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Das Medienpaket , ,Todesfuge" will an die grausame und menschenver-

achtende Diktatur des Nationalsozialismus erinnern.


In einem Film, , Mein Großvater - KZ-Aufseher Konrad Keller" geht der
junge Journalist Kister den Spuren seines Großvaters nach, der als Aufse-
her im Konzentrationslager Dachau, ,gearbeitet" hat. Seine Gespräche
mit Überlebenden, Tätern und Verwandten vennitteln dem Zuschauer,
was ein, ,KZ" war, wie es , ,funktionierte", wer die Verantwortlichen wa-
ren und wie sich die Bürger außerhalb der Todeszone verhielten.
Der Film (Videokassette, 60 Minuten) kann auch als "Selbstläufer" ge-
zeigt werden. Dennoch wird ein nachbereitendes Filmgespräch emp-
fohlen.
Die Ton-Bild-Schau "Todesfuge" nimmt direkten Bezug auf den Film.
Sie kann aber auch unabhängig davon eingesetzt werden und ist beson-
ders geeignet für non-stop-Vorführungen in Gedenkstätten oder auf Aus-
stellungen.
Beide audiovisuelle Medien werden ergänzt durch ein 60 Seiten umfas-
sendes Glossar. das Pädagogen und Moderatoren von Filmgesprächen
bzw. Seminarveranstaltungen helfen soll, Kurzbeiträge zu Schwer-
punktthemen zusammenzustellen. Dabei erleichtert das beigefügte
Sachwortregister die Auswahl von Kurzinformationen. Auf der ."Ge-
samtübersicht" rechts ausgewiesene Zahlenkombinationen geben je-
weils die für ein Thema erforderlichen, ,Grundkarten" an.
Impressum
Video" Mein Großvater - KZ-Aufseher Konrad Keller
Buch und Regie : Paul Karalus
Produktion: Dialog-Film, München, 1983
Länge: 60 Minuten
Ton-Bild-Schau, ,Todesfuge"
Buch: ElkeBahr
Produktion: B&K Reinhard Brust u. Hans
Kortenhaus, Neufahrn im Auftrag
der Dialog-Film, München 1983
Text-Kartei "Glossar"
Texte: Elke Bahr
Herausgeber: Bundeszentrale für politische
Bildung
Redaktion : Ulrich Allwardt (verantwortlich)
Fritz E. Gericke

Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 1987


ISBN 978-3-8100-0889-3 ISBN 978-3-322-95937-9 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-322-95937-9
GESAMTÜBERSICHT
1. Voraussetzungen für die Entstehung des NS-Regimes
1.1 in der pol. Entwicklung (1. Weltkrieg, Versailles, Weimar) 1,26,31,32,37,
38,47,50,53,55
2. Aufstieg Hitlers und der NSDAP
2.1 Ziele der NSDAP 7,8,12,14,18,
22,23,27,35,39,
45,51
2.2 Wählermotivation und Wahlerfolge 23,27,33,35,
38,47,50
2.3 Instrumentarien zur Durchsetzung nationalsozialistischer 9,12,27,28,33,
Ziele 40,42,44
3. Hitlers Weg zur totalen Macht
3.1 Ausschaltung der politischen Gegner 11,36,39,41
3.2 Ausschaltung des Parlaments 10,24,31,33,36
3.3 Aufhebung der Rechtsstaatlichkeit 6, 11,29,41,42,
43,46
3.4 Errichtung und Organisation des Einparteien-Staates 6,24,28,36,42
4. Leben unter der NS-Herrschaft
4.1 Zentralismus und Gleichschaltung 1,2,3,8,9,10,
13,33,37,42
4.2 die neue Gesellschaft 3,8,22,34
4.3 Wirtschaftsentwicklung 25,48
4.4 Verbände und Organisationen der NS-Bewegung 13,27,28,34,
40,42,44
5. Radikaler Antisemitismus
5.1 pseudowissenschaftlicher Überbau 7,22, 29, 35, 45, 51
5.2 Eskalation des Terrors 2,14,15,29,41,52
5.3 Systematische Judenverfolgung und -vernichtung 5,14,16-21,35,44
6. System der Konzentrationslager
6.1 Ursprung, Art und Zahl 16
6.2 Organisation und Belegstärke 17, 19
6.3 Kategorien der Gefangenen 18
6.4 Haft bedingungen und Haftdauer 19,20
6.5 Strafen; Strafanlässe und Strafmaß 21
6.6 Ende der KZ; Strafverfolgung von NS-Verbrechen 30
7. Widerstand gegen das NS-Regime
7.1 Widerstandskreise 4,54,56
7.2 20. Juli 1944 56
Personenregister 57
Sachregister 58
1
ADGB (Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund)
1919 Seit seiner Gründung war der ADGB die Spitzenorganisation der sozialistischen Freien Gewerkschaf~en
in Deutschland.
1930 Mitgliedszahl des ADGB: 4,8 Millionen
Neben dem ADGB existierten u. a. der "Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften" mit rund
0,6 Mio. Mitgliedern und der "Verband der deutschen Gewerkvereine" mit einer Mitgliederstärke von
163000.
Gewerkschaften wie Arbeiterparteien waren einer langen demokratischen Tradition verpflichtet und
glaubten, mit Zugeständnissen an die bürgerliche Rechte (Beispiel: Duldung der Zentrums-Regierung
durch die SPD -+ Notverordnungen) den politischen Gegner, die NSDAP, isolieren zu können. Zu dieser
offenbaren Unterschätzung des Nationalsozialismus kam die allgemeine soziokulturelle Spaltung des
Arbeiterlagers. Kommunisten hatten konkurrierende Gewerkschafts-, Sport-, Kultur- und Jugendorga-
nisationen gegründet, da sie aus den sozialdemokratisch dominierten älteren Verbänden ausgeschlossen
worden waren. Auch die soziale Spaltung in erwerbslose und erwerbstätige Arbeiter wirkte sich negativ
aus (Arbeitslosigkeit - Weltwirtschaftskrise). Beide Gruppen hatten unterschiedliche Interessen und wa-
ren schwer gemeinsam zu mobilisieren. - So fand der von der KPD (bereits am 30. Jan. 1933) geforderte
Generalstreik nicht statt, obwohl die Aussichten auf eine erfolgreiche Verteidigung der Republik durch-
aus gut waren, denn schon einmal hatte die demokratische Linke einen Umsturzversuch rechtsradikaler
13.3.1920 Kräfte (Kapp-Putsch) durch einen Generalstreik abwenden können. Nun aber fehlte es an einer geschlos-
senen Abwehrreaktion.
2.5.1933 Verbot und Zerschlagung der Gewerkschaften; Beschlagnahme ihres Besitzes
10.5.1933 Gründung der Deutschen Arbeitsfront (DAF)
1. Hans-Gerd Schumann: Nationalsozialismus und Gewerkschaftsbewegung, in: Schriftenreihe des Instituts für wissen-
schaftliche Politik, Bd. 6, Marburg/Lahn 1958
2. Hans Reichhardt: Die deutsche Arbeitsfront (Diss.), Berlin 1956
2
Bücherverbrennung/Entartete Kunst
= Bezeichnung für eine Aktion der Nationalsozialisten zur Vernichtung von "Schrifttum der Unmoral
und Zersetzung", dazu gehörten Werke von Thomas und Heinrich Mann, Carl Zuckmayer, Stefan Zweig,
Albert Einstein, Kurt 'f.ucholsky, Sigmund Freud u. A.
Die B. waren der Höhepunkt eines vierwöchigen "Aufklärungsfeldzugs wider den undeutschen Geist".
Im Verlauf dieser vom Propagandaministerium initüerten Kampagne (-+ Propaganda ... ) wurden zunächst
Listen von unerwünschten Buchtiteln erstellt; Urheber dieses Index: der NSDStB (Nationalsozialistischer
Deutscher Studentenbund). Aufgrund des Verzeichnisses wurden die Universitätsbibliotheken "gesäu-
bert", ebenso alle übrigen Büchereien und Buchhandlungen; insgesamt 12 400 Titel wurden entfernt.
10.5.1933 Die spektakulärsten B. fanden in Berlin statt. In Anwesenheit des Reichsministers für Propaganda, Joseph
Goebbels, wurden 20000 Bände verfemter Schriftsteller verbrannt. Dies war der Auftakt zur Verfolgung
zahlreicher Autoren, die nicht systemkonform waren.
Dasselbe Schicksal traf Maler und Bildhauer wie Pablo Picasso, Franz Mare, Paul Klee, Mare Chagall. Ihre
Werke galten als "Entartete Kunst", weil sie abstrakt, expressionistisch oder kubistisch waren bzw. sozia-
le Mißstände wie Hunger und Armut darstellten.
1. Joseph Wulf: Literatur und Dichtung im Dritten Reich, Hamburg 1966
2. Joseph Wulf: Die Bildenden Künste im Dritten Reich, Hamburg 1966
3. Uwe-K. Ketelsen: Völkisch-nationale und nationalsozialistische Literatur in Deutschland 1890-1945, Stuttgart 1976
3
DAF - Deutsche Arbeitsfront
= Einheitsorganisation der NSDAP für Arbeiter, Angestellte, Handwerker, Gewerbetreibende und Unter-
nehmer
10.5.1933 Gründung der DAF. Reichsorganisationsleiter Dr. Robert Ley ernannte die einzelnen "Unter"-Führer für
die verschiedenen Untergliederungen der DAF. Diese waren nach dem Vorbild der Parteiorganisation:
Block, Ortsgruppe, Kreis und Gau.
1942 Die DAF war größte Massenorganisation des NS-Staates u. a. durch Eingliederung von Reichskulturkam-
mer, Reichsnährstand und den Organisationen der gewerblichen Wirtschaft; insgesamt 25 Mio. Mitglie-
der; monatlicher Mitgliedsbeitrag: 1,5 % des Einkommens; die Mitgliedschaft war nominell freiwillig, bei
Nicht-Beitritt mußte jedoch mit Sanktionen wie Kündigung u. ä. gerechnet werden.
Leistungen der DAF:
Betreuung in arbeits- und sozialrechtlichen Angelegenheiten; bei der Berufserziehung und der Freizeitge-
staltung; keine Leistungen in Tariffragen (sog. "Treuhänder der Arbeit" führten die staatlichen Beschlüs-
se über Löhne und Arbeitsbedingungen durch).
Aufgaben der DAF:
Politische Schulung der Mitglieder; überwachung der Arbeitnehmer - insbesondere durch Programme zur
Nov. 1933 Freizeitgestaltung von der NS-Gemeinschaft "Kraft durch Freude" (KdF); seit ihrer Gründung lenkte
die KdF sämtliche Freizeitmöglichkeiten der Arbeitnehmer im nationalsozialistischen Sinne. Das Ange-
bot ging von Tanzveranstaltungen, verbilligter Ausgabe von Theater-, Oper- und Konzertkarten bis zur
Organisation von Reisen. Ziel der "Freizeitbewegung": Steigerung der Arbeitsleistung der Beschäftigten
und politische Gleichschaltung.
1. Hans-Gerd Schumann: Nationalsozialismus und Gewerkschaftsbewegung. Die Vernichtung der deutschen Gewerk-
schaften und der Aufbau der "Deutschen Arbeitsfront", Frankfurt 1958
2. Hans Reichhardt: Die Deutsche Arbeitsfront (Diss.), Berlin 1956
4
Edelweißpiraten
= Jugendliche Widerstandsgruppen gegen das NS-Regime
(Erkennungszeichen: Edelweiß oder weiße bzw. farbige Stecknadel am linken Revers)
Die Aktionen der E. reichten von einfachen nonkonformen Verhaltensweisen bis zu bewußtem und akti-
vem politischen Widerstand:
regelmäßige Treffs
Schlägereien mit der -+ HJ
Herstellung von Waffen (Schwarzpulver und Steinschleudern)
konspirative Verbindung zu Widerstandsgruppen
Kontaktaufnahme mit gleichgesinnten Jugendlichen
politische Diskussionen
Herstellung und Verbreitung illegaler Schriften und Flugblätter
Sabotageakte
Kontakte zu "Fremdarbeitern"
Provokationen der NS-Herrscher (Absingen der Internationale etc.)
Zahlenmäßiger Umfang und territoriale Verbreitung der E. sind schwer zu ermitteln; in Vernehmungen,
die aktenkundig wurden, erklärten sich die Jugendlichen eher zu Kriminellen, um der politischen Justiz
zu entgehen. In Anbetracht als erheblich angesehenen Verbreitung wurden Strafmaßnahmen gegen die E.
verschärft (Oktober 1944).
In der Verfolgung der E. wurden in Köln 13 E. - ohne Anklage oder Verfahren - öffentlich von der
Nov. 1944 Gestapo als Kriminelle gehängt.
Detlev Peukert: Die Edelweißpiraten. Protestbewegungen jugendlicher Arbeiter im Dritten Reich, Köln 1980
Detlev Peukert: Protest und Widerstand von Jugendlichen im Dritten Reich, in: Richard Löwenthal/Patrik von zur
Mühlen (Hrsg.); Widerstand und Verweigerung in Deutschland 1933 bis 1945, Berlin/Bonn 1982
5
Endlösung der Judenfrage
Juli 1941 Heydrich, Chef der Sicherheitspolizei und des SD, wird offiziell von Göring beauftragt, einen "Gesamt-
entwurf ... der angestrebten Gesamtlösung der Judenfrage" vorzulegen.
20.1.1942 Heydrich beruft die "Wannsee-Konferenz" ein (benannt nach dem Tagungsort in Berlin-Wannsee) und
legt 14 weiteren Teilnehmern (darunter Adolf Eichmann, Protokollführer) sein Konzept vor: Es betrifft
etwa l1 Millionen Juden, da auch Länder wie Schweden, Spanien oder die Schweiz unter das Programm
fallen sollen. Zur praktischen Durchführung der E. werden folgende Einzelschritte festgelegt:
1. "Durchkämmen" Europas von Westen nach Osten, um aller Juden habhaft zu werden
2. Einkalkulierte Dezimierung (durch Schwerarbeit, Unterernährung, Strafen etc.)
3. "Behandlung" der Überlebenden, da diese "eine natürliche Auslese darstellend, ... als Keimzelle
eines neuen jüdischen Aufbaus anzusprechen sind". (Protokoll-Auszug)
Was unter der "Behandlung" zu verstehen war, wurde in den Konferenz-Protokollen nicht niedergelegt.
Sie enthalten nur den Satz: " ... Abschließend wurden die verschiedenen Arten der Lösungsmöglichkei-
ten besprochen". Damit waren - wie Adolf Eichmann in seinem Prozeß in Jerusalem 1961 aussagte, die
verschiedenen "Tötungsmöglichkeiten" gemeint.
Tatsächlich lagen zum Zeitpunkt der Wannsee-Konferenz bereits einschlägige Erfahrungen vor mit der
planmäßigen Vernichtung von Menschen; in Auschwitz waren Versuche mit Giftgas gemacht worden, in
Chelmo wurden fahrbare Gaskammern eingesetzt. Der umfassende Massenmord an allen Juden war längst
beschlossen und eingeleitet; auf der Konferenz in Wannsee ging es daher lediglich noch um die optimale
Koordinierung erfolgter und zukünftiger Pläne zur Judenvernichtung.
1. Martin Broszat: Hitler und die Genesis der Endlösung, in Vfl, Nr. 25, 1977
2. Gerald Reitlinger: Die Endlösung, Hitlers Versuch der Ausrottung der Juden Europas 1939-1945, Berlin 1961
3. Hannah Arendt: Eichmann in Jerusalem - ein Bericht von der Banalität des Bösen, München 1964
4. Uwe Dietrich Adam: Judenpolitik im Dritten Reich, Düsseldorf 1972
6
Ermächtigungsgesetz
24.3.1933 = "Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Staat" (-+ Machtergreifung); Durchsetzung erforderte, da
verfassungsändernd, Zweidrittelmehrheit im Reichstag, die durch Verhaftung der kommunistischen
Abgeordneten und massiven Druck (Aufmarsch von -+ SA und SS) sowie durch Versprechungen an das
Zentrum, die später nicht eingehalten wurden, zustandekam; Mit Ausnahme der SPD (die kommunisti-
schen Abgeordneten waren bereits aus dem Reichstag entfernt (-+ Verordnung zum Schutz ... ) stimm-
ten aUe Parteien für das E.
Das E. enthielt in
Art. 1 - die Möglichkeit, Gesetze ohne Lesung und Verabschiedung durch das Parlament zu erlassen
Art. 2 - die Möglichkeit, verfassungsändernde Gesetze zu erlassen
Reichstag und Reichsrat sollten bestehen bleiben, ebenso die Rechte des Reichspräsidenten; laut Art. 5
war das E. auf 4 Jahre befristet.
Tatsächlich wurde der Reichstag von 1938 bis 1942 nur sechsmal einberufen, was praktisch einer Aus-
schaltung des Parlaments gleichkam; der Reichsrat wurde im Februar 1934 aufgelöst, und im August dar-
auf übernahm Hitler das Amt des Reichspräsidenten. Im Januar 1937 wurde das E. erstmalig verlängert
und galt schließlich durch Führererlaß von 1943 unbeschränkt.
RGBl., 1933, I, Nr. 25, S. 141
Max Domarus: Hitler/Reden 1932-1945, kommentiert von einem deutschen Zeitgenossen, Bde. I und IV, Wiesbaden
1973
Tonband: Das Ermächtigungsgesetz ... (28 min)
Film: Hitler an der Macht Jan.-Juli 1933 (12 min)
7

Eu thanasie-Befehl
1.9.1939 = geheime Anweisung Hitlers, unheilbar Kranke zu töten bzw. "Iebensunwertes Leben" auszurotten
(-+ Rassenkunde)
"Lebensunwert" war nach Ansicht der Nationalsozialisten das Dasein aller Personen mit den Krankhei-
ten: Schizophrenie, Epilepsie, Gehirnentzündung, Schwachsinn, Veitstanz, Lues (Geschlechtskrankheit).
Weiter fielen unter die Kategorie alle "Dauerpatienten" (mind. fünf Jahre Anstaltsaufenthalt), kriminelle
Geisteskranke, Patienten ohne deutsche Staatsangehörigkeit, Patienten "nicht deutschen oder artver-
wandten Blutes".
Alle diese Personen mußten gemeldet werden. Die Meldebögen wurden gesammelt von der eigens einge-
richteten "Reichsarbeitsgemeinschaft der Heil- und Pflegeanstalten", einer Tarnorganisation, die auf-
grund dieser Formulare über Leben und Tod der Patienten entschied. Sie veranlaßte die "Verlegung" der
Patienten in NSDAP-eigene Anstalten wie Hadamar, Brandenburg an der Havel, Bernburg, Hartheim und
Sonnenstein. An diesen Plätzen waren Gaskammern eingerichtet für die organisierte Massentötung, die
zum Vorbild für die Vernichtungslager (-+ KZ) wurde. Die Leichen der Opfer wurden verbrannt.
Die planmäßige Vernichtung von Menschen durch den E. wurde trotz strenger Geheimhaltungsvorschrif-
ten bekannt und wegen öffentlicher Proteste eingestellt. Bis zu diesem Zeitpunkt waren etwa 100 000
Aug. 1941 Erwachsene und Kinder getötet worden.
1. H. Eberhardt: Euthanasie und Vernichtung "lebensunwerten Lebens", Stuttgart 1965
2. L. Gruchmann: Euthanasie und Justiz im Dritten Reich, in Vfz, Nr. 20, Stuttgart 1972
3. A. Mitscherlich: Medizin ohne Menschlichkeit
8
Führerprinzip
= Grundregel der nationalsozialistischen Weltanschauung; danach mußte jede NS-Gruppierung oder
-Gefolgschaft ihrem Führer blinden Gehorsam und bedingungslose Treue erweisen. Jeder Führer einer
Gefolgschaft war einem nächsthöheren Führer untergeordnet. Oberster Führer war Adolf Hitler, der über
das gesamte deutsche Volk Befehlsgewalt hatte (-+ Volksgemeinschaft).
Die anachronistische Auffassung von einem übergeordneten Ratschluß, der den Führer schicksalhaft an
die Spitze des Volkes stelle und ihn mit uneingeschränkter Macht versehe, hatte Hitler bereits in seinem
Buch "Mein Kampr' hervorgehoben. Er hatte gefordert, den "völkischen Staat" restlos vom parlamenta-
rischen Prinzip (-+ Parlamentarismus) zu befreien. Äußeres Zeichen der Verpflichtung aller Parteimitglie-
der auf die Person Hitlers war der seit 1926 übliche, erst später obligatorische Gruß "Heil Hitler", der die
germanische Vorstellung des Verhältnisses zwischen Herzog und Gefolgsmann wiederbeleben sollte.
Demzufolge wurde nach Hitlers -+ Machtergreifung nicht mehr der Begriff "Staatsgewalt" verwendet.
Stattdessen gab es die "Führergewalt"; sie war total, d. h. nicht durch Kontrollen gehemmt, sondern frei,
unabhängig, ausschließlich und unbeschränkt. In dieser Form existierte die Führergewalt von dem Zeit-
punkt an, wo Hitler die beiden höchsten Staatsämter in sich vereinte.
1.8.1934 Nach dem Tode Hindenburgs wurden die höchsten Staatsämter - Präsidentschaft und Kanzlerschaft - in
der Hand des "Führers und Reichskanzlers" vereinigt.
1. AdolfHitler: Mein Kampf, München 1938
2. Ernst Rudolf Huber: Verfassungsrecht des Großdeutschen Reiches, 2. Aufl. 1939, in: H. Buchheim/M. Broszat/H.
A. Jacobson/H. Krausnick: Anatomie des SS-Staates, Band 1, München, 3. Auflage 1982, S. 15 ff (dtv dokumente).
3. Tonband: Ein Gott für die Massen (Führerkultur und politische Volksvertührung) 30 min
4. Bracher/Funke/Jacobson (Hrsg.) Nationalsozialistische Diktatur 1933-1945, Schriftenreihe der Bundeszentrale für
politische Bildung, Bd. 192,1983
9

Gestapo
= Geheime Staatspolizei; Offizieller Name der politischen Polizei nach dem I. Oktober 1936.
Entwicklung der Gestapo:
1933 - Hermann GörinJ funktioniert die politische Polizei Preußens um in die Gestapo; damit untersteht die
politische Polizei nicht mehr der Landesregierung, sondern wird Teil der Partei
1934 - Heinrich Himmler übernimmt die Leitung der politischen Polizeien aller Länder und ernennt Reinhard
Heydrich zum Leiter des Geheimen Staatspolizeiamts, Berlin
17.6.1936 - Die G. ist dann faktisch der SS unterstellt und mit Kriminal- und Grenzpolizei zur Sicherheitspolizei
zusammengefaßt. H. Himmler wird Chef der deutschen Polizei.
1939 - Sicherheitspolizei und -+ SD werden zusammen mit Kripo und Gestapo im RSHA (Reichssicherheits-
hauptamt) zentralisiert.
Aufgaben und Kompetenzen der G.:
- Erforschung und Bekämpfung aller "staatsgefährdenden Bestrebungen "; Sammeln und Auswertung
der Ergebnisse; Unterrichtung der Regierung und der übrigen Behörden
- Unabhängigkeit der G. von der Verwaltungsgerichtsbarkeit; Berechtigung zur Anwendung von ,jedem
zur Erreichung des notwendigen Zweckes geeigneten Mittel"
(Wichtigstes Mittel ist das Terrorinstrument der -+ Schutzhaft, durch das nach dem 25. Januar 1938
Haussuchungen und Verhaftungen ohne gerichtliche Kontrolle möglich sind. Auch die Verhörmethoden
kann die G. nach Belieben bestimmen, namentlich in den ihr unterstellten politischen Abteilungen der
-+ KZ. Die unkontrollierte Macht der G. reicht von Folterungen der Häftlinge bis hin zur sog. "Sonder-
behandlung", einer Umschreibung der Hinrichtungen.)
1. Shlomo Aronson: Reinhard Heydrich und die Frühgeschichte von Gestapo und SO, Stuttgart
2. J. Delarue: Geschichte der Gestapo, Düsseldorf 1964
3. Martin Broszat: Der Staat Hitlers, München 1969
10
Gleichschaltung
= Summe aller Maßnahmen zur Erzwingung der Alleinherrschaft Hitlers und der~ NSDAP in Deutschland
politische Maßnahmen:
März 1933 - Ablösung der meisten demokratisch eingesetzten Länder-Polizeichefs durch NS-Parteigenossen; Ein-
satz von Verbänden der ~ SA und ~ SS als Hilfspolizei. In den Ländern Württemberg, Baden, Bremen,
Hamburg, Lübeck, Sachsen, Hessen und Bayern übernehmen von Hitler eingesetzte Reichskommissare
die Herrschaft.
31.3.1933 - ,,1. Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich", kommt ohne Mitwirkung des Parlaments
zustande; Länderparlamente werden aufgelöst und neugebildet auf der Grundlage der Reichstagswahler-
gebnisse; NSDAP wird demnach in allen Ländern stärkste Partei. Die föderative Struktur des deutschen
Reiches ist zerschlagen.
7.4.1933 - Das ,,2. Gesetz zur Gleichschaltung der Länder" setzt in den Ländern Reichsstatthalter ein mit den
Befugnissen, Regierungsmitglieder zu entlassen und zu ernennen.
14.7.1933 "Gesetz gegen die Neubildung von Parteien" = Einparteienstaat
1.12.1933 "Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat"
30.1.l934 "Gesetz über den Neuaufbau des Reiches" mit
1. Aufhebung der Volksvertretungen
2. Übergang der Hoheitsrechte der Länder auf das Reich; Unterordnung der Landesregierungen unter die
Reichsregierung
3. Dienstaufsicht des Reichsinnenministers über die Reichsstatthalter
4. Recht auf Verfassungsänderung durch die Reichsregierung
20.1.l934 - Einführung des ~ Führerprinzips in der Wirtschaft durch "Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit"
(Verabschiedung am 13.1.34)
14.2.1934 Auflösung des Reichsrats
30.6.1934 - Niederschlag des + "Röhm-Putsches"
1.8.1934 Vereinigung von Präsidenten- und Kanzleramt in der Person Hitters
2.8.1934 Vereidigung der Wehrmacht auf Hitler als obersten Befehlshaber
20.12.1934 "Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutze der Parteiuniform" -+
Heimtücke-Gesetz
gesellschaftliche Maßnahmen:
10.5.1933 - Nach Liquidation der Freien Gewerkschaften (-+ ADGB) Gründung der -+ DAF (Deutsche Arbeitsfront)
4.5.1933 - Bildung von "Reichsstand des deutschen Handels", "Reichsstand des deutschen Handwerks" und
"Reichsgruppe Industrie"
17.6.1933 übernahme der gesamten Jugendarbeit des Reiches durch den Reichsjugendführer der NSDAP (-+ HJ)
13.9.1933 - Zusammenschluß der Bauern im "Reichsnährstand"
22.9.1933 - Gründung der "Reichskulturkammer", Zwangsorganisation für alle Künstler, Literaten, Journalisten
etc.)
4.10.1933 - Erlaß des "Schriftleitergesetzes"; machte die Berufsausübung der Redakteure vom Nachweis arischer
Abstammung (-+ Rassenkunde) und politischer Zuverlässigkeit abhängig (-+ Propaganda ... )
26.6.1935 - Einführung einer Arbeitsdienstpflicht (-+ RAD)
1935 - Einteilung aller Organisationen der Partei in "Gliederungen" und "Angeschlossene Verbände" (-+
NSDAP-Organisation); "Gliederungen" gehörten unmittelbar zur Partei; die "Angeschlossenen Verbän- .
de" waren eingetragene Vereine, hervorgegangen aus bereits bestehenden Berufsverbänden und mit deren
Vermögen ausgestattet; sie waren nach "Gauen" und "Kreisen" geordnet und unterstanden der Reichs-
leitung.
1. RGBI. 1933, I, S. 173
2. RGBI. 1933, I, Nr. 135, S. 1016
3. RGBl. 1934, I, Nr. 11, S. 75
4. RGBI. 1934, I, Nr. l37, S. 332 f.
11
Heimtücke-Gesetz
20.12.1934 = löste die kurz nach der -+- Machterareifunl erlassene "Verordnung zur Abwehr heimtückischer Angrif-
fe gegen die Regierung der nationalen Erhebung" ab.
§ I bestimmte bis zu 2 Jahren Gefängnis für Personen, die "vorsätzlich" staats- oder parteischädigende
Behauptungen aufstellten oder verbreiteten
§ 2, Abs. I stellte öffentliche Äußerungen von ,,gehässiger, ketzerischer oder niedriger Gesinnung", die
sich gegen Personen, Anordnungen oder Einrichtungen von Staat oder Partei richteten, unter Gefängnis-
strafe
Abs. 2 verfügte dieselbe Strafe auch für nichtöffentliche Äußerungen
§ 3, Abs. 2 sah Zuchthausstrafe vor für den, der die Tat in der Absicht beging, "in der Bevölkerung Angst
und Schrecken zu erregen ... "; in besonders schweren Fällen wurde die Todesstrafe verhängt.
Parallel zur Bekanntgabe des H. wurden -+- Sonderlerichte (Volkslerichtshof) installiert zur Behandlung
aller neu geschaffenen Straftatbestände.
RGBI. 1934, I, Nr. 137, S. 332f.
12
Ritler-Putsch
8./9.11. = Hitlers Versuch, die Reichsregierung zu stürzen (auch "November-Putsch" genannt) -+ NSDAP-
1923 Geschichte
8. Nov.: Hitler dringt gewaltsam in eine "vaterländische Kundgebung" nationaler und monarchistischer
Gruppen im Münchner BürgerbräukeUer ein und erklärt Landes- und Reichsregierung für abgesetzt. Der
einflußreiche General Ludendorff schlägt sich auf Hitlers Seite. Beide befehlen - mit der Zustimmung
der Versammlung - für den nächsten Tag den Marsch zum Regierungsviertel.
Noch während der Nacht wenden sich einige Führer der Vaterländischen Bewegung von Hitlers Putsch-
versuch ab. Die bayerische Regierung, die Landespolizei und die Reichswehr werden informiert und so
in die Lage versetzt, den Marsch auf die FeldherrnhaUe aufzuhalten. Dabei kommt es zu Schüssen; 16 be-
waffnete Hitler-Anhänger und vier Polizisten werden getötet. Hitler flieht, wird jedoch schon nach weni-
gen Tagen festgenommen.
Im Prozeß wegen Hochverrats wird Hitler zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt. I:.udendorff wird freige-
sprochen.
Nach der Machtübernahme 1933 trafen sich Hitler und die "Alte Garde" alljährlich zum ·9. November
und wiederholten zum feierlichen Gedenken den Marsch auf die Feldherrnhalle.
Allan Bullock: Hitler - Eine Studie über die Tyrannei, Königstein/Düsseldorf 1977
13
HJ - Hitlerjugend
1926 Jugendorganisation der NSDAP
17.6.1933 Ernennung v. Schirachs zum Jugendführer des deutschen Reiches
1.12.1936 Gesetz über die Hitlerjugend
1939 Jugenddienstverordnung - Die Teilnahme an den Veranstaltungen der H. wird Pflicht für alle Jungen und
Mädchen zwischen 10 und 18 Jahren; Neugliederung der Organisation in
Junsvolk - für 10-14jährige Jungen (auch ,,Pimpfe" genannt)
JUß8IIlädel - für 10-14jährige Mädchen
HJ - für 14-18jährige Jungen
BDM - 'für 14-18jährige Mädchen (= "Bund deutscher Mädel", bereits 1930 entstanden durch
Zusammenfassung mehrerer nationalsozialistischer Gruppen)
Der Dienst in der HJ bestand vorwiegend aus:
1. Heimabenden - einmal wöchentlich zur weltanschaulichen Schulung (Geschichte der NSDAP und
Rassenkunde) in kleineren Gruppen von etwa 10 Jungen; in größeren Gruppen wurden Werkarbeiten an-
gefertigt und Volks-, Wander- und Kampflieder gesungen·
2. Sportnachmittage - zu körperlicher Ertüchtigung und paramilitärischen Übungen, z. B. Schießdienst
3. Tagesfahrten - einmal monatlich in die nähere Umgebung zu Geländesport etc.
4. Freizeitlager - einmal jährlich für 8 bis 10 Tage in straff militärisch organisierten Zeltlagern; mit
FahnenappeiIen, Ordnungskontrollen, Geländeübungen, Schießen, Sport und Schulung
Das -+ Führerprinzip galt schon in der HJ; Führer oder Führerinnen waren nur wenige Jahre älter als die
Jungen und Mädchen selbst ("Jugend führt Jugend"); ihre Ausbildung erfolgte durch Gebiets- und
Reichsführerschulen.
Die Unüörm der HJ bestand aus schwarzer Hose und braunem Hemd für Jungen, aus weißer Bluse und
blauem Rock für Mädchen; dazu Halstuch und Lederknoten sowie Koppel, Schulterriemen und Fahrten-
messer für die Jungen. Die Uniform mußte selbst bezahlt werden.
Hl-Leistungsabzeichen mußten als Leistungsnachweis in Sport, NSDAP-Geschichte und Rassenkunde er-
bracht werden.
Hl-Treueformel = Schwur auf den Führer Adolf HitIer und die Hakenkreuzfahne;.obligatorisch beim Ein-
tritt in die Hl.
Hl-Hymne = kämpferisches Lied auf den Führer und die Fahne (" ... wir marschieren für Hitler durch
Nacht und durch Not ... Unsere Fahne ist mehr als der Tod").
Hl-Kriegseinsatz = Singen in Lazaretten, Packen von Feldpostpäckchen, Sammeln rurs "Winterhilfswerk'"
Sammeln von Altkleidern und Altmaterial zur Wiederverwertung - für Mädchen.
rur lungen: Dienst bei Luftschutz, Feuerwehr, Post und Verkehrsbetrieben; Aufräumarbeiten nach Luft-
angriffen; Erntehilfe, Landeinsatz; Ausbildung in "Wehrertüchtigungslagem" zu Flakhelfern; Einsatz im
"Volkssturm" ab September 1944 (= Verpflichtung aller 16 bis 60jährigen Männer, die Heimat zu vertei-
digen).
Horst Burger: Warum warst Du in der Hitlerjugend?, Harnburg 1978
Film: Hitler und die Jugend (9 min)
14

Judenverfolgung
l.4.1933 Aufruf zum Boykott jüdischer Geschäfte
7.4.1933 vorzeitige Pensionierung von jüdischen Beamten (laut "Arierparagraph" im "Gesetz zur Wiederherstel-
lung des Berufsbeamtentums")
25.4.1933 Entfernung jüdischer Studenten aus den Hochschulen durch "Gesetz gegen die Überfüllung von deut-
schen Schulen und Hochschulen"
1933 wurden ebenfalls jüdische Rechtsanwälte, Ärzte und Gewerbetreibende bereits Beschränkungen unter-
worfen. Durch eine Schlachtverordnung wurde die Schächtung verboten und damit das religiöse Leben
der Juden behindert.
10.5.1933 -+- Bücherverbrennungen
4.10.1933 Schriftleitergesetz (-+- Gleichschaltung)
15.9.1935 -+- Nürnberger Gesetze
15.11.1935 I. Durchführung zum Reichsbürgergesetz nimmt den Juden die Staatsbürgerschaft und das Wahlrecht
26.4.1938 jüdische Vermögen über 5 000 RM müssen angegeben werden
14.6.1938 jüdische Betriebe müssen registriert und sichtbar als jüdisch gekennzeichnet werden
25.7.1938 jüdische Ärzte dürfen nur noch Juden behandeln
17.8.1938 Zwangsverfügung der Vornamen "Israel" bzw. "Sara" für alle Juden
27.9.1938 jüdische Rechtsanwälte dürfen nur noch Juden vertreten
9.11.1938 -+- Kristallnach t
12.11.1938 Verbot des Besuchs kultureller Veranstaltungen für Juden
28.11.1938 Verbot, bestimmte Bezirke zu betreten; Ausgangsverbot zu bestimmten Zeiten
3.12.1938 Einzug von jüdischen Führerscheinen und Autozulassungen
6.12.1938 "Judenbann" für Museen, Sportplätze, Schwimmbäder etc.
30.4.1939 Einweisung in "Judenhäuser" (nur jüdische Mieter)
l.9.1939 Ausgangssperre ab 20 Uhr (Winter), 21 Uhr (Sommer)
23.9.1939 Beschlagnahme der Rundfunkgeräte von Juden
1.9.1941 Einführung des gelben Judensterns
23.10.1941 Auswanderungsverbot
14.10.1941 Beginn der Deportationen in die Vernichtungslager des Ostens
20.1.1942 -+ Wannsee-Konferenz zur -+ "Endlösung der Judenfrage", d. h. zu ihrer planmäßigen und millionen-
fachen Ermordung
15
Reichskristallnacht
9.9./10.11. Zerstörung jüdischer Geschäfte, Wohnungen und Gebetshäuser (Synagogen) im gesamten Reichsgebiet;
1938 Die Terroraktionen wurden auf Anweisung von Joseph Goebbels (mit Hitlers Wissen und Billigung)
durchgeführt; SA- und SS-Männer wurden beauftragt, jüdische Geschäfte zu zerstören, Synagogen in
Brand zu setzen, Wertgegenstände und Geld zu konfiszieren und die Polizei nötigenfalls an Gegenmaß-
nahmen zu hindern.
11.11.1938 Vorläufige Bilanz der K. (Brief von Heydrich an Göring): 815 zerstörte Geschäfte, 29 Warenhäuser, 191
verbrannte, 76 demolierte Synagogen; rund 20 000 Festnahmen von Juden und deren Einweisung in
KZs, 36 Todesfälle, 36 Schwerverletzte.
Die Nationalsozialisten hatten die K. als einen Akt der Volkswut hinstellen wollen (Hintergrund: Die Er-
mordung des deutschen Diplomaten vom Rath durch den polnischen Juden Herschel Grynszpan in Paris.
Grynszpan wollte mit seiner Tat an die Ausweisung seiner Eltern - und weiterer 17 000 Juden aus
Deutschland - erinnern.) Die Absicht der NS-Führung schlug jedoch fehl, denn der Großteil der Bevölke-
rung beteiligte sich nicht an den Ausschreitungen.
Die Juden mußten 1 Milliarde Reichsmark als Sühne zur Begleichung der in der Kristallnacht entstande-
nen Schäden aufbringen.
Hennann Graml: Der 9. November 1938 - "Reichskristallnacht", 1958
Filme: - Der 9. November - Entwicklungen von 1933-1938 (16 min)
- Zwischen Nacht und Morgen (Spielfilm, 34 min)
16
KZ - Ursprung, Art und Zahl
= Konzentrationslager (KZ = wissenschaftl. Abkürzung. Die nationalsozialistische Abkürzung in Akten
war KL)
1933 Errichtung von KZ in Hitler-Deutschland zur Inhaftierung politischer Gegener, später auch rassisch Ver-
folgter (vor allem Juden), Krimineller, Asozialer, Bibelforscher, Homosexueller u. a.
März 1933 (ersters KZ war Dachau)
Grundsätzlich wurde unterschieden in "Hauptlager" und "Nebenlager"; letztere wurden auch als
"A ußenlager" bezeichnet.
Bis 1939 bestanden Dachau, Buchenwald, Sachsenhausen, Flossenbürg und 25 kleinere Lager (wie Ester-
wegen und Papenburg)
1939 Nach Kriegsausbruch stieg die Zahl der KZ rapide: Mauthausen, Ravensbrück, Bergen-Belsen, Stutthof,
Theresienstadt, Groß-Rosen, Natzweiler, Neuengamme u. a.
1941/42 Seit Ende 1941 entstanden außerhalb des Reichsgebietes Lager, die ausschließlich zur Tötung von Men-
schen bestimmt waren: Auschwitz-Birkenau und Lublin-Majdanek waren an bestehende KZ angeschlos-
sen; die Lager Chelmo, Belzec, Sobibor und Treblinka wurden eigens zum Zweck der organisierten Mas-
sen tötung errichtet.
Nach SS-Berichten bestanden Ende 1944 dreizehn sog. Hauptlager; dazu ca. 500 Nebenlager; die tatsäch-
lichen Zahlen liegen nach heutigen Erkenntnissen weit höher (ca. I 634) - einschließlich aller Zucht-
häuser, Hinrichtungsstätten, Euthanasie-Anstalten etc.
1. Eugen Kogon: Der SS-Staat, München 1974
2. Harald Focke/Uwe Reimer: Alltag der Entrechteten, Reinbek bei Hamburg 1980
3. Filip Müller: Sonderbehandlung, München 1979
4. Studien zur Geschichte der Konzentrationslager, VfZ Nr. 21, Stuttgart 1970
Tonband: Hast Du es gewußt? (37 min)
Filme: Der Führer schenkt den Juden eine Stadt (Propagandafllm, 22 min) - Ein Tag, Bericht aus einem deutschen
Konzentrationslager (Spielillm, 95 min) - Der Schlaf der Gerechten (nach der Novelle von A. Goes: Das Brandopfer)
Spielillm 108, Buchenwald (25 min)
17
KZ-Organisation
Kommandantur - Lagerkommandant; Adjutant; Postzensurstelle
Politische Abteilung und Erkennungsdienst - unterstand der-+Gestapo;Aufgaben: Häftlingsvernehmung;
Führung der Häftlingskartei (mit Fotos, Beschreibung und Fingerabdrücken); Registrierung von Neuzu-
gängen, Entlassungen, Tod oder Flucht von Häftlingen
Schutzhaftlager - Gefangenenbereich mit Stacheldrahtzaun; befehligt vom Schutzhaftlagerführer, dem
die Rapport-, Block-, Arbeitsdienstführer und andere SS-Aufsichtspersonen unterstanden
Entsprechend war die "Selbstverwaltung" der Häftlinge gegliedert: Lagerältester, Blockältester, Kapo;
diese Häftlingsposten wurden gewöhnlich mit politischen oder kriminellen Häftlingen besetzt (KZ-Häft-
lingsgruppen)
Verwaltung - Verwaltungsführer, Lager-Ingenieur und Verwaltung des Gefangenen-Eigentums (Effekten-
kammer)
Lagerarzt - für die medizinische Versorgung der Inhaftierten zuständig; in Wirklichkeit überwiegend mit
anderen Aufgaben betraut, z. B. Experimente an Häftlingen (-+ SS)
18

KZ-Häftlingsgruppen
Ab 1935 wurden die KZ-Häftlinge gekennzeichnet durch farbige Dreiecke auf den gestreiften Häftlings-
jacken (auch Doppelkennzeichnungen wurden vorgenommen):
rote Stoffdreiecke politische Häftlinge
lila Stoffdreiecke Bibelforscher
schwarze Stoffdreiecke Asoziale
grüne Stoffdreiecke Kriminelle
rosa Stoffdreiecke Homosexuelle
braune Stoffdreiecke Zigeuner
blaue Stoffdreiecke zurückgekehrte Emigranten
gelbe Stoffdreiecke Juden
Jeder Häftling erhielt außerdem eine Nummer, die auf der Häftlingskleidung angebracht - in manchen
Lagern auch in den Unterarm tätowiert - wurde.
Im Laufe des Krieges sank der Anteil der deutschen Häftlinge in den KZ auf ca. 5 bis 10 Prozent; der An-
teil der Häftlinge aus den besetzten Gebieten nahm entsprechend zu.
Zur Unterscheidung der Kriegsgefangenen, die in Konzentrationslager eingeliefert wurden (z. B. Poljti-
sche Kommissare der russ. Armee) wurde die Häftlingskleidung mit Druckbuchstaben der einzelnen Na-
tionen versehen. (Generell waren Kriegsgefangene jedoch in Kriegsgefangenenlagern.)
19

KZ-Haftdauer und Belegstärke


Die Belegstärke in den KZ war zunächst schwankend; bis 1939 gab es noch Entlassungen, und die durch-
schnittliche Haftdauer lag bei etwa einem Jahr (Entlassene hatten sich zu Stillschweigen über das Lager-
leben zu verpflichten; viele mußten sich noch nach ihrer Haft regelmäßig bei der -+ Gestapo melden). Bei
Kriegsausbruch änderten sich die Verhältnisse: Die Zahl der Inhaftierten stieg sprunghaft; Entlassungen
kamen - von Ausnahmen abgesehen - nicht mehr vor; zugleich wurden immer mehr Häftlinge ermordet.
Auf diese Weise wurden die Lagerkapazitäten vielfach "umgeschlagen".
20

KZ-Haftbedingungen
Einlieferung ins KZ:
Aufnahme der Personalien -+ Gestapo
Erste Vernehmung (häufig mit Folterungen verbunden)
Einmarsch in den Gefangenkomplex; Belehrung über Verbote
Bad, Haarescheren, Desinfektion, Übernahme der Häftlingskleidung
Abgabe aller persönlichen Habe in der "Effektenkammer"
Einweisung in einen "Block"
Tagesablauf:
- Wecken (um 4 oder 5 Uhr im Sommer; 6 oder 7 Uhr im Winter); waschen, ankleiden, frühstücken,
Bettenbauen binnen 30 Minuten (häufig fand vor dem Frühstück der sog. "Frühsport" statt - im Freien
und bei jeder Witterung)
- Morgenappell; Antritt aller Häftlinge in Reih und Glied, nach Blöcken gegliedert zum Durchzählen;
dauerte in der Regel eine Stunde
- Antritt der Arbeitskommandos und Ausmarsch (im Laufschritt) zu den Arbeitsplätzen (in Steinbrü-
chen, bei der Moor-Entwässerung, im Straßenbau und in sonstiger Schwerarbeit)
Mittagspause im Freien, ca. 30 Minuten; 1 Liter Suppe pro Kopf
- Einrücken ins Lager nach Arbeitsschluß (ca. 17 Uhr im Winter, 20 Uhr im Sommer
- Zählappell (Das abendliche Zählen von Tausenden von Häftlingen dauerte geWÖhnlich noch länger als
morgens; häufig fehlten Gefangen·e, weil sie irgend wo aus Krankheit oder Erschöpfung zusammengebro-
chen waren, sich versteckten oder einen Fluchtversuch unternommen hatten; Letzteres bedeutete Strafe-
stehen für alle, die ganze Nacht hindurch und noch länger); Durchsuchung ("Filzen") der Häftlinge n3ch
Geld oder Zigaretten .
Durchführung öffentlicher Bestrafungen in Anwesenheit aller Häftlinge auf dem Appellplatz
- Abrücken in die "Blocks" (dort hatten inzwischen häufig "Blockkontrollen" stattgefunden, d. h. die
Stuben waren in chaotische Unordnung versetzt worden und mußten aufgeräumt werden)
Abendessen aus Brotration und Margarine; selten Quark oder Wurst
- "Abpfeifen", d. h. Schlafenszeit (zwischen 20 und 22 Uhr)
21
KZ-Strafen
Strafanlässe :
Verletzung der Grußpflicht (schlechte Haltung)
Kleidermängel (Schmutzflecke, fehlender Knopf etc.)
Betreten des Blocks während der Arbeitszeit
Rauchen oder Essen während der Arbeitszeit
zu langes Austreten während der Arbeitszeit
Rauchen im "Block"
Aufheben von Zigarettenstummeln
Mängel beim Bettenbau
Niesen oder Husten beim Appell etc.
Strafarten:
Essensentzug
Strafstehen auf dem Appellplatz
Strafarbeit, Strafexerzieren
Versetzung in die Strafkompanie; Arrest
Prügelstrafe auf dem sog. "Bock" (einem Holzgestell, auf dem der Delinquent festgeschnallt und dann
mit Stock, Peitsche oder Ochsenziemer - vorzugsweise auf die Nieren - geschlagen wurde)
- "Baumhänllen" (Aufhängen des Delinquenten an den auf den Rücken gebundenen Händen; Ausren-
kung der Schultergelenke war die Folge; dazu kamen Schläge auf Füße, Gesicht und Geschlechtsteile)
- Todesstrafe durch Erschießen, Erwürgen, Erhängen, Vergiften (häufige Tarnung rur die "inoffizielle"
Todesstrafe: "auf der Flucht erschossen")
Das Strafmaß war so willkürlich wie die Strafanlässe. Die meisten Strafen wurden kollektiv, zumindest
aber gegen ganze Blocks oder Kommandos verhängt.
22
Lebensborn e. V.
= eingetragener Verein (e. V.) der Nationalsozialisten
1935 gegründet von Heinrich Himmler zur Erhaltung und Vermehrung ,,guten Blutes" (-+ Rassenkunde)
1943 unterhielt der Vereins insgesamt 13 L.-Heime mit eigenen Standesämtern zur diskreten Registrierung von
Geburten; in den Heimen wurden überwiegend unverheiratete - aber "erbbiologisch wertvolle" - Mütter
entbunden; der Verein bestellte sich zum Vormund der unehelichen Kinder und vermittelte auch Adop-
tionen in SS-Familien, denen eigener Nachwuchs versagt war.
Weitere Aufgaben des L.:
Unterstützung des Kinderreichtums der SS, der Elite unter den "Herrenmenschen"
- Schutz und Betreuung von Müttern ,,guten Blutes"
- Erziehung des "rassisch und erbbiologisch wertvollen" Nachwuchses im Sinne des Nationalsozialismus
w. L. Shirer: Aufstieg und Fall des Dritten Reiches, München 1970 (2 Bände)
23
Lebensraum
= Territorium, das nach nationalsozialistischer Auffassung zur Sicherung der wirtschaftlichen Unabhän-
gigkeit des deutschen Volkes notwendig war.
These 1: Der Lebensraum der Deutschen ist nicht ausreichend seit dem Ende des 1. Weltkrieges und den
daraus entstandenen Gebietsverlusten (-+ Versailler Vertrag)
These 2: Der vorhandene Lebensraum ist einem "Herrenvolk" (-+ Rassenkunde) nicht angemessen
Aufgrund dieser Ideologie forderten die Nationalsozialisten eine "Erweiterung des L. "; konkret war an
eine Eroberung des Ostens gedacht. Hitler hatte diese These bereits in "Mein Kampf" festgelegt und seine
3.2.1933 Absicht vor Vertretern der Marine und des Heeres verkündet. Er gab dann auch freimütig die Ziele seiner
Bündnis- und Vertragspolitik zu erkennen: "Ein Bündnis, dessen Ziel nicht die Absicht zu einem Krieg
umfaßt, ist sinn- und wertlos".
Trotz dieser unmißverständlichen Äußerungen beteuerte Hitler zunächst noch seinen Friedenswillen,
21.5.1935 z. B. vor dem deutschen Reichstag nach Einführung der Wehrpflicht (-+ Reichswehr ... )
7.3.1936 und bei seiner Rechtfertigung der Rheinlandbesetzung. Auch nach der Machtübernahme wurde die
23.8.1939 Lebensraum-Politik verschleiert, z. B. durch den Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion.
Tatsächlich stellten Expansionspolitik und Krieg die konsequente Umsetzung der ideologischen Vorstel-
lungen von "Lebensraum" und "Rasse" dar und waren schon beizeiten als unausweichliche Folgen zu
erkennen.
1. Adolf Hitler: Mein Kampf a.a.O.
2. Helmut Heiber: Der Generalplan Ost, in Vfz Nr. 6,1958
Filme: - Goebbels spricht, Genf 1933 (5 min) - Hitlers Weg in den Krieg (15 min) - Dem Ende entgegen, 1942-1945
(23 min)
Machtergreifung 24
Im allgemeinen wird der Begriff M. (auch "Machtübernahme" genannt) für die Summe aller Einzelschrit-
te verwendet, die zur Alleinherrschaft Hitlers in Deutschland führten:
11.10.1931 - Bildung der "Harzburger Front"; zu dieser sog. "nationalen Opposition" konservativer und reaktionä-
rer Kräfte gehörten AIfred Hugenberg (DNVP = Deutsche Nationale Volkspartei; -+ Parteien in Deutsch-
land . . . ), Franz Seldte von der Organisation "Stahlhelm" (politischer Verband von Veteranen des l.
Weltkrieges) und Adolf Hitler als Führer der NSDAP, die inzwischen zweitstärkste Partei im Reichstag
war. Die "Harzburger Front" richtete sich gegen die Minderheitsregierung des Kanzlers Brüning.
1932 - erster legaler Griff nach der Macht: Hitler kandidierte für das Amt des Reichspräsidenten (gegen den
amtierenden Hindenburg und Ernst Thälmann, den Kandidaten der Kommunisten); die Wahl fällt auf
Hindenburg (53 %), für Hitler haben sich 36 % der Wähler entschieden.
31.7.1932 - NSDAP wird bei den Wahlen stärkste Partei (230 Sitze); Hitler lehnt das Amt des Vizekanzlers ab
6.11.1932 - Bei Neuwahlen zum Reichstag hat die NSDAP Stimmenverluste von zwei Millionen; innerparteiliche
Krise; der Reichsorganisationsleiter Georg Strasser strebt vergebens nach dem Posten des Vizekanzlers im
Kabinett Schleicher.
4.1.1933 - Begegnung von Hitler und Papen auf Betreiben einer Gruppe von Industriellen; Beschluß, Hitler an
einem neuzubildenden Kabinett zu beteiligen.
30.1.1933 - Hitler wird Reichskanzler mit einem aufgezwungenen Kabinett (Papen, Hindenburg und Hugenberg
haben die Ministerliste erstellt); der neuen Regierung gehören außer Hitler nur noch zwei Nationalsoziali-
sten an.
1.2.1933 - Hitler veranlaßt Hindenburg zur Auflösung des Reichstags; für den 5. März werden Neuwahlen ange-
ordnet.
27.2.1933 - -+ Reichstagsbrand; Hitler beschuldigt die Kommunisten der Brandstiftung; unter Hinweis auf einen
drohenden Aufstand kommunistischer Kräfte erreicht er den Erlaß der
28.2.1933 - -+ Verordnung zum Schutze von Volk und Staat (auch Reichstagsbrandverordnung genannt; setzt
wesentliche Grundrecht außer Kraft.
5.3.1933 - die NSDAP erhält 288 (= 43,9 %) von 647 Reichstagssitzen; parlamentarische Mehrheit nur möglich
mit Hilfe der DNVP (52 Sitze).
24.3.1933 - Verabschiedung des -+ "Ermächtigungssesetzes" (Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Staat)
mit Stimmen von Zentrum, DDP, der DVP, Bauernpartei und BVP (-+ Parteien in Deutschland ... )
2.5.1933 - Liquidation der Gewerkschaften, Beschlagnahme ihres Besitzes (-+ ADGB)
22.6.1933 - Verbot der SPD (die KPD war schon durch die "Reichstagsbrandverordnung" ausgeschaltet und arbei-
tete im Untergrund)
27.6.1933 Selbstauflösung des Koalitionspartners DNVP
5.7.1933 Selbstauflösung des Zentrums
14.7.1933 "Gesetz gegen die Neubildung von Parteien"; NSDAP wird Einheitspartei
Aufhebung des Reichsrats durch "Gesetz über den Neuaufbau des Reiches", Deutschland wird zentral
14.2.1934
~~ .
2.8.1934 - Tod Hindenburgs; Hitler übernimmt dessen Amt ("Gesetz über das Staatsoberhaupt des deutschen
Reiches" vom 1.8.1934
1. Klaus Revermann: Die stufenweise Durchbrechung des Verfassungssystems der Weimarer Republik in den Jahren
1930-1932, Münster 1959
2. Jacobsen-Jochmann: Ausgewählte Dokumente zur Geschichte des Nationalsozialismus, Bielefeld 1966
3. Adolf Hitler: Der Weg zum Wiederaufstieg, in Henry Ashby Turner: Faschismus und Kapitalismus in Deutschland,
Göttingen 1972
Tonbänder: - Von Hitlers Machtergreifung zum Ermächtigungsgesetz (29 min) - Das Ermächtigungsgesetz: Lemmer,
Hitler, Wels (28 min)
Film: Hitler an der Macht, Jan.-Juli 1933 (12 min)
2S
Nacht-und-Nebel-Erlaß
7.12.1941 = Anordnung Hitlers zur Verhaftung von Widerständlern in besetzten Gebieten. Der N. sollte eine ab-
schreckende Wirkung auf die Bevölkerung ausüben; Personen, die des Widerstandes gegen die deutsche
Besatzungsmacht verdächtig waren, wurden nicht in ihrem Heimatland angeklagt, sondern nach Deutsch-
land überführt; ihre Angehörigen wurden nicht über ihren Aufenthaltsort informiert, Inhaftierte durften
nicht schreiben, noch selbst Briefe, Päckchen oder Besuche empfangen. In Deutschland wurden die Häft-
linge sogleich den -+ Sonderllerichten vorgeführt und im Schnellverfahren fast immer zu KZ-Haft verur-
teilt; in zahlreichen Fällen wurde auch sofort die Todesstrafe verhängt und vollstreckt.
Insgesamt waren etwa 7000 Personen vom N. betroffen - insbesondere Franzosen.
1944 Gegen Kriegsende wurden die Gefangenen aus dem N. nicht mehr von Sondergerichten abgeurteilt, son-
dern direkt der -+ Gestapo ül?erantwortet.
Eberhard Jäckel: Frankreich in Hitlers Europa, Stuttgart 1966
26
Notverordnungen
= Verordnungen mit Gesetzeskraft; in einem parlamentarisch-demokratischen Rechtsstaat nur in verfas-
sungsmäßig vorgesehenen Notfällen und unter Einschaltung einer nachträglichen Kontrolle durch das
Parlament erlassen.
Nach der Weimarer Verfassung konnten N. vom Reichspräsidenten verordnet werden laut Art. 48, Abs. 2.
Auch die Reichsregierung konnte N. erlassen auf dem Wege über ein -+ Ermächtigungsgesetz.
Aufgrund des Art. 48 erließen die Reichspräsidenten Ebert und Hindenburg zahlreiche Notverordnun-
gen. Mit Art. 48 wurden die 'Grundrechte der Weimarer Verfassung suspendiert. Unter der Regierung des
1930-1932 Zentrums-Kanzlers Heinrich Brüning waren N. nicht die Ausnahme, sondern regelmäßige Mittel, um
Gesetze zu erlassen, für die sich im Reichstag keine Mehrheit fand (bis Sept. 1932 - 233 N.). Brünings N.
(z. B. zur Behebung der Inflation durch deflationistische Wirtschaftspolitik) passierten die parlamentari-
sche Kontrolle mit Hilfe der schweigenden Duldung durch die Sozialdemokraten. Auch Hitler regierte bis
24.3.1933 zum -+ Ermächtigungsgesetz mit N.
DaS Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland sieht im Art. 81 für Krisenfälle den "Gesetzgebungs-
notstand" vor. Er kann nur unter sehr erschwerten Bedingungen eintreten und daher auch in ernsthaften
Krisen keine ähnliche Bedeutung erlangen wie in der -+ Weimarer Republik.
1. Lexikon zur Geschichte und Politik im 20. Jahrhundert, Mainz 1971
NSDAP-Geschichte 27
Die NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei) ging aus der Deutschen Arbeiterpartei
1919 (DAP) hervor, einer Organisation, die erst kurz nach dem Ende des 1. Weltkrieges gegründet wurde. Der
Sept. 1919 ehemalige österreichische Staatsbürger Adolf HitIer tritt in München als Staatenloser der DAP bei und
betätigt sich als Werberedner für die Partei.
24.2.1920 Die DAP hält im Münchner Hofbräuhaus ihre erste große Versammlung ab, giM sich den neuen Namen
NSDAP und verkündet ihr Parteiprogramm. Das aus 25 Punkten bestehende Papier beginnt mit den For-
derungen:
I. Zusammenschluß aller Deutschen in einem Großdeutschland
2. Aufhebung der Friedensverträge von Versailles ...
3. Anspruch auf Land und Boden und Kolonien für Deutschland
4. Ausbürgerung aller Juden aus Deutschland
29.7.1921 Adolf HitIer wird zum I. Vorsitzenden der NSDAP gewählt. Kurz darauf beseitigt er das System der
Mehrheitsbeschlüsse in der Partei zugunsten des -+- Führerprinzips. Im gleichen Jahr wird eine militärische
Organisation gegründet, die in der Folgezeit eine wichtige Rolle bei der Erringung der Macht spielen
wird, die Stunnabteilung oder -+- SA. Fürs Erste sind die gewalttätigen Aktionen der SA und anderer Ver-
bände eher zum Nachteil der NSDAP.
1922-1925 Die preußische Regierung verbietet die NSDAP. Andere Länder folgen dem Beispiel Preußens, bis die
Nationalsozialisten in fast ganz Nord- und Mitteldeutschland sowie in Baden verboten sind. In Bayern
will sich HitIer jedoch nicht geschlagen geben. Er versucht, mit Hilfe einer bewaffneten Einheit der SA
8.9.1923 sowohl die bayerische als auch die Reichsregierung zu stürzen.
9.9.1923 (-+- Hitler-Putsch).
1.4.1924 Hitler wird wegen Hochverrats zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt. Er verbüßt seine Strafe in Lands-
berg und verfaßt dort den ersten Teil seines Buches "Mein Kampf". Nach acht Monaten ist er wieder auf
27.2.1925 freiem Fuß. Als Mitte Februar 1925 das Verbot der NSDAP wieder aufgehoben wird, verkündet Hitler
alsbald die Neugründung der Partei und der SA. Zum persönlichen Schutz des Parteivorsitzenden und
Führers wird nun auch eine weitere Organisation geschaffen, die sog. Schutz-Staffel oder -+ SS. Im übri-
gen erklärt Hitler, der auf Bewährung aus der Haft entlassen wurde, seinen Verzicht auf alle Versuche,
den Staat mit Gewalt zu stürzen. Zu diesem Zeitpunkt hat die NSDAP rund 27 000 Mitglieder.
1925-1929 In den folgenden vier Jahren steigen die Mitgliedszahlen stetig, ohne allerdings in die Richtung einer Mas-
senpartei zu weisen. 1928 zählt die NSDAP nach den von ihr ausgegebenen Mitgliedsnummern 108000
Anhänger (die tatsächliche Mitgliedsstärke beläuft sich indessen nur auf 85000). Mit dem Ausbruch der
-+ Weltwirtschaftskrise ändern sich sprunghaft die Verhältnisse. Die Zahl der eingetragenen Parteimitglie-
der steigt signifikant bis auf 1,4 Mio. im Jahr 1933.
Der Aufstieg der NSDAP zeigte sich auch bei den Wahlen, auf die sich die Partei mit aufwendiger Propa-
ganda und mit zunehmendem Terror - vor allem gegen Kommunisten - vorbereitete. Bei den Reichs-
tagswahlen von 1930 wurde die NSDAP mit 18,5 Prozent der Wählerstimmen zweitstärkste Partei und
vergrößerte auch in den Landtagen ihre Sitzanteile. 1932 wurden die Nationalsozialisten stärkste Partei
im Reichstag mit 37,3 Prozent der Wählerstimmen (-+ Reichstagswahlen ab 1919). Vertreter der konser-
vativen und nationalen Parteien unterstützen Hitlers Machtanspruch gegenüber dem Reichspräsidenten
(-+ Machtergreifung).
Sept. 1945 Die NSDAP nebst allen Unterorganisationen wird von den allüerten Siegermächten des 2. Weltkriegs ver-
boten.
1. Wolfgang Schäfer: NSDAP-Entwicklung und Struktur der Staatspartei des Dritten Reiches, Hannover 1956
2. Ernst Deuerlein: Der Aufstieg der NSDAP 1919-1933 in Augenzeugenberichten, Düsseldorf 1968
3. Organisationsbuch der NSDAP, Zentralverlag der NSDAP Franz Eher Nachf., München 1930
28
NSDAP-Organisation
Mitgliedschaft in der NSDAP:
Beitritts-Voraussetzungen - mind. 18 Jahre; "deutschblütige" Abstammung
Bezeichnung des Mitglieds - Pg (Parteigenosse)
Pflichten des Mitglie!is - Treue-Eid auf den Führer, Teilnahme an Mitgliedsversammlungen, Kundgebun-
gen und Schulungsabenden
Ämter in der NSDAP:
(Blockwart) - Kleinste Funktion in der Hierarchie
Blockleiter - Das "Hoheitsgebiet" umfaßte etwa 40-60 Wohnungen bzw. Haushalte (Block), für die er
politisch verantwortlich war
Zellenleiter - verfügten über ein vier bis acht Block starkes Gebiet, über die "Zelle der NSDAP"
Ortsgruppenleiter - hatten ein Hoheitsgebiet von 3 bis 5 Zellen und waren bereits mit besonderen Befug-
nissen ausgestattet wie auch der nächsthöhere; Führer einer Ortsgruppe der NSDAP
Kreisleiter - verantwortlich für mehrere Ortsgruppen; die Kreise stimmten mit den staatlichen Verwal-
tungsbereichen überein; mehrere Verwaltungsbereiche konnten zu einem Parteikreis gehören
Gauleiter - höchstes Amt unter den "Hoheitsträgern"; die Grenzen eines Gaues wurden vom Führer
oder dem von ihm beauftragten Reichsorganisationsleiter festgelegt; ein Gau umfaßte mehrere Kreise
Oberster Hoheitsträger war der Führer Adolf Hitler. Ihm und seinem Stellvertreter standen für bestimmte
Bereiche Reichsleiter zur Verfügung. In diese höchsten Parteiämter wurden sie von Hitler berufen, waren
ihm unmittelbar unterstellt und nur ihm verantwortlich. Die Schwerpunkte der einzelnen Ämter der
Reichsleitung waren unterschiedlich; manche befaßten sich ausschließlich mit Parteiangelegenheiten, an-
dere waren in ihren Zielen und Kompetenzen mit Ministerien vergleichbar. Den Reichsleitern gleichge-
stellt waren die sog. Reichsführer, unter denen der Reichsführer SS Heinrich Himmler und der Reichs-
jugendführer Baldur von Schirach die einflußreichsten waren (-+ SS).
Gliederungen der NSDAP:
SA; SS; NSKK (Nationalsozialistisches Kraftfahrkorps); 8J (Hitlerjugend); NSDStB (Nationalsozialisti-
scher Deutscher Studentenbund); NS-Frauenschaft
Angeschlossene Verbände:
DAF (Deutsche Arbeitsfront); NSV (Nationalsozialistische Wohlfahrt); NS-Kriegsopfe"ersorgung;
NSD - Ärztebund; NS-Lehrerbund; NS-Juristenbund, Beamtenbund, Deutsches Frauenwerk
Organisationsbuch der NSDAP a.a.O.
29
Nürnberger Gesetze
15.9.1935 Zwei Gesetze, die auf dem Parteitag der NSDAP in Nürnberg verkündet wurden und die gesetzlichen
Grundlagen für die ~ Judenverfolgung darstellten.
1. Reichsbürgergesetz - hob die staatsbürgerlichen Rechte von Juden auf (" ... ein Jude kann nicht
Reichsbürger sein ... " ~ Rassenkunde); Juden durften kein öffentliches Amt mehr bekleiden und verlo-
ren das Wahlrecht; weitere Beschränkungen für den beruflichen und privaten Bereich wurden in insge-
samt 13 Durchflihrungsverordnungen des Gesetzes erlassen; außerdem waren Erläuterungen enthalten zu
den Begriffen "Jude" und ,jüdischer Mischling"; Jude war demnach wer von mindestens drei volljüdi-
schen Großeltern abstammte; entsprechend waren Mischlinge 1. oder 2. Grades die Abkömmlinge von
zwei jüdischen Großeltern bzw. einem jüdischen Elternteil.
2. Blutschutzgesetz oder "Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre"
§ I - Eheverbot zwischen Juden und Deutschen (bzw. sonstigen rassisch Höherstehenden)
§ 2 - Verbot außerehelichen Verkehrs zwischen Juden und Deutschen (Weitere Verbote betrafen das
Hissen der Reichsflagge und die Beschäftigung nicht-jüdischer Angestellter in jüdischen Haushalten; Ver-
gehen nach den §§ 1 und 2 konnten mit Zuchthausstrafen belegt werden.)
In der ersten Ausführungsverordnung zum Blutschutzgesetz wurde das Eheverbot auch auf Fälle ausge-
dehnt, "in denen eine die Reinhaltung des deutschen Blutes gefährdende Nachkommenschaft zu erwar-
ten ist"; angewendet wurde diese Bestimmung auf Ehen zwischen Deutschen und Zigeunern oder Negern
(~ Un termenschen).
1. RGBI. 1935, I, S. 1333
2. RGBI. 1935, I, S. 1146
3. Hans Robinsohn: Justiz als politische Verfolgung - Die Rechtsprechung in "Rassenschandefallen" beim Landgericht
Hamburg 1936-1943, Stuttgart 1977
30
Nürnberger Prozeß
20.11.1945 = Internationales Militärtribunal (lMT) zur Aburteilung von 24 führenden Nationalsozialisten und 6 na-
tionalsozialistischen Organisationen
Das Gericht bestand aus je einem Richter (und dessen Stellvertreter) der Siegermächte des 2. Weltkriegs;
Frankreich, England, USA und UdSSR; je ein Hauptstaatsanwalt wurde ebenfalls von den Allüerten be-
stellt; zur Verteidigung waren deutsche Anwälte zugelassen.
Anklagepunkte :
1. Gemeinsamer Plan oder Verschwörung
2. Verbrechen gegen den Frieden
3. Kriegsverbrechen
4. Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Die. Beweisaufnahme dauerte fast ein Jahr; nach Prüfung zahlloser Dokumente und Einvernahme von
1.10.1946 über 200 Zeugen wurden 22 Angeklagte verurteilt, davon 17 zum Tode.
Drei der sechs angeklagten NS-Organisationen wurden zu verbrecherischen erklärt: das Führerkorps der
NSDAP, die SS und die Gestapo.
Im Anschluß an den Hauptprozeß führten die Amerikaner 12 weitere Prozesse gegen Ärzte, Juristen,
Industrielle, Generäle etc.
Zahlreiche weitere Kriegsverbrecherprozesse wurden von Militärgerichten der Besatzungsmächte und in
den Ländern der früheren Kriegsgegner durchgeführt.
1.1.1950 Die deutsche Justiz wurde für sämtliche NS-Verbrechen erst später zuständig, und erst weitere acht Jahre
später wurde in Ludwigsburg die "Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung national-
sozialistischer Verbrechen" eingerichtet. Sie arbeitete jahrelang unter großem Zeitdruck, denn die mei-
sten NS-Verbrechen verjährten nach 10-15 Jahren; die Verjährungsfrist für Morde lag bei zunächst 20,
1979 später bei 30 JahreI).. Seit 1979 ist die Verjährung für Mord ganz aufgehoben.
1. Statistik über JIIS-Prozesse. 4/1980.Jg. J,S, Y\'N, Frankfurt 1980
2. Bradley F. Smith: Der Jahrhundertprozeß. Die Motive der Richter von Nürnberg - Anatomie einer Urteilsfmdung,
Frankfurt 1977
31
Parteien in Deutschland 1918-1933
1863 Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein (ADA V) durch Ferdinand Lassalle gegründet. Später Sozialdemo-
kratische Partei Deutschlands, SPD, Partei des gemäßigten Flügels der vom Marxismus herkommenden
Arbeiterbewegung; 1890 Erfurter Programm, bis 1932 stärkste Partei im Reichstag; gegen die NSDAP
(Ermächtigungsgesetz)
1866 Deutsch-Hannoversche Partei; gegründet als Partei zur Wiederherstellung des Königreichs; nach 1919 Se-
parationsbestrebungen (für selbständiges Land Hannover)
1870 Zentrumspartei (benannt nach der Sitzordnung im Parlament, wo die Zentrumsabgeordneten in der Mit-
te saßen) ursprünglich die Partei des politischen Katholizismus; später überkonfessionelle Partei auf christ-
licher Grundlage.
1917 Unabhängiae Sozialdemokratische Partei Deutschlands, USPD, spaltete sich aus der SPD ab, verlor 1920
ihren radikalen Flügel an die Kommunisten und vereinigte sich wieder mit der SPD
1918 Nov. Deutschnationale Volkspartei, DNVP; stärkste Rechtspartei gegen Weimarer Erflillunppolitiker gerichtet.
1918 Dez. Deutsche Volkspartei, DVP, gegründet vom rechten Flügel der bisherigen Nationalliberalen unter Füh-
rung Stresemanns, Partei der Industrie und des gebildeten Bürgertums.
1918 Deutsche Demokratische Partei, DDP, "Linksliberale" Sammelpartei des Bürgertums mit dem Ziel, den
Parlamentarismus aufzubauen und zu verteidigen; lehnte + Versailler Verträge ab; gegen Sozialisten, spä-
ter Umwandlung in Deutsche Staatspartei.
1919 Kommunistische Partei Deutschlands, KPD, Vorläufer der Partei war der Spartakusbund, der sich unter
Führung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg am äußersten linken Flügel der USPD gebildet hatte.
1919 Deutsche Arbeiterpartei, DAP, Vorläufer der + NSDAP
1920 Bayerische Volkspartei; föderalistische Partei, spaltete sich von der Zentrumspartei ab.
1920 Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei; NSDAP in München aus DAP
1928 Deutsches Landvolk; christlich-nationale Bauern- und Landvolkpartei, von 1928-1932 im Reichstag ver-
treten.
1928 Deutsche Bauempartei; bayerischer Bauem- und Mittelstandsbund; agrarische Partei demokratischer
Richtung.
1929 Christlich-sozialer Volksclienst; gegründet von ehemaligen Mitgliedern der DNVP
1930 Deutsche Staatspartei; vormals DDP
1931 Bündnis DNVP mit NSDAP
Staat und NSDAP 1930-1932. Quellen zur ÄIa Brüning (= Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politi-
schen Parteien) Diisseldorf 1977
32
Präsidialsystem
Im Präsidialsystem übt ein vom Volk gewählter Präsident - unabhängig vom Vertrauen des Parlaments-
die Regierung aus (Beispiel: USA). Alternativ kann der Präsident die Staatsgewalt an ein von ihm einge-
setztes Ministerium oder Kabinett delegieren (Beispiel: Spätzeit der Weimarer Republik). Die Gefahren
eines P. nach diesem Muster sind an den politischen Ereignissen im Deutschland der Jahre 1930-1933 ab-
zulesen. (Reichstagswahlen ab 1919; Machtergreifung). Da im Reichstag keine entscheidungsfähigen Mehr-
heiten mehr zustandekamen, verlagerte sich die Regierungsverantwortung z.unehmend auf den Reichsprä-
sidenten. Die Regierungsgeschäfte entrückten immer mehr der parlamentarischen Kontrolle. Die vom
Reichspräsidenten eingesetzten Minderheitsregierungen konnten nach Gutdünken von ihm installiert oder
abgesetzt werden. So kam es allein in den letzten sieben Monaten der Weimarer Republik zu drei neuen
Regierungen:
1932 Mai Nach dem Rücktritt der Regierung Brüning wurde Franz von Papen Reichskanzler.
5.12.1932 Sechs Monate später hieß der neue Regierungschef Kurt von Schleicher. Seine Bemühungen um Auflö-
sung des Reichstages und um Neuwahlen scheiterten an der Weigerung des Reichspräsidenten Hindenburg.
28.1.1933 Schleicher trat daraufhin zurück (+ Machtergreifung)
Kleines politisches Wörterbuch, BeIlin (Ost) 1973
33
Propaganda im NS-Staat
Ziel der P. war es, die öffentliche Meinung auf nationalsozialistischen Kurs zu bringen; schon vor der
Machtübernahme dienten diesem Zweck vor allem zwei Publikationen:
1920 - 1945 Völkischer Beobachter - offizielles Parteiorgan der NSDAP; anfangs Wochen- später Tageszeitung mit
einer Auflage von 1,7 Mill. Exemplaren im Jahre 1944. - Entsprechend Hitlers Forderung an die P. rich-
tete sich das Niveau der Zeitung "nach der Aufnahmefähigkeit des Beschränktesten" und informierte nur
über das im Sinne der Partei Nützliche (zum Einmarsch deutscher Truppen in österreich beispielsweise
brachte die Zeitung folgende Schlagzeile: "Deutsch-österreich aus dem Chaos gerettet")
1923 - 1945 Der Stürmer - ein NS-Kampfblatt; Wochenzeitung zur Verleumdung von Juden; veröffentlichte z.B.
pseudo-wissenschaftliche Artikel über Ritualmorde bei Juden, unter der Rubrik "Leserzuschriften" er-
schienen fingierte Briefe, in denen die Ausrottung der Juden gefordert wurde. Außerdem wurden regel-
mäßig die Namen von "Judenknechten" (= Personen, die für Juden Partei ergriffen) angeprangert.
Weitere Mittel der P.:
Plakataktionen, Massenaufzüge, Parteitage; Agitation der Massen durch ständige Wiederholung von Kampf-
parolen. Aufwertung der Massenmedien Hörfunk (Gemeinschaftsempfänger, Verbindung von Front zu
Heimat z. B. "Wunschkonzert") und Film (ermöglichter Eskapismus, Historie als Rechtfertigung, "Infor-
mation" durch Wochenschauen und Parteitagsfilme.)
I 5.3 .1933 Gründung eines "Ministeriums für Volksaufklärung und Propaganda unter J oseph Goebbels; zuständig für·
die gesamte Presse, für Rundfunk, Film, Kunst, Musik, Theater, Literatur sowie Gestaltung aller Partei-
oder Staatsfeste. Ziel: Ausrichtung der gesamten Publizistik auf eine nationalsozialistische Linie (Gleich-
schaltung) ;
Methoden u.a.:
1. Bau und Vertrieb von Rundfunkapparaten zum Preis von 76 RM (gegenüber den handelsüblichen 200
bis 400 RM); diese "Volksempfälller" empfingen nur über Mittelwelle den Ort bzw. Bezirks- und
Deutschlandsender. Ihre Empfangsstärke war so gering, daß ausländische Sender nicht gehört werden
konnten.
2. Einführung der ..Tagesparole" (1940 = vom Propagandaministerium ausgearbeitete Tagesmeldungen,
verbindlich für die gesamte Presse.
1. J. Hagemann: Die Presselenkung im Dritten Reich, Bonn 1970
2. G. Albrecht: Nationalsozialistische Filmpolitik, Stuttgart 1969
3. Z.A.B. Zeman: Nazi-Propaganda, London 19-73
4. Werner Maser: Adolf Hitler - Legende, Mythos, Wirklichkeit, Esslingen 1973
Tonband: Ein Gott ("Ur die Massen (Führerkult - Volksverfiihrung), 30 min.
Film: Politische Reden der Jahre 1930-1932 (9 min.)
34
RAD - Reichsarbeitsdienst
= hervorgegangen aus dem Freiwilligen Arbeitsdienst verschiedener Jugendorganisationen, die schon seit
1926 gemeinnützige Aufgaben übernommen hatten; nach der - Machtergreifung wurden die kirchlichen
26.6.1935 und sonstigen Träger verdrängt, aus der Freiwilligkeit wurde die als "Ehrendienst" bezeichnete Verpflich-
tung zu 6-monatigem Arbeitseinsatz und zum Lagerleben paramilitärischer Prägung. Der R. galt zunächst
nur für den männlichen Teil der Bevölkerung; später sukzessive Einführung der Dienstpflicht für junge
Frauen; Beginn mit 18 Jahren; "Arbeitsmänner" und "Arbeitsmaiden" trugen braune Uniformen mit
Hakenkreuz-Armbinden.
Einsatzgebiete: Forstwirtschaft, Moor-Entwässerung, Straßenbau und sonstige Erdarbeiten für Männer;
Landwirtschaft und Haushaltsführung auf Bauernhöfen für Maiden;
Männer wurden während ihrer Dienstzeit vormilitärisch ausgebildet, nach Ausbruch des 2. Weltkrieges
ging der Arbeitsdienst für die meisten nahtlos über in den Kriegsdienst.
4.9.1939 Verordnung zur Erfüllung der RAD-Pflicht für alls 17- bis 25-jährigen Frauen; Ausnahmen: voll berufs-
tätige oder in Ausbildung befindliche Frauen
Juli 1944 Auf die Arbeitsdienstpflicht der Frauen folgt unmittelbar die Verpflichtung zum "Kriegshilfsdienst" =
6-monatiger Einsatz z. B. in Rüstungsbetrieben oder Krankenhäusern, der in der letzten Kriegsphase bis
zum Zusammenbruch zu leisten war.
1. RGBl. 1935, I. Nr. 64, S. 769
2. Nationalsozialistisches Jahrbuch a.a.O.
3. Frauengruppe Faschismusforschung: Der weibliche Arbeitsdienst, Frankfurt 1981
4. Dörte Wink1er: Frauenarbeit im Dritten Reich, Hamburg 1977
3S
Rassenkunde
Kernstück der nationalsozialistischen "Rassenlehre" oder "Rassenkunde" war die Feststellung einer hoch-
stehenden nordischen Rasse. Sie wurde als "arisch" bezeichnet (nach dem Sanskrit-Wort "arya" = der
Edle) und stand für "nordisch" bzw. "germanisch". Neben der nordischen Rasse galten alle anderen
menschlichen Rassen als abgestuft minderwertig. In der deutschen Bevölkerung wurden 50 Prozent Arier
vermutet. Die andere Volkshälfte gehörte weniger hochstehenden, aber immerhin "verwandten" Rassen
an: der fälischen, der westischen, der dinarischen, der ostischen, der ostbaltischen. Zielvorstellung der
Nationalsozialisten war es, den Anteil der nordischen Rasse zu stärken durch "Rassenpflege", d. h. durch
Reinhaltung des Blutes, letztlich durch Zucht von Ariern, den sogenannten Herrenmenschen (Herrenrasse)
zu schaffen.
Der "Rassenpflege" galten verschiedene Gesetze und sozialpolitische Maßnahmen:
14. 7.1933 1. Das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" zählte auch Krankheitsfälle auf, in denen die
Betroffenen zwangsweise sterilisiert wurden
18.10.1935 2. Das "Gesetz zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes" ließ nur Eheschließungen von
"gesunden" Partnern zu; Geschlechtskrankheiten, Tuberkulose und geistige Störungen waren ein Ehe-
hindernis.
3. Mit dem "Ehrenbuch für die deutsche kinderreiche Familie" wurden deutschblütige, lebenstüchtige
und erbgesunde Familien ausgezeichnet und gefördert.
4. Das "Ehrenkreuz der deutschen Mutter" ("Mutterkreuz") wurde als Orden in Bronze, Silber und
Gold verliehen - je nach Kinderzahl.
Erzfeind in der wissenschaftlich unhaltbaren R. waren die Juden, deren Handeln angeblich auf Zerstörung
der arischen Rasse gerichtet war. (Nürnberger Gesetze) Neben den Juden waren auch Zigeuner und Neger
rassisch minderwertig und wurden als Untermenschen bezeichnet. Zu dieser Kategorie zählten auch
Slawen, insbesondere Russen und Polen, nicht aber diejenigen slawischen Völker, mit denen Hitler-
Deutschland verbündet war.
1. Hitlergesetze XßI, Reclam Universalbibliothek Nr. 7321
2. Das Leben, Bd. 4 A, Biologisches Unterrichtswerk für Höhere Schulen, LeipzigJBerlin 1941
3. Comelia Beming: Vom Abstammungsnachweis zum Zuchtwart-Vokabular des Nationalsozialismus, Berlin 1964
4. AdolfHitler: Mein Kampf, München 1938
S. L. Gruchmann: Euthanasie und Justiz im Dritten Reich, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Stuttgart Nr. 20/
1972
6. Frauengruppe Faschismusforschung: Mutterkreuz und Arbeitsbuch, Frankfurt 1981
7. Hans F. Günther: Rassenkunde des deutschen Volkes, München 1934
8. Dill-Reihe: Der Nationalsozialismus in der Karikatur
9. Film: Zwischen Nacht und Morgen (Spielfllm, 34 min)
36
Reichstagsbrand
27. 2.1933 = Zerstörung des Parlamentsgebäudes in Berlin durch Brandstiftung.
Die Nationalsozialisten erklärten den Brand sofort als das Werk von Kommunisten; noch in der Brand-
nacht begann die Verfolgungswelle; 4000 Kommunisten, Sozialdemokraten und andere politischen Geg-
28. 2.1933 ner wurde verhaftet. "Rechtsgrundlage" war die schon vorbereitete "Verordnull8 des Reichspräsidenten
zum Schutze von Volk und Staat".
Die Gegner der Nationalsozialisten beschuldigten Göring und die SA der Brandstiftung. Der Reichstags-
brandprozeß brachte weder Beweise für kommunistische noch für nationalsozialistische Urheber des
Sept.- Brandes; verurteilt wurde der geständige Holländer Marinus van der Lubbe, der nach eigener Aussage mit
Dez. 1933 seiner Tat zum Widerstand gegen die Nationalsozialisten aufrufen wollte.
Van der Lubbe wurde nach der eilig erlassenen Reichstagsbrand-Verordnung (§§ 4/6) zum Tode verur-
teilt, obwohl das zum Zeitpunkt der Tat geltende Recht nur Zuchthausstrafe vorsah.
In der fortdauernden wissenschaftlichen Kontroverse um die Täterschaft werden bis heute widerstreiten-
de Auffassungen vertreten.
Wer auch immer die Brandstiftung begangen hat, entscheidend war, daß die nationalsozialistische Füh-
rung den Reichstagsbrand als Rechtfertigung für die unmittelbar danach erlassene "Verordnung zum
Schutz von Volk und Staat" und für die "Verordnung gegen Verrat am deutschen Volk und hochverräte-
rische Umtriebe" benutzte. Die Formulierungen der "Reichstagsbrandverordnung" setzen praktisch alle
Grundrechte "bis auf weiteres außer Kraft und gaben der Reichsregierung die Möglichkeit, die Länderre-
gierungen durch Reichskommissare zu ersetzen.
1. Informationen zur politischen Bildung 123/126/127, 1982,. Bundeszentrale fiir politische Bildung, Bonn (Hrsg.)
Reichswehr/Wehnnacht 37
1919 Reichswehr war die Bezeichnung für die bewaffnete Streitmacht des Deutschen Reiches. Die R. bestand
aus Reichsheer und Reichsmarine, ihr oberster Befehlshaber war der Reichspräsident.
Nach dem Ersten Weltkrieg waren Stärke und AusJiistung der R. im Versailler Vertrag begrenzt worden:
1. Berufsheer mit 12jähriger Dienstzeit (25 Jahre für Offiziere) und einem Höchstbestand von H10000
Mann.
2. Beschränkung der Flotte auf 6 Panzerschiffe, 6 kleine Kreuzer, 12 Zerstörer und 12 Torpedoboote
mit insgesamt 15000 Mann Besatzung.
3. Untersee-Boote, Flugzeuge und schwere Waffen wie Panzer, schwere Artillerie, Kampfgas wurden ver-
boten; sämtliche Befestigungsanlagen mußten "entschärft" werden.
30.1.1933 Sofort nach seiner Ernennung zum Reichskanzler (+ Machterp'eifung) gab Hitler Anweisung, die Reichs-
wehr wieder aufzuJiisten. Entgegen dem Versailler Vertrag wurden motorisierte Verbände aufgestellt so-
wie Panzertruppen, Fallschirm- und Fliegerverbände. Das Landheer wurde ve{Stärkt, die Flotte ausgebaut.
21.5.1935 Einführung der allgemeinen Wehrpflicht durch Hitter. Im Wehrgesetz lautete die offizielle B.:zeichnung
für die deutschen Streitkräfte von jetzt an "Wehrmacht". Oberster Befehlshaber ist der "Führer und
Reichskanzler" Adolf Hitler.
1939 Die Stärke des Landheeres ist auf 2,7 Mio. Mann angewachsen. Die Luftwaffe verfügt über 4000 Flugzeu-
ge (Oberster Befehlshaber seit 1935: Herrnann Göring); die Flotte ist zu Kriegsbeginn noch im Aufbau,
aber unter anderem bereits mit 52 U-Booten ausgestattet.
Wehrdienstpflichtig sind alle Männer vom 18. bis 45. Lebensjahr. Juden sind laut Arierparap'aph nicht
zugelassen. (+ Rassenkunde)
1. G. Freede/O.E. Schüddekopf: Wehnnacht und Politik, Braunschweig 1958
2. RGB 1934, I, S. 747
3. RGBl1935, I, Nr. 52, S. 609
4. RGBl1942, I, - (personenstandsverordnung der Wehnnacht)
38
Reparationen
Entschädigungen des deutschen Reiches an die Siegermächte. Festgelegt im + Versailler Vertrag. Modifi-
ziert durch:
1921 "Pariser Beschlüsse"
- 226 Milliarden Goldmark; zu zahlen in Raten von jährlich 2 bis 6 Milliarden bis 1963; Die "Pariser
Beschlüsse" wurden von der deutschen Reichsregierung abgelehnt. Darauf kam es zum
4.5.1921 "Londoner Ultimatum"
- 132 Milliarden Goldmark zahlbar in jährlichen Raten von 2 Milliarden; dazu: Abgabe von 26 % des.
Wertes der deutschen Exporte.
16.4.1922 Das Londoner Ultimatum wurde angenommen. Durch fortschreitende Inflation mußten die Zahlungen
jedoch bald gestundet werden. Im Vertrag von RapaUo (über die Wiederaufnahme deutsch-russischer di-
plomatischer und wirtschaftlicher Beziehungen verzichtet die Sowjetunion ganz auf die Zahlung deutscher
11.1.1923 Reparatiopen. Frankreich hingegen wollte seine Reparationsansprüche gegen das vorläufig zahlungsunfä-
hige Deutschland sichern und besetzte das Ruhrgebiet. Die Bevölkerung des Reviers leistete darauf "pas-
siven Widerstand" (Ruhrkampf) bis neue Reparationsverhandlungen aufgenommen wurden.
16.8.1924 Unterzeichnung des Dawes-Plans in London; der Jahresbetrag der Reparationszahlungen beläuft sich nun
auf I Milliarde Goldmark und steigt bis zum ersten "Normaljahr" (d h. nach Überwindung der Wirt-
o

schaftsflaute)-auf 2,5 Milliarden - ohne zeitliche Begrenzung. Dieser Vertrag wird abgelöst vom
1930 Young-Plan - jährlich 1,6 Milliarden Reichsmark (RM) ansteigend auf 2,4 Milliarden bis 1966, allmäh-
lich fallend auf 0,86 Milliarden bis 1988. In der Praxis war der Young-Plan nur bis 1931 gültig (Weltwirt-
schaftskrise); formal trat er ein Jahr später außer Kraft durch die Beschlüsse der Konferenz von Lausanne,
wo die endgültige Beseitigung der Reparationen erreicht wurde. Deutschland verpflichtete sich zu einer
einmaligen Restzahlung von 3 Milliarden RM in Form von Schuldverschreibungen; zu einer Begleichung
dieser Summe ist es jedoch nicht mehr gekommen.
1. Wilfried Böhnke: Die NSDAP im Ruhrgebiet 192~1933, Bonn 1974
2. Rainer Lepsius: Extremer Nationalismus - Strukturbedingungen vor der nationalsozialistischen Machtergreifung,
Stuttgart 1966
3. Gerhard Schulz: Deutschland seit dem 1. Weltkrieg 1918-1945, Göttingen 1976
39
"Röhm-Putsch" (Ermordung hoher SA-Führer und innerparteilicher Gegner)
= benannt nach Ernst Röhm, Stabschef der + SA seit 1931.
Röhm wollte die Reichswehr einem aus der SA hervorgehenden Volksheer ("braune Armee") eingliedern.
Hitler empfand diese Forderung als Bedrohung seines guten Einvernehmens mit Reichswehr und Industrie.
30.6.1933 Auf einer Tagung in Bad Wiessee wird die ahnungslose SA-Führung von SS-Einheiten verhaftet.
1.7.1~33 Ohne Gerichtsverfahren wird Röhm erschossen. Bei Gelegenheit des sog. R. werden auch Gregor Strasser
und Gustav wn Kahr - beides innerparteiliche Gegner von Hitler - beseitigt. (Konkrete Belege für
Putsch-Absichten Röhms oder anderer SA-Führer konnten nie beigebracht werden.)
3.7.1934 Erlaß eines Gesetzes über Maßnahmen der "Staatsnotwehr", das die Ermordung Röhms und anderer ver-
meintlicher und wirklicher Gegner Hitlers nachträglich für rechtens erklärte.
1. Walther Hofer: Die Diktatur Hitlers a.a.O.
2. RGBl. 1934, I, Nr. 71, S. 529
40
SA - Stunnabteilung
= aus Freiwilligen bestehende Kampf- und Schutztruppe der NSDAP; braun uniformiert mit Hakenkreuz-
Binde am Arm; von unten nach oben gegliedert in die Einheiten: Gruppe, Trupp, Sturm, Standarte, Bri-
gade und Gausturm.
Entwicklung der SA:
1921 Griindung (ca. 2000 Angehörige)
März 1923 Hermann Göring übernimmt die Führung
9.11.1923 Verbot nach Hitter-Putsch
1924 illegale SA unter Röhm (ca. 30000 Mitglieder)
27.2.1925 Neugriindung
1928 Röhm tritt zuriick; Franz Pfeffer von Salomon wird oberster SA-Führer
1930 Hitler entläßt Salomon und setzt sich selbst an die Spitze der SA; Röhm wird zurückgerufen und zum
Stabschef ernannt (ca. 80000 Mitglieder)
14.4.1932 erneutes Verbot der inzwischen 220000 Mann starken SA durch Brüning
Mai 1932 Aufhebung des Verbots durch Franz von Papen
1.7.1934 Röhm-Putsch; SS wird aus SA ausgegliedert
Nach 1934 verliert die SA an Bedeutung; betreibt fortan überwiegend vormilitärische Ausbildung, Pflege
der Wehrfähigkeit Gedienter und Ungedienter und Unterstützung des Grenzschutzes im Osten.
Aufgaben der SA:
- Schutz der Parteiveranstaltungen,
- Störung oder Auflösung anderer Parteiveranstaltungen,
- Verbreitung von Propagandamaterial (z.B. nächtliche Plakataktionen),
- Appelle und Aufmärsche zur Demonstration der Stärke,
- Schlägereien und sonstige Gewaltmaßnahmen gegen politisch Andersdenkende (von 1933/34 war die
SA mit besonderen Vollmachten ausgestattet als Hilfspo1izei; sie konzentrierte sich auf die Verfolgung
und Terrorisierung von Juden, Kommunisten, Sozialdemokraten, aktiven Christen und Gewerkschaf-
ten).
1. Brandt-Meyer-Just (Hg.): Handbuch der Deutschen Geschichte, Bel. IV, Konstanz 1959
2. Charles Bloch: Die SA und die Krise des NS-Regimes 1934, Frankfurt/M. 1970
3. Heinrich Bennecke: Hitler und die SA, München - Wien 1962
Hörspiel: SA marschiert (Alltag in der NS-Diktatur), 27 Min.
Musik: Kampflied der SA - Standarte 7, Berlin
41

"Schu tzhaft"
= ein auf die Reichstagsbrand-Verordnung zurückgehendes Zwangsmittel zur Inhaftierung von Personen
außerhalb richterlicher und rechtsstaatlicher Kontrolle.
Im NS-Staat wurde diese Form des "Schutzgewahrsams" zur Ausübung von Terror und Unterdrückung
28.2.1933 benutztJ~ Gestapo)
Die S. richtete sich zunächst gegen politische Gegner, vor allem Kommunisten; später wurde sie durch
5.1.1938 Erlaß auf alle Personen angewendet, die "durch ihr Verhalten den Bestand und die Sicherheit des Volkes
und des Staates gefährden". Grundsätzlich fielen also auch Juden unter die S.-Bestimmungen (+ Rassen-
kunde, Volksgemeinschaft). Der Erlaß bestimmte weiterhin, die S. grundsätzlich in Konzentrationslagern
zu vollstrecken.
24.10.1939 Nach Beginn des 2. Weltkrieges wurde verfügt: "Entlassungen von Häftlingen aus der Schutzhaft finden
während des Krieges im allgemeinen nicht statt".
1. Michael Stolleis: Gemeinwohlformeln im nationalsozialistischen Recht, Berlin 1974
2. Rudolf Echterhölter: Das öffentliche Recht im nationalsozialistischen Staat, Stuttgart 197x
3. Ilse Staff (Hrsg.): Justiz im Dritten Reich a.a.O.
4. Hubert Schorn: Der Richter ... a.a.O.
42
SD - Sicherheitsdienst
= parteiinterner Geheimdienst der + SS zur Ausforschung und Überwachung von Gegnern in anderen
Parteien und der eigenen, 6482 hauptamtliche Mitarbeiter (1944)
Entwicklung des SD:
1931 Aufbau des Sicherheitsdienstes unter der Leitung des aus der Marine entlassenen Nachrichtenoffiziers
Reinhard Heydrich.
1933 Einrichtung einer zentralen Leitstelle des SD zur besseren Koordinierung der Tätigkeiten aller SD-Ab-
schnitte und -Oberabschnitte
1.7.1937 durch Anordnung von Heydrich wird zwischen SD und Gestapo eine Aufgabenteilung vorgenommen;
beide Organisationen arbeiten jedoch weiterhin zusammen, z. B. bei der Bekämpfung von Staatsfein-
den oder bei der Verfolgung von Juden
1939 SD und Sicherheitspolizei werden zusammengefaßt im Reichssicherheitshauptamt (RSHA);
1944 nach der Verhaftung von Admiral Canaris (+ 20. Juli) übernimmt der Auslandsnachrichtendienst des
SD auch den Nachrichtendienst des Oberkommandos der Wehrmacht.
Aufgaben des SD:
Beobachtung politischer Gegner; Beschaffung politischer Nachrichten aus dem In- und Ausland
Organisation von Unruhen und Sabotageakten im Ausland;
Beobachtung von Gegenströmungen in der NSDAP;
Berichte (2 - 3 mal pro Woche) an die wichtigsten Staats- und Parteiführer über die Wirkungen der Re-
gierungsmaßnahmen auf das öffentliche Leben (durch Blockleiter der Partei und bezahlte Agenten)
Beurteilung der politischen Zuverlässigkeit hoher Offiziere und Parteiführer.
Heinz Boberach: Meldungen aus dem Reich - Auswahl aus den geheimen Lageberichten des Sicherheitsdienstes der SS
1939-1944, Neuwied 1965
43
Sondergerichte
= Sonderabteilungen an den Oberlandesgerichten; zuständig für Strafsachen; durch Verordnung instal-
21.3.1933 liert (+ Heimtücke-Gesetz)
Für S. war die bestehende Prozeßordnung außer Kraft gesetzt; S. konnten Urteile ohne Anhörung des Be-
klagten, ohne Zeugeneinvernahme, ohne Hinzuziehung von Sachverständigen, Urkunden oder irgendweI-
cher sonstiger Beweismittel fällen, eine Überpriifung der Urteile von S. war nicht möglich (in § 6 der Ver-
ordnung hieß es: "Gegen Entscheidungen der Sondergerichte ist kein Rechtsmittel zulässig").
S. bestanden aus einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern; alle bestellt vom Präsidium der Landgerichte.
24.4.1934 Einrichtung eines Volksgerichtshofs in Berlin, Zentrale Strafverfolgungsinstanz des .NS-Staates, zuletzt
bestehend aus sechs Senaten mit jeweils fünf Richtern; drei dieser Richter waren Laien - von Hitler für
eine Amtsdauer von 5 Jahren ernannt. Aufgabe des Volksgericht~ofs war - wie bei den So - die Abur-
teilung von Hoch- und Landesverrat, später auch von "Wehrkraftzersetzung". Für einen Schuldspruch ge-
nügte schon der Verdacht auf diese Delikte. Die "Schuld" konnte mit Todesurteil geahndet werden
(+ Weiße Rose). Von dieser Möglichkeit machte der Volksgerichtshof allein binnen eines lahres (143) in
1662 Fällen Gebrauch.
In den ersten fünf Jahren des NS-Regimes befaßten sich die S. vorwiegend mit der Aburteilung politi-
20.11.1938 scher Gegner. Später wurden die Befugnisse der S. auch auf unpolitische Straftaten ausgedehnt.
1.9.1939 Zu Beginn des 2. Weltkriegs wurden per Verordnung zusätzliche S. geschaffen; die Rechte der Verteidi-
gung wurden eingeschränkt und Urteile im Schnellverfahren verfügt.
1. Ilse Staff (Hrsg.): Justiz im Dritten Reich - eine Dokumentation, Frankfurt/Mo 1978
20 Hubert Schom: Der Richter im Dritten Reich - Geschichte und Dokumente, Frankfurt/M. 1959
3. RGBl. 1933, I, S. 137
44
SS-Schutzstaffel
= Als Sonderformation aus der'" SA hervorgegangen; verantwortlich für die Konzentrationslager (... KZ)
und die Einsatzgruppen in den besetzten Gebieten; ab 1940 zählten die in der Wehrmacht eingesetzten
SS-Truppen offiziell zur Waffen-SS (der Begriff besagt nicht, daß deren Angehörige nur militärischen
Zwecken dienten, tatsächlich umfaßte die Waffen-SS sämtliche Teile der SS, die vom Staat finanziert
wurden - im Gegensatz zur "allgemeinen SS", die von der Partei getragen wurde; 1944 war die Waf-
fen-SS etwa 950.000 Mann stark, dazu kamen die ca. 40.000 Angehörigen der "allgemeinen SS").
Uniform: schwarz mit SS-Runen am Kragenspiegel; Armbinde mit schwarz umrandetem Hakenkreuz;
Mütze mit Hoheitszeichen und Totenkopf.
Entwicklung der SS:
1925 - Gründung zum persönlichen Schutz Hitlers,
1929 - Heinrich Himmler wird Reichsflihrer SS (280 Mann),
1931 - Einrichtung eines Geheimdienstes - SD (Sicherheitsdienst); Chef bis 1943: Reinhard Heydrich;
1933 - 52.000 Mann zählen zur SS; davon werden 120 ausgewählt für die "Leibstandarte Adolf Hitlers"; an
weiteren bewaffneten Sonderkommandos werden gebildet: die "politischen Bereitschaften", die
SS-Verfügungstruppe (aus der die Waffen-SS hervorgehen wird) und die SS-Wachverbände, genannte
.. Totenkopf-Verbände"
1933/1934 - die politischen Polizeien der Länder werden an die SS gebunden und unterstehen gleichfalls Himmler
(... NSDAP-Organisation;'" GEST APO)
1936 Himmler wird Chef der gesamten deutschen Polizei
27.9.1939 - Einrichtung des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) bestehend aus: Staatlicher Sicherheitspolizei SS
und SD
7.10.1939 Himmler wird "Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums" d.h., zuständig für die organi-
sierte Verschleppung von'" Untermenschen aus den besetzten Gebieten zur Zwangsarbeit im Reich.
Aufsaben der SS:
- überwachung der Bevölkerung durch eigenen Geheimdienst + SD
- Verwaltung, Bewachung und wirtschaftliche Ausnutzung der + KZ
- Betrieb und Ausbau SS-eigener Wirtschaftsunernehmen mit Hilfe von KZ-Häftlingen und den von
SS-Einsatzsruppen herbeigeschafften Fremdarbeitern
- Betrieb von Instituten für medizinische Experimente der SS-Ärzte an Häftlingen
- Erhaltung und Vermehrung der "nordischen Rasse" (+ Rassenkunde; Lebensbom e.V.)
1. Hans Buchheim: 55 und Polizei im NS-5taat, Duisburg/Bonn, 1964
2. Gunter d' Alquen: Die 5s-Geschichte, Aufgaben und Organisation der 5chutzstaffeln der N5DAP, Berlin 1939
3. Heinz Höhne: Der Orden unter dem Totenkopf - Die Geschichte der 55, Gütersloh 1967
4. Josef Ackennann, Heinrich Himmler als Ideologe, Göttingen 1970
S. Michael H. Kater: Das "Ahnenerbe" der 55 1935-1945, Stuttgart 1974
Fibn: Verschleppt - vertrieben - geflohen/Europäische Flüchtlingsschicksale (30 Min.)
45
Untermenschen
= Bezeichnu~g der Nationalsozialisten für Slawen, luden, Zigeuner und andere ihnen unerwün~chte Men-
schen; gemäß nationalsozialistischer Rassenkunde gehörten sie alle zwar zu einer Spezies mit äußeren
menschlichen Merkmalen und "einer Art von Gehirn", waren aber minderwertiger als ein Tier. Aus die-
ser jegliche Menschenwürde verachtenden Auffassung ergab sich auch folgerichtig die These vom "Unge-
ziefer", das "ausgerottet" werden mußte.
Erklärtes Ziel der rücksichtslosen Diskriminierungen: die bereits vorhandene Abneigung des Volkes gegen
alles Fremde zu schüren. Immer selbstverständlicher wurde die Verwendung von Begriffen wie "Volks-
schädling", "Ungeziefer", "Schmarotzer" - nicht nur in der gelenkten Presse (Gleichschaltung) wurden
sie ständig wiederholt, auch in amtlichen Dokumenten war man zu diesem Vokabular übergegangen und
betonte die Notwendigkeit, alle diese "furchtbaren Kreaturen" auszurotten, auszumerzen, zu vernichten
(NS-Propaganda).
l. Walther Hofer a.a.O.
2. Hennann Glaser: Das Dritte Reich, Freiburg 1961
3. Adolf Hitler a.a.0.
Tonband: Fahnen, Fackeln und Fanfaren (Hörspiel 24 Min.)
46
Verordnung zum Schutz von Volk und Staat
28.2.1933 = sog. "ReichstapbrandverordnulIII"; enthielt die Aufhebung folgender Grundrechte der Weimarer Ver-
fassun8:
Art. 114 - Freiheit der Person,
" 115 - Unverletzlichkeit der Wohnung,
" 117 - Briefgeheimnis,
" 118 - freie Meinungsäußerung,
" 123 - Versammlungsrecht,
" 124 - Recht zur Gründung von Vereinen,
" 153 - Garantie des Eigentums.
Zugleich: Verbot der KPD; Verhaftung kommunistischer und sozialdemokratischer Funktionäre; Prokla-
mation des Ausnahmezustandes wegen eines angeblich bevorstehenden kommunistischen Staatsstreichs.
Die V. blieb - entgegen der Einschränkung "bis auf weiteres" im Gesetzestext - während der gesamten
NS-Herrschaft bestehen; sie bildete die juristische Grundlage nicht nur zum Vorgehen gegen politische
Gegner, sondern später auch gegen jedwede mißliebige Person (Schutzhaft - Gestapo).
RGBL I, 1933, S. 83
Versailler Vertrag 47
7.5.1919 Friedensvertrag zwischen Deutschland und der Entente ohne Mitwirkung der USA; Grundlage:
11.l1.l918 Waffenstillstands-Abkommen von Compilgne, das den Ersten Weltkrieg beendete
Wichtigste Bestimmungen des V. V.:
I. Abtretung von Elsaß-Lothringen, Posen und Westpreußen einschließlich Danzig
2. Volksabstimmung in Oberschlesien, Allenstein und Eupen-Malmedy (Trotz eines hohen deutschen
Wahlsieges wurde das oberschlesische Industrierevier an Polen angeschlossen.)
3. Besetzung des Saarlandes und des linksrheinischen Gebiets
4. Aufgabe sämtlicher deutscher Kolonien
5. Verlust der deutschen Flotte und Auslieferung fast des gesamten Kriegsmaterials (+ Reichswehr/Wehr·
macht); A,uflösung des deutschen Heeres
.6. Erklärung der alleinigen Kriegsschuld Deutschlands
7. Wiedergutmachung durch Reparationen
Auf Drängen des französischen Ministerpräsidenten Georges Clemenceau gerieten die Versailler Bestim-
mungen zu einem Dokument der Revanchepolitik, mit der neue Krisenherde geschaffen wurden. Das be-
siegte Deutschland, um das es ging, war bei den Sitzungen der Friedenskommission als Verhandlungspart-
ner nicht zugelassen, der Gedanke des Selbstbestimmungsrechts der Völker (Völkerbund; Vierzehn-Punk-
te-Programm) war völlig in den Hintergrund getreten. Die Mitglieder der deutschen Nationalversammlung
(+ Weimarer Republik) wurden gezwungen, den Vertrag zu unterzeichnen (138 Angehörige der National-
versammlung hatten sich zuvor gegen die Annahme des "Versailler Diktats" ausgesprochen; 237 Abgeord-
nete hatten mit Ja gestimmt. Die Gegenstimmen kamen von den Demokraten, der Deutschen Volkspartei
und den Deutschnationalen (Parteien in Deutschland 1918.1933).
Hitler nannte die Verantwortlichen der Weimarer Republik "Erfüllungspolitiker" und forderte die Ab-
schaffung des Vertrages, den er als "Instrument einer maßlosen Erpressung und schmachvollsten Ernie-
drigung" bezeichnete. Hitlers Forderung fand bei vielen Deutschen Zustimmung (+ NSDAP).
Die Hauptwiderstände gegen den V. V. betrafen die Repuationen. die Verletzung der "nationalen Wür-
de" und die durch die neuen Grenzen herbeigeführten Zustände (Besatzungswillkür, Separationsbestre-
bungen u.ä.). Bemühungen deutscher Politiker um eine vernünftige Milderung der Vertragsbedingungen
wurden zwar von einsichtigen Vertretern der Siegermächte unterstützt (z. B. von dem englischen Dele-
gierten Lloyd Georae und dem amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson)'" VölkerbUDd und'" Vier-
zehn-Punkte-Programm brachten aber erst nach Jahren greifbare Ergebnisse (Locuno-Pakt; Vertrag von
Rapallo; Dawes-Plan; Young-Plan). Durch die Beseitigung der verbliebenen Beschränkungen des V. V.
konnte später Hitler sein Ansehen bei den deutschen Rechtskreisen stärken (NS-Propapnda).
1. Lexikon zur Geschichte und Politik im 20. Jahrhundert, Mainz 1971
2. Adolf Hitler: Mein Kampf 1.1.0.
3. H. Michaeüs/E. Schnepler: Ursachen und Folgen - Vom deutschen Zusammenbruch 1918 und 1945 bis zur staatli-
chen Neuordnung Deutschlands in der Gegenwart, BerUn 1963-1976
48

Vierjahresplan
= Hitlers Maßnahmen zur Wirtschaftsplanung unter grundsätzlicher Beibehaltung der Privatwirtschaft
1.2.1933 Erster v.:
verkündete die Reorganisation der deutschen Wirtschaft im Zeitraum von 8 Jahren bzw. zwei V.; erstes
Planziel war die "Rettung des deutschen Bauern" zur Erhaltung der Ernährungsgrundlage der Nation;
zweites Ziel die "Rettung des deutschen Arbeiters durch einen gewaltigen und umfassenden Angriff ge-
gen die Arbeitslosigkeit".
18.10.1936 Zweiter ("eigentlicher") V.:
erstrebte die weitgehende Selbstversorgung der Nation mit Rohstoffen, vor allem mit Eisen und Metall-
erzen, Mineralölen, Kautschuk; der Abbau einheimischer Erzvorkommen wurde verstärkt (Salzgitter)
und die EntwiCklung von Ersatzrohstoffen vorangetrieben (z. B. Benzin aus Braunkohle und Zellstoff,
synthetische Gummi-Erzeugung "Buna"). Hintergrund der Senkung ausländischer Einfuhren (auch bei
:rextilien): die Devisenknappheit der deutschen Wirtschaft. Die Verwendung ausländischer Zahlungsmit-
tel wurde fortan eingeschränkt und kontrolliert.
1941 Da die Maßnahmen zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit und Selbstversorgung nicht die gewünschten
Erfolge brachten, wurde das zweite Ziel des V. stärker verfolgt: die Aufrüstung der Nation zur Erweite-
rung ihres + Lebensraumes. Die auf Hochtouren laufende Rüstungs- und Kriegsproduktion hatte trotz
Einflihrung des Kriegshilfsdienstes (RAD) zu einer Verknappung von Arbeitsplätzen geführt, so daß im-
mer mehr ,:Fremdarbeiter" aus den besetzten Gebieten abgeworben bzw. zwangsverpflichtet und deportiert
wurden. Sie arbeiteten hauptsächlich in Rüstungsbetrieben oder in der Landwirtschaft. Die Versorgung
der deutschen Bevölkerung war während des Krieges nur durch rücksichtslose Ausbeutung der eroberten
Gebiete zu realisieren.
Dieter Petzina: Autarkiepolitik im Dritten Reich - Der nationalsozialistische Vierjahresplan, in: Schriftenreihe der
Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Stuttgart 1968
A. Barhai: Wirtschaftspolitik des Nationalsozialismus
49
Vierzehn-Punkte-Programm
8.1.1918 =Botschaft des Präsidenten Woodrow WiJson an den amerikanischen Kongreß; Grundsätze zur Siche-
rung des Friedens:
1. keine Geheimdiplomatie,
2. Freie Seeschiffahrt in Frieden und Krieg,
3. Beseitigung von Schranken im Handelsverkehr,
4. Abrüstung,
5. Unparteüsche Regelung aller kolonialen Anspruche,
6. Räumung der von den Mittelmächten besetzten russischen Gebiete,
7. Wiederherstellung Belgiens,
8. Räumung des besetzten französischen Territoriums und Rückgabe Elsaß.Lothringens,
9. Berichtigung der italienischen Grenzen durch Nationalitätsgrenzen,
10. Autonome Entwicklung der Völker österreich-Ungarns,
11. Räumung und Restitution Rumäniens, Serbiens (mit Zugang zum Meer) und Montenegros,
12. Autonome Entwicklung der Völker des Osmanischen Reichs und Öffnung der Dardanellen,
13. Errichtung des unabhängigen polnischen Staates mit Zugang zur See,
14. allgemeiner Zusammenschluß der Nationen zur gegenseitigen Garantie von politischer Unabhäng-
keit (Völkerbund).
11.2.1918 Zusätzlich zu seinen "Vierzehn Punkten" stellte Wilson vor dem Kongreß Forderungen auf: Verzicht auf
Annexionen, Kriegsentschädigungen (Reparationen) und strafrechtlichen Schadenersatz.
Wilsons Vorstellungen vom "Selbstbestimmungsrecht der Völker" wurden durch den Versailler Vertrag
zunichte gemacht. Lediglich seine Forderung nach Gründung eines Völkerbundes wurde verwirklicht.
Brockhaus Enzyklopädie, Wiesbaden 1974
Völkerbund 50
1920 Staatenvereinigung mit Sitz in Genf (= gern. Art. 1- 26 des Versailler Vertrages geschaffen); entstanden
unter dem maßgeblichen Einfluß des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson (Vierzehn-Punkte-
Programm); Organe des V. waren die V.-Versammlung und der V.-Rat.
Aufgaben des V.:
1. Friedensbewahrung, allgemeine Abrüstung,
2. Verpflichtung der .Mitglieder, Streitigkeiten durch den "Ständigen Internationalen Gerichtshof", den
Rat oder die Versammlung schlichten zu lassen,
3. Zwangsmaßnahmen (Sanktionen) gegen Angreifer des Bündnisses,
4. Verwaltung des Saarlandes; Schutz von Danzig; Schutz von Minderheiten; Überwachung der Mandats-
gebiete, .
5. Förderung internationaler Zusammenarbeit auf sozialem und humanitären Gebiet,
6. Revision von Verträgen, die der friedlichen Entwicklung der Völker entgegenstanden.
8.9.1926 Die Aufnahme Deutschlands in den V. wurde möglich durch die Versöhnungspolitik von Gustav Strese-
mann und Aristide Briand. Dokument dieser Verständigung zwischen dem Deutschen Reich und Frank-
Okt. 1925 reich war der Locamo-Pakt. ein Sicherheitsvertrag zwischen beiden Nationen und Belgien. Er enthielt
die Verpflichtung, die durch den Versailler Vertrag geschaffenen Rheingrenzen und die entmilitarisierte
Rheinlandzone zu respektieren; Streitigkeiten zwischen den Unterzeichner-Staaten sollten künftig fried-
lich ausgetragen werden. England und Italien übernahmen die Bürgschaft für den Pakt.
14.10.1933 Hitler kündigt die Teilnahme an den Genfer Abrüstungsverhandlungen auf und erklärt den Austritt
Deutschlands aus dem Völkerbund.
7.3.1936 Hitler kündigt die Verträge von Locamo. Deutsche Truppen besetzen das entmilitarisierte Rheinland.
Die ·Proteste des Völkerbundes bleiben - wie bereits 1935 bei Einführung der Wehrpflicht (Reichswehr/
Wehrmacht) - deklamatorisch.
Eine Wiederbelebung der Idee war erst 1945 möglich mit der Gründung der Vereinigten Nationen (UN).
1. Kleines politisches Wörterbuch, Berlin (Ost) 1973
2. Akten zur deutschen auswärtigen Politik 1918-1945, Serie Bund C., Göttingen 1966-1978
51
Volksgemeinschaft
Unter V. verstanden die Nationalsozialisten die Gemeinschaft aller Volksgenossen. Dazu gehören grund-
sätzlich nur Personen "deutschen Blutes" (Rassenkunde).
Die nationalsozialistische V. versprach ihren Angehörigen Sicherheit und Geborgenheit. Als Gegenlei-
stung erwartete sie bedingungslose Ergebenheit. Wer politisch anders dachte oder auch nur die Richtig-
keit der Regierungsaktionen anzuzweifeln wagte, war r.in Volksschädling und wurde mit Hilfe einschlä-
giger Gesetze aus der V. entfernt (Heimtücke-Gesetz).
1. David Schönbaum: Die braune Revolution, Köln 1968, S. 290
2. Walther Hofer: Der Nationalsozialismus - Dokumente, Frankfurt/M. 1983
3. RGBl. 1939, I, Nr. 168, S. 1679
Film: Wer für uns nicht ist, ist gegen uns (Spielfilm, 40 Min.)
Warschauer Getto 52
Die Judenverfolgung unter dem NS-Regime erstreckte sich auch auf die besetzten Gebiete, wie Tsche-
choslowakei, Ungarn, Holland und Frankreich, insbesondere aber auf Polen und die UdSSR. Die Tren-
nung der Juden von den nichtjüdischen Teilen der Bevölkerung erfolgte dort durch Konzentrierung der
Juden in zugewiesenen Gebieten, in Gettos.
Nov.1940 Das W.G. war das größte dieser rein jüdischen Areale, 4 km lang und 2,5 km breit - anfangs nur mit
Stacheldraht umzäunt, später mußte eine 3 m hohe Mauer errichtet werden. Auf diese Weise entstand
praktisch ein riesiges Gefängnis mit 14 bewachten Öffnungen nach außen. Auf engstem Raum lebten
360000 Menschen, fünf oder mehr Personen in einem Zimmer, alle angewiesen auf die unzureichenden
Lebensmittelzuteilungen von außen.
Intern wurde das W.G. - wie alle anderen Gettos auch - von einem Ältestenrat (Judenrat) verwaltet, be-
stehend aus "maßgebenden Persönlichkeiten und Rabbinern" (SS-Befehl vom 21.9.1939). Außerdem gab
es einen Ordnungsdienst aus Juden. Beide Gruppen gerieten täglich in Konflikt mit den Anweisungen der
SS und Gestapo und den Interessen der Getto-Bewohner. Ab Ende 1941 mußten Judenrat und Ord-
nungsdienst täglich die Anzahl von Menschen auswählen, die von der SS jeweils zur Deportation in die
Vernichtungslager bestimmt wurde.
1942 Binnen weniger Wochen werden 300000 Menschen aus dem W.G. nach Treblinka transportiert. Die
rund 70000 im W.G. verbleibenden Juden beginnen mit ersten Widerstandshandlungen.
Jan. 1943 Himmler befiehlt das W.G. zu zerstören.
19.4.1943 SS-Einheiten mit Panzern rücken gegen das Getto vor; die kaum bewaffneten Juden ziehen sich in Bun-
ker, Keller, Kanalisation zurück und leisten erbitterte Gegenwehr. Fast vier Wochen lang können sich die
Juden gegen die gut ausgerüsteten Deutschen behaupten. Am Ende des Aufstandes beträgt die Gesamt-
26.5.1943 zahl der getöteten Juden - laut amtlicher SS-Meldung - "nachweislich 56 065".
1. Czeslaw Madajczyk: Die deutsche Besatzungspolitik in Polen 1933-1945, Wiesbaden 1967
2. Stroop-Bericht: Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk in Warschau mehr, Neuwied 1960
Film: Das Tagebuch des Dr. Hans Frank (89 Min.)
53
Weimarer Republik
9.11.1918 Sturz der Monarchie und Ausrufung der Republik.
19.1.1919 Wahlen zur Nationalversammlung. Die Sitzungen der verfassungsgebenden Nationalversammlung fanden
wegen der Unruhen nicht in Berlin statt. So wurde Weimar zum Tagungsort und gab der Republik ihren
Namen.
Die W. R. war ein demokratisch-parlamentarischer, föderativer Rechts- und Verfassungsstaat (Verfassung
nach Hugo Preuß). Die Staatsgewalt ging vom Volke aus. Staatsoberhaupt war der Reichspräsident, der
vom Volk in geheimer Wahl für 7 Jahre gewählt wurde. Er vertrat das Deutsche Reich nach außen, war
Oberbefehlshaber der Streitkräfte und hatte das Recht, den Reichstag aufzulösen.
Der Reichspräsident ernannte auch den Reichskanzler, der als Regierungschef die Richtlinien der Politik
bestimmte. Gesetze erließ der Reichstag, dessen Abgeordnete für die Parteien kandidierten und vom
Volk in geheimer Wahl berufen wurden.
Das Reichsgebiet bestand aus 17 Ländern mit eigenen freien Parlamenten (Landtagen) und eigenen Re-
gierungen für die Landesverwaltung. Durch den Reichsrat waren die Länder auf Reichsebene vertreten.
Bei der Reichsgesetzgebung hatte der Reichsrat ein aufschiebendes Veto-Recht.
Die W. R. hatte Zeit ihres Bestehens mit einer starken Links- und Rechtsopposition zu kämpfen - kom-
munistische Aufstände in Braunschweig und Mitteldeutschland; Räterepublik in München; Kapp-Putsch;
kommunistische Erhebung im Ruhrgebiet. Dazu kamen die schweren Belastungen durch die harten poli-
tischen und wirtschaftlichen Bestimmungen des ~ Versailler Vertrages und die ständig drohende Beset-
zung weiterer Gebiete durch die französische Armee (Ruhrkampf) ~ Reparationen. Die Stetigkeit der
Reichspolitik war in diesem politischen Klima stark gefährdet. Auf Ausgleich bedachte Politiker, die die
notwendige Stabilität hätten herbeiführen können, scheiterten, andere wurden ermordet - wie beispiels-
Juli 1922 weise Walther Rathenau.
1919-1933 Innerhalb von 14 Jahren gab es 21 verschiedene Reichskabinette. Der häufige Wechsel der Regierungen
und das Schwinden von Mehrheiten der Parteien der bürgerlichen Mitte und der Sozialdemokratie trugen
zum Aufstieg der radikalen Oppositionsparteien bei (+ Parteien in Deutschland 1918-1933; + Reichsta...
wahlen ab 1919). Seit 1930 gab es nur noch Minderheitsregierungen, die allein aufgrund der Ausnahme-
befugnisse des Reichspräsidenten (+ Notverordnungen) zustandekamen. Entgegen dem Sinn der Weima-
rer Verfassung (+ Parlamentarismus) kam es so mehr und mehr zur Regierungsform des + Präsidial-
.systems. .
30.1.1933 Hitlers + MachterareifuDIL bedeutete den Zusammenbruch der W. R. Formal blieb die Weimarer Verfas-
sung zwar weiterhin bestehen, faktisch wurde sie jedoch durch den Mißbrauch ihrer Möglichkeiten außer
Kraft gesetzt.
1. Ernst-Rudolf Huber: Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Stuttgart 1966
2. Ernst Nolte: Die Krise des liberalen Systems und die faschistischen Bewegungen, München 1968
3. Helmut Haber: Die Republik von Weimar, München 1966 (dtv - Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, Bd. 3).
54
Weiße Rose
= Name für studentische Widerstandsgruppe um die Geschwister Sophie und Hans Scholl in München.
Zusammen mit dem Philosophie-Professor Kurt Huber begannden die Mitglieder der Weißen Rose ihre
1942 Aktionen mit der Verteilung von Flugblättern an der Universität München.
Bis 1943 erweiterten sie ihre Kontakte auf Hochschulen in Hamburg, Berlin, Frankfurt, Wien. Im J a-
nuar 1943 kam es zu einer ersten öffentlichen Demonstration gegen Hitler in der Münchner Innenstadt;
im Februar zu antifaschistischen Wandparolen an der Universität.
18.2.1943 Die Geschwister Scholl wurden beim Verteilen von Flugblättern verhaftet und binnen zwei Tagen vom
22.2.1943 Volksgerichtshof zum Tode verurteilt; nach weiteren zwei Tagen hingerichtet.
Apri11943 Beginn des Prozesses gegen Kurt Huber und 13 weitere Mitglieder der Organisation W. R.
Juli 1943 Huber und drei Angehörige der W. R. werden zum Tode verurteilt und hingerichtet.
1. Inge Scholl: Die weiße Rose, Frankfurt/M. 1963
2. Günther van Norden (Hrsg.): Dokumente und Berichte aus dem Dritten Reich, Frankfurt/M. 1977
3. Clara Huber (Hrsg.): Kurt Huber zum Gedächtnis, Bildnis eines Menschen, Denkers und Forschers, dargestellt von
seinen Freunden, Verlag Josef Habbel, 1947
55
Weltwirtschaftskrise
24.10.1929 Monitäre Expansion in den Vereinigten Staaten und eine ungewöhnlich schwere Agrarkrise führten Ende
der 20erJahre zum "Schwarzen Freitag", dem Zusammenbruch der New Yorker Börse und zum Beginn
einer Jahre anhaltenden Krise der Weltwirtschaft. Die Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft waren
besonders hart. Gerade von der Inflation erholt, an deren Ende die Mark auf ihren billionsten Teil gesun-
Nov. 1923 ken war, hatte die Industrieproduktion immerhin den Stand von 1913 wieder erreicht.
Im Zuge der W. kam es zu zahllosen Konkursen, die Arbeitslosigkeit erreichte mit 6 Millionen Erwerbslo-
sen in Deutschland 1932 ihren Höhepunkt.
1. Brockhaus Enzyklopädie, Wiesbaden 1974
2. Hans Dieter Schmid (Hrsg.): Fragen an die Geschichte, Frankfurt/M. 1978 (Unterrichtswerk)
3. Timothy W. Mason: Sozialpolitik im Dritten Reich, Opladen 1977
Film: Menschen in Deutschland von 1932 (26 Min.)
56

20. Juli
= Tag des Attentats auf Hitler; Synonym für den aktiven, vorwiegend militärischen Widerstand gegen die
NS-Herrschaft.
1938 Anfänge des Widerstandes unter Führung von Generaloberst Ludwig Heck; auch nach seinem Rücktritt
im September 1938 zentrale Figur des Widerstandes.
Drei Umsturzpläne entstanden:
I. vor dem Einmarsch in die Tschechoslowakei,
2. vor dem Angriff auf Frankreich,
3. Ende 1941 während des Krieges mit der Sowjetunion; alle Pläne scheiterten.
1943 Erste Vorbereitungen für den Staatsstreich vom 20. Juli; Hintergrund war die sich abzeichnende Nieder-
lage der deutschen Truppen; drei andere Versuche zu einem Anschlag auf Hitler schlagen fehl. Im August
schloß sich Oberst Claus Graf Schenk von Stauffenberg den Widerständlern an.
1944 Stauffenberg erhält einen Posten, der ihm Kontakt zu Hitler verschafft; er übernimmt die Ausführung des
20.7.1944 Bomben-Attentats im Führerhauptquartier bei Rastenburg (Wolfsschanze); Hitler wird jedoch nur leicht
verletzt.
Am Abend des gleichen Tages werden Stauffenberg und vier andere Offiziere standrechtlich erschossen;
Heck begeht Selbstmord; 200 weitere Mitglieder der Widerstandsbewegung - auch Angehörige des
Kreisauer Kreises - werden vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt.
Die Bewegung des 20. Juli umfaßte nicht nur Militärs, sondern auch führende Personen des bürgerlichen
Widerstands. Im Kreisauer Kreis hatten sich seit 1940 Konservative, Sozialdemokraten, Christen und Ge-
werkschafter zusammengeschlossen; ihre Operationsbasis war das Gut Kreisau, Sitz des Grafen Helmuth
James von Moltke. Der Kreisauer Kreis beschränkte sich anfangs auf geistigen Widerstand und stieß erst
1944 zu den Offizieren um Heck.
1. Gerhard Ritter: Carl Goerdeler und die deutsche Widerstandsbewegung, Stuttgart 1954
2. Ger van Roon: Widerstand im Dritten Reich, München 1979
3. Hans-JÜIgen Schulz (Hrsg.): Der 20. Juli - Alternative zu Hitler, Stuttgart/Berlin 1974
Fibne: Widerstand 1933-1945 (65 Min.)
Pater Maximilian Kolbe (30 Min.)
Der 20. Juli vor dem Volksgerichtshof (36 Min.)
57

PERSONENREGISTER
Beck, Ludwig 56 Ludendorff, Erich 12, 34
Briand, Aristide 50 Luxemburg, Rosa 31
Briining, Heinrich 24,26,32,40 Moltke, Helmuth, James Graf von 56
Canaris, Wilhelm (Admiral) 42 Papen, Franz von 24,32,40
Clemenceau, Georges 47 Preuß, Hugo 53
Ebert, Wilhelm 26 Rathenau, Walther 53
Eichmann, Adolf 5 RÖhm, Ernst 39, 40
Goebbels, Joseph 2, 14,33,51 Salomon, Franz Pfeffer von 40
Göring, Hermann 5, 9, 15,37,40 Schirach, Baldur von 28
Grynszpan, Herschel I 5 Schleicher, Kurt von 24, 32
Heydrich, Reinhard 5, 9,15,42,44 Scholl, Hans 54
Himmler, Heinrich 9, 22, 28,42,44, 52 Scholl, Sophie 54
Hindenburg, Paul von 8, 24, 26, 27, 32, 37 Seldte, Franz 24
Huber, Kurt 54 Stauffenberg, Claus, Graf Schenk von 56
Hugenberg, Alfred 24 S trasser, Georg 27, 39
Kahr, Gustav von 39 Stresemann, Gustav 30, 50
Ley, Robert 3 Thälmann, Ernst 24
Liebknecht, Karl 29 Wilhelm 11. 33
Lloyd, George Ambrose 47 Wilson, Woodrow 47, 49,50
Lubbe, Marinus van der 36
58
SACHWORTREGISTER
ADGB (Allg. Deut. Gewerkschaftsbund 1, 10, 24, Dachau 16
32 DAF (Deutsche Arbeitsfront) 1, 3, 10, 28
Alte Kämpfer 12 DAP (Deutsche Arbeiterpartei) 27,47
Arbeiterbewegung 31 Dawes-Plan 38, 47
Arbeitsdienstftihrer 17 DDP (Deutsche Demokratische Partei) 24,31
Arbeitslosigkeit 1 Deutsche Bauempartei 31
Arierparagraph 14,37 Deutsch-Hannoversche Partei 31
Auschwitz 5 Deutsches Landvolk 31
Baumhängen 21 DNVP (Deutschnationale Volkspartei) 24,31
Bayerische Volkspartei (BVP) 31 Dolchstoßlegende 33
BdM (Bund deutscher Mädchen) 13 DVP (Deutsche Volkspartei) 31
Belegstärke (KZ) 19 Edelweißpiraten 4
Belzec 16 Effektenkammer 1-7, 20
Bergen-Belsen 16 Ehrenbuch (für deutsche kinderreiche Fami-
Birkenau (Auschwitz-) 16 lie) 35
Block (NDSAP-Organisation) 3 Einsatzgruppen (SS-) 44
Block (KZ) 17, 19,21 Endlösung der Judenfrage 14
Blutschutzgesetz 29 Entartete Kunst 2
Bock 21 Entente 47
Brandenburg 7 Erftillungspolitik(er) 31,33,47
Buchenwald 16 Ermächtigungsgesetz 6, 24,26,31
Bücherverbrennung 2, 14 Esterwegen 16
Bürgerbräukeller 12, 25 Euthanasie 7, 16
Chelmno 5, 16 Flossen bürg 16
Christlich-sozialer Volks dienst 3 1 Frankfurter Nationalversammlung 53
Compiegne, Waffenstillstand von 47 Fremdarbeiter 4,44,48
Führerprinzip 8, 10, 13,27 Hadamar7
Gau 3, 28 Haftbedingungen (KZ) 20
Geschwister Scholl 54 Haftdauer (KZ) 19
Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Staat Häftlingsgruppen (KZ) 17, 18
6,24 Hartheim 7
, vorläufiges, zur Gleichschaltung der Län- Harzburger Front 24
der mit dem Reich 10 . Heim tücke-Gesetz 10, 1 1, 43, 51
, zweites, zur Gleichschaltung. .. 10 Herrenmensch 22, 35
zur Sicherung der Einheit von Partei und Herrenrasse 35
Staat 10 Herrenvolk 23
zur Ordnung der nationalen Arbeit 10 HJ (HitleJjugend) 10, 13
zur Wiederherstellung des Berufsbeamten- Hitler-Putsch 12,24,27,40
turns 14 Inflation 26, 38,55
zur Verhütung erbkranken Nachwuchses 35 Judenbann 14
zum Schutze der Erbgesundheit des deut- Judenhäuser 14
schen Volkes 35 Judenrat 52
zum Schutz des deutschen Blutes und Judenstern 14
der deutschen Ehre 29 Judenverfolgung 24, 29
gegen die Überfüllung der deutschen Schulen Jungmädel 13
und Hochschulen 14 ' Jungvolk 13
gegen die Neubildung von Parteien 16,24 Kapo 17
über den Neuaufbau des Reiches 10, 24 Kapp-Putsch 1, 53
über das Staatsoberhaupt des deutschen KdF (Kraft durch Freude) 3
Reiches 24 KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) 24,31
über V-erhängung und Vollzug der T odes- Kreis (NSDAP) 3, 28
strafe 36 Kreisauer Kreis 56
Getto 52 Kriegshilfsdienst 34, 48
59

Kunst, entartete 2 NSV (Nationalsozialistische Wohlfahrt) 28


KZ (Konzentrationslager) 7, 9,16-21,24,44,45 Nürnberger Gesetze 14,29,35
Lausanne, Konferenz von 38 Nürnberger Prozeß 30
Lebensunwertes Leben 7 Ortsgruppe (NSDAP) 3, 28
Lebensborn e. V. 22,44 Papenburg 26
Lex van der Lubbe 7 Parlamentarismus 8, 53
Locarno-Pakt 47, 50 Parteien 1, 24, 31,47, 53
Lublin-Majdanek 16 Pimpfe 13
Machtergreifung 6,8,11,27,32,33,37,47 Politische Bereitschaften 44
Majdanek (Lublin-) 16 Präsidialsystem 33, 53
Marsch auf die Feldherrnhalle 12,27 Propaganda (NS-) 2, 10, 43, 47, 55
Mauthausen 16 RAD (Reichsarbeitsdienst) 10,34,48
Mutterkreuz 35 Rapallo, Vertrag.von 38, 47
Nacht- und Nebel-Erlaß 25 Rapportführer (KZ) 17
Nationalversammlung (Frankfurter) 53 Rassenkunde 7,10,22,29,32,35,37,41,44,45,
New Deal 55 51
Nichtangriffspakt 23 Rätebolschewismus 53
Notverordnung 1, 26, 53 Räterepublik 53
NS-Beamten-Bund 28 Ravensbrück 16
NSD-Ärztebund 28 Reichsbürgergesetz 29
NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter- Reichsführer (-SS) 19,42,44
parteD9, 10, 12,23,27,28,31,40,44,47 Reichsjugendführer 10, 25
NSDStB (Nationalsozialistischer Deutscher Studen- Reichsgruppe Industrie 10
tenbund) 2, 28 "Reichskristallnacht" 14, 15
NS-Frauenschaft 28 Reichskulturkammer 3, 10
NS-Lehrerbund 28 Reichsleiter 28
NS-Juristenbund 28 Reichsleitung 10, 28
Reichsnährstand 3, I 0 Stürmer (Der) 33
Reichsstand des deutschen Handels 10 Tagesparole 33
Reichsstand des deutschen Handwerks 10 Theresienstadt 16
Reichsstatthalter 10 Totenkopfverbände 44
Reichstagsbrand 24 Treblinka 16, 52
Reichstagsbrandverordnung 24, 46 Treuhänder der Arbeit 3
Reichstagswahlen 27, 32, 53 UN (Vereinigte Nationen) 50
Reichswehr 23,37,47,50 Untermenschen 29, 35, 44, 45
Reparationen 38, 47, 49,53 USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei
Röhm-Putsch 10,39 Deutschland) 31
RSHA (Reichssicherheitshauptamt) 9,44 Verbände, Angeschlossene (NSDAP) 10,28
Ruhrkampf 38,52 Verfügungstruppe (SS-) 44
SA (Sturmabteilung) 6, 10, 13,27,28,30,40,44 VeIjährung 30
Sachsenhausen 16 Vernichtungslager 7,14,16,52
"Schutzhaft" 41, 46 Verordnung zum Schutz von Volk und Staat 6,
Schriftleitergesetz 10, 14 24,36,41,46
SD (Sicherheitsdienst) 9,42,44 Versailler "Diktat" 47
Sicherheitspolizei 42 Versailler Vertrag 23, 31, 37, 38, 47,49, 50, 56
Sobibor 16 VieIjahresplan 5, 55
Sonderbehandlung 9 Vierzehn Punkte 47, 49,50
Sondergerichte 11, 25,43 Völkerbund 47, 49,50
Sonnenstein 7 Völkischer Beobachter 33
Spartakusbund 3 I Volksempfänger 33
SPD (Sozialdemokratische Partei Deut.) 6, 24, 31 Volksgemeinschaft 8, 41, 5 I
SS (Schutzstaffel) 6, 9, 10, 17,27,28,30,39,40, Volksgenossen 5 I
42,44,45 Volksgerichtshof 11,43,54
Stahlhelm 24 Volksschädling 45, 51
Strafen (KZ) 21 Volkssturm 13
60

Wachverbände (SS) 44 Winterhilfswerk 13


Waffen-SS 44 Wirtschaftspartei 31
Wannsee-Konferenz 5, 14 Wolfsschanze 56
Warschauer Getto 52 Young-Plan 38, 47
Weiße Rose 43, 54 Zellenleiter 28
Wehrertüchtigungslager 13 Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen
Wehrkraftzersetzung 43 zur Aufklärung nato soz. Verbrechen 29
Wehnnacht37,47,50 Zentrum 24, 26, 31
Weimarer Republik 26, 27, 32,47,53 20. Juli 42, 43
Weimarer Verfassung 26, 46
Weltwirtschaftskrise 1,27,38,55

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