Official - IHBV Holzbau - Kompakt - Aussteifungssysteme Im Holz-Hochbau
Official - IHBV Holzbau - Kompakt - Aussteifungssysteme Im Holz-Hochbau
M. WALLNER-NOVAK | P. WÖRLE
AUSSTEIFUNGSSYSTEME
IM HOLZ-HOCHBAU
1. AUFLAGE 2021
IMPRESSUM:
Medieninhaber und Herausgeber:
Österreichischer Ingenieurholzbauverband (IHBV)
Sitz: Schwarzenbergplatz 4, A-1030 Wien
Tel: +43 (1) 712 26 01 - 12
E-mail: [email protected]
Website: www.ihbv.at
Vorsitzender: DI (FH) Holzbaumeister Johannes Lederbauer
Geschäftsführer: Mag. Dieter Lechner
Für den Inhalt verantwortlich:
DI Dr. Markus Wallner-Novak, FH JOANNEUM / Graz
Alle Rechte vorbehalten.
1. Auflage 2021
WICHTIGE HINWEISE / HAFTUNGSAUSSCHLUSS
Der Inhalt der vorliegenden Broschüre wurde mit größtmöglicher Sorgfalt nach dem zum Zeitpunkt seiner
Erstellung geltenden Stand der Technik und unter Berücksichtigung baupraktischer Erfahrungen verfasst;
inhaltliche Fehler sowie Druckfehler können dennoch nicht ausgeschlossen werden. Dieses Werk wird dem
Leser kostenlos zur Verfügung gestellt und richtet sich an Tragwerksplaner in Ingenieurbüros und Holzbaubetrie-
ben. Die in diesem Werk enthaltenen Ausführungen (inkl. Abbildungen) sind unverbindlich, dienen ausschließlich
Informationszwecken und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, Richtigkeit oder Aktualität. Dies gilt
insbesondere im Hinblick auf neueste Entwicklungen in der Baubranche. Alle in diesem Werk enthaltenen
Angaben erfolgen daher ohne Gewahr und unter Ausschluss jeglicher Haftung. Die Benutzung dieses Werks
und die Umsetzung der darin enthaltenen Informationen erfolgt ausdrücklich auf eigenes Risiko.
In dieser Broschüre werden komplexe Sachverhalte, die einer regelmäßigen Veränderung unterliegen, darge-
stellt, ingenieurmäßig betrachtet und vereinfacht. Alle Angaben stellen daher lediglich unverbindliche Empfehl-
ungen dar, um bei der Realisierung eines Projektes zu unterstutzen. Es wird der Versuch unternommen, die
Inhalte aus der Sicht der Tragwerksplanung kurz und verständlich darzustellen. Folglich können nicht alle
erdenklichen Ausnahmen und Sonderregelungen wiedergegeben werden.
Da die Ausführungen allgemein und abstrakt gehalten sind, ist vom Leser auch stets zu überprüfen, ob und
inwiefern diese auf das konkrete und individuelle Bauprojekt anwendbar sind. Die Broschüre kann daher eine
individuelle Berechnung und eine auf das konkrete Bauvorhaben abgestimmte Modellbildung nicht ersetzen,
zumal eine solche stets die Kenntnis aller Faktoren (ins. die Umstände des konkreten Einzelfalls) voraussetzt.
Eine individuelle Untersuchung durch eine qualifizierte FachplanerIn kann hierdurch nicht ersetzt werden.
Die vorliegenden Informationen können ohne vorherige Ankündigung jederzeit geändert oder aktualisiert werden.
Dieses Werk wird daher ggf. durch jüngere Fassungen ersetzt. Soweit nicht explizit anders vereinbart, werden
die Inhalte dieses Werks nicht Vertragsbestandteil individueller Bauprojekte.
Der Holzbau gewinnt zunehmend an Attraktivität und Bedeutung. Holz ist eine erneuerbare und nachhaltige
Ressource und ist daher ein besonderes Baumaterial. Der Einsatz von Holz im modernen Wohnbau ist weitaus
mehr als ein stilistisches Merkmal der Architektur. Holzbau verbindet eine der zukunftsfähigsten Weise
Architektur, Handwerk und Ökologie.
Speziell in den letzten Jahren hat der Holzbau eine Entwicklung in Richtung Mehrgeschoßigkeit und Hochhaus-
bau eingeschlagen und mit anmutigen und herausragenden Konstruktionen seine Tauglichkeit auch in diesem
Segment untermauert. Neben den bislang stark im Fokus stehenden Anforderungen, etwa an den Brandschutz,
Schallschutz oder die technische Gebäudeausstattung, spielt die Aussteifung und die damit einhergehende
Bemessung eine wesentliche Rolle.
Die moderne Holzbauweise verlangt von den ausführenden Betrieben tiefgreifenden Nachweise hinsichtlich
der Gebäudeaussteifung. Als Unterstützung zu der umfangreichen Nachweisführung haben wir es zum Anlass
genommen, vom Professor (FH) der FH JOANNEUM in Graz, DI Dr. Markus Wallner-Novak, eine Unterlage erar-
beiten zu lassen, die diese Thematik nahe der Praxis für die Branche aufgreift.
Die Broschüre beschreibt die Grundlagen für die Aussteifung und beleuchtet die Modellbildung für die statische
und dynamische Untersuchung bei horizontalen Einwirkungen in Hinblick auf die Normung.
Das Ziel war es, mit dieser fundierten Unterlage die Anforderungen an mehrgeschoßige Gebäude in Holzbau-
weise aufzugreifen und zu erläutern.
Schon seit Jahren unterstützt der Ingenieurholzbauverband Bauwerkseigentümer und Anwender in ihrer Arbeit
und misst leicht anwendbaren Regeln einen hohen Stellenwert bei.
Die Aussteifung von Hochbauten im Holzbau ist ein wesentlicher Teil der Tragwerksplanung und im Tragwerks-
konzept zu erfassen. In der vorliegenden Broschüre werden Grundlagen für die Aussteifung beschrieben und
die Modellbildung für die statische und dynamische Untersuchung bei horizontalen Einwirkungen in Bezug auf
nationale und europäische Normen in Kapitel I diskutiert.
Das Last-Verformungsverhalten der aussteifenden Holzbauteile und ihrer Verbindungen haben Einfluss auf
die Lastverteilung. Die zugehörigen Berechnungsschritte und der normative bzw. wissenschaftliche Stand zu
Steifigkeiten im Holzbau wird daher in Kapitel II beschrieben. Die Ansätze werden für praktische Fälle
angewendet.
Die Decken haben neben der Abtragung der vertikalen Lasten die Aufgabe als Deckenscheibe die horizontalen
Lasten geschoßweise auf die Wandscheiben zu verteilen. Auf die unterschiedliche Betrachtung steifer und
nachgiebiger Deckenscheiben wird in Kapitel IV eingegangen. Die Modellbildung für die Abschätzung des Trag-
verhaltens von Deckenscheiben wird beschrieben.
Kapitel V befasst sich mit den Standard-Modellen für die Ermittlung der Auswirkungen horizontaler Einwirkungen
auf die Wandscheiben. Dafür werden ebene Modelle im Grundriss angewendet.
Für die dynamische Untersuchung kann die Erweiterung der Modelle zu einem räumlichen System erforderlich
werden, das in Kapitel VI beschrieben wird.
Die Auseinandersetzung mit dem Thema Aussteifung im Holz-Hochbau zeigt, dass die Konzeption und Auslegung
von Aussteifungssystemen das Denken in Steifigkeiten erfordert.
Graz / Wien
August 2021
Kapitel
I GRUNDLAGEN 9
I.1 Anforderungen und Prinzipien der Aussteifung 10
I.2 Einwirkungen 11
I.3 Bemessungssituationen 19
I.4 Modellbildung 23
II STEIFIGKEITEN 33
II.1 Wegsteifigkeiten 36
II.2 Drehsteifigkeiten 39
II.3 Parallel- und Serienschaltung 43
II.4 Stiftförmige Verbindungsmittel 44
II.5 Kontaktverbindungen 59
II.6 Winkelverbinder 63
III WANDSCHEIBEN 69
III.1 Allgemeines 70
III.2 Wandscheiben im Holzrahmenbau 72
III.3 Wandscheiben aus Brettsperrholz 82
III.4 Wandscheiben mit Öffnungen 92
IV DECKENSCHEIBEN 97
IV.1 Lastweitergabe auf die Wandscheiben 98
IV.2 Deckenscheiben in Holzrahmenbauweise 99
IV.3 Deckenscheiben in Brettsperrholz 100
IV.4 Fachwerksmodelle für die Scheibenwirkung 101
Anhang A 141
Literaturverzeichnis B 145
KAPITEL I
KAPITEL I
GRUNDLAGEN
9
I GRUNDLAGEN Anforderungen und Prinzipien
der Aussteifung
I GRUNDLAGEN
Für die Ausführung von Hochbauten aus Holz stehen die Skelett- und die Massiv-
bauweise zur Wahl. Zur Skelettbauweise zählen Träger-Stützen-Systeme wie im
Hallenbau, Systeme mit Stützen, Riegel und Streben, wie im Fachwerksbau oder
Stützen, Schwellen und Beplankung, wie im Holzrahmenbau. Für das Überspannen
werden Pfetten und Hallenbinder oder lastverteilende Elemente, Balken und
Träme eingesetzt. Die vertikale Lastabtragung erfolgt punktförmig über Stützen.
Für die Aussteifung werden Diagonalen verwendet, die im Holzrahmenbau durch
mechanisch befestigte Holzwerkstoffplatten ersetzt werden.
Die Massivbauweise ist durch flächige Tragwerkselemente charakterisiert. Das Abbildung I-1
Überspannen erfolgt mit meist einachsig gespannten plattenförmigen Elementen. Aussteifungssysteme für Holz-
Das Stützen erfolgt über vorwiegend linienförmigen Lastabtrag. Für die Aussteif- Hochhäuser.
ung wird in der Regel die Scheibenwirkung der massiven Wände genutzt. a) Wandscheiben Holzrahmenbau
b) Wandscheiben Brettsperrholz
Decken- und Dachscheiben müssen in beiden Bauweisen ausreichend steif sein, c) Holzskelett d) Betonkern
damit Horizontallasten auf die Wandscheiben verteilt werden können.
Für Hochhäuser aus Holz, wird die Bauhöhe durch die erforderlichen Stützenquerschnitte im Verhältnis zur Nutz-
fläche und durch das Aussteifungssystem begrenzt1, wie in Abbildung I-1 dargestellt. Die Höhenangaben für die
Aussteifungssysteme sind sehr grobe Richtwerte.
Der vorliegende Band beschreibt die Modellbildung und Nachweisführung für Aussteifungssysteme mit Wand-
scheiben aus Streben, Wandscheiben in Holzrahmenbauweise oder aus Brettsperrholz (BSP). In Hochbauten
können in der Regel Aussteifungselemente in mehreren Achsen im Grundriss angeordnet werden. Dadurch ist
ein gleichmäßiger Lastabtrag mit einem robusteren Aussteifungssystem umsetzbar. Die Auswirkung von Hori-
zontallasten auf einzelne Wandscheiben kann dann über einen Lastausgleich nach den einzelnen Steifigkeitsantei-
len erfolgen – nach dem Grundsatz ‚Steifigkeit zieht Kräfte an‘. Dieser Ansatz ist im deutschsprachigen Raum am
meisten verbreitet.
Liegt ein Aussteifungssystem in einer einheitlichen Bauweise vor, können die Steifigkeitsverhältnisse, also
relative Steifigkeiten als Funktion der einzelnen Wandlängen für einfache Ingenieurmodelle verwendet werden.
Um genauere Aussagen zum Verformungs- und vor allem zum Schwingungsverhalten des Tragwerks treffen zu
können, ist die Kenntnis der tatsächlichen (absoluten) Steifigkeiten erforderlich. Das gilt auch für Aussteifungs-
systeme, in denen unterschiedliche Bauweisen kombiniert werden.
10
Einwirkungen GRUNDLAGEN I
I.2. EINWIRKUNGEN
I.2.1 Windeinwirkung
Für prismatische Gebäude kann gemäß ÖNORM B 1991-1-4:2019-7 die Gesamtwindkraft direkt ermittelt werden.
A ref
FW
h
Abbildung I-2
d Abmessungen eines prismatischen Baukörpers
b
Für prismatische Gebäude nach Abbildung I-2 mit der Gesamthöhe h ≤ 15 m bzw. für gedrungene prismatische
Gebäude mit der Breite b und der Gebäudeschlankheit von ≤ 4 kann die Gesamtwindkraft vereinfacht angenom-
men werden zu:
(I.1)
mit
Kraftbeiwert
Vereinfacht gemäß ÖNORM B 1991-1-4:2017-7, Tabelle 8
11
I GRUNDLAGEN Einwirkungen
Für die genauere Ermittlung der Windlasten auf Gebäude und Windlasten für schlanke Gebäude siehe ÖNORM B
1991-1-4:2019-7 und den folgenden Abschnitt.
Als Windeinwirkung kann die Windkraft auf das Gebäude in die zwei Hauptrichtungen getrennt angesetzt wer-
den: einmal in die first-parallele Richtung ‚0‘ und einmal in die first-normale Richtung ‚90‘. Die Windeinwirkung
ist bezüglich der vertikalen geometrischen Mittelachse um 10 % der jeweils zugehörigen Breitenabmessung im
Grundriss außermittig anzusetzen.
Winddynamik
Allgemein betrachtet, resultiert die Gesamtantwort eines Gebäudes im Windfall aus einer Überlagerung der drei
folgenden Komponenten: der mittleren Komponente aufgrund der mittleren Windkraft, einer ‚Hintergrund-Kom-
ponente‘, die quasi-statisch ohne Vergrößerung durch dynamische Systemantwort wirkt, und einer ‚resonanten
Komponente‘ aus der Anregung des Gebäudes bei übereinstimmenden Frequenzen von Erregung und Trag-
struktur.
Im Allgemeinen ist die resonante Komponente klein und der dynamische Faktor kann vereinfacht werden, indem
man nur die Hintergrund-Komponente berücksichtigt und Wind als statischen Lastfall betrachtet. Bei schlanken
Gebäuden, wie Hochhäusern oder Türmen kann der Windangriff jedoch Schwingung und Resonanzerscheinungen
führen. Gemäß EN 1991-1-4 sind Effekte aus Windresonanz bei Gebäudeschlankheiten nicht zu erwarten.
Das entspricht auch grob der Festlegung in ISO 4354, wo zusätzliche Kriterien zur Beurteilung der Windanfällig-
keit aus den dynamischen Antwortfaktoren und der Eigenfrequenz des Gebäudes definiert werden.
(I.2)
Abschätzung für die erste Eigenfrequenz nach ÖNORM EN 1991-1-4+AC+A1, Formel (F.2)
Gebäudehöhe
I.2.2 Schiefstellung
Im Rahmen der Tragwerksanalyse sind ungünstige Auswirkungen aus möglichen Abweichungen in der Trag-
werksgeometrie zu berücksichtigen. Imperfektionen werden durch die ungewollte Schiefstellung von stüt-
zenden, also vertikal lastabtragenden Bauteilen berücksichtigt. Gemäß ÖNORM EN 1995-1-1/A2:2014, Absatz
9.2.5.1(3) sind die Aussteifungskräfte von Verbänden unter Berücksichtigung der strukturellen Imperfektionen
und Verformungen zu bestimmen. Schiefstellung ist in der Regel in den Grenzzuständen der Tragfähigkeit zu
berücksichtigen und wird in den Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit in der Regel nicht angesetzt.
Die Lastdauer ergibt sich aus den jeweiligen Lastanteilen der maßgebenden Lastkombination in der seltenen
Bemessungssituation für Nachweise der Tragfähigkeit oder der außergewöhnlichen Bemessungssituation für
Nachweise für Erdbeben- oder Brandeinwirkungen.
12
Einwirkungen GRUNDLAGEN I
Im Folgenden werden normative Festlegungen für einen Ansatz der zusätzlichen Horizontallasten aufgezählt.
(I.3)
mit
Wände im Holzrahmenbau
Für Holzrahmenwände gilt unter der Annahme, dass die maximale Verformungsgrenze des Scheibensystems je
Geschoß von eingehalten ist, der Ansatz der Schiefstellung von (ÖNORM B 1995-1-1, NAD 9.2.4.2 (3)).
(I.4)
mit
Schiefstellung von Holzrahmenwänden laut ÖNORM B 1995-1-1, Abschnitt NA.9.23-E1
Für Wandtafeln sind die Berücksichtigung der Auswirkungen von Imperfektionen in Form einer Schrägstellung
und der Nachweis der horizontalen Verformung laut ÖNORM B 1995-1-1, NAD 9.2.4.2 (4) nicht erforderlich,
wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
Schiefstellung im Betonbau
Wegen fehlender Festlegungen von Schiefstellungen für Wandscheiben aus Brettsperrholz, ist der Vergleich
mit den Regelungen im Stahlbetonbau von Interesse. Die Schiefstellung im Betonbau wird gemäß ÖNORM EN
1992-1-1, Abschnitt 5.2 (5) in Abhängigkeit von der Gebäudehöhe und der Anzahl der Geschoße vorgegeben.
(I.5)
mit
Schiefstellung für Hochbauten aus Stahlbeton
Abminderungsbeiwert für die Gebäudehöhe h
13
I GRUNDLAGEN Einwirkungen
Brettsperrholz
Wände aus Brettsperrholz sind hinsichtlich ihrer Fertigungstoleranzen mit Brettschichtholz vergleichbar3.
Die Festlegung für ebene Rahmen im Holzbau ist gemäß Formel (I.3) gegenüber jener für den Stahlbetonbau
konservativ. Für die Berücksichtigung von Imperfektionen in Gebäuden aus Brettsperrholz wird daher der Ansatz
der Auswirkungen durch Imperfektionen in Anlehnung an den Stahlbeton-Hochbauten vorgeschlagen.
(I.6)
mit
Schiefstellung für Hochbauten aus Stahlbeton
Abminderungsbeiwert für die Gebäudehöhe h
Da in Eurocode 54 prinzipiell eine Abminderung nach Bauteilhöhe aber keine Abminderung für die Anzahl der
Bauteile angeführt ist, wird hier auf diesen im Stahlbetonbau verwendeten Anteil verzichtet.
14
Einwirkungen GRUNDLAGEN I
Die horizontale Ersatzlast aus der Schiefstellung kann in die beiden Gebäudehauptrichtungen getrennt ange-
setzt werden. Die Last aus Schiefstellung ergibt sich aus der Summe der Normalkräfte der Stützen und jener
tragenden Wände, die quer zur betrachteten Hauptrichtung verlaufen. Die Vertikallasten können auf zwei Wegen
abgeschätzt werden:
a) Für eine genaue Berechnung der Einwirkungen aus Imperfektion wird das Tragsystem der Geschoß-
decken berücksichtigt. Dabei werden Lasten und auf Wände, die als Deckenwiderlager
dienen, mit der jeweiligen Lasteinflusslänge ermittelt und Lasten auf Wände, die parallel zur Spann-
richtung der Decken verlaufen mit einer Lasteinflussbreite von ca. 1,0 m als Streichlast ermittelt.
b) Vereinfacht kann die horizontale Ersatzlast aus den gesamten Flächenlasten und der Geschoß-
flächen angesetzt werden, wie für in Abschnitt b) zur Formel (I.7) angegeben. Die Lastein-
flüsse auf die einzelnen Wände bleiben dann unberücksichtigt und die Annahme ist vor allem für die
Richtung quer zur Deckenspannrichtung konservativ.
(I.7)
mit
horizontale Ersatzkraft für Schiefstellung im Geschoß j
Bemessungswert der linienförmigen Auflasten aller quer zur betrachteten Richtung stehenden
Tragwände im Geschoß j.
15
I GRUNDLAGEN Einwirkungen
Nutzlasten und Scheelasten sind bei der Betrachtung der Aussteifung als begleitende Einwirkungen
zur Haupteinwirkung Wind anzusehen. Mit den beschriebenen Varianten:
a)
b)
I.2.3 Erdbebeneinwirkung
Einwirkungen aus Erdbeben und ihre Auswirkungen sind je nach Komplexität des Bauwerks unterschiedlich zu
untersuchen. Ist die Regelmäßigkeit des Gebäudes in Grund- und Aufriss gemäß Eurocode 86 erfüllt, erfolgt die
Berechnung mit der vereinfachten modalen Analyse in Form einer quasi-statischen Berechnung.
Dabei werden die Bauwerksmassen geschoßweise auf die Höhen der Dachscheibe bzw. der Deckenscheiben
zusammengefasst. Die schwingungswirksamen modalen Massen und die daraus resultierenden horizontalen Er-
satzlasten für den Erdbeben-Fall werden aus der Annahme einer linearen Schwingeigenform ermittelt. Die lineare
Schwingeigenform trifft bei Gebäuden mit relativ schubweichen Wandscheiben zu und erlaubt es, den Einfluss
der Geschoßmassen jeweils über eine lineare Gewichtung nach der Höhenlage gegenüber dem Fundament zu
erfassen. Die stets bidirektionale Einwirkung des Erdbebens kann dann aus den gewichteten Geschoßmassen
mal der maximalen horizontalen Beschleunigung des normativen Erdbebenspektrums ermittelt und je Geschoß
als einwirkende Kraft auf Ebene der Geschoßdecke angesetzt werden.
In diesen Fällen können Erdbeben-Einwirkungen analog zu Wind-Einwirkungen behandelt werden. Die Decken-
scheiben dürfen als starr betrachtet werden, wenn Regeln für die bauliche Durchbildung7 eingehalten werden
und die Öffnungen ihre Gesamtsteifigkeit nicht wesentlich beeinträchtigen8.
Der Nachweis der Tragfähigkeit darf mit reduzierten Teilsicherheiten in der außergewöhnlichen Bemessungs-
situation erfolgen, wie in I.3.3 angeführt.
Sind die Anforderungen für die vereinfachte modale Analyse nach ÖNORM EN 1998-1 nicht erfüllt, ist eine
dynamische Untersuchung durchzuführen. In der Regel wird dafür die multimodale Analyse verwendet.
Die Einwirkung des Erdbebens wird als Beschleunigungsspektrum angegeben, das jeder Frequenz eine
6 ÖNORM EN 1998-1.
7 ÖNORM EN 1995-1-2, Abschnitt 8.5.3 fordert unter anderem die Ausbildung freier Ränder von Deckenscheiben in Leichtbauweise mit Blockbalken
oder Randträgern. Erhöhungsbeiwerte zur progressiveren Bemessung von Verbindungen nach ÖNORM B 1995-1-1 sollten nicht angesetzt werden.
Richtungswechsel von Trägerlagen sind zu vermeiden.
8 Wenn die Verformung der Deckenscheibe etwa unter einem Zehntel der Verformung der Wandscheiben bleibt.
16
Einwirkungen GRUNDLAGEN I
Als weitere Option ist die Untersuchung als Flächentragwerk. Diese verlangt eine detailgetreue Modellierung
der Fugen und ihrer Nachgiebigkeiten. Dadurch ist die Berechnung aufwändig – ohne Zugewinn der Genauigkeit
gegenüber dem Stabwerksmodel. Als Ergebnis der statischen Untersuchung liegen in Flächenmodellen in der
Regel allgemein verteilten Schnittgrößenverläufe pro Laufmeter Fuge vor. Diese sind in einem weiteren Arbeits-
schritt für die Dimensionierung einzelner Verbindungsmittel auf diese zu verteilen.
Für hohe Gebäude sind Näherungsgleichungen zur Ermittlung der ersten Eigenfrequenz in ÖNORM EN 1991-
1-4+AC+A1, Anhang F angeführt. Die Abschätzungsformel (I.2) auf Seite 12 ist für Holz-Hochbauten über 25 m
Höhe anwendbar.
Abbildung I-5 Schnittgrößen bezogen auf den Ersatzstab mit Gruppierung nach Beanspruchungen der Wände:
a) Druckkräfte aus Vertikallasten b) Schubkräfte aus Horizontallasten c) Druck- und Zugkräfte aus Biegung durch Horizontallasten
Für die Dimensionierung des Aussteifungssystems sind in erster Linie jene Auswirkungen von Interesse, die zu
Schubbeanspruchung in den aussteifenden Gebäudequerschnitten führen. Das sind die Querkräfte Vy und V z und
das Torsionsmoment MT.
Biegemomente M y und Mz führen zu Veränderungen der Zug- und Druckbeanspruchung der Wände gegenüber
dem Zustand aus der Normalkraft Nx, die durch Ableitung der Vertikallasten entsteht. Im Windfall werden also die
Druckkräfte in den Wänden auf der windabgewandten Seite größer und die Druckkräfte auf der windzugewand-
ten Seite kleiner. Je schlanker das Gebäude, also je größer das Verhältnis aus Höhe und kleinerer Grundrissbreite
ist, desto eher können aus der Summe der vertikalen und der horizontalen Einwirkungen Zugkräfte in den aus-
steifenden Wänden auftreten, die durch zusätzliche Verbindungsmittel abzudecken sind.
17
I GRUNDLAGEN Einwirkungen
In Abbildung I-6 ist das Ergebnis einer Grenzbetrachtung für ein Gebäude aus Brettsperrholz9 dargestellt.
Es wird angenommen, dass die Windzugkraft auf der Luvseite durch die Außenwände alleine aufgenommen
wird. Bei gegebener Gebäudehöhe h kann eine erforderliche Gebäudebreite b angegeben werden, die bei Einhal-
tung der aufnehmbaren Zugkräfte erforderlich ist. Ist die Windrichtung parallel zur Deckenspannrichtung, ist die
Lasteinflussbreite der ständigen Deckenlasten auf die Wände größer. Die stabilisierende Wirkung also günstiger.
Abbildung I-6 Abschätzung der erforderlichen Gebäudebreiten, ab der Maßnahmen zur Zugübertragung durch die Gebäudebie-
gung infolge Wind erforderlich werden. Planmäßig nichttragende Außenwände a) ohne und b) mit Berücksichtigung einfacher
Verbindungsmittel. Tragende Außenwände c) ohne und d) mit Berücksichtigung einfacher Verbindungsmittel.
Bezogen auf die Gebäudeklassen nach OIB-Richtlinie (OIB 330-014/15) ist bei Gebäuden bis Gebäudeklasse GK4,
also mit drei oberirdischen Geschoßen und oberstes Fluchtniveau auf der Höhe von 11 m über dem Boden in der
Regel eine Schlankheit von eingehalten und die Einflüsse aus den Biegemomenten durch Wind sind unter-
geordnet. Die Untersuchung kann dann auf die geschoßweise Betrachtung der Schubkräfte beschränkt werden.
Für Gebäude bis Gebäudeklasse GK3 sind Aussteifungssysteme in Holzrahmenbauweise sinnvoll. Ab Gebäude-
klasse GK4 mit vier oberirdischen Geschoßen und bis zu 11 m Fluchtniveau wird in der Regel das Aussteifungs-
system aus Brettsperrholz sinnvoll.
Bei der Ermittlung der Schubbeanspruchungen der einzelnen Wandscheiben kann die Lastverteilung geschoß-
weise betrachtet werden, solange die aussteifenden Wandscheiben im darunter liegenden Geschoß weiterge-
führt werden. Die Decken müssen jeweils als ausreichend steife Scheiben ausgebildet sein, um die Lasten auf
die aussteifenden Wände, Verbände bzw. Kerne weiterzuleiten. Die Deckenscheiben werden dabei auf Schub
und Biegung beansprucht.
9 Deckengewicht und Wandgewicht mit Einflusshöhe je Geschoß von . Die Deckeneinflussbreite auf die
Außenwände in den Fällen a) und b) nur Streichlasten mit . Für die Fälle c) und d) mit tragenden Wänden . Für die Verbindungsmittel
in den Fällen b) und d) werden innen liegende Winkel mit einer Zugtragfähigkeit von je im Abstand von angenommen. Windlast:
18
Bemessungssituationen GRUNDLAGEN I
I.3 BEMESSUNGSSITUATIONEN
(I.8)
(I.9)
(I.10)
Erfolgt die Betrachtung der Aussteifung geschoßweise, sind die Verformungsgrenzen als Bruchteil der Geschoß-
höhe definiert. In Eurocode 5 findet sich keine normative Regelung für die Begrenzung der horizontalen Kopf-
auslenkung von aussteifenden Wandscheiben. Für Verbände zur Aussteifung von Trägern und Fachwerken wird
gemäß EN 9.2.5.3 (2) eine maximale Verformung laut Formel (I.11) festgelegt.
(I.11)
Zur Einhaltung der Gebrauchstauglichkeit im Lastfall Wind findet sich auch in der Literatur10 als Grenze der hori-
zontalen Verformung eine statische Verformung zufolge Windlast von . Für hohe Gebäude über 45 m
oder schlanke Gebäude mit einem Verhältnis aus Höhe zu Breite von sind zusätzlich das Schwingungsver-
halten und die Einhaltung der horizontalen Grenzbeschleunigung im Windfall zu untersuchen.
19
I GRUNDLAGEN Bemessungssituationen
(I.12)
Dieser Grenzwert korrespondiert auch mit dem Vorschlag für die Schiefstellung von Wänden aus Brettsperrholz
gemäß Formel (I.6).
(I.13)
Es ist zu empfehlen auch für Holzrahmenbauten über mehr als ein Geschoß den Grenzwert nach Formel (I.12) für
den Lastfall Wind einzuhalten.
Erdbeben
(I.14)
kmod Lastdauerbeiwert. Gemäß ÖNORM EN 1998-1, 8.6.(1) ist für Erdbeben die Lastdauer sehr kurz
anzunehmen. Für Nutzungsklasse 1 gilt für alle Baustoffe aus Holz gemäß ÖNORM EN 1995-1-1/
A2:2014, Tabelle 3.1 k mod = 1,10.
In den Verbindungen zu massiven aussteifenden Bauteilen, wie Betonkernen und zwischen horizontalen
Scheiben und aussteifenden Wänden ist für ausreichende Überfestigkeit von zumindest 1,1 bei duktilen
Versagensformen und 1,3 bei spröden Versagensformen zu sorgen.
γ M Gemäß ÖNORM EN 1998-1, 8.6.(3) ist bei Dissipationsklassen M und H, also sowohl für verleimte
Wandscheiben mit Nägel- und Schraubverbindungen als auch für unterschiedliche Ausführungen von
Holzrahmenbauten, die außergewöhnliche Einwirkungskombination zu verwenden.
Gemäß ÖNORM EN 1995-1-1/A2:2014, Tabelle 2.3 gilt folglich γ M = 1,0.
20
Bemessungssituationen GRUNDLAGEN I
In diesem Fall ist es interessant, über die Auswirkungen der beiden Einwirkungsarten auf die maßgebende
Einwirkung zu schließen.
(I.15)
Für den Vergleich werden nur die horizontalen Lastanteile betrachtet. Es sind daher keine Anteile aus ständigen
oder anderen veränderlichen Lasten anzusetzen.
(I.16)
(I.17)
(I.18)
Für den Vergleich werden Lastanteile aus ständigen Lasten oder anderen veränderlichen Lasten weggelassen.
(I.19)
(I.20)
(I.21)
kann auf ein Verhältnis der charakteristischen Einwirkungen geschlossen werden, die zu gleicher Ausnutzung führen.
(I.22)
(I.23)
Als Vergleichswerte können für Qk,i der charakteristische Wert der einwirkenden Windlastresultierenden auf das
Gebäude und für A E,k der charakteristische Wert der quasi-statischen Erdbebenresultierenden eingesetzt werden.
21
I GRUNDLAGEN Bemessungssituationen
Daraus ist ersichtlich, dass der Nachweis aus der quasi-statischen Erdbebenberechnung mittels vereinfachtem
Antwortspektrum-Verfahren erst dann maßgebend wird, wenn die resultierende charakteristische Erdbeben-
kraft AE,k das Doppelte des charakteristischen Wertes der Windlastresultierenden Qw,k übersteigt.
Laut ÖNORM EN 1995-1-2 gilt für aussteifende Bauteile gemäß Absatz 4.3.5 (2) die Vereinfachung:
Aussteifende Bauteile aus Holz oder Holzwerkstoffen dürfen während der geforderten Feuerwiderstandsdauer als
tragfähig angenommen werden, wenn 60 % der bei der Bemessung unter Normaltemperatur erforderlichen Dicke
oder Querschnittsfläche verbleiben und das Bauteil mit Nägeln, Schrauben, Dübeln oder Bolzen befestigt ist.
Für Holzwerkstoffplatten im Holzrahmenbau ist nach ÖNORM EN 1995-1-2, Tabelle III.1 mit einer Abbrandrate von
β0=0,9 mm/min zu rechnen. Hier muss durch ausreichende Beplankung mit mineralischen Werkstoffen oder mit
Streben in der Dämmebene für ausreichende Tragfähigkeit der Aussteifung im Brandfall gesorgt werden.
Für den rechnerischen Nachweis im Grenzzustand der Tragfähigkeit von Aussteifungssystemen im Brandfall wird
folglich die Anwendung der Bemessungsgleichung gemäß Formel (I.24) empfohlen.
(I.24)
22
Modellbildung GRUNDLAGEN I
I.4 MODELLBILDUNG
Scheibenachsen im Grundriss
Die Dach- und Deckenscheiben sind durch das Aussteifungssystem unverschieblich festzuhalten. Für die drei
Freiheitsgrade der Bewegung in der Grundrissebene sind für eine statisch bestimmte Lagerung drei Ausstei-
fungsachsen erforderlich, die sich nicht in einem Punkt schneiden, wie in Abbildung I-7 dargestellt. Über die
Aussteifungsachsen werden horizontale Lasten von der Ebene der betrachteten Dach- oder Deckenscheibe in
die darunter liegende Ebene geleitet.
Die Aussteifungselemente können, ganz allgemein betrachtet, als Rahmen, Strebenfachwerk, Verbretterung,
beplankte Schubfelder oder massive Schubfelder die Kräfte in ihrer Ebene von Ober- zur Unterkante ableiten.
Diese ebenen Aussteifungselemente sind in ihrer Ebene, also in eine Richtung unverschieblich. Massive Kerne
sind in zwei Richtungen unverschieblich und weisen auch gegen Verdrehung in der Grundrissebene Widerstand auf.
Im Gebäudegrundriss werden in der Regel wesentlich mehr als die mindestens erforderliche Zahl von drei
Scheiben angeordnet. Dadurch wird ein gleichmäßiger Lastabtrag im Aussteifungssystem bei geringerer Bean-
spruchung der einzelnen Wände und höherer Redundanz möglich. Das System ist dann statisch unbestimmt und
die Lastverteilung folgt der Verteilung der Steifigkeiten den einzelnen Wandscheiben. Nur bei drei Wandscheiben
ist die Verteilung der Horizontallasten auf die einzelnen Scheiben unabhängig von ihrer Steifigkeit und durch
Gleichgewichtsbetrachtung zu ermitteln.
a)
b)
c)
23
I GRUNDLAGEN Modellbildung
Regelmäßigkeit im Aufriss
Aussteifende Scheiben sind grundsätzlich in den darunter liegenden Geschoßen weiterzuführen. Ideal ist die
Wahl gleicher Grundrisse über alle Geschoße. Da Horizontalkräfte am Scheibenkopf durch Zug- und Druckkräf-
te an den Rändern des Scheibenfußes und durch eine Schubkraft am Scheibenfuß übertragen werden, ist in
Sonderfällen eine Weiterleitung der vertikalen Kräfte in die darunter liegenden Geschosse über Stützen denkbar,
während die Schubkräfte von der Deckenscheibe aufgenommen und an anderer Stelle in das darunter liegende
Geschoß weitergeleitet werden können.
Bauteile
Wie beschrieben können Aussteifungselemente als Rahmen, Fachwerke, beplankte oder massive Schubfelder
ausgeführt werden. Im Holzrahmenbau werden Deckenscheiben aus Balkendecken mit quer liegenden Block-
balken und Wandscheiben aus Holzstehern mit Schwellen durch geklebte oder meist mechanisch befestigte
Holzwerkstoffplatten oder Brettlagen hergestellt. Diese Schubfelder wurden in den älteren Nachweismodellen
als Fachwerke angesehen. Die Steher stehen dann für die Pfosten des Fachwerks, die Schwellen für die Gurte
und die Beplankung steht für die Diagonale. Gemäß den aktuellen Normfestlegungen sind beplankte Elemente
als Schubfelder aufzufassen und die Beplankung ist als kontinuierlich beanspruchtes Schubfeld zu modellieren.
Aussteifend wirkende Wandscheiben müssen eine Mindestlänge lmin von einem Viertel der Höhe h aufweisen.
(I.25)
Bei Massivholzbauten aus Brettsperrholz stehen durch die Verklebung der Brettlamellen Deckenscheiben und
Wandscheiben mit wesentlich höherer Tragfähigkeit und Steifigkeit zur Verfügung. Massivholzwände aus mecha-
nisch verbundenen Brettern oder anderen Teilen sind entweder durch Holzdiagonalen zu verstärken oder hin-
sichtlich des tatsächlichen Trag- und Steifigkeitsverhaltens zu bewerten.
Die Scheibenwirkung bestehender Tramdecken oder Dippelbaumdecken kann deutlich erhöht werden, indem ein
Verbund mit Ortbeton zu Holz-Beton-Verbunddecken mit guter Scheibenwirkung hergestellt wird.
Die Steifigkeit einzelner Wandscheiben und anderer aussteifender Elemente wird in Kapitel II beschrieben.
I.4.2 Modellvarianten
In der Tragwerksplanung werden in der Regel zunächst a) die vertikalen Lasten untersucht. Nach Konzeption
des aussteifenden Grundrisses werden b) die Auswirkungen horizontaler Lasten in Form von Schubkräften im
Aussteifungssystem untersucht und nachgewiesen. Für schlanke Gebäude ist zusätzlich c) der Einfluss aus
Biegung des gesamten Gebäudes durch Horizontallasten zu berücksichtigen. In Abbildung I-5, auf Seite 17 sind
die zugehörigen Schnittgrößen mit Zuweisung zu den drei aufgezählten Modellierungsschritten dargestellt.
Wie in I.2.4 gezeigt wurde, ist es in den meisten Fällen ausreichend, das Aussteifungssystem auf Grund der
Modellbetrachtung in der Grundrissebene nur hinsichtlich der Schubkräfte aus Horizontallasten (b) zu untersu-
chen, wie in Abbildung I-8 dargestellt. Die horizontalen Lasten werden jeweils aus den Lasteinflüssen der über
der betrachteten Deckenscheibe liegenden Geschoße aufsummiert. Der Einfluss der Biegung des Gesamtgebäu-
des (c) kann durch einfache Grenzwertbetrachtungen des Gebäudes für Windlasten überprüft werden.
Tabelle I-1 gibt einen Überblick über die Berechnungsschritte und zugehörigen Beanspruchungen der Wände.
24
Modellbildung GRUNDLAGEN I
Tabelle I-1 Überblick zu Berechnungsschritten a) bis c) und zugehörigen Modellen und Nachweisen
Beanspruchung der Wände a) Druckkräfte aus Vertikallasten b) Schubkräfte aus c) zusätzliche Druck- und
Horizontallasten Zugkräfte aus Biegung
durch Horizontallasten
Modell Tragwerkselemente Grundriss Aufriss / Flächentragwerk
Bauteile und statische Systeme Decken als Träger (1-D) oder Federmodell zur Vertei- Zwei Stäbe (1-D)
Platten (2-D) lung nach Steifigkeiten räumlicher Stab (3-D)
Wände als Stützen (1-D) (Weggrößenverfahren) im FEM-Schalenmodell (3-D)
Stürze als Träger (1-D) oder Grundriss (2-D)
Rahmen (2-D)
25
I GRUNDLAGEN Modellbildung
Aus der Tabelle geht hervor, dass das wichtigste Werkzeug für eine ingenieurmäßige Untersuchung der verti-
kalen Lastabtragung von Hochbauten aus Holz lineare Tragwerkselemente darstellen. Das Aussteifungssystem
kann in der Regel über geschoßweise Grundrissbetrachtung erfasst und nachgewiesen werden. Da die Last-
verteilung horizontaler Lasten im Grundriss von den Steifigkeiten der Wandscheiben abhängt, ist es sinnvoll,
die Steifigkeiten der einzelnen Scheiben zu berücksichtigen. Nach der Weggrößenmethode wird aus Einheits-
verformungen der als starr betrachteten Geschoßdecken auf die Verteilung der Einwirkung auf die einzelnen
Wandscheiben geschlossen. Die Kräfte können also aus den Steifigkeitsverhältnissen ermittelt werden. Für die
Verhältnisse ist wiederum die Kenntnis der relativen Steifigkeiten ausreichend. Dem Leistungsmodell Trag-
werksplanung entsprechend kann der verantwortliche Ingenieur vom Tragwerksentwurf, über die Vorstatik bis
zur Ausführungsstatik mit einfachen Ansätzen arbeiten: Die Steifigkeiten der Wandscheiben werden als Funktion
der Wandscheibenlänge angesetzt. Die gebräuchlichsten Festlegungen für relative Steifigkeitswerte sind in
Abschnitt 3.1.3 angeführt.
Vertikale Lasten werden im Zuge des Nachweises der einzelnen maßgebenden Wandscheiben betrachtet.
Bei Anwendung der Weggrößenmethode wird in der Regel von einer Starrkörperverschiebung der Deckenschei-
be ausgegangen. Mit Ansatz der relativen Steifigkeiten werden die Schnittgrößen auf die einzelnen Wandschei-
ben verteilt. Ist die Verformung des Geschoßes zu ermitteln, kann dies aus der Verformungsberechnung einer
außen liegenden Wandscheibe ausreichend genau bestimmt werden.
Für das Schwingungsverhalten von Hochbauten wird die absolute Steifigkeit des Wandscheibensystems benö-
tigt. Ebenso für Aussteifungssysteme mit unterschiedlichen Ausführungen, wie Mischsystemen aus Brettsperr-
holz und Holzrahmenbau oder Brettsperrholz und Stahlbetonbau.
Für den Nachweis der Tragfähigkeit im Erdbebenfall wird gemäß ÖNORM EN 1998-1, Absatz 4.3.3.1 linear elasti-
sches Strukturverhalten untersucht. Die häufigsten Methoden sind das vereinfachte Antwortspektrumverfahren
als statische Untersuchung mit quasi-statischen Ersatzlasten und das multimodale Antwortspektrumverfahren
mit der Auswertung der Erdbebenwirkung im Frequenzbereich.
Als nichtlineare Verfahren kommen das Push-Over-Verfahren mit Steigerung der Horizontallasten bei konstant
gehaltenen ständigen Lasten und nicht-linearem Materialverhalten und das Zeitschrittverfahren mit einer nicht-
linearen Berechnung in Zeitschritten in Frage.
Regelmäßige Grundrisse
Ein Grundriss kann als regelmäßig angesehen werden, wenn die Anordnung der aussteifenden Scheiben weit-
gehend doppeltsymmetrisch ist. Der Grundriss muss ausreichend kompakt sein. Deckenscheiben sollen in ihrer
Ebene ausreichend steif sein, damit sich ihre Verformungen nicht stark auf die Verteilung der Kräfte auf die
aussteifenden Wände auswirkt. Die größere Länge im Grundriss sollte das Vierfache der kleineren Abmessungen
nicht überschreiten. Die Biegelinien der vertikal durchlaufenden Teile des Aussteifungssystems sollten zueinan-
der affin, also geometrisch ähnlich sein.
Damit ein Gebäude im Aufriss als regelmäßig klassifiziert werden kann, müssen die Aussteifungselemente von
der Gründung bis zur Oberkante des Gebäudes durchlaufen. Die Position des Steifigkeitszentrums und des Mas-
senschwerpunktes sollten von Geschoß zu Geschoß gleich bleiben oder sich kontinuierlich und ohne Sprünge
verändern. Das Gebäude sollte eine prismatisch oder nach oben abnehmende Form haben.
26
Modellbildung GRUNDLAGEN I
Die Forderung nach einem orthogonalen Achsraster und die Nähe von Angriffspunkt der resultierenden Horizon-
tallast und dem Steifigkeitszentrum im Grundriss wird bei annähernd doppelsymmetrischen Grundrissen erfüllt.
Die Deckenscheibe hat ausreichend steif ausgebildet zu sein, um die horizontalen Einwirkungen auf die Wand-
scheiben verteilen zu können.
Berechnung
Für die Berechnung als Träger, wird der Grundriss in die Achsen der Deckenscheiben geteilt. Das orthogonale
Raster wird getrennt in die beiden Achsrichtungen betrachtet. Die Deckenscheibe wird als Träger quer zu den
Achsrichtungen aufgefasst und jede der aussteifenden Achsen wird als einwertiges Lager in Achsrichtung ange-
sehen, wie in Abbildung I-9 dargestellt.
Die Verteilung der Einwirkungen auf die Wandscheiben hängt von der Steifigkeit der Deckenscheibe ab. Für
nachgiebige Deckenscheiben wird ein biegeweicher Ersatzträger mit starren Lagern (Abbildung I-9 a) und für
steife Deckenscheiben ein annähernd starrer Ersatzträger mit nachgiebigen Lagern (Abbildung I-9 b) angenom-
men. Die Grenzziehung zwischen nachgiebiger und steifer Deckenscheibe ist für den Holzbau nicht explizit defi-
niert (siehe auch Absatz I.1). Die Realität liegt zwischen den beiden Modellen. In der deutschsprachigen Literatur
wird überwiegend das Modell mit steifen Deckenscheiben beschrieben.
Als Steifigkeitswerte können die relativen Steifigkeiten nach III.1.3 verwendet werden. Das Steifigkeitszentrum
x s kann aus Formel (I.26) ermittelt werden, um die Lage des Steifigkeitszentrums zu prüfen.
(I.26)
Die Reaktionskräfte in den Achsen werden in grober Näherung nach der Anzahl und bei etwas genauerer Be-
trachtung nach dem Anteil der Steifigkeiten der einzelnen Wandscheiben in der betrachteten Achse aufgeteilt.
Damit ist die Auswirkung der Horizontalkräfte auf die einzelnen Wandscheiben ermittelt. Bei Erdbebenwirkung
27
I GRUNDLAGEN Modellbildung
sind die Scheibenkräfte jeweils um den Faktor δ gemäß Formel (I.27) nach ÖNORM EN 1998-1, Formel (IV.12)
zu erhöhen, um die zufällige Torsionswirkung zu berücksichtigen. Der Faktor nimmt bei Grundrissen mit mittig
liegendem Massenmittelpunkt den Wert δ=1,6 an und bleibt in der Regel unter δ=2,0.
(I.27)
Die Berechnung der Wandscheiben im Grundriss wird in Kapitel V, Seite 109 näher beschrieben.
12 gemäß ÖNORM EN 1991-1-4+AC+A1, Abschnitt 7.1.2(2) und zugehöriger nationaler Festlegung in ÖNORM B 1991-1-4, Abschnitt 9.1.1.
13 gemäß ÖNORM EN 1998-1, Formel (IV.3).
28
Modellbildung GRUNDLAGEN I
Aussteifungssys-
Regelmäßigkeit in Modell Steifigkeiten Berechnung
tem
Einheitliche Bau-
Grundriss Aufriss
weise
ja ja ja Ebenes Modell im relativ [R] statisch [q]
Grundriss
nein statisch [q]
Ist die Torsionsschwingung des Gebäudes um die vertikale Achse nicht ausgeprägt, kann die multimodale Analyse
anhand von zwei voneinander unabhängigen Stäben in die beiden Hauptrichtungen erfolgen. Die Schubverfor-
mungen der Wände haben dabei einen relativ großen Anteil an der gesamten Schwingform.
Die Ermittlung der Querschnittswerte des vertikalen Ersatzstabes wird in Abschnitt VI beschrieben.
Bei der Modellierung als räumliches Flächentragwerk ist die Definition der gelenkigen und teilweise nachgiebi-
gen Kopplungen der einzelnen Bauelemente untereinander wesentlich. Die Kontaktlinien der einzelnen Elemente
29
I GRUNDLAGEN Modellbildung
werden von der FEM-Software zunächst als starre und biegesteife Kopplung angesehen, wenn keine eigenen
Gelenksdefinitionen vorgenommen werden. Dies birgt Gefahren bei der Übernahme von 3D-Modellen aus BIM-
Systemen, die in der Regel nicht mit Koppel- oder Lagerbedingungen ‚informiert‘ wurden. Die teilautomatisierte
Berechnung derartiger Modelle führt wegen der unrealistische Steifigkeitsverteilungen zu falschen Lastflüssen.
Die hohe Komplexität des Modells birgt weiters den Nachteil die Gefahr der schwierigen Nachvollziehbarkeit der
Ergebnisse. Die Auswertung der in den Elementflächen vorliegenden Schnittgrößen für die konstruktive Umset-
zung von Anschlüssen ist ebenfalls aufwändig.
In der Regel sind einfache Ingenieurmodelle zielführender und zumindest begleitend mitzuführen.
Die Koppelbedingungen können über direkte Gelenksdefinition an gemeinsamen Linien festgelegt werden oder
in Form von Liniengelenkstypen (auch als Linienfreigaben bezeichnet) mehreren Fugen zugewiesen werden.
Dadurch können Auswirkungen von Varianten in der Wahl der Verbindungsmittel leichter studiert werden.
30
Modellbildung GRUNDLAGEN I
31
KAPITEL II
KAPITEL II
STEIFIGKEITEN
II.1 Wegsteifigkeiten 36
II.2 Drehsteifigkeiten 39
II.3 Parallel- und Serienschaltung 43
II.4 Stiftförmige Verbindungsmittel 44
II.5 Kontaktverbindungen 59
II.6 Winkelverbinder 63
33
II STEIFIGKEITEN
II STEIFIGKEITEN
Die Verteilung der Einwirkungen auf die einzelnen Tragwerkselemente eines statischen Systems hängt von den
jeweiligen Anteilen der Element-Steifigkeit an der gesamten Tragwerkssteifigkeit ab, sobald mehr als die für das
Gleichgewicht erforderlichen drei Wandscheiben vorhanden sind. Aussteifungssysteme im Holz-Hochbau beste-
hen meist aus einer größeren Anzahl an Wandscheiben mit unterschiedlichen Steifigkeiten.
Wandscheiben sind dabei jeweils als System einzelner Bauelemente aufzufassen, die mit der Unterkonstruk-
tion verbunden sind. Die Gesamtverformung ergibt sich aus den Verformungsanteilen der Bauelemente und
der Verbindungen. Die Steifigkeit wird aus dem Last-Verformungsverhalten bestimmt. Bei Kenntnis des Last-
Verschiebungsverhaltens kann das Bausystem einer Wand durch eine einfache Feder mit einem entsprechenden
Steifigkeitsverhalten ersetzt werden. Für den Regelfall der statischen oder dynamischen Untersuchung ist dies
ein Steifigkeitswert für das linear-elastische Verhalten..
Die Steifigkeitswerte von Verbindungen werden in der Regel durch Versuche ermittelt und in technischen Be-
wertungen (ETA) dokumentiert. Anhaltspunkte für die Steifigkeit einzelner Verbindungsmittel wie Schrauben oder
Nägel werden in Eurocode 5 in Form des Verschiebungsmoduls Kser angegeben. Beispiele für das Tragverhalten
von Verbindungen in Form der Last-Verschiebungskurven sind in Abbildung II-1 dargestellt.
Abbildung II-1 Last-Verschiebungskurven für Verbindungen14. Links: (a) geklebte Verbindung, (b) Einlassdübel, (c) Einpress-
dübel, (d) Stabdübel, (e) Bolzen, (f) Nagelplatte, (g) Nägel. Rechts: Bestimmung von Kser für Kurve (d)
Hinsichtlich der Verformungsgrößen kann zwischen Verschiebungen in eine Richtung mit der jeweils zugehörigen
Wegsteifigkeit und Verdrehungen um eine Achse mit der zugehörigen Drehsteifigkeit unterschieden werden, wie
in Abbildung II-2 dargestellt. Die Steifigkeit entspricht dabei stets jener Kraftgröße, die eine Formänderung von
eins erzeugt und wird in , oder angegeben. Für Drehsteifigkeiten in , , .
34
STEIFIGKEITEN II
Wegsteifigkeiten Drehsteifigkeiten
Abbildung II-2 Darstellung von Wegfedern a), b) linearen Federkennlinen c),d und Drehfedern e), f)
Abbildung II-3 Ermittlung der Steifigkeiten einer Verbindung aus der Last-Verschiebungskurve
35
II STEIFIGKEITEN Wegsteifigkeiten
Die genaue Ermittlung der Steifigkeitswerte aus Versuchsergebnissen erfolgt nach EN 12512:2005 und wird
in Flatscher 2010 detailliert beschrieben. Für den Norm-Versuch wird die zu erwartende Maximallast Fmax abge-
schätzt bzw. aus Vorversuchen ermittelt. Daraus werden die Grenzen von 10 % und 40 % der Maximallast fest-
gelegt und der Sekantenmodul Kser aus dem Last-Verformungsdiagramm bestimmt. Damit ist die Steifigkeit für
Gebrauchslasten definiert. Die Steifigkeit bei Erreichen des Traglastniveaus wird allgemein mit abge-
schätzt. Die Fließgrenze wird als Schnittpunkt der Geraden mit der Steigung Kser mit der Tangente an die Last-
Verschiebungskurve mit der Neigung ermittelt. Die Bruchverformung ergibt sich, abhängig von der Resttrag-
fähigkeit der untersuchten Verbindung, entweder direkt bei Bruch der Verbindung oder bei Absinken des Last-
niveaus auf Höhe von 80% der Maximallast nach deren Erreichen, wie in Abbildung II-3 dargestellt.
Das Verhältnis von Bruchverformung u u und Fließverformung u y ist das Duktilitätsmaß D der Verbindung.
Für die statische Berechnung wird das linear-elastische Kraft-Verformungsverhalten nach Abbildung II-2 c) ange-
nommen, das mit dem bekannten Federgesetz gemäß Formeln (II.1) und (II.2) ausgedrückt werden kann.
(II.1)
(II.2)
Die Steifigkeiten von Systemen aus Bauteilen und ihren Verbindungen können aus den Formänderungen der ein-
zelnen Teile durch Anwendung einer virtuellen Kraft und dem Arbeitssatz ermittelt werden. Die Gesamtsteifigkeit
eines Systems von Bauteilen und Verbindungen ergibt sich dann aus den Verformungen der einzelnen Übertra-
gungsmechanismen. Wegen der Unschärfen, die aus unterschiedlichen Modellen, Versuchsdurchführungen und
Versuchsauswertungen resultieren, ist zu empfehlen, rechnerische Abschätzungen durch Versuchsergebnisse zu
validieren. Die Informationslage zu den Steifigkeiten von Verbindungsmitteln ist derzeit inhomogen.
Wird für das gesamte Aussteifungssystem ein und dieselbe Bauweise verwendet, reicht es in der Regel für die
einzelnen Elemente Steifigkeitsverhältnisse anzusetzen und daraus die Auswirkungen auf die einzelnen Elemen-
te zu ermitteln. Bei ausreichend duktilen Verbindungen kann sich das auf diese Weise ermittelte Gleichgewichts-
system im Traglastzustand einstellen.
II.1 WEGSTEIFIGKEITEN
II.1.1 Beschreibung
Für die statische Berechnung und Erdbebenuntersuchungen im Frequenzbereich werden Steifigkeiten für das
linear-elastische Last-Verschiebungsverhalten verwendet. Für nichtlineare Berechnungen, wie Push-Over-Analy-
sen und Zeitschrittverfahren kommen bilineare und weiterführende Steifigkeitsmodelle zur Anwendung (siehe
Flatscher 2010).
Die Steifigkeit ist das Verhältnis einer einwirkenden Kraft F und der resultierenden Verschiebung u.
Verschiebungen können mittels Handrechnung über die Arbeitsgleichung mit dem Ansatz einer virtuellen Kraft-
größe ermittelt werden. Für komplexere Systeme können Computermodelle Anwendung finden. Die Wegsteifig-
keit in einem Punkt und in eine Richtung ist durch die gleich gerichtete Kraftgröße F und Weggröße u definiert.
(II.3)
36
Wegsteifigkeiten STEIFIGKEITEN II
(II.4)
Gegeben:
Strebenbock gemäß Abbildung II-4 mit
Gesucht:
Federsteifigkeit für die horizontale Verschiebung am oberen Ende des Stehers.
a) b)
c) d)
Abbildung II-4 Strebenbock: a) Abmessungen, b) statisches System und Belastung, c) virtuelle Kraft d) Ersatzfeder
Die Verbindungen von Stab 1 sind Versätze mit der Annahme einer Verschiebung15 von rd. 1,5 mm ; Für die Ver-
bindung zwischen Stab 2 und 3 ist die Steifigkeit der Vebindung von K3,ser=8 600 N/mm gegeben.
Die Einwirkung beträgt F k=30 kN , der Querschnitt aller Stäbe ist und
der Elastizitätsmodul für C24 beträgt .
15 Details zum Einfluss der Nachgiebigkeit von Verbindungen siehe Pischl 2007. Die Festlegung von 1,5 mm Schlup für Holz-Holz-Verbindungen ist auch in
Blaß und Sandhaas 2016 und Neuhaus 2017 zu finden.
37
II STEIFIGKEITEN Wegsteifigkeiten
Die Schnittgrößen aus der Belastung Fk betragen (gemäß Abbildung II-4 b):
Durch Ansatz einer virtuellen Kraft Fv=1 [-] an der Stelle und in die Richtung der Verschiebung
(gemäß Abbildung II-4 c) ergeben sich die zugehörigen Schnittgrößen:
Die Gesamtverformung rührt etwa zu einem Sechstel aus der Stabverformung und 5/6 aus der Verformung der
Verbindungsmittel.
Definitionsgemäß ist die Steifigkeit jene Kraft, die zu einer Verformung von 1 führt – hier 4,01 kN, die zu einem
Millimeter Verformung führen.
38
Drehsteifigkeiten STEIFIGKEITEN II
II.2 DREHSTEIFIGKEITEN
Anwendungen für die Verwendung von Drehfedern mit zugehöriger Drehsteifigkeit sind Verbindungsfugen bei
der Weitergabe von Momenten oder die elastische Lagerung von Trägerenden, wie Sturzträger über ausgeschnit-
tenen Öffnungen in Brettsperrholzwänden. Symboldarstellungen für Drehfedern sind in Abbildung II-2 e) und f)
zu finden.
(II.5)
Gegeben:
Stützenfuß gemäß Abbildung II-5 mit Passbolzen d=16 mm und außen liegenden Stahlquerschnitten.
Gesucht:
Drehsteifigkeit des Verbindungsmittelpaares und Verdrehung bei Belastung durch ein Moment Mk=2,8 kNm.
Die Steifigkeit der einzelnen Verbindungen wird in Abschnitt II.4.4 behandelt. Für einen Passbolzen d=16 mm
mit außen liegenden Stahlblechen kann die Steifigkeit gemäß Formel (II.25), Seite 46 ermittelt werden:
Bei Bolzenverbindungen mit Lochspiel müsste das Lochspiel (in der Regel 1 mm) zur Verformung addiert werden.
39
II STEIFIGKEITEN Drehsteifigkeiten
Bei Belastung durch ein Moment Mk kann über Ansatz eines virtuellen Moments Mv=1 der Drehwinkel φ der
Verbindung berechnet werden.
Der Drehwinkel bei Belastung durch das Moment Mk wird über den Arbeitssatz ermittelt:
und φ beträgt
Bei Wirkung von Mk=2,8 kNm ergibt sich mit dieser Drehsteifigkeit eine Verdrehung von
Steifigkeitszentrum
Sind einzelne Verbindungsmittel mit ihrer jeweiligen Position und Steifigkeit bekannt, wie in Abbildung II-6 dar-
gestellt, kann die Reihe auf eine Drehfeder in ihrem Steifigkeitszentrum reduziert werden.
40
Drehsteifigkeiten STEIFIGKEITEN II
(II.6)
Daraus kann die Position jedes Verbindungsmittels vom Zentrum aus ermittelt werden:
(II.7)
(II.8)
Bei gleichmäßiger Verteilung von Verbindungsmittel im Anstand a nach Abbildung II-7 können die einzelnen
Steifigkeiten der Federn zunächst auf einen Laufmeter Länge bezogen werden. Die Einheit der Steifigkeit ist
dann kN/m².
(II.9)
(II.10)
bei gegebener Verbindungslänge l kann die lineare Anordnung auf die Drehsteifigkeit
(II.11)
(II.12)
41
II STEIFIGKEITEN Drehsteifigkeiten
Abbildung II-8 Wegfedern mit annähernd starrem Verhalten bei Druck und definierter Steifigkeit bei Zug
In der Baupraxis tritt in der Ausbildung von Wandfugen häufig der Fall auf, dass die Steifigkeit der Verbindungen
bei Zugbeanspruchung gering ist im Vergleich zur Steifigkeit bei Druckbeanspruchung. In erster Näherung kann
von starrer Druckkraftaufnahme und linearer Zugdehnung ausgegangen werden, wie in Abbildung II-8 dargestellt.
Mit dieser Annahme Fall beträgt die Drehsteifigkeit das Vierfache gegenüber Formel (II.11):
(II.13)
Aus den Koordinaten x, z und den Steifigkeiten Kser,x in x-Richtung und Kser,z in y-Richtung jedes Verbindungsmit-
tels wird zunächst das Steifigkeitszentrum bestimmt:
(II.14)
(II.15)
Die Koordinaten werden als xs,i und zs,i vom Steifigkeitszentrum aus angegeben:
(II.16)
(II.17)
(II.18)
Bei kreisförmiger Anordnung und von der Richtung unabhängiger Steifigkeit der Verbindungsmittel, vereinfacht
sich Formel (II.18) zu:
(II.19)
42
Parallel- und Serienschaltung STEIFIGKEITEN II
II.2.3 Elementsteifigkeiten
Werden aussteifende Elemente aus der Verbindung mehrerer Wandelemente gebildet, kann diese Gruppe in
Form einer Steifigkeitsmatrix dargestellt und modelliert werden. Die Berechnungsschritte dazu sind in II.3.7,
Seite 90 beschrieben.
Das Verformungsverhalten von Konstruktionen wird von den Übertragungsmechanismen zwischen den Bauteilen
bestimmt. Jedem Bauteil und jedem Übertragungsmechanismus kann ein Last-Verformungs-Verhalten zugeord-
net und das gesamte System der einzelnen Teile auf eine einzelne Feder zurückgeführt werden.
Für die Kombination von zwei Federn gibt es die beiden Möglichkeiten, der Parallelschaltung a) und der Serien-
schaltung b) in Abbildung II-9.
II.3.1 Parallelschaltung
Bei gleichzeitiger Belastung von zwei oder mehr Elementen, wie beispielsweise drei nebeneinander liegenden
und gleichmäßig belasteten Schrauben ist die gesamte Steifigkeit durch die Summe der Steifigkeiten definiert.
(II.20)
II.3.2 Serienschaltung
Bei einer Kette aus tragenden Elementen, wie beispielsweise dem System aus Wand, Winkelblech mit Lastein-
leitung über Rillennägel und Lastausleitung über Bolzen liegt eine Serienschaltung der Feder-Elemente vor.
Die gesamte Steifigkeit ergibt sich dann aus den Kehrwerten der einzelnen Steifigkeiten.
(II.21)
43
II STEIFIGKEITEN Stiftförmige Verbindungsmittel
Die Steifigkeit stiftförmiger Verbindungsmittel ist von der Art des jeweiligen Verbindungsmittels, der Beanspru-
chungsrichtung und der Rohdichte der Hölzer abhängig. Für transversale Beanspruchung der Verbindungsmittel
auf Abscheren wird in den folgenden Absätzen Tabelle 7.1 aus ÖNORM EN 1995-1-1/A2:2014 verwendet. Die
Steifigkeiten von axial beanspruchbaren stiftförmigen Verbindungen, wie Schrauben und eingeklebte Gewinde-
stangen sind normativ nicht geregelt und teilweise in den Produktbewertungen der Hersteller angegeben.
Daher wird hier auf Gemeinsamkeiten in den entsprechenden Europäischen Bewertungen ETA zurückgegriffen.
Im Bereich der axialen Steifigkeiten sind Anpassungen an laufende Forschungsergebnisse zu erwarten. In den
folgenden Absätzen werden Rohdichten als Einflussparameter definiert und die einzelnen Verbindungsmittel-
typen behandelt.
(II.22)
Geometrisches Mittel
Geometrisches Mittel bei Verbindungen mit zwei unterschiedlichen Baustoffen
II.4.2 Nägel
auf Abscheren:
Steifigkeit je Scherfuge eines Nagels für Holz-Holz-, Holzwerkstoff-Holz- und Stahlblech-Holz-Verbindungen
(II.23)
44
Stiftförmige Verbindungsmittel STEIFIGKEITEN II
Gegeben:
Ein Rillennagel Ø4 x 60 mm als Verbindung von Furnierschichtholz (ρ m,1=480 kg/m³ ) und Vollholz 24
(ρm,2=420 kg/m³ ) wird in transversale Richtung, also auf Abscheren beansprucht.
Gesucht:
Steifigkeit eines Rillennagels
II.4.3 Klammern
auf Abscheren:
Steifigkeit je Scherfuge einer Klammer ohne Beschichtung für Holz-Holz- und Holzwerkstoff-Holz-Verbindungen
(II.24)
Steifigkeit je Scherfuge einer Klammer mit Beschichtung der Klammerschäfte für Holz-Holz- und Holzwerkstoff-
Holz-Verbindungen
Gegeben:
Eine Klammer Ø 1,80; b = 11,2 mm; l = 55 mm als Verbindung von OSB (ρm,1=620 kg/m³ ) und Vollholz C24
(ρm,2=420 kg/m³) wird in transversale Richtung, also auf Abscheren beansprucht.
45
II STEIFIGKEITEN Stiftförmige Verbindungsmittel
Gesucht:
Steifigkeit einer Klammer
Abscheren
Die Steifigkeit von Schrauben, Stabdübel und Passbolzen kann gemäß Tabelle 7.1 in ÖNORM B 1995-1-1:2019
ermittelt werden:
mit
Für Verbindungen mit Stahlblechen darf die Steifigkeit verdoppelt werden. Die wirksame Anzahl nef für die Ermitt-
lung der Tragfähigkeit einer Gruppe von Verbindungen wird für die Steifigkeit Kv,ser nicht angesetzt. Bei Bolzen
und Gewindestangen, die mit einem zulässigen größeren Bohrloch (d+1 mm) eingebaut werden, ist mit einer zu-
sätzlichen Verschiebung von 1 mm zu rechnen, die zur Verformung addiert wird16. Das gilt nicht bei passgenauen
oder eingeklebten Verbindungsmitteln.
16 Neuhaus 2017.
46
Stiftförmige Verbindungsmittel STEIFIGKEITEN II
Die Verbindung zweier Brettsperrholz-Elemente wird mittels eingefräster Stoßdeckungsleiste aus Furnierschicht-
holz FSH hergestellt. Die Verbindung wird mittels zweier Reihen von Teilgewindeschrauben TGS Ø8 mm im
Abstand von e = 30 cm hergestellt. Die gesamte Länge der Fuge beträgt l = 5,0 m.
Gesucht:
Die Steifigkeit der Verbindung pro Laufmeter kser und für die gesamte Fugenlänge Kser. Die Verformungsanteile
aus der Holzwerkstoffplatte dürfen vernachlässigt werden.
Rohdichte
Bauteil 1: Furnierschichtholz FSH: ρm,1 = 510 kg/m³
Bauteil 2: BSP: ρ m,2 = 420 kg/m³
Geometrisches Mittel der Rohdichten
47
II STEIFIGKEITEN Stiftförmige Verbindungsmittel
Gegeben:
In eine BSP-Wand wird ein T-Profil eingeschlitzt und mittels selbstbohrenden Stabdübeln verbunden,
wie in Abbildung II-13 dargestellt.
Abbildung II-13 Eingeschlitztes Halbiertes I-Profil als Zugverbinder für eine Brettsperrholzwand
Gesucht:
Steifigkeit der Verbindung bei der Beanspruchung durch eine Zugkraft in vertikale Richtung.
Berechnung:
Für die zweischnittige Holz-Stahlblech Verbindung gilt je Stabdübel:
Die Einflüsse der Zuganker und der Biegung des T-Profils werden in der Regel nicht berücksichtigt, weil sie im
Verhältnis gering sind.
Als Ansatz für die Zuganker ist eine Freispiellänge der Anker lf zu wählen. Daraus kann die Steifigkeit aus der
Dehnung der vier Anker ermittelt werden.
48
Stiftförmige Verbindungsmittel STEIFIGKEITEN II
Für die Flanschbiegung des eingeschlitzten T-Profils kann der Flansch als Einfeldträger mit dem Steg als Einzel-
last in der Mitte und den Ankerbolzen als Auflager angesehen werden.
Für das T-Profil gelten die Abmessungen t = 8,5 mm, L = 64 mm und b = 280 mm
Durch Berücksichtigung der zusätzlichen Verformungsanteile aus Zugankerdehnung und Blechbiegung wird die
Steifigkeit um rd. 8 % reduziert.
Die europäisch technischen Bewertungen (ETA) einiger Hersteller (Spax, Rothoblaas etc.) basieren auf dem von
Blaß 2006 veröffentlichten Modell und geben die Steifigkeit für Ausziehen gemäß an.
(II.26)
mit
d Nenndurchmesser der Schraube
lef Wirksame Gewindelänge der Schraube
Ein weiteres Modell findet sich in anderen ETA-Dokumenten (Würth, SFS, Schimd etc.). Dies führt zu höheren
Steifigkeitswerten.
(II.27)
49
II STEIFIGKEITEN Stiftförmige Verbindungsmittel
mit
d Nenndurchmesser der Schraube
l ef Wirksame Gewindelänge der Schraube
Ein genaues Modell wird von Ringhofer et al. 2015 vorgeschlagen und in einem aktuellen Forschungsprojekt
validiert.
(II.28)
mit
n 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
ksys 1 1,05 1,07 1,09 1,1 1,11 1,12 1,12 1,13 1,13
In der aktuellen Arbeitsfassung des Entwurfs für Eurocode 517 wird Formel (II.29) vorgeschlagen.
(II.29)
mit
ρmean Mittelwert der Rohdichte
d Nenndurchmesser der Schraube
l ef Wirksame Gewindelänge der Schraube
Im Rahmen der messtechnischen Untersuchung von Laggner 2016 werden die oben stehenden Modelle durch-
gehend als konservativ bewertet.
Im vorliegenden Dokument wird folglich die axiale Steifigkeit nach Formel (II.27) ermittelt. Sie ist einfach und
führt zu etwas höheren Steifigkeitswerten.
50
Stiftförmige Verbindungsmittel STEIFIGKEITEN II
Für einsinnig geneigt angeordnete Schrauben darf bei Zugbeanspruchung der Schrauben die Reibung in der Fuge
berücksichtigt werden. Für die Tragfähigkeit und die Steifigkeit derartiger Verbindungen wurden die Ergebnisse
von Bejtka und Blaß 2002 und Tomasi et al. 2010 von Ringhofer und Flatscher zusammengefasst.
Abbildung II-14 Fuge mit einsinnig geneigter und auf Zug beanspruchter Schraube a) Abmessungen, b) Gleichgewicht in der
Fuge c) Kräfteplan, d) Steifigkeiten der Schrauben e) Steifigkeit in Fugenrichtung
Die Steifigkeit kann durch Ansatz der Wegfedern nach Abbildung II-14 d) ermittelt werden. Die Berechnung
erfolgt über folgende Ansätze.
Transversale Steifigkeit
Die Transversale Steifigkeit ist für das geometrische Mittel der Rohdichten der Bauteile 1 und 2 zu ermitteln:
(II.30)
(II.31)
Axiale Steifigkeit
Die axiale Steifigkeit setzt sich aus den Gewindeteilen in den beiden Holzbauteilen 1 und 2 zusammen:
Steifigkeit des Gewindeteils in Bauteil 1
(II.32)
(II.33)
Die gesamte axiale Steifigkeit ergibt sich aus der Serienschaltung der beiden Gewindeteile zu
(II.34)
51
II STEIFIGKEITEN Stiftförmige Verbindungsmittel
(II.35)
für mittig eingeschraubte Schrauben und gleichen Gewindelängen in beiden Bauteilen lef,1 = lef,2 = lef vereinfacht
sich der Ausdruck zu
(II.36)
(II.37)
mit
K v Transversale Steifigkeit der Schraube.
Da die transversale Steifigkeit der Schrauben in der Regel nur 1/10 bis 1/20 der axialen Steifigkeit
beträgt, kann auf diesen Anteil in erster Näherung verzichtet werden.
Kax Axiale Steifigkeit der Schraube unter Berücksichtigung der Serienschaltung nach Formel (II.34)
α Einschraubwinkel zur Fuge (bzw. Faserrichtung des Holzes)
μ Reibbeiwert zwischen den beiden Bauteilen. Für Holz-Holz-Verbindungen kann μ=0,3 als Stand der
Technik angesehen werden.
Abbildung II-15 Einfluss der Einschraubrichtung und des Reibungsbeiwertes auf die Fugensteifigkeit
52
Stiftförmige Verbindungsmittel STEIFIGKEITEN II
II.4.6 Vollgewindeschraubenkreuze
Für Schraubenkreuze werden in der Regel zwei Vollgewindeschrauben symmetrisch in Winkeln von 45° und 135°
zur Fuge der zu verbindenden Bauteile und einem Normalabstand zueinander von mindestens 1,5⋅d (häufig 3⋅d
bis 5⋅d) verschraubt. Die beiden Schrauben stehen windschief zueinander. Die Ebene normal auf das Gemeinlot
wird als Mittelebene des Schraubenkreuzes aufgefasst und der Versatz der Schrauben aus der Ebene wird in der
Tragwerksberechnung nicht berücksichtigt.
Kräfte, die in der Mittelebene des Schraubenkreuzes wirken, werden vorwiegend über axiale Schraubenbean-
spruchung abgeleitet und Kräfte aus der Ebene durch transversale Schraubenbeanspruchung.
Die axiale Steifigkeit setzt sich aus den Steifigkeiten der Gewindeteile in den zu verbindenden Hölzern zusam-
men, wie in Formel (II.34) angegeben.
Abbildung II-16 Fuge mit symmetrischem Schraubenkreuz a) Abmessungen, b) Schnittkräfte in der Fuge c) Kräfteplan,
d) Steifigkeiten der Schrauben e) Steifigkeit in Fugenrichtung
Die Steifigkeit der Verbindung gegen Verschieben der Bauteile in Fugenrichtung kann nach Formel (II.38)
angegeben werden.
(II.38)
mit
Für orthogonale Kreuze mit Verschraubungswinkel von 45°|135° ergibt sich für jede Richtung der einwirkenden
Kraft die Steifigkeit zu:
(II.39)
53
II STEIFIGKEITEN Stiftförmige Verbindungsmittel
Abbildung II-17 Schraubenkreuz bei allgemein gerichteter Kraft a) Abmessungen, b) Schraubenkräfte, c) Kräfteplan d) Axiale
Steifigkeiten der Schrauben, e) Steifigkeit in Richtung der einwirkenden Kraft
Bei allgemeinem Winkel αe der einwirkenden Kraft Fe und symmetrischer Ausführung der Schrauben (mit den
Einschraubwinkeln α1=α und α2=180°-α kann die Steifigkeit in Kraftrichtung nach Formel (II.40) ermittelt werden.
Die Steifigkeit der Schrauben in transversale Richtung Kv wurde dabei vernachlässigt.
(II.40)
(II.41)
Gegeben:
Schraubenkreuz mit den Einschraubwinkeln 45°|135° aus zwei Schrauben Ø 8,2mm, l = 275mm mit den effektiven
Gewindelängen lef,1 = lef,2 = lef= 122 mm.
Zu verbindende Bauteile aus Brettsperrholz tCLT = 200 mm und einem Mittelwert der Rohdichte von
ρm = 420 kg/m³.
Gesucht:
Steifigkeitswerte für eine horizontale Kraft F1 in der Mittelebene und für eine Querkraft F3 aus der Mittelebene.
Für orthogonale Kreuze mit Einschraubwinkeln 45° | 135° gilt nach Formel (II.39)
54
Stiftförmige Verbindungsmittel STEIFIGKEITEN II
Die Steifigkeit eines Schraubenkreuzes für Kräfte normal zur Mittelebene beträgt
Aus Produktunterlagen18 können die zugehörigen charakteristischen Werte der Tragfähigkeiten eines Schrauben-
kreuzes F 1,R,k = 16,56 kN in der Mittelebene und F 3,R,k = 9,82 kN aus der Ebene beispielhaft angegeben werden.
II.4.7 Stahlblech-Holz-Verbindungen
Für Stahlblech-Holz-Verbindungen darf gemäß ÖNORM B 1995-1-1, 7.1.3 die Steifigkeit mit dem Faktor 2 multi-
pliziert werden (als kst in Formel (II.25) bezeichnet). Vergleiche von Herstellerangaben und Nachrechnungen zu
Blechformteilen, wie Zuganker oder Schubwinkel deuten darauf hin, dass dieser Erhöhungsfaktor für derartige
Verbindungen nicht anzusetzen ist.
Steifigkeitserhöhungen um den Faktor 2 sind eher für Verbindungen mit eingeschlitzten oder beidseitig außen
liegenden dicken Stahlblechen mit Stabdübeln und Passbolzen oder auf Blechen mit geneigten selbstbohrenden
Schrauben anzuwenden. Es bleibt anzumerken, dass rechnerisch ermittelte Steifigkeiten durch Versuche zu
validieren sind.
II.4.8 Holz-Beton-Verankerungen
Für die Verbindung von Holz und ausgehärtetem Beton sind Klebeanker, Spreizanker und Schraubanker gebräuch-
lich. Die Angaben des Last-Verformungsverhaltens dieser Ankersysteme ist in den europäisch technischen
Bewertungen (ETA) bzw. bautechnischen Zulassungen (Z) beschrieben. Das Kraft-Verformungsverhalten der
Betonverankerung kann durch Rückrechnung aus einzelnen Kraft-Verschiebungs-Werten erfolgen. Die rückge-
rechneten Steifigkeitskennwerte entsprechen nicht der Festlegung für Kser aus dem Holzbau als Sekantenmodul
zwischen 0,1 F u und 0,4 F u, wie in Abbildung II-3 dargestellt sondern wird gemäß ETAG 001-1 als Tangentenmo-
dul für das Lastniveau von etwa 0,5 Fu angegeben. Die Anfangssteifigkeit der Verbindungen auf Abscheren ist im
Allgemeinen höher und beträgt etwa das 1,5-fache dieses Tangentenmoduls. In Ermangelung einer normativen
Festlegung für die Anfangssteifigkeit, wird in Folge mit der Tangentensteifigkeit aus einzelnen Produktbewertun-
gen gemäß ETAG gearbeitet.
Die angegebenen Steifigkeitswerte sind folglich als Richtwerte zur Abschätzung der Steifigkeiten zu sehen und
können je nach Bauprodukt abweichen.
Holz-Beton-Ankerschrauben
In Tabelle II-2 werden die Steifigkeiten von Ankerschrauben zunächst aus den Last-Verformungsdaten der tech-
nischen Bewertung für das Holz-Beton-System rückgerechnet. Im unteren Teil der Tabelle wird aus der Serien-
schaltung der Beton-Verankerung und der Holz-Verbindung die errechnete Steifigkeit des Systems angeführt.
55
II STEIFIGKEITEN Stiftförmige Verbindungsmittel
Daten aus Produktzulassung19 für die Verbindung von ungerissenem oder gerissenem Beton mit Holz (B+H)
Rückrechnung aus den Steifigkeitsanteilen für Beton (B) aus der Produktzulassung20 und für Holz (H) aus EN 1995-1-1
Rückgerechnete Steifigkeit Beton KB,ser 36 400 N/mm 61 500 N/mm 66 700 N/mm
In Abbildung II-18 werden die ermittelten Steifigkeiten dargestellt. Die rechnerisch ermittelte Steifigkeit lässt
einen klaren Zusammenhang mit dem Durchmesser erkennen, während die Werte aus der technischen Bewer-
tung höhere Steifigkeit für den geringsten Durchmesser ergeben.
56
Stiftförmige Verbindungsmittel STEIFIGKEITEN II
Holz-Beton-Klebeanker
Ø M8 M10 M12
Rückrechnung aus den Steifigkeitsanteilen für Beton (B) aus der Produktzulassung21 und für Holz (H) aus EN 1995-1-1
Querlast Beton VB
Rückgerechnete Steifigkeit Beton KB,ser 16 700 N/mm 16 700 N/mm 20 000 N/mm
Holz-Beton-Spreizanker
Ø M8 M10 M12
Rückrechnung aus den Steifigkeitsanteilen für Beton (B) aus der Produktzulassung22 und für Holz (H) aus EN 1995-1-1
Rückgerechnete Steifigkeit Beton KB,ser 3 200 N/mm 5 400 N/mm 5 400 N/mm
57
II STEIFIGKEITEN Stiftförmige Verbindungsmittel
Gegeben:
Eine Brettsperrholz-Deckenscheibe wird mittels Schrauben über einen Stahlwinkel und Metallspreizankern an
einen Betonkern angeschlossen. Schrauben d =10 mm, 2 Stk. alle 25 cm; Metallspreizanker M12 alle 50 cm.
Gesucht:
Horizontale Steifigkeit in Richtung der Anschlussfuge.
Metallspreizanker
Für das Last-Verformungsverhalten der Metallspreizanker bei Querlasten wird gemäß ETA-98/0001, Tabelle C5
angegeben:
V = 20 kN und die zugehörige Verformung δ V,0 = 3,7 mm. Die Steifigkeit ist daher
58
Kontaktverbindungen STEIFIGKEITEN II
Schrauben
d =10 mm in BSP
mit
n SF Anzahl der Scherfugen
kst Faktor für Stahlblech-Holz-Verbindungen: kst = 2,0 sonst kst = 1,0
Die Verformung des Stahlbleches in der Blechebene ist klein im Verhältnis zu den Verformungen durch Absche-
ren der Verbindungsmittel und wird vernachlässigt. Der horizontale Abstand zwischen Krafteinleitung in und
Kraftausleitung aus dem Stahlprofil werden ebenfalls vernachlässigt und über die Zwangszentrierung der Schrau-
ben im Holz abgeleitet.
Aus der Wirkung der Federn in Serienschaltung ergibt sich die gesamte Steifigkeit pro Laufmeter Fuge zu:
Verformung
Bei einer Belastung der Fuge mit der Fugennormalkraft
II.5 KONTAKTVERBINDUNGEN
II.5.1 Schwellenpressung
In prEN 1995-1-1, Revised design rules for Compression perpendicular to the grain, Final draft, 27-04-2020 wird
der folgende Ansatz beschrieben.
59
II STEIFIGKEITEN Kontaktverbindungen
Verformung der Schwelle gemäß Abbildung II-20 bei einem Niveau bis etwa 80 % der Traglast.
mit
h ef Effektive Höhe (Höhe der Schwelle bis 280 mm)
Fc,90,k Einwirkende Querdruckkraft
b c Breite der Pressungsfläche
E 90,mean Mittelwert des Elastizitätsmoduls der Schwelle
(quer zur Faser)
lc Länge der Pressungsfläche
ldis Lastausbreitungslänge
Für Randsteher gilt und
für Mittelsteher: .
Steifigkeit
(II.43)
Gegeben:
Schwelle: b/h = 16/6 cm, C24 gemäß EN 338:2016
Steher: b/h 6/16 cm, C24 gemäß EN 338:2016
Gesucht:
Drucksteifigkeit der Schwelle
60
Kontaktverbindungen STEIFIGKEITEN II
Kennwerte
E 90,mean = 370 N/mm²
Abmessungen
hef = 60 mm
bc = 160 mm
lc = 60 mm
ldis = h ef + h ef = 60 + 60 = 120 mm
Drucksteifigkeit
Die Steifigkeit für die Schwellenpressung ist etwa siebenmal höher als jene eines Zugankers mit Rillennägeln.
Abbildung II-21 Pressung einer BSP-Decke durch die Druckzone. a) Ansicht der Wand, b) Querschnitt einer BSP-Außenwand
und c) Querschnitt einer BSP-Innenwand
61
II STEIFIGKEITEN Kontaktverbindungen
In Anlehnung an einen Aktualisierungsvorschlag zum Thema Querdruck in Eurocode 5 (CIB ballot N 1229) wird
die Einpressung von Brettsperrholzdecken folgendermaßen ermittelt:
(II.44)
(II.45)
mit
Unabhängig vom Aufbau der Decke wird ein Ausbreitungswinkel von 35° zur Lastrichtung angesetzt, mit dem die
Druckspannungen von der Lasteinleitungsbreite verteilt werden. Bei Kraftdurchleitung von Wänden oder Stützen
ist der Druckspannungsverlauf gemäß Abbildung II-21 anzunehmen.
Für Außenwände mit der Druckzonenlänge lc und der Druckzonenbreite bc gleich der Wanddicke gilt:
Ist die Wand in Scheibenebene nicht oder nur geringfügig durch eine Horizontalkraft am Wandkopf belastet, so
ist die gesamte Fuge überdrückt und für die Verformungsberechnung wird ldis = l c angenommen.
62
Winkelverbinder STEIFIGKEITEN II
II.6 WINKELVERBINDER
Winkelverbinder werden durch gekantete Bleche hergestellt und dienen der Verbindung von zwei Holzbauteilen
mittels Rillennägeln oder anderen Sondernägeln, Holzbauschrauben, Bolzen oder Betonankern.
Die Verbinder werden in der Regel über Europäisch Technische Bewertungen (ETA) in Verkehr gebracht. In den
ETA-Dokumenten ist die Tragfähigkeit detailliert beschrieben, während das Last-Verformungsverhalten nicht
immer vollständig abgebildet ist.
Bei einer rechnerischen Abschätzung der Steifigkeit von Winkelverbindern sollten zusätzlich zu den Verformungs-
anteilen der Nägel, Schrauben und anderer stiftförmiger Verbindungsmittel, die Anteile aus Biegung der Stahl-
bleche und Einpressungen von allfällig vorhandenen Druckplatten auf der zug-abgewandten Seite berücksichtigt
werden. Der Steifigkeitsanteil der stiftförmigen Verbindungsmittel beträgt je nach Ausführung etwa die Hälfte bis
ein Drittel der gesamten Steifigkeit.
II.6.1 Zuganker
Für Wandscheiben führen am Wandkopf angreifende Horizontallasten in der Scheibenebene zu einem Biegemo-
ment am Wandfuß, das häufig durch einen Kraftzwilling aus Zug- und Druckkraft in der Schwelle aufgenommen
wird. Die Zugkraft wird mittels Zuganker in den Untergrund geleitet, wie in Abbildung II-22 dargestellt, oder über
Bolzen zur Wand im darunter liegenden Geschoß durchgeleitet.
Gegeben:
Verbindung mittels Zuganker gemäß Abbildung II-23 mit 30 Stk. Rillennägeln Ø 4,0 × 60 mm
Gesucht:
Steifigkeit der Verbindung
63
II STEIFIGKEITEN Winkelverbinder
Die Erhöhung der Steifigkeit für Stahlblech-Holz-Verbindungen um den Faktor 2 wurde nicht angesetzt (siehe
auch II.4.7).
Gesamtsteifigkeit
Die gesamte Steifigkeit kann dann aus der Serienschaltung der einzelnen Steifigkeiten abgeschätzt werden:
64
Winkelverbinder STEIFIGKEITEN II
Durch die Berechnungsansätze wird der im Versuch erreichte Steifigkeitswert um 13 % überschätzt.
Für den Tragwiderstand wird der charakteristische Wert R d = 42,7 kN angegeben.
Bei Erreichen der zugehörigen Gebrauchslast Fk = 30 kN beträgt die Verformung der Verbindung etwa
Herstellerdaten
In Tabelle II-4 sind die Kennwerte verschiedener Zuganker beispielhaft angeführt. Zur Einschätzung der Steifig-
keit wurde das Verhältnis aus dem charakteristischen Wert der Tragfähigkeit zur Steifigkeit angegeben.
Das entspricht der rechnerischen Verschiebung bei Erreichen dieses Lastniveaus.
Für Kammnägel ergibt dies einen Wert von 2,2 mm laut Tabelle II-3. Er bewegt sich, je nach Ausführung und
Versuchsauswertung, im Bereich von 1,5 bis 7 mm.
einzelner Kammnagel
in Holz-Stahlblech- Ø 4,0 × 40 mm 1 900 869 2,2
Verbindung
24 Rothoblaas: WHT Winkelverbinder für Zugkräfte, Technisches Datenblatt gemäß ETA 11/0086.
Online https://www.rothoblaas.de/produkte/verbindungstechnik/holzbauverbinder/winkel-und-verbinder-fur-gebaude/wht (1.3.21)
25 Simpson Strongtie, ETA 07/0285.
26 Eurotec, ETA - 19/0020.
65
II STEIFIGKEITEN Winkelverbinder
II.6.2 Schubwinkel
In Tabelle II-5 sind einige Schubwinkel mit Verschiebungsangaben aus ETA bzw. Angaben aus Versuchen ange-
führt. Ähnlich wie bei den Zugankern bewegt sich das Verhältnis aus charakteristischem Wert der Tragfähigkeit
und der Steifigkeit im Bereich von 2 bis 7 mm.
66
Winkelverbinder STEIFIGKEITEN II
Für die Beanspruchung in zwei Richtungen werden für den Grenzzustand der Tragfähigkeit die Richtungen
entsprechend der zugehörigen ETA kombiniert zu
(II.46)
Das Steifigkeitsverhalten der Verbindung wird über zwei Federn in Richtung 1 und Richtung 2/3 abgebildet,
wie in Abbildung II-24 dargestellt.
67
KAPITEL III
KAPITEL III
WANDSCHEIBEN
III.1 Allgemeines 70
III.2 Wandscheiben im Holzrahmenbau 72
III.3 Wandscheiben aus Brettsperrholz 82
III.4 Wandscheiben mit Öffnungen 92
69
III WANDSCHEIBEN Allgemeines
III WANDSCHEIBEN
III.1. ALLGEMEINES
Wandscheiben werden in leichter Bauweise als Holzrahmen aus stabförmigen vertikalen Pfosten oder Stehern
und horizontalen Riegeln, Rähm oben und Schwelle unten hergestellt. Zur Stabilisierung der Steher und zur Auf-
nahme von horizontalen, in der Wandebene wirkenden Horizontallasten wird das Ständerwerk mittels Nägel oder
Klammern mit ausreichend schubsteifen Holzwerkstoffplatten oder mit innen und außen gegensinnig geneigten
Brettlagen beplankt. Die Lastabtragung erfolgt damit durch die Schubfeldwirkung der Wandscheibe.
Der Anschluss der Wandscheiben an die Unterkonstruktion erfolgt in der Regel mittels Zugankern an den Ste-
hern und Schubwinkeln an der Schwelle. Alternative Lösungen verwenden Schwellen, die zur Schubübertragung
mit darunter liegenden Setzschwellen verbunden werden. Für die Ableitung der Zugkräfte der Steher ist auch
in dieser Ausführungsvariante zu sorgen. Weiters sind Ausführungen mit eingeschlitzten Stahlblechen oder mit
vertikal vorgespannte Wandscheiben zu finden. Ab mehr als drei Geschoßen werden Lösungen angestrebt, bei
denen die Lasten der Steher vertikal durchgeführt werden.
In der massiven Bauweise mit Brettsperrholz liegen durch die Verklebung der Bretter Elemente mit wesentlich
höherer Schubsteifigkeit vor. Das Tragverhalten wird von den Verbindungen zwischen den Wandscheiben und
dem Untergrund bestimmt.
Wandscheiben, deren Länge kleiner als ein Viertel der Geschoßhöhe ist, werden unabhängig von der Bauweise
nicht als aussteifende Wand herangezogen (ÖNORM EN 1995-1-2 Abschnitt 9.2.4.2 (2)).
Holzrahmenbau
Die horizontale Steifigkeit der Wandscheiben im Holzrahmenbau hängt von allen baulichen Komponenten ab.
Abhängig von der Ausführung machen bei den gängigsten Ausführungen im Holzrahmenbau die Anteile aus
Dehnung der Zuganker etwa 20 % bis 30 % und jene der Verbindungsmittel für die Beplankung etwa 40 % bis
50 % der Gesamtverformung am Wandkopf aus, während alle restlichen Verformungsanteile gemeinsam 10 %
bis 20 % ausmachen.
Das Tragverhalten von Wandscheiben im Holzrahmenbau wird ebenso vorwiegend von den Verbindungsmitteln
bestimmt. Auflasten auf die Wandscheiben reduzieren die aus der horizontalen Kraft am Wandkopf resultierende
Kraft im Zuganker. Die Steifigkeit gegen Verschieben des Wandkopfes nimmt dann wegen der geringeren Starr-
körperverdrehung prinzipiell zu. Der Effekt der Auflasten bleibt aber im Holzrahmenbau klein und wird in
der Regel nicht berücksichtigt.
Zur Einordnung des Strukturverhaltens im Erdbebenfall kann wegen der mechanischen Verbindungen eine er-
höhte Duktilität von Wandscheiben im Holzrahmenbau und folglich ein Verhaltensbeiwert von q = 3,0 angesetzt
werden (Jung et al. 2010, 42 ff).
Brettsperrholz
Die Steifigkeit von Wandscheiben aus Brettsperrholz wird zu großen Teilen von den Verbindungen in der hori-
zontalen Anschlussfuge bestimmt. Je nach Ausführung haben die Verformungen aus den Zug- und Schubver-
ankerungen einen Anteil an der horizontalen Gesamtverformung des Wandkopfes von etwa 67 % (Hummel et
al. 2016, S. 789 f). Vertikale Auflasten wirken sich bei Wandscheiben aus Brettsperrholz wegen der höheren
Eigensteifigkeit der Wand stärker aus, als in der Holzrahmenbauweise. Auflasten führen zu höheren horizontalen
70
Allgemeines WANDSCHEIBEN III
Steifigkeiten und höheren Tragwiderständen für Wandscheiben aus Brettsperrholz. Bei der Wahl ausreichend
duktiler Verbindungsmittel kann ein Verhaltensbeiwert von q = 2,5 erreicht werden.
III.1.2 Mischbauweisen
Durch unterschiedliche Ausformung der Wandscheiben kann das Aussteifungssystem optimiert werden, um
die Lage des Steifigkeitszentrums der Wandscheiben im Grundriss und die Position der resultierenden Einwir-
kung nahe aneinander zu bringen. So können beispielsweise stark beanspruchte Scheiben aus Holzrahmenwän-
den durch Wandscheiben aus Brettsperrholz ersetzt werden (Jung et al. 2010, S.44). Bei der Wahl gemischter
Wandsysteme ist im Erdbebenfall zu bedenken, dass der Verhaltensbeiwert des Gebäudes immer von dem, am
wenigsten duktilen Wandelement anzusetzen ist.
Vergleiche aus der Literatur (Hummel et al. 2016, Walter und Hoffmann-Berling 2015, Jung et al. 2010, Schick-
hofer und Ringhofer 2011) zeigen, dass Wandscheiben aus Brettsperrholz um den Faktor 4 bis 16 steifer sind,
als jene in Holzrahmenbauweise.
III.1.3 Steifigkeitsverhältnisse
Wie in Abschnitt V näher beschrieben wird, werden die äußeren Lasten auf die einzelnen Scheiben entsprechend
ihren Steifigkeitsanteilen aufgeteilt. Für die Ermittlung der Scheibenkräfte reicht daher der Ansatz der relativen
Steifigkeiten der Wandscheiben untereinander. Erst bei der Ermittlung der Verformungen ist der absolute Wert
der Steifigkeit von Interesse.
Jung et al. 2010 schlagen bei Verwendung eines durchgängigen Wandsystems je Geschoß vor, die Steifigkeits-
verteilung im Grundriss mit Ansatz von Steifigkeitsverhältnissen zu ermitteln. Dabei werden primär schubbean-
spruchte Systeme, primär normalkraftbeanspruchte Systeme und primär biegebeanspruchte Systeme unterschie-
den. In Anlehnung an diesen Vorschlag werden in Tabelle III-1 Ansätze für die relative Steifigkeit der einzelnen
Wandscheiben eines im Grundriss einheitlichen Systems gemacht.
Für Mischsysteme mit Wänden in Holzrahmenbauweise und aus Brettsperrholz kann das Steifigkeitsverhältnis
abgeschätzt werden zu:
71
III WANDSCHEIBEN Wandscheiben im Holzrahmenbau
Die Nachgiebigkeit von Wandscheiben kann aus den Formänderungen der Bauteile und Verbindungen entlang
des Kraftflusses von der horizontalen Einwirkung am Wandkopf bis in die Unterkonstruktion ermittelt werden.
Die Modellansätze beruhen auf dem Stand der Technik. Sie wurden mit Bezug auf das CIB Abstimmungsdoku-
ment CEN/TC 250/SC 5 N 1238 zusammengestellt und mit den Modellansätzen in Colling 2011 abgeglichen.
Die horizontale Verformung am Wandkopf kann aus den Verformungsanteilen gemäß Abbildung III-1 gewonnen
werden.
Die Reihenfolge der Verformungsanteile wurde entsprechend dem Normenentwurf gewählt und entspricht nicht
dem jeweiligen Größenanteil. Die unterstrichenen Anteile machen gemeinsam in der Regel 60 % bis 80 % der
Gesamtverformung aus und stammen aus der Nachgiebigkeit der Verbindungsmittel.
(III.1)
mit
u gesamte horizontale Verschiebung des Wandkopfes
Verschiebungsanteile
aus der Verformung der Verbindungsmittel der Beplankung (a)
u N aus der Längsdehnung der Rippen (b)
aus der Starrkörperverdrehung durch Dehnung der Zuganker (c)
aus der Starkörperverschiebung durch Verschiebung der Schubwinkel (d)
u C aus der Eindrückung der Schwelle (e)
u G aus der Schubverformung der Beplankung (f)
72
Wandscheiben im Holzrahmenbau WANDSCHEIBEN III
Abbildung III-1 Verformungsanteile von Wandtafeln a) Verbindungsmittel b) Längsdehnung der Rippen c) Zuganker
d) Schubwinkel e) Schwellenpressung f) Beplankung
(III.2)
mit
73
III WANDSCHEIBEN Wandscheiben im Holzrahmenbau
(III.3)
mit
(III.4)
mit
Fx,k charakteristischer Wert der horizontalen Einwirkung als Einzellast am Wandkopf
h Höhe der Wandscheibe
l Gesamtlänge der Wandscheibe
Avert Querschnittsfläche der Rippen
E 0,mean Elastizitätsmodul der Rippen
Der Einfluss von Rähm und Schwelle (mit Querschnittsfläche A hor) kann in der Regel vernachlässigt werden, da
sich deren Dehnungsanteile aus Zug und Druck bei einigermaßen kontinuierlicher Einleitung der Horizontallast
aufheben.
Soll die Normalkraft in Rähm und Schwelle dennoch berücksichtigt werden, erhöht sich die Verformung gemäß
Formel (III.5).
(III.5)
mit
Fx,k charakteristischer Wert der horizontalen Einwirkung als Einzellast am Wandkopf
h Höhe der Wandscheibe
l Gesamtlänge der Wandscheibe
Ahor Querschnittsfläche von Rähm bzw. Schwelle
A vert Querschnittsfläche der Rippen
E 0,mean Elastizitätsmodul der Hölzer
74
Wandscheiben im Holzrahmenbau WANDSCHEIBEN III
(III.6)
mit
F x,k charakteristischer Wert der horizontalen Einwirkung als Einzellast am Wandkopf
lA Innerer Hebelarm zwischen Kraft im Zuganker und Resultierender der Druckzone (lA ≈ 0,9 . l)
h Höhe der Wandscheibe
Kser,A Dehnsteifigkeit des Zugankers
Laut Colling 2011 kann als grobe Abschätzung für die Nachgiebigkeit der Zugverankerung eine Größe von 1 mm
angenommen werden. Die zugehörige Horizontalverschiebung kann dann vereinfacht gemäß Formel III.7 abge-
schätzt werden.
(III.7)
(III.8)
mit
Abbildung III-2 Abmessungen für die Pressung und Stauchung der Schwelle
(III.9)
mit
F x,k charakteristischer Wert der horizontalen Einwirkung als Einzellast am Wandkopf
h Höhe der Wandscheibe
l Gesamtlänge der Wandscheibe
bhor Breite der Schwelle
75
III WANDSCHEIBEN Wandscheiben im Holzrahmenbau
Laut Pischl 2007 kann für die Einpressung von Kontaktstößen eine Größe von 1,0 bis 1,5 mm als Verformung
im Gebrauchszustand angenommen werden. Die zugehörige Horizontalverschiebung am Wandkopf kann dann
vereinfacht gemäß Formel III.10 abgeschätzt werden.
(III.10)
(III.11)
mit
Gp,1 Schubmodul der inneren Beplankung (1)
Gp,2 Schubmodul der äußeren Beplankung (2)
tp,1 Dicke der inneren Beplankung (1). 0 wenn keine Schubsteife innere Beplankung vorhanden ist.
t p,2 Dicke der äußeren Beplankung (2). 0 wenn keine Schubsteife äußere Beplankung vorhanden ist.
Die Gesamtsteifigkeit der Kopfverschiebung der Wandscheibe in ihrer Ebene ergibt sich aus der Gesamtverformung
u = u Kser + u N + u A + u V + u C + u G
zu
(III.12)
(III.13)
(III.14)
76
Wandscheiben im Holzrahmenbau WANDSCHEIBEN III
Die Steifigkeitsanteile ergeben direkt die Verteilung der Einwirkung auf die beiden Beplankungsseiten
(III.15)
(III.16)
(III.17)
(III.18)
und einzuhalten.
77
III WANDSCHEIBEN Wandscheiben im Holzrahmenbau
Holzwerkstoff oder
Dicke Schubmodul Zugfestigkeit Schubfestigkeit
anderer Baustoff
MDF.LA t ≤ 12 mm 650 13
Platte nach Trockenver-
12 < t ≤ 19 mm 600 80030 12,5 6,50
fahren gemäß EN 622-5
19 < t ≤ 30 mm 550 12,0
t = 18,0 mm 1,1
Gipsfaserplatten
t = 10 mm 2,50 3,70
Fermacell Xella32
t = 18 mm 2,30 3,40
t = 25 mm 2,10 3,20
Die Umrechnung zwischen Mittelwert und charakteristischem Wert der Rohdichte ρm und ρk ist in
Abschnitt II.4.1 beschrieben.
78
Wandscheiben im Holzrahmenbau WANDSCHEIBEN III
Gegeben:
Die Holzrahmenbauwand mit dem Aufbau gemäß Abbildung III-3 und statischem System gemäß Abbildung III-4
wird durch eine horizontale Kraft am Kopf belastet.
Gesucht:
Steifigkeit gegen horizontale Verschiebung der Wand in ihrer Ebene.
Materialkennwerte
OSB: ρ1,m = 620 kg/m³
G p = 1 080 N/mm²
C24: ρ 2,m = 420 kg/m³
E 0,mean = 11 000 N/mm²
E90,mean = 370 N/mm
79
III WANDSCHEIBEN Wandscheiben im Holzrahmenbau
Verformungsanteile
a) Verformung der Verbindungsmittel der Beplankung gemäß Abschnitt III.2.1
c) Verformung aus der Starrkörperverdrehung durch Dehnung der Zuganker gemäß Abschnitt III.2.3
d) Verformung aus der Starrkörperverdrehung durch Verschiebung der Schubwinkel gemäß Abschnitt III.2.4
80
Wandscheiben im Holzrahmenbau WANDSCHEIBEN III
Die Gesamtsteifigkeit
81
III WANDSCHEIBEN Wandscheiben aus Brettsperrholz
Die horizontale Verformung am Wandkopf kann aus den Verformungsanteilen gemäß Abbildung III-5 gewonnen
werden. Die Reihenfolge der Verformungsanteile wurde entsprechend dem Normenentwurf gewählt und ent-
spricht nicht dem jeweiligen Größenanteil. Die unterstrichenen Anteile machen gemeinsam in der Regel 60 %
bis 80 % der Gesamtverformung aus und stammen aus der Nachgiebigkeit der Verbindungsmittel. Lukacs et al.
2019 haben einen Vergleich der Berechnungsansätze aus der wissenschaftlichen Literatur für die Tragfähigkeit
und Steifigkeit von Aussteifungswänden aus Brettsperrholz angestellt. Die Arbeit bestätigt, dass die Hauptantei-
le der Verformung aus der Nachgiebigkeit der Verbindungen stammen. Die darin verglichenen Rechenansätze aus
verschiedenen Quellen stimmen relativ gut überein.
Je nach Ausführung ist zwischen punktuellen Verbindungen mit Zugankern an den Wandenden mit Schubwinkeln
in der Fuge und kontinuierlichen Verbindungen zu unterscheiden. In diesem Abschnitt werden die punktuellen
Verbindungen mit den Verformungsanteilen uA und u V nach Formel (III.19) und als Variante für die kontinuierliche
Anordnung beschrieben.
(III.19)
mit
u gesamte horizontale Verschiebung des Wandkopfes
Verschiebungsanteile
aus der Biegung der Wandscheibe (a)
aus der Starrkörperverdrehung durch Dehnung der Zugverbindung (b)
aus der Starkörperverschiebung durch Verschiebung der Schubwinkel (c)
u C aus der Eindrückung der Schwelle (d)
u G aus der Schubverformung der Wandscheibe (e)
82
Wandscheiben aus Brettsperrholz WANDSCHEIBEN III
83
III WANDSCHEIBEN Wandscheiben aus Brettsperrholz
Biegesteifigkeit
(III.20)
mit
(III.21)
mit
84
Wandscheiben aus Brettsperrholz WANDSCHEIBEN III
Abbildung III-7 Kopfverschiebung durch Nachgiebigkeit bei kontinuierlicher Verbindung der Schwelle
(III.22)
mit
(III.23)
85
III WANDSCHEIBEN Wandscheiben aus Brettsperrholz
(III.24)
Vereinfachte Betrachtung
Bei Annahme einer Druckzonenbreite von 0,1 l und über die Höhe der Schwelle konstant verlaufender Spannungs-
verteilung ergibt sich die Steifigkeit der Schwelle zu
(III.25)
daraus kann die Verformung aus der Eindrückung der Druckzone ermittelt werden aus:
(III.26)
(III.27)
Die Steifigkeit für die Eindrückung auf der Druckseite – der Wert für Kser,C der Feder in Abbildung III-6 b) wird
für die Lastsituation bei Erreichen der Traglast des Zugankers ermittelt. Dann gilt, dass die Druckkraft gleich
der Traglast des Zugankers ist: FA,d = F R,t,d. Die Länge der Druckzone wird unter der Annahme eines konstanten
Druckspannungsblockes bei Erreichen der Druckfestigkeit ermittelt. Der innere Hebelarm zwischen Zug- und
Druckzone ist dann gemäß Formel (III.27).
(III.28)
86
Wandscheiben aus Brettsperrholz WANDSCHEIBEN III
(III.29)
(III.30)
mit
l Wandlänge
a mittlere Breite eines einzelnen Brettes
in der Regel kann a = 150 mm angenommen werden
G0,mean Mittelwert des Schubmoduls
für Bretter aus C24 gilt G0,mean = 690 N/mm²
t Gesamtdicke der Wand
t max Dicke der dicksten Einzelschicht
ps Beiwert
q s Beiwert
q s = 1,21
(III.31)
(III.32)
87
III WANDSCHEIBEN Wandscheiben aus Brettsperrholz
Gegeben:
Wandelement aus BSP 100 3s (30|40|30), Länge l = 2,5 m gemäß Abbildung III-8
Gesucht:
Biegesteifigkeit um die wandnormale Achse EI z, Schubsteifigkeit S xy
Biegesteifigkeit
Schubsteifigkeit
a)
Abbildung III-8 Brettsperrholzwand – a) Tragstruktur aus Brettsperrholz
88
Wandscheiben aus Brettsperrholz WANDSCHEIBEN III
250
F x,k
BSP 100 3s
275
Gegeben:
Aussteifende Brettsperrholzwand BSP 100 3s mit den Steifigkeitswerten laut Beispiel III.2, mit Schwelle 4 cm
Höhe 2,75 m; Wandlänge 2,50 m nach Abbildung III-9.
Gesucht:
Verformungsanteile und Steifigkeit der Wandscheibe für die drei Varianten a), b) und c) der Auflast
Berechnung:
Verformung aus Biegung der Wandscheibe gemäß III.3.1
Verformung aus der Starrkörperverdrehung durch Dehnung der Zuganker gemäß III.3.2
89
III WANDSCHEIBEN Wandscheiben aus Brettsperrholz
a) ohne Auflast
b) mit Streichlast
c) mit Deckenauflast
Verformung aus der Starrkörperverdrehung durch Verschiebung der Schubwinkel gemäß III.3.3
a) ohne Auflast
b) mit Streichlast
c) mit Deckenauflast
90
Wandscheiben aus Brettsperrholz WANDSCHEIBEN III
Schubwinkel Druckzone
Schubverformung
Gesamtsteifigkeit
a) ohne Auflast
b) mit Streichlast
c) mit Deckenauflast
Die Fugensteifigkeit in der Verbindung von zwei Wandscheiben aus Brettsperrholz ist zu berücksichtigen.
91
III WANDSCHEIBEN Wandscheiben mit Öffnungen
Annähernd kann nach Iztok und Bruno 2012 davon ausgegangen werden, dass die vertikale Fuge ausreichend
steif ausgeführt wird, dass sich die gekoppelten Scheiben annähernd wie ein gesamtes Scheibenfeld verformen
und das Zwischenauflager B nicht wirksam wird und also keine Druckspannungen erfährt. Das ist etwa ab einem
Wert der Steifigkeit der vertikalen Fuge gleich der Steifigkeit des Zugankers der Fall.
Damit kann die Verformung von gekoppelten BSP-Scheiben durch einen zusätzlichen Term (der letzte und unter-
strichene Term in Formel (III.33)) für die vertikale Fuge abgeschätzt werden.
(III.33)
mit
Der Einfluss von Öffnungen in Wandscheiben kann durch Formeln abgeschätzt werden, die von Versuchen ab-
geleitet und mit einem Ingenieuransatz verallgemeinert wurden. In aktuellen Normvorschlägen36 für Eurocode 5
werden Öffnungen in der Größe von einem Zehntel der Wandabmessung als vernachlässigbar angesehen, wenn
Sie insgesamt weniger als ein Hundertstel der Wandfläche ausmachen.
In der Literatur finden sich Ansätze für Wandscheiben in Holzrahmenbauweise und in Brettsperrholzbauweise.
Die folgenden Formeln sind Dujic et al. entnommen. Alternativ können Computermodelle eingesetzt werden.
Brettsperrholzwände können als ebene Rahmen aus Stäben in den beiden Richtungen der Brettlagen model-
liert werden oder als Finite-Element-Modelle mit orthotropen Membransteifigkeiten. Fachwerkmodelle sind für
Brettsperrholz nicht gut geeignet. Sie finden eher für Holzrahmenwände Anwendung. Dabei werden die stabför-
migen Bauteile als Stäbe modelliert und die Beplankung inklusive der Nachgiebigkeiten der Verbindungsmittel als
Diagonalen.
(III.34)
92
Wandscheiben mit Öffnungen WANDSCHEIBEN III
(III.35)
(III.36)
(III.37)
(III.38)
(III.39)
(III.40)
Flächeneinfluß
Längeneinfluss
93
III WANDSCHEIBEN Wandscheiben mit Öffnungen
Beiwert
Die Steifigkeit der Wandscheibe in Holzrahmenbauweise mit Öffnungen beträgt 47 % der Steifigkeit der Wand-
scheibe ohne Öffnungen.
Die Steifigkeit der Wandscheibe in Brettsperrholzbauweise mit Öffnungen beträgt 57 % der Steifigkeit der Wand-
scheibe ohne Öffnungen.
94
Wandscheiben mit Öffnungen WANDSCHEIBEN III
95
KAPITEL IV
KAPITEL IV
DECKENSCHEIBEN
97
IV DECKENSCHEIBEN Lastweitergabe
auf die Wandscheiben
IV DECKENSCHEIBEN
Deckenscheiben können nach EN 1998-1:2009, 4.3.1 (4) als starr aufgefasst werden, wenn die Verformungs-
anteile aus der Berücksichtigung ihrer Nachgiebigkeit nicht mehr als 10% der horizontalen Auslenkungen des
gesamten Aussteifungssystems ausmachen. In der Literatur und in den Berechnungsmodellen der vorliegenden
Veröffentlichung wird vom Vorliegen einer ausreichend steifen Deckenscheibe ausgegangen. Da die statisch
nutzbare Höhe der Deckenscheiben größer ist als jene der Wandscheiben, das statische System der Decken-
scheiben einem Träger und jenes der Wandscheiben einem Kragarm entspricht und die Decken nach Möglichkeit
mit versetzten Stößen ausgeführt werden, ist diese Annahme im Allgemeinen vertretbar (Andreolli und Tomasi
2016). Das tatsächliche Verformungsverhalten von Deckenscheiben ist nicht sehr umfassend dokumentiert.
Lukacs et al. 2019 schlagen daher vor, die beiden Varianten der starren und nachgiebigen Deckenscheiben zu
untersuchen(z.B. gemäß Abbildung I-9), um die Auswirkung auf die Verteilung der Lasten auf die Wandscheiben
zu prüfen.
Tragwerksplanerinnen und Tragwerksplaner haben in der Regel das Ziel, den Aufwand für das Rechenmodell
in einem angemessenen Maß zu halten und eine nachvollziehbare und prüfbare Dokumentation der Berech-
nung zu erstellen. Dafür sollte die Komplexität des gewählten Modells mit dem aktuellen Kenntnisstand und
den Unschärfen der eingesetzten Parameter übereinstimmen. Aus heutiger Sicht ist die Annahme von starren
Deckenscheiben sinnvoll. Ein wesentliches Ziel der Tragwerksplanung ist es, mit den aussteifenden Wänden
ein Gleichgewichtssystem zu schaffen, das ausreichend Tragwiderstand gegen Horizontallasten bietet. Im Fall
von Erdbeben ist eine Lastumlagerung vom realen auf das angenommene System durch die Überfestigkeit der
Verbindungen möglich.
Zur Untersuchung von Deckenscheiben wird im Folgenden kurz auf die Bauweisen eingegangen und ein Fach-
werksmodell vorgestellt, mit dem die Verformungen der Deckenscheiben abgeschätzt werden können.
Für den Nachweis der Tragfähigkeit von Deckenscheiben siehe Wallner-Novak et al. 2018 und ÖNORM B 1995-1-1.
98
Deckenscheiben DECKENSCHEIBEN IV
in Holzrahmenbauweise
Abbildung IV-1 Modell mit Verteilung der Einwirkung auf die Wandscheiben nach den Einflussbreiten für nachgiebige Decken-
scheiben
IV.2.1 Aussparungen
Nach Steinmetz 2001 können Aussparrungen, deren Länge und Höhe 20 % der Scheibenhöhe im Holzrahmenbau
nicht überschreitet vernachlässigt werden, wenn beim Nachweis die Aussparungshöhe von der statischen Höhe
abgezogen wird. Die Länge der Aussparung sollte außerdem auf 30 % der betrachteten Scheibenstützweite
beschränkt werden.
99
IV DECKENSCHEIBEN Deckenscheiben
in Brettsperrholz
Im Entwurf zur Überarbeitung von Eurocode 5 werden Angaben zu Öffnungen gemacht, die keine Reduktion der
Schubtragfähigkeit zur Folge haben. Unberücksichtigt dürfen demnach rechteckige Öffnungen mit Einfassung
der Ränder bleiben, wenn die größte Abmessung 30 cm nicht überschreitet oder rechteckige Öffnungen ohne
Einfassung der Ränder, wenn die größere Abmessung 15 cm nicht unterschreitet. Bei runden Öffnungen gilt als
maximaler Durchmesser 20 cm.
Der Randabstand der Öffnung zum Rand der Beplankung sollte dabei mindestens gleich der größten Abmessung
der Öffnung sein. Je Beplankungsplatte sollte nur eine Öffnung angeordnet werden. Der Achsabstand der Öff-
nungen muss mindestens 120 cm betragen.
Wallner-Novak et al. 2013 und Moroder et al. 2015 schlagen für einfache Grundrissgeometrien die Verwendung
zugehöriger Trägermodelle nach Abbildung IV-2 vor. Die drei Beanspruchungstypen können durch Nachweise der
Brettsperrholzelemente und der Verbindungsmittel bewertet werden. In der Regel ist der Nachweis der Ge-
brauchstauglichkeit in Form von Durchbiegungsnachweisen nicht erforderlich. Hier kann aber durch Ansatz der vir-
tuellen Kraft und Anwendung des Arbeitssatzes die Durchbiegung abgeschätzt werden. Die Brettsperrholzelemente
werden dafür in der Regel starr angesetzt und nur die Verformungsanteile aus den Verbindungen berücksichtigt.
100
Fachwerksmodelle DECKENSCHEIBEN IV
für die Scheibenwirkung
IV.3.1 Aussparungen
Die Festlegungen zu Aussparungen von Abschnitt IV.2.1 können als konservative Eingrenzung für Scheiben aus
Brettsperrholz übernommen werden. Für weiterführende Betrachtung sind Modelle nach der Scheibentheorie
oder einfacher Fachwerkmodelle zu verwenden. Als EDV-Modelle sind orthotrope Membranflächen für eine Be-
rechnung nach der Methode der Finiten Elemente einsetzbar.
In Fällen größerer Öffnungen oder unregelmäßiger Geometrie von Deckenscheiben kann die Betrachtung mit-
tels Fachwerkmodellen erfolgen. Die Schubfeldtheorie in Holzrahmenbau lässt sich leicht in Fachwerkmodelle
überführen. Für Brettsperrholz wird zur Untersuchung der Spannungen in einzelnen Bauteilen in der Regel auf
Stabwerksmodelle in Form von Rahmengittern oder Flächenmodelle in Form von Orthotropen-Membran- oder
Schalen-Elementen der Finite-Elemente-Methode zurückgegriffen. Das globale Tragverhalten von Deckenschei-
ben kann auch für die Brettsperrholzbauweise gut mit Fachwerkmodellen abgeschätzt werden. Im Folgenden
werden die Ansätze für ein Fachwerksmodell in Anlehnung an Steinmetz 2001 auf Deckenscheiben in Holzrah-
menbauweise und aus Brettsperrholz zusammengestellt.
Schubverformung und Verformung des schubnachgiebig gelagerten Randes des Schubfeldes aus Abbildung IV-3
mit
Fk = 1.
(IV.1)
101
IV DECKENSCHEIBEN Fachwerksmodelle
für die Scheibenwirkung
(IV.2)
(IV.3)
Sind die Schubverbindungen entlang beider Ränder gleich steif und in gleichem Abstand angeordnet gilt:
(IV.4)
(IV.5)
102
Fachwerksmodelle DECKENSCHEIBEN IV
für die Scheibenwirkung
(IV.6)
(IV.7)
mit
Für Brettsperrholz kann aus einem Vergleich der Biegesteifigkeit eines BSP-Elements zur Steifigkeit des Fach-
werks für die Stäbe 1 und 2 abgeschätzt werden. Die Abschätzung gilt für reine Biegung eines Deckenelements.
In Deckenfeldern mit mehreren nebeneinander liegenden BSP-Elementen steigt die Steifigkeit wegen der zuneh-
menden Normalkraftanteile. Als konservative Festlegung gilt:
(IV.8)
(IV.9)
mit
Die Lage der Stäbe entspricht der Lage des BSP-Elementrandes oder der Fuge zwischen zwei benachbarten
BSP-Elementen. Sind zwei BSP-Elemente vorhanden, ist die Summe der Dehnsteifigkeiten beider Elemente
anzusetzen.
103
IV DECKENSCHEIBEN Fachwerksmodelle
für die Scheibenwirkung
Für Stäbe mit nachgiebiger Längsverbindung an ihren Enden, kann ihre Dehnsteifigkeit entsprechend Formel
(IV.10) reduziert werden:
(IV.10)
mit
s i Länge des Stabes i
K ser,t,A Steifigkeit einer Normalkraftverbindung am Anfang des Stabes i
Kser,t,A Steifigkeit einer Normalkraftverbindung am Ende des Stabes i
Durchbiegungsabschätzung
Aus der Modellbildung als Fachwerk haben Moroder et al. 2015 eine Abschätzung für die Verformung eines
rechteckigen Feldes aus Deckenscheiben mit m Element-Fugen angegeben, wie in Abbildung IV-5 dargestellt und
Formel (IV.11) angegeben. Dieser Ansatz geht von einem durchgehenden Zugband aus und wurde in die kanadi-
sche Bemessungsnorm aufgenommen. Für Nagelbleche oder andere Verbindungen mit der Steifigkeit Kser,t statt
eines Zugbandes kann die Steifigkeit des Zugbandes EA durch L . K ser,t . m ersetzt werden.
(IV.11)
mit
w k Linienförmige Windlast
E Elastizitätsmodul des Zugbandes
A Fläche des Zugbandes
H Grundrissabmessung des gesamten Deckenfeldes
L Grundrissabmessung des gesamten Deckenfeldes
b Breite eines Schubfeldes
h Länge eines Schubfeldes
GA s Steifigkeit eines Schubfeldes (wie oben beschrieben)
K ser Steifigkeit gegen Verschieben eines Verbindungsmittels in der Fuge
104
Fachwerksmodelle DECKENSCHEIBEN IV
für die Scheibenwirkung
IV.4.2 Modellvergleich
Als Modellvergleich wurde die Deckenscheibe eines Gebäudes mit rechteckigem Grundriss in den Abmessungen
von etwa 15 mal 32 m modelliert. Etwa in der Mitte ist der Grundriss ausgeschnitten. Im Modell als Flächentrag-
werk wurden orthotrope Plattenelemente und Linienfreigaben mit der Steifigkeit aus Beispiel II.5 definiert. Im
Modell als Fachwerk wurden die Steifigkeiten auf die Diagonalen umgerechnet.
Wie der Modellvergleich zeigt, stimmen die Verformungszustände überein. Die Steifigkeiten werden im Fach-
werkmodell etwas unterschätzt und die horizontalen Verformungen sind um etwa 20 % höher. Die Umlagerungen
der Reaktionskräfte aus den Wandscheiben liegen bei 5 %.
105
IV DECKENSCHEIBEN Fachwerksmodelle
für die Scheibenwirkung
106
Fachwerksmodelle DECKENSCHEIBEN IV
für die Scheibenwirkung
107
KAPITEL V
KAPITEL V
SCHEIBENSYSTEME
IN DER GRUNDRISSEBENE
109
V SCHEIBENSYSTEME Wandscheiben
IN DER GRUNDRISSEBENE in orthogonaler Anordnung
Im Abschnitt I.4 Modellbildung wurde auf die Möglichkeit der Betrachtung des Aussteifungssystems in den
jeweiligen Geschoßgrundrissen eingegangen. Die horizontalen Einwirkungen werden geschoßweise in das Fun-
dament weitergeleitet. Bei geringer Anzahl der Geschoße ohne eine geschoßweise Abstufung der Verbindungs-
mittel ist die Ermittlung der Auswirkungen für das Erdgeschoß ausreichend. Bei größerer Geschoßanzahl wird
die Summe der Horizontallasten der über dem Aktuellen liegenden Geschoße plus die halbe Horizontallast des
aktuellen Geschoßes als Einwirkung auf Ebene der Deckenscheibe angesetzt.
Im Folgenden wird der Berechnungsablauf für ein System aus Wandscheiben im Grundriss eines Geschoßes
beschrieben. Für die Berechnung wird zwischen Grundrissen mit aussteifenden Wänden in einem orthogona-
len Achssystem (Abschnitt V.1) und Grundrissen mit Wandscheiben in allgemeiner Richtung (Abschnitt V.2)
unterschieden. Die Anordnung nach V.1 stellt eine Sonderform der allgemeinen Anordnung V.2 dar. Das zuge-
hörige Formelwerk ist reduziert und daher gut für eine Handrechnung geeignet. Das vereinfachte Formelwerk
ist zahlreich in der Literatur zu aussteifenden Wandscheiben zu finden (z.B. Steinmetz 1988) und im folgenden
Abschnitt V.1 beschrieben.
Die Steifigkeitsverhältnisse für Wandscheiben aus einer Bauweise werden in Tabelle III-1, Abschnitt III.1.3 an-
geführt. Für Mischbauweisen ist entweder der dortige Ansatz mit relativen Steifigkeiten möglich oder es werden
absolute Steifigkeitswerte für die Wandscheiben angesetzt. Die absoluten Steifigkeitswerte der Wandscheiben
sind für Holzrahmenbau Abschnitt III.2 und für Brettsperrholz Abschnitt III.3 zu entnehmen.
In der allgemeinen Berechnung nach V.2 wird das Kraft-Verformungsverhalten jeder Wandscheibe im Grundriss
als 3 x 3-Steifigkeitsmatrix dargestellt. Durch Orientierung und Positionierung jeder Wandscheibe kann das ge-
samte System auf einen Punkt bezogen und gelöst werden. Die Berechnung bleibt relativ einfach und zur Umset-
zung sind Tabellenkalkulations-programme gut geeignet. Diese Methode lässt auch die Erweiterung um Wand-
gruppen zu, die an ihren Kanten über Eck verbunden sind. Durch Vergrößerung der ebenen Steifigkeitsmatrix auf
den räumlichen Fall lässt sich das Verfahren prinzipiell für die räumliche Berechnung der Geschoßsteifigkeiten
erweitern. Damit ist die Basis für das Modell des räumlichen Stabes im Aufriss geschaffen.
Holzrahmenwände Brettsperrholzwände
Für Wände parallel zur x-Achse Bx,i = Li Bx,i = Li1,5 Bx,i = Kser
Hinweis: Für Wandscheiben, die im Grundriss eine allgemeine Orientierung haben, also weder zur x- noch zur
y-Achse parallel sind, gibt es den Vorschlag zwei Steifigkeits-Komponenten anzusetzen. Die in Wandrichtung
definierte Steifigkeit wäre in zwei Komponenten, eine in x-Richtung und eine in y-Richtung zu zerlegen. Diese
Annahme ist unrichtig und überschätzt die Steifigkeit der Wandscheibe. Im Modell würde für die Wandscheibe
sowohl ein Widerstand in Richtung der Wandachse als auch normal dazu angesetzt. Allgemein orientiere Wand-
scheiben sind nach V.2 zu berechnen.
110
Wandscheiben SCHEIBENSYSTEME V
in orthogonaler Anordnung IN DER GRUNDRISSEBENE
(V.1)
(V.2)
(V.3)
(V.4)
(V.5)
(V.6)
(V.7)
(V.8)
111
V SCHEIBENSYSTEME Wandscheiben
IN DER GRUNDRISSEBENE in allgemeiner Anordnung
f) Kontrolle
Gleichgewichtsbedingungen:
(V.9)
(V.10)
(V.11)
Weicht die Anordnung der Wandscheiben im Grundriss von einem orthogonalen System ab, so können die Wand-
scheibenkräfte nicht mehr über direkte Formeln ermittelt werden. Das Verhalten der Wandscheiben wird jeweils
als 3 x 3 Matrix abgebildet, das den Zusammenhang zwischen den drei Kraftgrößen und den drei Weggrößen in
der Ebene definiert. Damit kann also der Zusammenhang aus Kraft der Wand und der Verformung der Geschoß-
decke in der allgemeinen Lage modelliert werden.
V.2.1 Grundlagen
(V.12)
Die Steifigkeiten in Querrichtung ky = 0 und gegen Verdrehung k φ = 0 werden als Null angenommen. Die zugehö-
rigen Federkräfte werden dann ebenfalls 0.
(V.13)
112
Wandscheiben SCHEIBENSYSTEME V
in allgemeiner Anordnung IN DER GRUNDRISSEBENE
Das Federgesetz für eine Wandscheibe in lokalen Koordinaten lautet dann in Matrizenschreibweise:
(V.14)
Das Lokale Koordinatensystem ist auf den Mittelpunkt der Wandscheibe als Ursprung und der x-Achse in Wand-
richtung definiert.
(V.15)
(V.16)
(V.17)
(V.18)
(V.19)
Die entsprechende Verschiebungsmatrix für die Lage des Wandmittelpunktes (xM,i, y M,i) vom Ursprung aus lautet:
(V.20)
Die Transformation entspricht der Multiplikation der Drehmatrix mit der Verschiebungsmatrix. Die Drehmatrix
ist voranzustellen, da sonst die Wand zuerst in die gewünschte Lage verschoben und erst danach samt Abstand
zum Ursprung um diesen gedreht würde und eine falsche Lage einnehmen würde.
(V.21)
Die Steifigkeit der Wandscheibe i im globalen Koordinatensystem wird wie folgt ermittelt:
(V.22)
113
V SCHEIBENSYSTEME Wandscheiben
IN DER GRUNDRISSEBENE in allgemeiner Anordnung
V.2.2 Berechnung
Ansatz der Steifigkeit in Richtung der Wandscheibe: kx ist ein relativer oder absoluter Steifigkeitswert.
(V.23)
(V.24)
mit der Transformationsmatrix T und der Drehung um den Ursprung D zuerst und der anschließenden Verschie-
bung in die tatsächliche Lage E.
(V.25)
(V.26)
(V.27)
Mit dem Ansatz einer starren Deckenscheibe kann das globale Verhalten aller Wandscheiben im Grundriss durch
die globale Steifigkeitsmatrix bezogen auf den Koordinatenursprung ausgedrückt werden:
(V.28)
(V.29)
114
Wandscheiben SCHEIBENSYSTEME V
in allgemeiner Anordnung IN DER GRUNDRISSEBENE
(V.30)
erhält man mit dem Verformungsvektor U G die Verformungsgrößen bezogen auf den Koordinatenursprung
(V.31)
(V.32)
Für numerisch brauchbare Lösungen des Gleichungssystems muss für das Invertieren der Steifigkeitsmatrix, die
Determinante ungleich Null sein.
(V.33)
Die lokalen Verschiebungen können dann mittels Rücktransformation für jede Wandscheibe ermittelt werden zu
(V.34)
Die lokalen Kräfte werden direkt aus den lokalen Verschiebungen mal der lokalen Steifigkeiten ermittelt
(V.35)
(V.36)
für normale Wandscheiben, deren lokale Steifigkeitsmatrix aus dem einen Steifigkeitswert in Achsrichtung kx
besteht, kann die Scheibenkraft direkt angeschrieben werden zu:
(V.37)
Die Lage des Steifigkeitszentrums S = (x s ⁄ y s) kann aus den Elementen der inversen Steifigkeitsmatrix ermittelt
werden. Bei folgender Bezeichnung der Elemente der symmetrischen Steifigkeitsmatrix:
(V.38)
ergeben sich die Koordinaten des Steifigkeitszentrums aus entsprechenden Verformungsbedingungen zu:
(V.39)
115
V SCHEIBENSYSTEME Wandscheiben
IN DER GRUNDRISSEBENE in allgemeiner Anordnung
Mit den bisherigen Berechnungsschritten können die Reaktionskräfte in den Wandscheiben und die Verformun-
gen in die festgelegten Richtungen x und y ermittelt werden.
Für allgemeine Grundrisse kann die Hauptachsenrichtung von Interesse sein, um beispielsweise die Richtung der
Eigenschwingungen zu bestimmen. Die Hauptachsenneigung kann als Eigenwertproblem formuliert und nume-
risch gelöst werden, oder als geschlossene Formel (V.40) angegeben werden.
(V.40)
(V.41)
Gilt 2I φφ I xy – 2I xφ I yφ = 0 , so entspricht das Achssystem bereits den Hauptachsen und α I ist α I=0 oder .
Mit Transformation der ursprünglichen Steifigkeitsmatrix um die Verschiebungsmatrix E K für die Verschiebung in
den Schwerpunkt (-x S /-yS) und die Drehmatrix DK um den Winkel -α wird die Steifigkeitsmatrix auf das Hauptach-
sensystem transformiert.
(V.42)
(V.43)
mit den Schubsteifigkeiten K1 und K 2 und der Torsionssteifigkeit Kφ in Richtung der Hauptachsen mit dem Koordi-
natenursprung im Steifigkeitszentrum.
In den oben angeführten Berechnungsansätzen wird – als konservative Annahme – jede Wandscheibe einzeln
betrachtet und Einflüsse aus allfälligen Verbindungen zu benachbarten Scheiben bleiben unberücksichtigt. Für
annähernd starre Verbindungen der vertikalen Kanten zwischen den Wänden kann die Berechnung analog zu
dünnwandigen Querschnitten erfolgen (Vismann 2018, S. 245). Mit ausreichender Genauigkeit kann aber auf die
Gruppenwirkung der Wandscheiben verzichtet werden.
116
Wandscheiben SCHEIBENSYSTEME V
in allgemeiner Anordnung IN DER GRUNDRISSEBENE
Um das Verhalten von verbundenen Wandelementen (L, U, H oder andere Anordnungen) zu modellieren, kann
dieses Teilsystem mit Handmodellen nach der Faltwerkstheorie (Erweiterung der Dreischübegleichung nach
Marti 2014) oder mittels Computermodellen als Kraft-Verschiebungsmatrix abgebildet werden.
Das Wandsystem wird im Grundriss mit einem gewählten Achssystem beliebig ausgerichtet. Dann wird das
Verformungsverhalten zu den drei Richtungslastfällen Fx, Fy, M ermittelt. Aus den jeweils zugehörigen drei
Verformungsgrößen kann die Lage des Schubmittelpunktes und die Orientierung der Hauptachsen ermittelt
werden und die Steifigkeit des Systems im ursprünglichen Koordinatensystem oder im Hauptachsensystem
angegeben werden.
Jeder der Einheitslastfälle hat als Auswirkungen die Verschiebungen ux und u y und die Verdrehung φ z am Kopf
der Wände zur Folge. Diese können für die drei Einheitsfälle als Vektor dargestellt werden:
c) Steifigkeit
Aus den Last-Verformungs-Beziehungen kann die Steifigkeitsmatrix aus der Inversen der Verschiebungsmatrix
gebildet werden.
Mit dieser Steifigkeitsmatrix wird das System im Modell abgebildet. Das zugehörige Achssystem entspricht dem
ursprünglich für die Lastfälle angenommenen Achssystem.
Zur Ermittlung der Lage des Schubmittelpunktes, den Hauptachsenneigungen und der Steifigkeiten in diese
Hauptrichtungen sind folgende Rechenschritte erforderlich.
d) Inverse
Aus dem Verformungsvektor bei Einwirken eines Kraftvektors kann aus der Bedingung und
(V.44)
117
V SCHEIBENSYSTEME Gebrauchstauglichkeit
IN DER GRUNDRISSEBENE
(V.45)
ermittelt werden.
f) Hauptachsenrichtungen
Der Winkel der Hauptachse kann aus bestimmt werden, wenn gesetzt wird
und . Daraus lässt sich der Winkel der Hauptachse bestimmen:
(V.46)
mit
(V.47)
Mit Transformation der ursprünglichen Steifigkeitsmatrix um die Verschiebungsmatrix E K für die Verschiebung
und die Drehmatrix D K um den Winkel .
(V.48)
(V.49)
mit den Schubsteifigkeiten K 1 und K 2 und der Torsionssteifigkeit in Richtung der Hauptachsen 1 und 2 mit
dem Ursprung im Steifigkeitszentrum.
V.3 GEBRAUCHSTAUGLICHKEIT
V.3.1 Durchbiegungsberechnung
Aus den Modellannahmen geht hervor, dass für die Berechnung der Verformungen mit möglichst realistischen
absoluten Steifigkeiten zu rechnen ist. Der Einfluss der Deckenscheiben kann über ein entsprechendes Fach-
werksmodell oder eine Finite-Element-Berechnung abgeschätzt werden.
Als ingenieurmäßige Eingrenzung reicht es in der Regel aus, die Verformung der maßgebenden Wandscheiben
zu begrenzen. Die Scheibenkräfte können dann mit relativen Steifigkeiten unabhängig von der genauen Bauteil-
dimensionierung berechnet werden und nach Festlegung der Bauteildimensionen und Verbindungen kann die
Verformung der maßgebenden Wandscheibe ermittelt und die Einhaltung der entsprechenden Verformungsgren-
zen nachgewiesen werden.
118
Gebrauchstauglichkeit SCHEIBENSYSTEME V
IN DER GRUNDRISSEBENE
Schwingungsberechnung
Bei Verwendung absoluter Steifigkeiten werden für die Schwingungsberechnung vorzugsweise Ersatzstäbe im
Aufriss als Modelle eingesetzt. Eine Abbildung mittels FEM ist komplex. Wegen der Vielzahl an Modellannahmen
und damit verbundenen Unschärfen, steht der Aufwand häufig nicht in Relation zum Ergebnis. Die Genauigkeit
ist nur scheinbar höher und die Tragwerkssicherheit lässt sich mit den einfacheren Modellen nachvollziehbarer
belegen.
Gegeben:
Wandscheiben aus Brettsperrholz in der Grundrissanordnung gemäß Abbildung V-1.
Die Einflusshöhe für die Windlast auf die betrachtete Decke beträgt gemäß Abbildung V-2 über EG: h e = 4,68 m
119
V SCHEIBENSYSTEME Gebrauchstauglichkeit
IN DER GRUNDRISSEBENE
Gesucht:
maximale Scheibenkräfte im Erdgeschoß für die Windlasten
Berechnung
Koordinaten des Anfangs- und Endpunktes: Spalten [1 bis 4], Längen [5], relative Steifigkeiten [6]
Die relative Steifigkeit für aussteifende Wände aus Brettsperrholz wird mit K = l1,5 festgelegt.
Scheibe Nr. 1 2 3 4 5 6
Ax Ay Ex Ey L KSer,rel
(m) (m) (m) (m) (m) (kN/m)
Mittelpunktslagen der Wandscheiben: Spalten [7, 8], Steifigkeiten in die Achsrichtungen [9,10] und Steifigkeiten mal
Abstand [11,12]
Scheibe Nr. 7 8 9 10 11 12
Mx My Bx By By . M x Bx . M y
(m) (m) (kN/m) (kN/m) (kN) (kN)
120
Gebrauchstauglichkeit SCHEIBENSYSTEME V
IN DER GRUNDRISSEBENE
Berechnung der Mittelpunktslagen von S aus [13, 14] und des polaren Trägheitsmomentes [15] nach Formel (V.5)
Scheibe Nr. 13 14 15
XE YE IP
(m) (m) (kNm)
Summe 724,742
Wegen der Annahme von relativen Steifigkeiten sind die Einheiten irrelevant.
Einwirkung
Winddruck wk = 1,00 kN/m²
Die Lasteinflusshöhe der Decke über EG ergibt sich aus der halben Wandhöhe plus der Höhe bis zur höchsten
Stelle des prismatischen Gebäudes. h e = 4,68 m
Windlast in x-Richtung:
Windlast in y-Richtung:
121
V SCHEIBENSYSTEME Gebrauchstauglichkeit
IN DER GRUNDRISSEBENE
Lastfälle
Lastfall 1.1 Wx mit ey = + l y /10
Lastposition
Lastfallergebnisse
Berechnung der Auswirkungen der Lastfälle auf die einzelnen Wandscheiben nach Formeln (V.7) und (V.8).
Scheibe Nr. 16 17 18 19 20 21 22 23
122
Gebrauchstauglichkeit SCHEIBENSYSTEME V
IN DER GRUNDRISSEBENE
Lastfallüberlagerung
Die Lastfallüberlagerung LF1.1 oder LF1.2 oder LF2.1 oder LF2.2 ergibt die maximalen Wandkräfte aus Wind:
Scheibe Nr. 24 25
1 ± 12,00 3,75
2 ± 9,81 3,77
3 ± 17,36 3,62
4 ± 11,22 3,74
5 ± 12,36 4,26
6 ± 5,76 2,50
7 ± 25,56 5,56
8 ± 10,82 3,61
Als Maß für die Beanspruchung der Wandscheiben kann die Horizontalkraft auf die jeweilige Scheibenlänge
bezogen werden: Spalte [25].
Gegeben:
Wandscheiben aus Brettsperrholz in der Grundrissanordnung gemäß Abbildung V-3.
Die Einflusshöhe für die Windlast auf die betrachtete Decke beträgt gemäß Abbildung V-4 über EG: h e = 4,68 m
123
V SCHEIBENSYSTEME Gebrauchstauglichkeit
IN DER GRUNDRISSEBENE
Gesucht:
maximale Scheibenkräfte für die Windlasten
Berechnung
Scheibe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Steifig-
Anfangspunkt Endpunkt Mittelpunkt Länge Neigung
keit
xA yA xE yE xM yM l K
i (m) (m) (m) (m) (m) (m) (m) (kn/m) (rad) (°)
1 0,00 4,60 3,20 4,60 1,60 4,60 3,20 5,72 0,000 0,00
2 3,20 11,10 5,80 12,60 4,50 11,85 3,00 5,20 0,523 29,98
3 8,80 11,10 8,80 6,30 8,80 8,70 4,80 10,52 -1,571 -90,00
4 5,80 6,30 8,80 6,30 7,30 6,30 3,00 5,20 0,000 0,00
5 0,00 5,20 0,00 2,30 0,00 3,75 2,90 4,94 -1,571 -90,00
6 2,10 -0,64 5,80 1,50 3,95 0,43 4,27 8,84 0,524 30,04
7 3,20 0,00 3,20 3,00 3,20 1,50 3,00 5,20 1,571 90,00
124
Gebrauchstauglichkeit SCHEIBENSYSTEME V
IN DER GRUNDRISSEBENE
Scheibe 11 12 13 14
i kL D E T
125
V SCHEIBENSYSTEME Gebrauchstauglichkeit
IN DER GRUNDRISSEBENE
Scheibe 16
Steifigkeitsmatrix
gedreht und verschoben
i kG
5,724 - -26,332
1 - - -
-26,332 - 121,127
- -- --
3 -- 10,516 92,543
-- 92,543 814,380
5,196 - -32,736
4 - - -
-32,736 - 206,235
- -- --
5 -- 4,939 -
-- - -
- - -
7 - 5,196 16,628
- 16,628 53,209
Damit kann die globale Steifigkeitsmatrix bezogen auf den Ursprung als Summe der Steifigkeitsmatrizen
ermittelt werden:
Die Determinante ist ungleich Null, das Gleichungssystem ist lösbar und es gibt keine kinematische
Verschieblichkeit im Aussteifungssystem.
126
Gebrauchstauglichkeit SCHEIBENSYSTEME V
IN DER GRUNDRISSEBENE
Einwirkung
Winddruck wk = 1,00 kN/m²
Die Lasteinflusshöhe der Decke über EG ergibt sich aus der halben Wandhöhe plus der Höhe bis zur höchsten
Windlast in x-Richtung:
Windlast in y-Richtung:
Lastfälle
Lastfall 1.1 W x mit e y = + l y /10
Lastposition
127
V SCHEIBENSYSTEME Gebrauchstauglichkeit
IN DER GRUNDRISSEBENE
Lastfallergebnisse
i uL FL uL FL uL FL uL FL
(kN) (kN) (kN) (kN)
Die Ergebnisse der Wandscheiben sind auf das lokale Achssystem der Wandscheiben bezogen. Positive Werte
der Scheibenkraft zeigen von Anfangspunkt zu Endpunkt der Wandscheibe. Wegen des Ansatzes relativer Stei-
figkeiten stellen die Verschiebungsgrößen nur Verhältniswerte dar.
128
Gebrauchstauglichkeit SCHEIBENSYSTEME V
IN DER GRUNDRISSEBENE
Lastfallüberlagerung
Die Lastfallüberlagerung LF1.1 oder LF1.2 oder LF2.1 oder LF2.2 ergibt die maximalen Wandkräfte aus Wind [17]:
Scheibe 17 18
1 ± 26,70 ± 8,34
2 ± 32,09 ± 10,69
3 ± 29,14 ± 6,07
4 ± 25,99 ± 8,66
5 ± 12,26 ± 4,23
6 ± 33,80 ± 7,91
7 ± 10,87 ± 3,62
Als Maß für die Beanspruchung der Wandscheiben kann die Horizontalkraft auf die jeweilige Scheibenlänge
bezogen werden [18].
Die Richtung der Hauptachsen wird nach Formel (V.40) ermittelt und Abbildung V-5 in dargestellt.
129
V SCHEIBENSYSTEME Gebrauchstauglichkeit
IN DER GRUNDRISSEBENE
Für eine Variantenstudie unterschiedlicher Wandsteifigkeiten wurde die Anordnung der Wandscheiben dem
Grundriss des Objekts ‚NEESWood Capstone-Building‘ abgeleitet38. Der Bau aus Brettsperrholz wurde als
Großversuch in tatsächlicher Größe mittels Erdbebensimulation untersucht und ist in der Beschreibung der
Modellvarianten in Abbildung I-8 prinzipiell dargestellt.
Die Grundrissgeometrie ist Abbildung V-6 zu entnehmen. Als Belastung wird die Windlast in die beiden Achs-
richtungen angesetzt. Als Modell wird das Weggrößenverfahren mit Wandscheiben in allgemeiner Anordnung
verwendet. Die Deckenscheibe wird als starr angesehen.
Als Einwirkung wird vereinfacht ein, über die gesamte Gebäudehöhe konstant wirkender Winddruck von
wk = 0,7 kN/m² angenommen. Die Grundrissabmessungen sind 13,0 x 18,0 m. Die Einflusshöhe für die resultie-
rende Windkraft auf der Ebene der Deckenscheibe über EG ist 17,50 m. Die Windlastresultierenden sind dann
W 0,k = 159,25 kN und W90,k =220,5 kN. Sie sind jeweils um ± 10 % der angeströmten Gebäudeabmessung exzent-
risch aufzustellen.
38 Pei et al.
130
Gebrauchstauglichkeit SCHEIBENSYSTEME V
IN DER GRUNDRISSEBENE
Die Verteilung der Steifigkeiten der beiden Varianten im Vergleich ist in Abbildung V-7 dargestellt. Die Prozen-
tangaben der einzelnen Scheiben entsprechen dem Verhältnis der jeweiligen Steifigkeit zum Wert der Scheibe
mit der höchsten Steifigkeit. Es ist klar ersichtlich, dass die innen liegenden Brettsperrholzwände in der Variante
‚Mischsystem‘ wesentlich höhere Steifigkeitsanteile aufweisen, als die in dieser Variante vorgesehenen außen
liegenden Holzrahmenbauwände.
a) b)
Aus den unterschiedlichen Steifigkeiten folgen unterschiedliche Scheibenkräfte als Einhüllende der Windlastfälle
(Wind 0° und Wind 90° jeweils mit positiver und negativer Exzentrizität), wie in Abbildung V-8 dargestellt. Die Er-
gebnisse zeigen, dass steifere Wandscheiben immer Kräfte anziehen. Die maximal beanspruchte Scheibe erhält
im Mischsystem annähernd die doppelte Schubkraft, als in der Variante BSP mit ausgewogeneren Steifigkeiten.
131
V SCHEIBENSYSTEME Gebrauchstauglichkeit
IN DER GRUNDRISSEBENE
a) b)
Abbildung V-8 Kräfteverteilung Lastfalleinhüllende Windlasten a) BSP b) Mischsystem. Die Scheibenschubkräfte sind als
Zustandslinien dargestellt. Als Maß für die Beanspruchung der Scheiben wurde die Schubkraft auf die Länge der Scheiben
bezogen und farblich dargestellt.
In der Literatur findet sich häufig der Vorschlag und vereinzelt die Forderung, das gesamte Aussteifungssystem
in ein und derselben Bauweise auszuführen und entsprechend zu dimensionieren. Dies würde als dritte – hier
nicht dargestellte Variante – nochmals eine Erhöhung der Scheibenkräfte der innen liegenden BSP-Wände um
etwa 20 % bewirken.
Die Einschätzung und Untersuchung von Steifigkeitsvariationen ist dem Tragwerksplaner überlassen. Im Sinne
von Tragreserven und der Redundanz des Systems ist stets abzuwägen, welche Überfestigkeiten im System er-
wünscht sind und welche Einsparungen durch Reduktion auf Mindestverbindungen der weniger steifen Scheiben
möglich sind.
132
Gebrauchstauglichkeit SCHEIBENSYSTEME V
IN DER GRUNDRISSEBENE
133
KAPITEL VI
KAPITEL VI
SCHEIBENSYSTEME
ALS RÄUMLICHER ERSATZSTAB
135
VI SCHEIBENSYSTEME Allgemeines /
ALS RÄUMLICHER ERSATZSTAB Querschnittswerte
VI.1 ALLGEMEINES
Im Abschnitt I.4 wurde die Modellbildung für Hochbauten im Holzbau behandelt. Dabei ließ sich erkennen, dass
sich das Objekt meist in ebene Teilsysteme im Grundriss und im Aufriss zerlegen lässt. Die linearen Verfahren
zum Nachweis der Tragfähigkeit im Fall von Erdbeben können bei entsprechender Regelmäßigkeit des Gebäudes
über die Kombination aus Betrachtung der Grundrissebene und ebenen Ersatzstäben angewendet werden.
Effekte durch die Torsionssteifigkeit und aus Unregelmäßigkeiten im Aufriss können in der Regel über einen
räumlichen Stab abgebildet werden. Nichtlineare Berechnungsverfahren erfordern eine räumliche Modellierung
des Tragwerks als Stab- oder Flächentragwerk.
Das Stabmodell hat die Schubnachgiebigkeiten zu berücksichtigen. Die Schubsteifigkeiten aus der Grundriss-
betrachtung stellen die Schubsteifigkeiten Schubflächen mal Schubmodul in die zwei horizontalen Richtungen
und die Torsionsträgheitsmoment mal Schubmodul dar. Für die räumliche Betrachtung sind zusätzlich die Quer-
schnittswerte für die Dehnsteifgkeit (Fläche mal E-Modul) in vertikale Richtung und die Biegesteifigkeit um zwei
Achsen (Trägheitsmomente mal E-Modul) notwendig.
Für lineare Verfahren wird von linear-elastischen Fugensteifigkeiten ausgegangen. Die Dehnsteifigkeit der einzel-
nen Wände wird für Wanddruck aus ihrer jeweiligen Wand-Grundrissfläche ermittelt, ohne allfällige Zugdehnun-
gen der Verbindungsmittel zu berücksichtigen. Die Einflüsse aus Wölbkrafttorsion werden meist vernachlässigt,
da der Einfluss der Deckensteifigkeit im Holzbau nicht vollständig geklärt ist. Heller und Hartmann 2010 beschrie-
ben zugehörige Rechenansätze für ein, gegenüber Abschnitt V.2, erweitertes Weggrößenverfahren. Das System
wird um die Verformungsgrößen u z, φ x und φ y erweitert. Die Einflüsse der Deckenplatte und ihre Nachgiebigkeit
in vertikale Richtung aus Wölbkrafteffekten macht im Stahlbetonbau etwa 25 % bis 60 % aus. Dadurch werden
die horizontalen Beanspruchungen reduziert und vertikale Beanspruchungen erhöht.
VI.2 QUERSCHNITTSWERTE
Die Steifigkeit der Wandscheiben in vertikale Richtung wird auf den Mittelpunkt bezogen und ergibt sich zu
(VI.1)
136
Querschnittswerte SCHEIBENSYSTEME VI
ALS RÄUMLICHER ERSATZSTAB
mit
h Höhe der Wandscheibe
E i A i Dehnsteifigkeit der tragenden Hölzer in vertikale Richtung (Steher bzw. stehende lagen von
Brettsperrholzwänden).
(VI.2)
(VI.3)
mit
xi und yi als Mittelpunktskoordinaten der Wandscheibe i.
(VI.4)
(VI.5)
d) Steifigkeiten
(VI.6)
(VI.7)
(VI.8)
137
VI SCHEIBENSYSTEME Querschnittswerte
ALS RÄUMLICHER ERSATZSTAB
Materialkennwerte:
E = 1
G = 1
(VI.9)
138
Querschnittswerte SCHEIBENSYSTEME VI
ALS RÄUMLICHER ERSATZSTAB
139
ANHANG
ANHANG A
141
A ANHANG Statisch unbestimmte Berechnung
gekoppelter Wandscheiben
ANHANG A
Mittels statisch unbestimmter Rechnung soll der Einfluss der Schubnachgiebige Fuge berücksichtigt werden.
Auf die Formänderung aus der Biegesteifigkeit der vertikalen Fuge wird in erster Näherung verzichtet. Ebenfalls
näherungsweise wird die Länge l des Scheibensystems gleich dem Abstand der Zug-Druck-Kräfte lA angesehen,
um die Formeln einfach zu halten.
142
Statisch unbestimmte Berechnung ANHANG A
gekoppelter Wandscheiben
Wird von Schubstarren und Biegestarren Wandscheiben ausgegangen, so gilt für Fugen-
steifigkeiten höher als der Steifigkeit des Zugankers , dass in Auflager B keine Druckkraft mehr wirkt
und das System der beiden Einzelscheiben als eine Scheibe angesehen werden kann. Die Steifigkeit wird
entsprechend dem zusätzlichen Term errechnet.
Das ergibt die Gesamtverformung des Wandscheibenpaares zu, wie in Abschnitt III.3.7 angeführt.
143
LITERATURVERZEICHNIS
LITERATURVERZEICHNIS B
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NOTIZEN
150
NOTIZEN
151
Österreichischer
Ingenieurholzbauverband (IHBV)
Vorsitzender DI (FH) Holzbaumeister Johannes Lederbauer
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1030 Wien, Austria
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