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Kapitel 8:

Soziolinguistik: Soziale Variation im Deutschen


Überblick:
 Soziolekte: Gastarbeiterdeutsch, Jugendsprache, Fachsprachen
 Deutsch im Sprachkontakt
 Geschlechtsneutralität
 Anglizismen
 Höflichkeit

8.1 Einführung

Im letzten Kapitel haben wir die regionale Variation im Deutschen untersucht. Es gibt
aber auch andere Arten von Variation, die nicht regional beschränkt sind. Die Untersuchung von
Varietäten, die eher sozial als regional differenziert werden, heißt Soziolinguistik. Varietäten,
die von bestimmten sozialen Gruppen gesprochen werden, heißen Soziolekte (Teil 8.2). Einige
Sprecher können sogar zwischen unterschiedlichen Sprachen wählen, vor allem in
mehrsprachigen Regionen (8.3). Andere soziolinguistische Themen werden in Teil 8.4 behandelt.

8.2 Soziolekte

Ein Soziolekt ist eine Varietät der Sprache, die von einer bestimmten Gruppe benutzt
wird. Soziolekte unterscheiden sich von Dialekten, in dem sie nicht unbedingt zu einer gewissen
Region gehören, sondern zu einer sozialen Gruppe (die regional oder überregional sein kann).
Ein Beispiel von einem regional beschränkten Soziolekt ist die Seemannssprache, die sich auf
das Niederdeutsch basiert aber ihren eigenen Fachwortschatz hat. In diesem Teil untersuchen wir
Soziolekte, die nicht regional gebunden sind, nämlich das Deutsche der Einwanderer (und ihre
Kinder), die Jugendsprache, und die Fachsprachen der Linguisten und Juristen.

8.2.1 Gastarbeiterdeutsch und Kiezdeutsch

In den 1960er und 1970er kamen viele Migranten aus Griechenland, Italien, Jugoslawien
und der Türkei als sogenannte Gastarbeiter nach Westdeutschland. Sie mussten schnell und
meistens ohne Unterricht Deutsch lernen, woraus sich eine Varietät namens
Gastarbeiterdeutsch entwickelte. Gastarbeiterdeutsch ist eine Überbrückungssprache für
Menschen, die zu Hause ihre Muttersprache sprechen, aber am Arbeitsplatz mit ihren
Mitarbeitern Deutsch sprechen müssen.
Obwohl Gastarbeiterdeutsch sich stark von Sprecher zu Sprecher unterscheiden kann,
gibt es die folgenden Tendenzen.1 Erstens fehlen Funktionswörter wie Artikel, Präpositionen und
das Verb sein. In (1b) fehlt sogar das Verb bekommen:

                                                       
1
Merkmale und Beispiele des Gastarbeiterdeutsch aus Fagan (2009: 269-271).
Sapp, Einführung in die deutsche Linguistik, Kap. 8 

(1) a. Das Rinus. (=Das ist der Rhein.)


b. Krankenkasse viel Geld. (=Von der Krankenkasse bekommt man viel Geld.)

Zweitens bleiben Verben (2a) und Adjektive (2b) oft unflektiert:

(2) a. Ich habe gut sprechen.


b. Ein gut Kostum.

Drittens ist die Wortfolge oft Subjekt-Verb-Objekt (3a-b), und trennbare Präfixe werden nicht
vom Verb getrennt (3b):

(3) a. Aber er wollte nix mache neue Fabrik.


b. Jetzt diese ältere Leute rausmachen.

In (3a) sieht man auch, dass nix in negativen Sätzen allgemein benutzt wird, wo man im
Standarddeutschen zwischen nicht, nichts, nie und kein wählen muss. (Sie können jetzt Übung 1
versuchen.)
In den letzten Jahren haben Linguisten bemerkt, dass die in Deutschland geborenen
Kinder von Migranten eine neue Varietät sprechen. Diese Varietät wird manchmal Kanak Sprak
genannt, aber dieser Begriff hat negative Konnotationen und impliziert, dass es nur von
Menschen mit Migrationshintergrund gesprochen wird.2 Ein neuerer Name dafür ist
Kiezdeutsch, von dem berlinerischen Wort Kiez „Stadtteil“.3 Der Name Kiezdeutsch ist eher
positiv und impliziert nicht, dass es nur von Menschen mit einem bestimmten Hintergrund
benutzt wird. Kiezdeutsch wird von jüngeren Menschen aller Ethnizitäten (auch ohne
Migrationshintergrund) gesprochen, vor allem in Stadtteilen mit einer hohen Anzahl von
Einwanderern.
Während Gastarbeiterdeutsch eine Überbrückungsprache für ausländische Arbeiter ist, ist
Kiezdeutsch eine erste Sprache für Menschen, die in Deutschland aufgewachsen sind. Eine
Eigenschaft von Kiezdeutsch ist eine Anzahl von Entlehnungen aus Türkisch (Lan ‚Mann‘) und
Arabisch (wallah ‚echt‘, ursprünglich ‚und Allah‘). Allerdings wird die Aussprache und Flexion
dieser Wörter eingedeutscht und sie werden auch von Sprechern verwendet, die kein Türkisch
oder Arabisch können. Zweitens fehlen viele Funktionswörter wie der Artikel ein in (4a) und die
Präposition zum in (5a). Drittens bleiben einige Wörter unflektiert wie mein in (4b).

(4) a. Hast du Handy?


b. Das ist mein Schule.

Allerdings sind diese Abweichungen von der standardsprachlichen Grammatik viel begrenzter
als in Gastarbeiterdeutsch, wie man an den Funktionswörtern das, ist und mein sieht (4b), sowie
an den flektierten Verben ist und hast.
Viertens hat Kiezdeutsch neue grammatikalische Konstruktionen entwickelt. Eine
Konstruktion ist die Aufforderung mit einem Aufforderungspartikel lassma oder musstu:

                                                       
2
 “Kanake” ist ein Schimpfwort für Menschen mit Herkunft in Südeuropa oder im nahen Osten.
3
 Die folgende Beschreibung basiert sich auf dem Artikel von Wiese (2010). Noch ausführlicher ist Wieses Buch
(2012) und Internetseite http://www.kiezdeutsch.de/.

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Sapp, Einführung in die deutsche Linguistik, Kap. 8 

(5) a. Lassma Viktoriapark gehen!


b. Musstu hier anhalten!

Dass musstu wirklich ein Partikel ist und nicht einfach ein verschmolzenes musst du, erkennt
man an der Bedeutung, denn (5b) kann sowohl singular (‚halt hier an‘) als auch plural sein
(‚haltet hier an‘). Eine andere neue Konstruktion ist eine Verwendung von so, die es in der
Standardsprache nicht gibt:

(6) Ich hab meiner Mutter so Zunge rausgestreckt, so aus Spaß.

Hier ist so nicht ein Adverb (‚in dieser Weise‘) sondern ein Fokuspartikel: Es steht direkt vor der
wichtigsten Konstituente in jedem Teilsatz. Weil diese Konstruktionen nicht unter Einfluss einer
Fremdsprache entstanden sind, und weil die Sprecher des Kiezdeutschen nicht unbedingt eine
andere Sprache sprechen, kann man nicht sagen, dass Kiezdeutsch eine Mischsprache ist. Vielmehr
ist Kiezdeutsch eine Varietät des Deutschen, die von einer bestimmten sozialen Gruppe
gesprochen wird, also ein Soziolekt. (In Übung 2 können sie weitere Beispiele von Kiezdeutsch
untersuchen.)

8.2.2 Jugendsprache

Der Soziolekt vieler Jugendlichen heißt die Jugendsprache. Charakteristisch für die
Jugendsprache ist Slang, Vokabeln die schnell in die Mode kommen und dann aus der Mode
wieder gehen. Slang wird verwendet, um zu zeigen, dass man zu der sozialen Gruppe gehört, und
um ältere Leute auszuschließen. Es gibt viele Ausdrücke für Themen, die vor allem Jugendliche
interessieren, wie „betrügen,“ „in der Schule abwesend
sein,“ „Alkohol,“ „Junge,“ „Lehrer/Lehrerin,“ Mini‐Übung:   
„Mädchen,“ usw. Diese Ausdrücke sind oft Wörter aus Denken Sie an Slang in Ihrer 
dem normalen Wortschatz aber mit einer Muttersprache. Gibt es ähnliche 
Bedeutungsveränderung, z.B. Hase als Bezeichnung für Tendenzen wie im Deutschen?   
„Mädchen“. Einige Ausdrücke der früheren
Jugendsprache sind jetzt allgemein bekannt, wie prima und geil (im Sinne ‚cool’).
Die Jugendsprache (genau wie die Standardsprache) kann auch neue Wörter durch
Präfigierung (7), Suffigierung (8), Komposition (9) und Reduktion (10) bilden:4

(7) a. verchecken, verdackeln (‚vergessen’), verarschen, vereiern (‚jemanden betrügen’)


b. abbohren, abklauen, absaugen (‚abschreiben, betrügen’)
c. Mega-Deal, superlustig, ultra-geil

(8) a. Dösi (‚schläfriger, Tagträumer’), laschi (‚langweilig’), Schnucki (‚Liebling’)


b. peino (,peinlich’), Karriero (‚karriereorientierter’), Buletto (‚mag Buletten’)

(9) a. Stummellutscher (‚Raucher’)


b. Rhythmuspräsident (‚Schlagzeuger’)
c. Bienenschwarm (‚Gruppe von Mädchen’)

                                                       
4
 Beispiele in diesem Teil aus Russ (1994: 48-52), Fagan (2009: 263-264) und Kessel & Reimann (2012:145).

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Sapp, Einführung in die deutsche Linguistik, Kap. 8 

(10) a. Alk (‚Alkohol’)


b. funzen (‚funktionieren’)
c. Stino (‚stinknormaler’)

Ein anderes Merkmal der Jugendsprache ist die große Anzahl an Anglizismen, d.h.
Entlehnungen aus dem Englischen. Es gibt auch Anglizismen in der Standardsprache (s. 8.4.2
unten) aber die jugendsprachlichen Anglizismen zeigen oft die Bedeutungsveränderungen (11a-
b) und Wortbildungsprozesse (11b), die für die Jugendsprache typisch sind:

(11) a. Supporter (‚Eltern oder andere, die mich finanziell unterstützen’)


b. abgespaced (‚verrückt, abgefahren’)

Auch typisch für die Jugendsprache ist die Verwendung von Intensifikatoren (oder
Gradadverbien), d.h. Adverbien, die ein Adjektiv verstärken. Beispiele von standardsprachlichen
Intensifikatoren sind ganz und sehr. In der Jugendsprache gibt es viele weitere Intensifikatoren
wie echt, total, voll und sogar porno. Die Jugendsprache erlaubt mehr als einen Intensifikatoren
vor einem Adjektiv (12a) und erlaubt auch Intensifiers vor NPs (12b):

(12) a. Die Leute sind echt total nett.


b. Das ist total der Beschiss ...

(Versuchen Sie jetzt Übung 3 und Übung 4.)

8.2.3 Fachsprachen

Während die meisten Soziolekte als Kennzeichnung einer sozialen Identität


funktionieren, werden die Fachsprachen in bestimmten Berufen benutzt, um technische
Informationen zu vermitteln. Die Fachsprachen unterscheiden sich vor allem durch neue Wörter,
die durch Entlehnung oder Komposition entstehen, und durch Wörter, die in anderen Varietäten
benutzt werden aber in der Fachsprache eine andere Bedeutung haben.
Nehmen wir die linguistische Fachsprache als Beispiel.5 Neben einheimischen, deutschen
Begriffen wie Laut gibt es viele Fremdwörter wie Phonem und Allophon. Grammatikalische
Begriffe wie Hauptsatz und Verbzweitsatz sind Komposita. Das Wort Stamm bedeutet
normalerweise den Teil eines Baumes ohne Zweige, aber in der Linguistik bedeutet es eine
Wortform ohne Prä- oder Suffixe. (Weitere Beispiele von fachsprachlichen Begriffen in der
Linguistik können Sie in Übung 5 untersuchen.)
Es gibt auch gewisse grammatikalische Konstruktionen, die häufiger in Fachsprachen
erscheinen als in alltäglicher Sprache.6 Eine solche Konstruktion ist Nominalisierung, wo eine
Phrase mit einem Verb (der Umlaut fehlt) zu einer Nominalphrase wird (das Fehlen des
Umlauts). Andere häufige Konstruktionen sind der Passiv, Infinitivsätze mit um...zu und
erweiterte Adjektivkonstruktionen (wie der im Nachfeld stehende Nebensatz).
Eine sehr bekannte Fachsprache des Deutschen ist die Fachsprache der Juristen. Der
folgende Satz (aus dem deutschen Arbeitsgerichtsgesetz7) besteht aus einem Hauptsatz (Vor die
                                                       
5
 Einige Beispiel aus Russ (1994: 43).
6
 Russ (1994: 43-44). 
7
 Zitiert in Kessel & Reimann (2012:143). 

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Sapp, Einführung in die deutsche Linguistik, Kap. 8 

Gerichte ... gebracht werden) und einem sehr komplexen Nebensatz, der selber aus zwei Teilen
besteht:

(13) Vor die Gerichte für Arbeitssachen können auch nicht unter die Absätze 1 und 2 fallende
Rechtsstreitigkeiten gebracht werden, wenn der Anspruch mit einer bei einem
Arbeitsgericht anhängigen oder gleichzeitig anhängig werdenden bürgerlichen
Rechtsstreitigkeit der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Art in rechtlichem oder
unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang steht und für seine Geltendmachung nicht
die ausschließiche Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist.

Die Fachsprache der Juristen können Sie in Übung 6 weiter analysieren.

8.3 Deutsch im Sprachkontakt

8.3.1 Mehrsprachigkeit in Deutschland8

Das deutsche Bundesministerium des Innern erkennt fünf Minderheitssprachen in


Deutschland an: Dänisch, Friesisch, Niederdeutsch, Romanes und Sorbisch. Fast alle Sprecher
dieser Minderheitssprachen können auch Hochdeutsch. Dänisch wird in der Region Schleswig in
zweisprachigen Schulen unterrichtet und wird dort von vielleicht 50.000 Menschen gesprochen.
Nordfriesisch wird an der Nordseeküste und Inseln von Schleswig von ungefähr 10.000
Menschen gesprochen und Saterfriesich ist die Sprache von 2.000 Einwohner des Saterlands.9
Die Regionalsprache Niederdeutsch (oder Plattdeutsch) wird von fast 3 Millionen gut
gesprochen und von Millionen anderen verstanden. Während Dänisch, Friesisch und
Niederdeutsch germanische Sprachen sind, ist Romanes eine indoarische Sprache (mit Sanskrit
und Hindi verwandt). Romanes ist die Sprache der Sinti und Roma mit 70.000 Sprechern in ganz
Deutschland. Sorbisch ist wie Tschechisch und Polisch eine slawische Sprache und hat vielleicht
30.000 Sprecher in Brandenburg und Sachsen.

                                                       
8
 Informationen von dem Bundesministerium des Innern (http://www.bmi.bund.de) und dem Statistischen
Bundesamt (http://www.destatis.de). Österreich hat eine ähnliche Sprachsituation, mit den einheimischen
Minderheitssprachen Kroatisch, Romanes, Slowensich und Ungarisch sowie Sprachen der neueren Einwanderer.
9
 Ein dritter friesischer Dialekt, das Westfriesische, wird von fast eine halbe Million Menschen in den Niederlanden
gesprochen.

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Sapp, Einführung in die deutsche Linguistik, Kap. 8 

Abb. 1: Minderheitssprachen in Deutschland (http://www.bmi.bund.de).

Wegen der Anzahl von Minderheitssprachen in Schleswig kann die Sprachsituation dort
manchmal recht kompliziert sein. Stevenson (1997: 35) diskutiert als Beispiel die Sprachwahl
von einer nordfriesischen Familie. Die Mutter und der Vater sprechen Niederdeutsch mit
einander aber Standarddeutsch mit ihren Kindern. Die Kinder sprechen Standarddeutsch mit
einander, Niederdeutsch mit den Eltern, und Standarddeutsch mit ihrer Großmutter aber
Friesisch mit dem Großvater. Mit dem Onkel und den Kusinen sprechen alle Friesisch, aber sie
sprechen Niederdeutsch mit der Tante!
Neben der einheimischen Minderheitssprachen gibt es natürlich auch die Sprachen der
Einwanderer. 2011 lebten in Deutschland fast 7 Millionen Menschen mit ausländischem Pass.
Die größte Gruppe sind aus der Türkei (1.6 Millionen), aber es gibt viel mehr Einwanderer aus
den EU-Ländern (2.6 Millionen), worunter die größten Gruppen aus Italien, Polen, Griechenland,
und Österreich kommen. Andere kommen aus Asien (855.000), Osteuropa (halbe Million),
Afrika (276.000) und Nord- und Südamerika (224.000). Viele dieser Menschen beherrschen
mehr als eine Sprache. (Sie können jetzt Übung 7 machen.)

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Sapp, Einführung in die deutsche Linguistik, Kap. 8 

Zweisprachigkeit kann zu Code-switching führen, in dem man mitten im Gespräch von


einer Sprache zur anderen wechselt. Hinnenkamp (2010) gibt das folgende Beispiel, in dem ein
zweisprachiger Sprecher eine Geschichte auf Türkisch erzählt. Als er seinen Freund Matthias
zitiert, wechselt er ins Deutsche, und er ahmt sogar Matthias’ schwäbischen Akzent nach. Diese
schwäbischen Zitate werden jedoch mit dem türkischen Wort diyo ‚er sagt’ eingeleitet:

(14) İndim, Sema’yı arıyom bakıyom. Bi baktım Matthias’ı diyor: „Hey, kannsch du mi’
mitnehmen?“ Is’n Freund von mir, mit dem ich früher inner Klasse war. „He, kannschte
mi’ mitnehmen?“, diyo, „I hab niemand“, diyo, „sonst muss ich mit’m Bus oder mit der
U-Bahn . . .“

Der Sprecher erklärt, wer Matthias ist, auf Deutsch. Warum? (Ein anderes Beispiel von Code-
switching können Sie in Übung 8 analysieren.)

8.3.2 Mehrsprachige Länder: die Schweiz und Luxemburg

Es gibt drei europäische Länder, in denen Deutsch eine von vielen offiziellen Sprachen
ist: Belgien, Luxemburg und die Schweiz. Da Deutsch in Belgien von einer sehr kleinen
Minderheit gesprochen wird, konzentriert sich die folgende Diskussion auf die Schweiz und
Luxemburg.
Die Schweiz, mit 7.3 Millionen Einwohner, hat vier offizielle Sprachen.10 Die größte
Anzahl der Schweizer (64%) sprechen einen Dialekt des Deutschen als Muttersprache.
Französisch wird im Westen des Landes von 20% der Schweizer gesprochen. Südlich der Alpen
sprechen fast eine halbe Million Menschen (6.5%) Italienisch. Seit 1996 gibt es eine vierte
offizielle Sprache, Rätoromanisch (oder Rumantsch). Rätoromanisch ist eine romanische
Sprache wie Französisch und Italienisch und wird von 35.000 Menschen (weniger als 1% der
Schweizer Bevölkerung) gesprochen. Rätoromanisch wird nur im Kanton Graubunden
gesprochen und alle erwachsenen Sprecher können auch Deutsch.

                                                       
10
 Daten von Statistik Schweiz, http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/en/index/themen/01/05/blank/key/sprachen.html.

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Sapp, Einführung in die deutsche Linguistik, Kap. 8 

Abb. 2: Die vier Sprachen der Schweiz (http://commons.wikimedia.org/wiki/File:KARTE_schweiz_sprachen.png)

Luxemburg hat drei offizielle Sprachen: Deutsch, Französisch und Luxemburgisch. Die
Muttersprache der meisten Luxemburger ist der mitteldeutsche Dialekt Luxemburgisch. Wegen
seiner Lage zwischen Belgien, Deutschland und Frankreich waren bis 1984 sowohl Deutsch als
auch Französisch die offiziellen Sprachen. Seit 1984 ist Luxemburgisch auch eine offizielle
Sprache und ist sogar die einzige Nationalsprache des Landes. Luxemburgisch wird in der
Schule unterrichtet und im Radio und Fernsehen benutzt.
Während die Wahl zwischen Sprachen in der Schweiz hauptsächlich geographisch ist,
gibt es im kleinen Luxemburg keine regionalen Unterschiede, weil alle Luxemburger alle drei
offiziellen Sprachen beherrschen. Vielmehr ist die Sprachwahl nach Situation bedingt. Stevenson
(1997: 36-37) gibt das Beispiel von der Sprachwahl im Gericht. Der Richter spricht
Luxemburgisch mit dem Angeklagten und mit den Zeugen. Der Richter und die Anwälte
sprechen Französisch mit einander. Der Richter liest das Urteil auf Deutsch oder Französisch und
erklärt dem Angeklagten das Urteil noch einmal auf Luxemburgisch. Das ganze Verfahren wird
auf Deutsch abgeschrieben.
Deutsch wird auch in anderen europäischen Ländern von einer Minderheit gesprochen.11
Der italienischen Provinz Südtirol/Alto-Adige gehörte früher zu Österreich und hat 290.000
Sprecher des Deutschen. Deutsch ist mit Italienisch eine offizielle Sprache im Provinz. Deutsch
hat auch offiziellen Status als Regionalsprache in Süddänemark. Obwohl es ungefähr eine
Million Muttlersprachler eines deutschen Dialekts (Lothringer Platt und Elsässisch) im östlichen
Frankreich gibt, hat das Deutsche in Frankreich keinen offiziellen Status, auch nicht auf
regionaler Ebene.

                                                       
11
 Daten von http://ec.europa.eu/languages/euromosaic/euromosaic-study_en.htm.

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Sapp, Einführung in die deutsche Linguistik, Kap. 8 

8.4 Andere Themen in der Soziolinguistik

8.4.1 Geschlechtsneutralität

Die Soziolinguistik untersucht nicht nur die sozialen Varietäten einer Sprache, sondern
kann auch kritisieren, wie die Sprache in der Gesellschaft benutzt wird. Ab den 1970er Jahren
wird vor allem kritisiert, wie die Struktur des Deutschen männliche Formen privilegiert und
dadurch Frauen einen sekundären Status gibt. Fagan (2009: 256) gibt einige Beispiele, wo die
ältere Formen gegen Frauen diskriminieren:

(15) a. Herr Meier mit Frau


b. Fräulein Sell Mini‐Übung:   
c. Bundespräsident Scheel und Ehefrau Mildred Was ist diskrimierend an 
d. An die Familie Peter Dörsch den Formen in (15)? 
e. Sehr geehrte Herren Geben Sie eine 
f. der Glaube unserer Väter geschlechtsneutrale 
g. Weiblicher Kaufmann gesucht Alternative für jede. 
h. der Kontoinhaber

Im Plural besteht ein ähnliches Problem. Traditionell galt die mask.pl. Form als
geschlechtsneutral, also die Lehrer konnte eine gemischte Gruppe von Lehrern und Lehrerinnen
sein. Jedoch gilt diese Verwendung der mask.pl. einerseits als unklar (bezieht es sich in diesem
Fall nur auf männliche Lehrer oder auf Lehrer und Lehrerinnen?) und andererseits als sexistisch,
weil Frauen nicht explizit erwähnt werden.
Eine geschlechtsneutrale Möglichkeit ist ein abstraktes Wort zu benutzen, das weder auf
Männer noch Frauen deutet, wie die Lehrkraft (pl. die Lehrkräfte). Jedoch werden solche
Alternativen kritisiert, weil sie Frauen immer noch unsichtbar machen. Eine besser Möglichkeit,
geschlechtsneutral zu schreiben, ist die Beidnennung:

(16) a. Lehrerinnen und Lehrer


b. Lehrer(innen)
c. Lehrer/-innen
d. LehrerInnen

Nur die erste Art der Beidnennung (16a) wird vom


Duden empfohlen. (Sie können weitere Beispiele in Mini‐Übung:   
Übung 9 analysieren.) Was sind die Vor‐ und Nachteile 
Zum Schluss gibt es der Strategie der „totalen
von den geschlechtsneutralen 
Feminisierung“, in der die weiblichen Formen als die
Formen in (16)? Welche werden in 
geschlechtsneutralen Formen gelten. Stevenson (1997:
158) nennt zwei Beispiele: Im Rathaus der Stadt der gesprochen Sprache benutzt? 
Rostock sind alle Titel feminin, also die
Bürgermeisterin kann eine Frau oder ein Mann sein. Das zweite Beispiel ist von der Universität
Hamburg und behandelt die feminine Form als Normalfall und die maskuline Variante quasi als
Ausnahme:

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Sapp, Einführung in die deutsche Linguistik, Kap. 8 

(17) Der Fachbereich Informatik verleiht den Grad einer Doktorin - bei männlichen
Kandidaten den Grad eines Doktors - der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.).

8.4.2 Anglizismen

Ein sehr bekanntes Thema in der Soziolinguistik ist die hohe Anzahl der Anglizismen,
d.h. Lehnwörter aus dem Englischen. Obwohl die Verwendung von Anglizismen ein wichtiges
Merkmal der Jugendsprache ist, werden Anglizismen häufig in anderen Varietäten benutzt, auch
in der Standardsprache. Die Anzahl von Anglizismen wie Band, Jeans und Teenager stieg sehr
schnell nach dem zweiten Weltkrieg durch dein Einfluss der populären Kultur Großbritaniens
und Nordamerikas. Nicht nur einzelne Wörter werden entlehnt: Es gibt auch
Lehnübersetzungen, in der deutsche Wörter benutzt werden, um ein englisches Kompositum zu
übersetzen, wie Taschenbuch (von pocket book) und Einkaufszentrum (von shopping center) und
Luftbrücke (teilweise von air-lift). Ein schon existierendes deutsches Wort kann auch eine neue
Bedeutung bekommen (Lehnbedeutung); beispielsweise bedeutete realiserien ursprünglich nur
‚verwirklichen‘, aber durch den Einfluss von realize wird es von manchen Sprechern auch in der
Bedeutung ‚merken‘ benutzt. In den letzten 20 Jahren ist die Anzahl von Anglizismen drastisch
gestiegen, vor allem in der Werbung (18a) und in der Technologiebranche (18b).12

(18) a. Miles & More führt ein flexibleres Upgrade-Verfahren ein: mit dem neuen
Standby oneway Upgrade-Voucher kann direkt beim Check-in das Ticket
aufgewertet werden.
b. In der Pipeline ist das Upgrade eines Kalibrationskits für Proofscreenmonitore
und als Highlight ein Digitizer für CAD-Applikationen.

Einige Lehnwörter werden in der Rechtschreibung (Streik) oder Morphologie (der


Computer, pl. die Computer, nicht *die Computers) eingedeutscht. Andere Anglizismen bleiben
unassimiliert, außer in der Aussprache (Jazz). Einige Anglizismen bekommen eine neue neue, oft
spezifischere Bedeutung, z.B. Drink ist ein alkohlischer Getränk (wo engl. drink einfach
‚Getränk‘ bedeutet) und Rowdy ist ein Nomen (wo engl. rowdy meist ein Adjektiv ist). In Übung
10 können Sie andere Unterschiede zwischen Anglizismen und ihren englischen Äquivalenten
untersuchen.
Zum Schluss gibt es eine Reihe von Pseudo-Anglizismen, d.h. Wörter, die wie englische
Wörter aussehen aber eigentlich nicht auf Englisch benutzt werden, wie Dressman, Showmaster
und Handy.

                                                       
12
 Beispiele aus Fagan (2009: 274-275) und Stedje (1997: 29).

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Sapp, Einführung in die deutsche Linguistik, Kap. 8 

8.6 Übungen
 
Übung 1: Sehen Sie den folgenden Ausschnitt aus dem Film Angst essen seele auf (1974)13 und
identifizieren Sie die Merkmale von Gastarbeiterdeutsch in Salems Rede:
Salem: Du tanzen mit mir? 
Emmi: Wie bitte? Tanzen? 
Salem: Ja. Du allein sitzen, makt viel traurig. Allein sitzen nikt gut. 
Emmi: Warum eigentlich nicht. Obwohl ich hab‘ mindestens 20 Jahre nicht mehr getanzt.  
       Eher mehr. Vielleicht kann ich gar nicht mehr tanzen. 
Salem: Makt nix. Tanzen ganz langsam. [Sie gehen auf die Tanzfläche] 
Emmi: Wo kommen Sie den her? 
Salem: Klein Stadt in Marokko, Tismit. 
Emmi: Ach, Marokko. 
Salem: Ja, viel schön. Aber nix Arbeit. 
Emmi: Sie sprechen aber gut deutsch. Sind Sie schon lange hier? 
Salem: Zwei Jahre. Immer viel arbeiten. 
Emmi: Ich habe auch viel Arbeit. Arbeit ist das halbe Leben. 
Salem: Du nix Mann, verheiratet? 
Emmi: Mein Mann ist tot. Schon lange. Was arbeiten Sie denn? 
Salem: Mit Autos. Ganze Tag. Immer. 
Emmi: Und abends gehen Sie dann hierher? 
Salem: Ja, hat schön Musik. Viele Kollega Arabisch, weiß nikt andere Platz. Deutsch mit  
Arabisch nikt gut. 
  Emmi: Warum? 
  Salem: Weiß nikt. Deutsch mit Arabisch nikt gleiche Mensch. 
  Emmi: Aber am Arbeitsplatz? 
  Salem: Nicht gleich. Deutscher – Herr. Arabisch – Hund. 
  Emmi: Aber das... 
Salem: Egal. Nix viel denken – gut. Viel denken – viel weinen. 
 
Übung 2: Schauen Sie die folgenden Beispiele von Kiezdeutsch an.14 Welche Eigenschaften von
Kiezdeutsch werden hier dargestellt?
a. Ey, rockst du, lan, Alter. 
b. Gibs auch 'ne Abkürzung. 
c. Ischwör, Alter, war so. 
d. Wir sind jetzt neues Thema. 
e. Ich werde zweiter Mai fünfzehn. 
f. Also mein Schule ist schon längst fertig. 
g. Was denn los hier? 
 

                                                       
13
 Aus Stevenson (1997: 165-166).
14
 Von www.kiezdeutsch.de

142
 
Sapp, Einführung in die deutsche Linguistik, Kap. 8 

Übung 3: Unten sehen Sie eine Liste von Vokabeln aus der Jugendsprache der 1950er und
1960er Jahre.15 Welche werden noch in der heutigen Jugendsprache benutzt? (Wenn sie keine
persönliche Erfahrung mit der deutschen Jugendsprache haben, suchen Sie die Begriffe im
Internet.)
a. Baby, Biene, Bombe, Hase, Puppe, Zahn (‚Mädchen’) 
b. Alleswisser, Drummler, Klassenschreck (‚Lehrer’) 
c. bohren, büffeln, jobben, ochsen, pauken, strebern (‚lernen’) 
d. dufte, prima, jumbig, posch, hip (‚cool’) 

Übung 4: Recherchieren Sie im Internet Beispiele von diesen Merkmalen der heutigen
Jugendsprache:   
a. Bedeutungsveränderung 
b. Wortbildung durch Präfigierung 
c. Wortbildung durch Suffigierung 
d. Wortbildung durch Reduktionen 
e. Komposition 
f. Anglizismen 
g. Intensifikatoren 

Übung 5: Fachsprache der Linguistik: Finden Sie Beispiele in diesem Buch (Kapitel 2-8) für die
folgenden Charakteristika der Fachsprache. (Herausforderung: Bei den Entlehnungen (a) stellen
Sie fest ob es einen einheimisch deutschen Begriff dafür gibt. Bei den Konstruktionen (d-g)
schreiben Sie die Phrasen oder Sätze durch einfachere Konstruktionen um.)
a. fachsprachliche Entlehnungen 
b. fachsprachliche Komposita 
c. allgemeine Vokabeln, die eine fachsprachliche Bedeutung haben 
d. eine Nominalisierung 
e. ein Passivsatz 
f. ein Infinitivsatz mit um ... zu 
g. eine erweiterte Adjektivkonstruktion 
 
Übung 6: Fachsprache der Juristen: Finden Sie Beispiele in dem folgenden Text für die
folgenden Charakteristika der Fachsprache. (Herausforderung: Schreiben Sie den Text durch
einfachere Konstruktionen und Vokabeln um.)
a. fachsprachliche Vokabeln 
b. Nominalisierungen 
c. Passiva 
d. erweiterte Adjektivkonstruktionen 

                                                       
15
 Von der Untersuchung von Küpper (1970), zitiert in Russ (1994: 49-50).

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Sapp, Einführung in die deutsche Linguistik, Kap. 8 

“Rotkappchen” auf Juristendeutsch16 
Als in unserer Stadt wohnhaft ist eine Minderjährige aktenkundig, welche infolge 
ihrer hierorts üblichen Kopfbedeckung gewohnheitsrecchtlich Rotkäppchen genannt zu 
werden pflegt . . .  
Vor ihrer Inmarschsetzung wurde die R. seitens ihrer Mutter über das Verbot betreffs 
Verlassens der Waldwege auf Kreisebene belehrt. Sie machte sich infolge Nichtbeachtung 
dieser Vorschrift straffällig und begegnete beim Überschreiten des diesbezüglichen 
Blumenpflückverbotes einem polizeilich nicht gemeldeten Wolf ohne festen Wohnsitz. Dieser 
verlangte in unberechtigter Amtsanmaßung. Einsichtnahme in den zum Transport von 
Konsumgütern dienenden Korb und traf zwecks Tötungsabsicht die Feststellung, daß die R. 
zu ihrer verwandten und verschwägerten Großmutter eilends war. 
Da bei dem Wolfe Verknappungen auf dem Ernährungssektor vorherrschend waren, 
beschloß er, bei der Großmutter der R. unter Vorlage falscher Papiere vorsprachig zu 
werden. Da dieselbe wegen Augenleidens krank geschrieben war, gelang dem Wolf die 
diesfällige Täuschungsabsicht, worauf  er unter Verschlingung der Bettlägrigen einen 
strafbaren Mundraub ausführteMundraub ausführte. 
 
Übung 7: Dänisch wird als Minderheitssprache in Deutschland von der Bundesregierung
gefödert. Andererseits werden Sprachen wie Italienisch, Russisch und Türkisch nicht als
Minderheitssprache offiziell anerkannt. Warum werden diese Sprachen von der Regierung
unterschiedlich behandelt? Ist dieser Unterschied fair?

Übung 8: Sehen Sie die folgenden Dialoge aus dem Elsaß an. In allen Fällen wird zwischen dem
Elsäßischen (einem Dialekt des Deutschen) und dem Französischen (der offiziellen Sprache im
Land) gewechselt. Versuchen Sie, diese Beispiele von Code-switching zu erklären. Warum
wählen diese Sprecherinnen und Sprecher in einigen Situationen Französisch und in anderen
Elsäßisch. (Nehmen Sie an, dass alle Personen zweisprachig sind.)17
 
Dialog A: In einem Kopierladen spricht ein älterer Kunde mit dem Inhaber des Ladens, 
während der Inhaber noch mit anderen Kunden handelt. 
Kunde:   Macha ma hundert fufztig. [Machen wir 150 (Kopien).] 
Inhaber:  Oui, d’accord. [Ja, einverstanden.] 
Kunde:   ... Nei, mach mir hundert fimfa sevetzig. [Nein, mach mir 175.] 
Inhaber:  Bon. [Gut.] 
 
Dialog B: Eine Dame besucht eine Bäckerei zum ersten Mal. 
Bäckerin:   Madame. [Meine Dame?] 
Kundin:  Donnez‐moi deux petits pains aux raisins. Vu dana runda.  
  [Fr.: Geben Sie mir zwei Rosinenbrötchen. Els.: Von den runden.] 
Bäckerin:   Die do? [Die da?] 
Kundin:  Nei, die dunda. [Nein, die drunter.] 
Bäckerin:   Oui, voilá, six francs, Madame. [Ja, bitte schön, 6 Francs, meine Dame.] 
                                                       
16
 Aus Stevenson (1997: 109-110).
17
 Aus Stevenson (1997: 39-40).

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Sapp, Einführung in die deutsche Linguistik, Kap. 8 

Kundin:  Merci, Madame. [Danke, meine Dame.] 
Bäckerin:   Au revoir, Madame. [Auf wiedersehen.] 
 
Dialog C: In einem Restaurant stößt eine Kundin gegen den Stuhl einer anderen Kundin am 
benachbarten Tisch. 
Erste Frau:   Oh, pardon, Madame.  
Zweite Frau:  Il n’y a pas de quoi, Madame. [Das macht nichts, meine Dame.] 
Erste Frau:   Ich ha gmeint ich bin an ehra Stüehl kumma.  
  [Ich dachte, ich bin gegen Ihren Stuhl gestossen.]  
Zweite Frau:  Ich ha nit gschpürt. [Ich habe nichts gespürt.] 
 
Übung 9: Schreiben Sie die folgenden Sätze um, damit sie geschlechtsneutral werden. Benutzen
Sie möglichst viele Alternative für jeden Satz.18
a. Wieviele Studenten leben in Heidelberg? 
b. Der Bundeskanzler wird nicht direkt vom Volk gewählt, sondern von den 
Bundestagsabgeordneten. 
c. Der Inhaber dieses Passes ist Deutscher. 
d. Jeder Passagier möge seinen Platz nehmen. 
 
Übung 10: Charakterisieren Sie die folgenden Anglizismen. In welchen Aspekten
(Rechtschreibung, Morphologie, Aussprache, Bedeutung) werden sie eingedeutscht? Welche
Unterschiede gibt es zu ihren englischen Äquivalentent.19 
a. der Bodybag 
b. der Boss 
c. die City 
d. das Doping 
e. das Fotoshooting 
f. der Layouter 
g. die Party 
h. der Schock 
i. der Slip 
j. das Soft‐Eis 
k. der Teenager 
l. der Trainer 
m. aufladen/runterladen 
n. babysitten 
o. recyceln 
p. cool 
q. fair 

                                                       
18
 Einige Beispiele aus Fagan (2009: 256).
19
 Beispiele aus Russ (1994: 254-259) und Fagan (2009: 277).

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Sapp, Einführung in die deutsche Linguistik, Kap. 8 

Weiterführende Literatur:

Fagan, Sarah M.B. 2009. German: A linguistic introduction. Cambridge, U.K.: Cambridge
University Press.
Hinnenkamp, Volker. 2010. Vom Umgang mit Mehrsprachigkeiten. Aus Politik und
Zeitgeschichte 2010 (8): 27-32.
[http://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/32943/sprache]
Kessel, Katja & Sandra Reimann. 2012. Basiswissen Deutsche Gegenwartssprache. Tübingen
und Basel: A. Francke.
Küpper, H. 1970. Wörterbuch der deutschen Umgangssprache, vol. VI: Jugenddeutsch von A bis
Z. Hamburg: Claassen.
Rein, Detlev B. & Ines Hilger (Hgg.). 2008. Regional- und Minderheitenssprachen in
Deutschland. Berlin: Bundesministerium des Innern.
Russ, Charles. 1994. The German Language Today: A Linguistic Introduction. London:
Routledge.
Stedje, Astrid. 2007. Deutsche Sprache Gestern und Heute. Paderborn: Fink.
Stevenson, Patrick. 1997. The German Speaking World: A practical introduction to
sociolinguistic issues. London: Routledge.
Wiese, Heike. 2010. Kiezdeutsch - ein neuer Dialekt. Aus Politik und Zeitgeschichte 2010 (8):
33-38. [http://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/32943/sprache]
Wiese, Heike. 2012. Kiezdeutsch: Ein neuer Dialekt entsteht. Beck.

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