattform und auch bei
Herrn Sven Ueberdick für die umfangreichen Layout-Arbeiten bedanken. Mein besonderer
Dank gilt aber erneut meiner lieben Frau Frauke Stefanie und meinen beiden Söhnen Ki-
lian und Niklas, die mir einen vorbehaltlosen Rückhalt bieten. Sie sind Ansporn und Er-
füllung zugleich und geben meinem Leben einen Sinn.
Essen, im Frühjahr 2016
Tobias Kollmann
chem Gerät (PC, Tablet oder Smartphone) sie genutzt werden. Unanbhängig von Zuord-
nungen und begrifflichen Definitionen oder Branchenbezeichnungen wird vor diesem
Hintergrund eines ganz deutlich: E-Business ist ein zentraler Wirtschaftsfaktor gewor-
den, der nicht mehr wegzudenken ist!
Im Hinblick auf das Angebot von Literatur zum Thema „E-Business“ kann man im
Markt durchaus eine Zweiteilung beobachten. Da sind zum einen die eher wissenschaft-
lich- und lehrorientierten Abhandlungen und zum anderen die anleitungs- und praxisori-
entierten Leitfäden. Das vorliegende Werk gehört sicherlich zu der ersteren Gruppe. Ziel
ist es also weiterhin, einen theoriegeleiteten Überblick über das Themenfeld zu geben,
welches insbesondere in Forschung und Lehre eingesetzt werden kann. Auch wenn Prak-
tiker in den Ausführungen selbstverständlich ebenso wertvolle Anregungen und damit ein
solides und umsetzbares Fundament für ihre Arbeit finden werden, so ist es eben doch
kein reines „Kochbuch“ mit Checklisten für die Tagesarbeit. Dieses Buch befasst sich
analog zu seinem Untertitel eben mit den „Grundlagen elektronischer Geschäftsprozesse
in der Net Economy“ und soll dem Leser einen ersten strukturierten Überblick über die
Vielfalt und die Möglichkeiten des Themas „E-Business“ geben. Aufgrund der vorhande-
nen Akzeptanz des Werkes im Markt, kann nun erneut nach nur etwas mehr als zwei Jah-
ren eine weitere Auflage angeboten werden. Diese fünfte Auflage erfährt dabei eine we-
sentliche Erweiterung und Komplettierung, denn mit dem neuen Kapitel „E-Company“
wurde nun die noch fehlende Plattform der Net Economy aufgenommen. Damit sind nun
alle Plattformen im E-Business abgedeckt und der Leser hat erstmalig den kompletten
Überblick zu allen Bereichen elektronischer Geschäftsprozesse.
Aber auch alle anderen Kapitel wurden erneut überarbeitet und mit den jeweiligen aktu-
ellen Entwicklungen ergänzt. Besonders deutlich wird dies im Zusammenhang mit dem
Thema „Online-Marketing“ im Rahmen des E-Shops, wo sämtliche Aspekte des Social-
Media-Marketings nun auch vertreten sind. Aber auch in anderen Themen, wie Interak-
tives Fernsehen (ITV), elektronische Geschäftsmodelle oder den zahlreichen Fallbeispie-
len bzw. Übungs- und Klausuraufgaben wurden Überarbeitungen durchgeführt. Ferner
wurden neue Video- (E-Business) und Podcasts (E-Community) produziert, die auf der
Internet-Seite des Lehrstuhls (www.e-entrepreneurship.de) kostenlos abrufbar sind und
zudem auch teilweise bei Apple iTunes U erhältlich sind. Ziel war und ist es vor diesem
Hintergrund, dem Leser einen jeweils aktuellen und umfassenden Überblick rund um
elektronische Geschäftsprozesse in der Net Economy zu geben, der sicherlich mit der je-
weiligen Spezialliteratur in den einzelnen Themen theorie- oder praxisorientiert ergänzt
werden kann. Aufgrund der immer noch hohen Dynamik in diesem Themenfeld kann dies
jedoch leider immer nur eine Momentaufnahme sein.
Im Hinblick auf die dynamische und praxisorientierte Unterstützung seitens des Autors,
sei daher an dieser Stelle auf das zugehörige Angebot von netSTART (www.netstart.de)
verwiesen. „netSTART – WE START YOUR E-BUSINESS” ist ein integratives Angebot
der Bausteine Beratung, Finanzierung, Entwicklung, Umsetzung und Forschung von und
XIV Vorwort
für Unternehmen, die im E-Business und damit in der Net Economy aktiv(er) werden wol-
len. Von der Marktforschung, Analyse, Entwicklung und Gestaltung sowie der Umset-
zung, Programmierung und Implementierung von elektronischen Geschäftsmodellen und
-prozessen für klein und mittelständische Unternehmen sowie Großunternehmen bis hin
zur Finanzierung, Unterstützung und Aufbau von innovativen Startups – netSTART bietet
alles aus einer Hand!
Die Zielgruppe des Lehrbuchs sind weiterhin Dozenten und Studierende der Studien-
richtungen Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik, die sich mit den Themen
E-Business bzw. E-Commerce oder jetzt auch M-Commerce, (E-)Entrepreneurship, Mar-
keting und Innovationsmanagement beschäftigen. Praktiker, Berater und Investoren, die
sich mit Geschäftsmodellen bzw. -prozessen in der Net Economy befassen oder dort be-
reits tätig sind, erhalten wertvolle Anregungen. Mein besonderer Dank für die Unterstüt-
zung bei der Fertigstellung dieses Werkes gilt erneut den wissenschaftlichen Mitarbeitern
meines Lehrstuhls. Dazu zählen Herr Dr. Christoph Stöckmann, Herr Tom Denneman,
Herr Jan Ely, Frau Jana Linstaedt, Frau Anika Peschl und Frau Bettina Waldau. Ein be-
sonderer Dank gilt Herrn Alexander Michaelis, der sich insbesondere um das neue Kapitel
„E-Company“ verdient gemacht hat. Weiterhin möchte ich mich sehr bei meiner Sekretä-
rin Frau Cornelia Yano für die Korrekturarbeiten sowie bei Herrn Ingo Kummutat für die
Betreuung der Webplattform „www.e-entrepreneurship.de“ bedanken. Mein besonderer
Dank gilt erneut meiner lieben Frau Frauke Stefanie und meinen beiden Söhnen Kilian
und Niklas, die mir einen vorbehaltlosen Rückhalt bieten. Sie sind Ansporn und Erfüllung
zugleich und geben meinem Leben einen Sinn.
Essen, im Frühjahr 2013
Tobias Kollmann
E-Business 4.0 macht sich auf den Weg! Dass die neuen Entwicklungen in der Net Eco-
nomy rasend schnell voranschreiten, ist vor diesem Hintergrund keine neue Erkenntnis,
aber auch die zeitliche Frequenz der Neuauflagen dieses Lehrbuchs ist durchaus beacht-
lich. Erfreulich daran ist sicherlich die Tatsache, dass somit die Inhalte dieses Werkes
ständig aktualisiert werden können und die neuen Entwicklungen schnell zum Bestandteil
werden. Auf der anderen Seite werden aber auch strategische Planungen für die Lehrbuch-
Erweiterung durch die Notwendigkeit der Aufnahme dieser neuen Inhalte überholt. So
muss die Komplettierung der Plattformen im E-Business mit einem weiteren Kapitel „E-
Company“ nun auf die 5. Auflage verschoben werden, da die neuen Entwicklungen im
mobilen Bereich mit iPhone, iPad & Co und den zugehörigen Möglichkeiten des Mobile
Vorwort XV
Aber auch in anderen Bereichen wurde an der multimedialen Unterstützung dieses Lehr-
buchs gearbeitet. Der neue Multiple-Choice-Test „E-Wissenstest“ soll bspw. die Gele-
genheit geben, den Stoff des Lehrbuchs und der zugehörigen Lehrveranstaltung „E-Busi-
ness-Grundlagen“ zu überprüfen. Der Test gibt dafür eine Rückmeldung über den eigenen
Wissensstand und eventuelle Wissenslücken. Er kann die üblichen Lernmethoden dabei
natürlich nicht ersetzen und soll lediglich als Hilfsmittel angesehen werden. Es geht nur
darum, die Basiszusammenhänge zu wiederholen und somit das Basiswissen besser zu
XVI Vorwort
vertiefen. Der Test ist über die oben angeführte Webseite des Lehrstuhls im Menüpunkt
„Tools“ zu finden. Ebenso neu sind die eigens für dieses Lehrbuch entwickelten „E-Po-
dcasts“, in denen wichtige Lehrinhalte über Audiofiles nochmals nachvollzogen werden
können. Dabei werden die einzelnen Themen sowohl mit Studentendialogen, als auch pra-
xisorientierten Interviews mit der theoretischen Wissenserzählung im Hörbuchstil vermit-
telt. Die Podcasts sind über die Webseite des Lehrstuhls im Menüpunkt „Medien“ abruf-
bar.
Aber auch die vorliegende vierte Auflage des Lehrbuchs wurde natürlich in den Inhalten
wieder einmal erweitert: Neben dem bereits angesprochenen Schwerpunkt der mobilen
Internet-Nutzung, der zugehörigen mobilen Kommunikation und des M-Commerce über
mobile Applikationen wurden auch u. a. Themen wie Geo-Daten, Geo-Tagging und mo-
bile Communities sowie darauf basierend neue Geschäftsmodelle und Trends im E-Busi-
ness aufgenommen. Dabei wurden zahlreiche Anregungen in Rezensionen berücksichtigt,
in dem ein besonderer Wert auf einen noch stärkeren Praxisbezug der Ausführungen
und die Neu-Aufnahme von zahlreichen Praxisbeispielen gelegt wurde. Neben einer Ak-
tualisierung von Zahlen und Beispielen wurden für jedes Kapitel erneut auch zahlreiche
neue Übungsaufgaben konzipiert, um den Lehrstoff weiter vertiefen zu können. Zum
besseren Verständnis wurde zudem das Akronymverzeichnis in Bezug auf die neuen In-
halte weiter ausgebaut.
Die Zielgruppe des Lehrbuchs sind weiterhin Dozenten und Studierende der Studien-
richtungen Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik, die sich mit den Themen
E-Business bzw. E-Commerce oder jetzt auch M-Commerce, (E-)Entrepreneurship, Mar-
keting und Innovationsmanagement beschäftigen. Praktiker, Berater und Investoren, die
sich mit Geschäftsmodellen bzw. -prozessen in der Net Economy befassen oder dort be-
reits tätig sind, erhalten wertvolle Anregungen. Mein besonderer Dank für die Unterstüt-
zung bei der Fertigstellung dieses Werkes gilt erneut den wissenschaftlichen Mitarbeitern
meines Lehrstuhls. Dazu zählen Herr Dr. Andreas Kuckertz, Herr Dr. Christoph Stöck-
mann, Herr Marvin Karczewski, Frau Ina Kayser, Herr Patrick Krell, Frau Yvonne Meves,
Herr Nils Middelberg, Herr Carsten Schröer und Frau Stefanie Skowronek. Weiterhin
möchte ich mich sehr bei meiner Sekretärin Frau Cornelia Yano für die Korrekturarbeiten
sowie bei Herrn Ingo Kummutat für die Betreuung der Webplattform „www.e-entrepre
neurship.de“ bedanken. Mein besonderer Dank gilt erneut meiner lieben Frau Frauke Ste-
fanie und meinen beiden Söhnen Kilian und Niklas, die mir einen vorbehaltlosen Rückhalt
bieten. Sie sind Ansporn und Erfüllung zugleich und geben meinem Leben einen Sinn.
Essen, im Herbst 2010
Tobias Kollmann
Vorwort XVII
E-Business 3.0 geht an den Start – gemeint ist diesmal tatsächlich die dritte Auflage dieses
Lehrbuchs, welches in der Taktung der Neuauflagen der immer noch rasanten Entwick-
lungsgeschwindigkeit bei neuen Trends und Technologien in der Net Economy in nichts
nachzustehen scheint. Neben der Freude des Autors über diesen Markterfolg, steht das
Werk dadurch aber auch in der Verpflichtung, diesen neuen Trends und Technologien
nachzugehen und sie kontinuierlich zu integrieren, um auch weiterhin dem Leser einen
möglichst vollständigen Überblick über das E-Business und die zugehörige Net Economy
zu bieten. Neuauflagen bieten dazu die Chance und so wurde die dritte Auflage nochmals
erheblich erweitert, um dem vom Markt inzwischen zugestandenen Titel eines „Standard-
werkes“ gerecht zu werden. Diese Erweiterung bezieht sich auf ein komplett neues Kapitel
zum Thema „Web 2.0“ und damit der Plattform der „E-Community“. Auch wenn diese
Plattform rein definitorisch ursprünglich nicht zum E-Business zählte, da hier hauptsäch-
lich die Information und Kommunikation, nicht aber die Transaktion im Mittelpunkt stand,
so konnte in der Realität doch beobachtet werden, dass sich diese Kommunikation und die
Aktivitäten in solchen E-Communities aber zunehmend auch auf wirtschaftliche und da-
mit transaktionsrelevante Inhalte bezogen. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn in einer E-
Community durch die Nutzer verschiedene Produkte besprochen und bewertet werden und
der anschließende Kauf in einem E-Shop dadurch beeinflusst wird. Daher müssen auch
die Betreiber von E-Business-Aktivitäten zunehmend auf die Kommunikation in und über
E-Communities eingehen und diese aus Marketing- und Vertriebssicht verstehen lernen.
Gleichzeitig wird der Betrieb von E-Communities selbst zum E-Business, da die Gründer
von Xing & Co. inzwischen zeigen, dass man mit solchen Plattformen Geld verdienen
kann. Es gibt also gute Gründe, die Aspekte rund um Web 2.0-Plattformen in einem ei-
genständigen Kapitel „E-Community“ zu behandeln und den Bereich „E-Business“ da-
mit zu erweitern. Für die 4. Auflage ist dann auch folgerichtig die Komplettierung mit
einem weiteren Kapitel „E-Company“ geplant.
Das E-Business ist aber nicht nur inhaltlich gewachsen. Nach Hype-Phase (1995-2000)
und Anti-Hype-Phase (2000-2004), konnte die Web 2.0-Phase (2004-2008) wieder den
Anspruch der Internet-Technologie auf ein dauerhaftes und wertbeständiges Geschäfts-
feld unterstreichen. „Die Technologie wurde nie in Frage gestellt“ lautet entsprechend
dann auch der Titel eines Interviews des Autors auf deutsche-startups.de, in dem nochmals
unterstrichen wird, dass sich in den letzten 200 Jahren alle Technologien durchgesetzt ha-
ben, die auf Kosten- und Zeitreduktion ausgerichtet waren. Das E-Business spiegelt die-
sen Anspruch wider und hat sich entsprechend durchgesetzt! Inzwischen ist laut dem
Fachverband BITKOM weltweit jeder fünfte Mensch im Internet, was einer Verdoppelung
der Teilnehmer in den letzten fünf Jahren entspricht und zusätzlich nimmt der Zeitanteil,
der auf die Nutzung von Online-Medien verwendet wird, sowohl im beruflichen, als auch
privaten Bereich stetig zu. Bereits fest etablierte E-Business-Firmen wie z. B. ebay.de,
amazon.de, autoscout24.de, youtube.de, xing.de, google.de, skype.com und viele andere
XVIII Vorwort
Plattformen sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. E-Business-Startups wie se-
venload.de, mymuesli.de, amiando.de, cellity.de, zanox.de, studivz.de, qype.de, smava.de,
dawanda.de, panfu.de, brands4friends.de, mixxt.de, viif.de und weitere stehen bereit, in
diese Fußstapfen zu treten. Es ist also sprichwörtlich „wieder eine ganze Menge los“ in
der Net Economy. Es ist zudem erkennbar, dass viele dieser jungen Plattformen den Web
2.0-Gedanken verfolgen, was die Notwendigkeit für ein eigenständiges Kapitel „E-Com-
munity“ einmal mehr unterstreicht.
So wurden mit der vorliegenden dritten Auflage des Lehrbuchs insbesondere die The-
men rund um Social Networks (Web 2.0) bearbeitet. Dazu gehören Aspekte wie Ajax,
Mashups, Peer Collaboration, User-generated Content, Community Marketing, Wikis,
Weblogs sowie Bild- und Videoportale. Die grundsätzliche Struktur des Lehrbuches wur-
de dabei nicht verändert: Die Unterteilung in Einkauf (E-Procurement), Verkauf (E-Shop)
und Handel (E-Marketplace) als die drei zentralen Plattformen im E-Business wurde le-
diglich ergänzt um den Aspekt Kontakt (E-Community). Neben einer Aktualisierung von
Zahlen und Beispielen wurden für jedes Kapitel erneut auch zahlreiche neue Übungsauf-
gaben konzipiert, um den Lehrstoff weiter vertiefen zu können. Zum besseren Verständnis
wurde zudem das Akronymverzeichnis weiter ausgebaut.
Zielgruppe des Lehrbuchs sind weiterhin Dozenten und Studierende der Studienrichtun-
gen Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik, die sich mit den Themen E-Bu-
siness bzw. E Commerce, Entrepreneurship, Marketing und Innovationsmanagement be-
schäftigen. Praktiker, Berater und Investoren, die sich mit Geschäftsmodellen bzw.
-prozessen in der Net Economy befassen oder dort bereits tätig sind, erhalten wertvolle
Anregungen. Mein besonderer Dank für die Unterstützung bei der Fertigstellung dieses
Werkes gilt erneut den wissenschaftlichen Mitarbeitern meines Lehrstuhls. Dazu zählen
Herr Dr. Andreas Kuckertz, Frau Nicola Breugst, Herr Matthias Häsel, Frau Carina Lom-
berg, Herr Carsten Schröer, Herr Christoph Stöckmann und Frau Christina Suckow. Wei-
terhin möchte ich mich sehr bei meiner Sekretärin Frau Cornelia Yano für die Korrektur-
arbeiten sowie bei Herrn Ingo Kummutat für die Betreuung der Webplattform „www.e-
entrepreneurship.com“ bedanken. Mein ganz besonderer Dank gilt abermals meiner lieben
Frau Frauke Stefanie und meinen beiden Söhnen Kilian und Niklas, die mir einen vorbe-
haltlosen Rückhalt bieten. Sie sind Ansporn und Erfüllung zugleich und geben meinem
Leben einen Sinn.
Essen, im Sommer 2008
Tobias Kollmann
Vorwort XIX
Das neue E-Business 2.0 ist da! Gemeint ist damit aber nicht nur die zweite Auflage dieses
Lehrbuchs, sondern eine Reihe von neuen Trends und Technologien, die gerade in den
letzten Monaten dazu geführt haben, dass sich die Wahrnehmung von dem, was wir Inter-
net nennen, zu verändern beginnt. Über viele Jahre hinweg wurde das Internet als Tech-
nologie erlebt, die es erlaubt, Daten, Informationen oder multimediale Inhalte zu publizie-
ren und zu verteilen. Die Rollenverteilung der beteiligten Personen war zweiteilig: Zum
einen gab es aktive Ersteller von Web-Inhalten, die, teils kommerziell, teils privat, Infor-
mationen einstellten und publizierten. Zum anderen gab es passive Konsumenten, die sich
lediglich die bereitgestellten Inhalte ansehen konnten und auch gar keine andere Option
hatten, als die Informationen zu empfangen und zu konsumieren. Ohne dass man es an
einer bestimmten Technologie oder einem einzelnen Ereignis festmachen kann, hat sich
ab etwa 2004 das Gefühl verbreitet, dass sich eine wesentliche Veränderung anbahnt, wie
das Netz wahrgenommen und genutzt wird. Das „Web 2.0“ war geboren. Wenn man sich
die einschlägigen Web 2.0-Plattformen anschaut, geht es stets um die Beiträge vieler Men-
schen. Der Community-Gedanke steht ganz klar im Vordergrund und bildet nicht zuletzt
die Basis vieler neuer Geschäftsideen, an die vor einigen Jahren noch nicht zu denken war.
Aber das Web 2.0 bietet noch viel mehr als erfolgreiche Geschäftsideen: Mit Hilfe von
Wikis, Blogs, RSS-Feeds, Mashups, Web Services, Ajax und Rich Internet-Technologien
können Unternehmen jeder Art in einen engeren Dialog mit ihren Kunden treten als dies
jemals zuvor möglich war und ihre Webpräsenz in vielerlei Hinsicht bereichern. Die
Trends und Technologien des Web 2.0 sind somit für Unternehmensgründer und etablierte
Unternehmen in der Net Economy gleichermaßen relevant, da sie nicht nur neue Ge-
schäftsmodelle ermöglichen, sondern auch einen erheblichen Einfluss auf die Wettbe-
werbssituation derjenigen Unternehmen haben, die im wirtschaftlich genutzten Bereich
des Web bereits seit längerem aktiv sind.
Und damit nicht genug: Inzwischen steht schon das „Web 3.0“ vor der Tür. Die Vision
eines intelligenten Semantischen Web ist schon allgegenwärtig. E-Business 3.0-Konzepte
machen sich die offensichtliche Not der Nachfrager zur Tugend und rücken den Kunden
mit seinem individuellen (Informations-)Bedürfnis in den Mittelpunkt der eigenen Ge-
schäftsidee. Und damit ist nicht nur die reine Personalisierung bereits bestehender Web-
Angebote gemeint – denn diese erwartet der Kunde laut aktueller Studien ohnehin. Ge-
meint ist hier vielmehr der mögliche Wechsel von einem Angebots- zum Nachfragermarkt
– aus E-Business wird (M)E-Business! Während er aus seiner Sicht aber den sozialen
Aspekt der Vernetzung in den Vordergrund stellt, kann der Begriff aus meiner Sicht auch
kommerzielle Perspektive öffnen. Die „pauschale“ Informations- und Angebotsflut in den
Datenbanken macht es dem Nachfrager nämlich oftmals unmöglich, ein dem individuellen
Bedürfnis entsprechendes Angebot zu finden. Es ist daher das Bedürfnis selbst („me“),
welches es elektronisch zu erfassen und zu befriedigen gilt. Der Kunde möchte nicht lange
und erfolglos auf verschiedenen Plattformen nach dem passenden Objekt suchen, er
XX Vorwort
möchte direkt ein persönlich auf ihn zugeschnittenes Angebot haben. Es wird also in Zu-
kunft zunehmend wichtig sein, über Request-Systeme zur Erfassung der Nachfrage noch
näher am Kunden zu sein. Dabei kann folgende Maxime unterstellt werden: Der Erste, der
das Bedürfnis des Kunden kennt, kann auch ein Angebot unterbreiten.
Vor diesem Hintergrund kann man durchaus von einer Wiedergeburt des Internets und des
E-Business sprechen. E-Business war keine Grippe, die wieder vorbeigeht! Das Internet
hat sich als Medium bei der Bevölkerung inzwischen durchgesetzt und ist schon ein paar
Jahre nach dem Crash am „Neuen Markt“ bereits fester Bestandteil unserer Gesellschaft
geworden und kaum mehr wegzudenken. Unternehmen wickeln Teile ihrer Geschäftspro-
zesse über das Internet ab, um ihre Effektivität und Produktivität zu steigern, immer mehr
Unternehmen basieren sogar ihr gesamtes Geschäftskonzept auf dem weltweiten Daten-
netz (E-Entrepreneurship). E-Business ist ein anerkanntes Betätigungsfeld geworden
und man kann sogar von einem neuen „Online-Mittelstand“ in Deutschland sprechen.
Die Nachfrage nach Wissen rund um elektronische Geschäftsprozesse steigt wieder signi-
fikant bei Unternehmen, Nachfragern, Studenten, Presse, Medien und Politik an. Nicht
zuletzt der Erfolg der ersten Auflage dieses Lehrbuchs kann als weiteres Indiz hierfür ge-
wertet werden.
So wurde mit der vorliegenden zweiten Auflage des Lehrbuchs die Chance genutzt, die
neuen Themen im E-Business einzuarbeiten bzw. auszuweiten. Hierzu gehören insbeson-
dere die Themen Web 2.0, Web 3.0, Second Life, V-Entrepreneurship, RFID, Online-Be-
schwerdemanagement, Permission-Marketing, Oszillationseffekte bei elektronischen
Marktplätzen und Online-Auktionstypen. Die grundsätzliche Struktur des Lehrbuches
wurde dabei aber nicht verändert, da die Unterteilung in Einkauf (E-Procurement), Ver-
kauf (E-Shop) und Handel (E-Marketplace) als die drei zentralen Plattformen im E-Busi-
ness weitgehend Anerkennung als Basis für Forschung und Lehre gefunden hat. Neben
einer Aktualisierung von Zahlen und Beispielen wurden für jedes Kapitel auch zahlreiche
neue Übungsaufgaben konzipiert, um den Lehrstoff weiter zu vertiefen. Zum besseren
Verständnis wurde auch eine Abkürzungsübersicht (Akronymverzeichnis) aufgenommen.
Zielgruppe des Lehrbuchs sind weiterhin Dozenten und Studierende der Studienrichtun-
gen Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik, die sich mit den Themen E-Bu-
siness bzw. E Commerce, Entrepreneurship, Marketing und Innovationsmanagement be-
schäftigen. Praktiker, Berater und Investoren, die sich mit Geschäftsmodellen bzw.
-prozessen in der Net Economy befassen oder dort bereits tätig sind, erhalten wertvolle
Anregungen. Mein besonderer Dank für die Unterstützung bei der Fertigstellung dieses
Werkes gilt weiterhin natürlich den wissenschaftlichen Mitarbeitern meines Lehrstuhls.
Dazu zählen Herr Dr. Andreas Kuckertz, Frau Julia Christofor, Herr Matthias Häsel, Frau
Carina Lomberg, Herr Carsten Schröer, Herr Christoph Stöckmann und Frau Christina
Suckow. Weiterhin möchte ich mich sehr bei meiner Sekretärin Frau Cornelia Yano für
die Korrekturarbeiten, sowie bei Herrn Ingo Kummutat für die Betreuung der Webplatt-
form „www.e-entrepreneurship.com“ bedanken. Mein ganz besonderer Dank gilt ab-
Vorwort XXI
schließend abermals meiner lieben Frau Frauke Stefanie und meinen beiden Söhnen Ki-
lian und Niklas, die weitgehend auf ein ruhiges Privatleben verzichten und mir so einen
vorbehaltlosen Rückhalt bieten. Sie sind Ansporn und Erfüllung zugleich und geben mei-
nem Leben einen Sinn.
Essen, im Sommer 2007
Tobias Kollmann
In den vergangenen Jahren wurden die internen und externen Informations- und Kommu-
nikationsprozesse von Unternehmen aus nahezu allen Wirtschaftszweigen zunehmend
durch elektronische Informationstechnologien unterstützt. Die grundsätzlichen Vorteile
derartiger Systeme, insbesondere hinsichtlich Effizienz und Effektivität, sind heute weit-
gehend anerkannt und ständige Innovationen in diesem Feld werden diesen Trend auch in
Zukunft weiter fortschreiben. Teilweise können traditionelle Geschäftsprozesse sogar
schon vollständig durch digitale Prozesse substituiert werden. Zusammenfassen lässt sich
diese Entwicklung unter dem in Wissenschaft und Praxis etablierten Stichwort des
Electronic Business (E-Business), womit die generelle Nutzbarmachung von digitalen
Informationstechnologien zur Unterstützung von Geschäftsprozessen in der Vorberei-
tungs-, Verhandlungs- und Durchführungsphase bezeichnet wird. Dabei werden die Bau-
steine Information, Kommunikation und Transaktion zwischen den beteiligten ökonomi-
schen Partnern über weltweite Netzwerke transferiert bzw. abgewickelt.
Das E-Business polarisierte lange Zeit die Führungsetagen der Geschäftswelt: Auf der ei-
nen Seite standen die Optimisten, die in den Möglichkeiten der elektronischen Kommuni-
kation und Transaktion die Management-Herausforderung der Zukunft sahen. Für sie
war vollkommen klar, dass die eigene Wettbewerbsposition nur mit der klaren Berück-
sichtigung der elektronischen Handlungsebene gesichert werden konnte. Auf der anderen
Seite standen die Pessimisten, die sich weiterhin auf die traditionelle Handlungsebene für
den Aufbau und die Pflege von Geschäftsbeziehungen konzentrierten. Vertreter der letz-
teren Gruppe interpretierten folgerichtig die Möglichkeiten der elektronischen Abstraktion
von Geschäftsprozessen eher als Spielerei, denn als gleichwertigen Ersatz für den persön-
lichen Kontakt. Anhänger der zuerst genannten Gruppe sahen dagegen in der elektroni-
schen Unterstützung das Potenzial zur Reduktion von Transaktionskosten, zum Ange-
bot verbesserter Produkt- und Serviceleistungen und zur Schaffung eines neuen Absatz-
kanals. Und sie sollten Recht behalten! Das E-Business war nämlich keine Grippe, die
nach dem Zusammenbruch des sog. Neuen Marktes im Jahr 2001, an dem die zugehörigen
XXII Vorwort
Wie kann der unternehmerische Beschaffungs- (Einkauf), Absatz- (Verkauf) und Ver-
mittlungsprozess (Handel) mit Hilfe elektronischer Technologien gestaltet werden?
Welche technischen Rahmenbedingungen müssen hierbei berücksichtigt werden?
Die Darstellungen basieren dabei sowohl auf betriebswirtschaftlichen, als auch techni-
schen Gesichtspunkten, womit erstmalig die gesamte Bandbreite im E-Business abgedeckt
wird. Zielgruppe des Lehrbuchs sind Dozenten und Studierende der Studienrichtungen
Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik, die sich mit den Themen E-Business
bzw. E Commerce, Entrepreneurship, Marketing und Innovationsmanagement beschäfti-
gen. Praktiker, Berater und Investoren, die sich mit Geschäftsmodellen bzw. -prozessen in
der Net Economy befassen oder dort bereits tätig sind, erhalten wertvolle Anregungen.
Mein besonderer Dank für die Unterstützung bei der Fertigstellung dieses Werkes gilt an
erster Stelle natürlich den wissenschaftlichen Mitarbeitern meines Lehrstuhls. Dazu zäh-
len Herr Dr. Andreas Kuckertz, Frau Julia Christofor, Herr Matthias Häsel, Herr Chris-
toph Stöckmann und Frau Christina Suckow. Eine weitere Anerkennung gilt meiner stu-
dentischen Hilfskraft Frau Carina Lomberg, die bei der Fertigstellung der Druckvorlage
sowie der Bearbeitung der Abbildungen sehr gute Dienste geleistet hat. Weiterhin möchte
ich mich sehr bei meiner Sekretärin Frau Cornelia Yano für die Korrekturarbeiten und das
reibungslose Prozessmanagement, sowie bei Herrn Ingo Kummutat für die Betreuung der
Webplattform „www.e-entrepreneurship.de“ bedanken. Mein ganz besonderer Dank gilt
abschließend meiner lieben Frau Frauke Stefanie und meinen Söhnen Kilian und Niklas,
die weitgehend auf ein ruhiges Privatleben verzichten und mir so einen vorbehaltlosen
Rückhalt bieten. Sie sind Ansporn und Erfüllung zugleich und geben meinem Leben einen
Sinn.
Essen, im Winter 2006/2007
Tobias Kollmann
XXIV Medienhinweise
Medienhinweise
Aufgaben im E-Procurement
Produktanalyse im E-Procurement
Online-Kurs „E-Business-Seminar“
Alle Grundlagen für elektronische Geschäftsprozesse und -modelle (Kapitel 1) gibt es jetzt
auch als Online-Kurs. Nie war es einfacher, sich für die Digitale Wirtschaft fit zu machen!
Unser Premium-Angebot mit einer aufwendigen Produktion der Lerninhalte in Text, Bild,
Ton, Video, Animation, interaktiven Grafiken usw. Durch unser cloudbasiertes Angebot
lernen Sie zeit- und ortsunabhängig. Die professionell aufbereiteten Inhalte und attraktive
Medienformate machen Spaß und vermehren Ihr Wissen. Die Themen sind Digitale Tech-
nologien, Digitale Mehrwerte, Digitale Geschäftsmodelle und Digitaler Wettbewerb.
Inhaltsverzeichnis
1.2 Die Informationstechnologie als Basis für die Digitale Wirtschaft ........................ 22
1.2.1 Das Internet (WWW) .................................................................................. 22
1.2.2 Der Mobilfunk (UMTS/LTE) ...................................................................... 26
1.2.3 Das interaktive Fernsehen (ITV) ................................................................ 33
1.3 Der Informationsaustausch als Notwendigkeit für die Digitale Wirtschaft ............ 38
1.3.1 Die Chancen der Virtualität ........................................................................ 40
1.3.2 Die Möglichkeiten von Multimedia ............................................................ 43
1.3.3 Die Notwendigkeit der Interaktivität........................................................... 46
1.3.4 Die Möglichkeit der Individualität .............................................................. 48
1.3.5 Die Perspektive der Mobilität...................................................................... 51
1.3.6 Die Anforderungen des Datenschutzes ....................................................... 54
1.4 Die Informationsökonomie als Ausgangspunkt für die Digitale Wirtschaft ........... 56
1.4.1 Die elektronische Wertschöpfung ................................................................ 58
1.4.2 Die elektronische Wertschöpfungskette ....................................................... 59
1.4.3 Der elektronische Wertschöpfungsprozess .................................................. 62
1.5 Der Informationswettbewerb als Ergebnis für die Digitale Wirtschaft .................. 64
1.5.1 Die Plattformen der Digitalen Wirtschaft ................................................... 65
1.5.2 Die Geschäftsmodelle der Digitalen Wirtschaft .......................................... 67
1.5.3 Das Akzeptanzmodell der Digitalen Wirtschaft ........................................... 74
1.5.4 Die Unternehmensgründung in der Digitalen Wirtschaft ............................ 79
1.5.5 Die Unternehmensführung in der Digitalen Wirtschaft .............................. 91
1.5.6 Das Schalenmodell der Digitalen Wirtschaft .............................................. 95
1.6 Die Informationsexplosion als Perspektive für die Digitale Wirtschaft ................. 97
1.6.1 Die Möglichkeiten im Web 2.0 (User-generated Content) .......................... 97
XXVI Inhaltsverzeichnis
1.6.2 Die Entwicklung zum Web 2.X (Semantic Content) ................................. 100
1.6.3 Die Aussichten im Web 3.0 (Request Content) ......................................... 103
1.6.4 Die Transformation zum Web 4.0 (Industrial Content) ............................. 115
1.6.5 Die Intelligenz des Web 5.0 (Artificial Content) ....................................... 117
1.7 Die Handlungsmatrix als Modularstruktur für die Digitale Wirtschaft ................ 121
Die Basis dieser Entwicklung bildet das Leistungsvermögen der Computer- und Infor-
mationstechnik. Waren die ersten Computer in der Mitte des letzten Jahrhunderts gerade
einmal in der Lage, einfache Additionen durchzuführen, wobei sie dafür mehrere Stunden
Rechenzeit benötigten, die Standfläche einer Lagerhalle in Anspruch nahmen und An-
schaffungskosten im siebenstelligen Bereich verursachten, so sorgte die exponentiell stei-
gende Rechnerleistung bei gleichzeitig rapide sinkenden Hardwarepreisen in Kombina-
tion mit zunehmender Miniaturisierung der Hardware dafür, dass heutzutage die Informa-
tionsübertragung mobil und ohne zeitliche und räumliche Beschränkungen vollzogen
werden kann. Die zukünftige Entwicklung dieser stetigen Leistungssteigerung kann an-
hand der folgenden technologischen Entwicklungstendenzen verdeutlicht werden:
Logikchips: Der als „erster Computer auf einem Chip“ gefeierte Prozessor aus dem
Jahre 1971 besaß 2.300 Transistoren. Die maximale Anzahl der Transistoren pro Chip
beträgt derzeit hingegen mehr als 7,1 Mrd., abhängig von der Ausstattung des jeweiligen
Prozessors. Dank moderner Fertigungstechnik ist es möglich, immer kleinere Transis-
toren und immer komplexere Schaltungen zu bauen, wodurch Prozessoren schneller,
leistungsfähiger und zugleich kleiner werden können.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019
T. Kollmann, E-Business, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26143-6_1
2 Die Grundlagen des E-Business
buch sind. So nutzt laut einer Umfrage, die vom Hightech-Verband BITKOM (2017b) durch-
geführt wurde, knapp jeder fünfte Deutsche ein Tablet-PC. Auch die Nutzung der Smartwatch
hat sich in den letzten Jahren etabliert. Sie ermöglicht eine Verbindung mit dem Smartphone,
sodass eingehende Nachrichten oder Anrufe auf dem Smartwatch-Display angezeigt werden
und diese auch direkt beantwortet werden können. Zudem können sie mittlerweile auch
Schritte zählen oder die Herzfrequenz messen und damit im Gesundheitsbereich (eHealth)
eingesetzt werden. Im Jahr 2017 wurden alleine in Deutschland 1,26 Mio. Smartwatches ab-
gesetzt, was ein Umsatzanstieg von 44 % bedeutet (BITKOM 2017a).
Die technische Integration statt Separation prägt die wirtschaftliche Entwicklung zuneh-
mend. Eine möglichst universelle Verwendbarkeit bei gleichzeitiger Nutzenoptimierung
ist die Bedingung, der Technologien heute genügen müssen. Multimediale Anwendungen
und Systeme zielen genau auf diese Ziele ab. Sie vereinen informationstechnische, kom-
munikationstechnische, unterhaltungs- und optoelektronische Elemente (Kollmann 1998a,
S.164 ff.) In einem komplett ausgestatteten Multimedia-PC sind Fernseher, Radio und
Soundkarte, Fotobearbeitung und Dia-Show, Telefax, Telefon, Anrufbeantworter und On-
line-Dienst neben den klassischen Computeranwendungen integriert. Eine sehr starke
Rechnerleistung in verschiedenen Medien (PC, Telefon, TV usw.) als Technologiebasis
bei gleichzeitig verbesserter Technologieanwendbarkeit durch die Miniaturisierung im
Hardwarebereich ist eine notwendige Bedingung für die Entwicklung elektronischer Ge-
schäftsmöglichkeiten. Diese Rechnerleistung ist letztendlich dafür verantwortlich, dass der
Anwender über ein Zugriffsmedium die zahlreichen heterogenen Informationen (z. B. Pro-
dukt- und Zahlungsinformationen, Kommunikation mit dem Handelspartner), die für eine
Transaktion notwendig sind, überhaupt erfassen und kontrollieren kann. Die Schnelligkeit
der Informationsverarbeitung der elektronischen Medien basiert dabei gerade auf der
technischen Form der Inhalte, der digitalen 0/1-Informationen.
Text: Bei der Digitalisierung von Text sehr verbreitet ist der American Standard
Code for Information Interchange (ASCII) -Code, bei dem jeder lateinische Buch-
stabe durch eine Folge von sieben Ziffern ausgedrückt wird. Jede Ziffer kann dabei nur
4 Die Grundlagen des E-Business
den Wert 0 oder 1 annehmen. Die Ziffernfolge 1000001 stellt bspw. den Großbuch-
staben „A“ dar.
Bild: Die Digitalisierung eines Bildes basiert auf dessen Zerlegung in Zeilen und Spal-
ten. Bei einfachen Rastergrafiken mit ausschließlich schwarzen und weißen Bildpunk-
ten nimmt jedes Element dieser Matrix entweder den Wert 0 für weiß oder 1 für schwarz
an. Die Matrix wird zeilenweise ausgelesen, wodurch man eine Folge von Ziffern
erhält, die das Bild repräsentiert. Um demgegenüber ein Farbbild darzustellen, wird
jedem Pixel z. B. eine 16- oder 32-stellige Ziffernfolge zugeordnet.
Ton: Die Umwandlung von Tonsignalen erfolgt in der Regel mit einem Analog-Digi-
tal-Wandler, der die analogen Eingangssignale in einen digitalen Datenstrom überführt.
Auflösung und Abtastrate des Wandlers bestimmen dabei, mit welcher Genauigkeit
das ursprüngliche Signal in digitaler Form dargestellt wird und somit die Tonqualität.
First- Critical-
Copy- Mass-
Cost Revenue
Datenverwendung
Anzahl der Kopien
Gegensatz zu realen Informationsprodukten bzw. -trägern, die mit der Zunahme der Aus-
bringungsmenge der Informationsinhalte nur bedingt Kosteneinsparungen realisieren
können (z. B. bei der Produktion von Broschüren und/oder deren postalischer Versen-
dung), ist bei digitalen Informationsprodukten bzw. -trägern in der Regel lediglich die
erstmalige Erstellung des digitalen Inhaltes mit größeren Kosten verbunden (sog. First
Copy Costs). Die nachfolgende Vervielfältigung und Verbreitung der 0/1-Daten ist dann
nur noch mit marginalen Kosten, z. B. für die digitale Speicherung oder die Datenüber-
tragung über elektronische Netzwerke, verbunden. In der Folge kommt es mit steigender
Anzahl der Kopien der digitalen Informationsprodukte zu einem erheblichen Kostende-
gressionseffekt (s. Abb. 1), der auch zu einem Anstieg der wirtschaftlichen Attraktivität
der Nutzung digitaler Informationen und deren mengenmäßigen Distribution über elekt-
ronische Datennetze führt (Gewinnskalierungseffekt, s. Kapitel 1.1.3). Diese Effekte
sind ein zentrales Merkmal für die Etablierung der Digitalen Wirtschaft. Damit diese Ef-
fekte innerhalb des Datenaustausches zwischen Handels- und Kommunikationspartnern
wirksam bzw. realisiert werden, müssen die von ihnen genutzten Übertragungsmedien und
zugehörigen Nutzer aber miteinander vernetzt sein.
Die Vernetzung von Computersystemen lässt neue Freiheitsgrade für eine elektronische
Kommunikation zu. Die zunehmende Vernetzung der einzelnen, in der Anschaffung im-
mer günstiger werdenden PCs, führt dazu, dass quasi jeder am „Datenhighway“ teilneh-
men kann. Dabei führt die weltweite Vernetzung von digitalen Daten und Informations-
wegen im Rahmen der „Informationsrevolution“ zu einer neuen Phase des Aufschwungs
mit neuen Spielregeln für das wirtschaftliche Zusammenleben. Kommunikationsformen
ändern sich, Marktgrenzen lösen sich auf, die Globalisierung schreitet fort und individu-
elle Informationen lassen sich ohne räumliche Beschränkungen nahezu unendlich schnell
von einem Punkt zum anderen innerhalb dieser Netze übertragen. Hält man sich vor Au-
gen, dass die ersten Rechner erst im Jahr 1969 vernetzt wurden, so wird einem immer
wieder deutlich, wie kurz eigentlich die Zeitspanne von den Ursprüngen der Entwicklung
bis zu den heutigen Strukturen des vorhandenen globalen Informationsnetzes ist bzw.
war (s. Abb. 2). Der Global Digital Report (2018) zeigt, dass heutzutage mehr als 4 Mrd.
Menschen weltweit das Internet nutzen.
Noch immer verläuft diese Entwicklung so rasant, dass es unmöglich erscheint anzuge-
ben, wann das Internet (s. Kapitel 1.2.1) seine endgültige Form annehmen wird. Aktuelle
Zahlen, z. B. über die Größe des Datennetzes, die angeschlossenen Nutzer oder den Wert
elektronischer wirtschaftlicher Transaktionen scheinen in dem Moment überholt zu sein, in
dem sie publiziert werden. Entscheidend für die generelle Entwicklung und Notwendigkeit
einer Auseinandersetzung mit dieser Materie sind auch nicht in erster Linie konkrete Zah-
len, sondern das Einvernehmen darüber, dass mit der elektronischen Datenwelt eine neue
allgemein akzeptierte Dimension des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammen-
Die Informationstechnik als Voraussetzung für die Digitale Wirtschaft 7
lebens entsteht. Aktuelle Studien bestätigen die wichtige Rolle, die die Vernetzung heute
im Alltag der deutschen Bevölkerung einnimmt (z. B. ARD/ZDF 2015).
Insbesondere für die jüngeren Generationen gilt das weltweite Datennetz als das zentrale
und wichtigste Informations- und Unterhaltungsmedium. Die Nutzung ist zu einem
Kennzeichen eines innovativen und zukunftsgerichteten Lebensstils und somit zu einer ge-
sellschaftlichen Kulturfrage geworden. Gleichermaßen bestimmt die zunehmende Vernet-
zung die wirtschaftliche Entwicklung maßgeblich. Internationale Experten sind sich einig,
dass sich zunehmend auch überlegene breitbandige Netz-Infrastrukturen zu einem ent-
scheidenden Erfolgsfaktor im internationalen Standortwettbewerb entwickeln.
Millionen Nutzer in
90 Deutschland
Digital
80
Stereo
Handy DVD
70 TV
UKW Tablet
60
Radio Farbe
50 Computer
Mobil
40 Tonband Mobiles
Schall- Internet
30 Telefon platte
Fern- Internet
Volksempfänger wahl
20 Standard-
Lautsprecher Kassette werk-
Füll- Internet
schrift zeuge
10
Kopfhörer PC
Web Browser Zeit
0
1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020
Differenziert betrachtet wird die Nutzung der Infrastruktur durch die drei zentralen
Faktoren Verfügbarkeit, Geschwindigkeit und Kosten determiniert. Die Verfügbarkeit ist
hier ein bedeutender Schlüsselbegriff. Die Möglichkeit, jederzeit online zu sein (always-
on) und über eine hohe Bandbreite verfügen zu können, bildet die Basis für die Attrakti-
vität des Mediums. Die derzeit ländlich noch vorzufindenden Bandbreiten von unter 16
Mbit/s werden in den nächsten Jahren zurückgehen. Bis 2018 sollen Bandbreiten von min-
destens 50 Mbit/s in Deutschland flächendeckend verfügbar sein, doch schon zu Beginn
von 2017 hatten nur ca. 80 % der deutschen Haushalte einen Breitbandanschluss. Die
Städte liegen dabei weit vor den ländlichen Gebieten, in denen nur 36 % aller Haushalte
8 Die Grundlagen des E-Business
die Wirtschaft oder die Gesellschaft als Ganzes. Erst mit einer ausreichenden Bandbreite
können die umfassenden und komplexen Informationen für eine geschäftliche Transaktion
übertragen werden. Mit dieser technischen Möglichkeit wuchs die Attraktivität für Han-
delsteilnehmer, das Datennetz wirtschaftlich zu nutzen, und damit wuchs die Vielfalt der
Datenquellen und der verfügbaren Datenmenge.
Im Hinblick auf die wirtschaftliche Dimension der Auswirkung einer Vernetzung der
Teilnehmer im und über das Datennetz kann festgehalten werden, dass mit einer Zunahme
der Datenkonsumtion ein Skalierungseffekt für den Gewinn aus digitalen Transaktionen
entstehen soll bzw. kann (s. Abb. 1). Der Grund hierfür ist die sog. kritische Masse (engl.
Critical-Mass). Sie bezeichnet die subjektive Attraktivität der von einem Individuum emp-
fundene Mindestzahl an Angeboten oder Nutzern auf einer elektronischen Plattform, die
erforderlich ist, damit ein ausreichender Nutzen für die eigene langfristige Verwendung
wahrgenommen wird. Dies kann z. B. bei einem E-Shop die Anzahl an angebotenen Pro-
dukten, bei einer E-Community die Anzahl der registrierten und/oder aktiven Nutzer oder
auf einem E-Marketplace die Anzahl der Anbieter und Nachfrager bzw. der durch sie de-
terminierten Handelsaktivitäten sein. Je größer diese installierte Basis, desto größer ist der
Derivativnutzen für den (nächsten/vorhandenen) Kunden (s. Kapitel 4.3.1.2). Wenn hier-
bei eine bestimmte Angebots- bzw. Nutzerzahl überschritten ist und der Derivativnutzen
ein bestimmtes Niveau überschritten hat, ist zu erwarten, dass nicht nur die vorhandenen
Nutzer das elektronische Angebot auch in Zukunft akzeptieren, sondern auch die Anzahl
der Neukunden und die damit verbundenen Einnahmen exponentiell zunehmen (Skalie-
rungseffekt, Critical-Mass-Revenue, s. Abb. 1). Dies gilt gerade vor dem Hintergrund,
dass die dafür notwendigen Informationen aus der Datenproduktion gleichzeitig aufgrund
des bereits dargestellten Kostendegressionseffektes immer weiter sinken (s. Kapitel 1.1.2).
Übertragungsgeschwindigkeit
10 Gigabit 5G
10 GBps
Ethernet
Gigabit
1 GBps LTE
Ethernet
ATM
10 MBps UMTS
Ethernet
ISDN
1 MBps
Standleitungen GSM
100 Kbps
Datex-L Datex-P
10 Kbps
Telefonnetz
Zeit
Diese Datenexplosion konfrontiert die Menschen mit so vielen Informationen, dass sie nur
noch einen geringen Teil wahrnehmen können. Der breite Datenstrom muss daher sowohl
logistisch wie inhaltlich organisiert werden und bietet daher viele Chancen für neue Ge-
schäftsmodelle im Bereich der Informationsverarbeitung, -systematisierung und -übertra-
gung (Kollmann 2006, Kollmann/Krell 2011b). Ein aktuelles Stichwort ist in diesem Zu-
sammenhang der Begriff „Big Data“, der die Zusammenführung von hohen Datenmengen
und deren Auswertung umfasst. 90 % der heute gespeicherten Daten wurden allein in den
letzten zwei Jahren erzeugt, womit diese Datenvolumina vier Mal schneller wachsen als
die gesamte Weltwirtschaft. Täglich werden weltweit ca. 2,5 Trillionen Byte an Daten
erzeugt, wovon jedoch 90 % in unstrukturierter Form vorliegen, also z. B. als Posts, Fotos,
Nutzerhistorien, Log-Files etc. (Kroker 2015). Zudem zeichnet sich eine enorme Verlage-
rung bei der Datenquelle ab. So wird bis zum Jahr 2025 nicht mehr der Großteil der Daten
durch Privatnutzer, sondern durch Unternehmen generiert (Kroker 2017). Diese großen,
heterogenen Datenmengen gilt es sinnvoll zu analysieren und somit (wirtschaftlich) nutz-
bar zu machen. Die vier zentralen Facetten von Big Data sind vor diesem Hintergrund
gemäß der BITKOM (2014a):
Datenvielfalt (Variety) bezieht sich auf die wachsende Vielfalt an Datenquellen und
-formaten, welche in Big Data-Datensätze einfließen. Dabei lassen sich diese oft sehr
Die Informationstechnik als Voraussetzung für die Digitale Wirtschaft 11
Geschwindigkeit (Velocity) bezieht sich auf die Notwendigkeit einer immer schnel-
len Auswertung der Datenmengen. Die Geschwindigkeit der Datenverarbeitung und
-auswertung muss dabei generell mit den stetig wachsenden Datenvolumen Schritt
halten, um eine zeitnahe Analyse der Daten zu gewährleisten – oftmals sogar in Echt-
zeit. Die Datengenerierung und -übertragung mit hohen Geschwindigkeiten, Analyse
großer Datenvolumina mit Antwortzeiten im Sekundenbereich sowie Analysen in
Echtzeit sind hierbei besondere Herausforderungen.
Neben dem sich ergebenden großen Potenzial für neue Geschäftsmodelle im Bereich Big
Data sind auch Risiken mit der Ansammlung, Auswertung und weitere Nutzung solch
großer Datenmengen zu berücksichtigen. Hier lassen sich grob die drei Bereiche der Data
Compliance (rechtliche und soziale Aspekte), der datensatzbasierten Risiken (sicherheits-
und Qualitätsaspekte) sowie Definitions- und Aussagerisiken (modell- und interpretati-
onsbezogene Aspekte) nennen (BITKOM 2014a). Ein bekanntes aktuelles Erfolgsbeispiel
für den Einsatz von Big Data stellt Microsofts Vorhersage der Fußball-Weltmeisterschaft
im Jahr 2014 dar. Durch die Analyse enormer Datenmengen war es dem Microsoft-Team
gelungen, sowohl alle Teilnehmer der K.o.-Runde als auch die jeweiligen Gewinner aller
16 K.o.-Rundenspiele korrekt zu prognostizieren.
Wenn über elektronische Datennetze nun aber immer mehr Daten und damit Informationen
zur Verfügung stehen, dann stellt sich die Frage nach deren Funktion im wirtschaftlichen
Wettbewerb. Ein zentrales Charakteristikum der postindustriellen Computer-Gesellschaft
ist vor diesem Hintergrund die systematische Nutzung, Aneignung und Anwendung von
Informationen, was die Arbeit und das Kapital als ausschließliche Wert-, Produktions- und
Profitquelle komplementiert. Informationen bzw. die damit zusammenhängende „informa-
tionsverarbeitende“ Industrie werden zum eigenständigen Wirtschaftssektor. Die Com-
putertechnik hat dazu geführt, dass Informationen als Produktionsfaktor auf einer breiten
Basis und auf wirtschaftliche Weise genutzt werden können (s. Kapitel 1.4). Arbeit wird
mehr und mehr von programmierten Maschinen geleistet. Dabei fließt das Kapital dorthin,
wo gute Ideen generiert werden. „Die Ausgangsvoraussetzung für Erfolg im Informations-
zeitalter“, sagt der englische Wirtschaftsphilosoph Charles Handy, „ist heute ein großer
12 Die Grundlagen des E-Business
Kopf: Die richtigen Ideen, die richtigen Informationen, sind in Zukunft ausschlaggebend.
Der Rest ist kein Problem mehr.“
Prozent
Landwirtschaft
70
Information
60
Produktion
50
Dienstleistung
40
30
20
10
0
1800 1850 1900 1950 2000 2050 Jahr
Analog lässt sich gesamtwirtschaftlich betrachtet eine Verschiebung von den traditionellen
Wirtschaftssektoren Landwirtschaft, Produktion und (reale) Dienstleistung hin zum Sek-
tor „Information“ feststellen (s. Abb. 4). Der Transport von Informationen ist dabei nicht
sichtbar. Das macht es umso schwerer, die Umwälzungen unserer Zeit und die Bedeutung
der Ressource „Information“ zu begreifen. Der massive Einsatz von Informations- und
Kommunikationstechniken in der gesamten Wirtschaft führt nicht nur zu Produktivitäts-
und Effizienzsteigerungen. Ein anderer Punkt ist genauso, wenn nicht sogar noch bedeut-
samer: Auch neue Märkte, neue Geschäftsprozesse und -modelle, neue Geschäftsfel-
der/-branchen und neue Unternehmen entstehen (Kollmann 2019).
Der Informationsaustausch mit Hilfe von Datennetzen beinhaltet nicht nur eine dezidierte
Zweierbeziehung zwischen einem Anbieter und einem Nachfrager, sondern schafft die Vo-
raussetzung zu weltweiten Verbindungen zwischen allen Anbietern (Angebot) und Nach-
fragern (Nachfrage) unabhängig von ihrer geografischen Lage. Durch die Zunahme an
vernetzten Kommunikationswegen (Computer- bzw. Telekommunikationsnetze) wird es
immer einfacher, zweckgerichtete Informationen an bestimmten Punkten in den Netzen zu
platzieren, abzurufen, anzubieten, auszutauschen usw. Während Informationen bisher le-
diglich eine unterstützende Funktion für physische Produktionsprozesse übernahmen, wer-
den sie in Zukunft zu einem eigenständigen Wettbewerbsfaktor (s. Kapitel 1.4). Dieser
Wettbewerbsfaktor begründet sich darin, dass durch die Gewinnung, Verarbeitung und
Übertragung von Informationen sowohl die Effizienz von wirtschaftlichen Leistungssyste-
men als auch die Effektivität wirtschaftlicher Aktivitäten im Hinblick auf die Erstellung
erfolgreicher Marktleistungen signifikant erhöht werden (Day/Wensley 1988, S. 2 ff.; Bohr
1993, S. 859 ff.; Weiber/Jacob 2000, S. 526 f.).
Die Informationstechnik als Voraussetzung für die Digitale Wirtschaft 13
Neben der zunehmenden Vernetzung von stationären Computern ist in letzter Zeit ein An-
stieg an mobiler Datenübertragung zu beobachten. Der mobile Internet-Zugang wird dabei
ein selbstverständlicher und allgegenwärtiger Zugang zum Netz im täglichen Gebrauch.
Dieser Trend wird durch zwei Entwicklungen angetrieben: Auf der einen Seite durch die
Verbreitung von mobilen Endgeräten sowie auf der anderen Seite durch die Entwicklung
der mobilen Übertragungstechnologien.
Unter mobilen Endgeräten werden Endgeräte für mobile Anwendungen verstanden bzw.
solche Geräte, die für den mobilen Einsatz konzipiert sind. Obgleich unter mobilen Endge-
räten streng genommen auch mobile Personalcomputer wie Laptops oder Netbooks, Bord-
computer wie z. B. in Flugzeugen oder Wearables zusammenzufassen sind, begründet sich
die gegenwärtige Mobilisierung der Datenübertragung schwerpunktmäßig auf die Klasse
der sog. Handhelds. Hierunter fallen PDAs (Personal Digital Assistant), also Mobiltele-
fone, die mit speziellen mobilen Funktionen ausgestattet sind, sowie Smartphones (Turo-
wski/Pousttchi 2004, S. 57 f.). PDAs wurden als Universalgeräte konzipiert, die neben
einer Organizer-Funktion auch das zu dem jeweiligen Betriebssystem passende Aufspie-
len von Software ermöglichen.
Kommuniziert wurde zumeist über Infrarot, Bluetooth und WLAN (Wireless Local Area
Network). Mobiltelefone wurden ursprünglich nur für die Kommunikation mittels Sprach-
übertragung entwickelt. Schnell entwickelten sich Geschäftsmodelle, wie z. B. der äu-
ßerst populäre Short Message Service (SMS). Mittlerweile ist es schwierig, ein Mobilte-
lefon ohne Kamera, Global Positioning System (GPS)-Empfänger, MP3-Player, Radio,
Videoabspielfunktion oder Speicherplatz mit weniger als 8 GB zu finden. Die modernen
Smartphones, wie z. B. das iPhone vereinen die Funktionen des PDAs mit denen des
Mobiltelefons und bieten somit Chancen zur Generierung von Mehrwerten durch neue
14 Die Grundlagen des E-Business
IrDA Data ist ein von der Infrared Data Association (IrDA) entwickelter Standard
zur Übertragung von Daten mittels Infrarotlicht. Es bedarf einer Sichtverbindung. Die
Reichweite beträgt ein bis zwei Meter und die Datenübertragungsrate in der Regel nicht
mehr als 16 Mbit/s.
Bei Bluetooth handelt es sich um eine Funktechnik, mit der drahtlos zwischen zwei
oder mehreren mobilen Endgeräten kommuniziert werden kann. Die im Rahmen der
Bluetooth SIG (Bluetooth Special Interest Group) von mehreren Hard- und Software-
herstellern entwickelte Technologie garantiert Kompatibilität zwischen Bluetoothge-
Die Informationstechnik als Voraussetzung für die Digitale Wirtschaft 15
Unter dem Begriff Wireless Local Area Network (WLAN) versteht man ein lo-
kales Funknetz. WLAN-Netzwerke können sowohl im Infrastruktur-Modus als auch
im Ad-hoc-Modus betrieben werden. Beim Infrastruktur-Modus übernimmt ein
drahtloser Router die Koordination aller anderen Netzknoten, wobei beim Ad-hoc-Mo-
dus alle Stationen gleichwertig sind. Mit dem derzeit neuesten im Dezember 2013 von
der IEEE (Institute of Electrical and Electronics Engineers) ratifizierten 802.11 ac-
Standard lassen sich bis zu 867 Mbit/s übertragen; handelsübliche Geräte schaffen
durch Mehrfachverbindungen mittels Multiple Input Multiple Output (MIMO) ca.
1,3 Gbit/s. Üblicherweise lässt sich eine Übertragungsreichweite von 30 bis 100 Me-
ter auf freier Fläche erzielen.
Standard für alle Smartphones bzw. Mobiltelefone ist mittlerweile ein Datenempfang so-
wohl über GPRS als auch im Mobilfunknetz der dritten Generation mittels UMTS. Be-
gonnen hat die mobile Datenübertragung mit dem Standard Global System for Mobile
Communication (GSM). Dieser Standard wurde 1987 definiert und löste die überwiegend
analogen Mobilfunkstandards der ersten Generation ab. Im März 2006 nutzten weltweit
1,7 Mrd. Menschen diesen Standard. Wenngleich die Datenübertragung möglich war, han-
delt es sich um eine sehr geringe Kapazität (9,6-14,5 Kbit/s). Auf Basis dieser geringen
Übertragungskapazität konnten M-Business-Aktivitäten kaum oder nur erschwert umge-
setzt werden. Das Verfahren HSCSD (High Speed Circuit Switched Data) veränderte zwar
nicht die zugrunde liegende Technik, erreichte aber durch ein besseres Kodierungsverfah-
ren und mittels Bündelung von bis zu zwölf Kanälen eine reale Datenrate von bis zu 57,6
Kbit/s (Roth 2005).
Mit GPRS (General Packet Radio Service) wurde ein Übertragungsverfahren geschaf-
fen, das eine paketorientierte Datenübertragung unterstützt. Im Gegensatz zu vorherigen
Verfahren wurden die Kosten nicht nach der Verbindungszeit, sondern nach dem Übertra-
gungsvolumen abgerechnet. GPRS eignet sich somit insbesondere für mobile Anwendun-
gen mit schwankendem Kommunikationsbedarf, wie das Lesen von Emails, die Partizipa-
tion in sozialen Netzwerken oder auch mobiles Surfen (Roth 2005). Mit GPRS können pro
Kanal maximal 21,4 Kbit/s übertragen werden. Durch die Bündelung von acht Kanälen
liegt die maximale Übertragungsrate bei 171,2 Kbit/s. Das sog. EDGE (Enhanced Data
Rates for GSM Evolution) baut weitgehend auf der bestehenden Infrastruktur von GPRS
auf. Durch ein neues Modulationsverfahren wird jedoch die Datenrate gesteigert. Pro Ka-
nal werden durch das Modulationsverfahren Übertragungsraten von bis zu 59,2 Kbit/s
möglich. Durch die Bündelung von acht Kanälen waren somit bis zu 473,6 Kbit/s realisier-
bar.
16 Die Grundlagen des E-Business
Mit UMTS (Universal Mobile Telecommunications System) wurde im Jahr 1998 der
europäische Mobilfunkstandard der dritten Generation (3G) und der Nachfolger der da-
mals aktuellen GSM-Netze geschaffen. Durch die Erweiterung mit HSDPA (+) (High
Speed Downlink Packet Access) und HSUPA (High Speed Uplink Packet Access) sind
Geschwindigkeitserhöhungen durch weiterentwickelte Modulationsverfahren ermöglicht
worden. Mit UMTS ist eine Übertragungsrate von 384 Kbit/s üblich. Mit HSDPA sind
Übertragungsgeschwindigkeiten von 3,6 bzw. 7,2 Mbit/s je nach Netzanbieter (die Netz-
anbieter in Deutschland haben in unterschiedlichen Regionen unterschiedliche Angebote)
üblich. Theoretisch möglich sind maximal 13,98 Mbit/s. Die vierte Generation (Kurzform:
4G) der Mobilfunknetze integriert drahtlose LAN und WLAN-Netze in die Mobilinfra-
struktur. Als revolutionär könnte sich die Technik dahingehend erweisen, als dass sie Fest-
netzanschlüsse vollständig vom Markt verdrängen könnte und somit eine komplette Mo-
bilisierung der Datenübertragung realisiert werden würde und somit die übrigen beschrie-
benen Übertragungstechnologien obsolet werden.
Mit LTE (Long Term Evolution) wird dieser neue Mobilfunkstandard (4G) mittlerweile
eingeführt. Auslöser für diese neue Entwicklung war der weiterhin stark anwachsende
Markt für mobile Endgeräte wie Smartphones und Tablets und der damit einhergehende
höhere mobile Datenverbrauch (s. Kapitel 1.3.5). Die Downloadgeschwindigkeit erreicht
bis zu 150 Mbit/s, die Uploadgeschwindigkeit hingegen 50 Mbit/s. Dies ist jedoch immer
noch ein Vielfaches von dem Vorgänger UMTS. Ermöglicht wird dies durch die neuen
Funktechnologien OFDM (Orthogonal Frequency Division Multiplexing) und MIMO
(Multiple-Input/Multiple-Output). Sie passen die Übetragungsgeschwindigkeit an die An-
forderung des jeweiligen Nutzers und teilen die Radiosignale in Subsignale ein, wodurch
mehrere Funkzellen gleichzeitig benutzt werden können und zusätzlich der Leistungsver-
brauch von LTE-Geräten gesenkt werden kann. Ein weiterer Vorteil von LTE ergibt sich
durch geringere Latenzzeiten (Verzögerungen in der Versendung von Datenpaketen), die
die Verwendung der Technologie durch den Endnutzer noch attraktiver machen und zu-
sammen mit den hohen Übertragungsraten sogar die Ablösung von stationären DSL-An-
schlüssen ermöglichen. Der nächste technologische Schritt ist LTE Advanced, der bis zu
1.000 Mbit/s erreichen soll, und damit eine flächendeckende Versorgung mit Breitband,
auch in ländlicheren Regionen sorgen soll.
Mit dem Mobilfunknetz 5G liegen bereits Pläne für eine erneute technische Weiterent-
wicklung vor, welche die bisherigen Leistungsdaten von LTE-Netzen um ein Vielfaches
übersteigen würden. In diesem Zusammenhang wird mit Datenraten von bis zu 10 Gbit/s
gerechnet. Das wäre 100 Mal schneller als aktuelle LTE-Netze und ungefähr 625 Mal
schneller als durchschnittliche DSL-Anschlüsse mit 16 Mbit/s. Ein weiterer enormer Vor-
teil würde sich durch die weiter sinkenden Latenzzeiten (Verzögerungen in der Versen-
dung von Datenpaketen) ergeben, welche im 5G-Netz unter 1 Millisekunden liegen wür-
den. Ebenso könnte bei geringerem Energieverbrauch durch die Einführung des 5G-Net-
zes eine größere Menge an Endgeräten bedient werden sowie die Verfügbarkeit und Zu-
verlässigkeit von mobilen Anwendungen gesteigert werden. Ermöglicht werden diese Ge-
schwindigkeiten durch eine enorme Steigerung der Kapazitäten und Datenraten von bisher
Die Informationstechnik als Voraussetzung für die Digitale Wirtschaft 17
genutzten MIMO (Multiple Input, Multiple Output) Technologien, indem die Anzahl der
Sende- und Empfangsantennen massiv erhöht werden würden. Netzwerkausrüster gehen
von einer kommerziellen Einführung der Technologie im Jahr 2020 aus (o. V. 2018a),
wodurch sich radikale Implikationen beispielsweise im Bereich der Mobilität (bspw. Car-
to-Car-Kommunikation), Logistik und Handel (bspw. automatisierte Transportwesen),
Medizin (bspw. telemedizinische Anwendungen) und Industrie (bspw. vernetzte Maschi-
nen) ergeben könnten (Rügheimer 2017).
Datensicherung Versionsverwaltung v3
v2
v1
Synchronisation File-Sharing
Sowohl Privatkunden als auch Unternehmen nutzen zunehmend die Möglichkeiten von
Cloud-Lösungen, um ihre (Arbeits-)Daten dezentral zu speichern und auch zu bearbeiten
18 Die Grundlagen des E-Business
tionen zwischen Sender und Empfänger in Blöcken gespeichert und durch eine krypto-
grafische Signatur chronologisch miteinander verknüpft, so dass sich in der Gesamtheit
eine kontinuierlich erweiterbare Kette ergibt (Drescher 2017, S. 53). Jeder sich im Netz-
werk befindende Teilnehmer verfügt demnach über eine irreversible Abbildung der Block-
chain auf seinem Server. Das gewährt Sicherheit, weil eine Manipulation oder Änderung
des Logbuches dazu führt, dass der Code nicht mit Datensätzen der anderen Server über-
einstimmt, sodass ein Fehlercode gemeldet wird. Dieser Aspekt führt dazu, dass interme-
diäre Kontrollinstanzen obsolet werden, weil die Kontrolle und die Koordination der Da-
ten durch die Benutzer selbst übernommen werden. Vor diesem Hintergrund kann der Be-
griff „Blockchain“ wie folgt definiert werden (in Anlehnung an Burgwinkel 2016, S. 6):
Der Begriff Blockchain bezeichnet ein technisches Konzept, welches Datensätze chro-
nologisch und irreversibel zu Blöcken zusammenfasst und mithilfe von kryptografi-
schen Verfahren auf dezentralen Systemen der Nutzer speichert, sodass die Datenin-
tegrität gewährleistet ist und eine Manipulation nachweisbar wäre.
Mit dem Einsatz von Blockchain-Technologien gehen demnach verschiedene Vor- und
Nachteile einher, die sowohl auf Geschäftsprozesse als auch die Marktstruktur Einfluss
nehmen können.
ziert werden sowie Prozesse schneller und mit einer höheren Sicherheit bezüglich
Manipulation von sensiblen Daten durchgeführt werden können.
Die Blockchain basiert auf verschiedenen Technologien, welche in einem neuen Gesamt-
system kombiniert werden. Das sind Elemente aus den Bereichen verteilter Systeme, wie
Peer-to-Peer-Netzwerke (s. Abb. 6) und Kryptografie (s. Abb. 7), aber auch der Prozess-
modellierung (Schütte et al. 2017).
Die Grundidee der Kryptografie ist es, den Zugriff auf Daten gegenüber Dritten
durch Verschlüsselung digital zu schützen, was mit dem Verschließen und Öffnen
eines Türschlosses durch den passenden Schlüssel in der physischen Welt vergleich-
bar ist (Drescher 2017, S. 113). Originaldaten werden demzufolge kryptografisch ver-
schlüsselt, indem sie in eine Art Geheimtext (Hashwert) umgeschrieben werden, der
ausschließlich durch die berechtigte Person mittels eines passenden kryptografischen
Schlüssels wieder entschlüsselt werden kann. Für diejenigen, die nicht wissen, wie
sich der Geheimtext entschlüsseln lässt, sieht dieser wie eine zufällige Anhäufung von
Zahlen und Buchstaben aus. Berechtigte Personen können jedoch mithilfe des kryp-
tografischen Schlüssels den Geheimtext entschlüsseln und in die Originaldaten um-
wandeln (s. Abb. 7). Die Kryptografie ist ein zentrales Element der Blockchain-Tech-
nologie und bildet die Grundlage für das Mining und die Integrität von Blöcken sowie
für die Authentizität aller Transaktionen und Teilnehmer (Schütte et al. 2017, S. 8).
Bei der Ver- und Entschlüsselung der Daten wird unterschieden zwischen symmetri-
scher und asymmetrischer Kryptografie. Bei erstgenannter Kryptografie wird der-
selbe Schlüssel zum Ver- und Entschlüsseln der Daten genutzt, sodass derjenige, der
den Geheimtext erstellt automatisch in der Lage ist, diesen auch zu entschlüsseln. Bei
der asymmetrischen Kryptografie hingegen werden sog. sich ergänzende Schlüssel-
Die Informationstechnik als Voraussetzung für die Digitale Wirtschaft 21
paare verwendet, sodass ein erzeugter Geheimtext nur durch einen passenden ande-
ren Schlüssel entschlüsselt werden kann und umgekehrt. Die Blockchain macht sich
die asymmetrische Kryptografie zunutze, um einerseits die Anwender bzw. die An-
wenderkonten zu identifizieren und andererseits die Transaktionen zu autorisieren.
Raubkopien, kann die Blockchain dazu dienen Eigentumsrechte, Lizenzen und Transakti-
onen sicher und transparent abzuwickeln. Im öffentlichen Sektor ist von Veränderungen
im Bereich der Datenverwaltung von Bürgern auszugehen, so dass zukünftig Änderungen
schnell und unkompliziert online erledigt werden können. Außerdem könnte das Steuer-
system einfacher und nachvollziehbarer ausgestaltet werden, indem automatisierte und
transparente Prozesse die Steuerberechnung und -bezahlung übernehmen und menschliche
Fehler vermeiden (Schütte et al. 2017, S. 16 f.; Talin 2018).
Das Internet steht prinzipiell für alle Anwendungen und Dienste offen. Die heutige große
Aufmerksamkeit in Wirtschaft und Gesellschaft verdankt es in erster Linie der Entwick-
lung des World Wide Web (WWW). Mit Hilfe des Hypertext Transfer Protocol
(HTTP) und der Seitenbeschreibungssprache HTML (Hypertext Markup Language) ist es
gelungen, trotz der anfangs stark begrenzten Bandbreite des Internets dem Nutzer grafi-
sche Oberflächen (Browser) mit einer einfachen Steuerung (Mausklick) und multimedia-
len Inhalten anzubieten (s. Abb. 8). Damit wurde erstmalig, basierend auf einheitlichen
„Standards“, eine für den normalen Nutzer wichtige „Einfachheit für den Abruf“ und die
„Einstellung von Inhalten“ (Content) bei einem gleichzeitig hohem „Komfort“ (Maussteu-
erung) realisiert. Insgesamt sind es diese vier Schlüsselfaktoren, die jeweils auf Einfach-
heit und geringe Kosten der Nutzung abzielen, die das rapide Wachstum des Internets
vorangetrieben haben (s. Abb. 9).
Es ist somit nicht verwunderlich, dass die Anzahl der erreichbaren Webseiten sprunghaft
anstieg. Allein in Deutschland sind nach Angaben der zentralen Registrierungsstelle für
alle Domains in Deutschland (DENIC 2017) insgesamt 16,3 Millionen .de-Domains regis-
triert. Nach eigenen Angaben sind bereits mehr als 75 % aller Deutschen im Internet aktiv.
Studien (z. B. Wirtz/Burda/Beaujean 2006, S. 22 ff.) belegen, dass sich die Intention der
24 Die Grundlagen des E-Business
Internetnutzung in den letzten Jahren verändert bzw. erweitert haben. Neben den tradi-
tionellen Internetnutzungszwecken „E-Information“ und „E-Kommunikation“ besteht
heute auch vermehrt Nachfrage in den Bereichen „E-Trading“ und „E-Entertainment“. Es
wird prognostiziert, dass diese vier Schlüsselbereiche der Internetnutzung weiter an
Bedeutung gewinnen:
Standards
• Geschwindigkeit
• Unkomplizierter Download
• Plattformunabhängigkeit
E-Entertainment: Immer mehr User nutzen das Internet zur „Unterhaltung“. Neben
den bereits heute umfassend genutzten Downloadmöglichkeiten von Filmen und Mu-
sik (z. B. netflix.com oder spotify.com), wird ebenfalls der Bereich „Gaming“ eine
tragende Rolle einnehmen (z. B. bigpoint.de). Insbesondere die Nutzerstrukturen in-
nerhalb dieser Branche unterliegen einem deutlichen Wandel. Waren Online-Spiele
bis vor einigen Jahren primär auf Jugendliche ausgerichtet, sind heutzutage zwar be-
sonders Männer, aber auch zunehmend Frauen an dieser Form der Unterhaltung inte-
ressiert. Zusätzlich erfreuen sich Portale, auf denen die User selber zur Content-Er-
stellung beitragen und für Unterhaltung sorgen können (z. B. das Portal youtube
.com), immer größerer Beliebtheit.
Produktbezogene Angebote
Evaluation
• Bessere
Vergleichsmöglichkeiten
• Abbau von Informations-
Suche asymmetrien Transaktion
• Kunden- und
problemorientierte
Lösungsfindung
• Individualität
In jedem dieser Bereiche bietet das Internet weiterhin Möglichkeiten für die Etablierung
neuer Geschäftsmodelle, die neue Formen der Wertschöpfung realisieren. Dabei ist es je-
doch wichtig, dass hierbei die vier Schlüsselfunktionen wertschöpfender Internetakti-
vitäten (s. Abb. 10) adressiert werden (Lumpkin/Dess 2004). Dazu zählt zunächst eine
einfache und kostengünstige „Suche“ nach und damit zusammenhängend das Auffinden
von geeigneten Produkten oder Dienstleistungen im großen Angebot des WWW bzw. auf
einzelnen Webseiten (z. B. google.de). Bezogen auf das Angebot selbst rücken vermehrt
26 Die Grundlagen des E-Business
Mit dem Begriff „E-Commerce“ wird die Nutzung von stationären Computer-Endge-
räten als Informationstechnologie bezeichnet, um über Informations-, Kommunikati-
ons- und Transaktionsprozesse zwischen den Netzteilnehmern reale oder elektronische
Waren und Dienstleistungen anzubieten und abzusetzen, wobei der tatsächliche Ver-
kauf im Mittelpunkt steht.
Die Verschmelzung der Erfolgskonzepte des Internets und der mobilen Kommunikation
resultieren beim Mobilfunk im sog. Mobile Commerce (M-Commerce). Elektronische
Transaktionen können nicht mehr nur über stationäre Datennetzwerke, zuhause oder am
Arbeitsplatz, sondern „jederzeit“ und „überall“ mit Hilfe des ohnehin ständigen Begleiters
Mobiltelefon bzw. Smartphone resp. anderer mobiler Endgeräte (Handhelds, Tablets,
PDAs etc.; s. Kapitel 1.1.5) abgewickelt werden (Kollmann 2001b, S. 59 ff.). Aufbauend
auf den Nutzungsattributen der mobilen Kommunikation können dem Konsumenten
innovative Produkte und Dienstleistungen angeboten werden, die weit über ein „nur“ mo-
biles Internet hinausgehen (Durlacher Research 1999, S. 66 ff.):
Bequemlichkeit: Daten und Informationen sind „immer zur Hand“ und können einfach
und unkompliziert per Tastendruck abgerufen werden.
Sicherheit: Mobile Endgeräte verwenden bereits die Secure Socket Layer (SSL)-
Technologie innerhalb eines geschlossenen End-to-End-Systems. Subscriber Identifi-
cation Module (SIM)-Smartcards prüfen mit Hilfe der Personal Identification Num-
ber (PIN) die Autorisierung des Nutzers und eröffnen so ein höheres Maß an Sicher-
heit hinsichtlich der Identifikation der Transaktionspartner.
Lokalisierung: Der Bezug von Dienstleistungen und Anwendungen auf den konkre-
ten Standort des Nutzers (sog. Location Based Services) ist der zentrale added-value
der mobilen Kommunikation (Faber/Prestin 2012, S. 123). Über die Identifizierung
des Standortes können relevante Informationen direkt vor Ort gegeben werden. Stand-
ortabhängige Applikationen stellen dem Anwender nur situationsrelevante Dienste zur
Verfügung, wodurch dieser schneller zu den gewünschten Resultaten kommt.
Routing: Mit Hilfe der Verknüpfung mit Navigationssystemen (z. B. GPS) kann der
Nutzer nun direkt zu einem informations-, produkt- oder dienstleistungsbezogenen
Standort geführt werden.
erworben und untrennbar mit der Verpflichtung zum Betrieb verbunden. Seit 2004 sind
die UMTS-Netze flächendeckend im Einsatz und mittlerweile hat sich die Nutzung von
UMTS fest etabliert. Dem Endgerätehersteller Vodafone zufolge sind mittlerweile acht
von zehn Geräten, die verkauft werden, UMTS-fähig. Bereits Mitte 2012 wurden die ers-
ten mobilen Endgeräte mit dem neuesten 4G Standard (LTE, s. Kapitel 1.1.5) ausgelie-
fert.
Abb. 11: Erste mobile Applikation in Deutschland für die Kieler Woche 2004
Die technische Bereitstellung von schnellen mobilen Datennetzen ist jedoch nur die not-
wendige Grundbedingung für deren Nutzung. Viel entscheidender ist das Angebot von
speziellen mobilen Anwendungen über mobile Endgeräte, die dem Endnutzer den einfa-
chen Zugang zu mobilen Dienstleistungen eröffnen und somit die Nutzungsattribute in Ab-
hängigkeit der Beschaffenheit der Endgeräte (z. B. Größe und Bedienbarkeit des Displays),
sinnvoll übersetzen. Diese sog. mobilen Applikationen (Apps) sind also der Schlüssel
zum Erfolg, da erst durch sie die mobilen Dienste durch den Endkunden bedienbar und
erfahrbar werden. Die erste mobile Applikation in Deutschland wurde schon 2004 vom
Lehrstuhl für E-Business und E-Entrepreneurship des Autors dieses Lehrbuches, damals
noch am Standort Kiel, entwickelt. Zusammen mit den Partnern T-Mobile, Motorola,
beLocal und vielen weiteren Unternehmen wurde dabei eine mobile Applikation für die
Kieler Woche aufgebaut. Dabei kam eines der ersten UMTS-Handys zum Einsatz, wel-
ches Motorola damals überhaupt im Testbetrieb hatte. 200 dieser Geräte konnten inklusive
der mobilen Applikation täglich an die Besucher der Kieler Woche ausgeliehen werden.
Die Informationstechnologie als Basis für die Digitale Wirtschaft 29
Über die ersten UMTS-Sendemasten von T-Mobile, die teilweise sogar extra für dieses
Pilotprojekt aufgestellt wurden, wurde die App mit aktuellen Daten versorgt. Mit Hilfe
dieser Applikation konnten sich die Besucher auf einem sog. Touchscreen über Veranstal-
tungshinweise, Bühnenprogramme, Zieleinläufe der Segelregatten und Erläuterungen zu
touristischen Sehenswürdigkeiten mit Text-, Bild- oder auch Videoelementen informieren.
Auch die Ortung des Nutzers mit einer kartenbasierten Routenführung zu den einzelnen
Veranstaltungen und Eventorten war schon integriert. Abb. 11 zeigt vor diesem Hinter-
grund das UMTS-Handy von Motorola und einige Screenshots der Inhalte dieser ersten mo-
bilen Applikation, die in Deutschland im Jahr 2004 an den Start ging (s. Abb. 11).
Telefonieren
100 %
Foto & Video
90 %
Suchmaschine
79 % Soziale
Nachrichten Netzwerke Musik Navigation/
69 % 68 % 69 % Kartendienste
64 %
Banking
46 % Shopping
43 %
Dating
22 %
Information
Information Kommunikation
Kommunikation Unterhaltung & Freizeit
Unterhaltung & Tools&
Tools & Transaktion
Transaktion
Freizeit
Damit war der Grundstein für erfolgreiche mobile Dienste und Anwendungen gelegt. Der
eigentliche Durchbruch für mobile Applikationen kam dann jedoch erst 2007 mit der
Einführung des Apple iPhones sowie der Lancierung des AppStores. In der Kombination
eines modernen Endgerätes mit einem integrierten Vertriebsweg für viele verfügbare mo-
bile Anwendungen wurde eine rasante Entwicklung angeschoben: Apple selbst gibt an,
dass im Januar 2017 mehr als 2,2 Mio. Applikationen für das iPhone im Apple Store
verfügbar waren (Apple 2017). Im Google Play Store waren es im Juli 2018 ca. 3,3 Mio.
(Google 2018). Die Anzahl der kumulierten Downloads aus den App Stores iOS, Google
Play und allen Drittanbieter-Stores, beliefen sich 2017 weltweit auf insgesamt 175 Mrd.
(App Annie 2018; Apple 2018). Die Gesamtnutzungsdauer von Apps lag 2016 bei fast 900
Mrd. Stunden, was durschnittlich zwei Stunden am Tag bedeutet. Dabei werden haupt-
sächlich die Apps Facebook, YouTube, Google Maps und WhatsApp genutzt. Das spiegelt
sich bei den weltweiten App Store Umsätzen wider, sodass Publisher im Jahr 2016 im iOS
30 Die Grundlagen des E-Business
App Store und auf Google Play 35 Mrd. USD generierten. Jedoch führt hier der iOS App
Store die Rangliste an und ist beim weltweiten Umsatz deutlich vor dem Google Play
Store und baut damit seine Führung aus (App Annie 2017). Zweifelsohne hat Apple den
Markt für mobile Applikationen mit Werbesprüchen wie „es gibt für alles eine App“ als
erster erfolgreich erschlossen. Aber auch andere Anbieter folgen dem Beispiel und versu-
chen in das erfolgsversprechende Feld der mobilen Applikationen vorzudringen. So ist
auch Google darum bemüht, diesen Markt mit dem mobilen Betriebssystem Android zu
erschließen und hatte mit dem Google Nexus One sogar ein dazu passendes Smartphone
auf den Markt gebracht, welches jedoch nur bedingt erfolgreich war. Im Gegensatz zu
dem Betriebssystem iOS von Apple gibt es aber diverse Smartphones (z. B. HTC, LG,
Samsung), die das Betriebssystem von Google verwenden.
Mit dem im Frühjahr 2010 auf den Markt gebrachten iPad hat Apple inzwischen ein weiteres
neues Endgerät (einen sog. Tablet-PC) auf den Markt gebracht, welches extra für das
Browsen im Internet, das Anschauen von Fotos und Videos sowie das Lesen von E-Books
genutzt werden soll. Zu den bisherigen Apps des iPhones, die problemlos auf dem iPad
zu benutzen sind, gibt es bereits im März 2016 über 1.000.000 Applikationen, die speziell
für die technischen Besonderheiten des iPads abgestimmt sind (Costello 2018). Obwohl
die Idee des Tablet-PCs nicht neu war, schaffte es das iPad, dieser Art von Geräten zum
Durchbruch zu verhelfen und das Marktvolumen in diesem Bereich enorm zu steigern.
Mit dem sog. WePad (später WeTab) gab es aber auch bereits ein deutsches Produkt, das
denselben Markt bediente, jedoch mittlerweile nicht mehr erhältlich ist. Dafür gibt es viele
Konkurrenzprodukte von anderen Herstellern (z. B. Samsung Galaxy Tab), die größere
Marktanteile erreichen konnten. Aufgrund des wachsenden Marktes und des wachsenden
Wettbewerbs tendieren die Hersteller dazu größere Smartphones in die Produktpalette zu
integrieren, um eine Mischung zwischen Smartphones und Tablets, den sog. „Phablets“,
zu erreichen (BITKOM 2017a).
Mit einem Blick auf die Nutungsverteilung von Smartphone-Funktionen wird die Erfolgs-
möglichkeit von mobilen Applikationen sehr schnell deutlich: Am Beispiel der Con-
sumer Technology Studie (BITKOM 2017a) wird deutlich, in welchen Bereichen die
meisten mobilen Applikationen Verwendung finden. Obwohl sich die Anwendungsfel-
der immer weiter ausdifferenzieren, werden Kernfunktionen im Rahmen der Kom-
munikation (z. B. Telefonieren) durch den Nutzer sehr geschätzt. Zusätzlich werden
mobile Applikationen vermehrt für Unterhaltung und Freizeit genutzt (s. Abb. 12).
Wenn man die modernen mobilen Applikationen außerhalb des Spiele-Sektors genauer
analysiert, dann wird in der Regel versucht, insbesondere die Vorteile der mobilen Kom-
munikation (s. Abb. 13) im Rahmen von sog. Location Based Services (Kollmann
2001b, S. 59 ff.) umzusetzen. Basierend auf den Attributen Lokalisierung, Personalisie-
rung und Routing werden den Konsumenten dabei zielgerichtet Produkte und Dienstleis-
tungen angeboten, die speziell auf den Anwender und die Situation, in der dieser sich
momentan befindet, ausgerichtet sind. Hierzu zählen bei den angeführten Beispielen im-
mer wieder Hotel- oder Gastronomie-Angebote mit dynamischem Routenplaner sowie
standortbezogene Veranstaltungstipps und Shopping-Informationen. Dies bedeutet im
letzteren Fall, dass man in einem Laden einen Preisvergleich zu dringend benötigten
Produkten über das Handy durchführen kann. Der Betreiber einer entsprechenden mobilen
Applikation informiert über den mobilen Begleiter nicht nur direkt über günstigere Ange-
bote im näheren Umkreis, sondern führt über GPS den Kunden auch noch dorthin.
Durch die Location Based Services wird vor diesem Hintergrund aus theoretischer Sicht
insbesondere der sog. situative Nutzen als Bestandteil der Akzeptanz von mobilen An-
wendungen adressiert. Dieser situative Nutzen ist demnach dann gegeben, wenn ein orts-
abhängiges und zeitkritisches Kundenbedürfnis mit Hilfe des mobilen Angebotes direkt,
individuell, standortbezogen und damit besser gelöst werden kann als über vergleichbare
stationäre Technologien. Als Beispiel kann das mobile Angebot von yelp.com genannt wer-
den. Das akute Bedürfnis, schnell zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten
Ort ein hochklassiges Restaurant in einem bestimmten Umkreis zu finden, bei dem auch
noch ein Tisch kurzfristig frei und die direkte Online-Reservierung möglich ist, zu dem
man per Navigationsfunktion hingeführt wird und wo die anschließende Rechnung auch
noch mit der Bezahlfunktion im Handy beglichen werden kann, würde den situativen Nut-
zen im M-Commerce bestens repräsentieren. yelp.com erlaubt es ortungsbasiert, die in der
Nähe befindlichen Restaurants, Bars, Hotels etc. anzuzeigen und diese zudem im Rahmen
einer an dieses Netzwerk angeschlossenen Community (s. Kapitel 5) zu bewerten bzw. be-
reits vorhandene Bewertungen anzusehen (s. Abb. 14).
In der weiteren Entwicklung dieses Bereichs spielen aufgrund der technischen Möglich-
keiten zukünftig sog. Augmented-Reality-Anwendungen eine zunehmend entschei-
dende Rolle. Bei diesen Anwendungen geht es im Wesentlichen um eine computerge-
stützte Realitätserweiterung. Praktisch wird die reale Fotografie von der Augmented-Re-
ality-Anwendung um in der Realität nicht vorhandene Elemente erweitert oder aber die
Realität wird für die Bedürfnisse mit entsprechenden Informationen erweitert. Für erstge-
nanntes kann als Beispiel das Augmented-Reality-Spiel „Pokémon-Go“ genannt wer-
den. Das Location Based Game nutzt eine reale Spielumgebung mit dem Prinzip der
Augmented Reality, wobei die Spieler virtuelle Fantasiewesen entwickeln, fangen und ge-
geneinander kämpfen lassen. Gespielt wird dabei in der freien Umgebung, sodass auffäl-
lige Objekte der materiellen Umgebung zur Gestaltung der virtuellen Spielwelt genutzt
werden. Für die zweite Form ist als Beispiel die im AppStore vorhandene „Augmented
Driving”-Anwendung zu nennen, die als Fahrassistent dienen soll und beim Autofahren
die eigene Fahrspur erkennt und den Abstand zum vorausfahrenden Auto messen kann.
Vor diesem Hintergrund können abschließend transaktionsorientierte Prozesse, die über
die Informationstechnologie „Mobilfunk“ abgewickelt werden, auch mit dem Begriff
„M-Commerce“ bezeichnet werden, wobei dieser wie folgt definiert werden kann:
Unter dem Begriff „M-Commerce“ wird die Nutzung von mobilen Telefon-Endgerä-
ten als Informationstechnologie bezeichnet, um über Informations-, Kommunikations-
und Transaktionsprozesse zwischen den Netzteilnehmern reale oder elektronische
Waren und Dienstleistungen anzubieten und abzusetzen, wobei der tatsächliche Ver-
kauf im Mittelpunkt steht.
Die Informationstechnologie als Basis für die Digitale Wirtschaft 33
Damit die euphorischen Erwartungen, die mit ITV verbunden werden, Realität werden
können, müssen jedoch bestimmte erfolgskritische Voraussetzungen (Weiber/Kollmann
1996a, S. 163 ff.) erfüllt sein. Zu den grundlegenden Erfolgsfaktoren zählen zunächst die
34 Die Grundlagen des E-Business
flächendeckende Verfügbarkeit und der Standard eines ITV-Systems, was mit erhebli-
chen Investitionen in die Technik verbunden ist. Beispielsweise muss die Verfügbarkeit
von DVB-Standards (Digital Video Broadcast) zur Übertragung von digitalen Signalen ge-
währleistet werden. Die gängigsten Möglichkeiten sind DVB-T (Terrestrik), DVB-C (Ka-
bel) und DVB-S (Satellit). Dadurch wird das klassische Fernsehen um einen Rückkanal
zum Sender erweitert, der z. B. über eine Set-Top-Box (Zusatzgerät zum Fernseher für das
Versenden und Empfangen von Daten) initialisiert wird. Fernseher der neueren Generation
verfügen bereits über eingebaute Technik zum Empfangen und Versenden von digitalen Sig-
nalen.
Vor diesem Hintergrund sind verschiedene Formen des interaktiven Fernsehens zu unter-
scheiden, die sich anhand von drei Stufen der Interaktivität voneinander abgrenzen las-
sen (Rimmelspacher 2007):
Auf der niedrigsten Stufe, der lokalen Interaktion, beschränkt sich die Interaktivität
auf die Interaktion des Fernsehzuschauers mit der Rechnereinheit im Empfangsgerät.
Sie erlaubt die individuelle Anforderung von Inhalten durch den Zuschauer und somit
eine signifikante Erweiterung des passiven Konsums des Rundfunkprogramms. Auf
diese Weise kann sich der Zuschauer ein individuelles Fernseherlebnis erstellen. So
stehen bspw. häufig verschiedene Bild- und Tonspuren bereit (Multifeed), aus denen
der Zuschauer wählen kann. Ebenfalls bereits als Standard zu betrachten sind die
Timeshift-Funktion, mit der laufende Programme pausiert werden können, um diese
später weiteranzusehen, sowie elektronische Programmführer (EPG), die ausführliche
und ergänzende Informationen zum aktuellen Fernsehprogramm bereitstellen. Aufbau-
end auf Informationen über das Konsumverhalten des Zuschauers besteht außerdem
die Möglichkeit, individuelle Profile zu ermitteln und dem Zuschauer darauf basierend
automatisch passende Programme anzubieten (s. Kapitel 1.3.4). Durch sog. nichtline-
are Geschichten kann dem Zuschauer die Gelegenheit gegeben werden, die Handlung
des Films an bestimmten Zeitpunkten zu beeinflussen. Ferner können Applikationen
verwendet werden, die zur Sendung synchronisiert sind, um eine Quiz- oder Sport-
sendung mit einem interaktiven Spiel zu verbinden.
Zur erfolgreichen Etablierung einer jeden Form des interaktiven Fernsehens müssen auf
der Anbieterseite intelligente, die neuen Möglichkeiten von ITV nutzende Angebote (te-
levisuelle Applikationen oder kurz ITV-Apps bzw. T-Apps) erstellt werden, die eine
entsprechende Nachfrage erzeugen. Diese televisionären Applikationen sollten eine Ser-
viceleistung quasi über das laufende TV-Programm legen und zudem mit diesem inhalt-
lich verknüpft sein. Im Idealfall besteht also eine Konvergenz zwischen dem Fernsehpro-
gramm und den angebotenen Serviceleistungen, sodass der Zuschauer bspw. genau das
Auto zum Kauf angeboten bekommt, dass der Held in dem Actionfilm gerade fährt. Z. B.
bot im Jahr 2001 der Fernsehsender NBC in einer Werbepause der Serie Will and Grace ein
Polo-Shirt an, das auch die Hauptdarstellerin in dieser Folge trug. In weniger als einer
Woche sind 3.000 Bestellungen eingegangen, obwohl die Fernsehzuschauer das Polo-Shirt
über eine externe Internetseite bestellen mussten. Als weiteres innovatives Beispiel kann
auf 3suisses.fr verwiesen werden. Dieses Unternehmen nutzt seit Kurzem Videos auf
YouTube für den Verkauf von Produkten in Videos und ist ein Tochterunternehmen der
Otto Unternehmensgruppe. Die finalen Angebote sollten dem ITV-Kunden dann also ei-
nen fernsehgerecht aufgebauten Produktkatalog präsentieren, dessen Inhalt sich aus den
laufenden TV-Sendungen ergibt. Mit der Fernbedienung kann der Kunde sodann unkom-
pliziert durch die präsentierte Auswahl bestimmter Produkte navigieren und diese direkt
bestellen, ohne auf andere Endgeräte wie PC oder Handy zurückgreifen zu müssen.
Resultierend aus dem Konvergenzprozess zwischen Fernsehen und neuen, multimedialen
Medien ergeben sich drei grundsätzliche Modelle für interaktive Fernsehsysteme:
Split-Screen: Bei diesem Verfahren wird eine ITV-Anwendung in das laufende Fern-
sehprogramm zusätzlich eingeblendet. Der TV-Bildschirm wird nicht komplett, son-
dern nur zum Teil ausgefüllt und somit „gesplittet“. Über diese „Bild in Bild“-Funk-
tion kann eine ITV-Anwendung parallel zum laufenden TV-Programm auf demselben
Bildschirm bedient werden.
Second-Screen: Bei diesem Verfahren wird eine ITV-Anwendung parallel zum TV-
Programm auf einem zweiten Gerät ausgeführt (z. B. Tablet-PC oder Smartphone),
wodurch ein „zweiter Bildschirm“ hinzukommt. Entscheidend sind dann die Synchro-
nisation der ITV-Anwendung (Second-Screen) mit dem laufenden TV-Programm
(First-Screen) und die Qualität der Übertragung.
Als Beispiel für eine Second-Screen-Technologie kann das Angebot von TVSquared an-
geführt werden. TVSquared erkennt und analysiert das TV-Sendesignal und ermöglicht
damit interaktive Second Screen-Lösungen we z. B. die automatische Erkennung in Echt-
zeit, welchen Kanal der Zuschauer schaut, zum validierten „Check-in“ in die Sendung und
die damit verbundene Interaktivität mit dem Zuschauer, dessen Ergebnisse in Echtzeit in
Die Informationstechnologie als Basis für die Digitale Wirtschaft 37
die Sendung jederzeit zurückgespielt werden können (tvsquared.com). Als weiteres Bei-
spiel können die Zusatzfunktionen bei Sportschau.de genannt werden (Abb. 16). Dabei
kann der Zuschauer während einer Sportübertragung auf Zusatzinformationen zurückgrei-
fen, wie bspw. Mannschaftsaufstellungen oder Informationen zu Spielern (Ley 2016).
Aus wirtschaftlicher Perspektive steht mit dem T-Commerce über interaktive ITV-An-
wendungen vielleicht die nächste große Welle im E-Business an. Nachdem im E-Com-
merce die Möglichkeiten scheinbar ausgenutzt sind, im M-Commerce die mobilen Ange-
bote mit Millionen von Apps bereits voll auf dem Weg sind, stehen das ITV und die zu-
gehörigen Werbeformen noch in den Startlöchern. TVSmiles bietet hierfür bereits die au-
tomatische Erkennung eines Werbespots in Echtzeit, um dem Zuschauer zusätzliche In-
formationen per Push-Notification anzubieten. Zur Online-Bestellung ist es dann nur noch
ein kleiner Schritt. So ist es nicht verwunderlich, dass ITV das Thema auf der Consumer
Electronics Show (CES) 2012 in Las Vegas war und nach Smartphones und Tablets die
IT-Community ein neues Lieblingsthema zu haben scheint – SmartTVs und ITV. Und es
ist nicht nur ein neues Elektronikspielzeug, sondern kann analog zum Smartphone eine
neue Plattform mit und für T-Apps werden. Anders als bei den mobilen Apps, müssten
diese T-Apps allerdings anders gestaltet werden. Die Umgebungssituation ist eine andere:
Mann bzw. Frau ist nicht aktiv unterwegs (lean forward), sondern sitzt entspannt auf dem
heimischen Sofa (lean back), was einer völlig anderen Erwartungshaltung des Users ent-
spricht. Wie bereits in diesem Kapitel einleitend erwähnt, kann T-Commerce ferner nur
dann eine Chance haben, wenn es sich vom E-Commerce insofern unterscheidet, als dass
die T-Apps direkt und unmittelbar mit dem laufenden Fernsehprogramm verbunden wer-
den. Vor diesem Hintergrund können im Moment drei Szenarien für das T-Commerce
diskutiert werden:
T-Commerce über Apps: Analog zu den Smartphones können über einen ange-
schlossenen App-Store spezielle Applikationen aus den Bereichen Nachrichten,
Sport, Wetter, Spiele usw. auf dem App-Bildschirm hinterlegt und jederzeit abgerufen
werden.
38 Die Grundlagen des E-Business
Weitere interaktive TV-Angebote zum „Film oder Spiel on demand“ sind bereits bekannt
und werden weiterhin angeboten oder genutzt oder es können auch neue T-Circles zur
gemeinsamen Betrachtung von Fernsehserien im Social-Media-Verfahren entstehen (Pos-
tings, Einladungen, Videochats usw.). Es wird auf die Kombination aus Freizeit, Entspan-
nung und Medienkanal ankommen, ob und inwieweit sich T-Commerce durchsetzen und
auf Nutzungsakzeptanz treffen wird. Nur die genaue Kenntnis dieser Nutzungsakzeptanz
kann den nachhaltigen Erfolg von ITV sicherstellen (Kollmann 1998a). Die Vorausset-
zung für eine hohe Nutzungsakzeptanz sind attraktive Angebote, die auf der Teilnehmer-
seite nicht nur einen ausreichend hohen Nutzen erzeugen, sondern gleichzeitig auch mit
einer entsprechenden Zahlungsbereitschaft seitens der Teilnehmer einhergehen (Kollmann
1999d). Bei der konkreten Ausgestaltung des interaktiven Fernsehsystems sollten folglich
die folgenden fünf Leistungsfaktoren berücksichtigt werden, die großen Einfluss auf die
Nutzungsbereitschaft haben (Weiber/Kollmann 1996b, S. 98):
Preis-Leistungs-Verhältnis
Datensicherheit
Vor diesem Hintergrund werden transaktionsorientierte Prozesse, die über die Informati-
onstechnologie „Fernsehen“ abgewickelt werden, abschließend auch mit dem Begriff
„T-Commerce“ bezeichnet, wobei dieser wie folgt definiert werden kann:
Unter dem Begriff „T-Commerce“ wird die Nutzung von stationären Fernseher-End-
geräten als Informationstechnologie bezeichnet, um über Informations-, Kommunika-
tions- und Transaktionsprozesse zwischen den Netzteilnehmern reale oder elektroni-
sche Waren und Dienstleistungen anzubieten und abzusetzen, wobei der tatsächliche
Verkauf im Mittelpunkt steht.
kommentiert werden. Weiterhin muss der Teilnehmer nicht mehr auf das passive Empfan-
gen einer gewünschten Nachricht warten, er kann sich aktiv Informationen „holen“ und
dadurch selektiv das Informationsangebot auf seine Bedürfnisse zurechtschneiden.
Botschaft
Interaktivität
Dekodierung Kodierung
Individualität
Feedback / Feedforward
Den Ausgangspunkt dieser Entwicklung stellt eine neue Dimension wirtschaftlicher In-
teraktionen dar: die virtuelle Welt des elektronischen Handels auf digitalen Datenwegen.
Der Begriff „virtuell“ bezeichnet in diesem Kontext etwas, „was möglich oder künstlich
ist, etwas das wirkt ,als ob’, der Kraft oder der Möglichkeit nach vorhanden, ,scheinbar’
ist (Duden) oder ,existing in the mind, especially as a product of imagination’ (Amercian
Heritage Dictionary)“ (Klein 1994, S. 309). Das bedeutet, dass sich der Umgang mit di-
gitalen Informationen als nicht-reale Kommunikationsform ausschließlich aufgrund eines
Verbundes von Datenströmen bzw. Informationskanälen zusammensetzt. Dabei ist es zu-
nächst unerheblich, ob sich die Informationsinhalte auf reale Güter oder lediglich entspre-
chende Verfügungsrechte beziehen (Kosiol 1975, S. 119 f.). Wirtschaftliche Transaktionen
mit 0/1-Informationen sind im Gegensatz zu realen Gütern nicht direkt physisch greifbar.
Dennoch sind die Auswirkungen der über die Datennetze transferierten Informationen auf
reale wirtschaftliche Strukturen von zunehmender Relevanz. Aufgrund der Bedeutung von
Information als unterstützendem und eigenständigem Wettbewerbsfaktor sowie der Zu-
nahme der Digitalisierung muss in Zukunft von einer Zweiteilung relevanter Handelsebe-
nen für die Möglichkeit des Wirtschaftens ausgegangen werden (Weiber/Kollmann 1998,
S. 603). Neben der realen Ebene der physischen Produkte bzw. Dienstleistungen (reale
Handelsebene) ist eine elektronische Ebene der digitalen Daten- bzw. Kommunikations-
kanäle (virtuelle Handelsebene) entstanden.
Demnach wird die physische Geschäftswelt der Rohstoffe, Ressourcen und Produkte als
unverzichtbare Größe im Wirtschaftsleben bestehen bleiben. Hier werden die traditionel-
len Probleme der realen Wertkette eines Produktes bzw. einer Leistung (z. B. Beschaffung,
Der Informationsaustausch als Notwendigkeit für die Digitale Wirtschaft 41
Produktion, Distribution usw.) gelöst. Durch die Zunahme elektronisch vernetzter Infor-
mationssysteme tritt neben diese physische Welt komplementär eine virtuelle Geschäfts-
welt, welche durch vernetzte Informationen und Kommunikationswege gekennzeichnet
ist. Hier werden Informationen gehandelt, verarbeitet und eingesetzt, wodurch elektroni-
sche Wertketten innerhalb von Datennetzen impliziert werden (s. Kapitel 1.4). Als Beispiel
kann immobilienscout24.de genannt werden, dessen Betreiber nicht mit dem realen Pro-
dukt „Haus“ oder „Wohnung“ handelt, sondern lediglich den Austausch von Informatio-
nen zu diesen Produkten organisiert. Beide Ebenen können sich dabei durchaus ergänzen
(z. B. Bestellung realer Produkte über das Internet), aber auch separat funktionieren (z. B.
Kauf einer Software im Laden auf der realen Handelsebene oder direkter kostenpflichtiger
Download dieser Software auf der virtuellen Handelsebene).
Virtuelle Realitäten in Form von Virtual Reality (VR) eröffnen in diesem Zusammen-
hang weitere Potenziale, welche dazu führen, dass reale und digitale Handelsebenen sich
zunehmend ergänzen und gegenseitig ersetzen. VR bezeichnet das Entstehen und Eintau-
chen in eine computergenerierte virtuelle Welt, die von den Betrachtern authentisch und
lebensecht wahrgenommen wird. Dabei geht es insbesondere um die elektronische Simu-
lation von Umgebungen und Interaktionen in dreidimensionalen Darstellungen (Coates
1992). Erforderlich sind dafür technologische Hilfsmittel in Form von VR-Brillen (head-
mounted-displays) mit Kopfhörern, um höchste Bildqualität bei größerem Sichtfeld und
Hören zu ermöglichen. Das führt zu einer Immersion, sodass Hintergründe ausgeblendet
werden und die virtuelle Umgebung als real empfunden wird. Demnach können die VR-
Anwendungen große Implikationen auf digitale Geschäftskonzepte und -prozesse haben.
Im B2B-Bereich ergeben sich durch VR diverse Potenziale in der Produkt- und Prozess-
entwicklung sowie im Verkauf. So werden VR-Anwendungen u. a. zum Prototyping oder
für die (Verkaufs-)Beratung genutzt (Deutsch et al. 2016, S. 10). Im B2C-Geschäft zeigt
sich, dass VR noch vorwiegend im Bereich der Medien und Videospiele genutzt wird
(Statista 2018b). Aber auch im Verkauf werden zunehmend die Funktionen erkannt und
genutzt. Ikea entwickelt und nutzt bereits VR-Anwendungen, sodass Kunden ihre Räume
virtuell einrichten und gestalten können (Ikea 2018). In einer 360-Grad Betrachtung kann
der Kunde dabei in unterschiedlichen Lichtstimmungen die Produkte und bspw. Farbkom-
binationen auf sich wirken lassen und nach Gefallen bewerten. Was aktuell noch als reine
Showroom-Anwendung gedacht ist soll dabei langfristig als Multi-Channel Ansatz ge-
nutzt werden, indem durch eine direkte Anbindung an den Onlineshop Produkte gekauft
werden können (Weidemann 2017). Kunden müssten demnach nicht mehr physisch die
Produkte im Geschäft sehen und testen, sondern könnten sich ihre Räume virtuell erstel-
len. Aus Anbietersicht sind dies enorme Potenziale aufgrund der Reduktion realer Ver-
kaufsflächen und der Möglichkeiten neue Vertriebskanäle zu erschließen.
Die virtuelle bzw. elektronische Handelsebene impliziert dabei Möglichkeiten einer Ent-
kopplung der Kommunikation von Raum und Zeit, d. h. die Übertragung von Informati-
onen ist nicht an örtliche Gegebenheiten gebunden und kann jederzeit „virtuell“ initiiert
werden. Waren verschiedene Kommunikationsmittel bislang entweder an räumliche oder
zeitliche Gegebenheiten gebunden (z. B. Wochenzeitung für regionales Gebiet), verspricht
42 Die Grundlagen des E-Business
Zeitungebundenheit
Anytime/Anyplace
Ortsungebundenheit
anderen Aktionen, bei denen Informationen über das Internet ausgetauscht werden, kön-
nen die Beteiligten jedoch weitestgehend anonym auftreten. Personen können sich, ohne
ihre Identität zu offenbaren, frei im Internet bewegen oder sogar auch fremde Identitäten
annehmen. Die rege Beteiligung vieler Internet-User an sog. Chat-Rooms oder Foren un-
terstreicht den allgemeinen Wunsch, sich zwar mit anderen auszutauschen, aber dabei
möglichst anonym zu bleiben. Trotz ihres verlockenden Charakters hat die Anonymität
auch klare Nachteile, die sich besonders im Bereich der Sicherheit von Daten und Daten-
missbrauch bewegen. Im Hinblick auf den Online-Handel versuchen viele Anbieter, die
ihre Ware und Dienstleistungen über das Internet vertreiben wollen, durch Professionali-
sierung des Datenmanagements die Anonymität ihrer Kunden so zu reduzieren, dass die
Informationen, die während des gesamten Kommunikationsprozesses mit den Kunden ent-
stehen, zur Personalisierung und Individualisierung der Angebote (s. Kapitel 1.3.4) her-
angezogen werden können.
Der virtuelle Kontakt zu anderen Netz- bzw. Marktteilnehmern ist nun nicht mehr einer
Frage der räumlichen Distanz (s. Kapitel 1.3.1), sondern eine Frage der Ausgestaltung des
virtuellen Kontakts. Für diese Ausgestaltung steht eine Reihe von Medienformen (Bild, Vi-
deo, Ton, Text etc.) zur Verfügung, die durch die Leistungen der digitalen Informationsnetze
ad libitum kombiniert werden können. Die Integration verschiedener Datenquellen resp.
Medienformen resultiert dabei in der Entstehung eines Multimediums. Das Wortkompo-
situm Multimedia ist aus den beiden lateinischen Begriffen Multi (zu Deutsch: mehrere)
und Media (Plural von Medium, Kommunikationsmittel) entstanden und bezeichnet folg-
lich ein aus mehreren Medienformen bestehendes Kommunikationsmittel (Rougé 1994,
S. 5). Diese triviale Formel spiegelt jedoch kaum die umfassenden Veränderungen in der
Kommunikationswelt wider, welche mit der multimedialen Entwicklung verbunden wer-
den. Obwohl in jüngster Zeit zum Schlagwort geworden, ist Multimedia jedoch kein neuer
Begriff der Computer- oder Medienindustrie, sondern er ist bereits Mitte der 50er Jahre
des letzten Jahrhunderts in Verbindung mit wissenschaftlichen Visualisierungen und auf-
wendigen Präsentationen entstanden.
Entsprechend den möglichen Sinneskanälen können als Leitsysteme bei der Informati-
onsaufnahme und Kommunikation visuelle, auditive, haptische, gustorische und olfakto-
rische Leitsysteme unterschieden werden. Aufgrund des Mangels an geeigneten kommer-
ziell einsetzbaren Ein- und Ausgabegeräten ist die gegenwärtige Diskussion jedoch fast
ausschließlich auf die Integration visueller und auditiver Medien konzentriert. Dabei ste-
hen insbesondere die Möglichkeiten einer animations-, video-, text- und audioorientierten
Medienverknüpfung zum Zweck der Informationsübermittlung im Mittelpunkt. Durch
diese multimediale Informationsübermittlung kommt es zu einem Wechsel von einer ein-
dimensionalen zu einer mehrdimensionalen Medienkommunikation. Informationen wer-
den durch die quasi simultane Nutzung von komplementären Medienbausteinen effektiver
44 Die Grundlagen des E-Business
Rezeptionsseite definiert wird. Inzwischen spricht man jedoch auch schon von Quartär-
medien, da Online-Netzwerke das bisherige Sender-Empfänger-Schema (s. Abb. 17) auf-
hebt und z. B. die Information und Kommunikation auf ein globale Ebene hebt, die durch
das Paradigma einer reziproken Kommunikationsbeziehung geprägt ist. Abb. 19 fasst
die historische Entwicklung der Medientypen zusammen.
Mitteleinsatz
Sekundärmedien (Druck-Medien)
Primärmedien (Mensch-Medien)
Neben den technologischen Voraussetzungen, die für die Dekodierung der Botschaft not-
wendig sind, entscheiden jedoch noch andere Faktoren darüber, ob und welches Medium
verwendet wird. Hierbei kommt die Theorie der subjektiven Medienakzeptanz zum
Tragen, da der Einsatz und Nutzen eines bestimmten Mediums im hohen Maße vom per-
sönlichen Stil der Aufgabenerfüllung abhängt (Picot/Reichwald/Wiegand 2003, S. 108).
Akzeptanz oder Ablehnung eines Mediums werden durch den subjektiv wahrgenomme-
nen Nutzen und die Bequemlichkeit der Nutzung des Mediums bestimmt (Kollmann
1998a; Davis 1989). Im Bereich der digitalen Medien wird die Medienakzeptanz zusätz-
lich von sog. Netzeffekten beeinflusst. Durch jeden zusätzlichen Teilnehmer im digitalen
Datennetz wird der Gesamtnutzen des Netzes erhöht, da die Netzgröße steigt. Je mehr
User also ein bestimmtes Medium oder einen bestimmten Standard (wie z. B. JPEG, MP3)
nutzen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass weitere Nutzer hinzukommen und
die allgemeine Nutzerakzeptanz wächst. Da die Integration verschiedener Datenformate
und Medien technologisch immer einfacher wird, ist davon auszugehen, dass sich der Me-
dieneinsatz in Zukunft verstärkt an dem wahrgenommenen Nutzen und der Bequemlich-
keit der Medienverwendung orientieren muss.
46 Die Grundlagen des E-Business
Unter den Rahmenbedingungen des virtuellen Kontaktes (s. Kapitel 1.3.1) und der indivi-
duellen Einwahl ins digitale Datennetz (z. B. IP-Adresse), wird jeder Teilnehmer zu einer
aktiven Komponente für den Kommunikationsaustausch. Da Informationen nicht nur abge-
rufen, sondern auch von jedem eingestellt werden können (s. Kapitel 1.2.1; Abb. 9), kommt
es zu einem Wechsel von einer passiven zu einer aktiven Kommunikation zwischen den
Marktindividuen, da jede Einheit durch die digitale Verarbeitung von Informationen im
Netz zum Sender und Empfänger wird. Der Begriff der Interaktivität bezeichnet dieses
„miteinander in Verbindung treten“, das „kooperative Agieren“ sowie die „wechselseitige
Kommunikation zwischen Sender und Empfänger“. Interaktivität zeichnet sich vor diesem
Hintergrund insbesondere durch die Möglichkeit zu individuellen Aktionen und Reakti-
onen der Kommunikationspartner aus, welche unabhängig von vorgegebenen Ablaufmus-
tern sind. Die Interaktivität ermöglicht es dem Empfänger zum Sender zu werden und
vice versa. Der Grad der Interaktivität ist jedoch immer abhängig von den durch die Soft-
ware determinierten, zugelassenen Interaktionsmöglichkeiten. Ein weiterer Parameter der
Interaktivität wird durch die Differenzierung nach Online- und Offline-Technologien be-
stimmt. Hierbei wird „echte Interaktivität“ ausschließlich mit dem Online-Bereich verbun-
den, da nur hier eine ständige Verbindung und damit eine permanente Wechselbeziehung
zwischen Sender (Mensch/Maschine) und Empfänger (Mensch/Maschine) besteht. Ein
Kernelement der elektronischen Handelsebene ist vor diesem Hintergrund die multimedi-
ale Kommunikation mit digitalisierten Informationen, die einen interaktiven medienüber-
greifenden und damit höchst effektiven Datenaustausch ermöglicht. Insbesondere die Ver-
änderungen hin zu einer interaktiven Kommunikation beinhalten ein enormes Potenzial
für wirtschaftliche Aktivitäten. Die digitalen Informationsnetze und die Möglichkeiten
der Interaktivität bewirken, dass es zu einem Wechsel von der passiven Massen- zu der
aktiven Einzeltransaktion kommt. Jeder Marktteilnehmer wird zu einer eigenständigen In-
formationsadresse, d. h. jeder wird einzeln selektierbar und ansteuerbar. Die Marktkom-
munikation braucht daher nicht mehr nur auf die anonyme Massenansprache über einzelne
Medien zurückgreifen, sondern kann multimedial auf jeden einzelnen Marktteilnehmer ge-
zielt zugeschnitten werden (Individualisierung; s. Kapitel 1.3.4). Auch hierdurch wird die
Kommunikationswirkung entscheidend verbessert (s. Abb. 20).
Im Mittelpunkt steht allerdings die Umkehrung der Kommunikationsrichtung auf der elek-
tronischen Handelsebene. Durch die zweiseitige Kommunikationsbedingung der Interak-
tivität (Sender/Empfänger) werden in Zukunft nicht nur Informationen „one-way“ von
einem zum anderen Marktteilnehmer verteilt, sondern die Teilnehmer können sich die ge-
wünschten Informationen selbst beschaffen („two-way“). Die Akteure der elektronischen
Handelsebene können/müssen durch den Interaktionskanal „Datennetz“ die Kommunika-
tion gleichberechtigt beeinflussen und zugleich die Rolle von Informationsbereitstellern
und Informationsanbietern ausfüllen. Durch diese duale Rolle jedes einzelnen Akteurs
drückt sich auch ein Wechsel von einer reinen Push- zu einer Push/Pull-Kommunikation
Der Informationsaustausch als Notwendigkeit für die Digitale Wirtschaft 47
aus, d. h. Informationen werden nicht nur über Massenmedien an möglichst viele Empfän-
ger „gedrückt“, sondern die Empfänger „ziehen“ sich aus Informationsnetzen auch selbst
die jeweilig gewünschten Informationen heraus. Als Beispiel kann eltern.de genannt wer-
den. Bei diesem Angebot können zukünftige oder junge Eltern zum einen Informationen
zu den einzelnen Entwicklungsstadien des Nachwuchses aus dem angebotenen Pool von
Nachrichten, Artikeln oder Berichten abrufen. Zum anderen können aber auch aktiv Fra-
gen an Kinderärzte oder andere Eltern über ein angebotenes Forum eingegeben werden.
Präferenzprofile/Kundenwünsche
Lern-
prozess
Dialog
Anbieter Nachfrager
Interaktion
Wissens-
prozess
Individualisierung/Personalisierung
Auch wenn die Vorteile dieser dialogbasierten Kommunikation auf der Hand liegen, blei-
ben insbesondere Aktivitäts- und Findungsprobleme bestehen. Diese entstehen allein
durch die Tatsache, dass es sich hierbei um eine empfängerinduzierte Informationsnach-
frage handelt und die Empfängeraktivität notwendig wird (Riedl 1999, S. 87). Die Akteure
auf der elektronischen Handelsebene stehen aufgrund dieser selbstständigen Suche der
Empfänger jedoch vor der Aufgabe, ihr Informationsangebot den sich ständig wechseln-
den Interessen der Suchenden anzupassen. Pull-Kommunikation setzt sich ändernde In-
formationsinhalte für einzelne Individuen voraus, wohingegen sich Push-Kommunikation
auf allgemeine Informationen für eine breite Interessensgruppe beschränkt. Sämtliche
Kommunikationsmaßnahmen müssen demnach an die Bedingungen der gegenseitigen fle-
xiblen Abfrage angepasst werden. Die flexible Abfrage ist Kennzeichen für die steigende
Individualität in der multimedialen Kommunikation. Das Online-Angebot der Firma my-
toys.de kann hier als Beispiel genannt werden. Die Suche nach dem passenden Spielzeug
kann über eine eigene Suche im Produktkatalog erfolgen (Pull). Darüber hinaus besteht
aber auch die Möglichkeit, sich nach Eingabe von „Alter“, „Geschlecht“ und „Preisvor-
stellung“ konkrete Vorschläge machen zu lassen (Push/Pull) oder sich auch per Newsletter
regelmäßig aktuelle Angebote zusenden zu lassen (Push).
Interaktive Kommunikation im Internet wird nicht nur ermöglicht, sondern insbesondere
auch zur Individualisierung und Personalisierung der Aktivitäten genutzt. Vorteile im Ver-
gleich zu Offline-Kanälen entstehen hier aufgrund der Tatsache, dass sämtliche Bewegun-
gen, Transaktionen und Informationen der Nutzer in Form von digitalen Daten gespeichert
werden können. Auf diese Weise kann der Anbieter unmittelbar nachdem ein potenzieller
Kunde seine Seite öffnet und in bestimmter Form agiert, auf dieses Verhalten reagieren
und je nachdem, wie dieser sich auf der Seite bewegt, spezielle und auf seine Interessen
zugeschnittene Informationsangebote bereitstellen. Je mehr beide Partner miteinander
kommunizieren und interagieren, desto mehr Daten fallen an, die der Anbieter analysieren
und zur Personalisierung aufbereiten kann. Interaktivität ist daher nicht nur die Basis guter
Kommunikation (Dialog), sondern auch Voraussetzung für die Ausschöpfung des Indivi-
dualisierungs- und Personalisierungspotenzials.
d. h. der Empfänger kann sofort nach Erhalt der Nachricht rückkoppelnd selbst zum Sender
einer Information werden. Innerhalb der persönlichen Kommunikationsform können zwei
Unterarten angeführt werden. Bei der „Face-to-Face communication“ findet der Prozess
ohne zwischengeschaltete technische Medien durch den unmittelbaren Kontakt des Sen-
ders zum Empfänger statt. Als „point-to-point communication“ werden hingegen persön-
liche Kommunikationsprozesse unter Einschaltung technischer Medien (z. B. Telefon) be-
zeichnet. Die „unpersönliche“ Kommunikation findet nahezu ausschließlich über sog.
technische Massenmedien statt. Traditionell werden in der Massenkommunikation Zeit-
schriften, Zeitungen, Hörfunk, Fernsehen, Film, Bücher und Werbeflächen eingesetzt
(Kollmann 1994, S. 56 ff.). Die Aussagen werden indirekt über diese Medien verbreitet
und richten sich an ein disperses, also räumlich und vielfach auch raumzeitlich zerstreutes
Publikum. Somit sind die Botschaften in der Regel an eine inhomogene, unstrukturierte
und anonyme Öffentlichkeit gerichtet. Die Informationen werden einseitig unidirektional
verbreitet, d. h. es gibt keine direkte Rückkopplung vom Empfänger zum Sender.
Die derzeitige Kommunikationsansprache der realen Handelsebene ist entweder noch ge-
prägt durch den persönlichen Kontakt von Handelspartnern (Individualkommunikation)
oder durch die Forderung nach einer möglichst hohen Reichweite der unpersönlichen Bot-
schaften einzelner Handelsanbieter, repräsentiert durch die Ansprüche einer Massenkom-
munikation. Im ersten Fall bedeutet dies eine direkte reale One-to-One-Beziehung zwi-
schen zwei in Verbindung getretenen Wirtschaftssubjekten. Dieser Kontakt unterliegt der
Ausschließlichkeit, da in der Regel kein weiteres Subjekt in diese Beziehung eingebun-
den wird. Problematisch hierbei ist jedoch, dass diese in Beziehung getretenen Subjekte
jeweils nur eine Verbindung nach der anderen eingehen können (sequentielle Kommuni-
kation), da sie real nicht an mehreren Orten gleichzeitig sein können. Im zweiten Fall
wird auf die persönliche Beziehung in der Kommunikation verzichtet: Nicht der Einzelne,
sondern die Masse der erreichbaren Marktteilnehmer steht hier im Mittelpunkt von Kom-
munikationsaktivitäten (Link/Hildebrand 1995, S. 5).
Es handelt sich folglich um eine indirekte reale One-to-All-Beziehung. Problematisch
hierbei ist, dass diese relativ unreflektierte bzw. anonymisierte Art der Kommunikation den
veränderten Marktbedingungen zunehmend nicht mehr gerecht wird. Mit der Entstehung
der elektronischen Handelsebene und der damit verbundenen Entkopplung von Raum und
Zeit (anytime/anyplace; s. Kapitel 1.3.1) bieten sich Potenziale für neue Formen der Kom-
munikation. Die Kommunikationsansprache der elektronischen Handelsebene wandelt
sich von einer passiven, anonymen und massenmedialen Kommunikation zu einer (in-
ter)aktiven, individualisierten und multimedialen Kommunikation. Dies bedeutet, dass
über das Medium „Datennetz“ neben der Massen- (indirekte virtuelle One-to-All-Bezie-
hung, z. B. über Werbebanner) ebenfalls die Individualkommunikation kontrolliert reali-
siert werden kann. Da annähernd alle Netzteilnehmer eine individuelle Netzadresse besit-
zen (z. B. E-Mail oder Web-Page), können alle einzeln angesteuert werden, wodurch eine
direkte virtuelle One-to-One-Beziehung aufgebaut werden kann. Der Hauptunterschied
zur realen Ebene liegt hierbei in der Dimension der Ausgestaltung dieses Kontaktes. Wa-
50 Die Grundlagen des E-Business
ren die direkten Kontakte auf der realen Ebene noch beschränkt auf das unmittelbare Um-
feld, so erweitert sich durch die innovative Informations- und Kommunikationstechnik die-
ser direkte Kontakt um alle am Internet partizipierenden Subjekte. Die anonyme Masse
der Anbieter und Nachfrager in einem Bereich wird für die jeweilige andere Seite zuneh-
mend individualisiert (s. Abb. 20). Der einzelne Anbieter kann mit dem nun greifbaren
einzelnen Nachfrager in Kontakt treten, der einzelne Nachfrager kann sich ohne die Zwi-
schenschaltung des Handels direkt mit einzelnen Herstellern in Verbindung setzen.
In der Konsequenz bedeutet Individualisierung und damit Personalisierung die Anpas-
sung von Informationen, Angeboten, der Webseite sowie von Produkten an die Bedürfnisse
identifizierter Kunden. Ziel der damit in Verbindung stehenden virtuellen one-to-one-Be-
ziehung ist es laut Riemer/Klein (2001), „jedem Kunden auf Basis individueller Informa-
tionen die relevanten und interessanten Informationen, Produkte und Angebote in einer für
ihn geeigneten Form anzubieten und so der computer-vermittelten Kommunikation quasi
eine menschliche, persönliche Anmutung zu verleihen.“ Personalisierung kann dabei ne-
ben den Inhalten einer Webseite auch das Design eines Web-Angebots und die Art und
Weise der Kommunikation umfassen (Klein/Güler/Lederbogen 2000). Die Personalisie-
rung kann nach Riemer/Klein (2001, S. 141 ff.) „zum einen durch den Kunden (explizit)
erfolgen, der das Web-Angebot anhand von Parametern, die der Anbieter definiert, selbst
konfiguriert. Zum anderen kann die Personalisierung durch automatischen Abgleich der
Bedürfnisse des Kunden – bzw. seines elektronisch hinterlegten Profils – mit einer Klas-
sifikation der angebotenen Produkte oder mit dem Wissen über andere Kunden erfolgen
(implizit)“. Als Beispiel für die explizite Personalisierung kann der Produktkonfigurator
von dell.de angeführt werden, bei dem sich die Nachfrager die Komponenten für ihre Lap-
tops selbst zusammenstellen können. Als Beispiel für die implizite Personalisierung kann
das Empfehlungssystem bei amazon.de genannt werden, bei dem die Nachfrager Hinweise
bekommen, wer sich bestimmte Titel auch angesehen hat. Dieses Empfehlungssystem
wird weitergeführt, wenn nach der Identifikation des Nutzers auf der Startseite individuelle
Empfehlungen gemacht werden.
Im Hinblick auf das Beispiel von amazon.de wird deutlich, dass die stetige Verbesserung
der Kundenansprache auf Basis der Individualisierung und Personalisierung eine bedeu-
tende Rolle spielt und damit die sog. lernenden Kundenbeziehungen zunehmend in den
Mittelpunkt rücken. Aufbauend auf dem Ausgangswissen über Kundenwünsche finden
Interaktion und Dialog zwischen Anbieter und Nachfrager statt. Diese direkte Interaktion
zwischen den Handelspartnern ermöglicht Lern- und Wissensaufbauprozesse auf der An-
bieterseite, die auf die Verbesserung der Kundenansprache zielen (s. Abb. 20). Durch die
individuellen Erfahrungen mit dem Kunden wird ein Lernprozess angestoßen, in dessen
Ergebnis der Aufbau von kundenindividuellen Präferenzprofilen steht. Aufbauend auf die-
sen Profilen ist zukünftig eine zielgerichtetere, individuellere Interaktion zwischen Anbie-
ter und Nachfrager möglich, die auf den spezifischen Wünschen des einzelnen Kunden
basiert. Ebenfalls wird ein Wissensaufbauprozess in Gang gesetzt, der auf der Individu-
alisierung und Personalisierung durch den Kunden basiert. Eine explizite Personalisie-
rung ermöglicht, dass der Kunde seinen Interaktionsprozess nach seinen individuellen
Der Informationsaustausch als Notwendigkeit für die Digitale Wirtschaft 51
Vorstellungen gestalten kann und somit den Wissensstand über die Kundenanforderungen
an die Interaktionsprozesse auf der Anbieterseite erhöht. Die Prozesse des Lernens und
Wissensaufbaus beeinflussen sich dabei gegenseitig in hohem Grade positiv, da das Wis-
sen durch die Personalisierung das Lernen im Hinblick auf die Präferenzprofile erleichtert
und im umgekehrten Fall auf der Basis von Präferenzen Optionen für die Personalisierung
geschaffen werden können. So entsteht ein geschlossenes System eines kontinuierlichen-
Lern- und Wissensaufbauprozesses, in dessen Ergebnis eine stetige Verbesserung der Kun-
denansprache steht.
Sowohl im Zuge der technologischen Weiterentwicklung der mobilen Datennetze als auch
der zunehmenden Verbreitung von mobilen Endgeräten entsteht für den Kunden eine
„always-on“-Situation (s. Kapitel 1.1.5). Der Kunde hat zu jeder Zeit und an jedem Ort
die Möglichkeit, sich mit elektronischen Datennetzen wie z. B. dem Internet zu verbinden.
Hierdurch lässt sich ein Trend zur Integration von Offline- und Online-Welt beobach-
ten. Beispielsweise sind die in den vorhergehenden Kapiteln genannten Faktoren wie z. B.
die Chancen der Virtualität (s. Kapitel 1.3.1) sowie die Möglichkeiten der Individualität
(s. Kapitel 1.3.4) auch auf den mobilen Bereich übertragbar. Als eine wichtige Perspektive
der Mobilität ist die Ortung mittels GPS, digitalem Kompass, WLAN oder Mobilfunknetz
zu nennen. Hierdurch ist es möglich, dem Kunden die an dem jeweiligen Ort notwendigen
Informationen zur Verfügung zu stellen. Aus Unternehmersicht galt es beim stationären
Internet die Empfänger der Informationen richtig zu typologisieren, um dann dem jewei-
ligen Kunden die für ihn wertvollen Informationen zukommen zu lassen. Um dem Nutzer
mobiler Datennetze bestimmte Angebote mit einem Mehrwert bieten zu können, muss im
Rahmen der Mobilität die Situation antizipiert werden, in der sich der Kunde befindet (sog.
situativer Nutzen; s. Kapitel 1.2.2).
Im Hinblick auf die mobil oft genutzten Nachrichtenportale wie z. B. m.faz.net, die mobilen
Applikationen von Bild und Welt und weiteren Anbietern bedeutet dies, dass der Inhalt ent-
sprechend der Situation, in der der Nutzer die Nachrichten liest, aufbereitet werden muss.
Mobile Nachrichten werden bspw. in Situationen genutzt, in denen schnelle und kurze
Information benötigt werden (z. B. Fahrplanauskunft auf einem Bahnsteig) oder es Zeit
zu überbrücken gilt, z. B. Wartezeiten am Bahnhof oder am Flughafen. Des Weiteren sind
störende externe Einflüsse, wie z. B. Lautstärke und geschäftiges Treiben für die Aufberei-
tung der Nachrichten zu antizipieren. Die Aufbereitung der Nachrichten in mobiler Form
muss diesen Umständen genügen und somit zumindest in mehreren Aggregationsstufen
(Aufteilung in Überschrift, Zusammenfassung, Hintergrundinformationen) sowie leicht
verständlich vorliegen.
Ähnliches gilt für das mobile Angebot von Internet-Shops (s. Kapitel 3.2.1.3) oder mobilen
Marktplätzen (s. Kapitel 4.2.1.3). Steht ein Kunde z. B. im Elektronikfachhandel und hat
52 Die Grundlagen des E-Business
sich gerade im Hinblick auf ein technisches Gerät beraten lassen, so muss er ohne Umwege
die Möglichkeit haben, das Produktangebot mit einem mobilen Endgerät zu überprüfen.
Eine zentrale Anforderung ist dabei, dass Vorteile wie der günstigere Preis oder die güns-
tigere Anlieferung dabei sofort verfügbar sein müssen. Mobile Einkaufs- oder Handels-
plattformen stellen somit auch ein Beispiel für die durch die mobile Nutzung des Inter-
nets möglich werdende Integration der Offline- und Online-Welt dar. So kann sich der
Kunde offline ein reales Bild von dem Produkt machen und dieses dann online direkt über
das Internet preisgünstiger bestellen. Mit modernen Smartphones ist es heute problemlos
möglich, Barcodes von Produkten zu fotografieren und sich dann – mittels entsprechender
mobiler Applikationen (z. B. barcoo) – verschiedenste online verfügbare Informationen
anzeigen zu lassen. Auch die direkte Online-Bestellung (M-Commerce) der Waren in
entsprechenden E-Shops oder E-Marketplaces ist mit wenigen Klicks möglich. Dies
könnte insbesondere beim Kauf von Bekleidungsartikeln von Interesse werden, bei denen
auf Seiten des Kunden zumeist ein sog. „Touch&Feel“-Bedürfnis existiert, um zu einer
sicheren Entscheidung zu gelangen.
Einer aktuellen Studie zufolge werden über das Mobilgerät im internationalen Durch-
schnitt 30 % aller Onlinekäufe abgewickelt. Laut der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungs-
gesellschaft PwC (2016) kaufen inzwischen 35 % der Deutschen mindestens einmal im
Monat über ihr Smartphone ein. Vor vier Jahren waren es noch 11 %. Deutschland kann
im ersten Halbjahresvergleich von 2015 bis 2016 in dem Bereich des Mobile Shoppings
einen signifikanten Anstieg der Transaktionen um 55 % verzeichnen, was nicht zuletzt auf
einen Anstieg der durchschnittlichen Warenkörbe auf 93 Euro für Tablets und 63 Euro für
Smartphones zurückzuführen ist (Affiliateblog 2016). Insgesamt lässt sich auch erkennen,
dass Geräte mit größeren Displays regelmäßig höhere Warenkörbe verzeichnen können,
sodass die Bildschirmgröße scheinbar ein Kriterium für Mobile Shopping ist (BITKOM
2017a, S. 14).
Mit zunehmender Mobilität der Nutzer steigt demnach auch der Druck auf Unternehmen,
sowohl Ihre Online- als auch Offline-Angebote auf sämtlichen Geräten zur Verfügung zu
stellen. Der Begriff Multichanneling bezeichnet hierbei im Allgemeinen die Kombina-
tion dieser beiden Welten und muss heutzutage insbesondere auch über die Grenzen ein-
zelner Geräte hinweg erfolgen. Das Responsive Webdesign muss daher eine zentrale
Rolle in jeder Mehrkanalstrategie einnehmen und die zunehmende Verbreitung mobiler
Endgeräte zwingt Unternehmen, sich auf verschiedene Benutzertypen und die immer un-
terschiedlicheren Bildschirmgrößen zur Darstellung ihrer Inhalte flexibel einzustellen, um
dem Nutzer so ein möglichst optimales Nutzungserlebnis zu ermöglichen (Kollmann/
Michaelis 2015). Deutschlandweit waren im Jahr 2012 bereits knapp 90 % der Deutschen
Multichannel-Konsumenten, die ihre Informations- und Kaufkanäle flexibel ihren Bedürf-
nissen entsprechend wechseln (Absatzwirtschaft 2012). Die Konzentration auf nur einen
Kanal für Information, Kommunikation und Vertrieb kann somit zum entscheidenden
Wettbewerbsnachteil für Unternehmen werden.
Der Informationsaustausch als Notwendigkeit für die Digitale Wirtschaft 53
Ein weiteres Beispiel für den wachsenden Einzug des Internets in die Offline-Welt ist die
Nutzung von ortungsbezogenen Communities wie foursquare. Hierbei handelt es sich um
soziale Communities, die die Geotagging-Funktion (s. Kapitel 5.1.2.6) moderner Smart-
phones nutzen. Mittels GPS und Internetortung kann man sich an bestimmten Orten ein-
loggen und auf diesem Weg der Community seinen Aufenthaltsort mitteilen. Für erstbe-
suchte oder am meisten besuchte Orte gibt es als Anreiz Badges bzw. Abzeichen. Völlig
neue Dimensionen bieten Touch-Geräte wie das iPad: So wird es dadurch möglich, Kun-
den im Vertriebsgespräch zu Hause und in angenehmer Atmosphäre mit dem Touch-Gerät
Angebote zu offerieren, um dann mittels digitaler Unterschrift sowie einer Verbindung zu
vertragsverarbeitenden Backend-Prozessen über das mobile Internet einen direkten Ver-
tragsabschluss durchzuführen. Ein Beispiel ist die mobile Applikation von wefox, über
welche sowohl Kunden als auch Markler und Versicherungsgesellschaften, Versiche-
rungs- und Finanzprodukte effizient verwalten können (s. Abb. 21).
Wirtschaftlich beliefen sich im Jahr 2017 die Verbraucherausgaben für mobile Applika-
tionen in den App Stores weltweit auf 86 Milliarden USD. Das entspricht einem Wachs-
tum von 105 % seit 2015. Im selben Zeitraum stiegen die Downloads um 60 % auf über
175 Mrd. Somit verbrachte jeder Nutzer fast 1,5 Monate pro Jahr mit der Nutzung von
mobilen Applikationen (App Annie 2018). Dies liegt auch darin begründet, dass viele Ap-
plikationen kostenlos angeboten werden. Das aktuelle jährliche Wachstum liegt jedoch im
hohen zweistelligen Bereich und zeigt dadurch das hohe Marktpotenzial mobiler Anwen-
dungen auf. Da der Zielmarkt im Internet oftmals international ist, lohnt sich jedoch auch
54 Die Grundlagen des E-Business
ein Blick auf die globale Entwicklung. Weltweit werden laut Gartner (2012) im Jahr 2016
ca. 21,67 Mio. kostenpflichtige Anwendungen in den verschiedenen Stores heruntergela-
den. Bis 2017 wird ein Anstieg auf fast 15 Mrd. bezahlte Downloads erwartet, was einer
Steigerung von fast 125 % entspricht. Gehörte das mobile TV aufgrund Beschränkungen
bei der mobilen Datenübertragung im Gegensatz zu mobilen Nachrichtenportalen bisher
zu den weniger stark genutzten Anwendungen, weisen die Wachstumsraten im Bereich der
mobilen Datenübertragung in diesem Bereich auf einen sich ändernden Trend hin. Laut
Cisco (2017) hat sich der weltweite monatliche mobile Datenverkehr im Jahr 2016 auf 7,2
Exabyte (ca. 7.200 Mio. Gigabyte) belaufen. Bis 2021 wird in diesem Zusammenhang ein
Anstieg auf ca. 49 Exabyte prognostiziert. Dies entspricht einer Steigerung um ca. 680 %
in fünf Jahren. Diese Zahlen belegen die Bedeutung des mobilen Datenaustauschs für die
wirtschaftliche Entwicklung.
der Begriff der „personenbezogenen Daten“ im Artikel 4 DSGVO weiterhin weit ge-
fasst: „personenbezogene Daten“ [sind] alle Informationen, die sich auf eine identifizierte
oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden „betroffene Person“) beziehen; als
identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbeson-
dere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu
Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merk-
malen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirt-
schaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert
werden kann.“ Weiterhin gilt ebenfalls, dass die Verarbeitung personenbezogener Da-
ten nur aufgrund eines Erlaubnistatbestands zulässig ist. Diese sind in dem Artikel 6
DSGVO aufgeführt:
die Verarbeitung ist für die Erfüllung eines Vertrags oder zur Durchführung vorver-
traglicher Maßnahmen erforderlich;
die Verarbeitung ist für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffent-
lichen Interesse liegt;
die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen
oder eines Dritten erforderlich.
Im letzten Fall ist eine Interessensabwägung gegenüber den Interessen der betroffenen
Person erforderlich. Die DSGVO führt im Artikel 5 desweiteren explizit folgende sechs
Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten auf:
Datenminimierung („dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das […] not-
wendige Maß beschränkt“)
Speicherbegrenzung (Daten müssen „in einer Form gespeichert werden, die die Iden-
tifizierung der betroffenen Personen nur so lange ermöglicht, wie es […] erforderlich
ist“)
56 Die Grundlagen des E-Business
Der Verantwortliche muss die Einhaltung dieser Grundsätze nachweisen. Die Nichtein-
haltung dieser Grundsätze und der Rechenschaftspflicht kann mit einem angemessenen
Bußgeld in Höhe von bis zu 20 Mio. EUR oder im Fall eines Unternehmens von bis zu
4 % seines gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes geahndet werden (Artikel 83, Ab-
satz 5, Buchstabe a, DSGVO). Vor diesem Hintergrund kann eine weitreichende Diskus-
sion geführt werden, inwieweit die DSGVO förderlich oder hinderlich für digitale Unter-
nehmen aus Europa gerade auch im internationalen Kontext ist. Ist das DSGVO-Gebot der
Datenvermeidung, Datensparsamkeit und Transparenz wirklich die richtige Antwort auf
das digitale Zeitalter – auch und wenn man gerade an KI-Technologien (s. Kapitel 1.6.5)
und Blockchain-Anwendungen (s. Kapitel 1.1.6) denkt? Droht womöglich eine Diskus-
sion darüber, welches Geschäftsmodell „gut“ ist, weil es wenig Daten verwendet, und
welches dagegen „schlecht“ ist, weil es viele Daten benötigt? Wie die Umfragen des Deut-
schen Startup Monitors belegen, beeinflusst die DSGVO bei über 90 % der Startups die
Geschäftstätigkeit (Kollmann et al. 2018). Um die digitalen Geschäftsmodelle weiterhin
rechtskonform umsetzen zu können, muss im Rahmen der nachfolgenden Ausführungen
zu Informationsökonomie (s. Kapitel 1.4) der Datenschutz berücksichtigt und eingehalten
werden. Aus volkswirtschaftlicher Perspektive muss ferner eine nötige Balance zwischen
dem Datenschutz des Einzelnen einerseits und der notwendigen Datennutzung zur Durch-
führung digitaler Geschäftsmodelle andererseits gewahrt werden, um die digitale Wettbe-
werbsfähigkeit Deutschlands und Europas zu sichern (Kollmann 2018a).
ten (Qualität) und die zugehörigen Konditionen (z. B. Preis, Rabatte) für den Erfolg verant-
wortlich (Mises 1940; Porter 2013; Kirzner 1974; s. Abb. 22). Es kam darauf an, das
eigene Leistungsangebot für den Nachfrager entweder kostengünstiger (Kostenführer-
schaft) oder qualitativ besser (Qualitätsführerschaft) als die Konkurrenz anbieten zu kön-
nen. Später traten mit den Erfolgsgrößen Zeit (Schnelligkeit) und Flexibilität zwei weitere
Faktoren hinzu (Simon 1988; s. Abb. 22). Es kam hier darauf an, die Leistung zu einem
bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort anbieten zu können (Verfügbarkeitsfüh-
rerschaft) bzw. bei wichtigen Merkmalen des Produktes eine kundenorientierte Differen-
zierung vorzunehmen (Bedarfsführerschaft).
Die Informationstechnologien haben nun dazu geführt, dass Informationen einfacher zu-
gänglich und verstärkt auf wirtschaftliche Art und Weise und damit als eigenständiger
Wettbewerbsfaktor (s. Abb. 22) genutzt werden können. Die Quelle für den Wettbewerbs-
vorteil der Zukunft wird aufgrund der dargestellten technologischen Entwicklung die Wis-
sens- und Informationsüberlegenheit gegenüber der Konkurrenz sein (Informationsfüh-
rerschaft). Wer bessere Informationen zum Markt und seinen (potenziellen) Kunden be-
sitzt, wird sich im Wettbewerb durchsetzen. Während Informationen bisher lediglich eine
unterstützende Funktion für physische Produktionsprozesse übernahmen, werden sie somit
in Zukunft, gerade für das E-Business, zu einem eigenständigen Produktions- und Wett-
bewerbsfaktor (Weiber/Kollmann 1998). Die daran anschließende ökonomische Frage lau-
tet: Wie wird mit Hilfe von Informationen ein Wert für den Kunden erzeugt, für den er am
Ende auch bereit ist zu bezahlen? Die Antwort liegt in der elektronischen Wertschöpfung.
Qualität/Service Kosten
Ausgehend von der Möglichkeit, Informationen über die drei zentralen Informationstech-
nologien Internet, Mobilfunk und interaktives Fernsehen (s. Kapitel 1.2) virtuell, multi-
medial, interaktiv und individuell (s. Kapitel 1.3) zwischen Transaktionspartnern auszu-
tauschen, muss nun geklärt werden, was für ein elektronischer Wert durch diesen innova-
tiven Informationstransfer für den Kunden „geschöpft“ werden kann, wodurch ein Online-
Angebot überhaupt erst attraktiv wird. Für eine elektronische Wertschöpfung können dies
z. B. folgende Aspekte sein (Kollmann 2006, S. 70 f.):
Überblick: In diesem Fall schafft ein Online-Angebot einen Überblick über eine Viel-
zahl von Informationen, die sonst nur sehr mühselig zu beschaffen wären. Damit wird
ein Strukturierungswert geschöpft.
Auswahl: In diesem Fall schafft ein Online-Angebot die Möglichkeit, über Daten-
bank-Abfragen für die Nachfrager die gewünschten Informationen, Produkte oder
Dienstleistungen gezielter und damit effizienter zu identifizieren. Damit wird ein Se-
lektionswert geschöpft.
Abwicklung: In diesem Fall schafft ein Online-Angebot die Möglichkeit, ein Geschäft
effizienter und effektiver zu gestalten (z. B. Kostenaspekt oder Bezahlmöglichkeit).
Damit wird ein Transaktionswert geschöpft.
Kooperation: In diesem Fall schafft ein Online-Angebot die Möglichkeit, dass ver-
schiedene Anbieter ihr Leistungsangebot effizienter und effektiver miteinander verzah-
nen können. Damit wird ein Abstimmungswert geschöpft.
Austausch: In diesem Fall schafft ein Online-Angebot die Möglichkeit, dass verschie-
dene Nachfrager effizienter und effektiver miteinander kommunizieren können. Damit
wird ein Kommunikationswert geschöpft. Dabei ist es durchaus möglich, dass auch
eine multiple Wertschöpfung stattfindet und durch ein Online-Angebot sowohl ein
Strukturierungswert als auch ein Auswahl- und Vermittlungswert erzeugt wird. So
bietet amazon.de sowohl einen Überblicks- (Bücherangebot), Auswahl- (Bücherse-
lektion) und Abwicklungsmehrwert (Bücherkauf).
Der eigentliche Wert der Information bzw. -verarbeitung ist als Ergebnis jedoch auch ab-
hängig von der zeitlichen, inhaltlichen und äußeren Form der Vermittlung (s. Abb. 23).
So können noch so gut aufbereitete Informationen zu Börsenkursen keinen Wert erzeugen,
wenn sie nicht schnell, im besten Fall „real-time“ übertragen bzw. bereitgestellt werden.
Die Informationsökonomie als Ausgangspunkt für die Digitale Wirtschaft 59
Dagegen nutzt einem Segelflieger die schnelle Information über das Wetter nur wenig. Er
ist vielmehr an der Genauigkeit und Differenziertheit, z. B. an Aussagen über Luftverän-
derungen, interessiert. Nach der Identifikation der elektronischen Wertschöpfung wechselt
die Perspektive und es stellt sich sodann die Frage: Wie wird der Wert erzeugt? Hierzu
kann die elektronische Wertschöpfungskette angeführt werden.
Austausch
Überblick (Kommunikationswert) Kooperation
(Strukturierungswert) (Abstimmungswert)
Elektronische Mehrwerte
Auswahl Abwicklung
(Selektionswert) Vermittlung (Transaktionswert)
(Matchingwert)
Produkt könnte dann entsprechend auch die Basis einer Unternehmensgründung in der Di-
gitalen Wirtschaft sein (Kollmann 2006; Kollmann 2014). Als Beispiel für die elektroni-
sche Wertschöpfungskette kann autoscout24.de angeführt werden. Im Rahmen eines elekt-
ronischen Marktplatzes (Kollmann 2001b) wird hier der Handel von Gebrauchtwagen
über das Internet angeboten. Der Wert für den Nutzer wird dabei nicht über den Ge-
brauchtwagen als solches geschaffen, sondern liegt vielmehr in der Überblicks-, Auswahl-
und Vermittlungsfunktion (s. Kapitel 1.4.1) der diesbezüglich notwendigen Informationen
und deren Verfügbarkeit, unabhängig von zeitlichen und räumlichen Restriktionen. Dieses
„elektronische Informationsprodukt“ wird nur über die zugrundeliegende Informati-
onstechnologie und die informationsverarbeitenden Prozesse ermöglicht. autoscout24.de
ist somit ein Unternehmen mit einer elektronischen Wertschöpfungskette, da die innova-
tive Wertschöpfung für den Kunden auf der elektronischen Ebene erfolgt. Das bedeutet
nicht, dass keine realen Ressourcen (Personal, Logistik usw.) benötigt werden. Eine reale
Wertschöpfungskette ist existent, hat jedoch nur einen Unterstützungscharakter, um die
elektronische Wertschöpfung anbieten zu können. Diese Zusammenhänge gelten nicht für
ein Angebot wie z. B. seat.com. Hier wird der Wert für den Kunden über das reale Produkt
„Auto“ geschaffen und der Shop im Internet ist „nur“ ein weiterer Distributionskanal. Die-
ser vereinfacht zwar das Bestellverfahren, jedoch wird hierdurch kein eigenständiger Wert
geschaffen, für den der Kunde bereit wäre gesondert zu bezahlen.
Personalwirtschaft
Technologieentwicklung
Beschaffung Reales
Produkt
Eingangs- Operationen Ausgangs- Marketing Kundendienst
logistik logistik & Vertrieb
Unterstützungsmöglichkeit
Informationen sammeln
Informationen systematisieren
Informationen auswählen
Informationen kombinieren Elektronisches
(Informations-)
Informationen verteilen Produkt
Informationen austauschen
Informationen bewerten
Informationen anbieten
Wertkette der Digitalen Wirtschaft
Informationen sammeln
Informationen systematisieren
Informationen auswählen
Informationen austauschen
Informationen bewerten
Informationen anbieten
Elektronischer
Welcher Prozess Informations- Informations- Informations- Unternehmens-
erzeugt den Wert? Wertschöpfungs-
sammlung verarbeitung übertragung sicht
prozess
Abb. 25: Beispiel für eine elektronische Wertschöpfung in der Digitalen Wirtschaft
Als Beispiel kann eine Plattform für den Online-Handel mit gebrauchten Fotokameras
angeführt werden (Kollmann 2019, s. Abb. 25). Die elektronische Wertschöpfung spiegelt
sich unmittelbar in dem resultierenden Mehrwert für den Nutzer wider und bezieht sich in
dem angeführten Beispiel im Kern auf die Überblick-, Auswahl-, und Vermittlungsfunk-
tion. Somit könnte der Anbieter der Fotokameras bereit sein, insbesondere für die Vermitt-
lungsfunktion zu bezahlen, während der Nachfrager eventuell für die Überblicksfunktion
eine Gebühr zahlen würde. Um diese Wertschöpfung zu realisieren, werden im Unterneh-
men mit Hilfe der elektronischen Wertschöpfungskette insbesondere die Wertaktivitäten
identifiziert, die hinter der angebotenen elektronischen Wertschöpfung stehen (s. Abb. 25).
Dabei müssen zunächst die Informationen über das Objekt, den Standort und den Anbieter
62 Die Grundlagen des E-Business
Im ersten Schritt steht die Informationsgewinnung, bei der es darum geht, relevante
Daten als Informationsinput für die weitere Wertschöpfung zu sammeln. Im Ergebnis
steht der Aufbau eines nutzbaren Datenbestandes. Dieser Wertschöpfungsschritt kann
auch als Informationssammlung bezeichnet werden (s. Abb. 25). Ziel dieser Infor-
mationssammlung ist eine Effektivitätssteigerung: Die einfache, schnelle und umfas-
sende Gewinnung von Informationen über die Ansprüche bzw. Vorstellungen der po-
tenziellen Kunden soll die Basis für die Realisierung eines auf die individuellen Wün-
sche zugeschnittenen Leistungsangebotes sein (s. Kapitel 1.3.3, Kapitel 1.3.4). Kun-
deninformationen können aktiv in die Produktgestaltung einfließen.
zeichnet werden (s. Abb. 25). Ziel dieser Informationsverarbeitung ist insbesondere
eine Effizienzsteigerung: Die einfache, schnelle und umfassende Verarbeitung von
Informationen kann unternehmensinterne Prozesse verbessern und kostengünstiger
gestalten (s. Kapitel 1.1.4).
Im dritten Schritt steht der Informationstransfer, bei dem es um die Umsetzung des neu
erlangten oder bestätigten Wissens über die gesammelten, gespeicherten, verarbeiteten
und ausgewerteten Daten gegenüber dem Kunden geht. Im Resultat steht ein wertschaf-
fender Informationsoutput. Dieser Wertschöpfungsschritt kann auch als Informa-
tionsübertragung bezeichnet werden (s. Abb. 25). Ziel dieser Informationsüberar-
beitung ist insbesondere eine Effektivitätssteigerung: Die einfache, schnelle und um-
fassende Übertragung von Informationen kann zu einer verbesserten Wahrnehmung
der Vorteilhaftigkeit eines Angebotes führen. Die relevanten und individuell benötig-
ten Informationen werden dabei vom Empfänger selektiert und aktiv ausgewertet (s.
Kapitel 1.3.3 und 1.3.4).
Wichtig bei dieser Betrachtung ist die Erkenntnis, dass ein einmaliger Durchlauf durch
diesen idealtypischen elektronischen Wertschöpfungsprozess alleine nicht ausreicht, son-
dern der Durchlauf durch Informationsgewinnung, -verarbeitung und -übertragung viel-
mehr permanent notwendig ist. Dies gilt umso mehr, als die Daten, aus denen Informatio-
nen gewonnen werden, Veränderungen unterliegen. Insofern muss deren Aktualität stetig
überprüft werden. Einige Beispiele für den elektronischen Wertschöpfungsprozess in der
Digitalen Wirtschaft bietet vor diesem Hintergrund die Abb. 26.
E-Business ist die Nutzung der Informationstechnologien für die Vorbereitung (Infor-
mationsphase), Verhandlung (Kommunikationsphase) und Durchführung (Transakti-
onsphase) von Geschäftsprozessen zwischen ökonomischen Partnern über innovative
Kommunikationsnetzwerke (theoretische Sichtweise).
Für beide Sichtweisen gilt, dass die notwendigen Bausteine Information, Kommunikation
und Transaktion zwischen den beteiligten ökonomischen Partnern über digitale Netzwerke
transferiert bzw. abgewickelt werden (Kollmann 2002a, S. 883). Ferner ist beiden Defini-
tionen gemein, dass Information als zentraler Wettbewerbsfaktor angesehen werden kann,
die Bedingungen der elektronischen Handelsebene (Informationsökonomie) Beachtung
finden und damit insbesondere die Nutzung von Informationen zum speziellen Fokus
des Managements wird.
Als Basis für die Abwicklung elektronischer Geschäftsprozesse haben sich in der Praxis
drei zentrale Plattformen gebildet, die den Austausch aller drei Bausteine (Information,
Kommunikation und Transaktion) zum Inhalt haben und damit zum engeren Kreis des
E-Business gezählt werden können. Mit den zugehörigen Stoßrichtungen Einkauf, Ver-
kauf und Handel adressieren sie die zentralen Betätigungsfelder einer Unternehmung
bzw. eines Marktes:
Ein E-Shop ermöglicht den elektronischen Verkauf von Produkten bzw. Dienstleis-
tungen durch ein Unternehmen über digitale Netzwerke. Damit erfolgt eine Integra-
tion von innovativen Informations- und Kommunikationstechnologien zur Unterstüt-
zung bzw. Abwicklung von operativen und strategischen Aufgaben im Absatzbereich.
Die anhaltend rasante technologische Entwicklung in der Digitalen Wirtschaft geht dabei
zwangsläufig mit vielfältigen Möglichkeiten einher, innovative Geschäftskonzepte auf Ba-
sis elektronischer Informations- und Kommunikationsnetze zu entwickeln und diese nicht
nur im Rahmen von bereits vorhandenen Unternehmen einzusetzen, sondern auch gänzlich
neue Unternehmen (Startups) zu gründen. Unter der Unternehmensgründung wird dabei
allgemein die Schaffung einer selbständigen und originären rechtlichen Wirtschaftseinheit
verstanden, innerhalb der die selbständigen Gründerpersonen mit einem spezifischen An-
gebot (Produkt bzw. Dienstleistung) einen fremden Bedarf decken möchten (Kollmann
2019). Bezogen auf das E-Business würde der übergeordnete Begriff „E-Entrepreneu-
rship“ somit die Gründung von jungen Unternehmen in der Digitalen Wirtschaft auf Basis
elektronischer Geschäftsprozesse beschreiben (Kollmann 2019; Kollmann/Kuckertz/Stöck-
mann 2010).
Der Informationswettbewerb als Ergebnis für die Digitale Wirtschaft 67
Das E-„Business“ ist unmittelbar mit der Frage nach der Geschäftsgenerierung und damit
nach verschiedenen Geschäftsmodellen verbunden. Die Antwort auf eine diesbezüglich
erste Frage „Wo sollen die Einnahmen im E-Business generiert werden?“ ist insbesondere
über eine Analyse der handelnden Akteure in den einzelnen Geschäftsbereichen zu beant-
worten. Danach folgen die Überlegungen zu den verschiedenen Geschäftskonzepten, den
einzelnen Erlösmodellen und der spezifischen Erlössystematik.
Geschäftsbereiche
Dabei kann im E-Business im Grunde zunächst eine grobe Unterscheidung in Anbieter und
Empfänger der elektronisch basierten Leistungen erfolgen. Entsprechend findet man als
mögliche Anbieter bzw. Empfänger hauptsächlich Unternehmen (Business), öffentliche
Institutionen (Government) und private Konsumenten (Consumer). In Kombination dieser
drei Gruppen ergeben sich die typischen Geschäftsbereiche für das E-Business (s. Abb.
27):
Information, Kommunikation,
Transaktion zwischen
Behörden
G2G
Behörden
Information,
Kommunikation,
G2B Transaktion zwischen G2C
Behörden, Unternehmen
Information, Kommunikation, bzw. Konsumenten Information, Kommunikation,
Transaktion zwischen Transaktion zwischen
Unternehmen Konsumenten
File Sharing (im Sinne von einer Musiktauschbörse) und Web Services (im Sinne
von web.de) Anwendung (Oram 2001). Als Plattform kommen hauptsächlich E-Com-
munity und E-Marketplace zum Tragen (s. Kapitel 1.5.1). Ein aktueller Trend im C2C
ist auch die Entwicklung zur sog. Sharing Economy. Dieser ursprünglich durch
Weitzman (1984) geprägte Begriff beschreibt einen Wohlfahrtsgewinn durch das kol-
lektive Teilen unter allen Marktteilnehmern. Im Internet bezieht sich der Begriff ins-
besondere auf das Teilen von Wissen und Informationen, beschreibt jedoch auch Ap-
plikationen, die es den Marktteilnehmern ermöglichen, Ressourcen wie z. B. Essen
oder Wohnraum miteinander zu teilen.
Prinzipiell gilt, dass die Rollen der Akteure in der Digitalen Wirtschaft nicht hundert-
prozentig fix sind. Das bedeutet, dass sich in Anhängigkeit vom Markt die Rollen wieder
verändern und umkehren können (Wirtz 2018, S. 25 f.). Klassisches Beispiel ist der Kon-
sument, der ab einem bestimmten Zeitpunkt auf ebay.com zum Profianbieter (Powersel-
ler) wird und damit eher die Rolle eines Unternehmers einnimmt. Auch kann es vorkom-
men, dass ein Marktplatz wie z. B. autoscout24.de sowohl den Handel zwischen Unter-
nehmen und Privatpersonen (B2C) als auch den Handel unter Privatpersonen (C2C) orga-
nisiert und damit eine Mischform bei der Wahl des Geschäftsbereiches präferiert.
Geschäftskonzepte
Die Antwort auf die nachfolgende Frage „Wie können Einnahmen im E-Business generiert
werden?“ ist direkt über eine Analyse des elektronischen Geschäftskonzeptes zu beantwor-
ten. Dieses Geschäftskonzept beschreibt dabei den Austausch einer angebotenen Leistung
(Produkt oder Service) zwischen bestimmten Geschäftspartnern hinsichtlich des Inhalts
und der dafür zum Tragen kommenden Vergütung. Dabei können für das E-Business fünf
typische Geschäftskonzepte identifiziert werden: Content, Commerce, Context, Connec-
tion und Communication (Wirtz 2003, S. 106 ff.; Rayport/Jaworski 2002, S. 184 ff.).
Das Geschäftskonzept „Content“ (s. Abb. 28) beinhaltet die Sammlung, Selektion, Sys-
tematisierung, Kompilierung (Packing) und Bereitstellung von Inhalten auf einer eigenen
Plattform innerhalb eines Netzwerkes. Dabei zielt dieses Geschäftskonzept auf die einfa-
che, bequeme, visuell ansprechend aufbereitete und online zugängliche Präsentation und
Handhabung der Inhalte für den Nutzer. Varianten dieses Geschäftskonzepts sind im Hin-
blick auf E-Information, E-Entertainment und E-Education zu sehen und verfügen dement-
sprechend über informierende, unterhaltende oder bildende Inhalte. Die Erlöse werden bei
diesem Konzepttyp entweder über direkte (z. B. Verkauf von Premiuminhalten) oder in-
direkte (z. B. Werbung bei Inhaltspräsentation) Erlösmodelle erzielt. Ein Beispiel für ein
direktes Modell wäre genios.de, bei der Inhalte über eine Datenbank nur gegen eine Nut-
zungsgebühr zu erhalten sind. Dagegen sind die Beiträge auf der Plattform manager-ma-
gazin.de bis auf Premiumartikel grundsätzlich kostenlos, wobei die Einnahmen indirekt
über Werbeeinblendungen generiert werden (z. B. Banner).
70 Die Grundlagen des E-Business
Das Geschäftskonzept „Commerce“ (s. Abb. 28) umfasst die Anbahnung, Aushandlung
bzw. Abwicklung von Geschäftstransaktionen über Netzwerke. Die traditionellen Trans-
aktionsphasen werden somit elektronisch unterstützt, ergänzt oder substituiert. Dieses Ge-
schäftskonzept zielt dabei auf die einfache, bequeme und schnelle Abwicklung von Kauf-
bzw. Verkaufsprozessen ab. Die Erlöse werden bei diesem Konzepttyp wiederum über
direkte (z. B. Verkauf von Produkten und Dienstleistungen) oder aber indirekte (z. B. Wer-
bung) Erlösmodelle erzielt. Ein Beispiel ist das Reiseunternehmen expedia.de, das einen
Großteil seines Reiseangebots direkt von den Anbietern erwirbt und anschließend Hotel-
zimmer und Flugtickets über seine Webseite an Endkunden direkt weiterverkauft – und
zwar zu einem Preis, den das Unternehmen nach Angebot und Nachfrage selbst kalkuliert
(Hirn/Rickens 2003, S. 77 f.).
Direkte (Objektaufnahme/
Direkte (Premiuminhalte) Transaktionsabhängige, Direkte (Inhalts- Direkte (Verbindungs-
Verbindungsgebühr) oder
Erlösmodell und indirekte direkte und indirekte aufnahme) und indirekte
Indirekte Erlösmodelle
gebühr) und indirekte
Erlösmodelle (Werbung) Erlösmodelle (Werbung) Erlösmodelle (Werbung) Erlösmodelle (Werbung)
(Werbung)
E-Community,
E-Shop, E-Shop, E-Marketplace,
E-Community, E-Shop,
Plattformen E-Community, E-Procurement,
E-Marketplace
E-Company,
E-Marketplace,
E-Company E-Marketplace E-Community
E-Company
Überblick,
Überblick, Überblick, Überblick,
Überblick, Auswahl,
Auswahl, Auswahl, Auswahl,
Mehrwert Kooperation,
Auswahl,
Vermittlung,
Vermittlung,
Vermittlung,
Abwicklung Abwicklung,
Abwicklung Austausch Austausch
Austausch
Das Geschäftskonzept „Context“ (s. Abb. 28) zeichnet sich durch die Klassifizierung,
Systematisierung und Zusammenführung von verfügbaren Informationen und Leistungen
in Netzwerken aus. Hierdurch wird das Ziel verfolgt, eine Verbesserung der Markttranspa-
renz (Komplexitätsreduktion) und Orientierung (Navigation) für den Nutzer zu erreichen.
Die Erlöse werden bei diesem Konzepttyp entweder über ein direktes (z. B. Gebühr für
Der Informationswettbewerb als Ergebnis für die Digitale Wirtschaft 71
die Aufnahme oder Platzierung von Inhalten) oder indirektes Modell (z. B. Werbung, Sta-
tistiken, Inhalte) generiert. Als Beispiel können hier in erster Linie die Suchmaschinen,
wie bspw. google.de (Röhle 2010) und lycos.de oder die Web-Kataloge, wie web.de ge-
nannt werden. Während Suchmaschinen die Netzinhalte quasi automatisch suchen und ka-
talogisieren, beinhalten Web-Kataloge qualitative Bewertungen von Webseiten und werden
von Redakteuren eigenhändig erstellt (Fritz 2004, S. 53).
Bei dem Geschäftskonzept „Connection“ (s. Abb. 28) wird die Interaktion von Akteuren
in Datennetzen ermöglicht bzw. organisiert. Dieser Zusammenschluss kann auf kommer-
zieller aber auch technologischer Ebene erfolgen. Als Erlösmodell kommen erneut direkte
(z. B. für die Objektaufnahme/-anbindung oder Verbindungsgebühren) oder indirekte
(z. B. Werbung, Statistiken, Cross-Selling) Modelle zum Einsatz. Als Beispiel für eine
technologische Zusammenführung kann t-online.de genannt werden, die einen generellen
Zugang zum Internet anbieten und somit gegen eine Verbindungsgebühr die „Connec-
tion“ ermöglichen. Als ergänzendes Beispiel für eine kommerzielle Zusammenführung
kann autoscout24.de genannt werden, die Autohändler zum Zwecke des Gebrauchtwagen-
verkaufs mit einer Datenbankanbindung auf einen E-Marketplace bringen.
autoscout24.de
reifendirekt.de
expedia.de
yahoo.de
ciao.de
Abb. 29: Beispiele für Mischformen der Geschäftskonzepte der Digitalen Wirtschaft
Quelle: in Anlehnung an Wirtz 2018, S. 309.
Bei dem Geschäftskonzept „Communication“ (s. Abb. 28) wird die Interaktion von Ak-
teuren in Netzwerken ermöglicht bzw. unterstützt. Dies schließt sowohl die Kommunika-
tion zwischen Nutzern einer Seite untereinander als auch die Kommunikation von Nutzern
72 Die Grundlagen des E-Business
mit einer Plattform und umgekehrt ein. Die Erlöse werden bei diesem Geschäftskonzept
entweder über ein direktes (z. B. Verbindungsgebühr) oder ein indirektes Modell (z. B.
Werbung) generiert. Im Hinblick auf die Werbung wird dabei insbesondere auf die vor-
handenen Kommunikations- und Nutzerprofile zurückgegriffen. Als Beispiel können hier
in erster Linie E-Communities (social networks), wie facebook.com oder elitepartner.de,
bzw. Informationsangebote, wie durch E-Mail-Benachrichtigungen auf ebay.com reali-
siert, genannt werden.
Waren die Geschäftskonzepte Content, Commerce, Context, Connection und Communica-
tion zu Beginn des E-Business noch vorwiegend in der „Reinform“ vorzufinden, so können
heute fast nur noch Mischkonzepte (sog. hybriden Geschäftskonzepte) im Netz beo-
bachtet werden (s. Abb. 29). Dieser Entwicklungsprozess nimmt vor allem durch Adaption,
Kombination und Aggregation der obenstehenden Typen weiter zu. Die Gründe für die
Veränderungen liegen vor allem in den strategischen Veränderungen von Konzepten durch
die Zielsetzung von Verbundeffekten, multiple Kundenbindung, Preisbündelung und Di-
versifikation sowie Expansion der Erlösquellen (Wirtz 2003, S. 106 ff.).
Erlösmodell
Die Erlöse im E-Business ergeben sich primär aus der direkt angebotenen elektronischen
Kernleistung (Kollmann 2019). Somit stellt die Kernleistung gerade den elektronischen
Mehrwert (s. Kapitel 1.4.1), eventuell im Zusammenhang mit einem realen Produkt oder
Dienstleistung dar, für den das Geschäftsmodell ursprünglich entwickelt worden ist und
welches zu direkten Einnahmen (s. Abb. 30) führt. Daneben existieren aber auch indirekte
Einnahmequellen (s. Abb. 30), die sich aus dem Angebot der Kernleistung ableiten. Dabei
werden über die Kernleistung Informationen generiert, die für Dritte von Interesse sein
könnten. Voraussetzung dafür ist, dass diese sog. Nebenleistungen wiederum einen elek-
tronischen Mehrwert für den Abnehmer darstellen (Kollmann 2019). Der Abnehmerkreis
für diese Nebenleistungen kann sich dabei von dem der Hauptleistung durchaus unter-
scheiden. Entsprechend ergeben sich vor diesem Hintergrund für die Produktstrategie
drei Varianten:
Symbiose-Prinzip: Hier steht, wie schon beim Plural-Prinzip, sowohl die Kern- als
auch die Nebenleistung im Mittelpunkt. Allerdings wird die Kernleistung kostenlos
angeboten (z. B. Teilnahme an E-Community), um die Informationen für die Neben-
leistung (z. B. personalisierte Werbung) überhaupt zu erhalten. Das bedeutet, dass die
im elektronischen Wertschöpfungsprozess produzierten Informationen (Informations-
verarbeitung; s. Kapitel 1.4.3) nur über die Nebenleistung wirtschaftlich genutzt wer-
den. Die Kernleistung ist Mittel zum Zweck, wobei diese ohne die Einnahmen aus der
Nebenleistung nicht aufrechterhalten werden kann und umgekehrt die Nebenleistung
ohne die Kernleistung gar nicht existieren würde (Symbiose). Ein typisches Beispiel
ist die E-Community.
Kernleistung Nebenleistung
(direkt) (indirekt)
Abb. 30: Beispiele für Kern- und Nebenleistungen in der Digitalen Wirtschaft
Erlössystematik
Im E-Business lassen sich, unabhängig ob es sich um eine Kern- oder eine Nebenleistung
handelt, drei idealtypische Erlössystematiken identifizieren (Kollmann 2019). Die kon-
krete Ausgestaltung ist dabei abhängig von der elektronischen Plattform (s. Kapitel 1.5.1)
und dem eigentlichen Leistungsgegenstand (Kollmann 2019; Skiera/Spann 2002, S. 691 ff.;
Wirtz 2018):
74 Die Grundlagen des E-Business
Margenmodell: Diese Form findet meistens Anwendung, wenn eine eigene Leistung
direkt an den Kunden verkauft wird. Die für die Leistungserstellung entstehenden Kos-
ten werden errechnet und um eine Gewinnmarge erweitert. Der daraus entstehende
Betrag repräsentiert den Preis, den es für das elektronische „Produkt“ zu zahlen gilt.
Die Gewinnmarge ist dabei so zu wählen, dass neben den variablen Kosten auch die
Fixkosten gewinnbringend gedeckt werden. Typisches Beispiel ist ein E-Shop.
Die Umsetzung der jeweiligen Erlössystematik wird nicht immer in ihrer Reinform erfol-
gen. Vielmehr sind im E-Business häufig Mischformen anzutreffen, die sich nach preis-
politischen und wettbewerbspolitischen Gesichtspunkten ergeben. An dieser Stelle sei da-
rauf hingewiesen, dass die dargestellten Erlössystematiken analog für wirtschaftliche An-
gebote im mobilen Bereich gelten können.
Bei der Vermarktung der Informationstechnologien (s. Kapitel 1.2) und den zugehörigen
Plattformen der Digitalen Wirtschaft (s. Kapitel 1.5.1) kann im Hinblick auf deren Ak-
zeptanz ein entscheidender Unterschied gegenüber den meisten Angeboten in der Real-
wirtschaft beobachtet werden: Der Markterfolg wird nicht allein von dem Verkauf eines
Objektes bzw. dem Anschluss von Teilnehmern an eine Plattform, sondern primär durch
die Art und Weise der Nutzung durch die Nachfrager bestimmt (Kollmann 1998a). Erst
mit dem permanenten Einsatz einer E-Plattform (s. Kapitel 1.5.1) auf der Nachfrager- bzw.
Verwenderseite ergibt sich ein vom Anbieter beabsichtigtes ökonomisches Gewinnpoten-
zial. Der Grund ist darin zu sehen, dass gerade die variablen Nutzungskosten bzw. Nut-
zungseinnahmen oftmals den Großteil der Erlöse eines E-Angebotes bestimmen. Diese
Überlegung soll vor diesem Hintergrund anhand von drei Beispielen für Akzeptanz ver-
deutlicht werden:
Der Informationswettbewerb als Ergebnis für die Digitale Wirtschaft 75
Akzeptanz im Internet: Für den Erfolg einer E-Community ist nicht die (zum Teil
kostenlose) Anmeldung durch den Teilnehmer entscheidend, sondern die anschlie-
ßend stattfindende intensive Nutzung der Kommunikationsmöglichkeiten. Das gilt
sowohl für die Quantität als auch die Qualität der Eingaben der Nutzer. Das gleiche
gilt für einen E-Marketplace oder eine E-Procurement-Plattform, bei denen ebenfalls
nicht nur die Anzahl der angeschlossenen Teilnehmer alleine ausschlaggebend ist,
sondern die intensive Inanspruchnahme des Matching-Angebotes bzw. der Koordina-
tionsleistung (Anzahl und Qualität der eingestellten Objekte und der abgewickelten
Transaktionen). Dies gilt speziell dann, wenn ein Provisionsmodell gewählt wird.
Auch bei einem E-Shop wie z. B. amazon.de zählt nicht nur die Kaufentscheidung
hinsichtlich des Objektes „Buch“. Ebenfalls ist die Häufigkeit der Inanspruchnahme
des Online-Vertriebsweges als eine wichtige Erfolgsgröße anzusehen.
Akzeptanz im ITV: Für den Erfolg im interaktiven Fernsehen wird nicht der Verkauf
von Set-Top-Boxen, der Kauf von SmartTV-Geräten oder die Installation von Se-
cond-Screen-Apps als Zugangstechnologie alleine entscheidend sein, sondern viel-
mehr auch hier die variable Inanspruchnahme von digitalen Serviceleistungen und
Angeboten des T-Commerce (Kollmann 1996). Schon heute hofft der Pay-TV-Sender
Sky, dass die Kunden nicht nur das Standardangebot in Anspruch nehmen, sondern
darüber hinaus auch intensiv die kostenpflichtigen Premium-Angebote von Sky Select
nutzen. Das gleiche gilt für die Buchung von Filmen bei Apple TV. Auch die variablen
Gebühren für die Nutzung von T-Commerce-Impulsen aus dem laufenden TV-Pro-
gramm heraus wird ein wachsendes Thema werden.
Die Nutzung kommt in der Digitalen Wirtschaft somit von vornherein als Entscheidungs-
kriterium auf der Nachfrager- und als Erfolgskriterium auf der Anbieterseite zum Tragen.
Dies bedeutet eine Zweidimensionalität hinsichtlich der Erfolgsmessung: Nicht nur der
Kauf-/Teilnahmeakt ist für den Markterfolg entscheidend, sondern auch insbesondere der
Nutzungsakt bzw. die Nutzungsphase, d. h. die wiederkehrende Entscheidung zur intensi-
ven Verwendung. Im negativen Extremfall ist z. B. eine Mehrheit der potenziellen Teil-
nehmer technisch an einen E-Marketplace angeschlossen, aber nur eine Minderheit dieser
76 Die Grundlagen des E-Business
Teilnehmer nutzt die Plattform auch tatsächlich (Abruf der Matching-Leistung). Dies be-
deutet, dass sich eine Messung bzw. Prognose des Erfolgs von Angeboten in der Digitalen
Wirtschaft nicht auf den Verkauf respektive die Teilnehmerzahlen beschränken darf, son-
dern aufgrund des zeitlichen Verlaufs auch auf Art und Ausmaß der Nutzung eingehen
muss. Entsprechend kann man hier auch von Nutzungsgütern sprechen, für deren Erfolgs-
messung nicht die Adoptions- (Kaufakt) alleine, sondern vielmehr die Akzeptanztheorie
(Nutzungsakt) zum Einsatz kommen muss (Kollmann 1998a).
Die Frage nach der Akzeptanz beinhaltete schon immer die Betrachtung der Nutzung
bzw. Nutzungsbedingungen, während die verwandten Theorieansätze der Einstellungsfor-
schung lediglich die innere Begutachtung eines Objektes zum Gegenstand haben – ohne
jedoch direkt mit einer konkreten Handlung verbunden zu sein – und die der Adoptions-
forschung auf den Übernahmezeitpunkt bzw. Kaufakt abstellen, ohne jedoch die Phase ei-
nes konkreten Einsatzes der Innovation zu analysieren (Rogers 2003, S. 155 ff.; Meffert
1976, Kroeber-Riel/Gröppel-Klein 2013, S. 737 f.). Nur wenn es aber gelingt, die Akzep-
tanz bei den Nachfragern anhand von Kauf- (im Sinne einer erstmaligen Teilnahme bzw.
eines Anschlusses) und Nutzungsbedingungen zu erfassen, ist eine wirkungsvolle Er-
folgsmessung und -prognose für Angebote in der Digitalen Wirtschaft möglich. Benötigt
wird daher eine Akzeptanzforschung, welche Kauf- (Teilnahme-/Anschluss-) und Nut-
zungsbedingungen beachtet und insbesondere letztere nach Art und Ausmaß analysiert
(Kollmann 2000e, S. 68 ff.; Kollmann/Stöckmann 2007b; Kollmann/Stöckmann/Schröer
2009a).
Aufgrund einer umfangreichen Kritik an den klassischen Akzeptanzansätzen zur Erfas-
sung der Vermarktungsbesonderheiten bei Angeboten der Digitalen Wirtschaft wurde von
Kollmann (1998a) ein alternatives Akzeptanzmodell entwickelt, an dem sich seitdem
viele andere Modelle orientiert haben (z. B. Amberg/Hirschmeier/Schobert mit dem
DART-Modell 2003 und Amberg/Hirschmeier/Wehrmann mit dem Compass-Modell
2004, sowie die Akzeptanzmodelle von Simon 2001 und Frenzel 2003). Dieses Modell
zeichnet sich insbesondere durch folgende Gegebenheiten aus (s. Abb. 31): Es handelt sich
erstens um eine dynamische Akzeptanzbetrachtung über verschiedene Phasen hinweg. Ak-
zeptanz wird zweitens als Nutzungskontinuum (zwischen hoher Akzeptanz = tendenziell
hohe Nutzungshäufigkeit/Nutzungsintensität und niedriger Akzeptanz = tendenziell ge-
ringe Nutzungshäufigkeit/Nutzungsintensität) interpretiert. Die Intensität der Nutzung ist
drittens entgegen der zeitpunktbezogenen Kauf- bzw. Teilnahme-/Anschlussentscheidung
eine variable Größe, welche zeitlichen Veränderungen unterliegt. Akzeptanz wird viertens
als multidimensionales Konstrukt interpretiert. Letzterer Punkt führt zu der Abhängigkeit
des Begriffes der „Akzeptanz“ von drei Erklärungsebenen (Kollmann 1998a):
Der Einstellungsebene, bei der eine Verknüpfung von Wert- und Zielvorstellungen mit
einer rationalen Handlungsbereitschaft hinsichtlich Kauf- und Nutzungsentscheidung
gebildet wird. Die Handlungsbereitschaft formt sich anhand einer inneren Begutach-
tung von Vor- und Nachteilen aus kognitivem Wissen heraus und bestimmt den Willen
zum Kauf und die Vorstellung über eine geplante Nutzungsintensität.
Der Informationswettbewerb als Ergebnis für die Digitale Wirtschaft 77
Sozio-kulturelle Umwelt
potenziell tatsächlich
Akzeptierer Akzeptierer
Prognoseebene Indifferente Indifferente
Nicht-Akzeptierer Nicht-Akzeptierer
1 = „Bewusstsein“
2 = „Interesse“ Abbruch des Akzeptanzprozesses
3 = „Erwartung/Bewertung
4 = „Versuch/Erfahrung“
5 = „Implementierung“
6 = „Einsatzbestimmung“ Akzeptanzprozess
7 = „Nutzung“
1 2 3 4 5 6 7
Prozessebene
(+) (+) (+)
Schranke
Schranke
Schranke
Zeit
Makroökonomische Umwelt
Technologische Umwelt
Einstellungs- Handlungs- Nutzungs-
Konstruktebene akzeptanz akzeptanz akzeptanz
Akzeptanzebene
Politisch-rechtliche Umwelt
Der Handlungsebene, bei der die aktive Umsetzung der rationalen Bereitschaft und
der vorgegebenen Handlungstendenzen in Form einer freiwilligen Übernahme (Teil-
nahme/Anschluss) bzw. eines freiwilligen Kaufs (konkrete Handlung) des Produkts
erfolgt. Die Handlungsebene beinhaltet auch eventuell modifizierte Überlegungen zur
geplanten Nutzungsintensität.
Der Nutzungsebene, bei der sich die durchgeführte Handlung des Kaufes bzw. Über-
nahme eines Produktes auch in eine freiwillige, konkrete, aufgabenbezogene bzw.
problemorientierte Nutzung (Verhalten) umgesetzt wird. Die geplante Nutzungsinten-
sität wird real umgesetzt oder den realen Gegebenheiten angepasst.
Die hergeleiteten Erklärungs- bzw. Akzeptanzebenen stehen in den ersten beiden Punkten
in enger Verbindung zu den klassischen Konstrukten der Einstellung und Adoption, da
diese nicht ersetzt, sondern nur um das Konstrukt der Akzeptanz ergänzt werden sollen.
Entscheidend ist, dass nun zu jedem Zeitpunkt Überlegungen zum quantitativen und
qualitativen Nutzungsakt eingeschlossen werden. In ihrer unterschiedlichen zeitlichen
Ausprägung begleiten die Ebenen den Akzeptanzprozess, der drei zentrale zeitliche Eck-
punkte umspannt (s. Abb. 31): Eine Phase der Einstellungsbildung vor dem Kauf bzw. der
Teilnahme oder dem Anschluss an eine E-Plattform (Einstellungsphase), dem Kauf-/Teil-
nahme-/Anschluss- bzw. Übernahmezeitpunkt (Adoption) mit seiner spezifischen Über-
nahmesituation (Handlungsphase) und eine Phase nach dem Kauf bzw. Anschluss, in der
das elektronische Produkt zum Einsatz kommt (Nutzungsphase).
Eine Besonderheit des Akzeptanzprozesses ist, dass innerhalb der zeitabhängigen Phasen
jeweils unterschiedliche Akzeptanzkonstrukte gebildet werden können. Diese Kon-
strukte repräsentieren die Zwischenstadien der Akzeptanzbildung des Nachfragers und ge-
ben Aufschluss über den weiteren Verlauf des Prozesses. Das Konstrukt „Einstellungs-
akzeptanz“ umfasst hierbei die gegenwärtige Bewertungsebene, die erwartete Hand-
lungsebene und die erwartete Nutzungsebene (s. Abb. 31). Es beinhaltet die Möglichkeit
der Prognose auf den zukünftigen Kauf bzw. Anschluss und die Nutzung eines Produktes
(Einstellungsphase). Das Konstrukt „Handlungsakzeptanz“ (s. Abb. 31) umfasst dage-
gen die konkrete Kauf- bzw. Anschlussentscheidung und die hier gegebene Produktbe-
wertung, sowie eine Prognose auf die zukünftige Nutzung (Handlungsphase). Das Kon-
strukt „Nutzungsakzeptanz“ gibt innerhalb der Nutzungsphase einen Eindruck zur ge-
genwärtigen Bewertung des Produktes, zur rückwirkenden Betrachtung der Kauf- bzw.
Anschlussentscheidung (Dissonanzen) und zur aktuellen Nutzungshäufigkeit bzw. -in-
tensität (s. Abb. 31).
Durch Messungen dieser Konstrukte in den einzelnen Phasen kann damit auf eine positive
Fortsetzung bzw. negativen Abbruch des Akzeptanzprozesses geschlossen werden. Durch
die Feststellung eines tatsächlichen Akzeptanzergebnisses hinsichtlich Nutzungshäufig-
keit und -intensität in der Nutzungsphase kann dann eine vorläufige Aussage zum
Markterfolg in der Digitalen Wirtschaft formuliert werden. Der Markterfolg ist z. B.
dann gegeben, wenn der Median der Nutzungsintensitäten über dem mathematischen
Der Informationswettbewerb als Ergebnis für die Digitale Wirtschaft 79
Durchschnitt liegt. Die Interpretation des Markterfolgs kann sich aber auch an Vorgaben
der Unternehmen richten (z. B. durchschnittlich 20 Beiträge pro Monat pro Teilnehmer
als Zielgröße einer E-Community), sodass vor diesem Hintergrund allgemein unter dem
zentralen Begriff „Akzeptanz“ folgender Zusammenhang verstanden werden kann (Koll-
mann 1998a, S. 69):
„Akzeptanz ist die generelle Verknüpfung einer inneren Begutachtung und Erwar-
tungsbildung (Einstellungsebene), einer Übernahme bzw. eines Kaufs (Anschluss)
des Produktes (Handlungsebene) und einer freiwilligen – gemessen am Nutzungsver-
halten aller Teilnehmer – überdurchschnittlich intensiven Nutzung (Nutzungsebene)
bis zum Ende des gesamten Akzeptanzprozesses (System wird vom Markt genommen
oder ersetzt).“
(Labhard 1999, S. 254; Müller 1998, S. 125). Ferner existiert bezüglich des Einsatzes von
innovativen Informationstechnologien (z. B. Nutzung des elektronischen Einkaufs bei In-
ternet-Startups) eine hohe Unsicherheit über den Umfang und das zeitliche Eintreten der
Akzeptanz (Kollmann 1998a) auf Kundenseite. Aus den skizzierten Gegebenheiten resul-
tiert ein hohes Risiko hinsichtlich der Entwicklung in der Digitalen Wirtschaft und damit
auch für die entsprechenden Investitionen in diesem Bereich.
Gründungstyp Gründungsumfeld
Originär
Unternehmungs- Wachstumsaspekt
Selbstständig
gründung Risikoaspekt
Innovativ
Gründungsbezug Gründungsbasis
Dem Risiko steht die Tatsache gegenüber, dass es sich bei der Digitalen Wirtschaft und
deren zugrundeliegenden Technologien um einen zentralen Wachstumsbereich handelt
und hiermit zahlreiche Chancen verbunden werden. So kann immer noch eine anhaltend
rasante Verbreitung und Nutzung des Internets in Deutschland beobachtet werden. Inzwi-
schen sind knapp neun von zehn Deutschen mit dem Internet verbunden. Davon sind ca.
72 % sogar täglich im Internet, womit die Möglichkeiten der elektronischen Geschäftspro-
zesse nahezu alltäglich geworden sind. Die durchschnittliche Nutzungsdauer pro Tag von
in Deutschland lebenden Personen ab 14 Jahren lag laut ARD/ZDF (2018) im Jahr 2017
bei 149 Minuten. Verglichen mit dem Vorjahr ist das ein Anstieg von 21 Minuten. Auch
die mobile Internet Nutzung stieg im Vorjahresvergleich um 2 Prozentpunkte auf nunmehr
30 %, sodass Nutzer, die über mobile Endgeräte verfügen, das Internet mit 209 Minuten
pro Tag deutlich intensiver nutzen. Ferner befinden sich die Investitionen in Informations-
technologien immer noch auf einem hohen Niveau, womit zwei Aspekte deutlich werden:
Der Informationswettbewerb als Ergebnis für die Digitale Wirtschaft 81
Gründungstyp: Ein E-Venture ist meist eine selbständige, originäre und innovative
Unternehmensgründung innerhalb der Digitalen Wirtschaft.
Gründungsbezug: Ein E-Venture basiert auf einer Geschäftsidee, die durch die Nut-
zung innovativer Informationstechnologien erst ermöglicht wird und die der beson-
deren Bedeutung des Wettbewerbsfaktors „Information“ innerhalb der Netzwerköko-
nomie Rechnung trägt.
Aus Sicht des E-Gründers resultiert aus diesen Vorgaben folgende Fragestellung: Mit
welchen Informationen kann ich über welche elektronische Plattform einen Wert für den
Kunden erzeugen und wie stelle ich die Attraktivität meines Informationsproduktes im
Zeitverlauf so sicher, dass mein innovatives Unternehmen selbständig wachsen kann?
Um die zentralen Begriffe „E-Entrepreneurship“ (Forschungsfeld) und „E-Venture“
(Forschungsobjekt) dabei deutlich zu trennen, können vor diesem Hintergrund folgende
zwei Definitionen genutzt werden (Kollmann 2019; Kollmann 2009a, S. 87; Kollmann
2009b, S. 112):
82 Die Grundlagen des E-Business
Informationen
Handel mit sammeln, Überblick Information
autoscout24.de Gebrauchtwagen E-Marketplace systematisieren, Auswahl Kommunikation
über das Internet anbieten, Vermittlung Transaktion
austauschen
Informationen
Verkauf von sammeln, Überblick Information
amazon.de Waren über das E-Shop systematisieren, Vermittlung Kommunikation
Internet anbieten, Abwicklung Transaktion
austauschen
Informationen
Professionelle
sammeln, Überblick Information
testberichte.de Warentests im E-Community
bewerten, Auswahl Kommunikation
Internet
anbieten
Informationen
Online-Software Überblick Information
sammeln,
sonepar.de für den Einkauf E-Procurement Vermittlung Kommunikation
systematisieren,
über das Internet Abwicklung Transaktion
verteilen, anbieten
Informationen
Online-Verbund
sammeln,
für die Küchen- Kooperation Information
koncraft.de E-Company kombinieren,
Produktion über Austausch Kommunikation
austauschen,
das Internet
verteilen
Unter einem „E-Venture“ wird ein gegründetes und damit junges Unternehmen mit ei-
ner innovativen Geschäftsidee innerhalb der Digitalen Wirtschaft verstanden, welches
über eine elektronische Plattform in Datennetzen seine Produkte und/oder Dienstleis-
tungen auf Basis einer rein elektronischen Wertschöpfung anbietet, wobei dieses Ange-
bot erst durch die Entwicklungen der Informationstechnologie ermöglicht wurde.
Die Geschäftsideen und -konzepte sind vor diesem Hintergrund ebenso vielfältig wie die
neuen Möglichkeiten der Informationstechnologie. Abb. 33 skizziert Beispiele von E-
Ventures anhand der Geschäftsidee, Plattform, elektronische Wertschöpfung, Mehrwert
und Bausteinbezug.
Der Informationswettbewerb als Ergebnis für die Digitale Wirtschaft 83
V-Entrepreneurship
E-Entrepreneurship nutzt also die Möglichkeiten der Digitalen Wirtschaft, um basierend
auf einer elektronischen Wertschöpfung neue Unternehmen zu etablieren. Die technologi-
sche Weiterentwicklung weg von der virtuellen Datenautobahn hin zu virtuellen Welten
wird dabei in naher Zukunft zu einem Unterphänomen des E-Entrepreneurship führen,
welches als „virtuelles Unternehmertum“ bezeichnet werden kann. So waren 2007 be-
reits rund 10 % aller User in virtuellen Welten ökonomisch aktiv (Breuer/Küpers 2007,
S. 20) und insbesondere diejenigen, die sich unternehmerisch und nicht als Arbeitnehmer
engagieren, können potenziell signifikante Umsätze generieren. Dieses Phänomen führt
zusammen mit den Wachstumsraten der Ökonomien virtueller Welten zum virtuellen Un-
ternehmertum bzw. dem virtuellen Entrepreneurship (V-Entrepreneurship) in ernstzuneh-
menden Größenordnungen. Abzugrenzen ist das virtuelle Unternehmertum dabei insbe-
sondere von der E-Company als virtuelles Unternehmen (s. Kapitel 6), das die virtuelle
Kooperation zwischen unterschiedlichen und eigenständigen Unternehmen darstellt.
Die vorangegangenen Kapitel haben gezeigt, wie Digitalisierung, Verbreitung von Perso-
nal Computern und eine immer stärker zunehmende Vernetzung einhergehend mit sich ste-
tig erhöhenden Datenübertragungsraten die Entwicklung hin zum E-Business ermöglicht
und getrieben haben. Das transaktionsorientierte E-Business innerhalb der Digitalen Wirt-
schaft bedient sich zwecks Zusammenführung von Angebot und Nachfrage dabei primär
unterschiedlich gestalteter Produktkataloge, welche zweidimensional über die Plattfor-
men E-Shop, E-Procurement oder E-Marketplace dargestellt werden. Technische Entwick-
lungen jüngeren Datums sind darüber hinaus dafür verantwortlich, dass zahlreiche Ge-
schäftskonzepte im E-Business zukünftig von der zweidimensionalen virtuellen Daten-
autobahn in dreidimensionale virtuelle Welten übertragen werden können. In diesen vir-
tuellen Welten interagieren Nutzer in computersimulierten Umgebungen miteinander, wo-
bei der einzelne Nutzer über eine künstliche Figur, einen sog. Avatar, repräsentiert wird.
Diese Entwicklung hin zu virtuellen Welten wird getrieben durch vier grundlegende Tech-
nologien (Ondrejka 2005, S. 3 f.). Dazu sind zu zählen:
dezentralisierte Avatar-Welten.
len (Ondrejka 2005, S. 7). Eine möglichst vollständige Approximation an reale Verhältnisse
ist jedoch nicht zwingend notwendig, um virtuelle Welten zu kreieren, die auf Akzeptanz bei
den Nutzern stoßen können. Nicht das möglichst vollständige Eintauchen in die virtuelle
Welt aufgrund realistischer graphischer Darstellungen, sondern die Ermöglichung von In-
teraktivität innerhalb der virtuellen Welt ist als entscheidender Erfolgsfaktor derartiger
Projekte zu betrachten, der die Immersion des Nutzers ermöglicht (Breuer/Küpers 2007,
S. 9). Bereits die virtuellen Gemeinschaften des WWW (Weiber/Meyer 2002, S. 343 ff.)
haben einen hohen Grad an Interaktion zwischen den Nutzern ermöglicht; sie sind jedoch
auf die zweidimensionale, hauptsächlich textbasierte Darstellungsform beschränkt. Dieser
Nachteil wird durch dreidimensionale virtuelle Welten kompensiert, die das WWW mit
Konzepten der virtuellen Realität zusammenführen. Ihren Ursprung haben diese Welten in
MMORPGs wie z. B. World of Warcraft. Diese MMORPGs können allerdings nur be-
dingt als virtuelle Welten verstanden werden, da sie sich durch eine thematisch klare Ab-
grenzung auszeichnen (bspw. Fantasy- oder Science Fiction-Welten) und mit starren, un-
veränderlichen Regelwerken einhergehen. Massive Multiplayer Online Games (MMOGs)
sind den MMORPGs gegenüber eher sozial orientiert und auf Interaktion der Spieler aus-
gerichtet, werden aber immer noch durch eine eindeutig abgegrenzte Thematik geprägt
(z. B. Die Siedler Online). Erst virtuelle Welten überwinden diese Restriktionen, verzich-
ten auf Spielregeln und thematische Orientierung (Breuer/Küpers 2007, S. 11) – der
Schwerpunkt liegt auf der Ermöglichung sozialer Interaktion der Nutzer. Das umfas-
sendste Beispiel einer virtuellen Welt ist sicherlich das von Linden Lab entwickelte Second
Life. Das 1999 gegründete Unternehmen hat seine virtuelle Welt 2003 als kommerzielles
Onlineangebot bereitgestellt und strebte nach eigener Aussage danach, mit Hilfe der Kre-
ativität seiner Nutzer eine virtuelle Welt zu schaffen, deren Komplexität an die reale Welt
heranreichen soll (Linden Lab 2018). Diese virtuelle Welt zeichnet sich durch mehr oder
minder realitätsnahe 3D-Darstellungen, simultane Anwesenheit einer Vielzahl von Usern
und vor allen Dingen Dauerhaftigkeit der Veränderungen der virtuellen Welt und der Ava-
tare aus, die durch die User durchgeführt werden (Breuer/Küpers 2007, S. 8).
Absolut gesehen stellt sich die Verbreitung der Nutzung virtueller Welten momentan noch
als eher gering heraus. Bekannte Plattformen wie secondlife.com verzeichneten zwar zu
Beginn sehr hohe Wachstumsraten (Breuer/Küpers 2007, S. 13), diese konnten jedoch
in den letzten Jahren nicht mehr beobachtet werden. Das Fallbeispiel secondlife.com zeich-
nete sich als virtuelle Welt durch diese Charakteristika aus (Breuer/Küpers 2007, S. 14):
thematische Offenheit,
marktwirtschaftliche Prinzipien.
weit 880 Mio. US$ aus (Ondrejka 2005, S. 4 f.). Second Life stellt jedoch die erste virtuelle
Welt dar, in der eine ökonomische Komponente fester Bestandteil des Konzeptes ist.
Die Ernsthaftigkeit des ökonomischen Handelns in dieser virtuellen Welt kann daran er-
messen werden, dass bspw. der gemeinsame Wirtschaftsausschuss des US-Senates und
des US-Repräsentantenhauses bereits im Jahr 2006 die eingehende Prüfung der Rechtslage
im Zusammenhang mit finanziellen Transaktionen in virtuellen Welten angekündigt hat
(Rötzer 2007). Ökonomisches Handeln in Second Life wird zum einen durch die Vergabe
von Eigentumsrechten (z. B. an virtuellen Landparzellen) und zum anderen durch die
Bereitstellung einer virtuellen Währung ermöglicht.
Der Kreativität der Nutzer bei der Generierung von virtuellen Objekten wird durch das
atomistische Konstruktionsprinzip mittels sog. Primitives kaum Grenzen gesetzt (Onder-
jka 2005, S. 9); was Nutzer von Second Life schaffen, ist in der Folge ihr Eigentum, sodass
die Möglichkeit besteht, die eigenen Kreationen zu handeln. Das Handeln innerhalb dieser
virtuellen Welt beruht auf dem von Linden Lab kreierten Linden-Dollar (L$). Geschaf-
fene Werte müssen jedoch nicht in der virtuellen Welt verbleiben, da der Linden-Dollar
frei in reale Währungen konvertierbar ist (Linden Lab 2004). Typische ökonomisch moti-
vierte Aktivitäten von Second Life-Nutzern beschäftigen sich mit dem Design von Objek-
ten oder aber dem Handeln von Immobilien. Anfang 2007 wurden rund 3.500 profitable
Nutzer gezählt; dabei wurde sogar von 300 bis 500 Personen berichtet, die ihren realen
Lebensunterhalt über virtuelle ökonomische Aktivitäten bestreiten können (Breuer/Küpers
2007, S. 18). Als Nachfolger von Second Life war für Ende 2017 Project Sansar geplant
(Bezmalinovic 2016). Unabhängig von der Entwicklung von Second Life gab es auch beim
sozialen Netzwerk Facebook lange Zeit entsprechende Überlegungen mit den sog. „Face-
book-Credits“ eine eigene virtuelle Währung zu etablieren.
Die heute wohl erfolgreichste virtuelle Währung Bitcoin wurde im Jahr 2008 erstmals von
einem Nutzer mit dem Pseudonym Satoshi Nakamoto (2008) beschrieben und 2009 dann
als quelloffene Software publiziert. Der Begriff Bitcoin steht dabei stellvertretend sowohl
für das weltweite dezentrale Zahlungssystem als auch für die am häufigsten genutzte
Kryptowährung (s. Kapitel 3.2.2.4). Da das Bitcoin-Zahlungssystem ein Peer-to-Peer-
Netzwerk nutzt und die Datenbank aus sog. Blockchains besteht, kann dieses System ohne
geographische Beschränkungen überall eingesetzt werden, wo eine Internetverbindung
vorhanden ist (s. Kapitel 1.1.6). Zur Nutzung des Zahlungssystems ist nur die entspre-
chende Software „Bitcoin Core“ bzw. der Zugang zu einem entsprechenden Onlinedienst
notwendig. Die Generierung oder das „Schöpfen“ der virtuellen Geldeinheit erfolgt eben-
falls dezentral durch das sog. Mining, bei dem neue Blöcke und anschließend neue Block-
ketten erzeugt werden, wodurch schließlich neue Bitcoins geschöpft werden. Dieser Vor-
gang ist enorm rechenintensiv und daher mit handelsüblichen PCs nicht rentabel; vielmehr
werden rechenstarke Grafikprozessoren oder aber spezielle Hardware (Field Pro-
grammable Gate Arrays, FPGA oder Application-specific Integrated Circuits, ASICs)
hierfür genutzt. Nach Angaben der Webseite blockchain.info wurden im Juni 2018 täglich
um die 212.000 Transaktionen getätigt. Die Gesamtzahl der Bitcoins im Umlauf betrug
im Juni 2018 knapp 1,7 Mio. mit einer Marktkapitalisierung von ca. 101,9 Mrd. US$.
86 Die Grundlagen des E-Business
Ökonomische Aktivität in virtuellen Welten ist jedoch nicht allein eine Möglichkeit für
deren Nutzer – auch für etablierte Unternehmen ergibt sich eine Reihe von Betätigungs-
möglichkeiten mit potenziellem Mehrwert. Offenkundig ist ein diesbezügliches Engage-
ment aus der Marketingperspektive. So sind virtuelle Welten durchaus gut dazu geeig-
net, Marken zu prägen, Images aufzubauen, Kundenbeziehungen zu pflegen und virtuelle
Gemeinschaften von Kunden zu etablieren (o. V. 2007c). Auftritte von Unternehmen in
der virtuellen Welt, die ohne direkten Mehrwert für den Kunden gestaltet werden, verspre-
chen jedoch nur wenig Erfolg (o. V. 2007b); das hohe Involvement, welches User virtuel-
ler Welten auszeichnet (Breuer/Küpers 2007, S. 2) wird gerade durch die Möglichkeit der
Interaktion verursacht, d. h. das soziale Element derartiger Plattformen ist ein entschei-
dender Faktor, der zur Teilnahme motiviert (Schroll/Neef 2007) und Marketingkampag-
nen von Unternehmen müssen dem explizit Rechnung tragen. Marketingkampagnen stel-
len jedoch nicht die einzige Möglichkeit für ein Engagement von Unternehmen im virtu-
ellen Raum dar (s. Abb. 34). Aus dem Zusammenspiel von virtueller und realer Welt er-
geben sich – neben dem reinen Verbleib in der konventionellen Wirtschaft (R2R) – drei
grundsätzliche Möglichkeiten ökonomischer Aktivität:
Im R2V-Segment werden in der realen Welt geschaffene Werte in den virtuellen Raum
übertragen. Dies ist die momentan vorherrschende Art der Betätigung von Unterneh-
men – bspw. werden real bestehende Markenimages transferiert, indem virtuelle De-
pendancen eröffnet werden. Hier bietet sich auch die Möglichkeit des Behavioral Tar-
geting von Konsumenten an (o. V. 2007a); d. h. eine Kombination aus Nutzerprofilen
und Data-Mining-Methoden (s. Kapitel 3.4.2.3) führt in Echtzeit zur Konfrontation der
Avatare mit geeigneten Werbebotschaften.
Im V2R-Segment erfolgt ein Transfer geschaffener Werte aus der virtuellen Welt in
die reale Welt. Dies kann so simpel sein wie der dreidimensionale Ausdruck von
Avataren in der realen Welt, kann sich aber auch auf die Gestaltung von Wunschpro-
dukten für Konsumenten im 3D-Konfigurator beziehen. Auch sind Schulungen oder
Verkaufsgespräche direkt am dreidimensionalen Objekt im dreidimensionalen Raum
möglich (Schroll/Neef 2007). Ebenfalls besteht die Möglichkeit, innerhalb der vir-
tuellen Welt Trends (z. B. Mode) zu identifizieren und diese in der physischen Welt
zu realisieren (Ondrejka 2005, S. 20). Dadurch werden z. B. virtuelles Prototyping
für Produkte sowie vShopping möglich (Breuer/Küpers 2007, S. 7).
Im V2V-Segment werden letztlich virtuelle Werte geschaffen, die in der virtuellen Welt
verbleiben, wie bspw. modische Bekleidung. Nichtsdestotrotz sind diese real kapita-
lisierbar; so werden bspw. Anfang 2007 in Second Life geschätzte 1,5 Mio. US$ zwi-
schen den Teilnehmern umgesetzt und gleichzeitig jeden Tag rund 150.000 US$ an den
Börsen in reale Währungen konvertiert (Breuer/Küpers 2007, S. 18). Wirtschaftliche
Aktivitäten im V2V-Segment können ebenfalls geschäftliche Treffen, Workshops o-
der Tagungen umfassen.
Der Informationswettbewerb als Ergebnis für die Digitale Wirtschaft 87
Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen und in Anbetracht, dass die Entwick-
lung virtueller und zugleich ökonomischer Welten im World Wide Web noch am Anfang
steht, kann der noch junge Begriff des „V-Entrepreneurship“ wie folgt definiert wer-
den:
Konventionelle Wirtschaft
Virtuelle Dienste (R2V)
Realwelt (R2R)
Skill-per-Click, Remote Services
Materielle Produktion, Dienstleistung
und Handel
Abb. 34: Das ökonomische Verhältnis von virtueller und realer Welt
Quelle: in Anlehnung an Schroll/Neef 2007.
M-Entrepreneurship
Wenn sich E-Entrepreneurship (s. Kapitel 1.5.4) als Oberbegriff allgemein auf die Unter-
nehmensgründung einer selbständigen und originären rechtlichen Wirtschaftseinheit für
und mit elektronischen Netzwerken bezieht und V-Entrepreneurship (s. Kapitel 1.5.4) als
Unterbegriff die unternehmerische Aktivität speziell für und mit rein virtuellen Welten der
Digitalen Wirtschaft adressiert, dann bezieht sich das sog. M-Entrepreneurship entspre-
chend als weiterer Unterbegriff auf die unternehmerische Aktivität speziell für und mit
mobilen Netzwerken. Die Schaffung eines Verständnisses für den Begriff „M-Entrepre-
neurship“ erfordert dabei folgerichtig eine Auseinandersetzung mit den Gemeinsamkeiten
und Unterschieden zum E-Entrepreneurship. So beschreibt das E-Entrepreneurship die
88 Die Grundlagen des E-Business
Nutzung der Möglichkeiten der Digitalen Wirtschaft, um basierend auf einer elektroni-
schen Wertschöpfung neue Unternehmen zu kreieren. Dabei werden in der Theorie die
Ansätze des M-Business oftmals als Teilmenge des E-Business angesehen (Nicolai/Pe-
termann 2001, S. 4). Auch in einer praktischen Perspektive mit Blick auf momentan am
Markt vorhandene mobile Applikationen ließe sich hinsichtlich des M-Business von einem
„verlängerten Arm“ des E-Business sprechen. So erweitern derzeit viele am Markt agie-
rende Unternehmen ihr Internetangebot um mobile Versionen oder stellen ihr Angebot
komplett auf mobile Versionen um. Es treten aber auch gänzlich neue Unternehmer und
Unternehmen mit mobilen Geschäftsideen auf, welche speziell den situativen Nutzen (s.
Kapitel 1.2.2) und damit nur die mobilen Nutzungsattribute (s. Kapitel 1.2.2) adressieren
und mit Hilfe mobiler Applikationen ein mobiles Angebot für den Markt unterbreiten.
Den Kern des M-Entrepreneurship machen also insbesondere all jene Unternehmensgrün-
dungen aus, die erst unter Hinzunahme spezieller mobiler Techniken möglich werden, wie
z. B. Geschäftsmodelle die auf der GPS-Ortungsfunktion basieren. Die Entwicklung der
zugehörigen mobilen Anwendungen wird dabei weitgehend vorangetrieben durch die Ent-
wicklung mobiler Endgeräte und der entsprechenden Übertragungstechnologie (s. Kapitel
1.1.5). Auf Seiten der Endgerätetechnologie lässt sich eine zunehmende Verbreitung von
intelligenten Smartphones beobachten, die neben einem schnellen Internetzugang auch
über Ortungsfunktionen verfügen. Auf der Ebene der Übertragungstechnologien wurde mit
der Versteigerung der Übertragungsfrequenzen der vierten Generation eine neue Ge-
schwindigkeitsdimension für die nächsten Jahre in Aussicht gestellt.
Wird vor diesem Hintergrund nun die Frage nach spezifischen Aspekten des M-Entrepre-
neurship gestellt, so ist festzuhalten, dass die Elemente der Wertschöpfungskette der Di-
gitalen Wirtschaft nach Weiber/Kollmann (1997a, 1998; s. Kapitel 1.4.2) grundsätzlich
beizubehalten sind; jedoch mit dem wesentlichen Unterschied, dass Informationen nun
mobil gesammelt, mobil verteilt, mobil ausgetauscht, mobil bewertet und mobil angebo-
ten werden können. Mit Bezug auf diese mobile Wertschöpfungskette bieten sich neue
Betätigungsfelder und somit Gründungsmöglichkeiten in den Bereichen einer mobilen
Eingangslogistik, mobilen Operationen, mobiler Ausgangslogistik, mobilem Marketing
und Vertrieb sowie einem mobilen Kundendienst. Mit Blick auf den UMTS-Report von
Durlacher Research (2001) zum B2C-Markt lassen sich Geschäftsmodelle mit einem zent-
ralen mobilen Mehrwert basierend auf dem situativen Nutzen (s. Kapitel 1.2.2) in die
Kategorien Information, Kommunikation, Unterhaltung & Freizeit sowie Tools & Trans-
aktion einteilen. Innerhalb dieser Kategorien lassen sich unterschiedlichste aktuelle Bei-
spiele identifizieren (s. Abb. 35). Die in den nachfolgend dargestellten Kategorien dis-
kutierten Geschäftsmodelle können dabei als Denkanstöße für mögliche neue Gründun-
gen im Bereich des M-Entrepreneurship angesehen werden:
In der Kategorie der Tools & Transaktion geht es darum, über mobile Endgeräte
mobile Transaktionen zu ermöglichen. Sehr populär in diesem Zusammenhang ist mo-
mentan das Mobile Ticketing, wie das Angebot von Touch & Travel, mit dem nach
Plänen der Deutschen Bahn der Ausdruck des Tickets obsolet werden soll. Zudem
sind die Angebote im Bereich der mobilen Finanztransaktionen zu nennen, die es er-
möglichen, Bankgeschäfte komplett über das Smartphone abzuwickeln. Die Ansätze
im Mobile Payment beschäftigen sich mit der Möglichkeit der Bezahlung über das
Smartphone. In den genannten Bereichen werden sich in Zukunft durch Technologien
wie bspw. Near Field Communication (NFC) vielfältige Möglichkeiten ergeben und
neue Geschäftsmodelle werden ermöglicht. Der Aspekt der mobilen Sicherheit ist hier
(momentan jedoch noch) ein Faktor, der die Entwicklung und Verbreitung dieser
Konzepte hemmt.
Wichtig für die Gründung einer mobilen Unternehmung ist sicherlich auch die Auswahl
eines zukunftsfähigen mobilen Betriebssystems, auf dem die mobile Applikation betrie-
ben wird. Momentan am Markt befindliche Betriebssysteme sind iOS, Google Android,
90 Die Grundlagen des E-Business
BlackBerry OS, Firefox OS, Symbian (in 2010 eingestellt), Tizen, WebOS und Windows
Phone bzw. Windows 10 Mobile. Während Google Android für eine breite Palette von Han-
dys und Smartphones bereitsteht, wurde Apples iOS lediglich für Produkte von Apple ent-
wickelt. Symbian kam in Sony- und Nokia-Handys zum Einsatz. Ebenfalls sind viele End-
geräte mit Microsoft Windows Phone bzw. Windows Mobile kompatibel. Vor allem Nokia
verwendet dieses Betriebssystem in seinen neuen Modellen. Linux-basiert sind die Sys-
teme Firefox OS, Tizen und WebOS. Will man den Marktanteil als Kriterium heranziehen,
so gehörte, gemessen an der weltweiten Verteilung, Symbian vor einigen Jahren noch zu
den wichtigsten Betriebssystemen (44,3 %), gefolgt von BlackBerry OS (19,4 %), iOS
(15,4 %), Google Android (9,6 %), Microsoft Windows Mobile (6,8 %), Linux (3,7 %)
und anderen (0,7 %) (vgl. Gartner 2010). Aktuelle Zahlen zeigen, dass bei Smartphones
mittlerweile die Betriebssysteme Apple iOS (18,97 %) und Google Android (76,53 %) die
mit Abstand größten Marktanteile haben. Es folgen weit abgeschlagen Symbian/
Nokia/Serie 40 (0,64 %), Windows (0,49 %), Samsung (0,26 %) und Blackberry OS (0,11
%) (StatCounter 2018). Somit sind Google Android und Apple iOS die beiden am meisten
benutzen mobilen Betriebssysteme, alle weiteren wie auch WebOS oder Firefox OS sind
nur noch auf wenigen Endgeräten verfügbar (Elektronik Kompendium o. J.).
Information Kommunikation
Dynamischer Inhalt M-Messaging
• Mobile Nachrichten (Welt, FAZ, Spiegel • SMS
mobile…) • E-Mail
• Mobiler Wetterbericht (Wetter.de …) M-Networks
• Augmented Reality Ortungs- und • Verlängertes Online Angebot (Facebook
Informationstools (Yelp, Around Me, mobile, StudiVZ mobile…)
meinestadt.de…) • Begründet auf Location-based-Services
Inhalt mit identifizierbarer Quelle (locr.com, Foursquare…)
• Mobile E-Books (Amazon…) Mobile Services
• Mobile Kataloge (IMDb…) • Geo Tracking (SmartRunner, Family
• Mobile Übersetzungsbücher (Leo Tracker…)
mobile…)
Für den gesamten Markt zu produzieren ist, insbesondere vor dem Hintergrund der in der
Regel beschränkten Ressourcen eines Startups, wohl mit zu großen Aufwendungen ver-
bunden, sodass über die Vor- und Nachteile einer Fokussierung auf ein Betriebssystem
oder einer sukzessiven Markteinführung nachgedacht werden muss. Mit Blick auf die Ver-
breitung von mobilen Betriebssystemen und die Kompatibilität mit verschiedenen Endge-
räten würde die Wahl daher zunächst wohl auf Google Android fallen. Das äußerst hohe
Öffentlichkeitsinteresse an Apple und seinen Endgeräten wie dem iPhone und dem iPad
sind auf der anderen Seite sicherlich auch ein bei der Auswahl des Betriebssystems zur
Programmierung von mobilen Applikationen zu berücksichtigender Faktor.
Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen und in Anbetracht, dass die Entwick-
lung des M-Business noch vergleichsweise am Anfang steht, kann der noch junge Begriff
„M-Entrepreneurship“ wie folgt definiert werden:
sich im Rahmen der digitalen Transformation insbesondere die Umwelteinflüsse stark ver-
ändert haben, sollten Führungskräfte nach dieser Logik ihr Verhalten an die externen Her-
ausforderungen der Digitalisierung anpassen (Kensbock 2018, S. 146). Die Unterneh-
mensberatung Capgemini charakterisiert dabei folgende Einflussgrößen, welche die Zu-
sammenarbeit im digitalen Zeitalter besonders stark verändert haben und von den Füh-
rungskräften beachtet werden sollten (Crummenerl/Kemmer 2015):
sich daraus ergebenen Maßnahmen im Rahmen der digitalen Transformation auch konse-
quent umsetzen (Digital Execution). Nur dann ist der komplette Handlungsrahmen ei-
nes Digital Leadership adressiert (s. Abb. 36).
Vorgehensweisen.
• Kenntnisse und Fertigkeiten im Umgang mit
• Kritisches Hinterfragen etablierter modernen digitalen Tools, Technologien, Geräten
Geschäftsmodelle oder Strategien mit Blick und Software.
auf sich verändernde Umweltzustände. • Kompetenzen digitale Potenziale zu erkennen
• Wille, Veränderungen aktiv mitzugestalten und ein Unternehmen im Rahmen der digitalen
und Neues auszuprobieren. Transformation weiterzuentwickeln.
• Prozesse: Kosten senken und Prozesse optimieren. • Agilität: Schnelle Anpassungsfähigkeit gegenüber
• Produkte: Angebot sollte aktuelle Trends antizipieren Veränderungen.
und den Kundenwünschen entsprechen. • Flexibilität: Befähigung sich verändernden
Umwelteinflüssen anzupassen.
• Plattformen: Digitale Geschäftsmodelle prüfen,
entwickeln und einführen, um Potenziale • Proaktivität: Initiatives und vorausplanendes
auszuschöpfen. Handeln.
Damit Unternehmen und deren Führungskräften der digitale Wandel gelingt, müssen sie
sich an Veränderungen und äußere Umwelteinflüsse anpassen. Wo früher „Erfahrung“ ein
wesentliches Qualitätsmerkmal war, ist es heute der Faktor „Ausprobieren“. Das bedingt
aber Entscheidungen unter Unsicherheit - und dafür sind die Strukturen in den Unterneh-
men meist nicht ausgelegt. Es widerspricht auch der deutschen Kultur der klaren Planung
und mehr oder weniger abgesicherten Prognose. Von daher muss die Frage nach dem Wol-
len in vielen Führungsetagen schon als kritisch betrachtet werden. Wie verschiedene Stu-
dien hierzu belegen, schaffen es viele Unternehmen nicht, sich auf die veränderten Spiel-
regeln von digitalisierten Märkten einzulassen. Im Hinblick auf den ersten Faktor Digital
Mindset spielen somit die alte Unternehmenskultur, die fehlende Risikobereitschaft
und die starre Unternehmensorganisation (Goran/Srinivasan/LeBerge 2016) eine große
Rolle. Hinzu kommt, dass in den meisten Anreiz- und Belohnungssystemen von Ge-
schäftsführern und Vorständen die Ergebniszahlen aus dem laufenden Stammgeschäft im
Vordergrund stehen und nicht die mutige und risikoreiche Ausrichtung auf neue digitale
Geschäftsmodelle. Dadurch verkümmern viele vermeintliche Digitalisierungsoffensiven
zu einer reinen IT-Automatisierung, um vorhandene Prozesse noch effizienter zu machen.
Das Ergebnis sind dann eher inkrementelle als disruptive Fortschritte. Viele Führungseta-
gen delegieren die Digitalisierung vor diesem Hintergrund an ihre IT-Abteilungen, so dass
dieses Thema kein integraler Bestandteil der gesamten Unternehmensstrategie ist. Aus
diesem Grund muss die digitale Transformation in den Köpfen der Führungskräfte und
94 Die Grundlagen des E-Business
Mitarbeiter universell verankert werden und ein fester Bestandteil der Unternehmenskul-
tur sein bzw. werden. Wie eine Studie des SAP Center for Business Insights (o. V. 2017a)
zeigt, ist es daher für den Erfolg einer digitalen Transformation unverzichtbar, ein Digital
Mindset im Unternehmen zu entwickeln, welche die Digitalisierung als Chance interpre-
tiert und Veränderungen annimmt. Ein Digital Mindset zeichnet sich dadurch aus, offen
und neugierig gegenüber aktuellen Technologien, Führungsmodellen und Vorgehenswei-
sen zu sein. Dabei ist ein zentraler Punkt, eine Unternehmenskultur zu implementieren,
welche Veränderungen aktiv mitgestaltet und Neues ausprobiert. Dabei müssen auch
etablierte Abläufe, Geschäftsmodelle oder Strategien kritisch hinterfragt und mit Blick auf
sich verändernde Umweltzustände angepasst werden.
Digital Leader sollten nicht nur aufgeschlossen gegenüber Veränderungen und disruptiven
digitalen Innovationen sein (Digital Mindset), sondern sollten auch über die notwendigen
digitalen Kompetenzen verfügen eine entsprechende Strategie im Unternehmen zu imple-
mentieren. Digitale Veränderungen sind kein technischer Knopf, den man so einfach so
drücken kann. Es geht vielmehr um das konkrete Wissen und das zugehörige Know-how
rund um eine digitale Wertschöpfung. Der zweite Faktor Digital Skills bezeichnen ent-
sprechende Kenntnisse und Fertigkeiten mit digitalen Technologien, Prozessen und Ge-
schäftsmodellen umzugehen. Die zugehörigen Grundlagen der digitalen Ökonomie sind
unerlässlich für jeden Manager. Neben Fach- und Sozialkompetenz wird ein Digital Lea-
der künftig zwingend auch eine Digitalkompetenz brauchen, um unternehmerisch führen
zu können. Dabei geht es darum, ob Führungskräfte über das Wissen und digitale Know-
how rund um die digitale Wertschöpfung verfügen und dieses auch anwenden können.
Es beschreibt im Detail, über welche Fähigkeiten und Kompetenzen eine digitale Füh-
rungskraft verfügen sollte, um digitale Potenziale zu erkennen und ein Unternehmen im
Rahmen der digitalen Transformation weiterzuentwickeln. Zu den klassischen Führungs-
kompetenzen gehören demnach einerseits digitale Anwendungskenntnisse, wie der Um-
gang mit digitalen Tools für Entscheidungsfindungen, aber auch digitale Verhaltenswei-
sen, wie das Nutzen entsprechender Software im Arbeitsalltag (Crummenerl/Kemmer
2015). In diesem Zusammenhang spielt insbesondere die Persönlichkeit und Einstellung
einer Führungskraft zum ersten Faktor Digital Mindset eine wichtige Rolle im digitalen
Zeitalter.
Damit Unternehmen im Rahmen der digitalen Transformation erfolgreich agieren, müssen
Digital Leader insbesondere auch die erforderlichen Maßnahmen ergreifen und richtig in
Bezug auf den dritten Faktor Digital Execution umsetzen. In diesem Zusammenhang
sollten Führungskräfte zum einen beachten „Was“ (Objektansatz) umgesetzt werden
sollte. Der Objektansatz beinhaltet die drei digitalen P’s: Prozesse, Produkte und Platt-
formen, beziehungsweise deren Aufbau und Gestaltung. Digitale Prozesse, wie bspw. in-
teraktives Bestellwesen oder Tracking, haben vor allem die steigende Produktivität, sin-
kende Kosten und kürzere Reaktionszeiten bei Lieferanten- und Kundenanfragen zum
Ziel. Dafür ist es notwendig bestehende Arbeitsabläufe zu hinterfragen und aktuelle Pro-
zesse gegebenenfalls zu verändern (Keller 2017). Ebenso muss das Produktangebot stetig
hinterfragt und angepasst werden, um den rasant ändernden Kundennachfragen gerecht zu
Der Informationswettbewerb als Ergebnis für die Digitale Wirtschaft 95
werden. Unternehmen müssen sich demnach mit Innovationen, wie bspw. der künstlichen
Intelligenz (s. Kapitel 1.6.5) oder der Blockchain (s. Kapitel 1.1.6), beschäftigen und ana-
lysieren inwieweit eigene Produkte von Veränderungen betroffen sind oder inwiefern neue
Potenziale genutzt werden können. Nicht außer Acht gelassen werden darf aber auch der
Aufbau digitaler Plattformen (E-Marketplace, s. Kapitel 4), die sich als überlegendes Ge-
schäftsmodell in der Digitalen Wirtschaft erwiesen haben. Erfolgreiche Unternehmen, wie
beispielweise Alphabet, Amazon, Facebook und Alibaba, fungieren demnach als Vermitt-
ler für Anbieter und Nachfrager und kontrollieren damit immer mehr die bestehenden Ab-
satzmöglichkeiten oder schaffen sogar neue Märkte. Neben dem „Was“, müssen sich Di-
gital Leader auch damit befassen, „Wie“ dies geschehen kann (Managementansatz). Füh-
rungskräfte sollten demnach agil, flexibel und proaktiv im Führungsstil agieren, um die
notwendigen Veränderungen herbeizuführen. Folglich sollten sie die Fähigkeit besitzen
sich bestmöglich an verändernde Umwelteinflüsse anpassen zu können. Dies kann sowohl
reaktiv, indem flexibel auf Veränderungen reagiert wird, oder proaktiv geschehen, um
Veränderungen selbst herbeizuführen. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die
Aspekte „Geschwindigkeit“, „Anpassungsfähigkeit“, „Kundenzentriertheit“ und eine
„Haltung“ von zentraler Bedeutung. So ist es für digitale Leader insbesondere wichtig
schnell und dynamisch auf digitale Veränderungen, wie sich ändernde Kundenwünsche,
einzugehen und eigene Verhaltensweisen dynamisch anzupassen (Fischer 2016).
Informationsökonomie
Wettbewerbs-/Produktionsfaktoren
Information
Wirtschaftssektoren
Netzwerkökonomie (Digitale Wirtschaft)
Information / Kommunikation
E-Business E-Community Flexibilität
Kontakt Zeit
E-Procurement E-Shop E-Marketplace
Qualität
Verkauf E-Company
Einkauf Handel
(E-Commerce)
Transaktion Kosten
Kooperation
Innovationen
Informationstechnologie Internet/WWW Mobilfunk ITV
Die „Digitale Wirtschaft“ bezeichnet den wirtschaftlich genutzten Bereich von elekt-
ronischen Datennetzen (E-Business) und ist damit eine digitale Netzwerkökonomie,
welche über verschiedene elektronische Plattformen die direkte oder indirekte Ab-
wicklung oder Beeinflussung von Informations-, Kommunikations- und Transaktions-
prozessen erlaubt.
Die Informationsexplosion als Perspektive für die Digitale Wirtschaft 97
Wenn man sich die einschlägigen Web 2.0-Plattformen wie XING/Linkedin, YouTube oder
Facebook anschaut, geht es stets um die Beiträge vieler Menschen. Der Community-Ge-
danke steht ganz klar im Vordergrund und bildet nicht zuletzt die Basis vieler neuer Ge-
schäftsideen, an die vor einigen Jahren noch nicht zu denken war. Das ökonomische Po-
tenzial dieser Geschäftsideen verdeutlichen hochvolumige Börsengänge wie der OPEN Bu-
siness Club AG (XING AG) in Deutschland oder insbesondere der von Facebook in den USA
sowie spektakuläre Übernahmen wie die von YouTube (1,65 Mrd. Dollar) durch Google
oder die von StudiVZ (85 Mio. Euro) durch die Handelsblatt-Verlagsgruppe (Kollmann/
Häsel 2007a, S. 1). Aber das Web 2.0 bietet noch mehr als erfolgreiche Geschäftsideen:
Mit Hilfe von Konzepten wie Wikis, Blogs und Mashups (s. Kapitel 5.1.2) können Un-
ternehmen jeder Art in einen engeren Dialog mit ihren Kunden treten als dies jemals zuvor
möglich war (Suckow 2007) und ihre Webpräsenz in vielerlei Hinsicht bereichern. Voran-
getrieben werden die aktuellen Entwicklungen dabei zu einem großen Teil vom sozialen
Kapital, von dem eine Person umso mehr besitzt, je mehr Beziehungen sie zu anderen
Personen unterhält, die untereinander wiederum möglichst unverbunden sind. Herkömm-
liche Rollenverteilungen wie Verkäufer und Kunde, Autor und Leser, Profi und Amateur
oder Experte und Laie werden dabei aufgebrochen. Es sind vielmehr gemeinsame Ziele
und Interessen, die die Menschen in für jedermann offenen Netzwerken verbinden – aus
dem „Web of Companies“ ist somit und gerade auch ein „Web of People“ geworden (Wahl-
ster/Dengel 2006, S. 3).
98 Die Grundlagen des E-Business
Kollektive Intelligenz: Mit der Entstehung offener Systeme, die die kooperative
Erstellung von Inhalten ermöglichen, ist eine Webkultur entstanden, die sich durch
die aktive Partizipation der Netzteilnehmer auszeichnet. Anstelle der Inhaltspflege
bzw. -kontrolle tritt aus Sicht der Plattformbetreiber das Vertrauen in die Nutzerge-
meinschaft, deren kollektive Intelligenz die nötige Informationsqualität sicherstellt
(Mikloweit 2007; Schenk 2007). Dabei gilt stets das Prinzip, dass die Qualität eines
Angebots aufgrund von Netzeffekten mit der Anzahl der Nutzer ansteigt, die die In-
formationen austauschen, systematisieren und bewerten (Kollmann/Stöckmann 2007b,
S. 212).
Perpetual Beta: Plattformen des Web 2.0 werden nicht über einen längeren Zeitraum
entwickelt und dann als fertiges Produkt an den Markt gebracht, sondern auf Basis des
Kundenfeedbacks sowie der Auswertung von Nutzerverhalten kontinuierlich gepflegt
und weiterentwickelt. Durch die zunehmende Verschmelzung von Produktentwick-
lung und Tagesgeschäft befinden sich Web-2.0-Plattformen in einem ewigen, konti-
nuierlichen Änderungen unterliegenden Beta-Stadium (Häsel 2007, S. 188 f.; Reitler
2007, S. 32). Dies ist allerdings keineswegs als Zeichen schlechter Planung zu ver-
Die Informationsexplosion als Perspektive für die Digitale Wirtschaft 99
stehen, sondern stellt einen inhärenten Bestandteil der Produkt- bzw. Marktstrategie
erfolgreicher Unternehmen dar (Coldewey 2002).
Die sieben Grundprinzipien (s. Abb. 38) zeigen eindeutig, dass es sich beim Web 2.0
keineswegs um eine Menge neuer Technologien, sondern vielmehr um eine Reihe beo-
bachtbarer Trends handelt, die den Umgang mit Informationen und die Einbindung von
Personen in informationsverarbeitende Prozesse beschreiben (Wahlster/Dengel 2006). Er-
folgversprechende Produktstrategien scheinen vor diesem Hintergrund verstärkt dem Plu-
ral-Prinzip, vor allem aber dem Symbiose-Prinzip zu folgen (s. Kapitel 1.5.2), da die
Informationen, die aus der die Kernleistung in Anspruch nehmenden Nutzergemeinschaft
hervorgehen, in der Regel die Basis weiterer Wertschöpfungsaktivitäten darstellen (Koll-
mann/Häsel 2007a, S. 8). Abb. 38 stellt die Grundprinzipien des Web 2.0 sowie die daraus
folgenden Implikationen für informationsverarbeitende Prozesse zusammenfassend dar.
100 Die Grundlagen des E-Business
Grundprinzipien
Implikationen für informationsverarbeitende Prozesse
des Web 2.0
Leichtgewichtige Offene Schnittstellen verwenden, die eine schnelle Erstellung eigener und
Architekturen eine einfache Nutzung fremder Dienste ermöglichen
Abb. 38: Grundprinzipien des Web 2.0 im Kontext der Digitalen Wirtschaft
Quelle: Kollmann/Häsel 2007a, S. 9.
Das aktuelle Web 2.0 ist – einfach betrachtet – in erster Linie eine Sammlung von Infor-
mationen, die von unterschiedlichen Organisationen und, mit dem Einzug von Web 2.0-
Konzepten, verstärkt auch von Privatpersonen veröffentlicht werden (User-generated Con-
tent, s. Kapitel 1.6.1). Da seit Anbeginn des Webs prinzipiell jeder in der Lage ist, belie-
bige Dokumente und multimediale Inhalte online zu stellen, ist das Web nicht nur schnell,
sondern vor allem auch unkontrolliert gewachsen. Das Resultat dieser chaotischen Ent-
wicklung ist eine Informationslandschaft, in der Inhalte in vielen unterschiedlichen For-
maten und nur wenig strukturiert vorliegen. Der immense Umfang der im World Wide
Web verfügbaren Information ist Segen und Fluch zugleich: Es ist nämlich gerade die
Vielfalt an verfügbarem Material, die das Finden der gewünschten Information bzw. des
gewünschten Produktangebotes letztendlich erschwert. In der Tat entwickelt sich die Be-
wältigung dieser Informationsflut in der modernen Wissensgesellschaft immer stärker zu
einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor, denn der Zeit- und Kostenaufwand für Informati-
onsbeschaffung und -verarbeitung nagt zunehmend an der Produktivität der Unternehmen
und nicht zuletzt auch an den Nerven der Kunden. Letztere nämlich sind zunehmend damit
Die Informationsexplosion als Perspektive für die Digitale Wirtschaft 101
überfordert, sich in den Informations- und Angebotswüsten des World Wide Web zurecht-
zufinden (Kollmann/Häsel 2007b, S. 225). Diese Problematik begründet sich vor allem
darin, dass Information hauptsächlich in natürlicher Sprache (in der Regel in Form von
textuellen Dokumenten oder audiovisuellen Reizen) präsentiert wird. Aus diesem Grunde
besteht stets eine Lücke zwischen der Information, über die der Urheber einer Webseite
verfügt, und der Information, die (in einer für den Menschen verständlichen Form) auf
dieser Webseite präsentiert wird (Fensel et al. 2003). Zwar ist der Mensch dank seiner
Intelligenz oft in der Lage, diese Lücke zu schließen. Bei der maschinengestützten In-
formationsverarbeitung verursacht diese Lücke jedoch Probleme, die sich für den Nutzer
vor allem beim Zugriff auf die jeweilige Information, also beim Suchen (und Finden) be-
stimmter Inhalte äußern (Kollmann/Häsel 2007b, S. 226).
Generell setzt sich Information aus einer syntaktischen und einer semantischen Kompo-
nente zusammen. Die syntaktische Komponente gibt dabei die reine aus der Syntax der
zugrundeliegenden Daten resultierende Informationsmenge an, während die semantische
Komponente sich auf die Bedeutung und die Qualität bezieht (Shannon/Weaver 1976). Im
aktuellen Web wird fast ausschließlich die syntaktische Informationskomponente gespei-
chert, verarbeitet und übertragen. Das sog. Semantische Web (Semantic Web) soll diese
Lücke schließen. Dabei handelt es sich nicht etwa um ein separates Web, sondern um eine
Reihe von Konzepten und Technologien, die das aktuelle Web in Zukunft so erweitern sol-
len, dass Information eine eindeutig definierte Bedeutung bekommt, die von Maschinen in-
terpretiert werden kann (Berners-Lee/Hendler/Lassila 2001). Das Semantic Web steht
prinzipiell nicht in Zusammenhang mit dem Web 2.0, ergänzt den Web 2.0-Gedanken aber
dadurch, dass Informationsressourcen durch Metadaten ergänzt werden, die Sinngehalt
ausdrücken und zwischen Computersystemen ausgetauscht werden können (Wahls-
ter/Dengel 2006). Im Gegensatz zu den im Web 2.0-Umfeld verwendeten Tags haben
Metadaten im Semantic Web jedoch sowohl eine Tiefenstruktur als auch eine fest defi-
nierte Bedeutung, anhand derer sie mit Hilfe von logischen Regeln interpretiert werden
können (Falk et al. 2006). Computersysteme sind dementsprechend in der Lage, die be-
schriebene Information tatsächlich zu verstehen und können ihre menschlichen Nutzer
durch die Interpretation und Integration sowie die Bewertung und den Vergleich von In-
formationsressourcen bei der Lösung von Problemen unterstützen (Grütter 2006). Damit
entwickelt sich das World Wide Web von einem „Netz aus Verweisstrukturen“ zu einem
„Netz aus Inhaltsstrukturen“ (Wahlster/Dengel 2006). So ist sich eine Suchmaschine bei
der Eingabe von „Essen“ heutzutage noch nicht bewusst, dass der Nutzer entweder Infor-
mationen über die Stadt Essen sucht oder lediglich hungrig sein könnte. Auch wenn der
Nutzer „Stadt Essen“ eingibt, weiß die suchende Software noch nicht automatisch, dass
es sich bei Essen um eine Stadt im Ruhrgebiet handelt, die zudem noch den Titel „Kultur-
hauptstadt 2010“ trägt. In einem semantischen Web, in dem die Zusammenhänge zwischen
Informationsressourcen sowie die Bedürfnisse des anfragenden Nutzers entsprechend mo-
delliert sind, wäre eine intelligente, die Information verschiedener Quellen integrierende
Reaktion der Suchmaschine (z. B. in Form einer Nachfrage, ob der Nutzer hungrig sei
oder sich aber für Kultur interessiere) jedoch ohne weiteres möglich.
102 Die Grundlagen des E-Business
XHTML
Kodierung, Datenbereiche HTML XML, XML Schema
Das Semantic Web beruht auf unterschiedlich weit entwickelten Technologien, die sich
in einem sechsschichtigen Modell anordnen lassen (s. Abb. 39). Dabei ist eine höhere
Schicht jeweils auf die Funktionalität der darunterliegenden Schichten angewiesen. Auf
syntaktischer Ebene setzt eine semantische Vernetzung von Informationen deren eindeutige
Auffindbarkeit und standardisierte Lesbarkeit voraus, die durch Verwendung von Unicode,
eindeutiger Ressourcenadressen (URIs) und in der Auszeichnungssprache XML beschrie-
bener Datenbereiche gewährleistet ist. Derartige Technologien kommen zwar auch schon
im aktuellen Web 2.0 zum Einsatz, werden letztendlich aber nicht konsequent genug an-
gewendet, um die Basis eines Semantischen Webs zu bilden. So liegt ein Großteil der Infor-
mation immer noch in unstrukturierten HTML-Dokumenten vor, die sich als Ganzes zwar
durch Metadaten annotieren lassen, jedoch keine klar voneinander abgrenzbaren und fest
definierten Datenbereiche enthalten, die sich effizient automatisiert weiterverarbeiten las-
sen.
Mit Hilfe des Resource Description Framework (RDF) können beliebige Informations-
ressourcen durch unabhängige Metadatenbeschreibungen ergänzt werden. Semantische
Beziehungen werden dabei als Tripel (Ressource, Eigenschaft, Wert) modelliert. Durch
RDF Schema (RDFS) lassen sich hierzu eigene Vokabulare erzeugen, welche die mög-
lichen Eigenschaften und Werte eines Ressourcentyps definieren. Die Konzepte einer be-
stimmten Anwendungsdomäne und deren reziproke Beziehungen werden in sog. Ontolo-
gien definiert, z. B. mit Hilfe der Ontology Web Language (OWL). Eine Ontologie ist
das einer bestimmten Gruppe gemeinsame begriffliche Verständnis eines Anwendungsbe-
reiches, das durch Konzepte, Beziehungen zwischen den Konzepten und Regeln explizit
und formal dargestellt wird (Ziegler/Kaltz/Lohmann 2006). Ontologien bilden also eine
zwischen beteiligten Parteien geteilte Konzeptionalisierung eines Realweltausschnittes und
können so zur Kommunikation zwischen Vertretern der Anwendungsdomäne und zur Re-
präsentation von Wissen des abgebildeten Realweltausschnittes genutzt werden (Falk et al.
Die Informationsexplosion als Perspektive für die Digitale Wirtschaft 103
Reihe von Kontextfaktoren abhängt. Damit zukünftige Plattformen in der Lage sind, Kon-
textinformationen und Webressourcen automatisiert miteinander in Zusammenhang zu
setzen, gilt es die im aktuellen Web verfügbaren, lediglich auf einer syntaktischen Ebene
modellierten Informationen durch Annotationstechniken mit Metadaten zu ergänzen, die
die Informationsinhalte zusätzlich auf einer semantischen Ebene klassifizieren und be-
schreiben.
E-Procurement
E-Community
Plattformtyp E-Shop E-Desk
E-Company
E-Marketplace
Abb. 40: Vom Web 1.0 zum Web 2.0 zum Web 3.0
Quelle: Kollmann/Häsel 2007b, S. 246.
Erste Ansätze dazu bieten Web 2.0-Plattformen, deren Nutzer bestimmte Webressourcen
mit ambigen Stichworten versehen. In Bezug auf eine automatische Auswahl und Verar-
beitung vernetzter Webressourcen ist ein einfaches Tagging jedoch nicht ausreichend,
sondern muss durch eine formale Repräsentation von Ressourcen und der verwendeten
Annotationssystematik ergänzt werden. Das Semantic Web (s. Kapitel 1.6.2) bietet eine
Reihe von Konzepten und Technologien, mit deren Hilfe eine entsprechende gleichzeitige
Modellierung von syntaktischen und semantischen Informationskomponenten möglich ist.
Kommen diese in einem Web 3.0 zum Einsatz, können darauf aufbauend kontextadaptive
Plattformen entstehen, die verteilte Webressourcen entsprechend der Bedürfnislage des
Nutzers aufbereiten und dem Nutzer in Form eines dynamisch erzeugten Dokumentes
präsentieren. Die für die Extraktion relevanter Informationen nötigen Schlussfolgerungen
werden im optimalen Falle dabei nicht mehr vom Informationsnachfrager selbst, sondern
von den beteiligten Plattformen und Software-Agenten getroffen. Abb. 40 stellt die Ent-
wicklung vom Web 2.0 zu einem möglichen Web 3.0 zusammenfassend dar. Auf einzelne
Elemente dieser Entwicklung wird im Folgenden noch detaillierter eingegangen.
Die Informationsexplosion als Perspektive für die Digitale Wirtschaft 105
Ein vielversprechender Ansatz, diese Lücke zu schließen, ist die Verwendung von Web
2.0-Konzepten, um insbesondere die wichtigen Metadaten zumindest halbautomatisch ge-
nerieren zu können und die Nutzer an das Thema heranzuführen. Unter dem Web 3.0
verstehen Wahlster/Dengel (2006) in diesem Zusammenhang die Konvergenz von Web 2.0
und Semantischem Web: “Only the combined muscle of semantic web technologies and
broad user participation will ultimately lead to a Web 3.0, with completely new business
opportunities in all segments of the ITC market” (Wahlster/Dengel 2006, S. 3). Insbeson-
dere Blogs und Wikis (Mikloweit 2007, S. 57 ff.) könnten vor diesem speziellen Hinter-
grund die Basis für ein Web 3.0 legen, indem sie dem Semantic Web als Pilotanwendun-
106 Die Grundlagen des E-Business
gen dienen. Nach dem Konzept, Informationen in hierarchisch strukturierte Gruppen ein-
zuordnen und in Beziehung zueinander zu setzen, sind Blogs und Wikis nämlich bereits
aufgebaut – existierende Strukturen müssen lediglich entsprechend einer Ontologie, in der
die verschiedenen Komponenten der Blogging- und Wiki-Welt und ihre Beziehungen zu-
einander festgehalten sind, in RDF überführt werden (Kollmann/Häsel 2007b, S. 236).
Als großer Anbieter in diesem Bereich hat sich im Jahr 2009 das Mikrobloggingsystem
Twitter etabliert (s. Abb. 41). Bei Twitter handelt es sich um ein soziales Netzwerk in Ver-
bindung mit einem Mikro-Blogging-Dienst. Registrierte User können sog. Tweets oder
Updates – Nachrichten mit 140 Zeichen – senden und empfangen. Dies funktioniert so,
dass der User die Nachrichten anderer User abonniert, wobei der Abonnent der Follower
ist. Auf der Twitter-Startseite können Nachrichten eingegeben werden und die Nachrichten
der Personen, denen man folgt, chronologisch sortiert werden. Der Absender kann ent-
scheiden, ob er anonym bleiben will oder nicht. Eingaben werden dann über die Twitter-
Homepage, über Desktop-Applikationen oder in den USA, Kanada und Indien auch via
SMS gemacht. Auch wenn sich Twitter in Deutschland noch nicht im gleichen Maße ver-
breitet hat, wie in den USA, so ist die Bedeutung für das E-Business nicht zu unterschät-
zen, da auch über dieses Medium nachweislich Interessens- und damit Nachfragerströme
umgeleitet werden können.
Nachfragerorientierte Plattformen
Obwohl Web 2.0 und Semantisches Web langsam zusammenwachsen und damit potenzi-
elle Lösungsansätze zur Bewältigung der Informationsflut evolvieren, wird es noch einige
Zeit dauern, bis die entsprechenden Technologien und darauf aufbauenden Geschäftsmo-
delle damit beginnen, das Web wirklich zu revolutionieren und erste Lichtungen in den
Informationsdschungel schlagen. Viele alltägliche Informationsprobleme der Nutzer blei-
ben zunächst also noch ungelöst. Trotz zunehmender Verbreitung von Tags und Metada-
ten werden dabei insbesondere offene Fragestellungen, so z. B. die Frage nach dem „op-
timal zu mir passenden Auto“, zunächst kaum von Softwaresystemen beantwortet werden
können. Allerdings möchte der Kunde nicht mehr lange und erfolglos auf verschiedenen
Plattformen nach dem passenden Objekt suchen, sondern hat das Bedürfnis eines persön-
lich auf ihn zugeschnittenen (M)E-Business-Angebots. Erste innovative Plattformen des
Web 3.0 werden sich diese offensichtliche Not der Nachfrager zur Tugend machen und
den Kunden mit seinem individuellen (Informations-)Bedürfnis in den Mittelpunkt des
eigenen Geschäftsmodells stellen. Damit ist nicht nur die reine Personalisierung bereits
bestehender Produkte und Dienstleistungen gemeint – denn diese erwartet der Kunde laut
aktueller Studien ohnehin (Schenk 2007, S. 36). Gemeint sind hier jedoch vielmehr nach-
fragerorientierte Plattformen bzw. Request-Systeme, die die Nachfrage des Kunden
mit Hilfe intelligenter und benutzerfreundlicher (z. B. Ajax-basierter; s. Kapitel 5.1.3.3)
Oberflächen erfassen und/oder aus bereits gesammelten Informationen über den Kunden
ableiten. Der jeweiligen Nachfrage entsprechende Objekte werden dann weniger aus der
Informationsflut des Web, sondern vielmehr durch menschliche Referenz aus einem über-
Die Informationsexplosion als Perspektive für die Digitale Wirtschaft 107
sichtlich strukturierten Pool von Partnerunternehmen generiert, die für die Vermittlungs-
leistung des Plattformbetreibers eine Provision entrichten. Ein Beispiel einer nachfrager-
orientierten Plattform ist bewertet.de (Online-Request-Prozess; s. Kapitel 4.2.2.2; s. Abb.
42).
Dabei handelt es sich um ein Portal, welches Kunden und Dienstleister zusammenführt.
Unternehmen erhalten über bewertet.de neue Aufträge und Kunden können dank Bewer-
tungen und relevanten Firmeninformationen den für sie am besten geeigneten Anbieter
finden. Die Suchwunsch-Erfassung ist hierbei völlig kostenfrei. Umsätze werden erst
durch Provisionen, die bei einem erfolgreichen Vertragsabschluss zu bezahlen sind, gene-
riert.
E-Customization-Systeme
Im Rahmen von Produktkonfigurationen wird versucht, dem Kunden bei der Spezifika-
tion seines Produktwunsches bestimmte Individualisierungsmöglichkeiten anzubieten. Zu
diesem Zweck werden bestimmte Produkteigenschaften oder -zusammensetzungen mit
Hilfe von Optionsmenüs durch den Kunden wählbar. Die Wahloptionen bieten dabei
dem Kunden die Möglichkeit, aus einem vorgegebenen Set an Produktvariationen sein
108 Die Grundlagen des E-Business
Anteilsmenge und Preis: Wichtiges Kriterium bei der Produktanalyse sind ferner
die Bestimmung der Anteilsverhältnisse verschiedener Komponenten und die Preiszu-
sammensetzung. Gerade, wenn Kunden die Möglichkeit haben, selbst sein Produkt zu
konfigurieren, so muss die Auswirkung eines jeden Schrittes (z. B. Auswahl einer
Sorte oder Veränderung des Anteils am Endprodukt) inhaltlich und wirtschaftlich
transparent gemacht werden. Bei sonntagmorgen.com bspw. werden die Anteile der
einzelnen Kaffeesorten automatisch unter den ausgewählten Sorten gleichmäßig ver-
teilt. Der Kunde kann jedoch den Anteil erhöhen oder verringern und sieht sofort, wie
sich der Endpreis dadurch verändert. Bei mymuesli.com bestimmt sich dagegen der
Endpreis über die Basismischung hinaus auch über die Hinzunahme einzelner Cere-
alien wie Früchte, Nüssen und Kernen oder anderen Zutaten (s. Abb. 43).
Suche und Auffindung: Sind die Eigenschaften eines Dienstes klar definiert und
von Computersystemen interpretierbar, sind diese selbstständig in der Lage, passende
Wertschöpfungspartner, Kunden und Lieferanten zu finden. Die kostenintensive Suche
nach kompatiblen Partnern wird im Web 3.0 entfallen.
Komposition: Nicht zuletzt werden Unternehmen im Web 3.0 in der Lage sein, meh-
rere semantische Web Services zu kombinieren, um diese gemeinsam komplexe elekt-
ronische Geschäftsprozesse ausführen zu lassen. Eine kostenintensive manuelle Koor-
dination beteiligter Wertschöpfungspartner (z. B. verschiedener Lieferanten, Logis-
tik- und Payment-Dienstleister) wird im Web 3.0 entfallen.
Die Informationsexplosion als Perspektive für die Digitale Wirtschaft 111
Garantiert werden diese vier Merkmale semantischer Web Services durch das Zusammen-
spiel der bereits vorgestellten Semantic Web-Technologien und aktuellen Web-Services-
Standards. Man kann jedoch davon ausgehen, dass sich neben SOAP/WSDL-basierten
bzw. service-orientierten Architekturen (SOA) auch weborientierte Architekturen
(WOA) durchsetzen werden (Sheth/Verma/Gromadam 2006). Die dadurch entstehenden
leichtgewichtigen Web Services basieren auf dem sog. REST-Architekturprinzip (Hom-
men 2007; s. Kapitel 5.1.3.2). Anders als klassische Web Services werden sie also durch
einfache HTTP-Requests aufgerufen, sind dank eines URIs als Ressourcen identifizierbar
und nutzen einfache XML-Dokumente für den Datenaustausch (Sheth/Verma/Gromadam
2006). Einen besonders populären Anwendungsbereich dieses Prinzips stellen schon jetzt
Mashups dar (Hommen 2007; s. Kapitel 5.1.2.4). Diese nutzen von verschiedenen An-
bietern zur Verfügung gestellte leichtgewichtige Web Services, um die dadurch gelieferten
Inhalte wirkungsvoll zu aggregieren. Um die auf der syntaktischen Ebene dank XML zwar
homogenen, auf der semantischen Ebene aber hochgradig heterogenen Dienste verschie-
dener Anbieter nahtlos zu integrieren, ist jedoch zusätzlich eine Erweiterung dieser betei-
ligten Dienste um semantische Beschreibungen notwendig (Sheth/Verma/Gromadam
2006). Das dabei wohl am meisten für die Programmierung von Mashups genutzte Tool
ist Google Maps. Um bei dem Trend Twitter zu bleiben, wird das Mashup trendsmap als
Beispiel angeführt (s. Abb. 44). Trendsmap ist eine Mischung aus dem Mikroblogging-
Dienst Twitter und der Anwendung Google Maps. Es ordnet einzelnen Orten Tweets zu,
wodurch der User sehen soll, welche Themen an welchen Orten der Welt am meisten dis-
kutiert werden.
Haben sich Semantic Web Services einmal etabliert, lassen sich mit wenig Aufwand Meta-
Shops erstellen, also E-Shops, die sich hinsichtlich der von ihnen präsentierten Produkt-
daten lediglich aus externen Quellen bedienen (Kollmann/Häsel 2007b, S. 240). Ein Bei-
spiel wäre ein Online-Buchladen, dessen Angebot sich ausschließlich aus den Angeboten
anderer Buchhändler zusammensetzt. Ähnliche Geschäftsmodelle sind zwar auch im heu-
tigen Web bereits vertreten, können sich aufgrund fehlender Semantik allerdings noch
nicht voll entfalten. Dies liegt insbesondere daran, dass sich die XML-Schemata der be-
teiligten Buchhändler unterscheiden. Werden die Schemata der Ein- und Ausgabedaten
der beteiligten Dienste jedoch durch Metadaten ergänzt, die einer von allen beteiligten
anerkannten Ontologie des Anwendungsbereiches Online-Buchverkauf entsprechen, kann
das Websystem des Meta-Buchladens schlussfolgern, welche Datenelemente der genutz-
ten Dienste semantisch ähnlich sind, und diese dem Kunden dann in einer einheitlichen
Form präsentieren.
Selbstverständlich können semantische Web Services nicht nur von E-Shops, sondern
auch von elektronischen Marktplätzen, Preissuchmaschinen und Produktvergleichsplatt-
formen genutzt werden. Mit der Verbreitung semantischer Web Services wird sich das
Web 3.0 daher in einer steigenden Anzahl von Produktkategorien durch eine beinahe voll-
ständige Markttransparenz auszeichnen – sowohl hinsichtlich einer Vergleichbarkeit von
Preisen, als auch hinsichtlich diverser anderer Produktmerkmale (Fensel et al. 2003).
Zwar tragen auch jetzige Preisvergleichssysteme schon zu einem hohen Grad zu einer
weitgehenden Preistransparenz bei; findet der Preisvergleich jedoch auf einer semanti-
schen Ebene statt, in die zudem noch weitere Produkteigenschaften, Lieferbedingungen
und Anbietermerkmale einbezogen werden, wird der Preis als Unterscheidungskriterium
in der Digitalen Wirtschaft zunehmend an Bedeutung verlieren. Die zukünftige Heraus-
forderung für Unternehmen der Digitalen Wirtschaft wird vor diesem Hintergrund nicht
mehr darin bestehen, in den Suchmaschinen präsent zu sein und durch möglichst günstige
Preise zu überzeugen, sondern die eigenen Informationsdienste in bestmöglicher Qualität
anzubieten. Je höher nämlich die Informationsqualität eines Dienstes ist, desto eher wird
dieser gefunden und von möglichen Kunden bzw. Vertriebspartnern genutzt (Kollmann/
Häsel 2007b, S. 241).
Kontextadaptive Plattformen
Während das Web 3.0 im vorherigen Unterabschnitt eher aus interorganisationaler Pers-
pektive bzw. aus Sicht der beteiligten Systeme betrachtet wurde, stellt sich nicht zuletzt
die Frage, wie die (M)E-Business-Plattformen des Web 3.0 zukünftig auf die Bedürfnisse
des Nutzers reagieren werden. Allgemein hängen die Informationsbedürfnisse eines Nut-
zers zu einem großen Teil von der Situation bzw. Umgebung ab, in der sich dieser gerade
befindet. Plattformen, die diesen sog. Kontext eines Nutzers bei der Zusammenstellung
von Informationen und Diensten berücksichtigen, kann man als kontextadaptiv bezeich-
nen. Kontextadaptive Plattformen des Web 3.0 werden dem Nutzer also gezielt Webres-
sourcen anbieten, die seine individuelle Bedürfnislage befriedigen bzw. in der aktuellen
Situation mit hoher Wahrscheinlichkeit von Nutzen sind. Ein kontextadaptives System
Die Informationsexplosion als Perspektive für die Digitale Wirtschaft 113
Inhaltliche Ebene: Wenn die Bedürfnisse und Präferenzen des Nutzers bekannt sind
bzw. sich aus dessen Umfeld ableiten lassen, kann die Auswahl und/oder Neuzusam-
menstellung von Inhalten, Diensten bzw. Produktangeboten an diesen ausgerichtet
werden. Diese Ebene betrifft zudem den Detaillierungsgrad der dargestellten Inhalte.
Navigationale Ebene: Nicht nur die benötigte Information als solche, sondern auch
die optimale Positionierung einzelner Inhaltselemente in einer Navigationsstruktur ist
kontextabhängig. So sollten im aktuellen Kontext besonders relevante Informationen
direkt erreichbar sein, während bei weniger relevanten Informationen eine Erreichbar-
keit über mehrere Interaktionsschritte ausreicht.
Die für ein wirkliches M(E)-Business nötigen Adaptionsleistungen auf Inhalts-, Naviga-
tions- und Präsentationsebene bedingen, dass Informationen nicht mehr als natürlichspra-
chige, für einen festen Kontext verfasste Dokumente vorliegen, sondern in einer strukturier-
ten Form, strikt getrennt von der letztendlichen Darstellung (Balci/Bülbül 2007, S. 77)
und ergänzt durch semantische Beschreibungen abgelegt werden. Die für den menschlichen
Nutzer gedachten Dokumente werden dabei erst zum Zeitpunkt der Anfrage generiert. In
einem Web, das sich durch eine Trennung von Inhalt (Semantik), Struktur (Syntaktik) und
Darstellung auszeichnet, werden kontextadaptive Plattformen allerdings nicht nur eine
Adaptation von Informationen vornehmen, sondern vor diesem Hintergrund zudem auch
als Berater fungieren, die aus den Anforderungen des Nutzers auf nötige Produkteigen-
schaften schließen und dem Nutzer entsprechende Kaufvorschläge unterbreiten.
Software-Agenten
Zur Zusammenstellung der für eine umfassende Beratung nötigen Informationen müssen
M(E)-Business-Plattformen zu einem großen Teil unabhängig von Benutzereingriffen ar-
beiten. Die dafür benötigte Funktionalität werden Software-Agenten liefern, die in der Lage
sind, den aktuellen Kontext zu interpretieren, sich verschiedener Web Service-basierter In-
formationsquellen zu bedienen und mit Hilfe von Inferenzmechanismen intelligente Ent-
scheidungen zu treffen (Berners-Lee/Hendler/Lassila 2001). Diese Software-Agenten
stellen also eine Art „virtuelle Handlungsreisende“ (Grütter 2006, S. 3) dar, die für ihre
Benutzer Aufträge ausführen. Dafür werden sie zunehmend mit anderen Software-Agen-
ten interagieren und in einer gemeinsamen Agentenkommunikationssprache kommuni-
zieren müssen, welche Gegenstand der aktuellen Forschung auf diesem Gebiet darstellt
(Grütter 2006). Diese spezielle Sichtweise, die Software-Agenten im Web 3.0 gleichzeitig
als Erbringer und als Benutzer von Diensten versteht, spiegelt den aktuellen Trend hin zu
Web Services wider. Sind diese wie weiter oben beschrieben weitgehend durch semanti-
sche Beschreibungen ergänzt und somit wiederverwendbar, interoperabel und miteinander
kombinierbar, werden auch solche Software-Agenten miteinander interagieren können, die
nicht explizit für eine Zusammenarbeit geschaffen wurden (Berners-Lee/Hendler/Lassila
2001).
Die Effektivität von Software-Agenten wird exponentiell ansteigen, während weitere ma-
schinenlesbare Inhalte und zusätzliche automatisierte Dienste (einschließlich anderer Soft-
ware-Agenten) verfügbar werden (Berners-Lee/Hendler/Lassila 2001). So ist es sogar
denkbar, dass intelligente Agenten für sich wiederholende Standardeinkäufe abseits der Im-
pulskäufe den Kaufvorgang von der Produktsuche über den Preisvergleich bis hin zur
Bestellung komplett übernehmen werden. Selbst wenn Software-Agenten des Web 3.0 zu
solchen autonomen Handlungen befähigt sein werden, bedeutet dies aber nicht, dass
der menschliche Nutzer nicht mehr aktiv ins kommerzielle Geschehen eingebunden ist.
Vielmehr werden Software-Agenten ihrem Benutzer in Form einer Entscheidungsgrund-
lage mehrere alternative Problemlösungsvorschläge aufzeigen und ihm dann vor diesem
Hintergrund die Wahl überlassen, auf welche Art der Lösungsweg eingeschlagen werden
soll (Hendler 2001).
Die Informationsexplosion als Perspektive für die Digitale Wirtschaft 115
Ein derartiges Zuarbeiten des Nutzers erinnert in seinen Grundzügen an bereits verfügbare
Preis- bzw. Produktsuchmaschinen wie guenstiger.de oder preis.de. So stellt die Möglich-
keit einer automatisierten semantischen Inferenz für den Nutzer keinen Paradigmenwech-
sel dar, wird derartige Plattformen jedoch hinsichtlich ihrer Effizienz und Effektivität
grundlegend revolutionieren. Mit Hilfe von leichtgewichtigen Web Services und den vom
Web 2.0 zur Verfügung gestellten Mashup-Konzepten können die Dienste fremder Soft-
ware-Agenten wiederum in bestehende Plattformen (z. B. E-Shops oder E-Communities)
eingebunden werden. Absehbar ist in diesem Zusammenhang eine noch weiter zuneh-
mende Reduzierung der Zwischenhändler (Disintermediation). Betroffen werden davon
vor allem die Märkte sein, in denen die Verarbeitung von Metadaten über verfügbare
Ressourcen bislang die Aufgabe spezialisierter Informationsdienstleister war (Falk et al.
2006). Dazu zählen keineswegs nur Internetsuchmaschinen und Preisvergleichsdienste,
sondern bspw. auch Finanz- und Versicherungsmakler, Arbeitsagenturen oder Reisebüros,
deren Rolle zumindest in Teilen von softwarebasierten Akteuren übernommen wird (Koll-
mann/Häsel 2007b, S. 244).
Die stetig fortschreitende Digitalisierung macht auch vor der klassischen Industrie, die
zusammen mit dem Mittelstand als das Rückgrat der deutschen Wirtschaft gilt, keinesfalls
Halt. Ganz im Gegenteil muss man sogar behaupten, dass die Digitalisierung einige Bran-
chen der Realwirtschaft – im besten Sinne disruptiver Innovation nach Christensen
(2016) – regelrecht durchrüttelt und neu ordnet. So geschehen unter anderem bereits in
den Branchen Buchhandel durch Amazon, Musikindustrie durch Spotify, Personenbeför-
derung durch Uber oder im Hotelgewerbe durch Airbnb. Damit die klassische Industrie
hierbei nicht den Anschluss verliert, muss sie sich notwendigerweise der Digitalisierung
stellen und elektronische Wertschöpfungsprozesse in ihre Abläufe integrieren (s. Abb. 21;
s. Kapitel 1.4.2) sowie gänzlich neue wertschöpfende Aktivitäten bzw. intelligente Dienste
auf Basis von Informationen erschaffen. Es kann dabei davon ausgegangen werden, dass
die sog. Industrie 4.0, also die vernetzte Produktion, mindestens Potenziale für disruptive
und strukturverändernde Prozessinnovationen birgt (Hirsch-Kreinsen/Weyer 2014). Wert-
schöpfungsketten können darüber hinaus jedoch auch gänzlich neu gestaltet und somit die
Geschäftsmodelle der deutschen Leitindustrien wie z. B. Maschinen- und Automobilbau
signifikant beeinflusst werden, wodurch hier auch von einer vierten industriellen Revolu-
tion gesprochen wird (Schwab 2016). Das zentrale Merkmal der Industrie 4.0 ist dabei
eine Vernetzung der physischen mit der virtuellen Welt hin zu sog. Cyber Physical Sys-
tems (CPS). Dies geschieht durch größtenteils bereits vorhandene Technologien, welche
hierzu in neuartiger Weise (gemeinsam) genutzt bzw. rekombiniert werden und in der Re-
gel über das Internet miteinander in Verbindung gesetzt werden. Cyber Physical Systems
umfassen drei wesentliche Bereiche:
116 Die Grundlagen des E-Business
Internet of Things (IoT): Dieser Begriff steht für eine Verlängerung des Internets in
die reale (physische) Welt mit dem Ziel, dass nicht mehr der Computer bzw. das In-
ternet selbst aktiv vom Menschen genutzt werden, sondern vielmehr der Mensch un-
merklich in seinen Tätigkeiten durch Computer bzw. das Internet unterstützt wird und
so einen Mehrwert erhält. Bei solchen Computern handelt es sich oftmals um sog.
eingebettete Systeme, welche die üblichen Funktionen von Objekten (things) mit dem
Internet verbinden und ein Abbild des Objekts im Internet erschafft. Die Objekte wer-
den somit zu sog. Smart Devices und selbst ein Teil des Internets. Eine zentrale Rolle
solcher Smart Devices spielen dabei auch Sensoren und Aktoren, welche laufend Da-
ten aufzeichnen und Befehle ausführen. Die Anwendungsfelder des Internet der
Dinge erstrecken sich heutzutage auf nahezu alle Lebensbereiche (Wortmann/Flüch-
ter 2015).
Cloud Computing: Die dezentrale Nutzung von M2M und IoT, oftmals über physi-
sche Distanzen hinweg, wird erst durch innovative Informationstechnologie zum Da-
tenaustausch und zur Datenspeicherung ermöglicht. Neben lokalen Netzwerken und
Speichern liefert im Zusammenhang mit diesen Entwicklungen das Cloud Computing
eine innovative Möglichkeit, die Maschinen und Objekte zu verbinden, deren Daten
zu speichern und ohne lokale oder physische Beschränkungen zugänglich zu machen.
Mit Hilfe der Cloud kann eine globale Infrastruktur geschaffen werden, die es jedem,
der darauf Zugriff hat, erlaubt, neue Services, Inhalte oder Applikationen zu schaffen.
Die gemeinsame Nutzung dieser Technologien kann im Rahmen der Industrie 4.0 zu ei-
nem hohen Automatisierungsgrad und damit verbunden zu signifikanten Produktivitäts-
zuwächsen führen (Reinhart et al. 2013). Bei konsequenter Digitalisierung durch Nutzung
der Technologien der Industrie 4.0 können mithin sog. Smart Factories entstehen, in de-
nen sich die Maschinen und Systeme weitestgehend selbstständig über „Industrial Con-
tent“ organisieren und der Mensch nur noch eine überwachende Rolle einnimmt. Wege
und Fertigungsreihenfolgen werden so z. B. automatisch über drahtlose Kommunikation
optimiert und Bestellungen von Material direkt von den jeweiligen Maschinen zum opti-
malen Zeitpunkt ausgelöst. Neben den Einsatzbereichen in Produktion, Logistik und im
B2B-Bereich, streben Unternehmen jedoch auch danach, dass das Internet der Dinge, über
das Tragen von Wearables (s. Kapitel 1.1.5) hinaus, ebenfalls Einzug in Privathaushalte
nimmt. Durch die Entwicklung von modernen, smarten Haushaltsgeräten im Zusammen-
Die Informationsexplosion als Perspektive für die Digitale Wirtschaft 117
spiel mit intelligenten Stromnetzen (Smart Grids) sollen Stromerzeugung und –verbrauch
dezentralisiert und neu strukturiert werden. Eine weitere aktuelle Entwicklung im Bereich
Smart Devices stellen die sog. Amazon Dash Buttons dar, wobei es sich um kleine Geräte
mit einem Knopf handelt. Diese können vom Kunden im Haushalt (z. B. an der Wasch-
maschine) angebracht und mit bestimmten Produkten (z. B. Waschmittel) verknüpft wer-
den. Auf Knopfdruck wird dann automatisch die Bestellung des Kunden direkt über ama-
zon.de ausgelöst.
Intuitiv mit dieser nahezu vollständig automatisierten Übertragung, Speicherung und Aus-
wertung von Informationen verbunden ist der Begriff Big Data (s. Kapitel 1.1.4). Bei der-
art großen Datenmengen, die sekündlich automatisch wachsen, ist es essentiell, über pas-
sende Analysemethoden die benötigten Informationen aus den Daten hinausziehen und
aufarbeiten zu können, um diese z. B. der Geschäftsleitung über passende Kennzahlen als
Entscheidungsgrundlage zugänglich zu machen. Neben den hohen Investitionskosten für
die Anschaffung neuer Technologien im Bereich der Industrie 4.0 nennen viele Unterneh-
men jedoch noch die Angst ihrer Mitarbeiter vor dem Verlust des Arbeitsplatzes an eine
Maschine als mögliche Hinderungsgründe einer Digitalisierung in Mittelstand und Indust-
rie. Mittel- und langfristig ist die Digitale Transformation von Unternehmen der klassi-
schen Wirtschaft jedoch unausweichlich, um im internationalen Wettbewerb mithalten zu
können und wird, sofern sich Unternehmen und Arbeitnehmer ihr gemeinsam stellen,
deutlich mehr Chancen als Risiken bieten können.
Informationstechnologien sind die Basis für die Digitale Wirtschaft und entwickeln sich
permanent weiter. Demnach wird auch über die weitere Entwicklung der digitalen Tech-
nologien spekuliert und Zukunftsszenarien erstellt. Wie aufgezeigt wurde, können im
Rahmen von Web 4.0 die Maschinen miteinander vernetzt werden (bspw. Machine-to-
Machine-Communication), so dass durch sog. Smart Factories Maschinen und Systeme
weitestgehend automatisiert arbeiten können und der Mensch nur noch eine kontrollie-
rende Funktion einnimmt. Wachsen nun die bisherigen Schlüsseltechnologien mit der
künstlichen Intelligenz und Blockchain-Technologie zusammen, ergeben sich insbeson-
dere in Kombination mit dem Internet der Dinge (s. Kapitel 1.6.4) spannende neue As-
pekte und Perspektiven welche zukünftig in einem Web 5.0 münden. Künstliche Intelli-
genz (KI) ist dabei sicherlich einer der größten Treiber dieser Entwicklung und wird zu
einer Querschnittstechnologie für alle Branchen. Jeden Monat dringen KI-basierte An-
wendungen in weitere Bereiche des Alltags und des Arbeitslebens vor. Ihnen ist gemein,
dass sie bestehende Geschäftsmodelle produktiver machen, verändern oder sogar ablösen
können während gleichzeitig die Entscheidungen vieler Menschen gestützt und damit be-
einflusst werden. Die Gesellschaft reagiert mit Hype, Hysterie oder Gemeinplätzen, denn
nur ein kleiner Teil der Gesellschaft versteht die KI-Techniken. Die politischen Reaktio-
nen sind von Land zu Land unterschiedlich. Bislang liegen Deutschland und Europa bei
118 Die Grundlagen des E-Business
der strategischen und konzertierten Förderung von KI-Technologien deutlich hinter den
anderen Wirtschaftsräumen zurück. Die steigende Datenmenge sowie die rasant wachsen-
den Möglichkeiten der Verarbeitung von Daten ermöglicht vor diesem Hintergrund aber
eine zunehmend bessere maschinelle Nachahmung menschlicher Denk- und Verhal-
tensmuster. Vor diesem Hintergrund wird insbesondere der Begriff Künstliche Intelli-
genz (KI; Englisch: Artificial Intelligence, AI) zunehmend im Sprachgebrauch verwen-
det. In der Fachliteratur findet sich eine Vielzahl verschiedener Definitionen von Künstli-
cher Intelligenz, so dass keine einheitliche Definition im engeren Sinne anzutreffen ist.
Einheitlich wird die Künstliche Intelligenz aber als Teilgebiet der Informatik beschrieben,
in dem sog. „intelligente Agenten“ (Franklin/Graesser 1997, S. 21) erforscht und entwi-
ckelt werden (Buxmann/Schmidt 2018). Ein „intelligenter Agent“ zeichnet sich dabei
durch seine Fähigkeit aus, selbstständig Problemstellungen lösen zu können und somit
autonom Artificial Content zu produzieren (Carbonell/Michalski/Mitchell 1983; Bux-
mann/Schmidt 2018; Kollmann/Schmidt 2016, S. 49 ff.).
Ein kritischer Aspekt der Künstlichen Intelligenz ist insbesondere das sog. Maschinelle
Lernen. Samuel (1959) definierte es grundlegend als Forschungsfeld, welches Maschinen
ermöglicht, zu Lernen, ohne explizit programmiert worden zu sein. Diese Fähigkeit er-
möglicht somit eine Wissensgenerierung auf Basis von Erfahrungen. So können Maschi-
nen mit bestehenden Datensätzen (Erfahrungen) gespeist werden, diese auswerten und auf
einer entwickelten Funktion basierend optimale Schlussfolgerungen ziehen. Ein zuneh-
mend an Bedeutung gewinnendes Teilgebiet des Maschinellen Lernens ist das sog. Deep
Learning. Deep Learning ist ein Konzept, durch das Muster (auch Repräsentationen ge-
nannt) in Daten besser erkannt werden sollen, indem mehrere aufeinanderfolgende Lern-
schichten übereinandergelegt und miteinander verknüpft werden (Chollet 2018). Durch
den Aufbau der verschiedenen Schichten, die angelehnt an ein natürliches neuronales Netz
sind und diesem somit ähneln, wird in der Literatur oft auch von (künstlichen) neuronalen
Netzen gesprochen (Rojas 1996). Grundsätzlich werden beim maschinellen Lernen fol-
gende zwei Verfahrens- und Analysetypen unterschieden:
wird anhand eines Algorithmus unter Einbezug verschiedener Variablen der Daten-
satz in verschiedene Gruppen/Segmente eingeteilt. Hierbei werden ebenfalls Verfah-
ren wie etwa die lineare Regression und Entscheidungsbäume angewendet.
Abb. 45: Das Computerprogramm AlphaGo als Beispiel für künstliche Intelligenz
Quelle: www.deepmind.com
Eines der prominentesten Beispiele für Maschinelles Lernen ist AlphaGo, ein Computer-
programm, das von dem Unternehmen Google DeepMind entwickelt wurde. Es ist das
erste Computerprogramm, dass es geschafft hat einen menschlichen professionellen Go-
Spieler sowie den Weltmeister in Go zu schlagen. Go ist ein äußerst komplexes Brettspiel,
das seinen Ursprung vor ca. 3000 Jahren in China fand. AlphaGo wurde durch eine Viel-
zahl von bereits gespielten Go-Spielverläufen gespeist, auf deren Basis das Programm
lernte und sich so inkrementell verbessern konnte.
Die Möglichkeit des Maschinellen Lernens eröffnet ein sehr großes Spektrum für potenti-
elle Anwendungsfelder der Künstlichen Intelligenz, die in nahezu allen Lebensbereichen
vorstellbar sind. Für Unternehmen kann der Einsatz von Künstlicher Intelligenz zu Effizi-
enz- sowie Produktivitätssteigerung führen und ein besseres Eingehen auf Kunden ermög-
lichen, wodurch Mehrwerte geschaffen werden können (Gentsch 2018). Insbesondere in
Branchen, in denen große Datenmengen generiert werden kann eine Anwendung mit
Künstlicher Intelligenz zu wettbewerbsentscheidenden Vorteilen führen. Praxisbespiele
für Unternehmen, die bereits Programme im Feld der Künstlichen Intelligenz anwenden,
sind mannigfaltig. Die Otto Group nutzt beispielsweise ein Feature, welches dem Kunden
ermöglicht die wichtigsten Aspekte einfach und gezielt aus den bestehenden Produktbe-
wertungen herauszufiltern. Dieses Feature wird durch einen Algorithmus durchgeführt,
der automatisch die häufigsten Aspekte der Bewertung erkennt und die Tonalität in diesen
Bewertungen identifiziert. Ein Prinzip, das durch die Künstliche Intelligenz ermöglicht
wird.
120 Die Grundlagen des E-Business
Abb. 46: Produktbewertungen mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz bei der Otto Group
Quelle: www.otto.de
Nimmt man die neusten technologischen Entwicklungen, wie bspw. Künstlicher Intel-
ligenz und Blockchain zusammen, stellt sich die Frage, inwieweit diese Fortschritte im
Bereich der Digitalisierung eine Entwicklung hin zum Web 5.0 bedeuten. Nach aktuel-
lem Verständnis wird unter Web 5.0 das selbstständige teilnehmen von Geräten und
Maschinen im Alltag und im Wirtschaftskreislauf verstanden. Aufgaben und Tätigkei-
ten von Mensch und Maschine würden zunehmend miteinander verschmelzen und Com-
puter sowie Roboter dem Menschen vermehrt als persönliche Assistenten dienen (Smith
2018). Im Gesundheitswesen wird in diesem Zusammenhang bereits diskutiert inwie-
weit Pflegeroboter Aufgaben des Menschen erfüllen können und diesen sowohl fachlich
als menschlich hinsichtlich ihrer Empathie ersetzen können (Schulz 2018). Auf Grund
dieser engen Verbindung von Mensch und Maschine, die über rein technische Funktio-
nen hinausgeht, wird in der Wissenschaft häufig der Begriff „Emotional Web 5.0“ an-
geführt (Benito-Osorio et al. 2013). Dabei ist davon auszugehen, dass zukünftig auf
Grund von künstlicher Intelligenz Roboter in der Lage sein werden, wie Menschen zu
kommunizieren, zu denken und zu handeln, was zu einer emotionalen Interaktion zwi-
schen Mensch und Maschine führt (Smith 2018). Inwieweit dies zu ethischen Problemen
und Diskussionen führt, kann an dieser Stelle nur angedeutet werden.
Die Handlungsmatrix als Modularstruktur für die Digitale Wirtschaft 121
Systeme: Hier werden alle Aspekte bezüglich der technischen Grundlagen für die
Durchführung elektronischer Geschäftsprozesse behandelt. Dazu gehören insbeson-
dere Entscheidungen über die eingesetzte Hard- und Software, den technischen Auf-
bau und die Nutzung von Datenbanken und Katalogen sowie Fragen hinsichtlich der
Gestaltung von Systemarchitekturen, Systemschnittstellen und Benutzeroberflächen.
Ferner werden auch die technischen Grundlagen in den Bereichen Content Manage-
ment- und Warenwirtschaftssysteme angesprochen.
Prozesse: Hier werden alle Aspekte bezüglich der prozessualen Grundlagen für die
Durchführung elektronischer Geschäftsprozesse behandelt. Dazu gehört besonders
die Darstellung der konkreten Abläufe für verschiedene Einkaufs- (z. B. eTracking),
Verkaufs- (z. B. eSales oder ePayment) und Handelsprozesse (z. B. eMatching oder
eAuction). Dazu zählen auch die prozessualen Grundlagen in den Bereichen Distri-
bution und Controlling.
Management: Hier werden alle Aspekte bezüglich der strategischen Grundlagen zur
Durchführung elektronischer Geschäftsprozesse behandelt. Dazu gehört besonders
die Analyse des Online-Angebotes (z. B. eService), des Online-Marktes (z. B. eCus-
tomer) und des Online-Wettbewerbs (z. B. Markteintritt). Dabei sollen auch die spezi-
ellen Erfolgsfaktoren für das Management der drei zentralen Plattformen angespro-
chen werden (z. B. kritische Masse). Hinzu kommen strategische Grundlagen in den
Bereichen Online-Kooperation und eSupply Chain Management.
Hardware, Software, Datenbanken, Kataloge, Architekturen, Standards, Design, CMS, ERP, Ajax, SOA, Groupware
Systeme
(Kapitel 2.1) (Kapitel 3.1) (Kapitel 4.1) (Kapitel 5.1) (Kapitel 6.1)
eSales, eTracking, ePayment, eFulfillment, Anbahnung, Matching, Vereinbarung, Auktionen, eDistribution, eControlling, eBlogging
Prozesse
(Kapitel 2.2) (Kapitel 3.2) (Kapitel 4.2) (Kapitel 5.2) (Kapitel 6.2)
Produkt, Markt, Wettbewerb, Strategie, Analyse, Erfolgsfaktoren, Kooperationen, eSCM, Kopplung, Vertrauen, Dialog
Management
(Kapitel 2.3) (Kapitel 3.3) (Kapitel 4.3) (Kapitel 5.3) (Kapitel 6.3)
Abb. 47: Die Handlungsmatrix als Modularstruktur für die Digitale Wirtschaft
auf eine spezielle Plattform (z. B. Online-Verkauf von Produkten: E-Shop), so kann es
bzw. er sich mit einem entsprechenden Gesamtkapitel vertikal befassen (s. Kapitel 3) und
erhält hier alle Ausführungen zu den Handlungsbausteinen. Durch die Kombination von
technischen („Systeme“), managementorientierten („Prozesse“, „Management“ und
„Marketing“) und praxisorientierten Bausteinen bildet das Lehrbuch zudem eine Schnitt-
stelle zwischen BWL und Wirtschaftsinformatik und ist damit für eine breite Zielgruppe
aus Theorie und Praxis von Interesse.
Dabei bleibt es weiterhin das Ziel, einen umfassenden Gesamtüberblick zum Themen-
feld „E-Business“ zu liefern, womit auch der Umfang dieses Werkes gerechtfertigt er-
scheint, ohne jedoch einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Es geht dabei um
einen theoriegeleiteten Überblick über das Themenfeld, welches insbesondere in For-
schung und Lehre (Bachelor/Master-Studiengänge) eingesetzt werden kann. Auch wenn
Praktiker in den Ausführungen selbstverständlich ebenso wertvolle Anregungen und da-
mit ein solides und umsetzbares Fundament für ihre Arbeit finden werden, so ist es eben
doch kein reines „Kochbuch“ mit Checklisten für die Tagesarbeit. Dieses Buch befasst
sich analog zu seinem Untertitel eben mit den „Grundlagen elektronischer Geschäftspro-
zesse in der Digitalen Wirtschaft“ und soll dem Leser einen ersten strukturierten Überblick
über die Vielfalt und die Möglichkeiten des Themas „E-Business“ geben. Ferner wird da-
rauf Wert gelegt, dass die theoretischen Ursprünge nicht verloren gehen. Es ist deswe-
gen eben kein Anliegen dieses Lehrbuchs, nur die Quellen der letzten drei Jahre aufzuar-
beiten, sondern sich vielmehr auch mit den Ursprüngen der theoretischen Überlegungen
auseinanderzusetzen, deren Erkenntnisse heute immer noch Gültigkeit haben. In Ergän-
zung zu den Ausführungen im Buch sei an dieser Stelle auch nochmals auf die multime-
dialen Ergänzungen im Internet und Weiterbildungsangebote hingewiesen:
Übungsaufgaben
4. Worin liegt der generelle Unterschied zwischen der Realwirtschaft und der Digitalen
Wirtschaft? Argumentieren Sie hierbei besonders anhand der differierenden Mög-
lichkeiten zur Abwicklung von Geschäftsprozessen und der Ausgestaltung einer dies-
bezüglichen Wertschöpfung.
6. Welche zentralen Plattformen existieren in der Digitalen Wirtschaft und wie unter-
scheiden sich diese bezüglich der Bausteine „Information“, „Kommunikation“ und
„Transaktion“? Nutzen Sie den folgenden Tabellenansatz als Grundlage Ihrer Ant-
wort und finden Sie je drei Praxisbeispiele pro Plattform im Internet.
9. Im Rahmen der Individualität spielt die Personalisierung eine bedeutende Rolle. Er-
läutern Sie in diesem Kontext das Konzept der lernenden Kundenbeziehungen.
10. In der Digitalen Wirtschaft spielt „Information“ als eigener Wettbewerbsfaktor eine
zentrale Rolle. Um den Wert zu erfassen, werden in der Literatur drei Dimensionen
für die Form der Informationsübermittlung herangezogen. Benennen Sie zunächst
diese Dimensionen und beschreiben Sie ferner kurz jeweils zwei dazugehörige Attri-
bute.
11. Um in der Digitalen Wirtschaft einen elektronischen Mehrwert zu erzeugen, wird ein
zentraler, aus drei Schritten bestehender elektronischer Wertschöpfungsprozess un-
terstellt. Beschreiben Sie zunächst das allgemeine Konzept dieses sog. „Informati-
onsdreisprungs“. Erläutern Sie Ihre Ausführungen sodann im Hinblick auf die kon-
krete Ausgestaltung mit Hilfe je eines Beispiels Ihrer Wahl für einen E-Marketplace
und einen E-Shop.
12. Beschreiben Sie die sieben Grundprinzipien des Web 2.0 und geben Sie jeweils Pra-
xisbeispiele für deren Umsetzung. Welche Implikationen bringen die einzelnen
Grundprinzipien in Hinblick auf das E-Business mit sich?
13. Erläutern Sie den Unterschied zwischen der syntaktischen und der semantischen In-
formationskomponente und erklären Sie, welche Rolle diese beiden Informations-
komponenten (a) im Web 1.0, (b) im Web 2.0 und (c) im Web 3.0 spielen.
14. Beschreiben Sie die vier entscheidenden Merkmale, die Dienste im Web 3.0 bzw.
Semantic Web Services mit sich bringen werden. Wo liegt der Unterschied zu den im
aktuellen Web eingesetzten Web Services und zu REST-basierten Diensten?
16. Nennen und beschreiben Sie die fünf zentralen Bausteine im E-Business.
126 Die Grundlagen des E-Business
17. Nennen und beschreiben Sie die Nutzungsattribute der mobilen Kommunikation nach
Durlacher. Identifizieren Sie momentan am Markt vorhandene Geschäftsmodelle,
die auf den einzelnen Attributen basieren.
18. Beschreiben Sie die beiden wesentlichen Treiber für die zunehmende Mobilisierung
in der Gesellschaft und diskutieren Sie die wirtschaftliche Bedeutung der mobilen
Datenübertragung.
19. Adaptionsleistungen können auf drei Ebenen stattfinden. Nennen und beschreiben
Sie diese drei Ebenen.
21. Grenzen Sie Web 4.0 und 5.0 möglichst umfassend voneinander ab. Finden Sie für
alle vier Ausprägungen drei existierende Plattformen im Internet.
23. Erläutern Sie das ökonomische Verhältnis von virtueller und realer Welt.
24. Erläutern Sie, was sich hinter den 5Cs verbirgt. Geben Sie dann je „C“ ein prakti-
sches Beispiel.
25. Beschreiben Sie die fünf Leistungsfaktoren, die ein interaktives Fernsehsystem erfül-
len sollte.
26. Anhand von drei Stufen der Interaktivität lassen sich verschiedene Formen des in-
teraktiven Fernsehens voneinander abgrenzen. Beschreiben Sie diese drei Stufen an-
hand eines praktischen Beispiels.
27. Aus dem Konvergenzprozess zwischen Fernsehen und neuen, multimedialen Medien
resultieren drei Modelle für ein interaktives Fernsehsystem. Beschreiben Sie diese
drei Modelle und erdenken Sie je Modell ein praktisches Beispiel.
28. Im Rahmen der mobilen Kommunikation lassen sich verschiedene Vorteile identifi-
zieren. Stellen Sie die Vorteile für die Anbieter- und Nachfragerseite gegenüber.
Übungsaufgaben 127
30. Für das T-Commerce können drei Szenarien unterschieden werden. Beschreiben Sie
diese drei Szenarien und erdenken Sie für jedes Szenario ein praktisches Beispiel.
32. Beschreiben Sie die Wesensmerkmale von „Industrie 4.0“ und grenzen Sie diesen
Begriff von dem der „Digitalen Wirtschaft“ ab.
33. Nennen und beschreiben Sie vor dem Hintergrund des Datenmengenwachstums die
fünf Facetten von Big Data. Gehen Sie anschließend auf die Mobilisierung der Da-
tenübertragung ein, indem Sie die neuen technischen Entwicklungen in diesem Zu-
sammenhang erläutern.
34. Nennen und beschreiben Sie die Anforderungen an den Datenschutz. Gehen Sie da-
bei insbesondere auf die Wichtigkeit des Datenschutzes in der Digitalen Wirtschaft
ein.
35. Beschreiben Sie die Ziele der neuen Datenschutz-Grundverordnung und erläutern
Sie dabei kritisch die Implikationen für die Plattformen der Digitalen Wirtschaft.
36. Beschreiben Sie die Besonderheiten von Augmented- und Virtual Reality. Gehen Sie
dabei insbesondere auf die unterschiedlichen Anwendungsfelder im Bereich der Di-
gitalen Wirtschaft ein.
37. Erklären Sie die Künstliche Intelligenz (KI), indem Sie explizit auf Maschinelles Ler-
nen sowie Deep Learning eingehen. Zeigen Sie anschließend Anwendungsfelder von
KI auf und erörtern mögliche Implikationen für die Plattformen der Digitalen Wirt-
schaft.
38. Erklären Sie die Blockchain-Technologie, indem Sie explizit auf die zugrundeliegen-
den Technologien eingehen. Zeigen Sie anschließend Anwendungsfelder sowie Vor-
und Nachteile der Blockchain-Technologie auf.
128 Die Grundlagen des E-Business
Klausuraufgaben
1. Klausuraufgabe: „x-print.de“
Zusammen mit Ihrem Kommilitonen Kim Werners-Li sind Sie auf die Idee gekommen, ein
eigenes Internet-Startup mit dem Namen „x-print.de“ zu gründen. „x-print.de“ soll es den
Betreibern von Internetseiten ermöglichen, den Publikumserfolg ihrer Homepages
schnell, einfach und unabhängig zu vermarkten. Homepagebetreiber sollen es mit den von
„x-print.de“ zur Verfügung gestellten Internetdiensten schaffen, binnen weniger Minuten
einen eigenen E-Shop mit selbstgestalteten Fanartikeln (T-Shirts, Caps, Buttons, Mouse-
pads, u. ä.) einzurichten und diesen dann in die eigene Homepage zu integrieren. Dazu
müssen die Homepagebetreiber lediglich die Dateien ihrer Grafiken bzw. Logos in das
System einspielen und die in ihrem E-Shop anzuzeigenden Fanartikel auswählen – alle
notwendigen Funktionen, um die individuellen Merchandisingprodukte online zu vertrei-
ben, übernimmt „x-print.de“. Sie und Herr Werners-Li geben dabei einen Basispreis für
die entsprechenden Fanartikel vor, der von den Homepagebetreibern jedoch durch eine
eigene Marge erweitert werden kann. Zusammen mit Ihrem Partner prüfen Sie in einem
Workshop die gemeinsame Geschäftsidee. Dabei diskutieren Sie die folgenden Fragen:
(a) Als Unternehmen der Digitalen Wirtschaft verfügt „x-print.de“ über einen elektroni-
schen Wertschöpfungsprozess, dem die Sammlung, Verarbeitung und Übertragung
von Informationen zugrunde liegt. Beschreiben Sie, welche Informationen im Falle von
„x-print.de“ gesammelt, wie diese verarbeitet und anschließend übertragen werden.
Berücksichtigen Sie, dass in diesem Zusammenhang sowohl die Homepagebetreiber
als auch die Endkunden eine wichtige Informationsquelle darstellen.
(b) Die Geschäftsidee von „x-print.de“ umfasst auch eine physische Wertschöpfungskette.
Beschreiben Sie zunächst drei Wertschöpfungsaktivitäten innerhalb der realen Han-
delsebene, die für das operative Geschäft von „x-print.de“ von zentraler Bedeutung
sind. Beschreiben Sie dann anhand von zwei konkreten Beispielen Ihrer Wahl, welche
Unterstützungsmöglichkeiten aus der virtuellen Wertschöpfungskette für die Durch-
führung des operativen Geschäftes zum Tragen kommen können.
(c) Welche produktbezogenen Formen der „Individualisierung“ könnte ein Nutzer
(Homepage-Betreiber und Endkunde) des Systems von „x-print.de“ noch erwarten?
Geben Sie für beide Zielgruppen je ein Praxisbeispiel Ihrer Wahl.
2. Klausuraufgabe: „get-a-camera.com“
Herr Knipser ist ein begeisterter Hobby-Fotograf und denkt schon seit längerem über eine
Selbständigkeit auf diesem Gebiet nach. Vor diesem Hintergrund hat er unlängst in der
Klausuraufgaben 129
3. Klausuraufgabe: „flipperhit.de“
Auf einer der vielen Social-Networking-Veranstaltungen, die Sie neuerdings besuchen,
treffen Sie Herrn Schöngeist. Herr Schöngeist ist Mitgründer und Geschäftsführer von
„flipperhit.de“ – einer Tauschcommunity für Musik-CDs. Da Sie nach dem Besuch der
E-Business-Grundlagen-Vorlesung ernsthaft mit dem Gedanken spielen sich ebenfalls
selbstständig zu machen, nutzen Sie die Gelegenheit, um Herrn Schöngeist nach seinem Un-
ternehmen zu befragen. Dabei erfahren Sie, dass man sich kostenlos bei „flipper
hit.de“ anmelden kann, um einen Zugang zu erhalten, mit dem man sowohl Musik-CDs
zum Tausch einstellen kann als auch selbst Artikel „wegtauschen“ kann. Auf Ihre Anmer-
kung hin, dass es ärgerlich ist, dass beim Tauschen der jeweilige Tauschpartner einen
Artikel besitzen müsste, der Ihnen mindestens so viel wert ist, wie Ihre eigene CD, entgeg-
net Ihnen Herr Schöngeist, dass bei „flipperhit.de“ kein 1:1 Tausch stattfindet. Stattdessen
ist jede erworbene CD mit „Flippern“, einer virtuellen Währung, an den Anbieter und
mit 99ct. an „flipperhit.de“ zu begleichen. Die „Flipper“, die der Anbieter der CD erhält,
kann er für seinen nächsten Tausch einsetzen. Weil die „Flipper“ aber auch käuflich zu
erwerben sind, können sich auch diejenigen, die keinen eigenen Artikel anzubieten haben,
eine Musik-CD ertauschen. Sie sind von der Idee ganz begeistert und fragen, warum Herr
Schöngeist ausgerechnet eine Tauschbörse für Musik-CDs ins Leben gerufen hat. Darauf
130 Die Grundlagen des E-Business
antwortet Ihnen Herr Schöngeist, dass Musik eben eine optimale Eignung für den Online-
Verkauf und deshalb auch für den Online-Tausch aufweist. Dann wendet er sich dem nächs-
ten Gesprächspartner zu. Bevor auch Sie weitere Kontakte pflegen, halten Sie noch einmal
die wichtigsten Informationen fest, die Sie im Gespräch mit Herrn Schöngeist zu seinem
Unternehmen „flipperhit.de“ erhalten haben:
(a) Worin besteht die Kernleistung von „flipperhit.de“? Welche Nebenleistungen wären
denkbar? Nennen Sie zunächst die Kernleistung von „flipperhit.de“ und geben Sie
zwei konkrete Beispiele wie Nebenleistungen aussehen könnten?
(b) Welches Geschäftsmodell verfolgt „flipperhit.de“? Begründen Sie Ihre Antwort, indem
Sie auf das Erlösmodell und den Mehrwert eingehen?
(c) Welche Instrumente des Viral-Marketings (s. Kapitel 3.4.1.4) würden Sie Herrn Schön-
geist empfehlen? Machen Sie zwei konkrete Vorschläge und begründen Sie Ihre Wahl.
4. Klausuraufgabe: „mob-i-uni.de“
Der vom Lehrstuhl für E-Business & E-Entrepreneurship veranstaltete netSTART-Award,
ein Ideenwettbewerb für innovative Ideen innerhalb der Digitalen Wirtschaft, widmet
sich im diesem Jahr ganz dem Thema der mobilen Applikationen. An diesem Wettbewerb
möchte Felix Schumann, ein Student der Universität Duisburg-Essen teilnehmen, der zwei
Ideen für das mobile Internet unter dem Titel „mob-i-uni.de“ entwickelt hat, die er für
vielversprechend hält. Bei der ersten Idee handelt es sich um eine mobile Version des
Studentenportals „skripte4u.de“. In diesem Fall soll eine mobile Version programmiert
werden, die über das Smartphone aufgerufen werden kann. Hierbei wird der gleiche
Inhalt der Homepage lediglich mobil verfügbar sein. Als Erlösmöglichkeit will er auf
Banner-Werbung zurückgreifen. Bei der zweiten Idee handelt es sich um eine mobile
Applikation, mit der Studierende mittels moderner Ortungsmethoden über den Aufent-
haltsort ihrer Kommilitonen informiert werden. Mit dieser Applikation können sich Stu-
dierende schnell und unkompliziert auf dem Campus treffen, um sich über studienrele-
vante Themen auszutauschen oder gemeinsam die Mensa zu besuchen. Diese Applikation
soll über den App-Store angeboten werden. Bei dieser Idee soll auf Werbung verzichtet
werden. Teilnahmevoraussetzung für den netSTART-Award ist die Einreichung eines
Ideenpapiers, bei der eine mobile Applikation im engeren Sinne beschrieben wird. Leider
hat Felix nicht die Vorlesung E-Business und E-Entrepreneurship von Professor Kollmann
besucht und verfügt auch sonst über keine Erfahrungen in diesem Bereich. Aus diesem
Grund bittet Felix Sie um Rat bei der Beantwortung der folgenden Fragen:
(a) Grenzen Sie basierend auf den Definitionen von M-Entrepreneurship die beiden Ideen
von Felix voneinander ab und diskutieren Sie sich ergebende Mehrwerte für den Kun-
den. Welche der beiden Ideen von Felix hat Ihrer Meinung nach eine höhere Chance auf
den Gewinn beim diesjährigen Ideenwettbewerb? Begründen Sie Ihre Antwort.
Klausuraufgaben 131
(b) Die Planung des Erlösmodells ist für die Geschäftsidee von zentraler Bedeutung. Be-
nennen und beschreiben Sie zunächst allgemein die unterschiedlichen grundsätzlichen
Erlösmodelle. Schlagen Sie Felix dann für seine beiden Ideen jeweils ein geeignetes Er-
lösmodell vor. Begründen Sie Ihre Antwort.
(c) Mit den Nutzungsattributen der mobilen Kommunikation können dem Konsumenten
innovative Produkte und Dienstleistungen angeboten werden, die weit über ein „nur“
mobiles Internet hinausgehen. Erläutern Sie zunächst drei dieser Nutzungsattribute
und bewerten Sie dann mit Begründung, inwieweit die beiden Ideen von Felix diese
Attribute aufweisen oder nicht.
5. Klausuraufgabe: „meinmotorrad.de“
Die zwei Studenten Kai und Felix sind im Startup-Fieber! Ihre Idee basiert auf der Ver-
marktung von neuen Motorrädern. Das Unternehmen soll unter dem Namen und der Do-
main „meinmotorrad.de“ gegründet werden. Das Ziel ist dem Kunden den kostengüns-
tigsten Preis für ein neues Motorrad anbieten zu können. Nach ersten Kalkulationen
möchten die beiden Studenten mit einem Absatz von 25.000 Motorrädern der größte Mo-
torradhändler für Neufahrzeuge in Deutschland werden. Da diese große Stückzahl logis-
tische Herausforderungen mit sich bringt, sollen die Motorräder beim Vertragshändler
abgeholt werden. Bereits von Beginn an sollen Kooperationen mit den führenden Herstel-
lern von Motorrädern geschlossen sein, damit das Unternehmen seinen Kunden alle gän-
gigen Marken anbieten kann. Die Fahrzeuge sollen direkt vom Großhändler, also ohne
weitere Zwischenhändler, vermarket werden. Nur das beste Angebot wird auf der Inter-
netseite von „meinmotorrad.de“ angezeigt, sodass dem Kunden der günstigste Preis ga-
rantiert wird. Zusätzlich soll mittels eines Online-Forums und einer Telefon-Hotline eine
enge Kommunikation mit dem Kunden sichergestellt sein, um bei möglichen Problemen
eine schnelle Hilfe anbieten zu können. Die zwei Studenten möchten, anstelle von Ver-
kaufsräumen, einen Konfigurator entwickeln, der es den Kunden ermöglicht eine virtuelle
360°-Ansicht auf das Motorrad zu nehmen. Zusätzlich werden detaillierte Informationen
über das Motorrad sowie Fotos und Videos bereitgestellt, um dem Kunden einen möglichst
genauen Eindruck des Motorrads geben zu können. Vor der Gründung von „meinmotor-
rad.de“ haben die beiden noch einige ungeklärte Fragen, die Sie als guter Freund und
Experte in diesem Bereich gerne beantworten:
(a) Im Rahmen der elektronischen Wertschöpfung werden sechs Mehrwerte unterschie-
den. Beschreiben Sie zunächst drei elektronische Mehrwerte Ihrer Wahl allgemein.
Entscheiden Sie dann, inwieweit jeder dieser drei Mehrwerte von „meinmotorrad
.de“ geschöpft werden könnte. Begründen Sie Ihre Entscheidungen.
(b) Verbunden mit den zu schöpfenden Mehrwerten können im E-Business fünf typische
Geschäftskonzepte unterschieden werden. Nennen Sie diese fünf Konzepte. Wählen Sie
dann das für „meinmotorrad.de“ passende Konzept aus. Begründen Sie Ihre Wahl.
132 Die Grundlagen des E-Business
(c) Die Erlöse im E-Business ergeben sich primär aus der direkt angebotenen elektroni-
schen Kernleistung. Dennoch können auch über die Nebenleistung Einnahmen gene-
riert werden. Beschreiben Sie zunächst die drei existierenden Erlösmodelle. Wählen
Sie dann – mit Begründung – das auf „meinmotorrad.de“ passende Modell aus.
6. Klausuraufgabe: „meinemarmelade.de“
Basierend auf der Vorlesung E-Business-Grundlagen und dem darin behandelten zuneh-
menden Trend zur individuellen Produktgestaltung hat Herr Schöngeist eine neue Ge-
schäftsidee entwickelt, die Kunden die Möglichkeit geben soll, eine nach ihren Präferen-
zen zusammengestellten Marmelade erwerben zu können. Das Unternehmen soll „meine-
marmelade.de“ heißen. Als Basisbestandteil kann der Kunde zwischen diversen Früchten
wie beispielsweise Erdbeere, Pfirsich oder Waldfrucht wählen, die auch untereinander
gemischt werden können. Zusätzlich können weitere Inhaltsstoffe wie Gewürze oder Nüsse
hinzugemischt werden. Über die Menge und Anteile der Zutaten, die letztlich den Preis
der Marmelade bestimmen, entscheidet der Kunde selbst. Um die Auswahl an Inhaltsstof-
fen bestimmen zu können, erkundigt sich Herr Schöngeist bei Freunden nach deren Prä-
ferenzen, was zu der Erkenntnis führt, dass er neben den üblichen Zutaten auch exotische
Gewürze wie Chili, Pfeffer und Kümmel anbieten sollte. Dies verwundert ihn anfangs,
aber nach weiteren Überlegungen entscheidet er sich dennoch diese Zutaten zur Auswahl
bereitzustellen. Der Verkauf erfolgt über einen E-Shop, um möglichst viele potenzielle
Kunden ansprechen zu können und somit die Kosten des E-Customizationprozesses mög-
lichst gering zu halten. Die Gestaltung des E-Shops übernimmt eine IT-Agentur. Bisher
sind Herrn Schöngeist keine weiteren Anbieter von individualisierter Marmelade in
Deutschland bekannt, wobei bereits einige Unternehmen auf dem englischen und ameri-
kanischen Markt individualisierte Marmelade anbieten bzw. auch Anbieter von individu-
alisierter Schokolade oder Müsli als potenzielle Konkurrenten anzusehen sind. Vor der
Gründung und Umsetzung seiner Geschäftsidee hat Herr Schöngeist noch einige unge-
klärte Fragen, die Sie als guter Freund und Experte in diesem Bereich gerne beantworten:
(a) Die Customization von Produkten durch einen sogenannten Produktkonfigurator er-
möglicht die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, sodass ein E-Shop über die Nut-
zung von Konfigurationsmodellen dem Kunden ein individuelles Produkt anbieten
kann. Nennen und erklären Sie am Fallbeispiel von „meinemarmelade.de“ die drei
Prozessschritte zur Customization.
(b) Die Erlöse im E-Business ergeben sich primär aus der direkt angebotenen elektroni-
schen Kernleistung. Dennoch können auch über die Nebenleistung Einnahmen gene-
riert werden. Beschreiben Sie zunächst das hinter “meinemarmelade.de“ stehende Er-
lösmodell theoretisch. Identifizieren Sie dann drei mögliche Nebenleistungen, die für
Herrn Schöngeist infrage kommen könnten.
Klausuraufgaben 133
(c) Im E-Business lassen sich, unabhängig davon ob es sich um eine Kern- oder eine Ne-
benleistung handelt, drei idealtypische Erlössystematiken identifizieren. Beschreiben
Sie diese kurz. Begründen Sie dann für jede der drei Systematiken, inwieweit sich diese
für „meinemarmelade.de“ eignet.
8. Klausuraufgabe: „Müllers-Fahrradwerk.de“
Bereits seit 35 Jahren führen die Eltern von Jan das Familienunternehmen „Müllers-
Fahrradwerk“, ein kleiner stationärer Fahrradladen in Essen speziell für Rennräder und
Mountainbikes. Das Geschäft zeichnet sich insbesondere durch hochwertige Produkte und
ausgezeichnete Beratung aus, sodass Fahrradfahrer aus dem gesamten Ruhrgebiet nach
Essen kommen. Zu der angebotenen Produktpalette gehören sowohl Kompletträder &
Einzelteile als auch Rad-Bekleidung sowie Werkzeug & Zubehör. Neben dem reinen Ver-
kauf werden auch Reparaturen, Wartungen und persönliche Anpassungen angeboten.
Trotz des hohen Bekanntheitsgrades sowie der ausgesprochen guten Reputation, sinken
die Absatzzahlen in den letzten Jahren kontinuierlich und die Gewinne schrumpfen. Eine
mögliche Begründung könnte darin liegen, dass die (potenziellen) Kunden nicht mehr in
das Geschäft kommen, sondern Fahrräder und Nebenprodukte vermehrt über das Internet
kaufen. Die geschäftsführenden Eltern möchten aus diesem Grund ihren Sohn und Nach-
folger mit der Aufgabe betrauen „Müllers-Fahrradwerk“ wieder erfolgreich und zu-
kunftsfähig zu machen. Dafür soll eine elektronische Plattform der Digitalen Wirtschaft
genutzt werden, um die elektronischen Geschäftsprozesse abzuwickeln. Da Jan zwar ein
guter Programmierer ist, aber nur eingeschränkte Kenntnisse in den Bereichen Digitale
Wirtschaft hat, werden Sie als guter Freund und E-Business Manager kontaktiert und um
Hilfe gebeten. Bitte nehmen Sie dabei zu den folgenden Aussagen Stellung:
(a) Im E-Business haben sich verschiedene zentrale digitale Plattformen gebildet, welche
als Basis für die Abwicklung elektronischer Geschäftsprozesse dienen. Nennen und
beschreiben Sie die Plattformen der Digitalen Wirtschaft. Erläutern Sie anschließend
zu welcher digitalen Plattform Sie Jan raten würden, um die aufgezeigten elektroni-
schen Geschäftsprozesse bestmöglich abzuwickeln.
(b) Damit das Online-Angebot von Jan für die Kunden attraktiv wird, muss zunächst ge-
klärt werden, welche elektronischen Mehrwerte geschöpft werden. Nennen und be-
schreiben Sie zunächst die elektronischen Mehrwerte allgemein. Erläutern Sie an-
schließend welche elektronischen Mehrwerte bei „Müllers-Fahhradwerk.de“ erzeugt
werden.
9. Klausuraufgabe: „Guccini.de“
Ihre gute Freundin Gerda Guccini betreibt das Familienunternehmen Guccini, eine kleine
Mode-Boutique in der Hamburger Innenstadt speziell für exklusive Designerkleidung. Ge-
Klausuraufgaben 135
rade setzt Gerda als Geschäftsführerin vor allem auf exklusive und handgefertigte Einzel-
stücke, die direkt vom Pariser Laufsteg zu ihr ins Geschäft geliefert werden und die es in
keinem anderen Laden zu kaufen gibt. Die Möglichkeit exklusive Designerkleidungsstücke
zu erwerben, wird von ihren Kunden sehr positiv wahrgenommen. Während das Geschäft,
das seit ca. 80 Jahren im Familienbesitz ist, durch die viele, wenn auch meist anonyme
Laufkundschaft bis vor einigen Jahren hohe Absatzzahlen und dadurch relativ hohe Ge-
winne erzielen konnte, ist der Umsatz in den letzten Jahren stetig zurückgegangen, was
vor allem daran liegt, dass potenzielle Kunden nicht mehr in das Geschäft kommen, son-
dern Mode vermehrt im Internet bei Konkurrenten wir haute-couture-paris.de kaufen. Als
zukünftiger E-Business-Manager verfügen Sie über wichtiges und hilfreiches Wissen über
die Digitale Wirtschaft und möchten Ihrer Freundin Gerda dabei helfen, eine mögliche
Geschäftsaufgabe zu verhindern, indem Sie mit ihr über die Möglichkeit der Einrichtung
des E-Shops „Guccini.de“ als möglichen zusätzlichen Vertriebskanal nachdenken. Neh-
men Sie dabei zu den folgenden Fragen Stellung:
(a) In der Digitalen Wirtschaft wird für Kunden beim elektronischen Wertschöpfungspro-
zess mittels des Guts „Information“ in drei chronologischen Schritten (Informations-
dreisprung) ein Mehrwert bzw. mehrere Mehrwerte erzeugt. Nennen Sie diese drei In-
formationsaktivitäten und beschreiben Sie jeweils anhand des Fallbeispiels, wie diese
genau aussehen könnten.
(b) Jedes elektronische Geschäftsmodell folgt mindestens einem der „fünf Cs“. Nennen
Sie zwei dieser fünf Cs und diskutieren kurz deren Ausprägung im vorliegenden Fall.
Beurteilen Sie außerdem, was im Fallbeispiel als Kernleistung und was als Nebenleis-
tung in Betracht kommt.
(c) Im E-Business gibt es, unabhängig von Kern- oder Nebenleistung, drei idealtypische
Erlössystematiken. Beschreiben Sie zunächst die drei unterschiedlichen Erlössystema-
tiken. Begründen Sie anschließend jeweils, inwieweit sich die drei jeweiligen Erlös-
systematiken für „Guccini.de“ eignen.
Alternativ:
(c) Im E-Business lassen sich über E-Customization Potenziale zur Umsatzsteigerung
durch Individualisierung ausschöpfen. Erläutern Sie das Prinzip der E-Customization
im Allgemeinen und gehen dabei auch auf die einzelnen Schritte des E-Customization-
Prozesses ein. Beschreiben Sie in diesem Zusammenhang eine konkrete Möglichkeit
zur E-Customization im vorliegenden Beispiel.
136 Die Grundlagen des E-Business
ARD/ZDF (2018): ARD/ZDF-Onlinestudie 2017: Neun von zehn Deutschen sind online.
Bewegtbild insgesamt stagniert, während Streamingdienste zunehmen - im Ver-
gleich zu klassischem Fernsehen jedoch eine geringe Rolle spielen, http://www.
ard-zdf-onlinestudie.de/ardzdf-onlinestudie-2017/, Zugriff am 30.07.2018.
BITKOM (2017a): Zukunft der Consumer Technology – 2017, http://www.digita-
lestadt.org/bitkom/org/noindex/Publikationen/2017/Studien/2017/CT-Stu-
die/170901-CT-Studie-online.pdf, Zugriff am 30.07.2018.
Bundesbeauftragte für den Datenschutz und Informationsfreiheit (2018): Was ist Da-
tenschutz?, https://www.bfdi.bund.de/DE/Datenschutz/datenschutz-node.html,
Zugriff am 21.09.2018.
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2018a): Monitoring-Report Wirt-
schaft DIGITAL 2018, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Digi-
tale-Welt/monitoring-report-wirtschaft-digital-2018-ikt-standort-deutsch-
land.pdf?__blob=publicationFile&v=22, Zugriff am 31.01.2019.
Burgwinkel, D. (2016): Blockchain Technology: Einführung für Business- und IT Mana-
ger, Berlin.
Buxmann, P./Schmidt, H. (2018): Künstliche Intelligenz: Mit Algorithmen zum wirt-
schaftlichen Erfolg, Berlin/Heidelberg.
Cohen, A.M. (2009): Types of Clouds, in: Futurist, Jg. 43, Nr.18.
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im digitalen Zeitalter, in Personal Entwickeln Dezember 2015, Capgemini. https://
www.capgemini.com/consulting-de/wp-content/uploads/sites/32/2017/08/14-10-
16_digital_leadership_v11_web_17102016.pdf, Zugriff am 14.11.2018.
Deutsch, M./Ebert, D./ Von der Gracht, H./ Lichtenau, P. (2016): Neue Dimensionen
der Realität – Executive Summary zur Studie der Potenziale von Virtual und Aug-
mented Reality in Unternehmen.
Drescher, D. (2017): Blockchain Grundlagen. Eine Einführung in die elementaren Kon-
zepte in 25 Schritten, Frechen.
Fischer, S. (2016): Agilität als höchste Form der Anpassungsfähigkeit, https://www.haufe
.de/personal/hr-management/agilitaet/definition-agilitaet-als-hoechste-form-der-
anpassungsfaehigkeit_80_378520.html, Zugriff am 14.11.2018.
Literatur zum Kapitel (Auswahl) 137
Das E-Procurement steht allgemein als Begriff für den elektronischen Einkauf von Pro-
dukten bzw. Dienstleistungen durch ein Unternehmen über digitale Netzwerke. Damit
erfolgt eine Integration innovativer Informations- und Kommunikationstechnologien zur
Unterstützung bzw. Abwicklung von operativen, taktischen und strategischen Aufgaben
im Beschaffungsbereich. Das „E-Procurement“ stellt dabei im Prinzip einen Sammelbe-
griff für die elektronisch unterstützte Beschaffung dar, ohne dass jedoch eindeutig definiert
werden kann, was alles darunter zu verstehen ist. Einigkeit herrscht in der Literatur aller-
dings darin, dass der Einsatz von Internettechnologien ein Kernelement von E-Procure-
ment-Konzepten darstellt (Nekolar 2013; Bogaschewsky 1999). Die Grundidee des elekt-
ronischen Einkaufs ist also darin zu sehen, dass die Beziehung und die einkaufsrelevanten
Abläufe zwischen einem Unternehmen (Einkäufer) und einem Lieferanten (Verkäufer)
über die mit Hilfe des Internets vernetzten Computer (s. Kapitel 1.2.1) mit dem zugehöri-
gen elektronischen Informationsaustausch (s. Kapitel 1.3) abgewickelt werden (s. Abb.
48).
Obwohl das E-Procurement bereits seit Anfang der 2000er-Jahre Einzug in den Alltag
vieler Unternehmen gefunden hat, zeigen Untersuchungen, dass Unternehmen auch wei-
terhin mit steigenden Bestell- bzw. Beschaffungsvolumina über E-Procurement-Tools pla-
nen (Bogaschewsky 2015). Hintergrund für die Zunahme des Einsatzes elektronischer
Informationstechnologien im Beschaffungsbereich und damit Kerntreiber für das E-Procu-
rement waren zahlreiche Probleme in der realen Beschaffung, die mit Hilfe der elektro-
nischen Informationsverarbeitung gelöst werden sollten. Zu diesen Problemen gehören
insbesondere die folgenden Aspekte (Dolmetsch 2000, S. 11 f.):
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019
T. Kollmann, E-Business, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26143-6_2
140 Die Grundlagen des E-Procurement
Vor dem Hintergrund dieser Problemfelder soll das E-Procurement eine deutliche Verbes-
serung darstellen. Um dies zu erreichen, müssen jedoch spezifische Anforderungen bezüg-
lich der fünf Bausteine „Systeme“, „Prozesse“, „Management“, (Beschaffungs-) „Marke-
ting“ und „Implementierung“ (s. Kapitel 1.7) erfüllt werden, auf die im Folgenden einge-
gangen wird.
Situationsanalyse
Konstellationen/Ziele/Strategien/Potenziale
Lieferant
Bedarfsanalyse
Lieferant Unternehmen
Lieferantenverhandlung
Lieferant
Beschaffungsabwicklung
Wer ist für den Aufbau, die Verwaltung und die Pflege eines E-Procurement-Systems
verantwortlich?
2.1.1.1 Online-Datenformate
Ein besonderes Charakteristikum der im E-Procurement verwendeten Daten ist, dass diese
nicht in den Grenzen eines Unternehmens verbleiben, sondern anderen Unternehmen (z. B.
142 Die Grundlagen des E-Procurement
Kunden und Lieferanten) zur Weiterverarbeitung zur Verfügung gestellt werden. Damit
kommt es zu einem Wechsel von einem unternehmensinternen zu einem unternehmens-
übergreifenden technischen Betrachtungsfokus. Der Austausch von Katalog- und Trans-
aktionsdaten zwischen beteiligten Handelspartnern erfolgt dabei auf Grundlage definierter
Datenformate.
Abb. 49: Beispiel für eine auf XML basierende Auszeichnungssprache erstellt mit
Liquid XML Studio 2018 Designer Edition
Allgemein lassen sich diese hinsichtlich ihrer Formatstruktur einteilen. Die drei bedeut-
samsten Datenformate des zwischenbetrieblichen Datenaustausches sind CSV-, EDI- und
XML-basierte Formate. Unter dem Akronym EDI (Electronic Data Interchange) ist seit
etwa Mitte der 1970er Jahre eine Vielzahl von Standards hervorgegangen, die national oder
international in einzelnen Branchen oder branchenübergreifend eingesetzt werden. Eine
besondere Rolle nimmt dabei UN/EDIFACT, ein internationaler Rahmen für EDI-Stan-
dards zur Abwicklung von Geschäftstransaktionen, ein. In EDI-Nachrichten können sehr
komplexe Daten zusammengefasst werden, allerdings sind die Datenelemente nur wenig
selbsterklärend ausgezeichnet. EDI-Nachrichten werden über eine Punkt-zu-Punkt-Ver-
Die Systeme beim elektronischen Einkauf 143
bindung zwischen den EDI-Systemen der Partner ausgetauscht. Im Gegensatz zu EDI er-
möglichen aktuelle Internet-Technologien wie das einheitliche Netzwerkprotokoll TCP/IP
(Transmission Control Protocol/Internet Protocol) die Kommunikation heterogener Com-
putersysteme. Dabei werden die Daten in standardisierten „Paketen“ an eindeutige IP-Ad-
ressen versendet. Aktuelle E-Procurement-Systemlösungen basieren allesamt auf dem Da-
tenaustausch über IP-basierte Netzwerke. Aufgrund der damit verbundenen Plattformun-
abhängigkeit und Erweiterbarkeit werden dabei sog. XML-basierte Formate genutzt.
Die eXtensible Markup Language (XML) ist ein universeller Standard zur Beschrei-
bung strukturierter Dokumente und Daten. XML ist eine Metasprache, mit der beliebige
Auszeichnungssprachen (z. B. für elektronische Produktkataloge) definiert werden kön-
nen. Eine Auszeichnungssprache besteht aus einer Menge von ineinander geschachtelten
Elementen (s. Abb. 49). Durch die Möglichkeit der Schachtelung erhält das resultierende
Dokument eine hierarchische Struktur. Weil einzelne Elemente einen Namen tragen, sind
XML-Dokumente selbstbeschreibend und können sowohl von Mensch als auch Maschine
interpretiert werden. Abb. 50 zeigt beispielhaft ein auf der in Abb. 49 definierten Auszeich-
nungssprache basierendes XML-Dokument. Die formale Spezifikation XML-basierter
Auszeichnungssprachen unterstützt die Erstellung und Verarbeitung von XML-Dokumen-
ten. Beispielsweise kann durch einen automatisierten Vergleich von XML-basierten Pro-
duktdaten und der jeweiligen Spezifikation die Gültigkeit und damit die Konformität zum
definierten Format überprüft werden. So wird sichergestellt, dass keine fehlerhaften oder
unvollständigen Dokumente verarbeitet werden – was bei CSV-/EDI-Formaten nicht
möglich ist (Leukel 2004, S. 77 f.).
Zur Beschreibung gültiger XML-Dokumente kommen in der Regel die Formate Docu-
ment Type Definition (DTD) oder XML Schema Definition (XSD, s. Abb. 49) zum
Einsatz. XML erlaubt zudem die Repräsentation von komplexen Multimediadaten. Dies
ist insbesondere für elektronische Produktkataloge von Bedeutung, da neben den textuel-
144 Die Grundlagen des E-Procurement
len Daten in der Regel auch Abbildungen der Produkte von hoher Wichtigkeit sind. Wei-
tere Unterschiede zwischen den Formatgruppen sind in Abb. 51 zusammengefasst.
Abb. 51: Der Vergleich von CSV-, EDI- und XML-basierten Datenformaten
Quelle: Leukel 2004, S. 78.
Eine Alternative zum XML-Standard bietet die JavaScript Object Notation (JSON) an.
Hierbei handelt es sich um ein Datenaustauschformat, das für die Kommunikation zwi-
schen Server und Clients genutzt wird und insbesondere Vorteile bei dem Transfer von
festen Werten in starren Datenstrukturen ermöglicht (Bray 2017).
2.1.1.2 Online-Standardisierung
Um den Datenaustausch im E-Procurement und damit auch im E-Business effizienter
und kostensparender zu machen, sind besonders international nutzbare Standards not-
wendig (s. Abb. 52). Online-Standards legen Datenformate fest, die dem Informations-
austausch zwischen Unternehmen zugrunde liegen. Im Vergleich zu proprietären Forma-
ten lassen sich Standards leichter gegenüber Partnern durchsetzen, werden von vielen
Produktherstellern unterstützt und benötigen kein schwer zu akquirierendes Know-How
(Quantz/Wichmann 2003, S. 10). E-Business-Standards sind – anders als viele Standards
in traditionellen Umfeldern – inhärent konvertierbar. So lassen sich Daten eines XML-
basierten Formats mit Hilfe der passenden Transformationsregeln prinzipiell immer in ein
anderes XML-basiertes Format umwandeln. Dies ist auch die Grundlage für eine erhöhte
Interoperabilität, z. B. aufgrund der Nutzung von Metadaten im XML-Format (Nekolar
2013).
Die Systeme beim elektronischen Einkauf 145
einheitlicher Katalogstandard
Standards zur Klassifikation und Beschreibung (s. auch Kapitel 4.1.1.2) von Pro-
dukten bauen insbesondere auf den Identifikationsstandards auf und bieten die vor
diesem Hintergrund die Möglichkeit, Informationen zu spezifizieren, die über die
Angabe einer eindeutigen Identifikationsnummer hinausgehen. Beispiele für derar-
tige Standards sind eCl@ss und UN/SPSC, ein von den Vereinten Nationen verab-
schiedeter Standard, der jedes Produkt einer eindeutigen, standardisierten Produkt-
klasse zuordnet.
Katalogaustauschformate (s. auch Kapitel 4.1.1.3) setzen auf den Standards zur Pro-
duktbeschreibung auf und erweitern diese um Möglichkeiten zum Austausch von Pro-
duktdaten oder sogar ganzen Produktkatalogen. Beispiele sind das XML-basierte
BMEcat-Format, cXML oder die EDIFACT-Nachrichten PRICAT und PRODAT. In
technisch weniger ausgefeilten Umgebungen kommen aber auch CSV-Formate zum
Einsatz.
146 Die Grundlagen des E-Procurement
Die höchste Komplexität weisen jedoch Standards zur Modellierung ganzer Ge-
schäftsprozessen auf. Hier geht es eben nicht nur um die Repräsentation einzelner
Nachrichten oder Dokumente, sondern insbesondere auch um die spezielle Festle-
gung von Sequenzen von Nachrichten als komplexe Abläufe. Beispiel sind Biztalk
und ebXML.
978 317023024 8
Spezialtyp: Buch Land + Verlag + Titel Prüfziffer
2.1.1.3 Online-Produktkataloge
Katalogdaten sind eine für die rechnergestützte Verarbeitung notwendige Darstellung
von Informationen über Produkte. Sie sind allerdings keinesfalls eine neue Erscheinung
des elektronischen Handels, denn auch für die Herstellung papierbasierter Kataloge wer-
den und wurden Katalogdaten benötigt. Katalogdaten stehen in engem Zusammenhang zu
Material- und Produktdaten und lassen sich nicht eindeutig von diesen abgrenzen. Bei Ma-
terialdaten stehen kaufmännische Daten über Produkte im Vordergrund. Sie werden in
erster Linie von betriebswirtschaftlichen Informationssystemen, also den ERP-Systemen
(Enterprise Resource Planning) genutzt und verwaltet. Im Vordergrund stehen Informatio-
nen über die bei der Produktion eingesetzten Materialien (Materialstammsatz) sowie über
die letztendlich erzeugten Produkte. Während in Industrieunternehmen von Materialien
gesprochen wird, spricht man im Handel und auch im Vertrieb von Artikeln, die in Waren-
wirtschaftssystemen (WWS) verwaltet werden. Entsprechend wird von Artikelstamm, Ar-
tikelnummer, Artikelbeständen und Artikelgruppen gesprochen (Leukel 2004, S. 12 ff.).
Unter dem Begriff Produktdaten werden alle Informationen zusammengefasst, die wäh-
rend des aus Planung, Entwicklung/Konstruktion, Arbeitsvorbereitung, Herstellung, Ver-
Die Systeme beim elektronischen Einkauf 147
Materialdaten
Katalogdaten
Preise
Herstellungskosten
Vertriebstexte
Bestände
ERP-System
Identifikation Produktabbildungen
Arbeitspläne für Browserausgabe
Klassifizierung
Stücklisten Keywords für
Merkmale Katalogsuche
PDM-System
3D-Geometriedaten
Simulationsdaten
Zeichnungen
Produktdaten
Der Zusammenhang zwischen Material-, Produkt- und Katalogdaten lässt sich als Men-
gendiagramm darstellen (s. Abb. 54). Dabei entstehen sieben inhaltlich sinnvolle Teilmen-
gen. Neben den Katalogdaten, die sich auch dem Bereich der Material- oder Produktdaten
zuordnen lassen, existieren Katalogdaten, die einzig in Online-Produktkatalogen Verwen-
dung finden. Beispiele hierfür sind Abbildungen und Multimediadaten für die Ausgabe
im Webbrowser sowie Stichworte, die bei der elektronischen Suche zum Einsatz kommen.
Es ist einschränkend festzuhalten, dass Material-, Produkt- und Katalogdaten nicht immer
exakt voneinander zu trennen sind. Zudem lässt sich in der Praxis zunehmend eine In-
tegration von ERP- bzw. WWS-, PDM- und internetbasierten Katalogsystemen feststel-
len, sodass auch die von den Systemen verwalteten Daten zunehmend anwendungsüber-
greifend genutzt werden.
Ein elektronischer Online-Produktkatalog kann als Menge logisch zusammenhängender
Katalogdaten betrachtet werden. Dabei lassen sich vier Datenbereiche (s. Abb. 55), zwi-
schen denen allerdings zahlreiche Beziehungen existieren (Leukel 2004, S. 20 ff.), identi-
fizieren. Katalogmetadaten sind gemäß des Metadatenbegriffs („Daten über Daten“) Da-
ten über Katalogdaten. Sie repräsentieren keine Daten über die im Katalog beschriebenen
148 Die Grundlagen des E-Procurement
Produkte, sondern spezifizieren den Katalog selbst. Als Beispiele für Katalogmetadaten
können die Katalogversion, Bezeichnung, Erstelldatum, Ersteller, Empfänger, zugehörige
Rahmenverträge sowie genutzte Sprache(n) und Währung(en) genannt werden.
Katalogmetadaten
Katalog-
Kataloggruppensystemdaten Produktklassifikationssystemdaten
strukturdaten
Produkt-
Referenzierungsdaten Parametrisierungsdaten Konfigurationsdaten
strukturdaten
Der Bereich der Katalogstrukturdaten dient der Systematisierung der im Katalog ent-
haltenen Produkte. Auch hier werden also noch nicht die Produkte selbst, sondern Kate-
gorien von Produkten beschrieben. Das beschriebene Kataloggruppensystem strukturiert
zunächst das im Katalog enthaltene Sortiment, in dem gleichartige Produkte zu Katalog-
gruppen zusammengefasst werden. Diese sind in der Regel mehrstufig angelegt, sodass
eine Baumstruktur entsteht, die das Produktspektrum des Lieferanten widerspiegelt. Diese
Struktur wird auf Käuferseite zur Navigation und Suche im Katalog verwendet. Die Ge-
staltung dieser Gruppenhierarchie liegt daher allein beim Lieferanten. Das dann eben-
falls im Bereich der Strukturdaten beschriebene Produktklassifikationssystem hingegen
ordnet jedes Produkt eindeutig einer definierten Produktklasse zu. Diese kann standardi-
sierte Merkmalsleisten (also eine Menge möglicher Produktmerkmale) definieren, z. B.
Farbe, Länge und Gewicht. Zum Einsatz kommen hier die bereits in Kapitel 2.1.1.2 be-
schriebenen Klassifikationsstandards.
Die Produktdaten müssen jedes Produkt so beschreiben, dass es aus dem elektronischen
Katalog heraus bestellt werden kann und alle nachfolgenden Teilprozesse (Auftragsbear-
beitung, Auslieferung, Wareneingang, Rechnungsstellung, Zahlung) unterstützt werden.
Produktdaten enthalten Daten zur (eindeutigen) Identifikation und Beschreibung, eine Spe-
zifikation der konkreten Produktmerkmale, Bestell- und Logistikdaten (z. B. mögliche
Bestelleinheiten, enthaltene Mengen, enthaltene Einheiten und Mindestbestellmengen) so-
wie Preisdaten. Insbesondere bei den Preisdaten handelt es sich um hochkomplexe Infor-
mationen, da hier z. B. kundenindividuelle Preise, Produktvarianten zu unterschiedlichen
Die Systeme beim elektronischen Einkauf 149
2.1.1.4 Online-Katalogmanagement
Das Online-Katalogmanagement umfasst alle für den Betrieb und die Nutzung eines
existierenden Online-Produktkataloges benötigten Funktionen. Hierbei handelt es sich in
erster Linie um die Darstellung des Produktsortiments sowie um Funktionen für die Ak-
tualisierung bzw. Übermittlung der Kataloge. Für die Darstellung von Katalogen und den
150 Die Grundlagen des E-Procurement
Ziel der Rationalisierung ist es, eine Vergleichbarkeit der Produkte auf der Ebene der
Produkt- und Produktstrukturdaten zu ermöglichen, also die einzelnen Produkte an-
hand ihrer spezifischen Eigenschaften vergleichbar zu machen. Rationalisierung be-
deutet somit die syntaktische und semantische Vereinheitlichung der Wertebereiche
mit Hilfe eines standardisierten Beschreibungsvokabulars. Abb. 56 illustriert das
Problem unterschiedlicher Produkt- und Produktstrukturdaten bei verschiedenen An-
bietern.
Den Anforderungen der Konsolidierung und Rationalisierung lässt sich mit den in Kapitel
2.1.1.2 beschriebenen Standards zur Klassifikation und Beschreibung begegnen. Diese
geben einerseits einen Kategorisierungsvorschlag für Produkte vor, der unabhängig vom
Aufbau der einzelnen Lieferantenkataloge ein Ordnungssystem zur Konsolidierung vor-
gibt. Andererseits geben sie einheitliche Formate und definierte Wertebereiche für Pro-
dukt- und Produktstrukturdaten vor. Diese wiederum ermöglichen parametrische Such-
Die Systeme beim elektronischen Einkauf 151
blau, rot,
Farbe königsblau bl Blau blau
schwarz, gelb
Ein Beispiel für eine Katalogmanagement-Lösung kommt von der POOL4TOOL AG, die
durch einen verbesserten Katalog-Upload und ein neues Staging für Einkäufer und Liefe-
ranten einen großen Mehrwert bietet. Die eCatalog-Applikation ermöglicht die Freigabe
neuer Preise und Artikel („Staging“) für Einkäufer und Lieferanten, eine flexible Defini-
tion von Prüfregeln, eine einfache Freigabe von einzelnen Artikeln und schnellere Kata-
log-Updates. Entscheidend für einen hohen Nutzungsgrad der Katalogmanagement-Lö-
sung ist die Akzeptanz seitens der Lieferanten (POOL4TOOL AG 2015). Trotz derartiger
Lösungen erfordert die initiale Erstellung und laufende Pflege von Online-Produktkatalo-
gen noch immer einen beachtlichen Zeitaufwand, weshalb die Nutzung von KI (s. Kapitel
1.6.5) in diesem Bereich eine interessante Zukunftsperspektive darstellt. Bereits heute gibt
es erste Anbieter von KI-gestützten Systemen zur automatisierten Erstellung von Pro-
duktbeschreibungen anhand reiner Produktdaten. Ein Beispiel hierfür stellt vor diesem
Hintergrund die Beschreibungssprache ATML3 (Automated Text Markup Language) dar
(Weissgraeber 2018).
152 Die Grundlagen des E-Procurement
2.1.1.5 Online-Warenwirtschaftssysteme
Eine zentrale Anforderung an elektronische Beschaffungssysteme ist insbesondere die
Möglichkeit des Datenaustausches mit bereits bestehenden Informationssystemen auf An-
bieter- und Nachfragerseite. Somit ist eine Integration von E-Procurement-Systemen in die
bestehende Systemlandschaft eines Unternehmens unerlässlich. Von besonderer Relevanz
ist dabei der Datenaustausch zwischen Beschaffungssystemen und Warenwirtschaftssys-
temen oder auch sog. ERP-Systemen.
„Als ERP-System bezeichnet man ein Informationssystem, das Geschäftsprozesse und Ge-
schäftsregeln sowohl innerhalb der Hauptfunktionsbereiche eines Unternehmens als auch
über Bereiche hinweg abbildet und teilweise oder ganz automatisiert“ (Kurbel 1990,
S. 241). Dabei wird ein Informationsfluss zwischen den verschiedenen Funktionen eines
Unternehmens (z. B. Einkauf, Produktion, Personal- und Finanzwesen) ermöglicht. Auf
die zunehmend anwendungsübergreifende Nutzung von Katalogdaten (die gerade in Form
von Material- bzw. Artikelstammdaten auch in ERP- bzw. Warenwirtschaftssystemen auf-
tauchen) wurde zuvor bereits eingegangen. Zwischen E-Procurement-Systemlösungen und
bestehenden Informationssystemen lässt sich vor diesem Hintergrund jedoch eine Reihe
von weiteren in diesem Zusammenhang sehr wichtigen Integrationspunkten identifizie-
ren (Nekolar 2003, S. 51):
ERP-Module für das Finanzwesen dienen der Verwaltung von Kostenstellen, Kosten-
arten, Budgets und Produktbewertungen. Für die Prüfung der über das E-Procurement-
System getätigten Bestellungen spielen zudem die hier verwalteten Sach- und Anlage-
konten, Rechnungen und Überweisungen eine Rolle.
2.1.2.1 Sell-Side-Modell
Bei Sell-Side-Lösungen werden sowohl die Einkaufssoftware als auch der Online-Kata-
log vom Lieferanten (Anbieter) zur Verfügung gestellt (Nekolar 2003, S. 8 f.). Bei der-
artigen Lösungen hat der Bedarfsträger des einkaufenden Unternehmens nach Anmeldung
über die Lieferanten-Webseite Zugriff auf die eventuell individuell vereinbarten Produkte
und Preise. Bei Sell-Side-Lösungen handelt es sich somit prinzipiell auch um eine, hier
primär im Bereich B2B zum Einsatz kommende E-Shop-Lösung (s. Kapitel 3). Aus Sicht
der Beschaffung unterscheidet sich diese „E-Shop-Lösung“ aber sehr im Grad der Integra-
tion mit der Beschaffungsseite, die in erster Linie von der Intensität der Geschäftsbezie-
hung zu einem beschaffenden Unternehmen abhängt. Da die Kataloge verschiedener An-
bieter weder konsolidiert noch rationalisiert sind, sind Sell-Side-Lösungen unfähig, den
Besteller elektronisch beim Vergleich der Angebote verschiedener Anbieter zu unterstüt-
zen. Ein weiterer Nachteil von Sell-Side-Lösungen ist, dass sich der Bedarfsträger mit den
unterschiedlichen Designs und Navigationsstrukturen der verschiedenen Lieferanten
auseinandersetzen muss. Da die Transaktionsdaten beim Lieferanten anfallen, kommt es
auf Einkaufsseite zudem zu einer manuellen Übertragung der Bestellungen in das eigene
ERP-System, sofern die Lösung keine zusätzlichen Schnittstellen zum Datenaustausch mit
der EDV des einkaufenden Unternehmens zur Verfügung stellt (Stoll 2007, S. 21; Schubert
2002, S. 5).
Der wichtigste Vorteil einer derartigen Lösung liegt darin, dass der Lieferant seine Produkte
optimal präsentieren und produktspezifische Funktionen integrieren kann. Regelbasierte
Produkt- und Preiskonfiguratoren ermöglichen es dem Bedarfsträger, ein Produkt nach ei-
genen Wünschen dynamisch zu konfigurieren. Zudem erlauben viele Sell-Side-Lösungen
eine Integration mit dem ERP-System bzw. der Warenwirtschaft des Lieferanten. Mittels
integrierter Systeme kann der Beschaffer Informationen wie die Bestellhistorie oder den
Auftragsstatus abfragen. Dem Lieferanten erspart die Integration die erneute Eingabe von
Bestellungen und eine wesentlich effizientere Auftragsabwicklung (Dolmetsch 2000,
154 Die Grundlagen des E-Procurement
Als Beispiel für ein Sell-Side-Modell kann das E-Procurement-System von festo.com
genannt werden. Das Unternehmen stellt im Internet nach den eigenen Angaben über
33.000 Produkte aus dem Feld der pneumatischen Komponenten und Systeme für das ein-
kaufende Unternehmen bereit. Über einen Online-Katalog (s. Abb. 57) hat der Beschaffer
Zugriff auf alle dazugehörigen technischen Daten, CAD-Modelle und Produktdokumenta-
tionen. Nach Produktauswahl, Verfügbarkeitsprüfung und einer eventuellen Konfiguration
kann über eine Warenkorbfunktion abschließend der Einkauf erfolgen.
Die Systeme beim elektronischen Einkauf 155
2.1.2.2 Buy-Side-Modell
Im Gegensatz zu einer Sell-Side-Lösung werden bei einer Buy-Side-Lösung die Einkaufs-
software und der überwiegende Teil des Online-Kataloges von dem einkaufenden Unter-
nehmen (Nachfrager) betrieben (Nekolar 2003, S. 8 f.). Der Einsatz einer eigenen Ein-
kaufslösung bringt zwei wesentliche Vorteile mit sich: Zum einen ermöglicht der zu einer
Buy-Side-Lösung zugehörige Multilieferantenkatalog (MSPC) die lieferantenübergrei-
fende Auswahl der gewünschten Produkte. Zum anderen ermöglicht eine Buy-Side-Lö-
sung die einmalige und lieferantenunabhängige Abbildung von Regeln für den Beschaf-
fungsprozess und sorgt so für die Einhaltung von Rahmenvereinbarungen, Kompetenzen
und Genehmigungsabläufen. Buy-Side-Lösungen werden oft auch als Desktop-Purch-
asing-Systeme (DPS) bezeichnet, da sie es jedem Mitarbeiter ermöglichen, vom eigenen
Schreibtisch aus über eine einheitliche Benutzeroberfläche Bestellungen zu generieren. Sie
basieren verbreitet auf einem MSPC, der über das Intranet des Unternehmens zugänglich
ist. Zum Einsatz kommt auf Seite des Bedarfsträgers dabei lediglich ein Webbrowser. An-
ders als fremdbetriebene Systeme lassen sich Buy-Side-Lösungen optimal in die beste-
hende Systemlandschaft des Unternehmens integrieren. So bieten viele ERP-Systeme
Schnittstellen für den Datenaustausch mit Buy-Side-Lösungen bzw. eigene Module zur
Unterstützung des elektronischen Einkaufs. Diese erlauben zudem das Tracking von Ge-
nehmigungs- und Bestellprozessen, unterstützen den Warenempfang sowie die finanzielle
Verbuchung der beschafften Produkte.
Abhängig von der jeweiligen Lösung und Implementierung können DPS das beschaf-
fende Unternehmen in allen Teilprozessen der Beschaffung unterstützen, worauf in Kapi-
tel 2.2 noch detailliert eingegangen wird. Eine Buy-Side-Lösung muss nicht zwangsweise
von der eigenen Einkaufs- bzw. IT-Abteilung gepflegt und administriert werden: Wird
eine Buy-Side-Lösung von einem externen Dienstleister (einem sog. Procurement Service
Provider) unterhalten, spricht man von einer Hosted-Buy-Side-Lösung.
Als Beispiel für ein Buy-Side-Modell kann das E-Procurement-System SCM Star (s. Abb.
58) von Siemens genannt werden. Laut eigenen Aussagen verfügt das Unternehmen über
einen internationalen, konzernweiten elektronischen Einkaufsmarktplatz, der die Lieferan-
ten und die eigenen Mitarbeiter in ihren täglichen Hauptaufgaben im Beschaffungspro-
zess unterstützt. Die Registrierung in diesem eigenen E-Procurement-Portal ist dabei die
Grundvoraussetzung für die Zusammenarbeit mit Siemens.
2.1.2.3 Marketplace-Modell
Bei einer E-Marketplace-Lösung (s. Kapitel 4) werden die für die Bestellabwicklung er-
forderlichen Funktionen sowie Online-Kataloge in der Regel durch einen Marktplatzbe-
treiber (Intermediär) betrieben, dessen MSPC-basierte Internet-Plattform von mehreren
einkaufenden und verkaufenden Unternehmen genutzt wird (Nekolar 2003, S. 9 f.). Dabei
müssen Marktplätze nicht zwangsweise allgemein offen sein. Oft werden im Rahmen des
E-Procurements auch gemeinschaftlich betriebene Portale eingesetzt, bei denen eine
Gruppe einkaufender oder verkaufender Unternehmen federführend ist und die für die
Geschäftsvorgänge gültigen Regeln aufstellt (Schubert 2002, S. 5).
2.1.3.1 Client-Komponenten
Bei Desktop-Purchasing-Systemen handelt es sich um auf Internet-Technologien basie-
rende Client/Server-Architekturen. Sie bestehen aus in Komponenten aufgeteilten Infor-
mationssystemen, bei denen Serverkomponenten den sog. Clients bestimmte Dienste zur
Verfügung stellen. Client-Komponenten nehmen diese Dienste in Anspruch. Die Kom-
munikation zwischen Server und Clients erfolgt wie bereits erwähnt über Standards der
TCP/IP-Protokollfamilie (s. Kapitel 2.1.1.1). Das Internet-Protokoll (IP) hat die Aufgabe,
158 Die Grundlagen des E-Procurement
2.1.3.2 Server-Komponenten
Während die Clients also lediglich die Benutzerschnittstelle bilden, stellen die Server-
Komponenten diejenige Software dar, die für die eigentliche Applikationslogik sowie für
die Datenhaltung verantwortlich ist. Auch die serverseitigen Komponenten sind in der Re-
gel über mehrere Rechner verteilt. Gründe für die Nutzung solch eines verteilten Systems
sind die Realisierung echter Nebenläufigkeit (also die gleichzeitige Ausführung mehrerer
Prozesse) sowie die resultierende Skalierbarkeit: Durch Hinzufügen weiterer Rechner
kann die Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems (vor allem in Hinblick auf eine hohe An-
zahl gleichzeitiger Nutzer) erhöht werden. Ein häufig anzutreffendes Szenario ist auch die
Bereitstellung von entfernten Ressourcen, wie es bei der Anbindung von unternehmensin-
ternen ERP-Systemen oder sogar unternehmensexternen, bspw. beim Lieferanten liegen-
den Datenbanken der Fall ist. Eine Verteilung dient zudem auch der Fehlervermeidung,
indem bestimmte Funktionalitäten von mehreren Rechnern angeboten werden (Redun-
danz). Beim Ausfall eines Rechners wird die gleiche Funktionalität so von einem anderen
angeboten. Desktop-Purchasing-Systeme bestehen in der Regel aus drei verschiedenen Ar-
ten von Server-Komponenten (Dolmetsch 2000, S. 216):
Komponenten für Prozesse und Workflows enthalten die Logik zur Verwaltung
von Bestellanforderungen und zur Ausführung von Bestellungen durch die Bedarfs-
träger. Sie greifen auf Datenbanken zu, in denen konfigurierte Warenkörbe, Bestel-
lanforderungen und Bestellungen gespeichert werden.
Benutzerschnittstelle/Webbrowser
Sicherheit (SSL)
Kommunikation/Integration
mit Lieferantensystemen
Konfigurierte Bestell- Bestellungen
Datenbank-APIs Warenkörbe anforderungen
Systemadministration
XML
Profilverwaltung Regelverwaltung
Benutzer-/ Genehmigungs-
Lieferantenprofile regeln …
Datenbank-APIs
Netzwerkinfrastruktur
Insbesondere Komponenten für Produktkatalog und Content Management sind oft als se-
parate Katalogsysteme erhältlich, die in Verbindung mit verschiedenen Prozess- und
Workflow-Komponenten genutzt werden können. Diese wiederum sind oft als Erweite-
rungsmodule für bestehende ERP-Systeme erhältlich. Die Kommunikation zwischen den
einzelnen Komponenten sowie die Integration zu internen Informationssystemen wird
durch sog. Application Programming Interfaces (APIs) sichergestellt. Hierbei handelt es
sich um standardisierte Schnittstellen, die teils noch auf Basis von Technologien verteilter
Applikationskomponenten (z. B. Java RPC oder Microsoft COM/DCOM), teils allerdings
auch auf aktuelleren XML-basierten Web Services (s. Kapitel 4.1.3.4) basieren. Die ser-
verseitige Struktur eines DPS ist zusammenfassend in Abb. 60 dargestellt.
160 Die Grundlagen des E-Procurement
2.1.3.3 Katalog-Komponenten
Wie bereits erwähnt erfolgt die Erstellung und Pflege der elektronischen Produktkataloge
(Content Management) mittels spezieller Katalog-Komponenten. Dass die von diesen
Komponenten verwalteten Katalogdaten in einem engen Zusammenhang mit Material-
und Produktdaten stehen, wurde bereits in Kapitel 2.1.1.3 erläutert. Die für einen Online-
Katalog benötigten Daten lassen sich demnach anhand ihrer Herkunft und Bestimmung
differenzieren. Prinzipiell fließen bei der Katalogerstellung drei Datenarten zusammen
(Wannenwetsch 2002, S. 119):
Öffentliche Daten: Hier handelt es sich um allgemeine, für alle einkaufenden Un-
ternehmen identische Informationen zu den im Katalog dargestellten Artikeln. Sie sind
dabei hersteller- bzw. lieferantenspezifisch und werden demnach vom Lieferanten (un-
ter Verwendung der vom Hersteller kommenden Produktdaten) gepflegt.
Private Daten: Hier handelt es sich um für das einkaufende Unternehmen indivi-
duell erstellte bzw. zusammengestellte Informationen. Dazu zählen die konkreten
Preise und Bestellmengen, aber auch einkaufsspezifische Katalogstrukturdaten. Pri-
vate Daten repräsentieren demnach die konkrete Geschäftsbeziehung zwischen ein-
kaufendem Unternehmen und Lieferanten.
Diese drei Typen von Daten werden beim Content Management durch sog. Mapping-
Verfahren miteinander verknüpft (s. Abb. 61). Auf diese Weise entsteht für jeden Artikel
ein individuelles Profil (Wannenwetsch 2002, S. 119). Handelt es sich bei dem zu erstel-
lenden Online-Katalog um einen MSPC, müssen die privaten und öffentlichen Daten ver-
schiedener Lieferantenbeziehungen zudem konsolidiert und rationalisiert werden (s. Ka-
pitel 2.1.1.4).
Den vom Hersteller definierten Produktdaten fügt der Lieferant weitere öffentliche Daten
hinzu. Diese werden im Content Management (entweder durch den Lieferanten selbst
oder einen entsprechenden Dienstleister) kategorisiert und in ein einheitliches Format ge-
bracht. Auf Basis dessen fügt der Kataloganbieter (Lieferant, Dienstleister oder Markt-
platzbetreiber) private und systemspezifische Katalogdaten hinzu und verwandelt den zu
diesem Zeitpunkt oftmals noch kundenunabhängigen Katalog auf diese Weise in einen
kundenspezifischen Katalog. Am Ende dieser Informationsprozesskette steht somit ein
Online-Katalog, der den spezifischen Anforderungen der vom Einkäufer eingesetzten
E-Procurement- und ERP-Lösungen genügt (s. Abb. 62). Von Stufe zu Stufe erweitern so
die am E-Procurement beteiligten Parteien den Umfang der Informationen und reichern die
Qualität der Artikeldaten entsprechend an (Wannenwetsch 2002, S. 120).
Die Systeme beim elektronischen Einkauf 161
Lieferantennummer
WWS Stammsätze
Back-End-Daten
(Systemspezifisch)
Mapping-Verfahren Mapping-Verfahren
Abb. 61: Die Herkunft und Bestimmung von Daten der Katalog-Komponenten
Quelle: Wannenwetsch 2002, S. 119.
Bei der Kommunikation mit dem Kataloganbieter nimmt das XML-basierte Katalogdoku-
ment eine zentrale Rolle ein. Dieses enthält, abhängig vom jeweiligen Anwendungsfall,
den gesamten Katalog des Lieferanten oder auch nur ein Katalog-Update und liegt im op-
timalen Fall in einem zuvor festgelegten Katalogaustauschformat (z. B. cXML) vor. In Zu-
sammenhang mit der Übertragung des Katalogdokuments in das Procurement-System
sind folgende Fälle denkbar:
Im einfachsten Fall sendet der Lieferant das Dokument (bspw. per E-Mail) an die Ein-
kaufsabteilung der einkaufenden Organisation, die es nach erfolgter Konsolidierung
und Rationalisierung manuell in ihren MSPC einpflegt.
Analog kann der Lieferant das Dokument per Upload über eine entsprechende Brow-
serschnittstelle auch eigens in das Procurement-System einspielen. Nach einer (even-
tuell automatisierten) Prüfung der Konformität zum definierten Format des MSPC kön-
nen neue Produkte durch die Einkaufsabteilung freigeschaltet werden.
Alternativ kann die Kommunikation mit den Lieferanten auch automatisiert ablaufen.
Procurement-System und lieferantenseitige Systemlösung tauschen die Katalogdaten
in diesem Fall bei Bedarf oder in festen Intervallen über standardisierte (z. B. auf Web
Services basierende) Schnittstellen aus.
162 Die Grundlagen des E-Procurement
verschiedene Formate
Content Katalog-
Produzent Lieferant Einkauf
Management anbieter
2.1.3.4 Order-Komponenten
Nachdem der Bedarfsträger seinen virtuellen Warenkorb durch Auswahl der entsprechen-
den Produkte und Dienstleistungen zusammengestellt hat und der Genehmigungsprozess
abgeschlossen wurde, müssen die resultierenden Bestellungen über Order-Komponenten
an den bzw. die Lieferanten versendet werden. Einige DPS übergeben die Bestellanforde-
rung bzw. Bestellung dabei an das ERP-System, mit dessen Hilfe die Bestellung dann
weitergeleitet wird. Andere DPS wickeln den Geschäftsvorfall bis zur Bestellung ab und
verschicken die Bestellung sowohl an das interne ERP-System als auch direkt zum Liefe-
ranten (s. Abb. 63). Für die Kommunikation mit dem Lieferanten kommen dabei neben den
klassischen elektronischen Formaten für Geschäftsdokumente (E-Mail, Fax, EDI) ver-
mehrt XML-Formate zum Einsatz. Diese sind wesentlich flexibler, günstiger und einfa-
cher zu implementieren als klassisches EDI (Arcache 2003, S. 129). Der cXML-Standard
bspw. erlaubt neben der Übertragung von Katalogdokumenten auch die Übertragung von
Bestellungen zwischen Procurement-System und Lieferanten. Auf dessen Seite können
die Bestellungen dann ebenfalls automatisiert verarbeitet werden.
Viele E-Procurement-Lösungen bieten darüber hinaus spezielle Lieferantenportale.
Diese über einen Web-Browser erreichbaren Zugänge zum Intranet des beschaffenden
Unternehmens erlauben es den Lieferanten, Informationen zum von ihnen angebotenen
Produktspektrum einzugeben und zu pflegen, auf Lieferanteninformationen zuzugreifen
und Aufträge abzuwickeln. Oft spricht man in diesem Zusammenhang auch von Supplier
Self Services (Große-Wilde 2004, S. 62). Als Beispiel wurde bereits SCM Star (s. Abb. 58)
von Siemens angeführt (s. Kapitel 2.1.2.2).
Die Systeme beim elektronischen Einkauf 163
einkaufende
Organisation
Bedarfsträger
Procurement-
System
Validierung Sell-Side-Lösung
Konvertierung
Publikation
Abonnement
Bedarfsträger Routing
2.1.3.5 Lieferanten-Komponenten
Buy-Side-, Sell-Side- und Marketplace-Lösungen wurden bisher in einer stark vereinfach-
ten Sichtweise als alternative, voneinander unabhängige E-Procurement-Lösungen dar-
gestellt (s. Kapitel 2.1.2). Mit Hilfe von Standards wie cXML ist es allerdings zuneh-
mend möglich, einen Datenaustausch zwischen anbieter- und nachfragerseitigen Lösungen
sowie elektronischen Marktplätzen und Dienstleistern zu organisieren. Infolgedessen sind
verschiedenartige Systemlösungen im E-Procurement zunehmend eng mit externen Liefe-
ranten-Komponenten verbunden. Zudem bieten viele Hersteller (z. B. wallmedien.de)
mittlerweile miteinander kompatible Produkte für beschaffende Unternehmen und Anbie-
ter an (Dolmetsch 2000, S. 154). Mit Hilfe von offenen Standards und Schnittstellen
kann eine Buy-Side-Lösung ihre aktuellen Katalogdaten über das Marktplatz-System eines
E-Procurement-Dienstleisters beziehen – bspw. im Rahmen eines vollautomatisierten
Abonnements. Der Marktplatz wiederum bezieht die Katalogdaten vom Lieferanten, der
diese manuell, per Upload oder automatisiert über seine Sell-Side-Lösung zur Verfügung
stellt (s. Kapitel 2.1.3.3).
Neben der Konvertierung, Validierung und Publikation von Katalogdokumenten können
Marktplätze auch eine Konvertierung und Weiterleitung der resultierenden Bestellungen
(„Routing“) an den entsprechenden Lieferanten anbieten. Abb. 63 zeigt mögliche Kom-
munikationsbeziehungen zwischen Buy-Side-, Sell-Side- und Marketplace-Lösungen. Wie
schon mehrfach angedeutet, muss die Kommunikation zwischen Buy-Side- und Sell-Side-
Lösung nicht zwangsweise über ein Marktplatz-System erfolgen. Der sog. Round Trip
164 Die Grundlagen des E-Procurement
kombiniert die Vorteile einer Sell-Side-Lösung mit denen einer Buy-Side-Lösung (Schu-
bert 2002, S. 16): Während die Logik des Beschaffungsprozesses auf Seite der einkaufen-
den Organisation liegt, erfolgt ein Online-Zugriff auf den Katalog der Sell-Side-Lösung.
Eine Bestellung wird im E-Shop des Lieferanten allerdings nicht ausgelöst; nach Zusam-
menstellung des virtuellen Warenkorbs wird dieser von der Buy-Side-Lösung bzw. direkt
vom einkäuferseitigen ERP-System weiterverarbeitet. Dadurch kann das einkaufende Un-
ternehmen die Software auf seine individuellen Bedürfnisse anpassen, ohne sich dabei je-
doch um ein aufwendiges Online-Katalogmanagement kümmern zu müssen.
einkaufende Organisation
Punch-Out-Sitzung
Produktbeschreibungen
Bedarfsträger
E-Shops/Sell-Side-
Lösungen mit
Content Provider/ Punch-Out-Katalogen
Marktplatz-System bei Lieferanten
Bedarfsträger
Procurement-
System
Abb. 64: Darstellung einer interaktiven Punch Out-Sitzung und Punch Out-Chaining
Teils analog zum Round Trip wird der Begriff Punch Out verwendet. Er beschreibt den
Online-Zugriff vom Webbrowser des Bedarfsträgers auf aktuelle Kataloginhalte beim Lie-
feranten. Procurement-Systeme mit Punch-Out-Unterstützung zeigen im Katalog-Frontend
anstelle der jeweiligen Produktinformation einen Button an, über den der Bedarfsträger
Zugriff auf aktuelle Produktinformationen aus dem Quellsystem hat, Konfigurationsmög-
lichkeiten überprüfen oder die Liefermethode festlegen kann. Ist die Punch-Out-Sitzung
abgeschlossen, werden alle Informationen zurück an das Procurement-System übermit-
telt, welches die entsprechenden Daten dann wiederum an die entsprechenden Back-End-
bzw. ERP-Systeme weiterleiten kann. Mit Hilfe des Standards cXML können Buy-Side-
Lösungen mit Punch-Out-fähigen Sell-Side- bzw. auch Marketplace-Lösungen kommu-
nizieren. Analog zu vollständigen Katalogdokumenten und Bestellungen erlaubt cXML
auch das Routing von Punch-Out-Produktbeschreibungen und den resultierenden Bestel-
lungen durch einen Marktplatz. Eine indirekte Kommunikation dieser Art wird als Punch
Out Chaining bezeichnet. Abb. 64 zeigt die Kommunikationsbeziehungen interaktiver
Punch-Out-Sitzungen ohne und mit Punch Out Chaining.
Die Prozesse beim elektronischen Einkauf 165
Lieferant
Sell-Side-
System
Katalog- Marktplatz-
PDM-System Katalog- System
system
system
ERP-System
WWS/
ERP-System
Dienst-
Katalog- leister
system
Buy-Side-
ERP-System System
hinsichtlich ihrer Gestaltung zu analysieren und die Ziele im Rahmen des Prozessmana-
gements festzulegen. Vor diesem Hintergrund stellt sich eine Reihe von zentralen Fragen,
die zugleich auch als Lernziele angesehen werden können:
Wie gestalten sich im E-Procurement konkret die verschiedenen Teilprozesse und was
sind ihre Besonderheiten?
Die konkreten Prozessanforderungen im E-Procurement ergeben sich aus den vor der
Implementierung einer internetbasierten Systemlösung bestehenden Beschaffungsprozes-
sen. Diese unterscheiden sich nicht nur von Unternehmen zu Unternehmen, sondern auch
innerhalb eines Unternehmens in Abhängigkeit des jeweils zu beschaffenden Produktes.
So werden Güter, die direkt in den Produktionsprozess einfließen, in der Regel über auto-
matisierte und fest definierte Prozesse beschafft, bei denen z. B. EDI-Technologien zum
Einsatz kommen. Güter wie Büromaterialien hingegen, die nicht in den Produktionspro-
zess einfließen, werden meist über manuelle und nicht genau definierte Prozesse einge-
kauft. Automatisierte und manuelle Beschaffungsprozesse in einer Nicht-Internet-Umge-
bung lassen sich als zwei Extrema eines Kontinuums auffassen (Subramaniam/Shaw
2004, S. 170):
Eine unstrukturierte Beschaffung liegt bei Produkten vor, die sich nicht für ein au-
tomatisiertes Vorgehen eignen. Bei der Bestellung von Büromöbeln bspw. macht es nur
wenig Sinn, die Beschaffung an produktspezifische Beschaffungsschritte oder gar
Die Prozesse beim elektronischen Einkauf 167
Produktauswahl,
Entschieden und im Prozess Einzelentscheidungen
Lieferantenauswahl
implementiert
und Bestelldetails
Bedarfs-
ermittlung
System A
nein Fax
Telefon Lieferant
Suche, Lieferanten-
Erstellen der
Anforderung, suche/
Bestellung
Bestätigung -kompatibilität E-Mail
System B
Post
einer Einführung des E-Procurement-Systems immerhin ca. 143 Euro und die Beschaf-
fung dauerte ca. drei Stunden pro Vorgang. Durch die elektronische Bestellung kostet
derselbe Bleistift nun ca. 17 Euro und der Vorgang der Bestellung dauert nur noch 18 Mi-
nuten.
Klassischer Bestellprozess
9 Tage
-83%
Bedarfsanforderung
Bestell-
Verfügbarkeit Genehmigungs- Automatische
bestätigung
Preisvergleich workflow Bestellung
(E-Mail)
Lieferantenauswahl
1,5 Tage
Elektronische Beschaffung
Bei unstrukturierten Beschaffungsprozessen liegt dabei der Fokus auf der Nutzung von
Echtzeitinformationen über interne Beschaffungstransaktionen zur Überwachung und
Steuerung der aktuellen Beschaffungskosten (Subramaniam/Shaw 2004, S. 173). Desktop-
Purchasing-Systeme sorgen hier einerseits für effizientere Prozesse, andererseits aber auch
für günstigere Einstandspreise durch die Beschaffung über Volumenkontrakte und eine
Verringerung der Beschaffung außerhalb bestehender Lieferverträge („Maverick Buying“;
Hartner 2008, S. 45). DPS erleichtern zudem eine Zentralisierung des Einkaufs und mi-
nimieren einen eventuell vorhandenen Zeitverzug, der bei der Distribution neuer Kata-
logdaten im Unternehmen entsteht (Dolmetsch 2000, S. 16 f.). Bei strukturierten Beschaf-
fungsprozessen hingegen gilt es vor allem, mit Hilfe des Internets Echtzeitinformationen
über externe Marktbedingungen zu beschaffen, um die bestehenden Lieferverträge zu ver-
gleichen und so eventuell eine Reduktion der Einstandspreise herbeizuführen. Zudem steht
hier das Ersetzen der kostenintensiven EDI-Lösungen durch wesentlich günstigere Inter-
net-Lösungen im Mittelpunkt (Subramaniam/Shaw 2004, S. 173).
Durch den geringeren Lagerbestand aufgrund verkürzter Durchlaufzeiten und erhöhter
Transparenz für den Bedarfsträger ergeben sich zusätzliche Einsparungen im Bereich der
Lager- und Logistikkosten (Kleinecken 2004, S. 93). Zeiteinsparungen ergeben sich zu-
dem durch die mögliche Automatisierung von Ersatzbestellungen. Eine weitere Facette
Die Prozesse beim elektronischen Einkauf 171
2.2.1.3 Online-Beschaffungsmobilität
Um sowohl Kosten- und Zeitvorteile als auch Flexibilität und Qualität der Beschaffung
realisieren zu können, spielen mobile Endgeräte zunehmend eine wichtige Rolle, da durch
mobile Bestellungen und eventuell einhergehendes Mobile Payment Wettbewerbsvorteile
genutzt werden können (Nachtmann/Trinkel 2002, S. 15). Unternehmen weltweit setzen
verstärkt auf mobile Technologien wie bspw. Laptops und Handys, um orts- und zeitunab-
hängig Beschaffungsaktivitäten auszuführen. So werden unternehmensinterne sowie un-
ternehmensübergreifende Prozesse mit Lieferanten und Partnern revolutioniert und neu-
artige Anwendungsbereiche erschlossen. Mobile Procurement kann dabei alle Prozess-
schritte von der Anfrage, der Bestätigung und dem Empfang von zu beschaffenden Waren
abdecken (Gebauer/Shaw 2004). Dabei ist zu beachten, dass eine Vereinheitlichung des
Datenflusses eines Unternehmens stattfindet, welche insbesondere bei Unternehmen mit
stark verteilter Struktur von Bedeutung ist. Zwei Schnittstellen sind vor allem maßgeb-
lich für die einheitliche Verknüpfung von Procurement-Prozessen mit mobilen Endgeräten:
Ein Beispiel für die Umsetzung von Mobile Procurement Management bietet die einsetz-
bare Enterprise Solution der Firma AMTEL (s. Abb. 69), welche es erlaubt, alle Verände-
rungen in der mobilen Umgebung eines Unternehmens zu überwachen. Mit dem darin
implementierten Procurement Manager können nicht nur mobil Bestellungen getätigt wer-
den, sondern bspw. auch der Verleih von Equipment gesteuert werden. Dieses System ist
eingebunden in einen größeren Kontext anderer Lösungen, die etwa das zeitgleiche Update
der Inventarliste oder eine Verbindung zur Rechnungsabteilung erlauben. Dadurch sollte
eine umfassende Integration und Konsistenz sichergestellt werden.
174 Die Grundlagen des E-Procurement
Beschaffungsmanagement
Marketmaking
Im Folgenden soll vor allem auf die gezielte Gestaltung der zentralen Prozesse in den Be-
reichen „Transaktionsunterstützung“ und „Beschaffungsmanagement“ eingegangen wer-
den. Für weitere Ausführungen zum Bereich „Marketmaking“ sei auf die Ausführungen
in Kapitel 4 verwiesen, in dem diese Prozesse aus der Sicht des Marktplatzbetreibers dar-
gestellt werden.
Unternehmen, die ein eigenes Lager unterhalten, können dieses (analog zu einem externen
Anbieter) ebenfalls im MSPC repräsentieren und mit hoher Priorität versehen (Dolmetsch
2000, S. 156). Die zu bestellenden Produkte werden in einem virtuellen Warenkorb abge-
legt. Produkte, die besonders häufig nachgefragt werden, lassen sich in vielen Systemen
als Bookmark kennzeichnen. Zudem besteht vor diesem Hintergrund oft die Möglichkeit,
repetitiv beschaffte Warenkörbe abzuspeichern – bspw. einen Warenkorb zur kompletten
Ausstattung des Arbeitsplatzes für einen neuen Mitarbeiter (Dolmetsch 2000, S. 157).
Nach der Zusammenstellung seines virtuellen Warenkorbs durchläuft die Bestellung den
Genehmigungsworkflow (2; s. Abb. 71). Dieser ist entweder im DPS selbst oder im da-
mit integrierten ERP-System abgebildet. Liegt die Bestellung innerhalb der Kompetenz
des Bedarfsträgers, kann sie umgehend weiterverarbeitet werden. Ist dies nicht der Fall,
wird die Bestellanforderung (BANF) zunächst zu der entsprechenden Genehmigungs-
instanz weitergeleitet. Diese kann bspw. per E-Mail auf die zu genehmigende Anforde-
rung aufmerksam gemacht werden.
(5) Bestellüberwachung
(6) Wareneingang
(2) Bestellung
Elektronischer ja
Bedarfsträger im Rahmen der (3) Bestellung Lieferant
Katalog
Kompetenz?
nein
ERP-System/
(7) Wareneingangsbestätigung
WWS
Zahlungsabwicklung durch das ERP-System unterstützt werden können. Trotz enger Ein-
bindung des ERP-Systems ist es allerdings nicht zwingend notwendig, alle Produkte mit
Materialstammsatz im WWS bzw. ERP-System zu repräsentieren. Dies ist der Fall, wenn
die resultierenden Prozesse nicht auf wesentliche ERP-Funktionen (wie z. B. Rechnungs-
prüfung, Wareneingang oder Lagerhaltung) zurückgreifen müssen. Auf Lieferantenseite
wird nach Empfang der Bestellung das eFulfillment angestoßen. Eine perfekte Auftrags-
abwicklung wird dabei zum entscheidenden Kriterium für den Folgekauf (Wannenwetsch
2002, S. 182). Auf Produktebene kann die Auftragserfüllung danach unterschieden wer-
den, ob es sich um einen Lagerkauf handelt, oder ob das entsprechende Produkt noch
beschafft oder produziert werden muss. Ist ein Produkt nicht vorrätig, muss lieferanten-
seitig erneut ein Beschaffungs- bzw. Produktionsprozess angestoßen werden. eFulfillment
spielt hierbei insbesondere im Rahmen der integrierten Planung der Lieferkette eine ent-
scheidende Rolle. Auf diese wird in Kapitel 2.3 noch eingegangen.
4 Trackinginformationen Trackinginformationen 4
Produktinformationen 1 1 Produktinformationen
Aufgrund der zunehmenden Vernetzung der gesamten Supply Chain rücken im Bereich
des eFullfillment auch Konzepte wie das Dropshipping in den Vordergrund (Kemkes
2015). Hierbei wird die Möglichkeit der Zeit- und Ortsunabhängigkeit im E-Business (s.
Kapitel 1.3) dazu genutzt, dass Lieferanten ihren Kunden ganze Produktpaletten ihrer ei-
genen Lieferanten oder Hersteller anbieten können, ohne diese physisch im Lager zu ha-
ben. Abb. 72 stellt die grundlegenden Zusammenhänge des Dropshippings an einem bei-
spielhaften Ablauf dar. Durch die automatisierte Übermittlung der Bestelldaten, welche
178 Die Grundlagen des E-Procurement
heute ohne nennenswerte Verzögerung auch über mehrere Parteien hinweg möglich ist,
wird trotzdem eine reibungslose Abwicklung und Auslieferung (z. B. direkt vom Herstel-
ler) an den Procurement-Kunden ermöglicht. Dabei bestehen diverse Ausgestaltungsmög-
lichkeiten des Dropshippings. So kann bspw. ein verdecktes Dropshipping mit individua-
lisiertem Branding erfolgen, sodass für den Endkunden suggeriert wird, dass das Produkt
von seinem direkten Vertragspartner und nicht von dessen Lieferanten oder Hersteller ver-
schickt wurde. Es besteht aber auch die Möglichkeit eines offenen Dropshippings, bei dem
die Procurement-Plattform offen kommuniziert, dass das Fulfillment durch Dropshipping-
Partner vorgenommen wird. Besonderes Augenmerk muss der Procurement-Anbieter bei
diesem Konzept auf ein reibungsloses eFullfillment legen, da z. B. die Qualität der Ware
als auch der Auslieferung etc. durch dritte Parteien immer Risiken birgt und Fehler durch
Partnerunternehmen direkt auf ihn zurückfallen.
Neuer Prozess:
Warenlieferung, Lieferschein
Gutschriftsanzeige
Mengen- und Wareneingangs-
Preiskontrolle bestätigung
automat. Bezahlung
Besteller
Lieferant
Beschwerdemanagement
Alter Prozess:
Wareneingang, Lieferschein und Rechnung
Beschwerdemanagement
Im Hinblick auf die Bezahlung unterstützen gängige DPS mehrere Prozessvarianten. Ne-
ben klassischer Rechnungsprüfung mit anschließender Überweisung sei an dieser Stelle
das Gutschriftverfahren genannt. Bei Gutschriftverfahren wird durch den Lieferanten
selbst keine Rechnungsstellung vorgenommen (s. Abb. 73). Anstelle dessen sendet das
DPS bzw. ERP-System nach Buchung des Wareneingangs eine elektronische Mitteilung
an den Lieferanten, die besagt, dass eine Zahlung über die gebuchten Produkte zu den im
Katalog definierten Preisen erfolgen wird. Parallel wird eine interne Rechnung erzeugt,
die direkt zur Zahlung freigegeben ist und automatisch finanziell verbucht und beglichen
wird. Eine Prüfung kann entfallen, da eine Zahlung nur über den vom Warenempfänger
bestätigten Betrag erfolgt. Eventuell auftretende Differenzen können direkt zwischen Lie-
ferant und Bedarfsträger geklärt werden.
Zu den Vorteilen innovativer ePayment-Prozesse gehören des Weiteren auch gesteigerte
Auswertungsmöglichkeiten im Rahmen des eReportings, die die Grundlage für weitere
Beschaffungsentscheidungen bilden können. Im Prozessbereich „Beschaffungsmanage-
ment“ (s. Kapitel 2.2.2) bieten fast alle E-Procurement-Systeme die Möglichkeit, umfang-
reiche und fast beliebig detaillierte Reports zu einzelnen Mitarbeitern, Abteilungen, Pro-
dukten, Produktgruppen, Lieferanten und Lieferantengruppen auf Basis von konkreten Be-
stell- und Bezahldaten zu generieren. Somit kann das Management auf eine einfache Art
und Weise Beschaffungsmuster und auch -volumen erheben sowie Lieferanten beurteilen.
Für das Prozessmanagement und daraus abgeleitet für die gesamte Unternehmensfüh-
rung, lässt sich die Nutzung der generierten Informationen im bzw. aus dem elektroni-
schen Einkauf nach operativen, taktischen und strategischen Aufgaben differenzieren (s.
Abb. 74). Dabei sind der operative und der taktische Einkauf in großen Unternehmen or-
ganisatorisch meist in spezielle Einheiten gegliedert, die für ein oder mehrere Einkaufs-
bzw. Produktsegmente verantwortlich sind und über ein entsprechendes Domänenwissen
verfügen (Dolmetsch 2000, S. 128 f.). Übergreifendes Ziel aller Aktivitäten ist dabei ein-
mal mehr die Nutzung des Informationsdreisprungs (s. Kapitel 1.4.3), bei dem über die
Informationssammlung (Daten aus dem operativer Einkauf) und die Informationsverar-
beitung (Auswertung und Analyse der Daten aus dem operativen Einkauf) im Rahmen
der Informationsübertragung an die Entscheidungsträger aus strategischer Sicht konkrete
Veränderungen im Lieferanten- oder Beschaffungsmanagement begleitet bzw. vorbereitet
werden können. Im Folgenden soll auf die einzelnen Aufgaben in den drei Bereichen des
Prozessmanagements eingegangen werden.
Die Prozesse beim elektronischen Einkauf 181
Strategisches Beschaffungsmanagement
Management von Beschaffungs- und Beschaffungspläne
Konzernanalyse Produkt- und Sourcingstrategien und Sourcingricht-
Lieferantenportfolio festlegen linien festlegen
Strategischer
Einkauf
Beschaffungs-Controlling
Taktischer
Einkauf
Stammdatenpflege/Content Management
Operativer
Einkaufsprozess Einkauf
Ausschrei- Angebot/ Bestell- Lieferüber- Rechnungs-
Abwicklung/
bungs- Vertrags- abwicklung/ wachung/ prüfung/
BANF
vorbereitung verhandlung Lieferabrufe -eingang -bezahlung
Wie kann das Management ein E-Procurement-System für eine strategische Zusam-
menarbeit mit dem Lieferanten nutzen?
Oft wird von einer allgemeinen Vorteilhaftigkeit der Beschaffung über E-Procurement-
Lösungen gesprochen. Dabei wird der Aspekt vernachlässigt, dass sich E-Procurement
keineswegs pauschal für alle Güter und Dienstleistungen eignet. Vielmehr sollte der Ein-
satz von E-Procurement zunächst natürlich nur für diejenigen Beschaffungsobjekte erfol-
gen, bei denen über den elektronischen Einkauf substantielle Einsparpotenziale hinsicht-
lich des Preises und der Beschaffungskosten zu erwarten sind. Darüber hinaus gilt für
die elektronische Beschaffung aber auch, dass nur die Güter als geeignet erscheinen, die
sich durch eine geringe Erklärungsbedürftigkeit, eine hohe Standardisierbarkeit, hohe
Beschaffungsprozesskosten, große Bestellvolumina sowie einen geringen Materialwert
und eine geringe strategische Bedeutung für das Unternehmen auszeichnen (Dolmetsch
2000, S. 11 ff.). Denn nur bei diesen Gütern erscheint auf den ersten Blick eine Beschaf-
fungsentscheidung, die nur auf digitalen Informationen und nicht auf eine reale Prüfung
basiert, durchführbar. Der Entscheidung über den Einsatz eines E-Procurement-Systems
im Unternehmen muss demnach eine umfangreiche unternehmensinterne Produktanalyse
vorausgehen. Dabei steht zunächst die Frage nach der grundsätzlichen Verwendung der zu
beschaffenden Güter im Mittelpunkt. Die Anforderungen der Beschaffung von Rohmate-
rialien, Handelsartikeln und Dienstleistungen unterscheidet sich teilweise erheblich. Die
elektronischen Beschaffungsprozesse und Systemlösungen müssen daher den Material-
klassen angepasst werden. Primär unterscheidet man dabei zunächst zwischen zwei Be-
schaffungsgütern:
Den direkten Gütern werden diejenigen Materialien zugeordnet, die in die direkte
Wertschöpfungskette des Unternehmens einfließen. Die Beschaffungsobjekte fließen
also direkt und damit unmittelbar in die Produktion oder Bereitstellung höherwertiger
Produkte bzw. Dienstleistungen ein, die dem Kunden angeboten (z. B. bei Handels-
unternehmen) bzw. für den Wiederverkauf vorbereitet werden (Tripp 2002; We-
ber/Kabst/Baum 2018).
Es liegt nun auf der Hand, dass es bezüglich des Einsatzes eines E-Procurement-Systems
hier zu unterschiedlichen Auswirkungen kommen kann. So ist ein möglicher Ausfall des
Systems bei der Beschaffung von direkten Gütern möglicherweise viel gravierender als bei
indirekten Gütern. Die wohl wichtigste Gruppe von indirekten Gütern bilden dabei die sog.
MRO-Materialien (Maintenance, Repair and Operations). Klassische MRO-Materialien
sind bspw. Büromaterialien, Reinigungsmittel oder Dienstreisen. Derartige Produkte wer-
den in allen Unternehmensteilen bis hin zum Management benötigt. Dabei werden einzelne
Beschaffungsprozesse überall im Unternehmen mit relativ kleinen Volumen initiiert (z. B.
ein Aktenordner für Abteilung I). Der relative Anteil der Prozesskosten gegenüber den
eigentlichen Produktkosten ist somit sehr hoch (s. Kapitel 2.2.1.1). Zudem werden MRO-
Güter aufgrund mangelnder Koordination zwischen den einzelnen Abteilungen häufig von
verschiedenen Lieferanten beschafft, obwohl zum Teil günstige Rahmenverträge auf Un-
ternehmensebene existieren (Maverick Buying).
Indirekte Güter bzw. MRO-Materialien machen in der Regel einen sehr beachtlichen An-
teil an den Gesamtausgaben eines Unternehmens aus. Rechnet man Anlage- und Investi-
tionsgüter hinzu, entsprechen indirekte/MRO-Produkte bei amerikanischen Unternehmen
durchschnittlich etwa einem Drittel des Umsatzvolumens. Besonders hoch ist der Anteil
dabei naturgemäß in Dienstleistungs- und Verwaltungsorganisationen (Dolmetsch 2000,
S. 14). Durch die hohe Standardisierung der Produkte sind deren Lieferanten austausch-
bar. Beschaffungsmenge und Beschaffungshäufigkeit von MRO-Materialien variieren
stark und sind kaum vorhersagbar. Eine enge Lieferantenbeziehung und gemeinsame
Produktionsplanung sind daher – im Gegensatz zu direkten Gütern – nicht notwendig
(Tripp 2002, S. 118). Daher sollte eine E-Procurement-Lösung für die indirekte Beschaf-
fung zum einen Vergleichbarkeit und Unabhängigkeit schaffen, zum anderen durch eine
Prozessautomatisierung zwischen Lieferanten und Bedarfsträger zu einer Reduktion der
Prozesskosten führen. Ein Desktop-Purchasing-System (s. Kapitel 2.1.2.2) mit Multilie-
ferantenkatalog (s. Kapitel 2.1.1.4) wird diesen Anforderungen in optimaler Weise gerecht.
Während sich indirekte MRO-Güter also in hohem Maße für die internetbasierte Beschaf-
fung eignen, lassen sich direkte Güter in verschiedene Materialklassen einordnen, die
wiederum verschiedenen Anforderungen an die elektronische Beschaffung mit sich brin-
gen. Da aus der Produktanalyse neben der prinzipiellen E-Procurement-Eignung vor allem
aber auch die Wahl der letztendlich zu implementierenden Systemlösung hervorgeht (s.
Kapitel 2.2), muss die detailliertere Produktanalyse über eine Unterscheidung in direkte
und indirekte Güter hinaus, wesentlich systematischer erfolgen. Im Folgenden soll daher
auf eine Auswahl möglicher Systematiken zur Produktanalyse im elektronischen Einkauf
eingegangen werden.
2.3.1.1 ABC-Analyse
Ausgangspunkt vieler realer Einkaufsentscheidungen ist eine Klassifikation der einzu-
kaufenden Objekte anhand einer ABC-Analyse (Werner 2017). Sie erlaubt neben einer
Tätigkeiten- und Ressourcenpriorisierung eine differenzierte Bearbeitung der einzelnen
186 Die Grundlagen des E-Procurement
Bedarfspositionen und bietet sich daher auch im Vorfeld der Einführung von E-Procure-
ment-Systemen für die notwendige Produktanalyse an (Wannenwetsch 2002, S. 93). Je
nach Beschaffungskomplexität, Beschaffungsvolumen und Beschaffungshäufigkeit unter-
scheidet man dabei verschiedene Güterarten (s. Abb. 75):
A-Güter niedrig
• auftragsbezogene Bewirtschaftung
• exakte Disposition bzgl. Menge und Termin Ziel:
• Bestand vermeidende Bewirtschaftung Optimales
• Nutzung webbasierter Informationsquellen Sourcing
• Marktforschung, Markt- und Preisanalyse
E-Procurement-Potenzial
• intensive Preisverhandlungen
B-Güter
• vorratsbezogene Bewirtschaftung
• Bestellung in kostenoptimalen Losgrößen Ziel:
• geringer Aufwand bei Bestandsführung Prozesskosten-
und -überwachung senkung
• einfache Bestellabwicklung
C-Güter hoch
Bei A-Gütern handelt es sich um Produkte mit einem hohen Wertanteil, die nur in
geringen Mengen und relativ selten beschafft werden. Die Wirksamkeit der Einkaufs-
instrumente ist hier am höchsten, sodass entsprechende elektronische Lösungen primär
auf eine Erhöhung der Markttransparenz, eine Verbreiterung der Lieferantenbasis so-
wie auf eine Intensivierung der Lieferantenbeziehungen zielen. Diese Ziele sollen vor
allem ein optimales Sourcing hinsichtlich Einstandspreisen und Qualität ermöglichen.
Bei B-Gütern handelt es sich um Produkte mit mittlerem Wertanteil, mittlerer Bestell-
häufigkeit und mittlerem Bestellvolumen. Hier empfiehlt sich eine selektive Vorge-
hensweise in Einkauf und Beschaffung, die sich je nach Wert und Eigenheiten der Pro-
dukte an das Management im E-Procurement der A- oder C-Güter anlehnt (Wannen-
wetsch 2002, S. 95).
Es lässt sich festhalten, dass die internetbasierte Beschaffung ihr Potenzial vor allem im
Bereich der C-Güter voll entfalten kann. Durch eine ABC-Analyse ist allerdings lediglich
eine generelle Priorisierung der Einkaufsaktivitäten möglich (s. Abb. 75). Um letztendlich
Entscheidungen bei der Auswahl der Systemlösung treffen zu können, werden differen-
ziertere Analyseinstrumente benötigt.
2.3.1.2 Kosten/Standard-Matrix
Ein weiterer Ansatz zur ersten Produktanalyse von Beschaffungsobjekten im E-Procure-
ment ergibt sich aus der Erweiterung der C-Güter-Klassifikation (s. Kapitel 2.3.1.1) und
den Ausführungen zur allgemeinen Eignung von Gütern in der elektronischen Beschaf-
fung (s. Kapitel 2.3.1). Dabei werden vor diesem Hintergrund insbesondere die Aspekte
Prozesskosten, Beschaffungswert und Standardisierbarkeit als Beurteilungskriterien hin-
zugenommen (Wannenwetsch 2002, S. 49):
Die Prozesskosten (z. B. Personalkosten) ergeben sich dabei aus den einzelnen Ar-
beitsschritten und Aufwendungen, die gegenwärtig im Unternehmen anfallen, um ein
Produkt bzw. eine Dienstleistung zu beschaffen (s. Kapitel 2.2.1.1).
Der Beschaffungswert ergibt sich aus der Beschaffungshäufigkeit und den Bestell-
volumina einer Gruppe von Beschaffungsobjekten. Hier ist also nicht der Wert eines
einzelnen Objektes, sondern vielmehr der summierte Wert aller zu beschaffenden Ob-
jekte einer Gruppe gemeint.
Aus der visuellen Zusammenführung der drei Aspekte resultiert nun eine dreidimensionale
Kosten/Standard-Matrix (Abb. 76). Insbesondere der Aspekt der Standardisierbarkeit
erweitert dabei die zugrundeliegende ABC-Analyse, wodurch auch ein differenzierteres
Augenmerk auf die Art der Beschaffung gelegt wird, die somit auch A- und B-Güter für das
E-Procurement interessant macht. Wichtig ist stets, dass für eine internetbasierte Be-
schaffung das Kriterium der Standardisierbarkeit prinzipiell erfüllt sein muss. Sind zu-
188 Die Grundlagen des E-Procurement
sätzlich die Kostenaspekte hoch ausgeprägt, lassen sich durch ein effektives E-Procure-
ment hohe Effizienzsteigerungspotenziale generieren (Wannenwetsch 2002, S. 46). Wie
schon bei der ABC-Analyse ist aber auch bei der Kosten/Standard-Matrix noch keine Aus-
sage über eine konkrete Systemlösung im E-Procurement möglich. Trotzdem wird die Pro-
duktanalyse für die elektronische Beschaffung hierdurch erweitert.
Optimale
Eignung
hoch
Prozesskosten
hoch
Standardisierbarkeit
niedrig niedrig
hoch Beschaffungswert niedrig
2.3.1.3 Wert/Risiko-Matrix
Ein weiterer Ansatz zur ersten Produktanalyse von Beschaffungsobjekten im E-Procure-
ment ergibt sich aus der Erweiterung der C-Güter-Klassifikation (s. Kapitel 2.3.1.1) zu-
sammen mit den Ausführungen zum Beschaffungswert (s. Kapitel 2.3.1.2). Dabei wird
vor diesem Hintergrund mit dem Aspekt „Risiko“ ein weiteres Beurteilungskriterium hin-
zugenommen. Mit dem Risiko sind dabei die Konsequenzen aus einer Nicht- bzw. Teil-
lieferung bzw. einer zeitlich verspäteten Zustellung der zu beschaffenden Güter für die
weiteren Unternehmensprozesse gemeint. Bei einem hohen Risiko würden Unregelmäßig-
keiten in der Lieferung zu massiven Schwierigkeiten führen, während bei einem niedrigen
Risiko der weitere Unternehmensablauf nicht gefährdet wäre. Im Resultat ergibt sich eine
Das Management beim elektronischen Einkauf 189
Wert/Risiko-Matrix (s. Abb. 77), die anzeigt, wie die zu beschaffenden Produkte die
Wettbewerbsfähigkeit und die Profitabilität des Unternehmens beeinflussen und welche
Konsequenzen bzw. Vorgaben sich für eine E-Procurement-Lösung daraus ergeben kön-
nen (Smeltzer/Carter 2001, S. 78). Folgende Fälle der Objektkategorisierung werden da-
bei unterschieden (s. Abb. 77):
hoch
Bei taktischen Objekten handelt es sich um Routine-Teile, die nicht direkt in den
Mehrwert der fertigen Produkte eingehen (z. B. MRO-Güter). Hier gilt es insbeson-
dere, den Beschaffungsprozess soweit wie möglich zu automatisieren – z. B. mit Hilfe
einer Desktop-Purchasing-Lösung (s. Kapitel 2.1.3).
Obwohl kritische Objekte einen relativ geringen Wert haben, würde eine Unterbre-
chung ihrer Versorgung zu Marktschwierigkeiten führen. Beispiele für derartige Pro-
dukte sind Ersatzteile oder Spezialchemikalien. Die Anzahl der einzukaufenden kri-
tischen Objekte gilt es daher nach Möglichkeit zu reduzieren bzw. zu eliminieren.
Strategische Objekte, bei denen sowohl Wert als auch Risiko hoch sind, geben den
Produkten eines Unternehmens ihren unverkennbaren Wert. Dieser ergibt sich aus Kun-
denzufriedenheit und Kundenmehrwert, der Einkaufspreis spielt nur eine untergeord-
nete Rolle. Hier gilt es, langfristige strategische Beziehungen mit den entsprechenden
Lieferanten (s. Kapitel 2.3.2) einzugehen, die durch ein eSupply Chain Management
gepflegt werden können.
Im Gegensatz zu den ersten beiden Verfahren bietet die Wert/Risiko-Matrix nun auch Hin-
weise auf die Verwendung eines E-Procurement-Systems (s. Abb. 77). Nutzungs- und
Sicherheitsanforderungen an dieses System stehen dabei in Verbindung zu der zugehö-
rigen Risikoausprägung (z. B. Desktop-Lösung für risikoarme taktische Objekte). Obwohl
die Produktanalyse für die elektronische Beschaffung hierdurch systemorientiert erweitert
wird, lässt der geringe Detaillierungsgrad noch weitere Verbesserungen zu.
2.3.1.4 Strategie/Automatisierungspotenzial-Matrix
Ein weiterer Ansatz zur ersten Produktanalyse von Beschaffungsobjekten im E-Procure-
ment ergibt sich aus der Erweiterung bzw. Kombination der Wert/Risiko-Matrix mit der
hier vorhandenen strategischen Wertdimension (s. Kapitel 2.3.1.3) und den Ausführungen
zu der Kosten/Standard-Matrix mit dem in diesem Unterkapitel vorgestellten Ansatz zur
Automatisierung von Beschaffungsprozessen. Im Ergebnis steht die sog. Strategie/
Automatisierungspotenzial-Matrix, bei der die strategische Bedeutung der Möglichkeit
einer automatischen Bestellabwicklung gegenübergestellt und mit konkreten Umsetzungs-
möglichkeiten im Rahmen eines E-Procurement-Systems verbunden wird. Im Hinblick
auf ihre strategische Bedeutung weisen Beschaffungsobjekte durchaus unterschiedliche
Dimensionen auf. So weisen direkte Güter, die den Kerngeschäfts- bzw. Produktionsbe-
darf eines Unternehmens decken, bspw. eine wesentlich höhere strategische Bedeutung
als indirekte Güter, die die primären Wertschöpfungsaktivitäten eines Unternehmens le-
diglich unterstützen, auf. Da aber auch indirekte Güter durchaus eine hohe strategische Be-
deutung aufweisen können (z. B. Gebäude), bietet sich für eine detailliertere Produktana-
lyse im E-Procurement die Betrachtung aus einem strategischem Blickwinkel eher an, als
die reine Unterscheidung in direkte und indirekte Güter (s. Kapitel 2.3.1). Im Hinblick auf
das Automatisierungspotenzial kann ein ähnlicher Zusammenhang beobachtet werden.
Zwar geht eine hohe Standardisierung in der Regel auch mit einem hohen Automatisie-
rungsgrad einher, aber auch bei wenig standardisierten Produkten kann nach der erstma-
ligen Spezifikation, z. B. für Wiederholungsbestellungen, eine Automatisierung über E-
Procurement-Systeme erreicht werden (s. Abb. 78).
Das Management beim elektronischen Einkauf 191
hoch
Werkzeugmaschinen,
Beispiele Beispiele Reifen, chemische Grundstoffe
Grundstücke/Gebäude
Neben der Analyse der zu beschaffenden Produkte spielt die Analyse und hier insbeson-
dere die Suche und die Auswahl von geeigneten Online-Lieferanten eine entscheidende
Rolle für die Managementebene im elektronischen Einkauf. Hintergrund ist die Tatsache,
dass die geforderten Verbesserungen bezüglich der Komponenten Zeit, Qualität und Kos-
ten (s. Kapitel 2.3) nur mit Hilfe der passenden Lieferanten, die über digitale Netzwerke
mit dem Unternehmen verbunden sind, optimal erfüllt werden können. Das im Mittelpunkt
stehende Ziel der Lieferantenanalyse ist es daher, mögliche Online-Lieferanten zu identi-
fizieren, eine Bewertung vorzunehmen, den Online-Kontakt zu suchen und eine stabile
Geschäftsbeziehung auf Online-Basis aufzubauen. Dabei gilt es nicht nur, den möglichen
Online-Lieferanten für die Unternehmung zu identifizieren, sondern auch die eigene Rolle
im Verhältnis zum Online-Lieferanten und die dazu passenden Reaktionsmuster zu be-
stimmen (Riemer/Klein 2002, S. 12). Diese Aktivitäten zählen zu den Aufgaben, die ins-
besondere in den strategischen Aufgabenbereichen des E-Procurement einzuordnen sind.
2.3.2.1 Online-Lieferantensuche
Während bei der klassischen Anbindung an einen Standardlieferanten ein Wechsel auf der
realen Handelsebene oft mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist, wird beim Einsatz
einer E-Procurement-Lösung bewusst eine höhere Flexibilität in der Auswahl von mögli-
chen Online-Lieferanten über produktbezogene Einzelfallentscheidungen angestrebt.
Dazu ist es wichtig, sich im E-Procurement einen hinreichend großen Online-Lieferan-
tenstamm aufzubauen. Neue und alte Lieferanten können dabei gleichermaßen über die
neue E-Lösung angebunden werden, sofern sie sich bereit erklären, die neuen Prozesse im
elektronischen Einkauf aktiv zu unterstützen. Dazu zählt insbesondere, dass sie die benö-
tigten technologischen Voraussetzungen mit sich bringen bzw. bereit sind, diese zu imple-
mentieren. Wählt ein Unternehmen einen Einkaufsdienstleister (z. B. einen virtuellen
Marktplatz; s. Kapitel 4; s. Abb. 59), werden die möglichen Online-Lieferanten größten-
teils von diesem vorgegeben (Möhrstädt/Bogner/Paxian 2001, S. 122).
Neben den eigentlichen Beschaffungsanfragen und dem zugehörigen Angebotsprozess
(Einholen und Bewerten von Angeboten, s. Kapitel 2.2.2.1) spielt bei der Suche nach
geeigneten Online-Lieferanten auch der Prozess der Lieferantenfreigabe eine Rolle. So
haben insbesondere Lieferanten von Produktionsmaterialien in vielen Fällen einen Frei-
gabeprozess zu durchlaufen, bevor sie sich an regulären Anfragen und Ausschreibungen
(s. Kapitel 2.4.2.2) beteiligen dürfen. Dies gilt auch für die Aufnahme von Online-Lieferan-
ten – z. B. im Rahmen eines Buy-Side-Modells (s. Kapitel 2.1.2.2) – bevor die einzelnen
Produkte in das Desktop-Purchasing-System (s. Kapitel 2.1.3) eingestellt werden sollen.
Ausgangspunkt dafür ist oftmals das Ausfüllen eines Fragebogens (Request for Informa-
tion) durch potenzielle Online-Lieferanten, z. B. auf der Homepage des zu beschaffenden
Unternehmens. Dieser bildet die Grundlage für eine Vorauswahl (Roland/Kleeberg 2002,
S. 307). Vor der Vergabe von wichtigen Auftragsumfängen für direkte Güter, aber auch
Das Management beim elektronischen Einkauf 193
bei der Festlegung von Kataloglieferanten ist ein weiterer Prozess zu durchlaufen, bei dem
die Lieferanten zur Abgabe von Angeboten aufgefordert werden (Request for Quota-
tion). Informationen hinsichtlich der Anforderungen, die das zu beschaffende Unterneh-
men an die Beschaffungsobjekte und die elektronische Lieferantenbeziehung stellt, können
zuvor mit Hilfe des Internets kommuniziert werden und sollten dabei so genau und ver-
bindlich wie möglich sein.
2.3.2.2 Online-Lieferantenauswahl
Erst nach einer konkreten Bewertung der Angebote wird entschieden, mit welchen Online-
Lieferanten tatsächlich in die darauffolgende Verhandlungsphase eingetreten wird. In dieser
kann dann mit Hilfe technischer Kommunikationsplattformen das Ziel verfolgt werden, den
geeignetsten Lieferanten auszuwählen. Dabei kann man den Lieferanten die Möglichkeit
bieten, sich innerhalb eines festgelegten Zeitraumes noch zu unterbieten (Roland/Klee-
berg 2002, S. 308). Soll die Lieferantenauswahl in kürzeren Zeiträumen stattfinden, be-
steht die Möglichkeit, mit Hilfe von Internet-Auktionen (s. Kapitel 2.4.2.3) synchrone
Preisverhandlungen mit mehreren Lieferanten durchzuführen. Auch in diesem Fall werden
die Lieferanten zur Teilnahme an einem Bietverfahren eingeladen (Request for Bid). Ne-
ben der Bewertung neuer Lieferanten, ist es im Hinblick auf Folgeverhandlungen wichtig,
die Leistungsfähigkeit aktueller Lieferanten bewerten zu können. Das Beschaffungsma-
nagement hat allerdings das Problem, die Lieferantenleistungen nur in geringem Maße be-
urteilen zu können, da die Beschaffung direkt über den Bedarfsträger abgewickelt wird.
Aus diesem Grund sind in viele E-Procurement-Lösungen Module zur Lieferantenbe-
wertung und Lieferantenleistungsüberwachung integriert. Anhand einer Maske erhält der
Bedarfsträger so einen Einblick in die Lieferantenperformance bezüglich Zeit, Qualität
und Kosten. Diese Bewertung kann dann eine fundierte Grundlage zu Problemlösungen
und Verbesserungen schaffen (Wannenwetsch 2002, S. 85). Auf darauf aufbauende An-
sätze des eSupplier Relationship Managements (s. Kapitel 2.4.1.4) wird im Rahmen der
Marketingebene der elektronischen Beschaffung (s. Kapitel 2.4) noch detailliert eingegan-
gen.
2.3.2.3 Online-Lieferantenportfolio
Ein fundiertes Wissen über die eigene Lieferantenstruktur stellt eine unverzichtbare Vor-
aussetzung für die Gestaltung der Lieferantenbeziehungen dar. In Analogie zu den bereits
vorgestellten Portfolio- bzw. Matrix-basierten Modellen zur Produktanalyse (s. Kapitel
2.3.1), lässt sich zur Bewältigung der Analyse der Lieferantenstruktur ebenfalls ein On-
line-Lieferantenportfolio bilden (s. Abb. 79). Wichtig bei der Verwendung eines derarti-
gen Instruments ist es, die Lieferanten nicht nur undifferenziert über die Gesamtheit aller
Beschaffungsobjekte zu bewerten. Vielmehr muss die Analyse nicht nur abgestuft nach
Beschaffungsobjekten erfolgen, da die Situation bezüglich der Beschaffungsobjekte teil-
194 Die Grundlagen des E-Procurement
weise stark differiert, sondern auch nach der Qualität der übermittelten elektronischen Da-
ten zu den Beschaffungsobjekten, damit eine Entscheidung tatsächlich über Online-Me-
dien getroffen werden kann.
Kataloge im Kataloge in
Ansatz 1 definierten abweichendem
Format Format
Unzureichende
Gute technische
technische Ansatz 2
Fähigkeiten
Fähigkeiten
Neben Marktmacht und Lieferanteil spielen bei der Kategorisierung innerhalb eines Lie-
ferantenportfolios im E-Procurement vor allem auch technische Aspekte eine Rolle. Be-
vor dem beschaffenden Unternehmen von einem Lieferanten regelmäßig aktualisierte Ka-
talogdaten übermittelt werden (s. Kapitel 2.1.2.1), muss zunächst eine Lieferantenadop-
tion stattfinden, da die Fähigkeit der Lieferanten, Produktdaten in gewünschtem Format
und hinreichender inhaltlicher Qualität bereitzustellen, höchst unterschiedlich ist (Dol-
metsch 2000, S. 201). Ist die Datenqualität unzureichend oder das Format inkompatibel,
müssen im Rahmen des Katalogmanagements des beschaffenden Unternehmens manuelle
Anpassungen bzw. Konvertierungen vorgenommen werden. Auch die Bereitschaft der Lie-
feranten, überhaupt einen elektronischen Produktkatalog zur Verfügung zu stellen, spielt
hier eine Rolle. Abb. 79 zeigt beispielhaft zwei Ansätze zur technischen Lieferantenkate-
gorisierung. In Kombination mit einer ausführlichen Produktanalyse schafft die Segmen-
tierung der Lieferanten zwar Transparenz bezüglich Materialien und Lieferanten, diese
reicht aber nicht aus, um die relevanten Beschaffungspotenziale zu realisieren und nach-
haltig zu sichern. Dennoch bietet die Produkt- und Lieferantenanalyse eine gute Basis,
um entsprechende Normstrategien abzuleiten, Handlungsalternativen auszuwerten und
den sinnvollen Einsatz neuer Informationstechnologien zu beurteilen (Eyholzer/Kuhl-
mann/Münger 2002, S. 67).
Das Management beim elektronischen Einkauf 195
Lange Zeit folgte die Beschaffung bzw. der Einkauf im Unternehmen lediglich den An-
forderungen der Produktion ohne jedoch eine eigene Steuerungsfunktion und somit wirk-
liche Kompetenzen zu besitzen. Im Vordergrund standen dabei Prozesskosten und Ein-
kaufspreise (s. Kapitel 2.2.1.1). Durch die mit Hilfe der elektronischen Vernetzung und
Kommunikation voranschreitenden Möglichkeiten einer arbeitsteiligen Organisation in-
nerhalb des Wertschöpfungsprozesses und den damit einhergehenden Veränderungen der
Markt- und Wettbewerbssituation in nahezu allen Branchen, rückt die zwischenbetriebli-
che Organisation mit verschiedenen Partnerunternehmen immer stärker in den Vorder-
grund (Riemer/Klein 2002, S. 9 f.). Basierend auf der Produkt- und Lieferantenanalyse
befasst sich die Strategieanalyse im E-Procurement mit den kritischen Entscheidungen,
die im Rahmen der Einkaufs- bzw. Versorgungsstrategie eines Unternehmens getroffen
werden müssen. Dabei kommt der Zusammenarbeit einzelner Organisationseinheiten so-
wie der Kollaboration zwischen beschaffendem Unternehmen und Lieferanten zentrale Be-
deutung zu und ist Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung der erarbeiteten Strate-
gie.
2.3.3.1 eCollaboration
Unter dem Begriff eCollaboration wird eine Fülle von Maßnahmen zusammengefasst,
die die Zusammenarbeit zeitlich und/oder räumlich getrennter Organisationen bzw. Or-
ganisationseinheiten durch neue Informations- und Telekommunikationstechnologien er-
möglichen (s. auch Kapitel 6). Klassische Beispiele für den Einsatz derartiger Technolo-
gien für die Zusammenarbeit sind Videokonferenzen, Internetanwendungen oder EDI (s.
Kapitel 2.1.1.1). Diese und andere Tools für die eCollaboration sollen im Rahmen der
elektronischen Beschaffung die Zusammenarbeit zwischen Abnehmer und Zulieferer un-
terstützen. Dies schließt bspw. Werkzeuge zur gemeinsamen Entwicklung von Produkten
(Collaborative Design), zur gemeinsamen Bedarfsplanung (Collaborative Forecasting and
Planning) oder zur gemeinsamen Beschaffung (Collaborative Sourcing) ein. Die Tools
bieten dabei u. a. die Möglichkeit, auf einen gemeinsamen Datenbestand dezentral zuzu-
greifen oder Projekte und/oder Dokumente zentral zu verwalten. Entsprechend der Inten-
sität des Einsatzes solcher Technologien und des Grades der Integration der Partner sind
verschiedene Stufen der eCollaboration zu unterscheiden, die in Abb. 80 dargestellt sind
(Wirtz/Vogt 2003):
Auf der ersten Stufe kommt es zu einer rein kommunikativen Interaktion, also einem
Austausch von Informationen. Ein Beispiel wäre das Versenden von Bestelldaten über
EDI oder eine Auftragsbestätigung per E-Mail, die entweder manuell oder automa-
tisch erfolgen kann.
196 Die Grundlagen des E-Procurement
Eine dritte Stufe schließlich lässt sich durch die weitgehende Integration der betei-
ligten Partner in die Wertschöpfung des Unternehmens beschreiben, wobei die Part-
ner an gemeinsamen Projekten arbeiten und auf gemeinsame Ressourcen zugreifen
können. Ein Beispiel für diese höchste Stufe der Integration sind Systeme zur inte-
grierten Planung der Versorgungskette bis hin zu Endkunden (eSupply Chain Ma-
nagement; s. Kapitel 2.3.3.2).
Geschäftstätigkeit/
Wertschöpfung 3
Wert- und
Partnerintegration
• Elektronische
Integration von
2 Kooperationspartnern
Kommerzielle
• Gemeinsame
Transaktion
Wertschöpfung und
• Online-Transaktionen Ressourcennutzung
• Elektronische • Höchste Stufe der
1 Zahlungsabwicklung
Kommunikative Integration
Interaktion • Wertschöpfungs-
verknüpfung
• Bestellungen auf
elektronischem Weg
(z.B. per E-Mail)
• Elektronische
Auftragsbestätigung
Komplexität
der Veränderung der Bilanzstruktur der Unternehmen durch die mit einer Bestandssen-
kung einhergehende Reduzierung des Umlaufvermögens.
Planung: Hierunter fallen alle strategischen, taktischen und operativen Aufgaben in-
nerhalb der Supply Chain, die zur Steigerung der Produktivität des Liefernetzwerkes
beitragen. Hierbei finden rechnergestützte Planungsmethoden und Simulationen zur
Verbesserung der logistischen Abläufe verstärkt Anwendung.
Planung
Primäre
Wertschöpfung Lieferant Eingang Produktion Ausgang Kunde
Direkte
Beschaffung
Unterstützende Indirekte
Funktionen Beschaffung
E-Procurement
Ausführung: Bei der eigentlichen Vollziehung der integrierten Planung kommen Vi-
sualisierungs- bzw. Informationslösungen sowie Kommunikations- und Transaktions-
lösungen (s. Kapitel 2.1.3.4) zur Unterstützung der operativen Aufgaben in Disposition
und Auftragsabwicklung innerhalb des Liefernetzwerkes zum Einsatz.
2.3.3.3 eProduktidentifikation
Im Zeitalter der Digitalen Wirtschaft sind es die Prozesse der Kunden eines Unterneh-
mens, die den Ausgangspunkt für die Gestaltung eigener Prozessabläufe bilden. Die zuvor
dargestellten SCM-Lösungen erfüllen diese Anforderungen durch die überbetriebliche In-
tegration von Informationen und Prozessen. Um die Vision eines grenzenlosen Unterneh-
mens jedoch zu vollenden, gilt es die Lücke zu überwinden, die zwischen realer und di-
gitaler Welt existiert (Lampe/Flörkemeier/Haller 2005, S. 69). Erstere Welt ist durch phy-
sische Produkte und Warenflüsse gekennzeichnet, letztere Welt besteht aus ERP-, E-Pro-
curement- und SCM-Lösungen, die Informationen über ebendiese verwalten. Kurzum be-
nötigen Informationssysteme „Augen und Ohren“ (Fleisch/Christ/Dierkes 2005, S. 3),
die eine automatische Erkennung physischer Gegenstände ermöglichen. Durchgesetzt ha-
ben sich in diesem Bereich RFID-Transponder, die eine kontaktlose, Mikrochip-ge-
stützte Identifikation von realen Gegenständen ermöglichen. Der Einsatz von RFID-Tech-
nologien bringt im Rahmen der Lieferkette niedrigere Fehlerquoten, eine höhere Prozess-
effizienz, eine gesteigerte Produktqualität sowie daraus resultierende Kosteneinsparungen
mit sich (Lampe/Flörkemeier/Haller 2005, S. 69). RFID-Transponder (auch: Smart
Chips) verfügen über eine Antenne und einen Mikrochip, auf dem in der Regel eine Se-
riennummer gespeichert ist, die mittels drahtloser Kommunikation von einem speziellen
Lesegerät, das in der Regel einige Meter entfernt ist, ausgelesen werden kann. Im Gegen-
satz zu den bisher eingesetzten Barcodes bringen RFID-Technologien vor diesem Hinter-
grund folgende Vorteile mit sich (Lampe/Flörkemeier/Haller 2005, S. 70; Tellkamp/Hal-
ler 2005, S. 226 f.):
Der mit dem Lesen von Barcodes verbundene manuelle Aufwand entfällt, da eine Sicht-
verbindung zwischen Scanner und Barcode (auf Produkt, Karton oder Palette) nicht
mehr nötig ist.
Mittels RFID lassen sich einzelne Produkte identifizieren, während Barcodes in der
Regel für alle Instanzen eines bestimmten Produktes identisch sind. So ist z. B. die
Überprüfung der Haltbarkeit eines Produktes möglich.
Smart Chips werden in Industrie und Handel auf logistischen Einheiten (z. B. Paletten, Pa-
keten oder Hängewaresendungen), Handelseinheiten (z. B. Kartons und Unterkartons) oder
einzelnen Produkten angebracht (auch: Paletten-, Karton- und Einzelproduktebene; Tell-
kamp/Haller 2005, S. 228). Der auf dem Chip gespeicherte elektronische Produktcode
(EPC) hilft, die entsprechenden Versandeinheiten eindeutig zu identifizieren. Auf der
Ebene der Informationssysteme werden dem EPC dann sowohl produkt- als auch prozess-
bezogene Informationen zugeordnet, um innerhalb der Supply Chain bisher nicht befriedi-
gend gelöste Themen wie mangelhafte Produktverfügbarkeit, Produktverfall, Rückver-
folgbarkeit, Diebstahl und administrative Probleme (z. B. im Umgang mit fehlerhaften
Lieferungen) zu lösen (Tellkamp/Haller 2005, S. 225 ff.). Mittels RFID können Zustände
der realen Welt (z. B. Lagerbestände, Ortsinformationen) erfasst werden, die nicht nur
interne Prozesse verbessern, sondern im Sinne eines unternehmensübergreifenden SCM
allen Wertschöpfungspartnern zur Verfügung gestellt werden können. Nutzenpotenziale
von RFID zeigen sich vor diesem Hintergrund auf den folgenden Ebenen (Tellkamp/Haller
2005, S. 229 ff.):
Diebstahl: Die Vermeidung von Diebstahl kann auf direkte oder aber indirekte Art und
Weise erfolgen. Bei direkter Vermeidung wird gestützt durch einen RFID-Leser Alarm
ausgelöst, während eine indirekte Vermeidung lediglich darauf abzielt, Quellen für
Diebstahl zu identifizieren und entsprechende Sicherungsmaßnahmen bei der Lage-
rung zu implementieren.
Für den Einzelhandel lassen sich Effizienzvorteile beim Kassiervorgang durch die sog.
Selbst-Check-out-Systeme (Tellkamp/Haller 2005, S. 234) als weiteres Nutzenpotenzial
identifizieren. Im Rahmen des hier betrachteten B2B-Kontextes soll hierauf allerdings
nicht näher eingegangen werden.
Die Implementierung von RFID-Technologien gestaltet sich komplex, wobei die Komple-
xität eines Projektes mit zunehmender Reichweite der horizontalen und/oder vertikalen In-
tegration ansteigt (Gross/Thiesse 2005, S. 303). Eine Einbeziehung aller beteiligten Wert-
schöpfungspartner und eine enge Zusammenarbeit stellen vor diesem Hintergrund einen
entscheidenden Faktor für die erfolgreiche Umsetzung eines E-Procurement- bzw. SCM-
Projektes, bei dem RFID-Technologien zum Einsatz kommen sollen, dar (s. dazu Kapitel
2.4.1 sowie im Detail die Ausführungen von Gross/Thiesse 2005).
Welche Instrumente und Softwarelösungen können zur Steuerung und zum Monitoring
der Online-Geschäftsbeziehung zum Lieferanten im E-Procurement genutzt werden?
der Industrie, wird zunehmend aber auch für Handelsunternehmen verwendet. Toporows-
ki/Zielke (2006, S. 763) fassen die in Literatur gegebenen unterschiedlichen Sichtweisen
in einer Definition zusammen: „SRM beinhaltet ein selektives, partnerschaftliches, häufig
EDV-unterstütztes Lieferantenmanagement, das sich auf den Aufbau, die Ausgestaltung
und die Kontrolle von Lieferantenbeziehungen im Sinne einer langfristigen Geschäftsbe-
ziehung erstreckt, um die Nachfrage der eigenen Kunden besser, schneller und effizienter
bedienen zu können“. Die veränderte Rolle des Lieferanten spiegelt sich in einem ganz-
heitlichen Ansatz bei der Planung, Durchführung und Kontrolle der Zusammenarbeit wi-
der. Zur Integration des Partners in die realen und elektronischen Wertschöpfungsprozesse
sieht das (e)SRM vor, die einzelnen Lebensphasen einer Lieferantenbeziehung, wie Son-
dierung, Gewinnung und Einbindung des Lieferanten sowie Verbesserung und planvolle
Beendigung der Zusammenarbeit, mithilfe geeigneter Methoden und Instrumente zu bei-
derseitigem Nutzen zu unterstützen (Große-Wilde 2004, S. 61).
Anders als das Supply Chain Management (s. Kapitel 2.3.3.2), das sich auf die integrierte
Ausgestaltung der gesamten Lieferkette bezieht (und somit Logistik, Produktion, Marke-
ting, Verkauf, Finanzen und Information betrifft), erstreckt sich die Zusammenarbeit der
Akteure im Rahmen des SCM lediglich auf die dem Beschaffungs- und Logistikbereich
zuzurechnenden Funktionen. Allerdings beschreibt der Kooperationsansatz des SRM nicht
zwangsläufig ausschließlich die Verbindung zu den unmittelbar in der Wertschöpfungskette
vorausgehenden Unternehmen, sondern mag sich auch vereinzelt auf weiter entfernte Stu-
fen, so z. B. den Zulieferer des Lieferanten, erstrecken (Große-Wilde 2004, S. 61). SRM be-
zieht sich auf das Management der dyadischen Beziehungen mit Lieferanten und kann
somit als Teil von SCM aufgefasst werden. Als Erweiterung des SCM als auch des SRM
gilt nach diesem Verständnis das Supplier Network Management (SNM). Dieses hat das
ganzheitliche Management des Lieferantennetzwerkes zum Ziel und nimmt auf Interdepen-
denzen und Abhängigkeiten zwischen einzelnen Lieferantenbeziehungen Rücksicht (Rie-
mer/Klein 2002, S. 9). Sowohl für das SCM als auch das SNM liefert das Supplier Rela-
tionship Management einen notwendigen Grundbeitrag: Nur, wenn die Beziehungen zu
den Lieferanten entsprechend gepflegt werden, kann die Idee der unternehmensübergrei-
fenden und zwischenbetrieblichen Informations- und Prozessvernetzung im Rahmen einer
dauerhaften Online-Geschäftsbeziehung verwirklicht werden.
2.4.1.1 Online-Lieferantenbeziehungsziele
Aus dem primären Ziel der besseren, schnelleren und effizienteren Bedienung der Kun-
denwünsche im Customer Relationship Management (s. Kapitel 3.4.3.2) lassen sich auch
vier Ziele für eine dauerhafte Online-Lieferantenbeziehung ableiten (Toporowski/Zielke
2006, S. 764; Koppelmann 2004, S. 111 ff.):
2.4.1.2 Online-Lieferantenbeziehungsstrategien
In Bezug auf die Planung und Vorbereitung einer Online-Lieferantenbeziehung ist eine
klar strukturierte Vorgehensweise geboten (s. Kapitel 2.3.2). Da die strategische Partner-
schaft oft kostenintensiv bezüglich Anbahnung und Koordination ist, erscheint es notwen-
dig, die Lieferanten, die für intensivere, langfristig angelegte Online-Kooperationen geeig-
net scheinen, herauszufiltern (Große-Wilde 2004, S. 61). In Anlehnung an die merkmals-
basierte Segmentierung von Abnehmerbeziehungen ist dazu zunächst eine Lieferanten-
kategorisierung vorzunehmen (s. Kapitel 2.3.2.3), um diejenigen Lieferanten-Gruppen
zu identifizieren, die eine höhere Allokation der knappen Managementressourcen verdie-
nen. Insbesondere sollte dabei zwischen solchen Lieferanten unterschieden werden, die
primär operativer Kostenreduktion dienen, und anderen, von denen sich das Unternehmen
langfristige strategische Wettbewerbsvorteile erhofft (Riemer/Klein 2002, S. 12 ff.). Ein
Werkzeug zur Lieferantenkategorisierung ist das bereits vorgestellte Online-Lieferan-
tenportfolio (s. Kapitel 2.3.2.3).
206 Die Grundlagen des E-Procurement
Ist die Wichtigkeit der Lieferanten erst einmal evaluiert, ist für jeden einzelnen Lieferanten
eine geeignete Online-Lieferantenbeziehungsstrategie auszuwählen. Dabei stellt sich in
erster Linie die Frage, wie die Interaktionen zwischen Unternehmen und Lieferant im Rah-
men des E-Procurement bzw. eSCM vertraglich gesteuert werden sollen. Eine Lieferanten-
beziehung kann dabei durch einen eher erzwungenen bis hin zu einem kollaborativen Cha-
rakter gekennzeichnet sein. Das Kontinuum möglicher Strategieansätze ist dabei in Abb. 82
dargestellt. Dabei können Online-Lieferantenbeziehungen auf der einen Seite auf Dauer
ausgelegt werden, wobei tendenziell die Unabhängigkeit der beteiligten Partner zurück-
geht. Als E-Procurement-Lösung kommt hier wohl eher eine EDI-Lösung (s. Abb. 78) oder
technische Integration im Rahmen des eSCM zum Tragen. Es können aber auf der anderen
Seite auch eher unabhängige, kurzfristig ausgelegte Online-Lieferantenbeziehungen ver-
folgt werden, wobei hier wohl eher Desktop-Purchasing-Systeme (s. Kapitel 2.1.3) zum
Einsatz kommen (Wannenwetsch 2002, S. 196 f.). Das (e)Supplier Relationship Manage-
ment (s. Kapitel 2.4.1) machte ferner bereits deutlich, dass die Gestaltung einer strategi-
schen Online-Lieferantenbeziehung auch Überlegungen beinhaltet, mit welchen Lieferan-
ten eher eine transaktionale und mit welchen Lieferanten eher eine partnerschaftliche Be-
ziehung anzustreben ist (Toporowski/Zielke 2006, S. 764).
zwingend kollaborativ
Unabhängigkeit Dauer
Vendor
Purchase Co-Managed
Managed eCollaboration
Order Inventory
Inventory
2.4.1.3 Online-Lieferantenbeziehungscontrolling
Insbesondere im Rahmen der täglichen Zusammenarbeit mit strategisch wichtigen Liefe-
ranten kommt auch dem Online-Lieferantenbeziehungscontrolling eine entscheidende
Bedeutung zu. Dabei geht es zum einen darum, die Leistungen der Lieferanten zu bewer-
ten, zum anderen muss aber auch die Qualität der Geschäftsbeziehung an sich überwacht
Das Marketing beim elektronischen Einkauf 207
werden (Toporowski/Zielke 2006, S. 773). Die Überwachung der Leistungen eines Liefer-
anten wird in der Literatur auch als Supplier Performance Management (SPM) bezeich-
net. Durch ständiges Monitoring wird die Performance-Entwicklung verfolgt, um etwa bei
Planabweichungen umgehend korrigierend eingreifen zu können. Für mittel- und langfris-
tige Entscheidungen dienen die Informationen der weiteren Beziehungsentwicklung, z. B.
indem sie objektivierte Anhaltspunkte für eine intensivere oder aber eine schwächere Ko-
operation geben (Große-Wilde 2004, S. 63). SPM umfasst neben der kontinuierlichen Lie-
ferantenbewertung aber auch die Wirkungskontrolle herstellerseitiger Maßnahmen,
bspw. im Rahmen von ECR-Aktivitäten (s. Kapitel 2.4.1.1). Zentes/Knörr (2004) schla-
gen im Rahmen des SPM in Anlehnung an die Balanced Scorecard eine „Supplier Evalu-
ation Card“ vor. Zur Anwendung kommen häufig aber auch Punktbewertungsverfahren,
Notensysteme, Kennzahlenverfahren oder Lieferantenprofile. Die Wahl des Bewertungs-
zeitraumes und der Zeitabstände zwischen den einzelnen Beurteilungen orientiert sich
wesentlich an der Bedeutung und dem Umfang des Wertschöpfungsbeitrages des jewei-
ligen Partners (Präuer 2004, S. 218). Supplier Performance Management erfasst Kennzah-
len zu den Leistungsdimensionen Einkauf (Nettowareneinsatz, Preisbeurteilung, Qualitäts-
sicherung), Absatzmarkt (Marktentwicklung, Nettoumsatz, Umsatzwirkung) und Logistik
(Bestellkosten, Bestellabwicklungsqualität, Transport- und Lagerkosten, Lieferqualität).
Diese werden im Rahmen einer Online-Lieferantenbeziehung – bspw. durch die E-Pro-
curement-Systemlösung – weitestgehend automatisch erfasst und können daher auch mit
Hilfe entsprechender Softwaremodule ausgewertet werden. Lieferantenbewertungen kön-
nen dabei sowohl vom Beschaffungsmanagement, als auch vom Bedarfsträger eingesehen
werden (s. Kapitel 2.3.2.2).
Von entscheidender Wichtigkeit ist in diesem Zusammenhang das gemeinsame und posi-
tive Verständnis des Bewertenden und Bewerteten über die Funktion der Leistungsbeur-
teilung. So geht es beim (e)Supplier Performance Management zwar einerseits um die
Sicherstellung regelkonformen Verhaltens, andererseits aber auch um die Erkenntnisge-
winnung und die Initiierung von Lern- und Verbesserungsprozessen. Für die Entwicklung
der Online-Lieferantenbeziehung kann es daher nur fruchtbar sein, wechselseitige Bewer-
tungen, bei denen nicht nur der Abnehmer den Zulieferer, sondern auch der Zulieferer
den Abnehmer beurteilt, zuzulassen (Präuer 2004, S. 218). Auf diese Weise erhalten beide
Partner wertvolle Verbesserungsvorschläge, um gemeinsame elektronische Beschaffungs-
prozesse weitgehend zu optimieren.
Neben der Steuerung der Lieferantenleistungen ist auch die Überwachung der Bezie-
hungsqualität zum Lieferanten von großer Bedeutung. Hierbei sollten, neben der Bezie-
hungsqualität selbst, aber auch die Treiber, die die Qualität einer Online-Lieferantenbezie-
hung besonders stark beeinflussen, untersucht werden. Dabei sind insbesondere das jewei-
lige Engagement für die Aufrechterhaltung einer langfristigen Beziehung und das gegen-
seitige Online-Vertrauen in die Verlässlichkeit und Integrität des jeweiligen Partners zu
nennen (Toporowski/Zielke 2006, S. 773). Gegenseitiges Vertrauen wird umso wichtiger
sein, je höher die spezifischen Investitionen zum Aufbau der Online-Lieferantenbeziehung
208 Die Grundlagen des E-Procurement
sind. Ferner spielen die Erwartungen an das Verhalten des Partners in dem durch das E-Pro-
curement repräsentierten Distanzhandel ohne reale Zusammenkunft (Kollmann 2003b) eine
bedeutende Rolle. Neben dem gegenseitigen Vertrauen zwischen Abnehmer und Zuliefe-
rer steht innerhalb einer Online-Lieferantenbeziehung somit nicht zuletzt auch das institu-
tionelle Vertrauen der Geschäftspartner in das der Beziehung zugrunde liegende E-Procu-
rement-System im Mittelpunkt (Arcache 2003, S. 209). Damit im Zusammenhang ste-
hende Fragen sind bspw.:
Was ist, wenn die einzelne Online-Produktbeschreibung fehlerhaft ist oder die Aus-
führungen einen Interpretationsspielraum lassen und das gelieferte Ergebnis dann
nicht den Erwartungen entspricht?
Persönliches Vertrauen
Abnehmer Zulieferer
Institutionelles Vertrauen
Institutionelles Institutionelles
Vertrauen Vertrauen
E-Procurement-
Einsatz System Einsatz
Projekte, die Anzahl und Intensität persönlicher Kontakte sowie die klare Absprache von
Zielen der Lieferantenbeziehung und den jeweiligen Aufgaben der Online-Partner (Wan-
nenwetsch 2002, S. 198).
haben zum Ziel, die individuell angefertigten Pläne und Prognosen der Partner abzu-
stimmen, um so einen Vorteil für alle Teilnehmer zu erzielen.
Je nach Komplexität der Beziehung zwischen Käufer und Lieferanten bieten sich unter-
schiedliche Systeme an. In eher unabhängigen, transaktionalen Beziehungen steht die Nut-
zung elektronischer Marktplätze (s. Kapitel 4) und marktlicher Mechanismen wie Online-
Ausschreibungen und -Auktionen im Vordergrund. In losen, auf operative Aspekte kon-
zentrierten Beziehungen bieten sich dagegen E-Procurement-Systemlösungen und Supp-
lier Self Services zur Information, Kommunikation und Transaktion an. In dauerhaften
Partnerschaften mit tiefgehender Prozessintegration hingegen werden Kollaborations- und
Koordinationssysteme benötigt (Riemer/Klein 2002, S. 20). Einen abschließenden Über-
blick über die einzelnen Instrumente des eSRM gibt Abb. 84. Dabei lassen sich diese
Instrumente auf die Phasen Sourcing, Procurement und Monitoring aufteilen. Insbesondere
in der strategisch entscheidenden Sourcing-Phase spielt der Faktor „Information“ eine ent-
scheidende Rolle, sodass das Sourcing als Teil des Wissensmanagements im elektronischen
Einkauf betrachtet werden kann.
Laut einer Studie des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V.
(BME) in Zusammenarbeit mit der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und der
HTWK Leipzig, die regelmäßig Untersuchungen zum Stand der Nutzung von Anwendun-
gen im Bereich E-Procurement durchführen, haben elektronische Tools für Ausschreibun-
gen, eSRM und eSCM noch nicht die Akzeptanz von Katalogsystemen erreicht. Dabei
zeigt sich, dass im Feld „Plan‐to‐Strategy“, (dem Einsatz von Procurement-Tools für die
Planung, Strategiegenerierung und Vorbereitung von Beschaffungen), die Mehrzahl der
Unternehmen bis dato keine Verwendung finden (Bogaschewsky/Müller 2018, S.16). Le-
diglich 22,1 % der befragten Unternehmen haben diese im Betrieb, 48,4 % sind sich aller-
dings über eine Inbetriebnahme unschlüssig. Katalogsysteme kommen bei 76 % der be-
fragten Unternehmen zum Einsatz. Elektronische Auktionen hingegen haben nach Anga-
ben der Unternehmen nur eine geringe Relevanz. So geben 66 % der mittelständischen
Unternehmen und 42 % der Konzerne an, dass Auktionen in ihren Unternehmen nicht er-
forderlich seien. Elektronische Ausschreibungen werden von 36 % und Systeme für eSRM
Das Marketing beim elektronischen Einkauf 211
werden von etwa 31 % der befragten Unternehmen genutzt. Ursachen für den geringeren
Einsatz dieser Tools im Vergleich zu Katalogsystemen könnten laut Untersuchungsteil-
nehmern deren eingeschränkte technische Reife und Flexibilität sein. Auch wurden als
Hauptursachen für den mangelnden Einsatz von eSRM-Systemen hohe Kosten, Mangel
an notwendigen Ressourcen bzw. Mitarbeitern und eine nicht signifikante Verbesserung
zum bisherigen Vorgehen genannt (Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Lo-
gistik e.V. 2015).
Ausschreibung
(RFI, RFQ, RFP) Monitoring und
Controlling
Auktion (Reverse Auction)
Collaborative Planning,
Forecasting and Replenishement
Supplier Evaluation
Begleitende
Aktivitäten
Desktop Purchasing-Systeme
Plan-Driven-
Procurement Lieferantenportale
Procurement-Systeme
Allerdings können Unternehmen durch kluges SRM von Zeit- und Kostenersparnissen
profitieren. Ein Beispiel für eine eSRM-Software stellt clevercure dar, die Unternehmen
hilft ihren kompletten Beschaffungsprozess von der Bedarfsentstehung bis zur Rech-
nungsprüfung zu automatisieren. Dabei werden die Lieferanten komplett in das System
eingebunden, indem Unternehmen über das SRM-System ihre Bedarfs- und Prognoseda-
ten automatisch an ihre Lieferanten übermitteln. Dadurch können auch „just in time“ Lie-
ferungen und eine Reduktion der Lagerbestände realisiert werden (Bundesverband Mate-
rialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. 2015). Mit dem Ziel einer globalen Einkaufslö-
sung entwickelte Roche Diagnostic gemeinsam mit der apsolut GmbH und auf Basis der
SAP SRM 7.0 Plattform eine „Global e-Procurement Solution“. Damit kann neben der
212 Die Grundlagen des E-Procurement
Zeit- und Kostenersparnis mehr Transparenz und Qualität in der direkten Beschaffung er-
langt werden. Eine Besonderheit ist hier, dass Anwender in mehr als zehn Ländern Zugriff
auf die neue Einkaufslösung haben (Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Lo-
gistik e.V. 2013).
Potenziale Informationen
Abb. 85 gibt einen allgemeinen Überblick über die im Rahmen des Beschaffungsmarke-
tings relevanten Informationen als Basis für das Wissensmanagement und führt Potenziale
auf, die sich aus der Möglichkeit des globalen Datenaustausches ergeben. Mögliche
Informationsquellen stellen in diesem Zusammenhang sowohl die eigenen Datenbanken
als auch Internetpräsenzen von Lieferanten und Herstellern, Portale und Suchdienste mit
Produkt- und Lieferantendatenbanken, redaktionell bearbeitete Webseiten sowie Marktfor-
schungsdienstleister dar.
Vor dem Hintergrund der Beschaffungsfunktion werden relevante interne Informationen
über die eigenen Beschaffungsprozesse sowie externe Informationen bezüglich gesamt-
wirtschaftlicher Größen, Branchencharakteristika, potenzieller Lieferanten und des Nach-
fragerwettbewerbs zur Verfügung gestellt (Wannenwetsch 2002, S. 52). Mithilfe geeigne-
ter Werkzeuge werden die bspw. im Data Warehouse (s. Kapitel 3.4.2.2) zusammenge-
fassten Informationen in anwendbares Wissen transferiert. Dieses Wissen bildet die Basis
zur Erreichung betriebswirtschaftlicher Ziele. Mit Hilfe des Wissensmanagements im Zu-
sammenhang von Beschaffungsmarketing können somit zahlreiche unternehmerische
Ziele erreicht werden. Einen Überblick über die Ziele und Werkzeuge des einkaufsbezo-
genen Wissensmanagements gibt Abb. 86.
Ziele Werkzeuge
2.4.2.1 Online-Marktkommunikation
Im Rahmen des Wissensmanagements im E-Procurement ist es eine wesentliche Aufgabe,
mit Hilfe von elektronischen Suchmechanismen (eSourcing) immer wieder neue Bezugs-
quellen und neue Erkenntnisse über den Lieferantenmarkt zu erlangen. So kann sich ein
214 Die Grundlagen des E-Procurement
Unternehmen mit Hilfe des Internets eine verbesserte und nahezu weltweite Markttrans-
parenz hinsichtlich der zu beschaffenden Güter und Dienstleistungen verschaffen. Neben
der Standardisierung routinemäßig ablaufender Prozesse bei Wiederholungskäufen kann
über das Internet in Neukauf-Situationen ein erster Kontakt zu potenziellen Lieferanten
aufgenommen werden – z. B. mit Hilfe des World Wide Web oder E-Mail. Damit ist auch
im Rahmen der Beschaffung eine aktive Online-Marktkommunikation gewährleistet.
E-Procurement ist somit nicht nur ein inaktives Warten auf neue anfragende Lieferanten,
sondern auch die gezielte Suche nach neuen Bezugsmöglichkeiten (aktives eSourcing).
Insbesondere der Erstkontakt zu ausländischen Lieferanten im Rahmen eines globalen
Sourcings kann wesentlich ressourceneffizienter stattfinden. Mit Hilfe von Software-
Agenten (s. Kapitel 2.4.2.5) ist es darüber hinaus sogar möglich, das Internet automati-
siert nach potenziellen Lieferanten und deren Angeboten zu durchsuchen (Wirtz 2018,
S. 340 ff.).
Die Kontaktmöglichkeit für Lieferanten auf der Webseite einer einkaufenden Organisa-
tion wird dagegen als passives eSourcing bezeichnet (Schubert 2002, S. 8). Potenzielle
Lieferanten können sich über Bedarfs- und Einkaufsstrukturen informieren, sich um eine
Berücksichtigung bei zukünftigen Anfragen bewerben oder Angebote für offen auf der
Webseite ausgeschriebene Aufträge abgeben. Eine solche Beschaffungs-Homepage hat im
Rahmen des Beschaffungsmarketings also die Aufgabe, das Unternehmen als potenziellen
und attraktiven Transaktionspartner zu präsentieren. Daher zeichnet sich eine Beschaf-
fungs-Homepage u. a. durch folgende Elemente aus (Kleinecken 2004, S. 108):
Neben der Darstellung der Beschaffungsfunktion für ein breites Spektrum an Lieferanten
und Stakeholdern hilft eine Beschaffungs-Homepage bei der Entdeckung von alternativen
und attraktiven Lieferquellen und unterstützt durch interaktive Bewerbungsprozesse auch
die Vor- bzw. Ausselektion von unqualifizierten Lieferanten (Kleinecken 2004, S. 108).
Das Marketing beim elektronischen Einkauf 215
2.4.2.2 Online-Ausschreibungsverfahren
Neben dem zuvor beschriebenen aktiven eSourcing im Rahmen der Suche und Prüfung
passender Lieferanten und Angebote sowie dem passiven eSourcing über eine Beschaf-
fungs-Homepage versetzt das Internet das einkaufende Unternehmen auch in die Lage,
durch den Einsatz von Online-Ausschreibungsverfahren eine dynamische Rolle bei der
Gewinnung neuer Bezugsquellen einzunehmen (Wirtz 2018, S. 655). Ausschreibungen eig-
nen sich als Methode zur Lieferantenselektion sowohl für Investitionseinkäufe zur Kapi-
talbildung (s. Kapitel 2.3.1.4) als auch für das Ausloten des aktuellen Marktpreises. Zuvor
selektierte Lieferanten werden aufgefordert, auf einer Internetplattform ein Angebot zu
einer Anfrage zu platzieren. Diese Plattform kann dabei sowohl ein Teil der eigenen Be-
schaffungs-Homepage sein als auch von einem unabhängigen Dienstleister zur Verfügung
gestellt werden (Schubert 2002, S. 9).
Ein beispielhafter Prozessablauf für Ausschreibungen über die eigene Homepage kann
folgendermaßen aussehen (Block 2001, S. 104 f.): In einem ersten Schritt wird der Bedarf
durch die Einkaufsabteilung auf der eigenen Einkaufsseite im Internet veröffentlicht. Hier-
bei wird der Bedarf zunächst nur grob spezifiziert, sodass nicht jedermann Einblick in das
volle Einkaufsspektrum des Unternehmens erhält. Im zweiten Schritt müssen die potenzi-
ellen Lieferanten, nachdem sie eine Art Einladung zur Gebotsabgabe erhalten haben, einen
Fragebogen ausfüllen um dadurch zu beweisen, dass sie für die Erstellung des Bedarfs
qualifiziert sind (Request for Information). So wird von vorne herein verhindert, dass
unqualifizierte Unternehmen Angebote abgeben und die Einkaufsabteilung unnötig mit
Arbeit belasten. Nach dem Prüfen und Bewerten der Fragebogen erhalten die in Frage
kommenden Lieferanten in der Regel einen Zugangscode, um Einblick in die Details zu
bekommen. Dieser beinhaltet die Aufforderung, ein Angebot (Request for Quotation)
bzw. einen unverbindlichen Vorschlag (Request for Proposal) abzugeben. Nachdem die
Lieferanten diese Aufforderung abgerufen haben, können sie dann selbst entscheiden, ob
sie technisch in der Lage sind, den gewünschten Bedarf zu liefern. Nach der Abgabe von
Angeboten entscheidet die Einkaufsabteilung, welcher Lieferant den Auftrag erhält. Dabei
wird nicht immer der günstigste Lieferant gewählt. Vielmehr gibt es eine Reihe von Kri-
terien, anhand derer ein Lieferant ausgewählt werden kann. Hier können bspw. Qualität,
Region des Bedarfsträgers, beste Lieferkonditionen (z. B. Lieferdauer) sowie Branchener-
fahrung genannt werden (Merz 2002, S. 779).
Im Rahmen von Online-Ausschreibungen kann neben einer käuferseitigen Lösung auch
auf elektronische Marktplätze zurückgegriffen werden (s. Kapitel 4). Im Unterschied zu
Ausschreibungen über die eigene Homepage wird hier eine dritte Partei (Marktplatzbetrei-
ber) in den Geschäftsprozess des Ausschreibens involviert. Dabei erhält der Marktplatzbe-
treiber einen Dienstleistungsauftrag vom ausschreibenden Unternehmen. Die Veröffentli-
chung des Bedarfes im Internet und die Suche nach den richtigen Lieferanten liegen nun
nicht mehr im Aufgabenbereich der Einkaufsabteilung, sondern werden an den Markt-
platzbetreiber weitergegeben. Dieser stellt die Ausschreibung in einer auf den Bedarf pas-
senden Kategorie auf seiner Plattform ein. Lieferanten können nun über eine Suchfunktion
216 Die Grundlagen des E-Procurement
oder durch Suche in den entsprechenden Kategorien die Ausschreibung finden und ihre
Gebote dafür abgeben. Da der Marktplatzbetreiber auf ein Lieferantenprofil (Branche, In-
teressen, Unternehmensgröße usw.) zurückgreifen kann, informiert er bei Eingang des
Ausschreibungsauftrages automatisch alle potenziellen Lieferanten. Wenn z. B. ein Be-
darf über 1.000 Holztische ausgeschrieben wird, werden automatisch alle Lieferanten, die
sich in dieser Rubrik als Interessenten gemeldet haben, über den Bedarf informiert. Nach-
dem die Lieferanten auf den Bedarf aufmerksam gemacht worden sind, geben sie ihre An-
gebote ab. Der Marktplatzbetreiber leitet diese Angebote an den Nachfrager weiter, der
wiederum im letzten Schritt den aus seiner Sicht besten Lieferanten auswählt (Tripp 2002,
S. 205 f.).
Da nicht jedes kleine und mittlere Unternehmen finanziell in der Lage ist, eine teure
Beschaffungs-Homepage zu erstellen, stellt die Teilnahme an einem Ausschreibungsmarkt-
platz eine sehr gute Alternative dar (Block 2001, S. 104 f.). Ausschreibungsmarktplätze
stellen zudem eine gute Möglichkeit zum Verkauf von Auslaufmodellen, Überhangmate-
rial, Sonderposten und schwer veräußerbaren Gütern dar. Unabhängig davon, ob die ei-
gene Beschaffungs-Homepage oder ein externer Marktplatz genutzt wird, zeichnen sich
Online-Ausschreibungsverfahren in der Regel durch eine statische Preisbildung aus, da
jeder Lieferant nur ein einziges Angebot abgeben kann und über keine Informationen über
Angebote von Mitbewerbern verfügt. Reine Ausschreibungen können eher dort zum Ein-
satz kommen, wo komplexe Produkte und Dienstleistungen, für die aufwändige techni-
sche Klärungen oder umfangreiche Kalkulationen nötig sind, verhandelt werden.
2.4.2.3 Online-Auktionsverfahren
Soll im Gegensatz zu einem Online-Ausschreibungsverfahren (s. Kapitel 2.4.2.2) insbe-
sondere eine dynamische Preisbildung stattfinden, müssen Online-Auktionsverfahren
zum Einsatz kommen. Eine effektive Lösung für viele aufwändige Beschaffungsaufgaben
ist daher die Kombination aus Ausschreibung (Request for Information/Request for
Proposal; s. Kapitel 2.4.2.2) für die Vorbereitungszeit und Klärungsphase und anschließ-
ender Auktion für die endgültige Preisfindung. Im Beschaffungsbereich kommen dabei
überwiegend sog. Reverse Auctions zur Anwendung. Dabei handelt es sich um umgekehrt
verlaufende Auktionen, in denen sich die Anbieter im Zeitverlauf gegenseitig unterbieten
(s. Kapitel 4.2.2.2). Die Auktion wird vom Einkäufer initiiert, die ausgewählten Bieter wer-
den zugelassen und der Einkaufspreis fällt im Verlauf (Mueller/Windhaus 2002, S. 131).
Im Gegensatz zu reinen Ausschreibungsverfahren ist der Nachfrager im Rahmen einer Re-
verse Auction meist verpflichtet, dem günstigsten Anbieter den Zuschlag zu erteilen. Viele
Anbieter bieten allerdings Auktionsverfahren an, die auch eine Berücksichtigung und Ge-
wichtung von über den Preis hinausgehenden Kriterien zulassen, so z. B. ein Qualitäts-
rating sowie Liefer- und Zahlungskonditionen (Schubert 2002, S. 10).
Hauptmerkmal von Online-Auktionsverfahren ist, dass alle Anbieter während des gleichen
Zeitraumes ihre Gebote abgeben müssen. Die Gebotshöhe ist dabei für alle Mitbewerber
Das Marketing beim elektronischen Einkauf 217
sichtbar, die Bieter selbst bleiben aber anonym. Stehen ausreichend viele verkaufswillige
Bieter zur Verfügung, entsteht aufgrund der Preistransparenz und der zeitlich begrenzten
Bietmöglichkeit ein starker Wettbewerb, aus dem in der Regel niedrigere Preise hervorge-
hen als aus einer realen manuellen Verhandlungsrunde (Mueller/Windhaus 2002, S. 131 f.).
Generelle Ziele von Online-Auktionsverfahren sind die Nutzung des Wettbewerbs, die Er-
höhung der Markttransparenz sowie die Verkürzung des Verhandlungsprozesses (Schubert
2002, S. 10). Oftmals werden Auktionen mit Hilfe eines – häufig branchenspezifischen
– elektronischen Marktplatzes initiiert (s. Kapitel 4). Trotz der durch die Verwendung
derartiger Plattformen entstehenden Prozesseinsparungen hinsichtlich des traditionellen
Beschaffungsmarketingprozesses, erfordert allerdings auch eine Reverse Auction inten-
sive Vorbereitungen. Kleinecken (2004, S. 104) unterteilt den auktionsgestützten Beschaf-
fungsmarketingprozess in vier Phasen: Die Auswahl der Beschaffungsobjekte und Umset-
zungsplanung, die Bedarfsspezifikation und Lieferantenselektion, die Vorbereitung der
Auktion sowie schlussendlich die Durchführung der Auktion. In Abb. 87 werden die ein-
zelnen Phasen von Online-Auktionsverfahren im Beschaffungsmarketing nochmal detail-
liert dargestellt.
Auswahl Bedarfsspezifikation
Vorbereitung Durchführung
Beschaffungsobjekte und
der Auktion der Auktion
u. Umsetzungsplan Lieferantenselektion
Erstellung Lieferantenanfragen
Auktionseröffnung
Beschaffungsgüter/ Bedarfsspezifikation und -gespräche
Beschaffungs- anhand
Lieferantenangebote
märkteportfolio vorliegender Festlegung
Ausschreibungs- Auktionsspielregeln
Hotline-Service
Potenzial- unterlagen
abschätzung Vergabe der
Auswertungen zum
Lieferantenauswahl Zugangs-
Auktionsverlauf
Priorisierung der und -bewertung berechtigung
Umsetzungs-
Auktionsende
schwerpunkte Zusammenstellung Vertragliche
der Fixierung der
Lieferanten-
Umsetzungs- Lieferantenliste Auktion
zuschlag
planung
2.4.2.4 Online-Beschaffungsgemeinschaften
Eine weitere Möglichkeit der Zusammenarbeit im Rahmen des elektronischen Einkaufs
sind Online-Beschaffungsgemeinschaften oder auch Buying-Communities: Um durch
die Bündelung ihrer Beschaffungsvolumina bestmögliche Konditionen und Leistungen
von Lieferanten zu erreichen, schließen sich zwei oder mehrere unabhängige Unternehmen
formell oder informell zu einer Online-Einkaufsgemeinschaft zusammen. Elektronische
Marktplätze (s. Kapitel 4) bieten für diesen auch vielfach als Co-(e)Sourcing bezeichne-
ten Transaktionsmechanismus entsprechende Möglichkeiten der Bekanntgabe von Be-
schaffungs- und Bündelungsabsichten, wobei sich Mitinteressenten online melden können.
Marktplätze erleichtern den Informationsfluss, realisieren eine globale Reichweite und
vereinfachen das Auffinden potenzieller Kooperationspartner (Tripp 2002, S. 148 f.).
Neben elektronischen Marktplätzen bieten aber auch viele käuferseitige Systemlösungen
über entsprechende Module eine Co-(e)Sourcing-Funktionalität (Aust et al. 2001, S. 106).
Die Verhandlungen gegenüber den Anbietern übernimmt ein sog. Lead Buyer, der im
Vorfeld zu bestimmen ist. Dabei handelt es sich in der Regel um einen Einkäufer des
Unternehmens mit dem höchsten zu beschaffenden Volumen oder dem größten Know-
how. Neben dem Lead Buyer ist auch die Möglichkeit des Beitritts weiterer Mitinteressen-
ten stets gemeinsam abzustimmen. In vielen Fällen nutzt der Lead Buyer die Online-Aus-
schreibungen oder Reverse Auctions als dynamische Preisfindungsmechanismen für das
Gesamtvolumen (Tripp 2002, S. 148 f.).
Erfahrungsaustausch
Kombination von
Partner
Co-Sourcing mit
Online-Ausschreibungen
Effiziente Zusammenarbeit
und -Auktionen
durch eCollaboration
Partner
kaufsmacht einhergehen. Zudem bietet die Nutzung der Bedarfspoolung eine Möglich-
keit, am Know-how der Poolungspartner mit zu partizipieren. Bereits das Offenlegen der
jeweiligen bisherigen Preise kann vor diesem Hintergrund bspw. ein erhebliches Potenzial
in sich bergen (Tripp 2002, S. 149). So ist nicht zuletzt auch der Erfahrungs- und Wis-
sensaustausch der Partner von einem nicht zu unterschätzenden Wert für das Beschaf-
fungsmanagement. Für die Lieferanten wiederum können in diesem Zusammenhang die
Prozesskosten gesamthaft sinken, da diese mit nur noch einem Abnehmer und nicht mit
mehreren Unternehmen verhandeln müssen. Abb. 88 fasst die Vorteile und Gestaltungs-
möglichkeiten von Internet-basiertem Co-(e)Sourcing nochmals im Überblick zusammen.
2.4.2.5 Online-Beschaffungsagenten
Durch Internet-Technologien, E-Procurement und E-Marketplaces (s. Kapitel 4) entste-
hen neue Möglichkeiten, im Rahmen des Beschaffungsmarketings von fremdbezogenen
Dienstleistungen im Rahmen von sog. Online-Beschaffungsagenten zu profitieren. Die
Problematik der Schnittstellen zwischen einkaufendem Unternehmen, Dienstleistern und
Lieferanten wird durch neue Möglichkeiten der Online-Zusammenarbeit reduziert. Zudem
erfordern die neuen Technologien Know-how und Organisationsformen, die in den Ein-
kaufsabteilungen von Unternehmen nur unzureichend vorhanden sind. Allerdings ändert
sich durch die Inanspruchnahme von Dienstleistungen auch die Geschäftsbeziehung zwi-
schen Kunden und Lieferanten, da diese zum Teil den direkten Kontakt auf Prozessebene
und vertraglicher Ebene verlieren (Tripp 2002, S. 145).
Angebote von Online-Beschaffungsagenten helfen Unternehmen dabei, die Potenziale des
E-Procurement auszunutzen, ohne zusätzliches Know-how und Ressourcen aufbauen zu
müssen. Die Zielsetzung von Online-Beschaffungsagenten besteht darin, „den Beschaf-
fungsorganisationen eine kostengünstigere und/oder qualitativ hochwertigere Versorgung
mit notwendigen Fremdprodukten oder Dienstleistungen bei gleichzeitiger Konzentration
auf ihr Kerngeschäft zu ermöglichen“ (Tripp 2002, S. 148). Auf diese Dienstleistungen
kann auf verschiedenen technischen und betriebswirtschaftlichen Ebenen zurückgegriffen
werden. Sie reichen von der Übernahme ganzer Beschaffungsprozesse bis hin zu unter-
stützenden Maßnahmen. Die Angebote sind vielfältig; für fast jeden Bedarf eines einkau-
fenden Unternehmens wird eine Dienstleistung angeboten. Online-Beschaffungsagenten
sind in der Regel auf eine ganz bestimmte Tätigkeit, Region oder Warengruppe fokussiert.
Die Anbieter lassen sich nach den Hauptmerkmalen der Dienstleistungsfunktion kate-
gorisieren, wobei viele Anbieter verschiedene Funktionen zu einem Komplettpaket bün-
deln (Schneider 1998; Tripp 2002, S. 151 ff.):
Preisagenturen konzentrieren sich weniger auf MRO-Güter, sondern vielmehr auf ein-
malige Bedarfe (z. B. Anlagegüter oder Güter für einen neuen Produktionsbedarf).
Preisagenturen übernehmen primär Aufgaben aus dem Beschaffungsmarketing und
Sourcing und werden vom Unternehmen dann eingesetzt, wenn der Wert der Beschaf-
fung einen hohen, einmaligen Aufwand für das Beschaffungsmarketing rechtfertigt.
Welche Phasen lassen sich für die Projektumsetzung erkennen und welche Personen
sind an der Implementierung von E-Procurement-Systemen beteiligt?
Was sind die konkreten Kriterien bei der Auswahl einer spezifischen E-Procurement-
Systemlösung?
Hier würden die Funktionen des operativen Einkaufs (s. Kapitel 2.2.3.1) im Mittelpunkt
stehen. Darüber hinaus könnte das E-Procurement aber auch als Informationsquelle für
Prozessoptimierungen und eine umfassende Analyse des Einkaufsverhalten genutzt wer-
den, wodurch eher Aspekte des taktischen Einkaufs (s. Kapitel 2.2.3.2) zum Tragen kämen
(Entwicklungsstufe II). Für die höchste Zieldimension würden dagegen die Aspekte des
strategischen Einkaufs (s. Kapitel 2.2.3.3) im Mittelpunkt stehen, die bis zu einer Opti-
mierung der gesamten Supply Chain (s. Kapitel 2.3.3.2) und einer starken Integration von
Lieferanten in die eigenen Informationssysteme führen können (Entwicklungsstufe III).
Insbesondere in den letzten beiden Fällen kommt es zu einer Neuausrichtung der internen
Prozesse bzw. zu einer Umstellung der Unternehmensorganisation. Ein besonderes Ge-
wicht ist daher bereits im Vorfeld auf die organisatorische Ausrichtung des Projektes zu le-
gen.
Der Projekterfolg wird dabei in hohem Maße von umfangreichen Vorbereitungen und ei-
ner zielgerichteten Planung bestimmt (Möhrstädt/Bogner/Paxian 2001, S. 4). Zusätzlich
dazu sind Projekte, die die Beschaffung indirekter Güter betreffen, zwar anspruchsvoll,
trotzdem aber überschaubar in Sachen Zielsetzungen und Projektdesign. Projekte zur di-
rekten Beschaffung hingegen sind wesentlich komplexer, weisen in vielerlei Hinsicht aber
die gleichen Strukturen und Prinzipien auf (Neef 2001, S. 189 f.). Im Folgenden wird daher
nicht immer explizit zwischen direkter und indirekter Beschaffung unterschieden.
2.5.1.1 Erfolgsfaktoren
Im Hinblick auf die Erfolgsfaktoren muss zunächst festgestellt werden, dass die Einfüh-
rung eines E-Procurement-Systems insbesondere bei einer vollkommenen Neuimplemen-
tierung eine völlig neue Herangehensweise an die Beschaffung darstellt und daher neue
Denk- und Arbeitsweisen auf Seiten der Mitarbeiter erfordert. Bei der Implementierung
eines E-Procurement-Projektes spielen daher prinzipiell vier Risikofaktoren eine Rolle,
die sich im Zusammenspiel zwischen Technik und handelnden Akteuren wiederfinden
(Peukert/Ghazvinian 2001, S. 214 f.; s. Abb. 89):
Auch die Zusammenstellung des Projektteams ist tendenziell als unkritisch einzu-
stufen. Dieses muss klar strukturiert und jedes Mitglied mit entsprechender Kapazität
ausgestattet sein, um eine Verzögerung der Implementierung zu verhindern. Die Mit-
glieder des Projektteams müssen sich selbst ergänzen, sodass jeder anderen Mitglie-
dern helfen kann, spezifische Lösungsmöglichkeiten für Implementierungsprobleme
zu entwickeln. Auf die optimale Zusammensetzung des Projektteams wird in diesem
Zusammenhang noch in Kapitel 2.5.1.5 näher eingegangen.
Eher unkritische
Faktoren
Wodurch/ Wer/
Technologie Projektteam
womit? wie?
E-Procurement
Wer/ Was/
Organisation Lieferanten
wo? von wem?
Kritische
Faktoren
es Sinn machen kann, dass einzelne Lieferanten direkt in die Implementierung ein-
gebunden werden. Dazu empfiehlt sich die Erstellung eines Anforderungskataloges,
der das Zusammenspiel mit den Lieferanten sowie Katalogaustauschformate, Trans-
aktionsstandards und technische Schnittstellen (s. Kapitel 2.1.1.2) definiert. Eine Ent-
lastung bietet hier das Outsourcing an einen Online-Beschaffungsagenten, der je
nach Vertragsgestaltung sämtliche Aufgaben von der Lieferantenauswahl bis zur
Pflege der Online-Kataloge übernimmt (s. Kapitel 2.4.2.5).
Die Erfahrungen mit den oben genannten Risikofaktoren zeigt, dass die technischen Fra-
gestellungen eher kontrollierbar sind, während insbesondere Fragen zur „Organisation“
und „Lieferanten“ oft emotional behandelt werden und daher von sachlichen Fragestel-
lungen wegführen können (Peukert/Ghazvinian 2001, S. 215). Vor diesem Hintergrund
ist eine genaue Projektkommunikation der Potenziale der Anwendungen im zu imple-
mentierenden E-Procurement-System an die beteiligten und betroffenen Personen von ent-
scheidender Bedeutung für den späteren Projekterfolg. Für die folgenden Anwendungen
können beispielhaft folgende kommunizierbare positive Potenziale einer E-Procure-
ment-Einführung identifiziert werden (Wirtz/Eckert 2001, S. 155):
Generell gilt es, Veränderungen hinsichtlich der Organisation und Lieferanten mit einem
entsprechenden Change Management, auf welches im Rahmen der Systemeinführung (s.
Kapitel 2.5.2.4) noch ausführlicher eingegangen wird, zu adressieren. Insbesondere in
Verbindung mit dem kritischen Erfolgsfaktor „Organisation“ empfiehlt es sich, vor der Ein-
führung eine Unternehmensanalyse durchzuführen.
2.5.1.2 Unternehmensanalyse
Den Ausgangspunkt der Implementierung von E-Procurement-Systemen bildet in der Re-
gel eine Unternehmensanalyse, in der insbesondere die vorhandene Unternehmensstruk-
tur bzw. die organisatorischen und strategischen Rahmenbedingungen der Implementie-
rung untersucht werden. Ziel der Unternehmensanalyse ist es, erste beschaffungsbezogene
Annahmen zu Schwachstellen zu treffen und anschließend, basierend auf den gesammel-
ten Daten, Ziele und Potenziale für die Einführung des E-Procurement identifizieren zu
können (Wirtz 2018, S. 690 f.).
Eine Analyse der Infrastruktur hilft in diesem Zusammenhang bei einer Identifikation
von Beschaffungsstrategien mit dem höchsten Potenzial zur Implementierung. Zunächst
gilt es, sich einen Überblick über die Gesamtorganisation der Beschaffung, z. B. in Form
eines Organigramms des Einkaufs, zu verschaffen. Neben der Organisationsstruktur be-
zieht sich die Unternehmensanalyse auch auf die im Einkauf bereits eingesetzten Informa-
tionstechnologien, Fähigkeiten der Mitarbeiter und aktuelle Beschaffungsabläufe des Un-
ternehmens. Eine besondere Rolle spielen dabei die nachfolgenden fünf Charakteristika
der Beschaffungsfunktion (Smeltzer/Carter 2001, S. 79):
Die Kompetenzen der Einkaufsabteilung: Nur qualifizierte und unter den Mitarbei-
tern anerkannte Einkäufer sind in der Lage, die mitunter radikalen Veränderungen im
Beschaffungsprozess zu implementieren.
Der Grad der Technisierung: Hier spielen sowohl die vorhandene informationstech-
nische Infrastruktur als auch die IT-Kompetenzen zur Pflege und Weiterentwicklung
der vorhandenen EDV-Systemlandschaft eine entscheidende Rolle. Modulare Sys-
teme, die Schnittstellen bereitstellen und die Verwendung von Standards (s. Kapitel
2.1.1.1) ermöglichen, vereinfachen die Integration einer E-Procurement-Lösung.
Die Ergebnisse der Unternehmensanalyse bilden den Ausgangspunkt für die Auswahl der
elektronisch zu beschaffenden Produktsegmente sowie für die darauf folgende Lieferan-
tenanalyse.
träge, in denen bestimmte Lieferkonditionen (z. B. der Preis in Abhängigkeit vom Beschaf-
fungsvolumen oder der Beschaffungshäufigkeit) fixiert werden, abzuschließen (Wirtz
2018, S. 648). Hat ein Unternehmen dann die ersten Erfahrungen mit elektronischen Be-
schaffungsprozessen gemacht, kann E-Procurement auf höherwertige Objekte ausgeweitet
werden. Dabei können zunächst geringwertige, später aber auch höherwertige direkte Gü-
ter, bei denen neben Prozesskostenreduktion vor allem auch Informationskostenredukti-
onen im Rahmen der Automatisierung realisierbar sind (s. Kapitel 2.3.1.4), in den Be-
schaffungsprozess eingebunden werden. Die weitere Entwicklung kann bis zu einer In-
tegration von Lieferanten in die eigene primäre Wertschöpfungskette im Sinne des in
Kapitel 2.3.3.2 vorgestellten eSupply Chain Managements gehen.
hoch niedrig
Direkte Güter
von hohem Wert
Rohstoffe
Direkte Güter • Lieferantenintegration
von niedrigem Wert • eCollaboration
Indirekte Güter • Produktionskostensenkung
(MRO) • Informationskostensenkung • Auktionen, Börsen
• Intelligente Agenten
• Prozesskostensenkung
• Online-Produktkataloge Wichtigkeit der Produkte
(relativ zu den Beschaffungsprozesskosten)
hoch niedrig
E-Procurement-Potenzial
Basierend auf der Entscheidung über die zu beschaffenden Produkte über das E-Procure-
ment-System muss in einem nächsten Schritt festgestellt werden, mit welchen bestehenden
oder neuen Lieferanten dies überhaupt möglich ist. Die diesbezügliche Lieferantenanalyse
beurteilt demnach zunächst die bestehenden Lieferantenbeziehungen hinsichtlich ihrer
Eignung für die geplante elektronische Zusammenarbeit (Wirtz 2018, S. 692). Untersucht
werden dazu zunächst die wichtigsten Lieferanten der zuvor ausgewählten Produktseg-
mente. Die Lieferantenanalyse, auf die in Kapitel 2.3.2 bereits ausführlich eingegangen
wurde, beurteilt Lieferanten zum einen auf einer technologischen Ebene. Dabei geht es in
erster Linie um ihre Fähigkeit, Online-Kataloge in gewünschter Qualität und im geforder-
ten Format zu liefern (s. Kapitel 2.1.1.1 und 2.1.1.2) und Schnittstellen für elektronische
228 Die Grundlagen des E-Procurement
Zahlungsvorgänge (s. Kapitel 2.2.2.4) oder den elektronischen Austausch von Geschäfts-
dokumenten (s. Kapitel 2.1.3.4) zur Verfügung zu stellen. Zum anderen sollten die Liefe-
ranten aber auch bezüglich ihrer Bereitschaft beurteilt werden, als exklusiver Lieferant
zusätzliche Preiszugeständnisse zu machen. Typische Fragen der Lieferantenanalyse sind
zudem, ob und in welchem Ausmaß man auf Lieferantenseite ein entsprechendes Engage-
ment für die Durchführung von E-Procurement-Prozessen erwarten kann (Dolmetsch
2000, S. 245). Ergebnis der Lieferantenanalyse sollte neben der Beurteilungsübersicht der
Lieferanten auch eine Abschätzung der Integrationskosten sein. Fällt die Entscheidung
für die Integration eines Lieferanten positiv aus, gilt es am Ende der Lieferantenanalyse
eine individuelle Adoptionsstrategie, die Ziele, Budget, Zeitplan und Ressourcen der In-
tegration festlegt, zu definieren (Wirtz 2018, S. 692 f.).
2.5.1.4 Prozessanalyse
Durch die Implementierung von E-Procurement-Systemen werden eine Reihe von Prozes-
sen radikal geändert (s. Abb. 91). Im Rahmen der sich der Produkt- und Lieferantenaus-
wahl anschließenden Prozessanalyse wird dabei zunächst der bisherige (reale) Beschaf-
fungsprozess detaillierter untersucht, um Verbesserungspotenziale bzw. kritische Erfolgs-
faktoren zu identifizieren. Ergebnisse sollten also eine Detailbeschreibung der untersuch-
ten Beschaffungsprozesse und eine Analyse der jeweils möglichen Prozesseinsparungen
sein (Wirtz 2018, S. 664 f.). Entfällt die Prozessanalyse, bildet das Unternehmen beste-
hende ineffiziente Prozesse ab und verpasst die wertvolle Gelegenheit, seine Beschaf-
fungsprozesse grundlegend zu ändern (Dolmetsch 2000, S. 17).
Bedarfsträger suchen
Produkt- Produktauswahl und -bestellung
Papierkataloge und füllen komplexe
suche durch Online-Produktkataloge
Bestellformulare aus
Zu einem erfolgreichen operativen Beschaffungsprozess gehört viel mehr als der direkte
Kontakt zwischen Bedarfsträger und Lieferanten. Durch E-Procurement-Systeme kann
nämlich eine Vielzahl an Teilfunktionen mit übernommen oder zumindest unterstützt so-
wie mit Informationen versorgt werden (Möhrstädt/Bogner/Paxian 2001, S. 117). Zu be-
rücksichtigen ist auch die Tatsache, dass Beschaffungsprozesse variantenreich sind: So
gibt es zumeist zwar eine unternehmensweite Beschaffungspolitik, die der einzelnen Ge-
schäftseinheit jedoch oft Freiräume lässt, ihre eigenen Beschaffungsregeln zu definieren
(Dolmetsch 2000, S. 238). Damit zusammenhängende Abläufe dabei nicht nur in Teilab-
schnitten optimiert werden, ist für alle Geschäftsprozesse ein funktionsübergreifendes
Denken erforderlich. Die betrieblich zusammenhängenden Prozesse sind also in ihrer Ge-
samtheit zu analysieren. Der Sinn einer Prozessanalyse besteht demnach vor allem darin,
eine Durchgängigkeit von Beschaffungsprozessen zu erreichen, denn durchgängige Pro-
zesse reduzieren Doppelbearbeitungen und Blindleistungen sowie die Verschwendung von
Zeit und Material (Möhrstädt/Bogner/Paxian 2001, S. 33). Auf diese Weise trägt die Pro-
zessanalyse zu den geforderten Zielen einer Umstellung im Beschaffungsmanagement bei
(Zeit, Qualität, Kosten; s. Kapitel 2.2).
Als weitere Aufgabe im Rahmen der Prozessanalyse werden aufbauorganisatorische As-
pekte wie z. B. die Einbettung der Prozesse, Funktions- und Personalzuordnung untersucht.
Anschließend können in einem Workshop mit den die Prozesse ausführenden Personen
ablauforganisatorische Aspekte wie z. B. Informationsfluss, Workflows sowie Hilfs- und
Sachmittel untersucht werden. Zur Erstellung der Grundlagen für eine spätere Prozessop-
timierung sowie für eine quantitative Bewertung der Ausgangssituation (z. B. Bearbei-
tungszeiten, Liegezeiten und interne Transportzeiten) bietet sich die Verwendung von EDV-
Tools zur Geschäftsprozessanalyse an (Möhrstädt/Bogner/Paxian 2001, S. 34). Die antei-
ligen Kosten der jeweiligen Beschaffungsprozesse können dann mit Hilfe einer Prozess-
kostenanalyse (PKA) ermittelt werden. Dieses Verfahren ermöglicht die Kontrolle und
systematische Zuordnung von Gemeinkosten auf der Basis einer umfassenden Prozessori-
entierung (s. o.). Im Mittelpunkt steht dabei zum einen die Sensibilisierung der Prozess-
beteiligten am Prozess selbst und am eigenen Handeln, zum anderen die Analyse des Ist-
Zustandes in Bezug auf die Prozesse und die damit verbundenen Kosten. Der Vorteil dieses
Verfahrens liegt in der einfachen Aufdeckung von Kostentreibern und Maßgrößen und in
der schnellen Identifizierung und Darstellung von Rationalisierungspotenzialen. Zwar sind
die entstehenden Kosten oft nur schwer durchschaubar, eine mangelnde Transparenz der
Prozesse steht allerdings in direktem Zusammenhang mit der Höhe der Kosten (Möhr-
städt/Bogner/Paxian 2001, S. 34 f.). Die Ergebnisse stehen dabei auch im Zusammenhang
mit einer späteren Erfolgsmessung des E-Procurement.
2.5.1.5 Projektorganisation
Die Einführung eines E-Procurement-Systems stellt vor dem Hintergrund der bisherigen
Ausführungen hohe Anforderungen an die Projektorganisation, da ein breites Wissens-
spektrum aus den Bereichen Einkauf, Lager, Rechnungsprüfung und Logistik sowie der
230 Die Grundlagen des E-Procurement
Der Lenkungsausschuss, in dem der Projektsponsor, leitende Mitarbeiter aus den Be-
reichen Einkauf, IT und Logistik sowie die Projektleitung vertreten sind, entwickelt
den strategischen Plan, erstellt Projektrichtlinien, definiert Ziele und ordnet dem Pro-
jekt die entsprechenden Ressourcen zu. Er wird optimalerweise von der Geschäfts-
führung gebildet. Dieses Vorgehen stellt sicher, dass das Projekt der Unterstützung der
Geschäftsführung sicher ist und diese engagiert ihren Beitrag zum Erfolg des Projek-
tes leistet.
Der Projektleiter trägt die Gesamtverantwortung für das Projekt. Er ist entweder ein
Mitarbeiter des eigenen Unternehmens oder entstammt einem Software- oder Bera-
tungshaus. Er stellt die Konsistenz des Projektes und die Befolgung von Projektricht-
linien und Meilensteinen sicher. Er muss dafür sorgen, dass die Geschäftsführung
stets informiert und involviert ist, ohne dass das Projekt jedoch von ihr dominiert
wird. Dafür muss der Projektleiter neben langjähriger Erfahrung im Projektmanage-
ment über ein entsprechendes Taktgefühl, technisches Wissen und den Respekt der
Top-Manager verfügen.
Der technische Projektmanager ist für das Design und die Implementierung der Sys-
temlösung sowie der unterstützenden Hardware verantwortlich. Er sorgt dafür, dass
das System in die bestehende Systemlandschaft integriert wird, überwacht die Imple-
mentierung von Schnittstellen, stimmt die erforderlichen Ressourcen ab, kommuni-
ziert mit Softwareherstellern, klärt Betriebsfragen und verantwortet die Datenmigra-
tion. Zudem ist er für die Durchführung von Schulungen und die Bereitstellung des
technischen Supports verantwortlich. Gefragt ist in dieser Position ein erfahrener IT-
Projektmanager, der ein gutes Verständnis für die Beschaffungsprozesse des Unterneh-
mens und unternehmensweite Geschäftsziele mit sich bringt.
gen bei der Erstellung von Änderungsplänen und der Durchführung von Schulungen im
nichttechnischen Bereich.
Das Kernteam sollte aus etwa sechs bis acht Repräsentanten der vom Beschaffungs-
prozess betroffenen Unternehmensfunktionen bestehen. Im Falle der indirekten Be-
schaffung könnte es sich dabei um Lieferantenmanagement, Beschaffung, Buchhal-
tung, IT und Wareneingang handeln. Bei der direkten Beschaffung hingegen kämen
bspw. Lagermanagement, Produktdesign, Produktion, Logistik und Hauptlieferanten
hinzu. Auch die Mitglieder des Kernteams sollten anerkannte Führungspersönlich-
keiten sein und ihre Kollegen von dem zu bewältigenden Projekt überzeugen können.
In vielen Fällen macht es zudem Sinn, einen Mitarbeiter der Personalabteilung zu
integrieren, da mit der Einführung von E-Procurement eine Reihe von personellen
Veränderungen einhergeht.
Oft wird das Projektteam in Abhängigkeit von der aktuellen Projektphase durch E-Procure-
ment-Experten eines Beratungsunternehmens oder Softwarehauses, die in vielen Fällen
auch Positionen in der Projektleitung übernehmen, ergänzt. Da sich der Bedarf an Fach-
experten im Kernteam im Laufe des Projektes ändern kann, sollten eigene Mitarbeiter und
externe Berater stets flexibel zuziehbar sein (Dolmetsch 2000, S. 241 f.). Gerade im Fall
der Einbeziehung externer Hilfe ist es wichtig, dass die Mitglieder des ursprünglichen
Projektteams das Projekt als ein Teil ihres Verantwortungsbereiches sehen und versuchen,
von den Best Practice-Erfahrungen von Beratern und Softwarespezialisten zu profitieren,
anstatt eine passive Rolle einzunehmen und die Zukunft des eigenen Unternehmens durch
externe Spezialisten gestalten zu lassen (Neef 2001, S. 194).
Lenkungsausschuss
(leitende Mitarbeiter aus Einkauf, IT und Logistik)
Projektleiter
Betriebswirtschaftlicher Technischer
Projektmanager Projektmanager
Kernteam
• Lieferantenmanagement • Lagermanagement
• Beschaffung • Produktdesign
• Buchhaltung • Produktion
• IT • Logistik
• Wareneingang • Hauptlieferanten
2.5.1.6 Projektkalkulation
Aus den vorangegangenen Analysen von Infrastruktur, Produkten, Prozessen und Liefe-
ranten kann ein Soll-Konzept erarbeitet werden, das im Rahmen der Projektkalkulation
die Grundlage einer Kosten-Nutzen-Betrachtung darstellt. Um den Return on Invest-
ment (ROI) des Projektes zu bestimmen, muss im Rahmen der Projektkalkulation dazu
grundsätzlich zwischen Potenzialen und GuV-wirksamen Maßnahmen unterschieden wer-
den (Peukert/Ghazvinian 2001, S. 216):
Der GuV-wirksame Wert einer E-Procurement-Lösung berechnet sich aus der Summe von
Preis- und Transaktionskostenvorteilen, abzüglich der bei der Implementierung entste-
henden Opportunitätskosten (s. Abb. 93). Transaktionskostenvorteile ergeben sich dabei
aus einer Reduktion der Bestellabwicklungskosten. Dabei handelt es sich um fixe Kosten,
die für die Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen anfallen. Sie sind nicht von der
Beschaffungsmenge, sondern lediglich von der Anzahl der Bestellungen bzw. getätigten
Transaktionen abhängig. Zu den Bestellkosten zählen u. a. Personal- und Sachkosten der
Unternehmensfunktionen Beschaffung, Materialprüfung und Rechnungsprüfung (Möhr-
städt/Bogner/Paxian 2001, S. 37). Der Wert des E-Procurement hängt freilich vom be-
trachteten Produktsegment, den jeweiligen Beschaffungsvolumina und der Komplexität
des Beschaffungsprozesses ab. Zudem besteht ein Zusammenhang zum Ist-Ablauf der Be-
schaffung, der während der Prozessanalyse untersucht wurde (s. Kapitel 2.5.1.4).
Die Implementierung beim elektronischen Einkauf 233
Insbesondere lassen sich Unterschiede zwischen bereits vor der Implementierung auto-
matisierten, fest definierten Ist-Abläufen und manuellen, nicht genau definierten Beschaf-
fungsprozessen feststellen (s. Kapitel 2.2.1). Generell kann man dabei davon ausgehen,
dass der durch die Implementierung von E-Procurement erzeugte Wert bei einer vormals
unstrukturierten Beschaffung höher ist als bei einer vormals strukturierten Beschaffung
(Subramaniam/Shaw 2004, S.168 f.).
Procurement-
Prozess:
Transaktions- Implementierungs-
Preisvorteile + - = Wert
Typ kostenvorteile kosten
Volumen
Komplexität
Einsparungen bei
Differenz zwischen Opportunitätskosten
Quelle der der Suche,
verhandeltem Preis bei Auswahl, Aufbau
Vorteile bzw. Verarbeitung,
und durchschnitt- und Einführung der
Kosten Verhandlung und
lichem Marktpreis Systemlösung
Koordinationskosten
Basierend auf den Ergebnissen der initialen Projektplanungsphase kann nun die technische
und betriebswirtschaftliche Projektumsetzung erfolgen. Die unternehmensweite Imple-
mentierung von E-Procurement lässt sich in verschiedene Projektphasen einteilen. Abb.
94 gibt einen Überblick über die wesentlichen Aktivitäten eines Projektes und setzt diese
in eine Ablauffolge. Dargestellt ist ein aus der vorhandenen Literatur synthetisiertes Vor-
gehensmodell, das die Projektphasen und deren zentrale Ergebnisse in Beziehung zuei-
nander setzt.
Kick-Off-Phase
Projekt- Projekt-
auftrag organisation
Analysephase
Abgrenzung Projekt-
Ist-Zustand
Pilotprojekt kalkulation
Systemauswahl
vorläufiges (Kauf-)
Soll-Konzept Vertrag
Systemgestaltung
Integrations-
Soll-Ablauf Pflichtenheft
bedarf
Systemaufbau
Pilot-
system
Systemeinführung
System
(Roll-Out)
Angestoßen wird ein E-Procurement-Projekt meist von Einkauf, Controlling, der Finanz-
oder der IT-Abteilung. Das Projekt startet mit einer Kick-Off-Phase, in der Geschäfts-
probleme formuliert, erste Informationen bei Systemherstellern eingeholt und Kostensen-
kungspotenziale grob abgeschätzt werden. Zudem wird ein Projektsponsor gefunden und
Die Implementierung beim elektronischen Einkauf 235
überzeugt, ein Projektteam (s. Kapitel 2.5.1.5) aufgestellt sowie ein Projektauftrag formu-
liert (Dolmetsch 2000, S. 240). Ziel dieses Projektauftrages ist es, eine Vision internetge-
stützter Beschaffung zu formulieren und daraus Projektziele abzuleiten. Der Detaillie-
rungsgrad ist dabei abhängig von der organisatorischen Stellung, also der Fachabteilung
und Hierarchiestufe des Projektsponsors. Dieser ist im Idealfall Mitglied der Geschäfts-
leitung, z. B. Logistik- und Finanzvorstand (CFO). Ergebnisse der Kick-Off-Phase sind ne-
ben dem Projektauftrag eine Grobabschätzung der Einsparungspotenziale, die Festlegung
der Projektorganisation und eines Projektbudgets sowie Verträge und Projektvereinba-
rungen mit externen Beratungsunternehmen (Dolmetsch 2000, S. 241 f.).
Wenngleich die Entscheidung für E-Procurement in letzter Instanz der Geschäftsführung
vorbehalten bleibt, ist es Aufgabe des Projektteams, durch präzise Analysen von Unter-
nehmensstruktur, Produkten, Prozessen und Lieferanten (s. Kapitel 2.5.1) eine attraktive
Entscheidungsvorlage zu erstellen. Dem Kick-Off folgt daher eine Analysephase, die ne-
ben den organisatorischen Rahmenbedingungen zur Realisierung das Einsparpotenzial
für jede Geschäftseinheit und die entsprechenden Produktsegmente möglicher Prozess-
und Produkteinsparungen prüft. Die Analysephase setzt sich – wie in den Kapiteln 2.5.1.2
bis 2.5.1.4 bereits erläutert – aus Unternehmens-, Produkt-, Prozess- und Lieferantenana-
lyse, die den Ist-Zustand der Beschaffung festhalten, zusammen. Aufgrund der Ergebnisse
der Unternehmensanalyse und der getroffenen Produktauswahl kann ein erster Vorschlag
zur Abgrenzung eines Pilotprojektes gemacht werden. Dieses definiert sich durch eine
begrenzte Anzahl von Benutzern, die einbezogenen Abteilungen und die abgebildeten
Produktsegmente. Unternehmensanalyse und Produktauswahl legen somit implizit fest,
welche Beschaffungsprozesse und Lieferanten im weiteren Verlauf der Analysephase un-
tersucht werden (Dolmetsch 2000, S. 244). Die Analysephase, auf deren Werkzeuge und
Methoden im weiteren Projektverlauf immer wieder iterativ zurückgegriffen wird, endet
mit einer ausführlichen Projektkalkulation, die die Grundlage für die Budgetgenehmigung
und die Projektumsetzung bildet (s. Kapitel 2.5.1.6).
Die Projektumsetzung beginnt mit der Phase der Systemauswahl (Kapitel 2.5.2.1), in der
sich das Team für eine Systemlösung (s. Kapitel 2.1.2) entscheidet und in der Regel einen
Vertrag mit einem Systemanbieter abschließt. Dabei wird geprüft, ob ein System das sich
aus den Ergebnissen der Analysephase ergebende vorläufige Soll-Konzept abbilden kann.
Ist die Entscheidung für eine Systemlösung gefallen, können die Soll-Abläufe in der Phase
Systemgestaltung (Kapitel 2.5.2.2) weiter ausgebaut werden. Dazu wird ein unterneh-
mensweites Modell entwickelt, das so standardisiert ist, dass es in allen Geschäftsberei-
chen und an allen Standorten angewendet werden kann. Grundlagen sind dabei nicht nur
der bereits in der Analysephase festgehaltene Ist-Zustand, sondern auch die verfügbare
Funktionalität der Systemlösung. Zusätzlich definiert das Projektteam den Integrationsbe-
darf mit internen und externen EDV-Systemen, der zusammen mit den Soll-Abläufen in
ein Pflichtenheft überführt wird (Peukert/Ghazvinian 2001, S. 212).
Generell ist es von Vorteil, das System zunächst als Pilotlösung mit wenigen Benutzern
und ausgewählten Produktsegmenten zu betreiben. Ziel ist hier ein Proof-of-Concept,
236 Die Grundlagen des E-Procurement
also ein Meilenstein, an dem die prinzipielle Durchführbarkeit des Vorhabens belegt wird.
In der Phase Systemaufbau (s. Kapitel 2.5.2.3) wird daher entsprechend der im Pflich-
tenheft festgehaltenen betriebswirtschaftlichen und technischen Anforderungen des Un-
ternehmens eine erste lauffähige Pilotlösung für die für das Pilotprojekt ausgewählten
Abteilungen, Benutzer, Produktsegmente und Lieferanten implementiert. Dies beinhaltet
die Entwicklung zusätzlicher Funktionalitäten, die Integration mit bestehenden Syste-
men, die Realisierung des Online-Kataloges und die Anbindung der ersten Anbieter.
In der abschließenden Phase Systemeinführung (s. Kapitel 2.5.2.4) werden die mit den
Pilotanwendern und ersten Transaktionen im Tagesgeschäft gemachten Erfahrungen doku-
mentiert und die sich daraus ergebenden zusätzlichen Anforderungen an die Systemlösung
nachträglich ins Pflichtenheft aufgenommen. Iterativ werden die notwendigen Änderun-
gen dann während der Einführungsphase implementiert. Nachdem die im Laufe der Ein-
führung des Pilotsystems aufgetretenen Probleme gelöst sind, kann das System unterneh-
mensweit und auf die übrigen Produkte und Lieferanten ausgebreitet werden (Dolmetsch
2000, S. 250 f.). Gleichzeitig führt das Implementierungsteam Tests am System durch und
bereitet das Projektteam und die zukünftigen Systembenutzer durch Schulungen auf den
Produktivstart vor.
2.5.2.1 Systemauswahl
Zu Beginn der Projektumsetzung muss im Rahmen der Systemauswahl zunächst die Ent-
scheidung für eines der in Kapitel 2.1.2 vorgestellten Grundmodelle internetbasierter
E-Procurement-Lösungen getroffen werden (Sell-Side, Buy-Side, Marketplace). Dazu las-
sen sich mit Hilfe der verschiedenen Systematiken zur Produktanalyse (s. Kapitel 2.3.1)
Handlungsempfehlungen und Normstrategien ableiten. Diese sind in der Regel mit der spä-
teren Anzahl von einkaufenden und verkaufenden Unternehmen verknüpft und leiten sich
aus den unterschiedlichen Wertbeiträgen der Grundmodelle ab (s. Abb. 95):
Existieren in einem Marktsegment viele Käufer und viele Verkäufer, ist das Markt-
platz-Modell die sinnvollste Alternative, da sich aus der Bündelung von Angebot und
Nachfrage auf beiden Seiten Kostenvorteile ergeben (s. Kapitel 4). Zudem bringt die
Nutzung eines elektronischen Marktplatzes die geringsten Implementierungskosten
mit sich. Marktplätze eignen sich insbesondere für taktische Objekte und Hebelobjekte
der Wert/Risiko-Matrix (s. Kapitel 2.3.1.3).
Stehen einem einzelnen Unternehmen eine Vielzahl von Lieferanten zur Verfügung,
sollte es auf das Buy-Side-Modell zurückgreifen, da die angebotenen DPS eine ein-
malige und lieferantenunabhängige Abbildung von Regeln für den Beschaffungspro-
zess erlauben und die Online-Kataloge der Lieferanten in einem MSPC vereinen (s.
Kapitel 2.1.1.4). Das Buy-Side-Modell erfordert allerdings eine ausreichend große
Marktmacht, um unter den Anbietern ein einheitliches Format für den Austausch von
Katalogen und Transaktionsdaten durchzusetzen. DPS bieten sich insbesondere für
Die Implementierung beim elektronischen Einkauf 237
Sell-Side-Modell Marketplace-Modell
hoch
Das Sell-Side-Modell (s. Kapitel 2.1.2.1) ist angebracht, wenn ein Lieferant auf seiner
Webseite Mehrwerte (z. B. zur Produktkonfiguration) anbietet oder ein effizienteres
Content Management bewerkstelligen kann. Ähnlich wie der Marktplatz bringt der
Einkauf über Sell-Side-Lösungen nur geringe Implementierungs- und Pflegekosten
mit sich und bietet sich insbesondere für kleinere Unternehmen mit einer geringen
Marktmacht an.
ist und die Optimierung der Supply Chain im Vordergrund des Projektes steht. Dies ist
vor allem bei kritischen Objekten bzw. Logistikeinkäufen mit einer hohen strategischen
Bedeutung der Fall.
Ist die Entscheidung für eines der vier Grundmodelle gefallen, müssen Softwareprodukte,
die den individuellen Anforderungen des Unternehmens genügen, gefunden werden. Dazu
sollte sich das Projektteam zunächst einen Überblick über den Markt und die unterschied-
lichen Philosophien der Software-Hersteller verschaffen. Von diesen wird letztlich der am
besten geeignete Hersteller ausgewählt (Dolmetsch 2000, S. 247 f.). Der anschließende
Prozess der Systemprüfung beginnt mit dem Zusammenstellen einer Herstellerrangliste.
Dazu wird zunächst eine Anfrage an die Hersteller verschickt. Zusätzlich empfiehlt es
sich aber, Gespräche mit den verschiedenen Anbietern zu führen. Ziel dieses Evaluati-
onsprozesses ist es, einen Überblick über die Funktionalität und die Besonderheiten der
jeweiligen Systeme und der damit verbundenen Lösungen zur Lieferantenintegration zu
bekommen (Dolmetsch 2000, S. 247). Hat sich das Projektteam einen Überblick über die
verfügbaren Softwareprodukte verschafft, bietet es sich in manchen Fällen an, mit den
zwei bis drei am besten geeigneten Anbietern einen Workshop, bei dem die Anbieter die
zuvor in der Prozessanalyse dokumentierten Prozesse implementieren, durchzuführen.
Das Projektteam erhält so einen Eindruck von der Anpassbarkeit des Systems auf die
Unternehmensbedürfnisse und der Problemlösungskompetenz der Anbieter. Basierend auf
den Erfahrungen der Workshops wählt das Team eine der Systemlösungen aus und
schließt einen Vertrag mit dem Anbieter ab (Dolmetsch 2000, S. 247 f.).
2.5.2.2 Systemgestaltung
Ist die Entscheidung für eine Systemlösung gefallen, gilt es nun im Rahmen der System-
gestaltung basierend auf den in der Analysephase erhobenen Rahmenbedingungen und
Ist-Abläufen die zukünftigen Soll-Abläufe zu definieren bzw. das schon in ersten Zügen
vorhandene Soll-Konzept weiter auszubauen. Zum kritischen Hinterfragen der Ist-Abläufe
und vorgesehenen Lösungsansätze bieten einige Systemanbieter auf ihr Softwareprodukt
zugeschnittene Referenzprozesse, Fragebögen und Checklisten an. Weiterhin muss das
Projektteam die Anforderungen der späteren Benutzer und Lieferanten erheben. Für jedes
Produktsegment und jeden Lieferanten muss anschließend ein Konzept für Katalogaus-
tausch und Content Management, das Soll-Abläufe für die Übertragung und die Pflege
der Katalogdaten definiert, festgelegt werden (s. Kapitel 2.1.3.3). Dabei muss nicht zuletzt
auch die Hierarchie und Struktur des Produktkataloges entworfen werden, der im Falle
eines MSPC die Online-Kataloge mehrerer Lieferanten und einer Oberfläche vereint. Die
an dieser Stelle im Projektverlauf neu entstehende Funktion des Katalogmanagements
verbindet mehrere Funktionsbereiche untereinander und stellt zusätzlich die Verbindung
nach außen dar (s. Abb. 96). Hier wird abermals deutlich, dass E-Procurement-Implemen-
tierungen stark interdisziplinäre Projekte mit einer Reihe von organisatorischen und tech-
nischen Schnittstellen sind.
Die Implementierung beim elektronischen Einkauf 239
Neben der Definition der Soll-Abläufe muss das Projektteam basierend auf den in der
Unternehmensanalyse erhobenen Dokumentationen den Integrationsbedarf mit internen
Informations-Systemen und externen Lieferantensystemen erheben sowie Schnittstellen
und Formate für den Datenaustausch definieren (s. Kapitel 2.1.1.1 und 2.1.1.2). Einige
Schnittstellen sind von den vorhandenen Systemen bereits vorgegeben und müssen daher
nicht mehr spezifiziert werden. So verfügen viele E-Procurement-Systeme über Schnitt-
stellen zu weit verbreiteten ERP-Systemen oder sind sogar als Module für diese Systeme
verfügbar. Die entstehenden Anforderungen werden in einem Integrationsplan festgehal-
ten (Dolmetsch 2000, S. 249). Dieser stellt oft eine der größten Herausforderungen bei
der Projektumsetzung dar, da im Projektverlauf häufig weitere Schnittstellen erkannt oder
neue Forderungen für einen Datenaustausch mit bestehenden Systemen gefordert werden
(Möhrstädt/Bogner/Paxian 2001, S. 108).
Soll-Abläufe und Integrationsplan werden anschließend in Anforderungen an das System
übersetzt. Zusammen mit dem in der vorherigen Projektphase ausgewählten Systeman-
bieter muss das Projektteam aus den Soll-Abläufen die noch fehlende Funktionalität und
aus dem Integrationsplan die noch fehlenden Schnittstellen identifizieren. Darauf aufbau-
end wird entschieden, welche Funktionen und Schnittstellen speziell entwickelt werden
müssen, in der nächsten Version des Herstellers ohnehin geplant sind oder wie ein alterna-
tiver Soll-Ablauf aussehen könnte, um auf kostenintensive Zusatzentwicklungen eventuell
verzichten zu können. Alle Zusatzentwicklungen werden in Form eines Pflichtenheftes
festgehalten (Dolmetsch 2000, S. 249).
IT Einkauf
Abstimmung der erforderlichen
Abstimmung der gewünschten
Systemressourcen, Klärung
Produkte und Lieferanten, der
von Betriebsfragen,
Entscheidungskriterien und
Integration in ERP-/
der Konditionen
Warenwirtschaftssystem
Katalog-
management
Bedarfsträger Lieferanten
Software-Hersteller
Erhebung der Abstimmung der
Definition der
Anforderungen, technischen
Anforderungen der
Beobachten des Voraussetzungen,
Software, Einführung im
Benutzerverhaltens, Anwendungsberatung,
Unternehmen,
Anwenderschulung Übernahme/Übermittlung
Weiterentwicklung
der Daten
2.5.2.3 Systemaufbau
Nach Auswahl der Systemlösung (s. Kapitel 2.5.2.1) und der darauf aufbauenden Sys-
temgestaltung (s. Kapitel 2.5.2.2), steht nun der Systemaufbau im Mittelpunkt, der sich
an den individuellen betriebswirtschaftlichen und technischen Bedürfnissen des Unterneh-
mens orientieren muss. Dabei kann zwischen vier verschiedenen Projektmodulen unter-
schieden werden, die unter enger Abstimmung parallel von verschiedenen IT-Teams bear-
beitet werden können (Dolmetsch 2000, S. 250):
Das Ergebnis des Systemaufbaus ist eine lauffähige Systemlösung, die in der nun folgen-
den Pilotphase der Systemeinführung genutzt werden kann.
2.5.2.4 Systemeinführung
Nach der Systemgestaltung führt das Projektteam im Rahmen der Systemeinführung kon-
tinuierliche Tests durch. Dabei wird das System zunächst als Pilotlösung mit wenigen Be-
nutzern und ausgewählten Produktsegmenten betrieben, um seine prinzipielle Eignung für
den unternehmensweiten Einsatz zu belegen. Die mit den Pilotanwendern und ersten Trans-
aktionen im Tagesgeschäft gemachten Erfahrungen werden dokumentiert und die sich da-
raus ergebenden zusätzlichen Anforderungen an Systemlösung, Hardware und Netzwerk
nachträglich ins Pflichtenheft aufgenommen. Iterativ werden die notwendigen Änderun-
gen dann während der Einführungsphase implementiert. Nachdem die während der Pi-
lotphase aufgetretenen Probleme hinsichtlich Benutzeroberfläche, Datenintegrität und
Netzwerkinfrastruktur gelöst sind, kann das System unternehmensweit und auf die übrigen
Produkte und Lieferanten ausgebreitet werden. Zu diesem Zeitpunkt werden alle Mitar-
Die Implementierung beim elektronischen Einkauf 241
Strategieprobleme: Das Projekt wird von der Geschäftsführung als nicht strategisch
eingestuft und daher als ein isoliertes Werkzeug, das das traditionelle Abteilungs-
denken weiter forciert, betrachtet und implementiert.
Im Zuge der E-Procurement-Einführung lassen sich diese Aspekte der Veränderung als
die oftmals größten Problemquellen identifizieren und werden in vielen Fällen sogar kri-
tischer als die technische Komplexität des Systems angesehen (Andreßen 2010, S. 308).
242 Die Grundlagen des E-Procurement
2.5.2.5 Systemkontrolle
War die Systemeinführung (s. Kapitel 2.5.2.4) erfolgreich, beginnt im Rahmen der ab-
schließenden Systemkontrolle ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess, der jedoch
nicht mehr Teil des eigentlichen Implementierungsprojektes ist. Er umfasst die Opti-
mierung und den weiteren Ausbau des bestehenden Systems (Peukert/Ghazvinian 2001,
S. 212). Die Systemkontrolle umfasst somit zum einen die weitere Integration in die be-
stehende Systemlandschaft der Organisation sowie die Anbindung an zusätzliche Markt-
platz- und Lieferantensysteme (s. Kapitel 2.1.3.5). Zum anderen schließt sie eine weitere
Kostenoptimierung ein. Mit der Implementierung von E-Procurement schöpft ein Unter-
nehmen nämlich keineswegs automatisch alle Einsparungspotenziale aus. Der Umfang
wirklich realisierter Einsparungen orientiert sich nachfolgenden Bedingungen, die mul-
tiplikativ miteinander verknüpft sind (Dolmetsch 2000, S. 17 f.):
Benutzer: Wird das System nicht von allen Mitarbeitern genutzt, kann nur ein Teil der
Einsparungen realisiert werden.
Prozesse: Die Prozesseinsparungen sind abhängig von der Vollständigkeit der Bestell-
prozessunterstützung entlang des gesamten Beschaffungsprozesses sowie vom Abde-
ckungsgrad aller Prozessvarianten.
Die Implementierung beim elektronischen Einkauf 243
Standards: Die Nutzung von offenen Standards wie bspw. cXML (s. Kapitel 2.1.1.1
sowie 2.1.1.2) erleichtert die Integration zusätzlicher Lieferanten, Marktplätze und
Dienstleistungsunternehmen.
Übungsaufgaben
1. Vergleichen Sie das E-Procurement mit den beiden anderen Plattformen aus dem
Bereich E-Commerce. Erarbeiten Sie hierbei Gemeinsamkeiten, aber vor allem Un-
terschiede zwischen den einzelnen Konzepten.
4. Beschreiben Sie die Standards XML, BMEcat und eCl@ss und stellen Sie sie gegen-
über.
8. Erläutern Sie die Begriffe „Round Trip“, „Punch Out“ und „Punch Out Chaining“
und visualisieren Sie die entstehenden Kommunikationsbeziehungen anhand einer
Grafik. In welchen Fällen macht der Einsatz der beschriebenen Mechanismen Sinn?
10. Die mobile Unterstützung von Geschäftsprozessen gewinnt in der heutigen Zeit mehr
und mehr an Bedeutung. Auf welche Art können E-Procurement-Prozesse mobil un-
terstützt werden?
12. Erläutern Sie anhand eines fiktiven Beispiels das allgemeine Prinzip hinter eTrack-
ing-Prozessen. Welche Arten von Informationen werden für einen durchgängigen
Einblick in den Lieferstatus benötigt?
13. Erläutern Sie die Funktionsweise des Gutschriftverfahrens. Was sind die besonde-
ren Vorteile dieser Art des ePayment?
15. Erstellen Sie eine Wert/Risiko-Matrix für ein fiktives mittelständisches Unterneh-
men, das Fahrräder herstellt. Welche E-Procurement-Lösung(en) kommen für wel-
che Produkte in Frage?
18. Erläutern Sie den Unterschied zwischen eSupply Chain Management (eSCM) und e-
Supplier Relationship Management (eSRM).
246 Die Grundlagen des E-Procurement
19. Grenzen Sie aktives und passives eSourcing voneinander ab. Erläutern Sie zudem,
für welche der beiden Formen die Beschaffungs-Homepage eine wichtige Rolle spielt
und nennen Sie die Elemente, durch die sich eine Beschaffungs-Homepage auszeich-
net.
20. Nennen Sie die generellen Ziele von Online-Auktionsverfahren und erläutern Sie die
vier Phasen von Online-Auktionsverfahren im Beschaffungsmarketing.
21. Beschreiben Sie die fünf Ebenen, auf denen sich die Nutzenpotenziale von RFID-
Technologien manifestieren. Geben Sie für jede Ebene ein Praxisbeispiel, welches
die Vorteile gegenüber alternativen Lösungen (z. B. Barcodes) veranschaulicht.
22. Welche Beziehungsstrategien (zwingend vs. kollaborativ) bieten sich für das Ma-
nagement der Lieferanten der in den Aufgaben 15 und 16 identifizierten Produkte an?
24. Für welche der in den Aufgaben 15 und 16 identifizierten Produkte bietet sich für
das jeweilige Unternehmen eine Teilnahme an Online-Beschaffungsgemeinschaften
an?
25. In welchen Bereichen bietet es sich für die aus den Aufgaben 15 und 16 bekannten
Unternehmen an, auf Online-Beschaffungsagenten zurückzugreifen? Aus welchen
Gründen sind in Sachen E-Procurement viele Unternehmen auf fremde Hilfe ange-
wiesen?
26. Was sind die zentralen Risikofaktoren bei der Implementierung eines E-Procure-
ment-Projektes, die bei dem Zusammenspiel zwischen Technik und handelnden Akt-
euren auftreten können?
27. Was sind die zentralen Erfolgsfaktoren bei der Implementierung von E-Procurement
und wie hängen diese zusammen?
28. Erläutern Sie den Sinn und Zweck von Unternehmens-, Produkt-, Lieferanten- und
Prozessanalyse. Warum ist die Analysephase für den langfristigen Erfolg eines E-Pr-
ocurement-Projektes unabdingbar?
31. Aus welchem Grund sollte eine E-Procurement-Lösung zunächst in Form eines Pi-
lotsystems eingeführt werden? Welche zusätzlichen Schritte sind nach Einführung des
Pilotsystems bis zum unternehmensweiten Roll-Out noch notwendig?
32. Erläutern Sie anhand von fünf kurzen Beispielszenarien, welche Gründe für das
Scheitern eines E-Procurement-Projektes verantwortlich sein können.
34. Erläutern Sie allgemein das Prinzip des Dropshipping. Worin bestehen aus Sicht
eines E-Procurement-Anbieters die besonderen Vorteile und Risiken bei Nutzung von
Dropshipping?
35. Diskutieren Sie die Potenziale von künstlicher Intelligenz (KI) im Bereich der elekt-
ronischen Beschaffung. In welchen Teilbereichen des E-Procurement verspricht diese
technologische Entwicklung Ihres Erachtens die meisten Chancen? Begründen Sie
Ihre Antwort.
36. Was versteht man unter dem Begriff „Cognitive Sourcing“? Welche Rolle kommt
hierbei der Qualität von Daten als Inputfaktor zu?
37. In den letzten Jahren haben sich zunehmend sog. E-Procurement-Marketplaces ent-
wickelt. Erläutern Sie kurz, worum es sich dabei handelt. Diskutieren Sie anschlie-
ßend, warum etablierte B2C-Marktplätze wie z. B. Amazon auch zunehmend in das
B2B-Marktplatz-Geschäft drängen.
248 Die Grundlagen des E-Procurement
Klausuraufgaben
1. Klausuraufgabe: „Knüllermilch“
Die Molkerei „Knüllermilch“ ist Hersteller von Frisch- und H-Milch. Der Leiter der Ein-
kaufsabteilung, Herr Kefir, ist für die Beschaffung von Rohmilch verantwortlich, die – bis-
her problemlos – über bestehende Lieferverträge mit lokalen Landwirten abgewickelt
wurde. Allerdings laufen in seiner Abteilung fast täglich papierbasierte Bestellanforderun-
gen von Büromaterial und Reinigungsmitteln aus anderen Abteilungen ein, die seine Mit-
arbeiter ggf. genehmigen und zu wöchentlichen telefonischen Sammelbestellungen bei vie-
len verschiedenen Lieferanten zusammenfassen. Als der Geschäftsführer Dr. Zuckertz be-
schließt, neben den klassischen Milchsorten nun auch aromatisierte Produkte auf den
Markt zu bringen, kommt eine weitere Herausforderung für die Einkaufsabteilung hinzu,
da die dafür benötigten Aromastoffe ebenfalls eingekauft werden müssen. In Hinblick auf
das Chaos in der Einkaufsabteilung bittet Dr. Zuckertz Sie als Unternehmensberater,
genau zu untersuchen, in welchem Rahmen für „Knüllermilch“ eine Einführung eines
Desktop-Purchasing-Systems (DPS) mit Multi Supplier Product Catalogue (MSPC) Sinn
geben würde.
(a) Beschreiben Sie kurz, was man unter einem DPS mit MSPC versteht. Argumentieren
Sie, welche der genannten Güter die Firma „Knüllermilch“ über ein solches System
einkaufen sollte und welche nicht.
(b) Nennen Sie drei Möglichkeiten, das DPS mit Katalogdaten zu versorgen. Welche tech-
nischen Anforderungen an die aktuellen Lieferanten von „Knüllermilch“ würden diese
jeweils mit sich bringen?
(c) Mit der Einführung von E-Procurement geht eine Veränderung der Rolle der Ein-
kaufabteilung von „Knüllermilch“ einher. Inwieweit werden sich die neuen Aufgaben
von Herrn Kefir und seinem Team von den aktuellen Aufgaben unterscheiden? Nennen
Sie Beispiele und differenzieren Sie dabei zwischen strategischen, taktischen und ope-
rativen Aufgaben.
von einer Vielzahl von Lieferanten bezieht. Außerdem ergaben interne Analysen, dass teil-
weise eine Reduktion der Prozesskosten von bis zu 90 % möglich wäre (z. B. bei öffentli-
chen Ausschreibungen). Darüber hinaus erhofft Dr. Kliener sich einen positiven Kommu-
nikationseffekt, wenn er die Vision eines „E-Government in Essen“ verkünden könnte. Vor
dem Start des Projektes fragt Dr. Kliener Sie als seinen persönlichen Assistenten, sich den
folgenden Aspekten zu widmen:
(a) Was unterscheidet indirekte von direkten Gütern allgemein und inwiefern eignen sich
beide Gütergruppen für das E-Procurement? Inwieweit spielt der Einkauf von indirek-
ten und direkten Gütern bzw. Dienstleistungen in Bezug auf das Beispiel „Behörde“
eine Rolle? Geben Sie Beispiele.
(b) Welche E-Procurement-Lösung (Sell-Side, Buy-Side, Marketplace) käme für die Stadt
Essen Ihrer Ansicht nach in Frage? Bitte begründen Sie Ihren Vorschlag und beschrei-
ben Sie die Voraussetzungen für mögliche Lieferanten, die sich aus Ihrem Lösungssze-
nario heraus ergeben.
(c) Welche Probleme könnten bei der Einführung eines E-Procurement-Systems für die
Stadt Essen auftauchen? Geben Sie Beispiele und machen Sie Vorschläge, wie man der-
artigen Risiken vorbeugen kann.
(a) Erläutern Sie den Unterschied zwischen einem Desktop-Purchasing-System (DPS) und
einer Lösung für das eSupply Chain Management (eSCM). Gehen Sie dabei auf die
Rolle der zu beschaffenden Produkte im Wertschöpfungsprozess des Unternehmens, auf
die Rolle der eigenen Mitarbeiter und auf die Rolle der Lieferanten ein.
(b) Argumentieren Sie anhand der im Text beschriebenen Probleme, welches der beiden
Lösungskonzepte (DPS oder eSCM) sich für die „ChaoTech GmbH“ anbietet. Erläutern
Sie dabei, inwiefern die von Ihnen vorgeschlagene Lösung die Einkaufsprozesse verbes-
sern würde.
(c) Inwieweit wäre es sinnvoll, das System mit einem Lieferantenbewertungsmodul auszu-
statten? Illustrieren Sie den möglichen Einsatz eines solchen Moduls anhand der Be-
ziehungen zwischen Lieferant, Lieferantenbewertungsmodul und den beteiligten Abtei-
lungen der „ChaoTech GmbH“.
(b) Erläutern Sie, welche Voraussetzungen die jeweiligen Lieferanten in Hinblick auf die
von Ihnen vorgeschlagenen E-Procurement-Lösungen mit sich bringen müssen. Gehen
Sie dabei zum einen auf informationstechnische, zum anderen aber auch auf betriebs-
wirtschaftliche (die Art der Zusammenarbeit und das gelieferte Produkt betreffende)
Voraussetzungen ein.
(c) Als neu errichtete Produktionsstätte verfügt das Werk im Taunus über keine etablier-
ten Beschaffungsprozesse. Argumentieren Sie, inwiefern diese Tatsache hinsichtlich
der Implementierung elektronischer Beschaffungsprozesse als Vor- oder Nachteil zu
werten ist.
(c) Um sich endgültig für oder gegen die Einführung eines DPS zu entscheiden, möchte Herr
Löffler den Wert berechnen, den diese E-Procurement-Lösung für die „Hüpfer GmbH“
mit sich bringt. Beschreiben Sie kurz die drei Komponenten, aus denen sich dieser Wert
berechnet, und geben Sie Herrn Löffler für jede Komponente zwei Beispiele aus seinem
eigenen Unternehmen.
einsetzen sollte. Gehen Sie bei ihrer Argumentation insbesondere auf die Anforderun-
gen an die jeweilige Systemlösung ein, die den vormals automatisierten bzw. manuel-
len Beschaffungsprozess ersetzt.
(c) Herr Jakobs hat gehört, dass es sinnvoll ist, sich in Hinblick auf die MRO-Materialien
mit Produktidentifikationsstandards, Klassifikationsstandards und Katalogaustausch-
formaten zu beschäftigen. Erläutern Sie ihm anhand eines Beispiels aus seinem eige-
nen Unternehmen, welchen Zweck diese drei Arten von Standards jeweils erfüllen.
Der E-Shop steht allgemein als Begriff für den elektronischen Verkauf von Produkten bzw.
Dienstleistungen durch ein Unternehmen über digitale Netzwerke. Damit erfolgt eine In-
tegration innovativer Informations- und Kommunikationstechnologien zur Unterstützung
bzw. Abwicklung von operativen, taktischen und strategischen Aufgaben im Absatzbe-
reich. Die zunehmende Akzeptanz elektronischer Medien bei den Nachfragern geht mit
einem wachsenden Angebot an Produkten und Dienstleistungen einher, die entweder teil-
weise oder sogar ausschließlich über das Internet durch diese „virtuellen Läden“ vertrieben
werden. Ein E-Shop ist somit ein „eigenständiges System aus Hard- und Software, das ei-
nem Händler erlaubt, seine Wirtschaftsgüter über Rechnernetze anzubieten, zu verkaufen
und gegebenenfalls zu vertreiben“ (Zwißler 2002, S. 32). Man kann also vereinfacht sagen,
dass ein E-Shop ein virtueller Verkaufsraum eines Unternehmens ist (s. Kapitel 1.3.1). Die
Grundidee des elektronischen Verkaufs ist also darin zu sehen, dass die Beziehung und die
verkaufsrelevanten Abläufe zwischen einem Unternehmen (Anbieter) und einem Kunden
(Nachfrager) über die mit Hilfe des Internets vernetzten Computer (s. Kapitel 1.2) und den
damit einhergehenden Rahmenbedingungen des elektronischen Informationsaustausches
(s. Kapitel 1.3) abgewickelt werden (s. Abb. 97).
Bedarfserkennung
Kunde
Informationssuche, -bereitstellung
Bestellung
Unternehmen Kunde
Bezahlung
Distribution
Kunde
After-Sales-Service
Der elektronische Verkauf (E-Commerce) über einen E-Shop unterscheidet sich vom re-
alen Verkauf dabei in drei wesentlichen Faktoren (Choi/Stahl/Whinston 1997, S. 16 ff.; s.
Abb. 97): Dazu gehört zunächst der Verkäufer (Shopanbieter) an sich, welcher Produkte
über das Internet absetzen möchte. Im traditionellen Sinne ist der Verkäufer im Laden
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019
T. Kollmann, E-Business, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26143-6_3
260 Die Grundlagen des E-Shop
Intransparenz: Der Nachfrager hat in der realen Wirtschaft keinen Einblick in die
Abläufe innerhalb der Handelsstruktur. Sämtliche Prozesse hinter dem reinen Ver-
kaufsakt bleiben für den Kunden intransparent. Gibt es Probleme mit den Produkten,
Die Systeme beim elektronischen Verkauf 261
bleibt dem Kunden lediglich der Kontakt zum Händler, um z. B. Beschwerden, Man-
gelware, Verbesserungsvorschläge etc. zu kommunizieren. Ferner ist es für den Kun-
den in der realen Wirtschaft schwierig, sich über einen umfassenden Vergleich von
Produkten, Preisen und Anbietern einen wirklichen Marktüberblick zu verschaffen.
Vor dem Hintergrund dieser Problemfelder soll ein E-Shop eine deutliche Verbesserung
darstellen. Um dies zu erreichen, müssen jedoch spezifische Anforderungen bezüglich der
fünf Bausteine „Systeme“, „Prozesse“, „Management“, “Marketing“ und „Implementie-
rung“ (s. Kapitel 1.7) erfüllt werden, auf die im Folgenden eingegangen wird.
Wie sieht die Pflege und äußere Gestaltung eines E-Shop-Systems aus?
Worauf ist bei der Entwicklung bzw. Beschaffung eines E-Shop-Systems zu achten?
Die Benutzbarkeit (Usability) der Plattform ist die Qualität des Angebots aus Sicht
des Kunden und somit entscheidend für dessen Akzeptanz. Die Benutzbarkeit bewertet,
wie gut der Kunde die gegebene Funktionalität anwenden kann. Damit eine E-Shop-
Plattform benutzbar ist, muss diese unterschiedliche Kriterien erfüllen, u. a. in den
Bereichen Fehlertoleranz, Lernförderlichkeit, Aufgabenangemessenheit, Erwartungs-
konformität, Individualisierbarkeit, Selbstbeschreibungsfähigkeit und Steuerbarkeit
(Heinemann 2018a, S. 188 ff., Markotten/Kaiser 2000, S. 532).
Die Barrierefreiheit (Accessibility) gibt an, inwiefern ein Internet-Angebot von al-
len Nutzern unabhängig von ihren körperlichen und/oder technischen Möglichkeiten
uneingeschränkt genutzt werden kann. Dies schließt sowohl Menschen mit Behinde-
rungen als auch Benutzer mit technischen (z. B. Textbrowser) oder altersbedingten
Einschränkungen (z. B. Sehschwächen) sowie Software-Agenten ein. Zudem sollte
ein E-Shop dem Kunden nicht die Pflicht auferlegen, eine spezielle Hard- und Soft-
warekonfiguration zu verwenden. Neben der Zugänglichkeit geht es also beim The-
ma Accessibility auch um die Plattformunabhängigkeit: Oft soll ein Internetangebot
sowohl auf einem Bildschirm als auch mit einem PDA oder Handy nutzbar bleiben
und unabhängig vom verwendeten Betriebssystem oder Webbrowser funktionieren.
Die Skalierbarkeit bezeichnet das Verhalten des Shop-Systems bezüglich seines Res-
sourcenbedarfs bei einer wachsenden Anzahl von Nutzern bzw. gleichzeitigen Verbin-
dungen. Eine Plattform zeichnet sich durch eine gute Skalierbarkeit aus, wenn sie
bspw. bei der zehnfachen Last mit etwa den zehnfachen Ressourcen auskommt und
dementsprechend aufgestockt werden kann. Ein schlecht skalierendes System hinge-
gen würde bspw. bei doppelter Last bereits die zehnfachen Ressourcen benötigen und
bei zehnfacher Last komplett ausfallen.
Die Systeme beim elektronischen Verkauf 263
Die Erweiterbarkeit und die Änderbarkeit geben an, inwiefern es möglich ist, der
Plattform zusätzliche Funktionen und/oder Bausteine hinzuzufügen bzw. aktuelle
Funktionen und/oder Bausteine an aktuelle Bedürfnisse anzupassen. Die Notwendig-
keit der Anpassung kann bspw. aus einer Änderung des Corporate Design oder einer
Erweiterung der Funktionalität des Shop-Systems entstehen. Für E-Shops geeignete,
skalierbare, erweiterbare und änderbare Software-Architekturen werden im Rahmen
von Kapitel 3.1.3 noch ausführlich beschrieben.
3.1.1.1 Online-Produktkatalog
Über einen Online-Produktkatalog kann der Besucher eines E-Shops allgemeine Infor-
mationen zu der angebotenen Ware abrufen. Dabei gelten auch für die im elektronischen
Verkauf eingesetzten Online-Produktkataloge grundsätzlich dieselben Anforderungen,
wie sie für die im E-Procurement eingesetzten Kataloge bereits gelten (s. Kapitel 2.1.
1.3). Die im elektronischen Verkauf benötigten Katalogdaten stehen allerdings weniger
in Zusammenhang mit Materialdaten, sondern bestehen zu einem großen Teil aus den
Artikelstammdaten, die Handelsunternehmen in der Regel mit Hilfe von Warenwirt-
schaftssystemen (s. Kapitel 2.1.1.5) verwalten. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Fra-
ge, inwiefern das Shop-System mit bestehenden Informationssystemen interagieren und
Daten austauschen kann. Die Integration von Katalogsystem und bestehender Warenwirt-
schaft stellt daher also auch im elektronischen Verkauf eine zentrale Systemanforderung
dar, insbesondere für solche Unternehmen, die vor der Implementierung ihres E-Shops
bereits auf der realen Handelsebene aktiv waren. Auch das in Kapitel 2.1.1.3 bereits vor-
gestellte Modell für die Katalogdatenbereiche besitzt im elektronischen Verkauf weiter-
hin seine Gültigkeit.
Allerdings lässt sich das vorgestellte Modell in Hinblick auf die von einem Shop-System
verwalteten Katalogdaten stark vereinfachen. Dies begründet sich darin, dass einem
E-Shop meist nur ein einzelner Online-Produktkatalog zugrunde liegt, während im E-Pro-
curement komplexe Multilieferantenkataloge zum Einsatz kommen (s. Kapitel 2.1.1.4). So
sind an dieser Stelle in vielen Fällen insbesondere Katalogmetadaten und Produktklassi-
fikationssystemdaten zu vernachlässigen, sofern sich ein Shopbetreiber lediglich auf die
Konsumentenseite konzentriert und nicht an einem Online-Katalogaustausch mit Ge-
schäftskunden oder elektronischen Marktplätzen interessiert ist (s. Kapitel 2.1.3.5). Auch
im B2C-Bereich bleibt die Forderung der Medienneutralität der Katalogdaten, welche
zukünftig insbesondere durch XML-basierte Katalogformate (s. Kapitel 2.1.1.1) er-
reicht wird, die eine strikte Trennung von Inhalt, Struktur und Präsentation ermöglichen,
von besonderer Relevanz. Auf diesem Wege können die in einem Online-Produktkatalog
befindlichen Artikeldaten z. B. parallel als Basis für einen entsprechenden Printkatalog
und ein Shop-System für mobile Endgeräte genutzt werden. Man spricht dann auch von
„Single Source Publishing“.
Abb. 98 zeigt beispielhaft ein in diesem Sinne stark vereinfachtes, allgemeines Katalogmo-
dell, das sich zur Abbildung eines einfachen Online-Produktkataloges in einer sog. relatio-
nalen Datenbank eignen würde. Dargestellt sind neben den einzelnen Relationen auch die
zwischen den möglichen Datensätzen bestehenden Beziehungen. Ein mit der Notation
Die Systeme beim elektronischen Verkauf 265
„0..n“ versehener Pfeil zwischen den Relationen „Produkt“ und „Bild“ bedeutet dabei
bspw., dass einem Produkt beliebig viele Bilder zugeordnet werden können. Neben der
eigentlichen Präsentation der Artikel müssen Online-Produktkataloge dem Nutzer aber
auch verschiedene Suchfunktionen zur Verfügung stellen: Beispiele hierfür sind ein hie-
rarchisches Browsen entlang einer Produkthierarchie, eine Stichwortsuche oder eine para-
metrische Suche in einem abgegrenzten Suchbereich (z. B. in einem bestimmten Preisbe-
reich). Als Beispiel hierfür kann der E-Shop von hutshopping.de genannt werden. Die dort
angebotenen Suchfunktionen beziehen sich sowohl auf eine direkte Artikeleingabe (z. B.
Batson Cattleman Westernhut), eine Kategoriensuche (z. B. Caps), eine Funktionssuche
(z. B. Anglerhüte), eine Materialsuche (z. B. Stroh), eine Markensuche (z. B. Bench) oder
eine Stichwortsuche (z. B. Gore-Tex). Ein weiteres Beispiel der Bereichssuche (z. B. Preis
bis Euro) bietet der E-Shop von zalando.de. Dabei kann der Nutzer auch mehrere Pro-
duktattribute beliebig kombinieren, um so sein gesuchtes Produkt aus dem Katalog heraus-
zufiltern (z. B. Sportschuhe, Adidas, bis 100 Euro).
Zudem erlauben viele Kataloge durch die Abbildung von Parametrisierungs- und Konfi-
gurationsdaten (s. Kapitel 2.1.1.3) eine individuelle, wenn auch auf Regeln basierte Kon-
figuration von Produkten. Ein sehr bekanntes Beispiel ist in diesem Zusammenhang der
E-Shop von dell.de, bei dem der Kunde seinen Arbeitsplatz-Rechner über vordefinierte
und voneinander abhängige Menüs quasi selbst zusammenstellen kann. Dabei sollten
der logische Aufbau und die Bereitstellung derartiger Hilfsmittel ein gewisses Maß an
Bedienungskomfort mit sich bringen, damit sich jeder Besucher schnell intuitiv bei der
Produktsuche zurechtfinden kann. In Hinblick auf die Interaktion mit dem Kunden unter-
scheidet Stanoevska-Slabeva (2001, S. 527 ff.) vor diesem Hintergrund zwischen vier Ar-
ten von Online-Produktkatalogen:
Beratende Kataloge: Diese Kataloge bieten neben der Darstellung der Produkte auch
eine Bedürfnisanalyse, die mit „künstlicher Intelligenz“ zur Beratung bei der Pro-
duktauswahl hinzugezogen werden kann.
266 Die Grundlagen des E-Shop
0..n
0..n ProduktTyp Bild
AttributTyp
1..n BildID
AttributTypID ProdukTypID ArtikelID
MinWert Name Typ
MaxWert URL
0..n Einheit
Name
IstSuchbar
AttributWert 0..n
0..n Produkt Link
AttributWertID 0..n
Wert ProduktID
AttributTypID 0..n 0..n ProduktTypID LinkID
Status ArtikelID
Typ Name
Attribut 1..n Beschreibung URL
KategorieID
AttributID
BereichVon 0..n 0..n
BereichBis
WertID Relation 0..n Kategorie
… 0..n
RelationsTyp KategorieID
ProduktVonID Name
ProduktNachID Beschreibung
…
3.1.1.2 Online-Produktpräsentation
Neben der reinen Datenorganisation im Rahmen des Online-Produktkatalogs (s. Kapitel
3.1.1.1) spielt gerade im E-Shop, aufgrund des Datenabrufs durch den Kunden, auch die
Online-Produktpräsentation eine besondere Rolle. Es ist diesbezüglich die Aufgabe des
Web-Designs, die Erwartungen und Wünsche des Nachfragers hinsichtlich ihres Besuchs
auf der Webseite zu verstehen und diese so ansprechend zu gestalten, dass die Informati-
onsabfrage (z. B. Katalognutzung) optimal erfolgen kann (Arnold 2018, Vatovec 2001).
Dabei gibt es zwei Schwierigkeiten. Erstens ist es relativ schwer, die genauen Wünsche
und Erwartungen der Kunden zu erfassen und zu analysieren. Zweitens ist es sehr auf-
wendig, die unterschiedlichen Motive und Informationswünsche der Besucher so zu in-
Die Systeme beim elektronischen Verkauf 267
tegrieren, dass jeder Kunde optimal auf seine Bedürfnisse zugeschnittene Inhalte vorfin-
det. Kunden gelangen auf die Seite, weil sie z. B. ein bestimmtes Produkt suchen, sich nur
etwas umschauen möchten oder gezielte Unternehmensinformationen brauchen etc. Jeder
dieser Kunden muss sich sehr schnell zurechtfinden können, um den Besuch der Webseite
erfolgreich und befriedigt abschließen zu können. Bei der Erstellung eines Webauftritts
ist vor diesem Hintergrund zunächst insbesondere auf folgende Anforderungen zu achten
(Silberer 2000, S. 37):
Einfache Bedienung: Auch unerfahrene Nutzer sollten sich intuitiv in Breite und
Tiefe des Informationsangebotes (Produktkatalog) zurechtfinden. Dafür müssen die
Inhalte klar strukturiert und die Navigation leicht verständlich und barrierefrei sein.
Interaktivität: Das Informationsangebot einer Seite sollte in Form und Inhalt vom
Nutzer beeinflussbar sein.
Flexibilität: Das Informationsangebot sollte sich den Bedürfnissen des Nutzers an-
passen können.
Neben diesen allgemeinen Aspekten müssen noch weitere Aufgaben des Webdesigns be-
achtet werden, die insbesondere auf die grafische Gestaltung und den Einsatz verschie-
dener Elemente abzielt (Vatovec 2001, S. 354 ff.):
Text: Texte auf einer Webseite werden vom Kunden meistens nur gescannt und nicht
vollständig gelesen. Um das Interesse der Kunden zu wecken, sollten Keywords in
den Text eingebaut werden und nur große, klare und gut lesbare Schriften verwendet
werden. Der Text sollte knapp gehalten werden, ohne jedoch an Informationsqualität
zu verlieren.
Navigation: Die Navigation sollte nicht nur auf eine Liste oben links auf der Home-
page beschränkt sein. Vielmehr zählen auch Links (im Text und in Grafiken) und
Werbeelemente zur Navigation. Beinhaltet ein E-Shop viele Unterseiten, so muss der
Kunde trotzdem immer den Überblick behalten können. Die Navigation kann mit De-
sign-Elementen unterstützt werden (z. B. durch die Verwendung von Pull-Down-Me-
nüs, um Platz zu sparen oder einer Anzeige, auf welcher Hierarchieebene der Nutzer
sich derzeit befindet).
268 Die Grundlagen des E-Shop
Grafiken: Grafiken werden oftmals so eingesetzt, dass sie wichtigen Text verdrängen
oder nicht von einfachen Werbeelementen unterschieden werden können. Manche Sei-
ten wirken aufgrund ihrer vielen Grafiken zu überladen und sind deshalb nur schwer in
der Lage, dem Benutzer sinnvolle Informationen bereitzustellen, da diese in der Fülle
der Informationen untergehen oder nicht auffindbar sind.
Sound: Eine Webseite lässt sich auch durch die Verwendung von Sound oder anderen
speziellen Effekten unterstützen. Wichtig dabei ist jedoch, die Seite so zu gestalten,
dass sie auch ohne Sound den Kunden vollkommen zufrieden stellen kann. Außerdem
kann die Seite mit zu vielen akustischen und visuellen Elementen die Rechnerleistung
so sehr beanspruchen, dass ein einfaches Hin-und-her-Navigieren nicht mehr möglich
ist.
Als Orientierungshilfe dient oftmals die Einhaltung einer durchgehenden und eindeutigen
Gestaltung der Webseite. Dafür ist es hilfreich, ein eigenes Corporate Design mit einheit-
lichen Bedienungs- und Seitenelementen zu entwickeln, das sich durch alle Informations-
und Kommunikationskanäle hindurchzieht. Somit können graphische Elemente auch als
Navigationsmittel fungieren. Eine Navigationsleiste dient der zusätzlichen Orientierung,
besonders bei einer umfangreichen Webseite. Am Ende steht das Ziel, dass durch die Ge-
staltung des E-Shops die Produktsuche und die abschließende Kaufentscheidung mög-
lichst einfach gestaltet wird (s. Kapitel 3.3.1.2).
Neben diesen Gestaltungsmöglichkeiten sei an dieser Stelle auch auf den Präsentations-
trend des Live-Shoppings zur Produktzentrierung hingewiesen. Beim Live-Shopping wird
für kurze Zeit, meist für einen Tag, ein Produkt zu einem besonders günstigen Preis ange-
boten. Ein spezifisches Produkt wird unter Beachtung der oben genannten Gestaltungs-
möglichkeiten in den Mittelpunkt gerückt. Dabei muss der Kunde durch die zeitliche
Restriktion schnell entscheiden. Beispiele für Live-Shopping-Portale in Deutschland sind
dailydeal.de oder 1dayfly.com (s. Abb. 99). Eine diesbezügliche Erweiterung ist das sog.
Speed-Shopping. Bei dealclub.de kann sich der Nutzer nach der Anmeldung und Aus-
wahl eines Produkts aus immer wieder wechselnden Verkaufsaktionen „seinen Preis“ für
ein Produkt anzeigen lassen, der nach Angaben der Betreiber weit unter dem Standardpreis
liegt. Der Nutzer hat dann vor diesem Hintergrund 33 Sekunden Zeit, um sich für den Deal
zu entscheiden.
3.1.1.3 Online-Produktwarenkorb
Werden im Anschluss an die gezielte und durch ein ansprechendes Webdesign unter-
stützte Suche im Produktkatalog (s. Kapitel 3.1.1.1) dann ein oder mehrere Produkte vom
Kunden gefunden und ausgewählt, so müssen diese vom E-Shop-System in einem Online-
Warenkorb hinterlegt werden. Dort können dann je nach Wunsch einzelne Produkte hin-
zugefügt oder wieder gelöscht werden, die Mengenangaben verändert oder nochmals De-
tailinformationen abgerufen werden, bevor der eigentliche Kaufvorgang an der virtuellen
Kasse abgeschlossen wird. Der Warenkorb dient also als Zwischen- und Kontrollspeicher
bei der Produktauswahl. Das Ablegen eines Produktes in den Online-Warenkorb verpflich-
tet dabei noch nicht zum Kauf, sondern er dient als weitere Überblicks- und Prüfmöglich-
keit bezüglich der eigenen Kaufabsicht. Die Auswahlfunktionalität des Produktkatalo-
ges und des Online-Warenkorbes sollten vor diesem Hintergrund insbesondere die fol-
genden Anforderungen erfüllen:
Als Beispiel für einen Online-Warenkorb kann der E-Shop von otto.de genannt werden,
in dem sich die zuvor ausgewählten Artikel schnell wiederfinden lassen (s. Abb. 100).
Der Kunde hat hier sodann die Möglichkeit sich nochmals Detailinformationen anzeigen
zu lassen, oder über die Funktion „Artikel ändern“ sowohl die Menge als auch ggf. die
Beschaffenheit (z. B. bei Textilien die Größe oder Farbe) nochmals anzupassen. Hinzu
kommen noch Angaben zur Verfügbarkeit und zu den Versandkosten.
Damit Kunden ihre ausgewählten Produkte in einem Warenkorb ablegen können, muss
die E-Shop-Software dabei in der Lage sein, den Warenkorb des jeweiligen Nutzers eindeu-
tig zu identifizieren. Dazu bietet sich die Verwendung von Cookies oder die Vergabe einer
sog. Session-ID an, die beim Anklicken eines jeden Links an den Shop Server übertragen
wird. So können die vom Kunden ausgewählten Produkte problemlos im Warenkorb zwi-
schengespeichert werden und bei Bedarf dann bestellt werden. Cookies erlauben darüber
hinaus eine Identifikation des Client-Rechners, die über die aktuelle Sitzung hinausgeht.
Dies ermöglicht die Nutzung persistenter Online-Warenkörbe, deren Inhalte dann bei
einem erneuten Besuch des E-Shops erhalten bleiben, ohne dass sich der Kunde im Shop-
System anmelden muss.
3.1.1.4 Online-Produktbestellung
Damit der Kunde im Anschluss an die erfolgreiche Artikelsuche im Produktkatalog (s.
Kapitel 3.1.1.1) und der diesbezüglichen Produktablage in einem Warenkorb (s. Kapitel
3.1.1.3) letztendlich auch eine Bestellung (Kauf) aufgeben kann, muss der Weg von der
Produktwahl bis zur virtuellen Kasse im Rahmen der Online-Bestellung so einfach wie
möglich gehalten werden. Eine Faustregel besagt dabei, dass es dem Kunden mit nur drei
Mausklicks technisch möglich sein sollte, seine elektronische Produktbestellung über einen
E-Shop abzuschließen. Unabhängig von der letztendlichen Anzahl der einzelnen Schritte,
sollte der Kunde aber genau darüber informiert werden, wo er sich im Rahmen des Be-
stellprozesses befindet und wie viele Schritte noch vor ihm liegen. Als Beispiel für diese
Kommunikation kann wiederum der bereits vorgestellte E-Shop von otto.de genannt wer-
den (s. Kapitel 3.1.1.3). Mit der Anzeige des Online-Warenkorbs erscheint gleichzeitig
auch eine graphische Anzeige des 4-stufigen Bestellprozesses (s. Abb. 100). Technisch
gesehen muss der E-Shop mit Start der Online-Produktbestellung, oftmals eingeleitet
durch einen „zur Kasse“-Button, die Artikelangaben aus dem Warenkorb mit den persön-
lichen Angaben zum bestellenden Kunden zusammenführen. Dazu werden die Katalogda-
ten mit einer aktiven Dateneingabe des Kunden über sog. Online-Formulare auf der
Webseite verknüpft, um anschließend als ein kombinierter Datensatz weitergeführt zu
werden. Im Zuge dieses benötigten Dateninputs seitens des Kunden sollten nur die nötig-
sten Informationen erfragt werden (z. B. Adressangaben für die Lieferung). Muss der
Kunde erst seitenlange Bestellformulare ausfüllen, so ist die Hemmschwelle zum Kauf
sehr groß.
3.1.1.5 Online-Produktbezahlung
Den tatsächlichen Abschluss der Online-Produktbestellung (s. Kapitel 3.1.1.4) bildet in
der Regel erst die Online-Produktbezahlung (ePayment), wodurch der elektronische Ver-
kauf und damit das E-Business ein wesentliches ökonomisches Element erhält. Auch für
die Produktbezahlung gibt es gewisse technische Anforderungen, denen die einzelnen Ver-
fahren innerhalb eines E-Shop-Systems gerecht werden müssen, um den Bezahlungspro-
zess reibungslos und mit geringem Risiko für den Online-Kunden zu beenden. Bei der
Auswahl eines ePayment-Systems als Teilkomponente des E-Shops, dienen die folgenden
Bewertungskriterien als erste Anhaltspunkte für die Entscheidung (Dannenberg/Ulrich
2004, S. 49 ff.):
Über diese Aufzählung hinaus können aber auch noch weitere technische Anforderun-
gen identifiziert werden, die ein Zahlungssystem erfüllen sollte, um von Handelsteilneh-
mern der Digitalen Wirtschaft akzeptiert zu werden (Henkel 2001, S. 107 ff.; Schinzer
2001, S. 393; s. Abb. 102). Es muss bspw. gewährleistet sein, dass die Zahlungstransak-
tion entweder ganz oder gar nicht durchgeführt wird, damit bei technischen Unterbrech-
ungen keine Teilzahlungen erfolgt sind (Atomarität). Bei der Übertragung der Zahlungs-
informationen muss die Integrität der Daten gewährleistet sein, damit alle Beteiligten an
der Zahlungstransaktion die gleichen Zahlungsinformationen erhalten (Konsistenz). Die
im Internet geleisteten Zahlungen innerhalb eines Zahlungssystems dürfen sich nicht ge-
genseitig beeinflussen, müssen also unabhängig voneinander bestehen (Isolation). Im Fall
274 Die Grundlagen des E-Shop
eines technischen Ausfalls (Verlust von Speichermedien wie z. B. Festplatte) ist zu gewähr-
leisten, dass vorhandenes virtuelles Geld (z. B. eCash) nicht verloren geht (Dauerhaf-
tigkeit). Zusammen bilden Atomarität, Konsistenz, Isolation und Dauerhaftigkeit die in der
Informatik als ACID-Eigenschaften bekannten Anforderungen an ein Transaktionssys-
tem. Neben diesen und weiteren Anforderungen können weitere Aspekte identifiziert wer-
den, die insbesondere für Kunden und Händler eine Rolle spielen. Abb. 102 gibt dazu einen
Überblick. Verschiedene (Akzeptanz-)Probleme und Anforderungen an das ePayment im
Zusammenspiel von System, Kunden und Händler haben dazu geführt, dass auch die Off-
line-Rechnung immer noch einen Stellenwert besitzt.
3.1.1.6 Online-Produktlieferung
Wird eine Online-Produktbestellung (s. Kapitel 3.1.1.4) im E-Shop ausgelöst und ist die
zugehörige Online-Bezahlung (s. Kapitel 3.1.1.5) durchgeführt worden, so muss sich der
Shopbetreiber umgehend um die (Online-)Produktlieferung kümmern. Hierbei unter-
scheidet man zwischen elektronischen Produkten, die direkt, z. B. per Download, auf der
Seite bereitgestellt werden können und physischen Produkten, die entweder direkt aus dem
Lager zum Kunden geliefert werden oder zunächst noch erstellt bzw. produziert werden
müssen.
Da sich Online-Shops häufig auf den Vertrieb von Produkten beschränken, steht hier die
Auslieferung bereits fertiger Produkte im Vordergrund. Die Benutzung von sog. KEP-
Diensten (Kurier-, Express- und Paketdienste) bietet sich für die Auslieferung der Pro-
dukte besonders dann an, wenn es sich um Pakete innerhalb der üblichen Paketmaße
handelt. Werden diese Maße überschritten, so müssen Speditionen für die Auslieferung
eingesetzt werden (Wannenwetsch 2002). Hinsichtlich der technischen Anforderungen ist
bezüglich der Nutzung von KEP-Diensten festzuhalten, dass der über die Online-Produkt-
bestellung definierte Datensatz aus Produkt-, Bestell- und Kundeninformationen nun an
den Logistikpartner über eine eingerichtete System-Schnittstelle übergeben und dort wei-
terverarbeitet wird.
Die Auslieferung auf elektronischem Wege, bei welcher der über die Online-Produktbe-
stellung definierte Datensatz aus Produkt-, Bestell- und Kundeninformationen nun mit ei-
genen Distributionsinformationen (z. B. Zugriffsrechte) ergänzt wird, setzt natürlich die
Verfügbarkeit des entsprechenden Ausgabemediums beim Nachfrager voraus. Erst mit
dieser Verfügbarkeit des entsprechenden Ausgabemediums können digitalisierte Produkte
vertrieben und ausgeliefert werden (z. B. MP3- und MPEG 4-Files). Ein wesentlicher Vor-
teil bei elektronischer Auslieferung sind sicherlich die geringen Kosten, die im Prinzip
überwiegend aus Bereitstellungskosten bestehen. Eine weitere Randbedingung bei der
elektronischen Produktauslieferung ist die Handhabung der Datenmenge. Je größer die Da-
tenmenge, desto länger wird die Downloadzeit. Werden die Datenmengen zu groß, so
muss bei entsprechender Komprimierung mit Qualitätseinbußen gerechnet werden. Außer-
dem können digitalisierte Produkte leichter vervielfältigt und somit illegal weitergegeben
Die Systeme beim elektronischen Verkauf 275
Datenmenge/Komprimierung
Der Integrationsgrad zwischen dem E-Shop und dem eventuell schon vorhandenen
Warenwirtschaftssystem sowie den möglichen Schnittstellen zwischen E-Shop, rea-
lem Lager und Logistiklösung
Die Rentabilität des Systems hinsichtlich der Total Cost of Ownership (TCO)
Neben diesen Auswahlkriterien gelten auch hier die allgemeinen Qualitätsmerkmale von
internetbasierter Software, wie z. B. die Benutzbarkeit, Barrierefreiheit, Skalierbarkeit, Er-
weiterbarkeit, Internationalisierbarkeit und Sicherheit (s. Kapitel 3.1.1). Berücksichtigt der
Shopbetreiber nun die obigen Faktoren, so muss er sich für eine Methode der Umsetzung
entscheiden, die seinen Ansprüchen und Ressourcen entsprechend realisierbar ist. Drei
Grundmodelle kommen dabei in Frage: Entweder er entwickelt die Lösung selbst (Be-
treiber-Modell), mietet (Teil-)Komponenten der Lösung (Dienstleister-Modell) oder er
gibt den gesamten E-Shop-Betrieb an einen Dritten weiter (Partner-Modell).
3.1.2.1 Betreiber-Modell
Ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl des Betreiber-Modells sind die Kosten, die
nicht nur mit dem Kauf der Hard- und Software verbunden sind, sondern vor allem auch
mit personellem Aufwand. Schließlich muss das System nach der aufwendigen Program-
mierung und Implementierung regelmäßig gewartet und gepflegt werden. Für einen rei-
bungslosen Ablauf müssen deshalb genügend Kapazitäten zur Verfügung stehen, die die
Instandhaltung und den Unterhalt des Systems gewährleisten können. Ferner müssen beim
Betreiber die Fähigkeiten (E-Kompetenz) zum Aufbau und Betrieb des E-Shops vorhanden
sein (Kollmann 2019). Folgende Aufwendungen müssen bei der Auswahl des Betreiber-
Modells beachtet werden (Krause 2000, S. 535):
Webserver: Entscheidet sich der Shopbetreiber für einen eigenen Server, so stellt sich
die Frage, ob dieser entweder bei einem Provider untergestellt wird oder über eine
eigene Datenfestverbindung zum Internet versorgt wird (Serverhosting vs. In-House
Hosting). Entscheidend dabei ist das monatliche Übertragungsvolumen. Steht der Ser-
ver im eigenen Haus, so können Änderungen beliebig oft durchgeführt werden, steht
der Server beim Provider, so zählt jeder Online-Zugriff (auch bei eventuellen Preisän-
derung und Verkaufsaktionen) zum Übertragungsvolumen, für das letztendlich bezahlt
werden muss.
Schnittstellen: Gemeint sind hier nicht nur die Schnittstellen zur Warenwirtschaft,
sondern auch Schnittstellen zu eventuell verwendeten Zusatzmodulen, wie Call-Cen-
ter-Systemen oder CRM-Systemen. Hier zählt die Möglichkeit, Artikel- und Bestell-
daten regelmäßig aktualisieren und übertragen zu können. Dafür müssen die Schnitt-
stellen professionell verwaltet werden und idealerweise auf Standards basieren.
Design: Erst eine clevere Benutzerführung und ein gutes Design sind ausschlaggebend
für einen erfolgreichen E-Shop. Hierfür müssen Spezialisten vorhanden sein, die in der
Lage sind, alle gestalterischen Elemente zu bearbeiten und auch eingesetzte Templates
zu erstellen.
Die Systeme beim elektronischen Verkauf 277
3.1.2.2 Dienstleister-Modell
Während beim Betreiber-Modell (s. Kapitel 3.1.2.1) der Aufbau und der Betrieb eines E-
Shops quasi „aus eigener Hand“ erfolgt, kann im Rahmen des Dienstleister-Modells für
den physischen Betrieb einer Webseite ebenso die Option des Outsourcings in Frage kom-
men. Diese Dienstleistung kann unter bestimmten Voraussetzungen für den E-Shop eine
sinnvolle Alternative zum „In-House Hosting“ des Betreiber-Modells darstellen (Bar-
reca/O’Neill 2003, S. 61 ff.). Insbesondere dann, wenn die räumliche Umgebung für ein
komplexes Rechensystem nicht vorhanden ist (z. B. unbeschränkter Zugang zu den Rech-
nerstandorten, Klimaanlage, Notstromversorgung bei Energieausfall etc.) oder der Betrieb
nicht umfassend gewährleistet werden kann (z. B. Datensicherung, Bewältigung des Daten-
aufkommens, Kompetenzen in softwaretechnischer Problemlösung etc.). Das Outsourcing
umfasst im Allgemeinen die Auslagerung von Informations- und Kommunikationstechno-
logien an dritte, externe Unternehmen (Kuhl 2002, S. 300). Dienstleister können aber auch
für sämtliche, mit einem E-Shop-System zusammenhängende Aufgaben eingesetzt wer-
den (z. B. Call Center, Katalogpflege oder Content Management).
Eine spezielle Form des Outsourcings ist die Auslagerung von Software. Diese Auslage-
rung wird auch Application Service Providing (ASP) genannt. Der Application Service
Provider bietet dabei bestimmte Software (Application) einem Kunden zur Miete an. Die
Software steht in einem Rechenzentrum zur Verfügung, auf das der Kunde über eine Da-
tenfestverbindung zugreifen kann. Oftmals wird die Software mehreren Kunden angebo-
ten, was im Allgemeinen keine Individualisierung des Angebotes auf die Bedürfnisse des
Kunden erlaubt. Im Gegensatz zum Outsourcing bleibt die Lizenz für die Software beim
Service Provider. Zusätzliche Leistungen neben dem „Ausleihen“ der Software kann z. B.
die Bereitstellung der Infrastruktur oder die Bereitstellung von Service und Support sein.
So bietet bspw. der Webhoster strato.de seinen Kunden mit dem Erwerb einer Domain-
Adresse auch direkt die notwendige Software für einen E-Shop an, mit der ein Betreiber
auch ohne Programmierkenntnisse schnell und einfach seine Produkte online anbieten
kann. Die Software wird in vier verschiedenen Versionen angeboten, sodass der Kunde
zwischen Basic, Plus, Pro und Ultimate wählen kann (s. Abb. 103).
Überlegungen bei der Auslagerung bestimmter Anwendungen müssen auch im Hinblick
auf den Datenschutz und die Datensicherheit gemacht werden. Überlässt ein E-Shop-
278 Die Grundlagen des E-Shop
3.1.2.3 Partner-Modell
Im Vergleich zu dem Dienstleister-Modell (s. Kapitel 3.1.2.2) wird bei einem Partner-
Modell nicht nur eine Komponente oder mehrere Teilkomponenten (Hard- oder Software)
an einen Dienstleister abgeben, sondern gleich der gesamte E-Shop-Betrieb. Hierzu wer-
den lediglich die Artikeldaten (s. Kapitel 3.1.1.1) in den E-Shop des Partners eingepflegt.
Die nachfolgende Abwicklung des Online-Bestell- und Bezahlprozesses obliegt dann al-
leine dem Partner, der für seine erfolgreiche Durchführung in der Regel eine Provision
erhält. Der Fremdbetrieb von kompletten Shopsystemen eignet sich nur, wenn einige der
folgenden Bedingungen erfüllt sind (Krause 2000, S. 534):
Sollte der E-Shop in seiner Gesamtheit (also Hard- und Software) von Dritten betrieben
werden, so müssen auch hier vor allem die Angebotsverwaltung, die Bestellung und die
Logistik der Waren, die Verwaltung der Kunden- und Händlerdaten, die Preisgestaltung,
der Einsatz von Zahlungssystemen, Abrechnungen, Kooperationen, die Anbindung an be-
stehende Systeme usw. gewährleistet sein (Zwißler 2002, S. 280 f.). Somit bleiben quasi nur
noch die Produktaktualisierung und die Content-Erstellung in den eigenen Händen, die
dann z. B. an eine Service-Agentur weitergegeben werden können. Alle anderen Aufgaben
übernimmt der Dienstleister (Technologielieferant oder Service-Agentur). Die Wahl des
Service- oder Technologiepartners ist entsprechend an eine Reihe von Aspekten zu
knüpfen, da sich der Produktanbieter, wenn er die E-Kompetenzen nicht selbst besitzt, in
eine Abhängigkeit begibt, die vor dem folgenden Hintergrund nicht zu unterschätzen ist:
Hält der Partner den Anschluss an die neuen Technologien und führt dadurch regelmä-
ßig Updates durch?
Werden die aktuellsten Softwareversionen bereitgestellt und inwieweit finden sich zu-
gehörige Kompetenzen beim Partner?
Inwieweit kann der Partner den laufenden Betrieb des E-Shops sicherstellen und auf
diesbezügliche Risiken (z. B. interne Fluktuation bei Mitarbeitern) ohne Handlungs-
unfähigkeit reagieren?
Welche zeitliche Verfügbarkeit ist im Notfall (z. B. Absturz) gegeben (z. B. Vermei-
dung von langen Download-Zeiten)?
Ist der Partner in der Lage mit den Anforderungen des E-Shops zu wachsen bzw. diese
zu bedienen?
muss. Um sich aber prinzipiell eine Vorstellung darüber machen zu können, welche Kom-
ponenten vor diesem Hintergrund notwendig sind, ist es hilfreich, zunächst eine Refe-
renzarchitektur heranzuziehen. Abb. 104 zeigt eine solche Referenzarchitektur eines E-
Shops, welche die wichtigsten Komponenten und deren Zusammenspiel abbildet. Darauf
aufbauend müssen im Kern zunächst die Front- und Back-End-Komponenten gefolgt von
den System-, Server- und Multimedia-Komponenten vorgestellt werden. Den Abschluss
bildet dann die Darstellung eines typischen 3- bzw. 4-Schichtenmodells für E-Shop-Ar-
chitekturen.
Client-Rechner
Browser
Internet
Recommendation
Daten- OLAP-Werkzeug
Engine
austausch
Data-
ERP-System (FiBu, WaWi etc.) Warehouse
Download-Funktion: Erfolgt die Lieferung der Produkte auf elektronischem Weg (s.
Kapitel 3.1.1.6), so geschieht dies über die Download-Funktionen. Allerdings
können auch andere Informationen per Download angeboten werden, so z. B. Unter-
nehmensbroschüren als PDF.
Zahlungssystem: Auch die „virtuelle Kasse“ ist Teil des elektronischen Shops, der
für den Kunden sichtbar ist. Durch die Angabe der Zahlungsmodalitäten des Kunden
(die evtl. schon im Benutzerkonto gespeichert sind) wird der Zahlungsprozess in
Gang gesetzt. Hier spielen die unterstützenden Zahlungssysteme eine zentrale Rolle
(s. Kapitel 3.2.2.3). Diese werden üblicherweise von spezialisierten Payment/Billing
Providern bereitgestellt und stellen Schnittstellen zum Clearing Server der Kreditkar-
tengesellschaften oder Banken dar (Merz 2002, S. 403 ff.).
Funktionen des Back-End werden demgegenüber nicht vom Kunden im Rahmen seiner
Webseitennutzung, sondern von dem E-Shop-Betreiber selbst bzw. dessen eigenen Mitar-
beitern genutzt. Zu den Funktionen im Back-End-Bereich einer E-Shop-Software gehö-
ren dabei insbesondere (Kollmann 2019):
Content Management und Redaktionssystem: Die Pflege der auf der Plattform dar-
gestellten Inhalte (Katalogdaten und sonstige Informationen) erfolgt über die manuelle
Eingabe der Daten in vorgefertigte Vorlagen (Templates), oder aber durch entspre-
chende Funktionen für den Import aus Dateien oder externen Datenbanken. Von Be-
deutung ist zudem, ob und inwiefern die Content-Management-Funktionalität eine
282 Die Grundlagen des E-Shop
beliebige Definition von Produktgruppen und -untergruppen bzw. eine beliebige An-
passung der Navigationsstruktur der Plattform erlaubt.
Lagerverwaltung: Die hinter einem E-Shop stehende IT kann auch Funktionen zur
Lagerverwaltung und Logistik übernehmen. Der Vorteil einer integrierten Lagerver-
waltung ist u. a. die Möglichkeit, dem Kunden die Verfügbarkeit eines Produktes an-
zuzeigen.
An dieser Stelle ist jedoch zu betonen, dass diese Auflistung von Funktionen höchstens
einen Anhaltspunkt darstellen kann und im Einzelfall die Rahmenbedingungen bzw. die
konkrete Ausgestaltung des Geschäftsmodells ausschlaggebend für den Anforderungska-
talog sind. Die für die Umsetzung dieser Funktionen nötigen Softwarekomponenten lassen
Die Systeme beim elektronischen Verkauf 283
sich ferner danach unterscheiden, ob sie als spezialisierte, von kommerziellen Softwareher-
stellern angebotene oder frei verfügbare Open-Source-Bausteine zur Verfügung stehen
(Systemkomponenten; s. Kapitel 3.1.3.2), oder aber im Rahmen einer Anwendungsent-
wicklung individuell erstellt werden müssen. Letztere lassen sich in Benutzeroberflächen-
und Programmkomponenten unterteilen (s. Kapitel 3.1.3.2 und Kapitel 3.1.3.3). Unabhän-
gig davon müssen die Softwarekomponenten aber in ein Gesamtsystem eingebettet sein,
welches ebenfalls in mehrere Komponenten unterteilt werden kann.
3.1.3.2 Systemkomponenten
Systemkomponenten bilden die technische Infrastruktur zur Realisierung der Front-End-
und Back-End-Funktionen (s. Kapitel 3.1.3.1) und interagieren im Sinne einer Anforde-
rungsabstimmung mit den zugehörigen Benutzeroberflächen und Programm-komponen-
ten. Eine für die Benutzung eines E-Shops durch den Kunden entscheidende erste Sys-
temkomponente ist dabei natürlich der Webbrowser (z. B. Microsoft Internet Explorer,
Mozilla Firefox oder Opera). Browser ermöglichen die einfache Darstellung der Plattform
und die Navigation im Web (s. Kapitel 1.2.1). Sie kommunizieren über das HTTP mit dem
vom Shopbetreiber betriebenen (bzw. bei einem Internet Service Provider gehosteten) Ser-
ver und entscheiden, ob sie die empfangenen Datenpakete selbst interpretieren (wie es z. B.
bei einer einfachen HTML-Seite der Fall ist) oder an sog. Plugins weiterleiten (wie es z. B.
bei einem PDF-Dokument oder bei Flash-Inhalten der Fall ist).
Damit ist der sog. Webserver eine zweite wichtige Systemkomponente, der für andere
(Teil-)Systeme (Clients) Dienstleistungen erbringt. Solche Dienstleistungen können z. B.
Datenverwaltung, Rechnen, Drucken, Kommunikation oder die Verwaltung von Webin-
halten sein. Ein Webserver ist somit nichts Anderes als ein standardisiertes Software-
produkt, das dem Browser des Nutzers auf dessen Anfrage (HTTP Request) die für die
Darstellung der Webseite benötigten Daten zur Verfügung stellt (HTTP Response). Bei-
spiele für Webserver sind der frei verfügbare Apache HTTP Server oder der Microsoft
Internet Information Server (IIS). Webserver verfügen über ein sog. Application Progra-
ming Interface (API), über das Applikationsentwickler benutzerspezifische Funktionen in
den Server einbringen können (Noack et al. 2000, S. 6). Da HTTP ursprünglich für den
freien Austausch wissenschaftlicher Arbeiten entwickelt wurde, ist die Sicherheit einer
HTTP-Verbindung gering. Sensible Daten (z. B. Nutzer- und Zahlungsinformationen)
sollten daher über das um Mechanismen zur Verschlüsselung der Verbindung erweiterte
HTTP-S übertragen werden (Noack et al. 2000, S. 6). In diesem Fall ist der Schutz der
Daten durch ein in den Webserver integriertes Modul zur SSL-Verschlüsselung gewähr-
leistet, dass für einen E-Shop prinzipiell eine ebenfalls fast unverzichtbare System-kom-
ponente darstellt.
Da ein E-Shop meist mit einem immensen Datenvolumen verbunden ist (z. B. Produktda-
ten, Benutzerprofile und Transaktionsdaten), wird für die Verwaltung des Datenbestandes
284 Die Grundlagen des E-Shop
3.1.3.3 Oberflächenkomponenten
Obwohl die Gestaltung von modernen E-Shops mit ihren dynamischen Inhalten und In-
teraktionsangeboten nicht mehr viel mit den statischen Webseiten der Anfänge des Inter-
nets gemein zu haben scheint, beruhen sie doch noch auf denselben Basiskonzepten (Weitz
2002, S. 207). Eine zentrale Oberflächenkomponente für den Benutzer eines E-Shops ist
nämlich das in der Hypertext Markup Language beschriebene HTML-Dokument, das dem
Webbrowser vom Webserver zur Verfügung gestellt wird. Der Zugriff erfolgt dabei durch
die Angabe eines Uniform Resource Locator (URL). In einem HTML-Dokument lassen
sich neben rein textuellen Inhalten und Grafiken auch Multimedia-Elemente wie Anima-
tionen, Audio- und Videoinhalte einbetten, die von clientseitig installierten Plugins wie-
dergegeben werden (s. Kapitel 1.3.2).
Das inzwischen in die Jahre gekommene HTML wird immer mehr von seinem Nachfolger,
der eXtensible Hypertext Markup Language (XHTML), abgelöst. XHTML wiederum ba-
siert auf XML, einem universellen Standard zur Beschreibung hierarchisch strukturierter
Dokumente und Daten (s. Kapitel 2.1.1.1). Im Gegensatz zu HTML-Dokumenten, in denen
der eigentliche Textinhalt und Informationen über dessen visuelle Formatierung oft unzer-
trennlich miteinander vermischt sind, verfolgt XHTML in seiner aktuellen Version eine
strikte Trennung von Struktur und Layout (s. dazu auch Formen der Informationsvermitt-
lung in Kapitel 1.4.1). Die resultierenden Dokumente enthalten somit eine vom Ausgabe-
Die Systeme beim elektronischen Verkauf 285
Überschrift Überschrift
Grafik
Fließtext
Trotz der offensichtlichen Vorteile bietet XHTML selbst aber nur sehr eingeschränkte
Möglichkeiten bei der Entwicklung interaktiver Benutzeroberflächen. Für die interaktive
286 Die Grundlagen des E-Shop
3.1.3.4 Programmkomponenten
Während die zuvor beschriebenen Oberflächenkomponenten (s. Kapitel 3.1.3.3) insbe-
sondere der Präsentation von Inhalten und der Benutzerinteraktion dienen und somit in di-
rektem Kontakt mit dem E-Shop-Besucher stehen, bilden die Programmkomponenten
die serverseitige Logik der Internetapplikation und somit die letztendliche Umsetzung der
in Kapitel 3.1.3.1 vorgestellten Front- und Back-End-Funktionen ab. Hinsichtlich der zu-
gehörigen Server-Programmierung bestehen dabei zwei grundsätzliche Alternativen: Ser-
verseitige Skriptsprachen und sog. Hochsprachen.
Bei Verwendung von serverseitigen Skriptsprachen wird der Programmcode in eine
(HTML-) Dokumentvorlage (Template) eingebettet. Bevor der Webserver das Dokument
an den Client sendet, wird die Vorlage durch Übersetzung und Ausführung dieses Pro-
grammcodes von einem in den Webserver eingebetteten Template-Prozessor vervollstän-
digt (s. Abb. 106). Von Template-Prozessoren interpretierte Programmiersprachen wie
PHP oder Perl verfügen über eine Fülle von Funktionen zur Lösung gängiger Aufgaben.
Dazu gehören u. a. die Auswertung der vom Webbrowser gesendeten Daten, die Verar-
beitung von Zeichenketten, der Zugriff auf Datenbanken über SQL, die Verarbeitung von
XML-Dokumenten und der Versand automatisch generierter E-Mails (Weitz 2002, S. 209).
Sind die elektronischen Prozesse eines E-Shops nicht zu umfangreich, lassen sich mit
Hilfe von serverseitigen Skriptsprachen und Template-Prozessoren mit verhältnismäßig
geringem Aufwand gute Ergebnisse erzielen, dem die meisten frei verfügbaren Shoplö-
sungen (z. B. xt-commerce.de oder oscommerce.de) dieser Alternative zuzuordnen sind.
Die Systeme beim elektronischen Verkauf 287
Bei der Verwendung von Hochsprachen wie C# oder Java wird der Programmcode nicht
erst zur Laufzeit von einem Template-Prozessor übersetzt, sondern liegt zum Zeitpunkt
der Ausführung bereits in kompilierter Form vor (wie es bei klassischer Anwendungs-
software der Fall ist). Um die Funktionalität eines Servers zu erweitern, können separat
ausführbare Erweiterungen geschrieben werden. Diese Erweiterungen existieren für zahl-
reiche Plattformen (z. B. existiert für den Microsoft IIS die so genannte Internet Server API
(ISAPI)). In Java geschriebene Server-Erweiterungen werden Servlets genannt. Servlets
nehmen über den Webserver Anfragen von Clients entgegen und beantworten diese. Sie
werden bei Bedarf von einer speziellen Systemkomponente, dem sog. Servlet Container
(z. B. Apache Tomcat) ausgeführt und von ihm aus angesprochen. Die Verwendung von
Hochsprachen bietet sich insbesondere für komplexe E-Shops mit hohen Zugriffszahlen
sowie für Individuallösungen an, die dann mit Hilfe von serverseitigen Skriptsprachen nur
schwer realisiert werden können.
Client Webserver
HTTP Request
Template-
1 1 Prozessor
Prozessor
1 1
2
2 HTTP Response 2
2
Ergebnis
X
Y
Vorlage
Aus den drei zentralen Systemkomponenten Webbrowser, Webserver und DBMS (s. Ka-
pitel 3.1.3.2) ergibt sich nun ein physisches 3-Schichtenmodell (s. Abb. 107), auf
dessen Schichten die erstellten Benutzeroberflächen- und Programmkomponenten (logi-
sche Schicht) verteilt werden. Dabei abstrahiert jede Schicht einen definierten Problembe-
reich und besitzt Schnittstellen, über die sie einer hierarchisch höher liegenden Schicht
Dienste zur Verfügung stellt. Bei der Betrachtung von Architekturen muss zwischen logi-
schen und physischen Softwareschichten sowie der zugrundeliegenden Hardware-Infra-
struktur unterschieden werden. Während logische Softwareschichten die Modularisie-
rungseinheiten einer Anwendung darstellen, repräsentieren physische Software-schichten
in der Regel die Systembausteine, die wiederum auf verschiedenen Rechnern verteilt
288 Die Grundlagen des E-Shop
werden können (Noack et al. 2000, S. 8). Stehen die Systemkomponenten fest, geht es
ferner um die Frage, auf welchen Rechnern sie zur Ausführung gebracht werden sollen.
Dabei befindet sich der Webbrowser a priori auf dem PC des E-Shop-Besuchers, während
Webserver und DBMS auf einem einzigen oder zwei separaten Server-Rechnern betrieben
werden können. Aus Gründen der Skalierbarkeit ist es häufig sinnvoll, die Anwendung
von vornherein in mehrere Verwaltungseinheiten aufzuteilen. Systemkomponenten, die zu-
nächst auf dem gleichen Rechner ablaufen, können dann später bei einer Erweiterung der
Hardware-Infrastruktur ohne großen Aufwand auf hinzukommende Rechner verlagert wer-
den (Noack et al. 2000, S. 8).
Webbrowser
Präsentation
HTTP(-S)
Anwendung Webserver
SQL
Datenhaltung DBMS
Datenbank
Das in der Informatik allgemein anerkannte Standardmodell zur Beschreibung von logi-
schen Schichten besteht aus Präsentationsschicht (Kommunikation mit dem Benutzer),
Anwendungsschicht (Programmlogik) und Datenhaltungsschicht (Verwaltung der Daten).
Eine Besonderheit von Internetapplikationen ist dabei die Tatsache, dass Funktionen der
Präsentationsschicht sowohl vom Client-Rechner (Anzeige der Benutzeroberfläche und
Die Systeme beim elektronischen Verkauf 289
Interaktion mit dem Nutzer) als auch vom Webserver (Generierung der Benutzeroberflä-
che und Verarbeitung der Nutzereingaben) untergebracht sind. Die Einbettung serverseiti-
ger Skriptsprachen wie PHP in (X)HTML kann in diesem Zusammenhang dazu verleiten,
zunächst einen Prototyp der Internetapplikation zu erstellen und diesen dann mit der be-
nötigten Funktionalität zu ergänzen. Dadurch leiten Fragen der visuellen Gestaltung und
der Navigationsstruktur den Entwicklungsprozess der Internetapplikation. Dies kann zu
Lasten softwaretechnischer Architekturerwägungen gehen, worunter im Endeffekt sowohl
Usability als auch Erweiterbarkeit der Plattform leiden.
Ein fundamentales Prinzip bei der Entwicklung der Internetapplikation sollte daher die ser-
verseitige Entkopplung von Oberflächen- und Programmkomponenten sein. Ist diese
Trennung nicht gegeben, ziehen Änderungen am optischen Erscheinungsbild der Platt-
form, die gestalterisch einfach umzusetzen wären und keine funktionale Änderung mit sich
bringen, in vielen Fällen einen großen Aufwand für die Reorganisation des eingebetteten
Programmcodes mit sich. Zudem ist die vormals übliche Personalunion von Web-Designer
und Softwareentwickler heute nur noch selten anzutreffen. Auch wenn der E-Shop das
Grafikdesign an eine Agentur ausgelagert hat, kann ein Designer nur schwer abschätzen,
welche Auswirkungen seine Arbeit auf den eingebetteten Programmcode haben könnte
(Weitz 2002, S. 210). Bei der Verwendung von Skriptsprachen gilt es daher, XHTML- und
Programmcode weitestgehend voneinander zu trennen. Dies ist mit modernen Skriptspra-
chen durchaus möglich und wird zudem durch eine Anzahl von (meist frei verfügbaren)
Programmbibliotheken zur Template-Verarbeitung unterstützt.
Ähnlich wie die Trennung von Struktur und Layout innerhalb der Präsentationsschicht
selbst (s. Kapitel 3.1.3.3), ermöglicht die explizite Trennung von Präsentationsschicht und
Anwendungslogik, die Plattform des E-Shops auf verschiedenen Endgeräten verfügbar zu
machen, ohne dabei die in der Anwendungslogik realisierte Funktionalität replizieren zu
müssen. Treten weitergehende Anforderungen bezüglich der Skalierbarkeit und Verfüg-
barkeit auf, stößt das 3-Schichtenmodell jedoch relativ schnell an seine Grenzen
(Sinz/Knobloch/Mantel 2000, S. 552). Dies kann zu einem physischen 4-Schichtenmo-
dell führen, welches die oben geforderte Trennung von Benutzeroberflächen- und Pro-
grammkomponenten durch die Verwendung von Hochsprachen (s. Kapitel 3.1.3.3) impli-
zit voraussetzt (s. Abb. 108). Dabei werden die serverseitigen Funktionen der Präsentati-
onsschicht (Dialogsteuerung) vom Webserver übernommen, während ein sog. Applica-
tion Server für die Steuerung der elektronischen Geschäftsprozesse und der Anwen-
dungsbereichsobjekte zuständig ist (Noack et al. 2000, S. 9). Webserver und Application
Server können allerdings auch in einer als Web Application Server bezeichneten Sys-
temkomponente vereint sein (Sinz/Knobloch/Mantel 2000, S. 551). In der Praxis lassen
sich die vorhandenen Serverprodukte nicht eindeutig voneinander abgrenzen: Tomcat bie-
tet zwar gleichzeitig die Funktionalität eines Webservers, wird in der Produktion aber zu-
meist in Kombination mit einem Apache HTTP Server eingesetzt. In diesem wird vor die-
sem Hintergrund ein Plugin eingebunden, das Requests für dynamische Inhalte an Tomcat
weiterleitet.
290 Die Grundlagen des E-Shop
Benutzer- Webbrowser
oberfläche
Präsentation
Dialog-
Web Application Server
steuerung
Webserver
Geschäftsprozess-
steuerung Application Server
Anwendung
Anwendungs-
bereichsobjekte
Datenbankabstraktion
logischer
Datenzugriff
Datenhaltung
physischer DBMS
Datenzugriff
Bedienbarkeit: Die Nutzung eines E-Shops und die damit zusammenhängenden Pro-
zesse sollten so einfach wie möglich gehalten werden, damit der Nachfrager seine
Kaufentscheidung im virtuellen Verkaufsraum nur mit Hilfe der Maussteuerung steu-
ern bzw. treffen kann (s. Kapitel 3.1.1.4).
Zuverlässigkeit: Der Einkaufsprozess sollte basierend auf der Funktionalität der da-
hinter stehenden Systemarchitektur technisch zuverlässig und damit stabil ablaufen.
Nur so können die richtigen Webinhalte an den richtigen Stellen jederzeit aufgerufen
werden.
Betriebskosten: Durch den Wegfall der physischen Verkaufsflächen entfallen auch die
diesbezüglichen Betriebskosten (z. B. Strom oder Heizung), während die diesbezüg-
lichen Kosten beim E-Shop (z. B. Hosting) deutlich geringer ausfallen.
Personalkosten: Durch den Einsatz von elektronischen Systemen können viele Pro-
zessaufgaben (z. B. Versendung einer Bestellbestätigung) automatisch ablaufen.
Dadurch kommt es zu einem geringeren Personaleinsatz und einer entsprechenden
Reduktion der zugehörigen Personalkosten.
Lagerkosten: Durch den Wegfall der physischen Verkaufsflächen entfallen auch die
Kosten für den Betrieb eines zugehörigen Lagers zur Produktmitnahme, da aufgrund
der Online-Bestellung die Ware sowieso geliefert werden muss. So kann entweder das
eigene Auslieferungslager zentral und damit kostengünstiger organisiert werden, oder
die Bestellung kann direkt an den eigentlichen Produzenten weitergegeben werden.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass durch einen E-Shop und den darüber
angebotenen elektronischen Verkaufsprozess für den Betreiber die Transaktionskosten
deutlich gegenüber einer realen Verkaufslösung sinken, sodass der E-Shop-Betreiber seine
Produkte in der Regel deutlich günstiger anbieten kann als vergleichbare ortsgebundene
Geschäfte.
Laufende Kosten
Zeit
Anzahl
Transaktionen
Break-Even
Manuelle Erfassung
Im Hinblick auf die Nutzerkosten auf der Kundenseite eines E-Shops können ebenso
mehrere Bereiche identifiziert werden, bei denen die elektronische Informationsverarbei-
tung zum Tragen kommt:
Einkaufskosten: Durch den Wegfall der physischen Verkaufsflächen entfallen die all-
gemeinen Anfahrtskosten (z. B. Benzin, Parkgebühren) zu einem realen Verkaufs-
raum, um sich die Produkte anzusehen.
294 Die Grundlagen des E-Shop
Suchkosten: Durch den Wegfall der physischen Produktinformationen und der in der
Regel im Internet kostenlosen Bereitstellung von elektronischen Produktinformatio-
nen (z. B. Kataloge, Testberichte) werden die Suchkosten für den Nachfrager gesenkt.
Ferner hat er die Möglichkeit über elektronische Suchmechanismen deutlich mehr In-
formationen wahrzunehmen und zu nutzen.
Eine Reduzierung der Transaktions- und Prozesskosten auf beiden Seiten (Betreiber und
Nutzer), insbesondere über eine Optimierung der Prozessabläufe, geht gleichzeitig ein-
her mit einer Verkürzung von Bearbeitungs-, Durchlauf- und Lieferzeiten (Ganser/Frick/
Maucher 2003, S. 59). Die Bearbeitungszeiten sind dabei die Zeiten, die benötigt werden,
um einzelne Aufgaben, die während oder durch den Prozess anfallen, zu verrichten. Die
Durchlaufzeiten sind dagegen die Zeiten, die benötigt werden, um einzelne Aufgaben zwi-
schen Aufgabenträgern weiterzuleiten. Die Lieferzeiten sind wiederum Zeiten, die für die
Zustellung von Materialien, Produkten und Informationen innerhalb der Leistungsbezie-
hung anfallen. Die Zeitersparnisse können durch die Möglichkeiten der elektronischen
Informationsverarbeitung in allen drei Bereichen erzielt werden und dabei bspw. zu einer
Verringerung der Anzahl der Arbeitsschritte und der Aufgabenträger führen. Bei standar-
disierten Vorgängen und Routineprozessen, die durchgängig elektronisch unterstützt wer-
den, können automatisierte Workflow-Systeme eingesetzt werden (z. B. Versendung von
Auftragsbestätigungen). Je einheitlicher dabei der einzelne Prozessschritt gestaltet wird,
desto höher ist das Potenzial der Zeiteinsparung (Ganser/Frick/Maucher 2003, S. 55 ff.).
All diese Schwachstellen müssen laufend überprüft werden, damit die möglichen Gefahren
nicht die Einkaufssicherheit der Online-Kunden beeinträchtigen und den E-Shop nachhal-
tig negativ durch Mund-zu-Mund-Propaganda oder Austausch schlechter Erfahrungen in
E-Communities (s. Kapitel 1.5.1) belasten. Prioritäten werden dabei anhand verschiede-
ner Kriterien gesetzt, mit deren Hilfe die Gefahren für den weiteren Unternehmensverlauf
besser eingeschätzt werden können. Diese Kriterien evaluieren Gefahren nach Schadens-
höhe, Schadensumfang, Schadensdauer und Schadenswirkung, um anhand der Auswer-
tung eine Prioritätenliste für die Ausgestaltung der Sicherheitsmaßnahmen aufzustellen.
Meist ergibt sich jedoch das Dilemma, dass zunehmende Sicherheit mit überproportiona-
len Kosten verbunden ist (Schwarze/Schwarze 2002, S. 119). Der Nutzen der Sicherheit
steigt jedoch mit dem Umfang der Sicherheitsmaßnahmen an, was sich durch sinkende
Schadenskosten ablesen lässt. Abb. 110 zeigt den diesbezüglichen Verlauf der Kosten für
Sicherheitsmaßnahmen und der Schadenskosten. Um nun das Prinzip der Wirtschaftlich-
keit zu wahren, muss das System so gesichert sein, dass die Gesamtkosten möglichst ge-
ring sind. Die Diskrepanz beider Kostenfaktoren (Kosten für Sicherheitsmaßnahmen und
Schadenskosten) sollte dabei möglichst gering sein.
Bei der Realisierung der Sicherheitsmaßnahmen darf allerdings nicht nur ausschließlich
auf die Wirtschaftlichkeit und damit auf die Gesamtkosten geachtet werden. Es gibt einige
zusätzliche Anforderungen, die bei der Umsetzung eines Sicherheitskonzeptes beachtet
werden müssen (Schwarze/Schwarze 2002, S.118 f.):
Authentizität: Der Zugang der Daten über bestimmte, autorisierte Personen muss
durch Authentifizierung sichergestellt sein, d. h. die Personen müssen bekannt sein
und sich ausreichend erkennbar bzw. identifizierbar machen.
auch die Verbesserung der Kommunikation und die Erleichterung der Datenpflege. Zusätz-
lich sollten alle Prozessbereiche durchgängig abgedeckt werden, damit die Vollständig-
keit hinsichtlich der gesamten Prozesskette gegeben ist und somit einen flüssigen und
kontinuierlichen Ablauf gewährleistet. Durch Flexibilität können dann die einzelnen Pro-
zessbereiche je nach Bedarf bearbeitet und angepasst werden sowie nach wirtschaftlichen
Aspekten verbessert werden.
Kosten
Gesamtkosten
3.2.1.3 Online-Einkaufsmobilität
Neben dem stationären Online-Einkauf bei dem der Kunde mit Hilfe eines Computers
oder Laptops auf Basis des vielfältigen Angebotes im Internet seine Einkäufe tätigt, was
ihm vor allem Kosten- und Zeitvorteile sowie Flexibilität ermöglicht, bestehen heutzutage
zunehmend Wunsch und Möglichkeit, mit mobilen Smartphones, losgelöst vom heimischen
PC, z. B. während einer Wartezeit am Bahnhof, Konsumgüter zu erwerben (Heinemann
2018b, S. 1 ff.). Laut dem eCommerce Mobile Shopping 2018 kaufen in Deutschland 45
% online über ihr Smartphone ein und bei mobilen Routinebestellungen liegt Deutschland
mit 23,5 % nur knapp unter dem weltweiten Durchschnitt von 25,1 %. Als Gründe für
mobiles Shopping werden vorrangig die Zeitersparnis und die Möglichkeit, außerhalb
von Ladenöffnungszeiten einzukaufen, genannt. Während diese Gründe im Wesen auch
auf das stationäre Einkaufen im Internet zutreffen, kommen auch Faktoren zum Tragen,
die nur mobile Applikationen oder Webseiten (s. Kapitel 1.2.2) bieten können. Dazu zäh-
298 Die Grundlagen des E-Shop
len, dass unterwegs und ohne einen Computer online eingekauft werden kann. Selbst der
alleinige Umstand, dass es eine App dafür gibt, wird nicht selten als Anlass genannt, sich
mit mobilem Shopping auseinanderzusetzen, was einen bedenkenswerten Impuls für
Shop-Betreiber zur Entwicklung einer entsprechenden mobilen Shoppingmöglichkeit dar-
stellen kann. Dabei hat der Shop-Betreiber grundsätzlich die Wahl, eine Mobile-Shop-
ping-Webseite oder eine Mobile-Shopping-App aufzusetzen (Heinemann 2012, S. 8 f.).
Vorteil einer mobilen Webseite, die nicht betriebssystemspezifisch entwickelt wurde, ist,
dass sie theoretisch auf allen Betriebssystemen mobiler Endgeräte funktioniert. Auch kann
der Shop-Betreiber die Webseite selbst warten und aktualisieren. Der Kunde muss nicht
erst eine Applikation herunterladen und wird in der Regel beim Aufruf der Webseite eines
E-Shops automatisch auf die mobile Version der Seite weitergeleitet. Mobile Applikatio-
nen bieten hingegen den Vorteil, dass sie optimal auf ihre zugrundeliegende Funktion aus-
gerichtet sind und durch ihre auf das jeweilige Betriebssystem ausgerichtete Optimierung
schneller, einfacher und intuitiver zu bedienen sind. Insbesondere wenn ihnen der Zugriff
auf bestimmten Daten und Funktionen des Smartphones erlaubt wird, wird ebenfalls eine
personalisierte Anwendung (s. Kapitel 1.2.2 und 1.3.4) möglich. Auch geht mit der Instal-
lation einer Anwendung eines spezifischen E-Shops eine erhöhte Kundenbindung einher
(s. Kapitel 3.4.3). Unabhängig von der Wahl der Herangehensweise auf der mobilen Seite
ist es wichtig, dass die mobile Version des E-Shops eng mit dem vorhandenen Online-
Shop verknüpft und bspw. ein wechselseitiger Datenaustausch möglich ist.
Aus früheren Studien ist bekannt, dass vor allem bekannte Marken und Online-Shops von
dem Trend zum M-Commerce (s. Kapitel 1.2.2) profitieren, da vor allem das Vertrauen
beim Internet-Shopping eine ausschlaggebende Rolle spielt. So kauft ein Großteil der Be-
fragten nur bei denjenigen Shops ein, die den Kunden vom stationären Handel bereits be-
kannt sind. Zu den bevorzugten Produkten zählen primär mobile Güter wie Fahr- und Ver-
anstaltungskarten sowie Flugtickets. Weiterhin sind Bücher, DVDs und CDs, Produkte des
klassischen Online-Shoppings, auch bei den Mobile-Shoppern beliebt. Der Einsatz des
Smartphones ist nicht auf einen einzelnen Prozessschritt, wie den Produktkauf, be-
schränkt, vielmehr unterstützt es eine Vielzahl der Prozesse beim elektronischen Verkauf
(s. Kapitel 3.2.2). So werden laut oben zitierter Studie Smartphones intensiv für die Pro-
duktrecherche genutzt. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls zu erwähnen, dass einige
Unternehmen ganze Prospekte in ihrer mobilen Applikationen anbieten (z. B. Media
Markt). Auch erfreuen sich Bonusprogramme und Gutscheine bzw. Coupons (Couponing-
Marketing, s. Kapitel 3.4.1.7) steigender Aufmerksamkeit im mobilen Shopping. Beim
sog. Mobile Couponing wird das Smartphone zum Abruf bzw. Empfang von Gutscheinen
bzw. Coupons verwendet. Dabei werden zwei Übertragungsformen unterschieden (Sei-
fert 2013, S. 227 f.):
Push-Verfahren: Hierbei werden die Coupons direkt auf das Handy des Nutzers ge-
sendet bzw. von diesem mobil als Nachricht empfangen.
Pull-Verfahren: Hierbei werden die Coupons vom Nutzer aktiv über eine entspre-
chende mobile Applikation standortbezogen abgerufen.
Die Prozesse beim elektronischen Verkauf 299
Als Beispiel für eine Reihe von Anbietern sei hier die COUPIES-App genannt, bei der
nach dem Kauf eines beworbenen Produkts der entsprechende Kassenbon über die App
zu fotografieren ist, um den Rabatt gutschreiben zu lassen (s. Abb. 111). Bei dieser Form
des Couponing-Marketings (s. Kapitel 3.4.1.7) entstehen bei konsequenter Anwendung
der Nutzungsattribute der mobilen Kommunikation (s. Kapitel 1.2.2), wie Lokalisierung
und Personalisierung, spezifische Vorteile, wie geringere Streuverluste durch erhöhte ge-
ografische und persönliche Relevanz. Auch über die konkreten Anwendung im Rahmen
des Mobile Couponings ist festzuhalten, dass dem Mobile Marketing und damit der Um-
setzung der Nutzungsattribute der Mobilkommunikation im Rahmen verschiedenster Mar-
ketingformen (s. Kapitel 3.4.1) eine steigende Bedeutung zukommt. Durch die Lokalisie-
rung ist es bspw. möglich nur Konsumenten mit einem spezifischen Aufenthaltsort eine
Werbebotschaft zukommen zu lassen (Seifert 2013, S. 227).
Die Studie weist als häufigste Aktivität des Smartphone-Einsatzes im Zuge von Einkaufs-
prozessen den Preisvergleich aus. Durch den schnellen Zugriff auf eine Vielzahl von An-
geboten, inklusive damit verbundener weiterer Konditionen, wie Versandkosten oder Lie-
ferzeit, erscheint diese Feststellung wenig überraschend. Auf eine Möglichkeit, die auf
den neuen Möglichkeiten der mobilen Kommunikation basiert, soll in diesem Kontext be-
sonders hingewiesen werden. So bieten moderne Smartphones mit Kamera die Möglich-
keit, den Barcode eines Produktes zu scannen, um sich sofort alle verfügbaren Informati-
onen zu diesem Produkt ortsunabhängig anzeigen zu lassen. Informationen können die
Produktbeschreibung, der Online-Preis oder die Lieferkonditionen sein. Anhand dessen
kann der Nutzer die Kaufkonditionen zwischen Offline- und Online-Welt vergleichen, um
300 Die Grundlagen des E-Shop
Je größer ein E-Shop wird, desto komplexer und umfangreicher werden die Prozesse, die
den Shop-Betrieb beschreiben. Eine Übersicht der einzelnen Prozesse und ihre Einbettung
in den Transaktionsablauf helfen dabei, Schnittstellen zu erkennen und Subprozesse ein-
zuordnen. Eine schematische Darstellung der Prozessarchitektur kann im Laufe der Zeit
als Referenz für Erweiterungen oder Anpassungen in der Prozessstruktur herangezogen
werden. Je detaillierter die Prozessdarstellung, desto eher können Schwachstellen im Rah-
men der Qualitätssicherung erkannt und behoben werden. Folgende Aspekte sollten dabei
beachtet werden (Hausen 2005, S. 170): Ohne auf die Integration aller Prozessschritte in
Die Prozesse beim elektronischen Verkauf 301
das Gesamtkonzept des E-Shops zu achten (Prozessmanagement), sollten zunächst die ein-
zelnen Prozesse unabhängig voneinander betrachtet werden. Hauptsächlich geht es dabei
um die Verarbeitung von Daten, die mit bestimmten Transaktionen verbunden sind und die
im Zusammenhang mit allen auftragsrelevanten Kunden- und Produktinformationen ste-
hen. Die effiziente Verarbeitung der Daten eines jeden Prozesses setzt den reibungslosen
Durchlauf der Daten vom Beginn der Prozesskette bis zum Ende voraus, damit unnötige
Verzögerungen und Fehler in der Datenübernahme und Datenweitergabe vermieden wer-
den. In der Zusammenführung der einzelnen Prozessschritte kann dann der gesamte Ver-
kaufsprozess über einen E-Shop dargestellt werden. Dabei lassen sich generell drei Pro-
zessbereiche erkennen (s. Abb. 113):
Interne
Suche im
Info-
E-Shop
Suche Online- Online-Abwicklung Retoure Online-
Warenkorb (eFulfillment) Beschwerde
Produkt-
Problem- suche Alternativen- Online-Kauf Auslieferung Konsum/ Steuerung
erkennung (eSearch) identifikation (eSales) (eDistribution) Nutzung (eControlling)
Externe Online-Bezahlung
Suche über Evaluierung
Info- (ePayment)
Suchmaschine
Suche
Kaufphase (eSales): Der eigentliche Online-Kauf startet dann in der Regel mit
einem Klick auf den „zur Kasse gehen“-Button aus dem Online-Produktwarenkorb
302 Die Grundlagen des E-Shop
Nachkaufphase (After-eSales): Die Nutzung des E-Shops und die Bewertung der
gelieferten Produkte führen im Anschluss an den eigentlichen Online-Kauf zu einer
Zufriedenheitseinschätzung auf der Kundenseite. Diese ist nicht unerheblich, da die
Online-Kunden dem E-Shop treu bleiben und zum Wiederkauf animiert werden sol-
len. Dies wird durch einen besonderen Online-Support und durch Service-Angebote
im Rahmen des eControlling-Prozesses (s. Kap. 3.2.2.7) unterstützt (Wannen-
wetsch/Nicolai 2004, S. 168 ff.). Teilweise werden hier die Aufgaben des eFulfill-
ment mit eingebunden (Retourenmanagement und Kundenservice). Viel wichtiger ist
aber die Aufgabe, alle relevanten Daten der gesamten Transaktionsabwicklung zu
analysieren und auszuwerten, damit mögliche Schwachstellen innerhalb der Prozesse
oder auch prozessübergreifend aufgedeckt und verbessert werden können. Das eCon-
trolling dient dabei allerdings nicht nur zur Optimierung der Prozessgestaltung, son-
dern auch der Steuerung und Überprüfung aller E-Shop-Aktivitäten.
3.2.2.1 eSearch-Prozess
Der potenzielle Kunde ist im Rahmen des eSearch-Prozesses auf der Online-Suche nach
einem bestimmten Produkt oder einer Dienstleistung und betrachtet entweder schon ge-
zielt auf der E-Shop-Seite die bereitgestellten Produktinformationen oder er stellt
shopübergreifende Suchanfragen an entsprechende Such- (z. B. Google Shopping) oder
Preissuchmaschinen (z. B. guenstiger.de). Um im letzteren Fall überhaupt erst einmal einen
geeigneten Anbieter zu finden, muss der Kunde elementare Informationen zu Art, Spezi-
fikation und Kondition auswerten, damit die vorhandenen Anbieter je nach vorhandenem
Angebot in die engere Wahl gezogen werden können oder ausselektiert werden. Zusätz-
lich benötigt der potenzielle Kunde aber auch weitere Informationen, die er ggf. direkt bei
einem bestimmten Anbieter (in diesem Fall dem E-Shop-Betreiber) per E-Mail, Hotline
oder Kundenservice anfragen kann, oder aus externen Quellen wie Communities (z. B.
ciao.de), Newsboards etc. beziehen kann. Unter diesen zusätzlichen Informationen kön-
nen z. B. Unterschiede zu einer Vorgängerversion, Kompatibilität mit anderen Produkten
oder eine allgemeine Beratung sein. Um die Informationsaktivitäten in eine Angebotsselek-
tion überzuleiten, sollten E-Shop-Betreiber unabhängig vom Zugangsweg (per direkter
URL-Anwahl oder über Suchmaschine) darauf achten, gezielte und ausführliche Informa-
tionen über die Produkte auf der Seite bereit zu stellen und zu hinterfragen, welche Infor-
mationen einem potenziellen Kunden wichtig sein könnten. Diese Phase des eSearch-Pro-
zesses läuft dabei häufig anonym ab, da Kunden lediglich Informationen suchen und sich
Die Prozesse beim elektronischen Verkauf 303
somit zunächst durch die Vielzahl der Angebote eines oder mehrerer Online-Anbieter kli-
cken können (Franke 2002, S. 12). Um die Einleitung eines Online-Kaufes im Rahmen des
eSearch-Prozesses zu unterstützen, sollten folgende Aspekte beachtet werden (Franke
2002, S. 91 ff.; Wamser 2001, S. 115):
Bekanntheit: Bevor Kunden einen E-Shop besuchen können, müssen sie zunächst von
der Existenz des Angebots erfahren haben und die Web-Adresse des E-Shops kennen.
Entweder gelangen sie dabei durch die direkte Eingabe der URL (Uniform Resource
Locator) oder über einen Link auf einer anderen Seite (z. B. über Suchmaschinen) zum
E-Shop. Durch Webseiten-Promotion als Teil des Marketings (s. Kapitel 3.4) kann
dabei die Bekanntheit des Shops gesteigert werden, damit sich die Web-Adresse bei
der Zielgruppe einprägt und bei Bedarf dann sofort eingegeben werden kann (z. B.
amazon.de). Die Wahl eines adäquaten Domain-Namens und die dazugehörige Re-
servierung bzw. der Kauf der Domain muss vor dem eigentlichen E-Shop-Auftritt ge-
schehen. Eventuell werden ähnliche Domains dazu gekauft, damit Fehleingaben der
Kunden nicht dazu führen, den Shop nicht auffinden zu können (z. B. amason.de an-
statt amazon.de). Eine direkte Weiterleitung über einen Link zur richtigen Domain
sollte automatisch erfolgen.
Inhaltsqualität: Ein weiterer wesentlicher Bestandteil für den eSearch-Prozess ist die
Verbindlichkeit und Vollständigkeit der dargestellten Informationen. So müssen Pro-
304 Die Grundlagen des E-Shop
Internationalität: Für E-Shops, die ihr Angebot auch für Kunden im Ausland bereit-
stellen wollen, gelten zusätzliche Bedingungen im eSearch-Prozess. Dies bezieht sich
sowohl auf die Zugangswege zur und die Bewerbung der Webseite als auch auf die
Webseitengestaltung. Hierbei sind sprachliche und kulturelle Unterschiede, techni-
sche Ausstattung und Landeswährungen zu beachten. Die Einstellung von E-Shop-
Seiten in verschiedenen Sprachen, meistens durch das Anwählen von kleinen Landes-
flaggen-Symbolen auf der Webseite, wird durch die Nutzung eines Content Manage-
ment Systems erleichtert, da gestalterische Elemente beibehalten werden können und
nur die Textbausteine in verschiedenen Sprachen ausgewechselt werden.
Alle bereitgestellten Informationen in dieser Phase sollen abschließend dazu führen, dass
sich der Online-Kunde zum Kauf eines Produktes über den E-Shop entscheidet. Mit der
konkreten Auswahl eines oder mehrerer Produkte aus dem Online-Angebot des E-Shops
und dessen bzw. deren Platzierung im Online-Produktwarenkorb (s. Kapitel 3.1.1.3) er-
folgt der Start des eSales-Prozesses (s. Abb. 113).
3.2.2.2 ePricing-Prozess
Die Preisstrategien für Produkte in einem E-Shop im Rahmen des sog. ePricing folgen
prinzipiell denselben Regeln wie auf traditionellen Märkten. Auch im Internet findet sich
der optimale Preis in Abhängigkeit vom wahrgenommenen Nutzen, Preis-Absatz-Bezie-
hungen, Kostenstrukturen, Wettbewerb und Preiselastizitäten. Trotzdem haben die Beson-
derheiten des elektronischen Absatzes bestimmte Implikationen für das Pricing im Inter-
net (s. Abb. 114). Dazu zählt vor allem der Aspekt der Dynamik, der eine Preisfindung (va-
Die Prozesse beim elektronischen Verkauf 305
riable Preise) im Gegensatz zur Preisfestsetzung (fixe Preise) im Internet erleichtert (Blie-
mel/Eggert/Adolphs 2000).
Da die in Abb. 114 genannten Spezifika des Internets das ePricing zu einem sehr kom-
plexen Teil des E-Shops machen, sollte die Ziele des ePricing vor der Auswahl der ge-
eigneten Strategie definiert und in den restlichen Marketing-Mix integriert werden. Erst
wenn die Zielsetzung erfolgt ist, sollten die einzelnen Determinanten der Preisstrategie
berücksichtigt werden. Zu den Determinanten zählen z. B. die Art des Produktes, die Preis-
bereitschaft der Kunden, die Preisstruktur der Wettbewerber, die Risikoaffinität der Kun-
den, die eigene Kostenstruktur und die Segmentierungsmöglichkeiten der Kunden. Trotz
der hohen Transparenz im Internet sind die Preise für physisch identische Produkte nicht
immer gleich, sondern können sogar bei CDs und Büchern bis zu 50 % variieren
(Pohl/Kluge 2001, S. 143). Diese Unterschiede in der Preisgestaltung hängen zwar auch
von dem Produkt und seinen Eigenschaften selber ab, die Preisbereitschaft der Kunden
wird jedoch zu einem zunehmend wichtigeren Faktor. Manche Kunden legen Wert auf in-
tangible Produktmerkmale, wie z. B. die zeitliche und lokale Verfügbarkeit des Produk-
tes, die zusätzlichen Serviceleistungen, Werbung, die öffentliche Wahrnehmung oder die
Kauferfahrung und das dadurch entstandene Vertrauen.
• Erschwerte Preisdifferenzierung
Globale Vernetzung • Konflikte zwischen Vertriebskanälen
• Vereinfachte Preisindividualisierung
„Online䇾-Merkmal • Ermöglicht Echtzeit-Pricing
Abb. 114: Spezifika des Internets und deren Implikationen für das ePricing
Quelle: Pohl/Kluge 2001, S. 134.
Diese Merkmale bilden für manche Zielgruppen die Basis der Preisbereitschaft und ma-
chen die Findung einer geeigneten Pricingstrategie zu einem komplexen Vorgang. Auf-
grund der technologischen Möglichkeiten im Internet stehen dem E-Shop verschiedene
Pricing-Modelle zur Verfügung, die sich in Preisfestsetzung (Katalog-Pricing) und Preis-
findung (Preisdifferenzierung und Customer-Driven Pricing) unterteilen. Die drei Modelle
306 Die Grundlagen des E-Shop
können anhand des Individualisierungsgrad und der Dynamik des Pricing wie folgt kate-
gorisiert werden (Pohl/Kluge 2001, S. 148; s. Abb. 115).
Katalog-Pricing
Katalogpreise sind in der Regel für jedes verkaufte Produkt gleich hoch, deshalb werden
diese Preise auch als uniform oder statisch bezeichnet. Da keine dynamische Anpassung
oder Differenzierung vorgesehen ist, werden Katalogpreise oft als Einstiegmethoden im
E-Shop benutzt. Somit können auch undifferenzierte Preise anderer Absatzkanäle ins In-
ternet übertragen werden und verhindern dadurch die Kannibalisierung dieser aufgrund un-
terschiedlicher Preisstrategien. Zudem kann zwischen Preisfixierung durch den Anbieter
und Preisfixierung durch den Nachfrager unterschieden werden. Üblicherweise werden
Preise durch den Anbieter festgelegt, es gibt aber auch die Möglichkeit für Nachfrager
den Maximalpreis für eine Leistung vorzugeben. Reisevermittler, wie z. B. priceline
.com, vermittelt den Nachfrager dann zu einem geeigneten Anbieter, der die Leistung für
den vorgegebenen Preis bereit ist zu erbringen. Eine weitere zugehörige Variante ist das
Abo-Pricing, bei der eine Leistung wiederkehrend zu einem festen Preis geordert wird
(z. B. bloomydays.de für monatliche Blumenlieferung im Abonnement zum festen Preis).
Real-Time
Customer-
Driven
Pricing
Dynamik
Preis-
differenzierung
statisch
Katalog-
Pricing
gering hoch
Individualisierungsgrad
Preisdifferenzierung
Bei diesem Pricing-Modell steht die Individualisierung des Angebots im Vordergrund. Je
nach Individualisierungsgrad des Angebots, kann der E-Shop einzelnen Kunden oder
Kundengruppen differenzierte Preise anbieten. Der allgemeinen Preis-Absatz-Funktion zu-
folge wäre eine Gewinnoptimierung somit möglich, wenn jedem einzelnen Kunden ein
auf ihn individuell zugeschnittener Preis offeriert wird und Kunden, die nicht bereit sind,
die untere Preisgrenze einzuhalten, nicht bedient werden. Unterschiede bei der Preisdif-
ferenzierung gibt es noch hinsichtlich der Selbstselektion. Bei Preisdifferenzierung mit
Selbstselektion werden dem Kunden verschiedene Varianten eines Produktes angeboten,
die mit zeit- oder mengenbezogenen Preisen versehen werden. Der Kunde kann also sel-
ber wählen, welche Variante (z. B. wie viel oder wann) er kauft und kann somit den Preis
beeinflussen. Bei der Preisdifferenzierung ohne Selbstselektion werden die Kunden in
unterschiedliche Gruppen eingeteilt, die unterschiedliche Preise zahlen. Die Unterteilung
hängt dabei stark vom Produkt und dem Kundenkreis ab. Zum Beispiel fallen Studenten-
rabatte unter diese Kategorie. Eine Preisdifferenzierung kann jedoch auch zeit-, kunden-,
mengen- oder leistungsbezogen (Wirtz 2018, S. 486 ff.) sein.
Unter dem Stichwort „Dynamic Pricing“ weist Dörner (2015) noch einmal explizit da-
rauf hin, dass Preise oft gar nicht so fest sind, wie sie dem Kunden erscheinen, sondern
viel eher individuell festgelegt werden. Nach Brix (2018) wird dagegen unter dem Begriff
„Dynamic Pricing“ respektive „dynamische Preissetzung“ verstanden, dass sich die Preise
variabel und individuell in bestimmten Abständen verändern. Hierbei können die Preise
individuell zum einen auf Basis vom Preisverhalten der Wettbewerber oder zum anderen
durch Analysen zu Nutzerinformationen und dem Surfverhalten der User angepasst wer-
den (Genth et al. 2016). Der Ansatz der dynamischen Preissetzung stellt vor diesem Hin-
tergrund insbesondere die preisliche Anpassung an die jeweiligen zeitlichen Marktsituati-
onen dar (Frohmann 2018, S. 126). Dabei bedient die individuelle Preisgestaltung Über-
kapazitäten bestimmter Produkte und Engpässe sowie Angebote. Im Kontext von E-Com-
merce-Plattformen unterliegen die variierenden Preisschwankungen bestimmten komple-
xen Algorithmen. Mit in diese algorithmische Berechnung werden neben Wettbewerbs-
preisen auch externe Einflüsse wie bspw. das Wetter, regionale Faktoren oder aber auch
bestimmte Zeitaspekte einbezogen (Frohmann 2018, S. 126). Die Algorithmen analysie-
ren Datenmengen und nehmen Bezug auf bestimmte genannte Preisbildungsfaktoren
(Gläß 2018, S. 9). amazon.com soll je nach Quelle täglich für jedes Produkt den Preis bis
zu 4.500 -mal überprüfen und über 2,5 Mio. Preisänderungen vornehmen. Dabei werden
laut key-values.com „automatisch Vergleichsangebote, Wettbewerber und Portale im In-
ternet nach dem aktuellen Preis durchforstet. Ein Algorithmus entscheidet ob der Preis bei
Amazon erhöht oder reduziert wird. Dadurch wird die so genannte Konsumentenrente (das,
was der Kunde bereit ist für ein Produkt zu zahlen) optimal ausgeschöpft und im Ergebnis
die Marge oder das Verkaufsvolumen erhöht.“ Abbildung 116 bietet eine exemplarische
Übersicht zu einem dynamischen Preisverlauf zwischen den Wettbewerbern Sears (stati-
sche Preissetzung), Amazon (voll dynamische und aktive/reaktive Preissetzung) und Best
Buy (halb dynamische und aktive/reaktive Preissetzung).
308 Die Grundlagen des E-Shop
Neben den Markt- und Wettbewerbseinflüssen werden aber natürlich auch die Nutzerin-
formationen und das Surfverhalten bis hin zu technischen Zugangswegen (z. B. Han-
dy-Typ) analysiert und diese Daten können ebenfalls zur individuellen Preisfestlegung
verwendet werden. Neben derartig komplexen Verfahren sind es jedoch oftmals weit ein-
fachere Mechanismen, die zur Preisdifferenzierung verwendet werden. Dazu zählt bspw.,
ob der Kunde über eine Suchmaschine auf die Seite E-Shops gelangt oder welche Infor-
mationstechnologie (s. Kapitel 1.2) er verwendet. Das Startup eBlocker hat dazu eine Stu-
die durchgeführt. Demnach bezahlen im Onlinebüroshop bueromarkt-ag.de Kunden, die
den E-Shop direkt aufrufen etwa 24 % weniger, als Kunden, die über Google Shopping
auf die Seite geleitet werden. Dies kann als Rabatt für Stammkunden interpretiert werden.
Umgekehrt verhält es sich hingegen bei lensbest.de, einem E-Shop für Kontaktlinsen. Hier
zahlt ein Kunde, der die Seite direkt aufruft, mehr, als ein Kunde, der die Seite über die
Google-Suche erreicht. Auch das zur Bestellung verwendete Gerät kann einen Einfluss
auf den Preis haben. So war bei expedia.de die Buchung einer Reise (Flug und Hotel) für
einen iPhone-Nutzer günstiger, als bei einer Buchung mittels PC. Auch zwischen verschie-
denen Smartphones ist eine Preisdifferenzierung beobachtet worden. Bei travelocity.com
zahlten Kunden für dasselbe Zimmer mit dem iPhone weniger, als Smartphone-Nutzer mit
einem Android-System. Beim Dynamic Pricing können Preise aber auch noch von weite-
ren Aspekten, wie Tageszeit oder Verhalten der Wettbewerber, abhängen. Unter Dynamic
Pricing fallen auch die in Abhängigkeit der Zeitspanne bis zum Abflug mitunter stark di-
vergierenden Preise von Flugtickets. Letztendlich geht es für E-Shops unter Berücksichti-
gung der aktuellen Markt- und Nachfragesituation um die Maximierung der Zahlungsbe-
reitschaft der Kunden, um die Gewinnpotenziale optimal auszuschöpfen.
Die Prozesse beim elektronischen Verkauf 309
Customer-Driven Pricing
Wie dem Namen zu entnehmen ist, bestimmt bei diesem Pricing-Modell der Kunde den
Preis. Er legt offen dar, wie viel er bereit ist, für ein bestimmtes Angebot zu bezahlen. Der
Anbieter kann sich daraufhin überlegen, ob er sein Produkt für den angebotenen Preis
verkaufen möchte, oder nicht. Dieses Modell ist als Preisfindungsmechanismus z. B. bei
elektronischen Marktplätzen (s. Kapitel 4.2.2.2) zu finden. Bei traditionellen Auktionen
geben Kunden ihr Preisangebot für das gewünschte Produkt ab und das höchste Gebot
erhält den Zuschlag. Zusätzlich gibt es aber auch die Möglichkeit einer Reverse Auction,
bei der die Preisfindung quasi rückwärts abläuft. Beispiele dafür sind Auktionen, bei de-
nen Aufträge für bestimmte Dienstleistungen von Kunden ausgeschrieben werden, für die
Unternehmen dann Gebote abgeben können. Der Startpreis bildet die vorher vom Kunden
festgelegte maximale Preisbereitschaft, die es dann im Verlauf der Auktion von Dienst-
leistern zu unterbieten gilt. Nach Ablauf der Auktion kann sich der Auftraggeber den pas-
senden Auftragnehmer aussuchen. Dies muss nicht unbedingt aufgrund des niedrigsten
Preises geschehen, sondern kann auch aufgrund weiterer Faktoren, wie Lieferzeit oder
Qualität, geschehen.
3.2.2.3 eSales-Prozess
Nach einer eingehenden Informationssuche und -bewertung zu einzelnen Online-Angebo-
ten im Rahmen des eSearch-Prozesses (s. Kapitel 3.2.2.1) hat der Online-Kunde nun eine
konkrete Auswahl eines oder mehrerer Produkte(s) getroffen, die er im Online-Warenkorb
hinterlegt hat. Mit dem Drücken des graphischen Knopfes „zur Kasse (gehen)“ startet
sodann der eSales-Prozess (s. Abb. 117). Hier müssen alle Rahmenbedingungen für die
Durchführung der Transaktion geschaffen werden. Es werden Lieferungs- und Zahlungs-
bedingungen geklärt und die Partner halten ihre vereinbarten Konditionen der Transaktion
in einem sog. „virtuellen Vertrag“ fest, der über die Zustimmung der AGB des E-Shop-
Betreibers und den entsprechenden Bekundungen zum Kaufwillen durch das Drücken des
Bestellbuttons (z. B. „Bestellung absenden“ oder „Kauf bestätigen“) zustande kommt. So-
mit ist eine adäquate Rechtsgrundlage für den Online-Handel geschaffen, bei der ein Ange-
bot durch den E-Shop-Betreiber formuliert sowie durch den Online-Kunden angenommen
wird (Franke 2002, S. 12; Wamser 2001). Die folgenden Aspekte sollten bei der Vereinba-
rung eines Kaufes beachtet und durch entsprechende Informationen in den eSales-Prozess
eingepflegt werden (Franke 2002, S. 94 ff.):
Gegeben dieser generellen Aspekte zeigt Abb. 117 nun den detaillierten Prozessablauf der
eSearch- und eSales-Phase. Nach dem ggf. schon vor der Produktsuche stattfindenden
Login besucht der potenzielle Kunde zunächst verschiedene Katalogseiten, damit er die
für ihn passenden Produktangebote findet. Je detailliertere Vorstellungen der Kunde von
seinem Bedürfnis und je mehr Erfahrung er im Umgang mit dem E-Shop hat, desto schnel-
ler ist er in der Lage, das gesuchte Produkt zu finden. Nachdem das gesuchte Produkt
begutachtet wurde, legt der Kunde die Ware in den virtuellen Einkaufswagen (Online-
Warenkorb) und geht zur Online-Kasse. Sucht der Kunde mehrere Produkte, kann er aber
auch wieder auf diverse Produktseiten zurückgehen und weitere Produkte in den Einkaufs-
wagen legen (s. Kapitel 3.1.1.3). Der eSales-Prozess startet mit der Absicht den Kauf nun
zu tätigen. Dazu muss der Online-Kunde als nächstes die genauen Bestellinformationen
(Lieferadresse, Rabattcoupons, Menge etc.) und dann seine Zahlungsinformationen (Kar-
tennummer, Bank, Zahlungsart etc.) bekannt geben. Bei E-Shops, die dem Käufer unbe-
kannt sind, lohnt sich ein Blick auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), um
sich die Vertragsbedingungen anzusehen. Ist die Bestellung abgeschickt, so kommt der
„virtuelle Vertrag“ zwischen Anbieter und Käufer zu Stande. Bei digitalen Produkten steht
dann meist der direkte Download zur Verfügung, bei physischen Produkten erfolgt die
Auslieferung auf traditionellem Wege über einen Logistikpartner (s. Kapitel 3.1.1.6).
Die Prozesse beim elektronischen Verkauf 311
Produktseite
Ware im Bestellinfos
Einkaufswagen eingeben
Einkaufswagen Zahlungsinfos
Download
ansehen eingeben
Bestellung
AGBs ansehen Auslieferung
absenden
Tracking und
eSearch Tracing
Abb. 117: Der eSearch-, eSales- und eDistribution-Prozess bei einem E-Shop
Quelle: in Anlehnung an Merz 2002, S. 410.
3.2.2.4 ePayment-Prozess
Innerhalb des eSales-Prozesses (s. Kapitel 3.2.2.3) spielt die Online-Bezahlung und damit
der ePayment-Prozess als Unterkategorie eine besondere Rolle, wodurch eine separate
Betrachtung gerechtfertigt erscheint. Die elektronische Bezahlung der Online-Ware steht
am Ende der Transaktion und stellt für den E-Shop damit die Realisierung von Einnahmen
dar. Dabei werden Internet-Bezahlverfahren als „enabling technology“ bezeichnet, da erst
dadurch der gesamte Transaktionsprozess virtuell abgebildet werden kann (Korell/Kiefer
2001, S. 246 ff.). Insofern ist die Wahl des richtigen Zahlungssystems und die sichere bzw.
fehlerfreie Durchführung des Zahlungsaktes von großer Bedeutung, zumal ein Schutz vor
Missbrauch gegeben sein muss, der wiederum ausschlaggebend für die Akzeptanz (und
das Vertrauen) auf der Kundenseite ist. Das vom E-Shop-Betreiber ausgewählte Bezahl-
verfahren muss vor diesem Hintergrund die komplette Zahlungsabwicklung gewährleisten.
Darunter fallen verschiedene Teilprozesse, die je nach Art des Verfahrens unterschiedlich
ausgeprägt sind. Häufig wird der gesamte Zahlungsprozess komplett an Dritte ausgela-
gert, da der E-Shop bzw. sein Betreiber nicht über die geforderten Kompetenzen verfügt
und besonders die Sicherheitsaspekte eine gewisse Professionalität im Umgang mit sen-
siblen Kundendaten (Zahlungsinformationen) erfordern. Daher sind im Allgemeinen ne-
ben den generellen Überlegungen zur Systemauswahl (s. Kapitel 3.1.2) folgende Aspekte
für den Zahlungsprozess von Bedeutung (Merz 2002, S. 451 ff.):
312 Die Grundlagen des E-Shop
den Zahlungsprozess auch online abzuwickeln. Dabei lassen sich zwei zentrale Metho-
den unterscheiden. Entweder es werden herkömmliche Bankinformationen (Kontonum-
mer, Bankleitzahl oder Kreditkartennummer) verschlüsselt übertragen (Kreditkarten-,
Konto-basierend) bzw. über Dritte die Authentizität der Zahlungsgeber und Zahlungsem-
pfänger gewährleistet (Trust Center-basierend), oder die finanzielle Transaktion wird über
elektronisches Geld abgewickelt (Bargeldäquivalent/eCash). Alternativen werden häufig
anhand der folgenden Unterscheidungskriterien für elektronische Zahlungssysteme
kategorisiert:
das technologische Konzept, das bestimmt, ob ein virtuelles Konto angelegt, das
Geld in Form einer virtuellen Währung in Software oder Hardware abgelegt oder eine
Kreditkarte wie im stationären Handel verwendet wird,
Benutzerkonto-basierte Zahlungssysteme
Zu den Benutzerkonto-basierten Zahlungssystemen zählen vor allem PayPal, Alipay,
Click & Buy und Google Wallet (s. Abb. 118). Bei allen drei Angeboten muss der Benutzer
ein virtuelles Konto erstellen und dort seine Kontoinformationen hinterlegen, die wiede-
rum geprüft und autorisiert werden. Google Wallet akzeptiert dabei, im Gegensatz zu den
beiden anderen Anbietern, nur Kreditkarten als Bankkonto-basierte Zahlungsmethode, er-
möglicht dafür jedoch bei Verträgen mit bestimmten Anbietern die Bezahlung über die
Mobilfunkrechnung. PayPal (s. Abb. 119) bietet zusätzlich zur Lastschriftabbuchung, die
wie bei Click & Buy standardmäßig verwendet wird, die Möglichkeit, im Vorhinein Geld
auf sein virtuelles Konto zu überweisen. Bei einer Online-Bezahlung über einen der eben
314 Die Grundlagen des E-Shop
genannten Anbieter authentifiziert sich der Nutzer mit den entsprechenden Login-Daten.
Der Zahlungssystembetreiber schreibt den Transaktionsbetrag dem Empfänger, der eben-
falls ein entsprechendes Benutzerkonto haben muss, gut und kümmert sich ggf. um die
Abbuchung beim Absender des Geldes. Zur Erhöhung der Sicherheit wird dabei jeder
Geldtransfer und Kontozugriff über das Secure-Sockets-Layer-Protokoll (SSL-Protokoll)
verschlüsselt. Alle drei Anbieter nehmen für die Transaktionen, die sie durchführen, einen
prozentualen Geldbetrag vom Transaktionsempfänger; teilweise wird zudem eine Trans-
aktionsgrundgebühr verlangt. Ebenfalls zu den Benutzerkonto-basierten Zahlungssyste-
men zählt Amazon Payments. Bei diesem Verfahren zahlen Kunden auch außerhalb von
amazon.de, bspw. bei myluca.de, einem E-Shop für hochwertige Handytaschen, mit ihrem
amazon.de-Konto. amazon.de übernimmt dann auch die weitere Zahlungsabwicklung. Für
Kunden ist dieser Service kostenlos, E-Shop-Betreiber, die diese Zahlungsart anbieten
möchten, bezahlen dafür derzeit maximal 1,9 % + 0,35 Euro pro Transaktion (Amazon
Pay).
Ein alternativer Anbieter von Benutzerkonto-basierter Bezahlung ist Allopass. Hier wird
die Transaktion ebenfalls über ein Benutzerkonto durchgeführt, das Geld jedoch nicht di-
rekt von einem Bankkonto, sondern in der Regel über die Telefon-/Handyrechnung des
Die Prozesse beim elektronischen Verkauf 315
Absenders bezahlt. Dazu sendet der Benutzer einen spezifischen Code per SMS an Al-
lopass und erhält dann einen Freischaltcode, der ihm Zugang zur entsprechenden Leistung
gewährt.
Guthaben-basierte Zahlungssysteme
Bei Guthaben-basierten Zahlungssystemen kann im Allgemeinen zwischen Guthabenkar-
ten und SmartCards unterschieden werden. Guthabenkarten (z. B. Paysafecard, s. Abb.
118) haben in der Regel das Format einer EC-Karte und können in verschiedenen Ge-
schäften gekauft werden. Bei der Bezahlung wird ein Code eingegeben, der auf der Karte
vermerkt ist. Der zu bezahlende Betrag wird dann vom entsprechenden Guthabenkonto
abgezogen. Sobald das Guthaben verbraucht ist, ist die entsprechende Karte wertlos und
der Kunde muss eine neue erwerben. Die SmartCard stellt im Grunde eine Plastikkarte
dar, auf der ein Mikrocomputer integriert ist, mit dessen Hilfe umfangreiche Informatio-
nen abgespeichert werden können. Dabei handelt es sich, im Vergleich zu einfachen Chip-
karten oder Magnetstreifenkarten, um ein in sich geschlossenes System. Die Geldkarte
(vom Zentralen Kreditausschuss entwickelte Karte für Zahlungsvorgänge im Handel, s.
Abb. 118) baut auf diesem Systemkonzept auf und ermöglicht die Nutzung der SmartCard
als Geldbörse. Vor dem Bezahlvorgang lädt der Kunde seine Karte mit einem Guthaben
auf und kann nun damit Rechnungen begleichen. Voraussetzung ist ein fälschungssicheres
Kartenlesegerät. Der Vorteil dieser Zahlungsform liegt, wie bei einer Guthabenkarte, in
der gewahrten Anonymität des Nutzers. So kommen Guthaben-basierte Zahlungssysteme
den Eigenschaften des Bargeldes sehr nahe, da bei Verlust der Karte auch der Geldwert
verloren ist bzw. eine gefundene Karte von anderen Personen ohne weitere Autorisierung
verwendet werden kann. Hinderlich für den Einsatz im Internet kann bei SmartCards die
Notwendigkeit eines kompatiblen Kartenlesegerätes sein, das bei jedem Medium integriert
sein müsste, mit dem eine Verbindung zum Internet hergestellt werden kann (z. B. auch
in Handys).
Kreditkartenbasierte Zahlungssysteme
Zahlreiche Entwicklungen bauen auf dem System der Kreditkartenzahlung auf und schaf-
fen somit Rahmenbedingungen für deren Einsatz im Internet. Grund ist der relativ hohe
Verbreitungsgrad dieser Zahlungsmethode in der realen Welt. Im Vordergrund stehen
dabei die sichere Übertragung der Kreditkarteninformationen und die Authentizität dieser
Daten, also die Sicherheit, dass der Nutzer der Kreditkarte auch der Inhaber des Kontos
ist. Generell existieren vor diesem Hintergrund zwei Arten der Kreditkartenbezahlung:
Kreditkartenzahlung mit SSL: Die einfachste und auch derzeit am häufigsten ver-
wendete Variante ist die Verschlüsselung der Informationen mit dem SSL-Protokoll,
das durch Verschlüsselungsalgorithmen und digitale Zertifikate Datenschutz, Integri-
tät und Authentizität der Kommunikationspartner sicherstellt. Es ist in allen am Markt
verbreiteten Browsern implementiert. Über ein Abfrageformular werden die Kredit-
316 Die Grundlagen des E-Shop
Mobile Payment
Eine weitere Bezahlungsmöglichkeit ist Mobile Payment, bei dem der Nutzer die Mög-
lichkeit hat, mit seinem Mobiltelefon Rechnungen zu begleichen. Diese Technik wurde in
Deutschland erstmals Mitte der 90er Jahre eingeführt. Inzwischen setzen viele Mobile-
Payment-Anbieter weltweit auf Near Field Communication (NFC). Die NFC-Technolo-
gie basiert auf einer Kombination aus Radio Frequency Identification (RFID) und draht-
loser Verbindungstechnologie (Weiber/Hörstrup 2009, S. 286). Insbesondere der rasante
Aufstieg des Zahlungsabwicklers Wirecard in den DAX untermauert den nationalen und
internationalen Wachstumsprozess und globalen Trend zu digitalen Zahlungsprozessen.
Studien zeigen, dass sich inzwischen jeder zweite Deutsche wünscht, mit dem Handy nicht
nur zu telefonieren, sondern auch bezahlen zu können (Scherff 2018, S. 32). Die Bezah-
lungen können sowohl für Produktkäufe im Einzelhandel, zur Begleichung von Rechnun-
gen für Online-Shops sowie zur Übertragung von Geldbeträgen zwischen einzelnen Usern
erfolgen. Allerdings hat sich diese Form der flexiblen Bezahlung in Deutschland sowohl
bei den Käufern als auch bei den Verkäufern noch nicht durchgesetzt. Denn die deutschen
Bundesbürger tun sich mit dem mobilen Bezahlen schwer. Laut einer Studie der Unter-
nehmensberatung Oliver Wyman (2018) bezahlen erst 7 % der Verbraucher am Point of
Sale mit dem Smartphone. Lediglich 33 % der Nicht-Nutzer können es sich vorstellen
zukünftig mobil zu bezahlen. Bisher existieren nur verschiedene Einzellösungen für die
Die Prozesse beim elektronischen Verkauf 317
3.2.2.5 eFulfillment-Prozess
Der eFulfillment-Prozess umfasst als weitere wichtige Unterkategorie des eSales-Pro-
zesses (s. Kapitel 3.2.2.3) im Rahmen der Auftragserfüllung „die Gesamtheit aller Prozesse
und Funktionen, die durchgeführt werden müssen, um die Kundenbestellung schnell,
komplett und mit vollständigen Begleitinformationen zum Kunden zu liefern und sie dort
bei Bedarf auch wieder abzuholen“ (Merz 2002, S. 445). Durch die Erbringung der ver-
einbarten Leistungen beider Transaktionspartner ist der im eSales-Prozess abgeschlossene
„virtuelle Vertrag“ erfüllt (Wamser 2001, S. 41). Die erbrachte Leistung ist im Falle eines
E-Shops zum einen der Transport der Ware vom Shop zum Kunden und zum anderen die
Bezahlung des Betrages vom Kunden an den Shop. Auf warenlogistischer Ebene
(eDistribution; s. Kapitel 3.2.2.6) muss zwischen digitalen und physischen Produkten un-
terschieden werden (Wamser 2001, S. 41; s. Kapitel 3.3.1). Sobald das Gut beim Käufer
angelangt ist, kann dieser die Einhaltung der Vereinbarung überprüfen und das Gut ent-
gegennehmen (Franke 2002, S. 13). Die finanzlogistische Ebene (ePayment; s. Kapitel
3.2.2.4) erfolgt über verschiedene Zahlungssysteme, die die netzbasierte Transaktion un-
terstützen. Daneben beinhaltet das eFulfillment auch das Lagermanagement und die Ver-
triebslogistik, das Retourenmanagement sowie den Kundenservice (s. Abb. 120).
eFulfillment-Prozess
• Track & Trace Scoring
• Lagerung • Reparatur
• Abholung an • Kreditkarten-
• Kommiss- • Einlagerung
Stationen clearing
ionierung
• Entsorgung
• Nachnahme • Rechnungs-
• Verpackung
• Finanzielle stellung
• Retouren-
• Auslagerung Abwicklung
abholung • Zahlungsein-
• Inventur gangskontrolle
• Bereitstellung von • Mahnwesen
Verfügbarkeits-
• Inkasso
und Status-
informationen
Das Lagermanagement beinhaltet weit mehr als nur das Aufbewahren von Produkten.
Besonders die Kommissionierung stellt einen zentralen Aspekt des Lagermanagements
dar. Unter Kommissionierung versteht man die Zusammenstellung von Produkten aus
320 Die Grundlagen des E-Shop
Umfangreiche Beratung und Betreuung: Eine Transaktion ist nicht mit der Aus-
lieferung des Produktes beendet, sondern beinhaltet auch noch die Nachbetreuung
der Kunden. Die Kundenbetreuung kann z. B. per E-Mail, Chat oder Telefon erfol-
gen. Haben die Kunden Fragen zum gekauften Produkt, zu Garantieleistung oder
Reklamationen, so müssen sie problemlos Kontakt mit dem E-Shop aufnehmen und
ihr Anliegen schildern können. Je umgehender der Support von Seiten des EShops
erfolgt, desto besser fühlen die Kunden sich betreut.
3.2.2.6 eDistribution-Prozess
Die Distribution beschreibt generell alle notwendigen Maßnahmen für die Übermittlung
einer Leistung vom Verkäufer zum Käufer. Traditionell steht dabei der Transport realer
Güter im Vordergrund. Das Internet bietet jedoch neue Möglichkeiten diesen Prozess zu
unterstützen, neu zu gestalten und zu vereinfachen, indem die Übermittlung diesbezügli-
cher Informationen auf elektronischer Basis abgewickelt wird. Dabei muss man jedoch
zwischen einem eDistribution-Prozess im engeren und weiteren Sinne unterscheiden.
Unter der eDistribution im weiteren Sinne wird der physische Transport einer Ware ver-
standen, der jedoch durch den Informationsaustausch und die Bestellung per Internet ge-
prägt ist. Im engeren Sinne kann die eDistribution so verstanden werden, dass auch die
Übermittlung der Leistung auf elektronischem Wege erfolgt (Wirtz 2018, S. 452). Diese
elektronische Übermittlung hängt jedoch stark von dem Grad der Digitalisierung und der
Standardisierung eines Produktes ab (s. Kapitel 3.3.1.1). Je digitaler oder standardisierter
322 Die Grundlagen des E-Shop
ein Produkt ist, desto eher lässt es sich über elektronische Wege zum Kunden transpor-
tieren. Bei physischen Produkten läuft die Übermittlung durch Zustellung zum Kunden.
Diese Güter werden deswegen auch Zustellgüter genannt (Bennemann 2004, S. 527). In
beiden Fällen sind jedoch zwei Aspekte entscheidend für eine reibungslose Transaktions-
abwicklung und für die Vertrauensbildung beim Kunden (Franke 2002, S. 97; Wamser
2001, S. 38 ff.):
Logistik/Tracking: In der Regel ist eine Über-Nacht-Lieferung teurer als die normale
Paketzustellung. Der Kunde muss selber bestimmen können, wie die Lieferung vom
Verkäufer ausgeführt werden soll, damit unerwartet hohe Versandgebühren ausbleiben.
Soll die Ware über einen längeren Weg z. B. ins Ausland verschickt werden oder
dauert der Lieferprozess generell mehrere Tage, so bieten größere E-Shop-Betreiber
über eine Identitätsnummer das Tracking an. Damit lässt sich jederzeit nachverfol-
gen, wo sich das Paket derzeit befindet bzw. welcher Schritt für die Versendung aktuell
bearbeitet wird. Bei einem Online-Versand, muss der Verkäufer den Download-Link
oder die Datei nach Eingang der Bezahlung umgehend zugänglich machen. Ein
Download mit hoher Geschwindigkeit und ohne Installation einer zusätzlichen Soft-
ware beschleunigt die Abwicklung.
Abb. 121: Vorteile der E-Shop-Bestellung und Nachteile der physischen Distribution
Quelle: in Anlehnung an Bennemann 2004, S. 529.
Die Prozesse beim elektronischen Verkauf 323
Vor diesem Hintergrund wird die physische Zustellung oftmals in der Literatur als rein
logistisches Problem der realen Handelsebene dargestellt, wobei die Relevanz für einen
E-Shop vernachlässigt wird. Dagegen sprechen insbesondere drei Gründe (Bennemann
2004, S. 528 ff.): Erstens wird die endgültige Kaufentscheidung im E-Shop nicht durch
die Bestellung an sich bewirkt, sondern erst nach der Beurteilung des Gutes nach Zustel-
lung und damit erst durch die Nichtnutzung des Widerrufsrechts. Eine langwierige, prob-
lematische Zustellung einer E-Shop-Bestellung kann sich also im Vergleich zum realen
Handel ohne Zustellprobleme negativ auf die Kaufentscheidung in einem E-Shop auswir-
ken. Zweitens handelt es sich bei vielen Angeboten in einem E-Shop um Güter, die eben-
falls im realen Handel erhältlich sind und dort durch sofortige Bezahlung und Mitnahme
eine Zustellung unnötig macht. Sollte die Zustellung von bestellten Produkten aus dem
E-Shop problematisch sein, verringert sich der ursprüngliche Transaktionskostenvorteil
und damit sein größter Vorteil gegenüber dem realen Handel. Drittens besteht eine Dis-
krepanz zwischen den Vorteilen der Online-Bestellung und den Nachteilen einer entspre-
chenden physischen Zustellung (s. Abb. 121).
3.2.2.7 eControlling-Prozess
Unabhängig von Unternehmensgröße und -alter ist das oberste Ziel des Controllings die
Sicherstellung der Rationalität des unternehmerischen Handelns (Weber/Schäffer 1999).
Bei jeglichem Controlling-System steht jedoch die Frage nach der Verhältnismäßigkeit,
nach Aufwand und Ertrag im Vordergrund. Dabei sollten sich E-Shop-Betreiber im Rah-
men des eControlling-Prozesses von vorne herein über die Wertigkeit unterschiedlicher
Informationsklassen im Klaren sein und daraus eine eigene Hierarchie der Kennziffern
ableiten, die der Größe des Unternehmens angemessen ist. Diese Wertigkeit mag sich da-
bei in rasant wandelnden Wettbewerbsumgebungen ebenso schnell ändern, wie sich die
äußeren Umstände in der Digitalen Wirtschaft verschieben. Darüber hinaus besteht ein
Bruch zwischen der theoretischen Eignung eines Controlling-Systems (Was wäre gut zu
wissen?) und seiner praktischen Implementierbarkeit (Achleitner/Bassen 2002, S. 1192),
der aufgrund knapper Ressourcen nicht immer überwunden werden kann. Das Problem
zahlreicher E-Shops besteht jedoch meist darin, dass zwar ein Bewusstsein für die Bedeu-
tung des Controllings vorhanden ist, sich vielfach auch ein Sinn für die Bedeutung be-
stimmter Kennziffern im Zusammenhang mit der Unternehmensentwicklung (Bret-
tel/Heinemann 2006; Schubert/Kämker 2001) finden lässt, allerdings eher selten wirklich
kohärente und zielgerichtete Kennzahlsysteme vorgefunden werden. Die massive Kritik
an den zahlreichen Kennzahlensysteme in Bezug auf die zu einseitige Finanzperspektive
begründete die Entwicklung der sog. Balanced Scorecard (Kaplan/Norton 1997) als
Controlling-Instrument. Hierbei werden die traditionellen, finanziellen Kennzahlen um
drei Perspektiven ergänzt (Weber/Schäffer/Freise 2001, S. 449):
Interne Prozessperspektive: Reflektiert die Prozesse, die zur Erreichung der Unter-
nehmensziele notwendig sind. Hier werden Zielvorgaben und Maßnahmen zu sämt-
lichen Prozessen z. B. der Wertschöpfungskette erstellt.
Die Balanced Scorecard geht somit über die traditionelle Ergebniskontrolle hinaus, indem
Rückinformationen an die Aufgabenträger zur kontinuierlichen Verbesserung des unter-
nehmerischen Handels geliefert werden. Grundsätzlich findet die Balanced Scorecard
auch im Kontext eines E-Shops eine sinnvolle Anwendung (Weber/Schäffer/Freise 2001,
S. 447 ff.). Allerdings werden hier einige Anpassungen notwendig, die den Besonderhei-
ten des E-Shops Rechnung tragen. Darunter fallen zum einen die Einbeziehung spezieller
Online-Ziele und -Kennzahlen, zum anderen die Erweiterung des Konzeptes um eine
Die Prozesse beim elektronischen Verkauf 325
Kommunikation
Investorensicht
nes E-Shops. Die Nutzung eines digitalen Angebots, als Folge einer erfolgreichen Kon-
version, führt auf Kundenseite zu einer Zufriedenheitseinschätzung, die regelmäßig über
Online-Bewertungen ausgedrückt werden kann. Das vierte Feld des 4-K-Modells bildet
die Kommunikation des E-Shops mit (potenziellen) Investoren ab. Im Rahmen einer er-
folgreichen „Investor Relation“ sollte ein digitales Start-up proaktiv vorgehen und Ein-
blick in die unternehmensindividuelle elektronische Wertschöpfungslogik geben. Dazu ist
es notwendig, auch vermeintlich vertrauliche Informationen mit Investoren zu teilen, denn
es sind nur solche KPIs zur Kommunikation an Investoren zielführend, die vom Start-up
selbst als so relevant eingestuft werden, sodass diese auch intern erhoben, ausgewertet und
als Grundlage für laufende Verbesserungszyklen genutzt werden. Insofern ist intuitiv
nachvollziehbar, dass die zu Kommunikationszwecken zu verwendenden KPIs zwangs-
läufig den drei Bereichen der digitalen Kundengewinnung, Konversion und Kundenbin-
dung entstammen müssen.
Für das Prozessmanagement und daraus abgeleitet für den gesamten Betrieb eines E-
Shops, lässt sich die Nutzung der generierten Informationen im bzw. aus dem elektroni-
schen Verkauf nach operativen, taktischen und strategischen Aufgaben differenzieren (s.
Abb. 124). Dabei steht insbesondere die Informationsverwendung für operative und takti-
sche Überlegungen im Mittelpunkt, da hierdurch kurz- und mittelfristig Auswirkungen auf
den E-Shop-Betrieb zu erwarten sind (z. B. Produktpositionierung). Die strategische Nut-
zung der Informationen betrifft dagegen mittel- bis langfristig die Positionierung des ge-
samten E-Shops im Wettbewerb sowie die generelle E-Shop-Gestaltung bzw. die Auswahl
des Online-Angebots. Übergreifendes Ziel aller Aktivitäten ist dabei einmal mehr die Nut-
zung des Informationsdreisprungs (s. Kapitel 1.4.3), bei dem über die Informationssamm-
lung (Daten aus dem operativer Verkauf) und der Informationsverarbeitung (Auswertung
und Analyse der Daten aus dem operativen Verkauf) im Rahmen der Informationsübertra-
gung an den E-Shop-Betreiber aus strategischer Sicht konkrete Veränderungen im E-Shop-
oder eSales-Management begleitet bzw. vorbereitet werden können. Im Folgenden soll ge-
nauer auf die einzelnen Aufgaben in den drei Bereichen operativer Verkauf, taktischer Ver-
kauf und strategischer Verkauf des Prozessmanagements bei einem E-Shop eingegangen
werden.
(z. B. der „1-Click“-Kauf bei amazon.de) beziehen. Der Aufwand für wertschöpfungsneut-
rale, operative Aufgaben soll so minimiert werden. Neben zeitlichem und personellem
Aufwand, der durch die Automatisierung der Prozesse reduziert werden kann, sind Quali-
tätsvorteile durch Fehlerminimierung realisierbar (Wohlenberg/Krause 2001, S. 77). Der
operative Verkauf soll also die effiziente Abwicklung von Transaktionen (Verkäufen) er-
möglichen, um dadurch Absatzzahlen zu erhöhen. Die transaktionsunterstützenden Auf-
gaben des operativen Verkaufs betreffen die reine Absatzförderung und entlasten damit die
Verkaufsabteilung bzw. den E-Shop-Betreiber dahingehend, dass diese(r) sich überwie-
gend auf die Aufgaben des taktischen (s. Kapitel 3.2.3.2) und strategischen (s. Kapitel
3.2.3.3) Verkaufs konzentrieren kann (s. Abb. 124). Somit stehen im operativen Verkauf
drei Aspekte im Vordergrund:
Automatisierung: Durch die erhöhte Reichweite eines E-Shops im Vergleich zum re-
alen Shop, muss der operative Verkauf bzw. die reine Transaktion so standardisiert
wie möglich ablaufen, um Verkäufe unabhängig von ihrer Anzahl professionell hand-
haben zu können. Durch die Automatisierung von einzelnen Prozessen kann eine
große Anzahl an Transaktionen durchgeführt werden, ohne kostenintensiven Mehr-
aufwand an Zeit und Personal erforderlich zu machen (sog. Skalierbarkeit; s. Kapitel
3.1.1). Stellt man sich einen realen Laden vor, in dem plötzlich hunderte von Kunden
gleichzeitig kaufen wollen, so wird der Vorteil elektronischer Shops durch die Auto-
matisierung offensichtlich.
Strategisches Verkaufsmanagement
Verkaufs- und
Management von Absatzkanäle und
Kundenanalyse Pricingstrategien
Produktportfolio -märkte festlegen
festlegen
Strategischer
Verkauf
Verkaufs-Controlling
Taktischer
Verkauf
Datenpflege
Operativer
Verkaufsprozess Verkauf
Informations-
Vertrags- Bezahlung
bereitstellung/ Bestellung Abwicklung Logistik
vereinbarung
Angebot
Abbruchanalyse: Für den taktischen Verkauf sind neben den Produkt- und Kundenda-
ten auch Bewegungsverläufe und typische Navigationspfade der Kunden wichtig. Die
Speicherung bestimmter Daten, wie z. B. Seitenbesuche und Verweildauer, ermög-
licht es dem Shopbetreiber, den Weg eines Kunden durch den E-Shop nachzuvoll-
ziehen und hinsichtlich eventueller Kaufabbrüche zu untersuchen. Spezielle Ab-
bruchanalysen lassen den E-Shop-Betreiber erkennen, an welchen Stellen die Kunden
ihren Einkauf abgebrochen haben, um daraus Optimierungspotenzial abzuleiten. Bre-
chen viele Kunden an derselben Stelle ab, kann es sein, dass nur unzureichende In-
formationen über ein Produkt oder Hilfestellungen zur Navigation bereitstehen
oder der Zahlungsprozess nicht transparent genug gestaltet ist.
Strategieanalyse: Die Strategieanalyse befasst sich mit den Fragen der Wettbewerbs-
fähigkeit des E-Shops und dem Einfluss der gewählten Verkaufsstrategie auf die Ent-
wicklung des E-Shops sowie auf das zu bearbeitende Marktsegment. Dabei geht es
hauptsächlich um die langfristige Positionierung am Markt und der Sicherung des
eigenen Wettbewerbsvorteils gegenüber der Konkurrenz. Je nach Markteintrittsmo-
dus und Zieldefinierung gilt es eine Strategie zu formulieren, die den Weg zum Un-
ternehmenserfolg unterstützt.
Welche Produkte eignen sich generell für den Online-Verkauf über einen E-Shop?
Wie kann die virtuelle Präsentation von Online-Angeboten in einem E-Shop aussehen?
Welche Zielgruppen gibt es für Online-Angebote im Rahmen eines E-Shops und wel-
che Erwartungen werden an den elektronischen Einkauf gestellt?
Wie kann der E-Shop im Online-Markt strategisch positioniert werden und welche Dif-
ferenzierungsmöglichkeiten bestehen gegenüber der virtuellen Konkurrenz?
Oft wird von einer allgemeinen Vorteilhaftigkeit des Einkaufs über einen E-Shop gespro-
chen. Dabei wird der Aspekt vernachlässigt, dass sich der Online-Verkauf keineswegs pau-
schal für alle Güter und Dienstleistungen eignet. Vielmehr sollte der Einsatz von E-Shop-
Systemen natürlich nur für diejenigen Produkte erfolgen, bei denen über den elektroni-
schen Verkauf substantielle Verbesserungen hinsichtlich der Prozesskosten und/oder -zeit
bzw. -bequemlichkeit zu erwarten sind. Darüber hinaus gilt auch für den elektronischen
Einkauf, dass nur die Produkte als geeignet erscheinen, die sich durch eine geringe Erklä-
rungsbedürftigkeit und eine hohe Standardisierbarkeit auszeichnen. Denn nur bei diesen
Produkten erscheint auf den ersten Blick eine Einkaufsentscheidung, die nur auf digitalen
Informationen und nicht auf einer realen Prüfung basiert, durchführbar. Der Entscheidung
über den Einsatz eines E-Shops im Absatzbereich muss demnach eine umfangreiche Pro-
duktanalyse vorausgehen. Dabei steht zunächst die Frage nach der grundsätzlichen Eig-
nung der zu verkaufenden Güter im Mittelpunkt.
3.3.1.1 Online-Produkteignung
Nicht alle Produkte eignen sich gleichermaßen für den Vertrieb über das Internet. Die
zugehörige Online-Produkteignung ist von mehreren Faktoren abhängig, die insgesamt
im Ergebnis das sog. „E-Potenzial“ eines Produktes (Bliemel/Fassott 2000, S.193) erge-
ben. Das E-Potenzial beschreibt dabei den Grad, zu dem Produkte, gegeben ihren Eigen-
schaften, über ein Online-Medium verkauft werden können. Wichtigstes Kriterium für die
Eignung eines Produktes über Online-Medien stellt die Digitalisierbarkeit dar. Darunter
ist die Umwandlung des Produktes in digitale Informationen zu verstehen. Beispielsweise
ist Musik ist nicht mehr nur in Form einer CD oder Kassette vertreibbar, sondern mittlwer-
weile auch digital als MP3-File. Die Produkte, die also vollständig digitalisierbar sind,
eignen sich somit am besten für den Vertrieb über das Internet. Für die Produkte, die nicht
Das Management beim elektronischen Verkauf 333
digitalisierbar sind, muss hingegen bewertet werden, inwiefern sich zumindest Produktei-
genschaften und damit Informationen über das entsprechende Produkt digitalisieren las-
sen, sodass der Verkauf physischer Produkte über das Internet stattfinden kann, die Liefe-
rung der Ware aber physisch geschehen muss (eDistribution; s. Kapitel 3.2.2.6). Als wich-
tigste Beispiele dafür sind Autos oder Hardware zu nennen. Bei diesen Produkten können
quasi alle für die Kaufentscheidung relevanten Informationen digital bereitgestellt werden
(bei Autos z. B. Modell, Jahrgang, Motorisierung, Farbe, Kilometerstand, Benzinver-
brauch etc.), die Lieferung muss jedoch physisch erfolgen. Neben der Digitalisierbarkeit
des Produktes gibt es allerdings auch noch weitere Bewertungskriterien für die Ermitt-
lung des E-Potenzials, die zur Beurteilung von nicht vollständig digitalisierbaren Produk-
ten herangezogen werden können. Dazu bieten sich vor diesem Hintergrund insbesondere
die folgenden Bewertungskriterien für die Ermittlung des E-Potenzials an:
Vor diesem Hintergrund haben Lebensmittel ein relativ geringes E-Potenzial, da sie mit
Hilfe von digitalen 0/1-Informationen nur eingeschränkt elektronisch beschreibbar und
beurteilbar sind (z. B. Frischebeschreibung und -prüfung) und zudem keine hohe Digita-
lisierungsmöglichkeit aufweisen, da sie Offline geliefert werden müssen (Fritz 2004, S.
187). Dagegen hat Musik z. B. ein hohes E-Potenzial, da ein Musikstück klar beschreibbar
(z. B. Titel, Interpret, Stilrichtung) und über eine Online-Hörprobe auch beurteilbar ist. Es
gibt jedoch auch Produkte, die trotz eines geringeren E-Potenzials doch für den Online-Ver-
trieb geeignet wären. Dazu zählen bspw. Markenartikel oder sonst schwer erhältliche Güter
334 Die Grundlagen des E-Shop
Optimale Eignung
(Software, Musik, Bücher,
hoch Zeitungen, Flugtickets ...)
Mäßige Eignung
(Nahrungsmittel, Kleidung,
Autos …)
Beurteilbarkeit
niedrig
Beratungsaufwand
niedrig hoch
niedrig Beschreibbarkeit hoch
3.3.1.2 Online-Produktdarstellung
In einem E-Shop ist die Möglichkeit der Angebotspräsentation auf elektronischem Wege
und damit die Online-Produktdarstellung von großer Bedeutung, da z. B. durch die
Vielzahl an heterogenen Angebotssets die Entscheidungskomplexität für den Kunden zu-
nimmt (Weiber/Mühlhaus/Hörstrup 2010a). Der E-Shop birgt z. B. im Vergleich zu tra-
ditionellen, papierbasierten Produktkatalogen viele Vorteile. Darunter fallen verschiedene
Aspekte, wie die multimediale Darstellung (s. Kapitel 1.3.2) von Produkten, das Angebot
detaillierter Informationen, Suchhilfen, Konfigurationshilfen, Dialogangebote und die
Möglichkeit, interaktive (s. Kapitel 1.3.3) Unterhaltungselemente anzubieten (Silberer
2000, S. 568). So kann die Online-Darstellung der Produkte des E-Shops durch die Zu-
sammenstellung verschiedener Multimedia-Komponenten, wie z. B. Text, Bild, Grafik,
Ton, Video, Animation, aufbereitet werden. Der Einsatz von Multimedia-Elementen er-
laubt eine erlebnisorientierte Präsentation der Produkte, die die Suche und Auswahl für
den Nachfrager erleichtern und angenehmer gestalten können (Silberer 2002, S. 718). Die
einzelnen Elemente der Produktdarstellung werden kurz näher erläutert:
Texte: Texte sind bei der Produktdarstellung essentiell, da sie die wichtigsten Infor-
mationen zu einem Produkt beinhalten, wie z. B. Preis, Beschreibung, Größe etc. Al-
lerdings sollte darauf geachtet werden, dass die Texte nicht zu überladen sind und den
Betrachter überfordern. Vielmehr sollten nur Schlüsselinformationen bereitgestellt
werden, die dann nach Bedarf durch weitere Klicks (z. B. auf Links, Bilder, Videos
etc.) angereichert werden können. Am Beispiel von asos.de zeigt sich, dass zunächst
nur Schlüsselinformationen über das Produkt angezeigt werden, die durch entspre-
chende Links ausgeführt werden. Beispiele sind hier Informationen zur Marke oder
Pflegehinweise.
336 Die Grundlagen des E-Shop
Bilder: Kaum ein E-Shop vertreibt Produkte, ohne dem Käufer entsprechende Bilder
oder Fotos der Produkte anzubieten. Da im Distanzhandel z. B. besonders die hapti-
sche Prüfung der Produkte nicht möglich ist, wollen viele Kunden zumindest eine
ausreichend visuelle Prüfung des Angebots ermöglicht bekommen. Dabei geht es ent-
sprechend nicht nur um das bzw. ein einziges zentrales Produktfoto, sondern in der
Regel direkt um eine ganze Gruppe an zugehörigen Bildern für die Produktdarstel-
lung. Bei rein digitalen Produkten kommt dem Bild-Element allerdings eine eher
untergeordnete Rolle zu, vielmehr zählt hier die Bereitstellung von Testversionen
(z. B. von Software) oder Proben (z. B. Hörproben von MP3-Files), die das Produkt
besser beurteilbar machen.
Grafiken: Grafische Elemente werden oft genutzt, dem Kunden Orientierungs- und
Navigationshilfe zu geben. Auswahlleisten oder Statusinformationen werden bei vie-
len Shops grafisch durch Pfaddiagramme dargestellt, um dem Besucher anzuzeigen,
wo er sich gerade befindet. Auf der Beispielseite von asos.de in Abb. 126 sind ver-
schiedene grafische Elemente eingebunden. Unter anderem wird der Kunde durch
Das Management beim elektronischen Verkauf 337
eine Lupe dazu aufgefordert, das Bild des Produktes heranzuzoomen, damit Einzel-
heiten besser zu erkennen sind. Ein weiteres Beispiel ist der „Like-Button“, mit dem
Besucher des Shops ihren Freunden bei Facebook mitteilen können, dass ihnen ein
betrachtetes Produkt in dem E-Shop besonders gefällt.
Video: Videos bieten sich vor allem bei komplexen oder beratungsintensiven Produk-
ten an, da in dieser Form Produkte bei ihrem Einsatz (z. B. Maschinen, Geräte etc.)
gezeigt werden, während eine Stimme gleichzeitig das Produkt erklärt. Mit Hilfe von
Videos lassen sich Produkte mit hohem Informationsbedarf darstellen, ohne dem Kun-
den z. B. Unmengen von Texten und Bildern zumuten zu müssen. Wie anhand des
Beispiels von asos.de (s. Abb. 126) ersichtlich, wird die Videofunktion, hier in
Form eines Gangs über einen Laufsteg, auch für die Präsentation von Kleidungs-
stücken genutzt, um durch bewegte Bilder einen noch genaueren Eindruck zu den
angebotenen Produkten zu vermitteln. Die Erstellung von Videos zur Produktdarstel-
lung sollte allerdings immer in Relation zu den Erstellungskosten gesetzt werden. Nur
professionell wirkende Videos animieren den Kunden zum Kauf.
Audio: Viele E-Shop-Betreiber untermalen ihren Webauftritt mit Musik, die den Kun-
den in eine angenehme Einkaufsatmosphäre versetzen soll und eine Art multisensori-
sche Erlebniswelt schaffen. Bei einigen Produkttypen ist dadurch das Fehlen des phy-
sischen Kontaktes nicht mehr so entscheidend. Des Weiteren kann die Produktdarstel-
lung bei bestimmten Produkten durch akustische Elemente unterstützt werden. Dies
ist wie schon beschrieben häufig bei Musikdownloads der Fall. Der Kunde hat die
Möglichkeit das Produkt (MP3-File) nach einer Hörprobe zu beurteilen und sich für
oder gegen den Kauf entscheiden.
Animationen: Animationen sind im Prinzip bewegte Bilder, die, anders als Videos,
oftmals keine reelle Darstellung eines Gegenstandes beinhalten, sondern sich lediglich
grafischer Zeichnungen bedienen. Bewegte Bilder werden eher selten dazu genutzt,
Produkte zu präsentieren, da wahrheitsgetreue Bilder eine bessere Beurteilungsgrund-
lage bilden. Trotzdem wird diese Art von Multimedia-Element von einigen E-Shops
genutzt, um z. B. den Unterhaltungswert einer Seite zu erhöhen.
Interaktive Elemente: Durch den Einsatz interaktiver Elemente können Kunden da-
zu animiert werden, sich intensiv mit einem Produkt auseinanderzusetzen. Beispiel-
haft ist in diesem Zusammenhang die in Abb. 126 dargestellte Zoomfunktion beim E-
Shop von asos.de, die es erlaubt, die genaue Stoffstruktur eines Produkts zu erkennen.
Dazu verwendete Flash-Elemente können auch für dreidimensionale Bilddarstellun-
gen benutzt werden.
werden können, hervorzuheben. Der Shopbetreiber kann so auf ganz individuelle Weise
sein Angebot im Internet präsentieren und durch Ausnutzung der Vielfältigkeit des Mul-
timedia-Angebots dem Kunden eine echte Alternative zum realen Handel bieten.
3.3.1.3 Online-Produktbewertung
Unter den Voraussetzungen der Online-Produkteignung (s. Kapitel 3.3.1.1) und der diesbe-
züglich unterstützenden Online-Produktdarstellung (s. Kapitel 3.3.1.2) steht die Kaufent-
scheidung auch unter der Prämisse der Online-Produktbewertung. Bei dieser Bewertung
wird nicht nur das eigentliche E-Potenzial des Produktes betrachtet, sondern das Online-
Angebot wird auch anhand der Begleitumstände für den Online-Produkterwerb betrachtet.
Dabei wird auf der einen Seite mit dem Online-Produktkauf ein Nutzen, auf der anderen
Seite aber auch ein Aufwand verbunden. Diese beiden Seiten werden in einem Netto-
Nutzen-Konzept (s. Abb. 127) zusammengefasst, anhand dessen eine endgültige Online-
Produktbewertung durchgeführt werden kann (Billen 2004, S. 343; Gareis/Korte/Deutsch
2000, S. 147). Hintergrund ist dabei die Tatsache, dass Angebote im Online-Bereich nicht
nur als eigenständiges Produkt wahrgenommen werden, sondern auch die Art und Weise
des elektronischen Einkaufs damit verbunden wird.
Als Beispiel könnte man das Produkt „Konzert-Ticket“ nennen. Auch wenn das E-Poten-
zial anhand von den Bewertungskriterien relativ hoch ist (s. Abb. 125), so würde ein
tatsächlicher Online-Kauf z. B. dann nicht stattfinden, wenn nicht auch die Begleitum-
stände als akzeptabel eingestuft werden würden (z. B. Lieferzeit, Datenschutz). Das hängt
damit zusammen, dass Produkte in der Regel sowohl Offline als auch Online erworben
werden können. Während aber die Begleitumstände des Offline-Kaufs (z. B. Benzinver-
brauch für Stadtfahrt) stillschweigend akzeptiert und über jahrzehntelange Gewöhnungs-
effekte aus der Produktbewertung quasi verschwunden sind, muss sich das Produkt beim
Online-Kauf über ein neues Verkaufsmedium wie den E-Shop auch anhand der neuen
bzw. ungewohnten Begleitumstände messen lassen (s. Kapitel 3.2.3.1). Diese werden zu-
sätzlich noch in einen Vergleich mit den bisherigen, bekannten und lange erlernten Be-
gleitumständen gebracht. Online-Produkt und Online-Kaufumstände im Vergleich zur Off-
line-Situation verschmelzen somit im Rahmen der Online-Produktbewertung.
Das Netto-Nutzen-Konzept wurde vor diesem Hintergrund aus dem Uses-and-Gratifica-
tions-Ansatz (Elliot 1974, S. 253 ff.) abgeleitet, welches besagt, dass die wahrgenom-
mene Belohnung, die aufgrund der Handlung (Kauf) vom Kunden erwartet wird, aus-
schlaggebendes Motiv für die Kaufentscheidung ist. Das Netto-Nutzen-Konzept versteht
diese Gratifikation nun als (Netto-)Nutzen (Billen 2004, S. 339). Der Nettonutzen ist dabei
die Differenz aus Nutzensumme und der Aufwandssumme. Um den Nettonutzen zu stei-
gern, muss sich entweder der Nutzen für den Kunden erhöhen oder der Aufwand verrin-
gern. Beeinflusst werden können die Nutzen- und Aufwandssumme durch die Vorteile,
die das Online-Produkt mit sich bringt, als auch durch eine Abschwächung gewisser Nach-
Das Management beim elektronischen Verkauf 339
teile. Je positiver die Vorteile (+) und je schwächer die Nachteile (-), desto höher die Nut-
zensumme bzw. geringer die Aufwandssumme. Je höher dann die Nutzen- (+) bzw. je
geringer die Aufwandssumme (-), desto größer ist am Ende der Nettonutzen, der dann dar-
über entscheidet, ob die Online-Produktbewertung positiv ausfällt und der Online-Kauf
durchgeführt wird.
• Erhöhte Markttransparenz
• Informationsmehrwert
• Unterhaltungswert
Nutzen
• Beurteilungsprobleme
• Kein „Touch-and-Feel䇾
• Keine persönliche Beratung
Nettonutzen
• Einkauf von zu Hause
• Keine Öffnungszeiten
• Schnelle Einkäufe
• Vergleichsmöglichkeit
Aufwand
• Erschwerte
Preisverhandlungen
• Datenschutz und
Zahlungsverkehr
Der E-Shop-Betreiber muss nun aus Sicht des E-Shop-Managements im Rahmen seiner
beeinflussbaren Möglichkeiten dafür sorgen, dass die Information und Kommunikation
zu den Vorteilen den resultierenden Nutzen erhöht bzw. den wahrgenommenen Aufwand
reduziert. Dazu gehört bspw. die Auswahl von Produkten mit einem hohen „E-Potenzial“
(s. Kapitel 3.3.1.1), die offene Darstellung von Datenschutzaspekten und Sicherheits-
maßnahmen für den Zahlungsverkehr bzw. die umfangreiche und hilfreiche Online-Pro-
duktdarstellung (s. Kapitel 3.3.1.2). Auch verschiedene prozessuale Automatisierungs-
möglichkeiten (s. Kapitel 3.2.3.1) helfen, die Vorteile bezüglich der Aufwandssumme zu
erhöhen und letztere im Ergebnis damit zu reduzieren (s. Abb. 127).
3.3.1.4 Online-Produkterweiterungen
Im Rahmen der Möglichkeit zu einer Online-Produkterweiterung steht die aktive Be-
reitstellung von zum Kauf passenden Zusatzangeboten. Dies ist im E-Shop insofern we-
sentlich einfacher zu gestalten, als dass elektronische Informationen zu Produkten leichter
und schneller bereitgestellt werden können, als wenn Personal weitere Produkte an die
reale Kasse tragen würden. Als Beispiel wäre der Online-Kauf bei amazon.de zu nennen,
340 Die Grundlagen des E-Shop
bei dem der Kunde nach der primären Kaufentscheidung noch weitere dazu passende Emp-
fehlungen erhält und diese Bücher quasi direkt an die virtuelle Kasse gelegt bekommt
(„Kunden, die dieses Buch gekauft haben, haben auch diese Bücher gekauft.“). Derartige
Konzepte werden auch als sog. Cross- oder Up-Selling bezeichnet. Beim Cross-Selling
(„Überkreuz-Verkauf“) werden den Kunden, zusätzlich zu den bisher bezogenen Leistun-
gen oder Produkten, gezielt weitere Produkte des E-Shops oder anderer Anbieter angebo-
ten (Homburg/Bruhn 2013, S. 9 ff.). Dieses zusätzliche Angebot kann dabei direkt während
des initialen Geschäftsprozesses erfolgen (Sales-Phase) oder im zeitlichen Versatz zu der
ursprünglichen Kauf- oder Nutzungsentscheidung (After-Sales-Phase). Demnach zielt das
Cross-Selling insbesondere auf die Realisierung und Erschließung von produktübergrei-
fenden Verkaufschancen als sog. Cross-Selling-Potenzial ab (Schulz 1995, S. 259; Cor-
nelsen 2000, S. 185). Die übergeordnete Zielsetzung ist hier also gerade die Ausschöpfung
des Umsatzsteigerungspotenzials, welches in erster Linie über eine Erweiterung der aktu-
ellen Geschäftsbeziehung erfolgen soll (Schäfer 2002, S. 1 ff.).
Cross-Selling-Potenziale kommen vor allem in dem Moment in Frage, wenn gerade eine
Kauf- oder Nutzungsentscheidung gefällt wurde oder ein Service-Kontakt zustande ge-
kommen ist (Preißner 2001, S. 266; Brandstetter/Fries 2002, S. 195). Der Fokus liegt
hierbei auf Komplementärprodukten, die in einem logischen Zusammenhang zum Pro-
dukt stehen. Die Besonderheit des Cross-Selling liegt darin, dass das zusätzliche Angebot
mit einem selbstbestimmten Kaufvorgang verbunden ist und somit ein Interesse an einem
verwandten Produkt sicher ist. Die eigentliche Auswahl der Cross-Selling-Produkte kann
dabei automatisiert mittels der E-Shop-Software erfolgen (Preißner 2001, S. 267). Dar-
über hinaus kann ein E-Shop auch durch das Verfolgen des Click-streams im Rahmen des
Prozessmanagements (s. Kapitel 3.2.3) den Kunden auf die Cross-Selling-Produkte auf-
merksam machen. Ferner haben gerade die technologischen Konzepte des Data Mining
(s. Kapitel 3.4.2.3) und Database-Marketings (s. Kapitel 3.4.2.4) die Möglichkeiten eröff-
net, dem Kunden insbesondere individualisierte Angebote zu machen (Strauß/Schoder
2001, S. 115).
Beim Up-Selling bietet das Unternehmen den Verkauf höherwertiger Produkte oder Ser-
viceleistungen als ursprünglich vom Kunden erwünscht an (Preißner 2001; Brandstet-
ter/Fries 2002, S. 195). Diese abweichende Empfehlung hat dabei durch den E-Shop be-
sonders vorsichtig und nur unter Angabe von validen Argumenten zu erfolgen. Dies kann
z. B. direkt im Kaufprozess unter einem Hinweis auf die nächstteureren Produkte und un-
ter der zugehörigen Darstellung der Vorteile erfolgen. Darüber hinaus können bestehende
Kunden über personalisierte E-Mails oder Newsletter auf ausgesuchte Angebote einer ge-
hobeneren Produktkategorie aufmerksam gemacht werden.
3.3.1.5 Online-Produktkonfiguration
Die grundsätzlichen Möglichkeiten der Interaktivität (s. Kapitel 1.3.3) und Individualität
(s. Kapitel 1.3.4) kommen auch bei E-Shops zunehmend zum Tragen. Im Rahmen der
Das Management beim elektronischen Verkauf 341
bereitschaft des Kunden für die explizite Personalisierung übersteigt. Dabei ist zu berück-
sichtigen, dass dem Betreiber kaum Beratungs- und Opportunitätskosten hinsichtlich der
Selektion der Bestandteile durch den Kunden entstehen, da dieser die Komponentenaus-
wahl auf der Basis einmalig erstellter Menüs selbst durchführt und erst die letztendliche
Bestellung eine Aktivität auf der Betreiberseite auslöst (Stormer 2007, S. 322 ff.). Neben
dem entstehenden Vorteil einer potenziell höheren Gewinnmarge resultiert ein weiterer
Vorteil für den anbietenden E-Shop in einer höheren Kundenbindung (s. Kapitel 3.4.3.2),
die auf der erhöhten Interaktivität des Bestellprozesses einerseits und der Individualität
des Erzeugnisses andererseits entsteht. Gelingt es dem Betreiber, bspw. durch das Angebot
exklusiver Komponenten, dem Kunden ein Angebot fernab der üblichen Standardprodukte
zu offerieren, ist davon auszugehen, dass sich der Kunde auch weiterhin an die Plattform
wendet.
Nicht zuletzt vor einem ökonomischen Hintergrund ist die Selektionsfähigkeit des Pro-
duktes zu berücksichtigen. So eignet sich nicht jedes Produkt für eine individuelle Se-
lektion (Bliemel/Fassott 2000, S. 193). Ein Grund dafür liegt darin, dass Kunden in der
Regel über kein Expertenwissen hinsichtlich des Produktes verfügen und ihnen auch nicht
zugemutet werden kann, sich dieses zeitaufwendig anzueignen. Vor diesem Hintergrund
ist zunächst festzuhalten, dass sich – mit explizitem Bezug zu der Produkteignungsmatrix
(s. Kapitel 3.3.1.1) – vorrangig solche Produkte für die Selbstselektion eignen, die sowohl
durch einen geringen Beratungsaufwand und eine hohe Beschreibbarkeit, vor allem aber
durch eine hohe Beurteilbarkeit der Komponenten und der Gesamtzusammenstellung cha-
rakterisiert sind. So kann ein Kunde zweifelsohne seine Armlänge und seinen Halsumfang
Das Management beim elektronischen Verkauf 343
durch entsprechende Messungen beurteilen und sich auf diese Weise ein passendes Hemd
bestellen. Fraglich erscheint es allerdings, ob ein Laie in der Lage ist, aus der Vielzahl an
Duftstoffen ein ansprechendes Parfüm zusammenzustellen. Besonders problematisch er-
scheint der Umstand, dass Kunden zwar den Geruch oder auch den Geschmack einzelner
Inhaltsstoffe kennen, diese aber in Kombination nicht zwingend den Präferenzen des Kun-
den entsprechen müssen.
Jedoch können derartige Probleme mit Hilfe eines Produktkonfigurators (Scheer et al.
2003, S. 7) überwunden werden, indem dem Kunden nicht alle individuellen Komponen-
ten, sondern per Vorauswahl nur verschiedene sinnvolle Kombinationsmöglichkeiten ange-
boten werden. Ein weiteres Kriterium für die Selektionsfähigkeit des Produktes stellt die
Wahrscheinlichkeit dar, mit der sich Geschmäcker voneinander unterscheiden und ver-
schiedene Ergebnisse als gleichwertig anzusehen sind. So sind im Nahrungsmittelbereich
verschiedenste Zusammenstellungen möglich und die Geschmäcker unterscheiden sich
höchst individuell, weshalb hier von einer hohen Selektionsfähigkeit auszugehen ist. Be-
stehen jedoch eindeutige Ideallösungen – bspw. auf der Basis anatomischer Voraussetzun-
gen des Kunden oder gesellschaftlicher Konventionen – erscheint eine Selbstselektion we-
nig sinnvoll. Weiterhin spielen die Kosten und damit der Preisanstieg für die individuelle
Zusammenstellung eine große Rolle. So eignen sich vorrangig Produkte, die unkompliziert
und relativ kostengünstig individualisierbar sind (z. B. Müsli) sehr gut, während auf-
wendige und kostenintensive Individualisierungen (z. B. Kunst) wenig geeignet erschei-
nen. Wenig überraschend stellt die Selbstselektion vor diesem Hintergrund den Ausgangs-
punkt für neue Geschäftsmodelle für E-Shops dar. Neben dem bereits in Kapitel 1.6.3
dargestellten E-Shop mymuesli.de, in dem die Kunden die Möglichkeit haben, aus ver-
schiedenen Zutaten ihre eigene Müslimischung zusammenzustellen, und dell.com, dem
Vorreiter für Produktkonfigurationsmöglichkeiten im Computerbereich, bei dem sich der
Kunde die Komponenten seines Laptops (z. B. Prozessor, Arbeitsspeicher, Grafikkarte)
selbst zusammenstellen kann, lassen sich viele junge Startups identifizieren, die auf
Grundlage der Produktkonfiguration ihr Geschäftsmodell aufgebaut haben (z. B. mysaft-
bar.de oder chocolato.de). Hervorgehoben sei an dieser Stelle das Internetangebot von
chocri.de, mit dem der Kunde sich seine Wunschschokolade zusammenstellen kann (s.
Abb. 128). Auch im Bereich der „Textilien“ finden sich Unternehmen, die dem Kunden
durch die individuelle Konfiguration einen speziellen Mehrwert bieten (z. B. shirtinator.de
oder spreadshirt.de). Letztlich sei noch auf den Posterdruckdienst posterxxl.de verwiesen,
mit dem Kunden individuelle Poster oder Fotobücher erstellen können.
Neben der Analyse der zu verkaufenden Produkte bzw. des Online-Angebots spielt die
Analyse von geeigneten Online-Käufern eine ebenso entscheidende Rolle für die Ma-
nagementebene im elektronischen Verkauf. Die Anbieter von Produkten sollten zwar im-
mer ihre zugehörige Verkaufstätigkeit grundsätzlich am Kunden ausrichten und somit den
344 Die Grundlagen des E-Shop
Nachfrager in den Mittelpunkt aller Überlegungen stellen, dies ist beim E-Shop aber eine
besondere Herausforderung, da der Verkauf über elektronische Medien und damit ohne
den persönlichen Kontakt zwischen Nachfrager und Anbieter stattfindet. Für den E-Shop-
Betreiber ist es daher von besonderer Bedeutung, dass er möglichst schnell Wissen und
Erfahrungen mit seiner anvisierten Zielgruppe von Online-Käufern aufbaut. Daher ist eine
genaue Analyse der Online-Zielgruppe notwendig, um wertvolle Informationen über an-
gesprochene Zielgruppen und deren Erwartungen an die Produkte und Leistungen des
E-Shops zu bekommen. Vor diesem Hintergrund muss sich ein E-Shop-Betreiber insbe-
sondere mit den im Internet vorhandenen Zielgruppen befassen, deren Erwartungen an
den Online-Kauf analysieren und die verschiedenen Kriterien für eine Kundenzufrieden-
heit beim Online-Kauf beachten.
3.3.2.1 Online-Käufergruppen
Die Aufteilung des Marktes in homogene Käufersegmente ist in elektronischen Märkten
ebenso notwendig, wie in traditionellen Märkten, da auch hier die Bearbeitung des ge-
samten Marktes kaum möglich ist. Die Strukturierung des gesamten Nutzerpotenzials und
die Einteilung in Untergruppen, die zu Online-Käufergruppen bzw. Online-Zielgruppen
zusammengefasst werden, können auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen. Für die
Bearbeitung der Online-Käufer- bzw. -Zielgruppe werden verschiedene Strategien ge-
wählt, die mit Hilfe unterschiedlicher Zusammensetzung der Marketing-Instrumente (s.
Kapitel 3.4) verfolgt werden. Je heterogener die Zielgruppen untereinander sind, desto
eher lohnt sich die Verfolgung unterschiedlicher Strategien. Zu viele verschiedene Markt-
bearbeitungsstrategien können sich jedoch auch nachteilig auf den Unternehmenserfolg in
der Digitalen Wirtschaft auswirken, da sie zu erhöhten Ausgaben führen und unter Um-
ständen die Kunden irritieren, sofern sie nicht eindeutig trennbar sind. Daher ist bei der
Marktsegmentierung grundsätzlich darauf zu achten, dass die ausgewählten Unterschei-
dungskriterien für die unterschiedlichen Zielgruppen trennbar, messbar, substantiell und
erreichbar sind (Kotler/Keller 2016, S. 285). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund,
dass durch die Möglichkeiten der elektronischen Kunden- bzw. Zielgruppenansprache
sich die generellen Vorteile des interaktiven und individuellen Informationsaustausches
entfalten sollen (s. Kapitel 1.3.3 und 1.3.4). Die Kriterien zur Einteilung des Online-Mark-
tes können sehr unterschiedlich sein. Insgesamt betrachtet gibt es jedoch zunächst eine
Reihe klassischer Segmentierungsansätze, die auch zur Einteilung der Online-Kunden-
gruppen herangezogen werden. Beispielhaft werden hier die meist verwendeten Segmen-
tierungsansätze aufgelistet (Peter/Olson 2010, S. 368 f.):
„Risikoscheue Markenmuffel“: Diese Käufer sind mit dem stationären Handel sehr
zufrieden. Sie empfinden beim Online-Shopping ein hohes Kaufrisiko und orientieren
sich weniger an Marken. Komfort und Flexibilität sind unwichtig.
„Allesforderer“: Diese Käufer bewerten alle Merkmale hoch, was sich mit der Be-
schreibung des multioptionalen Konsumenten (Zentes/Swoboda/Foscht 2012, S. 44)
deckt. Sie stehen dem Online-Shopping positiv gegenüber, haben die höchste Preis-
orientierung und nutzen das Internet als Substitution des stationären Handels.
„Convenience Shopper“: Dieser Gruppe ist es sehr wichtig, den Aufwand des Ein-
kaufes so gering wie möglich zu halten. Ihnen sind das Einkaufserlebnis und die so-
ziale Interaktion nicht wichtig und sie neigen auch nicht dazu, häufig das Produkt zu
wechseln.
„Variety Seeker“: Diese Gruppe neigt insbesondere dazu, die Vielfalt des Angebots
auszukosten und Produkte/Marken häufig zu wechseln. Sie müssen das Produkt nicht
Das Management beim elektronischen Verkauf 347
unbedingt sofort in den Händen halten und legen ein bisschen Wert auf den Einkaufs-
komfort.
„Balanced Buyer“: Diese Einkäufer bewerten alle Motive als wichtig, finden aber
keins dieser Motive als besonders ausschlaggebend. Dieser Gruppe ist eher die Aus-
gewogenheit zwischen Komfort, Abwechslung, Shoppingerlebnis und Informations-
suche wichtig.
„Store-Oriented Shopper“: Dies Gruppe bewertet das Einkaufserlebnis und die so-
ziale Interaktion als sehr wichtig. Außerdem legen sie viel Wert darauf, die Produkte
physisch zu prüfen und sie gegebenenfalls sofort mitzunehmen.
Die Zielgruppendefinition von Brengman et al. (2005) fokussiert sich auf Values und
Lifestyles der Internet-Shopper, um darauf aufbauend eine Segmentierung vorzunehmen.
Sie machen bei ihrer Typologisierung eine Unterscheidung zwischen Käufern und Nicht-
Käufern, um daraus ableiten zu können, welche „Typen“ die Nicht-Käufer sind und wie
man sie effektiver ansprechen und ihnen den Kauf schmackhaft machen kann. Unter Käu-
fer fallen all diejenigen, die innerhalb der letzten zwei Monate vor Befragung im Internet
gekauft haben. Im Ergebnis waren die Käufer folgende „Typen“ (Brengman et al. 2005,
S. 84 f.):
„Tentative Shoppers“: Zu dieser Gruppe gehören die zaghaften und zögernden Käu-
fer, die das Einkaufen nicht unbedingt genießen. Sie haben zwar kaum Bedenken be-
züglich der Sicherheitsrisiken im Internet, sie sehen das Online-Shoppen aber auch
nicht als wesentlich komfortabler oder günstiger.
„Suspicious Learners“: In dieser Gruppe sind überwiegend die Käufer, die in der
Regel eher wenig Internet-Affinität aufweisen und daher ängstlich und nur mit großen
Bedenken einkaufen. Insgesamt stehen sie dem Online-Shoppen recht negativ gegen-
über und erwarten daher, dass das Kaufen sehr einfach und kundenfreundlich ist, um
den Bedenken entgegenzuwirken.
„Shopping Lovers“: Diese Käufer sind begeisterte Online-Shopper. Sie schätzen das
Internet in all seinen Facetten und nutzen es nicht nur für regelmäßige Einkäufe, son-
dern auch für Unterhaltungs- und Businessaktivitäten. Sie sind in der Regel sehr neu-
gierig und stöbern gerne neue Seite auf.
„Business Users“: Zu dieser Gruppe gehören insbesondere die Käufer, die das Inter-
net hauptsächlich im Rahmen geschäftlicher Aktivitäten nutzen. Sie sehen das Inter-
net als wertvollen Zusatz zu ihrem Leben und entdecken gerne neue Möglichkeiten,
wie ihnen das Internet das Leben erleichtern kann.
348 Die Grundlagen des E-Shop
„Fearful Browsers“: Zu dieser Gruppe gehören die gut ausgebildeten und neugieri-
gen Surfern, die sich gerne und viel im Internet aufhalten. Allerdings hält sie ihr star-
kes Misstrauen bezüglich der Sicherheit und der allgemeinen Vorteilhaftigkeit des
Internets in Fragen des Online-Shoppings von tatsächlichen Einkäufen ab.
„Adventurous Browsers“: Diese Surfer stehen dem Internet sehr positiv gegenüber
und sind von den Möglichkeiten bezüglich des Online-Shopping begeistert. Sie sind
diejenigen, die kurz vor einem tatsächlichen Kauf stehen und im Anschluss mit großer
Wahrscheinlichkeit zu „Shopping Lovers“ werden. Bisher konnten sie sich jedoch
nicht überwinden, etwas zu kaufen.
Eine weitere Klassifikation kann in der Studie „Digital Shopper Relevancy“ von Capge-
mini (2012) gefunden werden. Hier wurde untersucht, wie Shopper die digitalen Kanäle
nutzen um ihre Kaufentscheidungen zu treffen und welche Produkte über welche Kanäle
in der Regel gekauft werden. Dazu wurden 16.000 Interviews in 16 Ländern in Bezug auf
die Produktkategorien Lebensmittel, Gesundheit & Körperpflege, Fashion, Heimwerker-
produkte (DIY) und Elektronik durchgeführt. Im Ergebnis standen folgende Online-Käu-
fertypen (Capgemini 2012):
„Techno Shy Shoppers“ (13,3 %): Sind nicht an neuen Technologien interessiert und
nutzen selten digitale Kanäle, um einzukaufen oder sich über Produkte zu informie-
ren.
„Occasional Online-Shopper“ (16,1 %): Sind eher weiblich und kaufen nur sehr we-
nig online und nutzen das Internet eher zum Produktvergleich. Mobile Apps oder
Social Media Netzwerke werden eher selten genutzt durch diesen Online-Käufertyp.
„Value Seekers“ (13,5 %): Haben geringes Interesse an digitalem Shopping und mo-
bilen Apps. Sie sind sehr preisbewusst und kaufen hauptsächlich Fashion & Gesund-
heitsprodukte und sind eher weiblich.
Das Management beim elektronischen Verkauf 349
„Digital Shopaholics“ (17,6 %): Sind Early Adopters, die mit Online-Händlern in-
teragieren und Meinungen zu Produkten abgeben. Sie nutzen Social Media Netzwerke
intensiver und sind eher männlich ausgeprägt.
„Social Digital Shoppers“ (24,8 %): Sind sehr Internet- und Social Media-orientiert
und nutzen alle Online-Kanäle für Produktbewertungen usw. Sie sind in der Regel
eher jünger und haben eine geringere Kaufkraft.
Berücksichtigt wurde dabei, in welcher konkreten Phase des Kaufprozesses sich der Be-
fragte befand, welcher Werbekanal genutzt wurde und von welchem Gerät (Internet/Mo-
bile) aus die Aktion stattfand.
Je nach Untersuchungsdesign können auch andere Typen aus der Analyse resultieren.
Wichtig für ein zugehöriges Online-Marketing (Kollmann 2013) ist jedoch, dass sich der
E-Shop-Betreiber bewusst für oder gegen eine Zielgruppe entschieden wird, damit im An-
schluss eine präzise und zielgerichtete Verkaufsstrategie erarbeitet werden kann (s. Ka-
pitel 3.2.3.3). Die Bearbeitung der Online-Zielgruppe(n) erfolgt durch verschiedene Ver-
kaufsstrategien, die mit Hilfe unterschiedlicher Zusammensetzung der Marketing-Instru-
mente definiert werden. Je heterogener die Zielgruppen untereinander sind, desto eher
lohnt sich die Verfolgung unterschiedlicher Strategien zur Bearbeitung der unterschiedli-
chen Segmente. Zu viele verschiedene Marktbearbeitungsstrategien können sich jedoch
auch nachteilig auf den Unternehmenserfolg in der Digitalen Wirtschaft auswirken, da sie
zu erhöhten Ausgaben führen und unter Umständen die Kunden irritieren, sofern sie nicht
eindeutig trennbar sind. Daher lohnt sich die Konzentration in der Kundenansprache (s.
Kapitel 3.4) auf einige wenige, aber eindeutig identifizierbare und trennbare Zielgruppen,
die im weiteren Verlauf der Unternehmung bearbeitet werden.
3.3.2.2 Online-Käuferverhalten
Das Online-Käuferverhalten beschreibt das menschliche Verhalten bei der Nutzung des
Internets für den Online-Kauf (Ahlert/Evanschitzky/Hesse 2004; Kollmann/Kuckertz/
Kayser 2012). Je besser der E-Shop-Betreiber über das Verhalten seiner speziell ausge-
wählten Online-Käufergruppe (s. Kapitel 3.3.2.1) oder aber auch über das Verhalten von
Online-Käufern im Allgemeinen informiert ist, desto besser kann er die Gestaltung der
Webseiten, die Auswahl von Online-Produkten (s. Kapitel 3.3.1), die Maßnahmen zur Ver-
kaufsförderung und Kundenbindung (s. Kapitel 3.4.3) usw. an die Bedürfnisse der Kunden
anpassen. Durch eine reale aber auch elektronische Analyse des Käuferverhaltens können
unter Umständen Rückschlüsse auf die Erwartungen der Online-Kunden (s. Kapitel 3.3.
350 Die Grundlagen des E-Shop
2.3) gezogen werden, die es dann im Sinne einer Erreichung der Online-Käuferzufrie-
denheit (s. Kapitel 3.3.2.4) zu übertreffen oder zumindest zu erfüllen gilt. Bevor jedoch
das Kaufverhalten überhaupt analysiert werden kann, sollte die Aufmerksamkeit auf die
Faktoren gelenkt werden, die generell über Kauf oder Nicht-Kauf beim Online-Kunden
entscheiden. Kaufabbrüche werden häufig mit der fehlenden Möglichkeit zur physischen
Produktbeurteilung vor dem Kauf, der Angst vor Datenmissbrauch und Unsicherheit über
die Abwicklung finanzieller Transaktionen erklärt (Herrmann/Sulzmeier 2001; Pohl/Lit-
fin/Wilger 2001), was im Ergebnis zu einem negativen Nettonutzen (s. Kapitel 3.3.1.3)
führen kann. Folglich wird der Online-Kauf dann mit vergleichsweise höheren Risiken
verbunden als der Kauf im realen Handel (Bauer/Sauer/Becker 2003). Somit ist das
wahrgenommene Risiko eines Online-Kaufs dann als ein kritischer Bestimmungspara-
meter des Online-Käuferverhaltens zu betrachten. Grundsätzlich wird dabei zwischen drei
Einflussgrößen unterschieden (Bauer/Sauer/Becker 2003, S. 186 ff., s. Abb. 129):
3.3.2.3 Online-Käufererwartungen
Die Einschätzung der Online-Käufererwartungen stellt eine anspruchsvolle Aufgabe für
den E-Shop-Betreiber dar. Versuche, den Erfüllungsgrad dieser Erwartungen zu messen,
wie z. B. mit der Conversion Rate (Verhältnis von getätigten Bestellungen zu Anzahl der
Shop-Visits), sind dabei nur Ergebniskontrollen. Sie messen also die Effizienz des Online-
Shops, geben aber keinerlei Aufschluss über die Ausprägung der Käufer- bzw. Kunden-
erwartungen. Bei der Beschreibung der Käufererwartungen einem E-Shop gegenüber kön-
nen generell zwei Erwartungsfaktoren unterschieden werden. Zum einen gibt es dabei die
Erwartungen, die Kunden ganz allgemein an einen E-Shop haben. Hierzu zählen die
Grundanforderungen bezüglich Online-Einkaufskosten und -zeit (s. Kapitel 3.2.1.1)
bzw. von Online-Einkaufssicherheit und -qualität (s. Kapitel 3.2.1.2). Zum anderen gibt es
aber auch Spezialanforderungen, die Online-Kunden gegenüber einem bestimmten E-
Shop oder einer E-Shop-Klasse (z. B. Online-Buchhandel) erwarten. Diese speziellen
Erwartungen können z. B. mit den bisherigen Kauferfahrungen des Kunden mit einem
bestimmten E-Shop zusammenhängen. Wenn z. B. der Online-Käufer bei der Nutzung
von amazon.de das Feature der Wunschlisten-Erstellung kennen und schätzen gelernt hat,
so wird er in Zukunft nicht mehr darauf verzichten wollen und erwartet dieses Feature auch
bei anderen Online-Buchshops. Somit sind Online-Erwartungen eng mit Online-Erfahrun-
gen verbunden, die sich bei der täglichen Nutzung des Internets somit quasi permanent
ändern können. Die Erwartungen wachsen, je mehr der Kunde über E-Shops und deren
Möglichkeiten zur Bedürfnisbefriedigung lernt.
Personenbezogene Einflussgrößen
Online-
Kaufhäufigkeit Zufriedenheit
Kauferfahrung
Internet-
Nutzungsintensität Nutzungsdauer
Affinität
Selbst- Käuferverhalten
Allgemein Spezifisch
vertrauen
• Kauf vs. Nicht-Kauf
Sozio- • Wahrgenommenes Risiko
Alter Geschlecht Einkommen
demographika (finanzielles, funktionales,
persönliches, zeitliches)
Produktbezogene Einflussgrößen
Situationsbezogene Einflussgrößen
Verwendungs- Einkaufs- …….
zweck Zeitl. Rahmen modus
E-Shop-Betreiber sind vor diesem Hintergrund deshalb ständig angehalten, nicht nur von
sich aus den eigenen Shop ständig zu verbessern, sondern auch die E-Shops der direkten
oder indirekten Konkurrenz (s. Kapitel 3.3.3.1) zu beobachten, um dort erkennbare und
wahrgenommene Verbesserungen schnell auch in den eigenen Shop zu implementieren.
Unabhängig davon, ob nun Grund- oder Spezialanforderungen bzw. eigene oder „erlernte
Erwartungen“ adressiert werden, gibt es basierend auf den bisherigen allgemeinen Er-
kenntnissen der Internet-Nutzung doch einen umfangreichen Erwartungskatalog an den
sich E-Shop-Betreiber orientieren können (Franke 2002, S. 88 f.; Spohrer/Blackert 2001,
S. 82):
Präsentation: Das Internet muss als visuelles Medium die Darstellung von Informa-
tionen ansprechend und funktional transportieren.
Lieferflexibilität: Eine zuverlässige Lieferung der über das Internet bestellten Ware
muss die Nachteile der zeitlich versetzten Zustellung im Vergleich zur sofortigen Mit-
nahme bei realen Shops minimieren.
Preissetzung: Die Preise in einem E-Shop sollten in der Regel unterhalb der Preise
im realen Handel sein. Diese Differenz muss aber nicht unverhältnismäßig groß aus-
fallen (z. B. 50 %). Ausschlaggebend ist vielmehr die Angemessenheit des Preises
im Vergleich zum Leistungsangebot, das auch mehr als nur das Produkt selber (z. B.
zusätzliche Dienstleistungen) umfassen kann.
3.3.2.4 Online-Käuferzufriedenheit
In Bezug auf die Online-Kundenzufriedenheit kann man zunächst davon ausgehen, dass
diese dann erreicht ist, wenn die Online-Käufererwartungen (s. Kapitel 3.3.2.3) weitestge-
hend erfüllt sind. Basierend auf dem diesbezüglichen Erwartungskatalog haben Szyman-
ski/Hirse (2000) in einer explorativen Studie diejenigen Faktoren determiniert, die die
Kundenzufriedenheit mit E-Shops direkt beeinflussen. Dazu zählen vor allem die Benut-
zerfreundlichkeit, Qualität und Quantität des Produktangebotes, Seitendesign und -funk-
tionalität, sowie die empfundene Sicherheit über finanzielle Transaktionen. Spätere Stu-
dien zeigten dann, dass diese Faktoren erster Ordnung zu den Faktoren zweiter Ordnung,
nämlich Kundenorientierung (Benutzerfreundlichkeit, Produktangebot und Design/Funk-
tionalität) und Sicherheit verdichtet werden können und durch den Zusatz eines weiteren
Faktors (Multikanal-Strategie: Benutzungsmöglichkeit verschiedener Beschaffungska-
näle beim Kauf eines Produktes) als gutes Erklärungsmodell zur Online-Käuferzufrieden-
heit bei einem E-Shop dienen (Ahlert/Evanschitzky/Hesse 2004; s. Abb. 130). Folgende
Kriterien können die Kundenzufriedenheit in einem E-Shop beeinflussen:
Bequemlichkeit: Dieser Faktor bezieht sich auf die Möglichkeit zum Convenience-
Shopping, d. h. der Online-Kunde kann zu jeder Zeit, schnell ohne großen Aufwand
einkaufen ohne Einschränkungen (zeitlich, räumlich) hinnehmen zu müssen.
Produktangebot: Dieser Faktor bezieht sich sowohl auf die Sortimentstiefe (Anzahl
angebotener Produkte innerhalb einer Warengruppe), als auch die Sortimentsbreite
(Anzahl der angebotenen Warengruppen) und den Umfang bzw. Qualität der bereit-
gestellten Informationen.
Möglichkeiten den Anbieter und seinen Shop zu beurteilen. Dazu zählen z. B. die
Geschwindigkeit des Seitenaufbaus, Such- und Auswahlfunktionen, Verständlichkeit
der Menüführung oder die Komplexität des Bestellvorgangs.
Sicherheit: Dieser Faktor bezieht sich in erster Linie auf die Transaktionssicherheit,
die einerseits von der Vertrautheit im Umgang mit dem Medium und andererseits von
strukturellen Risiken des offenen Mediums Internet beeinflusst wird. Mit zunehmen-
dem Gebrauch des Internets wächst auch die Vertrautheit mit dem Medium. Die Trans-
aktionsunsicherheit allerdings nimmt mit zunehmender Informationssensibilität der
Käufer zu.
Items Kundenorientierung
Leichtigkeit Browserführung
Zeitaufwand Bequemlichkeit
Einfachheit/Komfort
Qualität Produktangebot/Info
Produktangebot
Quantität Produktangebot/Info
Übersichtlichkeit „E-Zufriedenheit䇾
Einfachheit der Suchanfrage Design/Funktionalität
Schnelligkeit Ergebnispräsentation
Sicherheit
Multikanal-Strategie
Kaufmöglichkeit in verschiedenen
Beschaffungskanälen Beschaffungskanäle
Die Ergebnisse des vorgestellten Kausalmodells bestätigen die Vermutung, dass die Mul-
tikanalität eines E-Shops zur E-Zufriedenheit beiträgt. Als weiterer Faktor der zweiten
Ordnung wurde nur noch die Kundenorientierung als signifikant identifiziert, die Sicher-
heit hingegen wird eher als grundsätzliche Voraussetzung gesehen, überhaupt über das
Internet einzukaufen. Die Überprüfung der Faktoren erster Ordnung unterstützt dieses
Resultat. Außer Produktangebot und Sicherheit lassen sich alle anderen Faktoren erster
Das Management beim elektronischen Verkauf 355
In der Strategieanalyse geht es in erster Linie um die Positionierung des eigenen Online-
Angebots im Vergleich zu konkurrierenden E-Shops. Dafür ist die eingehende Betrachtung
aller im Markt beteiligten Akteure eine Grundvoraussetzung für die Entwicklung der eige-
nen Strategie. Erst wenn sich der E-Shop-Betreiber ein detailliertes Bild über die aktuelle
Marktsituation gemacht hat, kann er seine eigene Position im E-Wettbewerb definieren
und den E-Shop anhand der von ihm gewählten Strategie aufbauen bzw. betreiben. Vor die-
sem Hintergrund spielt nicht nur die Eintrittsstrategie eine wichtige Rolle, sondern auch
die Wachstums- und Etablierungsstrategie. Die beeinflussenden Faktoren dafür müssen
aber schon vor dem eigentlichen Online-Start erkannt und antizipiert werden. So kann
z. B. das spätere Wachstum durch Kooperationen ermöglicht werden, was aber durchaus
eine frühzeitige strategische Positionierung voraussetzt, um dann überhaupt geeignete Ko-
operationspartner zu finden.
3.3.3.1 Online-Wettbewerbsanalyse
Die hohe Attraktivität eines Online-Marktes bzw. ein hohes Online-Marktpotenzial ist
meist die Folge des Zusammentreffens einer hohen Online-Produkteignung und einer at-
traktiven Online-Käufergruppe. Diese Situation bedingt meist einen bereits bestehenden
bzw. sich schnell entwickelnden Online-Wettbewerb. Kernaspekt der diesbezüglichen On-
line-Wettbewerbsanalyse ist nun die Identifikation und Betrachtung relevanter Konkur-
renten – Unternehmen also, die durch ihr Leistungsangebot die gleichen Bedürfnisse zu
befriedigen suchen wie der eigene E-Shop (Hungenberg 2014, S. 131 ff.). Dabei stehen
sowohl bereits vorhandene als auch potenzielle (zukünftige) Konkurrenten und mögliche
Ersatzprodukte (Substitute) im Mittelpunkt der Analyse. Insbesondere die letzten beiden
Aspekte bestimmen den Grad des zukünftigen bzw. zu erwartenden Wettbewerbsdrucks
(Wöhe/Döring/Brösel 2016, S. 416). Die Kenntnis um die am Zielmarkt bestehende Situ-
ation ist bedeutsam für einen erfolgreichen und vor allem nachhaltigen Markteintritt. Ge-
rade für einen E-Shop, bei dem sich der Schutz einer Geschäftsidee bzw. eines Pro-
duktangebotes schwierig gestaltet, ist eine Wettbewerbsanalyse somit unverzichtbar (Tim-
mons 2015; Rayport/Jaworski 2002).
Auf den ersten Blick mag die Identifikation der relevanten Wettbewerber unproblema-
tisch erscheinen, zumal dafür neben der eigenen Expertise auf zahlreiche Publikationen
oder Branchenberichte zurückgegriffen werden kann (Hisrich/Peters/Shepherd 2013,
S. 211 f.). Speziell innerhalb der Digitalen Wirtschaft erstrecken sich die möglichen Wett-
bewerber jedoch über die traditionellen Branchengrenzen hinweg (Rayport/Jaworski 2002,
356 Die Grundlagen des E-Shop
S. 124 f.), was bedeutet, dass neben den direkten Online-Konkurrenten auch die indirek-
ten bzw. potenziellen Online-Wettbewerber (z. B. E-Shops für verwandte Produktgruppe
Y) sowie die (noch) Offline-Wettbewerber zu berücksichtigen sind (z. B. Hersteller eines
Produktes aus Gruppe X). Bei den indirekten Wettbewerben kann zwischen drei Arten
unterschieden werden (Kollmann 2019; s. Abb. 131):
Wettbewerbsanalyse Wettbewerbsstrategie
Beurteilung
Erfolgskriterien Niedrig Hoch
8 7 6 5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5 6 7 8
Produkt
• Technologie
• Kundennutzen Unternehmen
• Alleinstellungsmerkmal
• Zahlungsbereitschaft
• Einnahmenpotenzial
• Elektronische Wertschöpfung
Management Wettbewerber
• Branchen-Know-how
• Digitale-Wirtschaft-Know-how
Prozesse
• Arbeitsabläufe
• Organisation relative Stärke
Marktzugang
• Vertrieb
• Kooperationen
Finanzen
• Kapitalbedarf relative Schwäche
• Liquidität
Relevanz für den E-Shop besitzen. Zwar ist das eine Methode, die nicht unmittelbar
im Vorfeld der Online-Schaltung möglich ist, jedoch für die weitere Identifikation
von Wettbewerbern eine Option darstellt.
Chat- Rooms: Innerhalb von Chat Rooms besteht eine gewisse Anonymität, die Nut-
zer eher dazu verleitet, ihre tatsächliche Meinung zu äußern. Insofern können im Vor-
feld wichtige Fragen zu Kundenerwartungen geklärt werden, wobei der E-Shop-Be-
treiber selbst inkognito bleiben kann. Dennoch sind solche Informationen durch wei-
tere Untersuchungen zu stützen.
Auf Basis der gefundenen Informationen kann nun eine einzelfallbezogene Bewertung
für die relevanten Wettbewerber erfolgen (s. Abb. 132). Dabei kommen verschiedene As-
pekte zum Tragen (Kollmann 2019). Dazu zählt z. B. die Identifikation und Bewertung
der Stärken und Schwächen von den identifizierten Wettbewerbern ebenso, wie ein Ver-
gleich der konkurrierenden Leistungen auf Basis von Kriterien wie z. B. Marktanteil, Qua-
lität, Preis, Performance, Lieferbedingungen, Zeit, Dienstleistung oder Garantie. Für einen
E-Shop von besonderem Interesse ist ferner die Frage nach der Vergleichbarkeit und Aus-
gestaltung des elektronischen Mehrwertes (s. Kapitel 1.4.1). Hierzu zählt eine Diskussion
der Vor- und Nachteile, die von der elektronischen Wertschöpfung ausgeht. Ein weiterer
Punkt kann die Bewertung des Know-hows der Wettbewerber sein, um aus Defiziten Vor-
teile für sich abzuleiten. Die Ergebnisse aus der Online-Wettbewerbsanalyse können in
einem Stärken-Schwächen-Profil bewertet werden, welches dann die Grundlage für eine
tiefergehende Analyse sein kann (Kotler/Keller 2016, S. 298 ff.; Meffert/Burmann/Kirch-
georg 2015, S. 223 ff.; s. Abb. 132). Dabei lassen sich auch die Stärken und Schwächen der
Konkurrenten sowohl untereinander, wie auch mit dem eigenen E-Shop vergleichen.
Eine intensivere Auseinandersetzung mit bereits etablierten Marktteilnehmern birgt die
Möglichkeit, effiziente elektronische Prozesse als Vorlage für den eigenen E-Shop zu er-
mitteln. Zu diesem Zweck lassen sich Instrumente wie das Benchmarking sehr wirkungs-
voll einsetzen. Ziel bei dieser von Xerox entwickelten Methode ist die Identifikation von
Verbesserungspotenzialen im eigenen Unternehmen, um ein Defizit im Wettbewerb nicht
nur auszugleichen, sondern durch innovative Adaption von Best Practices einen Vorteil
zu erlangen (Simmelsdorf 2000). Als mögliche Benchmark-Partner können sowohl bran-
cheninterne wie auch branchenexterne Unternehmen herangezogen werden. Wichtig ist,
dass durch den Vergleich mit einem anderen Unternehmen bzw. Wettbewerbern die Ver-
besserungspotenziale im eigenen E-Shop realisiert werden können. Abb. 133 gibt eine
idealtypische Vorgehensweise wieder und zeigt auf, dass es sich eigentlich um einen kon-
tinuierlichen Prozess handelt. Im Rahmen der Wettbewerbsanalyse genügt es jedoch, sich
auf die Ermittlung der Leistungsunterschiede zu konzentrieren und Marktpotenziale dar-
Das Management beim elektronischen Verkauf 359
aus abzuleiten. Das Benchmarking spielt in Zukunft eine wichtige Rolle, da bereits viele
E-Shops am Markt sind und sich die elektronischen Mehrwerte auf den verschiedenen
Plattformen zunehmend wiederholen.
Die Wettbewerbsanalyse soll auch darüber Aufschluss geben, mit welchen Reaktionen
(s. Abb. 133) des Wettbewerbers zu rechnen ist. Dies gilt gerade für einen E-Shop, da Ak-
tion und Reaktion innerhalb der Digitalen Wirtschaft sehr schnell durchgeführt werden
können. Strategieänderungen sind schnell umsetzbar wie auch erkennbar. Insofern ist die
Wettbewerbsanalyse auch als Vorbereitung für die Wettbewerbsstrategie zu sehen. Hin-
sichtlich der Wettbewerbsreaktion kann zwischen vier Typen unterschieden werden (Kot-
ler/Bliemel 1999, S. 412 ff.):
8 Bestimmung der zu 1
vergleichenden
Unternehmensfunktion
Identifikation der
Erstellung eines
zu betrachtenden
Abweichungsprofils
Schlüsselkennzahlen
7 2
Selektiver Konkurrent: Hier ist ein Handeln nur auf bestimmte Aspekte zu erwarten.
Etwa der Markteintritt zu einem niedrigeren Preis als der Wettbewerb kann zur Preis-
senkung seinerseits führen. Je spezifischer Wissen darüber besteht, desto konkreter
kann die Wettbewerbsstrategie ausgerichtet werden.
360 Die Grundlagen des E-Shop
Unter dem Strich kann festgehalten werden, dass es das Ziel der Wettbewerbsanalyse ist,
ein Verständnis darüber zu erlangen, in welchen Bereichen Bedrohungen (Threats) seitens
der Konkurrenten am Markt zu erwarten sind. Identifizierte Schwächen bei den Unterneh-
men, die eine ähnliche Leistung anbieten wie der E-Shop, können Chancen (Opportunities)
für einen erfolgreichen Marktauftritt aufzeigen. Auf diesen Erkenntnissen aufbauend kön-
nen dann die eigenen Stärken (Strenghts) und Schwächen (Weaknesses) charakterisiert
werden, um im Anschluss eine SWOT-Analyse (Strengths, Weaknesses, Opportunities,
Threats) durchführen zu können (Turban et al. 2002, S. 682 ff.). Im Ergebnis steht die
(zukünftige) Positionierung des E-Shops.
3.3.3.2 Online-Wettbewerbsvorteile
Allgemein werden vorhandene oder angestrebte Online-Wettbewerbsvorteile als Voraus-
setzung für die Sicherung der eigenen Position am Markt charakterisiert. Darunter versteht
man die Vorteile, die die Online-Kunden aufgrund eines überlegeneren Preis-/Leistungs-
Verhältnisses (bzw. Kosten-/Nutzen-Verhältnis; s. Abb. 134) im Vergleich zum Angebot
anderer E-Shop-Wettbewerber wahrnehmen (Wamser 2001, S. 60). Diese Online-Wettbe-
werbsvorteile können dabei grundsätzlich drei verschiedenen Gruppen zugeordnet wer-
den:
Produktvorteile: Das über den E-Shop bereitgestellte Angebot hat für den Kunden
direkte Leistungs- und/oder Preisvorteile und steht damit im Vergleich zu anderen
E-Shops besser dar. Als Beispiel kann ein MP3-Player angeführt werden, der in
einem E-Shop z. B. 10 % günstiger zu erwerben ist als bei der Online-Konkurrenz.
In diesem Bereich können insbesondere Innovations- und Reputationspotenziale lie-
gen (s. Abb. 134).
Prozessvorteile: Das über den E-Shop bereitgestellte Angebot kann durch den Kun-
den schneller und/oder einfacher als im Vergleich zu anderen E-Shops bestellt bzw.
durch den E-Shop-Betreiber geliefert werden. Als Beispiel kann der „1-Click“-Kauf
bei amazon.de genannt werden. In diesem Bereich können insbesondere Schnellig-
keits-, Transaktionskosten- und Innovationspotenziale liegen (s. Abb. 134).
Das Management beim elektronischen Verkauf 361
Präsentationsvorteile: Das über den E-Shop bereitgestellte Angebot kann durch den
Kunden einfacher erfasst, wahrgenommen oder beeinflusst werden als im Vergleich
zu anderen E-Shops. Als Beispiel kann der Konfigurationskauf bei dell.de genannt
werden. In diesem Bereich können insbesondere Individualisierungs-, Innovations-
und Reputationspotenziale liegen (s. Abb. 134).
Nutzensteigerung
Preis-/
Leistungs-
empfinden
von
Kunden
Kostensenkung
Anbieterspezifisches Abnehmerspezifisches
Differenzierungs-
Transaktionskosten- Transaktionskosten-
potenziale
senkungspotenzial senkungspotenzial
Somit kann der Online-Wettbewerbsvorteil eines E-Shops immer nur in Relation zu ande-
ren E-Shops gesehen werden. Zur Erreichung eines „echten“ Online-Wettbewerbsvorteils
muss dieser des Weiteren aber auch drei strategische Kriterien erfüllen (Simon 1988, S.
464; Wamser 2001, S. 61):
Relevanz: Das über den E-Shop bereitgestellte Angebot muss für den Kunden relevant
sein und kann nur durch eine ausgeprägte Kundenorientierung realisiert werden. Der
Online-Wettbewerbsvorteil muss sich also auf die Merkmale beziehen, die bei einer
Online-Kaufentscheidung (s. Kapitel 3.1.1.4) für den Kunden wichtig und tatsächlich
relevant sind.
Dauerhaftigkeit: Für den langfristigen Erfolg des E-Shops sollte der strategische On-
line-Wettbewerbsvorteil eine gewisse Dauerhaftigkeit aufweisen, damit er bei der stra-
tegischen Unternehmensführung eingeplant werden kann und alle folgenden Hand-
lungen zur Realisierung des Online-Wettbewerbsvorteils gesteuert werden können.
3.3.3.3 Online-Wettbewerbspositionierung
Aufbauend auf den Online-Wettbewerbsvorteilen im Produkt-, Prozess- und Präsentati-
onsbereich (s. Kapitel 3.3.3.2) können nun im Rahmen der Online-Wettbewerbspositio-
nierung vier grundsätzliche Richtungen identifiziert werden. Zwei stammen dabei aus den
klassischen Überlegungen zur realen Wirtschaft, während die anderen beiden auf neuere
Überlegungen zur Digitalen Wirtschaft zurückgehen (Porter 2013; Weiber/Kollmann
2000; Kollmann 2019) und sich sowohl auf die angebotenen Online-Produkte als auch
auf die angebotenen Informationen zu den Online-Produkten beziehen können. Folgende
Richtungen zu der Online-Wettbewerbspositionierung können unterschieden werden:
ROI
Wettbewerbsvorteil
aufgrund strategischer Grundkonzeption
3.3.3.4 Online-Wettbewerbsstrategien
Wenn die grundsätzliche Online-Wettbewerbspositionierung (s. Kapitel 3.3.3.3) erst ein-
mal bestimmt ist, dann gilt es im Rahmen der Online-Wettbewerbsstrategie den Weg
dorthin zu definieren. Dabei kann grundsätzlich zwischen den Strategien bezüglich des
Markteintritts und ferner im Hinblick auf die weitere Entwicklung unterschieden werden.
Der Online-Markteintritt bestimmt den Zeitpunkt, zu dem die Leistungen eines E-Shops
der Online-Käufergruppe (s. Kapitel 3.3.2.1) angeboten werden. Im Gegensatz zu bereits
etablierten E-Shops, die über einen bestimmten Kundenstamm und ein bestehendes Pro-
duktportfolio ein definiertes Marktsegment bedienen, stehen neue E-Shop-Betreiber zu
Beginn ihrer Marktaktivitäten vor der Aufgabe, den Online-Zielmarkt zunächst zu er-
schließen, wobei es drei wesentliche Aspekte zu berücksichtigen gilt (Hutzschenreuter
2000, S. 212 ff.):
„A crucial strategic choice for competing in emerging industries is the appropriate timing
of entry“ (Porter 1980, S. 232). Zahlreiche Studien haben sich mit der Frage beschäftigt,
ob eine Pionier- oder Folgerstrategie die Antwort auf den richtigen Zeitpunkt liefert
Das Management beim elektronischen Verkauf 365
(Call 1997, S. 70 f.) ohne jedoch übereinstimmende Aussagen zu treffen bzw. stellen sich
diese als eine unsystematisierte Auflistung dar. Vorteile eines frühen oder späten Marktein-
tritts können in Abhängigkeit der unternehmensinternen und -externen Situation betrachtet
werden (Boersch/Elschen 2002, S. 283 ff.). Im Speziellen lassen sich dabei das Unterneh-
menspotenzial, die Kundenbeziehung, die Konkurrenzbeziehung und die meist staatlich
oder technisch vorgegebenen Regulierungsbedingungen präsentieren (s. Abb. 136).
Regulierungswiderstände werden
Regulierungsbedingungen Keine Regulierungswiderstände
durch Pioniere ausgeräumt
E-Plattform Markt
gegenwärtig neu
Produkt
Einen von den E-Shop-Betreibern nur schwer beeinflussbaren Faktor bilden die institutio-
nellen Rahmenbedingungen. Gesetzliche Verordnungen bzw. Reglementierungen definie-
ren u. a. die Regulierungsbedingungen. Als Pionier ergibt sich die Möglichkeit, aktiv
Regulierungen zu schaffen, z. B. über die Anmeldung einer Technologie zum Patent. Mit
einer einstweiligen Verfügung wurde dem Online-Buchhändler barnesandnoble.com
bspw. untersagt, weiterhin die von dem Mitbewerber amazon.de patentierte „1-Click“-
Kauftechnik zu verwenden. Diese ermöglicht es registrierten Kunden, mit nur einem Maus-
klick eine Bestellung aufzugeben. Pionieren obliegt aber auch oft die Aufgabe, Regularien
Das Management beim elektronischen Verkauf 367
Marktentwicklung: Hier wird versucht aufzuzeigen, dass der E-Shop auch auf ande-
re Märkte, Segmente bzw. Branchen übertragbar ist (s. Abb. 137). Die neuen Märkte
oder Segmente können sich dabei bspw. auf die Internationalisierung oder die Er-
schließung neuer Kundengruppen beziehen. Als Beispiel kann hier der E-Shop von
allposters.de genannt werden. Dieser E-Shop war zunächst nur auf dem deutschen
Markt tätig und hat – nach erfolgreicher Etablierung im Inland – sein Geschäftsmodell
auf das Ausland übertragen und ist nun ebenfalls in Österreich (allposters.at), in Spa-
nien (allposters.es), in England (allposters.co.uk) und weiteren Ländern tätig.
nach (Vorwärtsintegration) von anderen Unternehmen angeboten wurden. Bei der la-
teralen Diversifikation besteht kein Zusammenhang zwischen der Weiterentwicklung
des E-Shops und den ursprünglich hieraus resultierenden Produkten oder Märkten. Es
wird in einen völlig neuen E-Shop-Bereich expandiert.
3.3.3.5 Online-Kooperationen
Unabhängig von der eigenen Stärke und Ausstattung eines E-Shops kann es vorteilhaft
sein, Online-Kooperationen einzugehen, um bspw. die technische Umsetzung eines
E-Shops durch einen technologisch starken Partner durchführen zu lassen (Dienstleis-
ter-Modell; s. Kapitel 3.1.2.2) oder aber die Internetseiten eines Online-Partners für den
Vertrieb der eigenen Produkte mit zu nutzen (Richard 2003, S. 469 ff.). Die Grundlage
dieser rein operativen Kooperation (Zieltyp I) ist ein für beide Seiten klar erkennbarer
Nutzen im Tagesgeschäft. Dieser kann in der Erweiterung des eigenen E-Shop-Angebo-
tes liegen, wobei mit Hilfe des Partners den eigenen Kunden ein erweiterter Service bzw.
ein größeres Produktspektrum angeboten werden kann. Es kann aber auch darum gehen,
über die komplette Zusammenführung von Produkten einen höheren Marktpreis zu reali-
sieren (Produkterweiterung, s. Kapitel 3.3.1.4). Eine andere Intension hat die strategische
Kooperation (Zieltyp II), bei der versucht wird, bestimmte Signale (z. B. Renommee,
Vertrauen, Glaubwürdigkeit) den Marktteilnehmern (z. B. Kunden, Wettbewerber oder In-
vestoren) zu senden (z. B. über Logopartnerschaft). Beide Zieltypen der Online-Koopera-
tion wirken sich vorteilig auf die Online-Wettbewerbsstrategien (s. Kapitel 3.3.3.4) aus.
Erfahrungen und Kompetenzen lassen sich komplementär ersetzen, wodurch die Schwä-
chen des E-Shops ausgeglichen werden. Dies wirkt sich über Kostenreduktion bzw. Ein-
nahmensteigerung positiv auf die Stabilität des E-Shops aus. In Bezug auf die Ausgestal-
tung der Kooperationshandlung und damit die Spezifikation des Online-Kooperations-
inhaltes, geht es um das Erreichen eines bestimmten Online-Wettbewerbsvorteils (s. Ka-
pitel 3.3.3.2). Hierbei kann zwischen vier grundlegenden theoretischen Denkmustern un-
terschieden werden, wobei diese nicht in Reinform umgesetzt werden müssen, sondern in
einer individuellen Ausgestaltung der Partnerschaft auch als Mischform verfolgt werden
können. Zu den vier Varianten zählen vor diesem Hintergrund der ressourcenorientierte,
der nachfrageorientierte, der wettbewerbsorientierte und der vertriebsorientierte Ansatz
(Kollmann/Herr 2003; Kollmann 2019).
Der ressourcenorientierte Ansatz (Kooperationen aus Ressourcensicht) konzentriert sich
auf die im E-Shop vorhandenen Kompetenzen und Ressourcen, die für den Online-Wettbe-
werbserfolg verantwortlich gemacht werden. Diese Überlegung geht auf Wernerfelt (1984)
und Penrose (2009) zurück, die einen langfristigen Erfolg des Unternehmens auf die Ein-
zigartigkeit von spezifischen Ressourcen zurückführen. Zunächst sind bei einem E-Shop
für eine erfolgreiche Online-Wettbewerbsstrategie (s. Kapitel 3.3.3.4) nicht immer alle not-
wendigen Ressourcen in ausreichendem Maße vorhanden. Dies gilt insbesondere für das
Dienstleister- und Partner-Modell (s. Kapitel 3.1.2.2 und 3.1.2.3). Kooperationen können
hier in erster Linie eine Ergänzung von nicht vorhandenen Kernleistungen ermöglichen,
Das Management beim elektronischen Verkauf 369
wodurch dann eine Wettbewerbsfähigkeit sichergestellt werden kann. Ebenso lassen sich
durch Partnerschaften Ressourcen kombinieren (komplementär oder homogen) um aus
einzelnen, nicht einzigartigen Kernleistungen eine nur schwer zu imitierende Kombinati-
onsleistung zu erbringen (sog. Bundling).
Der nachfrageorientierte Ansatz (Kooperationen aus Kundensicht) setzt an den Erwar-
tungen hinsichtlich eines E-Shop-Angebotes aus Sicht der Online-Kundengruppe (s. Ka-
pitel 3.3.2.1) an. Hierbei geht es darum, neben dem vorhandenen Basisshop weitere Ser-
viceleistungen im Produktumfeld anzubieten, um ein positives Gesamtbild zu erzeugen.
Das Online-Produkt bzw. die Online-Leistung besteht vor diesem Hintergrund aus meh-
reren Ebenen (Kotler/Bliemel 1999, S. 671). Der Kernnutzen beschreibt dabei zunächst
die eigentliche Bedürfniserfüllung seitens des Online-Kunden, welche durch das bzw.
die angebotene(n) Online-Produkt(e) als Kernleistung definiert wird bzw. werden. Die
Online-Kundenerwartungen (s. Kapitel 3.3.2.3) werden dabei mit den Online-Prozessan-
forderungen (s. Kapitel 3.2.1) zusammengefasst. Schon hier können im Online-Bereich
Kooperationen eingegangen werden, um das Online-Angebot aus Nachfragersicht besser
zu gestalten. So verband der Reise-E-Shop travelchannel.de von Anfang an verschiedene
Quellen von zentralen Produktkomponenten im Reisebereich. Hierzu zählen Online-Ko-
operationen mit Datenbanken von Mietwagenfirmen oder Ticketanbietern im Eventbe-
reich. Wird das Basisprodukt in Eigenregie angeboten, so besteht ferner im Produktumfeld
(augmentierter Bereich) die Möglichkeit, über Kooperationen die Erwartungen des Kun-
den zu übertreffen. So ist bspw. die Integration eines zusätzlichen innovativen Zahlungs-
systems (Zusatzleistung) in einen E-Shop (Basisprodukt) ein Beispiel für eine derartige
Online-Kooperation.
Der wettbewerbsorientierte Ansatz (Kooperationen aus Wettbewerbssicht) setzt an dem
Gedanken „if you can’t beat them, join them“ an und postuliert in Anlehnung an Branden-
burger/Nalebuff (1996) einen kooperativen Zusammenschluss von Wettbewerbern (Coo-
petition). Im Mittelpunkt steht hier die Kombination von Ressourcen, um hierüber weitere
Vorteile in einem Marktumfeld zu erlangen oder gemeinsam einen neuen Online-Markt
(s. Kapitel 3.3.3.4) zu erobern. Kooperationen sollen hier demnach in erster Linie die
Markt- und Machtstellung der beteiligten Partner ausbauen, wobei die Kooperations-
partner die Partnerschaft einem Wettbewerb vorziehen. Im Mai 2002 hatten edel music, Eu-
ropas größtes unabhängiges Musikunternehmen und soundbuzz.com, führender asiatischer
E-Shop-Anbieter für den Vertrieb digitaler Musik, eine Partnerschaft für die digitale Dis-
tribution von Musiktiteln im Internet vereinbart. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit über-
nahm soundbuzz.com in der asiatisch-pazifischen Region (Asien, Australien/Neuseeland)
das Repertoire aus dem Katalog von edel music und vertrieb diese über eine sichere, kom-
merzielle und digitale Distribution. Über sein weit verzweigtes Netzwerk an Partnern in
Südostasien, Indien, Australien, Korea, Taiwan und Hong Kong stellte soundbuzz.com au-
ßerdem Marketing- und Promotionmöglichkeiten für die Künstler und Produkte von edel
music zur Verfügung. Die Kenntnisse über den neuen Absatzmarkt, die ohne die Koope-
ration über einen eigenen E-Shop hätten selbst erarbeitet werden müssen, sicherten den
dortigen Markteintritt von edel music.
370 Die Grundlagen des E-Shop
3.3.3.6 Cross-Channel-Kooperationen
Kanäle unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Stärken in den einzelnen Phasen des Kun-
denlebenszyklus bzw. ihrer funktionellen Eignung für die Bereiche Kommunikation, Dis-
tribution und Kundendienst. Online-Kanäle wie das Internet sind stets medial, während
Offline-Kanäle sowohl medial (wie Prospekte oder Zeitschriften) oder institutionell (wie
Warenhäuser oder Verkaufsaußendienste) sein können. Online- und Offline-Kanäle wer-
den zunehmend komplementär genutzt. Sowohl auf Unternehmens- als auch Konsumen-
tenseite verschmelzen Online- mit Offline-Aktivitäten. Die Integration von digitalen und
physikalischen Geschäftsprozessen wird in vielen Märkten zu einer treibenden Kraft. Än-
derungen im Kundenverhalten, insbesondere bezüglich Erwartungen und Bedürfnissen,
führen auf Kundenseite zunehmend zu einer komplementären Nutzung von Internet und
realer Welt: Zum einen werden verschiedene Produkte über verschiedene Kanäle erwor-
ben, zum anderen erwarten die Kunden, dass sie frei wählen können, über welchen Kanal
sie sich über ein Produkt informieren, den Händler kontaktieren, das Produkt kaufen sowie
es ggf. wieder umtauschen (Online-Käuferzufriedenheit; s. Kapitel 3.3.2.4).
Solche hybriden Kunden stellen sich für jede Kaufentscheidung einen individuellen Ka-
nalmix zusammen (Bachem 2002, S. 264). Um ihren Kunden genau dies zu ermöglichen,
müssen sich Unternehmen aus realen und digitalen Wirtschaft unweigerlich einander an-
nähern. Bei begrenzten Ressourcen rückt diese strategische Zusammenarbeit zunehmend
in den Fokus. Gleichzeitg spielen diese strategieschen Überlegungen auch bei Geschäfts-
modellen eine Rolle, wenn z. B. Startups aus der digitalen Welt mit großen Corporates aus
der realen Welt kooperieren wollen (Kollmann 2018b; Kollmann/Schmidt 2016, S. 137 f.).
Das Management beim elektronischen Verkauf 371
Online-Kooperationen
Kanalnutzung durch die
Online
Partner
Offline
Offline-Kooperationen
Hinzunehmen der Faktoren Produkt und Preis wird gleichzeitig deutlich, welche Bau-
steine des Marketing-Mix der Partner durch die Zusammenarbeit beeinflusst werden.
Cross-Media-Kommunikation
Digitale Klassische
Kommunikationskanäle Kommunikationskanäle
Cross-Channel-Markenallianzen
Online-Marken Offline-Marken
Informationen über
Informationen über Cross-Channel-Customer-Relationship-Management Offline-Kundenverhalten,
Online-Kundenverhalten, Ressourcen zur
Internet Technologien Mass Kundenbindungsprogramme/
Herstellung und
zur Kundeninteraktion Customization gemeinsames Database Marketing Distribution
Point-of-Sales-Aktivitäten
Institutionelle Kanäle:
Kiosk-Terminals
Internet-Plattform Point-of-Sale und
Personal
Persönlicher Kundenkontakt
für die Online-Dienste eines E-Shops zu nutzen. Während der Händler sein Leistungsan-
gebot virtuell erweitert, seinen Kunden somit einen Mehrwert bietet und eventuell eine
Umsatzprovision erhält, dehnt der E-Shop-Betreiber sein Geschäftsmodell auf die Ebene
des Point-of-Sale aus. Die Verwendung von Terminals ist dabei keineswegs auf Händler
begrenzt. So könnten Hotelgäste in Zukunft bspw. über ein Terminal ein- und auschecken
und sich gleichzeitig über einen Reise-E-Shop um ihre Rückreise kümmern. Eine Zusam-
menarbeit am Point-of-Sale kann auch auf der Ebene des persönlichen Kundenkontakts
stattfinden. So können die Mitarbeiter des Partners den gemeinsamen Kunden in allen Pha-
sen des Kundenlebenszyklus betreuen. Diese Betreuung kann eine einfache Beratungsleis-
tung, aber auch eine direkte Distribution der virtuellen Produkte des E-Shops beinhalten.
Besondere Potenziale bieten institutionelle Kanäle auch in der Nachverkaufsphase. So kann
ein Internet-Händler über die Geschäftsstelle des Partners eine Umtauschmöglichkeit sowie
Reparatur-/Wartungsdienste für zuvor online erworbene Produkte anbieten.
Welche Instrumente und Methoden stehen für das Online-Marketing zur Kundenge-
winnung für E-Shops zur Verfügung?
Welche Instrumente und Methoden stehen dem E-Shop-Betreiber aufgrund der gesam-
melten Informationen für die Kundenbindung zur Verfügung?
Wie kann der E-Shop-Betreiber dabei insbesondere die Zufriedenheit und Loyalität
seiner Online-Käufer fördern?
Der Begriff Online-Marketing wird in der Regel für viele Bereiche netzbasierter Marke-
tingaktivitäten, meist aber weitgehend unreflektiert verwendet. Zur Erreichung eines an-
gemessenen Grundverständnisses ist es jedoch notwendig, den Begriff differenziert zu be-
trachten und die unterschiedlichen Definitionen zu erläutern. Dieses Vorgehen ermöglicht
die Betrachtung der Thematik aus unterschiedlichen Perspektiven. Als Ausgangspunkt
soll die in Kollmann (2013, S. 62) hergeleitete Definition herangezogen werden:
hern sich insbesondere durch die neu entstandenen Möglichkeiten der Virtualität, Multi-
medialität, Interaktivität und Individualität immer mehr an. Die zunehmende Konvergenz
bzw. Überlappung der Teilbereiche wird auch durch die synonyme Verwendung des Be-
griffs Online-Marketing unterstrichen. Einerseits wird der Begriff häufig mit reiner On-
line-Werbung im kommerziellen Kontext gleichgesetzt, wodurch das Online-Marketing
als Bezeichnung für eine spezielle Art der Kommunikation verwendet wird und sich daher
den kommunikationspolitischen Aspekt des Marketing-Mix beschränkt. Dieser Gebrauch
im engeren Sinne wird jedoch zunehmend von dem Gebrauch im weiteren Sinne abgelöst,
da das Verschwimmen der Grenzen zwischen den Teilbereichen nicht mehr nur die Be-
trachtung der Kommunikation zulässt, sondern vielmehr den gesamten Marketing-Mix
berücksichtigt. Daher muss das Online-Marketing immer im Zusammenhang mit allen
vier Elementen des Marketing-Mix analysiert werden, damit ein umfassendes und ubiqui-
täres Bild entsteht, das den tatsächlichen Gegebenheiten im Internet eher gerecht wird als
eine begrenzende Sichtweise der reinen Kommunikationspolitik (Kollmann 2013).
Rechnerleistung
Datentransfer
Online-Marketing
Vernetzung
Bei der Kundengewinnung drehen sich alle Maßnahmen um die Akquise von neuen Käu-
fern, die noch keinerlei oder nur wenig Kontakt und Informationen zu den angebotenen
Produkten und/oder zum Anbieter haben. Hierfür stehen eine ganze Reihe an Instrumenten
zur Verfügung, die im umgangssprachigen Gebrauch in der Regel mit dem Begriff „On-
line-Marketing“ gleichgesetzt werden, auch wenn sie sich eigentlich nur auf den Bereich
der Kommunikationspolitik beziehen. Grob lassen sich diese Instrumente in vier Berei-
che kategorisieren (Kollmann 2013, S. 183):
Suchmaschinen-Marketing
Display-Marketing
Community-Marketing
Direkt-Marketing
Leider sind diese Bereiche jedoch nicht immer trennscharf (z. B. das Platzieren eines Ban-
ners in einem sozialen Netzwerk), sodass im Folgenden besser direkt auf die einzelnen
Instrumente gesondert eingegangen wird. Ferner können die einzelnen Instrumente bzw.
Formen auch über die verschiedenen Plattformen der Digitalen Wirtschaft, also Internet,
Mobilfunk und Interaktives Fernsehen (ITV) angeboten werden, so dass sich die nachfol-
gende Darstellung (Kollmann 2013, S. 184) auf die grundsätzlichen Möglichkeiten kon-
zentrieren werden. Einen Überblick zu den einzelnen Instrumenten bietet Abb. 141.
Search-Engine-Marketing (SEM)
Affiliate-Marketing
Online-Marketing Banner-Marketing
E-Mail-Marketing/ (Kommunikationspolitik)
Newsletter-Marketing
Internet Mobile ITV Video-Marketing
Couponing-Marketing
Social-Media-Marketing (SMM)
3.4.1.1 Search-Engine-Marketing
Unter Search-Engine-Marketing (SEM) oder auch Search-Engine-Optimization (SEO)
versteht man in der Regel alle Maßnahmen, die für eine bessere Platzierung auf Ergebnis-
seiten der Suchmaschinen hilfreich sind (Lammenett 2017, S. 481). Hierzu zählen im Ein-
zelnen die Aufgaben einer Planung, Optimierung und Analyse des webseitenbezogenen
Contents für dessen verbesserte Erfassung durch die jeweilige Suchmaschine (Alpar/
Wojcik 2012, S. 389 ff.). Dabei stehen zwei Verbesserungsbereiche im Suchmaschinen-
Marketing zur Auswahl:
Abb. 142: Die Nutzung von Suchmaschinen zur Kundengewinnung bei einem E-Shop
Quelle: www.google.de, in Anlehnung an Brettel/Heinemann 2006.
Das Marketing beim elektronischen Verkauf 379
Abb. 142 veranschaulicht diese Bereiche mit Hilfe eines Screenshots von einer Suche in
der derzeit wichtigsten Suchmaschine im Internet google.de. Suchmaschinen können für
die Ergebnisse im organischen Bereich binnen kürzester Zeit große Mengen an Dokumen-
ten durchsuchen und diejenigen herausfiltern, die zu einem bestimmten Suchwort passen.
Dies wird durch den Einsatz sog. Crawler ermöglicht, die große Teile des Internets erfas-
sen und die in den Dokumenten enthaltenen Wörter indexieren (Neuberger 2005). Der
Stellenwert dieser Art von Online-Marketing wird durch die Tatsache verdeutlicht, dass
ungefähr die Hälfte aller Kaufentscheidungen mit der Nutzung von Suchmaschinen be-
ginnen. Suchmaschinen werden somit zum ersten Anlaufpunkt für viele Kunden. Das
Suchmaschinen-Marketing wird daher auch oft als „Motor der Online-Werbung“ bezeich-
net (Breunig 2004). E-Shops sollten diese Möglichkeit nutzen, um interessierte Kunden
auf die eigene Webseite zu locken, um dadurch das Absatzvolumen und damit das Um-
satzvolumen zu erhöhen.
Wichtigstes Entscheidungskriterium bei den Kunden ist die Platzierung in der Ergeb-
nisliste. In der Regel wird den ersten drei Ergebnissen volle Aufmerksamkeit geschenkt,
weiter unten platzierte Ergebnisse verlieren hingegen an Bedeutung und werden oftmals
nicht angeklickt. Um das Potenzial des Suchmaschinen-Marketings effizient zu nutzen,
sollten sämtliche Bemühungen darauf verwendet werden, den Link zur eigenen Webseite
so weit wie möglich oben zu platzieren und z. B. bei der Suche nach bestimmten Key-
words als erstes aufzutauchen. Dies ist die Aufgabe der Search-Engine-Optimization
(SEO). Die SEO dient dazu, dass Werbetreibende ihren Internetauftritt hinsichtlich rele-
vanter Suchbegriffe für Suchmaschinen so optimieren, dass ihre Platzierung in der orga-
nischen Ergebnisliste verbessert wird. Dabei ist das Zusammenspiel zwischen kundenre-
levanten Suchbegriffen und dem darauf abgestimmten Content der eigenen Webseite
ebenso von entscheidender Bedeutung, wie die externe Verlinkung von anderen Websei-
ten auf den entsprechenden Content als Qualitätsmerkmal für die Relevanzerkennung
durch Dritte. Beides wird durch google.de gemessen und bestimmt das Ranking im orga-
nischen Bereich. Im Hinblick auf die mögliche Optimierung unterscheidet man entspre-
chend auch in On-Page-Optimierung (Gestaltung des eigenen Contents) und Off-Page-
Optimierung (Suchbegriff-relevante Links auf den eigenen Content).
Je nachdem, wie konkret der potenzielle Kunde weiß, wonach er suchen möchte, gibt er
mehr oder weniger konkret seine Stichworte in der Suchanfrage ein. Hat der potenzielle
Kunde nur vage Vorstellung von seiner Produktsuche (z. B. USA-Reise), kann die Suche
u. U. in einer Vielzahl von Shop-Vorschlägen enden. Hat er schon genaue Vorstellung, so
kann er detaillierte und konkrete Angaben machen (z. B. New York, 4-Sterne-Hotel,
Christmas-Shopping) und landet meist deutlich schneller bei einem passenden Angebot.
Berücksichtigt man also, dass der eigene E-Shop einerseits bei sehr allgemeinen Suchan-
fragen, aber auch bei sehr konkreten Anfragen gefunden werden muss, um eine erfolgs-
versprechende Kundengewinnung zu unterstützen, kann der Unternehmer das Registrie-
rungspotenzial seiner Webseite hinsichtlich der passiven Kundengewinnung auf drei Ar-
ten anheben (Brettel/Heinemann 2006; Düweke/Rabsch 2012, S. 491 ff.):
380 Die Grundlagen des E-Shop
Externe Validierung (Off-Page): Die Möglichkeit, den eigenen Content mit Page-
Rank starken Webseiten zu verlinken, kann das eigene Ergebnis bei einer Suchanfrage
erhöhen. Auch die Verlinkung zu themenrelevanten Inhalten erhöht die Chance, über
andere Webseiten gefunden zu werden. Dieser Bereich hat durch Verlinkungen aus
traffic-relevanten sozialen Netzwerken wie Facebook massiv zugenommen.
Im Hinblick auf die konkreten Einflussfaktoren für den SEO-Bereich bietet das Unter-
nehmen moz.com einen hilfreichen Überblick (s. Abb. 143). Auf den ersten beiden Plätzen
stehen die Verlinkungsmetriken für die gesamte Webseite und für eine einzelne Seite. Dies
unterstreicht die Bedeutung von Verlinkungen im Allgemeinen für ein gutes Ranking im
organischen Ergebnisbereich von Suchmaschinen. Ein weiteres wichtiges Element ist die
richtige Keyword-Nutzung auf Seiten- und Domain-Ebene (Düweke/Rabsch 2012, S.
493). Es gibt in diesem Bereich einige Anbieter von sog. SEO-Software (z. B. seran
king.com), die einem eine umfangreiche Analyse der Sichtbarkeit der eigenen Webseite
bei Suchmaschinen wie bspw. google.de tagesaktuell ermöglichen und so Potenziale er-
kennen lassen, um ihr Ranking nachhaltig zu verbessern.
Neben dem organischen Bereich können aber auch Maßnahmen im nicht-organischen und
damit bezahltem Ergebnisbereich durchgeführt werden, um die eigene Sichtbarkeit zu er-
höhen. In diesem Fall spricht man vom sog. Search-Engine-Advertising (SEA) oder auch
Keyword Advertising. SEA ermöglicht es dem Werbetreibenden, durch bezahltes
Keyword Advertising sich so weit wie möglich oben innerhalb der bezahlten Suchergeb-
nisse zu platzieren (s. Abb. 142). Zu den Vorteilen dieser Variante zählen laut Keßler/
Rabsch/Mandić (2015, S. 346 ff.) u. a. der günstige Preis im Vergleich zu klassischen
Medien, die Reichweite insbesondere von google.de bei der Produktsuche durch die Inter-
netnutzer, die Schnelligkeit der Buchung von Werbeplätzen, die Flexibilität im Hinblick
auf die Anpassung der Keywords sowie die Messbarkeit durch die Registrierung von
Klicks auf das Werbemittel. Zu den Nachteilen zählen die gleichen Autoren insbesondere
die Auswahl der passenden Keywords und die notwendige Kenntnis über die genauen
Suchmechanismen bei der ausgewählten Zielgruppe.
Das Marketing beim elektronischen Verkauf 381
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Grundsätzlich muss der Werbetreibende vor diesem Hintergrund zunächst passende Such-
begriffe (Keywords) identifizieren, die je nach Suchhäufigkeit und Relevanz zur Erstel-
lung einer „Keyword-Hierarchie“ genutzt werden. Im Anschluss können bei einer Such-
maschine wie z. B. bei google.de die vielversprechendsten Suchbegriffe gebucht werden
(Google AdWords), sodass bei deren Eingabe die eigene Anzeige sicher als „Werbung“
auf der ersten Seite erscheint (s. Abb. 142). Bei einigen Suchmaschinenanbietern muss
zunächst eine Aktivierungsgebühr entrichtet werden, damit die Anzeige überhaupt gezeigt
wird. Hinzu kommt oftmals noch eine Zusatzgebühr, die pro Klick gezahlt wird (Cost per
Click). Je öfter die Anzeige angeklickt wird, desto mehr muss für die Schaltung der An-
zeige gezahlt werden. Um unkontrollierte Ausgaben zu vermeiden, wird in der Regel ein
maximales Budget für die Anzeige veranschlagt, das z. B. innerhalb eines Monats nicht
überschritten werden darf. So wird der sog. Click Fraud zwar nicht vermieden, aber die
Kosten bleiben kalkulierbar. Als Click Fraud werden die Versuche der Konkurrenz be-
zeichnet, durch Anklicken der Anzeigen die Kosten für die Anzeigenschaltung in die Höhe
zu treiben und der Konkurrenz damit zu schaden. Die Click-Preise sind jedoch nicht im-
mer festgelegt. Daher findet in vielen Fällen eine „Versteigerung“ der Platzierungen statt,
bei der diejenigen Begriffe am höchsten platziert werden, für die E-Shops am meisten für
einen Click bezahlen wollen. Durch keyword- bzw. anzeigenspezifische Tracking Tools
382 Die Grundlagen des E-Shop
(sog. Webanalytics-Software) kann dann der Erfolg der Anzeige bei den gebuchten
Keywords kontinuierlich optimiert werden und z. B. durch Erhöhung der Click-Preise das
Ergebnis verbessern.
Ein ernstzunehmendes Problem beim Search-Engine-Marketing (SEM) im Allgemei-
nen ist die Tatsache, dass die Sucher in der Regel wirklich nur die ersten Ergebnisse an-
klicken und bei einer nicht zufriedenstellenden Suche, die Suche von Neuen beginnen und
eventuell andere Keywords eingeben. Somit ist der wirtschaftliche Nutzen dieser Art des
Marketings nur dann gegeben, wenn eine angemessene Platzierung stattfindet. Je mehr
Konkurrenz um einen bestimmten Suchbegriff herrscht (z. B. bei Begriffen wie „Fernse-
her“), desto schwieriger wird eine Platzierung im oberen Segment der Ergebnisse und
desto mehr muss der Werbetreibende dafür aufwenden, hier überhaupt eine realistische
Chance auf eine gute Platzierung zu haben. Daher wurde der Ruf nach Suchmaschinen-
Optimierung in der letzten Zeit immer lauter, da schon kleine Fehler eine schlechte Posi-
tionierung begründen können. Gleichermaßen hat sich aber der Konkurrenzkampf um gute
Platzierungen so verschärft, dass immer neue und unlautere Mittel (z. B. Index-Spam-
ming) gefunden werden, dieser Problematik entgegen zu treten (Lammenett 2017, S. 192).
Schon mit einfachen Mitteln können die Ergebnisse der Suchmaschinen manipuliert wer-
den. Das Spamming z. B. ist relativ simpel anzuwenden und wird daher von vielen „Laien“
genutzt, um das eigene Ranking zu verbessern. Dies geschieht durch die falsche Charak-
terisierung von Seiten in den MetaTags, z. B. durch die Verwendung von häufig gesuchten
Suchworten, die aber nichts mit dem tatsächlichen Content der Seite zu tun haben. Zusätz-
lich besteht die Möglichkeit, Seiten auch mehrfach bei einer Suchmaschine anzumelden
oder ganz bestimmte und viel verwendete Suchbegriffe immer wieder so in den Seitenin-
halt einzubauen, dass dadurch das Suchergebnis verbessert wird. Teilweise werden auch
externe Verlinkungen gekauft.
Ein weiterer Aspekt bei der Verwendung des Suchmaschinen-Marketings sind allgemeine
Qualitätsmerkmale der Suchmaschinen. Nicht nur die Relevanz der Treffer spricht für
die Qualität der Suchmaschine, sondern auch die Vollständigkeit der Ergebnisse (Grad der
Erfassung der Dokumente im Internet). Manche Bereiche sind im Internet nur schwer er-
fassbar und werden durch die Kapazitätsbegrenzung der Crawler oftmals vernachlässigt.
Darunter fallen insbesondere dynamisch generierte Seiten, Seiten mit Multimedia-Ange-
boten oder registrierungspflichtige Seiten (Neuberger 2005). Häufig werden auch Berei-
che vernachlässigt, die wenig populär sind und daher sehr selten nachgefragt werden. Da
aber auch solche Bereiche erfasst werden sollen, hat z. B. Google eine eigens für wissen-
schaftliche Artikel und Beiträge entwickelte Suchmaschine bereitgestellt (scholar.google
.de), die den Nutzern ermöglicht, gezielt nach diesen bisher unbeachteten Links zu suchen.
Außerdem werden neue Seiten meistens erst mit zeitlicher Verzögerung in die Indexierung
mit aufgenommen, wodurch manche Ergebnislisten diese neuen Seiten nicht anzeigen. Ein
weiteres Qualitätsmerkmal von Suchmaschinen ist zudem vor diesem Hintergrund die
schlichte, aber eindeutige Trennung von neutral generierten Trefferlisten und bezahlten
Ergebnissen (s. Abb. 142).
Das Marketing beim elektronischen Verkauf 383
Insgesamt betrachtet, sehen viele E-Shops die Vorteile der Nutzung von Suchmaschinen
also hauptsächlich in der Kundenakquise. Sie können aber auch als wertvolle Informati-
onsquelle für die Produktentwicklung dienen, da sie Aufschluss über Problem- bzw. Be-
dürfnishierarchien der potenziellen Kunden geben (Brettel/Heinemann 2006). Werden die
Informationen also systematisch und kontinuierlich ausgewertet, so kann die Neukunden-
gewinnung professionell optimiert und das Produktangebot ständig den sich verändernden
Bedürfnissen der Kunden angepasst werden.
Neben den traditionellen Suchmaschinen werden aber auch Produktsuchmaschinen von
den Kunden herangezogen. Produktsuchmaschinen können mit Hilfe intelligenter Soft-
wareagenten das gesamte Internet vollautomatisch z. B. nach Produktnamen, Preis, Farbe
etc. durchforsten. Teilweise erlauben die Suchdienste auch eine manuelle Eingabe von Pro-
duktinfos von Seiten des Händlers. Die Nutzung dieser Suchmaschinen war in der Vergan-
genheit in der Regel kostenlos und finanzierte sich durch die Einblendung von Werbung
und Anzeigen, mittlerweile existieren aber auch vermehrt kostenpflichtige Angebote
(z. B. bei Google Shopping). Potenziellen Kunden wird es mit Hilfe dieser Art von Such-
maschinen leicht gemacht, Produkte zu vergleichen. Insbesondere der Vergleich von Prei-
sen wird im Internet gerne genutzt, da sich die Käufer einerseits vor einem Produktkauf
vergewissern wollen, dass sie nicht zu viel bezahlen, auf der anderen Seite können sie
aber auch über direkte Links zu dem Shop mit dem günstigsten Angebot gelangen. Aus
diesem Grund haben sich auch viele spezielle Preissuchmaschinen etabliert, z. B. guens-
tiger.de, billiger.de oder check24.de, die sich teilweise sogar auf bestimmte Produkte kon-
zentrieren (z. B. verivox.de auf Tarife oder stromsparer.de auf Strom). Für eine optimale
Ausschöpfung der Funktionsfähigkeit solcher Produkt- und Preissuchmaschinen lohnt es
sich für Shopbetreiber, sich allgemeinen Standards, z. B. hinsichtlich der Produktbe-
schreibung (s. Kapitel 3.3.1.1), anzuschließen, da so das Heranziehen von Informationen
für die Suchmaschinen wesentlich erleichtert wird und das eigene Angebot in möglichst
vielen Ergebnislisten auftauchen kann. Über die herausragende Stellung von Such- und
Preissuchmaschinen hinaus hat der E-Shop-Betreiber aber auch noch weitere Möglichkei-
ten für die aktive Kundengewinnung. Dabei steht folgende Frage im Mittelpunkt: Was soll
wie und an wen mit welchen Methoden kommuniziert werden? Dazu helfen zunächst Er-
kenntnisse aus dem klassischen Online-Display-Bereich, um anschließend die Auswahl
der geeigneten Instrumente vorzunehmen.
3.4.1.2 Banner-Marketing
Das Banner-Marketing beschreibt eine Werbeform im Online-Marketing, die gezielte
Werbebotschaften auf unternehmensfremden Seiten platziert, um darüber Kunden auf die
eigene Seite zu lenken. Die Werbebotschaften sind hierbei immer in Form von sog. Ban-
nern erstellt. Oberstes Kriterium für die Wahl dieser Werbeform ist die Frage nach dem
richtigen Werbepartner, also der Seite, auf der das Banner geschaltet werden soll. Erst
wenn Partner mit z. B. themenrelevanten Seiten oder anderweitig passenden Seiten aus-
gewählt werden, steigt die Effizienz dieser Werbeform. Beispielsweise wäre die Schaltung
384 Die Grundlagen des E-Shop
eines Banners für einen E-Shop, das Babykleidung verkauft, auf der Webseite der Zeit-
schrift „Eltern“ wesentlich erfolgsversprechender als wenn das Banner auf einer Commu-
nity-Plattform für Heavy-Metall Fans platziert wird. Der Bezug zum beworbenen Produkt
oder dem angebotenen Service sollte in der Regel klar erkenntlich sein oder zumindest für
den Besucher nachvollziehbar und nicht absurd erscheinen. Die Kosten für eine Banner-
schaltung hängen meistens von der Click-Through-Rate des Banners oder dem Tausen-
der-Kontaktpreis (TKP) ab. Bezahlt wird also pro Anklicken des Banners oder respektive
pro tausend Besucher der Webseite auf der das Banner geschaltet ist (egal ob diese das
Banner anklicken oder nicht). Ein weiteres Kriterium beim Banner-Marketing ist die Frage
nach der Funktionalität, dem Erscheinungsbild und der Größe des Banners (Lammenett
2017, S. 72 und S. 295). Die Größe des Banners ist oftmals individuell auswählbar und je
nach Partner unterschiedlich platzierbar. Es gibt jedoch sechs Bannergrößen, die von der
European Interactive Advertising Association (EIAA) als gängige Formate festgelegt wur-
den, um die anfallenden Kosten für die Medienerstellung, Verwaltung und Buchung von
Werbeplätzen vergleichbarer und transparenter zu machen. Diese Standardisierung er-
leichtert die Einbettung der Banner in das Seitenlayout der Werbepartner und ermöglicht
somit die seitenübergreifende Gestaltung von Werbemitteln für Werbetreibende. In Abb.
144 werden die gängigsten Formate abgebildet: Fullsize-Banner (468 x 60 Pixel), Rec-
tangle (180 x 150 Pixel), Medium Rectangle (300 x 250 Pixel), Skyscraper (120 x 600
Pixel), Wide Skyscraper (160 x 600 Pixel).
Fullsize-Banner ...............................................................
(468 x 60 Pixel) ......................................................................
......................................................................
......................................................................
...............................................................
............. ......................................................................
...................................................................... ......................................................................
...................................................................... ......................................................................
Sky- Wide Sky-
...................................................................... ......................................................................
scraper scraper
Medium Rectangle
...................................................................... ......................................................................
(120 x 600 (160 x 600
(300 x 250 Pixel)
...................................................................... ......................................................................
Pixel) Pixel)
...................................................................... ......................................................................
...................................................................... ......................................................................
...................................................................... ......................................................................
...................................................................... ......................................................................
Rectangle
............................................................... ...................................
(180 x 150 Pixel)
Statische Banner: Diese Banner werden in der Regel in den gängigen Grafikforma-
ten erstellt und verweisen durch eine Verlinkung auf eine andere Webseite (Hyper-
link). Die Aufmerksamkeit der User muss dabei lediglich durch ein statisches Bild
erwirkt werden, wodurch die Übermittlung der Werbebotschaft erschwert wird. Sta-
tische Banner werden in manchen Fällen auch als Fake-Banner eingesetzt.
Animierte Banner: Eine neuere Form der Bannerwerbung ist der Einsatz animierter
Banner, die durch die technologische Weiterentwicklung des Internets ermöglicht
wird und als Weiterführung der statischen Banner verstanden werden. Durch die Ani-
mation bestimmter Bilder oder Grafiken wird eine Bewegung vermittelt, die die Auf-
merksamkeit der User auf das Banner lenken soll. Normalerweise werden diese ani-
mierten Banner durch die Hinterlegung von Einzelbildern ermöglicht, die in Sequen-
zen hintereinander abgebildet werden. Auch wenn diese Banner zum „Eye-Catcher“
der Seite werden und kreatives Potenzial für die Vermittlung der Werbebotschaft bie-
ten, ist hier keine weitere Interaktivität außer dem Anklicken des Banners möglich.
Flying Banner: Flying Banner bewegen sich beim Neuaufbau einer Seite über den
gesamten Bildschirm, um dann an einem vordefinierten Platz zu verharren.
Scratch-Banner: Der Scratch-Banner wurde nach dem Vorbild des klassischen Rub-
belloses konzipiert. Dabei wird ein Teil des Bildes (Banners) verdeckt und muss vom
User durch das Bewegen der Maus freigerubbelt werden.
Rollout-Banner: Rollout-Banner rollen sich über den Content einer Seite aus, sind
aber im Gegensatz zum Curtain-Banner im Ad Frame (definierter Werbebereich im
Layout einer Seite) verankert und daher meistens deutlich als Werbung erkennbar.
Pop-Up-Banner: Dieses Banner kann in der Regel eine beliebige Größe haben und
technisch entweder statisch, animiert oder interaktiv sein. Wichtigstes Merkmal die-
ses Banners ist das Öffnen eines neuen Browserfensters. Pop-Ups überlappen die
Hauptseite mit einem neuen Fenster, dass ausschließlich Werbung enthält. Durch die
Entwicklung sog. Pop-Up-Blocker ist diese Werbeform bei E-Shops jedoch nicht
mehr so beliebt.
nicht vor, sondern hinter die Hauptseite legt (meist unbemerkt) und dann erst beim
Schließen der Hauptseite bemerkt wird.
Sticky Ads: Sticky Ads bezeichnen Anzeigen, die sich beim Scrollen nicht mitbewe-
gen und daher immer an derselben Stelle im Sichtfenster bleiben. Die Anzeige ist also
quasi der Hauptseite vorgelagert und kann daher wichtige Content Bereich überde-
cken. Daher werden diese Banner vom User oft als sehr störend empfunden und meis-
tens direkt geschlossen.
Interstitials: Interstitials sind Werbeanzeigen, die beim Wechseln einer Seite zwi-
schengeschaltet werden, um die Wartezeit beim Aufbau der neuen Seite dazu zu nut-
zen, die Aufmerksamkeit des Users zu erreichen. Dabei kann der Wechsel zwischen
den seiten auch bewusst verzögert werden, um diese Werbeform möglich zu machen.
Explizite Werbewirkung
Kontakt Mediatoren
Kurzzeitgedächtnis Awareness
Involvement
Display- Aufmerksamkeit Kaufent-
Preis
Werbung scheidung
Relevanz
Langzeitgedächtnis Image
Integration Verhalten
Implizite Werbewirkung
Eine große Diskussion im Zuge der Banner-Schaltung ist die Frage, ob und inwieweit nur
die reine Einblendung (implizite Wirkung für spätere Kaufentscheidung) oder der tatsäch-
liche Klick (explizite Wirkung für direkten Werbeerfolg) auf den Banner entscheidend für
den Werbeerfolg ist. Laut dem OVK Online-Report 2011/01 des Bundesverbands Digi-
tale Wirtschaft e.V. (2011, S. 23) wurde „die explizite, also die unmittelbare und bewusste
Wirkung von Displaywerbung im Internet bereits in verschiedenen Studien nachgewiesen
und ist mittlerweile standardbestandteil jeder Mediastrategie“. Aber auch die implizite
Wirkung wurde in der hier zitierten OVK Werbewirkungsstudie 2010 belegt (s. Abb. 145).
388 Die Grundlagen des E-Shop
Letztendlich wird der Werbetreibende vor diesem Hintergrund selbst entscheiden müssen,
wie er wo und mit welchem Abrechnungssystem er die Werbe-Banner einsetzen möchte.
Eine weitere große Thematik in diesem Zusammenhang ist das zunehmende Aufkommen
von sog. Adblockern. Diese „blockieren“ die Anzeige jeglicher Banner auf einer Web-
seite zum Vorteil der Nutzer und zum Nachteil der werbetreibenden Unternehmen. Hin-
tergrund ist die steigende Anzahl von Banner-Schaltungen im Internet, welche beim Kun-
den eine Reizüberflutung auslösen können (OVK-Report für digitale Werbung 2018/02,
S. 7). Dadurch ist dem Nutzer teilweise nicht mehr möglich sich auf die eigentlichen In-
halte der Webseite zu konzentrieren. Unternehmen müssen sich daher überlegen, in wel-
chem Ausmaß Banner-Werbung eingesetzt werden soll (Furth 2018).
3.4.1.3 Video-Marketing
Video-Marketing setzt insbesondere am Baustein „Multimedia“ an und repräsentiert die
Darstellung von Videobotschaften auf der eigenen Webseite oder anderen Internetpräsen-
zen (Keßler/Rabsch/Mandić 2015, S. 812). Das Präsentationsformat wurde in den letzten
Jahren vorrangig durch den Anstieg von Breitbandverbindungen begünstigt (Alpar/
Wojcik 2012, S. 298). Erst dadurch wurden die Ladezeiten so weit reduziert, dass eine
komfortable Nutzung dieses Marketingformates erst möglich wurde. Im Hinblick auf die
verschiedenen Nutzungsformen kann neben der Grundeinteilung in Produktvideos (PV)
und Unternehmensvideos (UV) auch noch zwischen folgenden (Teil-)Formaten unter-
schieden werden (Keßler/Rabsch/Mandić 2015, S. 817 f.):
Um auch nicht bewegten Bildern den Zugang zum Videoformat zu ermöglichen, besteht
auch die Möglichkeit, dass Fotos zu Videos konvertiert werden. Anbieter wie mynd.com
bieten hierfür die entsprechenden Tools im Netz an. Im Hinblick auf die Verwendung der
Videos bieten sich eine ganze Menge an Kanälen an, die sich neben der eigenen Webseite
auf die zahlreichen Videoportale wie youtube.de beziehen. Auch in soziale Netzwerke wie
facebook.com können Videos direkt hochgeladen werden. Ziel des Einsatzes eines Video-
Marketings ist die generelle Schaffung von Aufmerksamkeit, Emotionalität und Reich-
weite. Dafür sollte neben einem interessanten Inhalt, der passenden Dauer, der optimalen
technischen Wiedergabe mit passender Tonqualität auch auf den abschließenden Call-to-
Action geachtet werden, bei dem der Betrachter zu einer Handlung aufgerufen wird (z. B.
das Aufrufen einer Webseite über die Einblendung einer URL; Keßler/Rabsch/Mandić
2015, S. 518).
Abb. 146: Das Beispiel eines Explainers auf der Webseite von Wimdu
Quelle: www.wimdu.de
390 Die Grundlagen des E-Shop
3.4.1.4 Social-Media-Marketing
Ein soziales Netzwerk (E-Community) oder auch Social Media Network genannt, steht
allgemein als Begriff für die organisierte Kommunikation innerhalb eines elektronischen
Kontaktnetzwerkes und damit für die Bereitstellung einer technischen Plattform für die
Zusammenkunft einer Gruppe von Individuen, die in einer bestimmten Beziehung zuei-
nander stehen bzw. zueinander stehen wollen (s. Kapitel 5). Diese Beziehung kann thema-
tisch durch die Kommunikationsinhalte, aber auch über den sozialen oder beruflichen Sta-
tus der Community-Teilnehmer bestimmt werden. Im Mittelpunkt stehen dabei jedoch im-
mer die soziale Interaktion und damit der Austausch selbst geschaffener entweder inhalt-
lich oder personenbezogener Informationen (sog. User-generated Content). Entspre-
chend weisen die Individuen gemeinsame Bindungen im Hinblick auf Interessen, Ziele
oder Aktivitäten auf und besuchen zumindest zeitweise einen gemeinsamen Ort (Mühlen-
beck/Skibicki 2008, S. 17).
Abb. 147: Das Beispiel einer Fanpage bei Facebook für Lufthansa
Quelle: www.facebook.com/lufthansa
Das Marketing beim elektronischen Verkauf 391
Im Fall der E-Community stellt dieser gemeinsame Ort eine elektronische Plattform, ins-
besondere im Internet, aber verstärkt auch im Mobilfunk-Bereich dar, über die die Indivi-
duen über einen längeren Zeitraum und wechselseitig miteinander kommunizieren (Tietz
2007, S. 20). Diese Kommunikation ist dabei insbesondere geprägt von dem asynchronen
und ortsunabhängigen Charakter des elektronischen Informationsaustausches (Mühlen-
beck/Skibicki 2008, S. 17). Die Möglichkeiten hinsichtlich der Form und des Inhalts der
Kommunikation sind dabei mehr oder weniger grenzenlos (Markus 2002, S. 26). Als
elektronisches Kontaktnetzwerk dient die E-Community ihren Mitgliedern insbesondere
in zweierlei Richtung: Zum einen soll der Informations- und Kommunikationsaustausch
zwischen bereits einander bekannten aber auch unbekannten Teilnehmern unterstützt wer-
den, zum anderen soll das entstehende Beziehungsgeflecht zwischen den Teilnehmern mit
Hilfe elektronischer Funktionen verwaltet und gepflegt werden können (s. Kapitel 5). Die
Unterstützung dieser beiden Aspekte durch die Plattform und dessen Betreiber(n), erfolgt
dabei im Normalfall auf der Grundlage gemeinsamer Regeln, Werte und Normen (Tietz
2007, S. 20), die in den Teilnahmebedingungen bestimmt werden. Zu den bekanntesten
Vertretern eines sozialen Netzwerkes zählen sicherlich facebook.com, youtube.com oder
twitter.com (Bernecker/Beilharz 2012, S. 22; Safko 2012). Das Social-Media-Marketing
(SMM) beschreibt entsprechend den Einsatz von Marketingaktivitäten in bzw. über sozi-
ale Netzwerke unter besonderer Berücksichtigung der interaktiven Kommunikation und
Weitergabe von Inhalten zwischen den einzelnen Mitgliedern der E-Community.
Durch die Nutzung von Angeboten aus dem Social-Media-Marketing, wie z. B. soziale
Netzwerke, Videoportale oder Communities für Marketingzwecke, ist es möglich, eine
große Zielgruppe anzusprechen. Die dabei stattfindende Interaktion namhafter Marken so-
wohl mit ihren Fans als auch mit ihren Kritikern in sozialen Medien wird mitunter auch
als Netzwerk- oder Mitmach-Marketing bezeichnet (Kilian 2011, S. 62). Der Energy-
Drink-Hersteller RedBull bringt es bei Facebook schon auf 48,9 Mio. Fans und gehört
neben Coca-Cola (108 Mio.), Dell (11,6 Mio.), Adidas (34,4 Mio.), BMW (20,2 Mio.) oder
Lufthansa (3,6 Mio.; s. Abb. 147) zu den Unternehmen, die sehr intensiv auf diese Form
des Online-Marketings setzen (Stand 07/2018). Sie zeigen damit dort Präsenz, wo sie Kun-
den besonders leicht an sich binden und kontinuierlich erreichen können, denn Internet-
nutzer verbringen bereits einen signifikanten Anteil ihrer gesamten Online-Zeit in sozialen
Netzwerken (Zarrella 2012, S. 5). So wird hier fleißig über das Produkt, die Firma, even-
tuell auch einzelnen Mitarbeiter, den Service und Kampagnen diskutiert. Die „Freunde
und Fans“ werden somit Teil der Unternehmenskommunikation mit einem direkten Feed-
back und einer direkten Einbindung (Kollmann/Tanasic 2012). Im Hinblick auf die ver-
schiedenen Möglichkeiten eines Einsatzes von Maßnahmen im Social-Media-Marke-
ting werden in der Literatur eine ganze Reihe an Instrumenten, Formen und Arten be-
schrieben (Bernecker/Beilharz 2012, S. 225 ff.; Keßler/Rabsch/Mandić 2015, S. 723 ff.;
Alpar/Wojcik 2012, S. 314 ff.; Kreutzer 2018, S. 374 ff.):
Hilfe (= einfacher Click auf Icon) der zugehörige Content vom Webseitennutzer di-
rekt in die sozialen Netzwerke übertragen werden kann. Dadurch, dass diese Weiter-
gabe durch den Webseitennutzer und damit einer unternehmensexternen Person er-
folgt und als persönliche Referenz im sozialen Netzwerk auftaucht, wird dort eine
höhere Glaubwürdigkeit erzeugt als über standardisierte (Online-)Werbemaßnahmen
des Unternehmens selbst.
Die typischen Vorteile, die mit dieser Form des Online-Marketing im Rahmen der Kom-
munikationspolitik verbunden werden, sind die höhere Kundennähe, die Schaffung einer
Vertrauensbasis über die direkte und interaktive Kommunikation (Borges 2009, S. 37;
Heymann-Reder 2011, S. 17; Kollmann/Stöckmann/Skowronek 2012), die Erweiterung
der Reichweite und die Nutzung von Weiterempfehlungsmechanismen seitens der Teil-
nehmer an sozialen Netzwerken. Vor diesem Hintergrund kann das Social-Media-Marke-
ting sowohl zur Kundenpflege als auch zur Neukundengewinnung eingesetzt werden, wo-
bei sich ein Erfolg oftmals jedoch erst längerfristig einstellt (Weinberg 2014, S. 11 f.). Um
die Vorteile, die Social Media für Unternehmen bietet, nutzen zu können, müssen Unter-
nehmen also nicht unbedingt eine eigene Community aufbauen, auf der die Kunden ihre
Konsumerlebnise teilen können, vielmehr rückt die Nutzung externer E-Communities, wie
Facebook, für Werbezwecke und Kundenakquisition zunehmend in den Fokus (Jodeleit
2013, S. 157; Heinemann 2012, S. 82). Dazu gehört nicht nur der eigene Auftritt in einem
sozialen Netzwerk, mit dem bspw. der Imageaufbau oder die Imagepflege gestärkt werden
kann, sondern insb. auch das „Social Targeting“ bzw. „Social Media Targeting “. Dabei
werden anhand von umfangreichen Informationen, wie persönlichen Interessen, bspw. er-
fasst anhand der „Facebook-Likes“, soziodemographischen Informationen, die dem Fa-
cebook-Profil (s. Kapitel 5.1.1.1) zu entnehmen sind (s. auch Online-Profiling, Kapitel
3.4.2.5), oder Standortinformationen, Zielgruppen für bestimmte Produkte identifiziert,
denen dann zielgerichtet Werbebotschaften angezeigt werden. Die E-Community face
book.com gilt beim Social Targeting als Vorreiter und zeigt Werbetreibenden bei der Ziel-
gruppenauswahl bspw. auch gleich die Größe der Zielgruppe an.
Nachteile bestehen insbesondere über den Aspekt eines Kontrollverlustes über die mög-
lichen negativen Kommentare und Dialoge und deren Weitergabe innerhalb der sozialen
Netzwerke. Entsprechend gilt es, einige typische Fehler beim Social-Media-Marketing
zu vermeiden (Keßler/Rabsch/Mandić 2015, S. 727):
394 Die Grundlagen des E-Shop
Unternehmen
Unternehmen
Informationen
Werbung
Gewinnspiele: Auch innerhalb der Digitalen Wirtschaft sind Gewinnspiele ein sehr
effektives Mittel, um Kunden auf Leistungsangebote aufmerksam zu machen. Ebenso
ist hier darauf zu achten, dass das Gewinnspiel und die E-Shop-Leistung in einem
thematischen Zusammenhang stehen, um die Teilnahme zu einem wirkungsvollen
Kontakt mit der eigenen Werbebotschaft auszubauen. Ähnlich wie bei den kostenlo-
sen Leistungen können die Gewinnspiele in Linklisten wie gewinnspiele.de eingetra-
gen werden.
Eine neuere Variante sind auch die Pinboards oder Posting-Plattformen wie z. B. pin
terest.com und andere, bei denen Fotos oder Nachrichten an ein virtuelles Informations-
brett geheftet werden, von wo aus Sie einfach innerhalb und außerhalb der Plattform wei-
tergepostet werden können. Die Aufgaben des Managements konzentrieren sich im Rah-
men des Viral-Marketings auf die Identifikation der passenden Webseiten, damit die Wer-
bebotschaft auch im richtigen Kontext verbreitet wird (Hünnekens 2010, S. 122). Insbe-
sondere bei Foren und Chats ist darauf zu achten, denn die Zuordnung eines falschen
Images ist nur schwer korrigierbar. Der Eintrag in Linklisten und Suchmaschinen ist als
ein andauernder Prozess zu verstehen, da die Lebenszyklen, speziell von Linklisten, sehr
unterschiedlich ausfallen können.
Ebenfalls dem Social-Media-Marketing inzwischen zugehörig wird beim sog. Guerilla-
Marketing bewusst versucht, mit besonders ungewöhnlichen und unerwarteten Werbe-
bzw. Aktionsinhalten die anderen Internet- oder Netzwerk-Teilnehmer dazu zu bringen,
sich mit einer Marke oder einem Produkt zu befassen. Ziel ist hier die außergewöhnliche
Aufmerksamkeit zu erzeugen und den zugehörigen Effekt ebenfalls bestmöglich viral im
Netz sich verbreiten zu lassen. Somit kann das Guerilla-Marketing auch als Steigerungs-
form des Viral-Marketings bezeichnet werden, um alle Möglichkeiten des Social-Media-
Marketings für sich zu nutzen. Eine der wesentlichen Gefahren bei dieser Form liegt im
Überziehen der Maßnahme über ein erträgliches Maß hinaus, sodass sich ein positiv ge-
wollter in einen negativen Werbeimpuls verwandelt. Im Hinblick auf verschiedene Unter-
formen finden sich in der Praxis auch Begriffe wie Low-Budget-Guerilla-Marketing, Gue-
Das Marketing beim elektronischen Verkauf 397
rilla Mobile, Sensation Marketing oder aber auch (Online-)Ambush- und (Online-)Ambi-
ent-Marketing (Alpar/Wojcik 2012, S. 237 ff.).
Viral- Marketing
Kostenlose Platzierung eines Hinweises auf das eigene Angebot,
Foren/Chats/Blogs aufgrund der Beantwortung eines anderen Eintrags/Kommentars
Da das SMM den Einsatz von Marketingaktivitäten in bzw. über soziale Netzwerke unter
besonderer Berücksichtigung der interaktiven Kommunikation und Weitergabe von Inhal-
ten zwischen den einzelnen Mitgliedern einer E-Community wie beispielsweise Insta-
gram, Facebook etc. beschreibt, wird auch das sog. „Influencer Marketing“ dem Social-
Media-Marketing beigeordnet. Hierbei beauftragt das Unternehmen individuelle Perso-
nen, sog. Influencer, die über ihre Social-Media-Kanäle (bspw. Instagram, Pinterest,
Twitter, YouTube, Facebook) Werbung schalten mit dem Ziel, die Bekanntheit für einen
E-Shop, eine Marke, ein bestimmtes Produkt oder einen Service zu steigern. Nach Jahnke
(2018, S. 4) wird ein Influencer darüber definiert, dass er als Multiplikator fungiert, der
andere Menschen durch sein Tun und Handeln auf Basis von bestimmten Werbebotschaf-
ten mittels verschiedener Kanäle beeinflussen kann. Dieser Zustand der „Strahlkraft der
Meinungsführer“ (Hedemann 2014) wird mitunter durch eine Studie des Bundesverbands
Digitale Wirtschaft (BVDW) und der INFLURY GmbH (2017) belegt. Indessen bestätigen
38 % der Online-User ab 14 Jahren, dass sie ein Produkt oder einen Service, online gese-
hen haben, indem es von einer Person online präsentiert wurde. Laut BVDW/INFLURY
(2017) liegt das Influencer Marketing somit in unmittelbarer Reichweite zur etablierten
Werbevideo-/Bannerwerbung (s. Kapitel 3.4.1.2 und Kapitel 3.4.1.3). Ferner bestätigt die
Studie, dass jeder sechste 14- bis 29-Jährige aller Online-User später ein Produkt kauft,
dass durch einen Influencer präsentiert wurde. Zudem werden Influencer mit 29 % nach
398 Die Grundlagen des E-Shop
Kundenbewertungen (48 %) und Freunden (63 %) als glaubwürdigste Quelle für Pro-
duktempfehlungen bezeichnet (BVDW/INFLURY 2017). Unter Einsatz von Influencer
Marketing verfolgt ein Unternehmen diverse Ziele (Lommatzsch 2018, S. 25):
(Direkte) Absatzsteigerung
Reichweitenerhöhung
Aufmerksamkeitssteigerung
Das Influencer Marketing basiert auf einem besonderen Vertrauensprinzip und führt auf-
grund dessen oftmals zur Erreichung der zuvor genannten Ziele. Influencer stehen in ei-
nem besonderen Vertrauensverhältnis zu ihren Followern. Über die jeweilige Plattform
stehen sie in einem täglichen Austausch mit ihrer Fangemeinde, besprechen tagesaktuelle
oder bestimmte Trendthemen, regen zum Meinungsaustausch und Meinungsfreiheit an,
bitten um Rat und Entscheidungshilfe und teilen ihre persönliche Einstellung mit der All-
gemeinheit (Hedemann 2014). Durch die Interaktion mit ihrer Zielgruppe bauen Influen-
cer ein gezieltes Vertrauensverhältnis auf (Hedemann 2014). Dieses Verhältnis zu der je-
weiligen Followerschaft steht oftmals in Abhängigkeit zur allgemeinen Reichweite. Nach
Hedemann (2014) werden hierbei fünf verschiedene Influencer-Typen unterschieden, die
gemeinsam den Influencer-Mix bilden:
Der Netzwerker (Social Butterfly): Dieser Influencer-Typ ist auf allen Plattformen
vernetzt, allseits bekannt und kennt ebenfalls jeden.
Der Entdecker (Trendsetter): Ist durch die stetige Suche nach neuen Trends und als
Early Adopter neuer Plattformen als Influencer-Typ gekennzeichnet.
Der Linkverteiler (Reporter): Dieser Typ ist unter Bloggern und Journalisten sehr
beliebt, da er sich vor allem mit der Verbreitung von Neuigkeiten beschäftigt.
Der Nutzer (Power User): Der Influencer-Typ ist auf allen Plattformen aktiv, hat je-
doch eine geringere Reichweite. Allerdings weiß er die Funktionen der jeweiligen
Plattformen gezielt einzusetzen.
Ferner erläutert Hedemann (2014), dass jeder Influencer-Typ für sich einen speziellen
Wert im Marketing besitzt. Demnach verfügen Influencer mit einer geringeren Reichweite
respektive Follower-Anzahl (< 1.000 Follower) über eine intensivere Beziehung zu ihren
Followern. Influencer mit einer geringeren Reichweite, jedoch einer homogenen Ziel-
gruppe, die vorwiegend aus Freunden, Familie und Bekannten besteht und meist durch ein
starkes Vertrauensverhältnis geprägt ist, werden Micro-Influencer genannt (Wroblewski
2017, s. Abb. 151). Ausgezeichnet durch eine hohe Themenaffinität und eine starke Bin-
dung zu seiner, wenn auch begrenzten Followerschaft, wird dieser Influencer-Typ gerne
von Unternehmen genutzt, da diese Influencer einen großen Einfluss ausüben und gezielt
Kaufimpulse setzen können (Lopez 2017). Diese Influencer zeichnen sich dadurch aus,
dass sie bestimmte Marken und Produkte glaubwürdig in ihr alltägliches Leben integrie-
ren. Nach einer Studie von Markerly.com über das Instagram-Engagement, sinken Likes
und Kommentare mit steigender Follower-Anzahl (s. Abb. 150):
Influencer mit 10.000 – 100.000 Follower haben Like-Raten von ca. 2,4 %
Influencer mit < 1.000 Follower haben eine Kommentar-Rate von ca. 0,5 %
Influencer mit > 10 Mio. Follower haben eine Kommentar-Rate von ca. 0,04 %
Im Vergleich dazu, werden Influencer mit einer höheren Follower-Anzahl (> 100.000
Follower) als Macro-Influencer definiert. Bei diesem Influencer-Typ besteht ein gerin-
geres Beziehungsgeflecht zu der Followerschaft (s. Abb. 151). Ab einer gewissen Reich-
weite gelingt dem Influencer die Pflege zu seinen Followern nur noch bedingt. Diese In-
fluencer sind dafür bekannt, bestimmte Trends zu setzen oder wieder aufleben zu lassen.
Beispielhaft angeführt werden, kann hier der Markenauftritt der Modemarke Dior auf In-
stagram am 19.07.2018. Unter Chef-Designer John Galliano wurde die Dior-Tasche „Dior
Saddle Bag“ im Jahr 1999 entworfen und ist in den Jahren 2000 bis 2011 zum Kult-Objekt
avanciert. Mit Verlassen des Chef-Designers wurde auch die Produktion der Tasche ein-
gestellt. Unter der neuen Dior-Chef-Designerin Maria Grazia Chiura wurde die Tasche
erneut wiederbelebt und durch eine umfassende Influencer-Marketing Kampagne be-
gleitet. An dem genannten Datum haben viele der Top-Influencer, teilweise mit einer sehr
hohen Followerschaft, ein Bild auf Instagram mit der Tasche gepostet (s. Abb. 152). Die
Tasche kann seit Juli 2018 im E-Shop von Dior käuflich erworben werden (Käfferlein
2018).
Zur Auswahl der richtigen Influencer können Unternehmen meist diverse Tools wie bei-
spielsweise Traackr (traackr.com), Little Bird (getlittlebird.com), Scribble (scribble-
live.com), Crowdtap (corp.crowdtap.com), Tapinfluence (tapinfluence.com), Neoreach
(neoreach.com), Hashtracking (hashtracking.com), Tweetreach (tweetreach.com) oder
Das Marketing beim elektronischen Verkauf 401
In den letzten Jahren sind zudem immer mehr Agenturen gegründet worden, die als Platt-
formen für Influencer und Werbetreibende gelten. Nirschl/Steinberg (2018) verdeutlichen
hierbei jedoch die Unterschiede zwischen den Plattform-Modellen: zum einen gibt es die
Möglichkeit, dass Unternehmen ihre geplanten Kampagnen ausschreiben und die In-
fluencer sich etwaige bewerben respektive dann mit dem Unternehmen jeweils in Kontakt
treten. Zum anderen gibt es jedoch auch Plattformen auf denen die jeweiligen Influencer
ihre möglichen Ideen ausschreiben und Unternehmen sich auf Basis dessen melden kön-
nen, mit dem Ziel einer Kooperation. Beispielhafte Influencer-Marketing Plattformen
sind u.a. Buzzbird (buzzbird.de), Collabary (Zalando; collabary.com), Hashtaglove (hash-
taglove.de) oder inSocial Media (insocial-media.de) (Nirschl/Steinberg 2018).
Neben der Auswahl der richtigen Influencer spielt auch deren Erfolgsmessung eine wich-
tige Rolle. Kamps/Schetter (2018, S. 144-147) definieren verschiedene Key-Perfor-
mance-Indicators, die im Bereich des Influencer-Marketings zum Einsatz kommen:
ሺ ሻ
ൌ ͲͲͳ כ
Interaktionsrate Facebook („Engagement-Rate“): Die Interaktionsrate umfasst die
Likes, Kommentare und Shares im Verhältnis zur Reichweite des Posts. Dabei gilt,
dass die Post-Reichweite meist unter der Fan-Anzahl liegt.
ሺ ሻ
ൌ ͲͲͳ כ
Follower, Fans und Abonnenten (Instagram, Twitter, Facebook, YouTube, Snap-
chat): Die Anzahl der jeweiligen Follower, Fans oder Abonnenten beschreibt die je-
weilige Gesamtreichweite des Influencers.
Shares und Retweets (Facebook, Twitter): Facebook-Posts oder Tweets auf Twitter
lassen sich teilen. Hierdurch wird ebenfalls eine bestimmte Reichweite generiert.
Video-Views (YouTube): Die Aufrufe der durch das Unternehmen gesponserten Vi-
deos definieren die Reichweite.
Total Story Views/Total Story Completions (Snapchat): Ein total Story View wird
bereits ab einer Sekunde gezählt, wohingegen eine total Story Completion erst zählt,
wenn der Nutzer sich die gesamte Snapchat Story angesehen hat. Daher sind letztere
Kennzahlen für das Unternehmen entsprechend relevanter.
Website-Traffic: Der Influencer kann bei werblichen Posts auf Facebook oder in der
Videobeschreibung bei YouTube einen direkten Link zur Unternehmenswebseite plat-
zieren. Bei Instagram hingegen ist dies nur bedingt möglich. Über die Swipe-Up-
Funktion kann eine Verlinkung in eine Instagram-Story eingebaut werden. Bei einem
Instagram-Post funktioniert die Einblendung der Webseite nur mittels eines URL-
Shorteners (bspw. Bit.ly).
Einfluss auf den jeweiligen Erfolg des Influencer-Marketings nehmen auch die neuen
rechtlichen Rahmenbedingungen. Wenn auch eingangs der Vorteil des Influencer Marke-
tings in der erhöhten Glaubwürdigkeit der Beiträge Erwähnung fand, so kann dieser durch
eine werbliche Kennzeichnung und die neue Rechtsprechung getrübt sein und der ent-
sprechende Influencer an Glaubwürdigkeit verlieren. Der Influencer muss erwähnen, dass
er werblich handelt, sofern er vom Unternehmen für das Vorzeigen von Produkten oder
Marken bezahlt wird (Schwenke 2018). Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 des Rundfunkstaatsver-
trages (RStV) muss Werbung klar gekennzeichnet und in diesem Sinne klar von weiterem
Inhalt abgegrenzt sein (Fuchs/Hahn 2018, S.164). Desweiteren wird auch über § 2 Abs. 1
Nr. 5 des Telemediengesetzes (TMG) geregelt, dass es sich um kommerzielle Kommuni-
kation handelt, sofern Maßnahmen dazu dienen den Absatz zu fördern (Fuchs/Hahn 2018,
S.164). Influencer kommen dieser Werbekennzeichnungspflicht nach RStV und TMG
nach, sofern sie deutlich machen, dass es sich bei ihrem Beitrag (Video/Post o.Ä.) um
einen werblichen Beitrag handelt (Fuchs/Hahn 2018, S.165). Dabei empfiehlt sich den
Beitrag durch die Worte „Werbung“ oder „Anzeige“ zu ergänzen (Fuchs/Hahn 2018,
404 Die Grundlagen des E-Shop
S. 165). Auf eine gezielte Werbekennung kann nur dann verzichtet werden, sofern durch
Gestaltung und Inhalt eines entsprechenden Angebots wie beispielsweise der Post auf ei-
nem Instagram-Account oder einem Werbevideo auf einem YouTube-Kanal eines Unter-
nehmens direkt der werbliche Charakter erkennbar ist (Fuchs/Hahn 2018, S. 165). Fuchs/
Hahn (2018, S. 166 ff.) verweisen auf die Konkretisierung der Werbekennzeichnungen
durch die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) und erläutern hier di-
verse Beispiele, wann eine Kennzeichnungspflicht gegeben ist: Kauf des Produkts durch
den Influencer: Wenn der Influencer ein Produkt selbst käuflich erwirbt und über dieses
seine Meinung preisgibt, dann wird hierbei kein werbliches Interesse verfolgt. Demnach
bedarf es keiner Kennzeichnungspflicht.
Der Influencer bekommt eine monetäre Vergütung oder eine andere Gegenleistung
für die Darstellung des Produkts in einem Beitrag: Hierbei muss für den Zuschauer
analog zu den vorher genannten Begriffen entsprechend gekennzeichnet sein, dass es
sich um eine werbliche Kooperation handelt.
Die Setzung von Affiliate-Links durch den Influencer: Über Affiliate-Links (s. auch
Kapitel 3.4.1.5) können Influencer von einem bestimmten Beitrag direkt auf eine ge-
zielte Produktseite verlinken. Dabei erhalten die Influencer meist eine Provision so-
fern es durch ihre Linksetzung zu einem Produktkauf kommt. Bereits die Setzung des
Links bewirbt damit eine bestimmte Seite und ist demnach werblich zu kennzeichnen.
Fuchs/Hahn (2018, S. 168) schlagen die folgende Formulierung für die Werbekenn-
zeichnung vor: „Die mit * gekennzeichneten Links sind sogenannten Affiliate-Links,
die mit dem Partnerprogramm von … verknüpft sind. Kommt über einen solchen Link
ein Einkauf zustande, werde ich mit einer Provision beteiligt. Für Dich entstehen da-
bei keine Mehrkosten. Wo, wann und wie Du ein Produkt kaufst, bleibt natürlich Dir
überlassen.“
Das Marketing beim elektronischen Verkauf 405
Unterschiedliche Begriffe wie „#ad“, „#sponserd by“ oder „#powered by“ wurden in ver-
schiedenen Verfahren abgemahnt oder angeklagt. Mit einem Beschluss vom 08.06.2017
hat das Oberlandesgericht Celle (OLG Celle, Urt. V. 08.06.2017 – Az 13 U 53/17) zudem
entschieden, dass die Kennzeichnungen „#Werbung“ oder „#Anzeige“ an vorderer Stelle
innerhalb eines Beitrags zu erwähnen sind. Eine Erwähnung an zweiter Stelle von insge-
samt sechs Hashtags wurde durch das OLG vor diesem Hintergrund als unzulänglich de-
finiert (Fuchs/Hahn 2018, S. 168).
3.4.1.5 Affiliate-Marketing
Das Affiliate-Marketing basiert auf dem Prinzip der Kommunikations- und Vertriebs-
partnerschaft zwischen einzelnen Unternehmen. Dabei wird vereinbart, dass der Partner
(Affiliate) bestimmte Produkte oder Dienstleistung des Kooperationspartners (Merchant)
auf seiner Seite bewirbt und im Gegenzug für jede Transaktion, die durch seine Werbe-
maßnahmen erfolgreich generiert wird, eine vorher festgelegte Provision erhält (Lamme-
nett 2017, S. 43). Das primäre Ziel des Affiliate-Marketings für den Merchant liegt in der
Ausweitung seiner Online-Reichweite und der Online-Verkäufe und für den Affiliate in
der zusätzlichen Erzielung von Werbe- oder Provisionserlösen (Kreutzer 2018, S. 250 f.).
Die Vergütung des Affiliate ist dabei individuell zu entscheiden und muss nicht unbedingt
an der Durchführung einer erfolgreichen Transaktion gemessen werden. Das Hauptvergü-
tungsmodell bei dieser Art von strategischen Partnerschaften ist das Pay-for-Sale (s. Abb.
153). Dieses Modell beinhaltet die erfolgsabhängige Vergütung der erbrachten Leistung.
Bei einigen Partnerschaften wird auch ein Teil als Fixed Fee ausgehandelt, der sozusagen
als monatlicher Grundbetrag gesehen werden kann. Die endgültige Vergütung innerhalb
dieses Modells kann jedoch verschiedene Ausprägungen enthalten (Albers/Jochims 2003,
S. 26).
Insgesamt ist beim Affiliate-Marketing auf verschiedene Hauptmerkmale zu achten, wel-
che die Ausprägung und damit die Effizienz der Marketingaktivitäten beeinflussen. Dazu
gehören die bereits erwähnten (meist finanziellen) Anreize für den Affiliate, die Auswahl
des geeigneten Partners, die juristischen Vertragsbedingungen, die eingesetzten Werbe-
mittel, die Vermarktungsstrategie und ein geeignetes Tracking-Tool (Lammenett 2017,
S. 58 ff.). Bei der Auswahl eines geeigneten Partners zählen vor allem Kriterien, wie
eine hohe Besucherzahl (Traffic), die Möglichkeit einer geeigneten Zielgruppenansprache
und ein starkes Image des Partners. Bei vielen strategischen Partnern ist der Traffic weit-
aus höher als bei dem Anbieter selber, wodurch ein ungleiches Größenverhältnis entsteht.
Je stärker nun die Position des Vertriebspartners ist, desto mehr richtet sich die Gestaltung
des Kooperationsvertrages nach den Bedingungen des Partners. Die Individualisierung der
Verträge verringert jedoch den Grad der Standardisierung und erhöht damit den Aufwand
für die vertraglichen Vereinbarungen, in denen z. B. auch die Vergütung definiert und
festgehalten wird, sowie Laufzeit und Kündigung der Partnerschaft, Haftung und Daten-
schutz.
406 Die Grundlagen des E-Shop
Fixbetrag pro
Pay per View Einblendung von… Logo
Produktbild
Banner
Fixbetrag pro Firmen-/Produktname
Pay per Click User-Klick auf…
Umsatzabhängige Provision
Pay per Sale (z.B. Verkauf eines Produktes, Download, Reisebuchung)
Regelmäßiger Fixbetrag
Pay per Period (z.B. zur Abrechnung von festen Monatsgebühren)
Wichtig ist auch die Einbindung des Angebots auf der Seite des Partners. Hier bieten sich
integrative oder linkbasierte Lösungen an. Z. B. können die Produkte des E-Shops direkt
in den Online-Warenkorb (s. Kapitel 3.1.1.3) des Partners integriert werden, ohne dass der
Nutzer der Partnerseite die Webseite wechseln muss. Bei linkbasierten Lösungen geht
es vor allem um Contenteinbindung. Hier bringt der E-Shop-Betreiber Inhalte zu seinem
Angebot auf der Seite des Kooperationspartners ein und verlinkt darüber auf sein eigenes
Angebot. Das Hauptvergütungsmodell bei strategischen Partnerschaften ist das Pay-for-
Sale (s. Abb. 153). Dieses Modell beinhaltet die erfolgsabhängige Vergütung der erbrach-
ten Leistung. Bei einigen Partnerschaften wird auch ein Teil als Fixed Fee ausgehandelt,
der sozusagen als monatlicher Grundbetrag gesehen werden kann. Die endgültige Vergü-
tung innerhalb dieses Modells kann jedoch verschiedene Ausprägungen enthalten (Al-
bers/Jochims 2003).
Entscheidend ist dabei auch die Einbindung des Angebots auf der Seite des Partners und
die Auswahl der Werbemittel. Hier bieten sich integrative oder linkbasierte Lösungen an.
Zum Beispiel können die Produkte des E-Shops direkt in den Online-Warenkorb des Part-
ners integriert werden, ohne dass der Nutzer der Partnerseite die Webseite wechseln muss.
Bei der linkbasierten Lösung geht es vor allem um Contenteinbindung. Hier bringt der E-
Shop Inhalte zu seinem Angebot auf der Seite des Affiliates ein und verlinkt darüber auf
sein eigenes Angebot. Diese Links können entweder reine Text-Links sein oder aber auch
Banner, Buttons, Formulare usw., die dann beim Anklicken auf die eigene Webseite des
E-Shops verlinken. Da nicht alle Affiliate-Programme gleichermaßen erfolgreich und gut
Das Marketing beim elektronischen Verkauf 407
sind, lohnt es sich für E-Shops, eine klar definierte Vermarktungsstrategie auszuwählen,
die gezielt die Aktivitäten im Affiliate-Marketing steuert, unterstützt und kontrollieren
soll. Dazu gehört zunächst die Aufgabe, proaktiv nach geeigneten Partnern zu suchen, die
eher aufgrund ihrer qualitativen Eignung und nicht aus rein quantitativen Überlegungen
selektiert werden. Des Weiteren ist der regelmäßige Kontakt zum Partner durchaus sinn-
voll, besonders dann, wenn es sich um umsatzstarke Partner handelt, die auch für zukünf-
tige und eventuell auch anderweitige Partnerschaften erfolgversprechend sind.
Der letzte Aspekt im Affiliate-Marketing ist die technische Umsetzung, die die Identifi-
zierung und Zuordnung der Besucher und deren Transaktion zu einem bestimmten Partner
ermöglicht. Dieses „Tracking“ ist insbesondere dann wichtig, wenn ein E-Shop mit meh-
reren Affiliates kooperiert und unter Umständen sogar in einem Netzwerk tätig ist und
daher nicht unbedingt unterscheiden kann, von welchen Seiten die Besucher auf die eigene
Seite weitergeleitet worden sind. Es lassen sich verschiedene Tracking-Tools einsetzen,
die mit unterschiedlichen Methoden an das Besuchertracking herangehen (Lammenett
2017, S. 59 ff.; Woitke 2003, S. 310):
Webbugs: Neben Cookies können auch HTML-Wanzen für das Tracking eingesetzt
werden. Webbugs sind 1x1-Pixel große transparente Bildchen, die in den HTML-
408 Die Grundlagen des E-Shop
Code einer Webseite eingebettet werden. Für den Nutzer sind sie unsichtbar und wer-
den beim Betrachten einer Webseite oder Öffnen der E-Mail vom externen Server
geladen. Sie hinterlassenen in den Logs des Servers Spuren für eine Verfolgung des
Surfverhaltens.
Eine besonders in der letzten Zeit an Attraktivität gewinnende Form des Affiliate-Marke-
tings ist die Nutzung von sog. Affiliate-Netzwerkbetreibern, wie affilinet.de oder
zanox.de. Dabei wird gegeben der Größe und Reichweite der Netzwerke in der Praxis in
A- und B-Liga-Affiliate-Netzwerke, Nischennetzwerke und kurzfristige Affiliate Netz-
werke unterschieden (Alpar/Wojcik 2012, S. 194 ff.). Die Betreiber der Affiliate-Netzwer-
ke koordinieren und vermitteln zwischen Merchants und potenziellen Affiliate-Partnern.
Durch die Spezialisierung auf die Vermarktung von Partnerprogrammen, sind diese Be-
treiber in der Lage, nicht nur zu vermitteln, sondern auch Werbematerial bereit zu stellen,
vertragliche Modalitäten zu regeln, Statistiken zu erstellen oder Zahlungsabwicklungen zu
betreuen.
3.4.1.6 E-Mail-Marketing
Beim E-Mail-Marketing geht es darum, durch das Verschicken von E-Mails, z. B. in Form
von Newslettern oder ähnlichen Werbeformen an eine ausgewählte Zielgruppe, eine di-
rekte Form der Kundenansprache zu ermöglichen. Der Einsatz von E-Mail-Marketing
kann daher nicht nur für das erfolgreiche Anbahnen von Geschäftsbeziehungen eingesetzt
werden, sondern dient gleichzeitig auch der besonderen Pflege des bestehenden Kunden-
stamms. Für E-Shops ist dieses Marketinginstrument interessant, da es im Wesentlichen
auf dem Grundprinzip des Dialogmarketings aufbaut. Das heißt, dass die angesprochene
Zielgruppe direkt und persönlich angesprochen wird und zu einer Reaktion aufgefordert
wird. Dies passiert meistens mittels Anklicken eines Links in der E-Mail oder dem
Newsletter, der dann auf die Homepage des Werbetreibenden führt um dort z. B. ein spe-
zielles Angebot oder besondere Leistungen anzupreisen. Vor diesem Hintergrund können
folgende vier Ausprägungen im E-Mail-Marketing beobachtet werden (Kreutzer 2018,
S. 318 f.):
oder die Rechnung beziehen. Hiermit soll eine aktive Begleitung auch im Distanz-
handel simuliert werden, die Vertrauen und Involvement erzeugen soll.
Durch die Möglichkeit der direkten Ansprache zählt das E-Mail-Marketing zur klassi-
schen Form der Direktwerbung. Die Aufforderung zur Reaktion eröffnet dann den Dialog
zwischen Kunde und E-Shop, der im optimalen Fall zu einer langjährigen, intensiven Be-
ziehung zwischen beiden Partnern führen soll. Die Besonderheiten dieser Form der Kun-
dengewinnung und Kundenbindung sind zum einen die niedrigen Kosten, zum anderen
aber auch die hohe Response-Quote (Schwarz 2003, S. 69). Die Erstellung und Versen-
dung z. B. von Newslettern oder E-Mails ist im Vergleich zum traditionellen Postversand
wesentlich einfacher und kostengünstiger, da die einmal erstellten Inhalte beliebig oft wei-
terverschickt werden können und nur die Kosten für mögliche Softwarelizenzen oder Pro-
vidergebühren entrichtet werden müssen. Im Vergleich zu Postwurfsendungen ist auch die
Resonanz auf die Inhalte wesentlich größer, da der Kunden z. B. nicht zum Telefon greifen
oder eine Antwortpostkarte schicken muss. Er muss lediglich der Verlinkung auf die Web-
seite folgen, wodurch die Reaktionsmöglichkeit deutlich und ohne erheblichen Mehrauf-
wand vereinfacht wird.
Ein wesentlicher Aspekt, der den Erfolg dieses Marketinginstruments enorm beeinflusst,
ist die Tatsache, dass der Kunde dem E-Shop sein Einverständnis zum Erhalt regelmäßiger
Informationen und News per E-Mail geben muss (das sog. Opt-In-Gebot). Somit ist das
Verschicken des Newsletters oder einer personalisierten E-Mail aktiv vom Kunden ge-
wünscht und erfährt dadurch eine höhere Aufmerksamkeit, als andere Werbemittel. In der
Regel wird eine Personalisierung der E-Mail durch die einmalige Registrierung der Kun-
den auf der Webseite ermöglicht. In einigen Fällen kann er auch gezielt seine Interessen
und Informationsbedürfnisse äußern, damit die E-Mail an Relevanz gewinnt. Im Hinblick
auf diese Erlaubnis wird auch vom sog. Permission-Marketing gesprochen. Unter Per-
mission-Marketing versteht man im Allgemeinen die erlaubnisbasierte Versendung einer
Werbebotschaft (Lammenett 2017, S. 125). Dabei gibt ein Kunde einem E-Shop die Er-
laubnis (Permission), ihm bestimmte Werbebotschaften, z. B. eben in Form einer E-Mail
410 Die Grundlagen des E-Shop
zukommen zu lassen. Die Erlaubnis des Kunden wird dabei durch das sog. Opt-In gege-
ben. Durch das Single-Opt-In erhält der Interessent allein durch Eingabe der E-Mail-Ad-
resse regelmäßige Informationen. Wird die Anmeldung vom Anbieter noch einmal aus-
drücklich bestätigt, so nennt man dies Confirmed-Opt-In. Die intensivste Form der Er-
laubniserklärung findet beim sog. Double-Opt-In statt, da der Nutzer noch einmal die
Bestätigungsmail beantworten muss (s. Abb. 154).
Single-Opt-In
Confirmed-Opt-In
Double-Opt-In
Eine weitere Besonderheit dieses Marketing-Instruments ist die Kontrolle oder Messbar-
keit des Erfolges. Der Einsatz einer per E-Mail oder Newsletter verschickten Werbebot-
schaft lässt sich problemlos bis in alle Details nachverfolgen. So kann der E-Shop genau
sehen, wer die E-Mail gelesen und wer sie eventuell an Bekannte weitergeleitet hat. Zu-
dem ist es möglich, nachzuverfolgen, wer welchen Link angeklickt hat und für welche
Information oder Produkt sich der User interessiert. Somit können klare Aussagen über
Klickraten einzelner Produkte und die Effizienz der gesamten Werbemail-Aktion gemacht
werden. Die Vollautomatisierung der Datengenerierung erfordert kaum Mehraufwand bei
der Erstellung von Reportings und Berichten zu Analysezwecken. Die selbständige Pro-
tokollierung der Daten erlaubt neben der Auswertung des Gesamterfolges nach der Aktion
auch die Kontrolle und Auswertung der verschickten Mails (Anzahl versandter Mails,
Rückläufe, geöffnete Mails etc.) während der Aktion, da alle Daten in Echtzeit an den E-
Shop übertragen werden und diesem daher sofort zur Verfügung stehen.
Wichtig bei diesen andauernden ePermission-Marketing-Aktivitäten ist jedoch die Be-
rücksichtigung, dass Anreize unter Umständen auf Dauer ihren Reiz verlieren und das
Das Marketing beim elektronischen Verkauf 411
Interesse und die Aufmerksamkeit nach dem ersten Kontakt rapide abnehmen. Generell
werden folgende Instrumente des ePermission-Marketings eingesetzt:
RSS-Feeds: Unter RSS (Really Simple Syndication) versteht man ein Kommunika-
tionsprotokoll, das hauptsächlich auf XML basiert und es dem Nutzer ermöglicht, über
neue Inhalte auf bestimmten Webseiten informiert zu werden. Der Empfang eines RSS-
Feeds wird erst dann möglich, wenn der Nutzer einen sog. Feedreader (Leseprogramm)
installiert und anschließend die Adresse der XML-Datei in dieses Programm kopiert.
Danach erscheint eine Information im Feedreader, wenn neue Inhalte auf der Webseite
eingestellt werden. Diese Information wird meist in Form eines Kurztextes oder einer
Schlagzeile dargestellt, die direkt zu den Inhalten der Seite verlinkt ist. Viele dieser
412 Die Grundlagen des E-Shop
RSS-Feeds enthalten zwar kaum Werbung, werden aber falls doch, durch das eigene
Einverständnis nicht als störend empfunden. Diese Art von „Abonnement“ kann zu
jeder Zeit wieder gelöscht werden und stellt damit keinerlei Risiko für den Nutzer dar
(Wilkins 2006, S. 115). RSS-Feeds werden bisher jedoch noch sehr selten als eigen-
ständiges Werbeinstrument erkannt, sondern werden vermehrt nur als Online-Dienst
von Zeitungs- und Zeitschriftenanbietern angeboten. Sog. RSS-Verzeichnisse, wie
z. B. rss-verzeichnis.de, erfreuen sich immer größerer Beliebtheit, da dort gezielte
News-Feeds von sämtlichen Anbietern angeboten werden können, um bspw. News
über spezielle Produkte von bestimmten Anbietern zu bekommen (s. Abb. 155).
Formulare: Bestimmte Formulare, die auf einer Webseite angeboten werden, können
auch als Instrument des Permission-Marketings eingesetzt werden. So sind z. B. For-
mulare zur Anforderungen von Produktinformationen nichts weiter, als die bloße Zu-
stimmung zum Erhalt der Produktwerbung. Da jedoch ein gezieltes Interesse seitens
des Kunden besteht, wird dies nicht als Werbung, sondern eher als Informationsange-
bot wahrgenommen, das dabei weiterhelfen soll, Kaufentscheidungen zu treffen.
Je nach eingesetzter Software und Systemkapazitäten, können die Analyse der Werbeak-
tion und die Erfolgsmessung in unterschiedliche Detaillierungsgrade aufgesplittet werden.
Manche Systeme erlauben zudem die Aggregation der Daten auf verschiedene Weise. So
kann neben der Messung der „Cost per Interest“ (CPI) und der „Cost per Click“ (CPC)
z. B. auch direkt die Messung des „Return on Investment“ (ROI) erfolgen. Generell gibt
es drei Bereiche, die im Zusammenhang mit der Erfolgsmessung der Kampagnen für
das Marketing-Controlling wichtig sind (Schwarz 2003, S. 79):
Messung der An- und Abmeldungen: Alle Ab- und Anmeldungen des Newsletters
können in Echtzeit dokumentiert werden, damit der Adressdatenbestand immer nur
gültige Einträge enthält. Im zeitlichen Verlauf kann z. B. nachvollzogen werden, zu
welchen Zeiten am meisten Abonnenten den Newsletter erhalten haben und nach wel-
chen Aktionen sich viele wieder abgemeldet haben. Auch Thementrends können unter
Umständen durch das An- und Abmeldeverhalten der Abonnenten herauskristallisiert
werden.
Kunde welchen Link angeklickt hat und welches Produkt er gekauft oder für welches
Thema er sich interessiert hat. Werden die Analysen aufwendiger betrieben, lassen
sich z. B. auch bestimmte Nutzertypen erkennen, die bei anderen Kampagnen noch
gezielter und effizienter angesprochen werden können.
3.4.1.7 Couponing-Marketing
Das Couponing-Marketing setzt an der konkreten Maßnahme der Gewährung eines Ra-
battes an. Rabatte sind preisliche (z. B. 20 % auf Basispreis) oder produktorientierte (z. B.
kostenlose Beigabe eines weiteren Produktes; „Buy one, get one free“) Nachlässe bzw.
Zugaben zur Steigerung der Attraktivität eines Transaktionsangebotes. Im Hinblick auf
das Online-Marketing wird der Coupon in der Regel entweder direkt über eine E-Mail-
bzw. Newsletter-Versendung oder den Download über die eigene Webseite bzw. indirekt
über einzelne Affiliates oder Coupon-Netzwerke weitergegeben bzw. gewährt. Im Ergeb-
nis kommen hierbei zu meist kommunizierte elektronische Gutscheincodes zum Einsatz,
die nach entsprechender Eingabe während des Online-Transaktions- bzw. Bezahlprozes-
ses den Rabatt vom Verkaufspreis abziehen bzw. die Zugabe von Produkten ermöglichen.
Neben einer web-basierten Verbreitung wird das Couponing-Marketing insbesondere im
mobilen Bereich eingesetzt (Mobile Couponing, s. Kapitel 3.2.1.3), wobei dem Nutzer
von mobilen Endgeräten bspw. digitale Coupons direkt auf sein Mobilfunkgerät gesendet
werden (Seifert 2013, S. 227 f.).
Abb. 156: Portal für den Vertrieb von Coupons am Beispiel von DailyDeal
Quelle: www.dailydeal.de
414 Die Grundlagen des E-Shop
Das Thema „Rabatte“ hat innerhalb der elektronischen Netzwerke einen hohen Stellen-
wert bekommen. Hintergrund ist die Tatsache, dass aufgrund der Preistransparenz und der
zugehörigen Suchmechanismen nochmalige, in der Regel zeitraum- oder mengenbe-
grenzte Vergünstigungen mit Hilfe von Coupons besondere Aufmerksamkeit erzeugen.
Entsprechend haben sich spezielle Plattformen rund um den Vertrieb von Coupons gebil-
det, von denen groupon.de und dailydeal.de (s. Abb. 156) sicherlich mit die bekanntesten
sind. Daneben gibt es aber auch Plattformen, auf denen Coupons und/oder entsprechende
Preisrabatte vor diesem Hintergrund dauerhaft einem angeschlossenen Nutzerkreis offe-
riert werden.
Als Beispiel kann incent.de genannt werden, in dem bspw. Mitarbeiter von Unternehmen
in einem Rabatt-Netzwerk organisiert werden. Hier sind die Übergänge zu den sog. Shop-
ping-Clubs wie brands4friends.net allerdings schon als mehr oder weniger fließend zu
bezeichnen. Unabhängig vom Kommunikations- oder Vertriebskanal ist das primäre Ziel
des Couponing-Marketings aber immer die Schaffung einer erstmaligen Aufmerksamkeit
und Attraktivität im Sales-Prozess von bzw. für Neukunden. Die Überlegung dabei ist,
dass aufgrund des Rabattes der Erstkauf des Neukunden kaufmännisch wenig attraktiv ist,
jedoch diese Marge beim Folgekauf wieder steigt, sofern der Kunde auch gehalten werden
kann.
nagement. Der Vorteil der Profilierung liegt daher meist im langfristigen Nutzen der Daten
durch gezieltes One-to-One-Marketing und nicht in der Erreichung kurzfristiger Ver-
kaufsziele.
Marktforschung
Extern
Intern
Prozessdaten (Automatisierung)
3.4.2.1 Online-Marktforschung
Effizienz und Erfolg kundenorientierter Kommunikationsmaßnahmen werden maßgeblich
durch den Aufbau und Einsatz einer soliden Wissensbasis über den Kunden und seine
Bedürfnisse erreicht. Erst wenn durch professionelle Online-Marktforschung die syste-
matische Sammlung wertvoller Informationen ermöglicht wird, können die elektronischen
Daten der Käufer (die Nutzerspuren) dazu genutzt werden, personalisierte Produktange-
bote zu unterbreiten und aktiv bestimmte Produkte zu bewerben. Im Unterschied zu
Clickstream-Analysen oder Data-Mining-Verfahren, wird die Marktforschung eher für die
Erreichung strategischer Ziele eingesetzt, da es hier hauptsächlich darum geht, Wissen
über die Zielgruppe insgesamt und über die Branchen- bzw. Marktstruktur usw. zu erhal-
ten und nicht das Kaufverhalten einzelner Kunden zu analysieren (Jacob 2009, S. 32).
Somit werden in der Regel unternehmensexterne Information zur Beurteilung von Markt-
chancen oder zur Bewertung strategischer Wettbewerbsvorteile herangezogen.
416 Die Grundlagen des E-Shop
Generell unterscheidet man bei der Online-Marktforschung zwischen Primär- und Sekun-
därforschung. Die Primärforschung dient der Beantwortung spezifischer Fragestellun-
gen durch die Erhebung oder Sammlung von Daten, die dafür unmittelbar von Bedeutung
sind. Dies kann z. B. durch Befragungen, Beobachtungen oder Experimente erfolgen
(s. Abb. 158). Diese Methoden lassen sich alle mehr oder weniger einfach über das Inter-
net abwickeln. Online-Befragungen können z. B. per E-Mail oder in Newsgroups durch-
geführt werden. Die Beobachtung des Verhaltens von Internet-Nutzern wird dabei meis-
tens mit Hilfe von Logfile-Analysen, Cookies oder Clickstream-Analysen gemacht (Ster-
ne 2011, S. 151). Zur Durchführung von Experimenten im Internet werden Online-Con-
joint-Analysen, virtuelle Produkttests oder Testmärkte herangezogen, welche die Erreich-
barkeit vieler, eventuell geographisch weit entfernter, Versuchspersonen ermöglichen. Im
Gegensatz dazu gibt es aber auch sog. Online-Panels, bei denen eine genau ausgewählte
und gleichbleibende Gruppe von Internet-Nutzern regelmäßig befragt oder beobachtet
wird (Fritz 2004, S. 144 ff.).
Online-Marktforschung
Primärforschung Sekundärforschung
Online-
Online-Panel
Beobachtungen
Die Sekundärforschung baut im Gegensatz zur Primärforschung nicht auf der eigenen
Sammlung der spezifischen und relevanten Daten auf, sondern greift vielmehr auf bereits
vorhandene bzw. bestehende Daten zurück. Dabei handelt es sich z. B. um Datenbanken,
Suchmaschinen, Mailinglisten, Kataloge oder Informationsseiten, die dabei entweder von
kommerziellen oder nichtkommerziellen Anbietern zur Verfügung gestellt werden. Das
Das Marketing beim elektronischen Verkauf 417
Internet bietet daher eine große Menge an Datenquellen, die zur Beantwortung der voran-
gegangenen Fragestellung herangezogen werden können. Dazu müssen die relevanten Da-
ten ausgesucht und angefordert und eventuell bezahlt werden. Werden z. B. Studien von
unabhängigen Instituten angefordert, so sind diese meistens nur gegen Bezahlung erhält-
lich. Je professioneller, vertraulicher und gezielter die Daten sein sollen, desto teurer wird
auch der Einkauf dieser Informationen. Somit ist abzuwägen, inwiefern sich diese Daten
für den eigenen Zweck verwenden lassen und ob das Entgelt angemessen ist.
Zusätzlich zu diesen externen Informationsquellen muss auch die ständige Analyse der
eigenen Online-Datenbank erfolgen, da hierdurch nicht nur Erkenntnisse über bereits
vorhandene Kunden gewonnen werden können, sondern diese Erkenntnisse sich auch auf
Neukunden übertragen bzw. für deren Einwerbung genutzt werden können. Durch den
gesammelten Datenstamm kann der E-Shop somit gezielt Marktforschung betreiben und
z. B. die Kundenzufriedenheit überprüfen. Je spezifischer und umfassender die gesammel-
ten Daten sind, desto höher ist der Informationsgehalt, der als Grundlage jeglicher Markt-
forschungsaktivitäten dient. Um die Handhabung dieser Daten zu vereinfachen und eine
eindeutige Zuordnung zu garantieren, werden spezielle Kundendatenbanken eingesetzt,
die dann die Erstellung von Kundenprofilen ermöglichen. Hier werden z. B. Basisinfor-
mationen über den Kundenstatus (aktuelle, ehemalige, potenzielle Kunden, Adressen,
Interessen etc.) und Kundentypus (Alter, Geschlecht, Lebensstil und Kaufkraft) abgelegt.
Weiterhin werden Daten über die Kaufhistorie bzw. Kontakt- und Responsehistorie
gesammelt, welche die Basisinformationen mit Daten über das kundenspezifische Verhal-
ten anreichern sollen. Zur Kaufhistorie zählen z. B. die Anzahl der Bestellungen, gekaufte
Produkte, Umsätze, Zahlungsweisen und Retouren. Zur Responsehistorie zählt z. B. die
detaillierte Erfassung der bisherigen Kundenkontakte nach Kommunikationskanal, -inhalt
und -gegenstand (Link/Hildebrand 1993, S. 30ff.).
Die bereitgestellten Daten und die Auswertung des Such-, Nutzungs- und Kaufverhaltens
der Kunden ermöglichen eine ausführliche Profilerstellung und Kundensegmentierung,
die für individuelle Informations- und Leistungsangebote im Rahmen der Kundengewin-
nung und -bindung herangezogen werden können (One-to-One-Marketing). Die Möglich-
keit, sowohl für die Primär- als auch für die Sekundärforschung die benötigten Daten über
das Internet zu erheben bzw. die eigenen Datenbestände elektronisch auszuwerten, bietet
einige wesentliche Vorteile, welche die Online-Marktforschung besonders attraktiv er-
scheinen lässt (Fritz 2004, S. 140 ff.):
Größter Nachteil bei der Online-Marktforschung ist die fehlende Repräsentativität der
Stichproben. Aufgrund der Tatsache, dass die Befragten mit dem Internet umgehen und
Online-Fragebogen o. Ä. beantworten müssen, ist eine Extrapolation der Ergebnisse auf
die Gesamtbevölkerung nicht möglich, da die Meinung derer, die keinen Internetanschluss
besitzen oder das Internet nicht nutzen, nicht ausreichend berücksichtigt werden kann. Die
Stichproben unterliegen somit fast immer einer systematischen Messabweichung, wobei
dieser Nachteil durch die weitere Zunahme der Internetverbreitung mittelfristig reduziert
wird. Da Online-Marktforschung jedoch überwiegend für Fragen innerhalb des Mediums
gebraucht wird, ist dieser Nachteil in vielen Fällen nicht relevant und daher sicherlich zu
vernachlässigen.
(Mertens et al. 2017, S. 48 f.). Da jedoch die Daten, die in den verschiedenen Vertriebs-
prozessen (eSales, ePayment etc.) anfallen, oftmals in sehr unterschiedlichen Formaten
gespeichert werden, muss die entstandene heterogene Datenmenge zunächst homogeni-
siert werden. Das heißt, dass Daten, wie z. B. Kundendaten, Kaufhistorie, Beschwerden
etc. konsolidiert werden müssen, um sie dann mittels Data Warehouse-Technologien in
ein einheitliches Format zu transformieren, das die Weiterverarbeitung im Hinblick auf
den Gebrauch für Database-Marketing- oder Kundenbindungsaktivitäten zulässt. „Ein
Data Warehouse ist ein von operationalen Datenverarbeitungs-Systemen getrenntes Da-
tenbanksystem, in dem unternehmungsweit Informationen aus unterschiedlichen Sub-Sys-
temen gespeichert und user-orientiert verarbeitet werden“ (Werner 2017, S. 336 f.). Durch
die Operationalisierung eines Data Warehouse können entscheidungsrelevante Kunden-
daten durch die Anwendung verschiedener Analyseinstrumente (z. B. Data-Mining) auf-
bereitet und für den Zugriff verschiedener Nutzer optimiert werden. Zu den Komponen-
ten eines Data Warehouse sind zu zählen (Wannenwetsch/Nicolai 2004, S. 85): Daten-
bank (Datenbasis und Metadaten), Transformationsprogramme zur Übernahme interner
und externer Daten, Archivierungssysteme zur Datenspeicherung und Datenablage und
Data-Marts als Teilbereich des Data Warehouse für themenspezifisch aufbereitete Daten.
Die resultierende, homogene Datenbasis wird durch die Transformation von internen und
externen Daten über eine Schnittstelle angereichert. Da die Daten nun in einem einheitli-
chen Format vorliegen, können sie themenspezifisch angeordnet und in Data-Marts ab-
gelegt werden, sodass der Zugriff auf diese bereits selektierten und strukturierten Daten
jederzeit möglich ist (s. Abb. 159). Die Datenfilterung kann dann zu Analysezwecken,
z. B. durch Data Mining oder zu Reportingzwecken, verwendet werden. Über Schnittstel-
len zu Back-End-Systemen können die Daten auch direkt z. B. von einem eCustomer-Re-
lationship-Management-System genutzt werden.
Die in der Abbildung grau hinterlegten Teilbereiche zeigen die Grundelemente eines Data
Warehouse. Dazu zählen das Datenmanagement, die Datenorganisation und die Auswer-
tung bzw. Aufbereitung der Daten (Mertens et al. 2017, S. 48 f.). Das Datenmanagement
befasst sich hauptsächlich mit der Transformation der unterschiedlichen Datenformate,
die in der operativen Datenbank hinterlegt worden sind. Dazu wird diese Datenbank in
regelmäßigen Intervallen aufbereitet und in das Data Warehouse übernommen. Zu diesen
internen Daten können dann auch die mittels der Marktforschung gewonnen externen Da-
ten hinzugefügt werden. Bei der Datenorganisation hingegen wird nicht nur die physika-
lische Speicherung festgelegt, sondern auch die logische Ablage und die verwendete Da-
tenstruktur definiert. Dies hilft bei der Festlegung der Zugriffsstellen und der damit ver-
bundenen Verteilung und Einrichtung der Zugriffsrechte. Als letztes Grundelement gehört
die Aufbereitung bzw. Auswertung der Daten zu einem Data Warehouse. Die Aufberei-
tung und Auswertung erfolgt dabei in der Regel mit verschiedenen statistischen Methoden
(Data Mining, OLAP etc.), die Zusammenhänge und Muster in dem gesammelten Daten-
pool erkennen und herausfiltern sollen. Zugriffe der Mitarbeiter sollen dadurch erleichtert
werden, da so insbesondere die Daten schon in einer brauchbaren Form vorliegen und
nicht manuell selektiert und kombiniert werden müssen.
420 Die Grundlagen des E-Shop
Analysen Berichte
Direktzugriff (Data Mining) (OLAP)
Benutzerschnittstelle (Output-Schicht)
Data Verdichtungsstufe n
Marts
Verdichtungsstufe 1
Verdichtungsstufe 2
Metadaten
Datenbasis Archivierungssysteme
Datenschnittstelle (Input-Schicht)
Transformationsprogramme
Bereiche angewendet werden und z. B. eine Analyse eines bestimmten Produkts oder einer
bestimmten Region ermöglichen. So kann je nach Fragestellung ein Datenquerschnitt
herausgefiltert werden, der nur die relevanten Daten zur weiteren Analyse anzeigt (s. Abb.
161). Hier wird die Datenabfrage aktiv vom Anwender aus gesteuert, beim Data Mining
hingegen werden Muster automatisch herausgefiltert. Somit handelt es sich bei OLAP um
die Aggregation von Daten und bei Data Mining um die Ermittlung von Verhältnismäßig-
keiten (Mena 2000, S. 74 ff.). Besonders im Zusammenhang mit einem professionellen
eCustomer-Relationship-Management-System (s. Kapitel 3.4.3.2) kommt der Operationa-
lisierung des Data Warehouse eine wichtige Rolle zu.
Multidimensionaler
Datenwürfel Produkt Produkt
P1
P2 Region Region
P3 Produkt
Zeit Zeit
….
West
Mitte Produkt Produkt
Süd Region
Jan Feb März ….
Zeit Zeit
Das Data Mining bezeichnet das Herausfiltern von besonderen Datenkonstellationen mit
möglicher Ursachenklärung aufgrund der Erkennung von Mustern in den Daten einer
umfangreichen Datenbank (Data Warehouse). Hierbei kommen statistische und mathema-
tische Verfahren zum Einsatz, um aus den Daten wertvolle Informationen und anschlie-
ßend relevantes Wissen zu generieren. Dieses Wissen kann auf der einen Seite zur Ver-
besserung der Prozessgestaltung und auf der anderen Seite zur Verbesserung der externen
Kundenbeziehungen genutzt werden. Für E-Shops der Digitalen Wirtschaft bedeuten diese
Möglichkeiten, dass die auf Grund der elektronischen Kommunikation gewonnenen Kun-
den- und Userdaten in einem Data-Mining-Prozess quantitativ und qualitativ untersucht
werden können (Bodendorf 1999, S. 55). Dieser Prozess umfasst die Selektion und Auf-
bereitung von Daten, die Generierung von Datenmustern bis hin zur Darstellung der Er-
gebnisse und deren Interpretation (Gentsch 2002, S. 282). Der Prozess der Datenauswer-
tung und -darstellung kann auch als Knowledge Discovery-Prozess bezeichnet werden
(Preißner 2001, S. 185). Die Aufgaben des Data Mining umfassen vor diesem Hinter-
grund im Kern (Berry/Linoff 2000, S. 8 ff.):
422 Die Grundlagen des E-Shop
Klassifizierung: Klassifizierung und damit die Zuordnung vorhandener oder neu hin-
zukommender Datensätze an definierte Klassen (z. B. Kundensegmente)
Schätzung: die Schätzung nicht bekannter Merkmale (z. B. Interessen oder Anzahl
der Kinder)
Für die Gewinnung von Informationen mit Hilfe des Data Mining sind vor diesem Hinter-
grund im Kern also drei Schritte notwendig (Wietzorek/Henkel 1997, S. 238 ff.). Im ersten
Schritt müssen als Voraussetzung die Daten aus allen Prozessbereichen integriert (verein-
heitlicht) vorliegen. Zu diesem Zweck wird in der Regel auf ein Data Warehouse zurück-
gegriffen, welches die systematische Datenablage ermöglicht. In einem zweiten Schritt
erfolgt die eigentliche „Minenarbeit“. Dazu werden zunächst die zu verwendenden Daten
ausgewählt. So kann beispielsweise für eine erste Auswertung nur eine Datenstichprobe
verwendet werden, um Ergebnisse zu verifizieren. Anschließend wird dann die Grundge-
samtheit verwendet. Danach erfolgt eine Transformation der Daten, z. B. von nomina-
len in ordinale Werte (bzw. Ableitung von neuen Daten-Attributen). Auf die dadurch ge-
wonnenen Daten werden sodann Mining-Techniken angewandt. Die ermittelten Werte
Das Marketing beim elektronischen Verkauf 423
werden analysiert und ggf. an den Anwender weitergeleitet. Im dritten Schritt gilt es die
Ergebnisse zu präsentieren und im Rahmen des Database-Marketings zu interpretieren.
Dazu ist eine Form zu wählen, die es erlaubt, komplexe Entscheidungsprobleme zu unter-
stützen. Die Anwendung von Data-Mining im Zusammenhang mit elektronischen Daten,
die durch die Nutzung des Internets generiert werden, wird auch als Web Mining bezeich-
net (Alpar/Niedereichholz 2000), das in drei verschiedene Anwendungsbereiche unter-
teilt werden kann (Säuberlich 2003):
Web-Structure-Mining: Das Web Structure Mining beschäftigt sich mit der Analyse
des Seitenaufbaus einer Webseite und der Struktur der integrierten Links. Außerdem
können auch die Gesamtstruktur aller Seiten und deren hierarchische Beziehungen
untereinander analysiert werden.
Web-Usage-Mining: In diesem Bereich wird primär das Verhalten der Besucher ana-
lysiert. Dies geschieht mit Hilfe der automatisch angefertigten Protokolldateien, die
auch als Log-Files bezeichnet werden (daher manchmal auch als Web-Log-Mining
bezeichnet).
Im Mittelpunkt des Data Mining stehen somit große, strukturierte Bestände numerischer,
ordinal- oder nominalskalierter Daten, in denen interessante, aber schwer aufzuspürende
Informationen vermutet werden (Ullman/Widon 2014, S. 12). Die Daten werden durch
Geschäfts- bzw. Verkaufsvorfälle erzeugt und in den verschiedenen Datenbanken und
Geschäftsbereichen gespeichert. Bei vielen E-Shops entstammt ein Großteil der Daten der
elektronischen User- und Kundenregistrierung und den elektronischen Nutzerspuren, die
auf den Webseiten hinterlassen werden. Anhand dieser Daten werden Untersuchungen,
wie z. B. Trendanalysen durchgeführt. Ziel dabei ist es, sowohl auffällige Datenkonstella-
tionen zu beschreiben als auch zukünftige Entwicklungen zu prognostizieren. Das Data
Mining-Tool sucht dabei autonom nach Korrelationen, ohne dass der Anwender eine An-
frage nach einer bestimmten Korrelation formuliert. Im Anschluss daran werden die Er-
gebnisse der Anfrage als Wissen präsentiert (proaktives Vorgehen). Mit der Hilfe von Data
Mining-Tools kann das automatisierte Scannen der Datenbasis, die Hypothesengenerie-
rung, die Datenanalyse und die Ergebnisausgabe erfolgen (Elmasri/Navathe 2015).
tene Leistung durch Data Mining sind die personalisierten Rezensionen und Empfehlun-
gen auf amazon.de. Hierbei wird der Kunde durch die Offenlegung seiner Präferenzen und
subjektiven Meinung zum Associate, also zum Gestalter des Zusatzangebotes (Garczorz/
Krafft 2001, S. 147). Ausschlaggebend in diesem Zusammenhang sind der Aufwand und
die Kosten für eine personalisierte Einbindung des Kunden im Vergleich zum Versenden
individualisierter Umfragen per E-Mail oder sogar der Einsatz von Außendienstmitarbei-
tern (Wirtz 2018).
Insgesamt betrachtet, bietet das Data Mining viele Vorteile, die besonders zur Kundenbin-
dung beitragen. Trotzdem ist die Sammlung der Daten auch mit Schwierigkeiten behaftet.
Durch den zunehmend hohen Stellenwert von Datenschutzaspekten bei Online-Kunden,
sind der aktiven Wiederverwendung von Kundendaten zum Zwecke von Personalisie-
rungsaktivitäten Grenzen gesetzt (Graf/Gründer 2003, S. 88). Der rechtliche Spielraum
im Hinblick auf das Speichern von personenbezogenen Daten im Internet ist in Deutsch-
land stark reglementiert (Wirtz 2018). Dabei ist die Erhebung personenbezogener Daten,
wie z. B. Name, Anschrift und Geburtsdatum, nur mit ausdrücklicher Einwilligung der
Person zulässig. Problematisch sind die in der Digitalen Wirtschaft gebotenen „Grauzo-
nen“, wie die Tatsache, dass die Einwilligung zur Teilnahme an einem Gewinnspiel auch
die Einwilligung der Datenerhebung implizieren kann. Ferner sind Kunden bezüglich der
Übertragung ihrer Daten vor diesem Hintergrund umsichtiger geworden, da der Handel
mit elektronischen Kundendatenbanken bekanntermaßen schon weitverbreitet ist.
3.4.2.4 Database-Marketing
Database-Marketing ist die Filterung von gespeicherten oder aus dem Data-Mining-Pro-
zess stammenden Daten auf Basis definierter Kriterien, um insbesondere Aufschluss über
Bedürfnisse, Kaufmotive, Nachfragepotenziale und vorangegangene Käufe von Kunden
bzw. Usern zu erlangen. Anhand dieser Daten können nicht nur die Marketing-Aktivitäten
individuell gestaltet werden, sondern auch weitere Produkte und Sekundärleistungen an-
hand dieses kumulierten Wissens entwickelt und konzipiert werden. Besonders bei der
Produktauswahl und -entwicklung kann Database-Marketing unterstützend eingesetzt
werden. Zu den allgemeinen Zielen des Database-Marketings zählen (Kotler/Keller
2016, S. 663 f.; Huldi/Kuhfuß 2002, S. 335):
Data Warehouse
Soll Ist
Die dem Database-Marketing zugrunde liegende Methode kann als ein Regelkreis ver-
standen werden, mit der Kundensegmente gezielt mit verschiedenen Kommunikationsmit-
teln angesprochen werden können. Dies bedeutet, dass das Database-Marketing über das
Data Mining hinausgeht, und auch die Reaktionen der Kunden auf umgesetzte Ergebnisse
des Data Mining-Prozesses bzw. Neuversuche der Kundenkommunikation unmittelbar in
eine weitere tiefergehende Analyse eingehen, um u. a. die Kundensegmentierung besser
vorzunehmen bzw. die Produktgestaltung und -entwicklung genauer planen zu können
(Huldi/Kuhfuß 2002, S. 331). Der Ablauf im Regelkreis des Database-Marketings basiert
426 Die Grundlagen des E-Shop
zunächst auf dem Prinzip, alle Informationen eines einzelnen Kunden in einem Data Wa-
rehouse festzuhalten, um ihm dann ein für seine Bedürfnisse optimales Produkt anbieten
zu können (Wilde 1987; Huldi 1992, S. 29; Link/Hildebrand 1993, S. 45). Am Anfang des
Prozesses steht die Analyse der bereits vorhandenen Bestände der Kundendaten. Daraus
werden Ziele und Zielgruppen abgeleitet, die mittels des Database-Marketings erreicht
werden sollen. Diese sind nicht nur durch die Datenbasis bestimmt, sondern ebenfalls
durch exogene Faktoren wie z. B. die Marketingstrategie oder externe Daten. Für die Um-
setzung der Aktivitäten werden Maßnahmen bzw. Vorgehensweisen ermittelt (Kampag-
nen), die mit Hilfe konkreter Aktionen beschrieben und umgesetzt werden. Auf Kunden-
seite erfolgt eine Reaktion (im Optimalfall der Kauf des beworbenen Produktes) auf die
durchgeführten Aktionen. Das Wissen über die Reaktion der Kunden steht dabei im Mit-
telpunkt des Database-Marketings (DBM). Über die Reaktionserfassung der Kundenseg-
mente kann die Zielsetzung bzw. Zielerreichung überprüft werden. Werden durch die Ana-
lysen und Kontrollen Abweichungen des erwarteten Kampagnenerfolgs festgestellt, kön-
nen nun auf Basis der gewonnenen Kundenreaktionsdaten korrigierende Änderungen vor-
genommen werden. Die Bearbeitung der Kundensegmente wird dadurch der Kundenreak-
tion entsprechend angepasst. Abb. 162 stellt diesen zirkulären Zusammenhang nochmals
in einem Überblick dar.
Kern des Regelkreises ist eine Datenbank, in der sämtliche kundenrelevanten Daten ge-
speichert werden. Dabei stehen nicht nur die bestehenden Kunden, sondern auch die po-
tenziellen Interessenten im Mittelpunkt der Datenverwaltung. Die Durchführung der Ak-
tionen innerhalb der Kontaktkampagnen erfolgt mittels der Kommunikationsmittel des
Direktmarketings. Dazu zählen z. B. Direkt-Mailings (Werbebriefe), Telefonaktionen o-
der Besuche von Außendienstmitarbeitern. Wichtig bei diesen Kommunikationsmedien
ist die Interaktionsmöglichkeit, um die Reaktionen der Kunden messen zu können. Er-
folgskritisch für eine nachhaltige Umsetzung von Database-Marketing ist eine ganzheitli-
che Betrachtung der Prozesse, wobei diese in der strategischen Ausrichtung des E-Shops
verankert sein müssen. Das Database-Marketing kann umso besser umgesetzt werden, je
stärker es mit der ursprünglichen Marketing-Strategie abgestimmt ist. Im Wesentlichen
können die Database-Marketing-Daten wie folgt klassifiziert werden (Link/Hildebrand
1994):
Validierung: Laufende Überprüfung der Aktualität und Aussagekraft der Daten und
Einrichtung einer funktionstüchtigen und zweckdienlichen EDV-Applikation.
3.4.2.5 Online-Profiling
Im Ergebnis der vorangegangenen Kundenbewertung steht im optimalen Falle die Erstel-
lung aussagekräftiger und gehaltvoller Kundenprofile. Dies funktioniert über die zielge-
richtete Sammlung von Kundendaten und deren Auswertung im Rahmen von Data Mi-
ning- und Database-Marketing-Prozessen, um aus der Komplementierung dieser Daten
ein abgerundetes und facettenreiches Kundenprofil zu schaffen (s. Abb. 163). Bei diesem
Profiling spielen somit nicht nur allgemeine Daten eine Rolle, sondern vor allem Daten
über das spezielle Kaufverhalten, Vorlieben und Persönlichkeitsmerkmale des Kunden.
Denn je besser der E-Shop-Betreiber seine Kunden kennt, desto gezielter können die da-
rauf aufbauenden Werbemaßnahmen sowie Kundenbindungsinstrumente eingesetzt wer-
428 Die Grundlagen des E-Shop
den. Im Mittelpunkt des elektronischen Profilings stehen dabei die Fragen nach der Samm-
lung der Kundendaten und der Zuordnung von Daten zu einzelnen Kunden. Hierzu ist
der E-Shop-Betreiber auf die Bereitschaft des Kunden angewiesen, sich zu identifizieren
und seine persönlichen Informationen preiszugeben. Nur wenige Internet-Nutzer sind aber
bereit, ihre Daten uneingeschränkt zu übermitteln. Besonders bei der Weitergabe persön-
licher Informationen haben immer noch viele User Vorbehalte und geben sich zurückhal-
tend. Einige Fälle von Datenmissbrauch oder Spuren, die jeder Nutzer im Internet hinter-
lässt, machen diese skeptische Einstellung durchaus nachvollziehbar. Somit ist es beson-
ders für junge E-Shops schwierig, an ausführliche Informationen seiner Kunden heranzu-
kommen. Erst wenn sich eine gewisse Vertrauensbasis über die Zeit hinweg zwischen
Anbieter und Nachfrager entwickelt hat, sind die Kunden bereit, Informationen weiterzu-
geben (Michelis 2015, S. 31). Die Käuferzufriedenheit zählt dabei zu den Prämissen für
die Bildung von Vertrauen und sollte in Hinblick auf die Ausschöpfung des Customer-
Lifetime-Values zur Kundenbindung oberste Priorität beigemessen werden.
Kunde
Datenverarbeitung/
Wissens-/Informations-
gewinnung (Mining)
Individualisierte Daten-
Kundenprofil
übertragung (One-to-One)
Neben den unterschiedlichen Arten von Daten gibt es auch verschiedene Mittel und Me-
thoden, diese zu erheben (s. Abb. 164). Unterschieden wird dabei zwischen der reaktiven
und nicht-reaktiven Datenerhebung (Batinic/Bosnjak/Breiter 1997). Die nicht-reaktive
Datenerhebung geht in der Regel von einer Passivität des Kunden aus, d. h. der Kunde
reagiert nicht auf bestimmte Aufforderungen der Dateneingabe, sondern wird quasi bei
seinem Besuch auf der Webseite „beobachtet“. Unbemerkt werden seine hinterlassenen,
elektronischen Nutzerspuren aufgezeichnet und zur Anreicherung seines Profils zum
bereits vorhandenen Datenstamm (z. B. aus der Registrierung) hinzugefügt. So können
z. B. Log-Dateien ausgewertet werden, die den Austausch von Dateien zwischen Server
und Client automatisch aufzeichnen. Diese enthalten spezifische Kennwerte, die durch
Protokollierung aller Datenzu- und -abgänge die Zugriffe auf die Webseite beschreiben.
Außerdem kann die Datenerhebung über Log-Dateien mit Umgebungsvariablen oder Spe-
zialanwendungen die Datenerhebung per Log-Datei anreichern. Die so gewonnenen Daten
werden also zur Erstellung von Nutzerprofilen verwendet, welche die Nutzung der Web-
seite und das Verhalten des Kunden auf der Webseite festhalten und analysieren (Krause
2000, S. 388).
Die reaktive Datenerhebung erfolgt dagegen in der Regel durch eine aktive Beteiligung
des Kunden und wird somit von diesem bewusst wahrgenommen. Auf der Webseite wer-
den bei dieser Datenerhebung entweder offene oder geschlossene Formularfelder bereit-
gestellt oder entsprechende Wahlmenüs, welche die Kunden durch Auswahl vordefinierter
Antwortkategorien bei ihren Eingaben unterstützen. Zwar sind Daten über die Nutzer mit
geringem technischem Aufwand zu bekommen, es ist jedoch die Mitarbeit der Nutzer sel-
ber erforderlich, was häufig zu eingeschränkt verwertbaren Ergebnissen führt. Werden zu
viele Fragen gestellt, die nicht direkt mit einem getätigten Kauf oder einer möglichen
Transaktion in Verbindung stehen, werden viele Nutzer skeptisch und brechen die Einga-
ben der Information ab oder lassen viele Felder leer. Die so gewonnenen Daten werden
zur Erstellung von Nutzerprofilen genutzt, die alle Daten über die Person, also den Kunden
selbst, enthalten (Krause 2000, S. 388).
Nachdem eine ausreichend große Datenbasis erstellt worden ist, muss diese für die weitere
Nutzung im Hinblick auf das Profiling aufbereitet werden. Besonders die nicht-reaktiven
Daten unterliegen einer Reihe von Transformationen, damit sie für das Profiling nutzbar
sind. Aus den aufgezeichneten Log-Dateien kann der Betreiber der Webseite nicht ohne
weiteres darauf schließen, wie sich der Nachfrager tatsächlich verhalten hat. Außerdem
sind nicht die einzelnen versandten Dateien von Interesse, sondern aggregierte Datengrö-
ßen. Deswegen ist das „Ziel der Datenaufbereitung [...] die Identifikation und inhaltliche
Aufbereitung geeigneter Schlüsselgrößen in Form von interpretierbaren, nutzerbezogenen
Indikatoren des Nachfragerverhaltens über die intelligente Zusammenfassung der proto-
kollierten Einzeleinträge, auf deren Basis marketingrelevante Nachfrageranalysen anset-
zen können“ (Wiedmann/Buxel 2003, S. 15). Zu den zentralen Schlüsselgrößen werden
User, Page-Views, Server-Sessions und Episoden gezählt.
430 Die Grundlagen des E-Shop
Datensammlung
Nicht-reaktive Reaktive
Datensammlung Datensammlung
Der Prozess der Datenbereinigung erfolgt bei nicht-reaktiven Daten über vier Schritte.
Zunächst müssen die irrelevanten oder nur beschränkt nutzbaren Daten eliminiert werden.
Auf diese Datenbereinigung der Rohdaten folgt die Zuteilung der protokollierten Datens-
ätze zu den einzelnen Usern, die aufgrund methodischer Gesichtspunkte oftmals simultan
mit der Identifikation von Server-Sessions stattfindet (Wiedmann/Buxel 2003, S. 17). Da-
nach müssen die User- und Sessiondaten sukzessive zerlegt und umgruppiert werden, da-
mit einzelne Page-Views identifiziert werden können. Die thematische Bündelung zusam-
mengehörender Page-Views ermöglicht dann die Identifikation und Interpretation von
Episoden. Episoden werden als semantisch bedeutungsvoller Teilbereich einer Server-
Session definiert (Cooley/Tan/Srivastava 2000). Die Datenbereinigung bei reaktiven Da-
ten beinhalten die Handhabung von Missing Values, die Identifikation von Falscheinga-
ben, die Strukturierung der Daten aus offenen Eingabefeldern und die Eliminierung un-
brauchbarer Daten.
Der Prozess der Datenspeicherung in einem Data Warehouse unterliegt anschließend
dem allgemeinen Problem der Datenmenge. Log-Dateien viel besuchter Webseiten kön-
nen u. U. mehrere hundert Gigabyte pro Tag an Speicherplatz einnehmen. Eine Zusam-
menfassung und Reduzierung der Daten ist somit auf Dauer unausweichlich und sollte bei
der Überführung der Daten ins Data Warehouse geschehen. Eine Methode ist dabei die
bereits erwähnte Zusammenfassung der Daten zu aggregierten Größen, die teilweise auch
mit einer Vernichtung von Daten einhergeht.
Sind die Daten erst einmal im Data-Warehouse gespeichert, so können sie auf der einen
Seite als Input für Data-Mining- und Database-Marketing-Prozesse herangezogen werden.
Auf der anderen Seite können aber auch die Ergebnisse der Data-Mining- und Database-
Marketing-Prozesse als Input für das eProfiling verwendet werden. Besonders bei E-
Das Marketing beim elektronischen Verkauf 431
Shops kommt dem Profiling und der Auswertung gesammelter Daten eine bedeutende
Rolle zu. Zum Beispiel dienen diese Kundenprofile als Grundlage für den Einsatz intelli-
genter Softwareagenten, die durch automatische Empfehlungen Kundenbedürfnisse bes-
ser befriedigen und dadurch den Absatz erhöhen können. Eine Personalisierung von Web-
bereichen lässt durch Profiling außerdem die benutzerspezifische Darstellung der Inhalte
einer Webseite zu (Wiedmann/Buxel 2003, S. 21). Speziell für die Ansätze der Kunden-
bindung dient die Verwendung von technologischen Mechanismen als Grundlage, z. B.
für die Optimierung eines One-to-One-Marketings. So profitiert der Kunde von mehr oder
weniger sinnvollen Angeboten und der E-Shop von reduzierten Werbeausgaben (Krause
2000, S. 391).
Die Profilerstellung ist ohne ein gewisses Maß an Aufwand nicht realisierbar und die Da-
ten werden erst im Laufe der Aktivitäten umfangreicher und aussagekräftiger. Eine wei-
tere Möglichkeit Kundenprofile zu nutzen ist deshalb gerade für neue Marktteilnehmer in
der Startphase die Einbindung von verschiedenen Werbeträgern, die profilierte Daten
anbieten. Allen voran bieten insbesondere Suchmaschinen die Möglichkeit, die ge-
wünschte Kundschaft über gezielte Einblendung von Bannerwerbung zu erreichen. Dies
macht die Profilnutzung günstiger und schneller. Erst wenn genug „Traffic“ auf der eige-
nen Seite vorhanden ist und die Daten mit statistischen Mitteln ausgewertet werden kön-
nen, lohnt es sich, die Profilerstellung selbst zu betreiben (Krause 2000, S. 390).
Vorsicht ist jedoch mit der Aussagekraft der Daten geboten. Nicht immer werden Daten
wahrheitsgetreu eingegeben. Auch der Weg, den Kunden auf einer Webseite nehmen,
muss nicht unbedingt Rückschlüsse auf deren Profil zulassen. In vielen Bereichen erfolgt
die Profilerstellung ferner nur für statische Profile. Kunden geben ihre Daten, Interessen
etc. ein und werden aufgrund dieser Daten in bestimmte Cluster unterteilt, die dann spezi-
ell beworben werden. Da sich Interessen und Verhalten jedoch ständig ändern können,
verliert diese Art der erstellten Daten schnell an Bedeutung. Die Erstellung dynamischer
Profile wird unter Berücksichtigung der wachsenden Bedeutung „hybrider“ Kunden im-
mer wichtiger. Diese werden zwar auch durch Eingabe der Kundendaten initiiert, lernen
dann aber vom Verhalten der Kunden und passen das Profil entsprechend an. Diese Art
der Profilerstellung kann auch zur Verfeinerung der Zielgruppendefinition herangezogen
werden, um so den Kunden noch besser und vor allem auch über einen längeren Zeitraum
kennenzulernen und zu verstehen sowie besser auf seine Bedürfnisse eingehen zu können.
treffen. Dabei stellt sich insbesondere die Frage: „Was wird passieren und unter welchen
Voraussetzungen“ wird dies geschehen (PAC 2014, S. 6). Dabei wird PA als eine Subka-
tegorie von Business Intelligence (BI) verstanden. Letzterer BI-Bereich beschäftigt sich
hierbei primär mit der Frage „Was ist passiert?“ (PAC 2014, S. 6; s. Abb. 165). Nach
Siegel (2016, S. 152) wird PA als Technologie definiert, die von Erfahrungen auf Daten-
basis lernt, das zukünftige Verhalten von Käufern herzuleiten, um auf Seiten des Unter-
nehmens bessere Entscheidungen zu treffen.
Kontaktstrategie
• Bevorzugte Kontaktkanäle • Bevorzugte Marke • Über Email erreichbar?
• Bevorzugte Geschäfte • Über das (Mobil-)Telefon (Ja / Nein)
• Naheliegendes Geschäft erreichbar? (Ja / Nein)
• Marketing per Post? (Ja / Nein)
Verkaufsanalysen
• Gesamtumsatz • Gesamtumsatz innerhalb • Durchschnittlicher
• Gesamtgewinnspanne der letzten 12 Monate Warenkorb
• Gesamter Einkaufswert • Gewinnspanne innerhalb • Umsatzsegment der letzten
der letzten 12 Monate 12 Monate
• Gesamt Einkaufswert (z.B. top 10 % der
innerhalb der letzten 12 einkommensstarken Nutzer)
Monate • Umsatztrend (z.B.: auf- oder
absteigend, neutral)
Verhaltensvariablen
• Letztes Bestelldatum • Letztes Klick-Datum • Ausgeprägte Kanäle
• Letzter Bestellkanal • Erfassung der E-Mail Öffnung • Ausgeprägte Produkte
• Letzte Bestelleinnahmen letzten Monat/zwei Monate zuvor • Ausgeprägte Kategorien
• Letzter Website-Besuch • Erfassung des Klicks auf die E-Mail • Die letzten 5 Bestellungen
• Anzahl der Besuche letzten Monat/zwei Monate zuvor (Kanal/ Datum/ Produkt/
• Letztes Sendedatum • Erstmaliges Bestelldatum Marke)
• Letztes Öffnungsdatum • Erstmaliger Bestellkanal • Die letzten 5
• Erstmalige Bestelleinnahmen Websitesuchen
(Suchbegriff, Datum)
Predictive Analytics
• Kaufwahrscheinlichkeit • Produktbasierte Cluster • Lebenszyklus-Cluster
(„hoch“) („Notebook-Käufer“) („neuer Kunde“)
• Verhaltensbasierte Cluster • Markenbasierte Cluster • Produktempfehlungen
(„Discount Junkie“) („Dell“)
Im Bereich des PA sind folgende zwei Verfahrens- und Analyse-Typen geläufig (Artun/
Levin 2015, S. 25), die auf dem Prinzip des Machine Learnings beruhen (s. Kapitel 1.6.5):
Das überwachte Lernen - Supervised Learning: Das überwachte Lernen dient dazu
einen Output mittels vorgegbener Inputs zu schätzen und dadurch Vorhersagen zu
treffen (s. Kapitel 1.6.5). Ein Beispiel im Rahmen von PA kann die Analyse einer
Zielgruppe zur Berechnung von Einkaufs- oder Wiederkaufswahrscheinlichkeiten
sein.
Auf Basis dieser mathematischen Modelle kann der E-Shop-Betreiber das zukünftige Ver-
halten seiner Kunden besser vorhersagen und verstehen.
Bei der Kundenbindung geht es um die Pflege des bestehenden Kundenstamms. Kunden,
die einmal im E-Shop gekauft haben, sollen wiederkommen. Da aber gerade das Internet
den Kunden die Möglichkeit bietet, mit nur einem Klick zu einem anderen Anbieter zu
wechseln, erwarten die Kunden gezielte und personalisierte Bedürfnisbefriedigung. Dies
bedeutet, dass Produkte nicht einfach nur verkauft werden, sondern dass Bedürfnisse be-
friedigt werden müssen. Nur wenn der E-Shop-Betreiber die Bedürfnisse seiner Kunden
kennt (s. Kapitel 3.3.2.3), kann er seine Produkte vermarkten. Je mehr Informationen über
die Kunden vorhanden sind, desto mehr Wissen über Verhalten, Bedürfnisse und Eigen-
schaften kann generiert werden, dass dann wiederum für Marketingmaßnahmen hinsicht-
lich einer höheren Kundenbindungsrate verwendet werden kann. Ziel aller Kundenbin-
dungsmaßnahmen ist die Steigerung der Kundenzufriedenheit und die daraus resultie-
rende Erhöhung des Ertragswerts über den gesamten Kundenlebenszyklus (Customer-
Lifetime-Value). Um dem Kunden nicht nur während des Erstkaufs, sondern auch für
zusätzliche Kaufimpulse eine gezielte und personalisierte Bedürfnisbefriedigung zu bie-
ten und damit im Rahmen der After-eSales-Phase (s. Kapitel 3.2.2) die Kundenbindung zu
unterstützen, gilt es die Informationen zum Erstkontakt intensiv zu nutzen. Dabei kommt
wiederum der Informationsdreisprung (s. Kapitel 1.4.3) zum Tragen, der in diesem Fall
sogar zu einem Informationskreisel (s. Abb. 167) erweitert werden kann:
Das Marketing beim elektronischen Verkauf 435
Intern (Datenbanken)
Extern (Market-Research)
Abb. 167: Der Informationskreisel für die Kundenbindung bei einem E-Shop
3.4.3.1 One-to-One-Marketing
Schon der Wortlaut des „One-to-One“-Marketings signalisiert die Erreichung einer „Eins-
zu-Eins“-Beziehung zum Kunden. Dabei geht es um eine möglichst individuelle und in-
teraktive Auseinandersetzung mit den Wünschen und Bedürfnissen der Kunden seitens
des E-Shop-Betreibers, um ihnen mit Hilfe der im Laufe der Beziehung gewonnenen Er-
kenntnisse, personalisierte Angebote zu unterbreiten. Im Gegensatz zum Massenmarke-
ting werden hier die Kundenbedürfnisse hoch differenziert betrachtet (s. Abb. 167),
wodurch der Einsatz von standardisierten Marketing-Methoden unbrauchbar wird. Die an-
gestrebte, hohe Interaktivität zeichnet sich beim One-to-One-Marketing durch einen bidi-
rektionalen Dialog aus, bei dem der Kunde nicht mehr nur Empfänger, sondern auch Sen-
der von Informationen sein kann (Kollmann 1998a, S. 36). Erst durch das Internet und die
dadurch entstandenen Möglichkeiten Kundendaten nahezu automatisch und zeitnah zu ge-
nerieren, gewann das One-to-One-Marketing an Bedeutung. Die zusätzliche Verschiebung
von Anbietermärkten zu Nachfragermärkten im Laufe der Zeit und die zunehmende Trans-
parenz innerhalb der Digitalen Wirtschaft machen den Einsatz von kundenspezifischen
Marketing-Instrumenten unumgänglich, um sich von der Konkurrenz zu differenzieren
und Wettbewerbsvorteile durch die effiziente Abwicklung von Transaktionen mit einem
hohen Grad der Individualisierung zu realisieren. Die Effizienz des One-to-One-Mar-
ketings steigt mit zunehmender Fokussierung auf die profitabelsten Kunden, die für den
langfristigen Erfolg des E-Shops wertvoll sind (Peppers/Rogers 1997).
Das Konzept des One-to-One-Marketings baut darauf auf, umfassende Informationen über
die Präferenzen und dass Verhalten der Kunden zu gewinnen. Benötigte Informationen
werden durch die kundenbezogene Datensammlung und -auswertung im Rahmen des Pro-
filings (s. Kapitel 3.4.2.5) sowie aus den Ergebnissen von Data-Mining- und Database-
Marketing-Prozessen (s. Kapitel 3.4.2.3 und 3.4.2.4) gewonnen. Erst durch das so entstan-
dene Kundenwissen können individualisierte Marketing-Maßnahmen angewendet wer-
den. Durch die ständige Interaktion mit dem Kunden kann das gewonnene Wissen dabei
erweitert und vertieft werden, wodurch der Individualisierungsgrad im Zeitverlauf an-
steigt (dynamische Kundenprofile). Das Konzept der Individualisierung der Marketing-
Das Marketing beim elektronischen Verkauf 437
Maßnahmen ist dabei nicht neu: Die Unterteilung des Marktes in homogene Untergruppen
war stets ein erster Schritt in die Richtung der Individualisierung und bot die Möglichkeit,
zumindest zielgruppenspezifische Marketing-Maßnahmen umzusetzen. Allerdings musste
hierbei der Grad der Individualisierung den zusätzlich anfallenden Kosten angepasst wer-
den, die durch unterschiedliche Maßnahmen für unterschiedliche Kundengruppen entstan-
den. Da aber gerade bei digitalen Daten sehr kostengünstig und zeitnah erhoben werden
kann, verliert das Argument der steigenden Kosten weiter an Bedeutung. Allerdings ist
der Einsatz einer speziellen Technologie für den Aufbau und die Verwaltung der Kunden-
daten ein Kostenfaktor, der nicht zu unterschätzen ist. Die Investition in eine qualitativ
hochwertige Technologie vereinfacht die Automatisierung von Prozessen und reduziert
Streuverluste.
hoch
differenziert
Kosteneffiziente Interaktivität
Frequency- One-to-One-
Marketing Marketing
Wert des
Kunden
einheitlich
Kunden- hoch
einheitlich
bedürfnisse differenziert
Das Hauptziel von eCRM-Systemen, die zur technischen Umsetzung eines CRM heran-
gezogen werden, ist die effiziente Zusammenführung aller Komponenten im Verkaufs-
und Marketingprozess (s. Abb. 170). Dazu werden alle gesammelten Daten (z. B. aus dem
Customer-Profiling) wie schon beschrieben in einem zentralen Datenpool gespeichert
(Data Warehouse) und anschließend mit Hilfe von Analysetools (Data Mining und OLAP)
aufbereitet und für Verkaufs- und Marketing-Aktivitäten zur Verfügung gestellt. Dieser
Kreislauf lässt sich am besten mit der Closed-Loop-Architektur eines eCRM-Systems
beschreiben (s. Abb. 170) und besteht aus drei Hauptkomponenten (Wannenwetsch/Ni-
colai 2004, S. 192):
Das Marketing beim elektronischen Verkauf 439
Unternehmensexterne Faktoren
• Heterogenität der • Variety-Seeking-Motive • Ertragspotenzial der Kunden
Kundenerwartungen • Image des E-Shops • Leistungsbedürfnis der Kunden
• Dynamik der Digitalen Wirtschaft • Alternative Angebote • Preisrestriktion bei Leistung
• Komplexität der Digitalen • Bequemlichkeit der Kunden • Kundenfluktuation
Wirtschaft
Unternehmensinterne Faktoren
Analytisches CRM: Das analytische CRM ist die Komponente des eCRM-Systems,
die hauptsächlich der Datensammlung (Data Warehouse) und Datenaufbereitung
(Data Mining und OLAP) dient. Die gewonnenen Daten werden dann zur Ableitung
von Handlungsempfehlungen für das operative (z. B. Database-Marketing, One-to-
One-Marketing) und kollaborative CRM herangezogen. Sie dienen somit als Grund-
stein für alle weiteren Aktionen im Rahmen des Kundenbindungsmanagements.
Operatives CRM: Das operative CRM ist die Komponente, die sämtliche Prozesse,
die im Zusammenhang mit der Abwicklung einer Transaktion stehen, soweit wie
möglich automatisieren und standardisieren soll. Somit können die Mitarbeiter z. B.
Kundentermine einheitlich verwalten oder Kundenanfragen sofort bearbeiten. Da-
durch gewinnt das Kundenbindungsmanagement an Effektivität und ermöglicht den
reibungslosen Ablauf aller Interaktionen mit dem Kunden.
Kollaboratives CRM: Das kollaborative CRM ist die Komponente, die sämtliche
Kommunikationskanäle reguliert, unterstützt und synchronisiert. Die Integration aller
Kanäle erfolgt dabei in einem sog. Customer Interaction Center. Hier werden die
Customer Touch-Points aufeinander abgestimmt und das Handling der Kundeninfor-
mationen erleichtert.
440 Die Grundlagen des E-Shop
Kollaboratives
Internet
Mailings Telefon
CRM
E-Mail Mobile
Customer
Persönlicher Kontakt Interaction TV / Radio
Center
Operatives
CRM
Closed-Loop Data Closed-Loop
Architektur Mining OLAP Architektur
Analytisches
CRM
Data Warehouse
Im Rahmen des Customer Relationship Managements zählt jedoch nicht nur die aktive
Kundenbindung, sondern auch die Vermeidung von Kundenabwanderung beziehungs-
weise das Erkennen von abwanderungsgefährdeten Kunden (Adler/Halata/Holbert 2001).
Vorhersagen von Wechselwahrscheinlichkeiten (auch Churn-Prediction genannt) kön-
nen z. B. durch Data Mining getroffen werden und diejenigen Kunden aufdecken, die ei-
nem hohen Abwerbedruck oder einer starken Wechselneigung unterliegen (Preißner
2001, S. 268). Der dadurch herausgefilterten Gruppe der wechselbereiten Kunden können
dann spezielle Erhaltungsmaßnahmen oder Maßnahmen zur Wiedergewinnung entgegen-
gebracht werden, wie z. B. zeitlich begrenzte, gesonderte Angebote, temporäre Rabatte
oder einmalige Gutscheine. Alle Aktivitäten der Wiedergewinnung sollten eng mit dem
Beschwerdemanagement verknüpft werden, um sicher zu gehen, dass Abwanderung oder
Wechsel nicht aufgrund unbearbeiteter oder fehlgeleiteter Beschwerden erfolgen. In der
Regel ist es jedoch nicht ganz einfach, einen Wechsel der Kunden zu erkennen. Zwar
macht sich eine Beendigung der Kundenbeziehung immer durch die Inaktivität des Kun-
den bemerkbar (Preißner 2001, S. 171), die Hintergründe dieser Inaktivität sind aber nicht
immer eindeutig identifizierbar. Inaktivität kann in manchen Fällen z. B. nur eine Verän-
derung des Kundenbedürfnisses bedeuten oder die Unzufriedenheit mit bereits getätigten
Käufen. Dem E-Shop-Betreiber obliegt es deshalb, seine Kunden regelmäßig zu kontak-
tieren, um auch bei Inaktivität die Kundenbeziehungen aufrecht zu erhalten und gegebe-
nenfalls den Grund der Inaktivität vorsichtig zu ergründen, um daraus geeignete Maßnah-
men ableiten zu können.
Das Marketing beim elektronischen Verkauf 441
3.4.3.3 Online-Markenführung
Wenn für einen E-Shop die technologische Plattform des Internets gewählt wird, so ist der
Marktauftritt im Web zunächst mit einem Shop- bzw. Markennamen verbunden, der
oftmals auch unmittelbar den Domainnamen und damit die Webadresse widerspiegelt
(z. B. expedia.de, ebay.de, xing.de). Die eindeutige Identifizierung des Webauftritts über
den Domainnamen ist zwingend für Unternehmen im E-Business, da für den Datentransfer
der Name der Zieladresse bekannt sein muss. Ursprünglich erfolgt die Identifikation eines
Rechners, auf dem eine Webseite abgelegt ist, über eine numerische Internet Protocol (IP)-
Adresse. Diese ist etwa vergleichbar mit der postalischen Adresse eines realen Geschäftes.
Sowohl im herkömmlichen Geschäftsleben als auch im Internet ist die Identifikation der
Unternehmung über solche Adressen jedoch kaum praktikabel und wenig kommunikativ;
Unternehmensnamen sind einprägsamer als deren Adressen.
Aus gerade diesem Umstand entwickelte Sun Microsystems in den frühen 1980er-Jahren
das Domain Name System (DNS), mittels dessen eine eindeutige Zuordnung von Namen
zu bestimmten IP-Adressen möglich ist (z. B. entspricht IP-Adresse 178.236.7.219 dem
Domainnamen www.amazon.de). Sämtliche Kommunikationsmaßnahmen, die im Rah-
men eines Markteintritts und damit beim erstmaligen Marktauftritt eingesetzt werden, die-
nen zunächst der eindeutigen Identifizierung und Bekanntmachung der Seite. Entspricht
der Domainname dem Shop- oder Unternehmensnamen, so wird die Suche für den Kun-
den vereinfacht und die Effektivität der Kommunikationspolitik gesteigert. Insofern ist die
Domain als Markenname des E-Shops zu begreifen (eBrand), woraus sich entsprechend
spezifische Anforderungen an die Domain ableiten lassen (Kollmann/Suckow/Peschl
2015). Neben der Berücksichtigung markennamentechnischer Aspekte, sind dabei fol-
gende generelle Aspekte der Domainnamenwahl einzubeziehen (Kollmann 2019):
Länge des Domainnamens: Den Namen gilt es so kurz wie möglich, jedoch so lang
wie nötig zu gestalten. Die richtige Balance zwischen Originalität und Einfachheit
führt meist zu einer einprägsamen Internetadresse, die mit einem vertretbaren Auf-
wand einzugeben ist. So ist z. B. ebay.de ein relativ kurzer Name, der jedoch sehr
originell ist und daher das Potenzial für eine kreative Vermarktung hat. Domainna-
men, wie hyz.de oder ktu.de hingegen, sind zwar auch kurz aber bedeutungslos und
daher nicht besonders einprägsam.
Kreationen: Wortkreationen können zum einen auf kreative Art Hinweise zum Ge-
schäftsinhalt des Unternehmens oder dem Leistungsangebot der Webseite geben, zum
anderen können so aber auch völlig neu erfundene Wortkompositionen oder Wort-
schöpfungen entstehen, die durch aktive und z. T. aggressive Werbemaßnahmen im
Markt etabliert werden müssen. Der E-Shop lieferando.de, abgeleitet vom Wort „lie-
fern“, steht beispielsweise für einfache mobile Essensbestellungen, die direkt zum
Endkunden ausgeliefert werden. Hierbei ist es jedoch wichtig, auf die Einfachheit der
Ableitung und die Bedeutung der gewünschten Assoziationen zu achten. So ist nicht
unmittelbar klar, was man unter bioplan.de erwarten kann (z. B. Bioprodukte oder
Arzneimittel). Kreationen, denen intuitiv keinerlei Sinn entnommen werden kann,
müssen von ihren Unternehmen mit Bedeutung aufgeladen werden, um somit das
Wort bekannt zu machen und im Laufe der Zeit evtl. zum Synonym einer Leistung
oder eines Angebotes werden zu lassen (wie z. B. bei ebay.de oder amazon.de). Je
weniger Assoziationen also eine Wortkreation hervorruft, desto mehr Raum für krea-
tive Bedeutungsfüllung bleibt, aber die Aufwendungen und Anstrengungen, die damit
in Zusammenhang stehen, können schnell das geplante Werbebudget überschreiten.
Wortlaut: Im Rahmen der Kommunikation kommt es oftmals vor, dass die Marken-
bzw. Domainnamen mündlich weitergetragen werden (z. B. Radiospot oder Unterhal-
tung). Somit müssen auch alle sprachverwandten Domainnamen reserviert werden
(z. B. lieferanto.de und lieferando.de). Möglichkeiten der Verwechslung mit bereits
existierenden Domainnamen müssen dabei insbesondere im Vorfeld geprüft werden
(z. B. squeez.de, squeeze.de, sqeez.de).
Bei der Gründung eines E-Shops im Internet ist neben der Domainwahl auch die Tatsache
entscheidend, dass es sich in vielen Fällen anbietet, den Unternehmensnamen (Corporate
Brand) in Anlehnung oder sogar identisch zu der Domain auszusuchen, da auf diese
Weise einerseits die Suchkosten für den Kunden und andererseits die Marketingkosten für
das Unternehmen reduziert werden können. Oftmals gilt bei Angeboten in der Digitalen
Wirtschaft daher die folgende Gleichung: Unternehmens-/Produktname = Marke = Do-
main (Kollmann/Suckow 2007b, S. 6). Somit wird die eBrand zu einem entscheidenden
Bestimmungsfaktor im E-Business (Kollmann/Suckow 2012; Suckow 2007; Freiling/Koll-
mann 2015) und sollte vor allem von E-Shops sorgfältig ausgesucht werden. Aufgrund
begrenzter Ressourcen und der Notwendigkeit schneller Entscheidungen, sehen sich E-
Shop-Betreiber jedoch immer öfter in der Situation, zwischen einer sorgfältigen und
Das Marketing beim elektronischen Verkauf 443
manchmal langwierigen oder einer schnellen und unkonventionellen Methode der Na-
mensfindung entscheiden zu müssen. Je nach Ressourcenausstattung und Dringlichkeit
einen Namen finden zu müssen (z. B. für Einträge im Handelsregister, Domainregistrie-
rung etc.), kann sich somit die Auswahl des Namens sehr unterschiedlich gestalten. Wie
Abb. 171 darstellt, gibt es somit zwei Methoden der Namensfindung in der Digitalen Wirt-
schaft. Bei der einen Methode wird der Name sehr sorgfältig und Schritt für Schritt aus-
gewählt („domain follows name“). Hierbei spielt allerdings der eigentliche Name eine
wichtigere Rolle, als die im Anschluss ausgesuchte Domain. Ein anderes Vorgehen (rechte
Seite) stützt sich mehr auf die Domain, als entscheidendes Auswahlkriterium („name
follows domain“). Erst wenn eine freie, ansprechende Domain gefunden wurde, gilt es,
diese auf die Markenanforderungen hin zu überprüfen. Zusammenfassend kann also fest-
gehalten werden, dass „die eBrand als Online-Markenname eines E-Shops ein wichtiger
Bestandteil im täglichen Kampf um Online-Kunden ist und immer im Spannungsverhält-
nis zwischen Markenanforderungen und Domainverfügbarkeit steht.“ (Kollmann/Suckow
2007b, S. 1).
Ziele festlegen
Entwicklung
Auswahl des Namens
Namensalternative(n)
Auswertung Entwicklung
Namensalternative(n) Namensalternative(n)
Auswertung
Domainprüfung
Namensalternative(n)
Domainregistrierung
Markenzeichen eintragen
Sobald ein Unternehmen mit seinem E-Shop in den Markt eintritt und der Domainname
bekannt gemacht worden ist, ist es ratsam, Marketinganstrengungen nicht der Willkürlich-
keit auszusetzen, sondern gezielt und geplant eine Marke bzw. eBrand aufzubauen, die
als großer Rahmen für alle nach außen hin kommunizierten Botschaften dient. Eine Marke
bzw. eBrand eines E-Shops besteht dabei einerseits aus dem materiellen, aber andererseits
auch aus dem immateriellen Wert, der mit einem Produkt oder einer Leistung verbunden
ist (Mattmüller/Tunder 2002). Der materielle Wert bezieht sich auf die Marke im Sinne
eines Kennzeichens des Markenträgers, also auf den Namen, ein Symbol, einen Ausdruck,
eine Form oder auch auf akustische und visuelle Zeichen. In der Digitalen Wirtschaft kann
insbesondere die Wahl des Domainnamens zum materiellen Wert einer Marke beitragen.
Dagegen hat der immaterielle Wert einer Marke eine durchaus größere Tragweite, da
hier der eigentliche Zweck einer Marke verankert ist. Ein Anbieter kann sich über die
Ausgestaltung seiner Marke von den Wettbewerbern abheben, wobei der Erfolg am Markt
von der subjektiven Einschätzung des Kunden und von der Einschätzung anderer Akteure
am Markt abhängt (Mattmüller/Tunder 2002, S. 335). Der immaterielle Wert einer Marke
in der Digitalen Wirtschaft kann auch im „Look and Feel“ einer Seite liegen. Das kann
den Aufbau der Internetseite, die Navigation und die Ausdrucksweise umfassen. Im im-
materiellen Wert ist neben dem Selbstbild der Zielgruppe auch insbesondere die Art der
zum Kunden aufgebauten Beziehung und die kommunizierten Werte enthalten (Kapferer
2012). Ziel des Markenaufbaus ist die Erreichung langfristiger, stabiler Kundenbezie-
hungen (Keller 2008), die es dem Unternehmen bzw. E-Shop ermöglichen, das Customer-
Lifetime-Value des Kunden auszuschöpfen.
Es gilt diese Dimensionen im Einklang mit den Grundwerten und der Unternehmensstra-
tegie zu bestimmen, in die Kommunikationspolitik einzubeziehen und aktiv der potenzi-
ellen Kundengruppe zu kommunizieren (Rüggeberg 2003, S. 136 f.). Diese Verankerung
der Corporate Identity in der Kommunikationspolitik mit dem Online-Kunden kann auch
als „Branding“ bezeichnet werden, das auch als Instrument der Kundenbindung gese-
hen werden kann (Jacken/Selchau-Hansen 2001, S. 220). Wie bei einem physischen Pro-
dukt, kann auf diese Art und Weise die Identifikation der Zielgruppe mit der Marke ver-
stärkt und die Kaufentscheidung ausgelöst werden. Die Instrumente zum Markenaufbau
sind insbesondere im Online-Marketing angesiedelt. eBrands erfüllen gerade für Online-
Kunden wichtige Funktionen. Sie dienen als Orientierungshilfe bei der immer unüber-
schaubarer werdenden Angebotsmenge und werden als Navigationshilfe bei der Suche
nach bestimmten Leistungen und Produkten eingesetzt. Hat ein Kunde gute Erfahrungen
mit einem E-Shop gemacht, so bringt er dessen eBrand ein gewisses Maß an Vertrauen
entgegen, dass bei der nächsten Kaufentscheidung eine wichtige Rolle spielen kann. Durch
den wiederholten Kauf steigt das Vertrauen und die Qualität, die der Kunde dadurch der
eBrand zuspricht und verringert damit das Risiko zukünftiger Fehlentscheidungen. Man-
che Marken üben zusätzlich eine Identifikationsfunktion aus, da ihre Verwendung bei ei-
ner bestimmten Zielgruppe zur Prestigefrage wird und einen gewissen sozialen Status sug-
gerieren soll. Marken haben also eine Orientierungs-, Navigations-, Vertrauens-, Risiko-
reduktions- und Identifikationsfunktion (Fritz 2004, S. 194).
Das Marketing beim elektronischen Verkauf 445
Brand Equity: Unter Brand-Equity verstand man lange Zeit „die durch Markierung
ausgelösten gegenwärtigen und zukünftigen Wertsteigerungen von Leistungen auf
Konsumenten- und Unternehmensseite, die ökonomisch nutzbar und in monetären
Maßeinheiten zu bewerten sind“ (Bekmeier-Feuerhahn 1998, S. 46). Diese unterneh-
mensseitige Betrachtung wird jedoch zunehmend von der kundenseitigen Betrach-
tung abgelöst, da insbesondere der finanzielle Wert der Marke und auch der Wert der
zukünftig, allein aufgrund der Marke gemachten Kaufentscheidung, kaum realistische
einzuschätzen sind. Keller (2008) entwickelte daher ein Konzept zur Erklärung des
Brand Equity, das sich explizit mit der Betrachtung aus Kundensicht auseinandersetzt.
Das Ziel des Markenwertaufbaus wird hier in dem Aufbau langfristiger Kundenbe-
ziehungen gesehen, die basierend auf einer kontinuierlich geförderten emotionalen
Verbundenheit mit der Marke, den Kunden markentreu und loyal machen soll.
Brand Value: Im Gegensatz zum Brand Equity geht man bei dem Brand Value von
der Quantifizierung des Nachfrageverhaltens in Bezug auf die Marke aus. Nach dem
Prinzip „value for money“ geht der Kunde nach dem Kriterium seiner eigenen Kos-
ten-Nutzen-Betrachtung vor und entscheidet sich für die für ihn optimale Produktva-
riante (Cornelsen 2000, S. 33). Der Nutzen kann in diesem Zusammenhang durch die
Markenstärke erhöht werden. So kann durch die zielgruppenorientierte Wertevermitt-
lung – wie „Abenteuerlust“, „Lebensfreude“ oder „Exotik“ – das Angebot des Reise-
E-Shops von opodo.de zusätzlich attraktiver gemacht werden. Infolgedessen kann
„Brand Value“ als Wert verstanden werden, der „das Ausmaß abbildet, in dem eine
Marke zur Steigerung des Transaktionswertes für den Nachfrager beiträgt“ (Mattmül-
ler/Tunder 2002, S. 346).
446 Die Grundlagen des E-Shop
3.4.3.4 Online-Beschwerdemanagement
Das Beschwerdemanagement ist ein wichtiger Baustein für die Realisierung langfristiger
Kundenbindungsstrategien. Grundsätzlich sind Beschwerden von Seiten der Kunden mit
allen Mitteln zu vermeiden, indem das Leistungsangebot so gut wie möglich den Erwar-
tungen der Kunden entspricht und zu Zufriedenheit führt (s. Kapitel 3.3.2.4). Allerdings
wird es mit den zunehmend hybriden Kunden immer schwieriger, allen Wünschen der
Kunden gerecht zu werden und somit jeden Einzelnen glücklich zu machen. Somit sind
Beschwerden von Kunden nicht unumgänglich und sollten durch einen professionellen
Umgang von Seiten des E-Shop-Betreibers die Möglichkeit offenhalten, trotzdem eine
langfristige Kundenbeziehung mit diesen Kunden zu führen. Wimmer (1985, S. 233) ver-
steht unter Beschwerdemanagement „den komplexen unternehmerischen Handlungsbe-
reich der Planung, Durchführung und Kontrolle aller Maßnahmen, die ein Unternehmen
in Zusammenhang mit Beschwerden ergreift“. Ein erfolgreiches Beschwerdemanagement
zielt nicht nur auf die Wiederholung einer Transaktion (z. B. Kauf eines Produktes) ab,
sondern vor allem auf die (Wieder-) Herstellung von Zufriedenheit. Schließlich können
unzufriedene Kunden dem E-Shop schaden, indem sie ihre Unzufriedenheit mit anderen
teilen. Dies geht von negativer Mund-zu-Mund Propaganda über Meinungsäußerungen in
Diskussionsforen bis hin zu der Einleitung rechtlicher Schritte gegen den E-Shop-Betrei-
ber. Ein professionelles Beschwerdemanagement unterstreicht hingegen den Grad der
Kundenorientierung eines Anbieters. Die Nutzung der durch die Beschwerden gewonnen
Informationen kann dabei ein wertvoller Input für alle weiteren Kundenbindungsmaß-
nahmen sein, da auf diese Weise Schwachstellen und Markt-Chancen identifiziert und die
Qualität nicht nur der Produkte, sondern auch der Kundenservices und daher der Kunden-
beziehungen verbessert werden kann (Wegmann 2001, S. 12). Das Beschwerdemanage-
ment sollte also im besten Fall als eine Art Frühwarnsystem verstanden werden. Die
Ziele des Beschwerdemanagements können folgendermaßen zusammengefasst werden
(Stauss 2010, S. 414 f.):
Die Erreichung dieser Ziele setzt voraus, dass der E-Shop-Betreiber den unzufriedenen
Kunden leicht zugängliche Beschwerdekanäle bereitstellt, die eventuell sogar eine
Das Marketing beim elektronischen Verkauf 447
Direkter Beschwerdemanagementprozess
Beschwerde- Beschwerde-
Beschwerde- Beschwerde-
management- informations-
auswertung reporting
Controlling nutzung
Indirekter Beschwerdemanagementprozess
die (Un-)Zufriedenheit mit Transaktionen langfristig auch auf die Beziehung zwischen
Kunde und E-Shop auswirkt. Wie schon in Kapitel 3.3.2.4 beschrieben, ergibt sich Zufrie-
denheit aus dem Vergleich zwischen den Erwartungen eines Kunden an eine Transaktion
(Soll-Zustand) und dem tatsächlichen Ablauf (Ist-Zustand). Dieses Diskonfirmationsmo-
dell wurde von Stauss auch auf die Beschwerdezufriedenheit angewandt (Stauss 2010,
S. 417 f.). Kommuniziert ein Kunde eine Beschwerde, so hegt er bestimmte Erwartungen
wie der E-Shop-Betreiber reagiert und welche Lösung ihm vorgeschlagen wird. Diese Er-
wartung wird nun als Standard für den Vergleich mit der tatsächlichen Erfahrung des Kun-
den gesehen. Erfüllt oder übertrifft die Beschwerdebearbeitung die Erwartungen des Kun-
den, so entsteht Beschwerdezufriedenheit, andernfalls Beschwerdeunzufriedenheit (Stauss
2010, S. 418 f.).
Beschwerdeergebnis: Beschwerdeergebnis:
Vergleich
• Angemessenheit/Fairness • Angemessenheit/Fairness
Beschwerdeprozess: Beschwerdeprozess:
• Erreichbarkeit • Erreichbarkeit
• Qualität der Interaktion • Qualität der Interaktion
- Freundlichkeit - Freundlichkeit
Vergleich
- Verständnis - Verständnis
- Bemühen/Hilfsbereitschaft - Bemühen/Hilfsbereitschaft
- Aktivität/Initiative - Aktivität/Initiative
- Zuverlässigkeit - Zuverlässigkeit
• Reaktionsschnelligkeit • Reaktionsschnelligkeit
Beschwerde(un)zufriedenheit
Es reicht jedoch nicht aus, Erkenntnisse über den Erfüllungsgrad der Kundenerwartungen
an das Beschwerdemanagement zu erlangen. Vielmehr müssen die Dimensionen und
Merkmale analysiert werden, welche die wahrgenommene Qualität des Beschwerde-
managements beeinflussen. Zu den Dimensionen gehört zum einen die Zufriedenheit mit
dem Beschwerdeprozess (funktionale Qualität) und zum anderen die Zufriedenheit mit
dem Beschwerdeergebnis (technische Qualität). Während die Zufriedenheit mit dem Be-
schwerdeergebnis bewertet „was“ der Kunde als Antwort erhält, wird bei der Zufrieden-
heit mit dem Beschwerdeprozess bewertet, „wie“ der E-Shop die Beschwerde abgewickelt
Das Marketing beim elektronischen Verkauf 449
hat (Stauss 2010, S. 414). Die beiden Dimensionen der Beschwerdezufriedenheit wer-
den anhand verschiedener Merkmale charakterisiert und bewertet (Stauss 2010, S. 414 f.,
s. Abb. 173):
3.4.3.5 Online-Loyalitätsprogramme
Bonuspunkte-Programme erfahren eine immer größere Verbreitung auch in der Digitalen
Wirtschaft und das bei einer Vielzahl von Anbietern mit verschiedensten Produkten. Dabei
werden Kunden je nach Umfang der jährlichen Umsätze, Werte, Zusammensetzungen o-
der weitergehenden Aktivitäten unterschiedlich hohe Prämien in Form von Punkten gut-
geschrieben (Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2015, S. 660; Stolpmann 2001). Weiterge-
hende Aktivitäten können sich z. B. auf die Anzahl der Webseiten-Besuche, die Zahl der
eingestellten Beiträge in Communities, die Beantwortung von Fragebögen, die Abgabe
von Meinungsäußerungen und Ähnliches beziehen. Die gesammelten Punkte können an-
schließend in Produktgeschenke eingetauscht oder zur Preisreduktion eingesetzt werden.
Bonuspunkte-Programme in der Digitalen Wirtschaft können sich vor diesem Hinter-
grund auf das Angebot eines Anbieters oder auf das gesammelte Angebot mehrerer An-
bieter beziehen. Ein prominentes Beispiel ist das von payback.de. Die teilnehmenden
E-Business-Unternehmen und damit auch E-Shops bieten Kunden den Service an, bei ver-
schiedenen Partnerunternehmen Punkte in Form von „Bonus“ zu sammeln. Der dann im
Laufe der Zeit gesammelte Bonus kann beim Bezahlen, in den teilnehmenden Unterneh-
men, eingelöst werden. Durch das Engagement in dem Bonuspunkte-Programm bietet der
E-Shop dem Kunden einen Zugriff auf eine weitaus größere Produktpalette, welche die
eigenen Produkte teilweise ergänzen. Die Ausgestaltung von Bonuspunkte-Programmen
in der Digitalen Wirtschaft bietet jedoch noch weitere Möglichkeiten, wie z. B. der Ra-
battclub shoop.de. Wenn Kunden sich registriert und eingeloggt haben, wechseln sie zu
einem aus über 2.000 Partnershops, wie adidas.de oder otto.de. Zu jedem E-Shop bzw.
einer Produktgruppe in einem E-Shop wird ein prozentuales Cashback kommuniziert.
Nach einem Einkauf bei einem Partnershop erhält shoop.de eine Provision und der Kunde
erhält das Cashback. Zwischen Bestellung und Auszahlung des Cashbacks vergehen in
der Regel acht bis zehn Wochen. Laut eigenen Angaben finanziert sich shoop.de über
Bonuszahlungen der Händler für die Vielzahl an vermittelten Kunden und betreibt keinen
Handel mit Kundendaten.
450 Die Grundlagen des E-Shop
Die Sinnhaftigkeit dieser Programme aus der Perspektive des Anbieters liegt insbesondere
in dem Ausbau der Kundenbeziehung und dem Aufbau einer Kundenbindung. Dies wird
dadurch erreicht, dass sich der Kunde für seine Loyalität (z. B. wiederkehrende Nutzung)
über Prämien quasi selbst belohnt. Für den Kunden stellt das Bonusprogramm eine zusätz-
liche Serviceleistung und damit einen zusätzlichen Mehrwert dar (Silberer 1995, S. 98 f.).
Dabei gilt: Die Vorteile des elektronischen Mediums machen es erst möglich, das Verhal-
ten des Kunden und seine Aktivitäten zu verfolgen und dadurch die notwendigen Daten
für Bonusprogramme zu sammeln. Die gewonnenen Daten können wiederum den Einblick
in die Kundenbedürfnisse und -wünsche, betreffend des eigenen Angebots ermöglichen.
Diese Informationen sind besonders für Unternehmen bzw. die E-Shop-Betreiber auf der
Suche nach Erweiterungsmöglichkeiten des eigenen Leistungsangebotes von strategischer
Bedeutung.
Welche Phasen lassen sich für die Projektumsetzung erkennen und welche Personen
sind an der Implementierung von E-Shop-Systemen beteiligt?
Wie definiert man eine übergreifende Strategie für einen E-Shop und wie wird diese in
ein konkretes Konzept umgesetzt?
3.5.1.1 Erfolgsfaktoren
Im Hinblick auf die Erfolgsfaktoren muss zunächst festgestellt werden, dass die Einfüh-
rung eines E-Shops eine ganze Reihe an Anforderungen an den Betreiber stellt. Dies gilt
insbesondere bei einer Neuimplementierung. Erfolg wird dabei im Allgemeinen als mit-
tel- bis langfristige Steigerung des Unternehmens- bzw. E-Shop-Wertes betrachtet (Berens/
Schmitting 2004, S. 173). Für die erfolgreiche Umsetzung sollte sich der Betreiber eines
452 Die Grundlagen des E-Shop
E-Shops aber zunächst vier Risikofaktoren vor Augen führen, die sich vor diesem Hin-
tergrund in einem Zusammenspiel zwischen Technik und Angebot wiederfinden (s. Abb.
174):
Der Betreiber des E-Shops sollte durch seine Kompetenzen und Fähigkeiten dazu
beitragen, dass die Produktanalyse (s. Kapitel 3.3.1) fachmännisch und professionell
durchgeführt wird, um daraus ein wettbewerbsfähiges, in seinem eigenen Shop anzu-
bietendes Angebot abzuleiten. Dasselbe gilt gleichermaßen für die Nachfrageranalyse
(s. Kapitel 3.3.2) und die Strategieanalyse (s. Kapitel 3.3.3), da hier das erworbene
Wissen über den Markt und dessen Teilnehmer bzw. Nachfrager dazu beiträgt eine
ausgewogene und wohlüberlegte Strategie zu verfolgen, die langfristig über Erfolg
oder Misserfolg entscheiden kann. Somit ist der Betreiber mit seinen fehlenden Fä-
higkeiten und Kompetenzen als kritischer Risikofaktor zu betrachten.
Das Angebot des E-Shops kann wiederum als besonders kritischer Risikofaktor be-
trachtet werden, da erst durch ein wettbewerbsfähiges Angebot der Markt so bearbei-
tet werden kann, dass auch genügend Umsätze generiert werden, die den Fortbestand
des E-Shops garantieren. Je nach E-Potenzial eignen sich manche Angebote zwar sehr
gut für den Online-Verkauf, allerdings sind hier die Marktanteile der meist schon vor-
handenen Märkte auch schon stark abgegriffen. Weiterhin muss sich das Angebot
über das Internet optimal bewerben lassen, um die für den Erfolg des E-Shops not-
wendige kritische Nachfragermasse erreichen zu können. Daher stellt das Angebot
einen weiteren kritischen Risikofaktor dar.
Leistung (s. Kapitel 3.2.2.6). Die Festlegung und Transparenz der Lieferbedingungen
und die Einhaltung der Lieferzeiten sind maßgeblich am Erfolg von E-Shops beteiligt.
Eher unkritische
Faktoren
Wodurch/
Technologie Prozesse Wie?
womit?
E-Shop
Wer/ Was/
Betreiber Angebot
wie? für wen?
Kritische
Faktoren
Auch wenn diese einzelnen Faktoren sicherlich zu dem Erfolg eines E-Shops beitragen
können, sind sie nicht absolut und isoliert zu betrachten. Erst die erfolgreiche Kombina-
tion vieler verschiedener Faktoren ermöglicht die Steigerung des Unternehmenswertes,
worin sicherlich auch die üblichen Erfolgsfaktoren, wie Zeit, Kosten, Qualität etc. eine
nicht unerhebliche Rolle spielen.
für das zukünftige Produktangebot im E-Shop skizziert werden. So können in einer zeit-
lichen Abfolge vor diesem Hintergrund mehr und mehr Produkte hinsichtlich der Kriterien
„Zusatzprodukte“ und „Zusatzservice“ dem E-Shop hinzugefügt werden (s. Abb. 175).
Abb. 175 beschreibt den Entwicklungspfad eines typischen Internet-Angebotes. Ausge-
hend von der Kernleistung des E-Shops werden hier das Kernprodukt (z. B. der Verkauf
von Büchern über den E-Shop) und eine Kernleistung als Basisservice (Versand der Bü-
cher) angeboten. Bei einer Erweiterung der Kernleistung um eine Zusatzleistung wäre es
z. B. möglich, nicht nur den Versand der Bücher anzubieten, sondern auch noch eine 24
Stunden Liefergarantie gegen Aufpreis anzubieten. Möchte der Shopbetreiber zu seinem
Kernprodukt noch zusätzliche Produkte verkaufen, kann er z. B. neben den normalen Bü-
chern in einem nächsten Entwicklungsschritt auch Hörbücher anbieten und damit sein
Sortiment erweitern. Letztendlich ist es nun auch noch möglich, das Angebot durch eine
Kombination aus Zusatzleistungen und Zusatzangeboten weiter zu entwickeln, um so die
bestehende Kundengruppe noch besser bedienen zu können bzw. neue Kunde hinzuzuge-
winnen. Im vorliegenden Beispiel (s. Abb. 175) könnte sich dies in der Möglichkeit, sowohl
das Kernprodukt (Bücher) als auch die Zusatzprodukte (Hörbücher) über das Internet
runter zu laden (Downloadoption), widerspiegeln. Der Entwicklungspfad hängt in der Re-
gel jedoch stark von der Wettbewerbspositionierung (s. Kapitel 3.3.3.3) des E-Shops ab,
da nicht unbedingt die ständige Erweiterung des Angebotes im Vordergrund stehen muss,
sondern vielmehr die kontinuierliche Pflege des Alleinstellungsmerkmals. Erst wenn das
Alleinstellungsmerkmal auch bei der geplanten Erweiterung erfolgreich verteidigt werden
kann, lohnt es sich, den nächsten Entwicklungsschritt konktret zu vollziehen.
Im Rahmen der Kunden- bzw. Käuferanalyse werden bei einem E-Shop insbesondere die
folgenden Aspekte untersucht: Kundenmerkmale, Kundensegmentierung und Kundenziel-
gruppe (Kollmann 2019). Während die Beschreibung eines Marktes eher übergeordnet und
tendenziell anonym ist (Makroebene), wird bei der Kundenanalyse der Fokus auf die ein-
zelne Person als potenzieller Abnehmer der Leistung gelegt (Mikroebene). Wenn es in der
Fortführung des Beispiels „Buchhandel“ darum geht, 5 % der Online-Buchkäufe über die
neue elektronische Plattform abzuwickeln, so muss im Folgenden geklärt werden, welche
Art von Kunden sich dahinter verbergen. Im Mittelpunkt steht die Frage: Wer ist mein
Kunde und welche Eigenschaften können diesem Kunden zugeschrieben werden (s. Kapitel
3.3.2.1 und 3.3.2.2)?
Ausgangspunkt der Analyse ist die Identifikation relevanter Kundenmerkmale. Hierzu
gehören bspw. verhaltensorientierte Kriterien (z. B. Preisverhalten, Mediennutzung, Ein-
kaufsstättenwahl), soziodemographische Kriterien (z. B. Geschlecht, Alter, Einkommen,
Beruf), geographische Kriterien (z. B. Wohnort, Land, Sprache) und psychographische
Kriterien (z. B. Motive, Einstellungen, Akzeptanz) im B2C-Bereich (Freter 2008, S. 93).
Im B2B-Bereich können zusätzlich auch Kriterien des organisatorischen Beschaffungs-
verhaltens hinzukommen (z. B. Entscheidungsträger, Buying Center, Lock-in-Effekte;
Backhaus/Voeth 2014). Diese Kundenmerkmale sind sodann die Grundlage für eine Kun-
den- bzw. Marktsegmentierung. Im Rahmen der Kundensegmentierung geht es darum,
456 Die Grundlagen des E-Shop
den Gesamtmarkt anhand der Kundenmerkmale in intern homogene und untereinander he-
terogene Untergruppen (Marktsegmente) zu zerlegen (Schreiber 1966; Meffert/Burmann
/Kirchgeorg 2015, S. 174 ff.). Damit ist das Ziel verbunden, eine segmentspezifische Be-
dürfnisbefriedigung anzubieten bzw. eine gezielte Bearbeitung mit unterschiedlichen Stra-
tegien zu erkennen. Ein einfaches Beispiel für einen E-Shop ist die Segmentunterschei-
dung bei dem Reiseanbieter expedia.de in Reisen für Singles und Familien, die zu unter-
schiedlichen Angeboten und Bearbeitungsstrategien führt.
Hörbücher Download
Zusatz-Produkt
24 Std.
Bücher
Lieferung
Zusatz-Service
Abb. 175: Entwicklungspfad für das Produkt- und Serviceangebot in einem E-Shop
Für einen E-Shop stellt sich vor diesem Hintergrund die Aufgabe, anhand des elektroni-
schen Angebots (s. Kapitel 3.3.1.1), die verbundenen Kriterien einer Kunden- bzw. Seg-
mentidentifikation vorzugeben (s. Kapitel 3.3.2.1). Wenn bspw. ein E-Shop für Segel-
boote (z. B. Jollen) und Segelzubehör geplant ist, so können folgende Kundenkriterien
relevant sein: Alter/Geschlecht/Einkommen, Wohnort/Land, Mediennutzung, Akzeptanz.
Im Ergebnis hätte man ein Zielkundensegment, mit den Eigenschaften: männlich (2/3
aller Segler), über 40 (Segeln ist Erwachsenensport), hohes Einkommen (Segelboote sind
relativ teuer), Küstenland-Bewohner (Segeln ist hauptsächlich in Ländern mit Meereszu-
gang populär), Küsten-/Seeort-Bewohner (Segelboot braucht Liegeplatz), Internet-Nutzer
(Online-Käufer). Die Implikationen aus diesem Kundenprofil sind darin zu sehen, dass
sich der E-Shop-Betreiber überlegen muss, wie er die identifizierten Kunden erreichen
und für sich gewinnen möchte.
Die Implementierung beim elektronischen Verkauf 457
3.5.1.3 Strukturanalyse
Einen weiteren Punkt für die Implementierung eines E-Shops bildet in der Regel die
Strukturanalyse (s. Abb. 176). Dabei sollte die Frage beantwortet werden: Wie gestal-
ten sich die strukturellen Voraussetzungen für den E-Shop? Bevor daher die Realisierung
eines E-Shops eingeleitet wird, sollten im Rahmen der Strukturanalyse gewisse Aspekte
zu den Rahmenbedingungen des E-Shop-Betriebs und des Online-Marktes betrachtet wer-
den. In einer Vorstudie können diese Aspekte danach kategorisiert werden, ob sie vom
E-Shop beeinflussbar sind oder nicht. Zu den internen Faktoren und damit beeinflussba-
ren Aspekten zählen vor diesem Hintergrund insbesondere (Schwarze/Schwarze 2002,
S. 161):
Kostenstruktur: Hier stellt sich die Frage, wie die gesamte Kostenstruktur eines
E-Shops aufgebaut sein kann bzw. soll. Darunter fällt nicht nur die Grundfinanzie-
rung eines E-Shops, sondern auch Personalkosten, Marketingkosten, Mietkosten
usw., die als laufende Kosten in den E-Shop-Betrieb eingehen (Kollmann 2019).
Produkte: Nicht jede Art von Produkten eignet sich gleichermaßen für den Verkauf im
elektronischen Handel (s. Kapitel 3.3.1.1). Die genaue Betrachtung der Branche und
des Marktes lässt erkennen, inwiefern die zu verkaufenden Produkte für den Verkauf
über das Internet geeignet sind. Das Dilemma liegt meistens darin, dass die Märkte für
leicht digitalisierbare Produkte schon von Anbietern überfüllt sind und der Shop nur
als weiterer Konkurrent in den Markt eintreten kann (Musik, Software, Bücher etc.).
Ist das Produkt jedoch nur schwer digitalisierbar, hat es ein E-Shop schwer, diese über
das Internet erfolgreich zu verkaufen. Die Überlegung über das zu verkaufende Produkt
ist somit ein Schlüsselfaktor in der Realisierungsphase, da es den E-Shop-Aufbau und
die Struktur wesentlich beeinflusst (s. Kapitel 3.5.1.2).
458 Die Grundlagen des E-Shop
Die oben aufgelisteten Aspekte sind grundsätzlich von dem E-Shop-Gründer beeinfluss-
bar. Sie können als Stellschrauben für den E-Shop-Erfolg angesehen werden, die es in
bestimmte Richtungen zu drehen gilt. Erst wenn sie optimal aufeinander abgestimmt sind,
sind die Voraussetzungen für den Online-Betrieb gegeben. Somit wird deutlich, dass eine
Einzelbetrachtung der Faktoren nicht sinnvoll ist, da sich z. B. aus der technischen Infra-
struktur das benötigte Personal ergibt, bereits vorhandene Kompetenzen der E-Shop-Be-
treiber jedoch auch die Kostenstruktur verändern zu können. Erst wenn die Wechselwir-
kungen in die Analyse einbezogen werden, kann eine umfassende Strukturanalyse für den
späteren Aufbau des E-Shops erstellt werden. Da die internen Faktoren jedoch nicht allein
den Gesamterfolg der Unternehmung ausmachen, müssen auch die externen Faktoren be-
trachtet werden, die zwar nicht vom E-Shop direkt beeinflusst werden können, aber den-
noch eine entscheidende Rolle für den weiteren Verlauf des E-Commerce-Projektes spie-
len. Auch hier ist darauf zu achten, dass sich die Faktoren nicht nur direkt, sondern auch
indirekt auf den Erfolg auswirken können.
Externe Faktoren
Interne Faktoren
Kosten Infrastruktur
E-Shop-
Struktur
Mitarbeiter Produkte
Konkurrenz Kunden
(Markt-)Potenzial
Abb. 176: Die internen und externen Faktoren der Strukturanalyse bei einem E-Shop
Quelle: in Anlehnung an Schwarze/Schwarze 2002, S. 163.
So kann z. B. eine neue Technik am Markt verfügbar sein, die bestimmte Prozesse ver-
einfacht, wenn aber das geeignete Personal zur Bedienung dieser Technik nicht vorhanden
ist, kann diese auch nicht eingesetzt werden. Andere E-Shops, die diese Technik einsetzen,
könnten dann einen Wettbewerbsvorteil erlangen. Zwar kann der E-Shop die vorhandene
Technik nur in den seltensten Fällen beeinflussen, aber er kann darauf in bestimmter Art
Die Implementierung beim elektronischen Verkauf 459
und Weise reagieren, was wiederum auch die E-Shop-Struktur bestimmt. Einige Beispiele
für die externen Faktoren sind (Schwarze/Schwarze 2002, S. 162):
Partner: Der Aufwand für bestimmte Aufgabenbereiche ist zu Beginn des E-Shop-
Betriebs nicht immer angemessen. Der Einbezug externer Dienstleister (s. Kapitel
3.1.2.2) oder Partner (s. Kapitel 3.1.2.3) zur Auslagerung bestimmter Dienste kann
somit eine strategisch wichtige Entscheidung sein. Der Markt der Dienstleister sollte
deshalb analysiert werden, ob und welche relevanten Dienste angeboten werden und
inwiefern es rentabler für den E-Shop ist, die anbietenden Dienstleister in Anspruch zu
nehmen oder welche Partnerschaften einzugehen sind.
Potenziale und Hemmnisse: Die Strukturanalyse sollte schon im Vorfeld die Poten-
ziale und Hemmnisse für die weitere Entwicklung des E-Shops aufdecken. Dieser As-
pekt bezieht sich nicht nur auf technische Erweiterungen, sondern auch auf Verände-
rungen im Kundenstamm oder in der Produktpalette. Sollte sich ein E-Shop z. B. ent-
scheiden, neben seinen Büchern auch noch CDs anzubieten, so kann allein schon ein
Name (z. B. ebooks.com) hinderlich sein. Solche etwaigen Hemmnisse können zwar
nicht gänzlich im Vorfeld berücksichtigt werden, ein paar wenige Grundsätze helfen
allerdings auf zukünftige Potenziale und Hemmnisse zu testen.
Technik: Bei der technischen Umsetzung eines E-Shops muss auf die am Markt exis-
tierenden Technologien zurückgegriffen werden (s. Kapitel 3.1.3). Eine eingehende
Analyse der technischen Möglichkeiten kann u. U. dazu führen, dass der E-Shop-Be-
treiber frühzeitig erkennt, dass sein Geschäftsmodell technisch noch nicht realisierbar
ist oder die Beauftragung eines Dienstleisters zur Lösung dieses Problems in Erwä-
gung gezogen werden muss.
durch die Chance, das Marktpotenzial zu generieren, wieder aufgehoben. Bei der Ein-
führung eines nicht innovativen E-Shops kann der Betreiber auf Zahlen der Konkurrenz
zurückgreifen. Hierbei bleibt meistens nur die Verdrängung der Konkurrenz, um die-
ser Marktanteile wegzunehmen (s. Kapitel 3.3.3.4). Überlegungen zum Marktpotenzial
bilden auch die Schnittstellen zur umfassenden Marktanalyse.
3.5.1.4 Marktanalyse
Einen weiteren Punkt für die Implementierung eines E-Shops bildet in der Regel die
Marktanalyse. Dabei sollte die Frage beantwortet werden: In welchem Marktumfeld soll
der E-Shop platziert werden? Der letzte Punkt der externen Faktoren im Rahmen der Struk-
turanalyse (s. Kapitel 3.5.1.3) führt dabei unmittelbar zu dieser Marktanalyse und umfasst
bei einem neuen E-Shop insbesondere die Aspekte Marktpotenzial, Marktvolumen, On-
line-Marktvolumen und Online-Marktanteil (Kollmann 2019). Das sog. Marktpotenzial
(s. Abb. 177) beschreibt zunächst die Gesamtheit aller möglichen Absatzmengen/-erlöse ei-
nes Marktes (Kotler/Keller 2016, S. 109 f.; Thommen et al. 2017, S. 63). Es geht davon
aus, dass alle mit der erforderlichen Kaufkraft ausgestatteten Zielkunden das Produkt kau-
fen würden. Im Gegensatz dazu beschreibt das Marktvolumen nur die tatsächlich reali-
sierten Umsätze in einer Bezugsperiode. Als Beispiel können die Umsätze bzw. Kunden-
anzahl im gesamten Buchhandel für 2018 angeführt werden. Verfolgt das Geschäftskon-
zept ein variables Erlösmodell, so sind die Umsätze von Interesse (z. B. 2 % pro Transak-
tion). Bei einem fixen Erlösmodell sind es die Kundenzahlen (z. B. 10 Euro pro Nutzer/
Jahr). Entscheidende Fragen in diesem Zusammenhang sind die nach Entwicklung und
Wachstum des Gesamtmarktes und die damit zusammenhängende Feststellung, ob ein
Rückgang, eine Stagnation oder ein Wachstum in den Basiszahlen zu verzeichnen ist.
Es liegt auf der Hand, dass sich eine Unternehmensgründung bevorzugt in einem wach-
senden Markt abspielen sollte, da hier in der Regel noch keine so starren Markt- und Be-
dürfnisstrukturen vorliegen (Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2015, S. 284 ff.).
Das Online-Marktvolumen (s. Abb. 177) für einen E-Shop wäre für das einfache Beispiel
„Buchhandel“ jedoch nur durch die Umsätze repräsentiert, die über das Internet oder an-
dere elektronische Online-Medien innerhalb einer Periode abgewickelt wurden (Kollmann
2019). Analog kann nur die Kundenanzahl herangezogen werden, die einen Zugang zum
Internet hat und die Bücher online bestellt. Hier muss entsprechend geklärt werden, ob
beim Online-Marktvolumen noch Wachstumszahlen realisiert werden oder erste Sätti-
gungseffekte eingetreten sind. In der Regel ist das Online-Marktvolumen bei einem E-
Shop durch den Kundenkreis repräsentiert, für den der elektronische Mehrwert (Bedarf)
erstens einen Sinn macht und für den zweitens überhaupt ein technischer Zugang zu dem
Angebot besteht (Internet-Nutzung). Möchte ein neuer E-Shop z. B. Möbel über das In-
ternet verkaufen, so wird man schnell feststellen, dass nur ein Bruchteil der Gesamtum-
sätze in dieser Branche (Marktvolumen) über elektronische Medien abgewickelt wird (On-
line-Marktvolumen). Der Grund liegt darin, dass eine Vielzahl der Möbelhäuser noch gar
nicht für den elektronischen Geschäftsverkehr gerüstet ist.
Die Implementierung beim elektronischen Verkauf 461
Menge, Wert,
Kundenanzahl 100 %
Marktpotenzial
80 %
Online-
Marktvolumen
35 %
Marktvolumen Online-
Absatzvolumen
15 %
Zeit
Der Online-Marktanteil (s. Abb. 177) spiegelt für ein E-Shop am Ende das Verhältnis
des eigenen Online-Absatzvolumens am gesamten Online-Marktvolumen in Prozent wi-
der (Kollmann 2019). Es ist entsprechend der Anteil an den Online-Umsätzen bzw. On-
line-Kunden innerhalb eines Zielbereiches, den das neue Unternehmen für sich erobern
will. Der gesamte Marktanteil wäre das Verhältnis zwischen Online-Absatzvolumen und
gesamten Marktvolumen in Prozent. Ein entsprechendes Beispiel kann lauten: Von dem
Online-Marktvolumen im Buchhandel sollen 5 % über die neue elektronische Plattform
abgewickelt werden, die von dem neuen E-Shop zur Verfügung gestellt wird. Insgesamt
ist es gerade für junge E-Shops, die häufig Nischenmärkte in der Digitalen Wirtschaft
bedienen, sehr schwierig, die für die exakte Abschätzung des geplanten Online-Marktan-
teils notwendigen Daten zu ermitteln. Trotz hohem Rechercheaufwand ist nur eine grobe
Abschätzung in der Praxis möglich, da gesicherte Marktdaten meist nicht vorliegen und
viele bereits existierende E-Shops ihre Absatz- und Umsatzzahlen nicht publizieren (Rüg-
geberg 2003, S. 47).
Die Ermittlung des Online-Marktanteils ist für ein E-Shop nicht zu unterschätzen. Zum
einen wird den E-Shop-Betreibern hierdurch klar, welchen Spielraum die Geschäftsidee
im Markt eigentlich hat. So müssen bei einem kleinen Markt (Nischenmarkt) relativ viele
Marktanteile gewonnen werden, um bestimmte Umsätze zu erreichen (z. B. 40 % von 1
Mio. Kunden). Bei einem großen Markt (Massenmarkt) reicht dagegen ein kleiner Anteil
(z. B. 2 % von 50 Mio. Kunden). Dies schlägt sich auf die Marketing- und Vertriebsstrategie
nieder. Zum anderen werden mit Hilfe des Online-Marktanteils die Einnahmen und Auf-
462 Die Grundlagen des E-Shop
wendungen für den jungen E-Shop kalkuliert. Ein angestrebter Marktanteil von 10 % sollte
z. B. zu 90.000 Kunden führen, für die dann Werbekosten von durchschnittlich 50 Euro
auf der Kostenseite angesetzt werden.
3.5.1.5 Prozessanalyse
Eine weitere Frage im Zusammenhang mit der Implementierung eines E-Shops ist die
Umsetzung der Vorgaben aus der Produkt- und Käuferanalyse (s. Kapitel 3.5.1.2) sowie
der Struktur- und Marktanalyse (s. Kapitel 3.5.1.3 und 3.5.1.4) in notwendige Prozesse
zum Online-Verkauf der entsprechenden Angebote (Prozessanalyse). Bevor die Prozesse
eines E-Shops eingehend analysiert werden (s. Kapitel 3.2.2), gilt es zunächst einmal die
Prozesse in Intra-Prozesse und Extra-Prozesse zu unterscheiden. Diese Unterscheidung
der Prozessarten ist für das Verständnis einzelner Prozesse und deren Einbettung in das
gesamte System wichtig. Intra-Prozesse sind all diejenigen Prozesse, die vollständig auf
der Webseite durchlaufen werden und dem Nutzer direkt ein Ergebnis liefern (Bauer/
Herrmann 2004, S. 367). Dies kann z. B. die Produktkonfiguration auf der Webseite sein.
Nach jedem Konfigurationsschritt erhält der Nutzer ein Feedback auf seine Aktion bis
letztendlich, am Ende der Prozesse, das gewünschte Produkt fertig konfiguriert ist. Bei
Extra-Prozessen werden Webseiten-externe Schnittstellen in den Prozessablauf eingebun-
den. Dadurch wird der Gesamtprozess meist erst nach dem Besuch der Webseite abge-
schlossen. Dies wäre z. B. eine Produktbestellung oder Produktanfrage über den E-Shop,
die über Schnittstellen direkt zum Kundenservice oder andere Abteilungen geleitet wird.
Dem Nutzer bleiben die durch seine Aktion angestoßenen Folgeprozesse meist verborgen.
Wichtig ist nur die Qualität der Reaktion, egal wie nachgelagerte Prozesse aussehen.
Bei der Prozessanalyse geht es vor diesem Hintergrund darum, die Prozessarchitektur so-
wohl der Intra- als auch der Extra-Prozesse zu analysieren. Da sich die Intra-Prozesse auf
die Webseite des E-Shops beschränken, sollte analysiert werden, welche Rolle die Web-
seite im Rahmen der regulären Geschäftsprozesse spielt. Zudem sollte beantwortet wer-
den, welche Absichten die Benutzer haben und welche konkreten Erwartungen sie an die
interaktiven Funktionalitäten der Webseite haben (Bauer/Herrmann 2004, S. 368). Weiter-
hin müssen die Intra-Prozesse auf etwaige interne oder externe Schnittstellen hin analy-
siert werden und auf die Möglichkeit bestimmte Messinstrumente zur Qualitätssicherung
einzusetzen. Je nach Art des E-Shops kann die Prozessarchitektur dieses scheinbar „ein-
fachen“ Prozesses einen hohen Komplexitätsgrad aufweisen. Die Effizienz einzelner
Schritte, wie z. B. eine Informationsanfrage, kann dadurch sehr beeinträchtigt werden, was
wiederum die Gefahr eines frühzeitigen Prozessabbruchs birgt. Somit sollte auch die Pro-
zessleistung und Effizienz durch quantitative Performanzparameter analysiert werden.
Die Analyse der Extra-Prozesse beurteilt die Qualität der Prozesse aus Kundenperspek-
tive. Hierbei wird versucht den gesamten Verlauf von Webseiten-Initialkontakten über
den „physischen“ Kontakt bis zur Kaufentscheidung abzubilden (Bauer/Herrmann 2004,
S. 372). Dabei kommen folgende Fragestellungen auf: Wie gut ist der Übergang von On-
Die Implementierung beim elektronischen Verkauf 463
3.5.1.6 Projektorganisation
Im Rahmen der Projektorganisation sollten sodann zwei elementare Fragen beantwortet
werden: Erstens, wer setzt den E-Shop nun konkret um (Projektteam) und zweitens, unter
welchen Rahmenbedingungen erfolgt diese konkrete Umsetzung (Projektdesign)? Im
Hinblick auf das Projektteam sind bei der Einführung eines E-Shops Fachkenntnisse ver-
464 Die Grundlagen des E-Shop
schiedener Bereiche abzudecken. Darunter fallen nicht nur technisches und kaufmänni-
sches Know-how, sondern ganz besonders auch Fachkenntnisse im Bereich der Schnittstel-
len dieser beiden Bereiche. Das erforderliche Fachwissen bei einem E-Shop-Projekt be-
wegt sich also im Spannungsfeld von Informatik, Betriebswirtschaft und Wirtschaftsinfor-
matik (Kollmann 2019):
Informatik: Die technologische Seite des E-Shops erfordert ein fundiertes Wissen
über Technologien, Systeme, Datenbanken, Programmierung und die Systemarchitek-
tur (s. Kapitel 3.1 und 3.2).
Sachebene: Auf der Sachebene findet die Auseinandersetzung mit inhaltlichen The-
men statt. Darunter fällt z. B.: die Definition der Projektziele, die Auswertung der
Analyse-Ergebnisse, die Entwicklung von Lösungsansätzen, Planung und Organisa-
tion, Terminabsprachen usw. Hierbei dominiert der Verstand die Beziehungen inner-
halb des Teams.
Die Implementierung beim elektronischen Verkauf 465
Beide Ebenen sind eng miteinander verflochten und beeinflussen sich gegenseitig, wobei
die Beziehungsebene die dominantere Ebene ist (Kuster 2011, S. 253). Entstehen zwi-
schenmenschliche Störungen in der Beziehungsebene, so wirken diese sich auf die inhalt-
liche Arbeit aus. Gänzlich vermeiden lassen sich solche Störungen nicht, da sie in Gruppen
immer auftreten. Allein der Grad der Störung ist ausschlaggebend für den Erfolg der Pro-
jektarbeit. Daraus kann man eine aktive Konfliktreduzierung und -vermeidung ableiten.
Vor Projektbeginn sollten Regeln und Verhaltensweisen im Team festgelegt werden, die
es von allen zu beachten gilt. Auch Vorgehensweisen zu Problemlösungen können schon
frühzeitig Ärger innerhalb der Gruppe vermeiden.
Bevor das Projektteam mit der tatsächlichen Realisierung des E-Shops beginnen kann,
müssen die äußeren Rahmenbedingungen im Zuge des Projektdesigns abgesteckt werden.
Erst wenn diese klar definiert sind, kann das Projekt Gestalt annehmen. Die Rahmenbedin-
gungen gelten nicht nur als Orientierungshilfe während des Projektablaufes, sondern schon
vor Projektbeginn zur Einschätzung der Realisierbarkeit und der notwendigen Vorausset-
zung. Zur Klärung der Rahmenbedingungen sollten folgende Aspekte genau diskutiert
und formuliert werden (Eggers 2001, S. 404 ff.):
Zielsetzung: Die Formulierung des Projektziels ist für den Erfolg des E-Shops wich-
tig, da daraus alle weiteren Teilziele (Meilensteine) und aus den Teilzielen wiederum
Aufgaben abgeleitet werden müssen. Die strategische Planung und Realisierung des
Projektes muss immer zur Erreichung des Ziels ausgerichtet sein. Erst wenn ein Ziel
definiert ist, können die zukünftigen E-Shop-Betreiber mit externen Stakeholdern ver-
handeln.
Innovationsgrad: Je nach strategischer Ausrichtung des E-Shops wird bei der Imple-
mentierung entweder eine bereits bestehende Unternehmensidee übernommen oder
unternehmerisches Neuland betreten. Der Innovationsgrad des Projektes bestimmt
466 Die Grundlagen des E-Shop
nicht nur den gesamten Verlauf, sondern auch die Struktur des Projekts. Bei innovati-
ven Lösungen beeinflusst der Novitätsgehalt die gesamte Wertschöpfungskette, die
wiederum die Gestaltung des Projektes bestimmt und deren Aufbau somit von Beginn
an geklärt werden muss.
Bedeutung/Risiko: Wird bei der Implementierung des E-Shops eine innovative Ge-
schäftsidee realisiert, so können die Gründer kaum auf Erfahrungswerte zurückgreifen.
Absatzprognosen, Markteinschätzungen und Annahmen über die benötigten Voraus-
setzungen können somit nur relativ wage abgeschätzt werden und stellen dadurch eine
Gefahrenquelle für den Erfolg des Projektes dar. Das Betreten von unbekanntem Ter-
rain bedeutet also einerseits, ein höheres Risiko zu tragen, dafür hat man aber ande-
rerseits mehr Chancen, sich am Markt durchzusetzen und die Vorteile des First-Mover-
Effektes auszuschöpfen.
Komplexität: Nicht nur interne und externe Interessengruppen müssen bei der Imple-
mentierung des E-Shops berücksichtigt werden, sondern auch die Dynamik der ein-
zelnen Elemente, auf die das Projekt gestützt ist. Gerade in der Digitalen Wirtschaft
können sich die Rahmenbedingungen, z. B. durch Technologieentwicklungen und
Gesetzesänderungen, sehr schnell ändern. Um dieser Dynamik standzuhalten, benö-
tigt das Projekt ein höchst professionelles Management, das die Komplexität des Pro-
jektes besonders im Hinblick auf externe Rahmenbedingungen nicht unterschätzt.
Jeder dieser Aspekte bestimmt den Aufbau und Ablauf des Projektes, da es sich hierbei
um Rahmenbedingungen handelt, innerhalb derer sich das Projekt bewegt. Je genauer und
zielgerichteter die einzelnen Punkte vom Team diskutiert und festgelegt werden, desto
weniger Spielraum bleibt für die Durchführung des Projektes übrig. Dies kann sich einer-
seits positiv auf den weiteren Verlauf des Projektes auswirken, da das weitere Vorgehen
somit sehr klar bestimmt wird und die Erreichung des Projektziels zielstrebig verfolgt
werden kann. Andererseits bedeutet ein zu straffes Projektdesign aber auch, dass sich die
Dynamik im äußeren Umfeld nur schwer in das Projekt integrieren lässt und eine Reaktion
auf plötzlich auftretende Veränderungen oder Voraussetzungen das gesamte Konzept in
Gefahr bringen kann. Es muss also ein gesunder Mittelweg gefunden werden, den Projekt-
rahmen so eng zu gestalten, dass sich während des Projektes viele Fragen anhand der Rah-
menbedingungen beantworten lassen können, und so viel Spielraum zu lassen, dass Ver-
Die Implementierung beim elektronischen Verkauf 467
änderungen im externen Umfeld flexibel in das Projekt eingebracht werden können und
somit das Projekt nicht gefährden.
3.5.1.7 Projektkalkulation
Unter einer Projektkalkulation versteht man die „Ermittlung der voraussichtlichen kos-
tenwirksamen Projektleistungen und ihre Bewertung“ (DIN 69905). Da jedes Projekt per
Definition einmalig ist, ist die Projektkalkulation eine der schwierigsten Aufgaben bei der
Projektplanung. Erfahrungswerte sind meist nicht vorhanden, sodass gewisse Kosten nur
geschätzt werden können und die Kalkulation somit an Präzision verliert. Trotzdem benö-
tigen die E-Shop-Betreiber vor Realisierung des E-Shops eine Aufstellung der voraussicht-
lichen Aufwendungen, damit eine Kosten-Nutzen-Abwägung durchgeführt werden kann.
Es entsteht eine Diskrepanz zwischen den Anforderungen der Wirtschaftlichkeitsrechnung
und der unsicheren Prognose, die bei verschiedenen Methoden der Projektkalkulation be-
rücksichtigt werden. Die sog. Bottom-Up-Planung versucht, die einzelnen Aufgaben in
möglichst kleine, detaillierte Teilaufgaben aufzubrechen und durch diesen höheren De-
taillierungsgrad die Genauigkeit der Aufwandsschätzung zu vergrößern. Verbindet man
verschiedene Methoden miteinander, so kann es gelingen, den wahrscheinlichen Aufwand
und seine möglichen Abweichungen zu ermitteln. Zur Verringerung des Kostenrisikos ist
es ratsam, schon vor Projektbeginn verbindliche Angebote einzuholen. Weitere Maßnahme
kann die Einplanung von finanziellen Puffern sein, wodurch zwar einerseits der ROI (Re-
turn on Investment) verschlechtert, aber andererseits größere Sicherheit für das Gelingen
des Projektes erlangt wird. Weiterhin kann eine Risikoanalyse mögliche Kostenüberschrei-
tungen abschätzen, die durch Eintreten verschiedener Risiken auftreten können. Sind die
Risiken erkannt und eingeschätzt, können Gegenmaßnahmen zur Verringerung der Risi-
ken eingeleitet werden. Bei der Top-Down-Planung hingegen wird ein Kostenrahmen für
das gesamte Projekt im Voraus festgelegt, sodass sich die Projektplanung mit ihrem Er-
gebnis daran orientieren muss. Die gesamte Projektkalkulation muss sich also innerhalb
der festgelegten Kostenstruktur bewegen. Typischerweise geschieht dies durch die Kos-
tenträgerrechnung, wobei die Projektkosten nach Arbeitspaketen berechnet werden. Bei
kleineren Projekten lohnt es sich dagegen eher, Pauschalen für einzelne Kostenarten (Per-
sonalkosten, Sachkosten, Abschreibungen etc.) für die Kalkulation anzusetzen. Zusammen
mit der Ablaufplanung ergibt die Projektkalkulation den Kostenplan des Projekts. Die Ab-
laufplanung ist wichtig, da sich der Zeitpunkt einzelner Anfangsinvestitionen stark auf den
Kostenplan auswirken kann.
Als Beispiel kann hier Abb. 178 für die Projektkalkulation eines Online-Shops dienen.
Die obere Hälfte zeigt den Bottom-Up-Ansatz, der wie schon beschrieben vom Detail zum
Gesamten geht. Dabei werden zunächst die Kosten einzelner Teilkomponenten (bspw.
Kosten für Server 9.000 Euro, Computer 5.000 Euro, Internetanbindung/Standleitung
4.000 Euro, Bürostühle 8.000 Euro, Miete 9.000 Euro, Telefonkosten 3.000 Euro etc.)
errechnet bzw. geschätzt, um sie dann zu einzelnen Arbeitspaketen zusammenzufassen
468 Die Grundlagen des E-Shop
(Technik z. B. 18.000 Euro, Bürokosten 20.000 Euro, Personalkosten 17.000 Euro etc.).
Die ermittelten Werte werden dann zusammenaddiert und ergeben in ihrer Summe die
Gesamtkosten des E-Shop-Projektes (55.000 Euro). Die Genauigkeit der Projektkalkula-
tion hängt also sehr stark davon ab, wie präzise einzelne Kostenaspekte bewertet werden
können. In einigen Fällen kann es sich lohnen, das eigene Projekt mit einem gleichwerti-
gen/ähnlichen Projekt zu vergleichen oder konkrete Recherchen in der Branche zu betrei-
ben, um die Planung so realistisch wie möglich zu gestalten.
Bei der Top-Down-Methode verläuft die Planungs- und Kalkulationsrichtung vom Gesam-
ten zum Detail. Ausgangspunkt ist hier das gesamte für das Projekt zur Verfügung stehende
Budget (z. B. 50.000 Euro), das je nach Gewichtung der Projektbereiche (Personal, Tech-
nik, Büro) auf die Teilkomponenten aufgebrochen wird. Im vorliegenden Beispiel werden
alle Bereiche als gleichwertig betrachtet und bekommen daher jeweils 1/3 des Gesamtbud-
gets gestellt. Insgesamt sollte der E-Shop-Betreiber bedenken, dass bei dieser Methode die
Einhaltung des Budgets als oberste Priorität gesehen wird, wobei die Kostenverteilung
jedoch sehr unter fehlender Flexibilität leiden kann. Andersherum birgt diese Methode
nicht die Gefahr, die Gesamtkosten so zu übersteigen, dass die Finanzmittel direkt voll-
kommen ausgeschöpft werden und der Spielraum für unvorhergesehene Kosten sehr gering
wird. Je nach Ausgangslage des Projektes lohnt sich evtl. die Kombination beider Ansätze,
um einerseits ein realistisches Bild der Kostenstruktur zu bekommen, aber auf der anderen
Seite auch zu erkennen, wo es unter Umständen Einsparungen geben muss, um das Ge-
samtbudget nicht zu überziehen.
4T € 5T € 9T € 9T € 3T € 8T € 2T € 5T € 10T €
START
55.000 € (Budget/feste Summe)
Top-Down
Basierend auf den Ergebnissen der initialen Projektplanungsphase kann nun die techni-
sche und betriebswirtschaftliche Projektumsetzung erfolgen. Die Implementierung eines
E-Shops lässt sich dabei in verschiedene Projektphasen einteilen. Abb. 179 gibt einen
Überblick über die wesentlichen Aktivitäten eines Projektes und setzt diese in eine suk-
zessive Ablauffolge. Dargestellt ist ein aus der vorhandenen Literatur synthetisiertes Vor-
gehensmodell, dass die Projektphasen und deren zentrale Ergebnisse in Beziehung zuei-
nander setzt. Angestoßen wird ein E-Shop-Projekt meist entweder von bestehenden Unter-
nehmen, die den E-Shop als weiteren Vertriebskanal betrachten oder Einzelpersonen, die
ein neues Geschäftsmodell entwickeln und realisieren möchten. Das Projekt startet mit
einer Kick-Off-Phase, in der die zentrale Geschäftsidee formuliert wird, erste Planungs-
schritte erfolgen, Basisinformationen eingeholt werden und Erfolgspotenziale grob abge-
schätzt werden. Nach der klaren Formulierung des Projektvorhabens (evtl. Business Plan)
werden Geldmittel zur Finanzierung des E-Shops akquiriert und ein Projektteam (s. Ka-
pitel 3.5.1.6) bzw. Gründerteam aufgestellt. Ziel der Artikulierung des Projektvorhabens
ist es, eine Unternehmensvision zu formulieren und daraus Projektziele abzuleiten. Der
Detaillierungsgrad ist dabei abhängig von der organisatorischen Stellung des Shops (Shop
als weitere Vertriebsweg oder Shop als Existenzgründung). Ergebnisse der Kick-Off-Pha-
se sind neben der Projektformulierung eine Grobabschätzung der Absatzpotenziale, die
Festlegung der Projektorganisation und eines Projektbudgets sowie eventuell Verträge und
Projektvereinbarungen mit externen Partnern.
Sämtliche Entscheidungen des E-Shop-Projektes liegen zunächst bei der Person, die die
höchste Verantwortung trägt. Dies kann entweder der Mitarbeiter des Unternehmens sein,
der mit dem Aufbau eines E-Shops beauftragt wurde oder die Gründerperson(en) im Fall
der Existenzgründung (Kollmann 2019). Das zusammengestellte Projektteam (evtl. auch
die Gründerperson/-gruppe) erhält die Aufgabe durch präzise Analysen von Branchen-
struktur, Produkten, Prozessen und Kunden (s. Kapitel 3.5.1) eine attraktive Entschei-
dungsvorlage für das weitere Vorgehen zu erstellen. Der Kick-Off-Phase folgt daher eine
Analysephase, die den gesamten organisatorischen Rahmen und die Bedingungen zur Re-
alisierung des Projektes untersucht und bewertet. Die Analysephase setzt sich – wie in
den Kapiteln 3.5.1.2 bis 3.5.1.5 bereits ausführlich erläutert – aus Struktur-, Produkt-, Pro-
zess-, Markt- und Käuferanalyse zusammen. Aufgrund der Ergebnisse der Markt- und
Strukturanalyse und der getroffenen Produktauswahl kann ein erster Vorschlag zur Ab-
grenzung eines Pilotprojekts gemacht werden, dass sich auf nur wenige Produktangebote
und potenzielle Käufer konzentriert, um daraus das weitere Vorgehen abzuleiten. Die Ana-
lysephase, auf deren Werkzeuge und Methoden auch im weiteren Projektverlauf immer
wieder iterativ zurückgegriffen wird, endet mit einer ausführlichen Projektkalkulation (s.
Kapitel 3.5.1.7), die die Grundlage für die Budgetierung und die Projektumsetzung bildet.
Die Projektumsetzung beginnt mit der Phase der Systemauswahl (Kapitel 3.5.2.1), in der
das Team sich für eine Systemlösung (s. Kapitel 3.1.2) entscheidet und in der Regel Ver-
träge mit einem Dienstleister oder Partner abschließt. Dabei wird geprüft, ob ein System
470 Die Grundlagen des E-Shop
das sich aus den Ergebnissen der Analysephase ergebende vorläufige Soll-Konzept abbil-
den kann (Kollewe/Keukert 2016, S. 69 ff.). Ist die Entscheidung für eine Systemlösung
gefallen, können die Soll-Abläufe in der Phase Systemgestaltung (s. Kapitel 3.5.2.2) wei-
ter ausgebaut werden. Grundlage sind dabei nicht nur der bereits in der Analysephase fest-
gehaltene Ist-Zustand, sondern auch die verfügbare Funktionalität der Systemlösung. Zu-
sätzlich definiert das Projektteam den ggf. notwendigen Integrationsbedarf mit internen und
externen EDV-Systemen des bestehenden Unternehmens, der zusammen mit den Soll-Ab-
läufen in ein Pflichtenheft überführt wird.
Kick-Off-Phase
Projekt- Projekt-
formulierung organisation
Analysephase
Strukturanalyse Produktauswahl Prozessanalyse Kundenanalyse
Abgrenzung Projekt-
Ist-Zustand
Pilotprojekt kalkulation
Systemauswahl
vorläufiges (Kauf-)
Soll-Konzept Vertrag
Systemgestaltung
Integrations-
Soll-Ablauf Pflichtenheft
bedarf
Systemaufbau
Pilot-
system
Systemeinführung
System
(Launch)
Generell macht es Sinn, das System zunächst als Pilotlösung mit wenigen Benutzern und
ausgewählten Produkten zu betreiben. Ziel ist hier ein Proof-of-Concept, also ein Meilen-
stein, an dem die prinzipielle Durchführbarkeit des Vorhabens belegt wird. In der Phase
Systemaufbau (s. Kapitel 3.5.2.3) wird daher entsprechend der im Pflichtenheft festge-
haltenen betriebswirtschaftlichen und technischen Anforderungen des Unternehmens eine
erste lauffähige Pilotlösung für die ausgewählten Produktangebote und Kundengruppen
implementiert. Dies beinhaltet die Entwicklung zusätzlicher Funktionalität, die Integration
mit evtl. bestehenden Systemen, die Realisierung des Online-Kataloges und die erste An-
bindung an das Internet.
Die Implementierung beim elektronischen Verkauf 471
In der abschließenden Phase Systemeinführung (s. Kapitel 3.5.2.4) werden die Erfah-
rungen der ersten Testkäufer, die Probe-Transaktionen durchführen, dokumentiert und die
sich daraus ergebenden zusätzlichen Anforderungen an die Systemlösung nachträglich ins
Pflichtenheft aufgenommen. Iterativ werden die notwendigen Änderungen dann während
der Einführungsphase implementiert. Nachdem die im Laufe der Einführung des Pilot-
systems aufgetretenen Probleme gelöst sind, kann das System zunächst auf weitere Pro-
duktangebote und Kundengruppen ausgeweitet werden (Dolmetsch 2000, S. 250 f.) und im
Anschluss vollständig in den Markt eingeführt werden. Dazu kann auch auf die in Kapitel
3.4.1 beschriebenen Methoden der Kundengewinnung zurückgegriffen werden.
Nach Abschluss der eigentlichen Shop-Implementierung bleibt dem Shopbetreiber die
Aufgabe der ständigen Systemkontrolle. Dadurch können einerseits Verbesserungsmög-
lichkeiten am gesamten Shop-System aufgedeckt werden, zum anderen müssen besonders
die einzelnen Kostentreiber regelmäßig im Rahmen eines ausgewogenen eControllings
(s. Kapitel 3.2.2.7) überwacht werden.
3.5.2.1 Systemauswahl
Zu Beginn der Projektumsetzung muss im Rahmen der Systemauswahl zunächst die Ent-
scheidung für eines der in Kapitel 3.1.2 vorgestellten Grundmodelle internetbasierter
E-Shop-Lösungen getroffen werden (Betreiber-, Dienstleister- oder Partner-Modell). Da-
zu lassen sich die Lösungen in verschiedene Wertigkeiten unterteilen, die je nach Aus-
gangslage des E-Shop-Projekts zur Anwendung kommen (s. Abb. 180). Prinzipiell stellt
sich die Frage, ob es bei dem Projekt darum geht, dass ein bestehendes Unternehmen der
realen Wirtschaft einen E-Shop aufbaut, um seine Produkte zusätzlich zu den traditionel-
len Verkaufskanälen nun auch über das Internet anbieten zu können um dadurch eine Un-
ternehmensausweitung zu ermöglichen, oder ob es sich dabei um eine grundsätzliche Neu-
konzeption einer Geschäftsidee handelt und dadurch eine Unternehmenseinführung im
Markt stattfindet. Bei beiden Situationen hängt es einerseits von den finanziellen Ressour-
cen ab, die für den Shop Aufbau zur Verfügung stehen, auf der anderen Seite aber auch
von der strategischen Ausrichtung des Projekts. Bei der Unternehmensausweitung wird
in der Regel auf das Betreiber-Modell oder das Partner-Modell zurückgegriffen:
Eine weitere Alternative ist das Partner-Modell. Dieses Modell bietet sich allerdings
nur an, wenn der E-Shop zunächst als eine Art Testprojekt gehandhabt wird und dem
472 Die Grundlagen des E-Shop
Shop keine strategisch wichtige Bedeutung zukommt. Zwar sind die Kosten, die zur
Bezahlung des Partners anfallen nicht zu unterschätzen, sie halten sich jedoch bei
kleineren Projekten im Rahmen und stellen somit keine großen Kostenfaktoren da.
Die komplette Auslagerung ist vor allem dann sinnvoll, wenn der E-Shop z. B. nur
für kurze Zeit zum Einsatz kommt (z. B. bei einmaligen Events) oder nur ein sehr
kleines und beständiges Angebot über den E-Shop angeboten werden soll.
Bei der Unternehmenseinführung wird in der Regel auf das Betreiber- oder Dienstleis-
ter-Modell zurückgegriffen:
Stehen dem neu gegründeten Unternehmen umfangreiche Geldmittel und das nötige
Know-how zur Verfügung, so kommt das Betreiber-Modell zum Einsatz. Fraglich
ist jedoch, ob die Einschätzung der Kosten und besonders auch der finanziellen Auf-
wendungen für den Unterhalt und die Pflege des Systems richtig eingeschätzt werden
können. Zudem müsste die Gründerperson/-gruppe nicht nur über sämtliche betriebs-
wirtschaftliche und branchenspezifische Kenntnisse verfügen, sondern auch über de-
tailliertes technisches Wissen. Erst wenn dies der Fall ist, lohnt sich der komplette
Eigenbetrieb eines E-Shops.
In den meisten Fällen wird jedoch ein Dienstleister-Modell verwendet, da hier nicht
das gesamte Systemmanagement und damit das technische Know-how auf den Schul-
tern der Gründer liegt. Durch Outsourcing können zwar wichtige, aber auch strate-
gisch unkritische Komponenten an einen Dienstleister abgegeben werden, damit sich
der Gründer auf sein Angebot und die Markteinführung konzentrieren kann.
Eigenver-
Administration antwortung
ASP Partner
Content Eigenver-
Partner
Management antwortung
Ressourcen-
hoch niedrig
bedarf
Strategischer
hoch niedrig
Einfluss
3.5.2.2 Systemgestaltung
Ist die Entscheidung für eine Systemlösung gefallen, gilt es nun im Rahmen der System-
gestaltung basierend auf den in der Analysephase erhobenen Rahmenbedingungen und
Ist-Abläufen die zukünftigen Soll-Abläufe zu definieren bzw. das schon in ersten Zügen
vorhandene Soll-Konzept weiter auszubauen. Das Soll-Konzept kann z. B. Aufgaben zur
phasenweisen Einführung des E-Commerce-Projektes, zur Risikobewertung oder zur Ar-
chitektur des Systems beinhalten. Die Anforderungen speziell an die Systementwicklung
können durch die Erstellung eines sog. Pflichtenheftes differenziert ermittelt werden.
„Allgemein ist ein Pflichtenheft eine Zusammenstellung aller für ein zu entwickelndes
Informationsverarbeitungssystem zu beachtende Vorgaben, Anforderungen, Eigenschaf-
ten, Funktionen, Rahmenbedingungen“ (Schwarze/Schwarze 2002, S. 166), die oftmals
bei Auslagerung der Systementwicklung an Dritte zum wesentlichen Vertragsbestandteil
werden. Ein für den E-Shop erstelltes Pflichtenheft könnte z. B. das Konzept in die vier
Bereiche Commerce, Content, Customization und Community unterteilen (s. Abb. 181).
Dabei ist anzumerken, dass je nachdem auch andere Bereiche für die Konzepterstellung
hinzugenommen werden können. Auch die in Abb. 181 aufgelisteten Punkte sind absolut
nicht als vollständig zu sehen, lediglich als Anhaltspunkte, was ein Pflichtenheft beinhal-
ten könnte. Das Pflichtenheft ist aber ungeachtet der konkreten Inhalte im Hinblick auf
die weitere Entwicklung und für eventuelle spätere Streitfälle an Bedeutung nicht zu un-
terschätzen.
Die Entwicklung eines E-Commerce-Systems auf Basis eines Pflichtenheftes ist ein itera-
tiver Prozess, d. h. die Systemrealisierung erfolgt nicht durch Festlegung des gesamten
Systeminhaltes und der Funktionalitäten, sondern schrittweise unter Einbezug des Benut-
zer-Feedbacks. Allerdings erscheint es trotzdem wichtig, einige grundlegende Entschei-
dungen für den konzeptionellen Entwurf der Systemgestaltung festzulegen, wodurch die
Grobstruktur und der Inhalt des Systems vorgegeben werden (Schwarze/Schwarze 2002,
S. 170 ff.):
Commerce Content
Online Shop-Gestaltung
• Design / Layout (Corporate Identity, Grafiken, • Trennung von Layout und Inhalt
Browser Kompatibilität) • Berechtigungskonzept
• Dynamische Seitengenerierung • Unterstützung heterogener Dokumentenformate
• Navigationssystem (Transparenz der Struktur, • Automatisches Link-Management
Bedienbarkeit, Suchfunktion, Sitemap) • Schnittstellen zu Datenbanken
Produktsuche • Automatisches Versionenmanagement
• Produktkategorien
• Suchfunktion (Schnellsuche, Expertensuche,
logische Suchfeldverknüpfung)
• Suchergebnis (Links zu Informationen)
• Produktinformationen (Beschreibung,
Visualisierung, Cross-/Up-Selling) Community
Warenkorb
• Bestückung, Entnahme, Mengenvariationen • Diskussionsforen
Kasse • Chatsysteme
• Steuerberechnung, Währungsumrechnung, • Diskussionsliste
Versand • Rating-Mechanismen
Kundenregistrierung • Effiziente Administration
• Übersichtlichkeit, Plausibilitätsprüfungen
Bestellung
• Auftragsbestätigung
Zahlungssystem
• Sicherheit (Identifizierung, Autorisierung)
• Kundensicht (Einfachheit, Anonymität, Customization
Kostenneutralität)
• Anbietersicht (Verbreitung, Kosten) • Benutzerinformationen
Warenwirtschaft • One-to-One-Marketing
• Beschaffung, Lagerhaltung, Distribution • Kundenkonto (Stammdaten, Profiling)
Marketing • Bestellfortschritt
• Rabatte, Kooperationen, Online-Werbung • Versandstatus
Erfolgskontrolle • Warenkorb (Bestellhistorie)
• Logfile-Analyse
Allgemeine Eigenschaften
• Internationalisierung, schnelle Reaktionszeit,
Skalierbarkeit, Administrierbarkeit
3.5.2.3 Systemaufbau
Nach Auswahl der Systemlösung (s. Kapitel 3.5.2.1) und der darauf aufbauenden Sys-
temgestaltung (s. Kapitel 3.5.2.2), steht nun der Systemaufbau im Mittelpunkt, der sich
entsprechend an den individuellen betriebswirtschaftlichen und technischen Bedürfnissen
des Unternehmens orientieren muss. Damit erfolgen die technische Umsetzung des Projekts
und damit die eigentliche Realisierung des E-Shops auf Basis des Pflichtenheftes. Die fol-
genden Punkte beschreiben die technische Umsetzung des E-Shops im zeitlichen Ablauf
(Eggers/Hoppen 2001, S. 684 ff.):
Prototyp: Zur Realisierung des Prototyps muss zunächst die Ausarbeitung des De-
sign-Konzepts erfolgen, da darauf alle gestalterischen Elemente ausgerichtet werden.
Schon bei der Implementierung des Shops lohnt sich die Berücksichtigung des De-
Die Implementierung beim elektronischen Verkauf 475
Datenübernahme, Dateneinpflege: Sobald der Prototyp des Shops erstellt ist, kön-
nen Daten (z. B. Produktdaten, Katalogdaten etc.) in die Datenbank(en) eingepflegt
werden oder aus bereits bestehenden Datenbanken übernommen werden.
Administrationssystem: Sobald der Prototyp inhaltliche Daten enthält, wird die Ad-
ministrationsoberfläche implementiert. Dort werden Datenzugriffe und die Steuerung
des Systems organisiert und Administratorenrechte vergeben, die Regeln für die Au-
thentifizierung und Autorisierung der Systembenutzer aufstellen.
Front-End: Das Front-End zählt letztendlich auch zu den Schnittstellen. Hierbei geht
es aber nicht nur um den Datenaustausch, sondern um die medialen und visuellen
Schnittstellen zum Kunden. Das Front-End ist sozusagen das Fenster zum Kunden und
muss kundenorientiert konzipiert sein, damit diese sich auf den Shopseiten zurechtfin-
den. Das oben genannte Design-Konzept sollte nach strengen Vorgaben umgesetzt
werden, damit die E-Shop-Corporate Identity visualisiert werden kann.
3.5.2.4 Systemeinführung
Nach dem Systemaufbau (s. Kapitel 3.5.2.3) führt das Projektteam im Rahmen der an-
schließenden Systemeinführung erste Online-Tests durch. Dieses wird zunächst als Pi-
lotlösung mit wenigen Kunden und ausgewählten Produktsegmenten betrieben, um seine
prinzipielle Eignung des erstellten Shop-Systems zu belegen. Die mit den Pilotkunden
und ersten Transaktionen im Tagesgeschäft gemachten Erfahrungen werden dokumentiert
und die sich daraus ergebenden zusätzlichen Anforderungen an Systemlösung, Hardware
und Netzwerk nachträglich ins Pflichtenheft (s. Kapitel 3.5.2.2) aufgenommen. Iterativ
werden die notwendigen Änderungen dann während der Einführungsphase nachimple-
mentiert. Nachdem die während der Pilot-Phase aufgetretenen Probleme hinsichtlich Be-
nutzeroberfläche, Datenintegrität und Netzwerkinfrastruktur gelöst sind, kann das System
intensiv beworben werden. Nach dem Online-Start kann der Betreiber die Einführung des
Systems (Shops) in den Markt durch Zuhilfenahme der verschiedenen Methoden der Kun-
dengewinnung unterstützen. Als erste Maßnahme sollte die Einführung eines E-Shops da-
mit beginnen, die Webseite über sämtliche Suchmaschinen (s. Kapitel 3.4.1) auffindbar
zu machen. Dazu können einerseits die unbezahlten Ergebnisse zielführend eingesetzt
werden, andererseits erhöht sich der Kontakt zu potenziellen Kunden enorm, wenn auch
bezahlte Ergebnisse sehr weit oben im Ergebnisfenster der Suchmaschinen erscheinen.
Außerdem kann zusätzlich die Eintragung in relevanten Linklisten dazu dienen, den
E-Shop zielgerichteter bekannt zu machen.
Eine etwas günstigere Alternative ist dabei die Nutzung von Viral-Marketing (s. Kapitel
3.4.1.4), das im Zuge einer quasi kostenlosen Mund-zu-Mund-Propaganda den E-Shop be-
kannt machen soll. Voraussetzung für das Funktionieren einer solchen Taktik ist allerdings
die Tatsache, dass der E-Shop eine Kampagne startet, die nicht nur interessant ist und
neugierig macht, sondern den Empfänger der Botschaft veranlasst, die Botschaft an andere
weiterzugeben. Weiterhin ist es zwingend notwendig ein Responseelement z. B. in einen
Videoclip einzubauen, damit der Empfänger die Chance hat, direkt auf die Botschaft zu
reagieren und z. B. durch einen Link direkten Zugang zum E-Shop zu bekommen. Um die
Wirkung der Einführung zu erhöhen, sollten solche Maßnahmen allerdings schon ziel-
gruppenspezifisch im Netz gestreut werden. Je nachdem, welche Mittel dem E-Shop-Be-
treiber zur Einführung zur Verfügung stehen, können auch andere Maßnahmen im Online-
Marketing (s. Kapitel 3.4) zur Bekanntmachung herangezogen werden. Hierunter fallen
z. B. Bannerschaltungen auf viel besuchten Webseiten, Einträge in Newslettern oder auch
Gewinnspiele.
Nicht zu unterschätzen ist allerdings in diesem Zusammenhang die ganzheitliche Marktein-
führung, auch im Hinblick auf den Aufbau der E-Shop-Marke. Die Wahl des Shopnamens
sollte wohl überlegt sein, denn eine spätere Änderung ist nicht nur sehr kostspielig, son-
dern führt meistens auch zu Verwirrung bei den Kunden. Gerade bei E-Shops wird der
Namensfindungsprozess jedoch häufig unbedacht vollzogen, was sich im Laufe der Zeit
für den E-Shop als ernstes Manko herausstellen kann (Kollmann/Suckow 2007b). Beson-
ders wenn der Shop- bzw. Unternehmensname eingeführt ist, sich aber international nicht
Die Implementierung beim elektronischen Verkauf 477
einsetzen lässt, kann der Vorteil des vergrößerten Absatzpotenzials des Internet nicht opti-
mal ausgenutzt werden. Insgesamt betrachtet ist für eine erfolgreiche Einführung eines
Shops immer das reibungslose Funktionieren aller Features notwendig. Die Gefahr, dass
Kunden aus Neugier auf eine Shopseite kommen und bei nicht einwandfreier Funktions-
fähigkeit die Seite nie wieder besuchen, kann Ursache für das Scheitern des E-Shops sein.
Somit sollte sichergestellt werden, dass Maßnahmen zur Einführung erst dann getroffen
werden, wenn wirklich alle Funktionen genutzt werden können.
3.5.2.5 Systemkontrolle
War die Systemeinführung (s. Kapitel 3.5.2.4) erfolgreich, beginnt im Rahmen der ab-
schließenden Systemkontrolle ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess, der jedoch
nicht mehr Teil des eigentlichen Implementierungsprojektes ist. Er umfasst die Optimie-
rung und den weiteren Ausbau des bestehenden Shopsystems (Peukert/Ghazvinian 2001,
S. 212). Die Systemkontrolle umfasst auf der einen Seite die ständige Überprüfung aller
Abläufe, zum anderen dient sie als Bewertungs- und Beurteilungsgrundlage über den
Erfolg der Shop-Implementierung. Im Rahmen der Systemkontrolle findet die kontinuier-
liche Überwachung einiger, zentraler Aspekte statt, die wesentlich zur Systemoptimierung
beitragen:
Online-Käufer: Eine ständige Überprüfung der Käufer hilft nicht nur bei der Auf-
deckung möglicher Bedürfnisveränderungen der anvisierten Zielgruppe, sondern kann
auch dazu beitragen, dass Funktionen, die auf der Shop-Seite integriert sind und nicht
genutzt werden, verbessert oder herausgenommen werden. Somit kann das System von
überflüssigen Funktionen befreit werden, wodurch die Komplexität des Systems re-
duziert werden kann. Werden Funktionen oder Features nur unzureichend von den
Webseiten-Besuchern verstanden, so gilt es, ihre Benutzung zu vereinfachen oder
die Funktionalitäten besser nach außen hin zu kommunizieren.
Online-Prozesse: Die Überwachung sämtlicher Prozesse kann nur mit Mühe vom
Shopbetreiber selber durchgeführt werden. Die Auslagerung von einzelnen Prozessen
oder Anwendungen reduziert zwar den Aufwand, garantiert aber nicht unbedingt die
ständige Verfügbarkeit der E-Shop-Seite oder die Funktionsfähigkeit der dahinterlie-
genden Prozesse. Um die aufwendige Systemkontrolle hinsichtlich der Prozesse zu
erleichtern, können Warnsignale im System integriert werden, die z. B. anzeigen,
wann Vorgänge nicht abgeschlossen worden sind oder der Zugriff auf die Seite auf-
grund fehlender Systemverfügbarkeit fehlgeschlagen ist.
tes für den Kunden wichtig sind, nicht nur vollständig, sondern auch qualitativ hoch-
wertig und aktuell zu halten.
Zielvorgaben
Budget- Überein-
überschreitung stimmung
Zeitunter-
schreitung
Bei der Systemkontrolle wird aber auch das Gesamtprojekt als E-Shop-Implementierung
protokolliert und mit den Zielwerten abgeglichen. Dies ist in erster Linie ein vorwärtsge-
richtetes Controlling, dass die Projektsteuerung ausschließlich mit Soll-Ist-Vergleichen an-
reichert (s. Abb. 182). Bei dieser Abweichungsanalyse werden hauptsächlich die Fakto-
ren Zeit, Kosten und Qualität des Projektes betrachtet.
Diese Art der Projektkontrolle ist allerdings nicht in der Lage, neue technische Entwick-
lungen oder Änderungen von Rahmenbedingungen (z. B. Online-Käuferverhalten; s. Ka-
pitel 3.3.2.2 oder -Käufererwartungen; s. Kapitel 3.3.2.3) zu integrieren. Aus diesem be-
sonderen Grund sollte die Abweichungsanalyse nur als Supplement zum strategischen
Controlling gesehen werden, um die grobe Einhaltung der Projektziele zu überprüfen. Das
strategische Controlling sollte u. a. die folgenden Aspekte umfassen (Eggers/Hoppen
2001, S. 686):
Die Implementierung beim elektronischen Verkauf 479
Übungsaufgaben
3. Nennen Sie die drei zentralen Systemkomponenten, die für den Betrieb einer E-
Shop-Software notwendig sind. Nennen Sie für jede Systemkomponente zwei kon-
krete, auf dem Markt verfügbare Softwareprodukte. Liegt die Entscheidung für das
jeweilige Softwareprodukt beim Shopbetreiber oder beim Kunden?
4. Erläutern Sie die allgemeinen Vorteile, die sich aus der strikten Trennung von Inhalt
und Layout bzw. Präsentation ergeben. Visualisieren Sie diese Vorteile anhand eines
frei gewählten Dokument-Beispiels und einem entsprechenden Template.
5. Erläutern Sie den Unterschied zwischen den logischen und physischen Schichten
einer E-Shop-Architektur. Erklären Sie anschließend, wie logische und physische
Schichten in Zusammenhang miteinander stehen.
7. Nennen und erläutern Sie die Gefahren, die die Online-Einkaufssicherheit und -qua-
lität beeinträchtigen können. Nach welchen Kriterien können Gefahren evaluiert
werden und wozu dient diese Evaluation?
8. Was versteht man unter dem eSales-Prozess im engeren und dem eSales-Prozess im
weiteren Sinne? Wie fügen sich die anderen Prozesse in den eSales-Prozess ein?
10. Wie sieht eine E-Performance Scorecard aus? Welche Perspektiven sind generell für
ein funktionierendes eControlling von Bedeutung?
Übungsaufgaben 481
11. Wodurch unterscheiden sich operativer, taktischer und strategischer Verkauf? Wel-
che Ziele werden mit den Ausrichtungen des Prozessmanagements angestrebt?
12. Welche Produkte eignen sich besonders gut für den Verkauf über das Internet? Wel-
che Eigenschaften werden zur Beurteilung herangezogen und wie lassen sich Produkte
über das Internet darstellen?
15. Mit welchen Arten von Wettbewerbern muss ein E-Shop im Markt konkurrieren?
17. Nennen und erläutern Sie die grundsätzlichen Richtungen in der Online-Wettbe-
werbspositionierung. Zeigen Sie auf, wie sich die Online-Wettbewerbspositionierung
grafisch darstellen lässt.
18. Wie lässt sich der Markteintritt für einen neuen E-Shop gestalten? Wann sollte ein
früher und wann ein später Markteintritt erfolgen und welche Entwicklung kann
der E-Shop hinsichtlich der Marktbearbeitung nehmen?
19. Welche Arten von Online-Kooperationen gibt es und wie funktionieren Cross-Chan-
nel-Kooperationen? Welche Vorteile kann die Bindung zu einem Partner für den E-
Shop haben und wie lassen sich die Stärken der Partner kombinieren?
20. Wie kann der E-Shop-Betreiber Such- und Preissuchmaschinen für die Kundenge-
winnung nutzen und welche anderen Methoden eignen sich für die Kundengewin-
nung? Welche Varianten sind besonders günstig für den E-Shop-Betreiber?
22. Nennen und erläutern Sie drei Banner-Arten, die im Rahmen des Online-Marketings
eingesetzt werden. Welche zwei Wirkungsarten auf den Werbeerfolg lassen sich un-
terscheiden?
23. Stellen Sie die Idee des Couponing-Marketing anhand eines Beispiels dar. Welche
zwei Übertragungsformen des Couponing-Marketings im mobilen Bereich gibt es?
25. Nennen und erläutern Sie zwei von vier Ausprägungen von E-Mail-Marketing und
bringen Sie diese in einen Zusammenhang mit einem Permission-Marketing.
28. Wie kann ein E-Shop-Betreiber die Funktionalitäten des Internets dazu einsetzen,
um den Einsatz von Customer-Driven Pricing zu ermöglichen?
29. Welchen Weg nehmen die gewonnen Daten eines E-Shops im Sinne des Informati-
onskreisels? Warum ist der Informationskreisel im E-Business so wichtig?
30. Welche Faktoren werden bei der Strukturanalyse untersucht? Warum unterscheidet
man interne und externe Faktoren? Wie beeinflussen sich die Faktoren untereinan-
der?
31. Was sind Intra- und was sind Extra-Prozesse? Worin unterscheiden sie sich und wieso
muss diese Unterscheidung bei der Prozessanalyse berücksichtigt werden?
32. Welche Aspekte müssen für das Projektdesign genauestens definiert werden, um eine
erfolgreiche Durchführung des E-Shop-Projektes zu ermöglichen?
33. Was versteht man unter der Bottom-Up- und der Top-Down-Methode? Welche Me-
thode eignet sich besser für ein E-Shop-Projekt?
Übungsaufgaben 483
34. Warum ist es sinnvoll ein Pflichtenheft im Rahmen der Projektumsetzung zu erstellen
und auf welchen Bereich sollte bei einem E-Shop-Projekt besonders Wert gelegt wer-
den? Warum?
35. Wie sieht die technische Realisierung des E-Shop-Projekts aus und welche Schritte
müssen dabei berücksichtigt werden? Was kann passieren, wenn nicht alle Schritte
konsequent eingehalten werden?
36. Welche Möglichkeiten bieten mobile Applikationen wie der Barcode-Scanner bar-
coo? Welche Vorteile bietet diese Applikation dem Kunden? Welche Nachteile kön-
nen dem stationären Einzelhandel entstehen?
37. Was ist ein sog. Dash Button? Überlegen Sie, für welche Produkte sich ein Dash
Button eignet. Notieren Sie fünf Produkte, die aus ihrer Sicht gut geeignet sind.
38. Wie funktioniert Social Targeting bei einem E-Shop? Wie definiert sich eine Ziel-
gruppe für einen E-Shop für hochwertige Handy-Hüllen aus? Benennen Sie die
Merkmale und Merkmalsausprägungen möglichst konkret.
39. Die Datensicherheit einer digitalen Plattform ist eine unabdingbare Voraussetzung
für das Vertrauen der Kunden und den Erfolg des E-Business. Erläutern Sie vor die-
sem Hintergrund die Kriterien und Ziele des Datenschutzes.
Klausuraufgaben
1. Klausuraufgabe: „hollandtulpe24.nl“
Der in Holland gelegene Tulpenhändler Van Claas hat sich entschlossen, neben dem
Großhandelsvertrieb in Europa einen weiteren Vertriebskanal zu etablieren, um seine
Marktposition in dem hart umkämpften Tulpenmarkt zu sichern. Dazu ist vor geraumer
Zeit der Online-Shop „hollandtulpe24.nl“ konzipiert und realisiert worden. Jetzt steht die
Plattform kurz vor dem Start. Zuvor möchte Herr Van Claas jedoch nochmals über die
Erfolgschancen der Plattform mit seinem Marketing-Leiter Herrn DeWallenbourg disku-
tieren. Als Assistent der Marketingleitung werden Sie aufgefordert, folgende Punkte auszu-
arbeiten und zu diskutieren, um Herrn DeWallenbourg auf das Treffen mit Herrn Van Ben-
darien vorzubereiten.
(a) Inwieweit ist das Produkt „Tulpe“ für einen elektronischen Vertrieb geeignet? Wie kann
nach dem Online-Start der Plattform die Aufmerksamkeit im Internet geweckt werden
(Herr DeWallenbourg hat in diesem Zusammenhang von einer fast kostenfreien Werbe-
form gehört und möchte die Besonderheit daran wissen)?
(b) Welche Möglichkeiten bestehen, den Traffic auf „ hollandtulpe24.nl“ auszuwerten?
Wählen Sie jeweils zwei Messgrößen pro Ebene (Produkt, Seite, Kunde, Bestellung) und
erklären Sie, wie mit Hilfe dieser Messgrößen der analysierte Traffic optimiert werden
kann.
(c) Welcher Zweck wird mit dem One-to-One Marketing verfolgt? Geben Sie ein Beispiel
für eine One-to-One Marketing-Maßnahme für den Tulpenhandel.
2. Klausuraufgabe: „ruettenscheid08.de“
Herr Rudi Assemauer, Manager vom bekannten Kicker-Klub Rüttenscheid 08, hat bei der
letzten Mitglieder-Versammlung harsche Kritik einstecken müssen. Der Klub steckt in fi-
nanziellen Schwierigkeiten und viele der anwesenden Mitglieder waren der Meinung,
dass man über den Online-Shop „ruettenscheid08.de“ des Klubs noch wesentlich mehr
Einkünfte generieren könnte. Bisher konnte man hier „nur“ den Spielplan und das Mann-
schaftsportrait auf der Seite abfragen sowie über den E-Shop einige Fanschals und Trikots
bestellen. Richtige Marketing-Aktionen für das Online-Angebot gab es bisher ebenfalls
noch nicht. Bevor Herr Assemauer hier aber investiert, möchte er zunächst den E-Shop
optimieren. Aufgrund einer Studie zu dem Thema „E-Bundesliga“ beauftragt er Studenten
der Universität Duisburg-Essen mit der eingehenden Analyse des bisherigen Shops, um
dann an den richtigen Stellen mögliche Verbesserungen vorzunehmen. Sie, als Mitglied
des studentischen Beratungsteams haben nun die Aufgabe, konkrete Verbesserungsvor-
schläge zu machen.
Klausuraufgaben 485
(a) Wie könnte ein optimales eControlling für den E-Shop aussehen? Erläutern Sie die ver-
schiedenen Perspektiven, die beim eControlling berücksichtigt werden sollten direkt
anhand von fallbezogenen Beispielen im Rahmen des E-Shops von „Rüttenscheid 08“.
(b) Sie wissen nun, dass die meisten Besucher des E-Shops überwiegend junge Männer im
Alter zwischen 20 und 30 sind, die aus der näheren Umgebung stammen. Mit welchen
fallbezogenen Produkt-Angeboten könnte man über das Internet in dieser Zielgruppe
mehr Umsatz erzielen? Nennen Sie hierbei zwei konkrete Möglichkeiten und verbinden
Sie diese mit jeweils einem weiteren Cross-Selling-Angebot.
(c) Wie können weitere E-Shop-Nutzer gewonnen werden? Aus der Vorlesung kennen Sie
vier Ebenen der Internet-Promotion. Bitte beschreiben Sie je zwei fallbezogene Bei-
spiele Ihrer Wahl für eine Promotion in den Bereichen „Andere kommerzielle Websei-
ten“ und „Außerhalb des Internets“.
3. Klausuraufgabe: „hoppigaloppi.de“
Frau Ludmilla Beerbaum möchte aus dem Interesse an ihrem Reithobby eine Existenz
gründen. Daher entschließt sie sich, einen E-Shop für Pferde- bzw. Reiterzubehör zu er-
öffnen, den sie allerdings am Anfang nur neben ihrem Hauptberuf betreiben möchte, da
sie nur ein kleines Budget zur Verfügung hat und sie sich noch nicht sicher ist, ob die
Nachfrage für ihre Produkte groß genug ist. Ihr Shop „hoppigaloppi.de“ soll jedoch nicht
nur ein großes Angebot an Zubehör für den Reitsport umfassen, sondern auch höchst
aktuelle Informationen und Ergebnisse zu allen nationalen und internationalen Reitver-
anstaltungen für eine exklusive Reit-Community bereitstellen. Dies bedeutet, dass sie ne-
ben dem reinen Verkauf auch eine Plattform aufbauen will, auf der sich die Freunde des
Reitsports austauschen können und umfangreiche Informationen über alle wichtigen Er-
eignisse in diesem Bereich erhalten. Auf der Messe PFERD & JAGD, Europas größter
Ausstellung für Reiten, Jagen und Angeln in Hannover trifft sie vor diesem Hintergrund
auf Herrn Peter Schuckenmühle, den Geschäftsführer der Firma „Das glückliche Pferd“,
einem großen Anbieter von Reiterzubehör ohne eigenen Online-Shop aber mit fast 25 Lä-
den in ganz Deutschland. Mit den Worten „Wir sollten mal über ein gemeinsames Konzept
reden“, lässt Herr Schuckenmühle sein Kooperationsinteresse erkennen. Doch zunächst
weiß Frau Beerbaum noch nicht so recht, wie sie ihre Zielgruppe am besten erreichen kann
und fragt Sie als ehemaligen Studienkollegen um Rat.
(a) Gerade zur eigenen Kundengewinnung im Internet eignen sich das Viral-Marketing
und das Online-Marketing. Erläutern Sie kurz beide Methoden und stellen Sie je einen
Vor- und einen Nachteil dar, den diese Methoden für den vorliegenden Fall haben könn-
ten.
(b) Welche Instrumente können im Online-Marketing konkret eingesetzt werden? Be-
schreiben Sie drei Instrumente Ihrer Wahl und zeigen Sie an Hand von „hoppiga-
loppi.de“, wie Frau Beerbaum diese gezielt für die Kundengewinnung einsetzen kann.
486 Die Grundlagen des E-Shop
(c) Es gibt verschiedene Formen von Kooperationen, durch die Frau Beerbaum besonders
zu Beginn an die gesuchte Zielgruppe herankommen könnte. Nennen Sie zwei konkrete
Formen und bewerten Sie diese auf ihre Eignung für „hoppigaloppi.de“. Gehen Sie
dabei bei einer dieser beiden Kooperationsformen insbesondere auf das Angebot von
Herrn Schuckenmühle ein.
4. Klausuraufgabe: „e-glasses.com“
Herr Tielmann ist ein findiger Geschäftsmann. Während seines Urlaubs in der Karibik
ist ihm eine Idee gekommen, die er nun gerne umsetzen möchte. Er hatte vor seinem
Urlaub das Problem, eine schöne und zu ihm passende Sonnenbrille zu finden. Da er viel
unterwegs ist und daher kaum Zeit hat, die Geschäfte der Innenstadt abzuklappern, ist
ihm die Idee gekommen, einen E-Shop für Sonnenbrillen aufzumachen („www.e-glas-
ses.com“). Immerhin gibt es viele Geschäftsleute, die wenig Zeit zum Shoppen haben und
dennoch Wert auf eine hochwertige Sonnenbrille legen. Aber auch normale Urlauber tun
sich oft schwer mit der Auswahl einer geeigneten Sonnenbrille. Allerdings will Herr Tiel-
mann keinen normalen E-Shop aufbauen, sondern er möchte seinen Kunden einen beson-
deren Mehrwert bieten. Er hat in dem Karibik-Urlaub zusammen mit seinem Freund ein
bisschen getüftelt und nun ein Tool für seinen zukünftigen Shop entwickelt. Dieses Tool er-
laubt es den Kunden, digitale Fotos ihres Kopfes im Shop hochzuladen und sämtliche Son-
nenbrillen der verschiedensten Hersteller, die der Shop zur Auswahl hat, am eigenen Kopf
auszuprobieren. Hat der Kunde sogar verschiedene Profilfotos, so kann das Tool eine 3-
D-Ansicht des Kopfes errechnen. Zusätzlich ist es möglich, eine individuelle Typberatung
anzufordern, die in Form eines Avatars bei der Auswahl der richtigen Brille behilflich ist.
Da nun der Winter so langsam zu Ende geht, findet Herr Tilman den Zeitpunkt des
Markteintritts ideal. Ihre Aufgabe als E-Business Spezialist ist es nun, Herrn Tielmann im
Hinblick auf den Markteintritt zu beraten.
(a) Welche drei Kriterien beeinflussen den Markteintritt eines E-Shops hauptsächlich?
Bitte erläutern sie diese drei Hauptkriterien und gehen sie dabei auf „e-glasses.com“
ein.
(b) Ist Herr Tielmann mit seinem Shop nun online (also in den Markt eingetreten), so
steht langfristig eine Entscheidung über die weitere Entwicklung im Markt an. Bitte
zeigen sie die drei Möglichkeiten auf, die insbesondere in der Produkt-Markt-Matrix
aufgeführt sind. Geben sie dabei ganz konkrete Beispiele, wie dies für „www.e-glas-
ses.com“ aussehen kann.
(c) Welche Folgen hat es für Herrn Tielmann als sog. „Innovator“ in den Markt einzutre-
ten? Bewerten sie die Vor- und Nachteile, die hier für das genannte Beispiel entstehen.
Klausuraufgaben 487
5. Klausuraufgabe: „em-fanshop.de“
Frau Philippa Schnell besitzt einen E-Shop, in dem sie Fanartikel für Fußballfans der
Bundesligavereine anbietet. Im Vorfeld der Fußball-Europameisterschaft 2008 hat sie nun
einen weiteren, eigenständigen Shopbereich eröffnet, in dem sie zusätzlich spezielle EM-Fa-
nartikel anbietet. In diesem Bereich lässt sich alles für den eingefleischten Fan der deut-
schen Nationalmannschaft finden. Frau Schnell erwartet kurz vor Beginn und während
der EM einen Ansturm auf Deutschlandfahnen, Trikots der Nationalelf und Fanhüte und
hat sich daher schon reichlich mit passenden Produkten eingedeckt. Allerdings fürchtet sie
auch, dass sie in dieser Zeit mit Anfragen und Bestellungen überrannt wird und dem An-
sturm alleine nicht gerecht werden kann. Sie befürchtet, dass insbesondere eine erhöhte
Nachfrage nach einer individuellen Trikotbeflockung zu erheblichen Problemen führen
kann, da sie ihrem Shop komplett selber führt und sich somit neben der Transaktionsab-
wicklung und dem Versand der Ware auch noch um die Beflockung kümmern muss.
(a) Auf welche Aspekte sollte Frau Schnell in jeden Fall bezüglich des eSales-Prozesses ach-
ten, damit der Verkaufsprozess optimal unterstützt wird und dort keine Probleme wäh-
rend der „heißen Phase“ auftreten? Wählen Sie von den möglichen Aspekten diejeni-
gen zwei, die Sie im vorliegenden Beispiel für besonders wichtig halten und den Mehr-
aufwand für Frau Schnell am ehesten reduzieren können. Begründen Sie ihre Wahl und
erläutern Sie diese beiden Aspekte vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen Verkaufsun-
terstützungsfunktion.
(b) Die Zufriedenheit der Kunden ist das oberste Ziel von Frau Schnell. Erläutern Sie
kurz, wie Zufriedenheit bei den Kunden entsteht. Gehen sie dabei auf das Expectancy-
Disconfirmation-Paradigma ein. Welche Aspekte würden in dem vorliegenden Beispiel
die Zufriedenheit wohl am meisten beeinflussen? Begründen Sie Ihre Antwort.
(c) Es gibt verschiedene Möglichkeiten für Frau Schnell, Kunden durch Online-Marketing-
Aktivitäten auf ihre Shop-Seiten zu holen. Sie entscheidet sich jedoch lediglich dafür,
einen Link auf der Internetseite des DFB zu platzieren, da sie hofft, dadurch ohne
großen Aufwand die richtige Zielgruppe zu erreichen. Allerdings ist die Platzierung des
Links nicht kostenlos. Bitte erläutern Sie drei mögliche Vergütungsmodelle für die Plat-
zierung des Links und bewerten Sie, welches dieser Modelle für die Situation von Frau
Schnell am besten geeignet wäre.
6. Klausuraufgabe: „saftfactory.de“
Aufgrund des herrlichen Sommerwetters schmeißt ihr Nachbar Rudi eine Grillparty im
Garten. Bei kühlem Bier und Steaks kommen sie zufällig mit Rudis älterer Schwester Tanja
ins Gespräch. Sie hat sich gerade selbstständig gemacht und das Internet-Startup „saft-
factory.de“ aufgebaut. Als Student mit dem Schwerpunkt E-Business sind sie ganz begeis-
tert, dass sie endlich auch einen dieser Digitalen Wirtschaft Gründer persönlich kennenler-
488 Die Grundlagen des E-Shop
nen. Tanja erzählt, dass die „Saftfactory“ auf dem bekannten Customization-Modell ba-
siert, da sich der Kunde in ihrer „Saftfactory“ seinen Saft aus vielen verschiedenen Safts-
orten selber mischen kann. „Das hört sich sehr spannend an. Die Kunden sind bestimmt
begeistert“ sagen sie. Tanja schüttelt mit dem Kopf: „Ich habe noch nicht so viele Besucher
auf meiner Seite. Ich habe das Gefühl, dass meine ausgelegten Flyer in den Unis nicht der
richtige Weg waren, auf mein Angebot aufmerksam zu machen. Dabei habe ich gedacht,
dass meine Zielgruppe die jungen Leute sind und sie bereit sind, auch mal mehr Geld für
einen leckeren Saft auszugeben.“ Ratlos schüttelt sie den Kopf. Sie bieten ihr Hilfe an, da
sie aufgrund ihres Studiums schon einiges über diesen Bereich gelernt haben. Sie verab-
reden sich für das nächste Wochenende, um gemeinsam zu überlegen, wie man die Be-
kanntmachung der „Saftfactory“ vorantreiben kann.
(a) Bei ihrem ersten Treffen erklären sie Tanja, dass es sehr wichtig ist, zuerst die Ziel-
gruppe so präzise wie möglich zu definieren, um das Angebot zielgerichtet kommuni-
zieren zu können. Nennen sie drei Merkmale, mit denen Tanja die Zielgruppe weiter
eingrenzen kann und zeigen sie auf, warum genau diese Eingrenzung dabei hilft, die
Bekanntmachung der Plattform zu erleichtern. Wie würden sie die Zielgruppe bezeich-
nen?
(b) Nachdem nun die Zielgruppe genau abgesteckt wurde, erklären sie Tanja, dass es ver-
schiedene Marketingmöglichkeiten gibt, die sich speziell für Web 2.0-Geschäftsmodelle
eignen. Erläutern sie drei dieser Möglichkeiten vor dem Hintergrund der Kundenge-
winnung und der daraus abzuleitenden Implikationen für die „Saftfactory“. Begrün-
den sie, welche dieser drei Möglichkeiten für die „Saftfactory“ am besten geeignet ist,
das Angebot bei der gewählten Zielgruppe bekannt zu machen.
(c) Es nützt Tanja nichts, wenn die Leute zwar mit Hilfe eines passenden Marketinginstru-
mentes erreicht werden und auch tatsächlich auf die Plattform kommen, dann aber
keinen Saft bestellen. Daher entwickeln sie beide gemeinsam eine geeignete Kommu-
nikationsstrategie für die „Saftfactory“ und überlegen, mit welcher Botschaft sie die
Zielgruppe ansprechen wollen. Stellen sie dazu jeweils zwei nutzensteigernde und auf-
wandreduzierende Aspekte im Hinblick auf den Zusatznutzen dar, sodass im Resultat ein
positiver Nettonutzen signalisiert werden kann.
folgt eher einem klassischen Schnitt, wobei über eine kleinere Tochtermarke auch mo-
derne Kleidung angeboten wird. Neben dem Kerngeschäft der klassischen Mode werden
auch Damenmoden angeboten, wobei sich dieser Markt noch in der Entwicklung befindet
und das Kerngeschäft von Wahlbosch eher im Herrensegment zu finden ist. Da die Pro-
dukte der „Wahlbosch AG“ zumeist über einen Katalog bestellt werden und das Internet
sich zunehmend entwickelt und vermehrt an Bedeutung gewinnt, hat das Unternehmen
einen eigenen E-Shop zur Vermarktung seiner Waren gestaltet. Dem Kunden werden alle
Möglichkeiten des klassischen Einkaufs per Katalog geboten, wobei natürlich auch einige
Vorteile der digitalen Technik genutzt werden. Neben den detaillierten Informationen zu
den Produkten, einer sicheren Datenübertragung und gängigen Zahlungsmethoden, hat
der Kunde beispielsweise auch die Möglichkeit per Artikelnummer eine Direktbestellung
aufzugeben. Ein weiterer Vorteil ist der Maßhemden-Konfigurator, der es dem Kunden
erlaubt sein individuelles Hemd nach seinen Präferenzen zu designen. Für die Leitung des
E-Commerce-Bereichs und die Umsetzung des E-Shops ist Herr Herten zuständig. Ihm ist
ein Team mit 10 Mitarbeitern unterstellt, bei denen es sich um Informatiker, Wirtschaftsin-
formatiker und Betriebswirte handelt. Weitere Bereiche des E-Commerce, wie beispiels-
weise das Hosting übernimmt ein externes IT-Unternehmen, dass auch die Stabilität des
E-Shops garantiert. Obwohl Herr Herten ein Experte im Bereich E-Business und E-Shop
ist, hat er noch einige Fragen, die er von Ihnen gerne beantwortet hätte.
(a) Manche Produkte eignen sich aufgrund ihrer Digitalisierbarkeit mehr für den Online-
Verkauf als andere Produkte. Beschreiben Sie das 3-B-Modell anhand aller drei Di-
mensionen und nennen Sie diese explizit. Beurteilen Sie ferner, basierend auf dem 3-
B-Modell und allen drei Dimensionen, inwieweit sich ein Hemd zum Onlineverkauf
eignet.
(b) Die Vor- und Nachteile eines frühen bzw. späten Markteintritts sind genau abzuwägen.
Nennen und erläutern Sie drei der vier Wettbewerbsstrategien beim Markteintritt, die
pro späten Markteintritt votieren. Nehmen Sie anschließend für jeden Aspekt Bezug
zur Fallstudie.
(c) Das Webcontrolling bietet die Möglichkeit den Online-Shop auf vier verschiedenen
Ebenen zu optimieren. Nennen Sie drei der vier Ebenen und erläutern Sie jeweils einen
Unterpunkt jeder Ebene zur Optimierung des E-Shops. Nehmen Sie anschließend für
jede Ebene Bezug zur Fallstudie und erläutern Sie kurz, was Herr Herten jeweils be-
achten muss.
das Geschäft, das seit ca. 80 Jahren im Familienbesitz ist, durch die viele, wenn auch
meist anonyme Laufkundschaft bis vor einigen Jahren hohe Absatzzahlen und dadurch
relativ hohe Gewinne erzielen konnte, ist der Umsatz in den letzten Jahren stetig zurück-
gegangen, was vor allem daran liegt, dass potenzielle Kunden nicht mehr in das Geschäft
kommen, sondern Bücher vermehrt im Internet als ausgedruckte bzw. digitale Version
kaufen. Als Studierende(r) im Bereich Wirtschaftswissenschaften an der Universität Du-
isburg-Essen verfügen Sie über wichtiges und hilfreiches Wissen über die Digitale Wirt-
schaft und möchten Ihren Eltern dabei helfen, eine mögliche Geschäftsaufgabe zu verhin-
dern, indem Sie mit ihnen über die Möglichkeit der Einrichtung eines E-Shops als mögli-
chen zusätzlichen Vertriebskanal nachdenken. Nehmen Sie dabei zu den folgenden Fragen
Stellung.
(a) Aufgrund ihrer Digitalisierbarkeit eignen sich manche Produkte mehr für den Online-
Verkauf als andere Produkte. Beschreiben Sie das 3-B-Modell anhand seiner drei Di-
mensionen und nennen Sie diese explizit. Beurteilen Sie ferner in wenigen Sätzen die
Eignung der von der „Hänsel und Gretel GmbH“angebotenen Produkte für den Ver-
trieb über einen E-Shop.
(b) Es gibt verschiedene Möglichkeiten für ihre Eltern, Kunden durch Online-Marketing-
Instrumente auf die Shop-Seiten zu holen. Beschreiben Sie zunächst drei Instrumente
allgemein. Erläutern Sie dann für jedes der gewählten Instrumente, wie eine konkrete
Marketing-Aktivität im Falle der „Hänsel und Gretel GmbH“ aussehen könnte.
(c) Beschreiben Sie zunächst allgemein, was unter dem Begriff Social Targeting zu ver-
stehen ist. Erläutern Sie dann anhand von drei Merkmalen und deren Ausprägungen,
wie eine entsprechende Zielgruppe der „Hänsel und Gretel GmbH“ charakterisiert
sein könnte.
9. Klausuraufgabe: „Fanartikel-WM.de“
Herr Manuel Alter besitzt einen E-Shop, in dem er Fanartikel für Fußballfans der Bun-
desligavereine online anbietet. Im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 hat er nun
einen weiteren, eigenständigen E-Shop eröffnet, in dem er zusätzlich spezielle WM-Fan-
artikel ausschließlich online anbietet. In diesem Bereich lässt sich alles für den einge-
fleischten Fußballfan finden. Neben den klassischen Fanartikeln, wie Fahnen, Trikots und
Schals, möchte Herr Alter zu dieser WM auch typisch russische Fankleidung, Fanschmuck
und Lebensmittel verkaufen. Da sich der E-Shop bislang jedoch ausschließlich innerhalb
der Fußball Bundesliga sowie in der Digitalen Wirtschaft etabliert hat und die Zeit bis
zum Anstoß der WM naht, ist sich Herr Alter inzwischen unsicher über die Vertriebs- und
Vermarktungsmöglichkeiten seines E-Shops. Zum einen geht Herr Alter davon aus, dass
seine Produkte auch im stationären Handel absetzbar wären, weil die Kunden dort die
Möglichkeit bekämen sich die Produkte genauer anzusehen und zu testen. Zum anderen
bereitet ihm große Sorge, dass sein WM-Shop in den Internet-Suchmaschinen nur sehr
schwierig aufzufinden ist und auch in den sozialen Netzwerken nur wenige Nutzer (User)
Klausuraufgaben 491
der Profilseite folgen (Follower). Herr Alter möchte dies umgehend ändern, jedoch zu-
nächst kein Geld in die Marketingaktivitäten investieren. Als zukünftiger E-Business-Ma-
nager verfügen Sie über wichtiges und hilfreiches Wissen über die Digitale Wirtschaft und
möchten Ihrem Freund dabei helfen möglichst erfolgreich zu sein. Nehmen Sie dabei zu
den folgenden Fragen Stellung:
(a) Im Rahmen der Sortimentserweiterung macht sich Herr Alter Gedanken um die E-Po-
tenziale seiner Fanartikel. Nennen und beschreiben Sie dazu die Bewertungskriterien
der Online-Produkteignung (3-B-Modell). Erläutern Sie dann auf Basis dieser Krite-
rien die E-Potenziale der typisch russischen Fanartikel.
(b) Als eine Möglichkeit, um Unterstützung im harten WM-Geschäft zu erhalten, fallen
Ihnen Online-/Offline-Kooperationen ein. Beschreiben Sie kurz die verschiedenen Ko-
operationsformen für E-Shops, indem Sie auch auf die Geschäftsmodelle und Handels-
ebenen der Partner eingehen. Beurteilen Sie anschließend, welche mögliche Koopera-
tionsausgestaltung eine sinnvolle Option für Herrn Alter darstellt und begründen Sie
Ihre Antwort, indem Sie konkret auf die Stärken des ausgewählten Kooperationspart-
ners eingehen.
(c) Um möglichst viele Kunden für den digitalen WM-Shop zu gewinnen, möchten Sie ge-
eignete Kommunikationsmittel einsetzen. Nennen und beschreiben Sie kurz die zwei
Online-Marketing-Instrumente, indem Sie explizit auf die Problemstellung von Herrn
Alter eingehen. Empfehlen Sie anschließend je genanntes Marketing-Instrument zwei
mögliche Maßnahmen, die zu einer Verbesserung der Situation führen könnten.
492 Die Grundlagen des E-Shop
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Wirtz, B. W. (2018): Electronic Business, 6. Aufl., Wiesbaden.
Die Grundlagen des E-Marketplace 495
Der E-Marketplace steht allgemein als Begriff für die marktliche Organisation des elek-
tronischen Handels von Produkten bzw. Dienstleistungen durch einen Marktplatzbetreiber
über digitale Netzwerke (Kollmann 2001d). Damit erfolgt eine Integration innovativer In-
formations- und Kommunikationstechnologien zur Unterstützung bzw. Abwicklung von
operativen, taktischen und strategischen Aufgaben im Handels- bzw. Marktbereich.
Während reale Marktplätze durch örtliche Gegebenheiten (z. B. Messe oder Wochenmarkt)
gekennzeichnet sind, setzen elektronische Marktplätze als virtuelle Plattformen auf die di-
gitale Vernetzung der Marktteilnehmer (s. Kapitel 1.1.3). Jeder dieser Teilnehmer kann
auf elektronischem Wege von jedem beliebigen Punkt im Datennetz einen beliebigen
E-Marketplace „betreten“ (z. B. per Mausklick am heimischen Computer), ohne sich real
zu einem bestimmten Ort begeben zu müssen. Dieser nicht-reale Zutritt kann dabei zu
jedem Zeitpunkt erfolgen (7 Tage die Woche/24 Stunden am Tag/365 Tage im Jahr), da
elektronische Marktplätze eine permanent vorhandene und durchgehend geöffnete Ein-
richtung darstellen (s. Kapitel 1.3.1). Anbieter und Nachfrager treffen sich somit nicht
mehr persönlich zur Abwicklung einer Transaktion, sondern treten über digitale Daten-
wege im Internet unter einer spezifischen Adresse (marktplatz-name.de) in Kontakt (Dor-
fer 2016, S. 342). Unter dem Begriff des E-Marketplace wird somit „ein konkreter aber
nicht-realer Ort der Zusammenkunft von nur über vernetzte elektronische Datenleitungen
miteinander verbundenen Anbietern und Nachfragern zum Zwecke der Durchführung von
wirtschaftlichen Transaktionen verstanden, wobei diese von realen Restriktionen losge-
löste Durchführung indirekt und unter Hinzunahme einer übergeordneten marktlichen In-
stanz (Marktplatzbetreiber) vollzogen wird, die die Transaktionsanfragen aktiv koordi-
niert“ (Kollmann 2001b, S. 39).
Man kann also vereinfacht sagen, dass ein E-Marketplace der virtuelle Handelsraum eines
Marktplatzbetreibers ist, den Anbieter und Nachfrager digital betreten können. Die
Grundidee des elektronischen Handelsplatzes ist also gerade darin zu sehen, dass die
Koordination von marktrelevanten Abläufen zwischen einem Anbieter (Unternehmen/
Privatperson) und einem Nachfrager (Unternehmen/Privatperson) über die mit Hilfe des
Internets vernetzten Computer und den damit einhergehenden Rahmenbedingungen des
elektronischen Informationsaustausches (s. Kapitel 1.3) abgewickelt werden (s. Abb.
183). Der elektronische Handel über einen E-Marketplace unterscheidet sich vom realen
marktplatzorientierten Handel in zwei wesentlichen Faktoren (Kollmann 2000c): Die
Rahmenbedingungen der virtuellen Marktplatzkoordination ermöglichen gerade einen
uneingeschränkten Handel ohne physische Restriktionen. Während reale Marktplätze ört-
lichen (z. B. Teilnahme an einer Messe) und zeitlichen Begrenzungen (z. B. Wochenmarkt)
unterliegen, da sie einen physischen Kontakt zwischen Anbietern und Nachfragern er-
fordern, werden diese geografisch-kalendarischen Raum-Zeit-Restriktionen im elektroni-
schen Handel ausgeräumt. Anbieter und Nachfrager brauchen nicht mehr in einen direkten
persönlichen Kontakt zu treten, vielmehr können sie digitale Daten über die weltweiten
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019
T. Kollmann, E-Business, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26143-6_4
496 Die Grundlagen des E-Marketplace
Kommunikationsnetze von jedem Ort aus und zu jeder Zeit über die E-Marketplace-Platt-
form austauschen. Ferner gehen die Möglichkeiten des Marktplatzbetreibers aufgrund
der elektronischen Informationsverarbeitung weit über die eines realen Marktanbieters
(z. B. Messegesellschaft) hinaus. Während ein realer Marktplatzbetreiber lediglich den
Handelsraum zur Verfügung stellt und den Teilnehmern damit einen Überblick zu einem
bestimmten Themenfeld verschafft, kann der E-Marketplace-Betreiber aktiv in das Markt-
geschehen eingreifen. Er sammelt dabei Angebote und Gesuche in seiner Datenbank und
ordnet diese nach einem bestimmten Koordinationsmechanismus (sog. Matching) zu (Koll-
mann 2005d). Diese aktive Vermittlungsleistung zwischen Angebot und Nachfrage wird
als unternehmerisches Produkt offeriert. Er bietet den Marktteilnehmern somit nicht nur
einen Überblick zu einem Themenfeld, sondern übernimmt aktiv die konkrete Vermittlung
von Angebot und Nachfrage und bietet somit Unterstützung bei jeder einzelnen Transak-
tion.
Handelsabsicht
Privatperson/ Privatperson/
Unternehmen Informationsbereitstellung und -suche Unternehmen
Handelspartnersuche
Privatperson/ Privatperson/
Unternehmen Unternehmen
After-Sales
nicht die Möglichkeit, jedem Anbieter zu ermöglichen, die gesamte Objektpalette sei-
nes Sortiments den Nachfragern angemessen zu präsentieren.
Marktintransparenz: Aufgrund der vielen Akteure auf der Anbieter- und Nachfra-
gerseite und dem daraus resultierenden unübersichtlichen Gesamtmarkt ist es für den
Einzelnen nicht oder nur unter sehr hohen (Opportunitäts-)Kosten möglich, sich
eine Marktübersicht zu verschaffen. Dies unterminiert einen effektiven Preiswettbe-
werb unter konkurrierenden Anbietern, was die Nachfrager dazu zwingt, Transaktio-
nen auf einem hohen Preisniveau zu tätigen.
Bezüglich dieser Problemfelder soll ein E-Marketplace eine deutliche Verbesserung dar-
stellen. Die genannten Problemlösungsattribute eines E-Marketplace, haben in den letzten
Jahren dazu geführt, dass Online-Marktplätze wie Amazon, Alibaba & Co. ein starkes
Marktwachstum erreicht haben. Nach Altmeyer (2018, S.256) gelten diese Marktplätze
heute als „globale Pioniere im digitalen Zeitalter“. Zu ihren Erfolgsfaktoren zählt Alt-
meyer (2018, S. 256) eine überdurchschnittliche Kundenorientierung, eine enorme globale
Skalierbarkeit, Vielseitigkeit, Dynamik und Risikobereitschaft. Zudem müssen jedoch
spezifische Anforderungen bezüglich der fünf Bausteine „Systeme“, „Prozesse“, „Ma-
nagement“, „Marketing“ und „Implementierung“ (s. Kapitel 1.7) erfüllt werden, auf die
im Folgenden eingegangen wird.
zentrale Herausforderung ist dabei zunächst die technische Anbindung der Anbieter und
Nachfrager, der Aufbau von Handelskatalogen und die multimediale Darstellung von elek-
tronischen Koordinationsprozessen für die Anbieter bzw. Nachfrager, damit diese das Ver-
mittlungsangebot im digitalen Handelsraum nachvollziehen können. Die technische Basis
eines E-Marketplace ist damit unmittelbar ausschlaggebend für den nachhaltigen Erfolg.
Damit der gesamte Marktprozess und somit die Zusammenführung von Angebot und Nach-
frage über das Internet abgewickelt werden kann, muss das Marktplatz-System spezifische
Anforderungen erfüllen und eine Reihe von Funktionen bereitstellen, die in der Regel auf
verschiedene Systemkomponenten aufgeteilt sind. Von der vorliegenden Marktsituation
ausgehend gilt es, die für die Realisierung des E-Marketplace benötigten funktionalen
Komponenten zu identifizieren und Entscheidungen hinsichtlich ihrer Beschaffung bzw.
Implementierung zu treffen. Die resultierende Systemarchitektur beschreibt den zugehöri-
gen Aufbau der Hard- und Software sowie das Zusammenspiel des Marketplace-Systems
mit bereits bestehenden Informationssystemen auf Seiten der Marktplatzteilnehmer. Zu-
sammenfassend ergeben sich auf der Systemebene im elektronischen Handel folgende Fra-
gen, die die Lernziele dieses Kapitels darstellen:
Wie gestaltet sich der Datenaustausch zwischen Marktplatzsystem und den bereits exis-
tierenden Informationssystemen auf Seiten der Anbieter und Nachfrager?
Auf einem E-Marketplace werden in der Regel das Angebot mehrerer Anbieter und die
Anfragen mehrerer Nachfrager unter einer einheitlichen Benutzeroberfläche zusammenge-
fasst präsentiert. Im Gegensatz zu E-Procurement-Plattformen (s. Kapitel 2.1) werden Be-
darfe auf elektronischen Marktplätzen somit nicht nur von dem betreibenden Großunter-
nehmen generiert, sondern es finden sich mehrere Nachfrager auf einer Handelsplattform
ein. Anders als bei E-Shop-Systemen (s. Kapitel 3.1) existieren auf einem elektronischen
Marktplatz darüber hinaus mehrere Anbieter. Generell kann eine Online-Koordination da-
bei nur dann stattfinden, wenn der Anbieter ein oder mehrere seiner Produkte in eine vom
Marktplatz betreute anbieterübergreifende Datenbank einbringen und der Nachfrager die
Die Systeme beim elektronischen Handel 499
E-Marketplace
Nachfrager
Abruf von Produkt- und
Anbieter
Nachfrager
Anbieter
Bestellanforderungen,
Bestellungen erhalten Genehmigungen und Produktsuche und -auswahl
Bestellungen verwalten
Nachfrager
Anbieter
Bonitätsprüfung
Dienst-
Kredite/Kreditkarten
leister
Logistik
Online-Auktion zum einen die Verfügbarkeit der Plattform von entscheidender Bedeu-
tung. Eine Nichterreichbarkeit in der Endphase von Online-Auktionen führt zwangsläufig
zu einer suboptimalen Vermittlung, da nicht alle (potenziellen) Bieter die Möglichkeit
wahrnehmen konnten, ein Gebot abzugeben. Zum anderen werden beim Handel von Pro-
dukten sensible Daten wie bspw. Preisinformationen oder Abteilungsbudgets ausgetauscht.
Die Marktplatzsoftware muss gewährleisten, dass Informationen nur für diejenigen Markt-
platzteilnehmer zugänglich sind, für die sie bestimmt sind. SSL-Verschlüsselung, Sicher-
heitszertifikate, Passwortschutz und Firewalls sind insofern unabdingbare Elemente eines
Marktplatzsystems (Turban et al. 2017, S. 299 ff.; Otto et al. 2000, S. 78). Vor allem die
Umsetzung benutzerfreundlicher Koordinationsprozesse bzw. die Implementierung der
entsprechenden elektronischen Informations-, Kommunikations- und Transaktionspro-
zesse bringt jedoch eine ganze Reihe noch spezifischer Anforderungen mit sich, auf die
im Folgenden näher eingegangen wird.
4.1.1.1 Online-Systemschnittstellen
Der Aufbau elektronischer Marktplätze bringt das Problem mit sich, dass das Füllen der
Datenbank mit produktbezogenen Daten aufwendig und teuer ist. Insbesondere in Fällen,
in denen das Produktspektrum eines Anbieters nicht nur wenige zu vermittelnde Han-
delsobjekte, sondern mehrere tausend (eventuell niedrigpreisige) Produkte umfasst, steht
eine manuelle und damit kostenintensive Katalogpflege in keinem Verhältnis zu dem über
den Marktplatz erzielbaren elektronischen Vermittlungsergebnis (s. Kapitel 4.2.1). Vor
diesem Hintergrund müssen insbesondere B2B- und B2C-Marktplätze ihren Lieferanten
entsprechende Online-Systemschnittstellen anbieten, über die die Übermittlung der ent-
sprechenden Produktdaten weitgehend automatisiert abgewickelt werden kann. B2B-
Marktplätze, die mit nachfragerseitigen E-Procurement-Systemen gekoppelt sind, müs-
sen darüber hinaus zusätzliche Systemschnittstellen anbieten, über die die entsprechenden
Buy-Side-Lösungen über Round Trip oder Punch Out-Verfahren aktuelle Kataloginhalte
abrufen können (s. Kapitel 2.1.3.5). Zudem können angebotsbezogene Objektdaten wie
Verfügbarkeit, Lieferzeit oder Standort auf der einen Seite sowie die konkrete Nachfrage
auf der anderen Marktseite nur auf diese Weise automatisiert auf einem aktuellen Stand
gehalten werden.
Um für alle potenziellen Anbieter und Nachfrager nutzbar zu sein, muss ein Marktplatz
also gerade eine „technische Offenheit“ besitzen. Im Vordergrund steht das Ziel, mög-
lichst vielen Teilnehmern die Partizipation zu ermöglichen. Kennzeichnend für E-Market-
places ist die Verwendung von E-Business-Standards und die daraus resultierende hohe Fle-
xibilität in der Interaktion mit den verschiedenen Akteuren in der Digitalen Wirtschaft (Ab-
rams 2002; Arndt 2002, S. 245 ff.). Ähnlich wie ein einkaufendes Unternehmen im E-Pro-
curement muss der Marktplatzbetreiber klären, auf welchen Wegen Produktdaten automa-
tisiert in die Datenbank eingepflegt werden können und welche Schnittstellen zu Ge-
schäftsanwendungen der Marktplatzteilnehmer standardmäßig unterstützt werden sollen
Die Systeme beim elektronischen Handel 501
(s. Kapitel 2.1.1.5). Elektronische Marktplätze können ihre Vorteile nur dann richtig aus-
spielen, wenn es ihnen gelingt, die bestehenden Informationssysteme der Marktteilnehmer
in den Online-Koordinationsprozess zu integrieren (Kollmann 2001b).
Vor diesem Hintergrund stellt die Integrationsfähigkeit eine wesentliche Anforderung an
eine technische Marktplatz-Lösung dar. Dabei geht es nicht nur darum, dass verschiedene
Systeme miteinander kommunizieren müssen, sondern vor allem auch um die Forderung,
unternehmensübergreifende Geschäftsprozesse miteinander zu verbinden. Die Integra-
tionsfähigkeit einer Marktplatzsoftware äußert sich in drei Bereichen (Otto et al. 2000,
S. 78):
4.1.1.2 Online-Produktklassifikation
Bei der Erstellung der anbieterübergreifenden Datenbank gilt es, die Suchfunktionalität zu
berücksichtigen, die dem Kunden auf dem Marktplatz geboten werden soll. Dabei besteht
die Möglichkeit, dass jeder Anbieter seine Produktdaten gemäß einer eigenen Produkt-
klassifizierung und in seinem eigenen Format einstellt. In diesem Fall muss der Nachfra-
ger bei der Suche nach einem bestimmten Produkt jeden Katalog separat durchsuchen.
Werden allerdings die Produktklassifizierung und die Katalogaustauschformate harmoni-
siert (s. Kapitel 2.1.1.2), kann dem Kunden eine anbieterunabhängige Produktsuche gebo-
ten werden. Der Nachfrager nimmt das Produktangebot als einen einzigen Multilieferan-
tenkatalog (MSPC) wahr, obwohl es sich aus verschiedenen Produktdatenquellen zusam-
mensetzt (s. Kapitel 2.1.1.4).
Die Erstellung eines MSPC erfordert in einem ersten Schritt insbesondere die Konsoli-
dierung der Produktdaten verschiedener Anbieter zu einer einheitlichen Metastruktur
(s. Kapitel 2.1.1.4). Vergleichbare Produkte verschiedener Anbieter werden innerhalb des
MSPC dazu mit Hilfe eines Produktklassifizierungssystems (s. Kapitel 2.1.1.3) in eine
Klassenhierarchie eingeordnet. Die resultierende Klassenstruktur ist anbieterneutral und
bildet die Schnittmenge der proprietären Klassifizierungsmodelle der einzelnen Anbieter
(s. Abb. 185). Eine leistungsfähige Artikelklassifizierung beeinflusst direkt die Akzeptanz
des elektronischen Marktplatzes beim Kunden (Otto/Beckmann 2001, S. 351). Vor dem
Aufbau eines proprietären Produktklassifizierungssystems sollte der Marktplatzbetreiber
vorhandene Systematiken wie eCl@ss oder UN/SPSC anhand definierter Merkmale eva-
luieren. Dabei können zur Beschreibung von Klassifizierungssystemen für Produktdaten
folgende Merkmale identifiziert werden (Otto/Beckmann 2001, S. 352):
Wie in einer Verzeichnisstruktur bieten die Hierarchieebenen dem Kunden die Mög-
lichkeit, Suchanfragen selbstständig durch Produktgruppen und Artikelklassen zu ver-
feinern.
Struktur ihrer Merkmalsleisten oft auf ein bestimmtes Land bzw. eine bestimmte
Region zugeschnitten sind.
4.1.1.3 Online-Katalogaustausch
Durch die Verwendung eines lieferantenneutralen, einheitlichen Klassifikationssystems
kann dem Nachfrager auf einem E-Marketplace also ein Mehrwert geschaffen werden,
weil er so in einem einzigen Datenbestand nach Produkten unterschiedlicher Anbieter su-
chen kann. Ein herstellerübergreifender Ansatz ist zudem Ausdruck der Neutralität des
Intermediärs. Neben der einheitlichen Klassifikation muss jedoch auch ein Vorgehen für
den Online-Katalogaustausch der Produktdaten gefunden werden. Dies muss es den An-
bietern ermöglichen, ihre Produktdaten konform mit der geforderten Struktur zur Verfü-
gung zu stellen, sowie eine Schnittstelle zwischen den Systemen der Kunden und dem
elektronischen Marktplatz definieren, die einen möglichst automatisierten Austausch der
Artikeldaten zulässt. Dies ist für die Akzeptanz elektronischer Markplätze insofern von
Bedeutung, als dass die Teilnahmebereitschaft der Anbieter und Nachfrager von dem dar-
aus resultierenden Aufwand abhängt (Otto/Beckmann 2001, S. 354).
Die Nutzung einheitlicher Katalogaustauschformate (s. Kapitel 2.1.1.2) ist für den effi-
zienten Marktplatzbetrieb aus zwei Gründen unabdingbar: Erstens kann der Marktplatz-
betreiber nur dann Produktdaten mit minimalem Aufwand in die eigene Datenbank über-
führen, wenn ihm die Daten in einem definierten Format zur Verfügung gestellt werden.
Liefert jeder Lieferant die Produktdaten in einem proprietären Format, wird der Aufwand
zur Konsolidierung und Rationalisierung der Produktdaten (s. Kapitel 2.1.1.4) zu groß.
Zweitens ist die Existenz eines Standards für den Austausch von Produktdaten für die An-
bieter bedeutsam, die ihre Produktdaten oft nicht nur einem Marktplatz, sondern mehreren
verschiedenen Plattformen zur Verfügung stellen. Wenn jeder Marktplatzbetreiber ein ei-
genes Format verlangt, werden die Mehrwerte einer Marktplatzteilnahme durch die Kom-
plexität der Datenbereitstellung entscheidend reduziert (Otto/Beckmann 2001, S. 354). Für
Nachfrager, die die Katalogdaten im Rahmen eigener E-Procurement-Anwendungen wei-
terverarbeiten möchten (s. Kapitel 2.1.2.2), gilt dies analog. Zur Beschreibung von Kata-
logdatenaustauschformaten identifizieren Otto/Beckmann (2001, S. 351) fünf Merk-
male:
2.1 angesprochen wurden. Hierzu gehören ein Datenformat auf Basis von XML (s. Ka-
pitel 2.1.1.1) sowie die Übertragung von Multimediadaten. Multimediale Inhalte set-
zen die Unterstützung von MIME (Multipurpose Internet Mail Extensions) voraus, ei-
nem Kodierstandard, der es ermöglicht, zwischen Sender und Empfänger Informati-
onen über den Typ der übermittelten Daten auszutauschen (z. B. ASCII-Textdaten
oder JPEG-Bilddaten) und gleichzeitig eine für den verwendeten Übertragungsweg si-
chere Kodierung (z. B. base64 für die Binärdaten eines JPEG-Bildes) festzulegen.
Darüber hinaus sollte das Katalogformat von gängigen ERP-Systemen lesbar und
erzeugbar sein, da die Artikelstammdaten gewerblicher Anbieter üblicherweise in de-
ren ERP- bzw. Warenwirtschaftssystemen verwaltet werden.
10 mm bis 30 mm angibt. Daraus folgt, dass die Intervallgrenzen nicht als Zeichen-
kette, sondern als Zahlenwerte übertragen werden.
Die hier vorgestellten Merkmale können sowohl Lieferanten als auch Marktplatzbetrei-
bern dabei behilflich sein, ein für ihren Anwendungszweck geeignetes Katalogaustausch-
format zu wählen. Die strukturelle Komplexität des einem spezifischen E-Marketplace zu-
grunde liegenden Produktkataloges hängt letztendlich jedoch nicht nur von dessen Format,
sondern auch von dessen Spezifikation und seinen eigentlichen Inhalten ab. Je nach Ziel-
setzung und Zielgruppen des Marktplatzes gestalten sich der entstehende Multilieferan-
tenkatalog und damit auch dessen Pflege mehr oder weniger komplex. Basierend auf dem
bereits in Kapitel 2.1.1.3 vorgestellten Modell für Katalogdatenbereiche fasst Abb. 186
die zentralen Faktoren, die die Katalogkomplexität letztendlich beeinflussen, nochmals
anschaulich zusammen.
Katalogspezifikation Kataloginhalte
Kataloggruppensystem(en)
Lieferanten Klassifikationssystem(en)
Sprachen Artikelreferenzen
Zeiträume Varianten
Konfigurationen
4.1.1.4 Online-Katalogmanagement
Im heutigen, von multimedialen Inhalten (s. Kapitel 1.3.2) geprägten Web gehen die auf
Marktplatz-Plattformen präsentierten Anbieter- und Produktdaten weit über rein textuelle
Beschreibungen hinaus. Hochwertiger Content setzt sich heutzutage aus einer Reihe von
integrierten visuellen und ggf. auditiven Elementen zusammen, so z. B. Text, Ton und
(Bewegt-)Bild (Bernet/Keel 2017, S. 158; Gerst 2002, S. 61 f.). Dabei werden nicht nur
direkte Objekteigenschaften, sondern auch verschiedene indirekte, produktbezogene In-
formationen bereitgestellt, so z. B. bezüglich Serviceleistungen, logistischen Informatio-
Die Systeme beim elektronischen Handel 507
Die Daten entstammen verschiedenen, sehr heterogenen Datenquellen. Dies kann so-
gar dann der Fall sein, wenn es sich um Daten desselben Anbieters handelt, wobei die
gelieferten Formate von den beim Anbieter eingesetzten Informationssystemen abhän-
gen.
Ist ein Anbieter nicht in der Lage, seine Produktinformationen in einem vom Marktplatzbe-
treiber vorgegebenen Format zur Verfügung zu stellen, kommt auf den Marktplatzbetreiber
in Abhängigkeit seiner Wettbewerbsposition im Rahmen des Online-Katalogmanagements
also die Aufgabe zu, die heterogenen Datenformate trotz mangelhafter Form der Informa-
tionsvermittlung (s. Kapitel 1.4.1) zusammenzuführen.
4.1.1.5 Online-Koordination
Die vom Katalogaustauschformat unterstützen Datentypen sowie das auf diesen aufbau-
ende Vokabular zur Definition einzelner Datenelemente (s. Kapitel 2.1.1.1) bilden die
Grundlage des (in der Regel XML-basierten) Katalogdokuments und weiterer für einen
effizienten Online-Katalogaustausch benötigter Dokumente (z. B. für die Aktualisierung
und Anforderung von Katalogen). Zu denen für einen E-Marketplace im Rahmen der
Online-Koordination relevanten Geschäftsdokumenten gehören aber auch Preis- und
Verfügbarkeitsabfragen sowie die für das letztendliche Zustandekommen einer Transak-
tion notwendigen Gebote und Gebotsbestätigungen bzw. Bestellungen und Bestellbestäti-
gungen. Auch hier hat sich XML inzwischen als Standardsyntax zur Interaktion
durchgesetzt (Thome/Schinzer/Hepp 2005, S. 86 ff.). Auf den Geschäftsdokumenten auf-
bauend wiederum gilt es, Prozessreihenfolge und Prozesslogiken des Austausches der Ge-
schäftsdokumente festzulegen. Wie bei den Katalogaustauschformaten bietet es sich auch
für die Definition transaktionsbezogener Geschäftsdokumente bzw. der damit zusammen-
hängenden elektronischen Prozesse an, die in Kapitel 2.1.1.2 vorgestellten Transaktions-
bzw. Prozessstandards hinsichtlich ihrer Eignung für das angestrebte Marktplatzsystem zu
evaluieren.
Abb. 187 zeigt ein für die Gestaltung der Online-Koordination anwendbares Schichtenmo-
dell, das die für die Marktplatzkoordination nötigen Datentypen, Elementtypen, Doku-
mente und Prozesse in einen logischen Zusammenhang bringt. Die Framework-Schicht
dieses Schichtenmodells hat dabei die Aufgabe, jene Festlegungen für die Durchführung
der Online-Koordination zu treffen, die nicht fachliche, sondern primär technische
Fragestellungen betreffen. Die Framework-Schicht sollte dabei weitgehend unabhängig
von den zu übertragenden Inhalten und der Geschäftslogik sein und lediglich unterstüt-
zende Dienste anbieten. Zu nennen sind an dieser Stelle grundlegende Protokolle und Stan-
dards wie HTTP, SSL, SQL (s. Kapitel 3.1.3.2) sowie Web-Service-Technologien (s.
Kapitel 4.1.3.3). Diese sind für die Kommunikation der beteiligten Informationssysteme
relevant, betreffen allerdings nicht die für einen E-Marketplace spezifische Geschäftslogik.
Ein weiterer Aspekt im Hinblick auf die Online-Koordination ist die benutzerfreund-
liche und intuitive Menüführung, die zu den Mindestanforderungen gehört, die seitens der
Marktteilnehmer an den E-Marketplace bestehen (s. Kapitel 4.3.2). In Form einer leichten
Bedienbarkeit der Marktplatz-Funktionalität wird durch den Marktplatzbetreiber eine
hohe Nutzungswirksamkeit sichergestellt (Kollmann 2001b, S. 112). Durch die Gewähr-
Die Systeme beim elektronischen Handel 509
leistung der Einfachheit der Kommunikation wird ein möglichst günstiges Verhältnis zwi-
schen dem Aufwand zum Erlernen des Systems und dem Ergebnis einer Nutzung erzielt.
Nur durch eine intuitive und benutzerfreundliche Menüführung auf der Plattform können
Nachfrager ihre Kaufentscheidungen wesentlich schneller und effizienter treffen und
dadurch Prozesskosten nachhaltig senken.
Definition von
Reihenfolge und Logiken des Austauschs von
Prozesse Transaktionen und
Geschäftsdokumenten
Transaktionsfolgen
Vor diesem Hintergrund muss der Marktplatzbetreiber gewährleisten, dass sich die Nutzer
auf dem Marktplatz bestmöglich und schnell orientieren können. Dabei sieht sich der
Marktplatzbetreiber aufgrund seiner bilateralen Ausrichtung auf die beiden Marktparteien
(Anbieter und Nachfrager) einer besonderen Problematik ausgesetzt: So existiert in der
Praxis über die Marktplatz-Webseite ein gemeinsamer Zugang für Anbieter und Nach-
frager. In der Regel interessiert sich jedoch jedes Marktsubjekt, das den Marktplatz betritt,
entweder nur für das Einstellen eines Angebots (Anbieter) oder für die Artikulation eines
Gesuchs (Nachfrager). Bei der Gestaltung der Plattform muss der Marktplatzbetreiber bei-
den Aktivitäten gleichermaßen gerecht werden und somit beiden Marktparteien einen
leichten Zugang und eine einfache Nutzung ermöglichen. Damit ein optimales Vermitt-
lungsergebnis erzielt werden kann, muss der Marktplatzbetreiber gewährleisten, dass die
Anbieter ihre Offerten auf dem E-Marketplace wie gewünscht einstellen können und die
Nachfrager alle relevanten Angebote finden und miteinander vergleichen können. Sowohl
Anbieter und Nachfrager müssen die benötigten Daten unkompliziert und ggf. durch auf
die Aufgabe zugeschnittene Hilfefunktionen unterstützt eingeben können. In einer diffe-
renzierteren Sichtweise sollten den Anbietern (analog zu den in den Kapiteln 2.1.3.4 und
2.4.1.4 vorgestellten Supplier Self Services) entsprechende Einstellformulare zur Verfü-
gung gestellt werden, während für die Nachfrager die Eingabe von Suchkriterien sowie
510 Die Grundlagen des E-Marketplace
die Navigation innerhalb der Hierarchie des elektronischen Kataloges (s. Kapitel 2.1.1.3)
möglichst transparent gestaltet werden sollte. Darüberhinaus gilt für den E-Marketplace
Betreiber, dass er die Daten der Nutzer nur DSGVO-konform nutzen kann (s. Kapitel 1.3.6
und Kapitel 5.1.1.4). Die neue Datenschutz-Grundverordnung enthält Vorschriften, um
die Verarbeitung personenbezogener Daten natürlicher Personen (d. h. Personen, die die
Rechtsfähigkeit durch Geburt erlangt haben (Vgl. § 1 BGB), z. B. Verbraucher (Vgl. § 13
BGB)) und den Verkehr solcher Daten zu schützen. Sie wurde vom Europäischen Parlament
und dem Rat der Europäischen Union am 27. Mai 2016 erlassen, ist ab dem 25. Mai 2018
anwendbar und mithin innerhalb der gesamten Europäischen Union gültig. Die Nutzer des
Marktplatzes müssen demnach dazu einwilligen, dass ihre personenbezogenen Daten für
Abläufe des E-Marketplace verwendet werden dürfen.
Als personenbezogene Daten werden mithin „alle Informationen, die sich auf eine identi-
fizierte oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden „betroffene Person“) bezie-
hen“ bezeichnet (Vgl. Art. 1 Nr. 1, 1. Hs. DSGVO). Gleich welche Art von Informationen
somit die Identifizierung einer Person ermöglichen, so handelt es sich um personenbezogene
Daten. Diese Informationen umfassen unter anderem Namen, Adressen, Standortdaten, IP-
Adressen, besondere Merkmale, Kennzeichen, Cookies etc.
Gewinnsituation herbeigeführt werden kann (Kollmann 2001b, S. 83). Die Dienste der
vertikalen Marktplatzbetreiber sind auf die Lösung dieser speziellen Unternehmensprob-
leme ausgerichtet.
Abb. 188: Die Unterschiede zwischen einem vertikalen und horizontalen E-Marketplace
Quelle: in Anlehnung an Simon 2000, S. 29.
Im Rahmen von ausgewählten Beispielen für vertikale Marktplätze kann Newtron (new
tron.net) genannt werden. Dabei handelt es sich um einen vertikalen E-Marketplace für den
Maschinen- und Anlagenbau. Der B2B-Marktplatz dient als zentrale Schaltstelle zwischen
Herstellern und Zulieferern im Maschinen- und Anlagenbau und verbindet dabei über
50.000 registrierte Lieferanten mit ihren Kunden. Weitere Beispiele in Europa und den
USA sind verschiedene Börsen, auf denen die Transportkapazitäten der ansonsten leer
fahrenden LKW vermittelt werden (z. B. teleroute.com). Für die Straßengüterverkehrsun-
ternehmen (Anbieter) besteht der Vorteil der Inanspruchnahme der Vermittlungsleistung
darin, dass der Leerfahrtenanteil reduziert und zusätzliche Einnahmen generiert werden
können. Für den Nachfrager besteht der Vorteil darin, dass seine Güter kostengünstiger
transportiert werden, da der Transporteur in der Regel erhebliche Abschläge von dem
offiziellen Transportpreis gewährt. Weitere wichtige vertikale B2B-Marktplätze sind so-
wohl im Ausland als auch in der Bundesrepublik Deutschland vor allem für die Bereiche
Chemie/Pharmazie, Stahl- und Lebensmittelhandel entstanden.
Die auf vertikalen Marktplätzen angebotenen Vermittlungsdienste werden vom Markt-
platzbetreiber häufig um zusätzliche spezifische Informationsangebote erweitert. Derar-
tige Informationen reichen von weitergehenden Transaktionsinformationen über techni-
sche Spezifikationen, bis hin zu den in einschlägigen Fachzeitschriften abgedruckten In-
halten. Durch diese Zusatzleistungen werden der Informationsstand sowie die Markttrans-
parenz für die Teilnehmer insgesamt verbessert und die Nachfrageentscheidung unter-
stützt. Da die Vertrautheit des Marktplatzbetreibers mit den gruppen- bzw. branchenspezi-
fischen Besonderheiten eine unbedingte Voraussetzung für den Markterfolg darstellt, ent-
wickeln sich vertikale Marktplätze gelegentlich auch aus vertikalen Portalen (Berlecon
2000, S. 9 f.). Zusammenfassend betrachtet, werden unter vertikalen E-Marketplaces die
512 Die Grundlagen des E-Marketplace
Durch die zusätzliche Möglichkeit der zeitlich direkten Bestellung eines Sachbearbeiters
bei einem Lieferanten über den Intermediär kann zudem auf die Aggregation der in der Re-
gel zeitlich versetzt anfallenden Einzelbedarfe zu einer Gesamtbestellung verzichtet wer-
den, wodurch die Gesamtbeschaffungszeit reduziert wird und die benötigten Objekte
schneller verfügbar sind.
Diese Potenziale sind allerdings nur zu realisieren, wenn dem Marktplatzbetreiber ein
tiefer Einblick und Eingriff in Unternehmensinterna gewährt wird, was von vielen klei-
nen und mittleren Unternehmen aus Wettbewerbsgründen als höchst problematisch ange-
sehen wird. Gerade diese kleinen und mittleren Unternehmen können jedoch durch die
Inanspruchnahme eines horizontalen Vermittlers große Einsparungspotenziale realisieren,
da sie im Gegensatz zu Großunternehmen aus Kostengründen zumeist nicht in der Lage
sind, eigene E-Procurement-Systeme z. B. in Form eines Extranets, d. h. ein Netzwerk
zwischen einem Unternehmen und seinen Zulieferanten zum Zwecke der Reduzierung
des Beschaffungsaufwandes, aufzubauen (Berlecon 2000, S. 10.). Die Betreiber von ho-
rizontalen B2B-Marktplätzen sind entweder freie, unabhängige Intermediäre, wie z. B.
der Gebrauchtwarenmarktplatz surplex.com oder aber Vermittler, die über einen entspre-
chenden industriellen Hintergrund verfügen, wie z. B. e2open.com, einer Plattform für die
IT-Industrie, die u. a. von IBM, LG Electronics und Hitachi initiiert wurde. Horizontale
elektronische Marktplätze sind somit insbesondere Handelsplattformen, die sich auf einen
bestimmten Punkt der Wertschöpfungskette für eine offene Nutzergruppe konzentrieren
und damit branchenübergreifende Handelslösungen anbieten (Kollmann 2001b, S. 85).
A
Privater
Privater Nachfrager- A E-Procurement-
Nachfragermarktplatz
E-Marketplace System
A
A N
Nachfragerseitiger Nachfrager-
A N
E-Marketplace Modell
A N
A N
Neutraler Makler-
A N
E-Marketplace Modell
A N
A N
Anbieterseitiger Anbieter-
A N
E-Marketplace Modell
A N
N
Privater Anbieter- E-Shop-
E-Marketplace N
System
N
4.1.2.1 Anbieter-Modell
Bei einem Anbieter-Modell versucht ein bzw. versuchen wenige Anbieter einen E-Market-
place zu betreiben. Hintergrund ist die Tatsache, dass der Abbau von Informationsasym-
metrien und die Verringerung der Suchkosten zwei zentrale Motive für die Partizipation
von Nachfragern an einem E-Marketplace sind (s. Kapitel 4.1.2.2). Die daraus resultierende
Anbieter- und Produktpreistransparenz vergrößert den Kostendruck auf die Anbieter und
ist somit unvorteilhaft für die Anbieterseite. Die Anbieter werden folglich tendenziell
versuchen, die Form und Ausrichtung des E-Marketplace zu ihren Gunsten zu beeinflus-
sen und anstelle von E-Marketplaces mit überwiegender Preisvergleichsfunktion infor-
mationsorientierte E-Marketplaces zu gestalten (Bakos 1991, S. 302). Dabei soll ins-
besondere die Produktdifferenzierung in den Mittelpunkt gestellt werden. Durch die
Etablierung eigener E-Marketplaces, die diesem Anbieter-Modell folgen, soll letztendlich
auch die Entstehung neutraler oder nachfragerseitiger Marketplaces verhindert, resp. ein
Gegengewicht zu bereits bestehenden E-Marketplaces geschaffen werden. Über die pas-
sive, strategieinduzierte Argumentation hinaus, werden die Anbieter darauf zielen, einen
Teil des messbaren Mehrwerts als Betreiberrendite abzuschöpfen (Bakos 1997, S.
1686 f.). Zu diesem Zwecke schließen sich Anbieter zusammen und betreiben gemeinsam
einen Marktplatz (s. Abb. 189). Der Betreibergewinn für die einzelnen Anbieter ist dabei
abhängig von der Gruppengröße. Je mehr Anbieter sich zusammenschließen, desto gerin-
ger fällt der Individualgewinn aus. So entstehen Anreize zur Gestaltung eines individu-
ellen E-Marketplace. Dieses Extremum eines geschlossenen, individuellen E-Marketplaces
kann ebenfalls als E-Shop-Lösung (s. Kapitel 3) bezeichnet werden.
Die Systeme beim elektronischen Handel 515
Es ist evident, dass angebotsseitige Marktplätze insbesondere in Märkten mit hoher relati-
ver Marktmacht und -konzentration der Anbieter entstehen. Kann ein einzelner An-
bieter keinen E-Marketplace mit ausreichender Reichweite etablieren, sind Zusammen-
schlüsse von Anbietern noch immer vorteilhafter als die Zwischenschaltung eines unabhän-
gigen Intermediärs mit eigenem Gewinnziel. Da ein neutraler, herstellerunabhängiger
Intermediär auf aktuelle Informationen über Produkte, Preise und Konditionen angewie-
sen ist, haben die Anbieter einen Informationsvorsprung. Aufbauend auf diesem Informa-
tionsvorsprung haben kooperierende Anbieter das Potenzial, einen höherwertigeren
E-Marketplace gestalten zu können als ein unabhängiger Intermediär.
Durch die Ablehnung der Partizipation an neutralen E-Marketplaces haben die anbietenden
Unternehmen bei hoher Marktmacht darüber hinaus die generelle Möglichkeit, die Ent-
wicklung neutraler Marktplatzlösungen ad absurdum zu führen, da auf diesen keine Ob-
jekte angeboten werden würden und dadurch kein Handel stattfinden könnte. Dieser Ver-
zicht auf die Nutzung zusätzlicher Vertriebskanäle durch Intermediäre ist jedoch vor dem
Hintergrund der Potenziale zur Einsparung von Kosten und Zeit (s. Kapitel 4.2.1.1) sorg-
fältig zu prüfen. Als Beispiel für ein Anbieter-Modell kann der Online-Reiseservice
opodo.de genannt werden. Das Unternehmen stellt im Internet ein breites Spektrum an
Reiseleistungen an (s. Abb. 190). Gegründet wurde opodo.de von neun führenden europä-
ischen Fluggesellschaften (Aer Lingus, Alitalia, British Airways, Air France, Austrian
Airlines, Finnair, Iberia, KLM und Lufthansa).
4.1.2.2 Nachfrager-Modell
Bei einem Nachfrager-Modell versucht ein bzw. versuchen wenige Nachfrager einen
E-Marketplace zu betreiben. Nachfragerseitige Marktplätze entstehen in der Regel aus
ähnlichen Motiven wie anbieterseitige Marktplätze. Die Marktplatzpartei versucht durch
die größtmögliche Einflussnahme auf das Handelsgeschehen einen in der Regel geld-
lichen Vorteil zu erzielen. Die Nachfrager werden folglich tendenziell versuchen, die Form
und Ausrichtung des E-Marketplace zu ihren Gunsten zu beeinflussen und tendenziell
preisorientierte E-Marketplaces zu konstruieren. Die Nachfrager verfolgen durch die
Etablierung eigener Marktplatzlösungen nach dem Nachfrager-Modell das Ziel, den Nut-
zen zu maximieren und parallel die Kosten zu senken (Bakos 1997, S. 1684). Dabei
adressieren sie im Wesentlichen zwei Problembereiche:
In der Regel ist es für die Nachfrager schwieriger, geeignete Anbieter auf sich und ihren
Transaktionswunsch aufmerksam zu machen als umgekehrt. Jedoch hat sich in vielen Be-
reichen ein Wandel von Verkäufer- zu Käufermärkten vollzogen, sodass die Nachfrager
stark konzentriert sind oder über eine hohe Marktmacht verfügen (Weller 2000, S. 8 f.).
Ein mögliches Beispiel für nachfragerseitige Marktsysteme ist die Nachfragebündelung,
bei der sehr viele Nachfrager das gleiche Objekt erwerben möchten und über ein ge-
meinsam abgegebenes Gesuch aufgrund der dem Anbieter in Aussicht gestellten hohen
Absatzmenge einen reduzierten Preis erhalten. Die Extremform nachfragerseitiger Markt-
platzlösungen ist der private, geschlossene Nachfragermarktplatz, bei dem in der Regel
ein einzelnes Unternehmen seinen Einkauf mit mehreren (potenziellen) Lieferanten elekt-
ronisch und ggf. automatisiert durchführt. Diese Lösungen werden ebenfalls als E-Procu-
rement-Systeme bezeichnet (s. Abb. 191). Als Beispiel für ein Nachfrager-Modell kann
pharmaplace.de genannt werden. Aus der Reaktion auf die steigenden Kosten und immer
komplexeren Versorgungsketten wurde im Jahr 2000 von neun Pharmaunternehmen unter
Beteiligung des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie der nachfragerseitige
Marktplatz als eine nutzenorientierte Einkaufsplattform „aus der Branche für die Branche“
gegründet. Die Kombination eines Kooperations- und Marktplatzbereiches ermöglicht vor
Die Systeme beim elektronischen Handel 517
diesem Hintergrund den Kunden klare Preisvorteile, eine Entlastung des Einkaufs und da-
mit einen Know-How-Ausbau.
4.1.2.3 Makler-Modell
Bei einem Makler-Modell versucht ein unabhängiger Handelsvermittler den E-Market-
place zu betreiben. Maklerseitige Marktplätze entstehen in der Regel aus polypolistischen
Situationen heraus, bei denen sich viele Anbieter und viele Nachfrager ohne eine ausge-
prägte Machtstruktur auf einer der beiden Marktseiten gegenüberstehen. Der Makler ver-
sucht dabei aus der unabhängigen Vermittlungsleistung die größtmögliche Einflussnahme
auf das Handelsgeschehen auszuüben und dadurch einen geldlichen Vorteil zu erzielen.
Der Makler wird folglich tendenziell versuchen, die Form und Ausrichtung des E-Market-
place zu seinen Gunsten zu beeinflussen und tendenziell handelsorientierte E-Market-
places zu konstruieren. Die eigentliche Besonderheit von E-Marketplaces besteht vor die-
sem Hintergrund in der Rolle des Maklers als zentrale Marktplatzinstanz. Nach Bailey/
Bakos (1997) können vereinfacht zwei Arten von Marktplatzbetreibern im Internet un-
terschieden werden. Marktplätze ohne und mit einem aktiven zentralen Makler bzw. Be-
treiber für die Abstimmung der wirtschaftlichen Transaktionen:
Bei Marktplätzen mit einem aktiven zentralen Betreiber greift ein Organisator
oder Broker aktiv in das Marktgeschehen ein. Er sammelt Angebote und Gesuche in
seiner Datenbank und ordnet diese nach einem bestimmten Koordinationsmechanis-
mus (sog. Matching) zu (Kollmann 2005d). Diese aktive Vermittlungsleistung zwi-
schen Angebot und Nachfrage wird als unternehmerisches Produkt offeriert. Als
Beispiele für Marktplätze mit einem aktiven zentralen Betreiber können Online-Auk-
tionen (z. B. my-hammer.de) oder auch digitale Objektbörsen (z. B. immobilienscout
24.de) angeführt werden, bei denen Vermittlungsleistungen in Hinblick auf einen ganz
bestimmten Gegenstand angeboten werden. Die Vermittlungsaufgabe des Marktplatz-
betreibers besteht hier in der konkreten Koordination von Angebot und Nachfrage
(Choi/Stahl/Whinston 1997).
518 Die Grundlagen des E-Marketplace
Um den Marktteilnehmern also mehr als nur einen Überblick bieten zu können, muss ein
aktiver Marktplatzbetreiber im Makler-Modell eine Neutralität und Unabhängigkeit für
die konkrete Vermittlung von Angebot und Nachfrage signalisieren. Dabei offeriert der
wirtschaftlich selbständige aktive Marktplatzbetreiber ein Angebot für die Koordination
von wirtschaftlichen Transaktionen der Anbieter- und Nachfragerseite an einem bestimm-
ten Ort im Datennetz (Vorgabe einer Daten- bzw. Domainadresse). In Analogie zu einem
realen Marktplatz steht der neutrale E-Marketplace-Betreiber nicht in einer eigentums-
rechtlichen Beziehung mit den gehandelten Gütern. Die Möglichkeiten der Informations-
technik erlauben es dem Betreiber des E-Marketplace über die Bereitstellung von Handels-
raum hinaus, die Rolle einer aktiven Marktleitung zu übernehmen. Während Betreiber
realer Marktplätze nur einen anonymen Handelsraum für ein Treffen von Anbieter und
Nachfrager zur Verfügung stellen konnten, kann der Betreiber eines E-Marketplace dar-
über hinaus eine Unterstützung für jede einzelne Transaktion offerieren. Die elektronisch
vorhandenen Transaktionsinformationen machen den gesamten Marktplatz für den Betrei-
ber übergreifend transparent und vor allem steuerbar.
Der Marktplatzbetreiber verfolgt dabei ein individuelles Gewinnziel. Er schöpft dazu den
für die Anbieter und Nachfrager generierten Mehrwert über diverse Einnahmemodelle
ab. Wenngleich dies den Interessen der Anbieter- und Nachfragerseite prinzipiell entge-
gengerichtet ist, wertschätzen und entlohnen diese Marktparteien den Marktplatzbetreiber
für den neu geschaffenen Absatz- und Vertriebskanal (Anbieterseite) sowie für die
geschaffene Markttransparenz (Nachfragerseite). Der Nutzen bzw. der Mehrwert, den
der Marktplatzbetreiber erzeugt, steigt dabei mit der Anzahl der zu koordinierenden
Angebote und Nachfrager, da der Marktplatzbetreiber als Intermediär einen Datenbank-
abgleich über alle Offerten und Gesuche auf dem E-Marketplace gleichzeitig durchführen
kann. Als Spezialist für die Koordination/Vermittlung von Transaktionen kann der unab-
hängige Marktplatzbetreiber die Intermediationsfunktion zum Teil erheblich besser als
anbietende oder nachfragende Marktteilnehmer erfüllen. Durch die neutrale Positionie-
rung zwischen Anbieter- und Nachfragerseite (s. Abb. 189) kann der Marktplatzbetreiber
neben der unabhängigen semantischen und qualitativen Prüfung der Informationen die
Angebote und Nachfragen glaubhaft objektiv strukturieren und kommentieren. Diese Funk-
tionen können von anbietenden Marktteilnehmern nicht selbst erfüllt werden, da ihnen ei-
nerseits die benötigten Informationen von ihren Konkurrenten nicht zur Verfügung stehen
und ihnen andererseits die Objektivität beim Produktvergleich abzusprechen ist. Die voll-
ständigen Informationen über den Markt, die Teilnehmer, die Offerten und Gesuche und de-
ren neutrale Verarbeitung und Nutzung sind Kernanforderungen an vermittlerseitige
E-Marketplaces. Die Glaubwürdigkeit des Marktplatzbetreibers ist somit ein wichtiger
Erfolgsfaktor für den E-Marketplace.
Im Hinblick auf den zweiten Fall (mit aktiven Marktplatzbetreiber) besteht die Mög-
lichkeit, dass die Blockchain-Technologie diesen nun überflüssig machen könnte (s. Abb.
194). Es wird weithin postuliert, dass Makler, Notare, Banken, Plattform-Betreiber und
andere Vermittler von Leistungen nicht mehr benötigt werden, wenn die zugehörigen Han-
delsgeschäfte über die Blockchain direkt zwischen den Marktbeteiligten ohne eine zen-
trale Aktivität des Marktplatzbetreibers abgewickelt werden können (Rohde 2017). Hier
werden die beiden Aspekte Zeit und Vertrauen durch die Blockchain als substituierendes
Merkmal gegenüber der zentralen Instanz optimiert. Was hierbei vergessen wird ist die
Tatsache, dass der Einsatz der Blockchain von den vorhandenen Marktplätzen mit einem
aktiven Betreiber eine bewusste Einsatzentscheidung ist und das nicht, um sich selbst
überflüssig zu machen, sondern die Matching-Prozesse noch schneller und effektiver ab-
laufen zu lassen. Im Hinblick auf diesen Matching-Prozess muss unterschieden werden,
ob sich die vermittelten Handelspartner schon kennen oder nicht. Kennen sie sich, dann
kann die reine Abwicklung auch über eine Blockchain ohne aktiven zentralen Marktplatz-
betreiber funktionieren. Kennen sie sich aber noch nicht, dann wäre die aktive Zusammen-
führung von Angebot und Nachfrage immer noch eine Leistung, die über die betreffende
Plattform nur vom aktiven Marktplatzbetreiber als elektronischer Mehrwert durchgeführt
werden kann. In beiden Fällen bleibt die Rechtfertigung zur Nutzung einer solchen Platt-
form bestehen, entweder in der Anbahnung oder in der Abwicklung der Transaktion über
einen elektronischen Marktplatz – auch mit Blockchain-Technologie. Der elektronische
Marktplatz wird hier aufgrund der Blockchain zu einer dezentralen heteronomen Orga-
nisation.
4.1.3.1 Marktplatz-Komponenten
Auch bei den Marktplatz-Komponenten lässt sich analog zu den benötigten Funktionen
eines E-Shop-Systems (s. Kapitel 3.1.3.1) auch die Funktionalität eines Marktplatzsys-
tems anhand verschiedener Front- und Back-End-Komponenten beschreiben. Anders als
bei einem E-Shop lassen sich viele Bestandteile einer E-Marketplace-Plattform allerdings
nicht eindeutig der Kunden- oder Betreiberseite zuordnen. Aufgaben im Bereich Content
524 Die Grundlagen des E-Marketplace
Management bspw. werden je nach Ausgestaltung eines Marktplatzes sowohl vom Markt-
platzbetreiber als auch von den einzelnen Anbietern wahrgenommen, sodass an dieser
Stelle lediglich eine allgemeine Beschreibung möglicher Funktionen bzw. Komponenten
eines Marktplatzsystems vorgenommen werden soll. In Anlehnung an Otto et al. (2000,
S. 76 f.) und Sairamesh et al. (2002, S. 245 f.) ergeben sich die folgenden funktionalen
Merkmale, die bei der Entwicklung und dem Einsatz eines Marktplatzsystems von be-
sonderer Relevanz sind und in der Regel in einzelne Softwarekomponenten gekapselt sind:
Content Management: Entscheidend für den angebotenen Inhalt auf dem Marktplatz
ist die Gestaltung der Online-Katalogpflege (s. Kapitel 4.1.1.3). Diese kann sowohl in
der Verantwortung des Marktplatzbetreibers als auch in der Verantwortung der einzel-
nen Anbieter liegen.
Produktsuche: Nachfrager müssen die Möglichkeit haben, mit Hilfe von parametri-
schen Suchfunktionen (s. Kapitel 2.1.1.4) nach den gewünschten Produkten suchen
zu können. Dabei kommen die in Kapitel 4.1.1.2 geforderten Klassifizierungssysteme
zum Einsatz, die Produkte in einer einheitlichen Metastruktur zusammenfassen und mit
einheitlichen Merkmalen versehen.
Die Systeme beim elektronischen Handel 525
Verfügbarkeitsprüfung: Hat der Nachfrager sich für ein Produkt entschieden, muss
das System ermitteln, ob das gewünschte Produkt verfügbar ist. Dazu muss es in der
Regel eine dynamische Anfrage an den Anbieter senden, der diese in Form eines die
Verfügbarkeitsinformationen enthaltenen Dokuments beantwortet.
4.1.3.2 Server-Komponenten
In Bezug auf die Server-Komponenten kommen bei der Umsetzung der beschriebenen
funktionalen Marktplatz-Komponenten analog zu E-Procurement- und E-Shop-Lösungen
die in Kapitel 3.1.3 vorgestellten System-, Oberflächen- und Programmkomponenten zum
Einsatz. Die Oberflächen-Komponenten unterscheiden sich dabei kaum von denen beim
E-Shop eingesetzten Internet-Standards (s. Kapitel 3.1.3.3). In Hinblick auf die benötigten
Programmkomponenten (s. Kapitel 3.1.3.4) ist auch bei der Implementierung von Markt-
platzsystemen der Einsatz serverseitiger Skriptsprachen wie PHP möglich. Im Bereich
von Online-Auktionssoftware existiert bspw. eine Vielzahl kommerzieller sowie frei ver-
fügbarer Anwendungen (z. B. enuuk.com oder phpprobid.com). Diese sind allerdings in
erster Linie für E-Marketplaces gedacht, die vergleichsweise geringe Anforderungen hin-
sichtlich der Funktionalität und Performanz mit sich bringen.
Gerade B2B-Marktplätze, bei denen der Austausch von komplexen Katalogen und Ge-
schäftsdokumenten im Vordergrund steht, basieren daher auf einer physischen 4-Schich-
tenarchitektur, bestehend aus Webbrowser, Webserver, Application Server und DBMS
(s. Kapitel 3.1.3.4), und sind daher meist auf Basis von Hochsprachen wie Java entwickelt
(Otto et al. 2000, S. 78). Anbieter von E-Business-Lösungen bieten ihren Kunden pro-
fessionelle Applikations-Frameworks an, die die grundlegende Marktplatz-Architektur
sowie Standarddienste zur Verfügung stellen. IBM WebSphere Commerce Suite, Market-
526 Die Grundlagen des E-Marketplace
place Edition bspw. unterstützt alle wichtigen Arten von B2B-Transaktionen, inklusive
Katalogverkauf, Börsenhandel, Vertragsabschlüssen, Auktionen, RFQs und Reverse Auc-
tions. Derartige Frameworks können daher sowohl im Sinne von privaten und öffentlichen
Anbieter- und Nachfrager-Modellen eingesetzt werden (s. Kapitel 4.1.2.1 und 4.1.2.2) als
auch die Basis der in Kapitel 4.1.2.3 vorgestellten Makler-Marktplätze bilden (Sairamesh
2002, S. 249 f.).
Gerade bei sehr viel frequentierten Plattformen sollten neben einer darauf abgestimmten
Softwarearchitektur sog. Lastverteilungslösungen (Load-Balancing) genutzt werden, die
den an den E-Marketplace gerichteten Datentransfer überwachen und die ankommenden
HTTP-Anfragen abhängig von deren Auslastung auf verschiedene Webserver verteilen,
um auch bei überdurchschnittlich hoher Nutzung eine möglichst hundertprozentige
Erreichbarkeit und optimale Zugriffszeiten zu gewährleisten (z. B. in der Endphase einer
Auktion). Die Webserver stellen die Präsentationsschicht dar und sind von dem firmen-
internen Netzwerk abgekoppelt, um den Zugriff von außen auf die sensitiven Firmendaten
zu verhindern. Da diese Daten für das operative Marktplatzgeschäft nicht benötigt werden,
ist die Abkoppelung für die Marktplatzteilnehmer unproblematisch. Über die Webserver
erfolgt die Generierung der Online-Benutzerschnittstellen (s. Kapitel 4.1.1.1) sowie die ge-
samte Interaktion zwischen Anbieter bzw. Nachfrager und Marktplatzsystem. Dem Prinzip
des 4-Schichtenmodells folgend sind die Webserver von der eigentlichen Anwendungs-
logik getrennt (Leimeister 2015).
Firewall
Spiegelung
Datenhaltung
Backup-
Datenbank-Server
System(e)
Der/Die Application-Server enthalten die serverseitige Logik der in Kapitel 4.1.3.1 vor-
gestellten Marktplatz-Komponenten und steuern die elektronischen Geschäftsprozesse
des Marktplatzes. Dabei greifen sie über eine Datenbankabstraktionsschicht (logischer
Datenzugriff) auf einen gemeinsamen Datenbank-Server zu, dessen DBMS für die Ver-
waltung von anbieterübergreifendem Produktkatalog, Benutzer- und Transaktionsdaten
zuständig ist (physischer Datenzugriff). Zwischen die einzelnen Webserver und Applica-
tion Server sind in der Praxis häufig eine zusätzliche Firewall und ein weiterer Lastver-
teiler geschaltet, die die Sicherheit und Performanz des Marktplatzes weiter erhöhen. Da-
bei besteht eine bidirektionale Kommunikation zwischen dem Lastverteiler und den ange-
schlossenen Servern, sodass bei Ausfall oder Überlastung einer Datenverbindung oder ei-
nes Servers die Last entsprechend umgeleitet werden kann (s. Abb. 195).
4.1.3.3 Teilnehmer-Komponenten
Die Online-Systemintegration von Marktplatz- und Teilnehmer-Komponenten (Anbieter-
und Nachfrager-Komponenten; s. Kapitel 4.1.2.1 und 4.1.2.2) erfolgt heutzutage haupt-
sächlich durch sog. Web Services (Amor 2004, S. 160). Web Service-Technologien als
neuartige Integrationslösungen sind eine logische Folge des in den letzten Jahren konse-
quent vorangetriebenen Internet-Standardisierungsprozesses, der im Wesentlichen durch
große Softwareunternehmen (wie Microsoft, IBM, Sun, Oracle u. a.) und das World Wide
Web Consortium gestaltet wird (Rebstock/Lipp 2003, S. 294). Sie stellen einen Technolo-
gie- und Standardmix der Daten-Beschreibungssprache XML (s. Kapitel 2.1.1.1), dem
Verzeichnisdienst UDDI (Universal Description, Discovery and Integration), der Web Ser-
vice-Beschreibungssprache WSDL (Web Services Description Language) sowie dem
Schnittstellen-Protokoll SOAP (Simple Object Access Protocol) dar. Der Einsatz von
Web Services zur Integration von Anbieter- und Nachfrager-Komponenten bringt in An-
lehnung an Rebstock/Lipp (2003, S. 294 f.) drei entscheidende Vorteile mit sich:
Modularität und Interoperabilität: Web Services erfüllen stets eine bestimmte Auf-
gabe bzw. Aufgabenmenge und sind eigenständig oder in Kombination mit anderen
Web Services einsetzbar, um auch komplexere Transaktionen auszuführen. Einzelne
Web Services lassen sich also zu einem neuen Dienst aggregieren, der über seine
Schnittstellendefinition nach außen hin wiederum als eigenständiger Web Service auf-
tritt.
Organisation A
Anbieter 1
Katalog-Upload
Nachfrager
SOAP Response
Marktplatz-
Buy-Side- Anbieter 2
system
E-Procurement- Manuelle
System (DPS) Pflege
Anbieter 3
Organisation B
Produkte nun gekauft werden – der Koordinationsprozess ist abgeschlossen. Wenn der be-
treffende Anbieter eine Web Service-Schnittstelle zur Bestellung anbietet, kann vor diesem
Hintergrund in einem optimalen Fall nun auch die eigentliche Transaktion automatisiert
abgewickelt werden.
Die mitunter hohen Investitionen für eine Integration von Anbietern und Nachfragern
lohnen nicht für jeden Kunden. In der Praxis werden daher die Kunden angebunden, die
häufig und mit hohen Volumina Transaktionen auf dem E-Marketplace tätigen oder nach
der Integration aller Voraussicht nach tätigen werden, sowie die Anbieter oder Nachfrager,
die von herausragender strategischer Bedeutung für den E-Marketplace sind. Die techni-
sche Integration kann in diesem Zusammenhang durchaus einen bedeutsamen Beitrag
bezüglich der dauerhaften Kundenbindung leisten. Weniger bedeutenden Kundengruppen
mit inkompatiblen Schnittstellen wird der Zugang zum E-Marketplace zwar nicht ver-
wehrt, jedoch bleibt ihnen nur die Anpassung ihrer Schnittstellen an die Schnittstellen
der Marktplatzlösung bzw. ein manueller Katalog-Upload bzw. die manuelle Dateneingabe
über ihren Webbrowser. Abb. 196 visualisiert zusammenfassend die möglichen Beziehun-
gen zwischen Marktplatz-, Anbieter- und Nachfragersystemen.
4.1.3.4 Konverter-Komponenten
Schon in Rahmen der Anforderungen an elektronische Marktplatzsysteme wurde deut-
lich, dass es bei dem Einsatz unterschiedlicher E-Business-Standards das Problem der
Inkompatibilität der Standards zu lösen gilt. Dies soll durch die Konverter-Komponente
gewährleistet werden. Die in der Praxis verwendete Lösung stellt die Transformation ei-
nes Standards in einen anderen dar. Damit ein Standard für eine derartige Konvertierung
geeignet ist, muss er drei Kriterien erfüllen (Esswein/Zumpe 2002, S. 256):
Kompaktheit: Ein verwendeter Standard sollte nicht unnötig viele Ressourcen in An-
spruch nehmen, da die IT-Infrastruktur für die Kommunikation zwischen Handelspart-
nern sehr kostenintensiv ist und zudem aufgrund der rasanten Entwicklung nur schwer
mit den gestellten Anforderungen Schritt halten kann.
Einfachheit: Die ausgetauschten Formate müssen gut strukturiert und einfach ver-
ständlich sein, um die ausgetauschten Nachrichten verständlich zu gestalten und ihre
rasche, ggf. automatisierte Überprüfbarkeit zu gewährleisten.
Flexibilität: Ein Format muss in der Lage sein, unterschiedliche Arten von Nachrich-
ten und Informationen, z. B. Bestellungen, Rechnungen, Anfragen, Lieferabrufe, An-
gebote, Produktkatalogdaten, Zahlungsaufträge oder auch insbesondere Gutschriften
zu verarbeiten.
vermitteln dabei nicht nur zwischen zwei Formaten, sondern können sogar eingehende
Dokumente unterschiedlicher Standards in die geforderten Ausgangsformate umwandeln
(Esswein/Zumpe 2002, S. 257). Bevor der Konverter zum Einsatz kommt gilt es aber zu-
nächst festzulegen, welche Daten des jeweiligen Anbieters überhaupt benötigt werden
(Ewers/Longwitz 2002, S. 81). In Hinblick auf die darauf folgende Transformation sind
verschiedene Szenarien vorstellbar, die in Abb. 197 visualisiert sind. Generell stellt sich
dabei die Frage, bei welcher Partei die Konverterkomponenten zum Einsatz kommen (Ess-
wein/Zumpe 2002, S. 256):
Konverter beim Marktplatz: In diesem Fall bietet die Marktplatzplattform den Un-
ternehmen neben der Koordination von Angebot und Nachfrage auch eine Formatie-
rungsfunktion. Die Kommunikation zwischen den Teilnehmern wird ohne eine unter-
nehmenseigene Softwareanpassung ermöglicht; eine Transformation der Formate wird
vom Marktplatz vorgenommen. Der Marktplatz kann in dieser Variante je nach den zur
Verfügung stehenden Ressourcen theoretisch mit allen existierenden Standards arbei-
ten. Bedient sich ein Marktplatz über Web Services eines Anbieters an dessen Pro-
duktkatalog (s. Kapitel 4.1.1.3), impliziert dies (im Falle der Verwendung eines an-
deren Katalogformats) genau diese Alternative.
A-X-Konverter C-Y-Konverter
WSDL-Schnittstelle WSDL-Schnittstelle
Datenformat Y
E-Marketplace
Konverter beim Teilnehmer: In dieser Variante müssen die Unternehmen selbst die
Transformation durchführen. Der Marktplatzbetreiber gibt ein bestimmtes Format vor
und die Anbieter wandeln ihre Dokumente, die über den Marktplatz publiziert werden,
bereits auf ihrer Seite in das entsprechende Format um. Diese Alternative ist für die
teilnehmenden Unternehmen insofern aufwendiger, als dass jedes Unternehmen eine
Die Prozesse beim elektronischen Handel 531
eigene Konverter-Software besitzen muss. Sie bietet sich daher nur für diejenigen Fälle
an, bei denen der Marktplatzbetreiber nicht zwangsweise auf die Katalogdaten eines
Anbieters angewiesen ist.
Wie gestalten sich auf einem E-Marketplace konkret die verschiedenen Teilprozesse?
Die konkreten Prozessanforderungen bei einem E-Marketplace ergeben sich zunächst ge-
nerell aus dem Transfer des realen zu einem internetbasierten elektronischen Handelspro-
zess. Dieser muss grundsätzlich so gestaltet sein, dass der Handel auf dem E-Marketplace
im Vergleich zu realen Prozessen vorteilhafter ist. Ein E-Marketplace muss somit klar zu
kommunizierende Mehrwerte gegenüber einem möglichen Eigenvertrieb seitens der An-
bieter oder der Einschaltung realer Intermediäre bieten, um Anbieter und Nachfrager auf
seine Plattform zu ziehen. Hinsichtlich der Prozessanforderungen bedeutet dies insbeson-
dere eine Verbesserung hinsichtlich Prozesskosten und -zeit bei gleichzeitig hoher Sicher-
heit und Qualität der Handelsabwicklung, denn die informationstechnische Unterstützung
von wirtschaftlichen Prozessen resultiert nicht automatisch in einer Vorteilhaftigkeit für
Anbieter und Nachfrager. Die Zunahme an vernetzten Computereinheiten und deren Teil-
nahme am weltweiten Datenaustausch führt zwar zu neuen Möglichkeiten für den wirt-
schaftlichen Handel, beinhaltet aber auch neue Probleme hinsichtlich der Bewältigung der
anstehenden Informationsmengen. Mit dem weiteren Anstieg der Teilnehmerzahlen wer-
den die Tendenzen in Richtung einer unstrukturierten „Informationswüste Datennetz“ wei-
ter verstärkt. Relevante Informationen und Kommunikationskontakte werden zur „Nadel
im Heuhaufen“, die es zu finden gilt – und man wird sich kaum sicher sein, dass die dann
gefundenen Informationen auch tatsächlich die optimalen sind. Zentrale Anlaufstellen für
spezifische Themenfelder werden immer notwendiger. Ausgedrückt wird dieses Dilemma
durch das sog. Informationsparadoxon: „Je mehr Informationstechnologie wir haben,
und je mehr Wissen wir produzieren, desto mehr hinken wir in der Informationsverarbei-
tung hinterher“ (Noam 1997, S. 36). Es ist zwingend notwendig, die Informationsmenge
aus marktlichen Gesichtspunkten zu organisieren.
Problematisch für die realen Interaktionen auf Märkten (Informations-, Güter-, Geldströ-
me) waren und sind die geografisch-kalendarischen Raum-Zeit-Restriktionen. Für die elek-
tronischen marktlichen Interaktionen (Informationen, Verfügungsrechte, Cybercash) wer-
den – wie oben gezeigt – die organisationellen Restriktionen zum Problem. Beide Prob-
lembereiche führen auf den jeweiligen Handelsebenen zu sog. Koordinationslücken
(s. Abb. 198). Unter dem Begriff der Koordinationslücke kann die Ineffizienz marktlicher
Abstimmungsprozesse verstanden werden, die aufgrund kommunikativer Reibungsver-
luste zwischen Anbieter- und Nachfragerseite entsteht (Kollmann 2001b, S. 30). Auch in
einem realen Marktsystem mit eingeübten, d. h. standardisierten Transformations-, Trans-
aktions- und Konsumptionshandlungen, treten permanent Koordinationslücken auf (Von
Lingen 1993, S. 207). Diese sind zum einen bedingt durch die Struktur der räumlichen
(Arbeits-)Verteilung der Wirtschaftssubjekte (Raumüberbrückung zwischen den Markt-
teilnehmern). In wesentlich stärkerem Ausmaß jedoch sind Koordinationslücken zum an-
deren bedingt durch die Verteilung des Wissens und der Dezentralisation des Wissens, das
die Mitglieder einer Marktgesellschaft vor diesem Hintergrund durchgehend und insbge-
samt erworben haben.
Die Prozesse beim elektronischen Handel 533
Vor diesem Hintergrund hat Kollmann (2001b) ein 3-Sektoren-Modell entwickelt, um an-
hand von entstehenden Koordinationslücken sowohl für reale als auch elektronische Han-
delslösungen die Grundberechtigung für virtuelle Marktplätze nachzuweisen und gleich-
zeitig die Grundanforderungen für Marktplatzprozesse zu definieren. Die individuelle reale
Informationsverarbeitungskapazität endet dabei relativ schnell bei einem Anstieg der
Anzahl an Marktteilnehmern, sodass ab einem gewissen Punkt eine reale Marktlösung
vorzuziehen wäre (Sektor 1 in Abb. 198). Grund ist der reale „Information Overload“,
bei dem das Individuum die steigende Informationsmenge ohne übergreifende Selektion
nicht mehr bewältigen kann. Aufgrund physischer Restriktionen wird die Begutachtung
von Informationseinheiten zu potenziellen Handelspartnern auf ein Minimum beschränkt.
In der Folge besteht eine reale Koordinationslücke aufgrund der ineffizienten Abstimmung
von Angebot und Nachfrage. Ist eine darüber hinausgehende Informationsbegutachtung
erwünscht, so muss auf eine Koordination über einen organisierten Markt zurückgegriffen
werden (Sektor 2 in Abb. 198).
Anzahl der
Informations- teilnehmerorientierte elektronische
Informationsverarbeitung angebots- und
einheiten nachfragerseitige
teilnehmerorientierte traditionelle Informationsmenge
Informationsverarbeitung
elektronische Koordinationslücke
reale Koordinationslücke
1 2 3
Der fortlaufende Ansturm auf das Internet als Handelsmedium führt aber nun wiederum
zu einem exponentiellen Anstieg an elektronischen Informationseinheiten. Diese Masse
an digitalen Handelsinformationen macht es erneut schwierig, den geeigneten Transakti-
onspartner zu finden (elektronischer „Information Overload“). Sucht ein Nachfrager
bspw. nach einem gebrauchten Automobil, hier beispielhaft einen gebrauchten Audi A3,
so erhält er je nach Landessprache bei diversen Suchmaschinen (z. B. google.de oder
bing.com) bis zu 574.000 Adressen mit entsprechenden Angeboten. Um sicher zu sein,
dass er tatsächlich das günstigste Angebot findet, müsste er theoretisch alle einzelnen
Webseiten besuchen – praktisch ein sinnloses Unterfangen. Zusätzlich sind die heutigen
Suchmaschinen nicht in der Lage, das gesamte Internet zu erfassen. Es entsteht somit zu-
nehmend auch hier die Notwendigkeit, elektronische Marktlösungen einzuschalten, um
die nun vorhandene, elektronische Koordinationslücke zu schließen (Sektor 3 in Abb.
198). Spätestens ab einer gewissen Anzahl an Markt- oder inzwischen Netzteilnehmern
bietet sich jedoch nur noch eine Selektion über eine elektronische Marktlösung für die
effiziente Informationsverarbeitung unter allen Teilnehmern an (Sektor 3 in Abb. 198).
Anhand dieses 3-Sektoren-Modells für eine Informationsverarbeitung auf der realen und
elektronischen Handelsebene können somit zusammenfassend die Koordinationslücken
nochmals lokalisiert werden: Eine „reale“ Koordinationslücke auf der realen Handels-
ebene ergibt sich ab Sektor 2, da hier die angebots- und nachfrageseitige Informations-
menge die teilnehmerorientierte traditionelle Informationsverarbeitung übersteigt. Eine
„elektronische“ Koordinationslücke auf der elektronischen Handelsebene zeigt sich
ab Sektor 3, da hier die angebots- und nachfrageseitige Informationsmenge die teilneh-
merorientierte elektronische Informationsverarbeitung übersteigt. Ab diesem Punkt emp-
fiehlt sich ein finaler Wechsel von einer Individuallösung hin zur Inanspruchnahme einer
marktlichen Organisation im Internet. Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Koor-
dinationslücken ist dabei auf beiden betrachteten Handelsebenen relativ groß: „Zu jeder
Zeit sind die Marktteilnehmer mit einer Reihe von Aktivitäten befasst, die wahrscheinlich
nicht im Gleichgewicht sind“ (Kirzner 1974).
Das Vorhandensein von Koordinationslücken bei kommerziellen interaktiven Markthand-
lungen zwischen den Beteiligten ist ein Strukturmerkmal jedes Marktsystems. Daher gilt
für die reale und insbesondere für die elektronische Handelsebene die Devise „Konzentra-
tion und Reduktion“. Konzentration der Informationsströme auf spezifische Themenfel-
der und Reduktion auf relevante Inhalte. Dies kann nur durch die Informationsverarbeitung
einer intelligenten, übergeordneten und unabhängigen Zentralinstanz am Markt gesche-
hen, die hierfür Auswahlkriterien festlegt (s. Kapitel 4.1.1.3). Vor diesem Hintergrund
sind die Prozessanforderungen im elektronischen Handel hinsichtlich der Prozesskosten
und -zeit bei gleichzeitig hoher Sicherheit und Qualität der Handelsabwicklung zu formu-
lieren, deren Erfüllung zur Entwicklung eines klaren Mehrwerts des E-Marketplace not-
wendig sind.
Die Prozesse beim elektronischen Handel 535
Marktplatzangebot annimmt (Bakos 1991, S. 295). Mit der Vernetzung zu allen Anbietern
ist jeder Nachfrager in der Lage, die Preisvergleiche zu geringeren Kosten durchzuführen
als in der Vergangenheit. Diese Aufgabe und die damit verbundenen Kosten fallen aber im
Szenario T1 bei jedem Nachfrager einzeln an. Im Szenario T3 profitiert der Nachfrager
jedoch davon, dass der Marktplatzbetreiber diese Kosten auf viele Nachfrager verteilen
kann. Ceteribus paribus wird somit wieder die Situation T1 > T2 + T3 wahrscheinlich
(Kollmann 2001b, S. 60 ff.).
Neben den soeben beschriebenen rein monetären Kostenersparnissen versetzt die innova-
tive Informationstechnologie den Marktplatzbetreiber in die Lage, Zeitersparnisse, die
wiederum Opportunitätskosteneinsparungen darstellen, für die Marktplatzteilnehmer zu
realisieren. Der für das Matching notwendige Datenbankabgleich über alle Offerten eines
jeden Anbieters hinweg, lässt sich bei den heutzutage üblichen Rechnerleistungen und Ver-
netzungsgraden (s. Kapitel 1.1.1 und 1.1.3) auch bei großen Datenmengen direkt und na-
hezu ohne zeitliche Verzögerung durchführen. Ohne den E-Marketplace müssten die An-
gebote von dem Nachfrager selbst einzeln eingeholt und geprüft werden, was mit hoher zeit-
licher Ressourcenbindung verbunden ist. Der durch den Marktplatzbetreiber generierte
Zeitvorteil steigt in Analogie zu den Kosten in Abhängigkeit der Marktteilnehmerzahl.
Somit ist zu konstatieren, dass Marktplatzbetreiber dann sinnvoll agieren können, wenn
ein unübersichtlicher Gesamtmarkt vorliegt bzw. sowohl auf der Anbieter- wie Nachfra-
gerseite hinreichend viele Akteure vorhanden sind, sodass es dem Einzelnen unmöglich
oder nur unter sehr hohen (Opportunitäts-)Kosten möglich ist, sich eine Marktübersicht
zu verschaffen.
oder 1.000 Datensätze erfolgt. Dagegen steigen die Kosten für die Vermittlung auf der rea-
len Handelsebene mit der Menge der potenziellen Transaktionspartner an. Dies ist darin
begründet, dass man so lange neue Kosten für die Suche nach einem Transaktionspartner
addieren kann, bis der Passende gefunden wurde. Die abnehmende Steigung der realen
Kostenkurve basiert dabei auf Segmentierungsmöglichkeiten bzw. Erfahrungs- bzw. Ef-
fektivitätseffekten. Hinsichtlich des zweiten Erfolgspunktes „Vermittlungsleistung“
kann man feststellen, dass die elektronische Vermittlungsleistung des Marktplatzes zu-
nächst u-förmig ansteigt, da das Koordinationspotenzial und damit die Koordinations-
wahrscheinlichkeit mit der Menge der Marktplatzteilnehmer gerade am Anfang stark
steigt. Die Kurve hat einen abnehmenden Grenzwert, da ab einem gewissen Punkt ein
zusätzliches Angebots- und Gesuchspaar (bilateraler Aspekt) einen verminderten Mehr-
wert für das Gesamtergebnis verspricht.
doppelte
„kritische Masse“
Kosten der
elektronischen
Vermittlung
doppelte
„kritische Leistung“
Aus den Schnittpunkten ergeben sich nun die kritischen Erfolgspunkte für die Online-
Matchingquantität und -qualität: Der erste Schnittpunkt ist der kritische Kostenpunkt
(Kollmann 1998d; s. Abb. 200), bei dem die Kosten über eine reale Vermittlung (KrV)
gleich den Kosten einer elektronischen Vermittlung sind (KeV). Bis zu diesem Punkt do-
minieren meistens langfristige reale Geschäftsbeziehungen, welche die Suche nach an-
deren Transaktionspartnern unnötig macht. Ab einer gewissen Situation wird aber der
538 Die Grundlagen des E-Marketplace
Wunsch nach einer Auswahlmenge immer größer und entsprechend müssen mehrere po-
tenzielle Transaktionspartner analysiert werden. Hier kommt dann zunehmend die Vor-
teilhaftigkeit des E-Marketplace gegenüber realen Intermediären zum Tragen, da die Ver-
mittlung über den E-Marketplace kostengünstiger wird als die reale Einzelabstimmung
mit den vorhandenen Marktplatzteilnehmern. Für das Management des E-Marketplace be-
deutet dies, dass es der Marktplatzbetreiber schaffen muss, grundsätzlich günstiger als
alternative Vermittlungsmöglichkeiten auf der realen Handelsebene zu sein. Daher wer-
den erst ab dem kritischen Kostenpunkt (KrV = KeV) die Teilnehmer ein Interesse haben,
auf die elektronische Plattform zu kommen (Mengeneffekt). Wenn die Teilnehmer dann
auf dem Marktplatz erscheinen, muss sich der Marktplatzbetreiber in einem ersten Schritt
insbesondere auf die mengenmäßige Ausgeglichenheit von Angebot und Nachfrage kon-
zentrieren (quantitatives Problemfeld bzw. Online-Matchingquantität). Die Teilnehmer
werden die Nutzung zunächst davon abhängig machen, ob sich entsprechend ausreichend
Gegenspieler auf der anderen Marktseite des Marktplatzes befinden. Daher ergibt sich für
das Management vor diesem Hintergrund zunächst ein Schwerpunkt auf der Realisierung
der doppelten kritischen Masse (Kollmann 1998d; s. Kapitel 4.3. 1.1; s. Abb. 200).
Der zweite Schnittpunkt ist der kritische Leistungspunkt (Kollmann 1998d; s. Abb. 200),
bei dem die Teilnehmer für die Kosten der elektronischen Vermittlung (KeV) einen ent-
sprechenden Wert an Vermittlungsleistung (VL) bekommen. Dieser Schnittpunkt liegt des-
halb bei der graphischen Betrachtung rechts vom kritischen Kostenpunkt, da die Wahr-
scheinlichkeit der Vermittlung in Relation zu den günstigeren Kosten eines E-Marketplace
umso höher ausfällt, je mehr Marktplatzteilnehmer vorhanden sind. Dies bedeutet, auch
wenn es der Marktplatzbetreiber über den kritischen Kostenpunkt geschafft hat, eine ge-
wisse Menge an Teilnehmern für die elektronische Vermittlung zu gewinnen, sagt dies
noch nichts über das dortige Verhältnis von Vermittlungskosten und Zuordnungsqualität
aus. Entsprechend muss der Marktplatzbetreiber in einem zweiten Schritt in einer Aus-
weitung des Teilnehmerportfolios auch auf die inhaltliche Ausgeglichenheit von Angebot
und Nachfrage achten (qualitatives Problemfeld bzw. Online-Matchingqualität), da sonst
Vermittlungsanfragen unbefriedigt bleiben. Verfügt er auch über eine gewisse Menge an
qualitativ zuzuordnenden Teilnehmern und kann er dadurch einen Großteil der Koordina-
tionsanfragen tatsächlich befriedigen, dann rechtfertigen sich die Kosten der Inanspruch-
nahme (KeV = VL). Ab diesem Punkt wirkt sich die Vorteilhaftigkeit des E-Marketplace
auch voll gegenüber konkurrierenden elektronischen Intermediären aus, da die elektroni-
sche Vermittlung auf diesem Marktplatz zuverlässiger und qualitativ besser erfolgt als bei
vergleichbaren Marktplätzen. Für das Management des E-Marketplace bedeutet dies, dass
erst ab dem kritischen Leistungspunkt die Teilnehmer ein Interesse haben werden auf der
Plattform zu bleiben. Die Teilnehmer werden die Bindung an den Marktplatz davon ab-
hängig machen, ob die Kosten auch eine entsprechende Vermittlungsleistung rechtferti-
gen. Daher ergibt sich für das Management in einem zweiten Schritt ein Schwerpunkt auf
der Realisierung der doppelten kritischen Leistung (Anbieter- und Nachfragerseite; s.
Abb. 200; Kollmann 1998d).
Die Prozesse beim elektronischen Handel 539
Die gesamte Koordinationsleistung wird zusammenfassend also durch den Grad der
Übereinstimmung von Quantität und Qualität im Verhältnis zu den Kosten bestimmt (Koll-
mann 1998d). Bei einer optimalen Ausgestaltung des Koordinationsmechanismus
(Zelewski 1997, S. 231 ff.) werden alle Marktteilnehmer hinsichtlich ihrer Transaktions-
vorstellungen vollkommen befriedigt. In diesem Falle eines hochqualitativen Matchings
würden alle Koordinationsanfragen mit der Zuordnung eines passenden Transaktionspart-
ners beantwortet. Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit, dass ebenfalls die entsprechenden
realen Geschäftstransaktionen (s. Kapitel 4.3.1.3) zustande kommen, relativ hoch. Im
Falle suboptimaler Matchings bleiben hingegen zumindest einige Koordinationsanfragen
unbeantwortet, d. h. entweder es findet keine Zuordnung eines Transaktionspartners
durch den Vermittler statt oder der nachfolgende reale Güteraustausch scheitert aufgrund
unterschiedlicher Vorstellungen hinsichtlich der Qualität des Objektes. Die Vorgaben der
elektronischen Verhandlung und Vereinbarung innerhalb der Online-Marktprozesse
müssen somit so gut sein, dass auch tatsächlich eine reale Transaktion zustande kommt (s.
Kapitel 4.3.1.3). Welchen Nutzen hat bspw. ein Nachfrager, wenn das Objekt in der Reali-
tät nicht den elektronischen Informationen entspricht, bereits anderweitig verkauft wurde
oder vielleicht sogar überhaupt nicht existiert? Es ist die Aufgabe des Marktplatzbetreibers
sicherzustellen, dass die auf dem E-Marketplace aktiven Anbieter nur Objekte offerieren,
die sie – genauso wie elektronisch spezifiziert – veräußern möchten, und dass von den
Nachfragern nur ernst gemeinte Transaktionswünsche dargestellt werden, und die elektro-
nisch abgeschlossenen Verträge somit zu einem beide Marktparteien zufrieden stellenden
Leistungsaustausch in der Realität führen.
4.2.1.3 Online-Matchingmobilität
Mit der Verfügbarkeit von schnellen mobilen Datennetzen sowie der Verbreitung von in-
telligenten Smartphones hat sich der Markt für mobile Transaktionen entsprechend ent-
wickelt. Dies zeigt sich zum einen dadurch, dass heute bereits Acht von Zehn Menschen
in Deutschland ab 14 Jahren ein Smartphone nutzen (57 Mio. Nutzer) (BITKOM 2018).
Zum anderen steigt auch der Datenverkehr erheblich. So lag dieser im Jahr 2017 in
Deutschland noch bei 1.470 Mio. Gigabyte und soll bis Ende 2018 auf 2.100 Mio. Giga-
byte ansteigen (BITKOM 2018). Demnach ist die Einschätzung mobiler Endgeräte für
den Handel weiterhin sehr positiv und birgt ein enormes Wachstumspotenzial. Immer
mehr Marktplatzbetreiber ergreifen daher auch als First-Mover die Möglichkeiten, die die
mobile Datenübertragung für Matching-Prozesse mit sich bringt. So haben die Nutzer
die Möglichkeit, Warengüter ortsunabhängig zu kaufen resp. zu verkaufen. Um auch in
den letzten Sekunden einer Auktion auf ein Produkt zu bieten, muss ein Kunde nicht mehr
vor dem stationären Computer auf das Ende der Aktion warten, sondern kann dafür sein
mobiles Endgerät nutzen.
Die Online-Matchingmobilität erlaubt es, das entscheidende Gebot über ein mobiles
Endgerät von nahezu jedem beliebigen Ort abzugeben. Ebenfalls können sich Nachfrager
540 Die Grundlagen des E-Marketplace
bspw. benachrichtigen lassen, wenn beobachtete Angebote zu Ende gehen oder sie über-
boten wurden. Dank hoher mobiler Übertragungsraten und Datenflatrates können Nach-
frager auch von überall aus nach interessanten Angeboten suchen ohne dabei auf anschau-
liche Abbildungen der Objekte verzichten zu müssen. Doch auch für Anbieter bietet die
Mobilität Vorteile. Sie können jederzeit ihre Angebote verwalten. Moderne Smartphones
mit integrierten Kameras bieten die Möglichkeit, Fotos von Objekten zu machen und diese
ohne den Umweg über den stationären Computer direkt zum Angebot hochladen zu kön-
nen. Mit dem Slogan „Mobil kaufen und verkaufen – eine App für alles –“ macht eBay
sein Angebot über das mobile Internet zugänglich. Die eBay-Applikation (s. Abb. 201)
kann kostenlos heruntergeladen werden und bietet die Möglichkeit, Artikel direkt bei
ebay.com einzustellen (inklusive des Uploads von Smartphone-Fotos) oder auch Artikel
zu kaufen bzw. auf diese zu bieten. Darüber hinaus liefert die Applikation zeitkritische
Benachrichtigungen (z. B. das Ende eines Angebots) über Push-Mitteilungen. Einen ver-
gleichbaren Service bietet vor diesem Hintergrund bspw. auch amazon.de mit der Ama-
zon-Applikation an.
Während es sich bei den zwei vorgenannten Beispielen um Erweiterungen des stationären
Internets auf mobile Endgeräte handelt, soll nachfolgend mit dem App Store von Apple
noch ein weiteres Beispiel angeführt werden, das in erster Linie für mobile Endgeräte
konzipiert wurde. Dort können User Applikationen für das iPhone kostenlos herunterladen
bzw. kostenpflichtig erwerben sowie selbst entwickelte mobile Applikationen frei oder
zum Kauf anbieten (s. Abb. 202). Auch hier führt somit ein Matching zwischen Angebots-
und Nachfragekonditionen zu einer Transaktion. Einen ähnlichen Service bietet Microsoft
Die Prozesse beim elektronischen Handel 541
mit Windows Store Marketplace und Google mit dem Google Play Store an. Und auch das
soziale Netzwerk Facebook hat mit seinem App-Zentrum bereits dieses spannende und
lukrative Feld besetzt. Jede App hat hier eine eigene Info-Seite, die das Angebot kurz
beschreibt, die Anzahl der Nutzer und den Hersteller verrät und darüber informiert, für
welche Geräte die App verfügbar ist.
Abb. 202: Exemplarische Plattform für das mobile Matching (App Store)
Quelle: www.apple.com
eOffer-
Prozess
eMatching- eTransaction- After-eSales-
Prozess Prozess Prozess
eSearch-
Prozess
eFulfillment-Prozess
und Leistungen sowie den begleitenden Konditionen bereitgestellt werden, während Nach-
frager ihre Wünsche und Gesuche sowie die maßgeblichen Kriterien an den Marktplatz-
betreiber weiterleiten.
Der potenzielle Anbieter muss innerhalb des eOffer-Prozesses multimediale Objektdaten
sowie relevante Anbieterdaten unter Verwendung der diversen Marktplatz-Komponenten
(s. Kapitel 4.1.3.1) an den Marktplatzbetreiber zur Weiterverarbeitung übermitteln. Damit
sein Angebot gefunden und entsprechend präsentiert werden kann, sollte der Anbieter die
Anforderungen zur Online-Produktklassifikation (s. Kapitel 4.1.1.2) und zum Online-Ka-
talogaustausch (s. Kapitel 4.1.1.3) berücksichtigen und die Unterstützungsleistung des
Marktplatzbetreibers nutzen. Der potenzielle Nachfrager muss innerhalb des eSearch-
Prozesses auf die Online-Suche nach einer bestimmten Dienstleistung oder Produkt gehen.
Dazu überspielt er seine Nachfragedaten (z. B. gewünschte Quantitäten oder Objekteigen-
schaften) an den Marktplatzbetreiber, der aktiv das Matching übernimmt. Dem Nachfra-
ger stehen dazu verschiedene Marktplatz-Komponenten (s. Kapitel 4.1.3.1) zur Unterstüt-
zung zur Verfügung. Die direkte Interaktion zwischen Nachfrager und Marktplatzsystem
findet unter Verwendung der Datenbank- und Formularfelder (z. B. Auswahlmenüs, freie
Eingabefelder, Konfigurationsmenüs) statt, die von dem Marktplatzbetreiber bereitgestellt
werden. Eine wesentliche Erfolgsgrundlage für die Bereitstellung einer passenden Aus-
wahlmenge durch den Marktplatzbetreiber ist vor diesem Hintergrund die genaue und zu-
gleich umfangreiche Spezifikation der Eigenschaften der angebotenen Objekte sowie die
eindeutige Artikulation der Gesuche durch die Nachfrager. Die Aktualität der Offerten
und Gesuche und folglich die kontinuierliche Informationsaktualisierung der Marktpar-
teien kann somit als kritischer Erfolgsfaktor in der Informationsphase betrachtet werden.
Der Marktplatzbetreiber unterstützt den Informationsaustausch durch marktplatzspezifi-
sche Informations- und Kommunikationssysteme (z. B. progressive Suchdienste, gezielte
Kundenansprache per E-Mail), die die Offerten der Anbieter mit den Gesuchen der Nach-
frager zusammenführen.
Neben der Überspielung bzw. Einspeisung von Informationen beider Marktseiten ist im
Rahmen des eOffer- und eSearch-Prozesse auch die Frage zu klären, wie die Teilnehmer
im Anschluss die Informationen der Gegenseite auf- bzw. abrufen können. Die wichtigen
Kennzeichen der elektronischen Handelsebene bestehen darin, dass hier keine materiel-
len, physisch greifbaren Produkte angeboten werden, sondern immaterielle Informationen,
und dass die Handelspartner unabhängig von Zeit und Raum miteinander in Kontakt treten
können (Kollmann 2001b). Auf der realen Güterebene halten die Händler ein bestimmtes
Warensortiment und ein Warenlager zur Versorgung der Nachfrager vor. In der elektroni-
schen Welt ist deshalb ein System erforderlich, das gerade der zeitlichen und räumlichen
Dislozität der Handelsteilnehmer gerecht wird und dennoch, den materiellen Gütern ent-
sprechend, ein Sortiment an Informationen in ausreichender Menge vorhält. Diese Funk-
tion übernehmen auf der elektronischen Handelsebene die Datenbanken. Unter einer Da-
tenbank ist ein Computer gestütztes System zur Beschreibung, Speicherung und Wieder-
gewinnung von Daten zu verstehen. Sie besteht aus einer mehr oder minder umfassenden
Datenbasis, einem Programm zur Verwaltung der darin abgelegten Daten (DBMS; s. Kapitel
Die Prozesse beim elektronischen Handel 545
3.1.3.2) sowie einem Programm, mit dem man unter Verwendung bestimmter Suchkriterien
gezielt nach Informationsinhalten suchen kann (Picot/Reichwald/Wigand 2003, S. 170).
Die Datenbanken stellen somit eine Art elektronisches Verkaufsverzeichnis dar, in dem
die Anbieter ihr Informationssortiment ausstellen und die Nachfrager sich ihren Informa-
tionswünschen entsprechend und selbstständig umschauen können, sofern sie über eine Zu-
trittsberechtigung zu dieser Datenbank verfügen. Trotz des mitunter beträchtlichen Um-
fangs an Datensätzen in Datenbanken können die Nachfrager keinesfalls sicher sein, dass
sie die gewünschten Informationen auch tatsächlich erhalten. Die Ursachen hierfür liegen
u. a. darin, dass die Datensätze entweder untereinander oder mit den Suchkriterien unge-
nügend verknüpft sind, oder dass die Datensätze nicht in der gewünschten Aktualität vor-
handen sind. Die mit der Nutzung der traditionellen Datenbanksysteme verbundenen
Schwächen lassen sich mit Hilfe des sog. Data Warehouse-Konzeptes (s. Kapitel 3.4.2.2)
vermeiden. Historisch betrachtet wurde das Data-Warehouse-Konzept entwickelt, um die
Entscheidungsgrundlage des Managements von Unternehmen durch umfangreiche und alle
Unternehmensbereiche berücksichtigende Informationen zu verbessern (Inmon 2005).
Dabei wird keinesfalls auf den Rückgriff auf Datenbanken verzichtet. Stattdessen werden
die jeweils in Datenbanken vorhandenen Daten in neue, logische Zusammenhänge gestellt,
um auf diese Weise völlig neue Informationen zu erhalten. Sind es in Datenbanken vor al-
lem die Beziehungen der Datensätze untereinander (d. h. die Relationen), die neben der
Speicherung den Mehrwert schaffen, so besteht der Nutzen eines Data Warehouse in der
multidimensionalen Sicht auf die in bestimmter Weise modellierten und aggregierten In-
formationen (s. Abb. 159). Außerdem beinhaltet das Data-Warehouse-Konzept Tools, um
den gesamten Datenbestand nach bestimmten Datenmustern zu durchsuchen (sog. Data
Mining; s. Kapitel 3.4.2.3). Auf diese Weise sollen die „Edelsteine“ im „Schutt“ des ins-
gesamt vorhandenen Informationsangebots entdeckt werden. Auf elektronischen Markt-
plätzen fallen Informationen bzw. Daten an, die sich drei Informationsklassen zuordnen
lassen (Krähenmann 1994):
Marktdaten beziehen sich auf die Marktstruktur und technische Marktdaten. Die
Marktstruktur ist durch die Marktorganisation und die Marktprozesse sowie durch die
Marktdemographie und Marktseitenbesetzung charakterisiert. Die technischen Markt-
daten beinhalten Informationen über die Marktkapazität und das -volumen. Ebenfalls
von Relevanz sind in diesem Kontext die Markttiefe sowie die Liquidität und die Vola-
tilität auf dem Markt. Einer Studie von Mummert+Partner aus dem Jahre 2000 zufolge
sollten Marktplatzbetreiber in diesem Kontext ebenfalls Informationen über die Funk-
tionen, Prozesse und Konditionen des E-Marketplace selbst bereitstellen. Die Prozesse
der Transaktionsmodi müssen von dem Marketplace-Kunden verstanden worden sein,
um die Transaktionsbereitschaft sicherzustellen.
eOffer-Prozess eSearch-Prozess
Produkte, Leistungen, Konditionen Gesuche, Kriterien, Profile
Die von den einzelnen Marktsubjekten bereitgestellten Informationen werden von dem
Marktplatzbetreiber gesammelt und entsprechend der Markterfordernisse aufbereitet. Im
Rahmen der Aufbereitung werden die Daten auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft,
fehlende Angaben können ergänzt und falsche Daten verbessert werden. Erst danach wer-
den die Daten endgültig in der Datenbank abgelegt und stehen für die operative Nutzung
Die Prozesse beim elektronischen Handel 547
im Handelsgeschehen zur Verfügung. Die weitere Datennutzung ist durch die bilaterale
Ausrichtung des E-Marketplace auf zwei Kundengruppen mit divergierenden Informations-
und Kommunikationsbedürfnissen gekennzeichnet (s. Abb. 204). Folglich werden die ver-
fügbaren Daten von den beiden Marktparteien zu unterschiedlichen Zwecken verwendet.
Für Nachfrager besteht die Möglichkeit, Informationen über angebotene Produkte und
Leistungen zu ermitteln, während Anbieter Informationen über Bedarfsstrukturen und
Marktpreise erheben können. Im Rahmen geschäftlicher Transaktionen komplementieren
prozessbezogene Informationen (z. B. Vorschläge für Transaktionen, Konditionen) das
Data Warehouse auf dem E-Marketplace. Der E-Marketplace bietet mit den zugehörigen
elektronischen Prozessen gegenüber realen Marktplätzen zusammengefasst die folgenden
Vorteile in der Informationsphase (Schneider/Schnetkamp 2000, S. 52 f.):
Möglichkeit der Interaktion (mit den Kunden und der Kunden untereinander)
4.2.2.2 eMatching-Prozess
Auf der Basis der eingestellten und abgerufenen Informationen im eOffer- und eSearch-
Prozess (s. Kapitel 4.2.2.1), werden in dem darauffolgenden eMatching-Prozess konkrete
Tauschabsichten geäußert und es werden Gebote in Form von spezifischen und objektbe-
zogenen Angeboten bzw. Nachfragen unterbreitet. Dazu treten die Nachfrager mit den
vorselektierten potenziellen Transaktionspartnern in Kontakt, um das Leistungsspektrum
des Produkts sowie die Konditionen der Transaktion zu klären, ggf. zu verhandeln und
letztendlich den rechtlich bindenden Vertrag abzuschließen (Voigt/Landwehr/Zech 2003).
Die Spezifikation des Transaktionsprodukts adressiert gewünschte Ausprägungen variab-
ler Produktattribute, z. B. die Farbauswahl. Verhandelt werden kann in diesem Kontext
über eine einzelne Dimension (einattributiv), die in der Regel der Preis ist, oder auch über
mehrere Dimensionen (multiattributiv), wie bspw. Preis, Qualität und Lieferkonditionen
(Bichler 2001, S. 83; Pippow 2004, S. 7; Ströbel 2002, S. 33). Neben den Vereinbarungen,
die das Transaktionsobjekt direkt betreffen, spielen somit auch Vereinbarungen über Zah-
lungs- und Lieferbedingungen sowie ggf. Garantie- und Serviceleistungen eine bedeut-
same Rolle.
548 Die Grundlagen des E-Marketplace
Die Kernleistungen des E-Marketplace bestehen in dieser Phase durch den Abgleich von
Angebot und Nachfrage vorrangig in der Unterstützung des Produkt- und Preisfindungs-
prozesses durch eine marktgerechte Prozessgestaltung sowie mit dem Vorschlag bzw. der
Festlegung des Transaktionspartners in dem Matchingprozess. Dabei ist die Frage zu adres-
sieren, auf welche Weise ein Marktplatzbetreiber den eMatching-Prozess institutionalisie-
ren kann. Tatsächlich sind dazu inzwischen zahlreiche Matching-Modelle entwickelt wor-
den (Kollmann 2001b). Die Prozesse, auf denen diese Matching-Modelle aufbauen, unter-
scheiden sich im Wesentlichen durch die angebotene Funktionalität. Diese Prozesse und
da- mit die resultierenden Matching-Modelle können schematisiert und zu Kategorien zu-
sammengefasst werden. Verzichtet wird auf die in diesem Zusammenhang häufig genann-
ten „Schwarzen Bretter“, weil dieses Matching-Modell aufgrund der nur rudimentär vor-
handenen Transaktionsfunktionalität streng genommen nicht zu den transaktionsorientier-
ten elektronischen Marktplätzen gezählt werden sollten (Berlecon 2000, S. 11).
Im Folgenden werden daher nun die auf Online-Catalog-Prozessen, Online-Request-Pro-
zessen, und Online-Auction-Prozessen basierenden Matching-Modelle in ihren Grundzü-
gen zusammengefasst dargestellt (Kollmann 2001b, S. 85 ff.):
Online-Catalog-Prozess
Den Ausgangspunkt des auf Online-Catalog-Prozessen basierenden Matching-Modells bil-
det ein aggregierter Produktkatalog, der sich aus den Katalogen verschiedener Pro-
duktanbieter zusammensetzt (s. Kapitel 2.1.1.4). Die Rollenverteilung von Anbietern und
Nachfragern ist bei Katalog-Prozessen eindeutig definiert: Die Anbieter offerieren über
den Marktplatzbetreiber ihre Produkte zu den jeweiligen Preisen und begleitenden Kondi-
tionen zusammen mit identischen, ähnlichen oder ergänzenden Produkten anderer Anbie-
ter in einem gemeinsamen elektronischen Katalog. Der Nachfrager sucht nach dem von
ihm gewünschten Produkt und erhält als Antwort auf seine Suchanfrage vom Marktplatz-
betreiber eine Auswahlmenge passender Angebote. In Abhängigkeit der gewählten Stra-
tegie des Marktplatzbetreibers (s. Kapitel 4.3.3.1) bekommt der Nachfrager entweder aus-
schließlich die Angebote angezeigt, die genau mit seinem Gesuch übereinstimmen, oder
eine möglichst breite Auswahlmenge prinzipiell in Frage kommender Objekte. Dadurch
wird der Nachfrager in die Lage versetzt, Preise, aber auch Qualitäten und Konditionen zu
vergleichen und das ausgewählte Produkt direkt beim Anbieter zu bestellen.
Charakteristisch für Online-Kataloge ist die statische Produkt- und Preisbildung. Sind
die Objekte einmal in den Katalog eingestellt, finden in der Regel keine Verhandlungen
über Produktbeschaffenheiten, Preise oder weitere Konditionen zwischen Anbietern und
Nachfragern statt. Der Nachfrager kann das Objekt zu den im Katalog angegebenen Kon-
ditionen kaufen oder nicht und erwirbt damit unverzüglich und unabhängig von anderen
Geboten das Recht an dem Transaktionsobjekt. Somit sind Online-Kataloge besonders
für solche Produkte vorteilhaft, die einen relativ geringen Beratungsaufwand (s. Kapitel
3.3.1.1) und stabile Preise aufweisen, deren Beschaffung zeitkritisch sowie mit hohen
Suchkosten verbunden ist. Ferner ist klar, dass der Anbieter als Ausgangspunkt dieses
Die Prozesse beim elektronischen Handel 549
Matching-Modells angesehen werden kann (Einstellung eines Angebotes auf dem Markt-
platz). Als Beispiel für einen auf dem Online-Catalog-Prozess basierenden E-Marketplace
kann autoscout24.de genannt werden, bei dem die Anbieter ihre Angebote von Gebraucht-
wagen in eine Datenbank einstellen können, die dann über den Marktplatzbetreiber mit
Hilfe von Suchmechanismen für potenzielle Nachfrager durchsuchbar wird.
Die Attraktivität und damit der Mehrwert der Katalog-basierten Prozesse auf Nachfrager-
seite bestehen darin, dass sie die Markttransparenz erhöhen und Vergleichsmöglichkei-
ten eröffnen. Zusätzlich bieten sie gelegentlich die Möglichkeit der Nachfragebündelung,
wodurch den Nachfragern eine gewisse Marktmacht verliehen wird, die sich dann in Form
deutlich niedrigerer Einkaufspreise niederschlagen (sog. Powershopping). Der Mehrwert
für die Anbieter besteht darin, dass sie von einer deutlich höheren Nachfrage und den
Kosteneinsparungen durch das Outsourcing eines Teils ihrer Absatzaktivitäten auf den
E-Marketplace profitieren. Hinzu kommt, dass Verkäufer und Käufer sich den Anteil des
traditionellen Handelsvermittlers (Zwischenhändler) an der Wertschöpfungskette teilen
können. Darüber hinaus wird gegenüber traditionellen Vermarktungs- bzw. Beschaffungs-
systemen der Vorteil der größten Aktualität (Nachfrager) bzw. leichteren Aktualisierbar-
keit (Anbieter) der Angebote sowie die Vernetzung der verschiedenen Warenwirtschafts-
systeme geboten. Aus der Summe dieser Mehrwerte resultieren die Zahlungsbereitschaften
der Anbieter und Nachfrager, aus denen der Marktplatzbetreiber seine Einnahmen gene-
riert.
Online-Request-Prozess
Den Ausgangspunkt des auf Online-Request-Prozessen basierenden Matching-Modells
bildet eine aggregierte Nachfrageerfassung, die sich aus den Anfragen verschiedener
Produktnachfrager zusammensetzt. Die Rollenverteilung von Anbietern und Nachfragern
ist bei Request-Prozessen ebenfalls eindeutig definiert: Die Nachfrager zeigen gegenüber
dem Marktplatzbetreiber an, ein Objekt kaufen zu wollen, wobei die Kaufwünsche mit
Mindestvorstellungen über den Preis und Angaben über die Produktmerkmale versehen
werden. Der potenzielle Nachfrager setzt sich jedoch nicht direkt mit der jeweils anderen
Marktpartei in Verbindung, sondern richtet sich mit seiner Nachfrage an den Marktplatz-
betreiber, der anschließend die Angaben prüft und sie in anonymisierter Form an geeignete
Transaktionspartner auf der Anbieterseite weiterleitet (sog. Request for Proposal). Diese
entscheiden dann, eventuell nach Rückfragen bezüglich bestimmter Konditionen, ob er
ein auf die Nachfrage passendes Angebot formuliert. Dadurch wird der Nachfrager in die
Lage versetzt, sowohl Preise, als auch Qualitäten und Konditionen zu seiner individuellen
Suchanfrage zu vergleichen und mit dem möglichen Anbieter in Verbindung zu treten.
Kennzeichnend für Online-Request-Prozesse ist eine zweiseitig dynamische Produkt-
und Preisbildung. In den Requests for Proposal sind lediglich Mindestvorstellungen über
Produktbeschaffenheiten und Preise und weitere Konditionen enthalten. Werden diese von
der anderen Marktpartei so jedoch nicht angeboten bzw. akzeptiert, können Anpassungen
bzw. Nachverhandlungen zu einem beide Seiten befriedigenden Abschluss führen. Requ-
est-Prozesse sind somit für Güter geeignet, die volatile Preise aufweisen bzw. bei denen
550 Die Grundlagen des E-Marketplace
ein höherer Beratungsaufwand zu vermuten ist (s. Kapitel 3.3.1.1). Ebenso charakteristisch
ist der Handel von Objekten, deren Beschaffung zeitunkritisch ist und die eine geringe
Transaktionshäufigkeit erfordern. Ferner ist klar, dass der Nachfrager als Ausgangs-
punkt dieses Matching-Modells angesehen werden kann (Einstellung eines Gesuches auf
dem Marktplatz). Als Beispiel für einen auf dem Online-Request-Prozess basierenden
E-Marketplace kann bewertet.de genannt werden, bei dem Nachfrager ihre individuellen
Gesuche nach verschiedenen Dienstleistungen (z. B. Steuerberatung oder Schädlingsbe-
kämpfung) einstellen können, die dann durch den Marktplatzbetreiber an die passenden
Dienstleister als potenzielle Anbieter weitergeleitet werden.
Eine Spielart der Online-Request-Prozesse besteht darin, dass der Kaufvertrag über ein
bestimmtes Produkt nicht zwischen einem Anbieter und Nachfrager abgeschlossen wird,
sondern dass der Marktplatzbetreiber als Zwischenhändler auftritt. In diesem Falle bleiben
die Anbieter und Nachfrager im Hintergrund völlig anonym und treten nicht miteinander
in Kontakt. Sie erfahren allerdings auch nicht, welchen Preis der Marktplatzbetreiber mit
der jeweils anderen Marktseite ausgehandelt hat. Diese Anonymisierung der Anbieter
und Nachfrager stellt die Grundlage für weitere viel versprechende Mehrwertdienste dar.
So können bspw. Ausschreibungen vorgenommen werden, ohne dass derjenige, der die
Ausschreibung durchführt, seine Identität preisgeben muss. Diese Möglichkeit ist insbe-
sondere dann wünschenswert, wenn ansonsten das Wissen um den Ausschreibenden uner-
wünschte Rückschlüsse auf dessen Zahlungsbereitschaft zuließe oder dessen Konkurrenten
vielleicht sogar Einblicke in seine strategischen Planungen erhalten würden. Darüber hin-
aus lassen sich z. B. auch Überschussmengen an produzierten Gütern oder überschüssige
Produktionskapazitäten vermarkten, ohne dass die bestehenden Absatzkanäle gefährdet
werden.
Somit bieten sich sowohl für Anbieter als auch für Nachfrager entscheidende Vorteile bei
der Inanspruchnahme von Online-Request-Prozessen, da einerseits die Nachfrager ihre in-
dividuellen Anfragen unabhängig von bereits fixierten Produktspezifikationen in Daten-
banken einstellen können und andererseits die Anbieter ihre individuelle Beratungs- und
Produktleistung anbieten können und sich somit auch Aspekte neben dem Preis etablieren
lassen. Dadurch ergeben sich Alternativen zu den regulären statischen Absatzwegen. Ne-
ben der Anonymisierung kann der Marktplatzbetreiber bei diesem Matching-Modell noch
weitergehende Leistungen anbieten. So kann er zum Zwecke einer effizienteren Koordina-
tion eine Selektion von Anbietern und Nachfragern durchführen und zwar entweder
generell für alle Transaktionen, nur für bestimmte Verkaufsangebote oder Ausschreibun-
gen. Auf diese Weise kann der Marktplatzbetreiber zusätzlich die Bonitätsprüfung (s. Ka-
pitel 4.2.2.5) übernehmen, sodass an dem Request-Verfahren nur diejenigen Anbieter
und/oder Nachfrager teilnehmen können, die diese Prüfung bestanden haben. Darüber hin-
aus bietet es sich bei diesem Matching-Modell insbesondere an, den Marktteilnehmern
mehr oder weniger aufwendige Computer gestützte Funktionen zur Verfügung zu stellen, mit
denen der gesamte Request-Prozess auf dem E-Marketplace sowie die jeweils eigenen Ak-
tivitäten analysiert werden können (Berlecon 2000, S. 13 f.). Der Umfang der angebote-
nen Mehrwertdienste auf elektronischen Börsen hängt vor diesem Hintergrund entschei-
Die Prozesse beim elektronischen Handel 551
dend von den Wünschen der Teilnehmer sowie deren Zahlungsbereitschaften für transak-
tionsbegleitende Prozesse ab.
Insbesondere im B2B-Bereich werden bei Verhandlungen mit hohem Komplexitätsgrad in-
telligente Software-Agenten (Pippow 2004; Ströbel 2002) eingesetzt, die die Verhandlun-
gen unter vorstrukturierten Bedingungen selbständig durchführen (Zarnekow 1999,
S. 148). Kritisch für den Erfolg von automatisierten Verhandlungen sind in technischer
Hinsicht die Anwendung einer konsistenten Semantik und in betriebswirtschaftlicher Sicht-
weise die Generierung von leistungsfähigen Verhandlungsstrategien. Es ist zu gewährleis-
ten, dass der Software-Agent die verschiedenen Verhandlungsoptionen (z. B. Bestellquan-
tität, Qualitätsanforderung, Finanzierungsarten) im Sinne des Anbieters resp. Nachfragers
bewerten und zueinander gewichten kann. Unter Berücksichtigung der Präferenzen bzw.
Prioritäten des „Auftraggebers“ muss der Software-Agent in der Lage sein, selbständig auf
individuelle Anforderungen der Verhandlungen entsprechend zu reagieren, um ein opti-
males Verhandlungsergebnis zu erzielen. Dafür sorgen entweder lernfähige (dynamische)
Agentensysteme auf der Basis von genetischen Algorithmen oder nichtlernfähige (stati-
sche) Systeme basierend auf Vorschlagsprotokollen für alle existierenden Handlungsop-
tionen (Beam/Segev 1997).
Online-Auction-Prozess
Den Ausgangspunkt des auf Online-Auction-Prozessen basierenden Matching-Modells
bildet wie schon beim Online-Catalog-Prozess ein aggregierter Produktkatalog, der sich
aus Angeboten verschiedener Produktanbieter zusammensetzt. Die Rollenverteilung von
Anbietern und Nachfragern ist analog zu den Katalog-Prozessen eindeutig definiert: Die
Anbieter offerieren über den Marktplatzbetreiber ihre Produkte in einem gemeinsamen
elektronischen Katalog. Der Nachfrager sucht nach dem von ihm gewünschten Produkt
und erhält als Antwort auf seine Suchanfrage vom Marktplatzbetreiber eine Auswahlmenge
passender Angebote. Anders als bei dem Online-Catalog-Prozess kommt jetzt jedoch bei
Online-Auction-Prozessen ein offener Preismechanismus zum Tragen, d. h. der Kaufpreis
eines Produktes entwickelt sich nach der Angabe eines Startpreises seitens des Anbieters
durch immer höhere Gebote verschiedener Nachfrager auf dasselbe angebotene Gut.
Kennzeichnend für Online-Auction-Prozesse ist damit eine einseitig dynamische Preis-
bildung und die Auktion wird mittels eines definierten und verbindlichen Preismecha-
nismus durchgeführt, d. h. die abgegebenen verbindlichen Kaufgebote können von den
Marktteilnehmern gegenseitig überboten werden, wobei das höchste Gebot anschließend
vom Anbieter akzeptiert werden muss. Die Laufzeit einer Auktion ist in der Regel zeitlich
begrenzt. Aufgrund der aber mitunter mehrere Tage laufenden Auktionen sind diese Mat-
ching-Modelle vorrangig für Güter geeignet, deren Beschaffung weniger zeitkritisch und
der Beratungsaufwand (s. Kapitel 3.3.1.1) überschaubar ist. Dies impliziert, dass das Pro-
duktangebot und die Konditionen im Vorfeld genau festgelegt sind und nach Angebotsein-
stellung nicht mehr verändert werden können, sodass nur noch der Preis als alleiniges Ent-
scheidungskriterium ausreichend ist. Auktionen eignen sich insbesondere für den Handel
von Objekten, deren Marktpreis im Vorfeld schwer zu bestimmen ist, da lediglich ein re-
552 Die Grundlagen des E-Marketplace
lativ niedriger Preis als Startpreis angegeben wird, der sich dann mit jedem abgegebenen
Gebot erhöht, bis die maximale Zahlungsbereitschaft der Bieter erreicht, und somit ein markt-
orientierter Preis gefunden ist. Damit ist klar, dass einmal mehr der Anbieter als Ausgangs-
punkt dieses Matching-Modells angesehen werden kann (Einstellung eines Angebotes bzw.
einer „Auktion“ auf dem Marktplatz). Als Beispiel für einen auf dem Online-Auction-Pro-
zess basierenden E-Marketplace kann ebay.de genannt werden, bei dem die Anbieter ihre
Verkaufsangebote in Form von Auktionen in eine Datenbank einstellen können, die dann
über den Marktplatzbetreiber mit Hilfe von Suchmechanismen für potenzielle Nachfrager
durchsuchbar werden und bei denen dann Gebote abgegeben werden können.
(Brandtweiner 2001, S. 124). Charakteristisch für diese Auktionsform ist das relativ ge-
ringe Risiko der Bieter, da die Anzahl der Mitbieter und deren Gebote bekannt sind und
der Bieter damit jederzeit aus dem Prozess aussteigen kann (solange er nicht Höchstbie-
tender ist). Bekanntestes Beispiel ist hier ebay.de, wo Anbieter und Nachfrager mittels
dieses Auktionsmechanismus zusammenkommen. Da gerade das Internet und die tech-
nischen Möglichkeiten elektronischer Marktplätze die Implementierung nicht nur verein-
fachen, sondern auch erst dadurch wirklich effizient werden, beteiligen sich auch immer
mehr Privatpersonen an solchen Auktionen. Somit konkurrieren die gewerblichen Anbie-
ter, die sich an solchen Auktionen beteiligen, nicht mehr nur mit anderen Gewerbetrei-
benden, sondern zunehmend auch mit Privatpersonen, die mit relativ wenigen Mitteln
ebenfalls zu Anbietern werden können.
Die Holländische Auktion ist eine Auktionsform mit dem Prinzip absteigender Preise.
Der Auktionator beginnt in der Regel mit einem überhöhten Preis, der beständig gesenkt
wird. Hierbei fällt der Preis in zuvor festgelegten Intervallen um einen bestimmten Geldbe-
trag. Der Auktionsteilnehmer, der zuerst mit dem ausgerufenen Geldbetrag einverstanden
ist und dementsprechend die Auktion unterbricht, erhält den Zuschlag. Diese Auktions-
form orientiert sich daher an der Zahlungsbereitschaft der Kunden. Sie können entweder
offen ablaufen, wobei die Identität der Auktionsteilnehmer als auch die Höhe der Gebote
allen bekannt ist. Sie können aber auch vollständig anonym und geschlossen oder in jeder
Kombinationsform zwischen diesen beiden Extremen durchgeführt werden. Ein wichtiger
Aspekt der Holländischen Auktionsform ist die Geschwindigkeit mit der die Auktion
durchgeführt wird. Bei relativ niedrigpreisigen Gütern ist die Auktion normalerweise von
kurzer Dauer. Traditionell wurde dafür eine Auktionsuhr benutzt, die sehr schnell rück-
wärtsläuft und von dem Bietenden gedrückt bzw. angehalten werden muss, wie es ur-
sprünglich bei den Blumenversteigerungen in Holland geschah (daher auch der Name).
Die Übertragung dieser Auktionsform auf das Internet ist jedoch ohne weiteres möglich,
da der Preis in Echtzeit für alle Mitbietenden über die Marktplatz-Plattform sichtbar ge-
macht werden kann und somit jeder Teilnehmer die gleiche Chance erhält, den Zuschlag
zu bekommen.
Die verdeckte Höchstpreis-Auktion erfordert absolute Geheimhaltung der Gebote. Die
Mitbieter können jeweils nur ein verschlossenes Gebot an den Auktionator schicken, ohne
jedoch zu wissen, welchen Preis die Mitbieter zu zahlen bereit sind. Nach Ablauf der vorher
festgelegten Frist werden die verschlossenen Gebote geöffnet und das höchste Gebot er-
hält den Zuschlag. Im Internet wird diese Form selten angeboten, allerdings lassen sich
auch hier einige Beispiele identifizieren. Unter dem Begriff der „Blind-Auktion“ bietet
carsontheweb.com den Kunden die Möglichkeit Gebote auf ein jeweiliges Fahrzeug
abzugeben (o. V. 2018d). Dabei sehen die Kunden nicht, welche Angebote die Mit-
bieter abgegeben haben. Die Auktion läuft verdeckt ab und der Höchstbietende bekommt
am Ende der Auktion den Zuschlag durch den Verkäufer. In der Regel geben Bieter bei
dieser Auktionsform höhere Gebote ab als z. B. bei der Englischen Auktion, da sie weder
die Anzahl noch die Risikobereitschaft der Mitbieter kennen. Durch diese fehlende Orien-
554 Die Grundlagen des E-Marketplace
tierung an Wettbewerbern (z. B. wenn viele der Mitbieter ab einem bestimmten Preis aus-
steigen) reflektieren die Gebote hier die maximale Zahlungsbereitschaft der Kunden.
Die Vickrey-Auktion funktioniert vom Prinzip her wie die Höchstpreis-Auktion. Auch
hier kann jeder nur einmal ein Gebot abgeben und die Gebote werden verdeckt abgegeben.
Ist der vorher definierte Auktionszeitraum abgelaufen, gewinnt zwar der Höchstbietende,
dieser muss allerdings nur den Preis des Zweithöchstbietenden bezahlen. Daher wird diese
Auktionsform auch Zweitpreis-Auktion genannt. Aufgrund dieser veränderten Bedingun-
gen kann der potenzielle Käufer den End- bzw. Kaufpreis selber nicht direkt bestimmen
(Zinnbauer/Bakay 2001, S. 7). Die beste Strategie für den Nachfrager besteht also darin,
sein Preisgebot genau in Höhe seiner persönlichen Zahlungsbereitschaft abzugeben, da er
so im Falle des Zuschlags sichergehen kann, dass der Preis nicht über seiner maximalen
Zahlungsbereitschaft liegt.
Reverse Auctions funktionieren mit dem Prinzip der Umkehrungen der ursprünglichen
Auktionsformen. Bei diesen Auktions-Prozessen ist der Ausgangspunkt nicht mehr das zu
verkaufende Produkt, sondern die Absicht eine Leistung oder ein Produkt einzukaufen.
Hierbei initiiert also der Nachfrager den Auktionsprozess und nicht der Anbieter, wie in
den oben beschriebenen Auktionsformen (Brandtweiner 2001, S. 135; Kollmann/Häsel
2007c). Der Marktplatzbetreiber versucht dann, dem Nachfrager seine Leistungsanfrage
zumindest zum genannten Maximalpreis an einen Anbieter zu vermitteln. Gibt es mehrere
konkurrierende Anbieter, wird der Verkaufspreis normalerweise deutlich niedriger als der
Anfangspreis ausfallen. Nach diesem Prinzip funktionieren bspw. die schon beschriebe-
nen Marktplätze für Dienstleistungsauktionen, wie z. B. my-hammer.de. Hier kann der
Nachfrager einen Auftrag ausschreiben (z. B. Umzugshilfe oder Wohnung streichen) und
seinen maximalen Preis, den er zu bezahlen bereit ist, angeben. Die Dienstleister machen
dann dem Nachfrager Angebote. Dabei unterbieten sie sich gegenseitig, da der Kunde in der
Regel den Zuschlag an den Dienstleister mit dem niedrigsten Preis vergibt. Allerdings ist
gerade bei qualitativ nicht vorher überprüfbaren Angeboten nicht nur der Preis ausschlag-
gebend, was dazu führen kann, dass der Kunde nicht den günstigsten, sondern den seiner
Empfindung nach besten Dienstleister auswählt.
Aufgrund der Vielzahl möglicher Auktionsvarianten kommt dem Marktplatzbetreiber zu-
nächst die wichtige Aufgabe zu, den geeigneten Auktionsrahmen und insbesondere den
Anonymitätsgrad der Auktionsteilnehmer zu bestimmen. Gerade die Bestimmung des
„richtigen“ Umfanges an zur Verfügung gestellten Informationen determiniert die Akzep-
tanz resp. den Mehrwert der angebotenen Vermittlungsleistung, den die Teilnehmer auch
zu vergüten bereit sind. So könnte etwa ein Zuviel an Informationen über ein Versteige-
rungsobjekt Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Situation eines Bieters erlauben, wes-
halb dieser Bieter auch auf die Auktionsteilnahme verzichten könnte. Andererseits aber
kann gerade das Wissen um die Mitbieterschaft eines wichtigen Konkurrenten die Ein-
schätzung der angebotenen Objekte beeinflussen. Die für die Anbieter und Nachfrager
durch die Inanspruchnahme von Online-Auktionen entstehenden Vorteile entsprechen im
Wesentlichen denjenigen des Request-Prinzips.
Die Prozesse beim elektronischen Handel 555
Darüber hinaus können die Auktions-Prozesse jedoch auch zur Preisfindung für die eige-
nen Produkte bzw. zur Feststellung des tatsächlichen Marktwertes herangezogen werden,
indem das gleiche Produkt einmal unter dem Markennamen und ein weiteres Mal anonym
zur Versteigerung angeboten werden (Berlecon 2000, S. 15 f.). Darüber hinaus muss der
E-Marketplace ein vertrauenswürdiges Transaktionsumfeld bieten. Neben der Befriedi-
gung von grundlegenden Sicherheitsbedürfnissen der Anbieter und Nachfrager bezogen
auf das Trägermedium Internet (z. B. Datenintegrität, Vertraulichkeit der Daten, Nichtab-
streitbarkeit der Transaktion), ist ebenso das Vertrauen in die Geschäftspartner von zent-
raler Bedeutung. Die Virtualität bietet den Marktplatzteilnehmern häufig große Anonymi-
tätsgrade, die zu Unsicherheit bezüglich des Marktpartners führen kann. Da kein unmittel-
barer, physischer Kontakt zwischen den Marktsubjekten erfolgen kann, muss der Markt-
platzbetreiber die Authentizität der Teilnehmer garantieren. Somit kann sichergestellt
werden, dass getroffene Vereinbarungen eingehalten werden.
Zusammenfassend bestehen die Aufgaben des Marktplatzbetreibers in dieser Phase darin,
prozessuale Regelungen für die Durchführung der Vereinbarungsphase (z. B. Preisfindung
durch Auktionsprozesse) zu etablieren, diese den Marktparteien zu kommunizieren und
transparent zu machen und die Durchsetzung dieser Regelungen zu garantieren. Für die
Akzeptanz des E-Marketplace ist es weiterhin unerlässlich, dass der Marktplatzbetreiber
als neutrale Instanz zwischen Anbietern und Nachfragern agiert und zwischen den Markt-
parteien unabhängig vermittelt (Scully/Woods 1999). Die Unterstützung der Vereinba-
rungsphase durch den E-Marketplace ist durch die folgenden Vorteile gekennzeichnet
(Schneider/Schnetkamp 2000, S. 53):
Zuordnung von Angebot und Nachfrage durch eine neutrale Instanz (Matching)
4.2.2.3 eTransaction-Prozess
Der eTransaction-Prozess dient der Umsetzung der Kauf- bzw. Verkaufsverpflichtungen,
die aus dem im eMatching-Prozess (s. Kapitel 4.2.2.2) geschlossenen Kaufvertrag resul-
tieren (Schmid 1993, S. 467; Voigt/Landwehr/Zech 2003, S. 73 ff.). Durch die vertragliche
Festlegung des Leistungsaustauschs erfolgt die Übertragung der Eigentumsrechte (pro-
perty rights) am Transaktionsobjekt von dem Anbieter auf den Nachfrager. Folglich über-
556 Die Grundlagen des E-Marketplace
führen die Anbieter in der Abwicklungsphase die Güter in die Einflusssphäre der Nach-
frager. Im Gegenzug transferiert der Nachfrager das ausgehandelte Geldäquivalent an den
Anbieter. Im Zentrum dieser Phase steht somit die Integration von Waren- und Finanzlo-
gistik. In einer differenzierteren Sichtweise existiert eine Reihe von Teilprozessen in dem
eTransaction-Prozess, die in jedem Geschäft gleichartig ablaufen und die von dem Markt-
platzbetreiber elektronisch unterstützt werden:
Dann folgt eine Reihe von Aktivitäten, die sich auf die eigentliche Lieferung der Ware
beziehen (z. B. Lieferüberwachung, Qualitätskontrollen).
Für den Anbieter entstehen dabei in der Regel Kosten der Auftragsabwicklung für die
Überprüfung des Kundenauftrags, der Initiierung des Warenflusses (Physical Flow) sowie
der Rechnungsstellung und so dem Anstoß des Zahlungsflusses (Payment Flow). Auf
der Nachfragerseite entstehen im Rahmen der Bestellung, Statistik und des Controllings
Informationskosten sowie Durchsetzungs- und Kontrollkosten, die sich aus der Prüfung
und ggf. Beanstandung der Waren sowie aus der Realisierung des Zahlungsstroms ergeben
(Hubmann 1989). Als zentrale Instanz zwischen Anbieter und Nachfrager wird der Erfolg
des Marktplatzbetreibers daran gemessen, inwieweit es ihm gelingt, den Transfer der Wa-
renflüsse und der entgegen gerichteten Zahlungsströme reibungslos zu koordinieren und
die Kosten der Auftragsabwicklung auf beiden Marktseiten zu minimieren. Die Ab-
wicklungsphase kann dabei teil- oder vollautomatisiert ablaufen.
Insbesondere im B2B-Handel werden dazu häufig die internen Warenwirtschaftssyste-
me der Marktplatzparteien an den E-Marketplace angebunden. Für den Marktplatzbetrei-
ber bietet sich in der Online-Abwicklungsphase die Chance, die Transaktionsflüsse mit
sog. eFulfillment-Prozessen (s. Kapitel 4.2.2.5) ganzheitlich integriert zu unterstützen und
damit die Attraktivität des E-Marketplace zu erhöhen. Darüber hinaus werden mit Fulfill-
ment-Services weitere Einnahmequellen generiert. Auf vielen Marktplätzen werden in
Kooperationen mit Spezialdienstleistern diverse Transport-, Finanz- und Versiche-
rungsdienstleistungen angeboten. Im C2C-Handel, bei dem in der Regel Transaktionen
zwischen unbekannten Marktsubjekten vollzogen werden, bieten E-Marketplaces bspw.
Online-Zahlungsservices an, bei denen die Warenversendung und die Zahlung durch
den Marktplatzbetreiber zentral gesteuert wird, um den Verkäufer vor Zahlungsausfällen
zu schützen und gleichzeitig dem Käufer die Zusendung der häufig im Voraus bezahlten
Waren zu garantieren. In einer weiteren Perspektive lassen sich eFulfillment-Services
ebenfalls als handelbare Güter betrachten, deren Austausch sich wiederum über einen
Die Prozesse beim elektronischen Handel 557
Trust Accounts, bei denen der Marktplatzbetreiber den sicheren Austausch von Leis-
tung und (monetärer) Gegenüberleistung sicherstellt, indem er als Zwischenstation für
die Zahlung fungiert und diese erst freigibt, wenn das Objekt ausgeliefert wurde.
werden. Dabei fallen für diese Moderatoren jedoch Kosten an. Ferner wird in diesem Fall
der Kaufpreis auf ein Treuhandkonto überwiesen und zwei der drei Instanzen müssen ihre
Einwilligung über die Transaktion erteilen.
Um die Software zu nutzen, muss diese auf dem jeweiligen Betriebssystem installiert wer-
den und wird so automatisch zum Teil des Peer-to-peer Netzwerkes (P2P). Zudem muss
gleich zu Beginn entschieden werden ob man als Verkäufer oder Käufer auftritt. Darüber-
hinaus wirkt OpenBazaar über die Offenlegung der Nutzer-IP-Adressen über eine Schnitt-
stelle der Cyberkriminalität entgegen, da ein fehlender zentraler Betreiber oft zur Anlo-
ckung von Personen dient, die an rechtlichen Grauzonen oder illegalen digitalen Handlun-
gen interessiert sind. Das Konzept von OpenBazaar bietet somit zwar die Option der kos-
tenlosen Transaktionen, wirkt jedoch gegen die weitreichende Anonymität im Netzwerk
(Rosenberger 2018). Da das junge Unternehmen bislang durch Venture Capital finanziert
ist, versucht es langfristig ein Ökosystem zu werden, dass sich durch kostenpflichtige
Dienstleistungen und Funktionen für spezifische Branchen finanziert und weiterentwickelt
(Rosenberger 2018).
4.2.2.4 After-eSales-Prozess
Galten lange Zeit Geschäfte mit dem Austausch von Waren und Zahlung als abgeschlos-
sen, ist in heutiger Zeit der Kundenservice nach dem eigentlichen Abschluss der Transak-
tion vermehrt in den Fokus der Leistungsanbieter gerückt. Die After-Sales-Phase wird der-
zeit nur rudimentär unterstützt, bietet aber für die zukünftige Entwicklung enorme Poten-
ziale (Schneider/Schnetkamp 2000). Somit ist auch ein After-eSales-Prozess als Anforde-
rung für die zeitgemäße Ausgestaltung der elektronischen Handelsprozesse zu definieren.
Dieser kann im Einzelnen aus den folgenden Teilbereichen bestehen. Auskünfte für An-
wender, technischer Kundendienst sowie die Bearbeitung von Reklamation sind Aktions-
felder, in denen der E-Marketplace auch nach dem eigentlichen Leistungsaustausch noch
klare Mehrwerte generieren kann. So kann der Marktplatzbetreiber bspw. Handbücher für
die Anwender effizient online bereitstellen. Ebenfalls kann er den technischen Kunden-
dienst auf der Basis der zentralen Produkt- und Kundendatenbanken (s. Kapitel 4.2.2.1) so-
wie leistungsfähigen Möglichkeiten der Fernüberwachung auf dem E-Marketplace effek-
tiv unterstützen. Sowohl das Einholen von Kundenfeedback als auch die Bearbeitung von
Reklamationen können über den E-Marketplace zentralisiert organisiert und schnell und
kostengünstig online durchgeführt werden.
Durch die mögliche „One-to-One“-, „One-to-All“- und auch „All-to-All“-Ansprache (s.
Kapitel 1.3.4) eröffnet der E-Marketplace allen Marktsubjekten neue Dimensionen im Kun-
denbeziehungsmanagement. In diesem Kontext ist zu beobachten, dass auf E-Marketplaces
vermehrt sog. eJudgement-Prozesse institutionalisiert durch Online-Bewertungssysteme
(s. Kapitel 4.4.2.3) implementiert werden, die es den Kunden ermöglichen, zum einen das
erworbene Produkt selbst, zusätzlich und nicht weniger bedeutsam, aber auch den Markt-
partner sowie den Transaktionsablauf (pünktliche Lieferung/Bezahlung etc.) insgesamt zu
Die Prozesse beim elektronischen Handel 559
Der Marktplatzbetreiber kann als neutrale zentrale Instanz für das Beschwerdema-
nagement in Erscheinung treten
4.2.2.5 eFulfillment-Prozess
Mit funktionserweiternden eFulfillment-Prozessen intendiert der Marktplatzbetreiber,
bisher externe Funktionalitäten auf dem E-Marketplace quasi „aus einer Hand“ gebündelt
anzubieten (Iksal/Messinger 2002). Nicht alle Funktionalitäten müssen zwangsläufig von
dem Marktplatzbetreiber selbst erbracht werden. Häufig werden einzelne Services in Ko-
operationen mit spezialisierten externen Dienstleistern angeboten, die über die notwendi-
gen Kompetenzen in diesen Bereichen verfügen. Als Intermediär zwischen Anbietern und
Nachfragern besitzt der Marktplatzbetreiber das Potenzial und die Chance, sein Leistungs-
angebot zur ganzheitlichen Abwicklung der Markttransaktionen um die verschiedensten
Dienstleitungsangebote zu erweitern (s. Abb. 206) und somit sowohl eine höhere Kun-
denbindung zu schaffen als auch neue Einnahmequellen zu erschließen. Aus Kundensicht
garantieren diese zusätzlichen Services eine schnelle, bequeme und vor allem günstige
Abwicklung der Transaktion und erhöhen so den Kundennutzen deutlich.
eFulfillment-Prozesse können sämtliche Phasen des Prozessmanagements von der Online-
Informationsphase bis zur After-Sales-Phase unterstützen. Das Leistungsspektrum der
zahlreichen eFulfillment-Prozesse reicht von der Vertrauensbildung in der Anbahnung
über Transaktionsmanagement sowie Validierung und Kontrolle von Geschäften bis zur
Auftragsüberwachung in der Logistik (Arndt 2002, S. 135 ff.):
560 Die Grundlagen des E-Marketplace
Anbieter
Vertrieb Fachbereiche Logistik
Transportversicherung Kreditversicherung
Payment Logistik
E-Marketplace
Arbitration Factoring
Nachfrager
Einkauf Fachbereiche Logistik
Für das Prozessmanagement und daraus abgeleitet für den gesamten Betrieb eines E-
Marketplace, lässt sich die Nutzung der generierten Informationen im bzw. aus dem elekt-
ronischen Handel nach operativen, taktischen und strategischen Aufgaben differenzieren
(s. Abb. 207). Dabei steht insbesondere die Informationsverwendung für operative und
Die Prozesse beim elektronischen Handel 561
Strategisches Handelsmanagement
Handels- und
Management von Handelskanäle und
Kundenanalyse Pricingstrategien
Produktportfolio -märkte festlegen
festlegen
Strategischer
Handel
Handels-Controlling
Taktischer
Handel
Datenpflege
Operativer
Handelsprozess Handel
Verhandlung
Informations- Informations- After-Sales
über Abwicklung
sammlung bereitstellung
Konditionen
gewissen Regionen oder das Angebot von Testberichten von Gebrauchtwagen dienen. An-
dererseits kann aber auch der Content eines Versicherungsangebotes für das Handelsobjekt
je nach Content-Partner als überflüssige Werbung interpretiert werden und für ein negati-
ves Image des Marktplatzes sorgen.
Die Größe „Vertrieb/Marketing“ knüpft an der Einwerbung von Objektanbietern und
-nachfragern an. Dabei soll der Vertrieb die Einstellung von Handelsobjekten sicherstel-
len. Je nach Branche müssen hierfür zahlreiche Anbieter durch Außendienstmitarbeiter
besucht (z. B. Autohändler oder Immobilien-Gesellschaften), für die Idee des Marktplat-
zes gewonnen und im Idealfall eine Online-Verbindung zwischen dem Warenwirtschafts-
system des Anbieters und der Datenbank des Marktplatzbetreibers geschaffen werden
(Schnittstellen; s. Kapitel 4.1.1.1). Gleichzeitig müssen spezielle Werbematerialien (z. B.
Faxformulare für die Objekteinstellung) oder Direct-Mailings an unterschiedliche Anbie-
tergruppen adressiert werden. Die Aufgabe des Marketings besteht darin, Nachfrager für
eine Teilnahme am E-Marketplace zu mobilisieren. Für die Einwerbung der Nachfrager
gelten dabei auch in der virtuellen Welt die klassischen Gesetze der Kommunikation: Viel
Werbung führt zu vielen Kontakten. Untersuchungen hinsichtlich der Wirksamkeit von
Werbebannern im Internet haben gezeigt, dass je breiter die Hinweise zu Online-Zugangs-
wegen im Internet gestreut werden, umso mehr Besuche auf der jeweiligen Webseite zu
verzeichnen sind. Damit möglichst viele Nachfrager und Anbieter auf die Existenz eines
elektronischen Marktplatzes aufmerksam werden können, müssen auch die klassischen
Medien für Werbemaßnahmen genutzt werden (s. Kapitel 4.4.1). Dies gilt insbesondere
dann, wenn der Zugang zu dem E-Marketplace nicht nur über das Internet möglich ist,
sondern auch ein Call-Center für die telefonische Transaktionsanfragen angeboten wird.
Daher ist der E-Marketplace auch über Plakate, Radiospots, Promotions etc. zu vermark-
ten.
Die Art und Weise, wie sodann der zentrale Beziehungskreis durch Maßnahmen des
Marktplatzbetreibers beeinflusst wurde, lässt sich gerade in den drei Größen (dritter
Schritt) „Umsatz“, „Kosten“ und „Wettbewerbsposition“ mit ihren hohen aggregierten
Passivwerten ablesen. Hinsichtlich der Größe „Umsatz“ wurde davon ausgegangen, dass
die Marktplatzbetreiber nur von den Anbietern Gebühren für die Nutzung des Marktplat-
zes erheben (Mitglieds- oder Transaktionsgebühren). In diesem Fall hängt der Umsatz des
Marktplatzbetreibers in erster Linie von der Anzahl der Objektangebote in der Datenbank
und dem Vermittlungserfolg (Realtransformation) ab. Bei anders ausgestalteten Einnah-
memodellen (s. Kapitel 1.5.2) müsste die rein gestrichelte Linie in Abb. 208 entsprechend
anders verlaufen. Beispielsweise kann auch die Zahl der Nachfragen (Traffic) für den Um-
satz eine Rolle spielen, sofern der Marktplatzbetreiber seine Webseite anderen Unterneh-
men für Werbemaßnahmen (Werbebanner) zur Verfügung stellt. Je attraktiver ein E-Mar-
ketplace, desto höher die Besuchsfrequenz und desto höher die Zahlungsbereitschaft von
anderen Unternehmen für die Einrichtung eines Werbebanners auf der Webseite. Letztlich
wird die Höhe des Umsatzes auf einem E-Marketplace von der Anzahl der Konkurrenten
abhängen.
Je mehr Objektnachfrage und Objektangebote,
Quelle:
desto mehr Matching-Prozesse und Transaktionen können stattfinden
„Objektangebot“ „Objektnachfrage“
Je mehr Objektnach-
Je mehr Objektan- frager, desto mehr
bieter, desto mehr Objektnachfrage
Objektangebot
„Objektnachfrager“
„Objektanbieter“
Je zufriedener, Je zufriedener,
desto mehr desto mehr
Objektanbieter Objektnachfrager
„Anbieterzufriedenheit“ „Nachfragerzufriedenheit“
„Content“
Je mehr Trans-
aktionen,desto „Vertrieb/Marketing“
Je mehr Marketing, desto mehr Objektanbieter weniger Je mehr Vermarktung,
Konkurrenz desto weniger Konkurrenz Je mehr Vermarktung,
Je mehr Transaktionen, desto mehr Kosten
desto mehr Umsatz
Je mehr Einstellungen, „Wettbewerbs-
desto mehr Umsatz
position“
„Umsatz“ „Kosten“
Je mehr Konkurrenz,
Je mehr Objektanbieter, desto weniger Umsatz Je mehr Objektnachfrager,
desto mehr Kosten desto mehr Kosten
Abb. 208: Die Architektur auf operativer Handelsebene bei einem E-Marketplace
Je mehr Objektangebot, desto besser die Wettbewerbsposition Je mehr Objektnachfragen, desto besser die Wettbewerbsposition
565
566 Die Grundlagen des E-Marketplace
Existieren mehrere elektronische Marktplätze, dann kann davon ausgegangen werden, dass
sich das vorhandene Handelsvolumen auch auf mehrere Marktplätze verteilt, mit der
Folge, dass der von jedem einzelnen Marktplatzbetreiber realisierbare Umsatz geschmä-
lert wird. Die Größe „Wettbewerbsposition“ kann damit als zentrale Outputgröße für
die Bestimmung der Stärke des Handelsplatzes „E-Marketplace“ interpretiert werden.
Die Stärke ist dabei abhängig von der Menge und Qualität an Objektangeboten und -nach-
fragen, die auf diesem Marktplatz bearbeitet werden. Dabei wird davon ausgegangen, dass
ein Objekt aufgrund der Einstellungskosten in die Datenbank lediglich auf einem Markt-
platz angeboten wird. Ferner wird die Wettbewerbsposition durch die Menge an Vermitt-
lungen und tatsächlichen Transaktionen auf diesem Marktplatz und damit von der Qualität
des gesamten Matching-Ergebnis (elektronische Vermittlungsleistung + Realtransforma-
tion) beeinflusst. Der Hinweis, dass bspw. 80 % der Transaktionsanfragen und damit eine
relativ hohe Anzahl erfolgreich vermittelt werden konnten, wirkt als positives Wettbe-
werbssignal (s. Kapitel 4.3.3.3). Ein Marktplatzbetreiber kann seine Wettbewerbsposition
auch durch den Einsatz von Werbemitteln verbessern, da hierdurch Teilnehmer von ande-
ren Marktplätzen abgeworben werden können. Schließlich lassen sich in der Größe „Kos-
ten“ die Höhe der Aufwendungen für Vertrieb/Marketing und die Verwaltung der Anbie-
ter und Nachfrager ablesen.
Aus den Größen „Kosten“ und „Umsatz“ (Erlöse) kann die Wirtschaftlichkeit eines E-
Marketplace abgelesen bzw. der Gewinn des Marktplatzbetreibers errechnet werden. Da-
mit ist die Beschreibung des operativen Handels auf elektronischen Marktplätzen abge-
schlossen. Somit kann abschließend festgehalten werden: Der operative Handel stützt
sich auf einen zentralen Beziehungskreis („Matching/Transaktion“, Objektangebot, Ob-
jektnachfrage, Objektanbieter, Objektnachfrager, Anbieterzufriedenheit und Nachfrager-
zufriedenheit), der über die Größen „Content“ und „Vertrieb/Marketing“ positiv aber auch
negativ beeinflusst werden kann. Das Ergebnis dieser Beeinflussung kann über die Größen
„Umsatz“, „Kosten“ und „Wettbewerbsposition“ abgelesen werden. Die entsprechenden
Einzelgrößen müssen kontinuierlich erfasst werden.
Regel ist es die Marktseite, die Angebote einstellt – unabhängig davon, ob es sich dabei
um Angebote oder Nachfragen handelt. Im Vordergrund steht dabei der Aspekt der direk-
ten Sichtbarkeit, d. h. die Frage, ob ein Marktplatzbesucher, wenn er die Plattform be-
tritt, attraktive Angebote vorfindet, die ihn dazu veranlassen, den E-Marketplace nutzen
zu wollen. Ebenfalls eine Rolle spielt die Frage, wer von dem Plattformangebot mehr pro-
fitiert bzw. wer stärker darauf angewiesen ist. Während diese Marktseite in der Regel
leicht eingeworben kann, ist es auf der entgegengesetzten Seite ungleich schwieriger. Abb.
209 verdeutlicht die Identifikation des Dominokunden anhand des Beispiels eines E-Mar-
ketplace für Handwerks- und Dienstleistungsauktionen. Dort stellen Privatpersonen oder
Unternehmen Aufträge ein, im Anschluss daran bieten Handwerksunternehmen nach dem
Motto „Wer bietet weniger“ darum, den Auftrag ausführen zu dürfen.
Realer Leistungsempfänger
Gesamtprozess Realer Leistungserbringer
(Kunde des Auftragnehmers)
Unregelmäßiger und seltener Regelmäßiger und wiederkehrender
Frequenz
Bedarf für Marktplatz-Nutzung Bedarf für Marktplatz-Nutzung
Domino-
Ergebnis
kunde
Abb. 209: Beispiel einer Identifikation der Dominokunden bei einem E-Marketplace
In der Konsequenz der taktischen Handelsanalyse werden sämtliche Marketingaktivitä-
ten zuerst auf den Dominokunden „Auftraggeber“ ausgerichtet. Hintergrund ist die Tat-
sache, dass auf der Marktplatzplattform dessen eingestellte Aufträge sofort sichtbar sind
und damit für erste Attraktivitätseinschätzung herangezogen werden können. Die Gebote
der Handwerker sind dagegen nicht direkt sichtbar. Gleichzeitig verdient der Handwerker
an dem Auftrag (Einnahme), sodass er bei einem schwierigen polypolistischen Markt auf
Aufträge angewiesen ist und daher bei einem machbaren Auktionspreis der Chance auf ei-
nen Auftrag folgt. Zu den Marketingmaßnahmen auf der Auftraggeberseite zählen insbe-
sondere die Aktionsfelder (Marktplatz-) Produkt, Preis, Kommunikation, Distribution. Um
sich von anderen Marktplatzangeboten zu differenzieren und gleichzeitig einen attraktiven
Mehrwert zu bieten, kann ebenfalls der Faktor „Qualität“ gestärkt werden. Im Beispiels-
fall könnte z. B. ein Online-Bewertungssystem (s. Kapitel 4.4.2.3) für die Auftragnehmer
eingeführt werden, um Transparenz über die Auftragsausführung für alle Marktteilnehmer
568 Die Grundlagen des E-Marketplace
Business Model: Für den E-Marketplace müssen eine neuartige Organisation, dedi-
zierte Revenuemodelle, Service Levels, Billingsysteme, Contentservices etc. aufge-
baut und gemanaged werden.
Liquidität: Aufgrund des späten Return on Investment (ROI) (erst muss die kritische
Masse erreicht werden) ist die Finanzierungsplanung mit ausreichender Liquidität
von wesentlicher Bedeutung für elektronische Marktplätze.
Die Prozesse beim elektronischen Handel 569
In der Build-Phase erfolgt die Umsetzung der Planung. In dieser Phase werden die Ge-
schäftsprozesse, die Marke, die IT-Architektur sowie die Technologie-Infrastruktur aufge-
setzt bzw. aufgebaut und implementiert. Dabei sind folgende Aspekte zu beachten:
In der Run-Phase steht der Betrieb des Geschäftsmodells im Mittelpunkt der Betrachtung.
Die Akquirierung von Anbietern und Nachfragern und schließlich das Erreichen der kriti-
schen Masse sind die Ziele, die der Marktplatzbetreiber in diesem Stadium verfolgt. Neben
dem technologischen Betrieb der Plattform und des Handlings der angebotenen Services
rund um das Matching gehören auch Marketingmaßnahmen zu den Aufgaben in dieser
Phase:
Erzeugung kritische Masse: Für das Überleben und Wachsen eines E-Marketplace
ist eine ausreichende Teilnehmerzahl essenziell. Vielfach ist den Anbietern und Nach-
fragern jedoch das Leistungsvermögen des Marktplatzes nicht transparent. Es sind
hier große Anstrengungen notwendig, um die Akzeptanz und den Nutzen der Platt-
form zu verbreiten.
Full Service: Von einem E-Marketplace wird heute ein Vollsortiment (E-Fulfillment)
erwartet, das neben dem bloßen Matching den aktuellen Stand von E-Services anbietet.
Darüber hinaus muss die Darstellung und Handhabung aller Dienste so einfach wie
möglich gehalten werden.
Network & Alliances: Eng in Verbindung mit dem Thema Expansion und internati-
onaler Rollout steht das Thema Alliances und Partner Network. Es gilt, die richtigen
Enabler-Partner zu finden und das gesamte Netzwerk zu einem erfolgreich funktionie-
renden Organismus auszubauen. Klare Make-or-Buy-Strategien stellen eine erfolgrei-
che Grundlage dar.
E-Services: Die nächste Generation von E-Services wird neben der reinen Abwick-
lung der Bestellung daher vielfältige weitere Transaktionen und Services liefern müs-
sen, um sich im intensiver werdenden Wettbewerb durchsetzen zu können. Der für die
Teilnehmer deutliche Mehrwert und die Steigerung der Effektivität stehen dabei im
Vordergrund. Eine Möglichkeit von E-Services besteht in Anwendung von Chatbots,
welche definiert werden als Computerprogramme, die eine direkte Interaktion zwi-
schen Unternehmen und Kunden ermöglichen (Decker 2019, S. 448).
Enable
Marktstellung und
Industrie-Expertise
Business Modell
Net Improvement Build
Liquidität
Beschaffungs-
Internationalität
kompetenz
E-Services Technologie
Run
Erzeugung
kritische Masse
Trusted Party
Full Service
Wie kann der Marktplatzbetreiber die quantitative und qualitative Koordination von
Angebot und Nachfrage auf einem E-Marketplace gestalten?
selbst generieren, sie müssen ihm von den Marktplatzteilnehmern zur Verfügung gestellt
werden und stellen folglich Inputfaktoren für den Leistungserstellungsprozess dar, wäh-
rend die Koordination von Angebot und Nachfrage den Output bilden.
Virtueller Virtueller
Kontakt Kontakt
www.marktplatz- www.marktplatz-
name.de/com Informationen, Marktplatz- Informationen, name.de/com
Alternativen, betreiber Marktpreise,
Vorschläge Vorschläge
Wünsche, Produkte,
Gesuche, Marktdaten Leistungen,
Kriterien, Objekt-
Profile, Objektdaten beschreibungen,
Optionen Konditionen
Daten zu
Handelspartnern
Datenbank
Nachfrager Anbieter
Reale Transaktion
Realer
Kontakt
Demzufolge ist es erforderlich, dass auf der Inputseite zunächst ein Anbieter existiert, der
sein zum Verkauf stehendes Objekt über elektronische Eingabemodule mehr oder weniger
detailliert spezifiziert. Der Marktplatzbetreiber speichert diese Anbieterinformationen in
seiner Datenbank. Die Anfrage eines Nachfragers nach einem bestimmten Objekt ist
ebenfalls auf der Inputseite angesiedelt. Diese Anfrage beinhaltet Suchinformationen, die
nur auf den Preis oder aber auch auf bestimmte qualitative Merkmale des Objektes gerichtet
sein können. Anhand dieses Inputs von beiden Marktplatzparteien gleicht der Betreiber des
E-Marketplace nun in Form eines Produktionsprozesses ab, ob sich in seiner (oder mög-
licherweise auch in einer anderen) Datenbank zu der Nachfrage passende Angebote be-
finden. Der Output des Marktplatzbetreibers besteht nun in der Information, dass sich in
seiner Datenbank zu der Anfrage entweder kein passendes, ein mehr oder minder gut
passendes oder ein vollständig identisches Angebot befindet. Ganz entscheidend ist in die-
sem Zusammenhang, dass der virtuelle Marktplatzbetreiber keine Transformation an dem
Handelsobjekt selbst durchführt. Er erwirbt ferner auch keinen rechtlichen Besitz an den
Objekten in seiner Datenbank, sondern stellt „nur“ eine Informationsleistung zur Verfü-
gung, die aber für das Zustandekommen der Transaktion entscheidend ist. Dieser Prozess
wird in der Abb. 211 grafisch verdeutlicht, wobei sich die Inputseite in der oberen Hälfte
der Grafik befindet (Hinweise zu Produkten, Leistungen und Konditionen von Seiten der
Das Management beim elektronischen Handel 573
Anbieter, Wünsche, Gesuche, Kriterien und Profile von Seiten der Nachfrager). Der Out-
put des als Kreislauf angedeuteten Prozesses befindet sich hingegen in der unteren Hälfte
der Grafik (Weitergabe von Informationen zu Interessenten, Kaufabsichten, Bestellungen
und Aufträgen an die Anbieter, Weitergabe von Informationen zu Objektprofilen, Alter-
nativen, Vorschläge oder Verkaufsangebote an die Nachfrager).
Das Basisprodukt eines E-Marketplace basiert somit auf dem Input der Anbieter (Pro-
dukthinweise, Leistungen und Konditionen) und Nachfrager (Wünsche, Gesuche, Krite-
rien und Profile), die Informationen zu ihren Transaktionsabsichten in die Datenbank
einstellen (s. Abb. 211). Im Ergebnis steht der Output des Marktplatzbetreibers, der eine
effektive und effiziente Zuordnung der passenden Transaktionspartner ermöglichen soll
(Markttransparenz, Senkung der Transaktionskosten, Marktausdehnung). Im Hinblick auf
die zugehörige Produktanalyse sieht sich der Marktplatzbetreiber nun zwei spezifischen
Besonderheiten gegenüber (Kollmann 2001b, S. 95 f.):
Die tripolare Beteiligungsstruktur (s. Abb. 211) beschreibt die Situation, in der
ein Marktplatzbetreiber aktiv die konkrete Vermittlung von Angebot und Nachfrage
übernimmt. Bezüglich seiner Vermittlungsleistung ist der E-Marketplace somit von
zwei Kundengruppen mit entgegengesetzten Zielen abhängig: Anbieter- und Nachfra-
gerseite (bilateraler Akzeptanzaspekt). Daher müssen sich die Management-Maß-
nahmen immer auf zwei Seiten konzentrieren. Ferner müssen die Aktionen für beide
Marktseiten aufeinander abgestimmt werden.
Der derivative Leistungsaspekt beschreibt die Situation, in der ein Gut (hier die Ver-
mittlungsleistung des Marktplatzbetreibers) keinen direkten, sondern nur einen indi-
rekten Nutzen stiftet, der sich aus der Inanspruchnahme einer Interaktionsbeziehung
innerhalb eines Kommunikationssystems ergibt (Farrell/Saloner 1985; Katz/Shapiro
1985; Wiese 1990). Der Derivativnutzen aus der Inanspruchnahme eines derartigen
Gutes steigt dann mit der Anzahl und der Nutzungsintensität der anderen Teilnehmer
(Weiber 1992), sodass hier ein Netzeffekt wirksam wird. Der Nutzen eines Marktplat-
zes hängt folglich nicht nur von der Leistungsbereitschaft und der Leistungsfähigkeit
des Betreibers ab, sondern ebenfalls von der Leistungsbereitschaft und Leistungsfähig-
keit der Kunden, also von den Anbietern und Nachfragern. Nur wenn Transaktions-
anfragen gestellt werden, kann der Marktplatzbetreiber vermitteln und je mehr Anfra-
gen kommen, desto mehr Spielraum hat er für diese Vermittlung. Das Unternehmen
„E-Marketplace“ ist von der Teilnahmebereitschaft (Akzeptanz) anderer abhängig und
erbringt unabhängig hiervon keine originäre Eigenleistung (sklavischer Akzeptanz-
aspekt).
4.3.1.1 Online-Verbundeffekte
Die Koordinationsproblematik auf einem E-Marketplace liegt darin begründet, dass der
Marktplatz das gemeinsame Element aller Teilnehmer am System bildet (n-Anbieter, m-
Nachfrager komplementiert durch den Marktbetreiber ohne zeitliche und räumliche Rest-
riktion). Die Transaktionen finden hier nicht mehr zwischen zwei Teilnehmern statt, die
getrennt vom übrigen Handelsgeschehen Informationen austauschen. Vielmehr stellt ein
Marktplatzbetreiber die Informationen über Angebot und Nachfrage offen zugänglich und
zentralisiert zur Verfügung. Alle Teilnehmer sind über elektronische Datennetze mit dem
zentralen Informationssystem des Vermittlers verbunden. Dieser „Online-Verbundeffekt“
(Kollmann 2000a, S. 123 ff.) induziert eine neue Dimension der Koordinationsleistung für
die Betreiber eines E-Marketplace. Er versetzt den Vermittler in die Lage, die Koordination
zwischen Angebot und Nachfrage zielgerichtet zu kontrollieren und aufgrund der Kennt-
nis von allen Aktivitäten eine aktive Vermittlungsleistung anzubieten. Dieser Eingriff in
die Abstimmung von Angebot und Nachfrage resultiert in einer neuen Verantwortung
des Marktplatzbetreibers. Das von ihm zustande gebrachte Vermittlungsergebnis macht
sich über den Verbund der Teilnehmer übergreifend bemerkbar. So können sich für ein
bestimmtes Angebot mehrere Nachfrager gleichzeitig interessieren, wobei nur einer das
Objekt erhalten kann. Konstatierend wird somit unter dem Verbundeffekt die „qualitative
Auswirkung einzelner Transaktionsaktivitäten auf die Nutzenfunktionen anderer Markt-
teilnehmer verstanden“ (Kollmann 2001b, S. 72). Demgegenüber thematisieren die aus
dem Telekommunikationsbereich bekannten Netzeffekte die quantitativen Auswirkungen
der Anzahl der Marktteilnehmer auf die Gesamtattraktivität des Marktplatzsystems.
A B A B
F C F C
E D E D
Die Attraktivität traditioneller Marktplätze wird in erster Linie durch die Anzahl der Teil-
nehmer und somit durch ein quantitatives Maß für die Erreichbarkeit anderer Marktteil-
nehmer determiniert. Im Mittelpunkt der Systemarchitektur steht daher die Menge von
isolierten Verbindungen zwischen den einzelnen Teilnehmern innerhalb eines Marktraums
(z. B. Messe oder Wochenmarkt; s. Abb. 212). Dies bedeutet, dass eine Verbindung zwi-
schen A und B in der Regel keinerlei direkte qualitative Auswirkungen auf den Nutzen von
C beinhaltet, wenn man von sog. technologischen externen Effekten, wie z. B. den alle Teil-
nehmer begünstigenden Netzeffekt beim Ausbau eines Telefonnetzes oder von pekuniären
externen Effekten absieht, die dadurch entstehen, dass z. B. eine stärkere Nachfrage bei A
zu einer Preissenkung bei B führt, von der anschließend auch C profitiert. Diese Interpreta-
tion eines quantitativen Betrachtungsfokus greift jedoch für die Attraktivitätsproblematik
im Falle des E-Marketplace zu kurz.
Die Verbundstruktur bei einem E-Marketplace besteht nicht aus einzelnen isolierten Da-
tenleitungen. Vielmehr steht der elektronische Marktplatz als gemeinsame Plattform im
Mittelpunkt der Systemarchitektur. Transaktionen finden demnach immer über die ge-
meinsame Marktplattform und nicht isoliert zwischen zwei Teilnehmern in Teilbereichen
eines Marktraumes statt (s. Abb. 212). Dies impliziert, dass diese Plattform als gemeinsa-
mes Element aller Teilnehmer am System interpretiert werden muss, sodass Markt-
transaktionen zwischen A und B sehr wohl Auswirkungen auf die qualitative Nutzenfunk-
tion von C beinhalten (Verbundeffekt). Bei einer Objekt-Auktion könnte eine Beeinträchti-
gung bspw. in einem höheren Gebot von B liegen oder bei einem Objekt-Katalog könnte C
die gleichen Informationen wie B aus der Datenbank abrufen und vom Handelsvermittler
das gleiche Handelsobjekt als Angebot verlangen. Somit wird die quantitative Ausrichtung
des Netzeffektes (höhere Teilnehmerzahl = höhere Wahrscheinlichkeit des Auffindens
geeigneter Transaktionspartner) komplementiert durch eine qualitative Ausrichtung des
Verbundeffektes (Art, Ausmaß und Richtung der getätigten Transaktionen und deren Aus-
wirkung auf das gesamte Marktsystem). Im Extremfall besteht der E-Marketplace nur aus
sehr wenigen Teilnehmern, welche jedoch qualitativ hochwertige Transaktionen vollzie-
hen, sodass die Gesamtattraktivität des Marktes von den Teilnehmern als sehr hoch einge-
stuft wird.
4.3.1.2 Online-Quantitätseffekte
Liegt ein Koordinationsbedarf von Angebot und Nachfrage vor, so bedeutet dies nicht
zwangsläufig, dass das vorliegende Koordinationsproblem (Abstimmung von Angebot und
Gesuch) auch tatsächlich durch den Marktplatzbetreiber gelöst wird, zumal zusätzlich zu
den Besonderheiten eines E-Marketplace in jedem Entwicklungsstadium der Plattform
weitere spezifische Charakteristika zum Tragen kommen. Dabei entstehen im Kern zu-
nächst folgende quantitative Problemaspekte (Kollmann 2001b, S. 97 ff.):
220 ff.), das auch als ein „Circulus Vitiosus“ bezeichnet werden kann. Das Chicken-
and-Egg-Problem lässt sich anhand von zwei Aussagen verdeutlichen: Ist die Anzahl
der Anbieter zu gering bzw. ist die Menge der angebotenen Objekte nicht groß genug,
so kommen keine Nachfrager auf den Marktplatz. Ist die Anzahl der Nachfrager bzw.
die der abgegebenen Gesuche zu gering, so kommen keine Anbieter auf den Markt-
platz. Die sich daraus ergebende Dilemmasituation, welche Kundenseite zuerst auf
dem Marktplatz vertreten sein muss, stellt ein Hemmnis für die Entwicklung der Insti-
tution „E-Marketplace“ dar.
Als Beispiel können folgende Probleme bei einem E-Marketplace für Immobilien ange-
führt werden: Erstens, es gibt 250 Wohnungsangebote im Stadtteil X, aber keine 250 Nach-
fragen nach Wohnungen im Stadtteil X, denn die Wohnungssuchenden mieten lieber eine
Wohnung im Stadtteil A. Folge: Es kommt keine quantitative Vermittlungsleistung zu-
stande und die Anbieter sind vom Marktplatz enttäuscht (Anbieterfokus). Zweitens, es gibt
250 Wohnungssuchende im Stadtteil Y, aber keine 250 Wohnungsangebote im Stadtteil Y,
sondern nur welche im Stadtteil C. Folge: Es kommt keine quantitative Vermittlungsleis-
tung zustande und die Nachfrager sind vom Marktplatz enttäuscht (Nachfragerfokus).
Auf einem E-Marketplace entsteht somit aus Sicht des Marktplatzbetreibers aufgrund
des bilateralen Koordinationsansatzes eine doppelte kritische Masse (Kollmann 1998d,
S. 36 ff.), die sich zusätzlich in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis befindet: Für
die Anbieterseite muss eine bestimmte Menge an Nachfragern/Gesuchen vorhanden sein,
Das Management beim elektronischen Handel 577
damit sie den Marktplatz nutzen. Gleichzeitig muss eine bestimmte Menge an Anbie-
tern/Angeboten gegeben sein, damit Nachfrager den Marktplatz nutzen. Dieses Problem
wird dann gelöst, wenn auf beiden Kundenseiten die installierte Basis groß genug ist, da-
mit der Derivativnutzen eine gewisse Schwelle überschritten hat. Ein Generalwert für diese
Schwelle kann nicht angegeben werden, da dieser für jede Branche bzw. jedes Geschäfts-
modell des Marktplatzes anders ausfallen dürfte. Der Marktplatzbetreiber muss bei seinen
bilateralen Marketingmaßnahmen (s. Kapitel 4.4.1.3; Kollmann 2000a) ständig darauf ach-
ten, dass sich die quantitative Anzahl der auf dem Marktplatz vorhandenen Besucher von
Angebots- und Nachfragerseite in etwa ausgleichen. Nur hierdurch antizipiert er an der
grundsätzlichen Chance, möglichst alle Koordinationsanfragen zu befriedigen (eine An-
frage für ein Gesuch). Abb. 213 stellt schematisch die Bedingungen der Schaffung von
quantitativen Gleichgewichten innerhalb eines zeitbeschreibenden Korridors dar. Während
hier zum Zeitpunkt t1 ein Gleichgewicht erreicht wird, erfordert t2 den aktiven Eingriff des
Marktplatzbetreibers. Hierbei könnte durch Werbung und Kommunikation auf der Nach-
fragerseite in t3 wieder ein Gleichgewicht erreicht werden.
Vor dem Hintergrund der Bedeutung des Online-Quantitätseffektes versuchen die Be-
treiber eines E-Marketplace die skizzierte doppelte kritische Masse möglichst schnell zu
erreichen (Kollmann 2019). Wer diese schnell erreicht, kann darauf hoffen, kleinere An-
bieter mit alternativen Marktplätzen oder Nachahmer aus dem Markt zu drängen. Das
schnelle Wachstum der Teilnehmergröße avanciert somit zum kritischen Erfolgsfaktor, um
die Konkurrenzzone als Gewinner zu verlassen. Gewinner können, basierend auf den Grö-
ßenvorteilen der Netzwerke, sogar monopolartige Marktpositionen erreichen (Zerdick et
al. 2001, S. 161). Denn wenn jeder andere an dem Netzwerk teilnimmt, ist dies aus Kun-
densicht umso mehr ein Grund, sich auch anzuschließen.
Menge
Anbieter
Gleichgewichtskorridor
Nachfrager
Zeit
t1 t2 t3
Der elektronische Marktplatz ebay.de ist einer dieser Kritische-Masse-Gewinner, der sich
im Wettbewerb um Auktionsmarktplätze im Internet durchgesetzt hat. Den vorangestell-
ten Annahmen folgend sind ein stetiges Wachstum und dauerhafter Unternehmenserfolg
determiniert. In Übereinstimmung mit dieser Vermutung vermeldet der Quasi-Monopolist
in jedem Geschäftsjahr wachsende Nutzerzahlen sowie Umsatz- und Gewinnsteigerungen
mit Wachstumsraten im zweistelligen Bereich.
Diesem Wachstum zum Trotz ist im Jahr 2006 bei ebay.de eine Welle von Insolvenzen bei
professionellen Händlern zu beobachten. Diese Welle erfasst dabei nicht nur sog. Neces-
sity Founders, also Existenzgründer, die zuvor arbeitslos waren und versuchen – oft mit der
Unterstützung der Bundesagentur für Arbeit – sich eine neue Existenz aufzubauen, und bei
denen das Scheitern auf fehlende betriebswirtschaftliche oder gründungsspezifische Kom-
petenzen zurückgeführt werden kann. Gleichfalls havarieren auch etablierte Unternehmer,
die über mehrere Jahre hinweg erfolgreich auf dem elektronischen Marktplatz Handel be-
trieben. Die International E-Business Association (IEBA), eine Vereinigung von Powersel-
lern, führt viele Geschäftsaufgaben auf steigende Teilnehmerzahlen auf der Anbieterseite
und den resultierenden erhöhten Konkurrenzdruck, der im Ergebnis sinkende Händler-
margen und ruinöse Preiskämpfe verursacht, zurück. Die Ursache für die Konkurswelle der
Händler ist folglich nicht auf individuelles unternehmerisches Versagen, sondern vielmehr
auf die Charakteristika des Handels auf elektronischen Marktplätzen zurückzuführen und
es ist davon auszugehen, dass die zahlreichen Insolvenzen von professionellen Teilneh-
mern auch an dem Marktplatzbetreiber nicht schadlos vorbeigehen werden. Die Koordi-
nationsleistung des Marktplatzbetreibers lässt sich daher nicht vollständig über rein quan-
titative Determinanten erklären.
4.3.1.3 Online-Qualitätseffekte
Damit die Anbieter und Nachfrager einen E-Marketplace überhaupt zu nutzen beginnen,
müssen also zunächst einmal die quantitativen Voraussetzungen (s. Kapitel 4.3.1.2) erfüllt
sein. Im weiteren Verlauf erweist es sich allerdings als genauso wichtig, die qualitativen
Anforderungen der Anbieter und Nachfrager zu erfüllen (Kollmann 2001b). Nur wenn die
Anbieter und Nachfrager erkennen, dass ihnen der E-Marketplace gute Aussichten auf
die tatsächliche Erfüllung ihrer Transaktionswünsche bietet, werden sie die angebotenen
Leistungen auch in Anspruch nehmen. Im Kern geht es deshalb auch um die Lösung der
folgenden qualitativen Probleme (Kollmann 2001b, S. 98 ff.):
Als Beispiel kann wiederum ein Problem bei einem E-Marketplace für Immobilien ange-
führt werden: Es existieren 250 Wohnungsangebote im Stadtteil X und auch 250 Woh-
nungsnachfragen nach Wohnungen im Stadtteil X, aber diese passen nicht zusammen, da
alle Nachfrager einen Balkon wünschen, keines der Objekte aber einen aufweist. Folge: Es
kommt keine qualitative Vermittlungsleistung zustande und Anbieter und Nachfrager sind
gleichermaßen vom Marktplatz enttäuscht (Vermittlungsfokus). Neben der quantitativen
Ausgeglichenheit spielt somit ferner auch ein Gleichgewicht hinsichtlich der qualitativen
Bedürfnisse auf beiden Marktseiten eine Rolle. Zum einen können die Transaktionsvor-
stellungen bspw. bei dem Kauf/Verkauf einer Immobilie auf Anbieter und Nachfragerseite
höchst unterschiedlich sein (Verfügbarkeitszeitpunkt oder die Art der Kautionsstellung),
zum anderen wird auch die generelle Attraktivität der gehandelten Objekte auf beiden
Marktseiten unterschiedlich bewertet (Online-Qualitätseffekt). Dies bedeutet, dass es der
Marktplatzbetreiber ebenso schaffen muss, die Anspruchniveaus der Teilnehmer auf bei-
den Marktseiten in etwa gleich zu halten (qualitative Ausgeglichenheit). Schafft er dies
nicht, so könnte er zwar mengenmäßig eine Anfrage und ein Gesuch zuordnen, aber die feh-
lende Übereinstimmung des Inhalts der Anfrage verhindert ein tatsächlich erfolgreiches
Matching. Konsequenz ist, dass die Besucher eines E-Marketplace diesen dann wieder
verlassen, wenn nicht ausreichend Gegenspieler vorhanden sind, die zu dem eigenen Ge-
such passen (Kollmann 1999b, S. 27 ff.).
Die Koordinationsleistung wird zusammenfassend durch die Übereinstimmung von
Quantität und Qualität der einzelnen Koordinationsziele auf der Angebots- und Nach-
frageseite bestimmt. Bei einer optimalen Ausgestaltung des Koordinationsmechanismus
(Zelewski 1997, S. 231 ff.) werden alle Marktteilnehmer hinsichtlich ihrer Transaktionsvor-
stellungen vollkommen befriedigt. In diesem Fall würden alle Koordinationsanfragen mit
der Zuordnung eines passenden Transaktionspartners beantwortet. Deshalb ist die Wahr-
scheinlichkeit, dass die entsprechenden realen Geschäftstransaktionen auch zustande kom-
men, relativ hoch. Im Falle einer suboptimalen Ausgestaltung des Koordinationsmechanis-
mus bleiben hingegen zumindest einige Koordinationsanfragen unbeantwortet, d. h. weder
die Zuordnung eines Transaktionspartners durch den Vermittler noch der nachfolgende
reale Güteraustausch finden statt.
Um den Marktplatzerfolg zu maximieren, geht es aus Sicht des Marktplatzbetreibers um
die sichere Vermittlung möglichst vieler passender Transaktionspartner. Seine Ausgangs-
580 Die Grundlagen des E-Marketplace
basis ist eine bestimmte Menge an Transaktionsanfragen von Anbietern und Nachfragern,
die es zuzuordnen gilt, d. h. im Mittelpunkt der Koordination steht die explizite Formulie-
rung und Lösung eines Planungsproblems. Der Marktplatzbetreiber wird bei den nachfol-
genden Überlegungen als Koordinator angesehen, der zwischen Angeboten und Nachfra-
gen hinsichtlich eines heterogenen physischen Guts vermittelt. Als Beispiel für die nach-
folgenden Ausführungen wurde der virtuelle Marktplatz autoscout24.de gewählt, bei dem
es sich um einen Marktplatz für gebrauchte Personenkraftwagen (PKWs) handelt (Koll-
mann 2005d, S. 461 ff.).
Auf der qualitativen Seite werden die Merkmale des Gutes durch einen Vektor der Di-
mension n bestimmt, wobei n eine positive natürliche Zahl ist. Somit ergibt sich das Qua-
litätsmaß des Gutes aus n verschiedenen Komponenten. Für das Beispiel des PKWs wären
folgende Komponenten denkbar: Wagenklasse, Aufbau, Leistung des Motors, Baujahr,
Preis, Standort, Kilometerstand, Zustand, Ausstattung, Farbe. Aus Vereinfachungsgrün-
den wird davon ausgegangen, dass die Qualitätsangaben vom Verkäufer bzw. Anbieter des
Gutes korrekt angegeben werden, sodass der Marktplatzbetreiber bei seiner Planung kei-
nen Grund hat, die Angaben anzuzweifeln. Der Qualitätsvektor hat für diese Komponenten
mithin eine Dimension von 10. Es ist anzumerken, dass natürlich nicht jede Komponente
des Qualitätsvektors unmittelbar numerisch messbar ist, z. B. Wagenklasse, Aufbau, Farbe
etc. Solche qualitativen Merkmale müssen also aus Gründen, die später leicht ersichtlich
sind, erst quantifiziert werden. Diese Quantifizierung erfolgt durch Zuordnung einzelner
Zahlen zu bestimmten Ausprägungen einer Komponente des Qualitätsvektors. Für die
Komponente „Wagenklasse“ könnte man bspw. die unterschiedlichen Ausprägungen wie
folgt belegen: Kleinwagen # 0, untere Mittelklasse # 1, obere Mittelklasse # 2, Oberklasse
# 3; bei der Komponente „Farbe“ könnte man die Farben nach zunehmender Dunkelheit
sortieren und nummerieren (Weiß # 0, Schwarz # 10, die anderen Farben abgestuft dazwi-
schen) usw. Durch diese Vorgehensweise erhält man einen n-dimensionalen Vektor mit
einer Reihe von Zahleneinträgen, welcher die Qualität des Gutes eindeutig beschreibt.
Auf der quantitativen Seite sammelt der Marktplatzbetreiber alle l Angebote und alle m
Nachfragen nach den entsprechenden Gütern, wobei l und m positive natürliche Zahlen
sind, die nicht notwendigerweise gleich sein müssen. Somit verfügt der Marktplatzbetrei-
ber über l verschiedene Qualitätsvektoren von Seiten der Anbieter und m solcher Vektoren
von Seiten der Nachfrager. Die zentrale Frage lautet nun: Welcher Qualitätsvektor, der zu
einem Angebot gehört, soll welchem Qualitätsvektor, der mit einer Nachfrage assoziiert
ist, zugeordnet werden? Als Unternehmer verfolgt der Marktplatzbetreiber im Rahmen der
tripolaren Marktstruktur das eigennützige Ziel der Generierung maximaler Einnahmen
(Ziel der Gewinnmaximierung). Dieses Ziel erreicht er nur, wenn ihm Zuordnungen zwi-
schen Angeboten und Nachfragen der Art gelingen, dass die Vermittlung schließlich auch
zum realen Güteraustausch führt. Erst dann erhält der Betreiber des E-Marketplace eine
Vermittlungsgebühr G, die der Einfachheit halber hier als konstant angenommen wird. Vor
diesem Hintergrund kann für den Marktplatzbetreiber die nachfolgende Zielfunktion pos-
tuliert werden:
Das Management beim elektronischen Handel 581
In dieser Zielfunktion bezeichnet pi j die Wahrscheinlichkeit, dass die Zuordnung von An-
gebot i und Nachfrage j schließlich zum Tausch, d. h. zur Übergabe des Gutes, führt.
G כpi j ist somit die erwartete Vermittlungsgebühr, welche dem Marktplatzbetreiber durch
Zuordnung von Angebot i und Nachfrage j zusteht. xi j ist eine binäre Variable, die nur
die Werte 0 und 1 annehmen kann, wobei 0 „keine Zuordnung“ und 1 „Zuordnung“
bedeuten soll. Um die Zielfunktion lösen zu können, stellen sich zwei Fragen: Wie ist die
Wahrscheinlichkeit pi j zu modellieren? Welchen Beschränkungen unterliegen die binären
Zuordnungsvariablen xi j? Diese Fragen werden in einem Modell von Kollmann/Demmel
(Kollmann 2001b, S. 74 ff.) dahingehend mathematisch beantwortet, als dass am Ende eine
konkrete Wahrscheinlichkeitsfunktion für die quantitative und qualitative Zuordnung von
Angeboten und Nachfragen auf einem elektronischen Marktplatz steht. Die zugehörige
Formel ist nachfolgend dargestellt:
ͳ
ൌ బ ାσ మ
ͳ݁ ೖసభ ೖ כሺೖ ିೕೖ ሻ
Diese wird sodann auf das Beispiel von autoscout24.de angewendet, wobei der Quali-
tätsvektor des Gutes „gebrauchter PKW“ auf 5 Komponenten beschränkt wird (Koll-
mann 2005d, S. 461 ff.): Leistung des Motors, Baujahr, Preis, Kilometerstand und Zustand
(s. Abb. 214).
Im Rahmen einer diesbezüglich stichprobenartigen Untersuchung der Zuordnungen auf
dem virtuellen Marktplatz autoscout24.de konnten die in Abb. 214 angegebenen Informa-
tionen über 10 historische Zuordnungen ermittelt werden (Kollmann 2001b, S. 79 ff.).
Die Angebote werden durch die Daten vor den Klammern und die Nachfrage von den
Daten in Klammern repräsentiert. Die Zahlenwerte bei „Zustand“ reichen dabei von „1:
sehr gut“ über „2: gut“ bis zu „3: kleine Mängel“ und „4: Unfallwagen“. Die Variable
„Tausch“ gibt an, ob die Vermittlung zu einer Transaktion führte (Wert: 1) oder nicht (Wert:
0). Wenn den 5 Kriterien „Leistung“ bis „Zustand“ in Abb. 214 von links nach rechts die
Koeffizienten a1 bis a5 zugeordnet werden, ein konstantes Glied a0 zusätzlich berücksich-
tigt wird, mit den vorhandenen Zahlenwerten die quadratischen Abstände berechnet und
anschließend numerisch maximiert werden, so erhält man die Wahrscheinlichkeitsfunk-
tion (Kollmann 2001b, S. 79):
ͳ
ൌ మ మ మ మ మ
ͳ ݁ ିǡସכ൫భ ିೕభ൯ ାଵǡଽ଼כ൫మ ିೕమ ൯ ାǡସଽכ൫య ିೕయ ൯ ାǡସכ൫ర ିೕర ൯ ାଵଶǡଶସכ൫ఱ ିೕఱ ൯ ିǡଵ
Nummer i 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Wahrschein-
99,99 99,48 100 0,04 100 99,46 0,00 0,24 99,98 0,00
lichkeit pi (in %)
Wie Abb. 215 zu entnehmen ist, führt die Schätzung mittels der hier gewählten Wahr-
scheinlichkeitsfunktion dazu, dass in jenen Fällen, in denen es zum Tausch kam, auch die
Wahrscheinlichkeit dafür praktisch gleich Eins war. Umgekehrt kam in den Fällen mit einer
Wahrscheinlichkeit nahe Null auch tatsächlich kein Tausch zustande. Insofern scheint der
gewählte Ansatz akzeptabel zu sein, da er insbesondere sehr scharf zwischen „Tausch“
und „nicht Tausch“ trennt. Mit der geschätzten Wahrscheinlichkeitsfunktion ausgestattet,
Das Management beim elektronischen Handel 583
soll nun an dieser Stelle das Zuordnungsproblem des Marktplatzbetreibers bei fol-
gender fiktiver Marktsituation veranschaulicht werden: Anhand dieser Strukturdaten fik-
tiver Angebote und Nachfragen kann man die Abb. 216 mit den zugehörigen Tauschwahr-
scheinlichkeiten errechnen, wobei „A 1“ Angebot 1, „N 1“ Nachfrage 1 usw. bezeichnet.
Eine optimale Lösung ist jeweils hellgrau unterlegt. Sie ist allerdings nicht notwendiger-
weise die einzige Lösung. Beispielsweise könnte, ausgehend von der in Abb. 217 hellgrau
unterlegten Lösung, Nachfrage 8 auch Angebot 9 und das dann frei werdende Angebot 5
Nachfrage 4 zugeordnet werden (schwarz markiert). Die restliche Zuordnung bleibt be-
stehen. Die erwartete Auszahlung, d. h. die Provisionseinnahmen des Marktplatzbetrei-
bers, würde in beiden Fällen 9 כG betragen.
Dass die gefundenen Lösungen optimal sind, wird in Abb. 217 daran deutlich, dass An-
gebot 4 bei allen gegebenen Nachfragen immer eine Wahrscheinlichkeit des Tausches von
0 ergibt. Dies lässt für den bestmöglichen Fall eine optimale Einnahme für den Markt-
platzbetreiber in Höhe von 9 כG zu, wenn nämlich jede der übrigen 9 Zuordnungen zu
einem Tausch führt. Die hellgrau bzw. schwarz hinterlegten Zuordnungen liefern aber ge-
nau 9 כG und sind somit optimal.
Abb. 216: Strukturdaten fiktiver Angebote und fiktiver Nachfragen (in Klammern)
Quelle: Kollmann 2001b, S. 80.
Darüber hinaus sollte man bei der Verwendung des Excel-Solvers vorsichtig sein, denn je
nach Anfangskonfiguration der Zuordnungsmatrix können unterschiedliche Lösungen re-
sultieren, was daran liegt, dass der Lösungsalgorithmus (Newton-Algorithmus bzw. Kon-
584 Die Grundlagen des E-Marketplace
jugierte Gradientenmethode) nur lokale Informationen benutzt und somit globale Minima
bzw. Maxima nicht von jeder Ausgangsposition aus findet. Moderne globale Optimie-
rungsverfahren wie z. B. genetische Algorithmen, Simulated Annealing oder ADS-Me-
thoden (Adapted Grid Search) können diesbezüglich Abhilfe schaffen, müssen aber meist
extra programmiert werden und sind somit mit zusätzlichem Aufwand verbunden. Die so-
mit zum Abschluss gebrachten Überlegungen von Kollmann/Demmel zeigen, dass der
Marktplatzbetreiber das Koordinationsverfahren intelligent ausgestalten muss, da es si-
cherlich das zentrale Steuerungsinstrument darstellt und die Abstimmung der quantita-
tiven und qualitativen Gütermerkmale zwischen Angebot und Nachfrage herbeiführt.
Diesbezügliche mathematische Überlegungen zeigen auf, dass der Marktplatzbetreiber
auf seiner Inputseite (s. Kapitel 4.2.3.1) insbesondere auf folgende Punkte achten sollte:
Tausch-
N1 N2 N3 N4 N5 N6 N7 N8 N9 N 10
w‘keit
A1 0,0 100,0 0,0 0,0 0,0 100,0 0,0 0,0 100,0 0,0
A2 0,0 100,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0
A3 100,0 100,0 0,0 0,0 94,3 0,0 100,0 0,0 100,0 0,0
A4 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0
A5 0,0 0,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 0,0 100,0
A6 0,0 0,0 100,0 0,0 100,0 100,0 0,0 0,0 0,0 86,9
A7 0,0 0,0 100,0 0,0 0,0 100,0 100,0 0,0 100,0 0,0
A8 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 100,0 0,0 0,0 0,0
A9 0,0 0,0 0,0 100,0 0,0 0,0 100,0 100,0 100,0 100,0
A 10 0,0 0,0 100,0 100,0 100,0 0,0 0,0 100,0 0,0 100,0
Auf der Grundlage der vorausgegangenen Ausführungen sind für den Marktplatzbetreiber
auf der Outputseite (s. Kapitel 4.2.3.1) die folgenden Punkte hilfreich:
Doch auch wenn der Marktplatzbetreiber sein Koordinationsverfahren basierend auf den
diesbezüglichen mathematischen Überlegungen aufbaut, bleibt er abhängig von den Ein-
gaben der Marktplatzteilnehmer (Anbieter stellen Angebote ein, Nachfrager geben Bewer-
tungen und Kommentare ab etc.) und damit von unbekannten und a priori nur eingeschränkt
steuerbaren Akteuren. Die Qualität seiner Marktplatzpartizipation ist daher nur bedingt vor-
herzusagen. Diese Problematik wird mit dem weiteren Anstieg des User-generated Con-
tent im Zuge der Web 2.0-Diskussion (s. Kapitel 1.6) noch zunehmen, da immer mehr Funk-
tionalitäten auch auf elektronischen Marktplätzen maßgeblich von den Eingaben der
Marktplatzbesucher mitbeeinflusst werden wird. Über die bisher dargestellten quantitati-
ven und qualitativen Online-Effekte hinaus, die einen direkten Einfluss auf die Vermitt-
lungsleistung des Marktplatzbetreibers ausüben, können durch die von Anbietern und
Nachfragern generierten digitalen Informationen also Probleme entstehen, die neben dem
Einfluss auf die Transaktionswahrscheinlichkeit auch den Marktplatz und dessen Ak-
zeptanz insgesamt beeinflussen. So sind z. B. bei der Betrachtung von Bewertungsprofi-
len bei ebay.de nicht nur Informationen zu finden, die eine sachliche Beurteilung der
Transaktion enthalten, sondern vermehrt auch obszöne, beleidigende und diffamierende
Äußerungen, die zumindest ethisch, wenn nicht auch rechtlich problematisch sind.
Ebenfalls werden auf elektronischen Marktplätzen immer wieder Produkte gehandelt, die
Markenrechten unterliegen. Inwieweit die von Anbietern eingestellten Produktbeschrei-
bungen Originaltexte und Abbildungen der Markenrechteinhaber enthalten dürfen, ist
ebenfalls immer häufiger Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Trotz Novel-
lierungen der relevanten Gesetze (z. B. Telemediengesetz) scheinen Fragen, inwieweit der
Marktplatzbetreiber für den auf seiner Plattform hinterlegten und verlinkten Content ver-
antwortlich ist, wie er mit Rechtsverletzungen seitens der Teilnehmer umzugehen hat
und welche weiteren Sorgfaltspflichten ihm obliegen, nicht endgültig geklärt. Fest steht
586 Die Grundlagen des E-Marketplace
jedoch, dass diese Fragestellungen die Ausbreitung von elektronischen Marktplätzen und
deren zukünftige Entwicklung maßgeblich beeinflussen werden. Somit ist es als sinnvoll
zu erachten, das Betrachtungsspektrum möglicher Problemaspekte über die quantitativen
und qualitativen um die soeben vorgestellten ethisch-rechtliche Probleme zu erweitern.
Ausführlich wird der letztgenannte Problemaspekt in Kapitel 5.3.1.2 diskutiert, da dieses
Problem bei E-Communities noch in einem stärkeren Ausmaß zu beobachten ist. Gerade
die Diskussion um die ethische Dimension im E-Business wird gerade erst angeschoben
und muss bei der weiteren Betrachtung z. B. rund um KI-Systeme eine Berücksichtigung
finden (Kollmann, 2018b, S. 179 ff.).
4.3.1.4 Online-Oszillationseffekte
Basierend auf den in Kapitel 4.3.1.2 geschilderten Entwicklungen bei ebay.de, sind im
Web 2.0-Zeitalter auch für Kritische-Masse-Gewinner ein stetiges Wachstum und dauer-
hafter Unternehmenserfolg nicht automatisch determiniert. In der Praxis zeigt sich, dass
auch die scheinbaren Gewinner noch mit Problemen konfrontiert werden können, die ihre
dominierende Marktstellung gefährden. Offensichtlich kann es zunächst einmal zu einem
masse-bezogenen oszillierenden Diffusionsverlauf auf elektronischen Marktplätze kom-
men (Kollmann/Stöckmann 2007a; s. Abb. 218). Während in der klassischen Diffusions-
theorie, die für sog. Singulärgüter entwickelt wurde, für die Diffusion der Kauf entschei-
dend ist, muss das Betrachtungsspektrum bei Kritische-Masse-Systemen zwingend um
Anschluss- und Nutzungsakt als konstituierende Diffusionsdeterminanten erweitert wer-
den (Kollmann 1998a; s. Kapitel 1.5.3). Während der Kauf eines klassischen Konsum- oder
Investitionsguts den Diffusionsverlauf in positiver Richtung beeinflusst und auch nicht
mehr rückgängig gemacht werden kann, können Teilnehmeranschlüsse wieder abgemeldet
werden (z. B. Telefonnetz), wodurch die Möglichkeiten zur Realisierung von Nachfragesy-
nergien sinken. Durch den reversiblen Nutzungsakt kann es im Extremfall auch zu einem
Rückgang der Diffusion kommen (Weiber 1992, S. 137). Der Diffusionsverlauf bei Kri-
tische-Masse-Systemen muss sich im Gegensatz zur klassischen Diffusionstheorie folglich
nicht in einer monoton steigenden Kurve widerspiegeln; vielmehr ist ebenfalls eine fal-
lende Diffusionskurve möglich (s. Abb. 218).
Für elektronische Marktplätze ist eine zusätzliche Erweiterung vorzunehmen, da hier nicht
der Anschluss für die Diffusion entscheidend ist, sondern lediglich eine notwendige Bedin-
gung für die Adoption darstellt. Vielmehr wird der Markterfolg eines E-Marketplace direkt
durch die kontinuierliche Nutzung und Interaktion auf der Plattform als hinreichende Be-
dingung für die Adoption bzw. dadurch erweitert für die Akzeptanz bestimmt (Kollmann
1998a). Nur bei einer entsprechenden Nutzungs- und Interaktionsdisziplin werden quali-
tative Geschäftstransaktionen stattfinden, die sich positiv auf das gesamte Marktsystem
und damit alle Teilnehmer auswirken. Ebenfalls führt erst die immer wiederkehrende Nut-
zung und Interaktion zu einer Realisierung eines kontinuierlichen Einnahmenflusses auf
der Betreiberseite.
Das Management beim elektronischen Handel 587
Marktsättigungsniveau
100 %
Idealisierte, erfolgreiche
Erfolg durch
Diffusionskurve für einen
permanentes
E-Marketplace
Management
(Anbieter / Nachfrager)
Anteil der Adopter
Einfluss von
Netz- und Verbundeffekt Crash durch
mangelhaftes
Management
„Kritische-Masse-Punkt“
Flopartiger Verlauf der
Diffusionskurve für einen
E-Marketplace
0%
Zeit
Preis
Angebot
kritischer
Angebotsüberhang
Dynamisches
Gleichgewicht
unkritischer
Angebotsüberhang
unkritischer
Nachfrageüberhang
Teufelskreis
kritischer
Nachfrageüberhang
Nachfrage
Menge
Erfolglose Angebote und niedrige Verkaufspreise resultieren indes in einer Reduktion des
Angebots – sei es durch Abwanderung oder eben Pleiten der Anbieter. Das Verhalten der
Anbieter ist nicht eben „bauernschlau“, denn entweder überschätzen sie den Preis und es
ist ein Überangebot zu beobachten oder umgekehrt. Deshalb konvergiert der Regelmecha-
nismus zwischen Angebot, Nachfrage und Preis nicht, sondern mündet in ein indifferentes
dynamisches Gleichgewicht. Somit entsteht eine instabile Marktsituation, die Angebot,
Nachfrage und Preis kontinuierlich schwanken lässt (s. Abb. 219).
Das Management beim elektronischen Handel 589
Aus Betreibersicht stellt diese Dynamik bezüglich der Partizipation von Anbieter- und
Nachfragerseite nicht zwangsläufig ein Problem dar. Sinkt der Preis aufgrund eines Ange-
botsüberhangs und der resultierenden Preiskämpfe, ist von einer erhöhten Teilnehmerzahl
auf der Nachfragerseite auszugehen. Diese wiederum führt zu konkurrierenden Nachfra-
gern um das relativ knappe Angebot und somit wiederum zu einem steigenden Preis, der
die ursprüngliche Attraktivität für Anbieter wieder herstellt und diese auf den E-Market-
place zurückkehren lässt (s. Abb. 219). Die Dynamik wird für den E-Marketplace erst dann
bedrohlich, wenn ein „kritisches Niveau“ bezüglich des Überhangs überschritten wird. Es
ist dabei unerheblich, ob es sich um einen kritischen Überhang auf der Angebots- oder auf
der Nachfragerseite handelt. Eine deutliche Reduktion der Anbieter- bzw. Angebotszahl
bspw. kann die Attraktivität des Marktplatzes so sehr senken, dass der niedrigen Preise zum
Trotz keine Nachfrager auf die Plattform kommen, da das dort vorzufindende Angebot
nicht ihrem Anspruchsniveau bezüglich Auswahlmenge oder Qualität entspricht. Da sich
die Nachfragerzahl nicht erhöht, resultiert ebenfalls kein Preisanstieg, der Anbieter ver-
anlassen könnte, wieder auf die Plattform zurückzukehren. Infolgedessen mündet der An-
passungsprozess zwischen Angebot, Nachfrage und Preis nicht in einer weiteren Oszilla-
tion, sondern setzt ein stetiges „Negativ-Wachstum“ in Gang, in dem sich weder für An-
bieter noch für Nachfrager Anreize ergeben, wieder vermehrt auf die Plattform zurückzu-
kehren (s. Abb. 220). In der Folge entsteht der in Abb. 219 dargestellte divergierende
Verlauf des Preisanpassungsprozesses.
In conclusio ist zu konstatieren, dass sich der Regelmechanismus zwischen Angebot,
Nachfrage und Preis zu einem sich selbst aufschaukelnden Beziehungskreis entwickeln
kann, der sich sowohl in positiver (virtuous circle) aber auch in negativer Richtung (vici-
ous circle) immer wieder in Gang setzen kann (Kollmann 1999c, S. 275 ff.). Dieser Be-
ziehungskreis macht das Management von elektronischen Marktplätzen so komplex, da
sich der Marktplatzbetreiber als unabhängige Vermittlungsinstanz gleichzeitig zwei
Marktseiten gegenübersieht (s. Kapitel 4.2.3.1). Sein Vermittlungsergebnis muss sowohl
dem Einzelfall als auch der Menge an Transaktionsanfragen dienlich sein und darüber
hinaus den Erwartungen entgegengesetzter Interessensgruppen gerecht werden.
Der positive Fall (virtuous circle) führt in Übereinstimmung mit den Überlegungen zum
Kritische-Masse-Effekt zu einem kontinuierlichen Anstieg an Stärke, Leistungspotenzial
und Attraktivität des Marktplatzes. So geht ein signifikanter Anstieg an Objektanbietern
meist mit einer Zunahme an zu vermittelnden Objektangeboten einher. Dies wirkt sich
positiv auf die Auswahlmenge für das Matching aus. Das wiederum hat positive Auswir-
kungen auf die Nachfragerzufriedenheit und damit auf die Menge an Objektnachfragern.
Damit erhöht sich die Attraktivität des E-Marketplace für die Anbieter, was zu einem
weiteren Anstieg der Objektangebote führt und so fort (Positiv-Spirale). Jedoch kann sich
durchaus auch ein negativer Beziehungskreis in Gang setzen. In diesem Teufelskreis (vi-
cious circle) bedeutet ein signifikanter Verlust an Objektanbietern einen deutlichen Rück-
gang an zu vermittelnden Objektangeboten. Dies wirkt sich negativ auf die Auswahlmenge
für das Matching aus, wodurch ein Großteil der Transaktionsgesuche unter Umständen un-
590 Die Grundlagen des E-Marketplace
befriedigt bleibt. Dieses wiederum hat negative Auswirkungen auf die Nachfragerzufrie-
denheit und damit auf die Menge an Objektnachfragern. Durch rückläufige Objektnachfra-
gen verringert sich die Attraktivität des Marktplatzes für die Anbieter, was zu einem wei-
teren Rückgang der Objektangebote führt und so fort (Negativ-Spirale).
N A Ausgangs- N A
situation
P P
N A Kritischer N A
Bereich
P P
N A N A
Konsequenz
Der virtuelle Handelsplatz würde durch diese Auswirkungen stetig an Stärke und Leis-
tungspotenzial verlieren, was im Endeffekt sogar die Existenz des Marktplatzes bedrohen
kann (s. Abb. 221). Für das Management bei elektronischen Marktplätzen ergibt sich die
Konsequenz, dass aufgrund der Oszillation von Nutzung und Interaktion entgegen der ver-
breiteten Annahme trotz des Erreichens der kritischen Masse keine automatische Er-
folgsstabilität unterstellt werden kann (Kollmann/Stöckmann/Schröer 2009b; Kollmann/
Stöckmann 2007a; s. Abb. 221). Folglich ergeben sich auch auf gesättigten bzw. scheinbar
bereits entschiedenen Märkten aufgrund von Online-Masseeffekten Bedrohungen für
„Kritische Masse“-Gewinner und immer wieder neue Wettbewerbschancen für unterle-
gene Wettbewerber oder Unternehmensgründer. So kann ein etablierter Marktplatz, wie ge-
Das Management beim elektronischen Handel 591
zeigt, durchaus einmal eingeworbene Teilnehmer wieder verlieren und damit im schlimms-
ten Fall sogar einen Existenz bedrohenden Teufelskreis in Gang setzen. Die Zielsetzung
der etablierten Plattform muss folglich in der Aufrechterhaltung des Gleichgewichts
zwischen den bipolaren Gruppen sowie der Sicherstellung der Einhaltung qualitativer und
ethisch-rechtlicher Anforderungen bestehen.
Eine erfolgskritische Maßnahme besteht zweifelsohne darin, die Teilnehmer dauerhaft
an die Plattform zu binden und gegenüber Wettbewerbern zu schützen. Das permanente
Management der Webplattform avanciert vor diesem Hintergrund zu einem entscheiden-
den Erfolgsfaktor. Die vorläufigen Kritische-Masse-Gewinner dürfen sich daher nicht auf
ihre erreichte Position verlassen, sondern müssen stetig die Marktsituation beobachten
und im Rahmen von bilateralen Marketingmaßnahmen (Kollmann 2000a) proaktiv Ein-
fluss auf die aktuelle Entwicklung im Netzwerk nehmen.
50 % Konkurrenzzone
(vermeintliche)
Verlierer
0%
Zeit
schen mit einer spezialisierten Zielgruppe adressiert werden – wie derzeit z. B. im Bereich
der Handwerks- und Dienstleistungsauktionen beobachtet werden kann. Das Ziel muss
darin bestehen, einen positiven Beziehungskreis in Gang zu setzen und die kritische Masse
dauerhaft zu überwinden. Insbesondere für am Anfang stehende Gründungsunternehmen
ist es schwierig, diese kritische Masse zu erreichen, können sie doch als unbekanntes
Startup-Unternehmen den ersten Mitgliedern nur eine begrenzte Netzwerkattraktivität
bieten. Der Wert eines Netzwerkproduktes hängt jedoch nicht nur von der tatsächlichen
Teilnehmerzahl ab, sondern wird zu einem großen Teil auch von den Erwartungen hin-
sichtlich ihrer zukünftigen Entwicklung beeinflusst (Zerdick et al. 2001). So können recht-
zeitige und verheißungsvolle Vorankündigungen (Vapor-Marketing) im Rahmen des
Managements von Erwartungen in Kombination mit weiteren Marketingmaßnahmen im
Online- und Offline-Bereich zu der für die Durchsetzung des Startups notwendigen „mas-
siven“ Neukundengewinnung beitragen.
4.3.2.1 Online-Nachfragererwartungen
Für den Betreiber eines E-Marketplace gestalten sich die Erwartungen aus Nachfrager-
sicht im Hinblick auf die Teilnahme wie folgt (s. Abb. 222):
Die Nutzungsbedingungen, unter denen die Eingabe von Suchkriterien bzw. der Ab-
ruf der Objektmerkmale aus der Datenbank erfolgen, stellen einen kritischen Akzep-
tanzfaktor auf der Nachfragerseite dar. Für den Nachfrager muss eine hohe „Nutzungs-
wirksamkeit“ in Form einer leichten Bedienbarkeit der Module der Plattform sicher-
gestellt werden (einfache Kommunikation), damit ein möglichst günstiges Verhältnis
zwischen dem Aufwand zum Erlernen des Systems (Steuerungsmechanismus) und
dem Ergebnis einer Nutzung (z. B. Informationsübertragung) erreicht wird. Eine
klare Benutzerführung und konkrete Hilfestellungen wie bspw. durch kleine graphi-
sche Beispielanimationen unterstützen die Nutzungsbereitschaft der Nachfrager.
Das Management beim elektronischen Handel 593
Die Datenbankattraktivität bewertet der Nachfrager weniger auf der Grundlage der
Vollständigkeit aller am Markt verfügbaren Transaktionsobjekte, vielmehr zählt die
hinreichend reduzierte Auswahl mit einer hohen Qualität der Informationen über die
verfügbaren Objekte. Für den Nachfrager ist folglich wichtig, auf attraktive Objekte in
der Datenbank zu stoßen. Maßgeblich sind in diesem Fall die Qualität der eingestellten
Objekte und die angebotene Menge an relevanten Informationen zu den Objekten,
sowie Aktualität des Datenbestandes. Dies impliziert eine kontinuierliche Aktualisie-
rung der Angebote resp. Informationen in der Datenbank.
Die Kosten für den Informationsabruf und die Koordinationsleistung spielen ebenfalls
eine bedeutende Rolle. Die empirische Untersuchung bestätigt die allgemeine Praxis
im Internet: Während Anbieter grundsätzlich bereit sind, für die Handelsvermittlung zu
bezahlen, trifft dies auf die Nachfragerseite in der Regel nicht zu. Ihnen dürften die-
sem Gedanken folgend bei der Nutzung keine Kosten entstehen.
4.3.2.2 Online-Anbietererwartungen
Die Erwartungen aus Anbietersicht an den E-Marketplace im Hinblick auf eine Teil-
nahme können dagegen wie folgt charakterisiert werden (s. Abb. 222):
594 Die Grundlagen des E-Marketplace
Die Nutzungsbedingungen aus Anbietersicht sind zunächst an der Eingabe der Ob-
jektmerkmale in die Datenbank des Marktplatzes zu manifestieren. Wie die Nachfrager
legen auch die Anbieter hohen Wert auf eine intuitive und übersichtliche Darstellung
am Bildschirm, wobei das funktionale Design im Gegensatz zum grafischen Design im
Vordergrund steht. Benutzerführung und einfach nutzbare Eingabeformulare sollten
die schnelle Informationsverarbeitung möglichst ohne großen Lernbedarf erfüllen. In
diesem Kontext werden auf der Anbieterseite ebenfalls intelligente Online-Schnitt-
stellen zur Kopplung mit den eigenen Systemen gewünscht.
• Vermittlung von Nachfragern mit hoher • Vermittlung von Angeboten mit hoher
elektronische Übereinstimmung von Suchwunsch und Übereinstimmung von Suchwunsch und
Koordinations- Objekt und einem echten Kaufinteresse Objekt
leistung • Vollständige Datensätze
• Direkte Kontaktmöglichkeit
• Einen tatsächlichen Besuch vor Ort • Bestätigung der
reale • Informierte Nachfrager Angaben/Objektbeschreibung vor Ort
Koordinations- • Interessierte Nachfrager • Bestätigung der Erwartungen
leistung • Bestätigung der Kaufkonditionen
• Flexibilität • Flexibilität
Konkurrenz- • Qualität der Vermittlung • Ortsungebundenheit
aspekte • Elektronische Selektionskriterien
• Keine Kosten für Vermittlung
Die Attraktivität der Datenbank wird auf der Anbieterseite an der möglichst großen
absoluten Zahl der Nachfrager gemessen (Schaffung neuer Absatzkanäle; Marktaus-
weitung). Die Attraktivität der Nachfrager ist dabei an die absolute Anzahl an „echten“
Kaufabsichten gebunden. Die Anbieter erwarten also Quantität, die Nachfrager dage-
gen Qualität.
4.3.2.3 Online-Marktplatzanforderungen
Die dargestellten quantitativen und qualitativen Problemaspekte (s. Kapitel 4.3.1.2 und
4.3.1.3) sowie die Unterschiede in den Erwartungen der Marktplatznachfrager (s. Kapitel
4.3.2.1) und -anbieter (s. Kapitel 4.3.2.2) führen in der Konsequenz zu differenzierten
Online-Marktplatzanforderungen aus Teilnehmersicht. Diese Differenzierung aufgrund
unterschiedlicher Erwartungsniveaus der beiden Kundengruppen unterstreicht noch ein-
mal die Notwendigkeit eines bilateralen Anforderungsprofils bei elektronischen Markt-
plätzen. Gelingt es dem Marktplatzbetreiber, dieses bilaterale Anforderungsprofil für sei-
nen E-Marketplace zu gewährleisten, dann wird dieser zu einer zentralen Anlaufstelle und
kann mehr und mehr Anbieter und Nachfrager an sich binden. Es stellt sich die Frage,
welche Größen in welchem Umfang für die erforderlichen Anforderungen relevant sind.
Kollmann (2001b) entwickelte auf Basis zweier Befragungen aus den Jahren 1999 und
2000 ein Kausalmodell zur Bestimmung des Anforderungsprofils eines E-Marketplace aus
der Sicht der Marktplatzbesucher.
Im Mittelpunkt steht dabei das Konstrukt „Marktplatz-Akzeptanz“, das als Synonym für
die Teilnahmeentscheidung der Marktplatzbesucher und damit den Erfolg eines E-Mar-
ketplace in der Erfüllung der bilateralen Anforderungsprofile verwendet werden kann. In
der Definition nach Kollmann (2001b, S. 101) spiegelt das Konstrukt „Marktplatz-Ak-
596 Die Grundlagen des E-Marketplace
zeptanz“ aus der Sicht der Marktplatzbetreiber/-teilnehmer die subjektiv empfundene Eig-
nung der Institution E-Marketplace bzw. seines Betreibers wider, die Zusammenführung
von Angebot und Nachfrage zu gewährleisten. Als Folge einer positiven Beurteilung kann
eine erstmalige Inanspruchnahme bzw. eine wiederkehrende Teilnahme angesehen wer-
den. Eine negative Beurteilung resultiert in einer Nicht-Inanspruchnahme bzw. in einem
Verlassen des E-Marketplace.
Aufgrund der tripolaren Beteiligungsstruktur auf elektronischen Marktplätzen (s. Kapitel
4.3.1) muss eine Betrachtung von Online-Marktplatzanforderungen aus der Sicht bei-
der Kundengruppen (Anbieter- und Nachfragerseite) erfolgen. Aus den dargestellten An-
forderungsprofilen folgt, dass aus Nachfragersicht die Quantität und Qualität der Anbie-
ter und ihrer Objekte eine Rolle spielen. Ebenso sollen Informationen über die Nutzungs-
bedingungen aus der Datenbank abgerufen bzw. Suchwünsche dem Marktplatzbetreiber
kenntlich gemacht werden können.
Nutzungs- Nutzungs-
bereitschaft bereitschaft
(0,18) (0,08)
Datenbank- 0,22 0,14 Datenbank-
(0,16) (0,42)
wert (0,09) wert
0,20 0,31
Nachfragerseite
0,04
Anbieterseite
(0,71) (0,59)
Vermittlungs- 0,65 Marktplatz- 0,54 Vermittlungs-
leistung Akzeptanz leistung
(0,31) (0,32)
0,27 0,25
Vermittlungs- Vermittlungs-
kosten kosten
Demgegenüber sind aus Anbietersicht die Frage nach der Quantität und Qualität der Nach-
frager sowie die Nutzungsbedingungen für die Eingabe der zu handelnden Objekte in die
Datenbank von Bedeutung. Für beide Marktparteien spielt darüber hinaus das Preis-/Leis-
tungsverhältnis eine Rolle. Die Besonderheit der elektronischen Vermittlung und die da-
mit verbundene Konzentration auf die Informationsebene (s. Kapitel 4.3.3.1) bedingt dar-
Das Management beim elektronischen Handel 597
über hinaus die Frage nach der realen Vermittlungskonsequenz, d. h. kommt aufgrund der
Information durch den Marktplatzbetreiber eine echte Transaktion von Objekten zustande
oder nicht. Auf den identifizierten Einflussgrößen basieren die folgenden theoretischen
Konstrukte, die dazu dienen, das bilaterale Anforderungsprofil zu erklären (s. Abb. 223):
Das Konstrukt der „Vermittlungskosten“ erfasst den finanziellen Aufwand, der den
Marktplatzteilnehmern eines E-Marketplace insgesamt entsteht.
4.3.3.1 Online-Informationsebene
Die strategischen Optionen auf der Online-Informationsebene werden durch das elekt-
ronische Matching determiniert, d. h. der Art und Weise eines Abgleichs der Daten zu
Angebot und Nachfrage. Es gibt hierfür zwei grundsätzliche Verarbeitungsmöglichkeiten
für den Suchwunsch in der Datenbank: Zum einen wird bei der statischen Variante nur
nach Angebotsobjekten gesucht, deren Daten den Suchkriterien exakt entsprechen (z. B.
PKW: Audi, A6, 2.5 TDI, schwarz, 20.000 km). Bei der dynamischen Variante hingegen
werden auch annähernd gleiche oder vergleichbare Angebotsobjekte berücksichtigt (z. B.
eine 80 m2 Wohnung bei einer Abfrage von 90 m2). Der Betreiber eines E-Marketplace
kann seine Koordinations- bzw. Vermittlungsleistung entsprechend auf eine der beiden fol-
genden Strategieoptionen ausrichten (Kollmann 2001b, S. 130 f.):
600 Die Grundlagen des E-Marketplace
4.3.3.2 Online-Transaktionsebene
Die strategischen Optionen für die Online-Transaktionsebene werden durch die Aus-
wirkungen der elektronischen Vermittlung auf das Zustandekommen eines realen Objek-
taustausches determiniert. Da die Marktplatzbetreiber von den Marktplatzteilnehmern für
das reale Transaktionsergebnis verantwortlich gemacht werden (s. Kapitel 4.3.2), müssen
sich die Aktivitäten des Marktplatzbetreibers auch auf die Art und Weise des realen Kon-
taktes zwischen Anbietern und Nachfragern konzentrieren. Die Wahrscheinlichkeit für eine
tatsächliche und erfolgreiche Produktbesichtigung und anschließende Übertragung des re-
alen Objekts kann hierbei von ihm beeinflusst werden. Für die Vorbereitung der realen
Produkt- bzw. Objekttransaktion stehen dem Marktplatzbetreiber wiederum zwei Strate-
gieoptionen zur Verfügung (Kollmann 2001b, S. 131 ff.):
bedeutet dies, dass die Angaben zu den Objekten vorab real oder über Indikatoren
geprüft werden, bevor diese den Nachfragern offeriert werden (z. B. TÜV-Berichte für
Gebrauchtwagen oder Gutachten für Immobilien). Für die Nachfragerseite ist die Kon-
sequenz, dass nur registrierte Marktplatzteilnehmer auf die Angebote gelenkt werden.
Den Hintergrund bildet die Annahme, dass registrierte Nachfrager ein signifikant hö-
heres Interesse an einer Transaktion aufweisen als unregistrierte „Surfer“. Der Markt-
platzbetreiber kann durch diese Maßnahme sicherstellen, dass nur Nachfrager mit
einem echten Interesse auf ein geprüftes Angebot gelenkt werden. Zwar werden da-
durch tendenziell weniger reale Kontakte realisiert, die Wahrscheinlichkeit für einen
tatsächlichen Geschäftsabschluss vor Ort wird jedoch erhöht. Der Marktplatzbetrei-
ber konzentriert sich damit nicht auf die Kontaktmenge zwischen Nachfrage und An-
gebot, sondern legt den Schwerpunkt auf die Qualität der Informationsinhalte.
Informations-
Informations- Transaktions-
Transaktions-
virtuelle Konsequenz ebene ebene reale Konsequenz
- 100% Übereinstimmungsgrad
- Zugangsbeschränkungen
- eventuell zeitversetztes Matching
- keine Offerte von Alternativen Assignment- Content- - Nachfragerregistrierung
Leader Leader - Kontrolle der Angebotsangaben
- genaue Zuordnung
- <100% Übereinstimmungsgrad
- direktes Matching Selection- Contact- - keine Zugangsbeschränkungen
- Offerte von Alternativen Leader Leader - freie Datenbankabfrage
- erweiterte Auswahl - direkte Angebotseinstellung
Contact-Leader: Eine weitere Strategieoption kann aber auch die quantitative Be-
tonung der Transaktionsvermittlungen darstellen: Der Marktplatzbetreiber verzichtet
auf Überprüfungen, sodass der Zutritt zum Marktplatz offen ist und möglichst viele
Nachfragen und Angebote von ihm gesammelt werden können. Die Anbieter stellen
ihre Objekte ohne Reglementierungen und das Filtern der Angaben ein. Dies kann
jedoch „schön gefärbte“ Angaben privater Anbieter oder Lockangebote von profes-
sionellen Händlern zur Folge haben. Andererseits erhält der Marktplatzbetreiber aber
ein umfangreiches Angebotsportfolio, dessen quantitatives Ausmaß er gegenüber der
Nachfragerseite für werbliche Zwecke nutzen kann. Der Nachfrager kann seinerseits
– unabhängig davon, ob ein echtes Kaufinteresse vorliegt – die Datenbank mit den
Angeboten ohne Einschränkungen durchsuchen. Damit stellt der Betreiber sicher,
dass es zu möglichst vielen Suchabfragen kommt, die in der Mehrheit aber eigentlich
602 Die Grundlagen des E-Marketplace
nur als Testversuche gewertet werden können. Auch das quantitative Ausmaß der
Suchabfragen kann er aber gegenüber der Angebotsseite zu werblichen Zwecken ein-
setzen. Im Resultat hofft der Betreiber, dass durch die hohe Zahl der elektronischen
Kontakte auch die Wahrscheinlichkeit für das Zustandekommen eines Besichtigungs-
termins und damit für einen Geschäftsabschluss vor Ort steigt. Er konzentriert sich
somit auf die quantitative Kontaktmenge zwischen Nachfrage und Angebot.
Eine eindeutige Ausrichtung ist – wie auf der Informationsebene – auch hier ratsam.
Im Zusammenschluss von Informations- und Transaktionsebene kann davon ausgegangen
werden, dass die Strategien Assignment-Leader und Content-Leader auf der einen bzw.
Selection-Leader und Contact-Leader auf der anderen Seite eher miteinander korrespon-
dieren als die umgekehrten Optionen. Das Ergebnis kann jedoch je nach Handelsobjekt
auch unterschiedlich sein (s. Abb. 224).
4.3.3.3 Online-Wettbewerbspositionierung
Um die Online-Wettbewerbspositionierung von virtuellen Marktplätzen zu veranschau-
lichen, ist es oftmals hilfreich, eine sog. Wettbewerbsmatrix anzufertigen, in der dann
eine Positionierung der Marktplätze vorgenommen werden kann. Das erste Merkmal zur
Beschreibung der Wettbewerbsstrategien kann aus den Online-Optionen auf der Informa-
tionsebene (s. Kapitel 4.3.3.1) abgeleitet werden. Es ist festzustellen, dass die hier darge-
stellten Varianten auf einem gemeinsamen Nenner basieren: der elektronischen Vermitt-
lungsquote. Diese Quote gibt entsprechend der strategischen Ausrichtung des Betreibers
an, wie viele Angebote und Nachfragen er auf der Informationsebene vermitteln konnte.
Die elektronische Vermittlungsquote misst folglich das prozentuale Verhältnis von er-
folgreichen zu unerfüllten Koordinationsakten.
Das zweite Merkmal kann aus den Online-Optionen auf der Transaktionsebene (s. Kapitel
4.3.3.2) abgeleitet werden. In ähnlicher Weise spiegeln sich auch hier die dargestellten
Strategievarianten der Transaktionsebene in einem gemeinsamen Ergebnis wider: der re-
alen Transaktionsquote. Diese Quote gibt entsprechend der strategischen Ausrichtung des
Marktplatzbetreibers an, bei wie vielen Vermittlungsversuchen eine reale Transaktion zu-
stande gekommen ist. Die reale Transaktionsquote misst somit das prozentuale Verhält-
nis von erfolgreichen zu unerfüllten realen Tauschakten. Anhand dieser beiden Dimensio-
nen kann nun eine Wettbewerbsmatrix für E-Marketplace angefertigt werden (s. Abb.
225). Die Vier-Felder-Matrix verfolgt das Ziel, die konkurrierenden Marktplätze gegenei-
nander abzugrenzen und die jeweilige Marktpositionierung zu beschreiben (Kollmann
2000b):
100 %
Elektronische Vermittlungsquote
Matchingorientierte Transformationsorientierte
Marktplätze Marktplätze
2 4
1 3
Transaktionsorientierte
???
Marktplätze
0%
0% Reale Transaktionsquote 100 %
Mit dem Konstrukt der Wettbewerbsmatrix ist ein erstes betriebswirtschaftliches Bewer-
tungsinstrument für E-Marketplace identifiziert. In der Praxis sollte die Vier-Felder-Matrix
hinsichtlich der grafischen Trennung in die einzelnen Bereiche als Kontinuum mit fließen-
den Übergängen angesehen werden.
Wie sieht der Einsatz von Marketing-Instrumenten speziell für die Anbieteraktivierung
bei einem E-Marketplace aus?
Wie sieht der Einsatz von Marketing-Instrumenten speziell für die Nachfragerakti-
vierung bei einem E-Marketplace aus?
Welche Aspekte gilt es für den Marktplatzbetreiber im Rahmen eines bilateralen Mar-
ketings für einen E-Marketplace zu berücksichtigen?
elektronischen Welt aber auch gezielte „Online-Wegweiser“ (Links von anderen Angebo-
ten im Datennetz auf die eigenen Seiten) und indessen gezielte Targetingmaßnahmen oder
Werbebanner eine herausragende Rolle, da auf diese Weise analog zum E-Shop-Marke-
ting potenzielle Teilnehmer zu der Marktplatz-Plattform quasi per „Mausklick“ geleitet
werden können (s. Kapitel 3.4). Vor diesem Hintergrund können Online- und Offline-
Kommunikation als komplementäre Aufgaben der Kundengewinnung im Sinne von
Marktplatzteilnehmern betrachtet werden (Bauer/Hammerschmidt 2004, S. 100 ff.):
Ferner sollten Zugangsanreize geschaffen werden, d. h. dem Teilnehmer müssen die Vor-
teile einer Leistungsinanspruchnahme deutlich vor Augen geführt werden, und zwar bevor
er das eigentliche Angebot erreicht hat. Diese Vorteile können zum einen durch eine kurze
Darstellung der Informationsinhalte und zum anderen durch Hinweise auf themenfremde
Aktivitäten deutlich gemacht werden. Des Weiteren sollte das elektronische Angebot nicht
nur isoliert im Netz vorhanden sein, sondern auch Verbindungen zu verwandten Themen
ermöglichen (Content-Partnerschaften z. B. mit Zeitschriften).
4.4.1.1 Online-Anbieteraktivierung
Im Rahmen der Online-Anbieteraktivierung geht es nicht nur um die Neugewinnung von
Anbietern, die ihr Angebot auf den Marktplatz einstellen, sondern auch um die Wiederge-
winnung dieser Anbieter für erneute Angebotseinstellungen. Einen weiteren Aspekt spielt
in diesem Zusammenhang die Menge der eingestellten Objekte bzw. Angebote, wobei die
Anbieteraktivierung erreichen soll, dass möglichst viele Datensätze dem Marktplatz zu-
geführt werden. Dies ist insbesondere auch deshalb wichtig, da der erste Eindruck des
Datenbankwertes (Anzahl der eingestellten Objekte) neben den Kosten der Inanspruch-
nahme maßgeblich die Attraktivität des E-Marketplace aus Nachfragersicht bestimmt (s.
Kapitel 4.3.2.1; Kollmann 2001b, S. 109 ff.). Dabei bewertet der Nachfrager die Attrakti-
vität nicht nur auf der Basis der Anzahl an partizipierenden Anbietern und Angeboten,
vielmehr zählt die Qualität und Aktualität der Daten über die offerierten Objekte. Zur Sti-
mulierung von Marktplatzaktivitäten genügt es daher nicht, nur möglichst viele Anbieter
für die Plattform zu gewinnen, der Marktplatzbetreiber muss ebenfalls sicherstellen, dass
die auf dem Marktplatz aktiven Anbieter ihre Offerten qualitativ hochwertig beschreiben
und ihr Angebot auf einem aktuellen Stand halten. Daher spielt neben der Akquisition
von Anbietern ebenfalls die Stimulation der Nutzung eine bedeutende Rolle im Marketing
608 Die Grundlagen des E-Marketplace
elektronischer Marktplätze. Von großer Relevanz ist vor diesem Hintergrund die Aktivie-
rung von sog. Key-Account-Anbietern, also von Schlüsselanbietern, die für den E-
Marktplatz von großem Wert sind (Key-Account-Management; Kollmann 2019). Der Pro-
zess der Anbieteraktivierung auf dem E-Marketplace gliedert sich in fünf Phasen (Gerst
2002, S. 64):
Planung: Die Planung ist der erste Schritt der Anbieteraktivierung. Dabei legt der
Marktplatzbetreiber bspw. die mit der Aktivierung verbundenen Ziele sowie die Stra-
tegien und Vorgehensweisen für die Realisierung dieser Ziele fest. In dieser Phase ver-
schafft er sich ebenfalls einen Überblick über potenzielle Anbieter.
Auswahl: In einem zweiten Prozessschritt muss der Marktplatzbetreiber aus den iden-
tifizierten Anbietern diejenigen auswählen, die für ihn von besonderem Interesse sind.
Zu den Kriterien, die die Auswahl bestimmen, zählen insbesondere die Wichtigkeit
sowie die sog. „E-Commerce-Readiness“ (Gerst 2002, S. 65) des Anbieters für den
E-Marketplace. Die Wichtigkeit wird u a. determiniert durch transaktionsorientierte
Kennzahlen (Anzahl der Transaktionen, die Höhe des Umsatzes, Prozesskosten etc.)
aber ebenso durch die prognostizierte zukünftige Entwicklung des Anbieters. Als De-
terminanten der E-Commerce-Readiness sind insbesondere die technische Infrastruk-
tur des Anbieters, dessen E-Commerce-Erfahrungen sowie die Update-Häufigkeit des
Datenbestandes zu nennen. Auch die Auswahl von Anbietern, die noch nicht „e-
ready“ sind, kann sinnvoll sein, falls sie über ein großes Commitment als Marktplatz-
teilnehmer den elektronischen Handel mitzugestalten verfügen. Dabei wären in Kon-
sequenz eine Überarbeitung von Prozessen, IT-Landschaft und Datenstrukturen auf
der Anbieterseite notwendig.
Strategie: Für die ausgewählten Anbieter gilt es nun eine individuelle Aktivierungs-
strategie zu entwickeln. Im Rahmen dieser Strategie stehen die Etablierung von Pro-
zessen zur einfachen Teilnahme am Marktgeschehen, das Design effizienter Kommu-
nikationsstrukturen zwischen Marktplatzbetreiber und Anbieter, sowie die Formulie-
rung einer „e-message“ an. Diese „e-message“ soll den Anbieter auf die Initiative des
Marktplatzbetreibers einschwören und dabei die Vorteile und Mehrwerte für alle Be-
teiligten hervorheben. Eine kontinuierliche Kommunikation zwischen Anbieter und
Betreiber ist notwendig, um das Commitment zur Partizipation aufrecht zu erhalten.
In diesem Kontext steht der E-Marketplace vor der Herausforderung ein elektronisches
Key-Account-Management zu realisieren, das den Zielsetzungen der individuellen
Kundenbetreuung entspricht (Kollmann 2019).
Technik: Die auf der strategischen Ebene definierten Prozesse zur Teilnahme des An-
bieters an dem Marktplatzgeschehen gilt es in dem vierten Prozessschnitt technisch
umzusetzen. Dazu stehen dem Marktplatzbetreiber diverse Möglichkeiten zur Verfü-
gung, die sich hinsichtlich der Kosten und des Aufwands für die Anbindung deutlich
unterscheiden (s. Kapitel 4.1.1.1). Jedoch sind diese Implementierungskosten in Be-
Das Marketing beim elektronischen Handel 609
4.4.1.2 Online-Nachfrageraktivierung
Zu den zentralen Anforderungen der Anbieterseite an digitale Marktplätze zählt die Quan-
tität der vorhandenen Nachfrager sowie die absolute Zahl an „echten“ Kaufabsichten (s.
Kapitel 4.3.2.2; Kollmann 2001b, S. 111). Im Rahmen der Online-Nachfrageraktivie-
rung steht neben der Akquisition von Nachfragern in einer rein quantitativen Ausrichtung
auch die Aktivierung von Nachfragern zur Steigerung des Anteils der Besucher mit einem
echten Kaufinteresse. Diese Aktivierung basiert dabei auf den folgenden drei Aspekten
(Kollmann 2001b, S. 109 f.):
Vor diesem Hintergrund kann zur Anregung der Transaktion bspw. der Leistungsumfang
bzw. Funktionsumfang variiert werden (Skiera 2001, S. 106). Neben der direkten Transak-
610 Die Grundlagen des E-Marketplace
tionsanregung verfügt die Digitale Wirtschaft über diverse Möglichkeiten den Kunden ei-
nen Anreiz zur Interaktion geben. Dabei besteht das Ziel der Interaktion darin, neben dem
direkten Transaktionsangebot eine Verbindung zum potenziellen Kunden aufzubauen, um
im Anschluss an die Kommunikation eine Transaktion zu ermöglichen. An dieser Stelle
ist der Marktplatzbetreiber dazu angehalten, eine hochwertige, mit den angebotenen Ob-
jekten in Verbindung stehende Informationsbasis zu schaffen. Diese Informationen können
sodann über elektronische Kommunikationstools in Form von FAQs, Call-Back-Buttons,
Newslettern oder Userforen auf den Internetseiten des E-Marketplace angeboten werden.
Entscheidend für den Erfolg ist, dass die Interaktion möglichst individualisiert, d. h. auf
den Nachfrager zugeschnitten erfolgt (s. Kapitel 1.3.4). Das Ziel ist somit die Individuali-
sierung durch einzelfallspezifische und multimediale Interaktion zwischen Anbieter,
Marktplatzbetreiber und Nachfrager. Hat der Nachfrager das Gefühl, dass seine individu-
ellen Bedürfnisse durch den Marktplatzbetreiber gedeckt werden können, so entscheidet
er sich für eine Transaktion. Die Transaktionsentscheidung soll dabei nicht nur einmalig,
sondern wiederkehrend sein.
Bei seinen Aktivitäten im Rahmen der Aktivierung von Nachfragern und Anbietern darf
der Marktplatzbetreiber nicht die Tatsache außer Acht lassen, dass er beide Kundengrup-
pen gleichermaßen zu einer kontinuierlichen Nutzung aktivieren muss, um kein Ungleich-
gewicht bezüglich der Koordinationsleistung (s. Kapitel 4.3.1.2) zu forcieren. Dementspre-
chend sind die Maßnahmen immer auf zwei Seiten zu konzentrieren, sodass grundsätzlich
ein bilaterales Marktplatzmarketing gewählt werden muss, bei dem die Aktionen für beide
Marktseiten aufeinander abgestimmt werden müssen (s. Kapitel 4.4; Kollmann 2000a).
4.4.1.3 Online-Marktplatzmarketing
Die Schaffung eines quantitativen und qualitativen Gleichgewichts zwischen den beiden
Marktparteien gehört zu den zentralen Aufgaben des Betreibers eines E-Marketplace (s.
Kapitel 4.3.1.2; Kollmann 1999b, S. 33 f.). Marktplatzbesucher werden den Marktplatz
schnell wieder verlassen, wenn es dort nicht ausreichend viele oder keine passenden Ge-
genspieler gibt (Kollmann 1998d). Sämtliche Maßnahmen sind somit immer vor dem Hin-
tergrund dieser tripolaren Beteiligungsstruktur (s. Kapitel 4.3.1) und damit einer für den
Betreiber bilateralen Online-Marktplatzmarketing durchzuführen. Dies bedeutet im Er-
gebnis ein grundsätzliches Umdenken gegenüber traditionellen Marketingüberlegungen:
Es geht nicht mehr um eine Maximierung des Marketingerfolges auf der Kundenseite (wie
z. B. beim Produktverkauf), sondern vielmehr um eine zeitlich parallele Minimierung der
Differenz des Marketingeinsatzes im Hinblick auf das Ergebnis auf Anbieter- und Nach-
fragerseite.
War es bislang das Ziel, mit den vorhandenen Marketinginstrumenten möglichst viele
Kunden zum Unternehmen bzw. seinen Produkten zu führen, so kann dies unter Umstän-
den für den Marktplatzbetreiber fatal sein, wenn einer seiner Kundenseiten hierdurch einen
Überhang bekommt. Diese Ausgangslage unterscheidet den Marktplatzbetreiber auch von
Das Marketing beim elektronischen Handel 611
traditionellen Intermediären (z. B. Makler, Händler), da es bei ihnen in der Regel zu einer
zeitlichen Differenz zwischen dem Abgleich von Angebot und Nachfrage kommt (z. B.
Produkte im Laden und Kundenbesuch; Vermittlungsauftrag und Kenntlichmachung ge-
genüber Nachfragerseite bei Immobilien-Kleinanzeigen in Zeitungen). Ferner brauchen re-
ale Intermediäre ein Ungleichgewicht nicht zu kommunizieren, da hier kein elektroni-
scher Verbundeffekt (s. Kapitel 4.3.1.1) vorliegt. Somit kann und muss nur die elektroni-
sche Vermittlung ein direktes Feedback für beide Kundengruppen ermöglichen – entspre-
chend ist die Erwartungshaltung an den Betreiber des elektronischen Marktplatzes. Beide
Kundengruppen möchten den passenden Transaktionspartner direkt auf dem E-Market-
place vermittelt bekommen. In conclusio bedeutet das bilaterale Marketing bei elektroni-
schen Marktplätzen eine Differenzminimierung hinsichtlich des Ergebnisses auf den bei-
den Kundenseiten (Angebot und Nachfrage), d. h. die Einwerbung neuer Teilnehmer sollte
immer zu einem quantitativen und qualitativen Gleichgewicht führen. Im Falle eines
Ungleichgewichts könnte durch Werbung und Kommunikation auf der zu fördernden
Marktseite wieder ein Gleichgewicht erreicht werden.
Um die Marketingeffizienz des bilateralen Marketings zu erhöhen, können verschiedene
Instrumente zur Unterstützung herangezogen werden. Auf Seiten der anbietenden Teil-
nehmer kann man prinzipiell zwischen Instrumenten der vier Teilpolitiken des Marketings
unterscheiden, mit deren Hilfe der Marktplatzbetreiber das Beziehungsmarketing seiner
Anbieter unterstützt (Bauer/Hammerschidt 2003, S. 23 ff.):
Preispolitik: Je nach Art des Marktplatzes müssen die Preisverhandlungen nicht nur
elektronisch unterstützt werden, sondern auch so gestaltet sein, dass die Anbieter ihr
Angebot möglichst effizient und übersichtlich verwalten können.
Auf Seiten der nachfragenden Teilnehmer kann der Marktplatzbetreiber ebenfalls Un-
terstützungsinstrumente bereitstellen, die z. B. die Auswahl von Lieferanten bestimmter
Produkte erleichtern soll (Bauer/Hammerschidt 2003, S. 23 ff.). Der Marktplatzbetreiber
sollte den Nachfragern sämtliche Informationen über seine Anbieter zur Verfügung stel-
len und bspw. einen direkten Link auf die Unternehmensseite des Lieferanten einfügen.
Weiterhin könnte der Nachfrager dahingehend unterstützt werden, dass er seine Suche nach
bestimmten Lieferanten zielgerichtet gestalten kann und z. B. eine Übersichtsseite sämtli-
cher Anbieter abrufen kann. Die Bereitstellung von Verfügbarkeits- und Lieferinfor-
mationen kann dabei helfen, dass der potenzielle Käufer seine Kaufentscheidung auf
möglichst aktuellen und wahrheitsgetreuen Informationen treffen kann. Die Bewertung
der Lieferanten/Anbieter eines Marktplatzes ist ein weiteres Beispiel der Kommunikatons-
politik. Der Marktplatzbetreiber ermöglicht durch verschiedene Bewertungsverfahren
(z. B. Punkteverteilung etc.), dass Kunden den Anbieter nach Beendigung einer Transak-
tion subjektiv bewerten können. Somit dient der mögliche Vergleich der unterschiedlichen
Anbieter unter Umständen dazu, die Urteilsbildung über die Qualität des Anbieters und die
von ihm gebotenen Leistungen zu vereinfachen.
Dies bedeutet, dass der Marktplatzbetreiber hinsichtlich seiner Marketingüberlegungen
auf ein bilaterales Zielgruppenverständnis zurückgreifen muss (Kollmann 2000a, S. 141 f.).
Entsprechend muss er seine elektronischen Wertschöpfungsaktivitäten auf beide Marktsei-
ten anpassen, d. h. die Informationsgewinnung, Informationsverarbeitung und Informa-
tionsübertragung (s. Kapitel 1.4; Kollmann 2019) auf die Teilnehmer von Angebots- und
Nachfrageseite beziehen. Gerade im Hinblick auf die Informationsverarbeitung steht die
bilaterale Ausrichtung im Mittelpunkt, da das zentrale Konstrukt der Koordinationsleistung
gerade ein Differenzelement aus einer zweiseitigen Analyse der Koordinationsanforderun-
gen darstellt. Die Koordinationsleistung eines E-Marketplace ist umso höher, je besser
es dem Marktplatzbetreiber gelingt, eine einzelfallspezifische Abstimmung der An-
spruchsniveaus (Koordinationsanforderung) der Anbieter- und Nachfragerseite zu errei-
chen. Die einzelfallspezifische Abstimmung wird durch den Einsatz der digitalen Infor-
mationstechnik unterstützt bzw. ermöglicht. Hierdurch hat der Marktplatzbetreiber die
Möglichkeit, mit jedem einzelnen Marktplatzteilnehmer in Kontakt zu treten.
Der hierdurch realisierte quasi-persönliche Kontakt zwischen dem Betreiber und jedem
einzelnen Mitglied der beiden Marktseiten bildet das Fundament einer One-to-One-Bezie-
hung. Diese Beziehung wird durch die Möglichkeiten der digitalen, interaktiven und indi-
vidualisierten Informationsübermittlung zu einer elektronischen Geschäftsbeziehung aus-
gebaut (s. Kapitel 1.3). Nur der Einsatz digitaler Informationstechnik führt – im Gegen-
satz zu traditionellen Märkten – zu einer aktiven Teilnahme des Marktplatzbetreibers an
Das Marketing beim elektronischen Handel 613
jeder einzelnen Geschäftstransaktion auf seinem Marktplatz und damit zu einer Bewälti-
gung des stärker werden Koordinationsbedarfs. Die aus dem wachsenden Koordinations-
bedarf entstehende Koordinationsproblematik aufgrund des Verbundeffekts (s. Kapitel
4.3.1.1) kann durch den Marktplatzbetreiber nur über die Koordinationsleistung im Ein-
zelfall bewältigt werden. Hierzu muss er sich mit den Anspruchsniveaus der einzelnen
Marktplatzteilnehmer auseinander setzen, was die Notwendigkeit eines bilateralen One-
to-One-Marketingansatzes unterstreicht (Kollmann 2000a, S. 142). Somit können zur
Befriedigung der jeweiligen Akzeptanzkriterien die Marketingmaßnahmen auf beiden
Seiten individuell angepasst werden.
Je nachdem, in welchem Umfang der Marktplatzbetreiber diese Anforderungs- bzw. Ak-
zeptanzvoraussetzungen schaffen kann, wird er sich einer mehr oder minder starken Fluk-
tuation des Teilnehmerkreises gegenübersehen. Da sowohl die Nichtinanspruchnahme
seiner Vermittlungsleistung als auch das Abwandern von bisherigen Kunden zu Marktplatz-
Konkurrenten unerwünschte Erscheinungen darstellen, muss ein Marktplatzbetreiber dau-
erhaft Marketing-Aktivitäten durchführen, um diesen Gefahren wirkungsvoll entgegen zu
treten. Entscheidend ist demnach, dass in den verschiedenen Phasen einer Teilnahme der
Kundengruppen am Marktplatzgeschehen flankierende Marketingmaßnahmen eingesetzt
werden. Dies liegt insbesondere daran, weil es mit der erstmaligen Einwerbung des Teil-
nehmers (s. Kapitel 4.4.1.1) nicht getan ist. Erst wenn über den erstmaligen Besuch hinaus
eine Nutzung des Vermittlungsangebotes erfolgt (Einstellung eines Angebotes oder Ge-
suches), dann kann der Marktplatzbetreiber in Aktion treten (s. Kapitel 4.4.2.1). Darüber
hinaus muss sich der Marktplatzbetreiber aber auch Gedanken darübermachen, wie er die
Marktplatzteilnehmer langfristig an sich binden kann (s. Kapitel 4.4.2.2). Nur wenn die
Teilnehmer dauerhaft den Marktplatz für die Geschäftsvermittlung nutzen, kommen aus-
reichend Gebühren für den Betreiber zum Tragen. Aus diesem Grund ist insbesondere ein
permanentes bilaterales Marketing bei elektronischen Marktplätzen gefragt.
Generell kann beim Marktplatzmarketing davon ausgegangen werden, dass zwar einer-
seits die Kundengewinnung im Vordergrund steht, diese allerdings an Bedeutung verliert,
sobald ausreichend Anbieter und Nachfrager auf der Plattform agieren (kritische Masse).
Deshalb gewinnt die dauerhafte Kundenbindung in diesem Zusammenhang an Bedeu-
tung, da die einmal erreichte kritische Masse langfristig an den Marktplatz gebunden wer-
den soll. Zum Aufbau von Kundenbeziehungen (Relationship Marketing) und somit der
Pflege und Stabilisierung des Kundenstammes sind bei Marktplätzen vier Prinzipien
ausschlaggebend (Bauer/Hammerschmidt 2004, S. 94 ff.). Diese stehen in einer zeitlichen
und logischen Beziehung zueinander, d. h. bevor ein Prinzip höherer Ordnung angegangen
werden kann, sollte der Marktplatzbetreiber sicherstellen, das niedrige Prinzip umgesetzt
zu haben (s. Abb. 226). Ebenfalls steigt der Bindungsgrad mit dem Erreichen des nächst-
höheren Prinzips deutlich. Erst wenn alle vier Prinzipien auf dem Marktplatz umgesetzt
sind, kann von einer dauerhaften Bindung der Kunden an den E-Marketplace ausgegangen
werden. Im Einzelnen stehen dem Marktplatzbetreiber die nachfolgenden vier Prinzipien
zur Kundenbindung zur Verfügung (Bauer/Hammerschmidt 2004, S. 94 ff.):
Abb. 226: Prinzipien des Aufbaus und der Pflege des Kundenstammes
Quelle: in Anlehnung an Bauer/Hammerschmidt 2004, S. 94 ff.
Das Marketing beim elektronischen Handel 615
Interagieren: Zur Förderung der interaktiven Beziehung zwischen Kunde und Markt-
platzbetreiber können unterschiedliche Instrumente zum Einsatz kommen. Dazu zäh-
len bspw. Call-Back-Buttons, Online-Beratung, Live Chat-Funktion oder aktive Hil-
festellung bei Angebotssuche oder Angebotseinstellung. Andere Instrumente eignen
sich wiederum eher für die Kommunikation zwischen den Kunden selbst, um z. B.
die Entwicklung einer Community zu fördern. Hierbei können die Marktplatzbetrei-
ber ohne aktives Eingreifen Diskussionsforen, Newsgroups oder Weiterempfehlungs-
systeme einrichten, die das Austauschen von Informationen und Meinungen ermög-
licht. Zwar kann diese Art der Interaktion dazu genutzt werden, um z. B. Auskunft
über Kundenzufriedenheit oder -wünsche zu erlangen, allerdings sollte der Markt-
platzbetreiber damit rechnen, dass aufgrund der Nähe zu seiner Plattform, kein absolut
realistisches Bild der Kundenmeinung erkennbar wird. Kunden, die unzufrieden sind,
bevorzugen in der Regel die Äußerung ihrer Kritik auf marktplatzunabhängigen Sei-
ten.
Individualisieren: Erst durch die Individualisierung des Angebots kann der Markt-
platzbetreiber erreichen, dass seine Plattform für jeden Kunden (sowohl Anbieter als
auch Nachfrager) an Relevanz und Bedeutung gewinnt, da der einzelne Kunde nicht
mehr Teil der Masse ist, sondern individuell als Person wahrgenommen wird. Dies
erhöht auf Dauer die Wechselbarrieren und ermöglicht die langfristige Kundenbin-
dung. Voraussetzung für die Ausschöpfung der Individualisierungsmöglichkeiten ist
die Schaffung von Kundenprofilen. Profile lassen sich relativ einfach durch einmalige
Registrierung der Kunden auf der Plattform einrichten und durch Sammlung sämtli-
cher Informationen und Spuren, die die Besucher auf der Seite hinterlassen, anrei-
chern. Dadurch entsteht im Laufe der Zeit ein umfassendes Bild des Kunden, das z. B.
durch Data Mining zur weiteren Kundenbindung sinnvoll eingesetzt werden kann. Das
durch den Aufbau einer professionellen Kundendatenbank gewonnene Wissen wird
für zielgerichtete Marketing-Maßnahmen verwendet, die im Zuge der Unterbreitung
von individuellen Angeboten die Personalisierung erhöhen und dadurch Wettbe-
werbsvorteile für den Marktplatzbetreiber innerhalb des Marktes begründen können.
Exklusivieren: Berücksichtigt man die Tatsache, dass unter Umständen nicht alle Kun-
den gleichermaßen wertvoll für den Marktplatzbetreiber sind, so sollte der Pflege von
besonders wichtigen Kunden ein hohes Maß an Sorgfalt beigemessen werden. Durch
exklusive Leistungen für diese Kunden (z. B. zusätzliche Serviceleistungen oder Kun-
denclubs mit beschränktem Zugang) kann ein kundenwertgesteuertes Marketing rea-
lisiert werden. Abstufungen hinsichtlich der Intensität der Kundenbetreuung sind hier
in der Praxis durchaus vorzufinden, da die Ressourcenverteilung und das Marketing-
budget möglichst effektiv eingesetzt werden müssen. Somit ist der Marktplatz in der
Lage durch Exklusivität die Fürsorge der umsatzstarken Kunden zu erhöhen. Nichts-
destotrotz sollte der gesamte Kundenstamm als wertvoll betrachtet werden und z. B.
durch Mengenrabatte oder Bonuspunkteprogramme zumindest teilweise ein gewisses
Maß an Exklusivität erfahren.
616 Die Grundlagen des E-Marketplace
4.4.2.1 Online-Anreizstrategien
Sind die neuen Marktplatzteilnehmer erst einmal zum E-Marketplace geleitet worden, zie-
len die weiteren Marketingaktivitäten des Marktplatzbetreibers auf die Stimulation der
Nutzung des Plattformangebots. Die Nutzung bezieht sich hierbei auf die Inanspruch-
nahme der interaktiven Kommunikationsmodule mit deren Hilfe Informationen in die Da-
tenbank eingegeben oder abgerufen werden können. Der Erfolg von elektronischen
Marktplätzen wird somit nicht allein durch den Zugang neuer Mitglieder determiniert, son-
dern vielmehr durch die tatsächliche Teilnahme am Matching-Prozess. Der Marktplatzbe-
treiber sollte dabei die elektronischen Nutzerspuren der Teilnehmer verfolgen, um sich so
ein Bild davon machen zu können, welche Angebote besonders und welche kaum in An-
spruch genommen werden. Die Analyse der Nutzerspuren kann hierbei aggregiert über
alle Teilnehmer des E-Marketplace oder aber individuell erfolgen. Im Rahmen einer em-
pirischen Studie wurde nachweisen, dass eine Nichtbeachtung der Nutzungsebene zu er-
heblichen Fehleinschätzungen bei Multimedia-gestützten Innovationen bezüglich ihrer
Erfolgsmessung und damit auch ihrer Erfolgsprognose führt (Kollmann 1998a, S. 269 ff.).
Um die Nutzung anzuregen, sollten mehrere Online-Anreizstrategien verfolgt werden
(Kollmann 2001b):
Die Kommunikation auf dem E-Marketplace ist hierbei fundamental abhängig von
der Gestaltung der interaktiven Kommunikationsmodule, die einfach strukturiert
und zu bedienen sein müssen (z. B. mit Hilfe von Button-down-Menüs).
In den Userforen sollte der Marktplatzbetreiber eigene Beiträge der Mitglieder an-
regen. Dazu animiert er die Mitglieder, eigene Vorschläge zu unterbreiten oder Dis-
kussionsbeiträge zu formulieren Dabei kann vermutet werden, dass die Effektivität
der Kommunikation umso höher ausfällt, je persönlicher sich die Themenfelder für
die Marktplatzteilnehmer darstellen.
Ein bedeutender Punkt ist in diesem Kontext ebenfalls der Abbau von Nutzungswiderstän-
den, die einen Gebrauch der interaktiven Kommunikationsmodule verhindern. Nach den
Ergebnissen einer empirischen Untersuchung (Kollmann 1998a, S. 274.) zu innovativen
Das Marketing beim elektronischen Handel 617
4.4.2.2 Online-Loyalitätsstrategien
Im Rahmen von Online-Loyalitätsstrategien für elektronische Marktplätze muss die
Rückkehr der Anwender zu der Plattform sichergestellt werden. Die Attraktivität des
E-Marketplace hängt von der ständigen Inanspruchnahme durch die Mitglieder ab, damit
immer wieder ein Matching stattfinden kann. Daher muss der Marktplatzbetreiber dafür
618 Die Grundlagen des E-Marketplace
Sorge tragen, dass dem Marktplatzbesucher nach dem Verlassen der elektronischen Ge-
meinschaft die Vorteile seines Besuches in Erinnerung bleiben, sodass der Besucher bei
Bedarf zuerst wieder diesen Marktplatz kontaktiert. Diese Bindung ist in erster Linie davon
abhängig, wie erfolgreich die elektronische Vermittlungsleistung in eine reale Transaktion
umgesetzt werden konnte. Dieser Aspekt betrifft insbesondere die Vertrauensbildung in
den Marktplatzbetreiber. Es ist nicht so sehr die technologische Innovation einer Internet-
basierten Vermittlung die zählt, sondern das Vertrauen in die Richtigkeit der dort vom
Vermittler abstrahierten Informationen (sachlicher Bindungscharakter; Kollmann 2001b,
S. 113). Zusätzlich kann der Marktplatzbetreiber gezielte Bindungsmaßnahmen einset-
zen, die auf den dauerhaften Anschluss der Teilnehmer an den Marktplatz zielen (Koll-
mann 2001b, S. 109 ff.):
Ferner sollte zusätzlich die Kommunikation zwischen den Mitgliedern vom Markt-
platzbetreiber unterstützt werden (z. B. Chats, Foren), damit es über den Transakti-
onsfokus hinaus einen Anreiz gibt, den Marktplatz zu besuchen.
Eine weitere Möglichkeit ist die Einführung von Partnerprogrammen, bei denen
Marktplatzteilnehmer neue Mitglieder werben können. Für die erfolgreiche Einwer-
bung können dann Vergünstigungen für die Inanspruchnahme der Leistungen eines
Marktplatzes gewährt werden.
Zugangs-/
Teilnehmerzahlen
Mitglieder
Bindungs-
2 1
effekt
Spezifitäts- Bindungswirkung
effekt
Optimale Heterogenität
Themenspezifität der Inhalte
Problematisch gerade auf den Aspekt „Beziehungsbereich“ und die zugehörige Kommu-
nikation der Marktplatzteilnehmer über Foren, Chats usw. ist hinsichtlich der langfristigen
Bindung von Anbietern und Nachfragern an einen Marktplatz das Konzept der heteroge-
620 Die Grundlagen des E-Marketplace
nitätsabhängigen Bindungswirkung (s. Abb. 227). Bei diesem Konzept wird davon aus-
gegangen, dass bei einer marktplatzbezogenen Kommunikationsplattform eine entgegen-
gesetzte Tendenz zwischen der Auswirkung der Heterogenität der Themenbereiche auf die
Zugangszahlen neuer Mitglieder und der Bindungswirkung hinsichtlich aller Teilnehmer
besteht. Die Anzahl an neuen Teilnehmern wird mit der Aufnahme neuer Diskussionsthe-
men z. B. in einem Marktplatzforum ansteigen, da neue Interessengebiete angesprochen
werden. Gleichzeitig besteht jedoch ein negativer Zusammenhang zwischen der Anzahl
heterogener Themenbereiche auf ein und demselben Marktplatz und der Bindungswir-
kung. Hervorgerufen wird dieser negative Zusammenhang durch eine geringer werdende
Spezifität der Informationen aufgrund der Verteilung der Informationsaktivitäten der Teil-
nehmer auf mehrere Themenfelder (z. B. bei entgegengesetzten Themen wie Autos und
Babywindeln). Aus dem Schnittpunkt dieser beiden Tendenzen ergibt sich die optimale
Themenspezifität einer Plattform, bei der die vorhandenen Teilnehmer mit hoher Wahr-
scheinlichkeit auch gebunden werden. Nur über die Bindung von Mitgliedern an die elekt-
ronische Plattform kann ein langfristiger Erfolg sichergestellt werden.
Zur Steigerung der Teilnehmerzahlen im Rahmen einer marktplatzbezogenen Kommu-
nikationsplattform und der damit in Zusammenhang stehenden Verbundwirkung eröffnen
sich dem Marktplatzbetreiber zwei Wege. Zum einen kann er versuchen, mit neuen The-
menfeldern im Marktplatzforum unmittelbar ergänzende Interessen zu den bereits vor-
handenen Bereichen abzudecken (z. B. Kinderwagen und Babywindeln). Hierdurch wird
sowohl ein Bindungseffekt für die bereits vorhandenen Teilnehmer erreicht als auch neue
Teilnehmer angelockt. Grafisch führt dies in Abb. 227 zu einer Rechtsverschiebung der
Bindungswirkungskurve, wodurch ein neues Optimum (Punkt 1) erreicht wird. Zum an-
deren kann er bereits vorhandene Themenfelder schließen und sich auf bestimmte Themen-
gebiete konzentrieren, womit der Heterogenitätsgrad gesenkt wird. Dies hat zur Folge, dass
das Informations-Know How auf weniger Themen gebündelt wird, wodurch über diesen
Spezialisierungseffekt eine Linksverschiebung der Mitgliederkurve erreicht wird, da die
Spezialisierung den Wert der vorhandenen Informationen erhöht und hierdurch neue Teil-
nehmer angelockt werden. Gleichzeitig wird über das Angebot spezifischerer Informatio-
nen eine höhere Bindungswirkung erreicht. Das Optimum verschiebt sich erneut (Punkt 2).
In beiden Varianten werden mehr Mitglieder gebunden, was letztendlich zum Aufbau von
Wettbewerbsschranken führt.
Basierend auf der Loyalitätswirkung können abschließend auch Einnahmeeffekte auf-
gebaut werden. Während zu Beginn der Entwicklung eines E-Marketplace die Nutzung
kostenlos angeboten werden sollte (Überwindung des kritischen Kostenpunktes; s. Kapitel
4.2.1.1), kann in späteren Lebensphasen des Marktplatzes, wenn der kritische Leistungs-
punkt überwunden wurde, über wirtschaftliche Erträge aus dem Matching-Prozess bzw.
weiterer Serviceleistungen nachgedacht werden. Vor diesem Hintergrund treten aus öko-
nomischer Sicht zu den bisherigen Ausführungen noch die Möglichkeiten der Einnahmen-
gestaltung (z. B. Mitglieder-, Nutzungs- und Transaktionsgebühren) für den Marktplatz-
betreiber hinzu. Zentral für diese Ausgestaltung der Einnahmeseite ist das Konzept der
zunehmenden Erträge (Hagel/Armstrong 1998, S. 57 ff.). Das Konzept der zunehmenden
Das Marketing beim elektronischen Handel 621
Erträge besagt, dass sich summierende und verstärkende Effekte zu einem plötzlich star-
ken Anstieg von den bis hierhin nur gering steigenden Ertragszuwächsen führen. Begrün-
det wird dieser Verlauf der Ertragszuwächse mit empirischen Beobachtungen amerikani-
scher Unternehmen (z. B. Microsoft oder Federal Express), die Jahre brauchten, um über
die virtuelle Handelsebene signifikante Erträge zu erwirtschaften. Dies bedeutet, dass die
Anfangsinvestitionen mit einer hohen Unsicherheit bezüglich der Amortisationsdauer ge-
tätigt werden müssen, da mit einer Ertragsverzögerung zu rechnen ist. Der Grund für die
Ertragsverzögerung und für den plötzlichen starken Anstieg der Ertragszuwächse liegt in
den hohen Anfangskosten für die Anschaffung der benötigten Technologien einerseits und
den geringen Betriebskosten elektronischer Informationssysteme im weiteren Verlauf an-
dererseits. Ferner ist vor diesem Hintergrund zu unterstellen, dass diese Effekte eben dann
eintreten, wenn der doppelte kritische Masse- und Leistungspunkt erreicht wurde (s.
Kapitel 4.2.1.2) und von einem Loyalitätseffekt ausgegangen werden kann.
4.4.2.3 Online-Bewertungssysteme
Ein von Beginn an geplantes Vertrauensmanagement ist für einen E-Marketplace insofern
von Bedeutung, da das Vertrauen der Transaktionspartner an sich eine Voraussetzung für
den elektronischen Handel darstellt (Kollmann 2003b; Kollmann/Herr 2005; Garbarino/
Johnson 1999, S. 71). Speziell innerhalb der Digitalen Wirtschaft kommt es aufgrund des
Datenaustausches über elektronische Netzwerke nicht mehr zu einem persönlichen Kon-
takt zwischen den Geschäftspartnern. Ferner ist aufgrund des somit stattfindenden elektro-
nischen Distanzhandels eine reale Überprüfung des Angebots nicht möglich. Dies gilt für
die Plattform E-Marketplace insbesondere dann, wenn reale Güter Gegenstand des Aus-
tauschprozesses sind. Der Faktor „Vertrauen“ hilft dieses Defizit auszugleichen, indem
er die Komplexität des Handelns verringert (z. B. bei Informationssuche und -überprüfung)
und das persönlich wahrgenommen Risiko reduziert (Luhmann 2014). Insofern ist das
Vertrauen als ein essentieller Bestandteil für den Aufbau einer erfolgreichen (Geschäfts-
)Beziehung zu sehen, wobei die Bereitschaft, sich auf die nicht opportunistische Verhal-
tensweise eines Verhandlungs- bzw. Vertragspartner zu verlassen, im Vordergrund steht
(Rezaei/Jayashree/Fouladivanda 2016, S. 1749; Morgan/Hunt 1994, S. 23; Moorman/
Deshpandé/Zaltman 1993; Weiber/Egner-Duppich 2006).
Da sich die Marktplatzteilnehmer der Richtigkeit der elektronischen Beschreibung der ge-
handelten Objekte in der Regel nicht vergewissern können, müssen Marktplatzbetreiber
Instrumente entwickeln, die das für Transaktion benötigte Vertrauen in die potenziellen
Handelspartner und ihre angebotenen Objekte generieren. In der Praxis werden dazu häufig
sog. Online-Bewertungssysteme eingesetzt (Kielholz 2008, S. 147 f.) Diese Funktion der
After-Sales-Phase (s. Kapitel 4.2.2.4) ermöglicht Rückschlüsse auf das Verhalten der
Marktplatzteilnehmer basierend auf Erfahrungswerten anderer Teilnehmer. Positive wie
negative Bewertungen wirken sich auf die Reputation des Marktteilnehmers aus und
schaffen ein zusätzliches Maß an Transparenz (Einwiller 2003, S. 11). Die Funktions-
weise von Online-Bewertungssystemen kann wie folgt skizziert werden: Nach jeder ab-
622 Die Grundlagen des E-Marketplace
Dabei ist festzuhalten, dass positive Beurteilungen dann abgegeben werden, wenn die ge-
samte Transaktion zufriedenstellend verlaufen ist. Neutrale Beurteilungen resultieren aus
einem suboptimalen Transaktionsverlauf (z. B. im Falle von langer Wartezeit auf Objekt
Das Marketing beim elektronischen Handel 623
oder Zahlung). Selbst ernsthafte Probleme wie z. B. ein Defekt der Ware müssen nicht zu
einer negativen Beurteilung führen, falls in der After-Sales-Phase (s. Kapitel 4.2. 2.4) z. B.
die defekte Ware zurückgenommen, repariert oder gegen ein funktionstüchtiges Äquiva-
lent ausgetauscht wird. Negative Beurteilungen führen zu einem bedeutenden Akzep-
tanzverlust des Marktplatzteilnehmers und sind dann angemessen, wenn das Geschäft ein-
seitig scheitert und der Handelspartner keine Einsicht oder Kompromissbereitschaft zeigt.
Zusätzlich zu der Beurteilung kann in vielen Fällen (z. B. beim E-Marketplace ebay.de, s.
Abb. 228) ein erklärender Kommentar abgegeben werden, der das Zustandekommen der
Beurteilung begründet. Der Kommentar sollte eine sachliche Erklärung der Beurteilung
enthalten, um Aufschluss darüber zu geben, wie in Zukunft mit dem Teilnehmer zu ver-
fahren ist.
Die meisten Bewertungssysteme bieten dem bewerteten Teilnehmer die Möglichkeit, eine
Stellungnahme zu der Beurteilung abzugeben, die dann bei jedem Aufruf ebenfalls ange-
zeigt wird. Auf diese Weise können Beurteilungen erklärt oder – bei subjektiv anderer Ein-
schätzung – in ein besseres Licht gerückt werden. Der Marktplatzbetreiber hat auf Bitten
eines Teilnehmers ebenfalls die Möglichkeit, grundlose oder übertriebene Bewertungen
zu entfernen. Komplettiert werden Beurteilungen durch Angaben zu dem Teilnehmer, der
die Bewertung abgegeben hat sowie einer Verlinkung mit dem ursprünglichen Angebot
(z. B. eingestellter Artikel). Bei der Bewertung von Handelspartnern ist zu berücksichti-
gen, dass einmal eingestellte Beiträge dauerhaft gespeichert werden und für alle Teilneh-
mer sichtbar sind. Daher sind bei der Bewertung Richtlinien einzuhalten, die mitunter auf
einer rechtlichen Grundlage basieren. In der Regel verboten sind z. B. persönliche Belei-
digungen, Verleumdungen oder Übertreibungen. Darüber hinaus dürfen sich Bewertungen
vor diesem Hintergrund ausschließlich auf die jeweilige Transaktion beziehen. Der
Marktplatzbetreiber ist dazu angehalten, derartige Bewertungsrichtlinien marktplatzspe-
zifisch vor diesem Hintergrund zu erlassen, zu verkünden und insbesondere konsequent
durchzusetzen.
Die einzelnen Bewertungen werden in dem Bewertungsprofil des Teilnehmers tabella-
risch wiedergegeben (s. Abb. 228). Für potenzielle Handelspartner bieten diese Profile so-
mit eine Reihe wichtiger Informationen. Über die einzelne Bewertung hinaus lassen sich
bspw. die Mindestanzahl der Geschäfte bzw. Geschäftspartner sowie die Transaktions-
qualität in der zeitlichen Entwicklung ablesen. Die Betrachtung des Bewertungsprofils
gibt somit wichtige Indizien dafür, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Geschäft rei-
bungslos funktionieren wird und welche Probleme bei der Abwicklung vorherzusehen
sind. Als Beispiel kann der E-Marketplace ebay.de herangezogen werden, der ein sehr dif-
ferenziertes Online-Bewertungssystem einsetzt, und bestimmte Funktionalitäten, die auf
einem Vertrauensverhältnis beruhen, erst bei einer Mindestanzahl an positiven bzw. einem
Mindestverhältnis zwischen positiven und nicht-positiven Bewertungen für den jeweiligen
Benutzer freischaltet.
624 Die Grundlagen des E-Marketplace
Welche Phasen lassen sich für die Projektumsetzung erkennen und welche Personen
sind an der Implementierung eines E-Marketplace-Systems beteiligt?
Welche Aspekte sind bei der Projektumsetzung zu beachten und wie kann eine E-
Marketplace-Lösung letztendlich aussehen?
Die Komplexität von Projekten im elektronischen Handel steigt mit den mit der Imple-
mentierung verbundenen Zielen. Dies ist schon bei der Projektplanung zu berücksichti-
gen. Bevor mit der Implementierung des E-Marketplace begonnen werden kann, müssen
daher zuerst Zielsetzung und Strategien der Einführung festgelegt werden (Schneider/
Schnetkamp 2000, S. 225). Der Schnelllebigkeit der Digitalen Wirtschaft mit ihren sich
Die Implementierung beim elektronischen Handel 625
4.5.1.1 Erfolgsfaktoren
Neben der aus den Aspekten Information, Kommunikation und Transaktion zusammen-
gesetzten Grundleistung der elektronischen Marktplätze kann in der Praxis beobachtet
werden, dass sich diese Marktplätze in ihrer dahinter liegenden Architektur in der Regel
aus den gleichen Grundbausteinen für das operative Geschäft zusammensetzen, die vor
diesem Hintergrund somit ebenfalls als Erfolgsfaktoren des E-Marketplace zu betrachten
sind (Kollmann 2001b, S. 91 f.; s. Abb. 229). Dabei ist zu beachten, dass hinsichtlich der
Ausprägung nicht immer „je mehr, desto besser“ gilt (Kollmann/Herr/Kuckertz 2008; Koll-
mann/Herr/Kuckertz 2010), vielmehr gilt es in vielen Bereichen das für das jeweilige Un-
ternehmen ideale Maß zu finden. Folgende fünf Erfolgsfaktoren sind dabei zu unterschei-
den:
Stage) als sog. Seed Capital oder dem Venture Capital Bereich (2. Finanzierungs-
runde oder Expand Stage) als sog. Pre-IPO Capital zur Verfügung gestellt (Kollmann
2019; Kuckertz 2006; Middelberg 2013).
Technologie: Neben dem Kapital wird die technologische Plattform benötigt, auf der
die Grundleistung des E-Marketplace funktionieren soll. Hierzu gehören neben dem
Datenbanksystem (z. B. Oracle) auch Server und entsprechende Schnittstellen (s. Ka-
pitel 4.1.1.1). Darüber hinaus spielt die Trading-Software, die für ein Matching von
Angebot und Nachfrage sorgen soll, eine besondere Rolle.
Content: Der Content ist dafür verantwortlich, dass interessante Informationen rund
um das Handelsgeschehen vorhanden sind. Dabei können die Informationen über eine
eigene Redaktion selbst produziert oder die entsprechenden Nachrichten, Mitteilungen
bzw. Stories von externen Dienstleistern erworben werden. Über ein Content Manage-
ment System (CMS) werden die Inhalte verwaltet und an den entsprechenden Stellen
im Webangebot platziert.
4.5.1.2 Strukturanalyse
Die Geschäftsmodelle des elektronischen Handels werden in der Realität von den jeweili-
gen Marktplatzbetreibern mit mehr oder minder großem wirtschaftlichen Erfolg betrieben.
Einige der mit vielen Erwartungen verbundenen elektronischen Marktplätze sind bereits
wieder verschwunden oder aber die ursprüngliche Geschäftsidee musste modifiziert wer-
den, damit der Marktplatzbetreiber überhaupt wirtschaftlich bestehen kann. Der erfolg-
Die Implementierung beim elektronischen Handel 627
reiche Aufbau des E-Marketplace hängt deshalb davon ab, ob der Marktplatzbetreiber
über die entsprechenden Voraussetzungen verfügt und ob die äußeren Rahmenbedin-
gungen für eine derartige transaktionsvermittelnde Institution überhaupt vorhanden sind.
Während Aussagen über das Vorliegen einer entsprechenden unternehmerischen Qualifi-
kation nur nach einer Einzelfallprüfung möglich sind, wird dieser Aspekt an dieser Stelle
nicht weiterverfolgt. Im Gegensatz dazu können allerdings in allgemeiner Form die Be-
dingungen angeführt werden, die erfüllt sein müssen, damit überhaupt ein tragfähiger
E-Marketplace entstehen kann. Hinsichtlich einer strukturellen Analyse gelten folgende
allgemeine Voraussetzungen für die Entwicklung eines erfolgreichen E-Marketplace
(Kollmann 2001b, S. 89):
Fragmentierung: Ein hoher Grad der Fragmentierung innerhalb einer Branche be-
günstigt die Akzeptanz der Koordination/Vermittlung über einen zentralen E-Market-
place. Sind viele Anbieter und viele Nachfrager in einer Branche vorhanden, kann der
Marktplatzbetreiber kostengünstiger und schneller ein hochqualitatives Matching an-
bieten, als es den Marktparteien ohne dessen Hilfe möglich wäre. So kann der Markt-
platzbetreiber bspw. das Gesuch eines Nachfragers zeitgleich über alle Offerten eines
jeden Anbieters hinweg matchen. Ohne E-Marketplace müssten die Angebote von
dem Nachfrager selbst einzeln eingeholt und geprüft werden, was mit sehr hohen
(Opportunitäts-)Kosten verbunden ist (s. Kapitel 4.2.1.1).
Content Marketing
Das Management-Team
muss E-Business- und
branchenspezifische
Kompetenzen vereinen
Technologie Kapital
Online-Durchdringung: Die Akzeptanz für einen E-Marketplace steigt mit dem Grad
der Online-Durchdringung der Branche. Sind die Unternehmen „E-fähig“ und die Ge-
schäftsprozesse elektronisch gestützt, kann der E-Marketplace über einfach zu imple-
mentierende Schnittstellen in das Handelsgeschehen eingebunden werden (s. Kapitel
4.1.1.1).
Diese strukturellen Voraussetzungen lassen sich in die drei Kategorien Branche, Pro-
zesse und Objekte einteilen, die es bei der Analyse zu berücksichtigen gilt. Abb. 230
gibt vor diesem Hintergrund zusammenfassend einen Überblick über die Probleme, die in
einer Branche auftreten können und im Besten Fall durch einen E-Marketplace gelöst wer-
den können.
Die Implementierung beim elektronischen Handel 629
Branche
Objekte
4.5.1.3 Marktanalyse
Im Rahmen der Marktanalyse spielt die Identifikation der relevanten Marktzone vor dem
Hintergrund der branchenspezifischen Anforderungen, Risiken und Gewinnpotenzialen für
den wirtschaftlichen Erfolg des E-Marketplace eine elementare und richtungweisende Be-
deutung. Der Prozess der Auswahl des Marktes, in der ein Betreiber seinen E-Marketplace
etablieren möchte, die sog. Zielmarktanalyse, konzentriert sich im Kern auf drei Stufen
(s. Abb. 231; Wohlenberg/Krause 1999):
Marktumfeld: Auf der ersten Stufe gilt es zunächst die Frage zu klären, ob es in der
anvisierten Branche überhaupt zu den in Kapitel 4.5.1.2 beschriebenen Problemfeldern
kommt, die durch elektronische Marktplätze gelöst werden können (sog. Pain Points).
So ist bspw. die Möbelbranche durch ihre mittelständische Prägung mit Sicherheit frag-
mentiert und intransparent, aber die Durchdringung des Internets in diesem Bereich
(auch B2B) liegt gerade einmal bei 20 %. Hierdurch wird der Einsatz eines Markt-
platzes fraglich.
Wettbewerbsumfeld: Auf der zweiten Stufe sollte sich der Betreiber über die Markt-
eintrittsschranken Gedanken machen: Existieren bereits dominante Wettbewerber mit
ausreichender Liquidität? Sind bereits starke Intermediäre in der realen Welt am Markt,
die demnächst in die elektronische Ebene eintreten werden oder wird ein neuer Inter-
mediär von der Branche als positiv angesehen?
Profitpotenzial: Auf der dritten Stufe gilt es, die wirtschaftliche Ertragssituation ab-
zuschätzen. Wie hoch ist das Transaktionsvolumen? Ist der Markt groß genug, um
630 Die Grundlagen des E-Marketplace
mehrere Marktplätze zu verkraften? Wie hoch ist das Potenzial für die Vermittlungs-
leistung des Marktplatzes? Man kann davon ausgehen, dass der anvisierte Markt ein
gewisses Handelsvolumen aufweisen sollte, damit E-Marketplace mit einem einstelli-
gen Marktanteil überleben kann. Entsprechende Branchen sind bspw. die Elektroin-
dustrie, IuK-Technik, Chemie, Lebensmittel, Transport, Landwirtschaft, Laborpro-
dukte, Fotoindustrie, Plastik, Baubranche oder Schifffahrt/Boote.
Pain
Points
Eintritts-
schranken
Profit-
potenzial
• Ausmaß der • Dominanz von
Fragmentierung Wettbewerbern • Größe des Marktes
• Ausmaß der • vorhandene Markt- • Transaktionsvolumen
Intransparenz plätze mit hoher
• Möglichkeit für Relevante
Liquidität
• Ineffizienzen beherrschende Marktzone
– Transaktion • vorhandene reale Stellung
– Preisfindung Intermediäre • Chance für weitere
– Wert- Marktplätze
schöpfungs- • Marktakzeptanz
kette neuer Intermediärer
Erst wenn die Zielmarktanalyse positiv durchlaufen wurde, ist eine relevante Marktzone
identifiziert und es erscheint sinnvoll, darüber nachzudenken, einen E-Marketplace anzu-
bieten. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich bei der Digitalen Wirtschaft um eine
hochdynamische Branche handelt (s. Kapitel 1), sodass eine einmal identifizierte interes-
sante Marktzone nach einer gewissen Zeit wieder verschwunden oder bereits durch einen
Wettbewerber besetzt sein kann. Abb. 231 stellt den Analyseprozess insbesondere die
sukzessive Reduktion der in Frage kommenden Marktzone abschließend anschaulich dar.
4.5.1.4 Teilnehmeranalyse
Innerhalb des Implementierungsprozesses eines E-Marketplace bildet die Analyse der zu-
künftigen Teilnehmer der Plattform einen weiteren elementaren Bestanteil der Projektpla-
nung. Für elektronische Marktplätze sind aufgrund der bilateralen Ausrichtung der Kun-
denorientierung im Rahmen der Teilnehmeranalyse somit zwei Analysen durchzuführen:
Die Implementierung beim elektronischen Handel 631
Anbieter- und Nachfrageranalyse. Auch wenn sich diese Betrachtungen auf zwei Markt-
parteien mit divergierenden Interessen beziehen (s. Kapitel 4.3.2), können beiden Analy-
sen doch grundsätzlich gleiche Kriteriengruppen zugrunde gelegt werden (s. Abb. 232):
E-Marketplace-
Eignung
Soft-Facts: Ebenfalls sollte der Marktplatzbetreiber sog. „weiche Faktoren“, also nicht
bzw. nicht objektiv quantifizierbare Größen, die Einfluss auf den Erfolg haben, wie
bspw. soziale und psychologische Komponenten, in seine Analyse einbeziehen. So
kann z. B. ein großes Commitment bzw. Engagement hinsichtlich der Marktplatz-
partizipation Defizite in den beiden anderen Bereichen wettmachen (Dolmetsch 2000).
Ebenso kann eine positive Beziehung zwischen Marktplatzbetreiber und Kunden zu
einer dauerhaften Marktplatzbindung führen.
632 Die Grundlagen des E-Marketplace
Abb. 232 gibt einen Überblick über Kriterien, die bei der Anbieter- und Nachfragerana-
lyse berücksichtigt werden sollten. Die konkrete Ausgestaltung der Analyse sollte jedoch
unbedingt in Abhängigkeit der Branche und des Geschäftsmodells individuell geplant wer-
den.
4.5.1.5 Matchinganalyse
Wenn die Zielmarktanalyse zu einem positiven Ergebnis geführt hat, d. h. die betreffende
Branche eine wirtschaftlich ausreichend relevante Marktzone (s. Kapitel 4.5.1.3) für den
Betrieb eines E-Marketplace eröffnet und die Marktplatzteilnehmer sich als geeignet her-
ausgestellt haben (s. Kapitel 4.5.1.4), dann kann über die konkrete Ausgestaltung des
Matchings und der begleitenden Prozesse nachgedacht werden. Unabhängig von dem spe-
ziellen Angebot für die jeweilige Branche und der Ausgestaltung im Einzelfall können
grundsätzlich drei Kernangebote identifiziert werden: Information, Kommunikation und
Transaktion (Kollmann 2001b; Kollmann 2019).
gestalten und die Funktion, die der Marktplatz übernimmt, muss problemlos in die bishe-
rigen Abläufe integriert werden können. Ein deutlicher Unterschied zu den Altstrukturen
besteht häufig in der Substitution der bipolaren Lieferanten-Kunden-Beziehung durch eine
tripolare Struktur zwischen Anbieter, Nachfrager und elektronische Marktplatzbetreiber.
Mit den identifizierten und analysierten Geschäftsprozessen als Ausgangspunkt wird dann
in einem zweiten Schritt ein neues Prozessdesign geschaffen (s. Abb. 233). Der Markt-
platzbetreiber muss bei der Prozessanpassung Widerstände des Wandels erkennen und
ihnen adäquat begegnen (Hungenberg 2014, S. 359 ff.; Hellriegel/Slocum 2007). Diese
Widerstände fußen im Wesentlichen auf dem Bedürfnis nach Kontinuität, Identität und
Sicherheit seitens der Kunden. In diesem Kontext wird auch von einem organisatori-
schen Konservatismus gesprochen, der verhindert, dass Veränderungen in der intendier-
ten Art und Weise bzw. Geschwindigkeit vonstattengehen und somit den Aufbau des
E-Marketplace als Intermediär zwischen Anbieter- und Nachfragerseite beeinträchtigen
und im Extremfall verändern (Kieser/Hegele 1998, S. 120 ff.).
Information Information
Kommunikation 1. Objekteinstellung 2. Objektsuche Kommunikation
E-
Marketplace 3. Ergebnisse
Abb. 234 zeigt anhand eines fiktiven Beispiels das Matchingdesign eines katalogbasier-
ten E-Marketplace als Intermediär zwischen Herstellern und Händlern in der Möbelbran-
che. Das Geschäftskonzept des E-Marketplace ist so gestaltet, dass die Anbieter ihre Pro-
dukte über den eigenen Shop auf dem Marktplatz einstellen. Der Nachfrager kann mittels
eines einheitlichen Thesaurus dann selbständig und übergreifend nach seinen Wunschpro-
dukten suchen oder sich vom Marktplatzbetreiber beraten bzw. sich Vorschläge unterbrei-
ten lassen. War die Objektsuche erfolgreich und wurden die Suchergebnisse angezeigt, kann
nach einer Auswahl eine Anfrage hinsichtlich der Verfügbarkeit und der Preisvorstellung
an den Anbieter erfolgen. Ist hierbei eine persönliche Begutachtung des Objektes er-
Die Implementierung beim elektronischen Handel 635
wünscht, so kann ferner die Versendung eines Musterexemplars an den Nachfrager erfol-
gen. Die hierfür anfallenden Kosten für den Nachfrager können bei der nachfolgenden
Transaktion angerechnet werden. Ist die Entscheidung gefallen und die Ware real geprüft,
kann nach einer abschließenden Verhandlung über die Konditionen die Bestellung online
erfolgen. Entsprechend erfolgen die Lieferung und die Bezahlung der Ware.
4.5.1.6 Projektorganisation
Die Einführung eines E-Marketplace-Systems stellt vor dem Hintergrund der bisherigen
Ausführungen hohe Anforderungen an die Projektorganisation, da ein breites Wissens-
spektrum aus dem E-Business-Bereich und branchenspezifischem Know-How notwendig
ist. Daher spielt die Zusammensetzung des Projektteams eine besondere Rolle. Hier muss
sichergestellt werden, dass die für die erfolgreiche Implementierung nötigen Ressourcen
und Fähigkeiten verfügbar sind. Denn nur, wenn Branchen-Know-How und E-Commerce
-Fähigkeiten optimal aufeinander abgestimmt sind, kann eine gute Idee erfolgreich in
der betreffenden Branche umgesetzt werden (s. Kapitel 4.5.1.1; Kollmann 2001b, S. 91).
Das Projektteam muss daher nicht nur über herausragende Kompetenzen im Bereich der
elektronischen Marktplätze verfügen, sondern ebenfalls über branchenspezifisches Wis-
sen (s. Abb. 235). In der Praxis kann daher oft beobachtet werden, dass sich etablierte
Branchenkenner mit langjähriger Berufserfahrung und junge Unternehmer aus dem E-Bu-
siness-Umfeld zusammenschließen, um eine E-Marketplace-Initiative zu starten. Ferner
stellt die Zusammenstellung des Teams aufgrund der in der Regel geringen finanziellen
Ressourcen eine besondere Herausforderung dar (Kollmann/Kuckertz/Lomberg 2007). Die
Einführung eines E-Marketplace ist sehr komplex und das zugehörige Wissen bewegt
sich im Spannungsfeld von Informatik, Wirtschaftsinformatik, Betriebswirtschaftslehre
und Entrepreneurship. Die Kompetenzen des Projektteams müssen folglich in allen drei
Bereichen von entsprechendem Niveau sein. Dazu zählen bspw. die folgenden drei As-
pekte (Kollmann 2019):
Informatik: Die technologische Seite des E-Business erfordert ein fundiertes Wissen
über Internet-Standards und -Technologien, Datenbanken, Programmierung und inter-
netbasierte Software-Architekturen (s. Kapitel 4.1).
Projektteam-
Kompetenzen
E-Commerce-Know-How Branchen-Know-How
um gegen den Wettbewerb bestehen zu können um attraktive Angebote für die Branche anzubieten
Die Zusammenstellung des Projektteams muss gewährleisten, dass diese für die erfolgrei-
che Implementierung notwendigen Kompetenzen verfügbar sind. Vor diesem Hintergrund
ergeben sich die nachfolgenden Rollen innerhalb des Kern-Projektteams:
Nicht jede Rolle muss zwangsläufig von genau einer Person besetzt werden – eine Person
kann multiple Rollen einnehmen, genauso wie eine Rolle durch mehrere Personen vertreten
werden kann. Wenn das Kernteam maßgeblich die Stoßrichtung bestimmt und entschei-
Die Implementierung beim elektronischen Handel 637
dend zu Erfolg oder Misserfolg beiträgt, kann es die Gesamtaufgabe nur mit Unterstützung
lösen. Zu den Unterstützungsstellen, die sich eher durch einen operativen Charakter aus-
zeichnen, gehören Programmierer, Datenbankspezialisten, Content-Manager, Business-
Analysten etc. Ihre Anzahl sowie die konkrete Ausgestaltung dieser Stellen hängen maß-
geblich von unternehmenspezifischen Faktoren, wie bspw. Unternehmensgröße, Budget,
individuelle Fähigkeiten etc. ab (Wieczorrek/Mertens 2011, S. 43 f.).
Bevor das Projektteam mit der tatsächlichen Realisierung des E-Marketplace beginnen
kann, müssen die Bedingungen der Implementierung im Zuge des Projektdesigns abge-
steckt werden. Erst wenn diese klar definiert sind, kann das Projekt Gestalt annehmen.
Die Rahmenbedingungen gelten nicht nur als Orientierungshilfe während der Projek-
tumsetzung, sondern dienen schon vor Projektbeginn zur Einschätzung der Realisierbar-
keit und der Restriktionen. Aufgrund der Besonderheiten einer Marketplace-Initiative
innerhalb des Anwendungsfeldes Digitale Wirtschaft (hoher Innovationsgrad, dynami-
sches und unsicheres Umfeld; Kollmann 2019; Schneider/Schnetkamp 2000), den zu re-
alisierenden „First-Mover-Advantages“ (Kollmann 2019; Boersch/Elschen 2002) und der
in der Digitalen Wirtschaft weit verbreitenden Annahme, dass ein Internetjahr mindestens
vier Kalenderjahren entspricht, empfiehlt sich in Anlehnung an Wohlenberg/Krause
(1999) ein iteratives Implementierungsdesign für elektronische Marktplätze. Das Imple-
mentierungsziel ist dabei nicht in erster Linie die Kreation einer „perfekten“ Marktplatz-
lösung, sondern ein möglichst schneller erster Going Live (Produktivstart), bei dem sich
die Markplatzgründer erst einmal darauf beschränken, „nur“ die Kundenbedürfnisse zu be-
friedigen, um dann in weiteren Implementierungsdurchläufen inkrementelle Verbesserun-
gen vorzunehmen. Mit dem erstmaligen Going Live ist der Entwicklungsprozess somit
nicht abgeschlossen, vielmehr wird direkt im Anschluss ein optimiertes bzw. um weitere
Funktionen erweitertes neues Release entwickelt. Das Kundenfeedback und die in den
Transaktionen gesammelten Erfahrungen des Marktplatzbetreibers dienen als Ausgangs-
punkt für die Anpassung der Strategie sowie ggf. des Geschäftsmodells in der nächsten Ite-
ration. Durch das iterative Vorgehen wird es dem Marktplatzbetreiber möglich, seinen
Kunden immer wieder schnell eine an ihre Bedürfnisse und an den Markterfordernissen
ausgerichtete Marktplatzlösung zu präsentieren.
4.5.1.7 Projektkalkulation
Aus der Projektkalkulation soll deutlich werden, ab welcher Periode (sog. Break-even)
der E-Marketplace die Verlustphase beendet und Gewinne für möglich gehalten werden
(Schefczyk/Pankotsch 2003, S. 36). Eine langfristige Planung ist für zu implementierende
elektronische Marktplätze als unrealistisch zu betrachten, da sie sich in hochgradig dyna-
mischen Umwelten bewegen. Mindestens jedoch sollte die Planung mittelfristig mit einem
Zeithorizont von bis zu fünf Jahren erfolgen, wobei das erste Jahr in der Regel unterjährig
geplant wird, während darauf folgende Jahre jahresweise geplant werden können. Die un-
terjährige Planung sollte monatsweise erfolgen; in einigen Fällen kann es durchaus sinnvoll
sein, die Planungsintervalle zumindest für den internen Gebrauch noch kürzer zu fassen,
638 Die Grundlagen des E-Marketplace
um die Liquidität des Unternehmens auch wirklich sicherzustellen (Kollmann 2019). Für
die Projektkalkulation sind die Einnahmen und Kosten des E-Marketplace zu analysieren.
Die Einnahmenseite beinhaltet vor diesem Hintergrund die Summe aller Umsätze in den
unterschiedlichen Kundensegmenten eines Unternehmens, die sich jeweils aus dem Pro-
dukt, der Kundenanzahl des Segmentes, den abgesetzten Produkten/Services je Kunde und
dem erzielten Preis für das Angebot errechnen. Die Kostenseite beinhaltet dagegen die
Summe aller Aufwendungen in den unterschiedlichen Unternehmensbereichen (z. B. Per-
sonal, Marketing). Aus einer Gegenüberstellung von Einnahmen- und Kostenseite kann
dann der Gewinn bzw. Verlust errechnet werden.
Um dies zu veranschaulichen, soll im Folgenden anhand des konkreten aber fiktiven Fall-
beispiels „amcorati.com“ die Entwicklung eines Unternehmens bis zur Erreichung des
Break-even nachvollzogen werden (Kollmann 2001b, S. 155 ff.). Es handelt sich dabei
um einen E-Marketplace für den Handel von Ergänzungssortimenten (z. B. Porzellan, Ke-
ramik/Hausrat, Garten- und Balkonmöbel, Wohnraumleuchten und Accessoires) in der
Möbelbranche (Kollmann 2001b). Vor diesem Hintergrund möchte amcorati.com einen
E-Marketplace im B2B-Bereich anbieten. Diese Plattform soll die Möglichkeit zur Infor-
mation, Kommunikation und Transaktion in diesem Bereich bieten (Commerce, Context,
Communication und Connection). Dabei will amcorati.com die Hersteller dieser Produkte,
die überwiegend aus Asien stammen, dazu bewegen, ihre Angebote mit detaillierten Be-
schreibungen in die Datenbank des Marktplatzes einzustellen. Hierdurch sollen die Pro-
duzenten die Chance bekommen, an 365 Tagen im Jahr gerade nach Europa zu verkaufen.
Der Nachfrager (Möbelhändler) soll dann in dieser Datenbank nach den gewünschten
Produkten suchen, eventuell Beratung in Anspruch nehmen und schließlich die Ware
auch bestellen. Hierdurch sollen die Möbelhändler über die zeitlich begrenzten realen
Messen hinaus die Möglichkeit bekommen, einen permanenten Marktüberblick mit Ein-
kaufsmöglichkeit zu erhalten. Als elektronischer Mehrwert wird demnach die Überblicks-,
Auswahl- und Vermittlungsfunktion (s. Kapitel 1.4.1) angeboten. Die Einnahmenseite
(s. Kapitel 1.5.2) von amcorati.com wird bestimmt durch eine Kernleistung (Vermittlung)
und eine Nebenleistung (Werbeplatzvermarktung) (s. Abb. 236). Diese elektronischen Pro-
dukte werden über ein Mischmodell aus Grundgebühr und Provision den Marktteilneh-
mern angeboten. Das Einnahmenmodell des elektronischen Marktplatzes gründet sich im
Wesentlichen auf drei Umsatzquellen (Kollmann 2001b):
Die entsprechenden Umsätze basieren nun auf Überlegungen zum Markt- und Kunden-
umfeld. Dabei wird für den E-Marketplace prognostiziert, inwieweit erstens das Internet
für die Möbelbranche überhaupt eine Rolle spielt (Online-Marktvolumen) und welcher
Anteil davon zweitens über amcorati.com abgewickelt werden soll (Online-Absatzvolu-
men). Die entsprechenden Ergebnisse und damit die Darstellung der Einnahmenseite ins-
gesamt, können Abb. 236 entnommen werden. Es wird deutlich, dass die allgemeine Ge-
schäftsentwicklung durch die Anzahl der Shops sowie die Anzahl der Besucher und de-
ren Bestellungen determiniert wird.
Die Kostenseite von amcorati.com wird im Wesentlichen durch die Kostenblöcke in den
Bereichen Personal und Marketing bestimmt (Kollmann 2001b; s. Abb. 237). Sie ma-
chen durchgängig weit über 50 % der Gesamtausgaben aus. Dies ist nicht ungewöhnlich
für einen E-Marketplace, der in der Betreuung in der Regel personalintensiver als andere
Plattformen der Digitalen Wirtschaft ist. Eine Ausnahme stellt dabei das erste Geschäfts-
jahr dar, indem die Anschaffung der technologischen Plattform für amcorati.com im Spe-
ziellen und die meisten E-Ventures im Allgemeinen einen weiteren signifikanten Aufwand
darstellt. Die hohen Kosten für die Technologie zu Beginn der Entwicklung des E-Mar-
ketplace nehmen aber in den Folgejahren deutlich ab.
Die Personalausgaben sind im gesamten Zeitverlauf sehr intensiv, was insbesondere durch
die geplante große Vertriebsmannschaft zu erklären ist. Hintergrund ist die Überlegung,
dass die Möbelhändler nur über einen direkten Kontakt für den Marktplatz zu begeistern
sind und hierüber auch die ersten Hemmschwellen zur Nutzung abgebaut werden können
(z. B. Schulung). Im Personalbereich wird ferner auf der Ebene der Geschäftsführung zu-
nächst mit einem CEO (Chief Executive Officer) und einem CTO (Chief Technology
Officer) gestartet, wobei dieses Kernteam im zweiten Jahr mit einem CFO (Chief Financial
Officer) und einem CMO (Chief Marketing Officer) erweitert wird (zu den Rollen inner-
halb eines Gründerteam s. auch Kollmann 2019). Die entsprechenden Ergebnisse und da-
mit die Darstellung der Kostenseite insgesamt können Abb. 237 entnommen werden.
In der Summe aus Einnahmen- und Kostenseite lässt sich nun das operative Ergebnis von
amcorati.com ablesen (Kollmann 2001b). Dieses ist ab dem dritten Geschäftsjahr positiv.
Im ersten Geschäftsjahr ist vor diesem Hintergrund ein Finanzbedarf von ca. 2,7 Mio. Euro
640 Die Grundlagen des E-Marketplace
Businessplan Amcorati
Businessplan Amcorati
der Phase Systemaufbau (s. Kapitel 4.5.2.3) wird daher entsprechend der im Pflichten-
heft festgehaltenen betriebswirtschaftlichen und technischen Anforderungen eine erste
lauffähige Pilotlösung für die für das Pilotprojekt ausgewählten Teilnehmer und Handels-
objekte implementiert. Dies beinhaltet die Entwicklung zusätzlicher Funktionalitäten, die
Integration bestehender Systeme, die Realisierung des Multi-Online-Kataloges und die
erstmalige Anbindung das Internet.
Kick-Off-Phase
Projekt- Projekt-
formulierung organisation
Analysephase
Strukturanalyse Marktanalyse Teilnehmeranalyse Matchinganalyse
Abgrenzung Projekt-
Ist-Prozess
Pilotprojekt kalkulation
Systemauswahl
vorläufiges Lasten
Soll-Konzept
Systemgestaltung
Integrations-
Soll-Ablauf Pflichtenheft
bedarf
Systemaufbau
Pilot-
system
Systemeinführung
System
(Launch)
In der abschließenden Phase Systemeinführung (s. Kapitel 4.5.2.4) werden die mit den
Pilotteilnehmern und den ersten Probe-Transaktionen gemachten Erfahrungen dokumen-
tiert und die sich daraus ergebenden zusätzlichen Anforderungen an die Systemlösung
nachträglich ins Pflichtenheft aufgenommen. Iterativ werden die notwendigen Änderun-
gen während der Einführungsphase implementiert. Nach dem Abschluss der eigentlichen
E-Marketplace-Implementierung rückt die Aufgabe der kontinuierlichen Systemkon-
trolle in den Fokus des Marktplatzbetreibers. Dadurch können einerseits Problembereiche
des Marktplatzsystems aufgedeckt werden. Andererseits können auf diese Weise Verbesse-
rungs- und Erweiterungspotenziale identifiziert werden, die den Wert des E-Marketplace
erhöhen (s. Kapitel 4.5.2.5).
Die Implementierung beim elektronischen Handel 645
4.5.2.1 Systemauswahl
Zu Beginn der Projektumsetzung muss im Rahmen der Systemauswahl zunächst die
Entscheidung für eines der in Kapitel 4.1.2 vorgestellten Grundmodelle internet-basierter
E-Marketplace-Lösungen getroffen werden (Anbieter-, Nachfrager- oder Makler-Modell).
Dazu lassen sich mit Hilfe der Teilnehmeranalyse (s. Kapitel 4.3.2) Handlungsempfeh-
lungen und Normstrategien ableiten. Diese sind in der Regel mit der späteren Anzahl von
Anbietern und Nachfragern bzw. des in einem Markt vorherrschenden Mächteverhältnis-
ses verknüpft und leiten sich aus den unterschiedlichen Wertbeiträgen der Grundmo-
delle ab (s. Abb. 239):
Existieren in einem Marktsegment viele Anbieter und viele Nachfrager und ist folg-
lich die Marktmacht nicht auf wenige große Anbieter oder Nachfrager konzentriert, ist
das Makler-Modell (s. Kapitel 4.1.2.3) die sinnvollste Alternative, da in diesem Um-
feld eine hohe beidseitige Fragmentierung vorliegt, bei der ein unabhängiger Makler
die Intermediationsfunktion besser als anbietende oder nachfragende Marktteilnehmer
erfüllen kann. Die Koordination/Vermittlung des Marktplatzbetreibers bringt für beide
Marktparteien in gleichem Maße Vorteile. Für die Anbieterseite wird ein neuer Absatz-
bzw. Vertriebskanal geschaffen und für die Nachfragerseite kann die Markttransparenz
erhöht werden.
In Märkten mit hoher relativer Marktmacht und -konzentration auf der Anbieterseite,
aber vielen, fragmentierten Teilnehmern auf der Nachfragerseite, können Anbieter den
in der Regel bei Marktplatzlösungen entstehenden Produkt- und Preistransparenzen
und dem resultierenden Kostendruck mit einem anbieterinduzierten Marktplatz entge-
genwirken. Anstelle von E-Marketplaces mit überwiegender Preisvergleichsfunktion
zielt das Anbieter-Modell (s. Kapitel 4.1.2.1) auf die Gestaltung von informations-
orientierten, die Produktdifferenzierung fördernde Lösungen. Aufgrund des Informa-
tionsvorsprungs über Produktangebot, -preise und -konditionen haben kooperierende
Anbieter das Potenzial, höherwertige Marktplatzlösungen mit spezifischen Zusatz-
angeboten (s. Kapitel 4.2.2.4) zu generieren als neutrale Betreiber.
In Marktsegmenten, in denen wenige Anbieter auf wenige Nachfrager treffen, erscheint die
Etablierung eines E-Marketplace wenig sinnvoll. Die strukturellen Voraussetzungen für
den Erfolg eines E-Marketplace sind nicht gegeben (s. Kapitel 4.5.1.2). Da kein Koordi-
646 Die Grundlagen des E-Marketplace
nations- bzw. Vermittlungsbedarf besteht, kann ein Marktplatz keinen Mehrwert schaffen.
An die Stelle einer Marktplatzlösung rückt in diesem Umfeld eine direkte Absprache
zwischen Anbieter und Nachfrager.
niedrig
Nachfrager-Modell Makler-Modell
hoch
Industrieanlagen,
hoch
4.5.2.2 Systemgestaltung
Die Systemgestaltung und somit die direkte Projektumsetzung beginnt mit dem konkreten
Systementwurf. Der Systementwurf (Systemdesign) hat das Ziel, sämtliche Voraussetzun-
gen für die nachfolgende Realisierung, in der die Programmierung erfolgt, zu schaffen.
Der Systementwurf umfasst (Stahlknecht/Hasenkamp 2005, S. 256):
den Funktionsentwurf, der die Funktionen beschreibt, die aus den fachlichen Anfor-
derungen hervorgehen und
Ein vollständiger, übersichtlicher und widerspruchsfreier Entwurf kann nur dann entste-
hen, wenn bei seiner Entwicklung nach einem festen Prinzip vorgegangen wird. Die beiden
Grundprinzipien sind die Top-down- und die Bottom-up-Vorgehensweise. Das bedeutet,
dass das Gesamtsystem entweder top-down schrittweise in Teilsysteme zerlegt oder bot-
tom-up schrittweise aus Teilsystemen zusammengesetzt wird. Die unterste Ebene der Teil-
systeme bilden Module, mit denen entweder die Zerlegung beendet oder die Zusammen-
setzung begonnen wird. Ein Modul repräsentiert in der Regel eine abgeschlossene Auf-
gabe (z. B. Preisverhandlung), die aus einer oder mehreren Funktionen (z. B. Abgabe
eines Preisangebots durch den Anbieter und Reaktion des Nachfragers darauf).
Aus dem Funktionsumfang der Module und ihrer Interaktionen untereinander konstatie-
ren sich das Gesamtsystem und dessen Leistungsfähigkeit. Bereits in Kapitel 4.5.1 wurde
festgehalten, dass das erste Implementierungsziel nicht unbedingt die perfekte Marktplatz-
lösung darstellt. Bezüglich der Systemgestaltung ist daher festzuhalten, dass vielmehr eine
flexible Systemlandschaft entstehen soll, die das Potenzial für Modifikationen und Er-
weiterungen in späteren Systemreleases bietet. Neben dieser grundsätzlichen Anforderung
werden aus der Analyse der Branchen- und Kundenbedürfnisse (s. Kapitel 4.5.1) weitere
spezifische Anforderungen abgeleitet, die in einem schriftlichen Katalog sämtlicher Leis-
tungsanforderungen zusammengestellt werden. Dieser Katalog wird auch als Pflichten-
heft bezeichnet. Nach DIN 69901 ist ein Pflichtenheft eine „ausführliche Beschreibung
der Leistungen, die erforderlich sind oder gefordert werden, damit die Ziele des Projekts
erreicht werden“. Nach VDI/VDE-Richtlinie Nr. 3694 sollte vor der Erstellung eines
Pflichtenheftes zunächst in einem Lastenheft beschrieben werden, was das System leisten
sollte („Wunschkatalog“). Erst dann wird in dem Pflichtenheft festgelegt, was das System
tatsächlich leisten soll bzw. wird. Das Lastenheft beschreibt also das Wünschenswerte,
während das Pflichtenheft das Machbare festhält (Stahlknecht/Hasenkamp 2005, S. 247).
Das Pflichtenheft bildet dann die Grundlage für die Programmierung in der nachfolgenden
Phase Realisierung.
4.5.2.3 Systemaufbau
Auf der Basis der Leistungsanforderungen ist in der Phase des Systemaufbaus zunächst
eine Grundsatzentscheidung zu treffen, die maßgeblich durch die finanziellen Ressourcen
und die Kompetenzen des Gründer- bzw. Management-Teams beeinflusst wird: Make or
Buy. Die Entscheidung ein fertiges und in der Regel standardisiertes Marktplatzsystem zu
kaufen reduziert die Dauer bis zum möglichen Launch erheblich. Dies gilt allerdings nur,
wenn das Kauf-System den eigenen Anforderungen sehr gut entspricht. Falls nicht, kann
entweder der intendierte Leistungsumfang des E-Marketplace auf die Leistungsfähigkeit
des gekauften Systems reduziert werden oder das System wird den eigenen Anforderun-
gen angepasst. Dabei ist zu beachten, dass die notwendigen Modifikationen die Dauer der
eigenständigen Erstellung möglicherweise deutlich überschreiten können. In vielen Fällen
wird daher der E-Marketplace von Grund auf selbst erstellt. In diesem Fall besteht die
648 Die Grundlagen des E-Marketplace
Realisierung aus der kompletten Prozess- und Programmentwicklung. Dabei kann zwi-
schen fünf verschiedenen Projektmodulen unterschieden werden, die unter enger Abstim-
mung parallel von verschiedenen Entwicklern bearbeitet werden können:
Administrationssystem: Sobald der Prototyp inhaltliche Daten enthält, wird die Ad-
ministrationsoberfläche implementiert. Dort werden Datenzugriffe und die Steuerung
des Systems organisiert sowie die Regeln für die Authentifizierung und Autorisierung
der Systembenutzer aufgestellt.
Front-End: Das Front-End ist die mediale Schnittstelle zu den Teilnehmern und so-
mit die Grundlage des tripolaren Datenaustauschs. Es muss daher teilnehmerorientiert
konzipiert sein, damit diese sich auf dem Marktplatzangebot leicht orientieren können.
Das Ergebnis ist eine lauffähige Systemlösung. In der Regel befindet sich diese zu diesem
Zeitpunkt noch auf speziellen Entwicklungs- bzw. Testservern, die von dem späteren Pro-
duktivsystem getrennt sind. Im Hinblick auf die Anforderung der flexiblen Systemgestal-
tung kommt der Dokumentation des Programms eine wichtige Bedeutung zu. Nur durch
eine klare Beschreibung bleibt der Code verständlich und wartbar und kann bei späteren
Programmerweiterungen oder Modifikationen problemlos angepasst werden.
4.5.2.4 Systemeinführung
Zwischen dem Abschluss der Systemrealisierung und dem Launch der Webseite stehen
umfangreiche Tests des E-Marketplace-Systems. Üblicherweise erfolgen zunächst sog.
Unit Tests, d. h. einzelne Module (z. B. Suche) bzw. Teilsysteme (z. B. eOffer-Prozess)
werden unabhängig voneinander bezüglich ihrer Funktionalitäten getestet, bevor dann im
Systemtest das ganze System modulübergreifend und unter Berücksichtigung der beste-
henden Interdependenzen geprüft wird (Schwarze/Schwarze 2002, S. 227). Die Grundlage
des Systemtests sollten sog. Use Cases bilden. Ein Use Case beschreibt ein komplettes
Die Implementierung beim elektronischen Handel 649
Die Regression Test Suite (umfangreiche Sammlung von Testszenarien) sollte häufig
und regelmäßig ausgeführt werden.
Nach jeder Modifikation des Codes sollte ein neuer Built erstellt werden.
Wenn Fehler oder Probleme beim Testen identifiziert werden, sollten diese sofort
behoben und nicht aufgeschoben werden.
Es sollte eine Bewertung von Fehlern bzw. eine Unterscheidung der Fehler nach ihrer
Bedeutung erfolgen.
Erst nach erfolgreichem Abschluss der in der Praxis mitunter sehr umfangreichen Testse-
rien sollte das System für den Produktivstart freigegeben werden. Im Rahmen des Going
Live wird zunächst das System von den verwendeten Entwicklungs- bzw. Testservern auf
die Produktivserver migriert. Anschließend erfolgt der offizielle Launch der Webseite, wo-
mit der E-Marketplace sofort für alle Internetuser unter der zuvor festgelegten, spezifi-
schen Domain (markplatz-name.de) erreichbar ist. Von diesem Moment an muss der E-
Marketplace seine Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen. Dabei ist er insbesondere in der
650 Die Grundlagen des E-Marketplace
Anfangszeit vom Scheitern bedroht. Konkrete Gründe für ein Scheitern eines E-Market-
place-Projektes können interner oder externer Natur sein. Zu den internen Gründen des
Scheiterns zählen im Wesentlichen (Rätz 2003, S. 71):
Kostendruck: Ideen im E-Business sind nur schwer zu schützen. In der Regel überneh-
men andere Unternehmer eine gute Geschäftsidee und werden damit zu einer direkten
Konkurrenz. Bei einzelnen Wettbewerbern entsteht so schnell ein großer Kostendruck,
dem viele Plattformbetreiber nicht standhalten können. Effiziente Prozesse oder Dif-
ferenzierungen können die Chancen eines Marktplatzes enorm erhöhen.
Nicht weniger wichtig als die internen Voraussetzungen des Marktplatzes bzw. Marktplatz-
betreibers sind die marktlichen Rahmenbedingungen für den Erfolg. Vor diesem Hinter-
grund sind die folgenden externen Gründe des Scheiterns besonders hervorzuheben
(Wohlenberg/Krause 1999, S. 10):
Kritische Masse: Ist der Zielmarkt nicht groß genug oder gelingt es nicht, die anvi-
sierten Anbieter und Nachfrager als aktive Teilnehmer auf die Plattform zu ziehen,
kann der E-Marketplace nicht existieren.
Pain Points: Marktplätze können nur erfolgreich sein, wenn sie bestehende Prozesse
optimieren. Weist der Zielmarkt keine Prozessineffizienzen auf oder birgt die alter-
native Lösung des Marktplatzbetreibers keine Verbesserungen, wird der Marktplatz
auf keine Teilnehmerakzeptanz stoßen.
4.5.2.5 Systemkontrolle
Unmittelbar im Anschluss an die Systemeinführung sollte ein kontinuierlicher Kontroll-
prozess initiiert werden, der die Leistungsfähigkeit des Systems überprüft. Den Kern der
Systemkontrolle auf elektronischen Marktplätzen sollten vier interdependente Problem-
bereiche bilden:
Kunden: Die Einwerbung von Anbietern und Nachfragern sollte von Beginn an
schnell und in einem balancierten Verhältnis zwischen den beiden Marktparteien vo-
ranschreiten. Mangelnde Akzeptanz und die Nichterreichung der kritischen Masse
kann zum vorzeitigen Scheitern des Marktplatzes führen.
War die Systemeinführung nach diesen Kriterien erfolgreich, beginnt im Rahmen der Sys-
temkontrolle ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess, der zwar nicht mehr Teil des ei-
gentlichen Implementierungsprojektes ist, aber wichtige Aspekte in den Bereichen Op-
timierung und Ausbau des bestehenden Systems umfasst. Mit dem ersten Launch (Pro-
duktivstart) ist die Entwicklung somit nicht abgeschlossen. Vielmehr sind direkt im An-
schluss die weiteren Stufen im Entwicklungsprozess des E-Marketplace zu fokussieren.
Insbesondere im Rahmen der Überlegungen zum Marketing bei elektronischen Marktplät-
zen wurden verschiedene Aktivitäten identifiziert, welche die Marktplatzteilnehmer auf
die Plattform holen und binden sollen (s. Kapitel 4.4.1 und 4.4.2). Es ist Aufgabe des
Managements diese Aktivitäten in konkreten Projekten zum richtigen Zeitpunkt umzuset-
zen. Daher stellt sich nun die Frage, wann die Aktivitäten angegangen werden sollen.
Hierbei lassen sich im Verlauf der Existenz von elektronischen Markplätzen sowohl bei
der Entstehung als auch beim weiteren Verlauf gewisse Schwerpunkte erkennen. Diese
Schwerpunkte bestimmen gewisse Stufen im Entwicklungsprozess, die dann von bestimm-
ten Aktivitäten begleitet werden sollten. Die Basis für diese Überlegungen ist vor diesem
Hintergrund der Lebenszyklus der elektronischen Marktplätze. Das Lebenszykluskonzept
dient als eigenständiges Instrument der strategischen Planung, wobei davon ausgegangen
wird, dass ein Markt oder Produkt verschiedene Lebensphasen durchläuft, die mit unter-
schiedlichen Management-Aktivitäten (Normstrategien) verknüpft werden (Meffert 1983,
652 Die Grundlagen des E-Marketplace
S. 20 f.). Hintergrund ist die Überlegung, dass Märkte oder Produkte ebenso wie Lebewe-
sen dem „Gesetz des Werdens und Vergehens“ unterliegen, d.h. dass sie eine begrenzte
zeitliche Existenz haben, die in unterschiedliche Phasen eingeteilt werden kann (Hofstätter
1977). Idealtypisch werden diese Lebensphasen als Einführungs-, Wachstums-, Reife-, Sät-
tigungs- und Verfallsphase bezeichnet (Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2015, S. 64 f.). In
jeder der einzelnen Phasen muss der E-Marketplace unterschiedlich agieren.
Bedeutung des
E-Marketplace
Geschäftsvolumen
sichern
Geschäftsvolumen
ausbauen
Kritische Masse
erreichen
Aktivitäten in der Aktivitäten in der Aktivitäten in der Zeit
Einführungsphase Wachstumsphase Reifephase
muss sichergestellt werden, dass einmal vorhandene Mitglieder auch nach den ein-
zelnen Matching-Prozessen bei erneuten Transaktionsaktivitäten wieder zum Markt-
platz zurückkehren (Kollmann 2001b).
Diese Überlegungen gelten auch für die Reifephase, in der schon mit einem relativen
Rückgang der Anzahl der Erstnutzer zu rechnen ist. Um die Marktposition zu halten
muss der E-Marketplace sein bereits erreichtes Geschäftsvolumen sichern.
In jeder Phase sichern spezifische Management-Aktivitäten den Erfolg. In allen Phasen ist
besonderer Wert auf das Kundenmanagement und auf das Leistungsangebot zu legen. Die
Prioritäten und die jeweiligen Maßnahmen variieren jedoch von Phase zu Phase. Abb.
240 gibt auf Basis einer Expertenbefragung (Schlüchter 2001) einen Überblick über die
Aktivitäten in den verschiedenen Entwicklungsstufen.
654 Die Grundlagen des E-Marketplace
Übungsaufgaben
1. Erläutern Sie den Unterschied zwischen Standards zur Produktklassifikation und Ka-
talogaustauschformaten sowie deren Zusammenspiel in der Praxis. Warum sind ge-
rade für einen E-Marktplace beide Arten von E-Business-Standards von zentraler
Bedeutung?
2. Neben den Standards, die für den effizienten Aufbau von Handelskatalogen nötig
sind, erfordern Koordinations- und Transaktionsprozesse im E-Business weitere
Standards bzw. Datenaustauschformate. Erstellen Sie eine Liste der für den elektroni-
schen Handel relevanten Geschäftsdokumente und nutzen Sie das Internet, um her-
auszufinden, wie sich die Kommunikation zwischen den an einem Marktplatz beteilig-
ten Parteien konkret gestalten kann.
5. Web Services stellen einen Internet-Standard dar, der den Datenaustausch zwischen
Marktplatzsystem und Anbieter- bzw. Nachfrager-Systemen ermöglicht. Definieren
Sie auf eine formlose Art und Weise, welche Web Services (a) ein Anbieter potenzi-
ellen Marktplätzen und (b) ein Marktplatz potenziellen Nachfragern zur Verfügung
stellen sollte. Berücksichtigen Sie dabei sowohl den Austausch von Katalogdaten als
auch die Kommunikation von weiteren Geschäftsdokumenten.
6. Erläutern Sie die Koordinationslücken der realen und der elektronischen Handels-
ebene. Greifen Sie dabei auch auf das 3-Sektoren-Modell von Kollmann zurück.
7. Erläutern Sie die zwei kritischen Erfolgspunkte für Prozesse auf einem E-Market-
place. Welche Konsequenzen resultieren daraus für das Matching?
9. Wirtschaftliche Transaktionen bestehen auch im E-Business aus mehr als nur dem
Kaufakt. Unterscheiden Sie die vier idealtypischen Phasen der Geschäftstransaktion
und geben Sie einen Überblick über die Prozesse, mit denen der Marktplatzbetreiber
den Handelsprozess unterstützt.
11. Erläutern Sie die Kausalbeziehungen zwischen den einzelnen Einflussgrößen des
Gesamtsystems „E-Marketplace“ im operativen Handel. Welche Möglichkeiten ste-
hen dem Marktplatzbetreiber zur Verfügung, um die Marktplatzentwicklung positiv
zu beeinflussen?
12. Erklären Sie unter Rückgriff auf die quantitativen Problemaspekte, die auf einem
E-Marketplace zu Tragen kommen können, warum ein existierender Koordinations-
bedarf unter Umständen durch den Marktplatzbetreiber nicht gelöst werden kann.
14. Grenzen Sie die Erwartungen der Anbieter und Nachfrager im Hinblick auf die
Marktplatzteilnahme voneinander ab. Legen Sie Ihrer Argumentation den bilateralen
5-Stufen-Prozess zugrunde. Welche Implikationen ergeben sich daraus für die prakti-
sche Gestaltung elektronischer Marktplätze?
17. Erläutern Sie die Online- und Offline-Kommunikation als komplementäre Aufgaben
der Kundengewinnung für elektronische Marktplätze. Leiten Sie praktische Beispiele
beider Kommunikationsarten für einen E-Marketplace für Dienstleistungs- und
Handwerksauktionen her.
656 Die Grundlagen des E-Marketplace
19. Welche vier Prinzipien liegen dem Aufbau von dauerhaften Kundenbeziehungen so-
wie der Pflege und Sensibilisierung des Kundenstammes bei elektronischen Markt-
plätzen zugrunde?
22. Erklären Sie, welche Ziele mit einem Online-Bewertungssystem verbunden sind. Su-
chen Sie darüber hinaus praktische Beispiele im Internet und bewerten Sie die Qua-
lität der Bewertungen anhand der Fragestellung, ob sie das intendierte Vertrauen
schaffen.
24. Beschreiben Sie die drei Stufen der Zielmarktanalyse für elektronische Marktplätze.
Führen Sie eine derartige Analyse exemplarisch für einen B2B-Marketplace für Er-
gänzungssortimente in der Möbelbranche durch.
25. Den Mittelpunkt der Projektorganisation bildet das Projektteam. Beschreiben Sie
die Kompetenzen über die das Projektteam verfügen muss, um die Implementierung
eines elektronischen Marktplatzes erfolgreich durchführen zu können.
26. Nennen und beschreiben Sie interne und externe Gründe des Scheiterns für elekt-
ronische Marktplätze. Finden Sie im Internet Beispiele für Unternehmen, die an die-
sen Problemen gescheitert sind.
27. Auf der Einnahmenseite sind bei elektronischen Marktplätzen neben den durch die
Kernleistung generierten Einnahmen (z. B. Provisionen) oftmals noch weitere Ein-
nahmen vertreten, die auf Nebenleistungen basieren. Beschreiben Sie mögliche Ne-
benleistungen eines Marktplatzes für Gebrauchtwagen.
Übungsaufgaben 657
28. Der Erfolg der Implementierung eines elektronischen Marktplatzes hängt maßgeb-
lich von dem Kern-Projektteam ab, das die Implementierung leitet. Beschreiben Sie
die Rollen, die idealtypisch das Kern-Projektteam bilden.
29. Standardauktionen finden auch im Internet statt. Beschreiben Sie drei der bekann-
testen Standardauktionsformen. Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten gibt es?
30. Welche Merkmale und Fokussierungen hat ein horizontaler E-Marketplace? Erläu-
tern Sie ihre Antwort anhand von zwei Beispielen, die Sie im Internet gefunden ha-
ben.
32. Die Betreiber elektronischer Marktplätze sind darauf angewiesen, eine ausreichende
Anzahl von Nachfragern zu gewinnen (Quantität). Noch schwieriger ist es allerdings,
bei den Nutzern des E-Marketplace ein echtes Kaufinteresse zu wecken. Nennen und
beschreiben Sie die drei Aspekte der Online-Nachfrageraktivierung.
34. Während der E-Marketplace als zentrale Plattform für Anbieter und Nachfrager fun-
giert, könnte die Blockchain-Technologie aufgrund ihrer dezentralen Struktur diesen
Vorzügen der Zentralität widersprechen. Erörtern Sie, welche Gründe dafür oder
dagegen sprechen könnten beziehungsweise, ob eine Kombination denkbar ist.
36. Nennen Sie ein Beispiel eines E-Marketplace, der auf der Blockchain-Technologie
basiert.
658 Die Grundlagen des E-Marketplace
Klausuraufgaben
1. Klausuraufgabe: „haemmern4u.de“
„haemmern4u.de“ ist einer der führenden Online-Auktionsmarktplätze für Dienstleis-
tungs- und Handwerksaufträge. Aufträge werden bei „haemmern4u.de“ nach dem Prinzip
„Wer bietet weniger?“ versteigert. Aufträge einstellen können Privatpersonen, Unterneh-
men sowie Gewerbetreibende und werden somit Auftraggeber. Unternehmen und Gewerbe-
treibende geben für die Aufträge Gebote ab. Der niedrigstbietende Dienstleister oder
Handwerker ersteigert das Recht zur Durchführung des Auftrages (z. B. Tapezieren einer
Wohnung oder Drucken von Werbematerialien) und wird Auftragnehmer. Im Rahmen einer
internen Diskussion stellt Herr Peter-Alexander Mugge als Geschäftsführer von „haem-
mern4u.de“ fest, dass ein reines Auktionsprinzip einige Teilnehmer abhält, die Vermitt-
lungsdienste in Anspruch zu nehmen. „Alles was uns davon abhält, die kritische Masse zu
erreichen, muss überprüft werden.“, so das Resultat der Besprechung mit seinen Kollegen.
Im Ergebnis bietet „haemmern4u.de“ unter dem Slogan „Wählen Sie Qualität“ den Auf-
traggebern neuerdings daher die Möglichkeit, sich die Auktionsteilnehmer im Vorfeld aus-
zusuchen. Diese sog. „Auswahl-Auktionen“ funktionieren dabei so: Gewerbliche Mitglie-
der müssen sich erst beim Auftraggeber bewerben. Erst wenn dieser die Bewerbung akzep-
tiert, darf das Mitglied seine Gebote abgeben. Im Zuge eines Vortrags von Herrn Mugge
an der Universität Duisburg-Essen beteiligen Sie sich als engagierter Student an der an-
schließenden Diskussion und werden prompt mit einem Praktikum belohnt, indem Sie fol-
gende Fragen bearbeiten sollen:
(a) Erklären Sie allgemein das Konzept der kritischen Masse für elektronische Markt-
plätze. Was bedeutet dieses Konzept speziell für „haemmern4u.de“?
(b) Für das Management von elektronischen Marktplätzen spielt das Beziehungsnetzwerk
zwischen Anbieter, Nachfrager und Matching/Transaktion eine bedeutende Rolle. Er-
läutern Sie die Zusammenhänge im „inneren“ Beziehungsnetzwerk für das Beispiel
„haemmern4u.de“ und stellen Sie anhand eines konkreten Beispiels dar, wie Herr
Mugge dieses positiv beeinflussen kann.
(c) Beschreiben Sie je drei konkrete Beispiele Ihrer Wahl für Maßnahmen im Online- und
Offline-Marketing, mit denen „haemmern4u.de“ die neue Möglichkeit der „Aus-
wahl-Auktion“ potenziellen Neukunden der Anbieterseite kommunizieren kann.
2. Klausuraufgabe: „amcorati.com“
Thorsten Brinkhoff ist bei dem bekannten Möbelhaus „Momba“ als Chefeinkäufer im
Bereich Ergänzungssortimente (diejenigen Warengruppen, die nicht zu den klassischen
Wohnmöbeln gehören: Glas, Porzellan, Keramik/Haushalt, Leuchten, Accessoires etc.)
Klausuraufgaben 659
angestellt. Die Waren in diesem Bereich werden direkt und individuell eingekauft, weil der
Möbelhausbesitzer hofft, sich durch eine getrennte Einkaufspolitik in diesem wichtigen Ge-
schäftsfeld von Konkurrenten abzugrenzen. Die sehr zahlreichen und unterschiedlichen
Anbieter der Waren kommen zumeist aus Übersee. Die wichtigsten Handelspunkte für Er-
gänzungssortimente sind die Messen „Ambiente“ (Frühjahr) und „Tendence“ (Herbst) in
Frankfurt am Main. Zwischen diesen beiden Terminen langweilt sich Herr Brinkhoff häu-
fig und träumt von der Möglichkeit, Waren an 365 Tagen im Jahr und am besten auch 24
Stunden am Tag zu handeln. Als er einen eBay-Werbespot im Fernsehen sieht, kommt ihm
die Idee: „Ein Internetmarktplatz für die Hersteller (Produzenten) und Händler (z. B. Mö-
belhäuser) von Ergänzungssortimenten wäre die Lösung.“ Kurz entschlossen kündigt der
hochmotivierte Herr Brinkhoff seinen Job, um den elektronischen Marktplatz „amco
rati.com“ (übrigens eine Wortschöpfung aus den Begriffen AMbiente und deCORATIon)
zu gründen. Zwar verfügt Herr Brinkhoff aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit bei „Mo-
mba“ über das nötige Branchen Know-How. Er kennt sich allerdings nicht sonderlich gut
im elektronischen Handel aus. Daher bittet er Sie als Absolvent der Universität Duisburg-
Essen mit einem Abschluss im E-Business, ihm in der Frühphase der Unternehmensgrün-
dung mit Rat und Tat zur Seite zu stehen:
(a) Elektronische Marktplätze funktionieren nur innerhalb eines bestimmten strukturellen
Umfeldes. Nennen Sie vier grundsätzliche Voraussetzungen für das prinzipielle Funkti-
onieren eines elektronischen Marktplatzes und nehmen Sie eine zugehörige Bewertung
für das vorliegende Fallbeispiel vor.
(b) Es gibt drei verschiedene Matching-Modelle für elektronische Marktplätze. Benennen
Sie diese und geben Sie eine detaillierte Begründung für die von Ihnen befürwortete
Variante für den amcorati.com-Marktplatz.
(c) Hinsichtlich des Erfolges für den E-Marketplace spielt das Problem des Online-Quan-
titätseffekts eine entscheidende Rolle. Wie könnte dieses Problem (in Abhängigkeit zur
Lösung zu Aufgabenteil b!) im Falle von „amcorati.com“ gelöst werden?
3. Klausuraufgabe: „promo-job.de“
Eigentlich ist es Paul Müller leid, sich bereits in der Klausurphase Gedanken darüber zu
machen, wie er in der vorlesungsfreien Zeit ein paar Euro verdienen kann. Aber es hilft
nichts, irgendwoher muss das Geld ja kommen. Als seine Freundin Michaela Schulte
das geplante Lerntreffen wegen eines Messe-Jobs absagt und er allein über dem E-Mar-
ketplace-Stoff sitzt, kommt ihm eine Idee, die Geld einbringen soll. Bei ihrem nächsten Tref-
fen präsentiert Paul seiner Freundin seine Idee: „Es gibt so viele Messen und Agenturen,
die andauernd Aushilfen und Promotoren suchen und Studenten, die immer Geld brauchen
und dafür auch gerne im Bärenkostüm Flyer verteilen, kennen wir auch sehr viele.“ Auf-
bauend auf dieser Feststellung entwickeln Paul und Michaela ein Konzept für den E-Mar-
ketplace „promo-job.de“, der die Unternehmen und Studenten zusammenführen soll.
660 Die Grundlagen des E-Marketplace
Dazu stellen Unternehmen auf der einen Seite detaillierte Ausschreibungen für Aushilfs-
tätigkeiten und Promotionjobs online. Auf der anderen Seite stellen Studenten Profile ein,
aus denen ihre Interessen und Eignung für bestimmte Tätigkeiten hervorgehen. Dazu ge-
hören persönliche Merkmale (z. B. Geschlecht, Größe, Haarfarbe), Fähigkeiten (z. B. Mo-
deration, Catering, Kosmetik) sowie die Zeit, zu der sie zur Verfügung stehen (z. B. Semes-
terferien, Wochenenden, Werktags). Unternehmen gleich wie Studenten können aktiv nach
passenden Angeboten suchen. Wichtig findet Paul, dass ebenfalls ein Benachrichtigungs-
dienst implementiert wird, der die Studenten informiert, sobald eine Ausschreibung einge-
stellt wird, die auf das eigene Profil passt. Während Michaela sich Paul im Bärenkostüm
vorstellt, kommen ihr einige Fragen in den Sinn.
(a) Elektronische Marktplätze funktionieren nur innerhalb bestimmter Strukturen. So ist
eine Voraussetzung, die immer wieder gefordert wird, eine „hohe Fragmentierung des
Marktes“. Beschreiben Sie kurz drei weitere grundsätzliche Voraussetzungen für das
prinzipielle Funktionieren eines E-Marketplace und nehmen Sie eine zugehörige Be-
wertung für das vorliegende Fallbeispiel „promo-job.de“ vor.
(b) Auf elektronischen Marktplätzen können grundsätzlich auf drei Arten Einnahmen ge-
neriert werden. Erklären Sie, wie diese Einnahmenmöglichkeiten innerhalb des Ge-
schäftskonzepts von „promo-job.de“ eingesetzt werden können. Unterscheiden Sie bei
ihren Ausführungen zwischen den beiden Kundengruppen Unternehmen und Studenten.
(c) Hinsichtlich des Erfolges spielen für den E-Marketplace Online-Qualitätseffekte eine
entscheidende Rolle. Beschreiben Sie zunächst, worin die qualitativen Problemaspekte
bei „promo-job.de“ bestehen. Präsentieren Sie ebenfalls kurz Ansätze, wie Paul und
Michaela diese qualitativen Problemaspekte lösen können.
4. Klausuraufgabe: „flipperplace.de“
Nachdem der BWL-Promovend Herr Schöngeist und der ehemalige Informatik-Student
Herr Meier bereits flipperhit.de, eine Tauschcommunity für Musik-CDs, erfolgreich am
Markt platzieren konnten, haben die beiden vor einiger Zeit ihr nächstes Projekt „flip-
perplace.de“ gestartet. Auf dem flipperplace-Festpreis-Marktplatz können private und
professionelle Teilnehmer Filme, Musik und Bücher kaufen bzw. verkaufen. Da die Grund-
daten eines Produktes (z. B. Titel) anhand der EAN automatisch aus dem Internet geladen
werden, muss der Objektanbieter nur noch Informationen zum Warenzustand eintragen.
Ferner wird die flipperplace-Garantie angeboten, die eine zu 100 % sichere Abwicklung
gewährleistet, sodass Anbieter und Nachfrager kein Risiko tragen, ihr Geld oder ihre Ware
nicht zu erhalten. Von diesen beiden Besonderheiten sind nicht nur die Business Angels
begeistert, die in einer ersten Finanzierungsrunde bereits einen fünfstelligen Betrag inves-
tiert haben, sondern auch die Presse hat bereits mehrfach positiv über den „(noch) kleinen
eBay- und Amazon-Konkurrenten“ berichtet. Bevor sich Herr Schöngeist und Herr Meier
an Venture-Capitalisten wenden können, um das nächste, große Investment an Land zu
ziehen, müssen sie ihr Angebot aber noch einmal kritisch durchleuchten. Als enger Freund
Klausuraufgaben 661
von Herrn Schöngeist und E-Business-Experte haben Sie sich angeboten, mit ihm einige
kritische Fragen in Vorbereitung auf die Investorengespräche zu diskutieren.
(a) Für den Aufbau eines E-Marketplaces spielen fünf Erfolgsfaktoren eine übergeordnete
Rolle. Beschreiben Sie kurz drei dieser Faktoren und bewerten Sie, inwieweit „flip
perplace.de“ diese bereits erkennen lässt oder geben Sie an, durch welche Signale das
Unternehmen diese kommunizieren könnte.
(b) Im operativen Handel spielt das Beziehungsnetzwerk zwischen Anbieter, Nachfrager
und Matching/Transaktion eine bedeutende Rolle. Erläutern Sie anhand von „flip
perplace.de“ die Zusammenhänge im „inneren“ Beziehungsnetzwerk (ohne Input-
und Output-Größen!) und stellen Sie anhand eines konkreten Beispiels dar, wie Herr
Schöngeist den Beziehungskreis positiv beeinflussen kann.
(c) Hinsichtlich des Erfolges spielen für den E-Marketplace Online-Qualitätseffekte eine
entscheidende Rolle. Beschreiben Sie zunächst, worin die qualitativen Problemaspekte
bei „flipperplace.de“ bestehen. Beschreiben Sie ebenfalls je Problemaspekt einen An-
satz, wie Herr Schöngeist diesen lösen kann.
5. Klausuraufgabe: „make-weekend.de“
Christian Müller ist Berater in einem großen IT-Consultingunternehmen und arbeitet,
wie die meisten seiner Kollegen, bis zu 16 Stunden am Tag. Viele andere wichtige Aktivi-
täten bleiben dabei auf der Strecke, wie er erfahren musste, als er den Geburtstag seiner
Fernbeziehung vergessen und ihr nicht mal eine Karte geschickt hat. Christian ist sicher,
dass sich an seinem Leben etwas ändern muss. Nicht sicher, ob er dadurch mehr Freizeit
haben wird, aber sicher, ein gutes und spannendes Projekt zu starten, kündigt er und
beschließt, ein eigenes Startup-Unternehmen zu gründen. Er möchte Menschen, die in
ihrem Beruf ähnlich gestresst sind, wie er selbst zuvor, das Leben etwas leichter zu ma-
chen. Zusammen mit einer Freundin Luise König entwickelt er den E-Marketplace make-
weekend.de. Dies ist eine Plattform, auf der Kunden Dienstleistungen aller Art – denkbar
wären bspw. Online-Recherchen, Buchhaltung, Reisebuchungen, Sekretariatsarbeiten o-
der das Schreiben von Geburtstagskarten – einkaufen können. Bezahlt wird mittels flexibler
Flatrates, die Inklusiv-Arbeitsstunden zu festgesetzten Stundenpreisen enthalten. Je nach
Art der Aufgabe könnte Christian die anfallende Arbeit entweder an Studenten als Ne-
benjob oder auftragsweise an Fachleute vermitteln. Damit die Kunden der neuen Platt-
form einen „single point of contact haben“, planen die beiden, einen virtuellen Assistenten
programmieren zu lassen, der als Ansprechpartner individuell für jeden Kunden agiert und
entsprechend dem hinterlegten Benutzerprofil angepasst wird. Während der Planung des
E-Ventures ergeben sich einige Fragen in der Diskussion zwischen Christian und Luise.
(a) Für die Gründung eines elektronischen Marktplatzes gibt es verschiedene Strategie-
optionen. Benennen Sie die Strategieoptionen für die Online-Transaktionsebene und für
662 Die Grundlagen des E-Marketplace
die Online-Informationsebene. Entscheiden Sie sich für eine Kombination der Stra-
tegieoptionen der Informations- und Transaktionsebene und charakterisieren Sie die
Auswirkungen auf die Gestaltung des E-Marketplace „make-weekend.de“.
(b) Hinsichtlich des Erfolges spielen für den E-Marketplace Online-Qualitätseffekte eine
entscheidende Rolle. Beschreiben Sie zunächst, worin die qualitativen Problemaspekte
bei „make-weekend.de“ bestehen. Präsentieren Sie je Aspekt ebenfalls kurz einen An-
satz, wie Christian und Luise diese qualitativen Problemaspekte lösen können.
(c) Um dauerhaft im Markt bestehen zu können, machen sich Christian und Luise Gedan-
ken darüber, wie man neu gewonnene Kunden an die Plattform binden kann. Die bei-
den Gründer erwarten nämlich, dass schnell Nachahmer in den Markt drängen werden.
Beschreiben Sie kurz die Prinzipien des strategischen Beziehungsmarketings und nen-
nen Sie je Prinzip ein konkretes Beispiel dafür, wie der E-Marketplace „make-wee-
kend.de“ stabile Kundenbeziehungen schaffen kann.
6. Klausuraufgabe: „my-bundesligaticket.de“
Philipp Müller und Torsten Stolz sind begeisterte Fußballfans. Leider sind beide als erfolg-
reiche IT-Berater beruflich viel unterwegs, was ihr großes gemeinsames Hobby, den Besuch
von Fußball-Bundesligaspielen von SC Schulke 05, sehr beeinträchtigt: Einerseits erlaubt
die wenige Freizeit es ihnen in der Regel nicht, sich morgens an die Vorverkaufsschalter zu
stellen, um Karten für ein attraktives Spiel zu erwerben. Andererseits können sie nicht alle
Spiele, für die ihnen der Kartenerwerb gelungen ist, besuchen und müssen immer wieder
Karten verfallen lassen, was sie sehr traurig stimmt. Vor diesem Hintergrund beschließen
Herr Müller und Herr Stolz, ihr IT- und Fußballwissen zusammenzuführen und einen
elektronischen Marktplatz für den Handel von Tickets für Fußballbundesligaspiele mit
dem Namen „my-bundesligaticket.de“ zu eröffnen. Jede Privatperson soll so die Mög-
lichkeit bekommen, Fußballtickets zu ersteigern und ihre Lieblingsmannschaft im Stadion
sehen zu können. „Um das Kartenangebot zu erhöhen, sollten wir auf der Anbieterseite
auch professionelle Ticketverkäufer zulassen“, stellt Herr Stolz fest. Während Herr Stolz
weiter über Rahmenbedingungen nachdenkt, verfolgt Herr Müller ganz andere Gedanken:
„Um zukünftig unser Hobby zu finanzieren, sollten wir mit dem Marktplatz auch möglichst
viel Geld verdienen! Aber wie?“, stellt er fest. An dieser Stelle bemerken die beiden IT-
ler, dass Ihnen noch Gründungswissen im E-Business fehlt. Vor diesem Hintergrund wen-
den sich Philipp Müller und Torsten Stolz an Sie als ehemaligen Studienkollegen und gu-
ten Freund und bitten Sie um Ihre Einschätzung zu den folgenden Fragen.
(a) Der erfolgreiche Aufbau eines E-Marketplace hängt mitunter davon ab, ob die äußeren
Rahmenbedingungen für eine derartige transaktionsvermittelnde Institution überhaupt
vorhanden sind. Vor diesem Hintergrund kommt der Strukturanalyse eine hohe Bedeu-
tung zu. Erklären Sie zunächst drei Bestandteile der Strukturanalyse und nehmen Sie
dann zu jedem der drei Bestandteile begründend Stellung, inwieweit die Voraussetzun-
gen bei „my-bundesligaticket.de“ erfüllt sind.
Klausuraufgaben 663
(b) Für die Gründung eines elektronischen Marktplatzes gibt es verschiedene Strategie-
optionen. Erklären Sie die Strategieoptionen für die Online-Informationsebene. Ent-
scheiden Sie sich für eine der beiden Strategieoptionen und charakterisieren Sie die Aus-
wirkungen auf die Gestaltung des E-Marketplace „my-bundesligaticket.de“.
(c) Die Einnahmenseite eines elektronischen Marktplatzes wird einerseits durch Kernleis-
tungen und auf der anderen Seite durch Nebenleistungen bestimmt. Erläutern Sie drei
mögliche Umsatzquellen für „my-bundesligaticket.de“ und ordnen Sie jede dieser Um-
satzquellen als Kern- oder Nebenleistung ein.
7. Klausuraufgabe: „ichlasseesmirgutgehen.de“
Tina Radler und Achim Bender lassen es sich im Leben gerne gut gehen. Gutes Essen,
weite Reisen und eine gute Gesundheit sind ihnen wichtig. Auf einer ihrer Reisen nach
Asien ist ihnen aufgefallen, wie herrlich entspannend Massagen sein können. Wieder in
Deutschland angekommen, stellten sie fest, dass es nicht leicht ist, die entspannenden Sit-
zungen hier fortzusetzen. Zwar gibt es etliche Physiotherapeuten und Massagesalons in
Deutschland, doch ist es schwer, sich einen Überblick zu verschaffen und an seriöse und
nicht überteuerte Anbieter zu gelangen. Während heilende Anwendungen für Kranke in
der Regel von der Krankenkasse bezahlt werden, gelten Wohlfühlprogramme für Gesunde
in Deutschland als Luxusangebot. Bei ihrem Versuch, sich einen Überblick zu verschaffen,
sind sie nicht nur an der Anzahl verschiedener Anbieter gescheitert, sondern auch dem oft
scher zu erfassenden Angebot. Während sich die beiden unter Bürsten- und Warmstein-
massagen noch etwas vorstellen konnten, überforderte sie die Auswahl zwischen Angebo-
ten wie Tuina, Watsu oder Lomi Lomi Nui. Als Achim – wieder daheim angekommen – im
Internet die verschiedenen Massageformen recherchiert hat, hat er schon wieder verges-
sen, welcher Anbieter welche Massage zu welchem Preis anbietet. „Das muss doch einfa-
cher gehen“, fährt es aus ihm heraus. Als Studentin der Wirtschaftsinformatik kommt Tina
gleich auf die Idee, einen elektronischen Marktplatz in diesem Bereich aufzubauen. Er soll
„ichlasseesmirgutgehen.de“ heißen. Hier würden Anbieter und ihre Angebote mit Nach-
fragern, wie Tina und Achim und ihren Bedürfnissen zusammengeführt. „Eine gute Idee“,
findet Achim und führt weiter aus: „Man könnte online auch direkt sehen, welcher Anbie-
ter wann verfügbar ist und Termin online vereinbaren.“ Die technische und betriebswirt-
schaftliche Kompetenz haben sie im Grunde, doch ergeben sich einige Fragen bezüglich
der Ausgestaltung und des Aufbaus eines elektronischen Marktplatzes. An dieser Stelle
bitten Tina und Achim Sie um Hilfe, da sie davon ausgehen, dass Sie als Besucher der
Veranstaltung E-Marketplace wertvollen Input zur Klärung der folgenden Fragen liefern
können.
(a) Der erfolgreiche Aufbau eines E-Marketplace hängt mitunter davon ab, ob die äuße-
ren Rahmenbedingungen für eine derartige transaktionsvermittelnde Institution über-
haupt vorhanden sind. Vor diesem Hintergrund kommt der Strukturanalyse eine hohe
664 Die Grundlagen des E-Marketplace
Bedeutung zu. Erklären Sie zunächst drei Bestandteile der Strukturanalyse und neh-
men Sie dann zu jedem der drei Bestandteile begründend Stellung, inwieweit die Vo-
raussetzung bei „ichlasseesmirgutgehen.de“ erfüllt sind.
(b) Für die Gründung eines elektronischen Marktplatzes gibt es verschiedene Strategie-
optionen. Beschreiben Sie zunächst die Strategieoptionen für die Online-Transaktions-
ebene. Entscheiden Sie sich für eine der beiden Strategieoptionen und charakterisieren
Sie die Auswirkungen auf die Gestaltung von „ichlasseesmirgutgehen.de“.
(c) Es gibt drei verschiedene Matching-Prinzipien innerhalb des E-Matching-Prozesses
(Vereinbarungsphase). Benennen Sie diese und geben Sie eine detaillierte Begründung
für das von Ihnen befürwortete Prinzip für den „ichlasseesmirgutgehen.de“-Markt-
platz.
8. Klausuraufgabe: „container.de“
„Aufgrund der Rohstoffverteilung, unterschiedlicher Produktionskosten und verschie-
denster Bedarfe in der Welt werden immer mehr Güter per Containerschiff weltweit trans-
portiert,“ hat Ralf Schmiller im letzten Semester in einer seiner BWL-Vorlesungen gehört.
Als er vor kurzem den Hamburger Hafen besuchte und erstmals einen solchen Container
gesehen hatte, geriet er ins Nachdenken, was und vor allem wie viel in einem solchen
Container transportiert wird. Er sammelte folgende Informationen: In der Regel können
von Unternehmen und Privatpersonen nur komplette Container angemietet werden. Con-
tainer gibt es nur in einer Größe, aber mit verschiedenen Ausstattungen, z. B. Kühlcon-
tainer. Die Kosten zur Anmietung sind sehr hoch. Oftmals werden nur halbvolle Container
verschifft. Als Umweltaktivist und Betriebswirt ärgert sich Ralf nicht nur über die sinnlose
Umweltverschmutzung, sondern kommt auch auf die Idee, den Online-Marktplatz „con-
tainer.de“ zu gründen, der hilft, freie Kapazitäten in von Unternehmen oder Privatperso-
nen angemieteten Containern an andere Unternehmen oder Privatpersonen zu vermitteln.
„Damit lassen sich mindestens zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen – Schutz der Um-
welt und finanzieller Gewinn.“, denkt er sich. Nun hat er einige Fragen zur konkreten
Ausgestaltung und er bittet Sie – aufgrund Ihrer Weiterbildung zum E-Business-Manager
an der Universität Duisburg-Essen um Hilfe bei der Beantwortung:
(a) Es gibt drei verschiedene Matching-Prinzipien innerhalb des E-Matching-Prozesses
(Vereinbarungsphase). Beschreiben Sie diese zunächst kurz. Wählen Sie dann das
Prinzip aus, das für den „container.de“-Marktplatz am besten geeignet ist.
(b) Hinsichtlich des Erfolges spielen für den E-Marketplace Online-Qualitätseffekte eine
entscheidende Rolle. Beschreiben Sie zunächst kurz allgemein, welche qualitativen
Problemaspekte unterschieden werden. Nehmen Sie dann dazu begründend Stellung,
wie diese Problemaspekte den Marktplatz „container.de“ tangieren. Berücksichtigen
Sie bei Ihrer Entscheidung auch das Prinzip, das Sie in Teilaufgabe ausgewählt haben.
Klausuraufgaben 665
(c) Für die Gründung eines E-Marketplace gibt es verschiedene Strategieoptionen. Be-
schreiben Sie zunächst kurz die beiden Strategieoptionen für die Online-Transaktions-
ebene. Entscheiden Sie sich für eine dieser beiden Strategieoptionen und charakteri-
sieren Sie die Konsequenzen für den „container.de“-Marktplatz, die die Verfolgung
dieser Strategie mit sich bringt.
9. Klausuraufgabe: „auxpensive.de“
Carl-Theodor von Meisenbach und Eleonora Clasfeld sind es von Kindesbeinen an ge-
wohnt, sich mit luxuriösen Gegenständen wie zum Beispiel teuren Uhren, Kunstgegen-
ständen, Antiquitäten oder Oldtimern zu umgeben. Oftmals ist es jedoch schwierig, an
diese Luxusprodukte zu kommen – vor allem, wenn es sich um Sammlerstücke handelt.
Carl-Theodor und Eleonora beschließen daher, ein Online-Auktionshaus für exklusive
Produkte – und natürlich exklusive Kunden – zu gründen. Die Plattform „auxpensive.de“
(eine Wortneuschöpfung aus „auction“ und „expensive“) soll nur für Kunden zugänglich
sein, die über Empfehlungen angeworben werden. Ein exklusiver Zugangscode berechtigt
dann zur Teilnahme an den Auktionen. Was die Gepflogenheiten der Luxusgüterbranche
angeht, kennen sich Carl-Theodor und Eleonora natürlich aus eigener Erfahrung bestens
aus. Außerdem verfügen beide über ein großes Kontaktnetzwerk in den „gehobenen Krei-
sen“. Leider fehlt den Gründern jedoch das nötige Wissen über die Digitale Wirtschaft
und den elektronischen Handel. Daher bitten Carl-Theodor und Eleonora Sie als Teilneh-
mer der Weiterbilldung zum E-Business-Leader an der Universität Duisburg-Essen da-
rum, Ihnen bei ein paar wichtigen Fragen zu helfen.
(a) Auktionen können nach verschiedenen Regeln durchgeführt werden. Beschreiben Sie
die vier bekanntesten Auktionsformen. Welche Auktionsform sollten Carl-Theodor und
Eleonora für „auxpensive.de“ wählen? Begründen Sie Ihre Entscheidung mit Bezug
auf das Fallbeispiel.
(b) Im Rahmen der Marktanalyse spielt die genaue Betrachtung der Teilnehmer (Teilneh-
meranalyse) des zukünftigen E-Marketplace eine wichtige Rolle. Nennen Sie die drei
grundsätzlichen Kriteriengruppen für die E-Marketplace-Eignung. Führen Sie für die
zukünftigen Kunden von „auxpensive.de“ eine exemplarische Nachfrager-Analyse
nach diesen drei Punkten durch.
(c) Um die Exklusivität des E-Marketplace zu gewährleisten, setzen Carl-Theodor und
Eleonora wie bereits beschrieben auf einen beschränkten Zugang zur Plattform. Wel-
che Vor- und Nachteile hat die Strategie mit den exklusiven Zugangscodes aus Ihrer
Sicht? Diskutieren Sie die Vorgehensweise kritisch, vor allem in Bezug auf Online-
Quantitätseffekte. Gibt es aus Ihrer Sicht sinnvolle Alternativen zur gewählten Strate-
gie?
666 Die Grundlagen des E-Marketplace
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670 Die Grundlagen des E-Marketplace
Die E-Community steht allgemein als Begriff für die organisierte Kommunikation in-
nerhalb eines elektronischen Kontaktnetzwerkes und damit für die Bereitstellung einer
technischen Plattform für die Zusammenkunft einer Gruppe von Individuen, die in einer
bestimmten Beziehung zueinanderstehen bzw. zueinanderstehen wollen. Diese Beziehung
kann thematisch durch die Kommunikationsinhalte, aber auch über den sozialen oder be-
ruflichen Status der Community-Teilnehmer bestimmt werden. Im Mittelpunkt steht dabei
jedoch immer die soziale Interaktion und damit der Austausch selbst geschaffener entwe-
der inhaltlich oder personenbezogener Informationen (sog. User-generated Content).
Entsprechend weisen die Individuen gemeinsame Bindungen im Hinblick auf Interessen,
Ziele oder Aktivitäten auf und besuchen zumindest zeitweise einen gemeinsamen Ort
(Mühlenbeck/Skibicki 2008, S. 17). Im Fall der E-Community stellt dieser gemeinsame
Ort eine elektronische Plattform, insbesondere im Internet, aber verstärkt auch im Mobil-
funk-Bereich dar, über die die Individuen über einen längeren Zeitraum und wechselseitig
miteinander kommunizieren (Tietz 2007, S. 20). Diese Kommunikation ist dabei insbeson-
dere geprägt von dem asynchronen und ortsunabhängigen Charakter des elektronischen
Informationsaustausches (s. Kapitel 1.3; Mühlenbeck/Skibicki 2008, S. 18). Die Möglich-
keiten hinsichtlich der Form und des Inhalts der Kommunikation sind dabei mehr oder we-
niger grenzenlos (Markus 2002, S. 26).
Kontaktabsicht
Privatperson/ Privatperson/
Unternehmen Kontaktprofileingabe Unternehmen
Kontaktpartnersuche/ -vermittlung
Privatperson/ Privatperson/
Unternehmen Unternehmen
Informationsaustausch
Kontaktnetzwerkpflege
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019
T. Kollmann, E-Business, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26143-6_5
672 Die Grundlagen der E-Community
austausch zwischen bereits einander bekannten aber auch unbekannten Teilnehmern unter-
stützt werden, zum anderen soll das entstehende Beziehungsgeflecht zwischen den Teil-
nehmern mit Hilfe elektronischer Funktionen verwaltet und gepflegt werden können (s.
Abb. 241). Die Unterstützung dieser beiden Aspekte durch die Plattform und dessen Be-
treiber(n), erfolgt dabei im Normalfall auf der Grundlage gemeinsamer Regeln, Werte und
Normen (Tietz 2007, S. 20), die in den Teilnahmebedingungen bestimmt werden. Auch
zur Realisierung einer erfolgreichen E-Community müssen spezifische Anforderungen be-
züglich der fünf Bausteine „Systeme“, „Prozesse“, „Management“, „Marketing“ und „Im-
plementierung“ (s. Kapitel 1.7) erfüllt werden, auf die im Folgenden jeweils detailliert
eingegangen wird.
Welche Besonderheiten ergeben sich dadurch, dass Inhalte durch die Nutzer selbst
erstellt und ausgetauscht werden?
Die Systeme beim elektronischen Kontaktnetzwerk 673
Welche Arten von Systemlösungen zum Aufbau einer E-Community können grund-
sätzlich unterschieden werden?
5.1.1.1 Online-Mitgliederprofile
Ausgangspunkt einer E-Community wird zunächst durch die Mitglieder, die durch sie ver-
bunden werden, determiniert. Die grundsätzlichen Charakteristika dieser Community-
Teilnehmer sind dabei zunächst die verbindenden sozialen Merkmale und die inhaltlichen
Ausgangspunkte für die nachfolgende Vernetzung bzw. Kommunikation mit- und unter-
einander. Die Aufnahme, Beschreibung und Darstellung der Informationen zum einzelnen
Teilnehmer lassen sich im Online-Mitgliedsprofil wiederfinden (s. Abb. 242). Diese ein-
zelnen Online-Mitgliederprofile bestimmen in der Zusammensetzung quasi den Basiswert
einer E-Community, und die zweckorientierte Aufnahme und Darstellung bzw. Vernet-
zung von Teilnehmerprofilen kann als Kernanforderung an das Community-System be-
zeichnet werden. Aus Sicht des Community-Betreibers lassen sich drei Ebenen von Teil-
nehmerprofilen betrachten (Mühlenbeck/Skibicki 2008, S. 160):
Systemimmanentes Profil: Das Systemprofil enthält alle Daten, die für den Teilneh-
mer in der der Community zugrundeliegenden Datenbank gespeichert sind. Dazu zäh-
len insbesondere auch nicht-reaktive Daten über sein Verhalten innerhalb der Commu-
nity, die im Laufe der Zeit aufgezeichnet wurden (s. Kapitel 3.4.2.4).
Öffentliches Profil: Das öffentliche Profil ist der Teil des persönlichen Profils, den
andere Mitglieder und ggf. externe Besucher sehen können. In der Regel sollte der
Teilnehmer selbst entscheiden können, welche Teile seines Profils öffentlich sichtbar
sind.
Die Systeme beim elektronischen Kontaktnetzwerk 675
Während diese drei Ebenen in erster Linie die Herkunft der Profildaten betreffen, lassen
sich Profildaten darüber hinaus auch insbesondere auf inhaltlicher Ebene klassifizieren
(s. Abb. 242).
Hier lassen sie sich etwa den folgenden inhaltlichen Kategorien für Profildaten zuord-
nen (Mühlenbeck/Skibicki 2008, S. 162 ff.):
Basisinformationen stellen die Informationen dar, die auf jeden Fall von jedem
Mitglied angegeben werden sollten. Dabei handelt es sich bspw. um Usernamen, E-
Mail-Adresse, Geschlecht sowie Namen, Vornamen und ggf. Titel des Nutzers.
Persönliche Informationen sind bspw. Geburtsdatum und Nationalität sowie ggf. Fa-
milienstand, Hobbys und Informationen über das Aussehen des Teilnehmers. Ebenso
fallen Profilbilder und Bilder einer eigenen Fotogalerie in diese Kategorie.
676 Die Grundlagen der E-Community
Abhängig von der Art der Community ist die Bedeutung dieser vier Kategorien mehr oder
weniger ausgeprägt. So sind bspw. in einer Dating-Community insbesondere die persönli-
chen Informationen von Bedeutung, während in einem Karrierenetzwerk eher die Kontak-
tinformationen sowie die Berufs- und Ausbildungsdaten eine Rolle spielen (Mühlen-
beck/Skibicki 2008, S. 163).
5.1.1.2 Online-Mitgliedercontent
Über die einzelnen Online-Mitgliederprofile als Basiswert einer E-Community hinaus,
kommen in der Folge die durch den Teilnehmer eingebrachten Kommunikationsinhalte
zum Tragen. Dieser Online-Mitgliedercontent wird dabei durch diese selbst generiert und
bestimmt in der Zusammensetzung den Zusatzwert einer E-Community. Während bei
anderen Plattformen (z. B. E-Shop oder E-Procurement) die Inhalte vom jeweiligen Betrei-
ber bereitgestellt werden, werden die Inhalte und damit der Content einer E-Community
in der Regel dezentral von den einzelnen Mitgliedern produziert (s. Kapitel 1.6.1). Dieser
User-generated Content steht folglich im Mittelpunkt der Kommunikation auf einer sol-
chen Plattform, da durch dessen Anbieter bzw. Betreiber lediglich das technische Gerüst
im Sinne eines kommunikationsorientierten Rahmensystems angeboten wird. Die eigent-
lichen Inhalte (Profile und Kommunikationsdaten wie z. B. Texte) kommen dagegen nicht
vom Community-Betreiber, sondern von den Community-Teilnehmern bzw. -Mitgliedern.
Dies bedeutet einen elementaren Wechsel in der Betrachtung von Internetnutzern, denn
diese wandeln sich von passiven Lesern zu aktiven Produzenten von Inhalten. Die Produk-
tion reduziert sich dabei nicht mehr nur auf die reine Kommentierung von bereits vorhan-
denen Inhalten, sondern auf den eigenständigen Upload von selbst generierten multimedia-
len Inhalten wie Texten, Tonbeiträgen und Videos (s. Kapitel 1.3.2). Typische Instrumente
zur Inhaltserstellung sind dabei neben Kommentar-, Editoren- und Bewertungsfunktionen
(Mühlenbeck/Skibicki 2008, S. 148 ff.), entsprechende Layout- und Upload-Funktionen
für verschiedene Medienformen (s. Abb. 243).
Durch diese systembedingte Zusammenführung des User-generated Content wird in der
E-Community das Ziel einer kollektiven Online-Intelligenz verfolgt. Dabei leitet die
Grundidee, dass eine Gesellschaft als Ganzes über ein größeres Wissen verfügt, wenn
die kommunizierten Informationen so weit wie möglich verbreitet werden, anstatt auf
nur wenige Personen beschränkt zu bleiben (Surowiecki 2007, S. 220). Hierzu wird
allgemein angenommen, dass die Kumulation von Informationen in Gruppen zu Aus -
sagen bzw. Entscheidungen häufig besser sind als Aussagen bzw. Entscheidungen, die
Die Systeme beim elektronischen Kontaktnetzwerk 677
von einer Einzelperson getroffen werden (Bächle 2008, S. 129). Dies trifft vor allen
Dingen zu, wenn die Gruppe hinsichtlich individueller Kenntnisse und Fähigkeiten breit
aufgestellt ist. Allerdings darf die Gruppe von Personen auch nicht zu heterogen sein, da
es ansonsten zu Kommunikationsstörungen kommen könnte. Die These, dass die Nut-
zung kollektiver Intelligenz die Fähigkeit besitzt, massiven Einfluss auf Wirtschaft,
Politik und Gesellschaft auszuüben, bezeichnete der amerikanische Journalist Suro-
wiecki (2007) auch als „the wisdom of crowds“ (Gruppen- bzw. kollektive Intelli-
genz).
Der selbst eingestellte Content der Teilnehmer ist dabei sowohl mit Vor- aber auch einigen
Nachteilen verbunden. In Anbetracht der Tatsache, dass die erstmalige Content-Produk-
tion durch den notwendigen Personaleinsatz in der Regel mit erheblichen Kosten verbun-
den ist, während die weitere Verarbeitung und Verbreitung sich durch Kopier- und Versen-
dungsmöglichkeiten erheblich kostengünstiger gestaltet (sog. Kostendegressionseffekt),
Die Systeme beim elektronischen Kontaktnetzwerk 679
ist es nur vorteilhaft, wenn gerade dieser erste Schritt externalisiert und damit an die
Mitglieder der E-Community übertragen wird, um hier Kostenvorteile zu erzielen.
Gleichzeitig stehen aber auch Mengenvorteile im Fokus, da hunderte oder sogar tausende
von Community-Teilnehmern in der Regel mehr Content produzieren können, als ein bei
der Plattform angestellter Content-Manager oder mehrere zugehörige Online-Redakteure.
Auf der anderen Seite kann User-generated Content aber auch einen Kontrollnachteil mit
sich bringen, da die eingestellten Beiträge sowohl in der Menge als auch inhaltsbezogen
vom Community-Betreiber nicht im Detail begutachtet werden können. Ein diesbezügli-
cher Personalaufwand würde den beschriebenen Kostenvorteil in der Content-Produktion
teilweise oder vielleicht sogar vollständig wieder aufheben.
Die Balance zwischen Kostenvorteil und Kontrollnachteil in Bezug auf User-generated
Content bei E-Communities kann vor diesem Hintergrund als zentrale Herausforderung
für das Plattform-Management bezeichnet werden (Mühlenbeck/Skibicki 2008, S. 19 f.).
Es empfiehlt sich in diesem Zusammenhang auch, eine Content-Klassifizierung vorzu-
nehmen, die grundsätzlich zwischen dem vertikalen Content (Redakteur an User) und
dem horizontalen Content (User an User) unterscheidet (Merx 2006). Begründet durch
die zunehmende Bedeutung von horizontalem Content weitet sich dann aber auch das
Aufgabenfeld der Online-Redakteure immer weiter aus, da diese zusätzlich zu der eige-
nen Content-Erstellung auch die Qualität des publizierten Community-Contents prüfen
müssen. Diese Qualitätssicherung kann aber auch wiederum mit an die Community-Mit-
glieder übertragen werden, wenn diese über verschiedene Bewertungsverfahren einen Bei-
trag als mehr oder weniger wertvoll klassifizieren können. Auch können einzelne, als be-
sonders qualifiziert ermittelte Mitglieder als sog. Forenadmins mit zusätzlichen Rechten
eines Online-Redakteurs ausgestattet werden (z. B. Beiträge verändern, löschen oder ver-
schieben), um als Teil eines erweiterten virtuellen Community-Teams redaktionelle Auf-
gaben zu übernehmen. Als Anforderung an das Community-System muss es entsprechend
technisch möglich sein, verschiedenen Mitgliedern unterschiedliche Rechte zuweisen zu
können.
Aufgrund der Fülle von horizontalem Content sollte es systemseitig zudem möglich sein,
den Nutzern eine Selektionsoption bereitzustellen, die der Unübersichtlichkeit entgegen-
wirkt. Newsfeeds (s. Kapitel 5.4.2.4) sowie E-Mail-Benachrichtigungen oder Push-
Nachrichten über neu erstellte Inhalte gehören bei renommierten Communities zu den
Standardfunktionen und müssen seitens der Community-Software unterstützt werden. Als
weitere Anforderung an die Verwaltung der Online-Teilnehmerinhalte sei z. B. die Ar-
chivierungsfunktion genannt. Sie muss sämtlichen Content umfassend archivieren und
gleichzeitig sowohl interne sowie externe Suchfunktionen anbieten. Weitere Abhilfe im
Rahmen der Überprüfung von User-Generated-Content kann die Blockchain-Technolo-
gie verschaffen (s. Kapitel 1.6.5). Über die dezentrale Speicherung von Daten und die
entsprechende Transparenz über die jeweiligen Prozesse und Ersteller der Inhalte, wird
der Sicherheitsaspekt erhöht. Durch die Technologie wird Cyber-Kriminalität somit vor-
gebeugt.
680 Die Grundlagen der E-Community
5.1.1.3 Online-Contentschnittstellen
Um User-generated Content aufzubauen, mit dem Content anderer Plattformen zu verbin-
den und möglichst vielen anderen internen und externen Community-Teilnehmern wieder
bereitzustellen, ist es notwendig, dass gerade die technischen Systeme der E-Community
besonders offen gestaltet sind. Der Ansatz, zuvor aufgebaute Online-Datenbestände ande-
ren Marktteilnehmern bzw. Plattformen zur Verfügung zu stellen, impliziert demnach die
Notwendigkeit, dass Funktionen und Daten aus schon existierenden Diensten über einfach
gehaltene APIs (s. Kapitel 2.1.3.2) angesprochen und von neu entwickelten Anwendungen
verwendet werden können (Hommen 2007, S. 110 ff.). Offene Online-Contentschnitt-
stellen sollen dabei garantieren, dass ein Community-Dienst in eine andere Anwendung
integriert werden kann, ohne dass der jeweilige Dienst manuell angesteuert werden muss
(Reitler 2007, S. 30). So nutzt bspw. foursquare.com die Daten von GeoNames und
OpenStreetMap, um den Nutzer Informationen zu Orten einsehen sowie zusätzliche Da-
ten zu Orten ablegen zu lassen. Dadurch wird dem Nutzer die Möglichkeit geboten, Orte
mit Schlagworten zu versehen, passende Bilder hochzuladen, Kommentare abzugeben und
Beziehungen zu anderen Orten anzugeben. Durch die vom Nutzer durchgeführten intelli-
genten Verknüpfungen der Daten und die zusätzlichen Informationen wird ein elektroni-
scher Mehrwert (s. Kapitel 1.4) geschaffen.
Für die Anbieter von Inhalten bietet die Bereitstellung von Online-Contentschnittstellen
eine Chance, zusätzlich zum eigentlichen Angebot mit den vorhandenen Inhalten Einnah-
men zu generieren. Dies gilt vor allem, wenn durch die bereitgestellten Inhalte für die
Nutzer der Schnittstellen ein Mehrwert erzeugt wird. Dies ist dann der Fall, wenn Informa-
tionen oder Funktionen über die Schnittstellen bereitgestellt werden, die in der Erzeugung
teuer sind, gleichzeitig aber ein weit gestreutes Interesse an den häufig sehr allgemeinen
Inhalten oder Funktionen besteht (Hommen 2007, S. 118). So stellen bspw. Unternehmen
wie amazon.de und google.de ihren Partnern bereits seit einigen Jahren auf Web-Service-
Technologien (s. Kapitel 4.1.1.3) basierende Schnittstellen zur Verfügung (Neimarlija
2007, S. 99 ff.):
Mit Hilfe der Web-Service-Schnittstellen von amazon.de können Betreiber von E-
Communities Produktinformationen aus der Datenbank abrufen und in ihr eigenes
Angebot integrieren. Im Fall des Buchverkaufs sind bspw. Titel, ISBN, Bilder, Lese-
proben, Rezensionen u.ä. von amazon.de abrufbar und können dank XML dann effi-
zient weiterverarbeitet werden. Darüber hinaus bietet amazon.de durch eRecommen-
dation-Prozesse (s. Kapitel 5.2.2.5) gestützte Vorschläge für weitere Bücher an, die
aus Bestellungen von Kunden errechnet werden, die das gesuchte Buch (und zusätz-
liche andere Bücher) gekauft haben.
Mit Hilfe der Web-Service-Schnittstellen von google.de können Betreiber von E-
Communities Suchdienste innerhalb des eigenen Webangebots nutzen. Dabei kann
die Suchtechnologie von google.de einerseits auf die spezifische Webseite einer Com-
munity angewandt werden, andererseits können von der eigenen Webseite aus aber
auch alle von google.de indizierten Web-Ressourcen durchsucht werden. Auf diese
Die Systeme beim elektronischen Kontaktnetzwerk 681
Weise bietet ein Unternehmen einen Mehrwert für seine Kunden an, der auf der von
google.de entwickelten Suchtechnologie basiert.
Für den Nutzer von Online-Contentschnittstellen besteht die, über eine Integration von
Diensten in eine bestehende Anwendung hinausgehende, Möglichkeit, durch die Kombi-
nation von verfügbaren Diensten völlig neue Dienste zu entwickeln, deren Funktionalität
bei der Entwicklung der ursprünglichen Dienste nicht im Vordergrund stand. Dies ermög-
licht kooperative Geschäftsmodelle, an die zuvor noch nicht zu denken war (Neimarlija
2007, S. 95). So ist es insbesondere denkbar, über die komplette Zusammenführung von
Leistungen einen höheren Marktpreis zu realisieren, als dies für die getrennten Angebote
möglich wäre. Dieser Ansatz der Bündelung (Bundling) unterschiedlicher Angebote kann
bspw. unter Verwendung des Mashup-Modells (s. Kapitel 5.1.2.4) verfolgt werden. Ver-
schiedene Anwendungen werden dabei so kombiniert, dass die Anbieter der Teilleistun-
gen keinen Einfluss auf das Ergebnis haben, sondern lediglich über Lizenzierung ihrer
Inhalte an den Erlösen des Schnittstellen-Nutzers partizipieren können (Hommen 2007,
S. 118). Ein Beispiel für ein Mashup-Modell stellt bikemap.net dar, das seinen Nutzern
auf Basis von Openstreetmap-Kartenmaterial ermöglicht, Radrouten anzulegen und mit
anderen Nutzern zu teilen (s. Abb. 245).
5.1.1.4 Online-Mitgliederzugriff
Ein wesentliches Merkmal einer E-Community ist es, dass aufgrund der Wichtigkeit des
User-generated Content (s. Kapitel 5.1.1.2) dieser technisch von den Mitgliedern über
möglichst verschiedene Zugangs- und Medienwege einstellbar bzw. erreichbar ist. Dies
gilt bspw. dann, wenn man mobil auf die Kontaktdaten aus dem Business-Netzwerk
xing.com zurückgreifen möchte oder Videoaufnahmen vom Handy direkt vom Endgerät in
die Community facebook.com überspielen möchte. Der Online-Mitgliederzugriff ist
demnach ein weiterer Aspekt der Systemanforderungen bei elektronischen Kontaktnetz-
werken. Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort auf dem richtigen Gerät anzu-
zeigen ist eine der großen Herausforderungen des Informationszeitalters. Der Erfolg jegli-
cher gewerblicher und nicht-gewerblicher Online-Aktivität hängt davon ab, inwiefern
diese Herausforderung der Geräteunabhängigkeit für den Content-Zugriff bzw. die -
Überspielung gelöst wird (Kerer/Kirda 2001). Insbesondere E-Communities müssen sich
dieser Herausforderung stellen, da eine für die Mitglieder zeit- und ortsunabhängige Teil-
nahme am Informationsaustausch einen wesentlichen Mehrwert gegenüber einer Nutzung
mit sich bringt, die an das „stationäre“ Web gebunden ist. So ist es als weiteres Beispiel im
Rahmen der Geotagging Community locr.com vorteilhaft, wenn die Nutzer an jedem Ort
auf der Welt auch von ihrem mobilen Endgerät aus auf Informationen zu den Lokalitäten,
Kontaktdaten und Nachrichten zugreifen können.
Wenn die Absicht verfolgt wird, mehrere Ausgabeformen oder Ausgabemedien zu bedie-
nen, spricht man allgemein von Cross-Media Publishing (Balci/Bülbül 2007, S. 80).
Cross-Media Publishing kann zeit- und kostenintensiv sein, wenn die Aufbereitung der In-
formationen nach traditionellen Methoden erfolgt (Rothfuss/Ried 2003). Oft werden Inhalt
und Gestalt eines Informationsproduktes unzertrennbar vermischt, sodass eine Wiederver-
Die Systeme beim elektronischen Kontaktnetzwerk 683
wendung in anderen Zusammenhängen unmöglich wird. Der Workflow ist in solchen Fäl-
len keineswegs optimal: Daten müssen mehrfach erstellt, gespeichert und gepflegt werden,
wodurch nicht nur Konsistenz und Integrität der Daten, sondern auch deren Aktualität lei-
det. Für jede Ausgabeform müssen unterschiedliche Regeln für die Aufbereitung definiert,
eventuell sogar zusätzliche Informationen erfasst werden. Als Zielsetzung resultiert in die-
sem Zusammenhang eine datenbankunterstützte und weitgehend automatisierte Bedie-
nung mehrerer Ausgabemedien, ohne sich ständig erneute Gedanken darüber zu machen,
wie ein Informationsprodukt auszusehen hat, und welche Struktur es besitzen soll. Wich-
tige Zielmedien für eine E-Community sind insbesondere PC, ITV, Handy, PDA/Smart-
phone; aber auch eine Printausgabe des Online-Contents ist oft sinnvoll. Alle Zielmedien
werden im optimalen Fall von einer einzigen medienneutralen Datenbank weitgehend
automatisch gespeist, wie es auch schon für Online-Produktkataloge beim E-Shop sinn-
voll erscheint (s. Kapitel 3.1.1.1). Ermöglicht wird dies durch die strikte Trennung von In-
halt und Layout.
Gleich welche Funktionalität innerhalb der E-Community bereitgestellt oder wahlweise von
einem Mitglied der E-Community genutzt wird (bspw. der Upload eines Bildes oder be-
stimmte Interessen des Nutzers), wird die Verarbeitung von personenbezogenen Daten not-
wendig sein und somit greift die neue Datenschutzgrundverordnung (DSVGO) (s. Kapitel
1.3.6 und Kapitel 4.4.1). Insofern jedoch auch darüber hinaus, als dass sie ebenso für E-
Community Betreiber mit Sitz außerhalb der EU Gültigkeit besitzt, sofern diese Daten von
EU-Bürgern verarbeiten. Die Installation hoher Strafen im Falle der Zuwiderhandlung der
DSGVO sollen dafür Sorge tragen, dass Unternehmen, deren Geschäft primär auf Daten-
sammlung, Datenverarbeitung und Informationsübertragung (s. Kapitel 1.4.3) basiert, sich
an eben jene Verordnung halten und der EU-Bürger stets die Hoheit über seine personen-
bezogenen Daten (s. Kapitel 4.1.1.5 für eine genaue Definition) wahren kann. Der E-Com-
munity Betreiber muss auf Basis der neuen Rechtssprechung die Anspruchsgrundlagen zur
Sammlung, Verarbeitung und Übertragung von Daten prüfen und gemäß DSGVO angeben.
Demnach müssen E-Community Mitgliedern in puncto Sammlung ihrer personenbezogenen
Daten aufgeklärt werden. Zudem müssen ihnen Berichtigungen über Löschungen, Nennun-
gen und Auflistungen der gesammelten Daten zugehen. Zusätzlich muss innerhalb der Un-
ternehmung ein verantwortlicher Datenschutzbeauftragter erklärt werden.
für Dritte nicht einsehbar sind. Zu der zweiten Kategorie zählen Anwendungen und Platt-
formen, bei denen der Zusammengehörigkeitsgedanke im Vordergrund steht und über die
zwar kommuniziert wird, aber vor allem Inhalte im Fokus stehen, die von den Nutzern
bzw. Mitgliedern selbst erstellt (User-generated Content; s. Kapitel 5.1.1.2) oder in ir-
gendeiner Form erweitert wurden (Alby 2008, S. 89). Die in der Regel asynchron kommu-
nizierten Inhalte werden in diesem Fall von der Plattform aufgezeichnet und können vom
Nutzer verwaltet werden. E-Community-Lösungen fallen in diese zweite Kategorie von
Social Software. Sie zeichnen sich durch die Grundprinzipien aus, dass die Nutzer so
einfach wie möglich selbst Inhalte veröffentlichen bzw. editieren können, einfach struk-
turierende Metadaten (z. B. Schlagwörter) beitragen können, einfach zusätzliche Inhalte
und Metadaten durch Annotationen und Verlinkungen bereitstellen können, durch Abon-
nements einfach auf neue Inhalte aufmerksam gemacht werden können, von anderen Nut-
zern beigetragene Inhalte über deren Schlagwörter leicht auffinden können und dabei mit
modularen, dienstorientierten und datenzentrierten Systemlösungen interagieren (McAfee
2006; Koch/Richter 2009, S. 14).
Zur Realisierung einer E-Community bieten Open-Source-Lösungen bzw. Content-Ma-
nagement-Lösungen (s. Kapitel 3.1.3.1) wie Joomla oder Typo3 spezifische Community-
Module, welche die Basis-Funktionalitäten wie Profilverwaltung (s. Kapitel 5.1.1.1) und
Nachrichtensystem abbilden. Content-Management-Systeme machen insbesondere dann
Sinn, wenn die Community komplett in eine Webseite integriert werden soll, da die be-
schriebene Trennung von eigenem redaktionellen Content (Content des Community-Be-
treibers) und User-generated Content (Content der Community-Nutzer) gewährleistet
wird. Neben den Open Source-Lösungen existieren zudem einige kommerzielle Lösun-
gen, die häufig auf ASP-Basis (s. Kapitel 3.1.2.2) angeboten werden und vorgefertigte
Community-Funktionen bieten. Dazu gehören insbesondere Funktionen zur Benutzerver-
waltung – z. B. zum Freischalten, Erstellen, Bearbeiten und Löschen von Benutzerkonten
oder zur Wiederherstellung von Passwörtern (Mühlenbeck/Skibicki 2008, S. 148 ff.). Ab-
hängig von den eigenen Anforderungen müssen jedoch sowohl bei Open Source-Lösun-
gen als auch bei kommerziellen Lösungen in der Regel Änderungen an Quellcode und
Design vorgenommen werden (Mühlenbeck/Skibicki 2008, S. 150). Viele der bislang ver-
fügbaren Lösungsansätze, die zum Aufbau einer E-Community genutzt werden können,
sind im Kontext des Web 2.0 entstanden. Allgemein lassen sie sich in fünf Modelltypen
unterteilen, die im Folgenden jeweils vorgestellt werden sollen. Dabei ist davon auszuge-
hen, dass die Anzahl der am Markt vorhandenen standardisierten Systemlösungen zur Re-
alisierung von Community-Funktionalitäten in Zukunft zunehmen wird (Mühlenbeck/Ski-
bicki 2008, S. 150).
5.1.2.1 Board-Modell
Den ältesten Ansatz zur Realisierung eines Informationsaustausches zwischen Commu-
nity-Mitgliedern spiegelt das Board-Modell wider. Das Board-Modell erlaubt die techni-
sche Umsetzung eines einfachen Diskussionsforums. Innerhalb des Forums können die
Die Systeme beim elektronischen Kontaktnetzwerk 685
Mitglieder bzw. Nutzer sog. Postings veröffentlichen, die von anderen Nutzern gelesen
und beantwortet werden. Mehrere Beiträge zum selben Thema werden zusammenfassend
als Thread (Faden) oder Topic (Thema) bezeichnet (Bächle 2006, S. 122). Abonniert ein
Mitglied einen solchen Thread, kann es sich bspw. per E-Mail benachrichtigen lassen,
wenn neue Beiträge vorliegen. Nach der Strukturierung der Beiträge lassen sich zwei Fo-
ren-Typen unterscheiden (Koch/Richter 2009, S. 33):
Beim Web-Forum werden die Beziehungen zwischen den Beiträgen eines Themas in
Form einer hierarchischen Baumstruktur dargestellt, damit der Nutzer erkennen kann,
welche Beiträge als Antwort auf einen anderen Beitrag erstellt wurden.
Beim Bulletin Board werden alle Postings auf einer Seite vereint. Das Thema wird
auf eine Folgeseite umgebrochen, wenn die Anzahl der Beiträge eine festgelegte An-
zahl überschreitet.
Im Web existieren professionelle Foren-Lösungen wie phpbb.com (s. Abb. 246), die dank
Skriptsprachen wie PHP (s. Kapitel 3.1.3.4) eine schnelle Umsetzung des Board-Modells
erlauben. Der Administrator hat über eine entsprechende Back End-Oberfläche die Mög-
lichkeit, im Forum neue Themen anzulegen sowie Gruppen und Berechtigungen zu ver-
walten. Dabei können offene und geschlossene Themen definiert werden. Grundsätzlich ist
es möglich, vorhandene Foren-Lösungen als Basis oder Bestandteil zur Realisierung von
Community-Plattformen einzusetzen, deren Funktionalität über den einfachen Funktions-
umfang des Board-Modells hinausgeht. Aus Entwicklersicht gilt es dabei zu beachten, dass
sämtliche Community-Komponenten – so z. B. die Nutzerverwaltung – fest in die Lösung
integriert sind (Mühlenbeck/Skibicki 2008, S. 158).
5.1.2.2 Weblog-Modell
Der Begriff Weblog ist allgemein als eine Abkürzung für die Wortschöpfung aus „Web“
(Netz) und „Log“ (Tagebuch) zu verstehen. Das zugehörige Weblog-Modell bezeichnet
eine Webseite, die von einem Autor regelmäßig mit Beiträgen zu unterschiedlichen The-
men gespeist wird, wobei der aktuellste Beitrag zumeist an erster Stelle steht (Mikloweit
2007, S. 57). Weblogs sind relativ häufige und chronologisch angeordnete Veröffentlichun-
gen persönlicher Gedanken, die mit Links zu anderen Webseiten angereichert sind (Lovink
2006, S. 95). Nach Ansicht vieler Autoren wurde der Begriff des Weblogs erstmals 1997
für Webseiten verwendet, die genau diese Charakteristika aufwiesen (Möller 2006). Nach-
folgend sprach sich ein Weblog-Autor dafür aus, Weblog kurz Blog auszusprechen. Ein
Blog ist eine Art öffentliches Notizbuch, mit dem der die Blog-Einträge verfassende Blog-
ger je nach Interessenlage und Zielsetzung informieren, externe Informationen sammeln,
verlinken, selektieren und kritisch kommentieren kann (Diemand/Mangold/Weibel 2006,
S. 8). Neue Anwendungen ermöglichen zudem auch dem Leser, die bereitgestellten Bei-
träge zu kommentieren und so Diskussionen zwischen Autor und anderen Kommentato-
ren zu initiieren. Die Leser werden auf diese Weise aktive Mitproduzenten von Inhalten (s.
Kapitel 5.1.1.2) und werden in den Diskussionsprozess miteinbezogen (Stauss 2008,
S. 254). Aus soziologischer Sicht unterstützen Blogs daher den Aufbau und die Pflege von
sozialen Netzwerken. Dabei verstärken sie den allgemeinen Trend des relativen Bedeu-
tungsverlustes räumlich begrenzter und eng verbundener Gemeinschaften zugunsten von
eher locker verbundenen und geographisch zerstreuten Netzwerken (Schmidt 2006; Well-
man 1999).
Aus technischer Perspektive sind Weblogs dynamische Webseiten, die einfache Content-
Management-Systeme verwenden (Stauss 2008, S. 254). Das Weblog-Modell kann für
viele Communities sehr einfach E-Mail, Mailinglisten oder Nachrichtendienste ablösen
und zudem einen größeren Gestaltungsspielraum schaffen (Koch/Richter 2009, S. 26).
Dies begründet sich darin, dass Weblogs nicht immer auf Textinhalte beschränkt sind,
sondern primär auch Fotos, Video- oder Audioinhalte enthalten können. Allgemein ist der
Unterschied zwischen dem Board-Modell (s. Kapitel 5.1.2.1) und dem Weblog-Modell
häufig fließend, wobei jedoch die Philosophien dieser Modelle grundlegend verschieden
sind. Während ein Forum eher dem Austausch und der Diskussion dient, steht beim Blog
die Möglichkeit zur Meinungsäußerung und Selbstdarstellung im Vordergrund (Müh-
lenbeck/Skibicki 2008, S. 159 f.).
Ähnlich wie beim Board-Modell existieren auch für Weblogs verschiedene Systemlösun-
gen, die zum Teil kostenlos einsetzbar sind. Ein Beispiel für eine derartige Lösung stellt
das auf PHP und MySQL basierende wordpress.org dar (s. Abb. 247). Die Software ist
Open Source und legt besonderen Wert auf Webstandards, Eleganz, Benutzerfreundlich-
keit und leichte Anpassbarkeit (Koch/Richter 2009, S. 32). Wie viele andere Weblog-Lö-
sungen bietet wordpress.org zunächst einen Administrationsbereich, in dem bspw. das
Erscheinungsbild des Weblogs konfiguriert wird sowie eigene Beiträge und Kommentare
verwaltet werden. Neben grundlegenden Funktionen zum Schreiben von Beiträgen bieten
Die Systeme beim elektronischen Kontaktnetzwerk 687
5.1.2.3 Wiki-Modell
Anders als beim Weblog-Modell, welches der subjektiven Meinungsäußerung einzelner
Nutzer dienen soll, hat das Wiki-Modell das Ziel, das Wissen mehrerer Nutzer zu be-
stimmten Themen zu konsolidieren (Koch/Richter 2009, S. 37). Dazu erstellen und bear-
beiten die Nutzer gemeinsam eine Menge von Webseiten. Wikis verkörpern somit das,
was der ursprüngliche Gedanke des WWW-Begründers Berners-Lee (1999) war, nämlich
Informationen online zur Verfügung zu stellen und für jedermann bearbeitbar zu machen.
Wikis bezeichnen allgemein im Internet verfügbare, auf Hypertexten basierende Daten-
sammlungen zu verschiedensten Themen, die von Webnutzern nicht nur gelesen, sondern
auch online verändert werden können (Mikloweit 2007, S. 57).
Die dokumentierte Geschichte der Wikis begann 1995, als ein Software-Entwickler seine
Datenbank um eben jene genannten Funktionen erweiterte, um mit Entwicklern aus aller
Welt an bestimmten Projekten besser zusammenarbeiten zu können (Möller 2006, S.
170). Die Grundlage für den Erfolg und die rasende Verbreitung von Wikis ist danach
aber insbesondere die Entwicklung von Systemlösungen gewesen, welche dem Benutzer
in einer Art „Bearbeitungsmodus“ ermöglicht, Artikel auch ohne HTML- oder Program-
mierkenntnisse zu erstellen und zu editieren (s. Abb. 244; s. Kapitel 5.1.1.2). Systemlö-
sungen, die dem Wiki-Modell zuzuordnen sind, beinhalten eine vereinfachte Syntax, wel-
che unformatiert vom Webnutzer eingegebene Texte in HTML umwandelt (Mikloweit
2007, S. 57). Zudem ermöglichen kleine Buttons über dem Texteingabefeld ein wenig De-
signspielraum für den Autor (z. B. hinsichtlich Kursiv- oder Fettschrift).
Inhalt Leser
Autor Client
Wiki Wiki-Schnittstelle
Wiki-Admin
Wiki-Skripte Web-Admin
Server
Infrastruktur System-Admin
In technischer Hinsicht ist die Wiki-Software eine Art Skriptsammlung, die auf einem
Webserver installiert ist. Dabei wird der Inhalt einer jeden Seite im sog. Wiki-Code in
einer zugrundeliegenden Datenbank gespeichert. Bei Interaktion schickt der Browser des
Webnutzers nun eine Anfrage an die per Wiki-Software verwalteten Datensätze, welche
dann den Wiki-Code in HTML übersetzt und automatisch in die Webpages zurück ein-
bindet (Ebersbach/Glaser 2005, S. 131). Von entscheidender Bedeutung ist hierbei, dass
sich die Schnittstelle zur Content-Erstellung im Gegensatz zu gewöhnlichen Webseiten im
Bereich des Nutzers befindet (s. Abb. 248).
Heute existieren über 100 verschiedene Programme zum Betrieb eines Wikis (Mikloweit
2007, S. 57). Während viele Groupware- und Content-Management-Lösungen die Funk-
tionalität zum Einrichten eines Wikis mit sich bringen (Koch/Richter 2009, S. 41), existiert
auch spezielle Software, die die Wiki-Funktionalität unterstützt. Neben kommerziellen
Systemlösungen existiert mit mediawiki.org eine frei erhältliche, PHP-/MySQL-basierte
Lösung, mit der u. a. auch wikipedia.de betrieben wird (s. Abb. 249). Neben dem Standard
der Volltext- bzw. Titelsuche und der bereits zuvor erwähnten Bearbeitungsfunktion wei-
sen die meisten Wikis weitere spezifische Merkmale auf. So gibt gerade die Recent-
Changes-Funktion einen aktuellen Überblick über alle zuletzt gemachten Änderungen im
Wiki, mitsamt Uhrzeit und Autor. Dieser Überblick wird automatisch aktualisiert und
kann nicht von den Nutzern beeinflusst werden. Zudem kann sich der Webnutzer die His-
torie von Änderungen einer Seite oder eines Artikels (je nach Speicherplatz des Wikibe-
treibers) oft bis zur ersten Version anzeigen lassen. Eine Erweiterung dieses Prinzips stellt
die Diff-Funktion dar, welche die Veränderung zwischen zwei ausgewählten Revisionen
wiedergibt. Durch diese Funktionen lassen sich Manipulationen oder Beschädigungen an
Seiten schnell durch die Gemeinschaft des jeweiligen Wikis aufdecken bzw. reparieren
690 Die Grundlagen der E-Community
(Mikloweit 2007, S. 59 f.). Ein wichtiger Bestandteil eines Wikis ist in diesem Sinne die
Rollback-Funktion, welche mit Hilfe der Versionshistorie Änderungen an einer Seite
rückgängig machen kann (Alpar/Blaschke/Keßler 2007, S. 73).
Das Wiki-Prinzip der internen Verlinkung beschreibt die Möglichkeit, dass alle Artikel
bzw. Seiten auf die Titel anderer Seiten verweisen können. Um eine neue Seite anzulegen,
muss man diese erst auf einer bereits existierenden eintragen, wodurch gewährleistet ist,
dass alle Seiten des Wikis untereinander vernetzt sind. Wie diese Links gestaltet sind, um
sich vom übrigen Text hervorzuheben, unterscheidet sich oft von Wiki zu Wiki. Weit ver-
breitet ist hierbei die sog. Camel-Case-Syntax, bei der Wörter mit Großbuchstaben verse-
hen und ohne Zwischenraum aneinandergereiht werden. Kritiker bemängeln, dass durch
diese Links angereicherte Texte sehr unleserlich werden. Demnach ist es nicht verwunder-
lich, dass wikipedia.de auf diese Art der Verlinkung verzichtet und Links wie viele andere
Wikis durch eine farbliche Kennzeichnung hervorhebt. So verweisen blaue Links zu be-
reits existierenden Seiten bzw. Artikeln und rote Links zeigen an, wenn hierzu noch keine
Seite vorhanden ist. Verfassten Autoren auf den ursprünglichen Wiki-Plattformen ihre
Artikel noch anonym, so etabliert sich in der Praxis mehr und mehr, sich bei der Erstellung
bzw. Bearbeitung von Artikeln namentlich zu erkennen zu geben. Um dies zu gewährleis-
ten und die internen Bereiche zu sichern, wird oftmals eine Nutzerverwaltung angeboten
(Mikloweit 2007, S. 60).
5.1.2.4 Mashup-Modell
Ein Typ, welcher der besonderen Anforderung der Online-Contentschnittstellen (s. Ka-
pitel 5.1.1.3) gerecht wird, ist das sog. Mashup-Modell. Der Begriff Mashup kommt ur-
sprünglich aus der Musik und bezeichnet dort Remixe, die aus zwei oder mehreren Titeln
zusammen gemischt werden. Im Rahmen des E-Community-Ansatzes im Web 2.0 wird
dieser Begriff übernommen und verwendet, um einen neuen Trend zu beschreiben und mit
einem Schlagwort zu versehen. Das Ziel von Mashups ist es, durch die Verwendung be-
stehender Inhalte und Anwendungen den Aufwand für die Erstellung neuer Angebote zu
mindern.
Im allgemeinen Verständnis sind Mashups Anwendungen, die über offene Online-Conten-
tschnittstellen zugängliche Inhalte oder Dienste miteinander verknüpfen und als neues An-
gebot bereitstellen (Hommen 2007, S. 104). Durch die Wiederverwendung bestehender
Funktionalitäten können kostengünstig und schnell neue Anwendungen geschaffen wer-
den. Dabei fällt zum einen kein Entwicklungsaufwand zum Erstellen der Funktionen an.
Zum anderen geht auch die eigentliche Implementierung des Mashups aufgrund oftmals
sehr gut dokumentierter Schnittstellen schnell vonstatten, sodass die Implementierungs-
kosten in der Regel gering ausfallen. Alle übrigen Kosten können im Voraus mit Hilfe
eventueller Lizensierungsmodelle der Schnittstellenanbieter bestimmt und somit besser
gesteuert werden (Hommen 2007, S. 118). Ein Beispiel für das Mashup-Modell ist yelp.de,
wobei hier die besten Restaurants, Bars, Einkaufszentren oder auch Sehenswürdigkeiten
Die Systeme beim elektronischen Kontaktnetzwerk 691
Mashups lassen sich anhand ihrer Integrationstiefe einerseits und der Art der zugrunde
liegenden Geschäftsidee andererseits differenzieren. (s. Abb. 251). Es wird also unter-
schieden, wie die verwendeten fremden Inhalte oder Anwendungen in dem Mashup
verwendet und mit bestehenden oder anderen fremden Inhalten kombiniert und integriert
werden. Dabei entstehen drei Klassen von Mashups (Hommen 2007, S. 108 f.):
Mashups der ersten Stufe: In der ersten Stufe werden fremde Inhalte in die eigene
Webapplikation eingebunden. Diese werden auf der eigenen Seite angezeigt, es findet
jedoch keine Weiterverarbeitung und Verknüpfung mit eigenen oder weiteren fremden
Inhalten statt. Dies findet meist in Form von Werbung statt, welche, ggf. kontextbe-
zogen, gegen eine entsprechende Vergütung in das eigene Angebot integriert wird. Ein
weiteres Beispiel ist das Einbinden eines Newstickers in eine bestehende E-Com-
munity.
692 Die Grundlagen der E-Community
Mashups der zweiten Stufe: In der zweiten Stufe werden fremde Inhalte oder An-
wendungen in die eigene Webapplikation integriert und mit den bestehenden Inhalten
kombiniert. Das Ziel ist dabei, mit fremden Inhalten die eigene Applikation zu er-
weitern und aufzuwerten, sodass das daraus resultierende Ergebnis für die Nutzer der
eigenen Plattform einen höheren positiven Nutzen darstellt. Aus Sicht des Plattform-
betreibers hat diese Mashup-Form lediglich unterstützenden Charakter, da die Platt-
form nur um zusätzliche Inhalte oder Funktionen erweitert wird. Ein Beispiel ist die
Nutzung von Google Maps innerhalb einer E-Community, um Nutzerprofile auf einer
interaktiven Karte anzuzeigen (s. Kapitel 5.1.2.6).
Mashups der dritten Stufe: In Mashups der dritten Stufe werden Inhalte und An-
wendungen von zwei oder mehr Anbietern so kombiniert, dass ein Ergebnis entsteht,
welches den Nutzern einen höheren Nutzen stiftet als dieses die Dienste oder Inhalte
der fremden Anbieter einzeln können. Aus Sicht des Plattformbetreibers wird nicht nur
eine bestehende Plattform erweitert, sondern vielmehr eine neue Geschäftsidee umge-
setzt. Ein Beispiel für ein Mashup der dritten Stufe ist jobrobo.de, eine Meta-Such-
maschine für Stellenangebote, die ihre Trefferliste nicht aus einem eigenen Datenbe-
stand erstellt, sondern Suchanfragen an andere Jobportale weiterreicht und deren Er-
gebnisse zu einer Ergebnisliste aggregiert.
Geschäftsidee
Mashups der ersten Stufe Mashups der zweiten Stufe
• Anzeige fremder Inhalte • Integration fremder Inhalte
• keine Weiterverarbeitung • Verknüpfung mit eigenen
bestehenden Inhalten
• indirekte Erlösquelle
• direkte Erlösquelle durch höheren
Erweiterung Nutzen
bestehender
Applikationen
5.1.2.5 Social-Networking-Modell
Der Aufbau und die Pflege von zwischenmenschlichen Beziehungen bezeichnet man all-
gemein als Social- Networking-Modell. Systemlösungen, die diesem Social-Networking
folgen, haben daher das Ziel, die Gesamtmenge aller Nutzer einer E-Community zu be-
trachten und zwischen diesen softwaregestützt ein möglichst enges Netz von Beziehun-
gen zu knüpfen. Dabei soll aufbauend auf einer größtmöglichen Menge an Nutzern und
Beziehungen ein möglichst breiter Austausch der Community-Mitglieder erzielt werden
(Koch/Richter 2009, S. 54). Social-Networking-Plattformen verfügen in der Regel über
die drei folgenden Grundfunktionen (Koch/Richter/Schlosser 2007, S. 450):
Visualisierung: Das persönliche Netzwerk sowie die darin enthaltenen Kontakte wer-
den mit Hilfe von Graphen, Verbindungen und Profilen angezeigt. Optional möglich
ist eine Funktionalität, die die Kontakte der Kontakte anzeigt. Auf diese Weise lässt
sich feststellen, über wie viele Zwischenkontakte ein Mitglied mit einem anderen Mit-
glied vernetzt ist.
5.1.2.6 Geotagging-Modell
Ein weiterer Ansatz zur Realisierung des Informationsaustausches zwischen Nutzern elek-
tronischer Kontaktnetzwerke ist das Geotagging-Modell. Beim Geotagging werden Sub-
jekte oder Objekte, also z. B. Personen, Fotos oder Videos mit geographischen Standort-
informationen, also Längen- und Breitengraden versehen (Krylov/Kenny/Dahyot 2018;
Ebersbach/Glaser/Heigl 2011, S. 148 f.). Der eigentliche Mehrwert dieses Modells ent-
steht aber erst, wenn diese geographischen Informationen auf einer Landkarte angezeigt
werden oder mit den Koordinaten bekannter Standorte in Verbindung gebracht werden
(Ebersbach/Glaser/Heigl 2011, S. 148 f.). Google Maps stellt bspw. eine Schnittstelle zur
Verfügung, mittels derer andere Dienste auf Google Maps zugreifen können, um geografi-
sche Standortdaten zu visualisieren. Ein Beispiel für diese Form des Mashups, nämlich
basierend auf Geotagging, ist z. B. die mobile Community und Applikation foursquare
.com (s. Abb. 253). Als Alternativen zum Kartenmaterial von Google Maps gibt es bspw.
vergleichbare Schnittstellen bei Bing Maps von Microsoft, Yahoo Maps von Yahoo! und
MapQuest von AOL (Ebersbach/Glaser/Heigl 2011, S. 149). Der praktische Nutzen des
Geotagging-Modells ist vielfältig. So wird Nutzern sozialer Netzwerke bspw. ermöglicht,
sich über den Standort anderer Nutzer zu informieren. Hierfür ist auch die mit foursquare
.com vergleichbare Online-Community glympse.com ein Beispiel. Ferner können Orte mit
virtuellen Notizen oder Bildern versehen werden, wie es etwa bei flickr.com üblich ist. Aber
auch mobile Anwendungsmöglichkeiten sind denkbar. Nutzer virtueller Communities
können mit Hilfe von Geotagging herausfinden, ob sich andere Nutzer in der Nähe
befinden, was z. B. für die soziale Plattform instagram.com von enormer Bedeutung ist.
696 Die Grundlagen der E-Community
Abb. 253: Das Geotagging-Modell von Foursquare basierend auf Google Maps
Quelle: www.foursquare.com
5.1.3.1 Web-Service-Komponenten
Web- Service-Komponenten spielen bei vielen Plattformen im E-Business eine wichtige
Rolle, ob dies beim Austausch elektronischer Produktdaten im Rahmen des E-Marketplace
ist (s. Kapitel 4.1.1.3) oder bezüglich von Online-Schnittstellen (s. Kapitel 5.1.1. 3). An
dieser Stelle sollen nun ergänzend insbesondere die technischen Eigenschaften von Web-
Service-Komponenten vertieft und die Eignung von Web Services zur Realisierung von
Die Systeme beim elektronischen Kontaktnetzwerk 697
Selbstbeschreibung: Ein Web Service wird begleitet von Metadaten (Daten über Da-
ten), die während der Laufzeit von weiteren Web Services ausgewertet werden können.
Typische Beschreibungsmerkmale sind Name, Beschreibung, Version und Dienstgüte.
Kapselung: Ein Web Service ist eine unabhängige, in sich abgeschlossene bzw. gekap-
selte Anwendung, die eine klar definierte Aufgabe erfüllt.
Lose Koppelung: Die Kommunikation erfolgt über einen einfachen Austausch von
Nachrichten. Web-Service-Konsumenten und Web-Service-Anbietern bleiben Imple-
mentierungsdetails einzelner Anwendungen verborgen.
Ortsunabhängigkeit: Web Services sind ortsunabhängig und können – sofern die Be-
nutzer und Anwendungen die entsprechenden Zugriffsrechte besitzen – jederzeit und
von jedem Ort aus aktiviert werden.
Komposition: Web Services können einerseits in weitere Web Services zerlegt wer-
den, andererseits können mehrere wiederverwendbare Web Services wiederum zu
neuen Web Services zusammengestellt werden.
Ein wichtiger Grund für die Verbreitung von Web Services in bestehenden Systemarchi-
tekturen ist die Standardisierung der eingesetzten Technologien: Da keine neuen Techno-
logien erlernt und eingekauft werden müssen, ist die Implementierung von Web Services
in Unternehmen wesentlich einfacher. Durch das W3C sind drei zentrale Standards verab-
schiedet worden, die das Fundament von Web Services bilden: WSDL, SOAP und UDDI
(s. Kapitel 4.1.3.3). In den standardisierten XML-Beschreibungen eines Web Service ist
698 Die Grundlagen der E-Community
definiert, welche Daten als Parameter an diesen übergeben werden müssen, um eine ent-
sprechende, das jeweilige Informationsbedürfnis befriedigende Antwort zu erhalten. Die
Standardisierung und die dadurch erreichte Interoperabilität von Web Services sprechen
für den Einsatz von Web Services im Rahmen strukturierter Kooperationen innerhalb der
Digitalen Wirtschaft. Da Web Services von den vorhandenen IT-Landschaften in den ver-
schiedenen Unternehmen abstrahieren, ist ihre Akzeptanz bei potenziellen Kooperations-
partnern entsprechend hoch.
Request
W W
Anwendung A Internet Anwendung B
S S
Response
Sprache: Java Sprache: C#
Standort: Deutschland Standort: USA
5.1.3.2 REST-Komponenten
Bei Mashups handelt es sich um Webapplikationen, die sich durch die Verwendung und
Kombination von Inhalten und Anwendungen aus unterschiedlichsten Quellen auszeich-
nen (s. Kapitel 5.1.2.4). Um Mashups für Unternehmen greifbar zu machen, hat sich der
Ansatz der weborientierten Architektur durchgesetzt (s. Abb. 255). Weborientierte Ar-
chitekturen (WOA) stellen eine Teilmenge und gleichzeitig eine Erweiterung zu service-
orientierten Architekturen (SOA) dar, da sie den auf die Integration im Backend fokussier-
ten SOA-Ansatz auf den Desktop bringen und auf diese Weise schnell und einfach grafi-
sche Anwendungen ermöglichen. Der in WOA einfließende Teil von SOA beinhaltet vor
allem die Dienste, die vom Unternehmen bereitgestellt werden. Des Weiteren werden in
WOA die wesentlichen Standards von SOA für Kommunikation, Integration, Prozess- und
Regelbeschreibung wiederverwendet. Aus dem Internet werden vor allem fremde Dienste
und Datenquellen genutzt, die nicht im Unternehmen zur Verfügung stehen. Zusätzlich
Die Systeme beim elektronischen Kontaktnetzwerk 699
kommen die wesentlichen Standards und Sprachen des Internets zum Einsatz. Dies be-
zieht sich vor allem auf den Bereich der Darstellung, da WOA-Angebote in aller Regel im
Browser dargestellt werden (Hommen 2007, S. 103).
Der Architekturstil, der in weborientierten Architekturen genutzt wird, nennt sich REST.
Den entsprechenden REST-Komponenten liegt ein zustandsloses Protokoll zugrunde, es
werden also in jeder übermittelten Nachricht alle benötigten Informationen übertragen, da
dem Empfänger keine Zustände oder Sessions bekannt sind. Zudem sind alle Ressourcen
eindeutig identifizierbar, der Empfänger einer Nachricht kann also genau adressiert wer-
den. Zur Kommunikation bietet REST lediglich vier Methoden an. Diese entsprechen den
vom HTTP-Protokoll bekannten Methoden GET, PUT, POST und DELETE. Mit Hilfe
von GET werden die adressierten Ressourcen angefordert. POST ist eine Erweiterung von
GET, dabei besteht die Möglichkeit, zusätzliche Informationen an den Empfänger zu über-
mitteln. PUT ist ähnlich der POST-Methode, wobei vom Client jedoch vollständige Da-
teien zum Server übertragen werden. Die DELETE-Methode ist das Gegenstück zu PUT,
mit ihrer Hilfe wird die adressierte Datei gelöscht.
Betrachtet man die Einfachheit der REST-Operationen, wird deutlich, dass REST auf den
kleinsten gemeinsamen Nenner setzt. Mit der Hilfe von REST-Komponenten lassen sich
beliebige Informationen übertragen, welche nicht näher spezifiziert werden müssen. Diese
Leichtgewichtigkeit ist ein Grund dafür, dass REST vielfach der zur Realisierung von
Online-Schnittstellen (s. Kapitel 5.1.1.3) genutzte Architekturstil ist. Der gebräuchlichste
700 Die Grundlagen der E-Community
Weg zur Verwendung von fremden Anwendungen oder Diensten ist dabei die Nutzung
von freien Application Programming Interfaces (APIs), die im Rahmen des Mashup-
Modells (s. Kapitel 5.1.2.4) zum Einsatz kommen. Mashup-APIs stellen gewissermaßen
eine leichtgewichtige Form von Web Services (s. Kapitel 5.1.3.1) dar. Da sie lediglich die
Informationen und Funktionen von Webanwendungen bereitstellen sollen, basieren sie
nicht auf Standards wie SOAP und WSDL, sondern werden meist mittels des einfachen,
sich auf wenige Funktionen beschränkenden REST umgesetzt (Hommen 2007, S. 106).
5.1.3.3 Ajax-Komponenten
Bei Ajax (Asynchronous JavaScript and XML) handelt es sich um ein Bündel von Tech-
nologien, welches innerhalb von Webanwendungen eine neue Art der Kommunikation
zwischen Client und Server ermöglicht (s. Abb. 256). Insbesondere lassen sich Weban-
wendungen durch den Einsatz von Ajax-Komponenten – z. B. durch Drag & Drop –
interaktiver gestalten als es bei traditionellen Webanwendungen bisher möglich war (Koch
2005, S. 197). Ajax trägt auf diese Weise u. a. maßgeblich zu einer Vereinfachung der
Generierung von User-generated Content (s. Kapitel 5.1.1.2) bei.
Traditionelle Webanwendungen, die auf Technologien wie Adobe Flash oder Java App
lets verzichten und dennoch mächtige Funktionalitäten bereitstellen, basieren meist auf
dem Zusammenspiel von Hypertext Markup Language (HTML), JavaScript und einer ser-
verseitigen Technologie wie z. B. PHP (s. Kapitel 3.1.3.4). Zur Kommunikation zwischen
Webbrowser und Webserver wird meist das Hypertext Transfer Protocol verwendet. Dabei
handelt es sich um ein Anfrage/Antwort-Protokoll, welches den Verlauf der Kommuni-
kation zwischen einem Client und einem Server definiert. Ein Anfrage/Antwort-Protokoll
verläuft immer in eine Richtung. Dies hat zur Folge, dass der Server sich nicht an vorhe-
rige Anfragen des Clients erinnert und auch keine Kommunikation mit dem Client auf-
nehmen kann (Gebhardt 2007, S. 126). Bei einem typischen Seitenaufruf wird von einem
Client zunächst eine Anfrage mittels eines HTTP-Requests an den Webserver gesendet.
Dieser verarbeitet die Anfrage und sendet anschließend die angeforderten Daten mittels
einer HTTP-Response, bestehend aus HTML und ggf. JavaScript, an den Client. Sobald
der Client neue Daten benötigt, muss er erneut einen HTTP-Request absetzen und auf die
Rückmeldung bzw. Antwort des Webservers warten. Diese synchrone Kommunikation
bringt somit die Benutzeraktivität während des Seiten-Reloads zum Erliegen (Darie et al.
2007, S. 22 f.). Wenn ein Client nur Teile einer Webseite neu benötigt, wird dennoch das
komplette HTML-Dokument vom Webserver an den Browser gesendet. Dies kann z. B. bei
langsamen Netzverbindungen oder überlasteten Webservern lange Wartezeiten zur Folge
haben und somit die Usability einschränken (Gebhardt 2007, S. 127). Der Lebenszyklus ei-
ner klassischen Webanwendung ist in Abb. 256 (linke Seite) dargestellt. Es wird ersicht-
lich, dass die Gesamtheit der Anwendungslogik einer klassischen Webanwendung beim
Server liegt. Der Webbrowser ist somit nicht mehr als ein „dummes Terminal“ (Crane/
Pascarello/James 2006, S. 43), welches ein HTML-Dokument übermittelt bekommt und
dem bei jeder Interaktion des Benutzers ein neues Dokument gesendet wird.
Die Systeme beim elektronischen Kontaktnetzwerk 701
Anmeldung Anmeldung
Logik Logik
mit jedem weiteren Zeichen verbesserte Vorschläge in einem Listenfeld präsentiert, die
mit dem gedachten Suchbegriff in Verbindung stehen. Jedes Mal, wenn der Benutzer ein
Zeichen eingibt, führt die Ajax-Engine im Hintergrund eine Anfrage an den Server aus.
Nachdem dieser passende Ergebnisse an den Client zurück gesendet hat, kümmert sich die
Ajax-Engine um deren Darstellung – in dem genannten Beispiel also folglich um das An-
zeigen eines Listenfeldes mit den zum Suchbegriff verwandten Suchwörtern. Der Benutzer
bemerkt diese Kommunikation nicht und kann ohne Verzögerungen mit der Eingabe sei-
nes Suchbegriffes fortfahren (Gebhardt 2007, S. 130). Ein weiteres Anwendungsbeispiel
von Ajax ist die Formularvalidierung, welche oftmals für die Überprüfung personenbe-
zogener Daten wie z. B. Adressen oder Geburtsdaten verwendet wird.
Um Daten zwischen Client und Server auszutauschen, nutzt eine Ajax-Anwendung XML
(s. Kapitel 2.1.1.1). Um das Erscheinungsbild von Elementen einer Webseite auf einfache
und schnelle Weise dynamisch zu verändern, machen sich Ajax-Komponenten CSS-Re-
geln (s. Kapitel 3.1.3.3) zunutze. Um dynamisch HTML-Elemente und deren Eigenschaf-
ten zu verändern und somit bestimmte Bereiche einer Webseite während des laufenden
Betriebes neu zu laden, greift eine Ajax-Anwendung auf das Document Object Model
(DOM) zurück. Das DOM ist eine plattformunabhängige und sprachneutrale Schnittstelle,
um dynamisch auf Inhalte zuzugreifen und diese zu aktualisieren. Im DOM wird die
Struktur einer Webseite als eine hierarchische Reihe von veränderbaren Objekten darge-
stellt, die sich mittels einer Skriptsprache wie JavaScript verändern lassen. JavaScript ist
daher ein Schlüsselelement einer Ajax-Anwendung, da es deren Logik umsetzt und das
Bindeglied zwischen den anderen benannten Technologien darstellt (Crane/Pascarello/Ja-
mes 2006, S. 60).
Ein weiteres Schlüsselelement von Ajax ist das XMLHttpRequest (XHR)-Objekt. Mo-
derne Webbrowser stellen mit dem XHR-Objekt eine Schnittstelle zur Verfügung, wel-
che die Kontrolle von HTTP-Transaktionen durch clientseitige Programmiersprachen wie
JavaScript ermöglicht. Ajax-Anwendungen machen sich das XHR-Objekt zunutze, um
darüber mit einem Server zu kommunizieren, ohne die Interaktion des Benutzers zu be-
einträchtigen. So kann eine Anwendung im Hintergrund über das Objekt HTTP-Requests
absetzen und Daten vom Server empfangen, um anschließend neue Inhalte dynamisch
darzustellen. Die asynchrone Kommunikationsweise wird durch die Registrierung von
Callback-Funktionen möglich, die bei jeder Änderung des Transaktionszustandes aus-
gewertet werden können. Mittels JavaScript kann der Zustand einer Transaktion aus dem
XHR-Objekt ausgelesen werden, um anschließend entsprechend reagieren zu können (Geb-
hardt 2007, S. 133).
5.1.3.4 Single-Source-Publishing-Komponenten
Um die für eine E-Community-Lösung geforderte Geräteunabhängigkeit für den Online-
Mitgliederzugriff zu gewährleisten, wird ein medienneutrales Datenformat benötigt, in
dem Inhalt und Layout strikt voneinander getrennt sind (s. Kapitel 5.1.1.4). Nur so kann
Die Systeme beim elektronischen Kontaktnetzwerk 703
XSLT
Resultate
Darstellung
Als grundlegende Technologie hat sich die eXtensible Markup Language (XML) durch-
gesetzt, die 1998 vom World Wide Web Consortium (W3C) als Standard empfohlen wurde
(s. Kapitel 2.1.1.1). In XML-Dokumenten werden die hierarchische Struktur und der In-
halt der Dokumente festgelegt, aber keinerlei Angaben zum letztendlichen Layout ge-
macht. Die Angaben über das für das jeweilige Publikationsmedium vorgesehene Layout
werden anhand sog. Stylesheets vervollständigt, um ein beliebiges Ausgabeformat zu er-
zeugen (s. Kapitel 3.1.3.3). Um strukturierte XML-Dokumente mittels eines Style-sheets
in das jeweilige Zielformat zu überführen, bedarf es zusätzlicher Werkzeuge bzw. Tech-
nologien. Auch diese basieren zu einem Großteil auf XML. So ist bspw. die eXtensible
Stylesheet Language (XSL) eine Familie von XML-basierten Sprachen zur Erzeugung von
Layouts für XML-Dokumente. Teilsprachen dieser Sprachfamilie sind XSLT (XSL Trans-
formations) für die template-basierte Transformation eines beliebigen XML-Dokuments
in ein anderes textbasiertes (z. B. (X)HTML- oder WAP-basiertes) Dokument mittels ei-
704 Die Grundlagen der E-Community
nes sog. XSLT-Prozessors sowie XSL-FO (XSL Formatting Objects) für die Beschrei-
bung eines XML-Dokuments mit Formatierungsanweisungen und Stilangaben, aus denen
sich mit geeigneten Werkzeugen druckfertige Dokumente (z. B. PDF) erzeugen lassen. In
der Summe ermöglicht die XSL-Familie also die parallele Bedienung von Computerbild-
schirm und Printversion, indem sie Transformations- und Formatierungsregeln definiert.
Der Einsatz eines XSLT-Prozessors ist in Abb. 257 visualisiert.
Trotz der Verfügbarkeit von Single-Source-Publishing-Komponenten darf man nicht au-
ßer Acht lassen, dass die Layouts für die einzelnen Zielmedien durch die Einbeziehung
professioneller Designer gestaltet werden müssen. Die Erstellung von Stylesheets bzw.
Templates ist im Hinblick auf die dynamische Natur der resultierenden Dokumente we-
sentlich komplexer als die Gestaltung statischer Inhalte. Gestaltete Inhalte gehören näm-
lich zu den komplexesten Datenstrukturen überhaupt. Dies zeigt schon allein die Tatsache,
dass die Standards, die sich mit Gestaltung befassen, allen voran Cascading Style Sheets
(CSS) und XSL-FO, den größten Sprachumfang von allen Internetstandards haben (Roth-
fuss/Ried 2003).
5.1.3.5 Framework-Komponenten
Komponenten, die für die Entwicklung von Webanwendungen oder Web Services (s. Ka-
pitel 5.1.3.1) ausgelegt sind, bezeichnet man als Web-Frameworks. Die dahinter steh-
ende Grundidee ist, sich im Rahmen der Softwareentwicklung oft wiederholende Tätig-
keiten zu vereinfachen bzw. zu verringern. Prinzipiell kann man in diesem Zusammenhang
zwischen zwei Arten von Web-Frameworks unterscheiden (Bächle/Kirchberg 2007,
S. 79):
Ereignisgesteuerte Frameworks sehen vor, dass der Entwickler für spezielle Kom-
ponenten vorab die Reaktion auf ein bestimmtes Ereignis bestimmt, die zur Laufzeit
dann durch Benutzeraktionen mit der jeweiligen Komponente ausgelöst werden kann.
Beispiele für ereignisgesteuerte Frameworks sind das Open-Source-Projekt Tapestry
oder das kommerzielle Produkt ASP.NET von Microsoft.
Welche Vorteile bringt die Vernetzung von Individuen in einer E-Community mit sich
und welche Anforderungen sind daher grundlegend an den Prozess der Online-Ver-
netzung zu stellen?
zentrale Punkt der Online-Vernetzung, frühzeitige Kontakte mit anderen Nutzern aufzu-
bauen und zu dokumentieren, um bei einer späteren Expertensuche Vernetzungskosten
und -zeit für diese Suche und den Aufbau eines gemeinsamen Kontextes mit dem Ex-
perten zu minimieren (Koch/Richter 2009, S. 56). Das Prinzip der Online-Vernetzung ma-
chen sich bspw. Plattformen zunutze, die dem Social-Networking-Modell (s. Kapitel
5.1.2.5) folgen. Beispiele für derartige Plattformen sind facebook.de oder xing.de. Dem
Nutzer wird hier die Möglichkeit geboten, kostenlos ein Profil anzulegen, welches mehr
oder weniger detailliert sein kann. Zwar könnte man ein Profil einer imaginären Person
einstellen, dies würde dem Nutzer jedoch den elektronischen Mehrwert (s. Kapitel 1.4.1)
der Online-Vernetzung verwehren. Der Anreiz, seinen echten Namen bzw. seine korrekten
Daten einzustellen, liegt für den individuellen Nutzer darin, Menschen mit ähnlichen Inte-
ressen über einfache Suchfunktionen innerhalb der Community zu identifizieren, häufig
aber auch darin, alte Freunde oder Bekannte zu finden (Mikloweit 2007, S. 64). Diese
Bündelung gemeinsamer Interessen kann wiederum zu Wertschöpfungszwecken weiter-
entwickelt werden (Schubert 2018, S. 52). Aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive
wiederum werden die durch Social Software bereitgestellten Ressourcen in Form von
externen Humankapital kostenfrei zur Verfügung gestellt, wobei der Zugang zum kol-
lektiven Wissen einer E-Community zu einer Kompetenzsteigerung des Einzelnen führen
kann (Teten/Allen 2005).
Vernetzungskosten Vernetzungsknoten
Vernetzungszeit Vernetzungskanten
Distributions- Distributions-
kosten geschwindigkeit
Digitalisierungs-
Lift-Off
Ein anderer Zugang zu dem Aspekt der Vernetzungskosten und -zeit besteht in der Zu-
sammenführung der Aspekte Produktion und Distribution von digitalen Inhalten über E-
Communities. Dabei ist anzumerken, dass die gemeinsame Produktion von Inhalten in
Form des User-generated Content aus Betreibersicht mit keinen oder nur marginalen Kos-
ten verbunden ist. Andere Abstimmungs- und Koordinationswege in der Zusammenfüh-
rung verschiedener Autoren zur Generierung von Inhalten sind ungleich kostenintensiver.
Ein weiterer Aspekt sind die geringen Kosten und die hohe Geschwindigkeit bei der Dis-
tribution der Inhalte über E-Communities. So erreichte bspw. ein Werbevideo des Un-
ternehmens Quiksilver über die Video-Community youtube.com in kürzester Zeit über
3.000.000 potenzielle Kunden. Da die Einstellung des Videos bei youtube.com ohne Ent-
gelt erfolgte, sind dem Unternehmen dadurch keine Kosten für die Distribution ent-
standen. Zugleich wurde schnell über die Kommentar-Felder zu dem Video bei you
tube.com und die Vernetzung mit anderen Surfvideos eine kleine Sub-Community mit den
möglichen Kunden von Surfbedarf geschaffen. Der Versuch eine vergleichbare Reichweite,
z. B. über die Schaltung eines Werbespots im Fernsehen, wäre dagegen mit enormen Kos-
ten verbunden gewesen.
Die Zusammenhänge hinsichtlich der kosten- und zeitbezogenen Vernetzungseffekte ei-
ner E-Community können Abb. 258 entnommen werden. Dabei wird deutlich, dass mit
der Entwicklung der Community in eine elektronische Entität die Vernetzungskosten und
die -zeit (i. S. des zeitlichen Aufwandes zur Vernetzung) deutlich abnehmen, während die
Zahl der tatsächlichen und potenziellen Vernetzungsknoten und -kanten deutlich zu-
nimmt. Gleichzeitig sinken aufgrund der allgemein gültigen Kostendegressionseffekte in
der Digitalen Wirtschaft (s. Kapitel 1.1.2) die Distributionskosten für die Weitergabe
elektronischer Informationen, während die Distributionsgeschwindigkeit deutlich zu-
nimmt.
Webnutzer nach authentischen, sozialen Kontakten, die auch in der Offline-Welt weiter-
existieren können (Mikloweit 2007, S. 65). So ist zu erkennen, dass E-Communities häufig
auch in der realen Welt Aktivitäten durchführen. Persönliche Gespräche und physische
Treffen bieten häufig wichtige Ergänzungen zur elektronischen Kommunikation (Tietz
2007, S. 21).
Obwohl es sich bei den innerhalb einer E-Community entstehenden Beziehungen zunächst
nur um „schwache“ Beziehungen handelt, steigt mit einer höheren Anzahl von Beziehun-
gen die Wahrscheinlichkeit, dass die jeweiligen Personen (ggf. auch wieder über ihre ei-
genen Beziehungen) Zugriff auf Informationen haben, die für einen selbst relevant sind.
Theoretisch begründen lässt sich dies insbesondere damit, dass gerade entfernte Kontakte
in anderen sozialen Kreisen verkehren als enge Kontakte (Granovetter 1967). Die Quali-
tät der Beziehungen ist in dieser Hinsicht tendenziell höher als in einem realen sozialen
Netzwerk. Darüber hinaus kann man davon ausgehen, dass die nicht-persönliche Online-
Kommunikation die Hemmschwelle zur Kommunikation allgemein senkt. Dadurch sind
schneller ins Detail gehende Konversationen möglich, sodass durch die Online-Vernetzung
allgemein mehr relevante Informationen zur Verfügung gestellt werden können (Teten/Al-
len 2005, S. 18 ff.; Koch/Richter 2009, S. 57 f.).
Qualifikationserfordernis
Selektionsgrenze
Keine Einschränkung der Nutzerbearbeitung
Reviewgrenze
Dabei stellt sich die Frage, inwieweit der einzelne Nutzer mit diesem Zuwachs an Infor-
mation umgehen kann und wie der Community-Betreiber ihn bei der Handhabung der In-
formationsmenge unterstützen kann. Die Vernetzungsqualität kann daher nicht nur anhand
710 Die Grundlagen der E-Community
der Masse verfügbarer relevanter Information bzw. der Anzahl der Kontakte, die potenzi-
ell in der Lage sind, wichtige Informationen bereitzustellen, gemessen werden. Vielmehr
ist zur Sicherung der Vernetzungsqualität eine Steuerung des durch die User-generated
Contents durch den Community-Betreiber in der Hinsicht erforderlich, als dass dieser fest-
legt, ob eine Kontakt- bzw. Informationsanfrage eines Nutzers durch ungefilterten Content
anderer User beantwortet werden kann und darf, ob ein Review des Contents durch eine
Community-Redaktion vor der Frei- und Weitergabe der Information erforderlich ist, ob
es notwendig ist, nur selektierte Nutzer zur Interaktion zuzulassen, die sich z. B. in der
Vergangenheit als Experten auf einem Wissensgebiet herausgestellt haben, oder, als letzte
und aufwändigste Variante, ob die Information durch die Plattformredaktion selbst erstellt
werden muss. In diesem Zusammenhang ist auch das Phänomen der sog. „Fake News“ zu
nennen, bei denen soziale Netzwerk im Hinblick auf die ursprüngliche Annahme eines
Wahrheitsgehalts oder Zuverlässigkeitsgehalts seitens des User-Generated-Content ad ab-
surdum geführt wird (Bellinger/Krieger 2018, S. 330). Unter dem Begriff „Fake News“
werden hierbei Informationen deklariert, die als „alternative Fakten und Filterblasen prä-
gende Merkmale des gegenwärtigen Informationsökosystems“ beschrieben werden (Bel-
linger/Krieger 2018, S. 330). Dieser Zustand führt nach Bellinger/Krieger (2018, S.
330 f.) zu zwei kritischen Faktoren: Erstens zur Verbreitung von Unwahrheiten, „da nun
jeder seine eigene Wahrheit in der Cloud findet“ und zweitens zur Bildung sog. „Echo
Chambers“ (Echokammern), die im Rahmen sozialer Communities wie facebook.com o-
der twitter.com zu einem reinen Austausch von Gleichgesinnten führt. In letzterem Fall ist
es so, dass die Gruppen selbst bestimmen, wie Wahrheit und Zuverlässigkeit definiert und
die jeweilige Information genutzt wird.
Sind die entsprechenden Falschmeldungen erst einmal in der sozialen Community viel-
fach geteilt oder geliked worden, gewinnt die jeweilige Meldung an Eigendynamik, so-
dass diese mitunter nicht mehr zu löschen ist (Urschinger 2019). Gerade große digitale
soziale Communities wie facebook.com wurden in der Vergangenheit häufig zur Verbrei-
tung der Fake News genutzt und stehen seitdem immer wieder in der Kritik (Pitzke 2018).
Der Fake News-Skandal von facebook.com führte mitunter zu einem sehr hohen Börsen-
wertverlust des Unternehmens. Um gegen die Fake News bewusst vorzugehen, hat sich
die soziale Community nun dazu entschieden, Bonuszahlungen an Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter zu zahlen, die bewusst gegen falsche Informationen im sozialen Netz vorgehen
(o. V. 2019a). Gleichzeitig fordert auch die EU-Kommission, dass große digitale Plattfor-
men wie facebook.com gegen Desinformationen und deren Verbreitung vorgehen. Neben
den neuen monetären Anreizen setzt Facebook beispielsweise auf „Faktenchecker“ (sog.
Fact-checking-Partner, s. hierzu Woodford 2018), die den Wahrheitsgehalt von Textinhal-
ten, Bildern und Videos überprüfen (Winkler 2019). Über ein Machine-Learning-Modell
wird dann ermittelt, ob es sich um wahrheitsgemäße Inhalte handelt (Diugos 2018). Laut
Woodford (2018) können gezielte Desinformationen in Fotos oder Videos insbesondere
anhand von drei Kategorien klassifiziert werden (s. Abb. 260): 1. Manipulierte/gefälschte
Bildinhalte, 2. aus dem Kontext gerissen, 3.) falsche Texte oder Audiountertitel.
Die Prozesse beim elektronischen Kontaktnetzwerk 711
Zudem setzen soziale Netzwerke wie facebook.com, Instagram oder Twitter zunehmend
auf die Löschung von sog. Fake-Accounts, die unter anderem die Verbreitung von Fehl-
informationen stark beeinflussen. Obwohl die sozialen Netzwerke vermehrt versuchen ge-
gen die Desinformationen vorzugehen, so existieren bislang keine geeigneten Strategien
gegen Fake News (Winkler 2019). Es gibt nicht wenige Stimmen, die das Fake News-
Problem zum größten „Killer“ der sozialen Netzwerke titulieren, welcher diese Form eines
digitalen Austausches - neben dem zunehmenden Aufkommen von Hass-Kommentaren
- sprichwörtlich zum Tode verurteilt. Es stellt sich daher die Frage, wie der Betreiber einer
E-Community darauf reagiert und diesbezügliche Korrekturen z. B. über Upload-Filter
einführen wird. Für die Entscheidung über derartige Eingriffe spielen die Qualifikations-
erfordernis für die Beantwortung der Anfrage, die Fehlertoleranz und die Komplexität, die
dem Nutzer präsentiert wird, eine wichtige Rolle (Rogge 2007, S. 109 ff.).
Dabei repräsentiert die Qualifikationserfordernis den Grad an Expertise, der für die Be-
antwortung der Anfrage oder zur Teilnahme an einer Diskussion erforderlich ist. Die dem
Nutzer präsentierte Komplexität wird dadurch definiert, wie umfangreich dessen Verant-
wortung ist. So steigt die Komplexität, umso mehr Handlungsspielraum dem Nutzer ein-
geräumt wird. Die Fehlertoleranz beschreibt die vorgeschriebene Richtigkeit und Stim-
migkeit der Angaben. In dem durch diese drei Dimensionen aufgestellten Raum lassen
sich nun jegliche Informationsanfragen darstellen. Je nachdem, wie die Anforderungen
einer Anfrage geartet sind, ändern sich Art und Grad des Eingriffs durch den Community-
Betreiber (s. Abb. 259). So kann bspw. ab einer gewissen Kombination von Fehlerintole-
ranz und Komplexität einer Anfrage die Erfüllung des definierten Informationsanspruchs
712 Die Grundlagen der E-Community
nicht mehr garantiert werden, wenn die Beiträge der Nutzer nicht überprüft werden. Das
bedeutet, dass eine Redaktion die Beiträge im Review-Verfahren prüfen muss. Diese Re-
daktion muss nicht notwendigerweise aus professionellen Mitarbeitern der Community
bestehen, sondern kann ebenfalls durch erfahrene, qualifizierte Nutzer (s. Kapitel 5.3.2.3)
besetzt sein, was sowohl die Kosten reduzieren als auch die Qualität steigern würde. Stei-
gen die Anforderungen weiter, sollte irgendwann eine Selektion der Nutzer stattfinden, die
teilnehmen, um unqualifizierte und falsche Statements zu vermeiden.
5.2.1.3 Online-Vernetzungsmobilität
Der Prozess der Vernetzung in virtuellen Netzwerken zeichnet sich oftmals auch durch
mobile Aspekte aus. Durch die steigende Anzahl von Handy-Nutzern sowie durch innova-
tive mobile Endgeräte entsteht für E-Communities zunehmend die Möglichkeit, die Mit-
glieder mobil zu vernetzen. Diese Online-Vernetzungsmobilität ist durch die folgenden
vier Charakteristika (Reichwald/Fremuth/Ney 2002, S. 526 ff.) gekennzeichnet:
Ubiquitärer Netzzugang: Die Nutzung von E-Communities ist abhängig von Kom-
munikationsdiensten, welche über das Internet erreicht werden können. Internetzu-
gang war in der Vergangenheit assoziiert mit dem Vorhandensein eines stationären
PCs. Heutzutage erlauben mobile Internetgeräte wie bspw. Laptops und Handys mit
hoher Bandbreite, E-Communities komfortabel zu nutzen. Dadurch lösen sich sowohl
räumliche als auch zeitliche Restriktionen bei der Nutzung von E-Communities auf
und unverzügliche Kommunikation wird ermöglicht. Ein Beispiel für diesen Faktor
sind E-Mail-Benachrichtigungen über Nachrichten bei facebook.de.
Instant Execution: Durch die paketorientierte Netzwerkgeneration ist ein An- und
Ausschalten mobiler Endgeräte für den Betrieb unnötig geworden, d. h. Endgeräte
sind ständig bereit zum Senden und Empfangen von Informationen. Des Weiteren
erlaubt der mobile Faktor Nutzern sich in ihrem alltäglichen Umfeld zu bewegen,
anstatt isoliert vor einem stationären PC zu sitzen. Dieser Prozess führt zu einer
Verlagerung der Kommunikationsinitialisierung hin in die reale Welt, d. h. Nutzer
können spontan miteinander kommunizieren.
Face-ID unterstützt, bei dem das Handy nun über eine Gesichtserkennung freigeschal-
tet werden kann, was den Sicherheitsaspekt nochmals unterstützt. Hinzu kommen
zweifache Autorisierungsmechanismen, bei dem im Zuge des Einloggens nochmals
ein Code als SMS auf das Handy versendet wird.
Durch den Einsatz mobiler Endgeräte und die damit verbundene Online-Vernetzungsmo-
bilität entstehen somit zukunftsweisende Potenziale für E-Communities, welche zur zeit-
und ortsunabhängigen Vernetzung zwischen Nutzern beitragen und damit die Möglichkeit
fördern, Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort verfügbar zu machen (Reich-
wald/Fremuth/Ney 2002, S. 528).
Eines der wesentlichen Merkmale der E-Community ist sicherlich die gesteigerte Aktivi-
tät seiner Mitglieder weg vom ausschließlich passiven Konsum von Informationen hin zu
aktiv selbst gestaltetem Online-Content (s. Kapitel 5.1.1.2). Herkömmliche Rollenvertei-
lungen wie Verkäufer und Kunde, Profi und Amateur, Experte und Laie werden aufgebro-
chen. Ebenso verschwindet die klassische Unterscheidung zwischen Autoren, Editoren und
Konsumenten. Dadurch, dass jeder Webnutzer abwechselnd in allen diesen drei Rollen
auftreten kann, entsteht eine dynamische Wissensinfrastruktur (Wahlster/Dengel 2006,
S. 2). Die Prozesse beim elektronischen Kontaktnetzwerk gilt es folglich so zu gestalten,
dass eine umfangreiche Einbindung des Nutzers in die Community-bezogene Leistungs-
erstellung gewährleistet ist (Schenk 2007, S. 36). Im Folgenden sollen diese stets auf die
Generierung, Austausch und Verknüpfung von User-generated Content abzielenden Pro-
zesse beschrieben werden. Sie lassen sich zunächst in die folgenden vier Prozessbereiche
einteilen (s. Abb. 261):
muss er sich zunächst bei dieser registrieren und die verpflichtend geforderten Min-
destinformationen zu seiner Person bei der Profilerstellung (s. Kapitel 5.1.1.1) ange-
ben.
eTagging- eRanking-
Prozess Prozess
eRegistration- eSyndication-
Prozess Prozess
eUpload- eVoting-
Prozess Prozess
eProfile- ePodcast-
Prozess Prozess
eBlogging- eRecommendation-
Prozess Prozess
eNetworking-Prozess
Abb. 261: Die Prozessbereiche bei der Online-Vernetzung über eine E-Community
Für die Identifizierung der Teilnehmer ist in der Regel ein Minimum an notwendigen
Angaben erforderlich, damit die Registrierung erfolgreich ist und eine Zuweisung der
angelegten Profile zu Personen erfolgen kann. Daten, die im eRegistration-Prozess häufig
abgefragt werden, sind Name, Vorname, eine gültige E-Mail-Adresse und ein selbstge-
wähltes Passwort (O’Murchu/Breslin/Decker 2004, S. 7). Nach Angabe einer E-Mail-Ad-
resse wird dann ein sog. personalisierter Bestätigungslinks versendet, um die Basisdaten
zu validieren. Damit soll verhindert werden, dass automatisierte Zugriffe durch Software-
Programme zum Auslesen von Daten aus dem Kontaktnetzwerk erfolgen. Somit kann der
Community-Betreiber schon einmal zu einem gewissen Maß sicherstellen, dass hinter der
Anmeldung/Registrierung eine echte Person steckt. Somit ist der eRegistration-Prozess in
der Regel ziemlich kurz und stellt keine größere Zugangsbarriere für interessierte User dar.
Hat sich der User in der E-Community registriert, so kann er sofort damit beginnen, sein
Profil als Community-Mitglied zu erstellen (s. Abb. 262). Die Möglichkeiten der Profiler-
stellung, die von der Community angeboten werden, bestimmen die Art und Weise, wie die
Teilnehmer sich selbst innerhalb der Community präsentieren können. Aus diesem Grund
gelten der Umfang und die Art der im Profil hinterlegbaren Informationen als wichtiges
Unterscheidungskriterium von elektronischen Kontaktnetzwerken (O’Murchu/Breslin/
Decker 2004, S. 7). Im Regelfall beinhalten die Profilangaben Informationen zur Person
(Alter, Geschlecht, Wohnort, Kontaktdaten usw.), zur beruflichen Stellung (Arbeitgeber,
Arbeitsort usw.), zum Ausbildungsweg (Schule, Universität, Abschlüsse usw.), zu vernetz-
ten Personen (Freunden, Geschäftspartnern usw.) und persönlichen Interessen (Sport, Frei-
zeit, Hobbys usw.). Gleichzeitig kann in der Regel ein Foto zur eigenen Person hochgela-
den werden. Die Einstellung der Informationen erfolgt meist mit Hilfe von Textfeldern, die
im Hinblick auf die Eingabe mit Pull-Down-Menüs unterstützt werden. Über diese Pull-
Down-Menüs werden nicht nur die Texteingaben automatisch vervollständigt, sondern
auch einheitlich gestaltet, was der späteren eindeutigen Vernetzung zu Gute kommt. So
kann die Bezeichnung einer besuchten Schule mit „KFG“ für das „Kardinal-Frings-Gym-
nasium“ in Bonn oder das „Karl-Friedrich-Gymnasium“ in Mannheim höchst unterschied-
lich sein. Über die Spezifikation mit Hilfe der Pull-Down-Menüs kann eine Eindeutigkeit
sichergestellt werden, um die richtigen Mitglieder über dieses Kriterium zu vernetzen.
Hinzu kommen die unterschiedlichen Möglichkeiten, die generierten Profildaten zu nut-
zen und verschiedene Anwendungen hinzuzufügen. Insgesamt hängt der Aufbau, die Art
und Weise und der Umfang der Profildaten von der inhaltlichen Ausrichtung der Com-
munity und den Erwartungen der Teilnehmer ab. In den meisten Fällen umfassen die Mit-
glieder-Profile mindestens den Namen/Nicknamen des Teilnehmers, damit dieser mit
anderen in Verbindung treten bzw. innerhalb des Netzwerkes gefunden werden kann. Häu-
fig wird jedem Mitglied die Möglichkeit gegeben, über verschiedene Einstellungen die
Sichtbarkeit der eigenen Daten zu steuern und so z. B. nur den in der eigenen Kontaktliste
befindlichen Mitgliedern den Zugang zu bestimmten Informationen zu gewähren. Die Ba-
sisangaben innerhalb des eRegistration- und eProfile-Prozesses dienen damit insgesamt als
wichtige Grundlage des in Kontaktnetzwerken angestrebten allgemeinen Vernetzungspro-
zesses.
Die Prozesse beim elektronischen Kontaktnetzwerk 717
Zusätzlich zu diesen technischen Aspekten muss geklärt werden, wo auf den Community-
Seiten die hochgeladenen Inhalte platziert werden sollen und wer im Anschluss daran
Zugriff auf die Inhalte hat. Diese können z. B. innerhalb des eigenen Profils platziert sein
und nur für bestimmte Teilnehmer einsehbar sein oder aber in entsprechenden Foren bzw.
Themenabschnitten, wo sie für alle Community-Teilnehmer zugänglich gemacht werden.
Damit einhergehend stellt sich auch die Frage, ob ein eventueller Download eingestellter
Inhalte ebenso für die Community-Mitglieder möglich sein sollte wie der Upload. Nicht
nur die Platzierung der Inhalte innerhalb der Plattform ist wichtig, sondern auch die Abla-
gesystematisierung der Daten bei dem Community-Betreiber. Daher ist die Einordnung
und Systematisierung der Daten in entsprechenden Datenbanken eng mit dem eUpload-
Prozess verknüpft. Die Angabe von Metadaten wie z. B. Größe, Qualität und Quelle des
Uploads, sowie Titel und Schlagwörter können bei der Ablage der Daten von großem Nut-
zen sein.
Neben den Foren in E-Communities existiert mit dem Weblog auch noch eine andere
Form für die „direkte“ Eingabe von eigenem Content. Diese Weblogs ähneln in gewisser
Weise einem Tagebuch oder einem Journal, das im Web veröffentlicht wird (s. Kapitel
5.1.2.2). Im Web existieren verschiedenste Themenblogs, die von Firmen über Medien
bis hin zu Fotos reichen. Hierzu zählen bspw. Blogs, welche Medien oder Unternehmen
kritisch beobachten oder „Blawgs“, welche sich um juristische Themen drehen. Neben
vielen weiteren Blogarten sollten die Corporate Blogs nicht unerwähnt bleiben, die zei-
gen, dass viele Unternehmen Blogs als Instrument der Unternehmenskommunikation er-
kannt haben (Alby 2008, S. 41 ff.). Die Gesamtheit aller Weblogs wird allgemein als
Blogosphäre bezeichnet (Bächle 2006, S. 123; Diemand/Mangold/Weibel 2006, S. 8).
Maßgeblich zur Entstehung der Blogosphäre tragen innerhalb des eBlogging-Prozesses
die folgenden drei Grundfunktionen bei, durch die sowohl Blogger als auch Leser auf
eine einfache Art und Weise auf Hintergrundinformationen und Meinungen hingewiesen
werden können (Alpar/Blaschke/Keßler 2007, S. 16 f.):
Kommentare: Mit Hilfe von Formulareingaben können die Leser die einzelnen Blog-
beiträge kommentieren. Die verfassten Kommentare werden an den Beitrag angehängt
und sind für alle anderen Leser sichtbar (s. Abb. 261). Sinnvoll ist hierbei, dass Kom-
mentare vor ihrer Veröffentlichung zunächst in eine Warteschlange gestellt werden, um
sie später manuell freizugeben.
Trackbacks: Durch einen Trackback (Rückverfolgung) kann sich ein Blogger auf Bei-
träge in einem anderen Blog beziehen. In der Regel werden sie wie Kommentare an
einen Beitrag angehängt, wobei sie den Namen und die Adresse des verlinkenden
Weblogs sowie eine kurze Zusammenfassung des bezugnehmenden Beitrags enthal-
ten.
Blogrolls: Zuletzt hat der Autor die Möglichkeit, seinen Lesern zu zeigen, welche
Online-Quellen er selbst liest. Die entsprechende Liste nennt sich Blogroll. Durch Ver-
Die Prozesse beim elektronischen Kontaktnetzwerk 719
wendung von Permalinks sind Beiträge einer genau definierten Internetadresse zuge-
ordnet, sodass auf bereits archivierte Beiträge immer wieder zurückgegriffen werden
kann (Stauss 2008, S. 254).
Zusätzlich zu diesen Grundfunktionen können dem Leser über die Abonnierung von Feeds
automatisch aktuelle Blog-Einträge übermittelt werden. Durch die Nutzung von RSS-Rea-
dern kann der Leser jeweils über aktuelle Blog-Ereignisse informiert werden, ohne dass
ein expliziter Aufruf der Webseite des Bloggers notwendig ist. Welche Feeds ein Benut-
zer wirklich abonniert, bleibt diesem selbst überlassen, sodass das Zusammenspiel von
RSS und Weblog-Systemlösungen das Web 2.0-Prinzip der Endbenutzergestaltung ideal
umsetzt (Koch/Richter 2009, S. 26). RSS setzt zudem ideal die in Hinblick auf eine On-
line-Geräteunabhängigkeit (s. Kapitel 5.1.1.4) geforderte Trennung von Inhalt und Layout
um. Die Weblog-Software erzeugt dafür in der Regel für jeden Beitrag ein XML-Doku-
ment, welches eine inhaltliche Zusammenfassung des Beitrages enthält (Alpar/Blaschke/
Keßler 2007, S. 18), auf Layoutinformationen jedoch verzichtet.
Weblog- HTML 10
1 2
System
3
6
Blogger
RSS RSS-
9 8
Reader
4 7 Internet-
Surfer
Ping- Such-
Server 5 maschinen
Abb. 264 gibt einen Überblick über den Blogvorgang, der sich im Allgemeinen wie
folgt gestaltet (Przepiorka 2006, S. 15; Koch/Richter 2009, S. 26 f.): Grundlegend erstellt
der Blogger zunächst nach vorheriger Anmeldung im Weblog-System einen Beitrag, der in
einer Datenbank gespeichert wird (1). Das System generiert aus den letzten Blog-Beiträ-
gen ein HTML-Dokument, welches dem Blog-Besucher angezeigt wird (2). Gleichzeitig
aktualisiert das System einen entsprechenden RSS-Feed, welcher von RSS-Readern wei-
terverarbeitet wird (3). Über einen Ping an einen sog. Ping-Server zeigt das Blog-System
an, dass sich der Blog aktualisiert hat (4), wobei Suchmaschinen automatisch über diese
Aktualisierung informiert werden (5) und das aktualisierte HTML-Dokument in ihren
Datenbestand aufnehmen (6). Potenzielle Blog-Besucher informieren sich über für sie in-
teressante Blogthemen mit Hilfe von Suchmaschinen (7) und überprüfen mit Hilfe ihrer
720 Die Grundlagen der E-Community
RSS-Reader abonnierte Blogs auf neue Inhalte (8), wobei die RSS-Reader auf die vom
Blog-System zur Verfügung gestellten RSS-Feeds zugreifen (9). Eine manuelle Überprü-
fung des Blogs durch den Blog-Besucher ist möglich (10), aber dank der Syndizierung
nicht zwingend erforderlich.
Betreiber Tags im Rahmen indirekter Erlösmodelle (s. Kapitel 1.5.2) einsetzen, z. B. in-
dem er in bestimmten Foren zielorientierte Werbung schaltet (Mühlenbeck/Skibicki 2008,
S. 203). Die teilweise hohe Menge aller Tags zu einem bestimmten Objekt lässt sich mit
Hilfe einer sog. Schlagwortwolke (Tag Cloud) visualisieren, in der die populärsten Tags
größer dargestellt werden. Populäre Themen werden durch die Hervorhebung tendenziell
häufiger angeklickt als unpopuläre, sodass die Vorteile in Hinblick auf ein präzises Su-
chergebnis weiter verstärkt werden. Der Social Bookmarking-Dienst pinboard.in nutzt
diese Tag Clouds. Auch die als Folksonomie bezeichnete Gesamtheit aller innerhalb einer
Community verwendeten Tags lässt sich in Form einer solchen Tag Cloud darstellen. Der
Begriff der Folksonomie bringt zum Ausdruck, dass keine wissenschaftliche Begriffssys-
tematik angestrebt wird, sondern es jedem Nutzer freisteht, sein eigenes Begriffssystem
aufzubauen (Bächle 2006, S. 123).
Damit sich innerhalb der Community ein stabiles und aussagefähiges Vokabular bildet,
können bei dem Eingabeprozess von Tags bereits vergebene Tags dargestellt werden
(z. B. mit Hilfe von Ajax-Komponenten, s. Kapitel 5.1.3.3). Untersuchungen zum Social
Tagging zeigen, dass die verwendeten Tags meist eine oder mehrere der folgenden Funk-
tionen erfüllen, wobei sich insbesondere die ersten drei Kategorien aufgrund ihrer Objekte
zur Bildung einer Folksonomie eignen (Koch/Richter 2009, S. 48):
Bei der Verwendung von Tags seitens der Nutzer sollte ihre Einheitlichkeit beachtet bzw.
seitens des Community-Betreibers forciert werden. Dies bedeutet, dass bspw. Tags ein-
heitlich entweder immer im Singular oder im Plural verwendet werden. Gleiches gilt für
die Verwendung von Abkürzungen. Neben der Einheitlichkeit gilt es zudem die Eindeu-
tigkeit von Tags zu beachten. So würden sich bspw. Begriffe wie „Blog“, „Weblog“ oder
„Blogging“ zu sehr überschneiden (Alpar/Blaschke/Keßler 2007, S. 34).
Eine weitere Form des eTagging, die sich mittlerweile vor allem in sozialen Netzwerken
durchgesetzt hat, ist die Verwendung von Hashtags. Das englische „hash“ steht für den
deutschen Begriff „Raute“ und bezieht sich auf das „#-Zeichen“, das dem Hashtag voran-
gestellt wird. Durch die Verwendung prägnanter Hashtags können Nutzer ihre Postings
verschlagworten und damit thematisch einordnen. Gleichzeitig wird das Posting damit für
andere Nutzer auffindbar, wenn diese nach dem jeweiligen Hashtag suchen oder filtern.
Erstmals wurden Hashtags vom Microblogging-Dienst Twitter eingeführt, mittlerweile
unterstützen unter anderem auch Facebook, Google+ und Instagram diese eTagging-
Möglichkeit. Allgemein gibt es keine Beschränkungen dafür, welche Zeichenketten für
Hashtags verwendet werden können. Hashtags werden für unterschiedlichste Zwecke ver-
wendet, z. B. für Veranstaltungen (#EEFC14 für den E-Entrepreneurship Flying Circus
2014), Themengebiete (#Technologie, #Marketing, #startups), Eigennamen oder Marken
(#Apple, #FCBayern). Bezüglich der „idealen“ Anzahl der Hashtags empfiehlt Twitter als
Best Practice, nicht mehr als zwei Hashtags pro Tweet zu verwenden. Eine Analyse der
Firma TrackMaven hingegen zeigt, dass Tweets mit fünf Hashtags besonders häufig weiter
geteilt werden. In Bezug auf die Plattform Facebook ist laut einer Umfrage der Plattform
PostPlanner die Verwendung von maximal 2 Hashtags je Posting am effektivsten und
führt zu den meisten nachfolgenden Interaktionen mit anderen Nutzern.
Neben dem eTagging-Prozess im Rahmen der sozialen Netzwerke, wird auch der eBuy-
ing-Prozess in Bezug auf E-Communities immer relevanter. Bei letzterem Prozess geht
es um „Shoppable Posts“, auch genannt „Shoppable Tags“ respektive „Shoppable Ins-
tagram Stories Stickers“ in Bezug auf Instagram. Innerhalb der E-Community Pinterest
wird dies in Form von „Buyable Pins“ angeboten. Mithilfe der Software von Shopify
(shopify.de) werden Objekte/bestimmte Produkte auf Bildern (bspw. Posts bei Instagram
oder Bildern bei Pinterest) mit bestimmten Tags versehen. Sobald der Nutzer beispiels-
weise ein interessantes Produkt auf Instagram entdeckt hat und dieses käuflich zu erwer-
ben ist, wird dem Nutzer ein kleines Icon in Form einer Einkaufstasche angezeigt. Bei
erneutem Antippen des Bildes wird dann der direkte Preis ersichtlich und der Nutzer kann
das Produkt innerhalb des sozialen Netzwerks kaufen (o. V. 2018e; s. Abb. 265/Abb. 266).
Die Plattform Shopify ermöglicht anschließend genau zu beobachten, wie hoch die Click-
Raten auf das jeweilige Produkt sind und auch die Conversion-Rate (s. Kapitel 3.4.1.4).
Die einfachste Beurteilungsmethode beim eVoting stellen Zähler dar, die festhalten, wie
oft ein Beitrag, eine Nachricht, ein Bild oder ein Video angesehen wurde (Lampe/Johnston
2005, S. 13). Daneben können aber auch Bewertungen auf vorgegebenen Skalen (z. B. von
1 Stern = schlecht bis 5 Sterne = sehr gut oder von 1 = geringer Wert bis 10 = hoher Wert)
für den einzelnen Beitrag bzw. Inhalt erfolgen (s. Abb. 267). Dabei muss vom Prozess
her zunächst entschieden werden, wer über die Wertigkeit der Inhalte abstimmen darf. In
den meisten Fällen dürfen nur Mitglieder einer E-Community über die Inhalte abstimmen,
was eine vorangestellte Registrierung voraussetzt. Das eVoting unterstützt dabei den Ver-
gemeinschaftungsprozess der Community, da es den Teilnehmern hilft, die in der Commu-
nity üblichen Methoden und Abläufe für die Erstellung und Formulierung der Inhalte über
die eVoting-Ergebnisse zu erlernen. Aus den eVotings kann entsprechend abgelesen wer-
den, was für Inhalte von den anderen Mitgliedern erwünscht sind und welche Art von
Kommunikation (Tonalität) akzeptiert wird. Anders als im eRanking-Prozess wird im eVo-
ting-Prozess jedoch nicht das Verhalten bzw. die Aktivitäten der Teilnehmer insgesamt
bewertet, sondern lediglich ihre einzelnen Inhalte. Dies ist darauf zurückzuführen, dass
Beiträge der Teilnehmer für die gesamte Community sowohl sehr förderlich aber auch
sehr schädlich sein können und daher Mechanismen gefunden werden müssen, die eine
gewisse Qualifizierung der Beiträge erlaubt.
Wichtig ist jedoch die Tatsache, dass bei jeglicher Art von Beurteilung durch andere das
Verhalten des Teilnehmers beeinflusst werden kann und deshalb verschiedene psycholo-
gische Faktoren im eVoting-Prozess berücksichtig werden sollten. Dazu zählen vor allem
die Legitimität des Feedback-Gebers, die Fähigkeit des Bewerteten, das Feedback in ange-
messener Weise zu verstehen und die Unmittelbarkeit des Feedback (Ilgen/Fisher/
Taylor 1979). Das einfache Skalen-Voting kann hierzu durch den Kommentierungsvor-
gang im Rahmen des eBlogging-Prozesses (s. Kapitel 5.2.2.2; s. Abb. 264) ergänzt werden.
eRanking
Eine eher verhaltensorientierte Perspektive nimmt das eRanking ein. Dabei kann eine
quantifizierende oder qualifizierende Richtung eingeschlagen werden. Bei der quantifizie-
renden Reihung spielt bspw. die Nutzungshäufigkeit (z. B. Aktivitäts-Index bei xing.de)
oder der Vernetzungsgrad (z. B. bestätigte Kontakte bei xing.de) oder aber auch die An-
zahl von eingestellten Inhalten (z. B. Rangwertung bei chip.de; s. Abb. 268) eine Rolle.
Der Prozess der Bewertung wird dabei rein technisch durch das Erreichen bestimmter Zah-
lenwerte vorgegeben. Eine inhaltliche und damit qualifizierende Aussage ist darüber eher
selten möglich.
Das sieht bei der qualifizierenden Reihung anders aus. Hier wird, trotz des höheren Auf-
wandes beim Ranking-Prozess, konkret auf die Qualität des eingestellten Contents Bezug
726 Die Grundlagen der E-Community
genommen. Diese Beurteilung zielt daher insbesondere auf das Verhalten und die Wertig-
keit der Inhalte der einzelnen Mitglieder in der Community ab. Der angemessene Umgang
mit anderen Teilnehmern bildet die Grundlage für das Funktionieren jeglichen sozialen
Austausches innerhalb von Gruppen und ist daher ein wichtiger Bestandteil der Bewer-
tungsphase von Communities. Damit Teilnehmer miteinander in Kontakt treten und sich
austauschen, muss zunächst eine gemeinsame Vertrauensbasis aufgebaut werden. Dazu
hilft bspw. das gegenseitige Bewerten der Teilnehmer bezüglich der eingestellten Inhalte
nach einer gemeinsamen Interaktion oder dem einseitigen Abruf. Der Einsatz eines sol-
chen eRanking-Prozesses soll dazu führen, dass Teilnehmern öffentliche Bewertungen
über ihre Interaktionspartner erstellen und diese dann anderen Teilnehmern zugänglich
gemacht werden.
Der Nutzen eines eRanking-Prozesses hängt wiederum stark davon ab, wie entscheidungs-
relevant das Ranking und die dadurch erstellten Bewertungen für zukünftige Interaktionen
der Teilnehmer und wie hoch das Risiko einer Fehlentscheidung für die Teilnehmer ist
(Schmidt/Uske 2004, S. 9). Damit das eRanking erfolgreich in elektronischen Kontakt-
netzwerken eingesetzt werden kann und der eRanking-Prozess glaubwürdig erscheint,
sollte der Betreiber einer Community bei der Einführung der dazugehörigen Prozesse fol-
gende Regeln des eRankings beachten (Diekmann/Wyder 2002, S. 678):
Schmidt/Uske (2004) nehmen an, dass Teilnehmer anderen Teilnehmern eher vertrauen,
die schon als vertrauenswürdig bestätigt wurden und deshalb schneller mit diesen in Kon-
takt treten. Teilnehmer ohne oder oder mit negativem Feedback hätten so gegenüber Teil-
nehmern mit positivem Feedback Nachteile. Dies wiederum führt zu der Annahme, dass
positive Rankings als Anreiz gesehen werden können, sich in der Community zu engagie-
ren und dieser treu zu bleiben (s. Kapitel 5.4.2).
5.2.2.5 eRecommendation-Prozess
Im Rahmen der Bewertungsphase muss zum Abschluss auch der eRecommendation-Pro-
zess betrachtet werden. Dabei werden durch die Mitglieder bestimmte Empfehlungen be-
züglich einzelner Inhalte gegenüber anderen Community-Mitgliedern oder externen Nut-
zern ausgesprochen. Anhand dieser Empfehlungen kann somit auch die Bedeutung und/o-
der die Wichtigkeit einzelner Inhalte abgelesen werden. Gerade bei einer E-Community
bietet sich der Einsatz dieser individualisierenden Empfehlungssysteme an, die Ergebnisse
Die Prozesse beim elektronischen Kontaktnetzwerk 727
ausgeben, die auf die Präferenzen des individuellen Nutzers abgestimmt sind (Müller
2005, S. 25). Durch eine derartige Personalisierung von Inhalten wird die Zeit für die Su-
che und die Auswahl der relevanten Informationen reduziert, indem auf bevorzugte Inhalte
des Nutzers geschlossen wird, ohne dass dieser dazu aktiv beiträgt. Man spricht daher auch
von einer Push-Personalisierung (Schackmann/Schüh 2001). Soziale Netzwerke spielen
hierbei eine zunehmend wichtigere Rolle, da Informationen, die für eine personalisierte
Empfehlung relevant sind, häufig durch die Interaktion mit anderen Nutzern oder die Na-
vigation in großen Informationsräumen gesammelt werden. So lassen sich Empfehlungen
bspw. aus den Aktivitäten anderer Mitglieder einer E-Community ableiten (Koch/Richter
2009, S. 64 f.). Dem entsprechenden eRecommendation-Prozess liegen zwei Konzepte
zugrunde:
Social Navigation basiert auf der Auswahl von Objekten basierend auf Informatio-
nen, die andere Benutzer zu Objekten hinterlassen haben, oder basierend auf Verbin-
dungen zwischen anderen Benutzern und den in Frage stehenden Objekten (Koch/
Richter 2009, S. 64 f.). Die zur Empfehlung herangezogenen Informationen können
dabei bewusst (z. B. Kommentare zu Produkten oder Tags) oder unbewusst (z. B.
Kauf- oder Nutzungshäufigkeiten) von anderen Nutzern hinterlassen worden sein.
den Nutzer selbst als Ergänzung oder Ersatz zu den Bewertungen, die dann vergli-
chen werden. Die vergleichende Bewertung von Inhalten lässt sich besonders gut auf
textliche Informationen anwenden. Ein Vergleich anderer Darstellungsformen, bspw.
von Bildern oder Videos als Information, bedarf allerdings einer manuellen Vertex-
tung, die aufgrund beschränkter Ressourcen bei einer großen Anzahl an zu verarbei-
tenden Bildern nicht praktikabel wäre (Schenk 2007, S. 42).
Die Collaborative Recommendation versucht, den Nutzen von Produkten auf Basis
von Bewertungen anderer Nutzer vorauszusagen, die ähnliche Präferenzen haben, um
daraus abgeleitet Nutzen stiftende Inhalte zu empfehlen. Umsetzung findet dieses
Verfahren bspw. in der Empfehlung „Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauf-
ten auch ...“ Anders als im Falle der Content-based-Recommendation ist hier auch die
Repräsentation von Bildern oder Videos möglich (Adomavicius/Tuzhilin 2005,
S. 740). Ein Problem stellen hier jedoch neue Inhalte dar, da sie nicht empfohlen wer-
den können, wenn sie noch nicht von genügend anderen Nutzern bewertet wurden. Es
bedarf ferner einer kritischen Masse an Nutzern, da ansonsten nicht genug Bewertun-
gen vorliegen und diese dann unter Umständen Vorlieben vertreten, die eher unge-
wöhnlich sind und folglich zu ebenfalls ungewöhnlichen Empfehlungen führen (Ado-
mavicius/Tuzhilin 2005, S. 740). Die zusätzliche Beachtung von demografischen Da-
ten (z. B. Alter, Geschlecht, Wohnort, Bildungsgrad) kann dem entgegenwirken, da
hierdurch Ähnlichkeiten der Nutzer erkannt werden können.
ist ähnlich zu
Collaborative
Recommendation
findet finden
Content-based gut gut
Recommendation
sind ähnlich zu
Die technische Realisierung von eSyndication-Prozessen ist mit Hilfe von RSS (Really
Simple Syndication) möglich. Dabei handelt es sich um ein XML-basiertes Datenformat
(s. Kapitel 2.1.1.1), das es erlaubt, Inhalte in standardisierter Form darzustellen und so-
mit maschinell weiterzuverarbeiten. Als RSS-Feed wird dabei ein Dokument bezeich-
net, das verschiedene Inhalte (z. B. Text, Audio oder Video) im RSS-Format darstellt
und von anderen Web- oder Desktopanwendungen zur Weiterverarbeitung genutzt wer-
den kann (Reitler 2007, S. 27). Durch sog. Aggregatoren können RSS-Feeds abonniert,
automatisch abgerufen und vom Nutzer verwaltet werden (Alby 2008, S. 49). Dabei fragt
der Aggregator eine spezifizierte URL mittels HTTP an, um einen Feed im Internet zu
lokalisieren. Das abgerufene Dokument wird geparst und die beinhalteten Informationen
werden dem Nutzer dargestellt. Wie RSS ist auch Atom eine XML-basierte Spezifika-
tion zur Syntaxdefinition von Feeds. Atom wurde von der IETF (Internet Engineering
Task Force) spezifiziert. Im Gegensatz zum RSS-Format wird mit Atom 1.0 einerseits
eine eindeutige, klar strukturierte Dokumentation und andererseits die Erarbeitung eines
von unterschiedlichen Versionen unabhängigen Feedformates angestrebt (Ayers/Watt
2005). So wird die Verbreitung von Atom als Quasi-Standard verfolgt, der die Erstel-
lung von Aggregatoren und Feeds vereinfachen soll.
Ein weitere Möglichkeit der Verbreitung und Weitergabe von Community-Inhalten sind
Audio-Podcasts und Video-Podcasts. Der Begriff an sich ist eine Wortschöpfung aus
dem englischen broadcast (Rundfunksendung) und dem populären MP3-Player iPod
von Apple (Mikloweit 2007, S. 58). Eine einheitliche Definition des Begriffs liegt bis-
lang nicht vor (Clement/Papies 2008, S. 336). Es handelt sich bei Podcasts jedoch stets
um Audio- oder Videodateien, die zum Download angeboten werden oder direkt auf
einer Webseite gehört werden können. Ein einzelner Podcast ist meist eine Serie von
Episoden, während der ePodcasting-Prozess das Produzieren und das Anbieten dieser
Episoden beschreibt. Wichtig ist, dass im Rahmen des ePodcasting-Prozesses nicht nur
eine Datei, sondern stets eine mehr oder weniger regelmäßige Folge von Dateien ange-
boten wird, welche wiederum über RSS-gestützte eSyndication-Prozesse abonnierbar
sind (Koch/Richter 2009, S. 34). Auf Seite des Konsumenten kommt dabei gerade eine
als Podcatcher bezeichnete Software zum Einsatz, welche die Podcasts automatisch
bezieht, ohne dass ein Besuch der jeweiligen Webseite notwendig ist (Clement/Papies
2008, S. 337).
Des Weiteren lassen sich Podcasts als eine Methode identifizieren, Audiodateien zeit-
versetzt und automatisiert in den Speicher von MP3-Spielern zu übermitteln. Daher kön-
nen (Video-)Podcasts als Radio- oder Fernsehsendungen aufgefasst werden, die nicht
mehr zu einer bestimmten Zeit konsumiert werden müssen. Zu beachten ist, dass sich
somit Podcasts auch als Teilbereich von „Video on Demand“ bzw. „Audio on Demand“
betrachten lassen. Letztere Begriffe werden jedoch eher mit kostenpflichtigen und
durchsuchbaren Diensten in Verbindung gebracht, während Podcasts in aller Regel kos-
tenlos angeboten werden (Mikloweit 2007, S. 58).
Die Prozesse beim elektronischen Kontaktnetzwerk 731
Für den Betrieb einer E-Community lässt sich die Nutzung der in bzw. aus der elektroni-
schen Vernetzung generierten Informationen nach operativen, taktischen und strategi-
schen Aufgaben differenzieren (s. Abb. 270). Das Tagesgeschäft einer E-Community be-
steht hier vor allem aus dem operativen Community-Management (d. h. der Mitglieder-
betreuung), während es in der taktischen Vernetzung primär um die Planung der mittel-
fristigen Bedürfnisbefriedigung geht. Die strategische Vernetzung umfasst letztendlich die
dauerhafte Fortentwicklung der Community. Im Folgenden soll auf diese drei Bereichen
detaillierter eingegangen werden.
Strategische Ausrichtung
Taktische
Vernetzung
Bedürfnisbefriedigung
Operative
Vernetzungsprozess Vernetzung
Features definieren, sondern es müssen auch spezifische Anreize für die Nutzung der
Plattform gesetzt werden, um den Vernetzungsprozess anzustoßen bzw. zu intensivieren.
Somit stehen bei der operativen Vernetzung die folgenden vier Aspekte im Vordergrund:
Beitragsanreize: Eine Community lebt von der Aktivität ihrer Mitglieder. Damit eine
rege Beteiligung der Mitglieder an den Geschehnissen in der Community stattfindet,
sollte der Community-Betreiber verschiedene Anreize setzen, die den Aktivitätsgrad
der Mitglieder steigern. Dies kann bspw. über eine einfache Anzeige des Aktivitäts-
grades oder über komplexere Vergütungsmodelle für bestimmte Aktivitäten gesche-
hen. Insbesondere zu Beginn einer Community können solche Anreize den notwen-
digen Anschub geben, die Aktivität der Mitglieder in Gang zu bringen.
Teilnehmer werden angezogen, wenn sie mit Gleichgesinnten in Kontakt treten können.
Im Idealfall entsteht eine vertrauensvolle Atmosphäre, in der allen Beteiligten neue Ein-
drücke vermittelt werden. Communities unterscheiden sich dadurch, dass sie verschiedene
Bedürfnisse befriedigen und darin, wie viele Bedürfnisse sie gleichzeitig adressieren. Ein
erfolgreicher Community-Betreiber muss daher die Interessen und Bedürfnisse „seiner“
Community-Mitglieder von Anfang an auch taktisch analysieren und steuern, um ein le-
bensfähiges, hinreichend großes Netzwerk aufzubauen. Die folgenden vier Grundbedürf-
nisse der Community-Teilnehmer können dabei unterschieden werden (Hagel/Armstrong
1998 S. 32 ff.):
Interest: Nahezu jeder Mensch hat eine Leidenschaft. Unabhängig davon, ob es sich
dabei um Sport, Reisen oder auch das Sammeln von Briefmarken handelt, besteht ein
menschliches Grundbedürfnis darin, sich mit anderen über diese Leidenschaft auszu-
tauschen. Dem Community-Betreiber kommt also die Aufgabe zu, Gleichgesinnte zu-
sammenzuführen und in ihren Interaktionen zur Pflege des Interesses zu unterstüt-
zen. Insbesondere bei weniger verbreiteten Interessen ist es erst das Internet und die
damit verbundene Auflösung zeitlicher und räumlicher Restriktionen, die es Interes-
sensträgern ermöglicht, zusammenzufinden. Communities, die sich auf Interessen
spezialisieren, können dabei auch eine Anziehungskraft auf Menschen ausüben, die
sich ansonsten nicht vor einen Computer setzen würden. Exemplarisch können hier
Briefmarkensammler angeführt werden, bei denen davon auszugehen ist, dass sie
Briefe der E-Mail grundsätzlich vorziehen, sich aber dennoch vor den Computer set-
zen, um sich über ihre Sammlungen auszutauschen oder Informationen über ihre Sam-
melobjekte (Sondereditionen etc.) einzuholen.
Relationship: Menschen machen in ihrem Leben oft sehr intensive Erfahrungen, die
sie auf andere mit ähnlichen Erfahrungen zugehen lassen. Dazu gehören sehr positive
Erfahrungen wie die Geburt eines Kindes oder auch negative Erfahrungen wie die
Diagnose einer schweren Krankheit. In jedem Fall besteht das Bedürfnis, sich mit
Leuten, die die Situation kennen, auszutauschen und mit ihnen zwischenmenschliche
Beziehungen einzugehen. So können sich Teilnehmer bspw. über den Umgang mit
einer Krankheit im täglichen Leben, über medizinische Forschungsergebnisse,
Krankheitsverläufe oder Therapiemöglichkeiten austauschen. Communities, die der-
artig auf soziale Bedürfnisse fokussieren, sind von starken sozialen und emotionalen
Beziehungen der Mitglieder gekennzeichnet. Wenig überraschend erscheint es da,
Die Prozesse beim elektronischen Kontaktnetzwerk 735
Transaction: Auch die Abwicklung von Geschäften stellt ein menschliches Bedürf-
nis dar. Communities, die auf diesem Bedürfnis beruhen, spiegeln das Interesse der
Teilnehmer an gemeinsamen Transaktionen zur wirtschaftlichen Leistungserstellung
wider. Wenngleich das Bedürfnis in der Regel zu Plattformen führt, die genau ge-
nommen eher E-Procurement (s. Kapitel 2), E-Shops (s. Kapitel 3) oder E-Market-
places (s. Kapitel 4) zuzuordnen sind, entstehen auch Communities in einem engeren
Verständnis mit dem Ziel, Transaktionen zu beeinflussen oder abzuwickeln, so z. B.
bei der Bewertungs-Community golocal.de oder der Einkaufs-Community amazon
buyvip.com. Im Sinne der Sharing Economy (s. Kapitel 1.5.2) bilden sich auch zu-
nehmend spezielle Plattformen, auf denen die Nutzer Dinge untereinander teilen, ge-
meinsam nutzen, tauschen oder verleihen. Ein Beispiel hierfür ist die Community
streetbank.com, eine Plattform, über die Nutzer gebrauchte Gegenstände aus ihrem
persönlichen Bestand katalogisieren und mit ihren Nachbarn tauschen oder die Ge-
genstände an ihre Nachbarn verleihen oder sogar verschenken können.
Neben dem Ziel der Erfüllung dieser Grundbedürfnisse machen sich die Betreiber von E-
Communities die Vernetzung zwischen den Mitgliedern auch immer häufiger zu Nutze,
um einen geschäftlich-monetären Gewinn daraus zu ziehen. Hierbei sind drei zentrale
Trends zu erkennen:
Social Shopping: Hierbei werden Elemente der E-Community und die Möglichkeit,
Transaktionsaspekte und Kaufempfehlungen einzubinden, mit Shopping-Aspekten
wie Produktbewertungen oder der Schnäppchenjagt kombiniert. Ein Beispiel für
Social Shopping ist groupon.de (s. Abb. 271). Dabei können Mitglieder der E-Com-
munity groupon.de mit einem Klick verbundene Nutzer in die Kaufentscheidung ein-
beziehen. Sobald die Anwendung auf Groupon genutzt wird, können die Nutzer von
der Detailseite des Produktes aus eine Anfrage an ihre E-Mail-Kontakte stellen und
somit die Kaufentscheidung diskutieren. Ein Community-getriebener Shopping-Club
ist bspw. auch vente-privee.com. Vente-privee.com bietet zeitlich begrenzte Verkaufs-
aktionen im Internet an, welche ausschließlich registrierten Nutzern der Plattform,
also den Mitgliedern der entsprechenden E-Community, zugänglich sind.
Freunden oder Followern machen. Die T-Shirts werden nur produziert, wenn sie häu-
fig genug vorbestellt wurden. Alle weiteren Prozesse, z. B. Produktion, Versand oder
Zahlungsabwicklung, werden vom Social-Media-Commerce-Anbieter übernommen.
Durch die intensive Einbindung des individuellen Kunden in die Produktentwicklung
kann Social Media Commerce auch als eine Form von Customer Integration gese-
hen werden (Kreutzer/Land 2017, S. 144 ff.). Aufgrund der Nutzung der „Schwarm-
intelligenz“ vieler User in den sozialen Netzwerken kommen häufig innovativere Lö-
sungen zustande als bei der klassischen Produktgestaltung durch eigene Mitarbeiter
(Wenzlaff/Pelzer/Eisfeld-Reschke 2012), wovon Unternehmen profitieren. Anschlie-
ßend kann die Einbeziehung von Kunden aus sozialen Netzwerken auch als eine Form
von Digitalem Prototyping gesehen werden. Hierbei können Unternehmen soziale
Kontaktnetzwerke nutzen, um Prototypen ihrer zukünftigen Produkte am Markt zu
testen. Hierbei kann bspw. geprüft werden, wie hoch die Kaufbereitschaft der Kunden
ist oder aber ob eine IT-Lösung technisch machbar ist (Golovatchev/Schepurek/Rede-
ker 2015).
Abb. 273: Die Applikation Farmville 2 auf Facebook als Beispiel eines Social Games
Quelle: www.facebook.de
Social Games: Social Games wie z. B. die Applikationen Candy Crush Saga oder
Farmville 2 (s. Abb. 273) erfreuen sich großer Beliebtheit auf facebook.de. Spieler,
also potenziell alle Mitglieder der E-Community facebook.de, können ihre Ausgangs-
position direkt durch Zahlung eines gewissen Betrages an den Applikationsbetreiber
steigern; indirekt können durch die Verbindung mit Partnern für den Betreiber Erlöse
durch Werbung und Kooperationen generiert werden.
Die Prozesse beim elektronischen Kontaktnetzwerk 737
Übertragung von Kompetenzen auf die Mitglieder: Der konsequente dritte Schritt
in der Zusammenarbeit mit den Teilnehmern besteht darin, ihnen – in einem festge-
legten Rahmen – die eigenständige Steuerung der Community oder zumindest einzel-
ner Teilbereiche zu erlauben. So erhalten bspw. Moderatoren (s. Kapitel 5.3.2.1) das
Recht, Sub-Foren zu eröffnen, Threads zu verschieben oder auch Mitglieder zu sper-
ren. Diesen Schritt sollte der Betreiber nicht nur dann vollziehen, wenn der Aufwand
738 Die Grundlagen der E-Community
für ihn aufgrund der Größe und Komplexität der Plattform zu groß wird, vielmehr
kann dieser Schritt der Aufwands- und ggf. auch Kostenreduktion (falls bisher Mitar-
beiter mit der Überwachung der Community beauftragt waren) dann vollzogen wer-
den, sobald Community-Teilnehmer identifiziert wurden, die geeignet erscheinen,
Verantwortung zu tragen und die Plattform im Sinne des Betreibers zu entwickeln.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Übertragung von Kompetenzen an die Teilnehmer
mit einem gesteigerten, mitgliederseitigen Aktivitätsgrad einhergeht und sich positiv
auf die Community-Kultur auswirkt.
Mit welchen Teilnehmern hat der Community-Betreiber auf seiner Plattform zu tun und
wie kann er das Verhalten und die Entwicklung der Teilnehmer positiv beeinflussen?
Wie schon bei einem elektronischen Marktplatz (s. Kapitel 4) besteht das „Produkt“ einer
E-Community in der Koordination und damit in der Vermittlungsleistung von Community-
Teilnehmern und deren Kommunikation untereinander. Anders als bei einem Marktplatz
steht jedoch nicht der Austausch eines in der Regel physischen Gutes im Vordergrund,
bei dem der Informationsaustausch lediglich der Vorbereitung der Gütertransaktion dient,
vielmehr ist es der Informationsaustausch an sich, der von den Community-Teilnehmern
gewünscht wird und folglich von dem Betreiber koordiniert werden muss. Wenngleich
grundsätzlich jeder Teilnehmer Informationsnachfragen und Informationsangebote ein-
stellen kann, erscheint es aufgrund der unterschiedlichen Ziele und Motive zwischen dem
Geben und dem Suchen nach einer Information sinnvoll, z. B. im Hinblick auf Marke-
tingmaßnahmen (s. Kapitel 5.4) zwischen Informationsanbietern und -nachfragern bei den
Teilnehmern (s. Kapitel 5.3.2) zu unterscheiden.
Es entsteht somit analog zu den elektronischen Marktplätzen eine tripolare Beteiligungs-
struktur (s. Kapitel 4.3.1), bei der der Community-Betreiber nur einen indirekten Nutzen
stiftet, der sich aus der Inanspruchnahme einer Interaktionsbeziehung innerhalb eines
Kommunikationssystems durch die einzelnen Teilnehmer ergibt (derivativer Leistungsas-
pekt; Farrell/Saloner 1985; Katz/Shapiro 1985; Wiese 1990). Nur wenn Informationsan-
fragen gestellt werden, kann der Community-Betreiber vermitteln und je mehr Angebote
bzw. Nachfragen eingestellt werden, desto mehr Spielraum hat er für diese Vermittlung.
Das Unternehmen „E-Community“ ist von der Teilnahmebereitschaft (Akzeptanz) anderer
abhängig und erbringt unabhängig hiervon keine originäre Leistung (sklavischer Akzep-
tanzaspekt; s. Kapitel 4.3.1). Vor diesem Hintergrund entsteht ein vielschichtiges „Pro-
duktproblem“, welches es im Management einer E-Community zu berücksichtigen gilt.
5.3.1.1 Online-Produktausrichtung
Die wohl grundlegendste Entscheidung des Community-Betreibers im Hinblick auf das
Vernetzungs- und Kommunikationsangebot besteht in der langfristigen inhaltlichen On-
line-Produktausrichtung. Zur Systematisierung des inhaltlichen Schwerpunktes schla-
gen Hagel/Armstrong (1998) eine Systematisierung vor, die in der betriebswirtschaftli-
chen Literatur auf große Resonanz gestoßen ist. Diese systematische Unterteilung von Ge-
meinschaften impliziert die Etablierung von Nutzergruppen mit homogenen Bedürfnissen,
was eine gezielte Ansprache von sich selbst selektierenden Nutzergruppen ermöglicht
(Panten 2005, S. 30). E-Communities lassen sich hinsichtlich ihrer inhaltlichen und damit
strategischen Ausrichtung im Allgemeinen einer der folgenden Kategorien zuordnen, wo-
bei eine trennscharfe Einordnung jedoch nicht immer möglich ist (Hagel/Armstrong 1998,
S. 134 ff.):
Bezug. Manche Städte gehen dazu über, mit Hilfe einer E-Community die Bindung
ihrer Bürger zu stärken. Ein Beispiel liefert die Plattform coolibri.de für die Rhein-
Ruhr-Region, auf der Jobangebote, Flohmärkte oder Konzerte in der jeweiligen Re-
gion vorgestellt und diskutiert werden.
Thematische Communities widmen sich einem speziellen Thema und führen Men-
schen zusammen, die sich für dieses Thema interessieren. Der Nutzen dieser Com-
munities liegt vorrangig in der Ermöglichung des Zugangs zu spezifischen Informa-
tionen. Derartige Communities können sich auf Hobbys und Freizeitbeschäftigungen
aber auch auf das Arbeitsumfeld erstrecken. Beispiele sind Reise-Communities wie
explore2gether.de oder Koch-Communities wie chefkoch.de.
Ein nächster Schritt besteht in der Betrachtung der Kategorie (Wegbereiter/Vektor) als
Ausgangspunkt für eine Transformation oder Expansion der Community (Hagel/Arm-
strong 1998, S. 148 ff.). So könnte sich bspw. eine auf Reisen spezialisierte Themencom-
Das Management beim elektronischen Kontaktnetzwerk 741
munity über eine Subgemeinschaft, in der die Reisebedürfnisse von Eltern mit Kleinkin-
dern fokussiert werden, zu einer demografischen Community für Eltern von Kleinkindern
entwickeln (s. Abb. 274).
Reisen
Themenspezifisch
Eltern von
Venezianer
Kleinkindern
Demografisch Geografisch
5.3.1.2 Online-Produktzugang
Unmittelbar mit der Online-Produktausrichtung (s. Kapitel 5.3.1.1) ist die Frage nach dem
Online-Produktzugang zu stellen. Dabei geht es um den Aspekt, wie der Zugang für
(potenzielle) Community-Mitglieder zur Plattform generell geregelt wird. Die mögliche
Beschränkung des Zugangs ist ein wichtiges Merkmal einer Community. In der Praxis
weist der Zugang eine Spannweite von ganz offen bis stark eingeschränkt auf. Der Sinn
eines stark eingeschränkten Zugangs besteht in der Regel nicht ausschließlich in der Ver-
meidung von unerwünschtem Content. Immer häufiger ist es Teil des Geschäftsmodells,
durch Beschränkung des Zugangs die Exklusivität und damit die Attraktivität der
Community zu erhöhen, auch wenn dadurch das Wachstum der Plattform zunächst einge-
schränkt ist. So forderte die Social-Network-Plattform Google+ in ihrer Beta-Phase eine
Einladung durch einen bereits registrierten Teilnehmer. In anderen Fällen ist eine Aufnah-
megebühr zu entrichten, bevor ein neuer Teilnehmer zugelassen wird. Andere Communi-
ties sind nur auf Benutzer bestimmter Produkte ausgerichtet und fordern daher die Eingabe
einer Produktseriennummer bei der Anmeldung. Eine Systematisierung von Zugangsmo-
dellen zu E-Communities kann anhand der Kriterien Nutzeridentifikation und Exklusivität
erfolgen (Keding 2007, S. 19): Exklusivität liegt dann vor, wenn der Zugang nur einem
bestimmten Nutzerkreis zugänglich gemacht wird, und die Nutzeridentifikation weist
den Zugang eindeutig dem jeweiligen Mitglied zu (s. Abb. 275).
742 Die Grundlagen der E-Community
Exklusivität
exklusiv nicht-exklusiv
nutzerindividuelle
Identifikation
geschlossene halbgeschlossene
Community Community
Nutzeridentifikation
Nutzeridentifikation
keine
halboffene offene
Community Community
Anhand dieser beiden Dimensionen entstehen vier idealtypische Arten von Zugangs-
modellen für E-Communities (s. Abb. 275; Keding 2007, S. 19):
Offene Communities: Als offen sind E-Communities anzusehen, die keine nutzer-
individuelle Identifikation voraussetzen und sich nicht auf einen bestimmten Perso-
nenkreis beschränken. Ein wesentliches Charakteristikum dieser Communities ist die
Nichtberücksichtigung historischen Verhaltens für den zukünftigen Besuch. Eben-
falls ist es in derartigen Gemeinschaften nicht möglich, Profile oder Rollenkonzepte
zu implementieren.
notwendig ist, während das reine Lesen eines Beitrags auch ohne vorherige Anmel-
dung möglich ist.
5.3.1.3 Online-Produktregeln
Die E-Community lebt in erster Linie von dem, was von den Mitgliedern entweder im
Rahmen des Online-Mitgliederprofils (s. Kapitel 5.1.1.1) oder dem Online-Mitgliedercon-
tent (s. Kapitel 5.1.1.2) auf die Plattform eingestellt wird. Die zugehörige Verwertung und
Koordination dieser Inhalte unterliegen allgemeinen Rechtsnormen, die von zusätzlichen
spezifischen Regeln für die einzelne E-Community durch dessen Betreiber ergänzt werden
können. Über dieses Set an Teilnahmebedingungen für ein Community-Mitglied werden
aus übergeordnetem Blickwinkel die Online-Produktregeln definiert, die sich in der Re-
gel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Nutzung der E-Community nieder-
schlagen. Diese Produktregeln können dabei in fünf Klassen unterteilt und anhand der
AGB von xing.de erläutert werden:
Produkt-Zugangsregeln beziehen sich auf die Art und Weise, wie die Registrierung
und die dort benötigten Informationen zu handhaben sind. Hier kann bspw. festgelegt
werden, dass keine irreführenden Angaben in dem Mitgliederprofil hinterlegt und
nur eigene, rechtefreie Fotos zur entsprechenden Person für das Mitgliedsprofil hoch-
geladen werden dürfen wie bspw. bei xing.de.
Produkt-Inhaltsregeln beziehen sich auf die Inhalte der eingestellten Beiträge und
deren kommunikativer Wirkung auf die rechtliche bzw. ethische Wahrnehmung von
Formulierungen. So ist es den Community-Mitgliedern in der Regel untersagt, belei-
digende oder verleumderische Inhalte zu verwenden oder pornografische bzw. gegen
Jugendschutzgesetze verstoßende Inhalte zu verwenden, zu bewerben, anzubieten
744 Die Grundlagen der E-Community
Probleme der Meinungsäußerung: Auch wenn grundsätzlich jeder Mensch und da-
mit jeder Teilnehmer das Recht auf eine freie Meinungsäußerung genießt, existieren
gesetzliche und ethische Grenzen. Auf anonymen Kommunikations- und Handels-
Das Management beim elektronischen Kontaktnetzwerk 745
Probleme durch die Übernahme fremder Inhalte: Auf Informations- und Kom-
munikationsplattformen werden von Usern immer wieder – unwissentlich oder vor-
sätzlich – rechtlich geschützte Inhalte anderer Webseiten oder realer Quellen einge-
stellt. Rechteinhaber setzen mittlerweile Agenturen ein, die ihre geschützten Inhalte
im Web aufspüren. Dem Plattformbetreiber obliegt es, diese Verstöße seiner User zu
ahnden und die geschützten Inhalte zu entfernen. Verhindern kann der Betreiber das
Einstellen geschützter Inhalte in der Regel nicht, da der Verstoß gegen das Urheber-
recht erst bekannt wird, wenn sich der geschützte Inhalt bereits auf der Plattform befin-
det. Diese reaktive Vorgehensweise hat neben dem Umstand, dass sie Sisyphos’ Strafe
gleicht, den rechtlichen Makel, dass trotz zeitnaher Löschung ein Rechtsbruch statt-
gefunden hat. Da es derzeit kein geeignetes proaktives Verfahren zur Verhinderung
der Einstellung geschützter Inhalte gibt, streben große Plattformen breit angelegte
Lizenzierungsvereinbarungen mit den Rechteinhabern an, die es ihnen erlauben, so-
wohl die Inhalte auf den Plattformen zu belassen als auch Klagen vorzubeugen und
somit negative Einflüsse auf die Plattformdurchsetzung zu verhindern.
Bei User-generated Content können sich zusätzlich zu den klassischen rechtlichen Prob-
lemen im Umfeld von Internetplattformen (z. B. Domainnamenwahl, Kollmann/Suckow
2007b) weitere bedeutsame Problembereiche ergeben, die nicht nur einzelne Interaktio-
nen, sondern das gesamte Community-Geschehen betreffen und somit im Extremfall die
Existenz der gesamten Plattform gefährden können. Der Community-Betreiber sollte da-
her bestrebt sein, Normen, Werte und Regeln auf der Plattform zu etablieren, die als
Eckpfeiler für die Kommunikation auf der Plattform dienen und einen höflichen und res-
pektvollen Umgang miteinander gewährleisten. Derartige Verhaltensrichtlinien können
stillschweigend vorausgesetzt, schriftlich festgehalten oder sogar als Bestandteil der Nut-
zungsbedingungen verankert werden (Tietz 2007, S. 35).
Als Grundlage der Kommunikation in Datennetzen dient in der Regel die sog. Netiquette
(zusammengesetzt aus Net und Etiquette; Preece 2000, S. 99 ff.), deren Empfehlungen
rechtlich zwar nicht bindend sind, aber zur Schaffung einer positiven Netzkultur beitragen
und häufig Eingang in konkrete Verhaltensregeln der Plattformbetreiber finden. In der Pra-
xis werden oft Moderatoren (s. Kapitel 5.3.2.1) eingesetzt, die die Einhaltung der Wert-
vorstellungen überwachen und bei Übertretungen der Regeln eingreifen. Regelverstöße
werden mit der Schließung des Themas oder des Angebots, dem Löschen einzelner Äu-
ßerungen oder sogar mit Ausschluss einzelner Teilnehmer geahndet, denn eine negative
Kommunikationskultur kann die Akzeptanz der Plattform nachhaltig und langfristig ver-
ringern.
746 Die Grundlagen der E-Community
Die Aussage „The members of a virtual community are its real creators” von Hagel und
Armstrong (1998) verdeutlicht, welche besondere Bedeutung die Mitglieder für die erfolg-
reiche Entwicklung einer Community haben. Innerhalb der zugehörigen Mitgliederana-
lyse wird entsprechend versucht, alle relevanten Fragestellungen rund um dieses zentrale
Asset einer E-Community zu klären. Bevor allerdings auf die verschiedenen Community-
Mitglieder und deren Ziele und Bedürfnisse eingegangen wird, ist zunächst festzuhal-
ten, dass genauso wie auf den anderen Plattformen auch auf Community-Plattformen
grundsätzlich öffentliche Institutionen (Government), Unternehmen (Business) und pri-
vate Konsumenten (Consumer) anzutreffen sind, auch wenn der Großteil der Literatur zu
sozialen Netzwerken auf den Geschäftsbereich (s. Kapitel 1.5.2) C2C fokussiert. So führen
im B2C-Bereich diverse Unternehmen mittlerweile ebenfalls Weblogs (s. Kapitel 5.1.2.2)
ein, um Kunden über aktuelle Themen rund um das Unternehmen zu informieren und um
sich Kundenmeinungen einzuholen (z. B. docmorris-blog.de). innocentive.com anderer-
seits ist eine C2B-Community, in der Privatleute kreativ und innovativ von Unternehmen
eingestellte F&E-Probleme lösen (sog. Crowdsourcing). Im B2B-Bereich existiert bspw.
stackoverflow.com. Dabei handelt es sich um ein Programmierforum, in dem sich Entwick-
ler gegenseitig Hilfestellung zu bestimmten Programmen oder Programmiersprachen ge-
ben. Sogar die öffentliche Hand nutzt auf Themenportalen wie bremen.de oder strassen
.nrw.de, wenn auch in der Regel noch rudimentär, die Möglichkeit, mit Bürgern in Kontakt
zu treten. Vor diesem Hintergrund sind die folgenden Ausführungen zu den Teilnehmern
elektronischer Communities nicht nur auf den Menschen in seiner Freizeit beschränkt, son-
dern betrachten Interaktionen in allen Geschäftsbereichen.
5.3.2.1 Online-Mitgliedertypen
In einem ersten Schritt muss sich der Betreiber einer Community darüber klarwerden, dass
Mitglieder mit unterschiedlichen Charakteren, Hintergründen und vor allem verschiedenen
Intentionen am Plattformgeschehen teilnehmen. Diese Online-Mitgliedertypen und der
Umgang mit ihnen beeinflusst maßgeblich die Dynamik der Gemeinschaftsbildung. Ba-
sierend auf den von Kim (2000) identifizierten „Social Player Types“ sind folgende vier
Typen von Mitgliedern einer Community zu unterscheiden (Seufert/Moisseeva/Steinbeck
2002, S. 5; Kim 2000):
Explorers (Gurus): Explorer greifen gerne aktuelle Trends und neue Themen auf und
erweitern und erneuern die Community dabei mit neuen Ideen. Sie bringen die
Das Management beim elektronischen Kontaktnetzwerk 747
Community auf einer innovativen inhaltichen Ebene voran. Ihre Aktionen sind ge-
prägt durch Neugierde sowie das Verknüpfen von bestehendem und das Generieren
von neuem Wissen.
Außerhalb dieser Typologie der Mitglieder, die die Art ihrer Partizipation selbst wählen,
gibt es den Moderator, dessen Verhalten vorgegeben ist. Moderatoren gehören entweder
dem Betreiberunternehmen an oder wurden innerhalb der Community rekrutiert. Sie un-
terstützen die Teilnehmer in Diskussionsgruppen, schlichten Streit, löschen unerwünschte,
unpassende, verletzende, gesetzeswidrige Beiträge löschen, verschieben oder sperren Bei-
träge. Sie sollen in der Regel Diskussionen mit aktuellem Fachwissen ergänzen, ohne mei-
nungsbildend zu wirken. Um ihrer Rolle gerecht und von den anderen Teilnehmern akzep-
tiert zu werden, benötigen sie umfassende administrative Rechte sowie entsprechende
Fachkenntnisse, erhöhte Kommunikationsfähigkeit und Selbstmotivation. Folgende Aufga-
ben der E-Moderatoren können festgehalten werden (Puntschart 2006, S. 72 f.):
Öffnen und Schließen von Foren sowie ggf. Einführung eines neuen Fokus
5.3.2.2 Online-Mitgliederkopplung
Allgemein ist Kopplung definiert als die Beziehung zwischen Elementen. Im Rahmen der
Mitgliederanalyse spielt der Grad der Kopplung zwischen den Community-Teilnehmern
eine bedeutende Rolle. Das Beziehungsspektrum bei der Online-Mitgliederkopplung
reicht von losen, schwachen bis hin zu engen bzw. beständigen Verbindungen (Panten
2005, S. 35 f.), wobei die Intensität der Beziehung einen großen Einfluss auf die Dynamik
in der Gemeinschaft ausübt. Bereits bei der erstmaligen Konzeption der E-Community
sollte sich der Betreiber bewusst machen, welcher Kopplungsgrad auf seiner Plattform
vorteilhaft ist und wie er diesen erreicht:
Lose Kopplung: Eine lose Kopplung liegt vor, wenn die Teilnehmer der E-Community
nur wenige Gemeinsamkeiten aufweisen und diese Übereinstimmungen im Vergleich
zu anderen Faktoren, die Einfluss auf die Communitydynamik ausüben, schwach aus-
geprägt sind. Resultierende Beziehungen sind durch eher gelegentliche anstatt kon-
stante, plötzliche anstatt kontinuierliche und erhebliche anstatt bedeutsame Zusam-
menkünfte gekennzeichnet. Diese Charakteristika beschreiben den Großteil der Kon-
takte in Communities, da es dort meist zu einem n-seitigen Informationsaustausch im
Hinblick auf eine spezifische Thematik bzw. Problematik zwischen einer bestimmten
Zahl von interessierten Teilnehmern kommt. Der Austausch erfolgt temporär für die
Dauer der Themenbehandlung. Mitunter bilden sich verschiedene, voneinander unab-
hängige Subgruppen zu verschiedenen Themen über eine längere Zeit, die dann einen
gewissen Grad an Unabhängigkeit von der übergeordneten Communitystruktur etab-
lieren. Etwaige „lokale“ Anpassungen in einer dieser Untergruppen beeinflussen die
Community als Ganzes kaum. Die Kombination von Reaktionsfähigkeit des gesamten
Systems auf der einen Seite und die Unabhängigkeit seiner Bestandteile (z. B. Mit-
glieder, Subgruppen) auf der anderen Seite charakterisieren das Geschäftsmodell
E-Community nach Orton/Weick (1990) zunächst per se als lose gekoppeltes System.
Enge Kopplungen: In einer Community können jedoch auch engere Beziehungen zwi-
schen einer kleinen oder auch größeren Gruppe von Mitgliedern bestehen. Diese engen
Kopplungen können Dimensionen familiärer Bindungen erreichen, sodass diese
Gruppe nach außen hin als Einheit auftritt, gemeinsame Entscheidungen trifft und in
hohem Maße füreinander eintritt. Derartige Bindungen können einerseits darauf basie-
ren, dass diese Mitglieder bereits eine Beziehungshistorie aufweisen, die z. B. aus
Beziehungen in der realen Welt resultiert. In diesem Fall dient die E-Community als
effiziente Form, mit räumlich getrennten Freunden oder Familienmitgliedern zu
kommunizieren. Allerdings können auch enge Bindungen zwischen Mitgliedern ent-
stehen, die sich nicht vorher persönlich kannten. Enge Kopplungen entstehen seltener
Das Management beim elektronischen Kontaktnetzwerk 749
in großen Communities, auch wenn dort potenziell mehr Auswahl an Kontakten be-
steht, sondern eher in kleineren, fokussierteren Communities bzw. Subgruppen von
großen Communities, in denen Teilnehmer zueinanderfinden, die ähnliche Interessen
bzw. Hintergründe aufweisen. Kim (2000, S. 316 f.) weist darauf hin, dass insbeson-
dere in Subcommunities, die von Mitgliedern selbst erstellt bzw. auf ihre Initiative ba-
sierend gegründet wurden, starke interne Bindungen auftreten, da sich die Teilnehmer
eher ihrer Subgruppe als dem Gesamtgebilde verpflichtet sehen. Enge Kopplungen
sind z. B. in der E-Community secondlife.com zu beobachten, in der Teilnehmer ein
virtuelles, zweites Leben mit Teilnehmern aus aller Welt führen können. Über
Freund- und Liebschaften hinaus sind bereits ganze Familien entstanden, in denen
Teilnehmer die verschiedenen Rollen von Vater, Mutter oder Kind übernehmen und
wie Familien im Real Life miteinander leben.
5.3.2.3 Online-Mitgliederentwicklung
Zwar lassen sich Teilnehmer bereits sehr gut durch die in Kapitel 5.3.2.1 beschriebene Ty-
pisierung beschreiben, jedoch existiert darüber hinaus mit dem Erfahrungshintergrund eine
weitere Variable, die das konkrete Teilnehmerverhalten und damit die Online-Mitglie-
derentwicklung beeinflusst. Mit der Dauer der Zugehörigkeit bzw. mit der Anzahl der
Postings ändern sich Aspekte wie Status und Ansehen in der Gemeinschaft, Selbstbewusst-
sein des Teilnehmers oder auch community-spezifisches Wissen, was sich dann auf die Ak-
tivitäten des Mitglieds und deren Wahrnehmung durch die anderen Teilnehmer auswirkt.
Nach dem Lebenszyklus der Mitgliedschaft lassen sich die folgenden Stufen der Ent-
wicklung von E-Community-Teilnehmern unterscheiden (Seufert/Moisseeva/Steinbeck
2002, S. 5; Kim 2000):
Visitor: Er gehört noch nicht offiziell zur Gemeinschaft, sondern ist ein Besucher und
Beobachter der „Szene“. In der Regel ist er noch nicht registriertes Mitglied, was
seine Zugriffsmöglichkeit einschränkt. Üblicherweise kann er alle oder zumindest
einen Großteil der existierenden Foreneinträge lesen, was den „Gästen“ oftmals schon
reicht. So finden sie z. B. Lösungen zu ihren Problemen in Fachforen, wenn es sich
dabei um ein Problem handelt, das Mitglieder schon vor ihnen hatten. Verwehrt blei-
ben ihnen hingegen in der Regel der Zugriff auf Nutzerdaten und damit die direkte
Kontaktaufnahme zu anderen Teilnehmern.
Newcomer: Ein Newcomer ist ein neues Mitglied in einer Community. „Neu“ kann
sich dabei einerseits auf die geringe Dauer seiner Mitgliedschaft oder auf die geringe
Anzahl seiner bisherigen Aktivitäten (z. B. Foreneinträge) beziehen. Newcomer sind
zunächst meist relativ zurückhaltend mit ihren Äußerungen und orientieren sich in
ihrem Verhalten an den etablierten Mitgliedern. Nicht immer wird Neulingen der Ein-
stieg in eine Community leichtgemacht. So wird bspw. ihren Äußerungen oftmals
weniger Beachtung geschenkt, als den Beiträgen etablierter Mitglieder, da sie sich ins-
besondere aus der Sicht langjähriger Mitglieder ihr Ansehen „erst verdienen müssen“.
750 Die Grundlagen der E-Community
Neulinge, die sich ignorant oder nicht lernwillig zeigen, werden abwertend als „Noob“
bezeichnet und erreichen oftmals gar nicht erst die Stufe eines Regulars.
Regular: Hierbei handelt es sich um Mitglieder, die der Gemeinschaft bereits seit län-
gerer Zeit angehören oder sich in Einzelfällen durch eine enorme Präsenz über eine
kurze Zeit in der Community etabliert haben. Sie zeichnen sich durch regelmäßige Par-
tizipation und ein dauerhaftes Commitment mit den Gemeinschaftszielen aus.
Experts: Diesen Status müssen sich Teilnehmer verdienen. Erst wer sich über einen
längeren Zeitraum regelmäßig um die Community verdient gemacht, ein besonderes
Commitment an den Tag gelegt und sein community-spezifisches Wissen immer
wieder unter Beweis gestellt hat, wird von den anderen als Experte anerkannt und
geschätzt. Häufig sind sie „Leaders“, also offizielle oder inoffizielle Wortanführer in
der Community, z. B. in der Kommunikation mit dem Betreiber. Experten sind für die
Community sehr wichtig, da sie die Community am Laufen und Teilnehmer zusam-
menhalten. Aus dieser Gruppe werden in der Regel die Moderatoren (s. Kapitel 5.3.
2.1) rekrutiert.
Neben der Produktanalyse bei einer E-Community (s. Kapitel 5.3.1) und der Betrachtung
der Charakteristika der Teilnehmer einer E-Community im Rahmen der Mitgliederanalyse
(s. Kapitel 5.3.2) spielt auch die Strategieanalyse eine bedeutsame Rolle für die Manage-
mentebene bei elektronischen Kontaktnetzwerken. Diese Strategieanalyse bezieht sich im
Kern auf drei Ebenen: Zielsetzungs-, Positionierungs- und Channelebene. Dabei wird sich
im Folgenden mit den strategischen Zielen der E-Community und Möglichkeiten der stra-
tegischen Positionierung im Wettbewerb zu ihrer Erreichung auseinandergesetzt.
5.3.3.1 Online-Zielsetzungsebene
Der Community-Betreiber kann bezüglich der Online-Zielsetzungsebene mit der Grün-
dung bzw. dem Betrieb einer E-Community unterschiedliche strategische Richtungen ver-
folgen, die für die weitere Entwicklung der Community maßgeblich sind. Für den dauer-
haften Erfolg der E-Community ist es dabei elementar, dass der Betreiber sich über diese
Richtungen und die damit verbundenen konkreten Ziele, die er verfolgen möchte, klar ist
und diese den relevanten Stakeholdern kommuniziert bzw. sein Handeln konsequent auf
die Zielerreichung ausrichtet. Dabei muss er analysieren, welche Ziele seine Mitglieder
mit der Plattform verbinden, um sich diese zu Eigen zu machen und die Zielerreichung zu
fördern. Die zu verfolgenden Ziele lassen sich in sechs Kategorien zusammenfassen (Tietz
2007, S. 38 ff.). Mitunter lassen sich Ziele kombinieren oder beinhalten sogar Synergiepo-
tenziale. Die primären Ziele der Strategieanalyse sind dabei:
Das Management beim elektronischen Kontaktnetzwerk 751
Finanzziele: Der Betreiber einer E-Community muss sich entscheiden, wie kom-
merziell er seine Plattform betreiben will. Direkte Umsätze lassen sich über Teilnah-
megebühren generieren. Dies bedeutet, dass der Teilnehmer eine Gebühr entrichtet,
wenn er Community-Funktionen nutzen möchte, die im Rahmen einer sog. Pre-
mium-Mitgliedschaft über eine vorhandene Grundfunktionalität hinausgehen. Indi-
rekte Umsätze lassen sich über Werbeeinblendungen erzielen.
Neben den primären Zielen kann der Community-Betreiber weitere Ziele verfolgen, die
die primären Ziele ergänzen und an dieser Stelle daher als sekundäre Ziele der Strategie-
analyse bezeichnet werden sollen:
Prestige: Durch das Angebot einer exklusiven E-Community kann sich der Betreiber
von der Konkurrenz abheben. Ebenso kann Exklusivität dazu führen, dass das in der
Community entstandene Gemeinschaftsgefühl auf die Mitglieder und den Betreiber
übergeht. Entsprechend muss der Betreiber entscheiden, wie offen er seine Plattform
gestaltet und ob er das Ziel der Exklusivität verfolgt (s. Kapitel 5.3.1.2).
Produktentwicklung: Über den direkten Kontakt zu den Mitgliedern lässt sich einer-
seits Feedback zu bestehenden Produkten einholen. Anderseits lassen sich über die
752 Die Grundlagen der E-Community
Unterstützung: Hat ein Nutzer Probleme bei der Anwendung eines Produktes, kann
er in einer zugehörigen E-Community Fragen platzieren bzw. Antworten finden. Die
gegenseitige Unterstützung der Nutzer verringert dabei den Bedarf an Support durch
das Unternehmen; der Informations- und Wissensaustausch der Nutzer wird ange-
regt. Der Betreiber muss entscheiden, inwieweit er seine Community zum verlängerten
Support-Arm von Unternehmen und Dienstleistern werden lässt.
5.3.3.2 Online-Positionierungsebene
Aufbauend auf dem Konzept der heterogenitätsabhängigen Bindungswirkung (s. Kapitel
4.4.2.2) lassen sich aus strategischer Betreibersicht im Hinblick auf die Online-Positi-
onierungsebene zum Zeitpunkt der Community-Gründung zwei grundsätzliche Rich-
tungen unterscheiden, die mit unterschiedlichen Taktiken die Teilnehmer für die
E-Community gewinnen und langfristig an die Plattform binden möchten. Die beiden
möglichen Einstiegs- und Entwicklungspunkte können im 2-H-Modell zur Positionie-
rung einer E-Community zusammengefasst werden (s. Abb. 276):
Im Zuge des Community-Wachstums wird noch eine dritte Möglichkeit der Community-
Positionierung möglich. In einer übergeordneten heterogenen Community werden meh-
rere an sich homogene Communities zusammengefasst. Diese doppelte Positionierung
als Kombination aus Heterogenität und Homogenität darf dabei nicht als „Stuck-in-the-
Middle“ missverstanden werden. Vielmehr kombiniert diese Positionierung die Vorteile
der in sich relativ geschlossenen, homogenen Communities, wie z. B. in Form von Ver-
trautheit durch gemeinsame Interessen und Hintergründe mit den Vorteilen von offenen,
heterogenen Communities, wie z. B. der breitere Informationspool. In dieser Positionie-
rung bleibt das Individuum Mitglied seiner homogenen Community, über Schnittstellen
kann er aber mit Individuen in anderen homogenen Communities interagieren. Ein Bei-
spiel für eine E-Community mit doppelter Positionierung findet sich bei meinverein.de.
Hier können sich Menschen mit gleichen Interessen miteinander vernetzen und Vereine
finden oder Vereine können neue Mitglieder finden. Die registrierten Nutzer können hier-
bei Mitglied in verschiedenen Vereinen mit unterschiedlichen Thematiken (z. B. Feuer-
wehr, Karnevalsverein), also unterschiedlicher Subcommunities sein, können sich aber
auch vor diesem Hintergrund insbesondere mit den Nutzern anderer Vereine übergreifend
vernetzen.
754 Die Grundlagen der E-Community
Doppelte Positionierung
(Quantität-Qualitätsvorsprung)
Entwicklungskorridor
Homogenitätspositionierung Heterogenitätspositionierung
(Qualitätsvorsprung) (Quantitätsvorsprung)
Stuck-in-the-middle-Position
5.3.3.3 Online-Crossingebene
Über die Positionierung einer E-Community (s. Kapitel 5.3.3.2) hinaus, muss sich der Be-
treiber über die Etablierung seiner Plattform im Spannungsfeld von Online- und Offline-
Realität Gedanken machen. Im Rahmen der diesbezüglichen Online-Crossingebene muss
der Betreiber demnach entscheiden, ob er die reine Online-Ebene verlässt und mit der
Offline-Ebene kreuzt (to cross). In der heutigen Informationsgesellschaft ist es üblich, zwi-
schen beiden Welten zu pendeln oder, z. B. über mobilen Medieneinsatz, beide parallel zu
nutzen. Zu diesem Zweck existieren vier Grundmodelle im Online-Offline-Kontinuum
(s. Abb. 277):
Online-Modell
Grad der Offline-Unterstützung
ohne Offline-Aktivität
Grad der Online-Exklusivität
Offline-Modell
ohne Online-Aktivität
dieser Netzwerke stellt das Internet keine Alternative dar, da es ihnen keinen Mehr-
wert liefert, sie generell internetavers sind oder ihnen gerade der regelmäßige persön-
liche Kontakt wichtig ist, der nicht substituiert werden soll. Als Beispiel können hier
Schützenvereine angeführt werden, für die eine Online-Community weniger wün-
schenswert erscheint, dazumal der Verein mit seinen Kontakten und Tätigkeiten
hauptsächlich lokal begrenzt aktiv ist und eine Online-Präsenz somit wenig Mehrwert
erzeugen würde.
Beteiligungsförderung: Einmal registrierte User sollen durch den Einsatz von Mar-
keting-Instrumenten dazu angeregt werden, sich selber aktiv in die Community ein-
zubringen und Beiträge zu leisten.
Loyalitätsaufbau: Die Förderung der Beteiligung führt dazu, dass die Mitglieder un-
tereinander Beziehungen aufbauen und sich der Community dadurch verstärkt verbun-
den fühlen. Zur Unterstützung der sozialen Interaktion können verschiedene Marke-
ting-Instrumente eingesetzt werden.
5.4.1.1 eRecommendation-Marketing
Als eRecommendation-Marketing wird jegliche Art einer persönlichen Weiterempfeh-
lung verstanden, die Teilnehmer oder Nutzer einer Community an andere, potenzielle Teil-
nehmer aussprechen. Diese Art des Empfehlungsmarketing wird in der Literatur häufig
als das effektivste und kostengünstigste Marketing-Instrument bezeichnet (Wilson 1994,
S. 13), da die Bereitstellung von elektronischen Netzwerken die Empfehlungsausspra-
che vereinfacht und damit weniger kosten- bzw. zeitintensiv ist als der Einsatz anderer
Marketing-Instrumente (Riemer/Totz 2002, S. 419 f.). Durch die hohe Werbedichte des In-
ternets, die sinkende Aufnahmebereitschaft der Kunden und die Möglichkeit, für die Com-
munity durch Empfehlungen innerhalb kürzester Zeit einen hohen Bekanntheitsgrad zu
erreichen (Bauer/Martin/Albrecht 2008, S. 58), gewinnt das Recommendation-Marketing
immer mehr an Bedeutung (Dye 2000, S.140 ff.).
Helm (2000, S. 21) unterscheidet verschiedene Ausprägungsformen von Weiterempfeh-
lungen (s. Abb. 278). Betreiberinduzierte Referenzen stellen dabei lediglich Auskünfte
von aktuellen oder ehemaligen Kunden über die Erfahrungen mit dem Unternehmen dar,
wobei nachfragerinduzierte Mundwerbung anbieterunabhängige Kundenempfehlungen
sind, die im Rahmen von Person-zu-Person-Kommunikation stattfinden und daher auch
als Mund-zu-Mund-Propaganda (Word-Of-Mouth; WOM) oder eben auch Viral-Mar-
keting bezeichnet werden (Kroeber-Riel/Gröppel-Klein 2013, S. 710). Der Einsatz dieser
Mundwerbung als Marketinginstrument einer E-Community liegt darin begründet, dass
über die Mund-zu-Mund-Weitergabe eine exponentielle Diffusion der Werbebotschaft er-
reicht werden kann, die in relativ kurzer Zeit eine Vielzahl potenzieller neuer Teilnehmer
gewinnen kann (Weiber/Wolf 2013).
Community-
Teilnehmer
Betreiber
Betreiberinduzierte Word-of-Mouth
Empfehlungen
Referenzen (WOM)
Teilnehmer Teilnehmer
5.4.1.2 eIncentive-Marketing
Die Abgabe positiver Weiterempfehlungen von aktuellen Teilnehmern einer E-Community
kann aufgrund der digitalen Vernetzung nur teilweise vom Community-Betreiber gesteuert
werden. Außerdem werden Empfehlungen in der Regel aus intrinsischen Motiven der Teil-
nehmer herausgegeben und können daher nur bedingt forciert bzw. erzwungen werden.
Die resultierende Glaubwürdigkeit führt bei positiven Empfehlungen jedoch zu einer ver-
stärkten Wirkung beim Rezipienten. Da dies allerdings gleichermaßen für die Weitergabe
negativer Kommunikation gilt, muss der Community-Betreiber einen Trade-Off zwischen
dem Risiko der Verbreitung von negativen „Empfehlungen“ und der Chance einer schnel-
len und kostengünstigen Erreichung vieler Teilnehmer finden. Der implizierte Wirkungs-
760 Die Grundlagen der E-Community
mechanismus, auf dem das eIncentive-Marketing beruht, geht auf das Viral-Marketing
zurück. Dort werden Kaufempfehlungen mittels qualifizierter Vertrauenspersonen (sog.
Bailsmen) ausgesprochen, weshalb das eIncentive-Marketing als spezielle Form des Viral-
Marketings gesehen werden kann. Allerdings ist beim eIncentive-Marketing ein geldwer-
ter Vorteil auf Seiten des Empfehlungsgebers vorgesehen. Die Bereitstellung verschiede-
ner Anreizsysteme, wie z. B. die Vergabe von Gratifikationen oder der Einsatz von Re-
ward-Systemen, fördert die extrinsische Motivation der Teilnehmer, Empfehlungen aus-
zusprechen und positive Erfahrungen weiterzugeben (Bauer/Martin/Albrecht 2008, S. 67).
Solche Anreize können sowohl monetärer als auch nicht-monetärer Natur sein (Tietz
2007, S. 44). Anreize wären bspw. Belohnungen durch Geldbeträge oder Gutscheine so-
wie die kostenlose Bereitstellung sonst kostenpflichtiger Leistungen oder kostenlose Mit-
gliedschaften für einen bestimmten Zeitraum (Figallo/Rhine 2002, S. 216 f.). So warb
xing.com mit der regelmäßig stattfindenden Happy-Hour, in der eine Mitgliedsanmeldung
zu einem festgelegten Zeitpunkt dazu führte, dass das Mitglied für einen Monat eine kos-
tenlose Premiummitgliedschaft bekam. Gleichzeitig wurde gerade zu Beginn der Commu-
nity diese einmonatige kostenlose Premiummitgliedschaft auch an die Mitglieder verge-
ben, die auch zehn weitere neue Mitglieder eingeworben hatten. Ebenfalls mit einem kos-
tenlosen Premiummonat wird das Mitglied belohnt, das ein anderes Mitglied eingeladen
hat, welches dann vom kostenlosen in den Premiumstatus wechselte.
Üblicherweise spricht man insbesondere im Rahmen der Teilnehmergewinnung in frühen
Entwicklungsphasen einer E-Community von der Notwendigkeit, Zugangsbarrieren ab-
zubauen, um den potenziellen Teilnehmern den Zugang zur Community so weit wie
möglich zu erleichtern. Eine weitere Möglichkeit, vor allem in späteren Entwicklungs-
phasen einer E-Community, Anreize für die Teilnahme an der E-Community zu schaffen,
kann in der proaktiven Schaffung von Zugangsbarrieren sein. Ein Beispiel für diese Art
von Anreizsystem sind geschlossene Communities, in denen es nur aktiven Mitgliedern
erlaubt ist, z. B. an zeit- und mengenlimitierten Verkaufsaktionen wie im Beispiel von
amazonbuyvip.com oder brands4friends.de teilzunehmen (s. Kapitel 5.3.1.2). Die Exklu-
sivität der Community bedingt, dass z. B. bereits aktive Mitglieder andere Mitglieder ein-
laden müssen, bevor diese der Community beitreten können und ebenfalls an den Ver-
kaufsaktionen teilnehmen können. Ein solcher Exklusivitäts-Mechanismus weckt Neu-
gier bei Außenstehenden und steigert den Wunsch, selbst Teil der Community zu werden.
In der Marketing-Psychologie wurde dieser Effekt insbesondere von Cialdini (1987)
beschrieben. So werden Dinge (hier die Mitgliedschaft) als wertvoller empfunden, je
knapper sie sind. Durch den Einsatz dieses Effekts lassen sich die notwendigen Marke-
tingaufwendungen des Community-Betreibers reduzieren, da sich auch die Werbebotschaft
durch Mund-zu-Mund Propaganda von selbst verbreitet. Allerdings birgt dieses Vorgehen
die Gefahr, dass Teilnehmer, die nicht eingeladen werden oder unsicher sind, ob sie der
Community beitreten möchten, zunächst ausgeschlossen bzw. abgeschreckt werden. Somit
kann die Öffnung der Community einerseits eine Reduzierung von Zugangsbarrieren be-
deuten, andererseits wird dadurch aber auch der „Neugier-Effekt“ eliminiert, der insbeson-
dere in der Phase der Teilnehmergewinnung erheblichen Einfluss haben kann.
Das Marketing beim elektronischen Kontaktnetzwerk 761
5.4.1.3 eContent-Marketing
Das eContent-Marketing umfasst alle Aspekte, die im Rahmen der Inhaltsqualität und
-quantität einer Community dazu beitragen, die Plattform für außenstehende, neue Mit-
glieder attraktiver zu machen. Die Qualität bzw. Quantität der Inhalte kann als wesentli-
cher Wertetreiber einer Community gesehen werden und soll daher besondere Aufmerk-
samkeit im Rahmen der Teilnehmergewinnung erfahren (s. Kapitel 5.1.1.2 und 5.2.1.2).
Die Generierung und Aufbereitung qualitativ hochwertiger und quantitativ umfangreicher
Inhalte setzt jedoch ein professionelles Redaktionssystem voraus, das in der Lage ist, die
Komplexität der Inhalte zu handhaben. Die dazu notwendigen, unter Umständen erhebli-
chen finanziellen Aufwendungen und die hinzukommenden Personalaufwendungen stel-
len insbesondere für junge Communities häufig ein Problem dar. Zusätzlich ist es in Pha-
sen des exponentiellen Wachstums oftmals schwierig die parallele Flut an Inhalten, Bei-
trägen und Profildaten zu kontrollieren bzw. zu systematisieren und gleichzeitig das Sys-
tem für den weiteren Zuwachs zu optimieren (s. Kapitel 5.2.1.2).
Content-Qualitätsaspekte Content-Quantitätsaspekte
eContent-Marketing-Maßnahmen zur
Teilnehmergewinnung in E-Communities
bzw. die themenspezifische Abdeckung der Inhalte für die Community ist und wie stark
die potenzielle Traffic-Umleitung der Community schaden würde.
Ferner können gerade Kooperationen mit reichweitestarken Web-Seiten dazu genutzt wer-
den, in vergleichsweise kurzer Zeit zu geringen Kosten eine erhebliche Reichweite in der
Zielgruppe aufzubauen (Panten 2005, S. 488 f.). Daher sollten strategische Kooperatio-
nen so ausgerichtet sein, dass sie insbesondere zur Gewinnung von neuen Teilnehmern
beitragen, da die Erhöhung der Reichweite wesentliche Voraussetzung für die Verstärkung
von Netzeffekten ist. Netzeffekte kommen dann zum Tragen, wenn der Nutzen des Netz-
werks durch die Anzahl erreichbarer anderer Teilnehmer und die Qualität bzw. Quantität
der Inhalte größer wird (s. Abb. 279). Die Zunahme des Wertes der Community geht mit
einem erhöhten Anreiz einher, selbst Teil der Community zu werden, wodurch die Wachs-
tumsgeschwindigkeit zunimmt bzw. exponentiell steigt. Dieser Wachstumseffekt steht in
engem Zusammenhang mit der Reichweitenerhöhung, da auch hier ein effektiver Mecha-
nismus zur Teilnehmergewinnung zum Tragen kommt.
Ein weiterer Aspekt im Hinblick auf die Teilnehmergewinnung durch die Qualität von
Inhalten ist die ständige Aktualisierung der Inhalte. Auch hier wird auf die Notwendig-
keit eines funktionierenden und professionellen Redaktionssystems hingewiesen. Die re-
gelmäßige Aktualisierung der Inhalte führt dazu, dass zum einen bestehende Nutzer dazu
angeregt werden, die Community-Seite immer wieder aufzusuchen, zum anderen aber
auch damit neue Mitglieder angelockt werden, deren Informationsinteresse mit der Aktu-
alität der Inhalte antizipiert werden kann. Außerdem sollte die Aktualisierung der Inhalte
auch vor dem Hintergrund der Suchmaschinenoptimierung betrachtet werden, da Such-
maschinen immer mehr darauf bedacht sind, die aktuellsten und relevantesten Ergebnisse
zuerst aufzulisten, was dann wiederum dazu führt, dass neue Mitglieder gewonnen werden
können. Generell dient die Erreichung einer hohen Qualität der Inhalte zusätzlich dazu,
dass andere Webseiten-Betreiber die Community als Informationsquelle nutzen wollen
und sog. Inbound-Links zu den Inhalten der Community platzieren und damit freiwillig
Traffic von ihrer Seite auf die Community-Seite leiten.
5.4.1.4 eActivity-Based-Marketing
Der Begriff eActivity-Based-Marketing wird ganz allgemein für solche Maßnahmen ver-
wendet, die auf die Aktivierung bestehender und vor allem potenzieller Mitglieder einer
Community abzielen. Die Notwendigkeit für solche Maßnahmen resultiert aus der Tatsa-
che, dass das Internet zunehmend zu einem Pull-Medium wird und die User sich selbst
aussuchen, wie und wo sie sich im Internet bewegen bzw. welche Seiten sie aufrufen.
Daher muss der Community-Betreiber Anreize schaffen, die dazu führen, dass die eigene
Community-Seite möglichst oft und von vielen Personen aufgesucht wird. Dazu lassen
sich insbesondere Maßnahmen ergreifen, die den direkten Kontakt zu den Teilnehmern
herstellen und damit die Möglichkeit geben, diese zu irgendeiner Form der Aktivität zu
bewegen.
Das Marketing beim elektronischen Kontaktnetzwerk 763
Ein Bereich des eActivity-Based-Marketing ist das sog. Transfer-Marketing. Dieses In-
strument beschreibt Maßnahmen eines Community-Betreibers, mittels gezielter Aktionen
außerhalb des Mediums Internet, Menschen in der Offline-Welt zu erreichen, um diese in
die Online-Welt zu überführen bzw. sie dazu zu bewegen, das Angebot der Community
im Internet aufzusuchen (s. Kapitel 5.3.3.3). So kann zum Beispiel eine Marketing-Ak-
tion im Rahmen eines Bundesligaspiels dazu genutzt werden, um neue Nutzer für eine
Online-Fußball-Community zu gewinnen. Zum Anstoß des Transfers können aber auch
spezielle Events ausgerichtet werden, die in der Regel zu festen Terminen und an einem
genau definierten Ort stattfinden (s. Abb. 280). Als Community-Event wird im Allge-
meinen das Zusammenkommen bestehender und potenzieller Community-Teilnehmer in
einer virtuellen oder realen Umgebung verstanden (Brunold/Merz/Wagner 2000, S. 141 f.;
s. Kapitel 5.2.3.1). Der Ort kann zwar ebenso online wie offline gewählt werden, im Rah-
men des Transfer-Marketings werden darunter aber in erster Linie reale Orte verstanden,
da hier andere Mechanismen zum Tragen kommen als bei der Ansprache potenzieller Teil-
nehmer in Onlineumgebungen. Ob die Events von dem Community-Betreiber moderiert
werden oder nicht, hängt insbesondere von Zweck und Inhalt der Veranstaltung ab.
Symposien Imageaufbau
Vertrauen
Promotions Registrierung als Mitglied
Aufmerksamkeit
Sportveranstaltungen Weiterempfehlung
……… Sympathie
Generell kann bei einem Community-Event entweder die Versammlung der Community-
Mitglieder im Vordergrund stehen (real, virtuell) oder aber die Gewinnung von neuen
Mitgliedern (real, virtuell). Insgesamt dienen Events dazu, das Community-Gefühl unter
den bestehenden Mitgliedern zu verstärken oder die neuen bzw. potenziellen Mitglieder
zu integrieren. Regelmäßige Events für bestehende Mitglieder beschleunigen den Verge-
meinschaftungsprozess und tragen dazu bei, dass die Community zu einer dauerhaften
Gemeinschaft zusammenwächst (Keding 2007, S. 38). Gemeinsame Erlebnisse helfen den
764 Die Grundlagen der E-Community
Mitgliedern dabei, neue Kontakte zu knüpfen und Beziehungen aufzubauen bzw. zu inten-
sivieren (Keding 2007, S. 39). So bietet zum Beispiel chefkoch.de regelmäßig „Food-
camps“ an, bei denen sich die Nutzer der Community treffen, um gemeinsam zu kochen
sowie „Face-to-Face“ über Essen und Kochen zu diskutieren und Ideen auszutauschen.
Ein weiteres Beispiel stellen die zahlreichen Community-Events dar, die die Plattform
xing.de regelmäßig ausrichtet, z. B. themenspezifische Workshops, Networking-Veran-
staltungen oder After-Work-Partys.
Für außenstehende, neue Mitglieder kann der erstmalige Kontakt zur Community auf ei-
nem Event Auslöser für eine Mitgliedschaft sein. Dazu ist es jedoch notwendig, dass der
Community-Betreiber in der Lage ist, gezielt diejenigen Wirkungsmechanismen in Gang
zu setzen, die letztendlich für eine erfolgreiche Mitgliederwerbung verantwortlich sind.
So kann der Wunsch, sich über das Event/Erlebnis mit anderen auszutauschen, dazu füh-
ren, dass die Teilnehmer sich in der Community registrieren und z. B. Fotos oder Berichte
einsehen und kommentieren oder aber die Profilseiten der neu gewonnenen Kontakte auf-
suchen. Außerdem können Hemmschwellen, wie z. B. die psychologische Distanz zum
Internet oder die fehlende Greifbarkeit der Community bei Außenstehenden durch eine
reale, physische Präsenz der Community verringert werden. Durch einen Vertrauens- und
Sympathieaufbau im Rahmen des Events sind die Teilnehmer dann eventuell eher bereit,
sich in die Onlinewelt überführen zu lassen und sich bei der Community anzumelden.
Häufig steht aber auch schlichtweg die Bekanntmachung einer Community im Vorder-
grund. Deutlich wird in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit, dass das Event in
thematischem Einklang mit den Community-Inhalten steht, da es schwer wird, die richtige
Zielgruppe zu erreichen, wenn die Aktionen wenig glaubwürdig erscheinen bzw. wenig
Wirkung haben, z. B. da der thematische Zusammenhang nicht erkennbar ist und damit
kein Transfer stattfinden kann.
Abhängig von der Ausprägung und thematischen Richtung der E-Community kann es un-
ter Umständen Sinn machen, Personen durch sog. Community-Contests (Preisausschrei-
ben, Wettbewerbe) zur Teilnahme zu gewinnen. Der Einsatz von Wettbewerben, Promo-
tionsaktionen oder zeitsensitiven Events kann dem Community-Betreiber dabei helfen,
das Engagement und die Aufmerksamkeit der (potenziellen) Teilnehmer zu erhöhen. Für
den Community-Betreiber ist es wichtig, darauf zu achten, dass die Höhe des zu gewin-
nenden Preises an der zu erwartenden bzw. geplanten Teilnahmegröße ausgerichtet ist,
damit sich die Durchführung eines Contests finanziell lohnt. Allerdings sollte der Com-
munity-Betreiber darauf achten, dass solche Contests – zumindest nach außen hin – keinen
zu starken, kommerziellen Eindruck erwecken und das Spielerische der Aktion im Vor-
dergrund steht. Sonst kann es passieren, dass die Glaubwürdigkeit und Authentizität des
Initiators in Frage gestellt wird und der Erfolg der Aktion damit gefährdet wäre. Ein Bei-
spiel für einen Community-Contest ist der Fotowettbewerb „Die schönsten Plätzchen &
Co.“ von chefkoch.de.
Das Marketing beim elektronischen Kontaktnetzwerk 765
Zum besseren Verständnis der potenziellen Zielgruppe und deren Verhalten in der Ge-
meinschaft muss der Community-Betreiber diejenigen Faktoren identifizieren, die maß-
geblich zur Mitgliederbindung beitragen. Dazu sollte der Community-Betreiber ein be-
sonderes Augenmerk auf solche verhaltensbezogenen Einflussfaktoren legen, die die
Nutzungsintensität, die Wechselbarrieren, die Nutzung von Konkurrenzangeboten und die
Mitgliederzufriedenheit bestimmen (Panten 2005, S. 368 ff.):
Maßnahmen Wirkung
Kommunikationsangebote
Mitglieder geben selbst
müssen Beziehung
Auskunft über ihre
zwischen Mitgliedern
Bedürfnisse und bringen
untereinander und dem
sich in die Community ein
Betreiber verstärken
Kundenbindung
in der
Mitglieder müssen speziell
E-Community Mitglieder sind gezielt
auf ihre Bedürfnisse
ansprechbar, da ihre
angepasste Leistungen und
Zufriedenheit Userprofile gepflegt werden
Angebote finden
Vertrauen
Kontakt
Entscheidungsaspekt Entscheidungsalternativen
Registrierung/
Bewerter Identifizierung notwendig
Handlung (z.B. Kauf) notwendig
(Wer bewertet?) (nur Käufer)
(nur Mitglieder)
Bewertungsobjekt Produkt
Person/ Beitrag/
Unternehmen Service
(Was wird bewertet?) Mitglied Kommentar
Zusätzlich zu der Nutzung von Bewertungssystemen kann auch der Einsatz bzw. die Ver-
gabe von sog. Rewards (Treueprämien) als Instrument der Teilnehmerbindung berück-
sichtigt werden. Ähnlich wie bei elektronischen Bonuspunkteprogrammen kann in der
Community ein Belohnungssystem für besonders treue, aktive oder kompetente Mitglie-
der implementiert werden. Es können dabei sowohl monetäre als auch nicht-monetäre Re-
wards für Mitglieder verteilt werden, die sich z. B. besonders oft in der Community an-
melden, die besonders viele Beiträge schreiben, die besonders viele Kontakte knüpfen o-
der deren Beitrag besonders qualifiziert ist. Die genaue Höhe bzw. die Kriterien zur
Vergabe von Rewards hängen jedoch von dem Zweck, der Größe und den finanziellen
Mitteln der Community ab. Die Entscheidung für oder gegen den Einsatz von Belohnungs-
systemen sollte nicht getroffen werden, ohne die möglichen Folgen zu berücksichtigen.
Das Marketing beim elektronischen Kontaktnetzwerk 769
Belohnungen für andere Mitglieder können Neid oder Missgunst bei Mitgliedern hervor-
rufen, die selber nichts oder weniger bekommen. Außerdem läuft der Betreiber Gefahr,
dass Mitglieder sich nur aufgrund der Belohnung in der Community engagieren (z. B.
viele Beiträge einstellen, die aber wenig qualifiziert sind) und dadurch der Aufbau von
echtem Commitment unter den Mitgliedern erschwert wird. In manchen Communities ist
die Vergabe von Treue- oder Bonuspunkten daher eng an das Bewertungssystem gekop-
pelt. Auf diese Weise kann der Community-Betreiber den Anreiz für Mitglieder erhöhen,
möglichst viele positive Bewertungen von anderen Mitgliedern zu bekommen bzw. sich
intensiv in der Community zu engagieren, ohne dabei Gefahr zu laufen, dass die Mitglie-
der lediglich der Belohnung wegen aktiv werden.
werden in vielen Communities sog. Widgets (oder auch Gadgets) eingesetzt, die es dem
Mitglied erlauben z. B. die Inhalte und Informationsbausteine seines Profils selbst aus-
zusuchen und zu gestalten (s. Abb. 283). Widgets sind in der Regel interaktive Minian-
wendungen, wie z. B. Spiele, Suchtools, Media Player, Kalender oder Aufgaben. Viele
Communities stellen meist eine große Anzahl vorgefertigter Widgets zur Verfügung, die
sich dann auf der Profilseite hinzufügen lassen. In manchen Communities ist es sogar vor-
gesehen, dass die Mitglieder selber solche Widgets erstellen und für andere Mitglieder
nutzbar machen können. Der Vorteil solcher Anwendungen liegt in der individuellen Ge-
staltung und Anordnung. Somit kann jedes Mitglied selbst bestimmen, wie es sein Profil
gestalten möchte, welche Informationen es preisgeben möchte und welche Inhalte es in-
teressieren. Damit gehört der Einsatz von Widgets zu den aktiven Personalisierungsfor-
men. Die Nutzung solcher Instrumente setzt natürlich voraus, dass die Handhabung intuitiv
und einfach ist (z. B. durch „drag and drop“) und auch von neuen Mitgliedern sofort
genutzt werden kann. Häufig werden daher voreingestellte Standardeinstellungen für die
Profile neuer Mitglieder angewendet, damit diese genügend Zeit haben, sich in Ruhe mit
den Möglichkeiten der Personalisierung auseinanderzusetzen (Panten 2005, S. 491). Wid-
gets werden häufig zur Personalisierung von Weblogs eingesetzt. Beispielsweise bietet
wordpress.com viele Möglichkeiten, das eigene Weblog mit Widgets zu versehen, z. B.
mit einem Blog-Widget (s. Abb. 283), einem Kalender-Widget oder einem Fotogalerie-
Widget.
5.4.2.3 Open-Source-Marketing
Viele Community-Betreiber stehen vor dem Problem, dass traditionelle Marketingansätze
in ihrer gewohnten Form nicht für die Vermarktung von Communities geeignet sind. Ge-
nerell ist die Aufmerksamkeit der User im Netz schon zu einem wesentlichen Engpass-
faktor geworden (Güller/Huck/Mast 2005), hinzu kommt die Machtverlagerung zum Kun-
den, die gerade in Communities einen besonderen Stellenwert einnimmt und dazu führt,
dass traditionelle Kommunikationsmodelle zu kurz greifen. Das latente Misstrauen der
Kunden gegenüber betreiberinduzierten Werbebotschaften war der Grund dafür, dass neue
Marketingansätze gefunden werden mussten, die die Effizienz des Marketings wieder er-
höhen sollten. In Zuge dieser Entwicklung entstanden Ansätze, die insbesondere die In-
tegration der Kunden bzw. Community-Teilnehmers vorsehen und damit eine Neuausrich-
tung des Marketings erreichen. Insbesondere das sog. Open-Source-Marketing (OSM;
Wiedmann et al. 2011, S. 203 ff.) sieht den Teilnehmer als aktiven Mitwirkende der Mar-
ketingaktivitäten einer Community und lässt ihn vom simplen Stimulusempfänger selbst
zum Stimulussender werden (Schwerdt 2005). In der Literatur werden für dieses Konzept
auch Begriffe wie Customer-Integrated-Marketing oder Collaborated-Marketing ver-
wendet (Finne/Grönroos 2017). Das kooperativ-konstruktive Entwickeln und Umsetzen
gemeinsamer Ideen setzt die freiwillige Teilnahme der Community-Mitglieder voraus, die
in der Regel durch nicht-monetäre Entlohnung dazu angeregt werden, mitzumachen. Da-
mit fällt das Open-Source-Marketing, also die selbstkreierte Werbung der Community-
Teilnehmer, in den Bereich des User-generated Content (s. Kapitel 5.1.1.2). Hinsichtlich
des Erfolgs solcher Methoden lässt sich festhalten, dass die Teilnehmer „diese semipro-
fessionelle Werbung den perfekten Marketingkampagnen mit Blick auf ihre Authentizität
und Glaubwürdigkeit häufig vorziehen, weil z. B. keine ökonomischen Motive dahinter
vermutet werden“ (Wiedmann et al. 2011, S. 204; Schwerdt 2005). Außerdem kann der
Community-Betreiber auf diese Weise das Involvement der Teilnehmer mit der Commu-
nity enorm erhöhen und die Wechselwahrscheinlichkeit drastisch verringern.
Die Integration der Mitglieder in den Marketingprozess kann dabei anhand verschiedener
Dimensionen definiert werden (Engelhardt/Freiling 1994, S. 61). Dazu gehört als erstes
die Integrationstiefe, die beschreibt, an welcher Stelle der Wertschöpfungskette (Ent-
wicklung, Planung, Umsetzung) die Mitglieder in den Prozess eingebunden werden. Die
Integrationsintensität hingegen beschreibt den Intensitätsgrad, mit dem die Teilnehmer
eingebunden werden und das Ausmaß der kreativen Freiheit innerhalb des Prozesses. Als
dritte Dimension kann die Integrationsdauer herangezogen werden, die die zeitliche Ein-
bindung der Mitglieder beschreibt (einmalig, mehrmalig, andauernd). Je nach Ausprägung
dieser Dimensionen kann die Teilnehmerintegration von einfachen Online-Votings bezüg-
lich der einzusetzenden Anzeigen (niedrige Integrationstiefe, niedrige Integrationsintensi-
tät, niedrige Integrationsdauer) bis hin zum echten Open-Source-Marketing (hohe Integ-
rationstiefe, hohe Integrationsintensität, hohe Integrationsdauer) reichen. Eines der bisher
bekanntesten Beispiele des Open-Source-Marketings ist die Mozilla-Community Firefox
Friends (friends.mozilla.org, ehemals Spread Firefox), die zur Unterstützung der Verbrei-
tung des Firefox Webbrowsers der Firma Mozilla ins Leben gerufen wurde (s. Abb. 284).
772 Die Grundlagen der E-Community
Bei der Vermarktung des Browsers werden die Mitglieder nicht nur in operative Entschei-
dungen mit einbezogen, sondern sie bestimmen auch die marketingstrategische Stoßrich-
tung (Wiedmann et al. 2011, S. 204).
miert und Community-bezogene News weiterleitet. Dies erleichtert vor diesem Hinter-
grund den Umgang mit Informationen und macht es den Mitgliedern einfacher, sich in der
täglichen Flut an Neuigkeiten zurechtzufinden und den Überblick zu behalten. Sowohl für
Blogs als auch für Newsfeeds gilt es daher, den Umgang mit diesen Instrumenten durch
ansprechende Visualisierung und hohe Usability zu erleichtern.
Was sind die besonderen Merkmale von E-Communities und wie müssen diese bei
der Projektplanung und -realisierung berücksichtigt werden?
Bevor die E-Community implementiert werden kann, muss der Community-Betreiber zu-
nächst eine möglichst detaillierte Projektplanung vornehmen, damit er von Projektbe-
ginn an einen möglichst optimalen Überblick über anstehende Aufgaben, Meilensteine
und Handlungsfelder hat. Ausgangspunkt ist dabei immer der Vernetzungsanspruch des
Community-Betreibers an seine Plattform und die sich daraus ergebende Vernetzungs-
struktur, die im Rahmen der Projektumsetzung dann mit Leben gefüllt werden muss. In
der Planung wird aufbauend auf dem Vernetzungsanspruch ein erster Strukturplan erstellt,
der bei einer E-Community im Wesentlichen die Felder Angebot, Organisation, Techno-
logie und Marketing abdecken sollte. Jeder dieser Bereiche wird dann in einzelne Bau-
steine unterteilt und mit den jeweiligen Aufgaben versehen. Zu den Aufgaben gehören
unter anderem die Verwaltung des Contents, die Erstellung und Optimierung von Hard-
ware und Software und nicht zu guter Letzt die Bewerbung und öffentliche Darstellung
der E-Community zur Akquise von Mitgliedern.
All diese Aufgaben müssen gut strukturiert und mit Meilensteinen versehen werden. Je
detaillierter der Gliederungsbaum des Projektstrukturplans, desto besser ist die Über-
sicht über das Projekt (s. Abb. 285). Ein weiteres wichtiges Instrument für die Projektpla-
nung ist der Projektzeitplan (Brunold/Merz/Wagner 2000, S. 199), der insbesondere die
Einhaltung von Fristen unterstützt und als Fortschrittsanzeige des Gesamtprojektes dient.
Aus den bestehenden oder noch zu formulierenden Vernetzungsabsichten ergibt sich, mit
welchem Gesamtanspruch die E-Community aufgebaut werden soll. Zur Konkretisierung
der Vernetzungsstruktur erfolgen dann die Identifikation der Faktoren, die den Erfolg ei-
ner E-Community beeinflussen sowie eine detaillierte Analyse einzelner Prozesse und des
gesamten Prozessablaufs für die Vernetzung der Mitglieder und ihres eingestellten Con-
tents. Im Hintergrund spielt dabei immer auch die Frage nach den finanziellen Möglich-
keiten des Community-Betreibers für die Implementierung eine Rolle.
Projektstrukturplan
5.5.1.1 Erfolgsfaktoren
Die wachsende Bedeutung von E-Communities im Internet und der zunehmende Kampf
um den User führen zu erhöhtem Wettbewerb unter den Community-Plattformen. Daher
ist es für jeden Community-Betreiber notwendig, diejenigen Faktoren zu identifizieren,
die zum Erfolg seiner Online-Community beitragen (Preece 2001, S. 327 ff.). Insbeson-
dere die Tatsache, dass Communities nicht nur zum Austausch von Inhalten und Wissen
genutzt werden, sondern auch einen signifikanten Einfluss auf die wirtschaftliche Tätig-
keit der Betreiber haben (Igbaria/Shayo/Olfman 1998), macht die systematische Analyse
der Erfolgsfaktoren zu einem wesentlichen Aspekt der Projektplanung.
Im Wesentlichen hängt der Erfolg von Online-Communities zunächst davon ab, ob Teil-
nehmer die Community-Plattform besuchen und dort die Möglichkeit haben, sich mit an-
deren Teilnehmern bzw. Mitgliedern der Community auszutauschen (Kim/Lee/Hiemstra
2004). Entscheidend für den Erfolg von Online-Communities ist auch die technische Un-
terstützung der sozialen Interaktion zwischen den Teilnehmern (Preece 2001), da die
funktionsorientierten Attribute der Webseite starken Einfluss auf das Teilnehmerverhalten
der Mitglieder haben können (Kuo 2003). Neben diesen Grundannahmen gibt es jedoch
noch weitere spezielle Erfolgsfaktoren, die bereits in der Phase der Projektplanung Be-
rücksichtigung finden sollten. Im Allgemeinen werden für internetbasierte Informations-
systeme vier grundlegende Erfolgsfaktoren ausgemacht, die zunächst auch als Analyseba-
sis für die Erfolgsfaktoren herangezogen werden können (Lin/Lee 2006, S. 480). Zu diesen
Erfolgsfaktoren von Online-Communities zählen (DeLeone/McLean 2003, S. 9 ff.):
Partizipationsniveau: Eine Community lebt erst durch die Aktivität ihrer Teilneh-
mer. Je höher also die Partizipation der Mitglieder – also die aktive Teilnahme am
Community-Leben – desto größer die Erfolgs- und Wachstumswahrscheinlichkeit der
Gemeinschaft durch kontinuierliche Verbesserung und Erweiterung der Community.
Sie regen neue Themen an und stellen regelmäßig Beiträge ein. Die entstehende Ak-
tualität bzw. Qualität und Quantität der Inhalte macht die Community für Außenste-
hende interessant und regt zur Teilnahme an (s. Kapitel 5.2.3.1).
Beziehungsqualität: Nicht nur die lose bzw. formale Verbindung zwischen den
Community-Mitgliedern ist ausschlaggebend für den Erfolg, sondern insbesondere
auch die Qualität der geknüpften Beziehungen. Je intensiver und gehaltvoller der Aus-
tausch zwischen den Teilnehmern ist, desto stärker werden die Mitglieder an die Com-
munity gebunden und desto geringer ist die Wechselwahrscheinlichkeit (s. Kapitel
5.3.2.2).
5.5.1.2 Strukturanalyse
Die Strukturanalyse ist im Rahmen der Projektplanung ein weiterer wichtiger Schritt, da
der erfolgreiche Aufbau einer E-Community stark davon abhängt, ob die E-Community
nicht nur über die notwendigen internen Voraussetzungen verfügt, sondern ob auch die
äußeren Rahmenbedingungen vorliegen, die den Erfolg einer derartigen Community
begünstigen (s. Abb. 286). Während Aussagen über das Vorhandensein der internen Vor-
aussetzungen im Einzelfall analysiert werden müssen, lassen sich jedoch Aussagen über
die allgemeinen externen Bedingungen treffen, die zur erfolgreichen Umsetzung des Com-
munity-Projektes erfüllt sein sollten. Solche äußeren Rahmenbedingungen umfassen ins-
besondere die vorliegenden Marktstrukturen und die Eigenschaften potenzieller Teilneh-
mergruppen, die den potenziellen Erfolg der Community begünstigen. Hinsichtlich einer
strukturellen Analyse gelten folgende allgemeine Voraussetzungen für die Entwicklung
einer erfolgreichen E-Community:
Teilnehmer
Ähnlichkeiten/Unterschiede zwischen den
Homogenität/Heterogenität
Teilnehmern
Kommunikationssystem
Content
Zugang zu (Inhalte-)Lieferanten: Wie bereits oben beschrieben ist der Erfolg der
Community stark davon abhängig, Teilnehmer zu akquirieren, die eine große Bei-
tragsbereitschaft aufweisen. Zusätzlich dazu muss der E-Community-Betreiber aber
auch externe Anbieter finden, auf deren Inhalte er zurückgreifen bzw. deren Angebot
er in die Community einbinden kann, damit sein Angebot stets verbessert und opti-
miert werden kann. Die Einbindung solcher „Zulieferer“ ist insbesondere in späteren
Wachstumsphasen von Bedeutung.
5.5.1.3 Marktanalyse
Im Rahmen der Marktanalyse ist es für den Community-Betreiber hilfreich, sich zunächst
einen Überblick über die diversen Ausprägungsformen von Communities zu verschaffen,
um dann zu analysieren, in welchem speziellen Marktbereich er seine eigene E-Commu-
nity platzieren möchte. Aufgrund einer fehlenden allgemeingültigen Klassifizierung von
Communities hat Tietz (2007, S. 28 ff.) in seiner Arbeit verschiedene Dimensionen ge-
sammelt, anhand derer E-Communities kategorisiert werden können (s. auch Reichwald/
Piller 2009, S. 207 ff.; s. Abb. 287):
Normen, Werte, Regeln: Die von den Normen, Werten und Regeln bestimmten Ver-
haltensrichtlinien regeln den Umgang der Community-Mitglieder miteinander. Sie
782 Die Grundlagen der E-Community
Moderation: Der Einsatz von Moderatoren kann bspw. zur Einhaltung der Richtlinien,
zur Überwachung der stattfindenden Diskussionen oder zur Anregung neuer Themen
in den Foren genutzt werden. Generell soll ein Moderator jedoch eher eine unterstüt-
zende als eine einschränkende Funktion ausüben. Jedoch muss insbesondere in sen-
siblen Themenbereichen immer wieder kontrolliert werden, dass die Beiträge der Teil-
nehmer angemessen und vertretbar sind und nicht gegen ethische Prinzipien versto-
ßen. Die Akzeptanz von Moderatoren hängt daher von Art und Ausrichtung der Com-
munity ab (s. Kapitel 5.3.2.1).
Nutzen: Bezüglich des Nutzens einer Community wird zwischen funktionalen und he-
donistischen Komponenten unterschieden. Während der funktionale Nutzen auf den
Erwerb und Austausch von Informationen und Wissen ausgerichtet ist, wird der he-
donistische Nutzen durch die soziale Interaktion der Mitglieder geprägt.
5.5.1.4 Wachstumsanalyse
Die in Communities zum Tragen kommenden Netzeffekte sind generelle Grundlage des
allgemeinen Mitgliederwachstums einer E-Community. Durch positive Rückkopplung
wird ein sich selbst verstärkender Wachstumskreislauf in Gang gesetzt, der für die Be-
schleunigung des Mitgliederwachstums verantwortlich ist (s. Abb. 288). Die Wachs-
tumsanalyse zielt darauf ab, dass der Community-Betreiber diejenigen Bereiche identifi-
zieren muss, die das Mitgliederwachstum positiv beeinflussen. Erst wenn sowohl die je-
weiligen Bereiche, als auch die darin zum Tragen kommenden Beschleunigungsfaktoren
analysiert wurden, ist es möglich, konkrete Maßnahmen zu definieren, die in der späteren
Die Implementierung beim elektronischen Kontaktnetzwerk 783
Umsetzung den Wachstumsprozess unterstützen sollen. Aus diesem Grund kommt der
Analyse des Mitglieder- bzw. Teilnehmerwachstums in der Projektplanung eine wichtige
Rolle zu. Im Rahmen der Wachstumsanalyse werden zentrale Bereiche von Panten
(2015) untersucht. Ihm zufolge begünstigen Community-Inhalte, -Transaktionen, -Mit-
gliederprofile und -Loyalität den Wachstumsprozess (Panten 2005, S. 169 ff.). Innerhalb
dieser Bereiche sieht er wiederum verschiedene Faktoren, die eine positive Wirkung auf
das Mitgliederwachstum ausüben können:
Steigende
Sinkende
Attraktivität der
Wechselraten
Community
Beschleunigung des
Mitgliederwachstums
der E-Community
Höheres Detaillierte
Umsatzpotential Präferenzprofile
Mehr Individualisierung
Mehr Angebot in Attraktivität der
Transaktionen und von Inhalten und
der Community Angebote steigt
Provisionen Angeboten
Transaktionen Mitglieder-/Nutzerprofile
Loyalität: Eine hohe Inhaltsqualität ist wiederum ausschlaggebend dafür, dass sich die
Mitglieder intensiv mit den Inhalten beschäftigen und sich gegenseitig austauschen,
was dann zu einer erhöhten Interaktion in der Community führt. Je intensiver die Kom-
munikation der Mitglieder untereinander, desto mehr soziale Beziehungen werden ge-
bildet und desto höher die Besuchsfrequenz bzw. Verweildauer in der Community und
desto niedriger die Wechselwahrscheinlichkeit (s. Kapitel 5.4.2).
784 Die Grundlagen der E-Community
5.5.1.5 Projektorganisation
Für eine erfolgreiche Implementierung des E-Community-Projektes ist es entscheidend,
dass innerhalb der Projektorganisation von den verschiedenen Mitgliedern des Betreiber-
teams einer E-Community verschiedene Rollen übernommen werden, die die unterschied-
lichen Projektbereiche abdecken. Diese Rollen werden je nach Fähigkeiten und Kenntnis-
sen der Initiatoren verteilt und im Fall fehlender Kompetenzen durch die Integration von
Außenstehenden in das Projektteam abgedeckt. Daher ist es in dieser Phase notwendig,
Mitarbeiter zu gewinnen, die das benötigte Know-how mitbringen und die in der Lage
sind, die anfallenden Aufgaben professionell zu lösen. Zu den zu besetzenden Rollen in-
nerhalb des Projektteams gehören bspw. (Brunold/Merz/Wagner 2000, S. 201 f.):
Entwickler: Realisierung der Konzepte des Architekten; verantwortlich für die Sicher-
heit und Verfügbarkeit der Community
Projektteam-
Kompetenzen
um geeignete Kommunikationssysteme
um Interessensbereiche erkennen zu können
umzusetzen
um die Kommunikationssysteme zu pflegen und um geeignete Funktionen für den
weiterzuentwickeln Interessensaustausch anzubieten
um gegen den Wettbewerb bestehen zu können um attraktive Inhalte für die Teilnehmer anzubieten
Die erste Kernkompetenz ist das technische Know-how, das für die technische Umset-
zung der E-Community-Plattform notwendig ist. Nicht nur der Aufbau z. B. geeigneter
Kommunikations- und Vernetzungssysteme, sondern auch deren Weiterentwicklung und
Pflege sind Aufgaben für Teammitglieder, die über das technische Know-how verfügen.
Die Rollen, die in diesen Bereich fallen, sind bspw. der Entwickler, der Systemmanager
oder der Architekt. Auf der anderen Seite muss jedoch auch das inhaltliche Know-how
im Projektteam vorhanden sein, damit die thematische, redaktionelle und inhaltliche Qua-
lität der Community gewährleistet werden kann. Diese Kompetenz wird gefordert, um
z. B. neue Interessensbereiche der Teilnehmer frühzeitig zu erkennen oder geeignete
Funktionen für den Informationsaustausch zu entwickeln.
5.5.1.6 Projektkalkulation
Da die Voraussetzungen und Bedingungen von Community zu Community verschieden
sind, ist es schwierig im Vorfeld eine genaue Projektkalkulation vorzunehmen. Je nach
Ausrichtung und Thema der Community sowie deren Zielsetzung, deren Komplexität und
deren erwarteten Nutzerzahl verändern sich die Voraussetzungen, unter denen die Pro-
jektkalkulation stattfindet. Davon abhängig kann die geplante Community sehr komplexe
Strukturen annehmen, die nur schwer in einer detaillierten Projektkalkulation abzubilden
sind. Zur Komplexität tragen auch Aspekte bei, die z. B. die Vielsprachigkeit der Plattform
oder das Hinzuziehen externer Dienstleister betreffen. Außerdem müssen Lizenzen für
Softwaresysteme, Konzeptions- und Programmierungskosten sowie Beratungskosten in
der Kalkulation berücksichtigt werden.
Die Berücksichtigung all dieser Aspekte macht die Projektkalkulation zu einer komplexen
Aufgabe, die gerade in der Anfangsphase daher oftmals zu wenig Aufmerksamkeit erfährt.
Allerdings ist die Notwendigkeit einer detaillierten Kostenaufstellung gerade in der Im-
plementierungsphase einer Community unausweichlich, da auf diese Weise etwaige fi-
nanzielle Engpässe und kostenintensive Posten frühzeitig identifiziert werden können.
Abb. 290 zeigt in Ansätzen und daher nur exemplarisch die typischen Aufbaukosten
einer E-Community (Brunold/Merz/Wagner 2000, S. 225 ff.).
Welche Kostengrößen dabei durch Eigenleistung und damit als humanes Vorabinvestment
des Community-Teams abgedeckt werden können, sodass kein Geldfluss notwendig wird,
muss im Einzelfall geklärt werden. Ebenfalls muss in der Projektplanung die Kalkulation
der späteren Betriebskosten berücksichtigt werden, da nicht nur die Aufbaukosten zu
Projektbeginn gedeckt sein müssen, sondern auch die anfallenden Kosten, die für den spä-
teren Betrieb aufgebracht werden müssen. Dies erfordert die Abdeckung zumindest der
ersten Betriebsphase, allerdings muss darüber nachgedacht werden, wie die weitere Fi-
nanzierung der E-Community aussehen soll und mit welchem Erlösmodell Einnahmen
generiert werden sollen.
Die Implementierung beim elektronischen Kontaktnetzwerk 787
Kosten:
• Werbekosten - 45.000
• Schulung der Mitarbeiter 30 34.000
• Test 7 10.500
Einführung Aufwand (kalkulatorische Kosten):
• Modifizierung des Systems 10 3.000
• Marketing-/Finanzmanagement 110 41.000
• Aufbau des Contents 120 33.000
• Administration 60 16.000
Summe: 1.391 1.000.300
Abb. 290: Beispiel einer Projektkalkulation für die Aufbaukosten einer E-Community
Quelle: in Anlehnung an Brunold/Merz/Wagner 2000, S. 225 ff.
Basierend auf den Ergebnissen der initialen Projektplanung kann anschließend die be-
triebswirtschaftliche und technische Projektumsetzung erfolgen. Die Implementierung
einer E-Community lässt sich idealtypisch in verschiedene Projektphasen einteilen. In
der Abb. 291 ist ein aus der Literatur synthetisiertes Vorgehensmodell dargestellt, das die
Projektphasen und deren zentrale Ergebnisse zueinander in Beziehung setzt.
Meist wird ein E-Community-Projekt von eigenständig agierenden Einzelpersonen, die ein
innovatives Geschäftsmodell realisieren möchten, initiiert. Das Projekt startet mit einer
Kick-Off-Phase in der Vision und Strategie formuliert, relevante Basisinformationen ein-
geholt und Erlöspotenziale und gegenüberstehende Kosten grob abgeschätzt werden. Eine
detaillierte Projektformulierung, im Gründungsfall durch einen Businessplan, soll aus den
groben Visionen konkrete Ziele und Strategien ableiten, die die folgende Umsetzung deter-
minieren. Neben der Schaffung eines konsistenten Bildes der Projektumsetzung in den
Köpfen des Projektteams dient die Formulierung des Projektes der Akquisition externer
788 Die Grundlagen der E-Community
Kick-Off-Phase
Projekt- Projekt-
formulierung organisation
Analysephase
Strukturanalyse Marktanalyse Wachstumsanalyse
Abgrenzung Projekt-
Ist-Zustand
Pilotprojekt kalkulation
Systemauswahl
vorläufiges (Kauf-)
Soll-Konzept Vertrag
Systemgestaltung
Integrations-
Soll-Ablauf Pflichtenheft
bedarf
Systemaufbau
Pilot-
system
Systemeinführung
System
(Launch)
Der Kick-Off-Phase folgt eine Analysephase, die den organisatorischen Rahmen und die
Bedingungen der Projektrealisierung untersucht und bewertet. Die Analysephase setzt sich
– wie in den Kapiteln 5.5.1.2 bis 5.5.1.4 bereits erläutert – aus Struktur-, Markt-, und
Wachstumsanalyse zusammen. Aufgrund der Ergebnisse der Marktanalyse und der ge-
troffenen Themenauswahl kann ein erster Vorschlag zur Abgrenzung eines Pilotprojektes
gemacht werden. Dieses definiert sich durch eine begrenzte Anzahl von Kommunikations-
angeboten und potenziellen Teilnehmern, um aus den damit gewonnenen Erkenntnissen
das weitere Vorgehen abzuleiten. Die Analysephase, auf deren Werkzeuge und Methoden
auch im weiteren Projektverlauf immer wieder iterativ zurückgegriffen wird, endet mit
einer ausführlichen Projektkalkulation (s. Kapitel 5.5.1.6), die die Grundlage für die
Budgetierung und die Projektumsetzung bildet.
Die Projektumsetzung beginnt mit der Phase der Systemauswahl (s. Kapitel 5.5.2.1), in
der das Team sich für eine Systemlösung entscheidet. Dabei wird geprüft, ob ein System
Die Implementierung beim elektronischen Kontaktnetzwerk 789
das – sich aus den Ergebnissen der Analysephase ergebende – vorläufige Soll-Konzept
abbilden kann. Ist die Entscheidung für eine Systemlösung gefallen, können die Soll-
Abläufe in der Phase Systemgestaltung (s. Kapitel 5.5.2.2) weiter ausgebaut werden.
Grundlage ist dabei nicht nur der bereits in der Analysephase festgehaltene Ist-Zustand der
Kommunikations- und Vernetzungsprozesse, sondern auch die Leistungsfähigkeit der Sys-
temlösung. Zusätzlich definiert das Projektteam den Integrationsbedarf mit internen und
externen EDV-Systemen, der zusammen mit den Soll-Abläufen als Lasten in ein Pflich-
tenheft überführt wird. Generell ist es sinnvoll, das System zunächst als Pilotlösung mit
wenigen Teilnehmern und ausgewählten Kommunikationsangeboten zu betreiben. Ziel ist
hier ein Proof-of-Concept, also ein Meilenstein, an dem die prinzipielle Durchführbarkeit
des Vorhabens belegt wird. In der Phase Systemaufbau (s. Kapitel 5.5.2.3) wird daher
entsprechend der im Pflichtenheft festgehaltenen betriebswirtschaftlichen und technischen
Anforderungen eine erste lauffähige Pilotlösung für die für das Pilotprojekt ausgewählten
Teilnehmer und Kommunikationsangebote implementiert. Dies beinhaltet die Entwick-
lung zusätzlicher Funktionalitäten, die Integration bestehender Systeme und die erstmalige
Anbindung an das Internet.
In der abschließenden Phase Systemeinführung (s. Kapitel 5.5.2.4) werden die mit den
Pilotteilnehmern und den ersten Probe-Transaktionen gemachten Erfahrungen dokumen-
tiert und die sich daraus ergebenden zusätzlichen Anforderungen an die Systemlösung
nachträglich ins Pflichtenheft aufgenommen. Iterativ werden die notwendigen Änderun-
gen dann während der Einführungsphase implementiert. Nachdem die im Laufe der Ein-
führung des Pilotsystems aufgetretenen Probleme gelöst sind, kann das System auf die
Teilnehmerzielgruppe sowie das anvisierte Kommunikationsspektrum ausgebreitet und so-
mit endgültig in den Markt eingeführt werden. Nach dem Abschluss der dann eigentli-
chen E-Community-Implementierung rückt die Aufgabe der kontinuierlichen System-
kontrolle in den Fokus des Community-Betreibers. Dadurch können einerseits Prob-
lembereiche des Communitysystems aufgedeckt werden. Andererseits können auf diese
Weise Verbesserungs- und Erweiterungspotenziale identifiziert werden, die den Wert der
E-Community erhöhen (s. Kapitel 5.5.2.5).
5.5.2.1 Systemauswahl
Neben den inhaltlichen Komponenten sollte ein Community-Betreiber insbesondere im
Rahmen der Systemauswahl zunächst organisatorische Komponenten berücksichtigen,
die die Handhabung der Seite für alle Teilnehmer vereinfachen. Dazu sollten die bereitge-
stellten Funktionselemente der Seite in erster Linie die Kommunikation der Community-
Mitglieder untereinander unterstützen. Es gibt jedoch auch weitere Grundfunktionen, die
abhängig von den jeweiligen Aufgaben innerhalb der Community abgedeckt werden müs-
sen. Die technischen Lösungen für die Gestaltung der Funktionselemente orientieren sich
also an den Aufgaben der E-Community. Folgende Community-Aufgaben fallen in der
Regel an (Brunold/Merz/Wagner 2000, S. 123 ff.):
790 Die Grundlagen der E-Community
Beispiele für Funktionselemente aus den einzelnen Aufgabenbereichen sind in der fol-
genden Abb. 292 exemplarisch dargestellt. Da der Kommunikationsaspekt bei der Imple-
mentierung einer E-Community im Vordergrund steht, muss auch die Systemauswahl be-
sonders vor dem Hintergrund der Kommunikationsfunktion stattfinden. Der Austausch
von Ideen und Meinungen in der Community muss technisch optimal unterstützt werden,
egal ob es sich um höchstaktive, intensive Dialoge handelt oder lediglich um den Aus-
tausch von Kurznachrichten oder das Hinterlassen von Postings. Des Weiteren sollte das
System sowohl die individuelle Kommunikation zwischen den Teilnehmern als auch
Gruppendiskussionen ermöglichen. Bei den Überlegungen zur Systemauswahl müssen zu-
dem Aspekte wie z. B. asynchrone (zeitversetzte) und synchrone (zeitgleiche) Kommuni-
kationsformen sowie der Einsatz von Communication Rings und Content Trees berück-
sichtig werden. Bei Communication Rings werden Nachrichten direkt zwischen den Teil-
nehmern versendet, wohingegen bei Content Trees die Nachrichten bzw. Informationen
an einem zentralen Ort gespeichert werden und dort jederzeit für alle Mitglieder abrufbar
sind. Die vielfältigen Möglichkeiten, um die Kommunikationsfunktion der E-Commu-
nity technisch umzusetzen, führen dazu, dass der Community-Betreiber sich über die tech-
nischen Voraussetzungen informieren und die verschiedenen Systemlösungen für seine
Community bewerten muss.
Die Implementierung beim elektronischen Kontaktnetzwerk 791
Board-Modell: Da das Board-Modell (s. Kapitel 5.1.2.1) „nur das Posten“ von Beiträ-
gen und Nachrichten an einem zentralen „schwarzen Brett“ (Forum) der Community
unterstützen muss, erfolgt die Systemauswahl dabei lediglich unter den Gesichtspunk-
ten der Darstellung und Nutzung der bereits vorgestellten Content Trees. Dank Skript-
sprachen wie PHP (s. Kapitel 3.1.3.4) kann das Board-Modell relativ schnell umge-
setzt werden. Grundsätzlich ist es möglich, vorhandene Foren-Lösungen als Basis oder
Bestandteil zur Realisierung von Community-Plattformen einzusetzen, deren Funkti-
onalität über den einfachen Funktionsumfang des Board-Modells hinausgeht.
Wiki-Modell: Das Wiki-Modell (s. Kapitel 5.1.2.3) ist eine Systemlösung, die es den
Teilnehmern in einer Art Bearbeitungsmodus ermöglicht, Beiträge ohne spezielle
HTML- oder Programmierkenntnisse zu editieren. Voraussetzung für die Nutzung
dieser Systemlösung ist die Bereitstellung einer vereinfachten Syntax, die vom
Webnutzer unformatiert eingegebene Texte in HTML umwandelt, wobei wichtig ist,
dass sich die Schnittstelle zur Content-Erstellung im Bereich des Nutzers befindet.
Mashup-Modell: Die Auswahl des Mashup-Modells (s. Kapitel 5.1.2.4) kommt ins-
besondere dann in Frage, wenn fremde Inhalte oder Anwendungen mit bestehenden
oder anderen fremden Inhalten kombiniert und integriert werden müssen. Welche Art
von Mashup-Modell ausgewählt werden soll, hängt dann einerseits von der Geschäfts-
idee, andererseits von der Integrationstiefe der Inhalte ab.
792 Die Grundlagen der E-Community
Die Auswahl der geeigneten Systemlösung hängt also in erste Linie von dem zu realisie-
renden Kommunikations- bzw. Vernetzungsmodell der E-Community ab. Dabei ist die
Systemauswahl jedoch nicht darauf beschränkt, nur jeweils ein Modell zur Unterstützung
der Kommunikationsfunktion zu verwenden, vielmehr machen es die technischen Ent-
wicklungen heutzutage möglich, verschiedene Modelle miteinander zu kombinieren und
so den optimalen Informationsaustausch zu gewährleisten.
5.5.2.2 Systemgestaltung
Im Laufe der Zeit entwickeln Gemeinschaften eine eigene Kultur, d. h. „[. . .] ein System
von zusammenhängenden Leitvorstellungen (Ideen, Werte, Normen, Deutungen, Denk-
muster), die den Verhaltensmustern einer Gemeinschaft [. . . ] explizit und/oder implizit
zu Grunde liegen und die von den Mitgliedern dieser Gemeinschaft als selbstverständlich
und verbindlich erlebt werden“ (Glasl/Lievegoed 2016, S. 135). Solche Leitvorstellungen
spiegeln sich in virtuellen Gemeinschaften hauptsächlich im Kommunikationsverhalten
der Mitglieder untereinander wider und tragen zur Entwicklung einer eigenständigen
Community-Kultur bei. Die Formulierung solcher Leitvorstellungen und Werte können
bis zu einem gewissen Grad vom Community-Betreiber bestimmt und festgelegt und in
einem Regelwerk für die Systemgestaltung niedergeschrieben und für alle einsehbar ge-
macht werden. Damit kann schon von Beginn an eine Richtung vorgegeben werden, in
die sich die Community-Kultur bewegen bzw. entwickeln soll. Allerdings muss dabei be-
rücksichtigt werden, dass virtuelle Gemeinschaften z.T. starke Eigendynamiken entwi-
ckeln, die je nach Ausprägung nur noch schwer vom Community-Betreiber beeinflusst
werden können. Daher lohnt es sich, bereits während der Umsetzung möglichst explizit
festzulegen, wie das Community-System gestaltet und welche Regeln bzw. Struktur-
merkmale dem Funktionieren des Systems zu Grunde gelegt werden sollen.
Der Aufbau solcher Strukturmerkmale sollte allerdings nicht allein die Kommunikations-
struktur umfassen, also die Art und Weise, wie sich die Mitglieder der Community unter-
einander austauschen, sondern auch andere charakterisierende Strukturmerkmale wie die
Informations- oder Präsentationsstruktur des Community-Systems. Folgende Merkmale
sind im Rahmen der Systemgestaltung zu berücksichtigen (Marotzki 2004, S. 122; Ma-
rotzki 2003, S. 156):
der Community konsequent und logisch umgesetzt wird, wirkt die Nutzung authentisch
und glaubwürdig. Können die Mitglieder sich mit diesem Leitgedanken identifizieren,
so kann der Gebrauch eines solchen Leitgedankens zu einer Stärkung des Zugehörig-
keitsgefühls der Mitglieder zur Community beitragen.
von ab, wie viel Kontrolle/Einfluss er an die Teilnehmer abgeben möchte bzw. kann.
Des Weiteren muss die Partizipationsstruktur aber auch regeln, welche Regeln für die
Teilnahme an der Community an sich gelten sollen. Beispielsweise können gewisse
Bedingungen vereinbart werden, wann Personen Mitglied der Community werden
dürfen (z. B. nur über Einladung von bestehenden Mitgliedern bei geschlossenen
Communities).
Diese Merkmalsbereiche stellen die Kernstruktur von E-Communities dar und besitzen
bei der Analyse der Systemgestaltung einen hohen heuristischen Wert. Im Rahmen der
praktischen Umsetzung der Communitygestaltung stehen dem Betreiber gewisse Hand-
lungsspielräume zur Verfügung, die für die Entwicklung und Steuerung genutzt werden
können.
5.5.2.3 Systemaufbau
Der Systemaufbau bei einer E-Community ist ein sehr komplexer Vorgang und erfordert
vom Community-Betreiber die Bewältigung verschiedenster Aufgaben. Die anfallenden
Aufgaben lassen sich anhand der jeweiligen Phase des Aufbaus der Community beschrei-
ben (Brunold/Merz/Wagner 2000, S. 188 ff.; s. Abb. 293):
an die Technik bezüglich der notwendigen Grundelemente festlegt. Sind diese Auf-
gaben erfüllt, kann die Freigabe der Konzeption erfolgen.
Marketingkonzept erstellen
Realisierung Organisation festlegen Meilenstein:
Pflichtenheft Testfreigabe
Technologieauswahl/Prototyp
Werbung starten
Einführung Meilenstein:
Betatest durchführen
Community-Auftritt modifizieren Marktfreigabe
Einführungsphase: In dieser Phase steht die Bekanntmachung der Plattform, die auf
Basis des vorher erstellten Marketingkonzepts durchgeführt wird, im Mittelpunkt. So-
fern die vorläufige Endversion der technischen Plattform zur Verfügung steht, kann
dann mit dem sog. Betatest begonnen werden. Hierbei werden die einzelnen Anwen-
dungen durch ausgewählte Test-User intensiv erprobt und ggf. auftretende Fehler so-
fort behoben. So können Schritt für Schritt einzelne Anwendungskomponenten frei-
geschaltet und die Marktfreigabe erreicht werden.
Betriebsphase: Nach Beendigung des Betatests und der Behebung der aufgetretenen
Fehler findet in der Betriebsphase der Start in den Echtbetrieb statt. Sobald sich erste
Nutzer auf der Community-Plattform befinden, kann mit der Auswertung des Nut-
zerverhaltens gestartet werden. Das regelmäßige Einholen von Feedback hilft dem
Community-Betreiber, auch in späteren Betriebsphasen sein Produkt ständig zu modi-
fizieren und zu verbessern.
5.5.2.4 Systemeinführung
Ganz besonders in der Startphase kurz nach der Systemeinführung der E-Community
sind die ständige Betreuung der Mitglieder und die permanente Auswertung des Mitglie-
derverhaltens von Bedeutung (Brunold/Merz/Wagner 2000, S. 148.) Sobald brauchbare
und halbwegs repräsentative Auswertungen der Mitglieder vorliegen, können Überlegun-
gen zur Optimierung, Anpassung oder Erweiterung des Community-Angebotes erfolgen.
Dabei spielt insbesondere die Beobachtung der Opinion-Leader (s. Kapitel 5.3.2) eine
wichtige Rolle, da diese meist durch ihren hohen Aktivitätsgrad wertvolle Beiträge zur
Verbesserung der Plattform beitragen können. Insgesamt sollte jedoch allen Mitgliedern
die Möglichkeit gegeben werden, Feedback zu geben und Vorschläge zu machen. Feed-
back-Mechanismen spielen vor diesem Hintergrund beim Aufbau einer E-Community
daher in zwei Bereichen eine ganz entscheidende Rolle (Brunold/Merz/Wagner 2000,
S. 67 f.):
Vor dem Hintergrund der Herausforderung, ein elektronisches Produkt gleichzeitig schnell
an den Markt zu bringen und entsprechend evolvierender Anforderungen flexibel weiter-
entwickeln zu können, sind Unternehmen des Web 2.0 auf das Feedback ihrer Kunden
angewiesen. Der Leitgedanke ist, dass eine Plattform nicht über einen längeren Zeitraum
entwickelt und dann als fertiges Produkt an den Markt gebracht wird, sondern sich auf
Basis des Kundenfeedbacks sowie der Auswertung des Nutzerverhaltens kontinuierlich
weiterentwickelt. Dieses Phänomen wird auch als Perpetual Beta bezeichnet (O’Reilly
2005): Das elektronische Produkt bzw. die diesem zugrunde liegende Software befindet
sich in einem ewigen, kontinuierlichen Änderungen unterliegenden Beta-Stadium, das je-
doch nicht etwa ein Zeichen schlechter Planung, sondern Bestandteil der Marktstrategie
ist (Coldewey 2002, S. 240). Den betriebswirtschaftlichen Nutzen von Perpetual Beta be-
legen empirische Untersuchungen, die zeigen, dass sich Produktentwicklungsprozesse in
der Digitalen Wirtschaft dadurch auszeichnen sollten, den Kunden eine frühe (und damit
noch nicht voll funktionsfähige) Version des elektronischen Produkts zur Verfügung zu
stellen und im Anschluss daran mit den Kunden bzw. Mitgliedern zusammenzuarbeiten,
um Feedback zu bereits bestehenden und Wünsche zu weiteren funktionalen Merkmalen
des Websystems zu bekommen (MacCormack/Verganti/Iansiti 2001, S. 144 f.).
5.5.2.5 Systemkontrolle
War die Systemeinführung (s. Kapitel 5.5.2.4) erfolgreich, beginnt mit der Systemkon-
trolle ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess, der zwar nicht mehr Teil des eigentli-
chen Implementierungsprojektes ist, aber den Übergang zum dauerhaften Betrieb kenn-
zeichnet und damit als Verbindungsglied gewertet werden kann. Die Systemkontrolle um-
fasst die Optimierung und den weiteren Ausbau des bestehenden Community-Systems
(Peukert/Ghazvinian 2001, S. 212). Sie umfasst auf der einen Seite die ständige Über-
prüfung aller Abläufe, zum anderen dient sie als Bewertungs- und Beurteilungsgrundlage
des Implementierungserfolgs der E-Community. Die kontinuierliche Überwachung der
Community-Abläufe schließt insbesondere folgende Aspekte mit ein:
Verfügung gestellt werden, durch die die Teilnehmer fehlerhafte Prozesse melden kön-
nen.
Übungsaufgaben
1. Beschreiben Sie das Konzept des User-generated Content und den Unterschied zwi-
schen vertikalem und horizontalem Content.
2. Erläutern Sie anhand eines Praxisbeispiels ihrer Wahl, inwiefern aus Sicht eines
Community-Betreibers (a) die Nutzung fremder Online-Contentschnittstellen und (b)
die Bereitstellung eigener Online-Schnittstellen sinnvoll ist.
3. Nutzen Sie das Internet, um Beispiele für Systemlösungen zu finden, die zum Aufbau
einer E-Community genutzt werden können. Ordnen Sie die Systemlösungen dabei
den in Kapitel 5.1.2 beschriebenen Modellklassen zu.
5. Erläutern Sie den Mehrwert, der in E-Communities durch die Einbindung von Geo-
tagging-Applikationen geschaffen werden kann.
10. Mobile Vernetzung spielt eine immer größere Rolle in E-Communities. Welche Cha-
rakteristika kennzeichnen Online-Vernetzungsmobilität?
11. Erklären Sie, inwiefern innerhalb des eBlogging-Prozesses eine Syndizierung von
Inhalten (z. B. mittels RSS-Newsfeeds) sinnvoll sein kann.
800 Die Grundlagen der E-Community
12. Erläutern Sie anhand eines Praxisbeispiels ihrer Wahl, inwiefern eTagging-Prozesse
zu einer verbesserten Erschließung des Informationsraums einer E-Community bei-
tragen können. Welche Inhalte werden in der von Ihnen gewählten Community durch
Tags gekennzeichnet?
13. Erläutern Sie anhand zweier Beispiele ihrer Wahl den Unterschied zwischen Con-
tent-based Recommendation und Collaborative Recommendation.
14. Erläutern Sie die verschiedenen Möglichkeiten zur inhaltlichen Ausrichtung einer
E-Community. Schauen Sie sich ferner konkrete Umsetzungen im Internet an und
zeigen Sie Möglichkeiten auf, wie sich diese Communities weiter entwickeln könnten.
15. Erklären Sie die ethisch-rechtlichen Problemaspekte, die auf einer E-Community
zum Tragen kommen können. Suchen Sie verschiedene Umsetzungen konkreter Com-
munities aus dem Internet heraus und bewerten Sie, inwieweit das Auftreten dieser
Problemaspekte dort zu befürchten ist.
16. Erläutern Sie zunächst kurz, was unter einem Moderator auf einer E-Community-
Plattform zu verstehen ist. Identifizieren Sie dann in verschiedenen Internetforen die-
jenigen User, die die Rolle eines Moderators übernehmen und bewerten Sie, inwie-
weit diese die typischen Aufgaben eines Moderators auch tatsächlich wahrnehmen.
17. Erläutern Sie anhand von Beispielen, welche Ziele die Betreiber einer E-Community
im Rahmen von Online-Strategiezielen allgemein anstreben können.
18. Erklären Sie die möglichen Positionierungen einer E-Community anhand des 2-H-
Modells und erläutern Sie, inwiefern eine Kombination aus beiden Positionierungs-
möglichkeiten problematisch werden könnte im Sinne eines „Stuck-in-the-Middle“.
21. Erläutern Sie, welche Anreize dazu genutzt werden können, neue Mitglieder für die
Community zu gewinnen.
22. Beschreiben Sie, wie der Community-Betreiber mit Hilfe verschiedener Aktivitäten
dazu beitragen kann, den Bekanntheitsgrad seiner Community zu erhöhen.
Übungsaufgaben 801
23. Erklären Sie die verschiedenen Entscheidungskriterien, die bei dem Einsatz von Be-
wertungssystemen zum Tragen kommen und diskutieren Sie, wie Bewertungssysteme
zur Teilnehmerbindung beitragen können.
25. Diskutieren und bewerten Sie die Rolle der allgemeinen als auch der speziellen Er-
folgsfaktoren für den Aufbau einer E-Community und geben Sie Beispiele dafür an,
welche Auswirkungen die Vernachlässigung der Faktoren für die Community haben
kann.
27. Erläutern Sie den Kreislauf des Mitgliederwachstums virtueller Communities und
geben Sie Beispiele für die einzelnen Faktoren, die den Wachstumsprozess unterstüt-
zen.
28. Erklären Sie die Strukturmerkmale virtueller Communities und gehen Sie auf die
möglichen Ausprägungsformen ein, die die Merkmale annehmen können.
29. Beschreiben Sie die Phasen des Systemaufbaus einer virtuellen Community und dis-
kutieren Sie den Stellenwert der Meilensteine, die den Abschluss der jeweiligen
Phase erreicht werden müssen.
30. Nennen Sie die zentralen Aspekte der Systemkontrolle nach der Systemeinführung
einer E-Community und erläutern Sie jeweils, wieso diese Aspekte kontinuierlich
überwacht werden sollten.
31. Erläutern Sie, was man unter eRanking versteht und welchen Zweck es in E-Com-
munities erfüllt. Nennen Sie drei Regeln des eRanking.
32. Corporate Blogs stellen für Unternehmen eine interessante Möglichkeit dar, um sich
an die breite Öffentlichkeit zu wenden. Suchen Sie im Netz nach Beispielen für Cor-
porate Blogs. Welches sind die am häufigsten vorkommenden Themen in diesen
Weblogs? Was könnte man aus Ihrer Sicht daran noch verbessern?
33. Welche Auswirkungen hat die neue Datenschutzgrundverordnung auf das Geschäfts-
modell der E-Community?
802 Die Grundlagen der E-Community
34. Erläutern Sie das Prinzip von „Shoppable Posts“ und „Buyable Pins“.
35. Erörtern Sie den potenziellen Nutzen einer unternehmensinternen Community vor
dem besonderen Hintergrund der Digitalen Kommunikation.
37. Definieren Sie, welche zwei kritischen Faktoren durch die Verbreitung von „Fake
News“ entstehen können.
39. Inwiefern können soziale Netzwerke eingesetzt werden, um den elektronischen Ver-
kauf von Produkten und Dienstleistungen zu unterstützen? Gehen Sie dabei auf zwei
unterschiedliche Möglichkeiten ein.
Klausuraufgaben 803
Klausuraufgaben
1. Klausuraufgabe: „segelfreund.de“
Torben Schlüter und Michael Meier haben sich in ihrem betriebswirtschaftlichen Studium
an der Universität Kiel kennen gelernt und sind seitdem eng befreundet. Beide verbindet
u. a. ihr großes Hobby: der Segelsport. Zur Feier ihres Abschlusses möchten sie einen
gemeinsamen Segeltörn unternehmen. „Etwas ganz Besonderes“, wie es Torben Schlüter
ausdrückt. Die beiden Absolventen machen sich im Internet auf die Suche nach Char-
terservices, Erfahrungsberichten sowie Meinungen zu Ausrüstungen, Booten und Orten.
Leider ist ihre Suche nach dem ultimativen Segelerlebnis schnell und ohne Erfolg beendet.
Es gibt offensichtlich keine gemeinsame Informationsbasis, keine zentrale Anlaufstelle für
Segelfreunde. Die Enttäuschung wird bei Michael Meier jedoch schnell von wirtschaftli-
chem Enthusiasmus verdrängt. „Wenn es so etwas nicht gibt, dann machen wir das. Damit
lässt sich viel Geld verdienen, schließlich sind Segler eine kapitalstarke Kundengruppe.
Ein Segelportal muss her: Eine elektronische Community, die Segelfreunde auf der ganzen
Welt verbindet“, philosophiert er. „Packen wir es an“, entgegnet Torben Schlüter, der
sich im Studium insbesondere mit Finanzierung, Organisation und Planung befasst hat.
Bevor die beiden sich an die Arbeit machen, den Businessplan für „segelfreund.de“ zu
schreiben, bitten sie Sie, als Experte im E-Business, um Hilfe bei der Beantwortung einiger
grundlegender Fragen:
(a) Erläutern Sie zunächst kurz die verschiedenen inhaltlichen Ausrichtungen für E-Com-
munities. Um welche Art der inhaltlichen Ausrichtung handelt es sich vor diesem Hin-
tergrund bei „segelfreund.de“? Begründen Sie Ihre Wahl.
(b) Im Rahmen der taktischen Vernetzung strebt der E-Community-Betreiber eine Bedürf-
nisbefriedigung auf der Kundenseite an. Erläutern Sie kurz die vier verschiedenen
Grundbedürfnisse und nehmen Sie dazu Stellung, inwieweit gerade die Community
„segelfreund.de“ im Stande ist, diese zu befriedigen.
(c) Beschreiben Sie, welche Instrumente den beiden im Rahmen der Teilnehmergewin-
nung potenziell zur Verfügung stehen und geben Sie ein konkretes Beispiel, wie die
Umsetzung eines Instrumentes aussehen könnte.
2. Klausuraufgabe: „e-bundesliga.de“
Herr Bock und Herr Löwe, beide geschäftstüchtige Fußballfans und Computer-Liebhaber,
haben vor zwei Jahren ein Internet-Startup gegründet. Da es sich bei diesem um eine
Übertragung der deutschen Fußball-Bundesliga in ein Online-Computerspiel handelt, er-
hielt das Startup den Namen „e-bundesliga.de“. Durch die Kooperation mit der Deut-
schen Fußball Liga und dank bekennender prominenter Mitspieler wie Uli Hoeneß, hat
804 Die Grundlagen der E-Community
„e-bundesliga.de“ schnell zahlreiche Fußballfans für sich gewinnen können und ist rasant
gewachsen. Aufgrund der neuartigen und innovativen Idee zogen die beiden Gründer auch
eine große Medienaufmerksamkeit auf sich und in den größten deutschen Tageszeitungen
wurde bereits über die Net-Bundesliga berichtet. Doch die beiden profit- und wachstums-
orientierten Gründer wollen sich nicht auf die Bundesliga beschränken, sondern planen
eine Expansion in möglichst viele europäische Länder, um ihren Traum einer e-Champi-
ons League zu verwirklichen. Dadurch, dass das Geschäftsmodell der „e-bundesliga.de“
europaweit einzigartig ist, versprechen sie sich auch auf dem internationalen Markt gute
Chancen. Doch für diese Expansion sind Herr Bock und Herr Löwe auf eine große Summe
an zusätzlichem Kapital angewiesen. Bevor sie einen Investor kontaktieren werden, wollen
sie sich über den Wert ihres Unternehmens klar werden, über ihre personelle Besetzung
Gedanken machen und entscheiden, welcher Kapitalgeber für die „e-bundesliga.de“ am
besten geeignet wäre. Hierbei sollen Sie als E-Business-Experte den beiden Gründern
weiterhelfen:
(a) Das Kontinuum zwischen einer reinen Online- und einer reinen Offline-Community
bietet verschiedene Positionierungsmöglichkeiten. Erläutern Sie diese zunächst und
ordnen Sie die „e-bundesliga.de“ danach einem Modell zu.
(b) Um das Erfolgspotenzial der Community einschätzen zu können, ist es ratsam die
strukturellen Voraussetzungen zu betrachten, die für „e-bundesliga.de“ in Betracht
kommen. Diskutieren Sie drei dieser Voraussetzungen im Hinblick auf das Fallbeispiel
und bewerten Sie, wie diese zum Erfolg der Community beitragen können.
(c) Benennen Sie die Phasen, die die Gründer im Rahmen des Systemaufbaus durchlaufen
müssen und beschreiben Sie welche potenziellen Kosten in jeder Phase einkalkuliert
werden müssen. Nutzen Sie zur einfacheren Beantwortung der Frage fiktive (aber
möglichst realistische) Zahlen und schätzen Sie ein, was das Community-Projekt grob
kosten würde.
3. Klausuraufgabe: „student-forum.com“
„student-forum.com“ ist eine angehende weltweite E-Community für Studenten der Wirt-
schaftswissenschaften. Im Mittelpunkt der Idee steht ein globaler Wissensaustausch, bei
dem sich die Studierenden über studienrelevante Themen austauschen können. Tina Kö-
nig, Studentin am Lehrstuhl für E-Business & E-Entrepreneurship der Universität Duis-
burg-Essen und designierte Gründerin von „student-forum.com“ plant, mit dieser Com-
munity nicht nur das Knüpfen von Kontakten zu Studierenden der gleichen Disziplin zu
erleichtern, sondern auch Diskussionen zu studienbezogenen Themen zu etablieren, um so
einen Universitätsübergreifenden Wissensaustausch zu erlauben. Tina König ist gerade
an den Markt gegangen. Bei einem Gründer-Kongress lernt sie den Geschäftsführer der
Firma Community Adverts kennen, der beschließt auf „student-forum.com“ Werbung im
Namen seiner Firma zu schalten. Damit überwindet Tina König zwar die ersten finanziel-
Klausuraufgaben 805
len Sorgen, trotzdem befürchtet Sie, nicht schnell genug die kritische Masse an Teilneh-
mern erreichen zu können. Schließlich ist sie nicht nur neu am Markt, sondern sieht sich
durch Plattformen wie „meet-students.com“, einer E-Community die ebenfalls auf die
Vernetzung von Studenten in aller Welt setzt, auch noch mit erheblicher Konkurrenz kon-
frontiert. Dennoch ist Tina König äußerst optimistisch, was den Erfolg ihres Projektes
betrifft. Als guter Freund bieten Sie Ihrer Kommilitonin Unterstützung bei der weiteren
strategischen Planung und Entwicklung von „student-forum.com“ an und machen sich
mit ihr Gedanken über die folgenden Fragen.
(a) Erklären Sie zunächst kurz das 2-H-Modell zur strategischen Positionierung von E-
Communities. Welche strategische Ausrichtung hat „student-forum.com“?
(b) Tina König hat die Sorge, die kritische Masse nicht schnell genug erreichen zu können.
Erklären Sie kurz, welche Faktoren für die Beschleunigung des Mitgliederwachstums
bei „student-forum.com“ eine Rolle spielen und geben Sie anschließend je Faktor ein
konkretes Beispiel zur Steigerung des Mitgliederwachstums.
(c) Mitgliederbindung ist ein zentraler Erfolgsfaktor für E-Communities. Erklären Sie
kurz vier Faktoren, die die Mitgliederbindung negativ beeinflussen können und geben
Sie je Faktor ein konkretes Beispiel, wie „student-forum.com“ eine diesbezügliche Be-
drohung abwenden könnte.
4. Klausuraufgabe: „essener-expats.com“
Tina König und Peter Eifrig sind beide Studenten der BWL im Hauptstudium am Lehrstuhl
für E-Business & E-Entrepreneurship der Universität Duisburg-Essen. Da beide mit dem
Gedanken spielen, nach dem Studium auszuwandern, möchten sie gemeinsam in ihrer
Freizeit eine E-Community für Essener Auswanderer gründen. Die geplante halbgeschlos-
sene E-Community mit dem Namen „essener-expats.com“ soll ein Newsboard über Aktu-
elles aus Essen bieten, genauso wie die Möglichkeit, mit anderen Auswanderern aus Essen
oder solchen, die es noch werden wollen, in Kontakt zu treten. Somit soll „essener-ex-
pats.com“ auf der einen Seite den Erfahrungsaustausch über die Auswanderung fördern;
auf der anderen ermöglicht die Seite aber auch den Austausch über die ferne Heimatstadt
Essen. Da sich das Projekt „essener-expats.com“ noch in der Gründungsphase befindet,
sind einige strategische Fragen zu klären. So ist z. B. unklar, wie das Projekt finanziert
werden kann und ob es eine Möglichkeit gibt, mit der geplanten Plattform Geld zu verdie-
nen. Des Weiteren sind sich Tina König und Peter Eifrig uneins darüber, ob sie die Platt-
form für externe Anbieter von Inhalten öffnen sollen. Als Freund bieten Sie Ihren Kommi-
litonen Unterstützung bei der weiteren strategischen Planung und Entwicklung von „es-
sener-expats.com“ an und beantworten die folgenden Fragen.
(a) Tina König und Peter Eifrig machen sich Gedanken über die strategische Ausrichtung
von „essener-expats.com“. Begründen Sie, welche primäre strategische Zielsetzung
Sie für „essener-expats.com“ vorschlagen würden.
806 Die Grundlagen der E-Community
5. Klausuraufgabe: „dive-in.com“
„dive-in.com“ ist eine angehende E-Community, deren Ziel es ist, ein umfassendes Netz-
werk und eine Datenbasis über Tauchgebiete auf der ganzen Welt aufzubauen. Dazu soll
„dive-in.com“ eine Datenbank bieten, in die Taucher und solche, die es werden wollen,
Angaben über Tauchgebiete eintragen können. Daneben soll ein Austausch über Fragen
rund um den Tauchsport ermöglicht werden. Besonderer Clou ist ein Geo-Feature, mit
dem man vom Ufer aus live in Tauchgebieten einchecken kann. Diese geografischen An-
gaben sollen dann auf einer Tauchweltkarte gespeichert und anderen Teilnehmern der
Community zugänglich gemacht werden, um den Informationsaustausch über bestimmte
Regionen zu fördern. Neben Tauchern möchten die beiden Gründer der Plattform auch
Tauchlehrer auf die Plattform locken, weil sie sich qualitativ hochwertige Beiträge über
Fragen rund ums Tauchen erhoffen. Katharina Gessner und Klaus Brinkmann, die beiden
designierten Gründer der Plattform, befinden sich gerade am Ende der Kick-Off-Phase
der Gründung von „dive-in.com“. Obwohl die beiden Studenten sich bereits einiger Kon-
kurrenz am Markt stellen müssen, sind beide optimistisch was den Erfolg von „dive-
in.com“ angeht. Beispielsweise ist bereits eine weltweite, halbgeschlossene E-Community
für Hobbytaucher etabliert am Markt. Damit die Plattform ein Erfolg wird, bieten Sie als
Experte und erfolgreicher Absolvent der Weiterbildung zum E-Business-Manager an der
Universität Duisburg-Essen Ihren Kommilitonen Unterstützung bei der weiteren strategi-
schen Planung und Entwicklung von „dive-in.com“ an und machen sich mit ihnen Gedan-
ken über die folgenden Fragen:
(a) In der Produktanalyse überlegen sich Katharina Gessner und Klaus Brinkmann, wel-
che Art von Zugangsmodell sie für ihre E-Community favorisieren. Bewerten Sie die
Eignung der E-Community „dive-in.com“ bezüglich der verschiedenen Arten von Zu-
gangsmodellen und geben Sie eine begründete Empfehlung ab.
(b) Katharina Gessner und Klaus Brinkmann sorgen sich aufgrund der großen Konkur-
renz am Markt. Deswegen denken sie darüber nach, E-Moderatoren einzusetzen. Be-
schreiben Sie kurz drei Aufgaben, die E-Moderatoren wahrnehmen können und erklä-
ren Sie anschließend je Aufgabe ein konkretes Gestaltungsbeispiel der möglichen Par-
tizipation von E-Moderatoren auf der Plattform „dive-in.com“.
Klausuraufgaben 807
6. Klausuraufgabe: „wattolümpiade.de“
Karo Muster ist Studentin des Masterprogramms an der Universität Duisburg-Essen und
hat seit Jahren ein Lieblingshobby: Sie nimmt jedes Jahr an der Wattolümpiade in Bruns-
büttel teil. Da die Disziplinen (Schlammfußball, Schlammhandball, Schlamm-„Wolliball“
und Schlickschlittenrennen) recht viele Anforderungen stellen an Körper und Geist, sind
über die Jahre sämtliche Teilnehmer weggeblieben. So schrumpfte Karo Musters Team
nach und nach, bis nur noch sie übrigblieb. Da Karo Muster den Wattsport sehr mag,
entschließt sie sich, ein neues Team zu suchen und für die Wattolümpiade zu werben, in-
dem sie potenzielle Teilnehmer informiert, mit Ihnen diskutiert und Anreize zur Teilnahme
bietet. Was ihr allerdings besonders wichtig erscheint, ist eine Überarbeitung des Kon-
zeptes der Veranstaltung, vor allem, was die Aufgaben angeht. Sie glaubt, dass neue, in-
novative Aufgaben geschaffen werden müssen, die die Motivation zur Teilnahme ihrer
Meinung nach deutlich steigern würden. Sie erhofft sich, dies durch Input aus ihrem elekt-
ronischen Kontaktnetzwerk „wattolümpiade.de“ zu erreichen. Nun hat sie davon gehört,
dass Sie an der Veranstaltung E-Business-Management A, E-Community des Lehrstuhls
für E-Business und E-Entrepreneurship an der Universität Duisburg-Essen teilgenommen
haben, sowie die Weiterbildung zum E-Business-Manager erfolgreich absolviert haben
und möchte Ihre Expertenmeinung zu folgenden Fragen wissen:
(a) Viele der verfügbaren Lösungsansätze, die zum Aufbau einer E-Community genutzt
werden können, sind im Web 2.0 entstanden. Karo Muster fragt sich, welche System-
lösung wohl die geeignetste wäre für ihren Fall. Neben dem Geotagging-Modell gibt
es noch vier weitere Systemlösungen für elektronische Kontaktnetzwerke. Nennen und
beschreiben Sie kurz drei dieser fünf Modelltypen. Treffen Sie anschließend eine Ent-
scheidung in Bezug auf Karos Fall und begründen Sie Ihre Wahl.
(b) Anhand von Exklusivität und Nutzeridentifikation entstehen vier idealtypische Zu-
gangsmodelle. Nennen und beschreiben Sie kurz drei der vier Zugangsmodelle. Treffen
Sie anschließend eine Entscheidung, welches dieser Modelle Sie Karo Muster raten
würden und begründen Sie Ihre Entscheidung.
(c) Die Online-Mitgliedertypen und der Umgang mit ihnen beeinflusst maßgeblich die Dy-
namik der Gemeinschaftsbildung einer E-Community. Nennen und beschreiben Sie
drei der vier Online-Mitgliedertypen. Hinterfragen Sie die Wichtigkeit der vier Mit-
gliedertypen respektive Karos Fall.
808 Die Grundlagen der E-Community
7. Klausuraufgabe: „jobe.de“
„jobe.de“ ist eine angehende E-Community, die es Mitgliedern ermöglicht, sich im Rah-
men des Themas „Bewerbung & Job“ über Job und Bewerbung in jeglicher Form auszu-
tauschen. Die Community soll als Plattform dienen, die sowohl über alle Fragen rund um
Job und Bewerbung informiert, als auch Austausch zwischen den verschiedenen Mitglie-
dergruppen (sowohl Unternehmen als auch interessierte Einzelpersonen) ermöglicht. Un-
ternehmen bekommen dabei die Chance, potenzielle Mitarbeiter anzuwerben. Interes-
sierte Einzelpersonen wiederum können sich über offene Stellen und Anforderungen, aber
auch über generelle Erfordernisse rund um Bewerbung und Verhalten am Arbeitsplatz
informieren. Die Studenten Clara Kluge und Sven Smarth sind mit „jobe.de“ vor kurzem
an den Markt gegangen. Sie sind sich bewusst, dass „xing.de“ ein großer Konkurrent ist,
was eine Herausforderung an die Durchsetzungsfähigkeit ihres Geschäftskonzepts am
Markt bedeutet. In der Startup-Phase stellte sich heraus, dass gerade die Aktivität der
Hauptteilnehmergruppe – der Arbeitssuchenden – stark nachließ, sobald sie einen neuen
Job gefunden hatten. Zudem gab es auf Seiten der Jobanbieter immer wieder das Problem,
dass diese Gerüchte über Konkurrenten in den Foren streuten, um deren Image zu schä-
digen und qualifizierte Kandidaten abzugreifen. Damit die Plattform doch noch ein Erfolg
wird, bieten Sie als guter Freund Ihren Kommilitonen Unterstützung bei der weiteren stra-
tegischen Planung und Entwicklung von „jobe.de“ an und machen sich mit ihnen Gedan-
ken über die folgenden Fragen:
(a) Das Community-Marketing sollte an den einzelnen Phasen der Mitgliedergewinnung
bzw. -aktivierung ausgerichtet sein. Erklären Sie zunächst kurz die Ziele des Commu-
nity-Marketings. Erläutern Sie dann auf der Basis dieser Ziele konkret, wie die E-
Community „jobe.de“ durch Community-Marketing profitieren kann.
(b) Die erfolgreiche Realisierung des E-Community-Projektes erfordert die Beachtung
communityspezifischer Erfolgsfaktoren. Nennen Sie die vier communityspezifischen
Erfolgsfaktoren. Begründen Sie je Erfolgsfaktor, ob „jobe.de“ damit Probleme haben
könnte und zeigen Sie mögliche Lösungen auf, wie diese beseitigt werden könnten.
(c) Nach dem Lebenszyklus der Mitgliedschaft lassen sich die Stufen der Entwicklung von
E-Community-Teilnehmern unterscheiden. Beschreiben Sie die einzelnen Stufen der
Entwicklung und finden Sie im Rahmen der Mitgliederentwicklung eine Lösung für das
Image schädigende Gerüchtestreuen in den Foren von „jobe.de“.
„myPhone Stores“, um die ersten zu sein, die ein „myPhone“ in den Händen halten. Je-
remy Davis könnte also sehr zufrieden mit der Entwicklung seines Unternehmens sein.
Allerdings stellt er in den letzten Jahren vermehrt fest, dass die Konkurrenz aus China
nicht schläft und nach und nach Marktanteile von „myPhone“ abgreift. Jeremy Davis will
daher genauer erfahren, welche Bedürfnisse die Zielgruppe des „myPhone“ genau hat,
um diese in die Entwicklung des „myPhone 5“ einfließen zu lassen. Außerdem soll die
Identifikation der „myPhone“-Kunden mit dem Unternehmen weiter gestärkt werden.
Eine E-Community soll daher aufgebaut werden, um diese Ziele zu erreichen. Jeremy Da-
vis lässt Sie ins Silicon Valley einfliegen und bittet Sie, ihn bei der Gestaltung der E-Com-
munity zu beraten.
(a) Am meisten Gedanken macht sich Jeremy Davis über die strategische Ausrichtung sei-
ner „myPhone“-Community. Nennen und beschreiben Sie die primären sowie sekun-
dären Ziele im Rahmen der Strategieanalyse. Inwiefern ist die „myPhone“-Commu-
nity dazu geeignet, diese Ziele zu erreichen? Erläutern Sie die verschiedenen Möglich-
keiten.
(b) Jeremy Davis ist sich noch nicht sicher, welches Zugangsmodell er für die E-Commu-
nity wählen soll. Nennen und erklären Sie die vier verschiedenen Zugangsmodelle und
geben Sie eine Empfehlung für die „myPhone“-Community ab. Begründen Sie Ihre
Wahl.
(c) Der CEO hat recht konkrete Vorstellungen, welche Eigenschaften der „Ideal-Nutzer“
der E-Community haben sollte: Kreativ, aufgeschlossen, konstruktiv und aktiv. Bei der
Überlegung, wie man solche Nutzer am besten akquirieren könnte, stößt Jeremy Davis
auf das Stichwort „eRecommendation-Marketing“. Erläutern Sie, was genau man un-
ter eRecommendation-Marketing versteht und welche Ausprägungsformen es gibt. Wie
kann die „myPhone“-Community die Möglichkeiten des eRecommendation-Marketing
am besten nutzen? Empfehlen Sie Jeremy Davis eine Strategie.
9. Klausuraufgabe: „MyCrocodile.com“
Mia Müllermann und Karsten Kolumbus sind seit zehn Jahren beste Freunde. Sie verbin-
det, dass Reisen und ihre Liebe zu Krokodilen. Eines Tages trug es sich zu, dass sie sich
im Rahmen einer Expedition in der Zentralafrikanischen Republik in Haute-Kotto getrof-
fen haben, um die Gewässer des Kotto zu erkunden. Zu ihrem großen Bedauern sind sie
lediglich auf einige Flusspferde gestoßen und mussten die von ihnen so geliebten Kroko-
dile leider vermissen. Dies stimmte sie nachdenklich und sie entsannen sich ein Krokodil-
Reservat zu gründen und die Population der Krokodile in Haute-Kotto zu kultivieren. Da
Mia kürzlich in der sozialen Community Instagram auf den Hashtag „#CrocodileLove“
gestoßen ist und dieser bereits über 100.000 Posts hatte, hielt sie es für eine gute Idee eine
eigene E-Community für das Krokodil-Reservat zu etablieren. Karsten schlug den Namen
„MyCrocodile.com“ vor. Sie begannen Krokodile zu züchten. Um das Reservat ökono-
misch zu betreiben, initiierten sie die Möglichkeit, über „MyCrocodile.com“ eigene Kro-
810 Die Grundlagen der E-Community
kodil-Patenschaften zu erwerben. Darüber hinaus ist der eigentliche Fokus von „My
Crocodile.com“ jener, eine Plattform für Gleichgesinnte zu bilden, die den Austausch
über Krokodile, aber auch insbesondere Kaimane und Aligatoren ermöglicht und über die
Wichtigkeit deren Schutznotwendigkeit zu informieren.
(a) Ein großes Problem, das Mia und Karsten beängstigt, sind die mit der Einführung der
Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) eingehenden neuen Vorgaben, an welche sie
sich halten müssen – insbesondere was die Erhebung und Nutzung personenbezogener
Daten der Mitglieder von „MyCrocodile.com“ betrifft. Welche Probleme gehen mit
der Einführung der DSGVO einher und welche Konsequenzen ergeben sich vor diesem
Hintergrund für „MyCrocodile.com“.
(b) Innerhalb der E-Community möchten Mia und Karsten ein neues „Feature“ einbauen
um den „Captive Moment“ zu monetarisieren in welchem die Teilnehmer eigentlich
nur die Community besuchen aber sodann unmittelbar die Möglichkeit erhalten eine
Patenschaft zu erwerben. Bitte erörtern Sie die Option, um Besuchern die Möglichkeit
zu geben einen Kaufimpuls direkt und unmittelbar umzusetzen.
(c) Mia und Karsten haben aufgrund der Mitgliederanzahl – und aktivität herausgefun-
den, dass „MyCrocodile.com“ weiteres Optimierungspotenzial besitzt. Ein Blick auf
den größten Wettbewerber, die E-Community „KingK.ong“, die den thematischen
Schwerpunkt auf der Vergabe von Patenschaften für Wild-Gorillas legt, lässt Mia und
Karsten erschüttern. Diese E-Community weißt eine höhere Mitgliederanzahl auf. Zu-
dem sind ausgewiesene Gorilla-Experten unter den Mitgliedern. Nennen Sie die un-
terschiedlichen Rollen der Mitglieder in einer E-Community. Gehen Sie auf mögliche
Probleme eines Ungleichgewichts der unterschiedlichen Rollen ein. Erörtern Sie an-
schließend, welche Entwicklung sich zutragen müsste, damit die E-Community lang-
fristig an Attraktivität zunimmt.
Literatur zum Kapitel (Auswahl) 811
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Die Grundlagen der E-Company 813
Die E-Company steht allgemein als Begriff für die elektronische Kooperation zwischen
Unternehmen über digitale Netzwerke. Oftmals wird in diesem Zusammenhang auch von
einer gemeinschaftlichen „virtuellen Unternehmung“ bzw. von einem zusammenhän-
genden „virtuellen Unternehmen“ gesprochen. Damit erfolgt eine Integration von innova-
tiven Informations- und Kommunikationstechnologien zur Verknüpfung von einzelnen
Unternehmensleistungen im Hinblick auf die Bildung eines virtuellen Unternehmensver-
bundes mit einem zusammengesetzten Transaktionsangebot in Form einer elektronischen
Kooperation. Diese Form der mehr oder weniger lose gekoppelten elektronischen Ko-
operation ermöglicht es rechtlich unabhängigen Unternehmen, eine Leistung auf einer Ba-
sis eines gemeinsamen Geschäftsverständnisses zu erbringen und gegenüber Dritten quasi
als ein einheitliches Unternehmen aufzutreten. Dabei stehen der Verzicht der „Institutio-
nalisierung zentraler Managementfunktionen zur Gestaltung, Lenkung und Weiterent-
wicklung“ des virtuellen Unternehmens und der Ersatz des „notwendigen Koordinations-
und Abstimmungsbedarfs durch geeignete Informations- und Kommunikationssysteme“
im Mittelpunkt (Mertens/Griese/Ehrenberg 1998, S. 3). Die Grundidee der elektronischen
Kooperation ist also darin zu sehen, dass die Beziehung und die kooperationsrelevanten
Abläufe zwischen den teilnehmenden Unternehmen über die mit Hilfe elektronischer Da-
tennetzwerke verbundenen Computer (z. B. Internet; s. Kapitel 1.2.1) und den damit ein-
hergehenden Rahmenbedingungen des elektronischen Informationsaustausches (s. Kapitel
1.3) abgewickelt werden (s. Abb. 294).
Hintergrund für die Zunahme des Einsatzes elektronischer Informationstechnologien im
Kooperationsbereich und damit bedeutende Kerntreiber für die E-Company waren zahl-
reiche Herausforderungen in der realen Kooperationsbildung, die mit Hilfe der elektro-
nischen Informationsverarbeitung bewältigt werden sollten. Zu diesen wesentlichen Her-
ausforderungen gehören insbesondere folgende Aspekte (Fleisch 2001, S. 17 ff.):
Käufermarkt: Der Wandel des Marktes von einem Verkäufermarkt zu einem Käu-
fermarkt zwingt viele Unternehmen, mehr auf die Kunden einzugehen, z. B. durch
eine hohe Serviceorientierung oder durch eine hohe Preis-Qualität-Relation ihrer Pro-
dukte. Auslöser für diesen Wandel sind Produktivitätssteigerungen, neue Technolo-
gien und die Möglichkeit, Ressourcen weltweit austauschen zu können.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019
T. Kollmann, E-Business, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26143-6_6
814 Die Grundlagen der E-Company
Vor dem Hintergrund dieser Aspekte soll die E-Company eine deutliche Verbesserung
darstellen. Um dies zu erreichen, müssen jedoch spezifische Anforderungen bezüglich der
fünf Bausteine „Systeme“, „Prozesse“, „Management“, „Marketing“ und „Implementie-
rung“ (s. Kapitel 1.7) erfüllt werden, auf die im Folgenden eingegangen wird.
Kooperationsabsicht
Unternehmen Unternehmen
Kooperationspartnersuche
Kooperationspartnerauswahl
Unternehmen Unternehmen
Kooperationspartnerintegration
Kooperationsdurchführung
Unternehmen Unternehmen
Kooperationsauflösung
Welche Arten von Systemlösungen zum Aufbau einer E-Company können grundsätz-
lich unterschieden werden?
Wie können die Anforderungen in der E-Company insbesondere mit Hilfe der Inter-
net-Technologie erfüllt werden?
Wie gestaltet sich der Informations- und Datenaustausch zwischen einzelnen Koope-
rationspartnern innerhalb eines E-Company-Systems?
kurz-
fristig (Ziele)
Produkt-/
Leistungs-
austausch
Joint
Realisierung Venture
zeitl. begrenzte
Marktchancen/
Projekte Strategische
Zeit- Allianz
horizont Virtuelles
Unternehmen
Synergie-
realisierung/
Risikoteilung
Konsortium
Wettbewerbs-
beschränkung
lang- (Kooperations-
Beteiligungen Verträge Vertrauen Markt
fristig grundlage)
gering hoch
Flexiblität
Die Kooperationsform des virtuellen Unternehmens bietet sich für das Management als
ein geeignetes Mittel an, um auf einem dynamischen Markt mit flexiblen Unternehmen
neue Aufträge zu generieren. Diesbezüglich kann es auch zu verwandten Kooperations-
formen (s. Abb. 295) auf Basis des Zeithorizonts und der Kooperationsgrundlage abge-
grenzt werden (Bickhoff et al. 2003, S. 28 ff.):
Die Systeme bei der elektronischen Kooperation 817
Joint Venture: Ein Joint Venture wird als Gemeinschaftsunternehmen von mindes-
tens zwei Unternehmen gegründet, um allen beteiligten Unternehmen die Möglichkeit
zu bieten, Synergieeffekte zu erzielen und neue Marktchancen ausnutzen zu können.
In dem gegründeten Gemeinschaftsunternehmen sind damit die beteiligten Unterneh-
men Anteilseigner und können nicht frei über die von ihnen eingebrachten Ressour-
cen verfügen. Im Gegensatz zu virtuellen Unternehmen ist ein Joint Venture befristet
und wird mehr als ein einzigartiges Projekt angesehen.
Konsortium: Ein Konsortium ist eine Partnerschaft, die nach Außen als Gesellschaft
bürgerlichen Rechts auftritt und die Erfüllung vorher definierter Aufgaben als Ziel
innehat. Auch in dieser Kooperationsform ist die Partnerschaft auf eine Projektdauer
ausgelegt und unterliegt einer Reihe von Regelungen, die in einem Vertrag festgelegt
wurden. Durch die Möglichkeit an Großaufträgen teilzuhaben und neue Marktchan-
cen nutzen zu können, sowie die Projektrisiken auf alle Partner zu verteilen, hat das
Konsortium die größte Ähnlichkeit zu einem virtuellen Unternehmen. Allerdings
werden Konsortien vertraglich detaillierter ausgearbeitet, bestehen längerfristiger und
die Beteiligten sind meist aus derselben Branche.
Ein Beispiel für eine strategische Allianz bildet z. B. die Star Alliance (s. Abb. 296).
Diese ist derzeit die größte Luftfahrtallianz weltweit und das führende Netzwerk von Flug-
linien mit insgesamt 28 Partnern (u. a. United Airlines, US Airways, Deutsche Lufthansa
AG und Singapore Airlines). Zwar erfüllt diese Allianz zum Großteil alle Merkmale eines
virtuellen Unternehmens (Bickhoff et al. 2003, S. 89 f.), jedoch versteht sie sich ausdrück-
lich als eine strategische Allianz, da sie auf einem begrenzten Gebiet arbeitet und jeder
Kooperationspartner wirtschaftlich unabhängig bleibt. Im Gegensatz zu einer strategi-
schen Allianz tritt die Virtuelle Fabrik (virtuellefabrik.ch) im Bereich der Mechatronik als
ein vollständiges und klassisches Beispiel für ein virtuelles Unternehmen auf (s. Abb.
297).
Die Basis des Netzwerks bildet eine elektronische Plattform, die auf eine örtlich und zeit-
lich unabhängige Kommunikation setzt und dadurch Aufträge realisiert werden können,
indem konfigurierbare Projektteams zusammengebracht werden. Das stabile Unterneh-
mensnetzwerk ermöglicht eine Zusammenarbeit von rechtlich unabhängigen Kooperati-
onspartnern, die alle eine ausgeprägte Kooperationskultur besitzen und dadurch das Ko-
818 Die Grundlagen der E-Company
In diesem Zusammenhang bildet die Art des Netzwerks eine grundlegende Ausrich-
tung der Leitung virtueller Unternehmen. Die Bandbreite geht dabei von einem stark
hierarchischen Netzwerk mit einem dominanten Unternehmen bis hin zu einem Netz-
werk mit einer kollektiven Leitung durch gleichberechtigte Partner.
figkeit zwischen den Netzwerkpartnern auf. Zum Beispiel ist das Ausmaß der Koope-
ration am höchsten, wenn alle Partnerunternehmen das Produkt gemeinsam entwi-
ckeln und realisieren möchten. Jedoch gibt es eine klarere Aufgabenverteilung, wenn
nur ein Partnerunternehmen das Produkt entwickelt und erst an der Realisation alle
beteiligt sind.
Im Zuge dessen ist die Partnerauswahl ein großer Erfolgsfaktor. Idealtypisch arbei-
ten in einem virtuellen Netzwerkverbund die besten Unternehmen zusammen, um mit
ihren Kompetenzen den Auftrag so gut wie möglich zu erfüllen. Allerdings ist diese
Möglichkeit der unbegrenzten Partnerauswahl (aus allen möglichen Unternehmen am
Markt) in der Praxis weniger anzutreffen. Dort werden die Partner oft aus dem eige-
820 Die Grundlagen der E-Company
Zudem ist die Frage der Befristung der Zusammenarbeit zu klären. Im besten Fall
konfiguriert sich ein virtuelles Unternehmen kurzfristig und marktgerecht mit den ge-
eigneten Kompetenzen für den Zeitraum eines Auftrags.
Der zuvor angesprochene Marktauftritt nach außen ist ein weiterer Aspekt eines
virtuellen Unternehmens. Um der Definition eines virtuellen Unternehmens gerecht
zu werden, ist es unerlässlich, als ein (reales) Unternehmen am Markt aufzutreten und
zu agieren. Das kann ein virtuelles Unternehmen z. B. durch die Darstellung einer
gemeinsamen Marke oder eines gemeinsamen Firmennamens erreichen, um den Kun-
den das Gefühl zu vermitteln, alle Leistungen aus einer Hand und ohne Kooperati-
onsrisiken zu erhalten.
Vor diesem Hintergrund versteht sich eine E-Company – im Gegensatz zu isolierten Un-
ternehmen, die ihrem Selbstzweck dienen – als Netzwerkunternehmung in einem funkti-
onalen Sozialsystem mit dem Zweck, sowohl soziale als auch ökonomische Bedürfnisse
zu befriedigen. Diese Zielausrichtung bedingt die Auflösung aller rechtlichen und fakti-
schen Unternehmensgrenzen und das Auftreten des Bildes des Unternehmens als eigen-
ständige Institution am Markt. Um dieses Selbstbild bei den Mitarbeitern, die mit ihrer
Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit einen zentralen Erfolgsfaktor darstellen, im
Unternehmen umsetzen zu können, bedarf es der Integration einer interorganisatori-
schen Beziehungsorientierung in das normative Management (Krystek/Redel/Reppega-
ther 1997, S. 317 ff.):
Die Teams bilden in der E-Company einen zentralen Bestandteil, wenn es darum geht
unternehmensinterne und interorganisatorische Leistungen zu erbringen. Möglich machen
dies virtuelle Schnittstellen, die einzelne Mitarbeiter der E-Company zur Verfügung stel-
len und aus denen neue Netzwerke geschaffen werden können. Daraus folgt die Erkennt-
nis, dass Unternehmen mit einer hohen Anzahl solcher Schnittstellen auch flexibler sind,
wenn es darum geht kurzfristige Kooperationsbeziehungen einzugehen ohne vorher einer
aufwändigen Vorbereitung zu unterliegen (s. Abb. 299).
Unternehmensleitung Unternehmensleitung
1 3
3
1 2 3 4 2 1 2 3 4
1 3
1
1 2 3 4 4 1 2 3 4
4 2
Im Ergebnis stellt das virtuelle Unternehmen durch die Flexibilität und Bündelung von
Know-How aller Kooperationspartner und deren Mitarbeiter die vorteilhafteste Koope-
rationsform dar, um in Projekten mit einer hohen Produktkomplexität und einer hohen
Marktunsicherheit agieren zu können (Gora/Scheid 2001, S. 13 f.). Dieser Ansatz wird
vor allem sichtbar im Konzept der Open Innovation (Chesbrough 2009), bei dem die
Die Systeme bei der elektronischen Kooperation 823
Die erste Dimension Ort beschreibt die räumliche Verteilung der Teammitglieder und
zeigt damit, ob die Zusammenarbeit von einem Standort oder von mehreren Standor-
ten aus erfolgen kann.
In der zweiten Dimension Zeit wird aufgezeigt, ob die Teammitglieder zur selben
Zeit oder in verschiedenen Schichten, Prozessabschnitten oder Zeitzonen zusammen-
arbeiten.
Die dritte Dimension Art der Zusammenarbeit stellt dar, wie die Teammitglieder
miteinander kooperieren und kommunizieren. Diese können sowohl eine direkte als
824 Die Grundlagen der E-Company
Bei der vierten Dimension zeitliche Begrenztheit wird zwischen einer längerfristigen
und einer auftragsorientierten Zusammenarbeit unterschieden. In diesem Zusammen-
hang geht es darum, ob sich die Teamzusammenstellung bei langfristigen Projekten
mit möglichen Folgeprojekten nicht verändert oder nach einem abgeschlossenen Auf-
trag direkt auflöst.
Ort
Vielfältigkeit Zeit
Zeitliche Begrenztheit
Virtuelles Unternehmen
Die fünfte Dimension Mobilität zeigt die Möglichkeit auf, den Teammitgliedern ent-
weder einen permanenten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen oder sie an verschie-
denen Orten, bspw. beim Kunden oder zu Hause, arbeiten zu lassen.
Abschließend geht die sechste Dimension Vielfältigkeit auf die individuellen und
kulturellen Unterschiede der Teammitglieder ein.
Eine der größten Herausforderungen der virtuellen Teamarbeit ist die Koordination der
Tätigkeiten. Aufgrund der verteilten räumlichen Distanz werden Informations- und Kom-
munikationstechnologien zur Kommunikation und Koordination genutzt, wobei die Me-
dienart die Interaktion innerhalb des virtuellen Teams stark beeinflussen kann. Beispiele
Die Systeme bei der elektronischen Kooperation 825
der genutzten Medienarten sind Telefon, E-Mail oder Groupwaresysteme (s. Kapitel
6.1.2). Bei der Besprechung von komplexen Inhalten oder auftretenden Problemen ist z. B.
eine Telefon- oder Videokonferenz sinnvoll, um Mehrdeutigkeiten zu vermeiden und die
Koordination der Aufgaben zu optimieren. Eine weitere Herausforderung bei der Koordi-
nation von virtuellen Teams liegt vor allem bei der zeitlichen Abstimmung. Im Gegensatz
zu traditionellen Teams, die in der Gruppe an einem Ort arbeiten, brauchen virtuelle
Teams mehr Zeit, um sich abzustimmen und alle Mitglieder auf den gleichen Informati-
onsstand zu bringen. Ein elementares Mittel zu dieser Koordination stellt dabei die Mög-
lichkeit des Feedbacks dar. Durch Rückmeldungen können bestimmte Prozesse und Er-
gebnisse gesichtet und weiter koordiniert werden. Zusätzlich können auftretende Prob-
leme erkannt und ihnen entgegengesteuert werden. Diese Tätigkeiten übernimmt der
Teamleiter, der weiterhin dafür sorgen muss, dass jedes Teammitglied – trotz der regel-
mäßigen Feedbacks – eigenverantwortlich arbeiten kann (Meyer et al. 2011, S. 65 f.).
Vor diesem Hintergrund werden nicht nur das virtuelle Unternehmen selbst, sondern auch
die dort leistungserbringenden Mitarbeiter vor neue Anforderungen gestellt, die sich aus
dem Charakteristikum interorganisatorischer Netzwerkbeziehungen ergeben. Insbeson-
dere stehen die Mitarbeiter des Managements und der operativen Ebene einer Vielzahl von
Herausforderungen gegenüber, die zum Erfolg und möglicherweise auch Misserfolg ei-
ner E-Company beitragen (Krystek/Redel/Reppegather 1997, S. 330 ff.):
Daneben treten die Manager als sog. Boundary Spanner auf, die eine Vernetzung
von komplementären Kompetenzen in den Netzwerkunternehmen durch geeignete
Maßnahmen sicherstellen. Die Aufgaben reichen von der selbstständigen Informati-
onsverarbeitung bis hin zum Management anderer Boundary Spanner. Für das Ma-
nagement ist speziell der Aspekt des Kontaktaufbaus und der Kontaktpflege zu ande-
ren Boundary Spannern von großer Bedeutung, um Zugänge zu den anderen Netz-
werkunternehmen zu erhalten, die andernfalls verwehrt blieben.
verlieren, wird diese Art zu denken und zu handeln der wichtigste Erfolgsfaktor für
eine E-Company im internationalen Wettbewerb.
Neben dem Management richten sich spezielle Anforderungen an die einzelnen Mitarbei-
ter einer E-Company vor allem auf ein politisches und diplomatisches Geschick, um
Schnittstellen bereitstellen zu können, insbesondere wenn dabei Informationen oder
Dienstleistungen zwischen einzelnen Unternehmen fließen. Dafür sind qualifizierte Mit-
arbeiter erforderlich, die neben einer ausgeprägten Offenheit und Kommunikationsfähig-
keit auch eine (Selbst)Motivation aufzeigen können, an den interorganisatorischen
Schnittstellen zu arbeiten und diese innerhalb einer E-Company flexibel einzusetzen (Kry-
stek/Redel/Reppegather 1997, S. 335).
Mobil: Im Vergleich zu den restlichen Formen des Teleworkings nehmen die meisten
Mitarbeiter das mobile Teleworking am stärksten wahr. Es beschreibt alle Tätigkei-
ten, die ortsunabhängig über ein Mobiltelefon, Smartphone oder über ein Notebook
ausgeübt werden können. Jedoch ist der Kontakt mit dem Partner oder Unternehmen
nur möglich, solange eine Kommunikationsverbindung zu der Zentrale über ein Funk-
oder Festnetz besteht. Entsprechend passende Berufe sind z. B. Vertreter, Berater o-
der Manager.
On-Site: Das on-site Teleworking ist insbesondere bei größeren Unternehmen und
Verwaltungen beliebt. Der Kooperationspartner arbeitet direkt vor Ort bei seinem
Kunden oder Lieferanten mit einem festen Arbeitsplatz, um die entsprechende Dienst-
leistung zu erbringen. Die Kommunikation zur Zentrale erfolgt auch hier schwer-
punktmäßig über das Festnetz oder das Internet.
Neben den flexiblen Erscheinungsformen, zeichnet sich das Teleworking durch ein hohes
Nutzenpotenzial aus. Die Unternehmen können dabei ihr eigenes Profil schärfen und ihre
Prozesse beschleunigen, indem den Mitarbeitern mobiles Equipment und eine moderne
Informations- und Kommunikationsstruktur zur Verfügung gestellt werden. Weiterhin
steigen bei den Mitarbeitern das Selbstwertgefühl (durch die erhöhte Eigenverantwortung
für die eigene Arbeit) und die Arbeitszufriedenheit (durch die Vereinbarkeit von Beruf
828 Die Grundlagen der E-Company
und Familie). Vor diesem Hintergrund lassen sich die Anforderungen an die Informations-
und Kommunikationssysteme einer E-Company aus den typischen Charakteristika eines
virtuellen Unternehmens (s. Kapitel 6.1.1.1) ableiten. Aus der Notwendigkeit heraus, fle-
xibel auf dem Markt reagieren zu können, um z. B. neue Kooperationen einzugehen oder
alte Kooperationen abzubrechen, muss das Management in der Lage sein, die Kooperati-
onspartner zu koordinieren und zu organisieren. Daraus resultieren vor diesem Hinter-
grund insbesondere Anforderungen folgender Dimensionen (Mertens/Griese/Ehrenberg
1998, S. 119):
Kooperation: Die Intensität und die Form der Kooperation in einer virtuellen Unter-
nehmung können unterschiedliche Ausmaße annehmen.
Führungsinformationssystem
Anforderungen
Informationsbereitstellung
Betriebswirtschaft Informationstechnologie
Entscheidungsunterstützung
Personenspezifik Kooperation
Kommunikationsunterstützung
Aus der technischen Perspektive besteht ferner ein hoher Abstimmungsbedarf für die in
den beteiligten Unternehmen verwendeten Informations- und Kommunikationssysteme.
Um eine Kommunikation der agierenden Systeme zu ermöglichen, wird ein standardisier-
tes Verfahren, in Form des OSI-Referenzmodells (Open System Interconnection), ver-
wendet und in sieben Ebenen aufgeteilt. Im Kontext einer E-Company sind zusätzlich die
Abstimmung der Anwendungsprogramme und der zu übermittelnden Dateninhalte zu be-
rücksichtigen. Ein auf fünf Ebenen angepasstes und anwendungsorientiertes OSI-Refe-
renzmodell, das sich in virtuellen Unternehmen wiederfindet, sieht folgendermaßen aus
(Kubicek/Klein 1994, S. 98 f.):
Ebene 3 (Datenaustausch): Damit ein Austausch der Dateninhalte zwischen den In-
formations- und Kommunikationssystemen erfolgen kann, sind weiterhin Standards
in Form von Datenaustauschformaten festzulegen. Diese bestimmen die Art und die
Struktur der Daten, die ausgetauscht werden. Ein solcher Standard ist bspw. der
EDIFACT-Standard (s. Kapitel 2.1.1.2).
Ebene 5 (Datenvertragsrahmen): Auf der letzten Ebene sind von den betroffenen
Unternehmen der Vertragsrahmen, innerhalb dessen die Übertragung und der Aus-
tausch der Daten erfolgen, sowie die Reaktionshandlungen der Unternehmen zu klä-
ren.
Datenbasis Datenbasis
A B Datenbasis A und B Datenbasis A und B
Kopplungsintensität
Wichtig ist die Übereinstimmung aller Ebenen innerhalb der kooperierenden Unterneh-
men, um eine automatisierte Bearbeitung, z. B. von Rechnungen oder Bestellungen, zu
ermöglichen. Ein kritischer Erfolgsfaktor ist außerdem die Art der Kopplung der elekt-
ronischen Informations- und Kommunikationssysteme, mit der das Niveau und die Inten-
sität der Kommunikation bestimmt werden können (s. Abb. 303). Jedes Netzwerkunter-
nehmen in einer E-Company muss dabei für sich selbst entscheiden, wie intensiv die
Kopplung ihrer Informations- und Kommunikationssysteme gestaltet werden soll (Mer-
tens/Griese/Ehrenberg 1998, S. 78 ff.):
Die Systeme bei der elektronischen Kooperation 831
Beim Daten-Sharing nimmt die Kopplung weiter zu. Dabei werden gemeinsame Da-
tenbestände genutzt, unter Berücksichtigung der Datenintegrität und Datensicherheit.
Deswegen ist dort auch festzulegen, welche Kooperationspartner auf welche Daten in
welcher Form zugreifen dürfen und welche Daten besser intern gehalten werden. Die
jeweiligen Zugriffsrechte (z. B. nach Benutzergruppen) lassen sich passend zu den
individuellen Anforderungen gestalten.
stimmte Groupware-Systeme zum Einsatz, sodass es umso ausschlaggebender ist, bei der
Zusammenstellung der Groupware-Systemkomponenten auf die optimalen Unterstüt-
zungsmöglichkeiten der aktuellen Form der Arbeitsgruppe zu achten (s. Abb. 304).
Eine Auswahl der Werkzeuge (Tools), die neben der Überbrückung von zeitlichen und
örtlichen Gegebenheiten auch spezifische Funktionen erfüllen, wird nachstehend be-
schrieben (Müller 2003, S. 110 f.):
Sprachen kommunizieren, können sich mit Hilfe dieser Technologie trotz sprachli-
cher Unterschiede barrierefrei unterhalten. Insbesondere bei der Zusammenarbeit von
interkulturellen Teams kann dies somit von Vorteil sein und neue Kooperationsmög-
lichkeiten eröffnen (Wang/Fussell/Cosley 2013, S. 936).
E-Mail: Die E-Mail-Systeme werden hinter dem Telefon am häufigsten als Group-
ware-Werkzeug ausgewählt. Erweiterte E-Mail-Systeme ergänzen die nativen Funk-
tionen der E-Mail um weitere und nützliche Gruppenfunktionen.
834 Die Grundlagen der E-Company
Blackboards: Die Blackboards nutzen eine strukturierte Variante der E-Mail. Nutzer
können Nachrichten an ein schwarzes Brett senden und dort für andere Nutzer mit
entsprechenden Leserechten veröffentlichen.
Kommunikationsunterstützung
Workflow-
Kommunikation
Management
Konferenz-
systeme
E-Mail Gemeinsame
Blackboard- Informationsräume
systeme
Verteilte Workgroup
Hypermediasy steme Computing
Koordinations-
systeme Gruppeneditoren
Elektronische
Sitzungsräume
Koordinationsunterstützung Kooperationsunterstützung
Darüber hinaus sind Groupware-Systemkomponenten nicht nur nach den Kriterien der
Verwendung auszuwählen. Auch ihr Beitrag zur Erfüllung der wesentlichen Kommunika-
tions-, Koordinations- und Kooperationsprozesse in einer E-Company stellt eine wichtige
Anforderung dar. Die Auswahl erfolgt deshalb immer anhand der speziellen Situation und
den Anforderungen der E-Company. Eine Entscheidungsunterstützung gibt dabei das
Dreieck von Kommunikation, Koordination und Kooperation wieder (s. Abb. 306). In
diesem Spannungsfeld von Kommunikation, Koordination und Kooperation wird be-
schrieben, wie die einzelnen Anwendungen in die drei Bereiche eingeordnet werden kön-
nen und welche Groupware-Systemkomponente am geeignetsten erscheint. Dazu wird in
einem ersten Schritt analysiert, welche Bereiche abgedeckt und berücksichtigt werden
müssen. Danach werden die passenden Werkzeuge ausgewählt, die das Anforderungspro-
fil der Aufgabe so gut wie möglich erfüllen. Während der Auswahl ist zudem darauf zu
achten, dass einige Werkzeuge für die ausgewählte Aufgabe nützlich sind, allerdings für
andere Aufgaben kontraproduktiv sind. So werden z. B. asynchrone Kommunikations-
werkzeuge ausgewählt, die zwar für einen Aufgabenteil nötig sind, jedoch für den Großteil
der Aufgaben hinderlich sind, weil eine direkte Kommunikation unerlässlich ist (Müller
2003, S. 113 f.).
Als Beispiel dazu bietet IBM für seine betriebliche Kollaborationssoftware IBM Domino
im Bereich des Social Business das Zusatzmodul Lotus Workflow an (s. Abb. 308). Dieses
wird zur Erstellung und Implementierung von entsprechenden Workflow-Anwendungen
verwendet, um die Geschäftsprozesse der Unternehmen zu steuern und zu überwachen.
Die automatisierten Workflow-Anwendungen können somit schneller und präziser ausge-
führt werden und weisen damit auch weniger Arbeitsfehler und eine konsistente Arbeits-
qualität auf, wenn es darum geht, die Aufgaben über (teil)formalisierte Arbeitsprozesse
über alle Kooperationspartner aus verschiedenen Unternehmen zu verteilen und zu über-
wachen bzw. zu steuern.
Vorgangsentwurfs-
Werkzeug
2 3
Einbindbare
Client-Software
Applikationen
Der Einsatz eines integrativen oder neuen Workflow-Managementsystems ist aus der
Ressourcenperspektive nicht zu unterschätzen. Speziell die Kosten und die Zeit für die
Einrichtung der Systeme und die Einbindung der Mitarbeiter aus den beteiligten Koope-
rationsunternehmen stellen ein kritisches Entscheidungskriterium dar, wenn es darum
geht, ob sich solch ein Einsatz für die elektronische Kooperation lohnt oder nicht. Aus
diesem Grund bieten sich Workflow-Managementsysteme mehr für virtuelle Unterneh-
men an, die „für eine längere Zeit ein bestimmtes Produkt in hoher Stückzahl produzieren
und vermarkten, eine gleichbleibende Dienstleistung anbieten oder standardisierte Pro-
dukte und Dienstleistungen nach speziellen Kundenanforderungen anhand vordefinierter
Komponenten erstellen wollen“ (Müller 2003, S. 116 f.).
Als Beispiel für offene und standardisierte Systemarchitekturen, die zunehmend an Be-
deutung gewinnen, können Digitale Zwillinge angeführt werden. Digitale Zwillinge (sog.
Die Systeme bei der elektronischen Kooperation 837
Digital Twins) sind virtuelle Abbildungen von Objekten oder Prozessen aus der realen
Welt. Digitale Zwillinge können sowohl physische als auch immaterielle Objekte und Pro-
zesse abbilden, indem wichtige Informationen und Dienste über eine einheitliche Schnitt-
stelle zur Verfügung gestellt werden (Gesellschaft für Informatik 2017). Der Einsatz von
Digitalen Zwillingen kann so bspw. die nahezu nahtlose Verknüpfung und Planung von
Prozessen ermöglichen. Insbesondere im Rahmen von Kooperationen kann dies zu Effizi-
enzgewinnen, Fehlerminimierung sowie verkürzten Entwicklungs- und Produktionszeiten
führen.
FIS Partner A
Konverter A
…
…
Konverter N
FIS Partner N
zugreifen und Schlussfolgerungen aus der Wissensbasis ziehen, die anhand von definier-
ten Regeln abgebildet wird. Dazu wird die Anfrage durch einen Inferenzmechanismus in
Bezug auf die Wissensbasis bewiesen, indem die vom Benutzer formulierte Anfrage auf
eine Vereinbarkeit mit dem Wissen in dem Datenbestand überprüft wird. Dabei ist als
Nebenprodukt die Ausgabe einer bestimmten Faktenmenge aus der Wissensbasis in Ver-
bindung mit der Anfrage möglich. Beim Expertensystem ist die Dialogsteuerung als
Schnittstelle zum Benutzer zu sehen und stellt ihm Erklärungskomponenten zur Verfü-
gung, mit denen der Benutzer den Entscheidungs- und Schlussfolgerungsprozess nochmal
kritisch nachvollziehen kann (Picot/Reichwald/Wigand 2003, S. 171 f.).
6.1.3.1 Service-Komponenten
Die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien in einer E-Company,
insbesondere der Systemarchitekturen, bestimmt wesentlich die Intensität der Virtualisie-
rung (s. Kapitel 6.1.1.1) und unterscheidet sich grundlegend von traditionellen Unterneh-
men. Zeichnen sich die traditionellen Unternehmen durch eine hierarchische Organisati-
onsstruktur mit einer monolithischen Systemarchitektur aus, so steht bei der elektroni-
schen Kooperation eine dezentrale Struktur und somit eine verteilte Systemarchitektur
im Mittelpunkt (s. Abb. 310). Dies hat zur Folge, dass die Entwicklung der Systemarchi-
tektur so weit geht, dass sie durch ihre Flexibilität und Dienstorientierung eine zeitlich
begrenzte Zusammenarbeit kooperierender Unternehmen ermöglicht. Weiterhin kann je-
der Kooperationspartner mit einer eigenen Datenhaltung und eigenen Sicherheitsstandards
unabhängig bleiben (Katzy 2005, S. 45 f.).
Die Entwicklung hin zu einer dienst- bzw. serviceorientierten Architektur (SOA) bietet
den Unternehmen den Vorteil, sich auf permanente Änderungen einzustellen und dies
auch technisch lösbar zu gestalten. Insbesondere dienstorientierte Informationssysteme,
840 Die Grundlagen der E-Company
die „on demand“ arbeiten, erhalten damit eine technologische Möglichkeit der Modulari-
sierung von Softwarekomponenten (Herden et al. 2006, S. 3 ff.). Die serviceorientierte
Architektur wird dabei wie folgt definiert: „Eine SOA ist eine mehrschichtige, verteilte
Informationssystem (IS)-Architektur, die Teile von Applikationen für eine vereinfachte
Prozessintegration als geschäftsorientierte Services kapselt und dabei bestimmte Design-
prinzipien berücksichtigt. Ein Service stellt ein abstraktes Software-Element bzw. Schnitt-
stelle dar, die andere Applikationen über ein Netzwerk einen standardisierten Zugriff auf
Anwendungsfunktionen anbietet“ (Heutschi 2007, S. 22). Im Mittelpunkt einer service-
orientierten Architektur stehen eine Reihe von Services bzw. Diensten (s. Abb. 311).
Diese stellen eine Softwarekomponente dar, die über ein Netzwerk von verschiedenen
Nutzern in Anspruch genommen werden kann.
Für die Nutzung ist eine Dienstbeschreibung essentiell, die für gewöhnlich in einer ma-
schinenlesbaren Form und unabhängig von der Programmiersprache und Plattform vor-
liegt. Die entsprechende Plattform stellt der Dienstanbieter zur Verfügung. Diese ermög-
licht den Zugriff auf die angebotenen Dienste. Damit die Dienste von den Dienstnutzern
gefunden werden, muss der Dienstanbieter diese in der Plattform implementieren und bei
einem Dienstverzeichnis registrieren. Der Dienstnutzer kann anschließend einen Dienst
in dem Dienstverzeichnis, z. B. über eine Internetseite und über die Dienstbeschreibungen,
suchen. Nachdem ein Dienst gefunden wurde, gilt es, die entsprechenden Richtlinien über
eine Authentifizierung auszutauschen und ihn zu nutzen (Melzer 2010, S. 16 ff.).
Aus dieser Beschreibung und Abbildung des Angebots und der Nutzung von Diensten in
einer serviceorientierten Architektur lassen sich grundlegende Merkmale ableiten, die eine
serviceorientierte Architektur auszeichnen. Das wesentlichste Merkmal einer SOA bildet
die lose Kopplung der Dienste. Damit können die Nutzer die entsprechenden Dienste – je
nach Bedarf – dynamisch suchen und nutzen. Die Basis dafür bildet der Verzeichnis-
dienst, bei dem alle angebotenen Dienste vom Dienstanbieter registriert und vom Dienst-
Die Systeme bei der elektronischen Kooperation 841
nutzer abgerufen werden. Durch die Nutzung von offenen Standards ist jeder Dienstnut-
zer in der Lage, einen gefundenen Dienst zu nutzen, auch wenn ihm der Dienstanbieter
unbekannt ist. Ferner finden die Dienste über offene Standards und der damit verbundenen
Einfachheit der Architektur eine breitere Akzeptanz (Melzer 2010, S. 12).
Dienstverzeichnis
Dienst
1 3. Verweis auf Dienst
Dienst
1. Veröffentlichung 2
Dienst
… N
2. Suche
Innerhalb einer SOA findet die Kommunikation automatisch zwischen Maschinen statt.
Aus diesem Grund steht ihnen ein Enterprise Service Bus (ESB) zur Verfügung, der als
eine Art „nachrichtenorientierte Middleware“ fungiert (s. Abb. 312). Die Hauptaufgabe
eines ESBs ist es, virtuelle Kanäle zwischen den Diensten zu schaffen und einen Nach-
richtenaustausch zu ermöglichen. Dazu gehört neben der Transformation der Daten in ein
passendes Format auch die vorausgesetzte Protokollunabhängigkeit. Ein weiteres Merk-
mal bietet der ESB in Form des intelligenten Routings an, indem er die Nachrichten immer
an genau den angegebenen Empfänger verschickt (Melzer 2010, S. 22 f.). Weitere Merk-
male eines ESBs sind der Umgang mit Sicherheits- und Zuverlässigkeitsaspekten sowie
die Verwaltung, Überwachung und Protokollierung der Services (Josuttis 2008, S. 63).
Diese IT-Architektur zeichnet sich insbesondere für virtuelle Organisationen aus. Durch
standardisierte und offene Schnittstellen ist es möglich, schnelle und zeitlich begrenzte
Integrationen heterogener Informations- und Kommunikationssystemlandschaften von
unabhängigen Kooperationspartnern durchzuführen und damit auf die permanenten Än-
derungen, denen eine E-Company unterliegt, flexibel reagieren zu können (Katzy 2005,
S. 48). Zudem ermöglicht die architekturbedingte Interoperabilität den Kooperationspart-
nern vor diesem Hintergrund einer E-Company, ohne großen Aufwand in der eigenen IT-
Systemlandschaft einen Informationsaustausch bzw. eine Kommunikation untereinander
durchzuführen.
842 Die Grundlagen der E-Company
Benutzeroberfläche
Programm
Middleware
Abb. 312: Nutzung von Diensten über ein ESB in einer SOA
Quelle: in Anlehnung an Herden et al. 2006, S. 53.
6.1.3.2 Web-Komponenten
Um eine serviceorientierte Architektur im Kontext einer E-Company umsetzen zu können,
bedarf es zum verteilten Informationsaustausch und zur verteilten Kommunikation pas-
sende Web-Komponenten und entsprechende Standards. In diesem Zusammenhang reihen
sich Web-Services ein, mit denen eine serviceorientierte Architektur realisiert werden
kann. Diese beschreiben eine Sammlung von Standards, die bei systemübergreifenden
Aufrufen die Interoperabilität sicherstellen sollen. Weiterhin definieren sie „sowohl das
Protokoll, das bei der Kommunikation und beim Austausch der Nachrichten verwendet
wird, als auch das Format der dabei verwendeten Schnittstellen“ (Josuttis 2008, S. 260).
Die schon einige Zeit existierenden Web-Standards XML (s. Kapitel 2.1. 1.1) und HTTP
(s. Kapitel 3.1.3.2) wirken unterstützend auf die expliziten Web-Service-Standards ein und
machen einen Informationsaustausch innerhalb einer SOA erst möglich. Die in diesem
Zusammenhang weiteren fundamentalen Web-Services-Standards lassen sich wie folgt
beschreiben (Josuttis 2008, S. 261 f.):
WSDL: Die „Web Services Definition Language“ beschreibt ein Format, um Service-
Schnittstellen anbieten zu können. Innerhalb der WSDL werden drei wesentliche As-
pekte unterschieden: Die Signatur mit dem Namen und Parameter, das verwendete
Protokoll und die Adresse, wo der Service genutzt wird.
SOAP: Das „Simple Object Access Protocol” ist ein Protokoll- bzw. Formatstandard
für den Nachrichtenaustausch. Basierend auf HTTP wird beschrieben, wie die Daten
genau aussehen, die über das HTTP-Protokoll transportiert werden.
Die Systeme bei der elektronischen Kooperation 843
Durch die Erweiterung der Abbildung der serviceorientierten Architektur (s. Abb. 311)
mit den grundlegenden Web-Services-Standards, entsteht das Bild einer Web-Service-
basierten SOA, die sich bei den grundlegenden Konzepten nicht von der herkömmlichen
serviceorientierten Architektur unterscheidet (s. Abb. 313). Dabei treten zwar keine gene-
rellen Veränderungen an den Rollen und deren Aktionen auf, jedoch gibt es durch die
Standards detailliertere Vorgehensweisen bei dem Angebot und der Nutzung von Ser-
vices. Ein Dienstanbieter erstellt von jedem Dienst eine WSDL-Schnittstellenbeschrei-
bung in Form eines XML-Dokuments. Dieses Dokument wird veröffentlicht und zu einem
UDDI-basierten Verzeichnisdienst transferiert. Sucht jetzt ein Dienstnutzer einen speziel-
len Dienst über die SOAP-Schnittstelle, kann er diesen über die WSDL-Schnittstellenbe-
schreibung anfordern. Dazu übergibt das Dienstverzeichnis dem Dienstnutzer eine Refe-
renz (in Form einer URI) auf das WSDL-Dokument und der Dienstnutzer kann mittels
SOAP den Dienst des Dienstanbieters nutzen (Melzer 2010, S. 63 f.).
UDDI
Dienstverzeichnis
Dienst
1 3. Verweis auf Dienst
Dienst
1. Veröffentlichung 2 WSDL
Dienst
WSDL … N
2. Suche
SOAP
4. Abfrage der Beschreibung
5. Nutzung
Als Alternative zu den dargestellten Web-Komponenten wird zunehmend das Konzept des
Representational State Transfer (REST) diskutiert (s. Kapitel 5.1.3.2). Dieses be-
schreibt eine Sammlung an Architekturprinzipien für Netzwerke, die einen zustandslosen
844 Die Grundlagen der E-Company
Zugriff auf die Ressourcen ermöglichen. Eine Umsetzung auf dem HTTP-Protokoll ist
z. B. „Restful HTTP“ (häufig als direktes Synonym für REST genannt), das durch die vier
HTTP-Methoden GET, PUT, POST und DELETE mit den zustandslosen und durch URLs
identifizierten Ressourcen entsprechend agieren kann. Der Vorteil liegt in dem einfachen
und schnellen Zugriff auf Daten, jedoch gibt es keine Unterstützung für Sicherheitskon-
zepte, sodass „Restful HTTP“ sich nicht als Basisprotokoll für eine SOA-Architektur eig-
net, insbesondere auch nicht bei verteilten Architekturen, wie sie in einer E-Company ein-
gesetzt werden könnten (Josuttis 2008, S. 283).
6.1.3.3 Cloud-Komponenten
Das Cloud Computing erlaubt u. a. die „Bereitstellung und Nutzung von Anwendungen
aller Art als im Web elektronisch verfügbare Dienste“ (Baun et al. 2010, S. 1). Dabei in-
tegrieren verteilte Systeme heterogene IT-Ressourcen aus aller Welt, die in einer E-
Company mit unterschiedlichen Kooperationspartnern üblich sind. Im Unterschied zu ver-
teilten Systemen über lokale Netzwerke mit homogenen IT-Ressourcen, gibt es bei dem
Informationsaustausch und der Kommunikation über das Internet deutliche Abweichun-
gen der Antwortzeiten, Datenübertragungskapazitäten und der Verbindungszuverlässig-
keit (Baun et al. 2010, S. 21). Vor diesem Hintergrund bieten sich Web-Services (s. Kapi-
tel 6.1.3.2) auf Basis einer serviceorientierten Architektur (s. Kapitel 6.1.3.1) an. Diese
Architektur hat durch die Konzepte der Services und der losen Kopplung insbesondere die
hohe Interoperabilität zum Ziel. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass verteilte Systeme
schnelle und technisch einfache Verbindungen untereinander herstellen können (Josuttis
2008, S. 21 f.) und die Verwaltung und Nutzung verteilter Kompetenzen ermöglichen (Jo-
suttis 2008, S. 17).
Verteilte Systemschicht
Netzwerk
Ein verteiltes System ist „eine Ansammlung unabhängiger Computer, die den Benutzern
wie ein einzelnes kohärentes System erscheinen“ (Tanenbaum/Steen 2008, S. 19). Nach
diesem Muster können verschiedene Nutzer mit unterschiedlichen Betriebssystemen über
eine verteilte Systemschicht (Middleware) in ein Netzwerk eintreten und über eine ge-
meinsame Schnittstelle verteilte Anwendungen nutzen und miteinander kommunizieren.
Dabei bleiben dem Nutzer und der Anwendung das Betriebssystem und die konkrete Hard-
ware verborgen (s. Abb. 314). Dies fördert den einfacheren Zugriff auf bestimmte IT-
Ressourcen durch eine Verteilungstransparenz, Offenheit und Skalierbarkeit (Tanenbaum/
Steen 2008, S. 20 ff.).
In Bezug auf Netzwerkunternehmen innerhalb einer E-Company finden sich verteilte In-
formationssysteme als Unterklasse von verteilten Systemen wieder. Dieser Bereich be-
handelt die Systeme zur Transaktionsverarbeitung und die Integration von Unternehmens-
anwendungen (Tanenbaum/Steen 2008, S. 37 ff.). Speziell die Nutzung von Transaktio-
nen ist ein wesentlicher Bestandteil bei der Zusammenarbeit verschiedener Kooperations-
partner innerhalb einer E-Company, da diese mehrere Teilnehmer beteiligen, fest defi-
nierte Prozeduren durchlaufen und konsistente Ergebnisse ausgeben, z. B. bei der Verein-
barung von Terminen oder der Ausführung von Bestellungen (Melzer 2010, S. 276 f.). Im
Zusammenhang mit dem Datenbank-Umfeld unterliegen alle Transaktions-Konzepte den
vier ACID-Eigenschaften (Melzer 2010, S. 278 f.):
Durability: Die Dauerhaftigkeit beschreibt das Ergebnis der Transaktion, das in ir-
gendeiner Form persistent abgelegt werden muss.
Als Beispiel für eine Cloud-Komponente kann das Angebot von fruux.com angeführt wer-
den. Die Lösung von fruux.com ermöglicht es, unabhängig von Plattform oder Technolo-
gie, Kontakte, Kalendereinträge oder auch Aufgaben über die Cloud automatisch zu syn-
chronisieren und damit immer auf dem aktuellsten Stand zu halten. Die Technologie ist
nicht an Gerätehersteller gebunden. Durch die Unterstützung der offenen Standards Card-
DAV und CalDAV können Daten über System- und Gerätegrenzen hinweg transportiert
und synchronisiert werden (s. Abb. 315).
Im Kontext von Cloud Computing und dem Internet of Things gewinnt das sog. Edge
Computing zunehmend an Bedeutung. Edge Computing beschreibt das Verfahren um
Daten noch in der Netzwerkperipherie zu verarbeiten, anstatt Daten bspw. unverarbeitet
in die Cloud zu schicken (Shi et al. 2016). Durch eine Verarbeitung der Daten direkt in
der Netzwerkperipherie durch das Edge Computing können z. B. Verzögerungen bei der
Datenübertragung, welche ein mögliches Problem beim Cloud Computing darstellen, ver-
hindert werden. Beim Edge Computing werden somit Computer-Anwendungen, Daten
und Dienste von zentralen Knoten (Rechenzentren) weg zu den äußeren Rändern eines
Netzwerks verlagert. Anders ausgedrückt geht es darum, Datenströme ressourcenscho-
nend zumindest teilweise an Ort und Stelle (z. B. direkt am Endgerät oder innerhalb einer
Fabrik) zu verarbeiten, aber trotzdem von den Vorteilen der Cloud zu profitieren. Dieser
Ansatz erfordert den Einsatz von Ressourcen, die nicht permanent mit einem Netzwerk
verbunden sind wie Controller, Notebooks, Smartphones, Tabletcomputer und Sensoren.
Edge Computing beinhaltet zahlreiche Technologien wie Sensornetze, mobile Datenerfas-
sung, mobile Signaturanalyse, Peer-to-Peer- sowie Ad-hoc-Vernetzung. Dabei kann Edge
Computing als Architekturkonzept für das Internet der Dinge (IoT) verwendet werden,
das eine Verknüpfung eindeutig identifizierbarer physischer Objekte (things) mit einer
virtuellen Repräsentation in einer Internet-ähnlichen Struktur herstellt. Statt Edge Com-
puting werden gelegentlich auch die Begriffe Fog Computing, Local Cloud bzw. Cloudlet
genutzt (Wanner 2016). Bei Fog Computing liegt der Fokus allerdings weniger auf den
Endgeräten, sondern vielmehr darauf, die Cloud-Ressourcen näher zu den Anwendungen
zu bringen (Dezentralisierung; General Electric 2018). Nachteile beim Edge Computing
hingegen ergeben sich, wenn eine sehr hohe Datenmenge zu verarbeiten oder zu speichern
bzw. der Rechen- oder Speicherbedarf sehr unregelmäßig ist (s. Wikipedia).
Die Prozesse bei der elektronischen Kooperation 847
6.2.1.1 Online-Kooperationskosten
Die Kosten der Kooperation von Partnerunternehmen innerhalb einer E-Company werden
über Verrechnungspreise erfasst. Mit ihnen ist es möglich sowohl eine auftragsspezifische
Konfiguration des Netzwerks durchzuführen als auch den Preis für das Endprodukt fest-
zulegen. Davon ist zum einen die Zusammensetzung des Projektnetzwerks abhängig und
zum anderen auch die Bestimmung des Gesamtpreises für einen Auftrag. Neben den Me-
thoden der Verhandlungen und Auktionen (s. Kapitel 6.2.2.3) kann mit Hilfe der Orien-
tierung an Marktpreisen oder der Kostenorientierung ein Verrechnungspreis gefunden
848 Die Grundlagen der E-Company
werden. Im ersten Fall müssen spezielle Prämissen auftreten, die in der Realität nur sehr
selten anzutreffen sind, z. B. das Vorliegen eines vollkommenen Marktes mit unbe-
schränkten Marktkapazitäten. Außerdem würde das Ziel einer virtuellen Unternehmung,
durch eine Kooperation Verbundeffekte zu erzeugen, nicht mehr greifen, weil eine Re-
konstruktion des Marktes innerhalb der virtuellen Unternehmung nicht zweckmäßig ist.
Im zweiten Fall, der Kostenorientierung, werden Zwischenprodukte mit kostenorientierten
Verrechnungspreisen bewertet, da Markpreise nicht immer feststellbar sind. Unterschei-
den lassen sich die kostenorientierten Verrechnungspreise nach dem Zeithorizont, dem
Kostenvolumen und nach dem Gewinnaufschlag (Tantzen 2006, S. 103 f.) Weiterhin blei-
ben bei der Berechnung der Kooperationskosten die Komplexitätskosten und -kostenarten
(s. Kapitel 6.2.1.3) unberücksichtigt, weil kein Kostenrechnungssystem diese beinhaltet.
Dies verhindert eine erforderliche Transparenz, wenn es darum geht, Entscheidungen trotz
vorhandener Komplexität zu treffen oder herauszufinden, welche Kostenarten im beson-
deren Maße auffallen (Pindl 2002, S. 96 f.).
Erhöhte
Erhöhung Flexibilität
der Flexibilität
Positiv/Negativ
6.2.1.2 Online-Kooperationsflexibilität
Eines der größten Ziele einer E-Company ist die Flexibilität der Online-Kooperation, um
sich den ständig ändernden Umweltbedingungen anpassen zu können. Dazu konfigurieren
sich die virtuellen Organisationen auftragsbezogen und nutzen alle Potenziale der Flexi-
bilität aus den Informations- und Kommunikationssystemen. Dieser Einsatz erfolgt schon
seit längerer Zeit nicht mehr unter dem Standpunkt der Rationalisierung, bei der es nur
darum geht, die Produktivität zu Lasten der Flexibilität zu steigern. Aus diesem Einfluss
moderner Information- und Kommunikationssysteme auf die organisatorische Flexibilität
Die Prozesse bei der elektronischen Kooperation 849
6.2.1.3 Online-Kooperationskomplexität
Neben den prozessbezogenen Anforderungen der Kosten und der Flexibilität in einer
E-Company, ist der Aspekt der Komplexität (und insbesondere der Umgang mit ihr) ein
weiterer Gesichtspunkt, den es in virtuellen Netzwerken zu behandeln gilt. Denn im Ver-
gleich zu den klassischen Unternehmen bewältigen E-Companys durch die Netzwerkbil-
dung nicht nur ein sehr hohes Maß an Komplexität, sie finden zudem ein ebensolches auch
vor. Außerdem ist den E-Companys der Aspekt der Komplexität schon vorher bewusst
und stellt sich nicht am Ende als Überraschung in Form eines Projektabbruchs heraus.
Unterschieden wird die Komplexität im Umfeld einer E-Company nach einer externen
Komplexität der Umwelt und nach einer internen Komplexität im Netzwerk (Pindl
2002, S. 91 ff.):
der Komplexität führen kann, z. B. bei angepassten Formularen, die nicht direkt ver-
ständlich sind und weitere Verzögerungen verursachen. Über allen Bereichen stehen
die individuellen Komplexitätstreiber, die nicht eindeutig gemessen werden können.
Diese betreffen das individuelle Ergebnis eines jeden Mitarbeiters, das immer von der
jeweiligen Motivation oder dem Arbeitsklima abhängig ist.
• Kommunikationsaustauschkosten
• Informationsaustauschkosten
Prozessbezogene Kosten
• Entscheidungskosten
• Schlecht organisierte Abläufe • Abstimmungskosten
• Geringe Mitarbeiterqualifikation • Anpassungskosten
• Fehlende Zusammenführung von • Doppelerfassungskosten
Aufgaben, Kompetenzen, • Suchkosten
Verantwortung • Verwechslungskosten
• Medienbrüche • Qualitätsabweichungskosten
• Dateninkonsistenzen • Planungskosten
• Vermeidbare Aktivitäten • Steuerungskosten
• Geringe Standardisierung • Datenpflegekosten
• Mehrfachverwendung
• Systemkosten
• Lieferantenwechselkosten
• Lieferantenpflegekosten
• Kapitalbindungskosten
Grundsätzlich variiert die Komplexität daher immer mit der Anzahl der teilnehmenden
Kooperationspartner und den dadurch ausgelösten Aktionen, Beziehungen und Prozessen
zwischen den Kooperationspartnern. Des Weiteren bildet die aus einem Projekt resultie-
rende individuelle Dynamik auf die Kooperationspartner einen wesentlichen Bestim-
mungsfaktor für den Komplexitätsgrad einer E-Company (Pindl 2002, S. 92 f.). Daraus
entstehen auf der Kostenseite (s. Kapitel 6.2.1.1) neben den prozessbezogenen Kosten
auch spezielle Kostenarten der Komplexität (s. Abb. 317). Komplexität in Unterneh-
mensnetzwerken entsteht nicht nur von selbst, sondern auch durch Unwissenheit über Pro-
zesse, mangelnde Weitsicht oder fehlerhaftes Management. Deswegen ist die Reduzie-
rung von Komplexität, insbesondere in Unternehmensnetzwerken, ein Thema, das nicht
vernachlässigt werden darf. Punkte wie eine vermehrte Umsicht, Wissen über Wechsel-
wirkungen und weiteren Erkenntnissen eigener und fremder Prozesse tragen einen ersten
Schritt dazu bei, die Komplexität zu reduzieren. Weitere Schritte werden im Folgenden
kurz skizziert (Pindl 2002, S. 97 ff.):
Die Prozesse bei der elektronischen Kooperation 851
Erfolgskontrolle: Eine regelmäßige Prüfung des Projekts ist unerlässlich. Neben der
Abfrage des aktuellen Status und vorhandener Probleme, können präventive Kon-
zepte erarbeitet werden, um erwarteten Mängeln und Fehlern durch noch gering ge-
haltene Änderungsmaßnahmen zu begegnen.
Lernprozesse: Aufgrund der Eigendynamik eines virtuellen Netzwerks und der damit
verbundenen Planungsunsicherheit, sind eingerichtete Lernprozesse in den Ge-
schäftsprozessen sinnvoll. Dies wirkt sich nicht nur auf die Prozessqualität, sondern
auch auf Planbarkeit dieser Prozesse positiv aus.
Transparenz: Für die Durchführung jedes Projekts ist es wichtig, dass zum einen die
Projektziele und zum anderen die Aufgaben und die Erfolgskriterien bekannt sind.
Darüber hinaus ist die Verteilung der Aufgaben und der Rollen notwendig. Für dieses
Vorgehen hilft ein Kommunikationsplan, der allen Beteiligten zugänglich sein muss,
damit das Projekt transparent und übersichtlich gestaltet wird.
Damit lässt sich die Komplexität in einer E-Company zwar reduzieren, aber nicht beseiti-
gen, weil zu einer ordentlichen Struktur auch ein Stück weit Chaos gehört, das wiederum
bestimmten Ordnungsprinzipien folgt. Dies ist in traditionellen wie auch in virtuellen Un-
ternehmen der Fall (Pindl 2002, S. 99 ff.).
Nach den Anforderungen an die Prozesse einer E-Company wird im Folgenden aufge-
zeigt, wie die Prozesse von der Identifikation bis zur Auflösung einer Kooperation gestal-
852 Die Grundlagen der E-Company
tet werden können und welche Informations- und Kommunikationssysteme dabei eine
große Unterstützungsarbeit leisten können. Eingebettet in ein prozessuales Lebenszyk-
lusmodell werden die einzelnen Prozessphasen zusätzlich von prozessübergreifenden
Aufgaben unterstützt (s. Abb. 318). Dabei stehen insbesondere Informations- und Kom-
munikationssysteme im Mittelpunkt, die eine erfolgreiche Durchführung des Projekts
E-Company, z. B. durch Projektmanagementsysteme oder Workflow-Systeme (s. Kapitel
6.1.2.2), möglich machen.
eIdentification-Prozess:
• Online-Datenbanken
• Newsgroups
• Internet
eInitiation-Prozess:
eDissolution-Prozess: • Internet-Partner-Datenbank
• FAQ-Systeme
Phasenübergreifende
• Internetauftritt
• Help Desks Aufgaben:
• Elektronische Gelbe Seiten
• Kommunikationssysteme
• Erfahrungsdatenbanken • Intelligente Agenten zur
• Dokumenten-/Workflow- Partnersuche
Management-Systeme
• Projektmanagementsysteme
• Wissensmanagementsysteme
eExecution-Prozess:
eAgreement-Prozess:
• Systeme zur
Auftragsabwicklung • Organisationstools
• Führungsinformationssysteme • Elektronische
Vertragskonfiguration
• Systeme zur verteilten
Produktion • Kalkulationssoftware
6.2.2.1 eIdentification-Prozess
Liegt für ein Unternehmen eine lukrative Marktchance oder ein spezieller Kundenauftrag
vor, so sind das die besten Voraussetzungen, um auf die Suche nach passenden Koopera-
tionspartnern im Rahmen einer E-Company zu gehen. Entsprechend wird in einem ersten
Schritt ein eIdentification durchgeführt, um mit Hilfe digitaler Suchmechanismen eine
erste Sondierung und Identifikation von elektronischen Kooperationsmöglichkeiten im
Markt durchzuführen. Eine erste Recherche kann z. B. unter Anwendung von Online-Da-
tenbanken, Newsgroups oder einer einfachen Suche im Internet erfolgen (s. Kapitel
6.3.2.1). Dort können zudem auch Experten die Chance nutzen eine lukrative Marktlücke
zu bewerten, wenn es darum geht, den Initiator bzw. den Netzwerkmanager bei der Kal-
kulation der Kosten und Erlöse einer Bildung des virtuellen Unternehmens zu unterstüt-
zen. Auf der Seite der Kosten fallen insbesondere leistungsbezogene Kosten sowie auch
Transaktions-, Kommunikations-, Koordinations- und Konfliktlösungskosten an (Mer-
tens/Griese/Ehrenberg 1998, S. 94 f.).
Die Prozesse bei der elektronischen Kooperation 853
6.2.2.2 eInitiation-Prozess
In dem folgenden Prozessschritt der eInitiation wird versucht, eine Anbahnung einer E-
Company mit den für eine Kooperation in Betracht kommenden Unternehmen durchzu-
führen. Die bedeutendste Rolle nimmt hier der Netzwerkmanager (auch Broker genannt)
der E-Company ein. Er hat die Aufgabe, Anforderungsprofile zu erstellen, die Kooperati-
onspartner auszusuchen und diese zu bewerten (s. Abb. 319). Das Erstellen des Anforde-
rungsprofils ist eine Aufgabe, die eine Idee oder ein Ziel der möglichen E-Company vo-
raussetzt. Nur so lässt sich der Bedarf an Kompetenzen und Aktivitäten ableiten, die an-
schließend in einzelne (Teil-)Aufgaben differenziert werden können, um eine genaue Zu-
teilung an die teilnehmenden Unternehmen zu ermöglichen (Mertens/Griese/Ehrenberg
1998, S. 95).
Danach erfolgt ein Matching, bei dem das Anforderungsprofil mit den Kompetenzen und
Kapazitäten der möglichen Unternehmen aus einem Pool aller in Frage kommenden Ko-
operationsunternehmen verglichen wird. Ist das Matching erfolgreich, wird der Kontakt
zu den betreffenden Unternehmen hergestellt und über die entsprechende (Teil-)Aufgabe
informiert (Schumann et al. 2004, S. 11 f.). In diesem Fall prüft der Netzwerkmanager alle
Schnittstellen zwischen den kooperierenden Unternehmen auf technologische, struktu-
relle, personalpolitische und informationelle Integrationsmöglichkeiten. Informations-
und Kommunikationssysteme können die beschriebenen Prozesse der Partnersuche und
-bewertung in jeglicher Hinsicht unterstützen. Zum einen können aktiv interne und öf-
fentliche Datenbanken zur Partnersuche sowohl im Intranet als auch im Internet genutzt
werden, zum anderen ist auch eine passive Suche in Form von Inseraten in Kooperations-
börsen, weiteren Online-Datenbanken oder Newsgroups möglich (Mertens/Griese/Ehren-
berg 1998, S. 95 ff.).
6.2.2.3 eAgreement-Prozess
Im Rahmen des eAgreement wird ein Grundkonsens in Form von Regeln der Zusammen-
arbeit für die zu schaffende E-Company unter Einbeziehung aller möglichen Partnerun-
ternehmen konzipiert. Der Grundkonsens basiert auf der Entwicklung einer kollektiven
Strategie und eines gemeinsamen Geschäftsverständnisses und bildet die Basis für alle
darauffolgenden Aktivitäten. In diesem verhandlungsintensiven Vereinbarungsprozess
organisiert der Netzwerkmanager die Treffen der Kooperationspartner entweder „Face-to-
Face“ oder mithilfe von Kommunikationssystemen (z. B. per Video- oder Telefonkonfe-
renz), um die Abstimmung der Kooperationsziele, Zeitpläne etc. zu ermöglichen und zu
vereinfachen. Während dieser Begegnungen agiert er als Moderator, d. h. als Gesprächs-
leiter und als Vermittler, falls Konflikte in der kollektiven Entscheidungsfindung auftreten
(Mertens/Griese/Ehrenberg 1998, S. 104 f.). Ferner wird in diesen Treffen über Preis und
Leistungsumfang der möglichen Teilleistungen verhandelt. Dazu gibt es drei Verhand-
lungsformen, die sich nach der Anzahl der beteiligten Transaktionspartner richten (Schu-
mann et al. 2004, S. 12 f.):
854 Die Grundlagen der E-Company
Börsen: Stehen auf beiden Marktseiten mehrere Anbieter und mehrere Nachfrager
gegenüber, so wird innerhalb dieser m:n-Beziehung die Börse als Verhandlungsform
genutzt. Bei einer E-Company kommt diese Verhandlungsform jedoch nicht zum Ein-
satz, weil es immer nur einen einzigen Nachfrager gibt und 1 bis n Anbieter für die
nachgefragte Leistung.
Matching
Kooperationspartner Netzwerkgrenze
6.2.2.4 eExecution-Prozess
Nachdem der Vereinbarungsprozess für alle beteiligten Kooperationspartner erfolgreich
verlaufen ist, werden in der eExecution die festgelegten Ziele der zustande gekommenen
E-Company erfüllt. Hierbei steht die eigentliche elektronische Wertschöpfung einer E-
Company in Form der exekutiven Kooperation im Mittelpunkt. In diesem Fall schafft die
Online-Kooperation die Möglichkeit, dass verschiedene Anbieter ihr Leistungsangebot ef-
fizienter und effektiver miteinander verzahnen können. Damit wird der bereits beschrie-
bene elektronische Abstimmungswert geschöpft (s. Kapitel 1.4.1). Somit findet in dieser
Phase die Wertschöpfung statt, die durch das Netzwerkmanagement mit einem konzipier-
ten Projektmanagement und –controlling speziell gesteuert und überwacht wird. Dabei
steht das Projektmanagement durch die räumliche und zeitliche Leistungserstellung vor
speziellen Herausforderungen, denen das Netzwerkmanagement mit einem effektiven
Projektmanagement entgegnen muss. Zum Beispiel muss das Projektmanagement über die
856 Die Grundlagen der E-Company
Forschung und Entwicklung: In diesem Bereich können sich die räumlich verteilten
Mitglieder als virtuelles Team (s. Kapitel 6.1.1.2) in „Design-Konferenzen“ treffen,
um gemeinsam in einer virtuellen Umgebung an z. B. Konstruktionen zu arbeiten.
Versand: Das Tracking hat in diesem Bereich eine wichtige Bedeutung. Speziell bei
den physischen Gütern, die von mehreren Partnerunternehmen hergestellt und ver-
sendet werden (z. B. bei verteilter Produktion) müssen sie mit Angabe der genauen
Standorte nachverfolgbar sein und bei Verspätungen eine Benachrichtigung ausge-
ben. Dies hilft sowohl den Partnerunternehmen, die auf die Güter angewiesen sind,
als auch den Kunden, die den Sendungsverlauf der eingekauften Ware verfolgen
möchten. Das Tracking erleichtert durch eine elektronische Aufzeichnung zusätzlich
die Rekonstruktion des Sendungsverlaufs inklusive möglicher Störungsursachen.
6.2.2.5 eDissolution-Prozess
Die Kooperation aller Partnerunternehmen in einer E-Company endet im Rahmen einer
eDissolution, sobald alle vereinbarten Ziele erreicht worden sind oder wenn die Koope-
Die Prozesse bei der elektronischen Kooperation 857
ration vorzeitig abgebrochen wird. In dem Falle der Auflösung einer E-Company über-
nimmt der Netzwerkmanager die Einleitung der im Vertrag festgelegten Auflösungspro-
zesse und muss abschließend die Ergebnisse bzw. Erfahrungen in einer Datenbank abspei-
chern. Damit wird der letzte gemeinsame Zugriff auf eine gemeinsame Datenbasis deter-
miniert. Gleichzeitig werden für die weiteren Aktivitäten der Partner die elektronischen
Verbindungen im Rahmen der virtuellen Unternehmung gekappt und die Informations-
sammlung, -speicherung und -übertragung (Informationsdreisprung, s. Kapitel 1.4.3) fin-
det wieder separat über das einzelne Unternehmen statt. Die Partnerunternehmen spei-
chern darüber hinaus die Ergebnisse bzw. Erfahrungen in ihr eigenes Wissensmanage-
mentsystem. Durch dieses Speichern der Kenntnisse über die Arbeit in der E-Company
selbst und die Auflösung können wiederholt auftretende Probleme besser bearbeitet und
gelöst werden. Bei noch vorhandener Nutzungsdauer des verkauften Produkts, bei dem
die E-Company noch Serviceleistungen mitverkauft hat, jedoch nicht mehr existiert, muss
der Netzwerkmanager entscheiden, ob er selbst die Kundenbetreuung, z. B. über die Web-
seite, weiterhin übernimmt oder diese an Dritte auslagert (Metens/Griese/Ehrenberg 1998,
S. 115 ff.).
Für das Prozessmanagement und daraus abgeleitet für die gesamte Unternehmensfüh-
rung lässt sich die Nutzung der generierten Informationen in der elektronischen Koopera-
tion nach operativen, taktischen und strategischen Aufgaben differenzieren (s. Abb.
320). Dabei steht insbesondere die Informationsverwendung für operative und taktische
Überlegungen im Mittelpunkt, da hierdurch kurz- und mittelfristige Auswirkungen auf
den E-Company-Betrieb zu erwarten sind (z. B. Ressourcenverteilung). Die strategische
Nutzung der Informationen betrifft dagegen mittel- bis langfristig die Positionierung der
gesamten E-Company im Wettbewerb sowie die generelle E-Company-Gestaltung bzw.
Analyse des Marktgeschehens. Übergreifendes Ziel aller Aktivitäten ist dabei einmal mehr
die Nutzung des Informationsdreisprungs (s. Kapitel 1.4.3), bei dem über die Informati-
onssammlung (Daten aus der operativen Kooperation) und die Informationsverarbeitung
(Auswertung und Analyse der Daten aus der operativen Kooperation) im Rahmen der In-
formationsübertragung an die Entscheidungsträger der E-Company aus strategischer Sicht
konkrete Veränderungen im E-Company-Management begleitet bzw. vorbereitet werden
können. Im Folgenden soll auf die einzelnen Aufgaben in den drei Bereichen des Prozess-
managements bei einer E-Company eingegangen werden.
der Kooperation befindet sich die E-Company in einem permanenten Prozess der Umbil-
dung. Getrieben wird dieser andauernde Prozess nicht von einem Streben der Gewinnma-
ximierung, sondern von immer neuen Produkt- und Projektideen. Jedes Unternehmen leis-
tet dabei seinen eigenen Beitrag in Form von komplexen Prozessen, die den Kooperati-
onspartnern zur Verfügung gestellt werden. Folglich werden die Kernkompetenzen der
beteiligten Unternehmen als Input und die Wertschöpfung der einzelnen Partnerunterneh-
men als Output der E-Company betrachtet (Pindl 2002, S. 86 f.).
Strategisches Kooperationsmanagement
Taktische
Kooperation
Stammdatenpflege
Operative
Kooperationsprozess Kooperation
Schnittstellen: Für jeden Teilprozess ist die logische Struktur sowohl für den Teil-
prozess selbst als auch im Netzwerk bekannt und es existieren klar definierte Schnitt-
stellen. Diese Voraussetzungen erlauben dem Teilprozess den Informationsaustausch
zu parallel arbeitenden Teilprozessen.
Übergreifende Systeme:
• Zentralistische Führungssysteme • Kennzahlen- und Zielsysteme
• Budgetierung (Wertsteigerungsanalyse, Balanced Scorecard)
• Verrechnungs-/Lenkpreissysteme
Prozessorientierte Systeme:
• Basissysteme zur Steigerung • Integrative Systeme zur antizipativen Steuerung
von Kosten, Zeit und Qualität auf Prozessebene
(Prozesskostenmanagement, • Performance Measurement
Time Based Management,
Qualitätsmanagement)
Selektion: Die Selektion geeigneter Kooperationspartner ist die Basis der zukünftigen
Netzwerkbeziehungen und ist gewissenhaft anzugehen. Der Selektionsprozess selbst
findet hier beidseitig statt, damit beide Seiten die Möglichkeiten haben Kosten und
Nutzen einer Kooperation für sich zu bestimmen und sich dementsprechend zu ent-
scheiden. Speziell die Frage nach der Übereinstimmung der verfolgten Strategie,
Kompetenzen, Ressourcen und zeitlichen Umsetzung ist nach der jeweiligen Verwen-
dung und vor allem Kompatibilität zu klären. Als Instrumente eignen sich hier bspw.
die Bezugsquellenanalyse, der Vergleich alternativer Distributionskanäle und die
Stärken/Schwächen-Analyse horizontaler Kooperationspartner.
Die Prozesse bei der elektronischen Kooperation 861
Regulation: Die Regulation von Aktivitäten und Beziehungen zwischen den Koope-
rationspartnern sowie die Allokation von Ressourcen haben das Ziel den Grad der
strukturellen Kopplung und der gemeinsamen Nutzung von Ressourcen zwischen den
Kooperationspartnern zu bestimmten. Als eine notwendige Voraussetzung für eine
Zusammenarbeit und für die Ausführung der weiteren Managementfunktionen gilt
insbesondere die Kompatibilität von Informations- und Kommunikationssystemen.
Als Instrumente eignen sich in puncto Regulation bspw. die Gestaltung des Koopera-
tionsvertrags, der Einsatz eines überbetrieblichen Projektmanagements bzw. von un-
ternehmensübergreifenden Teams und die Implementierung von interorganisatori-
schen Informations- und Kommunikationssystemen.
Selektion Regulation
geeigneter von Allokation der Ökonomische
Kooperations- Aktivitäten/ Ressourcen Evaluation
partner Beziehungen
Wie sieht die Analyse des möglichen Partners und dessen Auswahl für eine elektro-
nische Kooperation aus?
Welche Konsequenzen hat eine elektronische Kooperation für die beteiligten Partner
im Hinblick auf den Wettbewerb?
anderer Unternehmen abzielt. Grundlage dafür ist ein Vertrauen, das insbesondere bei vir-
tuellen Unternehmen eine Zusammenarbeit verschiedener Unternehmens- und Arbeitskul-
turen gewährleistet und als Koordinationsherausforderung durch das Netzwerkmanage-
ment abgedeckt wird. Nichtsdestotrotz darf bei der Etablierung einer Netzwerkkultur die
eigene Unternehmenskultur nicht vernachlässigt oder verändert werden (Pindl 2002,
S. 101 ff.). Vor diesem Hintergrund ist insbesondere die Analyse der Arbeitskultur über
und mit Hilfe elektronischer Netzwerke bei einer E-Company differenziert zu betrachten.
6.3.1.1 Online-Vertrauenskultur
Die angesprochene Grundlage für eine erfolgreiche Netzwerk- bzw. Arbeitskultur ist das
Vertrauen. Diese ist nicht nur der Ausgangspunkt, sondern auch das Ziel einer elektroni-
schen Kooperation und garantiert eine Einhaltung der zugesicherten Vereinbarungen der
Kooperationspartner. Damit beeinflusst sie den Unternehmenserfolg auf entscheidende
Weise und sorgt bei den Mitarbeitern für eine hohe Arbeitszufriedenheit. Das Vertrauen
steht aber auch mit den vertraglichen und damit verbindlichen Vereinbarungen in einem
direkten Zusammenhang. Durch die konkret festgelegten Zielvereinbarungen in einem
Kooperationsvertrag (s. Kapitel 6.2.2.3) gibt es für das Vertrauen einen Anhaltspunkt für
alle Kooperationspartner, an dem es sich messen lässt und zugleich als eine Art Fremd-
kontrolle agieren kann. Missachtet ein Kooperationspartner bestimmte Regeln oder miss-
braucht er das Vertrauen, so schließt er sich selbst für eine zukünftige Arbeit in der
E-Company aus (Pindl 2002, S. 105 f.). Voraussetzung für ein Vertrauensverhältnis zwi-
schen den Kooperationspartnern in einer E-Company ist neben persönlichen und fachli-
chen Bindungsfaktoren auch die Bindung an das gemeinsame Projekt durch das ge-
meinsame Ziel und durch dessen Transparenz, die insbesondere die Mitarbeiter motiviert
und letztendlich den Projekterfolg ausmacht. Vertrauensbeziehungen sind auch speziell
für Mitarbeiter in virtuellen Teams (s. Kapitel 6.1.1.2) essentiell. Die reine Verwendung
von Informations- und Kommunikationssystemen ohne persönlichen Kontakt verlangt ein
hohes Vertrauen sowohl in das Kooperationsnetzwerk selbst als auch in das Management
der verteilten Aufgaben. Dabei stellen vertrauenswürdige Manager einen wichtigen Faktor
für die gesamte E-Company dar (Pindl 2002, S. 106 f.).
6.3.1.2 Online-Dialogkultur
Beim Aufbau einer E-Company und dem stetigen Wandel eines Unternehmens selbst
spielt immer die Veränderung eine große Rolle. Diese Veränderungen begleiten die Mit-
arbeiter häufig mit Angst, weil sie fürchten ihren Arbeitsplatz aufgeben zu müssen, unge-
wollte Kollegen zu bekommen oder ihnen noch mehr Aufgaben ohne Lohnausgleich zu-
gemutet werden. Diesbezüglich existieren sieben organisatorische Sperren (s. Abb.
323), die sich destruktiv auf das Vertrauen in einem Unternehmen und folglich auch auf
das Netzwerk einer E-Company auswirken (Pindl 2002, S. 109).
864 Die Grundlagen der E-Company
Starke Rollenmodelle
Strikte Kommandolinien
Gruppen-Narzissmus
6.3.1.3 Online-Lernkultur
Die Transformation von einem zentral organisierten Unternehmen zu einem virtuellen de-
zentralen Unternehmen in Form einer E-Company stellt viele Unternehmen vor eine große
Herausforderung. Eine erfolgreiche Durchführung hängt deshalb auch von der „Koopera-
tion, Kommunikation und Koordination der Arbeitsprozesse“ (Pindl 2002, S. 113) ab und
folglich von einer Lernkultur im Unternehmen, in der die Mitarbeiter bereit sind zu ler-
nen und dieses Lernen auch explizit gefördert wird. Das Lernen ist ein systemrelevanter
und bildender Bestandteil von virtuellen Netzwerken und somit ist die Fähigkeit zu lernen
unerlässlich in einer Zeit der Globalisierung (s. Einleitung Kapitel 6). Eine E-Company
unterliegt einem stetigen Wandel, beeinflusst nicht nur durch äußere Faktoren, sondern
auch durch interne Wechselwirkungen und Rückkopplungen. Dabei stellen die Online-
Vertrauenskultur (s. Kapitel 6.3.1.1) und die Online-Dialogkultur (s. Kapitel 6.3.1.2)
wichtige Strukturelemente in dem virtuellen Unternehmen dar, müssen jedoch von einer
Das Management bei der elektronischen Kooperation 865
Neben der differenzierten Analyse der Unternehmens- bzw. Arbeitskultur als Produkt im
Kontext einer elektronischen Kooperation spielt die Analyse der Partner (Kooperations-
teilnehmer) in einer E-Company eine ebenso entscheidende Rolle für die Management-
ebene bei der elektronischen Kooperation, wobei die Teilnehmeranalyse speziell in dem
Prozess der Identifikation (s. auch Kapitel 6.2.2.1 bzw. 6.2.2.2) bis hin zur Integration der
Kooperationspartner in die E-Company angesetzt ist. Daher müssen sich Unternehmen
vor allem detailliert mit den möglichen Kooperationspartnern befassen und eine aufwän-
dige Analyse in Form der Suche, Auswahl und Integration betreiben.
6.3.2.1 Online-Partnersuche
Die Partnersuche ist der entscheidende Meilenstein, um eine E-Company erfolgreich auf-
zustellen und zu betreiben. Diesbezüglich müssen die Kooperationspartner die gleichen
Ziele verfolgen, zum eigenen Unternehmen ergänzende Kernkompetenzen aufweisen und
die nötige Kooperationsbereitschaft mitbringen (Howaldt/Ellerkmann 2011, S. 25). Des-
halb ist zu Beginn einer Kooperation die grundsätzliche Frage zu klären, wie passende
Kooperationspartner gesucht werden können und wer dafür überhaupt in Frage kommt.
Dabei spielt die Unsicherheit eine große Rolle, der mit Hilfe von Informations- und Kom-
munikationssystemen, insbesondere dem Internet, begegnet wird, um eine Partnersuche
ohne großen Aufwand beginnen zu können (vorausgesetzt es liegen keine Vorerfahrungen
als Teilnehmer in einer E-Company vor, die bekannte und zuverlässige Kooperations-
partner hervorgebracht haben). Allerdings gibt es auch Möglichkeiten, die Partnersuche
ohne das Internet zu beginnen (Benz 2003, S. 41 f.):
866 Die Grundlagen der E-Company
Wird die Suche auf das Internet ausgeweitet, so bietet es einen guten Überblick der ersten
fachlichen und sachlichen Informationen über die möglichen Kooperationspartner und die
Möglichkeit, eine direkte Kommunikation zu führen. Somit stellt das Internet den Kernas-
pekt der Online-Teilnehmersuche dar und eignet sich besonders für den Erstkontakt im
Kontext einer E-Company. Entsprechend lassen sich die Möglichkeiten der Partnersuche
mit dem Internet in vier Kategorien aufteilen (Benz 2003, S. 44 f.):
sodass Interessenten sich ein genaues Bild über die detaillierten Rahmenbedingungen
und Konditionen machen können. Bei Bedarf sind ein näherer Kontakt und vertie-
fende Verhandlungen im Anschluss möglich.
Insbesondere der Bereich der Projekt- und Kooperationsbörsen wird bei neuartigen Ko-
operationen und für kurzfristige Projekte verwendet, um schnell und unkompliziert mit
geeigneten Kooperationspartnern in Kontakt zu treten. Ein Beispiel für solch eine Projekt-
bzw. Kooperationsbörse stellt projektwerk.com dar (s. Abb. 324). Auf dieser kostenlosen
Börse, die sich zudem nach verschiedenen Branchen unterteilen lässt, muss zuerst vom
Projektanbieter und vom Projektsucher jeweils eine Registrierung erfolgen. Anschließend
können beide Parteien auf den Projektpool zugreifen und entweder ein entsprechendes
Projekt platzieren oder auf ein gefundenes Projekt zugreifen. Bei der Kontaktaufnahme
werden auf Wunsch keine persönlichen Daten übermittelt, sodass diese auf Wunsch auch
im ersten Schritt anonym erfolgen kann. Ferner steht neben der Börsenfunktion auch die
Möglichkeit zur Verfügung, Musterverträge z. B. für die Gründung eines virtuellen Un-
ternehmens zu kaufen (Benz 2003, S. 46). Weitere Anbieter in diesem Bereich sind z. B.
bonx.de oder gulp.de.
Bringt die Online-Partnersuche mehrere Parteien zusammen, werden im weiteren Verlauf
der Vertiefung eines Kontakts die Projektideen weiterentwickelt und konkretisiert. Die
möglichen Kooperationspartner können dabei ihre Kernkompetenzen miteinbringen und
etwaige Anforderungen formulieren, um eine erste Grundlage für eine mögliche E-
Company zu schaffen (Howaldt/Ellerkmann 2011, S. 26).
868 Die Grundlagen der E-Company
6.3.2.2 Online-Partnerauswahl
Sind die Quellen der Online-Partnersuche identifiziert und hat sich eine Gruppe potenzi-
eller Kandidaten gebildet, so kann die spezifische Partner- bzw. Teilnehmerauswahl
beginnen. Dazu existiert eine Reihe von Auswahlkriterien, die unabhängig von der Bran-
che bei der Auswahl möglicher Kooperationspartner mitbeachtet werden müssen (Benz
2003, S. 47 ff.):
Organisationsgrad: Der Definitionsgrad der Prozesse muss sich zwischen den Ko-
operationspartnern gleichen oder wenigstens kompatibel zueinander sein. Dies be-
trifft sowohl externe Prozesse (bspw. Kundenansprache) als auch interne Prozesse
(bspw. Methoden des Projektmanagements oder bestimmte Arbeitstechniken).
Ausstattung: Die technische Ausstattung ist ein weiteres Auswahlkriterium für die
Kompatibilität zwischen den Kooperationspartnern. Alleine schon die genutzten
Kommunikationssysteme lassen die Auswahl auf bestimmte Teilnehmer lenken. Aber
auch die Nutzung verschiedener „Technologiewelten“ (Microsoft vs. Apple) schließt
viele Teilnehmer für eine Unternehmenskooperation aus. Die größten Probleme erge-
ben sich jedoch bei Spezialanwendungen, die hauptsächlich für die Branche und den
Einsatz entwickelt wurden und über mehrere Gerätegenerationen am Laufen gehalten
werden (bspw. Buchhaltungssysteme).
ein Unternehmen zeigen, dass es das Konzept des virtuellen Unternehmens verstan-
den und für sich genutzt hat. Dies ist ein überzeugendes Argument für zukünftige
Kooperationspartner, insbesondere wenn sich die Unternehmens- bzw. Kooperations-
kulturen sehr stark ähneln.
6.3.2.3 Online-Partnerintegration
Nach der Auswahl der passenden Kooperationsteilnehmer geht es nun um die Partnerin-
tegration in die Wertschöpfungskette der E-Company. Dazu müssen die Schnittstellen
zwischen allen Kooperationspartnern auf technologische, technische, strukturelle, perso-
nalpolitische und informationale Integrationsmöglichkeiten überprüft werden. Sind diese
vorhanden oder eingerichtet, kann eine detaillierte Ausarbeitung dahingehend erfolgen,
dass einzelne Teilaufgaben den jeweiligen Kooperationspartner zugewiesen werden (Mer-
tens/Griese/Ehrenberg 1998, S. 104). Allerdings ist diese Art der Integration von Koope-
rationspartnern nicht für jede Unternehmensform geeignet. Für Neugründer ist es z. B.
sinnvoller, zuerst eine eigenständige Leistung am Markt und für den Kunden anzubieten,
sodass um das Unternehmen herum schließlich ein Partnernetzwerk entstehen kann (Benz
2003, S. 53). Anschließend ist die Bildung einer Netzwerkidentität für die E-Company
von Bedeutung, um nach außen am Markt ein eigenständiges Bild zu vermitteln. Dazu
können unterschiedliche Instrumente und Formen genutzt werden, z. B. Kick-off-Work-
shops, eine öffentlichkeitswirksame Konferenz oder eine konstituierende Mitgliederver-
sammlung. Diese gemeinsamen Sitzungen sind auch im weiteren Verlauf für die E-Com-
pany wichtig, da sich in regelmäßigen Abständen eine Reihe von Änderungen in den pro-
dukt- und prozessorientierten Aspekten der Wertschöpfungskette ergeben, die gemeinsam
besprochen und gestaltet werden müssen (Howaldt/Ellerkmann 2011, S. 27 f.).
870 Die Grundlagen der E-Company
Neben der Analyse der Unternehmens- und Arbeitskultur als Produkt im Kontext einer
elektronischen Kooperation (s. Kapitel 6.3.1) und der Analyse der Partner im Rahmen
einer E-Company (s. Kapitel 6.3.2) spielt auch die Strategieanalyse eine wichtige Rolle
für die Managementebene in der virtuellen Zusammenarbeit. Dabei geht es in erster Linie
um die Positionierung der initiierten E-Company im Vergleich zu konkurrierenden Unter-
nehmenskooperationen. Um dafür eine eigene Strategie entwickeln zu können, ist die ein-
gehende Betrachtung der Konkurrenz eine Grundvoraussetzung. Diesbezüglich bezieht
sich die Strategieanalyse insbesondere auf die Verzerrungen, explizite Strategien und Vor-
teile, die sich im Wettbewerb für eine E-Company eröffnen.
6.3.3.1 Online-Wettbewerbsverzerrungen
Ein Zusammenschluss mehrerer (großer) Unternehmen, die kooperativ an einem Projekt
arbeiten, steht oft im Verdacht der Wettbewerbsverzerrung. Speziell horizontal ausge-
richtete strategische Netzwerke, zu denen Dritte keinen Zugang erhalten, werden schneller
von der Konkurrenz wahrgenommen und müssen kartellrechtlich überprüft werden. Al-
lerdings grenzen sich strategische Netzwerke von Kartellen u. a. durch die allgemeinge-
haltenen Absprachen, eine unberechenbare Dynamik und durch günstige Konditionen für
den Kunden ab. Zudem sprechen mehrere Ansätze dafür, dass die Kooperation und der
Wettbewerb bei strategischen Netzwerken koexistieren können. Zum einen können die
Unternehmen durch eine Kooperation wirtschaftliche Vorteile erzielen, die wiederum ei-
nen wirtschaftlichen Nachteil für ein anderes Unternehmen darstellen. Zum anderen kön-
nen im Zeitverlauf entstandene Unternehmensbeziehungen durch neue und günstigere Un-
ternehmensbeziehungen ersetzt werden. Ein interner Wettbewerb kann auch so weit ge-
hen, dass eine Gewinnreduzierung eintreten kann. Hingegen sind virtuelle Unternehmen
von der kartellrechtlichen Prüfung ausgenommen, die vertikal agieren oder deren Angebot
stärker auf dem Weltmarkt vertreten ist. Ferner sind bei allen möglichen Bedenken die
Wettbewerbsvorteile nicht zu vergessen, die durch virtuelle Unternehmen entstehen, z. B.
die Entstehung von gleichwertigen Wettbewerbern in einem Markt, der vorher durch einen
monopolistischen Wettbewerber geprägt war. Aus diesem Grund muss im Kontext von
virtuellen Unternehmen von einem neuen Wettbewerbsverständnis ausgegangen wer-
den, in dem nicht mehr die Anzahl isolierter und unabhängiger Wirtschaftseinheiten die
Grundlage für den Markt und letztendlich den Wettbewerb darstellen. Damit wird sowohl
das kooperative Handeln von Unternehmern als auch der Fortschritt zu einem weltweiten
Wissensausgleich durch Synergieeffekte greifbarer (Krystek/Redel/Reppegather 1997,
S. 239 ff.).
Als Beispiel für eine Online-Wettbewerbsverzerrung kann ein virtueller Zusammen-
schluss von Microsoft und yahoo.com im Jahr 2009 im Rahmen einer strategischen Ko-
operation im Suchmaschinenmarkt angeführt werden. Ziel war eine gemeinsame Aktivität
im Bereich der Online-Suchanzeigen für die vereinbarte Dauer von 10 Jahren. Die Online-
Das Management bei der elektronischen Kooperation 871
Kooperation der zwei großen IT-Unternehmen haben die restlichen Wettbewerber (z. B.
google.de) sehr schnell wahrgenommen und vor den Folgen für den zukünftigen digitalen
Markt gewarnt. Damit ist für den Kunden zwar die große und bekannte Suchmaschine von
Yahoo! weggefallen, jedoch eröffnete die Kooperation in Form von bing ads (s. Abb. 325)
für Anzeigenkunden zumindest zeitweise eine ernsthafte Alternative zur dominanten Stel-
lung von google.de im Online-Anzeigenmarkt.
6.3.3.2 Online-Wettbewerbsstrategien
Die zwischen den Kooperationspartnern entwickelte und getragene Vision als Kernele-
ment der E-Company zur weiteren Integration aller Partner mündet in einer Konkretisie-
rung in Form kollektiver Strategien. Mit diesen können die strategischen Vorgehenswei-
sen der einzelnen Unternehmen unternehmensübergreifend abgestimmt und weiterentwi-
ckelt werden, um im Wettbewerb mithalten zu können. Sie sind weiterhin auf die gesamte
Umwelt des Netzwerks ausgerichtet und daher auch für den Einsatz in solch einem kom-
plexen und dynamischen Umfeld geeignet. Neben den Unternehmensstrategien der ein-
zelnen Kooperationspartner stellen ferner die Geschäftsfeldstrategien eine weitere Form
der Konkretisierung dar, die marktlichen Gegebenheiten (z. B. Kunden- und Wettbe-
werbsverhalten) sowie den technologischen Kontext noch enger einzugrenzen (s. Abb.
326). Dabei sind alle drei genannten Planungsebenen zwar eng miteinander verknüpft,
jedoch nicht hierarchisch aufgebaut (Krystek/Redel/Reppegather 1997, S. 302 ff.).
872 Die Grundlagen der E-Company
Eine kollektive Strategie in einer E-Company ermöglicht die Konstruktion einer Umwelt,
in der Entscheidungssicherheit herrscht, individuelles Wettbewerbsverhalten innerhalb
der E-Company reduziert und die Anpassungsfähigkeit verbessert wird. Im Ergebnis zielt
die kollektive Strategie auf eine Verbesserung der Wettbewerbsposition der E-Com-
pany ab und damit auch auf die Überlebensfähigkeit der kooperierenden Unternehmen.
Allerdings folgt aus diesem Nutzen auch das Risiko, dass durch eine kollektive Strategie
jedes beteiligte Unternehmen eine Inflexibilität bei seinen strategischen Entscheidungen
erleidet, weil immer auf die kollektive Strategie Rücksicht genommen werden muss. Fer-
ner können sich dadurch Störungen innerhalb des Netzwerks leichter ausbreiten und den
Markteintritt für innovative Unternehmen leichter machen, insbesondere wenn die kollek-
tive Strategie im Zeitverlauf zu einer Marktträgheit führt und damit die Förderung eigener
Innovationen verhindert wird (Krystek/Redel/Reppegather 1997, S. 304 ff.).
Netzwerkebene
(Kollektive Strategie)
Unternehmensebene
(Unternehmensstrategie)
US I US II US III US IV
Geschäftsfeldebene
(Geschäftsfeldstrategie)
Als Beispiel für eine Online-Wettbewerbsstrategie kann die Open Connectivity Founda-
tion angeführt werden (s. Abb. 327). Diese stellt den Verbund einer Vielzahl diverser, aber
primär technologieorientierter Unternehmen dar, die gemeinsam auf die Schaffung von
einheitlichen Spezifikationsstandards und Richtlinien für einheitliche Schnittstellen im
Bereich des „Internet of Things“ (s. Kapitel 1.6.4) abzielen. Die Open Connectivity Foun-
dation widmet sich den Verbrauchern, Unternehmen und Branchen, indem die Interope-
rabilität von Geräten durch die Bereitstellung einer standardisierten Kommunikations-
plattform, Überbrückungen von Spezifikationen, einer Open-Source Implementierung so-
wie eines Zertifizierungsprogramms ermöglicht wird. Somit wird die Kommunikation un-
abhängig vom Faktor, dem Betriebssystem, dem Dienstanbieter, der Übertragungstechnik
Das Management bei der elektronischen Kooperation 873
6.3.3.3 Online-Wettbewerbsvorteile
Das Hauptziel aus den Online-Wettbewerbsstrategien (s. Kapitel 6.3.3.2) ist neben der
Verbesserung der Wettbewerbssituation im relativen Vergleich zur Konkurrenz und dem
Aufbau von Erfolgspotenzialen vor allem die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen,
die durch eine Kooperation entstehen (Picot/Reichwald/Wigand 2003, S. 523). Diesbe-
züglich gestalten sich die Vorteile für eine E-Company im Online-Wettbewerb sehr viel-
fältig und beziehen sich auf die folgenden betriebswirtschaftlichen Ebenen (Bickhoff et
al. 2003, S. 4):
Ertrag: Die ertragsorientierten Vorteile zeichnen sich vornehmlich durch eine Effi-
zienzsteigerung aus, die mit einer gleichzeitigen Kostensenkung einhergehen. Zudem
werden durch den Austausch von Kernkompetenzen Synergieeffekte erzielt, die Ska-
leneffekte und damit niedrige Stückkosten fördern können.
Risiko: Durch die Aufteilung von Kosten und der Infrastruktur nimmt das Risiko für
jedes einzelne Partnerunternehmen ab. Mit Zunahme einer höheren Vernetzung kann
zudem die Kapazitätsauslastung optimiert und gleichmäßig verteilt werden.
874 Die Grundlagen der E-Company
Kunde: Für die Kunden entsteht ein hoher Mehrwert, da ihnen individuelle Gesamt-
lösungen als Produkt angeboten werden können und dies erst durch die Zusammen-
arbeit in einem Unternehmensnetzwerk möglich wird. Außerdem können virtuelle
Unternehmen dem Kunden ein breites Leistungsspektrum anbieten.
Ein weiterer Wettbewerbsvorteil ist die hohe Flexibilität in der Zusammensetzung und
Auflösung virtueller Unternehmen und die damit verbundene Steigerung der Wettbe-
werbsfähigkeit durch eine höhere Kooperationskompetenz (Albers et al. 2003, S. 12 f.).
Vor diesem Hintergrund eröffnen sich durch das Vernetzen von intelligenten Gegenstän-
den im Sinne des „Internet of Things“ (s. Kapitel 1.6.4) neue Chancen im Bereich elekt-
ronischer Kooperationen zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen. Besitzen zwei oder
mehr Kooperationspartner kompatible Schnittstellen, so können Produktionsprozesse fle-
xibel eingerichtet und auch wieder aufgehoben werden. Sowohl für Kooperationspartner
selbst als auch für Kunden können einheitliche Schnittstellen so zu Vorteilen führen.
Als Beispiel für die Realisierung von Online-Wettbewerbsvorteilen kann die Kooperation
von Bosch und IBM angeführt werden, die unlängst eine Partnerschaft eingegangen sind,
um ihren Kunden automatisierte Updates von Millionen vernetzter IoT-Geräte zu ermög-
lichen (s. Abb. 328, s. Abb. 329). Laut Pressemitteilung vom 16.02.2017 ist das Koopera-
tionsziel den Kunden „software-basierte Services der Bosch IoT Suite über die auf offenen
Standards basierenden Plattformen IBM Bluemix und IBM Watson […] zur Verfügung
zu stellen“. Dadurch können Millionen vernetzte IoT-Geräte effizient aktualisiert werden.
Welche Möglichkeiten gibt es für die Kooperationspartner ein Marketing bzw. eine
Marktbearbeitung innerhalb einer E-Company durchzuführen?
Auf die Relevanz der Analyse geeigneter Kooperationspartner in Form einer Suche, Aus-
wahl und Integration dieser wurde bereits detailliert eingegangen (s. Kapitel 6.3.2). Dane-
ben gehört für eine E-Company auch die Gewinnung der (gemeinsamen) Kunden in
Form eines mehr oder weniger gemeinsamen Marktmanagements zu den Hauptaufgaben
im aktuellen Tagesgeschäft. Denn die Netzwerke müssen ihre Leistungen auf den Markt
und letztendlich auf den Kunden ausrichten und diesen für sich gewinnen, um einen Ab-
satz zu generieren. In der Kundengewinnung bei der elektronischen Kooperation geht es
folglich um alle Maßnahmen und Rahmenbedingungen, die vom Marketing geschaffen
werden müssen, um die (zum Teil auch latenten) Anforderungen der zukünftigen Kunden
der E-Company zu erfüllen (Gölz 2003b, S. 130). Diesbezüglich werden in den folgenden
Abschnitten die individuellen und gemeinsamen Marketingstrategien aus den virtuel-
len Unternehmen heraus erläutert sowie der Aufbau und die Umsetzung von unterneh-
mensübergreifenden Markensystemen beschrieben. Im Hinblick auf die konkreten
876 Die Grundlagen der E-Company
Maßnahmen und Tools sei an dieser Stelle auf die Ausführungen zum E-Shop (s. Kapitel
3.4) verwiesen, auf die natürlich auch eine E-Company zurückgreifen kann. Somit geht es
an dieser Stelle eher um die Abstimmung zwischen den Kooperationspartnern und die
strategische Ausgestaltung des Marktauftrittes.
Als Ausgangspunkt für die Gestaltung von Werbe- und Kommunikationsmaßnahmen
stellt sich vornehmlich eine Frage: Wer will Was kommunizieren? Dabei bezeichnet das
„Wer“, ob ein einzelner Kooperationspartner (individuell) oder das gesamte Netzwerk
(kollektiv) eine Marketingmaßnahme anstößt. Hingegen wird bei dem „Was“ nach dem
Inhalt der Marketingmaßnahme gefragt, d. h. ob es um die Vermarktung der gesamten
Netzwerkkompetenz (holistisch) oder um einzelne Komponenten, z. B. Leistungen oder
Kompetenzen einzelner Partner in diesem Netzwerk geht (spezifisch). Anhand dieser Fra-
gestellung(en) lassen sich vier Dimensionen bilden und die daraus entstehenden Marke-
tingvarianten aufzeigen (s. Abb. 329), für die die Kooperationspartner entsprechende
Werbe- und Kommunikationsmaßnahmen konstruieren müssen (Gölz 2003b, S. 131).
Kollektiv
Gemeinsame Gemeinsame
Vermarktung der Vermarktung der
spezifischen gesamten
Einzelkompetenzen Netzwerkkompetenz
Außen-
auftritt
Individuelle Individuelle
Vermarktung der Vermarktung der
spezifischen gesamten
Einzelkompetenzen Netzwerkkompetenz
Individuell
Kommunikationsbezug
Spezifische Holistische
Einzelkompetenzen Netzwerkkompetenz
Vor diesem Hintergrund können auf der individuellen Ebene die Kooperationspartner al-
leine auf dem Markt auftreten, um mit spezifischen Einzelkompetenzen oder der gesamten
Netzwerkkompetenz zu werben (s. Kapitel 6.4.1.1). Demgegenüber steht die kollektive
Das Marketing bei der elektronischen Kooperation 877
Kompetenzportfolio anbieten können. Deshalb sind in diesem Fall die horizontalen Netz-
werke mit zum Teil überschneidenden Kompetenzen eher im Nachteil und mehr für die
Variante der Vermarktung der gesamten Netzwerkkompetenz geeignet. Diese Variante
wird häufig zum sog. „Vorgeldmarketing“ eingesetzt. Das bedeutet zugleich einen erheb-
lichen Aufwand zum Markenaufbau, der vornehmlich in der operativen Phase stattfindet
und sich besonders bei der Abstimmung aller beteiligten Kooperationspartner nieder-
schlägt. Zu den Maßnahmen gehören z. B. der Entwurf der Identität einer gemeinsamen
Kommunikationsstrategie unter Beibehaltung der einzelnen Markenausprägungen, Festle-
gung von Handlungsstandards für spezielle Marketingmaßnahmen und ein Monitoring der
Markenentwicklung (Gölz 2003b, S. 132 ff.).
Partnerleistung A
1
Partnermarke A
Partnerleistung B
2
Markt
3
Partnermarke A+B } Dachmarke C
2
Partnerleistung A
Partnermarke B
1
Partnerleistung B
Die Steuerung erfolgt über eine Zentrale. Alle Maßnahmen in Bezug auf die netzge-
führte Marke werden von dort aus entschieden.
Starke Zielerreichung
Trade-off
Schwache Zielerreichung
diesen sogar entgegenwirken (s. Abb. 331). Die Herausforderung besteht hierbei darin, ein
Trade-off zu erreichen, der die Verfolgung von betriebswirtschaftlichen Zielen und der
Verfolgung markenstrategischer Ziele in Einklang bringt (Kreuzpaintner 2006, S. 161 f.).
Der Produktionsfaktor Wissen nimmt in der Digitalen Wirtschaft eine gewichtigere Rolle
gegenüber den bisherigen Produktionsfaktoren in der realen Wirtschaft ein. Durch die
Möglichkeiten der E-Company bei den teilnehmenden Kooperationspartnern die Prozesse
zu restrukturieren, können Informationen in einem großen Umfang digital bereitgestellt
und nutzbar gemacht werden. Vor diesem Hintergrund hängt der Erfolg einer E-Company
von dem Informations- und Wissensaustauschs über moderne Informations- und Kommu-
nikationssysteme zwischen den Kooperationspartnern ab. Das entsprechende Wissens-
management ist daher spezifisch auf die jeweiligen Online-Unternehmen anzupassen und
das Nutzenpotenzial direkt in der Anfangsphase zu identifizieren. Trotz des Aufwands
beim Aufbau eines Wissensmanagements in einer E-Company zeichnen sich erhebliche
Vorteile ab. Zum Beispiel wird dadurch das Ressourcen- und Knowledge-Sharing zwi-
schen den Kooperationspartnern effizienter unterstützt und durch die Nutzung von syn-
chronen und asynchronen Informations- und Kommunikationsmedien die Erarbeitung von
Problemlösungen erleichtert. In diesem Kontext hat das Wissensmanagement die Auf-
gabe, die Informationen und Daten aus unterschiedlichen Quellen mit Hilfe der Informa-
tionstechnik und dem vorhandenen Kommunikationsverhalten in der Art zu verknüpfen,
dass ein Nutzen im Sinne aller abgeleiteten Ziele der E-Company geschaffen wird (Gora/
Scheid 2001, S. 16 ff.).
6.4.2.1 Online-Wissensprozesse
Das Wissensmanagement findet in einer E-Company mittels speziellen Wissensmanage-
mentsystemen phasen- bzw. prozessübergreifend statt und bildet somit einen zentralen
Aspekt in dem Lebenszyklusmodell einer E-Company (s. Kapitel 6.2.2). Es empfehlen
sich daher für jede einzelne Prozessphase ganz spezifische Informations- und Kommuni-
kationssysteme, die sowohl zur Unterstützung der einzelnen Prozessphasen dienen als
auch eine Verbindung zu einem übergreifenden Wissensmanagementsystem mit z. B. ei-
ner Erfahrungsdatenbank herstellen können. Dies hat den Vorteil, auf das Wissensmana-
gementsystem der gesamten E-Company und damit auf die relevanten Wissensinhalte
ohne Umwege und von überall aus auf der Welt online zugreifen zu können. Im Rahmen
der Einführung dieser Online-Wissensprozesse ist diesbezüglich ein tiefgreifender Wan-
del sowohl organisatorischer als auch technischer Art erforderlich. Um die üblichen Fehler
bei solch einer Implementierung zu vermeiden, ist ein ganzheitlicher Ansatz notwendig,
der die folgenden Bereiche und Aktivitäten miteinbezieht (Gora/Scheid 2001, S. 18 ff.):
Das Marketing bei der elektronischen Kooperation 881
Führung: Der Führungsaspekt ist in einer Online-Kooperation zum einen als Kon-
trollfunktion im Wissensmanagement und zum anderen als die persönliche Haltung
der einzelnen Führungskräfte zu verstehen. Dazu werden Führungs-Audits durchge-
führt, die das Führungsverhalten und die Führungsinstrumente analysieren und als
Ergebnisse die entsprechenden Leitfäden zur Personal- und Organisationsentwick-
lung ermöglichen.
Verteilung und
Diffusion
Wissensmanagement
Speicherung und
Aufbewahrung des
Wissens
Damit wird erreicht, dass kein Mitarbeiter mehr so viel Wissen wie möglich für sich
anhäuft, um dieses als Machtmittel gegenüber anderen Mitarbeitern zu missbrauchen
oder karrieretechnische Vorteile durchzusetzen. Entsprechende Maßnahmen des Ma-
nagements sind hierbei z. B. eine Politik der offenen Türen. Weiterhin kann eine of-
fene Kommunikationskultur dabei helfen, bei den Mitarbeitern Vorbehalte abzubauen
ein Wissensmanagementsystem zu nutzen und z. B. eine Erfahrungsdatenbank zu fül-
len, um möglicherweise anderen Mitarbeitern der Online-Kooperation weiterzuhel-
fen.
Losgelöst von einer prozessualen Perspektive lassen sich die Aufgaben des Wissensma-
nagements in einer Online-Kooperation mit der Gestaltung der Fachkompetenz, der in-
ternen Struktur und der externen Struktur in drei Stufen aufteilen (s. Abb. 333), um eine
höhere Flexibilität der Organisationsformen zu erreichen (Picot/Reichwald/Wigand 2003,
S. 566 f.):
Stufe 1: In der Stufe der Entwicklung und Nutzung von Fachkompetenzen geht es um
die Identifikation des für die Aufgaben notwendigen Wissens, woher dieses beschafft
werden kann und wie diese Beschaffung durch die Kooperationen aussehen könnte.
Das Marketing bei der elektronischen Kooperation 883
Stufe 2: In der Stufe der Entwicklung einer internen Struktur geht es um den Aufbau
von Infrastrukturen und Regeln, wodurch das notwendige Wissen identifiziert, reprä-
sentiert, kommuniziert und transferiert wird. In dieser Stufe steht vor allem der Ein-
satz entsprechender Partner-Datenbanken im Mittelpunkt, die eine Suche nach not-
wendigen Kompetenzen bei den Kooperationspartnern erleichtern (s. Kapitel 6.2.2.2).
Entwicklung und
• Identifizierung des erforderlichen Wissens
1 Nutzung von
• Aufbau von internem Wissens durch Qualifikationsmaßnahmen
Fachkompetenz
• Kooperation mit externen Wissensträgern
(Humankapital)
Entwicklung einer
• Organisation und Anreizsysteme
2 internen Struktur zur
• Interner Informationsfluss
Unterstützung des
• IT-Infrastruktur
Wissenstransfers
Stufe 3: In der Stufe der Gestaltung der externen Struktur geht es um die Identifika-
tion externer Wissensquellen und wie diese einbezogen werden können. Die Maßnah-
men aus der Stufe 2 lassen sich auf diese Stufe mitübertragen, da eine Unterscheidung
nach internen und externen Strukturen in einer E-Company schwierig ist. Die bedeu-
tendste externe Quelle ist jedoch der Kunde, dessen Bedürfnisse es zu identifizieren
und zu befriedigen gilt. Es ist wichtig, einen Kundenservice auch nach der Auflö-
sungsphase (s. Kapitel 6.2.2.5) anzubieten und aufrechtzuerhalten.
Somit werden gerade die Aufgaben in einer Online-Kooperation in den Mittelpunkt ge-
stellt, für die eine passende Kompetenz zu suchen ist und für die passende Strukturen ge-
staltet werden müssen. Die konkrete Gestaltung hängt auch davon ab, welches Wissen
884 Die Grundlagen der E-Company
vorhanden ist. Explizites Wissen liegt in einer leicht kommunizierbaren Form vor, wo-
hingegen implizites Wissen subjektiv und schwer artikulierbar bzw. technisch greifbar
ist. Deshalb müssen alle aufzubauenden Infrastrukturen im Wissensmanagement diese
beiden Wissenskategorien berücksichtigen (Picot/Reichwald/Wigand 2003, S. 566 f.).
6.4.2.2 Online-Wissensgemeinschaften
Weil das Wissen nicht alleine in den Datenbanken entsteht und auch nicht immer automa-
tisch von ihrem Träger trennbar ist, kann es für die jeweiligen Kooperationspartner zu-
sätzlich von Nöten sein, einen Wissensaustausch zwischen den Unternehmen oder im Un-
ternehmen selbst über spezielle Informations- und Kommunikationssysteme zu fördern.
In diesen Online-Wissensgemeinschaften geschieht ein Wissensaustausch, bei dem ein
freier Wissensfluss nicht gestört ist und von einer Atmosphäre der Offenheit und des Ver-
trauens geprägt ist, um neue Lösungsmöglichkeiten für bestehende Probleme zu entwi-
ckeln. Folgende Kernmotive stehen dabei für die Unternehmen der Online-Kooperation
im Vordergrund, um unternehmensinterne und -übergreifende Wissensgemeinschaften zu
fördern (Schmalzl/Imbery/Merkl 2004, S. 442 f.):
Person Interaktion
Motivation Intensität
Zugehörigkeit Kommunikationsform
Expertenniveau Atmosphäre
Wissensdiversität Identität
Organisatorische
Wissenstransformation
Verankerung
Person: Die Motivation der Mitarbeiter ist ein erstes Gestaltungskriterium, das nur
indirekt über die Rahmenbedingungen beeinflussbar ist. Zum Beispiel müssen ver-
pflichtende Unternehmensziele der Online-Kooperation (z. B. die Steigerung der
Kundenzufriedenheit) zusätzlich mit persönlichen Zielen in Verbindung gebracht
werden, sodass nicht nur der Mitarbeiter selbst, sondern auch das Unternehmen und
das Netzwerk von den Aktivitäten in der Wissensgemeinschaft profitiert. Die Zuge-
hörigkeit zu den Wissensgemeinschaften wird durch eine selbstorganisierte Selektion
geregelt, weil eine Kontrolle von außen (z. B. durch Quotendenken oder durch spezi-
ell berufene Mitglieder, die das Management vertreten) zu unvorhergesehenen Kon-
flikten führen kann und damit das Vertrauen in der Wissensgemeinschaft zerstört
wird. Ferner ist das Expertisenniveau direkt gestaltbar. Dieses wird durch Kenner (mit
geringen Anwendungserfahrungen), Könner (mit vertiefenden Anwendungserfahrun-
gen) und Experten (mit führenden Kompetenzen) innerhalb der E-Company differen-
ziert. Neben dem Expertisenniveau unterscheiden sich die Personen auch durch die
Wissensdiversität, also den unterschiedlichen Erfahrungswerten, die sowohl einen
fachlichen als auch einen kulturellen Hintergrund haben können.
6.4.2.3 Online-Wissensleitlinien
Die Orientierung an Online-Leitlinien für das Wissensmanagement in Online-Koopera-
tionen resultiert aus den Schwierigkeiten und Problemen, ein wirksames Wissensmanage-
ment in einem Online-Kooperationsnetzwerk durchzusetzen. Zum Großteil werden die fi-
nanziellen, zeitlichen und personellen Anforderungen der Pflege und Nutzung der Infor-
mations- und Kommunikationssysteme unterschätzt. Zum Beispiel rechtfertigt der Nutzen
beim Auffinden des gesuchten Wissens nicht den hohen Aufwand des Aufbaus der Wis-
sensbasis und das Einpflegen der Wissensbestände. Als Lösung gilt in diesem Fall der
Weg zu einer Form des Wissensmanagements, die auf eine Gesamtzirkulation von Infor-
mationen, Wissen und Erfahrungen hochselektiv und konzentriert zugreift. Dies geschieht
weniger durch bestimmte Methoden, sondern mehr durch die Einhaltung von Leitlinien,
die den Mitarbeiter in den Mittelpunkt rücken und für alle Kooperationspartner eine Gül-
tigkeit besitzen (Killich/Kopp 2011, S. 144 f.). Diesbezüglich lassen sich sechs zentrale
Leitlinien zusammenfassen, die für die Planung und Durchführung eines wirksamen Wis-
sensmanagements in einem Online-Unternehmensnetzwerk empfohlen werden (Kil-
lich/Kopp 2011, S. 144 ff.):
nagement einen hohen Wirkungsgrad in Bezug auf die Strategie- und Zielerreichung
auf.
Leitlinie 5 (Wissensmanagement sollte Wissen zur Wirkung bringen und nicht kon-
servieren): Der klassische Ansatz des Wissensmanagements erreicht seine Wirkung
in einem Online-Kooperationsnetzwerk nur unzureichend. Wird jedes wertvolle Wis-
sen von Wissensträgern in einem Wissensmanagementsystem dokumentiert, katego-
risiert und archiviert, kann dies in einem umfangreichen Netzwerk, bei dem eine zum
Teil unüberschaubare Anzahl an Mitarbeitern Zugriff haben, den eigentlichen Nutzen
verfehlen und sich sehr schnell überladen. Die Mitarbeiter sind dann nur noch mit
einer aufwändigen Pflege und Suche von Wissensbeständen beschäftigt. Da in einem
Online-Kooperationsnetz vor allem das Erfahrungswissen zählt, kann es erst so rich-
tig bei einer Vernetzung von Experten und einer direkten Kommunikation die Wir-
kung erzielen, die ein konservierter und abgelegter Wissensbestand nicht erreicht. Die
Hauptaufgabe des Wissensmanagements in Online-Kooperationsnetzwerken ist dem-
nach, die einzelnen Wissensträger und Wissensempfänger zu identifizieren, zu akti-
vieren und über passende Kommunikationsformen zu verbinden. So kann eine auf das
Problem zugeschnittene Wissensaggregation stattfinden, die sich den einzelnen Be-
dürfnissen anpasst und einen effektiven Wissensaustausch, z. B. in Wissensgemein-
schaften (s. Kapitel 6.4.2.2), zulässt. Dabei werden die digitale Wissensarchivierung
und die informationstechnische Unterstützung auf ein Minimum reduziert, um auch
den Fehler zu vermeiden, die Qualität des Wissensmanagements nicht an der Anzahl
der (möglichen) Wissensbestände zu messen, sondern wie diese in einen Nutzen per-
formant umgesetzt werden können.
Welche Phasen lassen sich für die Projektplanung erkennen und welche relevanten
Tätigkeiten sind bei der Implementierung von E-Company-Systemen anzuführen?
Die Implementierung bei der elektronischen Kooperation 891
Wie definiert man eine übergreifende Strategie für ein E-Company-System und wie
wird diese in ein konkretes Konzept umgesetzt?
6.5.1.1 Erfolgsfaktoren
Die Erfolgsfaktoren einer E-Company stellen sicher, ob ein Erfolg erreicht werden kann
oder nicht. Der Erfolg misst sich primär an den Zielen, die bei der Initiierung der Koope-
ration (s. Kapitel 6.2.2.2) vereinbart wurden. Für eine erste Übersicht können die relevan-
ten Erfolgsfaktoren bei der Implementierung einer E-Company vor diesem Hintergrund
892 Die Grundlagen der E-Company
insbesondere in vier thematisch unabhängige Bereiche (s. Abb. 335) unterteilt werden
(Bickhoff et al. 2003, S. 58 f.):
Netzwerkfähigkeit der Partner: Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren ist die Fähig-
keit der Kooperationspartner, in einem Netzwerk zu agieren. Diesbezüglich sind
schon vorhandene Erfahrungen innerhalb einer E-Company sowie eine hohe Koope-
rations- und Lernbereitschaft, die eine Identifikation mit der E-Company mit sich
bringt, von Vorteil.
„Fit“ der Partner: Passen die Kooperationspartner zueinander, ist dies ein weiterer
wichtiger Erfolgsfaktor. Das bedeutet, dass die Kooperationspartner die gleichen
Werte, Prinzipien und Ziele vertreten und ähnliche Erfahrungen vorzuweisen haben.
Zusätzlich ergeben sich weitere Vorteile aus komplementären Kernkompetenzen, ei-
ner geringen kulturellen Distanz und der Bereitschaft, voneinander zu lernen.
Mitteleinflussreiche
Erfolgsfaktoren
Klare Definition
Gute Grundlage
der gemeinsamen
der Kooperation
Ziele
E-Company
Netzwerkfähigkeit
„Fit” der Partner
der Partner
Hocheinflussreiche
Erfolgsfaktoren
Gute Grundlage der Kooperation: Eine gute Grundlage einer Kooperation ist, im
Sinne einer passenden Ausstattung und Durchführung, für jeden Kooperationspartner
unerlässlich. Unter die Ausstattung fallen speziell die Qualität der Ressourcen, das
Management und die Mitarbeiter mit ihren Kernkompetenzen sowie eine wirtschaft-
liche Unabhängigkeit der Kooperationspartner. Eine erfolgreiche Durchführung der
Die Implementierung bei der elektronischen Kooperation 893
Klare Definition der gemeinsamen Ziele: Die Festlegung der Ziele der Kooperation
sind mitentscheidend für den Erfolg einer E-Company. Dabei legen die Kooperati-
onspartner zwar gemeinsame Ziele für die E-Company fest, sind dabei aber auch be-
dacht, die eigenen Unternehmensziele zu erreichen und nicht zu vernachlässigen.
Selektion der Kooperationspartner: Die Auswahl und spätere Integration von pas-
senden Kooperationspartnern ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für eine E-Company.
Dabei spielen die Qualität der Kooperationspartner (z. B. in Form der Kooperati-
ons-/Lernbereitschaft und Zuverlässigkeit), der „Fit“ der Kooperationspartner (z. B.
in Form der Ergänzung von Kernkompetenzen) und die gemeinsame Definition von
Zielen und Anforderungen zwischen den Kooperationspartnern eine entscheidende
Rolle.
6.5.1.2 Unternehmensanalyse
Den Ausgangspunkt der Zustimmung zu einer Kooperation bildet in der Regel eine Un-
ternehmensanalyse, in der insbesondere die vorhandenen Unternehmensstrukturen bzw.
die organisatorischen und strategischen Rahmenbedingungen untersucht werden. Eine
Analyse der möglichen Kooperationsfelder, in denen eine mögliche E-Company agieren
kann, bildet den ersten Schritt der Unternehmensanalyse. Die Bandbreite möglicher Ko-
operationsfelder geht dabei von einfachen Kooperationen im Einkauf, im Vertrieb, über
Kooperationen in der Verwaltung bis hin zu Forschung- und Entwicklungskooperationen
(Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie 2003, S. 8 ff.). In jedem Fall steht die
Zusammenlegung von Unternehmensteilen oder Ressourcen mit den Kooperationspart-
nern im Mittelpunkt. Deshalb ist im weiteren Verlauf der Unternehmensanalyse eine um-
fassende Sichtweise einzunehmen, die sich in Form von zentralen Bausteinen für einen
nachhaltigen Aufbau und Betrieb eines Kooperationsnetzwerks wiederspiegelt (s. Abb.
337). Alle Elemente stehen im Wechselspiel zueinander und bilden ein Ganzes, damit das
Netzwerk funktionieren kann. Einzig die Netzwerkkultur (s. Kapitel 6.3.1) wird als Quer-
schnittsaufgabe über die anderen Elemente hinweg verstanden und ist deshalb für jedes
Kooperationsnetzwerk von zentraler Bedeutung (Plüss et al. 2005, S. 21 ff.):
Vision, Strategie, Ziele: Der Kern eines Unternehmensnetzwerks wird durch die Vi-
sion, die Strategie und die Ziele aller Kooperationspartner geprägt. Ist die Vision
durch einen partizipativen Prozess zwischen den Kooperationspartnern festgelegt
worden, so kann eine Strategie abgeleitet werden, die von allen Partnern umgesetzt
wird. Ferner werden auch die zugehörigen Ziele kommuniziert und abgestimmt.
der passenden Partner von Bedeutung, damit eine gerechte Verteilung der Verantwor-
tung und der Aufgaben möglich ist.
Markt, Kunde
Netzwerkkultur
Vision, Strategie, Ziele
Personalentwicklung
Netzwerkweiterentwicklung
Organisation, Recht und Finanzen: Die organisatorischen Aspekte sind sowohl für
die auftragsabhängigen als auch für die auftragsunabhängigen Teile des Unterneh-
mensnetzwerks relevant. Die Hauptaufgabe ist die Einrichtung der passendsten Orga-
nisationsform für alle jeweiligen Kooperationspartner, um eine effektive und effizi-
ente Arbeit zu gewährleisten. Weiterhin sind rechtliche Fragen bezüglich der Unter-
nehmenskooperation und die unterschiedlichen Finanzierungsaspekte zu klären.
896 Die Grundlagen der E-Company
Medien und Kommunikation: Die Medien und vor allem die Kommunikation sind
wichtige Elemente in einem Unternehmensnetzwerk. Ist ein Vertrauen aufgebaut oder
schon vorhanden, kann diese Kultur durch Informations- und Kommunikationssys-
teme weiter unterstützt werden. Dabei helfen insbesondere flexible Rollen und Re-
geln, um die Prozesse in der Wertschöpfungskette innerhalb der Netzwerkunterneh-
men dynamisch anzupassen.
6.5.1.3 Teilnehmeranalyse
Einen der wichtigsten Erfolgsfaktoren zur Gründung einer E-Company bilden die Koope-
rationspartner (s. Kapitel 6.5.1.1). Umso wichtiger ist dabei die vorhergehende Analyse
dieser (s. Kapitel 6.3.2) und die entsprechende Delegation von Aufgaben innerhalb der
E-Company. Hilfreich bei der Teilnehmeranalyse sind Partnerprofile, die die „indivi-
duelle Vernetzung von Geschäftspartnern auf der Basis von standardisierten Koordinati-
onsleistungen“ (Fleisch 2001, S. 230) wiedergeben. Mit den Partnerprofilen können spe-
zielle Anforderungen der Kooperationspartner festgehalten und bspw. standardisierte
Konfigurationsleistungen definiert werden. Aus den folgenden vier Aspekten setzen sich
die Partnerprofile zusammen (Fleisch 2001, S. 230 ff.):
Die Treiber der Geschäftsbeziehungen bestimmen die Gestaltung der gesamten Ge-
schäftsbeziehung. Diese Treiber können tabellarisch in dem Partnerprofil festgehalten
und nach verschiedenen Ebenen strukturiert werden. Dadurch ist eine anschließende
Einteilung der Kooperationspartner in verschiedene Klassen möglich.
Abgeleitet aus den festgelegten Treibern der Geschäftsbeziehung und den standardi-
sierten Koordinationsleistungen wird aus den partnerspezifischen Anforderungen das
partnerspezifische Leistungsbündel abgeleitet.
pitel 6.2.2) ist ein Erfolg sowohl für das Netzwerk im Ganzen als auch für die Kooperati-
onspartner im Einzelnen nur gegeben, wenn alle Kooperationspartner ein Netzwerkdenken
etablieren (Plüss/Huber 2005a, S. 36 f.). Damit sich jeder Kooperationspartner im Netz-
werk mit seinen Aufgaben identifizieren kann, ist die Rollenverteilung ein geeignetes
Mittel. Mit einer Rolle sind bestimmte Aufgaben und Verantwortlichkeiten verbunden,
die von verschiedenen Personen wahrgenommen werden können. Folgende Rollen kön-
nen vor diesem Hintergrund z. B. festgelegt und im Netzwerk etabliert werden (Plüss/Hu-
ber 2005a, S. 38 ff.):
Alle Kooperationspartner haben die Rolle des Netzwerkpartners inne, mit der be-
stimmte Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten verbunden sind, sodass
dem gesamten Netzwerk geholfen werden kann. Dazu gehört in diesem Zusammen-
hang z. B. die Auftragsakquise, die Zielerreichung oder die Teilnahme an regelmäßi-
gen Netzwerktreffen.
Die Rolle des Netzwerkmanagers ist eine wichtige Position und beinhaltet u. a. die
Gestaltung der Prozesse und die Bildung von operationalen Strukturen. Weitere Ma-
nagementaufgaben sind z. B. die Überprüfung der Tätigkeiten des Netzwerks, die
Bündelung der Aktivitäten der Kooperationspartner, die Harmonisierung der Partner-
ziele mit den definierten Netzwerkzielen und insbesondere die Präsentation nach au-
ßen.
Nach dem Netzwerkmanager ist der Netzwerkcoach weniger im Bereich des Mana-
gements, sondern mehr in den unterstützenden Aufgaben und Prozessen zu finden.
Wegen der Distanz zum Management gilt er als Vertrauensperson, die den Kontakt
zwischen dem Netzwerkmanagement und den Netzwerkpartnern stabil hält. Zu seinen
Aufgaben zählen zusätzlich z. B. die Einführung neuer Netzwerkpartner, die Sicher-
stellung der Einhaltung von Rollen und Regeln, die Unterstützung bei Veränderungs-
prozessen und die wissenschaftliche Begleitung der Netzwerkprojekte.
6.5.1.4 Prozessanalyse
In der Prozessanalyse stehen die unternehmensübergreifenden Planungs- und Durchfüh-
rungsprozesse im Mittelpunkt. Diese Koordination von essentiellen Prozessen ist für die
E-Company von zentraler Bedeutung, weil dies nicht nur die unternehmensinternen Pro-
zesse betrifft, sondern auch z. B. die Bereiche Lieferanten-, Partner- und Kundenbezie-
hung. Für die Bewertung der Koordinationsqualität von Prozessen gibt es unterschied-
liche Kriterien (Fleisch 2001, S. 221 ff.):
Kardinalität: Die m:n-Vernetzung ist das Ziel beim Einsatz von Kardinalität in der
Prozesskoordination. Damit ist es möglich z. B. m Einkaufsprozesse mit n Verkaufs-
prozessen koordinieren zu können. Die Vernetzung mit einer hohen Kardinalität hat
den Vorteil, von Netzwerkeffekten zu profitieren und ermöglicht damit komplett neu-
artige Koordinationsmechanismen.
Flexibilität: Durch die schnelle Anpassung an neue Anforderungen lassen sich Pro-
zesse als netzwerkfähig deklarieren. Im Gegensatz zu den anderen Kriterien ist in
diesem Fall eine enge Kopplung von Nachteil. Insbesondere die Integrationsform ist
hier über die Flexibilität entscheidend.
Zur Bewertung der Koordinationsqualität lassen sich die Kriterien und deren jeweiliges
Ziel der Prozessgestaltung in einer Tabelle auflisten und den Koordinationsmechanismen
Die Implementierung bei der elektronischen Kooperation 899
gegenüber stellen (s. Abb. 338). Durch diese Übersicht welche Koordinationsmechanis-
men welche Kriterien und Ziele der Prozessgestaltung beeinflussen, ist die Erfassung eines
Ist-Zustands möglich und es ist leichter erkennbar, in welchen Bereichen vor diesem Hin-
tergrund noch Potenziale zur Steigerung der Netzwerkfähigkeit von Prozessen bestehen.
Kardinalität m:n-Vernetzung
X X
Die Wichtigkeit einer guten Koordinationsqualität wird deutlich, wenn man sich das Prin-
zip der Industrie 4.0 (s. Kapitel 1.6.4) als aktuelles Anwendungsbeispiel vor Augen führt.
Dabei geht es um die vollkommen intelligent vernetzte Fabrik, bei der die physischen
Komponenten wie bspw. Maschinen und Rechner im Sinne des „Internet der Dinge“ vir-
tuell verbunden sind mit den Systemen von bspw. Lieferanten und durch definierte Algo-
rithmen eine Automatisierung von Ablaufprozessen innerhalb eines Unternehmens be-
wirkt werden kann, was zur Effizienzsteigerung beiträgt (Bundesministerium für Bildung
und Forschung 2014). Um die Koordinationsqualität der Industrie 4.0 in Deutschland und
somit die Wettbewerbsfähigkeit des gesamten Landes zu steigern wurde durch die Bun-
desregierung im Rahmen der High-Tech Strategie 2020 das Zukunftsprojekt Industrie 4.0
aufgesetzt. Ziel dieses Projektes ist es, die „rasante gesellschaftliche und technologische
Entwicklung in diesem Bereich“ aufzugreifen und „Strukturen für die Zusammenarbeit
aller Akteure des Innovationsgeschehens in Deutschland“ zu legen (Bundesministerium
für Wirtschaft und Energie 2018b). Das von der Bundesregierung initiierte Projekt wurde
durch die Wirtschaftsverbände BITKOM, VDMA und ZVEI aufgegriffen und fortgeführt.
Auf Basis einer Kooperationsvereinbarung zwischen den Akteuren ging die Plattform In-
dustrie 4.0 hervor, die fortan von diesen Verbänden betrieben wird und die Möglichkeit
zum Dialog und Austausch zwischen den Akteuren bieten soll (Bundesministerium für
Wirtschaft und Energie 2018b).
Im Allgemeinen wird deutlich, dass „Industrie 4.0“ nicht mit „Digitale Wirtschaft“ gleich-
zusetzen ist, da die Digitalisierung von innerbetrieblichen Produktionsprozessen bzw. die
900 Die Grundlagen der E-Company
Informatisierung der Fertigungstechnik zwar notwendig, aber eben nicht hinreichend ist
für die Wirksamkeit zugehöriger digitaler Geschäftsmodelle im Online-Wettbewerb. Ent-
sprechend steht die Digitale Wirtschaft (digitale Plattformen; datengetriebene Geschäfts-
modelle) als wesentliche Säule einer wirtschaftspolitischen Betrachtung gleichberechtigt
neben der Industrie 4.0 (digitale Fabrik; datengetriebene Produktion) und dem Breitband
(digitale Infrastruktur; datengetriebene Leitungen).
6.5.1.5 Projektorganisation
Durch die auftragsunabhängigen wie gleichzeitig auch auftragsabhängigen Charakteris-
tika einer E-Company ist hierbei die größte Herausforderung, eine passende Organisati-
onsform entsprechend der Auftragslage und der vorhandenen Strukturen in der E-Com-
pany einzurichten. Die Unterscheidung der auftragsunabhängigen Organisation (zur lang-
fristigen Kooperation) und der auftragsabhängigen Organisation (zur kurzfristigen Koope-
ration) spiegelt sich in unterschiedlichen Merkmalen, Aufgaben und Anforderungen, de-
nen die Organisationformen begegnen müssen, wider (s. Abb. 339). Jedoch besteht bei
beiden Formen der Bedarf einer Flexibilität, da beide Formen auch fließend ineinander
übergehen müssen (Freitag/Plüss 2005, S. 68 f.).
Auftragsunabhängige Auftragsabhängige
Organisation Organisation
• Information • Entwicklung
• Vertrauensbildung (Produkt/Prozess)
• Kooperationsfähigkeit • Auftragsakquisition
Aufgaben
• Projektgenerierung • Auftragsabwicklung
• Marketing • Prozessoptimierungen
• Kompetenzentwicklung
Starres Kooperationsnetzwerk
IKT-Plattform
Flexibles Kooperationsnetzwerk
IKT-Plattform
Ebene 1: In der Ebene der einzelnen Unternehmen läuft die Kommunikation sowohl
zum gesamten Kooperationsnetzwerk als auch zum Kunden über eine Schnittstelle
zum Internet. Über einen passwortgeschützten Bereich können die Unternehmen so
z. B. auf die wichtigsten Daten aus dem Kooperationsnetzwerk zugreifen. Die tech-
nische Infrastruktur wird über Web-Services (s. Kapitel 6.1.3.2) realisiert.
4. Marktschnittstellen
(Integration und Kommunikation mit Kunden und Lieferanten)
3. Netzwerkübergreifende Schnittstellen
(Integration der überbetrieblichen Abläufe)
Netzwerk B Netzwerk D
Netzwerk C
2. Netzwerkinterne Schnittstellen
(Integration der innerbetrieblichen Abläufe)
Kooperationsnetzwerk A
Unternehmen 2 Unternehmen 3
6.5.1.6 Projektkalkulation
Die Projektkalkulation ist neben dem Nutzen einer Kooperationsbeteiligung der wich-
tigste Faktor, wenn sich Unternehmen überlegen, in einer E-Company mitzuwirken. Zwar
werden die Ausgaben von allen Kooperationspartnern im Netzwerk getragen, jedoch hängt
ihre Höhe insbesondere von der Rolle des Kooperationspartners und dessen Rechtsform
ab. Deshalb empfiehlt es sich z. B. vor der Anschaffung neuer Räumlichkeiten oder der
Einstellung neuer Mitarbeiter, eine Ressourcenüberprüfung durchzuführen und festzustel-
len, ob nicht vorhandene materielle oder personelle Ressourcen in das Netzwerk mitein-
gebracht werden können, sodass sich die verteilten Kosten für jeden Kooperationspartner
in Grenzen halten. Die üblichen Umlageverfahren (nach Verteilungsschlüsseln) im Hin-
blick auf die Kosten im Kooperationsnetzwerk werden z. B. nach einem Festbetrag oder
nach der Unternehmensgröße (Mitarbeiter oder Umsatz) geregelt. Diesbezüglich muss das
Netzwerkmanagement die Kosten und den Nutzen jeder einzelnen Aktivität in Bezug auf
die Leistungsfähigkeit und die Gewinnaussichten des Kooperationsnetzwerks abwägen
und auf die einzelnen Kooperationspartner verteilen (Freitag/Plüss 2005, S. 79). In der
folgenden Abbildung sind die typischen zu finanzierenden Aktivitäten innerhalb der Pro-
jektarbeit und der Projektphasen mit den ihnen zugehörigen Finanzierungsquellen dar-
gestellt (s. Abb. 342).
Eine vertiefende Projektkalkulation schlägt sich auch im Controlling nieder. Es wird da-
bei zwischen dem Controlling in den einzelnen Kooperationsunternehmen (mit Orientie-
rung an den Unternehmenszielen) und dem Controlling des gesamten Kooperationsnetz-
werks unterschieden. Dieses hat zum Ziel, ein Gesamtoptimum aller definierten Projekt-
ziele beim Projektabschluss zu erreichen. Dazu werden in der Vereinbarungsphase (s. Ka-
pitel 6.2.2.3) eine Planung auf Kapazitäts-, Termin- und Kostenebene durchgeführt und
904 Die Grundlagen der E-Company
der Gesamtaufwand geschätzt. In der operativen Phase (s. Kapitel 6.2.2.4) können diese
Planzahlen mittels regelmäßiger Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen kontrolliert
werden (Mertens/Griese/Ehrenberg 1998, S. 118). Dafür bieten sich dann spezielle Kenn-
zahlen an, die sich für das Management einfacher überblicken lassen, bspw. finanzielle
Kennzahlen (Umsatz mit Kunden außerhalb des Netzwerks, Umsatz mit Partnerunterneh-
men, Einnahmen und Ausgaben für das Netzwerk etc.), Kundenkennzahlen (Anzahl neuer
Kunden, Anzahl gewonnener Aufträge, Anzahl vermittelter Kundenkontakte etc.) und
Kennzahlen zur Kooperation selbst (Zufriedenheitsindex der Partner, Anzahl gemeinsa-
mer Netzwerkauftritte, Anzahl der Partner im Projekt etc.; Plüss 2005, S. 148 f.).
Neben den Planungsgrößen stehen auch die Projektziele der Kooperationspartner und des
Netzwerks im Mittelpunkt des Projektcontrollings. Durch die Operationalisierung der
Ziele und deren damit einhergehende Messbarkeit können die Planungsgrößen noch exak-
ter kontrolliert und überwacht werden. Zur besseren Unterstützung des Managements bie-
ten sich ebenso Führungsinformationssysteme an (s. Kapitel 6.1.2.3), die die wichtigs-
ten Kennzahlen aktuell aufbereiten und bereitstellen können. Daraus werden entsprechen-
de Handlungsalternativen mit ihren voraussichtlichen Konsequenzen in Bezug auf be-
stimmte Entscheidungen des Managements entwickelt (Mertens/Griese/Ehrenberg 1998,
S. 118).
Die Implementierung bei der elektronischen Kooperation 905
Planung und
Konsolidierung
Rückblick und Bewertung
zwischen Netzwerk
Kontinuierlicher und Partner
Verbesserungsprozess
des Controllings
Ferner ist eine Abstimmung der Ziele der Kooperationspartner und des Netzwerks ein
wesentlicher Prozess, der einer kontinuierlichen Überwachung unterliegt. Damit kann si-
chergestellt werden, dass die Ziele der einzelnen Kooperationspartner sich nicht von den
Zielen des gesamten Kooperationsnetzwerks wegbewegen. Der Netzwerk-Controlling-
Prozess umfasst fünf verschiedene Phasen (s. Abb. 343). Zuerst werden die Ziele der Ko-
operationspartner und des Netzwerks ausgehend von der aktuellen Strategie für eine vor-
her definierte Zeitperiode abgeleitet und festgelegt. Danach können die netzwerkspezifi-
schen Parameter, die sowohl für die einzelnen Kooperationspartner als auch für das Netz-
werk gültig sind, verbindlich festgelegt und implementiert werden. Nach einer vorher de-
finierten Zeit werden diese überprüft und ggf. korrigiert. Am Ende der festgelegten Zeit-
periode wird die Zielerreichung bewertet und die Strategie dahingehend angepasst, sodass
der Prozess wieder von vorne losgehen kann (Plüss 2005, S. 147 f.).
Basierend auf den Ergebnissen der initialen Projektplanung (s. Kapitel 6.5.1) kann nun die
technische und betriebswirtschaftliche Projektumsetzung erfolgen. Die unternehmens-
weite Implementierung lässt sich dabei in verschiedene Projektphasen einteilen. Abb.
344 gibt dazu einen Überblick über die wesentlichen Aktivitäten eines Projekts und setzt
diese in eine sukzessive Ablauffolge. Dargestellt ist ein aus der vorhandenen Literatur
906 Die Grundlagen der E-Company
hige Pilotlösung für die für das Pilotprojekt ausgewählten Teilnehmer und Objekte imple-
mentiert. Dies beinhaltet die Entwicklung zusätzlicher Funktionalitäten, die Integration
bestehender Systeme, die Realisierung von Netzwerkverbindungen und die erstmalige An-
bindung an das Internet. In der abschließenden Phase Systemeinführung (s. Kapitel 6.5.
2.4) werden die mit den Pilotteilnehmern und den ersten Probe-Transaktionen gemachten
Erfahrungen dokumentiert und die sich daraus ergebenden zusätzlichen Anforderungen an
die Systemlösung nachträglich ins Pflichtenheft aufgenommen. Notwendige Änderungen
werden iterativ während der Einführungsphase implementiert.
Kick-Off-Phase
Projekt- Projekt-
auftrag organisation
Analysephase
Abgrenzung Projekt-
Ist-Zustand
Pilotprojekt kalkulation
Systemauswahl
vorläufiges Vertrag
Soll-Konzept
Systemgestaltung
Integrations-
Soll-Ablauf Pflichtenheft
bedarf
Systemaufbau
Pilot-
system
Systemeinführung
System
(Launch)
6.5.2.1 Systemauswahl
Neben den organisatorischen Komponenten sollten die Kooperationspartner einer E-Com-
pany insbesondere im Rahmen der Systemauswahl zunächst die technischen Komponen-
ten berücksichtigen, die die Handhabung der Informationssysteme für alle Kooperations-
908 Die Grundlagen der E-Company
partner vereinfachen. Dazu wird mit dem Schritt der Definition einer Startlösung das Ziel
verfolgt, die Erhebung des aktuellen Wissensstands für das Projektteam aller Netzwerk-
partner sowie die Definition möglicher Richtungen der Integration von den vorhandenen
Informationssystemen der einzelnen Kooperationspartner durchzuführen. Durch das früh-
zeitige Abfragen des vorhandenen Wissens kann zudem im Rahmen eines Change Ma-
nagements eine frühzeitige Einbeziehung von relevanten Stakeholdern in die Entschei-
dungsfindung erfolgen. Zu beachten sind spezielle Integrationsaspekte, die in der Phase
der Systemauswahl grundlegend mit allen Kooperationspartnern zu klären sind. Dabei
geht es vor allem um die Frage der Reichweite und die Richtung der Integration. Über
die Reichweite kann die Integration zum einen innerhalb eines Kooperationsnetzwerks
erfolgen und zum anderen über das Kooperationsnetzwerk hinaus mit anderen Netzwerken
oder Institutionen. Bei der Richtung der Integration wird die Frage nach den Integrations-
bereichen gestellt. Hier werden die Integrationsbereiche aufgedeckt, die möglichst eng
gekoppelt werden müssen oder – im Gegensatz dazu – auf keinen Fall einer engen Integra-
tion unterliegen dürfen, weil sie z. B. nicht unter einer geringen Flexibilität leiden dürfen
(Fleisch 2001, S. 241 f.).
Sind die möglichen Startlösungen in Bezug auf das System definiert und die Integrations-
reichweite als auch -richtung unter allen Kooperationspartnern ausgewählt, so ist eine Ab-
leitung und Bewertung von Lösungsalternativen möglich. Dazu reicht es aus, die Bewer-
tung mittels einer Nutzwert-Analyse bzw. eines Scoring-Modells durchzuführen, sodass
sich die Lösungsalternativen über die Nutzwerte (resultierend aus dem gewichteten Ziel-
system) vergleichen lassen und die optimale Lösung mit dem höchsten Nutzwert für alle
Kooperationspartner gefunden werden kann (Fleisch 2001, S. 253).
6.5.2.2 Systemgestaltung
Ist unter allen relevanten Kooperationspartnern die Entscheidung für eine Systemlösung
(s. Kapitel 6.5.2.1) gefallen, gilt es nun, im Rahmen der Systemgestaltung basierend auf
den in der Analysephase erhobenen Rahmenbedingungen und Ist-Abläufen die zukünfti-
gen Soll-Abläufe zu definieren bzw. das schon in den ersten Zügen vorhandene Soll-Kon-
zept durch eine Gestaltung und Sicherstellung der Netzwerkfähigkeit weiter auszubauen.
Diese beinhaltet insbesondere die Gestaltung der Leistungen, Prozesse (s. Kapitel 6.5.1.4)
und Informationssysteme der E-Company (s. Abb. 345). Für den Erhalt der Netzwerkfä-
higkeit resultieren die Leistungen aus den Prozessen und sind eng an diese gekoppelt.
Damit ist auch die Gestaltung von Leistungen mit der Gestaltung der entsprechenden Pro-
zesse eng verbunden. Diesbezüglich gibt es mehrere Kriterien zur passenden Leistungs-
gestaltung und den Zielen, die damit erreicht werden können (Fleisch 2001, S. 219 ff.):
Netzwerk: Die Leistungsgestaltung innerhalb des Netzwerks bietet für alle Koopera-
tionspartner den Vorteil von Netzwerkeffekten, die z. B. Skaleneffekte und Bünde-
lungseffekte mit sich bringen.
Zum weiteren Erhalt und Ausbau der Netzwerkfähigkeit ist die Gestaltung der Informa-
tionssysteme und deren Vernetzung zwischen den Kooperationspartnern besonders wich-
tig. Die Vernetzung ist vor diesem Hintergrund die Grundlage zur Gestaltung von neuen
Leistungen, Geschäftsbeziehungen und Organisationsstrukturen. Diesbezüglich gibt es
910 Die Grundlagen der E-Company
folgende Kriterien und Ziele, die bei der Gestaltung von Informationssystemen relevant
sind (Fleisch 2001, S. 223 ff.):
Technische Integration: Das Ziel der technischen Integration ist der automatische
Austausch von Informationen zwischen verschiedenen Informationssystemen. Hier-
bei steht die Nutzung von gemeinsamen Standards und gemeinsamer Infrastruktur im
Mittelpunkt.
6.5.2.3 Systemaufbau
Nach Auswahl der Systemlösung (s. Kapitel 6.5.2.1) und der darauf aufbauenden Sys-
temgestaltung (s. Kapitel 6.5.2.2), steht nun der Systemaufbau im Mittelpunkt, der sich
entsprechend an den individuellen betriebswirtschaftlichen und technischen Anforderun-
gen der Kooperationspartner orientieren muss. Damit erfolgen die technische Umsetzung
des Projekts und dadurch die eigentliche Realisierung der E-Company auf Basis des
Pflichtenheftes. Der zeitliche Ablauf der technischen Umsetzung kann wie folgt beschrie-
ben werden (Eggers/Hoppen 2001, S. 684 ff.):
Prototyp: Liegt ein abgestimmtes Design-Konzept vor, so kann ein Prototyp eines
gemeinsamen E-Company-Systems realisiert werden. Nachdem die Hardware-Kom-
ponenten bei allen Kooperationspartnern installiert wurden, werden darauf aufbauend
die nötige Standardsoftware eingebunden und bei Bedarf unternehmensspezifische
Applikationen erstellt.
Datenübernahme/-pflege: Nachdem der Prototyp erstellt worden ist, können die be-
stehenden Daten aus den Informationssystemen der Kooperationspartner übernom-
men oder direkt in die Datenbank(en) eingepflegt werden.
Die Implementierung bei der elektronischen Kooperation 911
Front-End: Zu den Schnittstellen zählt indirekt auch das Front-End. Allerdings steht
dort nicht der Datenaustausch im Mittelpunkt, sondern die visuelle Schnittstelle zum
Benutzer. Entsprechend muss das Front-End optisch ansprechend und intuitiv aufge-
baut sein.
Das Ergebnis des Systemaufbaus ist eine lauffähige Systemlösung, die in der nun folgen-
den Pilotphase der Systemeinführung genutzt werden kann.
6.5.2.4 Systemeinführung
Nach dem Systemaufbau (s. Kapitel 6.5.2.3) führt das Projektteam im Rahmen der Syste-
meinführung zu Anfang weitere kontinuierliche Tests durch. Das System wird zunächst
als Pilotlösung mit wenigen Benutzern und ausgewählten Produktsegmenten betrieben,
um die prinzipielle Eignung für den unternehmensweiten und -übergreifenden Einsatz im
Kooperationsnetzwerk zu belegen. Die mit den Pilotanwendern und den ersten Transakti-
onen im Tagesgeschäft gemachten Erfahrungen werden dokumentiert und die sich daraus
ergebenden Anforderungen an die Systemlösung, Hardware und das Netzwerk nachträg-
lich ins Pflichtenheft aufgenommen und umgesetzt. Iterativ werden die notwendigen Än-
derungen während der Einführungsphase nachimplementiert. Nachdem die während der
Pilot-Phase aufgetretenen Probleme hinsichtlich Benutzeroberfläche, Datenintegrität und
Netzwerkinfrastruktur gelöst sind, kann das System unternehmensweit und auf die übrigen
Produkte und Kooperationspartner ausgebreitet werden. Zu diesem Zeitpunkt werden alle
betreffenden Mitarbeiter geschult, alle notwendigen Änderungen am System durchgeführt
912 Die Grundlagen der E-Company
Abhängigkeit: Aus ökonomischer und technischer Perspektive besteht eine hohe Ab-
hängigkeit der Kooperationspartner sowohl untereinander als auch vom Markt, der –
je nach Zielgruppe – unberechenbar ist. Ist das Marketing (s. Kapitel 6.4.1) unzu-
reichend ausgearbeitet, können sogar die einzelnen Unternehmensmarken beschädigt
werden und mit einem schlechten Ruf aus der E-Company ausscheiden.
Vertrauen: Durch die hohe Abhängigkeit und die vielen Unsicherheiten dahinter,
kann das Vertrauen der Kooperationspartner untereinander erheblich leiden (s. Kapi-
tel 6.3.1.1). Das hat zur Folge, dass zu wenige Ressourcen für die E-Company zur
Verfügung gestellt werden und somit ihr Erfolg stark gefährdet wird.
Organisation: Bei undefinierten Zielen und Prozessen ergeben sich schnell organi-
satorische Probleme. Zusätzlich können mangelhafte Absprachen in Bezug auf die
Arbeitsteilung zu einer fehlerhaften Koordination der Gestaltung von Leistungen,
Prozessen und Informationssystemen führen (s. Kapitel 6.5.2.2).
6.5.2.5 Systemkontrolle
War die Systemeinführung (s. Kapitel 6.5.2.4) erfolgreich, beginnt mit der Systemkon-
trolle ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess, der zwar nicht mehr Teil des eigentli-
chen Implementierungsprojekts ist, aber den Übergang zum dauerhaften Betrieb kenn-
zeichnet und damit als Verbindungsglied gewertet werden kann. In dem kontinuierlichen
Die Implementierung bei der elektronischen Kooperation 913
Partner: Die ständige Abstimmung mit den Kooperationspartnern hilft nicht nur bei
der Aufdeckung möglicher Veränderungen der jeweiligen Ziel- und Strategieausrich-
tungen, sondern kann dazu beitragen, Systemfehler aufzudecken und aktuelle Anfor-
derungen in neue Funktionen umzusetzen. Dadurch kann die Komplexität des Sys-
tems immer weiter reduziert werden, sodass eine Verbesserung der intuitiven Benut-
zung sowohl mit dem System als auch mit den Kooperationspartnern ermöglicht wird.
Übungsaufgaben
1. Ein großer Vorteil einer E-Company besteht darin, dass dadurch Herausforderun-
gen der realen Kooperationsbildung gelöst werden können. Nennen Sie die drei zent-
ralen Herausforderungen und erläutern Sie anhand eines selbstgewählten E-Com-
pany-Beispiels, wie diese Herausforderungen in diesem Kontext gelöst werden.
6. Nennen und erläutern Sie die fünf Ebenen des im Kontext einer E-Company ange-
passten OSI-Referenzmodells, das eine Kommunikation zwischen Informations- und
Kommunikationssystemen in virtuellen Unternehmen erlaubt. Was ist bei der Imple-
mentierung oder Integration dieser Systeme zu beachten?
7. Beschreiben Sie drei zentrale Systemlösungen, die für die Umsetzung der elektroni-
schen Kooperation in einer E-Company notwendig sind. Recherchieren Sie zusätz-
lich im Internet nach Softwareherstellern, die entsprechende Systemlösungen anbie-
ten. Wie lässt sich der jeweilige Einsatzzweck dieser Softwareprodukte abgrenzen?
11. Beschreiben Sie die idealtypischen Prozessphasen von der Identifikation bis zu der
Auflösung einer elektronischen Kooperation. Welche Informations- und Kommuni-
kationssysteme finden in den jeweiligen Phasen des Lebenszyklusmodells einer E-
Company Verwendung und können diese unterstützen?
12. Wodurch unterscheiden sich die operative, taktische und strategische Kooperation
in einer E-Company? Welche Ziele werden mit den verschiedenen Ausrichtungen des
Prozessmanagements angestrebt?
13. Welche Rolle spielt die Unternehmenskultur bei der elektronischen Kooperation?
Erläutern Sie anhand eines Beispiels Ihrer Wahl, welche Schwierigkeiten sich bei
einer Kooperation durch unterschiedliche Unternehmenskulturen ergeben können.
14. Unterscheiden Sie speziell die Vertrauens-, Dialog- und Lernkultur und diskutieren
Sie mögliche Hindernisse bei der Etablierung dieser Kultur(en) in einem Kooperati-
onsnetzwerk.
15. Die Partneranalyse spielt eine entscheidende Rolle bei dem Erfolg einer E-Compa-
ny. Beschreiben Sie, wie die Partneranalyse detailliert abläuft und recherchieren Sie
im Internet nach Portalen, die eine spezielle Online-Partnersuche erlauben. Sind
diese auch immer für die Gründung von elektronischen Kooperationen geeignet?
16. Wodurch kann eine E-Company ihre Wettbewerbsvorteile generieren? Welche Rolle
spielen in diesem Zusammenhang die Wettbewerbsstrategien einer E-Company?
17. Visualisieren Sie die Marketingvarianten zur Gestaltung von entsprechenden Werbe-
und Kommunikationsmaßnahmen einer E-Company und erläutern Sie jede Marke-
tingvariante mit einer kurzen Abgrenzung zu den restlichen Marketingvarianten.
18. Wie kann ein übergeordnetes Marketing für die Kundengewinnung genutzt werden
und welche anderen Methoden eignen sich für die Kundengewinnung?
916 Die Grundlagen der E-Company
19. Welche Aspekte müssen bei der Einführung eines Wissensmanagements in einer E-
Company miteinbezogen werden? Nennen und erläutern Sie in diesem Zuge auch die
drei Aufgabenstufen des Wissensmanagements.
21. Diskutieren und bewerten Sie die Rolle der mittel- als auch der hocheinflussreichen
Erfolgsfaktoren für den Aufbau einer E-Company und geben Sie Beispiele an, welche
Auswirkungen die Vernachlässigung der Faktoren für die E-Company haben kann.
22. Was sind die zentralen Erfolgsbereiche bei der Implementierung einer E-Company
und wie hängen diese innerhalb der einzelnen Lebenszyklusphasen zusammen?
23. Warum ist die Analysephase für den langfristigen Erfolg eines E-Company-Projekts
unabdingbar?
24. Erläutern Sie den Sinn und Zweck der Unternehmens-, Teilnehmer- und Prozessana-
lyse.
26. Nennen Sie typische Netzwerkaktivitäten und entsprechend dazu die jeweiligen Fi-
nanzierungsquellen, die in der Projektkalkulation mitbeachtet werden müssen. Wel-
che Rolle spielt dabei das Netzwerk-Controlling?
27. Beschreiben Sie die Phasen des Systemaufbaus in einer E-Company und diskutieren
Sie den Stellenwert der Meilensteine, die als Abschluss in den jeweiligen Phasen
erreicht werden müssen. Was kann passieren, wenn die Meilensteine nicht eingehal-
ten werden?
28. Nennen Sie die Kriterien und korrespondierenden Ziele, die zur Gestaltung und Si-
cherstellung der Netzwerkfähigkeit in der Systemgestaltung beitragen.
30. Erläutern Sie anhand von vier kurzen Beispielszenarien, welche Gründe für das
Scheitern eines E-Company-Projekts verantwortlich sein können.
Übungsaufgaben 917
31. Nennen und beschreiben Sie vier interpendente und zentrale Aspekte der Systemkon-
trolle, die wesentlich zur Systemoptimierung beitragen. Welche Auswirkungen sind
zu erwarten, wenn ein Aspekt davon in einem negativen Maße auftritt?
32. Warum darf ein E-Company-System auch nach einer erfolgreichen Implementierung
niemals „ruhen“? Geben Sie Beispiele für technologische Entwicklungen, die die
Aktualisierung einer E-Company-Lösung notwendig machen könnten.
33. Nennen Sie die drei der zentralen Leitlinien zum Wissensmanagement bei einer vir-
tuellen Kooperation. Wägen Sie für die von Ihnen ausgewählten Leitlinien ab, inwie-
fern sie bei Nichtbeachtung die Planung und Durchsetzung eines ausgewogenen Wis-
sensmanagements stören könnte und geben Sie jeweils ein Beispiel dazu an.
34. Nennen und erläutern Sie drei der vier Aspekte zur langfristigen und nachhaltigen
Systemoptimierung bei einer virtuellen Kooperation. Recherchieren Sie im Internet
eine Kooperation und analysieren Sie, inwieweit Chancen und Risiken hinsichtlich
der Beibehaltung der Systemqualität im Sinne einer Systemoptimierung bestehen.
35. Was genau wird unter Smart Contracts verstanden? Wie können Smart Contracts die
vertragliche Ausgestaltung einer E-Company effizienter gestalten?
36. Welche spezifischen Probleme können bei Kooperationen von Unternehmen aus ver-
schiedenen Ländern entstehen? Nennen und erläutern Sie diese Probleme sowie
Werkzeuge (Tools) mit denen solche Hürden überbrückt werden können.
37. Beschreiben Sie die Funktionsweise von sog. Digitalen Zwillingen und erläutern Sie
welche Vorteile durch Digitale Zwillinge in einer E-Company generiert werden kön-
nen.
38. Beschreiben Sie die Funktionsweise des sog. Edge Computing. Welche Vorteile bie-
tet das Edge Computing Verfahren als Ergänzung zum Cloud Computing.
918 Die Grundlagen der E-Company
Klausuraufgaben
1. Klausuraufgabe: „Bolbic“
Der süddeutsche Hersteller des bekannten Mineralwassers ohne Kohlensäure „Bolbic“
hat das Angebot bekommen, mit ausgewählten Wasserherstellern aus mehreren mitteleu-
ropäischen Ländern in einem Online-Netzwerk zu kooperieren. Zwar hat der Geschäfts-
führer Pierre Moty eine Kooperation bisher kritisch gesehen, aber da sich der Innovati-
ons- und Konkurrenzdruck im Online-Bereich und am Markt immer stärker erhöht, wäre
für Herrn Moty eine mittelfristige und flexible Zusammenarbeit in einem Kooperations-
netzwerk denkbar. Zusätzlich würde eine Teilnahme an einer Online-Kooperation die
Chance bieten, endlich das verstaubte und monolithische IT-System zu modernisieren.
Deshalb bittet Herr Moty Sie, als den E-Business-Spezialisten im Unternehmen, an einem
zufällig am Wochenende stattfindenden Fachseminar über die Möglichkeiten einer virtu-
ellen Online-Kooperation in verschiedenen Branchen teilzunehmen. Dort sollen Sie sich
so gut wie möglich informieren, ob sich eine solche Teilnahme für Herrn Moty an einem
Unternehmensnetzwerk lohnt bzw. welche neuen Möglichkeiten sich für das Unternehmen
durch die Zusammenarbeit ergeben. Nach vielen Veranstaltungen und spannenden sowie
aufschlussreichen Fachvorträgen erwartet Sie Herr Moty am Montagmorgen gespannt in
seinem Büro.
(a) Nennen und beschreiben Sie kurz, welche Kooperationsformen existieren und wie
diese allgemein charakterisiert sind. Wählen Sie eine für Herrn Moty passende Ko-
operationsform und begründen Sie Ihre Wahl.
(b) Für die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Unternehmen und der Mitarbeiter bie-
ten sich Groupware-Systemkomponenten an. Welche Werkzeuge (Tools) würden Sie
Herrn Moty für sein mögliches Kooperationsnetzwerk empfehlen? Nennen Sie dazu
vier Werkzeuge und beschreiben Sie, wie diese eine Zusammenarbeit unterstützen kön-
nen.
(c) Wie würde sich eine Umstellung der bisherigen IT-Architektur hin zu einer flexiblen
IT-Architektur bei einer Kooperationsteilnahme für das Unternehmen „Bolbic“ be-
merkbar machen? Skizzieren und beschreiben Sie den aktuellen Stand und die weiteren
Entwicklungsschritte der IT-Architektur, die sich für Herrn Moty’s Unternehmen er-
geben würden.
der Fähigkeit, sich mit allen netzwerkfähigen Geräten zu vernetzen, ein revolutionäres
Angebot im TV-Markt darstellt. Aufgrund der Neuartigkeit des Netzwerks und auch des
Produkts, das es vorher in der Form so noch nicht gab und daher keine Erfahrungswerte
existieren, sucht die neu gegründete „Smart TV GmbH“ einen passenden E-Company-
Spezialisten, der den reibungslosen Aufbau und Ablauf dieser komplexen Online-Koope-
ration sicherstellen kann. Sie arbeiten in einer Unternehmensberatung und sind in Ihrem
aktuellen Arbeitsumfeld schon oft mit der Thematik virtueller Unternehmen in Kontakt
gekommen. Passend dazu sind gerade als Berater von der „Smart TV GmbH“ ausgewählt
worden, um die Firma bzgl. einer schnellen Umsetzung der E-Company erfolgreich zu
beraten, damit die verteilte Zusammenarbeit und Produktion des revolutionären TV-Ge-
räts beschleunigt wird.
(a) Die Komplexität in Online-Kooperationen bildet eine wichtige Prozessanforderung,
insbesondere bei neuen Kooperationen. Welche Komplexitätseinflüsse werden bei On-
line-Kooperationen generell unterschieden? Verdeutlichen Sie Ihre Ausführungen mit
jeweils einem Beispiel bezogen auf den vorliegenden Fall der „Smart TV GmbH“.
(b) Wie sieht ein idealtypisches Lebenszyklusmodell einer elektronischen Kooperation am
Beispiel der Kooperationspläne der „Smart TV GmbH“ aus? Nennen und beschreiben
Sie kurz die möglichen Prozessphasen und zeigen Sie argumentativ auf, in welcher
Phase sich die „Smart TV GmbH“ zum jetzigen Zeitpunkt befindet.
(c) Eine Herausforderung auf der Ebene der taktischen Kooperation besteht darin, im
Kooperationsnetzwerk das Controlling festzulegen. Welche zwei generellen Möglich-
keiten gibt es, um das Controlling in einem Kooperationsnetzwerk zu gestalten? Wel-
che Ausrichtung würde sich für die „Smart TV GmbH“ empfehlen?
3. Klausuraufgabe: „vService24“
Das Beratungshaus mit dem Namen „vService24 AG“ ist ein Full Service Provider, der
für das Management von komplexen Online-Projekten in allen Lebenszyklusphasen virtu-
eller Unternehmen zuständig ist. Als neuer Mitarbeiter bei der „vService24 AG“ erhalten
Sie die Aufgabe einen Kunden zu besuchen und erfahren, dass es sich um ein großes vir-
tuelles Unternehmen im Online-Bereich mit eklatanten Problemen bei der Kommunikation
und der Vereinheitlichung der verschiedenen Kulturen aller Kooperationspartner handelt.
Beim Netzwerkmanagement dieser E-Company angekommen, werden Sie von dem zustän-
digen Netzwerkmanager auf die viel zu hohen Kosten aufmerksam gemacht, die durch eine
verzögerte Auftragsbearbeitung, häufige Medienbrüche etc. entstehen und man somit mit
den Produkten nicht gegenüber der Konkurrenz am Markt mithalten kann. Zusätzlich gibt
es ein hohes Misstrauen sowohl auf der Ebene der Mitarbeiter als auch zwischen den
kooperierenden Unternehmen. Helfen Sie dem Netzwerkmanager mit Ihren fundierten
Kenntnissen im Bereich der E-Company die Problemursachen und die entsprechenden
Handlungsalternativen aufzuzeigen.
920 Die Grundlagen der E-Company
(a) Welche Maßnahmen stehen für eine E-Company generell zur Verfügung, eine erfolg-
reiche Vertrauenskultur in einem elektronischen Kooperationsnetzwerk zu etablieren?
Welche Maßnahmen würden Sie davon – für die im Fallbeispiel genannte E-
Company – zur Wiederherstellung der Vertrauenskultur vorschlagen?
(b) Die Betrachtung der Dialogkultur empfiehlt sich besonders bei auftretenden Vertrau-
enshindernissen, die eine Vertrauensbasis hemmen können. Nennen Sie für das vorlie-
gende Fallbeispiel vier zutreffende organisatorische Sperren, die sich negativ auf die
Vertrauensbasis auswirken und mit welchen Dialogmaßnahmen das Vertrauen wieder
gefördert werden kann.
(c) Soll neben einer passenden Vertrauens- und Dialogkultur auch eine entsprechende
Lernkultur entwickelt werden, gilt es unterschiedliche Formen des E-Learnings zu be-
achten. Nennen und beschreiben Sie diesbezüglich die zwei Formen des E-Learnings.
Würden Sie Ihrem Kunden die Einführung der Online-Lernkultur zum jetzigen Zeit-
punkt empfehlen?
4. Klausuraufgabe: „Clockstyle“
Die schon seit Jahren am Markt etablierte und erfolgreiche E-Company „Clockstyle“
stellt hochspezielle Uhren her, die sich die Kunden über einen Konfigurator in einem E-
Shop selbst zusammenstellen und gestalten können. Beim letzten Sommerfest kam Ihnen,
als langjähriger Spezialist in der Abteilung E-Company-Development, in einem gemütli-
chen Gespräch mit ihren Vorgesetzten die Idee, die Uhren zusätzlich so versiegeln zu kön-
nen, dass jegliche Verunreinigung durch Wasser und Staub unterbunden wird. Damit kön-
nen neben neuen Kundengruppen auch Unternehmen, die am Wasser oder auf Baustellen
tätig sind, angesprochen und neue Absatzmöglichkeiten erschlossen werden. Ihre Vorge-
setzten waren sofort von Ihrer Idee begeistert, äußerten jedoch große Bedenken, ob es
solche Unternehmen gäbe, die auch für eine Kooperation bereit wären und wie man diese
finden könnte. Helfen Sie Ihren Vorgesetzten diese Bedenken durch Ihr tiefgreifendes Wis-
sen über die Partneranalyse in einer E-Company auszuräumen.
(a) Nennen und beschreiben Sie jeweils zwei Möglichkeiten eine Teilnehmersuche mit und
ohne Hilfe des Internets durchzuführen. Welche Form der Teilnehmersuche würde sich
für Clockstyle grundsätzlich am besten eignen?
(b) Mit Hilfe welcher Auswahlkriterien kann aus einem Bestand von möglichen Koopera-
tionspartnern die Auswahl der zur eigenen E-Company passenden Partner erfolgen?
Erläutern Sie dazu sechs Auswahlkriterien und argumentieren Sie, ob das jeweilige
Auswahlkriterium für „Clockstyle“ bei der Wahl zukünftiger Kooperationspartner in
Frage kommt oder nicht.
(c) Was muss bei der Integration eines ausgewählten Kooperationspartners beachtet wer-
den? Argumentieren Sie anhand des vorliegenden Fallbeispiels die Integration eines
neuen Kooperationspartners in die etablierte E-Company „Clockstyle“.
Klausuraufgaben 921
5. Klausuraufgabe: „StudiConsult“
Als engagierte/r Student/in sind Sie neben Ihrem Studium der Betriebswirtschaftslehre an
der Universität Duisburg-Essen auch im Marketingbereich der studentischen Unterneh-
mensberatung StudiConsult tätig. Ein aktueller Kunde der studentischen Unternehmens-
beratung ist ein neu gegründetes virtuelles Unternehmen, das anfängliche Schwierigkeiten
bei Ihrem Marketing hat. Während sich alle Online-Kooperationspartner darüber einig
sind, die gesamte Netzwerkkompetenz gemeinsam zu vermarkten und somit ein übergeord-
netes Marketing zu betreiben, möchte sich der größte Kooperationspartner zusätzlich mit
seiner spezifischen Einzelkompetenz nach aussen alleine auftreten. Dieser Vorstoß sorgt
für keine Unruhe zwischen den Kooperationspartner, weil bei dem individuellen Außen-
auftritt auf einen anderen Markt abgezielt wird. Da Sie schon mehrere Marketing-Vorle-
sungen besucht haben und sich durch frühere Beratungen auch im Bereich der virtuellen
Unternehmen auskennen, sollen Sie den Kunden bei der Gestaltung des Marketings un-
terstützen und im Ergebnis eine höhere Kundengewinnungsrate für ihn erreichen. Auch
wenn Sie sich in diesem Thema nicht ganz so sicher fühlen, so freuen Sie sich dennoch auf
die Aufgabe.
(a) Skizzieren Sie alle Marketingvarianten zur Gestaltung von Werbe- und Kommunikati-
onsmaßnahmen, die in einer E-Company möglich sind. Um welche zwei Marketingva-
rianten geht es im vorliegenden Fallbeispiel?
(b) Grenzen Sie die zwei Formen des individuellen Marketings ausführlich ab. Unter wel-
chen Bedingungen empfehlen sich individuelle Marketingmaßnahmen aus dem be-
schriebenen Alleingang des größten Kooperationspartners aus dem Online-Netzwerk?
(c) Welche Aspekte spielen bei dem übergeordneten Marketing eine zentrale Rolle, wenn
sich alle Kooperationspartner aus dem Fallbeispiel über die Bildung einer Dachmarke
einig sind? Diskutieren Sie in diesem Bezug auch den Trade-off der markenstrategi-
schen Zielerreichung.
6. Klausuraufgabe: „pen4you.de“
Die E-Company „pen4you.de“ geht durch schwierige Zeiten. Vor einem Jahr haben sich
die wichtigsten Kooperationspartner aus dem Projekt verabschiedet und wurden zum Teil
von neuen Kooperationspartnern ersetzt. Auch hat sich das Netzwerkmanagement durch
mehrere unglückliche Entscheidungen bei den Mitarbeitern sehr unbeliebt gemacht, was
zu einer angespannten Stimmung in der gesamten E-Company geführt hat. Insbesondere
unter den Mitarbeitern herrschen eine große Unsicherheit und ein großes Misstrauen in
Bezug auf den Kooperationswillen und der Wissensteilung mit den Mitarbeitern der an-
deren Kooperationspartner. Aufgrund dieser Ereignisse hat insbesondere das Wissens-
management der E-Company stark gelitten und ist unter den Mitarbeitern nicht mehr gut
angesehen. Das neue Netzwerkmanagement, bei dem Sie als Assistent mitwirken, möchte
922 Die Grundlagen der E-Company
deshalb alles anders und besser machen als bisher und dazu ein erstklassiges Wissensma-
nagement einführen. Helfen Sie dem Netzwerkmanagement bei diesem Vorhaben, indem
Sie Ihr Fachwissen über das Wissensmanagement im Kontext einer E-Company mitein-
bringen.
(a) Nennen und erläutern Sie vier Bereiche bzw. Aktivitäten, die im Rahmen einer ganz-
heitlichen Einführung eines Wissensmanagements miteinbezogen werden müssen.
Welchen jeweiligen Konsequenzen würde „pen4you.de“ als gestandene E-Company
unterliegen, sollte es in den von Ihnen genannten Bereichen zu Schwierigkeiten kom-
men?
(b) Gerade beim neuen Aufbau von Online-Wissensgemeinschaften sind vier Gestaltungs-
dimensionen zu beachten. Nennen und beschreiben Sie alle vier Gestaltungsdimensio-
nen von Online-Wissensgemeinschaften und erläutern Sie zusätzlich vor dem Hinter-
grund des vorliegenden Fallbeispiels, wie sich durch die jeweilige Gestaltungsdimen-
sion ein vorhandenes Chaos im Wissensmanagement bei „pen4you.de“ auflösen kann.
(c) Stellen Sie Ihrem Netzwerkmanager vier Leitlinien des Online-Wissensmanagements
ausführlich vor, die Ihnen dabei helfen, ein wirksames Wissensmanagement bei
„pen4you.de“ durchzusetzen. Beziehen Sie Ihre Ausführungen auf die Situation des
Wissensmanagements bei „pen4you.de“ und zeigen Sie passende Handlungsempfeh-
lungen auf.
7. Klausuraufgabe: „IBO“
Das Unternehmen „IBO“ ist einer der Marktführer in der Baumarktbranche. Schon vor
längerer Zeit haben die internen Business Analysts den Geschäftsführer Herrn Wodwig
darauf hingewiesen, dass die Branche dem Zeitgeist der allgemeinen wirtschaftlichen Ent-
wicklungen nicht mehr hinterherkommt mangels digitaler Präsenz und äußern, dass
„IBO“ sich einen wettbewerblichen Vorsprung verschaffen könne, wenn das Unterneh-
men nun auf eine Multi-Channel Strategie setzen und sein E-Commerce Geschäft ausbau-
en würde. Herrn Wodwig ist bewusst, dass ihm nur geringe Zeit bleibt, um diese Lücke zu
schließen und sich den Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen. Auf Nachfrage winkt das
Human Resources Management ab und äußert, dass die Rekrutierung für entsprechend
spezialisierte Fachkräfte in dem Umfang mangels zeitlicher und finanzieller Ressourcen
nicht möglich sei. Herr Wodwig entschließt sich deshalb, nach einem Kooperations-
partner zu suchen, der die Lücken hinsichtlich der finanziellen und personellen Ressour-
cen schließen helfen kann. Da Herr Modwig keinerlei potenzielle Partner in seiner Kon-
taktliste hat und keinerlei Erfahrung mit der Kooperationsarbeit mit anderen Unterneh-
men aufweist, beauftragt er Sie als Dienstleister für virtuelle Kooperationszusammen-
schlüsse damit, eine Lösung zu finden. Sie freuen sich über das Vertrauen und beginnen
voller Tatendrang mit der Arbeit.
Klausuraufgaben 923
(a) Nennen und erläutern Sie jeweils zwei Methoden für die Partnersuche ohne und mit
dem Internet. Welche dieser Methoden würden Sie Herrn Modwig empfehlen und wa-
rum? Welche Methoden erscheinen weniger geeignet für das Kooperationsprojekt zum
Ausbau der Multi-Channel Strategie von „IBO“?
(b) Nennen Sie die Online-Wettbewerbsvorteile, aus denen „IBO“ schöpfen könnte und
erläutern Sie, inwiefern diese die gegenwärtige Situation von „IBO“ verbessern helfen
könnten.
(c) Sie wollen Herrn Modwig darauf aufmerksam machen, dass die Kooperationsarbeit
nicht mit dem Abschluss des gemeinsamen Vertrags getan ist, sondern dass das Ko-
operationssystem stets mit Hinblick auf seine Nachhaltigkeit überprüft werden muss.
Nennen Sie die zentralen Aspekte der Systemoptimierung. Erläutern Sie, welche Risi-
ken „IBO“ langfristig beachten muss vor diesem Hintergrund.
(a) Einführend wollen Sie Ihrem neuen Team einen Überblick über die Prozessgestaltung
einer elektronischen Kooperation geben. Beschreiben Sie ein idealtypisches Lebens-
zyklusmodell einer elektronischen Kooperation am Beispiel der „ScreenSaver
GmbH“. Nennen und beschreiben Sie hierzu die Prozessphasen und ordnen Sie die
„ScreenSaver GmbH“ erklärend für Ihr Team in die Phase ein, in der sich das Un-
ternehmen momentan befindet.
(b) Nennen und beschreiben Sie die drei Verhandlungsformen, die in dem eAgreement-
Prozess zu Verhandlungen von Preis und Leistungsumfang angewendet werden kön-
nen. Zu welcher Form der Verhandlung wird es im Falle der „ScreenSaver GmbH“
höchstwahrscheinlich kommen?
(c) Insbesondere in der Anfangszeit ist eine E-Company vom Scheitern bedroht. Dabei
können die Gründe interner und externer Natur sein. Nennen und beschreiben Sie drei
der wesentlichen Gründe für das Scheitern einer E-Company. Erläutern Sie welchen
Risiken Sie für die „ScreenSaver GmbH“ als besonders bedrohlich erachten?
Building GmbH“ ausgewählt worden, um die junge Firma bezüglich einer schnellen und
erfolgreichen Projektumsetzung zu unterstützen. So soll insbesondere die weitere Zusam-
menarbeit, Herstellung und Implementierung des neuen Produktes effizienter gestaltet
werden.
(a) Sie streben an, der „Connected-Building GmbH“ zu einer guten zukünftigen Wett-
bewerbsposition zu verhelfen. Dazu wollen Sie allen beteiligten Unternehmen die
potenziellen Wettbewerbsvorteile der gegründeten E-Company verdeutlichen, um
diese anschließend konsequent auszuschöpfen. Nennen Sie die Online-Wettbe-
werbsvorteile der „Connected-Building GmbH“ und erläutern Sie, wie diese da-
bei helfen können, die zukünftig angestrebte Wettbewerbssituation zu erreichen.
(b) Im Rahmen der Zusammenarbeit der Unternehmen und der Mitarbeiter aus den
verschiedenen Branchen bieten sich Groupware-Systemkomponenten zur Koope-
ration an. Welche Werkzeuge (Tools) würden Sie der „Connected-Building
GmbH“ empfehlen? Nennen Sie vier geeignete Werkzeuge und beschreiben Sie,
wie diese eine Zusammenarbeit unterstützen können.
(c) Eine Herausforderung auf der Ebene der taktischen Kooperation besteht darin,
das Controlling im Kooperationsnetzwerk festzulegen. Welche zwei generellen
Möglichkeiten gibt es, um das Controlling in einem Kooperationsnetzwerk zu ge-
stalten? Welche Ausrichtung würde sich für die „Connected-Building GmbH“
empfehlen?
926 Die Grundlagen der E-Company
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990 Akronymverzeichnis
O R
OFDM .......... Orthogonal Frequency R2R .............. Real to Real
Division Multiplexing R2V .............. Real to Virtual
OIL ............... Ontology Inference Layer RDF .............. Resource Description
/Ontology Interchange Framework
Language RDFS ........... RDF Schema
REST ............ Representational State
Transfer
Akronymverzeichnis 993
W
W3C ............. World Wide Web
Consortium
WAP ............ Wireless Application
Protocol
WaWi ........... Warenwirtschaft
WBT ............ Web Based Training
WfMC .......... Workflow Management
Coalition
WLAN ......... Wireless Local Area Net-
work
WMA ........... Windows Media Audio
WMV ........... Windows Media Video
WOA ............ Weborientierte Archi-
tektur
WOM ........... Word-Of-Mouth
WSDL .......... Web Services Description
Language
WWS............ Warenwirtschaftssystem
WWW .......... World Wide Web
X
XHR ............. XML HTTP Request
XHTML ....... eXtensible Hypertext
Markup Language
XML ............ eXtensible Markup Lan-
guage
XSD ............. XML Schema Definition
XSL .............. eXtensible Stylesheet
Language
XSL-FO ....... XSL Formatting Objects
XSLT ........... XSL Transformation
Stichwortverzeichnis 995
Stichwortverzeichnis
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019
T. Kollmann, E-Business, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26143-6
996 Stichwortverzeichnis
J Pull ................................................ 47
Push ............................................... 47
Java ......................................... 287, 525 Strategie ...................................... 605
Java RPC ......................................... 159 Tools ........................................... 610
JavaScript ........................................ 286 Träger .......................................... 396
Just-in-Time .................................... 205 Kommunikationskategorien ............ 693
1/1-Kommunikation .................... 693
K n/m-Kommunikation ................... 694
Kommunikationspolitik .................. 611
Kanal ............................................... 370 Komplementärprodukte .................. 340
Kanalmix......................................... 370 Komplexität
Kapitalbedarf .................................... 81 Kostenarten ................................. 850
Katalogaustauschformat .................. 504 Reduzierung ................................ 850
Katalogdaten ...........Siehe Produktdaten Kompressionsrate ................................ 5
Bereiche ...................................... 148 Konfigurationsdaten ................ 149, 265
Katalogdatenbereiche ...................... 264 Konfirmations-/Diskonfirmations-
Katalogmanagement ............... 149, 506 Paradigma ................................. Siehe
Katalogmetadaten ........................... 147 Mitgliederzufriedenheit
Katalogstrukturdaten ....................... 148 Konkurrenzbeziehung ..................... 366
Kauf Konsolidierung........................ 150, 531
Historie........................................ 417 Konverter-Komponente .................. 529
Kaufdatenanalyse ............................ 330 Kooperation .............368, 556, 559, 762
Käufer Anbahnungsprozess .................... 853
Analyse ....................................... 454 Auflösungsprozess ...................... 857
Erwartungen ................................ 351 Erfolgsbereiche ........................... 893
Gruppen ...................................... 344 Erfolgsfaktoren ........................... 891
Verhalten ..................................... 349 Identifikationsprozess ................. 852
Zufriedenheit ............................... 353 Kundensicht ................................ 369
KEP-Dienst ..................................... 274 Marketingsicht ............................ 370
Kernleistung ...................................... 72 Marketingstrategien .................... 875
Kernteam......................................... 231 operative...................................... 368
Keyword.......................................... 380 Operativer Prozess ...................... 855
Advertising.................................. 380 Organisationsformen ................... 900
Kick-Off-Phase ............................... 234 Partnerintegration ........................ 869
kollektive Online-Intelligenz .......... 676 Partnersuche ................................ 865
Kommunikation Projektmanagement ..................... 890
Beziehung ..................................... 45 Ressourcensicht........................... 368
Kanal ................................... 417, 447 Rollenverteilung .......................... 897
Mittel ........................................... 425 strategische .................................. 368
Offline ......................................... 606 strukturiert ................................... 681
Online.......................................... 606 Teilnehmerauswahl ..................... 868
Prozess ...................44, Siehe Online- Vereinbarungsprozess ................. 853
Kommunikationsprozess Wettbewerbssicht ........................ 369
1002 Stichwortverzeichnis
O P
Oberflächen Pain Points ...................... 629, 633, 650
bedienerfreundlich .................... Siehe Parametrisierungsdaten ........... 149, 265
Benutzbarkeit Partizipationsniveau ....................... 777
Oberflächen-Komponenten ............. 525 Partizipationsstruktur ...................... 793
Objekt Partner-Modell ................................ 278
Hebel ........................................... 189 PDA .................................................. 13
kritisch ........................................ 190 PDM-System ................................... 147
strategisch ................................... 190 Peer-to-Peer-Netzwerk .............. 18, 318
taktisch ........................................ 189 Performance Marketing .................. 325
Offenheit Perl .................................................. 286
technisch ..................................... 500 Permission-Marketing ..................... 409
One-to-All ......................................... 49 Perpetual Beta ................................. 797
One-to-One ....................................... 49 Personalisierung ........................ 27, 769
One-to-One-Marketing ........... 415, 436 Pflichtenheft .................... 239, 473, 647
Online Analytical Processing .......... 420 PHP ......................................... 286, 525
Online-Auction-Prozess .................. 551 Pilotphase ........................................ 240
Online-Befragungen ........................ 417 Pilotsystem ...................................... 236
Stichwortverzeichnis 1005
Zentrale Stichworte
Die „Digitale Wirtschaft“ bzw. „Net Economy“ bezeichnet den wirtschaftlich genutzten
Bereich von elektronischen Datennetzen (E-Business) und ist damit eine digitale Netz-
werkökonomie, welche über verschiedene elektronische Plattformen die direkte oder in-
direkte Abwicklung oder Beeinflussung von Informations-, Kommunikations- und Trans-
aktionsprozessen erlaubt.
„E-Business“ ist die Nutzung von innovativen Informationstechnologien, um über den
virtuellen Kontakt etwas zu verkaufen, Informationen anzubieten bzw. auszutauschen,
dem Kunden eine umfassende Betreuung zu bieten und einen individuellen Kontakt mit
den Marktteilnehmern zu ermöglichen.
Mit dem Begriff „E-Commerce“ wird die Nutzung von stationären Computer-Endgeräten
als Informationstechnologie bezeichnet, um über Informations-, Kommunikations- und
Transaktionsprozesse zwischen den Netzteilnehmern reale oder elektronische Waren und
Dienstleistungen anzubieten und abzusetzen, wobei der tatsächliche Verkauf im Mit-
telpunkt steht.
Unter „E-Entrepreneurship“ wird die Schaffung einer selbstständigen und originären
rechtlichen Wirtschaftseinheit in der Net Economy (E-Venture; Startup) verstanden,
innerhalb der die selbständige(n) Gründerperson(en) mit einem spezifischen Online-An-
gebot (Produkt bzw. Dienstleistung) einen fremden Bedarf decken möchte(n).
Unter einem „E-Startup“ bzw. „E-Venture“ wird ein neu gegründetes und damit junges
Unternehmen mit einer innovativen Geschäftsidee innerhalb der Net Economy verstanden,
welches über eine elektronische Plattform in Datennetzen seine Produkte und/oder
Dienstleistungen auf Basis einer rein elektronischen Wertschöpfung
Unter „Online-Marketing“ wird die absatzpolitische Verwendung elektronisch vernetz-
ter Informationstechnologien verstanden, um unter deren technischen Rahmenbedingun-
gen, die Produkt-, Preis-, Vertriebs- und Kommunikationspolitik mit Hilfe der innovativen
Möglichkeiten der Online-Kommunikation marktgerecht zu gestalten.
Unter dem „Digital Leadership“ wird ein Führungsstil speziell für die Digitale Wirtschaft
verstanden. Dieser besteht aus den Komponenten Digital Mindset (Wollen), Digital Skills
(Können) und Digital Execution (Machen) und befähigt, digitale Prozesse, Produkte und
Plattformen zu gestalten und die zugehörigen Mitarbeiter proaktiv und agil zu führen.
„Digitale Transformation“ (auch „digitaler Wandel“) bezeichnet einen fortlaufenden
und tiefgreifenden Veränderungsprozess für Gesellschaft, Wirtschaft und Politik auf Basis
digitaler Technologien, der Information, Kommunikation und Transaktion zwischen den
hier jeweils beteiligten Akteuren elementar beeinflusst und zu einem neuen Verständnis
und Verhalten in den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Lebensbereichen
führt.
Autor 1011
Autor
Univ.-Prof. Dr. Tobias Kollmann studierte an den Universitäten Bonn und Trier Volks-
wirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Marketing und wurde 1995 nach dem Abschluss
zum Diplom-Volkswirt wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Marketing von
Prof. Dr. Rolf Weiber. Dort promovierte er 1997 mit Auszeichnung (summa cum laude)
mit einer Arbeit zur Akzeptanz innovativer Telekommunikations- und Multimediasys-
teme. Bereits seit 1996 beschäftigt er sich aber auch wissenschaftlich mit Fragen des E-
Business, E-Commerce und dem Phänomen der „virtuellen Marktplätze“ und war damit
einer der Pioniere auf diesem Gebiet.
Zwischen 1997 und 2001 arbeitete er in der Praxis und unterstützte dort insbesondere den
Aufbau von virtuellen Marktplätzen im Rahmen der Aktivitäten der Scout24-Holding,
Schweiz. Im Zuge dieser Tätigkeit war er auch einer der Gründungsgesellschafter der Auto
Scout24 GmbH, der größten elektronischen Gebrauchtwagenbörse im europäischen Inter-
net. 2001 veröffentlichte er das erste deutschsprachige Fachbuch zum Thema „Virtuelle
Marktplätze“. Im Oktober 2001 folgte er zunächst dem Ruf an die Christian-Albrechts-
Universität zu Kiel, wo er Inhaber einer C4-Professur für E-Business wurde. Mit knapp
31 Jahren war er zu diesem Zeitpunkt der jüngste Professor auf diesem Gebiet in Deutsch-
land und baute gerade nach dem Zusammenbruch des Neuen Marktes die Forschung und
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019
T. Kollmann, E-Business, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26143-6
1012 Autor
Lehre für die Digitale Wirtschaft in Deutschland maßgeblich mit auf. Seit April 2005 ist
er Inhaber des Lehrstuhls für BWL und Wirtschaftsinformatik, insbesondere E-Business
und E-Entrepreneurship an der Universität Duisburg-Essen, Campus Essen.
Innerhalb der Forschung konzentriert er sich insbesondere auf das Thema „E-Entrepre-
neurship“ und damit auf alle Fragen rund um die Unternehmensgründung und -entwick-
lung in der Digitalen Wirtschaft. Neben zahlreichen internationalen TOP-Publikationen
u.a. in amerikanischen A-Journalen, baute er auch das Grundgerüst für die Ausbildung im
Bereich der Digitalen Wirtschaft in Deutschland auf. So hat er 2004 u.a. mit dem Werk
„E-Venture“ (ab 2006 in Folgeauflagen mit dem Titel „E-Entrepreneurship“) das erste
Lehrbuch nur für Unternehmensgründungen in der Digitalen Wirtschaft und 2005 das erste
deutschsprachige Lexikon zur Unternehmensgründung verfasst. Das Magazin „Mobile Bu-
siness“ bezeichnete das Lehrbuch „E-Entrepreneurship“ am 08.09.16 als „eines der wich-
tigsten deutschen Grundlagenwerke für Digitalunternehmen“. Sein Lehrbuch „E-Busi-
ness“ ist ebenfalls seit 2004 das führende Standardwerk für die Vermittlung der Grundla-
gen von elektronischen Geschäftsprozessen und -modellen und an zahlreichen Hochschu-
len und Weiterbildungseinrichtungen im Einsatz. Aktuell ist es schon in der 7. Auflage
verfügbar. Der Informationsdient „media.valley“ schrieb schon am 26.02.2007, dass „das
Buch für jeden Top-Manager eine notwendige Pflichtlektüre sei, um auch in Zukunft sein
Unternehmen in der Digitalen Wirtschaft am Leben zu halten“.
Neben seiner Forschung hat Prof. Kollmann aber auch Maßstäbe für die Förderung von
universitären Ausgründungen durch Studenten der BWL, Wirtschaftsinformatik und In-
formatik gesetzt. Für sein besonderes Lehr- und Förderkonzept in diesem Bereich erhielt
er im Jahre 2007 beim UNESCO Entrepreneurship Award „Entrepreneurial Thinking and
Acting“ einen Sonderpreis. In der Studie „Vom Studenten zum Unternehmer: Welche Uni-
versität bietet die besten Chancen? – Ranking 2007“ wurde ferner festgestellt, dass im
Hinblick auf die Anzahl aktiver Teilnahmen an einschlägigen Tagungen sowie der Publi-
kationsleistung der Forscher er mit seiner Universität Duisburg-Essen den Spitzenplatz
belegt. Laut dem Ranking der Zeitung „Handelsblatt“ (2009) gehörte er ferner zudem zu
den Top-10 % der Forscher in der deutschsprachigen Betriebswirtschaftslehre. Aufgrund
des Lehrangebots von Prof. Kollmann wurde die Universität Duisburg-Essen vom Maga-
zin „iBusiness“ am 28.07.16 diesbezüglich als „Vorzeige-Campus für die digitale Ökono-
mie“ in Deutschland bezeichnet, da längst nicht alle so deutlich auf die Digitale Wirtschaft
ausgerichtet sind, wie sein Lehrstuhl an der Universität Duisburg-Essen. Prof. Kollmann
ist Autor zahlreicher Fach- und Praxisbeiträge zu den Bereichen „Entrepreneurship“, „E-
Business“ und „Akzeptanz/Marketing bei neuen Medien“ in nationalen und internationa-
len Zeitschriften bzw. Sammelbänden. Er schreibt regelmäßige eine vielbeachtete Kolum-
ne auf manager-magazin.de sowie der huffingtonpost.de zum Thema „Digitalisierung“.
Die Bandbreite der Inhalte geht dabei von konkreten Tipps für digitale Gründer, über Hin-
weise an etablierte Unternehmen für ihre digitale Transformation bis hin zu Forderungen
an die Politik für ein Deutschland 4.0 und die zugehörigen Rahmenbedingungen. Eine
Auswahl der spannendsten Kolumnen hat er in dem Werk „Digitale Meinungsmache“ zu-
sammengeführt (www.digitale-meinungsmache.de). Von der Bundestagswahl 2002 bis hin
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zum Digital Leadership 2018 findet jeder Leser wertvolle Anregung für die eigene Digi-
tale Transformation. Er ist zudem Verfasser mehrerer Bücher in diesem Bereich. Neben
zahlreichen Vorträgen auf Kongressen und Seminaren war er auch Inhaber eines Lehrauf-
trags an der Universität Köln für E-Business.
Er ist Herausgeber bzw. Gutachter für nationale und internationale Zeitschriften im E-
Business-Bereich und war Mitglied der Jury zum Deutschen Multimedia Award 2002 und
2003. Auch beim Wettbewerb „Startup des Jahres“ der Internetplattform „deutsche-start
ups.de“ ist er seit Jahren ein Mitglied der Jury. Ebenso beim Gründerwettbewerb „Neu-
macher“ der Wirtschaftswoche und zahlreicher anderer Wettbewerbe und Veranstaltun-
gen. 2014 ist er Gutachter für das Horizon 2020-Programm der Europäischen Kommission
für DG Communication Networks, Content and Technology. Er ist einer der Herausgeber
der Schriftenreihe „Entrepreneurship“ im Springer Gabler-Verlag und gehört auch zum
Coaching-Netzwerk vom Gründer-Wettbewerb „Mit Multimedia erfolgreich starten“ des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi), für das er auch seit vielen Jahren
als Sachverständiger im Beirat des EXIST-Förderprogramms tätig ist. Für das BMWi und
das Land NRW organisierte er 2012 zudem den 1. Startup-Battle, ein Pitching für Unter-
nehmensgründer der IKT-Branche im Rahmen des bundesweiten IT-Gipfels in Essen.
Während des „Wissenschaftsjahres 2014 – Die digitale Wirtschaft“ war er verantwortlich
für den „E-Entrepreneurship Flying Circus“ (#EEFC14), einer bundesweiten Bustour über
2.000 km an die Hochschulen in Köln, Hamburg, Berlin, Dresden, Nürnberg und Stuttgart
zur Förderung der Gründerausbildung für die Digitale Wirtschaft. Mit über 60 teilnehmen-
den Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Hochschule und Startup-Szene war der E-
Entrepreneurship Flying Circus damit die erste und größte Impulsserie dieser Art in
Deutschland. Teilnehmer waren u.a. Brigitte Zypries - Bundeswirtschaftsministerin, Tho-
mas Jarzombek – MdB/CDU, Lars Klingbeil – MdB/SPD, Lars Hinrichs – Gründer von
XING, Tim Schumacher – Gründer von Sedo, Stephan Uhrenbacher – Gründer von Qype,
Ulrich Dietz – Präsidiumsmitglied beim BITKOM. Von 2005 bis 2008 war Prof. Kollmann
ferner Mitglied im Präsidium des „Förderkreis Gründungs-Forschung e. V. (FGF)“ und
hier zuständig für die wissenschaftliche Nachwuchsförderung. 2012 wurde sein Thesen-
papier „IKT.Gründungen@Deutschland – Essener Thesen zum E-Entrepreneurship“ ein
in der Politik viel beachteter Impuls zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für IKT-
Gründer, der u. a. mit einer persönlichen Einladung von Bundeskanzlerin Angela Merkel
ins Kanzleramt gewürdigt wurde. Im gleichen Jahr war er ferner einer der Initiatoren und
ein Gründungsmitglied vom Bundesverband Deutsche Startups e.V. und wurde zudem von
dessen Vorstand in den ersten Beirat des Verbandes berufen. Dieser Bundesverband ist
heute die zentrale politische Stimme der Startups in Deutschland.
2013 berief der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Philipp Rösler, ihn als
Kernmitglied in seinen 24-köpfigen Beirat „Junge Digitale Wirtschaft“ (BJDW) beim
BMWi. Dieser Beirat berät den Bundeswirtschaftsminister in allen wichtigen Fragen der
digitalen Wirtschaft. Am 22. April 2013 wird er zum Vorsitzenden dieses Gremiums ge-
wählt und übernimmt damit die Rolle eines wichtigen Mittlers zwischen der Politik und
1014 Autor
der Digitalen Wirtschaft in Deutschland. Die Ergebnisse der Beiratsarbeit münden nicht
nur in ein viel beachtetes Vorschlagspapier, sondern werden unter seiner Führung auch
ein wichtiger Bestandteil des aktuellen Koalitionsvertrags. Am 5. März 2014 wurde er im
Rahmen der ersten Sitzung nach der letzten Bundestagswahl unter der Leitung des ehe-
maligen Bundeswirtschaftsministers Sigmar Gabriel als Vorsitzender des Beirats bestätigt
und von den Mitgliedern wiedergewählt. Auch für eine dritte Amtszeit als Vorsitzender
des BJDW wurde er am 16. Juni 2015 erneut einstimmig gewählt. In diese laufende Peri-
ode fällt auch der Start einer Kooperation mit dem „Conseil national du numérique“, dem
Beirat im französischen Wirtschaftsministerium und damit die Internationalisierung der
Gremiumsarbeit.
Am 27.10.2015 überreichte er vor diesem Hintergrund auf der französisch-deutschen Kon-
ferenz zur Digitalen Wirtschaft nach einer Rede im Élysée-Palast zusammen mit Benoît
Thieulin, dem Vorsitzenden des französischen „Nationalrat für Digitales“ (Conseil natio-
nal du numérique, CNNum), den Aktionsplan für Innovation (API) „Digitale Innovation
und Digitale Transformation in Europa“ an den damaligen Bundeswirtschaftsminister Sig-
mar Gabriel und an Präsident Emmanuel Macron, damals noch Frankreichs Minister für
Wirtschaft, Industrie und Digitales. Enthalten sind 15 Vorschläge zur Stärkung einer in-
ternational wettbewerbsfähigen europäischen Digitalwirtschaft. Zentrale Themen sind die
Ausbildung und Förderung von digitalen Kompetenzen, der Aufbau eines europäischen
Ökosystems für digitale Startups, die Finanzierung von digitalen Innnovationen, die Etab-
lierung eines Digitalen Binnenmarktes und die digitale Transformation der europäischen
Wirtschaft. Am 25.04.2016 besuchte er zusammen mit Mounir Mahjoubi, dem damaligen
Vorsitzenden des Conseil national du numérique (CNNum) in Brüssel den Vice-Commis-
sioner Andrus Ansip und am 27.04.2016 den Commissioner für Digitale Wirtschaft und
Gesellschaft Günther Oettinger, um über die weitere Entwicklung des Digitalen Binnen-
marktes zu sprechen. Auf seine Initiative hin soll ein europäischer Beirat für die (junge)
Digitale Wirtschaft gegründet werden, der sich aus Vertretern der einzelnen Beiräte aus
den jeweiligen EU-Ländern zusammensetzen soll. Am 07. Juli 2016 wurde er einstimmig
als Vorsitzender des BJDW für eine vierte und am 06. Juni 2017 für eine fünfte Amtszeit
wiedergewählt.
Am 13. Dezember 2016 überreichte er zusammen mit dem Vorsitzenden des französischen
CNNum das gemeinsame Maßnahmenpapier „Digitalisierung ist eine Grundfrage für Eu-
ropa!“ an den damaligen Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und seinen französi-
schen Amtskollegen Michel Sapin in Berlin im Rahmen der zweiten dt.-fr. Digitalkonfe-
renz. Der Maßnahmenkatalog enthält sechs konkrete Vorschläge für den gemeinsamen
digitalen Binnenmarkt in Europa zu den Themen europäische Standards für Datensicher-
heit, einheitliche Regelungen zur Datennutzung, Unterstützung der Internationalisierung
von Start-ups, Aufbau europäischer Hubs für Industrie 4.0 und Internet of Things, For-
schung und Förderung zum Bereich Künstliche Intelligenz sowie Harmonisierung der eu-
ropäischen Steuersysteme für Digitalunternehmen. Die Redaktion von politik & kommu-
nikation (Ausgabe 117/2016) zählt ihn zu den bedeutendsten Akteuren der Digitalisierung
im politischen Berlin.
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nehmens ist der Aufbau und Betrieb eines umfassenden Aus- und Weiterbildungssystems
inkl. Vortrags- und Beratungsleistungen rund um das Thema Digitalisierung (www.net
start-academy.de). Dazu zählen sowohl Online-Kurse als auch Zertifikatskurse zum E-
Business-Manager und E-Business-Leader in Kooperation mit der Universität Duisburg-
Essen.
Im Rahmen seiner zahlreichen Praxisprojekte konnte er 2004 als Initiator und Projektleiter
zusammen mit T-Mobile und Motorola die erste mobile Applikation in Form des ersten
UMTS-Eventportals in Deutschland zur Kieler Woche realisieren. Er ist damit einer der
Pioniere der mobilen Apps und ein Sprecher von Apple würdigte ihn zum 10-jährigen
Jubiläum 2014 mit den Worten „Seine Applikation kannten wir auch, als erste deutsche
Vorstufe heutiger Apps“. 2006 erfand er zudem mit der Virtual Kicker League ein Mul-
tiplayer-Spiel, bei dem die Fans der Fußball-Bundesligavereine gegeneinander antreten
und das reale Ligageschehen über einen Online-Kicker begleiten können. Rund 150.000
Fußball-Fans nutzen diese Gelegenheit, um die virtuelle Kicker-Meisterschaft für ihre
Vereine auszuspielen. Insgesamt konnte er darüber hinaus schon zahlreiche Unternehmen
vom Konzern bis zum KMU umfassend und kompetent in allen Fragen rund um das E-
Business (Internet), M-Business (Mobile) und T-Business (Interaktives Fernsehen) bera-
ten und somit seine Mandanten und Kunden fit für die Zukunft der elektronischen Ge-
schäftsmodelle und -prozesse in der Digitalen Wirtschaft machen.
Laut dem Magazin „Business Punk“ (Ausgabe 02/2014) gehört Prof. Kollmann zu den 50
wichtigsten Köpfen der Startup-Szene in Deutschland. Er ist zudem ein gefragter Speaker
und Moderator für Veranstaltungen rund um die Themen „Digitale Wirtschaft“, „Digitale
Transformation“ und „Digitale Innovationen“ für Konzerne und KMUs, Verlage, Banken,
Bildungseinrichtungen und Hochschulen, Interessensvertretungen und politischen Par-
teien bzw. Organisationen, Messen und Seminarveranstaltern, Berufsverbänden, Clubs,
Kundenversammlungen, Initiativkreisen, Medienunternehmen usw. Er war und ist einer
der führenden Experten für die Digitale Wirtschaft in Deutschland und hat als Forscher,
Ausbilder, Berater, Entwickler, Investor aber auch als politischer Vordenker, einen we-
sentlichen Teil für deren Entwicklung in unserem Land beigetragen. Im September 2016
veröffentlichte er vor diesem Hintergrund zusammen mit Dr. Holger Schmidt, dem Inter-
net-Chefkorrespondent des Magazins FOCUS, den Bestseller „Deutschland 4.0“. Dieses
Buch zeigt, wie die Digitale Transformation für Gesellschaft, Wirtschaft und Politik für
unser Land gelingt. Brandwatch zählt Prof. Kollmann im November 2017 zu den TOP-10
der einflussreichsten Twitter-Autoren rund um das Thema „Digitale Transformation“ und
„Digital Leadership“. Seit 2018 gehört er laut der FAZ zu den 100 einflussreichsten Öko-
nomen in Deutschland und hat „Gewicht in Medien, Forschung und Politik“.
Tobias Kollmann
E-Entrepreneurship
Grundlagen der Unternehmensgründung
in der Digitalen Wirtschaft
6., überarb. Auflage 2016. ca. 700 Seiten,
Broschur
ISBN 978-3-658-12348-2
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