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Fundamental-Konstanten der Atomphysik

im internationalen Einheitensystem (SI)


Nach: Physikal. Blätter 43 (1987) 397

Induktionskonstante µ0 = 4π · 10−7 V s A−1 m−1


= 1,256637 . . . · 10−6 V s A−1 m−1
Influenzkonstante ε0 = (µ0 c2 )−1
= 8,8541878 . . . · 10−12 V s A−1 m−1
Lichtgeschwindigkeit c = 2,99792458 · 108 m s−1
Boltzmann-Konstante k = 1,380658 · 10−23 J K−1
Faraday-Konstante F = 9,6485309 · 104 C mol−1
Elementarladung e = 1,6021773 · 10−19 C
Elektron-Ruhemasse m 0 = 9,1093897 · 10−31 kg
e
Spez. Elektronenladung = 1,75881962 · 1011 C kg−1
m0
Protonen-Ruhemasse m p = 1,6726231 · 10−27 kg
Plancksche Konstante h = 6,6260755 · 10−34 J s
h = h/2π = 1,0545887 · 10−34 J s
Rydberg-Konstante R∞ = 1,0973731534 · 107 m−1
Bohrscher Radius a0 = 0,529177249 · 10−10 m
Bohrsches Magneton µB = 9,2740154 · 10−24 A m2
Kernmagneton µK = 5,0507866 · 10−27 A m2
Compton-Wellenlänge des Elektrons λe = 2,42631058 · 10−12 m
Feinstruktur-Konstante α = 7,29735308 · 10−3
Avogadro-Konstante (Loschmidt-Zahl) NL = 6,022045 · 1023 Mol−1

Energie-Umrechnungstabelle s. hintere Einbandinnenseite


Springer-Lehrbuch
Moleküle als Sonden in der Biologie
Mit einem Fluorophor markierte Viren auf ihrem Infektionsweg in eine le-
bende Zelle, sichtbar gemacht mit Fluoreszenz-Einzelmolekül-Spektroskopie

Vier Viren sind mit je einem fluoreszenzfähigen Farbstoffmolekül markiert. Dieses wirkt wie eine molekulare
Lampe und erlaubt es, mit Hilfe der Einzelmolekülspektroskopie den Weg der markierten Viren mit hoher
Ortsauflösung (40 nm) und hoher Zeitauflösung (10 ms) sichtbar zu machen. Spur 1: Ein Virus diffundiert
in der Pufferlösung außerhalb der Zelle. Spur 2: Ein Virus diffundiert entlang der Zellwand und sucht dort
vergeblich einen Rezeptor zum Eindringen in die Zelle. Spur 3: Ein Virus ist sofort beim Auftreffen auf
die Zellwand in die Zelle eingedrungen. Spur 4: Ein Virus war bei Aufnahmebeginn bereits in der Zelle,
diffundiert zum Zellkern und gelangt vermutlich durch den Kernporenkomplex in den Zellkern. Siehe auch
Abschn. 21.4.3. Mehr dazu bei C. Bräuchle et al.: Science 294, 1929 (2001). Mit freundlicher Genehmigung.
Hermann Haken Hans Christoph Wolf

Molekülphysik
und Quantenchemie
Einführung in die experimentellen
und theoretischen Grundlagen

Fünfte, völlig neubearbeitete und erweiterte Auflage


Mit 308 Abbildungen, 43 Tabellen und 133 Aufgaben
Vollständige Lösungen im Internet unter
www.springer.de → Buchkatalog → 3-540-30314-6

123
Professor Dr. Dr. h.c. Hermann Haken
Universität Stuttgart
Institut für Theoretische Physik
Pfaffenwaldring 57
70550 Stuttgart
Deutschland

Professor Dr. Hans Christoph Wolf


Universität Stuttgart
Physikalisches Institut
Pfaffenwaldring 57
70550 Stuttgart
Deutschland

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Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.

ISBN-10 3-540-30314-6 5. Auflage Springer Berlin Heidelberg New York


ISBN-13 978-3-540-30314-5 5. Auflage Springer Berlin Heidelberg New York
ISBN 3-540-43551-4 4. Auflage Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des
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SPIN: 11547617 56/3111/YL - 5 4 3 2 1 0
Vorwort zur fünften Auflage

Wiederum wurde eine neue Auflage erforderlich. Wir haben dies genutzt, um den ge-
samten Text kritisch durchzuarbeiten. Außerdem haben wir neuen Entwicklungen Rech-
nung getragen. Die Untersuchung der spektroskopischen und elektrischen Eigenschaf-
ten einzelner Moleküle ist ein Gebiet, auf dem es weiterhin viele neue Ergebnisse gibt,
z. B. auch in Anwendungen auf Probleme der Biologie. Entsprechend haben wir hier
Neues aufgenommen (Kap. 21). Dasselbe gilt für das mit dem Oberbegriff Molekulare
Elektronik gekennzeichnete Forschungsgebiet zur Anwendung organischer Materialien
(Kap. 22). Des weiteren haben wir in mehreren Abschnitten die Grundzüge der Dichte-
Funktional Theorie dargestellt, da diese in der modernen Quantenchemie immer mehr
eine zentrale Rolle spielt. Hierzu trägt wesentlich ihre oft hervorragende Genauigkeit
und Ökonomie bei den Berechnungen bei.
Frau Petra Mayer danken wir für das sorgfältige Schreiben unserer Ergänzungen und
den Mitarbeitern des Springer-Verlags für die traditionell gute Zusammenarbeit.

Stuttgart, Oktober 2005 H. Haken · H. C. Wolf


Vorwort zur vierten Auflage

Das weiterhin große Interesse von Professoren und Studenten an diesem Lehrbuch ist
Anlass für die vorliegende neue Auflage. Wir benutzen die Gelegenheit, um die aktu-
ellen neuen Entwicklungen aufzunehmen. Besondere Fortschritte wurden bei den spek-
troskopischen und elektrischen Untersuchungen einzelner Moleküle gemacht. Deshalb
wird diesem Gebiet ein neues Kapitel (Kap. 21) gewidmet. Auch auf dem Gebiet der
Molekular-Elektronik und anderer Anwendungen gibt es wichtige Fortschritte. Daher
musste das bisherige Kap. 21 als neues Kap. 22 stark überarbeitet und erweitert wer-
den.
Um den Umfang des Buches nicht weiter anwachsen zu lassen, haben wir die Lösun-
gen zu den Übungsaufgaben herausgenommen. Diese sind nun über www.springer.de/
phys-de/lehrbuch/435514_ls.html zugänglich.
Den Herren C.-D. Bachem und Dr. H. J. Kölsch danken wir für die jederzeit sehr
erfreuliche Zusammenarbeit.

Stuttgart, März 2002 H. Haken · H. C. Wolf


Vorwort zur zweiten Auflage

Dank der überaus günstigen Aufnahme, die die 1. Auflage dieses Buches bei Dozen-
ten und Studenten fand, wurde bereits nach zwei Jahren eine Neuauflage erforderlich.
Wir haben diese Gelegenheit genutzt, um unser Lehrbuch weiterhin auf dem neuesten
Stand zu halten. Neben zahlreichen kleineren Verbesserungen haben wir die hochauflö-
sende Zweiphotonenspektroskopie sowie die Ultrakurzzeitspektroskopie mit aufgenom-
men. Als weiteres wichtiges, sehr modernes Gebiet findet die hochauflösende Photoelek-
tronenspektroskopie Berücksichtigung. Weiterhin stellen wir die optische Untersuchung
einzelner Moleküle in kondensierter Phase dar, wo es in der Tat gelungen ist, einzelne
Moleküle spektroskopisch zu untersuchen. Als weiteres neu aufgenommenes Gebiet sei
die Elektrolumineszenz genannt, wo es vielversprechende mögliche Anwendungen für
Leuchtdioden gibt.
Damit soll das Buch auch in Zukunft dem doppelten Zweck dienen, nämlich ei-
nerseits in die wohl etablierten Grundlagen des Gebietes einzuführen, andererseits aber
auch an die neuesten Forschungsergebnisse heranzuführen.
Kollegen und Studenten danken wir für eine Reihe wertvoller Verbesserungsvor-
schläge. Insbesondere möchten wir an dieser Stelle all den Kollegen danken, die uns
durch Bildvorlagen ihrer Forschungsergebnisse halfen, dieses Buch weiter zu verbes-
sern. Der Leser sei hier ausdrücklich auf die Quellenverweise, die sich bei den jeweili-
gen Abbildungen befinden, verwiesen. Es sei noch angemerkt, daß das vorliegende Lehr-
buch auf unser vorangegangenes Lehrbuch Atom- und Quantenphysik Bezug nimmt, das
in diesem vorliegenden Buch stets als I zitiert wird.

Stuttgart, November 1993 H. Haken · H. C. Wolf


Vorwort zur ersten Auflage

Das vorliegende Lehrbuch wendet sich an Studenten der Physik, der Physikalischen
Chemie und der Theoretischen Chemie. Dabei werden Grundkenntnisse der Atom-
und Quantenphysik vorausgesetzt, wie sie etwa in den ersten Kapiteln unseres Bu-
ches „Atom- und Quantenphysik“ vermittelt werden. Für den Physikstudenten wird
der Stoff vermittelt, der zum Grundwissen eines jeden Physikstudenten gehören sollte.
Der Student der Physik kann dabei auch ein Gefühl dafür bekommen, daß die Welt
der Moleküle groß und vielfältig und ein faszinierendes Zukunftsgebiet physikalischer
Forschung ist.
Für den Studenten der Chemie bedeuten die in diesem Buch vorgestellten Konzepte
das theoretische Grundgerüst für sein Fachgebiet. Mit diesem Konzept wird es wenig-
stens grundsätzlich möglich, den ungeheuren Erfahrungsschatz der Chemie auf wenige
Prinzipien, nämlich die der Quantentheorie, zurückzuführen. Weiterhin werden in der
Chemie moderne physikalische Methoden, deren Grundlagen in diesem Buch dargelegt
werden, immer wichtiger und stellen ein unverzichtbares Handwerkszeug dar. Als Bei-
spiele seien besonders die Strukturaufklärung komplizierter organischer Verbindungen,
die spektroskopische Untersuchung sehr schneller Reaktionsabläufe oder, aus der Pra-
xis, die Fernanalyse von Schadstoff-Immissionen genannt.
Das vorliegende Lehrbuch widmet sich zwei untrennbar miteinander verknüpften
Themenbereichen: der chemischen Bindung und den physikalischen Eigenschaften der
Moleküle. Beide Fragenkomplexe sind erst durch die Quantentheorie, die bereits bei der
Erklärung des Aufbaus von Atomen ihre Triumphe feiern konnte, grundsätzlich behan-
delbar geworden. Ist die Frage der chemischen Bindung vornehmlich mit dem Grundzu-
stand der Elektronen und dessen Energie in Abhängigkeit von den Kernabständen ver-
knüpft, so brauchen wir zur Erklärung der übrigen physikalischen Eigenschaften zumeist
auch die Anregungszustände. Diese können sich sowohl auf die Elektronen- als auch auf
die Kernbewegung beziehen.
Zu deren Untersuchung dienen theoretisch die Methoden der Quantentheorie, experi-
mentell vornehmlich die der Spektroskopie, wobei elektromagnetische Wellen in einem
großen Frequenzbereich als Sonden dienen. So wird es möglich, Aufschluß über den
Aufbau eines Moleküls, seine Elektronen-Wellenfunktionen und seine Rotationen und
Schwingungen zu erhalten. Hierzu gehört auch die theoretische und experimentelle Be-
stimmung der Bindungsenergie und der Energien angeregter Zustände. Bei der theoreti-
schen Behandlung begegnen wir sowohl aus der Atomphysik bekannten als auch neuen
Konzepten. Dazu zählen die Hartree-Fock-Näherung, die Born-Oppenheimer-Näherung,
sowie die Ausnutzung von Symmetrie-Eigenschaften in der Gruppentheorie. Diese Ideen
bilden dann auch die Grundlage der Quantentheorie des Festkörpers, die sich so nahtlos
an die Molekülphysik anschließen läßt.
Trotz der zentralen Bedeutung, die die Molekülphysik und Quantenchemie in dieser
Kombination haben, gab es bisher kein Lehrbuch mit der hier gebotenen Zielsetzung.
XII Vorwort zur ersten Auflage

Dies und die äußerst positive Aufnahme, die unsere Einführung Atom- und Quantenphy-
sik bei Studenten, Professoren und Rezensenten gefunden hat, haben uns bewogen, das
vorliegende Lehrbuch zu schreiben. Dabei konnten wir uns auf Vorlesungen, die wir seit
Jahren an der Universität Stuttgart halten, stützen. Wir haben uns auch diesmal bemüht,
den Stoff in einfach verständlicher Form und systematisch darzulegen, die Fragen so-
wohl vom experimentellen als auch vom theoretischen Standpunkt aus anzugehen und
die enge Verzahnung zwischen Theorie und Experiment aufzuzeigen.
Jeder, der sich mit Molekülphysik und Quantenchemie befaßt hat, weiß, daß es sich
hier um schier unermeßliche Gebiete handelt. Eine wichtige, ja zentrale Aufgabe bestand
daher für uns in der Auswahl des Stoffes. Dabei haben wir versucht, das Grundlegende
und Typische herauszuarbeiten. Wir hoffen, daß es gelungen ist, dem Studenten einen
Überblick über dieses so wichtige und reizvolle Gebiet zu vermitteln, der es ihm auch
ermöglicht, tiefer in dieses Gebiet anhand der Fachliteratur einzudringen. Für denjeni-
gen, der die große Vielfalt der Forschungsfelder näher kennenlernen will, werden Hin-
weise auf weiterführende Literatur am Ende des Buches gegeben. Hier findet der Le-
ser auch Literatur über das Gebiet der Reaktionsdynamik, das sich in einer stürmischen
Entwicklung befindet, wegen der inneren Geschlossenheit des Buches jedoch hier noch
unberücksichtigt blieb. Darüber hinaus vermitteln wir einige Ausblicke auf ganz neue
Entwicklungen, etwa die Erforschung der Photosynthese, die Physik supramolekularer
Funktionseinheiten und die molekulare Mikroelektronik.
Die Zeichnungen wurden von Frau Christa Müller angefertigt. Die umfangreichen
Schreibarbeiten führten Frau Sylvia Fuchs und Frau Irmgard Möller aus. Ihnen sei
für ihre wertvolle Hilfe herzlich gedankt. Dem Springer-Verlag, insbesondere Herrn
Dr. Helmut K. V. Lotsch und Frau Ilona Kaiser, danken wir für die stets ausgezeichnete
Zusammenarbeit.

Stuttgart, Herbst 1991 H. Haken · H. C. Wolf


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.1 Was ist ein Molekül? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.2 Ziele und Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.3 Historische Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.4 Bedeutung von Molekülphysik und Quantenchemie
für andere Disziplinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

2. Mechanische Eigenschaften von Molekülen, Größe, Masse . . . . . . . . . . . . . 9


2.1 Größe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
2.2 Form der Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2.3 Masse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
2.4 Spezifische Wärme, kinetische Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

3. Moleküle in elektrischen und magnetischen Feldern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25


3.1 Dielektrische Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
3.2 Unpolare Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
3.3 Polare Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
3.4 Brechungsindex, Dispersion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
3.5 Die Anisotropie der Polarisierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
3.6 Moleküle im Magnetfeld, Grundbegriffe und Definitionen . . . . . . . . . . . 36
3.7 Diamagnetische Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
3.8 Paramagnetische Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

4. Einführung in die Theorie der chemischen Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45


4.1 Eine Erinnerung an die Quantenmechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
4.2 Heteropolare und homöopolare Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
4.3 Das Wasserstoff-Molekülion H+ 2 ................................. 51
4.4 Das Wasserstoff-Molekül H2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
4.4.1 Das Variationsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
4.4.2 Die Methode von Heitler-London . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
4.4.3 Kovalent-ionische Resonanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
4.4.4 Die Wasserstoffbindung nach Hund-Mulliken-Bloch . . . . . . . . . . 69
4.4.5 Vergleich der Wellenfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
4.5 Die Hybridisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
XIV Inhaltsverzeichnis

5. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein erster Einblick . . . . . . . . . . . 81


5.1 Einige Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
5.2 Anwendung auf das Benzol:
Die Wellenfunktion der π-Elektronen nach der Hückel-Methode . . . . . 84
5.3 Nochmals das Hückel-Verfahren. Die Energie der π-Elektronen . . . . . . 88
5.4 Slater-Determinanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
5.5 Die Wellenfunktion beim Ethylen. Parität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
5.6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
6. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein systematischer Zugang∗ . . . 97
6.1 Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
6.2 Molekulare Punktgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
6.3 Die Auswirkung von Symmetrieoperationen
auf Wellenfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
6.4 Ähnlichkeitstransformationen und Reduktion der Matrizen . . . . . . . . . . . 107
6.5 Grundbegriffe der Darstellungstheorie der Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
6.5.1 Der Begriff der Klasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
6.5.2 Charakter einer Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
6.5.3 Die Bezeichnungen für irreduzible Darstellungen . . . . . . . . . . . . 113
6.5.4 Die Reduktion einer Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
6.6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
6.7 Ein Beispiel: das H2 O-Molekül . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
7. Das Mehrelektronenproblem der Molekülphysik und Quantenchemie . . . 129
7.1 Problemstellung und Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
7.1.1 Hamilton-Operator und Schrödinger-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . 129
7.1.2 Slater-Determinante und Energie-Erwartungswerte . . . . . . . . . . . 130
7.2 Die Hartree-Fock-Gleichung.
Die „Self-Consistent-Field“ (SCF)-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
7.3 Das Hartree-Fock-Verfahren bei einer abgeschlossenen Schale . . . . . . . 133
7.4 Die unbeschränkte SCF-Methode für offene Schalen . . . . . . . . . . . . . . . . 135
7.5 Die eingeschränkte SCF-Methode für offene Schalen . . . . . . . . . . . . . . . 136
7.6 Korrelationsenergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
7.7 Koopman’s Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
7.8 Konfigurationswechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
7.9 Die 2. Quantisierung∗ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
7.10 Dichte-Funktionale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
7.11 Die Elektronendichte als grundlegende Variable . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
7.12 Die Kohn-Sham Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
7.13 Zusammenfassung der Resultate der Kapitel 4–7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
8. Methoden der Molekülspektroskopie, Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
8.1 Spektralbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
8.2 Übersicht über die optischen Molekülspektren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
8.3 Weitere experimentelle Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
Inhaltsverzeichnis XV

9. Rotationsspektren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
9.1 Mikrowellen-Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
9.2 Zweiatomige Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
9.2.1 Das Spektrum des starren Rotators (Hantel-Modell) . . . . . . . . . . 160
9.2.2 Intensitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
9.2.3 Der nicht-starre Rotator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166
9.3 Isotopie-Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
9.4 Stark-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
9.5 Mehratomige Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
9.6 Einige Anwendungen der Rotationsspektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

10. Schwingungsspektren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179


10.1 Infrarot-Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
10.2 Zweiatomige Moleküle, harmonische Näherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
10.3 Zweiatomige Moleküle. Der anharmonische Oszillator . . . . . . . . . . . . . . 183
10.4 Rotations-Schwingungs-Spektren zweiatomiger Moleküle.
Der rotierende Oszillator und die Rotationsstruktur der Banden . . . . . . 190
10.5 Schwingungsspektren vielatomiger Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196
10.6 Anwendung der Schwingungsspektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
10.7 Infrarot-Laser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
10.8 Mikrowellen-Maser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

11. Quantenmechanische Behandlung


von Rotations- und Schwingungsspektren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
11.1 Das 2-atomige Molekül . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
11.1.1 Die Born-Oppenheimer-Näherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
11.1.2 Rechtfertigung der Vernachlässigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
11.2 Die Rotation drei- und mehratomiger Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
11.2.1 Der Ausdruck für die Rotationsenergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
11.2.2 Der symmetrische Kreisel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
11.2.3 Der asymmetrische Kreisel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
11.3 Die Schwingungen drei- und mehratomiger Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . 226
11.4 Symmetrie und Normalkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232
11.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238

12. Raman-Spektren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239


12.1 Der Raman-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239
12.2 Schwingungs-Raman-Spektren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
12.3 Rotations-Raman-Spektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243
12.4 Kernspin-Einflüsse auf die Rotationsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

13. Elektronen-Zustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255


13.1 Der Aufbau von Bandenspektren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
13.2 Bindungstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256
XVI Inhaltsverzeichnis

13.3 Einelektronenzustände zweiatomiger Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256


13.4 Mehrelektronenzustände und elektronische Gesamtzustände
von zweiatomigen Molekülen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263
13.5 Als Beispiel: Elektronenzustände von H2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271

14. Elektronenspektren von Molekülen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273


14.1 Schwingungsstruktur der Bandensysteme kleiner Moleküle,
Franck-Condon-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273
14.2 Rotationsstruktur von elektronischen Bandenspektren kleiner
Moleküle, Übersicht und Auswahlregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280
14.3 Die Rotationsstruktur der Bandenspektren kleiner Moleküle,
Fortrat-Diagramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282
14.4 Dissoziation, Prädissoziation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
14.5 Anwendung von Bandenspektren kleinerer Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . 289
14.6 Elektronische Spektren größerer Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297

15. Weiteres zur Methodik der Molekülspektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299


15.1 Absorption von Licht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299
15.2 Strahlungslose Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302
15.3 Emission von Licht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303
15.4 Kalte Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305
15.5 Farbstoff-Laser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308
15.6 Hochauflösende Zweiphotonen-Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309
15.7 Ultra-Kurzzeit-Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311
15.8 Photoelektronen-Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313
15.9 Hochauflösende Photoelektronen-Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318

16. Wechselwirkung von Molekülen mit Licht:


Quantentheoretische Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321
16.1 Eine Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321
16.2 Zeitabhängige Störungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322
16.3 Die spontane und induzierte Emission
sowie die Absorption von Licht durch Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327
16.3.1 Die Form des Hamilton-Operators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327
16.3.2 Die Form der Wellenfunktionen
der Anfangs- und Endzustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330
16.3.3 Die allgemeine Form der Matrixelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330
16.3.4 Übergangswahrscheinlichkeiten und Einstein-Koeffizienten . . . . 333
16.3.5 Berechnung des Absorptionskoeffizienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339
16.3.6 Übergangsmomente, Oszillatorenstärke
und räumliche Mittelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340
16.4 Das Franck-Condon-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343
16.5 Auswahlregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346
16.6 Zusammenfassung von Kapitel 16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350
Inhaltsverzeichnis XVII

17. Theoretische Behandlung des Raman-Effektes


und Elemente der nichtlinearen Optik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351
17.1 Zeitabhängige Störungstheorie höherer Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351
17.2 Theoretische Behandlung des Raman-Effektes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354
17.3 Zwei-Photonen-Absorption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363
18. Magnetische Kernresonanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367
18.1 Grundlagen der Kernspin-Resonanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367
18.1.1 Kernspins im Magnetfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367
18.1.2 Messung von Kernspin-Resonanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369
18.2 Protonenresonanz in Molekülen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370
18.2.1 Die chemische Verschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370
18.2.2 Feinstruktur, direkte Kernspin-Kernspin-Kopplung . . . . . . . . . . . . 374
18.2.3 Feinstruktur, indirekte Kernspin-Kernspin-Kopplung
zwischen 2 Kernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375
18.2.4 Indirekte Spin-Spin-Wechselwirkung
zwischen mehreren Kernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376
18.3 Dynamische Prozesse, Relaxationszeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379
18.4 Kernspin-Resonanz anderer Kerne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382
18.5 Zwei-dimensionale Kernspinresonanzspektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . 382
18.5.1 Die grundlegenden Ideen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382
18.5.2 Quantenmechanische Theorie von COSY . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386
18.5.3 Untersuchung dynamischer Prozesse mit Hilfe
der 2-dimensionalen Austausch-Spektroskopie,
insbesondere NOESY . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390
18.6 Anwendungen der Kernspin-Resonanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394
19. Elektronenspin-Resonanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399
19.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399
19.2 Der g-Faktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400
19.3 Hyperfeinstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401
19.4 Feinstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407
19.5 Berechnung von Feinstrukturtensor und Spinwellenfunktionen
von Triplettzuständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409
19.6 Doppelresonanzverfahren: ENDOR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417
19.7 Optischer Nachweis magnetischer Resonanz, ODMR . . . . . . . . . . . . . . . 418
19.8 Anwendungen der ESR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423
20. Große Moleküle, Biomoleküle, Übermoleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427
20.1 Bedeutung für Physik, Chemie und Biologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427
20.2 Polymere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428
20.3 Molekulare Erkennung, Molekularer Einschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432
20.4 Energieübertragung, Sensibilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434
20.5 Moleküle für Photoreaktionen in der Biologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437
20.6 Moleküle als Grundbausteine des Lebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440
20.7 Molekulare Funktionseinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447
XVIII Inhaltsverzeichnis

21. Experimente an und mit einzelnen Molekülen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451


21.1 Einleitung: Warum? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451
21.2 Abbildung einzelner Moleküle
mit Röntgen- und Elektronenstrahl-Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452
21.3 Raster-Tunnel- und Raster-Kraft-Mikroskop . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453
21.4 Optische Spektroskopie einzelner Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456
21.4.1 Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456
21.4.2 Experimentelle Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458
21.4.3 Einzelmolekülspektroskopie mit relativ geringer
spektraler Auflösung, räumliche Selektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459
21.4.4 Messungen mit hoher spektraler Auflösung bei Tieftemperatur,
spektrale Selektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460
21.4.5 Einige Meßergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463
21.5 Elektrische Leitfähigkeit von Molekülen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467
21.5.1 Der molekulare Draht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467
21.5.2 Meßergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470

22. Molekulare Elektronik und andere Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473


22.1 Was ist Organische oder Molekulare Elektronik? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473
22.2 Moleküle als Schalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474
22.3 Molekulare elektrische Leiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479
22.4 Molekulare Drähte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484
22.5 Moleküle als Energieleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486
22.6 Molekulare elektronische Funktionseinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491
22.7 Nanoröhrchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494
22.8 Molekulare Speicher, Lochbrennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496
22.9 Elektrolumineszenz, Leuchtdioden, Photovoltaik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498
22.10 Ausblick: Intelligente molekulare Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503
A1 Die Berechnung von Erwartungswerten für Wellenfunktionen,
die durch Determinanten dargestellt sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503
A1.1 Berechnung von Determinanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503
A1.2 Berechnung von Erwartungswerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504
A2 Berechnung der Dichte von Lichtwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508

Literaturverzeichnis zur Ergänzung und Vertiefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511


1. Lehrbücher der Physik und Physikalischen Chemie . . . . . . . . . . . . . . . . . 511
2. Lehrbücher der Atom- und Molekülphysik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511
3. Lehrbücher der Quantentheorie und Quantenchemie . . . . . . . . . . . . . . . . 511
4. Spezielle Literatur, soweit nicht bereits erwähnt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519
Liste der wichtigsten verwendeten Symbole

a Hyperfein-Kopplungskonstante (ESR)
Einstein-Koeffizient
ak+ , ak Erzeugungs- und Vernichtungsoperator für Fermi-Teilchen
(7.50) f.
A Eindimensionale irreduzible Darstellung
A Vektorpotential
b Einstein-Koeffizient
b+
k , bk Erzeugungs- und Vernichtungsoperator für Bose-Teilchen (7.47) f.
B Magnetische Feldstärke
Magnetische Flußdichte
B Rotationskonstante (9.13)
Eindimensionale irreduzible Darstellung
Bk+ , Bk Erzeugungs- und Vernichtungsoperator für Schwingungsquanten
(11.131) ff.
c Lichtgeschwindigkeit
c, C Konzentration
ci Entwicklungskoeffizient
C, Cϕ , Cn (Drehung um 2π/n) Drehoperatoren
C̄n Schraubungsoperator
d Elektronenzustand im Atom
D Determinante
Feinstrukturkonstante (19.35)
Dehnungskonstante (9.25)
D, De , D0 Dissoziationsenergie
e Elementarladung
e Einheitsvektor
E Feinstrukturkonstante (ESR)
Energie
Identitätsoperator
E Elektrische Feldstärke
Ē Erwartungswert der Energie
E el Elektronische Energie
E kin , E pot Kinetische bzw. potentielle Energie
E rot Rotationsenergie
E vib , E V Schwingungs-Energie
∆E Energiedifferenz
f Oszillatorenstärke
Zahl der Freiheitsgrade
Elektronenzustand im Atom
XX Liste der wichtigsten verwendeten Symbole

F Schwingungsterm
Fl,m Kugelflächenfunktion
g g-Faktor (magnetisch)
G Rotationsterm
h Ordnung einer Gruppe
h = h/2n Plancksche Konstante (h = Plancksches Wirkungsquantum)
H Hamilton-Funktion, Hamilton-Operator
Hk,k Matrixelement des Hamilton-Operators (7.16)
i Imaginäre Einheit
i Inversionsoperator
I Intensität
I Kernspin
J Rotations-Quantenzahl
Spin-Spin-Kopplungskonstante (NMR)
k Boltzmann-Konstante
Federkonstante, Kraftkonstante
Komponente eines Wellenvektors, ganze Zahl
k Wellenvektor
l mittlere freie Weglänge
Drehimpulsquantenzahl
L Drehimpuls
Drehimpulsoperator
L l+m Laguerresches Polynom (4.33)
L± Erzeugungs- bzw. Vernichtungsoperator für die z-Komponente des
Drehimpulses
m Masse, magnetische Quantenzahl
m magnet. Moment
m0 Ruhemasse des Elektrons
mr reduzierte Masse
M magnetische Quantenzahl
Molekulargewicht
n Brechungsindex
Hauptquantenzahl
ni Anzahl, mit der eine i-te irreduzible Darstellung in einer reduziblen
Darstellung auftritt (6.47)
nλ Anzahl von Quanten im Zustand λ
N Anzahl je Volumeneinheit
N Drehimpuls der Molekül-Rotation
NA Avogadro-Zahl
p Druck
Elektronenzustand im Atom
Impuls, Impulsoperator
p elektr. Dipolmoment
Impuls, Impulsoperator
pµκ Impuls-Matrixelement (16.113)
p̄ Erwartungswert des Impulses
P Impuls, Projektionsoperator (6.58)
P Impulsoperator
Liste der wichtigsten verwendeten Symbole XXI

Pl0 Kugelfunktion
Plm (m = 0) zugeordnete Kugelfunktion
Q Klasse einer Gruppe
r Abstand, bes. von Elektronen
r Abstandsvektor
R Abstand von Kernen
Gaskonstante
allgemeine Gruppenoperation
R̂ reduzible Darstellungsmatrix
Re Gleichgewichtsabstand
S Überlappungsintegral (4.43)
Spin-Quantenzahl
S Resultierender Spin (13.8)
Spinoperator
Sm Drehspiegelungsoperator
Sm ( j) (m = ±1/2) Spinfunktion
S+ Erhöhungsoperator für die z-Komponente des Gesamtspins (7.34)
T Temperatur
elektronischer Term
T1 , T2 Relaxationszeiten
v Geschwindigkeit
Schwingungs-Quantenzahl
V Potential
Potentielle Energie
Volumen
wµκ Übergangswahrscheinlichkeit pro Sekunde
W Energie
Gesamtübergangswahrscheinlichkeit
xe Anharmonizitätskonstante
x̄ Erwartungswert des Ortes (4.16)
Z Kernladungszahl, Zahl der Anfangszustände
α Absorptionskoeffizient
Polarisierbarkeit
Funktion von Trägheitsmomenten (11.72)
Spinfunktion
Winkel
β Hyperpolarisierbarkeit
Magnetische Polarisierbarkeit (3.36)
Optische Polarisierbarkeit (3.14)
Korrektur für Dehnungskonstante (10.24)
Funktion von Trägheitsmomenten (11.72)
zeitbezogene Entwicklungsfunktion
Spinfunktion
γ Gyromagnetisches Verhältnis
Γ Darstellung einer Gruppe
Linienbreite
δ chemische Verschiebung (NMR)
δ(x) Diracsche Deltafunktion
XXII Liste der wichtigsten verwendeten Symbole

δij Kronecker-Symbol
∆ Laplace-Operator, Differenzsymbol
ε Dielektrizitätszahl
Extinktionskoeffizient
Kleinheitsparameter
η Quantenausbeute
ϑ Sphärische Polarkoordinate
Θ Trägheitstensor, Trägheitsmoment (11.52)
Θµκ Übergangsdipolmoment (16.120) f.
λ Quantenzahl für Bahndrehimpuls (13.2)
Eigenwert einer Determinante; Index, der individuelle ebene Wellen mit
dem Wellenvektor kλ unterscheidet
Λ Gesamt-Bahndrehimpuls (13.4)
µ Übergangs-Matrixelement (15.6)
magnetisches Moment
Permeabilitätskonstante
ξi Auslenkung aus der Ruhelage
π (-Orbital) Molekülorbital (Linearkombination, insbesondere aus
pz -Funktionen)
(E) Energiedichte
 Dichte
Spindichte (ESR)
σ Spiegelungsoperator, Spinmatrizen
Diamagnetische Abschirmung (NMR)
σ̄
 Gleitspiegelungsoperator
Summenzeichen
Σ Molekül-Termsymbol (13.7)
ϕ Wellenfunktion, sphärische Polarkoordinate
Φ Wellenfunktion
χ Wellenfunktion (insbesondere Oszillatorwellenfunktion)
χ(R), χ1 (R) Charakter von R in einer reduziblen bzw. irreduziblen Darstellung
ψ Wellenfunktion
ψ Wellenfunktion von mehreren Elektronen
ω Kreisfrequenz 2πv
Ω Elektronischer Gesamtdrehimpuls
Ω Raumwinkel
∇ Nabla-Operator
1. Einleitung

1.1 Was ist ein Molekül?

Wenn sich zwei oder mehr Atome miteinander zu einer neuen Einheit verbinden, so
nennt man das entstehende Teilchen ein Molekül. Der Name ist aus dem lateinischen
Wort molecula, kleine Masse, abgeleitet. Ein Molekül ist die kleinste Einheit einer che-
mischen Verbindung, die noch deren Eigenschaften aufweist, ebenso wie wir das Atom
als die kleinste Einheit eines chemischen Elementes kennengelernt haben. Ein Molekül
läßt sich durch chemische Methoden in seine Bestandteile, in Atome, zerlegen. Die Viel-
gestaltigkeit unserer stofflichen Welt beruht auf der ungeheuren Vielfalt von Kombina-
tionsmöglichkeiten beim Zusammenbau von Molekülen aus den relativ wenigen Atom-
sorten des Periodischen Systems der Elemente.
Die einfachsten Moleküle sind zweiatomig und homonuklear, also aus zwei gleichen
Atomen aufgebaut, wie H2 , N2 , O2 . Hier hat man sich, wie in Abb. 1.1 (oben) ange-
deutet, die Elektronenverteilung so vorzustellen, daß es Elektronen gibt, die zu beiden
Atomen gehören und so die chemische Bindung herstellen. Die nächst einfache Gruppe
ist diejenige der aus zwei verschiedenen Atomen bestehenden, sogenannten heteronu-
klearen Moleküle, wie LiF, HCl, CuO, siehe Abb. 1.1 (unten). Bei diesen Molekülen
wird außer einer Bindung durch gemeinsame Elektronen – der sogenannten homöopo-
laren oder kovalenten Bindung – auch ein anderer Bindungstyp wichtig: die heteropolare
oder Ionenbindung.

Abb. 1.1. Elektronenverteilung


in den kleinen Molekülen H2 ,
Cl2 und HCl, schematisch. Die
Abstände der Kerne betragen
0,74 Å in H2 , 1,27 Å in HCl
und 1,99 Å in Cl2
2 1. Einleitung

Einige Grundbegriffe der Molekülphysik wollen wir bereits hier am Beispiel des
NaCl-Moleküls (im Gaszustand) erläutern. In Abb. 1.2 ist die potentielle Energie des
Systems Natrium und Chlor als Funktion des Abstandes der Atomkerne aufgetragen. Bei
großen Abständen ist die Wechselwirkung zwischen einem neutralen Na- und einem Cl-
Atom sehr klein, die potentielle Energie der Wechselwirkung also praktisch gleich Null.
Nur über eine schwache gegenseitige Polarisation der Ladungswolken kann eine geringe
anziehende Wechselwirkung erzeugt werden. Wenn wir die neutralen Atome sehr nahe
zusammenbringen, tritt bei einem Abstand von ca. 0,6 nm Abstoßung ein. So kommt
man zu einer Definition der Größe von Atomen, wie in I näher ausgeführt. – Mit I be-
zeichnen wir hier und im folgenden das Buch H. Haken und H. C. Wolf, Einführung in
die Atom- und Quantenphysik. Wir setzen die Kenntnis der dort behandelten Atomphy-
sik voraus und verweisen darauf.
Bei einem Abstand von ca. 1,2 nm wird jedoch ein Zustand energetisch günstiger,
bei dem ein Elektron vom Na-Atom auf das Cl-Atom übergeht und so durch Ladungs-
übertragung ein System Na+ /Cl− entsteht. Das Wechselwirkungspotential nähert sich
bei weiter abnehmendem Abstand dem anziehenden Coulomb-Potential zwischen die-
sen Ionen. Ein Gleichgewichtsabstand von 0,25 nm ergibt sich schließlich aus der Kon-
kurrenz dieser Anziehung mit der Abstoßung zwischen den Atomkernen und den abge-
schlossenen Elektronenschalen der Ionen, die bei noch kleineren Abständen überwiegt.
Dieser Gleichgewichtsabstand bestimmt mit der dazugehörenden Elektronenverteilung
die Größe des Moleküls.
Von den mehratomigen Molekülen wie H2 O (Wasser), NH3 (Ammoniak), C6 H6
(Benzol), die aus 3, 4 oder 12 Atomen bestehen, geht es weiter zu großen Molekülen
wie Chlorophyll oder Kronenether, zu Makromolekülen oder Polymeren wie Poly-
acetylen, deren Atom-Anzahl viele 1000 betragen kann und deren Abmessungen nicht
mehr im Nanometer – sondern schon fast im Bereich von Mikrometern liegen können.
Schließlich sind auch Biomoleküle wie die für die Vererbung verantwortlichen Riesen-
moleküle der Desoxyribonucleinsäuren (DNS, englisch DNA), siehe dazu Abschn. 20.6,
oder molekulare Funktionseinheiten wie der Proteinkomplex des Reaktionszentrums der
bakteriellen Photosynthese Gegenstand der Molekülphysik, vergleiche hierzu die sche-
matische Darstellung in Abb. 1.3. Diese Moleküle werden in späteren Abschnitten
dieses Buches vorgestellt. Wir verweisen besonders auf Kap. 20.

Abb. 1.2. Potentielle Energie E


für NaCl und Na+ Cl− als Funk-
tion des internuklearen Abstan-
des R, im Gaszustand
1.2 Ziele und Methoden 3

Das letzte Beispiel gehört bereits zu den supermolekularen Strukturen, Übermolekü- Abb. 1.3. Das Reaktionszentrum
len oder Funktionseinheiten, deren eminente Bedeutung besonders für biologische Pro- der Bakteriellen Photosynthese
zesse in den letzten Jahren immer klarer und verständlicher wird. Lagern sich Moleküle als molekulare Funktionseinheit.
Die Schemazeichnung zeigt die
der gleichen Art oder auch verschiedene Moleküle zu größeren Einheiten zusammen, so photoaktiven Moleküle, die in
entstehen schließlich die sogenannten Cluster und die Festkörper. eine größere Protein-Einheit ein-
gebettet sind. Diese wiederum
ist in eine Zellmembran einge-
baut. Lichtabsorption durch ein
1.2 Ziele und Methoden zentrales Chlorophyll-Dimer ist
der erste Schritt einer Ladungs-
Warum gibt es das Molekül H2 , nicht jedoch (unter normalen Bedingungen) das Mo- trennung, die die chemischen
Prozesse der Photosynthese
lekül H3 ? Warum ist NH3 tetraedrisch, Benzol flach gebaut? Welche Kräfte halten die einleitet. Mehr dazu in Ab-
schn. 20.7. Das Bild nach der
Röntgenstrukturanalyse von
Deisenhofer, Huber und Michel
(Nobelpreis 1988) stammt aus
der „Zeit“
4 1. Einleitung

Moleküle zusammen? Wie groß sind Moleküle, und welche elektrischen und magneti-
schen Eigenschaften haben sie? Warum ist das optische Spektrum eines Moleküls um
viele Größenordnungen linienreicher als das eines Atoms? – das sind einige der noch
vergleichsweise einfach zu beantwortenden Fragen, wenn wir uns mit der Physik der
Moleküle zu befassen beginnen.
Ziel der Molekülphysik ist es, die Struktur, die Bindungsverhältnisse und die physi-
kalischen Eigenschaften der Moleküle in ihrer Vielfalt kennen zu lernen und zu verste-
hen. Daraus möchte man dann das Verständnis für Funktion, Reaktion und Wirkung in
Physik, Chemie und Biologie ableiten.
Die ungleich größere Mannigfaltigkeit der Moleküle bringt es mit sich, daß man
nicht wie bei den Atomen aus der Kenntnis des einfachsten, nämlich des Wasserstoffs,
ein gutes Grundverständnis aller anderen Moleküle ableiten kann. Bei der physikali-
schen Untersuchung von Molekülen kommt ebenso wie bei den Atomen auch der Spek-
troskopie eine besondere Bedeutung zu. Man braucht aber ungleich mehr spektrosko-
pische Methoden, besonders weil es im Unterschied zu den Atomen auch innere Frei-
heitsgrade wie Rotation und Schwingung gibt. Im folgenden wird deutlich werden, wie
vielfältig und unterschiedlich die Untersuchungsmethoden sind, die uns in der Molekül-
physik zur Verfügung stehen.
Wir werden sehen, wie wichtig Mikrowellen- und Infrarot-Spektroskopie sind,
wie feine Details der Struktur man mit den Methoden der magnetischen Resonanz-
Spektroskopie der Elektronen und der Kerne gewinnen kann. Uns steht aber auch der
umfangreiche Erfahrungsschatz der Chemie zur Verfügung, die vielfältigen Rechen-
methoden der Quantenchemie und viele weitere experimentelle Methoden, allen voran
Struktur-Untersuchung mit Röntgen- oder Neutronenstrahlen, die Massenspektroskopie
und die Spektroskopie der Photoelektronen.
Ziel der Quantenchemie ist es, das Rüstzeug bereitzustellen, mit dem man die Elek-
tronenverteilung in Molekülen, ihre Bindungsverhältnisse und ihre Anregungszustände
berechnen kann. Die Grenze zur Molekülphysik kann dabei natürlich nicht scharf defi-
niert werden.

1.3 Historische Bemerkungen

Erste exaktere Vorstellungen über Moleküle entstammen der Beobachtung quantitativer


Zusammenhänge bei chemischen Prozessen. Der Begriff des Moleküls wurde im Jahre
1811 von dem italienischen Physiker Avogadro im Zusammenhang mit der nach ihm
benannten Hypothese eingeführt, wonach gleiche Volumina verschiedener idealer Gase
bei gleicher Temperatur und gleichem Druck gleich viele Atome oder Moleküle enthal-
ten sollen. Damit war ein einfaches Verständnis des Gesetzes der konstanten und mul-
tiplen Proportionen für die Gewichte und die Volumina gasförmiger Reaktionspartner
bei chemischen Reaktionen möglich. Diese Gesetze und Hypothesen stehen ebenso auch
am Anfang der Atomphysik. Sie sind im Abschn. 1.2 von I bereits behandelt und sollen
hier nicht wiederholt werden.
Die Untersuchung des Verhaltens von Gasen als Funktion von Druck, Volumen und
Temperatur im Laufe des 19. Jahrhunderts führte in der kinetischen Gastheorie zu ei-
nem theoretischen Modell, in dem die Moleküle als reale Teilchen die makroskopi-
schen Eigenschaften der Gase und im weiteren Sinne der Materie zu erklären gestat-
1.3 Historische Bemerkungen 5

ten. Loschmidt errechnete so erstmalig im Jahre 1865 Zahlenwerte für die Größe von
Molekülen, die im Rahmen der Fehlergrenzen auch heute noch gültig sind.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts versuchten viele Chemiker – genannt sei
nur Kékulé, der Entdecker der Benzolstruktur – aus chemischen Reaktionen Aufschluß
über den atomaren Aufbau und die räumliche Struktur von Molekülen zu gewinnen.
Mit der modernen Atom- und Quantenphysik im 20. Jahrhundert beginnen auch die
Versuche zum exakten Verständnis der chemischen Bindung. Nach den Pionierarbeiten
von Kossel zur heteropolaren und von Lewis und Langmuir zur homöopolaren Bindung
(1915–1920) waren es dann seit 1927 Hund, Heitler, London und andere, die die Grund-
lagen für eine quantitative Quantentheorie der chemischen Bindung und damit für die
Quantenchemie formulierten. Seither wurde in zahlreichen Arbeiten von einer Vielzahl
von Forschern an einer immer weiteren Verfeinerung dieser theoretischen Möglichkeiten
gearbeitet.
Auf die zahllosen instrumentellen und experimentellen Fortschritte, die zu einer
immer detaillierteren Analyse der physikalischen Eigenschaften unzähliger Moleküle
geführt haben, soll in den Kapiteln dieses Buches eingegangen werden, die sich mit die-
sen Methoden im einzelnen befassen. Daß uns solche Meßmethoden vieles über den Bau
von Molekülen zwar indirekt aber genau zeigen, wird am besten deutlich, wenn eine di-
rekte Abbildung von Molekülen geschieht. Mit den Methoden der Röntgenstreuung und
-interferenz ist dies mit hoher Genauigkeit dann möglich, wenn hinreichend große peri-
odisch wiederkehrende Bausteine gleichzeitig untersucht werden können, also besonders
in Einkristallen. Ein Beispiel dafür wird im nächsten Kapitel bei der Messung der Größe
von Molekülen erläutert, vergleiche Abb. 2.2. – Eine Abbildung einzelner Moleküle ist
mit den modernsten Methoden der Durchstrahlungs-Elektronenmikroskopie (Abb. 1.4)
und besonders mit dem Rastertunnel-Mikroskop möglich (Abb. 1.5). Die Existenz von
Molekülen und das Verständnis ihrer physikalischen Eigenschaften sind schon lange
nicht mehr Hypothese, sondern eine fest fundierte Erfahrungstatsache und Grundlage
unseres Verständnisses von vielen Strukturen und Prozessen nicht nur in der Chemie,
sondern in vielen anderen Gebieten wie Biologie, Materialwissenschaft und Technik.

Abb. 1.4. Transmissions-Elek-


tronenmikroskopisches Bild von
Hexadekachlor-Kupfer-Phthalo-
cyanin-Molekülen. Die Mo-
leküle bilden eine dünne
kristalline Aufwachs-Schicht auf
einem Alkalihalogenid-Kristall
als Träger. Die Aufnahme und
Bildverarbeitung erfolgte mit ei-
nem 500 kV-Elektronenmikro-
skop höchster Auflösung und
mit spezieller Auswerte-Technik.
Man erkennt besonders deutlich
das zentrale Kupfer-Atom und
die 16 peripheren Chlor-Atome.
(Die Aufnahme wurde von Prof.
N. Uyeda, Kyoto-University,
freundlicherweise zur Verfügung
gestellt)
6 1. Einleitung

1.4 Bedeutung von Molekülphysik und Quantenchemie


für andere Disziplinen
Die Molekülphysik und die Quantenchemie verbinden unser Wissen über Aufbau und
Struktur der Atome mit unserem Bestreben, die belebte und unbelebte Welt zu verstehen.
Sie schaffen die Grundlagen für ein Verständnis der Welt der Chemie, der zahllosen be-
kannten und möglichen Moleküle, ihrer physikalischen Eigenschaften und ihrer Wech-
selwirkungen. Sie führen uns zu einem Verständnis der Kräfte und Bindungsstrukturen,
der elektrischen, magnetischen und mechanischen Eigenschaften von Kristallen, Mate-
rialien, Werkstoffen. Sie schaffen die Grundlagen für ein Verständnis der biologischen
Welt. Wachstum, Vermehrung, Sinnesempfindungen wie Sehen und Riechen, Stoffwech-
selprozesse, pflanzliche Photosynthese und alle Grundprozesse des organischen Lebens,
kurz, alles Lebendige wird nur verständlich, wenn man die zugrunde liegenden moleku-
laren Strukturen versteht, die aktiv und passiv daran beteiligten Moleküle, ihre Wech-
selwirkungen und ihre Funktionen.
Kleine Moleküle wie H2 oder HCl sind gut geeignet, um an ihnen viele wichtige Ge-
dankengänge, theoretische Überlegungen und experimentelle Methoden kennen zu ler-
nen. Die kleinen Moleküle werden deshalb wegen ihrer relativen Einfachheit und Über-
schaubarkeit in diesem Buch auch einen wichtigen Platz einnehmen. Wir werden im
folgenden viele Methoden und viele Begriffsbildungen am Beispiel kleiner Moleküle
in der Gasphase kennen lernen. Dabei darf man aber nie vergessen, wie vielgestaltig
und dementsprechend kompliziert die Welt der Moleküle ist. Mehr als in der Physik der
Atome wird man in der Molekülphysik sich der Vielfalt der Erscheinungen in unserer
stofflichen Welt, den Details und nicht nur den Prinzipien, zuwenden müssen. Hiervon
sollen die folgenden Kapitel auch eine Vorstellung geben.
Im Vordergrund steht das einzelne Molekül, das Molekül im Gas. Im Unterschied zu
den Atomen gibt es bei Molekülen innere Freiheitsgrade der beteiligten Atomkerne, die
zu Rotationen und Schwingungen Anlaß geben. Wenn wir wie bei der Atomphysik die
Spektroskopie als wichtigste Methode zur Aufklärung der Molekülstruktur kennen ler-

Abb. 1.5. Abbildung von Ben-


zol-Molekülen mit dem Raster-
Tunnel-Mikroskop. Die Benzol-
Moleküle sind auf einer Rhe-
nium (111)-Oberfläche aufge-
dampft, gemeinsam mit CO-Mo-
lekülen, die der Fixierung die-
nen und fast unsichtbar sind.
Als Folge der Substrat-Molekül-
Wechselwirkung erscheinen im
Bild partiell lokalisierte Zu-
stände, durch die sich die Ben-
zolmoleküle mit reduzierter
(dreizähliger) Symmetrie dar-
stellen. Es werden also nicht
die einzelnen C-Atome, sondern
Molekülorbitale dargestellt. (Aus
H. Ohtani, R. J. Wilson, S. Chi-
ang, C. M. Mate, Phys. Rev.
Lett. 60, 2398 (1988) – Von R. J.
Wilson zur Verfügung gestellt)
1.4 Bedeutung von Molekülphysik und Quantenchemie für andere Disziplinen 7

nen, dann müssen wir deshalb dem Bereich der Mikrowellen und des Infraroten, wo die
Frequenzen der Rotationen und Schwingungen liegen, vermehrte Beachtung schenken.
Die Wechselwirkung der Moleküle untereinander und mit anderen Molekülen führt
schließlich zur Physik der Flüssigkeiten, zur Festkörperphysik und zu den physikali-
schen und strukturellen Grundlagen der Biologie. Hier werden wir von diesen Gebieten
nur so weit Gebrauch machen, wie wir sie zum Verständnis der Moleküle brauchen.
Umgekehrt werden wir in noch viel größerem Maße Methoden und Tatsachen kennen
lernen, die zum Verständnis der Vorgänge in den genannten Gebieten wesentlich sind.
Unser Ziel wird es auch hier wie in I sein, vom Experiment und der Beobachtung aus-
zugehen und die Grundprinzipien der Molekülphysik und Quantenchemie herauszuar-
beiten. So soll das Buch kein Spezialwissen vermitteln, sondern den Zugang zur um-
fangreichen Spezialliteratur ebnen.
Eine wichtige Anwendung findet die Molekülphysik in der aktuellen Umwelttech-
nik. Die Untersuchung der molekularen Zusammensetzung unserer Atmosphäre, deren
Änderung durch die Verbrennung von Holz, Kohle und Öl auf der Erde, durch Autoab-
gase und andere Produkte unserer modernen Industrietechniken sowie die Aufklärung
der in der Atmosphäre durch Sonnenlicht verursachten photochemischen Prozesse sind
für Untersuchungen mit dem Ziel eines Schutzes unserer Umwelt von elementarer Be-
deutung. Es sei nur an das sogenannte Ozonloch und dessen dramatische Folgen für das
menschliche Leben auf der Erde erinnert.
In der Astrophysik versucht man, Moleküle im Weltall zu identifizieren. Ziel solcher
Untersuchungen ist das Auffinden kleiner Moleküle, die als Urbausteine für die Ent-
stehung von Biomolekülen und damit des Lebens auf unserer Erde angesehen werden
können.
2. Mechanische Eigenschaften von Molekülen, Größe, Masse

Moleküle kann man nur in günstigen Fällen und erst seit kurzem mit speziellen Mikro-
skopen direkt abbilden. Zur Bestimmung von Größe, Masse und Form von Molekülen
gibt es jedoch viele weniger direkte, einfache und ältere Wege, auch aus dem Bereich
der klassischen Physik. Dies ist Gegenstand der folgenden Abschnitte.

2.1 Größe
Wenn man unter Größe eines Moleküls nicht den Abstand der Atome im Molekül, son-
dern die räumliche Erstreckung seiner Elektronenhülle versteht, dann kann man zur
Bestimmung der Größe eines kleinen, aus wenigen Atomen aufgebauten Moleküls mit
einer einfachen Überlegung beginnen. Wir wissen nach Avogadro, daß 1 Mol eines idea-
len Gases unter Normalbedingungen ein Volumen von 22,4 · 10−3 m3 einnimmt und NA
Moleküle enthält. Dabei ist NA die Avogadrosche Zahl, 6,02205 · 1023 Mol−1 . Wenn wir
das Gas zu einer Flüssigkeit oder einem Festkörper kondensieren, so nimmt dabei des
Volumen um etwa den Faktor 1000 ab. Wenn wir nun weiter annehmen, daß sich in
kondensierter Phase die Moleküle gegenseitig berühren, dann erhalten wir aus diesen
Daten als Größenordnung der Molekülradien 10−10 m, also 0,1 nm oder 1 Å. In ähnli-
cher Weise kann man aus der Dichte  einer Flüssigkeit das vom einzelnen Baustein
eingenommene Volumen errechnen, wenn man dichteste Kugelpackung der Moleküle
annimmt oder aber die Packungsart, das heißt die räumliche Anordnung der Bausteine
kennt.
Weitere und genauere Methoden zur Bestimmung der Molekülgrößen aus makrosko-
pischen Meßgrößen sind die gleichen, die wir auch schon in der Atomphysik kennen-
gelernt haben. Sie sollen hier nur kurz wiederholt werden:

– Aus Messungen der pV -Isothermen realer Gase erhält man mit Hilfe der Van der
Waalsschen Zustandsgleichung für Druck p und Volumen V
 
a
p + 2 (V − b) = RT (2.1)
V

(T = Temperatur, R = ideale Gaskonstante, p und V bezogen auf ein Mol).


Zahlenwerte für die Größe b, das Kovolumen. Es ist im Rahmen der kinetischen Theo-
rie realer Gase gleich dem 4fachen Eigenvolumen der Moleküle. Die Van der Waals-
sche Zustandsgleichung tritt ja bekanntlich an die Stelle der idealen Gasgleichung
pV = RT , wenn man Wechselwirkung der Teilchen untereinander (a/V 2 ) und Ei-
genvolumen der Teilchen (b) zuläßt. Tabelle 2.1 enthält Meßwerte von b und daraus
errechnete Moleküldurchmesser für einige Gase.
10 2. Mechanische Eigenschaften von Molekülen, Größe, Masse

Tabelle 2.1. Meßwerte für das – Aus der Messung sogenannter Transportphänomene wie Diffusion (Transport von
Kovolumen b in der Van der Masse), Viskosität (Transport von Impuls), Wärmeleitung (Transport von Energie)
Waalsschen Zustandsgleichung
(2.1) in liter Mol−1 und daraus
erhält man die mittlere freie Weglänge l von Molekülen1 im Gas und daraus den
berechnete Durchmesser d in Moleküldurchmesser in folgender Weise:
Å von einigen Gasmolekülen. Es gilt für die Viskosität oder innere Reibungen eines Gases
Nach Barrow 
1
Molekül b d η =  l v2 (2.2)
3
H2 0,0266 2,76  = Dichte, v2 = mittleres Geschwindigkeitsquadrat der Moleküle, von denen wir
H2 O 0,0237 2,66 wissen, daß sie keine einheitliche Geschwindigkeit besitzen, sondern daß für ihre Ge-
NH3 0,0371 3,09 schwindigkeiten die Maxwellsche Verteilungsfunktion gilt.
CH4 0,0428 3,24 Mit der Gleichung
O2 0,0318 2,93
N2 0,0391 3,14 1 2
p= v
CO 0,0399 3,16 3
CO2 0,0427 3,24
für den Gasdruck p kann man (2.2) in direkt meßbare Größen umformen. So kommt
C6 H6 0,155 4,50
man zu

3
l=η . (2.3)
p
Man kann also aus Messung von Druck, Dichte und innerer Reibung eines Gases die
mittlere freie Weglänge errechnen. – Ein anderer Weg führt über die Wärmeleitzahl.
Für die Wärmeleitzahl λ gilt

1 CV
λ= N l v2 (2.4)
3 NA
(N = Zahl der Moleküle je Volumeneinheit, C V = spezifische Wärme bei konstantem
Volumen, NA = Avogadrosche Zahl).

Geringe Wärmeleitfähigkeit wird also mit schweren Molekülen erreicht, da dann v2
bei gegebener Temperatur klein ist.
Aus der mittleren freien Weglänge l erhält man den Wirkungsquerschnitt und damit
die Größe von Molekülen, wie in Abschn. 2.4 von I gezeigt. Es gilt
1
l=√ (2.5)
2πNd 2
Tabelle 2.2. Durchmesser d (in
Å) einiger kleiner Moleküle aus (N = Zahl der Moleküle je Volumeneinheit, d = Durchmesser des Moleküls bei An-
gaskinetischen Wirkungsquer- nahme eines kreisförmigen Querschnittes). Einige so gewonnene Meßwerte enthält Ta-
schnitten belle 2.2.
Molekül d Für N2 (Stickstoff) unter Normalbedingungen gilt N = 2,7 · 1025 m−3 , l =
0,6 · 10−7 m und damit als Größe des Moleküls d = 3,8 · 10−10 m. Für die mittlere
H2 2,3
Zeit zwischen zwei Stößen ergibt sich mit
O2 3,0

CO2 3,4 τ v2 = l der Wert τ = 1,2 · 10−10 s .
C2 H6 3,8
1 In I wird die mittlere freie Weglänge mit λ bezeichnet
2.1 Größe 11

Bei allen genannten Methoden betrachtet man das Molekül in der einfachsten Nähe-
rung als Kugel. Zur Bestimmung der wirklichen Gestalt und Form der Moleküle sind
anspruchsvollere physikalische Methoden erforderlich.
Die ebenfalls in I bereits erwähnten Interferenzmethoden der Streuung von Röntgen-
oder Elektronenstrahlen erlauben eine Bestimmung der Molekülabstände im Festkörper,
und damit auch der Molekülgröße unter Einschluß einer Anisotropie der Moleküle, das
heißt bei Abweichung von der Kugelgestalt, siehe hierzu I, Abschn. 2.4. Allerdings be-
nötigt man hierzu Kristalle oder wenigstens Festkörper mit einer gewissen Ordnung.
Wenn die Moleküle sich in ungeordneter Umgebung befinden, zum Beispiel in einer
Flüssigkeit oder in einem Glas, so erhält man nur weniger deutlich ausgeprägte Inter-
ferenzerscheinungen aufgrund einer eventuell auch im Glas oder in der Flüssigkeit vor-
handenen Nahordnung der Moleküle. Eine Nahordnung bedeutet, daß bestimmte zwi-
schenmolekulare Abstände besonders häufig auftreten.
Die Abstände von Atomen innerhalb eines Moleküls, das heißt zwischen den das
Molekül aufbauenden Atomen, können aus der Beugung von Elektronenstrahlen an Mo-
lekülen bestimmt werden. Man muß dazu die Intensitätsverteilung im Elektronenbeu-
gungsdiagramm ausmessen. Mit den Annahmen, daß die Atome als Zentren im Molekül
unabhängig voneinander streuen und daß die zur Interferenz führenden Phasendifferen-
zen in der Streustrahlung nur vom Abstand der Streuzentren abhängen, erhält man Werte
für charakteristische Kernabstände in Molekülen, wie in Abb. 2.1 gezeigt wird.
Wenn man aus Röntgeninterferenzen an Einkristallen mehr als nur die Kristallstruk-
tur und die Abstände der Molekül-Schwerpunkte, nämlich auch die genaue Verteilung
der Elektronendichte kennenlernen will, dann muß man die relativen Intensitäten der
Interferenz-Maxima auswerten. Maßgeblich für die Streuung der Röntgenstrahlung am
Kristall ist die dreidimensionale Ladungsverteilung seiner Elektronen. Diese kann man
aus den gemessenen Reflexintensitäten mit Hilfe der sogenannten Fourier-Synthese re-
konstruieren. Damit kommt man zu Karten der Elektronendichte-Verteilung in Molekü-
len wie in Abb. 2.2 dargestellt. Auf den Kristall geschossene Elektronen werden eben-
falls an der Elektronenhülle der Atome oder Moleküle gestreut und liefern so ebenfalls

Abb. 2.1. Aus Elektronenbeu-


gungs-Aufnahmen gewonnene
radiale Verteilungsfunktion D
der Elektronendichte als Funk-
tion des Abstandes vom Kern R
in den Molekülen PH(CH3 )2
und PH2 CH3 . Die Maxima in
der Verteilungsfunktion können
den angegebenen Kernkonfi-
gurationen zugeordnet werden.
(Nach Barteil, J., Chem. Phys.
32, 832 (1960))
12 2. Mechanische Eigenschaften von Molekülen, Größe, Masse

Abb. 2.2. Schnitt durch die I


Molekülebenen von Naphthalin
(links) und Anthracen. Die
Schichtlinien der Elektronen-
dichte sind in Abständen von
1/2 Elektron je Å3 gezeichnet,
die äußerste, gestrichelte Linie
entspricht gerade dieser Einheit.
(Nach Robertson, J. M., Organic
Crystals and Molecules. Cornell
University Press (1953))

Bilder der Elektronen-Dichteverteilung. Allerdings ist Elektronenbeugung als Untersu-


chungsmethode für Strukturen wegen der geringen Eindringtiefe von Elektronen nur an
dünnen Schichten möglich. Anders ist es mit Neutronen. Da Streuung von Neutronen
bevorzugt an den Kernen und, wenn vorhanden, an deren magnetischen Momenten er-
folgt, lassen sich mit Neutronenbeugung die Strukturen der Kerngerüste von Molekülen
untersuchen. Dagegen kann man mit Neutroneninterferenzen nur in beschränktem Um-
fang elektronische Strukturen von Molekülen untersuchen.
Eine mikroskopische Abbildung von Molekülen ist mit dem Elektronenmikroskop
möglich. Das Auflösungsvermögen von Durchstrahlungs-Elektronenmikroskopen ist in
den letzten Jahrzehnten so gut geworden, daß Strukturen im Bereich von 1 bis 2 Å
Abb. 2.3. (a) Transmissions- sichtbar gemacht werden können. Ein Beispiel zeigt Abb. 1.4 in Kap. 1. Als weite-
Elektronenmikroskopische Auf- res Beispiel zeigt Abb. 2.3 die Aufnahme eines dünnen Fulleren-Kristalls (C60 ) mit ei-
nahme eines dünnen C60 - nem hochauflösenden Transmissions-Elektronen-Mikroskop. Man erkennt die kugelför-
Kristalls in (111) Richtung. Das migen C60 -Moleküle (siehe dazu Abb. 4.18) in regelmäßiger dichter Packung. Wäh-
strukturelle Auflösungsvermö-
gen des Geräts betrug 0,17 nm. rend die Abbildung von Molekülen mit dem Feldemissions-Mikroskop (siehe Abb. 2.14
Das Bild wurde mit einer spe- in I) bisher keine größere praktische Bedeutung hat, verspricht das seit 1982 entwickelte
ziellen Aufnahmetechnik, der Raster-Tunnel-Mikroskop die Möglichkeit zum Identifizieren, zum Abbilden und even-
HREM (high resolution electron tuell auch zum elektrischen Ansteuern einzelner Moleküle.
microscopy) und spezieller
Bildverarbeitung aufgenommen. Mit dem von Binnig und Rohrer erstmals vorgestellten und seither weiterentwickel-
(b) Zum Vergleich: Berechnetes ten Raster-Tunnel-Mikroskop (RTM) ist es möglich, detaillierte Bilder von Oberflächen
Bild für einen Kristall mit einer mit atomarer bzw. molekularer Auflösung zu erhalten. In der einfachsten und älte-
Dicke von 2 Einheitszellen sten Version, im Betrieb bei konstantem Tunnelstrom, arbeitet das Gerät RTM wie in
(4,9 nm). Aus S. Wang und
P. R. Busek, Chem. Phys. Lett.
Abb. 2.4 schematisch angezeigt. Eine extrem dünne Spitze wird einer leitfähigen Ober-
182, 1 (1991) mit freundlicher fläche so stark genähert, daß bei einer kleinen Betriebsspannung (mV bis V) bereits
Erlaubnis der Autoren ohne direkten Kontakt ein Strom, der auf dem Tunneleffekt beruht (vgl. I, Abschn. 23.3),
2.1 Größe 13

Abb. 2.4. Schematische Darstel-


lung eines Raster-Tunnelmikro-
skops. Der Tunnelstrom IT zwi-
schen der abzubildenden Ober-
fläche und der als Spitze ausge-
bildeten Gegenelektrode wird als
Funktion der 3 Raumkoordina-
ten x, y und dem Abstand z dar-
gestellt

zwischen Spitze und Oberfläche meßbar wird. Dieser sogenannte Tunnelstrom ist sehr
stark vom Abstand abhängig. Die Spitze wird nun über die zu messende Oberfläche
hinweg bewegt. Dabei wird die Höhe z der Spitze durch eine Rückkopplungs-Schaltung
so variiert, daß der an sich mit dem Abstand zwischen Spitze und Fläche stark vari-
ierende Tunnelstrom konstant bleibt. Ein Bild der Oberfläche entsteht, indem man die
Höhe z als Funktion der Flächenkoordinaten x und y aufträgt. Dies ist im unteren Teil
von Abb. 2.4 schematisch gezeigt. Mit diesem Mikroskop ist es auch möglich, einzelne
Moleküle auf der Oberfläche zu sehen. Ein Meßbeispiel mit molekularer Auflösung
zeigt Abb. 1.5. Mehr dazu und neue Entwicklungen werden in Abschn. 21.3 behandelt.
Eine Weiterentwicklung des Raster-Tunnel-Mikroskopes ist das Raster-Kraft-
Mikroskop. Hier ist die Meßgröße nicht ein Tunnelstrom, sondern die von Ort zu Ort
wechselnde Kraft zwischen Spitze und Unterlage. Es kann deshalb auch bei isolierenden
Unterlagen angewandt werden. Mit solchen Raster-Mikroskopen lassen sich Strukturen
von Molekülen und ihre Anordnung auf Oberflächen sichtbar machen. Man kann auch

Abb. 2.5. (a) Rastertunnel-


mikroskopische Abbildung von
Naphthalin-Molekülen auf einer
Pt (111)-Unterlage. (b) Schema-
tische Darstellung der Orientie-
rung der Naphthalin-Moleküle
auf der Pt (111)-Unterlage. Aus
V. M. Hallmark, S. Chiang,
J. K. Brown, Ch. Wöll, Phys.
Rev. Lett. 66, 48 (1991). Für
eine Übersicht sei verwiesen
auf J. Frommer, Angew. Chem.
104, 1325 (1992)
14 2. Mechanische Eigenschaften von Molekülen, Größe, Masse

Abb. 2.6. Schema der Anord-


nung von Fettsäure-Molekülen
auf einer Wasseroberfläche.
Dabei bedeuten: Wasser-
moleküle, wasserlösliche
(hydrophile) Sauerstoffatome
bzw. Hydroxyl-Gruppen und
wasserunlösliche (hydro-
phobe) Kohlenstoffatome bzw.
CH2 -Gruppen. Mehr dazu in
Abschn. 20.7

Kristallisation von Molekülen auf Oberflächen im Zeitablauf verfolgen. Ein weiteres


Beispiel für eine Molekülabbildung mit dem Raster-Mikroskop zeigt Abb. 2.5.
Eine gänzlich andere Methode zur Messung von Molekülgrößen ergibt sich an mo-
nomolekularen Schichten. Langgestreckte Kohlenwasserstoff-Moleküle, die an einem
Ende eine wasserlösliche (hydrophile) Endgruppe tragen, während ihr anderes Ende hy-
drophob ist, können sich in monomolekularer Schicht auf einer Wasseroberfläche aus-
breiten. Dies hat zuerst die Hausfrau und Amateurforscherin Agnes Pockels 1891 ge-
zeigt. Die Technik wurde von Lord Rayleigh, dem sie das mitteilte, und dann beson-
ders von Langmuir, weiterentwickelt. Er konnte zeigen, daß man die Moleküle bis auf
einen wohldefinierten kleinsten Abstand auf der Wasseroberfläche zusammenschieben
kann, so daß sie sich im Gleichgewichtsabstand gegenseitig berühren. Aus Molekular-
gewicht und Dichte kann man die Zahl der Moleküle bestimmen, die sich auf einer be-
stimmen Oberfläche, deren Flächenausdehnung man ausmessen kann, befinden. Daraus
erhält man einen Zahlenwert für den Querschnitt der Moleküle. Natürlich läßt sich die-
ses Verfahren nur bei Molekülen mit einer sehr speziellen Struktur anwenden. Zur Er-
läuterung siehe dazu Abb. 2.6.
Es sei schon hier erwähnt, daß solche monomolekularen Schichten, sogenannte
Langmuir-Blodgett-Schichten, in den letzten Jahren erneut großes Interesse gefunden
haben. Man kann sie zum Beispiel auf Träger aufziehen, man kann verschiedene Schich-
ten aufeinander aufbringen und man kann damit das Verhalten und die Wechselwirkung
zwischen einzelnen Molekülen in niederdimensionalen Strukturen oder in exakt defi-
nierten Abständen voneinander und relativen Lagen zueinander studieren. Auch benutzt
man solche Schichten als Modelle für biologische Membranen. Ein Ziel der modernen
Forschung ist es, aus solchen geordneten Schichten künstliche molekulare Funktions-
einheiten aufzubauen, vergleiche hierzu Abschn. 20.7.
Die aufgeführten Verfahren liefern schon in verhältnismäßig einfacher Weise recht
genaue Angaben über die Größe von Molekülen. Wir werden in späteren Kapiteln se-
hen, daß es eine ganze Reihe spektroskopischer Verfahren gibt, mit denen man noch we-
sentlich genauere Einzelheiten über den Bau eines Moleküls, die räumliche Anordnung
und die Erstreckung seiner Bestandteile, über das Kerngerüst und die Wirkungsradien
der Elektronenhüllen gewinnen kann.
Jedenfalls muß man, wenn man von „Größe“ spricht, definieren, um welche physika-
lische Eigenschaft es sich handelt. Das ist in Abb. 2.7 veranschaulicht. Wenn man zum
2.2 Form der Moleküle 15

Abb. 2.7. Zur Definition der


„Größe“ eines Moleküls. Man
kann unterscheiden zwischen
d0 , dem Abstand, bei dem sich
zwei stoßende Moleküle meßbar
berühren, dT als dem kleinsten
Abstand, der beim Stoß mit
einer kinetischen Energie kT
der Stoßteilchen erreicht wird,
und dMin , das ist der Ab-
stand, der dem Minimum eines
Wechselwirkungs-Potentials ent-
spricht. Hier handelt es sich um
das Wechselwirkungs-Potential
zweier neutraler Moleküle –
nicht zu verwechseln mit dem
innermolekularen Potential. Die
Wechselwirkung verläuft typisch
mit R−6 (anziehend) und R−12
(abstoßend)

Beispiel durch Messung von Stoßquerschnitten einen Moleküldurchmesser bestimmen


will, so kann man den kleinsten Abstand, der beim Stoß erreicht wird (dT ), oder den
Abstand, bei dem sich die Elektronenhüllen der stoßenden Moleküle gerade meßbar be-
rühren (d0 ), oder aber den Abstand dMin als Molekülgröße definieren, bei dem die Wech-
selwirkungsenergie E ihre Minimum annimmt. Dabei ist auch noch zu berücksichtigen,
daß die Moleküle nicht „hart“, sondern beim Stoß mehr oder weniger stark deformierbar
sind, wie in Abb. 2.7 bei der Definition des kleinsten Abstandes dT angedeutet. T steht
hier für Temperatur, weil ein Molekül seine mittlere Energie kT beim Stoß mitbringt.
Auch sind die Elektronen-Wellenfunktionen nicht scharf begrenzt. Es ist deshalb auch
nicht verwunderlich, wenn die erhaltenen Meßgrößen je nach Meßmethode verschieden
sind. So findet man zum Beispiel beim H2 -Molekül als Zahlenwert für den Durchmes-
ser (in Å) 2,47 aus der inneren Reibung, 2,81 aus der Van der Waals-Gleichung, und für
den Gleichgewichtsabstand Re der Schwerpunkte der beiden H-Atomkerne in H2 findet
man aus spektroskopischen Daten den Wert 0,74 Å.

2.2 Form der Moleküle

Moleküle sind nur in seltenen Fällen kugelförmig. Um ihre räumliche Struktur zu un-
tersuchen, muß man sowohl die Struktur des Kerngerüstes wie auch die räumliche Er-
streckung der Elektronenhülle messen. Dies wird in Abb. 2.8 an zwei einfachen Bei-
spielen erläutert.
Das Kerngerüst, d. h. die Abstände der das Molekül aufbauenden Atomkerne und
ihre relative Orientierung zueinander, kann man sehr genau bestimmen. Außer der
Röntgen-, Elektronen- und Neutronenbeugung benötigt man dazu spektroskopische
Methoden wie Infrarot-Spektroskopie und Magnetische Kernspin-Resonanz, die erst
später im einzelnen behandelt werden.
16 2. Mechanische Eigenschaften von Molekülen, Größe, Masse

Abb. 2.8. Molekülkonturen wei-


chen im allgemeinen von der
Form einer Kugel ab. Als Bei-
spiel hier die Moleküle O2 und
H2 O. Außer dem Abstand der
Kerne und den Bindungswinkeln
ist die räumliche Erstreckung
der Molekül-Elektronen eine
wichtige Meßgröße

Einige kleinere Moleküle seien schon hier als Beispiele aufgeführt:

2-atomig, homonuklear H2 H–H Abstand 0,74 Å


J2 J–J Abstand 2,66 Å
O2 O–O Abstand 1,20 Å
2-atomig, heteronuklear HCl H–Cl Abstand 1,28 Å
3-atomig, symmetrisch-linear CO2 O–C–O Abstand 1,15 Å
3-atomig, gewinkelt H2 O O Abstand 0,97 Å
H H ^ 105◦
4-atomig, symmetrische Pyramide NH3 N Abstand NH 1,01 Å
H
H H
5-atomiger Tetraeder CH4 H Abstand CH 1,09 Å
C
H H
H
Mehratomige Kohlenwasserstoffe, C2 H6 H H
Paraffine Ethan H–C–C–H Abstand C–C 1,55 Å
H H Abstand C–H 1,09 Å
^ (H–C) = 109,5◦
^ (HCH) = 111,5◦
H H
C C
Aromaten C6 H6 HC CH Abstand C–H 1,08 Å
Benzol C C Abstand C–C 1,39 Å
H H
Biologische Makromoleküle DNS Doppelhelix 200 Å lang
105 –106 Atome

Die Meßgenauigkeit, mit der man diese Daten aus einer Analyse der Elektronen- und
Röntgenbeugung an geordneten Strukturen angeben kann, ist sehr groß. Abstände kön-
nen sicher auf ±0,01 Å genau angegeben werden, Winkel auf ±1◦ . Zwar ist die Ausdeh-
nung der Elektronenhülle von Molekülen wie bereits erläutert nicht genau definiert, da
die Elektronendichte kontinuierlich nach außen hin abfällt. Man kann jedoch Flächen
gleicher räumlicher Elektronendichte angeben und daraus Flächen minimaler Elektro-
2.3 Masse 17

Abb. 2.9. Elektronendichte-


Diagramm des Moleküls
Nickel-Phthalocyanin. Ebenso
wie in Abb. 2.2 sind die H-
Atome nicht zu erkennen, weil
sie durch Röntgen-Beugungs-
Methoden neben Atomen mit
größerer Elektronendichte
schwer meßbar sind. Die
Höhen-Konturlinien stellen die
Elektronendichte dar. Sie ver-
laufen im Abstand von jeweils
einem Elektron je Å2 , wobei
die gestrichelten Linien der
Dichte von 1 Elektron je Å2
entsprechen. Um das zentrale
Ni-Atom herum beträgt der
Linienabstand 5 Elektronen je
Å2 . Nach Robertson

nendichte herleiten, woraus sich die genauen Abstandsbestimmungen ergeben. Schnei-


det man Flächen gleicher räumlicher Elektronendichte mit einer Ebene, so erscheinen
diese als Höhenlinien in der Zeichenebene. Wenn man dann noch die Struktur des Kern-
gerüstes kennt, kommt man zu Molekülbildern wie in Abb. 2.9.

2.3 Masse

Die Masse eines Moleküls erhält man am einfachsten wie bei den Atomen durch Wä-
gung, 1 Mol einer Substanz, d. h. 22,4 l Gas unter Normalbedingungen enthalten NA =
6,022 · 1023 Moleküle. Aus dem Gewicht eines Mols kann man also die Masse eines
Moleküls bestimmen, indem man durch die Anzahl der Moleküle im Mol, die Avogadro-
Zahl, teilt.
Eine besonders wichtige Methode zur Bestimmung von Molekülmassen ist die Mas-
senspektroskopie mit Hilfe der Ablenkung von Strahlen ionisierter Moleküle in elektri-
schen und magnetischen Feldern. Die Grundlagen des Verfahrens sind in I, Abschn. 3.2
beschrieben. Während man die Massenspektroskopie in der Atomphysik zur genauen
Bestimmung von Atommassen und zur Untersuchung der isotopischen Zusammenset-
zung einer Probe benutzt, wird sie in der Molekülphysik darüber hinaus zur Analytik
und zur Bestimmung von Molekülstrukturen wichtig. Durch Beschuß mit Elektronen
kann man viele Moleküle in Bruchstücke zerlegen. Aus der im Massenspektrometer
bestimmten Natur der Bruchstücke kann man auf die Struktur des Ausgangsmoleküls
18 2. Mechanische Eigenschaften von Molekülen, Größe, Masse

Abb. 2.10. Schematische Dar-


stellung eines Massenspektrome-
ters, das mit elektromagnetischer
Ablenkung der ionisierten Mole-
külbruchstücke arbeitet. Als Bei-
spiel Massenspektrum des Mo-
leküls Butan. Man erkennt Ma-
xima bei Fragmenten und Mas-
senzahlen zwischen 5 und 58,
die hier nicht im einzelnen zu-
geordnet werden. Nach Barrow

schließen, indem man gedanklich den Versuch macht, wie in einem Puzzle die Bruch-
stücke wieder zusammenzusetzen. Ein Beispiel zeigt Abb. 2.10.
Andere Methoden werden besonders bei biologischen Makromolekülen wichtig.
Zum Beispiel kann man aus der Verteilung der Moleküle in radialer Richtung in einer
Zentrifuge die Masse von Molekülen bestimmen. Wenn die Wellenlänge des Lichtes
mit der Größe der streuenden Moleküle vergleichbar wird, dann kann auch aus der Win-
kelabhängigkeit der Intensität des an den Molekülen gestreuten Lichtes auf Größe und
Form und damit indirekt auch auf seine Masse geschlossen werden. Es tritt Lichtstreu-
ung an verschiedenen Teilen des Moleküls auf, und die dadurch mögliche Interferenz
von Strahlung, die innerhalb eines Moleküls abgebeugt wurde, führt zu einer Win-
kelabhängigkeit der Streustrahlung, die nicht mehr der einfachen Rayleigh-Streuung
entspricht. Das Prinzip zeigt Abb. 2.11.
Mit den Methoden der sogenannten Kleinwinkel-Streuung von Röntgenstrahlen und
auch von Neutronen (SAXS, SANS für Small Angle X-Ray oder Neutron Scattering)

Abb. 2.11. Bei Molekülen grö-


ßerer Ausdehnung kann Licht,
das an verschiedenen Orten
des Moleküls gestreut wird,
interferieren. Dies führt zu einer
geänderten Intensitäts-Verteilung
der Rayleigh-Streuung und
daraus zu Informationen über
Größe und Form des Moleküls.
Diese Methode ist nicht sehr
spezifisch, aber experimentell
verhältnismäßig einfach
2.4 Spezifische Wärme, kinetische Energie 19

ist insbesondere bei größeren Molekülen häufig eine Ausmessung oder wenigstens Ab-
schätzung ihrer räumlichen Erstreckung möglich.
Bei Makromolekülen können die genannten Methoden aus mehreren Gründen ver-
sagen, besonders dann, wenn man die Form, Größe und Masse eines Moleküls in seiner
natürlichen Umgebung untersuchen will, das heißt häufig in flüssiger Phase. Einerseits
können sich Form und Größe von Molekülen mit der Umgebung ändern, andererseits
beruhen die genannten Verfahren wenigstens zum Teil darauf, daß die Moleküle von
ihrer Umgebung isoliert wurden. Hier verwendet man andere Methoden wie die Os-
mose durch Membranen, Gleichgewicht oder Geschwindigkeit von Sedimentation im
Schwerefeld der Erde oder im Zentrifugalfeld einer Ultrazentrifuge, als Elektrophorese
bezeichneter Transport unter der Wirkung eines elektrischen Feldes in Papier oder in
einem Gel, Filtration durch Mikroporen. Auf diese auch bei biologisch wichtigen Mo-
lekülen angewandten Verfahren soll hier nicht näher eingegangen werden.

2.4 Spezifische Wärme, kinetische Energie


Impuls und kinetische Energie von Molekülen wurden bereits im 19. Jahrhundert bei
der atomistischen Deutung thermodynamischer Meßgrößen von Gasen abgeleitet.
Die mittlere kinetische Energie von Molekülen im Gas ist durch den Ausdruck
m
Ē kin = v2 , (2.6)
2
gegeben, wobei v2 wieder das Mittel der Geschwindigkeitsquadrate der Moleküle im
Gas bedeutet. m ist die Masse.
Für den Druck p gilt, wie aus der elementaren Wärmelehre bekannt,
2
p= N Ē kin (2.7)
3
(N Teilchen/Volumeneinheit).
Wegen der als ideales Gasgesetz bekannten Gleichung
pV = n RT (2.8)
(n = Zahl der Mole des untersuchten Gases, V = Volumen, R = Gaskonstante, T =
Temperatur)
folgt dann für das einzelne Molekül
3
Ē kin = kT , (2.9)
2
(k = R/NA = Boltzmann-Konstante); und da es 3 Freiheitsgrade der Translation gibt,
gilt für die Energie je Freiheitsgrad f
1
Ē kin f =kT . (2.10)
2
Für die Energie eines Mols gilt dann
3
Ē Mol = RT (2.11)
2
20 2. Mechanische Eigenschaften von Molekülen, Größe, Masse

und für die spezifische Wärme bei konstantem Volumen


dE 3
CV = = R (2.12)
dT 2
und bei konstantem Druck
5
C P = CV + R = R.
2
Bei atomaren Gasen werden diese Werte tatsächlich gemessen. Bei molekularen Ga-
sen mißt man dagegen höhere Werte. Dies liegt daran, daß Moleküle im Gegensatz zu
Atomen noch weitere Freiheitsgrade haben, die mit Rotations- und Schwingungsbewe-
gungen verknüpft sind, und daß diese inneren Bewegungen ebenfalls zur spezifischen
Wärme beitragen. Die Freiheitsgrade der Rotation tragen zu C V je 1/2kT bei. Im allge-
meinen hat ein Molekül drei Rotationsfreiheitsgrade entsprechend der Rotation um die
drei Hauptträgheitsachsen, das heißt die Achsen des Trägheitsellipsoides. Bei einem li-
nearen Molekül liegen alle Massenpunkte auf einer Geraden, daher gibt es um diese
Achse kein Trägheitsmoment. In diesem Falle gibt es nur zwei Freiheitsgrade der Ro-
tation. Entsprechend wird die spezifische Wärme unter Einschluß der Rotation für zwei-
bzw. für dreiatomige Moleküle, wenn wir zunächst von der Quantisierung absehen,
5 7
CV = R bzw. 3R , CP = R bzw. 4R . (2.13)
2 2
Zusätzlich können noch innere Schwingungen der Moleküle angeregt werden. Da-
für gibt es bei einem zweiatomigen Molekül einen Freiheitsgrad, beim 3-atomigen drei
und beim n-atomigen Molekül 3n − 6 Freiheitsgrade. Die Zahl dieser Freiheitsgrade
und damit der Normalschwingungen (vergleiche Kap. 10) läßt sich in folgender Weise
bestimmen. Jedes Atom bringt 3 Freiheitsgrade der Bewegung mit, bei n Atomen sind
das 3n Freiheitsgrade. Hiervon gehen die 3 Freiheitsgrade der Translationsbewegung des
Schwerpunktes und die 3 Freiheitsgrade der Rotation des Moleküls als Ganzes ab. Da-
mit hat das n-atomige Molekül 3n − 6 Schwingungs-Freiheitsgrade. Diese Formel gilt
für n ≥ 3. Bei einem zweiatomigen Molekül gibt es wegen der 2 Rotationsfreiheitsgrade
genau einen Schwingungs-Freiheitsgrad.
Die mittlere thermische Energie je Freiheitsgrad ist doppelt so groß wie bei der
Translation, da bei der Schwingung außer kinetischer auch potentielle Energie zu be-

Abb. 2.12. Zur Temperaturab-


hängigkeit der spezifischen Wär-
me von Gasen. Die Kurve ent-
spricht etwa dem Wasserstoff-
Molekül H2 . Mit abnehmender
Temperatur werden in zwei
Schritten die Freiheitsgrade der
Schwingung und der Rotation
eingefroren
Aufgaben 21

rücksichtigen ist. Entsprechend größer sind die spezifischen Wärmen mehratomiger Mo-
leküle in Temperaturbereichen, in denen diese Schwingungen thermisch angeregt wer-
den können.
Bei all diesen Überlegungen ist zu berücksichtigen, daß die Zustände der Schwin-
gungen wie auch die der Rotationen gequantelt sind. Die Energie-Quanten sind verschie-
den groß, je nach Molekülstruktur, und generell für die Rotationen kleiner als für die
Schwingungen. Sie werden thermisch nur angeregt, wenn die thermische Energie kT
hinreichend groß im Vergleich zur Quantenenergie hv ist. Insgesamt erhält man des-
halb für Moleküle eine Temperaturabhängigkeit der spezifischen Wärmen C V und C P
wie schematisch in Abb. 2.12 gezeigt. Bei ganz tiefen Temperaturen tragen nur die
Translations-Freiheitsgrade zur spezifischen Wärme bei und man mißt deshalb den Wert
C V = 32 R. Mit zunehmender Temperatur werden zusätzlich die Freiheitsgrade der Ro-
tation angeregt, und bei noch höheren Temperaturen mißt man mit C V auch die thermi-
sche Anregung von Molekülschwingungen. Man kann also bereits aus Messungen der
spezifischen Wärmen Rückschlüsse auf Anzahl und Bewegungszustände der Atome in
Molekülen ziehen.

Aufgaben
2.1 Die Potentialkurven von zweiatomigen Molekülen lassen sich empirisch beschrei-
ben. Für Ionenmoleküle eignet sich die Näherung:
e2
Pi (r) = − + β exp(−r/) + I E .
4πε0r
Für Moleküle, die aus neutralen Atomen bestehen, verwendet man z. B.:
C
Pn (r) = − + β exp(−r/) .
r6
Hierbei ist r der Abstand der Teilchen voneinander,  etwa die Summe der Ionenra-
dien und I E die potentielle Energie eines unendlich weit getrennten Ionenpaares (Na+
+ Cl− ). Wie nah müßte man z. B. Natrium- und Chloratome zusammenführen, damit
Na+ Cl− entsteht?
Hinweis: vereinfachen Sie C = 0, und bedenken Sie, daß das abstoßende Potential
β exp(−r/) erst für sehr kleine Abstände wirksam wird. I E = 1,42 eV.
2.2 Die Abbildung organischer Moleküle mit dem Transmissionselektronenmikroskop
gelingt nur unter günstigen Bedingungen. Nach Freyer2 gilt folgende Ungleichung für
die Auflösung dp eines Moleküls:
S/N
dp ≥ √ .
C· f · Ncr
Hierbei bedeuten:
dp Punktauflösung in Å (1 Å = 10−10 m)
S/N gefordertes Signal-Rauschverhältnis (ca. 5)
2 J. R. Freyer: Mol. Cryst. Liq. Cryst. 96, 275 (1983)
22 2. Mechanische Eigenschaften von Molekülen, Größe, Masse

C Kontrast (ca. 0,1 für eine Lage von Streuzentren)


f Elektronen-Nutzfaktor (ca. 25%, nur jedes 4. Elektron trägt bei)
Ncr Zerstörschwelle (in Elektronen pro Fläche (Å−2 )).

Der Kontrast C ist proportional zu n, wobei n die Zahl der hintereinanderliegenden
Streuzentren (Atome) ist. Ein handelsübliches Mikroskop benötigt für 1 Å theoretische
Auflösung (nur die wird natürlich im Prospekt angegeben) eine Dosis von ca. 100 Å−2 ,
die nahe der Zerstörschwelle organischer Moleküle Ncr liegt.
Wieviele Moleküle müssen aufeinandergestapelt werden, damit dp = 1 Å gilt? Mit
3,4 bis 3,8 Å dicken Hexadekachlor-Kupfer-Phthalocyanin-Molekülen erhalten Sie so
typische Schichtdicken organischer Mikroskopproben.
2.3 Die Massen organischer Moleküle können so groß werden, daß die aus der Atom-
physik bekannten einfach und doppelt fokussierenden Massenspektrometer sowie Qua-
drupolgeräte (Meßbereiche typisch 1–1000 u) versagen. Kritisch ist besonders die Ioni-
sierung mit der damit verbundenen Bruchgefahr.
In einem speziellen Flugzeitmassenspektrometer sind große Moleküle in einer dün-
nen Schicht aus kleinen Lösungsmittelmolekülen auf einem Substrat S festgefroren. Das
Substrat befinde sich auf dem Potential Us . Ein Laserpuls (abgestimmt auf die Ab-
sorption der kleinen Moleküle) löst die Schicht an und befreit auch einige Großmo-
leküle, die in einem UV-Lichtstrahl ionisiert werden. Der Detektor habe das Poten-
tial Ud und sei in der Entfernung d = 50 cm angebracht. Die Potentialdifferenz sei
|Us − Ud | = 2000 Volt. Wann erreicht ein einfach ionisiertes m = 4000 u schweres
Molekül den Detektor beim stoßfreien Flug im Vakuum? Skizzieren Sie den Stromver-
lauf am Detektor.
2.4 C60 wird in Benzol gelöst (Konzentrat in 1,297 · 10−4 mol/l) und in einem
Langmuir-Trog auf Wasser angebracht. C60 ist wasserunlöslich, hydrophob und bil-
det einen Langmuir- oder Pockels-Langmuir-Film, nachdem das Benzol verdampft ist.
Wie groß ist die Fläche pro Molekül, die ein C60 -Molekül ausfüllen kann, wenn
die Oberfläche des Films 16,87 cm2 beträgt und 0,1 ml der obigen Lösung verwendet
wurden?
Die van der Waals-Fläche von C60 ist nach Röntgenmessungen 78,5 Å2 .3 Was folgt
daraus für den oben hergestellten Film?
2.5 Zur Bestimmung der Molmassen von Makromolekülen (Proteinen oder synthe-
tischen Polymeren) verwendet man die Methode der Osmometrie. Die van’t Hoffsche
Gleichung für den osmotischen Druck π idealer, verdünnter Lösungen
πV = n NA kT
(n: Zahl der im Volumen V gelösten Moleküle in mol; k: Boltzmann-Konstante; NA :
Avogadro-Zahl) wird dabei auf nicht-ideale Lösungen erweitert, indem man sie in Form
einer Virialentwicklung nach der molaren Teilchenkonzentration c = n/V schreibt:
π
= NA kT(1 + αc + . . . ) .
c
Ähnlich wie das Kovolumen b in der van-der-Waals-Gleichung für nicht-ideale Gase,
beschreibt der „osmotische Virialkoeffizient“ α das Eigenvolumen der gelösten Makro-
3 P. Heiney et al.: Phys. Rev. Lett. 66, 2911 (1991)
Aufgaben 23

moleküle. Ist vp das besetzte Volumen, um das ein Molekül den Bewegungsraum der
anderen verringert, so gilt
1
α= NA vp .
2
Der osmotische Druck von Polysterol-Lösungen in Toluol wird bestimmt, indem man
die Höhe h einer Lösung der Dichte 0,867 g/cm3 mißt, die den osmotischen Druck ge-
rade kompensiert. In Abhängigkeit von der Gleichgewichtskonzentration c
erhält man
bei 25 ◦ C die folgenden Werte:

c
[mg/cm3 ] 3,2 4,8 5,7 6,9 7,8
h [cm] 3,11 6,22 8,40 11,73 14,90

Berechnen Sie daraus die Molekülmasse des Polymeren. Welchen Radius ermittelt man,
wenn man die Moleküle näherungsweise als Kugeln betrachtet?
2.6 Die Schallgeschwindigkeit in einem Gas ist bestimmt durch die spezifischen Wär-
mekapazitäten C V und C P entsprechend

γ RT
cS =
M
mit γ = C P /C V und dem Molekulargewicht M der Gasmoleküle. Leiten Sie die Schall-
geschwindigkeit in einem perfekten Gas mit (a) zweiatomigen, (b) linearen dreiatomi-
gen und (c) nichtlinearen dreiatomigen Molekülen bei hohen Temperaturen ab (T sei
nicht hoch genug für die Besetzung von Schwingungsniveaus). Schätzen Sie die Schall-
geschwindigkeit in Luft (bestehend aus N2 und O2 ) bei 25 ◦ C ab.
3. Moleküle in elektrischen und magnetischen Feldern

Makroskopische Stoffgrößen wie Dielektrizitätskonstante ε und Permeabilität µ sind


durch die elektrischen und magnetischen Eigenschaften der Bausteine der Materie be-
stimmt. In den Abschn. 3.1 bis 3.4 wird gezeigt, wie man aus der Messung von ε und
Brechungsindex n die elektrischen Eigenschaften von Molekülen bestimmen kann. Die
Abschn. 3.6 bis 3.8 liefern die entsprechenden Informationen über magnetische Mo-
mente und Polarisierbarkeiten aus Messungen der magnetischen Suszeptibilität.

3.1 Dielektrische Eigenschaften


Moleküle sind im allgemeinen elektrisch neutral. Sie können aber ein elektrisches Di-
polmoment p (und auch höhere Momente wie ein Quadrupolmoment) besitzen, und ihre
elektrische Polarisierbarkeit ist im allgemeinen anisotrop. In diesem Abschnitt soll ge-
zeigt werden, welche Informationen über die elektrischen Eigenschaften von Molekü-
len man aus der Messung makroskopischer Stoffgrößen, insbesondere in elektrischen
Feldern, erhält. Die hier am leichtesten zugängliche Meßgröße ist die Dielektrizitäts-
konstante oder besser Dielektrizitätszahl ε. Man erhält sie am einfachsten durch Mes-
sung der Kapazität eines Kondensators mit und ohne Dielektrikum. Das Verhältnis bei-
der Meßwerte ist die Dielektrizitätszahl. Mit ihrer Definition und ihrer molekularen Er-
klärung befaßt sich dieser Abschnitt.
Zur quantitativen Beschreibung elektrischer Felder braucht man in der Elektrizitäts-
lehre zwei Begriffe:
– Die elektrische Feldstärke E. Sie wird abgeleitet aus der Kraft, die ein elektrisches
Feld auf eine Probeladung ausübt.
– Die dielektrische Verschiebung D. Sie ist definiert durch die auf Sonden in einem Feld
influenzierte Oberflächenladungsdichte.
In einem Medium mit der Dielektrizitätskonstanten ε gilt für die Verschiebung Dm
Dm = εε0 E (3.1)
mit
As
ε0 = 8,85 · 10−12 .
Vm
(Man verwendet auch die Bezeichnung εr , mit r für relativ, für die hier mit ε bezeichnete
Größe und bezeichnet dann das Produkt εr ε0 mit ε.)
Die dimensionslose Dielektrizitätszahl ε ist in isotropen Medien ein Skalar, in ani-
sotropen Medien ein Tensor, ε ist in Materie stets größer als 1. Bei dielektrischen Stof-
fen weicht der Zahlenwert von ε nur wenig von 1 ab und ist von der Temperatur fast
26 3. Moleküle in elektrischen und magnetischen Feldern

unabhängig. Bei parelektrischen Stoffen kann ε viel größer als 1 sein und nimmt mit
steigender Temperatur ab. Wir werden im folgenden sehen, daß parelektrische Stoffe
solche sind, bei denen die molekularen Bausteine ein permanentes elektrisches Dipol-
moment besitzen. Bei dielektrischen Stoffen wird ein Dipolmoment erst im angelegten
elektrischen Feld induziert.
Einige Zahlenwerte für ε von dielektrischen und von parelektrischen Stoffen gibt Ta-
belle 3.1.

Tabelle 3.1. Zahlenwerte für ε (unter Normalbedingungen). Die Stoffe in der linken Spalte sind dielek-
trisch, die anderen parelektrisch

He 1,00007 H2 O 78,54 LiF 9,27


H2 1,00027 Ethanol 24,30 AgBr 31,1
N2 1,00058 Benzol 2,27 NH4 Cl 6,96

Weiter wird auch die elektrische Polarisation P definiert, und zwar durch die Glei-
chung
P = Dm − D oder Dm = ε0 E + P , (3.2)
wobei Dm die Verschiebung im Medium, D im Vakuum bedeutet.
P mißt den Beitrag der Materie zur dielektrischen Verschiebung und hat die Dimen-
sion und die anschauliche Bedeutung eines elektrischen Momentes je Volumeneinheit.
Aus (3.1) und (3.2) folgt
P = (ε − 1)ε0 E = χε0 E . (3.3)
Die Größe ε − 1 bezeichnet man auch als dielektrische Suszeptibilität χ.
Die Polarisation läßt sich molekular deuten. Sie setzt sich additiv aus den Dipolmo-
menten p der N im Volumen V befindlichen Moleküle zusammen. Es gilt deshalb

1 
N
P= pi = p
N , (3.4)
V
i=1

wenn mit p
der Beitrag bezeichnet wird, der im räumlichen Mittel von jedem der mo-
lekularen Dipolmomente zu P geleistet wird. Bei vollkommener Ausrichtung der Di-
polmomente in Feldrichtung gilt P = N p.
In (3.4) ist zu beachten, daß die Anzahldichte N (Zahl der Moleküle im Volumen)
mit der Avogadro-Zahl NA (Anzahl der Moleküle im Mol) durch die Beziehung N =
NA (/M ) zusammenhängt, wobei  die Dichte und M die Molmasse der Substanz be-
deuten. So ist nach (3.3) und (3.4) eine Beziehung zwischen der makroskopischen Meß-
größe ε und der Moleküleigenschaft Dipolmoment p hergestellt.
Abb. 3.1. Das elektrische Dipol- Von einem elektrischen Dipolmoment eines Moleküls spricht man dann, wenn die
moment zweier Ladungen +q
und −q im Abstand d beträgt
Schwerpunkte von positiver und negativer Ladung nicht zusammenfallen. Zum Beispiel
p = qd, die Richtung geht von haben zwei Punktladungen +q und −q im Abstand d (Abb. 3.1) das Dipolmoment
der negativen zur positiven La-
dung p = qd [A s m] . (3.5)
3.2 Unpolare Moleküle 27

Der Vektor des Dipolmomentes ist von der negativen zur positiven Ladung gerich-
tet. Außer der Einheit [A s m] ist auch noch die Einheit Debye (D) üblich, 1 D =
3,336 · 10−30 A s m. Zwei Elementarladungen im Abstand 1 Å = 10−10 m haben als
Dipolmoment 1,6 · 10−29 A s m = 4,8 D. Dies ist die Größenordnung molekularer Di-
polmomente. Moleküle mit von Null verschiedenem Dipolmoment heißen polar. Polare
Moleküle wie HCl, NaCl haben ein permanentes Dipolmoment p, das sich im Falle
überwiegend ionischer Bindung sogar als Produkt von Ladung mal Abstand der Atom-
kerne recht gut berechnen läßt. Das Dipolmoment von HCl beträgt 1,08 D, dasjenige
von H2 O 1,85 D. Mehr über polare Moleküle folgt in Abschn. 3.3. Zunächst behandeln
wir jedoch in Abschn. 3.2 unpolare Moleküle.

3.2 Unpolare Moleküle


Zentrosymmetrische Moleküle wie H2 , O2 , N2 , CCl4 , sind unpolar, d. h. sie haben kein
permanentes, auch bei einem äußeren Feld E = 0 bestehendes Dipolmoment, wohl aber
ein induziertes Dipolmoment im Feld E = 0. Für dieses, durch Polarisation im Feld in-
duzierte, Dipolmoment pind gilt
pind = αEloc , α = Polarisierbarkeit, Dimension [A s m2 /V] ,
Eloc = Feldstärke am Ort des Moleküls . (3.6)
Die Polarisierbarkeit α ist ein Maß für die Verschiebbarkeit von positiver relativ zu ne-
gativer Ladung im Molekül und damit eine wichtige Moleküleigenschaft. Die dadurch
entstehende Polarisation nennt man Verschiebungspolarisation. Es empfiehlt sich, zwei
Fälle zu unterscheiden:
– Wenn das induzierte Dipolmoment durch eine Verschiebung der Elektronenwolke re-
lativ zu den schweren positiven Kernen entsteht, spricht man von Elektronenpolari-
sation.
– Wenn es dagegen durch eine Verschiebung von schweren positiven Ionen relativ zu
schweren negativen Ionen entsteht, spricht man von Ionenpolarisation.
Die Polarisierbarkeit α ist deshalb die Summe aus einem elektronischen und einem ioni-
schen Anteil, α = αel + αion . Anstelle der Polarisierbarkeit α gibt man häufig die Größe
α
= α/4πε0 an. Sie heißt Polarisierbarkeitsvolumen.
Wenn man die Polarisierbarkeit mit α bezeichnet, dann meint man strenggenom-
men die über alle Richtungen im Molekül gemittelte Polarisierbarkeit ᾱ. In Wirklichkeit
hängt α bei allen Molekülen außer bei solchen mit Kugelsymmetrie von der Richtung
ab, in der E relativ zu den Molekülachsen wirkt, α ist also ein Tensor. Bei Kenntnis der
Anisotropie der Polarisierbarkeit können aus ihr Rückschlüsse auf die Struktur des Mo-
leküls gezogen werden. Die Anisotropie von α ist mit polarisiertem Licht meßbar, wenn
man die Moleküle ausrichtet und die Dielektrizitätszahl ε in Richtung der Molekülach-
sen mißt. Eine solche Ausrichtung kann beispielsweise durch elektrische Felder erfol-
gen. Die als elektrooptischer Kerr-Effekt bezeichnete Doppelbrechung von manchen Ga-
sen und Flüssigkeiten im elektrischen Feld beruht hierauf. Eine andere Möglichkeit, die
Moleküle auszurichten und die Polarisierbarkeit in verschiedenen Molekülrichtungen zu
messen, ergibt sich, wenn man sie in ein Kristallgitter einbaut. So mißt man zum Bei-
spiel beim Molekül CO parallel zur Molekülachse eine dreifach größere Polarisierbar-
keit als senkrecht dazu.
28 3. Moleküle in elektrischen und magnetischen Feldern

In starken elektrischen Feldern, wie sie zum Beispiel in Laserstrahlen bestehen, sind
zusätzlich zu dem linearen Term in (3.6) auch nichtlineare Polarisationsterme zu be-
rücksichtigen, die der zweiten, dritten oder auch höheren Potenzen von Eloc proportional
2 . Den Koeffizienten
sind. Am wichtigsten ist in der Praxis der Term proportional zu Eloc
β im Term β Eloc 2 nennt man Hyperpolarisierbarkeit.

Die Dimension von α ist nach (3.6) [A s m2 V−1 ]. Einfacher ist die Dimension von

α : Sie ist diejenige eines Volumens. Bei Molekülen mit axialer Symmetrie genügt die
Angabe von zwei Werten des Polarisationstensors, nämlich parallel und senkrecht zur
Hauptachse. Die Polarisierbarkeit gibt Auskunft darüber, wie stark die Elektronenvertei-
lung durch ein angelegtes elektrisches Feld deformiert wird. Wenn das Molekül schwe-
rere Atome enthält, bei denen Elektronen vom Kern weiter entfernt sind, dann ist die
Elektronenverteilung relativ zu den Kernen weniger starr und die elektronische Polari-
sierbarkeit deshalb entsprechend größer.
Einige Zahlenwerte für Polarisierbarkeiten einfacher Moleküle gibt Tabelle 3.2.

Tabelle 3.2. Polarisierbarkeitsvolumina α


, in 10−30 m3

ᾱ

α⊥ α

H2 0,79 0,61 0,85


O2 1,60
Cl2 3,2 6,6
C6 H6 10,3 6,7 12,8
H2 O 1,44
CCl4 10,5

In Gasen bei nicht zu hohem Druck beeinflussen sich die Moleküle gegenseitig nicht.
Die Gesamtpolarisation P des Meßvolumens ergibt sich deshalb nach (3.4) additiv als
Summe der Polarisationen aller im Volumen enthaltenen Moleküle. Es gilt somit, wenn
man nur induzierte Momente zu berücksichtigen hat, für die Polarisation von Molekülen
mit einer Teilchenzahldichte N bei vollkommener Ausrichtung der induzierten Momente
im Feld
P = N pind = NαEloc . (3.7)
Mit
NA 
N= (3.7a)
M
( = Dichte, M = Molekulargewicht)
erhält man für die Verschiebungspolarisation
NA 
P= αE . (3.8)
M
Bei verdünnten Gasen ist das lokale Feld Eloc am Ort jedes Moleküls natürlich gleich
dem angelegten Feld E.
3.2 Unpolare Moleküle 29

Aus (3.8) und (3.3) folgt


NA 
ε=1+ α. (3.9)
Mε0
Damit erhält man durch Messung der Dielektrizitätskonstanten ε die Polarisierbarkeit
α der Moleküle.
In einem Dielektrikum höherer Dichte muß man berücksichtigen, daß das lokale Feld
Eloc nicht gleich dem angelegten Feld E ist. In der Nähe eines betrachteten Moleküls
befinden sich nämlich andere Moleküle und ihre Ladungsverteilung gibt einen Beitrag
zu dem lokalen Feld. Dies muß man rechnerisch berücksichtigen, vgl. Abb. 3.2. Für das Abb. 3.2. Zur Definition des
lokale Feld gilt lokalen Feldes Eloc . In einem
Dielektrikum kommt zum an-
P
Eloc = E + N , (3.10) gelegten Feld E das Feld der
ε0 induzierten Oberflächenladungen
hinzu. Nach Lorentz gilt für die-
wobei nur hier N nicht die Teilchenzahldichte, sondern den Entelektrisierungsfaktor be- ses Feld bei Annahme eines ku-
deutet. gelförmigen Hohlraumes P/3ε0
Der so definierte Entelektrisierungsfaktor ist von der Probenform abhängig und kann
für bestimmte Probenformen berechnet werden.
Nach Lorentz gilt bei der Berechnung des Feldes im Innern eines kugelförmigen
Hohlraums im Dielektrikum für den Entelektrisierungsfaktor N = 1/3 und damit
1P
Eloc = E + . (3.11)
3 ε0
Damit folgt aus (3.7)
 
P PM 1P
pind = = =α E+ . (3.12)
N NA  3 ε0
Mit (3.3) eliminieren wir E aus (3.12)
 
PM P 1P P(ε + 2)
=α + = .
NA  ε0 (ε − 1) 3 ε0 3ε0 (ε − 1)
und wir erhalten
ε−1 M 1 NA
= α ≡ PMol . (3.13)
ε+2  3 ε0
Dies ist die Clausius-Mosotti-Gleichung. Sie definiert die auf ein Mol bezogene molare
Polarisierbarkeit PMol und verknüpft die makroskopischen Meßgrößen ε, M,  mit der
molekularen Größe α.
Bisher haben wir uns nur mit der Polarisation im statischen E-Feld beschäftigt. Nun
noch einige Bemerkungen zum Verhalten im Wechselfeld, wozu insbesondere auch das
Lichtfeld gehört. Hier schwingt das angelegte elektrische Feld mit der Frequenz v und
versucht, die Materie mit der gleichen Frequenz umzupolarisieren. Bis in den Bereich
der Infrarot-Frequenzen gelingt dies für die Verschiebungspolarisation im allgemeinen
und es bleibt deshalb der Beitrag der Polarisierbarkeit zur Polarisation erhalten. Bei hö-
heren Frequenzen muß man zwischen der Ionen- und der Elektronenpolarisation unter-
scheiden. Bei der Ionenpolarisation ist die für eine Umpolarisation eines Moleküls typi-
sche Zeit diejenige einer Molekül-Schwingung. Der ionische Anteil der Verschiebungs-
polarisation verschwindet deshalb, wenn die Frequenz des Lichtes bis ins Infrarote oder
30 3. Moleküle in elektrischen und magnetischen Feldern

in das Sichtbare erhöht wird, d. h. wenn sie größer ist als diejenige der wichtigen Mo-
lekülschwingungen. Die Kerne mit ihrer Ladungsverteilung im Molekül sind bei höhe-
ren Frequenzen zu träge, um dem polarisierenden Lichtfeld folgen zu können. Bei den
Frequenzen des sichtbaren Lichtes können nur noch die leichten Elektronen dem umpo-
larisierenden Wechselfeld folgen. Es bleibt damit in diesem Frequenzbereich nur noch
der elektronische Anteil der Verschiebungspolarisation wirksam.
Aus der Maxwell-Beziehung εµ = n 2 (µ = Permeabilitätskonstante, n √=
Brechungsindex) folgt, da bei Molekülen in der Regel µ  1 und deshalb n = ε
ist, nach (3.13) die Lorentz-Lorenz-Gleichung
n2 − 1 M 1
= N A β ≡ RM . (3.14)
n +2 
2 3ε0
RM ist die Mol-Refraktion. Die optische Polarisierbarkeit β (nicht zu verwechseln mit
der oben eingeführten Hyperpolarisierbarkeit) ist die Polarisierbarkeit bei der Frequenz
des (sichtbaren oder ultravioletten) Lichtes. Sie ist, wie oben erläutert, verschieden von
der statischen Polarisierbarkeit α, und sie ist von der Frequenz des Lichtes abhängig.
Diese Frequenzabhängigkeit nennt man Dispersion. Dazu ein Beispiel: der Brechungs-
index n von Wasser bei 20 ◦ C hat den Wert n = 1,340 bei λ = 434 nm und n = 1,331
bei λ = 656 nm. Die Mol-Refraktion RM eines Moleküls kann man in guter Näherung
in die Beiträge einzelner Gruppen und Bindungen im Molekül aufteilen. Dies ist bei der
Struktur-Aufklärung von Molekülen interessant.

3.3 Polare Moleküle


Während die bisher besprochene Verschiebungspolarisation und die durch sie bestimm-
ten Werte von ε und P nur wenig oder gar nicht von der Temperatur abhängen, gibt es
viele Stoffe, bei denen ε und P mit steigender Temperatur abnehmen. Zur Erklärung
braucht man den Begriff der Orientierungspolarisation, der von dem Begriff Verschie-
bungspolarisation zu unterscheiden ist. Während letztere wie besprochen erst durch ein
äußeres elektrisches Feld induziert wird, tritt Orientierungspolarisation dann auf, wenn
die einzelnen Moleküle bereits ein permanentes elektrisches Dipolmoment pp besitzen
(Debye 1912). Diese Moleküle heißen polar, die aus ihnen aufgebauten Stoffe parelek-
trisch. Die Orientierungspolarisation beruht auf der Ausrichtung der auch ohne Feld vor-
handenen Dipole im von außen angelegten elektrischen Feld. Hierbei ist zu beachten,
daß die permanenten Dipolmomente im allgemeinen viel größer sind als die induzierten.
Einige Zahlenwerte für permanente Dipolmomente gibt Tabelle 3.3.
Zum Vergleich dazu berechnet man das induzierte Dipolmoment pind im Feld
E = 10−5 V/cm bei einer für unpolare Moleküle typischen Polarisierbarkeit von

Tabelle 3.3. Permanente Dipolmomente pp in 10−30 A s m (1 D = 3, 3356 · 10−30 A s m)

HF 6,0 H2 0 HCl 3,44


H2 O 6,17 HBr 2,64 CH3 OH 5,71
CO 0,4 KF 24,4 CO2 0
KCl 34,7 NH3 4,97 KBr 35,1
C6 H6 0
3.3 Polare Moleküle 31

α
= 10−24 cm3 , d. h. αε0 = 10−40 A s m2 /V zu pind = αε0 E = 10−33 A s m, also 3
Zehnerpotenzen kleiner als typische permanente Dipolmomente, wie Tabelle 3.3 zeigt.
Ein Blick auf Tabelle 3.3 zeigt schon, daß man aus der Messung von molekularen
permanenten Dipolmomenten wichtige Strukturdaten ermitteln kann: Während man bei-
spielsweise für das CO2 -Molekül das Dipolmoment 0 mißt und daraus auf eine lineare
Anordnung O−C−O der Atome im Molekül schließt, ist das von Null verschiedene Di-
polmoment des Wassermoleküls nur mit einer gewinkelten Struktur des Moleküls H2 O
verträglich.
Während also die Verschiebungspolarisation, siehe (3.7)

pind
Pind = (3.15)
V
nicht oder nur wenig von der Temperatur abhängt, und wenigstens teilweise sogar bis
zu hohen Frequenzen (UV!) wegen der geringen Trägheit der ausgelenkten Elektronen
dem Feld folgt (und damit einen Beitrag zum Brechungsindex n leistet), ist die Orien-
tierungspolarisation

pp
Por = = N p
p (3.16)
V
von der Temperatur (und von der Frequenz) abhängig. Die Ausrichtung der permanen-
ten Dipole pp im elektrischen Feld E geschieht nämlich in Konkurrenz zwischen der
Orientierungsenergie Wor = − pp · E, die eine völlige Ausrichtung der Dipole in Feld-
richtung anstrebt, und der thermischen Energie Wth  kT , die eine Gleichverteilung der
Richtungen anstrebt. Jeder Dipol leistet im zeitlichen Mittel deshalb nur einen Beitrag
p
< p zur Gesamtpolarisation.
Dabei stellt sich ein Gleichgewicht ein, das annähernd einer Boltzmann-Verteilung
entspricht. Die Rechnung (Langevin 1900) gibt für höhere Temperaturen, nämlich für
kT  pp · E = pE cos ϑ, wenn ϑ der Winkel zwischen den Richtungen von p und E
ist und unter der Voraussetzung einer zu vernachlässigenden Wechselwirkung zwischen
den Dipolen, für den Mittelwert von cos ϑ

pp E p2p E
cos ϑ = und Por = N , (3.17)
3kT 3kT
das Curie-Gesetz, das in dieser Form zuerst für den temperaturabhängigen Paramagne-
tismus abgeleitet wurde. Danach ist die Orientierungspolarisation der reziproken Tem-
peratur proportional.
(Die genauere Rechnung ergibt für den Mittelwert von p die Gleichung
 

pE
p = p cos ϑ = pL
kT
mit der Langevin-Funktion
ex + e−x 1 1
L(x) = − = coth x − .
ex − e−x x x
Bei Zimmertemperatur ist kT  5 · 10−21 W s, die Orientierungsenergie der Dipole im
Feld Wor beträgt bei E = 105 V/cm  10−22 W s. Die Bedingung pE/kT  1 ist
32 3. Moleküle in elektrischen und magnetischen Feldern

also erfüllt, man kann deshalb die Funktion L in einer Reihe entwickeln und nach
dem 1. Glied abbrechen. So ergibt sich p
= p2 E/3kT . Dies ist die sogenannte
Hochtemperatur-Näherung.)
Nachdem wir nun den Beitrag der permanenten Dipole zur Polarisation kennen, wol-
len wir die Dielektrizitätskonstante in einem verdünnten System (mit ε − 1  1) ange-
ben, indem wir die gesamte Polarisation additiv aus Verschiebungs- und Orientierungs-
polarisation zusammenfassen. Wir beziehen uns auf (3.3), (3.9) und (3.17) und erhalten
so

α p2p
ε=1+ N + =1+χ. (3.18)
ε0 3ε0 kT

Wenn die Wechselwirkung der Dipole nicht mehr vernachlässigt werden darf, d. h. be-
sonders in kondensierter Phase, gilt demnach anstatt der Clausius-Mosotti-Gleichung
(3.13) nun die Debye-Gleichung

ε−1 M 1 p2p
= NA α + ≡ PM . (3.19)
ε+2  3ε0 3kT

Experimentell bestimmt man α und pp aus der Messung von ε als Funktion der Tem-
peratur. Wenn man die Molpolarisation PM gegen 1/T aufträgt, ergibt sich nach (3.18)
eine Gerade. Deren Steigung liefert p, ihr Achsenabschnitt α. Bei unpolaren Molekü-
len beträgt die Steigung Null. Meßbeispiele hierzu zeigt Abb. 3.3. Für Gase findet man
(ε − 1) = 1 . . . 10 · 10−3 , für flüssiges H2 O bei Zimmertemperatur ε = 78,5.
Die mit der trägen Masse des ganzen Moleküls belastete Orientierungspolarisation
kann schon bei geringeren Frequenzen als die Verschiebungspolarisation einem Wech-
selfeld nicht mehr folgen, weil nicht nur die äußeren Elektronenwolken relativ zu den
Atomrümpfen, oder die Atomrümpfe im Molekül gegeneinander, sondern die ganzen

Abb. 3.3. Molpolarisation ei-


niger Gase als Funktion der
Temperatur, zur Bestimmung
von Dipolmoment und Polari-
sierbarkeit aus Messung und
Dielektrizitätszahl ε
3.4 Brechungsindex, Dispersion 33

Moleküle der umorientierenden Frequenz des Wechselfeldes folgen müssen. Wenn man
annimmt, daß die typische Zeit für die Rotation eines Moleküls in einer Flüssigkeit etwa
10−12 s dauert, dann kommen die Moleküle bei Frequenzen oberhalb etwa 1011 s−1 (im
Bereich der Mikrowellen) nicht mehr bei der Feldänderung mit. Die Debye-Gleichung
(3.19) geht dann über in die Clausius-Mosotti-Gleichung (3.13) bzw. in die Lorentz-
Lorenz-Gleichung (3.14).

3.4 Brechungsindex, Dispersion


In Wechselfeldern hoher Frequenzen, also zum Beispiel mit Licht, mißt man statt der
Dielektrizitätskonstanten ε häufig einfacher den Brechungsindex
√ n. Nach Maxwell gilt

n = εµ (µ Permeabilität) und für µ = 1 wird n = ε.
Die Frequenzabhängigkeit von ε oder n spiegelt die verschiedenen Anteile der Pola-
risation, der Verschiebung und der Orientierung wider. Im Bereich der Frequenzen des
sichtbaren Lichtes ist, wie erwähnt, nur noch die elektronische Verschiebungspolarisa-
tion wirksam.
Die Frequenzabhängigkeit von ε oder n im Bereich der Verschiebungspolarisation,
die sogenannte Dispersion, läßt sich in einem einfachen Modell in guter Näherung be-
rechnen, bei dem das Molekül als ein gedämpfter harmonischer Oszillator mit der Ei-
genfrequenz ω0 , der Masse m und der Dämpfungskonstante γ dargestellt wird. Die Aus-
lenkung x multipliziert mit der Ladung e soll dann das Dipolmoment des Moleküls dar-
stellen. Das E-Feld des Lichtes schwinge mit der Kreisfrequenz ω. Damit gelangen wir
zur Schwingungsgleichung
m ẍ + γ ẋ + mω20 x = eE 0 eiωt . (3.20)
Diese besitzt die stationäre Lösung
x(t) = Xeiωt (3.21)
mit
eE 0
X=
2 . (3.22)
m ω0 − ω2 + iγω
Dieser komplexe Ausdruck läßt sich umformen in einen reellen und einen imaginären
Teil:


em ω20 − ω2 eγω
=
2 −i
2 E0 (3.23)
m 2 ω20 − ω2 + γ 2 ω2 m 2 ω20 − ω2 + γ 2 ω2
oder
X = X
− iX

. (3.24)
Entsprechend gilt für das Dipolmoment p = ex (Ladung e und Abstand x) und damit
nach (3.9) und (3.7a)
N N ex
ε=1+ α=1+ (3.25)
ε0 ε0 E 0
ε = ε
− iε

(3.26)
34 3. Moleküle in elektrischen und magnetischen Feldern

d. h. man erhält eine komplexe Dielektrizitätszahl, wobei ε


und ε

durch Real- und Ima-


ginärteil der Klammer in (3.23) gegeben sind.
Die Real- und Imaginärteile von ε sind über die sogenannte Kramers-Kronig-
Relation miteinander verknüpft, Verluste (Absorption, ε

) und Brechung (Dispersion, ε


)
hängen also zusammen. Es kann zum Beispiel keinen verlustfreien Stoff großer Disper-
sion geben. Da ε komplex ist, wird nach der Maxwell-Beziehung auch der Brechungs-
index komplex, man erhält

n ≡ ε
− iε

= n + ik .

Die reellen Größen n und k sind in Abb. 3.4 dargestellt.


Wie sich zeigt, kann diese Modellbetrachtung weitgehend auch von der Quantenme-
chanik untermauert werden, wobei aber ein Molekül durch einen ganzen Satz von Os-
zillatoren beschrieben werden muß. Welcher der Oszillatoren bei gegebener Anregungs-
frequenz zum Tragen kommt, hängt davon ab, ob die entsprechende Eigenfrequenz nahe
bei der Frequenz des eingestrahlten Lichtfeldes liegt.
Die Dielektrizitätskonstante ε setzt sich aus den Beiträgen der Verschiebungs- und
der Orientierungspolarisation zusammen. Es gilt

ε = 1 + χel + χion + χor ,

wenn mit χor der Beitrag der Orientierungspolarisation bezeichnet wird. Dieser Beitrag
wird häufig auch mit χdip (für dipolar) bezeichnet. Die Frequenzabhängigkeit dieses An-
teils wird nicht durch eine Resonanzgleichung wie bei χel und χion beschrieben. Es han-
delt sich vielmehr um einen Relaxationsprozeß. χor nimmt mit wachsender Frequenz ab,
weil für die Neuorientierung der Dipole im Wechselfeld eine bestimmte Zeitspanne, die
Relaxationszeit benötigt wird. In Abb. 3.5 ist die gesamte Frequenzabhängigkeit von
ε schematisch dargestellt. In Abb. 3.6 werden für ein spezielles Molekül, nämlich für
H2 O, also Wasser, Meßwerte der Dielektrizitätskonstanten ε und des Absorptionskoef-
fizienten k im Bereich kleinerer Frequenzen wiedergegeben. Dies ist der Bereich der
Orientierungspolarisation.
Vom statischen Wert ε = 78,5, der sich bis zu einer Frequenz von etwa 1010 Hz kaum
ändert, kommt man bei zunehmender Frequenz in die Bereiche, in denen die Schwin-
gungen und schließlich die Elektronenwolken der anregenden Frequenz nicht mehr fol-
gen können, mit n = 1,33 = ε = 1,76 für sichtbares Licht.
Wir haben gesehen, daß die Größe ε komplex ist und stark von der Meßfrequenz
abhängen kann. Deshalb muß man zu ihrer Messung viele verschiedene Meßmetho-
den heranziehen außer der einfachsten, der Kapazitätsmessung eines Kondensators. An-

Abb. 3.4. Real- und Imaginärteil


des Brechungsindex aufgrund
der Verschiebungspolarisation
in der Nähe der Resonanz, für
einen gedämpften Oszillator
3.5 Die Anisotropie der Polarisierbarkeit 35

Abb. 3.5. Schematische Darstel-


lung der Frequenzabhängigkeit
der Dielektrizitätszahl ε für
eine parelektrische Substanz.
Mit χor (0), χion (0) und χel (0)
sind die Beiträge von Orientie-
rungspolarisation, ionischer und
elektronischer Verschiebungspo-
larisation bei der Frequenz 0,
das heißt zum statischen Wert
der Dielektrizitätszahl bezeich-
net. Für die ionische und die
elektronische Polarisation sind
jeweils nur eine Resonanzfre-
quenz angenommen

Abb. 3.6. Frequenzabhängigkeit


der Dielektrizitätskonstante ε
und des Absorptionskoefizi-
enten k von Wasser. In dem
hier gezeigten Bereich relativ
niedriger Frequenzen ist die
Dispersion durch die Orientie-
rungspolarisation bestimmt. Mit
zunehmender Frequenz können
die Wasserdipole dem Felde
nicht mehr folgen

dere Meßmethoden verwenden zum Beispiel den Brechungsindex für elektromagneti-


sche Wellen, die Absorption und Reflexion in allen Spektralbereichen oder die Polari-
sation von Streustrahlung.

3.5 Die Anisotropie der Polarisierbarkeit


Zum Abschluß der Diskussion des Verhaltens von Molekülen im elektrischen Feld muß
noch darauf hingewiesen werden, daß wir bisher zur Vereinfachung Anisotropien weit-
gehend außer acht gelassen haben. Nur kugelsymmetrische Moleküle wie zum Beispiel
CCl4 haben eine isotrope, das heißt für alle Winkel zwischen den Molekülachsen und
dem elektrischen Feld gleich große Polarisierbarkeit. Im allgemeinen ist, wie bereits in
Abschn. 3.2 erwähnt, die Polarisierbarkeit eines Moleküls jedoch anisotrop, das heißt,
die Größen ε und n sind verschieden, je nachdem wie die Moleküle relativ zu einem
Meßfeld – beispielsweise der Polarisationsrichtung des Lichts – orientiert sind. Aus
einer Kenntnis der Anisotropie der Polarisierbarkeit kann man daher Informationen
über die Form der Moleküle erhalten. In Gasen und Flüssigkeiten wird durch die ra-
sche Molekülbewegung über alle möglichen Orientierungen des Moleküls relativ zum
E-Vektor des Lichtes gemittelt. Wenn man die Anisotropie direkt messen will, dann
36 3. Moleküle in elektrischen und magnetischen Feldern

muß man die Moleküle orientieren, zum Beispiel durch Einbau in einem Molekülkri-
stall. Man mißt dann an diesen Kristallen eine unter Umständen starke Anisotropie der
Dielektrizitätszahl ε.
Eine andere Möglichkeit bietet der bereits 1875 entdeckte elektrooptische Kerr-
Effekt. Als elektrooptischen Kerreffekt bezeichnet man die Beobachtung, daß viele mo-
lekulare Substanzen im starken elektrischen Feld doppelbrechend werden. Dies kommt
in folgender Weise zustande. Im elektrischen Feld tritt eine bevorzugte Ausrichtung der
Moleküle in der Weise ein, daß sie bestrebt sind, sich so zu lagern, daß ihr Dipolmo-
ment in Feldrichtung fällt. Sind nun die Moleküle hinsichtlich α anisotrop, so hat das
wegen des zwischen α und ε bzw. dem Brechungsexponent n bestehenden Zusammen-
hanges zur Folge, daß n für Licht mit elektrischem Feldvektor senkrecht zur Richtung
des äußeren Feldes anders ist als für Licht, dessen Feldvektor parallel zur Richtung des
äußeren Feldes schwingt.
Eine weitere wichtige Konsequenz anisotroper Polarisierbarkeit ist die Depolarisa-
tion von an Molekülen gestreutem Licht durch eine Anisotropie oder eine Bewegung
der Moleküle. Abbildung 3.7 zeigt zur Erläuterung das Richtungsdiagramm der Streu-
strahlung eines kugelsymmetrischen Moleküls für unpolarisiertes und für polarisiertes
Primärlicht. Dieses ist das Richtungsdiagramm eines Hertzschen Dipoloszillators. Wenn
Abb. 3.7. Die Rayleigh- das Molekül nicht mehr kugelsymmetrisch ist, oder wenn es sich während des Streupro-
Streuung hängt in charakteristi- zesses bewegt, treten Abweichungen von dieser Richtungscharakteristik auf. Polarisier-
scher Weise vom Streuwinkel
ϑ ab. Das Diagramm zeigt die tes Primärlicht wird bei der Streuung um so stärker depolarisiert, je unsymmetrischer
räumliche Verteilung (in einer die Elektronenhülle der streuenden Moleküle ist. Sehr lange oder sehr flache Moleküle
Ebene) der Lichtintensität, die ergeben einen hohen Depolarisationsgrad. So kann man Information über Molekülbau
an einer isotropen kugelför- und Molekülbewegung erhalten.
migen Probe gestreut wurde.
Die ausgezogene Kurve gilt für
unpolarisiertes, die gestrichelte
Kurve für polarisiertes Primär-
licht. Das Strahlungsdiagramm
gilt für ein kugelsymmetrisches
Molekül. Es kann sich auch än-
dern, wenn die streuenden Teil-
chen sich bewegen. So kann
man Bewegungsvorgänge von
Molekülen oder Molekülteil-
chen untersuchen, indem man
die Anisotropie der Rayleigh-
Streuung mißt

Schließlich ist hier noch die optische Aktivität von manchen organischen Molekülen
zu erwähnen. Darunter versteht man die Verschiedenheit des Brechungsindex für links-
und rechtspolarisiertes Licht, den sogenannten Zirkulardichroismus. Er wird durch die
asymmetrische Anordnung der Atome im Molekül bestimmt. Besonders in großen Mo-
lekülen lassen sich damit Rückschlüsse über die Unsymmetrie der Elektronenanordnung
erhalten.

3.6 Moleküle im Magnetfeld, Grundbegriffe und Definitionen


Die makroskopischen magnetischen Eigenschaften der Materie werden pauschal durch
die Stoffgröße Permeabilität µ gemessen. Es gilt
3.6 Moleküle im Magnetfeld, Grundbegriffe und Definitionen 37

Magnetische Flußdichte Bm mit Materie


µ= . (3.27)
Magnetische Flußdichte B ohne Materie
Eine abgeleitete Größe ist die den Beitrag der Materie messende magnetische Polarisa-
tion
J = Bm − B = (µ − 1)µ0 H (3.28)
(H ist die magnetische Feldstärke).
J läßt sich auch definieren durch den Ausdruck
magnetisches Moment M
J= . (3.29)
Volumen
µ0 ist die sogenannte magnetische Feldkonstante, Zahlenwert µ0 = 1,256 · 10−6 Vs
A−1 m−1 , die durch die Proportionalität von Flußdichte und Feldstärke, B = µ0 H im
Vakuum bzw.
Bm = µµ0 H (3.30)
in Materie definiert ist.
Man benutzt ferner die magnetische Suszeptibilität
κ =µ−1 (3.31)
µ und κ sind Zahlen ohne Dimension.
Stoffe mit κ < 0, µ < 1 heißen diamagnetisch. Bei ihnen haben die Bausteine kein
permanentes magnetisches Moment. Stoffe mit κ > 0, µ > 1 heißen paramagnetisch.
Hier haben die Bausteine ein permanentes Moment, das sich im äußeren Feld ausrichtet.
Man kann die magnetische Suszeptibilität einer Probe zum Beispiel durch die Kraft
messen, die die Probe in einem inhomogenen Magnetfeld erfährt (Magnetische Waage)
(Abb. 3.8), oder aber durch Messung der Induktion einer mit der Probe gefüllten Spule.
Eine moderne Methode für paramagnetische Stoffe ist die Elektronenspin-Resonanz
(ESR), die wir in Kap. 19 besprechen werden. Einige Zahlenwerte gibt Tabelle 3.4.
Die makroskopischen Stoffgrößen µ bzw. κ lassen sich, ebenso wie das für die elek-
trischen Größen ε möglich war und ganz analog, molekular aus den Eigenschaften der
beteiligten Moleküle erklären, messen und berechnen. Umgekehrt kann man aus den

Abb. 3.8. Magnetische Waage.


Auf einen paramagnetischen
Stoff übt ein inhomogenes Ma-
gnetfeld eine anziehende Kraft
aus, auf einen diamagnetischen
eine abstoßende. Die Kraft ist
dem magnetischen Moment der
Probe und dem Feldgradienten
proportional. So kann man
magnetische Suszeptibilitäten
messen
38 3. Moleküle in elektrischen und magnetischen Feldern

Tabelle 3.4. Magnetische Suszeptibilitäten κ, Raumtemperatur (nach R. W. Pohl)

Diamagnetische Stoffe Paramagnetische Stoffe

H2 − 0,002 · 10−6 O2 1,86 · 10−6


H2 O − 9,0 · 10−6 O2 flüssig 3620 · 10−6
NaCl − 13,9 · 10−6 Dy2 (SO4 )3 · 8 H2 O 632 000 · 10−6
Cu − 7,4 · 10−6 Al 21,2 · 10−6
Bi − 153 · 10−6 CuSO4 · 5 H2 O 176 · 10−6

makroskopischen Meßgrößen die magnetischen Eigenschaften der Moleküle berechnen.


Dies soll im folgenden gezeigt werden. Das Verständnis dieser Stoffeigenschaften ist
wichtig für das Verständnis des Molekülbaus und für die Chemie.
Ein para- oder diamagnetischer Körper vom Volumen V erfährt im Magnetfeld B
eine magnetische Polarisation oder Magnetisierung

J = (µ − 1)B . (3.32)

Er bekommt dadurch ein zur Magnetfeld-Richtung paralleles magnetisches Moment M,


es gilt für dieses Moment je Volumeneinheit

µ0 M
J= . (3.33)
V
Im molekularen Bild deutet man das Moment M als die Summe der zeitlich gemittelten
Beiträge m
von n Molekülen, also
n
J = µ0 m
= µ0 m
N . (3.34)
V
Aus (3.32) und (3.34) folgt für m

J B(µ − 1)
m
= = . (3.35)
µ0 N µ0 N

Man definiert nun als Moleküleigenschaft eine molekulare magnetische Polarisierbar-


keit β

m µ−1 κ
β= = = . (3.36)
B µ0 N µ0 N

Dies ist sinnvoll, da experimentell µ unabhängig von B eine Stoffkonstante ist.


In kondensierter Materie ist die von außen angelegte magnetische Flußdichte eventu-
ell verschieden von der in der Probe am Ort des Moleküls wirksamen Flußdichte. Dies
muß entsprechend berücksichtigt werden.
β hat die Dimension [A m4 /Vs], das Produkt βµ0 die Dimension [m3 ]. Aus der Mes-
sung der Suszeptibilität κ erhält man also nach (3.31), (3.35) und (3.36) die molekulare
Größe β.
3.7 Diamagnetische Moleküle 39

3.7 Diamagnetische Moleküle


Die meisten Moleküle besitzen kein permanentes magnetisches Moment der Elektronen-
hülle. Sie besitzen eine gerade Anzahl von Elektronen mit zu Null abgesättigten Dre-
himpulsen und magnetischen Momenten. Sie sind also diamagnetisch. Diese Moleküle
erhalten aber, wie alle Substanzen, im äußeren Feld B ein induziertes magnetisches Mo-
ment mind , das nach der Lenzschen Regel dem Feld B entgegengerichtet, also negativ
ist. Dieser diamagnetische Beitrag zur Magnetisierung ist wenig temperaturabhängig. Es
gilt also nach (3.35)
B(µ − 1)
m
ind = . (3.37)
µ0 N
und
m
ind
β= . (3.38)
B
Die Größe β heißt magnetische Polarisierbarkeit. Sie ist für diamagnetische Moleküle
negativ und eine von der Temperatur weitgehend unabhängige Moleküleigenschaft.
Dazu ein Zahlenbeispiel. Für das diamagnetische H2 -Molekül berechnet man aus µ
(Tabelle 3.4)
A m2
µ0 β = − 3 · 10−36 m3 , β = −2,4 · 10−30 .
Vs/m2
Im Laborfeld B = 1 Vs/m2 wird damit das induzierte magnetische Moment eines Mo-
leküls
A m4 Vs
mind = − 3 · 10−30 · 1 2 = − 3 · 10−30 A m2 .
Vs m
Dieser Zahlenwert ist klein gegenüber dem Bohrschen Magneton µB = 9,27 · 10−24 Am2 .
Induzierte magnetische Momente sind immer klein gegen das Bohrsche Magneton
µB , die Einheit des atomaren Magnetismus, und damit klein gegen permanente magne-
tische Momente von Molekülen.
Die magnetische Polarisierbarkeit ist in nicht-kugelsymmetrischen Molekülen im all-
gemeinen anisotrop. Im Benzol-Molekül mißt man beispielsweise senkrecht und parallel
zur Molekülebene
µ0 β⊥ = −152 · 10−36 m3 , µ0 β = − 62 · 10−36 m3 .
Diese Anisotropie ist hier auch anschaulich verständlich: die π-Elektronen können ei-
nem induzierenden Magnetfeld leichter in der Molekülebene als senkrecht dazu folgen,
indem sie einen Kreisstrom in der Molekülebene ermöglichen, siehe Abb. 3.9. Die Ani-
sotropie der magnetischen Polarisierbarkeit im Benzol oder in anderen Molekülen mit
aromatischen Ringsystemen ist ein wichtiger Hinweis auf die Delokalisierung der π-
Elektronen längs konjugierter Doppelbindungen (vgl. dazu auch Abschn. 18.3). Der Dia-
magnetismus beruht ja auf der Erzeugung molekularer Wirbelströme durch den sich än-
dernden magnetischen Fluß. Die diamagnetische Suszeptibilität muß deshalb um so grö-
ßer sein, je größer die Elektronenbeweglichkeit auf senkrecht zum Magnetfeld verlau-
fenden geschlossenen Bahnen für die Elektronen ist.
40 3. Moleküle in elektrischen und magnetischen Feldern

Abb. 3.9. Zur Anisotropie der


magnetischen Polarisierbarkeit.
Wenn B0 senkrecht zur Rin-
gebene des Benzol-Moleküls
gerichtet ist, ist sie wegen
des im π-System induzierten
Kreisstromes am größten

3.8 Paramagnetische Moleküle


Es gibt auch, wie bereits erwähnt, Moleküle mit einem permanenten magnetischen Di-
polmoment. Dazu gehören zum Beispiel die Moleküle der Gase O2 und S2 , mehr dazu
in Abschn. 13.3. Ihr elektronischer Grundzustand ist ein Triplett-Zustand mit Gesamt-
spin S = 1. Dazu gehören ferner die sogenannten Radikale, das sind Moleküle mit un-
abgesättigten Elektronenspins (S = 1/2), oder organische Moleküle im metastabilen
Triplett-Zustand (S = 1), vgl. dazu Abb. 15.1. Auf die Frage, wie sich der Parama-
gnetismus eines Moleküls aus den Spin- und Bahnfunktionen seiner Elektronen ergibt,
werden wir erst in späteren Kapiteln dieses Buches eingehen können.
Bei paramagnetischen Molekülen beobachtet man eine im Vergleich zum Diamagne-
tismus große, positive Permeabilität. Sie nimmt mit abnehmender Temperatur zu. Ex-
perimentell findet man meistens eine Proportionalität zu 1/T . Dieser Paramagnetismus
läßt sich ganz analog wie die Orientierungspolarisation im elektrischen Fall aus einer
Konkurenz zwischen der ausrichtenden Wirkung des angelegten Feldes B mit der Ori-
entierungsenergie Wor = −mp · B und der die Gleichverteilung anstrebenden Wärme-
bewegung mit der Energie Wth = kT verstehen.
Ohne Feld sind die Richtungen der permanenten Momente mp regellos verteilt, die
Summe der Momente ergibt im zeitlichen und örtlichen Mittel wegen der Wärmebewe-
gung den Wert Null. Bei angelegtem Feld existiert eine Vorzugsrichtung, jedes mole-
kulare Moment liefert im zeitlichen Mittel einen Beitrag zur Magnetisierung M.
Für den Beitrag m∗ des einzelnen Moleküls mit dem permanenten Moment mp zum
makroskopischen Moment M kann man schreiben
m ∗ = xm p , (3.39)
wenn wir hier den Index p verwenden, um deutlich zu machen, daß von permanenten
Momenten die Rede ist. Den (im allgemeinen kleinen) Faktor x kann man in Analo-
gie zu den Überlegungen bei der elektrischen Orientierungspolarisation in Abschn. 3.3
leicht ausrechnen. In hinreichend verdünnten Systemen, bei denen man die Wechselwir-
kung zwischen den Molekülen vernachlässigen darf, findet man näherungsweise
1 mp · B
x . (3.40)
3 kT
3.8 Paramagnetische Moleküle 41

Verwendet man die Beziehungen (3.35), (3.36), (3.39) und (3.40), so findet man nach
leichten Umformungen für den paramagnetischen Beitrag zur magnetischen Polarisation
 ∗
1 m p µ0 N B
2
m
J = µ0 = , (3.41)
V 3 kT
und
1 µ0 m p N
2
κ= . (3.42)
3 kT
Dies ist das Curiesche Gesetz, das die Temperaturabhängigkeit des Paramagnetismus
beschreibt.
Mit Hilfe der aus (3.41) und (3.36) folgenden Gleichung

m p = β3kT , (3.43)
kann man also aus der mit Hilfe von (3.36) bestimmten magnetischen Polarisierbarkeit
β das permanente magnetische Moment eines paramagnetischen Moleküls berechnen.
Für O2 erhält man aus dem Meßwert von κ in Tabelle 3.4
A m4
β = 5,5 · 10−26 ,
Vs
und daraus bei T = 300 K aus (3.43) den Zahlenwert
m p = 2,58 · 10−23 A m2 ,
für das magnetische Moment. Dieser Zahlenwert ist von der Größenordnung des Bohr-
schen Magnetons µB . Andere so gemessene magnetische Momente sind beispielsweise
1,70 · 10−23 A m2 für das NO-Molekül und 4,92 · 10−23 A m2 für das Eisen-Ion Fe+++ .
Hier wurde das magnetische Moment allerdings aus der klassischen Formel des Cu-
rieschen Gesetzes abgeleitet. Zur quantenmechanischen Formel kommt man, indem man
in (3.42) das Quadrat des magnetischen Moments m 2p durch seinen quantenmechani-
schen Erwartungswert gF2 µ2B F(F + 1) ersetzt. Vgl. dazu I, insbesondere Abschn. 13.3.5
und 20.5. Für O2 erhält man damit als magnetisches Moment 2µB .
Die gesamte Suszeptibilität einer Substanz setzt sich additiv aus dem diamagneti-
schen und – falls vorhanden – dem paramagnetischen Anteil zusammen.
Es gilt
µ = 1 + κdia + κpara

µ0 m 2p
= 1 + N µ0 βdia + =1+κ. (3.44)
3kT

Man bestimmt die molekularen Größen βdia und mp , indem man die makroskopischen
Meßgrößen κ oder µ gegen 1/T aufträgt, wie wir das vorne im elektrischen Verhalten
der Materie bereits gesehen haben, vergleiche Abb. 3.3.
Es gibt auch zahlreiche Moleküle, die im Grundzustand diamagnetisch sind, jedoch
paramagnetische elektronische Anregungszustände besitzen. Besonders wichtig und in-
teressant sind die Triplett-Zustände vieler organischer Moleküle. Mehr darüber folgt
später, besonders in Abschn. 15.3 und in Kap. 19.
42 3. Moleküle in elektrischen und magnetischen Feldern

Bei tiefen Temperaturen kann es bei manchen Stoffen, bevorzugt in fester Phase,
auch schon ohne äußeres Magnetfeld, das heißt spontan, zu einer bevorzugt parallelen
oder antiparallelen Ordnung der Spins und damit verbunden der magnetischen Momente
der Moleküle kommen. Man spricht dann von Ferro- oder Antiferro-Magnetismus. Im
Bereich der Moleküle überwiegt die antiferromagnetische Ordnung, d. h. die parama-
gnetischen Moleküle ordnen sich mit ihren Spins bei tiefen Temperaturen so, daß diese
paarweise abwechselnd antiparallel orientiert sind.
Nachdem wir in den bisherigen Kapiteln eine Reihe von wichtigen Grundgrößen der
Molekülphysik vornehmlich vom experimentellen Standpunkt aus kennengelernt haben,
wenden wir uns nun in den vier folgenden Kapiteln der Theorie der chemischen Bin-
dung zu. Hierbei sind die Kap. 4 und 5 von allgemeinem Interesse, während die Kap. 6
und 7 weitergehende theoretische Ansätze bringen und bei einer ersten Lektüre auch
ausgelassen werden können.

Aufgaben
3.1 a) Moleküle mit permanentem elektrischem Dipolmoment neigen in einem äuße-
ren elektrischen Feld dazu, sich in Feldrichtung zu orientieren; dem wirkt die thermische
Unordnung entgegen. Gemäß den Regeln der Statistischen Mechanik läßt sich die Wahr-
scheinlichkeit dafür angeben, daß sich ein molekularer Dipol p im Feld E vom Winkel
ϑ zwischen Dipol- und Feldrichtung nach ϑ + ∆ϑ dreht. Versuchen Sie, daraus den
thermischen Mittelwert cos ϑ = L( pE/kT ) abzuleiten. Dabei ist L(x) die Langevin-
Funktion
1
L(x) = coth x − .
x
b) Wie groß muß die elektrische Feldstärke sein, um ein Wassermolekül ( p =
6,17 · 10−30 A s cm) bei Raumtemperatur exakt in Feldrichtung zu orientieren?
c) Wasser sei in sehr niedriger Konzentration in (unpolarem) n-Hexan gelöst. Wel-
che Feldstärke benötigt man, um bei Raumtemperatur 50% der theoretisch möglichen
Orientierungspolarisation zu erhalten? (Überschlagsrechnung)
d) Welcher Orientierungsgrad läßt sich bei einer realistischen Feldstärke von E =
105 V/cm bei Kühlung auf die Temperatur flüssigen Heliums (T = 4,2 K) erreichen?

3.2 Wie orientiert sich ein Wassermolekül (Dipolmoment p = 1,85 D) in der Nähe
eines Anions? Welches lokale elektrische Feld erzeugt das Wassermolekül am Ort des
Ions, wenn die Entfernung seines Zentrums vom Zentrum des Ions (a) 1,0 nm, (b)
0,3 nm, (c) 30 nm beträgt?

3.3 Wie groß ist das induzierte Dipolmoment pind in Benzol (a) in einem elektrischen
Feld, das der Durchschlagfestigkeit von Luft (106 V/m) entspricht; (b) im Fokus eines
Lasers mit Leistung P = 107 W und Fläche A = 100 µm2 ?

3.4 NO-Moleküle sind paramagnetisch mit einem permanenten magnetischen Mo-


ment von µp = 1,70 · 10−23 A m2 . Wie groß muß ein Magnetfeld B sein, damit der pa-
ramagnetische Beitrag zur Magnetisierung einer NO-Probe bei Raumtemperatur 1% des
theoretischen Maximalwertes, bei dem alle Moleküle parallel orientiert sind, erreicht?
Aufgaben 43

3.5 Für die Kapazitäten C und C0 eines Plattenkondensators mit und ohne Dielek-
triukum (relative Dielektrizitätskonstante εr ) gilt die Relation
C ε0 εr
= = εr .
C0 ε0
Für eine Versuchsreihe an Campher bei verschiedenen Temperaturen wurde ein Kon-
densator mit C0 = 5,01 pF verwendet; ermitteln Sie aus den folgenden Meßdaten das
Dipolmoment und das Polarisierbarkeitsvolumen des Moleküls (M = 152,23 g/cm3 ).

T [◦ C] 0 20 40 60 80 100 120 140 160 200


 [g/cm3 ] 0,99 0,99 0,99 0,99 0,99 0,99 0,97 0,96 0,95 0,91
C [pF] 62,6 57,1 54,1 50,1 47,6 44,6 40,6 38,1 35,6 31,1

Anmerkung: Die über pind = αE definierte Polarisierbarkeit besitzt die sehr unanschau-
liche Einheit A2 s2 m2 /J; daher wird sie oft durch das sog. Polarisierbarkeitsvolumen α

ersetzt:
α
α
=
4πε0
in Einheiten von 10−30 m3 = 1 Å3 . Der Wert von α
in SI-Einheiten [10−30 m3 ] ent-
spricht dann exakt α in cgs-Einheiten [10−24 cm3 ].
3.6 Wie groß ist das Polarisierbarkeitsvolumen von Wasser für Licht der Wellenlänge
589 nm, wenn sein Brechungsindex bei 20 ◦ C für 589 nm den Wert 1,3330 besitzt?
3.7 Nach einem einfachen Modell entsteht das Dipolmoment von Wasser ( p =
1,85 D) durch die Addition der Dipole zweier Bindungen unter einem Winkel von
104,5◦ . Wie lautet dann die Funktion für das Dipolmoment von Wasserstoffperoxid
H2 O2 in Abhängigkeit vom Azimutwinkel zwischen den beiden OH-Gruppen, wenn
der OOH-Winkel 90◦ ist? Welchen Winkel berechnen Sie aufgrund von Messungen,
die ein Dipolmoment von 2,13 D ergeben?
3.8 Kann man Wasserdampf in der Luft durch Messung der Dielektrizitätszahl ε be-
stimmen? Beachten Sie, daß der Sättigungsdampfdruck von Wasser in Luft bei 40 ◦ C
50 mbar beträgt und die Dielektrizitätskonstante von N2 ε = 1 + 5,8 · 10−4 . Bei wel-
cher relativen Luftfeuchtigkeit liefert Wasserdampf denselben Beitrag zu εLuft wie N2 ?
3.9 Ermitteln Sie das Polarisierbarkeitsvolumen und das Dipolmoment des Chloro-
form-Moleküls CHCl3 , für das man in Abhängigkeit von der Temperatur die folgenden
statischen Dielektrizitätskonstanten mißt (Schmelzpunkt −64 ◦ C)?

T [◦ C] −80 −70 −60 −40 −20 0 +20


εr 3,1 3,1 7,0 6,5 6,0 5,5 5,0
 [g/cm3 ] 1,65 1,64 1,64 1,61 1,57 1,53 1,50
44 3. Moleküle in elektrischen und magnetischen Feldern

3.10 Berechnen Sie die Dielektrizitätskonstante von Chlorbenzol C6 H5 Cl bei 25 ◦ C.


Seine Dichte bei dieser Temperatur ist 1,107 g/cm3 ; für das Polarisierbarkeitsvolumen
findet man einen Wert von 1,23 · 10−29 m3 , für das Dipolmoment 1,57 D.
3.11 Den anisotropen Diamagnetismus in Benzol kann man in erster Näherung mit
Ringströmen erklären (Pauling: J. Chem. Phys. 4, 673 (1936)). Berechnen Sie den durch
ein äußeres Magnetfeld hervorgerufenen Ringstrom ober- bzw. unterhalb der Moleküle-
bene, indem Sie die Zentripetalkraft durch die Lorentzkraft auf ein freies Elektron aus-
drücken. Berücksichtigen Sie, daß in Benzol n = 6 π-Elektronen beteiligt sind.
Die Anisotropie der diamagnetischen Suszeptibilität κ eines planaren Moleküls wird
definiert durch:
κ1 + κ2
∆κ = κ3 − .
2
Die Suszeptibilitäten κ1 , κ2 gelten für B parallel zur Molekülebene;
 κ3 erhält man mit
B senkrecht zur Ebene. In erster Näherung gilt für i = 1, 2 κi = n kn , wobei kn die
(isotropen) diamagnetischen Beiträge der einzelnen Atome  des Moleküls sind. Für i =
3 kommt noch der Beitrag des Ringstroms hinzu: κ3 = n kn + ∆κ.
Die magnetische Polarisierbarkeit β ist die mikroskopische Größe, die der makro-
skopischen Suszeptibilität entspricht:
κ
β=
µ0 N
(N: Teilchenzahldichte). Sie ist ebenfalls anisotrop; im Benzol-Molekül mißt man

µ0 β⊥ = 152 · 10−36 m3 und µ0 β = 62 · 10−36 m3 .


Berechnen Sie daraus den effektiven Radius des Ringstroms in Benzol. (Hinweis: wie
ist das magnetische Moment definiert?)
3.12 Ein Beispiel für die Dielektrizitätsfunktion geben NaCl-Moleküle im Ionenkri-
stall. Im Infraroten gibt es longitudinale und transversale „optische“ Gitterschwingungen
mit den Frequenzen ΩLO und ΩTO , die zu folgender Beziehung für den Brechungsindex
führen:
ΩLO
2 − ω2
n 2 = ε(ω) = ε(∞) ·
ΩTO
2 − ω2

mit
ε(0) Ω2
= LO (Lyddane-Sachs-Teller-Relation) .
ε(∞) ΩTO
2

Skizzieren Sie die Funktion mit folgenden Parametern: ε(0) = 5,62, ε(∞) = 2,25,
ΩTO = 3,1 · 1013 rad s−1 . Wie groß ist ε(ω) für ΩTO < ω < ΩLO ? Was sind Reststrah-
len in diesem Zusammenhang?
4. Einführung in die Theorie der chemischen Bindung

In diesem Kapitel stellen wir als erstes die wichtigsten Konzepte der Quantenme-
chanik zusammen und erläutern dann den Unterschied zwischen heteropolarer und
homöopolarer Bindung. Sodann behandeln wir das Wasserstoff-Molekülion und das
Wasserstoff-Molekül, wobei wir am letzteren verschiedene wichtige Verfahren vor-
führen. Schließlich behandeln wir die vor allen Dingen für Kohlenstoffverbindungen
wichtige Hybridisierung.

4.1 Eine Erinnerung an die Quantenmechanik


Bereits bei der Erklärung des Aufbaus der Atome versagte die klassische Physik. Den-
ken wir etwa an das Wasserstoffatom, bei dem ein Elektron um den Atomkern kreist.
Da das Elektron geladen ist, wirkt es wie ein schwingender elektrischer Dipol und
müßte ständig Energie abstrahlen, so daß schließlich das Elektron in den Kern stürzen
müßte. Außerdem ist das Auftreten diskreter Spektren hier nicht verständlich. Beson-
dere Schwierigkeiten gibt es auch bei der Erklärung der chemischen Bindung, worauf
wir im nächsten Abschnitt näher zu sprechen kommen werden. Zweifelsohne kommt
die Molekülphysik ohne die quantenmechanische Behandlung nicht aus. Erinnern wir
uns daher kurz an die Grundbegriffe der Quantenmechanik, wobei wir als konkretes
Beispiel das Wasserstoffatom im Auge haben mögen. Bezüglich einer eingehenden
Darstellung verweisen wir auf I, Kap. 9.
Den Kern nehmen wir als unendlich schwer an, so daß wir nur die Freiheitsgrade
des Elektrons betrachten müssen. Dessen Energie ist durch
E = E kin + E pot (4.1)
gegeben, wobei sich die kinetische Energie in der Form
m0 2
E kin = v (4.2)
2
schreiben läßt; m 0 ist dabei die Masse des Elektrons, v seine Geschwindigkeit. Um den
richtigen Ausgangspunkt für die quantenmechanische Behandlung zu haben, geht man
von der Geschwindigkeit v zum kanonisch konjugierten Impuls p gemäß
m0v = p (4.3)
über, so daß sich die kinetische Energie in der Form
1 2
E kin = p (4.4)
2m 0
46 4. Einführung in die Theorie der chemischen Bindung

schreiben läßt. Die potentielle Energie können wir als ein vom Ort abhängiges Potential
gemäß

E pot = V(r) (4.5)

darstellen, wobei r = (x, y, z) ist. Der Energie-Ausdruck (4.1) läßt sich damit in die
Hamilton-Funktion
1 2
H= p + V(r) (4.6)
2m 0
umschreiben. Diese stellt den Ausgangspunkt für die Quantisierung dar. Gemäß der
Jordanschen Regel haben wir den Impuls p durch den Impulsoperator gemäß
h ∂ h ∂ h ∂
px = , py = , pz = (4.7)
i ∂x i ∂y i ∂z
oder in vektorieller Schreibweise
h
p= ∇ (4.8)
i
zu ersetzen. Damit wird die Hamilton-Funktion (4.6) zum Hamilton-Operator
 2
1 h
H= ∇ + V(r) . (4.9)
2m 0 i

Rechnen wir das Quadrat des Nabla-Operators ∇ aus, so erhalten wir den Laplace-
Operator ∇ gemäß

∂2 ∂2 ∂2
∇2 = ∆ ≡ + + . (4.10)
∂x 2 ∂y2 ∂z 2
Damit läßt sich abschließend der Hamilton-Operator in der Form

h2
H=− ∆ + V(r) (4.11)
2m 0
schreiben. Mit Hilfe dieses Operators können wir die zeitabhängige Schrödinger-
Gleichung formulieren. Diese bezieht sich auf eine orts- und zeitabhängige Wellen-
funktion ψ(r, t)

Hψ(r, t) = ih ψ(r, t) . (4.12)
∂t
In vielen Fällen ist der Hamilton-Operator selbst nicht explizit von der Zeit abhängig.
In einem solchen Fall kann man die zeitabhängige Schrödinger- Gleichung (4.12) ver-
einfachen, indem man den Ansatz
 i 
ψ(r, t) = exp − Et ψ(r) (4.13)
h
4.1 Eine Erinnerung an die Quantenmechanik 47

macht, d. h. eine Zeitfunktion in Form der Exponentialfunktion von ψ(r) abspaltet. Set-
zen wir (4.13) in (4.12) ein, führen die Differentiation nach der Zeit aus und dividieren
durch die in (4.13) vorkommende Exponentialfunktion auf beiden Seiten, so erhalten
wir die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung
Hψ = Eψ . (4.14)
Sowohl bei der Lösung von (4.12) als auch (4.14) sind Randbedingungen für ψ in Ab-
hängigkeit von dem Ortsvektor r zu beachten. Im allgemeinen lauten diese, daß ψ ver-
schwindet, wenn der Ortsvektor r gegen unendlich geht. Wie nun ganz allgemein gezeigt
werden kann, liefert die Schrödinger-Gleichung (4.14) gemeinsam mit den Randbedin-
gungen einen Satz von sogenannten Eigenwerten E v und Eigenfunktionen ψv , wobei v
ein Index ist, der die sogenannten Quantenzahlen kennzeichnet. Wir können daher an
Stelle von (4.14)
Hψv = E v ψv (4.15)
schreiben. Nach dem Grundpostulat der Quantenmechanik sind die bei einer Messung
erhaltenen Werte gerade die, die als Eigenwerte in (4.15) auftreten. Bei Messungen, die
sich nicht auf die Energie beziehen, können bei jeder einzelnen Messung jeweils ver-
schiedene Werte auftreten. In einem solchen Fall kann die Theorie im allgemeinen nur
Erwartungswerte, z. B. des Ortes, des Impulses, der kinetischen oder der potentiellen
Energie voraussagen. Diese Erwartungswerte sind durch

x̄ = ψ ∗ (r, t)xψ(r, t)dV (4.16)

p̄x = ψ ∗ (r, t) px ψ(r, t)dV (4.17)
  
h2
E kin = ψ ∗ (r, t) − ∆ ψ(r, t)dV (4.18)
2m

E pot = ψ ∗ (r, t)V(r)ψ(r, t)dV (4.19)

definiert. Die Größen px , x, . . . sind hierbei Operatoren geworden. Mit ihrer Hilfe lassen
sich weitere Ausdrücke für Operatoren bilden, z. B. für den Drehimpulsoperator gemäß
der Vorschrift
L = [r, p] oder in anderer Schreibweise L = r× p
oder wenn wir (4.8) verwenden,
 
h
L = r, ∇ . (4.20)
i
Betrachten wir nun das Wasserstoffatom oder allgemeiner ein Atom, das die Kern-
ladungszahl Z hat und um das nur noch ein Elektron kreist. Hier ist der Hamilton-
Operator explizit durch
h2 1 Ze2
H=− ∆− (4.21)
2m 0 4πε0 r
48 4. Einführung in die Theorie der chemischen Bindung

gegeben. Da der Hamilton-Operator nur vom Abstand, nicht aber von dem Winkel in ei-
nem sphärischen Polarkoordinatensystem abhängt, ist es zweckmäßig, in (4.21) zu sphä-
rischen Polarkoordinaten gemäß
r → r, ϑ, ϕ (4.22)
überzugehen. Wie sich zeigen läßt, kann dann die Wellenfunktion in der Form
ψnlm (r) = Rnl (r)Plm (cos ϑ) ei m ϕ (4.23)
geschrieben werden, wobei die Indizes nlm die Bedeutung von Quantenzahlen haben,
und zwar ist n die Hauptquantenzahl, l die Drehimpulsquantenzahl und m die magneti-
sche Quantenzahl. Die Wellenfunktion läßt sich also in einen von r abhängigen Teil R
und einen von den Winkeln abhängigen Teil Plm ei m ϕ aufspalten. Es soll hier nicht
unsere Aufgabe sein, die Quantentheorie des Wasserstoffatoms im einzelnen zu ent-
wickeln. Dies ist in I, Kap. 10, ausgeführt. Wir wollen vielmehr den Leser nur an einige
Grundresultate erinnern. So ergibt sich die Energie zu
m 0 Z 2 e4 1
En = − . (4.24)
2h 2 (4πε0 )2 n 2
Sie hängt also nur von der Hauptquantenzahl n ab, die die Werte 1, 2, 3, . . . annehmen
kann. Damit sind die gebundenen Zustände gekennzeichnet.
Für das Folgende ist noch die Winkelabhängigkeit von ψ von Interesse. Wir erin-
nern daher an die einfachsten Drehimpulszustände, Abb. 4.1. Für l = 0 ergibt sich ein
Zustand, der nicht vom Winkel abhängt, d. h. also rotationssymmetrisch ist. Für l = 1
erhalten wir für den winkelabhängigen Faktor in (4.23), den wir mit
Fl,m (ϑ, ϕ) ≡ Plm (cos ϕ) ei m ϕ (4.25)

Abb. 4.1. Veranschaulichung der


Drehimpulsfunktionen für den s-
Zustand (kugelsymmetrisch) und
die p-Funktion (reelle Darstel-
lung)
4.1 Eine Erinnerung an die Quantenmechanik 49

bezeichnen wollen, die folgenden Ausdrücke


1
l=0 F0,0 = √ (4.26)

 
3 3 z
l=1 F1,0 = cos ϑ = (4.27)
4π 4π r
 
3 ±iϕ 3 x ± iy
F1,±1 = ± sin ϑ e =F , (4.28)
8π 8π r
wobei wir im letzten Teil dieser jeweiligen Gleichungen die Winkelabhängigkeit durch
die kartesischen Koordinaten x, y, z ausgedrückt haben. Der in (4.23) auftretende Radi-
alanteil Rn,l hat die explizite Form

Rn,l = Nn,l e−κn r r l L n+l


2l+1
(2κn r) , (4.29)

wobei N für die Normierung sorgt, derart, daß


∞
R2r 2 dr = 1 (4.30)
0

gilt. Die Konstante κn ist durch

1 m 0 Ze2
κn = (4.31)
n h 2 4πε0
2l+1
gegeben. Die Funktion L n+l ist dabei als Ableitung von den Laguerreschen Polynomen
L n+l gemäß
2l+1
L n+l () = d 2l+1 L n+l /d2l+1 (4.32)

definiert, wobei die Laguerreschen Polynome selbst wieder mit Hilfe von Differentiati-
onsvorschriften gemäß

L n+l () = e d n+l ( e− n+l )/dn+l (4.33)

gewonnen werden können. Im einfachsten Fall n = 1, l = 0 erhalten wir

L 1 () = − + 1 (4.34)

und daraus

L 11 = dL 1 /d = −1 , (4.35)

so daß R1,0 durch

R1,0 = N e−κ1r (4.36)

gegeben ist. Einige Beispiele für Rn,l sind in Abb. 4.2 dargestellt.
50 4. Einführung in die Theorie der chemischen Bindung

Abb. 4.2. (a) Die Wellenfunkti-


= 2κr) ≡
on des Radialteils R(
R(r) (4.29) des H-Atoms ist
gegenüber der dimensionslos-
en Koordinate  aufgetragen.
Die an den Kurven angegebe-
nen Indizes (1,0),(2,1),. . . ,usw.
entsprechen (n,l), wobei n die
Hauptquantenzahl und l die Dre-
himpulsquantenzahl ist. (b) Die
entsprechenden Aufenthaltswahr-
scheinlichkeiten in radialer

Richtung, d. h. 4π2 R(), sind
gegenüber der dimensionslosen
Koordinate  aufgetragen
4.3 Das Wasserstoff-Molekülion H+
2 51

4.2 Heteropolare und homöopolare Bindung


Eine Theorie der chemischen Bindung muß erklären können, warum es bestimmten Ato-
men möglich ist, ein bestimmtes Molekül zu bilden, und sie muß in der Lage sein, die
Bindungsenergie zu berechnen. Vor der Schaffung der Quantentheorie schien ein Bin-
dungstyp – die heteropolare Bindung – leicht erklärbar, der andere – die homöopolare –
hingegen gar nicht. Ein Beispiel für die heteropolare Bindung (heteropolar = verschie-
den geladen) bietet das Kochsalz-Molekül NaCl (vgl. Abb. 1.2). Das Zustandekommen
der Bindung kann man sich in zwei Schritten vollzogen denken: Vom Na-Atom geht ein
Elektron zum Cl-Atom über. Zwischen dem nunmehr positiv geladenen Na+ -Ion und
dem negativ geladenen Cl-Ion herrscht dann eine Coulombsche Anziehungskraft, die
die ionische Bindung bewirkt. Genauer besehen handelt es sich hier um eine scheinbare
Erklärung, da sie keine theoretische Rechtfertigung dafür liefert, warum das Elektron
von Na zum Cl überging. Eine theoretische Begründung hierfür liefert erst die Quan-
tentheorie, wo es für das Elektron energetisch günstiger ist, die offene Schale des Na
zu verlassen und die Schale des Cl endgültig aufzufüllen. Selbst bei der heteropolaren
Bindung brauchen wir also die Quantentheorie.
Noch dramatischer stellte sich die Frage nach einer Erklärung der homöopolaren
Bindung. Wie sollte sich z. B. aus den beiden neutralen H-Atomen ein Wasserstoffmole-
kül H2 bilden? Hier brachte erst die Quantentheorie den Durchbruch. Das grundlegend
Neue läßt sich schon am Beispiel des H+ 2 -Molekül-Ions erläutern, bei dem dem neutra-
len H2 ein Elektron entrissen wurde. Das verbleibende Elektron muß die beiden Proto-
nen zusammenhalten. Nach der Quantentheorie gelingt ihm dies, indem es, anschaulich
gesprochen, zwischen beiden Protonen hin- und herspringt, wobei es mal bei dem einen,
mal bei dem anderen Proton verweilt. Dabei wird seine Aufenthaltswahrscheinlichkeit
zwischen den Protonen erhöht, es profitiert also von der Coulombschen Anziehungskraft
beider Kerne und kann so die Coulombsche Abstoßungskraft zwischen den beiden Pro-
tonen kompensieren, solange sich diese nicht zu nahe kommen. In Abschn. 4.3 werden
wir zeigen, wie sich diese Vorstellung durch die Wellenfunktion des H+ 2 präzise fassen
läßt. Dabei werden wir sehen, wie die Wellennatur des Elektrons eine entscheidende
Rolle spielt. Zwischen den Wellenfunktionen, die den Aufenthalt des Elektrons am einen
oder anderen Proton beschreibt, kommt es zu einer positiven Interferenz, wodurch die
Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons zwischen den beiden Protonen erhöht wird
und ein bindender Zustand entsteht. Ähnliche Verhältnisse ergeben sich auch beim H2 -
Molekül (vgl. Abb. 1.1). Interessanterweise ist aber auch eine negative Interferenz mög-
lich – die Aufenthaltswahrscheinlichkeit wird erniedrigt und sogar zu Null längs der
Symmetrie-Ebene zwischen den Protonen – es kommt zum lockernden (oder „antibin-
denden“) Zustand.
Wenden wir uns nun der quantenmechanischen Rechnung zu.

4.3 Das Wasserstoff-Molekülion H+


2
In diesem Abschnitt beginnen wir nun, die Quantentheorie der chemischen Bindung zu
entwickeln. Der wohl einfachste Fall einer chemischen Bindung liegt beim Wasserstoff-
Molekülion H+2 vor. Dieses wird als gebundener Zustand bei Gasentladungen in ei-
ner Wasserstoff-Atmosphäre beobachtet. In einer solchen Gasentladung wird dem
Wasserstoff-Molekül ein Elektron entrissen. Die mit der Dissoziationsenergie identi-
sche Bindungsenergie von H+ 2 wurde zu 2,65 eV bestimmt. Hier haben wir es also mit
52 4. Einführung in die Theorie der chemischen Bindung

zwei Wasserstoffkernen, d. h. Protonen, aber nur einem Elektron zu tun. Die beiden
Kerne unterscheiden wir durch die Indizes a und b (vgl. Abb. 4.3). Sind die Kerne sehr
weit voneinander entfernt, so können wir uns vorstellen, daß das Elektron entweder um
den einen oder um den anderen Kern herum lokalisiert ist. Die Wellenfunktionen sind
dann die des Wasserstoffgrundzustandes. Im folgenden bezeichnen wir den Abstand
des Elektrons vom Kern a bzw. b mit ra bzw. rb . Bezeichnen wir die Wellenfunktion
des Wasserstoffgrundzustandes, die zum Kern a gehört, mit ϕa , so genügt diese der
Schrödinger-Gleichung
 
Abb. 4.3. Übersichtsskizze zum h2 e2
Wasserstoff-Molekülion. Die bei- − ∆− ϕa (ra ) = E a0 ϕa (ra ) , (4.37)
2m 0 4πε0ra
den Kerne sind mit a und b be-   
zeichnet, ihr Abstand mit Rab . Ha
ra bzw. rb geben den Abstand
des Elektrons zum Kern a bzw.
zum Kern b an und das Entsprechende gilt für die Wellenfunktion ϕb , wobei die Energien E a0 und E b0
einander gleich sind:

E a0 = E b0 = E 0 . (4.38)

Nähern wir nun die Kerne einander, so wird das Elektron, das z. B. zunächst am Kern a
saß, die Coulombsche Anziehungskraft des Kerns b spüren. Entsprechend wird ein Elek-
tron, das am Kern b saß, die Coulombsche Anziehungskraft des Kern a spüren. Wir
müssen daher eine Schrödinger-Gleichung aufstellen, die das Coulomb-Potential bei-
der Kerne enthält (Abb. 4.4). Außerdem müssen wir, um die Gesamtenergie zu berech-
nen, die Coulombsche Abstoßung zwischen beiden Kernen berücksichtigen. Bezeichnen
wir den Abstand zwischen den beiden Kernen mit Rab , so lautet diese Zusatzenergie
e2 /4πε0 Rab .
Da sich diese Zusatzenergie nicht auf die Energie der Elektronen bezieht, bedeutet
sie lediglich eine Verschiebung des Energieeigenwerts E um einen konstanten Betrag.
Wir werden daher diese Konstante zunächst weglassen, um sie dann erst am Schluß zu
berücksichtigen.
Dies führt uns auf die Schrödinger-Gleichung
 
h2 e2 e2
− ∆− − ψ = Eψ , (4.39)
2m 0 4πε0ra 4πε0rb
Abb. 4.4. Zum Wasserstoff-
Molekülion. Aufgetragen ist in der die Wellenfunktion ψ und die zugehörige Energie noch zu berechnen sind.
die potentielle Energie V , die
das Elektron aufgrund der
Anziehungskraft der Kerne
a und b vorfindet. Die ge-
strichelten Kurven geben die
potentielle Energie des Elek-
trons wieder, die von einem
Kern a bzw. b herrührt. Die
ausgezogene Kurve ist die ge-
samte potentielle Energie. Nach
rechts ist die Ortskoordinate x
aufgetragen. Ferner ist die Bin-
dungsenergie E 0 des Elektrons
im Feld eines einzelnen Kerns
eingezeichnet
4.3 Das Wasserstoff-Molekülion H+
2 53

Wir wollen nun die Wellenfunktion ψ genähert bestimmen. Dabei lassen wir uns von
einer Idee leiten, die der Störungstheorie mit Entartung entlehnt ist. Im Prinzip könnte
ja das Elektron in der Nähe des Kerns a oder des Kerns b sitzen (vgl. Abb. 4.5), wobei
jeweils die Energie die gleiche wäre, vgl. (4.37) und (4.38). Diese beiden Zustände ϕa
und ϕb sind also miteinander entartet. Nun wirkt aber jeweils der andere Kern, an dem
das Elektron gerade nicht sitzt, mit einer Störung auf das Elektron ein. Wir werden also
erwarten, daß durch diesen Effekt die Entartung aufgehoben wird. Genau wie bei der
Störungstheorie mit Entartung bilden wir zur Lösung von (4.39) eine Linearkombination
in der Form
ψ = c1 ϕa + c2 ϕb , (4.40)
wobei die beiden Koeffizienten c1 und c2 noch zu bestimmen sind. Zu deren Festlegung
verfahren wir in der üblichen Weise. Wir setzen als erstes den Ansatz (4.40) in die Gl.
(4.39) ein und erhalten
 
h2 e2 e2
− ∆− − c1 ϕa
2m 0 4πε0ra 4πε0rb
  
Ha
 
h2 e2 e2
+ − ∆− − c2 ϕb = E(c1 ϕa + c2 ϕb ) . (4.41)
2m 0 4πε0rb 4πε0rb
  
Hb

In den einzelnen Klammern in (4.41) haben wir die Glieder so zusammengefaßt, daß
jeweils der Operator Ha auf ϕa und der Operator Hb auf ϕb wirken. Wir können dann
sofort mit Hilfe von (4.37) und der entsprechenden Gleichung mit Hb die entsprechen-
den Ausdrücke vereinfachen, indem wir z. B. an Stelle von Ha ϕa den Ausdruck E a0 ϕa
benutzen.
Wenn wir noch die rechte Seite von (4.41) auf die linke hinüberbringen, erhalten wir
   
e2 e2
E0 − E − c1 ϕa + E 0 − E − c2 ϕb = 0 . (4.42)
4πε0rb 4πε0ra
     
∆E ∆E

Während ϕa und ϕb Funktionen des Ortes sind, sollen die Koeffizienten c1 und c2 orts-
unabhängig sein. Um eine ortsunabhängige Gleichung für die c’s zu finden, multiplizie-

Abb. 4.5. (Oben) Die Wellen-


funktion ϕa des Elektrons, das
sich im Feld des Kerns a be-
wegt, sowie die entsprechende
Wellenfunktion ϕb des Elektrons
in der Nähe des Kerns b. (Un-
ten) Wird der Abstand zwischen
den Kernen a und b verklei-
nert, so überschneiden sich, oder
in der Fachsprache, überlappen
die beiden Wellenfunktionen ϕa
und ϕb
54 4. Einführung in die Theorie der chemischen Bindung

ren wir, wie wir es ja von der Störungstheorie her kennen, Gl. (4.42) mit ϕa∗ bzw. ϕb∗
und integrieren über die Elektronenkoordinate. Wir nehmen dazu im folgenden an, daß
die Funktionen ϕa und ϕb reell sind, wie das bei der Funktion des Wasserstoffgrundzu-
standes der Fall ist. Im folgenden müssen wir berücksichtigen, daß die Funktionen ϕa
und ϕb nicht zueinander orthogonal sind, d. h. daß das Integral

ϕa ϕb dV = S (4.43)

nicht verschwindet. Wenn wir (4.42) mit ϕa multiplizieren und dann über die Elektro-
nenkoordinate integrieren, so erhalten wir Ausdrücke, die die Gestalt von Matrixelemen-
ten haben, nämlich die Integrale
  
e2
ϕa (ra ) − ϕa (ra )dV = C , (4.44)
4πε0rb

  
e2
ϕa (ra ) − ϕb (rb )dV = D , (4.45)
4πε0ra
die wir mit den Buchstaben C und D abgekürzt haben. Die Bedeutung des ersten
Integrals erhellt sich sofort, wenn wir uns daran erinnern, daß −eϕa2 die Bedeutung
einer Ladungsdichte des Elektrons hat. Gleichung (4.44) ist dann nichts anderes als
die Coulombsche Wechselwirkungsenergie zwischen der Elektronenladungsdichte und
der Kernladung e (vgl. Abb. 4.6). Im Integral (4.45) hingegen tritt statt der Elektro-
nenladungsdichte der Ausdruck −eϕa ϕb auf. Dies bedeutet, daß das Elektron sich
gewissermaßen teilweise im Zustand ϕa , teilweise aber im Zustand ϕb aufhält oder,
mit anderen Worten, ein Austausch zwischen diesen beiden Zuständen vorkommt.
Man bezeichnet daher ϕa ϕb auch als Austauschdichte und Integrale, in denen solche
Austauschdichten ϕa ϕb auftreten, als Austauschintegrale (vgl. Abb. 4.7). Diese stel-
len einen ganz spezifisch quantentheoretischen Effekt dar. Multiplizieren wir (4.42)
mit ϕb statt mit ϕa und integrieren, so werden wir auf ganz ähnliche Ausdrücke wie
(4.44) und (4.45) geführt, wobei lediglich die Indizes a und b vertauscht sind. Da
Abb. 4.6. Zur Veranschaulich-
ung des Integrals (4.44). Dies-
es stellt die Coulombsche
Wechselwirkungsenergie einer
Elektronenwolke mit der Wahr-
scheinlichkeitsverteilung ϕa2 im
Coulomb-Feld des Kerns dar.
Aufgetragen ist die Dichte-
verteilung ϕa2 (schraffierter
Bereich) und dazu als aus-
gezogene Kurve der Verlauf
der potentiellen Energie einer
Punktladung im Coulomb-Feld
des Kerns b. Zur Berechnung
des Integrals ist bei jedem
Raumpunkt der Wert von ϕa2
mit dem zugehörigen Wert von
−e2 /4πε0 rb zu multiplizieren
und dann über den gesamten
Raum aufzuintegrieren
4.3 Das Wasserstoff-Molekülion H+
2 55

das Problem aber völlig symmetrisch bezüglich der Indizes a und b ist, haben die
neuen Integrale die gleichen Werte wie die alten. Fassen wir alle Glieder, die wir bei
der Multiplikation und Integration mit ϕa erhalten, zusammen, so geht (4.42) in die
Gleichung
(∆E + C)c1 + (∆ES + D)c2 = 0 (4.46)
über, und entsprechend erhalten wir nach Multiplikation von (4.42) mit ϕb und Inte-
gration die Gleichung
(∆ES + D)c1 + (∆E + C)c2 = 0 . (4.47)
Dies sind zwei ganz einfache algebraische Gleichungen für die unbekannten Koeffizi-
enten c1 und c2 . Damit die Gleichungen eine nichttriviale Lösung ergeben, muß die
Determinante verschwinden, d. h.
(∆E + C)2 − (∆ES + D)2 = 0 . (4.48)
Dies ist eine quadratische Gleichung für die Energieverschiebung ∆E, die wir im vor-
liegenden Falle besonders einfach auflösen können, indem wir das 2. Glied in (4.48)
auf die rechte Seite bringen und beiderseits die Wurzel ziehen
(∆E + C) = ±(∆ES + D) . (4.49)
Dabei ergeben sich durch das Wurzelziehen die beiden Vorzeichen ±. Verwen-
den wir (4.49) in (4.46) oder (4.47), so erhalten wir sofort beim oberen Vorzei-
chen
c2 = −c1 ≡ −c . (4.50)
In diesem Falle erhält man also die Gesamtwellenfunktion
ψ = c(ϕa − ϕb ) . (4.51)
Die Konstante c ist noch durch die Normierung der Gesamtwellenfunktion ψ festzu-
legen. Die zugehörige Wellenfunktion ist in Abb. 4.8 dargestellt. Gilt in (4.49) das

Abb. 4.7. Zur Veranschaulich-


ung des Integrals (4.45). Auf-
getragen sind die drei darin
auftretenden Funktionen ϕa , ϕb
und −e2 /4πε0 rb . Da das Pro-
dukt dieser drei Funktionen
auftritt, sind nur dann nicht ver-
schwindende Beiträge möglich,
wenn die Wellenfunktionen ϕa
und ϕb überlappen, wie das
durch den stark schraffierten
Bereich dargestellt wird. Das
Integral wird erhalten, indem
an jeder Stelle des Raums die
Funktionswerte von ϕa , ϕb und
−e2 /4πε0 rb miteinander multi-
pliziert werden und dann über
den ganzen Raum aufintegriert
wird
56 4. Einführung in die Theorie der chemischen Bindung

Abb. 4.8. Die antisymmetrische


Wellenfunktion ψ_ entsteht aus
der Differenz von ϕa und ϕb .
Ersichtlich ist die Aufenthalts-
wahrscheinlichkeit in der Sym-
metrieebene zwischen den bei-
den Kernen gleich Null

untere Vorzeichen, so erhalten wir für die Koeffizienten: c2 = c1 = c und somit als
Gesamtwellenfunktion
ψ = c(ϕa + ϕb ) (4.52)
(vgl. Abb. 4.9). Berechnen wir aus (4.49) die zu (4.51) und (4.52) gehörigen Energien,
wobei E = E 0 − ∆E.
Zur antisymmetrischen Wellenfunktion gehört also die Energie des Elektrons
C−D
E = E0 + (4.53a)
1−S
und zur symmetrischen Wellenfunktion die Energie des Elektrons
C+D
E = E0 + . (4.53b)
1+S
Wie man sich anhand der Abb. 4.6 und 4.7 veranschaulichen kann, hängen die Grö-
ßen S, C und D vom Abstand der beiden Kerne ab, wobei 0 < S ≤ 1 und C, D < 0
sind. Nähert man die beiden Kerne einander, so spaltet die Elektronenenergie E gemäß
(4.53a), (4.53b) auf. Um zu entscheiden, ob eine Bindung zwischen den beiden Proto-
nen auf dem Weg über das Elektron zustandekommt, müssen wir zu (4.53a) bzw. (4.53b)
noch die Coulombsche Abstoßungsenergie zwischen den Protonen e2 /4πε0 Rab hinzu-
fügen. Ferner müssen wir die Energie bei endlichem Abstand mit der bei unendlichem
Abstand, wo C und D Null sind, vergleichen. Wir haben also
C±D
E Bindung = + e2 /4πε0 Rab (4.54)
1±S
zu untersuchen. Wie die numerische Rechnung zeigt, ändert das Überlappungsintegral S
nichts an dem Ergebnis, ob es zur Bindung kommt oder nicht, so daß wir es bei unserer
Diskussion weglassen.

Abb. 4.9. Die symmetri-


sche Wellenfunktion ψ+ ent-
steht durch eine Superposition
der Wellenfunktionen ϕa und ϕb .
Aufgrund der Überlappung von
ϕa und ϕb wird die Aufenthalts-
wahrscheinlichkeit zwischen den
beiden Kernen erhöht
4.3 Das Wasserstoff-Molekülion H+
2 57

Betrachten wir als erstes das Verhalten von C in seiner Abhängigkeit vom Ab-
stand Rab . Ist Rab groß gegenüber der Erstreckung der Wellenfunktion ϕa (oder ϕb ),
so ist C praktisch gleich der potentiellen Energie E pot einer punktförmigen Ladung
im Potentialfeld des anderen Kernes, also gleich −e2 /4πε0 Rab . Für große Abstände
Rab kompensieren sich also C und das letzte Glied in (4.54). Während aber für kleine
Abstände Rab → 0 das letzte Glied in (4.54) gegen unendlich geht, strebt C einem
endlichen (negativen) Wert zu. Man kann dies direkt aus (4.44) entnehmen, da für
Rab → 0 der Abstand rb in ra übergeht und (4.44) dann identisch wird mit dem
Erwartungswert der potentiellen Energie des Elektrons im Wasserstoffatom, der be-
kanntlich endlich ist. Die Summe C + e2 /4πε0 Rab ist also positiv und es ergibt sich
keine Bindung.
Das Zünglein an der Waage in der Frage einer Bindung bildet also D (4.45), das
die Austauschdichte enthält. Für Rab → 0 geht ϕb in ϕa über, so daß dann D mit C
übereinstimmt und somit den Beitrag von e2 /4πε0 Rab nicht kompensieren kann. Wächst
nun Rab an, so nehmen sowohl e2 /4πε0 Rab als auch D, die entgegengesetzte Vorzei-
chen haben, dem Betrage nach ab. Dabei zeigt die numerische Rechnung, daß dabei
in einem bestimmten Bereich E Bindung < 0 wird (vgl. Abb. 4.10). Der zugehörige
Zustand (4.52) wird als bindender Zustand bezeichnet. Umgekehrt tritt keine Bindung
für den Zustand (4.51) ein; dieser Zustand heißt daher lockernder oder „antibindender“
Zustand.
Wie unsere Diskussion erhellt, beruht der Bindungseffekt ganz entscheidend auf dem
Auftreten der Austauschdichte ϕa ϕb in D. Die Bindung des Wasserstoff-Molekülions ist
also ein typisch quantenmechanischer Effekt. Trotzdem kann man sich den Bindungs-
und Lockerungseffekt anschaulich verdeutlichen.
Wie aus der Abb. 4.9 ersichtlich, ist bei dem gebundenen Zustand die Aufenthalts-
wahrscheinlichkeit des Elektrons zwischen den beiden Kernen relativ groß. Es kann also,
energetisch gesehen, von der Coulombschen Anziehungsenergie beider Kerne profitie-
ren, wodurch die potentielle Energie des Gesamtsystems abgesenkt wird. Im lockernden
Zustand (Abb. 4.8) ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons zwischen den
beiden Kernen klein, in der Mitte sogar 0, was bedeutet, daß das Elektron fast nur die
Anziehungskraft jeweils eines Kerns spürt.

Abb. 4.10. Die Energie E des


Wasserstoff-Molekülions unter
Berücksichtigung der Coulomb-
schen Abstoßung zwischen
den beiden Kernen. Aufgetra-
gen sind die Energiekurven E
in Abhängigkeit vom Kernab-
stand Rab für den bindenden
bzw. lockernden Zustand
58 4. Einführung in die Theorie der chemischen Bindung

Für die Energie-Erniedrigung beim Wasserstoffmolekülion gegenüber dem H-Atom


ergibt die hier dargestellte Rechnung
1,7 eV
gegenüber dem experimentellen Wert von
2,6 eV .
Der Wellenfunktionsansatz ergibt zwar eine Bindung, die aber zahlenmäßig schlecht
ausfällt. Eine erste Verbesserung ergibt sich durch den Ansatz
ψ = c( e−αra /a0 + e−αrb /a0 ) ,
wobei a0 der Bohrsche Radius und α ein Variationsparameter sind. Für das Energiemini-
mum ergibt sich α = 1,24, d. h. der effektive Bohrsche Radius a0 /α wird entsprechend
verkleinert. Dies hat zur Folge, daß die Elektronenwolke senkrecht zur Verbindungsli-
nie zwischen den Kernen zusammengedrückt wird. Dadurch kommt die Coulombsche
Wechselwirkung zwischen dem Elektron und den Atomkernen noch stärker zur Wir-
kung. Diese Interpretation wird durch die genaue numerische Lösung von (4.39) be-
stätigt.

4.4 Das Wasserstoff-Molekül H2


4.4.1 Das Variationsprinzip

Wir wenden uns nunmehr dem Problem der chemischen Bindung zu, wenn mehrere
Elektronen beteiligt sind. Bevor wir uns aber konkret mit dem einfachsten Beispiel,
nämlich dem H2 -Molekül, befassen, machen wir noch eine allgemeine Vorbemerkung,
die von grundsätzlicher Bedeutung auch für andere Probleme der Quantentheorie ist.
Unsere Aufgabe ist es immer wieder, eine Schrödinger-Gleichung der allgemeinen
Gestalt
HΨ = EΨ (4.55)
zu lösen, was aber oft gar nicht in geschlossener Form möglich ist. Neben der bisher be-
sprochenen Lösungsmethode der Störungstheorie gibt es noch eine grundsätzlich andere,
sehr wichtige, die sich auf ein Variationsprinzip stützt. Um diese zu erläutern, denken
wir uns die Schrödinger-Gleichung (4.55) mit Ψ ∗ multipliziert und über alle Koordina-
ten, von denen Ψ abhängt, integriert. Wir erhalten dann
 ∗
Ψ HΨdV1 . . . dVn
E=  ∗ . (4.56)
Ψ ΨdV1 . . . dVn
n ist die Zahl der Elektronen, während dV j , j = 1, . . . , n das Volumenelement bzgl.
des Elektrons j bei der Integration über dessen Koordinaten darstellt.
Da der Hamilton-Operator H der Operator ist, der zur Gesamtenergie gehört, steht
hier nichts anderes als der Erwartungswert der Energie, der im vorliegenden Fall mit
dem Energie-Eigenwert der Schrödinger-Gleichung identisch ist. Was passiert aber,
wenn wir für Ψ nicht die Lösung der Schrödinger-Gleichung verwenden, sondern eine
4.4 Das Wasserstoff-Molekül H2 59

andere Funktion? Dann hat der Ausdruck (4.56) wieder die Dimension einer Energie,
muß aber nicht mit dem richtigen Eigenwert der Schrödinger-Gleichung, den wir ja
eigentlich suchen, übereinstimmen. In der Mathematik wird nun eine äußerst wichtige
Beziehung bewiesen. Wenn wir nämlich nicht die richtige Eigenfunktion Ψ für den
Grundzustand verwenden, sondern eine andere, so liegt deren zugehöriger Energie-
Erwartungswert stets höher als der Eigenwert der Lösung von (4.55). In diesem Sinn
können wir also ein Kriterium angeben, wie gut genähert Wellenfunktionen sind. Sie
sind um so besser, je tiefer der zugehörige Energiewert liegt.
Wir werden an späterer Stelle dieses Kriterium mehrmals heranziehen. Jetzt wollen
wir uns aber auf den Weg machen, die Wellenfunktion und die Energie des Wasserstoff-
Moleküls im Grundzustand wenigstens näherungsweise zu bestimmen. Bei der Aus-
wahl einer geeigneten, genäherten Wellenfunktion spielt die physikalische Intuition eine
wesentliche Rolle. Je nachdem, welchen Gesichtspunkt man dabei besonders beach-
tet, gelangt man zu bestimmten Ansätzen, die nach Namen ihrer Urheber benannt sind,
nämlich Heitler-London bzw. Hund-Mulliken-Bloch. Neben diesen Ansätzen werden
wir noch Verbesserungen kennenlernen, wie die sog. kovalent-ionische Resonanz (Ab-
schn. 4.4.3) sowie eine Wellenfunktion, die alle genannten als Spezialfall enthält und
so einen ersten Weg zu einer allgemeinen Behandlung des Mehrelektronenproblems bei
Molekülen weist (Abschn. 4.4.5).

4.4.2 Die Methode von Heitler-London


Die beiden Atomkerne (Protonen) unterscheiden wir durch die Indizes a und b, die bei-
den Elektronen durch Indizes 1 und 2. Da zwischen allen vier Teilchen die Coulomb-
sche Wechselwirkungskraft wirkt, müssen wir die entsprechenden Abstände einführen,
die aus Abb. 4.11 ersichtlich werden. Um den Hamilton-Operator aufzustellen, erinnern
wir uns wieder an die Energiebilanz der klassischen Physik. Wir haben es hier mit der
kinetischen Energie von Elektron 1 und Elektron 2 zu tun sowie mit den verschiedenen
Beiträgen der Coulombschen Wechselwirkungsenergie. Übersetzen wir als erstes den
Ausdruck der klassischen Physik für die kinetische Energie in die Quantenmechanik!
Sind p1 und p2 die Impulse der Elektronen 1 bzw. 2, so lautet die kinetische Energie
(klassisch)
1 2 1 2
E kin = p1 + p . (4.57)
2m 0 2m 0 2
Wir müssen nun p1 und p2 zu quantenmechanischen Operatoren gemäß der Regel (4.7) Abb. 4.11. Übersichtsskizze zum
machen. Dabei haben wir die Indizes 1 bzw. 2 an die Ortskoordinaten zu hängen. Damit Wasserstoff-Molekül. Die beiden
erhalten wir Kerne sind mit den Indizes a
bzw. b, die beiden Elektronen
h ∂ h ∂ h ∂ mit den Indizes 1 bzw. 2 ge-
px1 = , p y1 = , pz1 = , (4.58)
i ∂x1 i ∂y1 i ∂z 1 kennzeichnet. Die Abstände
zwischen den Kernen, zwischen
den Elektronen und zwischen
h ∂ h ∂ h ∂ Kernen und Elektronen sind aus
px2 = , p y2 = , pz2 = (4.59) der Abbildung mit ihrer Be-
i ∂x2 i ∂y2 i ∂z 2 zeichnungsweise leicht ersicht-
lich
oder unter Verwendung des Nabla-Operators
h h
p1 = ∇1 , p2 = ∇2 . (4.60)
i i
60 4. Einführung in die Theorie der chemischen Bindung

Für den Operator der kinetischen Energie erhalten wir dann

h2 2 h2 2
Hkin = − ∇1 − ∇ . (4.61)
2m 0 2m 0 2
Das Quadrat des Nabla-Operators drücken wir wieder durch den Laplace-Operator aus

∂2 ∂2 ∂2
∇12 = ∆1 ≡ + + (4.62)
∂x12 ∂y12 ∂z 21

und entsprechend für den Index 2. Fügen wir zum Operator der kinetischen Energie
(4.61) noch die verschiedenen Beiträge zur Coulombschen Wechselwirkungsenergie
hinzu, so erhalten wir als Hamilton-Operator den Ausdruck

h2 e2 h2 e2
H =− ∆1 − − ∆2 −
2m 4πε0ra1 2m 0 4πε0rb2
 0     
H1 H2
e2 e2 e2 e2
− − + + . (4.63)
4πε0rb1 4πε0ra2 4πε0 Rab 4πε0r12
Wiederum nehmen wir an, daß die Kerne selbst unendlich schwer sind. Unsere Aufgabe
ist es, die Schrödinger-Gleichung

HΨ(r1 , r2 ) = EΨ(r1 , r2 ) (4.64)

mit dem Hamilton-Operator (4.63) zu lösen. Wären die Kerne unendlich weit vonein-
ander entfernt, so würde es genügen, diese für sich zu betrachten, d. h. die Gleichungen
 
h2 e2
− ∆1 − ϕa (r1 ) = E 0 ϕa (r1 ) , (4.65)
2m 0 4πε0ra1
 
h2 e2
− ∆2 − ϕb (r2 ) = E 0 ϕb (r2 ) (4.66)
2m 0 4πε0rb2

zu lösen. Da wir es hier mit einem Zwei-Elektronen-Problem zu tun haben, müssen wir
das Pauli-Prinzip berücksichtigen, d. h. wir müssen insbesondere der Tatsache Rechnung
tragen, daß die Elektronen einen Spin besitzen. Würden sich die beiden Wasserstoff-
Atome nicht gegenseitig beeinflussen, so ließe sich mit Hilfe der in (4.65) und (4.66)
auftretenden Wellenfunktionen ϕa und ϕb sofort die gesamte Wellenfunktion nieder-
schreiben. Wie man sich durch Einsetzen in eine Schrödinger-Gleichung mit H = H1 +
H2 überzeugt, wäre

ϕa (r1 )ϕb (r2 ) (4.67)

eine Lösung.
Um die Existenz des Spins zu berücksichtigen, müssen wir diese Lösung noch mit
Spinfunktionen multiplizieren. Der Leser, der nicht mit dem Spinformalismus vertraut
ist, braucht sich hieran nicht zu stoßen, da wir nur einige ganz wenige Eigenschaften
4.4 Das Wasserstoff-Molekül H2 61

dieser Spinfunktionen brauchen und dann im weiteren Verlauf unserer Rechnung auf sie
völlig verzichten können.
Wir bezeichnen die Funktion, die ein Elektron mit dem Spin nach oben darstellt,
mit α. Eine solche Spinwellenfunktion wurde in I, Abschn. 14.2.2 mit ϕ↑ bezeichnet.
Handelt es sich um das Elektron 1, so nennen wir diese Funktion α(1). Zeigen beide
Spins in die gleiche Richtung nach oben, so lautet jetzt unsere Wellenfunktion

ϕa (r1 )ϕb (r2 )α(1)α(2) . (4.68)

Diese genügt aber nicht dem Pauli-Prinzip. Dieses besagt nämlich in seiner mathema-
tischen Fassung, daß eine Wellenfunktion in allen Koordinaten (d. h. Orts- und Spinko-
ordinaten) der Elektronen antisymmetrisch sein muß, d. h. mit anderen Worten, daß die
Wellenfunktion ihre Vorzeichen umkehrt, wenn wir überall die Indizes 1 mit den Indi-
zes 2 vertauschen. Das tut aber die Wellenfunktion (4.68) nicht. Dies wird hingegen von
der Wellenfunktion

Ψ = ϕa (r1 )α(1)ϕb (r2 )α(2) − ϕa (r2 )α(2)ϕb (r1 )α(1) (4.69)

erreicht. Indem wir α(1) und α(2) ausklammern, reduziert sich die Wellenfunktion auf
die einfache Gestalt

Ψ = α(1)α(2)[ϕa (r1 )ϕb (r2 ) − ϕa (r2 )ϕb (r1 )] , (4.70)


  
Ψu

also einem Produkt aus einer Spinfunktion und einer Wellenfunktion, die sich nur auf
den Ortsanteil bezieht. [In der Quantentheorie bezeichnet man Wellenfunktionen, die ge-
genüber der Vertauschung der Elektronen-Ortskoordinaten symmetrisch sind, als gerade
(„g“), solche, die antisymmetrisch sind, als ungerade („u“).]
Im Hinblick auf einen wichtigen allgemeinen Ansatz für die Wellenfunktionen bei
mehreren Elektronen, den wir später brauchen werden, schreiben wir (4.69) noch in ei-
ner anderen Form. Gleichung (4.69) läßt sich nämlich als die Determinante
 
ϕ (r )α(1) ϕa (r2 )α(2)
D =  a 1  (4.71)
ϕb (r1 )α(1) ϕb (r2 )α(2)

darstellen. Rechnet man diese nach der Regel aus:

D = Produkt der Hauptdiagonale − Produkt der Nebendiagonale ,

so erhalten wir gerade (4.69). Die Determinante hat einen sehr übersichtlichen Aufbau.
Die Zeilen beziehen sich auf die Zustände a bzw. b, während sich die Spalten auf die
Numerierung 1, 2 der beiden Elektronen beziehen.
Während sich (4.70) auf zwei Elektronen bezieht, deren Spins parallel sind und nach
oben zeigen, lassen sich auch Wellenfunktionen für parallele Spins konstruieren, die
nach unten zeigen. Bezeichnen wir die Spinfunktion eines einzelnen Elektrons, dessen
Spin nach unten zeigt, mit β, so lautet die Gesamtwellenfunktion

Ψ = β(1)β(2)Ψu . (4.72)
62 4. Einführung in die Theorie der chemischen Bindung

Der Vollständigkeit halber geben wir noch die dritte Wellenfunktion an, die zu dem „Tri-
plett“ gehört, bei dem die Spins parallel sind. Diese hat die z-Komponente des Gesamt-
spins = 0 und lautet
1
Ψ = √ [α(1)β(2) + α(2)β(1)]Ψu . (4.73)
2
Wie die nachfolgende Rechnung zeigt, stellt die Wellenfunktion Ψ nicht den energetisch
tiefsten Zustand dar, da hier die Spins parallel stehen. Wir müssen uns vielmehr eine
Wellenfunktion überlegen, bei der die Spins antiparallel sind, in der also ein Elektron
durch eine „Spin nach oben“-Funktion α und das andere Elektron durch eine „Spin nach
unten“-Funktion β beschrieben wird. Hier gibt es nun ganz verschiedene Möglichkeiten
in Erweiterung von (4.68). Eine solche wäre

ϕa (r1 )ϕb (r2 )α(1)β(2) . (4.74)

Andere Ansätze gehen aus (4.74) hervor, indem wir die Koordinaten r1 und r2 oder
die Argumente von α bzw. β, nämlich 1, 2 miteinander vertauschen oder alles mitein-
ander vertauschen. Keine dieser Kombinationen für sich ist selbst antisymmetrisch. Wir
versuchen nun, eine Kombination aus (4.74) und ähnlichen eben besprochenen Funkti-
onsansätzen zu finden, die antisymmetrisch ist und die es gestattet, die Wellenfunktion
wieder in einen Spinanteil und einen reinen Ortsanteil [ähnlich wie (4.70)] aufzuspal-
ten. Dies ist in der Tat, wie man nach einigem Probieren findet, möglich, und es ergibt
sich als Wellenfunktion der Ansatz

Ψ = [ϕa (r1 )ϕb (r2 ) + ϕa (r2 )ϕb (r1 )][α(1)β(2) − α(2)β(1)] . (4.75)
  
Ψg

Die Spinfunktion ist hier ersichtlich antisymmetrisch, während der Ortsanteil symme-
trisch ist. Wenn wir alle Orts- und Spinkoordinaten der beiden Elektronen gleichzeitig
vertauschen, kommt im Einklang mit dem Pauli-Prinzip wieder eine antisymmetrische
Wellenfunktion zustande.
Die Spinfunktionen waren uns eben nur ein Hilfsmittel, um die eben genannte Sym-
metrieeigenschaft der Gesamtwellenfunktion sicherzustellen. Nachdem aber in dem
Hamilton-Operator der Schrödinger-Gleichung (4.64) keine Operatoren vorkommen,
die in irgendeiner Weise auf den Spin wirken, können wir beim Einsetzen von (4.70)
oder (4.75) in diese Gleichung die Spinfunktionen wie eine Zahl behandeln, durch
die wir beide Seiten der Schrödinger-Gleichung dividieren dürfen. Die sich so erge-
bende Gleichung bezieht sich also lediglich auf Ψg bzw. Ψu . Dies bedeutet, daß in der
hier gerechneten Näherung die Wechselwirkung der Spins untereinander (Spin-Spin-
Wechselwirkung) und der Spins mit der Ortsfunktion (Spin-Bahn-Wechselwirkung)
nicht berücksichtigt werden. Wir befassen uns daher von nun an nur noch mit den Wel-
lenfunktionen Ψu und Ψg und berechnen den zu diesen Wellenfunktionen gehörigen
Energie-Erwartungswert.
Nach der grundlegenden Idee von Heitler und London denken wir uns also diese
Wellenfunktionen Ψg bzw. Ψu als genäherte Lösungen der Schrödinger-Gleichung
mit dem Hamilton-Operator (4.63), der alle Coulombschen Wechselwirkungen zwi-
schen Elektronen und Protonen enthält, und stellen uns vor, daß durch sie im Sinne
des Variationsprinzips die exakte Energie mit Hilfe von (4.56) angenähert wird.
4.4 Das Wasserstoff-Molekül H2 63

Wir stehen daher vor der Aufgabe, den Energie-Erwartungswert für diese Wellen-
funktion zu berechnen. Diese Rechnung ist nicht schwierig, erfordert aber etwas
Geduld.
Als Vorübung zur Ausrechnung dieses Erwartungswerts betrachten wir das im Nen-
ner von (4.56) auftretende Normierungsintegral. Dieses hat die Gestalt

|Ψ(r1 , r2 )|2 dV1 dV2

= [ϕa (r1 )ϕb (r2 ) ± ϕa (r2 )ϕb (r1 )]∗

· [ϕa (r1 )ϕb (r2 ) ± ϕa (r2 )ϕb (r1 )]dV1 dV2 . (4.76)

Nach Ausmultiplikation erhalten wir (wobei wir annehmen, daß ϕa und ϕb reell sind)
   
ϕa dV1 ϕb dV2 + ϕa dV2 ϕb2 dV1
2 2 2

 
± ϕa (r1 )ϕb (r1 )dV1 ϕa (r2 )ϕb (r2 )dV2
 
± ϕa (r2 )ϕb (r2 )dV2 ϕb (r1 )ϕa (r1 )dV1 . (4.77)

Die ersten beiden Ausdrücke reduzieren sich wegen der Normierung der Wellenfunk-
tionen ϕa und ϕb auf
 
ϕa2 dV1 = ϕb2 dV2 = 1 , (4.78)

während die übrigen beiden Ausdrücke Quadrate des Überlappungsintegrals



ϕa (r1 )ϕb (r1 )dV = S (4.79)

sind. Damit läßt sich das Normierungsintegral (4.76) in der einfachen Form

2(1 ± S2 ) (4.80)

schreiben.
Bei der Auswertung des Zählers des Energie-Erwartungswertes (4.56) stoßen wir in
Analogie zu (4.77) auf insgesamt vier Ausdrücke, von denen je zwei einander gleich
sind.
Wir beginnen mit dem Ausdruck
  
e2 e2 e2 e2
ϕa (r1 )ϕb (r2 ) H1 + H2 − − + +
4πε0rb1 4πε0ra2 4πε0 Rab 4πε0r12
· ϕa (r1 )ϕb (r2 )dV1 dV2 . (4.81)
64 4. Einführung in die Theorie der chemischen Bindung

Da der Hamilton-Operator H1 in (4.81) nur auf ϕa wirkt, können wir zur weiteren Aus-
wertung die Tatsache benutzen, daß ϕa der Schrödinger-Gleichung (4.65) genügt. Ver-
fahren wir entsprechend mit H2 , so können wir (4.81) zu dem Ausdruck

ϕa (r1 )2 ϕb (r2 )2
 
e2 e2 e2 e2
· 2E 0 − − + + dV1 dV2 (4.82)
4πε r 4πε r 4πε0 Rab 4πε0r12
  0 b1  0 a2      
1) 2) 3) 4) 5)

vereinfachen. Für das Folgende ist es zweckmäßig, die Bedeutung der einzelnen Glieder
gesondert zu untersuchen.

1) Wegen der Normierung der Wellenfunktionen ϕa und ϕb reduziert sich der Ausdruck

ϕa (r1 )2 ϕb (r2 )2 2E 0 dV1 dV2

auf

2E 0 , (4.83)

d. h. die Energie der unendlich weit getrennten Wasserstoff-Atome.


2) Der Ausdruck
  
e2
ϕa (r1 ) −
2
dV1 = C < 0 (4.84)
4πε0rb1

stellt die Coulombsche Wechselwirkungsenergie des Elektrons 1 im Zustand a mit


dem Kern b dar.
3) Das Integral
  
e2
ϕb (r2 ) −
2
dV2 = C < 0 (4.85)
4πε0ra2

stellt die Coulombsche Wechselwirkungsenergie des Elektrons 2 im Zustand b im


Feld des Kerns a dar. Aus der Symmetrie des Problems folgt, daß die beiden Inte-
grale 2) und 3) einander gleich sind.
4) Wegen der Normierung der Wellenfunktionen ϕa und ϕb reduziert sich der Ausdruck

e2
ϕa (r1 )2 ϕb (r2 )2 dV1 dV2
4πε0 Rab
auf
e2
. (4.86)
4πε0 Rab
Dies ist die Coulombsche Abstoßungsenergie zwischen den beiden Kernen.
4.4 Das Wasserstoff-Molekül H2 65

5) Das Integral

e2
ϕa (r1 )2 ϕb (r2 )2 dV1 dV2 = E WW (4.87)
4πε0r12
stellt die abstoßende Coulombsche Wechselwirkungsenergie zwischen den beiden
Elektronenwolken dar.
Fassen wir die Beiträge (4.83) bis (4.87) zusammen, so erhalten wir als Beitrag zum
Energie-Erwartungswert von (4.81) (den wir mit Ê abkürzen)

e2
Ê = 2E 0 + 2C + E WW + . (4.88)
4πε0 Rab
Dies ist allerdings noch nicht das Gesamtergebnis, da ja beim Einsetzen von Ψg bzw.
Ψu in den Energie-Erwartungswert (4.56) auch Austauschglieder der Gestalt

± ϕb (r1 )ϕa (r2 ){ . . . }ϕb (r2 )ϕa (r1 )dV1 dV2 (4.89)

vorkommen, wobei der Klammerausdruck { . . . } der gleiche wie in (4.81) ist. Explizit
lautet also (4.89)

± ϕb (r1 )ϕa (r2 )ϕa (r1 )ϕb (r2 )
 
e2 e2 e2 e2
· 2E 0 − − + + dV1 dV2 . (4.90)
4πε0rb1 4πε0ra2 4πε0 Rab 4πε0r12
            
1) 2) 3) 4) 5)

Die Beiträge haben folgende Gestalt und Bedeutung:


1) Der Ausdruck

ϕb (r1 )ϕa (r2 )(±2E 0 )ϕa (r1 )ϕb (r2 )dV1 dV2

reduziert sich mit Hilfe der Definition des Überlappungsintegrals S (4.79) auf

±2E 0 S2 . (4.91)

Dies ist die Energie der beiden getrennten Wasserstoff-Atome multipliziert mit dem
Quadrat des Überlappungsintegrals S.
2) Das Austauschintegral
   
e2
± ϕa (r2 )ϕb (r2 )dV2 ϕb (r1 ) − ϕa (r1 )dV1 (4.92)
4πε0rb1
    
S D

ist ein Produkt aus dem Überlappungsintegral S und dem Einelektronenaustauschin-


tegral D (vgl. 4.45).
66 4. Einführung in die Theorie der chemischen Bindung

3) Das Austauschintegral
  
e2
± ϕb (r1 )ϕa (r2 ) − ϕa (r1 )ϕb (r2 )dV1 dV2
4πε0ra2
reduziert sich in völliger Analogie zu (4.92) auf
±SD . (4.93)
4) Das Austauschintegral
  
e2
± ϕb (r1 )ϕa (r2 ) ϕa (r1 )ϕb (r2 )dV1 dV2
4πε0 Rab
reduziert sich unmittelbar auf
e2
±S2 , (4.94)
4πε0 Rab
d. h. auf das Überlappungsintegral S im Quadrat multipliziert mit der Coulombschen
Wechselwirkungsenergie zwischen beiden Atomkernen.
5) Das Austauschintegral

e2
± ϕb (r1 )ϕa (r2 ) ϕa (r1 )ϕb (r2 )dV1 dV2 = ±E AW (4.95)
4πε0r12
stellt die Coulombsche Wechselwirkung zwischen den beiden Elektronen dar, wo-
bei aber nicht die normale Ladungsdichte auftritt, sondern die Austauschdichte.
Man spricht daher bei diesem Integral auch von der Coulombschen Austausch-
Wechselwirkung.
abkürzen) lautet
Der von (4.91) – (4.95) herrührende Gesamtbeitrag, (den wir mit E
somit

= ± 2E 0 S2 ± 2DS ± E AW ± e2
E S2 . (4.96)
4πε0 Rab
Wir erinnern uns jetzt an unsere eigentliche Aufgabe, nämlich den Zähler von (4.56)
zu berechnen, und zwar mit Hilfe der Wellenfunktionen Ψg bzw. Ψu . Multiplizieren wir
alle Funktionen, die in Ψg bzw. Ψu stehen, miteinander aus, so erhalten wir, wie schon
bemerkt, zweimal Beiträge der Gestalt (4.81) und zweimal Beiträge der Gestalt (4.89).
Schließlich müssen wir noch das Ergebnis durch das Normierungsintegral dividieren.
Somit erhalten wir für die Gesamtenergie des Wasserstoff-Moleküls

Ê ± E
E g,u = 2  , (4.97)
|Ψ | dV1 dV2
2

wobei je nach Wellenfunktion Ψg bzw. Ψu das obere bzw. untere Vorzeichen zu wählen
ist:
2C + E WW 2DS + E AW e2
E g = 2E 0 + + + , (4.98)
1 + S2 1 + S2 4πε0 Rab
2C + E WW 2DS + E AW e2
E u = 2E 0 + − + . (4.99)
1 − S2 1 − S2 4πε0 Rab
4.4 Das Wasserstoff-Molekül H2 67

Abb. 4.12. Die Bindungsener-


gie des Wasserstoff-Moleküls
in Abhängigkeit vom Kern-
abstand Rab unter Berück-
sichtigung der abstoßenden
Coulombenergie zwischen den
Kernen. (Untere Kurve) Die
Elektronenspins sind anti-
parallel. (Obere Kurve) Die
Elektronenspins sind parallel

Um festzustellen, ob es zu einer chemischen Bindung kommt, müssen wir prüfen, ob


E g (bzw. E u ) gegenüber der Energie der unendlich weit entfernten H-Atome, die durch
2E 0 gegeben ist, niedriger liegt. Verschiedene Effekte liegen hier im Widerstreit, wie
wir einer näheren Betrachtung der einzelnen Glieder z. B. von (4.98) entnehmen kön-
nen. So ist C als potentielle Energie eines Elektrons im Felde des jeweiligen anderen
Protons negativ (vgl. (4.84)), während die Coulombsche Wechselwirkungsenergie zwi-
schen den Elektronen, d. h. E WW , positiv ist. Ferner ist das letzte Glied in (4.98), das
die Coulombsche Abstoßung der Protonen beschreibt, positiv. Daneben treten als typi-
sche quantenmechanische Effekte auch noch die Austauschwechselwirkungen, die wir
durch
K = 2DS + E AW (4.100)
zusammenfassen, auf. Während DS negativ ist, ergibt sich die Coulombsche Austausch-
wechselwirkung zwischen den Elektronen, E AW , als eine positive Größe. Ob es also
schließlich zu einer Bindung kommt, hängt von der numerischen Größe der einzel nen
Integrale ab.
Es soll hier nicht unsere Aufgabe sein, die numerische Auswertung vorzunehmen.
Wie sich zeigt, geben die hier vorliegenden Austauschintegrale (4.100) einen negativen
Beitrag. Das führt dazu, daß die gerade Wellenfunktion energetisch tiefer liegt als die
ungerade. Ferner zeigt sich, daß bei der geraden Wellenfunktion Ψg als Netto-Effekt
der verschiedenen Coulombschen Wechselwirkungen die Energie insgesamt gegenüber
der Energie freier Wasserstoff-Atome abgesenkt wird. Diesen Zustand bezeichnet man
daher auch als den bindenden. Diese Absenkung kommt neben den Austauscheffekten
(4.100) dadurch zustande, daß die Elektronen, wie auch schon beim H+ 2 , Abschn. 4.3,
sich gleichzeitig zwischen den beiden Kernen aufhalten können und so von dem Cou-
lombschen Anziehungspotential beider Kerne profitieren, und zwar in einer Weise, die
die Coulombsche Abstoßung der Elektronen untereinander und der Kerne untereinander
noch kompensiert. Diese Energie-Absenkung hängt vom Abstand zwischen den beiden
Kernen ab. Bei sehr kleinen Abständen Rab überwiegt schließlich dann doch die posi-
tive Abstoßungsenergie der beiden Kerne. Dadurch kommt ein Energie-Minimum bei ei-
nem ganz bestimmten Kernabstand zustande (Abb. 4.12). Wie aus dieser Abbildung her-
vorgeht, kommt es bei der ungeraden Wellenfunktion Ψu zu keiner Energie-Absenkung.
Deshalb bezeichnet man diesen Zustand wiederum als antibindend (oder lockernd).
Die Dissoziationsenergie, die sich als Differenz zwischen der minimalen Energie
beim Gleichgewichtsabstand und der Energie beim Abstand Rab = ∞ ergibt, be-
68 4. Einführung in die Theorie der chemischen Bindung

trägt nach der Rechnung, die auf der oben benutzten Wellenfunktion basiert, 3,14 eV.
Die beobachtete Bindungsenergie, die gleich der Dissoziations-Energie ist, ist hinge-
gen 4,48 eV, wobei aber noch zu berücksichtigen ist, daß die Kerne selbst auch noch
einen Beitrag durch ihre kinetische Energie liefern. Zieht man diesen Beitrag, den
wir hier nicht berechnen, ab, so wäre die Bindungsenergie sogar 4,75 eV. Wie wir
sehen, ist also noch eine erhebliche Diskrepanz zwischen der berechneten und der tat-
sächlichen Bindungsenergie vorhanden. Dies bedeutet, daß die Wellenfunktionen des
Heitler-London-Modells noch relativ grob sind. Während sie uns zeigen, daß die Bin-
dung des Wasserstoff-Moleküls theoretisch verstanden werden kann, können sie den
exakten Verlauf der Wellenfunktion nur genähert wiedergeben. Zur Verbesserung der
Wellenfunktion sind noch einige weitere Effekte genauer zu berücksichtigen, von de-
nen wir hier einen besonders typischen besprechen, der als kovalent-ionische Resonanz
bezeichnet wird.

4.4.3 Kovalent-ionische Resonanz


Im vorigen Abschnitt hatten wir eine Wellenfunktion für die beiden Elektronen heran-
gezogen, in der das eine Elektron jeweils gerade am anderen Kernort ist als das andere.
In diesem als „kovalent“ bezeichneten Fall lautete also die Wellenfunktion
Ψcov = N[ϕa (r1 )ϕb (r2 ) + ϕa (r2 )ϕb (r1 )] , (4.101)
wobei N noch ein Normierungsfaktor ist.
Es ist natürlich möglich, daß zumindest mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit ein
Elektron gleichzeitig mit dem anderen am gleichen Atom sitzt, die Wellenfunktion dann
also durch
ϕa (r1 )ϕa (r2 ) (4.102)
gegeben wäre. Da die beiden Atomkerne gleichberechtigt sind, können beide Elektronen
genausogut auch am Kernort b sitzen, was durch die Wellenfunktion
ϕb (r1 )ϕb (r2 ) (4.103)
beschrieben wird. Durch (4.102) und (4.103) werden Zustände beschrieben, bei de-
nen ein negativ geladenes Wasserstoff-Ion vorliegt. Daher bezeichnet man derartige
Zustände als „ionisch“. Da die Zustände (4.102) und (4.103) energetisch miteinan-
der entartet sind, müssen wir eine Linearkombination aus ihnen bilden, die wir in der
symmetrischen Form
Ψion = N
[ϕa (r1 )ϕa (r2 ) + ϕb (r1 )ϕb (r2 )] (4.104)
vornehmen, so daß (4.104) die gleiche Symmetrie wie (4.101) erhält. Nun werden wir
erwarten müssen, daß in der Natur weder die Wellenfunktionen (4.101) noch die Wel-
lenfunktionen (4.104) für sich allein realisiert werden, da ja die Elektronen teilweise
einander ausweichen, teilweise aber doch auch am gleichen Kern sitzen können. Da wir
beide Möglichkeiten antreffen, müssen wir nach den Grundregeln der Quantenmechanik
die der Wirklichkeit am besten angepaßten Wellenfunktionen als eine Linearkombina-
tion aus (4.101) und (4.104) aufbauen
Ψ = Ψcov + cΨion , (4.105)
wobei die Konstante c noch ein Parameter ist, der so zu bestimmen ist, daß der zu
(4.105) gehörige Erwartungswert der Energie minimal wird.
4.4 Das Wasserstoff-Molekül H2 69

4.4.4 Die Wasserstoffbindung nach Hund-Mulliken-Bloch

Neben der Heitler-London-Methode, die wir oben besprochen haben, wird in der Mole-
külphysik oft noch ein zweites Verfahren verwendet, das zwar i. allg. bezüglich der Ge-
samtbindungsenergie nicht so gute Resultate wie das Heitler-London-Verfahren liefert,
bei dem sich aber besser der Aufenthalt der einzelnen Elektronen verfolgen läßt. Dies
ist insbesondere für spektroskopische Untersuchungen von Molekülen von Interesse, da
sich hier meist jeweils nur ein einziger Elektronenzustand ändert und man gerade diese
Änderung theoretisch behandeln will.
Bei diesem Verfahren sieht man zunächst davon ab, daß gleichzeitig zwei Elektro-
nen vorhanden sind. Wir betrachten vielmehr die Bewegung eines einzelnen Elektrons
im Feld der Atomkerne oder, mit anderen Worten, wir gehen von der Lösung des Pro-
blems des Wasserstoff-Molekülions aus. Die Lösung hatten wir in Abschn. 4.3 herge-
leitet. Sie hatte die Gestalt
ψg (r) = N[ϕa (r) + ϕb (r)] . (4.106)
Die Idee besteht nun darin, nacheinander die beiden Elektronen des Wasserstoff-
Moleküls in diesen Zustand (4.106) hineinzusetzen. Zur Lösung der Schrödinger-
Gleichung mit dem Hamilton-Operator (4.63) für die beiden Elektronen machen wir
daher den Ansatz
Ψ(R1 , R2 ) = ψg (r1 )ψg (r2 ) · Spinfunktion , (4.107)
wobei R1 , R2 die Ortsvariablen r1 , r2 und die Spinvariablen umfaßt. Wir konzentrieren
uns hier auf den Fall, daß die Spins antiparallel sind, die Spinfunktion also antisymme-
trisch ist und somit die Form
1
Spinfunktion = √ [α(1)β(2) − α(2)β(1)] (4.108)
2
hat. Die Gesamwellenfunktion (4.107) ist ersichtlich antisymmetrisch bezüglich der
Elektronen und Spinvariablen. Mit dem Ansatz (4.107) läßt sich wieder der Erwar-
tungswert der Gesamtenergie ausrechnen. Er ergibt sich als energetisch höher gelegen,
also als nicht ganz so günstig wie bei der Heitler-London-Methode. Das hier geschil-
derte Verfahren wird als das der Linearkombination von atomaren Wellenfunktionen
oder auf Englisch „Linear combination of atomic Orbitals“ bezeichnet und mit LCAO
abgekürzt. Eine solche Linearkombination, wie z. B. (4.106), stellt die Wellenfunktion
eines einzelnen Elektrons im Molekül dar und wird daher auch als Molekülorbital (MO)
bezeichnet.
Dieses Verfahren läßt sich auch auf andere komplizierte Moleküle ausdehnen, wor-
auf wir später noch zurückkommen werden. Es bedarf allerdings bei einer Reihe von
Molekülen noch Änderungen, von denen wir einige der wichtigsten und markantesten
aufführen.

4.4.5 Vergleich der Wellenfunktionen

In späteren Kapiteln wird es sich darum handeln, geeignete Ansätze für Wellenfunktio-
nen zu finden, wenn die Moleküle mehr als zwei Elektronen haben. Wir betrachten dazu
die sich nach den jeweiligen Ansätzen ergebenden Wellenfunktionen des H2 -Moleküls
70 4. Einführung in die Theorie der chemischen Bindung

Abb. 4.13. Veranschaulichung


der Ersetzung (4.112)

im Grundzustand, wobei die Spins antiparallel sind. Der Übersichtlichkeit halber lassen
wir bei der Angabe der Wellenfunktion Ψg den Normierungsfaktor auf der rechten Seite
der nachfolgenden Gleichungen weg, da es uns ja nur auf die Struktur der Wellenfunk-
tion ankommt. Die Ansätze lauten dann im einzelnen
Heitler-London
Ψg = ϕa (1)ϕb (2) + ϕa (2)ϕb (1) (4.109)
Heitler-London + ionisch
Ψg = ϕa (1)ϕb (2) + ϕa (2)ϕb (1) + c[ϕa (1)ϕa (2) + ϕb (1)ϕb (2)] (4.110)
Hund-Mulliken-Bloch
Ψg = [ϕa (1) + ϕb (1)][ϕa (2) + ϕb (2)] . (4.111)
Wir zeigen nun, daß alle diese verschiedenen Ansätze (4.109) – (4.111) als Spezialfälle
in einer Wellenfunktion enthalten sind, die wir wie folgt konstruieren. Dabei versehen
wir die Wellenfunktion, die sich ursprünglich auf das Atom a bezog noch mit einem
Anteil, der von der Wellenfunktion des Atoms b herrührt, und das gleiche tun wir in
symmetrischer Weise für die Wellenfunktion des ursprünglich am Ort b lokalisierten
Elektrons. Wir machen also die Ersetzung (Abb. 4.13).
ϕa → ϕa + dϕb , ϕb → ϕb + dϕa , (4.112)
wobei d ein konstanter Koeffizient mit d < 1 ist.
Damit definieren wir eine neue Wellenfunktion gemäß
Ψg (1, 2) = [ϕa (1) + dϕb (1)][ϕb (2) + dϕa (2)]
+ [ϕa (2) + dϕb (2)][ϕb (1) + dϕa (1)] . (4.113)
Diese läßt sich in einfacher Weise zu
Ψg (1, 2) = (1 + d 2 )[ϕa (1)ϕb (2) + ϕa (2)ϕb (1)]
+ 2d[ϕa (1)ϕa (2) + ϕb (1)ϕb (2)] (4.114)
umrechnen. Setzen wir d = 0, so ergibt sich der Ansatz (4.109) nach Heitler-London.
Setzen wir d = 1, so ergibt sich der Ansatz von Hund-Mulliken-Bloch (4.111). Klam-
mern wir auf der rechten Seite von (4.114) 1 + d 2 aus, was in den gemeinsamen Nor-
mierungsfaktor hineingeht, so liefert der Vergleich zwischen (4.114) und (4.110) die Be-
ziehung
2d
=c. (4.115)
1 + d2
4.5 Die Hybridisierung 71

Mit anderen Worten, der Ansatz (4.110), bei dem der Ansatz von Heitler-London durch
den ionischen Teil verbessert worden ist, ist ebenfalls in dem Ansatz (4.113) enthalten.
Der Ansatz (4.112) und (4.113) kann noch weiter verbessert werden, wenn man auch
noch angeregte Atomzustände in (4.112) in die dort angegebenen Linearkombinationen
mit hineinnimmt. Damit ist schon ein erster wichtiger Weg für die Formulierung von
Wellenfunktionen von Molekülen mit mehreren Elektronen gewiesen.

4.5 Die Hybridisierung


Ein wichtiger Fall, der von besonderem Interesse für die organische Chemie ist, ist
die Hybridisierung. Hierbei kommen wir zugleich zu Atomen mit mehreren Elektro- Abb. 4.14. Verlauf der Wel-
lenfunktion bei der digonalen
nen. Bei der Bindung zu Molekülen werden die Elektronen der abgeschlossenen inne- Hybridisierung. Aufgetragen
ren Schalen wenig beeinflußt. Die chemische Bindung kommt durch die äußeren Elek- sind die s-Funktion ϕs (gestri-
tronen, die schwächer an den Kern gebunden sind (Valenzelektronen), zustande. Beim chelte Linie), die p-Funktion
Kohlenstoff-Atom sind von dessen sechs Elektronen zwei im 1s-Zustand, zwei im 2s- ϕp (strichpunktierte Linie),
Zustand und die zwei letzten auf zwei der drei Zustände 2 px , 2 p y , 2 pz verteilt. Die uns sowie die durch deren Über-
lagerung zustandekommende
vom Wasserstoff-Atom her geläufige l-Entartung des Zustands mit der Hauptquanten- Kurve, die ausgezogen ist. Die
zahl n = 2 ist hier aufgehoben. Allerdings ist die Aufspaltungsenergie zwischen dem Abbildung macht deutlich, wie
2s- und dem 2 p-Zustand mit 4 Elektronenvolt nicht allzu groß, und es gibt tatsächlich durch Überlagerung der beiden
beim Kohlenstoff-Atom einen angeregten Zustand, bei dem ein Elektron aus dem 2s- Wellenfunktionen ϕs und ϕ p
der Schwerpunkt nach rechts
Zustand in einen 2 p-Zustand übergegangen ist. Damit sind also die Zustände 2s, 2 px , verschoben wird
2 p y , 2 pz besetzt. Betrachten wir nun diese Zustände, die einem einzelnen Elektron zur
Verfügung stehen, genauer, wenn wir äußere Kräfte auf ein Elektron einwirken lassen,
etwa indem wir Wasserstoff-Atome in die Nähe bringen. Dann kann die zwischen den
2s- und 2 p-Zuständen noch bestehende Energieaufspaltung durch die von außen wir-
kenden Kräfte gewissermaßen kompensiert werden, so daß der 2s- und die 2 p-Zustände
praktisch wieder miteinander entartet sind.
Wie man vom Beispiel der Störungstheorie mit Entartung her weiß, müssen in einem
solchen Fall bestimmte Linearkombinationen aus den alten miteinander entarteten Funk-
tionen gebildet werden. Zum Beispiel lassen sich anstelle der 2s- und 2 px -Funktionen
zwei neue Wellenfunktionen der Gestalt

ψ+ = ψs + ψ px
ψ− = ψs − ψ px (4.116)

aufbauen. Derartige Linearkombinationen bedeuten, daß der Ladungsschwerpunkt ge-


genüber der s-Funktion verschoben ist (Abb. 4.14). Genau ein solches Phänomen tritt
nun aber bei der sog. Hybridisierung auf.
Besprechen wir einige Arten solcher Hybridisierungen und beginnen mit dem
wohl bekanntesten Fall, dem Methan, CH4 , bei dem das Kohlenstoff-Atom von vier
Wasserstoff-Atomen umgeben ist. Vom Experiment her weiß man, daß das Kohlenstoff-
Atom im Zentrum eines Tetraeders sitzt, an dessen Ecken sich die vier Wasserstoff-
Atome befinden (Abb. 4.15). Interessanterweise lassen sich aus den vier miteinander
entarteten Wellenfunktionen der Hauptquantenzahl n = 2 des Kohlenstoff-Atoms vier
neue Linearkombinationen bilden, deren Schwerpunkte in Richtung dieser vier Ecken
verschoben sind. Erinnert man sich daran, daß die Wellenfunktion des p-Zustands die
Gestalt f(r)x, f(r)y, f(r)z haben, so kann man sich in elementarer Weise klarmachen,
72 4. Einführung in die Theorie der chemischen Bindung

Abb. 4.15. (Links) Die Dich-


teverteilung der vier Elektronen
bei der tetragonalen Hybridisie-
rung des Kohlenstoffs. (Rechts)
Explosionsdarstellung

daß die folgenden Linearkombinationen die besprochene Schwerpunktsverschiebung


bewirken (tetragonale Konfiguration)
1
ψ1 = (ψs + ψ px + ψ p y + ψ pz )
2
1
ψ2 = (ψs + ψ px − ψ p y − ψ pz )
2
1
ψ3 = (ψs − ψ px + ψ p y − ψ pz )
2
1
ψ4 = (ψs − ψ px − ψ p y + ψ pz ) (4.117)
2
Diese Wellenfunktionen sind untereinander im Sinne der Quantenmechanik
 orthogonal,
wie man leicht nachprüft, wenn man die ψ j , j = 1, . . . , 4 in ψ ∗j (r)ψk (r)dV einsetzt
und die Orthogonalität von ψs , ψ px , ψ p y , ψ pz verwendet. Diese Art der Orthogonali-
tät ist nicht zu verwechseln mit der räumlichen Orientierung! Mit diesen neuen Linear-
kombinationen (4.117) werden die Elektronen des Kohlenstoffs auf die tetragonale Um-
gebung „eingestimmt“. Jede einzelne der vier Wellenfunktionen (4.117) kann nun zur
Bindung mit dem entsprechenden Wasserstoff-Atom Anlaß geben (Abb. 4.15). Greifen
wir als Beispiel die Richtung bzw. Ecke 1 heraus und bezeichnen die Wellenfunktion ψ1
von (4.117) des Kohlenstoffs genauer mit ψC1 und die des Wasserstoff-Atoms in dieser
Ecke mit ψH1 . Ähnlich wie beim Wasserstoff-Molekül ist nun nach der LCAO-Methode
eine Wellenfunktion für jedes der beiden an der Bindung teilnehmenden Elektronen in
folgender Form anzusetzen:
ψ(r) = ψC1 (r) + cψH1 (r) . (4.118)

Abb. 4.16. (Links) Die Dich-


teverteilung der drei Elektronen
bei der trigonalen Hybridisie-
rung des Kohlenstoffs. (Rechts)
Explosionsdarstellung
4.5 Die Hybridisierung 73

Abb. 4.17. Dichteverteilung der


hybridisierten Elektronen des
Kohlenstoffs beim Aethylen
C2 H4 . (Links) Die beiden
Kohlenstoff-Atome sitzen an den
beiden eingezeichneten Knoten-
punkten und bilden gemeinsam
mit den jeweils zugehörigen
Wasserstoff-Atomen eine tri-
gonale Konfiguration. (Rechts)
Da das Kohlenstoff-Atom und das Wasserstoff-Atom verschieden sind, wird der kon- Durch die senkrecht orientier-
stante Koeffizient c = 1 sein (im Gegensatz zum Wasserstoff-Molekül) und muß durch ten pz -Funktionen der beiden
ein Variationsverfahren bestimmt werden. Kohlenstoff-Atome kommt eine
Im vorliegenden Fall haben wir uns bei unseren Überlegungen an dem experimentel- weitere Kohlenstoffbrücke
zustande
len Befund orientiert, nach dem die vier Wasserstoff-Atome an den Spitzen des Tetra-
eders sitzen. Man könnte nun versucht sein, bei einer theoretischen Behandlung dieses
Problems die Frage zu stellen, ob zunächst die Wellenfunktionen (4.117) primär vor-
gegeben sind und sich dann die Wasserstoff-Atome gerade an die Spitzen des Tetra-
eders setzen oder ob umgekehrt die Wasserstoff-Atome erst an den Spitzen eines Tetra-
eders sitzen und sich dann die Kohlenstoff-Wellenfunktionen entsprechend anordnen.
Vom Standpunkt der Quantentheorie aus sind derartige Überlegungen müßig. Die Lage
der Wasserstoff-Atome und die Orientierung der Wellenfunktionen bedingen sich gegen-
seitig. Die Gesamtkonfiguration wählt das einzelne Molekül CH4 so, daß die Gesamt-
energie minimal wird.
Die eben besprochene tetragonale (oder genauer: tetraedrische) Hybridisierung, d. h.
Anordnung der Wellenfunktionen in der Symmetrie des Tetraeders, ist nicht die einzige
Art der Hybridisierung, die beim Kohlenstoff möglich ist. Eine weitere haben wir ei-
gentlich schon vorweggenommen, nämlich die digonale Hybridisierung, die in den Wel-
lenfunktionen (4.116) zum Ausdruck kommt (Abb. 4.14).
Beim Kohlenstoff ist noch eine andere Hybridisierung möglich, nämlich die trigo-
nale, bei der die Wellenfunktionen vom s- und px - und p y -Typ drei Vorzugsrichtungen
in einer Ebene durch geeignete Linearkombinationen bilden können. Damit der Leser
einen Eindruck bekommt, wie solche Linearkombinationen aussehen, geben wir diese
explizit an (Abb. 4.16):
  
1 √
ψ1 = ψs + 2ψ px
3
   
1 3 1
ψ2 = ψs + ψp − ψp
3 2 y 2 x Abb. 4.18. Struktur des Mo-
    leküls C60 „Buckminster-
1 3 1 Fulleren“, entdeckt im Mole-
ψ3 = ψs − ψp − ψp . (4.119)
3 2 y 2 x külstrahl. (Nach Kroto, H. W.,
Heath, J. R., O’Brien, S. C.,
Curl, R. F., Smalley, R. E.,
Auch diese Wellenfunktionen sind im Sinne der Quantenmechanik aufeinander ortho- Nature 318, 162 (1985)) Durch
gonal. Verdampfen von Graphit in ei-
Offensichtlich wird bei diesen drei Wellenfunktionen nicht von der ursprünglichen ner Helium-Atmosphäre kann es
vierten Wellenfunktion, nämlich pz , Gebrauch gemacht. Diese spielt dann noch eine zu- ebenfalls gewonnen werden.
(Nach Krätschmer, W., Fostiro-
sätzliche Rolle bei der Bindung, wie wir sogleich sehen werden. Dazu betrachten wir poulos, K., Hoffmann, D. R.,
den Fall des Ethylens, C2 H4 . Hier befinden sich die beiden Kohlenstoff-Atome gemein- Chem. Phys. Lett. 170, 167
sam mit den jeweils zugehörigen Wasserstoff-Atomen in einer trigonalen Konfiguration. (1990))
74 4. Einführung in die Theorie der chemischen Bindung

Die Wasserstoff-Kohlenstoff-Brücken werden wieder durch die Wellenfunktion der Ge-


stalt (4.118) wiedergegeben, wobei für ψC1 , z. B. jetzt ψ2 (4.119) zu wählen ist. Eine
Kohlenstoff-Kohlenstoff-Brücke wird durch die erste der Wellenfunktionen wiederge-
geben, wobei jedes der Kohlenstoff-Atome ein Elektron beisteuert. Dabei bleiben aber
die Elektronen, die in dem pz -Zustand sitzen, noch übrig. Hier lassen sich nun, ganz
in Analogie zum Wasserstoff-Molekül, nach der Hund-Mulliken-Bloch-Methode Line-
arkombinationen bilden, die zu einem zusätzlichen Bindungseffekt zwischen den beiden
Kohlenstoff-Atomen Anlaß geben. Wir haben es also im Endeffekt mit einer Doppel-
bindung zu tun (Abb. 4.17).
Ein besonders schönes Beispiel für sp2 -Hybridbindung stellt das 1985 entdeckte Mo-
lekül C60 „Buckminster-Fulleren“, kurz auch „Fulleren“ genannt, dar. Dieses Molekül
hat wegen seiner in vieler Hinsicht ungewöhnlichen Eigenschaften großes Aufsehen er-
regt. Es besteht aus 12 Fünfecken und 20 Sechsecken, insgesamt also aus 32 Ringen und
hat die Form eines Fußballs mit einem Durchmesser von ca. 7 Å. Siehe dazu Abb. 4.18.
Wie im Benzol sind die im vorliegenden Falle aus der Kugeloberfläche herausragen-
den p-Elektronen nicht lokalisiert und können sich wie π-Elektronen über das Mole-
kül hinweg bewegen. C60 kann verschiedene Verbindungen bilden, wie z. B. C60 H60 .
Neben C60 werden noch weitere ähnliche Moleküle Cn gefunden, wobei n von 32 bis
zu mehreren hundert gehen kann. Diese Moleküle wirken auch wie ein Käfig, in de-
nen Atome eingeschlossen werden können oder sie schließen sich selbst (wie russische
Puppen) schalenförmig ein.

Aufgaben

4.1 Betrachten Sie ein Teilchen der Masse m, das sich in einer Dimension im Potential


⎨V0 für x < −a (Bereich I)
V(x) = 0 für |x| ≤ a (Bereich II) Kastenpotential

⎩V für x > a
0 (Bereich III)

mit V0 > 0 bewegt.


Untersuchen Sie die möglichen Energieeigenwerte für den Fall 0 < E < V0 , indem
Sie die eindimensionale zeitunabhängige Schrödingergleichung lösen.
a) Machen Sie für die Wellenfunktion in den einzelnen Bereichen den Ansatz:

I: ψ (1) (x) = A(1) eκx + B(1) e−κx


II: ψ (2) (x) = A(2) eikx + B(2) e−ikx
III: ψ (3) (x) = A(3) eκx + B(3) e−κx .

Wie hängen k und κ mit der Energie E zusammen? Zeigen Sie, daß k und κ die Be-
ziehung

k2 + κ 2 = C 2 (1)

erfüllen und geben Sie die von E unabhängige Konstante C an.


Aufgaben 75

b) Die sechs Koeffizienten A( j) , B( j) ( j = 1, 2, 3) lassen sich durch folgende Über-


legungen bestimmen:
1) Randbedingungen: Wegen der Normierbarkeit der Wellenfunktion müssen Sie for-
dern, daß diese für x → ±∞ verschwindet. Was folgt daraus für B(1) und A(3) ?
2) Anschlußbedingungen: Aus der Forderung, daß die Wellenfunktion und deren Ab-
leitung an den beiden Anschlußstellen stetig sind, erhalten Sie ein homogenes lineares
Gleichungssystem für die Koeffizienten A(1) , A(2) , B(2) und B(3) . Zeigen Sie, daß nicht-
triviale Lösungen nur dann vorliegen, wenn entweder
κ = +k · tan ka oder κ = −k · cot ka (2)
erfüllt ist. Bestimmen Sie in beiden Fällen die nichtrivialen Lösungen des homogenen
linearen Gleichungssystems. Diskutieren Sie die Symmetrie der Wellenfunktionen an-
hand einer Skizze.
3) Normierungsbedingung: Berechnen Sie den noch verbleibenden Koeffizienten aus der
Normierungsbedingung für die Wellenfunktion.
c) Die erlaubten Energieeigenwerte lassen sich graphisch durch den Schnitt der bei-
den Kurven (1) und (2) konstruieren. Wieviele Energieeigenwerte gibt es mindestens?
Welche Symmetrie besitzen die dazugehörigen Wellenfunktionen?
d) Im Grenzfall V0 → ∞ erhalten Sie den unendlich hohen eindimensionalen Po-
tentialtopf. Geben Sie für diesen Spezialfall die erlaubten Eigenfunktionen
 ψn (x) und
Eigenwerte E n an. Wie lauten die Matrixelemente Amn = ψm∗ (x)Aψn (x)dx für die
Operatoren A = x, x 2 und p = hi dx d
(es gelte E n > E m für n > m und n = 1 sei der
Grundzustand)? √
e) Das System befinde sich zur Zeit t = 0 im Zustand ψ(x, 0) = (1/ 2)[ψ1 (x) +
ψ2 (x)]. Wie lautet die zeitabhängige Lösung ψ(x, t)? Berechnen Sie die dazugehörigen
zeitabhängigen Erwartungswerte x, x 2  und  p. Berechnen Sie ferner dieselben
√ Er-
wartungswerte für den Zustand, der zur Zeit t = 0 durch ψ(x, 0) = (1/ 2)[ψ1 (x)+
ψ3 (x)] gegeben ist.
4.2 Berechnung von Mittelwerten am Beispiel des H-Atoms. Gehen Sie für die fol-
genden Rechnungen von der Grundzustandswellenfunktion
 
−3/2 r 1
Ψ100 (r) = R10 (r)Y00 (φ, ϕ) = 2a0 exp − √
a0 4π
aus; a0 bezeichnet dabei den Bohrschen Radius.
a) Zeigen Sie, daß die Orts- und Impulsmittelwerte:
x,  px , y,  p y , z,  pz 
identisch verschwinden.
b) Geben Sie nun die Mittelwerte für die Quadrate:
x 2 ,  p2x , y2 ,  p2y , z 2 ,  p2z 
an und weisen Sie die Gültigkeit der Unschärferelation nach. Welche Mittelwerte erge-
ben sich für die kinetische und die potentielle Energie?
Hinweis: Benutzen Sie sphärische Polarkoordinaten. Die folgenden unbestimmten Inte-
grale lassen sich durch partielle Integration leicht bestimmen. Wählen Sie zur Berech-
nung der Erwartungswerte (a), (b) die Grenzen r = 0, ∞.
76 4. Einführung in die Theorie der chemischen Bindung
  
λr r 1
dr re = − eλr
λ λ2
  2 
r 2r 2
dr r 2 eλr = − 2 + 3 eλr
λ λ λ
  3 2 
3 λr r 3r 6r 6
dr r e = − 2 + 3 − 4 eλr
λ λ λ λ
  4 3 2 
4 λr r 4r 12r 24r 24
dr r e = − 2 + 3 − 4 + 5 eλr .
λ λ λ λ λ
Die Integrale über die Winkel sind ebenfalls elementar zu bestimmen.
c) Ausgehend von einem allgemeinen Wasserstoff-Eigenzustand Ψnlm berechne man
die Mittelwerte für die Drehimpulsoperatoren L2 , L x , L y , L z .
Hinweis:
– Die Eigenwertgleichungen von L2 bzw. L z sind bekannt.
– Es gilt die Vertauschungsrelation:
L × L = ih L .
– Verwenden Sie die Operatoren L ± = L x ±iL y und bestimmen Sie die Vertauschungs-
relationen [L ± , L z ].
– Die Komponenten des Drehimpulsoperators sind hermitesch.
4.3 Die Wellenfunktion ψ des Wasserstoff-Molekülions kann durch Linearkombi-
nation zweier Wasserstoff-Grundzustandswellenfunktionen ϕa , ϕb näherungsweise be-
schrieben werden. Verwenden Sie zunächst den Ansatz:
ψ+ = c(ϕa + ϕb )
ψ− = c(ϕa − ϕb ) . (3)
a) Berechnen Sie den Normierungsfaktor c aus (3), indem Sie diesen durch das Über-
lappintegral S (vgl. Teilaufgabe d) ausdrücken. Die Wellenfunktionen ϕa , ϕb seien nor-
miert.
b) Bestimmen Sie mit Hilfe der normierten Wellenfunktionen ψ+/− den Erwartungs-
wert des Hamiltonoperators:
 
h2 e2 e2
H= − ∆− − ,
2m 0 4πε0ra 4πε0rb
und vergleichen Sie das Ergebnis mit der Gleichung:
C±D
E = E0 + . (4)
1±S
c) Motivieren Sie den gewählten Ansatz (3) durch Variation des Erwartungswerts des
Hamiltonoperators unter Zuhilfenahme der allgemeineren Form:
ψ = c1 ϕa + c2 ϕb .
folgt? Variieren Sie E
Welche Normierung ergibt sich und welche Energie E nach den
Parametern c1 und c2 .
Aufgaben 77

d) Bestimmen Sie nun die Energie des Elektrons im Wasserstoff-Molekülion als


Funktion des Kernabstands Rab , indem Sie die in Gleichung (4) auftretenden Integrale S,
C, D und E 0 berechnen. Die Integrale können in prolatelliptischen Koordinaten (ξ, η, ϕ)
berechnet werden (vgl. Skizze bei den Lösungen). Verwenden Sie folgende Transforma-
tion:
ra + rb
ξ=
Rab
ra − rb
η= .
Rab
ϕ bezeichnet wie im Falle gewöhnlicher Kugelkoordinaten den Drehwinkel um die z-
Achse.
Geben Sie den Wertebereich der neuen Koordinaten ξ, η und ϕ an, und berechnen
Sie das Volumenelement dV im neuen Koordinatensystem. Gehen Sie hierbei von Ku-
gelkoordinaten aus.
Wählen Sie als Wellenfunktionsansatz für die weiteren Rechnungen folgenden
Wasserstoff-Grundzustand:
 3/2  
1 α αr
ϕ(r; α) = √ exp − .
π a0 a0
Dabei bezeichnet α > 0 einen Variationsparameter für den Bohrschen Radius a0 =
4πε0 h 2 /me2 .
– Berechnen Sie zunächst das Überlapp-Integral S:

S(α) = ϕa (ra ; α)ϕb (rb ; α)dV .

– Was ergibt sich für die Coulombsche Wechselwirkungsenergie C?


  
−e2
C(α) = ϕa (ra ; α) ϕa (ra ; α)dV .
4πε0rb
– Berechnen Sie das Austauschintegral D:
  
−e2
D(α) = ϕa (ra ; α) ϕb (rb ; α)dV
4πε0ra
– und die „generalisierte“ Grundzustandsenergie E 0 (a):
  
h2 e2
E (α) = ϕa (ra ; α) −
0
∆− ϕa (ra ; α)dV .
2m 0 4πε0ra
e) Geben Sie nun den expliziten Ausdruck für die Gesamtenergie an (E zzgl. der
Coulomb-Abstoßung der beiden Kerne) und skizzieren Sie diese als Funktion des Kern-
abstands Rab für den Wert α = 1 und als Funktion des Variationsparameters α bei fe-
stem Abstand Rab ≈ 1Å, wobei jeweils das Integral S als konstant angenommen werden
kann.
f) Berechnen Sie in den Fällen ψ+ sowie ψ− die Erwartungswerte von Ort und Im-
puls (x, p).
78 4. Einführung in die Theorie der chemischen Bindung

Hinweis:
– Stammfunktionen: vgl. Aufgabe 4.2
– Prolatelliptische Koordinaten:

Rab
x= (ξ 2 − 1)(1 − η2 ) cos ϕ
2 
Rab
y= (ξ 2 − 1)(1 − η2 ) sin ϕ
2
Rab
z=− ξη .
2
4.4 Man beweise das Variationsprinzip der Quantenmechanik:
 ∗
Ψ HΨdV1 . . . dVn
 ≥E,
Ψ ∗ ΨdV1 . . . dVn
wobei die Schrödingergleichung
HΦ = EΦ (5)
gilt und E der tiefste Eigenwert von (5) ist. Ψ sei dabei eine Funktion, die nicht notwen-
dig Eigenfunktion von (5) ist, aber den gleichen Randbedingungen wie diese genügt.
Hinweis: Man entwickle Ψ nach den Eigenlösungen der Schrödingergleichung (5).
4.5 Zeigen Sie, daß sich die allgemeine Lösung Ψ der Mehrteilchen-Schrödinger-
gleichung HΨ = EΨ als Produkt von Einteilchenwellenfunktionen ϕ, Ψ = Πi ϕi schrei-
ben läßt, wenn der Hamiltonoperator H als Summe von Einteilchen-Hamiltonoperator-
en Hi dargestellt werden kann, d. h. es gelte H = Σi Hi mit Hi ϕi = E i ϕi , und wenn
[Hi , ϕi ] = 0 für i = j. Wie bestimmt sich E als Funktion der E i ?
4.6 Unter der Voraussetzung, daß die Spinwellenfunktionen eines nach oben gerich-
teten Spins des Teilchens j mit α( j) und die eines nach unten gerichteten mit β( j) be-
zeichnet werden, zeige man, daß die Wellenfunktionen
1 1
√ [α(1)β(2) + β(1)α(2)]Ψu und √ [α(1)β(2) − β(1)α(2)]Ψg
2 2
zum Gesamtspin 1 (mit verschwindender z-Komponente) beziehungsweise zum Gesamt-
spin 0 gehören. Ψu/g ist dabei die (un)gerade Superposition der Produkte zweier Ein-
teilchenwellenfunktionen beim H2 -Molekül.
Hinweis: Für die Komponenten des Gesamtspins gilt Sz = S1z + S2z (y, z-Komponenten
analog). Bestimmen Sie die Matrixelemente von S2 = Sx2 + S2y + Sz2 bzgl. der Basis
{|α(1)α(2), |α(1)β(2), |β(1)α(2), |β(1)β(2)}. Benutzen Sie dazu die Stufenoperato-
ren:
S1± = S1x ± iS1y und S2± = S2x ± iS2y
mit
S1+ |α(1) = S1− |β(1) = 0
S1− |α(1) = h|β(1)
S1+ |β(1) = h|α(1) .
Aufgaben 79

4.7 Vor allem im Fall organischer Moleküle werden Bindungen häufig durch Hybri-
disierungen beschrieben. Zu diesem Zweck werden alle entarteten Orbitale von Valenz-
elektronen der an der Bindung beteiligten Atome linear kombiniert. Im folgenden gehe
man von wasserstoffähnlichen Wellenfunktionen ψ zur Hauptquantenzahl n = 2, also
von 2s- und 2 p-Zuständen aus.
a) Bestimmen Sie die Punkte maximaler (Ladungs-)Dichte bei diagonal oder sp hy-
bridisierten Elektronen. Gehen Sie von Wellenfunktionen der Form
1
ψ1/2 ≡ ψ± = √ (ψs ± ψ pi )
2
aus, mit ψs ∝ (1 − γr) exp{−γr} sowie ψ pi , ∝ γxi exp{−γr}, (xi = x, y, z), und maxi-
mieren Sie die Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte als Funktion des Ortes.
b) Vergleichen Sie das Ergebnis aus (a) mit den jeweiligen Ladungsschwerpunkten.
Um die Schwerpunkte bzw. die Ortmittelwerte zu bestimmen, muß die Wellenfunktion
inklusive der Normierungsfaktoren integriert werden:
1  r  r !
ψs = √ 1− exp −
8πα3 2α 2α
1 x r !
ψ px = √ exp − .
8πα 3 2α 2α

c) Man zeige, daß die Wellenfunktionen der tetragonalen Hybridisierung (sp3 )


(4.117) maximale Ladungsdichten in den Ecken eines Tetraeders haben (vgl. Aufgabe
a).
d) Prüfen Sie, ob die Wellenfunktionen aus den Teilaufgaben (a) und (c) im Sinne
der Quantenmechanik orthonormal sind, also daß

ψ ∗j ψk dV = δ jk

gilt.
5. Symmetrien und Symmetrieoperationen.
Ein erster Einblick

In diesem Kapitel vermitteln wir erste Grundbegriffe und Ansätze, mit Hilfe derer wir
unter anderem die Wellenfunktionen und Energien der π-Elektronen des Benzols be-
stimmen. Ein weiteres Beispiel bezieht sich auf das Ethylen.

5.1 Einige Grundbegriffe


Mehr noch als in der Quantentheorie des Atoms spielen in der Molekülphysik Symme-
trien und Symmetrieoperationen eine fundamentale Rolle. In diesem Abschnitt wollen
wir einen ersten Blick auf dieses Gebiet werfen, um dann einige der gewonnenen Er-
kenntnisse direkt anzuwenden. Schließlich werden wir in Kap. 6 die Frage der Symme-
trien und Symmetrieoperationen nochmals systematisch behandeln.
In der Molekülphysik kommt es im allgemeinen darauf an, daß wir die Geometrie
des Moleküls schon vom Experiment her kennen. Es wird dann unsere Aufgabe sein,
die Wellenfunktionen der Elektronen oder auch die möglichen Schwingungen der Atom-
kerne unter Berücksichtigung dieser vorhandenen Symmetrie zu berechnen. Als Aus-
gangspunkt unserer Betrachtungen können wir das Beispiel des Benzolmoleküls heran-
ziehen (Abb. 5.1a). Es ist planar und bildet ein gleichmäßiges Sechseck, d. h. wenn wir
das Molekül um einen Winkel von 60◦ um eine Achse senkrecht zu seiner Ebene dre-
hen, so geht das Molekül in sich über. Ein anderes Beispiel liefert das H2 O, das bei
einer Drehung um eine Achse (vgl. Abb. 5.2) um 180◦ in sich übergeht. NH3 geht bei
einer Drehung um 120◦ in sich selbst über (Abb. 5.3). Das Ion JCl−4 ist planar und geht
bei einer Drehung um 90◦ in sich über (Abb. 5.4), während alle linearen Moleküle, wie
etwa HCN (Abb. 5.5), bei einer Drehung um die gemeinsame Verbindungslinie um einen
beliebigen Winkel ϕ in sich übergehen.
Anhand dieser Beispiele erläutern wir genauer, was Symmetrie und Symmetrie-
operationen bedeuten. Dazu müssen wir ein kleines Gedankenexperiment machen. Wir
denken uns z. B. beim H2 O die zunächst völlig gleichartigen Wasserstoffkerne als un-
terschieden, drehen dann das Wassermolekül so, daß die beiden Protonen ihren Platz

Abb. 5.1a–c. Benzol, C6 H6 . (a)


Struktur, (b) Ladungsdichten der
σ-Elektronen, (c) Ladungsdich-
ten der π-Elektronen
82 5. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein erster Einblick

getauscht haben, und machen dann die beiden Protonen wieder ununterscheidbar. Man
kann es also nach Ausführung der Drehung dem Wasserstoffmolekül gewissermaßen
nicht mehr ansehen, daß es gedreht worden ist. Bei einer solchen Drehung um einen
Abb. 5.2. H2 O Winkel ϕ werden natürlich die Koordinaten der Atomorte gedreht. In Übereinstim-
mung mit der bei Molekülen üblichen Notation bezeichnen wir die Drehoperation mit
C. Um dabei anzugeben, um welchen Winkel ϕ die Drehoperation erfolgt, können wir
ϕ als Index an C anhängen: Cϕ . Dies werden wir in diesem Abschnitt gelegentlich tun.
Üblicher aber ist es, diejenige Zahl n an C als Index anzufügen, die angibt, wie viele
Drehungen n man ausführen muß, um den alten Zustand wieder zu erreichen. Das heißt
nichts anderes als nϕ = 2π. Ist also z. B. ϕ = 60◦ oder im Winkelmaß ϕ = π/3, so
ergibt sich n = 6. Beim Benzolmolekül (Abb. 5.1a) läßt sich also die Drehsymmetrie
durch C6 beschreiben.
Betrachten wir nun die Auswirkung einer Drehung auf die Kartesischen Koordina-
Abb. 5.3. NH3
ten. Die Koordinaten kürzen wir durch den Koordinatenvektor
⎛ ⎞
x
r = ⎝ y⎠ (5.1)
z
ab. Durch die Drehung um den Winkel ϕ entsteht ein neuer Koordinatenvektor r
. Der
Zusammenhang zwischen r und r
lautet dann
Abb. 5.4. JCl−
4
r
= Cϕ r , (5.2)
wobei Cϕ also bedeutet: führe eine Drehung von r um den Winkel ϕ aus. Wie wir aus
der Schulmathematik her wissen, ist das gestrichene und das ungestrichene Koordina-
Abb. 5.5. HCN tensystem durch die Beziehungen
x
= x cos ϕ + y sin ϕ
y
= −x sin ϕ + y cos ϕ (5.3)

z =z
miteinander verknüpft. Um die Bezeichnungsweise nicht zu sehr zu beladen, lassen wir
im folgenden den Drehwinkel ϕ oder die Zahl n am C weg
Cϕ → C . (5.4)
Da bei einer Drehung der Abstand vom Ursprung erhalten bleibt, finden wir sofort die
Relationen
C r2 ≡ (C r)2 = r
= r2
2
(5.5)
als gültig, d. h. wir können auch
r
= r (5.6)
schreiben. Die Drehoperation können wir nun auf die Koordinaten aller möglicher Teil-
chen anwenden, also nicht nur auf die Protonen im Wasserstoff, sondern auch z. B. auf
ein Elektron im Wasserstoffatom. Die Anwendung des Drehoperators C auf die Wellen-
funktion des Wasserstoffatoms ψ(r) bedeutet dann, einfach die Koordinate r zu drehen,
d. h. es soll
Cψ(r) = ψ(C r) = ψ(r
) (5.7)
5.1 Einige Grundbegriffe 83

gelten. Betrachten wir, wie sich die Wellenfunktion unter der Drehung C gemäß (5.7)
transformiert. Fangen wir mit der 1 s-Funktion des Wasserstoffs an, die ja die Form
ψ(r) = N e−r/r0 (5.8)
hat (vgl. Abb. 4.1), wobei N der Normierungsfaktor ist. Gemäß der Definition (5.7) und
unter Berücksichtigung der Beziehung (5.6) erhalten wir dann

Cψ/(r) = N e−r /r0 = N e−r/r0 . (5.9)


Unter der Drehung bleibt also die Wellenfunktion des Wasserstoffatoms im 1 s-Zustand
ungeändert, oder mit anderen Worten, die 1 s-Funktion ist invariant gegenüber der Dre-
hung C.
Sehen wir uns als Vorbereitung für später an, was mit den p-Funktionen passiert, für
die wir ja eine reelle oder komplexe Darstellung verwenden können. Beginnen wir mit
der reellen Darstellung, wobei wir mit der in x-Richtung liegenden Hantel die Wellen-
funktion (vgl. Abb. 4.1)
ψ px = x f(r) (5.10)
verknüpfen. Die lediglich vom Abstand abhängige Funktion f(r) können wir etwa in
der Form
f(r) = N e−r/r0 (5.11)
annehmen, aber jede andere abstandsabhängige Funktion, etwa für höhere Hauptquan-
tenzahlen, genügt auch den Voraussetzungen, die wir im folgenden brauchen. Die an-
deren beiden Hanteln sind durch
ψ p y = y f(r) (5.12)
und
ψ pz = z f(r) (5.13)
gegeben.
Betrachten wir was passiert, wenn wir die Drehoperation C auf diese Wellenfunk-
tionen gemäß der allgemeinen Definition (5.7) ausüben. Hierbei erhalten wir
Cψ px = x
f(r
) = cos ϕx f(r) + sin ϕy f(r) = cos ϕψ px + sin ϕψ p y
Cψ p y = y
f(r
) = − sin ϕx f(r) + cos ϕy f(r) = − sin ϕψ px + cos ϕψ p y (5.14)
Cψ pz = ψ pz .
In den Gln. (5.14) erfolgte (von links nach rechts) der erste Schritt gemäß (5.7), der
zweite gemäß (5.3); beim dritten verwenden wir die Definitionen (5.10) und (5.12). Die
Anwendung der Drehoperation C transformiert also die Wellenfunktionen ψ px , ψ p y , ψ pz
unter sich. Damit haben wir bereits einen Zipfel einer Wahrheit vor uns, die uns in einem
viel umfassenderen Zusammenhang später wieder begegnen wird. Dazu bemerken wir
als Voraussetzung, daß beim Wasserstoffatom die genannten p-Funktionen die gleiche
Energie besitzen. Wie wir später allgemein zeigen werden, werden Wellenfunktionen,
die zur gleichen Energie gehören, durch Symmetrieoperationen in Linearkombinationen
84 5. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein erster Einblick

des gleichen Satzes von Wellenfunktionen übergeführt. Dabei wird die Frage auch auf-
tauchen, ob es nicht auch den einfachen Fall gibt, wo die Wellenfunktionen schon in
sich selbst übergehen, wenn auf sie eine Symmetrieoperation angewendet wird. Im vor-
liegenden Fall ist es tatsächlich so, wenn wir als Ausgangspunkt nicht die reellen Wel-
lenfunktionen des p-Zustandes wählen, sondern Linearkombinationen. Diese sind dann
komplex und Eigenfunktionen des Drehimpulsoperators in der z-Richtung. Diese Wel-
lenfunktionen sind durch

ψ± = ψ px ± iψ p y = N(x ± iy) e−r/r0 (5.15)

gegeben, wobei N wieder ein Normierungsfaktor ist. x + iy können wir als komplexe
Variable in der komplexen Ebene auffassen und die hierfür üblichen Polarkoordinaten
gemäß

x + iy = r eiϕ (5.16)

einführen. Damit geht (5.15) in

ψ± = Nr e−r/r0 e±iϕ (5.17)

über. In der komplexen Ebene bedeutet die Drehung um einen Winkel ϕ0 , daß der ur-
sprüngliche Winkel ϕ durch ϕ + ϕ0 ersetzt wird. Daher erhalten wir

Cϕ0 eiϕ = ei(ϕ+ϕ0 ) (5.18)

und somit

Cϕ0 ψ+ = eiϕ0 ψ+ , (5.19)

sowie ganz entsprechend

Cϕ0 ψ− = e−iϕ0 ψ− . (5.20)

Die Beziehungen (5.19) und (5.20) bedeuten natürlich, daß die Anwendung des Dreh-
operators die Funktionen ψ+ und ψ− bis auf einen konstanten Zahlenfaktor, eiϕ0 bzw.
e−iϕ0 , so unverändert läßt.

5.2 Anwendung auf das Benzol:


Die Wellenfunktion der π-Elektronen nach der Hückel-Methode
Wie vom Experiment bekannt ist, ist das Benzol C6 H6 eben. Die H-Atome liegen in der
gleichen Ebene wie die im Sechser-Ring vereinigten C-Atome (vgl. Abb. 5.1a). Greifen
wir ein einzelnes Kohlenstoff-Atom heraus, so ergibt sich wieder eine trigonale Anord-
nung für die Bindung zu den beiden benachbarten C-Atomen und dem seitlich herausra-
genden Wasserstoffatom. Ganz ähnlich wie beim Ethylen (vgl. Abschn. 4.4) stellen wir
fest, daß jeweils pro Kohlenstoff-Atom ein pz -Zustand mit einem Elektron übrig bleibt.
Alle derartigen pz -Zustände in den 6 verschiedenen Kohlenstoff-Atomen sind energe-
tisch gleichberechtigt. Ein Elektron kann also im Prinzip in jedem dieser Zustände sit-
zen. Erinnern wir uns nun an den Grundgedanken der LCAO-Methode, d. h. der Me-
thode der Linearkombinationen atomarer Orbitale (vgl. Abschn. 4.4.4). Hiernach suchen
5.2 Anwendung auf das Benzol: Die Wellenfunktion der π-Elektronen nach der Hückel-Methode 85

wir zunächst für ein einzelnes Elektron die Wellenfunktion im Feld aller Atomkerne,
hier also insbesondere im Feld aller 6 Kohlenstoffkerne. Im Prinzip haben wir es dann
mit einer Verallgemeinerung des Wasserstoffmoleküls zu tun, wobei aber das Elektron
jetzt nicht auf zwei, sondern auf sechs Plätze verteilt sein kann.
Wir stellen uns also vor, daß alle Wellenfunktionen (Orbitale) des Kohlenstoffs, die
in der Ebene des Benzolrings liegen, also die Orbitale 1 s und die Hybrid-Orbitale aus Abb. 5.6. Die pz -Funktion ϕ(r)
geht durch Verschiebung um den
2s, 2 px , 2 p y , mit Elektronen von niederen Energien an aufgefüllt worden sind. Die Vektor R j in ϕ(r − R j ) über
Hybrid-Orbitale aus 2s, 2 px , 2 p y heißen beim Benzol σ-Orbitale (Abb. 5.1b). (Nähe-
res zur Orbital-Bezeichnung wird in Kap. 13 ausgeführt.) Es bleiben dann, ähnlich
wie beim Ethylen, noch Elektronenwellenfunktionen übrig, die von den 2 pz -Zuständen
herrühren, die also noch senkrecht aus der Benzolebene herausragen und an den ein-
zelnen Kohlenstoffatomen lokalisiert sind. Wir nehmen an, daß diese Elektronen, die
vom Kohlenstoffatom zur Verfügung gestellt werden, sich unabhängig voneinander
im Felde der Atomrümpfe und der schon besetzten σ-Elektronenzustände bewegen.
Wir werden diese Annahme später noch näher rechtfertigen. Für den Moment handelt
es sich also darum, die Wellenfunktion eines Elektrons in einem Felde, das symme-
trisch gegenüber Drehungen um 60◦ um die zur Ebene des Moleküls senkrechte Achse
ist, zu bestimmen. Dabei wollen wir ganz in Anlehnung an das Wasserstoffmolekül
nach der Methode von Hund, Mulliken und Bloch vorgehen. Wir stellen also die ge-
suchte Wellenfunktion als Linearkombination von an den Kohlenstoffatomen lokali-
sierten Wellenfunktionen, und zwar genauer der 2 pz -Funktionen, dar. Diese sich so
ergebenden Molekülorbitale heißen π-Orbitale. Um unsere Symmetriebetrachtungen
anwenden zu können, untersuchen wir zunächst das Verhalten einer solchen Funktion,
die zum Kohlenstoff mit dem Index j gehört. Gemäß Abb. 5.6 können wir diese Funk-
tion als

ϕ j (r) = ϕ(r − R j ) (5.21)

darstellen, wobei wir konkret an eine Darstellung der Funktion (5.13) denken wol-
len. Üben wir eine Drehung um 60◦ aus (Abb. 5.7), so erhalten wir die Beziehun-
gen

C6 ϕ j (r) = ϕ j (C6 r) = ϕ(C6 r − R j ) , (5.22)

wobei wir die Definition (5.21) benutzt haben. Wegen der Symmetrie des Problems
kann der Vektor R j , der vom Mittelpunkt des Moleküls zum Kernort j weist, auch als
ein gedrehter Vektor aufgefaßt werden, der aus dem Vektor R j−1 durch eine Drehung
um 60◦ hervorgegangen ist (Abb. 5.7):

C6 R j−1 = R j . (5.23)

Daher können wir statt (5.22) auch

C6 ϕ j (r) = ϕ(C6 r − C6 R j−1 ) (5.24)

schreiben.
Von der in (5.24) stehenden Differenz können wir aber die Operationsvorschrift C6
ausklammern, so daß wir statt (5.24) Abb. 5.7. Bei einer Rotation um
60◦ (kleine Pfeile) gehen die
C6 ϕ j (r) = ϕ[C6 (r − R j−1 )] (5.25) Vektoren R j ineinander über
86 5. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein erster Einblick

schreiben. Nun wird aber die z-Richtung von der Drehung um die z-Achse überhaupt
nicht beeinflußt und außerdem bleibt der Abstand r − R j−1 bei einer Drehung erhalten.
Daher geht (5.25) in

C6 ϕ j (r) = ϕ(r − R j−1 ) (5.26)

über und mit Hilfe dieser mathematischen Umformungen erhalten wir die Aussage, daß
eine pz -Wellenfunktion bei der Drehung um 60◦ innerhalb des Moleküls gerade in die
entsprechende Wellenfunktion an einem anderen Kohlenstoffatom übergeht

C6 ϕ j (r) = ϕ j−1 (r) . (5.27)

Nach diesen elementaren Vorbereitungen können wir nun zeigen, wie hilfreich Sym-
metriebetrachtungen in der Molekülphysik sein können. Dazu betrachten wir die schon
angekündigte Wellenfunktion ψ(r) des Elektrons, das sich im oben beschriebenen Felde
des Gesamtmoleküls, des Benzols also, bewegt. Die zugehörige Schrödinger-Gleichung
lautet

H(r)ψ(r) = Eψ(r) , (5.28)

wobei der Hamilton-Operator H die kinetische Energie des Elektrons und dessen po-
tentielle Energie im genannten Felde enthält. Die Drehung C um den Winkel 60◦ läßt
den Hamilton-Operator unverändert, d. h. wir erhalten die Relation

C H(r) = H(r
) = H(r) . (5.29)

Wenden wir nun die Drehoperation C auf beide Seiten von (5.28) an, d. h.

C H(r)ψ(r) = CEψ(r) . (5.30)

Wegen (5.29) wirkt die Operation C noch auf die dahinterstehende Wellenfunktion

H(r)Cψ(r) = ECψ(r) . (5.31)

Vergleichen wir die linken Seiten von (5.30) und (5.31) und berücksichtigen, daß diese
für alle beliebigen ψ(r) einander gleich sind, so können wir durch Subtraktion beider
Seiten voneinander auch die Operatorrelation

C H − HC = 0 (5.32)

gewinnen. Die Drehoperation C und der Hamilton-Operator vertauschen also. Dies ist
ein anderer Ausdruck dafür, daß der Hamilton-Operator H invariant unter der Dreh-
operation C ist. Aus (5.31) folgt, daß nicht nur ψ(r) eine Lösung der Schrödinger-
Gleichung ist, sondern auch Cψ(r) eine ebensolche.
Nehmen wir nun fürs erste an, daß zur Energie E nur eine einzige Wellenfunktion
gehört, d. h. daß die Energie nicht entartet ist. Wenn in einem solchen Falle zwei schein-
bar verschiedene Wellenfunktionen zur gleichen Energie gehören, so stellt dies einen
Widerspruch dar, wenn nicht sich die Wellenfunktionen lediglich um einen konstanten
Zahlenfaktor, den wir λ nennen wollen, unterscheiden. Wir erhalten somit die Relation

Cψ(r) = λψ(r) . (5.33)


5.2 Anwendung auf das Benzol: Die Wellenfunktion der π-Elektronen nach der Hückel-Methode 87

Mathematisch läßt sich ganz allgemein zeigen, daß bei Drehoperationen die Relation
(5.33) immer gefordert werden darf. Dies hängt damit zusammen, daß es bei Drehopera-
tionen immer eine Zahl M gibt, so daß nach M-maliger Anwendung der Drehoperation
auf die Wellenfunktion ψ diese völlig in sich übergeht. Dies bedeutet formal

CM = 1 . (5.34)

Wir benutzen die Relation (5.33), um die Koeffizienten der LCAO-Wellenfunktion in


einfacher Weise zu bestimmen. Wir stellen also ψ als Linearkombination aus den ato-
maren Wellenfunktionen ϕ j gemäß
ψ(r) = c1 ϕ1 + c2 ϕ2 + . . . + c6 ϕ6 (5.35)

dar. Setzen wir (5.35) in (5.33) ein, so erhalten wir

c1 Cϕ1 (r) + c2 Cϕ2 (r) + . . . + c6 Cϕ6 (r)


= λ[c1 ϕ1 (r) + c2 ϕ2 (r) + . . . + c6 ϕ6 (r)] . (5.36)

Die Anwendung einer Drehung auf die Wellenfunktion ϕ j bedeutet aber, wie wir schon
oben gesehen haben, einfach eine Vertauschung der zugehörigen Indizes des „Heimat“-
Kohlenstoffatoms. Damit geht (5.36) über in

c1 ϕ6 (r) + c2 ϕ1 (r) + . . . + c6 ϕ5 (r) = λ[c1 ϕ1 (r) + . . . + c6 ϕ6 (r)] . (5.37)

Da aber die einzelnen Wellenfunktionen ϕ j voneinander linear unabhängig sind, kann


die Relation (5.37) nur gelten, wenn die Koeffizienten jeweils gleicher Funktionen ϕ j
auf der linken und auf der rechten Seite miteinander übereinstimmen. Das führt sofort
auf die Gleichungen

c1 = λc6
c2 = λc1
c3 = λc2
..
.
c6 = λc5 . (5.38)

Zu deren Lösung machen wir den Ansatz

c j = λ j c0 , (5.39)

wobei c0 noch eine Normierungskonstante ist. Wenden wir die Drehoperation in unse-
rem Fall des Benzols sechsmal an, so geht das Molekül in seinen identischen Zustand
über. Daraus folgt

λ6 = 1 . (5.40)

Die Gl. (5.40) besitzt nach Grundregeln der komplexen Zahlen die Lösung

λ = e2πki/6 , (5.41)
88 5. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein erster Einblick

wobei k als ganze Zahl gemäß


k = 0, 1, 2, . . ., 5
oder
k = 0, ±1, ±2, +3 (5.42)
gewählt werden muß. Setzen wir das Resultat (5.39) mit (5.41) und (5.42) in (5.35) ein,
so erhalten wir die explizite Form der Wellenfunktion, nämlich

6
ψ = c0 e2πki j/6 ϕ j (r) . (5.43)
j=1

Dies ist die Wellenfunktion der π-Elektronen des Benzols (vgl. Abb. 5.1c). Damit ist es
uns gelungen, die Schrödinger-Gleichung zu lösen, ohne daß wir irgendwelche Rech-
nungen mit Hilfe des Hamilton-Operators haben durchführen müssen. Die Symmetrie
allein genügte, um die Koeffizienten eindeutig festzulegen, wobei lediglich der Normie-
rungsfaktor c0 noch zu bestimmen ist.

5.3 Nochmals das Hückel-Verfahren. Die Energie der π-Elektronen


Wie wir wissen, besitzt das Kohlenstoffatom zwei Elektronen in der 1 s Schale und
bringt ferner 4 Elektronen aus der Schale n = 2 mit. Diese Elektronen nehmen an der
Bindung mit anderen Atomen teil und heißen daher Valenzelektronen. Wie wir gesehen
haben, unterscheidet man bei der Einbindung des Kohlenstoffs in das Benzol zwischen
den σ- und π-Elektronen. Die Wellenfunktionen der σ-Elektronen sind in der Ebene des
Gesamtmoleküls orientiert, während die π-Elektronen, die aus den pz -Wellenfunktionen
hervorgehen, senkrecht zur Ebene des Moleküls orientiert sind. Für sie ist die Molekü-
lebene eine Knotenebene.
Wir greifen wie oben eines dieser π-Elektronen heraus und nehmen an, daß es sich
im Felde der vorgegebenen Kerne, der σ-Elektronen und aller übrigen π-Elektronen, be-
wegt. Die direkte Wechselwirkung der Elektronen untereinander ist damit durch ein ef-
fektives Potential ersetzt. Wie wir später sehen werden und es auch schon von der Atom-
physik her kennen (vgl. I), kann ein solches Vorgehen im Rahmen der Hartree-Fock-
Näherung gerechtfertigt werden. Der Hamilton-Operator, der sich auf die π-Elektronen
bezieht, lautet also
  h2 
HπHückel = − ∆µ + V(rµ ) , (5.44)
µ
2m 0

wobei sich die Summe über n von 1–6 gemäß den sechs π-Elektronen, die die Koh-
lenstoffatome mitbringen, erstreckt. Ersichtlich besteht (5.44) aus einer Summe von
Hamilton-Operatoren, von denen sich jeder nur auf ein einzelnes Elektron bezieht. Da-
her kann die zu (5.44) gehörige Schrödinger-Gleichung gelöst werden, wenn wir die
Wellenfunktionen der Einzelelektronen gemäß der Schrödinger-Gleichung
 
h2
− ∆ + V(r) ψ(r) = Eψ(r) (5.45)
2m 0
5.3 Nochmals das Hückel-Verfahren. Die Energie der π-Elektronen 89

bestimmen. Hierin gilt die Zerlegung des Potentials gemäß


V(r) = V(r j ) + V S (r j ) (5.46)
in eines, das von den Kernen, nämlich V(r j ), und eines, das von den 1 s-Elektronen und
den σ- und π-Elektronen, nämlich V S (r j ), herrührt. Im Sinne des Verfahrens von Hund,
Mulliken und Bloch stellen wir die gesuchte Wellenfunktion des einzelnen Elektrons
als eine Linearkombination aus den atomaren Wellenfunktionen und zwar aus den 2 pz -
Wellenfunktionen des Kohlenstoffs in der Form

N
ψ= c j ϕ j (r) (5.47)
j=1

dar. Die Koeffizienten c j sind darin noch unbekannt und können mit Hilfe des Variati-
onsprinzips bestimmt werden, nach dem die linke Seite von
 ∗
ψ HψdV
 =E (5.48)
ψ ∗ ψdV
durch geeignete Wahl der Koeffizienten zu minimalisieren ist. Setzen wir (5.47) in den
Zähler von (5.48) ein, so erhalten wir
 
c∗j c j
ϕ j Hϕ j
dV , (5.49)
jj
  
H jj

wobei wir die dort eingeführte Abkürzung verwenden wollen. Entsprechend ergibt sich
für den Nenner von (5.48)
 

c j c j ϕ j ϕ j
dV . (5.50)
jj
  
S jj

Die Energie auf der rechten Seite ist eine Funktion der Koeffizienten, so daß wir schrei-
ben


E = E c1 , c∗1 , c2 , c∗2 , . . . . (5.51)
Eine notwendige Bedingung für das Erreichen eines Minimums von E ist, daß die Ab-
leitungen nach den Koeffizienten c j und c∗j verschwinden:

∂E ∂E
= ∗ =0. (5.52)
∂c j ∂c j

Aus rechnerischen Gründen ist es praktischer, wenn wir die Gleichung (5.48) mit dem
Nenner auf beiden Seiten multiplizieren und daher den Ausdruck
 
c∗j c j
H jj
= E c∗j c j
S jj
. (5.53)
jj
jj

90 5. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein erster Einblick

betrachten. Von diesem bilden wir die Ableitung nach c∗j , wodurch wir
 
H jj
c j
= E c j
S jj
(5.54)
j
j

erhalten. Die Ableitungen von E nach c∗j haben wir wegen (5.52) dabei bereits gleich
Null gesetzt. Gleichung (5.54) ist ein Gleichungssystem für die Koeffizienten c j
, das
wir nochmals explizit in der Form
(H11 − S11 E)c1 + (H12 − S12 E)c2 + . . . + (H1N − S1N E)c N = 0
(H21 − S21 E)c1 + (H22 − S22 E)c2 + . . . + (H2N − S2N E)c N = 0
.. .. (5.55)
. .
(HN1 − S N1 E)c1 + . . . + (HNN − S NN E)c N = 0
hinschreiben. Da dieses ein homogenes Gleichungssystem ist, muß natürlich die Deter-
minante
 
 H11 − ES11 H12 − ES12 . . . H1N − ES1N 
 
 .. .. .. 
 . . . =0 (5.56)
 
 H − ES ... HNN − ES NN 
N1 N1

verschwinden, wenn wir eine nichttriviale Lösung erhalten wollen. Dies ist ersichtlich
kein einfaches Problem, weil es sich hier bereits um eine 6 · 6 Determinante handelt.
Mit Hilfe von Symmetriebetrachtungen kann man aber das Problem äußerst einfach
lösen! Wir haben ja bereits im vorangegangenen Abschnitt gesehen, daß die Koeffizi-
enten bekannt sind (vgl. 5.43). Damit erübrigt es sich, die Determinante (5.56) zu be-
stimmen; wir können anstelle dessen direkt in das Gleichungssystem (5.55) mit den uns
bekannten Koeffizienten eingehen. Damit können wir die Energie E für das allgemeine
System (5.55) explizit bestimmen. Um aber das Wesentliche hervortreten zu lassen, neh-
men wir die Vereinfachungen
S jj = 1 , S jj
= 0
(5.57)
H jj = A , H j, j±1 = B , sonst = 0

an. Diese bedeuten, daß die Überlappung zwischen den Wellenfunktionen vernachläs-
sigt werden kann, und daß Wechselwirkungsenergien nur am gleichen Atom und mit den
nächsten Nachbaratomen bestehen. Setzen wir die Vereinfachung (5.57) und die Form
der Koeffizienten c j gemäß

c j = c0 e2πi jk/6 (5.58)


z. B. in die erste Zeile von (5.55) ein, so erhalten wir
e2πik/6 (A − E) + e2πi2k/6 B + e2πik6/6 B = 0 , (5.59)
was sich sofort nach E in der Form
E = A + B( e2πik/6 + e−2πik/6 ) (5.60)
5.3 Nochmals das Hückel-Verfahren. Die Energie der π-Elektronen 91

Abb. 5.8. Termschema des Ben-


zols für die π-Elektronen

Abb. 5.9. Die von den π-Elek-


tronen des Benzols besetzten
Zustände. [Man beachte, daß
E(−k) = E(k)]

auflösen läßt. Alle übrigen Zeilen von (5.55) ergeben dasselbe Resultat. In reeller
Schreibweise lautet (5.60)
 
2πk
E = A + 2B cos . (5.61)
6
Hierin darf k die Werte gemäß (5.42), d. h.
k = 0, ±1, ±2, +3 (5.62)
annehmen. Berücksichtigen wir noch, daß das Austauschintegral B negativ ist,
B<0, (5.63)
so erhalten wir das in Abb. 5.8 angegebene Termschema der π-Elektronen des Benzols.
Dieses kann unter Beachtung des Pauli-Prinzips von unten her mit einzelnen Elektronen,
die von den Kohlenstoffatomen mitgebracht werden, angefüllt werden. Es ergeben sich
dann die in Abb. 5.9 gezeigten Energien. Das unterste unbesetzte Molekülorbital (Eng-
lisch: lowest unoccupied molecular orbital) wird in der Literatur als LUMO bezeichnet,
das oberste besetzte Molekülorbital (Englisch: highest occupied molecular orbital) mit
HOMO.
Die Anwendung der Symmetriebetrachtung hat eine wesentliche Vereinfachung ge-
genüber der herkömmlichen Methode gebracht. Wir haben nämlich von vorneherein die
Koeffizienten explizit bestimmen können, ohne das Gleichungssystem (5.55) zu lösen.
Wir brauchten insbesondere auch nicht die Determinante (5.56) zu berechnen und deren
Eigenwerte zu bestimmen, was natürlich explizit sonst gar nicht möglich wäre. Ersicht-
lich bietet unsere Methodik mit Hilfe des Hückel-Verfahrens den Vorteil, daß wir auch
Anregungszustände gemäß dem Termschema von Abb. 5.8 berechnen können, da ja hier
die Energien gemäß (5.60) bereits vorgegeben sind.
92 5. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein erster Einblick

5.4 Slater-Determinanten
Kehren wir zur Lösung des Mehrelektronenproblems, etwa beim Benzol, zurück. Hierzu
benutzen wir zwei Erfahrungen, die wir schon früher gemacht haben. Besteht nämlich
der Hamilton-Operator aus einer Summe von Operatoren, so läßt sich – in Verallge-
meinerung des Ansatzes beim Wasserstoffmolekül – die Wellenfunktion aller Elektro-
nen als ein Produkt aus Wellenfunktionen der einzelnen Elektronen ansetzen. Hierbei
ist es wichtig, daß der jeweilige Spin durch die Wellenfunktionen α (Spin nach oben)
und β (Spin nach unten) berücksichtigt wird. Damit aber die gesamte Wellenfunktion
nach dem Pauli-Prinzip in Orts- und Spin-Koordinaten der Elektronen antisymmetrisch
wird, setzen wir für die Wellenfunktion des Grundzustands in Verallgemeinerung des
Ansatzes von (4.71) eine Determinante an. In einer solchen Determinante treten als In-
dex für die Zeilen der jeweilige Index eines Elektrons und als Index für die Spalten
die jeweilige Quantenzahl des von einem Elektron besetzten Zustands auf. Eine solche
Determinante lautet also:
 
 ψ1 (r1 )α(1) ψ1 (r1 )β(1) ψ2 (r1 )α(1) ψ2 (r1 )β(1) . . . 
 
 ψ1 (r2 )α(2) ψ1 (r2 )β(2) ... 
Ψ(1, 2, . . ., 6) =  ..  . (5.64)

 . 
 ψ (r )α(6) ... ψ2 (r6 )β(6) . . . 
1 6

Diese Determinante wird als Slater-Determinante bezeichnet. Ersichtlich bedeutet diese


Determinante einen großen Schreibaufwand. Deshalb kürzt man sie oft in der Form
 
Ψ(1, 2, . . . , 6) = ψ1 ψ̄1 ψ2 ψ̄2 . . . ψ3 ψ̄3  (5.65)
ab, wobei sich die Argumente von ψ auf die Elektronen und die Indizes der Wellen-
funktionen ψ auf die einzelnen Zustände beziehen, und wir davon ausgehen, daß die
Wellenfunktionen mit jeweils zwei Elektronen und zueinander antiparallelem Spin be-
setzt sind. Aus (5.65) entsteht also die Determinante (5.64), wenn wir die Ersetzung

ψj → ψjα , ψ̄ j → ψ j β (5.66)
vornehmen, wobei ein ψ ohne Querstrich eine Wellenfunktion mit Spin nach oben, ein
ψ mit Querstrich eine Wellenfunktion mit Spin nach unten bezeichnen sollen.

5.5 Die Wellenfunktion beim Ethylen. Parität


Als ein weiteres Beispiel für die Nützlichkeit von Symmetriebetrachtungen behandeln
wir das Ethylen (Abb. 5.10). Ersichtlich besitzt dieses Molekül im Mittelpunkt der Ver-
bindungslinie seiner beiden C-Atome ein Inversionszentrum, d. h. wenn wir alle Koordi-
naten in ihr Negatives verwandeln, also x, y, z in −x, −y, −z überführen, so bleibt das
ganze Molekül erhalten. Unterwerfen wir die Wellenfunktion eines einzelnen Elektrons
ψ dieser Spiegelung, und nehmen wir wieder an, daß die Wellenfunktionen nicht ent-
artet sind, so erhalten wir ψ(−r) = λψ(r). Spiegeln wir aber noch einmal und wenden
die eben genannte Regel an, so erhalten wir ψ(r) = λ2 ψ(r). Das heißt, λ kann nur die
Werte + oder −1 annehmen. Damit erhalten wir
Abb. 5.10. Ethylen ψ(−r) = ±ψ(r) , (5.67)
5.6 Zusammenfassung 93

oder wie man auch sagt, ψ hat gerade Parität (oberes Vorzeichen) oder ungerade Parität
(unteres Vorzeichen).
Die Wellenfunktion der einzelnen π-Elektronen setzen wir wie beim Wasserstoff-
Molekülion als Linearkombination aus den 2 pz -Wellenfunktionen der beiden Kohlen-
stoff-Atome an (vgl. Abb. 5.11)
ϕ1 (r) = ϕ(r − R1 ) , ϕ2 (r) = ϕ(r − R2 ) Abb. 5.11. Schemazeichnung
ψ(r) = c1 ϕ1 (r) + c2 ϕ2 (r) . (5.68) zur Definition von R1 , R2

Für die atomaren Wellenfunktionen bestehen dabei die Symmetrieeigenschaften


ϕ1 (−r) = −ϕ2 (r) (5.69)
und
ϕ2 (−r) = −ϕ1 (r) , (5.70)
wie man sich anhand der expliziten Darstellung von ϕ gemäß
ϕ = Nz e−r/r0 (5.71)
leicht klarmacht. Setzen wir (5.68) in (5.67) ein und nützen die Eigenschaften (5.69)
und (5.70), so erhalten wir
c1 ϕ1 (−r) + c2 ϕ2 (−r) = −c1 ϕ2 (r) + c2 ϕ1 (r) = ±c1 ϕ1 (r) ± c2 ϕ2 (r) . (5.72)
Durch Vergleich der Koeffizienten gleicher Wellenfunktionen auf der linken und rechten
Seite ergeben sich die Beziehungen
c1 = ±c2 . (5.73)
Hiermit können wir, ganz in Analogie zum Benzol, in die linearen Gln. (5.54) für die
Koeffizienten eingehen, die sich jetzt nur auf zwei Koeffizienten beziehen. In völliger
Analogie zu unserer Rechnung beim Benzol erhalten wir
E = A±B, (5.74)
wobei
B<0 (5.75)
gilt. Wir erkennen somit, daß c1 = c2 zu einem bindenden Zustand und c1 = −c2 zu
einem lockeren Zustand führt. Das sich so ergebende Termschema ist in Abb. 5.12 dar- Abb. 5.12. Termschema des
gestellt. Ethylens

5.6 Zusammenfassung
In den Kap. 4 und 5 haben wir anhand von konkreten Beispielen grundlegende Konzepte
kennengelernt, um die Elektronenwellenfunktionen von Molekülen, d. h. die Molekülor-
bitale, zumindest näherungsweise, zu berechnen. Ziehen wir das Fazit, so ergeben sich
die folgenden Grundideen:
94 5. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein erster Einblick

1) Die Wellenfunktion aller Elektronen eines Moleküls wird durch ein Produkt oder
eine Determinante aus den Wellenfunktionen von einzelnen Elektronen angenähert.
2) Die Einzelwellenfunktion (Molekülorbital) wird als Linearkombination aus atoma-
ren Wellenfunktionen aufgebaut (LCAO-Methode).
3) Die Koeffizienten der LCAO-Wellenfunktion werden durch Symmetriebetrachtun-
gen bestimmt, wobei sich eine erhebliche Reduzierung des Rechenaufwandes ergibt.
An die Punkte l)–3) schließen sich offensichtlich einige wichtige Fragen an:
1) Warum darf man die Näherung 1) vornehmen? Dies führt uns zum Hartree-Fock-
Verfahren und Erweiterungen, die wir in Kap. 7 behandeln.
2) und 3) Wie lassen sich die Symmetrie-Betrachtungen verallgemeinern? Dies werden
wir in Kap. 6 vornehmen, wo wir Molekülsymmetrien ganz allgemein behandeln
werden.
Mit den Kap. 6 und 7 erhält der Leser somit eine umfassende Einführung in die mo-
derne Elektronentheorie der Moleküle, die es ihm ermöglicht, in die Fachliteratur ein-
zudringen.

Aufgaben
5.1 Untersuchen Sie das π-Elektronensystem der Polyene (vgl. Skizze bei den Lösun-
gen). Gehen Sie hierzu von einem festen σ-Bindungsgerüst mit vorgegebenen Bindungs-
längen d aus, während sich die π-Elektronen quasi frei zwischen den Kohlenstoffatomen
bewegen können. (Die σ-Elektronen stammen aus den sp2 -hybridisierten Kohlenstoffor-
bitalen, die π-Elektronen aus den nicht hybridisierten 2 p-Orbitalen.) Das heißt in un-
serem Modell entspricht die Bewegung der π-Elektronen entlang der Bindungsachsen
der Bewegung in einem Quantendraht. Als Bewegungsgleichung ergibt sich:
h2 d2
φ(x) + (E − Vab )φ(x) = 0 .
2m dx 2
Dabei ist Vab ein konstantes Potential entlang der Bindung a − b. φ(x) ist die Mole-
külorbitalwellenfunktion für ein π-Elektron.
a) Welche Randbedingungen ergeben sich bei einer einfachen Verknüpfung (vgl.
Skizze)?
b) Welchen Randbedingungen muß die Wellenfunktion des π-Elektrons am Mole-
külende genügen?
c) Betrachten Sie nun explizit das Butadien-Molekül, das zwei Doppelbindungen und
somit 4π-Elektronen besitzt. Der effektive Hamiltonoperator lautet:
h2 d2
Heff = + V(x)
2m dx 2
mit
&
0 für 0 ≤ x ≤ 5d
V(x) = .
∞ sonst

Bestimmen Sie die Energieeigenwerte und die Molekülorbitalwellenfunktionen.


Aufgaben 95

5.2 Wie in Kap. 5 gezeigt wird, sind von den jeweils 4 Elektronen der Kohlenstoff-
atome im Benzolring je 3 zu trigonal hybridisierten Wellenfunktionen kombiniert, so
daß alle 6 pz -Zustände energetisch gleichberechtigt bleiben, über die gesamte Ringstruk-
tur delokalisiert werden und sogenannte π-Orbitale bilden. Ausgehend von der LCAO-
Methode gewinnt man unter Ausnutzung der zyklischen Symmetrie als Ansatz für die
Wellenfunktionen dieser π-Elektronen:

6
ψ = c0 e2πki j/6 ϕ j (r) (k = 0, ±1, ±2, 3) . (1)
j=1

Mit Hilfe des Variationsprinzips


 ∗
ψ HψdV !
 = min ≥ E
ψ ∗ ψdV
bestimme man die Energieeigenwerte unter den Voraussetzungen, daß
1) die Wellenfunktionen ϕ j normiert sind und nur mit den nächsten Nachbarn über-
lappen, d. h. es gilt:

 ⎪
⎨1 für j
= j
ϕ j ϕ j
dV = S jj
= σ für j
= j ± 1

⎩0 sonst

2) und die Matrixelemente des Hamiltonoperators H sich zu



 ⎪
⎨A für j
= j
ϕ j Hϕ j
dV = H jj
= B für j
= j ± 1

⎩0 sonst

ergeben.
Hinweis: Die Energien lassen sich aus der Gleichung
 
H jj
c j
= E c j
S jj

j
j

unter Zuhilfenahme des Ansatzes (1) direkt bestimmen.


6. Symmetrien und Symmetrieoperationen.
Ein systematischer Zugang∗

Dieses Kapitel vermittelt einen systematischen Zugang zur Anwendung der Gruppen-
theorie auf die Bestimmung von Wellenfunktionen von Molekülen. Wir besprechen mo-
lekulare Punktgruppen, die Auswirkung von Symmetrieoperationen auf Wellenfunktio-
nen und behandeln dann die Grundbegriffe der Darstellungstheorie der Gruppen. Die
Methode wird explizit am H2 O-Molekül erläutert.

6.1 Grundbegriffe
Im vorigen Kapitel hatten wir gesehen, wie wir die π-Elektronenorbitale des Benzols
in sehr eleganter Weise bestimmen konnten, indem wir die Drehsymmetrie des Mole-
küls ausnützten. Hier wollen wir uns nun systematisch mit Symmetrien und Symme-
trieoperationen befassen. Dabei haben wir jeweils ganz konkrete Moleküle im Auge.
Die Symmetrieeigenschaften eines Moleküls sind durch die möglichen Symmetrieope-
rationen, z. B. eben die Drehung, gekennzeichnet. Bei einer solchen Symmetrieoperation
wird jeder Punkt des Raums in einen anderen Punkt übergeführt, wobei die Länge je-
der Strecke unverändert bleibt, und wir das Objekt vor und nach der Abbildung nicht
unterscheiden können.
Wir wählen als Beispiel das NH3 -Molekül, das sich als trigonale Pyramide darstellen
läßt (Abb. 6.1). Die drei Wasserstoffatome sitzen an den Ecken des gleichseitigen Ba-
sisdreiecks, das Stickstoffatom senkrecht über dem Schwerpunkt des Dreiecks. Dreht
man das Molekül um eine durch N und den Schwerpunkt gehende Achse um 120◦
im mathematisch positiven Sinn (d. h. entgegen dem Uhrzeigersinn), so wechseln die
H-Atome folgendermaßen ihre Plätze: H3 → H1 , H1 → H2 , H2 → H3 (vgl. Abb. 6.2).
Das N-Atom behält seine Lage bei. Der nach jeder Drehung erreichte Zustand ist vom
Anfangszustand nicht zu unterscheiden, da die drei H-Atome gleichberechtigt sind. Bei
dieser Operation werden weder Längen noch Winkel innerhalb des Moleküls verändert;
die Operation kann daher als eine Symmetrieoperation aufgefaßt werden. Analoge Be- Abb. 6.1. NH3 -Molekül. Die
trachtungen gelten für die in Abb. 6.3 skizzierten Spiegelungen. Die Spiegelebenen ste- Zahlen l, 2, 3 dienen der
hen senkrecht zu dem Basisdreieck und enthalten jeweils eine Winkelhalbierende des Bezeichnung der Plätze
Dreiecks. So wechseln bei der Spiegelung an der Ebene σ1 die Atome H2 und H3 ihre
Plätze, während H1 und N unverändert bleiben.
Symmetrieoperationen dürfen nicht mit den sogenannten Symmetrieelementen ver-
wechselt werden. Beim obigen Beispiel des NH3 -Moleküls gibt die Symmetrieoperation
C3 die Vorschrift an, nach der eine Drehung um 120◦ durchgeführt wird. Die Menge
der Punkte, die bei dieser Symmetrieoperation ihre Lage im Raum nicht ändern, bil-
den das Symmetrieelement „Drehachse“, das ebenfalls mit C3 bezeichnet wird. Bei den Abb. 6.2. Wirkung der Symme-
Spiegelungen an σ1 , σ2 und σ3 ist das jeweilige Symmetrieelement die Spiegelebene. trieoperation C3 , d. h. Rotation
Allgemein gilt: Ein Symmetrieelement ist die Menge der Punkte, an der die Symmetrie- um senkrechte Achse um 120◦
98 6. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein systematischer Zugang

Tabelle 6.1. Elementare und zusammengesetzte Symmetrieoperationen mit den zu-


gehörigen Symmetrieelementen

Symbol Symmetrieoperation Symmetrieelement

E „Identitätsoperatoren“ Identität
Cn Drehung um 2π/n n-zählige Drehachse
σ Spiegelung Spiegelebene
i Inversion (Spiegelung am Inversionszentrum
Inversionszentrum)
Sn Drehung um 2π/n mit anschließender n-zählige
Spiegelung an zur Drehachse senkrechter Drehspiegelachse
Ebene
σ̄ Gleitspiegelung (Translation mit Gleitspiegelebene
anschließender Spiegelung)
C̄n Schraubung (Translation mit Schraubenachse
anschließender Drehung um 2π/n)

operation durchgeführt wird. Bei den nicht zusammengesetzten Symmetrieoperationen


(Tabelle 6.1) ist das Symmetrieelement gleichbedeutend mit der Menge der Punkte, die
beim Durchführen der Symmetrieoperation raumfest bleiben. Bleibt bei der Durchfüh-
rung einer Abbildung mindestens ein Punkt invariant (bei höheren Symmetrien: Gerade,
Fläche), so nennt man diese Operation eine Punktsymmetrieoperation. Eine solche ist
die Inversion i, bei der der Koordinatenursprung das Symmetrieelement ist und bei der
der Koordinatenvektor r in −r übergeführt wird. Ferner ist es aus mathematischen Grün-
den zweckmäßig, formal als Symmetrieoperation auch die Identität E zuzulassen. Bei
ihr bleiben alle Punkte eines räumlichen Objekts ungeändert. Bei Polymeren mit einer
regulären Kettenkonformation oder bei Kristallgittern können zwei weitere Symmetrie-

Abb. 6.3. Wirkung der Symme-


trieoperationen σ1 , σ2 , σ3 , d. h.
der angegebenen Spiegelungen
6.1 Grundbegriffe 99

Abb. 6.4. (a) Wirkung der Sym-


metrieoperation σ2 und anschlie-
ßend C3 . (b) Die gleiche Wir-
kung wie in (a) wird durch σ1
erzielt

operationen auftreten, die der Periodizität der Molekülkette oder des Gitters Rechnung
tragen: die Schraubung (Translation + Drehung) und die Gleitspiegelung (Translation +
Spiegelung). In Tabelle 6.1 sind zunächst die vier einfachen Punktsymmetrieoperationen
Identität E, Spiegelung σ, Drehung C, und Inversion i sowie die zusammengesetzten
Punktsymmetrieoperationen Drehspiegelung S, Gleitspiegelung σ̄ und Schraubung C̄n
mit den zugehörigen Symmetrieelementen aufgeführt.
Die einzelnen Symmetrieoperationen können wir uns nochmals veranschaulichen, in-
dem wir ein gleichseitiges Dreieck gemäß Abb. 6.2 bis 6.4 betrachten. Die Symme-
trieoperationen wirken sich hier in einer bestimmten Vertauschung der Zahlen, wie in
den Abbildungen angegeben, aus. Wir wollen an einigen Beispielen zeigen, wie durch
Hintereinanderschalten von zwei Symmetrieoperationen eine neue Symmetrieoperation
entsteht, die im vorliegenden Falle der Abb. 6.4 sogar wieder durch eine bereits be-
kannte ausgedrückt werden kann. Betrachten wir dazu Abb. 6.4a, wobei wir zuerst die
Spiegelung σ2 vornehmen und sodann die Drehung C3 . Das rechts angegebene Endpro-
dukt können wir aber auch so erreichen, daß wir das Dreieck, von dem wir ursprüng-
lich ausgegangen sind, gemäß σ1 spiegeln (Abb. 6.4b). Wir erhalten damit die Relation
C3 σ2 = σ1 . Man beachte dabei, daß auf der linken Seite dieser Gleichung die Faktoren
von rechts nach links gelesen werden! Was passiert nun, wenn wir die Reihenfolge von
Spiegelung und Drehung vertauschen, d. h. erst eine Drehung und dann eine Spiegelung
gemäß Abb. 6.5a vornehmen? Das sich ergebende Dreieck kann auch so entstanden ge-

Abb. 6.5. (a) Wirkung der


Symmetrieoperation C3 und an-
schließend σ2 . (b) Die gleiche
Wirkung wie in (a) wird durch
σ3 erzielt
100 6. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein systematischer Zugang

dacht werden, daß wir in dem ursprünglichen Dreieck eine Spiegelung an der Ebene σ3
vorgenommen haben (Abb. 6.5b). Wir erhalten damit die Relation σ2 C3 = σ3 . Verglei-
chen wir das Resultat von Abb. 6.4a mit dem jetzigen, Abb. 6.5a, so erkennen wir, daß
die Endergebnisse von der Reihenfolge der Ausführung von Drehung und Spiegelung
abhängen. Mit anderen Worten, die Symmetrieoperationen sind im vorliegenden Falle
nicht miteinander vertauschbar. Ganz allgemein kann man sich davon überzeugen, daß
das Produkt aus zwei Drehungen wieder durch eine Drehung, eine Spiegelung mit an-
schließender Drehung durch eine Spiegelung und eine Drehung mit anschließender Spie-
gelung durch eine Spiegelung wiedergegeben werden können. Zwei aufeinanderfolgende
Spiegelungen können durch eine Drehung ersetzt werden. Fassen wir alle diese Resul-
tate zusammen, so ergibt sich eine sog. Gruppentafel, die wir in Tabelle 6.2 dargestellt
haben.

Tabelle 6.2. Multiplikationstafel für die Symmetriegruppe C3v .


Die Multiplikation BA führt jeweils zu dem in der Tafel ange-
gebenen neuen Element

Operation A
C3v E C3 C32 σ1 σ2 σ3

Operation B E E C3 C32 σ1 σ2 σ3
C3 C3 C32 E σ3 σ1 σ2
C32 C32 E C3 σ2 σ3 σ1
σ1 σ1 σ2 σ3 E C3 C32
σ2 σ2 σ3 σ1 C32 E C3
σ3 σ3 σ1 σ2 C3 C32 E

Damit kommen wir zu dem Begriff einer Gruppe. Eine Gruppe besteht aus einem
Satz einzelner Operationen mit folgenden Eigenschaften. Durch Verknüpfung von zwei
Operationen A und B ergibt sich eine neue Operation, die ebenfalls der Gruppe angehört
gemäß AB = C. Der Satz von Symmetrieoperationen enthält eine Identitätsoperation
E derart, daß E A = AE = A ist. Zu jeder Operation A gehört eine inverse Operation
A−1 , so daß A A−1 = E ist. Es läßt sich dann zeigen, daß auch A−1 A = E ist. Für die
Operation A, B und C gilt das assoziative Gesetz (AB)C = A(BC).
Sofern die Operationen alle miteinander vertauschen, d. h. AB = BA gilt, spricht
man von einer Abelschen Gruppe. Anhand der Gruppentafel kann man leicht nachprü-
fen, daß die Symmetrieoperationen E, C3 , C32 , σ1 , σ2 , σ3 eine Gruppe bilden. Gemäß ei-
ner Bezeichnungsweise, die wir weiter unten systematisch darstellen werden, heißt diese
Gruppe C3v . Aus den eine Gruppe darstellenden Symmetrieoperationen eines Moleküls
können wir oft bestimmte Operationen auswählen, die ihrerseits die Bedingungen ei-
ner Gruppe erfüllen. Diese Symmetrieoperationen werden in einer Untergruppe der ur-
sprünglichen Gruppe zusammengefaßt. Der Multiplikationstafel der Tabelle 6.2 können
wir entnehmen, daß die Operationen E, C3 und C32 eine Untergruppe von C3v bilden.
Abb. 6.6. Symmetrieelemente
Neben NH3 ist ein weiteres Beispiel für die Punktgruppe C3v das Molekül Methylchlo-
der Punktgruppe C3v . Beispiel: rid. Dies ist, zusammen mit den Symmetrieelementen der Punktgruppe C3v , in Abb. 6.6
Methylchlorid dargestellt.
6.2 Molekulare Punktgruppen 101

6.2 Molekulare Punktgruppen


Für die Einteilung der molekularen Punktgruppen benutzen wir eine von Schönflies
stammende Symbolik. (Eine andere, von Kristallographen bevorzugte, Symbolik ist die
nach Hermann-Mauguin.) Im folgenden werden sämtliche Punktgruppen von Molekülen
zusammengestellt. Dabei beginnen wir mit Molekülen, die neben der in allen Punkt-
gruppen möglichen Identitätsoperation die geringste Zahl von Symmetrieoperationen
ermöglichen. Anschließend werden wir Moleküle mit höherer Symmetrie betrachten.
Beispiele finden sich in Abb. 6.7.
Moleküle ohne Drehachse gehören zu den Punktgruppen
C1 : Diese Punktgruppe enthält neben der Identität E keine weiteren Symmetrieele-
mente. Beispiel: NHFCl.
Cs : Einziges Symmetrieelement ist eine Spiegelebene. Beispiel: NOCl in Abb. 6.7,
1. Zeile, links.
Ci : Einziges Symmetrieelement ist das Inversionszentrum i.
Beispiel: ClBrHC–CHClBr in der trans-Konformation.
Alle weiteren Punktgruppen beziehen sich auf Moleküle mit Drehachsen (Rotations-
gruppen).
Cn : Moleküle mit einer n-zähligen (n = 1) Drehachse als einziges Symmetrieele-
ment. Beispiele: H2 O2 (C2 ) und Cl3 C–CH3 (C3 ). Lineare Moleküle ohne Inver-
sionszentrum gehören der Rotationsgruppe C∞ an; sie besitzen außerdem unend-
lich viele Spiegelebenen, die sich in der Molekülachse schneiden (C∞ v ).
Sn : Moleküle, die als Symmetrieelement lediglich eine Drehspiegelachse mit gera-
der Zähligkeit (n = 2m, beginnend mit m = 2) besitzen. (Für ein Beispiel vgl.
Abb. 6.7.) Die Punktgruppe S2 enthält neben der Identitätsoperation E nur die
Inversion i; es ist daher S2 ≡ Ci .
Cnh : Moleküle mit einer Drehachse der Zähligkeit n > 1 (C1h ≡ Cs ) und einer (ho-
rizontalen) Spiegelebene senkrecht dazu. (Die Bezeichnung „horizontal“ ergibt
sich dadurch, daß die Drehachse senkrecht stehend gedacht wird.) Die 2n Sym-
metrieoperationen ergeben sich aus denen der Rotationsgruppe Cn und deren Ver-
knüpfung mit der Spiegelung σh ; Sn = σh Cn . Ist n geradzahlig, so enthält das
Molekül wegen S2 = i ein Inversionszentrum. Beispiel: Butadien in der ebenen
trans-Konformation, C2h . An diesen Molekülen können die folgenden einfachen
Symmetrieoperationen durchgeführt werden: Identitätsoperation E, Drehung um
180◦ um eine Achse, die senkrecht zur Papierebene steht und durch den Schwer-
punkt des Moleküls geht, Spiegelung an der Ebene, die senkrecht zu dieser Achse
steht und in der alle Atome des Moleküls liegen, und schließlich Inversion am
Schwerpunkt des Moleküls, der zugleich Inversionszentrum ist.
Cnv : Moleküle mit einer Drehachse und n Spiegelebene(n), durch die zugleich die
Drehachse läuft. Die Spiegelebene ist „vertikal“, da sie zugleich die Drehachse
enthält; sie wird mit σv bezeichnet. Für den Fall n > 2 werden durch die Symme-
trieoperation Cn weitere äquivalente, vertikale Spiegelebenen erzeugt. Die Sym-
metrieoperationen der Punktgruppe Cnv sind die Drehungen um die n-zählige
Drehachse und die n Spiegelungen an den vertikalen Ebenen. Ist n geradzah-
lig, so wird zwischen zwei verschiedenen Klassen von Spiegelebenen unterschie-
den; jede zweite Spiegelebene wird mit σv , die restlichen Spiegelebenen werden
mit σd (diedrisch) bezeichnet. Beispiele: H2 CCl2 (C2v ), NH3 (C3v ). Zur Gruppe
102 6. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein systematischer Zugang

C∞ v gehören lineare Moleküle ohne Spiegelebene senkrecht zur Molekülachse


(z. B. OCS); die Symmetrieoperationen sind unendlich viele Drehungen um diese
Achse und ebenso viele Spiegelungen an Ebenen, in denen die Molekülachse
liegt.
Dn : Moleküle mit einer n-zähligen Drehachse (Cn , n ≥ 2) und einer zweizähligen
Drehachse senkrecht zur Hauptachse. Beispiel für D3 : H3 C–CH3 , wenn die CH3 -

Abb. 6.7. Einige Beispiele für


Punktgruppen, (a) 1. Zeile,
links: NOCl, Punktgruppe Cs ,
Mitte: ClBrHC–CHClBr in
trans-Konformation, Punkt-
gruppe Ci , rechts: H2 O2 ,
Punktgruppe C2 . 2. Zeile,
links: Cl3 C–CH3 , Punktgruppe
C3 , Mitte: Punktgruppe S4 ,
rechts: Butadien in der ebenen
trans-Konformation, Punkt-
gruppe C2h . (b) 1. Zeile, links:
H2 CCl2 , Punktgruppe C2v ,
Mitte: H3 C–CH3 , Seitenan-
sicht, rechts: dito, aber Ansicht
längs der C–C-Molekülachse.
CH3 -Gruppen liegen zueinander
unter Winkel, der nicht Vielfa-
ches von π/3 ist, Punktgruppe
D3 . 2. Zeile, links: H2 C–CH2 ,
Punktgruppe D2h , Mitte und
rechts: wie bei 1. Zeile Mitte,
aber die CH3 -Gruppen bilden
Winkel von π/3, d. h. sie stehen
genau auf Lücke
6.2 Molekulare Punktgruppen 103

Gruppen unter einem Winkel, der kein Vielfaches von π/3 sein darf, zueinander
gestaffelt sind.
Dnh : Diese Punktgruppe enthält zusätzlich zu den Symmetrieelementen der Punkt-
gruppe Dn eine Ebene σh senkrecht zur Hauptachse (horizontal). Durch Ver-
knüpfung der Drehoperationen der Rotationsgruppe Dn mit den Spiegelungen
σh ergeben sich n Drehspiegeloperationen Sn (Sn = σh Cn ) und n Spiegelungen
σv (σv = C2 σh ) zusätzlich zu den Operationen von Dn . Ist n gradzahlig, so
werden die n Spiegelebenen in n/2 Ebenen σv (enthalten eine C2 -Achse senk-
recht zur Hauptachse) und in n/2 Ebenen σd (enthalten die Winkelhalbierenden
zwischen zwei C2 -Achsen senkrecht zur Hauptachse) unterteilt. Auch hier liegt
bei geradem n wegen S2 ≡ i ein Inversionszentrum vor. Weiterhin sind hier die
linearen Moleküle mit Symmetriezentrum (D∞ h ) zu nennen.
Dnd : Diese Punktgruppe enthält neben den Symmetrieoperationen der Gruppe Dn
n Spiegelungen σd an Ebenen, welche die Cn -Achse enthalten und den Win-
kel zwischen zwei benachbarten C2 -Achsen halbieren. Durch Verknüpfung von
C2 σd = σn C2n = S2n (C2 − Cn ) werden zusätzlich noch n Drehspiegelungen
k (k = 1, 3 . . . 2n − 1) erzeugt. Bei dieser Punktgruppe liegt ein Inversions-
S2n
zentrum vor, wenn n eine ungerade Zahl ist. Beispiel für die Punktgruppe D3d :
H3 C–CH3 , wenn die H-Atome der beiden CH3 -Gruppen zueinander auf Lücke
stehen. Abb. 6.8. Oben: gleichseitiger
Tetraeder in einem Würfel, un-
ten: regulärer Oktaeder in einem
Als nächstes betrachten wir Moleküle, die mehr als eine Symmetrieachse mit einer
Würfel
Zähligkeit von n > 2 besitzen. Die wichtigsten dieser Punktgruppen sind jene, die sich
vom gleichseitigen Tetraeder und vom regulären Oktaeder ableiten (Abb. 6.8). Ihre rei-
nen Rotationsgruppen – dies sind Gruppen von Operationen, die nur in Drehungen um
Symmetrieachsen bestehen – werden mit T und O bezeichnet. Die Gruppe des regulä-
ren Oktaeders ist zugleich die des Würfels, da letzterer dieselben Symmetrieelemente
besitzt. Außerdem kann ein regulärer Oktaeder so in einen Würfel eingezeichnet wer-
den, daß Flächen und Ecken des Würfels in bezug auf den Oktaeder äquivalent sind. O
ist also die reine Rotationsgruppe des Würfels. Auch ein gleichseitiger Tetraeder kann
in einen Würfel eingezeichnet werden. Die Ecken des Würfels sind nun jedoch nicht
mehr äquivalent (vier Würfelecken sind zugleich Ecken des Tetraeders). Der gleichsei-
tige Tetraeder hat also eine niedrigere Symmetrie als der Würfel; T muß eine Unter-
gruppe von O sein. Abbildung 6.9 zeigt die zu den Gruppen T und O gehörigen Dreh-
achsen.
T: Symmetrieelemente sind die 4 dreizähligen und 3 zweizähligen Achsen des re-
gulären Tetraeders, die 12 Drehsymmetrieoperationen erlauben. Die 4 C3 -Achsen
dieser Rotationsgruppe gehen durch den Schwerpunkt und jeweils eine Ecke des
Tetraeders. Die C2 -Achsen laufen durch die Mitten der gegenüberliegenden Kan-
ten des Tetraeders.
O: Die 3 vierzähligen, die 4 dreizähligen und die 6 zweizähligen Drehachsen bilden
die Symmetrieelemente der Rotationsgruppe des regulären Oktaeders und ermög-
lichen 24 Drehsymmetrieoperationen. Die C4 -Achsen laufen durch die gegenüber-
liegenden Ecken, die C3 -Achsen durch die Schwerpunkte der gegenüberliegenden
Flächen und die C2 -Achsen durch die Mitten der gegenüberliegenden Kanten des Abb. 6.9. Beispiele für Drehach-
sen des gleichseitigen Tetraeders
Oktaeders. (Rotationsgruppe T ) (oben) und
Td : Die vollständige Symmetriegruppe des gleichseitigenTetraeders besteht aus den des regulären Oktaeders (Rotati-
Rotationselementen der Gruppe T sowie aus 6 Spiegelungen an σd und 6 vierzäh- onsgruppe O) (unten)
104 6. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein systematischer Zugang

ligen Drehspiegelachsen S4 . Zu dieser Punktgruppe gehören CH4 , P4 , CCl4 und


eine Anzahl von tetraedrisch gebauten komplexen Ionen.
Oh : Wenn wir der reinen Rotationsgruppe O alle 9 Spiegelebenen des Würfels hinzu-
fügen, erhalten wir die wichtige Gruppe Oh . Beispiele hierfür sind die Moleküle
SF6 , das Ion (PtCl6 )2− und zahlreiche oktaedrische Koordinationsverbindungen.
Die zur Gruppe Oh gehörenden Spiegelebenen (3σh , 6σd ) bedingen die zusätzli-
chen Symmetrieoperationen 6S4 , 8S6 und i.
Schließlich seien noch die Ikosaedergruppen genannt, die durch C60 aktuell geworden
sind.

6.3 Die Auswirkung von Symmetrieoperationen


auf Wellenfunktionen
In Abschn. 5.2 haben wir am Beispiel des Benzols gesehen, wie durch eine Drehung
des Koordinatensystems eine Transformation der Wellenfunktionen bewirkt wird. Wir
wollen jetzt das damals Gelernte in mehrfacher Hinsicht erweitern:
1) Es kann sich nunmehr auch um beliebige Symmetrieoperationen handeln, also nicht
nur Drehungen.
2) Die Wellenfunktionen können sich auf nicht nur ein Elektron beziehen, sondern auch
auf mehrere.
Um die Auswirkung von Symmetrieoperationen zu untersuchen, nehmen wir an, daß
zu einem Energie-Eigenwert der Schrödinger-Gleichung ein Satz von miteinander ent-
arteten Wellenfunktionen
Ψ1 , Ψ2 , . . . , Ψ M (6.1)
gehört.
Betrachten wir zunächst nur eine einzige Symmetrieoperation, die wir mit A bezeich-
nen. Da der Hamilton-Operator invariant gegenüber der Transformation A sein soll, ist
er mit A vertauschbar. Dies bedeutet aber, daß nicht nur etwa ψ1 , sondern auch A ange-
wendet auf ψ1 eine neue Wellenfunktion darstellt, die die gleiche Energie wie der Satz
(6.1) besitzt (vgl. 5.29–5.32). Da (6.1) die einzigen Wellenfunktionen sein sollen, die
zu dieser Energie gehören, muß sich Aψ1 notwendigerweise als eine Linearkombination
aus diesen Wellenfunktionen in der Form

M
AΨ1 = a1m Ψm (6.2)
m=1

darstellen lassen. Dabei sind die Koeffizienten a1m Konstante, während natürlich die
Wellenfunktionen von den Elektronen-Koordinaten abhängen. Eine Relation der Form
(6.2) gilt nicht nur für Ψ1 , sondern für jede beliebige aus dem Satz (6.1), so daß wir

M
AΨ j = a jm Ψm (6.3)
m=1

erhalten. Hierbei hängen die Koeffizienten a jm einerseits von den Indizes der Wellen-
funktionen, die links auftreten, ab, andererseits von den Indizes der dahinter stehenden
6.3 Die Auswirkung von Symmetrieoperationen auf Wellenfunktionen 105

Wellenfunktionen Ψm : In diesem Sinne können wir sagen, daß der Einfluß des Operators
A auf Ψ die Multiplikation des Vektors (6.1), der dann als Spaltenvektor zu schreiben
ist, mit einer Matrix (a jm )
A → (a jm ) (6.4)
entspricht. Die Identitätsoperation, bei der also der Vektor (6.1) unverändert bleibt. be-
zeichnen wir mit E.
Sehen wir uns an, was passiert, wenn wir erst die Operation A und dann die Opera-
tion B auf Ψ j anwenden. Wir untersuchen also, was das Produkt BA, angewendet auf
Ψ j , bewirkt, wobei wir in Analogie zu (6.3) annehmen dürfen, daß

M
BΨ j = b jl Ψl (6.5)
l=1
gilt.
Setzen wir in BAΨ j ≡ B(AΨ j ) zuerst die rechte Seite von (6.3) ein, was
 M

BAΨ j = B(AΨ j ) = B a jm Ψm (6.6)
m=1
ergibt. Da aber B nichts mit den Koeffizienten zu tun hat, sondern nur auf die Funktion
Ψ , die dahinter steht, wirkt, können wir rechts in (6.6) schreiben:

M
a jm BΨm (6.7)
m=1
und dann (6.5) verwenden:

M 
M
a jm bml Ψl . (6.8)
m=1 l=1
Die beiden Summationen über l und m können wir schließlich vertauschen und erhalten
damit anstelle der Gl. (6.6)
 M
M 
BAΨ j = a jm bml Ψl . (6.9)
l=1 m=1
  
cjl

Die Anwendung des Produktes BA auf Ψ j ergibt also wieder eine Linearkombination
aus Ψ j wobei aber neue Koeffizienten cjl auftreten. Wir können also dem Produkt BA
der Operatoren eine Matrix gemäß
BA → (cjl ) = C (6.10)
zuordnen, wobei gemäß (6.9) die Koeffizienten c jl mit den Koeffizienten a jm und bml
durch

M
c jl = a jm bml (6.11)
m=1
106 6. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein systematischer Zugang

verknüpft sind. Dies ist aber die Produktregel für die Matrizen A
= (a jm ), B
= (bml ),
C
= (c jl ), wobei A
B
= C
ist. Damit gelangen wir zu der grundlegenden Erkenntnis,
daß die Operatoren A, B, . . . einschließlich der Produktregeln durch Matrizen darge-
stellt werden können, wobei dem Produkt der Operation BA das Matrizenprodukt A
B
,
also in umgekehrter Reihenfolge, entspricht.
Sehen wir uns nun an, was die Inverse von A bewirkt. Dazu bilden wir zunächst
 M

−1 −1
A AΨ j (r) = A a jm Ψm (6.12)
m=1

und machen für A−1 Ψm auf der rechten Seite von (6.12) den Ansatz


M
A−1 Ψm (r) = f ml ψl . (6.13)
l=1

Anhand der einfach zu übersehenden Schritte



M
Ψ j (r) = a jm A−1 Ψm (6.14)
m=1
M 
M
= a jm f ml Ψl (6.15)
m=1 l=1

M M
= a jm f ml Ψl (6.16)
l=1 m=1

erhalten wir

M
a jm f ml = δ jl , (6.17)
m=1

oder wenn wir a jm und f ml jeweils zu Matrizen A


= (a jm ) und F
= ( f ml ) zusam-
menfassen, die Matrixrelation
A
F
= E
. (6.18)
Diese bedeutet aber, daß F
nichts anderes als die Inverse der Matrix A
ist
F
= A
−1 . (6.19)

Damit wird dem Operator A−1 die Matrix A


−1 zugeordnet.
Fassen wir zusammen: Wie wir in Abschn. 6.1 sahen, bilden die Symmetrieopera-
tionen, die wir jetzt mit A, B, C, . . . bezeichnet haben, eine Gruppe. Zu jeder Anwen-
dung eines Gruppenelements A, . . . auf den Satz der Wellenfunktionen gehört eine Ma-
trix A
, . . . , die die Wellenfunktionen untereinander transformiert. Dem Produkt zweier
Gruppenelemente entspricht ein Matrizenprodukt gemäß
BA → A
B
, (6.20)
6.4 Ähnlichkeitstransformationen und Reduktion der Matrizen 107

wobei man nur darauf achten muß, daß sich die Reihenfolge der entsprechenden Matri-
zen umkehrt. Der Inversen der Operation A, d. h. A−1 , entspricht die Inverse der Matrix
A
, d. h. A
−1 . Ferner entspricht natürlich der Identitätsoperation E die Einheitsmatrix
E
. Schließlich ist aus der Algebra bekannt, daß Matrizen das assoziative Gesetz erfül-
len, d. h. (A
B
)C
= A
(B
C
). Wir erkennen somit, daß sich alle Eigenschaften der
Operationen der ursprünglichen Gruppe A, B, C in den Eigenschaften der zugeordne-
ten Matrizen A
, B
, C
, . . . wiederfinden. Die Matrizen A
, B
, C
, . . . bilden selbst eine
Gruppe. Man bezeichnet die Gruppe der Matrizen A
, B
, C
, . . . als eine Darstellung
der (abstrakten) Gruppe mit den Elementen A, B, C, . . . .

6.4 Ähnlichkeitstransformationen und Reduktion der Matrizen


Wir erinnern uns an eine Erfahrung, die wir bei den Drehungen gemacht hatten. Wir ha-
ben gesehen, daß es eine reelle Darstellung gibt, bei der die Drehung eine Überführung
der p-Wellenfunktionen in eine Linearkombination bewirkt (vgl. 5.14) und eine kom-
plexe Darstellung, wo die Drehung lediglich die Multiplikation der jeweiligen Wellen-
funktion mit einem konstanten Faktor bewirkt (vgl. 5.19). Dies führt uns zu der allge-
meinen Frage, ob wir nicht auch im vorliegenden komplizierteren Fall eine Basis von
Wellenfunktionen finden können, so daß möglichst wenige Wellenfunktionen an einer
Transformation A beteiligt sind. Dies führt uns ein klein wenig in die Mathematik. Wie
der Leser sogleich sehen wird, wollen wir auf eine Ähnlichkeitstransformation hinaus.
Dazu denken wir uns eine Matrix C
= (ck j ), die eine Inverse besitzt und deren Indizes
k und j gerade über den Satz der Indizes der Wellenfunktionen 1, . . . , M laufen. Wir
führen einen Satz von neuen Wellenfunktionen χk gemäß

M
χk = (C
−1 )k j Ψ j (6.21)
j=1
ein. Die Umkehrung von (6.21) lautet natürlich

M
Ψj = C
jk χk . (6.22)
k=1
Wir wenden nun die Symmetrieoperation A auf χk an, was in elementarer Weise zu

M 
M 
M
Aχk = (C
−1 )kl AΨl = (C
−1 )kl alm Ψm (6.23)
l=1 l=1 m=1
führt. Hierin drücken wir auf der rechten Seite Ψm nochmals durch χk gemäß (6.22) aus

M 
M 
M

−1
Aχk = (C )kl alm cm j χ j . (6.24)
l=1 m=1 j=1
Eine Umordnung der Summen führt zu
M
M  
M

−1
Aχk = (C )kl alm cm j χ j . (6.25)
j=1 l=1 m=1
  
bk j
108 6. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein systematischer Zugang

Darin haben wir die Abkürzung bk j gemäß


M 
M
bk j = (C
−1 )kl alm cm j (6.26)
l=1 m=1

eingeführt. Der mit Matrizen vertraute Leser wird erkennen, daß auf der rechten Seite
nichts anderes als eine Multiplikation von Matrizen ausgeführt wird. Fassen wir näm-
Abb. 6.10. Typischer Aufbau
mit den Elementen bk j zusammen, so läßt sich (6.26) in die
lich bk j zu einer Matrix A
einer ausreduzierten Matrix.
Außerhalb der Kästchen stehen
Form
Nullen
= C
−1 A
C

A (6.27)

umschreiben. In der Sprache der Mathematik geht A


aus der Matrix A
durch eine Ähn-
lichkeitstransformation hervor. Hierbei bleibt die Gruppeneigenschaft erhalten, da sich
bei Ausmultiplizierung der Elemente (6.27) jeweils C
−1 C
heraushebt. Nun weiß man
aus der Mathematik, daß durch eine Ähnlichkeitstransformation eine Matrix A
in eine
einfachere Form gebracht werden kann, wobei nur in der Hauptdiagonale und deren an-
schließenden Seiten einzelne Kästchen gemäß Abb. 6.10 stehen. Diese Form wird als
Jordansche Normalform bezeichnet. Ergeben die Potenzen von A
immer wieder endli-
che Matrizen, ist also A
n , n → ∞, beschränkt, so läßt sich A
sogar auf Diagonalform
bringen. Man könnte somit glauben, daß wir immer annehmen dürfen, daß die Matrix
A
diagonal ist.
Leider tritt hier aber eine Schwierigkeit auf, wenn nämlich die allgemeine Zuord-
nung

A → C
−1 A
C
= A (6.28)

B → C
−1 B
C
= B
gilt. Dann können bei Gruppenelementen, die nicht vertauschen, Fälle eintreten, wo wir
C
nicht so wählen können, daß alle Matrizen A
, B

, . . . gleichzeitig diagonal werden.
Es gibt nun aber einen sehr wichtigen Zweig der Mathematik, nämlich die Dar-
stellungstheorie der Gruppen, in der gezeigt wird, daß eine Minimaldarstellung von
A
, B
, . . . mit Hilfe der Ähnlichkeitstransformation (6.28) erreicht werden kann. Was
bedeutet eine solche Darstellung? Sie bedeutet, daß man eine Basis der Wellenfunktio-
nen χk so wählen kann, daß bei Anwendung aller Symmetrieoperationen der Gruppe
nur ein bestimmter Teilsatz der χk in sich transformiert wird. Mit anderen Worten, die
Basis der χk zerfällt in einzelne Teile. Diese Teile haben natürlich im allgemeinen ein
viel einfacheres Transformationsverhalten als die ursprünglichen Ψ j . Und nun kommt
eigentlich die wunderbarste Erkenntnis aus der Verknüpfung von Quantentheorie und
Gruppentheorie. Unseren Überlegungen hatten wir ja eine Basis Ψ j bzw. χk zugrunde-
gelegt. Das Transformationsverhalten der χk hängt aber überhaupt nicht mehr von dem
konkreten quantenmechanischen Problem ab, sondern nur von der zugrundeliegenden
Symmetriegruppe.
Statt also die Wellenfunktionen direkt aus der Lösung von Schrödinger-Gleichungen,
die auch sehr kompliziert sein können, zu bestimmen, genügt es oft, in der Gruppen-
theorie nachzusehen, welches Transformationsverhalten die Basisvektoren in ihren Dar-
stellungen haben. Dieses Symmetrieverhalten können wir dann auch den gesuchten Wel-
lenfunktionen auferlegen, genauso wie wir das schon im Falle des Ethylens oder Ben-
zols getan haben (vgl. Kap. 5). Damals ließen sich ja bei einer Darstellung von ψ aus
6.5 Grundbegriffe der Darstellungstheorie der Gruppen 109

atomaren Wellenfunktionen die Koeffizienten eindeutig bestimmen. Dies wird im allge-


meinen Fall nicht immer so sein, aber auf jeden Fall läßt sich die Zahl der unbekannten
Koeffizienten durch die Gruppeneigenschaften drastisch reduzieren. Das Transformati-
onsverhalten von Basisfunktionen unter bestimmten Symmetriegruppen ist in der Lite-
ratur tabelliert. Dieses hier im einzelnen zu behandeln, würde bei weitem den Rahmen
dieses Buches sprengen; insbesondere wäre das auch nur eine lexikonartige Aufzählung,
mit deren Hilfe man keine großartigen physikalischen Einblicke erhält. Wir wollen des-
halb nur beispielhaft einige solche Symmetrieeigenschaften und deren Bezeichnungen
besprechen.

6.5 Grundbegriffe der Darstellungstheorie der Gruppen


6.5.1 Der Begriff der Klasse

Für unsere späteren Anwendungen eignen wir uns einige Grundbegriffe aus dieser Theo-
rie an. Die Zahl der Elemente einer Gruppe heißt die Ordnung der Gruppe und wird oft
mit dem Buchstaben h bezeichnet. So ist h = 4 für C2v und h = 6 für C3v . Zwei Ele-
mente A, B einer Gruppe heißen zueinander konjugiert, falls es ein Element C gibt, so
daß
B = C −1 AC (6.29)
gilt. Wenn wir die Gruppenoperationen durch Matrizen darstellen, so bedeutet (6.29)
nichts anderes als eine Ähnlichkeitstransformation. Deshalb spricht man auch bei ab-
strakten Gruppenbeziehungen bei (6.29) von einer Ähnlichkeitstransformation. Multi-
plizieren wir (6.29) von links mit C und von rechts mit C −1 , so erhalten wir
A = C BC −1 , (6.30)
was nichts anderes bedeutet, als daß die Beziehung des Konjungiertseins reziprok ist.
Unter einer Klasse verstehen wir einen vollständigen Satz von Elementen der Gruppe,
die zueinander konjungiert sind. Um nachzuprüfen, welche Operationen zur gleichen
Klasse gehören, muß man alle Ähnlichkeitstransformationen untersuchen. Betrachten
wir als Beispiel die Gruppe C3v , wählen E fest und gehen die Transformationen C
durch, so erhalten wir
E −1 E E = E , (6.31)
C3−1 EC3 =E (6.32)
und entsprechende Beziehungen, bei denen jedesmal auf der rechten Seite wieder E er-
scheint, da E multipliziert mit einem Element der Gruppe das Element der Gruppe er-
gibt. Aus diesen Beziehungen folgt aber, daß E eine Klasse für sich selbst ist. Greifen
wir als zweites Beispiel σv heraus und sehen nach, welche Elemente in der gleichen
Klasse wie σv sind. Dazu bilden wir
E −1 (σv E) = σv , (6.33)
was wegen der Eigenschaft von E sofort die rechte Seite ergibt. Um das nächste Beispiel
in der Gleichung
C3−1 σv C3 = C3−1 σv
= C32 σv
= σv

(6.34)
110 6. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein systematischer Zugang

zu verifizieren, ziehen wir die Gruppentafel der Gruppe C3v zu Hilfe (Tabelle 6.2) und
erhalten zunächst das an der zweiten Stelle stehende Resultat in den Gleichungen. Da
C33 = E ist, und wir die linke Seite als C3 C32 schreiben können, ergibt sich C3−1 = C32 .
Schließlich ziehen wir wieder die Gruppentafel zu Hilfe. Damit können wir das Resultat
der Gl. (6.34) nachvollziehen. In ganz ähnlicher Weise erhalten wir die Resultate
 −1  
C32 σv C32 = σv
, (6.35)
σv−1 (σv σv ) = σv , (6.36)
σv
−1 σv σv
= σv

, (6.37)
σv

−1 σv σv

= σv
. (6.38)
Offensichtlich gehören die Elemente σv , σv
und σv

in die gleiche Klasse. Gehen wir


anstelle von σv etwa von σv
aus, so können wir, indem wir C3 umkehren, zu σv gelan-
gen und von da aus zu dem anderen Klassenelement σv

. So überzeugt man sich leicht,


daß man aus der Klasse nicht herauskommt. In ganz ähnlicher Weise kann man zeigen,
daß C3 und C32 zur gleichen Klasse gehören. Als Ordnung einer Klasse bezeichnet man
die Zahl der Elemente. So gehören zu der Klasse σv , σv
, σv

in C3v drei Elemente, die


Ordnung ist also gleich 3, während die Ordnung der Klasse, zu der C3 , C32 gehören,
gleich 2 ist.

6.5.2 Charakter einer Darstellung

Ein zentrales Werkzeug in der Darstellungstheorie der Gruppen ist der „Charakter“. Wie
wir gesehen haben, können wir jedem Element der Gruppe eine Matrix zuordnen. Als
Charakter bezeichnet man die Spur, oder mit anderen Worten, die Summe der Diago-
nalelemente, die zu dieser entsprechenden Matrix gehört.
Bei der Matrix
⎛ ⎞
a11 a12 . . .
⎝a21 a22 . . . ⎠ (6.39)
. . . . . . akk
gilt also


k
Charakter = Spur = all . (6.40)
l=1

Abb. 6.11. N2 H2 Betrachten wir, wie man den Charakter einer Darstellung, die zunächst durchaus redu-
zibel sein kann, bestimmt. Als Beispiel diene das N2 H2 Molekül, das in seiner geome-
Tabelle 6.3. Gruppentafel
trischen Anordnung in Abb. 6.11 wiedergegeben ist. Man macht sich leicht klar, daß die
C2h E C2 σ i
Symmetrieoperationen der Gruppe C2h (vgl. Abschn. 6.2) dieses Molekül invariant las-
sen. Dies sind die folgenden Operationen (Abb. 6.12): Identitätsoperation E, Drehung
um 180◦ um eine Achse, die senkrecht zur Papierebene steht und durch den Schwer-
E E C2 σ i
C2 C2 E i σ
punkt des Moleküls geht, Spiegelung an der Ebene, die senkrecht zu dieser Achse steht
σ σ i E C2
und in der Atome des Moleküls liegen, und schließlich Inversion am Schwerpunkt des
i i σ C2 E
Moleküls, der zugleich Inversionszentrum ist. Die Gruppentafel ist in Tabelle 6.3 wie-
dergegeben.
6.5 Grundbegriffe der Darstellungstheorie der Gruppen 111

Abb. 6.12. Wirkung der Sym-


metrieoperationen σ, C2 , i auf
N2 H2 . Die Pfeile mit o und u
bezeichnen „oben“ und „unten“

Wir suchen nun eine spezielle Darstellung, indem wir die Längen der Verbindungs-
linien N/H in den jeweiligen Lagen betrachten und mit ∆R1 bzw. ∆R2 bezeichnen
(vgl. Abb. 6.13). Dieses Beispiel macht zugleich deutlich, daß die Objekte, auf die sich
die Symmetrieoperationen beziehen, nicht nur Wellenfunktionen (vgl. 6.1) sein können,
sondern z. B. auch geometrische Gebilde. Bei der Einheitsoperation E ändert sich nichts
am Molekül, so daß wir sofort die Darstellung
    
∆R1 10 ∆R1
E = (6.41)
∆R2 01 ∆R2
erhalten. Bei der Drehung um eine zur Buchebene senkrechten Achse durch den Mit-
telpunkt der beiden N-Atome, geht ∆R1 in ∆R2 und ∆R2 in ∆R1 über. Wir erhalten
somit
    
∆R1 01 ∆R1 Abb. 6.13. Abstände ∆R1 und
C2 = . (6.42) ∆R2 im N2 H2
∆R2 10 ∆R2
In ähnlicher Weise lautet das Resultat bei der Inversion Tabelle 6.4. Ganz links in
     der Spalte stehen die Sym-
∆R1 01 ∆R1 metrieoperationen, sodann die
i = . (6.43)
∆R2 10 ∆R2 jeweiligen Darstellungsmatrizen
und schließlich die zugehörigen
Schließlich geht das Molekül bei einer Spiegelung, die an der Ebene, die mit der Ebene Charaktere
dieser Buchseite übereinstimmt, stattfindet, in sich über. Somit erhalten wir
C2h Charakter
    
∆R1 10 ∆R1 
σh = . (6.44)
∆R2 01 ∆R2 1 0
E = 2
0 1
Die in ((6.41)–(6.44)) auftretenden Matrizen sind bereits die von uns gesuchten speziel- 
0 1
len Darstellungsmatrizen, zu denen wir auch sofort die Summe der Hauptdiagonale als C2 = 0
1 0
den Charakter jeweils angeben können. Wir erhalten so die Tabelle 6.4. 
Wie wir weiter unten zeigen werden, ist die Darstellung, die durch die Matrizen in 0 1
i = 0
Tabelle 6.4 gegeben ist, noch reduzibel. In der Mathematik gelingt es systematisch, die 1 0

irreduziblen Darstellungen aufzufinden und durch Charaktertafeln zu charakterisieren. 1 0
σh = 2
Hierbei zeigt es sich, daß zu dem jeweiligen Satz der Elemente einer Gruppe nicht nur 0 1
112 6. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein systematischer Zugang

Tabelle 6.5. Charaktertafel für C2h

C2h E C2 i σh

Vorläuf. Name
Γ1 1 1 1 1
Γ2 1 −1 1 −1
Γ3 1 1 −1 −1
Γ4 1 −1 −1 1

ein Satz von Darstellungsmatrizen gehört, sondern daß man die Gruppe in verschiede-
ner Weise, d. h. durch verschiedene Sätze von Darstellungsmatrizen, realisieren kann.
Diese verschiedenen Darstellungsmöglichkeiten unterscheidet man formal durch Buch-
staben Γ1 , Γ2 , usw. Wir erhalten so die folgende Charaktertafel (Tabelle 6.5):
In der linken oberen Ecke dieser Tafel steht die Symmetriegruppe, im vorliegenden
Fall also C2h . Rechts schließen sich dann in der gleichen Zeile die Symbole für die
Gruppenoperationen an, also die Einheitsoperation E, die Drehung um die zweizählige
C2 -Achse, die Inversion i und die Spiegelung an der horizontalen Ebene σh . In der näch-
sten Zeile stehen dann die Charaktere, die zu der Darstellung Γ1 , und zu den jeweiligen
Gruppenoperationen gehören. Genauso ist es dann mit den nächstfolgenden Zeilen für
Γ2 , . . . .
Wie groß ist nun die Zahl der irreduziblen Darstellungen einer Gruppe? Diese ist,
wie in der Mathematik gezeigt wird, gleich der Zahl der Klassen in dieser Gruppe. Grei-
fen wir eine irreduzible Darstellung heraus, so ist der Charakter für alle Operationen
der gleiche in der gleichen Klasse. Dies ist leicht verständlich, da sich die Elemente
der gleichen Klasse ja nur durch eine Ähnlichkeitstransformation unterscheiden. Bei ei-
ner Ähnlichkeitstransformation bleibt aber die Spur der Matrizen erhalten, d. h. aber die
Charaktere bleiben unverändert. Wie man bei der Gruppe C2h zeigen kann, bilden alle
4 Elemente je für sich eine Klasse. Es gibt also 4 Klassen, von denen jede nur ein ein-
zelnes Element enthält.
Betrachten wir noch ein weiteres Beispiel, nämlich die Charaktertafel für die Punkt-
gruppe C3v . Diese ist durch Tabelle 6.6 gegeben. Wie wir aber oben gesehen haben, bil-
den C3 und C32 eine Klasse für sich, ebenso σv , σv
, σv

. Dies bedeutet natürlich nach


dem eben über die Charaktere und Klassen Gesagten, daß die Charaktere von C32 für
alle Darstellungen Γ1 , Γ2 , Γ3 mit denen von C3 übereinstimmen, wie wir das aus der
Charaktertafel 6.6 entnehmen können. Das gleiche gilt auch für die σv , σv
, σv

. Insofern

Tabelle 6.6. Charaktertafel für C3v Tabelle 6.7. Charaktertafel für C3v

C3v E C3 C32 σv σv
σv

C3v E 2C3 3σv

Γ1 1 1 1 1 1 1 Γ1 1 1 1
Γ2 1 1 1 −1 −1 −1 Γ2 1 1 −1
Γ3 2 −1 −1 0 0 0 Γ3 2 −1 0
6.5 Grundbegriffe der Darstellungstheorie der Gruppen 113

enthält die Tafel 6.6 zu viel Information; man kann diese in der folgenden Gruppentafel,
Tabelle 6.7, kondensieren.
Hierbei zeigen die Zahlen 2 und 3 vor C3 bzw. σv an, wie viele Operationen es in
der jeweils gegebenen Klasse gibt. Wir bemerken noch, daß E und i immer jeweils eine
Klasse für sich bilden.
Wir lernen hier noch einen weiteren Begriff kennen, nämlich den der Dimension ei-
ner irreduziblen Darstellung. Diese ist gerade gleich der Dimension von irgendeiner ih-
rer Matrizen. Da der Charakter von E gerade die Zahl der Elemente in der Hauptdia-
gonale ist und damit auch gleich der Dimension der zugehörigen irreduziblen Darstel-
lung, ersehen wir, daß der Charakter von E gerade die Dimension der zugehörigen ir-
reduziblen Darstellung ist. In der Literatur wird zurückgehend auf Mulliken noch eine
etwas andere Schreibweise der Charaktertafel verwendet, die wir für die Gruppe C3v
wie folgt angeben.

Tabelle 6.8. Vollständige Charaktertafel für C3v

C3v E 2C3 3σv Operation

A1 1 1 1 z x 2 + y2 , z 2
A2 1 1 −1 Rz
E 2 −1 0 (x, y)(Rx , R y ) (x 2 − y2 , xy)(xz, yz)

Die erste Zeile beginnt mit C3v und die Bezeichnungen für die Gruppenoperation
sind uns geläufig, ebenso der unter diesen Gruppenoperationen stehende Block der Cha-
raktere. Neu sind die Bezeichnungen A1 , A2 , E für die irreduziblen Darstellungen. Da-
bei darf das hier auftretende E für die irreduzible Darstellung nicht mit dem in der
ersten Zeile auftretenden E für die Gruppenoperation verwechselt werden. Die Buch-
staben A und E beziehen sich auf bestimmtes Symmetrieverhalten, das wir gleich dis-
kutieren werden. Die dritte Spalte, die z, Rz enthält, zeigt an, welche Koordinaten (z)
oder (Rz ) das Symmetrieverhalten aufweisen, das in der gleichen Zeile durch A1 , . . .
gekennzeichnet ist. So macht man sich leicht klar, daß die z-Koordinate in einem karte-
sischen System bei den Operationen von A1 unverändert bleibt, also jeweils die Trans-
formationsmatrix sich auf den Faktor 1 reduziert, der dann zugleich identisch mit dem
Charakter der Darstellung der jeweiligen Symmetrieoperationen ist. In der letzten Zeile
dienen dann etwa x und y als eine Basis. In der letzten Spalte der Tabelle 6.8 werden
schließlich Basiselemente angegeben, die sich aus Quadraten oder quadratischen oder
bilinearen Ausdrücken aus x, y, z ergeben.

6.5.3 Die Bezeichnungen für irreduzible Darstellungen

Betrachten wir nun, was es mit dem Wechsel der Bezeichnungsweise von Γ zu A1 , A2 ,
usw. auf sich hat. Der Zweck ist, daß man durch die Bezeichnung der entsprechen-
den Darstellung bereits zum Ausdruck bringen möchte, ob die irreduzible Darstellung
ein- oder mehrdimensional ist und welche speziellen Symmetrieeigenschaften sie hat.
So beziehen sich die Buchstaben A und B auf eindimensionale irreduzible Darstellun-
gen, wobei in A die Darstellung symmetrisch bezüglich der Rotation um die höchst-
114 6. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein systematischer Zugang

Tabelle 6.9. Bezeichnungen für irreduzible Darstellungen

Dimension der Charaktere unter der Operation Symbole


Darstellung E Cn i σh C2 ∗ oder σv

1 1 1 A
1 −1 B
2 2 E
3 3 T
1 Ag Bg E g Tg
−1 Au Bu E u Tu
1 A
B

−1 A

1 A1 B1
−1 A2 B2

∗ C2 -Achse senkrecht zur Hauptachse

zählige Drehachse ist, B hingegen antisymmetrisch. Der Charakter der symmetrischen


Darstellung ist +1, der der antisymmetrischen −1. Die Buchstaben E und F (oder T )
bezeichnen zwei- bzw. dreidimensionale Darstellungen. Man hängt die Indizes g und u
an A und B an, wenn die Darstellung gerade (g), bzw. ungerade (u) bezüglich Inver-
sion ist. Ein Apostroph bzw. zwei Apostrophen werden angehängt bei symmetrischem
bzw. antisymmetrischem Verhalten bezüglich der horizontalen Spiegelebene. Bei A und
B werden die Indizes 1 und 2 zugefügt, wenn die entsprechende Darstellung symme-
trisch (1) bzw. antisymmetrisch (2) zur C-Achse ist, wobei die C2 -Achse senkrecht zur
Hauptachse steht, oder falls C2 nicht vorhanden ist, zu einer senkrechten Spiegelebene.
Die Indizes 1, 2 bei E und F sind kompliziert und sollen hier nicht diskutiert werden.
Die so eingeführten Bezeichnungen sind in der Tabelle 6.9 zusammengefaßt.
Um dem Leser ein Beispiel für das Auftreten der neuen Bezeichnungen Ag usw. zu
geben, führen wir noch die Charaktertafel der Gruppe C2h an (Tabelle 6.10):

Tabelle 6.10. Charaktertafel von C2h

C2h E C2 i σh

Ag 1 1 1 1 Rz x 2 , y2 , z 2 , xy
Bg 1 −1 1 −1 Rx , R y xz, yz
Au 1 1 −1 −1 z
Bu 1 −1 −1 1 x, y

6.5.4 Die Reduktion einer Darstellung

Eine wichtige Frage ist natürlich, wie wir eine reduzible Darstellung reduzieren können,
und wie wir wissen, welche irreduziblen Darstellungen in ihr stecken. Dazu helfen uns
6.5 Grundbegriffe der Darstellungstheorie der Gruppen 115

die Charaktere. Betrachten wir etwa die in Abb. 6.10 angegebene Matrix A, so können Tabelle 6.11. Zerlegung der
wir von dieser einerseits den Charakter angeben, indem wir die Summe aller Haupt- Charaktere einer reduziblen
Darstellung
diagonalelemente bilden. Andererseits besteht diese Matrix aber auch aus den Matrizen
der einzelnen irreduziblen Darstellungen, die selbst ihre Gruppencharaktere haben, und E C2 i σh
wir sehen sofort, daß der Charakter der reduziblen Darstellung gleich der Summe der
Charaktere der in ihr auftretenden irreduziblen Darstellungen ist. Dies gilt natürlich für
Ag 1 1 1 1
jedes Element der Gruppe, denen die Matrizen zugeordnet sind.
Bu 1 −1 −1 1
Betrachten wir die Charaktere, die in dem Beispiel der Symmetrieoperationen an-
hand der Längen ∆R1 , ∆R2 am N2 H2 -Molekül auftraten. Diese Charaktere sind ge- Summe
mäß Tabelle 6.4 durch 2, 0, 0, 2 gegeben. Die Frage ist, wie wir diese Charaktere aus Ag + Bu 2 0 0 2
den in der Tafel 6.5 angegebenen Charakteren der irreduziblen Darstellungen wiederfin-
den können. Dies bedeutet, daß für jede Gruppenoperation, E, C2 , i, σh eine passende
Summe aus den Charakteren der Darstellungen gefunden werden muß. So finden wir
Tabelle 6.11, d. h. gerade die gewünschte Kombination (2, 0, 0, 2).
Wie in der Gruppentheorie gezeigt wird, und was wir unten auch gleich nachvollzie-
hen werden, ist die Zerlegung eindeutig. Neben dem Ausprobieren, durch welche Kom-
binationen aus den einzelnen irreduziblen Darstellungen man die gegebene reduzierbare
Darstellung aufbauen kann, kann man aber auch systematisch vorgehen. Wie wir eben
schon sagten, ist für jede Gruppenoperation der Charakter ihrer (reduziblen) Darstellung
gleich der Summe der Charaktere der in ihr enthaltenen irreduziblen Darstellungen. Dies
kann durch die folgende Formel ausgedrückt werden:

χ(R) = n i χi (R) . (6.45)
i

Hierbei ist χ der Charakter der im allgemeinen reduziblen Darstellung, die zu der Grup-
penoperation R gehört, wobei R irgendeine der Symmetrieoperationen ist. Auf der rech-
ten Seite wird über die verschiedenen irreduziblen Darstellungen, die durch den Index i
unterschieden werden, auf summiert, wobei n i die Zahl der jeweils gleichen irreduziblen
Darstellungen ist, also die Zahl der jeweils gleichen Kästchen in der Matrix (Abb. 6.14).
Die Gl. (6.45) hat eine gewisse formale Ähnlichkeit mit Beziehungen etwa aus der
Quantenmechanik, wo ja eine beliebige Wellenfunktion ψ in eine Linearkombination
aus den Wellenfunktionen ψi zerlegt werden kann. In der Tat gilt auch hier eine Ortho-
gonalitätsrelation von der Form
1
χ j (R−1 )χi (R) = δij , (6.46)
h
R

wobei die Summation über alle Symmetrieoperationen R auszuführen ist. An die Stelle
der komplex konjugierten Wellenfunktion ψ ∗j in der Quantenmechanik ist jetzt χ j mit
dem Argument R−1 getreten. Bezüglich der Herleitung der Relation (6.46) verweisen
wir auf die Aufgaben am Schluß dieses Kapitels. In völliger Analogie zur Quantenme-
chanik können wir mit Hilfe von (6.45) und (6.46) herleiten, wie oft eine irreduzible
Darstellung i in der reduziblen Darstellung enthalten ist. Dazu multiplizieren wir (6.45)
mit χi (R−1 ) und summieren über die einzelnen Elemente der Gruppe auf. Wir erhalten
dann
Abb. 6.14. Beispiel für die Aus-
1
χi (R−1 )χ(R) .
reduktion einer Matrix mit zwei
ni = (6.47) gleichen irreduziblen Darstellun-
h
R gen
116 6. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein systematischer Zugang

Tabelle 6.12. Bedeutung der in (6.48) auftretenden Größen

ni : Anzahl, mit der die i-te irreduzible Darstellung in


der reduziblen Darstellung vorkommt
h: Ordnung der Gruppe
Q: Klasse der Gruppe
N: Zahl der Operationen in der Klasse Q
R: Gruppenoperation
χ(R): Charakter von R in der reduziblen Darstellung
χi (R): Charakter von R in der irreduziblen Darstellung

Wir haben oben gesehen, daß die Charaktere der irreduziblen Darstellungen gleich
sind, wenn diese zu den Elementen einer Gruppe gehören, die der gleichen Klasse ange-
hören. Aus diesem Grunde genügt es, wenn wir nicht über alle Elemente aufsummieren,
sondern nur über Elemente, die verschiedenen Klassen angehören, und dann angeben,
wie viele Elemente jeweils in der betreffenden Klasse sind. Wir kommen damit auf die
Formel
1
ni = Nχ(R)χi (R−1 ) . (6.48)
h
Q

Hierbei ist also die Summation über alle Klassen auszuführen. Die Bedeutung der ein-
zelnen Größen ist in der Tabelle 6.12 zusammengefaßt.
Betrachten wir nochmals das Beispiel der Gruppe C2h (Tabelle 6.10) und betrachten
wir die Darstellung Γ1 , die die Charaktere 2, 0, 0, 2 besitzt. Die Ordnung der Gruppe ist
h = 4. Durch Anwendung der Formel (6.48) erhalten wir die folgenden Beziehungen
 
1
n Ag = 1·2·1+1· 0 ·1+1·0·1+1· 2 ·1 =1 (6.49)
4 E C2 i σh

und
1
n Bg = {1 · 2 · 1 + 1 · 0 · (−1) + 1 · 0 · 1 + [1 · 2 · (−1)]} = 0 , (6.50)
4
die leicht nachzuvollziehen sind. In entsprechender Weise ergibt sich

n Au = 0 (6.51)
n Bu = 1 . (6.52)

Wir erhalten somit das Resultat, daß die Darstellung Γ1 in die Darstellungen Ag und
Bu zerlegt werden kann. Wir können aber noch einen wesentlichen Schritt weitergehen.
Letztlich ist unser Ziel ja, entweder Elektronenwellenfunktionen (oder Molekülschwin-
gungen) zu konstruieren, die einer irreduziblen Darstellung entsprechen. Das ist dann
der kleinste Satz von miteinander entarteten Funktionen, die also zur gleichen Energie
gehören.
6.7 Ein Beispiel: das H2 O-Molekül 117

6.6 Zusammenfassung
Die Methode, die wir in diesem Kapitel kennengelernt haben, läßt sich wie folgt zu-
sammenfassen:
Viele Moleküle weisen Symmetrien auf. Bei einer Symmetrieoperation geht das Mo-
lekül in sich über. Die Symmetrieoperationen bilden eine Gruppe, wobei das Produkt
zweier Operationen durch die Gruppentafel dargestellt wird. Wendet man die Symme-
trieoperationen auf einen Satz miteinander entarteter Wellenfunktionen an, so erfahren
diese eine lineare Transformation unter sich. Die Transformationskoeffizienten bilden
eine Matrix, und die Gruppe der Symmetrieoperationen kann durch Matrizen dargestellt
werden. Durch eine geeignete Wahl der Basis von Wellenfunktionen können die Matri-
zen auf eine einfachste Form gebracht werden: die Darstellung wird in ihre irreduziblen
Darstellungen zerlegt. Dabei sind die Charaktere (= Spur jeder Matrix) ein wichtiges
Hilfsmittel.
Wollen wir diese Methode auf die exakte oder zumeist genäherte Berechnung von
Elektronenwellenfunktionen eines bestimmten Moleküls anwenden, so genügt die fol-
gende Quintessenz: Es genügt, solche Wellenfunktionen zu berechnen, die jeweils zu
einer bestimmten irreduziblen Darstellung der Symmetrie-Gruppe des betreffenden Mo-
leküls gehören. Damit gelingt es z. B. bei der LCAO-Methode, die unbekannten Koef-
fizienten ganz zu bestimmen oder zumindest deren Zahl drastisch zu vermindern. Dies
werden wir am Beispiel des H2 O erläutern.

6.7 Ein Beispiel: das H2 O-Molekül


In diesem Abschnitt wollen wir die Einelektronenwellenfunktionen des H2 O-Moleküls
bestimmen. Wir verwenden dazu das Verfahren der Molekülorbitale, bei denen wir die
Orbitale ψ aus Atomwellenfunktionen ϕ j in Form einer Linearkombination darstellen

ψ= cjϕj . (6.53)
j

Die Koeffizienten c j sind dabei mit Hilfe eines Extremalprinzips, das wir schon in Ab-
schn. 5.3 kennengelernt haben, zu bestimmen, wobei wir den Leser an die Formel
 ∗
ψ HψdV
 = Extremal! (6.54)
ψ ∗ ψdV
erinnern. Setzen wir (6.53) in (6.54) ein und nehmen an, daß die Atomorbitale praktisch
aufeinander orthogonal sind, so erhalten wir das uns schon geläufige Resultat

(Hij − E α δij )c(α)
j = 0. (6.55)
j

Wie wir wissen, handelt es sich hier um einen Satz linearer homogener Gleichungen,
die nur dann lösbar sind, wenn die Determinante der Koeffizientenmatrix verschwindet.
Damit wird ein Satz von Eigenwerten, die identisch mit den Energiewerten E sind, und
den jeweils zugehörigen Wellenfunktionen festgelegt.
Wir knüpfen nun an den Grundgedanken von Abschn. 5.2 an, wo wir sahen, daß die
Koeffizienten c j ganz oder teilweise mit Hilfe von gruppentheoretischen Überlegungen
118 6. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein systematischer Zugang

Abb. 6.15. H2 O mit seinen


Symmetrieelementen

festgelegt werden können, ohne daß wir die im allgemeinen ja komplizierten Gln. (6.55)
zu lösen haben. Als konkretes Beispiel greifen wir das H2 O-Molekül heraus. Unser Ziel
ist es, die Molekülorbitale ψ so zu bestimmen, daß sie zu den irreduziblen Darstellun-
gen der Symmetrieoperationen des Moleküls, in unserem Falle des H2 O, gehören. Dazu
gehen wir in mehreren Schritten vor:
1) Wir bestimmen die Symmetriegruppe des Moleküls.
2) Wir treffen eine Auswahl der Atomorbitale, aus denen die Molekülorbitale gemäß
(6.53) aufgebaut werden sollen.
3) Die Atomorbitale sollen als Basis dienen, aus denen die Darstellung der Symmetrie-
gruppe erzeugt wird. Wie dies im einzelnen geht, werden wir unten explizit sehen.
4) Die so gewonnene Darstellung wird nun in irreduzible Darstellungen zerlegt. Damit
erhalten wir dann die möglichen Linearkombinationen der Atomorbitale, die zur Bil-
dung von Molekülorbitalen benützt werden können.
Das H2 O-Molekül ist in Abb. 6.15 dargestellt, wo auch die verschiedenen Symmetrie-
elemente eingezeichnet sind. Das Molekül können wir ersichtlich in ein kartesisches Ko-
ordinatensystem einbetten, so daß die H-Atome in die von der x- und z-Achse aufge-
spannte Ebene zu liegen kommen. Die xz-Ebene stellt eine Symmetrieebene dar, an der
die Spiegeloperation σv
ausgeführt werden kann. Die zur xz-Ebene senkrechte yz-Ebene
ist ebenfalls eine Symmetrieebene, an der die mit σv bezeichnete Spiegelung durchge-
führt wird. Daneben gibt es noch als Symmetrieelement die z-Achse, um die herum eine
zweizählige Drehung, die die H-Atome ineinander überführt, ausgeführt werden kann.
Insgesamt stellen diese Symmetrieoperationen die Symmetriegruppe C2v dar. Die Mul-
tiplikationstafel ist durch die Tabelle 6.13 dargestellt.
Aus dieser Multiplikationstafel lassen sich leicht die folgenden Eigenschaften her-
leiten: Die Gruppe ist eine kommutative Gruppe, d. h. für je 2 Elemente A, B gilt die
Multiplikationsregel AB = BA. Aus der Kommutativität folgt sofort, daß jedes Element
eine Klasse bildet, und da es 4 Elemente gibt, gibt es auch 4 Klassen. Diesen 4 Klas-
sen entsprechen 4 irreduzible, und zwar inäquivalente, Darstellungen. Dann ergibt sich,
daß jede irreduzible Darstellung eindimensional ist. Die in der Mathematik hergeleitete
zugehörige Charaktertafel ist durch Tabelle 6.14 wiedergegeben.
Wir müssen uns nun überlegen, welche Atomorbitale wir zugrundelegen. Da vor der
Bindung die Wasserstoffatome im Grundzustand sind und es einer sehr großen Anre-
gungsenergie bedürfte, um zum ersten angeregten Zustand mit der Hauptquantenzahl
n = 2 zu kommen, liegt es nahe, für die Wellenfunktionen, die von den Wasserstoff-
6.7 Ein Beispiel: das H2 O-Molekül 119

Tabelle 6.13. Gruppentafel von C2v Tabelle 6.14. Charaktertafel von C2v

C2v E C2 σv σv
C2v E C2 σv σv

E E C2 σv σv
A1 1 1 1 1 z x 2 , y2 , z
C2 C2 E σv
σv A2 1 1 −1 −1 Rz xy
σv σv σv
E C2 B1 1 −1 1 −1 x, R y xz
σv
σv
σv C2 E B2 1 −1 −1 1 y, Rx yz

atomen eingebracht werden, deren 1s-Orbitale zu verwenden. Beim Sauerstoffatom bil-


den die 1s-Funktionen eine abgeschlossene Schale, die für die Bindung praktisch nicht
in Frage kommt. Aus diesen Gründen nehmen wir die Wellenfunktionen der nächsten
Schale her, das sind das 2s-Orbital und die 2 p-Orbitale. Damit bieten sich für die Atom-
orbitale ϕ j die folgenden Wellenfunktionen als Basis an: s1 , s2 , 2s, 2 px , 2 p y , 2 pz (vgl.
Abb. 6.16). (Genauer müßten wir hier z. B. statt s1 schreiben: ϕs1 , etc.) An sich müßte
man nun die Zerlegung der Darstellungsmatrizen gemäß der Basis aus diesen sechs Wel-
lenfunktionen vornehmen. Wie sich aber bei der Rechnung ergibt, genügt es, die Wellen-
funktionen s1 und s2 , die von den beiden H-Atomen eingebracht werden, und die Wel-
lenfunktionen, die vom Sauerstoffatom stammen, nämlich 2s, 2 px , 2 p y , 2 pz getrennt zu
betrachten. Es läßt sich also zeigen, daß die Darstellungsmatrizen in zwei Teile mit den
entsprechenden Kästchen H und O (vgl. Abb. 6.17) zerfallen.

Abb. 6.16. Die Basiswellenfunk-


tionen für H2 O (schematisch),
obere Zeile: Die 1s-Funktionen
der beiden Wasserstoffatome
1, 2, mittlere und untere Zeile:
Die 2s- und 2 p-Funktionen des
Sauerstoffs
120 6. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein systematischer Zugang

Betrachten wir das Verhalten der Wellenfunktionen der H-Atome genauer. Diese
bilden also eine Basis s1 , s2 . Dabei handelt es sich, ganz so wie wir es schon beim
Wasserstoff-Molekülion gelernt haben, um zwei Funktionen, die um die Protonen herum
lokalisiert sind und ansonsten den s-Funktionen des Wasserstoffatoms entsprechen (vgl.
Abschn. 4.3). Wir sehen uns an, wie diese Wellenfunktionen unter den Symmetrieopera-
tionen transformiert werden. Zum Beispiel geht bei der Operation E die Wellenfunktion
Abb. 6.17. Darstellungsmatrix s1 in sich über und ebenso die Wellenfunktion s2 . Anders ist es z. B. bei einer Spie-
für die Basis 6.16. Die zu H gelung an der σv -Ebene, wo die beiden Wasserstoffatome ihre Plätze vertauschen und
bzw. O gehörigen Funktionen somit auch die beiden Wellenfunktionen s1 und s2 ineinander übergeführt werden. Füh-
werden unter sich transformiert
ren wir diesen Gedankengang auch für die anderen Symmetrieoperationen durch, so
erhalten wir rasch die Relationen
         
s 10 s1 s 01 s1
E 1 = C2 1 =
s2 01 s2 s2 10 s2
         
s 01 s1 s 10 s1
σv 1 = σv
1 = , (6.56)
s2 10 s2 s2 01 s2
aus denen also die Matrizen der reduziblen Darstellung sofort abgelesen werden kön-
nen. Bilden wir die jeweiligen Spuren der Matrizen, so erhalten wir die Charaktere, die
in Tabelle 6.15 angegeben sind.
Ähnlich wie im vorigen Abschnitt zerlegen wir die in (6.56) auftretenden reduziblen
Darstellungen in irreduzible, wobei wir in zweierlei Weise vorgehen können, nämlich
mit Hilfe der uns schon bekannten Formel (6.47), d. h.
1
ni = χ(R)χi (R−1 ) (6.57)
h
R
oder durch direkten Vergleich mit der Charaktertafel. Wir überlassen beides dem Leser
als Übungsaufgabe, da dieses im vorigen Abschnitt im Detail vorgeführt worden ist, und
geben hier nur das Resultat in Tabelle 6.16 an.
Damit ist klar, daß die reduzible Darstellung in (6.56) in die irreduziblen Darstel-
Tabelle 6.15. Die Charaktere der
lungen A1 und B2 zerfällt.
in (6.56) angegebenen Darstel- Wie kann man aber den Satz von Matrizen, die zu einer reduziblen Darstellung ge-
lung hören, explizit in einen Satz von Matrizen, die zur irreduziblen Darstellung gehören,
transformieren? Dazu erinnern wir uns daran, daß wir uns in Abschn. 6.4 überlegt ha-
C2v E C2 σv σv
ben, daß wir eine Matrix auf eine Art Diagonalform, bei der nur noch Kästchen auf-
treten, überführen können, indem wir eine Ähnlichkeitstransformation ausführen. Eine
2H(1s) 2 0 0 2 Ähnlichkeitstransformation bedeutet aber nichts anderes, als daß wir zu einer neuen Ba-
sis übergehen. Der Übergang von der Basis der reduziblen zur Basis der irreduziblen
Tabelle 6.16. Charaktere von Darstellungen ist natürlich eine im allgemeinen komplizierte Aufgabe. Glücklicherweise
A1 und B2 und deren Summe, gibt es aber hier eine ganz allgemeine Formel, wie man eine irreduzible Darstellung aus
die jeweils die Charaktere von einer gegebenen Basis erzeugt. Dazu benutzt man einen sogenannten Projektionsopera-
2H(1s) ergeben tor Pi . Dieser projiziert, anschaulich gesprochen, die Basis der reduziblen Darstellung
auf eine Basis der irreduziblen Darstellung. Die Herleitung dieser folgenden wichtigen
C2v E C2 σv σv

Formel behandeln wir in einer Aufgabe am Schluß dieses Kapitels und der zugehöri-
gen Lösung. Hier geben wir sie nur an und erläutern ihre Wirkungsweise dann an einem
A1 1 1 1 1
Beispiel. Die Formel lautet
B2 1 −1 −1 1
2H(1s) = 2 1
0 0 2
Pi = χi (R−1 ) R̂ . (6.58)
A1 + B2 h
R
6.7 Ein Beispiel: das H2 O-Molekül 121

Hierbei ist P i der  Projektionsoperator, der also die ursprüngliche Basis, nämlich in un-
s
serem Falle 1 , auf eine neue Basis projiziert, die zur irreduziblen Darstellung, die
s2
mit dem Index i bezeichnet wird, gehört. Wie dies „funktioniert“, werden wir sogleich
sehen, h ist wieder die Ordnung der Gruppe, R sind die Gruppenoperationen, χi ist der
Charakter, der zu der Darstellung i der Gruppenoperation R−1 gehört. R̂ ist die im allge-
meinen reduzible Darstellungsmatrix, die zu der Gruppenoperation R gehört. Betrachten
wir zunächst die irreduzible Darstellung, A1 . Der Index i in (6.58) bedeutet also „Dar-
stellung A1 “. Setzen wir für R die Operationen E, C2 , σv und σv
ein, benutzen die Cha-
raktere gemäß der Tafel 6.14, und bezeichnen die zu E, C2 , σv , σv
gehörigen Matrizen
mit Ê, Cˆ2 , σ̂v , σ̂v
so erhalten wir
1' (
PA 1 = 1 · Ê + 1 · Ĉ2 + 1 · σ̂v + 1 · σ̂v
. (6.59)
4
Setzen wir hierin gemäß (6.56) die Matrizen ein, so ergibt sich,
        
1 10 01 01 10
PA 1 = 1· +1· +1· +1· (6.60)
4 01 10 10 01

d. h.
 
1 11
PA 1 = . (6.61)
2 11
Entsprechend erhalten wir für die irreduzible Darstellung B2 das Resultat
! 1 
1
ˆ 1 −1
PB2 = Ê − C2 − σ̂v + σ̂v
= . (6.62)
4 2 −1 1
Was bedeutet das Resultat
 (6.61)
 bzw. (6.62) für die Basis? Dazu wenden wir PA1 auf
s1
die ursprüngliche Basis an. Wir erhalten dann das Resultat
s2
      
s1 1 11 s1 1 s1 + s2
PA 1 = = . (6.63)
s2 2 11 s2 2 s1 + s2
Wir erhalten, von welcher Wellenfunktion wir auch ausgehen, d. h. von s1 oder s2 , im-
mer die Projektion auf eine bestimmte neue Linearkombination, nämlich s1 +s2 . Wenden
wir hingegen PB2 an, so wird das Pluszeichen in (6.63) durch ein Minuszeichen ersetzt:
      
s1 1 1 −1 s1 1 s1 − s2
PB2 = = . (6.64)
s2 2 −1 1 s2 2 −s1 + s2
Hieraus lesen wir ab, daß die Basiswellenfunktionen für die irreduziblen Darstellungen
A1 und B2 durch
1
A1 : ψ1 = (s1 + s2 )
2
1
B2 : ψ2 = (s1 − s2 ) (6.65)
2
122 6. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein systematischer Zugang

gegeben sind. Wie man ferner feststellt, ergeben die Projektionsoperatoren, die zu A2
oder B1 gehören, Null, d. h. (6.65) sind die eigentlichen Basisfunktionen für die irredu-
ziblen Darstellungen, die zu der Gruppe C2v gehören und aus s1 , s2 hervorgehen. Das
Ergebnis (6.65) ist natürlich für uns überhaupt nicht neu und überraschend. Erinnern
wir uns an das Wasserstoff-Molekülion, bei dem ja ganz ähnliche Symmetrieverhältnisse
herrschten, so hatten wir auch da die zwei Wellenfunktionen gefunden, nämlich symme-
trisch und antisymmetrisch; dort allerdings nicht unter Verwendung der Gruppentheorie,
sondern durch direkte Lösung der Gleichungen für die Koeffizienten.
Wenden wir uns dem etwas komplizierteren Falle der Basiswellenfunktionen beim
Sauerstoffatom zu. Die Basis besteht hier, wie erinnerlich, aus 2s, 2 px , 2 p y , 2 pz . Wir
haben so zunächst eine 4-dimensionale reduzible Darstellung vor uns. Betrachten wir die
Auswirkung der Symmetrieoperationen im einzelnen. Hierbei gehen wir wieder davon
aus, daß das Sauerstoffatom im Ursprung des kartesischen Koordinatensystems liegt.
Die Anwendung der Einheitsoperation E ergibt natürlich die Einheitsmatrix. Bei der An-
wendung der Drehung um die z-Achse um 180◦ , müssen wir berücksichtigen, daß px
und p y bei einer solchen Drehung ihr Vorzeichen ändern, während die s-Funktion und
die pz -Funktion bei einer solchen Drehung nicht verändert werden. Bei einer Spiege-
lung an der σv -Ebene ändert lediglich px das Vorzeichen, während bei der Spiegelung
an der σv
-Ebene p y sein Vorzeichen ändert, alle anderen Funktionen hingegen unver-
ändert bleiben. Die Darstellungsmatrizen lassen sich somit sofort niederschreiben. Wir
fassen dies in den Formeln (6.66) zusammen.
⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞
2s 1000 2s
⎜2 p ⎟ ⎜0 1 0 0⎟ ⎜2 px ⎟
E ⎝ x⎠ = ⎝
2 py 0 0 1 0⎠ ⎝2 p y ⎠
2 pz 0001 2 pz
⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞
2s 1 0 00 2s
⎜2 p ⎟ ⎜0 −1 0 0⎟ ⎜2 px ⎟
C2 ⎝ x ⎠ = ⎝
2 py 0 0 −1 0⎠ ⎝2 p y ⎠
2 pz 0 0 01 2 pz
⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞
2s 1 000 2s
⎜2 p ⎟ ⎜0 −1 0 0⎟ ⎜2 px ⎟
σv ⎝ x ⎠ = ⎝
2 py 0 0 1 0⎠ ⎝2 p y ⎠
2 pz 0 001 2 pz
⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞
2s 10 00 2s
⎜2 p ⎟ ⎜0 1 0 0⎟ ⎜2 px ⎟
σv
⎝ x ⎠ = ⎝
0 0 −1 0⎠ ⎝2 p y ⎠
(6.66)
2 py
2 pz 00 01 2 pz

Es ist nun wieder ein leichtes, die Charaktertafel der in (6.66) wiedergegebenen re-
duziblen Darstellungen aufzustellen und zum Beispiel durch Probieren zu versuchen, die
irreduziblen Darstellungen, die in dieser reduziblen Darstellung enthalten sind, ausfindig
zu machen. Oder wir können, wie schon früher, die Formel (6.57) anwenden, was wir
hier dem Leser wieder als Übungsaufgabe überlassen können. Als Resultat ergibt sich,
daß die Darstellung (6.66) in die Darstellungen 2A1 + B1 + B2 zerlegt werden kann.
Durch Anwendung des Projektionsoperators (6.58) können wir auch die Basis angeben,
6.7 Ein Beispiel: das H2 O-Molekül 123

die jeweils zu den irreduziblen Darstellungen gehört. Wir erhalten dann das folgende Tabelle 6.17. Basisfunktionen
für die irreduziblen Darstellun-
Schema: gen
A1 : 2s, 2 pz
O-OrbitaleH-Orbitale
A2 : −
B1 : 2 p y A1 2s, 2 pz ψ1 = 12 (s1 + s2 )
B2 : 2 px . (6.67) A2
B1 2 py
Der leergebliebene Platz bei A2 zeigt, daß es keine Wellenfunktion gibt, die sich aus B2 2 px ψ2 = 12 (s1 − s2 )
der ursprünglichen Basis aufbauen läßt, und die sich gemäß den Symmetrieoperationen
in der Darstellung A2 verhält.
Fassen wir unsere Resultate bezüglich der neuen Basisfunktionen der Molekülorbi-
tale sowohl beim Sauerstoff als auch beim Wasserstoff zusammen, so finden wir die
nebenstehende Tabelle 6.17.
Aus den 6 ursprünglichen Atomorbitalen ist eine Basis von 6 neuen Molekülorbita-
len entstanden.
Was leistet nun die Gruppentheorie und was nicht? In Tabelle 6.17 haben wir solche
Wellenfunktionen zusammengestellt, die jeweils das gleiche Symmetrieverhalten haben.
So hat bei der irreduziblen Darstellung B1 nur die Wellenfunktion, die zum Zustand 2 p y Abb. 6.18. Die zur Darstellung
gehört, das entsprechende Symmetrieverhalten (Abb. 6.18). Im Falle der irreduziblen B1 gehörende 2 p y -Funktion des
Darstellung B2 haben dagegen die beiden Wellenfunktionen 2 px und ψ2 das gleiche Sauerstoffs
Symmetrieverhalten (Abb. 6.19). Der Vorteil besteht nun darin, daß wir bei der Auswahl
der Wellenfunktionen, die jetzt als Basis in der Formel (6.53) einzusetzen sind, nur die-
jenigen zu berücksichtigen brauchen, die zur gleichen irreduziblen Darstellung gehören;
d. h. im Falle von B1 reduziert sich das gesamte Molekülorbital ψ auf die Wellenfunk-
tion, die vom Sauerstoff im 2 p y -Zustand herrührt, d. h. ψ = ϕ2 p y . Es handelt sich hier
ganz ersichtlich um ein nichtbindendes Molekülorbital. Im Falle der Darstellung B2
müssen wir aber immer noch eine Linearkombination aus den beiden Wellenfunktionen
2 px und ψ2 in Betracht ziehen; d. h. ψ = c1 (2 px )+c2 ψ2 . Setzen wir diese Wellenfunk-
tion in das Extremalprinzip (6.54) ein, so ergeben sich 2 Gleichungen für die unbekann-

Abb. 6.19. Die zur Darstellung


B2 gehörende Funktion 2 px
des Sauerstoffs bildet zusam-
men mit dem ψ2 -Zustand der
Wasserstoffe einen bindenden
Zustand. (Bzgl. des lockernden
Zustands vgl. Abb. 6.21.)
124 6. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein systematischer Zugang

Abb. 6.20. Die zur Darstellung


A1 gehörenden Funktionen
des Sauerstoffs (oben) und
der Wasserstoffe (unten links)
ergeben im Falle der Bindung
die unten rechts gezeigte Wel-
lenfunktion. Die Funktion 2 pz
spielt dabei keine große Rolle.
(Bzgl. des lockernden Zustands
vgl. Abb. 6.21. Da die Wellen-
funktion 2 pz wenig Einfluß hat,
ist sie dort nicht aufgeführt)

Abb. 6.21. Übersicht über


die sich ergebenden H2 O
Wellenfunktionen. Ihre Anord-
nung entspricht dem Energie-
Diagramm 6.22
Aufgaben 125

Abb. 6.22. Energieschema des


H2 O

ten Koeffizienten c1 und c2 . Die Nullsetzung der Koeffizientendeterminante liefert zwei


Energiewerte. Hierbei ist ein Zustand bindend, der andere antibindend. Für die irreduzi-
ble Darstellung A2 haben wir hier keine Realisierungsmöglichkeit, während bei A1 uns
gleich drei Wellenfunktionen zur Verfügung stehen (Abb. 6.20). Die Wellenfunktion
für das Molekülorbital hat daher die Form ψ = c1 (2s) + c2 (2 px ) + c3 ψ1 . In diesem
Falle gibt es dann nach Auflösung der Säkulargleichung drei Wellenfunktionen mit drei
Energiewerten. Das Resultat ist in Abb. 6.20 für den bindenden Zustand dargestellt.
Eine schematische Übersicht über alle sich ergebenden Wellenfunktionen gibt
Abb. 6.21. Ein qualitatives Energieschema, wie man es durch Lösung der Säkular-
determinante bekommt, ist in Abb. 6.22 wiedergegeben. Beginnen wir mit den tiefsten
Energiewerten: Ersichtlich gibt es zwei bindende Orbitale (Symmetrien A1 , B2 ), die mit
insgesamt vier Elektronen besetzt werden. Dann gibt es (in der Mitte des Diagramms)
zwei nichtbindende Zustände (Symmetrie A1 , B1 ), die mit ebenfalls vier Elektronen
besetzt sind; diese rühren von den Zuständen 2 px , 2 p y des Sauerstoffs her. Schließlich
gibt es noch die lockernden Zustände (Symmetrie B2 , A1 ), die unbesetzt bleiben. Wir
überlassen es dem Leser als Übungsaufgabe, entsprechend die Wellenfunktionen des
Ammoniaks aufzustellen.

Aufgaben
6.1 a) Welche Symmetrie-Operationen lassen
1) ein gleichseitiges Dreieck,
2) ein Quadrat,
3) drei kolineare äquidistante Punkte (∼ Gerade)
invariant? Betrachten Sie hier alle Objekte zweidimensional. Unter der Voraussetzung,
daß die Schwerpunkte von Quadrat und Dreieck (Gerade) zusammenfallen, bestimme
man die Orientierung vom Dreieck (Gerade) relativ zum Quadrat, bei der die Zahl ge-
meinsamer Symmetrie-Operationen maximal ist.
b) In allen unter (a) genannten Fällen zeige man, daß die Symmetrie-Operationen
jeweils eine Gruppe bilden.
c) Die Eckpunkte bzw. die Punkte auf der Geraden stellen Atome dar, zwi-
schen denen Wechselwirkungspotentiale V jk herrschen, die invariant gegenüber obigen
Symmetrie-Operationen sein sollen.
126 6. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein systematischer Zugang

Wie groß ist jeweils abhängig von der Lage des Dreiecks (der Geraden) im  Quadrat
die Minimalzahl verschiedener V jk , durch die sich das Gesamtpotential V := jk V jk
ausdrücken läßt?
d) Wie lauten die Bedingungen für energetisch ausgezeichnete Lagen? Bestimmen
Sie dazu die Gesamtpotentiale V in den vier Fällen maximaler Symmetrie explizit und
vergleichen Sie die Ergebnisse numerisch für V jk ∝ exp(−αr jk ) sowie V jk ∝ r2jk . Die
auftretenden Parameter (α und die Bindungslängen in den drei Objekten) sollen geeignet
gewählt werden. Bei welcher Anordnung wird die potentielle Energie minimal?

6.2 Beweisen Sie die Orthogonalitätsrelation für Charaktere (6.46):


Hinweis: Wir gehen aus von dem folgenden Satz (basierend auf Schurs Lemma).
I) Sind R → U(R), R → V(R) zwei inäquivalente irreduzible Darstellungen einer
Gruppe, so kann die Gleichung
U(R)A = AV(R) (1)
durch keine von R unabhängige Matrix A erfüllt werden, außer durch A = 0.
II) Eine Matrix A, die unabhängig von R ist und welche die Gleichung
U(R)A = AU(R) (2)
erfüllt, ist notwendigerweise ein Vielfaches der Einheitsmatrix.
II) kann auch so formuliert werden: Vertauscht A mit allen Matrixen einer irredu-
ziblen Darstellung, so ist A notwendigerweise ein Vielfaches der Einheitsmatrix.
Wir geben noch einige Zwischenschritte an: Seien R → U(R), g-dimensional,
R → V(R), g
-dimensional, zwei inäquivalente, irreduzible Darstellungen der endli-
chen Gruppe. Wir drücken die Matrizen U, V durch ihre Elemente aus:
U(R) = u ik (R) , (3)
V(R) = vlm (R) (4)
und schreiben
V −1 (R) = v̂lm (R) . (5)
Sei C eine beliebige Matrix mit g Zeilen und g
Spalten. Wir bilden

U(R)CV −1 (R) = A , (6)
R

wobei über alle Elemente R der Gruppe summiert wird. Dann bleibt A unter der fol-
genden Transformation unverändert:

U(R0 )AV −1 (R0 ) = A , (7)


wobei R0 ein beliebiges Element der Gruppe ist. Beweis?
Aus I) des allgemeinen Theorems folgt das wichtige Zwischenergebnis, daß die Ma-
trix A = 0, d. h.

u ik (R)ckl v̂lm (R) = 0 . (8)
R kl
Aufgaben 127

Was folgt hieraus, wenn ckl willkürlich gewählt wird (z. B. nur ein ckl = 0)? In ähnlicher
Weise verfahren wir mit Teil II des Theorems und erhalten so das erste Hauptresultat:
&
1 1
für i = m, k = l
u ik (R)û lm (R) = g (9)
h 0 sonst
R

für jede irreduzible Darstellung R → U(R) und


1
u ik (R)v̂lm (R) = 0 (10)
h
R

für zwei beliebige irreduzible Darstellungen R → U(R), R → V(R). Mit Hilfe der
Definition der Charaktere

u ii (R) = χ(R) (11)
i

und

û ll (R) = χ̂(R) (12)
l

bzw.

v̂ll (R) = χ̂
(R) (13)
l

erhalten wir
1
χ(R)χ̂(R) = 1 . (14)
h
R

Für irgendzwei inäquivalente irreduzible Darstellungen gilt entsprechend


1
χ(R)χ̂
(R) = 0 . (15)
h
R

Den Ausdrücken χ̂(R) bzw. χ̂


(R) kann noch eine andere Form gegeben werden. Sind
die Darstellungsmatrizen unitär, so gilt û lm = u ∗ml und es folgt χ̂ = χ ∗ , wobei der Stern
die konjugiert komplexe Größe bezeichnet. Ferner gilt U −1 (R) = U(R−1 ) und damit
û lm = u lm (R−1 ) . (16)
Somit folgt auch
χ̂(R) = χ(R−1 ) . (17)
Unterscheiden wir die irreduziblen Darstellungen durch Indizes i, j, so können wir die
Gleichungen (14), (15) zu einer einzigen Orthogonalitätsrelation zusammenfassen. Wie
lautet diese?

6.3 Als Vorbereitung zur Aufgabe 6.4 behandeln wir den Begriff des Projektionsope-
rators. Wir benutzen dabei Diracs bra- und ket-Schreibweise (vgl. Band I). Ein Vektor-
raum sei durch die Vektoren |k, m, k = 1, . . . , K , m = 1, . . . , M K „aufgespannt“, d. h.
128 6. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein systematischer Zugang

jeder beliebige Vektor |v in diesem Raum läßt sich als Linearkombination von |k, m
wiedergeben. Die |k, m seien orthonormiert im folgenden Sinne
km|ln = δkl δmn , (18)
wobei die δ’s die Kroneckersymbole sind. Zeigen Sie, daß

|kmkm| (19)
m
ein Projektionsoperator ist, der auf den Unterraum k, der von den Vektoren |km, k fest,
aufgespannt wird.
Veranschaulichen Sie sich diesen Sachverhalt, indem Sie |km mit den Vektoren vk,m
eines euklidschen Raumes identifizieren.
Hinweis: Stellen Sie |v als Linearkombination von |k, m dar und benutzen Sie (18)
und (19).
6.4 Beweisen Sie, daß der Projektionsoperator (6.58) die dort behauptete Eigenschaft
hat
1
Pj = χ̂ j (R) R̂ , (20)
h
R

wobei χ̂ j (R) = χ j (R−1 ). Für R̂ kann dabei die Matrixdarstellung des Symmetrieope-
rators R mit Hilfe einer beliebigen, aber vorgegebenen Basis benutzt werden.
Hinweis: Führen Sie neue Basisvektoren |k, m ein, in denen die Matrixdarstellung voll-
ständig ausreduziert ist (Kästchendarstellung von Abb. 6.14, und k die Nummer des
Kästchens und m der Index der Basisvektoren in diesem Kästchen). Setzen Sie nun den
Einheitsoperator

I= |k, mk, m| (21)
k,m

im Projektionsoperator vor und hinter R̂ ein und benutzen die Form der ausreduzierten
Matrix von R̂. Benutzen Sie χ̂ j (R) in der Form

χ̂ j (R) = δµν û µν
j
(22)
µν

und die Beziehung (1) von Aufgabe 6.2 sowie


k, m|R|l, n = δkl u kmn . (23)
Das Endresultat lautet
1 1
Pj = | j, n j, n| = I j . (24)
g n g
Warum zeigt dieses Resultat die behauptete Eigenschaft von P j ?
Beachten Sie auch weitere Schlußfolgerungen am Ende der Lösung am Schluß des
Buches!
6.5 Zeigen Sie mit Hilfe der Formel (6.57), daß die Darstellung (6.66) in die Darstel-
lungen 2A1 + B1 + B2 zerlegt werden kann. Leiten Sie mit Hilfe von (6.58) die Basis
her, die jeweils zu den irreduziblen Darstellungen gehört.
7. Das Mehrelektronenproblem
der Molekülphysik und Quantenchemie

In diesem Kapitel lernen wir mehrere Ansätze zur Behandlung des Mehrelektronenpro-
blems der Molekülphysik und Quantenchemie kennen. Hierzu gehört der Ansatz der
Slater-Determinante und die daraus resultierenden Hartree-Fock-Gleichungen, die wir
sowohl für abgeschlossene als auch offene Schalen diskutieren werden. Ein wichtiges
Konzept ist die Korrelationsenergie zwischen Elektronen, zu deren Behandlung allge-
meine Ansätze vorgestellt werden.

7.1 Problemstellung und Übersicht


7.1.1 Hamilton-Operator und Schrödinger-Gleichung

In diesem Kapitel knüpfen wir an die früheren Kap. 4 und 5 an, in denen wir anhand
einfacher Moleküle bereits wichtige Lösungsansätze kennengelernt haben. Wir befas-
sen uns nun mit Ansätzen für die Elektronenwellenfunktionen eines beliebigen, auch
komplexen, Moleküls. Hierbei sollen sich N Elektronen mit den Koordinaten r j , j =
1, . . . , N, im Coulombfeld der M Kerne mit den Koordinaten RK , K = 1, . . . , M, und
den Kernladungszahlen Z K bewegen und untereinander durch die Coulombsche Wech-
selwirkung gekoppelt sein. Die Kerne denken wir uns an ihren Gleichgewichtslagen RK ,
die sie in dem betrachteten Molekül einnehmen, festgehalten. Für das Elektron mit der
Koordinate r j ergibt sich somit ein Gesamtpotential

V(r j ) = VK (r j ) , (7.1)
K

wobei die einzelnen Bestandteile aus der Coulombschen Wechselwirkungsenergie zwi-


schen dem Elektron j und dem Kern K bestehen
Z K e2
VK (r j ) = − . (7.2)
4πε0 |RK − r j |
Der Hamilton-Operator für das Elektron mit dem Index j besteht dann aus dem Ope-
rator der kinetischen und dem der potentiellen Energie, so daß wir
h2
H(r j ) ≡ H( j) = − ∆ j + V(r j ) (7.3)
2m 0
erhalten. (Bei einer genaueren Behandlung müßte man auch z. B. Spin-Bahn-Wechsel-
wirkungen berücksichtigen, die wir aber hier außer acht lassen wollen.) Zwischen dem
Elektron mit dem Index j und einem mit dem Index l besteht weiterhin die Coulomb-
sche Wechselwirkung, deren potentielle Energie durch
130 7. Das Mehrelektronenproblem der Molekülphysik und Quantenchemie

e2
W jl = (7.4)
4πε0 |r j − rl |
dargestellt ist. Die Wechselwirkungsenergie aller Elektronen läßt sich dann durch
1 e2
HWW = (7.5)
2 4πε0 |r j − rl |
j =l

darstellen. Dabei sorgt der Faktor (1/2) dafür, daß die Coulombsche Wechselwirkungs-
energie zwischen einem Paar von Elektronen nicht doppelt gezählt wird, weil die Indi-
zes j und l unabhängig voneinander laufen dürfen mit der einzigen Maßgabe, daß das
Elektron nicht auf sich selbst wirkt, d. h. j = l.
Nach diesen Vorbereitungen können wir den Hamilton-Operator des Gesamtsystems
in der Form

N
H= H( j) + HWW (7.6)
j=1

angeben. Die Schrödinger-Gleichung lautet


HΨ(r1 , . . . , rN ) = EΨ(r1 , . . . , rN ) , (7.7)
wobei die Wellenfunktion Ψ von allen Elektronenkoordinaten abhängt. Obwohl der
Hamilton-Operator H den Spin der Elektronen nicht explizit enthält, ist es dennoch
wichtig, die Wellenfunktion Ψ auch von den Spins abhängen zu lassen, damit wir das
Pauli-Prinzip in angemessener Weise berücksichtigen können, wie wir das schon in Ab-
schn. 4.4 gesehen haben. Während es im Prinzip möglich ist, die Schrödinger-Gleichung
für ein einzelnes Elektron, die zu dem Hamilton-Operator (7.3) gehört, durch geeig-
nete Näherungsverfahren oder numerisch zu lösen, stellt sich bei der Lösung des durch
(7.6) und (7.7) gekennzeichneten Mehrelektronenproblems eine erhebliche Schwierig-
keit in den Weg, da die Elektronen untereinander noch eine Wechselwirkung aufweisen.
Selbst bei nur 2 Elektronen, die sich in einem vorgegebenen Potentialfeld (7.1) bewe-
gen, konnte das Problem nicht exakt behandelt werden. Wir müssen uns daher nach
geeigneten Näherungsansätzen, die auch durch die physikalische Intuition unterstützt
werden, umsehen.

7.1.2 Slater-Determinante und Energie-Erwartungswerte


Ein solcher Näherungsansatz bietet sich in Form der Slater-Determinante, die wir schon
in Abschn. 4.4 kennengelernt hatten. Für jedes einzelne Elektron stehen Wellenfunk-
tionen ψ zur Verfügung, die wir durch Quantenzahlen, die wir allgemein q nennen
wollen, unterscheiden. Daneben kann ein Elektron entweder in einem Spin-nach-oben-
Zustand α, oder in einem Spin-nach-unten-Zustand β sitzen. Dem Elektron mit dem In-
dex j stehen also Zustände der Form
ψq (r j )α( j) (7.8)
oder
ψq (r j )β( j) (7.9)
7.1 Problemstellung und Übersicht 131

zur Verfügung. Für das Folgende ist es zweckmäßig, eine einheitliche Bezeichnung für
die Wellenfunktion mit Spin nach oben und Spin nach unten einzuführen. Wir nennen
diese sm und vereinbaren die Relation
s1/2 = α
s−1/2 = β . (7.10)
Der Index m = 1/2 bedeutet ersichtlich Spin nach oben, der Index m = −1/2 Spin
nach unten. Damit lassen sich (7.8) und (7.9) in der Form
χk ( j) = ψq (r j )sm ( j) (7.11)
zusammenfassen. Die hier stehende rechte Seite der Gl. (7.11) haben wir mit der Wel-
lenfunktion χk ( j) abgekürzt. k ist dabei eine Quantenzahl, die die Quantenzahlen
k = (q, m) (7.12)
umfaßt.
Um die Bezeichnungsweise unseres Vorgehens nicht zu sehr zu überladen, wollen
wir vereinbaren, daß der Index k die Werte 1, . . . , N annehmen darf. Dies genügt völ-
lig zur Unterscheidung der verschiedenen Quantenzustände und kann durch eine geeig-
nete Umnumerierung zu (7.12) in Verbindung gesetzt werden, wobei wir uns aber mit
dieser rein formalen Zuordnung nicht näher befassen wollen. Mit Hilfe der Wellenfunk-
tionen χk läßt sich die Slater-Determinante in der einfachen Form
 
 χ1 (1) . . . χ N (1) 
 
1  χ1 (2) . . . χ N (2) 
Ψ = √  ..  (7.13)
N!  . 
χ (N) . . . χ (N)
1 N

schreiben. Wie wir früher schon in einzelnen Beispielen in Abschn. 4.4 gesehen haben,
berücksichtigt die Slater-Determinante die Coulombsche Wechselwirkung der Elektro-
nen untereinander in einer pauschalen Weise. Dies wollen wir nun ganz allgemein nach-
weisen. Dazu bilden wir zunächst mit Hilfe des Hamilton-Operators (7.6) und der De-
terminante (7.13) den Erwartungswert für die Energie
+ ,

Ē = Ψ HΨdV1 , . . . , dVN , (7.14)

wobei die eckige Klammer sich auf die Spinfunktionen bezieht. Die Auswertung der
Integrale auf der rechten Seite stellt eine langwierige Aufgabe dar, die wir daher in den
Anhang A1 verlegen. Wir begnügen uns, hier das Endresultat anzugeben:
 1
Ē = Hk,k + (Vkk
,kk
− Vkk
,k
k ) . (7.15)
2

k k,k

Darin stellt
+ ,

Hk,k = χk H(r)χk dV (7.16)
132 7. Das Mehrelektronenproblem der Molekülphysik und Quantenchemie

den Erwartungswert des Hamilton-Operators (7.3) eines einzelnen Elektrons im Quan-


tenzustand k dar. Die eckige Klammer deutet dabei, wie schon bemerkt, den Erwartungs-
wert bezüglich der Spinfunktionen an, während sich das Integral über dV auf die Orts-
koordinate des Elektrons bezieht. Wegen des Produktansatzes (7.11) und wegen (7.12)
vereinfacht sich (7.16) zu

Hqq = ψq∗ (r)H(r)ψq (r)dV . (7.16a)

Die Größen Vkk


,kk
und Vkk
,k
k sind uns bereits in Spezialfällen in früheren Abschnitten
begegnet.
+  ,
∗ ∗ e2
Vkk
,kk
= χk (1)χk
(2) χk (1)χk
(2)dV1 dV2 (7.17)
4πε0 |r1 − r2 |
stellt die Wechselwirkung der Ladungsdichte des Elektrons (1) im Zustande k mit der
Ladungsdichte des Elektrons (2) im Zustand k
dar. Es handelt sich also um eine Cou-
lombsche Wechselwirkungsenergie, die sofort klassisch interpretierbar ist. Daneben er-
halten wir den Ausdruck
+  ,
∗ ∗ e2
Vkk
,k
k = χk (1)χk
(2) χk
(1)χk (2)dV1 dV2 , (7.18)
4πε0 |r1 − r2 |
der in Verallgemeinerung früherer Resultate als Coulombsche Austauschwechselwir-
kungsenergie bezeichnet werden kann.
Gleichung (7.15) stellt bereits das wichtigste Resultat dieses Kapitels dar. Wie wir
von Abschn. 4.4 her wissen, gilt für die Quantenmechanik ein Variationsprinzip, wo-
bei die Energie Ē, die hier genähert in (7.15) berechnet wird, immer größer, höchstens
gleich, der exakten Energie ist. Das Bestreben, durch eine geeignete Wahl der Wel-
lenfunktionen ψq die Energie Ē zu minimalisieren, führt auf die sogenannten Hartree-
Fock-Gleichungen, die wir unten für verschiedene wichtige Spezialfälle angeben wer-
den. Bei der Lösung dieser Hartree-Fock-Gleichungen werden wir auf das sogenannte
„self-consistent field“-Verfahren stoßen.

7.2 Die Hartree-Fock-Gleichung.


Die „Self-Consistent-Field“ (SCF)-Methode
Je nachdem, wie die einzelnen Elektronenzustände mit Elektronen parallelen und anti-
parallelen Spins aufgefüllt werden, nimmt (7.15) verschiedene explizitere Formen an.
Dabei werden wir auf Ausdrücke für die sogenannte geschlossene Schale und für of-
fene Schalen stoßen. Schließlich werden wir in den Abschn. 7.5 bis 7.7 Grenzen des
hier vorgestellten Hartree-Fock-Verfahrens aufzeigen und angeben, welche Lösungsan-
sätze man machen muß, um das Hartree-Fock-Verfahren zu verbessern. Wie der Leser
sehen wird, ist hier noch ein weites Betätigungsfeld, um auch Höchstleistungsrechner
für die Berechnung der Energiewerte und der Wellenfunktionen sinnvoll einzusetzen.
Versuchen wir als erstes, die Ausdrücke V in (7.17) und (7.18) zu vereinfachen, wo-
bei wir auf den Produktansatz für die einzelnen Wellenfunktionen (7.8) und (7.9) zu-
rückgreifen. Setzen wir diesen in (7.17) ein, so läßt sich der Ausdruck auf der rechten
7.3 Das Hartree-Fock-Verfahren bei einer abgeschlossenen Schale 133

Seite in ein Integral über die Ortsfunktionen und ein Matrix-Element bzgl. der Spin-
funktionen aufspalten;

Vkk
,kk
≡ Vqq
,qq
sm (1)sm (1)sm
(2)sm
(2) ,

wobei

e2
Vqq
,qq
= ψq∗ (r1 )ψq∗
(r2 ) ψq (r1 )ψq
(r2 )dV1 dV2 . (7.19)
4πε0 |r1 − r2 |
Da die Spinfunktionen normiert sind, ergibt sich sofort

sm sm  = 1 . (7.20)

Für die Austauschwechselwirkungen erhalten wir

Vkk
,k
k = Vqq
,q
q sm (1)sm
(1)sm (2)sm
(2) ,

wobei

e2
Vqq
,q
q = ψq∗ (r1 )ψq∗
(r2 ) ψq
(r1 )ψq (r2 )dV1 dV2 . (7.21)
4πε0 |r1 − r2 |
Aber jetzt gilt

sm sm
 = 0 nur für m = m
. (7.22)

Die Austauschwechselwirkung tritt also nur zwischen Elektronen mit gleichem Spin
auf.

7.3 Das Hartree-Fock-Verfahren bei einer abgeschlossenen Schale

Im folgenden wollen wir, wie schon angekündigt, einige Spezialfälle des allgemeinen
Energieausdrucks (7.15) untersuchen und dabei auch das Hartree-Fock-Verfahren ken-
nenlernen. Wir befassen uns zunächst mit dem Problem sogenannter abgeschlossener
Schalen. Hierbei handelt es sich darum, daß die Elektronenniveaus, die durch die Quan-
tenzahlen q gekennzeichnet sind, jeweils paarweise mit Elektronen antiparalleler Spins
aufgefüllt werden. Es gibt also N/2 Elektronen mit Spin nach oben, N/2 Elektronen mit
Spin nach unten. Betrachten wir unter diesem Aspekt die Energieausdrücke in (7.15) ge-
nauer. Der Energieausdruck (7.16) kommt zweimal mit der gleichen Quantenzahl q vor,
da er sich ja einmal auf den Spin nach oben und einmal auf den Spin nach unten be-
zieht. Statt der Summe über alle Quantenzahlen k können wir daher in (7.15) die erste
Summe durch Quantenzahlen über q ersetzen, wenn wir die Summe mit dem Faktor 2
multiplizieren. Da es sich bei der Coulombschen Wechselwirkung (7.19) um Elektronen 
mit Spin nach oben oder Spin nach unten handeln kann, gibt die doppelte Summe
kk

in (7.15) den Faktor 4. Bei der Austauschwechselwirkung (7.21), die in (7.15) mit dem
negativen Vorzeichen auftritt, müssen aber die Spinquantenzahlen, die zu k und k
ge-
hören, jeweils gleich sein, so daß sich wegen einmal „Spin nach oben“, einmal „Spin
134 7. Das Mehrelektronenproblem der Molekülphysik und Quantenchemie

nach unten“, hier nur der Faktor 2 ergibt. Diese Überlegungen machen es verständlich,
daß sich im Falle einer abgeschlossenen Schale der Energieausdruck (7.15) auf
 
Ē = 2 Hqq + (2Vqq
,qq
− Vqq
,q
q ) (7.23)
q qq

reduziert.
Der Ausdruck (7.23) kann zum Ausgangspunkt eines Variationsverfahrens genom-
men werden, wobei wir (7.23) minimalisieren unter der Nebenbedingung, daß die ein-
zelnen Elektronenwellenfunktionen normiert sind. Die Nebenbedingung, daß diese auch
untereinander orthogonal sind, braucht nicht extra getroffen zu werden, da man zeigen
kann, daß innerhalb einer Determinante die Wellenfunktionen selbst immer orthogonal
gewählt werden können. Dies folgt daraus, daß man Zeilen oder Spalten zueinander ad-
dieren darf, ohne den Wert der Determinante zu ändern, und man kann sich dann mit
Hilfe etwa des Schmidtschen Orthogonalisierungsverfahrens überlegen, daß die Wellen-
funktionen immer aufeinander orthogonal gewählt werden können, sofern sie von vor-
neherein linear unabhängig waren. Wir fordern also
- ∗  .
Ψ  Hges Ψ = Min! (7.24)
und wählen als Nebenbedingung

ψq∗ ψq dV = 1 , q = 1, . . . , N , (7.25)

woraus natürlich auch die Normierung der Gesamtwellenfunktion


- ∗ .
Ψ Ψ = 1 (7.26)
folgt. Variation nach einer Wellenfunktion ψq bedeutet, daß wir einfach den Energie-
ausdruck auf der rechten Seite (7.23) formal nach ψq differenzieren und dabei die In-
tegration über die zugehörige Elektronenkoordinate fallenlassen. Mit dieser Methodik
erhalten wir sofort die Relation
   2
H(1)ψq (1) + 2 ψq
(2) 2 e dV2 ψq (1)

4πε0r12
q
 e2
− ψq∗
(2)ψq (2) dV2 ψq
(1) = εq ψq (1) , (7.27)

4πε0r12
q

wobei εq Lagrange-Parameter sind, die von den Nebenbedingungen (7.25) herrühren.


Die sich so für ψq ergebende Gleichung kann als eine Art Schrödinger-Gleichung
aufgefaßt werden. Der erste Summand in (7.27) stellt den Operator der kinetischen und
potentiellen Energie der Wellenfunktion ψq im Felde der vorgegebenen Atomkerne dar.
Der zweite Ausdruck läßt sich einfach deuten, wenn wir uns daran erinnern, daß
 
e ψq
(2) 2 (7.28)
die Ladungsdichte des Elektrons 2 im Zustande q
darstellt. Ersichtlich stellt die Summe
die Coulombsche Wechselwirkungsenergie dar, die das Elektron 1 im Felde der La-
dungsdichten (7.28) erfährt. Dieser Ausdruck ist in einer klassischen Interpretation zu
7.4 Die unbeschränkte SCF-Methode für offene Schalen 135

verstehen. Wichtig und neu hingegen ist der Ausdruck (7.27), der die Coulombsche Aus-
tauschwechselwirkung wiedergibt. Hier befindet sich das Elektron 1 in einer Wellen-
funktion ψq , und ist in dieser Wellenfunktion der Austauschdichte des Elektrons 2 aus-
gesetzt, wobei die Austauschdichte durch

eψq∗
(2)ψq (2) (7.29)

gegeben ist. Aus der physikalischen Bedeutung der eben diskutierten Ausdrücke auf der
linken Seite von (7.27) folgt, daß εq in (7.27) als die Energie eines Elektrons im Quan-
tenzustand q anzusehen ist. Die Gln. (7.27) unterscheiden sich von einer herkömmlichen
Schrödinger-Gleichung durch die in ψq , ψq
nichtlinearen Ausdrücke.
Die Gln. (7.27) werden nach einer Methode, die als „self-consistent field“-Methode
bezeichnet wird, gelöst. Hierbei nimmt man in einem ersten Schritt an, daß man die Wel-
lenfunktionen ψq bereits, zumindest näherungsweise, kennt. Im nächsten Schritt setzt
man dann diese so angenommenen Wellenfunktionen in die Ladungsdichte (7.28) und
in die Austauschdichte (7.29) ein, während die Wellenfunktionen, die hinter H und hin-
ter den Integralen stehen, noch als neu zu bestimmend angesehen werden. Man löst nun
den damit linearisierten Satz von Gln. (7.27) nach den ψq und gewinnt damit verbes-
serte Ladungsdichten (7.28) und (7.29). Dieses Verfahren wird so lange, wenigstens im
Prinzip, fortgesetzt, bis die neu gewonnenen Wellenfunktionen sich von den Wellenfunk-
tionen des vorangegangenen Schritts praktisch nicht mehr unterscheiden. Damit ist also
das Verfahren selbstkonsistent geworden, was der englische Ausdruck „self-consistent
field“-Methode erhellt.

7.4 Die unbeschränkte SCF-Methode für offene Schalen

Liegen, wie im vorangegangenen Abschnitt angenommen, geschlossene Schalen vor,


so werden bei dem Hartree-Fock Ansatz die einzelnen Elektronenzustände jeweils mit
zwei Elektronen mit zueinander antiparallelem Spin besetzt. Bei dem Problem der of-
fenen Schale können nun die Elektronenzustände, die sich auf die Bahnbewegung be-
ziehen und die zu einem Spinpaar nach oben und unten gehören, verschieden sein. Für
die Slater-Determinante machen wir daher, unter Verwendung der Bezeichnungsweise
(5.65), den Ansatz
 
 
Ψ = ψ1 ψ2 . . . ψ M ψ̄ M+1 ψ̄ M+2 . . . ψ̄ M+N  , (7.30)

wobei sich die Funktionen ψ1 . . . ψ M auf Elektronen mit Spin nach oben, die Funktionen
ψ̄ M+1 . . . ψ̄ M+N auf Elektronen mit Spin nach unten beziehen. Im folgenden werden wir
auch zulassen, daß Wellenfunktionen, die zu verschiedenen Spins gehören, die gleiche
Ortsabhängigkeit besitzen. Wir lassen also auch den Fall zu, daß einige der Bahnquan-
tenzahlen aus der Gruppe M + 1, . . . , M + N mit solchen der Gruppe 1, . . . , M über-
einstimmen. Da die Spins verschieden sind, verschwindet die Determinante (7.30) auch
dann nicht. Der Normierungsfaktor vor der Determinante ist durch

{(M + N)!}−1/2 (7.31)

gegeben.
136 7. Das Mehrelektronenproblem der Molekülphysik und Quantenchemie

Durch geeignete Wahl der ψ’s soll der Erwartungswert der Energie des Hamilton-
Operators des Moleküls minimalisiert werden. Wir nehmen an, daß die Wellenfunktio-
nen in (7.30) aufeinander orthogonal sind. Dieser Erwartungswert kann direkt aus (7.15)
durch Spezialisierung ähnlich zu Abschn. 7.2 gewonnen werden, so daß wir gleich das
Resultat angeben. Es lautet


M+N
1  
M+N M+N
Ē = Ψ | H |Ψ  = H jj + Vij,ij
2
j=1 i=1 j=1
⎛ ⎞
⎜M M ⎟
1⎜⎜   M+N  ⎟
M+N

− ⎜ Vij, ji + Vij, ji ⎟ . (7.32)
2 ⎜ ⎟
⎝ i=1 j=1 i=M+1 j=M+1 ⎠
     
↑-Spins ↓-Spins

Betrachten wir hierin die einzelnen Glieder. Die in der ersten Summe stehenden H jj
sind durch (7.16a) definiert. Es handelt sich hier, wie erinnerlich, um den Erwar-
tungswert der Energie eines einzelnen Elektrons im Zustand j, wobei die Energie
aus der kinetischen Energie des Elektrons und seiner potentiellen Energie im Felde der
Atomkerne besteht. In der darauffolgenden Doppelsumme stellen die Größen Vij,ij die
Coulombsche Wechselwirkungsenergie zwischen den Ladungsdichten der Elektronen
im Zustand i bzw. j dar. Dieser Energiebeitrag kommt sowohl durch die Wechsel-
wirkung von Elektronen gleichen als auch antiparallelen Spins zustande. Die näch-
sten beiden Summen stellen Ausdrücke für die Austauschwechselwirkung dar. Diese
tritt nur zwischen Elektronen jeweils gleichen Spins auf. Variieren wir die Energie Ē
(7.32), indem man eine Wellenfunktion ψ j oder ψ̄ j variiert, wobei die Normierungs-
bedingung (7.25) zu beachten ist, so erhalten wir die entsprechenden Hartree-Fock-
Gleichungen.

7.5 Die eingeschränkte SCF-Methode für offene Schalen


Im vorangegangenen Abschnitt hatten wir die sogenannte uneingeschränkte offene-
Schalen-SCF-Methode kennengelernt. Hierbei hatten wir die Wellenfunktion des Mehr-
elektronenproblems in Form einer einfach zu handhabenden Slater-Determinante ange-
setzt. Allerdings ist diese Wellenfunktion nicht notwendigerweise Eigenfunktion zum
Gesamtspin. Wir wollen nun einen Ansatz für die Wellenfunktion kennenlernen, die be-
reits Eigenfunktion zum Operator des Gesamtspins ist. Dieses Verfahren wird deshalb
„eingeschränktes offenes Schalenverfahren“ genannt. Dabei behandeln wir die Triplett-
Wellenfunktion, deren Ansatz vornehmlich auf Roothaan zurückgeht. Wir nehmen an,
daß von einer aufgefüllten Schale, wo also die Elektronenzustände je mit einem Spin
nach oben und nach unten besetzt sind, ein Elektron aus dem Zustand m in einen Zu-
stand n gebracht wird, wobei gleichzeitig sein Spin umgeklappt wird (Abb. 7.1). Damit
entsteht also eine Wellenfunktion, deren z-Komponente des Gesamtspins = −1 · h ist.
Diese Wellenfunktion schreiben wir in der Form −13 Ψmn . Die Indizes m und n deuten
Abb. 7.1. Anregung eines Elek-
trons aus dem Zustand m in den an, daß das Elektron aus dem Zustand m in den Zustand n gebracht wurde. Die Zahl 3
Zustand n mit Umklappen des oben links bedeutet, daß die Wellenfunktion zu einem Triplett-Zustand gehört, der un-
Spins
7.5 Die eingeschränkte SCF-Methode für offene Schalen 137

tere Index −1 zeigt an, daß die z-Komponente des Gesamtspins die Quantenzahl = −1
hat. Diese Wellenfunktion läßt sich als Determinante in der abgekürzten Form
 
 
Ψ
3 n
−1 m = ψ ψ̄
1 1 . . . ψ ψ̄ ψ̄ ψ̄
g g m n (7.33)

schreiben, wobei noch der Normierungsfaktor hinzuzufügen wäre. Um von diesem Zu-
stand auf einen mit der z-Komponente des Gesamtspins Sz = 0 zu kommen, brauchen
wir lediglich den Erhöhungsoperator für die z-Komponente des Gesamtspins anzuwen-
den, der durch

S+ = [σx ( j) + i σ y ( j)] (7.34)
j

gegeben ist. Hierin sind σx und σ y die üblichen Spinmatrizen, wobei die Argumente j
die Elektronen numerieren, auf deren Spinwellenfunktionen die Spinmatrizen einwirken.
Eine elementare aber längere Rechnung ergibt dann (bis auf den Normierungsfaktor) die
Wellenfunktion
   !
   
Ψ
3 n
0 m =  ψ ψ̄
1 1 . . . ψ ψ̄ ψ ψ̄
g g m n  − ψ ψ̄
1 1 . . . ψ g g n m ,
ψ̄ ψ ψ̄ (7.35)

die zum Gesamtspin S = 1 und zur z-Komponente Sz = 0 gehört. Wenden wir den
Erhöhungsoperator für die z-Komponente des Spins nochmals an, so erhalten wir die
Wellenfunktion
 
 
Ψ
3 n
1 m = ψ 1 ψ̄1 . . . ψ g ψ̄ g ψm ψn . (7.36)

Wie schon beim uneingeschränkten offenen Schalenmodell können wir auch hier die
Energie unschwer ausrechnen. Wir erhalten dann den folgenden Ausdruck

g 
g 
g
3
Ē = 2 Hkk + {2Vkl,kl − Vkl,lk }
k=1 k=1 l=1
  
geschlossene Schale
+Hmm + Hnn + Vmn,mn − Vmn,nm
  
offene Schale

g 
g
+ {2Vkm,km − Vkm,mk } + {2Vkn,kn − Vkn,nk } , (7.37)
k=1 k=1
  
Wechselwirkung offene-geschlossene Schale

der die Wechselwirkungsenergien innerhalb der geschlossenen Schale, die Wechsel-


wirkungsenergie zwischen den beiden Elektronen in der nun gewissermaßen offenen
Schale und die Wechselwirkungsenergie zwischen den beiden genannten Schalen wie-
dergibt. Die in (7.37) auftretenden Größen sind die gleichen wie im vorangegangenen
Abschnitt. Durch Variation der Energie Ē nach den einzelnen Wellenfunktionen kön-
nen nun wieder die Hartree-Fock-Gleichungen hergeleitet werden. Wie die Beispiele
der Abschn. 7.2–7.4 zeigen, lassen die Energie-Erwartungswerte, die wir mit Hilfe der
Slater-Determinante ausrechnen, eine sehr einfache Deutung zu. Dies darf aber nicht
darüber hinwegtäuschen, daß es sich hier nur um eine Näherung handelt.
138 7. Das Mehrelektronenproblem der Molekülphysik und Quantenchemie

7.6 Korrelationsenergie

Das Hartree-Fock-Verfahren, das zum Ausgangspunkt die Slater-Determinante hat, ist


wohl das am meisten verwendete Verfahren in der Atom- und Molekülphysik. Durch
es können die Wechselwirkungseffekte der einzelnen Elektronen mit den Atomkernen
exakt und die Wechselwirkungseffekte der Elektronen untereinander pauschal genähert
erfaßt werden. Wie man sich leicht klarmacht, wird die Energie aber noch weiter abge-
senkt, wenn man es den Elektronen gestattet, sich gegenseitig auszuweichen, und zwar
nicht nur pauschal mit Hilfe des Pauli-Prinzips, bei dem die Aufenthaltswahrscheinlich-
keit für zwei Elektronen mit parallelen Spins am gleichen Ort verschwindet. Auch Elek-
tronen mit antiparallelen Spins spüren ja ihre Coulombsche Abstoßung und werden, um
die Energie zu minimieren, sich auszuweichen versuchen. Gegenüber der Hartree-Fock-
Energie, bei der durch die Slater-Determinante das Pauli-Prinzip berücksichtigt wurde,
gibt es also bei der exakten Rechnung noch einen weiteren Energiebeitrag, der negativ
ist, und der von der Berücksichtigung der Korrelation, d. h. dem gegenseitigen Auswei-
chen der Elektronen, herrührt. Die Definition der Korrelationsenergie lautet somit

Korrelationsenergie = exakte nichtrelativistische Energie − Hartree-Fock-Energie .

7.7 Koopman’s Theorem

Hat man bei einem Molekül mit geschlossener Schale die Elektronenwellenfunktionen
und zugehörigen Energien nach dem SCF-Verfahren berechnet, so läßt sich, zumin-
dest genähert, auch die Ionisierung des Moleküls behandeln. Dies geschieht nach Koop-
man’s Theorem, das eigentlich besser Koopman’s Näherung heißen müßte. Dieses lau-
tet: Die Ionisierung durch Entfernen eines Elektrons aus einem Molekül mit geschlos-
sener Schale kann dargestellt werden als die Entnahme eines Elektrons aus einem gege-
benen self-consistent field Orbital, wobei die anderen Elektronen unbeeinflußt bleiben.
Dies stellt im allgemeinen eine gute Näherung dar, obwohl Koopman’s Näherung fol-
gende Effekte vernachlässigt:
1) die Reorganisationsenergie der Elektronen im Ion
2) die Differenz zwischen der Korrelationsenergie des neutralen Moleküls und der des
Ions.
Der zweite Punkt ist klar, da bei dem Hartree-Fock-Verfahren die Korrelationsenergie
vernachlässigt wird. Der erste Punkt ergibt sich daraus, daß die Ladungsverteilung der
Elektronen zu einem effektiven Potential für ein herausgegriffenes Elektron Anlaß gibt.
Wird nun ein Elektron weggenommen, so ändert sich natürlich damit auch dieses ef-
fektive Potential. Koopman’s Theorem besagt nun, daß diese Änderung im allgemeinen
klein ist.

7.8 Konfigurationswechselwirkung

Wie wir oben bemerkt haben, läßt das Hartree-Fock-Verfahren einen wichtigen Effekt
außer acht, indem es die Korrelationseffekte zwischen den Elektronen nicht berück-
7.8 Konfigurationswechselwirkung 139

sichtigt. Aus diesem Grunde sind Verfahren entwickelt worden, um diesen Effekt zu-
mindest teilweise zu berücksichtigen. Dabei gehen wir aus von einer einzelnen Slater-
Determinante
1  
Ψk1 ,... ,k N = √ χk1 (r1 )χk2 (r2 ) . . . χk N (rN ) , (7.38)
N!

wobei wir im Gegensatz zum Hartree-Fock-Verfahren annehmen wollen, daß die Wel-
lenfunktionen χk bereits vorgegeben sind. Die Indizes k kennzeichnen natürlich die
Quantenzahlen der einzelnen Elektronen. Der Einfachheit halber repräsentieren wir
diese Quantenzahlen durch jeweils eine einzige Zahl, was aber keine Beschränkung
der Methodik ist. Da die Wellenfunktionen Ψ gleich bleiben (eventuell bis auf einen
Faktor, −1), wenn wir die Indizes k j permutieren, dürfen wir annehmen, daß die Quan-
tenzahlen k schon in einer bestimmten Weise geordnet sind, z. B. in der Form

k1 < k2 < . . . < k N . (7.39)

Bilden die Wellenfunktionen χk der einzelnen Elektronen im mathematischen Sinne


einen vollständigen Satz, so bilden die Determinanten (7.38) einen vollständigen Satz
für jede antisymmetrische Wellenfunktion Ψ von N Elektronen. Dies bedeutet, daß wir
jede beliebige Wellenfunktion Ψ , auch des Mehrelektronenproblems, durch eine Über-
lagerung von Determinanten (7.38) darstellen können. Wenn wir also den Ansatz

Ψ = Ck1 k2 ...k N Ψk1 ,...k N (7.40)
k1 <k2 <...<k N

machen, dann läßt sich die gesuchte Wellenfunktion bestimmen, wenn die Koeffizienten
Ck1 ,k2 ... festgelegt sind. Im Prinzip unterscheidet sich das Lösungsverfahren beim Meh-
relektronenproblem von dem beim Einelektronenproblem, bei dem wir eine gesuchte
Wellenfunktion als Überlagerung von bekannten Wellenfunktionen darstellen, überhaupt
nicht, nur daß eben jetzt die Indexkombinationen etwas komplizierter werden. Wir set-
zen (7.40) in die Schrödinger-Gleichung

HΨ = EΨ (7.41)

ein, wobei H der Hamilton-Operator für die kinetische Energie der Elektronen und de-
ren potentiellen Energie im Felde der Atomkerne und untereinander ist (vgl. 7.6). Da-
bei versehen wir die Indizes k in (7.40) mit Strichen, multiplizieren dann die sich so
ergebende Gleichung mit Ψk∗1 ...k N , integrieren über alle Elektronenkoordinaten und neh-
men die Erwartungswerte bezüglich der Spinvariablen. Dabei erhalten wir Ausdrücke
der Form
+ ,

Ψk1 ,... ,k N HΨk1 ,... ,k N dV1 . . . dVN ,


(7.42)

wobei die eckigen Klammern die Bildung des Erwartungswertes bezüglich der Spin-
variablen darstellen. Die Auswertung von (7.42) ist in Anhang A für den Spezialfall
dargestellt, daß der Satz von Quantenzahlen k1
, . . . , k
N mit dem Satz k1 , . . . , k N über-
140 7. Das Mehrelektronenproblem der Molekülphysik und Quantenchemie

einstimmt. Es ist nicht schwer, die derartige Auswertung auf den Fall (7.42) zu verall-
gemeinern, so daß wir sogleich das Endresultat angeben.


N 
Hk j k
j Ck1 ...k
j ...k N
j=1 k
j


N 
+ Vki k j k
j k

j Ck1 ...ki
...k

j ...k N = ECk1 ...k N . (7.43)


ij=1 k
j k

Die Größen Hkk


und Vkk
k

stellen Verallgemeinerungen der früheren Ausdrücke


(7.16), (7.16a), (7.17) und 7.18) dar, nämlich
  
h2
Hkk
= ψk∗ (r) − ∆ + V(r) ψk
(r)dV sk|sk
 . (7.44)
2m 0

Die eckige Klammer kennzeichnet die Orthogonalitätsbeziehungen zwischen den Spin-


wellenfunktionen sk , sk
, die Spin nach oben (sk ≡ α) oder Spin nach unten (sk ≡ β)
darstellen können. Vkk
,k

rührt von der Coulombschen Wechselwirkungsenergie zwi-


schen den Elektronen her:

e2
Vkk
,k

= ψk∗ (r1 )ψk∗


(r2 )
4πε0r12
· ψk

(r1 )ψk

(r2 )dV1 dV2 sk|sk

 sk
|sk

 . (7.45)

Die Summen über k


j und k

j laufen in (7.43) über alle Quantenzahlen. Um in Über-


einstimmung mit dem Ansatz (7.40) zu bleiben, müssen wir allerdings noch folgende
Verabredungen treffen. Die Koeffizienten C in (7.40) sind ja nur für Quantenzahlen, die
der Bedingung (7.39) genügen, definiert. Wir vereinbaren nun:
1) Koeffizienten, die in (7.43) auftreten, verschwinden, wenn mindestens zwei Quan-
tenzahlen, die als Indizes auftreten, übereinstimmen.
2) Wenn die Regel (7.39) verletzt ist, werden die Indizes des Koeffizienten so umge-
ordnet, daß die Regel (7.39) wieder gilt, wobei noch je nach gerader oder ungerader
Permutation das Vorzeichen zu ändern ist.
Die Gln. (7.43) stellen ein System linearer homogener Gleichungen dar, das heutzu-
tage auf Computern nach Standardverfahren gelöst werden kann, sofern man die Zahl
der Koeffizienten beschränkt und nicht bis ins Unendliche laufen läßt. Oft wird da-
bei dieses Verfahren noch mit einem LCAO-Verfahren gekoppelt. Hierbei werden die
Matrixelemente Hkk
und Vkk
,k

ausgewertet, indem man für die Wellenfunktion ψk


der Elektronen eine Linearkombination aus Atomorbitalen ϕ j mit noch freien Koeffi-
zienten ansetzt. Diese Koeffizienten können dann z. B. in einem ersten Schritt durch
die Lösung der Hartree-Fock-Gleichungen festgelegt werden. Die Matrixelemente Hkk

und Vkk
,k

lassen sich dann als bestimmte Linearkombinationen von Integralen über


Atomorbitale ϕ j darstellen. Bei der numerischen Lösung des Mehrelektronenproblems
durch Supercomputer ergeben sich dann die folgenden Schritte:
7.9 Die 2. Quantisierung∗ 141

1) Auswertung von Integralen der Form



ϕ∗j Hϕ j
dV ,

e2
ϕ∗j (1)ϕ∗j
(2) ϕ j

(1)ϕ j

(2)dV1 dV2 . (7.46)


4πε0r12
Bei den letzteren handelt es sich um die sogenannten Mehrzentrenintegrale.
2) Lösung der linearen Gleichungen, d. h. Berechnung der Koeffizienten Ck1 ,... ,k N und
der zugehörigen Energiewerte.

7.9 Die 2. Quantisierung∗


Die im vorangegangenen Abschnitt gemachten Überlegungen lassen sich noch wesent-
lich eleganter fassen, wenn wir die sog. 2. Quantisierung benutzen. Wie wir schon
in I gesehen haben, können wir das Lichtfeld quantisieren. Dazu ordneten wir jeder
Lichtwelle mit einem bestimmten Wellenzahlvektor k (und einer Polarisationsrichtung)
einen harmonischen Oszillator zu, der die Energie dieser Welle beschreibt. Der Energie-
Ausdruck läßt sich in Hamiltonscher Form schreiben und gibt so zu einem Hamilton-
Operator HL Anlaß, der durch Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren b+ k , bk für

Lichtquanten ausgedrückt werden kann: HL = hωkb+ b
k k . Ausgehend von klassi-
k
schen Wellen können wir also die Erzeugung und Vernichtung von Lichtteilchen, den
Photonen, beschreiben. Dabei genügen die Operatoren bk, b+
k den folgenden Vertau-
schungsrelationen

b+ + + +
k bk
− bk
bk = 0 (7.47)
bkbk
− bk
bk = 0 (7.48)
bkb+ +
k
− bk
bk = δkk .

(7.49)

Nun wissen wir aber, daß Elektronen eine Wellennatur besitzen, die durch die Schrö-
dinger-Gleichung wiedergegeben ist. Quantisiert man dieses Elektronen-Wellenfeld, so
kommt man hier zum Teilchencharakter der Elektronen. So wie vorher beim Lichtfeld
die Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren die Erzeugung bzw. die Vernichtung eines
Lichtteilchens beschrieben, beschreiben nun Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren
die Erzeugung bzw. Vernichtung von Elektronen. Bezeichnen wir den Elektronenzustand
durch eine Quantenzahl, z. B. k oder j, so postulieren wir nun die folgenden Vertau-
schungsrelationen

ak+ a+j + a+j ak+ = 0 (7.50)

ak a j + a j ak = 0 (7.51)
ak+ a j + a j ak+ = δ jk . (7.52)

Diese unterscheiden sich von den für Photonen durch das + Zeichen in der Mitte, was
daher rührt, daß im Gegensatz zu Photonen zwei Elektronen nicht im gleichen Zustand
142 7. Das Mehrelektronenproblem der Molekülphysik und Quantenchemie

sitzen dürfen. Gleichung (7.50) trägt dieser Forderung Rechnung; ist nämlich j = k, so
folgt aus (7.50)

ak+ ak+ = 0 . (7.53)

Wollen wir also zwei Elektronen im gleichen Zustand erzeugen, so ergibt die doppelte
Erzeugung, auf welchen Zustand wir auch diese Operationen anwenden, immer 0. Die
anderen Vertauschungsrelationen mit dem + Zeichen folgen dann aus Selbstkonsistenz-
gründen, auf die wir aber hier nicht näher eingehen können. Das Verfahren ist nun wie
folgt: Die Schrödinger-Gleichung

HΨ = EΨ (7.54)

besitzt in der 2. Quantisierung die Form


 1 + +
H= ai+ a j Hij + ai a j ak al Vijkl , (7.55)
2
ij ijkl

wobei die Matrixelemente durch (7.44) und (7.45) gegeben sind. Die Form (7.55) hat
den Vorteil, daß diese für beliebig viele Elektronen gilt. Hat man ein spezielles Pro-
blem, bei dem eine feste Zahl von Elektronen N vorliegt, so läßt sich die Schrödinger-
Gleichung, zumindest im Prinzip, lösen, indem man Ψ als eine Linearkombination aus
allen möglichen Funktionen aufbaut, in denen genau N Elektronen vorhanden sind. Be-
zeichnen wir den Vakuumzustand mit Φ0 , der durch die Beziehung

a j Φ0 = 0 (7.56)

gekennzeichnet ist, so läßt sich ein Zustand mit N Elektronen mit den Quantenzahlen
k1 . . . k N durch N-fache Anwendung der Erzeugungsoperatoren auf Φ0 darstellen

Ψk1 ...k N = ak+1 . . . ak+N Φ0 . (7.57)

Der vollständige Ansatz für die Wellenfunktion ist dann durch eine Linearkombination
über die Funktionen (7.57) gegeben

Ψ = Ck1 ...k N ak+1 ak+2 . . . ak+N Φ0 . (7.58)

Darin sind die Koeffizienten C noch unbekannte Größen, die z. B. durch ein Mini-
malproblem für den Erwartungswert von E zu bestimmen sind. In dem Ansatz (7.58)
darf über die einzelnen Quantenzahlen k unabhängig voneinander aufsummiert wer-
den. Wenn zwei Quantenzahlen übereinstimmen, so verschwindet die Wellenfunktion
(7.58) wegen (7.53) automatisch. Sind außerdem Sätze von Quantenzahlen einander
gleich, so kann man diese durch Umstellung der Operatoren a+ immer in eine spezi-
elle Form, z. B. gemäß (7.39) bringen, wobei je nach gerader oder ungerader Zahl von
Permutationen das Vorzeichen bleibt oder wechselt.
Schließlich behandeln wir noch die Berechnung von Matrixelementen in der
2. Quantisierung. Hierzu bedienen wir uns der bra und kets nach Dirac. Ist Ω ein
Operator, der, wie z. B. (7.55), durch Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren aus-
7.9 Die 2. Quantisierung∗ 143

gedrückt werden kann, so lautet das Matrixelement bezüglich der Wellenfunktionen


Ψk1 ,... ,k N (7.57) und Ψk1
,... ,k
N
/   0
 
Ωk1
,... ,k
N ;k1 ,... ,k N = Ψk1
,... ,k
N  Ω Ψk1 ,... ,k N . (7.59)

Dabei ist es zweckmäßig, Ψk1


,... ,k
N | in der Form
/ 

Φ0 ak
N . . . ak1
 (7.60)

zu schreiben, wobei die Vernichtungsoperatoren nach rechts wirken (vgl. hierzu auch
die Aufgabe 7.5).
Wie man durch einen Vergleich der Methode der 2. Quantisierung mit dem Verfahren
in Abschn. 7.8 sieht, sind beide Verfahren äquivalent, aber das Verfahren der 2. Quanti-
sierung hat eine größere Eleganz, weil man die sich durch Einsetzen von (7.58) in (7.54)
ergebenden Gleichungen sehr einfach bestimmen kann, und es von Anfang an klar ist,
welche Quantenzahlen man mitzunehmen wünscht. Die 2. Quantisierung erlaubt darüber
hinaus neuartige explizite Lösungsansätze.
Weiterhin lassen sich ganz neue Konzepte wie der Dichte-Funktional-Formalismus
entwickeln, den wir sogleich besprechen werden. Als Grundlage hierfür stellen wir den
in (7.54) auftretenden Hamilton-Operator (7.55) in einer anderen Form dar. So wie die
Operatoren ak+ , ak die Erzeugung bzw. Vernichtung eines Elektrons im Zustand k be-
schreiben, so können wir auch Operatoren einführen, die deren Erzeugung bzw. Ver-
nichtung am Orte r beschreiben. Wir nennen diese Operatoren
ψ + (r) (Erzeugung am Orte r)
und
ψ(r) (Vernichtung am Orte r) .
Ist ϕk (r) die übliche Ortswellenfunktion eines Elektrons im Zustand k, so ist der Zusam-
menhang zwischen den Operatoren ak+ , ak und ψ + (r), ψ(r) durch die Überlagerungen

ψ(r) = ak ϕk (r) , (7.61)
k

ψ + (r) = ak+ ϕk∗ (r) (7.62)
k

gegeben. In diesen Formalismus lassen sich die Spinzustände einbeziehen, wenn sich
die Quantenzahlen k und die Wellenfunktionen ϕk auch auf die Spinzustände beziehen.
Um die Eleganz der Methodik zu zeigen, formulieren wir den Hamiltonoperator
H = T +V +U (7.63)

mit Hilfe von ψ + (r), ψ(r) als Summe aus der kinetischen Energie

h2
T =− ψ + (r)∆ψ(r)dr , (7.64)
2m
144 7. Das Mehrelektronenproblem der Molekülphysik und Quantenchemie

der potentiellen Energie der Elektronen im Potentialfeld der Atomkerne



V = v(r)ψ + (r)ψ(r)dr (7.65)

und der Coulombschen Wechselwirkungsenergie zwischen den Elektronen



1 e2
U= ψ + (r)ψ + (r
)ψ(r
)ψ(r)drdr
. (7.66)
2 4πε0 |r − r
|
Hierin bezeichnen dr, dr
Volumenelemente. Setzen wir in (7.64)–(7.66) die Überlage-
rungen (7.61), (7.62) ein, so erhalten wir tatsächlich (7.55), wobei wir die Zuordnung
der einzelnen Glieder dem Leser als kleine Übungsaufgabe überlassen. Das Schöne an
(7.64)–(7.66) ist, daß diese Ausdrücke formal nichts anderes sind als die entsprechen-
den Erwartungswerte in der ursprünglichen Schrödingerschen Theorie und so eine ein-
fache anschauliche Deutung zulassen. So ist in (7.65) ψ + (r)ψ(r) nichts anderes als die
Teilchendichte und (7.66) beschreibt (formal!) nichts anderes als die Wechselwirkungs-
energie zweier Ladungsdichten der Form
eρ( r ) = eψ + ( r )ψ(r) , (7.67)
∼ ∼

wobei ρ die Teilchendichte ist. Diese Interpretation inspiriert Lösungsansätze – man darf
sich aber hier nicht darüber hinwegtäuschen, dass ψ + , ψ Operatoren sind, wobei deren
Reihenfolge wegen ihrer Nichtvertauschbarkeit essentiell ist (vgl. Aufgabe 7.7). Die Lö-
sung der Schrödingergleichung (7.54) mit (7.63) besteht wiederum in der Bestimmung
von Ψ , wobei die feste Anzahl der Elektronen als Nebenbedingung auftritt.

7.10 Dichte-Funktionale
Was ist ein Funktional?
Der Begriff einer Funktion ist uns gut geläufig. Zum Beispiel ordnet die Funktion
f(x) = x 2 jeder Zahl x eine andere Zahl – hier den Quadratwert – zu, was zu einer
Parabel führt. Bei einem Funktional F( f(x)) wird einer ganzen Funktion f(x) ein Zah-
b
lenwert zugeordnet. Zum Beispiel ist F( f(x)) = f(x)dx ein Funktional, aber auch
a
b b
F( f(x)) = f(x) f(x
)g(x, x
)dxdx
ist ein Funktional von f(x), wobei g(x, x
) noch
a a
eine bestimmte, vorgegebene Funktion ist. Viel kompliziertere Ausdrücke sind ebenfalls
denkbar.

7.11 Die Elektronendichte als grundlegende Variable


Sehen wir uns den Hamiltonoperator (7.63), der ja die Energie bestimmt, an, so fällt ins
Auge, daß dieser mit den Anteilen (7.65), (7.66) von der Teilchendichte, genauer von
dem Teilchendichte-Operator ψ + (r)ψ(r), abhängt. Bei der kinetischen Energie (7.64)
ist dies allerdings nicht so evident. Könnte es dennoch sein, daß ψ + (r)ψ(r) oder des-
sen Erwartungswert, die Teilchendichte, also
7.11 Die Elektronendichte als grundlegende Variable 145
-   .
ρ(r) = Ψ +  ψ + (r)ψ(r) Ψ (7.68)
(in Diracs bra- und ket-Schreibweise), die entscheidende Variable ist (wobei wir zu-
nächst noch offenlassen, was diese Variable alles bestimmt)? Dies ist die grundle-
gende Einsicht von Hohenberg und Kohn, zunächst bezüglich der Energie des Grund-
zustand des durch (7.63)–(7.66) beschriebenen Systems. Wir folgen nun dem Gedan-
kengang dieser Autoren und nehmen an, daß der Grundzustand nicht entartet sei. Da
die Schrödingergleichung das Glied (7.65) enthält, in dem wir v(r) als eine frei ver-
änderbare Funktion ansehen, muß auch die Wellenfunktion Ψ und damit ρ(r) von
diesem v(r) abhängen, und zwar, da v(r) eine Funktion ist, in Form eines Funk-
tionals (das wir allerdings nicht explizit kennen). Umgekehrt wird nun gezeigt, daß
v(r) ein eindeutiges Funktional von ρ(r) ist, abgesehen von einer additiven Kon-
stante. Dies bedeutet insbesondere, daß es keine weiteren Variablen gibt, von denen
ψ abhängt.
Der Beweis benutzt die Methode des mathematischen Widerspruchs. Nehmen wir
hierzu an, daß ein anderes Potential v
(r) mit dem Grundzustand Ψ
gibt, das zur glei-
chen Dichte ρ(r) führt.
Sofern nicht v
(r) − v(r) = const., müssen Ψ
und Ψ verschiedenen Schrödinger-
gleichungen genügen und können daher nicht gleich sein. Seien die zu Ψ , Ψ
gehörigen
Hamilton-Operatoren und Grundzustandsenergien H, H
und E, E
, so gilt wegen des
uns in der Quantentheorie geläufigen Variationsprinzips
-  . -  . -  .
E
= Ψ
 H
Ψ
< Ψ  H
Ψ = Ψ (H + V
− V )Ψ , (7.69)
so daß

E
< E + (v
(r) − v(r))ρ(r)dr . (7.70)

Vertauschen wir die gestrichenen und die ungestrichenen Größen, so ergibt sich analog

E < E
+ (v(r) − v
(r))ρ(r)dr . (7.71)

Durch Addition von (7.70) und (7.71) ergibt sich der Widerspruch
E + E
< E + E
. (7.72)
Daher ist v(r) (bis auf eine additive Konstante) ein eindeutiges Funktional von ρ(r). Da,
umgekehrt, v(r) den Hamiltonoperator H festlegt, ist der Grundzustand Ψ ein eindeu-
tiges Funktional von ρ(r) (Theorem I von Hohenberg und Kohn). Wir legen nun das
Theorem II, das Variationsprinzip, von Hohenberg und Kohn dar. Da Ψ ein Funktional
von ρ(r) ist, müssen dies auch die Erwartungswerte der kinetischen und Coulombschen
Wechselwirkungsenergie sein. Daher wird der Ausdruck
F(ρ(r)) ≡ Ψ|(T + V )Ψ  (7.73)
eingeführt, der ein universelles Funktional ist, der für eine beliebige Teilchenzahl und
ein beliebiges äußeres Potential gilt. Die Form des Hamilton-Operators (7.63) mit (7.64),
(7.66) legt es nahe, bei gegebenem v(r), das Energie-Funktional

E v [ρ] ≡ v(r)n(r)dr + F[ρ] (7.74)
146 7. Das Mehrelektronenproblem der Molekülphysik und Quantenchemie

einzuführen. Für das richtige ρ(r) ist E v [ρ] gerade die Energie des Grundzustands. Es
läßt sich leicht zeigen, daß E v [ρ] seinen Minimalwert für das richtige ρ(r) annimmt,
wenn die zulässigen Funktionen der Nebenbedingung

ρ(r)dr = N (7.75)

genügen, wobei N die vorgegebne Teilchenzahl ist. Damit gelangen wir zum Kernpunkt
von Hohenberg und Kohn:
Falls F[ρ] ein bekanntes und genügend einfaches Funktional der Dichte ρ wäre, wäre
die Lösung des Problems der Bestimmung der Energie des Grundzustands und Dichte
in einem gegebenen äußeren Potential ziemlich einfach, da es lediglich die Minimierung
eines Funktionals der Dichtefunktion erfordert.

7.12 Die Kohn-Sham Gleichungen


Die Bestimmung von F(ρ) ist das zentrale Problem der Forschung zur Dichte-
Funktional Methode und noch keineswegs endgültig gelöst, sondern weiterhin Ge-
genstand intensiver Forschung.
Im Rahmen dieses Buches legen wir die ersten Schritte dar. Sehen wir uns zu die-
sem Zweck die Erwartungswerte von (7.66), (7.64) daraufhin an, inwieweit sie sich als
Funktional der Dichte ρ schreiben lassen oder schreiben lassen könnten. Betrachten wir
als erstes die Coulombsche Wechselwirkung zwischen den Elektronen
+  2  ,
 e 1
E Coul. 
= Ψ + +
ψ (r1 )ψ (r2 ) ψ(r2 )ψ(r1 )dr1 dr2 Ψ . (7.76)
4πε0 r12

Wie wir von Abschn. 7.3, in dem (7.76) näherungsweise mit Hilfe einer Slater-
Determinante in der herkömmlichen Weise ausgewertet wurde, her wissen, enthält
(7.76) nicht nur die Wechselwirkungsenergie zwischen zwei Ladungsdichten ρ(r1 ),
ρ(r2 ), sondern auch die Austauschwechselwirkung. Darüber hinaus enthält (7.76) auch
Korrelationseffekte (vgl. Abschn. 7.8), die auf der gegenseitigen Bewegung der Elektro-
nen beruhen sowie eine Selbstwechselwirkung einer Ladung mit sich (vgl. Aufgabe 7.8).
Wenn wir daher das exakte E Coul. durch

e2 1
J(ρ) = ρ(r1 )ρ(r2 ) dr1 dr2 (7.77)
4πε0 r12

ersetzen, so machen wir einen Fehler

E
XC = E Coul. − J(ρ) . (7.78)

Der Übergang von (7.76) zu (7.77) bedeutet insbesondere, daß wir den Erwartungswert
eines Produkts durch ein Produkt von zwei Erwartungswerten (7.68) ersetzen.
Kommen wir nun zum Kohn-Sham Ansatz, dessen zentrales Ziel es ist, die kinetische
Energie gut zu approximieren. Dazu gehen wir, diesen Autoren folgend, in folgenden
Schritten vor.
7.12 Die Kohn-Sham Gleichungen 147

1. Wir führen eine Art Ersatz-System aus N Teilchen ohne gegenseitige Wechselwir-
kung ein, das wegen der Wechselwirkungsfreiheit durch eine Slaterdeterminante Θ S
in der Form
 
 ϕ1 (r1 ) ϕ2 (r1 ) . . . ϕ N (r1 ) 
 
1  ϕ1 (r2 ) ϕ2 (r2 ) . . . ϕ N (r2 ) 
Θ S = √  ..  (7.79)
N!  . ... 
ϕ (r ) ϕ (r ) . . . ϕ (r )
1 N 2 N N N

beschrieben wird. Um die Darstellung nicht zu überladen, sehen wir von der Mit-
nahme der Spinvarablen ab (vgl. aber Aufgabe 7.9). Die Einzelwellenfunktionen ϕ j
sollen dabei den Schrödingergleichungen
 
h2
− ∆ + VS (r) ϕ j = ε j ϕ j , (7.80)
2m

und zwar mit der Nebenbedingung


-  .
ϕ j ϕk = δ jk , (7.81)

genügen. Durch das weitere Verfahren (s. w. u.) wird dann das effektive Potential VS
so berechnet, daß die durch


N
ρ S (r) = |ϕi (r)| 2 (7.82)
i=1

definierte Dichte exakt mit der Grundzustandsdichte ρ0 (r) unseres ursprünglichen


Systems übereinstimmt, d. h.
!
ρ S (r) = ρ0 (r) . (7.83)

2. Mit Hilfe der wechselwirkungsfreien Einzelelektronen-Wellenfunktionen ϕ j werden


nun die Erwartungswerte der kinetischen Energie
N 
h2 
TS = − ϕ∗j ∆ϕ j dr (7.84)
2m
j=1

und der potentiellen Energie im Feld der Atomkerne VNe


  
E Ne = VNe (r) ϕ j (r) 2 dr (7.85)
j

berechnet sowie die klassische Coulombsche Abstoßenergie der Elektronen J(ρ) ge-
mäß (7.77) hinzugefügt. Gegenüber der eigentlich zu berechnenden, exakten Energie
des Grundzustands E ergibt sich ein Fehler, den wir mit E XC bezeichnen und des-
sen wichtigsten Anteil (neben dem Fehler durch die nur genäherte kinetische Ener-
148 7. Das Mehrelektronenproblem der Molekülphysik und Quantenchemie

gie (7.84)) wir schon in (7.78) aufgeführt hatten. Der Kohn-Sham Ausdruck für die
Energie lautet also
E(ρ) = TS + J + E Ne + E XC (7.86)
mit den Beiträgen (7.84), (7.77), (7.85). Dabei ist jeder dieser Ausdrücke entweder
als Funktion der ϕ j , aber auch – in anderer Interpretation – von ρ(r) aufzufassen.
Um aus (7.86) Bestimmungsgleichungen für die ϕ j zu erhalten, benutzen wir das
Variationsprinzip mit der Nebenbedingung (7.81) und erhalten, so wie wir das auch
von der Herleitung der Hartree-Fock Gleichungen her kennen,
  2   
h2 e ρ(r
)

− ∆+ dr + VNe (r) + VXC (r) ϕ j (r) = ε j ϕ j (r) .


2m 4πε0 |r − r
|
(7.87)
Diese Gleichung hat genau die Struktur, wie wir sie für die ϕ j (r) in (7.80) postuliert
hatten, so daß wir durch Vergleich erhalten:

e2 ρ(r
)
VS (r) = dr
+ VNe (r) + VXC (r
) . (7.88)
4πε0 |r − r
|
3. Als nächstes sind die Gleichungen (7.87) zu lösen. Da das Potential VS die Dichte
ρ und damit wegen (7.82) die Wellenfunktionen ϕ j enthält, haben die Gleichungen
den Charakter von Selbstkonsistenzgleichungen und können nur iterativ gelöst wer-
den. Zugleich zeigt das Auftreten von ρ in (7.87), daß die ϕ j als Funktional von ρ
verstanden werden können! Damit werden auch alle von ϕ j abhängenden Ausdrücke
zu Funktionalen von ρ.
4. So weit, so gut. Das verbleibende Problem bei dem ganzen Verfahren ist offen-
sichtlich, daß wir E XC oder das daraus (im Prinzip) abgeleitete VXC nicht ken-
nen. Die neuere Forschung befaßt sich daher mit der Einführung geeigneter Nähe-
rungen für dieses „Austausch-Korrelations“-Potential genannte VXC . Weiterhin wird
eine Debatte darüber geführt, ob bzw. welche anschauliche Bedeutung die Kohn-
Sham-Funktionen, etwa als Orbitale, haben. Schließlich wird der Frage nachgegan-
gen, inwieweit sich miteinander entartete Zustände sowie angeregte Zustände mit
der Dichte-Funktional Methode behandeln lassen. Die Darlegung all dieser hochin-
teressanten Forschungen sprengt leider den Rahmen dieses Lehrbuches, so daß wir
auf das Literaturverzeichnis verweisen.

7.13 Zusammenfassung der Resultate der Kapitel 4–7


In den Kap. 4–7 haben wir uns eine Übersicht über die Methoden zur Bestimmung
der Elektronenwellenfunktionen und deren Energien verschafft. Kapitel 4 war insbeson-
dere der LCAO-Methode, d. h. dem Aufbau von Molekülorbitalen des einzelnen Elek-
trons in Form von Linearkombinationen aus Atom-Orbitalen, gewidmet, wobei wir ein-
fache Beispiele (H+
2 und H2 ) behandelten. Ferner lernten wir die Hybridisierung der
Wellenfunktionen des Kohlenstoffs kennen. Kapitel 5 vermittelte einen ersten Einblick,
wie die Koeffizientenberechnung bei der LCAO-Methode ganz (oder teilweise) entfal-
len kann, wenn wir die Symmetrie-Eigenschaften der Moleküle verwenden, was wir am
Benzol und Ethylen demonstrierten. In Kap. 6 lernten wir systematisch Symmetrien und
Aufgaben 149

Symmetrie-Operationen sowie die wichtigen Begriffe und Methoden der Darstellungs-


theorie der Gruppen kennen. Diese Methodik wurde schließlich an den Wellenfunktio-
nen von H2 O ausführlich erläutert. Wie sich zeigt, gelingt es dabei, die Zahl der Bestim-
mungsgleichungen für die LCAO-Ansätze wesentlich zu reduzieren. Das Kap. 7 schließ-
lich stellte eine Reihe von Methoden vor, wie das Mehrelektronenproblem behandelt
werden kann. Einfache Ansätze stützen sich auf die Slater-Determinante und das damit
verknüpfte Hartree-Fock-Verfahren. Um Korrelationseffekte der Elektronen zu berück-
sichtigen, müssen Linearkombinationen von Slater-Determinanten verwendet werden.
Eine damit äquivalente, aber sehr elegante Methode, besteht in der sog. zweiten Quan-
tisierung, die wir ebenfalls kennenlernten. Schließlich eröffnet die Dichte-Funktional-
Methode, die in ihren Grundzügen dargelegt wurde, neue Perspektiven zur Lösung des
Mehrelektronenproblems.
In den anschließenden Kap. 8–10 wenden wir uns experimentellen Befunden bei ein-
fachen, kleinen Molekülen zu.

Aufgaben
7.1 a) Warum erfüllt die Slater-Determinante als Ansatz für die Produktwellenfunk-
tion |Ψ  automatisch das Pauli-Prinzip und die Schrödingergleichung, wenn sich der Ha-
miltonoperator als Summe von Einteilchenoperatoren schreiben läßt? Es gilt also

1 
N
Ψ = √ Det (χ) und H= H( j) .
N! j=1

b) Erwartungswerte der Wellenfunktion Ψ bezüglich eines Operators Ω ergeben sich


nunmehr zu

1
Ω̄ =  Det(χ ∗ )Ω Det(χ)dV1 . . . dVN  .
N!

Drücken Sie diesen Mittelwert im Fall der Coulomb-Wechselwirkung

e2 e2
Ω = V(l, m) = =
4πε0 |rl − rm | 4πε0rlm

durch Matrixelemente Vkk


,k

aus, wenn die Einteilchen-Wellenfunktionen χk j ( j)


paarweise orthonormal sind. Zeigen Sie ferner, daß sich schließlich

1 1
V(l, m) = (Vkk
,kk
− Vkk
,k
k )
2 l,m 2

k,k
l=m k=k

ergibt.

7.2 Beim Hartree-Fock-Verfahren handelt es sich um ein iteratives Variationsverfah-


ren zur approximativen Bestimmung der Gesamtwellenfunktion Ψ , so daß
150 7. Das Mehrelektronenproblem der Molekülphysik und Quantenchemie
 
Ψ |Hges |Ψ 
δ = 0. (1)
Ψ|Ψ 

Man verwendet als Näherung an Ψ eine Slater-Determinante aus N zu bestimmenden


orthonormierten Einteilchenzuständen |ψk , k = 1, . . . , N und k = (q, m), wobei sich
die Quantenzahlen q auf den Ortsanteil und m auf den Spinanteil des Elektrons bezie-
hen.
Betrachten Sie für die weiteren Rechnungen abgeschlossene Schalen. Der Hamil-
tonoperator H aus (1) ist eine Summe aus den Einteilchen-Hamiltonoperatoren H(i)
der N Elektronen (i = 1, . . . , N) und enthält außerdem die Zweiteilchenoperatoren
der Coulomb-Wechselwirkung und Austauschwechselwirkung. Da die Orthogonalität
der |ψq  gefordert wird, ist (1) unter der folgenden Nebenbedingung zu variieren:

ψq∗ ψq dV = 1 . (2)

Zeigen Sie, daß die Durchführung der Variation bei abgeschlossenen Schalen auf fol-
gende Hartree-Fock-Gleichungen führt:
   2
H(1)ψq (1) + 2 ψq
(2) 2 e dV2 ψq (1)
4πε0r12
q

 e2
− ψq∗
(2)ψq (2) dV2 ψq
(1) = εq ψq (1) . (3)

4πε0r12
q

Hinweis: Es genügt, von den Ergebnissen der Aufgabe 7.1b auszugehen und nach ψq∗
zu variieren.
Zur Lösung von (3) berechnet man mit Hilfe der Testfunktionen ψq(0) die Ladungs-
(0) ∗(0) (0)
dichte e|ψq
(2)|2 sowie die Austauschdichte eψq
(2)ψq (2). Setzt man anschließend
diese Ausdrücke in die jeweiligen Integrale der Gleichung (3) ein und ersetzt ψq (1)
durch ψq(1) (1), so erhält man eine Bestimmungsgleichung für die erste Approximation
ψq(1) (1). Deren Lösung ist dann die erste Verbesserung an ψq und Ausgangspunkt für
den nächsten Iterationsschritt. Der Iterationsprozeß wird so lange durchgeführt, bis die
Approximationen konvergieren. Zeigen Sie, daß das Verfahren selbstkonsistent ist. Das
heißt, was ergibt sich für ψq(n+1) , wenn ψq(n−1) = ψq(n) gilt?
7.3 Formulieren Sie Roothaans Wellenfunktionen für den Triplett-Zustand mit Hilfe
der 2. Quantisierung (Abschn. 7.9).
Hinweis: Ersetzen Sie die dortigen Indizes k etc. durch k ↑ bzw. k ↓, wobei sich jetzt k
auf die Quantenzahlen des Ortsanteils der Wellenfunktion und die Pfeile auf den Spin-
zustand beziehen. Schreiben Sie die Wellenfunktion der aufgefüllten Schale in der Form
1
g
+ +
ak↑ ak↓ Φ0 , Φ0 : Vakuumzustand .
k=1

Welche Operatoren a+ , a müssen Sie anwenden, um hieraus die Wellenfunktionen


−1 Ψm , 0 Ψm , 1 Ψm zu gewinnen?
3 n 3 n 3 n
Aufgaben 151

Hinweis: Gehen Sie davon aus, daß gemäß Abb. 7.1 ein Elektron mit Spin ↑ im Zu-
stand m vernichtet wird (Vernichtungsoperator) und anschließend im Zustand n ↓ neu
geschaffen wird (Erzeugungsoperator). Dem Spinerhöhungsoperator (7.34) entspricht

a+j↑ a j↓ .
j

(Warum?) Benutzen Sie die Vertauschungsrelationen (7.50) und (7.51) sowie (7.56).
7.4 Wie lauten in der 2. Quantisierung die 
Lösungen und Energie-Eigenwerte der
∞ +
Schrödinger-Gleichung HΨ = EΨ mit H = k=1 E k ak ak für Wellenfunktionen Ψ
mit jeweils N Elektronen?
7.5 Berechnen Sie im Rahmen der 2. Quantifizierung die folgenden Matrixelemente
/   0 /   0
   
Ψk1
 Ω Ψk1 , Ψk1
k2
 Ω Ψk1 k2
mit

Ω = E k ak+ ak , Ω= E k ak+ ak , Ω = a+j
a+j
V j1
j2
; j1 j2 a j1 a j2 .
1 2
k

E k und V j1
j2
; j1 j2 sind vorgegebene Zahlenwerte („c-Zahlen“).
Hinweis: Bringen Sie alle Vernichtungsoperatoren unter Beachtung der Vertauschungs-
relationen nach rechts und benutzen Sie (7.56).
7.6 Berechnen Sie (7.37) mit Hilfe der 2. Quantisierung.
Hinweis: Führen Sie wie in Aufgabe 7.2 im Hamiltonoperator (7.55) die entsprechenden
Indizes ein und machen für Ψ die Ansätze von Aufgabe 7.3.
7.7 Beweisen Sie die Vertauschungsrelationen
ψ (r)ψ + (r
) + ψ + (r)ψ + (r) = 0
+

ψ(r)ψ(r
) + ψ(r
)ψ(r) = 0
ψ + (r)ψ(r
) + ψ(r
)ψ + (r) = δ(r − r
) ,
wobei δ die Dirac-Funktion ist und die Wellenfunktionen ϕk (r) ein vollständiges System
mit

ϕk∗ (r)ϕk (r
) = δ(r − r
)
k

bilden.
7.8 Formen Sie das Coulombglied in (7.76) so um, daß die Operatoren der Teilchen-
dichte in der Anordnung
ψ + (r1 )ψ(r1 )ψ + (r2 )ψ(r2 )
entstehen. Welches Zusatzglied entsteht?
7.9 Formulieren Sie die Ausdrücke von Abschn. 7.12, falls auch die Spin-Variablen
berücksichtigt werden.
8. Methoden der Molekülspektroskopie, Übersicht

Spektroskopie mit elektromagnetischer Strahlung in allen Wellenlängenbereichen, im


Gebiet der Radiofrequenzen, der Mikrowellen, im Infraroten, im Spektralbereich des
Sichtbaren und des Ultravioletten bis hin zur kurzwelligen Gamma-Strahlung ist das
wichtigste und aussagekräftigste Hilfsmittel der Molekülphysik. In diesem und den fol-
genden Kapiteln dieses Buches wird davon ausführlich die Rede sein. Dort werden auch
die experimentellen Methoden, soweit nötig, im einzelnen erklärt werden. Nach den je-
weils nötigen Meßmethoden erfolgt auch die Einteilung in Spektralbereiche. Diese wird
als Einführung zu den Kap. 9–14 in den Abschn. 8.1 und 8.2 erläutert. In Abschn. 8.3
wird auf weitere Methoden hingewiesen, nämlich auf Laserspektroskopie, Photoelektro-
nenspektroskopie und magnetische Resonanz, die in den späteren Kapiteln 15, 18, 19
behandelt werden.

8.1 Spektralbereiche
Hier soll zunächst ein Überblick über die Spektralbereiche gegeben werden, vergleiche
dazu Abb. 8.1.
Man kann die Spektralgebiete, beginnend bei kleinen Energien, in der im folgen-
den beschriebenen Weise einteilen und kennzeichnen, wobei zu bemerken ist, daß diese
Grenzen nicht scharf definiert werden können. Sie sind auch durch die zu Erzeugung,
Fortleitung und Nachweis der Strahlung in den verschiedenen Bereichen verwendeten
unterschiedlichen Geräte und Methoden und durch Konvention bestimmt.
– Im Gebiet der Radiofrequenzen, d. h. im Bereich von kHz bis einige 100 MHz, liegen
die Kernspin-Resonanz-Übergänge.
– Als Mikrowellen bezeichnet man elektromagnetische Wellen im Frequenzbereich von
etwa 1 bis 100 GHz. Dies ist der Bereich der Elektronenspin-Resonanz-Spektroskopie,
zugleich aber auch der Bereich der Rotationsspektroskopie, besonders an kleinen Mo-
lekülen in der Gasphase. Hier beginnt auch schon der Spektralbereich des Ferninfra-
roten.
– Der infrarote Spektralbereich erstreckt sich vom Gebiet der Mikrowellen bis an die
Grenze des sichtbaren Spektralbereiches, bei 800 nm. Während der langwellige Be-

Abb. 8.1. Das Spektrum der


elektromagnetischen Strahlung
von den Radiofrequenzen bis
zu den Gammastrahlen in Ein-
heiten der Frequenz und der
Wellenlänge. Der Bereich des
Sichtbaren ist schraffiert
154 8. Methoden der Molekülspektroskopie, Übersicht

reich, das Ferninfrarot (λ = 0,1−1 mm), der Bereich der Rotationsspektren ist, ist die
Mitte und das kurzwellige Ende des Infrarot (das Nahinfrarot, λ = 10−3 −10−1 mm)
der Bereich, in dem die charakteristischen Schwingungsspektren der Moleküle beob-
achtet werden, die sogenannten Rotations-Schwingungs-Spektren.
– Die elektronischen Übergänge der Valenzelektronen beginnen bereits im Infrarot. Sie
liegen jedoch überwiegend im Bereich des Sichtbaren und des UV. Diese geben An-
laß zu den Bandenspektren der Moleküle im engeren Sinne, das heißt zu Spektren,
die aus Elektronenübergängen und überlagerten Änderungen der Rotations- und der
Schwingungsniveaus bestehen.
– Jenseits des kurzwelligen Ultravioletten und dieses überlappend beginnt das Gebiet
der Röntgen- und der γ -Strahlung. Mit Strahlung derart hoher Quantenenergie unter-
sucht man Übergänge und Zustände der inneren Elektronen in inneren Schalen, be-
sonders auch in der Photoelektronen-Spektroskopie.
In verschiedenen Bereichen der Spektroskopie und auch in unterschiedlichen Berei-
chen der Naturwissenschaften sind teils aus sachlichen, teils aus historischen Gründen
unterschiedliche Einheiten zur Messung der Frequenzen oder Wellenlängen der Strah-
lung üblich. Einige wichtige Umrechnungsfaktoren für Einheiten, in denen Energien ge-
messen werden, lauten:

1 cm−1 = 1,2398 · 10−4 eV


29,979 GHz = (8.1)
kcal
1 0,349 cm−1 .
= (8.2)
kmol
Wenn man Energien in [cm−1 ] oder in [s−1 ] mißt, dann ist das eine zwar vielfach übli-
che und bequeme, aber unkorrekte Ausdrucksweise. Die Einheit ν̄, Wellenzahl, ist de-
finiert durch die Beziehung
1 ν Energie
ν̄ = = = [cm−1 ] . (8.3)
λ c hc
Für die Einheit Frequenz gilt
c Energie −1
ν= = [s ] . (8.4)
λ h
Die Energie wird auch durch hω, das heißt (h/2π)2πν, ausgedrückt.

8.2 Übersicht über die optischen Molekülspektren


Wir können die gesamte Anregungsenergie E eines Moleküls in guter Näherung als
Summe der eben genannten Einzelanregungen darstellen, insbesondere als Summe der
Teilanregungen, die zu Rotation, Schwingung und Elektronenanregung gehören. Es gilt
also

E = E el + E vib + E rot (8.5)

wenn el, vib und rot die Abkürzungen für Elektronen-Anregung, Schwingung und Ro-
tation sind.
8.2 Übersicht über die optischen Molekülspektren 155

In Abb. 8.2 sind die Schwingungs- und Rotationsniveaus in zwei verschiedenen elek-
tronischen Anregungszuständen I und II eines Moleküls sowie die verschiedenen Arten
von Übergängen schematisch dargestellt. Dementsprechend kann man drei Arten von
optischen Spektren unterscheiden, und wir werden das im folgenden auch tun:
– Rotationsspektren sind Übergänge zwischen den Rotationsniveaus eines gegebenen
Schwingungsniveaus in einem bestimmten Elektronenzustand. Es ändert sich dabei
nur die Quantenzahl der Rotation, die wir mit J bezeichnen. Diese Spektren liegen im
Gebiet der Mikrowellen bzw. des Ferninfrarot. Von ihnen handelt das folgende Kap. 9.
Sie bestehen typischerweise aus einer größeren Zahl eng benachbarter, nahezu äquidi-
stanter Linien. Rotationsspektren lassen sich auch mit der Raman-Spektroskopie be-
obachten, Kap. 12.
– Rotationsschwingungsspektren bestehen aus den Übergängen von den Rotationsni-
veaus eines bestimmten Schwingungsniveaus zu den Rotationsniveaus eines anderen
Schwingungsniveaus im gleichen Elektronenzustand. Der elektronische Anregungs-
zustand bleibt also erhalten. Es ändern sich die Quantenzahlen J und v, wobei wir
mit v die quantisierten Schwingungsniveaus kennzeichnen. Diese Spektren liegen
im Infraroten. Die Rotationsschwingungsspektren sind Gegenstand von Kap. 10.
Rotationsschwingungsspektren bestehen aus einer Vielzahl von „Banden“, das sind
Gruppen von eng beieinander liegenden Linien, den sogenannten Bandenlinien. Auch
diese Spektren lassen sich außer mit der Infrarot-Spektroskopie auch mit der Raman-
Spektroskopie untersuchen.
– Elektronenspektren sind Übergänge zwischen den Rotationsniveaus der verschiede-
nen Schwingungsniveaus eines Elektronenzustandes und den Rotations- und Schwin-
gungsniveaus eines anderen Elektronenzustandes. Man nennt dies ein Bandensystem.

Abb. 8.2. Schwingungsniveaus


(Quantenzahlen v) und Rotati-
onsniveaus (Quantenzahlen J)
von zwei elektronischen Anre-
gungszuständen I und II eines
Moleküls. Die drei eingezeich-
neten Pfeile bedeuten (von
links nach rechts) Übergänge
im Rotations-, im Rotations-
Schwingungs- und im Elek-
tronen-Spektrum des Moleküls
156 8. Methoden der Molekülspektroskopie, Übersicht

Es enthält alle Schwingungsbanden des betreffenden Elektronenüberganges, jede mit


ihrer Rotationsstruktur. Es ändern sich dabei im allgemeinen alle 3 Quantenzahlen,
nämlich J, v und diejenige, die den Elektronenzustand kennzeichnet. Die Spektren
liegen im Nahinfraroten oder im Sichtbaren oder im Ultravioletten. Elektronenüber-
gänge in Molekülen werden in Kap. 13 besprochen. Die Bandensysteme aller erlaub-
ten Elektronenübergänge eines Moleküls bilden gemeinsam das eigentliche Banden-
spektrum dieses Moleküls.
In der Molekülspektroskopie ist es weitgehend üblich, bei der Bezeichnung von
Übergängen zwischen zwei Termen zuerst den energetisch höheren Term, dann den
tieferen zu nennen. Die Richtung des Überganges, also Absorption oder Emission,
kann man durch einen Pfeil zwischen den beiden Termsymbolen kennzeichnen. Wenn
man die verschiedenen Terme in einer Termfolge nicht durchnumeriert, ist es häufig
üblich, den oberen Term mit einem Strich, also J
oder v
, den unteren Term mit zwei
Strichen, also J

oder v

, zu bezeichnen.
Die Spektrallinien in Molekülspektren als Übergänge zwischen je zwei Termen las-
sen sich also in folgender Weise beschreiben:
Es gilt

ν̄hc = E el − E el + E vib − E vib + E rot − E rot [Joule]


= ∆E el + ∆E vib + ∆E rot , (8.6)
wenn mit el, vib und rot die elektronische, die Schwingungs- und die Rotationsenergie
bezeichnet werden. Im allgemeinen gilt
∆E el  ∆E vib  ∆E rot . (8.7)
Für Rotationsspektren gilt ∆E el = ∆E vib = 0, es ändert sich beim Übergang nur der
Rotationsterm, also

ν̄hc = E rot − E rot . (8.8)


Rotationsschwingungsspektren entstehen bei Übergängen mit ∆E el = 0, beim Übergang
ändern sich die Terme der Schwingung und der Rotation. Es gilt also

ν̄hc = E vib − E vib + E rot − E rot . (8.9)


Eine Rotations-Schwingungsbande ist die Gesamtheit der Bandenlinien ∆E rot , die zu
einem bestimmten Termübergang ∆E vib gehören. Ändert sich schließlich auch die
Elektronenenergie, dann ändern sich beim Übergang alle drei Terme in (8.6) und es
ergibt sich das Bandensystem dieses Elektronenüberganges ∆E el . Dieses enthält alle
Schwingungs-Banden (∆E vib ) mit ihren jeweiligen Rotationsstrukturen. Als Banden-
spektrum (im weiteren Sinne) eines Moleküls bezeichnet man die Bandensysteme der
möglichen Elektronenübergänge.
Die Lage der drei Arten von Spektren im Spektrum der elektromagnetischen Strah-
lung zeigt für ein kleines Molekül Abb. 8.3.
In der Molekülspektroskopie ist es weitgehend üblich, für die (in Wellenzahlen ge-
messen) Terme E/hc die folgenden Bezeichnungen zu verwenden:
Für Rotationsterme
E rot (J )
≡ F(J ) . (8.10)
hc
Aufgaben 157

Abb. 8.3. Übersicht über die


spektrale Lage der Absorptions-
spektren eines kleinen Moleküls.
Die Zahlenwerte gelten ungefähr
für HCl

Für Schwingungsterme
E vib (J )
≡ G(v) . (8.11)
hc
Für elektronische Terme
E el (J )
≡ T el . (8.12)
hc
Ein gesamter Term eines Moleküls läßt sich damit schreiben als
E ges /hc ≡ T ≡ T el + G(v) + F(v, J ) . (8.13)
Spektrallinien lassen sich dann bezeichnen durch
ν̄ = ∆T el + ∆G + ∆F [cm−1 ] . (8.14)

8.3 Weitere experimentelle Methoden


Schon hier sei darauf hingewiesen, daß es außer der Rotations-, der Schwingungs- und
der elektronischen Bandenspektroskopie noch weitere Untersuchungsmethoden gibt, die
uns Einblick in Struktur und Dynamik von Molekülen geben.
Die Laserspektroskopie eröffnet die Untersuchung von Molekülen mit einer spektra-
len Auflösung, wie sie früher nicht erreichbar war. Sie macht auch eine zeitliche Auflö-
sung von Molekülspektren bis in den Bereich von Femtosekunden und damit die Unter-
suchung der Dynamik molekularer Zustände und Prozesse möglich. Eine wichtige Er-
gänzung liefern Photoelektronenspektren, besonders wenn es um die Analyse der Ener-
giezustände innerer Elektronen geht. Über beides folgt mehr in Kap. 15.
Die magnetische Resonanz von Kernen und Elektronen – Kap. 18 und 19 – liefert
insbesondere detaillierte Struktur-Informationen, die mit anderen spektroskopischen Me-
thoden nicht erhältlich sind.

Aufgaben
8.1 Nehmen Sie an, ein Molekül zeige strahlende Übergänge zwischen den beiden
angeregten Zuständen a und b und dem Grundzustand. Die Lebensdauern der angereg-
ten Zustände seien τa = 10 s und τb = 1 ns. Berechnen Sie die Energieunschärfen der
angeregten Zustände sowie die Linienbreiten der zugehörigen Übergange (in cm−1 ).
8.2 Die Energiedifferenz zwischen zwei Rotationsniveaus eines Moleküls betrage
20,15 cm−1 . Ein Ensemble enthalte 105 Moleküle; wie groß ist die thermische Beset-
zung des höheren Zustands bei einer Temperatur von (a) 29 K, (b) 290 K, (c) 2900 K?
Wie ändern sich die Besetzungen, wenn die Energiedifferenz mit 20 150 cm−1 im Be-
reich elektronischer Übergänge liegt?
9. Rotationsspektren

Die Rotationsenergien von Molekülen sind gequantelt, das heißt sie können sich nur
durch Aufnahme oder Abgabe von Energiequanten ändern. Die Rotationsspektroskopie
erlaubt deren Messung. Daraus erhält man Informationen über Struktur und Bindung
von Molekülen. Die wesentlichen Grundbegriffe lassen sich an den einfachsten, nämlich
den zweiatomigen Molekülen erklären und verstehen. Dem dienen die Abschn. 9.1–9.3.
Die Vielfalt der Rotationsmöglichkeiten von größeren Molekülen kann hier nur ange-
deutet werden, dies geschieht in Abschn. 9.5.

9.1 Mikrowellen-Spektroskopie
Die Rotationsspektren von Molekülen werden fast ausschließlich in Absorption be-
obachtet, weil die spontane Übergangswahrscheinlichkeit für Emission wegen der
geringen Übergangsfrequenz extrem klein ist, vergleiche dazu auch Kap. 16 sowie
in I Abschn. 5.2.3. Da die Rotationsspektren im Frequenzbereich der Mikrowellen lie-
gen, braucht man zu ihrer Messung ein Ferninfrarot-(Fourier)-Spektrometer oder ein
Mikrowellen-Spektrometer.
Zur Mikrowellen-Erzeugung benutzt man häufig das Reflex-Klystron. Damit kann
man Frequenzen zwischen 1 und 100 GHz erzeugen. Klystrons sind rauscharm. Sie
lassen sich allerdings nur in engen Grenzen spektral abstimmen. Abstimmbar als
Oszillator ist der Rückwärts-Wellen-Generator, auch Carcinotron genannt. Dies sind
Elektronen-Laufzeit-Röhren, bei denen die Frequenz im GHz-Bereich durch Änderung
der elektrischen Betriebsdaten über einen größeren Bereich geändert werden kann. Ein
anderes abstimmbares Gerät ist das sogenannte Magnetron. Zunehmende Bedeutung
als Mikrowellen-Generatoren gewinnen der Gunn-Oszillator (z. B. aus GaAs) und die
Avalanche-Diode (aus InP), mit denen man ebenfalls Strahlung im Bereich zwischen
1 und 150 GHz erzeugen kann.
Der Nachweis erfolgt meistens mit einer Mikrowellen-Diode. Wegen der geringen
Absorptionskoeffizienten und besonders wegen der Notwendigkeit, bei geringem Gas-
druck und damit unter weitgehender Reduzierung von Druckverbreiterung zu arbeiten,
verwendet man möglichst große Absorptions-Wege (Meter). Für Quantenenergien, die
größer als einige 10 cm−1 sind, kann man auch Fourier-Infrarot-Spektrometer zur Aus-
messung von Rotationsspektren benutzen.
Zur Verbesserung der Nachweis-Empfindlichkeit und zur genaueren Frequenzmes-
sung wird im allgemeinen eine Effekt-Modulation verwendet. Darunter versteht man
eine Modulation der zu untersuchenden Energieniveaus in der Weise, daß die Intensi-
tät der Absorption und damit das zu beobachtende Signal moduliert werden. So kann
man das Signal-Rausch-Verhältnis und damit die Meßgenauigkeit verbessern. In der
Mikrowellen-Spektroskopie läßt sich dies erreichen, indem man ein elektrisches Wech-
160 9. Rotationsspektren

selfeld so auf die Moleküle einwirken läßt, daß die Energieniveaus eine periodische Ver-
schiebung durch einen periodischen Stark-Effekt erfahren. Diese Modulation mit typi-
schen Feldstärken von 100 V cm−1 und Frequenzen zwischen 50 Hz und 100 kHz nennt
man deshalb Stark-Modulation. Im Nachweisteil der Apparatur werden nur die modu-
lierten Signale verstärkt und nachgewiesen. Damit läßt sich Stör- und Untergrundstrah-
lung von der Strahlung abtrennen, die gemessen werden soll. Die Resonanz zwischen
dem Licht und dem untersuchten Niveau wird also periodisch an- und abgeschaltet. So
kann man die Frequenz der Mikrowellenstrahlung und damit der Rotationsübergänge
mit einer relativen Genauigkeit von besser als 10−6 bestimmen.
Entsprechend den Auswahlregeln für die Wechselwirkung von Molekülen mit Licht
können nur von Molekülen mit permanentem elektrischen Dipolmoment Rotationsspek-
tren beobachtet werden. Diese Auswahlregel für elektrische Dipolstrahlung ist anschau-
lich verständlich: Ein polares Molekül scheint für einen ortsfesten Beobachter ein ver-
änderliches Dipolmoment zu haben, wenn es rotiert. Deshalb ist die Rotation solcher
Moleküle hinsichtlich der optischen Absorption aktiv, das heißt, ihre Rotation führt zur
Absorption elektromagnetischer Strahlung, wenn beide Frequenzen übereinstimmen. Für
homonukleare zweiatomige Moleküle wie H2 , N2 , O2 gilt dies nicht, weil sie kein Di-
polmoment besitzen. Sie zeigen deshalb kein Rotationsspektrum. Das gleiche gilt für
alle größeren Moleküle ohne permanentes Dipolmoment, zum Beispiel CCl4 – es sei
denn die Rotation führt zu einer Verzerrung und damit zu einem rotationsinduzierten
Dipolmoment, oder aber das Molekül führt gleichzeitig eine unsymmetrische Schwin-
gung aus und besitzt dadurch ein Dipolmoment, an dem ein elektrisches Feld angreifen
kann.

9.2 Zweiatomige Moleküle


9.2.1 Das Spektrum des starren Rotators (Hantel-Modell)

Als typisches Rotationsspektrum eines zweiatomigen Moleküls zeigt Abb. 9.1 das Spek-
trum von HCl. Abbildung 9.2 zeigt schematisch ein Rotationsspektrum eines anderen
linearen Kreisel-Moleküls mit kleinerem Linienabstand zusammen mit dem zugehöri-
gen Energietermschema, das wir jetzt ableiten wollen. Das Spektrum besteht aus einer
größeren Anzahl fast äquidistanter Linien mit einer charakteristischen, temperaturabhän-
gigen Intensitäts-Verteilung. Dieses Spektrum läßt sich als das Spektrum eines starren
Rotators verstehen, das heißt als das Spektrum eines Systems, das rotiert und bei dem
die beiden Atome starr miteinander verbunden sind. Dieses sogenannte Hantel-Modell
ist das einfachste Modell für die Rotationsbewegung eines zweiatomigen Moleküls. In

Abb. 9.1. Rotationsspektrum


von HCl in der Gasphase. Ab-
sorptionsspektrum. Die Minima
der Transmission entsprechen
Maxima der Absorption
9.2 Zweiatomige Moleküle 161

Abb. 9.2. Energieniveau-Schema


für die Rotation eines zweiato-
migen Moleküls (linearer Krei-
sel) und Transmissionsspektrum.
Nach oben ist die mit J wach-
sende Energie aufgetragen, un-
ten das Transmissionsspektrum.
Die Auswahlregel für optische
Übergänge lautet ∆J = ±1, die
Intensitäts-Verteilung im Spek-
trum wird im Text erklärt. Die
ersten Linien im Spektrum sind
so schwach, daß sie in dieser
Auftragung nicht sichtbar sind

der klassischen Mechanik berechnet man die Rotationsenergie eines solchen Rotators
nach der Gleichung
1
E rot = Θω2 [Joule] , (9.1)
2
wo Θ das Trägheitsmoment um die Rotationsachse senkrecht zur Verbindungslinie der
Massen m 1 , m 2 und ω die Winkelgeschwindigkeit ist, vergleiche Abb. 9.3.
Das Trägheitsmoment Θ dieser Hantel bezüglich des Massenschwerpunktes S be-
trägt
Θ = m 1 R12 + m 2 R22 = m r R2 , (9.2)
wenn R1 und R2 die Abstände der Massen m 1 , m 2 von S und R = R1 + R2 bedeuten.
m r ist die sogenannte reduzierte Masse
m1m2
mr = . (9.3)
m1 + m2
Der Drehimpuls (in Richtung senkrecht zur Molekülachse) beträgt
|L| = Θω , (9.4)
wenn L als Abkürzung für den Drehimpuls und |L| oder einfach L für seinen Betrag Abb. 9.3. Rotation eines zwei-
verwendet werden. atomigen Moleküls um seinen
Hier zunächst eine Abschätzung: Führt man versuchsweise als Quantenbedingung Schwerpunkt. Beim nicht-starren
Rotator (unteres Teilbild ) kön-
für den Drehimpuls nen die beiden Atome mit der
Federkonstante k gegeneinander
|L| = nh(n = 0, 1, 2 . . . ) (9.5) schwingen
162 9. Rotationsspektren

ein, so erhält man als kleinsten möglichen Wert für die Rotations-Frequenz ω = 2πν
nach (9.4)
L h
ωn=1 = = . (9.6)
Θ m r R2
Setzt man für das HCl Molekül als Beispiel die bekannten Massen von H und Cl und
als Abstand den aus gaskinetischen Messungen bekannten Wert R = 1,28 · 10−10 m ein,
so ergibt sich
νn=1 = 6,28 · 1011 Hz =
λ = 0,47 mm .
Diese halbklassisch berechnete Rotationsfrequenz ist der kleinsten tatsächlich gemesse-
nen Absorptions-Frequenz im Rotationsspektrum sehr nahe: Diese beträgt
νMin beob. = 6,25 · 1011 Hz =
λ = 0,48 mm .

Diese einfache Überlegung gibt zwar die Größenordnung der Frequenz erstaunlich rich-
tig wieder, sie ist allerdings zu einfach, wenn man das ganze Rotationsspektrum verste-
hen will. Für die Energiezustände des Rotators erhält man nämlich nach (9.1) und (9.4)
L2
E rot = . (9.7)

Mit L = nh wird daraus
n2h2
E rot = . (9.8)

Dieser Ausdruck liefert kein mit dem Experiment übereinstimmendes Ergebnis, wenn
man annimmt, daß Rotationslinien im Spektrum durch Übergänge zwischen benach-
barten Quantenniveaus zustande kommen. Man muß das Problem vielmehr quantenme-
chanisch behandeln und für die Rotation die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung
lösen. Weil man den Bahn-Drehimpuls L eines Teilchens der Masse m r , das im Ab-
stand R um den Ursprung rotiert, genau so berechnen kann wie denjenigen eines Elek-
trons im Wasserstoff-Atom, können wir hier wieder die Berechnung der Drehimpuls-
Eigenfunktionen des H-Atoms (siehe dazu in I Abschn. 10.2 sowie auch Kap. 11 in die-
sem Buch) heranziehen. Für den starren Rotator erhält man so die Energie-Eigenwerte
h2
E rot = n(n + 1) , (9.9)

das heißt, wir müssen für den Drehimpuls anstelle von (9.5) wieder die Quantenbedin-
gung

|L| = h n(n + 1) (9.10)
einführen.
Bei der Rotation ist es üblich, die Quantenzahl nicht n, sondern J zu nennen, es
heißt also für die Rotationsniveaus des starren Rotators an Stelle von (9.8)
h2
E rot = J(J + 1) [Joule] (J = 0, 1, 2, . . . ) . (9.11)

9.2 Zweiatomige Moleküle 163

Wenn man statt dessen Termwerte F(J ) einführt, die man wie in der Spektroskopie üb-
lich in der Einheit cm−1 mißt, so erhält man, indem man (9.11) durch hc teilt
E rot
F(J ) = = BJ(J + 1) [cm−1 ] (9.12)
hc
mit der sogenannten Rotationskonstanten B
h
B= [cm−1 ] . (9.13)
8π 2 cΘ
Diese Konstante ist die wichtige für das betreffende Molekül charakteristische Meß-
größe, die man aus den Spektren entnehmen kann. Sie ist dem Trägheitsmoment des
Moleküls umgekehrt proportional. Ihre Messung liefert deshalb eine grundlegende In-
formation über Aufbau und Struktur des untersuchten Moleküls.
Zu jedem der Rotations-Eigenwerte (9.11) und (9.12) gehören charakteristische
Drehimpuls-Eigenfunktionen, deren Quadrate die Aufenthaltswahrscheinlichkeit ange-
ben, das heißt hier die Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Drehwinkel ϑ und ϕ im Win-
kelbereich dΩ = sin ϑdϑdϕ angetroffen werden. Es sind dies die gleichen, die wir be-
reits in I bei der Lösung der Schrödinger-Gleichung für das Wasserstoff-Atom kennen-
gelernt haben (vergleiche dazu Kap. 10 in I). Zu jeder Funktion mit der Quantenzahl J
gehören 2J + 1 Funktionen mit der „magnetischen“ Quantenzahl M = J, J − 1 . . . − J,
jeder durch die Quantenzahl J charakterisierte Zustand ist also (2J + 1)fach entartet,
wenn keine zusätzliche Wechselwirkung zur Aufhebung der Entartung einwirkt.
Die Quantenzahl M mißt die Komponente des Drehimpulses bezüglich einer Vor-
zugsrichtung, die zum Beispiel von außen durch ein elektrisches Feld gegeben wird.
Damit wird dann – siehe beim Stark-Effekt, Abschn. 9.4 – die Entartung nach M bis
auf das Vorzeichen aufgehoben.
Insgesamt erhalten wir also für den starren Rotator
– einen gequantelten Drehimpuls

|L| = J(J + 1)h
mit der gequantelten z-Komponente L z = Mh
– Energie-Eigenwerte E rot = BhcJ(J + 1) mit der in (9.13) definierten Rotationskon-
stanten
h
– B= [cm−1 ] .
8π 2 cΘ
Die Abstände zwischen zwei Energieniveaus mit um 1 unterschiedlicher Quantenzahl J,
das heißt die Rotationsquanten E(J + 1) − E(J ), nehmen mit J zu. Das bedeutet grö-
ßere Rotationsenergie bei konstantem Abstand der Kerne, und damit ein Termschema
wie in Abb. 9.2 und in Abb. 9.4 gezeigt.
Wenn wir jetzt noch als Auswahlregel für optische Übergänge (elektrische Dipol-
strahlung) die Drehimpuls-Auswahlregel ∆J = ±1 (und ∆M = 0, ±1, mit unterschied-
licher Polarisation als σ- und π-Übergänge) einführen, erhalten wir für die Quantenener-
gie der Linien im Rotationsspektrum für einen Übergang zwischen einem Niveau mit
der Quantenzahl J und einem solchen mit J + 1, also nach (9.12) für die Termdifferenz
FJ+1 − FJ die Bedingungs-Gleichung
hν = E J+1 − E J . (9.14)
164 9. Rotationsspektren

Abb. 9.4. Energieniveaus für


die Rotation eines starren
zweiatomigen Moleküls, mit
Angabe der Parität. Mit der
Auswahlregel ∆J = 1 ergibt
sich das angegebene Spektrum
aus äquidistanten Linien. Die
Parität wird in Abschn. 12.4
erklärt

Für die Wellenzahlen der Rotationslinien ergibt sich daraus


ν̄ J→J+1 = 2B(J + 1) [cm−1 ] . (9.15)
Wir erhalten also wie beobachtet ein Spektrum äquidistanter Linien mit den Abstän-
den 2B, aus dem man die Rotationskonstante B entnehmen kann, vergleiche Abb. 9.2
und 9.4. Da das Trägheitsmoment des Moleküls im Nenner von B steht, haben schwe-
rere Moleküle ein langwelligeres Spektrum mit energetisch kleineren Linienabständen
als leichtere Moleküle mit kleinerem Trägheitsmoment.
Einige Beispiele für spektroskopisch bestimmte Rotationskonstanten gibt Tabelle 9.1.
Aus den B-Werten kann man, wie oben bereits gezeigt, den Abstand R der beiden
Atom-Schwerpunkte im Molekül bestimmen. Für 1 H35 Cl erhält man aus dem in Ta-
belle 9.1 angegebenen Zahlenwert für B den Gleichgewichtsabstand

Θ
Re = = 1,287 · 10−10 m
mr
(der Index e steht für equilibrium).
Tabelle 9.1. Rotationskonstanten Die Rotation des Moleküls um seine Längsachse kann vernachlässigt werden. Das
einiger zweiatomiger Moleküle Trägheitsmoment hierfür ist nämlich sehr klein, und damit ergeben sich für die Energie-
niveaus nach (9.9) oder (9.11) extrem große Abstände. Für einen Übergang von J = 0
1 H∗ 2B = 121,6 cm−1
2 zu J = 1 benötigt man sehr viel Energie, und derartige Übergänge treten unter nor-
1 H35 Cl 20,79 malen spektroskopischen Bedingungen nicht auf. Hinzu kommt, daß, selbst wenn ein
12 C16 O 3,84 solcher Übergang erfolgen würde, dann wegen der fehlenden Dipolmoments-Änderung
1 H79 Br keine Spektrallinie beobachtbar wäre.
14,9
39 K35 Cl 0,257
9.2.2 Intensitäten
∗ Das Rotationsspektrum von
H2 ist nicht direkt beobachtbar, Die Linienintensitäten (siehe Abb. 9.2) ergeben sich bei konstantem quantenmecha-
siehe dazu jedoch Kap. 12 nischem Übergangsmoment aus dem Entartungsgrad der Terme FJ mit unterschiedli-
9.2 Zweiatomige Moleküle 165

chem J, der thermischen Besetzung der Rotationsniveaus sowie aus den Auswahlregeln.
Jedes Niveau mit der Quantenzahl J ist, wie bereits erwähnt, (2J + 1)fach entartet
hinsichtlich der magnetischen Quantenzahl M. Der Entartungsgrad ist also 2J + 1.
Entsprechend groß ist das statistische Gewicht der Zustände, wenn die Entartung nicht
aufgehoben ist. Die Auswahlregeln ergeben sich aus der Symmetrie der Wellenfunk-
tion und mit Hilfe der zeitabhängigen Störungstheorie, vergleiche Kap. 16 in I sowie
Kap. 16 in diesem Buch.
Anschaulich verständlich sind jedenfalls die beiden bereits oben verwendeten wich-
tigsten Auswahlregeln:
– Nur polare Moleküle, das heißt Moleküle mit einem permanenten Dipolmoment, ha-
ben ein spektroskopisch beobachtbares Rotationsspektrum.
– Optisch erlaubt sind Übergänge mit ∆J = ±1 √ d. h. Übergänge,
√ bei denen sich der
Drehimpuls des Moleküls um ∆|L| J→J±1 = h| J(J + 1) − (J ± 1)(J ± 1 + 1)|
ändert. Für große J ist diese Änderung näherungsweise h. Diese Drehimpuls-
Änderung entspricht dem Drehimpuls des Lichtquants, das bei Absorption auf-
genommen und bei Emission abgegeben wird, so daß hierdurch der Drehimpuls-
Erhaltungssatz erfüllt wird.
Um schließlich die Intensitätsverteilung im Spektrum ganz zu verstehen, muß man wis-
sen, welche Ausgangszustände für eine Absorption bei der betreffenden absoluten Tem-
peratur T besetzt sind. Die thermische Energie bei Raumtemperatur entspricht ungefähr
1/40 eV oder 200 cm−1 , sie ist also im allgemeinen groß gegen die Rotationskonstante B
und damit gegen den Abstand der untersten Rotationsterme. Im thermischen Gleichge-
wicht sind deshalb bei Raumtemperatur viele Rotationsniveaus besetzt. Quantitativ gilt
für die Besetzungszahlen N J der Niveaus mit der Rotationsquantenzahl J
Nj g J −(E J −E0 )/kT
= e = (2J + 1) e−BhcJ(J+1)/kT . (9.16)
N0 g0 Entartungs- Thermische Besetzung
grad

Darin bedeuten g J und g0 die Gewichtsfaktoren der Zustände mit der Quantenzahl J
und sie entsprechen dem Entartungsgrad 2J + 1 mit g0 = 1. Das Intensitäts-Verhältnis
der Linien in den Absorptionsspektren ist dem Verhältnis der Besetzungszahlen N J ge-
teilt durch N0 proportional. Insgesamt ergibt sich deshalb aus Gl. (9.16) ein Absorpti-
onsprofil wie in Abb. 9.1 und 9.2. Für kleinere J wächst im Absorptionsprofil die Li-
nienintensität mit zunehmenden J wegen des anwachsenden Gewichtsfaktors, für grö-
ßere J überwiegt die Abnahme der Exponentialfunktion in (9.16). Dazwischen liegt ein
Intensitätsmaximum. Für die dem Maximum der Besetzung entsprechende Quantenzahl
Jmax gilt, wie sich leicht durch Differentiation von (9.16) ableiten läßt,

kT 1
Jmax ≈ − , (9.17)
2hcB 2
wenn Jmax diejenige ganze Zahl ist, die dem aus (9.17) berechneten Zahlenwert am
nächsten liegt. Die Lage des intensivsten Überganges gibt (9.16) nur näherungsweise
an, weil die Intensitätsverteilung nicht nur von der Besetzung alleine, sondern auch vom
Quadrat des aus Ausgangs- und Endzustand zu berechnenden Übergangsmomentes ab-
hängt. Dies hängt ebenfalls von J ab. Ein komplettes Rotationsspektrum, wie in Abb. 9.1
gezeigt, kann im allgemeinen wegen des zu großen Frequenzbereichs nicht mit einer
einzigen Apparatur aufgenommen werden. Der Anschluß von Meßdaten verschiedener
166 9. Rotationsspektren

Apparaturen ist hinsichtlich des Intensitätsvergleichs nicht immer einfach. Besser ist das
Intensitätsverhältnis der Absorptionslinien mit verschiedenem J deshalb im Rotations-
Schwingungsspektrum zu sehen, siehe dazu Abschn. 10.4.

9.2.3 Der nicht-starre Rotator

Wenn man die Spektrenanalyse mit größerer Genauigkeit vornimmt, stellt man fest, daß
die Absorptionslinien nicht exakt äquidistant sind. Die Abstände werden vielmehr mit
zunehmender Quantenzahl J kleiner. Um dies zu verstehen, muß man annehmen, daß
sich die Abstände der Kerne im Molekül mit zunehmender Rotationsquantenzahl J än-
dern. Sie nehmen mit zunehmender Energie der Rotation, das heißt wachsender Quan-
tenzahl J, wegen einer Zentrifugaldehnung der Moleküle zu. Das Trägheitsmoment wird
bei dieser Verformung größer. So kommt man vom starren zum nicht-starren Rotator,
bei dem die beiden Kerne mit einer elastischen Federkonstanten k aneinander gebun-
den sind. Er wird besonders wichtig bei der Analyse von Rotationsspektren, bei de-
nen zusätzlich Schwingungen des Moleküls beteiligt sind, den sogenannten Rotations-
Schwingungs-Spektren. Wenn das Molekül nicht nur rotiert, sondern auch schwingt, ist
nämlich diese Abweichung von der Starrheit von der Art und von der Frequenz der
Schwingung abhängig und häufig wesentlich größer als bei reiner Rotation.
Doch zunächst zur alleinigen Rotation des zweiatomigen Moleküls, das heißt zum
Modell der rotierenden nicht-starren Hantel. Zur quantitativen Beschreibung muß man
also annehmen, daß der Rotator nicht starr ist, das heißt daß zwischen den Atomen eine
elastische Bindung mit der Federkonstanten k vorliegt (vergl. Abb. 9.3). Die Rotation
und die damit verbundene Zentrifugalkraft führen deshalb zu einer Dehnung des Mole-
küls. Für den neuen Abstand R gilt klassisch

m r Rω2 = k(R − Re ) , (9.18)


wenn mit Re der Gleichgewichtsabstand in Ruhe und mit ω die Kreisfrequenz bezeich-
net wird.
Es herrscht also Gleichgewicht zwischen der das Molekül dehnenden Zentrifugal-
kraft und der elastischen Bindungskraft. Qualitativ ist einsichtig, daß die Dehnung den
Abstand zwischen den beiden Massen m 1 und m 2 und damit das Trägheitsmoment ver-
größert. Dadurch wird B kleiner und die Energiewerte E J werden abgesenkt. Zur quan-
titativen Berechnung erweitert man (9.18) zu
m r Rω2 m 2 R4 ω2 (Θω)2
∆R ≡ R − Re = = r = . (9.19)
k km r R3 km r R3
Daraus folgt
L2 L2
R − Re =  , (9.20)
km r R3 km r Re3
wobei wir wegen
 
3∆R ∆R
R = (Re + ∆R) =
3 3
Re3 1+ + ... , 1 (9.21)
Re Re
R durch Re ersetzen dürfen.
9.2 Zweiatomige Moleküle 167

Für die Gesamtenergie

L2 1
E rot = 2
− k(R − Re )2
2m r Re 2
ergibt sich damit in dieser klassischen Modellrechnung

L2 L4
E rot = 2
− (9.22)
2m r Re 2km 2r Re6
nach einer einfachen Zwischenrechnung. Geht man nun von der klassischen Mechanik
zur Quantenmechanik über und ersetzt wie oben L 2 durch J(J + 1)h 2 , so erhält man
für die Energie der Rotation

h2 h4
E rot = J(J + 1) − J 2 (J + 1)2 [Joule] (9.23)
2m r Re2 2km 2r Re6
und für die Rotationsterme
E rot
F(J ) = = BJ(J + 1) − DJ 2 (J + 1)2 [cm−1 ] , (9.24)
hc
wenn man analog zur Rotationskonstante B die durch (9.23) definierte Zentrifugal-
Dehnungskonstante einführt. Gleichung (9.24) gilt für ein einfaches harmonisches
Kraftfeld. Bei anharmonischer Kraft sind noch Terme mit höheren Potenzen von J
zu berücksichtigen. D ist viel kleiner als B. Aus (9.23) folgt nämlich

h3
D= [cm−1 ] . (9.25)
4πkΘ 2 Re2 c
Durch Einsetzen der Zahlenwerte in (9.25) und Vergleich mit (9.13) erhält man für das
Größenverhältnis von D/B den ungefähren Wert 10−3 bis 10−4 . Der Dehnungsterm
DJ 2 (J + 1)2 in (9.23) ist deshalb für kleine Werte von J fast zu vernachlässigen, für
größere J-Werte kann er wichtig werden. – Aus einer Messung von D erhält man mit
(9.25) auch die Kraftkonstante k der Bindung und daraus die Frequenz
 
1 k 1 k
ν= [s−1 ] bzw. ν̄ = [cm−1 ] (9.26)
2π m r 2πc m r

der Valenzschwingung in Richtung der Kernverbindungslinie, wie wir in Abschn. 10.2


und 10.3 zeigen werden. Dort werden wir jedoch genauere Meßmethoden hierfür ken-
nenlernen.
Aus dem Termschema des starren Rotators ergibt sich das Termschema des nicht-
starren Rotators durch eine Verschiebung der Terme wie in Abb. 9.5 eingezeichnet. Dem
entspricht ein leicht verändertes Spektrum, wie ebenfalls in Abb. 9.5 schematisch ge-
zeigt. Für die Frequenzen der Linien im Rotationsspektrum des nicht-starren Rotators
gilt nach (9.23) mit der Auswahlregel ∆J = ±1 für einen strahlenden Übergang

ν̄ J→J+1 = F(J + 1) − F(J ) = 2B(J + 1) − 4D(J + 1)3 [cm−1 ] . (9.27)


168 9. Rotationsspektren

Abb. 9.5. Energieniveaus und


Spektrum des nicht-starren Ro-
tators im Vergleich zum starren
Rotator. Für die Dehnungskon-
stante ist D = 10−3 B angenom-
men. Die im Abstand 2B äqui-
distanten Linien des starren Ro-
tators werden beim nicht-starren
Rotator nach kleineren Energien
verschoben, wobei die Verschie-
bung mit J zunimmt, hier über-
trieben groß gezeichnet

Die Auswahlregeln bleiben ungeändert, weil die Symmetrien der Rotationszustände


durch die Federkraft nicht geändert werden.
Zur Erläuterung noch einige Zahlenwerte. Dabei wählen wir als einfaches Mole-
kül das HCl. Hierfür erhält man nach Tabelle 9.1 bei Annahme des starren Rotators
2B = 20,79 cm−1 . Für den nichtstarren Rotator ergibt sich das Korrekturglied 4D =
0,0016 cm−1 , siehe Tabelle 9.2.
Tabelle 9.2 vergleicht Meßwerte und berechnete Werte für das HCl-Molekül mit den
genannten Zahlenwerten.

Tabelle 9.2. Vergleich experimenteller und berechneter Werte für Rotationslinien


von HCl, in cm−1

J → J +1 experimentell berechnet für


starren nicht-starren Rotator

0–1 20,79 20,79 20,79 (nach (9.24)


3–4 83,03 83,16 83,06 und (9.27)
6–7 145,03 145,53 144,98 mit 2B = 20,79 cm−1
9–10 206,38 207,90 206,30 und 4D = 0,0016 cm−1 )

9.3 Isotopie-Effekte
Die große Genauigkeit, mit der man die Trägheitsmomente von Molekülen aus der Mes-
sung der Rotationskonstanten B bestimmen kann, führt zu einer wichtigen Anwendung
9.3 Isotopie-Effekte 169

Abb. 9.6. Der Isotopieeffekt bei


Rotationstermen und dem zuge-
hörigen Rotationsspektrum des
Moleküls CO. Die Rotations-
konstante B des schwereren Mo-
leküls ist kleiner als die von
12 CO, deshalb sind die Linien
für 13 CO (gestrichelt) gegen die-
jenigen von 12 CO nach klei-
neren Energien verschoben. Die
Verschiebung ist hier übertrieben
groß gezeichnet

der Rotationsspektren. Man kann aus Linienverschiebungen die Isotopenmassen bestim-


men, wenn Moleküle mit verschiedenen Isotopen desselben Elementes untersucht wer-
den. Aus den Linienintensitäten kann man die Isotopenhäufigkeiten bestimmen. Da die
Rotationskonstante dem Trägheitsmoment umgekehrt proportional ist, haben nämlich
Moleküle mit schwereren Isotopen Rotationslinien mit geringerer Quantenenergie und
kleinerem gegenseitigen Abstand. Naturgemäß ist der Isotopie-Effekt beim Wasserstoff
besonders groß. Die Rotationskonstante 2B für Wasserstoff, H2 , beträgt 121,62 cm−1 .
Für den schweren Wasserstoff, 2 H2 , ergibt sich im Experiment 2B = 60,86 cm−1 , also
ziemlich genau der halbe Wert wegen der doppelten Masse und dem doppelt so großen
Trägheitsmoment. Übrigens folgt daraus auch, daß der Bindungsabstand im H2 -Molekül
durch die schweren Isotope kaum geändert wird. Bei anderen Molekülen sind die Un-
terschiede wesentlich geringer. So mißt man für das Molekül 12 CO 2B = 3,842 cm−1 ,
für das Molekül 13 CO mit dem schweren Isotop des Kohlenstoffs 2B = 3,673 cm−1 .
Abbildung 9.6 zeigt als Beispiel die Unterschiede im Rotationsspektrum von CO mit
den Isotopen 12 C und 13 C.
Bei mehratomigen Molekülen kann man mit Hilfe des Isotopie-Effektes auch die Ab-
stände der verschiedenen Atome im Molekül messen. Als Beispiel sei hier das lineare
Molekül Kohlenstoffoxysulfid, OCS, angeführt. Wenn man wie besprochen die Rotati-
onskonstante B eines linearen Moleküls mißt, so kann man daraus nur das Trägheitsmo-
ment senkrecht zur Molekülachse, bestimmen, woraus sich nicht beide Bindungslängen
vom zentralen C-Atom zu den Atomen O und S berechnen lassen. Durch Messung mit
zwei verschieden isotop substituierten Molekülen wie zum Beispiel CO32 S und CO34 S
kann man jedoch die Bindungslängen CO und CS aus den Trägheitsmomenten bestim-
men, wenn sich der Abstand CS mit der Änderung der isotopischen Zusammensetzung Abb. 9.7. Das Molekül
nicht ändert. Dies läßt sich folgendermaßen zeigen. Kohlenstoff-Oxysulfid, OCS,
zur Definition der Bezeich-
Wenn man den Schwerpunkt durch die Gleichung nungen für die Massen und
die Abstände der Atome O,
C und S zum gemeinsamen
m O RO + m C RC = m S RS ; (9.28) Schwerpunkt
170 9. Rotationsspektren

(RO , RC und RS sind die Abstände der Atome O, C und S zum Schwerpunkt), definiert
(siehe dazu Abb. 9.7), so ergibt sich das Trägheitsmoment nach
Θ = m O RO
2
+ m C RC2 = m S RS2 , (9.29)
außerdem gilt für die Abstände
RO = RCO + RC RS = RCS − RC (9.30)
RCO , RCS = Bindungsabstände zwischen O und S gegenüber dem zentralen C.
Gleichung (9.30) in (9.28) eingesetzt ergibt:
MRC = m S RCS − m O RCO , (9.31)
wenn M = m O + m C + m S die Gesamtmasse bedeutet.
Gleichung (9.30) in (9.29) eingesetzt ergibt:
Θ = m O (RCO + RC )2 + m C RC2 + m S (RCS − RC )2
= MRC2 + 2RC (m O RCO − m S RCS ) + m O RCO
2
+ m S RCS
2
. (9.32)
Mit Hilfe von (9.31) erhält man schließlich für das Trägheitsmoment den Ausdruck
(m O RCO − m S RCS )2
Θ = m O RCO
2
+ m S RCS
2
− . (9.33)
M
Für ein Molekül mit anderen Isotopen erhält man ein anderes Θ wegen der geänderten
Masse.
Gleichung (9.33) verbindet eine Meßgröße, nämlich das Trägheitsmoment Θ mit
zwei Unbekannten, nämlich mit den Abständen RCO und RCS . Wenn man diese beiden
zunächst unbekannten Bindungsabstände bestimmen will, dann muß man das Trägheits-
moment Θ für zwei Moleküle mit unterschiedlicher Isotopenzusammensetzung messen.
Man erhält dann zwei Meßgrößen Θ1 , Θ2 mit zwei Unbekannten, nämlich den genann-
ten Bindungsabständen. So hat man bei dem genannten Molekül durch Verwendung der
Schwefelisotope 32 und 34 die Bindungsabstände RCO und RCS zu 1,16 bzw. 1,56 Å
bestimmen können.

9.4 Stark-Effekt
Die Beeinflussung der Quantenenergie von Spektrallinien oder die Aufspaltung von
Energieniveaus durch statische elektrische Felder kennen wir aus der Atomphysik unter
dem Namen Stark-Effekt. In der Molekülphysik führt ein statisches elektrisches Feld
zu einer Aufhebung der (2J + 1)fachen Entartung der Rotationsniveaus, da die unter-
schiedlichen Zustände mit gleichem J, aber mit verschiedenen magnetischen Quanten-
zahlen M verschiedenen Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Ladungsdichte in bezug
auf die Molekülachse und damit verschiedenen Polarisationen durch ein elektrisches
Feld entsprechen. Für 2-atomige Moleküle ergibt sich die Energieverschiebung zu
p2 E 2 J(J + 1) − 3M 2
∆E J,M = · , (9.34)
2hcB J(J + 1)(2J − 1)(2J + 3)
wobei jetzt die Richtung des E-Feldes die Vorzugsrichtung für M ist.
9.5 Mehratomige Moleküle 171

Abb. 9.8. Stark-Aufspaltung


der Rotationsterme J = 0, 1, 2,
schematisch. Der Stark-Effekt
ist für positives und negatives
Vorzeichen der Quantenzahl M
gleich. Die Stark-Verschiebung
beträgt beim Zustand mit J = 0,
∆E = − p2 E 2 /6h B. Ohne elek-
trisches Feld beobachtet man
zwei Übergänge, bei 2B und
4B. Mit elektrischem Feld wird
die Übergangsfrequenz bei 2B
verschoben, diejenige bei 4B
spaltet in zwei Komponenten
auf

Dabei ist p das elektrische Dipolmoment des Moleküls, E die elektrische Feldstärke.
In (9.34) geht die Quantenzahl M nur quadratisch ein. Man erhält deshalb eine Aufspal-
tung in (J + 1) Unter-Niveaus, wie in Abb. 9.8 gezeigt. Als Auswahlregel für optische
Übergänge gilt ähnlich wie in der Atomphysik, daß es Übergänge mit ∆M = 0, soge-
nannte π-Übergänge, und Übergänge mit ∆M = ±1, sogenannte σ-Übergänge gibt. Im
übrigen gilt die Auswahlregel für elektrische Dipolstrahlung ∆J = ±1. Die Aufspal-
tung ist sehr klein. Typisch sind Werte von ∆ν/ν zwischen 10−4 und 10−3 bei einer
elektrischen Feldstärke von 103 V/cm.
Der Stark-Effekt ist wichtig, weil man ihn verhältnismäßig leicht als Hilfsmittel zum
Ausmessen von Spektren anwenden kann. Man bringt einfach in dem Hohlleiter, in dem
die Mikrowellenabsorption des Gases stattfindet, eine Mittelelektrode an und legt die
entsprechende elektrische Feldstärke an. Damit lassen sich die zu messenden Energie-
terme verschieben oder, bei Verwendung eines elektrischen Wechselfeldes, zeitlich mo-
dulieren. Einige wichtige Anwendungen des Stark-Effekts in der Molekülphysik sind
folgende
– Bestimmung der Quantenzahl J aus dem Aufspaltungsbild einzelner Rotationslinien
nach (9.34).
– Bestimmung von Molekül-Dipolmomenten p aus der Größe der Aufspaltung bzw. der
Termverschiebung im E-Feld. Dies ist eine wichtige Methode zur Bestimmung der
Dipolmomente von Molekülen. Sie ergänzt die sonst übliche, in Abschn. 3.3 behan-
delte Messung der Dielektrizitätskonstanten ε zur Messung von Dipolmomenten.
– Für die experimentelle Spektroskopie ist der Stark-Effekt deshalb sehr wichtig, weil
man ihn zur Effekt-Modulation und entsprechend zur Erhöhung der Meßgenauigkeit
beim Messen von Rotations-Absorptions-Spektren verwenden kann.

9.5 Mehratomige Moleküle


Zur Beschreibung der Rotation eines mehratomigen Moleküls braucht man, wie man in
der Mechanik lernt, im allgemeinen Fall drei Hauptträgheitsmomente Θ A , Θ B und ΘC
um drei Hauptachsen A, B, C. Dies sind drei zueinander senkrechte Richtungen, um die
das Trägheitsmoment maximale oder minimale Werte annimmt. Wenn ein Molekül eine
172 9. Rotationsspektren

Abb. 9.9. Wichtige Molekül-


strukturen kleiner mehratomiger
Moleküle, in der Reihenfolge
von links nach rechts und
von oben nach unten: Linea-
rer Kreisel, asymmetrischer
Kreisel, symmetrischer Kreisel
[deformierter Tetraeder (Bei-
spiel CH3 Cl)], Kugelkreisel,
tetraedrisch (Beispiel CCl4 ) und
oktaedrisch (Beispiel SF6 )

Symmetrieachse hat, dann ist diese eine Hauptträgheitsachse. Einige wichtige Typen von
mehratomigen kleinen Molekülen zeigt Abb. 9.9.
Wenn wir das Molekül-feste Koordinatensystem x, y, z nennen, wird die kinetische
Energie für die Rotation eines solchen Moleküls gegeben durch:

L 2x L 2y L2
E kin = + + z , (9.35)
2Θx 2Θ y 2Θz
wobei L x , L y und L z die Komponenten des Drehimpulses um die betreffenden Haupt-
achsen sind.
Wenn man die Rotationsniveaus eines mehratomigen Moleküls berechnen will, dann
muß man die verschiedenen Achsen und Hauptträgheitsmomente berücksichtigen. Im
allgemeinen Fall, dem sogenannten unsymmetrischen Kreiselmolekül, sind alle drei
Hauptträgheitsmomente voneinander verschieden. Ein Beispiel ist das Molekül H2 O.
Die Lösung der Schrödinger-Gleichung für ein solches Molekül ergibt 2J + 1 verschie-
dene Eigenfunktionen und Eigenwerte für jedes J. Es gibt jedoch keine allgemeine
Formel für solche Moleküle, und jedes Molekül muß gesondert analysiert werden.
Keine Richtung ist ausgezeichnet, und daher ist keine der Hauptdrehimpulsrichtun-
gen L x , L y , L z quantisiert. Wir werden auf dieses Problem in Abschn. 11.2 nochmals
genauer eingehen. Der allgemeine Fall des unsymmetrischen Kreiselmoleküls wird
deshalb hier noch nicht weiter behandelt.
Einfacher wird es beim symmetrischen Kreiselmolekül. Darunter versteht man ein
Molekül, bei dem aus Symmetriegründen zwei der drei Hauptträgheitsmomente gleich
sind. Beispiele hierfür sind NH3 , CH3 Cl, C6 H6 . Auch in diesem Fall ergibt die Lösung
der Schrödinger-Gleichung wieder quantisierte Gesamt-Drehimpulse entsprechend

|L| = h J(J + 1) , J = 0, 1, 2, . . . . (9.36)
9.5 Mehratomige Moleküle 173

Es ist im Molekül jetzt aber aufgrund der Ladungsverteilung im Molekül eine Vorzugs-
richtung festgelegt. Ist die Trägheitsachse x diejenige, deren Trägheitsmoment verschie-
den ist von dem um y und um z, so ist x die Vorzugsrichtung und es gilt als zweite
Quantisierungsbedingung für die Komponente des Drehimpulses bezüglich der x-Achse
des Moleküls
|L x | = K · h . (9.37)
Die hier eingeführte Quantenzahl K kann die Werte 0, ±1 . . .± J annehmen. Sie ist auf
eine Molekülachse bezogen, die früher eingeführte Quantenzahl M dagegen auf eine von
außen vorzugebende Vorzugsrichtung z.
Es gibt also jetzt eine zweite Quantenbedingung für den Drehimpuls relativ zur x-
Achse. Vergleiche hierzu auch Abschn. 11.2. Für die Energie der Rotationsniveaus erhält
man
 
h h 1 1
E rot = BhcJ(J + 1) + ChcK 2
mit B = , C= − .
8π 2 cΘ y 8π 2 c Θx Θy
(9.38)
Die (2J + 1)fache Entartung ist aufgehoben. Jedoch bleibt für K = 0 noch die 2fache
±|K |-Entartung übrig, da K in (9.38) quadratisch eingeht. Das bedeutet gleiche Ro-
tationsenergie für +K und −K , weil sich diese Zustände nur durch die Drehrichtung
unterscheiden. Man kann nun weiter unterscheiden zwischen
– zigarrenförmigen Molekülen, Θx < Θ y = Θz . Ein Beispiel ist CH3 Cl, wo x die Rich-
tung der 3zähligen Symmetrieachse von Cl zu C ist. Hier ist C > 0, die Niveaus sind
mit wachsendem K nach größeren Energien verschoben
– diskusförmigen Molekülen, Θx > Θ y = Θz . Ein Beispiel ist das Benzolmolekül. Hier
ist C < 0, die Niveaus sind mit wachsendem K zu kleineren Energien verschoben.
Mit den Auswahlregeln ∆J = ±1, ∆K = 0, erhält man als Spektrum des symmetri-
schen Kreiselmoleküls aus (9.38), sofern es starr ist, das gleiche Spektrum wie für den
linearen Rotator. Dies ist anschaulich verständlich, weil Änderungen der Rotation um
die Symmetrie-Achse nicht mit einem Dipolmoment verbunden sind. Die zweite Quan-
tenzahl K führt erst dann zu einem geänderten Spektrum, wenn Zentrifugaldehnung zu
berücksichtigen ist. Beim starren Rotator fällt nach (9.38) das Glied mit K bei der Bil-
dung der Termdifferenzen zwischen J und J + 1 heraus.

Abb. 9.10. Ausschnitt aus dem


Rotationsspektrum des sym-
metrischen Kreisel-Moleküls
CH3 F, schematisch. Die durch
die Quantenzahl J gekenn-
zeichneten Zustände (oben)
spalten weiter auf nach der
Quantenzahl K (unten). Nach
Banwell
174 9. Rotationsspektren

Für den nichtstarren symmetrischen Kreisel ergeben sich die Energieterme E rot zu

E rot = BhcJ(J + 1) − ChcK 2 − D J hcJ 2 (J + 1)2 − D JK hcJ(J + 1)K − D K hcK 4


(9.39)

mit den Dehnungskonstanten D. Die Auswahlregeln für Dipolstrahlung lauten ∆J = ±1


und ∆K = 0. Als Beispiel zeigt Abb. 9.10 einen Ausschnitt aus dem Rotationsspektrum
von CH3 F. Es gelten die Auswahlregeln ∆J = ±1, ∆K = 0. Für CH3 F erhält man aus
einer Anpassung an die Spektrallinien nach (9.39) die Zahlenwerte B = 0,851204 cm−1 ,
D J = 2,00 · 10−6 cm−1 und D JK = 1,47 · 105 cm−1 .
Wichtig für die Intensitäten ist der Entartungsgrad der Rotationsniveaus. Entspre-
chend den Quantenzahlen J und K , und weil K quadratisch in die Energie eingeht,
sind alle Niveaus (außer K = 0) zweifach entartet. Dazu kommt jedoch noch die durch
die Quantenzahl M gekennzeichnete Bedingung für die Orientierung des Drehimpulses
bezüglich einer äußeren Achse, vgl. Abschn. 9.2.1 dieses Kapitels. Diese Quantenzahl
benötigt man zwar nicht für die Berechnung der Rotationsenergie, zum Beispiel nach
(9.38), jedoch zur Charakterisierung anderer Zustandseigenschaften, zum Beispiel Sym-
metrie und Entartungsgrad.
Beim linearen Kreisel mit K = 0 ist jedes Niveau nach M (vergleiche Abschn. 9.2.1)
(2J + 1)fach entartet. Beim sphärischen Kreisel dagegen kommt zur (2J + 1)fachen
Entartung bezüglich einer äußeren Vorzugsrichtung noch eine (2J + 1)fache Entartung
bezüglich der Orientierung des Drehimpulses zu einer der Molekülachsen hinzu. Jedes
durch J gekennzeichnete Niveau ist also (2J + 1)2 fach entartet. Bei Molekülen mit
noch geringerer Symmetrie wird die Frage der Entartung noch komplizierter. Wie be-
reits in Abschn. 9.3 ausgeführt, kann die M-Entartung durch ein äußeres elektrisches
Feld (Stark-Effekt) bis auf das Vorzeichen aufgehoben werden.
Natürlich gilt auch für die mehratomigen Moleküle, daß die Näherung eines star-
ren Molekülgerüsts nur bedingt richtig ist. In Wirklichkeit muß man Verzerrungen der
Moleküle mit berücksichtigen, die bei der Rotation, insbesondere aber bei Schwingun-
gen der Moleküle auftreten können. Dem kann man, ähnlich wie beim Hantelmolekül,
durch Korrekturterme Rechnung tragen. Zusätzlich zu dem Korrektur-Term, wie er be-
reits beim starren Hantelrotator erwähnt wurde, tritt beim symmetrischen Kreiselmole-
kül ein Korrektur-Term hinzu, der proportional zu K 2 ist, (9.38).
Eine Sonderstellung bei den mehratomigen Molekülen nehmen die symmetrischen
Tetraeder-Moleküle ein, wie z. B. CH4 , CCl4 (Kugelkreisel). Bei ihnen sind aus Sym-
metriegründen alle drei Trägheitsmomente um die Achsen x, y, z gleich. Für die Rota-
tionsenergie gilt wieder
h
E rot = BhcJ(J + 1) mit B= .
8π 2 cΘ
Für CCl4 wurde gemessen B = 5,24 cm−1 . Das permanente Dipolmoment p ist
gleich 0. Diese Moleküle besitzen deshalb kein infrarot-aktives Rotationsspektrum. Hier
sei schon vorweggenommen, daß sie auch Raman-inaktiv sind, da auch die Polarisier-
barkeit isotrop ist. Eine ausführlichere theoretische Behandlung der Rotationszustände
vielatomiger Moleküle erfolgt in Abschn. 11.2.
Zum Schluß des Abschnittes über Molekülrotation muß noch kurz darauf hingewie-
sen werden, daß eine Rotation um die Längsachse des Moleküls bei linearen Molekülen
(auch mehratomigen), also gestreckten linearen Kreiseln bisher gar nicht berücksichtigt
Aufgaben 175

Abb. 9.11. Abstände in pm und


Winkel im ebenen Molekül Py-
ridin, aus Rotationsspektren ab-
geleitet. Nach Labhart

wurde. Der Grund dafür ist, daß das Trägheitsmoment um diese Achse wegen der Mas-
senverteilung praktisch gleich 0 ist. Die Rotationskonstante B wird deshalb sehr groß,
größer als die Bindungsenergie des Moleküls, und diese Rotation tritt spektroskopisch
nicht in Erscheinung. Die Quantenzahl K ist gleich Null.
Mit welch großer Genauigkeit man auch bei etwas größeren Molekülen Struktur-
Daten aus der Analyse von Rotationsspektren bestimmen kann, soll schließlich noch
in Abb. 9.11 am Beispiel des Pyridin-Moleküls gezeigt werden. Alle innermolekula-
ren Abstände und die Winkel in nicht zu großen Molekülen sind mit spektroskopischen
Methoden exakt meßbar. Mehr über Molekül-Rotationen folgt bei der Behandlung der
Rotations-Schwingungs-Spektren in Abschn. 10.4 und beim Ramaneffekt (Kap. 12).

9.6 Einige Anwendungen der Rotationsspektroskopie


Eine Anwendung der Mikrowellenspektroskopie im täglichen Leben ist der Mikrowel-
len-Ofen in der Küche. Er benutzt die Absorption von Mikrowellen in Speisen, um diese
zu erwärmen. Hierbei sind es in erster Linie die Wassermoleküle, die durch Absorption
von Mikrowellen-Quanten in hohe Rotationszustände versetzt werden. Die überschüs-
sige Rotationsenergie der Wasser-Moleküle wird als Wärme an die Umgebung der Mo-
leküle abgegeben, und dadurch werden die Speisen erwärmt.
Eine ganz andere Anwendung erfährt die Rotationsspektroskopie von Molekülen
in der Radio-Astrophysik. Anhand ihres Rotationsspektrums hat man im interstellaren
Raum bereits mehr als 80 verschiedene Moleküle identifizieren können, so Wasser, Am-
moniak, Formaldehyd. Diese Entdeckungen geben Anlaß zu detaillierten Spekulationen
über den Ursprung biologischer Moleküle und damit des Lebens. Man beobachtet bei
solchen Untersuchungen die Mikrowellenspektren in Emission. Aus der relativen In-
tensität verschiedener Rotationsübergänge eines Moleküls kann man Rückschlüsse auf
die Temperaturen der interstellaren Materie ziehen.

Aufgaben
9.1 An welchen Molekülen beobachtet man ein reines Mikrowellen-Rotationsspek-
trum: H2 , H2 O, H2 O2 , CH4 , CH3 Cl, CH2 Cl2 , NH3 , NH4 Cl, HCl, Br2 , HBr, CS2 ?
176 9. Rotationsspektren

9.2 a) Ermitteln Sie die Rotationskonstante B sowie das Trägheitsmoment und die
Bindungslänge von 79 Br19 F, in dessen Rotationsspektrum eine Serie äquidistanter Linien
im Abstand von jeweils 0,7143 cm−1 auftritt. Welche Linie besitzt bei Raumtemperatur
die größte Intensität? Wie ist die spektrale Lage des Übergangs J = 9 → J = 10 (in
Wellenzahlen)?
b) Wieviel mal pro Sekunde rotiert das BrF-Molekül im Zustand (i) J = 0, (ii)
J = 1, (iii) J = 10? (Beachten Sie: E = 12 Θω2 .)
9.3 Berechnen Sie die Rotationskonstanten der Moleküle H37 Cl und 2 D35 Cl, die sich
durch die Beteiligung anderer Isotope von H35 Cl mit B = 10,5909 cm−1 unterscheiden.
9.4 Das Übergangsmoment zwischen zwei Rotationsniveaus eines linearen Moleküls
hängt näherungsweise nur vom elektrischen Dipolmoment des Moleküls ab und kann
somit für alle reinen Rotationsübergänge als konstant angesehen werden. Im reinen Ro-
tationsspektrum von H35 Cl-Gas detektiert man gleiche Intensitäten für die beiden Li-
nien bei 106,0 cm−1 und 233,2 cm−1 . Wie hoch ist die Temperatur des Gases (B =
10,6 cm−1 )?
9.5 Das Mikrowellen-Rotationsspektrum von H79 Br enthält bei 84,544 cm−1 ,
101,355 cm−1 und 118,112 cm−1 drei aufeinanderfolgende Linien. Zu welchen Über-
gängen J

→ J
gehören diese jeweils? Wie groß sind die Rotationskonstante B sowie
die Zentrifugal-Dehnungskonstante D? Bestimmen Sie die Bindungslänge und nähe-
rungsweise die Schwingungsfrequenz des Moleküls.
9.6 Die Bindungslängen im linearen dreiatomigen Molekül H–C≡N sind 0,1063 nm
für CH und 0,1155 nm für CN. Berechnen Sie das Trägheitsmoment Θ und die Ro-
tationskonstante B unter Verwendung der relativen Atommassen H = 1, C = 12 und
N = 14.
9.7 Die Geometrie eines Ammoniakmoleküls NH3 entspricht einem symmetrischen
Kreisel mit der Bindungslänge 101,2 pm und dem HNH-Winkel 106,7◦ . Ermitteln Sie
die rotatorischen Energieniveaus und die Übergangsfrequenzen.
Beachten Sie dabei, daß für die Hauptträgheitsmomente des symmetrischen Kreisels
mit Bindungslänge R und Bindungswinkel ϑ parallel zur Symmetrieachse
Θ|| = 2m H R2 (1 − cos ϑ)
gilt und senkrecht dazu
mHmN 2
Θ⊥ = m H R2 (1 − cos ϑ) + R (1 + 2 cos ϑ) .
mH + mN
9.8 Berechnen Sie die Frequenz der Valenzschwingung von HCl parallel zur Mole-
külachse (B = 10,591 cm−1 , D = 5,3 · 10−4 cm−1 ). Wie ist die Abweichung vom ex-
perimentellen Wert 2991 cm−1 zu begründen?
9.9 Im Rahmen eines Raumfahrtprogramms soll die Saturn-Atmosphäre auf CO un-
tersucht werden. Dabei soll von der Umlaufbahn eines Satelliten mit einer Mikrowellen-
apparatur gearbeitet werden. Bei welchen Frequenzen liegen die ersten vier Rotations-
übergänge für 12 C16 O bei einer Bindungslänge von 112,82 pm? Um die relative Häu-
figkeit des 13 C-Isotops bestimmen zu können, muß der 1 → 0-Übergang der entspre-
chenden Moleküle noch aufgelöst werden können. Welche Auflösung muß die Apparatur
besitzen?
Aufgaben 177

9.10 Wie werden die Rotationsniveaus J = 2 und J = 3 in einem elektrischen Feld


aufgespalten? Wie verändert sich aufgrund des Stark-Effekts das Spektrum der Absorp-
tionslinie J = 2 → J = 3 (Auswahlregeln ∆J = ±1, ∆M J = 0)? Wie kann man das
Ergebnis nutzen, um die Zuordnung der J-Werte in Rotationsspektren zu bestätigen?
9.11 Gemäß den Gesetzen der klassischen Mechanik hätte der starre Rotator das kon-
tinuierliche Energiespektrum
1
Wrot, klass = Θω2
2
mit beliebigen Werten der Kreisfrequenz ω. Nach der Quantenmechanik kommt die
Kreisfrequenz in den diskreten Energien
Wrot, QM = hcBJ(J + 1)
nicht vor, da eine scharfe raumzeitliche Bahnbeschreibung hier nicht existiert. Berech-
nen Sie trotzdem zur groben Veranschaulichung ω(J ) durch Gleichsetzen der klas-
sischen mit der quantenmechanischen Energie. Vergleichen Sie die Wellenzahlen der
Strahlung nach der klassischen Elektrodynamik mit denen, die sich aus der Quanten-
theorie ergeben.
10. Schwingungsspektren

Anders als Atome haben Moleküle innere Freiheitsgrade. Sie können zu Schwingungen
angeregt werden. Die Spektroskopie dieser Schwingungen liefert Auskunft zur Struktur
und zur Bindung in Molekülen. Auch hier lassen sich die grundlegenden Erscheinungen
an zweiatomigen Molekülen am besten studieren, auch die Kopplung zwischen Schwin-
gung und Rotation (Abschn. 10.1–10.4). Nach einem Ausblick auf das weite Feld der
Schwingungen größerer Moleküle in Abschn. 10.5 wird in den Abschn. 10.6–10.8 noch
auf Anwendungen in Lichtquellen und Lasern eingegangen.

10.1 Infrarot-Spektroskopie
In den Molekülen können die Atome Schwingungen um ihre Gleichgewichtslagen aus-
führen, in denen sie sich im bisher betrachteten elektronischen Grundzustand befinden.
Diese Schwingungen können im optischen Spektrum in Erscheinung treten. Die Fre-
quenzen dieser Schwingungen liegen im infraroten Spektralbereich. Die Messung von
Spektren im Infraroten erfolgt heute entweder mit Gitter-Spektralphotometern oder in
zunehmendem Maße mit Fourier-Spektrometern. Als Infrarot-Lichtquellen benutzt man
meistens thermische Strahler wie den Nernst-Stift (85% ZrO2 , 15% Y2 O3 ) oder das so-
genannte Globar. Das ist ein Stab aus SiC, der durch Stromdurchgang auf etwa 1500 K
aufgeheizt wird. Das spektrale Maximum seiner thermischen Strahlung liegt dann bei
3000 cm−1 . Im Bereich des fernen Infrarot sind Gasplasmen als Lichtquelle überle-
gen. Man verwendet zum Beispiel das Plasma einer Quecksilber- oder eine Xenon-
Hochdrucklampe.
Zum Nachweis von Infrarot-Strahlung gibt es thermische Detektoren wie Bolometer
oder die auf der Erwärmung eines Gasvolumens durch absorbiertes IR-Licht beruhende
Golay-Zelle. Die leistungsfähigsten Strahlungsempfänger sind jedoch spezielle Infrarot-
empfindliche Photoleitungs-Detektoren und Photodioden aus geeignetem Halbleiter-
Material, das je nach Wellenlängenbereich, gewünschter Empfindlichkeit, Schnelligkeit
und anderen Parametern ausgesucht werden kann. Schwingungsspektren werden mei-
stens als Absorptionsspektren untersucht. Die Wahrscheinlichkeit für spontane Emission
aus angeregten Schwingungszuständen ist sehr klein, so daß eine Schwingungsspektro-
skopie kaum in Emission möglich ist, wohl aber in induzierter Emission. Eine andere
Methode zur Messung von Schwingungsspektren ist die Raman-Spektroskopie. Diese
wird in Kap. 12 behandelt.
Man kann sich leicht und anschaulich klar machen, in welchem Spektralbereich Mo-
lekülschwingungen liegen. Das möge eine einfache Abschätzung für das HCl-Molekül
zeigen. Wir nehmen an, im HCl-Molekül seien die Ionen H+ und Cl− durch ihre elek-
trische Anziehung nach dem Coulomb-Gesetz im Gleichgewichtsabstand Re aneinander
180 10. Schwingungsspektren

gebunden. Wenn wir den Abstand auf R dehnen, erzeugen wir eine rücktreibende Kraft
FR von der Größe
FR = −k(R − Re ) . (10.1)
Der Index e steht hier für Gleichgewicht, englisch equilibrium.
Die Kraftkonstante k können wir für dieses Modell ausrechnen. Es gilt bei Annahme
reiner Coulomb-Kraft
dF 2e2
k= = . (10.2)
dr 4πε0 Re3

Mit dem gemessenen Gleichgewichtsabstand Re = 1,28 · 10−10 m wird k = 220 N m−1 .


Die Eigenfrequenz dieses Feder-Modells beträgt

k
ω = 2πν = [s−1 ] (10.3)
mr
m r = reduzierte Masse.
Dies ist die klassische Oszillatorfrequenz.
Daraus ergibt sich durch Einsetzen
ω
ν= = 5,85 · 1013 Hz und λ = 5,12 µm .

Die für HCl tatsächlich gemessenen Werte, nämlich k = 516 N m−1 und λ = 3,5 µm
sind von der gleichen Größenordnung wie diejenigen unseres stark vereinfachten Mo-
dells. Daraus schließen wir, daß die Grund-Annahmen dieses Modells richtig sind, daß
wir es jedoch weiter verfeinern müssen.
Schon hier seien einige typische Zahlenwerte für Kraftkonstanten von verschieden-
artigen Bindungen angegeben:
Kovalente Bindung wie in H2 : 5 · 102 N m−1
Doppelbindung wie in O2 : 12 · 102 N m−1
Dreifachbindung wie in N2 : 20 · 102 N m−1
Ionenbindung wie in NaCl: 1 · 102 N m−1

10.2 Zweiatomige Moleküle, harmonische Näherung


Wir betrachten zuerst wieder die Schwingungen der einfachsten Moleküle, das sind die
zweiatomigen. Das Schwingungsspektrum eines zweiatomigen Moleküls besteht, wenn
man es mit geringer spektraler Auflösung mißt, aus einer Linie im Infraroten bei der
Frequenz ν und aus einer Serie von „Obertönen“ mit stark abnehmender Intensität bei
den Frequenzen 2ν, 3ν, 4ν, wie es in Abb. 10.1 am Beispiel des CO-Moleküls gezeigt
ist. ν ist die Frequenz der Dehnungsschwingung des Moleküls. Bei dieser Schwingungs-
form ändert sich der Atomabstand im Molekül mit der Periode der Schwingung. Bei hin-
reichend guter spektraler Auflösung hat jede dieser Linien eine charakteristische Unter-
struktur; diese besteht jeweils aus einer Vielzahl von fast äquidistanten Linien. Dies zeigt
10.2 Zweiatomige Moleküle, harmonische Näherung 181

Abb. 10.1. Schwingungsspek-


trum von CO in der Gas-
phase, Grundschwingung bei
2143 cm−1 und erster Oberton
bei 4260 cm−1 , gemessen mit
schlechter spektraler Auflösung.
Nach Banwell

Abb. 10.2, ebenfalls für CO. Diese Struktur hat große Ähnlichkeit mit den in Kap. 9 be-
handelten Rotationsspektren und beruht darauf, daß die schwingenden Moleküle auch
rotieren, und daß Schwingung und Rotation gekoppelt sind. Man nennt solche Spektren
deshalb Rotations-Schwingungs-Spektren oder auch Bandenspektren, weil jeweils Grup-
pen von Linien auftreten, die eine „Bande“ bilden. Schwingungsspektren freier Mole-
küle ohne Rotationsstruktur gibt es nicht. Allerdings tritt die Rotationsstruktur nicht in
Erscheinung, wenn die spektrale Auflösung nicht ausreicht oder wenn, wie in konden-
sierter Phase, Wechselwirkung mit gleichen oder anderen Molekülen die Linien so stark
verbreitern, daß inhomogen verbreiterte Schwingungsbanden ohne aufgelöste Rotations-
Struktur entstehen.
Zunächst lassen wir die Rotationsstruktur bei der Diskussion einmal unberücksich-
tigt und behandeln nur die Schwingung. Die Energieniveaus der Schwingungen eines
zweiatomigen Moleküls berechnen wir zunächst im Hantel-Modell wie oben als dieje-
nigen eines harmonischen Oszillators mit der Federkonstanten k in Richtung der Ver-
bindungslinie zwischen den Kernen. Wir nähern das Potential V der Bindung also als
Parabelpotential mit
k
V = (R − Re )2 an , (10.4)
2
wenn R die Auslenkung aus dem Ruhe-Abstand Re mißt. Die quantenmechanische Be-
rechnung ergibt für die möglichen Energieniveaus, siehe dazu Abschn. 9.4 in I:
 
1
E vib = hω v + , v = 0, 1, 2 . . . [Joule] . (10.5)
2

Abb. 10.2. Die Grundschwin-


gung des Moleküls CO, ge-
messen mit guter Auflösung.
Links und rechts des Zentrums
mit ν̄ = 2143,28 cm−1 erstreckt
sich der P- und der R-Zweig.
Die Auswertung entsprechend
(10.30), (10.31) und (10.32)
ergibt ν̄e = 2169,7 cm−1 ,
xe = 0,0061, Be = 1,924 cm−1
und α = 0,0091 cm−1
182 10. Schwingungsspektren

Darin ist ω die klassische Oszillatorkreisfrequenz nach (10.3). Die tiefste Energie (für
v = 0) ist die Nullpunktenergie (E vib )0 = hω/2.
Wenn man von den Energieniveaus zu Termen, gemessen in cm−1 , übergeht, muß
man die Energie-Werte von E vib aus (10.5) mit hc dividieren. In der Molekülspektro-
skopie ist es weiterhin üblich, diese Schwingungsterme mit G v zu bezeichnen und zu
schreiben
 
E vib 1
Gv = = ωe v + [cm−1 ] . (10.6)
hc 2
Die hier eingeführte und in der Molekülspektroskopie häufig so bezeichnete Schwin-
gungskonstante

ωe = = ν̄e (10.7)
hc
ist die Wellenzahl zur klassischen Schwingungsfrequenz, wie sie sich nach (10.3) ergibt.
Wir wollen im folgenden die Bezeichnung ωe nicht übernehmen, um Verwechslun-
gen mit der Bedeutung von ω als Kreisfrequenz zu vermeiden, sondern wir werden
durchweg die Bezeichnung ν̄ für in Wellenzahlen gemessene Energiegrößen verwenden.
Die Eigenfrequenz des harmonischen Oszillators nach (10.5) bezeichnen wir dement-
sprechend im folgenden mit νe , die zugehörige Wellenzahl mit ν̄e .
Mit (10.5) ist eine neue Quantenzahl v eingeführt. Sie mißt die Quantisierung der
Schwingungen. Mit zunehmender Quantenzahl v = 2, 3 . . . werden Schwingungszu-
stände mit höherer Energie bezeichnet. Für v = 0 ergibt sich nach (10.5) die klassisch
nicht verständliche Nullpunktsenergie (E vib )0 = hω/2. Ihre Existenz folgt aus der Un-
schärferelation für Ort und Impuls (vgl. I, Abschn. 7.3). Selbst im niedrigsten Schwin-
gungsniveau (v = 0) ist die Schwingungsenergie also nicht Null, sondern sie hat den
Wert hω/2. Die Schwingungsfrequenz ω = 2πνe läßt sich wieder wie oben berech-
nen zu

k
ω= [s−1 ] . (10.8)
mr
Hierbei ist wichtig, daß die Schwingungsfrequenzen von der reduzierten Masse des Mo-
leküls abhängen. Bei Molekülen aus Partnern sehr ungleicher Masse m 1  m 2 ist m r
nicht sehr verschieden von m 2 . Das ist anschaulich verständlich, denn in einem solchen
Molekül bewegt sich fast nur die leichte Masse m 2 , indem sie fast wie gegen eine feste
Wand schwingt.
Die Energieniveaus nach (10.5) im Parabelpotential und die zugehörigen Aufent-
haltswahrscheinlichkeiten |ψ|2 des Oszillators zeigt Abb. 10.3. Aus Abb. 10.3 wird auch
deutlich, daß bei hohen Schwingungsquantenzahlen die quantenmechanisch berechne-
ten Aufenthaltswahrscheinlichkeiten denen des klassischen Oszillators ähnlich werden.
Wenn wir als Auswahlregel für optische Übergänge bereits vorwegnehmen, daß nur sol-
che Übergänge erlaubt sind, bei denen sich die Schwingungsquantenzahl um 1 ändert,
also ∆v = ±1, dann erwarten wir im Spektrum wegen der Äquidistanz der Energieni-
veaus nur eine Linie mit der Quantenenergie E v+1 − E v = hve bzw. mit der Wellen-
zahl ν̄e (cm−1 ).
Als allgemeine Auswahlregel für das Auftreten von Schwingungsspektren gilt wieder
wie bei der Rotation, daß mit der Schwingung des Moleküls ein elektrisches Dipolmo-
10.3 Zweiatomige Moleküle. Der anharmonische Oszillator 183

Abb. 10.3. Potentialkurve mit


Energieniveaus und Aufenthalts-
wahrscheinlichkeiten |ψv (R −
Re )|2 des harmonischen Oszil-
lators. Nach Hellwege

ment verbunden sein muß, das sich bei dem entsprechenden Übergang ändert. Das ist
die Auswahlregel für elektrische Dipolstrahlung.
Bei der Schwingung gleichartiger Atome gegeneinander, zum Beispiel in allen ho-
monuklearen zweiatomigen Molekülen wie H2 , N2 , O2 ist kein Dipolmoment vorhan-
den, und es ändert sich kein Dipolmoment. Für solche Moleküle sind deshalb Schwin-
gungs- bzw. Rotations-Schwingungsübergänge im optischen Spektrum verboten. Die
Schwingungsfrequenzen dieser Moleküle bezeichnet man deshalb als optisch inaktiv.
Trotzdem sind diese Frequenzen beobachtbar. Einerseits werden wir bei der Be-
sprechung des Raman-Effektes in Kap. 12 und 17 sehen, daß sie wegen einer mit der
Schwingung verbundenen Änderung der Polarisierbarkeit im Raman-Spektrum auftreten
können. Andererseits lassen sich die Frequenzen auch im Infrarot-Spektrum – allerdings
mit um mehrere Größenordnungen geringerer Intensität – beobachten, weil die Dipol-
freien Moleküle doch im allgemeinen elektrische Momente höherer Ordnung besitzen.
Man muß dann entsprechend größere Schichtdicken des absorbierenden Gases verwen-
den, weil die entsprechenden Übergänge eine erheblich kleinere Übergangswahrschein-
lichkeit aufweisen.

10.3 Zweiatomige Moleküle. Der anharmonische Oszillator


In Wirklichkeit ist die Potentialkurve eines zweiatomigen Moleküls jedoch nicht, wie
im vorigen Abschn. 10.2 angenommen, parabelförmig. Das wirkliche Potential muß,
wie man sich leicht überlegt, unsymmetrisch bezüglich des Gleichgewichtsabstandes Re
sein. Verkleinerung des Abstandes der Atome im Molekül gegenüber Re führt näm-
lich zu vermehrter Abstoßung, da zu dem anziehenden Coulomb-Potential ein abstoßen-
des Potential kurzer Reichweite hinzukommt, das ein gegenseitiges Durchdringen der
Atome verhindert und einen stabilen Gleichgewichtsabstand bewirkt, siehe Abb. 1.2. Die
Potentialkurve wird deshalb für R < Re steiler. Andererseits führt Vergrößerung des Ab-
184 10. Schwingungsspektren

Abb. 10.4. Morse-Potentialkurve


für das HCl-Molekül. Gestri-
chelt eingetragen ist zum Ver-
gleich die Potentialkurve des
harmonischen Oszillators. Die
Dissoziationsenergie aus dem
Minimum der Potentialkurve
heißt De

standes zu Bindungslockerung und schließlich zu Dissoziation. In diesem Bereich, also


für R > Re , wird die Potentialkurve flacher. Eine realistischere Potentialkurve als die-
jenige des harmonischen Oszillators zeigt Abb. 10.4 für das HCl-Molekül als Beispiel.
Ein häufig verwendeter empirischer Ansatz, der mit der Erfahrung gut überein-
stimmt, ist das sogenannte Morse-Potential
V = De [1 − e−a(R−Re ) ]2 . (10.9)
Hierin ist De die Dissoziationsenergie und a eine für das betreffende Molekül spezifi-
sche Größe
a = (m r /2De )1/2 ωe [cm−1 ] ,
in die die reduzierte Masse und die Schwingungsfrequenz des harmonischen Oszillators
eingehen.
Die Größe a im Morse-Potential enthält also die Wellenzahl, die dem harmoni-
schen Oszillator entspräche, ferner die Dissoziationsenergie und die reduzierte Masse
als Molekül-spezifische Größen.
In der Nähe des Minimums ist die Abweichung der Morse-Kurve vom Parabelpo-
tential tatsächlich klein, und der harmonische Oszillator ist in diesem Bereich eine gute
Näherung. Für R = Re ist V = 0, für R → ∞ wird V = De . Für kleine Kernabstände,
R → 0, stimmt der Ansatz (10.9) nicht mehr.
Für größere Auslenkungen R > Re muß man jedoch die Schrödinger-Gleichung mit
dem Morse-Potential für die potentielle Energie lösen, wenn man den anharmonischen
Oszillator berechnen will. Dies ist in geschlossener Form möglich.
Man kommt so zu den Energietermen des anharmonischen Oszillators, vgl.
Abb. 10.5. Sie lauten in guter Näherung
   
1 1 2
E v = hωe v + − xe hωe v + (10.10)
2 2
beziehungsweise
   
1 1 2
G v = ν̄e v + − xe ν̄e v + .
2 2
10.3 Zweiatomige Moleküle. Der anharmonische Oszillator 185

Abb. 10.5. Energieniveaus eines


anharmonischen Oszillators. Die
drei Pfeile entsprechen der
Grundschwingung und den bei-
den ersten Obertönen im
Schwingungsspektrum. Man er-
kennt den mit der Quanten-
zahl v zunehmenden mittleren
Kernabstand

Tatsächlich verwendet man zur Auswertung der experimentellen Daten häufig eine Ver-
allgemeinerung von (10.10), bei der man weitere Glieder mit höherer Potenz von (v +
1/2) hinzufügt, insbesondere das Glied +ye hωe (v + 1/2)3 .
Man beachte, daß hier das Symbol ωe für die Kreisfrequenz 2πνe verwendet wird,
das nicht mit der in der Molekülspektroskopie häufig verwendeten Schwingungskon-
stante ωe verwechselt werden darf, vergleiche (10.6) und (10.7).
In (10.10) ist ωe = 2πνe ein Wert für die Schwingungsfrequenz, den wir gleich noch
näher definieren müssen, und xe die sogenannte Anharmonizitätskonstante, die sich auch
durch den Ausdruck
hωe
xe = (10.11)
4De
definieren läßt. xe ist also der Quotient aus der (klassischen) Schwingungsenergie und
der vierfachen Dissoziations-Energie. xe ist immer positiv und typischerweise von der
Größenordnung 0,01.
Strenggenommen gehören, wie bereits erwähnt, zu (10.10) noch weitere Terme mit
höheren Potenzen von (v + 1/2). Dabei handelt es sich jedoch um sehr kleine Korrek-
turterme, die nur bei sehr großen Werten von v zu beachten sind und hier vernachlässigt
werden.
Die Bedeutung von ωe ergibt sich aus dem Vergleich von (10.10) mit den Termen
des harmonischen Oszillators (10.5). Wir können (10.10) umschreiben in
   
1 1
E v = hωe v + 1 − xe v + (10.12)
2 2
und sehen durch Vergleich mit (10.5), daß wir die Schwingungsfrequenz ω in (10.5)
durch
  
1
ωv = ωe 1 − xe v + (10.13)
2
186 10. Schwingungsspektren

ersetzen müssen, wenn wir vom harmonischen zum anharmonischen Oszillator über-
gehen. Beim anharmonischen Oszillator nimmt also die Schwingungsfrequenz nach
(10.13) mit zunehmender Quantenzahl v ab. – In dem wegen der Nullpunktsenergie
hypothetischen Fall E v = 0, das heißt v = −1/2, das heißt, wenn sich das Molekül im
schwingungslosen Gleichgewichtsabstand, in Ruhe, befinden würde, wäre
ω = ωe . (10.14)
Die Schwingungsfrequenz ωe des harmonischen Oszillators ist als hypothetische
Schwingungsfrequenz ohne Nullpunkt-Schwingung, das heißt mit unendlich kleiner
Amplitude, beim anharmonischen Oszillator eine reine Rechengröße. Der Index e steht
auch hier für equilibrium.
Die größte tatsächlich realisierte Schwingungsfrequenz ergibt sich für v = 0. Sie
beträgt
 xe 
ωv=0 = ωe 1 − . (10.15)
2
Die Nullpunktsenergie des anharmonischen Oszillators ist also geringfügig kleiner als
diejenige des harmonischen.
Durch Gl. (10.10) wird also in mit der Erfahrung übereinstimmender Weise das
Zusammenrücken der Energieniveaus mit wachsender Quantenzahl v beschrieben. Das
höchste diskrete gebundene Niveau liegt bei der Energie De . Oberhalb von De gibt es
nur noch ein Kontinuum nicht gebundener Zustände, das Molekül ist dissoziiert. Dieser
Bereich heißt das Dissoziations-Kontinuum.
Der mittlere Kernabstand eines anharmonischen Oszillators nimmt wegen der un-
symmetrischen Potentialkurve im Gegensatz zum harmonischen Oszillator mit zuneh-
mender Schwingungs-Quantenzahl v zu. Aus Abb. 10.5 und 10.6 wird dies deutlich.
Diese Abstandsänderung ist übrigens auch die Ursache für die Wärmeausdehnung fe-

Abb. 10.6. Schwingungsniveaus


des H2 -Moleküls und daraus ab-
geleitete Potentialkurve. Die ge-
strichelte Kurve ist die entspre-
chende Morse-Funktion. Schraf-
fiert ist der kontinuierliche Be-
reich oberhalb der Dissoziations-
grenze. Nach Herzberg
10.3 Zweiatomige Moleküle. Der anharmonische Oszillator 187

ster Körper: Bei höherer Temperatur befinden sich die molekularen Oszillatoren im Zeit-
mittel in Schwingungszuständen mit größerer Quantenzahl v, das heißt mit größerem
innermolekularem Abstand R.
Wie Abb. 10.5 schematisch zeigt, muß man auch bei der Dissoziationsenergie un-
terscheiden, ob man sie vom Minimum der Potentialkurve oder vom tiefsten möglichen
Term mit v = 0 aus rechnet. Wir unterscheiden diese beiden Größen durch die Symbole
De und D0 . Aus der experimentell bestimmten Abb. 10.6 sind die Zahlenwerte für das
H2 -Molekül ersichtlich.
Zur Erläuterung einige Zahlen. Beim Molekül 1 H35 Cl mißt man als Wellenzahl für
die Dehnungsschwingung ν̄ = 2900 cm−1 und xe = 0,0174. Daraus erhält man nach
(10.10) De = 5,3 eV. Dieser Wert sollte um die Nullpunktenergie (hier 0,2 eV) größer
sein als die tatsächlich gemessene Dissoziationsenergie D0 , siehe dazu Abb. 10.5. Man
mißt empirisch D0 = 4,43 eV. Die Übereinstimmung ist also nicht sehr exakt. Die Ge-
samtzahl von diskreten Schwingungsniveaus zwischen der Nullpunktsenergie und den
Energiewert D0 ergibt sich als größte mögliche Quantenzahl vmax hier mit
2    3
1 1 2
hωe vmax + − xe vmax + = De zu vmax = 22 , (10.16)
2 2

gegenüber nur 14 bei Annahme eines harmonischen Oszillators, also xe = 0.


Einige weitere Beispiele für Meßwerte an zweiatomigen Molekülen enthält Ta-
belle 10.1.

Tabelle 10.1. Grundschwingungskonstanten, Kraftkonstanten k und Dis-


soziationsenergien D0 einiger zweiatomiger Moleküle. Nach Engelke

Molekül ν̄ [cm−1 ] k [N m−1 ] D0


(v = 0 → v = 1 Überg.) [kcal/Mol]

H2 4159,2 5,2 · 102 104


D2 2990,3 5,3 104
HF 3958,4 8,8 135
HCl 2885,6 4,8 103
HBr 2559,3 3,8 87
Hl 2230,0 2,9 71
CO 2143,3 18,7 257
NO 1876,0 15,5 150
F2 892,0 4,5 38
Cl2 556,9 3,2 58
Br2 321,0 2,4 46
I2 231,4 1,7 36
O2 1556,3 11,4 119
N2 2330,7 22,6 227
Li2 246,3 1,3 26
Na2 157,8 1,7 18
NaCl 378,0 1,2 98
KCl 278,0 0,8 101
188 10. Schwingungsspektren

Da die experimentell gemessene Dissoziationsenergie D0 eines Moleküls den Ab-


stand zwischen Dissoziationsgrenze und Nullpunktsenergie des Moleküls mißt, soll-
ten sich die Dissoziationsenergien D0 von Molekülen mit verschiedener Isotopen-
Zusammensetzung um die Differenz der Nullpunktenergien unterscheiden, wenn – was
in guter Näherung zutrifft – die Energie der chemischen Bindung nur wenig oder un-
meßbar von der Isotopen-Masse abhängt.
In diesem Zusammenhang sind die Meßwerte für das Wasserstoff-Molekül interes-
sant. Der Zahlenwert der Dissoziationsenergie für schweren Wasserstoff, 2 H2 , (4,55 eV)
liegt um 0,077 eV = 621 cm−1 höher als der vom leichten Isotop 1 H2 . Diese Differenz
liegt nahe bei der Differenz der Nullpunktsenergien
1 1  1 2 
ν̄0 H2 − ν̄0 H2 ,
2 2
wenn mit ν̄0 die Quantenenergie der Valenzschwingung des Wasserstoff-Moleküls be-
zeichnet wird. Die Meßwerte für den tiefsten Schwingungsübergang, für den Übergang
v = 0 → v = 1 lauten für 1 H2 4159 cm−1 , für 2 H2 2990 cm−1 . Die Differenz dieser
Schwingungsenergien sollte gleich der doppelten Differenz der Nullpunktsenergien sein.
Tatsächlich liegt der so errechnete Zahlenwert von 584 cm−1 nahe bei dem oben ge-
nannten experimentellen Wert, 621 cm−1 . – Diese Übereinstimmung kann man übrigens
als experimentellen Nachweis für die Existenz einer Nullpunkt-Schwingung betrachten,
wenn man annimmt, daß die aus der Potentialkurve sich ergebende Dissoziationsener-
gie De für schweren und leichten Wasserstoff gleich groß ist. Beim schweren Wasser-
stoff muß man dann einen um die Differenz der Nullpunktsenergien höheren Energie-
betrag D0 bis zur Dissoziationsgrenze aufbringen als für leichten Wasserstoff, wenn der
tiefste mögliche Grundzustand der Moleküle energetisch um jeweils (1/2)hν0 über dem
Minimum der Potentialkurve liegt.
Auf diesem, durch die Nullpunktsenergie bedingten, Unterschied im Energiebetrag,
den man zur Dissoziation eines Moleküls aufwenden muß, je nachdem wie seine isoto-
pische Zusammensetzung ist, beruht ein modernes Verfahren zur Trennung solcher Mo-
leküle im Isotopengemisch: Man bestrahlt die Moleküle mit intensivem Laserlicht und
wählt dessen Quantenenergie so, daß sie zur Dissoziation von einem der Bestandteile
des Isotopengemisches ausreicht, nicht jedoch für den anderen oder die anderen, wenn
es mehr als zwei sind.
Aus den Energietermen können wir nun das Absorptions-Spektrum eines anharmo-
nischen Oszillators ableiten, wenn wir noch die Auswahlregeln kennen. Die Auswahl-
regel ∆v = ±1 für den harmonischen Oszillator wird beim anharmonischen Oszillator
etwas modifiziert. Mit geringerer Wahrscheinlichkeit können außer der einfach angereg-
ten Schwingung auch Obertöne angeregt werden. Es gilt

∆v = ±1, ±2, ±3 . . . , (10.17)

wobei sich die relativen Intensitäten etwa wie 1 : xe : xe2 : xe3 . . . verhalten.
Da xe eine kleine Zahl ist (vgl. die Zahlenwerte in Tabelle 10.1, aus denen sich nach
(10.11) xe errechnen läßt), nehmen die Intensitäten in der angeführten Reihenfolge rasch
ab. Dies sind die vorne bereits erwähnten „Obertöne“, vgl. auch Abb. 10.1. Für ihr Auf-
treten ist also die Anharmonizität im Molekül verantwortlich.
Die Quantenenergien der Übergänge mit ∆v = ±1 sind nicht mehr für alle Zahlen-
werte von v, das heißt zwischen allen Schwingungstermen in der Potentialkurve gleich
10.3 Zweiatomige Moleküle. Der anharmonische Oszillator 189

groß, sie nehmen vielmehr mit wachsendem v ab. Während sich bei der harmonischen
Näherung für das Schwingungsspektrum (ohne Obertöne) nur eine einzige Linie mit ν̄e
ergab, erhält man jetzt, mit der Erfahrung übereinstimmend, eine Folge von Linien ab-
nehmender Intensität, die für großes v mehr oder weniger konvergieren.
Am weitaus wichtigsten sind die Übergänge aus dem Grundzustand mit v = 0, da –
wie weiter unten noch erläutert wird – höhere Schwingungszustände im thermischen
Gleichgewicht kaum besetzt sind und deshalb als Ausgangsniveaus für Absorptionspro-
zesse nicht in Frage kommen.
Für die Energie der intensivsten Schwingungslinie von v = 0 zu v = 1 gilt nach
(10.10)
∆E = E v=1 − E v=0
und für die Wellenzahl ergibt sich durch Einsetzen
∆E
ν̄v←0 = = vν̄e [1 − xe (v + 1)] (10.18)
hc
und damit
∆E Tabelle 10.2. Schwingungsüber-
ν̄1←0 = = ν̄e (1 − 2xe ) . (10.19) gänge für 1 H35 Cl, zu beschrei-
hc ben nach (10.18) mit ν̄e =
Für die als „Obertöne“ bezeichneten Absorptionsübergänge mit ∆v = 2 und ∆v = 3 2988,9 cm−1 und xe =
0,0174 cm−1
erhalten wir entsprechend
ν̄2←0 = 2ν̄e (1 − 3xe ) v ν̄

ν̄3←0 = 3ν̄e (1 − 4xe ) .


0→1 ν̄1 = 2885,9 cm−1
Hierzu gibt Tabelle 10.2 ein Zahlenbeispiel. 0→2 ν̄2 = 5668,0 cm−1
Noch höhere Obertöne haben eine so kleine Übergangswahrscheinlichkeit, daß sie 0→3 ν̄3 = 8347,0 cm−1
im allgemeinen nicht mehr zu beobachten sind. 0→4 ν̄4 = 10 923,5 cm−1
Der Zahlenwert für den ersten Schwingungsübergang ν̄1 = ν̄1←0 ist also verschie-
den von der oben für den harmonischen Oszillator eingeführten Größe ν̄e . Für H2 findet
man beispielweise ν̄1 = 4159,2 cm−1 und daraus die Rechengröße ν̄e = 4395 cm−1 mit
xe = 0,0168.
Im folgenden wollen wir Zahlen als Index an dem Frequenzsymbol ν und dem
Wellenzahl-Symbol ν̄ jedoch nur noch zur Unterscheidung verschiedener Schwingun-
gen eines Moleküls verwenden, wie es bei mehratomigen Molekülen mit mehr als
einer Schwingungs-Mode nötig wird. Übergänge zwischen verschiedenen Quantenzah-
len v

und v
einer Schwingung bezeichnen wir durch eine nachgestellte Klammer, also
ν̄(v
, v

). Mit ν̄e wird wie bereits erwähnt beim anharmonischen Oszillator eine Rechen-
größe bezeichnet, die man nach (10.19) aus den beobachteten Schwingungsübergängen
errechnet, jedoch nicht direkt beobachten kann.
Die Besetzung der Energieniveaus E v mit verschiedenen Schwingungsquantenzahlen
v ist im thermischen Gleichgewicht nach Boltzmann proportional zu dem Besetzungs-
faktor e−Ev /kT von der Temperatur abhängig. Da Zimmertemperatur nach der Umrech-
nung kT/hc einem Energieäquivalent von 200 cm−1 entspricht, ist der Besetzungsfaktor
für HCl-Moleküle mit einer Schwingungsquanten-Energie von 2886 cm−1 bei Zimmer-
temperatur sehr klein. Deshalb befinden sich bei Zimmertemperatur die meisten HCl-
Moleküle im Grundzustand mit v = 0. Im Absorptionsspektrum sieht man deshalb, wie
oben schon erwähnt, überwiegend den Übergang von v = 0 nach v = 1. Es ist üblich,
190 10. Schwingungsspektren

einen solchen Übergang mit 1 ← 0 zu bezeichnen, also den höheren Zustand zuerst zu
nennen. Um die Absorptionsübergänge aus Niveaus mit höherer Schwingungsquanten-
zahl v zu beobachten, muß man die Moleküle entweder auf höhere Temperatur bringen,
oder aber man muß sie durch gezielte Lichteinstrahlung oder durch eine chemische Re-
aktion in einen Zustand mit höherer Quantenzahl anregen. Dann kann man übrigens in
manchen Fällen die Übergänge zwischen den Zuständen mit höherer Schwingungsquan-
tenzahl v auch in Emission beobachten. Meistens wird das thermische Gleichgewicht
jedoch durch strahlungslose Prozesse rasch wieder hergestellt.

10.4 Rotations-Schwingungs-Spektren zweiatomiger Moleküle.


Der rotierende Oszillator und die Rotationsstruktur der Banden
Schwingungsspektren von Molekülen haben, wie bereits in Abschn. 10.1 erwähnt, eine
ausgeprägte Rotationsstruktur, d. h. sie bestehen aus Banden mit vielen einzelnen Li-
nien im Abstand von der Größenordnung von wenigen cm−1 , wenn man das Spektrum
mit hinreichend hoher spektraler Auflösung in der Gasphase analysiert. Diese Rotations-
struktur beruht darauf, daß gleichzeitig mit dem Schwingungsübergang auch ein Rota-
tionsübergang erfolgt. Nachdem wir in Abschn. 10.3 den (hypothetischen) nichtrotie-
renden Oszillator kennengelernt haben – eine recht gute Näherung bei schlechter spek-
traler Auflösung – behandeln wir in diesem Abschnitt den rotierenden Oszillator. Das
entspricht dem tatsächlichen Verhalten eines Moleküls in der Gasphase. Die Grundtatsa-
chen erläutern wir wieder am Beispiel des zweiatomigen Moleküls. Als typisches Spek-
trum ist in Abb. 10.7 dasjenige des Moleküls HBr gezeigt.
Daß die Schwingungs- mit der Rotationsbewegung eines Moleküls gekoppelt ist, ist
auch klassisch verständlich. Wenn wir trotzdem zunächst einmal die Kopplung vernach-
lässigen und die Anregung eines zweiatomigen Moleküls in einer ersten Näherung als
einfache Summe der Anregung des harmonischen Oszillators und des starren Rotators
betrachten, so erhalten wir im einfachsten Falle die Energieniveaus
E(v, J ) = E vib (v) + E rot (J )
 
1
= hω v + + BhcJ(J + 1) (10.20)
2
mit den Auswahlregeln ∆v = ±1, und ∆J = ±1.
Im Rotationsschwingungsspektrum sind natürlich auch die Übergänge erlaubt, bei
denen sich nur die Rotationsquantenzahl verändert, ∆v = 0, ∆J = ±1. Das sind die in
Kap. 9 bereits behandelten reinen Rotations-Übergänge. Nicht erlaubt sind dagegen in
den meisten Fällen (z. B. bei HBr, Abb. 10.7) Schwingungs-Übergänge ohne Änderung
der Rotationsquantenzahl, ∆v = ±1, ∆J = 0, das heißt, meistens muß eine Änderung
des Schwingungszustandes von einer Änderung des Rotationszustandes begleitet sein.
Die Begründung soll hier nicht abgeleitet werden.
Dies kann man auch anschaulich verstehen: Ein Schwingungsübergang entspricht ei-
ner plötzlichen Änderung der Bindungslänge. Das klassische Analogen ist der Schlitt-
schuhläufer, der beim Drehen einer Pirouette seine Umdrehungsgeschwindigkeit durch
Anziehen und Ausstrecken seiner Arme erhöht oder erniedrigt. Ebenso kann man sich
die Änderung der Rotation des Moleküls beim Schwingungsübergang vorstellen. – Die
Auswahlregel ∆J = 0 gilt dann, wenn der Drehimpuls des Moleküls in der Achse des
Moleküls liegt.
10.4 Rotations-Schwingungs-Spektren zweiatomiger Moleküle. 191

Abb. 10.7. Eine Bande aus dem


Rotations-Schwingungsspektrum
des Moleküls HBr, Termschema
und Übergänge. Der Bandenur-
sprung mit der Wellenzahl ν̄
(v

= 0, v
= 1, J
= J

= 0)
ist hier mit v0 bezeichnet. Er
wird auch „Nullinie“ genannt.
Diese Linie wird nicht beobach-
tet, weil hier der Q-Zweig nicht
erlaubt ist. Man beobachtet
die Spektren in Absorption.
Im thermischen Gleichgewicht
ist im allgemeinen nur der
niedrigste Schwingungszustand
mit v

= 0 besetzt

Für ein Morse-Potential sind diese Rotations- und Schwingungsterme in Abb. 10.8
schematisch dargestellt. Die entsprechenden Übergänge sind bereits in Abb. 10.7
für einen Ausschnitt aus einem typischen Rotations-Schwingungsspektrum gezeigt.
Man beobachtet verschiedene „Zweige“ im Spektrum eines Schwingungsüberganges
(v + 1) ← v, das heißt in einer Bande. Im vereinfachten Falle des harmonischen Os-
zillators sind dies

– der P-Zweig mit J


− J

= −1. Mit (J
= J, J

= J + 1) gilt für die Linien


ν̄ = ν̄1←0 −2B(J +1), wenn mit ν̄1←0 der hier verbotene reine Schwingungsübergang
ohne Rotation bezeichnet wird. Also gilt für die Linien des P-Zweiges ν̄ < ν̄1←0 , die
Linienabstände relativ zu ν̄1→0 sind 2B, 4B, wie im Spektrum des starren Rotators
– der R-Zweig mit J
− J

= +1. Mit (J
= J +1, J

= J) gilt ν̄ = ν̄1←0 +2B(J


+ 1),
also ν̄ > ν̄1←0 , die Linienabstände relativ zu ν̄1←0 sind ebenfalls 2B, 4B, . . .
– unter Umständen (abhängig von der Molekülsymmetrie) der Q-Zweig mit ∆J = 0.
Wenn die Rotationskonstante B in den beiden am Übergang beteiligten Schwingungs-
niveaus gleich groß ist, besteht der Q-Zweig (falls erlaubt), aus nur einer Linie bei
192 10. Schwingungsspektren

Abb. 10.8. Rotationsschwin-


gungsniveaus im elektronischen
Grundzustand und in einem
elektronischen Anregungszu-
stand. Nur die jeweils tiefsten
Rotations- und Schwingungster-
me sind eingezeichnet. Über-
gänge zwischen den Niveaus im
Elektronengrundzustand ergeben
das Rotationsschwingungsspek-
trum, Übergänge zwischen den
Niveaus verschiedener Elektro-
nenzustände das elektronische
Bandenspektrum, siehe dazu
Kap. 14

ν̄1←0 , dem sogenannten Bandenursprung, sonst aus einer Folge von dicht beieinander
liegenden nahezu äquidistanten Linien. In vielen Fällen, so bei HBr (Abb. 10.7) ist
der Q-Zweig nicht erlaubt.

Aus den Abständen der Linien im Rotations-Schwingungsspektrum erhält man wie-


der die Rotationskonstante B, die wir bereits im Kap. 9, Rotationsspektren, kennenge-
lernt haben. Diese kann also auch im Infraroten ohne Anwendung der Mikrowellen-
Spektroskopie bestimmt werden. Die Linienintensitäten innerhalb der verschiedenen
Zweige sind in erster Linie durch die Besetzungszahlen der Rotationsniveaus bestimmt,
siehe dazu Abschn. 9.3. Auch hier muß noch einmal daran erinnert werden, daß die
Rotationsquanten meistens sehr klein gegen die thermische Energie kT sind und des-
halb für die Besetzung der Rotationsniveaus eine Boltzmann-Verteilung entsprechend
ihrem Entartungsgrad zu erwarten ist. Andererseits ist, wie bereits erwähnt, bei einem
Absorptionsübergang von v = 0 zu v = 1 das obere Schwingungsniveau mit seinen
Rotations-Subniveaus thermisch fast unbesetzt wegen der Größe der Schwingungsquan-
ten. Die thermische Energie kT bei Raumtemperatur entspricht etwa 200 cm−1 , während
typische Schwingungsquanten die Größenordnung 1000 cm−1 haben. Der Boltzmann-
Faktor N1 /N = e−∆E/kT ist also klein gegen 1. Die Intensitäten im Absorptionsspek-
trum werden deshalb durch die mit wachsendem J zunehmende Entartung und die mit
wachsendem J abnehmende thermische Besetzung der Rotations-Niveaus im Ausgangs-
Zustand v = 0 bestimmt. Das gleiche gilt für die Übergänge nach v = 2, v = 3 usw.
beim nharmonischen Oszillator.
Wenn man Rotationsschwingungs-Spektren mit hinreichender spektraler Auflösung
mißt, stellt man fest, daß die Linien innerhalb der Zweige nicht genau äquidistant sind.
Die Abstände werden mit zunehmendem Abstand vom Ursprung bei ν̄1←0 kleiner. Dies
beruht auf der Kopplung zwischen Schwingung und Rotation. Beide sind nämlich nicht
voneinander unabhängig. Man darf die Energiewerte von Schwingung und Rotation
nicht einfach addieren, sondern man muß die Wechselwirkung beider Kernbewegungen
durch Einführung von gemischten, v und J enthaltenden Gliedern in die Energie- oder
Termwerte berücksichtigen.
10.4 Rotations-Schwingungs-Spektren zweiatomiger Moleküle. 193

Wie wir bereits gesehen haben, erfolgen die Schwingungen der Moleküle viel schnel-
ler als deren Rotationen. Während einer einzigen Rotation schwingt ein Molekül einige
1000 mal. Der Rotator sieht deshalb einen über viele Schwingungen gemittelten Kern-
abstand R. Beim anharmonischen Oszillator nimmt aber der mittlere Kernabstand R
mit wachsender Quantenzahl v, d. h. mit zunehmender Schwingungsanregung zu (s. Ab-
schn. 10.3), damit wächst das Trägheitsmoment und die Rotationskonstante B wird klei-
ner. Zu der bereits oben (Abschn. 10.3) behandelten Rotationsdehnung kommt also eine
Schwingungsdehnung des Moleküls.
Dies führt dazu, daß auch für das zeitlich gemittelte Trägheitsmoment gilt

Θ(v + 1) > Θ(v) > Θe , (10.21)

wenn Θe das Trägheitsmoment bei dem Gleichgewichtsabstand Re ist. Dementspre-


chend wird die Rotationskonstante B vom Zustand v abhängig, so daß wir genauer Bv
schreiben müssen. Wir müssen also die Rotationskonstanten Be , B0 und Bv unterschei-
den. Dabei ist Bv für v > 0 kleiner als die Rotationskonstante B0 für den Grundzustand
mit v = 0.
Man beschreibt dieses Verhalten durch den Ansatz
 
1
Bv = Be − α v + (+ Glieder höherer Ordnung) [cm−1 ] . (10.22)
2

Dabei bedeutet Be die Rotationskonstante im (hypothetischen) schwingungslosen Zu-


stand. α ist eine Molekül-spezifische positive Zahl, für die gilt α  Be . Wegen der
Nullpunktsenergie gilt nach (10.22) für die Größe B im Zustand mit der Quantenzahl
v=0
α
B0 = Be − . (10.23)
2
Ebenso ist die durch die Zentrifugalkraft bedingte Dehnung beim anharmonischen Os-
zillator von der Schwingungsquantenzahl v abhängig. Die in (9.24), (9.25) eingeführte
Dehnungskonstante D im schwingungslosen Gleichgewichtszustand ist also zu ersetzen
durch
 
1
Dv = D − β v + , (10.24)
2

mit einer Korrekturgröße β  D. Die Rotationsenergie-Terme werden also durch die


Schwingung geändert. Es sei hier angemerkt, daß die Größe β nicht mit anderen durch
β charakterisierten Größen verwechselt werden darf, zum Beispiel in Abschn. 3.2.
Unter Berücksichtigung der Anharmonizität, d. h. für das Morse-Potential, und un-
ter Berücksichtigung von (10.22) und (10.23) erhalten wir nun den gegenüber (10.20)
verbesserten Ausdruck für die Rotationsschwingungs-Energie
   
1 1 2
E v,J = hωe v + − xe hωe v + + hcBv J(J + 1)
2 2
− hcDv J 2 (J + 1)2 (10.25)
194 10. Schwingungsspektren

und für die in der Einheit cm−1 gemessenen Terme


Tv,J = G v + Fv,J
   
1 1 2
= ν̄e v + − xe ν̄e v + + Bv J(J + 1) − Dv [J(J + 1)]2 (10.26)
2 2
   
1 1 2
= ν̄e v + − xe ν̄e v + + Be J(J + 1) − De [J(J + 1)]2
2 2
   
1 1
− αJ(J + 1) v + − β[J(J + 1)]2 v + . (10.27)
2 2
Bei diesen Ausdrücken haben wir Korrekturglieder (v+1/2)n mit Potenzen n > 2 weg-
gelassen. Ein Spektrum, das die „Korrekturen“ nach (10.26) und (10.27) enthält, und ein
Termschema, in dem sie zur Vereinfachung fehlen, zeigt Abb. 10.7. Wegen β  α ist
der letzte Term in (10.25) und entsprechend in (10.26) und (10.27) im allgemeinen zu
vernachlässigen.
Das Rotationsschwingungsspektrum entspricht Übergängen zwischen den Termen
E v,J bzw. Tv,J . Voraussetzung dafür, daß es beobachtbar ist, ist wieder, daß das Molekül
polar ist. Dann gilt für die beobachtbaren Übergänge
1
ν̄ = [E(v
, J
) − E(v

, J

)] , mit der Konvention v


> v

. (10.28)
hc
Unter Weglassung der Dehnungsglieder in (10.25) ergibt sich
2    3


1 2

1 2
ν̄ = ν̄e (v − v ) − xe ν̄e v + − v +
2 2
+ Bv
J
(J
+ 1) − Bv

(J

+ 1) . (10.29)
Die Auswahlregeln für elektrische Dipolstrahlung lauten
∆J = ±1 , ∆v = 0, ±1, ±2 . . . ,
wobei für den harmonischen Oszillator ∆v > 1 nicht erlaubt und xe = 0 ist. Für ∆v = 0
erhalten wir das reine Rotationsspektrum in einem Schwingungszustand mit der Quan-
tenzahl v
= v

.
Wegen der Auswahlregel ∆J = ±1 gibt es im Rotationsschwingungsspektrum zwei
Zweige. Als P-Zweig bezeichnet man wie oben die Folge der Übergänge mit ∆J = −1,
als R-Zweig diejenige mit ∆J = +1.
Die Spektrallinien im P-Zweig (J
= J, J

= J + 1) haben die Wellenzahlen


ν̄ P = ν̄(v
, v

) − 2Bv

(J + 1) − (Bv

− Bv
)J(J + 1) (10.30)
und im R-Zweig (J
= J + 1, J

= J)
ν̄ R = ν̄(v
, v

) + 2Bv

(J + 1) − (Bv

− Bv
)(J + 1)(J + 2) . (10.31)
Die Spektrallinien einer Bande liegen also im P-Zweig auf der langwelligen, im R-
Zweig auf der kurzwelligen Seite der reinen Schwingungslinie ν̄(v
, v

), der sogenann-
ten Null-Linie, die selbst nicht beobachtet wird. Die Linien sind wegen der letzten Glie-
der in (10.30), (10.31) nicht mehr äquidistant. Die Linien im P-Zweig rücken mit zuneh-
mendem J auseinander, die im R-Zweig konvergieren. Damit ist die Spektrenstruktur
in Abb. 10.7 verständlich.
10.4 Rotations-Schwingungs-Spektren zweiatomiger Moleküle. 195

Die Null-Linie ν̄(v, v

) entspricht dem in den meisten Fällen verbotenen Übergang


∆J = 0, also dem reinen Schwingungsübergang. Sie ist also meistens direkt nicht be-
obachtbar, siehe dazu auch Abb. 10.7.
Hierfür (das heißt, wenn beobachtbar, für den Q-Zweig) gilt


ν̄(v
, v

) = (ν̄e − xe ν̄e )(v


− v

) − xe ν̄e v
2 − v

2 . (10.32)

Das erste Glied in (10.32) ergibt die Wellenzahlen der Grundschwingung und der durch
die Anharmonizität bedingten Oberschwingungen ∆ν > 1 als Vielfache der Wellen-
zahl (ν̄e − xe ν̄e ). Das zweite, weitaus kleinere Glied führt zu einem Zusammenrücken
der Oberschwingungen, vgl. Abb. 10.5. Die Wellenzahlen der reinen Schwingungsli-
nien müssen aus den Rotations-Schwingungs-Spektren nach (10.30), (10.31) abgeleitet
werden.
Im Experiment kann man danach in erster Linie drei für das untersuchte Mole-
kül charakteristische Größen bestimmen: Die reine Schwingung mit der Wellenzahl
ν̄(v
, v

) und die Rotationskonstanten Bv


und Bv

(und daraus Be und α). Man tut


dies, indem man möglichst viele Linien im Spektrum ausmißt und beste Anpassung
nach ((10.30) bis (10.31)) versucht. Dafür als Beispiele folgende Meßdaten für das
Molekül CO:

Be = 1,924 cm−1 , xe = 0,0061 , ν̄e = 2169,2 cm−1 , α = 0,0091 cm−1 ,

siehe dazu auch Abb. 10.2.


Als weiteres Beispiel für eine Spektrenauswertung mögen einige Meßdaten für HCl
dienen. Hier wurden für die Schwingungsfrequenz ν̄ mit Obertönen gemessen

ν̄(1 ← 0) = ν̄e (1 − 2xe ) = 2885,9 cm−1


ν̄(2 ← 0) = 2ν̄e (1 − 3xe ) = 5668,0 cm−1
ν̄(3 ← 0) = 3ν̄e (1 − 4xe ) = 8347,0 cm−1 .

Daraus folgt xe = 0,017.


Aus den Meßwerten
α
B0 = Be − = 10,440 cm−1 und
2

B1 = Be − = 10,137 cm−1
2

folgt Be = 10,591 cm−1 und α = 0,303 cm−1 . Die Eigenfrequenz ν̄e beträgt 2989 cm−1 .
Aus B0 und Be kann man weiter, wie bereits in Abschn. 9.2 gezeigt, den Kernab-
stand R bestimmen, aus ν̄e die Kraftkonstante und die Schwingungsfrequenz νe des Mo-
leküls. Man erhält hier R0 = 1,2838 · 10−8 cm als Kernabstand im Zustand v = 0 und
die Rechengröße Re = 1,2746 · 10−10 m im (hypothetischen) Zustand ohne Nullpunkts-
schwingung. Die Kraftkonstante k ergibt sich zu 4,8 · 102 N m−1 , die Schwingungsdauer
T1 = ν1 = (cν̄e )−1 = 1,17 · 10−14 s.
Dies sind die Meßgrößen, die uns die Molekülspektroskopie im Bereich des Infra-
roten über zweiatomige Moleküle liefert. Aus den Kraftkonstanten und den Anharmo-
196 10. Schwingungsspektren

nizitäten kann man den Verlauf der Potentialkurve bestimmen und daraus Rückschlüsse
auf die chemische Bindung ziehen.
Strenggenommen müßten noch weitere Einflüsse auf die Energien der Niveaus und
der Übergänge berücksichtigt werden: Der Einfluß der Zentrifugalstreckung auf die Ro-
tationskonstante B, deren Rückwirkung auf das Schwingungs-Potential, die Coriolis-
Kopplung. Diese Effekte sind bei der erreichbaren spektralen Auflösung jedoch häufig
zu vernachlässigen. Ihre Erörterung soll der Spezialliteratur vorbehalten bleiben.

10.5 Schwingungsspektren vielatomiger Moleküle


Während zweiatomige Moleküle nur einen Freiheitsgrad der Schwingung haben und nur
in Bindungsrichtung schwingen können – daher der Name Valenz- oder Streckschwin-
gung –, gibt es bei Molekülen mit mehr als zwei Atomen mehrere Freiheitsgrade der
Schwingung. Zu den Streckschwingungen können Schwingungen hinzukommen, bei de-
nen sich die Bindungswinkel ändern, sogenannte Deformationsschwingungen. Um das
Schwingungsverhalten zu beschreiben, verwenden wir den Begriff der Normalschwin-
gung, den wir sogleich besprechen werden. Wir benötigen jedoch nur geringfügige Er-
weiterungen unserer bisherigen Erörterungen, um die Schwingungsspektren mehratomi-
ger Moleküle zu verstehen.
Die Schwingungen eines Systems elastisch gekoppelter Massenpunkte lassen sich
als lineare Überlagerungen der möglichen Normalschwingungen des Systems beschrei-
ben, wie man es bereits in der Schwingungslehre der Mechanik lernt. Der einfachste
Fall ist derjenige von zwei gleichen durch eine Feder gekoppelten Pendeln. Hier gibt
es zwei Normalschwingungen ν1 und ν2 , die symmetrische und die antisymmetrische
(Abb. 10.9), und man findet die beiden Normalschwingungen als Spektrallinien des Sy-
stems durch eine Fourier-Analyse der Bewegung. Nichts anderes ist die Spektroskopie,
nämlich die Frequenzanalyse in einem Zeit-Verhalten.

Abb. 10.9. Die Fundamental-


schwingungen zweier gekoppel-
ter Pendel: Symmetrische und
Antisymmetrische Schwingung

Normalschwingungen sind dadurch definiert, daß alle Massenpunkte des Systems mit
der gleichen Frequenz und mit fester Phasenbeziehung schwingen. Das Auslenkungsbild
des Gesamtsystems führt eine rein harmonische Schwingung aus. Man kann eine Nor-
malschwingung anregen, ohne daß zugleich auch eine andere Normalschwingung ange-
regt wird, d. h. man kann sie vollständig voneinander entkoppeln, solange man sich auf
kleine Auslenkungen beschränkt und damit Nichtlinearitäten vermeidet.
Die Anzahl f der Normalschwingungen eines Systems ist die Zahl seiner Freiheits-
grade, die noch nicht für andere Bewegungen verbraucht sind. Ein System von N Mas-
senpunkten hat zunächst 3N Freiheitsgrade. Sind die Massenpunkte als Atome in einem
Molekül miteinander gekoppelt, so gibt es 3 Freiheitsgrade der Translation und 3 Frei-
heitsgrade der Rotation (bei einem linearen Molekül nur 2, weil die Rotation um die
10.5 Schwingungsspektren vielatomiger Moleküle 197

Abb. 10.10. Die Normalschwin-


gungen der Moleküle CO2 und
H2 O. Zu den Schwingungen
gehören folgende Wellenzahlen:
CO2 ν1 : 1337 cm−1 , ν2 :
667 cm−1 , ν3 : 2349 cm−1 .
H2 O ν1 : 3657 cm−1 , ν2 :
1595 cm−1 , ν3 : 3756 cm−1

Längsachse nicht zu zählen ist) des Gesamtmoleküls, und wir erhalten für die inneren
Bewegungen des Moleküls als Rest
f = 3N − 6 (10.33)
Freiheitsgrade der Schwingungen, bzw. beim linearen Molekül f = 3N − 5.
Bei einem zweiatomigen Molekül ist damit f = 3·2−5 = 1, es gibt nur eine Normal-
schwingung, nämlich die Streckschwingung. Bei einem dreiatomigen linearen Molekül
ist f = 9 − 5 = 4. Als Beispiel möge das lineare CO2 -Molekül dienen. Hier kann man
das gesamte Schwingungsverhalten als eine Überlagerung der vier in Abb. 10.10 skiz-
zierten Eigenschwingungen mit den Frequenzen ν1 , ν2 und ν3 beschreiben. Diese Ei-
genschwingungen werden auch beobachtet. Die Schwingungsbilder sind in Abb. 10.10
angegeben. Eine der Schwingungen, die Biegeschwingung, ist dabei zweifach entartet,
also doppelt zu zählen, weil die Biegung in der Zeichenebene und senkrecht dazu zu
berücksichtigen ist. – Die Frequenzen der Schwingungen lassen sich relativ zueinander
abschätzen. Die höchste Frequenz, nämlich ν̄3 = 2349 cm−1 , hat die asymmetrische
Streckschwingung, weil hierbei die Federbeanspruchung am größten ist. Die symmetri-
sche Streckschwingung hat eine Wellenzahl von ν̄1 = 1337 cm−1 , die Biegeschwingung
ν̄2 = 667 cm−1 . Generell sind die Frequenzen von Streckschwingungen größer als die-
jenigen von Biegeschwingungen.
Allerdings läßt sich auch am CO2 -Molekül leicht einsehen, daß nicht alle Schwin-
gungen im Infrarot-Spektrum auftreten, d. h. infrarot-aktiv sind. Zur Infrarot-Aktivität
ist ja die periodische Änderung eines elektrischen Dipolmomentes nötig. Das symme-
trisch gebaute CO2 -Molekül hat im Ruhezustand kein elektrisches Dipolmoment. Wenn
es in der symmetrischen Streckschwingung ν1 schwingt, bleibt seine Symmetrie erhalten
und es ist ebenfalls kein Dipolmoment vorhanden. Im Gegensatz dazu sind die asym-
metrische Streckschwingung ν3 und die Biegeschwingung ν2 infrarot-aktiv. Da das Di-
polmoment bei der Schwingung ν2 senkrecht zu dem bei der Schwingung ν3 und damit
auch senkrecht zur Figurenachse auftritt, bezeichnet man die entsprechenden Rotations-
Schwingungs-Banden als Parallel-Bande (für ν3 ) bzw. als Senkrecht-Bande (für ν2 ).
Als Beispiel für ein nichtlineares drei-atomiges Molekül zeigt Abb. 10.10 auch die
Normalschwingungen des Wasser-Moleküls, H2 O. Auch hier ist die Frequenz der De-
formationsschwingung ν2 wieder kleiner als diejenige der beiden anderen Schwingun-
gen, bei denen die Federkonstanten stärker beansprucht werden. Bei den Schwingun-
gen ν1 und ν2 geht durch die Schwingung die zweizählige Symmetrie-Achse des Mo-
leküls nicht verloren. Diese Schwingungen heißen deshalb im Gegensatz zu ν3 symme-
trisch. – Man macht sich anhand von Abb. 10.10 leicht klar, daß sich bei allen drei Nor-
malschwingungen von H2 O das Dipolmoment des Moleküls periodisch ändert. Sie sind
198 10. Schwingungsspektren

Abb. 10.11. Ausschnitt aus dem


Rotationsschwingungsspektrum
des Moleküls HCN. Die
Schwingung ν2 ist eine Biege-
schwingung. Als sogenannte
Senkrecht-Bande sind dabei P,
Q- und R-Zweig erlaubt, bei
der Oberton-Bande 2ν2 und
der Parallel-Bande ν3 (Streck-
schwingung) sind aus Symme-
trie-Gründen nur P- und
R-Zweig erlaubt. Nach Stein-
feld

deshalb alle drei infrarot-aktiv. Wegen der Gegenwart dieser Moleküle in der Zimmer-
luft beobachtet man H2 O- und CO2 -Infrarot-Linien in jedem Infrarot-Spektrum, sofern
man den Strahlengang im Infrarot-Spektrometer nicht evakuiert.
Als weiteres Meßbeispiel zeigt Abb. 10.11 einen Ausschnitt aus dem Infrarot-
Spektrum des HCN-Moleküls. Man sieht hier die zu zwei Normalschwingungen ν2
und ν3 gehörenden Rotationsschwingungs-Banden sowie eine Oberton-Bande 2ν2 . Als

Abb. 10.12. Aus dem Rotations-


schwingungsspektrum von CO2 .
Oben: Bande der Biegeschwin-
gung ν̄2 , unten: Bande der
asymmetrischen Streckschwin-
gung ν̄3 als Beispiel für ver-
schiedene Auswahlregeln: Oben
gibt es P, Q und R-Zweig,
unten ist der Q-Zweig verboten.
Die Quantenzahlen J für die
Rotationsniveaus sind hier nicht
angegeben. Erst in Abschn. 12.4
wird nämlich erklärt, daß we-
gen der Inversions-Symmetrie
des CO2 -Moleküls und des
Kernspins I = 0 der O-Atome
jedes zweite Rotations-Niveau
nicht realisiert ist. Der Linien-
Abstand beträgt deshalb anstatt
2B hier 4B. Wenn man die
Inversions-Symmetrie dadurch
aufhebt, daß man eines der
O-Atome durch das Isotop 18 O
ersetzt (also beim Molekül
16 O−C−18 O), beobachtet man
einen halb so großen Abstand
der Rotationslinien
10.5 Schwingungsspektren vielatomiger Moleküle 199

Abb. 10.13. Ausschnitt aus dem


Rotationsschwingungsspektrum
des Moleküls CH3 J. Außer den
Grundschwingungen ν̄1 bis ν̄6
treten auch die Kombinationen
bei 1770 cm−1 (2ν̄6 und ν̄2 +ν̄3 ),
2130 cm−1 (ν̄2 + ν̄6 ), 2320 cm−1
(ν̄5 + ν̄6 ) und 2480 cm−1 (2ν̄2 )
auf

Auswahlregeln erhält man wieder ∆v = ±1, und ∆J = ±1 für die Streckschwingun-


gen linearer Moleküle, jedoch ∆J = ±1 und ∆J = 0 für Biegeschwingungen linearer
Moleküle sowie für die Schwingungsbanden symmetrischer Kreisel-Moleküle, wie etwa
CH3 J, NH3 , C6 H6 .
Man kann sich anschaulich klar machen, daß bei diesen zuletzt genannten Schwin-
gungsformen keine Änderung des Rotationszustandes des Moleküls auftreten muß. Hier
gibt es also erlaubte Übergänge, bei denen sich nur die Schwingungs-Quantenzahl v
ändert, d. h. im Spektrum beobachtet man außer dem P- und dem R-Zweig auch den
(schmalen) Q-Zweig. Als Q-Zweig im Rotations-Schwingungs-Spektrum bezeichnet
man, wie bereits in Abschn. 10.4 erwähnt, die Gesamtheit der Übergänge zwischen
zwei Schwingungs-Zuständen v
und v

, bei denen sich die Rotationsquantenzahl J


nicht ändert. Wenn der Abstand der Rotationsniveaus in beiden Schwingungszuständen
gleich groß wäre, wäre dies nur eine Linie. Tatsächlich sind aber die Rotationskon-
stanten Bv
und Bv

und damit die Rotationsterm-Abstände etwas verschieden von-


einander. Deshalb besteht der Q-Zweig meistens aus einer Anzahl eng benachbarter
200 10. Schwingungsspektren

Abb. 10.14. Normalschwingun-


gen des Benzol-Moleküls C6 H6 .
Bei entarteten Schwingungen ist
jeweils nur eine Komponente
angegeben. Nach Herzberg

Linien. Abbildung 10.12 zeigt die Rotations-Schwingungsbande der Biegeschwingung


(ν̄2 = 667 cm−1 ) von CO2 als Beispiel für eine Bande mit Q-Zweig im Gegensatz zur
Streckschwingung (ν̄3 = 2349 cm−1 ), wo der Q-Zweig mit ∆J = 0 verboten ist.
Bei den symmetrischen Kreisel-Molekülen wird auch die Quantenzahl K wichtig,
vergleiche Abschn. 11.2.2. Es gilt, wie hier ohne Ableitung erwähnt werden soll, ∆K =
0 bei Parallel- und ∆K = ±1 bei Senkrecht-Banden. Auch diese Auswahlregel kann
man anschaulich verstehen: Bei Schwingungen parallel zur Figurenachse erfährt die
Projektion des Drehimpulses auf diese bei einem Übergang keine Änderung, das heißt
∆K = 0.
Selbstverständlich ist jeder Schwingungsübergang von den Rotationsbegleitern, der
ganzen Bandenstruktur, umgeben, wie in Abb. 10.11 und 10.12 deutlich wird. Natürlich
gibt es auch bei mehratomigen Molekülen Anharmonizität. Dementsprechend beobach-
tet man wie bei den zweiatomigen auch „Obertöne“ 2ν, 3ν mit stark abnehmender In-
tensität. Darüber hinaus führt die Abweichung vom harmonischen Verhalten aber auch
zu Kombinationsschwingungen, also ν1 + ν2 , ν1 − ν2 , 2ν1 + ν2 . Beispiele dazu zeigt
Abb. 10.13 für das Molekül CH3 J. Bei Molekülen mit mehreren Normalschwingungen
10.6 Anwendung der Schwingungsspektroskopie 201

kann der Fall eintreten, daß eine Normalschwingung fast die gleiche Frequenz hat wie
ein Oberton oder eine Kombinations-Schwingung von anderen Normalschwingungen.
Eine solche sogenannte Fermi-Resonanz kann dazu führen, daß die Oberton-Bande oder
die Bande der Kombinationsschwingung beträchtlich an Intensität gewinnt.
Je mehr Kerne ein Molekül enthält, um so mehr Normalschwingungen gibt es. Um
sie aufzulösen und zu klassifizieren, braucht man Symmetrie-Überlegungen, die wir hier
übergehen. Vergleiche hierzu jedoch Kap. 5 und 6. Abbildung 10.14 zeigt die Nor-
malschwingungen des Benzol-Moleküls. Darunter sind auch Schwingungen, die nicht
infrarot-aktiv sind. Darauf und auf die Möglichkeit, sie doch zu beobachten, werden
wir im Kap. 12, Ramaneffekt, noch einmal zurückkommen. Wenn man nicht auf Isolie-
rung der Moleküle, d. h. Messung im verdünnten Gaszustand, und hohe spektrale Auf-
lösung achtet, dann beobachtet man auch bei mehratomigen Molekülen anstelle der Ro-
tationsschwingungsbanden mit ihrer ausgeprägten Struktur für jeden Schwingungsüber-
gang nur eine „Linie“, die die gesamte Rotationsstruktur unaufgelöst enthält. Dies gilt
besonders in kondensierter Phase.

10.6 Anwendung der Schwingungsspektroskopie


Aus einer genauen Analyse ihrer Schwingungsspektren erhält man wichtige Daten
über Struktur und Bindungsverhalten von Molekülen. Man kann aus ihnen mit großer
Genauigkeit Bindungswinkel, Abstände, Kraftkonstanten und den Potentialverlauf der
Bindung herleiten. Aus der Messung der Schwingungsfrequenzen für viele Quantenzah-
len v kann man auch die Dissoziationsenergie des Moleküls bestimmen (Extrapolation
nach Birge und Sponer). Darauf soll hier nicht näher eingegangen werden. Bei viel-
atomigen Molekülen ist die Infrarot-Spektroskopie deshalb eine besonders wichtige
Methode zur Strukturaufklärung. Die Infrarot-Spektroskopie ist darüber hinaus in der
analytischen Chemie ein wichtiges Hilfsmittel zur Identifizierung von Molekülen oder
Molekülteilen. Die Frequenzen, bei denen bestimmte Molekülgruppen absorbieren, sind
für diese Gruppen charakteristisch. Auch ohne Auflösung der Rotationsstruktur, d. h. in
kondensierter Phase, kann man aus der Messung solcher charakteristischer Frequenzen
die Anwesenheit bestimmter Molekülgruppen in einer zu untersuchenden Probe fest-
stellen. Tabelle 10.3 gibt charakteristische Zahlenwerte für die Quantenenergien von
einigen wichtigen Schwingungen.

Tabelle 10.3. Wellenzahlen einiger ty-


pischer Gruppen-Schwingungen

C−H Valenz 2850–3000 cm−1


C−H Deformation 1350–1460 cm−1
C−C Valenz 700–1250 cm−1
C=C Valenz 1600–1700 cm−1

Wenn in einem Molekül zwei Gruppen vorhanden sind, die, wenn sie alleine vor-
kommen, ähnliche Schwingungsfrequenzen haben, kann Resonanz zwischen den Fre-
quenzen auftreten mit der Folge von Frequenzverschiebungen ähnlich wie die Fermi-
Resonanz, siehe Abschn. 10.5. Bekanntes Beispiel sind die Gruppenfrequenzen der
Carbonyl-Gruppe C=O mit 1715 cm−1 und der Doppelbindung C=C mit 1650 cm−1 .
202 10. Schwingungsspektren

Im Keten-Radikal C=C=O, in dem diese beiden Frequenzen auftreten sollten, beob-


achtet man statt dessen die Wellenzahlen 2100 und 1100 cm−1 , also Frequenzen, die
gegenüber den Werten für die isolierten Gruppen stark verschieden sind.
Die charakteristischen Frequenzen werden auch durch die Umgebung des Moleküls
beeinflußt, besonders durch den Aggregatzustand. Meistens gilt dabei νGas > νflüssig >
νFestkörper , d. h., die Frequenzen werden durch Wechselwirkung mit der Umgebung ver-
kleinert. Die Streckschwingung von HCl nimmt um rund 100 cm−1 bei der Verflüssi-
gung und um weitere 20 cm−1 bei der Verfestigung ab. Diese Änderung durch die Um-
gebung hängt allerdings stark vom Typ der Schwingung und vom Molekül ab.

10.7 Infrarot-Laser
Die Grundprinzipien des Lasers, einer Lichtquelle mit außergewöhnlichen und für viele
Zwecke revolutionären Eigenschaften, wurden bereits in I, Kap. 21, behandelt. Auch in
der experimentellen Molekülphysik hat der Laser viele neue Möglichkeiten eröffnet. Es
gibt wichtige Laser, bei denen das Laser-aktive Material aus Molekülen besteht. Ein sol-
ches Gerät ist der CO2 -Laser. Während wir bisher nur von Absorption der Rotations-
Schwingungs-Spektren gesprochen haben, machen wir jetzt davon Gebrauch, daß die
Übergänge auch in Emission möglich sind, insbesondere in induzierter Emission.
Die Schwingungsspektren des CO2 -Moleküls werden im CO2 -Laser zur Erzeugung
von infrarotem Laserlicht verwendet. Die Laser-Röhre enthält eine Mischung von N2
und CO2 Molekülen als aktives Material. In einer Gasentladung wird der Schwingungs-
übergang der Stickstoff-Moleküle bei 2360 cm−1 mit den zugehörigen Rotationsniveaus
durch Stöße mit Elektronen und Ionen angeregt. Wie in Abb. 10.15 skizziert, können
die N2 -Moleküle ihre Anregungsenergie an CO2 -Moleküle strahlungslos durch Stoß ab-
geben. Dies erfolgt mit großer Ausbeute, weil die asymmetrische Streckschwingung ν̄3
von CO2 bei 2349 cm−1 liegt. Es besteht deshalb Resonanz zwischen den Rotations-
Schwingungsniveaus der Moleküle N2 und CO2 . Außerdem handelt es sich beim Anre-
gungszustand von N2 um einen metastabilen und damit langlebigen Zustand, weil ein
strahlender Übergang in den Grundzustand verboten ist.

Abb. 10.15. Energieniveaus von


Schwingungen und Rotationen
der Moleküle N2 und CO2 , die
beim CO2 -Laser benützt wer-
den. Nähere Erläuterung im Text
10.8 Mikrowellen-Maser 203

Von den Rotations-Schwingungsniveaus des CO2 im Bereich um 2349 cm−1 ist indu-
zierte Emission in die Rotations-Schwingungsniveaus der symmetrischen Streckschwin-
gung ν̄1 von CO2 (1390 cm−1 ) möglich. Alle Übergänge zwischen den in ν̄3 angereg-
ten CO2 -Molekülen in die Rotations-Niveaus von ν̄1 unter Beachtung der Auswahlregel
∆J = ±1 sind möglich und stehen für den Laser-Prozeß zur Verfügung. Es gibt deshalb
viele (etwa 100) diskrete Laserfrequenzen in einem Bereich von ca. 1000 cm−1 , dem
Abstand zwischen ν̄1 und ν̄3 . Dies entspricht einer Infrarot-Strahlung mit einer Wel-
lenlänge von ca. 10,6 µm. – Der CO2 -Laser ist besonders in der Material-Bearbeitung
wichtig, weil man mit ihm verhältnismäßig einfach hohe Energiedichten erreichen kann.

10.8 Mikrowellen-Maser

Das Laserprinzip, nämlich die Erzeugung von kohärentem Licht durch induzierte Emis-
sion, wurde zuerst mit Mikrowellen unter Verwendung der Inversionsschwingung des
NH3 -Moleküls verwirklicht. Im Jahre 1955 berichteten Gordon, Zeiger und Townes über
den Ammoniak-Maser. Das Wort Maser ist die Abkürzung für Microwave Amplification
by Stimulated Emission of Radiation. Als dann wenig später das Prinzip auch auf sicht-
bares Licht angewandt wurde, entstand das Wort Laser, das heißt Licht-Verstärker durch
induzierte Strahlungsemission, light amplifier by stimulated emission of radiation.
Das NH3 -Molekül gehört zu den symmetrischen Kreiseln. Es ist eine Pyramide mit
den drei H-Atomen als Basis und dem N-Atom als Spitze. Eine der Normalschwin-
gungen dieses Moleküls, die Schwingung mit der Frequenz ν2 , ist diejenige Schwin-
gung, bei der sich durch gegensinnige Bewegung der N-Spitze gegen die H3 -Basis die
Höhe der Pyramide periodisch ändert. Die Frequenz ν2 ist 1,22 · 1013 s−1 entsprechend
950 cm−1 . Der Potentialwall für den Weg des N-Atoms von einer Seite zur anderen Seite
der Ebene der H-Atome ist so hoch, daß es in der klassischen Physik einer Anregung von
3hν2 = 0,3 eV bedarf, damit das N-Atom diesen Übergang machen kann. Man nennt
diese Schwingung deshalb Inversionsschwingung, weil sie zu einer Inversion, das heißt
einem Umklappen des Moleküls ähnlich dem Umklappen eines Regenschirmes im Wind
führt. Abbildung 10.16 zeigt die Struktur des NH3 -Moleküls, das Doppelpotential und
die Schwingungs-Niveaus.
Abb. 10.16. (a) Struktur des
NH3 -Moleküls. Das N-Atom
kann sich oberhalb und unter-
halb der aus den drei H-Atomen
gebildeten Ebene aufhalten. Das
führt zu Tunnelaufspaltung und
der Inversions-Schwingung.
(b) Potentialkurve für ein NH3 -
Molekül. Mit r ist der Abstand
des N-Atoms von der H3 -Ebene
bezeichnet, nicht masstäblich. V
ist die Potentialbarriere. Die ge-
strichelten horizontalen Linien
sind die Schwingungsniveaus,
die sich für die Schwingung im
Ein zelpotential ergeben. – Die
Inversionsaufspaltung wächst
stark mit wachsender Quanten-
zahl v. Nach G. Herzberg
204 10. Schwingungsspektren

Abb. 10.17. NH3 -Maser. Die


Moleküle werden mit Hilfe des
Stark-Effektes selektiert und
in einen Hohlraum-Resonator
fokussiert. Dort baut sich ein
resonantes Strahlungsfeld auf,
das als Oszillator oder als
Verstärker dienen kann

Eine solche Inversionsverdopplung gibt es bei allen Molekülen XY3 mit der Struk-
tur eines nicht-ebenen Kreisels. Die beiden Konfigurationen mit X über oder unter der
Y3 -Ebene können nicht durch eine Rotation des ganzen Moleküls ineinander überführt
werden. Sie sind energetisch in Resonanz. Daraus folgt die Aufspaltung in jeweils zwei
Niveaus, die Inversionsverdopplung. Um diese zu verstehen braucht man allerdings die
Quantenmechanik.
In der Quantenmechanik kann mit Hilfe des Tunneleffektes (vgl. I, Abschn. 23.3) er-
klärt werden, daß das N-Atom bereits mit kleinerer Anregungsenergie als 0,3 eV den Po-
tentialwall der aus den drei Wasserstoff-Atomen gebildeten Ebene überwindet. Es kann
also ständig zwischen den beiden Seiten der H3 -Ebene oszillieren. Wäre der Potential-
wall unendlich hoch, so gäbe es zwei miteinander entartete Wellenfunktionen für das
N-Atom auf der einen bzw. auf der anderen Seite der Ebene aus den H-Atomen. Diese
Entartung heißt Inversions-Entartung. Bei nur endlicher Höhe des Potentialwalles wird
die Entartung aufgehoben, wobei eine symmetrische oder antisymmetrische Wellenfunk-
tion aus den vorherigen lokalisierten Wellenfunktionen entsteht. Die Schwingungsnive-
aus spalten in jeweils zwei neue Niveaus auf. Das nennt man Inversionsverdopplung.
Dies ist völlig analog zur Bildung solcher Wellenfunktionen beim H+ 2 -Molekülion aus
den zuvor miteinander entarteten H2 -Wellenfunktionen, vergleiche I, Abschn. 23.4. Bil-
det man aus diesen neuen Wellenfunktionen zu einer Anfangszeit t = 0 ein Wellenpaket,
so beschreibt dieses im Laufe der Zeit ein Hin- und Her-Schwingen des N-Atoms zwi-
schen den beiden lokalisierten Zuständen, wobei die Oszillationsfrequenz durch ω =
∆E/h gegeben ist, wenn ∆E die in Abb. 10.16 ebenfalls eingezeichnete Aufspaltungs-
energie ist. Diese Frequenz heißt Inversionsfrequenz. Beim NH3 -Molekül im Grundzu-
stand hat diese Frequenz νi , (i steht für Inversion) den Zahlenwert 23 870 MHz, also
ν̄i = 0,796 cm−1 . Sie liegt also im Bereich der Mikrowellen. Zwischen dem symmetri-
schen und dem antisymmetrischen Zustand ist ein elektrischer Dipolübergang mit der
genannten Frequenz erlaubt. Dies ist der im Maser verwendete Übergang.
Zur Verwirklichung des Masers (siehe Abb. 10.17) erzeugt man einen Strahl von
NH3 -Molekülen und schickt ihn durch ein inhomogenes elektrisches Quadrupol-Feld.
Das elektrische Feld induziert im an sich unpolaren Molekül ein elektrisches Dipolmo-
ment und erzeugt einen quadratischen Starkeffekt. Der Quadrupolseparator unterschei-
det und trennt dabei Moleküle im symmetrischen und im antisymmetrischen Zustand
der Inversionsschwingung. Bei geeigneter Dimensionierung läßt sich erreichen, daß nur
die letzteren durch das elektrische Quadrupolfeld hindurch fliegen können und in einen
Resonator für die Frequenz 23 870 MHz gelangen.
In dem Resonator baut sich zunächst durch spontane und dann durch induzierte
Emission von Mikrowellenquanten aus dem antisymmetrischen in den zunächst dort
Aufgaben 205

unbesetzten symmetrischen Zustand ein Strahlungsfeld auf, und man erhält einen selbst-
erregten Oszillator. Diese Anordnung kann man auch als sehr schmalbandigen Verstär-
ker für die Inversions-Frequenz benutzen. Die Frequenzgenauigkeit ν/∆ν eines solchen
Molekularverstärkers (∆ν ist die Frequenzunschärfe) ist sehr hoch, größer als 1010 .

Aufgaben
10.1 Welche der folgenden Moleküle zeigen im Infrarot ein Schwingungsabsorptions-
spektrum: H2 , HCl, CO2 , OCS, H2 O, CH4 , C2 H4 , C2 H6 , CH3 Cl, C6 H6 , N2 , N−
3?

10.2 Wieviele Schwingungsfreiheitsgrade gibt es für (a) HBr, (b) OCS (linear), (c)
SO2 (nichtlinear), (d) H−O−O−H (nichtlinear), (e) H−C≡C−H (linear) und (f) C6 H6 ?

10.3 Welche Wellenlänge besitzt ein Photon, das einen Übergang zwischen zwei be-
nachbarten Niveaus eines harmonischen Oszillators mit folgenden Eigenschaften indu-
ziert: reduzierte Masse m r = m Proton , Kraftkonstante k = 855 N/m?

10.4 Die Energieniveaus allgemeiner harmonischer Bewegungen werden stets durch


die Beziehung
 
1
E v = hω v + v = 0, 1, 2, . . .
2
gegeben. Berechnen Sie jeweils die minimale Anregungsenergie für die folgenden Os-
zillatoren:
a) ein 1 m langes Pendel unter dem Einfluß der Schwerkraft;
b) die Unruhe einer Uhr (ν = 5 Hz);
c) der 33 kHz-Quarz einer Uhr;
d) die Bindung zwischen zwei Sauerstoffatomen (k = 1177 N/m).

10.5 Bei einer Messung an 14 N16 O findet man die Zentralfrequenzen der ersten bei-
den Schwingungsübergänge bei 1876,06 cm−1 („Grundschwingung“) und 3724,20 cm−1
(„erster Oberton“). Bestimmen Sie die Schwingungskonstante ν̄e , die Anharmonizitäts-
konstante xe , die Nullpunktsenergie sowie die Kraftkonstante der Bindung.
Das Maximum der Schwingungsenergie E v kann analytisch berechnet werden, falls
man die Schwingungsquantenzahl v als kontinuierliche Variable betrachtet. Bestimmen
Sie daraus die Dissoziationsenergie von NO und bewerten Sie diese Methode.

10.6 Für die Moleküle HCl, DCl, HD und D2 beobachtet man im Zustand v = 0 die
folgenden Schwingungsfrequenzen: HCl: 2885 cm−1 ; DCl: 1990 cm−1 ; HD: 3627 cm−1 ;
D2 : 2990 cm−1 . Wie lautet die Energiebilanz (in kJ/mol) der Reaktion
HCl + D2 → DCl + HD ,
wenn die Nullpunktsenergien der beteiligten Moleküle berücksichtigt werden? Handelt
es sich also um eine exotherme oder um eine endotherme Reaktion?

10.7 Ermitteln Sie die Kraftkonstanten der Halogen-Wasserstoff-Bindungen, indem


Sie die Frequenzen der Grundschwingungen von Wasserstoffhalogeniden verwenden:
206 10. Schwingungsspektren

HF H35 Cl H81 Br H127 I

ν̄ [cm−1 ] 4141,3 2988,9 2649,7 2309,5

10.8 Für das Jodmolekül I2 mißt man eine Schwingungskonstante von ν̄e = 215 cm−1
und eine Anharmonizitätskonstante von xe = 0,003. Welches Intensitätsverhältnis der
„heißen Bande“ (v = 1 → 2) zur Grundschwingungsbande (v = 0 → 1) erwarten Sie
bei einer Temperatur von 300 K?
10.9 Zahlreiche funktionelle Gruppen weisen charakteristische Schwingungsfrequen-
zen auf, die von der Art der chemischen Anknüpfung kaum beeinflußt werden. So liegt
die Streckschwingung der O−H-Gruppe bei 3600 cm−1 , die der C−O-Einfachbindung
bei 1150 cm−1 und die der C=S-Doppelbindung bei 1100 cm−1 . Schätzen Sie daraus
die Frequenzen der Streckschwingungen von O−D und C−S ab.
10.10 Die experimentell für das 1 H35 Cl-Molekül gefundenen Strukturdaten sind
Bindungslänge: 127,5 pm
Kraftkonstante der Bindung: 516,3 N/m
Atommassen: 1 H: 1,673 · 10−27 kg; 35 Cl: 58,066 · 10−27 kg.
Ermitteln Sie daraus
a) die Nullpunktsenergie und die Energie ν0 der Grundschwingung,
b) die Rotationskonstante B,
c) die spektralen Lagen (in cm−1 ) der jeweils innersten drei Linien von P- und R-
Zweig,
d) Können Sie die Unterschiede zwischen dem in (c) berechneten und dem tatsäch-
lich gemessenen Spektrum begründen?
10.11 Die Auswahlregeln für Rotations-Schwingungsübergänge lauten ∆v = 0, ±1,
±2, . . . , ∆J = ±1 und ∆M J = 0, ±1. Bestimmen Sie die Anzahl der in einem Über-
gang mit J
− J

= ±1 enthaltenen „Teilübergänge“ als Funktion von J


oder J

.
Geben Sie die Intensitätsverteilung der Rotationslinien in einer Schwingungsbande
unter der Annahme an, daß jeder „Teilübergang“ denselben Beitrag zur Intensität liefert.
10.12 Ermitteln Sie für die Grundschwingungsbande von 1 H35 Cl die Wellenzahl
ν̄ R (JK ) der Bandenkante des R-Zweiges. Dabei ist JK derjenige Werte von J, bei dem
mit wachsendem J die Rotationslinien anfangen, auf der Wellenzahlskala umzukehren.
Hinweis: Der Abstand der J = 0-Zustände der Schwingungsniveaus v = 0 und
v = 1 von 1 H35 Cl beträgt ν̄(1, 0) = 2885,9 cm−1 ; die Rotationskonstanten unter-
scheiden sich für v = 0, 1 aufgrund der Schwingungsdehnung: B0 = 10,440 cm−1 ,
B1 = 10,137 cm−1 .
10.13 Für RbH findet man experimentell ν̄e = 936,8 cm−1 und xe ν̄e = 14,15 cm−1 ;
die Länge der Bindung beträgt Re = 236,7 pm. Skizzieren Sie das Morse-Potential V(R)
für den elektronischen Grundzustand.
Wenn das Molekül rotiert, kommt zur potentiellen Energie der Rotationsterm hinzu,
so daß man ein effektives Potential Veff (R) erhält:
Veff (R) = V(R) + B(R)J(J + 1)
Aufgaben 207

worin B(R) die vom Kernabstand R abhängige Rotationskonstante bezeichnet. Skizzie-


ren Sie Veff für J = 40 und J = 100. Welchen Einfluß übt die Rotation auf die Stärke
der Bindung und auf die Dissoziationsenergie aus?
10.14 a) Die ersten fünf Schwingungsniveaus von 1 H35 Cl liegen bei 1481,86,
4367,50, 7149,04, 9826,48 und 12 399,8 cm−1 . Wie groß ist die Dissoziationsener-
gie dieses Moleküls?
b) Das Rotations-Schwingungsspektrum von 1 H35 Cl wird im wesentlichen durch die
in (a) bestimmten Werte für die Schwingungskonstante ν̄e und die Anharmonizitätskon-
stante xe sowie durch die Rotationskonstante B = 10,59 cm−1 festgelegt. Berechnen Sie
aus diesen Daten die entsprechenden Größen für 2 D35 Cl. Wie ändert sich das Rotations-
Schwingungsspektrum?
c) Wie groß ist die Dissoziationsenergie des schweren Isotops 2 D35 Cl? Wie kann
man den Unterschied zum Ergebnis in (a) nutzen?
Hinweis: Die Potentialkurven isotoper Moleküle sind identisch, da diese sich lediglich
hinsichtlich der Masse der Atome, aus denen sie aufgebaut sind, unterscheiden.
10.15 Im elektronischen Grundzustand des SO2 -Moleküls besitzen die beiden S−O-
Bindungen jeweils eine Länge von 1,43 Å und einen Bindungswinkel von 120◦ . Wäh-
rend im angeregten Zustand die Bindungslängen unverändert sind, beträgt der Bindungs-
winkel nun 110◦ . Beschreiben Sie qualitativ die vibronische Struktur der UV-Absorption
von SO2 -Dampf bei Raumtemperatur.
11. Quantenmechanische Behandlung
von Rotations- und Schwingungsspektren

Anhand des 2-atomigen Moleküls wird die Born-Oppenheimer-Näherung und damit die
genäherte Auftrennung der Wellenfunktion in die der Elektronen und die der Kerne ein-
geführt, wobei bei den letzteren Rotations- und Schwingungsbewegungen auftreten. So-
dann behandeln wir die Rotation drei- und mehratomiger Moleküle, wobei wir sowohl
auf den symmetrischen als auch auf den asymmetrischen Kreisel näher eingehen. Bei der
Behandlung der Schwingungen von Molekülen spielt das Konzept der Normalkoordina-
ten eine wesentliche Rolle; auch hierbei erweisen sich wieder Symmetriebetrachtungen
als nützlich.

11.1 Das 2-atomige Molekül


11.1.1 Die Born-Oppenheimer-Näherung

Im vorangegangenen Kapitel beschäftigten wir uns mit den Rotations- und Schwin-
gungsspektren von Molekülen und behandelten diese „halbklassisch“. Dies bedeutet,
daß wir die Bewegungen der Kerne des Moleküls zuerst mit Hilfe der klassischen Me-
chanik untersuchten und dann empirisch gewonnenen Quantisierungsvorschriften unter-
warfen. In diesem Kapitel rechtfertigen wir die dortige Vorgehensweise, indem wir eine
strenge quantenmechanische Rechnung, die sich von Anfang an auf die Schrödinger-
Gleichung stützt, durchführen. Dabei werden auch die verschiedenen Näherungen noch-
mals deutlich gemacht.
Wir beginnen mit 2-atomigen Molekülen, wobei wir wichtige Konzepte kennenler-
nen werden, die wir dann später auf Moleküle mit mehr als zwei Atomen anwenden
können. Im ersten Schritt zeigen wir, wie sich die Kernbewegung von der Elektronen-
bewegung trennen läßt. Wie sich zeigt, kommt auf dem Weg über die Elektronenbewe-
gung, die der Quantenmechanik gehorcht, eine direkte Wechselwirkung zwischen den
Kernen zustande. Deren Bewegung läßt sich in guter Näherung in die der Rotation und
die der Schwingung auftrennen, wobei die Quantenmechanik auch die Kopplungsglieder
zwischen diesen Bewegungen liefert.
Die einfachsten Beispiele für 2-atomige Moleküle sind das Wasserstoff-Molekül-
ion H+2 und das Wasserstoffmolekül H2 . Denken wir an Isotope des Wasserstoffs, so
können diese Atome auch verschiedene Massen m 1 und m 2 haben. Die Koordinaten
der Atomkerne bezeichnen wir mit R1 und R2 . Unsere folgenden Überlegungen las-
sen sich genauso gut auch auf Moleküle mit mehreren Elektronen, deren Koordina-
ten dann r1 , r2 , . . . , rn heißen, anwenden. Um aber das Verfahren so durchsichtig wie
möglich und die Schreibweise so einfach wie möglich zu machen, wählen wir hier
als explizites Beispiel das Wasserstoff-Molekülion mit einer einzigen Elektronenkoor-
dinate r. Die Wellenfunktion Ψ hängt dann von den entsprechenden Koordinaten ab,
210 11. Quantenmechanische Behandlung von Rotations- und Schwingungsspektren

d. h. r, R1 , R2 , und genügt einer Schrödinger-Gleichung, die folgende Bestandteile ent-


hält: Die kinetische Energie des Elektrons und der beiden Atomkerne, die Energie der
Coulomb-Wechselwirkung des Elektrons mit den beiden Kernen, sowie die Coulomb-
Wechselwirkungsenergie zwischen den beiden Atomkernen. Die Schrödinger-Gleichung
lautet also

h2 h2 h2 e2 e2
− ∆− ∆1 − ∆2 − −
2m 0 2m 1 2m 2 4πε0 |r − R1 | 4πε0 |r − R2 |
2 
e
+ Ψ(r; R1 , R2 ) = EΨ(r; R1 , R2 ) . (11.1)
4πε0 |R1 − R2 |
Der Laplace-Operator ∆ bezieht sich auf das Elektron, während die beiden anderen
Laplace-Operatoren durch die Indizes 1 und 2 bezüglich ihrer Wirkung auf die Kern-
koordinaten unterschieden sind. Es handelt sich bei der Lösung um ein komplizier-
tes Mehrkörperproblem, das wir aber aufgrund physikalischer Überlegungen reduzieren
können. Dazu benutzen wir, daß die Masse der Kerne viel größer als die des Elektrons
ist. Dies läßt uns erwarten, daß die Kerne sich viel langsamer als das Elektron bewegen,
oder mit anderen Worten, das Elektron kann der Kernbewegung praktisch unmittelbar
folgen. Dies ist die Grundidee der Born-Oppenheimer-Näherung.
In einem ersten Schritt bestimmen wir die Wellenfunktion der Elektronenbewegung
bei festgehaltenen Kernkoordinaten, die in der Elektronenwellenfunktion lediglich die
Rolle von Parametern spielen. Wie wir wissen, kommt durch die Elektronen eine di-
rekte Wechselwirkungsenergie zwischen den Kernen zustande, die zu deren Coulomb-
scher Abstoßungsenergie hinzutritt. In einem zweiten Schritt bestimmen wir dann die
Wellenfunktion der Kernbewegung im eben erwähnten Gesamtpotential.
Zur Durchführung dieses Programms benutzen wir einen Produktansatz für die Wel-
lenfunktion Ψ , wobei der erste Faktor sich auf die Elektronenbewegung bei fest vorge-
gebenen Kernkoordinaten beziehen soll, während der zweite Faktor die Bewegung der
Kerne selbst berücksichtigt. Dieser Ansatz lautet also

Ψ(r; R1 , R2 ) = ψ(r; R1 , R2 )Φ(R1 , R2 ) . (11.2)

Setzen wir ihn in die Schrödinger-Gleichung (11.1) ein, so müssen wir die Produktregel
der Differentialrechnung benutzen, da ja die Kernkoordinaten auf der rechten Seite von
(11.2) sowohl in ψ als auch in Φ vorkommen

∂2 ∂2 ∂ψ ∂Φ ∂2
(ψΦ) = ψ Φ + 2 + Φ ψ. (11.3)
∂X 21 ∂X 21 ∂X 1 ∂X 2 ∂X 21

Wir erhalten dann anstelle von (11.1) die Schrödinger-Gleichung


 
h2 e2 e2
Φ − ∆− − ψ
2m 0 4πε0 |r − R1 | 4πε0 |r − R2 |
 
h2 h2 e2
+ψ − ∆1 − ∆2 + Φ
2m 1 2m 2 4πε0 |R1 − R2 |
h2 h2 h2 h2
− (∇1 ψ)∇1 Φ − (∇2 ψ)∇2 Φ − Φ∆1 ψ − Φ∆2 ψ = EψΦ . (11.4)
m1 m2 2m 1 2m 2
11.1 Das 2-atomige Molekül 211

Hierbei haben wir die einzelnen Glieder bereits in einer für uns physikalisch leicht zu
interpretierenden Weise zusammengefaßt. Die geschweifte Klammer in der ersten Zeile
ist ersichtlich der Hamilton-Operator eines Elektrons, das sich im Felde fest vorgegebe-
ner Kernkoordinaten R1 und R2 bewegt.
Wir wählen nun die Wellenfunktion des Elektrons ψ so, daß sie der entsprechenden
Schrödinger-Gleichung
 
h2 e2 e2
− ∆− − ψ = Wψ (11.5)
2m 0 4πε0 |r − R1 | 4πε0 |r − R2 |
genügt. Wie wir von der Theorie der Schrödinger-Gleichung her wissen, läßt eine sol-
che Gleichung im allgemeinen eine ganze Reihe von Eigenwerten oder Energiewerten
W zu, die wir dann durch die entsprechenden Quantenzahlen unterscheiden können. Fer-
ner hängt die Energie W aber auch von den Kernkoordinaten R1 und R2 ab, die als feste
Parameter in (11.5) eingehen. Wir schreiben daher
W = W(R1 , R2 ) . (11.6)
Nehmen wir in (11.5) eine Koordinatenverschiebung
r → r + R1 (11.7)
vor, die lediglich die Verschiebung des Nullpunkts des Koordinatensystems bedeutet, so
erkennen wir, daß das ganze Problem, einschließlich der Bestimmung von W, nur von
der Differenz der Kernkoordinaten
R1 − R2 (11.8)
abhängt. Wir können daher W als Funktion dieser Kernkoordinatendifferenz auffassen
W = W(R1 − R2 ) . (11.9)
Wie wir weiter unten näher zeigen werden, ist die letzte Zeile auf der linken Seite
von Gl. (11.4) ein Störglied, das gegenüber dem ersten Glied um den Faktor m 0 /m 1
bzw. m 0 /m 2 kleiner ist. Wir werden daher zunächst dieses Glied vernachlässigen.
Das hier geschilderte Vorgehen bezeichnet man, wie bereits oben erwähnt, als Born-
Oppenheimer-Näherung.
Ersetzen wir nun in der ersten Zeile der Gl. (11.4) die linke Seite der Gl. (11.5) durch
ihre rechte Seite, so erhalten wir eine Schrödinger-Gleichung, die sich auf die Kernko-
ordinaten alleine bezieht
 
h2 h2 e2
− ∆1 − ∆2 + W(R1 − R2 ) Φ = EΦ . (11.10)
2m 1 2m 2 4πε0 |R1 − R2 |
Wie wir sehen, kommt über die Elektronenenergie, die in (11.5) auftritt, eine direkte
Wechselwirkungsenergie zwischen den Atomkernen zustande. Dies ist eigentlich nicht
verwunderlich, da wir ja schon von der Theorie, z. B. der homöopolaren Bindung (vgl.
Abschn. 4.3, 4.4), her wissen, daß durch den Elektronenaustausch zwischen den beiden
Atomkernen eine direkte Kraft zwischen diesen Kernen hervorgerufen wird.
Die Schrödinger-Gleichung (11.10) weist eine formale Analogie zu dem Problem der
Bewegung eines Elektrons um einen Atomkern mit endlicher Masse auf. Wie wir aus
212 11. Quantenmechanische Behandlung von Rotations- und Schwingungsspektren

der Atomphysik wissen, können wir bei einem solchen Zweikörperproblem neue Koor-
dinaten einführen, nämlich die Schwerpunktkoordinate
RS = (m 1 R1 + m 2 R2 )/(m 1 + m 2 ) (11.11)
und die Relativkoordinate
R = R1 − R2 . (11.12)
Zur Umrechnung der Schrödinger-Gleichung auf diese neuen Koordinaten brauchen wir
ferner die Schwerpunktmasse m S
mS = m1 + m2 (11.13)
und die reduzierte Masse m r
m1m2
mr = . (11.14)
m1 + m2
Mit den entsprechenden Umrechnungsformeln können wir sofort die dann entstehende
S , R) = Φ(R1 , R2 ) hinschreiben
Schrödinger-Gleichung für die Wellenfunktion Φ(R
 
h2 h2
− ∆S − ∆r + V(R) Φ (RS , R) ,
(RS , R)E Φ (11.15)
2m S 2m r
wobei der Operator der potentiellen Energie durch
e2
V(R) = + W(R) (11.16)
4πε0 R
explizit gegeben ist. V setzt sich also aus der Energie des Elektrons im Felde der bei-
den Atomkerne und der Coulombschen Wechselwirkungsenergie der beiden Atomkerne
zusammen.
Die Auftrennung der Koordinaten in Schwerpunkt- und Relativkoordinaten ermög-
licht es uns, für die Wellenfunktion der Schrödinger-Gleichung (11.15) einen Separati-
onsansatz im Hinblick auf die Schwerpunkt- bzw. Relativbewegung zu machen
(RS , R) = eiK RS χ(R) .
Φ (11.17)
Der Energieeigenwert von (11.15) nimmt dann die Gestalt
2 2
h K
E=E (11.18)
2m S
an, wobei E von der Relativbewegung herrührt, während das danebenstehende zweite
Glied die kinetische Energie der Schwerpunktbewegung darstellt.
Wir wenden uns nun der Diskussion der Relativbewegung zu. Wie wir von der Elek-
tronentheorie 2-atomiger Moleküle wissen, hängt die potentielle Energie V(R) nur vom
Betrag des Abstandsvektors ab; mit anderen Worten, V ist kugelsymmetrisch. In Analo-
gie zur Behandlung der Elektronenbewegung im Wasserstoffatom führen wir daher auch
hier Polarkoordinaten R, ϑ, ϕ ein, wobei natürlich sich diese Polarkoordinaten auf die
Relativbewegung der beiden Atomkerne beziehen, und wir hier lediglich eine formale
Analogie mit dem Wasserstoffproblem ausnützen. Transformieren wir den Operator der
11.1 Das 2-atomige Molekül 213

kinetischen Energie auf diese Polarkoordinaten, und führen wir ferner sogleich den vom
Wasserstoffproblem her bekannten Separationsansatz in Radial- und Winkelanteil durch

χ(R) = f(R)F(ϑ, ϕ) , (11.19)

so erhalten wir als Schrödinger-Gleichung


   
h2 1 ∂ 2 ∂ L2 F f .
− R + + V(R) fF = E (11.20)
2m r R2 ∂R ∂R 2m r R2
Darin ist L der Operator des Drehimpulses. Wie wir vom Wasserstoffproblem her wis-
sen, können wir die von den Winkeln abhängige Funktion F so wählen, daß sie zugleich
Eigenfunktion zum Quadrat des Drehimpulsoperators und einer seiner Komponenten,
z. B. der z-Komponente, wird:

L2 FJ,M = h 2 J(J + 1)FJ,M (11.20a)


L z FJ,M = h MFJ,M . (11.20b)

Dabei haben wir die bei Molekülen üblichen Bezeichnungen für die Drehimpulsquan-
tenzahl J und M benutzt, die an die Stelle von l bzw. m beim Wasserstoff-Elektron
treten. Hier wie dort gilt dann:

J = 0, 1, 2, . . . (11.20c)

sowie

−J ≤ M ≤ J , M ganzzahlig . (11.20d)

Die Winkelabhängigkeit von F ist in I, Abb. 10.2, sowie hier in Abb. 4.1 für einige
Fälle veranschaulicht. Wegen (11.20a) können wir in (11.20) L2 durch h 2 J(J +1) erset-
zen und die dann resultierende Schrödinger-Gleichung durch F dividieren. Wir erhalten
dann anstelle von (11.20) die Schrödinger-Gleichung
 
h2 ∂2 h2 1 ∂ h 2 J(J + 1) f ,
− − + + V(R) f = E (11.21)
2m r ∂R2 m r R ∂R 2m r R2
die sich nur noch auf die Bewegung in radialer Richtung bezieht. Da die Quantenzahl M
in (11.21) nicht vorkommt, es aber wegen (11.20d) zu einem festen Wert J 2J + 1 ver-
schiedene M-Werte und damit Wellenfunktionen gibt, ist die Energie E (2J + 1)fach
entartet. In (11.21) haben wir gegenüber (11.20) den Operator der kinetischen Energie
ein klein wenig umgeformt.
Die Schrödinger-Gleichung (11.21) ist eine lineare Differentialgleichung 2. Ordnung,
die man nach Standardmethoden der Theorie der Differentialgleichungen numerisch auf-
integrieren könnte. Hier liegt es uns aber mehr daran, den physikalischen Gehalt von
(11.21) zu beleuchten, um gleichzeitig die Verbindung mit Kap. 9 und 10 herzustellen.
Hierzu machen wir zwei Näherungen, die bei dem vorliegenden konkreten Problem gut
gerechtfertigt sind. Zum einen sehen wir nämlich den Ausdruck

h2 1 ∂
− (11.22)
m r R ∂R
214 11. Quantenmechanische Behandlung von Rotations- und Schwingungsspektren

als eine kleine Störung an. Ferner suchen wir eine geeignete, explizite Darstellung für
den Verlauf des Potentials V(R). Diese wird uns in der Tat aus der Theorie der Mo-
lekülbindung geliefert. In einem solchen Falle hat das Potential den in Abb. 4.12 an-
gegebenen Verlauf. Nachdem wir uns natürlich für stabile Bindungszustände der Kerne
interessieren, haben wir nur solche Kernkoordinaten zu betrachten, deren Abstand in der
Gegend des Minimums liegt. Den entsprechenden Gleichgewichts-Abstand bezeichnen
wir mit Re . Entwickeln wir die Potentialfunktion V nach der Abweichung R − Re , so
erhalten wir in der Umgebung des Minimums den Ausdruck
1
V(R) ≈ V(Re ) + k(R − Re )2 . (11.23)
2
Betrachten wir zunächst den Fall für den Drehimpuls J = 0. Mit der Vernachlässigung
von (11.22) und der Näherung (11.23) geht (11.21) in
 
h2 ∂2 1
− + k(R − Re ) f = E v f
2
(11.24)
2m r ∂R2 2
über, wobei wir E = E v + V(Re ) gesetzt haben. Gleichung (11.24) ist aber nichts ande-
res als die uns bestents bekannte Schrödinger-Gleichung des harmonischen Oszillators,
dessen Ruhelage um die Strecke Re gegenüber dem Ursprung des Koordinatensystems
verschoben ist. Die Grundzustandswellenfunktion lautet somit
 
1
f(R) = N exp − (R − Re ) /R0 ,
2 2
(11.25)
2
wobei N ein Normierungsfaktor ist und R0 durch

h
R0 = (11.26)
mrω
gegeben ist. Die Energiewerte für den Grundzustand und die angeregten Zustände sind
dann durch die Quantenzahl v = 0, 1, . . . unterschieden; diese Energiewerte lauten
 
1
Ev = v + hω , (11.27)
2
wobei die Frequenz durch

k
ω= (11.28)
mr
gegeben ist. Wir sehen also, daß die beiden Atomkerne längs ihrer Verbindungsachse
eine harmonische Schwingung ausführen können. Da die Amplitude dieser Schwingung,
wie wir von Experimenten her wissen und auch aus der Theorie berechnen können, viel
kleiner als der Kernabstand ist, ist es sicher eine gute Näherung, wenn wir den Beitrag,
der von der Rotationsenergie herrührt und der proportional zu 1/R2 ist, dadurch annä-
hern, daß wir R2 durch Re2 , ersetzen. Nehmen wir also auch Zustände mit J = 0 mit,
so lautet die Energie
 
1 h 2 J(J + 1)
E = V(Re ) + v + hω + . (11.29)
2 2m r Re2
11.1 Das 2-atomige Molekül 215

Dieser Energieausdruck ist bis auf den ersten Summanden identisch mit dem von
(10.20), wobei die Konstanten sich sofort identifizieren lassen. Darin rühren der erste
Beitrag von der Bindungsenergie der Kerne im Gleichgewichtsabstand (und unendlicher
großer Massen) und der zweite Beitrag von der Oszillationsenergie her, während der
dritte Beitrag von der Rotation stammt. Die Rotationsquantenzahl durchläuft dabei wie
üblich die Werte J = 0, 1, . . .
Führen wir noch das Trägheitsmoment Θ gemäß

Θ = m r Re2 (11.30)
ein, so läßt sich (11.29) auch in der Form
 
1 h 2 J(J + 1)
E = V(Re ) + hω v + + (11.31)
2 2Θ
wiedergeben. Der letzte Ausdruck in (11.31) ist das quantenmechanische Analogon zu
dem klassischen Ausdruck für die kinetische Energie einer rotierenden Hantel, die zwei
Massen m r /2 im Abstand 2Re hat. Damit haben wir die Eigenschaften bei der Dyna-
mik eines 2-atomigen Moleküls wiedergefunden, die in den vorangegangenen Kapiteln
über die Experimente bereits modellmäßig erfaßt worden ist (vgl. 10.20). Hier haben wir
aber gesehen, wie die systematische, quantentheoretische Behandlung zu den richtigen
Ausdrücken für die Wellenfunktionen und Energien führen, wobei auch die Näherun-
gen deutlich geworden sind. Diese können dann in einem nächsten Schritt, z. B. durch
ein Störungsverfahren, verbessert werden. Hierbei ergeben sich dann Ausdrücke, die in
Kap. 9 und 10 eingeführt und diskutiert worden sind und z. B. die Anharmonizität be-
rücksichtigen. Im folgenden Abschnitt wollen wir lediglich zeigen, daß die im jetzigen
Kapitel vernachlässigten Ausdrücke klein sind. Der eilige Leser kann diese Abschätzun-
gen, ohne daß er an Verständnis für das Weitere verliert, überschlagen.

11.1.2 Rechtfertigung der Vernachlässigungen

Wir beginnen mit dem Ausdruck (11.22). Dieser Operator wird auf eine Wellenfunk-
tion angewendet, so daß wir, um die Abschätzung vorzunehmen, jeweils den Gesamt-
ausdruck, Operator angewendet auf Wellenfunktion, betrachten müssen. Wir vergleichen
den sich dann ergebenden Beitrag, der von (11.22) herrührt, mit dem kinetischen Ener-
giebeitrag von dem Hamilton-Operator (11.24). Wie wir aus der Oszillatortheorie her
wissen, ist die kinetische Energie von der gleichen Größenordnung wie die gesamte
Energie, so daß wir unmittelbar als Abschätzung für das erste Glied in (11.24)

h2 ∂2
− f ≈ hω f (11.32)
2m r ∂R2
erhalten.
Für den entsprechenden Ausdruck, der aus (11.22) folgt, erhalten wir durch Verwen-
dung der expliziten Form (11.25) die Abschätzung

h2 1 ∂ h2 1 mrω
− f ≈ (R − Re ) f, (11.33)
m r R ∂R m r Re h
216 11. Quantenmechanische Behandlung von Rotations- und Schwingungsspektren

die sich zu
(R − Re )
= hω f (11.34)
Re
umformen läßt. Hierbei wird die Variable R mit der Verteilungsfunktion (11.25) gewich-
tet, wobei R − Re auf einer Strecke R0 gemäß (11.26) quadratisch exponentiell abfällt.
Wie man anhand numerischer Beispiele leicht sieht, gilt dann die Relation

R − Re  Re , (11.35)

so daß wir schließlich anstelle von (11.34) die Abschätzung

(11.34)  hω f (11.36)

erhalten, womit gezeigt ist, daß dieses Glied wesentlich kleiner als das Glied (11.32)
ist. Diese Art von Abschätzungen ermöglicht es uns auch zu rechtfertigen, daß wir in
dem Ausdruck für die Rotationsenergie die Größe R2 durch Re2 ersetzt haben. Wenden
wir uns nun schließlich der Rechtfertigung der Born-Oppenheimer-Näherung zu.
Betrachten wir hierzu die Auswirkung des Laplace-Operators der Kernkoordinate R1
auf die Elektronenwellenfunktion

∆1 ψ . (11.37)

Hierbei wollen wir so explizit wie möglich vorgehen und benutzen dazu die aus der
Theorie der Molekülbindung bekannte Wellenfunktion (vgl. Abschn. 4.3)

ψ = ϕ1 (r − R1 ) + ϕ2 (r − R2 ) , (11.38)

wobei ϕ1 und ϕ2 die an den Atomen 1 und 2 lokalisierten Elektronenwellenfunktionen


sind. Da ϕ1 nur von der Relativkoordinate r − R1 abhängt, erhalten wir unmittelbar

∆1 ψ = ∆ψ . (11.39)

Wir erinnern uns nun daran, daß im Mittel die kinetische Energie von der Größenord-
nung der Gesamtenergie W ist

h2
− ∆ϕ ∼ Wϕ . (11.40)
2m 0
Da aber in der Gl. (11.4) das Störungsglied nicht den Faktor 1/m 0 , sondern 1/m 1 ent-
hält, multiplizieren wir (11.40) mit m 0 /m 1 und erhalten somit (11.41)

h2 m0
− ∆ϕ ∼ Wϕ . (11.41)
2m 1 m1
Daraus wird aber ersichtlich, daß der Energiebeitrag, der von dem Störglied herrührt, um
einen Faktor m 0 /m 1 kleiner ist als derjenige, der von der Energie des Elektrons gemäß
(11.40) stammt. Wird m 1 hinreichend groß, so wird dieses Glied (11.41) beliebig klein.
Hierbei haben wir noch zu berücksichtigen, daß W unabhängig von den Kernmassen
m 1 , m 2 ist. Da der Laplace-Operator ∆ de facto größenordnungsmäßig Multiplikation
11.2 Die Rotation drei- und mehratomiger Moleküle 217

der Wellenfunktion mit 1/Länge2 bedeutet, können wir formal aus der linken Seite die
Wurzel ziehen. Wir erhalten dann eine Abschätzung für den Betrag von h∇ψ, gemäß

h|∇ψ| ≈ m 0 W|ψ| . (11.42)
In genau der gleichen Weise erhalten wir für die Funktion der Kernkoordinaten eine
Abschätzung von der Größenordnung

h|∇ R1 Φ| ≈ m 1 E κ |Φ| (E κ : Energie der Kernbewegung) . (11.43)
Unter Verwendung von (11.42) und (11.43) können wir die linken und rechten Seiten
wie folgt miteinander jeweils ausmultiplizieren
 
h2 m0
|∇ψ||∇ R1 Φ| ≈ WE κ |ψΦ| . (11.44)
2m 1 m1
Wir erinnern uns nun daran, daß die Kerne Schwingungen ausführen, deren Energie von
der Masse gemäß
1
E κ ∼ hω ∼ √ (11.45)
m1
abhängt. Erinnern wir uns ferner an das Wasserstoffproblem, so wissen wir, daß die
Elektronenenergie proportional zur Elektronenmasse m 0 ist
W ∼ m0 . (11.46)
Führen wir noch (11.45) und (11.46) in (11.44) ein, so erkennen wir, daß die linke Seite
3/4
proportional zu m 0 /m 1 ist, d. h., daß auch dieses Glied gegenüber den anderen Glie-
dern, die wir in der Gleichung (11.4) berücksichtigt haben, vernachlässigt werden kann,
wenn nur die Masse der Kerne hinreichend groß ist, was ja schon für die Protonenmasse
in guter Näherung der Fall ist.
Die Abschätzungen, die wir soeben vorgenommen haben, mögen dem präzise den-
kenden Leser vielleicht etwas zu oberflächlich erscheinen, da wir hier immer Operato-
ren angewendet auf Wellenfunktionen in ihrer Größe abgeschätzt haben. Man kann diese
Abschätzung aber ganz exakt machen, indem man zu Erwartungswerten übergeht.

11.2 Die Rotation drei- und mehratomiger Moleküle


11.2.1 Der Ausdruck für die Rotationsenergie

Im vorangegangenen Abschnitt haben wir eine streng quantenmechanische Rechnung


zum 2-atomigen Molekül durchgeführt. Dabei sahen wir, wie Annahmen, die uns von
der klassischen Mechanik nahegelegt werden, im einzelnen gerechtfertigt werden kön-
nen. Wir haben ferner gesehen, wo Näherungen gemacht werden und wie diese zu be-
gründen sind. Die dort gewonnenen Einsichten ermöglichen es uns, auch 3- und mehr-
atomige Moleküle zu behandeln, wobei wir uns von den Vorstellungen der klassischen
Mechanik leiten lassen können, ohne daß wir die quantenmechanische Behandlung dar-
über vernachlässigen müssen.
218 11. Quantenmechanische Behandlung von Rotations- und Schwingungsspektren

Ausgangspunkt für unsere Überlegungen ist auch hier wieder die Schrödinger-
Gleichung, die wir für das Beispiel eines 3-atomigen Moleküls anschreiben, wobei
wir im vorliegenden Kapitel nur die Bewegung der Kernkoordinaten berücksichtigen.
Die potentielle Energie hängt dabei nur von den Relativkoordinaten ab, die wir durch
R1,3 ≡ R3 − R1 , R2,3 ≡ R3 − R2 (11.47)
abkürzen. Hierbei ist R j , j = 1, 2, 3, wie bisher auch, der Koordinatenvektor des Kerns
mit dem Index j. Wie schon aus der klassischen Mechanik bekannt ist, gilt für ein der-
artiges System der Erhaltungssatz des Gesamtimpulses. Dies gilt auch für die Quan-
tenmechanik; in ihr sind solche Größen bekanntlich gleichzeitig scharf meßbar, deren
zugeordnete Operatoren miteinander vertauschbar sind. In unserem Falle ist der Impuls-
operator P, der durch
 h
P= pj = ∇j (11.48)
i
j j

gegeben ist, mit dem Hamilton-Operator der Schrödinger-Gleichung


 
h2 h2 h2
− ∆1 − ∆2 − ∆3 + V(R1,3 , R2,3 ) Φ = EΦ (11.49)
2m 1 2m 2 2m 3
vertauschbar. Hiervon kann man sich leicht überzeugen, da jede Differentiation einer
Koordinate mit einer weiteren Differentiation nach der gleichen oder einer anderen Ko-
ordinate vertauschbar ist. P ist also sicher mit dem Hamilton-Operator der kinetischen
Energie in (11.49) vertauschbar. Darüber hinaus überzeugt man sich leicht, daß P auch
mit der potentiellen Energie V vertauschbar ist, da wegen der Abhängigkeit von den
Relativkoordinaten die Beziehung
∇ j V = −∇k V , j = k (11.50)
gilt und sich somit die einzelnen Beiträge bei der Vertauschung von P mit V heraus-
heben. Von der Wellenfunktion Φ läßt sich somit die Schwerpunktbewegung mit der
Wellenfunktion eiK R abspalten, wobei h K der gesamte Impuls des Moleküls ist.
Befassen wir uns nun mit dem Drehimpuls. Hier läßt sich leicht nachrechnen, daß
der Drehimpulsoperator
L 2 = L 2x + L 2y + L 2z (11.51)
mit dem Operator der kinetischen Energie in (11.49) vertauschbar ist. Genauso läßt sich
zeigen, daß (11.51) auch mit der potentiellen Energie V vertauscht, sofern V invari-
ant gegen die gleichzeitige Rotation der Relativkoordinaten R jk ist. Dies wollen wir im
folgenden immer annehmen. Untersuchen wir nun die noch übriggebliebenen Freiheits-
grade und betrachten hierzu weiterhin das 3-atomige Molekül! Insgesamt bringt jeder
Kern 3 Freiheitsgrade mit, da ja die Kerne als punktförmig angenommen werden. Damit
besitzt das gesamte Molekül 9 Freiheitsgrade, von denen 3 auf die Schwerpunktsbewe-
gung und 3 auf die Rotationsbewegung entfallen. Die restlichen 3 Freiheitsgrade müssen
dann auf die inneren Bewegungen entfallen, wobei es sich um Oszillationen in Analogie
zum 2-atomigen Molekül handeln wird. Dies hatten wir in Abschn. 10.5 bereits gesehen.
Wir können uns diese Betrachtungen auch noch in anderer Weise veranschaulichen.
Die Koordinaten der 3 Kerne spannen eine Ebene auf, in der sich der Schwerpunkt des
11.2 Die Rotation drei- und mehratomiger Moleküle 219

Moleküls befindet. Die Ebene kann selbst noch in zwei Richtungen rotieren, so daß wir
2 Freiheitsgrade haben; hinzu kommt noch eine Rotation der gesamten Kernkoordinaten
in der Ebene. Es bleiben dann auch bei dieser Betrachtung 3 Oszillationen in der Ebene
übrig.
Wenden wir uns der Untersuchung der Drehbewegung und der zugehörigen Energie
zu. Dabei können wir an Abschn. 9.4 anknüpfen. Wie wir aus der klassischen Mechanik
her wissen, spielt bei Drehbewegungen der sogenannte Trägheitstensor
⎛ ⎞
Θxx Θxy Θxz
Θ = ⎝Θ yx Θ yy Θ yz ⎠ (11.52)
Θzx Θzy Θzz

eine grundlegende Rolle. Seine einzelnen Komponenten sind durch die Beziehungen
  
Θxx = m i Yi2 + Z i2
i
  
Θ yy = m i X i2 + Z i2
i
  
Θzz = m i X i2 + Yi2
i

Θxy = − m i X i Yi
i

Θxz = − mi Xi Zi
i

Θ yz = − m i Yi Z i (11.53)
i

gegeben. Da die Kerne als punktförmig angenommen werden, erstreckt sich die Summe
über die drei Kerne mit punktförmig verteilten Massen m i . Hierbei nehmen wir in Ana-
logie zum 2-atomigen Molekül an, daß die Kernkoordinaten in der hier betrachteten Nä-
herung an den Minima des Potentials liegen und keine Oszillationen durchführen. (Diese
untersuchen wir erst weiter unten.) Wählen wir im Falle des 3-atomigen Moleküls ein
Koordinatensystem, so daß die xy-Ebene mit der Ebene des Moleküls zusammenfällt
und die z-Achse darauf senkrecht steht, so sind alle Koordinaten Z i = 0. Damit redu-
ziert sich aufgrund der Definitionen (11.53) der Trägheitstensor auf
⎛ ⎞
Θxx Θxy 0
Θ = ⎝Θxy Θ yy 0 ⎠ . (11.54)
0 0 Θzz

Durch eine Drehung des Koordinatensystems um die z-Richtung können wir ferner er-
reichen, daß die Nichtdiagonalelemente in (11.54) verschwinden, so daß wir also auf
diese Weise den Trägheitstensor auf seine Hauptachsen bringen können
⎛ ⎞
Θx 0 0
Θ = ⎝ 0 Θy 0 ⎠ . (11.55)
0 0 Θz
220 11. Quantenmechanische Behandlung von Rotations- und Schwingungsspektren

(Diese Form des Trägheitstensors läßt sich auch für mehratomige Moleküle immer er-
reichen.)
In der klassischen Physik ist der Drehimpuls mit dem Vektor der Winkelgeschwin-
digkeit ω durch die Beziehung

L = Θω (11.56)

verknüpft. Dabei sind L und ω Vektoren, während Θ eine Matrix ist. Die kinetische
Energie läßt sich dann in der Form

1
E rot = ωΘω (11.57)
2
schreiben, wobei ω der zu ω transponierte Vektor ist. Falls Θ diagonal ist, gelten na-
türlich die Beziehungen

L x = Θx ωx
L y = Θy ωy
L z = Θz ωz . (11.58)

Lösen wir diese nach den Komponenten von ω auf und setzen das Resultat in (11.57)
ein, so erhalten wir als Ausdruck für die kinetische Energie

1 L 2x 1 L 2y 1 L 2z
E rot = + + . (11.59)
2 Θx 2 Θy 2 Θz

Der Gesamtdrehimpuls L setzt sich in der klassischen Mechanik aus den Drehimpulsen
der einzelnen Atome gemäß
 
L= Li ≡ [Ri , Pi ] (11.60)
i i

zusammen. In der Quantentheorie werden hierbei die Impulse Pi in bekannter Weise


gemäß der Jordanschen Regel durch die Gradienten

h
Pk → ∇k (11.61)
i
ersetzt. Für die Drehimpulse der einzelnen Kerne gelten dann die bekannten Vertau-
schungsrelationen

L x,i L y,i − L y,i L x,i = ih L z,i (11.62)

sowie (11.62) mit zyklisch vertauschten Indizes x, y, z, während Drehimpulsoperatoren


für verschiedene Kerne miteinander vertauschbar sind. Die Relationen (11.62) übertra-
gen sich, wie man leicht nachrechnet, auch auf den gesamten Drehimpulsoperator L
(11.60).
11.2 Die Rotation drei- und mehratomiger Moleküle 221

11.2.2 Der symmetrische Kreisel

Sehen wir uns an, was die Quantisierung des Drehimpulses für die Energie E rot (11.59)
bedeutet. Betrachten wir zunächst den Fall, daß für die Trägheitsmomente
Θx = Θ y (11.63)
gilt. Wegen der Beziehung

L2 = L 2x + L 2y + L 2z , (11.64)
die auch für Operatoren gültig ist, können wir (11.59) auch in der Form
1 1  2  1 1
Hrot = L − L 2z + L2 (11.65)
2 Θx 2 Θz z
schreiben, wobei wir gleichzeitig H (Hamilton-Operator) statt der Energie E geschrie-
ben haben. Da die Operatoren L2 und L z untereinander und mit dem Energie-Operator
vertauschen, können wir die Wellenfunktion in der Schrödinger-Gleichung so wählen,
daß diese gleichzeitig Eigenfunktion zu den genannten Operatoren wird. Wir gelangen
so wieder zu den Gln. (11.20a, 11.20b), wobei wir, der Konvention folgend, die zu L z
gehörigen Quantenzahlen mit k bezeichnen, wobei wiederum gilt −J ≤ k ≤ J und k
ganzzahlig ist. Oft setzt man K = |k|. Die Größe hk kann als die Komponente des Ge-
samtdrehimpulses in Richtung der z-Richtung, die mit der z-Hauptachse des Moleküls
gewählt wurde, aufgefaßt werden. Stellen wir uns also nun vor, daß der Operator E rot
schließlich auf die entsprechende Wellenfunktion FJ,k wirkt, so können wir die Opera-
toren L2 und L 2z durch ihre zugehörigen Eigenwerte h 2 [J(J + 1)] und h 2 K 2 ersetzen.
Damit geht (11.65) in

1 h2 ' ( 1 K2
E rot = J(J + 1) − K 2 + h 2 , 0≤ K ≤ J, (11.66)
2 Θx 2 Θz
über, und es ist uns somit gelungen, die Rotationsenergie auszurechnen.
Da zu jedem Wert K die Quantenzahlen k = K und k = −K und damit die ent-
sprechenden Wellenfunktionen gehören, ist die Energie für K = 0 zweifach entartet
und nur für K = 0 nicht entartet. Während sich die Quantenzahl k auf die Projektion
des Drehimpulses auf die molekülfeste z-Achse bezieht, bezog sich die Quantenzahl M,
die uns in (11.20b) begegnete, auf die raumfeste Achse (die wir jetzt als z
-Achse be-
zeichnen wollen). Dies führt zu der Frage, ob es auch im vorliegenden Falle eine solche
Quantenzahl M gibt. Betrachten wir hierzu diejenige Drehung des Koordinatensystems,
die zwischen dem raumfesten System x
, y
, z
und dem molekülfesten System x, y, z
vermittelt. Insbesondere gilt für die z
-Komponente L z
des Drehimpulses
L z
= aL x + bL y + cL z , (11.66a)
wobei die Konstanten a, b, c von den Drehwinkeln abhängen. Die Relation (11.66a) gilt
zunächst für die klassischen Vektoren, läßt sich dann aber sofort in die Quantentheorie
übertragen, so daß sie nun für die Drehimpulsoperatoren gilt.
Wir fragen uns nun, ob wir neben dem Quadrat des Drehimpulses (mit dem Ope-
rator L2 ) auch seine Komponente in z
-Richtung (mit dem Operator L z
) gleichzeitig
scharf messen können. Wie wir von I, Abschn. 10.2, her wissen, vertauscht L2 nicht
222 11. Quantenmechanische Behandlung von Rotations- und Schwingungsspektren

nur mit L z , sondern auch mit L x und L y und somit auch mit der Linearkombination
(11.66a). L2 und L z
sind also gleichzeitig scharf meßbar. Der Eigenwert zum Operator
L2 ist natürlich wieder h 2 J(J +1), während wir die Eigenwerte zu L z
jetzt in Überein-
stimmung mit früher h M nennen. Wie wir in I zeigten, folgt aus der Operatoralgebra für
L x , L y , L z (oder gleichwertig für L x
, L y
, L z
) und aus Stetigkeitsbedingungen für die
Wellenfunktion, daß 0 ≤ J und ganzzahlig ist, während gilt: −J ≤ M ≤ J, wobei auch
M ganzzahlig ist. Die Quantenzahl M kann gemessen werden, indem man das Molekül
einem elektrischen oder magnetischen Feld in z
-Richtung aussetzt. Da aber L z
nicht
mit L 2z vertauscht werden kann (sofern nicht a = b = 0), und der Energieoperator von
L 2z abhängt, ist in diesem Falle die Energie (11.65) nicht mehr scharf meßbar.

11.2.3 Der asymmetrische Kreisel

Betrachten wir nun den Fall, daß alle Trägheitsmomente längs der Hauptachsen von ein-
ander verschieden sind. Die kinetische Energie für die Rotationsbewegung läßt sich dann
in der Form
Hrot = A x L 2x + A y L 2y + A z L 2z (11.67)
schreiben, wobei wir die Abkürzung
1
A j = Θ −1 , j = x, y, z (11.68)
2 j
benutzt haben. Wir führen Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren für die z-Kompo-
nente des Drehimpulses ein, die wir gemäß I, Abschn. 10.2 mit Hilfe von
L ± = L x ± iL y (11.69)
definieren. Die Anwendung des Operators L + auf eine Wellenfunktion mit der Drehim-
pulsquantenzahl k führt diese in eine mit einer um 1 erhöhten Quantenzahl über, ent-
sprechend verringert der Operator L − diese Quantenzahl um 1. Die Gl. (11.69) läßt sich
nach L x und L y gemäß
1
L x = (L + + iL − ) (11.70)
2
und
1
Ly = (L + + iL − ) (11.71)
2i
auflösen. Setzen wir L x und L y gemäß dieser Beziehungen in (11.67) ein, ordnen um
und verwenden noch die Abkürzungen
1 1
α = (A x − A y ) , β = (A x + A y ) , (11.72)
4 4
so erhalten wir als Ausdruck für den Hamilton-Operator der Rotation
 
Hrot = α L 2+ + L 2− + β(L + L − + L − L + ) + A z L 2z . (11.73)
11.2 Die Rotation drei- und mehratomiger Moleküle 223

Wir benutzen nun die Eigenschaft, daß (11.69) die Quantenzahl k um 1 erhöht bzw.
erniedrigt. Bei zweimaliger Anwendung der entsprechenden Operatoren auf die Eigen-
funktionen FJ,k des Drehimpulses erhalten wir dann

L 2+ FJ,k = h 2 a J,k FJ,k+2 (11.74)

und

L 2− FJ,k = h 2 b J,k FJ,k−2 . (11.75)

Die Koeffizienten a und b sind dabei explizit durch


 
a J,k = J(J + 1) − k(k + 1) J(J + 1) − k(k + 1)(k + 2)
 
b J,k = J(J + 1) − k(k − 1) J(J + 1) − k(k − 1)(k − 2) (11.76)

gegeben, wie man anhand der Formeln von (10.36) und (10.37) von I nachrechnen kann.
Ferner gilt natürlich

L 2z FJ,k = h 2 k2 FJ,k (11.77)

und wegen L2 − L 2z = L 2x + L 2y = 12 (L + L − + L − L + ) die Eigenwertgleichung

1
(L + L − + L − L + )FJ,k = h 2 [J(J + 1) − k2 ]FJ,k . (11.78)
2
Unsere Aufgabe ist es nun, die Eigenwerte und Eigenfunktionen des Operators (11.73)
zu finden, d. h. wir haben die Schrödinger-Gleichung

Hrot f(ϑ, ϕ) = h 2 λ f(ϑ, ϕ) (11.79)

zu lösen. Hierbei haben wir den Eigenwert auf der rechten Seite in die spezielle Form
h 2 λ gebracht. Wegen des Auftretens der Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren in
Hrot (11.73) können wir nicht mehr damit rechnen, daß k eine gute Quantenzahl ist.
Vielmehr haben wir jetzt eine Linearkombination in der Form
+J

f = ck FJ,k (11.80)
k=−J

anzusetzen. Dabei können wir uns aber auf Funktionen FJ,k mit festem J beschränken,
da L2 mit Hrot vertauscht. Setzen wir (11.80) in (11.79) ein, so erhalten wir unter Ver-
wendung der Beziehungen (11.74)–(11.78) die Relation
+J

[αck a J,k FJ,k+2 + αck b J,k FJ,k−2
k=−J
+ (2β(J(J + 1) − k2 ) + A z k2 − λ)ck FJ,k ] = 0 , (11.81)

wobei wir den Eigenwert λ auf die linke Seite gebracht und die Gleichung durch den
Faktor h 2 dividiert haben. Die Koeffizienten α, β und A z entstammen dem Hamilton-
224 11. Quantenmechanische Behandlung von Rotations- und Schwingungsspektren

Operator Hrot . a J,k und b J,k sind in (11.76) definiert. Im folgenden benützen wir noch
die Abkürzung

g J,k ≡ 2βJ(J + 1) + (A z − 2β)k2 . (11.82)


Da wir die folgenden Gleichungen für eine feste Drehimpulsquantenzahl J behandeln
können, lassen wir diese ganz weg, ersetzen also
a J,k → ak
b J,k → bk
g J,k → gk . (11.83)
Da die Eigenfunktionen F des Drehimpulses für verschiedene Quantenzahlen k vonein-
ander linear unabhängig sind, kann eine Beziehung der Form (11.81) nur dann gelten,
wenn die Koeffizienten von gleichen Drehimpulseigenfunktionen verschwinden. Nume-
rieren wir die Indizes um, so erhalten wir die Gleichungen
αck−2 ak−2 + αck+2 bk+2 + (g − λ)ck = 0 . (11.84)
Hierbei ist zu beachten, daß wegen (11.76) Koeffizienten ak , bk gleich Null sein kön-
nen. Um den Inhalt der Gl. (11.84) zu illustrieren, betrachten wir einige Spezialfälle,
aus denen aber der Leser das allgemeine Vorgehen entnehmen kann.
Für die Drehimpulsquantenzahl J = 0 ergibt sich unmittelbar
J = 0 (g0 − λ)c0 = 0 , (11.85)
d. h. der Eigenwert ist direkt durch g0 gegeben, wobei wegen (11.82) mit J = k = 0
g0 = 0 ist. Es ergibt sich also für die Rotationsenergie E rot = 0.
Für J = 1 erhalten wir zwei Möglichkeiten, nämlich je nachdem, ob k gerade oder
ungerade ist. Ist k gerade, so bleibt nur die Möglichkeit k = 0 und die zugehörige Glei-
chung
J = 1 (g0 − λ)c0 = 0 . (11.86)
Dabei ist wegen (11.82) g0 ≡ g1,0 = 4β, so daß sich nach den Ersetzungen (11.72),
(11.68) ergibt
 
h2 1 1
E rot = + .
2 Θx Θy
Ist hingegen k ungerade, so erhalten wir aus (11.84) zwei Gleichungen der Gestalt
(g1 − λ)c1 + 0 = 0
0 + (g−1 − λ)c−1 = 0 , (11.87)
wobei g1 ≡ g1,1 , g−1 ≡ g1,−1 sich zu g1 = g−1 = 2β + A z ergeben. Die somit aus den
beiden Gln. (11.87) folgenden Eigenwerte λ = 2β + A z stimmen also überein, d. h. die
Energie E rot = h 2 λ ist zweifach entartet und ergibt sich zu
 
h2 1 1 h2 1
E rot = + + .
4 Θx Θy 2 Θz
11.2 Die Rotation drei- und mehratomiger Moleküle 225

Betrachten wir J = 2. Die Gln. (11.84) zerfallen in solche für gerade k und solche für
ungerade k. Für gerade k erhalten wir die drei miteinander gekoppelten Gleichungen
J = 2 (g2 − λ)c2 + αc0 a0 = 0
αb2 c2 + (g0 − λ)c0 + αc−2 a−2 = 0
αc0 b0 + (g−2 + λ)c0 = 0 , (11.88)
wobei
g2 ≡ g2,2 = 4β + 4A z , g0 ≡ g2,0 = 12β , g−2 ≡ g2,−2 = 4β + 4A z ,
√ √
a0 ≡ a2,0 = 2 6 , a−2 ≡ a2,−2 = 2 6 ,
√ √
b0 ≡ b2,0 = 2 6 , b2 ≡ b2,2 = 2 6 .
Diese sind nur dann nicht-trivial lösbar, wenn die Determinante
 
g2 − λ αa0 0 

 αb2 g0 − λ αa−2  = 0 (11.89)

 0 αb0 g−2 − λ
verschwindet, was, wie immer, eine Säkulargleichung für die Eigenwerte λ bedeutet.
Mit den bekannten Koeffizienten läßt sich die Gleichung 3. Grades für λ leicht lösen.
Im Falle, daß k ungerade ist, zerfallen die Gln. (11.84) in zwei ungekoppelte Glei-
chungen
(g1 − λ)c1 = 0 (11.90)
und
(g−1 − λ)c−1 = 0 , (11.91)
wobei
g1 ≡ g2,1 = 10β + A z
g−1 ≡ g2,−1 = 10β + A z ,
aus denen wiederum die Eigenwerte λ sofort zu entnehmen sind. Im Falle J = 3 schließ-
lich zerfällt das Gleichungssystem (11.84) in die geraden und ungeraden k’s. Für die un-
geraden k-Werte erhalten wir ein Gleichungssystem, dessen Koeffizientendeterminante
die Gestalt
 
x − λ x 0 0 
 
 x x−λ x 0 
 0 =0
x x − λ x 
(11.92)

 0 0 x x−λ 

hat. Die x-Zeichen sollen dabei andeuten, daß an den entsprechenden Stellen von 0 ver-
schiedene Koeffizienten vorkommen. Aus dieser Form wird schon das allgemeine Bil-
dungsgesetz für die Gleichungen und die zugehörige Säkulardeterminante ersichtlich. Es
treten von 0 verschiedene Glieder nur in der Hauptdiagonalen und in den beiden links
und rechts benachbarten Diagonalen auf. Dies ermöglicht es übrigens, das Gleichungs-
system Schritt für Schritt zu lösen. Die letzte Gleichung stellt eine Selbstkonsistenzbe-
dingung dar, die äquivalent mit dem Verschwinden der Determinante (11.92) ist. Auf
226 11. Quantenmechanische Behandlung von Rotations- und Schwingungsspektren

diese Weise wird es möglich, die Energiewerte h 2 λ sowie die zugehörigen Eigenfunk-
tionen für jede gewünschte Quantenzahl J zu berechnen. Damit ist unsere Aufgabe, die
Rotationsenergien des Moleküls zu berechnen, beendet.
Im nächsten Abschnitt wenden wir uns den Molekül-Schwingungen zu.

11.3 Die Schwingungen drei- und mehratomiger Moleküle


Bereits beim zweiatomigen Molekül hatten wir gesehen, daß seine Kerne harmonische
Schwingungen um deren Gleichgewichtslagen, zumindest bei kleinen Auslenkungen,
ausführen können. Das Molekül verhält sich also so, als wären die zwei Massenpunkte
durch eine elastische Feder miteinander verknüpft. Betrachten wir nun ein Molekül aus
drei oder mehr Atomen, wobei wir uns für die Kernbewegung interessieren. Unser Ziel
ist es hierbei, den Hamilton-Operator für die Kernschwingungen herzuleiten. Es ist da-
bei einfacher, wenn wir die Kernbewegung zunächst nach der klassischen Mechanik be-
handeln. Wir gelangen so zu Gleichungen gekoppelter Oszillatoren. Durch Einführung
von Normalkoordinaten lassen sich diese entkoppeln. Dies hat zur Folge, daß sich die
Hamilton-Funktion als Summe einzelner Hamilton-Funktionen (für jede Normalkoordi-
nate) darstellen und leicht quantisieren läßt.
Wie wir aus Experimenten wissen und wie sich auch aus der quantenmechanischen
Rechnung der Bindungskräfte im Molekül ergibt, halten diese Atomkerne mittlere Ab-
stände voneinander ein, die durch das Minimum der potentiellen Energie bestimmt sind.
Um die entsprechenden Gleichgewichtslagen können sie (bei nicht zu großen Auslen-
kungen) harmonische Schwingungen ausführen. Die potentielle Energie V der M Kerne,
die von deren Lage-Vektoren R j , j = 1, . . . , M abhängt, entwickeln wir um deren Ru-
helagen R j,0 , wobei wir die Auslenkungen mit ξ j bezeichnen
R j = R j,0 + ξ j , j = 1, . . . , M . (11.93)
Wir erhalten somit bis einschließlich Glieder 2. Ordnung in ξ j

M
V(R1 , R2 , . . . , RM ) =V(R1,0 , R2,0 , . . . , RM,0 ) + (∇ j V )ξ j
j=1
1  ∂2 V
+ ξ jl ξ j
l
. (11.94)
2

∂ξ jl ∂ξ j
l

j, j ,l,l

Die Ableitungen ∇ j V und ∂ 2 V/∂ξ jl ∂ξ j


l
sind dabei natürlich an den Stellen R j = R j,0
zu nehmen. Da dies die Gleichgewichtslagen sind, gilt
∇jV = 0 , (11.95)
so daß das 2. Glied auf der rechten Seite von (11.94) entfällt. Beim 3. Glied in
(11.94) bezeichnen die Indizes l, l
die Koordinaten x, y, z; d. h. z. B. ξ jx bedeu-
tet die x-Komponente des Auslenkungsvektors ξ j . Die Summe über j, j
läuft über
j = 1, . . . , M und j
= 1, . . . , M. Da V(R1,0 , . . . , RM,0 ) eine von den ξ’s unabhän-
gige Konstante ist, bleibt als uns interessierende potentielle Energie der Kernbewegung
1  ∂2 V
W(ξ1 , . . . , ξ M ) = ξ jl ξ j
l
(11.96)
2

∂ξ jl ∂ξ j
l

j, j ,l,l
11.3 Die Schwingungen drei- und mehratomiger Moleküle 227

übrig. Um W in einer einfachen Form schreiben zu können, führen wir neue Variable η
gemäß
ξ j,x → η3( j−1)+1
ξ j,y → η3( j−1)+2
ξl,z → η3( j−1)+3 (11.97)
ein, wobei wir ersichtlich die Durchnumerierung ändern müssen, so daß der Index k von
ηk gemäß

k = 1, . . . , 3M = M (11.98)
läuft. Für W erhalten wir so einen Potentialausdruck in der Form
1
W= ηk Akk
ηk
, (11.99)
2

k,k

wobei
∂2 V
Akk
= . (11.100)
∂ηk ∂ηk

Daraus folgt unmittelbar, daß Akk


eine symmetrische Matrix ist. Um die Hamilton-
Funktion zu erhalten, brauchen wir noch die kinetische Energie E kin , die durch
1
E kin = m j ξ̇ 2j (11.101)
2
j

gegeben ist. Es liegt nahe, auch hier die neuen Bezeichnungen (11.97) einzuführen, was
mit Hilfe der Relation
k = m [(k−1)/3+1]
m (11.102)
geschehen kann. Die eckige Klammer hierin bedeutet, daß man in ihr die größte ganze
Zahl, die der Bruch (k − 1)/3 darstellt, nehmen soll.
   
k−1 0
Für k = 1 gilt ≡ = 0,
3 3
 
1
für k = 2 gilt = 0,
3
 
2
für k = 3 gilt = 0 und erst
3
 
3
für k = 4 erhalten wir = 1,
3
 
4
für k = 5 gilt = 1 etc.
3
k läßt sich die kinetische Energie der
Mit Hilfe der durch (11.102) definierten Massen m
Kernschwingungen in leicht ersichtlicher Weise in der Form
228 11. Quantenmechanische Behandlung von Rotations- und Schwingungsspektren

1
E kin = k η̇2k
m (11.103)
2
k

schreiben. Mit Hilfe von (11.99) und (11.103) erhalten wir als erstes wichtiges Ergebnis
die Hamilton-Funktion
1
H = E kin + W = k η̇2k + W ,
m (11.104)
2
k

wobei wir, im Sinne des Hamilton-Formalismus, die Geschwindigkeiten η̇k noch durch
die Impulse pk = m k η̇k auszudrücken haben. Da W quadratisch oder bilinear in den
Auslenkungen ηk ist, stellt (11.104) die Energie gekoppelter Oszillatoren dar. Deren Be-
wegungsgleichungen lauten
∂W
k η̈k = −
m (11.105)
∂ηk
oder, wenn wir W (11.99) einsetzen

3M
k η̈k = −
m Akk
ηk
, (11.106)
k
=1

wobei Akk
durch (11.100) gegeben ist.
Die Koeffizienten Akk
in (11.99) fassen wir gemäß
A = (Akk
) (11.107)
in (11.103) zu der Diagonal-
zu einer Matrix A zusammen und ebenso die Massen m
:
matrix m
⎛ ⎞
m 1
⎜ 2 ⎟
=⎝ m
m ⎠. (11.108)
..
.
W und E kin nehmen dann die einfache Gestalt
1
W = ηT Aη (11.109)
2
bzw.
1
E kin = η̇T m
η̇ (11.110)
2
an.
Unser weiteres Ziel ist es, eine Transformation des Vektors η auf einen neuen Vektor
durchzuführen, so daß sich W in einem Ausdruck darstellen läßt, der analog zu (11.109)
ist, wobei aber dann auch A zu einer Diagonalmatrix gemacht wird. Die Schwierigkeit
ist zunächst dabei, daß mit einer solchen Transformation von η zu neuen Koordinaten
als Diagonal-
nicht ohne weiteres gewährleistet ist, daß E kin in der Form (11.110) mit m
matrix erhalten bleibt. Um diese gleichzeitige Diagonalisierung von W und E kin durch-
führen zu können, greifen wir zu einem Trick, indem wir die folgende Transformation
zu dem neuen Vektor ζ vornehmen
11.3 Die Schwingungen drei- und mehratomiger Moleküle 229

1/2 η = ζ .
m (11.111)
Die Wurzel aus der Diagonalmatrix m definieren wir dabei einfach als eine neue Dia-
gonalmatrix, deren Elemente gerade die Wurzeln aus den ursprünglichen sind
⎛ 1/2 ⎞
1
m
⎜ 2
1/2 ⎟
1/2 = ⎝
m m ⎠. (11.112)
..
.

Setzen wir (11.111) in (11.109) ein, so erhalten wir


1
−1/2 A
W = ζ Tm m −1/2 ζ . (11.113)
2
Im folgenden wollen wir das darin auftretende Matrixprodukt durch

−1/2 A
m m −1/2 = B (11.114)
abkürzen. Wie man leicht nachrechnet, ist mit A auch B eine symmetrische Matrix.
Nach diesen Transformationen nehmen (11.109) und (11.110) die Gestalt
1 T
W= ζ Bζ (11.115)
2
bzw.
1
E kin = ζ̇ 2 (11.116)
2
an.
Bei all diesen Betrachtungen müssen wir berücksichtigen, daß η bzw. ζ nichts an-
deres sind als zeitabhängige Vektoren, wie sie uns früher in Form der ξ begegnet sind.
Wie man leicht nachrechnet, gehen die Bewegungsgleichungen (11.106) für die ηk in
die folgenden Gleichungen für ζk über:

ζ̈k = − Bkk
ζk
(11.117)
k

oder, in Matrixform zusammengefaßt,

ζ̈ = −Bζ . (11.118)
Zur Lösung dieser Differentialgleichungen machen wir den Ansatz
ζ(t) = eiωt ζ(0) + konj. komplex (11.119)
Da die Gln. (11.118) linear sind, genügt es, wenn wir den ersten Teil von (11.119) in
(11.118) einsetzen, ω und ζ(0) bestimmen und erst dann die konjugiert komplexe Lö-
sung in (11.119) hinzufügen, damit ζ reell wird. Wir setzen also ζ = eiωt ζ(0) in (11.118)
ein, führen die Differentiation nach der Zeit aus und kürzen durch eiωt durch. Es ver-
bleiben die linearen algebraischen Gleichungen

ω2 ζ(0) = Bζ(0) . (11.120)


230 11. Quantenmechanische Behandlung von Rotations- und Schwingungsspektren

Diese sind dann nicht trivial lösbar, wenn die zugehörige Determinante

Det(B − ω2 1) = 0 (11.121)

verschwindet, 1 ist hierin die Einheitsmatrix. Eine eingehende mathematische Analyse


zeigt, daß die Frequenzen ω tatsächlich reell sind. Das kann man natürlich auch von
vornherein erwarten, da für unser System der Energieerhaltungssatz gelten muß und eine
komplexe Größe ω bedeuten würde, daß das System gedämpft ist oder exponentiell in
seiner Amplitude anwächst, was dem Energieerhaltungssatz ganz gewiß widerspricht.
Gleichungen der Form (11.120) führen bekanntlich zu einem ganzen Satz von Fre-
quenzen, den sogenannten Eigenfrequenzen, die im allgemeinen voneinander verschie-
den sind. Zu jeder Eigenfrequenz ω gehört ein spezieller Eigenvektor, ζ(0), und damit
gemäß (11.111) ein spezieller Vektor η(0), der bis auf einen konstanten Faktor eindeutig
bestimmt ist (sofern nicht Entartungen auftreten). Diese so bestimmten Schwingungen
sind die sogenannten Normalschwingungen. Zerlegt man den zeitabhängigen Vektor ζ(t)
oder η(t) in seine Komponenten, so folgt aus (11.119), daß alle Komponenten mit dersel-
ben Frequenz schwingen: Eine für Normalschwingungen typische Eigenschaft. Bei der
Bestimmung der Eigenvektoren und deren Symmetrieverhalten erweist sich wiederum
die Gruppentheorie, die wir in Kap. 6 kennenlernten, als fundamental. Hierauf werden
wir unten in Abschn. 11.4 näher eingehen.
Im folgenden unterscheiden wir die Frequenzen und Eigenvektoren durch den In-
dex k, so daß wir anstelle von (11.119) genauer

ζk (t) = eiωk t ζk (0) + konj. komplex (11.122)

schreiben. Wie eine genauere Analyse ergibt, verschwinden drei Eigenfrequenzen, was
daher rührt, daß die Gleichungen Lösungen erlauben, die einer gleichförmigen Trans-
lationsbewegung aller Kerne entsprechen. Im folgenden wollen wir diese Frequenzen
und zugehörigen Eigenfunktionen nicht mehr berücksichtigen, da dies ja schon bei der
Behandlung der Schwerpunktbewegung erfolgt ist.
Wie wir schon bemerkten, sind A und damit auch B symmetrische Matrizen. Die Ei-
genfunktionen solcher symmetrischer Matrizen haben die Eigenschaft, daß für sie die
Orthogonalitätsrelationen
&
1 für j = k
ζ Tj · ζk = δ jk = (11.123)
0 für j = k

gelten.
Wir entwickeln den allgemeinen Vektor ζ(t) in eine Überlagerung der Eigenvekto-
ren ζ(0)

ζ(t) = β j (t)ζ j (0) . (11.124)
j

Da mit einem positiven Wert von ω auch ein negativer Wert von ω Eigenwert zu (11.120)
ist, müssen wir die Zeitfunktion β j in der allgemeinen Form

β j = a j eiω j t + b j e−iω j t (11.125)


11.3 Die Schwingungen drei- und mehratomiger Moleküle 231

annehmen. Rechnen wir nun den Ausdruck für die kinetische Energie E kin mit Hilfe der
Entwicklung (11.124) auf die Variablen β j um. Wir erhalten dann
1 1 1 
E kin = ζ̇ 2 = ζ̇ T · ζ̇ = β̇ j ζ Tj (0) β̇k ζk (0) (11.126)
2 2 2
j k

oder, wenn wir die Orthogonalitätsrelation (11.123) verwenden,


1 2
β̇ j . (11.127)
2
j

In entsprechender Weise gehen wir bei W vor, indem wir auch hier (11.124) in (11.115)
einsetzen und damit
1 
W= β j (t)ζ Tj (0)B βk (t)ζk (0) (11.128)
2
j k

erhalten. Wir berücksichtigen, daß für jeden Index k die Relationen (11.120), d. h.

Bζk (0) = ω2k ζk (0) (11.129)


erfüllt sind und verwenden anschließend die Orthogonalitätsrelation (11.123). W läßt
sich dann in die Form
1 2 2
W= ωk βk (11.130)
2
k

bringen.
Betrachten wir den Ausdruck für die Gesamtenergie, der sich aus der Summe von
E kin und W zusammensetzt, Hvib = E kin + W, so erhalten wir mit Hilfe von (11.127)
und (11.130) das Resultat
1 
Hvib = β̇k2 + ω2k βk2 . (11.131)
2
k

Dieser Ausdruck hat eine sehr einfache Bedeutung. Wir erkennen, daß die Gesamtener-
gie sich als eine Summe von unabhängigen Oszillatoren schreiben läßt. Dieser Zusam-
menhang wird besonders deutlich, wenn wir βk mit der Koordinate Q k eines Oszillators
und β̇k mit dem Impuls Pk dieses Oszillators identifizieren, wobei wir die Masse formal
m = 1 zu setzen haben:

βk → Q k ⎪ ⎬
β̇k → Pk . (11.132)


m=1
Fassen wir zusammen: Wir haben gesehen, daß sich im Falle elastischer Bindungen zwi-
schen den Kernen die kinetische und potentielle Energie mit Hilfe einer Koordinaten-
transformation so schreiben läßt, daß sie als eine Summe ungekoppelter harmonischer
Oszillatoren erscheint.
232 11. Quantenmechanische Behandlung von Rotations- und Schwingungsspektren

Jetzt können wir noch den letzten Schritt vollziehen. Wie wir wissen, können wir die
Energie des harmonischen Oszillators sofort quantisieren. Die Schrödinger-Gleichung
lautet damit

Hvib Φ = E vib Φ ,
wobei Hvib durch
1 
Hvib = Pk2 + ω2k Q 2k
2
k

gegeben ist. Oft is es noch eleganter, statt Q k , Pk die Erzeugungs- und Vernichtungs-
operatoren für Schwingungsquanten einzuführen:

Bk+ = (ωk Q k − iPk )/ 2hωk

Bk = (ωk Q k + iPk )/ 2hωk .
Damit geht Hvib über in
  
+ 1
Hvib = hωk Bk Bk + ,
2
k
1
wobei 2 k hωk die Nullpunktsenergie der Schwingungen darstellt.
Einige Bemerkungen sind noch angebracht. Ganz ersichtlich sind wir bei der Be-
handlung von drei- und mehratomigen Molekülen nicht mehr ganz so konsequent wie
beim zweiatomigen Molekül vorgegangen, wo wir von der Schrödinger-Gleichung aus-
gingen, die wir dann mit Hilfe geeigneter Koordinatentransformationen auf eine Form
brachten, die deutlich zeigte, wie hier Translationsbewegung, Rotationsbewegung und
innere Schwingung quantisiert sind. Genau den gleichen Weg hätten wir auch bei dem
drei- oder mehratomigen Molekül gehen können, doch sind dann die einzelnen Schritte
der Koordinatentransformationen sehr aufwendig in der Darstellung. Hier haben wir also
einen etwas einfacheren Weg gewählt, bei dem wir uns von der klassischen Mechanik
haben leiten lassen, und wo wir auch zu dem richtigen Resultat kommen. Natürlich ha-
ben wir bei einer genaueren Behandlung, wie schon beim zweiatomigen Molekül, wei-
tere Effekte zu berücksichtigen, wie z. B. Anharmonizitäten in der potentiellen Energie
bei größeren Auslenkungen der Kernkoordinaten aus ihren Ruhelagen, usw.

11.4 Symmetrie und Normalkoordinaten


In Kap. 5 hatten wir an einfachen Beispielen gesehen, wie die Berechnung von Elektro-
nenwellenfunktionen vereinfacht werden kann, wenn wir die Molekülsymmetrien aus-
nutzen. In Kap. 6 hatten wir dann das hierbei zugrundeliegende Instrumentarium der
Darstellungstheorie der Gruppen ausführlich dargestellt. Auch bei den Kernschwingun-
gen läßt sich die Symmetrie benutzen, um die Normalkoordinaten in einfacher Weise zu
bestimmen. Wir erläutern dies an einem ganz einfachen Beispiel, nämlich eines zweiato-
migen Moleküls (vgl. Abb. 11.1). Für einen Großteil dieses Abschnitts ist die Kenntnis
von Kap. 5 und 6 nicht notwendig, so daß auch der Leser, der diese Kapitel nicht kennt,
den vorliegenden Abschnitt mit Gewinn lesen kann.
11.4 Symmetrie und Normalkoordinaten 233

Ausgangspunkt ist die klassische Hamilton-Funktion der Kernschwingungen


H = E kin + V , (11.133)
wobei wir bemerken, daß alle Ausführungen genauso gut auch für einen Hamilton-
Operator gemacht werden können. Anschaulicher ist es aber, die Hamilton-Funktion zu
betrachten. Der Ausdruck für die kinetische Energie lautet
m1 2 m2 2
E kin = ξ̇ + ξ̇ ; (11.134)
2 1 2 2
die potentielle Energie schreiben wir in der Form
K
V(R1 , R2 ) = (R2 − R1 − a)2 . (11.135)
2
Wir betrachten dabei ein eindimensionales Problem gemäß Abb. 11.1, so daß die Vek-
toren alle längs der x-Achse liegen. Wir führen wie in Abschn. 11.3 Ruhekoordinaten
R j,0 ein, so daß sich (11.135) in der Form
k K
V = (R2,0 − R1,0 + ξ2 − ξ1 − a)2 = (ξ2 − ξ1 )2 (11.136)
2 2
schreiben läßt.
Wir betrachten nun Symmetrieoperationen T , die die Hamilton-Funktion (11.133) in-
variant lassen, d. h. wir betrachten solche Transformationen, bei denen H in sich übergeht
TH = H . (11.137)
Die Symmetrieoperation, die wir hier ins Auge fassen, ist die Spiegelung an der y-
Achse, d. h. eine Transformation, die von jedem Vektor die x-Komponente in ihr Ne-
gatives überführt und die gleichzeitig die Indizes 1 und 2 vertauscht. Die Spiegelung
bewirkt also eine Transformation sowohl der Gleichgewichtslagen R0 als auch der zu-
sätzlichen Auslenkungen ξ gemäß
R1,0 → R2,0 , ξ1,x → −ξ2,x
R2,0 → R1,0 , ξ2,x → −ξ1,x . (11.138)
Betrachten wir zunächst die kinetische Energie (11.134). Da bei ξ1 bzw. ξ2 die Indi-
zes vertauscht werden, bekommen wir einen Energieausdruck, bei dem die Massen m 1
und m 2 miteinander vertauscht sind, also einen, der nicht mehr die gleiche Form wie
(11.134) hat. Die gleiche Form erhalten wir nur dann, wenn m 1 = m 2 ist. Damit er-
kennen wir eine erste Bedingung für die Erfüllung der Symmetrie bei einem Molekül,
nämlich die Massenpunkte, die bei der Symmetrieoperation ineinander übergehen, müs-
sen die gleichen Massen besitzen. Setzen wir das Ergebnis der Transformation (11.138) Abb. 11.1. Eindimensionale Be-
wegung zweier Massenpunkte
mit m 1 = m 2 , deren Ruhelagen
einen Abstandsvektor a haben
und symmetrisch zum Koor-
dinatenursprung liegen, d. h.
R2,0 = −R1,0 . Die Auslenkun-
gen aus den Ruhelagen erfolgen
in x-Richtung und sind mit ξ1
und ξ2 bezeichnet
234 11. Quantenmechanische Behandlung von Rotations- und Schwingungsspektren

in (11.136) ein, so erkennen wir sofort, daß die potentielle Energie V unverändert ge-
blieben ist.
Wir prüfen nun nach, wie sich die Bewegungsgleichungen unter der genannten Spie-
gelung verhalten. Die zur Energie (11.133) gehörigen Bewegungsgleichungen lauten

m 1 ξ̈1 = K(ξ2 − ξ1 ) , (11.139)


m 1 ξ̈2 = −K(ξ2 − ξ1 ) . (11.140)
Nehmen wir hier die Transformation (11.138) vor, so geht (11.139) in

−m 1 ξ̈2 = K(−ξ1 + ξ2 ) (11.141)


und (11.140) in
−m 1 ξ̈1 = −K(−ξ1 + ξ2 ) (11.142)
über. Ersichtlich können wir aber (11.141) in der Form
m 1 ξ̈2 = −K(ξ2 − ξ1 ) (11.143)
und (11.142) in der Form
m 1 ξ̈1 = K(ξ2 − ξ1 ) (11.144)
schreiben. Bis auf die Reihenfolge der Gleichungen stimmen aber die Gln. (11.143) und
(11.144) mit den Gln. (11.139) und (11.140) überein. Die Bewegungsgleichungen sind,
wie unser Beispiel zeigt, also ebenfalls invariant unter dieser Symmetrieoperation.
Die Variablen ξ1 , und ξ2 bilden die Basis der Darstellung der Symmetriegruppe.
Diese besteht nur aus zwei Elementen, nämlich der Einheitsoperation E und der Spie-
gelung σ. Schauen wir uns an, wie diese Operationen auf die Basis ξ1 , ξ2 , die wir in
Form eines Vektors schreiben, wirken. Für E ergibt sich
      
ξ1,x ξ1,x 1 0 ξ1,x
E = = , χ = 2. (11.145a)
ξ2,x ξ2,x 0 1 ξ2,x
Tabelle 11.1. Gruppencharakte- Indem wir an die Transformationen (11.138) denken, erhalten wir
re: Obere Zeile für die redu-
      
zible Darstellung (11.145a) und ξ1,x ξ2,x 0 − 1 ξ1,x
(11.145b), mittlere und untere σ = = , χ = 0. (11.145b)
Zeile für die beiden irreduziblen ξ2,x ξ1,x −1 0 ξ2,x
Darstellungen
wobei wir in der dritten Spalte Matrizen hingeschrieben

ξ1,x haben, die die gleiche Wirkung
E σ wie die entsprechenden Operationen E bzw. σ auf ξ2,x haben. Die Summen der Diago-
nalelemente, d. h. die Spur der Matrix, sind die Gruppencharaktere, die wir in der letzten
Γ 2 0 Spalte für die beiden Operationen E und σ angegeben haben.
Γ1 1 1 Gemäß der Gruppentheorie gibt es für die durch E und σ dargestellte Gruppe zwei
Γ2 1 −1 irreduzible Darstellungen, deren Charaktere in der zweiten und dritten Zeile von Ta-
belle 11.1 wiedergegeben sind.
Aus ihr lesen wir sofort ab, daß die erste Zeile sich darstellen läßt als die Summe von
jeweils den Eintragungen der zweiten und dritten Zeile. Daraus ergibt sich (vgl. Kap. 6),
daß die reduzible Darstellung, die durch (11.145a) und (11.145b) wiedergegeben wird,
in die beiden irreduziblen Darstellungen, die wir hier Γ1 und Γ2 nennen, zerfällt. Die zu
11.4 Symmetrie und Normalkoordinaten 235

Γ1 bzw. Γ2 gehörigen Darstellungen lassen sich mit Hilfe der Formel (6.58) sofort kon-
struieren, aber auch direkt – im vorliegenden Falle – einsehen. Wie wir nämlich schon
in Kap. 5 bei der Besprechung der Parität gesehen haben, lassen sich die Funktionen
durch gerade bzw. ungerade Parität beschreiben. Setzen wir

ξ2,x = ξ1,x , (11.146)

so rechnen wir sofort nach, daß


     
ξ1,x −ξ1,x ξ1,x
σ = = (−1) (11.147)
ξ1,x −ξ1,x ξ1,x
gilt. Das heißt, bei der Spiegelung geht der Basisvektor in sein Negatives über. Er hat
also ungerade Parität. Im Falle

ξ2,x = −ξ1,x (11.148)

hingegen, ergibt die Rechnung sofort


     
ξ1,x ξ1,x ξ1,x
σ = = (+1) , (11.149)
−ξ1,x −ξ1,x −ξ1,x
das heißt, der hier eingesetzte Basisvektor hat gerade Parität. Benutzen wir Formel
(6.58), die wir schon in Abschn. 6.8 verwendet haben, so erhalten wir automatisch die
in (11.147) bzw. (11.149) links stehenden Spaltenvektoren; dieses sind bereits die Nor-
malkoordinaten. Um uns davon zu überzeugen, benutzen wir die zu (11.147) gehörige
Relation (11.146), bzw. die zu (11.149) gehörige Relation (11.148). Im ersteren Falle
erhalten wir durch Einsetzen von (11.146) in die Gl. (11.139) die Gleichung

m 1 ξ̈1 = 0 , (11.150)

die die Lösung

ξ2 = ξ1 = a + bt (11.151)

besitzt. Hier handelt es sich um eine Translationsbewegung beider Massenpunkte, also


keine Schwingung. Benutzen wir hingegen die Lösung (11.148) und setzen diese in
(11.139) ein, so ergibt sich

m 1 ξ̈1 = −2Kξ1 , (11.152)

also die Gleichung eines harmonischen Oszillators. Die Lösung läßt sich sofort mit Hilfe
des Exponentialansatzes ξ1 (t) = ξ1 (0)eiωt finden. Für die Frequenz ω ergibt sich die
Gleichung

2K
m 1 ω2 = 2K , also ω = ± . (11.153)
m1

Die Lösung ξ1 , ξ2 läßt sich dann direkt in der Form

ξ1 = aeiωt + a∗ e−iωt (11.154)


236 11. Quantenmechanische Behandlung von Rotations- und Schwingungsspektren

Abb. 11.2. Links: Drei Kerne


eines Moleküls in der Ebene
mit jeweils gleichem Abstand.
Da die Massen m 1 , m 2 , m 3
verschieden sein sollen, gibt es
hier keine Symmetrie. Mitte:
Da hier m 1 = m 2 jedoch
m 1 = m 2 = m 3 sein soll, ist
nur die Symmetrieoperation der und
Spiegelung möglich. Rechts:
Sind alle Massen gleich, so sind ξ2 = −ξ1 = −aeiωt − a∗ e−iωt (11.155)
alle Symmetrieoperationen der
Gruppe C3v möglich. In allen schreiben, wobei wir wieder die Beziehung (11.146) benützt haben. Gleichungen
Fällen wird vorausgesetzt, daß
die Kernwechselwirkungen die (11.154) und (11.155) lassen sich auch in Vektorform als
genannten Symmetrieoperatio-      ∗
ξ1 a iωt a
nen ebenfalls erlauben
= e + e−iωt (11.156)
ξ2 −a −a∗
angeben. Darin ist ersichtlich
 
a iωt
e (11.157)
−a
die gesuchte Normalkoordinate, die durch Hinzufügen von dem konjugierten Komple-
xen gemäß (11.156) zur reellen Normalkoordinate wird.
An unserem einfachen Beispiel wird deutlich, daß durch Verwendung der Symme-
trien und der Transformationseigenschaften der Normalkoordinaten der Rechenaufwand
verringert wird. Statt nämlich die beiden gekoppelten Gln. (11.139) und (11.140) zu lö-
sen, hatten wir nur noch die einfachen Gln. (11.150) bzw. (11.152) zu lösen.
Machen wir uns nun das allgemeine Verfahren anhand der Abb. 11.2 klar. Im Falle
der Abb. 11.2 links, wo alle Massen voneinander verschieden sind, liefert schon die ki-
netische Energie keinerlei Symmetrie, so daß wir hier keine Symmetriebetrachtungen
anstellen können. Im Falle von Abb. 11.2 Mitte herrscht eine Spiegel-Symmetrie be-
züglich der durch den Massenpunkt 3 gehenden Senkrechten, sofern auch die Potentiale
invariant unter der Spiegelung sind. Dies ist keineswegs selbstverständlich, da das Po-
tential von den Wellenfunktionen der Elektronen abhängt und deren Verteilung zum Bei-
spiel asymmetrisch sein könnte. Nehmen wir aber an, daß die Potentialsymmetrie erfüllt
ist, so können wir die Spiegelungssymmetrie verwenden. Im Falle von Abb. 11.2 rechts
können die Massenpunkte durch verschiedene Symmetrieoperationen ineinander überge-
führt werden, so wie das in Abb. 6.2, 6.3 im einzelnen diskutiert worden ist. Wählen wir
die Koordinaten der Ruhelagen, wie in Abb. 11.3 angegeben, so läßt sich die Wirkung
der Symmetrieoperationen sehr einfach angeben. Betrachten wir zuerst die Ruhelagen
für sich. Dann gehen bei der Spiegelung an der durch 3 gehenden Senkrechten die Vek-
toren R1,0 und R2,0 ineinander über, während der dritte Vektor R3,0 in sich übergeht. ξ1
und ξ2 vertauschen die Indizes, wobei die jeweilige x-Koordinate in ihr Negatives, die j-
Koordinate in sich übergeht. Bei ξ3 bleibt der Index erhalten, während die x-Koordinate
in ihr Negatives und die y-Koordinate in sich übergeht. Bei einer Drehung des Mole-
küls um 60◦ vertauschen die Ruhelagen R j,0 ihre Indizes zyklisch, genauso auch die
Abb. 11.3. Dreiatomiges Mole-
kül mit C3v -Symmetrie, den Ru-
Auslenkungen ξ j , wobei jeder Vektor ξ j noch einer Drehung um 60◦ unterworfen wird.
helagen R j,0 und Auslenkungen Mit Hilfe eines Modells, bei dem die einzelnen Massenpunkte paarweise durch gleich
ξ j der Kerne j = 1, 2, 3 starke Federn verknüpft sind, kann man sich explizit davon überzeugen, daß die po-
11.5 Zusammenfassung 237

Abb. 11.4. Normalschwingung-


en des Moleküls von Abb. 11.3.
Daneben gibt es noch die drei
„uneigentlichen“ Normalschwin-
gungen, nämlich 2 Translationen
und 1 Rotation (in der Ebene)

tentielle Energie invariant gegenüber diesen Symmetrieoperationen ist. Wir überlassen


dies dem Leser als eine Übungsaufgabe.
Die Basis der reduziblen Darstellung wird durch einen Vektor bestimmt, der aus den
zwei Komponenten von ξ1 , des weiteren der zwei Komponenten von ξ2 und des weite-
ren der zwei Komponenten von ξ3 besteht. Dies ist also ein sechsdimensionaler Vektor,
den wir mit Hilfe der in Abschn. 11.3 eingeführten Variablen η auch als
⎛ ⎞
η1
⎜η2 ⎟
η=⎜ ⎟
⎝ ... ⎠
η6
schreiben können. Indem man diesen Vektor den verschiedenen Transformationen E,
C3 , C32 , σv , σv
, σv

der Gruppe C3v unterwirft, d. h. den Spiegelungen und Drehungen


gemäß Abb. 6.2, 6.3, lassen sich in Analogie zu den Beziehungen (11.145) die in der
dortigen dritten Spalte stehenden Darstellungsmatrizen herleiten und hieraus die Cha-
raktere. Mit Hilfe der Charakterentafel Tabelle 6.8 ist es dann möglich, die Zerlegung
der reduziblen Darstellungen in die irreduziblen Darstellungen durchzuführen, ähnlich
wie hier gemäß Tabelle 11.1 in (11.147) und (11.149), wobei nun Formel (6.58) zu be-
nutzen ist. In Analogie zu (11.147) und (11.149) ergeben sich so feste Beziehungen zwi-
schen den einzelnen Komponenten des Darstellungsvektors, das heißt aber, es ergeben
sich hier direkt die Normalkoordinaten. Wir überlassen es dem Leser als eine Übungs-
aufgabe, diese Normalkoordinaten für den Fall der Abb. 11.4 herzuleiten.

11.5 Zusammenfassung
In diesem Kapitel haben wir die Kernbewegung mit Hilfe der Quantentheorie behan-
delt. Am Beispiel des 2-atomigen Moleküls sahen wir, wie sich die Bewegung in
Translations-, Rotationsbewegung und Schwingungen aufspalten läßt. Während die
Translationsbewegung keiner Quantisierungsbedingung unterliegt, konnten wir die
quantisierten Energien für Rotation und Schwingung herleiten und erkannten auch
die hier eingehenden Näherungen. Wir untersuchten dann die Rotationsbewegung bei
mehratomigen Molekülen, wobei wir auch den unsymmetrischen Kreisel behandelten,
d. h. ein Molekül, bei dem alle drei Hauptträgheitsmomente voneinander verschieden
sind. Schließlich untersuchten wir die Kernschwingungen, wobei das Problem in zwei
Teilprobleme aufgeteilt werden kann, nämlich ein klassisches Problem, bei dem man
die Normalkoordinaten bestimmt und das Problem der Quantisierung. Wir erläuterten
die Auffindung der Normalkoordinaten am Beispiel eines 2-atomigen Moleküls, das
nur längs der x-Richtung Schwingungen ausführen kann, sowie in gewissem Umfange
an einem 3-atomigen Molekül in der Ebene. Hierbei ist die Darstellungstheorie der
Gruppen von wesentlichem Nutzen.
238 11. Quantenmechanische Behandlung von Rotations- und Schwingungsspektren

Nachdem die Normalkoordinaten klassisch bestimmt sind, kann nun der Hamilton-
Operator in sehr einfacher Weise aufgebaut werden, indem er nämlich aus einer Summe
einzelner Oszillator-Hamilton-Operatoren besteht, so daß das quantenmechanische Pro-
blem sofort lösbar wird. Die Wellenfunktion besteht aus einem Produkt von einzelnen
Oszillator-Wellenfunktionen, von denen sich jede auf eine bestimmte Normalkoordinate
bezieht. Bei der Bestimmung der Normalkoordinaten stellt sich heraus, daß hier einige
Freiheitsgrade automatisch insofern herausfallen, als sie nicht zu Schwingungen Anlaß
geben, sondern zu Translations- und Rotationsbewegungen. Da wir dies nicht explizit
am allgemeinen Falle gezeigt haben, sei dies hier noch ergänzend angefügt.

Aufgaben
11.1 Gegeben sei ein M-atomiges Molekül, wobei die Atomkerne mit den Koordina-
ten R j die Massen m j haben. Die Massen der Kerne sind im allgemeinen wesentlich
größer als die der Elektronen, d. h. die Elektronen können den Kernbewegungen unmit-
telbar folgen. Daher läßt sich in guter Näherung die Bewegung der Kerne unabhängig
von der der Elektronen betrachten, wobei man in Analogie zur klassischen Mechanik
zwischen Translations- und Rotationsbewegung unterscheidet. Sei im folgenden L der
Gesamtdrehimpuls des Moleküls, d. h.

L := L j , L j ist hier der Drehimpuls des Atomkerns j.
j

Ferner sei der Hamiltonoperator wie folgt gegeben:


 h2
H=− ∆ j + V(RM,1 , RM,2 , . . . , RM,M−1 )
2m j
j
mit RM,J := RJ − RM .
Das Potential V sei dabei invariant gegenüber gleichzeitiger Rotation der Relativkoor-
dinaten RM,J . Man zeige, daß das Quadrat des Drehimpulsoperators mit dem Hamil-
tonoperator vertauscht, also daß [L2 , H] = 0 gilt. Es genügt, das Beispiel M = 3 zu
untersuchen.
12. Raman-Spektren

Neben der Infrarot- und der Mikrowellen-Spektroskopie ist die Raman-Spektroskopie


eine weitere wichtige Methode zur Untersuchung der Rotations- und Schwingungsspek-
tren von Molekülen. Sie beruht auf der als Raman-Effekt bezeichneten unelastischen
Streuung von Licht an Molekülen. Im Streuspektrum treten als Differenz zum elastisch
gestreuten Primärlicht Rotations- und Schwingungsfrequenzen der streuenden Moleküle
auf. Das Zustandekommen und die Eigenschaften dieses Streuspektrums sollen in die-
sem Kapitel erklärt werden (Abschn. 12.1–12.4). In Abschn. 12.4 wird schließlich noch
auf die Statistik von Kernspin-Zuständen und ihren Einfluß auf die Rotationsstruktur
von Spektren eingegangen. Dieser Abschnitt betrifft eigentlich nicht allein den Raman-
Effekt, sondern auch die Rotationsspektren und ist deshalb auch als Ergänzung zu Kap. 9
anzusehen.

12.1 Der Raman-Effekt


Wie wir schon gesehen haben, kann Licht von Molekülen absorbiert oder emittiert wer-
den, wenn die Resonanzbedingung ∆E = hν erfüllt ist. Daneben kann aber auch, wie
wir bereits aus der klassischen Physik wissen, Licht aller Wellenlängen gestreut wer-
den. Die aus der klassischen Optik bekannte elastische Rayleigh-Streuung wird damit
erklärt, daß der E-Vektor des Lichtfeldes an den Hüllenelektronen im Molekül angreift
und ein induziertes Dipolmoment pind = αE erzeugt, das mit der Frequenz des Lichtes
oszilliert und nun seinerseits als Hertzscher Oszillator eine Lichtwelle mit der gleichen
Frequenz ausstrahlt. Diese Streustrahlung ist mit dem erzeugenden Lichtfeld kohärent.
Im Jahre 1928 beobachtete Raman im gestreuten Licht auch spektral verschobene Li-
nien. Der Frequenzabstand zum Primärlicht entsprach Schwingungs- bzw. Rotationsfre-
quenzen der streuenden Moleküle. Dieser theoretisch bereits 1925 von Smekal vorausge-
sagte Prozeß heißt Raman-Effekt und bildet die Grundlage der Raman-Spektroskopie.
Das Raman-gestreute Licht ist im Gegensatz zur Rayleigh-Streuung mit dem Primär-
licht nicht kohärent. Man beobachtet Frequenz-Verschiebungen nach kleineren Energien
(Stokes-Linien) und solche nach höheren Energien (Antistokes-Linien). Die Frequenz-
verschiebung ist dabei unabhängig von der Frequenz des Primärlichtes alleine eine Ei-
genschaft des streuenden Moleküls. Schematisch ist das ganze Raman-Spektrum eines
Moleküls in Abb. 12.1 dargestellt. Die Struktur dieses Spektrums gilt es zu verstehen.
Zur Messung von Raman-Spektren benötigt man wegen der Kleinheit der Raman-
Verschiebungen ein hohes spektrales Auflösungsvermögen. Die Größenordnung dieser
Verschiebungen beträgt beim Rotations-Raman-Effekt 1 cm−1 . Bei Primärlicht im sicht-
baren Bereich mit der Wellenzahl ν̄p (p für primär) von der Größenordnung 20 000 cm−1
benötigt man zur Messung dieser kleinen Verschiebungen ferner eine Unterdrückung
des in der Frequenz unverschobenen und vielfach intensiveren Streulichtes – deshalb
240 12. Raman-Spektren

Abb. 12.1. Gesamtes Raman-


Spektrum eines zweiatomigen
Moleküls, schematisch. Die
Rayleigh-Linie bei der Fre-
quenz des Primärlichtes ν̄p ist
unmittelbar von den Rotations-
Raman-Linien umgeben. Im
Abstand der Molekülschwin-
gung ν̄vib liegen die Rotations-
Schwingungs-Raman-Linien,
Q-, S- und O-Zweig. Die ent-
sprechenden Antistokes-Linien
bei ν̄p + ν̄vib sind viel schwächer
und meistens nicht beobachtbar.
Ähnliches gilt für die Obertöne
bei 2ν̄vib verwendet man im Nachweis-Strahlengang einen Doppel- oder sogar einen Tripelmo-
nochromator – und eine möglichst geringe Linienbreite des Primärlichtes. Sonst kann
man die schwachen Raman-Streulinien nicht von der um mehrere Größenordnungen
intensiveren Rayleigh-Linie trennen. Man verwendet deshalb heute als Primärlicht für
Raman-Messungen meistens Laser-Licht. Mit dem Laser kann man ja bekanntlich sehr
intensives monochromatisches Licht erzeugen, dessen Linienbreite sehr viel kleiner ist
als die zu erwartenden Raman-Verschiebungen. Eine schematische Meßanordnung zeigt
Abb. 12.2.

12.2 Schwingungs-Raman-Spektren
Zunächst berücksichtigen wir einmal keine Molekülrotationen und nehmen an, daß das
Molekül nur schwingt. Bei freien Molekülen müssen wir diese Annahme natürlich spä-
ter fallen lassen.
Die klassische Erklärung des Schwingungs-Raman-Effektes geht von der Erklärung
der Rayleigh-Streuung aus. Bei dieser wird angenommen, daß das streuende Molekül
keine Schwingungen oder Rotationsbewegungen ausführt. Trifft nun Primärlicht mit der
Frequenz νp (oder auch mit ν0 bezeichnet) und der Feldstärke E = E 0 cos(2πνp t)
auf das Molekül, so wird in der Elektronenhülle des Moleküls ein Dipolmoment indu-
ziert, das mit der gleichen Frequenz νp wie der E-Vektor des Primärlichtes schwingt.
Es gilt also
p(t) = αE 0 cos(2πνp t) . (12.1)
Wenn das Molekül dagegen bereits in einer seiner Eigenschwingungen schwingt,
dann wird das induzierte Moment zusätzlich mit der Frequenz νvib der Schwingung
Amplituden-moduliert, sofern sich die Polarisierbarkeit α des Moleküls mit dem Ab-
stand R der schwingenden Atomkerne ändert. Man kann die Polarisierbarkeit als Funk-
tion des Kernabstandes R in eine Reihe entwickeln,
Abb. 12.2. Meßanordnung zur

Beobachtung des Raman-Ef- α(R) = α(R0 ) + (R − R0 ) + Glieder höherer Ordnung . (12.2)
fektes. Die Beobachtung erfolgt dR
vorzugsweise senkrecht zur Ein-
strahl-Richtung, um die Intensi- Durch die Schwingung wird R zeitabhängig. Es gilt
tät des Primärlichtes möglichst
klein zu halten R = R0 + q cos(2πνvib t) . (12.3)
12.2 Schwingungs-Raman-Spektren 241

Damit und mit (12.2) wird


 

p(t) = αE = α(R0 ) + q cos(2πνvib t) E 0 cos(2πνp t) (12.4)
dR

oder umgeformt mit cos α cos β = 12 [cos(α + β) + cos(α − β)]


1 dα
p(t) = α(R0 )E 0 cos(2πνp t) + E 0 q[cos(2π(νp + νvib )t)
2 dR
+ cos(2π(νp − νvib )t)] . (12.5)
Dadurch entstehen also im Streulicht Seitenbänder mit den Frequenzen νp ± νvib .
Dies ist der Schwingungs-Raman-Effekt 1. Ordnung. Mit abnehmender Intensität
gibt es auch Raman-Linien mit νp ± 2νvib , νp ± 3νvib wegen der immer vorhandenen
Anharmonizität, das heißt der Glieder höherer Ordnung bei der Reihenentwicklung von
α(R) nach (12.2). Dies nennt man Raman-Effekt zweiter, dritter, . . . Ordnung.
Eine Schwingung ist also Raman-aktiv, wenn gilt dα/dR = 0, das heißt, die Pola-
risierbarkeit α des Moleküls muß sich mit dem Abstand R der Kerne im Molekül bei
der Schwingung ändern. Dies ist bei zweiatomigen Molekülen immer der Fall. Deshalb
sind auch homonukleare und damit unpolare Moleküle wie H2 oder N2 Raman-aktiv.
Mit dem Raman-Effekt kann man ihre Rotations- und Rotations-Schwingungs-Spektren
messen, die mit der Infrarot- bzw. Mikrowellen-Spektroskopie wegen des Symmetrie-
Verbotes nicht zugänglich sind.
Bei mehratomigen Molekülen mit Inversionszentrum ergänzen sich Infrarot- und
Raman-Spektroskopie, wenn man die Schwingungen der Moleküle analysieren will.
Bei diesen Molekülen sind Infrarot-aktive Normalschwingungen Raman-inaktiv und
umgekehrt sind Infrarot-verbotene Normalschwingungen Raman-erlaubt. Das läßt sich
am Beispiel des CO2 zeigen. Die symmetrische Streckschwingung ν1 (vgl. Abb. 10.10)
ist zwar Infrarot-inaktiv, da auch bei der Schwingung die Schwerpunkte von positiver
und negativer Ladung im Molekül zusammenfallen. Sie ist jedoch Raman-aktiv, da sich
die Polarisierbarkeit durch die Streckschwingung periodisch ändert. Die asymmetrische
Streckschwingung ν2 dagegen ist Infrarot-aktiv, da hier ein elektrisches Dipolmoment
vorhanden ist. Sie ist jedoch Raman-inaktiv, da sich die Änderungen der Polarisierbar-
keit durch die Verkürzung und Verlängerung der beiden C–O-Abstände im Molekül
gegenseitig zu Null kompensieren. Ebenso läßt sich leicht einsehen, daß die Biege-
schwingung Raman-inaktiv ist. Dieses gegenseitige sich Ausschließen von Infrarot-
und Raman-Aktivität gilt nur für Moleküle mit Inversionszentrum.
Die hier skizzierte klassische Theorie des Raman-Effektes erklärt viele der Beobach-
tungen gut. Falsch wird die klassische Erklärung, wenn die Intensitäten zu diskutieren
sind. Im klassischen Bild würde man für die gegenüber dem Primärlicht nach kleineren
Energien verschobenen Linien und für die nach größeren Energien verschobenen Linien,
also für Stokes- und Antistokes-Linien, die gleiche Intensität erwarten. Tatsächlich sind
die Stokes-Linien viel stärker.
Dies wird in der quantentheoretischen Behandlung des Raman-Effektes verständlich,
die ausführlich in Abschn. 17.2 dargelegt wird. Danach handelt es sich beim Raman-
Effekt um eine unelastische Photonenstreuung, die bei den Stokes-Linien in einem Ni-
veau mit kleiner Schwingungs-Quantenzahl v (insbesondere v = 0) beginnt und in
einem Schwingungs-Niveau mit höherer Quantenzahl v
(zum Beispiel v
= 1) en-
det, während im Anti-Stokes-Effekt der Streuprozeß umgekehrt in einem angeregten
242 12. Raman-Spektren

Schwingungszustand beginnt und in einem Zustand mit kleineren v, zum Beispiel dem
Grundzustand endet, siehe hierzu Abb. 12.3. Es gilt also für Stokes-Linien ohne Berück-
sichtigung von Rotationen für die Wellenzahl des gestreuten Lichtes

ν̄ = ν̄p − ν̄vib (oder 2ν̄vib etc.) (12.6)

und für Antistokes-Linien

ν̄ = ν̄p + ν̄vib (oder 2ν̄vib etc.) .

Als Raman-Verschiebung bezeichnet man die Differenz ν̄p − ν̄. ν̄p ist, wie bereits vorne
eingeführt, die Wellenzahl des anregenden Primärlichtes, mit ν̄vib wird die Wellenzahl
der Schwingung des Moleküls bezeichnet.
Bei der Stokes-Raman-Streuung hat das Molekül Energie vom Photon aufgenom-
men, bei der Antistokes-Streuung gibt das Molekül Energie ab. Die Intensitätsverhält-
nisse zwischen Stokes- und Antistokes-Linien ergeben sich danach aus den Beset-
zungswahrscheinlichkeiten n der Ausgangszustände, und diese kann man im thermi-
schen Gleichgewicht nach Boltzmann ausrechnen. Sie sind jedenfalls für Stokes- und
Antistokes-Übergänge verschieden groß. Natürlich muß bei sinkender Temperatur die
Intensität der Anti-Stokes-Linien abnehmen, weil ja der Anti-Stokes-Prozeß ein Mole-
kül im Anregungszustand voraussetzt, und mit sinkender Temperatur nimmt die Anzahl
angeregter Moleküle ab.
Es muß dann für die Intensitäten I gelten

IAntistokes n(v = 1)
= = e−hνvib /kT . (12.7)
IStokes n(v = 0)

Setzen wir hier für ν̄vib den Wert 1000 cm−1 und für T 300 K ein, so erhalten wir in
(12.7) den Zahlenwert e−5 , das heißt 7 %0.
Quantentheoretisch gilt auch beim Schwingungs-Raman-Effekt die Auswahlregel
∆v = ±1, (und ±2, ±3, mit viel kleinerer Wahrscheinlichkeit, weil hierfür die nicht-
linearen Beiträge zur Polarisierbarkeit verantwortlich sind). Näheres hierzu wird in
Abschn. 17.2 abgeleitet werden.

Abb. 12.3. Schematische Dar-


stellung der Schwingungs-
Raman-Streuung. Zur Erklärung
der Stokes- und Antistokes-
Streuung. Das Primärlicht ν̄p
verbindet ein reelles Ausgangs-
niveau des Moleküls mit einem
virtuellen Niveau. Das Raman-
Streulicht ist energieärmer
(Stokes-Linien) oder energierei-
cher (Antistokes-Linien) als das
Primärlicht
12.3 Rotations-Raman-Spektrum 243

12.3 Rotations-Raman-Spektrum

Nun zum Rotations-Raman-Effekt (Abb. 12.4 und 12.5). Auch hier sieht man zu beiden
Seiten der Rayleigh- (also Primär-)Linie eine Folge von Streulinien, jedoch mit Nun
zum Rotations-Raman-Effekt (Abb. 12.4 und 12.5). Auch hier sieht man zu beiden Sei-
ten der Rayleigh- (also Primär-)Linie eine Folge von Streulinien, jedoch mit Abständen,
die Rotationsquanten entsprechen. Auch hier kann man den Effekt in vielen Aspekten
klassisch verstehen. Die Polarisierbarkeit eines nicht-kugelsymmetrischen Moleküls ist,
wie wir bereits in Abschn. 3.2 gesehen haben, anisotrop und muß als Tensor mit den
Haupt-Polarisierbarkeiten α|| und α⊥ behandelt werden, wenn parallel und senkrecht die
lange und die kurze Achse des Polarisierbarkeits-Tensors, das heißt meistens die Figu-
renachse und eine Richtung senkrecht dazu bedeuten. Die Rotation eines Moleküls führt Abb. 12.4. Schema zum Zu-
deshalb ebenfalls zu einer periodischen Modulation des im E-Feld des Primärlichtes in- standekommen des Rotations-
duzierten Dipolmomentes und damit zu einer Modulation der Frequenz der Streustrah- Raman-Spektrums. Links und
lung. Die Frequenzmodulation erfolgt jedoch mit 2νrot , weil bereits nach einer Drehung rechts der Rayleigh-Linie (ν̄p )
des Moleküls um 180◦ die gleiche Polarisierbarkeit vorliegt wie zu Beginn, wegen der
liegen die Stokes- und die
Antistokes-Linien des Raman-
Tensor-Symmetrie. Man erhält also Begleiter der Linie des Primärlichtes bei der dop- Spektrums
pelten Rotationsfrequenz.
Dies kann ein einfacher Schauversuch verdeutlichen, der in Abb. 12.6 veranschau-
licht wird. Das Licht einer mit 50 Hz betriebenen Lampe wird an einem Hantelmodell
von zwei weißen Kugeln reflektiert, die um eine Achse senkrecht zu ihrer Verbindungs-
achse drehbar angeordnet sind und das lineare Hantel-Molekül darstellen. Das reflek-

Abb. 12.5

Abb. 12.5. Das komplette Rota-


tions-Raman-Spektrum eines
zweiatomigen Moleküls besteht
aus vielen fast äquidistanten
Linien im Abstand 4B. Term-
schema und Intensitätsverteilung
sind im Text erläutert. Die
Auswahlregel lautet ∆J = ±2.
Die Raman-Verschiebung ν̄ − ν̄p
ist negativ für Stokes-Linien,
positiv für Antistokes-Linien

Abb. 12.6. Modellversuch zum


Raman-Effekt nach Auer. Das
Licht einer Lampe L wird an
zwei Kugeln reflektiert, die um
eine Achse D rotieren. Ein Zun-
genfrequenzmesser Z zeigt die
Drehfrequenz als Begleiter der
Frequenz des Lichtes L (50 Hz)
Abb. 12.6 an. Nähere Erläuterung im Text
244 12. Raman-Spektren

tierte Licht enthält dann außer der unverschobenen Komponente mit 50 Hz zwei Sei-
tenbänder bei den Wechselfrequenzen (50 ± 2νrot ) Hz. Dies kann mit einem einfachen
Frequenzmesser gezeigt werden.
Mit diesem klassischen Modell erhält man eine zumindest qualitativ weitgehend be-
friedigende Erklärung des Rotations-Raman-Effektes. Er ist bestimmt durch die Dif-
ferenz α|| − α⊥ , das heißt durch die Anisotropie der Polarisierbarkeit des Moleküls,
und tritt nur auf, wenn die Differenz α|| − α⊥ = 0 ist. Diese Bedingung ist für alle
zweiatomigen Moleküle erfüllt, auch für die unpolaren wie H2 , N2 , sowie für CO2 .
Bei symmetrischen Tetraedermolekülen wie CH4 oder CCl4 ist dagegen α|| = α⊥ , es
gibt deshalb keinen Rotations-Raman-Effekt. Die klassische Erklärung für das Auftre-
ten der doppelten Rotationsfrequenz im Abstand der Raman-Linien von der Primärfre-
quenz findet sich quantenmechanisch wieder in veränderten Auswahlregeln, die einem
Zweiphotonen-Prozeß entsprechen.
Die quantentheoretische Behandlung des Rotations-Raman-Effektes als unelastische
Photonenstreuung unter Aufnahme oder Abgabe von Rotationsquanten führt beim linea-
ren Rotator zur Auswahlregel ∆J = ±2. Für den starren Rotator mit den Energieniveaus
F(J ) = hcBJ(J + 1) erhält man damit für die Verschiebung der Rotations-Raman-
Linien gegenüber dem Primärlicht

ν̄rot = ±B[(J + 2)(J + 3) − J(J + 1)] = ±B[4J + 6] [cm−1 ] , (12.8)


wobei das Vorzeichen sich auf die Primärfrequenz des anregenden Lichtes bezieht.
Für die Wellenzahl des Raman-gestreuten Lichtes gilt
ν̄ = ν̄p + ν̄rot .

Bei einem Übergang mit ∆J = +2 wird das Molekül durch den Streuprozeß in
einen höheren Rotationszustand gebracht. Die Wellenzahl des gestreuten Lichtes ist des-
halb kleiner als die des Primärlichtes ν̄p . Die Stokes-Linien des Spektrums erscheinen
also auf der niederfrequenten Seite des Primärlichtes. Für die Antistokes-Linien mit
∆J = −2 gilt entsprechend das umgekehrte.
Das Rotations-Raman-Spektrum eines linearen Moleküls hat dann die in Abb. 12.4
gezeigte Struktur. Die erste Raman-Linie mit J = 0 befindet sich im Abstand 6B von
ν̄p , der Primärlinie, dann folgen weitere Linien im Abstand von jeweils 4B. – Die Inten-
sitätsverteilung im Rotations-Raman-Spektrum ist wie beim früher behandelten Rotati-
onsspektrum durch die thermische Besetzung und durch die Multiplizität der J-Terme
gegeben. Sie wird in Abb. 12.5 verdeutlicht. Abbildung 12.5 soll ferner deutlich ma-
chen, daß wegen der Kleinheit der Rotationsquanten die Anzahl der Rotationsbegleiter
im Raman-Spektrum recht groß sein kann. Der Besetzungsunterschied benachbarter Ni-
veaus ist wegen der Kleinheit der Rotationsquanten im Vergleich zu kT gering, deshalb
ist auch der Intensitätsunterschied zwischen Stokes- und Antistokes-Linien klein.
Die Auswahlregeln hängen von der Symmetrie der Moleküle ab. Beim symmetri-
schen Kreisel, z. B. CH3 Cl, gilt ∆J = 0, ±1, ±2 und ∆K = 0. Das Rotations-Raman-
Spektrum wird linienreicher als das des linearen Rotators, soll hier jedoch nicht weiter
erörtert werden. Im Falle K = 0 gilt ∆J = ±2.
Nun können wir auch die Rotations-Struktur im Schwingungs-Raman-Spektrum
verstehen. Jede Schwingungs-Raman-Linie ist von Rotationsbegleitern umgeben, die
man unter Berücksichtigung der geänderten Auswahlregeln wie die Rotationsstruk-
tur im Rotations-Schwingungsspektrum der Moleküle verstehen kann. Abbildung 12.7
12.3 Rotations-Raman-Spektrum 245

Abb. 12.7. Ausschnitt aus dem


Rotations-Schwingungs-Raman-
Spektrum von Sauerstoff, 16 O2 .
Es handelt sich um eine Schwin-
gungslinie (Stokes-Linie) mit
den Rotationsbegleitern. Im Zen-
trum am Ort der Schwingungs-
wellenzahl ν̄e = 1556 cm−1 er-
scheint der Q-Zweig (∆J = 0)
als eine breite Linie. Bei 16 O2
(I = 0) fehlen die Linien mit
geradem J, siehe Abschn. 12.4.
Nach Hellwege

zeigt als Beispiel für eine Meßkurve einen Ausschnitt aus dem Raman-Spektrum von
16 O , nämlich die Schwingungslinie für ν̄ = 1556 cm−1 und die Rotationsbegleiter.
2 e
Die Struktur dieses Raman-Spektrums entspricht der Rotationsstruktur im Infrarot-
Schwingungsspektrum, jedoch gelten jetzt die Auswahlregeln ∆v = ±1(±2, . . . ),
∆J = 0, ±2. Daraus ergeben sich im Vergleich die Unterschiede eines Rotations-
Schwingungsspektrums mit einem Rotations-Schwingungs-Raman-Spektrum. Dies ist
in Abb. 12.8 schematisch erläutert.
Vergleichen wir nun anhand von Abb. 12.8 das Rotations-Schwingungsspektrum
(ohne Raman-Effekt!) mit dem entsprechenden Raman-Spektrum.
Im Rotations-Schwingungsspektrum eines zweiatomigen Moleküls gibt es für
∆v = 1
den R-Zweig , ν̄vib + ν̄rot , ∆J = 1 , ν̄rot = 2B(J + 1)
den P-Zweig , ν̄vib − ν̄rot , ∆J = −1 , ν̄rot = 2BJ

Abb. 12.8. Schwingungs-Ra-


man-Spektrum (rechtes Teilbild)
im Vergleich zum Rotations-
Schwingungs-Spektrum (linkes
Teilbild), schematisch. Es ist je-
weils nur ein Ausschnitt aus
dem Spektrum gezeichnet. Die
Auswahlregeln und damit die
Rotations-Struktur der Spektren
sind unterschiedlich. Hier sind
nur Stokes-Linien des Raman-
Spektrums dargestellt, also Li-
nien mit kleinerer Frequenz als
das Primärlicht. Die Raman-
Verschiebung beträgt ν̄p − ν̄vib ,
wenn mit ν̄p das Primärlicht
und mit ν̄vib eine Schwingungs-
wellenzahl bezeichnet wird
246 12. Raman-Spektren

und evtl.

den Q-Zweig , ν̄vib , ∆J = 0 .

Im Raman-Spektrum hingegen gibt es im Stokes-Fall für ∆v = +1

den S-Zweig , ν̄p − ν̄vib + ν̄rot , ∆J = 2


den Q-Zweig , ν̄p − ν̄vib , ∆J = 0 (12.9)
den O-Zweig , ν̄p − ν̄vib − ν̄rot , ∆J = −2 .

Hierbei steht ν̄rot als Abkürzung für die Rotationsenergie B(4J + 6), siehe dazu (12.8).
Hier wurde durchweg die Anharmonizität und die Kopplung weggelassen, siehe dazu
Kap. 9. Beides führt zu geringfügigen Verschiebungen in den Spektren, wie wir sie be-
reits vorne in den Abschn. 9.2.3 und 9.5 kennengelernt haben, und wie sie im Raman-
Spektrum meistens weniger genau gemessen werden können. Bei größeren Molekülen
ist die Rotations-Feinstruktur der Raman-Spektren kaum auflösbar.
Das gesamte Raman-Spektrum eines Moleküls ist bereits schematisch in Abb. 12.1
gezeigt und wird jetzt verständlich. Unmittelbar neben der Rayleigh-Linie, der Linie des
primären anregenden Lichtes, sieht man die Rotationslinien. Im Abstand der Schwin-
gungslinie ν̄vib beobachtet man den Stokes- und mit kleinerer Intensität auf der anderen
Seite den Antistokes-Bereich der Rotationsschwingungslinien. Dies wiederholt sich mit
abnehmender Intensität als „Obertöne“ im Bereich ±2ν̄vib .
Die Raman-Spektroskopie ist also eine zweite Methode zur Messung von molekula-
ren Rotations- und Schwingungsquanten. Worin liegen nun die Vorteile oder wenigstens
die Unterschiede?
– Man kann durch die Wahl des Primärlichtes die Untersuchung von Rotations- und
Schwingungsspektren aus dem Bereich der Mikrowellen oder des Infraroten in beque-
mer zugängliche Spektralbereiche verlegen, nämlich in den Bereich des Sichtbaren.
– Es gibt Schwingungen und Rotationen von Molekülen, die im Raman-Spektrum auf-
treten, im Infrarot- oder Mikrowellen-Spektrum dagegen nicht. So können zweiato-
mige homonukleare Modelle wie H2 , N2 , O2 nur im Raman-Spektrum untersucht wer-
den, da ihre Rotationen und Schwingungen Infrarot-inaktiv sind.
– Aus dem Polarisationsverhalten der Raman-Spektren erhält man Auskunft über
den Polarisierbarkeits-Tensor der Moleküle. Aus einer Depolarisation des Raman-
Spektrums gegenüber dem Anregungslicht lassen sich Bewegungen der Moleküle in
einem umgebenden Medium, besonders in Flüssigkeiten während des Streuprozes-
ses studieren, wobei die Moleküle nicht nur ihre Lage, sondern auch ihre Orientie-
rung ändern. Wenn sich nämlich das streuende Molekül während des Streuprozesses
bewegt, kann das Polarisationsdiagramm der Streustrahlung sich wegbewegen von
demjenigen, das man für ein unbewegtes Molekül erwartet.
– Beim Raman-Effekt bleibt im Gegensatz zur üblichen Einphotonen-Spektroskopie die
Parität des Zustandes erhalten. Der Grund dafür ist die Beteiligung von zwei Photo-
nen am Gesamtprozeß. Bei Einphotonen-Dipolprozessen ändert sich die Parität, bei
Zweiphotonenprozessen ändert sie sich zweimal, d. h. sie behält ihren Ausgangswert.
– Die Intensität des Raman-Effektes ist von der Frequenz des Primärlichtes weitge-
hend unabhängig, sofern seine Quantenenergie sich von der Anregungsenergie eines
elektronischen Überganges hinreichend stark unterscheidet. Das Lichtquant der An-
regung des Raman-Effektes hνp endet in einem sogenannten virtuellen Niveau, vgl.
12.4 Kernspin-Einflüsse auf die Rotationsstruktur 247

Abb. 12.3. Wenn man sich mit der Quantenenergie des Primärlichtes der Anregungs-
energie eines elektronischen Überganges, das heißt einem reellen Anregungs-Niveau
nähert, wird die Raman-Streuwahrscheinlichkeit größer. Eine solche Verstärkung des
Raman-Spektrums bezeichnet man als Resonanz-Raman-Effekt.
Mit dem Resonanz-Raman-Effekt kann man z. B. bei komplizierten größeren Mole-
külen gezielt bestimmte schwingungsfähige Teile des Moleküls untersuchen, indem man
das Raman-Spektrum mit Primärlicht anregt, dessen Frequenz in der Nähe eines reel-
len Anregungs-Niveaus dieser Molekülteile liegt. Dann ist das Teil-Raman-Spektrum,
das zu diesen Gruppen gehört und ihre charakteristischen Rotationen oder Schwingun-
gen enthält, wesentlich intensiver als die Raman-Spektren anderer Molekülteile.

12.4 Kernspin-Einflüsse auf die Rotationsstruktur

Im Rotationsspektrum und im Rotations-Schwingungsspektrum homonuklearer zwei-


atomiger Moleküle wie H2 , N2 , O2 , und allgemein in den Spektren von Molekülen mit
einem Inversionszentrum, wie CO2 , beobachtet man charakteristische Intensitätsunter-
schiede der Linien, die zu Niveaus mit geraden Rotationszahlen J gehören, verglichen
mit den Linien, bei denen die Rotationsquantenzahl J ungerade ist. Beispiele zeigen die
Abb. 12.7 und 12.11. Da man solche Spektren vorzugsweise (aber nicht ausschließlich
– siehe zum Beispiel das Rotationsschwingungsspektrum von CO2 in Abb. 10.12) als
Raman-Spektren untersucht, wollen wir auf diese wichtige und interessante Eigenschaft
von Molekülspektren an dieser Stelle eingehen. Es handelt sich hier um einen Einfluß
der Kernspins auf die Spektren.
Natürlich treten Kernspin und magnetisches Kernmoment auch mit der Elektronen-
hülle des Moleküls in eine Wechselwirkung, deren Einfluß auf die elektronischen Spek-
tren jedoch vergleichsweise gering ist. Die dadurch hervorgerufene Hyperfeinstruktur
von Molekültermen und Spektrallinien beruht auf den gleichen Wechselwirkungsmecha-
nismen wie bei Atomen. Sie läßt sich mit hochauflösender Spektroskopie untersuchen,
soll hier aber nicht näher erörtert werden. Mehr dazu auch in I, Kap. 20.
Bei den beobachteten Intensitätswechseln im Raman-Spektrum handelt es sich je-
doch um einen neuartigen Befund von prinzipieller Bedeutung, nämlich um Einflüsse
der Kernspins auf die Statistik, also auf die Häufigkeit, mit der bestimmte molekulare
Zustände verwirklicht werden können. Bei Molekülen mit zwei gleichen Kernen ergibt
sich der beobachtbare Intensitätswechsel im Spektrum aus dem Einfluß der Kernspins
auf die Symmetrie der Gesamtwellenfunktion des molekularen Zustandes. Er ist eine
Folge des Pauli-Prinzips, wonach die Gesamt-Wellenfunktion von Fermionen, das sind
Teilchen mit halbzahligem Spin, antisymmetrisch gegen Vertauschung der Teilchen sein
muß, bei Bosonen mit geradzahligem Spin dagegen symmetrisch. Hier handelt es sich
um Kern-Fermionen (z. B. 1 H mit I = 1/2) und Kern-Bosonen (16 O mit I = 0).
Betrachten wir zur Erklärung das H2 -Molekül, Abb. 12.9. Die beiden Protonen im
Molekül sind Fermionen mit dem Spin 1/2. Die Spins der beiden Protonen können
parallel stehen. Dann hat das Molekül die Gesamt-Kernspin-Quantenzahl I = 1. Die
Spin-Wellenfunktion ist in diesem Falle symmetrisch gegen Vertauschung der Teilchen,
die sich bei parallelen Spins ja in nichts unterscheiden. Diesen Wasserstoff nennt man
Ortho-Wasserstoff, o-H2 . Die beiden Kernspins können aber auch antiparallel stehen,
die Gesamt-Kernspin-Quantenzahl I ist dann 0. Hier ist die Spin-Wellenfunktion an-
248 12. Raman-Spektren

Abb. 12.9. Rotations-Niveaus


des Moleküls H2 im Grund-
zustand mit Spin-Orientierung
der Kerne (ortho- und para-H2 )
und Angabe der statistischen
Gewichte der Konfigurationen.
Zu Ortho-Wasserstoff gehören
Rotationsniveaus mit ungera-
dem J, zu Para-Wasserstoff mit
geradem J

tisymmetrisch gegen Vertauschung. Man spricht dann von Para-Wasserstoff, p-H2 . Das
statistische Gewicht beider Konfigurationen verhält sich wie 3:1, wie Tabelle 12.1 zeigt.
Die Gesamtwellenfunktion des Moleküls ist das Produkt aus Ortsfunktion (ein-
schließlich Rotation) und Spinfunktion. Vertauschung der Kerne bedeutet beim Han-
telmolekül ein Umdrehen der Hantel, also eine Inversion im Ortsraum. Dabei ändern
die Rotationseigenfunktionen (vgl. Abschn. 11.1) für J = 1, 3, 5, . . . ihr Vorzeichen,
sie haben negative Parität, sind antisymmetrisch gegen Vertauschung. Die Rotations-
funktionen mit J = 0, 2, 4, . . . bleiben unverändert, ihre Parität ist positiv, sie sind
symmetrisch.
Die Gesamtparität ergibt sich als Produkt der Paritäten der am Gesamtsystem betei-
ligten Funktionen. Für Teilchen mit halbzahligem Spin muß sie negativ sein. Zu o-H2 ,
also Wasserstoff-Molekülen mit I = 1, und damit positiver Parität der Spinfunktion,
gehören also Rotationszustände mit negativer Parität, das heißt J = 1, 3, 5 . . . mit dem
statistischen Gewicht 3, wenn die restliche Ortsfunktion positive Parität hat, wie dies
im Grundzustand von H2 verwirklicht ist. Wir werden in Abschn. 13.3 und 13.4 sehen,
daß dies bei der mit dem Quantensymbol 1 Σg+ bezeichneten Grundzustandsfunktion des
Wasserstoff-Moleküls der Fall ist. Der Para-Wasserstoff mit I = 0 und negativer Parität

Tabelle 12.1. o- und p-Wasserstoff

I MI Wellenfunktion Charakter

o-H2 1 1 ↑↑
1
0 √ (↑↓ + ↓↑) Triplett
2
−1 ↓↓
1
p-H2 0 0 √ (↑↓ − ↓↑) Singulett
2
12.4 Kernspin-Einflüsse auf die Rotationsstruktur 249

der Spinfunktion muß demgegenüber Rotationsfunktionen mit J = 0, 2, 4 . . . besitzen,


damit insgesamt als Produkt sich für die Gesamt-Wellenfunktion negative Parität ergibt.
Zwischen diesen beiden Wasserstoff-Sorten, die sich übrigens auch makroskopisch
voneinander trennen lassen, gilt ein ziemlich strenges Übergangsverbot. Es sind nur
Übergänge innerhalb des Termsystems mit geradem J und innerhalb des Termsystems
mit ungeradem J möglich, wenn die Kerne streng entkoppelt sind. Die schwache Kopp-
lung zwischen Kernspins und Elektronenhülle ermöglicht jedoch mit sehr kleiner Über-
gangswahrscheinlichkeit Übergänge zwischen den beiden Systemen.
Bei tiefsten Temperaturen ist nur p-H2 stabil, o-H2 ist wegen J = 1, d. h. weil ein
Rotationsquant angeregt ist, metastabil. Die spontane Umwandlung von o-H2 in p-H2
durch Umklappen eines Kernspins erfolgt extrem langsam, in Jahren. Man kann den
Prozeß durch paramagnetische Beimischungen oder andere Katalysatoren beschleunigen
und so bei tiefen Temperaturen reinen p-H2 herstellen. Dieser bleibt auch beim Aufwär-
men und beim Verdampfen als p-H2 für einige Zeit erhalten. Übrigens ist es bei schwe-
rem Wasserstoff, 2 H, gerade umgekehrt. Der Kernspin von 2 H ist I = 1, der Kern ist
ein Boson, und bei tiefsten Temperaturen ist Ortho-2 H2 stabil, und Para-2 H2 metastabil.
Normalerweise stellt sich ein thermisches Gleichgewicht zwischen beiden H2 -
Modifikationen ein. Wasserstoff ist dann eine Mischung aus p-H2 und o-H2 im Verhält-
nis 1:3. Für die Rotations-Raman-Spektren hat das folgende Konsequenz (siehe dazu
Abb. 12.10):

Abb. 12.10. Rotations-Raman-


Spektrum des Moleküls H2 . Das
Gesamtspektrum ist eine Überla-
gerung der Spektren von Ortho-
und Para-Wasserstoff im Inten-
sitätsverhältnis 3:1. Die direkte
Linie im Zentrum des Spek-
trums ist die Rayleigh-Linie

– Es kann im Rotationsspektrum keine Übergänge mit ∆J = ±1 und damit überhaupt


keine erlaubten Übergänge geben. Diese sind allerdings ohnedies wegen des fehlen-
den Dipolmomentes von H2 Infrarot-inaktiv.
– Rotations-Raman-Linien mit ∆J = ±2 sind dagegen erlaubt. Sie gehören abwech-
selnd zu o- und p-H2 . Deshalb beobachtet man im Raman-Spektrum alternierende In-
tensitäten, wie in Abb. 12.10 ersichtlich.
Bei anderen homonuklearen Molekülen kann man die beobachteten Intensitätswech-
sel im Spektrum in analoger Weise verstehen. So gilt für 16 O2 mit I = 0, daß alle Ni-
veaus mit gerader Quantenzahl J fehlen. Hier hat die elektronische Wellenfunktion des
Grundzustandes negative Parität (Termsymbol 3 Σg− ). Damit die Gesamtwellenfunktion
250 12. Raman-Spektren

symmetrisch gegen Vertauschung wird (16 O ist ein Boson), muß dann die Rotations-
funktion ebenfalls negative Parität haben. Deshalb fehlen im Spektrum die Rotations-
Linien mit geradem J, vgl. Abb. 12.7. – Für 14 N mit J = 1 beobachtet man im Spek-
trum des Moleküls N2 alle Linien in den Raman-Rotationszweigen, aber mit dem Inten-
sitätswechsel im Verhältnis 1:2, wie er sich aus dem Häufigkeitsverhältnis der beiden
möglichen Spineinstellungen im Molekül, nämlich parallel, Iges = 2 und antiparallel,
Iges = 0, ergibt, vgl. Abb. 12.11. Bei N2 -Molekülen mit zwei unterschiedlichen Isoto-
pen, also 14 N15 N, fehlt dieser Intensitätswechsel im Raman-Rotationsspektrum.
Hierzu noch eine historische Anmerkung. Der beobachtete Intensitätswechsel im
Rotations-Ramanspektrum von 14 N wurde bereits 1929 von Heitler und Herzberg da-
mit erklärt, daß der 14 N-Kern ein Boson sein muß und nicht ein Fermion, wie es bis
dahin nach den Vorstellungen über den Aufbau der Kerne aus Protonen und Elektronen
angenommen wurde. Das Neutron war noch nicht bekannt, ebenso wie der Kernspin
I = 1 von 14 N.

Abb. 12.11. Rotations-Schwin-


gungs-Raman-Spektrum von
Stickstoff, 14 N2 . Im Zentrum
am Ort der Schwingungswellen-
zahl ν̄e = 2330 cm−1 erscheint
der Q-Zweig (∆J = 0) als
breite Linie. Bei 14 N2 (I = 1)
beobachtet man einen Inten-
sitätswechsel aufeinanderfolgen-
der Rotationslinien im Verhält-
nis 1:2. Nach Hellwege

Allgemein gilt hier ohne detaillierte Ableitung:


Das Verhältnis der statistischen Gewichte von antisymmetrischen und symmetrischen
Zuständen der Kernspins in einem zweiatomigen Molekül mit zwei gleichen Atomker-
nen mit der Kernspin-Quantenzahl I oder in einem mehratomigen Molekül mit Inver-
sionszentrum (wie CO2 ) ist
ga I
= . (12.10)
gs I +1

Dies sind dann die Intensitätsverhältnisse alternierender Linien im Rotationsspektrum:


Für H2 mit I = 1/2 ergibt sich 3:1, für N2 mit I = 1 findet man 2:1 und für O2 mit
I = 0 fällt eine der beiden Komponenten ganz weg, also 1:0.
Besonders illustrativ ist auch das Molekül C16 O2 . Dies Molekül ist linear und hat
deshalb ein Inversionszentrum. Hier sind nur Rotationsniveaus mit gerader Quanten-
zahl J erlaubt, weil der elektronische Grundzustand positive Parität besitzt (1 Σg+ ).
Darauf wurde – ohne daß es dort schon erklärt werden konnte – bereits bei den in
Aufgaben 251

Abb. 10.12 gezeigten Rotations-Schwingungs-Spektren des CO2 -Moleküls hingewie-


sen. Wenn man dagegen Moleküle mit zwei verschiedenen Sauerstoff-Isotopen, zum
Beispiel 16 O C18 O, untersucht, so ist die Symmetrie vermindert, da die beiden O-Kerne
nun verschieden sind. Man beobachtet bei diesem Molekül Übergänge mit allen Rota-
tionstermen, also ein Spektrum mit doppelt so vielen Linien.
Die beschriebenen Einflüsse der Kernspins auf die Statistik möglicher Molekül-
Zustände sind im Rahmen der klassischen Physik nicht zu erklären und ein eindrucks-
voller Beleg für die Richtigkeit quantenmechanischer Konzepte und des Pauli-Prinzips.
Allein aus dem Intensitätswechsel im Rotationsspektrum eines Moleküls ist auch eine
Bestimmung der Kernspin-Quantenzahl I nach (12.10) möglich.

Aufgaben
12.1 Berechnen Sie den Linienabstand im reinen Rotationsspektrum von H2 , dessen
Bindungslänge 74,14 pm beträgt. Welchen Meßverfahrens würden Sie sich zur Beob-
achtung des Spektrums bedienen?

12.2 Für welches der Moleküle H2 , H2 O, HCl, CH4 , CH3 Cl, CH2 Cl2 , CH3 CH3 , SF6
kann man ein reines Rotations-Ramanspektrum erwarten?

12.3 Welche der folgenden Moleküle zeigen Infrarot-aktive und welche Raman-
aktive Schwingungsmoden: N2 , C2 H4 , CH3 OH, HD, CCl4 , CS2 , SO2 , NH3 , BeCl2 ,
CH3 COCH3 (Aceton), (CO)5 Re–Re(CO)5 (anorganischer Komplex)?

12.4 Die Trägheitsmomente des Ammoniakmoleküls NH3 sind Θ⊥ = 2,86 · 10−47


kg m2 und Θ|| = 4,38 · 10−47 kg m2 . Beschreiben Sie sein Rotations-Ramanspektrum
bei Anregung mit der 366,732 nm-Linie eines Stickstofflasers.

12.5 a) Im Infrarot-Absorptionsspektrum und im Raman-Spektrum eines Moleküls


A2 B2 findet man die folgenden Linienintensitäten:

cm−1 IR Raman

3374 – stark
3287 sehr stark; PR-Struktur –
1973 – sehr stark
729 sehr stark; PQR-Struktur –
612 – schwach

Auf welche Molekülstruktur schließen Sie aus diesen Daten? Weisen Sie die beob-
achteten Spektrallinien den einzelnen Schwingungsmoden zu, und berücksichtigen Sie
die bekannten Schwingungsfrequenzen häufig vorkommender Bindungen, um das Mo-
lekül A2 B2 zu identifizieren.
b) Die IR- und Ramanspektren eines Moleküls AB2 weisen folgende Spektrallinien
auf:
252 12. Raman-Spektren

cm−1 IR Raman

3756 sehr stark –


3652 stark stark; polarisiert
1595 sehr stark –

Die Rotationsstruktur sämtlicher IR-Schwingungsbanden ist kompliziert und zeigt


weder PR- noch PQR-Struktur.
Klären Sie anhand dieser Daten die Molekülstruktur, und ordnen sie die Linien den
Normalschwingungen zu. Um welches Molekül handelt es sich?

12.6 Unter den Normalschwingungen von Distickstoffoxid N2 O und Stickstoffdioxid


NO2 gibt es jeweils solche, die man sowohl in den Infrarot-Absorptionsspektren als auch
in den Ramanspektren beobachtet. Während die Schwingungsbanden von N2 O durch-
weg PR-Struktur (ohne Q-Zweig) aufweisen, erkennt man bei NO2 eine sehr viel kom-
pliziertere Rotationsstruktur.
Welche Aussagen über die Strukturen der beiden Moleküle lassen sich aus diesen
Angaben ableiten?

12.7 Die Elektronenterme verschiedener Zustände zweiatomiger homonuklearer Mo-


leküle seien 1 Σg+ , 1 Σu+ , 1 Σg− , 1 Σu− , 3 Σg− , 1 Πg , 1 Πu .
a) Zu welchen Werten der Rotationsquantenzahl J gehören die existierenden bzw.
verbotenen Terme, wenn die Kernspins I A = I B = 0 sind?
b) Zu welchen Werten der Rotationsquantenzahl J gehören die häufiger bzw. seltener
vorkommenden Terme, wenn die Kernspins I A = I B = 1 sind?

12.8 a) Stellen Sie die symmetrischen und antisymmetrischen Kernspinzustände eines


homonuklearen zweiatomigen Moleküls mit den Kernspins I A = I B = 1 (z. B. D2 , N2 )
auf, und geben sie das Häufigkeitsverhältnis an.
b) Zeigen Sie, daß die zu den Gesamtkernspins Iges = 2 und Iges = 0 gehörenden
Kernspinzustände symmetrisch, die zu Iges = 1 gehörenden antisymmetrisch sind.

12.9 Rotationszustände, die aufgrund der Kernspineinflüsse statistisch häufiger auf-


treten, heißen Ortho-Zustände, die selteneren Para-Zustände. Geben Sie die Rotations-
niveaus J an, die zu Ortho- bzw. Para-Fluor 19 F2 gehören. Wie sind die statistischen
Gewichte der beiden Molekülsorten?
Hinweis: elektronischer Grundzustand 1 Σg+ ; Kernspin I = 12 .

12.10 Der gesamte Kernspin Iges eines zweiatomigen homonuklearen Moleküls mit
I A = I B = I ergibt sich durch Vektoraddition zu

Iges = 2I, 2I − 1, . . . , 0 .

Für ganzzahlige I sind die Kernspinzustände mit

Iges = 2I, 2I − 2, . . . , 0
Aufgaben 253

symmetrisch gegen Kernaustausch, die anderen antisymmetrisch. Bei halbzahligen I da-


gegen sind die symmetrischen Zustände
Iges = 2I, 2I − 2, . . . , 1 ,
alle übrigen sind wiederum antisymmetrisch. Zeigen Sie, daß man aus der (2Iges + 1)-
fachen Entartung jedes Kernspinzustandes für das Verhältnis der statistischen Gewichte
von antisymmetrischen zu symmetrischen Zuständen die allgemeine Formel
ga I
=
gs I +1
gewinnt.
13. Elektronen-Zustände

Nach der Behandlung der im Spektralbereich der Mikrowellen bzw. des Infraroten gele-
genen Rotations- und Rotationsschwingungsspektren von Molekülen in den Kap. 9 und
10 wollen wir uns in diesem und im folgenden Kapitel den elektronischen Übergän-
gen in Molekülen und damit den Bandenspektren im weiteren Sinne zuwenden. Hier-
bei handelt es sich um Spektren im Nahinfrarot sowie im sichtbaren und ultravioletten
Spektralbereich, die aus einer sehr großen Anzahl von Linien mit häufig sehr schwer
zu analysierender Struktur und Ordnung bestehen. Sie erscheinen bei geringerer Auflö-
sung des verwendeten Spektralapparates auch als strukturlose bandartige Spektren, da-
her der Name Bandenspektren. In diesem Kapitel werden die Grundlagen zum Verständ-
nis der Molekülquantenzahlen behandelt. Auch hier folgt einer ausführlicheren Diskus-
sion der zweiatomigen Moleküle in Abschn. 13.3 ein Ausblick auf größere Moleküle in
Abschn. 13.4.

13.1 Der Aufbau von Bandenspektren


Ein Bandenspektrum weist, wie bereits in Kap. 8 gezeigt, im allgemeinen eine dreifache
Struktur auf. Es besteht aus einer Anzahl von häufig deutlich voneinander getrennten
Gruppen von Banden, den sogenannten Bandensystemen. Jedes Bandensystem besteht
aus einer Anzahl von Banden, und jede Bande besteht aus einer größeren Anzahl ge-
setzmäßig angeordneter Bandenlinien.
Diese dreifache Struktur eines Bandenspektrums entspricht den drei Beiträgen zur
Gesamtenergie eines Moleküls, nämlich der Elektronenanregung, der Schwingungsan-
regung und der Anregung der Rotationsenergie des Moleküls.
Die Elektronenanregung bestimmt die Lage eines Bandensystems im Spektrum.
Alle Banden eines Bandensystems gehören zum gleichen Elektronenübergang. Die
Lage einer Bande im Bandensystem ist durch die Änderung der Schwingungsenergie
im Anfangs- und Endzustand gegeben. Die Änderung der elektronischen Quantenzahl
und die Änderung der Schwingungsquantenzahl sind also für alle Linien einer Bande
konstant. Die Bandenlinien unterscheiden sich noch untereinander durch die Änderung
der Rotationsquantenzahl.
Das vollständige Spektrum eines Moleküls besteht also aus Rotations-Schwingungs-
und Elektronen-Übergängen. Die Terme für die möglichen Anregungszustände eines
Moleküls können wir in der Form
T = T el + G v + Fv,J (13.1)
darstellen. Für die Wellenzahlen der Linien im Bandenspektrum gilt entsprechend
ν̄ = ∆T el + ∆G + ∆F
= T
el − T

el + G
v
− G

+ Fv

J
− Fv

. (13.2)
256 13. Elektronen-Zustände

Die Elektronenübergänge finden zwischen den verschiedenen möglichen elektronischen


Anregungszuständen eines oder mehrerer Elektronen bzw. dem Grundzustand statt. Eine
Analyse der Elektronenübergänge brauchen wir, wenn wir elektronische Struktur, Bin-
dungsverhältnisse, Anregungszustände, Reaktionsverhalten, Dissoziationsenergien und
weitere physikalische Eigenschaften von Molekülen verstehen wollen. Den Grundzu-
stand und die Anregungszustände können wir durch Eigenfunktionen und Quantenzah-
len charakterisieren, welche für Moleküle in Anlehnung an die bei Atomen bewährten
Verfahren neu abgeleitet und definiert werden müssen.

13.2 Bindungstypen
Wegen der großen Vielfalt der Moleküle und der großen Unterschiede in ihrem Auf-
bau aus den im Molekül gebundenen Atomen ist es zweckmäßig, drei Grenzfälle der
chemischen Bindung und damit drei Typen von Molekülen zu unterscheiden:
– Ionenmoleküle wie zum Beispiel die Alkalihalogenide NaCl oder LiF sind stark polar,
das heißt, ein Elektron geht mehr oder weniger ganz von einem Partner der Bindung
zum anderen über. Die Moleküle sind hinsichtlich ihrer elektronischen Anregungs-
zustände den Atomen oder Ionen, aus denen sie aufgebaut sind, ähnlich. In Lösung
dissoziieren sie leicht in Ionen, also zum Beispiel NaCl zu Na+ + Cl− .
– Van der Waals-Moleküle wie Hg2 oder Cd2 entstehen bevorzugt durch Bindung zwi-
schen neutralen Atomen, die nur abgeschlossene Elektronenschalen besitzen und
deshalb nur schwache Bindungen, durch induzierte Dipolmomente, mit anderen Ato-
men eingehen können. Die Bindung erfolgt durch sogenannte Van der Waals-Kräfte,
die rasch mit der Entfernung abnehmen. Die Atomzustände bleiben noch stärker
als bei den Ionenmolekülen erhalten. Die Moleküle dissoziieren in die neutralen
Atome.
– Am wichtigsten und physikalisch interessantesten sind schließlich die Atommoleküle
wie H2 , N2 , O2 oder AlH als Beispiele für zweiatomige Moleküle. Bei ihnen fin-
det die Bindung als sogenannte homöopolare oder kovalente Bindung dadurch statt,
daß Elektronen in nichtabgeschlossenen Elektronenschalen der Partner-Atome aus
ihren Atom-Orbitalen neue, beiden Atomen gemeinsame Orbitale bilden, die Mole-
külorbitale. Sie können aus dem Grundzustand in neutrale Atome dissoziieren. Zu
dieser Gruppe gehört eine Vielzahl von Molekülen aus dem Bereich der Organischen
Chemie.

13.3 Einelektronenzustände zweiatomiger Moleküle


Wir befassen uns zunächst mit dem zuletzt genannten Typ von Molekülen und versu-
chen, einen Zusammenhang zwischen Atom- und Molekülorbitalen herzustellen und zu
verstehen. Hier ist es wie bei der Theorie der chemischen Bindung, die wir in den Kap. 4
bis 7 behandelt haben, zweckmäßig, vom Wasserstoff-Molekülion H+ 2 oder vom Was-
serstoffmolekül H2 auszugehen. Wie wir gerade dort, vgl. Abschn. 4.3, gesehen haben,
können wir in guter Näherung die Elektronenwellenfunktion, die sich auf alle Elektro-
nen des Moleküls bezieht, aus symmetrisierten oder antisymmetrisierten Produkten von
Einzelwellenfunktionen aufbauen. Wir werden uns daher mit solchen Einzelwellenfunk-
tionen befassen. Andererseits bringen Atome wie N, O, usw. aber mehrere Elektronen
13.3 Einelektronenzustände zweiatomiger Moleküle 257

von ihren ganz- oder teilweise aufgefüllten Schalen mit in das Molekül ein. Wir müs-
sen uns daher überlegen, wie diese verschiedenen atomaren Orbitale sich ändern oder
zu Linearkombinationen zusammenfügen, wenn wir die Atome einander nähern.
Folgendes Vorgehen wird eingeschlagen:

– Aus Linearkombinationen von Atomorbitalen bilden wir Molekülorbitale.


– Die verfügbaren Elektronen werden in die Molekülorbitale so eingebaut, daß diese
ihrer energetischen Reihenfolge nach aufgefüllt werden, und daß jedes Orbital höch-
stens zwei Elektronen enthält Pauli-Verbot).
– Bei der Besetzung energetisch entarteter Orbitale wird zunächst jedes Molekülorbital
einfach besetzt, bevor eine Zweifachbesetzung erfolgt. Dabei ist eine Anordnung mit
parallelen Spins bevorzugt Hundsche Regel).

Um nun die Molekülorbitale zu verstehen, sehen wir wie schon in den Kap. 4–7 zu-
nächst einmal von Schwingungen und Rotationen ab und betrachten ein festes Kernge-
rüst. Während wir uns dort vorwiegend mit dem Aufbau der Molekülorbitale aus atoma-
ren Wellenfunktionen befaßten, wollen wir hier vornehmlich die Definition und Herlei-
tung der hier maßgeblichen Quantenzahlen kennenlernen. Als einfaches Molekül bauen
wir ein homonukleares zweiatomiges Molekül AB aus den beiden Atomen A und B
nach dem Schema A + B → AB auf. In jedem der beiden Atome sind die Elektronen
bestimmten Atomorbitalen A, B zugeordnet. Aus den getrennten Atomen im Abstand
R = ∞ machen wir durch gegenseitige Annäherung der Atome zunächst das Molekül
mit dem Gleichgewichtsabstand Re . In dieser Konfiguration sind die Elektronen zusätz-
lich zu dem jeweiligen Coulombpotential des ihnen ursprünglich zugeordneten Kerns
dem elektrischen Feld des anderen Kerns ausgesetzt. Dieses ist bezüglich der Kernver-
bindungslinie rotationssymmetrisch. Wenn wir in Gedanken den Kernabstand weiter bis
zum Zusammenfallen der Kerne verkleinern, also nach dem Schema AB → (AB), dann
müssen die Elektronenzustände des Moleküls in diejenigen eines Atoms übergehen, des-
sen Kernladung gleich der Summe der Ladungen der das Molekül aufbauenden Atom-
kerne ist. So kommt man durch gegenseitige Annäherung zum Vereinigten-Kerne-Atom
mit Molekülorbitalen (AB).
Das einfachste Beispiel für ein „Molekül“ ist das H+2 -Ion bestehend aus zwei Pro-
tonen und einem Elektron. Das zugehörige Vereinigte-Kerne-Atom wäre das He+ -Ion,
die Trennung bei R = ∞ ergibt das Atom H und das Ion H+ . Potentialkurven für die
Moleküle H2 und H+ 2 sind in Abb. 13.1 dargestellt.
Die energetische Reihenfolge der Elektronenterme von normalen, stark gebundenen
Molekülen mit kleinem Kernabstand kann man auch verstehen, indem man vom verei-
nigten Kerne-Atom ausgeht. Wenn man die Kerne etwas trennt, also vom He+ zum H+ 2
übergeht, herrscht zwischen ihnen ein starkes elektrisches Feld in Richtung der Kern-
verbindungslinie. Dieses wirkt auf die elektronischen Terme wie vom Stark-Effekt bei
Atomen her bekannt. Bei schwächer gebundenen Molekülen mit großem Kernabstand ist
die bessere Näherung diejenige, die von den getrennten Atomen ausgeht. Diese beiden
Grenzfälle können als Orientierung und Hilfsmittel beim Verständnis der Termschemata
von Molekülen und der Bildung von Molekülorbitalen aus Atomorbitalen dienen.
Wir beginnen mit der Vorstellung, daß wir durch Annäherung der Atome A und B
das Molekül AB realisieren, wobei gleichzeitig die Atomorbitale A, B in Molekülorbi-
tale AB überführt werden. Dadurch ergeben sich für die Atome folgende Änderungen
(vgl. Kap. 4):
258 13. Elektronen-Zustände

Abb. 13.1. Potentialkurven und


Elektronendichteverteilungen für
Grund- und Anregungszustände
von H2 und H+ 2 . Berechnet mit
der Molekülorbital-Näherung
nach Hund und Mulliken. Als
Abstandseinheit ist der Bohrsche
Radius aH = 0,529 · 10−8 cm
verwendet. Nach Hellwege

– Die Zentralsymmetrie des Coulombpotentials wird aufgehoben. Es wirkt auf die Elek-
tronen zusätzlich ein elektrisches Feld in Achsen (z)-Richtung.
– Die Elektronen gehören gleichzeitig zu beiden Atomen.
– Die ursprünglich miteinander entarteten Terme spalten auf.
Dies hat die folgenden Konsequenzen. Zunächst einmal zu den Quantenzahlen,
die die Zustände charakterisieren: Während bei unendlichem Abstand der Atome die
Atomelektronen durch Eigenfunktionen mit den 4 Quantenzahlen n (Hauptquantenzahl),
l (Drehimpuls), m l (magnetische Quantenzahl) und m s (Spinquantenzahl) charakteri-
siert werden können, ist nun wegen der Abweichung von der Zentralsymmetrie des
Coulombfeldes die Drehimpulsquantenzahl l keine gute Quantenzahl mehr, hingegen
jedoch noch die magnetische Quantenzahl m l , bezogen auf die Kernverbindungslinie
als Vorzugsrichtung. Der Bahndrehimpuls l der Elektronen präzediert um die Kernver-
bindungslinie z mit einer gequantelten z-Komponente. Für diese gilt
lz = ml h , mit m l = l , l − 1, . . . − l . (13.3)
Die Energie dieser Zustände ist im axialsymmetrischen elektrischen Feld der Kerne im
Gegensatz zum Verhalten im Magnetfeld gleich groß für die Orientierungen von l z in
Feldrichtung und gegen die Feldrichtung, weil die Wirkung eines elektrischen Feldes
auf ein präzedierendes Elektron unabhängig von dessen Umlaufsinn ist. Diese Entartung
kann allerdings durch eine Störung wie die Rotation des Moleküls aufgehoben werden.
Sonst gilt also für die Energie, daß sie nur geraden Potenzen von m proportional sein
kann, das heißt es geht nur der Betrag von m l ein.
Deshalb führt man in der Molekülphysik als weitere Quantenbedingung die Größe λ
ein:
λ = |m l | = l, l − 1, . . . 0 . (13.4)
13.3 Einelektronenzustände zweiatomiger Moleküle 259

Obwohl die Bahndrehimpuls-Quantenzahl l keine gute Quantenzahl mehr ist, hat sie
dennoch ihre Bedeutung. Einmal nämlich bei den inneren, ohnehin abgeschirmten Scha-
len wird sie noch annähernd gültig sein, aber auch in dem Falle, wo es zu einer stärkeren
Wechselwirkung kommt, wird sie uns noch Auskunft darüber geben können, woher das
spezielle Atomorbital, das in das Molekülorbital eingeht, herrührt. Deshalb behält man
in der Molekülphysik diese Bahndrehimpuls-Quantenzahl l bei. Wir besprechen nun die
Bezeichnungen der Elektronenzustände mit Quantenzahlen näher.
Bahnwellenfunktionen von Elektronenzuständen mit λ = 0, 1, 2, . . . nennt man
σ, π, δ . . . Orbitale in Analogie zur Bezeichnung s, p, d, f , die für Elektronen in Ato-
men mit l = 0, 1, 2, 3 gilt. Molekülorbitale mit λ = 0 sind zweifach entartet entspre-
chend den Quantenzahlen ±m. Die Entartung kann durch eine weitere Störung wie die
Rotation des gesamten Moleküls aufgehoben werden. Wie bei den Atomelektronen gel-
ten die Beziehungen l ≤ n − 1 und λ ≤ l. Die verschiedenen Drehimpulszustände
bezeichnet man also nach folgendem Schema:
ml : 0 ±1 ±2 ±3
λ: 0 1 2 3
Symbol : σ π δ ϕ.
Mit Ausnahme der σ-Zustände sind alle Drehimpulszustände zweifach entartet, außer-
dem gibt es für jeden dieser Zustände noch zwei Einstellungsmöglichkeiten des Spins
relativ zur Vorzugsachse, m s = ± 12 . σ-Zustände können also 2 Elektronen aufnehmen,
die übrigen Zustände je 4 Elektronen.
Zur weiteren Kennzeichnung von Orbitalen mit gleichem λ benutzt man die Quan-
tenzahlen, die in den völlig getrennten Atomen gelten. Sie stellt man dem Symbol für
λ nach, und man bezeichnet den Herkunftsterm mit einem Index, also zum Beispiel
σ1s A , σ2 p B , um damit auszudrücken, daß es sich um Elektronen mit der Quantenzahl
λ = 0 handelt, die ursprünglich, d. h. vor der Molekülbildung, zu den Atomen A und B
als 1s- bzw. 2 p-Elektronen gehört haben. Wir kennzeichnen also die molekularen Elek-
tronenzustände durch die Symbolik λnl.
Man kann die Orbitale mit gleichem λ auch dadurch unterscheiden, daß man die
ursprünglichen Quantenzahlen n und l, aus dem der Elektronenzustand des Moleküls
hervorgeht, dem Molekülorbitalsymbol mit kleinen griechischen Buchstaben voranstellt,
also z. B. 1sσ, 2sσ, 2 pσ, 2 pπ. Diese Bezeichnungsweise ist besonders dann üblich,
wenn man vom Vereinigten-Kerne-Atom ( AB) ausgeht. n und l sind dann die Quan-
tenzahlen von ( AB). Zum Beispiel ist ein 3dπ-Elektron eines Moleküls ein Elektron
mit den Quantenzahlen n = 3, l = 2, λ = 1. Nähert man sich dem realen Molekül von
den beiden Grenzfällen, unendlicher Kernabstand bzw. Kernabstand = 0, so sind die
Quantenzahlen n, l, die zu einer bestimmten Elektronenfunktion des Moleküls führen,
für das Vereinigte-Kerne-Atom in vielen Fällen verschieden von denen der ursprüng-
lich weit getrennten Atome. Die Quantenzahl λ ist dagegen im gesamten Bereich von
sehr kleinen bis zu sehr großen Kernabständen eine „gute“ Quantenzahl. Während
der Drehimpuls um die als Vorzugsrichtung dienende Kernverbindungslinie präzediert,
bleibt seine Projektion auf diese Richtung erhalten.
Schließlich kennzeichnet man noch die Symmetrie. Als „gerade“, Index g, oder „un-
gerade“, Index u, bezeichnet man Orbitalwellenfunktionen, je nachdem ob sie symme-
trisch oder antisymmetrisch relativ zu einem Symmetriezentrum des Moleküls, also zu
einer Inversion sind. σg ist also eine gerade, σu eine ungerade Funktion mit λ = 0. Das
ist besonders bei homonuklearen Molekülen wichtig.
260 13. Elektronen-Zustände

Wenn man etwa aus zwei 1s-Orbitalen der getrennten Atome A und B durch Linear-
kombination Molekülorbitale bildet, so gibt es die symmetrische und die antimetrische
Kombination, also
1
σg 1s = √ (σ1s A + σ1s B )
2
1
σu 1s = √ (σ1s A − σ1s B ) . (13.5)
2
Die Funktion σu entspricht einem antibindenden Zustand, wie in Abschn. 4.4 und 6.7 ge-

√ Zustände bezeichnet man auch mit einem Stern, also σu . In
zeigt. Solche nichtbindende
(13.5) ist der Faktor 1/ 2 ein Normierungsfaktor, wie bereits in Kap. 4 eingeführt, wo-
bei wir das Überlappungsintegral S vernachlässigen. Für das Wasserstoff-Molekül sind
diese beiden Elektronen-Konfigurationen in Abb. 13.2 dargestellt. Jedes dieser Mole-
külorbitale kann mit maximal zwei Elektronen besetzt werden, die sich in ihrer ma-
gnetischen Spinquantenzahl m s = ±1/2 unterscheiden. Die beiden Elektronen des H2 -
Moleküls können beide im bindenden Orbital σ untergebracht werden. Damit hat das
Molekül H2 einen stabilen Grundzustand mit der Konfigurationsbezeichnung 1sσ 2 . (σ 2
bedeutet, daß es sich um 2σ-Elektronen handelt.) Anders ist es beim Molekül He2 ,
wie in Abb. 13.3 gezeigt. Von den 4 Elektronen müssen zwei im antibindenden Orbital
σ ∗ sitzen, die Elektronenkonfiguration lautet also 1sσ 2 1sσ ∗2 . Weil die nichtbindende
Wirkung der beiden σ ∗ -Elektronen die bindende der beiden σ-Elektronen überwiegt,
ist der Grundzustand insgesamt nicht stabil. Wenn dagegen eines der Elektronen aus
dem antibindenden Zustand 1σ ∗ in einen bindenden Zustand 2σ angeregt wird, dann
überwiegt insgesamt wieder der bindende Beitrag. Das im Grundzustand nicht stabile
Molekül He2 hat deshalb einen bindenden Anregungszustand. Ein solches Molekül be-
zeichnet man als Excimer (für excited dimer). Die Elektronenkonfiguration lautet dann
1sσ 2 1sσ ∗ 2sσ.
Wenn man zweiatomige Moleküle mit mehr Elektronen betrachtet, so muß man
die möglichen Orbitale unter Beachtung des Pauli-Prinzips der energetischen Reihen-

Abb. 13.2 Abb. 13.3

Abb. 13.2. Molekülorbital-Ener-


gieschema für das H2 -Molekül.
Aus der Linearkombination der
beiden S-Elektronen 1s A und
1s B erhält man ein bindendes
Orbital σ und ein antibindendes
Orbital σ ∗
Abb. 13.3. Oben: Im H2 -
Molekül können die beiden
Elektronen das unterste, bin-
dende Orbital besetzen. Unten:
Im He2 -Molekül sind zwei
Elektronen bindend, zwei
nichtbindend. Der Zustand ist
insgesamt antibindend, das
stabile Molekül He2 existiert im
Grundzustand nicht. Siehe dazu
auch Abschn. 15.4
13.3 Einelektronenzustände zweiatomiger Moleküle 261

folge nach mit Elektronen besetzen. Je zwei Elektronen in einem Molekül müssen sich
nach dem Pauli-Prinzip in mindestens einer der vier Quantenzahlen (n, l, λ und m s )
unterscheiden. Alle Elektronen mit gleichem n, l und λ werden zu einer Elektronen-
schale zusammengefaßt. Abgeschlossene Elektronenschalen besitzen keinen Spin- oder
Bahndrehimpuls. Tabelle 13.1 gibt eine Übersicht über die möglichen Elektronenzu-
stände und -schalen für n = 1 und 2.

Tabelle 13.1. Mögliche Elektronenzustände in


Molekülen. Aus den Atomorbitalen (AO) wer-
den Molekülorbitale (MO). Deren räumliche
Erstreckung ist schematisch angegeben, außerdem
die Multiplizität von Bahn und Spin

Abbildung 13.4 zeigt als weiteres Beispiel die niedersten möglichen Elektronenkon-
figurationen für das Stickstoff-Molekül, N2 , im MO-(Molekülorbital)-Diagramm. Die
möglichen Elektronenzustände werden sukzessive mit den 14 Elektronen besetzt, die zur
Verfügung stehen. Man beachte hierbei jedoch, daß die Reihenfolge der vier obersten
Orbitale in Abb. 13.4 nicht mit derjenigen in Tabelle 13.1 übereinstimmt. Während in
Tabelle 13.1 die Term-Reihenfolge nach dem Modell der getrennten Atome eingetra-
gen ist, ist bei dem N2 -Molekül eine etwas andere Reihenfolge der Molekülorbitale aus
den 2 p-Atomorbitalen realisiert. Diese ist durch bisher nicht berücksichtigte Einflüsse
der übrigen (inneren) Elektronen bedingt. Mehr dazu noch im Korrelationsdiagramm,
Abb. 13.5.
Je zwei Elektronen in Abb. 13.4 besetzen die Orbitale 1sσ und 1sσ ∗ , 2sσ und 2sσ ∗ .
Von den übrig bleibenden sechs Elektronen besetzen vier das Orbital 2 pπ, die beiden
letzten das Orbital 2 pσ. Die sechs obersten Elektronen im Energiediagramm sind für
die Bindung verantwortlich. Sie besetzen 3 bindende Molekülorbitale. Dem entspricht
in der Chemie das Symbol der Dreifachbindung N≡N.
Wenn wir vom N2 -Molekül zum O2 -Molekül weitergehen (ebenfalls in Abb. 13.4
dargestellt), sind zwei weitere Elektronen unterzubringen. Für sie steht das Orbital 2 pπ ∗
262 13. Elektronen-Zustände

Abb. 13.4. Linkes Teilbild: Mo-


lekülorbitale von N2 , ihre Her-
kunft aus Atomorbitalen, und
ihre Besetzung mit Elektronen
im Grundzustand, nach dem
Molekülorbital-Schema. Die
energetische Reihenfolge der
aus den Atomorbitalen 2 p ent-
stehenden Molekülorbitale ergibt
sich aus dem Experiment und
ins Detail gehenden Rechnun-
gen über die Wechselwirkung
zwischen den Elektronen. Die
hier eingezeichnete Reihenfolge
ist bei den Molekülen H2 bis
N2 realisiert. In einer einfachen
ersten Näherung würde man
erwarten, daß die Aufspaltungen
2 pσ/2 pσ ∗ und 2 pπ/2 pπ ∗ je
symmetrisch zur Ausgangslage,
das heißt zu den Atomorbitalen,
sind, wie in Tabelle 13.1. Rech-
tes Teilbild: Das selbe für das
Molekül O2 . Diese Reihenfolge
gilt auch für F2

Abb. 13.5. Zuordnung der Mo-


lekülorbitale in einem zweiato-
migen homonuklearen System.
Links die Termbezeichnung im
Vereinigten-Kerne-Atom, rechts
für die getrennten Atome in
der Mitte für das Molekül. Die
Verbindung zwischen rechts
und links erfolgt in Wirklichkeit
nicht auf Geraden, wie hier
vereinfachend angenommen. Sie
muß berechnet werden. Die La-
ge einiger Moleküle im Dia-
gramm ist angedeutet. Nach
Herzberg
13.4 Mehrelektronenzustände und elektronische Gesamtzustände von zweiatomigen Molekülen 263

zur Verfügung. Dessen antibindender Charakter reduziert gegenüber N2 den Bindungs-


charakter zur Doppelbindung, O=O.
Übrigens erwartet man nach den Hundschen Regeln, daß die Spins der beiden 2 pπ ∗ -
Elektronen parallel stehen, weil das 2 pπ ∗ -Orbital mit zwei Elektronen nur halb besetzt
ist. Das stimmt mit der Beobachtung überein, daß O2 paramagnetisch ist, also die Spin-
quantenzahl S = 1 besitzt.
Insgesamt kann man die Elektronenkonfiguration des N2 -Moleküls mit σg 1s2 σu∗ 1s2 σg
2s2 σu∗ 2s2 σg 2 p2 πu 2 p4 beschreiben, hervorgegangen aus den Atom-Elektronen 1s2 2s2 2 p3
des N-Atoms. Beim O2 -Molekül kommt πg∗ 2 p2 hinzu.
In Abb. 13.5 ist schließlich in einem sogenannten Korrelations-Diagramm gezeigt,
wie man die Beziehung zwischen Orbitalen bei großem Kernabstand – wo die Reihen-
folge sich direkt aus den getrennten Atomen ergibt – und Orbitalen bei kleinem Kern-
abstand – wo sie durch das Vereinigte-Kerne-Atom bestimmt sind – herstellt. Jedes Or-
bital auf der linken Seite geht in eines auf der rechten Seite über. Dabei kann sich die
Reihenfolge von Orbitalen verschiedenen Typs, also etwa von π und σ-Orbitalen, als
Funktion des Kernabstandes ändern, indem Elektronen in solchen Orbitalen bindungs-
lockernd oder bindend wirken. Auf Details des Korrelations-Diagramms soll hier nicht
eingegangen werden. Dieses Korrelationsdiagramm enthält die Niveaufolge für die Mo-
leküle. Ganz leichte Moleküle wie H2 liegen links, nahe bei dem Vereinigten Kerne-
Atom. Schwere Moleküle wie etwa P2 liegen rechts, nahe bei den getrennten Atomen.
N2 liegt dazwischen.

13.4 Mehrelektronenzustände und elektronische Gesamtzustände


von zweiatomigen Molekülen
Für ein Molekül mit mehreren äußeren Elektronen muß man die gegenseitige Kopp-
lung der Elektronen betrachten, um zu einer Charakterisierung des Gesamtzustandes zu
kommen. Wie beim Atom kompensieren sich die Drehimpulse der inneren Elektronen
in abgeschlossenen Schalen gegenseitig zu Null. Es bleiben einige wenige äußere Elek-
tronen. Für deren Kopplung gilt als Vorzugsrichtung die Molekülachse. Die Kopplung
der Einzeldrehimpulse li , wobei sich der
√ Index auf das Elektron i bezieht, zum gesam-
ten Bahndrehimpuls L mit dem Betrag L(L + 1)h wird durch Einführung einer neuen
Quantenzahl Λ berücksichtigt, die die Komponente von L auf die Kernverbindungsli-
nie (also m L ) mißt. Es gilt L z = Λh, und Λ ist im Gegensatz zu L auch im nicht-
zentralsymmetrischen Potential eine gute Quantenzahl.
Dabei ist zu beachten, daß die Kopplung der li untereinander zur Resultierenden L
beim Molekül meistens schwächer ist als die Kopplung jedes einzelnen Elektrons an
das axiale Feld der Kerne. Die Vektoren li der äußersten Elektronen in unabgesättigten
Schalen präzedieren deshalb je für sich um die Kernverbindungslinie mit einer gequan-
telten Komponente ±λi , wobei hier λ = m l (und nicht |m l | wie in (13.4)) ist. Für den
resultierenden gesamten Bahndrehimpuls um die Kernverbindungslinie gilt als Quanten-
bedingung für die axiale oder z-Komponente
L z = ±Λh , mit Λ = |Σλi | , (13.6)
siehe Abb. 13.6.
Hierbei ist algebraisch zu addieren, da ja die Komponenten λi der Einzeldrehimpulse
alle in der Richtung der Molekülachse liegen. Wegen der Stärke des axialsymmetrischen
264 13. Elektronen-Zustände

elektrischen Feldes haben demnach die Kopplungsverhältnisse der Bahndrehimpulse in


der Elektronenhülle eines Moleküls eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Paschen-Back-
Effekt bei Atomen in einem starken Magnetfeld. Man erhält so im allgemeinen für eine
gegebene Elektronenkonfiguration mehrere verschiedene Gesamtzustände. Man bezeich-
net die Zustände mit den Werten
Λ = 0, 1, 2, . . . (13.7)
mit den Symbolen Σ, Π, ∆, . . . in Anlehnung an die Bezeichnungen σ, π, δ . . . bei Ein-
zelelektronenzuständen.
Ein Σ-Term mit Λ = 0 ist einfach, die anderen Terme sind jedoch zweifach entartet,
weil zu einem Wert von Λ zwei entgegengesetzte Umlauf-Richtungen der Elektronen
nach (13.6) gehören. Auch hier sind Zustände verschiedener Parität, gerade und unge-
rade Zustände Σg , Σu , Πg , Πu möglich.
Schließlich sind noch die Spins der Elektronen, das heißt, die vierte Quantenzahl m s ,
zu berücksichtigen. Die Spins werden durch das elektrische Feld in Richtung der Kern-
verbindungslinie nur wenig beeinflußt. Sie koppeln vielmehr vektoriell zu einem Ge-
samtspin S mit der Quantenzahl S = Σm si . Von diesem ist nur die Projektion Σ auf die
Vorzugsrichtung von Bedeutung. Die Elektronenbewegung erzeugt nämlich für Λ > 0
ein Magnetfeld in Achsenrichtung, um das der Vektor S mit der gequantelten Kompo-
nente Σh präzediert, so daß seine Komponente in dieser Richtung alle um ganze Zahlen
sich unterscheidende Werte zwischen +S und −S annehmen kann. Es gilt also
Sz = hΣ mit Σ = S, S − 1 . . . − S (13.8)
(siehe dazu Abb. 13.6).
Je nach der Elektronenzahl ist Σ ganz- oder halbzahlig.
Σ darf nicht mit der Termbezeichnung Σ (siehe oben) und nicht mit einem Sum-
menzeichen verwechselt werden.
Die zugehörige Quantenzahl S bestimmt die Multiplizität (2S + 1), die zu jedem
durch Λ bestimmten Zustand gehört. Bei zwei Elektronen kann S die Werte S = 1 und
S = 0 annehmen, d. h. es gibt die Multiplizitäten 3 und 1, also Triplett- und Singulett-
Zustände.
Infolge der magnetischen Spin-Bahn-Kopplung zwischen L und S spaltet also je-
der zu einem bestimmten Wert von Λ gehörende Term in ein Multiplett von 2S + 1
Termen auf. Diese unterscheiden sich durch die Quantenzahl des resultierenden elek-
tronischen Drehimpulses Ω ≤ |Λ + Σ| der Elektronenhülle in Richtung der Kernver-
bindung, Abb. 13.7. Wegen der starken Kopplung der Bahn- und Spin-Drehimpulse an
die Achse ist die axiale Komponente Ω des gesamten elektronischen Drehimpulses im
allgemeinen wichtiger als dieser selbst. Λ und Σ können jedoch relativ zur Kernverbin-
dungslinie gleich- oder entgegengesetzt gerichtet sein. So ergibt sich etwa bei Λ = 1,
Σ = 1 für Ω der Wert 2 oder 0. Die Größe der Aufspaltung läßt sich als Spin-Bahn-
Wechselwirkungsenergie W L S = ALS berechnen. Dies soll hier nicht ausgeführt wer-
Abb. 13.6. Zur Definition der den. Diese Art der Kopplung der Einzeldrehimpulse ist nicht die einzig mögliche. Sie
Molekül-Drehimpuls-Quanten- entspricht derjenigen, die wir bei Atomen als Russell-Saunders Kopplung kennengelernt
zahlen. Oben: Bahndrehimpuls haben. Je nach der Stärke der Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Spin- und
Λh als Komponente von L auf Bahndrehimpulsen sind auch andere Kopplungsfälle möglich.
die Kernverbindungs-Linie des
Moleküls AB. Unten: Spin Σh
Man beachte, daß Ω nicht etwa wie bei Atomen J = L + S den totalen Gesamtdreh-
als Komponente von S im von impuls des Moleküls mißt, sondern nur den von den Elektronen herrührenden Teil.
Λh erzeugten Magnetfeld Für den Gesamt-Drehimpuls liefert die Rotation des Moleküls, also der Hantel-
13.4 Mehrelektronenzustände und elektronische Gesamtzustände von zweiatomigen Molekülen 265

Drehimpuls N, noch einen zusätzlichen und entscheidenden Beitrag. Hierauf kommen


wir später noch einmal zurück. Vergleiche dazu Abb. 13.8.
Die Quantenzahlen einer Molekül-Wellenfunktion werden analog wie bei den Ato-
men in der Anordnung 2S+1 ΛΩ geschrieben, das heißt, man schreibt die Multiplizität
oben links und die Quantenzahl des resultierenden Drehimpulses um die Kernverbin-
dungslinie Ω unten rechts an das Λ-Termsymbol. Ω wird häufig auch weggelassen.
Hinzu kommen noch – siehe oben – die Symmetrie-Symbole u und g. Bei homonuklea-
ren Molekülen sind die Eigenfunktionen gerade oder ungerade, je nachdem ob sie eine
gerade oder ungerade Anzahl von ungeraden Orbitalen der Elektronen aufweisen. Hierzu
ein Beispiel: Ein Zustand sei durch die Konfigurationssymbole (2 pπ)(3sσ)(3dπ)4 ∆3/2
bezeichnet. Dies bedeutet: Es gibt 3 Valenzelektronen mit
n=2, l=1, λ=1
n=3, l=0, λ=0
n=3, l=2, λ=1. Abb. 13.7. Bahndrehimpuls und
Gesamtspin ergeben die Quan-
Für den Bahndrehimpuls gilt tenzahl Ω als Summe von Λ
und Σ, das heißt als Summe
der Quantenzahlen und damit
Λ=1+1=2, daher ∆ .
die Projektion auf die Kernver-
bindungslinie. Der zu Ω gehö-
Für den resultierenden Spin gilt rende elektronische Drehimpuls-
vektor J ist im unteren Teil-
1 1 1 3
S= + + = also 2S + 1 = 4 . bild gezeigt. Er müßte zur Un-
2 2 2 2 terscheidung von J in Abb. 13.8
eigentlich als J
bezeichnet wer-
Spin und Bahndrehimpuls sind antiparallel, also den

3 1
Ω =2− = .
2 2
Wegen der Multiplizität 4 sind auch die Konfigurationen
4
∆7/2 , 4 ∆5/2 , 4 ∆3/2
möglich.
Weiter wird noch in der Termsymbolik berücksichtigt, ob eine Molekülfunktion sym-
metrisch oder antisymmetrisch gegenüber einer Spiegelung an einer Ebene durch die
Kernverbindungslinie ist. Σ + und Σ − bedeutet in diesem Sinne symmetrisch oder an-
tisymmetrisch. Die Symbole g und u schließlich bezeichnen die Parität, das heißt, die

Abb. 13.8. Zur Kopplung


von Drehimpulsen in Mole-
külen. Bahndrehimpulse und
Spins ergeben den Elektronen-
Drehimpuls mit der Kom-
ponente Ω in der Kernver-
bindungslinie. Mit N ist der
Hantel-Drehimpuls der Molekül-
Rotation bezeichnet. N und Ω
ergeben den Gesamt-Drehimpuls
J als Vektorsumme. Dies ist
der Kopplungsfall A nach Hund
266 13. Elektronen-Zustände

Wellenfunktion behält oder ändert ihr Vorzeichen bei Inversion an einem Symmetrie-
zentrum des Moleküls.
Als weiteres Beispiel betrachten wir ein System von zwei Elektronen, von denen ei-
nes ein σg , das andere ein πu Orbital besetzt. Für Λ erhalten wir 1, es muß sich also ein
Π-Zustand ergeben. Da zwei Spins vorhanden sind, ist ein Triplett-Zustand mit S = 1
oder ein Singulett-Zustand mit S = 0 möglich. Da eines der Elektronen mit dem Index
gerade, das andere mit ungerade gekennzeichnet ist, muß die Gesamtwellenfunktion un-
gerade sein, wir erhalten also die Zustände 3 Πu und 1 Πu als mögliche Zustände für die
Elektronenkonfiguration σg πu . In gleicher Weise kann man zum Beispiel ableiten, daß
zu einer Konfiguration π 2 , das heißt zwei π-Elektronen, die Quantenzahlen Λ = 2 und 0
und die Gesamtzustände 1 Σ + , 1 Σ − , 1 ∆, 3 Σ + , 3 Σ − und 3 ∆ gehören können. Wenn
wir weiter das Pauli-Prinzip berücksichtigen, ergeben sich etwa für die Konfiguration
(2 pπu )2 nur noch die drei Möglichkeiten 3 Σg− , 1 ∆g und 1 Σg+ . Dies ist in Tabelle 13.2
und in Abb. 13.9 am Beispiel der Elektronenkonfiguration des O2 -Moleküls verdeutlicht.
Für das H2 -Molekül zeigt Abb. 13.10 einige mögliche angeregte Elektronenkonfigura-
tionen und dazu das tatsächlich beobachtete (vereinfachte) Termschema der niedersten
Anregungszustände. Ein vollständiges Termschema für das Singulett- und das Triplett-
System von H2 zeigt Abb. 13.11.
Um einen Molekülterm vollständig zu charakterisieren, setzt man schließlich noch
die Quantensymbole der Einzelelektronen vor diejenigen des Gesamtterms.
Den Grundzustand des H2 -Moleküls, das aus zwei Elektronen mit den Molekül-
Quantenzahlen 1sσ aufgebaut ist, können wir also mit den Symbolen (σg 1s)2 1 Σg+ kenn-
zeichnen. Andere Elektronenkonfigurationen der Grundzustände homonuklearer zwei-
atomiger Moleküle zeigt Tabelle 13.3. Hierbei fällt auf, daß viele, aber nicht alle Grund-
zustände von Molekülen Singulett-Zustände mit S = 0 sind. In Tabelle 13.3 sind B2 und
O2 dagegen mit der Gesamtspin-Quantenzahl S = 1 paramagnetisch.

Tabelle 13.2. Mögliche Kombinationen und Quantenzahlen bei der Elektronen-


Konfiguration (π2 p)2 . Entspricht der Konfiguration von O2 im Grundzustand.
5 weitere Pauli-verbotene Konfigurationen sind nicht eingetragen

λ1 λ2 s1 s2 Λ Σ Zustand

1 1 + + Pauli verboten –

1 1 + − ⎫
2 0 ⎪
1 1 − + ⎬
1∆
 ⎪
−1 −1 + − ⎭
−2 0
−1 −1 − +

1 −1 + + ⎫
0 1 ⎪
−1 1 + + ⎬
3Σ−
 ⎪
1 −1 − − ⎭
0 −1
−1 1 − −
 7
1 −1 + − 0 0
1Σ+
1 −1 − + 0 0
13.4 Mehrelektronenzustände und elektronische Gesamtzustände von zweiatomigen Molekülen 267

Abb. 13.9. Mögliche Konfigu-


rationen der beiden äußersten
Elektronen im O2 -Molekül
als Beispiel für die Konfigu-
ration πg2 , und Energien der
entsprechenden Terme

Wenn im Molekül äquivalente Elektronen vorhanden sind, d. h. Elektronen mit den-


selben Quantenzahlen n, l und m bzw. λ, dann benötigen wir wie erwähnt das Pauli-
Prinzip, um zu entscheiden, welche Elektronenzustände erlaubt sind. Dabei denken wir
uns die einzelnen Elektronen wieder entkoppelt, wie wir das auch bei den Atomen getan
haben, und nehmen einen kleinen Kernabstand R im Molekül an, also ein starkes Feld
mit Vorzugsrichtung. Dann müssen je zwei Elektronen des Moleküls sich in mindestens
einer der vier Quantenzahlen n, l, m l = ±λ und m s = ± 12 unterscheiden.
So kommt man zu Elektronenschalen der Moleküle, d. h. zu Gesamtheiten von Elek-
tronen mit gleichem n, l und λ = |m l |. Einen kleinen Überblick dazu haben wir schon
in Tabelle 13.1 gezeigt. Zum Beispiel wird so klar, daß in einem gegebenen σ-Orbital
höchstens zwei Elektronen, und zwar mit entgegengesetztem Spin, sein dürfen, in ei-
nem π, δ oder höheren Orbital jedoch vier Elektronen mit m l = ±λ und m s = ± 12 .
Eine Elektronenkonfiguration (1sσg )2 ergibt deshalb als Molekülzustand nur 1 Σg+ , eine
Konfiguration (2 pπu )2 dagegen drei Zustände, nämlich 3 Σg− , 1 ∆g und 1 Σg+ . Die Indizes
g und u beziehen sich nur auf ein homonukleares Molekül. Um nun für ein bestimm-
tes derartiges Molekül die tatsächlich vorkommenden Elektronenzustände zu kennzeich-

Abb. 13.10. Grundzustand und


tiefste elektronische Anregungs-
zustände des H2 -Moleküls.
Elektronenkonfigurationen und
vereinfachtes Termschema
268 13. Elektronen-Zustände

Abb. 13.11. Elektronische Ter-


me des H2 -Moleküls. Die vi-
bronischen Terme sind nur für
den Grundzustand angedeutet.
Der tiefste Triplett-Zustand
n pσ 3 Σu+ (n = 2) ist instabil.
Deshalb ist hier nur das Disso-
ziationskontinuum angedeutet.
Nach Herzberg

nen, müssen wir überlegen, wie wir die Elektronen auf die möglichen Orbitale zu vertei-
len haben. Wenn wir alle vorhandenen Elektronen der energetischen Reihenfolge nach
und unter Berücksichtigung des Pauli-Prinzips in die Orbitale verteilen, erhalten wir
den Grundzustand des Moleküls. Für das H2 -Molekül ist das der Zustand 1 Σg+ , bei
dem beide Elektronen in 1sσ-Orbitalen sitzen. Der Grundzustand des O2 -Moleküls ist
in Übereinstimmung mit den aus der Atomphysik bereits bekannten Hundschen Re-

Tabelle 13.3. Elektronenkonfiguration homonuklearer zweiatomiger Moleküle (die eingeklammerten Mo-


leküle sind nicht stabil)

Molekül Konfiguration Grundzustand


σg 1s σu∗ 1s σg 2s σu∗ 2s πu 2 p σg 2 p πg∗ 2 p σu∗ 2 p

H+2 ↑ 2Σ
g
H2 ↑↓ 1Σ
g
He+ 2 ↑↓ ↑ 2Σ
u
(He2 ) ↑↓ ↑↓ 1Σ
g
Li2 ↑↓ ↑↓ ↑↓ 1Σ
g
(Be2 ) ↑↓ ↑↓ ↑↓ ↑↓ 1Σ
g
B2 ↑↓ ↑↓ ↑↓ ↑↓ ↑↑ 3Σ
g
C2 ↑↓ ↑↓ ↑↓ ↑↓ ↑↑↓↓ 1Σ
g
N2 ↑↓ ↑↓ ↑↓ ↑↓ ↑↑↓↓ ↑↓ 1Σ
g
O2 ↑↓ ↑↓ ↑↓ ↑↓ ↑↑↓↓ ↑↓ ↑↑ 3Σ
g
F2 ↑↓ ↑↓ ↑↓ ↑↓ ↑↑↓↓ ↑↓ ↑↑↓↓ 1Σ
g
(Ne2 ) ↑↓ ↑↓ ↑↓ ↑↓ ↑↑↓↓ ↑↓ ↑↑↓↓ ↑↓ 1Σ
g
13.4 Mehrelektronenzustände und elektronische Gesamtzustände von zweiatomigen Molekülen 269

geln über die sukzessive Auffüllung von Schalen mit Elektronen jedoch paramagnetisch,
3 Σ + . Siehe hierzu auch Abb. 13.9.
g
Um die energetische Reihenfolge der Molekülorbitale zu erhalten, gehen wir von
den Atomorbitalen in den beiden Grenzfällen des Vereinigten-Kerne-Atoms und der ge-
trennten Atome aus und stellen die Verbindung zu den Molekülorbitalen her. Das ist in
Abb. 13.5 für homonukleare zweiatomige Moleküle gezeigt. Bei kontinuierlicher Ver-
größerung des Kernabstandes müssen die Orbitale am linken Rand von Abb. 13.5 in
diejenigen rechts übergehen. Bei der (qualitativ gemeinten) Einzeichnung der Korre-
lationslinien zwischen den beiden Grenzfällen muß man darauf achten, daß Orbitale
gleicher Symmetrie zusammengehören. Linien zwischen Zuständen gleicher Symme-
trie dürfen sich nicht schneiden, das wird in der Quantentheorie gezeigt (Aufhebung
der Entartung!). In Abb. 13.5 sind auch die ungefähren Lagen einiger Moleküle in die-
sem Diagramm eingezeichnet. H2 liegt nahe bei dem Vereinigten-Kerne-Atom, N2 da-
gegen viel näher beim Grenzfall der getrennten Atome. Die in Tabelle 13.3 angegebe-
nen Elektronen-Konfigurationen einer Anzahl homonuklearer Moleküle können wir jetzt
noch besser verstehen.
Natürlich ergeben sich aus den hier beschriebenen Elektronenkonfigurationen au-
ßer den Grundzuständen der betrachteten Moleküle auch deren mögliche Anregungs-
zustände. Für das H2 -Molekül zeigt Abb. 13.11 ein so abgeleitetes Termschema mit
Singulett- und Triplett-Systemen. Es enthält auch die Bezeichnungen der Terme und der
Elektronen-Konfigurationen.
Da die Elektronenanordnung auch die Bindungsverhältnisse zwischen den Atomker-
nen maßgeblich beeinflußt, ist es leicht verständlich, daß zu jeder verschiedenen Elek-
tronenanordnung, das heißt zu jedem angeregten Elektronenzustand des Moleküls, eine
eigene Potentialkurve gehört. Meistens ist das äußerste, das sogenannte Leuchtelek-
tron, an der Bindung beteiligt. Seine Anregung wirkt meistens bindungslockernd. Des-
halb wird der Gleichgewichtsabstand Re der angeregten Zustände meistens größer, die
Dissoziationsenergie D kleiner als die entsprechenden Werte des Grundzustandes. Ab-
bildung 13.12 zeigt als Beispiel Potentialkurven des angeregten H2 -Moleküls. Solche
Kurven berechnet man aus den Meßwerten für Dissoziationsenergie und Schwingungs-
quanten.
Ohne nähere Begründung seien hier noch die Auswahlregeln für elektrische Dipol-
übergänge genannt: Es muß gelten ∆Λ = 0, ±1, ∆S = 0, d. h. es gilt ein Interkombina-
tionsverbot zwischen Zuständen verschiedener Multiplizität, das allerdings wie bei Ato-
men mit schweren Kernen durch Spin-Bahn-Kopplung gelockert wird. Ein Beispiel für
solche Interkombinationsbanden sind die in der Atmosphäre beobachteten Sauerstoff-
Banden des Überganges 3 Σ → 1 Σ des Moleküls O2 , siehe auch Abb. 13.9. Weiterhin
sind nur Übergänge mit Paritätswechsel u → g oder g → u erlaubt.
Die Elektronenzustände größerer Moleküle werden nach den gleichen Prinzipien
klassifiziert wie die der hier behandelten kleinen. Darauf wollen wir hier nicht im
einzelnen eingehen.
Bei der Behandlung der Drehimpuls-Kopplung nach dem Schema
Λ+Σ →Ω ,
wobei der Vektor L um die Kernverbindungsachse und S um das durch Λ gegebene
Magnetfeld präzedieren, haben wir, wie bereits weiter oben erwähnt, allerdings noch
nicht den Drehimpuls N der Molekül-Rotation berücksichtigt. Tatsächlich ergibt sich
der gesamte Drehimpuls des Moleküls aus der Wechselwirkung von N mit dem gesam-
270 13. Elektronen-Zustände

Abb. 13.12. Berechnete Potenti-


alkurven für verschiedene Anre-
gungszustände des H2 -Moleküls.
Nach Finkelnburg

ten Hüllendrehimpuls Ω. Es gilt also Ω + N = J, wenn mit J der gesamte (Raum-


feste) Drehimpuls des Moleküls bezeichnet wird, siehe dazu Abb. 13.8. Weil die Rota-
tion des Moleküls als Ganzes ein weiteres Magnetfeld erzeugt, werden die Kopplungs-
möglichkeiten zwischen den verschiedenen Drehimpulsen vielfältiger. Durch die Kon-
kurrenz der Magnetfelder, die die Kopplung zwischen den Vektoren der Molekülrota-
tion, der Bahndrehimpulse und der Spins hervorrufen, können eine Anzahl verschiede-
ner Kopplungsfälle zwischen den Drehimpulsen auftreten, ähnlich wie wir es auch in
der Atomphysik kennengelernt haben, mit Zeeman- und Paschen-Back-Effekt als Grenz-
fällen.
Diese verschiedenen bei der Wechselwirkung von Elektronenbewegung und Mole-
külrotation möglichen Kopplungsfälle wurden von Hund aufgeklärt und klassifiziert.
Sie unterscheiden sich durch die unterschiedliche Bedeutung der Molekülachse als
Vorzugsrichtung. Wir haben uns hier (in Abb. 13.8) auf den Kopplungsfall A der fünf
von Hund unterschiedenen Fälle A, B, C, D, E beschränkt, bei dem die Molekülachse
als Vorzugsrichtung überwiegt. Die anderen Fälle und ihren Einfluß auf Molekül-
terme und Spektren, zum Beispiel das Analogon zur jj-Kopplung in der Atomphy-
sik, wollen wir hier nicht behandeln, da dies den Rahmen einer Einführung sprengen
würde. Ihre genaue Analyse gestattet jedoch eine vollständige Analyse der die Elek-
tronenkonfigurationen in den beiden durch ein Bandensystem verknüpften Zuständen
kennzeichnenden Quantenzahlen Λ, Σ und Ω. Sie erlaubt damit eine Aufklärung al-
ler Aussagen, die über ein Molekül aus spektroskopischen Untersuchungen möglich
sind.
Aufgaben 271

13.5 Als Beispiel: Elektronenzustände von H2


Zusammenfassend und als Beispiel wollen wir noch einmal die Elektronenkonfiguratio-
nen und Molekül-Orbitale des einfachsten Moleküls, H2 , erläutern. Dabei beziehen wir
uns auf Abb. 13.11.
Das Molekül enthält 2 Elektronen, es gibt also Singulett- und Triplett-Zustände. Im
Grundzustand sind beide σ-Elektronen mit λ = 0, es ist also ein 1 Σ-Zustand. Die Sym-
metrie ist gerade, deshalb schreibt man 1 Σg . Schließlich berücksichtigt man noch das
Symmetrieverhalten gegenüber einer Spiegelung an Ebenen, die man durch beide Kerne
legen kann. Dies ist hier symmetrisch, die Wellenfunktionen werden dabei nicht geän-
dert. Das komplette Termsymbol ist deshalb 1sσg2 1 Σg+ .
Die tiefsten angeregten Zustände sind solche, bei denen eines der beiden 1s Elektro-
nen in ein bindendes 2s- oder 2π-Orbital (Tabelle 13.1) gehoben wird, also (1sσg 2sσg ),
(1sσg 2 pσg ), (1sσg 2 pπu ). Bei der ersten dieser Konfigurationen gilt dasselbe wie für den
Grundzustand, also lautet das Termsymbol 1 Σg+ . Für die zweite Konfiguration müssen
wir schreiben 1 Σu+ , weil eines der Elektronen aus einem ungeraden 2 p-Zustand stammt.
Ungerade ist auch der dritte Term, aber nun mit Λ = λ1 +λ2 = 1 ergibt sich das Symbol
1 Π . Die energetische Reihenfolge dieser 3 Terme ergibt sich nach Tabelle 13.1, wie in
u
Abb. 13.11 gezeigt: 1 Σu+ < 1 Πu < 1 Σg+ .
Weitere mögliche Zustände ergeben sich, wenn man eines der beiden Elektronen in
die Quantenzustände 3, 4 oder höher anregt. Hat man beispielsweise die Elektronen-
konfiguration (1sσ nd ), so findet man die möglichen Terme (1sσ nd σ) 1 Σg+ , (1sσ nd π)
1 Π , (1sσ nd δ) 1 ∆ , in dieser energetischen Reihenfolge.
g g
Für optische Übergänge gelten die Auswahlregeln ∆Λ = 0, ±1 (also Σ → Σ oder
Σ → Π), ∆S = 0, damit auch ∆Ω = 0, ±1. Schließlich gilt für die Symmetrie-
Eigenschaften, daß sich das Vorzeichen (+ oder −) nicht ändern darf, dagegen muß sich
der g-Charakter in u und umgekehrt ändern.
Nun noch zu den Triplett-Zuständen mit S = 1. Nach Pauli sind die tiefsten mög-
lichen Elektronen-Konfigurationen (1sσg 2sσg ), (1sσg 2 pσg ) und (1sσg 2 pπu ). Dazu ge-
hören, in dieser energetischen Reihenfolge, die Termsymbole 3 Σu+ , 3 Π und 3 Σg− . Der
Zustand, der zu 3 Σu+ gehört, ist nicht bindend, das Molekül dissoziiert bei entsprechen-
der Anregung. Er ist in Abb. 13.11 deshalb als Kontinuum eingezeichnet.

Aufgaben
13.1 Welche Informationen sind in den Termsymbolen 1 Σ + , 1 Σu+ , 3 Φ3 , 3 Φ3− und
3 Φ − enthalten?
g3

13.2 Zwei unterschiedliche Atome A und B mit den Elektronenkonfigurationen 1s


und 1s2 2s2 2 p bilden das Molekül AB. Ermitteln Sie für AB die möglichen Elektro-
nenterme.

13.3 a) Wie lauten die Elektronenkonfigurationen der Moleküle O+ −


2 , O2 , O2 und
O2−
2 ?
b) Bestimmen Sie die Termsymbole 2S+1 Λ± g,u der Grundzustände für die Moleküle
aus (a). Begründen Sie gegebenenfalls Ihre Wahl des Grundzustands.
272 13. Elektronen-Zustände

c) Wie ändern sich die Elektronenkonfiguration und das Termsymbol beim energe-
tisch tiefsten erlaubten Übergang von O2 ?
13.4 Der angeregte Zustand 3 Πu des Wasserstoffmoleküls H2 ist stabil gegenüber den
beiden H-Atomen, die bei der Dissoziation aus diesem Zustand entstehen. Von den bei-
den neutralen Dissoziationsprodukten befindet sich eines in einem angeregten, das an-
dere im Grundzustand.
Welche Elektronenkonfiguration hat das Molekül in dem beschriebenen Zustand?
14. Elektronenspektren von Molekülen

Elektronische Übergänge in Molekülen führen zu außerordentlich linienreichen Spek-


tren, weil sich beim Übergang außer dem elektronischen Zustand auch Schwingungs
und Rotationszustände ändern. Die Analyse der entstehenden Bandenspektren kann des-
halb sehr unübersichtlich und mühsam werden. In den Abschn. 14.1 bis 14.4 werden die
wichtigsten Konzepte zum Verständnis und zur Analyse erörtert. Abschnitt 14.6 enthält
wieder einen Ausblick auf größere Moleküle.

14.1 Schwingungsstruktur der Bandensysteme kleiner Moleküle,


Franck-Condon-Prinzip
Wir haben im vorigen Kapitel nur die Elektronenkonfigurationen bei einem starren
Kerngerüst betrachtet. Jetzt wollen wir auch die Schwingungen der Atomkerne in die
Betrachtungen mit einbeziehen. Dabei erinnern wir uns an die in Abschn. 11.1 be-
handelte Born-Oppenheimer-Näherung, die es uns erlaubt, Elektronenbewegung und
Schwingung gedanklich und praktisch in gewissem Umfang voneinander zu trennen.
In diesem Abschnitt beschäftigen wir uns mit den elektronischen Bandenspektren
von Molekülen, das heißt mit elektronischen Übergängen, die von Änderungen des
molekularen Schwingungszustandes begleitet werden. Das ist gewissermaßen deren
Grobstruktur. Die gesamte Struktur ergibt sich erst, wenn wir zusätzlich noch den Ein-
fluß der Molekül-Rotation auf die Spektren mit einbeziehen. Das wird im nächsten
Abschnitt geschehen.
Bei jedem Elektronenzustand werden wir eine spezifische Potentialkurve für die po-
tentielle Energie der Kern-Konfiguration als Funktion einer Abstands-Koordinate zu er-
warten haben, wie wir sie bereits in Kap. 10 kennengelernt haben. Außer der Energie
E 0 und E 1 für Grund- und Anregungszustand des Elektrons sind die Gleichgewichts-
abstände Re der Atome im Molekül in den verschiedenen Elektronenzuständen und die
Dissoziationsenergien die wichtigsten Größen, die wir kennen und verstehen wollen,
siehe dazu Abb. 13.1 und 13.12. Die Gleichgewichtsabstände Re sind meistens in den
angeregten Elektronenzuständen größer als im Grundzustand, da die Bindung bei Elek-
tronenanregung meistens schwächer wird. Es kommt jedoch auch der umgekehrte Fall
vor, z. B. wenn die Anregung ein antibindendes Elektron in ein bindendes Orbital hebt.
Einige weitere Beispiele für Potentialkurven von angeregten Zuständen zeigt Abb. 14.1.
Wir haben hier als Beispiel das O2 -Molekül gewählt. Die Potentialkurven gehören zu
Zuständen aus dem Termschema von Abb. 13.9. Zu jeder dieser Potentialkurven gehö-
ren Schwingungszustände, wie wir sie in Kap. 10 und 11 bereits kennengelernt haben.
Die Frequenz und damit die Quantenenergie einer bestimmten Normalschwingung des
Moleküls ändert sich im allgemeinen von elektronischem Anregungszustand zu elek-
tronischem Anregungszustand des Moleküls. Das ist bei einem zweiatomigen Molekül
274 14. Elektronenspektren von Molekülen

Abb. 14.1. Potentialkurven der


niedersten Elektronenzustände
von O2 , vergleiche dazu
Abb. 13.9. Nach Herzberg

besonders leicht verständlich. Die Frequenz der Dehnungsschwingung wird ja durch die
Bindungskraft zwischen den beiden Kernen bestimmt, und diese ändert sich bei elek-
tronischer Anregung. Die Schwingungsquantenzahl v wird bei der Kennzeichnung von
Übergängen mit v

im tieferen Zustand und mit v


im höheren Zustand bezeichnet.
Betrachten wir zunächst die Licht-Absorption. Elektronenübergänge aus dem Grund-
zustand des Moleküls mit der elektronischen Energie E el

und der Schwingungsquanten-


zahl v = 0 in einen elektronischen Anregungszustand führen im allgemeinen nicht zu


nur einer Absorptionslinie, sondern zu einer Vielzahl von Linien, einer Bande oder ei-
nem Bandensystem. Die Bandenstruktur rührt daher, daß, wie in Abb. 14.2 erläutert, die
elektronischen Übergänge von Änderungen der Schwingungsquantenzahl begleitet sind,
das heißt, es handelt sich um Übergänge E el

(v

) → E
(v
). Ferner ist diesen Schwin-
el
gungsübergängen zusätzlich noch eine Rotationsstruktur überlagert, mehr dazu siehe im
nächsten Abschnitt. Die Intensität derartiger elektronisch-vibronischer Übergänge wird
durch die sogenannten Übergangs-Matrixelemente (und die elektronischen Auswahl-
regeln) bestimmt, die wir insbesondere in Abschn. 16.4 näher kennenlernen werden.
Hierbei ergibt sich, daß der rein elektronische Anteil zu diesen Matrixelementen von

Abb. 14.2. Linkes Teilbild:


Schema eines Bandensystems:
Aus einem Grundzustand
(v

= 0) erfolgen Übergänge
in verschiedene Schwingungs-
niveaus mit den Quantenzahlen
v
= 0, 1, 2 . . . mit unterschied-
licher Intensität. Dazu kommt
die Rotationsstruktur. Rechtes
Teilbild: Die Schwingungsstruk-
tur bei der Absorption aus dem
elektronischen Grundzustand E

vom Niveau v

= 0 in einen
elektronischen Anregungszu-
stand E
mit den Schwingungs-
niveaus v
= 0, 1, . . . , 6, wie
im Spektrum zu beobachten,
schematisch
14.1 Schwingungsstruktur der Bandensysteme kleiner Moleküle, Franck-Condon-Prinzip 275

Abb. 14.3. Zur Erläuterung des


Franck-Condon-Prinzips. Die
Absorption vom Schwingungs-
grundzustand ist für denjeni-
gen Übergang in einen Schwin-
gungsterm eines höheren elek-
tronischen Zustandes am stärk-
sten, der in der Potentialdar-
stellung mit dem Maximum
seiner Wellenfunktion senkrecht
darüber liegt. Übergänge zu an-
deren Schwingungstermen sind
ebenfalls möglich, aber mit ge-
ringerer Wahrscheinlichkeit.
Aufgetragen sind die Gesamt-
energie und zwei Potentialkur-
ven für die Kernkoordinaten.
Die Nullpunkte der beiden Kur-
ven sind wegen der elektroni-
schen Anregung gegeneinander
verschoben. In jedem der beiden
der Schwingungsquantenzahl in erster Näherung unabhängig ist. Für den vibronischen Potentiale gibt es Kernschwin-
gungen. Die Wellenfunktion ist
Anteil an diesen Übergangs-Matrixelementen zwischen Zuständen mit den Quantenzah- hier als Beispiel für v

= 0 und
len v
und v

gibt es keine strengen Auswahlgesetze. Es gibt vielmehr nur Regeln, die für v
= 6 eingezeichnet
durch das wichtige und sehr anschauliche Franck-Condon-Prinzip formuliert werden.
Dieses macht Aussagen über Wahrscheinlichkeiten der einzelnen vibronischen Über-
gänge und damit über die Intensitäten im Bandenspektrum und über die Grobstruktur
dieses Spektrums.
Dieses Franck-Condon-Prinzip wird anhand von Abb. 14.3 erläutert, wobei wir die
Rotationsterme zunächst noch weglassen und nur die Schwingungen berücksichtigen. Es
macht in sehr anschaulicher Weise von der Tatsache Gebrauch, daß die Elektronenbewe-
gung schnell im Vergleich mit der Kernbewegung erfolgt. Während eines elektronischen
Überganges werden sich deshalb Lage und Geschwindigkeit der Kern-Koordinaten
nicht merklich ändern. Elektronenübergänge erfolgen dementsprechend überwiegend
senkrecht im Diagramm der Abb. 14.3 unter Erhaltung des Kernabstandes R und mit
größter Wahrscheinlichkeit zwischen den Bereichen der Schwingungsfunktion, in denen
die Amplitude der Funktion und damit die Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Kerne am
größten ist.
Im klassischen Bild halten sich die Kerne in den Umkehrpunkten, d. h. auf den
Schnittpunkten zwischen Schwingungsniveau und Potentialkurve, am längsten auf (mit
Ausnahme des tiefsten Schwingungsniveaus v = 0 gilt dies auch quantentheoretisch,
dort ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit in der Mitte am größten). Die Übergänge
erfolgen also mit der größten Wahrscheinlichkeit von und zu diesen Schnittpunkten
(bzw. dem Zentrum des tiefsten Schwingungsniveaus v = 0). Wegen der endlichen
Breite der Wahrscheinlichkeitsbereiche gibt es jedoch nicht einen scharfen Übergang
mit definierter Schwingungs-Anregung, sondern man erhält mit unterschiedlicher Wahr-
scheinlichkeit Übergänge zu benachbarten Schwingungsniveaus. Die quantenmechani-
sche Formulierung (siehe Abschn. 16.4) besagt, daß die Übergangswahrscheinlichkeit
durch das Franck-Condon-Integral bestimmt wird:

χv
(R)χv

dVKerne (14.1)
276 14. Elektronenspektren von Molekülen

Abb. 14.4. Zum Franck-Con-


don-Prinzip. Je nachdem, ob der
Kernabstand im Molekül bei
elektronischer Anregung gleich
bleibt (links), etwas zunimmt
(Mitte) oder stark zunimmt
(rechts), ergeben sich unter-
schiedliche Intensitätsverhältnis-
se für die verschiedenen vibro-
nischen Banden, die zu einem
elektronischen Übergang gehö-
ren. Es ist jeweils nur derjenige
Übergang eingezeichnet, der im
Bereich größter Aufenthalts-
wahrscheinlichkeit im Zustand
v

= 0 beginnt. Im Spektrum
bedeutet das maximale Intensität
für den 0,0-Übergang (links),
für einen höheren Schwingungs-
zustand (Mitte), und fast für die
Dissoziation (rechts)

d. h. das Überlappungsintegral der Kernschwingungs-Funktion χv

, die mit dem elek-


tronischen Grundzustand E

verknüpft ist, mit der Funktion χv


, die zum elektroni-
schen Anregungszustand E
gehört, bei der Auslenkung R, integriert über das gesamte
Molekül-Volumen, vergleiche hierzu Abschn. 16.4.
Im Sonderfall, daß sich bei der Elektronen-Anregung der Kernabstand nicht ändert,
Re

= Re
, liegen die beiden Potentialkurven mit ihren Minima senkrecht übereinander.
Der senkrechte Übergang von v

= 0 zu v
= 0 ist dann am stärksten, alle anderen vi-
bronischen Übergänge sind schwächer, wenn wir annehmen, daß das Molekül sich an-
fänglich im elektronischen Grundzustand mit v

= 0 befindet. Siehe dazu Abb. 14.4,


linkes Teilbild.
Meistens ist jedoch der Gleichgewichtsabstand im angeregten Zustand größer,
Re

< Re
, das heißt, die Anregung wirkt Bindungs-lockernd. Wenn im elektronischen
Grundzustand nur der Ausgangszustand v

= 0, also der Zustand der Nullpunktschwin-


gung thermisch besetzt ist, erhält man Übergänge von v

= 0 in mehrere v
-Niveaus
des elektronischen Anregungszustandes entsprechend den Franck-Condon-Integralen.
Die Energiedifferenzen zwischen Ausgangs- und Endzustand, also die Quantenenergie
der vibronischen Linien im Bandenspektrum, lauten
2   2 3

1 1
∆E = hν = E el + hνe
v
+ − xe
v
+
2 2
& 2    37

1 2
− E el + hνe v + − xe v + . (14.2)
2 2

, E
die elektronische Energie im Grundzustand (

) und im elektroni-
Hierbei ist E el el
schen Anregungszustand (
), hνe
und hνe

das nach Abschn. 10.3 auf den Gleichge-


wichtsabstand extrapolierte Schwingungsquant in Grund- und Anregungszustand. Da
wir bisher die Rotation der Moleküle gar nicht berücksichtigt haben, gilt (14.2) nur für
14.1 Schwingungsstruktur der Bandensysteme kleiner Moleküle, Franck-Condon-Prinzip 277

die sogenannten Nullinien der Banden. Sie kann auch zur Darstellung der Bandkanten
(siehe Abschn. 14.2) verwendet werden.
Insgesamt kann man die verschiedenen möglichen Intensitätsverteilungen in Banden-
spektren nach Abb. 14.4 verstehen. Wenn der Gleichgewichts-Kernabstand Re in beiden
Elektronenzuständen gleich groß ist, dann sind die Banden mit v

→ v
= 0 → 0,
1 → 1, 2 → 2 am intensivsten. Wenn der elektronische Anregungszustand einen etwas
größeren Bindungsabstand (Re
> Re

) besitzt, dann kann zum Beispiel der senkrechte


Übergang von v

= 0 in den oberen Schwingungszustand v


= 2 erfolgen, und dies
wird die intensivste Linie im Absorptionsspektrum (Abb. 14.4, Mitte). Übergänge zu
höheren und kleineren Werten von v
sind weniger wahrscheinlich und man erhält die
angegebene Intensitätsverteilung im Spektrum. Ist die Abstandsänderung bei der elek-
tronischen Anregung jedoch groß, Abb. 14.4 rechts, dann werden senkrechte Übergänge
in Zuständen mit noch größeren Werten von v
und sogar im Bereich des Dissoziations-
kontinuums enden.
Wenn mit der Absorption eine Bindungsverfestigung verbunden ist, dann ergibt sich
ein Bandenspektrum mit geänderter Intensitätsverteilung. Die Linie mit der kleinsten
Quantenenergie hat nicht mehr die größte Intensität. Die Intensitätsverteilung ist ähn-
lich wie diejenige in Abb. 14.4, Mitte. Man erhält auch hier neben der Linie beziehungs-
weise Bande v

= 0 → v
= 0 (0,0-Linie), Linien mit v
= 1, v
= 2 usw., die jedoch
intensiver sind als die 0,0-Linie.
Diese nach dem Franck-Condon-Prinzip verständliche Intensitätsverteilung in den
Bandensystemen kann man mit einem zweidimensionalen Schema deutlich machen, in-
dem man die Übergänge zwischen zwei Schwingungstermsystemen in ein Koordinaten-
system v
, v

aufträgt. In diesem sogenannten Kantenschema, Abb. 14.5, wird als Ab-


szisse die Quantenzahl v

der Schwingung im unteren elektronischen Zustand, als Or-


dinate die Quantenzahl v
des oberen Zustandes aufgetragen. In diesem Koordinatensy-
stem trägt man die Intensität der zu den Übergängen v

→ v
oder v
→ v

gehören-
den Banden auf. Wenn die Potentialkurven im oberen und unteren Zustand senkrecht
übereinanderliegen (Abb. 14.4, links), liegen die intensivsten Banden auf der Diagona-
len des Kantenschemas, sonst (Abb. 14.4, Mitte und rechts) auf einer Parabel, die mehr
oder weniger gekrümmt ist, wobei der in Abb. 14.5 linke Ast der Parabel bevorzugt zur
Absorption, der rechte Ast zur Emission gehört. In ein solches Kantenschema kann man
statt der Intensität der beobachteten Übergänge auch ihre Quantenenergien eintragen. So
kann man in übersichtlicher Weise die Termdifferenzen der Schwingungsterme auftra-
gen und bestimmen.

Abb. 14.5. Kantenschema von


Bandenspektren für den Fall ei-
ner Änderung des Kernabstan-
des bei der Anregung (Parabel-
Bögen), sowie bei gleichbleiben-
dem Abstand (Diagonale). Der
obere Ast gilt für Emission (v
=
const, v

= 2, 3, 4 . . . ), der
untere für Absorption (v

=
const, v
= 2, 3, 4 . . . )
278 14. Elektronenspektren von Molekülen

Abb. 14.6. Die intensivsten


Schwingungsbanden in einem
„Gruppenspektrum“, links (Kern-
abstände in beiden elektroni-
schen Zuständen annähernd
gleich) und in einem „Reihen-
spektrum“, rechts, bei großer
Änderung des Kernabstandes
vergleiche auch Abb. 14.4
und 14.5

Aus dem Franck-Condon-Prinzip folgt ein ganz verschiedenes Aussehen des Ban-
densystems, je nachdem wie sich der Kernabstand bei der Anregung ändert. Beson-
ders wichtig sind die beiden Extremfälle, nämlich Kernabstandsänderung bei Anregung
gleich Null oder groß. Diese beiden als Gruppenspektrum und als Reihenspektrum be-
zeichneten Grenzfälle werden mit Abb. 14.6 erklärt.

Abb. 14.7. Absorption und Fluo-


reszenz (gestrichelt) nach dem
Franck-Condon-Prinzip. Wenn
die Potentialkurven von Grund-
und Anregungszustand gegen-
einander verschoben sind, dann
liegen die Absorptionsübergänge
bei größeren Quantenenergien
als die Emissionsübergänge. Da-
bei ist berücksichtigt, daß die
Emission nach Relaxation im
Anregungszustand aus dem tief-
sten Schwingungsniveau heraus
erfolgt
14.1 Schwingungsstruktur der Bandensysteme kleiner Moleküle, Franck-Condon-Prinzip 279

Im Falle Re
= Re

erhält man ein in Abb. 14.6 links gezeigtes Gruppenspektrum:


Es besteht aus den Übergängen ∆v = 0 (das heißt die Diagonale im Kantenschema)
und (mit geringerer Intensität) aus den Nebendiagonalen mit ∆v = ±1. Das Spektrum
besteht dann aus wenigen Gruppen eng beieinander liegender Banden. So ist es zum
Beispiel in Bandenspektren von CN und C2 (im Kohlelichtbogen zu beobachten). – Im
Falle Re
> Re

erhält man dagegen (vergleiche Abb. 14.4) in Absorption bevorzugt einen


Bandenzug mit gleichem unteren Zustand, in Emission einen dagegen spektral verscho-
benen mit gleichem oberen Zustand. Ein solches zum Beispiel beim J2 -Molekül zu be-
obachtendes Reihenspektrum ist schematisch in Abb. 14.6 rechts erklärt. Die Abstände
zwischen den Banden ergeben direkt die Größe der Schwingungsquanten in den ver-
schiedenen elektronischen Zuständen.
Man kann so aus der Intensitätsverteilung innerhalb der vibronischen Komponenten
des Spektrums, also innerhalb eines Bandensystems, Rückschlüsse darauf ziehen, ob
und wie sich der Gleichgewichtsabstand Re der Kerne im Molekül zwischen Grund-
und Anregungszustand ändert. Dies wird mit dem Franck-Condon-Prinzip leicht ver-
ständlich.
In Emission beobachtet man im Prinzip die gleichen Bandenspektren wie in Absorp-
tion. Tatsächlich werden viele Moleküluntersuchungen in Emission vorgenommen, weil
sich diese in Gasentladungen leicht anregen läßt. Auch hier gilt das Franck-Condon-
Prinzip und man erhält „senkrechte“ Übergänge von der höheren Potentialkurve zu der-
jenigen des Grundzustandes wie in Abb. 14.7 gezeigt. Allerdings ist der Ausgangspunkt
der Emission nicht notwendigerweise identisch mit dem Endpunkt eines Absorptions-
prozesses. Die Ankopplung des durch Absorption erreichten angeregten Zustandes an
das Strahlungsfeld ist häufig relativ schwach, so daß durch Stöße mit anderen Molekülen
zwischen Anregung und Emission eine Relaxation innerhalb des angeregten Moleküls,
verbunden mit einer Einstellung auf den neuen Gleichgewichtsabstand, stattfinden kann.

Abb. 14.8. Absorption und


Fluoreszenz eines Moleküls.
Im Absorptionsspektrum beob-
achtet man die Schwingungs-
struktur des elektronischen
Anregungszustandes, im Fluo-
reszenzspektrum diejenige im
Grundzustand. Das Fluoreszenz-
spektrum ist gegenüber dem
Absorptionsspektrum nach klei-
neren Energien verschoben. Der
schwingungslose 0,0-Übergang
(v
= v

= 0) kann bei geringer


Verschiebung beider Spektren
gemeinsam sein, im übrigen
sind sie spiegelbildlich zuein-
ander. Die hier aufgetragene
Linienbreite ist für ein Spektrum
in kondensierter Phase (Lösung)
typisch. Rotationsstruktur wird
nicht aufgelöst
280 14. Elektronenspektren von Molekülen

Wie schnell eine solche Relaxation im Anregungszustand und eine erneute Ther-
malisierung abläuft, hängt entscheidend von der Wechselwirkungs-Möglichkeit mit der
Umgebung, d. h. in Gasen vom Druck ab. Ein isoliertes Molekül im Weltraum hat nur
sehr wenig Möglichkeit, seine Überschußenergie an Schwingung gegenüber der Umge-
bung abzugeben, weil die Wahrscheinlichkeit für die Abgabe von Schwingungsquanten
durch Strahlung mit der Frequenz der Schwingung klein ist, und weil Stöße mit an-
deren Molekülen und dadurch möglicher Energieaustausch nicht stattfinden. Bei einem
Molekül in kondensierter Phase geschieht die Thermalisierung, das heißt die Rückfüh-
rung der Schwingungsenergie des Moleküls auf einen mittleren Wert kT , wenn T die
Temperatur ist, jedoch im Zeitraum von Picosekunden. Das Emissionsspektrum eines
Moleküls hängt also nicht nur von der Temperatur ab, sondern auch von der Möglich-
keit des Moleküls, Schwingungsquanten mit v
= 0 abzugeben, bevor eine Emission –
dann bevorzugt aus dem Zustand v
= 0 – erfolgt. In Abb. 14.8 ist dies schematisch
gezeigt. Es wird dabei auch deutlich, daß sich auf diese Weise eine Art von Spiegelbild-
lichkeit zwischen Absorptionsspektrum und Emissionsspektrum mit dem 0,0-Übergang
(v
= v

= 0) als Mitte ergibt.

14.2 Rotationsstruktur von elektronischen Bandenspektren


kleiner Moleküle, Übersicht und Auswahlregeln

Herausragendes Merkmal von molekularen Bandenspektren im Vergleich zu atomaren


Linienspektren ist die ungeheuer große Zahl von Linien, wenn man mit hinreichend
hoher Auflösung beobachtet. Man braucht nicht nur apparativ eine hohe spektrale Auf-
lösung, sondern man muß auch Druckverbreiterung und Verbreiterung der Linien durch
den Doppler-Effekt (vgl. I, Abschn. 16.2) so weit wie möglich ausschließen. Dann
beobachtet man eine sehr ausgeprägte und linienreiche „Feinstruktur“ der im vorigen
Abschnitt behandelten elektronisch-vibronischen Übergänge. Dies ist in erster Linie
die Rotationsstruktur. Das Spektrum des Jod-Moleküls weist beispielsweise im sicht-
baren Spektralbereich mehr als 20 000 Linien auf! Einen kleinen Teil des Linienreich-
tums haben wir als Schwingungsstruktur bereits erklärt. In Abb. 14.9 (links) wird dies
noch einmal verdeutlicht. Den ganzen Linienreichtum versteht man jedoch erst, wenn
man berücksichtigt, daß jedes der bisher behandelten Schwingungsniveaus noch eine
Rotationsstruktur aufweist (Abb. 14.9, rechts). Ohne hinreichende spektrale Auflö-
sung dieser Struktur beobachtet man nur „Bandenkanten“ mit einer Abschattierung,
d. h. einen kontinuierlichen Abfall der Emissions- oder Absorptionsstärke nach einer
Seite hin.
Wir beschränken uns zunächst auf den einfachsten Fall eines zweiatomigen Hantel-
Moleküls. Für die Wellenzahl eines Überganges zwischen zwei Termen

T = T el + G v + Fv,J (14.3)

gilt

ν̄ = T
− T

= T
− T

+ G
v
− G

+ Fv

,J
− Fv

,J

el el

= ∆T el + ∆G + ∆F . (14.4)
14.2 Rotationsstruktur von elektronischen Bandenspektren kleiner Moleküle 281

Abb. 14.9. Linkes Teilbild: Zur


Erläuterung des Linienreichtums
in Bandenspektren. Jeder Über-
gangspfeil im linken Teilbild be-
deutet nicht eine Spektrallinie,
sondern die Kanten- oder die
Nullinie einer ganzen Bande,
siehe dazu das rechte Teil-
bild. Im unteren Teilbild sind
schematisch einige Bandensy-
steme aus dem Termschema
aufgetragen, wobei jede Linie
eine ganze Bande bedeutet.
Das beobachtete Spektrum ist
eine Überlagerung von Ban-
densystemen. Man faßt sie
auch zu Bandensystem-Serien
zusammen. Nach R. W. Pohl.
Die Schwingungsquantenzahlen
sind hier mit s bezeichnet, die
Symbole für die Teilspektren
sind historisch. Die Übergänge
sind hier als Emission einge-
zeichnet, zur Vereinfachung aus
nur jeweils 2 Schwingungsnive-
aus, I5 bedeutet Übergänge aus
dem Schwingungsniveau s = 5
im elektrischen Zustand I. Das
rechte Teilbild zeigt eine nach
langen Wellenlängen abschat-
tierte Bande des Moleküls AlH
mit der Kantenlinie λ = 435 nm
mit aufgelöster Rotationsstruk-
tur. Das beobachtete Spektrum
(II) ist eine Überlagerung von
drei Zweigen (P, Q, R). Diese
sind im rechten Teilbild in
Form eines Fortrat-Diagramms
aufgetragen. Man beachte: Die
Frequenzskala ist im rechten
Teilbild gegenüber links stark
gedehnt, so daß aus jeder
„Linie“ jetzt eine Bande mit
aufgelöster Linienstruktur wird

Das Spektrum, das man bei einer Änderung der Elektronenenergie ∆T el erhält, enthält
alle Schwingungsbanden ∆G v mit ihrer Rotationsstruktur ∆F. Die Bandensysteme lie-
gen vorzugsweise im sichtbaren und ultravioletten Spektralbereich und bilden für alle
Elektronenübergänge zusammen das Bandenspektrum des Moleküls.
Wenn wir nun vorzugsweise den Rotations-Anteil betrachten, gelten für elektrische
Dipolübergänge als wichtigste Auswahlregeln
∆J = J
− J

= 0, ±1 (außer J
= J

= 0) , außerdem (14.5)
∆Λ = ±1 und ∆Σ = 0 (14.6)
(sofern die Spin-Bahn-Kopplung nicht sehr stark ist), ferner die Paritätsauswahlregeln,
wonach nur Übergänge zwischen Gesamtzuständen verschiedener Parität erlaubt sind.
282 14. Elektronenspektren von Molekülen

14.3 Die Rotationsstruktur der Bandenspektren kleiner Moleküle,


Fortrat-Diagramme
Die typische Struktur in einem Bandenspektrum unter Einschluß der Rotationsstruktur
zeigt Abb. 14.10. Man kann es in 3 „Zweige“ zerlegen, die wie bereits früher in Ab-
schn. 10.4 P, Q und R genannt werden. Eine empirische Beschreibung der Linien eines
Bandenspektrums gibt bereits die mehr als 100 Jahre alte Formel von Deslandres (1885)

ν̄ = A ± 2Bm + Cm 2 . (14.7)
Dabei wird die Laufzahl m = 1/2, 3/2, 5/2, . . . von einer als Nullstelle ausgezeich-
neten Lücke in der Linienfolge gezählt, die beiden Vorzeichen vor dem zweiten Glied
bezeichnen den R-Zweig (+) und den P-Zweig (−). Für B = 0 erhält man den Q-
Zweig.
Die Erklärung für die Rotationsstruktur der Bandenspektren ist nach dem, was wei-
ter vorne über Rotationsspektren bereits ausgeführt wurde, naheliegend und soll anhand
von Abb. 14.10 erläutert werden. Zu jedem Schwingungsniveau mit den Quantenzahlen
v

oder v
gehören Rotations-Niveaus
E J

= B

hcJ

(J

+ 1)
und
E J
= B
hcJ
(J
+ 1) ,
wenn wir uns auf die Näherung des starren Rotators beschränken. Dabei ist aber zu be-
rücksichtigen, daß die Rotationskonstante B

in der unteren Potentialkurve verschieden


vom Wert B
in der oberen Potentialkurve ist. Die Linien im Bandenspektrum entspre-
chen dann Übergängen zwischen Potentialkurven, die zu den elektronischen Energien

Abb. 14.10. Zur Erklärung der


Rotationsstruktur von Banden.
Im linken Teilbild ist schema-
tisch gezeigt, wie die drei Ban-
denzweige P, Q, R im Term-
schema einzuordnen sind. Zur
Spektrenanalyse trägt man im
Fortrat-Diagramm die Wellen-
zahlen der Linien gegen eine
Laufzahl, das ist hier die
Quantenzahl J

, auf. Das be-


obachtete Gesamtspektrum läßt
sich so in die drei Zweige
P, Q und R zerlegen. Aus den
Linienabständen kann man die
Rotationskonstanten B
und B

bestimmen. Das rechte Teilbild


ist ein Spektrum von AlH wie
Abb. 14.9. Man beachte die
Richtung der Frequenzachse
14.3 Die Rotationsstruktur der Bandenspektren kleiner Moleküle, Fortrat-Diagramme 283

und E
und Zuständen mit den Quantenzahlen v

, J

in der unteren und v


, J
in
der oberen Potentialkurve gehören.
Die Gesamtenergie eines Molekül-Zustandes lautet also

E ges = E el + E vib + BhcJ(J + 1) , (14.8)

wenn mit E el die elektronische und mit E vib die vibronische Energie bezeichnet werden.
Für einen Übergang zwischen zwei Zuständen gilt dann, vereinfacht ausgedrückt,

∆E ges = ∆(E el + E vib ) + ∆{BhcJ(J + 1)} (14.9)

und für die zu beobachtenden Spektrallinien gilt

ν̄ = ν̄(v
,v

) + ∆{BJ(J + 1)} , (14.10)

wobei ν̄(v
,v

) den elektronisch-vibronischen Übergang ohne Rotation, J


= J

= 0 zwi-
schen den Zuständen (E

, v

) und (E
, v
) bezeichnet. Dieser 0,0-Übergang mit J
=
J

= 0 ist also der Bezugspunkt der Rotationsstruktur. Man bezeichnet ihn auch als die
Nullinie einer Bande, siehe Abschn. 14.1. Die Auswahlregeln für J hängen von der Art
des elektronischen Überganges ab.
Wenn beide, der obere und der untere, der beteiligten elektronischen Zustände kei-
nen resultierenden Drehimpuls relativ zur Molekülachse haben, also für Zustände 1 Σ,
gilt die Auswahlregel

∆J = ±1 ,

sonst jedoch

∆J = 0 oder ±1, jedoch nicht von J

= 0 zu J
= 0 .

Wir erhalten aus (14.10)

ν̄ = ν̄(v
,v

) + B
J
(J
+ 1) − B

(J

+ 1) . (14.11)

Im Gegensatz zu den früher (Abschn. 10.4 und 10.5) behandelten Rotationsschwin-


gungsspektren gehören die Rotationskonstanten B
und B

nun nicht nur zu verschie-


denen Schwingungsniveaus des gleichen elektronischen Zustandes, wo ihr Unterschied
meistens klein ist, sondern zu zwei verschiedenen elektronischen Zuständen. Da sich
bei der elektronischen Anregung der Kernabstand R im Molekül und damit auch das
Trägheitsmoment erheblich ändern können, sind nun B
und B

häufig stark verschie-


den voneinander. Im Gegensatz zu den Rotationsschwingungsspektren sind damit die
quadratischen Glieder in (14.11) nicht nur eine kleine Korrektur, sondern sie können
für größere Werte von J gegenüber den linearen Gliedern überwiegen.
Wenn wir nun wie in Kap. 10 die Übergänge mit ∆J = −1 als P-Zweig, die mit
∆J = +1 als R-Zweig und die mit ∆J = 0 als Q-Zweig bezeichnen, erhalten wir für
diese 3 Zweige folgende Spektrallinien:
284 14. Elektronenspektren von Molekülen

P-Zweig , ∆J = −1 , J

= J
+ 1
ν̄ P = ν̄(v
,v

) − (B
+ B

)(J
+ 1) + (B
− B

)(J
+ 1)2
mit J
= 0, 1, 2 . . . (14.12)
R-Zweig , ∆J = +1 , J
= J

+ 1
ν̄ R = ν̄(v
,v

) + (B
+ B

)(J

+ 1) + (B
− B

)(J

+ 1)2
mit J

= 0, 1, 2 . . . (14.13)
Q-Zweig , ∆J = 0 , J
= J

ν̄ Q = ν̄(v
,v

) + (B
− B

)J

+ (B
− B

)J

mit J

= 1, 2, 3 . . . . (14.14)
Anzumerken ist noch besonders, daß keine Linie am Banden-Ursprung ν̄(v
, v

) erlaubt
ist.
Die Ausdrücke für die möglichen Rotationsübergänge (14.12)–(14.14) haben also die
Form der empirischen Gl. (14.7) und erklären die dort eingeführten Parameter A–C. Wir
erkennen damit die alte Deslandres-Formel (14.7) wieder, wenn wir m durch J ersetzen.
Die graphische Darstellung von (14.12)–(14.14) ergibt bei einer Auftragung im ν̄/J-
Diagramm Parabeln, die sogenannten Fortrat-Parabeln, Abb. 14.11, weil ν̄ eine qua-
dratische Funktion von J ist. Das Fortrat-Diagramm erleichtert den Überblick über ein
Bandenspektrum, weil es die im Spektrum beobachteten und zum Teil durcheinander
liegenden Linien der verschiedenen Zweige und Rotationsquantenzahlen räumlich ge-
trennt darstellt. Umgekehrt erhält man aus dem Fortrat-Diagramm das beobachtete Spek-
trum der Bande, indem man die Diagrammpunkte auf die ν̄-Achse projiziert, siehe dazu
Abb. 14.9 und 14.10.
Der Banden-Ursprung ν̄(v
,v

) (auch Nullinie genannt) fehlt in allen drei Zweigen.


Wenn B
< B

gilt, das heißt Re


> Re

und damit Θ
> Θ

, dann liegen die Linien des


P-Zweiges auf der niederenergetischen Seite des Bandenursprungs, wobei der Linienab-
stand mit zunehmendem J zunimmt, der R-Zweig liegt auf der anderen Seite mit rasch
abnehmendem Linienabstand. Dabei kann gemäß Abb. 14.11 die Linienfolge mit zuneh-
mendem J sogar zu niederen Energien umkehren. Man bezeichnet solche Bandenfolgen
als Rot-abschattiert. Die Linien des Q-Zweiges liegen ebenfalls auf der niederenergeti-
schen Seite des Ursprungs, wobei der Linienabstand mit J ebenfalls zunimmt. Im sel-
teneren Falle, B
> B

, also Re
< Re

und Θ
< Θ

, das heißt, wenn die elektronische


Anregung die Bindung verfestigt, ist der Verlauf umgekehrt, die Banden sind Violett-
abschattiert. Das Gesamtspektrum einer Bande ist die Überlagerung der drei (oder zwei)
Zweige.

Abb. 14.11. Auftragung der


Bandenlinien im Fortrat-Dia-
gramm (vgl. Abb. 14.10) ergibt
charakteristische Kurven, je
nachdem ob die Rotationskon-
stante B im oberen Zustand
kleiner, größer oder ungeän-
dert gegenüber dem niederen
Zustand ist
14.3 Die Rotationsstruktur der Bandenspektren kleiner Moleküle, Fortrat-Diagramme 285

Für den Sonderfall, daß sich bei der elektronischen Anregung der Kernabstand nicht
ändert und damit B
= B

ist, sieht man aus (14.14), daß die Fortrat-Parabeln zu Ge-


raden entarten. Der Q-Zweig besteht dann nur aus einer Linie, P- und R-Zweig sind
Linienfolgen im Abstand 2B, wie wir das bei den reinen Rotationsschwingungsspektren
bereits gesehen haben. Mit erheblich geringerer Intensität gibt es auch Übergänge mit
∆J = ±2. Diese bilden im Spektrum die mit O und S bezeichneten Zweige.
Aus der „Abschattierung“ eines Bandenspektrums kann man also direkt erkennen,
ob die Rotationskonstante im Molekül bei Elektronenanregung größer oder kleiner wird,
d. h. beim Hantelmodell, ob der Kernabstand bei Anregung abnimmt oder zunimmt.
Die komplette Analyse der zahlreichen Linien eines Bandenspektrums ist sowohl
hinsichtlich der Messung wie auch hinsichtlich der Auswertung eine mühsame und ohne
moderne Rechner in vielen Fällen fast unlösbare Aufgabe. Man erhält jedoch, wie ge-
zeigt, bereits aus einer groben Analyse Aufschluß über die Frage, wie die Gestalt des
Moleküls sich bei elektronischer Anregung ändert. Alleine die Rotationsstruktur nur ei-
ner Bande genügt zur spektralanalytischen Identifizierung eines Moleküls. Sie ist so et-
was wie ein Fingerabdruck des Moleküls. Auf diese Weise konnte z. B. bei astrophysi-
kalischen Messungen das Molekül CO in der Atmosphäre des Planeten Venus durch die
Identifizierung seiner Absorptionsbanden nachgewiesen werden.
Wenn Moleküle komplizierter werden, das heißt mehr als zwei Atome besitzen und
nicht mehr linear sind, wird eine komplette Auswertung von Bandenspektren mit der ge-
samten Rotationsstruktur noch viel komplizierter. Man erhält dann viele sich durchdrin-
gende und überlagernde Zweige von Bandensystemen, so daß eine Analyse aller Linien
oft zu einer fast unlösbaren Aufgabe wird.
Wenn eine quantitative Analyse der Rotationsstrukturen aller Banden eines Banden-
systems möglich ist, dann liefert sie Zahlenwerte für viele Kenngrößen des untersuchten
Moleküls:
– Die Rotationskonstanten B
und B

für alle Schwingungsniveaus v


und v

und dar-
aus die Trägheitsmomente der Molekülrotation bei den Gleichgewichtsabständen Re
in den beiden am Übergang beteiligten elektronischen Zuständen sowie die Schwin-
gungsdehnung α (vgl. Abschn. 10.4), schließlich die Kernabstände Re
und Re

für
diese Zustände,
– die Schwingungswellenzahlen für die Molekülschwingungen in den beiden beteilig-
ten elektronischen Zuständen einschließlich ihrer Anharmonizitäten, das heißt auch
die Rechengrößen ν̄e
und ν̄e

sowie xe
und xe

,
– den Abstand ν̄(v
= 0, v

= 0) für die tiefsten Niveaus beider beteiligter Potential-


kurven, daraus rechnerisch auch den Abstand ohne jede Schwingung,
– bei Analyse der Drehimpuls-Kopplung, wie wir sie nicht im einzelnen diskutiert ha-
ben, auch die Quantenzahlen Ω
und Ω

.
Wenn man Übergänge zu und zwischen einer Vielzahl von elektronischen Anre-
gungszuständen untersuchen kann, dann lassen sich damit eine Vielzahl möglicher Po-
tentialkurven eines Moleküls und damit dessen Anregungszustände analysieren.
Übrigens können Elektronen-Bandenspektren mit der vollständigen Rotations- und
Schwingungsstruktur natürlich auch bei symmetrischen Molekülen wie H2 , N2 und O2
beobachtet werden, bei denen wegen des fehlenden elektrischen Dipolmomentes reine
Rotations- und Rotations-Schwingungs-Spektren nicht oder nur mit geringer Intensität
zu beobachten sind. Im Zusammenhang mit erlaubten elektronischen Übergängen wird
auch die Rotations- und Schwingungsstruktur beobachtbar.
286 14. Elektronenspektren von Molekülen

Schließlich soll noch erwähnt (aber nicht näher ausgeführt) werden, daß die Inten-
sitätsverteilung zwischen den Linien eines Bandenspektrums zur bandenspektroskopi-
schen Messung der Temperatur des untersuchten Gases dienen kann. Die Besetzung
der Rotations- und Schwingungszustände ist im thermischen Gleichgewicht ja durch
die Temperatur bestimmt und ist gleichzeitig bestimmend für die relative Intensität der
Übergänge im Spektrum.

14.4 Dissoziation, Prädissoziation


Abb. 14.12. Potentialkurve eines
kleinen Moleküls. An den Be-
reich diskreter Schwingungs-Ni- Wie in Abb. 14.12 nochmals gezeigt, schließt sich an die Dissoziationsgrenze des Mo-
veaus schließt sich oberhalb der leküls mit horizontaler Potentialkurve für große Werte von R ein Kontinuum von Zu-
Dissoziationsenergie D ein kon- ständen an. Wenn ein Molekül so stark angeregt wird, daß seine Gesamt-Energie in
tinuierlicher Energiebereich an
den Bereich des Dissoziations-Kontinuums irgendeines Elektronenzustandes zu liegen
kommt, dann kann es dissoziieren. Eine solche Anregung kann bei hinreichend hoher
Temperatur durch thermische Stöße erfolgen. Hier wollen wir jedoch die Möglichkeit
der Dissoziation und der Bestimmung der Dissoziationsenergie durch Lichtabsorption
betrachten.
Eine direkte Photodissoziation eines Moleküls nach dem Schema AB + hν →
A + B alleine durch Rotations-Schwingungs-Anregung ohne elektronische Anregung
ist fast immer unmöglich. Als Einquanten-Prozeß verbietet dies die Auswahlregel für
Schwingungsübergänge, wonach nur Übergänge mit geringer Änderung der Quantenzahl
v erlaubt sind, sowie das Franck-Condon-Prinzip, vgl. hierzu Abb. 14.13. Seitdem es
Infrarot-Laser mit sehr großem Photonenfluß gibt – z. B. den CO2 -Laser –, ist allerdings
eine Photodissoziation durch Mehrquantenabsorption von Schwingungsquanten hνvib
nach dem Schema AB + nhνvib → A + B, oder A∗ + B∗ , möglich und wird tatsächlich
in der Molekülphysik zur Herstellung von Molekülbruchstücken verwendet. Der Stern
bei A∗ und B∗ bedeutet, daß die Bruchstücke sich in einem elektronisch angeregten
Zustand befinden. Allerdings muß hier beachtet werden, daß ein solcher Mehrquan-
tenprozeß nicht als Kaskade von nacheinander erfolgenden vielfachen Absorptionen
eines Schwingungsquants hνvib verstanden werden darf, sondern über sogenannte vir-
tuelle Zustände verläuft. Zum Begriff der virtuellen Zustände vergleiche Abschn. 17.2.
Die Abstände der Schwingungsniveaus, das heißt die Größe der Schwingungsquanten
werden nämlich, wie in Abschn. 10.3 gezeigt, immer kleiner, wenn man sich in der

Abb. 14.13. Eine optische Mole-


küldissoziation ohne gleichzei-
tige elektronische Anregung ist
nach Franck-Condon sehr un-
wahrscheinlich und praktisch
kaum möglich. Der schräg ein-
gezeichnete Übergang ist wegen
der damit verbundenen Ände-
rung des Kernabstandes verbo-
ten, der senkrechte Übergang,
weil damit eine große Ände-
rung der Geschwindigkeit der
schwingenden Kerne verbunden
wäre, außerdem wäre ∆v groß
14.4 Dissoziation, Prädissoziation 287

Potentialkurve der Dissoziationsgrenze nähert. Ein Dissoziationsprozeß für ein Molekül


AB nach dem Schema

AB + nhνvib = A + B∗ (+E kin ) (14.15)

ist deshalb als Kaskadenprozeß nicht möglich.


Lichtabsorption kann jedoch leicht zur Dissoziation führen, wenn dabei eine elektro-
nische Anregung in einen höheren elektronischen Zustand und zusätzlich eine höhere
Schwingungsanregung erfolgt und wenn die beiden beteiligten Potentialkurven genü-
gend weit gegeneinander verschoben sind. Nach dem Franck-Condon-Prinzip kann man
dann ja Übergänge aus dem Grundzustand des unteren elektronischen Zustandes, zum
Beispiel v

= 0, in Zustände der konvergierenden Bandenserie v


= 1, 2 . . . des anderen
elektronischen Zustandes bis zur Konvergenzstelle K beobachten. Für die Konvergenz-
stelle ν̄ K gilt, wie anhand von Abb. 14.14 erläutert wird,

hcν̄ K = D

+ E At . (14.16)

Dabei werden mit D

die Dissoziationsenergie im unteren elektronischen Anregungszu-


stand und mit E At die Anregungsenergie der atomaren Bruchstücke A und B der Disso-
ziation bezeichnet. Wenn diese alleine im Bruchstück B, also B∗ steckt und dieses seine
Anregungsenergie als Lichtquant abgibt, ist die Bestimmung von E At leicht, sonst häufig
problematisch. Je nachdem welche der molekularen oder atomaren Anregungsenergien
in Abb. 14.14 man kennt, kann man aus der Ausmessung der Konvergenzstelle K die
Größen D

oder D
, das heißt die Dissoziationsenergie im Grund- oder im Anregungs-
zustand bestimmen. Dabei ist zu beachten, daß man zwischen der rechnerischen Dis-
soziationsenergie, die vom Minimum der Potentialkurve ausgeht, und der tatsächlichen
Energie D unterscheiden muß, die im Schwingungszustand v = 0 beginnt, siehe dazu
Abschn. 10.3. Jedenfalls wurden auf diesem Wege die Dissoziationsenergien zahlreicher
zweiatomiger Moleküle wie H2 , O2 , J2 bestimmt. – Die molekulare Anregungsenergie
E Mol in Abb. 14.14 findet man direkt aus dem Übergang von v

= 0 zu v
= 0 im
Bandensystem. Daraus folgt dann die Dissoziationsenergie im angeregten Zustand

D
= hcν̄ K − E Mol . (14.17)

Abb. 14.14. Zur Bestimmung


der Dissoziationsenergie eines
kleinen Moleküls im Grundzu-
stand (D

) und in einem elektro-


nischen Anregungszustand (D
).
E At ist die Anregungsenergie
des bei der Dissoziation ent-
stehenden angeregten Atoms,
E Mol die des Moleküls, K
ist die experimentell aus dem
Spektrum zu bestimmende Kon-
vergenzstelle der Banden. Nach
Finkelnburg
288 14. Elektronenspektren von Molekülen

Beim J2 -Molekül mit seinem linienreichen Spektrum im sichtbaren Spektralbereich


kann man die Dissoziationsenergie nach diesem Verfahren relativ leicht sogar im Prakti-
kumsversuch bestimmen. Man findet für die Konvergenzstelle des Grenzkontinuums den
Wert K = 2,48 eV, indem man den Abstand benachbarter Bandenkanten auf hohe Quan-
tenzahlen v
, d. h. kleine Schwingungsquanten extrapoliert. Mit E At = 0,94 eV folgt für
die Dissoziationsenergie von J2 der Wert D

= 1,54 eV.
Wenn man die Konvergenzstelle nicht direkt oder nicht genau messen kann, trägt
man den Abstand ∆ν̄ benachbarter Bandkanten als Funktion von v
für die Übergänge
aus v

= 0 auf und extrapoliert gegen ∆ν̄ = 0. Aus der Kantenformel (14.2)

ν̄ = C0 + C1 v
− C2 v

2
(14.18)

folgt für die Differenzen zwischen Zuständen v und v + 1

∆ν̄ = (C1 − C2 ) − 2C2 v


, (14.19)

also ein linearer Abfall von ∆ν̄ mit wachsendem v. Die Extrapolation zu ∆ν̄ = 0 lie-
fert die Quantenzahl vk für den der Kante entsprechenden Schwingungsterm und daraus
nach der Kantenformel
K
= C0 + C1 vk − C2 vk2 . (14.20)
hc
Erfolgt die Anregung mit einem Energiebetrag E > K , so kann der überschüssige Ener-
Abb. 14.15. Zur Erklärung der giebetrag als kinetische Energie der Bruchstücke nach der Beziehung
Prädissoziation: Zwei sich kreu-
zende Potentialkurven a und b E kin = E − K oder AB + E → A + B∗ + E kin (14.21)
eines kleinen Moleküls mit
Schwingungstermen und Disso-
ziationskontinua. Im Kreuzungs- in Erscheinung treten.
punkt der beiden Kurven ist ein Bisweilen beobachtet man Bandenzüge, die schon in einiger Entfernung von der Dis-
strahlungsloser Übergang des soziationsgrenze, d. h. in dem Bereich, der unterhalb der Konvergenzstelle der Schwin-
Moleküls vom Zustand a in den gungsquanten liegt, verwaschen sind und keine Rotationsstruktur mehr aufweisen. Man
elektronischen Anregungszu-
stand b möglich, der bei ge- kann chemisch nachweisen, daß durch Lichteinstrahlung in diese verwaschenen Banden
ringerer Energie dissoziiert. Dissoziationsprodukte entstehen. Diese Möglichkeit einer Dissoziation durch Licht, das
Das führt zu einer Verkürzung
der Lebensdauer vibronischer
Zustände in a und damit zu Li-
nienverbreiterung im Spektrum.
Wenn zum Beispiel Licht-
absorption aus einem (nicht ge-
zeichneten) tieferen Zustand a

nach a erfolgt, würde man bei


geeigneter Lage der Potential-
kurven eine Folge von vibro-
nischen Banden bis zum Dis-
soziationskontinuum von a er-
warten. Am Schnittpunkt mit der
Potentialkurve b ist eine Disso-
ziation bei einer Anregungsener-
gie von a
nach a möglich, die
kleiner ist, als sie der Potential-
kurve a entspricht. Das ist das
Phänomen der Prädissoziation
14.5 Anwendung von Bandenspektren kleinerer Moleküle 289

langwelliger ist als das des Dissoziationskontinuums, bezeichnet man als Prädissozia-
tion. Unter Prädissoziation versteht man einen strahlungslosen Übergang eines Moleküls
aus einem diskreten Rotations-Schwingungszustand (v

, J

) eines bindenden Elektro-


nenzustandes in das Dissoziationskontinuum eines anderen Elektronenzustandes.
Dies wird anhand von Abb. 14.15 erklärt. Für das untersuchte Molekül gelte die
Potentialkurve a in Abb. 14.15. Durch Lichtanregung kann man diskrete Zustände un-
terhalb der Dissoziationsgrenze und kontinuierliche Zustände darüber erreichen. Wenn
es nun für das Molekül die Potentialkurve eines angeregten Zustandes gibt, die wie
b verläuft, d. h. daß das Molekül im Zustand b bei geringerer Energie dissoziiert, als
wenn es sich im Zustand a befindet, dann gibt es für das angeregte Molekül im Zu-
stand a in der Nähe des Überschneidungspunktes beider Potentialkurven die Möglich- Abb. 14.16. Zum Zustandekom-
keit eines strahlungslosen Überganges in den Zustand b und damit die Möglichkeit men eines Kontinuums im Spek-
einer Dissoziation bei geringerer Anregungsenergie als im Zustand a. Die Wahrschein- trum einer Wasserstoff-Lampe.
Durch Stoß in einer Gasentla-
lichkeit für diesen Übergang ist bei der Überschneidungsstelle besonders groß, weil dung erfolgt Anregung in das
auch für solche strahlungslose Prozesse das Franck-Condon-Prinzip gilt und die beiden Triplettsystem. Der tiefste Zu-
Molekül-Zustände sowohl hinsichtlich ihrer Gesamtenergien wie auch hinsichtlich der stand dieses Systems ist nicht-
Kern-Koordinaten gleich sind. Die zum Zustand a gehörenden Banden werden we- bindend, vergleiche dazu das
Termschema in Abb. 13.10. Das
gen der Unschärfe-Relation für Energie und Lebensdauer diffus, weil durch die Mög- Emissionsspektrum ist deshalb
lichkeit eines Überganges von a nach b die Lebensdauer der Rotations-Schwingungs- kontinuierlich, weil es in nicht-
Zustände in a verkürzt wird. Das führt zu einer Vergrößerung der Linienbreite, so daß bindenden Zuständen keine
die verschiedenen Rotationslinien einer Bande und benachbarte Banden ineinander- Schwingungsterme gibt
laufen.
Im Kreuzungspunkt der beiden Potentialkurven nach Abb. 14.15 erfolgt ein Über-
gang typischerweise in einer Zeit, die für Rotation oder Schwingung typisch ist, also
zwischen 10−10 und 10−13 s. Die Lebensdauer des vibronischen Zustandes ohne Mög-
lichkeit einer strahlungslosen Desaktivierung beträgt typischerweise 10−8 s. Aus dem
Verhältnis dieser Zeiten folgt die Verkürzung der Lebenszeit und die Verbreiterung im
Spektrum. Eine weitere Möglichkeit zur Prädissoziation ergibt sich in solchen Fällen,
wo der kreuzende elektronische Zustand ein nichtbindender Anregungszustand ist, der
keine diskreten Schwingungs- und Rotationszustände, sondern nur ein Dissoziationskon-
tinuum aufweist. Ein solcher Zustand ist beispielsweise in Abb. 14.16 zu sehen.

14.5 Anwendung von Bandenspektren kleinerer Moleküle


Bandenspektren von Molekülen erfahren viele Anwendungen. Zunächst sind sie natür-
lich ein unentbehrliches Hilfsmittel bei der Untersuchung und Aufklärung von Molekül-
Struktur und chemischer Bindung. Man erhält aus ihrer Analyse wichtige Hinweise auf
Form und Lage der Potentialkurven in Grund- und Anregungszuständen der Moleküle,
und man kann die Analyse der Molekülschwingungen und, wie wir gesehen haben, der
Rotationen, im Gebiet des sichtbaren Lichtes oder des UV anstatt mit Mikrowellen- und
Infrarot-Spektroskopie durchführen. Außerdem kann man Schwingungen und Rotatio-
nen auch in Emission untersuchen. Das ist ja wegen der kleinen Übergangswahrschein-
lichkeiten für spontane Emission bei reinen Rotations- und Schwingungsspektren im Mi-
krowellengebiet oder im Infraroten im allgemeinen kaum möglich.
Man verwendet Bandenspektren von Molekülen aber auch als Lichtquellen. So be-
nutzt man als kontinuierliche Lichtquelle im Ultravioletten gerne die Wasserstoff-Lampe.
In ihr werden Wasserstoff-Moleküle durch Stoß-Anregung in einer Gasentladung aus
290 14. Elektronenspektren von Molekülen

Abb. 14.17. Relative Intensität


der Fluoreszenz von Pyren in
Benzol-Lösung als Funktion der
Konzentration c, nach Th. För-
ster und K. Kasper, Z. Elektro-
chemie 59, 976, 1955. Mit zu-
nehmender Konzentration nimmt
die Wahrscheinlichkeit dafür zu,
daß sich ein angeregtes und ein
unangeregtes Molekül unter Bil-
dung eines angeregten Dimers
treffen. Im Pyren-Kristall sind
die Moleküle paarweise einge-
baut. Seine Fluoreszenz ist des-
halb reine Excimer-Emission

dem Grundzustand 1 Σg+ in verschiedene Anregungszustände versetzt, auch in solche,


deren Anregung durch Lichtabsorption aus dem Grundzustand verboten ist. Ein sol-
cher ist der zweittiefste Triplett-Zustand 3 Σg+ . Von dort ist strahlende Emission in den
Grundzustand nicht erlaubt, wohl aber in den Zustand 3 Σu+ . Dies ist ein nicht-bindender
Zustand. Die Potentialkurve ist also keine Parabel mit Bindungs-Minimum, sondern
eine kontinuierlich mit zunehmendem R nach kleinen Energiewerten abnehmende Kurve
(siehe Abb. 14.16). Deshalb ergeben die Übergänge in diesen Zustand ein Kontinuum,
wie es in Abb. 14.16 gezeigt ist.
Mehrere Anwendungen der elektronischen Bandenspektren von Molekülen zur
Lichterzeugung gibt es beim Laser. Beim N2 -Laser benutzt man zur Erzeugung von
Laser-Licht Übergänge aus dem Bandenspektrum von N2 -Molekülen. Bei den Excimer-
Lasern macht man von der bereits in Abschn. 13.3 erwähnten Tatsache Gebrauch, daß
es Moleküle gibt, die zwar einen bindenden elektronischen Anregungszustand, jedoch
einen nichtbindenden Grundzustand besitzen, das heißt einen Grundzustand, in dem
keine Schwingungen möglich sind. Übergänge aus einem solchen metastabilen ange-
regten Dimerzustand in den Grundzustand liegen dann nicht bei diskreten Frequen-
zen, sondern sie können kontinuierlich erfolgen. Solche Moleküle nennt man Exci-
mere (excited dimer), wenn es sich um Dimere aus 2 Molekülen (MM)∗ oder Atomen
(AA)∗ handelt. Beispiele für letzteres sind Edelgas-Fluoride, die als aktives Material
in Excimer-Lasern verwendet werden. So erhält man eine „kontinuierliche“ Emission
über einen gewissen Wellenlängenbereich und damit die Möglichkeit, einen Laser mit
variabel abstimmbarer Wellenlänge zu bauen.
Excimere sind als aktive Substanz in Lasern auch deshalb interessant, weil der
emittierende Zustand als Zustand eines Dimers ein anderer ist als der absorbierende
Monomer-Zustand. Die Emission ist deshalb nach geringeren Quantenenergien verscho-
ben, und die für den Laserbetrieb nötige Besetzungs-Inversion ist leichter zu erzeugen. –
Im Bereich der organischen Moleküle wurden Excimere zuerst an Pyren in Lösung
beobachtet. Abbildung 14.17 zeigt, wie mit zunehmender Konzentration der Pyren-
Moleküle in der Lösung die blaue Emission der Monomeren ab- und die grüne Excimer-
Fluoreszenz zunimmt, weil sich Molekülkomplexe entsprechend M + M∗ → (MM)∗
bilden. Das letzte Beispiel leitet schon über zum nächsten Abschnitt, in dem große
Moleküle besprochen werden.
14.6 Elektronische Spektren größerer Moleküle 291

14.6 Elektronische Spektren größerer Moleküle

Die für kleine, besonders zweiatomige Moleküle gewonnenen Erkenntnisse über


ihre Spektren und die daraus ableitbaren Einsichten in Struktur und Bindungsver-
hältnisse lassen sich prinzipiell auch auf größere Moleküle, die aus mehr Atomen
aufgebaut sind, erweitern. Nur wird es dort wesentlich schwieriger, zu einem auch
nur einigermaßen vollständigen Bild zu kommen, weil die Anregungsmöglichkeiten,
die Schwingungen und Rotationen, die Möglichkeiten für Umordnungen und Dis-
soziation innerhalb der Moleküle und allgemein die möglichen Energie- und Bin-
dungszustände der Elektronen mit zunehmender Größe und Kompliziertheit der Mo-
leküle stark zunehmen. Bei den meisten mehratomigen Molekülen ist deshalb eine
vollständige Kenntnis aller molekularen Daten nicht möglich. Man muß sich mit
dem Verständnis wichtiger Teilaspekte der Spektren und der Bindungsverhältnisse
und der Untersuchung der Elektronen in gewissen chemischen Bindungen zufrie-
dengeben. Im folgenden soll deshalb nur versucht werden, einen Überblick über ei-
nige besonders wichtige und charakteristische Erkenntnisse über große Moleküle zu
geben, besonders aus dem fast unendlich großen Bereich der organischen Verbin-
dungen.
Wichtigstes gemeinsames Charakteristikum der Elektronenterme mehratomiger Mo-
leküle ist die Tatsache, daß die Anregung ganz verschiedener Elektronen im Molekül
möglich ist. Dabei kann man drei charakteristische Grenzfälle von Anregungsmöglich-
keiten unterscheiden:

– Absorption durch am Zusammenhalt des Moleküls nicht beteiligte nicht-bindende


Elektronen, die zu einer lokalisierten Gruppe im Molekül gehören, einer sogenann-
ten chromophoren Gruppe
– Lichtabsorption durch bindende Elektronen, bei denen die Anregung zu einer Disso-
ziation des Moleküls führen kann
– Absorption durch nicht-bindende, aber stärker über das ganze Molekül oder größere
Molekülteile delokalisierte Elektronen

Zunächst einmal gibt es die Absorption durch nicht-bindende, also nicht für den Zu-
sammenhalt des Moleküls entscheidend wichtige Gruppen im Molekül, die an einen
mehr oder weniger großen Molekülkomplex angehängt oder dort eingebaut sind. Man
spricht von chromophoren (griechisch: Farb-Träger) Gruppen mit lokalisierten, also sich
nur über wenige Kerne erstreckenden Elektronenorbitalen, wenn diese Gruppen eine
charakteristische Lichtabsorption aufweisen, die durch den Rest des Moleküls nur ver-
gleichsweise wenig geändert wird und dem Molekül zu einer charakteristischen Farbe
verhelfen kann.
Beispiele hierfür gibt es im Bereich der anorganischen Moleküle bei Komplexen von
Übergangsmetallen wie Fe, Ti, Co, wo die Anregungsmöglichkeit von Atom-Elektronen
auch im Molekül erhalten bleibt. Diese Atomelektronen-Spektren können allerdings in
charakteristischer Weise verändert werden durch die anderen Elektronen des Moleküls
mit ihren typischen Symmetrie-Eigenschaften. Bei Molekülen mit Atomen, deren Licht-
absorption durch Elektronen innerer Schalen, nicht durch Valenzelektronen, erfolgt wie
bei den Salzen der seltenen Erden, beobachtet man elektronische Spektren, die man als
durch chemische Bindung wenig gestörte Spektren dieser Atome oder Ionen verstehen
kann.
292 14. Elektronenspektren von Molekülen

Im Bereich der organischen Moleküle gibt es ebenfalls viele gruppenspezifische Ab-


sorptionsspektren von Chromophoren. So ist die Carbonyl-Gruppe C=O, zum Beispiel
im Molekül

CH3 −C−CH3 ,

=
O

durch eine Absorption bei ungefähr 290 nm gekennzeichnet, weitgehend unabhängig


davon, an welchen größeren Molekülkomplex die C=O-Gruppe angehängt ist. Dabei
handelt es sich um eine Anregung eines Elektrons vom Sauerstoff in ein vorher leeres
π-Orbital der Carbonylbindung. Man nennt eine solche Anregung einen (π ∗ ← n)-
Abb. 14.18. Absorptionsspek- Übergang, das heißt einen Übergang von einem nicht-bindenden in ein π-Orbital.
trum des längstwelligen Über-
ganges (S2 ← S0 ) von Benzol. Eine C=C Doppelbindung läßt sich durch einen (π ∗ ← π)-Übergang (im Bereich
Aufgetragen ist die optische um 180 nm) anregen. Das Symbol n steht für nichtbindend, π ∗ bedeutet ein angeregtes
Dichte OD, siehe S. 300, als π-Orbital.
Funktion von Wellenzahl bzw. Weiter gibt es auch Lichtabsorption durch bindende Elektronen, die entscheidend
Wellenlänge. Oben: Benzol in
der Gasphase: Sättigungs-Dampf- am inneren Zusammenhalt der Moleküle beteiligt sind. Solche Anregungen können zur
druck bei Zimmertemperatur, Dissoziation der Moleküle führen. Die Absorption gesättigter Kohlenwasserstoffe wie
Weglänge 10 cm. Man erkennt
die teilweise aufgelöste Rota-
tions-Schwingungsstruktur. Die
jeweils höchsten Maxima in
den Progressionen entsprechen
einer Anregung der totalsym-
metrischen Schwingung A1g
(vgl. Abb. 10.14) des Benzols,
ν̄ = 923 cm−1 mit 1, 2, 3,
4, 5, 6 und 7 Quanten. Der
0,0-Übergang ist verboten, die
Absorption zwischen 37 000
und 37 500 cm−1 deshalb sehr
schwach. Eine genauere Diskus-
sion der Schwingungsstruktur ist
hier nicht möglich. Diese findet
man bei Steinfeld, s. S. 415.
Mitte: Benzol in Cyclohexan
gelöst, Zimmertemperatur, 1 cm
Weglänge. Die Schwingungs-
struktur ist ähnlich, es sind je-
doch wesentlich weniger Details
aufgelöst. Unten: Absorptions-
spektrum von polykristallinem
Benzol bei 170 K. Das Spektrum
ist gegenüber dem Lösungsspek-
trum etwas spektral verschoben.
Außerdem ist eine zweite Pro-
gression von Schwingungsban-
den zu erkennen. Dies hat seine
Ursache in der Kristallsymme-
trie und der dadurch geänderten
Symmetrie der Anregungszu-
stände. – Bei sehr tiefer Tem-
peratur (flüssiges Helium) wer-
den die Absorptionslinien im
Kristall noch wesentlich schärfer
14.6 Elektronische Spektren größerer Moleküle 293

Abb. 14.19. Absorptionsspek-


tren der in Abb. 14.20 gezeigten
aromatischen Ringmoleküle im
sichtbaren und ultravioletten
Spektralbereich, in Lösung.
Man erkennt die kontinuierliche
Verschiebung der Spektren nach
kleineren Quantenenergien, also
größeren Wellenlängen, mit zu-
nehmender Molekülgröße

Abb. 14.20. Aromatische Mole-


küle, sogenannte Polyacene,
deren Absorptionsspektren in
Abb. 14.20. Abb. 14.19 gezeigt sind, mit
dem Wellenlängenbereich der je-
weils längstwelligen Absorption

Abb. 14.19.

Methan oder Ethan mit σ-Bindungen erfolgt in σ ∗ -Orbitale, es handelt sich also um
(σ ∗ ← σ)-Übergänge. Man benötigt dazu relativ viel Energie. Die Absorption liegt ty-
pischerweise im kurzwelligen Ultraviolett bei etwa 120 nm.
Besonders interessant ist schließlich die Absorption durch Elektronen in nicht-
lokalisierten Orbitalen, die aber nicht für den Zusammenhalt des Moleküls maßgeblich
sind.
Hier ist ein bekanntes und wichtiges Beispiel das Benzol, vergleiche hierzu auch
Kap. 5. Beim Benzol läßt sich nicht mehr jedes Elektronenpaar eindeutig einer bestimm-
ten Bindung zwischen zwei Atomen zuordnen. Da im Benzolring jedes C-Atom ein H-
Atom bindet, bleiben 3 Elektronen pro C-Atom für weitere Bindungen übrig. Zwei da-
von bilden als sp2 -Hybride mit den jeweils benachbarten C-Atomen lokalisierte soge-
nannte σ-Bindungen. Hybridisierung bedeutet, daß mit der chemischen Bindung eine
Umordnung der Elektronen des Kohlenstoffs von 2s2 2 p2 zu 2s2 p3 verbunden ist. Der
dazu nötige Energieaufwand von 4,2 eV wird bei der chemischen Bindung wieder ge-
wonnen. Die dann im Benzol noch übrigen insgesamt 6 Valenzelektronen der 6 C-Atome
könnten 3 lokalisierte Doppelbindungen herstellen. Aus dem empirischen Befund, daß
im Benzol alle sechs Bindungen zwischen den C-Atomen gleichwertig sind, wurde die
Erkenntnis abgeleitet, daß diese Elektronen als 2 pz -Elektronen sogenannte π-Bindungen
eingehen, d. h. Bindungen, bei denen die Elektronen mit einem Knoten der Aufenthalts-
wahrscheinlichkeit in der Molekülebene über das ganze Molekül delokalisiert sind. π-
Bindungen sind weniger stark als die σ-Bindungen und werden schon mit geringerer
Quantenenergie angeregt als σ-Bindungen. Als (π ∗ ← π)-Übergänge bezeichnet man
solche Anregungen, bei denen ein π-Elektron durch Licht in ein π ∗ -Orbital angehoben
wird. Sie sind die tiefsten elektronischen Anregungen aromatischer Moleküle. Solche
Übergänge zeigen eine ausgeprägte Schwingungsstruktur, weil die Anregung zwischen
294 14. Elektronenspektren von Molekülen

Abb. 14.21. Fluoreszenzspektren


einiger Polyacene (in Lösung bei
Zimmertemperatur). Die Spek-
tren sind in der ersten Nähe-
rung spiegelbildlich zum jeweils
längstwelligen Teil der Absorp-
tionsspektren in Abb. 14.19

gebundenen Zuständen des Moleküls erfolgt, bei der die Bindung als solche und damit
die Möglichkeit der Schwingung erhalten bleibt.
Die Absorptionsspektren des Benzols (Abb. 14.18) weisen deshalb in verschiedenen
elektronischen Anregungsstufen eine für das Molekül charakteristische Schwingungs-
struktur auf. Diese bleibt auch erhalten, wenn das Molekül nicht in der Gasphase, son-
dern in Lösung oder im Festkörper angeregt wird. Allerdings werden die Spektrallinien
in kondensierter Phase verbreitert. Insbesondere ist auch keine Rotationsstruktur mehr
vorhanden, da die gesamte Rotationsstruktur, sofern die Moleküle noch rotieren kön-
nen, in der Linien- bzw. Bandenbreite verschmiert oder verborgen ist. In Abb. 14.18
ist der langwelligste Absorptionsbereich des Benzols im festen Zustand (Kristall) mit

Abb. 14.22. Absorptionsspek-


tren (langwelliger Teil, tiefster
elektronischer Übergang), von
linearen Diphenyl-Polyenen,
C6 H5 −(CH=CH)n −C6 H5 in
Lösung bei −196 ◦ C, mit n = 1
bis 7. Die Absorption gehört zur
Polyen-Kette −(CH=CH)n und
kann in guter erster Näherung
mit dem Modell des frei längs
der Kette beweglichen Elektro-
nengases verstanden werden.
(Nach K. W. Hausser, R. Kühn,
A. Smakula, Z. phys. Chem.
B29, 371 (1935))
14.6 Elektronische Spektren größerer Moleküle 295

dem gleichen Spektrum in Lösung und in der Gasphase verglichen – beides allerdings
mit schlechter spektraler Auflösung gemessen. Die Ähnlichkeit der Spektren ist offen-
sichtlich.
In Abb. 14.19 sind zum Vergleich auch noch die Absorptionsspektren der in
Abb. 14.20 gezeigten größeren Aromaten-Moleküle wie Naphthalin, Anthracen, Tetracen
gezeigt. Sie verschieben sich mit zunehmender Ausdehnung des π-Elektronensystems,
das heißt mit zunehmender Größe des aromatischen Ringes, nach längeren Wellenlän-
gen. Das gleiche gilt für die Emissionsspektren (Abb. 14.21), die spiegelbildlich zum
Abb. 14.23. Das Retinal-Mole-
längstwelligen Absorptionsübergang sind. Anhand der Abb. 14.19 soll hier noch darauf kül kann durch Lichtabsorption
hingewiesen werden, daß auch die Übergangs-Wahrscheinlichkeiten für verschiedene von der all-trans-Konfiguration
elektronische Übergänge unterschiedlich groß, das heißt die mit der Absorptionskon- (oben) in cis-Retinal (unten)
stante ε gemessenen Absorptionsstärken für das gleiche Molekül in verschiedenen übergehen. Dies ist der erste
Schritt des Sehvorganges im Au-
Spektralbereichen unterschiedlich groß sind. Darauf soll hier nicht näher eingegangen ge. Zur Vereinfachung sind
werden. CH3 -Gruppen durch Striche ge-
Der Benzolring ist ein besonders gut bekanntes und untersuchtes Beispiel für die kennzeichnet, die H-Atome am
im Bereich der organischen Chemie wichtige und häufige konjugierte Doppelbindung. konjugierten System sind nicht
eingezeichnet
Hier sind aufeinanderfolgende C-Atome in einem Ring oder in einer Kette abwechselnd
durch Einfach- und Doppelbindungen verknüpft, wobei Resonanz zwischen diesen Bin-
dungen besteht, so daß die Doppelbindungen im Effekt delokalisiert sind. Eine isolierte,
also nicht konjugierte C=C-Doppelbindung absorbiert Licht im Ultravioletten bei ca.
7 eV. Doppelbindungen in konjugierten Ketten absorbieren bei längeren Wellenlängen.
Wichtige Vertreter dieser Gruppe von Molekülen, mit mehr oder weniger delokali-
sierten Molekülorbitalen, die man auch „konjugiert“ nennt, sind in der organischen Che-
mie die linearen Polyene. Das sind lineare Systeme von n konjugierten Doppelbindun-
gen −C=C−C=, und zwei abschließenden Endgruppen. Abbildung 14.22 zeigt die Ab-
sorptionsspektren der Polyene mit n = 1 bis 7 und zwei Phenyl-Gruppen an den Enden.
Man erkennt die stetige Verschiebung der Absorption nach langen Wellenlängen mit zu-
nehmender Konjugationszahl n. Dies kann man mit dem Modell des frei längs der Kette
beweglichen Elektrons erklären, wie wir gleich zeigen werden.
Ein prominenter Vertreter dieser Klasse von Verbindungen ist das Retinal,
Abb. 14.23. Dieser Farbstoff, an ein bestimmtes Protein gebunden, bildet das Rho-
dopsin, das für den Elementarprozeß des Seh-Vorganges im Auge verantwortlich ist.
Während Retinal in Lösung bei 380 nm absorbiert, ist das Absorptionsspektrum des am
Protein gebundenen Retinals nach längeren Wellenlängen mit Maximum bei 500 nm
verschoben. Das Absorptionsspektrum erstreckt sich über den gesamten sichtbaren
Spektralbereich. Absorption des Photons im Auge durch das Retinal (als (π ∗ ← π)
oder (π ∗ ← n)-Übergang) führt zu einer Isomerisierung des Moleküls von der cis-
in die all-trans-Konfiguration (siehe Abb. 14.23). Diese Isomerisierung führt letzt-
lich zu dem Nervenpuls, der als Sehvorgang empfunden wird. Mehr dazu in Ab-
schn. 20.4.
Ein anderes Molekül aus der Gruppe der Polyene, das große Bedeutung in der Biolo-
gie hat, ist das β-Carotin, Abb. 14.24, mit 11 konjugierten Doppelbindungen, von dem
die Karotten ihre Farbe haben. Dieses und ähnliche Moleküle, die Carotinoide, spielen
beispielsweise bei der Photosynthese, das heißt bei der Umsetzung von Sonnenenergie
in Biomasse, eine wichtige Rolle.
Die elektronischen Anregungszustände der Polyene und ähnlich strukturierter Mo-
leküle können in einer anschaulichen ersten Näherung mit dem Modell von Elektronen
im Kasten oder im eindimensionalen Potentialtopf verstanden werden, siehe dazu auch
296 14. Elektronenspektren von Molekülen

Kap. 9 in I. – Für die Energieeigenwerte eines Elektrons (Masse m 0 ) im eindimensio-


nalen Potentialtopf der Länge a gilt, wie in I, Abschn. 9.1, Gl. (9.14) gezeigt

n2h2
En = , mit n = 1, 2, 3 . . . . (14.22)
8m 0 a2

Wenn wir ein solches Potential-Schema mit den 22 Elektronen aus der konjugierten
Kette des β-Carotins mit den 11 Doppelbindungen besetzen und berücksichtigen, daß
in jedes Niveau n nur zwei Elektronen (mit entgegengesetztem Spin) passen, dann sind
die Niveaus n = 1 bis n = 11 im Grundzustand besetzt. Die beobachtete längstwellige
Absorption des Moleküls bei 450 nm würde dann einem Übergang von n = 11 nach
n = 12, das heißt in den tiefsten nicht besetzten Zustand entsprechen. Dies bedeutet
einen Energieunterschied von
  h2
∆E = (E 12 − E 11 ) = 122 − 112 . (14.23)
8m 0 a2

Mit der beobachteten Absorption bei ∆E = 450 nm errechnet man daraus als Länge des
Potentialtopfs, also als Länge der konjugierten Kette, a = 17,7 Å. Dies ist die richtige
Größenordnung für die mit anderen Methoden genauer meßbare Moleküllänge. Diese
Abb. 14.24. Struktur des Caro- Übereinstimmung weist darauf hin, daß das Modell des über die ganze Länge deloka-
tin-Moleküls. Im linken Teilbild lisierten Elektrons eine gute Näherung darstellt.
ist angedeutet, wie die Molekül Die Delokalisation oder freie Beweglichkeit der π-Elektronen längs konjugierter
struktur mit C- und H-Atomen Doppelbindungen ist mit der metallischen Leitfähigkeit in festen Stoffen verwandt. Sie
sowie CH3 -Gruppen vollständig
aussieht. In der Struktur-Skizze
führt zu großer und stark anisotroper elektrischer Polarisierbarkeit der Moleküle, ferner
des Moleküls werden diese auch zu stark anisotropem Diamagnetismus. Die den Diamagnetismus charakterisieren-
Symbole zur Vereinfachung den Induktionsströme bei Anlegen eines magnetischen Feldes sind beispielsweise in der
weggelassen Ebene eines aromatischen Moleküls sehr viel stärker als senkrecht dazu. Dementspre-
chend ist die diamagnetische Suszeptibilität aromatischer Moleküle für ein Magnetfeld
senkrecht zur Ringebene mindestens dreimal so groß wie in der Ringebene, vergleiche
dazu Abschn. 3.7.
Wir können hier nicht auf die vielerlei Spektren und Anregungszustände im ein-
zelnen eingehen, die es bei großen Molekülen gibt. Wichtig und besonders auch für
den Physiker interessant ist noch die Gruppe der als Ladungsübertragungs-, Donator-
Akzeptor- oder Charge-Transfer-Übergänge bezeichneten Anregungen. Dabei wird
durch Lichtanregung ein Elektron ganz oder teilweise (im Sinne der Quantenmechanik)
von einem Teil des Moleküls auf einen anderen übertragen. Dadurch ändert sich die
gesamte Ladungsverteilung im Molekül, sein Dipolmoment und damit im allgemei-
nen auch seine Struktur und seine Ankopplung an die Umgebung. Die Spektren sind
wenigstens in kondensierter Phase häufig sehr breit und unstrukturiert wegen dieser
Kopplung. Aus dem Bereich der anorganischen Moleküle sei als Beispiel das bekannte
tief violette MnO− 4 -Ion (die Permanganat-Gruppe) mit Absorption zwischen 430 nm
und 700 nm genannt. Hier erfolgt der Übergang eines Elektrons zwischen den Ligan-
den, das heißt den das Mn-Ion umgebenden O-Atomen und den inneren d-Orbitalen des
Zentralatoms. Beispiele aus dem Bereich der organischen Chemie sind die Komplexe
zwischen Aromaten wie Anthracen und dem als Elektronen-Akzeptor dienenden Mole-
kül Tetracyano-Benzol. Dies ist ein Benzol-Molekül, bei dem vier der sechs H-Atome
durch CN-Gruppen ersetzt sind.
Aufgaben 297

Aufgaben

14.1 a) Wieviele Schwingungsniveaus gibt es unterhalb der Dissoziationsgrenze


des elektronischen Grundzustands (3 Πu ) und des angeregten Zustands (3 Πg ) im C2 -
Molekül? Berechnen Sie daraus die Dissoziationsenergien.
Hinweis: Die Schwingungskonstanten ν̄e und die Anharmonizitätskonstanten xe des Mo-
leküls in den beiden Zuständen sind

ν̄e xe

Grundzustand 1641,4 cm−1 0,00711


angeregeter Zustand 1788,2 cm−1 0,00919

b) Der 0-0-Übergang der Absorption vom Grundzustand in den angeregten Zustand


liegt bei 19 378 cm−1 , die Konvergenzstelle des Grenzkontinuums bei 39 231 cm−1 . Als
Dissoziationsprodukte findet man ein C-Atom im Grundzustand und eines im angereg-
ten Zustand mit einer Anregungsenergie von 10 308 cm−1 . Wie groß sind die Dissozia-
tionsenergien der beiden Zustände? Die Ergebnisse in (a) und (b) sind nicht identisch;
welchen Wert halten Sie für den genaueren?

14.2 Im Birge-Sponer-Diagramm trägt man die energetischen Abstände ∆E benach-


barter Schwingungsniveaus v und v+1 über der Quantenzahl v auf und extrapoliert nach
∆E = 0, um die Konvergenzstelle des Grenzkontinuums zu finden. Wenden Sie dieses
Verfahren an, um aus den folgenden Daten die Dissoziationsenergie des Moleküls I2 zu
bestimmen:

v 0 5 10 30 50 70 75 80

∆E [cm−1 ] 213,3 207,2 200,7 172,1 134,7 82,3 67,0 52,3

14.3 a) Ein wichtiger Übergang im O2 -Molekül erzeugt die sogenannte Schumann-


Runge-Bande im UV-Spektrum des Sauerstoffs. Die Wellenzahlen der Übergänge vom
Grundzustand in die Schwingungsniveaus des elektronisch angeregten Zustands 3 Σu−
lauten in cm−1 :
50 062,6; 50 725,4; 51 369,0; 51 988,6; 52 579,0; 53 143,4; 53 679,6; 54 177,0;
54 641,8; 55 078,2; 55 460,0; 55 803,1; 56 107,3; 56 360,3; 56 570,6.
Ermitteln Sie mit Hilfe eines Birge-Sponer-Plots (vgl. Aufgabe 14.2) die Dissoziations-
energie des angeregten elektronischen Zustands.
b) Der angeregte elektronische Zustand dissoziiert in ein O-Atom im Grundzustand
und ein O-Atom im angeregten Zustand, dessen Anregungsenergie aus dem atomaren
298 14. Elektronenspektren von Molekülen

Absorptionsspektrum zu 15 875 cm−1 bestimmt wird. (Dieses energiereiche Sauerstoff-


atom ist unter anderem für die Ozonbildung in der Atmosphäre verantwortlich.) Da-
gegen entstehen bei der Dissoziation aus dem Grundzustand zwei Atome im Grundzu-
stand. Berechnen Sie mit Hilfe dieser Angaben die Dissoziationsenergie des Grundzu-
stands von Sauerstoff.
14.4 Die Schwingungsfrequenz des Kohlenmonoxids CO im Grundzustand beob-
achtet man im Infrarotspektrum bei 2140 cm−1 . Das Bandensystem des ersten starken
elektronischen Übergangs erscheint im Absorptionsspektrum bei Zimmertemperatur
bei 155 nm und weist eine Schwingungsprogression mit einem Bandenabstand von
1480 cm−1 auf. Jede Schwingungsbande besteht aus Rot-abschattierten P-, Q- und
R-Zweigen, aus deren Analyse man die Rotationskonstanten B
= 1,61 cm−1 im ange-
regten und B

= 1,93 cm−1 im Grundzustand gewinnt. Die Bandenursprünge der drei


Zweige sind P(2), Q(1) und R(0).
a) Welche Informationen über die beiden beteiligten elektronischen Zustände können
Sie den gegebenen Daten entnehmen?
b) Ermitteln Sie mit Hilfe des Franck-Condon-Prinzips die stärksten vibronischen
Übergänge des Spektrums, indem Sie die beiden Potentialkurven maßstabsgetreu skiz-
zieren; verwenden Sie dazu das harmonische Oszillator-Potential U(R) = 12 k(R − Re )2 .
c) Welche Elektronenkonfigurationen gehören zu den Termen der beiden Zustände?
14.5 Warum sind die Absorptionsspektren mehratomiger Moleküle bei λ < 200 nm
oftmals kontinuierlich oder diffus?
14.6 In einem linearen Polyen befindet sich ein Elektron in einem delokalisierten Mo-
lekülorbital, das sich über 10 Å erstreckt. Wie groß ist die minimale Anregungsener-
gie des Elektrons aus dem Grundzustand? Mit welcher Wahrscheinlichkeit hält sich das
Elektron im Bereich zwischen 0 und 2 Å vom äußeren Ende des konjugierten Systems
auf?
15. Weiteres zur Methodik der Molekülspektroskopie

In der Molekülspektroskopie untersucht man Energieniveaus von Molekülen, die durch


Absorption, durch strahlungslose Prozesse, oder durch Emission von Licht miteinan-
der verbunden sind (Abschn. 15.1 bis 15.3). Die Technik der Spektroskopie mit Lasern
am Molekularstrahl aus kalten Molekülen (Ultraschalldüse) hat der Molekülspektrosko-
pie entscheidende Fortschritte gebracht (Abschn. 15.4). Man kann damit auch kurzle-
bige und schwach gebundene Komplexe und Cluster untersuchen. Die neue Modifikation
des Kohlenstoffs, die Fullerene, wurden damit entdeckt (Abschn. 15.4). Wichtiges expe-
rimentelles Hilfsmittel ist der durchstimmbare Farbstoff-Laser (Abschn. 15.5). Mit ei-
ner Kombination dieser modernen Hilfsmittel gelingt in der Zweiphotonen-Absorptions-
oder Anregungsspektroskopie sogar eine Auflösung der Rotationsstruktur in vibroni-
schen Banden größerer Moleküle (Abschn. 15.6). Mit modernen Puls-Lasern lassen sich
dynamische Prozesse in und an Molekülen bis in den Bereich der Femtosekunden aus-
messen (Abschn. 15.7).
Eine andere experimentelle Technik, die in rascher Entwicklung begriffen ist, ist
die Photoelektronenspektroskopie. Mit dieser in Abschn. 15.8 behandelten Methode ist
auch eine Spektroskopie innerer Elektronen möglich. Als ZEKE-Spektroskopie gelingt
damit sogar auch die Auflösung von Rotationslinien im Spektrum von Molekül-Ionen
(Abschn. 15.9).

15.1 Absorption von Licht


Außer der Energiedifferenz zwischen zwei Zuständen eines Moleküls, die durch Spek-
trallinien miteinander verbunden sind, ist auch die Wahrscheinlichkeit, mit der ein sol-
cher Übergang erfolgt, eine wichtige Meßgröße. Anders als bei Atomen, wo man weit-
hin nur von „erlaubten“ und „verbotenen“ Übergängen spricht, gibt es bei Molekülen
alle Zwischenstufen zwischen stark erlaubten und stark verbotenen Übergängen. Die
Übergangswahrscheinlichkeiten werden durch die elektronische Struktur von Ausgangs-
und Endzustand bestimmt. Mit der quantentheoretischen Herleitung der Übergangswahr-
scheinlichkeiten werden wir uns ausführlich im folgenden Kap. 16 befassen. Experimen-
tell kann man diese aus der Stärke der Absorption oder aus der Lebensdauer und Quan-
tenausbeute der Emission als Fluoreszenz oder Phosphoreszenz bestimmen.
Für die Lichtabsorption von Molekülen, die sich in der Konzentration C in einer ho-
mogenen Probe der Dicke x befinden, gilt das Lambert-Beersche-Gesetz
I = I0 e−αCx . (15.1)
(Hier bezeichnen wir die Konzentration mit C, um eine Verwechslung mit der Lichtge-
schwindigkeit c zu vermeiden.) Dabei bedeuten I0 die einfallende, I die von der Probe
durchgelassene Intensität, und α den so definierten und für die betroffenen Moleküle
300 15. Weiteres zur Methodik der Molekülspektroskopie

charakteristischen Absorptionskoeffizienten. Dieses Gesetz haben wir bereits in allge-


meiner Form bei der Definition des Wirkungsquerschnitts in I, Abschn. 2.4.2 kennen-
gelernt und abgeleitet. Es beschreibt den Wirkungsquerschnitt für die Absorption von
Licht durch Moleküle. Die Molekül-spezifische Größe ε, der molare Absorptionskoef-
fizient, ist durch die Gl. (15.2) definiert:
 
I0
log = εCx . (15.2)
I
ε hängt also mit α zusammen durch die Beziehung ε = α/ ln 10 = α/2,303. Die Dimen-
sion von ε ist 1/(Konzentration·Länge) oder üblicherweise M−1 cm−1 . M ist die Abkür-
zung für mol dm−3 , 1 M bedeutet also 1 Mol einer Substanz in einem Liter Lösungsmit-
tel. Man nennt ε deshalb auch den molaren dekadischen Absorptionskoeffizienten oder
Extinktionskoeffizienten. Aus der Definition von M als Mol je Volumen ergibt sich auch
eine andere Maßeinheit für ε, nämlich cm2 mol−1 oder cm2 mmol−1 , mmol für 10−3
Mol. Es ist 1 M−1 cm−1 = 1 cm2 mmol−1 . Mit dieser Maßeinheit kommt besser zum
Ausdruck, daß ε einen molaren Wirkungsquerschnitt für die Lichtabsorption mißt. Als
„Optische Dichte“ OD bezeichnet man das Produkt εCx und als „Durchlässigkeit“ das
Verhältnis T = I/I0 .
Der Extinktionskoeffizient ε ist für das absorbierende Molekül spezifisch und von
der Frequenz des absorbierten Lichtes abhängig. Ein Übergang zwischen zwei elektroni-
schen Zuständen eines Moleküls erstreckt sich, wie in Kap. 14 gezeigt, immer über eine
ganze Anzahl von Schwingungs- und Rotationszuständen, die zu den durch den Über-
gang verbundenen Potentialkurven des Moleküls gehören, also über einen Frequenz-
bereich ∆ν. Die Gesamtintensität eines elektronischen Überganges mißt man deshalb
durch das Integral

A = ε(ν)dν , [M−1 cm−1 s−1 ] oder [cm2 mmol−1 s−1 ] , (15.3)

den integralen Absorptionskoeffizienten. Er hängt mit der (dimensionslosen) Oszillato-


renstärke f zusammen nach
4m 0 cε0 ln 10
f = A (15.4)
NA e2 n 10
(m 0 die Masse, e die Ladung des Elektrons, n Brechungsindex des Mediums).
Einsetzen der Zahlenwerte ergibt
1,44 · 10−19
f = A (15.5)
n
wenn A in cm2 mmol−1 s−1 gemessen wird.
Sehr starke elektronische Übergänge haben f  1, und ε liegt zwischen 104 und
10 [M−1 cm−1 ]. Die Oszillatorenstärke f hängt direkt mit den in Abschn. 16.3.6
5
definierten Übergangs-Matrixelementen Θ21 , das heißt mit den Wellenfunktionen von
Ausgangs- und Endzustand, zusammen. Für einen elektrischen Dipolübergang zwischen
zwei Zuständen 1 und 2 mit dem Übergangsdipolmoment

Θ21 = ψ2∗ erψ1 dV (15.6)
15.1 Absorption von Licht 301

Abb. 15.1. Typisches Term-


schema eines Moleküls mit
Singulett- und Triplett-System,
Jablonski-Diagramm, zur Er-
läuterung der wichtigsten
strahlenden und strahlungslosen
Prozesse. Die Interkombination
sowie der strahlende Übergang
zwischen den beiden Systemen
(Phosphoreszenz, Absorption)
sind mehr oder weniger stark
verboten. Innere Umwand-
lung, d. h. Vibrationsrelaxation,
und Interkombination sind
strahlungslose Prozesse

(ψ1 , ψ2 Wellenfunktionen der Zustände, er Elektronenladung und Abstand der Ladungs-


schwerpunkte, V Volumen) gilt

8π 2 m 0 ν21
f = |Θ21 |2 . (15.7)
3 he2
Die Oszillatorenstärke kann also bei Kenntnis der Wellenfunktionen berechnet werden.
Sie ist im Spektrum auf eine mehr oder weniger große Zahl von vibronischen und rota-
torischen Übergängen verteilt. Vergleiche hierzu Kap. 16, insbesondere Abschn. 16.3.6.
Das Übergangsdipolmoment Θ21 ≡ µ = e · r ist ein Maß für die Ladungsverschiebung,
die zu dem Elektronenübergang 2-1 gehört. Aus (15.7) folgt, in Einheiten Debye,

f
Θ21 = 0,25249 · 109 [D] .
ν21

Dabei ist ν21 die gemittelte Frequenz des Übergangs.


Aus (15.7) läßt sich leicht ausrechnen, daß für die Frequenz ν = 6 · 1014 s−1
(λ = 500 nm) die Oszillatorenstärke f = 1 mit einem Übergangs-Dipolmoment
Θ = 3,4 · 10−29 Cm erreicht wird. Dies entspricht einem Dipol aus 2 Elementarla-
dungen im Abstand 2,1 Å.
Das Lambert-Beersche Gesetz ist im allgemeinen sehr gut erfüllt. Abweichungen
sind möglich bei Wechselwirkungen der Moleküle untereinander, aber auch wenn durch
sehr intensive Lichteinstrahlung das thermische Gleichgewicht gestört wird, oder wenn
ein langlebiger Zustand besetzt wird und dadurch eine Verarmung des absorbierenden
Grundzustandes während der Bestrahlung erfolgt.
Die von einem Molekül absorbierte Energie kann auf sehr verschiedene Weise wie-
der abgegeben werden. Wenn wir photochemische Prozesse, bei denen das Molekül ge-
ändert oder zerstört wird, zunächst einmal nicht berücksichtigen, dann kann die Ener-
gie strahlungslos, oder aber als Fluoreszenz oder Phosphoreszenz abgegeben werden.
Wir werden die Begriffe Fluoreszenz und Phosphoreszenz weiter unten erläutern. Eine
302 15. Weiteres zur Methodik der Molekülspektroskopie

Übersicht über die wichtigsten strahlenden und strahlungslosen Übergangs-Prozesse in


Molekülen zeigt Abb. 15.1.

15.2 Strahlungslose Prozesse


Strahlungslose Prozesse sind besonders solche Prozesse, bei denen elektronische An-
regungsenergie in Schwingungen, Rotationen und Translationen von Molekülen in der
Umgebung ungewandelt wird. Solche Prozesse sind in kondensierter Phase, das heißt
bei Molekülen in Flüssigkeiten und Festkörpern, sehr wichtig und zum Beispiel da-
für verantwortlich, daß Moleküle unabhängig von der Wellenlänge, mit der man sie
anregt, im allgemeinen nur aus dem tiefsten elektronischen Anregungszustand her-
aus Licht emittieren, und auch das nur dann mit hoher Ausbeute, wenn der Abstand
zum Grundzustand groß genug ist – größer als ein Vielfaches der charakteristischen
Schwingungsenergie-Quanten des Moleküls im elektronischen Grundzustand. Wenn
das Molekül angeregt wurde, dann kann die Anregungsenergie durch den Prozeß der
„inneren Umwandlung“ (siehe dazu auch Abb. 15.1 und 15.2) in kleinere Schwingungs-
und Rotations-Quanten umgesetzt und an die Umgebung abgegeben werden. Nur durch
Ausschluß einer Wechselwirkungs-Möglichkeit mit der Umgebung, wie es beispiels-
weise für isolierte Moleküle im Weltraum realisiert ist, läßt sich dieser strahlungslose
Prozeß vermeiden. Ein anderer wichtiger strahlungsloser Prozeß ist die durch Spin-
Bahn-Kopplung begünstigte Interkombination zwischen Singulett- und Triplett-System,
ebenfalls in Abb. 15.2 gezeigt.
Auf dem Prozeß der inneren Umwandlung beruht auch die sogenannte Kasha-Regel.
Sie besagt, daß ein Molekül in kondensierter Phase im allgemeinen nur aus dem tiefsten
elektronischen Anregungszustand heraus emittiert. Dies ist der schwingungsfreie Zu-
stand S1 oder – bei hinreichend starker Interkombination durch Spin-Bahn-Kopplung –
T1 .
Von der Tatsache, daß die Spektralverteilung im Fluoreszenzspektrum von Mole-
külen wegen der inneren Umwandlung meistens von der Anregungswellenlänge unab-
hängig ist, die Intensität der Fluoreszenz dagegen nicht, macht man bei der Methode
der Anregungsspektroskopie Gebrauch. Hierbei mißt man die Intensität der Fluoreszenz-
Emission in einem festen Wellenlängenbereich als Funktion der Wellenlänge bzw. Quan-
tenenergie des anregenden Lichtes. Die Intensität der Fluoreszenz ist dann um so größer,
je mehr Quanten absorbiert wurden. Auf diese Weise kann man Absorptionsspektren
auch in solchen Fällen messen, wo eine Durchstrahlung der Probe nicht möglich ist,

Abb. 15.2. Zur Erläuterung der


strahlungslosen Prozesse. Eine
Interkombination zwischen Sin-
gulett- und Triplett-System wird
durch Spin-Bahn-Kopplung er-
möglicht und findet deshalb um
so leichter statt, je mehr Atome
mit hoher Kernladungszahl zum
Molekül gehören. Die Phospho-
reszenz als strahlende Triplett-
Singulett-Interkombination ist
eine Emission mit großer
Abklingdauer
15.3 Emission von Licht 303

also bei sehr starker Absorption. Allerdings ist eine quantitative Messung von Absorp-
tionskoeffizienten in dieser Weise im allgemeinen nicht möglich, weil eine quantitative
Beziehung zwischen absorbierten und emittierten Quanten nur dann leicht herzustellen
ist, wenn Störeffekte wie Sättigung der Absorption und Reabsorption des Fluoreszenz-
lichtes ausgeschlossen sind.
Besondere Bedeutung hat die Anregungsspektroskopie als eine sehr empfindliche
Methode zur Messung schwacher Absorptionen. In solchen Fällen muß man in der Ab-
sorptionsspektroskopie das Verhältnis zweier wenig voneinander verschiedener Werte
messen, nämlich von einfallender und durchgelassener Intensität. Demgegenüber mißt
man im Anregungsspektrum den emittierten Quantenstrom. Bei schwacher Absorption
ist das mit erheblich höherer Genauigkeit möglich. Ein Beispiel für ein Anregungsspek-
trum folgt später, Abb. 21.8.

15.3 Emission von Licht


Als Fluoreszenz bezeichnet man strahlende Übergänge aus den vibronischen Niveaus
(gewöhnlich dem niedersten) eines (gewöhnlich des ersten) elektronischen Anregungs-
zustandes in die vibronischen Niveaus des Grundzustandes, siehe dazu auch Abb. 15.1
und Abschn. 14.1. Für diese Übergänge gilt ebenfalls wie für die Absorption das Franck-
Condon-Prinzip, d. h., die Übergänge erfolgen bevorzugt zwischen Zuständen, die in
Abb. 15.2 senkrecht übereinander liegen. Die Fluoreszenz erfolgt bei Quantenenergien,
die kleiner oder höchstens gleich sind wie diejenigen der Absorption – dies wird unmit-
telbar aus Abb. 15.1 verständlich. Beiden Spektren, dem der Absorption und dem der
Fluoreszenz, ist meistens, wenigstens bei hinreichend tiefen Temperaturen, nur die 0,0-
Linie gemeinsam, d. h. der Übergang zwischen den Zuständen mit v

= 0 und v
= 0.
Relativ dazu erstrecken sich die Absorptions- und die Fluoreszenzspektren spiegel-
bildlich nach höheren und nach niedrigeren Frequenzen, siehe auch Abb. 14.8, 14.19
und 14.21. Wenn bei höherer Temperatur auch vibronische Niveaus des elektronischen
Grundzustandes mit v

> 0 thermisch besetzt sind, so daß aus ihnen heraus Absorption


möglich ist, dann wird der Bereich der spektralen Überlagerung zwischen Absorption
und Fluoreszenz größer.
Die Abklingdauer der Fluoreszenz nach einer Anregung durch einen kurzen Licht-
puls mißt die strahlende Lebensdauer des emittierenden Zustandes. Um sie zu messen,
muß man die Fluoreszenz mit einem Lichtpuls anregen, der kurz ist gegen die Abkling-
dauer und diese aus der Zeit-Abhängigkeit der Emissionsintensität bestimmen. Für er-
laubte Übergänge sind Zeiten im Bereich von Nanosekunden typisch. Die Quantenaus-
beute η ist definiert durch
Zahl der emittierten Quanten
η= . (15.8)
Zahl der absorbierten Quanten
Wenn es keine strahlungslosen Konkurrenz-Prozesse gibt, beträgt die Quantenaus-
beute 1. Solche Werte werden z. B. bei bekannten und häufig verwendeten Fluoreszenz-
Farbstoffen wie Rhodamin oder Anthracen tatsächlich gemessen. Durch alle strahlungs-
losen Konkurrenz-Prozesse wird die Quantenausbeute verkleinert und die strahlende
Lebensdauer verkürzt.
Neben der Fluoreszenz beobachtet man besonders bei organischen Molekülen häu-
fig eine als Phosphoreszenz bezeichnete Emission mit sehr viel längerer Abklingdauer.
304 15. Weiteres zur Methodik der Molekülspektroskopie

Hierunter versteht man in der Molekülphysik die Emission aus einem angeregten
Triplett-Zustand, das heißt aus einem Zustand mit der Gesamt-Spinquantenzahl S = 1,
während man früher – und so auch heute noch manchmal in der Festkörperphysik –
mit Phosphoreszenz allgemein Lichtemission langer Abklingdauer bezeichnet. Die län-
gere Abklingdauer ist eine Folge des Interkombinationsverbotes für einen Übergang
vom angeregten Triplett- in den Singulett-Grundzustand, also des Verbotes von Spin-
Umklappvorgängen bei optischen Übergängen. Die Triplett-Natur dieser Zustände wird
durch Elektronen-Spinresonanz nachgewiesen, siehe dazu Kap. 18.
Wir diskutieren nun, wie es trotz des Übergangsverbotes zu strahlenden Übergängen
zwischen den Termen T1 und S0 kommen kann. Die meisten Moleküle sind im Grund-
zustand diamagnetisch, weil alle Elektronen mit ihren Spins paarweise abgesättigt sind.
Dies gilt auch für viele Anregungszustände, und die bisher besprochene Fluoreszenz
entspricht deshalb Singulett-Singulett-Übergängen, das heißt Übergängen zwischen Zu-
ständen mit S = 0. – Wie wir bereits in der Atomphysik gesehen haben, werden die
verbotenen Singulett-Triplett-Übergänge, bei denen mit der Lichtanregung das Umklap-
pen eines Elektronenspins verbunden ist, jedoch durch Spin-Bahn-Kopplung möglich.
Das nennt man in der Atomphysik Interkombination oder in der Molekülphysik, wenn
der Prozeß strahlungslos erfolgt, häufig intersystem crossing. Deshalb gibt es eine ge-
wisse – meist sehr kleine – Wahrscheinlichkeit für die Anregung von Molekülen durch
Licht aus dem Singulettzustand S0 in den Triplett-Zustand T1 oder umgekehrt für die
Emission aus dem Triplett- in den Singulettzustand. Diese Wahrscheinlichkeit wird –
wie wir es in der Atomphysik (siehe I. Abschn. 12.8) gelernt haben – durch die Ge-
genwart von Atomen mit hoher Kernladungszahl Z im Molekül oder in der Umgebung
erhöht. In der Molekülphysik nennt man dies den innermolekularen oder – wenn auf
Wechselwirkung mit der Umgebung beruhend – zwischenmolekularen Schweratomef-
fekt. Er ist dafür verantwortlich, daß beispielsweise das Molekül Dibrom-Naphthalin,
also ein Naphthalin-Molekül, bei dem zwei Protonen durch Brom-Atome ersetzt sind,
eine um mehrere Zehnerpotenzen stärkere S0 −T1 Absorption besitzt als das Naphthalin-
Molekül ohne Brom-Substituenten. Dementsprechend ist auch die Lebensdauer des me-
tastabilen T1 -Zustandes, soweit sie durch strahlende Desaktivierung begrenzt ist, im Br-
substituierten Naphthalin-Molekül verkürzt.
Ein in einem höheren Triplett-Zustand angeregtes Molekül gibt nun wenn möglich
seine vibronische und rotatorische Energie schnell strahlungslos an die Umgebung ab.
Wenn es sich dann schließlich in seinem tiefsten elektronischen Triplett-Zustand T1 be-
findet, kann es seine Energie nach Maßgabe der Spin-Bahn-Kopplung durch einen ver-
botenen, also langsamen strahlenden Übergang abgeben wie in Abb. 15.2 gezeigt. Der
Triplett-Zustand ist also metastabil, die Lebensdauer und damit die Abklingdauer für
die Phosphoreszenz-Emission kann Minuten betragen.
Eine weitere spektroskopische Meßgröße für die Untersuchung von Molekülen ist die
Messung der Polarisation von Absorption, Fluoreszenz und Phosphoreszenz. Die Pola-
risation jedes Überganges zwischen zwei verschiedenen elektronischen Zuständen läßt
sich ausrechnen, wenn man die Symmetrien der Zustände kennt. Sie läßt sich messen,
wenn man die Moleküle räumlich fixiert oder wenn man mit polarisiertem Licht Re-
lativmessungen zu Übergängen bekannter Polarisation ausführt. Ein Verlust des Polari-
sationsgrades zwischen Absorption und Emission – eine sogenannte Depolarisation –
kann zum Beispiel durch eine Bewegung des Moleküls oder eines Molekülteils zwischen
diesen beiden Prozessen verursacht werden. So kann man Polarisationsmessungen zum
Studium molekularer Bewegungen verwenden.
15.4 Kalte Moleküle 305

15.4 Kalte Moleküle

Während in kondensierter Phase die Spektren von Molekülen aus relativ breiten inho-
mogenen Linien oder Banden mit nichtaufgelöster Rotationsstruktur bestehen und des-
halb keine Ausmessung der feinen spektralen Eigenschaften von Molekülen erlauben,
ist die Analyse der ungeheuer linienreichen Spektren von Molekülen in der Gasphase
besonders bei etwas komplexeren Molekülen wegen der großen Linienzahl und der ge-
genseitigen Überlagerung zahlreicher Teilspektren aus vielen Rotations- und Schwin-
gungszuständen fast unmöglich. Ein einfaches Abkühlen auf tiefe Temperaturen, um zu
erreichen, daß die Anzahl besetzter rotatorischer und vibronischer Energieniveaus ab-
nimmt, ist nur begrenzt möglich, weil die Untersuchungen ja in der Gasphase erfolgen
müssen. Hier wurde im letzten Jahrzehnt ein erheblicher Fortschritt durch das Abkühlen
von Molekülen im Überschall-Strahl erzielt.
Wenn man ein Gas von einem Bereich höheren Druckes (einige Atmosphären) durch
eine geeignete Düse mit hoher Geschwindigkeit (Überschall) in das Vakuum expandie-
ren läßt, erfolgt eine adiabatische Abkühlung mit Umsetzung thermischer Energie der
Moleküle in kinetische Energie der Expansion. Dies ist in Abb. 15.3 ausführlich erläu-
tert.
Im Düsenbereich erfolgt zwischen den Molekülen durch Stöße Austausch von Ener-
gie mit dem Ergebnis einer Abkühlung der Translationsenergie (d. h. der Breite der
Geschwindigkeitsverteilung), der Rotations- und der Schwingungsenergie der Moleküle
zugunsten der Geschwindigkeitskomponente in Strahlrichtung. Die Breite dieser Ge-
schwindigkeitsverteilung (Abb. 15.3) ist ein Maß für die Temperatur.
Um ein molekulares Gas zur spektroskopischen Untersuchung abzukühlen, mischt
man eine kleine Menge dieses Gases mit einer großen Menge eines einatomigen Trä-
gergases, z. B. Helium. Bei der Expansion dieser Mischung durch die Düse werden
zunächst die Atome des Trägergases translationsmäßig abgekühlt. Die Moleküle geben

Abb. 15.3. Zur Molekülspek-


troskopie im Überschall-Düsen-
strahl, Herstellung kalter Mo-
leküle. Durch Ausströmen der
Moleküle aus einer Düse (oben)
wird ihre ungeordnete thermi-
sche Bewegung in gerichtete Be-
wegung mit hoher einheitlicher
Translations-Geschwindigkeit u
umgesetzt (Mitte). Dadurch wird
aus der breiten thermischen Ge-
schwindigkeitsverteilung mit der
Temperatur T1 (unten links)
eine schmale Verteilung mit
entsprechend verringerter effek-
tiver Temperatur T2 für Rotation
und Schwingung der Moleküle.
Nach R. Levy
306 15. Weiteres zur Methodik der Molekülspektroskopie

Abb. 15.4. Die spektrale Auflö-


sung des Spektrums von NO2
wird entscheidend verbessert,
wenn man das NO2 -Gas einem
Helium-Überschallstrahl bei-
mischt. Oberes Teilbild: Aus-
schnitt aus dem Absorptions-
spektrum von NO2 im Gaszu-
stand, in konventioneller Weise
bei 300 K aufgenommen. Un-
teres Teilbild: NO2 im He-
Überschallstrahl, Anregungs-
spektrum, gedehnte Skala. Nach
R. Levy

Abb. 15.5. Ausschnitt aus


dem NO2 -Anregungsspektrum,
aufgenommen mit einem
schmalbandigen Farbstoff-Laser.
Oben: Doppler-limitiertes
Spektrum: NO2 in einer Ab-
sorptionszelle, T = 300 K,
p = 0,3 mbar. Mitte: Doppler-
reduziertes Spektrum des im
oberen Teilbild punktierten
Bereiches: kollimierter Mo-
lekülstrahl aus reinem NO2 .
Unten: wie mittleres Teilbild,
jedoch sehr kalter Molekülstrahl
durch 1 bar Argon als Treibgas
und eine Beimischung von 5%
NO2 . Deutlich zu erkennen ist,
wie bei der niedrigen Strahlen-
temperatur Rotationslinien mit
größeren Rotationsquantenzahl-
en kleiner werden. Der Über-
gang 2 → 3 gehört zu einem
anderen Bandensystem. Die
Frequenzmarken haben einen
Abstand von 63 MHz. Zur
Nomenklatur: 80,8 → 90,K c
,
s = +1/2 bedeutet einen Über-
gang vom Zustand mit N

= 8,
K a = 0, K c = 8 in den Zustand
mit N
= 9, K a
= 0, K c

variabel und J = N + 1/2,


wobei N die Quantenzahl des
Rotationsdrehimpulses N des
Moleküls ist und K a und K c
die Projektionen von N auf
die Molekülachsen a bzw. c
sind. (Von W. Demtröder zur
Verfügung gestellt)
15.4 Kalte Moleküle 307

beim Stoß mit den kalten Atomen ihre Rotations- und Schwingungsbewegung ab in das
„kalte Bad“ des einatomigen Gases.
Die erreichbare Abkühlung hängt vom Wirkungsquerschnitt für Stöße mit Rotations-
und mit Schwingungs-Energieaustausch ab und führt dazu, daß die Temperaturen Tt , Tr
und Tv für Translation, Rotation und Schwingung drastisch gegenüber der Umgebungs-
temperatur gesenkt werden können. Man erreicht Tt = 0,5 bis 20 K, Tr = 2 bis 50 K und
Tv = 10 bis 100 K. Das heißt, die Freiheitsgrade für Translation, Rotation und Schwin-
gung der zu untersuchenden Moleküle sind so stark „abgekühlt“, wie es der genannten
jeweiligen Temperatur im thermischen Gleichgewicht entsprechen würde. Zur Ausmes-
sung der linienreichen Spektren benutzt man die Anregungsspektroskopie. Dabei wird
die Absorption des Lichtes eines durchstimmbaren schmalbandigen Lasers als Intensität
der Emission der Moleküle nachgewiesen.
Bei derart kleinen Rotations- und Schwingungs-Temperaturen sind nur noch die nie-
dersten Rotations-Schwingungs-Zustände im elektronischen Grundzustand besetzt. Da-
mit reduziert sich die Zahl möglicher Ausgangszustände für Absorptionsübergänge und
damit die Anzahl der Linien im Spektrum beträchtlich, und das Spektrum ist zwar im-
mer noch sehr linienreich, wird aber leichter analysierbar. Eindrucksvolle Beispiele für
die Erhöhung des Auflösungsvermögens in der Molekülspektroskopie durch diese Tech-
nik zeigen die Abb. 15.4 und 15.5. In Abb. 15.4 ist ein Ausschnitt aus dem NO2 -
Absorptionsspektrum mit konventioneller Meßtechnik, und darunter das hochaufgelöste
Spektrum im Überschallstrahl, als Anregungsspektrum gemessen. Abbildung 15.5 zeigt
eine weitere Verfeinerung der Meßtechnik und die daraus resultierende ungeheuer große
Anzahl meßbarer Linien.
Übrigens ist diese Überschalldüsen-Spektroskopie noch aus einem anderen Grund
sehr interessant: man kann im Strahl auch schwach gebundene molekulare Komplexe,
sogenannte Van der Waals-Moleküle oder Cluster beobachten, die bei höherer Tempe-
ratur (z. B. Raumtemperatur) sofort dissoziieren würden. Dies sind Zusammenlagerun-
gen von wenigen Molekülen zu schwach gebundenen Komplexen. Man hat auch schon
Cluster mit 105 Atomen oder Molekülen als Bausteine gefunden. Damit wurde eine
neue Möglichkeit zur Untersuchung von Wechselwirkungspotentialen zwischen Mole-
külen und zum Übergangsbereich zwischen Molekül- und Festkörperphysik eröffnet.
Die Physik der Cluster ist alt. Früher sprach man von Kolloiden. So weiß man zum
Beispiel schon lange, daß fein verteiltes, kolloidales Gold Glas rubinrot färbt. Durch Än-
derung der Größe von fein verteilten Metall-Clustern in Gläsern kann man diese sehr
unterschiedlich färben. Diese Phänomene wurden bereits 1908 durch Mie mit der grö-
ßenabhängigen Plasma-Resonanz der Metallelektronen erklärt. Seit etwa 1980 nimmt
das Interesse am Studium solcher Cluster stark zu. Man kann damit in vielen Gebieten,
so bei der Katalyse, der Photographie, der Struktur amorpher Substanzen, der Bildung
großer Moleküle im Weltall wichtige Erkenntnisse gewinnen.
Heute ist der Überschall-Düsenstrahl eine wichtige Quelle besonders für molekulare
Cluster. Eine experimentelle Anordnung zur Untersuchung von Clustern zeigt Abb. 15.6.
Man kann im kalten Düsenstrahl sehr ungewöhnliche Moleküle entdecken. So gelang
es bei einer Strahltemperatur von 0,3 mK, das Helium-Dimer He2 (siehe Abb. 13.3) zu
identifizieren. Seine Bindungsenergie entspricht einer Temperatur von 1 mK (J. Chem.
Phys. 98, 3564 (1993)). Dieses Molekül hat erstaunliche Eigenschaften: Wegen seiner
geringen Bindungsenergie beträgt der mittlere Kernabstand 55 Å, und es kann nur im
Grundzustand ohne Schwingungs- und Rotationsanregung existieren. Eine direkte Mes-
sung der Größe dieses ungewöhnlichen Moleküls gelang mit einer Anordnung, bei der
308 15. Weiteres zur Methodik der Molekülspektroskopie

Abb. 15.6. Apparatur zur Her-


stellung und Untersuchung von
Clustern. Aus der Düse gelangen
diese durch eine Blende (Skim-
mer) in die Nachweiskammer.
Dort werden sie durch Elektro-
nenbeschuß oder mit Licht io-
nisiert. Die Analyse erfolgt in
einem Massenspektrometer. Dort
werden auch die Bruchstücke
gemessen, die häufig beim Ioni-
sieren von Clustern entstehen

die Durchlässigkeit von Nanoporen für Helium-Dimere (und Monomere) eines kalten
Düsenstrahls gemessen wurde (J. Chem. Phys. 104, 1151 (1996)). Damit ergab sich der
mittlere Kernabstand zu 62 ± 10 Å.
Es gibt auch stabile Cluster und große Moleküle, die in solchen Düsenstrahlen ent-
stehen. Ein besonders bemerkenswertes in dieser Weise entdecktes Molekül ist das aus
60 C-Atomen bestehende Molekül C60 , Buckminsterfulleren, das wie ein Fußball aus-
sieht und Ikosaeder-Symmetrie hat (siehe dazu Abb. 4.18). Inzwischen kann man die-
ses Molekül auch anders herstellen, nämlich durch Verdampfen von Graphit in einer
Helium-Atmosphäre. Besonders aufsehenerregend war die Entdeckung, daß das Molekül
C60 im festen Zustand bei Dotierung mit Alkalimetall-Ionen supraleitend wird, und zwar
bei überraschend hohen Sprungtemperaturen. Inzwischen kennt man auch noch größere
Moleküle, so C70 .
In den wenigen Jahren seit der Entdeckung der Fullerene wurden in diesem neuen
Gebiet der Molekülphysik eine Vielzahl interessanter neuer Entdeckungen gemacht.
Man hat gefunden, daß es außer C60 und C70 noch andere, verwandte und kompli-
ziertere Strukturen gibt. Man hat mit allen spektroskopischen Methoden die Struktur
und die Bindungsverhältnisse in den Molekülen untersucht. Insbesondere hat man auch
zeigen können, daß sich in die C60 - oder C70 -Bälle auch kleinere Atome oder Mole-
küle einschließen lassen. Damit wurde ein neues Kapitel der chemischen Physik von
Molekülen eröffnet.

15.5 Farbstoff-Laser
Zur hochauflösenden Molekülspektroskopie an kalten Molekülen mit sehr scharfen
Abb. 15.7. Termschema eines Energietermen braucht man hochauflösende Spektrographen, oder aber spektral durch-
organischen Farbstoffes für stimmbare extrem schmalbandige Lichtquellen. Damit kann man die Absorption der
einen Farbstoff-Laser. Der Moleküle als Anregungsspektren messen, indem man etwa die Emission als Funktion
Emissionsbereich aus den vibro- der Anregungs-Wellenlänge mißt. Wenn deren spektrale Breite nicht größer ist als die
nischen Zuständen des elektro-
nischen Anregungszustandes S1 energetische Term-Breite der Moleküle, dann kann man diese spektral auflösen.
in die vibronischen Zustände Die wichtigste kontinuierlich über einen größeren Frequenzbereich spektral durch-
des Grundzustandes S0 liegt stimmbare Lichtquelle ist der Farbstoff-Laser, siehe I, Abschn. 21.1. Hier benutzt man
je nach Farbstoff bei einigen als Laser-Medium geeignete organische Farbstoff-Moleküle in Lösung. Das zugehörige
1000 cm−1 . Interkombination
in den Triplett-Zustand T1 ,
Termschema zeigt Abb. 15.7.
vermindert die Laserleistung. Der Farbstoff wird optisch vom Grundzustand S0 in höhere vibronische Zustände des
Weitere Erklärung im Text elektronischen Anregungszustandes S1 gepumpt. In Lösung liegen diese, gekoppelt mit
15.6 Hochauflösende Zweiphotonen-Spektroskopie 309

Rotations- und Schwingungs-Zuständen von Molekülen und Lösungsmitteln, praktisch


kontinuierlich. Nach rascher strahlungsloser Relaxation in die niedersten vibronischen
Zustände von S1 , erfolgt von dort Emission in die Vielzahl – ebenfalls fast kontinuier-
lich – der vibronischen Zustände vom elektronischen Grundzustand S0 . Da diese ther-
misch nicht besetzt sind und ihre Überschuß-Energie rasch strahlungslos abgeben, ist
die für Laser-Betrieb nötige Besetzungs-Inversion leicht gegeben. Aus dem spektralen
Emissionsbereich des Farbstoffes, der sich über mehrere 1000 cm−1 erstrecken kann,
wird im Laser-Resonator durchstimmbar die gewünschte Laserfrequenz selektiert.

15.6 Hochauflösende Zweiphotonen-Spektroskopie

Bei größeren Molekülen liegen die einzelnen Rotationslinien im elektronischen oder im


Vibrations-Elektronen-Übergang (vibronischer Übergang) so dicht, daß sie mit der kon-
ventionellen Spektroskopie nicht mehr aufgelöst werden können. Große Moleküle zei-
gen deshalb kein Linienspektrum mehr, sondern breite Banden, weil die Dopplerverbrei-
terung infolge der thermischen Bewegung in der Gasphase eine Auflösung der Linien
und damit eine exakte Messung von Rotations- und Schwingungsenergien im angereg-
ten Zustand verhindert. Für das Molekül Benzol, C6 H6 , beträgt die Dopplerbreite bei
Raumtemperatur 1,7 GHz = 0,05 cm−1 , während die Energie des S1 ← S0 Übergangs
im Bereich von 40 000 cm−1 liegt.
Hier kommt man mit der Methode der Doppler-freien Zweiphotonen-Absorptions-
spektroskopie weiter, die zuerst in der Atomspektroskopie angewandt wurde und in I,
Abschn. 22.4 beschrieben ist. Das Licht eines äußerst frequenzscharfen abstimmbaren
Lasers fällt in zwei gegenläufigen Strahlen auf die zu untersuchenden Moleküle. Wenn
ein Molekül von zwei entgegengesetzt laufenden Photonen getroffen wird, subtrahieren
sich die Dopplerverschiebungen und kompensieren sich zu Null, wenn beide Strahlen
exakt die gleiche Frequenz haben. Es tritt damit keine Dopplerverbreiterung mehr auf,
und eine Bestimmung der Übergangsfrequenz ist mit vielfach höherer Genauigkeit mög-
lich. Meßgenauigkeiten von 1 MHz sind erreichbar.
Hierbei wird das Molekül in einen Zustand gebracht, dessen Energie der Summe
der beiden Photonenenergien entspricht. Die im Ultravioletten liegenden Absorptions-
banden können also mit blauem Licht angeregt werden. Allerdings sind die Auswahl-
regeln für Zweiphotonen-Absorption unterschiedlich von denen für die konventionelle
Einphotonen-Absorption (Abschn. 17.3). Man weist die Zweiphotonen-Absorption als
Anregungsspektrum der UV-Fluoreszenz nach, siehe Abb. 15.8.
Die Leistungsfähigkeit dieses Verfahrens wird in Abb. 15.9 an einem Teil des
S1 ← S0 Absorption-Spektrums des Benzol-Moleküls in der Gasphase aufgezeigt, wie
man es bei Messung mit verschiedener spektraler Auflösung erhält. Hierbei beträgt die
spektrale Auflösung im oberen Teil 1 cm−1 , im mittleren Teil ist die Auflösung mit Abb. 15.8. Zum Prinzip der
Zweiphotonen-Absorptions-
0,06 cm−1 Doppler-limitiert. Erst im untersten Teil, bei dem die Doppler-Verbreiterung Spektroskopie mit Fluoreszenz-
aufgehoben und mit einer Auflösung von 0,003 cm−1 gemessen wurde, sind die ein- Nachweis. Aus dem Grund-
zelnen Rotationslinien im Spektrum aufgelöst. zustand S0 wird das Molekül
Unter der Doppler-verbreiterten Schwingungsbande sind also zahlreiche Rotations- durch einen Zweiphotonen-
Übergang angeregt, hier in den
linien verborgen, die erst ausgemessen werden können, wenn die Dopplerverbreiterung Zustand S1 . Die Absorption
überwunden wird. Mit dieser hochauflösenden Spektroskopie ist es möglich, Rotati- wird durch die Fluoreszenz
onskonstanten und Zentrifugal-Dehnungskonstanten des Moleküls im elektronischen nachgewiesen
310 15. Weiteres zur Methodik der Molekülspektroskopie

Abb. 15.9. Zweiphotonen-Ab-


sorptionsspektrum von Benzol,
aus dem elektronischen S1 ← S0 -
Übergang, gemessen mit unter-
schiedlicher spektraler Auflö-
sung. Im oberen Teilbild, gemes-
sen mit einer spektralen Auflö-
sung von 1 cm−1 , erkennt man
die Schwingungsstruktur des
elektronischen Überganges. Das
mittlere Teilbild ist mit einer
durch die Dopplerverbreiterung
begrenzten Auflösung von
0,06 cm−1 gemessen. Es zeigt
den Q-Zweig der stärksten
Schwingungsbande. Im unteren
Teilbild beträgt bei Doppler-
freier Meßtechnik die Auflösung
0,003 cm−1 . Man kann jetzt die
einzelnen Rotationslinien auf-
lösen. – Zur Bezeichnung der
Schwingungsbanden, z. B. 1410 :
Es handelt sich um die Nor-
malschwingung 14, die im End-
zustand (hier S1 ) mit 1 Quant,
im Grundzustand (S0 ) mit
0 Quanten angeregt ist. – Aus
H. J. Neusser u. E. W. Schlag,
Angew. Chem. 104, 269 (1992)
nach E. Riedle, Dissertation TU
München 1985

Abb. 15.10. Energieschema zur


resonant verstärkten Zweiphoto-
nen-Ionisation: Ein erstes Licht-
quant hν1 ist auf ein reelles, ro-
vibronisches Anregungs-Niveau
des zu untersuchenden Moleküls Grundzustand S0 wie im Anregungszustand S1 mit einer Genauigkeit von 10−6 cm−1
abgestimmt, ein zweites Licht- zu messen. Daraus folgen genaue Strukturaussagen über die Moleküle.
quant hν2 ionisiert das Molekül. Ein anderes, verwandtes Verfahren zur optischen Spektroskopie größerer Moleküle
Der Nachweis dieses Prozess-
es und damit der Absorption des mit hoher Auflösung ist die Resonanzverstärkte Zweiphotonen-Ionisation. Man verwen-
frequenzscharfen Lichtquantes det es besonders zur Untersuchung von schwach gebundenen Van der Waals-Komplexen
hν1 , kann mit Hilfe eines Mas- aus Molekülen, die sich im Überschall-Strahl bilden.
senspektrometers erfolgen. Die Hierbei wird das Molekül oder der Komplex, wie in Abb. 15.10 gezeigt, mit einem
Messung kann auch Dopplerfrei
erfolgen. Siehe dazu auch
ersten Lichtquant hν1 in einen Anregungszustand im Bereich der S1 ← S0 Absorption
H. J. Neusser u. E. W. Schlag, angeregt. Dieses erste Lichtquant stammt aus einem durchstimmbaren Farbstoff-Laser
Angew. Chem. 104, 269 (1992) mit großer Frequenzschärfe. Mit einem zweiten Lichtquant hν2 , das aus einem zweiten
15.7 Ultra-Kurzzeit-Spektroskopie 311

Farbstoff-Laser mit relativ großer Frequenzbreite stammt, wird das angeregte Molekül
ionisiert. Daher der Name Resonanzverstärkte Zweiphotonen-Ionisation. Die entstehen-
den Ionen werden in einem Massenspektrometer nach ihrer Masse selektiert und nach-
gewiesen. Als Meßbeispiel zeigt Abb. 15.11 die Struktur des Van der Waals-Komplexes
zwischen Benzol und Argon, C6 H6 -Ar2 , wie sie aus einer Analyse der Schwingungs-
und Rotationsstruktur dieses nur im Überschall-Strahl untersuchbaren Komplexes abge-
leitet werden konnte.

15.7 Ultra-Kurzzeit-Spektroskopie
Die Untersuchung der Geschwindigkeit molekularer Vorgänge oder Reaktionen hat sich
in den letzten Jahrzehnten enorm entwickelt. Vor mehr als 40 Jahren wurden erstmals
mit Blitzlicht-Pulsen im Mikrosekunden-Bereich chemische Umlagerungen und Reak-
tionen mit optischer Spektroskopie untersucht, wofür der Nobelpreis an Norrish und Abb. 15.11. Experimentell
Porter sowie an Eigen ging. ermittelte Struktur des Van der
Die Zeitskala, auf der die schnellsten molekularen Bewegungen ablaufen, kann Waals-Komplexes C6 H6 –Ar2 –
über die Periode der höchsten beobachteten Schwingungsfrequenzen in Molekülen (ca. als Beispiel für die Leis-
3000 cm−1 ) zu 10 fs abgeschätzt werden. Experimentelle Methoden mit einer Auflösung tungsfähigkeit dopplerfreier Mo-
lekülspektroskopie. Der (kurz-
in diesem Zeitbereich sind daher in der Lage die Dynamik von molekularen Systemen lebige) Komplex entsteht im
im Detail aufzuklären. Bisher ist es nur mit optischen Techniken möglich eine derart Düsenstrahl. Der Nachweis
hohe Zeitauflösung zu erzielen. Mit solchen Methoden konnten in den letzten Jahren erfolgt mit Hilfe des Massen-
grundlegende Reaktionstypen untersucht werden, wie z. B. intra- und intermolekularer spektrometers. Siehe dazu auch
H. J. Neusser u. E. W. Schlag,
Energie- und Elektron-Transfer, Schwingungs-Relaxation oder photochemische Reak- Angew. Chem. 104, 269 (1992)
tionen von kleinen Molekülen bis hin zu komplexen biologischen Systemen wie dem
Reaktionszentrum der bakteriellen Photosynthese., vgl. Abschn. 20.7.
Die dabei überwiegend verwendete Technik ist die Anreg-Abfrage-Spektroskopie
(engl. excite-probe oder pump-probe spectroscopy). Die grundlegende Idee dabei ist
es, in den untersuchten molekularen Systemen mit einem ersten kurzen Licht-Impuls,
dem Anreg-Impuls, einen kurzlebigen Nicht-Gleichgewichts-Zustand zu präparieren,
z. B. eine chemische Reaktion auszulösen. Die Moleküle haben nun in diesem elek-
tronisch angeregten Zustand im allgemeinen veränderte optische Eigenschaften. Daher
kann die weitere zeitliche Entwicklung der Probe hin zu einem neuen Gleichgewichts-
Zustand über die Messung der Absorption eines zweiten Licht-Impulses, dem Abfrage-
Impuls, verfolgt werden. Die Dauer von Anreg- und Abfrage-Impuls bestimmt dabei
die Zeitauflösung des Experiments. Die im sichtbaren Spektralbereich gegenwärtig er-
reichte Kurzzeit-Grenze solcher Untersuchungen liegt bei ca. 5 fs. Ein Licht-Impuls
dieser Dauer entspricht einem Wellenzug von unter 2 Wellenlängen.
Kurze, sehr intensive Licht-Impulse (< 10 fs) werden zur Zeit von speziellen breit-
bandigen Lasersystemen meist im nahen infraroten Spektralbereich erzeugt. Diese Licht-
Impulse (siehe Abb. 15.12) werden über einen teildurchlässigen Spiegel in einen Anreg-
und Abfrage-Impuls aufgespalten und erreichen nach unterschiedlich langen Weg-
strecken die Probe. Je nach der Wegstreckendifferenz zwischen Anreg- und Abfrage-
Impuls ergibt sich somit eine definiert einstellbare Verzögerungszeit der beiden Licht-
Impulse am Ort der Probe. Dadurch kann die Absorption der Probe zu einem bestimm-
ten Zeitpunkt nach der optischen Anregung gemessen werden. Wiederholt man dieses
Experiment mehrmals für unterschiedliche Wegstreckendifferenzen kann somit die zeit-
liche Entwicklung der Transmissionsänderung der molekularen Probe bestimmt werden.
312 15. Weiteres zur Methodik der Molekülspektroskopie

Abb. 15.12. (linke Seite)


Schematischer Aufbau eines
Anreg-Abfrage-Spektrometers.
Verstärkte Lichtimpulse werden
von einem teildurchlässi-
gen Spiegel in Anreg- und
Abfrage-Impuls aufgeteilt.
Durch nicht-linear optische
Effekte (z. B. parametrische
Frequenz-Konversion) wird die
Wellenlänge beider Impulse
unabhängig voneinander einge-
stellt. Der Anreg-Impuls löst in
der Probe die zu untersuchende
Reaktion aus. Der Abfrage-
Impuls mißt die dadurch
induzierte Transmissionsän-
derung der Probe nach einer
definierten Verzögerungszeit
(rechte Seite) Oben: Der Anreg-
Impuls löst in der Probe eine
Reaktion aus und erzeugt damit
eine Transmissionsänderung.
Die zeitliche Entwicklung der
Transmission (durchgezogene Die Veränderung des Lichtweges wird im allgemeinen rechnergesteuert über verfahr-
Linie) gibt somit die Dynamik bare Spiegelpaare realisiert. Beispielsweise entspricht eine Verzögerungszeit ∆t von
des Reaktionsverlaufes wieder. 1 ps einer Wegstreckendifferenz ∆x = c∆t von 0,3 mm.
Mitte: Nach einer bestimmten
Verzögerungszeit ∆t erreicht
Meistens ist es auch notwendig, die Wellenlängen (Farben) von Anreg- und Abfrage-
der Abfrage-Impuls die Probe. Impulsen individuell auf das untersuchte molekulare System abzustimmen. Dies wird
Somit kann für diesen Zeitpunkt häufig über eine parametrische Frequenz-Konversion in nicht-linear optischen Me-
die Transmissionsänderung be- dien realisiert (Wellenlängenwandler). Dabei kann oftmals durch nachfolgende Impuls-
stimmt werden. Unten: Durch
mehrere Messungen für unter-
Kompressionstechniken sogar noch eine weitere Verkürzung der erzeugten Licht-
schiedliche Verzögerungszeiten Impulse und damit eine erhöhte zeitliche Auflösung des Experiments erreicht werden.
∆t wird der zeitliche Verlauf Die neuesten Weiterentwicklungen der verschiedenen Techniken zur Frequenz-
der ausgelösten Reaktion in der Konversion ermöglichen es heute auch ultrakurze Lichtimpulse in einem Spektral-
Probe aufgenommen bereich von wenigen Tera-Hertz bis hin zu harter Röntgenstrahlung zu erzeugen. Dies
erlaubt nun Experimente mit höchster Zeitauflösung in einem weiten Spektralbereich. Je
nach Wahl der Experimentführung ist es mit der Anreg-Abfrage-Spektroskopie möglich
zeitaufgelöste Messungen von Absorption, Emission, Streuung und Beugung durchzu-
führen. Mit der verfügbaren Lasertechnik lassen sich Pulsdauern und Pulsintervalle bis
herunter zu einigen fs erzeugen und damit dynamische Prozesse bis herunter zu etwa
10 fs messen.
Ein eindrucksvolles Beispiel ist die Photodissoziation des Moleküls NaJ, Abb. 15.13.
Mit dem Anregungspuls mit einer Wellenlänge von 310 nm wird das Molekül NaJ in
einen Zustand [NaJ]∗ angeregt. Es kann in diesem Zustand dissoziieren in Na + J, es
kann aber auch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit im Zustand [NaJ]∗ oszillieren und
erst nach einer oder nach wenigen Schwingungsperioden dissoziieren. Dieses zeitliche
Verhalten wird mit dem zweiten, dem Abfragepuls, beobachtet. Wenn man mit diesem
bei der Wellenlänge 589 nm die Absorption des freien Na-Atoms mißt – obere Kurve
in Abb. 15.13 – dann mißt man damit den zeitlichen Verlauf der Dissoziation. Diese
nimmt mit der Periode der Schwingung des Komplexes [NaJ]∗ , 1,25 ps ≡ 27 cm−1 zu.
Mit dieser Periode kann der Übergang vom gebundenen in den dissoziierten Zustand
erfolgen. Nach rund zehn Oszillationen ist die Dissoziation vollständig.
15.8 Photoelektronen-Spektroskopie 313

Abb. 15.13. Femtosekunden-


spektroskopische Untersuchung
der Dissoziationsreaktion
NaJ → [NaJ]∗ → Na + J. Auf-
getragen ist die Absorption als
Funktion der Verzögerungszeit
zwischen Anregungs-Lichtpuls
und Abfrage-Lichtpuls. Die
Absorption wird hier als In-
tensität der Laserinduzierten
Fluoreszenz, also als Anre-
gungsspektrum, gemessen.
Obere Kurve: Absorption
des freien Na-Atoms bei der
Resonanzfrequenz 589 nm
(Na-D-Linie). Untere Kurve:
Absorption des Komplexes,
das heißt Absorption von Na
außerhalb der Resonanz. Wei-
tere Erläuterungen im Text. Aus
A. H. Zewail, Science 242, 1645
(1988)
Wenn man dagegen mit dem Abfrage-Impuls außerhalb der Na-Resonanzabsorption
mißt, mißt man die Absorption von Na, das noch dem Komplex [NaJ]∗ angehört. Hier
hängt die Absorptionsfrequenz vom jeweiligen Abstand zwischen Na und J ab. Absor-
biert wird also jedesmal dann, wenn die Schwingung des Komplexes diesen Abstand
der Partner erreicht. Das Meßresultat zeigt die untere Kurve in Abb. 15.13. Man er-
kennt das oszillatorische Abnehmen dieser Absorption mit der Schwingungsperiode des
Komplexes. Bei jeder Schwingungsperiode beträgt die Dissoziationswahrscheinlichkeit
etwa 0,1.
Mit der Kurzzeit-Spektroskopie im Zeitbereich von Pico- bis Femtosekunden kann
man, wie besonders Zewail gezeigt hat, also den zeitlichen Verlauf chemischer Reak-
tionen verfolgen. Hierfür wurde der Begriff Femtochemie vorgeschlagen.
Auch bei der Untersuchung biologischer molekularer Prozesse ist die Ultrakurzzeit-
Spektroskopie, besonders als sogenannte Korrelations-Spektroskopie, eine wichtige
Messmethode geworden. Hierzu muss auf Spezialliteratur verwiesen werden.

15.8 Photoelektronen-Spektroskopie
Mit der Spektroskopie im infraroten, sichtbaren und nahen ultravioletten Spektralbe-
reich, wie wir sie bisher besprochen haben, untersucht man mehr oder weniger aus-
schließlich die äußeren, schwach gebundenen Elektronen der Moleküle. Bei der Unter-
suchung der inneren Elektronenschalen von Molekülen wurden mit den Methoden der
Photoelektronen-Spektroskopie in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt. Hierbei
verwendet man den Photoeffekt, d. h. die Tatsache, daß durch Bestrahlung mit Licht hin- Abb. 15.14. Grundlage der
reichend großer Quantenenergie Elektronen aus ihrer Bindung freigesetzt werden kön- Photoelektronen-Spektroskopie
nen, siehe I, Abschn. 5.3. Man bestrahlt die Probe mit monochromatischem UV- oder ist der Photoeffekt. Ein an-
kommendes Photon mit der
Röntgenlicht und mißt die kinetische Energie E kin der freigesetzten Photoelektronen in Energie hν ionisiert ein Atom
einem Geschwindigkeits-Analysator für Elektronen. Im einfachsten Falle gilt für diese oder Molekül (Ionisierungsener-
die Grundgleichung des Photoeffektes gie I). Die restliche Energie
erscheint als kinetische Energie
E kin = hν − E B , (15.9) des freigesetzten Elektrons
314 15. Weiteres zur Methodik der Molekülspektroskopie

wenn hν die Quantenenergie des anregenden Lichtes und E B die Bindungsenergie der
Elektronen ist, siehe dazu auch Abb. 15.14.
Zur Anregung braucht man intensives monochromatisches Licht. Da schon für die
äußeren Valenzelektronen die Ionisierungsenergien einige eV betragen, muß es Licht im
ultravioletten oder Röntgenbereich sein. Man arbeitet entweder mit dem Linienspektrum
einer Gasentladung (z. B. mit der He(I)-Linie 1s2 p → 1s2 bei 58,43 nm = 21,22 eV)
oder, wenn man noch fester gebundene Elektronen untersuchen will, mit charakteristi-
schen Röntgen-Linien. Besonders gut als Lichtquelle für dieses Verfahren eignet sich
die Synchroton-Strahlung (I, Abschn. 5.1), die in einem weiten Frequenzbereich durch-
stimmbar ist.
Zur Energiemessung der Elektronen benutzt man die Ablenkung der Elektro-
nen in einem elektrostatischen oder magnetischen Analysator, wie wir sie bei der
e/m 0 −Bestimmung des Elektrons und bei der Massenspektroskopie in I, Abschn. 3.2
und 6.4 bereits kennengelernt haben. Mit solchen Energieanalysatoren kann man heute
Energie-Spektren der Photoelektronen mit einer Auflösung von besser als 2 meV, d. h.
10 cm−1 messen. Eine schematische Versuchsanordnung zeigt Abb. 15.15.
Man spricht von UPS (UV-Photoelektronen-Spektroskopie), wenn die Anregung mit
UV-Licht, von XPS (X für Röntgenlicht), wenn sie mit Röntgenstrahlung erfolgt. Bei
der Freisetzung innerer Elektronen mit Röntgenlicht beobachtet man natürlich in erster
Näherung auch bei Molekülen die atomaren Bindungsenergien der Elektronen in den in-
neren Schalen, weil für die Atome in ihrem jeweiligen Ionisierungszustand diese durch
die chemische Bindung nur wenig beeinflußt werden. Die charakteristischen Elektronen-
Bindungsenergien der Atom-Elektronen können damit zur Analyse der atomaren Zu-
sammensetzung einer Probe dienen – daher der Name „ESCA“ = „electron spectroscopy
for chemical analysis“ für diese Methode. Es gibt jedoch auch Einflüsse der chemischen
Bindung, besonders auf die äußeren Elektronen.
Als Beispiel zeigt Abb. 15.16 das Photoelektronenspektrum des N2 -Moleküls und
zum Vergleich dazu das bereits früher (Abschn. 13.3) besprochene Molekülorbital-
Schema. Hier kann man – allerdings mit unterschiedlich guter Energieauflösung –
Photoelektronen der Reaktion N2 + hν → N+ −
2 + e + Ekin aus allen Orbitalen der
14 Elektronen des Moleküls analysieren. Damit werden auch alle inneren Orbitale
– nicht nur die Valenzelektronen – der Untersuchung zugänglich. Abbildung 15.17 ver-
deutlicht am Beispiel des O2 -Moleküls, daß das durch Photoionisation erzeugte Ion bei

Abb. 15.15. Schema der


Elektronenspektroskopie von
Atomen, Molekülen oder Fest-
körpern. Die Anregung erfolgt
mit Strahlung verschiedenen
Typs, die möglichst gut mo-
nochromatisiert wird. Die
herausgeschlagenen Elektronen
werden fokussiert und in ei-
nem Elektronenspektrometer hin-
sichtlich ihrer kinetischen Ener-
gie analysiert, verstärkt und
nachgewiesen. (Nach K. Sieg-
bahn, Phys. Bl. 42, 1 (1986))
15.8 Photoelektronen-Spektroskopie 315

Abb. 15.16. Photoelektronen-


spektrum des N2 -Moleküls.
Die Bindungsenergie der
Photoelektronen wird aus der
kinetischen Energie berechnet
und in eV aufgetragen. Der
Vergleich mit dem berechneten
Molekülorbital-Schema (siehe
dazu auch Abb. 13.4) zeigt, daß
man mit der Photoelektronen-
Spektroskopie die Termlagen
der inneren Elektronen eines
Moleküls bestimmen kann

diesem Prozeß auch in einen Schwingungszustand entsprechend dem Franck-Condon-


Prinzip angeregt werden kann. So lassen sich mit der Photoelektronen-Spektroskopie
auch Schwingungsquanten der Ionisationsprodukte messen. Auch in Abb. 15.16 ist bei
Übergängen aus antibindenden u-Orbitalen Schwingungsstruktur aufgelöst. Aus der
Struktur des Photoelektronenspektrums läßt sich auch ablesen, ob bindende oder an-
tibindende Elektronen angeregt werden: die Schwingungsstruktur ist unterschiedlich
stark ausgeprägt. Schließlich zeigt Abb. 15.18 noch ein Beispiel für ein Photoelektro-
nenspektrum eines größeren Moleküls, nämlich des Benzols, mit Photoelektronen aus
vielen Orbitalen.

Abb. 15.17. Photoelektronen-


spektrum (rechts) und Term-
schema für das O2 -Molekül.
Das O+ 2 -Ion kann nicht nur
im Schwingungs-Grundzustand,
sondern auch in angeregten
Schwingungszuständen bei
der Photoionisation gebildet
werden. Dann beobachtet man
im Photoelektronenspektrum
die Schwingungsstruktur des
Moleküls O+ 2 , hier in cm
−1
relativ zur schwingungslosen
Anregung bei 0,95 · 105 cm−1
316 15. Weiteres zur Methodik der Molekülspektroskopie

Abb. 15.18. Photoelektronen-


spektrum der Valenzelektronen
von Benzol, C6 H6 , bei An-
regung mit der Linie He I,
hν = 21,22 eV des Helium-Gas-
spektrums. Die Zuordnung der
gemessenen Bindungsenergien
zu Molekülorbitalen gelingt
eindeutig, soll hier aber nicht
im einzelnen erläutert werden.
Auch vibronische Struktur ist
erkennbar. (Mehr bei L. Karls-
son, L. Mattson, R. Jadrny, T.
Bergmark und K. Siegbahn,
Physica Scripta 14, 230 (1976))

Eine wichtige Anwendung der Photoelektronen-Spektroskopie ist ferner die Un-


tersuchung des Einflusses der chemischen Bindung auf die Bindungsenergie innerer
Elektronen in komplizierteren Molekülen. Das kann man sich am Beispiel des Ethyl-
Proprionats,
CH3 CH2 COCH2 CH3
=

O
Abb. 15.19. Photoelektronen-
spektrum von Ethylproprionat verdeutlichen. Hier gibt es O in zwei und C in vier unterschiedlichen Bindungszu-
als Gas. Es handelt sich ständen, wovon bei C zwei sehr ähnlich sind. Tatsächlich kann man im Photoelektro-
um Rumpfelektronen 1s von nenspektrum der 1s-Elektronen zwei Gruppen von Elektronen aus dem O-Atom und 3
Kohlenstoff (Bindungsenergie
um 293 eV) und Sauerstoff Gruppen aus dem C-Atom unterscheiden, die man den verschiedenen Gruppen im Mo-
(um 538 eV). Die Aufspaltung lekül zuordnen kann, siehe dazu Abb.15.19. Auch in der Photoelektronen-Spektroskopie
der beiden Elementlinien ent- gibt es den Begriff der Chemischen Verschiebung, der in der Kernspin-Resonanz (siehe
spricht der unterschiedlichen Kap. 18) und in der Mössbauerspektroskopie wichtig ist. Ein weiteres Beispiel dafür
chemischen Verschiebung der
Atome je nach ihrer Bindung
zeigt Abb. 15.20.
im Molekül. Sauerstoff ist als Die Photoelektronen-Spektroskopie ist also eine wichtige Ergänzung der optischen
C=O Gruppe und in der Kette Spektroskopie zur Erforschung von Struktur und Bindungsverhältnissen der Moleküle.
vorhanden, Kohlenstoff als
C=O, CH2 und CH3

15.9 Hochauflösende Photoelektronen-Spektroskopie


Wenn man die Photoelektronen-Spektroskopie zur spektroskopischen Analyse von Mo-
lekülen verwenden will, erweist sich die geringe spektrale Auflösung als Hindernis. Mit
der konventionellen Photoelektronen-Spektroskopie erreicht man bestenfalls ein Auf-
lösungsvermögen von etwa 1 meV oder 10 cm−1 . Bei der Erzeugung der Photoelek-
tronen mit einem schmalbandigen Farbstofflaser am Molekül im Überschallstrahl ist
das Auflösungsvermögen durch die Genauigkeit begrenzt, mit der die kinetische Ener-
gie der Photoelektronen gemessen werden kann. Mit konventioneller Photoelektronen-
Spektroskopie ist die Auflösung der Rotationsstruktur im Spektrum größerer Moleküle
natürlich nicht möglich. Wie kann man das verbessern?
Eine um zwei Größenordnungen höhere spektrale Auflösung (etwa 25 µeV, d. h.
0,2 cm−1 ) läßt sich mit einer neueren Entwicklung, der Zero-Kinetic-Energy Photo-
elektronen-Spektroskopie (ZEKE-PES), erzielen. Damit ist die Untersuchung nieder-
15.9 Hochauflösende Photoelektronen-Spektroskopie 317

Abb. 15.20. 1s-Elektronen-


Linien von Kohlenstoff in
Ethyltrifluor-Azetat, zur Erläute-
rung der chemischen Verschie-
bung bei der Photoelektronen-
Spektroskopie. Man erkennt
vier Linien gleicher Intensität,
die zu den vier C-Atomen mit
jeweils unterschiedlicher chemi-
scher Umgebung im Molekül
gehören. Nach K. Siegbahn,
J. Pure Appl. Chem. 48, 77
(1976)

energetischer Schwingungen in Clusterionen, wie z. B. von Phenol-Wasser, oder die ro-


tationsaufgelöste Spektroskopie größerer Molekülionen, wie etwa des Benzol-Kations,
möglich.
Bei der ZEKE-Methode wird nicht, wie im Falle der konventionellen Photoelektro-
nen-Spektroskopie, Licht fester Wellenlänge eingestrahlt und aus der gemessenen kine-
tischen Energie der emittierten Elektronen auf die Zustände des Moleküls geschlossen,
sondern die Wellenlänge des Lichts wird verändert und es werden nur solche Elektronen

Abb. 15.21. Vollständig rotati-


onsaufgelöstes ZEKE-Spektrum
des Benzol-Kations über den
rovibronischen Zustand S1 61
(J
= 2, K
= 2, +1) als
resonanten Zwischenzustand.
Für den hier vorliegenden Fall
eines symmetrischen Rotors be-
zeichnen die Quantenzahlen J
bzw. N den Gesamtdrehimpuls
(N ohne Elektronenspin) und K
dessen Projektion auf die Sym-
metrieachse. Das dargestellte
Spektrum und ähnliche Spektren
über andere Zwischenzustände
zeigen klar, daß das Benzol-
Kation die Symmetrie D6h
hat. (Näheres siehe R. Lindner,
H. Sekiya, B. Beyl und K.
Müller-Dethlefs, Angewandte
Chemie 105, 631 (1993) sowie
K. Müller-Dethlefs u. E. W.
Schlag, Ann. Rev. Phys. Chem.
42, 109 (1992)
318 15. Weiteres zur Methodik der Molekülspektroskopie

detektiert, die mit keiner oder nur sehr geringer kinetischer Energie das Molekül ver-
lassen. Diese sehr niederenergetischen Elektronen (ZEKE-Elektronen) entstehen dann,
wenn die Energie des Photons gerade einem Übergang zwischen dem Anfangszustand
des neutralen Moleküls und dem Endzustand des Ions entspricht, d. h. keine Überschuß-
energie auf das emittierte Elektron übertragen wird.
Die Unterscheidung zwischen unerwünschten Elektronen mit kinetischer Energie
und „echten“ ZEKE-Elektronen erfolgt durch einen zeitlich verzögerten Abzug der frei-
gesetzten Elektronen mit Hilfe eines elektrischen Feldpulses. Während der feldfreien
Wartezeit entfernen sich die kinetischen Elektronen vom Entstehungsort und können so
von den ZEKE-Elektronen diskriminiert werden, da beide Gruppen zu unterschiedlichen
Zeiten am Detektor eintreffen. Eine zweite Variante, die Feldionisation hochliegender
Rydbergzustände, die zu (ro)vibronischen Zuständen des Molekülions konvergieren
(Pulsed Field Ionization, PFI), ist im allgemeinen noch einfacher zu handhaben und
ermöglicht eine höhere Auflösung. Während die ZEKE-Technik jedoch allgemein auf
neutrale Moleküle und Anionen angewandt werden kann, steht die PFI-Technik für
letztere nicht zur Verfügung, da dort keine Rydbergzustände existieren. Als Beispiel
für das exzellente Auflösungsvermögen der ZEKE-Photoelektronen-Spektroskopie zeigt
Abb. 15.21 ein vollständig rotationsaufgelöstes Spektrum des Benzol-Kations C6 H− 6.

Aufgaben
15.1 a) Die Transmissionsmessung einer 0,005-molaren Benzollösung in einer han-
delsüblichen Quarzglasküvette mit 1 cm Weglänge ergibt bei 256 nm eine Transmission
von 16%. Berechnen Sie die Optische Dichte und den Extinktionskoeffizienten ε von ge-
löstem Benzol bei der genannten Wellenlänge. Welche Transmission derselben Lösung
mißt man in einer 1 mm-Küvette?
b) Die Absorptionsbande der Benzollösung bei 256 nm weist eine Breite von
4000 cm−1 auf. Wie groß ist die Oszillatorenstärke des Übergangs. Welches Über-
gangsdipolmoment berechnet man daraus?
15.2 Mit zunehmender Tiefe nimmt der Pflanzenbewuchs des Meeresbodens stark ab.
In welcher Tiefe stehen den Unterwasserpflanzen 50% bzw. 10% der Lichtintensität an
der Wasseroberfläche zur Verfügung, wenn der Extinktionskoeffizient des Seewassers
im sichtbaren Wllenlängenbereich 6,2 · 105 l/mol cm beträgt?
15.3 Die Oszillatorenstärke eines elektronischen Übergangs kann aus den Molekülor-
bitalen der beiden miteinander verknüpften Zustände berechnet werden. Betrachten Sie
ein Elektron in einem eindimensionalen Potentialtopf der Länge L und berechnen Sie
die Oszillatorenstärke der Übergänge n → n + 1 und n → n + 2.
Schätzen Sie durch Verwendung des Potentialtopfmodells die Anregungsenergie von
β-Carotin ab. Dabei kann eine mittlere Bindungslänge in der Polyenkette von R =
140 pm angenommen werden. Der Chromophor sei auf die konjugierten π-Bindungen
beschränkt. Siehe dazu Abb. 20.16. Bewerten Sie Ihr Ergebnis.
15.4 a) Um die Zahl der Linien im Absorptionsspektrum von gasförmigem H2 zu
verringern, kühlt man dieses ab. Bei welchen Temperaturen frieren die Rotations- und
Schwingungsfreiheitsgrade ein?
b) Wie lauten die Ergebnisse für HCl?
Aufgaben 319

c) Welche Methode würden Sie jeweils anwenden, um die Gase auf die erforderliche
Temperatur abzukühlen? (Hinweis: Kondensationspunkt für H2 : TK = 20,3 K; für HCl:
TK = 188,2 K)
15.5 Aus dem optischen Spektrum von Sternen kann man Informationen über ihre
Oberflächentemperatur und Fluchtgeschwindigkeit gewinnen. Berechnen Sie diese bei-
den Daten für ein Objekt, bei dessen Beobachtung Sie eine Verschiebung der Spektral-
linie des Ions 48 Ti8+ von 654,2 nm nach 706,5 nm bei einer Linienbreite von 0,618 Å
feststellen.
15.6 a) Im Absorptionsspektrum eines organischen Moleküls erkennt man den S0 -S1 -
und den S0 -S2 -Übergang. Für welche der beiden Absorptionslinien erwarten Sie eine
größere Linienbreite, wenn Sie vibronische und rotatorische Unterstrukturen im Spek-
trum abtrennen (Idealisierung)?
b) Warum sind Triplett-Absorptionslinien (z. B. S0 -T1 ) im allgemeinen schmaler als
Singulett-Absorptionslinien (z. B. S0 -S1 )?
15.7 Im Photoelektronenspektrum von CO beobachtet man bei Bestrahlung mit der
He-Linie bei 58,4 nm die folgenden Maxima (angegeben ist jeweils die kinetische Ener-
gie der Photoelektronen):
7,2 eV
4,9 eV (mit Schwingungsprogression, Abstand 0,2 eV)
1,7 eV (mit Schwingungsprogression, Abstand 0,3 eV) .
Skizzieren Sie das Spektrum und ordnen Sie die Linien den konkreten Ionisierungspro-
zessen zu. Aus welchen Orbitalen stammen die ausgelösten Elektronen? Welche Infor-
mationen gewinnt man aus der Schwingungsstruktur der Banden?
15.8 Das Photoelektronenspektrum von Wasser enthält bei Verwendung der
21,21 eV-He-Linie Banden bei 9,0 eV und bei 7,0 eV; es existieren jeweils Schwin-
gungsbegleiter mit Linienabständen von 0,41 eV für die hochenergetische und 0,125 eV
für die niederenergetische Bande.
Welche Auswirkung hat jeweils das Auslösen eines Photoelektrons auf die Vibratio-
nen des Moleküls? Welchen Bindungscharakter haben die Orbitale, aus denen die Elek-
tronen stammen? (Hinweis: Schwingungskonstanten von nicht-ionisiertem H2 O: ν̄1 =
3657 cm−1 für symmetrische Streckschwingung; ν̄2 = 1595 cm−1 für Biegeschwin-
gung).
16. Wechselwirkung von Molekülen mit Licht:
Quantentheoretische Behandlung

Nach einem Abriß der zeitabhängigen Störungstheorie behandeln wir im Detail die
spontane und induzierte Emission sowie die Absorption von Licht durch Moleküle.
Hierbei leiten wir insbesondere die Übergangswahrscheinlichkeiten und die Einstein-
Koeffizienten her. Eine wichtige Rolle spielt weiterhin die Herleitung des Franck-
Condon-Prinzips und die Diskussion von Auswahlregeln.

16.1 Eine Übersicht


In den vorangegangenen Kapiteln haben wir uns einen Überblick über viele spektro-
skopische Eigenschaften von Molekülen verschafft. Im vorliegenden Kapitel kommt es
uns nun darauf an, die Grundlagen für die streng quantentheoretische Behandlung die-
ser Prozesse zu bringen. Wie schon in Atomen können auch in Molekülen Elektro-
nen Übergänge durchführen, wenn sie Licht absorbieren oder Licht spontan oder indu-
ziert emittieren. Genauso können auch Moleküle Licht streuen. Bei hoher Lichtinten-
sität, wie sie durch Laser erzeugt werden kann, kommen auch Prozesse der nichtlinea-
ren Optik vor, wo z. B. ein Molekül zwei oder mehrere Photonen absorbieren kann. Bei
Molekülen kommen aber noch weitere wichtige Eigenschaften hinzu, die durch die zu-
sätzlichen Freiheitsgrade der Molekülschwingungen und Rotationen bedingt sind. Auch
durch diese Molekülbewegungen kann Licht absorbiert, spontan oder induziert emittiert
werden. Darüber hinaus werden auch Übergänge möglich, bei denen die Änderung des
Elektronenzustandes mit einer Änderung der Molekülschwingung und Molekülrotation
verknüpft ist. Bei diesen elektronischen Übergängen können also Quanten der Mole-
külschwingung bzw. -rotation erzeugt oder vernichtet werden. Ein gegenüber Atomen
neuartiger Effekt bei Molekülen stellt die Raman-Streuung dar, wobei die Energie ei-
nes einfallenden Lichtquants aufgespalten wird in ein Quant der Molekülschwingung
und in ein wieder ausgesandtes Lichtquant. Dasselbe läßt sich auch für Rotationsquan-
ten feststellen. Neben diesen Prozessen, wo ein Lichtquant zuerst absorbiert und dann
ein anderes emittiert wird, wo also zwei Lichtquanten beteiligt sind, gibt es weitere Pro-
zesse, an denen zwei oder mehrere Photonen beteiligt sind. Ein Beispiel hierfür stellt
die 2-Photonen-Emission oder Absorption dar.
Das wichtigste Ziel der quantentheoretischen Behandlung, die wir in diesem Kapi-
tel durchführen werden, ist die Berechnung der Übergangswahrscheinlichkeit pro Se-
kunde, d. h. der mittleren Zahl der Übergänge, die ein Molekül pro Sekunde durchführt
unter der Einwirkung von Licht oder bei Emission von Lichtquanten. Wie wir sehen
werden, ist diese Übergangswahrscheinlichkeit maßgeblich durch das sogenannte op-
tische Übergangs-Matrixelement bestimmt. Wie aus der quantentheoretischen Behand-
lung folgt, gilt für alle Prozesse der Energiesatz, wobei die Gesamtenergie Molekül plus
Licht vor und nach dem entsprechenden Absorptions- oder Emissionsakt erhalten bleibt.
322 16. Wechselwirkung von Molekülen mit Licht: Quantentheoretische Behandlung

Aus dem optischen Matrixelement, d. h. dem eben erwähnten Übergangselement, fol-


gen die Auswahlregeln. In diese Matrixelemente gehen die Wellenfunktionen der ge-
koppelten Bewegung von Elektronen und Molekülschwingungen bzw. Rotationen ein.
Eine wichtige Methodik wird darin bestehen, diese Matrixelemente auszuwerten, indem
die Elektronen- und Kernkoordinaten in geeigneter Weise getrennt werden. Es handelt
sich hierbei um die sogenannte Born-Oppenheimer-Näherung und das Franck-Condon-
Prinzip (vgl. hierzu auch Abschn. 14.1).
Im einzelnen werden wir in diesem Kapitel wie folgt vorgehen: Unter der Annahme,
daß die Lichtfeldstärke nicht zu groß ist, entwickeln wir die zeitabhängige Störungs-
theorie der ersten Ordnung für die Berechnung von Absorption und spontaner und in-
duzierter Emission. Sodann stellen wir den Hamilton-Operator auf, der die Wechsel-
wirkung zwischen dem Lichtfeld einerseits und den Freiheitsgraden des Moleküls mit
der Elektronen- und Kernbewegung andererseits beschreibt. Sodann wenden wir die zu-
nächst noch allgemein gültigen Formeln der Störungstheorie auf diese spezielle Wech-
selwirkung Licht – Molekül an, besprechen die verschiedenen Absorptions- und Emis-
sionsarten, leiten die Einstein-Koeffizienten für diese Prozesse her, um uns dann dem
Franck-Condon-Prinzip zu widmen. Anschließend besprechen wir noch die Methodik,
mit Hilfe derer man zu Auswahlregeln gelangt.

16.2 Zeitabhängige Störungstheorie


In I, Abschn. 15.2, hatten wir die zeitunabhängige Störungstheorie ausführlich behan-
delt. Für die Zwecke der Lichtabsorption ist es aber nötig, zur sogenannten zeitabhän-
gigen Störungstheorie überzugehen, wobei wir uns eine Reihe von Gedanken, die wir
damals schon benutzt haben, zu eigen machen.
Die dem Problem zugrundeliegende Schrödinger-Gleichung schreiben wir in der
Form


ih Ψ̇ = H0 + H S Ψ , (16.1)

wobei H0 der ungestörte Hamilton-Operator ist, während H S den Störoperator darstellt.


Die Bedeutung von H0 und H S werden wir weiter unten spezifizieren. Hier genügen
zunächst einige sehr allgemeine Eigenschaften von H0 und H S als Voraussetzung. Be-
trachten wir als erstes die Schrödinger-Gleichung mit dem ungestörten Operator H0 , also

H0 ψν0 = ih ψ˙ν0 . (16.2)


Hierbei soll der Hamilton-Operator H0 zeitunabhängig sein, so daß wir die Lösung von
(16.2) in der Form
 
i
ψν (t) = exp − E ν t ϕν ,
0
(16.3)
h
schreiben können. Die Energiewerte E ν und die ungestörten Wellenfunktionen ϕν , die
zeitunabhängig sind, sind durch die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung
H0 ϕν = E ν ϕν , ν = 1, 2, . . . , (16.4)
festgelegt. Die Indizes ν sind natürlich die Quantenzahlen. Wir nehmen im folgenden
an, daß die Wellenfunktionen ϕν und zugehörigen Energiewerte E ν bereits bekannt sind.
16.2 Zeitabhängige Störungstheorie 323

Wir stellen die gesuchte Lösung von (16.1) als eine Überlagerung von ungestörten Wel-
lenfunktionen in der Form


Ψ(t) = cν (t)ψν0 (16.5)
ν=1

dar, wobei die Koeffizienten cν (t) von der Zeit abhängen und noch zu bestimmen sind.
Da die Wellenfunktionen ϕν einen vollständigen Satz bilden, ist der Ansatz (16.5) im
Sinne der Mathematik exakt. Es kommt nun darauf an, die Koeffizienten cν zu berech-
nen. Dazu setzen wir (16.5) in (16.1) ein und erhalten unter Berücksichtigung von (16.3)
das Resultat
   
ih ċν ψν0 + cν E ν ψν0 = cν H0 ψν0 + cν H S ψν0 . (16.6)
ν ν ν ν

Wegen (16.2) und (16.4) heben sich aus (16.6) das zweite Glied auf der linken Seite und
das erste Glied auf der rechten Seite gegenseitig heraus. Um zu Gleichungen für die Ko-
effizienten cν zu gelangen, multiplizieren wir in völliger Analogie zur zeitunabhängigen
Störungstheorie die Gl. (16.6) mit ψµ0∗ und integrieren über die in ϕν stehenden Koordi-
naten. Diese können im allgemeinen sowohl Elektronen- als auch Kernkoordinaten der
Moleküle sein. Wir erhalten damit
1 
ċµ (t) = cν (t)Hµν
S
, (16.7)
ih ν

wobei wir die Abkürzung



Hµν = ψµ0∗ H S ψν0 dV
S
(16.8)

verwendet haben. Das Integral . . . dV symbolisiert dabei eine Integration über alle Ko-
ordinaten, von denen ϕν abhängt. Die Lösung des Gleichungssystems (16.7) ist völlig
gleichbedeutend mit der Lösung der ursprünglichen Gl. (16.1) und damit im allgemei-
nen auch gleich schwierig.
Wir betrachten eine Situation, in der das System anfänglich, zur Zeit t = 0, in dem
ungestörten Quantenzustand κ ist, also ψ(0) = ϕκ . Damit gilt als Anfangsbedingung für
die Koeffizienten
cµ (0) = δµκ , (16.9)
wobei
δµκ = 1 für µ = κ , δµκ = 0 für µ = κ .
Wir nehmen nun an, daß die Störung klein ist. Wir werden dann erwarten, daß sich für
nicht zu große Zeiten die Koeffizienten cµ (t) nur wenig von dem Ausgangswert (16.9)
unterscheiden. In erster Näherung dürfen wir somit annehmen, daß wir auf der rechten
Seite von (16.7) die dortigen Koeffizienten cν (t) durch (16.9) annähern können. Damit
gelangen wir sofort von (16.7) zu dem Gleichungssystem
1 S
ċµ (t) = H . (16.10)
ih µκ
324 16. Wechselwirkung von Molekülen mit Licht: Quantentheoretische Behandlung

Da HµνS gemäß (16.8) die zeitabhängigen Wellenfunktionen ψ 0∗ , ψ 0 enthält, hängt die-


µ ν
ses Matrixelement selbst von der Zeit ab. Integrieren wir (16.10) auf beiden Seiten über
die Zeit, so erhalten wir unter Berücksichtigung der Anfangsbedingung (16.9)

1 t S
cµ (t) = H (τ)dτ + δµκ . (16.11)
ih 0 µκ
Um zu Resultaten zu gelangen, die wir mit dem Experiment vergleichen können, ist es
zweckmäßig, die rechte Seite von (16.11) weiter zu spezifizieren. Setzen wir auf der
rechten Seite von (16.8) die Wellenfunktionen (16.3) ein und nehmen an, daß H S zeit-
unabhängig ist, so läßt sich (16.8) in der Form
8 9 S
S
Hµκ = exp iωµκ t Hµκ (0) (16.12)
schreiben, wobei wir die Abkürzungen
1

ωµκ = Eµ − Eκ (16.13)
h
und

∗ S
S
Hµκ (0) = ϕµ H ϕκ dV (16.14)

verwendet haben. Da es uns interessiert, welche Zustände infolge der Störung neu be-
setzt werden, betrachten wir den Fall µ = κ, also einen vom Anfangszustand κ verschie-
denen Endzustand µ. Unter dieser Annahme können wir das Zeitintegral in (16.11) mit
Hilfe von (16.12)–(16.14) sofort berechnen und erhalten
−1

S
cµ (t) = exp iωµκ t − 1 Hµκ (0) für µ = κ . (16.15)
hωµκ
Ein genaues Maß, wie stark der Zustand µ = κ aufgrund der Störung bevölkert wird,
ist durch das Quadrat der Wahrscheinlichkeitsamplitude cµ (t), d. h.
 
cµ (t)2 (16.16)
gegeben. Einsetzen von (16.15) in (16.16) liefert nach einer kleinen Umformung der
Exponentialfunktion in eine Sinusfunktion das Resultat
   
cµ (t)2 = 4 sin (ωµκ t/2)  H S (0)2 .
2
µκ (16.17)
h 2 (ωµκ )2
Statt die Besetzungswahrscheinlichkeit (16.16) zu berechnen, ist es oft zweckmäßi-
ger, die Übergangswahrscheinlichkeit pro Sekunde, d. h. die Zahl der Übergänge pro
Sekunde, zu bestimmen. Die Übergangswahrscheinlichkeit pro Sekunde ist durch die
Zeitableitung von (16.16) bzw. (16.17) gegeben:
d|cµ (t)|2
wµκ = , (16.18)
dt
oder expliziter:
2  S 
wµκ = sin(ωµκ t) H (0)2 . (16.19)
µκ
h 2 ωµκ
16.2 Zeitabhängige Störungstheorie 325

Wenn wir diese Formel auf die Lichtabsorption von Molekülen anwenden, so tritt
eine eigentümliche Schwierigkeit auf: Wie wir von der Absorption von Licht durch Mo-
leküle wissen, wird pro Sekunde eine bestimmte Zahl von Molekülen aus dem Aus-
gangszustand κ in den Zustand µ gebracht, wobei die durch (16.18) gegebene Über-
gangsrate experimentell von der Zeit unabhängig ist. Trägt man aber die berechnete
Übergangswahrscheinlichkeit (16.19) gegenüber der Zeit auf, so erhalten wir eine pe-
riodisch oszillierende Funktion der Zeit, die also keineswegs zeitunabhängig ist. Hier
scheint ein Widerspruch zwischen Experiment und Theorie vorzuliegen. Dieser löst sich
aber, wenn wir an die genauen experimentellen Bedingungen denken. Tatsächlich findet
man ein derartiges periodisches Hin- und Hergehen, wenn die eingestrahlte Welle sehr
monochromatisch, d. h. kohärent, ist. Dies kann oft bei der Kernspin-Resonanz ange-
nommen werden, aber auch bei einigen Experimenten mit Laserlicht. Bei unseren jetzi-
gen Überlegungen wollen wir aber die Eigenschaften des Lichts herkömmlicher Lampen
(d. h. thermischer Lichtquellen) zugrundelegen, das eine endliche Frequenzbreite besitzt.
Auch sind oft die Zustände der Moleküle, z. B. durch die endliche Lebensdauer angereg-
ter Niveaus, verbreitert. Die Annahme, daß die Übergangsfrequenz ωµκ unendlich scharf
ist, ist also nicht gerechtfertigt. Wir müssen vielmehr annehmen, daß der Anfangs- oder
der Endzustand, oder beide, einem kontinuierlichen Spektrum angehören.
Betrachten wir zuerst den Fall, daß die Endzustände einem kontinuierlichen Spek-
trum angehören. Hierbei gehen wir in zwei Schritten vor. Im ersten denken wir uns
das kontinuierliche Energiespektrum durch eine Folge eng beieinanderliegender, diskre-
ter Energiewerte angenähert. Wir nennen dies ein Quasikontinuum. Im zweiten Schritt
machen wir dann den Grenzübergang zum Kontinuum. Wir bilden also zunächst die
Summe wµκ der Übergangswahrscheinlichkeiten über Endzustände aus einem Quasi-
kontinuum, d. h. wir ersetzen (16.19) durch

W= wµκ . (16.20)
µ∈Ω

Die Summe erstreckt sich also über alle Quantenzahlen µ von Zuständen, die einem In-
tervall Ω aus diesem Quasikontinuum angehören. Hierbei ist es oft günstig, wenn wir
die Quantenzahl µ, die im allgemeinen für einen ganzen Satz einzelner Quantenzahlen
steht, durch die Energie E und einen weiteren Satz von Quantenzahlen q ersetzen
µ → E, q . (16.21)
Wir betrachten nun die Zahl der Zustände µ ∈ Ω. Insbesondere sollen diese Zustände
einem Energiekontinuum
E . . . E + dE (16.22)
angehören. Die Zahl Z der Zustände in diesem Intervall (16.22) schreiben wir in der
Form
Z = (E)dE . (16.23)
Dabei berücksichtigen wir, daß die sogenannte Zustandsdichte (E) noch von den üb-
rigen Quantenzahlen q abhängen kann
(E) = q (E) . (16.24)
326 16. Wechselwirkung von Molekülen mit Licht: Quantentheoretische Behandlung

Mit derartigen Überlegungen erhalten wir anstelle von (16.20) den Ausdruck
 2 sin [(E − E κ ) t/h]  S 2

W= q (E)  qκ  dE ,
H (0) (16.25)
q
h E − E κ

wobei wir die Abkürzung


E κ = hωκ (16.26)
verwendet haben.
Betrachten wir den Integranden etwas genauer, wobei wir (E − E κ )/h mit x abkür-
zen. Tragen wir die unter dem Integral stehende Funktion sin(xt)/x gegenüber x auf,
so erhalten wir den in Abb. 16.1 dargestellten Verlauf. Dieser zeigt uns, daß in dem
Abb. 16.1. Die Funktion lim die Funktion sin(xt)/x in ihrer Abhängigkeit von x praktisch unendlich scharf um
sin(xt)/x ist für zwei Para- t→∞
meterwerte von t (ausgezogen die Stelle x = 0 konzentriert ist. Sie verhält sich also wie die δ-Funktion, was auch
bzw. gestrichelt) gegenüber x mathematisch exakt bewiesen werden kann. Da aber
aufgetragen. Sie wird für  +∞
wachsende t-Werte immer mehr sin(xt)
um x = 0 konzentriert dx = π (16.27)
−∞ x
und andererseits
 +∞
δ(x)dx = 1 , (16.27a)
−∞

müssen wir, um zu einer quantitativen Übereinstimmung zwischen der Funktion


lim sin(xt)/x und der δ-Funktion zu gelangen, zu der letzteren noch den Faktor π
t→∞
hinzufügen. Damit können wir also für genügend große Zeiten die sin(xt)/x-Funktion
durch πδ(x) ersetzen. Wir erhalten so statt (16.25) das endgültige Resultat
 2π 
 S
2

W= q (E) δ (E − E κ )  Hqκ (0) dE . (16.28)
q
h

Die δ-Funktion in (16.28) sorgt dafür, daß die Energie E des Endzustands gleich der
des Anfangszustands E κ ist. Sie garantiert also den Energie-Erhaltungssatz. Nach Aus-
führung der Integration über E ergibt sich
 2π  S 2

W= q (E κ )  Hqκ (0) , (16.29)
q
h

wobei die Funktion q (E) an der Stelle E = E κ zu nehmen ist. Das Resultat (16.29)
wird in der Literatur oft als Fermis Goldene Regel bezeichnet. Am Beispiel der Licht-
emission von Molekülen werden wir in Abschn. 16.3 sehen, wie die Zustandsdichte
q (E) explizit berechnet werden kann.
Für manche Anwendungen ist es praktischer, die Quantenzahlen µ der Endzustände
nicht explizit durch E, q gemäß (16.21) zu ersetzen, sondern formal die Summe über µ
in (16.20) stehenzulassen, wobei wir uns im klaren sein müssen, daß die Summe schließ-
lich durch ein Integral über kontinuierlich verteilte Quantenzahlen aufzufassen ist. Wir
erhalten dann die sehr einfache Formel
2π 
 S 2
W= δ E µ − E κ  Hµκ (0) . (16.30)
h
µ∈Ω
16.3 Die spontane und induzierte Emission sowie die Absorption von Licht durch Moleküle 327

Ähnliche Überlegungen lassen sich anstellen, wenn die Anfangszustände kontinuierlich


sind. In diesem Falle wird nicht über die Endzustände aufsummiert, sondern es wird
über die Anfangszustände gemittelt. Damit erhalten wir statt (16.28) die folgende Be-
ziehung für die Gesamt-Übergangswahrscheinlichkeit pro Sekunde
1 
W= wµκ (16.31)
Z
µ∈Ω

mit

Z= q (E)dE , (16.32)
q ∆E

wobei Z als Zahl der Anfangszustände gedeutet werden kann.


Für die weiteren Ausführungen dieses Kapitels wird sich der Ausdruck (16.30) für
die Übergangswahrscheinlichkeit pro Sekunde als fundamental erweisen, wobei wir ex-
plizit sehen werden, wie er zu handhaben ist.

16.3 Die spontane und induzierte Emission


sowie die Absorption von Licht durch Moleküle
16.3.1 Die Form des Hamilton-Operators

In diesem Abschnitt kommt es darauf an, die Ausdrücke für die Übergangswahrschein-
lichkeit pro Sekunde (16.29) und (16.30) des vorigen Abschnitts mit physikalischem
Inhalt zu erfüllen. Dabei richten wir unser Augenmerk zuerst auf die Auswertung des
Matrixelements Hµκ S (0). Zu seiner Berechnung brauchen wir die Wellenfunktionen des
Anfangs- und Endzustandes und die explizite Form des Störoperators. Ausgangspunkt
unserer Überlegung ist die Schrödinger-Gleichung (16.1), die wir zunächst in der all-
gemeinen Form
ih Ψ̇ = HΨ , (16.33)
schreiben, wobei wir den Hamilton-Operator und die Wellenfunktionen genauer zu spe-
zifizieren haben. Wir betrachten ein Molekül, das N Elektronen mit den Koordinaten
r1 . . . rN besitzt. Falls nötig können wir hierbei auch die Spinvariablen mit einbeziehen,
was wir im folgenden aber nicht explizit tun wollen. Des weiteren hängt die Wellenfunk-
tion von den M Kernkoordinaten ab, die wir mit R1 . . . RM bezeichnen. Ferner soll die
Wellenfunktion auch das Lichtfeld enthalten, das wir durch die Zahl der Photonen n k,e
beschreiben, die zu einer Welle mit dem Ausbreitungsvektor k und der Polarisationsrich-
tung e gehören. Im folgenden wollen wir k, e zu einem Index λ zusammenfassen und n λ
statt n k,e schreiben. Schließlich hängt Ψ noch von der Zeit t ab, so daß wir allgemein
zu schreiben haben
Ψ = Ψ(r1 , r2 , . . . , rN ; R1 , R2 , . . . , RM ; n λ ; t) . (16.34)
Der Hamilton-Operator H in (16.33) ist durch
H = HEl−K + HL + H S (16.35)
328 16. Wechselwirkung von Molekülen mit Licht: Quantentheoretische Behandlung

gegeben. Darin ist HEl−K der Hamilton-Operator, der die kinetische Energie der Elektro-
nen und Kerne enthält, sowie alle in Frage kommenden Coulombschen Wechselwirkun-
gen zwischen diesen Teilchen. Eventuell kann man hier auch noch die Spinbahnkopp-
lung einbeziehen, was wir aber nicht explizit tun wollen. HL ist der Hamilton-Operator
des Lichtfeldes und H S die Störung, die aus der Wechselwirkung zwischen dem Licht-
feld einerseits und dem Molekül mit seinen Elektronen und Kernen andererseits besteht.
Als H0 , d. h. als ungestörten Hamilton-Operator, fassen wir denjenigen Anteil in
(16.35) auf, der sich auf die Elektronen und Kerne und deren Wechselwirkung unter-
einander bezieht und additiv den Energie-Operator des Lichtfelds enthält, d. h.
H0 = HEl−K + HL . (16.36)
Der Hamilton-Operator HEl−K ist uns in Kap. 11 begegnet. Wir brauchen ihn hier nicht
zu wiederholen. Den Hamilton-Operator des quantisierten Lichtfelds haben wir in I, Ab-
schn. 15.5, hergeleitet. Wir erinnern hier den Leser an die wichtigsten Schritte. Hierzu
gehen wir vom elektromagnetischen Feld aus, wobei die klassische elektrische Feld-
stärke E(r, t) zu einem Operator E(r) gemäß
E(r, t) ⇒ E(r) (16.37)
wird. Um dessen Eigenschaften zu erkennen, zerlegen wir die ortsabhängige Feldstärke
in eine Reihe nach Wellen mit der Polarisationsrichtung eλ und dem Ausbreitungsvek-
tor kλ :
 : ;
E(r) = eλ Nλ ibλ exp (ikλ · r) − ib+
λ exp (−ikλ · r) . (16.38)
λ

Die einzelnen Ausdrücke haben dabei die folgende Bedeutung:


λ ist ein Index, der die individuellen ebenen Wellen mit Wellenvektor kλ und
Polarisationsvektor eλ unterscheidet
ωλ ist die Kreisfrequenz der Lichtwelle λ
Nλ ist ein Normierungsfaktor, wobei

hωλ
Nλ = (16.39)
2ε0 V

ε0 ist die Dielektrizitätskonstante und V das Normierungsvolumen, in dem sich


die Wellen ausbreiten, wobei periodische Randbedingungen vorausgesetzt
werden
bλ , b+
λ sind Vernichtungs- und Erzeugungsoperatoren von Lichtquanten mit dem In-
dex λ.
Das Vektorpotential erscheint in der Form
 1 : ;
A(r) = eλ Nλ bλ exp (i kλ · r) + b+
λ exp (−i kλ · r) . (16.40)
ωλ
λ

In einer klassischen Betrachtung sind bλ und b+


λ zeitabhängige Amplituden, die hier in
der Quantisierung aber zu Operatoren werden, wobei bλ und b+ λ den folgenden Vertau-
schungsrelationen genügen
16.3 Die spontane und induzierte Emission sowie die Absorption von Licht durch Moleküle 329

bλ b+ +
λ
− bλ
bλ = δλλ

bλ bλ
− bλ
bλ = 0
b+ + + +
λ bλ
− bλ
bλ = 0 , (16.41)
die uns, lediglich mit anderen Indizes, schon in (7.47)–(7.49) begegnet sind. Sie sind in
Anlehnung an die Vertauschungsrelation des uns wohlbekannten quantenmechanischen
harmonischen Oszillators gebildet. In diesem Formalismus stellt sich die Energie des
elektromagnetischen Feldes als eine Summe über die Energien ungekoppelter harmoni-
scher Oszillatoren dar:

HL = hωλ b+
λ bλ . (16.42)
λ

Gleichung (16.42) kann aufgefaßt werden als eine Summe über Anzahloperatoren b+ λ bλ ,
die jeweils mit der Energie eines Lichtquants hωλ multipliziert sind.
Wir müssen uns nun näher mit der Form des Störoperators H S auseinandersetzen.
Haben wir es nur mit einem Elektron zu tun, das sich in einem Atom bewegt, so genügt
oft die Dipolnäherung
H S = er · E(r0 ) , (16.43)
bei der e die elektrische Ladung, r die Koordinate des Elektrons und E(r0 ) die Feld-
stärke des Lichtfeldes am Orte des Atoms ist. Diese Dipolnäherung muß aber bei großen
Molekülen nicht unbedingt gültig sein, weshalb wir hier die exakte Behandlung zugrun-
delegen, die auf der Verwendung des Vektorpotentials beruht. Betrachten wir hierzu als
Beispiel den Hamilton-Operator eines einzelnen Elektrons, das sich im Potentialfeld V
der Atomkerne des Moleküls und im Feld des Vektorpotentials A des Lichts bewegt.
Nach I, Kap. 14, ist dieser Hamilton-Operator durch
1
HEl = ( p − eA)2 + V (16.44)
2m 0
gegeben, wobei V und A Funktionen der Elektronenkoordinate sind. Im folgenden neh-
men wir an, daß, wie das beim elektromagnetischen Feld immer gemacht werden kann,
die Divergenz verschwindet
div A = 0 . (16.45)
Multiplizieren wir die Klammer in (16.44) aus, so erhalten wir
1 2 e e2 2
HEl = p +V − A· p+ A , (16.46)
2m 0 m0 2m 0
wobei wir wegen (16.45) nicht auf die Reihenfolge der Operatoren A und p zu ach-
ten hatten. Die ersten beiden Glieder in (16.46) stellen die Operatoren der kinetischen
und potentiellen Energie dar, das dritte und vierte Glied geben die Wechselwirkung des
Lichtfeldes mit dem Elektron wieder. Ist die Lichtfeldstärke nicht zu groß, so können
wir das quadratische Glied in A vernachlässigen, so daß wir als Wechselwirkungsope-
rator zwischen Lichtfeld und Elektron den Ausdruck
e
HS = − A(r) · p (16.47)
m0
330 16. Wechselwirkung von Molekülen mit Licht: Quantentheoretische Behandlung

erhalten. In all diesen Ausdrücken ist natürlich der Impulsoperator p durch die Vor-
schrift
h
p= ∇ (16.48)
i
gegeben.
Bisher haben wir nur die Wechselwirkung eines einzelnen Elektrons mit dem Licht-
feld betrachtet. Bei einem Molekül wirkt das elektromagnetische Feld sowohl auf den
Satz der Elektronen als auch auf den der Kerne ein. Aus diesem Grunde müssen wir
den Störoperator (16.47) durch eine Summe über die Elektronen-Indizes und die Kern-
Indizes ersetzen. Wir erhalten somit z. B. für die Elektronen die Ersetzung r → r j ,
p → p j . Als Störoperator haben wir daher die Summen über die Elektronen-Indizes
und die Kern-Indizes einzuführen, so daß der Störoperator
N 
  M  
e eZ K
H =
S
− A(r j ) · p j + A(RK ) · PK (16.49)
m0 MK
j=1 K =1

lautet. Z K ist hierin die Kernladungszahl des Kerns mit dem Index K . Damit haben wir
alle Bestandteile des Hamilton-Operators für das Molekül (d. h. Elektronen- und Kern-
bewegung), das Lichtfeld und deren Wechselwirkung bestimmt.

16.3.2 Die Form der Wellenfunktionen der Anfangs- und Endzustände

Bevor wir die Störungstheorie von Abschn. 16.1 anwenden, müssen wir uns über die Art
der Anfangs- und Endzustände, die wir betrachten wollen, verständigen. Diese brauchen
wir zur Auswertung der Matrixelemente und zur Bestimmung der zugehörigen Ener-
gien. Als Anfangszustand benutzen wir einen, in dem das Lichtfeld und das Molekül
noch nicht in Wechselwirkung getreten sind. Da der ungestörte Hamilton-Operator H0
(16.36) aus einer Summe besteht, läßt sich der gesamte Anfangszustand ϕκ (gemäß den
Bezeichnungen von Abschn. 16.1) als ein Produkt aus dem Anfangszustand des Mole-
küls ϕ Q a (r; R) und dem Anfangszustand des Lichtfeldes Φa wiedergeben:

ϕκ = ϕ Q a (r; R)Φa . (16.50)

Der Index Q a faßt dabei alle Quantenzahlen, die den Anfangszustand des Moleküls be-
schreiben, zusammen, wobei sich diese Quantenzahlen sowohl auf die Elektronen als
auch auf die Kerne beziehen. Mit r haben wir die Gesamtheit der Elektronenkoordina-
ten, mit R die der Kernkoordinaten abgekürzt. Den Endzustand ϕµ können wir in einer
zu (16.50) analogen Weise schreiben:

ϕµ = ϕ Q e (r; R)Φe . (16.51)

16.3.3 Die allgemeine Form der Matrixelemente

Unsere Aufgabe besteht darin, die Matrixelemente Hµκ S (0) (vgl. (16.14)) zu berech-

nen. Dazu betrachten wir den Wechselwirkungsoperator H S (16.49) genauer, indem wir
(16.40) in (16.49) einsetzen und die Definition von Nλ (16.39) verwenden. Gemäß der
16.3 Die spontane und induzierte Emission sowie die Absorption von Licht durch Moleküle 331

Aufspaltung von (16.49) in die beiden Summen ergeben sich für H S zwei Anteile, H S =
S + H S , von denen wir beispielhaft den ersten Teil explizit angeben
HEl K
 1  1
S
HEl = bλ √ Oλ (kλ ) + b+
λ √ Oλ (−kλ ) . (16.52)
λ
V λ
V

Hierin haben wir die Abkürzung


 

N
e h

Oλ (kλ ) = − exp ikλ · r j eλ · p j (16.53)
m 0 2ε0 ωλ
j=1

benutzt. Statt Oλ (−kλ ) werden wir auch Oλ+ (kλ ) schreiben.


Oλ hängt von den Koordinaten r j und Impulsoperatoren p j aller Elektronen des Mo-
leküls ab, nicht jedoch von den Lichtfeldoperatoren bλ , b+
λ . Ersichtlich besteht (16.52)
aus einer Summe über die folgenden einzelnen Ausdrücke
1
bλ √ Oλ (kλ ) (16.54)
V
1
b+ +
λ √ Oλ (kλ ) . (16.55)
V

In analoger Weise setzt sich der Störoperator HKS für die Kerne zusammen.
Wie wir weiter unten sehen werden, beschreiben die Ausdrücke (16.54) die Vernich-
tung eines Photons, (16.55) hingegen dessen Erzeugung. Wir betrachten im folgenden
diejenigen Teile des Störoperators, die auf die Elektronenkoordinaten einwirken, d. h.
(16.54) und (16.55). Wie wir wissen, gilt gemäß (16.28) der Energiesatz. Strahlen wir
also mit Licht entsprechend hoher Frequenz ein, bei dem Elektronenübergänge auftre-
ten, oder beobachten wir nur solches Licht bei der Emission, so kommen diese Teile des
Störoperators zum Tragen. Setzen wir die Wellenfunktionen (16.50) und (16.51) sowie
die Teile des Störoperators (16.54) oder (16.55) in das Matrixelement (16.14) ein! Da
sowohl die Wellenfunktionen als auch der Störoperator jeweils aus einem Produkt von
Funktionen bzw. Operatoren bestehen, die sich entweder auf das Licht oder die Mo-
lekülkoordinaten (d. h. Elektronen- oder Kernkoordinaten) beziehen, läßt sich das Ma-
trixelement (16.14) bezüglich der einzelnen Teile (16.54) bzw. (16.55) ebenfalls in ein
Produkt aufspalten. Bezüglich (16.54) gilt dann

∗ 1
ϕµ bλ √ Oλ (kλ )ϕκ dV = MMolekül MLicht . (16.56)
V
Hierbei ist MMolekül durch

1
MMolekül = ϕ∗Q e √ Oλ (kλ )ϕ Q a dVEl dVKerne (16.57)
V
gegeben.
Die Integration, die durch dVEl dVKerne angedeutet wird, bezieht sich dabei auf alle
Koordinaten der Elektronen und Kerne des Moleküls. Mit der Auswertung dieses Ma-
trixelements werden wir uns in Abschn. 16.4 befassen.
332 16. Wechselwirkung von Molekülen mit Licht: Quantentheoretische Behandlung

Zunächst wenden wir uns aber dem zweiten Faktor in (16.56), nämlich MLicht , zu.
Hierbei verwenden wir die bra- und ket-Bezeichnung, wie sie uns vom harmonischen
Oszillator her geläufig ist (vgl. I, Abschn. 9.4, Übungen). Diese lautet:
MLicht = Φe bλ Φa  , (16.58)
falls der Störoperator (16.54) verwendet wird, und
- .
MLicht = Φe b+λ Φa , (16.59)
falls der Störoperator (16.55) verwendet wird.
Um diese Matrixelemente auszuwerten, erinnern wir uns daran, daß die Wellenfunk-
tionen Φa und Φe Eigenzustände des ungestörten Hamilton-Operators, d. h. von (16.42),
sein müssen. Im einfachsten Falle liegt der Vakuum-Zustand vor, in dem kein Photon
vorhanden ist, Φa = Φ0 . Im Matrixelement (16.58) wirkt der Vernichtungsoperator bλ
auf den Vakuumzustand, was bekanntlich Null ergibt, so daß (16.58) verschwindet. Im
Matrixelement (16.59) wird hingegen ein Photon im Zustand λ (mit dem Ausbreitungs-
vektor kλ und der Polarisationsrichtung eλ ) erzeugt. Wie wir vom quantenmechanischen
harmonischen Oszillator her wissen, verschwindet das Matrixelement (16.59) genau
dann nicht, wenn der Endzustand Φe dieses eine Photon enthält:
Φe = b+
λ Φ0 . (16.60)
Diese Resultate lassen sich auf allgemeine Anfangs- und Endzustände ausdehnen, wo-
bei es für unsere Zwecke genügt, einen bestimmten Photonenzustand λ zu betrachten,
der mit n λ Photonen (n λ : ganzzahlig) besetzt ist. Φa oder Φe haben dann die allgemeine
Form
1
+ n λ
Φ=√ b Φ0 . (16.61)
nλ! λ
Wir erhalten dann das folgende Schema:
Absorption. Die Zahl
1
+ n λ
nλ in Φa = √ b Φ0 (16.62)
nλ! λ
erniedrigt sich um eins:
1
+ n λ −1
Φe = √ b Φ0 . (16.63)
(n λ − 1)! λ
Wie aus der Theorie des quantenmechanischen harmonischen Oszillators bekannt ist, ist
das für die Absorption zuständige Matrixelement (16.58) durch

MLicht = n λ (16.64)
gegeben.
Emission. Die Zahl n λ in (16.60) erhöht sich um eins:
1
+ n λ +1
Φe = √ b Φ0 . (16.65)
(n λ + 1)! λ
16.3 Die spontane und induzierte Emission sowie die Absorption von Licht durch Moleküle 333

Das für die Emission zuständige Matrixelement (16.59) ist durch



MLicht = n λ + 1 (16.66)
gegeben.
Nach diesen Vorbereitungen können wir uns der Berechnung des Matrixelements
(16.14), das den gesamten Störoperator (16.49) enthält, zuwenden. Hierbei wollen wir
aber nach wie vor nur den elektronischen Anteil, d. h. die erste Summe in (16.49), also
(16.52), berücksichtigen. Mit diesem gesamten Störoperator ist nun das Matrixelement
(16.14) zu berechnen. Es ergibt sich so eine Summe über die Matrixelemente mit dem
Index λ (16.56), die wir schon oben berechnet haben. Dies wird es uns sogleich ermög-
lichen, die Übergangswahrscheinlichkeiten für die Emission und Absorption von Licht
zu bestimmen.

16.3.4 Übergangswahrscheinlichkeiten und Einstein-Koeffizienten

Untersuchen wir hierzu als erstes die spontane Emission.


In diesem Fall sind anfänglich keine Lichtquanten vorhanden, d. h. Φa = Φ0 , und
das Molekül ist in einem angeregten elektronischen Zustand. Wie wir bereits gesehen
haben, wird durch den Störoperator (16.55) ein Lichtquant der Sorte λ erzeugt. Über
dieses λ wird nun gemäß (16.52) aufsummiert. Schließlich ist aber das Matrixelement
zu bilden, indem ein bestimmter Endzustand Φe = b+ λ0 Φ0 mit einem bestimmten In-
dex λ0 eingesetzt wird. Da aber
/  0
 +
b+
λ0 Φ0 bλ Φ0 = δλλ0 (16.67)

ist, bleibt von der ganzen Summe über λ nur das Glied mit λ = λ0 übrig. Erinnern wir
uns ferner daran, daß bλ Φ0 = 0 ist, so fällt der Teil des Matrixelements, der von der
ersten Summe in (16.52) herrührt, ganz weg.
Fassen wir diese Ergebnisse zusammen, so läßt sich das Matrixelement (16.14) für
den Störoperator (16.52) in der folgenden Form schreiben

1
S
Hµκ (0) = √ ϕ∗Q e (r, R)Oλ+0 ϕ Q a (r, R)dVEl dVKerne . (16.68)
V
Auf der linken Seite sind die Indizes µ, κ Abkürzungen für die Quantenzahlen des
End- bzw. Anfangszustandes von Molekül und Lichtfeld. Wir haben daher die folgende
Zuordnung:
Molekül Licht Energie
Anfangszustand µ = Qa , Vakuum, 0 E µ = E Q a ,Mol.
Endzustand κ = Qe , Photon λ0 E κ = E Q e ,Mol. + hωλ0 .
(16.69)
E Q a ,Mol. , E Q e ,Mol. sind die Energie-Werte des Moleküls in den betreffenden Quanten-
zuständen. Wir bezeichnen wegen (16.69) das Matrixelement (16.68) expliziter als

1
HQ e ,λ0 ;Q a ,0 = √
S
ϕ∗Q e (r, R)Oλ+0 ϕ Q a (r, R)dVEl dVKerne . (16.70)
V
334 16. Wechselwirkung von Molekülen mit Licht: Quantentheoretische Behandlung

Wir wenden uns nun der Berechnung der Übergangswahrscheinlichkeit pro Sekunde, W,
(16.30) zu. Da die Quantenzahlen Q a , Q e des Moleküls festgelegt sind, brauchen wir
nur noch über die Endzustände des Lichtfeldes aufzusummieren und in (16.70) den In-
dex λ0 durch λ ersetzen. Schreiben wir noch ∆E = E Q a ,Mol. − E Q e ,Mol. , so erhalten wir
2π   S 2

W=  HQ e ,λ;Q a ,0  δ (hωλ − ∆E) . (16.71)
h
λ

Wir müssen nun die Summe über λ mit Hilfe der darin stehenden δ-Funktion auswerten
(wobei wir aber die Polarisationsrichtung e der ausgestrahlten Lichtquanten festhalten).
In der Tat gehören die Wellenzahlvektoren kλ der Lichtquanten einem Kontinuum an.
Die Vektoren kλ variieren bezüglich Länge und Richtung kontinuierlich. Wie wir in
Abschn. 16.1 sahen, gilt der Energiesatz. Besitzen Anfangs- und Endzustand des Mole-
küls diskrete Energiewerte, so ist die Lichtquantenenergie ebenfalls auf einen diskreten
Energiewert hω festgelegt. Da aber ω = ck, liegt auch der Betrag von k fest. Hingegen
ist die Richtung von k noch kontinuierlich veränderlich.
Wie wir im Anhang A2 explizit ausführen, können wir bei der Berechnung der
Übergangswahrscheinlichkeit pro Sekunde, W, folgendermaßen vorgehen. Wir gehen
zunächst von Lichtwellen u√ λ (r) ∝ exp(ikλ · r) aus, die in einem endlichen Volumen V
mit Hilfe des Vorfaktors 1/ V auf 1 normiert sind, d. h.

|u λ |2 dV = 1 . (16.72)
V

Das Volumen V soll die Form eines Würfels mit der Kantenlänge L haben. Die Wel-
len werden einer periodischen Randbedingung unterworfen, d. h. z. B. in x-Richtung soll
gelten:

eikλ,x (x+L) = eikλ,x x . (16.73)


Diese Bedingung und die entsprechenden für die y- und z-Richtung erfordern
2πn x 2πn y 2πn z
kx = , ky = , kz = , (16.74)
L L L
wobei n x , n y , n z ganze Zahlen sind (und nicht mit den Lichtquantenzahlen n λ zu ver-
wechseln sind). Wir betrachten nun gemäß (16.20) die Summe über die Endzustände der
Lichtquanten, die durch die diskreten Zahlen n x , n y , n z gekennzeichnet sind und deren
k-Vektoren in einen Raumwinkelbereich dΩ (vgl. Abb. 16.2) fallen. Sodann nehmen wir
den Grenzübergang V →∞ (d. h. L → ∞) vor, wobei die k-Vektoren kontinuierlich
werden und die Summe n x ,n y ,n z ∈dΩ in ein Integral übergeht. Gemäß Anhang A2 gilt
die Beziehung
 
V
... → . . . k2 dkdΩ . (16.75)
(2π)3
λ

Dieser Übergang ist ein Spezialfall des in (16.25)–(16.30) dargestellten Übergangs. In


der Tat können wir bei Lichtquanten die Wellenzahl k durch die Energie E mit Hilfe von
Abb. 16.2. Veranschaulichung
des Raumwinkels dΩ E = hω = hck
16.3 Die spontane und induzierte Emission sowie die Absorption von Licht durch Moleküle 335

ausdrücken, d. h.
E
k= ,
hc
so daß die rechte Seite von (16.75) in

V 1
. . . E 2 dEdΩ (16.76)
(2π)3 (hc)3

übergeht.
Unter dem Integral in (16.30) bzw. (16.76) steht aber die δ-Funktion, die gerade die
Lichtquantenenergie hω aussondert, die durch den Energie-Erhaltungssatz

E Q a = E Q e + hω (16.77)

festgelegt wird.
Damit erhalten wir
2π V 1  2
W= (hω)2  HQ e ,λ0 ;Q a ,0  dΩ . (16.78)
h (2π) (hc)
3 3

Um zum endgültigen Resultat vorzustoßen, setzen wir (16.68) und (16.70) mit (16.53)
in (16.78) ein. Dies ergibt
 2
 
1 1 1 ω
e2   
W= ϕ ∗
(r, R) exp(ik r )e · p ϕ (r, R)dV dV  dΩ .

h 8π 2 c3 m 20 ε0  Q e λ j j Q a El Kerne 
j 
(16.79)

W gibt die Zahl der pro Sekunde spontan in den Raumwinkelbereich dΩ und mit der
Polarisationsrichtung e emittierten Photonen an. Dies ist aber genau die Größe, die Ein-
stein bei seiner Herleitung der Planckschen Formel über die spontane Emission phäno-
menologisch einführte.
1 für die spontane Emission (Polarisationsrichtung e) er-
Der Einstein-Koeffizient a2,e
gibt sich durch Vergleich von

W = a2,e
1
dΩ (16.80)

mit (16.78) und (16.79).


In Abschn. 16.3.6 werden wir die Einstein-Koeffizienten noch in der sogenannten
Dipolnäherung angeben, sowie eine räumliche Mittelung über alle Polarisationsrichtun-
gen durchführen.
Hier betrachten wir noch die optische Lebensdauer eines angeregten Zustands mit
der Quantenzahl Q a . Die Übergangswahrscheinlichkeit pro Sekunde W für den Über-
gang eines Moleküls aus dem angeregten Zustand mit der Quantenzahl Q a in den End-
zustand Q e unter Aussendung eines Photons der Polarisationsrichtung e in den Raum-
winkelbereich dΩ hatten wir in (16.78) und (16.79) angegeben. Wir bezeichnen diese
nun genauer mit W(a → e, e, dΩ). Die optische Lebensdauer τ des hier betrachteten
336 16. Wechselwirkung von Molekülen mit Licht: Quantentheoretische Behandlung

(angeregten) Anfangszustands a ist dann mit Hilfe der Summe über die Übergangswahr-
scheinlichkeiten in alle energetisch tieferliegenden Molekülzustände wie folgt gegeben:
1 
= W(a → e, e, dΩ) .
τ
Die Summe erstreckt sich über alle eben genannten Endzustände des Moleküls, über
den gesamten Raumwinkel und die jeweils 2 Polarisationsausrichtungen der Photonen.
Mit der optischen Lebensdauer ist eine endliche Linienbreite verknüpft (vgl. I, Ab-
schn. 16.2).
Wir behandeln nun die induzierte Emission.
Wir nehmen zuerst an, daß eine bestimmte Zahl n von Lichtquanten, die zu einer
bestimmten Lichtwelle mit dem Index λ0 (d. h. Wellenzahlvektor kλ0 und Polarisations-
richtung eλ0 ) gehören, vorhanden sind. Der normierte Anfangszustand des Lichtfeldes,
Φa , ist dann durch
1  + n
Φa = √ bλ0 Φ0 (16.81)
n!
gegeben.
Lassen wir den Störoperator (16.52) auf (16.81) in dem Matrixelement Hµκ S (0)
(16.14) wirken und berücksichtigen wir nur solche Störungen, bei denen sich die Licht-
quantenzahl erhöht, so erkennen wir, daß es zwei Arten von Endzuständen gibt: Näm-
lich abhängig davon, ob der Index λ in der Summe in (16.52) gleich λ0 ist oder nicht,
erhalten wir
 n+1
(α) λ = λ0 : Φe ∝ b+λ0 Φ0 (16.82)

oder
 n
(β) λ = λ0 : Φe ∝ b+ +
λ bλ0 Φ0 . (16.83)

Im Falle (α) wird ein Lichtquant von der gleichen Sorte wie die des Anfangszustands
dem Lichtfeld hinzugefügt. Im Falle (β) wird ein Lichtquant einer anderen Sorte spon-
tan emittiert. Um die gesamte Übergangswahrscheinlichkeit in alle diese Endzustände
zu berechnen, müssen wir die Matrixelemente Hµκ S (0) bezüglich (16.82) und (16.83)
gemeinsam mit den Wellenfunktionen ϕ Q a bzw. ϕ Q e des Moleküls bilden, das Absolut-
quadrat der Matrixelemente nehmen und über alle Endzustände gemäß (16.30) aufsum-
mieren. Dabei haben wir die Bedeutung von E µ − E κ , das in der δ-Funktion auftritt,
zu klären.
Im Falle (α) ist E κ als Energie des Anfangszustandes durch die Summe aus der Ener-
gie des Anfangszustandes des Moleküls E a,Mol. und der Energie der n Lichtquanten, d. h.
nhωλ0 gegeben:
E κ = E a,Mol. + nhωλ0 . (16.84)
Die Energie E µ des Endzustands lautet in entsprechender Weise
E µ = E e,Mol. + (n + 1)hωλ0 . (16.85)
Wir erhalten damit
E µ − E κ = E e,Mol. − E a,Mol. + hωλ0 . (16.86)
16.3 Die spontane und induzierte Emission sowie die Absorption von Licht durch Moleküle 337

Die δ-Funktion garantiert den Energie-Erhaltungssatz:


hωλ0 = E a,Mol. − E e,Mol. ≡ ∆E , (16.87)
wobei die rechte Seite positiv ist, da das Molekül aus einem angeregten Zustand in einen
energetisch tieferen übergeht. (Umgekehrt kann man sagen, daß dies Voraussetzung für
die Emission eines Lichtquants ist.)
Im Falle (β) erhalten wir:
E κ = E a,Mol. + nhωλ0 , (16.88)
E µ = E e,Mol. + nhωλ0 + hωλ (16.89)
und damit
E µ − E κ = hωλ − ∆E . (16.90)

Gemäß den Fällen (α) und (β) enthält die Übergangswahrscheinlichkeit pro Sekunde W
(16.30) zwei Anteile:

 2
 S 
W = δ hωλ0 − ∆E (n + 1) HQ e ,λ0 ;Q a ,0 
h
2π   S 2

+  Q e ,λ0 ;Q a ,0  δ (hωλ − ∆E) .
H (16.91)
h
λ =λ0

Der Faktor (n + 1) im ersten Summanden rührt von (16.66) her, da das Matrixelement
quadriert auftritt. Wir zerlegen den Faktor (n + 1) in n und 1 und schlagen den bei der
1 in (16.91) als Faktor stehenden Ausdruck der in (16.91) stehenden Summe zu. Damit
ergibt sich aber genau die Summe (16.71), die wir für die spontane Emission erhalten
hatten. Der dann in (16.91) übrigbleibende Ausdruck
2π  S 2


Win =  HQ e ,λ0 ;Q a ,0  nδ hωλ0 − ∆E (16.92)
h
ist die induzierte Emissionsrate.
In (16.92) erscheint keine Summation über λ. Andererseits ist es nötig, über ein Kon-
tinuum zu integrieren, so daß die δ-Funktion ausgewertet werden kann. Auf diese Weise
zwingt uns der Formalismus, mit einem realistischeren Anfangszustand zu beginnen, der
aus einem Wellenpaket besteht. Wir nehmen an, daß dieses von ebenen Wellen gebildet
wird innerhalb einer Region ∆k x , ∆k y , ∆k z mit einer entsprechenden Frequenzbreite
∆ω = c∆k. Wenn M Moden vorhanden sind, lautet die normierte Wellenfunktion
1 1 
+ n
Φa = √ √ bk Φ0 . (16.93)
M n! ∆k

Um ganz explizit zu sein, benutzen wir in (16.93) den Index k anstelle von λ. Die in
(16.93) auftretende Summation über k überträgt sich auf eine Summation über λ0 in
(16.92):
2π 1   S 2

Win =  HQ e ,λ0 ;Q a ,0  nδ (hωk − ∆E) . (16.94)
h M
∆k
338 16. Wechselwirkung von Molekülen mit Licht: Quantentheoretische Behandlung

Mit
2πm i
M = mx m ymz , ∆ki = , i = x, y, z , (16.95)
L
wobei L die Kantenlänge des Normierungswürfels ist, finden wir

L3 V 2
M= ∆k x ∆k y ∆k z = k ∆kdΩ , (16.96)
(2π) 3 (2π)3
wobei wir im 2. Schritt von kartesischen Koordinaten zu sphärischen Polarkoordinaten
mit dem Raumwinkelbereich dΩ übergegangen sind. Indem wir die Gln. (16.95) und
(16.96) und ∆E = hω benutzen, erhalten wir für die Übergangswahrscheinlichkeit für
die induzierte Emission von Photonen in einem Raumwinkelbereich dΩ
2π  S 2

Win = n 2  HQ e ,λ0 ;Q a ,0  . (16.97)
h ∆ω
Wegen (16.53) und (16.68) läßt sich (16.97) auch in der Form
⎛ ⎞2
  
nπe2  N

Win = 2 ⎝ exp(ikr j )eP j Q ,Q ⎠ (16.97a)

m 0 ε0 ∆ωhωV  j=1 e a


schreiben, wobei das Matrixelement (. . . ) Q e ,Q a bzgl. ϕ∗Q e und ϕ Q a auszuwerten ist (vgl.
(16.97)).
Wir schreiben Win in der Form
Win (dΩ) = e (ω, dΩ)b12,e dΩ , (16.98)
wobei
 2
 
πe2  N

b12,e =  exp(ikr )eP j Q ,Q  (16.99)

(hω)2 ε0 m 0  j=1
2 j e a


der Einstein-Koeffizient für die induzierte Emission von Photonen mit der Polarisation e
in dΩ ist.
nhω
e (ω, dΩ) = (16.100)
∆ωdΩV
ist die gesamte Energie der n Photonen geteilt durch die Frequenzbreite, den Raumwin-
kel und das Volumen, oder in anderen Worten, e ist die Energiedichte pro Einheitsfre-
quenzintervall, Einheitsraumwinkel und Einheitsvolumen. Ein Vergleich zwischen den
Gln. (16.78)–(16.80) und (16.99) ergibt die wichtige Einstein-Relation für das Verhält-
nis zwischen spontaner und induzierter Emissionswahrscheinlichkeit als Funktion der
Frequenz (Vergleiche auch (5.22) in I. Man beachte hierbei, daß wir für die Einstein-
Koeffizienten in I große Buchstaben, hier jedoch kleine verwenden.)
1
a2,e hω3
= . (16.101)
b12,e (2π)3 c3
16.3 Die spontane und induzierte Emission sowie die Absorption von Licht durch Moleküle 339

Ein weiterer Vergleich zwischen spontaner und induzierter Emissionsrate ergibt sich wie
folgt: Die Beziehung (16.92) kann auch anders ausgedrückt werden. Wir bestimmen die
pontane Emissionsrate P pro Zahl von Moden (nicht Photonen!) (vgl. Anhang A2), in
dem Volumen V , dem Winkelbereich dΩ und dem Frequenzbereich ∆ω(ω̄, ω̄ + ∆ω),
welche wir bis jetzt betrachtet haben. Indem wir (16.78) durch diese Zahl
k2 ∆kVdΩ ω2 ∆ωVdΩ
Nm = = (16.102)
8π 3 8π 3 c3
dividieren, finden wir

= W = 1 Win ,
W (16.103)
Nm n
so daß das Verhältnis zwischen induzierter Emissionsrate zu spontaner Emissionsrate
gleich n, also der Gesamtzahl der Photonen in diesem Bereich ist.
Absorption. Die Berechnung der Übergangswahrscheinlichkeit Wabs für Moleküle, die
von ihrem Grundzustand zu dem angeregten Zustand durch Absorption übergehen, in-
dem sie ein Quant aus einem Wellenpaket, dessen Wellenzahlvektoren innerhalb eines
Raumwinkelbereichs dΩ liegen, absorbieren, kann in Analogie zu der induzierten Emis-
sion durchgeführt werden. Der wesentliche Unterschied besteht darin, daß wir nun mit
einem Molekül in seinem Grundzustand anstelle im angeregten Zustand beginnen, und
daß aus der Welle mit dem Index λ0 ein Photon entfernt wird. Die explizite Form von
E µ und E κ ändert sich entsprechend:
E µ − E κ = E e,Mol. − E a,Mol. − hωλ0 . (16.104)
Ferner ist im ersten Glied in (16.91) der Faktor (n + 1) gemäß (16.64) (anstelle von
(16.66)) durch n zu ersetzen, während die zweite Summe in (16.91) ganz wegfällt. Wie-
derum müssen wir über den Anfangszustand des Lichtfelds mitteln. Wir erhalten dann
für die Übergangswahrscheinlichkeit pro Sekunde für die Absorption
Wabs = e (ω̄, dΩ)b21,e dΩ , (16.105)

wobei b21,e = b12,e ist, so daß der Einstein-Koeffizient für Absorption gleich dem für in-
duzierte Emission ist (vgl. Abschn. 5.18 in I). Die Absorptionsrate ist proportional zu
der in (16.100) definierten Energiedichte e des einfallenden Lichts.

16.3.5 Berechnung des Absorptionskoeffizienten


Um den Absorptionskoeffizienten α zu berechnen, führen wir die Energieflußdichte
I(ω) = e (ω, dΩ)cdΩ (Energiefluß pro s pro Einheitsfläche) in Gl. (16.105) ein, so
daß
b21,e
Wabs = I(ω) (16.106)
c
gilt. Die Abnahme der Photonenzahl n pro s ist gleich Wabs für ein einzelnes Molekül.
Gibt es N Moleküle, so finden wir
dn
= −Wabs N . (16.107)
dt
340 16. Wechselwirkung von Molekülen mit Licht: Quantentheoretische Behandlung

Indem wir
n̄hωc
I(ω) = (16.108)
∆ω
einführen (n̄ = n/V : Photonendichte) und dies in Gl. (16.107) einsetzen, erhalten wir
2
b1,e Nhω
dI(ω)
= −I(ω) . (16.109)
c dt c V∆ω
Indem wir dx = c dt schreiben, erhalten wir als Gleichung für die räumliche Absorption
dI(ω)
= −I(ω)αC , (16.110)
dx
wobei C = (N/V ) die Konzentration der Moleküle bedeutet und der Absorptionskoef-
fizient α durch
b21,e hω
α= (16.111)
c∆ω
gegeben ist. Damit haben wir den in Abschn. 15.1 eingeführten Absorptionskoeffizien-
ten durch den Einstein-Koeffizienten b21,e ausgedrückt. Gleichzeitig erkennen wir, daß
die Formel des Lambert-Beerschen Gesetzes (15.1) gerade die Lösung der Differential-
gleichung (16.110) darstellt.
Da Wabs und Win eine vollständig symmetrische Rolle spielen, finden wir ganz all-
gemein für ein System von nicht wechselwirkenden, teilweise invertierten Molekülen
dI N2 − N1
=I αC , (16.112)
c dt N
wobei N2 die Zahl der Moleküle im angeregten Zustand, N1 die der Moleküle im Grund-
zustand ist. Die Beziehung (16.112) ist übrigens grundlegend für die Lasertätigkeit von
Molekülen. Wenn nämlich N2 − N1 > 0 ist, so findet eine Verstärkung der Intensität I
statt und Licht wird erzeugt statt absorbiert.

16.3.6 Übergangsmomente, Oszillatorenstärke und räumliche Mittelung

a) Übergangsmomente und Dipolnäherung Wir erläutern noch den Begriff des Über-
gangsmoments, der in dem Ausdruck für die optische Übergangswahrscheinlichkeit pro
Sekunde auftritt. Wie wir gesehen haben, ist die Übergangswahrscheinlichkeit pro Se-
kunde durch das Matrixelement (16.70) bestimmt, wobei der Operator Oλ durch (16.53)
gegeben ist. Da sich alles für das folgende Wesentliche bereits für ein einzelnes Elek-
tron herleiten läßt, betrachten wir nur ein Glied der Summe über j und lassen dann den
Index j weg. Wir nehmen an, daß die Lichtwellenlänge groß gegenüber der Erstreckung
des Moleküls ist. Der Faktor exp(ikλ · r) ändert sich dann nur wenig in diesem Bereich.
Legen wir das Koordinatensystem mit dem Ursprung in den Schwerpunkt des Mole-
küls, so dürfen wir die Exponentialfunktion durch 1 ersetzen. Dies ist die sogenannte
Dipolnäherung, die wir nun näher betrachten wollen. (Entwickeln wir statt dessen die
Exponentialfunktion in eine Potenzreihe nach (kλ · r), so ergeben sich Matrixelemente
für die sog. Multipolstrahlung, wobei sowohl elektrische als auch magnetische Multi-
pole auftreten können.)
16.3 Die spontane und induzierte Emission sowie die Absorption von Licht durch Moleküle 341

Wie betrachten also Matrixelemente der Form



pµκ = ψµ∗ pψκ dV , (16.113)

wobei die Wellenfunktionen und die Integration dV sich auch auf mehrere Teilchen be-
ziehen dürfen. Gleichung (16.113) ist also ein Integral, das zwischen dem Anfangs- und
Endzustand zu nehmen ist, wobei als Operator der Impuls p auftritt. Matrixelemente des
Impulsoperators lassen sich, wie wir nun zeigen wollen, in solche des Ortsoperators r
oder des DipolDipolmomentenoperators
Θ = er (16.114)
umrechnen. Hierbei ist e die elektrische Ladung und r die Koordinate des Teilchens.
Um die Beziehung zwischen r und p klarzumachen, erinnern wir uns an die klassische
Relation zwischen Impuls und Geschwindigkeit, die durch
p = m 0 ṙ (16.115)
gegeben ist. Hierbei ist m 0 die Masse des Teilchens. Die von der klassischen Mecha-
nik geläufige Beziehung (16.115) läßt sich in der Quantenmechanik als eine Beziehung
zwischen Matrixelementen in der folgenden Weise interpretieren:
 
∗h d
pµκ ≡ ψµ ∇ψκ dV = m 0 ψµ∗ rψκ dV . (16.116)
i dt
(Die Integrale können sich dabei, wie eben bemerkt, auch über mehrere Teilchenkoordi-
naten erstrecken.) Wir nehmen dabei an, daß in dem Matrixelement die Zeitabhängigkeit
der Wellenfunktionen explizit auftritt, d. h. daß
ψλ (r, t) = e−iEλ t/h ϕλ (r) , λ = µ, κ . (16.117)
Wir können dann sofort die Differentiation nach der Zeit ausführen und erhalten damit
pµκ = m 0 ( ṙ)µκ = m 0 iωµκ rµκ , (16.118)
wobei
1
ωµκ = (E µ − E κ ) .
h
Das Matrixelement rµκ ist dabei natürlich durch


rµκ = ϕµ rϕκ dV (16.119)

definiert. Multiplizieren wir rµκ mit der elektrischen Ladung e, so erhalten wir das Di-
polmoment Θ (16.114). Wegen der Beziehung (16.116) können wir überall das Matrix-
element bezüglich p durch eines bezüglich des Dipolmoments Θ ersetzen, wobei also
gilt
e pµκ = m 0 iωµκ Θµκ . (16.120)
 ∗
Θµκ = ϕµ erϕκ dV wird als Übergangsmoment oder auch als Übergangsdipolmoment
bezeichnet.
In den Einsteinkoeffizienten dürfen wir also in der Dipolnäherung statt der Im-
pulsmatrixelemente die Übergangsmomente verwenden, wobei in (16.120) wegen des
Energie-Erhaltungssatzes ωµκ = ω gilt.
342 16. Wechselwirkung von Molekülen mit Licht: Quantentheoretische Behandlung

b) Oszillatorenstärke Neben den Einstein-Koeffizienten wird zur Beschreibung opti-


scher Übergänge auch der Begriff „Oszillatorenstärke“ verwendet. Dieser Begriff wurde
schon vor Entstehen der Quantentheorie eingeführt, als die Dispersion von Licht mit
Hilfe von Oszillatormodellen behandelt wurde. Die Dispersionstheorie läßt sich auch
quantenmechanisch durchführen, worauf wir nicht näher eingehen wollen. Wie sich
dabei ergibt, hat der quantenmechanische Ausdruck für die atomare Polarisierbarkeit
in Abhängigkeit von der Frequenz eine ganz analoge Form wie der klassische, wobei
aber die Oszillatorenstärken f Q a →Q e nunmehr durch die Matrixelemente des Übergangs
Q a → Q e gegeben sind, und zwar in der Form

8π 2 m 0  2
f Q a →Q e = 2
ν Θ Q a ,Q e  . (16.121)
3he
Aus (16.121) läßt sich (15.4) wie folgt herleiten. Wir gehen dazu von dem integralen
Absorptionskoeffizienten A (15.3) aus, der sich aus ε(ν) = Cα(ω)/(ln 10) (vgl. (15.3))
durch Integration über das ganze Absorptionsband ergibt:

A = ε(ω)dν . (16.121a)

Drücken wir in (15.3) α gemäß (16.111) durch den Einsteinkoeffizienten b21,e = b12,e
aus und führen die Integration über das Intervall ∆ν ≡ ∆ω/2π durch, so erhalten wir

A = Chωb21,e /(2πc ln 10) . (16.121b)

Mit Hilfe von (16.99) drücken wir den Einsteinkoeffizienten durch das Absolutqua-
drat des Dipolmatrixelements, d. h. |Θ Q a ,Q e |2 , aus, wobei wir die Dipolnäherung und
(16.120) verwenden und die Mittelung über die räumliche Molekülorientierung durch-
führen (s. w. u. (16.126)), was zu einem Faktor 1/3 vor |Θ Q e ,Q a |2 führt. Damit erhal-
ten wir
ω  
A=C Θ Q ,Q 2 . (16.121c)
e a
6chε0 ln 10

Lösen wir diese Gleichung nach |Θ Q e ,Q α |2 auf und setzen das Resultat in (16.121) ein,
so erhalten wir nach Wegheben von Faktoren
4m 0 cε0 ln 10
f = A, (16.121d)
Ce2
d. h. die gewünschte Gl. (15.4). Unter den gleichen Näherungen ergibt sich eine direkte
Beziehung zwischen der Oszillatorenstärke f und dem Einstein-Koeffizienten b21 (bei
räumlicher Mittelung) in der Form
2ε0 ωm 0 h 2
f Q a →Q e = b1 . (16.122)
πe2
c) Räumliche Mittelung über die Polarisationsrichtungen bei der spontanen Emission
Der in (16.79) und (16.80) angegebene Einstein-Koeffizient bezieht sich auf die Emis-
sion von Photonen einer festen Polarisationsrichtung e. Oft wird der Einstein-Koeffizient
16.4 Das Franck-Condon-Prinzip 343

angegeben, wenn über alle Polarisationsrichtungen des emittierten Lichts gemittelt wird.
Dazu benutzen wir die Dipolnäherung und betrachten den Ausdruck
 
e · rµκ 2 , (16.123)
wobei der Mittelstrich die räumliche Mittelung bedeutet. Um diese auszuführen, den-
ken wir uns ein Koordinatensystem, bei dem die z-Richtung mit der Richtung des Vek-
tors rµκ zusammenfällt. (Die Tatsache, daß es sich bei dem Matrixelement rµκ um einen
komplexen Vektor handelt, spielt dabei keine Rolle, da dann einfach die Komponen-
ten komplexe Zahlen sind.) Der zunächst beliebig gewählte Polarisationsvektor e bildet
dann gemäß Abb. 16.3 den Winkel ϑ mit rµκ , d. h. gegenüber der z-Achse. Die räum-
liche Mittelung können wir nun nach elementaren Überlegungen der Geometrie durch-
führen, indem wir über das Raumwinkelelement dΩ mitteln. Dies läßt sich durch
dΩ = sin ϑdϑdϕ (16.124)
ausdrücken. Die Mittelung (16.123) lautet dann explizit

2π π Abb. 16.3. Die relative Lage von
dϕ |rµκ |2 cos2 ϑ sin ϑdϑ
  e und rµκ
e · rµκ 2 = 0 0
. (16.125)
 π

sin ϑdϕdϑ
0 0
Das Absolutquadrat von rµκ hängt nicht mehr von den Winkeln ab und kann vor das In-
tegral gezogen werden. Die Integrale lassen sich elementar auswerten, und wir erhalten
als Endresultat
   
e · rµκ 2 = 1  rµκ 2 . (16.126)
3
Um den Einstein-Koeffizienten für die spontane Emission bei einer Mittelung über die
Polarisationsrichtung zu erhalten, müssen wir also lediglich (16.79) und (16.80) mit dem
Faktor 1/3 multiplizieren.

16.4 Das Franck-Condon-Prinzip


Unsere bisherigen Ausführungen gelten für ganz allgemeine Elektronen- und Kernbe-
wegungen im Molekül. Um bei der Berechnung der entsprechenden Matrixelemente
(16.68) weiterzukommen, bedarf es einiger Näherungen, die aber zugleich den physi-
kalischen Inhalt deutlich hervortreten lassen. Ziel dieses Abschnitts soll es dabei sein,
die Darstellung des Franck-Condon-Prinzips in Abschn. 14.1 quantenmechanisch zu
vertiefen.
Als erstes kommt es darauf an, die Elektronenbewegung von der Kernbewegung zu
trennen. Dazu stützen wir uns auf die in Abschn. 11.1 besprochene Born-Oppenheimer-
Näherung. Wir schreiben also die Wellenfunktion, die sich auf die Elektronen und Kerne
bezieht, in der Produktform
ϕ Q a (r, R) = Ψqa (r, R)χqa ,K a (R) , (16.127)
wobei wir also die Annahme zugrundelegen, daß die Elektronen der Kernbewegung un-
mittelbar folgen können. Die Quantenzahl des Gesamtsystems, Elektronen und Kerne,
344 16. Wechselwirkung von Molekülen mit Licht: Quantentheoretische Behandlung

im Anfangszustand haben wir dabei durch Q a gekennzeichnet, die des elektronischen


Systems durch qa und des Kernsystems durch K a . Die Elektronenkoordinaten und Kern-
koordinaten haben wir dabei gemäß
r = r1 , r2 , . . . , rN
R = R1 , R2 , . . . , RM (16.128)
abgekürzt. In entsprechender Weise kennzeichnen wir die Quantenzahlen des jeweiligen
Endzustands durch Q e , etc. Wegen der Aufspaltung (16.127) nimmt das Matrixelement
(16.70) (bis auf konstante Faktoren) die Form
⎛ ⎞
  

∝ Ψqe (r, R) ⎝ eikλ ·r j ⎠
eλ · p j Ψqa (r, R) χq∗e ,K e (R)χqa ,K a (R)dVKerne dVEl
j
(16.129)
an, das uns als Ausgangspunkt (16.129) dient. Unter dem Integral treten zwei ver-
schiedene Typen von Wellenfunktionen auf, nämlich die Elektronenwellenfunktionen
Ψ(r, R), die die Kernkoordinaten als Parameter enthalten, und die Wellenfunktionen
χ(R) der Kernbewegung. Wir wollen nun verständlich machen, daß die räumliche Än-
derung von Ψ(r, R) als Funktion von R viel langsamer als die von χ(R) erfolgt. Dazu
erinnern wir uns an die konkrete Form von Ψ , wie sie uns in Kap. 4 bei der Behand-
lung des H+ 2 und H2 entgegentrat. Dort hingen die Elektronenwellenfunktionen von
den Abstandsvektoren r − R j ab, wobei R j die Lagekoordinate des Kerns j ist. Die
in der LCAO (vgl. Kap. 4) auftretenden Atomorbitale variieren auf der Größe der Er-
streckung r0 der entsprechenden Wellenfunktion. Diese Erstreckung r0 ist aber viel
größer als die in der Kernwellenfunktion χ(R) beschriebene Schwingungsamplitude.
Das in (16.129) auftretende Integral über dVKerne enthält also in der Tat ein Produkt
aus einer räumlich langsam veränderlichenden Funktion, nämlich dem unter dem ersten
Integral in (16.129) stehenden Ausdruck, und einer räumlich rasch veränderlichenden
Funktion, nämlich dem in dem zweiten Integral stehenden Ausdruck. Dies gestattet es
uns, den ersten Integranden an einer festen Stelle R = R0 zu nehmen, wo der zweite
Integrand χ ∗ χ sein Maximum hat. Damit können wir (16.129) durch
⎛ ⎞
 
Ψq∗e (r, R0 ) ⎝ eikλ ·r j eλ · p j ⎠ Ψqa (r, R0 )dVEl
j

· χq∗e ,K e (R)χqa ,K a (R)dVKerne (16.129a)

ersetzen. Wir können also die Integration, die sich über die Kern- und Elektronenko-
ordinaten erstreckt, in eine, die sich auf die Elektronen alleine, und eine, die sich auf
die Kerne alleine erstreckt, ersetzen. Der Übergang von (16.129) zu (16.129a) läßt sich
übrigens mit Hilfe des Mittelwertsatzes der Integralrechnung mathematisch streng recht-
fertigen.
Untersuchen wir als erstes das sich auf die Kernbewegung beziehende Integral

χ K∗ e qe (R)χ K a qa (R)dVKerne . (16.130)
16.4 Das Franck-Condon-Prinzip 345

Hierbei müssen wir uns an ein Resultat bei der Born-Oppenheimer-Näherung erinnern,
das sich auf die Kerne bezog. Die Kraft zwischen den Kernen besteht demnach nicht nur
aus der direkten Coulombschen Abstoßungskraft zwischen den Kernen, sondern kommt
auch über die Elektronen zustande. Die hierfür maßgebende Elektronenenergie W (11.9)
hängt dabei von den Elektronenwellenfunktionen, die gerade besetzt sind, ab. Dies im-
pliziert insbesondere, daß die Kernkoordinaten vor und nach dem optischen Übergang
nicht die gleichen Ruhelagen haben müssen, sondern sich gegenseitig verschoben ha- Abb. 16.4. Verschiebung der
ben können, je nachdem welcher Elektronenzustand jeweils vorliegt. Diese Verschie- Ruhelagen der Kerne (und der
bung der Ruhelage der Kerne wird anschaulich durch eine sog. Konfigurationskoordinate Wellenfunktionen) vor und nach
erfaßt (vgl. Abb. 16.4 sowie 14.3 und 14.4). Selbst wenn die Oszillatorwellenfunktio- dem optischen Übergang des
Elektrons, veranschaulicht durch
nen der Kerne vor und nach dem optischen Übergang z. B. im Grundzustand sind, ist die Konfigurationskoordinate X
dennoch das Integral (16.130) im allgemeinen kleiner als 1, da die Ruhelagen verscho-
ben sind und nur eine endliche Überlappung zustandekommt. Aufgrund der Verschie-
bung der Kernruhelagen sind selbst bei verschiedenen Quantenzahlen K e und K a die
Wellenfunktionen in (16.130) nicht mehr aufeinander orthogonal. Verschiedene Quan-
tenzahlen bedeuten aber, daß im Anfangs- und Endzustand die Zahl der Quanten der je-
weiligen Schwingungen voneinander verschieden sind. Dies besagt, daß bei einem derar-
tigen Übergang Schwingungsquanten entstehen oder vernichtet werden können. Es gibt
also keine strengen Auswahlregeln für die Änderung der Schwingungsquantenzahl beim
elektronischen Übergang, wie schon in Kap. 14 bemerkt.
Betrachten wir nun den sich auf die Elektronenkoordinaten beziehenden Anteil des
Matrixelementes (16.129a), d. h.
 
Ψq∗e (r, R0 ) eikλ ·r j eλ · p j Ψqa (r, R0 )dVEl . (16.131)
j

Wir nehmen an, daß die Wellenlänge des Lichts groß gegenüber der Erstreckung der
Molekülorbitale ist, so daß wir von der räumlichen Variation der Exponentialfunktion
exp(ik · r) absehen und diese durch exp(ik · r0 ) ersetzen können, wobei r0 sich auf eine
mittlere Koordinate im Molekül bezieht. (Dies ist die uns schon bekannte Dipolnähe-
rung.) Diesen konstanten Faktor können wir vor das Integral in (16.131) ziehen und dann
im folgenden weglassen, da er bei der Bildung der Absolutquadrate der Matrixelemente
herausfällt. Der also noch zu untersuchende Teil des Matrixelements (16.131) lautet
 
Ψq∗e (r, R0 ) e · p j Ψqa (r, R0 )dVEl . (16.132)
j

Ersichtlich hängt dieses Matrixelement nicht von den Schwingungsquantenzahlen ab,


sondern nur von der einer mittleren Kernkoordinate R0 (vgl. Abschn. 14.1).
Das Matrixelement (16.132) ist immer noch sehr schwierig auszuwerten, da sich ja
die Wellenfunktionen Ψ ∗ und Ψ auf alle Elektronen des Moleküls beziehen. Um hier
weiterzukommen, legen wir die Hartree-Fock-Näherung zugrunde, nach der die Wellen-
funktion des Anfangszustandes (und entsprechend die des Endzustandes) in der Form
 
 ψq1 (r1 ) ψq2 (r1 ) . . . ψq N (r1 ) 
 
1  ψq1 (r2 ) ψq2 (r2 ) . . . 

ψqa = √  ..  (16.133)
N!  . 
ψ (r ) ψ (r ) . . . ψ (r )
q1 N q2 N qN N
346 16. Wechselwirkung von Molekülen mit Licht: Quantentheoretische Behandlung

geschrieben werden kann. Der Einfachheit halber haben wir die Slater-Determinante für
Ortswellenfunktionen ohne Spin-Anteil geschrieben. Gemäß Abschn. 7.1.2 können wir
aber auch sehr leicht die Spinabhängigkeit berücksichtigen. Hierbei haben wir die Ge-
samtquantenzahl der Elektronen qa in die einzelnen Quantenzahlen q1 , q2 , . . . der Zu-
stände, in denen die einzelnen Elektronen sich befinden, aufgeteilt. Die Quantenzahlen
des Endzustandes unterscheiden wir von denen des Anfangszustandes, indem wir einen
Strich daran hängen:
qa = (q1 , q2 , . . . , q N )


qe = q1
, q2
, . . . , q
N . (16.134)
Wie wir wissen (vgl. auch den Anhang), wird eine Determinante durch eine Summe
über Produkte über alle möglichen Kombinationen der Indizes dargestellt, wobei noch
der Faktor + oder − auftritt, je nachdem ob es sich um eine gerade oder ungerade Per-
mutation handelt. Gemäß (16.133) und dem entsprechenden Ausdruck für Ψqe treten in
(16.132) zwei Determinanten auf, die dann miteinander zu multiplizieren sind. Sodann
sind die Integrationen über die Elektronenkoordinaten auszuführen. Da die ins einzelne
gehende Auswertung nur wenig physikalische Einblicke gewährt, geben wir gleich das
Resultat an und verweisen den an den Details interessierten Leser auf den Anhang. Es
ergibt sich: Der Satz qa der Quantenzahlen (16.134) muß mit dem Satz qe übereinstim-
men bis auf ein Paar, wo ql = ql
ist, und l eine Zahl aus 1 . . . N ist (N: Anzahl der
Elektronen). Anders ausgedrückt bedeutet dies, daß beim optischen Übergang nur ein
Elektron seinen Zustand ändert, alle anderen bleiben in ihrem jeweiligen Anfangszu-
stand. Wegen der Ununterscheidbarkeit der Elektronen kann es sich bei dem einen um
ein beliebiges Elektron handeln. Damit reduziert sich das Matrixelement (16.132) auf
den Ausdruck

(16.132) = eλ · pql
,ql = e · ψq∗
(r) pψql (r)dV . (16.135)
l

Auf (16.135) lassen sich nun gruppentheoretische Überlegungen anwenden, die dann
zeigen, ob das Matrixelement prinzipiell von Null verschieden sein kann oder ob es
aufgrund von Symmetrien verschwinden muß. Lassen wir das Hartree-Fock-Verfahren
fallen, so kann es beim optischen Übergang eventuell auch Anregungen von mehre-
ren Elektronen geben, und die Energie kann in komplizierterer Weise auf Anregungszu-
stände der Elektronen verteilt werden.

16.5 Auswahlregeln
Ob ein optischer Übergang erfolgen kann oder nicht, darüber entscheiden die optischen
Matrixelemente. Mit Hilfe der Gruppentheorie läßt sich feststellen, welche Matrixele-
mente verschwinden, d. h. welche Übergänge verboten sind, bzw. welche Matrixele-
mente von Null verschieden sein können (aber nicht müssen!). Über die Größe der Ma-
trixelemente macht die Gruppentheorie allerdings keine Aussage.
Um diese Methodik kennenzulernen, betrachten wir als erstes das sog. direkte Pro-
dukt. In Kap. 6 hatten wir die Wellenfunktionen Ψ j als Basis für die Darstellung ei-
ner Transformationsgruppe eingeführt. Wir betrachten jetzt neben einer solchen Basis,
die wir Ψ j(1) nennen, noch eine zweite, Ψ j(2) . Dabei können wir auch zulassen, daß der
16.5 Auswahlregeln 347

(2) (1) (1) (2)


Satz der Ψ j mit dem Satz Ψ j identisch ist. Aus Ψ j , Ψ j bilden wir einen neuen
Satz von Basisfunktionen mit Hilfe der Produkte Ψ j(1) Ψk(2) ,
die direkten Produkte. Wen-
den wir auf ein solches Produkt eine Symmetrie-Operation an, so geht jeder der beiden
Faktoren jeweils in eine Linearkombination der Funktionen seines Satzes über, das Pro-
dukt damit in eine Linearkombination von den Produkten Ψ j(1) Ψk(2) . Es läßt sich dann im
einzelnen zeigen, daß Ψ j(1) Ψk(2) ebenfalls einen Satz von Basisfunktionen für die Dar-
stellung der Gruppe liefert. Insbesondere läßt sich mit Hilfe der Matrizenregeln zeigen,
daß die Charaktere der Darstellung eines direkten Produkts gleich den Produkten der
Charaktere der Darstellungen der ursprünglichen Funktionen sind. Das direkte Produkt
zweier irreduzibler Darstellungen ist, wie gesagt, eine neue Darstellung, die selbst irre-
duzibel ist oder zu irreduziblen Darstellungen reduziert werden kann. Beispiele zeigen
die Tabellen 16.1 und 16.2.
In der gleichen Weise lassen sich auch Produkte aus drei (oder noch mehr) Funk-
tionen, d. h.
Ψi(1) Ψ j(2) Ψk(3) (16.136)
als Basis verwenden. Bei diesen Funktionen braucht es sich nicht nur um Wellenfunk-
tionen zu handeln, sondern es kann sich auch um die Variablen x, y, z handeln, die z. B.
im Dipolmatrixelement (16.135) auftreten. Schließlich transformieren sich auch Opera-
toren, wie der Impulsoperator px = (h/i)∂/∂x, p y = (h/i)∂/∂y, pz = (h/i)∂/∂z linear
unter den Symmetrie-Operationen und bilden somit auch eine Basis für eine Darstellung.
In (16.136) können wir also z. B. Ψ j(2) durch die Komponenten des Impulsoperators er-
setzen.
Die optischen Matrixelemente lassen sich als Integrale der Gestalt

Ψi(1) Ψ j(2) Ψk(3) dV (16.137)

auffassen, wobei die Integration sich über alle in den Ψ ’s vorkommenden Variablen er-
streckt, z. B. also über die Koordinaten eines oder auch mehrerer Elektronen. Wir kön-
nen nun die Basis (16.136) bezüglich der Symmetrie-Operationen des jeweiligen Mole-

Tabelle 16.1. Beispiele für irreduzible Darstel-


lungen direkter Produkte der Gruppe C2v

C2v E C2 σv σv

A1 1 1 1 1
A2 1 1 −1 −1
B1 1 −1 1 −1
B2 1 −1 −1 1
A1 A1 1 1 1 1 = A1
A1 A2 1 1 −1 −1 = A2
A2 B1 1 −1 −1 1 = B2
A2 B2 1 −1 1 −1 = B1
B1 B2 1 1 −1 −1 = A2
348 16. Wechselwirkung von Molekülen mit Licht: Quantentheoretische Behandlung

Tabelle 16.2. Beispiele für irreduzible Darstellungen


direkter Produkte der Gruppe C3v

C3v E 2C3 3σv

A1 1 1 1
A2 1 1 −1
E 2 −1 0
A2 A2 1 1 1 = A1
A2 E 2 −1 0 =E
EE 4 1 0 = A1 + A2 + E

küls in ihre irreduziblen Darstellungen zerlegen. Bezüglich eines jeden solchen Anteils
wird in der Mathematik gezeigt, daß das entsprechende Integral (16.137) verschwindet,
sofern nicht der Integrand invariant unter allen Symmetrie-Operationen der Punktgruppe
ist. Wir erläutern dies an zwei einfachen Beispielen:
(1) In dem eindimensionalen Integral
+a
f(x)dx (16.138)
−a

sei f(x) nicht invariant gegenüber der Spiegelung x → −x, sondern es gelte
f(−x) = − f(x). Wir ersetzen x durch (−x) in (16.138), was den Wert des In-
tegrals nicht ändert, und erhalten
+a a a
f(x)dx = f(−x)dx = − f(x)dx ,
−a −a −a

woraus folgt
 a
2 f(x)dx = 0 ,
−a
also das Verschwinden des Integrals.
(2) In den beiden zweidimensionalen Integralen (Grenzen ±∞)

Ij = f j (x, y)dxdy , j = 1, 2 (16.139)

transformieren sich bei einer Drehoperation


    
f1 cos α sin α f1
gemäß .
f2 − sin α cos α f2
Dann bleiben einerseits die Werte der Integrale (16.139) erhalten, andererseits gilt
    
I1 cos α sin α I1
= .
I2 − sin α cos α I2
16.5 Auswahlregeln 349

Da die Determinante
 
 cos α − 1 sin α 
 
 − sin α cos α − 1
nicht verschwindet, folgt unmittelbar I1 = I2 = 0.
Um zu prüfen, ob Integrale der Form (16.137) für gegebene Basisfunktionen (und
Operatoren) von Null verschieden sein können, können wir wie folgt vorgehen: Wir zer-
legen das Produkt (16.136) in seine irreduziblen Darstellungen. Dann können Integrale
nur dann von Null verschieden sein, wenn unter den irreduziblen Darstellungen sich die
identische Darstellung befindet. Folgende mathematische Sätze sind nützlich:
Satz. Die Darstellung eines direkten Produkts (von 2 Basissätzen) enthält die vollstän-
dig symmetrische Darstellung nur, wenn die ursprünglichen Basisfunktionen zu der glei-
chen irreduziblen Darstellung der Punktgruppe gehören. Bei einem dreifachen Produkt
kann das Integral nur dann nicht verschwinden, wenn die Darstellung des Produkts
von zwei Funktionen gleich der Darstellung der dritten Funktion ist oder die Darstel-
lung der dritten Funktion enthält. Hierbei können die Funktionen bzw. Operatoren pas-
send geschickt zusammengefaßt werden. Zum Beispiel kann man die Darstellungen von
Ψ j(1) · Operator · Ψk(2) zuerst bezüglich Ψ j(1) Ψk(2) bestimmen und dann nachsehen, ob in
ihr die Darstellung vom Operator (z. B. px , p y , pz ) enthalten ist.
Erläutern wir die Anwendungen dieser Sätze an dem Beispiel der Punktgruppe C2v ,
die uns beim H2 O, Abschn. 6.7, begegnet sind, und betrachten wir das Dipolmatrixele-
ment

Ψµ∗ (r)rΨκ (r)dV . (16.140)

Dabei identifizieren wir also Ψµ∗ mit Ψi(1) in (16.137), r mit Ψ j(2) und Ψκ mit Ψk(3) in
(16.137). Wir nehmen dabei an, daß Ψµ∗ und Ψκ bereits zu einer irreduziblen Darstel-
lung gehört, deren Symmetrieeigenschaften in Tabelle 16.1 aufgeführt sind. Nun brau-
chen wir noch die irreduziblen Darstellungen von r = (x, y, z), die wir hier als kleine

Tabelle 16.3.
⎧ ⎫ ⎧ ⎫ ⎧ ⎫⎧ ⎫

⎪ x⎪⎪ ⎪
⎪ x⎪⎪ ⎪
⎪ 1 0 0⎪⎪ ⎪
⎪ x⎪⎪

⎪ y⎪⎪
⎪=⎪ ⎪ ⎪
⎪ ⎪
⎪ ⎪
⎪ ⎪
⎪ ⎪
E ⎪

⎪ ⎪ ⎪
⎪ y ⎪
⎪ = ⎪
⎪ 0 1 0 ⎪
⎪ ⎪
⎪ y⎪⎪
⎪, χ = 3
⎩ ⎪ ⎭ ⎪ ⎩ ⎪ ⎭ ⎪ ⎩ ⎪
⎭⎪⎩ ⎪ ⎭
z z 001 z
⎧ ⎫ ⎧ ⎫ ⎧ ⎫⎧ ⎫

⎪ x⎪⎪ ⎪
⎪−x ⎪ ⎪ ⎪
⎪ −1 0 0⎪ ⎪⎪⎪x ⎪⎪

⎪ y⎪⎪
⎪=⎪ ⎪
⎪−y⎪ ⎪
⎪=⎪ ⎪
⎪ 0 −1 0⎪ ⎪⎪⎪ y⎪⎪ , χ = −1
C2 ⎪
⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪
⎪ ⎪
⎪ ⎪

⎪ ⎪ ⎪
⎩ ⎭ ⎩ ⎭ ⎩ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪
⎭⎩ ⎪ ⎭
z z 0 01 z
⎧ ⎫ ⎧ ⎫ ⎧ ⎫⎧ ⎫

⎪ x⎪⎪ ⎪
⎪−x ⎪ ⎪ ⎪
⎪ −1 0 0⎪ ⎪ ⎪x ⎪
⎪ ⎪
⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪⎪
⎪ ⎪ ⎪
⎪ ⎪

σv ⎪
⎪ y ⎪
⎪ = ⎪
⎪ y ⎪
⎪ = ⎪
⎪ 0 1 0 ⎪
⎪ ⎪
⎪ y⎪⎪, χ = 1
⎪ ⎪ ⎪
⎩ ⎭ ⎩ ⎭ ⎩ ⎪ ⎪ ⎪
⎭⎪⎩ ⎪ ⎭
z z 001 z
⎧ ⎫ ⎧ ⎫ ⎧ ⎫⎧ ⎫

⎪ x⎪⎪ ⎪
⎪ x⎪⎪ ⎪
⎪ 1 0 0⎪ ⎪ ⎪
⎪ x⎪⎪

⎪ ⎪
⎪ ⎪
⎪ ⎪
⎪ ⎪
⎪ ⎪
⎪ ⎪
⎪ ⎪
σv


⎪ y ⎪

⎪ = ⎪

⎪−y ⎪

⎪ = ⎪

⎪ 0 −1 0 ⎪



⎪ y⎪⎪
⎪, χ = 1
⎩ ⎭ ⎩ ⎭ ⎩ ⎪
⎭⎩ ⎪ ⎭
z z 0 01 z
350 16. Wechselwirkung von Molekülen mit Licht: Quantentheoretische Behandlung

Tabelle 16.4. Obere Reihe: Cha- Zwischenübung bestimmen (aber auch aus Tabelle 6.13 direkt entnehmen können). Wie
raktere zur Darstellung von r, man sich anhand von Abb. 6.15 leicht klarmacht, gelten die folgenden Transformations-
untere Reihen: Charaktere der
irreduziblen Darstellungen, die
regeln für die Symmetrie-Operationen (s. Tabelle 16.3).
zu Γ beitragen In der letzten Spalte sind die jeweiligen Charaktere, die als Spur der Darstellungsma-
trizen aus diesen direkt zu entnehmen sind, angegeben. Wie diese Darstellung Γ in die
E C2 σv σv
irreduziblen Darstellungen zerfällt, läßt sich mit Hilfe dieser Charaktere χ und durch
Anwendung von Formel (6.47) oder Probieren leicht angeben. Letzteres läßt sich mit
Γ 3 −1 1 1 Hilfe von Tabelle 16.3 und den eben angegebenen χ’s leicht nachvollziehen, wie aus
Tabelle 16.4 sofort abzulesen ist. Wir erhalten damit
A1 1 1 1 1
B1 1 −1 1 −1 Γ = A1 + B1 + B2 . (16.141)
B2 1 −1 −1 1
Kehren wir nun zu unserer eigentlichen Aufgabe zurück und wenden den obigen ma-
thematischen Satz auf (16.140) an. Fassen wir Ψµ∗ , Ψκ als erstes zusammen, so können
Tabelle 16.5. Linke Spalte: wir Tabelle 16.1 anwenden und suchen, welche Produkte der unteren linken Spalte eine
r und seine irreduziblen Dar-
stellungen. Rechte Spalte: Ψµ∗ Ψκ
der irreduziblen Darstellungen in (16.141), d. h. A1 , B1 oder B2 , ergeben. Wir erhalten
und deren Darstellungsprodukte, so Tabelle 16.5.
die A1 , B1 , B2 ergeben Die zweite Spalte gibt also an, zwischen welchen Wellenfunktionen ein optischer Di-
polübergang möglich, d. h. erlaubt, ist. Alle anderen Übergänge sind verboten. In Ab-
r Ψµ∗ Ψκ schn. 6.7 können wir dann Beispiele für LCAO Wellenfunktionen finden, die die ent-
sprechenden Symmetrieeigenschaften haben.
A1 A1 A1 Mit Hilfe von Tabelle 6.14 können wir ablesen, daß z zur Darstellung A1 , x zur Dar-
B1 A2 B2 stellung B1 und y zur Darstellung B2 gehören. Damit wird es möglich sogar anzuge-
B2 A2 B1 (oder B1 A2 ) ben, in welcher Polarisationsrichtung des Lichts ein optischer Dipolübergang jeweils er-
laubt (oder verboten) ist. So ist z. B. nur in der Polarisationsrichtung x der Übergang
A2 → B2 erlaubt. Wir überlassen es dem Leser als eine kleine Übungsaufgabe, sich
davon zu überzeugen, daß x, y, z jedes für sich schon eine Basis für die jeweiligen ir-
reduziblen Darstellungen A1 , B1 , B2 sind.

16.6 Zusammenfassung von Kapitel 16


In diesem ziemlich umfangreichen Kapitel haben wir mit Hilfe der Störungsrechnung
erster Ordnung die spontane und induzierte Emission sowie Absorption von Licht be-
handelt, wobei jeweils nur ein Photon erzeugt oder vernichtet wurde. Aus den Über-
gangswahrscheinlichkeiten (pro Sekunde) gewannen wir die Einstein-Koeffizienten für
Emission und Absorption. Diese sind maßgeblich durch die optischen Matrixelemente
bestimmt. Diese ließen sich zu solchen für die Dipolmatrixelemente, auch Übergangs-
momente genannt, vereinfachen und mit den Oszillatorenstärken in Verbindung bringen.
Die Born-Oppenheimer-Näherung und das Franck-Condon-Prinzip gestatten es, die op-
tischen Matrixelemente in ein Produkt aus einem Matrixelement für den elektronischen
Übergang bei festgehaltener Kernkoordinate und einem für Kernschwingungsübergänge
aufzuspalten. Schließlich zeigten wir, wie es mit Hilfe der Gruppentheorie gelingt, Aus-
wahlregeln für die optischen Übergänge herzuleiten.
17. Theoretische Behandlung des Raman-Effektes
und Elemente der nichtlinearen Optik

Wir stellen als erstes die zeitabhängige Störungstheorie höherer Ordnung dar und wen-
den dann diese auf eine quantentheoretische Behandlung des Raman-Effekts und der
Zwei-Photonen-Absorption an.

17.1 Zeitabhängige Störungstheorie höherer Ordnung

Die im vorangegangenen Kap. 16 entwickelte Methodik setzt uns in den Stand, nun-
mehr auch den Raman-Effekt quantentheoretisch zu behandeln, nachdem wir ihn in
Kap. 12 bereits vom Standpunkt des Experiments aus diskutiert haben. Darüber hinaus
können wir jetzt z. B. auch Zwei-Photonen-Prozesse der nichtlinearen Optik behandeln.
Bei der mathematischen Formulierung wird es sich im folgenden als zweckmäßig erwei-
sen, wenn wir uns zunächst nicht auf spezielle Wechselwirkungen beschränken, sondern
den Formalismus allgemein entwickeln. Zur Veranschaulichung können wir uns jedoch
folgendes Problem vorstellen. Wir denken uns ein Elektron, das sich in einem vorge-
gebenen Potentialfeld, z. B. eines Atomkerns oder aber auch eines ganzen Moleküls,
bewegt. Dieses Elektron wird einem Lichtfeld ausgesetzt. Ist das Lichtfeld schwach,
so kann es als eine kleine Störung betrachtet werden. Damit läßt sich, wie wir in Ab-
schn. 16.3 zeigten, die Emission und Absorption eines Moleküls behandeln.
In der Kernspin-Resonanz war es schon lange möglich, auch Mehrquantenübergänge
zu beobachten. Durch den Laser ist es möglich geworden, auch im sichtbaren oder UV-
Spektralbereich so hohe Lichtintensität zu erzeugen, daß Mehrquantenübergänge be-
obachtbar werden. Bei Mehrquantenprozessen, die auch bei der Lichtstreuung vorlie-
gen, genügt es nicht mehr, nur die erste Näherung der zeitabhängigen Störungstheorie
(vgl. 16.2) zu betrachten. Man muß vielmehr systematisch auch Glieder höherer Ord-
nung in dieser Störung berücksichtigen. Wie dies ganz allgemein geschehen kann legen
wir nunmehr dar, wobei wir an Abschn. 16.2 anknüpfen und auch die dortige Bezeich-
nung verwenden. Ausgangspunkt ist die Schrödinger-Gleichung (16.1). Die gesuchte
Lösung entwickeln wir nach denen der ungestörten Schrödinger-Gleichung (16.2) in der
Form (16.5), d. h.


Ψ(t) = cν (t)Ψν0 . (17.1)
ν=1

Für die Koeffizienten ergaben sich die Gln. (16.7), die wir nochmals angeben:
1 
ċµ (t) = cν (t)Hµν
S
(17.2)
ih ν
352 17. Theoretische Behandlung des Raman-Effektes und Elemente der nichtlinearen Optik

S . Zur Anfangszeit t = t sei nur der


mit den in (16.8) definierten Matrixelementen Hµν 0
Zustand mit der Quantenzahl κ besetzt, d. h.
 
1 für ν = κ
cν (t0 ) = = δνκ . (17.3)
0 für ν = κ
Gleichung (17.3) definiert zugleich die nullte Näherung für unser Störungsverfahren.
Den Koeffizienten in dieser Näherung kennzeichnen wir durch eine hochgesetzte Null,
d. h. wir definieren
c(0)
ν ≡ cν (t0 ) . (17.4)
Die Idee der Störungstheorie ist folgende: da die Störung H S als relativ klein angenom-
men wird, wird für nicht zu lange Zeiten cν sich nur wenig von der nullten Näherung
(17.4) unterscheiden. Daher liegt es nahe, auf der rechten Seite von (17.2) für cν den
Ansatz (17.4) zu verwenden, um sodann mit Hilfe der Gl. (17.2) auf der linken Seite ein
verbessertes c(1)
ν zu erhalten. Wir gelangen unter Benutzung dieser Überlegung sowie
des Ansatzes ((17.3), (17.4)) für die cν ’s auf der rechten Seite zu der Beziehung
ċ(1)
µ (t) = (−i/h)Hµκ (t) .
S
(17.5)
Durch Aufintegration erhalten wir sofort einen expliziten Ausdruck für die cµ ’s in der
ersten Näherung:
t
c(1)
µ (t) = (−i/h) S
Hµκ (τ)dτ + δµκ . (17.6)
t0

Hierbei haben wir noch die allgemeine Anfangszeit t0 geschrieben. Das Kronecker-
Symbol δµκ sorgt dafür, daß die Anfangsbedingung (17.3) realisiert wird. Bei der Aus-
wertung des Integrals (17.6) haben wir zu berücksichtigen, daß Hµκ S (vgl. (16.8) mit
(16.3)) zeitabhängig ist. Die Koeffizienten (17.6) geben uns eine Verbesserung gegen-
über den Koeffizienten (17.4).
Es liegt nahe, das eben begonnene Verfahren fortzusetzen, indem wir den nunmehr
verbesserten Ausdruck für c(1)
ν rechts in (17.2) einsetzen, um dadurch auf der linken
Seite einen nochmals verbesserten Koeffizienten c(2)
µ zu gewinnen. Indem wir uns dieses
Verfahren fortgesetzt denken, gelangen wir bei dem l+ ersten Schritt zu der Beziehung


t
(l+1)
cµ (t) = c(0)
µ (−i/h)
S
Hµκ (τ)cν(l) (τ)dτ . (17.7)
µ t
0

(Zu dieser Relation können wir auch in einer mathematisch wohldefinierten Weise ge-
langen, indem wir die Störung H S mit einem „Kleinheitsparameter“ ε ausstatten, cµ in
eine Reihe nach ε entwickeln, d. h.


(l)
cµ = εl cµ
l=0

setzen, dies in (17.2) einsetzen, einen Koeffizientenvergleich durchführen und das Re-
sultat über die Zeit von t0 bis t integrieren.) Die Beziehung (17.7) hat die Bedeutung
17.1 Zeitabhängige Störungstheorie höherer Ordnung 353

(l+1)
einer Rekursionsformel. Mit ihrer Hilfe können wir cµ berechnen, sofern wir in ei-
nem vorangegangenen Schritt cν(l) bestimmt haben.
Viele der hierbei wichtigen Gesichtspunkte können wir bereits am Fall l = 1 ken-
nenlernen. In diesem Fall haben wir statt (17.7) natürlich
t
−i 
c(2)
µ (t) = S
Hµµ1
(τ)c(1)
µ1 (τ)dτ + δµκ . (17.8)
h µ
1 t0

Für l = 0 kommen wir auf den bereits behandelten Fall (17.6) in einer leicht verallge-
meinerten Schreibweise zurück (vgl. ((17.3), (17.4))!)
t
−i 
c(1)
µ1 (t) = HµS1 µ2 (τ)dτc(0) (0)
µ2 + cµ1 . (17.9)
h µ
2 t0

(0)
Wie wir bereits sahen, müssen wir uns cµ als zur Zeit t = t0 vorgegeben denken, so
daß diese Größen als bekannt angesehen werden können. Es ergibt sich somit die Auf-
gabe, den Koeffizienten in 2. Näherung c(2) (0)
µ durch cµ auszudrücken. Dies ist dadurch
(1)
möglich, daß wir die in (17.8) auftretenden Koeffizienten cµ1 mit Hilfe von (17.9) durch
c(0)
µ ausdrücken. Wir setzen dementsprechend (17.9) in (17.8) ein und erhalten damit

t
−i 
c(2)
µ (t) = c(0)
µ + S
Hµµ1
(τ)dτc(0)
µ1
h µ
1 t0
  t τ
−i 2 
+ S
dτ1 Hµµ (τ )
1 1
dτ2 HµS1 µ2 (τ2 )c(0)
µ2 . (17.10)
h µ1 µ2 t
0 t0

In ganz entsprechender Weise können wir mit dem allgemeinen Ausdruck (17.7) ver-
(l)
fahren, indem wir sukzessive alle Zwischenresultate cµ eliminieren.
(l+1)
In (l + 1)-Näherung ist cµ gegeben durch
t
(l+1) −i 
cµ (t) = c(0)
µ + S
Hµµ1
(τ)dτc(0)
µ1
h µ
1 t0
   t τ2
−i 2 
+ S
dτ1 dτ2 Hµµ (τ )HµS2 µ1 (τ1 )c(0)
2 2 µ1
h µ1 µ2 t
0 t0
+ ... + ... + ...
 l+1   t τl+1τl τ2
−i
+ ... dτ1
h µ1 µ2 ... ,µl+1 t
0 t0 t0 t0

. . . dτl+1 Hµµ
S
HS
l+1 µl+1 µl
. . . HµS2 µ1 c(0)
µ1 . (17.11)
354 17. Theoretische Behandlung des Raman-Effektes und Elemente der nichtlinearen Optik

Die ursprünglich gesuchten Koeffizienten cµ (t) erhalten wir, indem wir die Störungs-
theorie zu unendlich hoher Ordnung treiben:
(l)
cµ (t) = lim cµ (t) . (17.12)
l→∞

17.2 Theoretische Behandlung des Raman-Effektes


Den Raman-Effekt hatten wir, überwiegend vom experimentellen Standpunkt her, in
Kap. 12 besprochen. Wie wir dort sahen, wird Licht, das mit einer Frequenz ν0 einfällt,
an Molekülen gestreut, wobei die Lichtfrequenz in eine neue, nämlich ν1 übergeht. In
Kap. 12 war ν0 auch als νp (p für „primär“) und ν1 , mit νp ± νvib oder νp ± νrot be-
zeichnet. Im folgenden behandeln wir den vibronischen Raman-Effekt; die Behandlung
des rotatorischen kann ganz ähnlich erfolgen.
Dieser Effekt kann vom Standpunkt der Quantenmechanik wie folgt gedeutet wer-
den: Ein Photon der Frequenz ν0 erzeugt im Molekül einen Übergang aus einem elektro-
nischen Grundzustand mit der Quantenzahl qa in einen angeregten Zwischenzustand qz ,
wobei sich gleichzeitig der vibronische Zustand, der z. B. mit v Quanten besetzt ist, in
einen mit v

Quanten ändert. Hierbei handelt es sich um einen sog. virtuellen Übergang,


bei dem der Energiesatz nicht erfüllt ist. Von diesem virtuellen Zwischenzustand geht
nun das Molekül in einen Endzustand über, wobei der elektronische Zustand mit dem
Anfangszustand übereinstimmt, dagegen sich die vibronische Quantenzahl geändert hat,
so daß jetzt v
Quanten vorhanden sind (Abb. 17.1). Ist die Energie im vibronischen Zu-
stand nun größer als vorher, so muß die entsprechende Energiedifferenz von dem ausge-
sandten Photon aufgebracht werden. Dieses hat also jetzt eine geringere Quantenener-
gie hω, d. h. eine geringere Frequenz als das zunächst eingestrahlte, d. h. ν1 < ν0 . Man
spricht hier von der Stokes-Verschiebung. Insbesondere durch die Laserphysik ist es aber
auch möglich geworden, Antistokes-Raman-Linien zu erzeugen, wo also ν1 > ν0 .

Abb. 17.1. Raman-Effekt: Ab-


sorption des Lichtquants mit der
Energie hω0 , Emission eines an-
deren Lichtquants der Energie
hω1

Um den Raman-Effekt theoretisch erfassen zu können, knüpfen wir an die zeitab-


hängige Störungstheorie höherer Ordnung, die wir im vorigen Abschnitt entwickelt ha-
ben, an. Hierzu betrachten wir einen Prozeß zweiter Ordnung und werden in einem er-
sten Schritt die in (17.10) auftretenden Zeitintegrale berechnen. In der dortigen Bezeich-
nungsweise setzen wir
1
ωµν = (E µ − E ν ) . (17.13)
h
Wegen der Form der ungestörten Wellenfunktion gemäß (16.3) können wir das Matri-
xelement (16.8) in der Form
S
Hµν (t) = Hµν
S
(0) exp(iωµν t) (17.14)
17.2 Theoretische Behandlung des Raman-Effektes 355

wiedergeben. Der Einfachheit halber nehmen wir die Anfangszeit t0 = 0. Wir interes-
sieren uns nun für denjenigen Koeffizienten, der einen Übergang zweiter Ordnung be-
schreibt, d. h. etwa die Absorption eines Photons und die Aussendung eines anderen. In
der Bezeichnungsweise (17.13), (17.14) ist dieser Koeffizient durch den dritten Teil auf
der rechten Seite von (17.10) gegeben, wobei wir diesen Teil mit c(2)

µ bezeichnen:

 t  τ1

1 
c(2)
µ =− 2 exp(iωµµ1 τ1 )dτ1 exp(iωµ1 κ τ2 )dτ2 Hµµ
S
1
(0)HµS1 κ (0) . (17.15)
h µ
1 0 0

Die Zeitintegrale lassen sich sofort auswerten und ergeben


 t τ1
exp(iωµκ t) − 1 exp(iωµµ1 t) − 1
. . . dτ1 dτ2 = − + . (17.16)
ωµκ ωµ1 κ ωµµ1 ωµ1 κ
0 0

Die beiden in (17.16) auftretenden Summanden haben eine ganz verschiedene Bedeu-
tung und Größenordnung. Der Faktor ( eiωµκ t −1)/ωµκ im ersten Summanden in (17.16)
ist uns bereits in (16.15) begegnet. Wie wir dort sahen, führt dieser Ausdruck schließlich
zur δ-Funktion, die den Energiesatz garantiert. In der Umgebung von ωµκ ≈ 0 tritt hier
eine Singularität auf, die, wenn wir nicht über ein Frequenzspektrum integrieren, dazu

führt, daß der Koeffizient c(2)


µ proportional zur Zeit anwächst. Im Faktor 1/ωµ1 ,κ bleibt
der Nenner bei den von uns betrachteten Prozessen von Null verschieden. Der zweite
Summand in (17.16) enthält Übergangsfrequenzen zwischen virtuellen Zwischenzustän-
den µ1 und dem Endzustand µ, wo der Energiesatz sicher nicht erfüllt ist. Der Ausdruck
in (17.16) zeigt also oszillatorisches Verhalten, wächst aber auf keinen Fall im Laufe der
Zeit an und kann daher vernachlässigt werden. Mit dem sich so ergebenden Resultat
(17.16) erhalten wir für (17.15) den folgenden Ausdruck

1 exp(iωµκ t) − 1 S, eff
c(2)
µ = Hµκ , (17.17)
h ωµκ
wobei wir noch die Abkürzung
 Hµµ
S (0)H S (0)
µ1 κ
S, eff
Hµκ = 1
(17.18)
µ1
E µ1 − E κ

eingeführt haben. Die Abkürzung (17.18) gestattet es uns, einen direkten Vergleich zwi-
schen dem Koeffizienten (17.17) und dem uns früher begegneten Koeffizienten (16.15)
durchzuführen. Ersichtlich ist das damalige Matrixelement nun durch (17.18) zu erset-
zen, alle anderen Betrachtungen bleiben aber gleich. Damit können wir sofort die Über-
gangswahrscheinlichkeit pro Sekunde in der Form
2π   
 S, eff 2
W= δ(E µ − E κ )  Hµκ  (17.19)
h
µ∈Ω

angeben, wobei die Quantenzahlen µ des Endzustandes (oder die Quantenzahlen κ des
Anfangszustandes) sich über ein Kontinuum Ω erstrecken.
Um diese allgemeine Formel auf den Raman-Effekt anzuwenden, müssen wir die
einzelnen hier auftretenden Zustände und deren Energien näher betrachten, wobei wir
356 17. Theoretische Behandlung des Raman-Effektes und Elemente der nichtlinearen Optik

zunächst unser Augenmerk auf die Zustände des Lichtfeldes richten. Die Wellenfunk-
tion des Anfangszustandes mit dem Index κ schreiben wir wie schon in Kap. 16 in der
Form eines Produkts aus der Wellenfunktion ϕ Q a des Moleküls (d. h. Elektronen und
Kerne) und der des Lichtfelds Φa im Anfangszustand:
κ : ϕ Q a Φa . (17.20)
Der Index Q a faßt dabei alle Quantenzahlen von Elektronen und Kernen des Moleküls
im Anfangszustand zusammen. Der Anfangszustand des Lichtfeldes soll im allgemeinen
Fall mit n Photonen der Sorte λ0 besetzt sein
1  + n
Φa = √ bλ0 Φ0 . (17.21)
n!
Die zu (17.20) gehörige Energie können wir in leicht ersichtlicher Weise in der Form
E κ = E Q a, Mol. + nhωλ0 (17.22)
wiedergeben, wobei ωλ0 ≡ 2πν0 .
Um die Matrixelemente auszuwerten, brauchen wir den Störoperator, der uns in
(16.52) begegnet war und den wir hier nochmals kurz angeben:
 1  1 +
HS = bλ √ Oλ + b+
λ √ Oλ . (17.23)
λ
V λ
V

Darin ist V das Normierungsvolumen der Wellen des Lichtfeldes, während Oλ in (16.53)
definiert wurde und ein Operator ist, der sich auf die Elektronenbewegung bezieht. Den
Endzustand mit dem Index µ schreiben wir in der Form
µ : ϕ Q e Φe , (17.24)
wobei der Endzustand des Lichtfeldes sich von dem von (17.21) dadurch unterschei-
det, daß nun ein Photon der Sorte λ0 weniger vorhanden ist, hingegen ein Photon der
Sorte λ1 erzeugt worden ist. Das ist ja gerade die Aussage des Raman-Effekts. Der
Störoperator H S enthält sowohl die Erzeugung bzw. Vernichtung von Photonen. Da
der Störoperator aber zweimal in (17.18) eingeht, können nun zwei verschiedene Pro-
zesse stattfinden, die sich durch die Reihenfolge der Photonenemission und -absorption
unterscheiden.
Diese beiden Wege lassen sich am besten durch die sogenannten Feynman-Diagram-
me (Abb. 17.2 und 17.3) veranschaulichen, und wir empfehlen dem Leser, den fol-
genden Text mit den entsprechenden Abbildungen zu vergleichen. Der erste Weg
(Abb. 17.2) geht folgendermaßen: Im ersten Schritt wird ein Photon der Sorte λ0 ab-
sorbiert. Dies führt zu einem Zwischenzustand mit dem Index µ1 , der die Form
µ1 : ϕ Q z Φz (17.25)
hat, wobei Q z die Quantenzahlen des Moleküls im Zwischenzustand zusammenfaßt,
während die Wellenfunktion des Lichtfeldes sich von dem Anfangszustand dadurch un-
terscheidet, daß ein Photon der Sorte λ0 weniger vorhanden ist
1  n−1
Φz = √ b+ Φ0 . (17.26)
(n − 1)! λ0
17.2 Theoretische Behandlung des Raman-Effektes 357

Abb. 17.2. Feynman-Diagramm


(von rechts nach links zu le-
sen!) für Absorption und Emis-
sion je eines Lichtquants. Das
Molekül befindet sich anfäng-
lich im Zustand mit den durch
Q a gekennzeichneten Quanten-
zahlen, wo es das durch λ0 ge-
kennzeichnete Photon absorbiert.
Dadurch geht es in den Zwi-
(War ursprünglich nur ein Photon vorhanden, so liegt jetzt natürlich der Vakuumzustand schenzustand Q z über. Schließ-
vor.) lich emittiert es ein Photon λ1
Für diesen Prozeß lautet das zugehörige Matrixelement und geht dabei in den Endzu-
 stand Q e über
√ 1 √ 1
Hµ1 κ (0) = n ϕ∗Q z √ Oλ0 ϕ Q a dVEl dVKerne ≡ n √ HQ
S S
z ,λ0 ;Q a ,0
. (17.27)
V V
Hierbei haben wir wieder die Abkürzung ((16.68), (16.70)) verwendet. Lesen wir die
Indizes, die in (17.15) bzw. (17.18) auftreten, von rechts nach links, so steht das Ma-
trixelement, das sich auf diesen Prozeß bezieht, an erster Stelle. An zweiter Stelle steht
dann das Matrixelement, das sich auf den zweiten Schritt dieses Prozesses bezieht, näm-
lich die Emission eines Photons der Sorte λ1 , wobei λ1 = der Sorte λ0 sein soll. Das
hier auftretende Matrixelement lautet dann

1 1
Hµµ1 (0) ≡ √
S
ϕ∗Q e Oλ+1 ϕ Q z dVEl dVKerne = √ HQS
e ,λ1 ;Q z ,0
. (17.28)
V V
Fassen wir diese Resultate zusammen, so ergibt sich als Beitrag zu dem effektiven Ma-
trixelement (17.18) bei dem ersten Weg der folgende Ausdruck
 S
HQ HS √
S, eff e ,λ1 ;Q z ,0 Q z ,λ0 ;Q a ,0
HQ e ,λ1 ;Q a ,λ0
= n. (17.29)
E Q z ,Mol. − E Q a ,Mol. − hωλ0
Qz

Die Struktur von (17.18) beinhaltet aber auch einen zweiten Weg (vgl. Abb. 17.3), da
S eingeht, sowohl Photonen erzeugen als
ja der Operator, der in die Matrixelemente Hµκ
auch vernichten kann. Hier wird in einem ersten Schritt zuerst ein Photon der Sorte λ1
erzeugt, das dann im Endzustand vorhanden ist, wodurch der Zwischenzustand mit dem
Index µ1 gegeben ist durch
µ1 : ϕ Q z Φz . (17.30)
Dabei ist der Zwischenzustand des Lichtfeldes jetzt durch
1  + n
Φz = b+ λ1 √ bλ0 Φ0 (17.31)
n!

Abb. 17.3. Wie Abb. 17.2, aber


die Emission des einen Quants
erfolgt vor der Absorption des
anderen
358 17. Theoretische Behandlung des Raman-Effektes und Elemente der nichtlinearen Optik

dargestellt. Das zugehörige Matrixelement lautet dann


HµS1 κ (0) = HQ
S
z ,λ1 ;Q a ,0
. (17.32)
Nun wird in einem zweiten Schritt eines der zunächst vorhandenen Photonen der Sorte
λ0 vernichtet. Dies gibt Anlaß zu dem Matrixelement

S
Hµµ 1
(0) = HQ
S
e ,λ0 ;Q z ,0
n. (17.33)
Für den Energienenner ergibt sich
E µ1 − E κ = E Q z ,Mol. + nhωλ0 + hωλ1 − E Q a ,Mol. − nhωλ0
= E Q z ,Mol. − E Q a ,Mol. + hωλ1 . (17.34)
Beide Wege müssen in dem Gesamtausdruck (17.18) berücksichtigt werden, so daß wir
als Ergebnis

   H S S
 S, eff 2  Q e ,λ1 ;Q z ,0 H Q z ,λ0 ;Q a ,0
 Hµκ  = n 
 z E Q z ,Mol. − E Q a ,Mol. − hωλ0
2
 HQ S HS 
e ,λ0 ;Q z ,0 Q z ,λ1 ;Q a ,0 
+  (17.35)
z
E Q z ,Mol. − E Q a ,Mol. + hω λ1 

erhalten. Die Summen in (17.35) laufen über alle Zwischenzustände des Moleküls. Die-
ses Ergebnis ist dann in (17.19) einzusetzen, wobei über die Endzustände zu summieren
und über die Anfangszustände zu mitteln ist. Die Summation über die Endzustände kann
dann wieder genau wie bei der spontanen Emission, die wir in Abschn. 16.3.4 behan-
delt haben, über Wellenzahlvektoren, die in einem Raumwinkelbereich dΩ liegen, aus-
geführt werden. Die Mittelung (oder Summation) über die Anfangszustände entspricht
genau derjenigen, die wir bei der Absorption von Licht in Abschn. 16.3.4 durchgeführt
haben.
Bis jetzt sind unsere Betrachtungen noch sehr allgemein, da sie nichts über die in-
nere Struktur der Elektronen- und Kernzustände des Moleküls annehmen. Wir müs-
sen aber, um zu mit dem Experiment vergleichbaren Resultaten vorzustoßen, uns nun
näher mit der Bedeutung dieser Zustände und der sie beschreibenden Quantenzahlen
Q a , Q e , Q z auseinandersetzen. Um dies tun zu können, stützen wir uns auf die Born-
Oppenheimer-Näherung, die wir in Abschn. 16.4 kennengelernt hatten. Hierbei wird die
Wellenfunktion des Moleküls, die ja von allen Koordinaten der Elektronen und allen
Koordinaten der Kerne abhängt, in einer speziellen Weise aufgespalten, nämlich ge-
mäß
ϕ Q a (r, R) = ψqa (r, R)χqa ,v (R) , (17.36)
ϕ Q z (r, R) = ψqz (r, R)χqz ,v

(R) , (17.37)
ϕ Q e (r, R) = ψqa (r, R)χqa ,v
(R) . (17.38)
Hierbei bezieht sich jeweils der erste Faktor ψ auf die Bewegung der Elektronen bei
festgehaltenen Kernkoordinaten R während die Funktionen χ sich auf die Bewegung
der Kerne mit den Koordinaten R beziehen. Wie erinnerlich, sind die Wellenfunktio-
nen χ und die zugehörigen Energien sowohl von dem Elektronenzustand abhängig, der
17.2 Theoretische Behandlung des Raman-Effektes 359

durch die Quantenzahl qa , etc. gekennzeichnet wird, als auch von der Quantenzahl v
der vibronischen Anregung. Die zu ((17.36)–(17.38)) gehörigen Energien können wir
in der Form
E Q a ,Mol. = E qa ,El + E qa ,v (17.39)
E Q z ,Mol. = E qz ,El + E qz ,v

(17.40)
E Q e ,Mol. = E qe ,El + E qe ,v
(17.41)
schreiben. Dabei haben wir die Quantenzahl Q wie schon in ((17.36)–(17.38)) in die
des Elektronenzustandes q und die des vibronischen Zustandes v aufgespalten, v, v

,
v
sind hierbei, wie schon zu Beginn dieses Abschnitts eingeführt, die Schwingungs-
quantenzahlen im Anfangs- bzw. Zwischen- oder Endzustand. E Mol. ist die Energie des
Moleküls, E El die seiner Elektronen und E v die seiner Schwingungen. Mit den Spe-
zialisierungen ((17.36)–(17.41)) läßt sich das effektive Matrixelement (17.35) in der
Form
  ∗   
· χ Θ χ χ ∗ Θ χ
S, eff √  e1 qe ,v
q a z qz ,v
q

dV K qz ,v

q q
z a q a ,v dV K e0
HQ e ,Q a
= n
E qz ,El − E qa ,El + E qz ,v

− E qa ,v − hωλ0
qz ,v

  ∗   
· χ Θ χ χ ∗ Θ χ
√  e0 qe ,v
q q
a z q z ,v

dVK
qz ,v

q q
z a q a ,v dV K e1
+ n

E qz ,El − E qa ,El + E qz ,v − E qa ,v + hωλ1


qz ,v
(17.42)
wiedergeben. Dabei ist dVK ≡ dVKerne . e0 und e1 sind die Polarisationsvektoren der
eingestrahlten bzw. gestreuten Lichtwelle. Mit Θqz qa = Θq∗a qz haben wir das uns schon
aus Abschn. 16.3.4 geläufige Matrixelement
 
e h 
Θqz qa = − ϕq∗z (r, R) p j ϕqa (r, R)dVEl (17.43)
m 0 2ε0 ω
j

abgekürzt, wobei wir


2πν0 ≈ 2πν1 = ω (17.44)
gesetzt und die Exponentialfunktion im Operator Oλ durch 1 approximiert haben,
was, wie wir schon früher sahen, eine gute Näherung ist, wenn die Ausdehnung
des Moleküls klein gegenüber der Wellenlänge ist. In dieser Näherung läßt sich
(17.43) gemäß Abschn. 16.3.6 auch durch das Übergangsmoment (16.118) aus-
drücken.
Um zu handlichen Auswahlregeln vorzustoßen, können wir oft eine Näherung durch-
führen. Die Änderung der Energie der vibronischen Zustände ist nämlich im allgemei-
nen viel kleiner als die Energiedifferenz zwischen elektronischen Zuständen. Aus die-
sem Grunde können wir
E qz ,v

− E qa ,v ≈ 0 (17.45)
verwenden und ferner nochmals auf die Näherung (17.44) zurückgreifen. Wegen (17.45)
tritt die Quantenzahl v

, über die in der Summe in (17.42) summiert wird, nicht mehr


auf.
360 17. Theoretische Behandlung des Raman-Effektes und Elemente der nichtlinearen Optik

Dies ermöglicht uns, eine sehr schöne Vereinfachung durchzuführen. Wie nämlich
in der Mathematik gezeigt wird, gilt für einen vollständigen Satz von Wellenfunktionen
eine sog. Vollständigkeitsbeziehung, die in unserem Falle lautet:

χqz ,v

(R)χq∗z ,v

(R
) = δ(R − R
) . (17.46)
v

Die δ-Funktion auf der rechten Seite ist hier genauer durch





δ R − R
= δ R1 − R1
δ R2 − R2
. . . δ RM − R
M (17.47)

zu ersetzen, wobei R j , R
j die Koordinaten der Kerne sind. Dabei können wir diese Ko-
ordinaten auch von vornherein als Normalkoordinaten wählen, wie wir sie im folgenden
auch benutzen werden.
Mit Hilfe von (17.46) geht das doppelte Integral, das in der ersten bzw. zweiten
Summe in (17.42) auftritt, in ein einfaches über, so daß wir (17.42) in die sehr einfache
Form

HQ e ,Q a = e1 · χq∗a ,v
αχqa ,v dVK e0
S, eff
(17.48)

bringen können. Dabei haben wir den sog. Polarisierbarkeits-Tensor α eingeführt, der,
wie ein Vergleich mit (17.42) zeigt, die folgenden Komponenten hat:
  (Θqa qz )i (Θqz qa ) j (Θqa qz ) j (Θqz qa )i

αij = + , (17.49)
q
E qz ,El − E qa ,El − hω E qz ,El − E qa ,El + hω
z

wobei i, j die Bedeutung von x, y, z haben.


Zu diesem Polarisierbarkeits-Tensor gelangt man bereits in der Theorie der Disper-
sion, an die wir hier kurz erinnern. Läßt man ein statisches oder Wechselfeld E auf ein
Atom oder Molekül wirken, so werden die Ladungswolken der Elektronen (und evtl.
Kerne) verschoben und somit ein Dipolmoment p induziert. Bei nicht zu starken Fel-
dern ist die Verknüpfung zwischen p und E linear, d. h.

p = αE .

Da die Richtung von p von der von E verschieden sein kann, ist α im allgemeinen ein
Tensor. Wie die ausführliche quantenmechanische Berechnung von α in der Dispersi-
onstheorie mit Hilfe der Störungstheorie zeigt, ergibt sich für α gerade der Ausdruck
(17.49). Da die Wellenfunktionen der Elektronen, die in die Berechnung von α einge-
hen, von den Kernkoordinaten R abhängen, d. h. ϕ Q = ϕ Q (r, R), hängt natürlich auch
α von diesen ab.
Um zu Auswahlregeln für Schwingungs-Raman-Übergänge zu gelangen, entwickeln
wir den Polarisierbarkeits-Tensor nach den Normalkoordinaten Ri der Kerne um deren
Gleichgewichtslagen im Molekül. Dies ergibt
  ∂α  1
 2
∂ α

α = α0 + Ri + Ri R j + . . . . (17.50)
∂Ri 0 2 ∂Ri ∂R j 0
ij
17.2 Theoretische Behandlung des Raman-Effektes 361

Setzen wir dies in (17.48) ein, so sind die Auswahlregeln durch das Verschwinden bzw.
Nichtverschwinden des Ausdrucks
   
∂α
χq∗a ,v
αχqa ,v dVKerne = α0 δvv
+ χq∗a ,v
Ri χqa ,v dVKerne + . . .
∂Ri 0
i
(17.51)
gegeben. Das Kronecker-Symbol δvv
auf der rechten Seite rührt von der Orthogonalität
der Wellenfunktionen χqa ,v , χqa ,v
her.
Diskutieren wir die einzelnen Glieder auf der rechten Seite von (17.51). Gemäß dem
ersten Glied, α0 δvv
, bleibt die Schwingungsquantenzahl erhalten, d. h. es liegt gar kein
Raman-Effekt vor, sondern eine elastische Streuung. Beschäftigen wir uns daher mit
dem nächsten Glied in (17.51) und betrachten einen typischen Summanden, den wir in
der Form
  
∂α
χq∗a ,v
Ri χqa ,v dVKerne (17.52)
∂Ri 0
schreiben können, da der erste Faktor nicht von den Kernkoordinaten abhängt und so-
mit vor das Integral gezogen werden konnte. Die Funktionen χqa ,v , χqa ,v
hängen von
allen Normalkoordinaten der Kerne ab. Wie wir in Abschn. 11.3 sahen, gestatten die
Normalkoordinaten, den Hamilton-Operator für die Kernschwingungen als eine Summe
über Hamilton-Operatoren für einzelne harmonische Oszillatoren (der jeweiligen Nor-
malschwingungen) darzustellen. Als Konsequenz hiervon läßt sich z. B. χqa ,v (R) in der
Form eines Produkts wiedergeben (wobei wir den Index qa überall weglassen)
χv = χv1 (R1 )χv2 (R2 ) . . . χv M (R M ) , (17.53)
wobei M die Zahl der Schwingungsfreiheitsgrade des Moleküls ist. Entsprechend gilt
χv
= χv1
(R1 )χv2
(R2 ) . . . χv
M (R M ) . (17.54)
Setzen wir (17.53), (17.54) in (17.52) ein und spalten das Mehrfachintegral in (17.52)
auf, so erhalten wir
 
χv∗
(R1 )χv1 (R1 )dV1 . . . χv∗
(Ri )Ri χvi (Ri )dVi
1 i

. . . χv∗
(R M )χv M (R M )dVM . (17.55)
M

Bis auf das Integral mit dem Index i handelt es sich um Orthogonalitätsintegrale, so daß
v
j = v j , j = i
gilt, d. h. diese vibronischen Quantenzahlen bleiben erhalten. Setzen wir in das verblei-
bende Integral

χv∗
(Ri )Ri χvi (Ri )dVi (17.56)
i

für χ die üblichen Oszillatorwellenfunktionen ein, so erhalten wir nach der Theorie des
quantenmechanischen harmonischen Oszillators die Auswahlregel
vi
= vi ± 1 .
362 17. Theoretische Behandlung des Raman-Effektes und Elemente der nichtlinearen Optik

Diese Übergänge bezeichnet man als Fundamentalübergänge.


Das nächste Glied, das in (17.51) von dem dritten Glied auf der rechten Seite von
(17.50) stammt, kann in ähnlicher Weise diskutiert werden. Entweder ist in der Doppel-
summe i = j oder i = j. Im Falle i = j treten nun zwei Integrale der Gestalt (17.56)
auf, was zu den Auswahlregeln
vk
= vk , k = i, j
und
vi
= vi ± 1 ,
v
j = v j ± 1
führt.
Im Falle i = j kommt in Verallgemeinerung von (17.56) das Integral

χv∗
(Ri )Ri2 χvi (Ri )dVi
i

vor. Für die Oszillatorwellenfunktionen χ ergibt sich dann die Auswahlregel


vi
= vi ± 2 ,
also die Erzeugung oder Vernichtung von zwei Schwingungsquanten, oder
vi
= 0 ,
d. h. kein Raman-Effekt.
In dieser Weise kann man zu immer höheren Entwicklungsgliedern in ((17.50),
(17.51)) fortschreiten, wobei natürlich die relative Größe zu diskutieren ist. Wie eine
längere Betrachtung ergibt, gehen die Glieder ihrer Größe nach mit (ξ/r0 )n , wobei ξ
eine mittlere Schwingungsamplitude der Kerne ist, während r0 ein Maß für die Er-
streckung der Elektronenwellenfunktion darstellt. Wegen ξ  r0 nimmt die Intensität
höherer Schwingungsquantenübergänge rasch ab.
Neben den hier untersuchten Auswahlregeln können noch weitere durch Symmetrie-
betrachtungen hergeleitet werden. Genauso wie es bei Wellenfunktionen der Elektronen
irreduzible Darstellungen gibt, können solche auch für Kernschwingungen gefunden
werden und die Ergebnisse des Kap. 6 auf diese übertragen werden. Dies gilt insbe-
sondere für Symmetrieauswahlregeln (vgl. Abschn. 16.5). Dabei können wir berück-
sichtigen, daß Größen wie (∂α/∂Ri )Ri und (∂ 2 α/∂Ri ∂Rk )Ri Rk sich unter den Sym-
metrieoperationen von Punktgruppen wie α selbst transformieren. Jede Komponente
αij von α transformiert sich wie xi x j . Dies hat zur Folge, daß die Fundamentalüber-
gänge beim Raman-Effekt im allgemeinen nur von Normalschwingungen Ri herrühren,
die sich unter Punktgruppentransformationen wie Linearkombinationen von xi x j , wie
z. B. x 2 − y2 , z 2 , xy, transformieren. Solche Schwingungs-Ramanübergänge beziehen
sich aber nur auf solche Schwingungsmoden, die die molekulare Polarisierbarkeit än-
dern, sonst würde sich die rechte Seite von Gl. (17.51) auf eine Größe proportional
zum Kronecker-Symbol δv
v reduzieren, also kein Raman-Effekt vorliegen. Mit ge-
ringer Wahrscheinlichkeit gibt es auch Übergänge, bei denen sich die Schwingungs-
quantenzahl um ±2, ±3 ändert. Daher gehören die Schwingungsmoden, die Infrarot-
und Raman-Fundamentale aufweisen, zu gegenseitig sich ausschließenden Sätzen, wenn
17.3 Zwei-Photonen-Absorption 363

das Molekül ein Symmetriezentrum hat. Diese Tatsache wird als Nachweis für spezielle
Molekülgeometrie benutzt.
Eine spezielle Situation, die resonante Raman-Streuung genannt wird, kommt vor,
wenn die Frequenz des einfallenden Laserlichts ν0 nahe der Resonanz von einer der
molekularen Eigenzustände (d. h. elektronisch und vibronisch) ist. Der Energienen-
ner in (17.42) wird dann sehr klein verglichen mit seinem Wert in normaler Raman-
Streuung und die Übergangswahrscheinlichkeit wird enorm groß. In dieser Grenze
können die Vibrationsenergiedifferenzen (17.45) im Vergleich zu den anderen Aus-
drücken in dem Energienenner nicht mehr vernachlässigt werden, so daß die Über-
gangsamplitude (17.42) sich nicht länger auf die symmetrische Form ((17.48), (17.49))
zurückführen läßt. Dies hat zur Folge, daß die gewöhnlichen Raman-Auswahlregeln
nicht mehr für Resonanz-Raman-Übergänge gelten. Es stellt sich heraus, daß einige
Übergänge, die im normalen Raman-Effekt verboten sind, im resonanten Raman-Effekt
erlaubt werden. Die Zeitaufgelöste Resonanz-Raman-Streuung wurde zu einer nützli-
chen Technik entwickelt, um die Populationen von großen Molekülen in elektronisch
angeregten Zuständen zu beobachten.

17.3 Zwei-Photonen-Absorption
Betrachten wir die Störungen zweiter Ordnung, die von der Wechselwirkung zwischen
Licht und Molekülen hervorgebracht werden, so gehören hierzu nicht nur der im vor-
angegangenen Abschnitt behandelte Raman-Effekt, bei dem ein Photon vernichtet und
ein anderes erzeugt wird, sondern auch die Prozesse der Zwei-Photonen-Absorption und
-Emission (vgl. die Feynman-Diagramme von Abb. 17.4a,b). Wir behandeln hier als Bei-
spiel die Zwei-Photonen-Absorption, wobei wir uns auf die Behandlung der Absorption
zweier Photonen der gleichen Lichtwelle beschränken. In diesem Falle wird also durch
den Störoperator (17.23) ein Photon vernichtet und dann in einem zweiten Schritt noch-
mals ein weiteres.
Die Berechnungen können wir ganz in Analogie zum vorigen Abschnitt durchführen,
so daß wir hier nur die entscheidenden Änderungen anzugeben haben. Der Anfangszu-
stand κ besteht wieder aus einem Produkt aus dem Molekülzustand ϕ Q a und dem des
Lichtfeldes Φa
κ : ϕ Q a Φa . (17.57)
Im Lichtfeld sollen sich n Photonen befinden
1  n
Φa = √ b+ Φ0 . (17.58)
n λ0

Abb. 17.4. Feynman-Diagram-


me. (a) Zwei-Photonenabsorp-
tion; (b) Zwei-Photonenemission
364 17. Theoretische Behandlung des Raman-Effektes und Elemente der nichtlinearen Optik

Die Energie des Anfangszustandes ist also durch


E κ = E Q a ,Mol. + nhω0 (17.59)
gegeben. Im ersten Schritt ruft der Störoperator (17.23) die Vernichtung eines Photons
hervor, so daß wir vom Anfangszustand (17.57) zum Zwischenzustand der Form
ϕ Q z Φz (17.60)
gelangen, wobei der Zwischenzustand des Lichtfeldes durch
1  n−1
Φz = √ b+ Φ0 (17.61)
(n − 1)! λ0
gegeben ist. Die Energie des Zwischenzustandes lautet dann
E µ1 = E Q z ,Mol. + hωλ0 (n − 1) . (17.62)
Die Auswertung des Matrixelements ist identisch mit der des vorigen Abschnitts, so daß
wir das Resultat nur zu wiederholen brauchen
√ 1
HµS1 κ (0) = n √ HQ S
z ,λ0 ;Q a ,0
. (17.63)
V
Im zweiten Schritt wird ein Endzustand hergestellt, in dem nochmals der Vernichtungs-
operator bλ0 aus dem Störoperator auf den nunmehrigen Zwischenzustand wirkt und da-
mit den Endzustand
ϕ Q e Φe (17.64)
herstellt, der nur noch n − 2 Photonen enthält
1  n−2
Φe = √ b+ Φ0 . (17.65)
(n − 2)! λ0
Das Matrixelement kann entsprechend zu (17.63) ausgewertet werden und lautet
1 √
S
Hµµ1
(0) = √ n − 1HQ
S
e ,λ0 ;Q z ,0
. (17.66)
V
Setzen wir alle diese Ergebnisse in (17.18) ein, so ergibt sich

√ √  S
HQ HS
S, eff e ,λ0 ;Q z ,0 Q z ,λ0 ;Q a ,0
HQ e ,λ0 ;Q a ,λ0
= n n−1 . (17.67)
E Q z ,Mol. − E Q a ,Mol. + hω0
Qz

Da die Übergangswahrscheinlichkeit W pro Sekunde proportional zum Absolutquadrat


von (17.67) ist, erhalten wir das vor allen Dingen wichtige Resultat
W ∝ n(n − 1) ∝ I 2 . (17.68)
Der letzte Teil rührt daher, daß die Intensität I des eingestrahlten Lichtfeldes proportio-
nal zur Zahl der in ihm enthaltenen Photonen ist, und daß wir für genügend große n die
1 gegenüber n vernachlässigen können. Die Relation (17.68) besagt, daß die Zahl der
Übergänge pro Sekunde, die ein Molekül unter Absorption von zwei Photonen macht,
17.3 Zwei-Photonen-Absorption 365

proportional zum Quadrat der eingestrahlten Intensität ist. Dies wurde von Kaiser und
Garrett verwendet, um die Dauern ultrakurzer Laserimpulse zu messen. Daneben ist
wichtig, daß für die Zwei-Photonen-Absorption andere Auswahlregeln als für die nor-
male Ein-Photonen-Absorption gelten. Während sich bei letzteren bei den Dipolmatrix-
elementen („Übergangsmomenten“) in den Wellenfunktionen von Anfangs- und Endzu-
stand die Parität ändert (gerade → ungerade oder ungerade → gerade), bleibt bei Zwei-
Photonen-Übergängen die Parität erhalten. Dies wird sofort aus (17.67) ersichtlich, wo
sich vom Anfangs- zum Zwischenzustand die Parität ändert und dann nochmals vom
Zwischenzustand zum Endzustand. Insgesamt bleibt sie also erhalten.
18. Magnetische Kernresonanz

In diesem und im folgenden Kapitel soll gezeigt werden, welchen Beitrag zur Physik
der Moleküle die Methoden der magnetischen Resonanz-Spektroskopie leisten können.
Wir begeben uns dazu in der Energieskala (vgl. Abb. 8.1) an das unterste Ende der spek-
troskopischen Methoden. Mit den Methoden der magnetischen Resonanz-Spektroskopie
benutzen wir die Spins und magnetischen Momente von Kernen und von Elektronen als
Sonden zum Studium von elektronischer Struktur, Dynamik und Reaktivität von Mole-
külen. Die Untersuchungen erfolgen überwiegend in kondensierter Phase, das heißt in
Lösung oder im Festkörper.
In der magnetischen Kernresonanz benutzt man den Kernspin als Sonde, um Struk-
tur und Dynamik von Elektronenwolke um ihn herum und von anderen Kernen in sei-
ner Nachbarschaft zu erforschen. Seit ihrer Entdeckung im Jahre 1946 hat sich diese
Methode der Spektroskopie zu der vielleicht wichtigsten und aussagekräftigsten unter
allen Molekül-Spektroskopien entwickelt. Hier können nur die Grundlagen des Verfah-
rens (Abschn. 18.1) und die wichtigsten Grundtatsachen der Resonanz des Wasserstoff-
kerns (Protonen-Resonanz) in Molekülen behandelt werden (Abschn. 18.2). Untersu-
chung dynamischer Prozesse (Abschn. 18.3), anderer Kerne als H (Abschn. 18.4) sowie
Anwendungen für zweidimensionale und ortsauflösende Spektroskopien (Abschn. 18.5
und 18.6) zeigen die weitreichenden Möglichkeiten dieser spektroskopischen Methode.

18.1 Grundlagen der Kernspin-Resonanz


Zunächst behandeln wir in diesem Kapitel die Kernspin-Resonanz. Die Grundlagen die-
ser Spektroskopie sind bereits in I, Kap. 20, ausführlich dargestellt. Um hier die Bedeu-
tung der Methode für die Strukturaufklärung von Molekülen zu erläutern, erinnern wir
noch einmal an die Grundtatsachen.

18.1.1 Kernspins im Magnetfeld

Atomkerne haben ein magnetisches Moment


µI = γ I , (18.1)
wobei I den Drehimpuls (Spin) des Kerns und γ das gyromagnetische Verhältnis be-
deuten. Wenn man als Einheit für das Kernmoment das Kernmagneton µK einführt, das
sich vom Bohrschen Magneton µB um das Verhältnis von Elektronen- zu Protonenmasse
unterscheidet, erhält man
g I µK
µI = I , mit µK = 0,505 · 10−26 A m2 . (18.2)
h
368 18. Magnetische Kernresonanz

Hiermit ist der Kern-g-Faktor g I = (γh/µK ) definiert, eine dimensionslose Zahl, mit
der man ebenfalls die magnetischen Eigenschaften von Kernen beschreiben kann. Der
Faktor g I kann im Gegensatz zum Landé-g J -Faktor der Elektronenschalen nicht aus an-
deren Quantenzahlen berechnet werden, sondern er ist eine empirische, für jedes Nuklid
mit von Null verschiedenen Spin I charakteristische Meßgröße.
Für den Drehimpuls des Kerns gilt

|I| = I(I + 1)h . (18.3)
Die hier definierte Kernspinquantenzahl I – kurz auch „Kernspin“ genannt – ist ganz-
oder halbzahlig. Sie ist eine charakteristische Nuklid-Eigenschaft und kann je nach Nu-
klid Werte zwischen 0 und bis zu 8 (für das metastabile Nuklid 178 72 Hf ) annehmen.
Beobachtbar ist von Spin und magnetischem Moment nur die Komponente in einer
Vorzugsrichtung, die sogenannte z-Komponente. Die Vorzugsrichtung kann insbeson-
dere die Richtung eines angelegten Magnetfeldes B0 sein. Es gilt
(I)z = m I h mit m I = I, I − 1, . . . − I (18.4)
und
(µ)z = γhm I = g I µK m I . (18.5)
Für die magnetische Quantenzahl m I und damit für die Einstellung von Drehimpuls und
Kernmoment relativ zur Vorzugsrichtung gibt es also 2I + 1 Möglichkeiten. Als Kern-
moment µ I bezeichnet man vereinfachend häufig den größten möglichen Wert von (µ)z ,
also µ I = g I Iµk .
Das Magnetische Moment µ I und der g I -Faktor können positives oder negatives Vor-
zeichen haben. Positives Vorzeichen bedeutet, daß µ I und I gleiche Richtung haben, wie
es nach der klassischen Elektrodynamik für eine rotierende positive Ladung gilt. Bei ne-
gativem Vorzeichen sind die Vektoren einander entgegengerichtet. Die Werte für I, g I
und µ I für einige in der Resonanz-Spektroskopie wichtige Nuklide gibt Tabelle 18.1.
In einem äußeren Magnetfeld B0 hat ein Kern wegen seines magnetischen Momentes
die magnetische Wechselwirkungsenergie
V = −µ I B0 = −g I µK B0 m I , (18.6)
mit der magnetischen Quantenzahl m I = I, I − 1 . . . − I, siehe Schema 18.1.

Tabelle 18.1. Eigenschaften einiger Atomkerne,


die in der Kernspin-Resonanz von Molekülen
wichtig sind

Kern I gI µ I (in µK )

1H 1/2 5,5856912 2,7928456


2H 1 0,8574376 0,8574376
13 C 1/2 1,40482 0,70241
14 C 0 0 0
14 N 1 0,4037607 0,4037607
17 O 5/2 −0,757516 −1,89379
19 F 1/2 5,257732 2,628866
31 P 1/2 2,26320 1,1316 Schema 18.1. Energiezustände eines Pro-
tons im Magnetfeld B0
18.1 Grundlagen der Kernspin-Resonanz 369

Die Energiedifferenz zwischen zwei benachbarten Einstellmöglichkeiten des magne-


tischen Momentes im Felde B0 , das heißt für Übergänge mit ∆m I = ±1, beträgt
∆E = g I µK B0 . (18.7)
Strahlt man auf eine Probe, die die entsprechenden Kerne enthält, senkrecht zur Rich-
tung von B0 elektromagnetische Wellen mit der Frequenz
∆E g I µK
ν= = B0 (18.8)
h h
ein, so kann diese Strahlung von der Probe absorbiert werden und magnetische Dipol-
übergänge zwischen den nach (18.6) möglichen Kernspin-Orientierungen erzeugen. Die-
sen Prozeß nennt man Kernspin-Resonanz. Wie in I, Kap. 20 ausführlich gezeigt, be-
deutet Resonanz ein Übereinstimmen der Frequenz der eingestrahlten Strahlung mit der
Larmor-Präzessionsfrequenz der Kernspins im Felde B0 .
Gleichung (18.8) ist für Protonen in einem Felde von 1 T (= 10 kG) bei der Frequenz
ν = 42,578 MHz erfüllt. Das ist Strahlung mit einer Wellenlänge λ von etwa 7 m, die
Energiequanten ∆E betragen etwa 1,8 · 10−7 eV.
Allgemein kann man die Resonanzbedingung auch in der handlichen Form
µI [Hz]
ν = 762,3 B0
I [Gauss]
schreiben, wenn ν in s−1 und B0 in Gauss gemessen wird. Das bedeutet für Protonen:
Für B0 = 1 T = 10 kG ist ν = 42,576 MHz. Das entspricht einer Wellenlänge λ = 7 m
oder einem Energie-Unterschied ∆E = 1,8 · 10−7 eV.
Kernspin-Resonanz kürzt man häufig mit NMR (für nuclear magnetic resonance) ab. Abb. 18.1. Prinzip-Schema
einer Kernspin-Resonanz-Meß-
anordnung zur Messung der
18.1.2 Messung von Kernspin-Resonanz Absorption. Man kann die Re-
sonanz bei festem Magnetfeld
Das Prinzip einer Kernresonanz-Messung in einfachster Form zeigt Abb. 18.1. Mehr und variabler Frequenz, oder bei
fester Frequenz und variablem
dazu siehe in I, Abschn. 20.6. Heute stehen zur Messung von Kernresonanz-Spektren Magnetfeld messen. Oberes Teil-
auch supraleitende Magnete mit B zwischen 10 und 20 T und höher zur Verfügung. bild: Im Resonanzfall ändert
An hohen Feldern und dementsprechend hohen Meßfrequenzen ist man zur Errei- sich der Widerstand der Meß-
chung höherer Empfindlichkeit sehr interessiert. Für das Kernspin-Resonanz-Signal spule, weil Energie aus dem
Wechselfeld in das Kernspin-
ist im thermischen Gleichgewicht nämlich nur der kleine Bruchteil von Übergängen System übertragen wird. Dies
verantwortlich, um den sich die Besetzungen von energetisch höherem Zustand, N2 , kann durch eine Brückenschal-
und niederem Zustand, N1 , unterscheiden. Im Resonanzfall induziert die elektroma- tung nachgewiesen werden.
gnetische Strahlung Übergänge in beiden Richtungen. Als Netto-Absorption wird nur Das untere Teilbild zeigt die
der Überschuß von Absorptions- zu induzierten Emissions-Übergängen gemessen. Die sogenannte Induktionsmethode:
Im Resonanzzustand erzeugt
Differenz der Besetzungszahlen, bezogen auf die Gesamtzahl der vorhandenen Kerne, die um B0 präzedierende Mag-
beträgt netisierung der Kerne ein mag-
netisches Wechselfeld senk-
N1 − N2 1 − e−g I µK B0 /kT recht zur Richtung von B0 und
=  g I µK B0 /2kT . (18.9) senkrecht zum eingestrahlten
N1 + N2 1 + e−g I µK B0 /kT Wechselfeld. Der Nachweis er-
folgt durch Induktion in einer
Für Protonen ergibt das bei Zimmertemperatur und B0 = 1,4 T, das heißt nach (18.8) Empfängerspule. Andere Meß-
ν  60 MHz, den Wert 2,6 · 10−6 . Es gibt also nur einen kleinen Bruchteil der Spins verfahren werden in I, Ab-
mehr im unteren als im oberen Zustand, und nur diese sind für ein beobachtbares Ab- schn. 20.6 beschrieben
370 18. Magnetische Kernresonanz

sorptions-Signal verantwortlich. Der andere Bruchteil der Kernspins macht unter der
Wirkung des Strahlungsfeldes die gleiche Anzahl Übergänge in Absorption wie in in-
duzierter Emission, also ohne Netto-Effekt für die Messung. Erhöhung des äußeren
Magnetfeldes und damit der Resonanzfrequenz um einen Faktor 10 erhöht deshalb die
Nachweisempfindlichkeit der Apparatur um diesen Faktor.
Die experimentelle Realisierung eines Kern-Resonanz-Spektrometers ist in I,
Kap. 20 ausführlicher beschrieben. Dort wird auch darauf eingegangen, daß und warum
man in der Kernspin-Resonanz heute meistens mit gepulstem Hochfrequenzfeld und an-
schließender Fourier-Transformation der Signale aus dem Zeit- in den Frequenzraum
arbeitet. Dies soll hier nicht wiederholt werden.
Die Kernresonanz-Spektroskopie unterscheidet sich von der optischen Spektroskopie
in einigen charakteristischen Punkten:
– Die Energiequanten sind sehr klein (10−4 –10−8 eV)
– man beobachtet magnetische und nicht elektrische Dipolübergänge
– die Wellenlänge der verwendeten Strahlung ist groß gegen die Probendimensionen.
Das führt auch dazu, daß alle Kerne in der Probe kohärent angeregt werden können.
Besonders wichtig ist die Kernspin-Resonanz von Protonen, das heißt an den vom
Wasserstoff-Atom H in die Moleküle eingebrachten Kernen, und ihre Anwendung zur
Untersuchung der ungeheuren Vielzahl von Molekülen aus dem Bereich der Organi-
schen Chemie. Man kann mit ihrer Hilfe die Kernspins als Sonden zur Untersuchung
von Struktur und Bindungsverhältnissen in Molekülen verwenden. Dabei sind zwei
Meßgrößen besonders wichtig: die chemische Verschiebung und die Kopplungskon-
stanten. Diese werden wir im folgenden Abschnitt am Beispiel der Protonenresonanz
besprechen.

18.2 Protonenresonanz in Molekülen


18.2.1 Die chemische Verschiebung

Die herausragende Bedeutung der Kernspin-Resonanz für die Molekülphysik liegt darin,
daß man mit ihrer Hilfe sehr detaillierte Strukturdaten von Molekülen erhalten kann.
Dies soll hier am Beispiel des Ethylalkohols oder Ethanol, CH3 CH2 OH, erläutert wer-
den. Wir werden im folgenden sehen, daß man an diesem Spektrum viele der wich-
tigsten Eigenschaften der Kernresonanz an Molekülen und den Wert der Methode für
die Molekülphysik erläutern und verstehen kann. Abbildung 18.2 zeigt ein Protonen-
Resonanzspektrum von dieser Verbindung. Die 3 Gruppen von Protonen in den Mole-
külteilen CH3 , CH2 und OH geben Anlaß zu 3 Gruppen von Signalen mit den relativen
Intensitäten (das heißt Fläche der Absorptionskurve) 3:2:1 bei etwas unterschiedlicher
Resonanzfrequenz beziehungsweise, wenn die Meßfrequenz fest ist, bei etwas unter-
schiedlichem Magnetfeld. Das beruht auf der Chemischen Verschiebung. Darunter ver-
steht man folgendes:
Für die Resonanz nach Gl. (18.8) ist in Wirklichkeit nicht das angelegte Magnet-
feld B0 allein maßgeblich, sondern das lokale Feld am Ort des untersuchten Kerns. Die-
ses ist nicht gleich B0 , weil durch das Anlegen eines äußeren Feldes B0 im Atom oder
Molekül ein Strom und damit ein magnetisches Moment der Elektronen induziert wird,
das nach der Lenzschen Regel dem angelegten Feld entgegengerichtet ist. Man spricht
18.2 Protonenresonanz in Molekülen 371

Abb. 18.2. Kernspin-Resonanz


von Ethylalkohol, C2 H5 OH.
Aufgetragen ist die Signalinten-
sität am Empfänger als Funktion
der Übergangsfrequenz bezie-
hungsweise der Resonanzfeld-
stärken. Diese ist in ppm (parts
per million) relativ zu einem
geeigneten Standard gemessen.
Man sieht im oberen Teilbild
3 Signale mit dem Flächenver-
hältnis 1:2:3. Sie gehören zu
den Protonenspins in der OH-,
der CH2 - und der CH3 -Gruppe
mit 1, 2 und 3 Protonen. Wegen
der unterschiedlichen chemi-
schen Bindung unterscheiden
sich die Resonanzfrequenzen
bzw. die Resonanzfeldstärken
der Protonen in den verschie-
denen Bindungen um einige
ppm. – Im unteren Teilbild ist
dasselbe Spektrum mit höherer
Auflösung gemessen. Das CH2 -
Signal ist jetzt durch indirekte
deshalb auch von diamagnetischer Abschirmung, vergleiche dazu Abb. 18.3. Für das lo- Kernspin-Wechselwirkung mit
den Protonen der CH3 -Gruppe
kale oder effektive Feld, das der Kern sieht, gilt in ein Quartett aufgespalten,
das CH3 -Signal durch indirekte
Beff = B0 − Binduziert , Wechselwirkung mit den CH2 -
Protonen in ein Triplett, siehe
und da die Stärke des induzierten Feldes der des angelegten Feldes proportional ist auch Abb. 18.11. – Die Pro-
tonen der OH-Gruppe werden
Beff = B0 − σB0 . (18.10) rasch zwischen verschiedenen
Molekülen ausgetauscht. Da-
Die Größe dieser diamagnetischen Abschirmung hängt von Dichte und Bindungszustand durch wird indirekte Wechsel-
der Elektronen in der Nähe des betrachteten Kerns ab. Protonen in verschiedenen Mole- wirkung ausgemittelt und die
külgruppen haben wegen ihrer unterschiedlichen elektronischen Umgebung deshalb et- Linie bleibt einfach
was unterschiedliche Abschirmkonstanten σ. Für die Kernspin-Resonanz-Frequenz gilt
dann
hν = g I µK Blokal = g I µK B0 (1 − σ) , (18.11)
das heißt, Kerne in verschiedener chemischer Umgebung und damit verschiedener Ab-
schirmung σ haben verschiedene Resonanz-Frequenzen ν im Felde B0 . Abbildung 18.4
zeigt für den Alkohol Methanol, CH3 OH, wie durch die unterschiedliche Abschirmung
für die OH- und die CH3 -Protonen ein unterschiedliches Resonanzfeld bei gegebe-
ner Frequenz resultiert. Das Produkt σB0 mißt die chemische Verschiebung und wird
häufig mit δ bezeichnet. Damit ist erklärt, warum man in Abb. 18.2 für den Alkohol
CH3 CH2 OH drei Gruppen von Linien sieht, übrigens mit dem Intensitätsverhältnis 1:2:3 Abb. 18.3. Diamagnetische Ab-
entsprechend der Anzahl von Protonen in den Gruppen OH, CH2 und CH3 . Es handelt schirmung als Ursache der Che-
sich um das Resonanzsignal der Protonen in den Gruppen CH3 , CH2 und OH. Die mischen Verschiebung. Die dia-
Fläche der jeweiligen Absorptionskurve ist der Anzahl der an der Resonanz beteiligten magnetische Elektronenwolke in
der Umgebung des Kerns er-
Kerne proportional. zeugt ein Magnetfeld, das dem
Die Bedeutung der chemischen Verschiebung für das Verständnis der chemischen angelegten Feld B0 am Ort des
Bindung kann man am Unterschied zwischen der CH- und der OH-Bindung erläutern. Kernes entgegen gerichtet ist
372 18. Magnetische Kernresonanz

Das O-Atom ist ein besserer Elektronen-Akzeptor als das C-Atom. Deshalb ist die Elek-
tronendichte am H-Atom in der O–H-Bindung kleiner als an der C–H-Bindung. Das
führt zu einer größeren diamagnetischen Abschirmung und damit zu einer größeren che-
mischen Verschiebung für die C–H-Protonen. Es gilt für die lokalen Felder
BCH = B0 (1 − σCH ) < BOH = B0 (1 − σOH ) .
Bei fester Frequenz des hochfrequenten B1 -Feldes erfolgt deshalb die Resonanz der CH-
Protonen in einem etwas größeren angelegten Feld B0 als die der OH-Protonen, siehe
Abb. 18.4. Energieniveaus der
Protonen der Methyl-Gruppe
dazu Abb. 18.4.
und der OH-Gruppe von
CH3 OH, Methylalkohol, im
äußeren Feld B0 . Die unter-
schiedliche chemische Verschie-
bung in beiden Gruppen hat zur
Folge, daß die Kernresonanz-
Signale beider Gruppen bei ver-
schiedenen Werten von B0 er-
scheinen. Bei einer festen Meß-
frequenz von 100 MHz liegt
die Resonanzfeldstärke im Be-
reich von 2,35 T, der Abstand
der Signale von OH und von
CH3 beträgt ca. 3,2 µT, nach
Banwell. Da die Abschirm-
konstante für Protonen in der
OH-Bindung kleiner ist als in
der CH3 -Bindung, erscheint die
Resonanz der OH-Protonen bei
kleinerer äußerer Feldstärke als
die der CH3 -Protonen (unten)

Eine diamagnetische Abschirmung und chemische Verschiebung kann nicht nur, wie
in unserem Beispiel, durch die unmittelbaren Bindungselektronen hervorgerufen wer-
den, sondern sie kann auch durch andere Elektronen in der Nachbarschaft des untersuch-
ten Kernes erfolgen. Dabei kann das induzierte Magnetfeld am Ort des Kerns dem ange-
legten Feld B0 nicht nur entgegengesetzt, sondern es kann auch gleichgerichtet sein und
dieses damit verstärken. Beispiele zeigt Abb. 18.5. Im Acetylen (Ethin)-Molekül erfah-
ren die Protonen durch die Elektronen der C≡C-Dreifachbindung eine Abschirmung, im
Benzol-Molekül dagegen induzieren die in der Ringebene delokalisierten π-Elektronen
am Ort der Protonen ein Feld, das dem Felde B0 gleichgerichtet ist, es also verstärkt.
Während die Abschirmkonstante σ eine für das Molekül charakteristische Größe ist
und nicht vom angelegten Feld abhängt, ist die Verschiebung dem Feld proportional.
Auch das ist ein Grund für die Wahl hoher Felder in der Kernresonanz: man erhöht
so das spektrale Auflösungsvermögen, indem man durch höhere Magnetfeldstärke den
Linienabstand zwischen den Resonanzen verschiedener Gruppen mit verschiedener che-
mischer Verschiebung vergrößert.
Nach ihrer Definition bezieht sich die chemische Verschiebung auf die Resonanz-
frequenz eines gänzlich freien, unabgeschirmten Protons ohne Elektronenumgebung als
Standard. Für dieses wäre σ = 0. Da sich ein solches Proton meßtechnisch jedoch nicht
leicht realisieren läßt, bezieht man die chemische Verschiebung auf die Resonanzfre-
quenz der Protonen in einem leicht reproduzierbaren Standard. Man mißt sie als Ver-
18.2 Protonenresonanz in Molekülen 373

Abb. 18.5. Zur diamagnetischen


Abschirmung. Im Ethin-Molekül
C2 H2 (links) erfahren die Pro-
tonen eine Abschirmung des
angelegten Feldes B0 durch
die Feldinduzierte elektronische
Zirkulation, im Benzol-Molekül
C6 H6 kann diese dagegen zu
einem magnetischen Zusatzfeld
in der gleichen Richtung wie
von B0 am Ort der Protonen
führen. Hier wird B0 also nicht
abgeschirmt, sondern verstärkt.
hältnis der Frequenzverschiebung ∆ν einer Protonen-Gruppe gegen die Resonanzfre- – Im Bild ist zur besseren
quenz ν0 des Standards und verwendet für diese sehr kleine Größe die Einheit ppm (das Übersichtlichkeit nur der obere
heißt 10−6 , nämlich parts per million). Meist arbeitet man mit fester Meßfrequenz. Dann Ring der π-Elektronen gezeigt.
Unterhalb der Molekülebene
mißt man entsprechend die Resonanzfeldstärke und deren Verschiebung. Wenn das Re- zirkuliert ein identischer Ring
sonanzfeld der betreffenden Kerne im untersuchten Molekül BProbe und das Resonanz- in der gleichen Richtung
feld der gleichen Kerne im Standard BStandard ist, dann wird δ definiert durch

BStandard − BProbe
δ= · 106 [ppm] . (18.12)
BStandard

δ ist also nach (18.12) mit dieser Definition eine dimensionslose Zahl. Als Standard be-
nutzt man Tetramethylsilan, Si(CH3 )4 (kurz TMS), eine in vielen Lösungsmitteln (aller-
dings nicht in Wasser) leicht lösliche Verbindung mit 12 äquivalenten Protonen. Man ist
weniger am Absolutwert von σ interessiert, den man im Prinzip zwar ausrechnen kann,
wenn man die Elektronendichteverteilung um den betrachteten Kern herum kennt. Ge-
naue Rechnungen gibt es jedoch kaum.
Wichtiger für analytische Zwecke und zur Bestimmung von Molekülstrukturen sind
Relativ-Messungen gegen eine Standard-Substanz, weil die Werte der Verschiebung für
Gruppen und Bindungen spezifisch und zumeist wenigstens empirisch bekannt sind.
Wenn man in einer Probe unbekannter Zusammensetzung Protonen mit einer bestimm-
ten Chemischen Verschiebung beobachtet, kann man daraus Rückschlüsse auf in der
Probe vorhandene Molekülbindungen oder -Gruppen ziehen. Werte für die chemische
Verschiebung von Protonen, die mit verschiedenen in der organischen Chemie wichti-
gen Gruppen verbunden sind, zeigt Abb. 18.6. Auch andere Bindungen wie NH3 , SiH4 ,
H2 haben ihre charakteristischen δ-Werte der Chemischen Verschiebung.

Abb. 18.6. Bereiche der Che-


mischen Verschiebung für Re-
sonanz von Protonen in ver-
schiedenen Bindungen. Hier
steht Ar für Aromat und R für
nicht-aromatische Restgruppe.
Die Verschiebung δ ist auf
Si(CH3 )4 , TMS, mit δ = 0 bezo-
gen
374 18. Magnetische Kernresonanz

18.2.2 Feinstruktur, direkte Kernspin-Kernspin-Kopplung

Die in Abb. 18.2, unten sichtbare weitere Aufspaltung innerhalb der durch chemische
Verschiebung unterschiedenen Liniengruppen im Spektrum von Ethanol nennt man
Feinstruktur – nicht zu verwechseln mit der „Feinstruktur“ in den optischen Spek-
tren von Atomen. Während es sich dort, bei den optischen Spektren von Atomen,
um die magnetische Spin-Wechselwirkung von Elektronen handelt, beruht die Fein-
struktur der Kernspin-Resonanz-Spektren auf der magnetischen Wechselwirkung zwi-
schen den Momenten der Atomkerne. Dabei kann es sich um eine direkte Dipol-Dipol-
Wechselwirkung zwischen den magnetischen Momenten von je zwei Atomkernen oder
um eine durch Polarisation der Elektronenhülle verursachte indirekte Wechselwirkung
handeln. Man nennt diese Wechselwirkung auch vereinfachend Spin-Spin-Kopplung.
Die direkte magnetische Dipol-Dipol-Wechselwirkung zwischen den Momenten von
zwei Kernen A und B läßt sich leicht berechnen. Das Feld B A , das der Kern A mit der
Orientierung m I im Abstand r am Ort des Kernes B erzeugt, hängt von der Richtung ϑ
der Kern-Verbindungslinie zur Feldrichtung B0 ab (zur Erläuterung siehe Abb. 18.7).
Seine z-Komponente hat den Wert
 
µ0 1
B A = − g I µK m I (1 − 3 cos2 ϑ) . (18.13)
4π r3

Die magnetische Wechselwirkungsenergie zwischen 2 gleichen Kernen beträgt dann


 
µ0 2 2 1
E magn = g µ mI [1 − 3 cos2 ϑ] [Joule] .
4π I k r3

Wenn wir annehmen, daß es sich bei dem Kern A um ein Proton mit dem Spin 1/2 han-
Abb. 18.7. 2 Kerne A und B in delt, gibt es zwei mögliche Einstellungen m I = ±1/2, nämlich α (in Feldrichtung) und
einem sphärischen Polarkoor- β (gegen Feldrichtung). Der Kern B sieht deshalb ein effektives Feld B0 ± B A . Für den
dinatensystem zur Erklärung der Kern B gibt es deshalb zwei Resonanzfelder mit dem Abstand 2B A , das Resonanz-
magnetischen Dipol-Dipol- Signal wird ein Dublett. Dasselbe gilt umgekehrt auch für das Resonanzsignal des
Wechselwirkung. Das Ma-
gnetfeld, das das magnetische Kernes A. Den Energieabstand beziehungsweise Frequenzabstand der beiden Dublett-
Moment eines Kernes A am Ort Komponenten nennt man J, und man definiert damit die Spin-Spin-Kopplungskonstante,
des Kernes B erzeugt, hängt die meistens als Frequenz in Hz angegeben wird.
nach (18.13) vom Winkel ϑ Wenn man Zahlen für typische Kernmomente einsetzt, erhält man für B A Werte von
zwischen Kernverbindungslinie
und Richtung des äußeren 10−4 T im Abstand von 0,2 nm der Kerne. Solch große Spin-Spin-Wechselwirkungs-
Feldes B0 ab. Wenn das werte J werden in fester Phase tatsächlich beobachtet. In Festkörpern kann man die
Molekül rotiert, durchläuft ϑ direkte Spin-Spin-Wechselwirkung von Kernen sogar zur Messung des Abstandes zwi-
alle möglichen Werte, und der schen den Kernen nach (18.13) verwenden.
Orientierungsfaktor (1 − cos2 ϑ)
ergibt im zeitlichen Mittel den
In flüssiger Phase ändert sich jedoch normalerweise der Winkel ϑ zwischen den
Wert 0. Damit mittelt sich diese wechselwirkenden Kernen relativ zu B0 rasch im Vergleich zur Kernresonanzfrequenz
Wechselwirkung zu 0 heraus oder zur Larmorfrequenz des Kernes. Dadurch ergibt sich für (1 − 3 cos2 ϑ) und da-
mit für das Feld BKern am Ort eines anderen Kerns im Zeitmittel der Wert 0, die di-
rekte Dipol-Dipol-Wechselwirkung wird dann also ausgemittelt. Die räumliche Mitte-
lung über cos2 ϑ ergibt, wie wir in Kap. 16 sahen, gerade den Wert 1/3. Anders kann
es allerdings bei Molekülen sein, die sich nur hinreichend langsam bewegen, zum Bei-
spiel bei großen biologisch wichtigen Molekülen.
18.2 Protonenresonanz in Molekülen 375

18.2.3 Feinstruktur, indirekte Kernspin-Kernspin-Kopplung zwischen 2 Kernen

Dagegen wird die durch Bindungselektronen zwischen den Kernen vermittelte indirekte
magnetische Spin-Spin-Kopplung der Kerne durch deren Bewegung nicht ausgemit-
telt. Grundlage hierfür ist die bereits in I, Abschn. 20.3 besprochene Fermi-Kontakt-
Wechselwirkung zwischen Elektron und Kern. Die daraus resultierende indirekte Spin-
Spin-Kopplung der Kerne ist 102 bis 104 mal kleiner als die direkte Wechselwirkung
und isotrop.
Diese Kopplung läßt sich an einem System von zwei Kernen mit Spin 1/2 und zwei
Abb. 18.8. Zur indirekten
Bindungselektronen mit einander entgegengesetztem Spin am einfachsten erläutern. Zur magnetischen Spin-Spin-Kop-
Erläuterung dient Abb. 18.8. Die beiden Kerne A und B mit den Spins I A und I B kön- plung, zum Beispiel im H2 -
nen verschiedene Kerne sein – zum Beispiel 13 C und 1 H in der CH-Bindung – oder aber Molekül, oder bei der Bindung
13 C–1 H. Das Proton mit dem
gleiche Kerne mit unterschiedlicher chemischer Verschiebung, so daß man ohne Kopp-
Spin I A polarisiert den Spin
lung im Spektrum zwei Resonanz-Linien erhält, Abb. 18.9. Nehmen wir als Beispiel die S A von einem Bindungselektron
Bindung 13 C–1 H. Ohne Kopplung erhält man eine Resonanzlinie für das Proton und eine in seiner Nähe. Nach dem
andere, bei einer anderen Resonanzfeldstärke, für 13 C. Für das dem 13 C-Kern nächste Pauli-Prinzip ist dann die Spin-
Bindungselektron S A ist die zum 13 C-Spin entgegengesetzte Spineinstellung energetisch einstellung des zweiten Elek-
die günstigere. Damit ist nach dem Pauli-Prinzip die Spineinstellung des zweiten Bin- trons der Bindung S B entge-
gengesetzt zu S A , und damit
dungselektrons S B festgelegt, nämlich entgegengesetzt zur Richtung von S A , und von ist wieder die Einstellung des
den beiden möglichen Spineinstellungen des Protons I B ist diejenige antiparallel zum zweiten Kernspins I B entge-
zweiten Elektron S B , damit also auch antiparallel zum 13 C-Kern, energetisch günstiger gengesetzt zu I A energetisch
als die parallele Einstellung. günstiger als die parallele Ein-
stellung der Kernspins, oberes
Der Energieabstand zwischen beiden Einstellungen der Kern-Spins wird mit der und unteres Teilbild. Der Ener-
Spin-Spin-Kopplungskonstante J in Hz gemessen. Während es für die Kerne 13 C und gieabstand zwischen beiden Ein-
1 H ohne Kopplung jeweils eine NMR-Linie gibt, spaltet jede dieser Linien bei Vorliegen stellungen wird mit der Kopp-
der durch die Bindungselektronen vermittelten Spin-Spin-Kopplung in ein Linienpaar lungskonstanten J gemessen,
die in diesem Falle positiv ist
mit dem Abstand J auf, nach dem in Abb. 18.9 erläuterten Schema. Im Gegensatz zur
chemischen Verschiebung ist diese auf einem Molekül-eigenen Zusatzfeld beruhende
Aufspaltung unabhängig von der angelegten Feldstärke B0 . Diese indirekte Spin-Spin-
Kopplung liegt auch beim H2 -Molekül vor, wo die Spins der beiden Protonen über die
beiden Bindungselektronen gekoppelt sind.
Man beachte hierbei jedoch, daß die gegenseitige Einstellung der Spins I A und I B in-
folge der indirekten Spinkopplung nicht etwa in der Form ↑↓ fixiert ist. Die Kopplung
sorgt lediglich dafür, daß die beiden in Abb. 18.8 skizzierten Kernspinorientierungen
antiparallel, ↑↓, und parallel, ↑↑, sich um einen sehr kleinen Energiebetrag unterschei-
den. Beide Konfigurationen kommen deshalb gleich häufig vor, man erhält jedoch eine
kleine Aufspaltungsenergie und damit eine Meßmöglichkeit für die indirekte Spin-Spin-
Kopplung.
Wenn wie in der CH2 -Gruppe von Ethanol zwei Protonen an das gleiche C-Atom Abb. 18.9. Zur magnetischen
gebunden sind, findet ebenfalls eine Kopplung der beiden Protonenspins über das C- Kopplung zweier Kerne A
Atom statt. Dieses spielt dabei aber nur indirekt durch die beteiligten Elektronen eine und B. Die durch unterschiedli-
che chemische Verschiebung ∆δ
Rolle. Zur Erläuterung vergleiche Abb. 18.10. Das eine Proton richtet den Elektronen- unterschiedenen Resonanzlinien
spin des ihm näheren Elektrons der CH-Bindung so aus, daß dessen Spin dem Proto- (oberes Teilbild ) spalten bei
nenspin entgegengerichtet ist. Das zweite, C-nahe Elektron der ersten CH-Bindung hat einer gegenseitigen Kopplung in
seinen Spin entgegengesetzt. Es ist nun seinerseits dafür verantwortlich, daß das C-nahe je zwei Resonanzlinien auf. Aus
dem Aufspaltungs-Wert erhält
Elektron der zweiten CH-Bindung die Tendenz hat, seinen Spin dem des ersten C-nahen man die Kopplungskonstante J.
Elektrons parallel zu stellen. Dafür ist die Hundsche Regel verantwortlich. Sie besagt, Hier ist der Fall J < ∆δ ange-
daß die Parallel-Anordnung der Spins für zwei sonst äquivalente Elektronen am glei- nommen
376 18. Magnetische Kernresonanz

chen Atom energetisch günstiger ist. Damit ist nun wieder über die Spin-Spin-Kopplung
eine Vorzugsrichtung für die Einstellung des zweiten Protonenspins vorgegeben, wie in
Abb. 18.10 ersichtlich. Insgesamt führt diese indirekte Spin-Spin-Kopplung dazu, daß
für die beiden Protonen eine Einstellung mit parallelen Spins energetisch bevorzugt und
verschieden von der antiparallelen Einstellung ist. Für diese Spin-Spin-Kopplung ist des-
halb die Konstante J negativ. Im übrigen gilt das gleiche, was bereits im vorigen Absatz
über die tatsächliche Realisierung der beiden möglichen Kernspin-Einstellungen ausge-
führt wurde.
Die über Bindungselektronen vermittelte Wechselwirkung zwischen zwei Protonen
kann auch noch über mehrere Bindungen hinweg meßbar sein. So gilt für die Proton-
Proton-Kopplung in der Konfiguration H–C–H für die Protonen-Kopplungs-Konstante
Abb. 18.10. Zur Spin-Spin- J = −10 bis −15 Hz, bei H–C–C–H hingegen J = +5 bis +8 Hz. Für die Konfigura-
Kopplung mit negativer Kopp- tion H–C–C–C–H, also über drei C-Atome hinweg, wird die Spin-Spin-Kopplung der
lungskonstante zwischen zwei
Protonen, die an dasselbe C-
Protonen jedoch unmeßbar klein.
Atom gebunden sind, beispiels- Einige Zahlenwerte für Kopplungskonstanten J gibt Tabelle 18.2.
weise in einer CH2 -Gruppe.
Die Einstellung der beiden Tabelle 18.2. Kopplungskonstanten J in Hz für
Protonenspins IH parallel zu- einige Kerne in Molekülen bzw. Bindungen
einander (schwarze Pfeile) ist
energetisch gegenüber einer Kerne Molekül J [s−1 ]
antiparallelen Einstellung bevor-
zugt. Diese Kopplung wird über
H–H H2 276
die Bindungselektronen ver-
mittelt, der Kern des C-Atoms H–C CH4 125
ist nicht direkt beteiligt. Nach H–O H2 O 73
der Hundschen Regel ist die H–Si SiH4 −202
Parallelstellung der beiden am C–C CH3 CH3 35
C-Atom gezeichneten Elektro-
C–F CF4 −259
nen energetisch günstiger als
die antiparallele. So kommt eine H. . . H H–C–H −(10–15)
Umkehr der Kernspin-Kopplung H–C–C–H 5–8
gegenüber Abb. 18.8 zustande H–C–C–C–H ∼0

18.2.4 Indirekte Spin-Spin-Wechselwirkung zwischen mehreren Kernen


Wir haben bisher angenommen, daß die beiden koppelnden Kerne A und B sich durch
eine chemische Verschiebung unterscheiden, die groß ist gegen die Kopplung J. Das
Spektrum von zwei gekoppelten Kernen A und B mit Spin 1/2, von denen wir einfach-
heitshalber einmal annehmen, daß beides Protonen sind, besteht also wie in Abb. 18.9
gezeigt aus zwei Dubletts mit gleicher Intensität, wobei der Linienabstand innerhalb der
Dubletts gerade der Kopplungskonstante J entspricht und die Mitten der Dubletts durch
die unterschiedliche chemische Verschiebung δ getrennt sind. Wenn der Unterschied der
chemischen Verschiebungen für beide Kerne (typischerweise einige 100 Hz bei H in ver-
schiedener Bindung) nicht mehr groß ist gegen die Kopplungskonstante (typischerweise
einige Hz), dann kommt es zu Überlagerungen der Störfelder mit dem Ergebnis, daß ins-
besondere die Intensitäten, aber auch die Abstände zur ungestörten Linienlage für die
beiden Linien eines Dubletts nicht mehr gleich sind. Wenn schließlich ∆δ gegen 0 geht,
treffen die beiden inneren Linien des Dubletts sich und ergeben eine Linie, die äuße-
ren Linien verschwinden. Trotz Kopplung sieht man im Spektrum nur noch eine Linie.
Solche Kerne nennt man äquivalent.
18.2 Protonenresonanz in Molekülen 377

Das Verhalten äquivalenter Kerne bei NMR ist besonders einfach. Von chemischer
Äquivalenz spricht man dann, wenn gleiche Kerne auch die gleiche chemische Verschie-
bung haben, von magnetischer Äquivalenz, wenn auch die durch die direkte Kern-Kern-
Wechselwirkung hervorgerufene Winkelabhängigkeit der Energieterme im Magnetfeld
dieselbe ist. Die beiden Protonen in der CH2 -Gruppe oder die drei Protonen in der CH3 -
Gruppe von CH3 CH2 OH (Abb. 18.2) sind jeweils chemisch äquivalent. Für die magne-
tische Äquivalenz gilt das bei hinreichender Drehbarkeit der Gruppen, zum Beispiel in
flüssiger Phase, so daß sich die Anisotropie herausmitteln kann.
Hier beobachtet man – jedenfalls bei mäßiger spektraler Auflösung – nur jeweils eine
Linie für die beiden Protonen-Gruppen. Eine isolierte CH3 -Gruppe, oder eine isolierte
CH2 -Gruppe, hat deshalb jeweils nur eine Protonen-Resonanzlinie. Die Kopplung inner-
halb einer Gruppe magnetisch und chemisch äquivalenter Kerne hat keinen Einfluß auf
das Spektrum und führt deshalb nicht zu einer Aufspaltung wie oben (Abschn. 18.2.3).
Hier erfolgt auch ein rascher Austausch zwischen den Kernen durch sogenannte Spin-
diffusion oder flip-flop-Prozesse, bei denen nicht die ganzen Teilchen, sondern nur die
Spin-Einstellung ausgetauscht werden. Dadurch wird eine an sich mögliche Aufspaltung
ausgemittelt und nicht beobachtbar. Eine isolierte CH3 -Gruppe oder eine isolierte CH2 -
Gruppe gibt also jeweils nur Anlaß zu einer Resonanzlinie.
Anders ist es dagegen, wenn es im Molekül mehrere zueinander inäquivalente Grup-
pen gibt, z. B. im Ethanol die untereinander äquivalenten CH2 -Protonen einerseits und
die untereinander äquivalenten CH3 -Protonen andererseits. Die Gruppen sind dann nicht
mehr isoliert, sondern treten miteinander in Wechselwirkung. Die Protonen in der CH2 -
Bindung unterscheiden sich, wie oben gezeigt, durch die chemische Verschiebung ener-
getisch etwas von den Protonen in der CH3 -Gruppe. Die beiden Gruppen von Protonen
sind also untereinander nicht äquivalent. Die CH3 -Resonanz in Abb. 18.2 ist in 3 Li-
nien mit dem Intensitätsverhältnis 1:2:1 durch die Spin-Spin-Kopplung mit den CH2 -
Protonen aufgespalten. Die Kopplung mit einem der CH2 -Protonen spaltet nämlich die

Abb. 18.11. Zum Aufspaltungs-


bild bei Wechselwirkung mit
mehreren äquivalenten Kernen.
Das Kernresonanzsignal der
äquivalenten zwei Protonen in
der CH2 -Gruppe wird durch die
drei CH3 -Protonen in vier Kom-
ponenten aufgespalten, umge-
kehrt das CH3 -Signal durch die
beiden CH2 -Protonen in drei
Linien. – Warum das OH-Signal
unter Umständen nicht aufge-
spaltet wird und keinen Beitrag
zu den anderen Aufspaltungen
gibt, wird im Text erläutert
378 18. Magnetische Kernresonanz

Linie der CH3 -Protonen in zwei Linien auf, die Kopplung mit dem anderen CH2 -Proton
mit der gleichen Kopplungskonstante nochmal in zwei, die mittleren Linien fallen zu-
sammen. So ergibt sich das Aufspaltungsbild der CH3 -Protonen, siehe dazu Abb. 18.11.
Man kann das auch so ausdrücken: Es gibt für die beiden CH2 -Protonen bei ihrer Wech-
selwirkung mit den CH3 -Protonen die Spineinstellungen ↑↑, ↑↓ ↓↑, ↓↓. Dabei sind die
beiden mittleren Konfigurationen energetisch äquivalent.
Um nun die Aufspaltung der Gruppe der CH2 -Protonen zu verstehen, muß man um-
gekehrt die verschiedenen Einstellungsmöglichkeiten der 3 Protonen der CH3 -Gruppe
untersuchen. Hier gibt es 8 Möglichkeiten, von denen nur 4 energetisch verschieden
sind: ↑↑↑; ↑↑↓ ↑↓↑ ↓↑↑; ↑↓↓ ↓↑↓ ↓↓↑; ↓↓↓. So erklärt sich das Intensitätsverhält-
Abb. 18.12. Das Pascalsche
Dreieck. N äquivalente Proto- nis 1:3:3:1 der vier Komponenten der CH2 -Resonanz in Abb. 18.2 gemäß dem in
nen spalten die Resonanz ei- Abb. 18.11 erläuterten Schema. Allgemein gilt, daß N äquivalente Protonen die Reso-
ner benachbarten Gruppe in nanz einer benachbarten Gruppe in N + 1 Linien aufspalten. Die Intensitätsverhältnisse
N + 1 Linien auf. Ihre Intensi- ergeben sich nach der Anzahl der Realisierungsmöglichkeiten der einzelnen energetisch
tätsverhältnisse können dem
Pascalschen Dreieck entnommen unterschiedlichen Konfigurationen aus den Binomialkoeffizienten, die sich mit Hilfe des
werden. Die Zahlen in einer Pascalschen Dreiecks, Abb. 18.12, darstellen lassen. Dies ist eine Zahlenanordnung, bei
Zeile ergeben sich durch Ad- der man die Zahlen einer Zeile durch Addition der beiden nächstbenachbarten Zahlen
dition der beiden benachbarten in der darüber stehenden Reihe erhält.
Zahlen in der darüber stehenden
Zeile
Schließlich fehlt noch die Resonanz der Protonen der OH-Gruppe in Abb. 18.2 und
Abb. 18.11. Eigentlich müßten wir nach den bisherigen Erklärungen erwarten, daß die-
ses Proton wegen möglicher Parallel- und Antiparallel-Stellung seines Spins zu einer
Zweifach-Aufspaltung aller Linien von CH2 und CH3 führt, und daß die eigene Reso-
nanzlinie der OH-Gruppe durch die CH2 -Protonen in ein Triplett und diese Linien dann
wieder durch die CH3 -Protonen in ein Quartett aufgespalten wird. Diese Aufspaltungen
sind im allgemeinen, auch in Abb. 18.2, nicht sichtbar, weil Ethanol meistens geringe
Beimengungen von Wasser enthält.
Für das Verschwinden der eigentlich zu erwartenden Aufspaltung ist chemischer
Austausch der Hydroxyl-Protonen mit den Protonen von Wasser als Lösungsmittel ver-
antwortlich. Wenn die Protonen zwischen Molekülen ausgetauscht werden, ist durch die
Austauschbarkeit die Lebensdauer einer Konfiguration begrenzt. Die vom Lösungsmittel
Wasser gelieferten Protonen, die mit den Protonen der OH-Gruppe von Ethanol in ra-
schem chemischen Austausch stehen, haben zufällige Spin-Orientierungen und können
so die Lebensdauer einer bestimmten Spin-Orientierung der OH-Protonen verkürzen.
Da die besprochenen Feinstrukturaufspaltungen von der Größenordnung J = 1 Hz
sind, genügt eine Austauschfrequenz von J/2π  0,1 s−1 , um durch Lebensdauer-
verbreiterung nach der Gleichung JAustausch < 1/2πδν die Aufspaltung δν unbeob-
achtbar zu machen. Unter Austausch ist hier der chemische Austausch verstanden.
Nur wenn das Proton länger als diese Zeit τ = 1/2πδν unausgetauscht am Molekül
verbleibt, kann es zu einer Aufspaltung der anderen Linien von Protonen-Gruppen
im Molekül Anlaß geben. In Wasser als Lösungsmittel für Ethanol erfolgt der Aus-
tausch aber wesentlich schneller. Nur in extrem Wasser-freiem Alkohol CH3 CH2 OH
ist der Austausch so langsam, daß die Aufspaltung der OH-Resonanz und die durch
die OH-Protonen bewirkte Aufspaltung der beiden anderen Liniengruppen in Abb. 18.2
beobachtbar werden. Das Auftreten oder Nichtauftreten von Linien-Aufspaltungen,
beziehungsweise allgemeiner eine Verbreiterung von Linien kann also zur Kenntnis
einer Protonen-Austauschfrequenz beitragen. Dies ist zugleich ein Beispiel dafür, daß
Kernspin-Resonanzen auch zur Messung dynamischer Prozesse und von deren Ge-
schwindigkeit geeignet sind.
18.3 Dynamische Prozesse, Relaxationszeiten 379

Während die chemische Verschiebung wie in Abschn. 18.2.1 gezeigt der äußeren
Magnetfeldstärke B0 proportional ist, ist die auf indirekter oder direkter Dipol-Dipol-
Wechselwirkung der Kernmomente beruhende Feinstruktur-Aufspaltung vom Feld un-
abhängig. Das erleichtert eine Analyse von Kernresonanz-Spektren, indem man bei
mehreren unterschiedlichen Feldstärken mißt und so die beiden Effekte unterscheiden
kann. Auch ist dies ein weiterer Grund für die Bevorzugung großer Feldstärken in
der Kernresonanz-Spektroskopie. Man kann so die verschiedenen Mechanismen, die
für die Frequenzen der Linien in einem mit hoher Auflösung gemessenem Spektrum
verantwortlich sind, besser voneinander trennen und analysieren, indem man bei ver-
schiedenen äußeren Feldstärken B0 und damit in verschiedenen Frequenzbereichen mißt.
Häufig sind allerdings chemische Verschiebung und Spin-Spin-Kopplung von gleicher
Größenordnung. Dann wird wie oben ausgeführt eine Analyse schwieriger.

18.3 Dynamische Prozesse, Relaxationszeiten


Wir haben im vorausgehenden Kapitel bereits gesehen, daß Linienbreiten in Kernreso-
nanz-Spektren Informationen über Geschwindigkeiten von Prozessen liefern können,
die im untersuchten Molekül oder in der Probe ablaufen. Wie bereits erwähnt, hängt
die auflösbare Struktur eines Kernresonanz-Spektrums auch davon ab, ob und wie
rasch die Moleküle sich bewegen. Wenn wir etwa ein System gleicher Moleküle in
einer Matrix völlig ungeordnet fixieren, dann wird die anisotrope direkte Dipol-Dipol-
Wechselwirkung nach (18.12) für jedes Molekül von der Orientierung und dem Ab-
stand zu den Nachbarkernen abhängig verschieden sein und die Kernresonanz-Linie
hat dementsprechend eine (inhomogene) Linienbreite, die bei hinreichend kleinen Ab-
ständen der Moleküle 1 mT betragen kann. Die kleinere isotrope indirekte Spin-Spin-
Wechselwirkung wird dann im allgemeinen unter dieser Linienbreite verborgen und da-
mit nicht beobachtbar sein. Wenn wir nun die starre Matrix in eine Flüssigkeit verwan-
deln und damit den Molekülen die Möglichkeit, sich zu bewegen und ihre Orientierung
rasch zu ändern, geben, dann wird für jedes Molekül die Resonanzfrequenz durch die Abb. 18.13. Zur Austausch-
anisotrope Spin-Spin-Wechselwirkung zeitabhängig. Das kann zu einer Ausmittelung Verschmälerung von Magne-
dieser Wechselwirkung und damit zu einer kleineren Linienbreite im Spektrum führen. tischen Resonanzlinien. Zwei
Kerne A und B mögen sich
Man kann dies in folgender Weise verstehen. Wenn die Frequenz des Austausches ν in ihrer Resonanzfrequenz um
klein ist gegen die als Frequenzdifferenz δν gegebene Aufspaltung, entspricht diese zwei δν unterscheiden. Die oberste
getrennten Zuständen A und B. Wenn ν von derselben Größenordnung wie δν wird, Kurve zeigt schematisch das
verkürzen sich die Lebensdauern der getrennten Zustände und man erhält eine größere Resonanzsignal ohne Austausch.
Von oben nach unten nimmt die
Linienbreite (Lebensdauer-Verbreiterung von A und B). Wenn jedoch ν groß gegen δν Austauschfrequenz zu. Zunächst
wird, sind die beiden vorher getrennten Zustände nicht mehr unterscheidbar. Man erhält erfolgt eine Verbreiterung der
statt dessen einen neuen Zustand AB, bei dem durch die Häufigkeit des Austausches Linien wegen Verkürzung der
über die unterschiedlichen Felder bzw. Frequenzen gemittelt wird. Dadurch erscheint Lebensdauer der Zustände,
nun eine Linie wie in einem einheitlichen Feld. Dies nennt man je nach der Ursache der dann verschmelzen die Linien
und schließlich ergibt sich
Ausmittelung Austausch- oder Bewegungs-Verschmälerung. Dies wird in Abb. 18.13 an bei schnellem Austausch eine
einem gerechneten Beispiel veranschaulicht. scharfe Linie in der Mitte zwi-
Die Zeit-Frequenz-Unschärfe gilt auch klassisch. Um nämlich eine Resonanzfre- schen den beiden ursprünglichen
quenz ν + ∆ν von einer Frequenz ν unterscheiden zu können, muß sich die Anzahl n Linien (von oben nach unten).
Zahlenbeispiel: δν = 30 Hz,
der in der Meßzeit τ gemessenen Schwingungen um mindestens 1 unterscheiden. τ muß Austauschrate A B = 1 s−1
also mindestens so groß sein, daß gilt in der obersten, 102 s−1 in der
mittleren und 104 s−1 in der
n = τν und n + 1 = τ(ν + ∆ν) (18.14) untersten Kurve
380 18. Magnetische Kernresonanz

also
1
τ= . (18.15)
∆ν
Wenn sich nun die Resonanzfrequenz in kürzeren Zeiten als 1/∆ν ändert, das heißt,
sich das Molekül schneller bewegt, dann kann man die Variation der Resonanzfrequenz
nicht mehr feststellen. Man mißt vielmehr einen zeitlichen Mittelwert der Frequenz. Die
breite Resonanzlinie wird dadurch scharf. Das nennt man Bewegungs-Verschmälerung.
Für Protonen gilt bei ∆B = 1 mT
γ
∆ν = ∆B  4,3 · 104 s−1 (18.16a)

und
(∆ν)−1  2,5 · 10−5 s . (18.16b)
Die Umorientierungszeiten von Molekülen in Flüssigkeiten niederer Viskosität sind viel
kürzer, typischerweise 10−10 s. Dadurch wird die anisotrope Spin-Spin-Kopplung ausge-
mittelt, und man erhält im Kernresonanzspektrum scharfe Linien wie im unteren Teilbild
von Abb. 18.2.
In gleicher Weise kann eine anisotrope Wechselwirkung auch durch raschen Aus-
tausch von Kernen zwischen den Molekülen ausgemittelt werden, z. B. zwischen
den Protonen von Wasser und der OH-Gruppe von Alkoholen im Beispiel von Ab-
schn. 18.2.3. Wenn dieser Austausch rasch genug erfolgt, d. h. rascher als es der aus-
zumittelnden Frequenzbreite entspricht, führt das bei zunehmender Austauschfrequenz
zunächst zu einer Lebensdauer-Verbreiterung und bei hinreichend raschem Austausch
zu einer Austausch-Verschmälerung der Signale. Geschwindigkeiten von Konfigura-
tionsänderungen in Molekülen, das heißt von Umlagerungen von Gruppen innerhalb
eines Moleküls, können in analoger Weise gemessen werden, wenn durch diese Ände-
rungen die unterschiedliche chemische Verschiebung der verschiedenen Konfigurationen
ausgemittelt wird, vgl. Abb. 18.13.
Allgemein eröffnet die Linienbreite der Kern-Resonanz-Signale einen Zugang zur
Messung von Bewegungs- oder Austauschprozessen im molekularen Bereich. Auf sol-
chen Prozessen beruhen auch viele Temperatur-Abhängigkeiten in Resonanzspektren. In
vielen Fällen ist beispielsweise bei Tieftemperatur eine Ausmittelung von Anisotropien
durch Bewegung noch nicht möglich, kann aber mit steigender Temperatur möglich wer-
den und so zu einer Linienverschmälerung im Spektrum führen.
Im Festkörper, wo wegen der starren gegenseitigen Orientierung der Kerne diese
Bewegungs-Ausmittelung nicht möglich ist, kann eine dynamische Ausmittelung der
anisotropen Wechselwirkung durch Mehrfach-Resonanz und Pulsmethoden möglich
sein. Bei Mehrfach-Resonanzverfahren mit zwei oder mehr etwas unterschiedlichen
Frequenzen oder Feldern kann man zum Beispiel die Spins einer Sorte von Kernen
direkt gezielt ansteuern und sie rasch zwischen ihren verschiedenen Einstellungen
hin- und herklappen. Dadurch können sie von einer zweiten Sorte von Kernen ent-
koppelt werden. So kann man mit speziellen Pulsprogrammen die anisotrope Wech-
selwirkung mit anderen Kernen und die darauf beruhende Linienverbreiterung unter-
drücken.
Darauf beruht die Spin-Entkopplung als Methode der hochauflösenden Kernresonanz.
So kann man z. B. die Kopplung der CH3 -Protonen mit den CH2 -Protonen in Ethanol
18.3 Dynamische Prozesse, Relaxationszeiten 381

im Spektrum (vgl. Abb. 18.2 und 18.11) aufheben, indem man durch intensive Einstrah-
lung einer zweiten Radiofrequenz die eine der beiden Protonen-Gruppen so häufig und
rasch umklappt, daß die andere Gruppe nur noch eine mittlere Orientierung spürt. Das
Quartett oder das Triplett in Abb. 18.11 kollabiert dann zu einer einzigen Linie. Solche
Spin-Entkopplungsmethoden finden in vielen Varianten Anwendung in der hochauflö-
senden Kernresonanz-Spektroskopie.
Linienbreiten in Resonanzspektren können häufig durch die beiden Relaxationszei-
ten T1 und T2 beschrieben werden. Diese Zeiten sind bereits in I, Abschn. 14.5 defi-
niert und eingeführt worden. T1 mißt die Zeit, in der ein angeregter Spinzustand durch
Wechselwirkung mit der Umgebung (Erzeugung von Wärme) oder mit anderen Spins
wieder in den Gleichgewichtszustand zurückkehrt. T2 mißt die Zeit, in der Phasenbezie-
hungen zwischen den Spins in einem bestimmten Spinsystem verlorengehen. Man kann
Relaxationszeiten sehr direkt mit Puls-Verfahren wie dem ebenfalls in I beschriebenen
Spin-Echo-Verfahren messen, indem man die zeitliche Entwicklung der Magnetisierung
nach einer raschen Störung der thermischen Gleichgewichts-Magnetisierung mißt.
Die longitudinale oder Spin-Gitter-Relaxation mit der Zeitkonstante T1 kommt vor-
zugsweise durch Fluktuationen der von Nachbar-Molekülen oder von paramagnetischen
Verunreinigungen erzeugten lokalen zeitlich fluktuierenden Magnetfelder am Ort der un-
tersuchten Kerne zustande. Sie mißt das Umklappen der Kerne relativ zur Feldrichtung z
von B0 und damit ihre Energieabgabe an die Umgebung. Typische Zeiten in der Kern-
resonanz liegen zwischen 10−4 und 10 s in Flüssigkeiten und 10−2 und 103 s im Fest-
körper.
Die transversale Spin-Spin-Relaxation mit der Zeitkonstante T2 ist ein Maß für die
Änderung der Phasenbeziehung zwischen den Spins im übrigen äquivalenter Kerne in
der xy-Ebene senkrecht zur Feldrichtung z. Das kann durch etwas unterschiedliche lo-
kale magnetische Felder verursacht werden. Oder aber der Phasen-Austausch erfolgt
durch Spin-Spin-Wechselwirkung äquivalenter Kerne. Beide Prozesse tragen zu der T2

genannten Zeitkonstanten bei. Da natürlich auch die longitudinale Relaxation die Pha-
senbeziehungen zerstört, gilt für die gesamte transversale Relaxation einer einzelnen
Kernsorte mit Spin 1/2

1 1 1
=
+ . (18.17)
T2 T2 2T1

Typische Werte für T2 liegen im Festkörper bei 10−4 s. In Flüssigkeiten ist T2 ähnlich
groß wie T1 , siehe oben.
Wenn man mit so hoher Resonanzfrequenz-Leistung einstrahlt, daß die T1 -Relaxa-
tionsprozesse den durch die thermische Energie kT gegebenen Besetzungsunterschied
zwischen den Resonanz-Niveaus nicht mehr aufrechterhalten können, nimmt die Signal-
intensität nicht mehr proportional zur eingestrahlten Leistung zu und die Resonanzli-
nien werden verbreitert. Außerhalb dieser Sättigungsverbreiterung wird die Linienbreite
durch T2 bestimmt, sofern nicht zusätzliche Mechanismen zu einer inhomogenen Ver-
breiterung der Linien führen. Es gilt nach der Unschärfe-Relation für die durch T2 be-
stimmte Energieunschärfe einer Resonanzlinie ∆E = h/T2 . Daraus folgt für die Fre-
quenzbreite einer homogenen Linie

1
δν = . (18.18)
2πT2
382 18. Magnetische Kernresonanz

Bei einem Wert von 1 s für T2 ergibt sich für die Linienbreite also die Größenordnung
0,1 s−1 .
Durch Messung von Relaxationszeiten eröffnet sich ein weites Feld der Untersu-
chung dyamischer Prozesse von Spins und damit von den Molekülen, zu denen sie ge-
hören.

18.4 Kernspin-Resonanz anderer Kerne


Natürlich ist die Kernspin-Resonanz an Molekülen nicht auf Protonen beschränkt, von
denen bisher die Rede war. Alle Kerne mit nicht-verschwindendem Spin können mit
Hilfe der magnetischen Kernresonanz spektroskopiert werden. Dabei gibt es die gleichen
Wechselwirkungsmechanismen wie bei Protonen, nämlich chemische Verschiebung und
Spin-Spin-Kopplung.
Allerdings sind beide Meßgrößen bei anderen Kernen meistens erheblich größer und
damit leichter meßbar als bei Protonen. Dies beruht darauf, daß es in größeren Atomen
mehr Elektronen gibt, und daß diese räumlich weiter ausgedehnt sind. Dadurch wächst
die Möglichkeit für diamagnetische Abschirmung und Spin-Polarisation.
Im Bereich der Untersuchung organischer Moleküle ist das Nuklid 13 C wichtig (na-
türliche Häufigkeit 1%), bei biologisch interessanten Molekülen 31 P (Häufigkeit 100%).
Andere Kerne mit I > 1/2 wie 14 N (I = 1), Cl und Br (I = 3/2) spalten die
Resonanz-Linien benachbarter Kerne, mit denen sie wechselwirken, in (2I +1) Kompo-
nenten gleicher Intensität auf, da es für diese Kerne 2I +1 mögliche Spin-Orientierungen
in einem angelegten Feld gibt.
Außerdem haben Kerne mit nicht-kugelsymmetrischer Ladungsverteilung, insbe-
sondere alle Kerne mit I > 1/2 ein elektrisches Quadrupolmoment. Dieses erfährt
eine starke ausrichtende Wechselwirkung in einem elektrischen Feldgradienten. Solche
Feldgradienten gibt es wegen der chemischen Bindung in Molekülen. Die ausrichtende
Wirkung des Feldgradienten tritt in Konkurrenz zur magnetischen Ausrichtung der
Spins im angelegten Magnetfeld und führt dadurch zu einem zusätzlichen Relaxations-
Mechanismus, kürzeren Relaxationszeiten, und damit Linien-Verbreiterungen im Spek-
trum.
Bei bekanntem Wert des Kernquadrupol-Momentes kann man mit Hilfe der Kern-
quadrupol-Resonanz (NQR) elektrische Feldgradienten in Molekülen oder Festkörpern
messen, siehe dazu auch I, Abschn. 20.8.

18.5 Zwei-dimensionale Kernspinresonanzspektroskopie


18.5.1 Die grundlegenden Ideen
Das Ziel dieser experimentell und theoretisch sehr anspruchsvollen Methode ist die
Strukturaufklärung großer Moleküle, z. B. von Proteinen. Hierbei dienen die Kernspins
als Sonden, die ja bei dem geringen Durchmesser der Kerne von ca. 10−15 m sehr
gut lokalisiert sind. In ihrer Wechselwirkung sind sie sehr empfindlich gegenüber der
lokalen Umgebung. Andererseits sind aber ihre Wechselwirkungsenergien sehr klein,
nämlich kleiner als 0,2 J mol−1 , was einer thermischen Energie von 30 mK entspricht.
Die Information über die Struktur der Moleküle wird aus den Wechselwirkungen zwi-
schen Paaren von Kernen gewonnen. Die hierbei wichtigen Wechselwirkungen sind die
18.5 Zwei-dimensionale Kernspinresonanzspektroskopie 383

magnetische Dipol-Dipol-Wechselwirkung, mit deren Hilfe sich die Abstände zwischen


den entsprechenden Kernen bestimmen lassen, als auch die skalaren J-Kopplungen,
aus denen sich diedrische Winkel ableiten lassen. Schließlich resultiert aus der Wech-
selwirkung der Kernspins mit der Umgebung die chemische Verschiebung. Bislang
konnten chemische Verschiebungen von hunderten von Spins in einem Molekül mit
einer Genauigkeit von 16–18 bits bestimmt werden, d. h. mit einer Genauigkeit von
ca. 1/300 000. Von tausenden von Protonenpaaren können die Abstände mit einer Ge-
nauigkeit von ca. 0,1 Å bestimmt werden. Ferner wurden mehrere Hundert diedrische
Winkel mit Ungenauigkeit < 100 bestimmt (jeweils bezogen auf ein Molekül). Die
Schwierigkeit der Methode besteht in der Schwäche der Kernspin-Wechselwirkung, so
daß ca. 10−14 –1015 Spins bei einer Meßzeit von ca. einer Stunde nötig sind. Zugleich
hat man gegen ein niedriges Signal-Rausch-Verhältnis zu kämpfen. Es ergeben sich so
zwei Aufgaben, nämlich
1) die Optimierung des Signal-Rausch-Verhältnisses und
2) die Erschließung der ungeheueren Informationsmenge über ein Molekül.
Die herkömmliche Lösung zur Bestimmung der Wechselwirkungen besteht in der
1-dimensionalen Fourier-transformierten Spektroskopie, die wir schon in I, Abschn. 20.6
besprachen, und an die wir hier kurz erinnern. Eine Probe wird in einem starken zeit-
unabhängigen magnetischen Feld, das parallel zur z-Achse angelegt wird, polarisiert.
Sodann wird ein rf-Puls (Radiofrequenzpuls) in einer bestimmten Richtung, etwa der
y-Richtung, eingestrahlt, und zwar während einer wohldefinierten Zeit, so daß ein π/2-
Puls, den wir durch
(π/2)γ
Mkz −−−→ Mkx (18.19)
darstellen, ermöglicht wird. Die M’s sind die Komponenten der Magnetisierung des
k-ten Kerns. Nach diesem Impuls kommt es zum sogenannten freien Induktionszerfall.
Dieser resultiert daher, daß je nach lokalen Feldern verschiedene Umlaufsfrequenzen der
Kernspins auftreten. Diese verschiedenen Umlaufsfrequenzen können z. B. auf chemi-
schen Verschiebungen beruhen. Um die Signale zu messen, sind die Magnetisierungen
in x- und y-Richtung, die von den Spins herrühren, zu messen.
 
Mx = Mkx , M y = Mky , Mkx ∝ Ikx . (18.20)
k k
Hierbei ist Mkx proportional zu Ikx , wobei Ikx der Spin des Kerns k in x-Richtung ist.
Bei einer quantentheoretischen Behandlung werden Mx , M y , Mz sowie I = (Ix , I y , Iz )
zu Operatoren, worauf wir weiter unten noch weiter eingehen werden. Die Magnetisie-
rungen in x, y-Richtung können zu einer komplexen Magnetisierung
F + = Mx + iM y (18.21)
zusammengefaßt werden.
Betrachten wir ein einfaches Beispiel, wo keine Relaxationsprozesse stattfinden,
keine Wechselwirkung unter den Spins vorhanden ist und lediglich chemische Verschie-
bungen auftreten. Dann kann F + , hier noch als klassische Größe aufgefaßt, dargestellt
werden als eine Überlagerung

F+ = ak eiΩk t , (18.22)
k
384 18. Magnetische Kernresonanz

wobei die Frequenzen Ωk die Präzessionsfrequenzen der einzelnen Spins sind. Um zu


einem Frequenzspektrum zu gelangen, d. h. letztlich zu Energiewerten, nimmt man die
Fourier-Transformierte von (18.22) in der Form
T
+ 1
F (ω) = e−iωt F + (t)dt . (18.23)
T
0

Die Möglichkeit der Fourier-Transformation besteht auch für Spins die in Wechselwir-
kung stehen. Der Grund hierfür ist, daß die Schrödinger-Gleichung linear ist. Diese
Methode ist gut geeignet für die Messung von chemischen Verschiebungen. Sie gibt
aber keine Information über räumliche Beziehungen. Deshalb wenden wir uns nun
der 2-dimensionalen Fourier-transformierten Spektroskopie zu. Die zugrundeliegenden
Paar-Wechselwirkungen sind
1) die J-Kopplung
Hkl = 2πJkl Ik Il , (18.24)
die zu Multiplett-Aufspaltungen bei hoch-aufgelösten Spektren in Flüssigkeiten
führt. Hier tritt ein oszillatorischer Transfer von Spin-Ordnung zwischen 2 Spins
Ik und Il auf, d. h. die Richtungen der beiden Spins klappen hin und her, wie wir
noch weiter unten sehen werden;
2) die magnetische Dipol-Dipol-Wechselwirkung, die durch einen Tensor Dmn be-
schrieben wird. Seine zeitliche Modulation, etwa durch die Bewegung der Kerne,
verursacht Relaxationsprozesse (auch in isotropen Lösungen). Hieraus resultiert
ein multi-exponentielles Streben ins thermische Gleichgewicht, was Anlaß zu ei-
ner Kreuzrelaxation zwischen Spins gibt, wie wir ebenfalls weiter unten sehen
werden. Dies ermöglicht dann die Rekonstruktion einer 3-dimensionalen Molekül-
struktur.
Diese Wechselwirkungen beeinflussen zwar 1D-Spektren, aber es ist unmöglich zwi-
schen 2 unabhängigen Signalen und einem Dublett zu unterscheiden, das von der Spin-
Spin-Wechselwirkung herrührt. Eine erste Antwort gibt die 2-dimensionale Spektrosko-
pie mit Hilfe von Doppelresonanz-Experimenten.
Wir wollen uns hier hingegen der wichtigen zweiten Antwort zuwenden, nämlich
einer Methode, die unter dem Schlagwort COSY bekanntgeworden ist. Der Vorschlag
stammt ursprünglich von Jean Jeener (1971) und wurde von R. R. Ernst 1974 experimen-
tell realisiert. Die Computerverfahren zur Bestimmung von Molekül-Strukturen wurden
insbesondere von K. Wütherich (1986) entwickelt. Das folgende Diagramm zeigt den
grundsätzlichen Verlauf einer Messung:
   
π π
→ → .
2 t1 2 t2
Zunächst wird, wie schon oben besprochen, ein π/2-Puls angewendet, wodurch die
Spins aus der z-Richtung in die x,y-Ebene klappen und hier ihre Präzessionsbewegung
durchführen. Nach einer bestimmten Zeit t1 wird ein weiterer π/2-Puls angewendet und
nach dem Verlauf einer weiteren Meßzeit t2 das ausgestrahlte Signal bestimmt. Offen-
sichtlich hängt das ausgestrahlte Signal s sowohl von der Zeit t1 als auch von der Zeit
t2 ab. Bei der Messung müssen also sowohl t1 und t2 variiert werden. Indem man die
18.5 Zwei-dimensionale Kernspinresonanzspektroskopie 385

Abb. 18.14. Schema der beiden


für die NMR-Spektroskopie
relevanten Paarwechselwirkun-
gen. Die durch die Bindungen
vermittelte skalare Wechselwir-
kung Jkl trägt zum Hamilton-
Operator bei und führt zu
einem kohärenten Transfer
der Spin-Ordnungen zwischen
den Spins Ik und Il . Die
zeitlich modulierte Dipol-Dipol-
Wechselwirkung Dmn führt zu
einer multiexponentiellen Kreuz-
relaxation zwischen den Spins
Im und In . Die beiden Wech-
selwirkungen gestatten eine
sequentielle Zuordnung der Re-
sonanzen von benachbarten
Spins in dem gezeigten Peptid-
Fragment und die Bestimmung
von Strukturparametern. Die
Funktion s = s(t1 , t2 ) bezüglich der beiden Argumente Fourier-transformiert, erhalten
durch drei Bindungen vermit-
wir eine Funktion S(ω1 , ω2 ). Dieses Signal, in die Form einer Intensität gebracht, kann telte J-Wechselwirkung ist ein
nun über der 2-dimensionalen ω1 , ω2 -Ebene aufgetragen werden. Es resultiert also ein Maß für den dihedrischen Win-
2D-Spektrum, in dem, wie wir sehen werden, die Präzessionsfrequenzen während der kel um die zentrale Bindung, die
Evolutionsperiode 1 mit den Präzessionsfrequenzen während der Meßperiode 2 korre- Dipol-Dipol-Wechselwirkung ein
solches für die Abstände zwi-
liert sind. Wie wir weiter sehen werden, sind die diagonalen und Kreuzpeaks ein Maß schen den Kernen. (Nach
für die Elemente der Transfermatrix. R. Ernst et al., vgl. Literatur-
Besprechen wir nun die wichtigsten Transfer-Prozesse (Abb. 18.14 schematisch): verzeichnis)

1) die skalare Kopplung liegt insbesondere der homonuklearen 2D Korrelations-


spektroskopie zugrunde und wird durch die schon erwähnte COSY-Methode be-
stimmt;
2) die Zwischenkernkreuzrelaxation beruht auf dem nuklearen Overhauser-Effekt
(s. weiter unten) und wird durch die Methode NOESY bestimmt;
3) schließlich sei hier noch der chemische Austausch erwähnt, dessen Messung durch
die Methode EXSY erfolgt.
Erläutern wir den Grundgedanken dieser Experimente an einem Beispiel. Greifen wir
hierzu ein Summenglied aus (18.22) heraus und betrachten wir also nur einen Spin. Ord-
nen wir der x,y-Ebene die komplexe Ebene mit z = x+iy zu, so kann die Bewegung des
Spins in dieser Ebene durch die Exponentialfunktion eiΩ1 t beschrieben werden. Hat die
Präzession nach Anwendung des π/2-Pulses die Zeit t1 gedauert, so ist also die Rich-
tung durch die Funktion z = eiΩ1 t1 gegeben. Nun wird eine bestimmte Manipulation
mit dem System, das gemessen werden soll, vorgenommen; zum Beispiel werden Wech-
selwirkungen zwischen den Spins in bestimmter Weise geändert. Der betrachtete Spin
wird dann unter diesen neuen Bedingungen mit einer anderen Frequenz Ω2 weiter prä-
zedieren. Diese Präzessionsbewegung wird über eine Zeit t2 verfolgt und die Position
des Spins in der z-Ebene gemessen. Das Signal wird also, wie schon oben besprochen,
von den Zeiten t1 , t2 abhängen.
   
 eiΩ1 t1   eiΩ2 t2 
−−−→ R −−−→ (18.25)
 t1  t2 
386 18. Magnetische Kernresonanz

und damit

F + ∝ eiΩ2 t2 R eiΩ1 t1 . (18.26)


Wird die Fourier-Transformation durchgeführt, so erhalten wir wieder eine 2-dimensio-
nale Darstellung.

18.5.2 Quantenmechanische Theorie von COSY

Ausgangspunkt ist die Schrödinger-Gleichung


⎧ ⎫

⎨ ⎪
⎬ dΨ
h Ωk Ikz + Ωl Ilz + 2πJkl Ikz Ilz Ψ = ih , (18.27)
⎩
⎪     ⎪ ⎭ dt
H0 H1

die sich auf die beiden Spins mit den Indizes k und l bezieht. Die Ω sind die Präzessi-
onsfrequenzen, die auch die chemische Verschiebung beinhalten und zu dem Hamilton-
operator H0 Anlaß geben, während das Wechselwirkungsglied uns schon oben begeg-
net ist und hier als zweiter Teil des Hamiltonoperators, nämlich als H1 , auftritt. Diese
Schrödinger-Gleichung stellt insofern ein Modell dar, als die Wechselwirkung zwischen
den Spins, genauer durch
Jkl Ik Il , (18.28)

beschrieben werden müßte. Wie man aber mit Hilfe des Übergangs zu einem rotie-
renden Koordinatensystem zeigen kann, heben sich die Wechselwirkungsglieder, die
sich auf die x- und y-Richtung beziehen, weitgehend weg, so daß (18.27) zumin-
dest eine gute Näherung darstellt. Hierbei sind die I die Spinoperatoren, wobei wir
aber der Einfachheit halber den Faktor h weglassen, um die folgenden Formeln nicht
übermäßig kompliziert zu machen. Die Operatoren H0 und H1 vertauschen mitein-
ander. Die Spins entwickeln sich zwar unter der Gesamtwirkung von H0 und H1 ,
aber die Reihenfolge dieser Einflußnahme auf die Spins ist gleichgültig, so daß wir
im folgenden zuerst die eine Einwirkung und dann die andere behandeln können. H0
bewirkt, wie wir wissen, die Präzession, wir müssen uns also insbesondere mit H1
befassen.
Im folgenden nehmen wir an, daß wir bereits einen Übergang zu einem rotierenden
Koordinatensystem gemacht haben, so daß Ωk , Ωl nur noch die chemischen Verschie-
bungen sind. Zu einer Anfangszeit wird nun ein Puls
HPuls = const. Bx (Ikx + Ilx ) (18.29)
angewendet, wobei im rotierenden System Bx zeitunabhängig ist. Die Behandlung
der verschiedenen Effekte ist nun in der hier gewählten Darstellung der Schrödinger-
Gleichung zwar nicht sehr schwierig, führt aber doch zu sehr länglichen Formeln, die
man insbesondere auch nicht sehr gut physikalisch deuten kann. Wir führen deshalb
statt dem hier benutzten Schrödingerbild das Heisenbergbild ein, das wir in den Aufga-
ben am Schluß des Kapitels näher besprechen werden. Hier genügt es, die wichtigsten
Eigenschaften des Schrödingerbilds bzw. des Heisenbergbilds darzustellen. Im Schrö-
dingerbild wird die zeitabhängige Lösung Ψ der Schrödinger-Gleichung bestimmt, und
18.5 Zwei-dimensionale Kernspinresonanzspektroskopie 387

die Verbindung mit gemessenen Werten wird mit Hilfe von Erwartungswerten darge-
stellt, z. B. in den Schreibweisen

Ψ ∗ (x, t)exΨ(x, t)dx oder Ψ(t)(|D|Ψ(t) . (18.30)

Im Heisenbergbild wird die zeitliche Entwicklung, die in der Wellenfunktion Ψ steckt,


in bestimmter Weise auf den Operator D, etwa auf den Dipol-Operator abgewälzt, so
daß nun Erwartungswerte von der Form
ψ(0)|D(t)|Ψ(0) (18.31)
zu bestimmen sind. Wie wir sogleich sehen werden, hat die Benutzung des Heisenberg-
bilds den großen Vorteil, daß wir die zeitliche Entwicklung der Operatoren direkt be-
stimmen und sie unmittelbar interpretieren können.
Betrachten wir nun die Einwirkung von H1 auf einen Spin gemäß einer klassischen
Interpretation. Hier können wir das Wechselwirkungsglied H1 in der Form
(2πJkl Ilz )Ikz (18.32)
schreiben, wobei wir den in Klammer stehenden Teil als ein effektives Feld auffassen,
das auf den Spin mit dem Index k, mit dem es magnetisch verknüpft ist, einwirkt. Dieses
effektive Feld wirkt offensichtlich analog zu Ωk und führt zu einer Präzession des Spins,
d. h. zu einer Drehung um die z-Achse. Wir erhalten damit die zeitliche Entwicklung
des Spins in der Form
Ikz → Ikx cos Ω
t + Iky sin Ω
t , (18.33)
wobei die Winkelgeschwindigkeit Ω
durch

= 2πJkl Ilz  = πJkl (18.34)
gegeben ist. Wie wir sogleich sehen werden, bringt erst die quantenmechanische Be-
handlung einen neuen wichtigen Term herein, der dann Anlaß zu dem hier betrachteten
2-dimensionalen Kernspinresonanz-Experiment gibt. Die Durchführbarkeit dieses Expe-
riments ist übrigens ein indirekter Hinweis auf die Gültigkeit der Quantenmechanik, die
nicht durch die klassische Physik ersetzt werden kann.
Betrachten wir also nun nochmals quantenmechanisch die Einwirkung des Opera-
tors H1 auf die x-Komponente des Kernspins k, was wir in der Form
2πJkl Ikz Ilz t1
Ikx −−−−−−−→ Ikx cos(πJkl t1 ) + 2Iky Ilz sin(πJkl t1 ) (18.35)
schreiben. Wie wir in den Aufgaben am Schluß des Kapitels zeigen werden, tritt bei der
quantenmechanischen Behandlung im Heisenbergbild gegenüber (18.33) ein neuer Fak-
tor im zweiten Glied auf, nämlich Ilz . Dieser Faktor wird sich sogleich als fundamental
erweisen. Wirken nun gleichzeitig noch die beiden Glieder des Operators
H0 = Ωk Ikz + Ωl Ilz (18.36)
auf den Spin ein, so führt dies lediglich zu einer Präzessionsbewegung
Ikx (0) → Ikx (t1 ) = Ikx (0) cos(Ωk t1 ) + Iky (0) sin(Ωk t1 )
Iky (0) → Iky (t1 ) = −Ikx (0) sin(Ωk t1 ) + Iky (0) cos(Ωk t1 ) , (18.37)
388 18. Magnetische Kernresonanz

die zusätzlich zur Bewegung (18.35) auftritt. Setzen wir also (18.37) in (18.35) ein, so
erhalten wir das Resultat
Ht1 : ;
Ikx −→ Ikx cos(Ωk t1 ) + Iky sin(Ωk t1 ) cos(πJkl t1 )
  
1
: ;
+ 2 Iky cos(Ωk t1 ) − Ikx sin(Ωk t1 ) Ilz sin(πJkl t1 ) . (18.38)
     
2 2

Hierin beziehen sich die Komponenten der Spins auf die Anfangszeit, t = 0
Ik = Ik (0) , Il = Il (0) . (18.39)
Da nur die Transversalkomponente des Spins an das elektromagnetische Wechselfeld
koppelt, nicht aber die z-Komponente, würde bei einer Messung die Präzessionsfre-
quenz Ω1 des Spins k „aufleuchten“.
Ikx  = 0 , (18.40)
Ilz  = 0 . (18.41)
Jetzt kommt aber die entscheidende Einwirkung. Wir wenden noch einmal einen π/2-
Puls an, wobei das Magnetfeld in die x-Richtung zeigt. Wir präparieren also damit
einen neuen quantenmechanischen Anfangszustand im rotierenden Koordinatensystem.
Die Anwendung des π/2-Pulses führt, wie wir wissen, wiederum zu einer Drehung um
die x-Achse gemäß den Regeln
Ikx → Ikx
Iky → Ikz (18.42)
Ilz → Ily .
(Vgl. hierzu auch die Aufgaben.) Die Regel (18.42) gibt insbesondere Anlaß zur Erset-
zung
Iky Ilz → −Ikz Ily , (18.43)
die wir nun in (18.38) durchzuführen haben.
Betrachten wir was jetzt weiter mit der Zeitentwicklung von Ikx geschieht. Der
Beitrag 1 in (18.38) enthält keine Kopplung zwischen l und k und ist im Zusammen-
hang mit unserer Behandlung uninteressant. Das Glied 2 bringt nach dem π/2-Puls
einen neuen Anfangszustand für die weitere Zeitentwicklung. Dieser Anfangszustand
lautet
−2Ikz Ily cos(Ωk t1 ) sin(πJkl t1 ) . (18.44)
Er entwickelt sich unter der hemischen Verschiebung und
H1 = 2πJkl Ikz Ilz (18.45)
weiter, wobei wir
2πJkl Ikz Ilz t2
Ikz Ily −−−−−−−→ Ikz Ily cos(πJkl t2 ) (18.46)
18.5 Zwei-dimensionale Kernspinresonanzspektroskopie 389

und das Zusatzglied


1
− Ilx sin(πJkl t2 ) (18.47)
2
finden. Setzen wir (18.47) in (18.44) ein und beachten die Präzession, so erhalten wir
für die Entwicklung von Ikx insbesondere den Anteil
[Ilx cos(Ωl t2 ) + Ily sin(Ωl t2 )] · sin(πJkl t2 ) · cos(Ωk t1 ) sin(πJkl t1 ) . (18.48)
Wie wir sehen, enthält der Operator Ikx , der sich also auf den Spin k bezieht, nun An-
teile, die von der Präzessionsbewegung des Spins mit dem Index l herrühren. Der Aus-
druck (18.48) vermittelt somit eine Kopplung zwischen den Spins k und l, wobei der
Spin k im Signal von der Zeit t1 herrührt, während der Beitrag des Spins l durch die
Meßzeit t2 wiedergegeben wird. Messen wir jetzt den Übergang des Spins l mit der x-
Komponente, so ist das entsprechende Matrixelement von 0 verschieden
Ilx  = 0 (18.49)
und ebenso auch
Ily  = 0 . (18.50)
Für das Signal Mx erhalten wir also
Mx ∝ cos(Ωl t2 ) sin(πJkl t2 ) · cos(Ωk t1 ) · sin(πJkl t1 ) . (18.51)
Zerlegen wir die cos- und sin-Funktionen in die einzelnen Exponentialfunktionen,
so erkennen wir, daß hier in t1 zwei Komponenten auftreten, nämlich Ωk ± πJkl
und in t2 entsprechend Ω2 ± πJkl . Tragen wir daher, wenn wir uns eine Fourier-
Transformation durchgeführt denken, das Signal über der ω1 , ω2 -Ebene auf, so erhalten
wir die Abb. 18.15.
Offensichtlich können aus dieser Abbildung die Größe der Wechselwirkungsener-
gie J zwischen den Spins und die chemischen Verschiebungen Ωk , Ωl , direkt abgelesen
werden.
Fassen wir unsere Resultate zusammen. Wegen des Wechselwirkungsgliedes
Jkl Ikz Ilz (18.52)

Abb. 18.15. Beispiel für die


Information, die über die Fre-
quenzen Ωk , Ωl und Jkl aus
dem zwei-dimensionalen Spek-
trum gezogen werden können.
Bei einem realen Molekül tritt
eine Fülle derartiger Peaks auf,
die es dann im einzelnen zu
analysieren gilt
390 18. Magnetische Kernresonanz

erhält die Drehimpulskomponente in x-Richtung ein Zusatzglied von der Form (vgl.
(18.35))
Iky Ilz · f(Ωk t1 ) , (18.53)
das also, grob gesprochen, die Präzession des Spins k mit der Frequenz Ωk im ersten
Zeitabschnitt wiedergibt. Wenden wir dann den zweiten π/2-Puls an, so wird die Rolle
zwischen k und l vertauscht (vgl. (18.43)). Die Ausstrahlung, die auf der y-Komponente
des Spins l beruht, wird nun sichtbar und damit auch die mit der Präzessionsbewegung
verknüpfte Frequenz Ωl (vgl. (18.48))
∼ g(Ωl t2 ) . (18.54)
In beiden Fällen treten aufgrund der Spin-Spin-Wechselwirkung noch zusätzliche Os-
zillationen mit der Kreisfrequenz πJkl auf. Das Gesamtsignal ist also
∝ f [(Ωk ± πJkl )t1 ]g[(Ωl ± πJkl )t2 ] (18.55)
und stellt die gesuchte Verknüpfung zwischen den Spins dar.
Der Vollständigkeit halber diskutieren wir noch die weiteren Glieder. Das Glied
−2Ikz Ily (t2 ) cos(Ωk t1 ) sin(πJkl t1 ) · cos(πJkl t2 ) (18.56)
kann ebenso wie das eben diskutierte Glied behandelt werden. Das noch in der obigen
Formel (18.38) auftretende Glied
2Ikx Ily sin(Ωk t1 ) sin(πJkl t1 ) (18.57)
ist in unserem Zusammenhang uninteressant. Es bleibt gegenüber
2πJkl Ikz Ilz (18.58)
invariant und beschreibt nur noch eine Präzession in der Zeit t2 . Dies wird bei einer
2D-Fourier-Transformation nicht beobachtet, da die zugehörigen Frequenzen entweder
nahe bei Null oder doppelt so groß sind, nicht aber bei Ω liegen, wobei Ω die gesamte
Präzessionsfrequenz, d. h. also im nichtrotierenden System, ist.
Bei unseren vorangehenden Ableitungen hatten wir Beziehungen zwischen Spin-
Operatoren hergeleitet. Diese Relationen können wir zum einen sehr anschaulich deu-
ten, sie aber auch in solche zwischen klassischen Größen „übersetzen“, indem wir Er-
wartungswerte mit Hilfe von Wellenfunktionen bilden, die dem Problem angepaßt sind,
nämlich kohärenten Spinfunktionen (vgl. die Aufgaben am Schluß dieses Kapitels).
In diesem Abschnitt haben wir die kohärente, durch die J-Kopplung vermittelte,
Wechselwirkung besprochen. Daher rührt auch der Name COSY (coherent spectro-
scopy). Im nächsten Abschnitt wenden wir uns der inkohärenten Wechselwirkung zu,
wobei insbesondere die Relaxationsprozesse berücksichtigt werden, die wir in diesem
Abschnitt außer Acht gelassen haben.

18.5.3 Untersuchung dynamischer Prozesse mit Hilfe


der 2-dimensionalen Austausch-Spektroskopie, insbesondere NOESY1
Die Untersuchung dynamischer Vorgänge, wie des chemischen Austausches, der Kreuz-
relaxation, des nuklearen Overhauser-Effekts, der Spin-Diffusion und der Kreuzpolari-
1 Wir folgen hier weitgehend dem Kap. 9 von Ernst, Bodenhausen, Wokaun (siehe Literaturver-
zeichnis)
18.5 Zwei-dimensionale Kernspinresonanzspektroskopie 391

sation mit Hilfe der 2D-Spektroskopie hat, wie wir schon besprochen haben, eine An-
zahl von Vorteilen gegenüber der 1D-Technik, insbesondere dann, wenn das System ein
ausgedehntes Netzwerk von Austauschprozessen enthält, die gleichzeitig vorkommen.
Der nukleare Overhauser-Effekt besteht im Transfer der Magnetisierung zwischen Kern-
spins. Die Kreuzrelaxation führt zu einem Übertrag der Magnetisierung zwischen den
Spins und zu Intensitätsänderungen. Die Kreuzrelaxation hängt sowohl von dem Cha-
rakter des Bewegungsprozesses als auch von der Entfernung der miteinander wechsel-
wirkenden Spins ab. Die 2D-Methoden sind besonders nützlich für das Studium lang-
samer dynamischer Vorgänge mit Raten, die zu langsam sind, um die Linienformen
zu beeinflussen. Die 2-dimensionale Austausch-Spektroskopie ist daher besonders gut
geeignet für das Studium von Kreuzrelaxationen, dem transienten Overhauser-Effekt
und der Spindiffusion in Festkörpern. Bei Anwendung auf den hemischen Austausch
ist der Informationsgehalt der 2D-Austausch-Spektren am größten, wenn die Tempe-
ratur so gewählt wird, daß die Austauschrate groß gegenüber der longitudinalen Rela-
xation und klein ist verglichen mit den Spektralparametern, die durch den Austausch
beeinflußt werden. Die grundlegende Idee der 2D-Austausch-Spektroskopie besteht in
der Frequenzmarkierung der longitudinalen Magnetisierung der verschiedenen Plätze
bevor der Austausch stattfindet, so daß nach dem Austausch die Wege der Magneti-
sierung zurück zu ihrem Ursprung verfolgt werden können. Während die Magnetisie-
rung in einen Nichtgleichgewichtszustand versetzt wird, bleiben die Konzentrationen der
chemischen Spezies im dynamischen Gleichgewicht während des ganzen Experiments
konstant.
Betrachten wir die grundlegende Sequenz in Abb. 18.16. Dabei wird ein Paar von
nichtselektiven π/2-Pulsen benutzt. Nichtselektiv bedeutet dabei, daß diese Pulse in
gleicher Weise auf alle hier betrachteten Spins wirken. Ein Paar solcher nichtselektiver
π/2-Pulse, die durch die Evolutionsperiode t1 getrennt sind, wird benutzt, um die
Nichtgleichgewichts-Bevölkerung zu dem Beginn der Mixing-Zeit τm vorzubereiten.
Der Einfachheit halber betrachten wir einen symmetrischen chemischen Austausch
zwischen zwei Stellen mit gleichen Konzentrationen (k AB = k BA = k), gleichen Spin-
gitterrelaxations-Raten (R1A = R1B = R1 ) und gleichen transversalen Relaxationszeiten
(T2A = T2B = T2 ). Die transversale Magnetisierung, die durch den ursprünglichen
π/2-Puls in y-Richtung angeregt wird, präzediert frei in dem t1 -Intervall. Wenn der
Austausch langsam ist, können wir seine Wirkung auf die Linienbreite während dieser
Periode vernachlässigen, und wir erhalten zwei komplexe Komponenten der Magneti-
sierung, die als klassische Größe aufgefaßt wird:
M+
A (t1 ) = M A0 e
(iΩ A t1 −t1 /T2 )
, (18.59)

M+
B (t1 ) = M B0 e
(iΩ B t1 −t1 /T2 )
. (18.60)
Wenn der zweite Puls entlang der y-Achse angewendet wird, werden die reellen Kom-
ponenten der transversalen Magnetisierung in solche der longitudinalen Magnetisie-
rung
M Az (τm = 0) = −M A0 cos Ω A t1 e−t1 /T2 , (18.61)
−t1 /T2
M Bz (τm = 0) = −M B0 cos Ω B t1 e (18.62)
verwandelt. Die y-Komponente bleibt bei dem Puls unverändert und wird üblicherweise
durch ein inhomogenes magnetisches Feld zerstört. Im Falle, daß der zweite Puls nicht
392 18. Magnetische Kernresonanz

Abb. 18.16. Das grundlegende


Schema für die 2D-Austausch-
spektroskopie, wobei t1 und t2
die Evolutions- und Nachweis-
perioden darstellen. Die Aus-
tauschzeit τm ist üblicherweise
in einem 2D-Experiment kon-
stant gehalten, kann aber auch
variiert werden, so daß es
dann zu einer 3D-Spektroskopie
kommt. (Nach Ernst et al.) exakt π/2 ist, ist es ratsam, daß die Beiträge von der Magnetisierung, die gegen M A0
und M B0 in der Zeit t1 tendiert, durch Phasenänderungen ausgelöscht werden. Die t1 -
modulierten longitudinalen Komponenten in den Gleichungen (18.61), (18.62) wandern
wegen des chemischen Austausches oder der Kreuzrelaxation von einer Stelle zur ande-
ren, während die Spin-Gitter-Relaxation das Gedächtnis der ursprünglichen Markierung
auslöscht, so daß wir
1 
M Az (τm ) = M Az (τm = 0) 1 + e−2kτm e−τm /T1
2
1 
+ M Bz (τm = 0) 1 − e−2kτm e−τm /T1 (18.63)
2
und
1 
M Bz (τm ) = M Az (τm = 0) 1 − e−2kτm e−τm /T1
2
1 
+ M Bz (τm = 0) 1 + e−2kτm e−τm /T1 (18.64)
2
erhalten, wobei k die Ratenkonstante des Austauschprozesses ist. Der endgültige
π/2-Puls in y-Richtung verwandelt diese longitudinalen Komponenten in eine be-
obachtbare transversale Magnetisierung. Nach einer 2D-Fourier-Transformation er-
scheint ein Kreuzpeak an der Stelle (ω1 , ω2 ) = (Ω A , Ω B ) einer integrierten Ampli-
tude I BA (τm ) wenn eine Magnetisierungskomponente, die mit der Frequenz Ω A
in der Zeit t1 präzediert, ihre Präzession bei der Frequenz Ω B in der Zeit t2 auf-
nimmt. Die Amplituden Ikl (τm ) der diagonalen und Kreuzpeaks hängen von der
Gleichgewichts-Magnetisierung Ml0 und von Mixing-Koeffizienten a ab, so daß all-
gemein gilt
I A A (τm ) = a A A (τm )M A0 , (18.65)
I BB (τm ) = a BB (τm )M B0 , (18.66)
I AB (τm ) = a AB (τm )M B0 , (18.67)
I BA (τm ) = a BA (τm )M B0 . (18.68)
Die Mixing-Koeffizienten entsprechen dabei den Faktoren in den Gleichungen (18.63),
(18.64) und lauten
1 
a A A = a BB = 1 + e−2kτm e−τm /T1 (18.69)
2
und
1 
a AB = a BA = 1 − e−2kτm e−τm /T1 . (18.70)
2
18.6 Anwendungen der Kernspin-Resonanz 393

Die Wege, die zu den diagonalen und Kreuzpeaks führen, sind schematisch in Abb. 18.17
dargestellt. Man beachte, daß für Systeme ohne aufgelöste Kopplungen die Erschei-
nung eines Kreuzpeaks genügend Beweis dafür ist, daß ein Austausch stattfindet. In
dem Fall, wo die beiden Plätze symmetrisch sind und der hier diskutiert wird, d. h. für
M A0 = M B0 , kann die Austauschrate von dem Verhältnis der Gipfelintensitäten oder
Peakintensitäten bestimmt werden
IAA aAA 1 + e−2kτm 1 − kτm
= = −2kτ
≈ . (18.71)
I AB a AB 1− e m kτm
Diese Ausdrücke können zu dem Fall, wo Austauschprobleme mit M-Plätzen auftreten,
wobei gleichzeitig chemischer Austausch und Kreuzrelaxation vorkommen, verallge-
meinert werden. Der große Vorteil des 2D-Schemas liegt in der Möglichkeit, Netzwerke
mit einer großen Zahl von Plätzen zu studieren. Obgleich eine große Zahl von Expe-
rimenten mit verschiedenen t1 -Werten in der 2D-Methode nötig sind, resultiert eine
bedeutende Empfindlichkeit aus der Tatsache, daß alle Prozesse gleichzeitig untersucht
werden, was bei der 1D-Methode nicht der Fall ist.
Der hier besprochene nukleare Overhauser-Effekt liefert eine einzigartige Informa-
tion über molekulare Strukturen in Lösung, die nicht mit irgendeiner anderen bekannten
Technik erhalten werden kann. Solche Messungen sind von zentraler Wichtigkeit in der
Molekularbiologie geworden, wo sie die vollständige Bestimmung der 3D-Struktur
großer Biomoleküle gestatten. Die auf dem nuklearen Overhauser-Effekt beruhende
2-dimensionale Spektroskopie wird auch mit NOESY abgekürzt.

Abb. 18.17. Die Übertragung


der frequenzmarkierten longitu-
dinalen Polarisation in der 2D-
Austauschspektroskopie eines
symmetrischen 2-Platz-Systems.
Die Amplituden der diagonalen
Peaks, die proportional zu
a A A (τm ) = a BB (τm ) sind, zer-
fallen bi-exponentiell, während
die Kreuzpeak-Amplituden, die
proportional zu a BA (τm ) =
a AB (τm ) sind, erst wegen des
Austausches anwachsen, bevor
sie wegen der Spin-Gitter-Rela-
xation wieder abnehmen. (Nach
Ernst et al.)

18.6 Anwendungen der Kernspin-Resonanz


Die Kernspin-Resonanz-Spektroskopie ist in den letzten Jahrzehnten mit einer hochent-
wickelten Meßtechnik zu einer Methode entwickelt worden, mit der man die Strukturen
und die Bindungsverhältnisse in Molekülen detaillierter als mit allen anderen Metho-
den der Physiker und Chemiker analysieren kann. Das gilt für kleine Moleküle, das gilt
394 18. Magnetische Kernresonanz

aber auch für Polymere und für große biochemisch und biophysikalisch wichtige Funk-
tionseinheiten in der Biologie. Sowohl für Analytik wie für Strukturaufklärung ist die
Methode durch keine andere zu ersetzen, und sie gehört zu den unentbehrlichen spek-
troskopischen Hilfsmitteln des Chemikers.
Man kann sie weiter zum Studium von dynamischen Prozessen, von Bewegun-
gen von Molekülen oder Molekülteilen, und von molekularen Reaktionen verwenden.
In den letzten Jahren gewinnt die ortsauflösende Kernspin-Resonanz, die Kernspin-
Tomographie, und allgemein die in vivo-Resonanz zunehmend Bedeutung in Biologie
und Medizin. Wie in I, Abschn. 20.7 näher aufgeführt, wird bei der Tomographie in
einem räumlich inhomogenen Magnetfeld die Lage der Spins durch ihre Aufspaltung
und damit Resonanzfrequenz markiert. So gelingt es, Moleküle und ihre Reaktionen
auch in Innern von Lebewesen zu untersuchen, ohne diese zu beschädigen. Als wichtige
Anwendungen seien die Untersuchung von Stoffwechselvorgängen und vom Wirkme-
chanismus von Medikamenten genannt.
Außer Protonen werden, wie bereits in Abschn. 18.4 erwähnt, besonders die Kerne
13 C, 19 F, 31 P als Sonden verwendet. Die Methode der Kernresonanz erlaubt jedoch eine
Untersuchung aller Kerne, die einen Spin besitzen. Zusätzliche Informationen bekommt
man aus Kernquadrupol-Resonanzen bei Kernen mit I ≥ 1 im elektrischen Feldgradi-
enten der chemischen Bindung.

Aufgaben
18.1 a) Obwohl der Kernspin eine rein quantenmechanische Größe ist, läßt er sich auf
klassische Weise als Drehimpuls beschreiben. Stellen Sie seine Bewegungsgleichung im
Magnetfeld B auf, und leiten Sie daraus die Larmorfrequenz seiner Präzessionsbewe-
gung ab.
b) Das Erdmagnetfeld besitzt am Äquator eine Stärke von 1,3 · 10−5 T. Wie groß ist
die Larmorfrequenz, mit der der Spin eines Protons um die Feldrichtung präzediert?
18.2 a) Für ein NMR-Labor an der Uni Stuttgart soll ein Gerät beschafft werden, mit
dem Experimente zur Protonenspinresonanz durchgeführt werden können. Der Vertreter
einer Herstellerfirma schlägt ein Spektrometer mit einem festen Magnetfeld von 2,166 T
und durchstimmbarer Frequenz vor. Ein Diplomand denkt kurz nach und rät dann vom
Kauf ab. Warum?
b) Man folgt dem Rat des Diplomanden und kauft ein anderes Spektrometer, das bei
einer Festfrequenz von 30,256 MHz arbeitet. Bei welchen Magnetfeldern kommt es zur
Resonanz von Protonen bzw. 13 C-Kernen?
18.3 Im NMR-Spektrum eines Moleküls AB beobachtet man vier Linien bei δ =
5,8, 5,7, 1,1 und 1,0 ppm. Dabei wurde ein 100 MHz-Spektrometer verwendet und TMS
als Standard. Bestimmen Sie die chemischen Verschiebungen der Kerne A und B (in δ)
sowie die Kopplungskonstante J zwischen ihnen (in Hz) für den Fall J  δ.
18.4 Die Elektronendichte an einem Atom wird durch den induktiven Effekt eines be-
nachbarten Atoms X beeinflußt. Ordnen Sie die so verursachten chemischen Verschie-
bungen der X-Methylgruppen N–CH3 , O–CH3 und C–CH3 nach ihrer Größe.
18.5 Beschreiben Sie das NMR-Spektrum des Fluor-Kerns im Vinylfluorid H2 C=CHF.
Das Molekül enthält drei nicht äquivalente Protonen Ha , Hb und Hc ; die Differenzen
Aufgaben 395

der chemischen Verschiebungen der einzelnen Protonen sind wesentlich größer als ihre
Kopplungskonstanten mit den angegebenen Werten.

JHa Hb = 5 Hz JHa F = 85 Hz
JHb Hc = −3 Hz JHb F = 50 Hz
JHc Ha = 13 Hz JHc F = 20 Hz
18.6 Wie sieht das Protonenresonanzspektrum von 1,1,2-Trichlorethan CH2 Cl–CHCl2
in Deuterochloroform CDCl3 aus (qualitativ)?
18.7 Im Molekül 1-Nitropropan Ha3 C–CHb2 –CHc2 –NO2 liegen drei Sorten inäquivalen-
ter Protonen vor (Ha , Hb , Hc ). Im NMR-Spektrum erkennt man Tripletts bei 1,03 ppm
und 4,38 ppm sowie ein Sextett bei 2,07 ppm (relative Intensitäten 1:5:10:10:5:1). Be-
stimmen Sie die chemischen Verschiebungen δa , δb und δc . Welche Aussagen über die
Kopplungskonstanten Jab , Jac und Jbc können Sie machen?
18.8 a) Welches Protonenresonanzspektrum erwarten Sie für Acetaldehyd CH3 CHO
(JHH = 2,9 Hz), wenn die chemischen Verschiebungen der Protonen 2,20 und 9,80 ppm
betragen?
b) Es wird ein äußeres Feld von 1,5 T bzw. 7,0 T angelegt. Wie stark unterscheiden
sich jeweils die lokalen Magnetfelder zwischen den beiden Bereichen des Moleküls?
18.9 Beschreiben Sie das Protonenresonanzspektrum von CD3 COCD2 H, das oftmals
als Verunreinigung im vollständig deuterierten Lösungsmittel Aceton CD3 COCD3 ent-
halten ist. Nehmen Sie dabei an, daß keine Kopplung zwischen CD3 und CD2 H besteht.
18.10 Mit Hilfe eines einfachen Modells gelangt man zu einem Ausdruck für die Be-
wegungsverschmälerung von NMR-Linien.
Am Ort eines magnetischen Dipols (Spins) fluktuiere das B-Feld statistisch zwischen
den beiden Zuständen B0 + Bi und B0 − Bi (z. B. durch eine Änderung der anisotropen
Dipol-Dipol-Wechselwirkung). Dies gibt Anlaß zu einer Phasenverschiebung des Spins
gegenüber seinen Nachbarn und somit zur transversalen Relaxation in der Zeit T2 .
Wie hängt T2 von der mittleren Fluktuationszeit τ ab? Benutzen Sie dazu die Analo-
gie zwischen der Phasenverschiebung φ und dem Weg L, der bei einem „random walk“
in n Schritten der Schrittweite 5 zurückgelegt wird: L 2  = ns2 (mittl. quadrat. Weg-
länge). Bedenken Sie, daß Spins mit einer Phasenverschiebung von φ > 1 nicht mehr
zum Resonanzsignal beitragen.
Wie lautet der Zusammenhang zwischen der Linienbreite ∆ν und der Breite ∆ν0 =
(1/2π)γBi in einem starren Gitter?
18.11 Warum weisen NMR-Spektren von Festkörpern im allgemeinen größere Lini-
enbreiten auf als Spektren von Flüssigkeiten?
18.12 a) Bei einer NMR-Messung mit einem 60 MHz-Spektrometer liegen die Re-
sonanzen der beiden Methylgruppen von N,N-Dimethylnitrosamin (CH3 )2 N–NO in ei-
nem Abstand von 39 Hz. Die Rotation der NO-Gruppe führt zu schnellen Änderungen
der magnetischen Umgebung und damit zu einer Austauschverschmälerung dieser Re-
sonanz. Bestimmen Sie die Austauschfrequenz, ab der man nur noch eine Linie findet.
b) Im Protonenresonanzspektrum von Methyl-Cyclohexan sieht man bei niedriger
Temperatur zwei Gruppen von Linien, die sich den Methylprotonen zuordnen lassen.
Erklären Sie, warum diese beiden Gruppen bei höheren Temperaturen zusammenfallen.
396 18. Magnetische Kernresonanz

18.13 Die zweidimensionale (n-dimensionale) Fouriertransformations-NMR hilft,


komplizierte Spektren zu „entwirren“, indem sie die Wechselwirkungen sortiert. Der
Trick ist dabei, daß man im Verlauf einer Pulsmessung durch Manipulation des Hamil-
tonoperators von außen bestimmte Wechselwirkungen ein- oder ausschaltet. Solange der
Hamiltonoperator Nr. n wirksam ist, zählt man die Zeit auf der Achse tn (n = 1, 2, . . . ).
a) Wieviel Zeit hat man maximal für die Manipulationen des Einzelexperiments?
b) Welche Wechselwirkung schalten Sie durch eine π2 − τ − π − τ-Folge, welche durch
Einstrahlung einer zweiten Hochfrequenz aus?
18.14 Was ist eine Carr-Purcell-Pulsfolge? Wie arbeitet sie anschaulich?
18.15 Zeigen Sie, wie aus dem Schrödingerbild das Heisenbergbild folgt.
Hinweis: Gehen Sie von der formalen Lösung
Ψ(x, t) = e−iHt/h Ψ(x, 0) (1)
der zeitabhängigen Schrödingergleichung
 ∗ aus (Beweis für (1)?) und drücken Sie
den
 ∗ Erwartungswert Ψ DΨdx mit Hilfe von (1) aus. Dieser läßt sich auch durch

Ψ (x, 0) D(t)Ψ(x, 0)dx ausdrücken. (Beweis? H ist hermitesch!) Wie lautet D(t)?
Warum genügt D der Gleichung
d i ≡ i (H D − DH)
?
D = [H, D] (2)
dt h h

Lassen sich die Resultate auf Ψ j∗ DΨk dx verallgemeinern?
18.16 Inwiefern kann man beim Spin von Kohärenz sprechen?
Hinweis: Bilden Sie das Wellenpaket a| ↑ + b| ↓ aus den Spinwellenfunktionen | ↑
und | ↓ in der bra-ket Bezeichnung nach Dirac und berechnen Sie den Erwartungswert
von Ix .
Wie ändert sich dieser im Laufe der Zeit, wenn der Spin einem zeitlich konstanten
Magnetfeld in z-Richtung ausgesetzt ist?
18.17 Bestimmen Sie die „Bewegung“ der Spin-Komponente Ikx sowie für Iky Ilz ge-
mäß der Heisenbergschen Bewegungsgleichung (2) von Aufgabe 18.15, wobei im ro-
tierenden System von der Form
H = 2πJkl Ikz Ilz
ist. Wie lauten die zeitabhängigen Lösungen der sich ergebenden Gleichungen?
18.18 Zeigen Sie, daß sich die Operator-Beziehung im Heisenbergbild
I± (t) = I± (0) eiΩt , I± = Ix + iI y
als Präzesionsbewegung deuten läßt, indem Sie zu Erwartungswerten
Ψ |I± (t)|Ψ 
übergehen, wobei Ψ = Ψ(0) eine kohärente Spin-Funktion
Ψ(0) = α| ↑ + β| ↓ , |α|2 + |β|2 = 1
ist.
Aufgaben 397

18.19 Zerlegen Sie das elektromagnetische Feld in seine Moden ∝ eikx und zeigen
Sie, daß der Wechselwirkungsoperator zwischen einem Spin 12 und einer Mode von der
Form
Hww = hgb+ I− + hg∗ bI+ (3)
ist, wobei g eine Kopplungskonstante ist. Wie lautet diese? In (3) sind nur resonante
Glieder berücksichtigt („rotating wave approximation“). Diskutieren Sie diese Nähe-
rung.
Hinweis: Gehen Sie von der Wechselwirkungsenergie eines Spins 12 mit einem Ma-
gnetfeld aus, drücken dieses durch das Vektorpotential aus, das gemäß (16.40) in seine
Moden zerlegt wird.
18.20 Der Hamiltonoperator für einen Spin 12 in einem konstanten Magnetfeld, der
mit einer Mode des elektromagnetischen Feldes in Wechselwirkung steht, lautet
hΩIz + hωb+ b + hg(b+ I− + bI+ ) .

Wie lautet die Heisenberg-Gleichung für b+ ? Fügen Sie dieser ein Dämpfungsglied
−κb+ hinzu und lösen Sie diese für einen präzedierenden Spin, indem Sie zu Erwar-
tungswerten für einen präzedierenden Spin mit einer kohärenten Spinfunktion überge-
hen. Was folgt hieraus für die Operatorgleichungen von Abschn. 18.5.2?
19. Elektronenspin-Resonanz

Die Verwendung des Elektronenspins in der Resonanz-Spektroskopie ermöglicht wich-


tige Einblicke in Struktur und Dynamik von paramagnetischen Molekülen (Abschn. 19.1
bis 19.4). Dies gilt besonders auch für Moleküle in Triplettzuständen, also mit einer
Gesamtspin-Quantenzahl S = 1 (Abschn. 19.5). Besonders interessant sind auch we-
gen ihrer großen Nachweis- und Auflösungs-Empfindlichkeit verschiedene Verfahren
der Mehrfach-Resonanz (Abschn. 19.6 bis 19.8), die teilweise an molekülphysikalischen
Problemen entwickelt wurden und auch für andere Gebiete der Physik, zum Beispiel die
Festkörperphysik, wichtig geworden sind.

19.1 Grundlagen
Die Elektronenspin-Resonanz-Spektroskopie (ESR) ist in der Molekülphysik zwar we-
niger wichtig als die Kernspin-Resonanz, weil Moleküle im allgemeinen diamagnetisch
sind und somit keinen Anlaß zur Elektronenspin-Resonanz geben. Es gibt dagegen nur
wenige Moleküle, die nicht wenigstens einen Kern mit von Null verschiedenem Spin
enthalten und somit der Untersuchung mit der Kernspin-Resonanz zugänglich sind. Die
ESR-Spektroskopie ist in der Molekülphysik andererseits auf die relativ wenigen Mo-
leküle beschränkt, die ein ungepaartes Elektron enthalten und damit paramagnetisch
sind. Dort ist sie allerdings eine wichtige Untersuchungsmethode, mit der man viel über
Struktur, Bindungsverhältnisse und Dynamik von Molekülen lernen kann.
Welche Moleküle sind paramagnetisch? Die wichtigsten Gruppen sind
– Moleküle mit paramagnetischen Atomen als Bausteinen, insbesondere dann, wenn
wie etwa bei den Seltenen Erden oder wie bei den Übergangs-Elementen der Para-
magnetismus durch innere Elektronen zustande kommt, zum Beispiel die Ionen Fe3+
oder [Fe(CN6 )]3− . Die äußeren Valenzelektronen können trotzdem paarweise abge-
sättigt, also diagmagnetisch sein.
– Moleküle mit einem ungepaarten äußeren Elektron, sogenannte Radikale. Es gibt
stabile Radikale, z. B. das als Standard zur Magnetfeld-Eichung mit gut bekann-
tem und genau meßbarem g-Faktor (siehe unten) oft verwendete DPPH (Diphenyl-
Picryl-Hydrazyl). Es gibt aber auch Radikale, die durch Lösungsmittel-Einfluß, durch
chemische Reaktionen oder durch Bestrahlung aus einem diamagnetischen Molekül
entstehen und durch Rekombination mit dem abgespaltenen Bruchstück wieder ver-
schwinden können.
– Moleküle im Triplett-Zustand, sei es – wie bei O2 , NO, NO2 – der Grundzustand, sei
es, wie bei Naphthalin, ein metastabiler Triplett-Anregungszustand, vgl. dazu auch
Abschn. 13.4. Bei Lebensdauern von ca. 10−6 s oder länger lassen sich auch diese
Anregungszustände mit stationärer ESR untersuchen.
400 19. Elektronenspin-Resonanz

Die Grundlagen der ESR-Spektroskopie und ihrer experimentellen Realisierung wur-


den bereits
√ in I, Kap. 13 besprochen. Ein Elektron mit dem magnetischen Moment
µs = s(s + 1)µB gs (s = Spinquantenzahl, also 1/2, µB = Bohrsches Magneton,
gs = g-Faktor = 2,0023 für das freie Elektron) hat in einem Magnetfeld B0 zwei mög-
liche Orientierungen m s = ±1/2 mit dem Energieunterschied ∆E = gs µB B0 , wenn mit
m s die magnetische Spinquantenzahl bezeichnet wird, vgl. Schema 19.1. Die Gleichung
hν = ∆E = gs µB B0 (19.1)

Schema 19.1. Energiezustände ist die Grundgleichung der ESR. Strahlt man nämlich senkrecht zur Richtung von B0
eines Elektrons im Magnetfeld elektromagnetische Strahlung mit dieser Frequenz ν ein, so ist für ein freies Elektron
B0 . Das magnetische Moment die Resonanzbedingung erfüllt, und man kann Übergänge zwischen den beiden Einstel-
des Elektrons ist negativ, sein lungen des Elektronspins, also ESR beobachten. In Zahlen gilt
Vektor dem Spin (Pfeil) entge-
gengerichtet. Im Zustand m s = Hz
−1/2 ist das magnetische Mo- ν = 2,8026 · 1010 B0 (19.2)
ment parallel zu B0 ausgerichtet, T
dies ist der tiefere Zustand. für die Frequenz der erlaubten magnetischen Dipolübergänge mit ∆m s = ±1. Man
Für die Kernspin-Resonanz,
Abschn. 18.1, gilt das gleiche wählt für B0 häufig Felder in der Größenordnung 0,1 bis 1 T und kommt so mit der
Schema, wenn man m s durch m t Frequenz in den Bereich der Mikrowellen, d. h. zu Frequenzen im Bereich von GHz.
ersetzt. Jedoch ist beim Proton Die Intensität der Signale in ESR-Spektren ist, wenn man Sättigungseffekte vermei-
das magnetische Moment posi- det (das heißt bei nicht zu langen Relaxationszeiten T1 und nicht zu hoher Mikrowellen-
tiv, deshalb liegt der Zustand
m I = +1/2 energetisch tiefer leistung) proportional zur Anzahl der in der Meßprobe vorhandenen ungepaarten Spins.
als m I = −1/2. Man muß also Dabei trägt zum Signal wie bei der Kern-Resonanz nur der temperaturabhängige Beset-
die Richtungen der beiden Pfeile zungsunterschied zwischen den Einstellungen parallel und antiparallel zum Feld B0 bei.
umkehren Die Nachweisbarkeits-Grenze ist der Linienbreite umgekehrt proportional und liegt bei
Verwendung konventioneller ESR-Spektrometer bei 1010 Spins, wenn man eine Linien-
breite von 1 G = 104 T annimmt.
Die Spin-Gitter-Relaxation wird wie bei den Kernen durch zeitlich variable magne-
tische Störfelder mit einer Korrelationszeit von der Größenordnung der Larmorfrequenz
bestimmt. Solche Störfelder können durch die Bewegung benachbarter magnetischer
Momente in der Lösung oder im Festkörper hervorgerufen werden. T1  10−7 s bei
Zimmertemperatur ist ein typischer Wert für Moleküle in Lösung, bei abnehmender
Temperatur wird T1 länger. Für T2 beobachtet man ähnliche oder kürzere Zeiten.

19.2 Der g-Faktor


Die einfachste Meßgröße, die die ESR liefert, ist der g-Faktor des paramagnetischen
Elektrons nach Gl. (19.1). Dies ist bei einem Molekül zwar meistens eine anisotrope
Größe. Durch Bewegung in Lösung oder durch Einbau in ungeordnete Matrix wird die
Anisotropie jedoch verdeckt. Erstaunlicherweise haben fast alle Radikale, ebenso wie
die Triplett-Zustände organischer Moleküle und sogar die paramagnetischen Elektro-
nenzustände in manchen Ionenkristallen g-Faktoren, die sich nur wenig, nämlich um
nicht mehr als einige Promille, von dem des freien Elektrons unterscheiden. Daraus kann
man schließen, daß sich diese Elektronen weitgehend wie Elektronen ohne Bahndrehim-
puls, also mit l = 0, verhalten. Dies kann daher rühren, daß es sich um s-Elektronen
handelt, oder aber daß sie sich auf Orbitalen aufhalten, die dem ganzen Molekül ange-
hören und sich nichtlokalisierten Orbitalen am Ort eines Atoms im Molekül zuordnen
lassen, die ebenfalls keinen Bahndrehimpuls besitzen.
19.3 Hyperfeinstruktur 401

In Molekülen, die Atome mit paramagnetischen Elektronen auf inneren Schalen ent-
halten, ebenso auch in Ionenkristallen, gibt es jedoch auch g-Faktoren, die sich aus Spin-
und Bahndrehimpuls-Quantenzahlen ergeben und sehr viel größer als 2 sein können.
Hier gehört das paramagnetische Elektron tatsächlich noch als lokalisiertes Elektron zu
einem Atom, und man muß die Kopplung zwischen Spin und Bahnmoment berücksich-
tigen. Wie sich Spin- und Bahnmoment zu einem Gesamtmoment zusammensetzen, und
wie der entsprechende g J -Faktor definiert ist, haben wir bereits in I, Abschn. 12.7 und
12.8 sowie 13.3.5 erläutert. Es gibt jedoch auch bei solchen Molekülen Elektronenzu-
stände mit g = 2, das heißt mit praktisch reinem Spin-Magnetismus. Das kann daran
liegen, daß das Atom oder Ion eine Elektronenkonfiguration mit L = 0 hat, wie z. B.
Fe3+ mit 5 ungepaarten d-Elektronen und S = 5/2, L = 0, also der Konfiguration 6 S5/2 .
Oder aber es erfolgt eine Aufhebung der Russell-Saunders-Kopplung durch das starke
innere elektrische Feld der Bindung im Molekül oder Kristall, und die Quantenzahl L
ist nicht mehr definiert.
Übrigens enthält der g-Faktor, wie er hier durch Gl. (19.1) definiert wird, auch die
„chemische Verschiebung“ durch lokale Ströme, die durch das angelegte Feld am Ort
des magnetischen Momentes induziert werden.

19.3 Hyperfeinstruktur

Weiterhin mißt man in der ESR die Wechselwirkung zwischen dem mit dem Spin ver-
bundenen magnetischen Moment des paramagnetischen Elektrons und den Spins bzw.
Momenten von Kernen mit nicht verschwindendem Spin I. Die Energieterme und die
Resonanzlinie des Elektrons werden durch Hyperfein-Wechselwirkung mit dem Spin I
eines Atomkerns in ein Multiplett von 2I + 1 Hyperfeintermen oder eine dementspre-
chende Anzahl von Linien aufgespalten. Die Hyperfeinwechselwirkung ist der wichtig-
ste Beitrag der Elektronenspin-Resonanz zur Molekülphysik. Man kann sie in folgender
Weise verstehen. Der Spin bzw. das magnetische Moment des Kerns erzeugt ein Ma-
gnetfeld, das zu dem angelegten Feld B0 je nach Orientierung zu addieren oder von
ihm zu subtrahieren ist. Ein dipolarer Anteil der Wechselwirkung wird, wenn die Mo-
leküle sich in Lösung befinden oder sonst in allen Richtungen beweglich sind, durch
die Bewegung der Moleküle ausgemittelt. Es bleibt aber die skalare oder Kontakt-
Wechselwirkung erhalten. Diese magnetische Wechselwirkung mit kugelsymmetrisch
um den Kern verteilten s-Elektronen läßt sich nicht als Dipol-Dipol-Wechselwirkung
beschreiben. Sie ist isotrop und wird durch Bewegung nicht ausgemittelt. Das Feld am
Ort des Elektrons lautet dann

Bloc = B0 + am I , (19.3)

wenn m I die magnetische Spinquantenzahl des Kerns, also m I = I, I − 1 . . . − I, und a


die hier in der Einheit des Magnetfeldes gemessene Hyperfein-Kopplungskonstante für
die spezielle Konfiguration Kern/Elektron ist.
Dies ist in Abb. 19.1 für ein Proton mit I = 1/2 und m I = 1/2 gezeigt. Resonanz
tritt jetzt bei zwei Feldern auf, und die Resonanzbedingung lautet
 a
hν = gµB B0 ± . (19.4)
2
402 19. Elektronenspin-Resonanz

Abb. 19.1. Die Hyperfein-Wech-


selwirkung zwischen einem
Elektron und einem Kern mit
dem Spin I = 1/2 ergibt vier
Niveaus mit zwei ESR-Linien
gleicher Intensität. Die Hyper-
feinaufspaltung wird mit a be-
zeichnet. Die zweifache Entar-
tung der magnetischen Zustände
eines Elektrons ohne Magnet-
feld wird im Feld B0 in zwei
Zustände m s = ±1/2 aufge-
spalten. Es gibt eine ESR-Linie
(unterbrochene Linien). Ein
Proton hat dazu zwei mögliche
Einstellungen m I = +1/2, das
führt zu einer Verschiebung der
Terme nach (19.3) und zu zwei
ESR-Linien mit der halben
Intensität im Abstand a

Wegen der Auswahlregel ∆m s = ±1, ∆m I = 0 spaltet ein Proton die ESR-Linie ei-
nes Elektrons also in zwei Linien auf, wie wir es bereits für das H-Atom in I, Kap. 20,
behandelt haben. Die Energieaufspaltung beträgt
∆E Hfs = a , (19.5)
wenn wir die Hyperfein-Kopplung als Energie ebenfalls mit a bezeichnen. Die Umrech-
nung erfolgt nach (19.1) (1 Gauss =
2,8 MHz). Jeder Term des Elektrons verschiebt sich
um den Betrag
∆E Hfs = am I . (19.6)
Bei der Wechselwirkung des paramagnetischen Molekül-Elektrons mit einem Kern mit
Spin I beträgt die Anzahl der Hyperfeinstruktur-Niveaus 2I + 1 mit gleichem statisti-
schem Gewicht, da ein solcher Kern 2I + 1 mögliche Einstellungen relativ zum magne-
tischen Moment des Elektrons bzw. zum angelegten Feld hat. Die typische Größenord-
nung für diese Hyperfein-Wechselwirkung ist 10−3 –10−4 T, wenn wir sie als Magnet-
feld messen. Abbildung 19.2a zeigt dies für einen Kern mit I = 3/2.
Wenn der paramagnetische Elektronenzustand mit mehreren äquivalenten Kernen in
Wechselwirkung steht, dann muß man zur Erklärung der zu beobachtenden Hyperfein-
struktur die Anzahl und die Häufigkeit der Spineinstellungen dieser Kerne berücksich-
tigen. Bei N äquivalenten Protonen erhält man N + 1 Hyperfeinstruktur-Linien. Ihre In-
tensitätsverteilung erhält man wieder, wie schon bei der früher behandelten Kern-Kern-
Kopplung, aus dem Pascalschen Dreieck, siehe Abb. 18.12. Unter Äquivalenz versteht
man hier, daß ihre magnetische Wechselwirkung mit dem Elektron gleich groß ist. Dies
wird anhand des ESR-Spektrums des Methyl-Radikals CH− 3 erläutert, Abb. 19.2b. Das
Spektrum besteht aus 4 äquidistanten Linien mit dem Intensitätsverhältnis 1:3:3:1. Die-
ses ergibt sich, wie in Abb. 19.2b gezeigt, aus dem statistischen Gewicht mit der die
m s -Werte von +3/2 bis −3/2 für die 3 äquivalenten Protonen möglich sind.
19.3 Hyperfeinstruktur 403

Abb. 19.2. (a) Hyperfein-Auf-


spaltung des Terms m s eines
Elektrons durch einen Kern mit
I = 3/2 in 4 Komponenten, mit
m I = 3/2, 1/2, −1/2, −3/2.
(b) Die Hyperfeinstruktur durch
3 äquivalente Kerne mit I = 1/2
ergibt 4 Linien mit dem angege-
benen Intensitätsverhältnis. Der
Zahlenwert gilt für das Methyl-
Radikal CH− 3

Als weiteres Beispiel zeigt Abb. 19.3 das ESR-Spektrum eines Benzol-Radikal-
Anions (C6 H6 )− , wie man es durch Elektronenübertragung von Alkaliatomen auf
neutrales Benzol in Lösung leicht erzeugen kann. Das ungepaarte Elektron ist, wie
man aus dem hier besprochenen Hyperfein-Aufspaltungsbild der ESR ableiten kann,
gleichmäßig über den Benzol-Ring verteilt. Seine Hyperfein-Wechselwirkung mit den 6
Protonen führt zu 7 Linien mit dem Intensitätsverhältnis 1:6:15:20:15:6:1 (Abb. 19.4).
Daraus folgt, daß alle 6 Protonen äquivalent sind. Übrigens kann man auch Benzol-
Radikal-Kationen (C6 H6 )+ elektrolytisch oder durch Elektronen-Entzug mit konzen-
trierter Schwefelsäure erzeugen. Das ESR-Spektrum des Kations ist dem des Radikal-
Anions sehr ähnlich. Ein überschüssiges Elektron ist im Benzol-Ring also ähnlich
verteilt wie ein fehlendes.
Beim Naphthalin-Radikal-Anion (Abb. 19.5) ist die Spin-Verteilung des freien Elek-
trons über die C-Atome und damit die Hyperfein-Wechselwirkungsenergie mit den 8
Protonen nicht mehr gleichmäßig. Wären alle 8 Protonen äquivalent, dann würde man
ein ESR-Spektrum mit 2I + 1 = 9 Linien mit einem aus dem Pascal-Dreieck ablesba-
ren Intensitätsverhältnis 1:8:28:56:70:56:28:16:1 beobachten. Das tatsächlich beobach-
tete Spektrum ist folgendermaßen zu verstehen: Die C-Atome in α-Stellung, d. h. in den

Abb. 19.3. ESR-Spektrum des


Benzol-Radikal-Anions C6 H−
6 in
Lösung. Aufgetragen ist die
ESR-Absorption, aus Meß-
gründen deren Ableitung, als
Funktion des Magnetfeldes B.
Man beobachtet 7 Hyperfein-
Linien mit der Aufspaltung
a = 0,375 mT
404 19. Elektronenspin-Resonanz

Abb. 19.4. Pascal-Dreieck – zur


Erklärung der Anzahl und re-
lativen Häufigkeit der Hyper-
fein-Komponenten bei der
Wechselwirkung von einem
Elektron mit 6 äquivalenten
Protonen, das heißt im Benzol-
Radikal. Die Wechselwirkung
mit N äquivalenten Protonen
führt zu N + 1 äquivalenten
Linien mit den angegebenen
Intensitätsverhältnissen. Siehe
dazu auch Abb. 18.12

Positionen 1, 4, 5, 8 sind in sich äquivalent, die β-C-Atome 2, 3, 6, 7 ebenfalls, aber


die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons an den α-Positionen ist größer als die
an den β-Positionen. Die Protonen an den 4 äquivalenten α-C-Atomen führen deshalb
zu einer Aufspaltung in 5 Linien mit dem Intensitätsverhältnis 1:4:6:4:1. Jede dieser
Linien wird durch die (kleinere) Hyperfein-Wechselwirkung mit den unter sich äquiva-
lenten β-Protonen wieder in 5 Linien aufgespalten. Das Resultat zeigt Abb. 19.5. Die
Kopplungskonstanten aα und aβ sind ein Maß für die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des
ungepaarten Elektrons an diesen Positionen.
Diese Beispiele zeigen bereits, daß es mit Hilfe der ESR-Hyperfeinstruktur möglich
ist, die Verteilung der Elektronendichte oder genauer gesagt der Spindichte auf einem
Molekül auszumessen und damit Molekülorbitale näher zu charakterisieren.
Noch mehr Information erhält man aus einer quantitativen Auswertung der Größe der
Hyperfein-Aufspaltung. Die Hyperfein-Wechselwirkung zwischen Elektron und Kern
hat im allgemeinen Fall, wie bereits erwähnt, einen anisotropen und einen isotropen An-

Abb. 19.5. ESR-Spektrum des


Naphthalin-Radikal-Anions in
Lösung, wie in Abb. 19.3.
Hier gibt es zwei Gruppen von
Protonen mit unterschiedlicher
Hyperfeinkonstante, da die Auf-
enthaltswahrscheinlichkeit des
ungepaarten Elektrons in den
α-Positionen (1, 4, 5, 8) größer
ist als in den β-Positionen (2,
3, 6, 7). Die Meßwerte für die
Hyperfein-Aufspaltung betragen
aα = 0,495 mT, aβ = 0,186 mT.
Nach (19.8) kann man daraus
die Spindichte des ungepaarten
Elektrons ausrechnen. Sie be-
trägt in den α-Positionen 0,22,
in den β-Positionen 0,08
19.3 Hyperfeinstruktur 405

teil. Der anisotrope Teil kann als magnetische Dipol-Dipol-Wechselwirkung zwischen


dem magnetischen Moment des Kerns und dem des Elektrons verstanden werden und
hat die für Dipol-Wechselwirkung bekannte Winkelabhängigkeit [vgl. Gl. (18.13)]. Er
gilt zum Beispiel für Elektronen in p-Orbitalen. In diesen hat das Elektron einen end-
lichen Abstand vom Kern. Es sieht deshalb vom Kern ein Magnetfeld, das dem eines
quasi-punktförmigen Dipols gleicht. Betrag und Vorzeichen hängen von der Orientie-
rung des Moleküls zum angelegten Feld ab. Wenn Moleküle in Lösung sich schnell be-
wegen können, wird diese Wechselwirkung im Zeitmittel zu Null gemittelt und wird
nicht gemessen. Deshalb sind die ESR-Linien paramagnetischer Moleküle bei Messung
in flüssiger Lösung meistens viel schärfer als bei Messung im Festkörper. Wenn es nur
diese anisotrope Hyperfein-Wechselwirkung geben würde, würde man in flüssiger Lö-
sung keine Hyperfeinstruktur messen können.
In der Molekülphysik wichtiger ist der zweite, isotrope Teil der Hyperfein-Wechsel-
wirkung. Die bereits in I, Abschn. 20.3 eingeführte isotrope oder Fermi-Kontakt-
Wechselwirkung ist die magnetische Wechselwirkung zwischen den magnetischen Mo-
menten von Elektronen am Kernort und dem Kernmoment. Sie ist von der Orientierung
des Radikals oder Moleküls unabhängig und tritt deshalb auch bei Molekülen auf, die
sich – wie das in Lösung der Fall ist – schnell und ungeordnet bewegen. Sie ist nur
für Elektronen in solchen Orbitalen von Null verschieden, die nicht am Kernort einen
Knoten der Aufenthaltswahrscheinlichkeit haben, also in erster Linie für s-Elektronen,
die ja kugelsymmetrisch um den Kern verteilt sind. Diese Wechselwirkungsenergie
zwischen einem Proton und einem Elektron hat die Größe (siehe Gl. (20.11) in I)
2µ0
E= g I µK ge µB |ψ(0)|2 = a , (19.7)
3
wobei |ψ(0)|2 die Elektronendichte am Kernort und a die meßbare Hyperfeinaufspal-
tungsenergie ist.
Für den Grundzustand des H-Atoms ergibt sich ein Meßwert von 50 mT für die Hy-
perfeinaufspaltung, wenn wir a wieder in der Einheit des Magnetfeldes messen. Das
heißt, ein s-Elektron des H-Atoms erfährt vom Proton ein Feld von 50 mT. Dies ist üb-
rigens der größte bekannte Hyperfeinaufspaltungs-Wert für Protonen. Wir wählen die
Aufenthaltswahrscheinlichkeit oder Elektronendichte am Kernort für das 1s-Elektron im
Wasserstoff-Atom zur Normierung als 1 und können damit nach der allgemeinen Be-
ziehung

a = R , R = 50 mT (19.8)

aus gemessenen Hyperfein-Aufspaltungen a von Protonen Elektronendichten  an Kern-


orten im Molekül bestimmen. Streng genommen ist  keine Elektronen- oder Spindichte,
sondern eine Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons, also dimensionslos.
Dies wollen wir am CH3 -Radikal CH− 3 , vgl. Abb. 19.2b, erläutern. Das ESR-
Spektrum dieses Radikals besteht aus 4 Linien mit dem Intensitätsverhältnis 1:3:3:1
und dem Abstand 2,3 mT. Wir schließen daraus, daß das Radikal-Elektron Hyperfein-
Wechselwirkung mit 3 äquivalenten Protonen hat. Die Spindichte an jedem der Protonen
beträgt gemäß (19.8)
2,3
= = 0,046 , das heißt etwa 5%.
50
406 19. Elektronenspin-Resonanz

Das Elektron hält sich also zu etwa 5% an jedem der Protonen als 1s-Elektron auf, zu
85% im Bereich des zugehörigen C-Atoms.
Die gemessene Kopplungskonstante a ist nach (19.8) der Spindichte und damit der
Elektronendichte am Ort des betrachteten Kerns proportional. Je größer die Aufenthalts-
wahrscheinlichkeit des Elektrons am Ort eines Kerns, das heißt die Elektronendichte, ist,
um so größer ist die mit a gemessene Aufspaltung. Aus der Messung an Benzol ent-
nimmt man zum Beispiel mit der Annahme einer gleichmäßigen Verteilung des unge-
paarten Elektrons über den Ring mit seinen sechs C-Atomen, daß 1/6 Elektron zu einer
Kopplungskonstante −0,375 mT führt. Ein ganzes Elektron als π-Elektron in der Nähe
eines C-Atoms führt dann beim daran gebundenen Proton zu a = 6(−0,375) mT =
−2,25 mT. Nach (19.8) bedeutet dies, daß seine Aufenthaltswahrscheinlichkeit an al-
len 6 Protonen 5% beträgt, die restlichen 95% befinden sich gleichmäßig an den C-
Atomen. Für solche CH-Bindungen gilt die McConnell-Beziehung. Diese besagt, daß
die isotrope Hyperfeinstruktur-Kopplungskonstante ai des Protons in einer CH-Bindung
und die zugehörige Spindichte i des ungepaarten π-Elektrons an den jeweils benach-
barten Kohlenstoff-Atomen einander proportional sind und daß gilt

ai = Qi , Q = −2,25 mT (19.9)


i = Spindichte, normiert auf 1 für ein ganzes Elektron, d. h.

i = 1 , wenn über alle i beteiligten Kerne summiert wird.

Mit Hilfe dieser wichtigen Beziehung kann man aus gemessenen Hyperfein-Aufspal-
tungen von Protonen die Elektronendichte am Ort der verschiedenen C-Atome in ei-
nem Molekül berechnen, wenn man Spindichte und Elektronendichte gleichsetzt. Die
C-Atome treten selber im Resonanzspektrum als Hyperfeinstruktur nicht in Erschei-
nung, wenn es sich um das bei weitem häufigste Kohlenstoff-Isotop 12 C handelt. Die-
ses hat die Spinquantenzahl I = 0. Das mit der natürlichen Häufigkeit 1% vorhandene
stabile Isotop 13 C mit I = 1/2 gibt jedoch selbst Anlaß zu entsprechender Linien-
Aufspaltung. Seine Hyperfein-Wechselwirkung mit dem paramagnetischen Elektron
des Radikals ist in Abb. 19.3 und 19.5 wegen der geringen natürlichen Häufigkeit
von 13 C nicht zu sehen.
Abb. 19.6. Indirekte Kopplung Hier muß allerdings noch auf einen weiteren wichtigen Wechselwirkungs-Mechanis-
zwischen dem Spin eines un- mus hingewiesen werden, der die in den vorhergehenden Abschnitten behandelte
gepaarten Elektrons und einem Hyperfein-Aufspaltung in den C−H-Bindungen erst möglich macht. Bei den nicht
Kernspin in der Nachbarschaft gepaarten Elektronen, wie wir sie im CH3 -Radikal und im Benzol-Radikal betrach-
am Beispiel des CH3 -Radikals.
Das ungepaarte Elektron im tet haben, handelt es sich ja um Elektronen aus p-Orbitalen des C-Atoms, verglei-
pz -Orbital polarisiert den Spin che dazu Abb. 19.6. Elektronen in p-Orbitalen sollten aber keine isotrope Hyperfein-
eines der beiden σ-Elektronen Wechselwirkung mit den C-Atomen oder den in einer Ebene senkrecht zum p-Orbital
der CH-Bindung und damit liegenden H-Atomen haben, da ihre Spindichte am Kernort verschwindet. Die in
auch das andere, da deren
Spins antiparallel zueinander
sind. Dies führt zu einer Kopp-
lung mit dem Protonen-Spin.
In der Mitte ist der Fall der
„positiven“, rechts derjenige
der „negativen“ Kopplung über
zwei C-Atome dargestellt. Bei
negativer Kopplung spricht man
auch von negativer Spindichte
19.4 Feinstruktur 407

Abb. 19.3 und 19.5 gezeigte Hyperfeinstruktur aromatischer Radikale kommt jedoch
trotzdem, und zwar indirekt durch Spin-Polarisation zustande.
Diese wollen wir nach Abb. 19.6 am Beispiel des Methyl-Radikals erläutern. Das
ungepaarte Elektron befindet sich in einem pz -Orbital des C-Atoms und hat deshalb
am Ort des H-Atoms die Spindichte 0. Man erwartet in diesem Falle keine Hyperfein-
struktur. Da man jedoch eine solche beobachtet, muß es eine indirekte Kopplung zwi-
schen den Spins von Elektron und Protonen geben. Eine solche haben wir bereits in
Abschn. 18.2.3 und 18.2.4 kennengelernt. Das ungepaarte Elektron im pz -Orbital hat
die Tendenz, den Spin des einen der beiden σ-Elektronen des C-Atoms in der C−H-
Bindung vorzugsweise parallel zu seiner eigenen Einstellung zu stellen – das folgt aus
der Hundschen Regel. Das bedeutet für das jeweils zweite σ-Elektron in den drei C−H-
Bindungen entgegengesetzte Spin-Einstellung, nach dem Pauli-Prinzip. Die Kernspins
der Protonen werden nun ihrerseits bevorzugt antiparallel zu den ihnen benachbarten
Elektronenspins eingestellt, und damit letzten Endes parallel zu dem ungepaarten Spin
im pz -Orbital. Diese indirekte Wechselwirkung kann also dadurch beschrieben werden,
daß man annimmt, daß das Elektron mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Kontakt-
Wechselwirkung mit dem H-Atom erfährt. Dies bezeichnet man mit dem Begriff einer
Spindichte des ungepaarten Elektrons am Ort des Kohlenstoffs oder des Protons nach
(19.9). Man muß also zwischen Elektronendichte und Spindichte unterscheiden. Die ent-
sprechende Hyperfein-Wechselwirkung wird so also beobachtbar.
Auch hier gilt wieder wie schon bei der Kernspin-Kernspin-Wechselwirkung in
Kap. 18, daß die zur gegenseitigen Ausrichtung der Spins führenden Wechselwirkungs-
energien klein sind gegen die Quantenenergien der Elektronenspin-Resonanz. Wenn wir
also sagen, die Spins „haben die Tendenz, sich parallel oder antiparallel zu stellen“ (was
man auch Spinpolarisierung nennt), dann heißt das, daß beide Einstellungen realisiert
sind, aber mit einer (kleinen) Energiedifferenz.
Mit diesen Beispielen soll aufgezeigt werden, wie die Elektronenspin-Resonanz zur
Aufklärung der Elektronenverteilung auf einem Molekül und damit zum besseren Ver-
ständnis von Molekülstruktur und chemischer Bindung beitragen kann. Die Größe  in
Gl. (19.8) und (19.9) ist wie erwähnt strenggenommen eine Spin- und keine Elektronen-
dichte. Durch den indirekten Mechanismus der Wechselwirkung wird übrigens auch ver-
ständlich, daß die Spindichte auch negative Werte annehmen kann. Wenn nämlich, wie
in Abb. 19.6 rechts gezeigt, die Kopplung über ein weiteres C-Atom läuft, führt die aber-
malige Anwendung der Hundschen Regel zu einer antiparallelen Einstellung zwischen
Spin des Protons und Spin des ungepaarten Elektrons. Offensichtlich ist dieser Spin-
Polarisations-Mechanismus demjenigen sehr verwandt, den wir früher in Abschn. 18.2.3
für die indirekte Kernspin-Kopplung kennengelernt haben.
Jedenfalls eröffnet die Beobachtung der Hyperfeinstruktur in ESR-Spektren von
Molekülen einen Weg zur experimentellen Bestimmung der Verteilung von Elektronen
in Molekülen, und damit zur Ausmessung der räumlichen Erstreckung von Molekülor-
bitalen.

19.4 Feinstruktur
Als Feinstruktur bezeichnet man in der ESR-Spektroskopie eine magnetische Wechsel-
wirkung zwischen den Spins und Momenten verschiedener Elektronen. Es gibt sie also
nur in Molekülen oder Molekülzuständen mit mehr als einem ungepaarten Elektronen-
spin.
408 19. Elektronenspin-Resonanz

Der paramagnetische Zustand des Moleküls kann – wie bisher angenommen – auf
der Existenz eines Elektrons mit ungepaarten Spin s = 1/2 im Molekül beruhen. Dies
ist ein Dublett-Zustand, da das Elektron zwei Einstellungsmöglichkeiten im Felde B0
hat. Es gibt, wie bereits erwähnt, aber auch molekulare Zustände, bei denen zwei Elek-
tronen parallele Spins haben. Solche Triplett-Zustände mit der Spinquantenzahl s = 1
treten zum Beispiel als metastabile Anregungszustände organischer Moleküle auf, vgl.
dazu Abb. 15.1.
Für√die ESR kann dieser Triplett-Zustand wie ein Teilchen mit Spin S = 1, d. h.
|S| = S(S + 1)h mit S = 1, behandelt werden. Im äußeren Feld B0 spaltet ein sol-
cher Zustand in 3 Zustände mit m s = 0 und ±1 auf. Die Aufspaltung ist äquidistant, und
man würde nur eine Resonanzlinie für Übergänge ∆m = ±1 erwarten. Nun kommt aber
zur Aufspaltung im Felde B0 noch die Dipol-Dipol-Wechselwirkung der beiden magne-
tischen Momente der Elektronen hinzu, die den Zustand mit S = 1 bilden. Diese führt
in einer vereinfachten Darstellung dazu, daß jedes der beiden Elektronen ein zusätzli-
ches Magnetfeld D vom jeweils anderen Elektron spürt, wie in Abb. 19.7 gezeigt. Eine
genauere Darstellung folgt in Abschn. 19.5.
Abb. 19.7. Für einen Zustand Im Zustand Sz = m s = +1, das heißt beide Einzelspins in Feldrichtung, verstärkt
mit der Gesamtspin-Quantenzahl dieses zusätzliche Feld das Feld B0 , im Zustand Sz = m s = −1 wird das Feld um den
S = 1, das heißt zwei paral-
lelen Elektronen-Spins, gibt
gleichen Betrag geschwächt, vergleiche Abb. 19.7. Dadurch wird die Energie beider Zu-
es im Magnetfeld (Mitte und stände um den gleichen Betrag relativ zu m s = 0 angehoben. Der mittlere Term bleibt
rechts) 3 Einstell-Möglichkeiten ungeändert, weil für m s = 0 das dipolare Zusatzfeld senkrecht zu B0 orientiert ist.
m s = +1, 0, −1. Im angelegten
Feld gibt das drei Terme. Die
Terme Sz = m s = ±1 erfahren
eine Verschiebung durch die
Dipol-Dipol-Wechselwirkung D,
der Term Sz = 0 bleibt un-
verschoben. Mit dem gleichen
Buchstaben D wird im allge-
meinen auch die Feinstruktur-
Energie bezeichnet

Wenn das angelegte Feld B0 kleiner als das Wechselwirkungsfeld D ist und im
Grenzfall gegen 0 geht, bleibt der Energieunterschied zwischen den Zuständen Sz = ±1
und Sz = 0 erhalten, und man erhält ein Termschema wie in Abb. 19.8 im linken Be-
reich des Diagramms gezeigt. Die Entartung im Zustand B0 = 0 ist durch die Dipol-
Dipol-Wechselwirkung aufgehoben. Für den Fall B0 = 0 erwartet und beobachtet man
im Spektrum 2 Resonanzlinien mit ∆m s = ±1. Ihr Abstand erlaubt die Bestimmung
des Wechselwirkungsfeldes D und damit der Wechselwirkungsenergie. Wenn es sich
um lokalisierte Elektronen handelt, läßt sich die Wechselwirkungsenergie der beiden
Elektronen-Momente im Abstand r als Dipol-Dipol-Wechselwirkung zweier Punkt-
Dipole in guter Näherung nach (19.10) ausrechnen. Für das Magnetfeld, das die beiden
Elektronen im Abstand r aufeinander ausüben, erhält man in der Hochfeldnäherung
und für ϑ = 90◦
µ0 3 1
D= ge µB 3 [V s m−2 ] = [Tesla] . (19.10)
4π 2 r
Aus einer Messung von D erhält man damit den Abstand r der beiden Elektronen, die
den Triplett-Zustand bilden, im Rahmen des Modells der lokalisierten Elektronen, dem
sogenannten Punkt-Dipol-Modell.
19.5 Berechnung von Feinstrukturtensor und Spinwellenfunktionen von Triplettzuständen 409

Abb. 19.8. Nullfeld-Aufspaltung


eines Triplett-Zustandes (links)
zwischen Sz (= m s ) = ±1 und 0
und Aufspaltung sowie erlaubte
Übergänge im angelegten Feld
B0 . Man beobachtet im Feld
B0 = 0 zwei ESR-Übergänge.
Ohne Magnetfeld B0 ist eine
Vorzugsrichtung z nicht defi-
niert. Statt Sz und m s benutzt
man zur Charakterisierung
der Zustände deshalb besser
die Symbole X, Y , Z wie in
Abb. 19.10

Die Feinstruktur führt also dazu, daß es bereits ohne äußeres Feld eine Aufspaltung
des Triplett-Elektronenzustandes gibt, die sogenannte Nullfeld-Aufspaltung mit drei er-
laubten Übergängen. Im Hochfeld erhält man, wie in Abb. 19.8 gezeigt, zwei Über-
gänge. Das im vorigen und in diesem Abschnitt diskutierte Modell zweier lokalisierter
Elektronen mit festem Abstand r ist insofern zu einfach, als die Elektronen über einen
größeren Bereich im Molekül verteilt oder delokalisiert sind. Die exakte Berechnung
der Feinstruktur-Wechselwirkung erfolgt deshalb ausführlich in Abschn. 19.5.

19.5 Berechnung von Feinstrukturtensor und Spinwellenfunktionen


von Triplettzuständen
Im folgenden wollen wir uns ausführlich mit den Energien der Triplettzustände befassen.
Grundlage hierfür ist natürlich wieder der Hamilton-Operator, der sich auf die Bahnbe-
wegung der Elektronen mit den Koordinaten r1 , r2 , die Energie der Spins im Magnetfeld
und die Dipolwechselwirkung zwischen den Spins bezieht. Der Hamilton-Operator hat
also die Gestalt
H(r1 , r2 , 1, 2) = H0,Ort + H0,Spin + H S , (19.11)
wobei auf der rechten Seite der erste Teil sich auf die Ortsbewegung bezieht und H0,Spin
explizit durch
1
H0,Spin = ge µB B0 · Ŝ (19.12)
h
gegeben ist. Hierin ist B0 das äußere Magnetfeld, während der Spinoperator Ŝ sich aus
den Spinoperatoren der beiden Elektronen zusammensetzt, Ŝ = Ŝ1 + Ŝ2 , und wie üblich
die drei Komponenten gemäß
 
Ŝ = Ŝx , Ŝy , Ŝz (19.13)
410 19. Elektronenspin-Resonanz

hat. Das Dach über S soll dabei andeuten, daß es sich hier um Operatoren handelt. Da-
bei gilt, wie auch in Band I,  Ŝ2  = h 2 S(S + 1). Der Dipolwechselwirkungsoperator in
(19.11) ist explizit durch
⎧   ⎫

1 µ0 2 2 Ŝ1 · Ŝ2 3 Ŝ1 · r12 Ŝ2 · r12 ⎬
HS = 2 · ge µB − (19.14)
h 4π ⎩ r12
3 5
r12 ⎭

gegeben. Er wird einfach aus der klassischen Wechselwirkungsenergie zweier magne-


tischer Dipole gewonnen, indem die magnetischen Momente durch die Spinoperatoren
multipliziert mit ge µB /h ersetzt werden. Ohne den Wechselwirkungsoperator (19.14) in
(19.11) lassen sich die Eigenfunktionen zum Hamilton-Operator H leicht angeben. Sie
haben dann die Produktform

Ψ(r1 , r2 , 1, 2) = 3 Ψ (r1 , r2 )σ(1, 2) ,

wobei sich der erste Faktor auf die Bahnbewegung des Triplett-Zustandes alleine be-
zieht, während der zweite Faktor σ sich auf die Spins 1 und 2 bezieht.
Unser Ziel soll es sein, einen Hamilton-Operator herzuleiten, der sich auf die Spin-
wellenfunktion alleine bezieht, nicht aber auf die Bahnwellenfunktion der Elektronen.
Da, wie sich im einzelnen zeigen läßt, die Bahnbewegung durch die Spinwechselwir-
kung nur wenig beeinflußt wird, ist der obige Ansatz nach wie vor eine gute Näherung,
und es genügt, die Wechselwirkungsenergie H S (19.14) durch den quantenmechanischen
Mittelwert

H = 3 Ψ ∗ (r1 , r2 )H S 3 Ψ (r1 , r2 ) dV1 dV2
S (19.15)

zu ersetzen. Gleichung (19.15) bedeutet also, daß der Abstand r12 zwischen den beiden
Elektronen mit Hilfe der Wahrscheinlichkeitsverteilung 3 Ψ ∗3 Ψ gemittelt wird. Betrach-
ten wir die Ausdrücke, die sich durch Einsetzen von (19.14) in (19.15) ergeben, etwas
genauer und schauen uns denjenigen Ausdruck an, der von dem ersten Ausdruck unter
der Klammer in (19.14) herrührt. Da das Integral eine skalare Größe ist, können wir es
auch zwischen das Skalarprodukt aus Ŝ1 und Ŝ2 schreiben, so daß wir erhalten
 
1 µ0 2 2 3 ∗ 1 3
· g µ Ŝ Ŝ
1 2 Ψ Ψ dV 1 dV 2 = Ŝ1 · . . . dV1 dV2 Ŝ2 . (19.16)
h 2 4π e B 3
r12
Damit wir auch in dem zweiten Ausdruck, der in der geschweiften Klammer in
(19.14) steht, die Spinoperatoren nach links und rechts herausziehen können, schreiben
wir den entsprechenden Anteil von (19.15) in der Form

1 µ0 2 2 r12 · r12 3 ∗
−3 2 · ge µB Ŝ1 · 3 Ψ ∗ 5
Ψ dV1 dV2 Ŝ2 . (19.17)
h 4π r
   12   
Ŝ1 · r̂12 r̂12 · Ŝ2
Darunter ist noch einmal durch geschweifte Klammern angedeutet, wie dieser Aus-
druck zu interpretieren ist. Zuerst ist das Skalarprodukt zwischen Ŝ1 und r12 zu nehmen,
ebenso dann das entsprechende zwischen r12 und Ŝ2 . Der in der Mitte stehende Aus-
19.5 Berechnung von Feinstrukturtensor und Spinwellenfunktionen von Triplettzuständen 411

druck r12 · r12 hat, wie aus der Mathematik bekannt ist, die Eigenschaften eines Tensors,
der sich explizit in der Form
⎧ ⎫
⎪ x12 · x12 x12 · y12 x12 · z 12 ⎪

⎪ ⎪

⎪y · x
r12 · r12 = ⎪ y12 · y12 y12 · z 12 ⎪⎪

⎪ 12 12 ⎪
⎪ (19.18)
⎩ ⎭
z 12 · x12 z 12 · y12 z 12 · z 12
schreiben läßt. Mit Hilfe dieser formalen Tricks können wir (19.15) in der einfachen
Weise
 
1 µ0 ∗ 1 3r12 · r12
H S = Ŝ1 · 2 g µ
2 2 3
Ψ − 3
Ψ dV1 dV2 Ŝ2 (19.19)
h 4π e B 3
r12 5
r12
  
2F

schreiben, wobei also die Spinoperatoren bezüglich der Elektronen 1 und 2 nach links
bzw. rechts herausgezogen sind. Das in der Mitte stehende Integral hat die Eigenschaf-
ten eines Tensors, den wir mit 2F abgekürzt haben. Der Deutlichkeit halber schreiben
wir diesen Tensor nochmals mit seinen Komponenten hin
 
1 µ0 2 2 3 ∗ δij 3r12,i · r12, j 3
Fij = 2 g µ Ψ − Ψ dV1 dV2 , (19.20)
2h 4π e B 3
r12 5
r12

wobei gilt
i, j = x, y, z (19.21)
und
r12,x = X 12 , r12,y = y12 , ... . (19.22)
Wie man anhand dieser expliziten Darstellung sieht, ist Fij symmetrisch. Ein solcher
Tensor kann durch eine geeignete Wahl des Koordinatensystems auf Diagonalform ge-
bracht werden, so daß die nichtdiagonalen Elemente verschwinden
Fij = 0 für i = j . (19.23)
Im folgenden wollen wir somit immer annehmen, daß Fij schon diagonalisiert ist. In
diesem Koordinatensystem haben dann die Diagonalelemente von F die folgende Ge-
stalt:
 
2 − 3x 2
1 µ0 2 2 3 ∗ r12
Fxx = 2 g µ Ψ 12 3
Ψ dV1 dV2 (19.24)
2h 4π e B 5
r12
 
2 − 3y2
1 µ0 2 2 ∗ r12
Fyy = 2 g µ 3
Ψ 12 3
Ψ dV1 dV2 (19.25)
2h 4π e B 5
r12
 
2 − 3z 2
1 µ0 2 2 r12
Fzz = 2 g µ 3
Ψ∗ 12 3
Ψ dV1 dV2 . (19.26)
2h 4π e B 5
r12
412 19. Elektronenspin-Resonanz

Wie man durch Einsetzen direkt nachprüft, ist die Spur, d. h. die Summe der Diagonal-
elemente = 0
Fxx + Fyy + Fzz = 0 . (19.27)
Für den Wechselwirkungs-Operator des Spins (19.15) erhalten wir so abschließend die
Form
H S = 2 Ŝ1 F Ŝ2 = 2Fxx Ŝ1x Ŝ2x + 2Fyy Ŝ1y Ŝ2y + 2Fzz Ŝ1z Ŝ2z . (19.28)
Wir wollen nun zeigen, daß sich (19.28) auch direkt durch den Gesamtspin

Ŝ = S1 + Ŝ2 (19.29)
ausdrücken läßt, d. h. daß gilt

H S = ŜF Ŝ . (19.30)
Dazu setzen wir (19.29) in (19.30) ein und multiplizieren die Summe in (19.29) aus,
was uns unmittelbar auf
H S = Ŝ1 F Ŝ1 + Ŝ2 F Ŝ2 + Ŝ1 F Ŝ2 + Ŝ2 F Ŝ1 (19.31)
führt. Betrachten wir den ersten Summanden auf der rechten Seite, so läßt sich dieser
in der Form
Ŝ1 F Ŝ1 = Fxx Ŝ1x
2
+ Fyy Ŝ1y
2
+ Fzz Ŝ1z
2
(19.32)
schreiben. Wie aber von den Spinmatrizen bekannt ist, gilt
h2
2
Ŝ1x = Ŝ1y
2
= Ŝ1z
2
=
. (19.33)
4
Gleichung (19.32) geht damit in
h2
(Fxx + Fyy + Fzz ) =0 (19.34)
4
über, was aber wie schon hingeschrieben = 0 ist, da die Spur von F verschwindet.
Ebenso kann man zeigen, daß das zweite Glied auf der rechten Seite von (19.31) ver-
schwindet. Wegen der Symmetrie des Tensors F stimmen die letzten beiden Glieder aber
überein und ergeben gerade den Ausdruck (19.28). Damit ist unsere kleine Nebenrech-
nung, die zeigte, daß wir (19.28) durch (19.30) ersetzen können, beendet.
Wir kommen nun zu dem wichtigen Begriff der Feinstrukturkonstanten. Da die Spur
des Tensors verschwindet, können wir den Tensor durch zwei Konstanten kennzeichnen.
Aus Gründen, die uns später erst näher einleuchten werden, wählen wir als Konstanten
die Größen
 
1
D = h Fzz − (Fxx + Fyy )
2
(19.35)
2
und
1 2
E= h (Fxx − Fyy ) . (19.36)
2
19.5 Berechnung von Feinstrukturtensor und Spinwellenfunktionen von Triplettzuständen 413

Setzen wir für die Hauptdiagonalkomponenten von F die Größen (19.24)–(19.26) ein,
so lassen sich D und E explizit in der Form
 
2 − 3z 2
3 µ0 2 2 3 ∗ r12
D= g µ Ψ 12 3
Ψ dV1 dV2 (19.37)
4 4π e B 5
r12
und
 
2 − x2
3 µ0 2 2 ∗ y12
E= g µ 3
Ψ 12 3
Ψ dV1 dV2 (19.38)
4 4π e B 5
r12
schreiben.
Wie sich aus der Definition von D und E ableiten läßt, entspricht die Größenord-
nung der Feinstruktur-Wechselwirkung der Dipol-Wechselwirkungsenergie zweier Elek-
tronen, also zweier Bohr-Magnetonen in einem Abstand, der der Dimension des be-
treffenden Moleküls entspricht. Für den Naphthalin-Triplett-Zustand ergeben Messun-
gen D = 0,1012 cm−1 , E = 0,0141 cm−1 . Wie man ferner für D aus der Klammer in
(19.37) entnimmt, tritt hier ein Maß für die Abweichung von der Kugelsymmetrie auf,
während in E in der Klammer ein Maß für die Abweichung der Erstreckung der Wel-
lenfunktion in der y-Richtung von der in der x-Richtung auftritt. Offensichtlich haben
(19.37) und (19.38) etwas mit der Erstreckung der Wellenfunktionen und damit mit der
Form des Moleküls zu tun.
Die Feinstrukturkonstanten D und E, die man aus den ESR-Spektren erhält, liefern
also Informationen über die Mittelwerte von quadratischen Abständen der Elektronen,
die durch die Ortswellenfunktionen beschrieben werden, siehe auch (19.10). Die Haupt-
achsen x, y, z des Feinstrukturtensors sind bei symmetrischen Molekülen identisch mit
den Hauptachsen x, y, z der Moleküle. x, y, z werden durch die Wellenfunktionen be-
stimmt, die ihrerseits an das Molekülgerüst gebunden sind. Mit Ω kürzen wir das In-
tegral 3 Ψ ∗ Ω 3 Ψ dV1 dV2 ab, wobei Ω = x 2 , y2 , z 2 , und können damit Tabelle 19.1
leicht verstehen.

Tabelle 19.1. Zusammenhang zwischen den Feinstrukturkonstanten D und E und


Symmetrie und Erstreckung von Wellenfunktionen

Feinstrukturkonstanten Wellenfunktion Beispiele

D = 0, E = 0 kugelsymmetrisch alle Atome


x 2  = y2  = z 2 
D = 0, E = 0 drei- oder mehrzählige Triphenyl
Symmetrieachse Coronen
x 2  = y2 
E>0 in y-Richtung gestreckt Carbene (BPG)
y2  > x 2 
E<0 in x-Richtung gestreckt Naphthalin, Anthrazen
y2  < x 2 

D>0 scheibenförmig Carbene −C•
diskusförmig
D<0 keulenförmig Biradikale z. B.
• •
hantelförmig −C=C=C−
414 19. Elektronenspin-Resonanz

Wir können uns nun nach diesen Vorbereitungen unserer weiteren Aufgabe zuwen-
den, nämlich die Spinwellenfunktionen und die zugehörigen Energien zu berechnen,
wenn die Dipolwechselwirkung und ein äußeres Magnetfeld vorliegen. Der grundle-
gende Hamilton-Operator für die Spins hat dann die Form
1 1   
Hspin = ge µB B0 · Ŝ + 2 D Ŝz2 + E Ŝx2 − Ŝ2y , (19.39)
h h
wobei Ŝ der Spinoperator für den Gesamtspin der beiden Elektronen ist. In (19.39) ist
angenommen, daß die Koordinaten sich auf die Hauptachsen des Feinstrukturtensors be-
ziehen. Gegenüber dem Hamilton-Operator (19.30) haben wir dabei das Glied
D 2 2
− Ŝ /h (19.40)
3
weggelassen, da dieses für den Triplett-Zustand lediglich eine Konstante ist. Unsere
Aufgabe ist es nun, die Schrödinger-Gleichung für die Spinwellenfunktion σ zu lösen.
Diese lautet

HSpin σ = εσ . (19.41)

Um dieses Problem zu lösen, benutzen wir die sogenannten Nullfeldfunktionen, die


den Hauptachsen des Feinstrukturtensors entsprechen. Wir geben diese Wellenfunktio-
nen zunächst an und prüfen dann anhand einzelner Beispiele deren Eigenschaften nach,
woran wir deren geeignete Wahl erkennen. Wir benutzen die Bezeichnung der Spinwel-
lenfunktionen für die einzelnen Elektronen α, β, so wie wir sie schon in Kap. 4 benutzt
hatten. Wir führen die folgenden Funktionen ein:
1
τx = √ (β(1)β(2) − α(1)α(2)) (19.42)
2
i
τ y = √ (β(1)β(2) + α(1)α(2)) (19.43)
2
1
τz = √ (α(1)β(2) + β(1)α(2)) . (19.44)
2
Wie man im einzelnen mit Hilfe von Relationen, wie wir sie in I kennengelernt haben,
nachrechnet, gelten die folgenden Beziehungen

Ŝx τ y = ihτz
Ŝ y τz = ihτx (19.45)
Ŝz τx = ihτ y

Ŝ y τx = −ihτz
Ŝz τz = −ihτx (19.46)
Ŝx τz = −ihτ y
19.5 Berechnung von Feinstrukturtensor und Spinwellenfunktionen von Triplettzuständen 415

sowie

Ŝx τx = 0 , Ŝ y τ y = 0 , Ŝz τz = 0 . (19.47)

Ersichtlich bewirkt die Anwendung einer Komponente des Spinoperators auf eine der
Spinwellenfunktionen eine Transformation dieser in eine andere.
Betrachten wir zunächst den Fall, daß das äußere Magnetfeld B0 = 0 ist. Wir be-
haupten, daß dann die in (19.42)–(19.44) eingeführten Wellenfunktionen bereits die Ei-
genfunktionen zu dem Hamilton-Operator (19.39), der in der Schrödinger-Gleichung
(19.41) auftritt, sind. Dazu sehen wir nach, wie die Operatoren Ŝx2 , . . . auf die einzelnen
Spinwellenfunktionen wirken. Wie man anhand der Relationen (19.45), (19.46) leicht
nachrechnet, findet man
 
Ŝz2 τx = Ŝz Ŝz τx = Ŝz ihτ y = h 2 τx , (19.48)
 
Ŝ2y τx = Ŝ y Ŝ y τx = Ŝ y (−ihτz ) = h 2 τx , (19.49)

oder unter zusätzlicher Benutzung von (19.47) das Resultat

HSpin τx = (D − E)τx . (19.50) Abb. 19.9. (a) Zur Erläuterung


der Nullfeld-Spinfunktionen und
Aus ihm kann man sofort ablesen, daß der Spinoperator angewendet auf τx die Wellen- der optisch nachgewiesenen ma-
funktion reproduziert, d. h. daß diese eine Eigenfunktion zum Spinoperator ist, und daß gnetischen Resonanz, ODMR.
Die drei Triplett-Unterzustände
ferner der Energiewert durch τx , τ y , τz eines Moleküls haben
die Energie-Abstände D + E,
ε = (D − E) (19.51) D−E und 2E. Sie unterscheiden
sich aus Symmetriegründen im
gegeben ist. In ähnlicher Weise findet man für die Wellenfunktionen τ y und τz die ent- allgemeinen durch ihre Be- und
Entvölkerungswahrscheinlichkei-
sprechenden Eigenwerte ten. Die Spin-Bahn-Wechselwir-
kung, durch die das Interkom-
τy : ε = D + E , (19.52) binationsverbot zwischen Tri-
plett- und Singulett-System ge-
τz : ε = 0 . (19.53) lockert wird, ist für sie unter-
schiedlich groß. Im Beispiel ist
Das resultierende Termschema für die Nullfeld-Zustände ist in Abb. 19.9 angegeben. angenommen, daß der Zustand
τx die größte strahlende Über-
gangswahrscheinlichkeit be-
sitzt. – Durch Induzierung
von im Spektralbereich der
Mikrowellen liegenden Über-
gängen, die Bevölkerung von τ y
oder τz nach τx pumpen, wird
die Phosphoreszenz-Intensität
erhöht. So läßt sich besonders
auch die Nullfeld-Resonanz
nachweisen. – Der Energie-
maßstab innerhalb des Kreises
ist ca. 105 -fach gegenüber
dem linken Teilbild vergrö-
ßert, (b) Nullfeld-Aufspaltung
und Nullfeld-Übergänge eines
Triplett-Zustandes
416 19. Elektronenspin-Resonanz

Wenden wir uns nun dem allgemeinen Fall zu, in dem ein von 0 verschiedenes Ma-
gnetfeld mit den Komponenten
B0 = 0 B0 = (B0x , B0y , B0z ) (19.54)

angelegt wird. Wie man sich durch Einsetzen der Wellenfunktionen τx , τ y , τz überzeugt,
sind diese nun nicht mehr Eigenfunktionen zu dem Spinoperator. Wir müssen deshalb
Linearkombinationen aus diesen Wellenfunktionen bilden, d. h.

σ = c x τ x + c y τ y + cz τz . (19.55)
Hierin sind cx , c y und cz Konstanten, die noch bestimmt werden müssen. Setzt man nun
(19.55) in die Spin-Schrödinger-Gleichung (19.41) mit (19.39) ein und multipliziert die
Gleichung jeweils mit τx , bzw. τ y , bzw. τz und bildet die Matrixelemente bezüglich der
Spins, so erhält man, wie wir das aus der Störungstheorie gewohnt sind, ein Säkular-
gleichungssystem, das wir in der Form
⎧ ⎫⎧ ⎫
⎪ D − E − ε −ige µB B0z ige µB B0y ⎪ ⎪cx ⎪

⎪ ⎪
⎪ ⎪ ⎪
⎪ ige µB B0z
⎪ D + E − ε −ige µB B0x ⎪ ⎪⎪ ⎪c y ⎪
⎪ ⎪=0
⎪ (19.56)

⎩ ⎭⎪
⎪ ⎩ ⎪ ⎭
−ige µB B0y ige µB B0x −ε cz
schreiben können. Durch Nullsetzen der Determinante, die sich aus der Matrix aus der
linken Seite direkt ergibt, können wir die Eigenwerte ε bestimmen. In dem Spezialfall,
daß das äußere angelegte Magnetfeld B0 mit einer der Hauptachsen übereinstimmt, las-
sen sich die Gln. (19.56) leicht lösen, da dann die Säkulardeterminante zu einer Glei-
chung zweiten Grades in ε führt. Die Resultate sind in Tabelle 19.2 und Abb. 19.10
für
B0 x , B0 y , B0 z (19.57)
dargestellt.
Man erhält ein Termschema wie in Abb. 19.10 am Beispiel des Naphthalin-Triplett-
Zustandes gezeigt. Es wird deutlich, daß es wegen der Nullfeld-Aufspaltung für einen
Triplett-Zustand zwei ESR-Linien bei unterschiedlichen Resonanzfeldstärken gibt. Mes-
sung dieses ESR-Spektrums als Funktion des Winkels zwischen dem angelegten Ma-
gnetfeld und den molekularen Hauptachsen erlaubt die Bestimmung des Feinstruktur-
Tensors und damit eine Untersuchung der Verteilung der beiden Triplett-Elektronen auf
dem Molekül.
Es muß schließlich noch erwähnt werden, daß eine Ausmessung des Feinstruktur-
Tensors nur möglich ist, wenn die Moleküle ausgerichtet sind – das heißt in fester
Matrix.
Tabelle 19.2. Die Energie-Eigenwerte ε der Schrödinger-Gleichung (19.41) mit (19.39) für B0 x, B0 y, B0 z

B0 x B0 y B0 z

  
ε+1 (D + E) / 2 + (D + E)2 / 4 + (ge µB B0 )2 (D − E) / 2 + (D − E)2 / 4 + (ge µB B0 )2 D + E 2 + (ge µB B0 )2
ε0 D−E  D+E  0 
ε−1 (D + E) / 2 − (D + E)2 / 4 + (ge µB B0 )2 (D − E) / 2 − (D − E)2 / 4 + (ge µB B0 )2 D − E 2 + (ge µB B0 )2
19.6 Doppelresonanzverfahren: ENDOR 417

Abb. 19.10. Termschema für die


Triplett-Terme von Naphthalin
als Funktion der angelegten
Feldstärke B0 . Die Richtung
von B0 liegt – von links
nach rechts – in x, y und
z-Richtung des Moleküls, x ist
die lange, y die kurze Achse
und z die Richtung senkrecht
zur Molekülebene. Man erhält
anisotrop zwei ESR-Übergänge
mit ∆m s = ±1. Gestrichelt ist
auch der (verbotene) Übergang
mit ∆m s = 2 eingezeichnet

19.6 Doppelresonanzverfahren: ENDOR


In der experimentellen Molekülphysik haben verschiedene Doppel- und Mehrfach-
Resonanz-Verfahren große Bedeutung, und zwar besonders zur Erhöhung der Empfind-
lichkeit und des spektralen Auflösungsvermögens. Hier wollen wir nur zwei davon kurz
erwähnen, nämlich ENDOR und ODMR.
Das Verfahren der Elektronen-Kern-Doppel-Resonanz (kurz ENDOR) können wir am
Beispiel des H-Atoms (ein Elektron und ein Proton) erläutern, vergleiche Abb. 19.11.
In der Molekülphysik kann es sich genau so gut um ein ungepaartes Elektron in ei-
nem Radikal handeln, das mit einem Proton gekoppelt ist. Dieses System hat in ei-
nem angelegten Magnetfeld vier Zustände, die wir mit den Symbolen ↓↑ ↓↓ ↑↑ ↑↓
(in der Reihenfolge zunehmender Energie) charakterisieren können. Dabei bedeutet der
jeweils erste Pfeil die Richtung des Elektronenspins, der zweite die des Kernspins. Das
Energiediagramm in Abb. 19.11 zeigt von links nach rechts die Energie des Elektro-
Abb. 19.11. Energieniveau-
nenmomentes im Feld B0 , diejenige des Kernmomentes und die Energie der Hyperfein- Schema zur Erläuterung der
Wechselwirkung. Im ESR-Spektrum sind Übergänge mit ∆m s = ±1 erlaubt, also die Kopplung zwischen Elektronen-
beiden in Abb. 19.11 eingezeichneten Übergänge 1/3 und 2/4. Deren Messung und da- und Kernspins (Spin I = 1/2)
mit ESR- und NMR-Über-
gängen. Der Elektronenspin
kann parallel und antiparallel
zur Feldrichtung stehen (links).
Für den Kernspin (rechte Pfeile)
gilt das gleiche (Mitte). Hinzu
kommt noch die Hyperfein-
Wechselwirkung, die hier klei-
ner als die Kern-Zeeman-Ener-
gie angenommen ist (rechts).
Bei der energetischen Reihen-
folge der Terme muß man
daran denken, daß das gyro-
magnetische Verhältnis von
Elektronen und von Protonen
sich im Vorzeichen unterschei-
den. Weitere Erläuterungen zum
ENDOR-Verfahren siehe Text.
Vgl. hierzu auch Abschn. 20.5
und Abb. 20.14 in I
418 19. Elektronenspin-Resonanz

mit aus ihrem Unterschied die Messung der Hyperfein-Wechselwirkung mit dem Pro-
ton ist jedoch in vielen Fällen nicht mit hinreichender Genauigkeit möglich, beispiels-
weise dann, wenn durch Wechselwirkung mit weiteren Kernen die ESR-Linien inho-
mogen verbreitert sind, also eine Überlagerung mehrerer Übergänge mit verschiedener
Hyperfein-Wechselwirkung sind, so daß eine Auflösung der einzelnen ESR-Linien nicht
mehr möglich ist.
Auch die direkte Messung der Kernresonanz-Übergänge ∆m I = ±1, also der Über-
gänge von 1 nach 2 oder von 3 nach 4 in Abb. 19.11, die die gleiche Information liefern
würde, ist oft schwer oder unmöglich. Man braucht dazu aus Gründen der geringeren
Nachweisempfindlichkeit der Kernspin-Resonanz viel mehr Spins als zur ESR-Messung,
und die Resonanzlinien können wegen der Kernspin-Relaxation unter dem Einfluß der
Elektronenmomente stark verbreitert sein.
ENDOR besteht nun darin, daß man die Intensität des ESR-Signals zum Nachweis
der Kernresonanz benutzt. Dazu strahlt man resonante Mikrowellen so hoher Leistung
ein, daß eine ESR-Linie, zum Beispiel der Übergang 1–3, teilweise gesättigt, das heißt
in ihrer Intensität vermindert ist, weil der Bevölkerungsunterschied zwischen den Ter-
men 1 und 3 vermindert wird. Wenn man nun gleichzeitig resonante Strahlung für einen
der beiden Protonen-Resonanzübergänge, zum Beispiel 3–4 einstrahlt, erreicht man eine
Änderung in der Besetzung der beiden beteiligten Kern-Niveaus und eine Verminderung
der Besetzung von 3. Dies führt zu einer Entsättigung des ESR-Signals, da nun der Be-
setzungsunterschied zwischen den Niveaus 1 und 3 wieder größer ist. Das heißt, die
Intensität des ESR-Absorptionssignals für den Übergang 1–3 nimmt bei gleichzeitiger
Einstrahlung der Kernresonanz-Frequenz 3–4 zu.
Bei der ENDOR-Spektroskopie beobachtet man also die Kernresonanz – hier den
Übergang 3–4 –, indem man die Intensität des ESR-Signals – hier 1–3 – als Nach-
weis verwendet. Damit kann man die Nachweisempfindlichkeit für Kernresonanz um
viele Zehnerpotenzen erhöhen, und man kann die Hyperfein-Wechselwirkungen des
Elektrons mit verschiedenen Kernen einzeln durch Einstrahlen ihrer jeweiligen Kern-
Resonanzfrequenz messen, die im ESR-Spektrum in einer inhomogen verbreiterten
Resonanzlinie verborgen sind.
ENDOR-Spektroskopie wird mit großem Erfolg zur Aufklärung von Hyperfeinstruk-
turen und damit zur Strukturaufklärung in der Molekülphysik und in der Festkörperphy-
sik eingesetzt.

19.7 Optischer Nachweis magnetischer Resonanz, ODMR


Bei einer anderen wichtigen Doppelresonanz-Methode, dem optischen Nachweis der
magnetischen Resonanz (üblicherweise abgekürzt als ODMR für optically detected
magnetic resonance), benutzt man die Intensität eines im optischen Spektralbereich lie-
genden Elektronenübergangs, um Elektronen- (oder auch Kern-)Resonanz nachzuwei-
sen, die man durch gleichzeitiges Einstrahlen von Strahlung der passenden Mikrowellen-
Frequenz bewirkt. Diese Methode wurde in I, Abschn. 13.5 bereits an einem Beispiel
aus der Atomphysik erläutert.
Die Methode soll hier an einem Beispiel aus der Molekülphysik, nämlich an der
Untersuchung des metastabilen Triplett-Zustandes T1 von organischen Molekülen (Ab-
schn. 15.3), erläutert werden. Das Aufspaltungsschema für einen elektronischen Mole-
külterm nach Abb. 19.9 gehört zu einem metastabilen Anregungszustand T1 , der etwa
20 000 cm−1 über dem Grundzustand liegt und von dem aus eine Emission großer
19.7 Optischer Nachweis magnetischer Resonanz, ODMR 419

Lebensdauer – das heißt die Phosphoreszenz – in den Grundzustand S0 erfolgt. Nun


ist aber aus Symmetriegründen, die hier nicht erläutert werden sollen, die Übergangs-
wahrscheinlichkeit für die Emission von T1 in den Grundzustand S0 verschieden für
die drei auf der Feinstruktur beruhenden magnetischen Unterzustände, die mit τx , τ y
und τz bezeichnet werden und in Abb. 19.9 gezeigt sind. Wenn man nun während der
Beobachtung der optischen Emission durch gleichzeitige Induzierung von Übergängen
zwischen zwei der drei Spin-Niveaus τx , τ y , τz Bevölkerung von einem Unterzustand
mit kleinerer in einen solchen mit größerer Übergangswahrscheinlichkeit pumpt, erhöht
dies die Intensität der gleichzeitig gemessenen Phosphoreszenz. Diese ist die im allge-
meinen im optischen Spektrum nicht aufgelöste Überlagerung der Emissionen aus den
drei Unterniveaus. So kann Elektronen-Resonanz durch Änderung der Intensität einer
im Sichtbaren oder im UV gelegenen Emission optisch nachgewiesen werden. Ein Bei-
spiel für eine Meßanordnung im Nullfeld zeigt Abb. 19.12. Wenn hier das beobachtete
Emissions-Spektrum als Überlagerung zu zwei verschiedenen Sorten von Molekülen
gehört, dann beobachtet man eine Änderung der Phosphoreszenz-Intensität bei einer
bestimmten Wellenlänge im Spektrum nur dann, wenn die Frequenz der eingestrahlten
Hochfrequenz-Strahlung einem Nullfeld-Übergang im Triplett-Zustand T1 desjenigen
Moleküls entspricht, zu dem die Emissionslinie gehört. Beobachtet man die Emissions-
intensität bei einer Emissionslinie des anderen Moleküls, so ändert sich deren Intensität
bei den für dieses andere Molekül charakteristischen Nullfeld-Frequenzen.
Abbildung 19.13 zeigt als Meßbeispiel die drei Nullfeld-Resonanzlinien des Anthra-
cen-Moleküls mit optischem Nachweis. Aus den gemessenen Frequenzen (ODMR-
Frequenzen im Nullfeld) erhält man direkt die Größe der Feinstrukturparameter D und
E des zugehörigen Moleküls. Die drei eingezeichneten Nullfeld-Resonanzübergänge
sind als magnetische Dipolübergänge erlaubt.
Es gibt zahlreiche Varianten dieser Methode, siehe unten. Allen gemeinsam ist eine
Erhöhung der Nachweisempfindlichkeit für kleine Konzentrationen von Spins. Ferner
kann man mit diesen Methoden bei optischen Spektren, die aus einer Überlagerung der
mitunter relativ breiten Banden mehrerer verschiedener Moleküle bestehen, die verschie-

Abb. 19.12. Schema einer Meß-


anordnung für ODMR. Das
Phosphoreszenz-Spektrum sei
eine Überlagerung der Spektren
von zwei verschiedenen Mole-
külen, mit und ohne Stern in
der Abbildung. In der ODMR-
Apparatur kann man selektiv
für beide Komponenten durch
Hochfrequenz-Einstrahlung die
Intensität der Phosphoreszenz
ändern und so eine Korrelation
zwischen optischem Spektrum
und Hochfrequenz-Resonanz-
Frequenzen herstellen, indem
man die Intensitätsänderung ein-
zelner Phosphoreszenz-Linien
bei Mikrowellen-Einstrahlung
von elektromagnetischer Strah-
lung mit der Frequenz der
Resonanzübergänge im Triplett-
Zustand mißt
420 19. Elektronenspin-Resonanz

Abb. 19.13. ODMR im Nullfeld


am Anthracen-Molekül. Oben:
Die Molekül-Hauptachsen x,
y, z. Mitte: Die Nullfeldauf-
spaltung des Triplett-Zustandes
T1 in die Zustände mit den
relativen Energien 0, D + E
und D − E mit den 3 mög-
lichen Resonanz-Übergängen.
Die optische Emission erfolgt
hier jeweils bevorzugt aus dem
obersten Niveau. Deshalb wird
durch Hochfrequenz-Übergänge
zwischen diesem Niveau und
den beiden anderen die Emissi-
onswahrscheinlichkeit und damit
die Phosphoreszenz-Intensität
erhöht. Diese Intensitätsände-
rung dient zum Nachweis der
Resonanz bei Einstrahlung der
entsprechenden Hochfrequenz-
Strahlung. Unten: Beobachtete
ODMR-Übergänge bei Einstrah-
lung von Hochfrequenzstrahlung
der Quantenenergie 2E, D + E
und D − E. Der Übergang
D + E wird als Elektron-
Elektron-Doppelresonanz bei
gleichzeitiger Einstrahlung von
2E-Quanten beobachtet. (Nach
J.-U. von Schütz, F. Gückel, W.
Steudle u. H. C. Wolf, Chem.
Phys. 53, 365 (1980))

denen Spektrallinien den verschiedenen Molekülen zuordnen, vergleiche Abb. 19.12.


Die Mikrowellenfrequenzen, bei denen man ODMR-Signale als Änderung der opti-
schen Emissionsintensität beobachtet, sind nämlich spezifische Moleküleigenschaften
und damit eine Art Fingerabdruck des jeweiligen Moleküls. Man erhält also eine Ver-
besserung der Auflösung bei überlagerten optischen Spektren sowie die Herstellung
einer klaren Zuordnung von optischem und Resonanz-Spektrum zu einem bestimm-
ten Molekül. Ein besonders demonstratives Meßbeispiel dafür, daß man mit Hilfe der
ODMR auch in einem wenig strukturierten Fluoreszenzspektrum, das aus der Überla-
gerung der Spektren vieler verschiedener Moleküle besteht, diese einzeln analysieren
kann, zeigt Abb. 19.14. Hier ist das Fluoreszenzspektrum von photosynthetisierenden
Bakterien gezeigt. Es besteht aus relativ breiten, sich gegenseitig überlappenden Ban-
den. Wenn man bei diskreten Wellenlängen die ODMR-Spektren beobachtet, kann man
zeigen, daß dieses Spektrum eine Überlagerung der Emission zahlreicher verschiedener
Moleküle ist. Von diesen sind in Abb. 19.14 elf verschiedene nachgewiesen. Aufgrund
der gemessenen und für jedes Molekül charakteristischen Feinstrukturparameter lassen
sie sich analysieren. Es handelt sich überwiegend um Chlorophylle und um Vorstufen
dieser Moleküle, die bei der Biosynthese durchlaufen werden und in den Bakterien alle
gleichzeitig vorhanden sind.
19.7 Optischer Nachweis magnetischer Resonanz, ODMR 421

Abb. 19.14. Beispiel für die


Leistungsfähigkeit der ODMR-
Methode zum Analysieren kom-
plexer Spektren. – Im Fluores-
zenzspektrum photosynthetisie-
render Bakterien (linkes Teilbild)
lassen sich alleine zwischen den
Wellenlängen 586 und 783 nm
mit Hilfe der ODMR 11 ver-
schiedene fluoreszierende Mole-
küle nachweisen. Im rechten
Teilbild sind die entsprechenden
ODMR-Spektren aufgetragen,
das heißt Intensität der opti-
schen Emission bei der jeweils
angegebenen Wellenlänge als
Funktion der Frequenz der ein-
gestrahlten Radiofrequenzstrah-
lung. Aus den so gemessenen
Feinstrukturparametern D und
E ist eine Identifizierung der
einzelnen Moleküle möglich. Es
handelt sich um verschiedene
Protoporphyrine, Phaeophorbide
und Chlorophyllide. (Nach J.
Beck, J.-U. von Schütz und
H. C. Wolf, Photochemistry and
Photobiology, ed. A. Zewail,
Harwood Acad. Publ. (1983))

Bei den bisher behandelten Beispielen der optisch nachgewiesenen Resonanz,


ODMR, erfolgte der Nachweis der Resonanz über die Messung der Triplett-Singulett-
Emission, also der Phosphoreszenz. Man sieht leicht ein, anhand von Abb. 19.9,
daß eine Änderung der Niveau-Besetzung und damit der effektiven Lebensdauer im
Triplettzustand T1 auch zu einer Änderung der stationären Besetzung des Singulett-
Grundzustandes S0 und des Anregungszustandes S1 führt, weil diese drei Zustände ja
im stationären Verhalten fest untereinander gekoppelt sind, so daß jede Änderung in der
Besetzung eines Niveaus auch die beiden anderen beeinflußt. Darauf beruht der Nach-
weis der magnetischen Resonanz über die Fluoreszenz S1 → S0 (FDMR, f luorescence
detected magnetic resonance) oder über die Absorption S1 ← S0 (ADMR, absorption
detected magnetic resonance). Diese Methoden werden besonders dann wichtig, wenn
die Intensität der Phosphoreszenz T1 → S0 zu schwach zum Nachweis wird.
Schließlich kann man dieses Doppelresonanz-Verfahren auch umkehren, indem man
das Absorptionsspektrum S1 ← S0 oder das Phosphoreszenzspektrum T1 → S0 bei
gleichzeitiger Einstrahlung eines der Mikrowellenübergänge zwischen τx , τ y und τz in
Abb. 19.9 oder den Zuständen | + 1, |0 und | − 1 in Abb. 19.10 mißt. Wenn man da-
bei das Nachweisgerät mit dieser Mikrowellenfrequenz moduliert, erfaßt man nur das
Absorptions- oder Phosphoreszenzspektrum desjenigen Moleküls, zu dem der einge-
strahlte Mikrowellen-Übergang gehört. Die Überlagerung der Absorptions- oder Phos-
phoreszenzspektren mehrerer verschiedener Moleküle kann damit in deren Einzelspek-
tren aufgelöst werden, wenn man jeweils eine für die verschiedenen Moleküle charak-
teristische Mikrowellenfrequenz bei der Messung des optischen Spektrums einstrahlt
und nur die dadurch erzeugte Änderung des optischen Spektrums registriert. So erhält
man eine Zuordnung zwischen der Mikrowellenfrequenz und dem dazu gehörigen Mo-
422 19. Elektronenspin-Resonanz

Abb. 19.15. ODMR-Spektrum


im Hochfeld, gemessen bei
35 GHz, von Triplett-Excitonen
in einem 1,4-Dibrom-Naphtha-
lin-Kristall. Im oberen Teilbild
ist das ODMR-Spektrum der
drei Triplett-Terme m s = +1,
0, −1 aufgetragen, im unteren
Teilbild zum Vergleich das
ESR-Spektrum mit konventio-
nellem Mikrowellen-Nachweis.
Im ODMR-Spektrum wird die
spektral getrennte Phosphores-
zenz-Emission aus den drei
Triplett-Unterniveaus +, 0
und − als Funktion des Ma-
gnetfeldes bei gleichzeitiger
Einstrahlung der Mikrowellen-
Resonanzfrequenz 35 GHz beob-
achtet. Durch ESR-Übergänge
wird die Bevölkerung der
drei Unterniveaus und damit
die Intensität der drei Phos-
phoreszenz-Komponenten ge-
ändert. Man kann so die
Feinstrukturkonstanten sowie
die relativen Be- und Entvölke-
rungsraten der Niveaus messen. lekül. Diese Verfahren werden als Mikrowellen-induzierte Absorption (MIA) oder als
(Nach R. Schmidberger u. H. C. Phosphoreszenz-Mikrowellen-Doppelresonanz (PDMR) bezeichnet.
Wolf, Chem. Phys. Lett. 16,
402 (1972))
Übrigens läßt sich die Methode der ODMR nicht nur im Nullfeld, sondern auch im
angelegten Feld B0 mit Erfolg anwenden. Als Meßbeispiel für diese Hochfeld-ODMR
zeigt Abb. 19.15 Messungen am Triplett-Zustand T1 von 1,4-Dibromnaphthalin, aufge-
nommen bei einer Mikrowellenfrequenz von ca. 35 GHz mit einer ESR-Apparatur und
einem Monochromator zum optischen Nachweis.
Die ODMR in ihren verschiedenen Formen ist eine wichtige Untersuchungs-
Methode in der Molekülphysik und auch in der Festkörperphysik, bei der Struktur-
Aufklärung von Farb-, Dotierungs- und Defektzentren, geworden. Ihre besondere Be-
deutung liegt in der Erhöhung der ESR-Nachweisempfindlichkeit, durch eine Quanten-
transformation von Mikrowellen, in den optischen Bereich, und auf ihrer Selektivität.
Diese ermöglicht eine gegenseitige Zuordnung von ESR- und optischen Spektren.

19.8 Anwendungen der ESR


Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Elektronen-Spinresonanz eine wichtige Me-
thode zur Bestimmung der elektronischen und der geometrischen Struktur paramagneti-
scher Moleküle, allgemeiner gesagt paramagnetischer Zustände und damit eine wichtige
Methode der Molekülphysik ist. Dazu dient vor allem die Untersuchung von Hyperfein-
struktur und Feinstruktur. Aus Linienbreiten und Relaxationszeiten erhält man Informa-
tionen über Bewegungsvorgänge von Spins, von Molekülgruppen und von ganzen Mo-
lekülen, sowie von Reaktionen der Moleküle. Schließlich eignet sich die Methode be-
sonders zu einer einfachen und genauen Konzentrationsbestimmung ungepaarter Spins
und damit auch zur Messung von Suszeptibilitäten. Darauf wurde bereits in Abschn. 3.6
hingewiesen.
Aufgaben 423

Bein hinreichend tiefen Temperaturen kann man damit auch die Ausbildung magne-
tischer Ordnung in kondensierter Phase beobachten. Die ungepaarten Spins in vielen
organischen Radikalen haben bei tiefer Temperatur und hinreichend kleinem gegensei-
tigem Abstand die Tendenz zu antiferromagnetischer Kopplung.

Aufgaben
19.1 Wieviele Linien findet man in den ESR-Spektren der Radikale [12 CF2 H]• ,
[13 CF2 H]• , [12 CF2 D]• und [12 CClH2 ]• ?
19.2 a) Ordnen Sie die Hyperfeinstruktur-Linien des ESR-Spektrums des Naphthalin-
Radikals (siehe Abbildung) den möglichen Einstellungen der Protonenspins zu (aα =
0,495 mT, aβ = 0,186 mT).

b) Beschreiben Sie das ESR-Spektrum von 1-Iodo-Naphthalin und 2-Iodo-Naphtha-


lin. Nehmen Sie dazu an, daß sich die Elektronendichten und damit auch die Kopplungs-
konstanten dieser beiden an verschiedenen Positionen einfach substituierten Moleküle
nicht von denen des unsubstituierten Naphthalins unterscheiden.
c) Wie ändert sich das Spektrum, wenn das Naphthalinmolekül statt mit einem Jod-
atom mit einer Methylgruppe CH3 substituiert wird?
19.3 a) Skizzieren Sie das ESR-Spektrum des Aminoradikals [NH2 ]• , das einen 14 N-
Kern (Kernspin I = 1) und zwei äquivalente Protonen (I = 1/2) enthält; die Hyperfein-
struktur-Konstanten sind 1,03 mT für N und 0,35 mT für H.
b) Welche Hyperfeinstruktur zeigt das Azidradikal [14 N3 ]• ? Die drei Stickstoffatome
sind äquivalent.
19.4 Aus der Hyperfeinaufspaltung im ESR-Spektrum eines einfach negativ gelade-
nen Benzolmoleküls leitet man eine einfache Regel zur Bestimmung der Spindichte in
aromatischen Radikalionen ab. Dies ermöglicht die Skizzierung von Molekülorbitalen
ungepaarter Elektronen.
424 19. Elektronenspin-Resonanz

Bezeichnet man mit i die auf 1 normierte Spindichte (d. h. i = 1) des
freien π-Elektrons am i-ten C-Atom (Ci ), so gilt für die isotrope Hyperfeinstruktur-
Kopplungskonstante ai des Elektronenspins mit dem Kernspin des Protons der Ci −H-
Bindung die McConnell-Gleichung

ai = Qi mit Q = (−) 2,25 mT .

a) Ermitteln Sie mit Hilfe der Angaben in Aufgabe 19.2 die Spindichte des unge-
paarten Elektrons im Naphthalin-Radikalion.
b) Die Spindichten an den drei inäquivalenten Kohlenstoffpositionen des einfach ne-
gativ geladenen Anthracenmoleküls sind 0,193, 0,097 und 0,048. Wie sieht das zuge-
hörige ESR-Spektrum aus?

19.5 In einem ESR-Spektrometer, das bei einer festen Frequenz von 8,5002 GHz ar-
beitet, findet man das Resonanzsignal für atomaren Wasserstoff in Form eines Dubletts
bei 277,97 mT und 328,67 mT. Berechnen Sie daraus den g-Faktor des Elektrons im
Wasserstoffatom. Wie groß ist die Hyperfeinstruktur-Kopplungskonstante?

19.6 Welche relativen Intensitäten besitzen die Hyperfeinstrukturlinien im ESR-


Spektrum der Radikale [CH3 ]• und [CD3 ]• ?

19.7 Führt die Rotation des Benzol-Radikalanions um seine senkrecht zur Molekül-
ebene stehende Symmetrieachse zu einer Ausmittelung der Hyperfeinstruktur im ESR-
Spektrum? Wenn ja: bei welcher Rotationsfrequenz ist dies der Fall? Welchem Rota-
tionszustand (Quantenzahlen J, K ) entspricht dies? (Hinweis: Hauptträgheitsmomente
Θ = 2,96 · 10−45 kg m2 , Θ⊥ = 1,47 · 10−45 kg m2 .)

19.8 Im ESR-Spektrum von Natriumnitrit NaNO2 erwartet man eigentlich eine Hy-
perfeinstruktur aufgrund der Wechselwirkung des Triplett-Elektronenspins mit dem
Kernspin des Stickstoffs. Erklären Sie, warum man diese Hyperfeinstruktur im Einkri-
stall nicht beobachtet. (Hinweis: was sind Exzitonen?)

19.9 Der Spin-Hamiltonian eines Moleküls im Triplettzustand enthält einen Ausdruck


für die Dipol-Dipol-Wechselwirkung der beiden Elektronenspins. Er läßt sich mit Hilfe
der beiden Feinstrukturparameter D und E darstellen mit
 
2 − 3z 2
3 2 2 3 ∗ r12
D = ge µB Ψ 5
12 3
Ψ dV1 dV2
4 r12
 
2 − x2
y12
3
E = ge2 µ2B 3
Ψ∗ 5
12 3
Ψ dV1 dV2 .
4 r12

Dabei ist 3 Ψ die Triplett-Wellenfunktion und r12 der Abstand der beiden Elektronen
2 = x 2 + y2 + z 2 ; die Integration erfolgt über den gesamten Ortsraum. Durch
mit r12 12 12 12
Messung der Aufspaltung des Triplettzustands im Nullfeld (B0 = 0) können D und E
experimentell bestimmt werden.
Für das planare Pyrazin-Molekül findet man D = 0,3 cm−1 . Berechnen Sie daraus
den mittleren Abstand r der beiden Elektronen im Triplettzustand.
Aufgaben 425

(Hinweis: die Ausdrücke für D und E sind hier wie üblich in cgs-Einheiten
gegeben; um zum SI-System überzugehen, müssen Sie die rechten Seiten
mit dem Faktor µ0 /4π multiplizieren. Beachten Sie auch, daß im allge-
meinen Zahlenwerte für D/hc und E/hc angegeben werden.)

19.10 In der Literatur erscheinen die Ausdrücke für D (19.37) und E (19.38) oft in
etwas anderer Form. Wie lauten diese Ausdrücke im cgs-System?
19.11 Leiten Sie das Gleichungssystem (19.56) her, sowie die Tabelle 19.2.
19.12 Aus ODMR-Messungen an Benzol, Naphthalin, Anthracen und Tetracen kennt
man die jeweiligen Werte für die Feinstrukturkonstanten D und E der Triplettzustände.
a) Ordnen Sie die vier genannten Moleküle jeweils nach der Größe ihrer D- und
E-Werte. Wie groß ist E für Benzol?
b) Für D mißt man Werte zwischen 0,06 cm−1 und 0,15 cm−1 . Wie groß ist der mitt-
lere Abstand der beiden Triplettelektronen in diesen beiden Extremfällen?
19.13 Bei der Meßmethode der ADMR (absorption detected magnetic resonance)
weist man Mikrowellenübergänge zwischen den einzelnen Triplett-Subniveaus durch
eine Änderung der optischen Absorption des Singulett-Grundzustands nach. Dies be-
ruht auf einer Umbesetzung zwischen Triplettunterzuständen mit unterschiedlichen Zer-
fallskonstanten (Spinpolarisation): wird durch die Einstrahlung von Mikrowellen zum
Beispiel Besetzung von einem kurzlebigen in ein langlebiges Subniveau gepumpt, so er-
höht sich die gesamte Triplettbesetzung, während sich die Bevölkerung des Singulettzu-
stands verringert.
a) Skizzieren Sie ein ADMR-Spektrum, bei dem die Änderung ∆I/I der Transmis-
sion einer Probe bei fester Beobachtungsfrequenz über der eingestrahlten Mikrowellen-
frequenz aufgetragen ist. Nehmen Sie dabei an, daß stets eine Umverteilung zu einem
schneller zerfallenden Subniveau stattfindet.
b) Leiten Sie einen linearen Zusammenhang her zwischen der relativen Transmissi-
onsänderung ∆I/I und der Änderung des Anteils S0 der Moleküle im S0 -Zustand.
c) Für eine Probe des photosynthetisierenden Bakteriums Rhodobacter sphaeroides
G A mißt man bei 894 nm eine Optische Dichte von 0,23. Im ADMR-Spektrum bei
10 K findet man bei Einstrahlung der Mikrowellenfrequenz 659 MHz (D+ E-Übergang)
eine relative Transmissionsänderung von −440 ppm. Berechnen Sie daraus die Ände-
rung ∆S0 der Besetzung des S0 -Zustands.
20. Große Moleküle, Biomoleküle, Übermoleküle

Dieses Kapitel soll dem Physiker den Blick öffnen für die ungeheure Vielfalt der großen
Moleküle, für ihre Bedeutung in Physik, Chemie, Biologie (Abschn. 20.1) und dafür,
was der Molekülphysiker als Forscher hier beigetragen hat und beitragen kann. Dieser
Einblick muß hier naturgemäß sehr oberflächlich bleiben. Er wendet sich in erster Linie
auch an den Physik-Studenten, in dem beim Studium eines Lehrbuches der Molekül-
physik der Gedanke aufkommen könnte, zweiatomige Moleküle seien die wichtigsten
Moleküle. Daß dies nicht so ist, und daß das Studium komplexer molekularer Funkti-
onseinheiten (Abschn. 20.5 bis 20.7) dem Molekülphysiker viele faszinierende ungelöste
Fragen bietet, soll dieses Kapitel deutlich machen.

20.1 Bedeutung für Physik, Chemie und Biologie

In der Molekülphysik stehen aus guten Gründen zunächst die kleinen Moleküle im Vor-
dergrund. Als Physiker möchte man die physikalischen Eigenschaften der untersuchten
Objekte möglichst genau und möglichst vollständig messen, verstehen und berechnen
können. Das ist bei einem kleinen zweiatomigen Molekül wie z. B. bei HCl ungleich
leichter als bei einem großen Molekül wie beim Chlorophyll oder gar bei einem Ma-
kromolekül aus dem Bereich der Proteine.
Die Vielfalt der Moleküle ist jedoch ungeheuer groß, und sie wird um so größer,
je größer die Moleküle werden. Hierzu trägt wesentlich die Bindungs-Hybridisierung
am Kohlenstoffatom und die daraus resultierende Möglichkeit zum Eingehen vielfältiger
kovalenter Bindungen bei. Makromoleküle gibt es überall, sie sind die stoffliche Basis
aller biologischen Strukturen und Prozesse. Das Leben und alle biologischen Prozesse,
die Vorgänge in der Zelle, im Organismus und die Wechselwirkungen mit der Umwelt
sind zu einem großen Teil eine Chemie der Makromoleküle. Neben den natürlichen Ma-
kromolekülen wie den Proteinen, der DNS, der Zellulose, gibt es in unserem heutigen
Leben eine Fülle von synthetischen Makromolekülen wie Polyethylen, Polystyrol oder
Teflon. Diese Stoffe sind aus unserem täglichen Leben kaum mehr wegzudenken.
Wenn Makromoleküle durch Bindung zwischen vielen – meist gleichen – kleinen
Einheiten, den Monomeren gebildet werden, dann spricht man von Polymeren. Makro-
moleküle können aber auch dadurch entstehen, daß gleiche oder verschiedene Moleküle
durch zwischenmolekulare Kräfte, vornehmlich Van der Waals-Kräfte, neue Einheiten
bilden. Dann erhält man Übermoleküle, Cluster und Einschlußverbindungen. Moleküle
können sich auch durch kovalente Bindungen zu größeren Einheiten, zu Supermole-
külen, zusammenschließen. Wenn ihre Funktion z. B. in biologischen Systemen nur in
Form dieser spezifisch organisierten Supermoleküle möglich ist, nennt man das Gebilde
eine Molekulare Funktionseinheit.
428 20. Große Moleküle, Biomoleküle, Übermoleküle

Die Erforschung und das Verständnis solcher Molekularer Funktionseinheiten steckt


noch in den Anfängen. Der Beitrag des Physikers besteht zuerst einmal in der Struk-
turaufklärung mit den von ihm entwickelten Methoden der Röntgen- oder Neutronen-
beugung oder mit magnetischen Resonanzmethoden. Er kann die geeigneten spektrosko-
pischen Methoden entwickeln und anwenden, um das statische, das dynamische und das
reaktive Verhalten dieser Einheiten zu verstehen. Die Physik muß einen wichtigen Bei-
trag liefern, wenn man die Funktion der Moleküle und wie sie durch deren Organisation
bedingt ist, verstehen will, wenn man Konformation und Konfiguration, das heißt den
Aufbau der Moleküle aus atomaren Einheiten und deren räumliche Anordnung, sowie
die möglichen Reaktionen der Moleküle untereinander und mit anderen Molekülen im
Zusammenhang erforscht. Es läßt sich unschwer voraussagen, daß hier die interdiszipli-
näre Arbeit von Physikern, Chemikern und Biologen eine große Zukunft hat. In diesem
Abschnitt soll an einer kleinen und subjektiven Auswahl von Makromolekülen, Über-
molekülen und Funktionseinheiten der Beitrag aufgezeigt werden, den hier die Physik
erbringen kann.

20.2 Polymere
Zu den größten künstlich hergestellten „Molekülen“ zählen die sogenannten Polymere.
Ein typisches und aus dem täglichen Leben gut bekanntes Polymer ist das Polyethylen,
ein gesättigter Kohlenwasserstoff, mit der Formel (CH2 )n (Abb. 20.1 oben), wobei n
zwischen 5000 und 50 000 liegt. Das Polymer-Molekül besteht aus langen gesättigten
Kohlenwasserstoff-Ketten mit uneinheitlicher Kettenlänge. Im Polymer-Material gibt es
zwischen diesen Ketten keine strenge gegenseitige Ordnung, jedenfalls nicht über klei-
nere Bereiche parallel orientierter Moleküle hinaus.
Für den Physiker ist das Polymer Polydiacetylen von besonderem Interesse
(Abb. 20.1 unten), da die Polymerisierungsreaktion im Einkristall der Untereinhei-

Abb. 20.1. Molekülstruktur von


3 wichtigen Klassen von Poly-
meren
20.2 Polymere 429

Abb. 20.2. Zur Polymerisation


des Polydiacetylens. Im oberen
Teilbild sieht man die aus
der Röntgenbeugung ermittelte
Molekülstruktur des monomeren
Diacetylens TS 6, (Bezeichnung
für die spezielle Seitengruppe,
allgemein mit R bezeichnet), im
unteren Teilbild diejenige des
polymerisierten Kristalls. Die
Protonen im Molekül sind nicht
dargestellt. Die vollständige
Formel des Moleküls TS 6 ist
unten angegeben

ten stattfinden kann. Es entsteht aus der Monomer-Einheit R−C≡C−C≡C−R


nach
dem in Abb. 20.2 schematisch dargestellten Mechanismus. Dabei steht R und R
für
zwei von vielen möglichen Substituentengruppen, für die Abb. 20.2 ein Beispiel zeigt.
R und R
können auch gleich sein.
Bei der Polymerisation verbinden sich die in Stapeln angeordneten benachbarten
Monomere im Kristall unter Bildung unterschiedlicher Reaktionszwischenprodukte in
einer sogenannten 1,4-Addition (mit 1 bis 4 werden die 4 zentralen C-Atome im Mo-
nomer numeriert) zu Ketten. Zur Einleitung und zum Fortschreiten der Polymerisation
benötigt man Licht und/oder thermische Energie. Unter Umlagerung der Moleküle
und Knüpfen neuer Bindungen entstehen nacheinander das Dimer, Trimer, Tetramer
(Abb. 20.3), bis hin zum Polymer mit großer Zahl n. Das Besondere hierbei ist, daß
diese Polymerisations-Reaktion als Festkörperreaktion im Einkristall unter Erhaltung
der Einkristallinität abläuft. Man wandelt also einen Einkristall aus monomeren mo-
lekularen Bausteinen in einen Polymer-Einkristall um. Die einheitliche Orientierung
der Moleküle in der kristallinen Ordnung ermöglicht eine Untersuchung der Vor- und
Zwischenstufen der Polymerisation mit spektroskopischen Methoden, wie es bei poly-
meren Molekülen sonst nicht möglich ist. Solche Zwischenprodukte der Polymerisation
sind Diradikale, das sind Moleküle mit je einem ungepaarten Elektron an jedem Ende,
sowie Carbene, das sind reaktionsfähige End-Gruppen mit einem C-Atom und zwei
nicht-abgesättigten Elektronen. Lichtanregung ist zum Initiieren der Umwandlungs-
schritte nötig, thermische Energie zu Additionsreaktionen, das heißt zur fortschreiten-
430 20. Große Moleküle, Biomoleküle, Übermoleküle

Abb. 20.3. Zum Mechanismus


der Festkörper-Polymerisation
von Diacetylen. Durch Licht
wird die Dimer-Bildung initiiert,
die weitere Polymerisation er-
folgt thermisch durch Additions-
Reaktionen. An den Enden der
Oligomere sind jeweils durch
einen Punkt die reaktionsfähi-
gen Radikal-Elektronen der bei
der Polymerisation entstehenden
Diradikale bezeichnet. Nach
H. Sixl

den Polymerisierung. Diese Prozesse können mit den Methoden der optischen und der
ESR-Spektroskopie Schritt für Schritt messend verfolgt und aufgeklärt werden. Abbil-
dung 20.4 zeigt als Beispiel Absorptionsspektren der Oligomeren bei fortschreitender
Polymerisierung. Oligomere Moleküle, das heißt Moleküle, die nur aus wenigen Ein-
heiten aufgebaut sind, werden so der Untersuchung zugänglich und können zugleich
als Sonden für die Aufklärung des Polymerisationsprozesses dienen.

Abb. 20.4. Absorptionsspektren


eines Diacetylen-Kristalls nach
der Initiierung der Polymeri-
sierung durch Licht (oberste
Meßkurve) und nach verschie-
dener Dauer der thermischen
Folgereaktion. Die Temperdauer
bei 100 K beträgt (von oben
nach unten) 0, 15, 35, 65,
90, 150, 240 min. Mit 2, 3,
4, 5, 6 sind die Diradikal-
Zwischenstufen DRn des Dimer
bis Hexamer bezeichnet, für
n ≥ 6 sieht man im wesentli-
chen die Dicarbene DCn . Das
sind Moleküle mit carbenartiger
(−C−) reaktiver Kopfgruppe an
beiden Enden. Nach H. Sixl
20.2 Polymere 431

Die Festkörper-Polymerisation des Diacetylens ist übrigens ein gutes Beispiel für
das „topochemische Prinzip“. Es besagt, daß Festkörper-Reaktionen von Molekülen mit
einem Minimum an molekularer Bewegung ablaufen. Die Monomer-Moleküle müssen
innerhalb des Kristalls so angeordnet sein, daß sie durch eine nur geringe Verdrehung
eine chemische Bindung mit ihrem Nachbarn eingehen können. Das wird im Diacetylen
durch geeignete Seitengruppen erreicht. Bei der Reaktion dürfen sich die Gitterparame-
ter des Kristalls nur geringfügig ändern. Nur so ist es möglich, daß der Einkristall bei
der Festkörper-Polymerisation erhalten bleibt.

Abb. 20.5. Rasterelektronenmi-


kroskopische Aufnahme einer
Polyacetylen-Folie. Die Folie
besteht aus mehr oder weniger
ungeordneten Strängen von po-
lymeren Molekülen. Eine ge-
wisse Vorzugsorientierung wur-
de durch Strecken der Folie
erreicht. Länge des Bildes ent-
spricht 125 µm. (Von M.
Schwoerer zur Verfügung ge-
stellt)

Ein anderes für die Molekülphysik interessant gewordenes Molekül ist das Polyace-
tylen, (CH)n , Abb. 20.1 Mitte. Dieses Polyen großer Kettenlänge mit alternierenden
Doppel- und Einfach-Bindungen läßt sich wie fast alle Polymere nur in un- oder teil-
weise geordneter Form herstellen. Das wird aus Abb. 20.5 deutlich. Polyacetylen ist ein
Polymer, das sich durch „Dotieren“ elektrisch leitfähig machen läßt: Zusatz von Oxi-
dationsmitteln wie AsF5 , FeCl3 oder Reduktionsmitteln wie Alkalimetallen, das heißt
Herstellung eines Überschusses oder eines Mangels an Elektronen, erhöht die elektri-
sche Leitfähigkeit um viele Zehnerpotenzen auf Werte der Größenordnung 105 S cm−1 .
Der „Rekord“ liegt heute bei 800 000 S cm−1 . So kommt man zu leitfähigen Polymeren.
Zum Verständnis des Leitungsverhaltens in Polyacetylen wurde ein Konzept ent- Abb. 20.6. Neutraler und gelade-
wickelt, bei dem die Leitfähigkeit durch einen Defekt entsteht, der in der theoretischen ner „Soliton“-Defekt in der kon-
Physik als Soliton bezeichnet wird. Dabei sind sogenannte Bindungs-Alternierungs- jugierten Kette der π-Elektronen
von Polyacetylen. Im oberen Teil-
Defekte wichtig, wie sie in Molekülen vom Typ des Polyacetylens vorhanden sind, bild ist ein neutrales Soliton dar-
oder wie sie bei Aufbrechen einer Doppelbindung und damit verbundener Bildung eines gestellt. Es besteht aus Bindungs-
Elektron-Loch-Paares entstehen können. Abbildung 20.6 zeigt als Beispiel die Abspal- Alternierungs-Defekt und einem
tung eines eingebrachten Elektrons durch die Dotierung und ein fehlendes Elektron, ein ungepaarten Elektron (freies Ra-
dikal), das sich längs der konju-
Loch, an einem solchen Defekt. Dieses ist über mehrere Kohlenstoff-Atome im Molekül gierten π-Elektronenkette bewe-
verteilt und kann sich wegen der energetischen Äquivalenz gemäß der Quantenmecha- gen kann. – Im unteren Teilbild ist
nik längs der Molekülkette als Welle ausbreiten. Auch ein Austausch mit benachbarten vom neutralen Soliton durch Oxi-
Ketten ist möglich. So kann man die Leitfähigkeit in solchen molekularen Systemen dation ein Elektron entfernt wor-
den. Das zurückbleibende positiv
verstehen. – Die Suche nach den Bedingungen, unter denen man leitfähige Polymere geladene Soliton ist ebenso längs
und allgemein molekulare Systeme mit einer hohen elektrischen Leitfähigkeit finden der Kette delokalisiert und beweg-
kann, ist eines der aktuellen Forschungsprobleme der Molekularen Physik. lich
432 20. Große Moleküle, Biomoleküle, Übermoleküle

20.3 Molekulare Erkennung, Molekularer Einschluß


Kann ein Molekül ein anderes „erkennen“? Kann es ein spezifisches Molekül aus ande-
ren herauslesen, identifizieren und festhalten? Mit dieser Frage beschäftigt sich ein mo-
derner Zweig der Chemie, für den auch der Name Supramolekulare Chemie verwendet
wird. Molekulare Wechselwirkungen sind in der Biologie ja die Grundlage vieler hoch-
selektiver Erkennungs-, Transport- und Regulationsprozesse. Erwähnt seien als Beispiel
die Bindung eines biologisch wichtigen Moleküls an einen Proteinkomplex, enzyma-
tisch gesteuerte Reaktionen, Antigen-Antikörper Assoziation oder am spektakulär sten
die Replikation und Transkription des genetischen Codes bei der Vermehrung und Ver-
erbung im Bereich der belebten Natur.

Abb. 20.7. „Rezeptor“ und


„Substrat“ verbinden sich zu
einem Übermolekül. Die Grund-
lage für das Konzept der „Mole-
kularen Erkennung“, wichtig für
Katalyse und Transportvorgänge
molekularer Einheiten. Nach
J. M. Lehn

Für molekulare Erkennung können Übermoleküle verantwortlich sein. Das sind nach
K. L. Wolf Moleküle, die hinsichtlich ihrer kovalenten Bindungsmöglichkeiten abge-
sättigt sind und durch zwischenmolekulare Kräfte zusammengehalten werden. Hierbei
bezeichnet man die kleinere Komponente als „Substrat“, die größere als „Rezeptor“.
Man kommt so zu „Übermolekülen“, wie in Abb. 20.7 skizziert. – Die Bindung zwi-
schen Substrat und Rezeptor muß selektiv und spezifisch sein. Molekulare Erkennung
beruht dann auf Speicherung und Auslesen von Information mit Hilfe von Übermolekü-
len, die aus selektiver Wechselwirkung von geeigneten Molekülen hervorgehen. Dabei
muß/kann das Zusammenpassen von Substrat und Rezeptor elektronisch wie auch geo-
metrisch bedingt sein – entsprechend der berühmten Vorstellung von E. Fischer, 1894,
wonach die Moleküle wie Schlüssel und Schloß zusammenpassen müssen.
Als Beispiel sei ein Molekül aus der Reihe der in diesem Gebiet der Molekülphysik
sehr wichtigen Kronenether gezeigt, Abb. 20.8. Hier bildet der Ring der sechs O-Atome
Abb. 20.8. Zwei Kronenether-
Moleküle. C-Atome sind nicht und der 12 C-Atome einen Hohlraum, der so groß ist, daß gerade ein K+ -Ion optimal
bezeichnet, H-Atome nicht ein-
getragen. Zur Bezeichnung: Die
Ringgröße, das heißt die Zahl
der Bindungen im Ring, wird
in eckigen Klammern angege-
ben, dann folgt „Krone“ oder
C für die Molekülklasse, zum
Schluß die Anzahl der Donor-
stellen. Das sind hier jeweils 6
Sauerstoff-Atome
20.3 Molekulare Erkennung, Molekularer Einschluß 433

Abb. 20.9. Im Kalottenmo-


dell wird deutlich, daß in die
Öffnung des Kronenethers [18]
Krone 6 gerade ein K+ -Ion
paßt und dieses dort komple-
xiert wird. Nach Vögtle

hineinpaßt (Abb. 20.9). Ein größeres Alkali-Ion paßt nicht mehr hinein, ein kleineres
ist weniger fest gebunden. Will man ein Übermolekül mit einem anderen Alkali-Ion in
der Mitte herstellen, dann gibt es andere Kronenether mit spezifisch geeigneter Hohl-
raumgröße, Tabelle 20.1.
Tabelle 20.1. Vergleich des Durchmessers verschiedener
Alkalimetall-Kationen und Kronenverbindungen∗

Kation Durchmesser [pm] Krone Durchmesser [pm]

Li+ 136 12C4 (9) 120–150


Na+ 190 15C5 (10) 170–220
K+ 266 18C6 (7) 260–320
Cs+ 338 21C7 (11) 340–430

∗ nach Vögtle

In den letzten Jahren sind viele Moleküle hergestellt worden, die zur selektiven Bin-
dung von Substraten mit ganz unterschiedlicher Form, Größe und Struktur geeignet sind.
Sie sind für Reaktionen, für Katalyse, für Transportvorgänge und besonders als Modelle
für Bioprozesse von eminentem Wert. Diese neue supramolekulare Chemie muß von
Molekülphysikern gemeinsam mit Chemikern bearbeitet werden, wenn man das große
Potential ausschöpfen will, das sich hier für die Forschung eröffnet.
Als Einschlußverbindungen oder Chlathrate sind Übermoleküle oder molekulare
Strukturen aus zwei oder mehr verschiedenen Molekülen schon lange bekannt. Solche
Verbindungen können andere Moleküle geeigneter Größe in Hohlräume der eigenen
Struktur oder des eigenen Gitters aufnehmen und darin festhalten, wobei nicht nur
Bindungskräfte entscheidend sind, sondern in erster Linie der räumliche Einschluß.
Dabei kann es sich um einen molekularen Einschluß wie bei den Kronenethern oder

Abb. 20.10. Einschluß-Verbin-


dungen können durch moleku-
laren Einschluß eines Gastes in
einem Wirtmolekül oder durch
Gittereinschluß im Gitter der
Wirtmoleküle entstehen. Nach
Vögtle
434 20. Große Moleküle, Biomoleküle, Übermoleküle

um einen Einschluß in das Kristallgitter handeln, Abb. 20.10. Als Beispiel für einen
Gitter-Einschluß zeigt Abb. 20.11 die Gitterstruktur des Harnstoffes, eines Moleküls
mit der Formel
H2 N−C−NH2

=
O
In den Hohlräumen des Gitters lassen sich z. B. n-Paraffine, n-Fettsäuren und halo-
genierte Kohlenwasserstoffe, ja sogar Benzol-Moleküle unterbringen. Die kanalartigen
Hohlräume im Gitter des Harnstoffes haben einen Durchmesser von 520 pm. Dadurch
ist der Durchmesser der einzubauenden Moleküle begrenzt.
Man kennt eine Vielzahl von Wirtsubstanzen für Chlathrate mit einer Fülle von
anderen Molekülen. Solche molekularen Strukturen sind von großem praktischem wie
theoretischem Interesse. Wenn der Einschluß durch die spezifische Gitterstruktur mög-
lich wird, dann schlagen diese molekularen Strukturen auch eine Brücke zur Festkör-
Abb. 20.11. Das Gitter der perphysik.
Harnstoff-Moleküle ermöglicht Der Begriff des Übermoleküls wurde insbesondere durch die Arbeiten von J. M. Lehn,
den Einschluß von Paraffin-
Molekülen. Nach Vögtle
erweitert zu dem des Supermoleküls und zu dem Gebiet der supramolekularen Che-
mie. Von einem Supermolekül oder einer molekularen Funktionseinheit spricht man
allgemein, wenn sich verschiedene Moleküle so miteinander verbinden, daß sie eine
neue Funktion erfüllen. Im engeren Sinne versteht man darunter Verbindungen infolge
von zwischenmolekularen Kräften, also auch Wirt-Gast-Komplexe, selbstorganisierte
Assoziate und molekulare Filme. Im weiteren Sinne sind dies jedoch auch kovalent
zu neuen Einheiten verbundene Molekülverbände. Die Bedeutung solcher Systeme in
Chemie, Biologie und Physik ist immens. Man braucht nur an die vielfältigen Anwen-
dungsmöglichkeiten als Katalysatoren, als Sensoren oder für neuartige Werkstoffe zu
denken. Mehr dazu auch Abschn. 20.7 und in Kap. 21.

20.4 Energieübertragung, Sensibilisierung


Molekulare Systeme können auch zur Licht-Umwandlung führen durch die Reaktions-
folge: Absorption von Licht durch einen Partner des Systems, Übertragung der Anre-
gungsenergie auf den anderen Partner und Emission von Licht durch diesen. Ein Bei-
spiel aus der Supramolekularen Chemie ist das in Abb. 20.12 dargestellte Europium
(III)-Cryptat des makrobizyklischen Liganden Polypyridin. Als Cryptate bezeichnet man
derartige molekulare Komplexe, bei denen ein Partner (das Eu-Ion) von einem ande-
ren Partner weitgehend eingeschlossen ist. Während das freie Europium-Ion in Lösung
nicht fluoresziert, zeigen die Komplexe eine starke Lumineszenz. Wie das Anregungs-
spektrum (Abb. 20.13) zeigt, wird diese Lumineszenz durch Absorption von Licht im
organischen Liganden angeregt und auf das dann emittierende Eu-Ion übertragen. Dieser
Ligand ist dadurch, daß er das Metallion in seinem Hohlraum einschließt, gleichzeitig
Abb. 20.12. Molekülstruktur ei- dafür verantwortlich, daß die Emission des Eu-Ions nicht durch strahlungslose Desak-
nes Europium(III)-Cryptats mit tivierungsprozesse über die Moleküle des Lösungsmittels unterdrückt wird.
einem makrobizyklischen Poly-
pyridinliganden, der das Eu3+ -
Strahlungslose Übertragung von elektronischer Anregungsenergie zwischen Mole-
Ion einschließt. (Nach J. M. külen über etwas größere Entfernungen bis etwa 100 Å ist ein in vielen molekularen
Lehn, Angew. Chem. 100, 92 Systemen wichtiger Prozeß. Verantwortlich für die Energieübertragung ist die reso-
(1988)) nante Wechselwirkung eines elektronisch angeregten Moleküls D (für Donator, siehe
20.4 Energieübertragung, Sensibilisierung 435

Abb. 20.13. Rechts: Anregungs-


spektrum, das heißt Spektrum
desjenigen Lichtes, durch die
eine Emission bei 700 nm
angeregt wird, also der Eu-
Fluoreszenz im Molekül von
Abb. 20.12. Links: Emissions-
spektrum. Dieses gehört zu
Eu3+ , während die Absorp-
tion durch den organischen
Liganden erfolgt. Dies folgt
aus der Übereinstimmung des
gezeigten Anregungsspektrums
mit einer Absorptionsbande
des organischen Makrozyklus.
Beispiel für intramolekulare
Energieübertragung von ange-
regten Zuständen des Liganden
in angeregte Zustände des
Eu3+ -Ions. Dieses emittiert
Abb. 20.14) mit einem im elektronischen Grundzustand befindlichen Molekül A (für wegen seiner Abschirmung
Akzeptor). Bedingung für die Resonanz ist eine Überlappung zwischen Emissionsspek- durch den organischen Partner
mit hoher Ausbeute. Messung
trum des Donators und Absorptionsspektrum des Akzeptors und eine hinreichend kleine in 10−6 molarer Lösung bei
Entfernung zwischen D und A. Raumtemperatur
Als Wechselwirkungsmechanismen können sowohl Austausch- als auch Coulomb-
Wechselwirkung auftreten. Die Coulomb-Wechselwirkung kann bekanntlich in einer
Multipolreihe entwickelt werden, wobei der Term mit der größten Reichweite den
Dipol-Dipol-Term darstellt. Die Energieübertragung über diesen Mechanismus wurde
zuerst von Förster berechnet und daher Förster-Prozeß genannt.
Für die Energietransferrate κD→A vom Molekül D zum Molekül A im Abstand r
(Abb. 20.14) ergibt sich
 
1 R0 6
kD→A = r , also ∼ r −6 ,
τD r
wobei (τDr )−1 die strahlende Zerfallsrate des Donators angibt und der sogenannte
Förster-Radius R0 denjenigen Abstand bezeichnet, bei dem die Wahrscheinlichkeiten
für direkte Ausstrahlung von Licht durch D und für strahlungslose Energieübertragung
von Molekül D auf Molekül A gleich groß sind.
Beim Förster-Mechanismus fällt die Energietransferrate kD→A mit der sechsten Po-
tenz des Abstandes r zwischen den beteiligten Molekülen ab. Im Fall höherer Multi-
polterme ergibt sich ebenfalls ein Potenzgesetz für kD→A jedoch deutlich geringerer
Reichweite: kD→A ∼ r −x mit x ≥ 8. Für die Austauschwechselwirkung ergibt sich gar Abb. 20.14. Zur Energieüber-
eine exponentielle Abstandsabhängigkeit, so daß eine Energieübertragung durch diesen tragung nach Förster. Die vom
Wechselwirkungsmechanismus nur über kleine Abstände (wenige Å) wirksam ist. Molekül 1, dem Donator D ab-
Förster erhielt für den Fall der Dipol-Dipol-Wechselwirkung für R0 folgenden Aus- sorbierte Energie kann strah-
lungslos auf das Molekül 2,
druck
den Akzeptor A, im Ab-
 ∞
κ2 dν stand r übertragen werden.
R06 = 7,096393 · 105 · 4 · f D (ν) · εA (ν) 4 [m6 ] , (20.1) Die relative Orientierung der
n 0 ν Moleküldipole µD und µA (vgl.
Abschn. 15.1) zueinander wird
wobei κ 2 ein Zahlenfaktor von der Größenordnung 1 ist, der die relative Orientierung bei- durch den Orientierungsfak-
der Moleküle enthält, n den Brechungsindex bezeichnet, und das Integral die Überlappung tor κ 2 berücksichtigt
436 20. Große Moleküle, Biomoleküle, Übermoleküle

zwischen Fluoreszenz f D des Donators und Absorption εA (in [l · mol−1 · cm−1 ]) des Ak-
zeptors beinhaltet. Das Fluoreszenzspektrum ist hierbei normiert:
 ∞
f D (ν)dν = 1 .
0

Typische Zahlenwerte für Förster-Radien R0 , d. h. für Abstände, über die diese Ener-
gieübertragung wichtig ist, liegen für organische Moleküle bei 50 Å.
Eine wichtige Anwendung für Energieübertragung in der Photophysik ist die sen-
sibilisierte Fluoreszenz. Sie ist dafür verantwortlich, daß festes Anthracen (vergleiche
Abb. 14.21) nicht blauviolett wie reines Anthracen, sondern grüngelb fluoresziert, wenn
es nur 10−5 Teile des Moleküls Tetracen als Beimischung oder „Gast“ enthält. Die vom
Anthracen absorbierte Energie wird mit hoher Ausbeute auf die Verunreinigung Tetra-
cen übertragen und von dieser emittiert, Abb. 20.15.
Man kann das auch so ausdrücken: Durch Lösen in Anthracen wird die Wahrschein-
lichkeit der Lichtanregung von Tetracen um viele Zehnerpotenzen erhöht. Man kann
durch geeignete Energieübertragungs-Systeme also dafür sorgen, daß man Energie be-
vorzugt auf bestimmte Moleküle lenkt, zum Beispiel auf Moleküle, an denen eine pho-
tochemische Reaktion stattfinden soll.
Solche Prozesse spielen bei biologischen Systemen, zum Beispiel bei den soge-
nannten Antennenkomplexen zum Lichtsammeln für die Photosynthese (vergleiche Ab-
Abb. 20.15a–d. Sensibilisierte
schn. 20.6) und in der Technik, zum Beispiel bei der Photographie, eine wichtige Rolle.
Fluoreszenz, schematisch. (a) Der
Wirt-Kristall W enthält eine ge-
ringe Konzentration von Gastmo-
lekülen G. Der Kristall wird mit
Licht angeregt, das überwiegend
vom Wirt absorbiert wird. Die
Fluoreszenz enthält überwiegend
Gast-Licht. (b) Die emittierten
Fluoreszenz-Lichtquanten von
Wirt und Gast, Q W und Q G un-
terscheiden sich spektral, in ihrer
Farbe, und lassen sich deshalb
voneinander getrennt messen. Das
Quantenverhältnis Q G /Q W wird
über die Gast-Konzentration CG
aufgetragen, (c) Das Anregungs-
licht wird im Kristall vom Wirt
absorbiert. Die Anregungsenergie
diffundiert als S1 -Exziton im Kri-
stall. Wenn das Exziton während
seiner Lebensdauer zu einem
Gast-Molekül G gelangt, wird
es dort eingefangen und G-Licht
wird emittiert, (d) Anregungs-
energie aus dem Exzitonenband
S1W des Wirtes wird auf das
im Gitter isolierte Gastmolekül
übertragen. Emission erfolgt aus
dem Anregungszustand S1G des
Gastes. (Nach H. C. Wolf, Die
feste Materie, Umschau Verlag,
Frankfurt (1973))
20.5 Moleküle für Photoreaktionen in der Biologie 437

20.5 Moleküle für Photoreaktionen in der Biologie

Das Leben auf der Erde braucht das Sonnenlicht. Ohne dieses wäre die belebte Na-
tur, wie sie uns umgibt, nicht möglich. Die Sonne liefert die Energie für die Photo-
synthese, das heißt für den Prozeß, der zum stofflichen Aufbau und zur Funktion der
uns umgebenden Natur unerläßlich ist. Viele andere lebenswichtige Prozesse verwenden
Licht – genannt seien nur das durch Licht gesteuerte gerichtete Wachsen von Pflanzen,
der sogenannte Phototropismus, und im Bereich der Tiere und beim Menschen der Seh-
prozeß.
All diese chemischen Grundprozesse der Biologie verlaufen über Photo-Rezeptoren.
In ihnen enthaltene Moleküle sind für die Primärprozesse der Photochemie und Photo-
physik der Lebewesen verantwortlich. Sie absorbieren das Licht und transportieren die
absorbierte Energie an die Stelle, an der die chemischen Primärprozesse einsetzen. Um
sie in ihrer Funktion zu verstehen, bedarf es der Methoden der Molekülphysiker. Mehr
dazu in Abschn. 20.7.
Das wichtigste dieser Moleküle ist wohl das Chlorophyll, Abb. 20.16. Es besteht aus
einem großen Ring, dem Makrozyklus des Porphyrin-Ringes mit delokalisierten Elek-
tronen, d. h. konjugierten Doppelbindungen, der für die charakteristische Lichtabsorp-
tion verantwortlich ist, und einem sogenannten Phytolschwanz, der nicht der Lichtab- Abb. 20.16. Molekülstruktur
sorption, sondern der Löslichkeit in der Membran und dem richtigen Einbau in das von Chlorophyll b und β-
zugehörige Protein dient. Die Absorptionsspektren von zwei etwas unterschiedlichen Carotin. Der Bereich konjugier-
ter Doppelbindungen, der für
Chlorophyll-Molekülen und von Carotin, also von der Lichtaufnahme dienenden Mo- die Lichtabsorption maßgeblich
lekülen, zeigt Abb. 20.17. – Durch leichte Modifikationen am Molekül sowie durch un- ist, ist schraffiert. Die C-Atome
terschiedlichen Einbau in die sie tragenden Proteine kann man die Absorptionsspektren sind in den Ketten und Ringen
spektral etwas verschieben. Davon machen Lebewesen Gebrauch, die unter Bedingun- nicht bezeichnet, die H-Atome
nicht eingezeichnet. Striche
gen leben, bei denen sie Licht anderer spektraler Zusammensetzung ausnützen müssen, ohne Atom-Bezeichnung führen
als sie das normale Sonnenlicht bietet – beispielsweise in sumpfigem Wasser. Im Prozeß zu (nicht eingezeichneten)
der Photosynthese haben Chlorphyllmoleküle mindestens zwei Funktionen: als Anten- CH3 -Gruppen. Nach Dickerson
nen dienen sie der Lichtabsorption, und im Reaktionszentrum sind sie für den Primär- und Geis
prozeß der Photosynthese, nämlich die primäre Ladungstrennung, also die Abspaltung
eines Elektrons zuständig, siehe auch Abschn. 20.7.

Abb. 20.17. Absorptionsspek-


tren (sichtbarer Bereich) der bei-
den Chlorophyll-Moleküle Chlo-
rophyll a und b sowie von β-
Carotin
438 20. Große Moleküle, Biomoleküle, Übermoleküle

Eine andere Gruppe von Pigment-Molekülen, die bei der Photosynthese in Pflan-
zen und Tieren wichtig sind, sind die Carotinoide. Ein Vertreter dieser Gruppe, das
β-Carotin, ist ebenfalls in Abb. 20.16 und 20.17 gezeigt. Hier ist die für die Photo-
Reaktion verantwortliche elektronische Struktur eine lineare Kette alternierender Dop-
pelbindungen, eine Polyen-Struktur, siehe Abschn. 14.6. Carotinoide, das heißt Mole-
küle mit einer ähnlichen Grundstruktur wie das β-Carotin, sind im Photosyntheseapparat
vieler photosynthetisierender Pflanzen und Bakterien enthalten.
Das Absorptionsspektrum von Carotinoiden (Abb. 20.17) ergänzt die Chlorophyll-
Absorption spektral und ermöglicht damit eine bessere Ausnutzung des Sonnenlicht-
spektrums in den für die Lichtaufnahme verantwortlichen „Antennen“ des Photosyn-
theseapparates. Darüber hinaus ist der im Infraroten bei ca. 8000 cm−1 liegende tiefste
angeregte Triplett-Zustand dieses Moleküls wichtig. Er sorgt für eine strahlungslose Ab-
fuhr überschüssiger Energie, wenn mehr Lichtquanten vom Chlorophyll absorbiert wer-
den, als vom Photosynthese-Apparat verarbeitet werden können. Er schützt damit das
Lebewesen vor Schaden, wenn zu viel Licht einfällt, insbesondere vor Bildung des sehr
reaktionsfreudigen angeregten Singulett-Zustandes von Sauerstoff, 1 O∗2 , vgl. Abb. 13.9
und 14.1.
Dieser kann nämlich durch strahlungslose Umwandlung aus dem Triplett-Grundzu-
stand 3 O2 entstehen, nach dem Schema
3O
2 + 3 Chlorophyll∗ → 1 O∗2 + 1 Chlorophyll ,
wenn der Abbau der Anregung des Chlorophyll-Moleküls in seinem Triplett-Grundzu-
stand 3 Chlorophyll wegen zu starker Lichteinstrahlung nicht vollständig erfolgt. Nach
dem Schema
3
Chlorophyll∗ + 1 CAR → 1 Chlorophyll + 3 CAR∗
eröffnet das Carotinoid einen zusätzlichen Kanal für die Entvölkerung des angeregten
Chlorophyll-Moleküls und verhindert damit die oben erwähnte Konkurrenz-Reaktion,
bei der 1 O∗2 entsteht. So ermöglichen die Carotinoide einen schnelleren Abbau von zu
starker Anregung des Zustandes 3 Chlorophyll∗ . (Mit Stern sind hier elektronisch ange-
regte Zustände bezeichnet.) Gebildeter Singulett-Sauerstoff wird nach dem Schema
1 O∗
2 + 1 CAR → 3 O2 + 3 CAR∗

in unschädlichen Sauerstoff 3 O2 überführt. – Der entstandene Triplett-Zustand 3 CAR∗


gibt seine Energie nach dem Schema
3
CAR∗ → 1 CAR + Phononen
rasch ab. Darauf beruht die Schutzwirkung von Carotinoiden gegen Lichtsensibilisierte
Reaktionen.
Das von den Pigment-Molekülen, das heißt Chlorophyll und Carotinoid, im Antennen-
System absorbierte Licht wird innerhalb der molekularen Strukturen des Photosynthese-
apparates zu dem Reaktionszentrum geleitet. Dort beginnt dann die photochemische Re-
aktion.
Für den Sehvorgang im Auge ist ein Molekül verantwortlich, das wie das Caro-
tin als absorbierende Struktur eine Kette konjugierter Doppelbindungen enthält, das
Retinal, Abb. 20.18, das mit dem Protein Opsin zusammen Rhodopsin heißt. Bei die-
sem Molekül bewirkt absorbiertes Licht eine cis-trans-Isomerisierung, das heißt das
20.5 Moleküle für Photoreaktionen in der Biologie 439

Abb. 20.18. Retinal kann durch


Absorption von sichtbarem
Licht aus der cis-Konfiguration
in die trans-Konfiguration
isomerisiert werden. Zusam-
men mit dem Protein Opsin,
woran das Retinal gebunden
ist, wird diese Isomerisierung
als lichtempfindlicher Mecha-
nismus im Auge ausgenutzt.
Vor Absorption von Licht ist
das Retinal in cis-Konformation
an Opsin gebunden. In der
trans-Konformation ist dieser
Komplex mit dem Namen
Rhodopsin instabil, er zerfällt
in Opsin und Retinal. Dieser
Prozeß ist reversibel
räumliche Umklappen einer Bindung wie in Abb. 20.18 gezeigt. Diese molekulare
Umlagerung als Primärprozeß des Sehens wird in den molekularen Funktionseinheiten,
in die das Molekül eingebaut ist, schließlich in eine Reizung der Sehzellen umgewan-
delt. – Solche molekularen Umlagerungen spielen auch an vielen anderen Stellen der
Photobiologie eine wichtige Rolle, z. B. bei der Licht-Regulierung des pflanzlichen
Wachstums durch sogenannte Phytochrom-Moleküle, die dem Retinal verwandt sind
und bei denen ebenfalls eine cis-trans-Isomerisierung der primäre Schritt der Photore-
aktion ist.
Mit den modernen Methoden der Laserspektroskopie kann man sogar die Geschwin-
digkeit solcher Isomerisierungsprozesse messen. Abbildung 20.19 zeigt schematisch
den Photoprozeß in Rhodopsin, das aus Rinder-Augen gewonnen wurde. Die Photo-
Isomerisierung ist nach 200 Femtosekunden beendet.

Abb. 20.19. Schema für die


Photoisomerisierung von 11-cis
Rhodopsin. Licht wird vom
Grundzustand S0 in den An-
regungszustand S1 absorbiert.
Die Farbe ist blau-grün, die
Pulsdauer beträgt 10 fs. Dort
erfolgt strahlungslos die Um-
lagerung in die all-trans Form.
Nach C. V. Shank u. a., Science
254, 412 (1991)
440 20. Große Moleküle, Biomoleküle, Übermoleküle

20.6 Moleküle als Grundbausteine des Lebens


Wichtigste molekulare Komponenten des Lebens sind die Proteine und die Nuklein-
säuren. Sie stellen die Bausteine molekularer Strukturen dar, aus denen die belebte Welt
aufgebaut ist. Proteine sind die Grundbausteine lebender Organismen, Nukleinsäuren die
Träger und Überträger von Information.
Proteine sind Polymere aus Aminosäuren. Dies sind bifunktionelle Moleküle, das
heißt Moleküle mit zwei reaktiven Enden, einer Aminogruppe, −NH2 , an einem Ende
des Moleküls und einer Carboxyl-Gruppe, −COOH, am anderen Ende. Die allgemeine
Formel für eine Aminosäure ist:
R
|
H2 N−C−COOH .
|
H

Abb. 20.20. Schema einer Poly-


peptidkette. Durch Abspaltung
eines Wassermoleküls verbinden
sich Aminosäuren in der soge-
nannten Peptidbindung. Das
Rückgrat besteht aus identi-
schen Einheiten. Die variablen
Seitenketten R geben jeder Pro-
teinkette ihre charakteristischen
Eigenschaften. Mit S ist die Quer-
vernetzung zu einem anderen
Teil der Kette als Disulfidbrücke
angedeutet. Eine andere Form
der Quervernetzung erfolgt über
Wasserstoffbrücken (gepunktet).
Nach Dickerson und Geis

Abb. 20.21. Stark schematische


Abbildung des Myoglobins. Es
besitzt 153 Aminosäuren in einer
Kette und eine Molekülmasse von
17 000, ist also ein verhältnis-
mäßig kleines Protein. Die Kette
ist in 8 Segmente A bis H zur
zylindrischen α-Helix gefaltet.
Die Knickpunkte zwischen je
zwei Segmenten werden mit
beiden entsprechenden Buch-
staben bezeichnet, z. B. AB. –
In der aus E und F gebildeten
Tasche liegt die Häm-Gruppe,
das ist ein Fe-Atom im Zen-
trum eines Porphyrin-Rings.
An dieses zentrale Fe kann ein
O2 -Molekül gebunden werden,
wenn Myoglobin Sauerstoff
speichert (Bindungsstelle W).
Nach Dickerson und Geis
20.6 Moleküle als Grundbausteine des Lebens 441

Dabei ist R eine von vielen möglichen Seitengruppen, die etwas unterschiedliche
chemische Eigenschaften haben können. Ist R einfach ein H-Atom, so heißt die Ami-
nosäure beispielweise Glycin, mit der Seitengruppe

CH3

−CH

CH3

heißt sie Valin. Aminosäuren können über ihre reaktiven Enden unter Abspaltung von
H2 O zu sogenannten Polypeptiden polymerisieren (Abb. 20.20). Dabei ist die Sequenz
(Reihenfolge) der hinsichtlich ihrer Seitengruppen R unterschiedenen Aminosäuren
für die biologischen Eigenschaften der Polypeptide entscheidend. Diese Ketten bilden
schließlich bei typischen Längen von 60 bis 600 Aminosäuren durch Schraubung und
Faltung eine dreidimensionale Protein-Struktur, Abb. 20.21. Die Molekülmassen liegen
bei solchen Molekülen zwischen 10 000 bis 200 000. In der Natur kommen 20 verschie-
dene Aminosäuren mit unterschiedlichen Seitengruppen vor. Die Reihenfolge (Sequenz)
dieser Seitengruppen längs der Polypeptidkette ist durch den sogenannten genetischen
Code festgelegt, das heißt durch eine Bauvorschrift, die bei der Duplizierung von Zellen
weitergegeben wird. Sie bestimmt zunächst einmal, um welches Protein es sich handelt
und wie die molekulare Struktur dieses Proteins, die Primärstruktur, aussieht. Weiterhin
falten sich Bereiche der Polypeptidkette zunächst zu einer Schraubenstruktur (Helix),
und diese Helices falten sich ihrerseits wieder zu einem dreidimensionalen Molekül.
Man spricht von Sekundär- und Tertiärstruktur. Ein Beispiel hierfür zeigt Abb. 20.21.
Hier wird gleichzeitig deutlich, wie ein solches Protein einen geometrisch und elek-
tronisch genau definierten Platz für ein anderes Molekül – z. B. eine Eisen enthaltende
Verbindung Häm in Abb. 20.21 – schaffen kann.
Ein Protein ist also ein gefaltetes Polymer aus Aminosäuren mit spezifischer Sequenz
dieser Molekülgruppen. Es gibt viele Möglichkeiten für die Tertiärstruktur und für die
Funktion von Proteinen. Sie können zum Beispiel als Träger für Metall-Atome oder
kleine organische Moleküle fungieren. Solche globulären Proteine mit einem Durchmes-
ser von 2 bis 20 nm können vielfache Funktionen in der Biochemie erfüllen: als kata-
lytisch wirkende Enzyme, als Sauerstoffüberträger (Hämoglobin), als Elektronenüber-
träger (Cytochrom) und viele andere mehr. Proteine können aber auch aus Polypeptid-
ketten bestehen, die sich in Form von Kabeln oder Strängen umeinander winden. Sie
werden dann als Struktur- und Stützelemente wichtig und heißen Faserproteine und bil-
den Haare, Haut, Muskeln.
Der wichtigste Informationsträger im Leben aber sind die Nukleinsäuren, speziell die
DNS, die Desoxyribonukleinsäuren. Sie bilden den zentralen Informationsspeicher im Abb. 20.22. Das Rückgrat der
Zellkern, von dem aus mit Hilfe von Ribonukleinsäuren (RNS) die gespeicherten Infor- Desoxyribonukleinsäure, kurz
mationen weitergegeben und bei der Biosynthese von Proteinen benutzt werden. DNS, ist ein langes Polymeres,
Die Aufklärung der Strukturen und die Erklärung der zwischenmolekularen Bindun- das abwechselnd aus Phosphat-
und Desoxyribose-Molekülen
gen ist der primäre Beitrag, den die Molekülphysik bei der Aufklärung dieser Grund- aufgebaut ist. Diese sind in
elemente des Lebens leistet. den mit 3
und 5
bezeichneten
DNS, Desoxyribonukleinsäure, Abb. 20.22 und 20.23, ist die wichtigste Nuklein- Positionen des Zuckers mitein-
säure, weil sie in der Regel die genetische Information enthält und weitergibt. Sie ist ein ander durch eine Ester-Bindung
verknüpft. Die schraffierten
langkettiges Polymer aus dem Zuckermolekül Desoxyribose (allgemeine Summenformel Kästchen bedeuten jeweils eine
von Zucker-Molekülen Cx (H2 O) y , mit x und y 5 bzw. 6) und Phosphat-Gruppen, die der vier möglichen Basen. Nach
abwechselnd miteinander zu einer Kette verbunden sind, siehe Abb. 20.22. Jedes der Dickerson und Geis
442 20. Große Moleküle, Biomoleküle, Übermoleküle

Abb. 20.23. Die vier Basen der


DNS, jeweils paarweise verbun-
den

Einzelmoleküle ist kovalent mit einer von 4 Purin- oder Pyrimidin-Basen verbunden,
die mit A (Adenin), C (Cytosin), G (Guanin) bzw. T (Thymin) bezeichnet werden, und
in Abb. 20.23 einzeln gezeigt sind. Längs der Polymerkette sind also in regelmäßigem
Abstand diese Seitengruppen angeordnet.
Die genetische Information wird durch die Reihenfolge der Basen im DNS-Strang
codiert. Drei aufeinanderfolgende Basen – ein Codon – charakterisieren eine Amino-
säure, geben also für die Anordnung der Aminosäuren in den Proteinen die Bauvor-
schrift. Es gibt für die Codierung der 20 verschiedenen Aminosäuren, aus denen Pro-
teine bestehen, 43 = 64 verschiedene Codons, weil in jeder Position vier verschiedene
Basen angeordnet sein können. Ein zweiter Strang, der mit dem ersten Strang zu einer
Doppelhelix vereinigt ist (über Wasserstoffbrücken zwischen den Basen) enthält eben-
falls die gleiche Information, vergleiche Abb. 20.24. Sie kann durch die ähnlich auf-
gebaute sogenannte Boten-RNS (Ribonukleinsäure) abgefragt und als Bauvorschrift für
zu synthetisierende Proteine weitergegeben werden. Dabei bedeutet, wie erwähnt, immer
eine Dreiergruppe von Basen, ein Codon, die Vorschrift, eine bestimmte Aminosäure im
Proteinstrang anzubringen. Die Boten-Ribonukleinsäure ist ähnlich wie die DNS auf-

Abb. 20.24. Schematische Dar-


stellung der DNS. Links: Mo-
dell der Struktur des Desoxyri-
bonukleinsäure-Moleküls (DNS).
Rechts: Einige Glieder des
DNS-Moleküls, in einer Ebene
ausgebreitet dargestellt. Durch
die verschiedenen Begrenzungs-
formen in der Mitte ist ange-
deutet, daß sich nur bestimmte
Nukleotide miteinander verbin-
den können
20.7 Molekulare Funktionseinheiten 443

gebaut. Die in der Basensequenz der DNS, den Codons, gespeicherte Information kann
also auf die Boten-RNS übertragen und zum Ort der Proteinsynthese transportiert wer-
den. – In Abb. 20.24 ist die Struktur der DNS noch einmal sehr schematisch darge-
stellt. Der Beitrag der Physiker zur Erforschung dieser Gesetzmäßigkeiten war bedeu-
tend. Am wichtigsten war dabei die Strukturaufklärung der Doppelhelix von DNS mit
Hilfe der Röntgeninterferenz-Technik durch Crick und Watson im Jahre 1960. Wichtige
Beiträge der Physiker sind weiter Messungen und Rechnungen über innere Bewegungen
der Biomoleküle, über Faltungen, Schwingungen, ferner über die Dynamik beim Ein-
bau und Umbau in lebenden Systemen. Hier gibt es auch wichtige Beiträge von seiten
der Infrarot- und der Kernspin-Resonanz-Spektroskopie.

20.7 Molekulare Funktionseinheiten


Die Vielzahl sehr spezifischer Reaktionen, die Moleküle besonders in biologischen Sy-
stemen ausführen oder in Gang setzen müssen, wird dadurch möglich gemacht, daß sie
in bestimmtem Abstand, mit bestimmter Orientierung und mit spezifischer elektroni-
scher Wechselwirkung untereinander oder mit anderen Molekülen angeordnet, festge-
halten oder kontrolliert bewegt werden. Man spricht von molekularen Funktionseinhei-
ten und meint damit Strukturen aus mehreren Molekülen, die so komplexe Prozesse wie
molekulare Erkennung, Informationsspeicherung oder -übertragung, Katalyse oder spe-
zifische Reaktionswege ermöglichen. Die Aufklärung von Struktur und Funktion sol-
cher Einheiten ist ein aktuelles interdisziplinäres Objekt der Forschung und eine fas-
zinierende Anwendung der Möglichkeiten und Methoden der molekularen Physik. Wir
haben bereits in Abschn. 20.5 die Proteine als Rezeptor-Substrat-Einheit für Transport-
und Reaktionsprozesse in der belebten Welt kennengelernt.
Viele biologisch wichtige stoffliche Prozesse können nur mit Hilfe molekularer Mem-
branen ablaufen. Diese sind aus langkettigen Molekülen mit verschiedenen Endgruppen
an beiden Kettenenden – etwa hydrophil und hydrophob – aufgebaut. Als hydrophil und
hydrophob bezeichnet man Endgruppen, die wasserlöslich sind wie OH, und unlöslich
wie CH3 . Diese Membranen wirken als Trennwand zwischen verschiedenen Bereichen,

Abb. 20.25. Modelle einer


Membran, Lipid-Doppelschicht,
mit eingelagerten Protein-Kom-
plexen. Diese können teilweise
zwischen Bereichen der Mem-
bran diffundieren und sich auch
durch die Membran hindurch
erstrecken. (Nach S. J. Singer
und G. L. Nicolson, Science
175, 723 (1972))
444 20. Große Moleküle, Biomoleküle, Übermoleküle

z. B. in der Zelle oder als Matrix für aktive molekulare Einheiten wie Proteine, und er-
möglichen so gerichtete und räumlich getrennte Reaktionen und Transportprozesse, s.
Abb. 20.25.
Man kann solche Membranen künstlich herstellen, indem man sogenannte amphi-
phile langkettige Moleküle auf eine Flüssigkeitsoberfläche (Abb. 2.6) bringt. Darunter
versteht man Moleküle, deren beide Enden in unterschiedlichen Lösungsmitteln lösbar
sind. Eine häufig verwendete Molekülgruppe sind Fettsäure-Moleküle, beispielsweise
die Stearinsäure, chemische Formel C17 H35 COOH. Sie bestehen aus einer langen Zick-
Zack-Kette von CH2 -Gruppen und einer Endgruppe von COOH an einem Ende und ei-
ner CH3 -Gruppe am anderen Ende. Die COOH-Endgruppe ist wasserlöslich, das üb-
rige Molekül nicht. Bereits 1891 beobachtete die Amateur-Forscherin Agnes Pockels,
daß sich diese Moleküle auf einer Wasseroberfläche zweidimensional lösen, ohne in das
Volumen aufgenommen zu werden. Die polaren Köpfe der Moleküle zeigen nach un-
ten und tauchen ins Wasser. Die Kohlenwasserstoff-Schwänze zeigen nach oben in die
Luft. Wenn man mit einem Schieber auf der Wasseroberfläche den Bereich, auf dem die

Abb. 20.26. Zur Herstellung von


Langmuir-Blodgett-Schichten.
Amphiphile Moleküle, das heißt
Moleküle mit einem wasserlös-
lichen und einem unlöslichen
Ende, lösen sich auf einer
Wasseroberfläche zweidimensio-
nal (sogenanntes Spreiten). Sie
lassen sich zu einer zweidimen-
sionalen Monoschicht kompri-
mieren und durch Eintauchen
und Herausziehen auf einen Trä-
ger aufbringen. Dieser Vorgang
läßt sich vielfach wiederholen.
So kann man geordnete dünne
Schichten in vorgegebener Dicke
erzeugen. (Siehe auch Nachr.
Chem. Techn. 36, Nr. 10
(1988))
20.7 Molekulare Funktionseinheiten 445

Moleküle zweidimensional gelöst sind, einengt, kann man eine geschlossene monomo-
lekulare Schicht von Fettsäure-Molekülen auf der Wasseroberfläche herstellen.
Solche Filme kann man durch Eintauchen und wieder Herausziehen einer Glas- oder
Metallplatte, wie in Abb. 20.26 gezeigt, auf diese Platte als monomolekulare Schicht
aufziehen. Durch Wiederholung des Vorganges und geeignete Versuchsführung kann
man mehrere solcher Schichten in gleicher oder in entgegengesetzter Orientierung der
Moleküle aufeinanderpacken und damit Mono- oder Multischichten auf fester Unterlage
erzeugen. So erhält man sogenannte Langmuir-Blodgett-Schichten, die als molekulare
Membran-Modelle dienen können. Übrigens kann man so auch wie vorne (Abschn. 2.1)
gezeigt die Größe der Moleküle messen. Man kann gezielt Moleküle in die Membra-
nen einbauen und hat so Moleküle mit bekanntem Abstand und in bekannter Orientie-
rung zueinander für Experimente zur Verfügung. Die Technik der Langmuir-Blodgett-
Schichten eröffnet viele Möglichkeiten zur physikalischen Untersuchung großer Mole-
küle und zum Aufbau molekularer Architekturen. Den Physiker interessieren zum Bei-
spiel Fragen nach der Ordnung und nach den Möglichkeiten der Differenzierung in sol-
chen Strukturen.
Eine andere sehr erfolgreiche Methode zur Herstellung geordneter monomoleku-
larer oder oligomolekularer Schichten ist die Methode der Selbst-Organisation, self
assembly. Sie beruht auf der Chemisorption von Molekülen aus einer Lösung an der
Oberfläche eines Substrates, das in diese Lösung eingetaucht wird. Bringt man bei-
spielsweise eine Goldoberfläche Au(111) in Kontakt mit der Lösung eines n-Alkanthiols
CH3 −(CH2 )n−1 −SH (allgemein R−SH, R steht für organischer „Rest“) in Hexan, dann
bilden sich unter Abspaltung von Wasserstoff kovalente Gold-Thiolat-Bindungen R-S-
Au, so daß die Alkylketten über die Schwefelatome an die Goldoberfläche angeknüpft
sind. Im thermodynamischen Gleichgewicht entsteht dadurch nach einer gewissen Zeit
eine geordnete Monoschicht von Alkylketten auf der Goldoberfläche, die mit ihrer Be-
deckung aus der Lösung herausgenommen werden kann. Mit Silanen auf Silicium kann
man ebenfalls solche Schichten herstellen.
Mehr über die Herstellung monomolekularer geordneter Schichten aus organischen
Molekülen findet man in M. Schwoerer und H. C. Wolf, Organische molekulare Fest-
körper, Wiley-VCH 2005, Kap. 2.
Eine der wichtigsten molekularen Funktions-Einheiten, ohne die Photosynthese und
damit viele Arten von Leben nicht möglich wäre, ist das bereits in Abschn. 20.5 er-
wähnte Reaktionszentrum photosynthetisierender Systeme. Die Struktur desjenigen von
photosynthetisierenden Bakterien konnte in den letzten Jahren durch Röntgenbeugungs-
Messungen an Reaktionszentren-Einkristallen aufgeklärt werden. Abbildung 20.27
zeigt, wie die Reaktionszentren-Komplexe in Membranen im Inneren von Bakterien
angeordnet sind. In eine Proteinumgebung eingelagert sind in genau bestimmter Ori-
entierung und wohl definiertem Abstand eine kleine Anzahl von Molekülen. Ihre Auf-
gabe ist es, das absorbierte Licht der Sonne im primären Schritt der Photosynthese
in eine Ladungstrennung über die Membran hinweg, d. h. in ein räumlich getrenntes
Elektron-Loch-Paar umzusetzen. Die chemische Natur der Moleküle und ihre Orientie-
rung zueinander muß dabei so beschaffen sein, daß eine Ladungstrennung rasch und
mit hoher Quantenausbeute erfolgt, daß eine Rekombination der getrennten Ladungen
unterbleibt, damit die Photosynthese möglich ist, und daß diese Prozesse derart in der
Membran erfolgen, daß die getrennten Ladungen als Ausgangspunkt für die chemischen
Prozesse der Photosynthese zur Verfügung stehen. Dies wird im folgenden anhand von
Abb. 20.27 erläutert.
446 20. Große Moleküle, Biomoleküle, Übermoleküle

Abb. 20.27. Das Reaktions-


zentrum der bakteriellen Pho-
tosynthese ist als Protein-Kom-
plex RZ in Membranstrukturen
innerhalb der Intracytoplasma-
membran von Bakterien einge-
lagert. Andere Komplexe, hier
entsprechend der Wellenlänge
ihrer optischen Absorption mit
800, 850 und 870 bezeichnet,
enthalten die der Lichtabsorp-
tion dienenden Antennen-Chlo-
rophyll-Moleküle. Diese über-
tragen die absorbierte Energie
auf das Reaktionszentrum RZ

Ausgangspunkt der Lichtreaktion im Reaktionszentrum ist ein Paar von Chlorophyll-


Molekülen, der sogenannte primäre Donor. Gemeint ist dabei der Donator des Elek-
trons für die Ladungstrennung. Übrigens wurde bereits vor der Röntgen-Strukturanalyse
durch ESR- und ENDOR-Messungen gezeigt, daß der Ausgangspunkt der photosynthe-
tischen Ladungstrennung im Reaktionszentrum ein Chlorophyll-Dimer ist. Das Licht,
das von anderen Chlorophyll-Molekülen in der Umgebung, den sogenannten Antennen,
absorbiert und dessen Energie durch Energieübertragungs-Prozesse zum primären Donor
geleitet wurde, spaltet hier ein Elektron ab. Dieses wird über die beiden benachbarten
Moleküle, ein Chlorophyll-Monomer und das ähnlich gebaute Phaeophytin-Monomer,
zu einem Chinon-Molekül übertragen, dem sogenannten primären Akzeptor. An diesem
Prozeß ist offenbar noch neben dem Chinon ein Eisen-Komplex beteiligt. Am primären
Akzeptor beginnt dann der sehr komplexe chemische Teil der Photosynthese. Das dem
primären Donor genommene Elektron erhält er wieder zurück durch Vermittlung eines
anderen Pigment-Protein-Komplexes, des Cytochroms. Der gesamte Prozeß der gerich-
teten Ladungstrennung dauert 200 ps und ist in mehrere Teilschritte über die zwischen-
gelagerten Moleküle unterteilt. Dadurch wird offenbar eine Rekombination der getrenn-
ten Ladungen unterbunden. In Abb. 20.28 ist der gesamte Reaktionszentrums-Komplex
schematisch gezeigt, wobei die Orientierungen, nicht jedoch die Abstände maßstabsge-
recht gezeichnet sind. Der linke Teil des Reaktionszentrums, Abb. 20.28, ist fast eine
Kopie des rechten. Seine Funktion ist noch unklar. Die Gesamtreaktion, die schließlich
abläuft, läßt sich zusammenfassen in die Bilanzgleichung


6 CO2 + 6 H2 O → C6 H12 O6 + 6 O2

mit einem Energiegewinn von 2870 kJ pro Mol Glukose, C6 H12 O6 .


Aufgaben 447

Abb. 20.28. Molekularer Aufbau


des Reaktionszentrums der bak-
teriellen Photosynthese, nach der
Röntgenstruktur-Analyse von
Michel, Deisenhofer und Huber.
Die Abbildung zeigt die relative
räumliche Lage der Moleküle,
aber etwas vergrößerte Ab-
stände. Die Ladungstrennung,
das heißt die Abspaltung eines
Elektrons als Folge des absor-
bierten Lichtes, beginnt am
primären Donor P. Dies ist ein
Chlorophyll-Dimer. Das Elek-
tron wird sehr schnell über
ein Bakteriochlorophyll-Mole-
kül BC A und ein Bakterio-
phaeophytin-Molekül BPA auf
das Chinon-Molekül Q A über-
tragen. Dieser Prozeß erfolgt
in weniger als 200 ps. Nun
beginnt der chemische Teil der
Dunkelreaktion. Die Funktion
Vom Standpunkt der Photophysik ist das Reaktionszentrum eine Funktionseinheit, des linken mit B bezeichne-
ten Zweiges ist erst teilweise
die das Problem einer Licht-induzierten Ladungstrennung in einer effizienten und kon- aufgeklärt. Bakteriochlorophyll
trollierten Weise löst, wie es im Labor mit anderen Molekülen noch nicht möglich ist. unterscheidet sich von Bak-
Man wird sich das Reaktionszentrum zum Vorbild nehmen, wenn man künstliche mo- teriophaeophytin durch ein
lekulare Einheiten mit vergleichbaren Funktionen anstrebt. zentral sitzendes Mg-Atom. Die
eingetragenen Zeiten wurden
Die Aufklärung von Struktur und Ladungstrennungs-Dynamik des Reaktionszen- laserspektroskopisch gemessen.
trums ist ein großer Erfolg der Anwendung molekülphysikalischer Methoden zur Lö- Der erste Schritt von PA
sung von Problemen der biologischen Physik. nach BPA (3,5 ps) konnte
Nur mit einer Vielzahl hochentwickelter moderner Untersuchungsmethoden ist die mit verbesserter Zeitauflösung
Aufklärung von Struktur und Dynamik dieses komplexen Funktionssystems mög- in zwei Teilschritte über das
Molekül BC A hinweg aufge-
lich. Dazu gehören Strukturaufklärung mit Röntgenbeugung, Spektroskopie in al- teilt werden. (W. Holzapfel,
len Wellenlängenbereichen, besonders auch magnetische Einfach- und Mehrfach- U. Finkele, W. Kaiser, D. Oe-
Resonanzmethoden und die Laser-Spektroskopie, mit der Zeitauflösung bis in den Be- sterhelt, H. Scheer, H. U. Stilz,
reich von Femtosekunden möglich ist. Hier bieten sich faszinierende Forschungsobjekte W. Zinth, Chem. Phys. Lett.
160, 1 (1989))
für Physiker und Chemiker.

Aufgaben
20.1 Fluoreszierende Moleküle können ihre Anregungsenergie nicht nur über das
Strahlungsfeld, d. h. durch Emission und Reabsorption, auf benachbarte Moleküle über-
tragen, sondern auch über direkte Coulomb-Wechselwirkung ihrer Übergangsdipolmo-
mente. Diesen strahlungslosen Prozeß nennt man auch Förster-Mechanismus.
Die Wahrscheinlichkeit eines Energietransfers vom angeregten Donator D∗ zum Ak-
zeptor A, der sich im Grundzustand befindet, also für den Prozeß D∗ + A → D + A∗
ist nach Förster gegeben durch
 ∞
9 ln 10κ 2 c4 d ν̄
kET = f D (ν̄)εA (ν̄) 4 .
128 π n NA τer 0
5 4 6 ν̄
448 20. Große Moleküle, Biomoleküle, Übermoleküle

Dabei ist
kET : Rate für strahlungslosen Energietransfer;
κ: von der Orientierung der Moleküle abhängige Konstante; statistischer Mittelwert
in Lösung: κ̄ 2 = 2/3;
c: Vakuum-Lichtgeschwindigkeit;
n: Brechungsindex des Mediums;
NA : Avogadrozahl;
τe : mittlere natürliche Fluoreszenzabklingdauer;
r: Abstand zwischen D und A;
εA (ν̄): Extinktionskoeffizient von A (Absorptionsspektrum);
f D (ν̄): Fluoreszenzspektrum von D.

a) Erklären Sie das Auftreten der Terme κ 2 , 1/r 6 und f D (ν̄)εA (ν̄).
b) Man definiert einen kritischen Abstand R0 („Förster-Radius“), bei dem die Wahr-
scheinlichkeiten für Förster-Transfer und Fluoreszenz von D∗ gleich groß sind:

9(ln 10)2 κ̄ 2 cτJν̄


R06 = .
16 π 4 n 2 NA2 ν̄02

Weil Absorptions- und Emissionsspektrum des Donators D symmetrisch zur Wellen-


zahl ν̄0 sind, wird f D (ν̄) mit Hilfe von εD (2ν̄0 − ν̄) ausgedrückt; man erhält dann für
das Überlappungsintegral
 ∞
Jν̄ = εA (ν̄)εD (2ν̄0 − ν̄)d ν̄ .
0

Berechnen Sie den Abstand R0 für eine wässrige Lösung von Fluorescein (Jν̄ =
1,3 · 1018 cm3 /mol2 , ν̄0 = 19 700 cm−1 ; n = 1,34; τ = 5,1 · 10−9 s; κ̄ 2 = 23 ).

c) Bei einer Konzentration von c0 = 3,1 · 10−3 mol/l ist die Wahrscheinlichkeit, daß
sich zwei Fluoresceinmoleküle im Abstand r ≤ r0 befinden, etwa 64%. Wie hängt die
Ausbeute φ des Energietransfers von der Konzentration c ab für c  c0 und für c  c0 ?

20.2 Man kann die Förster-Theorie zur strahlungslosen Energieübertragung durch


Coulomb-Wechselwirkung überprüfen, indem man ein System Donator-Polymerkette-
Aufgaben 449

Akzeptor (D−Kn −A) aufbaut, so daß der Abstand r zwischen D und A durch die
Anzahl n der Kettenglieder gegeben ist:
r = n · a + b mit a = 3,1 Å und b = 8,9 Å .
Für ein Molekül, das zwölf Kettenglieder enthält, findet man eine Effizienz des Förster-
Transfers von φ = 15% (d. h. kET /(kET + kEmission ) = 0,15). Wie groß ist demnach der
Förster-Radius R0 ? Wie lang ist die zugehörige Polymerkette?
20.3 Eine Methode zur Herstellung geordneter organischer Schichten ist die soge-
nannte Self-Assembly-Technik. Darunter versteht man die Chemisorption von gelösten
Molekülen an der Oberfläche eines Substrats, das in die Lösung eingetaucht ist. Bringt
man beispielsweise eine Goldoberfläche Au(111) in Kontakt mit der Lösung eines n-
Alkanthiols CH3 −(CH2 )n−1 −SH (allg. R−S−H) in Hexan, dann bilden sich unter Ab-
spaltung von Wasserstoff kovalente Gold-Thiolat-Bindungen Au−S−R, so daß die Al-
kylketten über die Schwefelatome an die Oberfläche geknüpft werden. Im thermodyna-
mischen Gleichgewicht entsteht dadurch nach einer gewissen Zeit eine geordnete Mo-
noschicht von Alkylketten auf dem Goldsubstrat.
a) Man kann den Prozeß der Schichtbildung „in situ“ mitverfolgen. Im oben be-
schriebenen Experiment [M. Grunze: Physics Scripta T49, 711 (1993)] mißt man mit der
oberflächensensitiven Methode der Second Harmonic Generation eine Dauer von 10 min
für die Schichtbildung, während Ellipsometriemessungen eine Zeit von 40 min ergeben.
Können Sie, auch ohne die beiden Meßmethoden genauer zu kennen, diese Diskrepanz
erklären?
b) Aus systematischen NEXAFS-Messungen (near edge X-ray absorption fine struc-
ture) schließt man, daß die Alkanthiole erst ab einer bestimmten Länge (n ≥ 12) wohl-
geordnete Schichten bilden, in denen alle Alkylketten gestreckt sind und (für n = 22)
in einem Winkel von 35◦ zur Oberflächennormalen stehen. Versuchen Sie, diesen Effekt
zu begründen.
c) Bei einer Untersuchung der Schicht mit dem Rastertunnelmikroskop erkennt man
Löcher von 20–60 Å Durchmesser und 2,5 Å Tiefe. Worauf sind sie zurückzuführen?
21. Experimente an und mit einzelnen Molekülen

Bei der experimentellen Untersuchung der physikalischen Eigenschaften von Molekü-


len besteht das Untersuchungsobjekt im allgemeinen aus einer sehr großen Anzahl von
Molekülen, die sich gemeinsam im untersuchten Volumen befinden. Sie tragen alle zum
Meßergebnis bei, und man kann nur aus dem Mittelwert vieler Moleküle auf die Eigen-
schaften und das Verhalten des einzelnen Moleküls schließen.
Schon in einigen früheren Kapiteln dieses Buches (besonders Kap. 2) wurde gezeigt,
daß es auch Experimente gibt, bei denen Moleküle einzeln beobachtet werden können.
Dabei handelt es sich besonders um Moleküle auf Oberflächen oder isoliert in einer fe-
sten Matrix. Hieraus hat sich in den letzten rund 15 Jahren ein neuer, überaus frucht-
barer Zweig der Molekülphysik entwickelt. Wir verdanken ihm viele neue Einsichten
über Eigenschaften und Anwendungsmöglichkeiten von Molekülen in Physik, Chemie
und Biologie. Man erstrebt und erreicht mit den modernen physikalischen Meßmetho-
den die Untersuchung immer kleinerer Dimensionen. Man gelangt so bis zu molekularer
und manchmal sogar submolekularer Auflösung und kann damit das einzelne Molekül
zum Gegenstand der Untersuchungen machen.
Dieses Kapitel handelt ebenso wie Kap. 22, Molekulare Elektronik, von ganz aktuel-
ler Forschung. Deshalb wird hier auch anders als in den meisten Kapiteln dieses Buches
verstärkt auf die Originalarbeiten als Referenzen hingewiesen. Es sei auch auf die zu-
sammenfassenden Darstellungen [1–4]1 , S. 515 verwiesen.

21.1 Einleitung: Warum?


Gegenstand dieses Kapitels sind Einzelmolekül-Experimente in kondensierter Phase: im
Kristall, in fester Matrix oder in einer Flüssigkeit, nicht jedoch in der Gasphase. Das
faszinierende Gebiet der Spektroskopie einzelner Teilchen wie Elektronen, Atome und
Ionen in elektromagnetischen Fallen (z. B. Paul-Falle, siehe in Atomphysik, Kap. 2) hat
für Moleküle bisher noch keine große Bedeutung: Abgesehen davon, daß man hierzu im
Hochvakuum und mit extrem kalten Molekülen arbeiten muss, ist die Mikrobewegung
der Moleküle bei den bisher erreichten Temperaturen meistens noch zu groß, um eine
stabile Fixierung in der Falle zu ermöglichen.
Hier sollen 3 Forschungsbereiche ausführlicher behandelt werden:
– die Abbildung einzelner Moleküle mit Elektronenmikroskop, Röntgenbeugung und
den verschiedenen Rastersonden-Mikroskopen, besonders mit dem Rastertunnel-
(STM) und dem Rasterkraft-Mikroskop (AFM)
– die optische Spektroskopie einzelner Moleküle
– die Messung der elektrischen Leitung durch einzelne Moleküle.
1 Die Zahlen in eckigen Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis auf S. 515 f. zu
Kap. 21
452 21. Experimente an und mit einzelnen Molekülen

Warum ist es so interessant, einzelne Moleküle zu untersuchen?


Diese Frage kann in dieser Einleitung zunächst nur recht allgemein beantwortet
werden:
– Man gewinnt neue und detailliertere Erkenntnisse über Struktur und physikalische Ei-
genschaften von Molekülen, wenn man sie einzeln untersuchen kann und sich nicht
bei der Messung auf die Mittelung über viele Teilchen beschränken muss.
– Die Quantenphysik der Wechselwirkung von Molekülen mit elektromagnetischen
Wellen kann vertieft untersucht werden.
– Man kann die Moleküle als Sonden zur Untersuchung von Eigenschaften des Trägers,
des Wirtes oder der Matrix verwenden, in die sie eingebaut sind. Man kann die lo-
kale Umgebung eines Moleküls sowie deren zeitliche Fluktuation untersuchen. Damit
lassen sich wichtige und interessante Erkenntnisse in der Materialphysik, bei chemi-
schen und bei biologischen Prozessen gewinnen.
Mehr dazu soll in den folgenden Abschnitten besprochen werden.

21.2 Abbildung einzelner Moleküle


mit Röntgen- und Elektronenstrahl-Methoden
Bereits in Abschn. 2.1 haben wir uns mit der Frage nach der Größe von Molekülen be-
schäftigt, und wie weit eine Abbildung und eine Aufklärung der geometrischen Struk-
tur von Molekülen mithilfe der Röntgen- oder Elektronenbeugung und mit Hilfe des
Transmissions-Elektronenmikroskops möglich ist.
Mit dem Transmissions-Elektronenmikroskop kann man ein Auflösungsvermögen
von besser als 1,5 Å erreichen. Damit ist eine Abbildung von Molekülen möglich (vgl.
dazu Abb. 1.4 und 2.3). Doch läßt sich diese Auflösung im allgemeinen nur mithilfe
einer speziellen Auswertetechnik erreichen, bei der über viele gleiche Moleküle gemit-
telt und so der notwendige Bild-Kontrast erreicht wird. Für dieses Verfahren benötigt
man ein Ensemble von vielen Molekülen, die regelmäßig im Untersuchungsobjekt an-
geordnet sind, also eine kristalline oder kristallähnliche Ordnung.
Einzelne Makromoleküle lassen sich mit dem Raster-Elektronenmikroskop mit ei-
ner Auflösung von einigen Å abbilden, so daß sich auch Einzelheiten der Struktur er-
kennen lassen. Allerdings müssen die Proben so präpariert werden, daß dabei Verände-
rungen in Kauf genommen werden müssen: Man muß einen Abdruck herstellen – das
geschieht meistens durch Aufdampfen von Metall-Atomen. Die Metallschicht wird mit
dem Punkt-Fokus eines Elektronenstrahls abgetastet. Die dabei aufgezeichnete Intensi-
tätsverteilung der rückgestreuten Elektronen liefert das Bild.
Mehr Information gewinnt man aus Beugungsmethoden, mit Röntgen- oder mit Elek-
tronenstrahlen. Es sei hier nochmals daran erinnert, daß einer Beschleunigungsspannung
von 10 keV eine Elektronen-Wellenlänge von 12 pm entspricht. Diese Wellenlänge ist
also kleiner als molekulare Dimensionen.
Insbesondere mit den Methoden der Röntgenbeugung können wir auch in größe-
ren Molekülen die genaue Lage fast aller Atome bestimmen. Allerdings müssen, wenn
man eine so hohe Auflösung erreichen will, die Moleküle als Einkristall vorliegen. Aus
der ausgemessenen räumlichen Intensitätsverteilung der gestreuten Strahlung erhält man
durch eine Fourier-Synthese nicht nur die Schwerpunkte, sondern auch die räumliche
Dichte-Verteilung der streuenden Elektronen. Damit werden die räumliche Erstreckung
21.3 Raster-Tunnel- und Raster-Kraft-Mikroskop 453

und die gegenseitige Anordnung der Moleküle bzw. der Molekül-Bausteine, also Größe,
Form und Aufbau abgebildet. Diese Methode gestattet es insbesondere auch, große bio-
molekulare Funktionseinheiten mit einer Auflösung von bis zu 1 Å darzustellen. Bei-
spiele hierfür zeigen die Abb. 1.3 und 20.28.

21.3 Raster-Tunnel- und Raster-Kraft-Mikroskop


Das von Binning und Rohrer 1981 ursprünglich zur Oberflächen-Analytik entwickelte
Raster-Tunnel-Mikroskop (STM für Scanning Tunneling Microscope ist die gebräuchli-
che Abkürzung) hat ganz neue Möglichkeiten zur Abbildung von Molekülen mit atoma-
rer Auflösung eröffnet. Das Prinzip dieses Gerätes ist bereits in Kap. 2 und in Abb. 2.4
erläutert worden: Man benutzt die starke Abhängigkeit des Tunnelstromes zwischen ei-
ner im Idealfall atomar dünnen Metall-Spitze, z. B. aus Platin-Rhodium oder aus Wolf-
ram und der in geringem Abstand befindlichen Unterlage, um das Höhenprofil dieser
Unterlage abzutasten. Man erhält so Bilder, bei denen die Höhenkoordinate z über den
Flächen-Koordinaten x und y aufgetragen wird. Die Verschiebung der Probe in den
3 Raumkoordinaten erfolgt durch einen piezoelektrischen Zylinder, der sich bei angeleg-
ter elektrischer Spannung kontrahieren oder expandieren läßt. Beim Tunnel-Mikroskop
muß das Substrat elektrisch leitfähig sein. Will man einzelne Moleküle beobachten, dann
müssen diese auf der Unterlage immobilisiert sein. Das kann durch Einbau in eine ge-
schlossene Schicht dieser Moleküle erfolgen, oder durch eine starke Wechselwirkung
mit dem Substrat, wodurch vorzugsweise bei Tieftemperatur eine Bewegung der Mole-
küle behindert wird.
Die Abbildung von Molekülen beruht hier auf dem Tunneln von Elektronen zwi-
schen der Spitze und der minimal entfernten leitenden Oberfläche. Die Größe des Tun-
nelstroms hängt exponentiell vom Abstand ab. Die Messung dieses Stromes ermöglicht
dadurch zunächst eine Abbildung der Oberflächen-Topographie der Probe und der elek-

Abb. 21.1. Rastertunnel-Mik-


roskop-Aufnahme von Cu-
Phthalo-cyanin-Molekülen auf
einer MoSe2 -Oberfläche. Der
Bildausschnitt hat die Dimen-
sionen 10 nm × 10 nm. Das
Bildfenster zeigt die Molekül-
struktur im gleichen Maßstab.
Aus C. Ludwig et al.: J. Vac.
Sei. Technol. B12, 1963 (1994),
siehe auch C. Ludwig et al.: Z.
Phys. B86, 397 (1992)
454 21. Experimente an und mit einzelnen Molekülen

tronischen Zustandsdichte mit einer räumlichen Auflösung, die durch die Schärfe der
Spitze begrenzt ist. Er hängt aber auch von der lokalen Zustandsdichte der Elektro-
nen auf der untersuchten Oberfläche ab. Hierzu tragen in unterschiedlichem Umfang
die Orbitale der Moleküle in der untersuchten Schicht oder in den adsorbierten Mole-
külen, diejenigen der Unterlage und die Wechselwirkung zwischen beiden bei. Insofern
ist die Tunnelspektroskopie eigentlich eine spektroskopische Technik. – Man muß al-
lerdings beachten, daß die eigentlich interessierenden molekularen Zustände der unter-
suchten Probe bei den extrem kleinen Abständen auch von der Spitze sowie von den
elektronischen Zuständen der Unterlage beeinflußt werden. Man mißt das elektronische
Gesamtsystem Spitze/Adsorbat/Unterlage und muß daraus die gesuchten molekularen
Informationen ableiten.
Abbildung 21.1 zeigt zur Erläuterung der Möglichkeiten der STM-Technik für die
Molekülphysik Moleküle von Kupfer-Phthalocyanin auf einer MoS2 -Unterlage. Man
kann deutlich erkennen, wie die „aktive“ Elektronendichte innerhalb des Moleküls ver-
teilt ist. Die Auflösung ist atomar, d. h. die unterschiedlichen Atome oder Gruppen in
einem Molekül lassen sich unterscheiden. Ein weiteres Beispiel für eine Molekülabbil-
dung mit dem Raster-Mikroskop wurde bereits vorne in Abschn. 2.1 besprochen (siehe
Abb. 2.5).
Inzwischen wurden große Fortschritte im Experiment erzielt bei dem Bestreben,
aus dem Gesamtsystem Unterlage/Adsorbat/Spitze die elektronischen Eigenschaften
des Adsorbates herauszupräparieren. Ein eindrucksvolles Beispiel zeigt Abb. 21.2. Hier
gelang die getrennte Abbildung der HOMO- und der LUMO-Orbitale eines Pentacen-
Moleküls auf einer Kupferunterlage. Durch eine Zwischenlage von zwei atomaren
Schichten NaCl gelang es, die elektronischen Zustände des Moleküls von denen des

Abb. 21.2. Von oben nach unten


sieht man die Raster-Tunnel-
Mikroskop (STM)-Bilder vom
Pentacen-Molekül aufgenommen
mit einer Metall- und mit einer
Pentacen-Spitze sowie die ge-
rechneten Konturen konstanter
Orbital-Wahrscheinlichkeits-Ver-
teilung (|ψ|2 = 5 · 10−4 Å−3 )
des freien Moleküls. Bei einer
Tunnel-Vorspannung (bias) in-
nerhalb des HOMO-LUMO Gap
(Mitte) sind die Bilder ziemlich
strukturlos. Bei Vorspannungen
außerhalb der Lücke erkennt
man die Elektronenverteilung
von HOMO und LUMO (links
und rechts), wie man sie
auch mit der Dichtefunktional-
Theorie (DFT) berechnen kann,
unten. Unten in der Mitte
ist die Geometrie des freien
Pentacen-Moleküls gezeichnet.
(Aus J. Repp et al., Phys. Rev.
Lett. 94, 026803 (2005). Mit
freundlicher Genehmigung)
21.3 Raster-Tunnel- und Raster-Kraft-Mikroskop 455

Abb. 21.3. Mit dem Rasterkraft-


Mikroskop (unterer Bildteil)
wird im Gegensatz zum Tunnel-
Mikroskop (oben) die Wechsel-
wirkungskraft zwischen Meß-
spitze und Unterlage als Funk-
tion des Ortes gemessen. Die
Spitze ist an einem biegsamen
Ausleger (cantilever) befestigt.
Dessen Verbiegung wird optisch
(mit reflektiertem Licht) oder
kapazitiv gemessen

Metalls zu entkoppeln. Im Effekt konnten so die ungestörten Pentacen-Moleküle beob-


achtet werden.
Wenn man an der Spitze aus Wolfram ein Pentacen-Molekül anbringt, erhöht das die
räumliche Auflösung. Je nach Vorspannung (bias) für das Tunneln beobachtet man un-
terhalb −2,4 V die HOMO-Orbitale, oberhalb 1,7 V die LUMO-Orbitale. Dazwischen,
in der Lücke, sind keine Orbitale sichtbar.
Ein anderes wichtiges Rastersonden-Mikroskop ist das Raster-Kraft-Mikroskop
(AFM, Atomic Force Microscope) (Abb. 21.3). Das AFM mißt nicht den Tunnelstrom,
sondern die von Ort zu Ort wechselnde anziehende oder abstoßende Wechselwirkungs-
kraft, die bei hinreichend kleinem Abstand zwischen Spitze und Unterlage meßbar wird.
Diese hängt ebenfalls von der Elektronenverteilung auf der Oberfläche ab. Sie ist je-
doch unabhängig von der elektrischen Leitfähigkeit von Probe und Unterlage. Das AFM
kann deshalb auch bei und mit isolierender Unterlage angewandt werden. Meßgröße ist
hier die Auslenkung des biegsamen Auslegers (cantilever), an dem die Meßspitze befe-
stigt ist. Man kann die Auslenkung beispielsweise mit einem am Ausleger reflektierten
Lichtzeiger, oder aber kapazitiv messen.

Abb. 21.4. Schematische Dar-


stellung der Aufnahme eines
CO-Moleküls von einer Cu-
Oberfläche und der Absetzung
eines CO-Moleküls auf diese
Fläche. Nach L. Bartels, G.
Meyer, K. H. Rieder: Appl.
Phys. Lett. 71, 213 (1997)
456 21. Experimente an und mit einzelnen Molekülen

Abb. 21.5. 6 Moleküle von Der Mechanismus der Bild-Entstehung im AFM ist komplex. Er hängt von spezi-
Cu-DTBPP (Kupfer-tetra-butyl-
phenyl-porphyrin) auf einer
fischen Eigenschaften der Oberfläche und der physikalischen Natur der Wechselwir-
Cu(100)-Oberfläche vor (links) kungspotentiale ab. Van der Waals-Kräfte, ionische, magnetische und elektrostatische
und nach einer Sequenz von Kräfte können zur Abbildung beitragen. Da die meisten makromolekularen Systeme
lateralen Verschiebungen mit elektrische Isolatoren sind, ist das AFM besonders gut geeignet zur Abbildung von
Hilfe der STM-Spitze, Bild- Polymeren und von Biomolekülen. Die Rastersondenmikroskope STM und AFM sind
größe 26 × 26 nm. Nach J. K.
Gimzewski, C. Joachim: Science in vieler Hinsicht komplementär und ergänzen sich gegenseitig bei der Untersuchung
283, 1683 (1999) molekularer Strukturen.
Mit dem STM oder dem AFM lassen sich unter Umständen auch einzelne Mole-
küle auf geeigneten Unterlagen bewegen. Beispiele, nämlich die Bewegung des kleinen
Moleküls CO und eines größeren organischen Moleküls zeigen die Abb. 21.4 und 21.5.
Man kann so auch die Kristallisation von Molekülen auf Substraten im zeitlichen Ver-
lauf verfolgen.

21.4 Optische Spektroskopie einzelner Moleküle


21.4.1 Übersicht
Die optische Spektroskopie einzelner Moleküle (oder Atome) gelang zuerst in der Gas-
phase mit der Methode der Photoionisations-Spektroskopie.
Hierbei wird – vgl. Abb. 21.6 – das Molekül zuerst mit Laserlicht der Frequenz ω12
Abb. 21.6. Photoionisations-
Spektroskopie zum Nachweis aus dem Grundzustand 1 in einen reellen Anregungszustand 2 gebracht. Dies ist ein re-
einzelner Moleküle (oder Ato- sonantes Niveau, der Wirkungsquerschnitt also groß. Von dort führt ein zweites Licht-
me) in der Gasphase. Der quant der Frequenz ω2i in den Ionisationsbereich. Zum Nachweis der zweistufigen re-
Nachweis der Ionisation des sonanten Anregung und darauf folgenden Ionisierung des Moleküls dient das emittierte
Moleküls aus dem mit Licht
der Quantenenergie hω12 ange- Photoelektron, das sich mit den üblichen Zählverfahren einzeln nachweisen läßt. So kön-
regten Zustand 2 mit Licht der nen auch in sehr verdünnter Atmosphäre einzelne Moleküle spektroskopisch untersucht
Quantenenergie hω2i erfolgt werden. Mehr dazu findet man bei V. Letokhov, Laser Photoionisation Spectroscopy,
über einzeln nachweisbare Pho- Acad. Press 1987.
toelektronen. Siehe dazu V. Le-
tokhov: Laser Photoionisation
Der Nachweis und die spektroskopische Untersuchung einzelner Moleküle in kon-
Spectroscopy (Academic Press densierter Phase, besonders als Gast in einer Matrix, ist mit den modernen experi-
1987) mentellen Methoden der Laserspektroskopie ebenfalls möglich [2, 3]. Dabei stand zu-
21.4 Optische Spektroskopie einzelner Moleküle 457

nächst der Wunsch im Vordergrund, daß man die Eigenschaften eines Moleküls nicht
nur aus einer Mittelung über viele Moleküle gewinnen möchte, wie das bei einer gleich-
zeitigen Messung an vielen Molekülen der Fall ist. Man kann dann nämlich die dazu
nötige Annahme, daß zum Beobachtungssignal alle Moleküle gleichmäßig beitragen,
überprüfen und vielleicht korrigieren. Es hat sich darüber hinaus gezeigt, daß einzelne
Moleküle als spektroskopische Sonden zur Untersuchung von Prozessen in der jeweili-
gen Matrix wertvolle Dienste leisten können. In gewisser Weise ist die Einzelmolekül-
Spektroskopie ein eigener Zweig der Spektroskopie geworden. Mit ihr kann man Li-
nienlagen, Linienform, Linienbreite, deren Änderung durch Temperatur oder durch äu-
ßere elektrische und magnetische Felder studieren und so Informationen über die Mo-
leküle oder über die Matrix erhalten, in die sie eingelagert sind. Eine gute Übersicht
über Möglichkeiten und Ergebnisse findet man in [2–4]. Aber auch für Bemühungen
um eine molekulare Elektronik, Kap. 22, ist es sehr wichtig, gezielt einzelne Moleküle
anzusprechen.
Um ein einzelnes Molekül spektroskopisch auf dem Hintergrund der Wirtsubstanz, in
der es sich befindet, isolieren zu können, muß man experimentelle Bedingungen herstel-
len, bei denen jeweils ein und nur ein Molekül im beobachteten Volumen in Resonanz
mit der untersuchenden Strahlung ist. Besonders geeignet hierzu ist die Methode der
Anregungsspektroskopie, bei der die Lichtanregung des untersuchten Moleküls zur Fluo-
reszenz mit Hilfe eines durchstimmbaren Lasers sehr schmalbandig, also sehr selektiv
erfolgen kann. Zudem läßt sich das in der Probe gestreute oder nicht absorbierte Anre-
gungslicht spektral leicht vom Fluoreszenzlicht trennen. Wenn man das Laser-induzierte
Fluoreszenzlicht aus dem kleinen angeregten Volumen mit Linsen oder Spiegeln sam-
melt und auf den Empfänger konzentriert, kann man ein Signal beobachten, das nur von
einem Molekül stammt.
Zur Spektroskopie von einzelnen Molekülen benötigt man also
– ein kleines Untersuchungs-Volumen, das nur wenige der zu untersuchenden Moleküle
enthält,
– eine geringe Konzentration der „Verunreinigung“ oder „Gäste“ in der Matrix,
– hohe spektrale Selektivität um sicherzustellen, daß jeweils nur eine „Sorte“ von Mo-
lekülen vom Laserstrahl angeregt wird,
– eine experimentelle Anordnung mit hoher Empfindlichkeit, um das optische Signal
(z. B. die Fluoreszenz) eines einzelnen Moleküls mit hinreichend gutem Signal/
Rausch-Verhältnis nachzuweisen und zwar getrennt von Untergrund-Signalen, die
z. B. von gestreutem Anregungslicht herrühren. In Abwesenheit von Untergrund-
strahlung ist Einzelmolekül-Fluoreszenz in geeigneten Systemen so intensiv, daß
man leicht 1000 Photonen pro Sekunde erhält. Ein solches Signal läßt sich ohne
große Schwierigkeit nachweisen.
Das untersuchte Probenvolumen ist durch Brennfleck-Größe des Lasers (einige µm2 )
und Probendicke limitiert. Meistens ist es nicht größer als 10 bis 100 µm3 , also we-
nige pico-liter. Bei einer 1 molaren Lösung befinden sich in diesem Volumen noch ca.
1012 Moleküle. Will man nur 1 Molekül im Probenvolumen vorfinden, benötigt man des-
halb sehr kleine Konzentrationen von ca. 10−12 mol/mol. Die Matrix muß im übrigen
frei von anderen Molekülen sein, die unerwünschte Untergrund-Signale geben können.
– Dies sind die Verhältnisse, unter denen die Einzelmolekül-Spektroskopie mit räumli-
cher Selektion, d. h. insbesondere jede Einzelmolekülspektroskopie bei Raumtemperatur,
arbeitet.
458 21. Experimente an und mit einzelnen Molekülen

Weniger kleine Konzentrationen, im Bereich von 10−7 –10−9 mol/mol, sind ausrei-
chend, wenn man zur räumlichen auch noch die spektrale Selektion hinzunimmt. Wenn –
wie später gezeigt – die dann im Probenvolumen befindlichen 104 an sich gleichen Mo-
leküle sich spektral auch nur minimal unterscheiden, kann mit Hilfe eines sehr schmal-
bandigen Lasers jeweils nur eines dieser 104 Moleküle angeregt werden. Hierzu müssen
die Spektralterme der Moleküle jedoch sehr scharf sein, und deshalb ist diese Untersu-
chungsmethode nur bei tiefer Temperatur erfolgreich anwendbar.
Mehr hierzu findet man auch in [5].

21.4.2 Experimentelle Methoden

Zur spektroskopischen Untersuchung einzelner Gast-Moleküle in einer transparenten


Matrix regt man also deren Fluoreszenz mit einem Laser an. Man mißt die Fluoreszenz-
Intensität als Funktion der Photonenenergie des anregenden Lasers. So erhält man das
Anregungsspektrum als indirektes Absorptionsspektrum der untersuchten Substanz.
Diese Methode ist, wie bereits erwähnt, besonders empfindlich, weil die emittierten
Photonen einzeln gezählt werden können und weil sich das emittierte Licht wegen sei-
ner unterschiedlichen Photonenenergie leicht vom gestreuten Anregungslicht trennen
läßt.
Die möglichst effektive Sammlung der Photonen kann in verschiedener Weise erfol-
gen. Besonders bewährt hat sich die Konfokale Mikroskopie (vgl. Abb. 21.7a). Hier wird
durch ein Mikroskop-Objektiv mit kurzer Brennweite das anregende Laserlicht auf die
Probe fokussiert, und das gleiche Objektiv sammelt die Fluoreszenz-Strahlung für den
Nachweis. – Eine andere Möglichkeit ergibt sich bei Nahfeld-Anregung oder Nahfeld-
Mikroskopie. Dabei erfolgt die Anregung über eine zu einer dünnen Spitze ausgezogene
optische Faser im Nahfeld-Bereich der Probe, d. h. der Abstand zur Probe ist deutlich
kleiner als die Licht-Wellenlänge. Siehe hierzu Abb. 21.7b. Bei der wohl ältesten und
immer noch nützlichen Methode entsprechend Abb. 21.7c ist die Probe direkt auf das

Abb. 21.7. Einige Meßan-


ordnungen für Einzelmolekül-
spektroskopie, (a) Konfokale An-
ordnung mit einem Mikroskop-
Objektiv, (b) Nahfeld-Anregung
über eine extrem dünn gezogene
Lichtfaser und Lichtsammlung
mit einem Mikroskop-Objektiv,
(c) Anregung über eine Ein-
moden-Faser und Sammlung
über einen Parabolspiegel (siehe
dazu auch [10])
21.4 Optische Spektroskopie einzelner Moleküle 459

Ende einer Monomode-optischen Faser aufgesetzt. Diese Anordnung sitzt im Brennfleck


eines Parabolspiegels mit großer numerischer Apertur zur Sammlung des emittierten
Lichtes. Wenn zur räumlichen Einengung auch noch die spektrale Selektion hinzukom-
men soll, dann muß die spektrale Breite des (durchstimmbaren) Anregungslaser-Lichtes
kleiner sein als die individuelle Breite der Absorptionslinie eines Moleküls. Mehr dazu
wird in Abschn. 4.4 erläutert.

21.4.3 Einzelmolekülspektroskopie mit relativ geringer spektraler Auflösung,


räumliche Selektion

Die Einzelmolekül-Spektroskopie bei Raumtemperatur wird – wie oben ausgeführt –


durch Proben mit sehr kleinen Molekül-Konzentrationen meistens in dünnen Filmen und
durch sehr starke Fokussierung des Anregungslichtes möglich. Man kann damit auch
Fluoreszenz-Signale aus stark verdünnten Proben, die einzelne absorbierende und fluo-
reszierende Moleküle in größerem gegenseitigen Abstand (≥ 1 µm) enthalten, mit räum-
licher Auflösung untersuchen. Wenn man die experimentelle Anordnung noch durch
ein von Rastersonden-Mikroskopen her bekanntes Rasterverfahren erweitert, erhält man
zwei- oder dreidimensionale Bilder der Molekül-Verteilung in der Probe. Ein Meßbei-
spiel hierzu zeigt Abb. 21.8.
Gemessen werden so spektroskopische Signale einzelner Moleküle oder Fluoro-
phore. Als Fluorophor bezeichnet man kleinere Moleküle mit hoher Fluoreszenz-
Quantenausbeute, die man zur Markierung an größere, selbst nicht fluoreszierende
Moleküle anbindet. Solche Fluorophore können dazu dienen, dynamische Prozesse ein-
zelner biologischer Makromoleküle in Lösung oder in Adsorbaten zu verfolgen und
markierte biologische Makromoleküle von anderen zu unterscheiden. Eines der ältesten
Meßbeispiele findet sich in [5].
Mit dieser Methode konnten einzelne Moleküle auf Oberflächen, in Matrizen, in Lö-
sung und in Membranen untersucht werden. Man kann unterschiedliche Fluoreszenz-
Lebensdauern von Anregungszuständen in unterschiedlicher Nano-Umgebung oder das
individuelle Ausbleichen von Farbstoff-Molekülen bei längerer Bestrahlung beobach-
ten. Es lassen sich Diffusions- und Umlagerungsprozesse sowie Konformationsänderun-
gen einzelner Moleküle oder von Fluorophor-markierten Makromolekülen wie Proteinen
messend verfolgen [6, 7].
Mit der Einzelmolekül-Spektroskopie ist es auch gelungen, den Infektionsweg eines
einzelnen Virus in eine lebende Zelle hinein zu verfolgen, siehe dazu das Frontispiz ganz

Abb. 21.8. Nahfeld-Fluoreszenz-


bild (4,5 × 4,5 µm) von ein-
zelnen Oxazin-Molekülen auf ei-
ner Oberfläche aus PMMA. Je-
des Maximum gehört zu einem
einzelnen Molekül. Nach W. E.
Moerner, M. Orrit: Science 283,
1670 (1999) Fig. 3
460 21. Experimente an und mit einzelnen Molekülen

vorne in diesem Buch. Die Viren sind dabei jeweils mit einem einzigen Farbstoffmolekül
markiert, dessen Fluoreszenz wie eine molekulare Lampe den Infektionsweg des Virus
in allen Details zeigt, von der ersten Berührung an der Zelloberfläche bis zur Ablegung
der Virus-DNA im Zellkern. C. Bräuchle und Mitarbeitern gelang es, diese Prozesse in
Echtzeit mit hoher Empfindlichkeit und hoher Orts- (40 nm) und Zeitauflösung (10 ms)
zu verfolgen und so die Bahn des Virus im Detail zu beobachten. Mehr Einzelheiten
gibt die Abbildungsunterschrift zum Frontispiz.
Eine interessante Anwendungsmöglichkeit der Einzelmolekül-Spektroskopie be-
sonders bei Bio-Makromolekülen macht Gebrauch von der Förster-Energieübertragung
(s. Abschn. 20.4) zwischen Donor D und Akzeptor A. Mit der Methode des Fluoreszenz-
Resonanz-Energie-Transfers (FRET) kann man Abstände zwischen Donor und Akzeptor
und zwar innermolekular oder zwischenmolekular, im Bereich von 1,5 bis 8 nm mes-
sen: aus der Effizienz der resonanten Energieübertragung zwischen dem absorbierenden
Fluorophor D und dem emittierenden Fluorophor A kann man nach (20.1) Information
über Abstand und relative Orientierung von D und A erhalten. Wenn man D und A
als Einzelmoleküle beobachtet, kann man Konformationen und Wechselwirkungen in
großen Molekülen, z. B. in Proteinen, ausmessen, wenn sie mit diesen Fluorophoren
markiert sind. Mehr dazu findet man in [1, 2] und [9].
Auch in der analytischen Chemie lassen sich mit Fluorophoren markierte Moleküle
oder Molekülteile (beispielsweise DNA-Stücke) mit einer bisher unbekannten Empfind-
lichkeit, nämlich als Einzelmoleküle nachweisen. Die ultimative analytische Nachweis-
grenze von einem Molekül wird so erreichbar.
Eine ausführlichere Darstellung von Methoden und Ergebnissen findet man in [1]
und [2], Anwendungen auf biologische Systeme besonders in [8] und [9].

21.4.4 Messungen mit hoher spektraler Auflösung bei Tieftemperatur,


spektrale Selektion

Hohe spektrale Auflösung, d. h. sehr schmalbandige Anregung, ist in der Einzelmolekül-


Spektroskopie besonders dann nötig, wenn die Konzentration der zu untersuchenden
Gastmoleküle in der Matrix so groß ist, daß die räumliche Selektion alleine nicht aus-
reicht. Man benötigt dann vielmehr eine spektrale Selektion. Um diese zu verstehen,
müssen wir die Linienbreite im elektronischen Spektrum eines Moleküls diskutieren.
Die 0.-0-Absorptionslinie, d. h. der Übergang vom schwingungslosen Grundzustand
mit der Schwingungsquantenzahl v = 0 in den ebenfalls schwingungslosen Anregungs-
zustand S1 mit v = 0 eines einzelnen ungestörten Moleküls (siehe Abb. 21.9) kann sehr
scharf sein. Im Grenzfall der natürlichen Linienbreite liegt die Breite für einen erlaub-
ten Dipol-Übergang im Bereich von γH = 10 bis 100 MHz. In kondensierter Materie
würde man eine so scharfe homogene Linie für alle chemisch gleichen Moleküle be-
obachten, wenn wie etwa in einem idealen Kristall die lokalen Umgebungen aller im
Probenvolumen vorhandenen Moleküle identisch wären.
In realen Proben ist dies jedoch nicht der Fall. Jedes Molekül hat eine etwas an-
dere Nanoumgebung, also eine etwas andere Lösungsmittel-Verschiebung. Die Vertei-
lung der Resonanzfrequenzen kann beispielsweise durch lokale Inhomogenitäten, innere
elektrische oder mechanische Felder oder Feldgradienten verursacht sein. Dadurch hat
jedes Molekül seine eigene, um die ideale Mittenfrequenz geringfügig verschobene 0.-0-
Absorption. Aus der ungefähr Gauß-förmigen Verteilung der Mittenfrequenzen der in-
dividuellen Absorber ergibt sich ein etwa Gauß-förmiges Bandenprofil, dessen Breite
21.4 Optische Spektroskopie einzelner Moleküle 461

Abb. 21.9. Schematische Dar-


stellung einiger elektronischer
Energie-Niveaus eines Moleküls
mit Singulett-Grundzustand S0 ,
erstem Anregungszustand S1 ,
tiefstem Triplett-Zustand T1 . Zu
jedem elektronischen Niveau
gehören vibronische Zustände.
Anregung mit der Energie des
0.-0-Übergangs führt zu Singu-
lett-Emission (Fluoreszenz) bzw.
zur Bevölkerung von T1 durch
intersystem crossing mit der
Rate kisc . Der Triplett-Zustand
vielfach größer ist als das (Lorentz-förmige) homogene Linienprofil eines einzelnen Ab- zerfällt mit der Rate kT . Vgl.
auch Abschn. 15.1
sorbers. Das resultierende mehr oder weniger stark verbreiterte Absorptionsprofil nennt
man inhomogen verbreiterte Linie oder Bande. Die mit der üblichen Spektroskopie be-
obachtete inhomogene Spektral-„Linie“ ist also die Einhüllende zahlreicher homogener
Linien, weil die Zahl der an der Absorption teilnehmenden Moleküle sehr groß ist. Ab-
bildung 21.10 zeigt zur Erläuterung das simulierte Absorptionsspektrum einer Probe mit
10 000, 1000, 100 und 10 Molekülen. Während bei 10 000 Molekülen kaum mehr eine
Substruktur der einzelnen Komponenten erkennbar ist, lassen sich bei 10 Molekülen de-
ren homogene Absorptionslinien unschwer unterscheiden.

Abb. 21.10. Simuliertes Absorp-


tionsspektrum von N Molekülen
in ungeordneter Matrix. Wenn
N von 10 000 auf 10 abnimmt,
nimmt die integrale Absorption
ab – deshalb die rechts eingetra-
genen Verstärkungsfaktoren. Das
Verhältnis von homogener zu in-
homogener Linienbreite ist hier
mit etwa 1:40 angenommen. In
Wirklichkeit beträgt es in Glä-
sern 1:104 bis 1:106 , bei homo-
genen Linienbreiten von 10−1
bis 10−3 cm−1 und einer inho-
mogenen Breite von 103 cm−1
462 21. Experimente an und mit einzelnen Molekülen

Hierauf beruht auch die Methode des spektralen Lochbrennens. Mehr darüber wird
in Abschn. 22.5, Molekulare Speicher, besprochen. Schon hier sei zur weiteren Erläu-
terung auf Abb. 22.32 und 22.33 verwiesen.
Die inhomogene Verbreiterung ermöglicht nun die spektrale Selektion einzelner
Moleküle. Da nämlich verschiedene Gast-Moleküle in der Matrix etwas unterschied-
liche Resonanz-Frequenzen aufweisen, kann man bei hinreichend geringer Gesamt-
Konzentration die Durchstimmbarkeit eines schmalbandigen Laser benutzen, um die
verschiedenen Moleküle im Meßvolumen einzeln und getrennt voneinander anzuregen.
Dies ist die spektrale Selektion. Man muß lediglich dafür sorgen, daß die Anzahl der
Moleküle je Frequenzbreite γH im Anregungslicht des Lasers nicht größer als 1 ist –
d. h. man arbeitet am besten bei niedriger Dotierung oder in den Ausläufern des Fre-
quenzspektrums der inhomogenen Verbreitung. Abbildung 21.11 zeigt als Beispiel die
Einzelmolekülspektren von 3 Molekülen in einer Kristall-Matrix. Hier wird deutlich,
mit welch gutem Signal/Rausch-Verhältnis sich einzelne Moleküle getrennt voneinan-
der beobachten lassen und wie eine optische Ansprechbarkeit einzelner Moleküle auch
bei größeren Konzentrationen möglich ist.
Für diese Art der Einzelmolekülspektroskopie benötigt man Moleküle und Matrizen
mit sehr spezifischen Eigenschaften. Deshalb ist die Anwendung bisher auf eine verhält-
nismäßig kleine Anzahl von Systemen beschränkt. Insbesondere müssen die untersuch-
ten Gast-Moleküle einen intensiven optischen Übergang mit starker O-Phononen-Linie
und eine hohe Fluoreszenz-Quantenausbeute haben. Die extrem scharfen Linien ergeben
Absorptionsquerschnitte, die um ein Vielfaches größer sein können als die physikalische
Größe des Moleküls. Der maximale Absorptionsquerschnitt σ p eines Moleküls ist defi-
niert durch die Wahrscheinlichkeit, daß ein einzelnes Molekül ein einfallendes Photon
aus dem Pumplaserstrahl absorbiert. Sie beträgt σ p /A, wenn A die Querschnittsfläche
des fokussierten Laserstrahls ist. Deren Grenze beträgt λ2 .

Abb. 21.11. Fluoreszenz-Anre-


gungsspektrum von drei ein-
zelnen Pentacen-Molekülen in
p-Terphenyl, mit der Kri-
stallstruktur p-Terphenyl. Die
Abszisse 0 MHz entspricht der
Wellenlänge 592,362 nm. Auf-
getragen ist die Fluoreszenz-
Intensität als Funktion der
Wellenlänge des extrem schmal-
bandigen Anregungslichtes. Von
C. Bräuchle und Th. Basche
zur Verfügung gestellt
21.4 Optische Spektroskopie einzelner Moleküle 463

Abb. 21.12. Moleküle, die für


Einzelmolekülspektroskopie mit
hoher spektraler Selektivität ge-
eignet sind: Pentacen, Terrylen,
Dibenzanthracen

Wie Moerner in [3] zeigt, erhält man bei Molekülen mit stark erlaubter 0,0 Linie im
niedersten elektronischen Übergang und bei tiefer Temperatur Werte für den maximalen
Absorptionsquerschnitt σ p von bis zu 10−11 cm2 , das heißt das 4000fache der Van der
Waals-Fläche eines Moleküls. Diese Zahlen gelten zum Beispiel für Pentacen.
Die Messungen mit spektraler Selektion sind auf tiefe Temperaturen, unterhalb ca.
50 K, beschränkt, weil die zum Nachweis benutzten O-Phononen-Linien nur bei tiefer
Temperatur scharf und beobachtbar sind. Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe
wie Pentacen sind gut geeignet (Abb. 21.12). Als Matrizen kommen organische Kri-
stalle, wie p-Terphenyl, sog. Schpolski-Matrizen oder Polymere wie Polyethylen in
Frage. Abbildung 21.13 zeigt eine Meßanordnung für Einzelmolekülspektroskopie.

Abb. 21.13. Versuchsanordnung


zur Messung von Einzelmole-
kül-Spektren (nach [3]). Die
Probe S befindet sich am Ende
einer optischen Glasfaser (zur
Anregung) im Brennpunkt ei-
nes Parabolspiegels P. Das
Fluoreszenz-Licht gelangt über
einen Spiegel durch Linsen und
Filter zum Spektrographen SP
bzw. zum Photomultiplier PM
und schließlich zum Rechner
PC

21.4.5 Einige Meßergebnisse

Was kann man mit der Einzelmolekül-Spektroskopie lernen? Es gibt viele interessante
Anwendungen in der Molekülphysik, in der Materialphysik, aber auch zu grundlegen-
den Fragen der Quantenoptik. Hier tritt die Einzelmolekül-Spektroskopie gleichwertig
neben die ebenfalls in rascher Entwicklung stehende Spektroskopie einzelner Atome in
464 21. Experimente an und mit einzelnen Molekülen

der Gasphase. Schließlich läßt sich auch die magnetische Spinresonanz auf Einzelmo-
leküle anwenden.
Für die Molekülphysik interessant ist die Möglichkeit der Messung der natürlichen
Linienbreite, die im Grenzfall durch die natürliche Lebensdauer des angeregten Zu-
standes bestimmt ist. So wurde für Pentacen-Moleküle bei 1,6 K und geringer Anre-
gungsintensität eine homogene Linienbreite von ∆ν = 7,8 ± 0,2 MHz gemessen (siehe
Abb. 21.14). Dieser Wert entspricht nach der Beziehung ∆ν = 1/(2π · t) einer Le-
bensdauer von t = 20,4 ns. Messungen der Lebensdauer mit Hilfe von Photonen-Echo-
Experimenten an Proben mit einer Vielzahl von Pentacen-Molekülen ergaben in guter
Übereinstimmung damit den Wert t = 21,7 ns.
Mit zunehmender Anregungsintensität beobachtet man – genau wie in der magneti-
schen Resonanz – eine Sättigungs-Verbreiterung (siehe Abb. 21.15). Hieraus kann man
die von den Blochschen Gleichungen (vgl. Abschn. 14.5 in Atomphysik) her bekannte
Relaxationszeit T2 ableiten. Sie mißt die Zeit, in der die Phasenkohärenz zwischen re-
sonantem Anregungslicht und dem molekularen Zweiniveau-System (S0 /S1 ) verloren
geht, also die Phasenrelaxation.
Man kann mit sehr hoher spektraler Auflösung auch die vibronische Struktur des mo-
lekularen Übergangs auflösen, und damit die Frequenzen der intramolekularen Schwin-
gungen im elektronischen Grundzustand (siehe Abb. 21.16). Dabei mißt man nicht, wie
in der Anregungsspektroskopie meistens üblich, die spektral nicht aufgelöste Gesamt-
Fluoreszenz als Funktion der schmalbandigen Anregung. Man mißt vielmehr die spek-
tral aufgelöste Fluoreszenz nach dieser Anregung. Diese besteht im Falle schwacher
Elektron-Phonon-Kupplung für ein einzelnes Molekül ebenfalls aus sehr schmalen Li-
nien und erlaubt eine genaue Schwingungs-Analyse des untersuchten Moleküls in seiner
spezifischen Umgebung.
Weitere Anwendung findet die Einzelmolekül-Spektroskopie in der Materialfor-
schung. Man kann die extrem scharfen Spektrallinien der Gastmoleküle als Sonden für
die unmittelbare Umgebung, die Nanoumgebung der Moleküle im Wirt bzw. der Matrix
und für die interne Dynamik der Matrix benutzen. Auch bei tiefsten Temperaturen gibt

Abb. 21.14. Fluoreszenz-Anre-


gungsspektrum eines einzelnen
Pentacen-Moleküls in einem
dünnen p-Terphenylkristall bei
1,5 K, Konzentration 8 · 10−9
mol/mol = 1,7 · 1013 cm−3 .
Die Mitte bei 0 MHz entspricht
einer Absorptionswellenlänge
von 592,407 nm. Aus W. P.
Amrose, Th. Basche, W. E.
Moerner: J. Chem. Phys. 95,
7150 (1991). Siehe dazu auch
W. E. Moerner u. Th. Basche:
Angew. Chem. 105, 537 (1993)
21.4 Optische Spektroskopie einzelner Moleküle 465

Abb. 21.15. Sättigungsver-


breiterung: Die Einzelmolekül-
Linie von Dibenzanthracen
im Naphthalinkristall verbrei-
tert sich mit zunehmender
Anregungsintensität. Nach [10].
Die Frequenz der ungesättigten
Linie dient als Nullpunkt

es besonders in Gläsern und in Polymeren noch dynamische Umlagerungs-Prozesse,


die einschließlich ihrer Temperaturabhängigkeiten mit den Einzelmolekül-Sonden un-
tersucht werden können. Auch Unordnungsphänomene, Fehlordnungen und Phasen-
übergänge in den Wirt-Systemen werden so meßbar. Ferner kann man beispielsweise
die Fluoreszenz-Signale von Terrylen-Einzelmolekülen in einer Einkristall-Matrix aus
p-Terphenyl zwischen zwei definierten Frequenzen hin- und herschalten [12] und so
einen Molekularen Lichtschalter realisieren.
Ferner ermöglicht die Einzelmolekül-Spektroskopie auch grundlegende Untersu-
chungen zur Wechselwirkung von Licht mit Materie, also zu Problemen der Quanten-
optik. Dabei ist die Einzelmolekül-Spektroskopie mit zeitlicher Auflösung von beson-
derem Interesse.
Das gemessene Emissions-Signal eines einzelnen Moleküls kommt ja dadurch zu-
stande, daß das Molekül nacheinander viele Photonen emittiert, die alle im Detektor

Abb. 21.16. Fluoreszenzspek-


trum eines einzelnen Terrylen-
Moleküls in p-Terphenyl mit vi-
bronischer Struktur. Nach [11]
466 21. Experimente an und mit einzelnen Molekülen

Abb. 21.17. Schematische


Darstellung des zeitlichen Ver-
laufs der Photonen-Emission
eines einzelnen Moleküls. Die
Triplett-Lebensdauer τT be-
stimmt die Bündel-Abstände
(Bunching), die inverse Rabi-
frequenz γ −1 die Photonenab-
stände innerhalb der Bündel
(Antibunching). Die Zahlen
gelten für Pentacen. Nach [3]

gesammelt werden. Man kann auch die zeitliche Abfolge dieser einzelnen Emissionspro-
zesse verfolgen. Dabei findet man die charakteristischen Eigenschaften der Bündelung
und der Antibündelung, die jetzt erklärt werden sollen.
Die photophysikalische Dynamik eines typischen Moleküls bei kontinuierlicher ko-
härenter Anregung mit fester Laserfrequenz ist schematisch in Abb. 21.17 dargestellt.
Die Photonen werden nicht in statistischer Zeitfolge emittiert, man beobachtet viel-
mehr ein charakteristisches Zeitverhalten, das man als Bündelung (bunching) und Anti-
Bündelung (antibunching) bezeichnet. Aus diesem Zeitverhalten erhält man weitere In-
formationen über das emittierende System.
Zunächst zur Anti-Bündelung, d. h. zum Auftreten von charakteristischen Zeit-
Intervallen zwischen den emittierten Photonen im Zeitbereich der Lebensdauer des
Anregungszustandes (typisch τ S1 = 10 ns) bzw. bei der inversen Rabi-Frequenz. Dies
ist ein typisch quantenoptischer Effekt bei der Wechselwirkung von Licht mit elektroni-
schen 2-Niveau-Systemen. Er wurde ursprünglich in der Resonanzfluoreszenz einzelner
Na-Atome entdeckt. Er bedeutet, daß die Wahrscheinlichkeit für das gleichzeitige Ein-
treffen von zwei Photonen am Detektor verschwindend klein ist und läßt sich leicht
verstehen:
Unmittelbar nach der Emission eines Photons zur Zeit t befindet sich das Quantensy-
stem im Grundzustand und die Wahrscheinlichkeit für die Emission eines zweiten Pho-
tons zu diesem Zeitpunkt ist Null. Im Mittel muß bei kontinuierlicher Anregung die Zeit
einer halben Rabi-Periode vergehen, bis das Molekül wieder mit endlicher Wahrschein-
lichkeit ein Photon emittieren kann. Die Fluoreszenz-Photonen erscheinen daher mehr
oder weniger in geordneter Folge eines nach dem anderen wie Wassertropfen – und nicht
in zufälligen Abständen, wie man es bei einer klassischen Lichtquelle oder bei schwa-
cher Anregungsintensität erwarten würde.
Bei hinreichend hoher Laserintensität können also Rabi-Oszillationen beobachtet
werden während der Laser das Einzelmolekül zwischen Grund- und Anregungszustand
hin- und herpumpt. Unter kohärenter Anregung führt der „Pseudospin“ zwischen den
beiden Zuständen des Zweiniveau-Systems eine Rabi-Oszillation aus. Deren Frequenz
beträgt Ω = |µ12 EL |/h, wobei µ12 das Übergangsdipolmoment und EL die elektri-
sche Feldstärke des Laserlichtes ist. Zur Erklärung der Begriffe Rabi-Oszillation und
Rabi-Periode vgl. Abschn. 22.6 in Haken, Wolf: Atom und Quantenphysik. Inkohä-
rente Übergänge beispielsweise zu intramolekularen vibronischen Moden bestimmen
die Relaxationszeit T .
Das Auftreten der Anti-Bündelung mit der Rabifrequenz wird natürlich überdeckt,
wenn mehr als ein Molekül zum emittierten Licht beitragen. Erst die Einzelmole-
21.5 Elektrische Leitfähigkeit von Molekülen 467

külspektroskopie ermöglicht die Untersuchung dieses fundamentalen Phänomenes der


Quantenoptik.
Wir kehren zurück zu Abb. 21.17 und zum Effekt der Bündelung. Hierunter versteht
man die Beobachtung, daß die Photonenströme mit den Rabi-Intervallen unterbrochen
werden von längeren Dunkelperioden mit der charakteristischen Länge τT , dem Bündel-
abstand. Diese Bündelung kommt dadurch zustande, daß das Molekül, z. B. Pentacen, in
Wirklichkeit nicht ein 2-Niveau-, sondern ein 3-Niveau-System ist: Es gibt noch einen
Triplett-Zustand T1 (Abb. 21.9, siehe auch Abschn. 15.2), den wir hier als nichtemittie-
rend betrachten dürfen. Er desaktiviert vielmehr das angeregte Molekül strahlungslos.
Die Wahrscheinlichkeit für einen Interkombinationsübergang von S1 nach T1 ist für Pen-
tacen 0,5%, d. h. im Mittel nach 200 emittierten Singulett-Photonen erfolgt ein strah-
lungsloser Übergang S1 → T1 in den Triplettzustand. Das Molekül hört damit auf zu
emittieren. Die Dauer der Dunkelperiode entspricht der Lebensdauer τT des Triplett-
Zustandes. Diese liegt hier im Bereich von ms, und der Abstand der Bündel ergibt im
Mittel τT .
Aus dem zeitlichen Verlauf der Einzelmolekül-Emission lassen sich damit Lebens-
dauer, Ausbeute und Interkombinationsraten für den Triplettzustand bestimmen. Auf
die experimentellen Probleme der Zeitauflösung mit Autokorrelationsmethoden soll hier
nicht eingegangen werden. Mehr dazu findet man bei [11].
Eine Erweiterung der Einzelmolekülspektroskopie ist möglich, wenn man nach dem
Vorbild der ODMR (Abschn. 19.7) zusätzlich Mikrowellen einstrahlt und damit Über-
gänge zwischen den 3 Subniveaus des Triplettzustandes T1 erzeugt, deren Lebensdau-
ern im allgemeinen unterschiedlich groß sind. Im Resonanzfall ändern die eingestrahlten
Mikrowellen die Lebensdauer des angeregten Triplett-Zustandes und damit auch die In-
tensität und das Bündelungs-Verhalten der Fluoreszenz-Emission. Man kann damit also
optisch nachgewiesene magnetische Resonanz von einzelnen Molekülen, von einzelnen
elektronischen Spins (siehe [13]), und sogar bei passender zusätzlicher Hochfrequenz-
Einstrahlung auch von einzelnen Protonen (siehe [14]), beobachten.

21.5 Elektrische Leitfähigkeit von Molekülen


21.5.1 Der molekulare Draht
Die Frage, wie gut einzelne Moleküle einen elektrischen Strom leiten können, oder noch
einfacher: „Wie fließt Strom durch ein Molekül“, wurde spätestens dann interessant, als
man sich mit dem Konzept einer Molekularen Elektronik (Kap. 22) zu beschäftigen be-
gann. Wenn man von der makroskopischen zur molekularen Welt übergeht, dann lautet
die Frage: Was heißt hier Leitfähigkeit? Wie leicht gelangen Ladungsträger von einer
Elektrode, etwa aus Metall, zu einer Gegenelektrode, wenn die beiden Elektroden nur
durch ein einzelnes Molekül verbunden sind? – Und weiterhin: Wie hängt dieser La-
dungsträgertransport von den elektronischen und strukturellen Eigenschaften des Mo-
leküls ab, besonders von seiner Länge? Wichtige Fragen sind beispielsweise noch der
Einfluß des Elektrodenmaterials, der Temperatur, der Feldstärke.
Ein Molekül, das als „molekularer Draht“ Elektronen zwischen zwei molekularen
Systemen oder einfacher zwischen zwei Elektroden transportieren soll, ist jedenfalls ein
Quanten-Objekt. Seine Leitfähigkeit ist eng mit der physikalischen Natur seiner Umge-
bung, besonders der Elektroden, verbunden. Wir wollen hier drei Grenzfälle unterschei-
den [15]:
468 21. Experimente an und mit einzelnen Molekülen

Am interessantesten ist der Grenzfall des kohärenten resonanten Tunnelns der La-
dungsträger durch die Brücke. Dieser Prozeß ist dann möglich, wenn die Leitungsbänder
oder vielmehr das Fermi-Niveau dieser Bänder für beide Elektroden isoenergetisch mit
einem Molekülorbital des Brückenmoleküls sind. Dabei wird angenommen, daß sich in
dem Orbital Elektronen (oder Löcher) bewegen können, daß es also eine Art von „Lei-
tungsband“ des Moleküls ist. Dies gilt insbesondere für ein LUMO, das tiefste unbe-
setzte Orbital (vgl. Abschn. 5.3 und 13.3). Man erwartet eine „Leitfähigkeit“, die unab-
hängig von der Länge der Brücke – also von der Moleküllänge – ist. Einen „Widerstand“
gibt es nur an den Kontakten zwischen Elektroden und Molekül.
Als Leitungselektronen aus den Metall-Elektroden stehen, wie man aus der Festkör-
perphysik weiß, die Elektronen an der Fermigrenze des Metalles zur Verfügung. Sie ha-
ben eine Fermigeschwindigkeit vF und eine zugehörige Wellenlänge λF . Diese liegt bei
typischen Metallen im Bereich von atomaren Dimensionen, ist also ähnlich groß wie die
relevanten Molekül-Abmessungen. Im Molekül stehen für die Elektronen die Molekülor-
bitale als Leiterbahnen zur Verfügung, jedes Orbital ist ein Leitungs-Kanal. Den Leit-
wert (d. h. den reziproken Widerstand) eines Kanals berechnet man nach Landauer [16]
quantenmechanisch aus der Streuung des Elektrons am Kanal zu G = G 0 · T , wobei
G 0 = 2e2 /h ( = 12 900 Ω−1 ) das Leitwert-Quantum und T der Transmissionskoeffizi-
ent ist. T kann zwischen 1, d. h. vollständige Transmission mit dem Leitwert 2e2 /h, und
0, d. h. vollständige Rückstreuung, liegen. Die Transmission mißt die Effizienz, mit der
das Molekül die metallischen Wellenfunktionen der Elektroden ausdehnt.
Der gesamte Leitwert ergibt sich als die Summe der Einzel-Leitwerte G = G 0 ΣTn ,
wenn N die Anzahl der aktiven Kanäle und Tn die Transmissions-Wahrscheinlichkeit
des n-ten Kanals ist. Die Anzahl der aktiven Kanäle ergibt sich aus der Anzahl der Mo-
lekülorbitale, die bei gegebener angelegter Spannung in Resonanz mit der Fermi-Energie
des Metalls sind. Wichtig ist also: wie liegen die HOMO- und LUMO-Niveaus des Mo-
leküls relativ zum Fermi-Niveau des Elektroden-Metalls. Durch Ändern der angelegten
Vorspannung (bias) lassen sich diese Niveaus relativ zueinander verschieben. Dadurch
ändert sich die Transmission.
Wenn die Energiezustände der für ein Tunneln verfügbaren Elektronen in den Elek-
troden (also im allgemeinen deren Fermi-Niveaus) weit entfernt sind von denen der Mo-
lekülorbitale, dann ist hauptsächlich eine nichtresonante, aber kohärente, Bewegung der
Elektronen durch Austausch über die Orbitale im Molekül möglich. Abbildung 21.18
zeigt den Fall eines Moleküls mit großer Lücke zwischen HOMO und LUMO mit Elek-
troden, deren Fermi-Niveau in der Mitte der Energielücke liegt. Dies trifft z. B. für kurze

Abb. 21.18. Energie-Niveaus,


schematisch, für ein Molekül
in der Lücke zwischen zwei
Metall-Elektroden. Schraffiert
sind die besetzten Elektronen-
zustände im Metall bis zur
Fermienergie E F . Wenn die
Lücke E g zwischen HOMO
und LUMO des Moleküls so
liegt wie in dieser Skizze, dann
gibt es keinen nennenswer-
ten Elektronen-Fluß zwischen
Molekül und Elektrode
21.5 Elektrische Leitfähigkeit von Molekülen 469

organische Moleküle mit konjugierten Doppelbindungen zwischen Metall-Elektroden


zu. – Die Leitfähigkeit sollte hier exponentiell mit der Länge der Brücke abnehmen.
Wenn man durch Anlegen einer äußeren Spannung die Ferminiveaus der Elektroden re-
lativ zur Energie der Molekülorbitale verschiebt, kann man damit unter geeigneten Um-
ständen von einem der beiden Grenzfälle zum anderen gelangen.
Wenn man also untersuchen will, ob ein bestimmtes organisches Molekül mit konju-
gierten Doppelbindungen und damit delokalisierten π-Elektronen als molekularer Draht
geeignet ist, dann sind zwei Systemeigenschaften von besonderem Interesse:

– Wie liegen die HOMO- und LUMO-Niveaus des Moleküls relativ zum Fermi-Niveau
des Elektroden-Metalls? Die Energie-Unterschiede zwischen diesen Niveaus bestim-
men die Transmission von Elektronen durch den Draht als Funktion der angelegten
Vorspannung (bias). Durch Ändern dieser Vorspannung läßt sich die Transmission än-
dern, indem andere Molekülorbitale zur Leitung beitragen.
– Wie ist das organische Molekül elektronisch an die Elektroden angekoppelt und wie
erfolgt die Ladungsinjektion in den Draht?

Der Transport von Ladungsträgern durch das Brückenmolekül kann schließlich auch in-
kohärent oder dissipativ werden, wenn eine unelastische Streuung der Ladungsträger
in der Brücke stattfindet. Streuzentren können etwa innere Schwingungen des Mole-
küls sein, falls diese mit den elektronischen Zuständen im „Draht“ hinreichend stark
gekoppelt sind. Nur in diesem Falle gleicht der molekulare Draht dem, was man übli-
cherweise unter einem elektrischen Draht versteht. Die Leitfähigkeit gehorcht dann dem
Ohmschen Gesetz und der Leitwert ist umgekehrt proportional zur Länge der Brücke.
Abbildung 21.19 erläutert die Grenzfälle der kohärenten und der dissipativen Leitung.
Der dissipative Mechanismus der Leitfähigkeit ist sicher dann bevorzugt zu erwarten,
wenn die Moleküle länger und die Temperaturen höher werden.
Jedenfalls kann man die Leitfähigkeit eines Moleküls zwischen zwei Elektroden
nur verstehen, wenn man beachtet, daß sie durch die Fermi-Niveaus beider Elektro-
den, durch die Kontakte und durch die „Durchlässigkeit“ des Moleküls selbst bestimmt
sind. Bei allen Messungen muß man beachten, daß man immer eine Kombination aus
Elektroden- und aus Molekül-Eigenschaften mißt.
Die Auswertung realer Messungen ist schwieriger als diese einfachen Modelle. Un-
gleiche Elektroden-Materialien, mangelnde Homogenität des angelegten elektrischen
Feldes und die Vielfalt möglicher Orbitale bei größeren Molekülen machen eine ein-
deutige Auswertung selbst dann schwierig, wenn die experimentellen Probleme, ins-
besondere das Anbringen der Elektroden, befriedigend beherrschbar sind. Dies gelingt

Abb. 21.19. Grenzfälle für


den Elektronenfluß durch ein
Molekül von einem Donator
zu einem Akzeptor über eine
Brücke B (D-Brücke-A-Triade).
Unten: Die Ladungsträger tun-
neln ohne eine Lokalisierung
auf der Brücke. Die Geschwin-
digkeit ist abstandsabhängig.
Oben: Hüpftransport durch
die Brücke, Geschwindigkeit
weniger abstandsabhängig
470 21. Experimente an und mit einzelnen Molekülen

meistens nur teilweise, und es gibt deshalb kaum wirklich befriedigende, das heißt
vollständig verstandene Leitwert-Messungen einzelner Moleküle.

21.5.2 Meßergebnisse

Zur Messung der elektrischen Leitfähigkeit eines einzelnen Moleküls liegen erst wenige
Ergebnisse vor. Das zentrale Problem ist es, an einem Molekül beidseitig elektrische
Kontakte anzubringen. Wie läßt sich ein Einzelmolekül kontaktieren? Und weiterhin:
„Wie läßt sich ein einzelnes Molekül zwischen zwei Kontakten platzieren?“
Man kann dieses Problem dadurch lösen, daß man das Molekül mit Endgruppen,
z. B. Thiol-Gruppen, versieht, die mit einer Metalloberfläche, z. B. Au, leicht eine che-
mische Bindung eingehen, so daß das Molekül sich zunächst einseitig mit der Metall-
Elektrode verbindet. Der wesentliche Schritt im Experiment besteht dann darin, daß
man eine saubere Gold-Oberfläche mit einer Lösung in Kontakt bringt, in der sich die
zu untersuchenden Moleküle mit einer Thiol-Endgruppe (SH) befinden. Die Moleküle
ordnen sich selbständig als Monoschicht (sog. self-assembly-Verfahren) auf der Gold-
Oberfläche an, indem der Wasserstoff von der SH-Gruppe durch eine kovalente Bindung
zwischen S und Au ersetzt wird, (Abb. 21.20). Damit hat man den Gold-Kontakt als
Elektrode gewonnen.
Der zweite Kontakt für eine Widerstandsmessung kann die Spitze eines Rasterson-
denmikroskops sein. An diese sind die Moleküle nur schwach angekoppelt, man kann
aber verschiedene Moleküle auf der Gegenelektrode ansteuern. Ein anderer eleganter
Weg, der zudem den Vorteil hat, daß er eine symmetrische Anordnung ergibt, ist der
Bruch-Kontakt (break-junction) (Abb. 21.20). Darunter versteht man eine durch Nano-
manipulation erzeugte Lücke in einem extrem dünn ausgezogenen Draht. Der Draht
wird kontrolliert bis zum Zerreißen gedehnt. Man kann so Lücken kontrolliert erzeu-
gen, deren Breite kleiner als 10 Å ist. – In eine solche Lücke in einem Au-Draht passt
z. B. ein 1,4-Dithiol-Benzol-Molekül, das an beiden Enden mit den Au-Elektroden ver-
bunden ist. In dem in Abb. 21.20 gezeigten Beispiel ist die gemessene Breite der Lücke,
8,5 Å, so groß, daß dieses Molekül gerade hineinpasst [17].
Aus einer Strom-Spannungskurve an einem solchen Molekül zwischen zwei Au-
Kontakten läßt sich (stark vereinfacht) ein Widerstand der Größenordnung 25 MΩ er-
rechnen [16]. Andere Messungen ergeben 900 MΩ [18]. Hierbei ist jedoch große Vor-
sicht geboten. Man mißt, wie oben ausgeführt, das Gesamtsystem Elektrodenkontakt-
Molekül-Elektrodenkontakt, und man kann nicht mit Sicherheit sagen, zu welchem Teil
des Systems der Widerstand gehört. Darüber hinaus ist die Strom-Spannungskurve nicht
einfach – wie bei einem Ohmschen Widerstand – eine Gerade. Offenbar spielt hier die
Quantisierung der Ladung und die Quantisierung der Transportwege in Gestalt der Mo-
lekülorbitale, also die Leitwert-Quantisierung, eine Rolle. Hierauf kann hier nicht näher
eingegangen werden. Es sollte in erster Linie gezeigt werden, daß elektrische Messun-
gen auch an einzelnen relativ kleinen Molekülen möglich sind.
Es ist sogar gelungen, den Leitwert G eines H2 -Moleküls zwischen zwei Platin-
Elektroden zu messen. Hier ergibt sich, wie nach [16] zu erwarten, recht genau als Leit-
wert G = G 0 = 2e2 /h, also eine Quanteneinheit [19].
Eine andere Meßanordnung ist in Abb. 21.21 gezeigt: Ein Fulleren-Molekül C60 be-
findet sich zwischen einer planaren Gold-Elektrode und der Spitze eines Rastersonden-
21.5 Elektrische Leitfähigkeit von Molekülen 471

Abb. 21.20. Bruchkontakt zur


Messung der Leitfähigkeit
eines einzelnen Benzol-1,4-
Dithiolat-Moleküls. Der dünne
Au-Draht (A) wird in der
Lösung mit einer monomo-
lekularen Schicht bedeckt
(B, Selbst-Ausrichtung, self
assembly, SAM). Bei weiterer
Dehnung bricht der Draht (C),
die beiden Au-Elektroden sind
mit den SAM-Schichten be-
deckt. Man verkleinert den
Elektrodenabstand, bis der erste
leitende Kontakt hergestellt
ist (D). Nach [17]

mikroskops als Gegenelektrode. Man erhält einen linearen Strom-Spannungs-Verlauf,


aus dem sich zumindest formal ein Widerstand berechnen läßt.
Bei größeren Molekülen ist zwar die Herstellung der Elektroden einfacher, weil nicht
so kleine Abstände erforderlich sind. Das Problem der Kontaktierung bleibt jedoch. Es
gibt bisher nur wenige klar auswertbare Messungen. Auf besonders großes Interesse ist
die Frage gestoßen, ob das in der Vererbung entscheidende Molekül DNS, englisch DNA
(vgl. Abschn. 20.6), ein elektrischer Leiter ist [20]. Hier konnte man an einzelnen Strän-
gen mit Längen von ca. 600 nm Strom-Spannungs-Messungen machen. Diese und an-
dere Messungen deuten jedoch darauf hin, daß das Molekül als Isolator zu betrachten ist.
Ein schönes Beispiel dafür, wie man die elektrische Leitfähigkeit größerer Moleküle
messen kann, zeigt zum Abschluß dieses Abschnittes Abb. 21.22. Hier ist ein Carotin-
Molekül innerhalb einer selbstorganisierten Monoschicht des gesättigten Kohlenwasser-
stoffs Dodekan (12 C-Gruppen) auf einer Gold-Oberfläche aufgebracht. Die Bindung
von beiden Molekülsorten an die Unterlage gelingt auch hier durch Thiol-Gruppen an
den Molekülenden. Als Gegenelektrode dient die Pt-Spitze eines leitenden Kraftmikro-
skops, mit dem gleichzeitig die am Molekül angreifende mechanische Kraft eingestellt
werden kann.
472 21. Experimente an und mit einzelnen Molekülen

Abb. 21.21. Leitfähigkeitsmes-


sung eines C60 -Moleküls zwi-
schen einer Au-Elektrode und
einer W-Spitze. Bei einem
Abstand von 11,4 Å ergibt
sich als Widerstand des Kon-
taktes Spitze-C60 -Oberfläche
R = 5,5 MΩ. Nach J. J. Joa-
chim, J. K. Gimzewski: Euro-
phys. Lett. 30, 409 (1995)

Man erhält hier ein Ohmsches Verhalten mit einem Widerstand von 4,2 ± 0,7 GΩ.
Die Leitfähigkeit des Carotin-Moleküls mit seinen konjugierten Doppelbindungen (vgl.
Abschn. 14.6) ist dabei mehr als 106 mal besser als diejenige der Alkan-Ketten gleicher
Länge. Man kann das Carotin-Molekül deshalb als molekularen Draht in einer isolie-
renden Matrix betrachten. Mehr dazu folgt in Abschn. 22.3.
Auch hier ist jedoch Vorsicht geboten. Es ist noch ganz unklar, was der Mechanis-
mus der elektrischen Leitung ist, ob hier ein Widerstand in der Einheit Ohm überhaupt
definiert ist, ob andere Prozesse den Ladungstransport bestimmen, und auch bei den ex-
perimentellen Ergebnissen gibt es noch große Kontroversen. Eine Einführung in die Pro-
blematik findet sich in [15].

Abb. 21.22. Leitfähigkeitsmes-


sung an einem Carotin-Molekül
in einer monomolekularen
Schicht aus 1-Dodecan-Thiol auf
einer Au-Fläche. Die als Gege-
nelektrode dienende Pt-Spitze
ist gleichzeitig der Ausleger
(cantilever) eines Rasterkraft-
Mikroskops. Nach [21]
22. Molekulare Elektronik und andere Anwendungen

Zum Abschluß dieses Buches sei noch ein Ausblick auf ein Gebiet gestattet, das in
seinen Zielen ebenso faszinierend wie in seinen Möglichkeiten und Grenzen noch un-
klar ist.
Es geht hier um die Frage der Anwendbarkeit organischer Halbleiter in der elek-
tronischen Technik. Attraktive Eigenschaften sind neben der Löslichkeit in organischen
Lösungsmitteln beispielsweise die Farbe der Licht-Emission, die mit Hilfe chemischer
Synthese in weiten Grenzen variiert werden kann, ferner die Möglichkeiten der Verar-
beitung. Man kann polymere Schichten leicht über größere Flächen verteilen, auch über
solche, die mechanisch flexibel sind. Das eröffnet auch die Aussicht auf vergleichsweise
billige Produktion von selbst großflächigen Funktionseinheiten oder Bildschirmen. Die
Anzahl verschiedener organischer Moleküle ist praktisch unbegrenzt.

22.1 Was ist Organische oder Molekulare Elektronik?

Seit einigen Jahren wird die Phantasie der Molekül- und Festkörperphysiker durch eine
neue Idee oder ein neues Schlagwort zu neuen Überlegungen angeregt: Molekulare
Elektronik. Was ist das? Molekulare Elektronik ist die gemeinsame Überschrift für
Bemühungen oder Spekulationen, unsere auf Silizium und verwandten anorganischen
Halbleiter-Materialien beruhende moderne Elektronik, speziell die Mikroelektronik, in
einer vielleicht nicht zu fernen Zukunft durch eine Elektronik zu erweitern, die mit
Molekülen und molekularen Funktionseinheiten unter Ausnutzung der spezifischen Ei-
genschaften molekularer Substanzen arbeitet. Faszinierend an solchen Ideen ist die
Aussicht auf eine weitere Miniaturisierung gegenüber dem Silizium, auf die große
Vielfalt der Moleküle, d. h. die mögliche ungeheuer große Variabilität, wie sie die orga-
nische Chemie bietet, und vielleicht auf die leichte Zugänglichkeit und Herstellbarkeit
solcher Materialien.
Wenn man daran denkt, elektronische Bauteile aus Molekülen aufzubauen, dann
braucht man

– Moleküle oder molekulare Funktionseinheiten als Schalter: Molekulare Systeme, die


bistabil sind gegenüber Licht oder Feldern,
– Moleküle oder molekulare Funktionseinheiten als Drähte: Seit einigen Jahren gibt es
schon organische Metalle (das sind molekulare Festkörper mit einer metallähnlichen
Leitfähigkeit) und sogar organische Supraleiter,
– Moleküle oder molekulare Funktionseinheiten als logische Elemente: durch Zusam-
menwirken von Schaltern und Leitern müssen sich solche Bauelemente herstellen
lassen,
474 22. Molekulare Elektronik und andere Anwendungen

– Moleküle oder molekulare Funktionseinheiten als Speicher von Informationen, die


man durch Licht, durch elektrische oder magnetische Impulse oder sonstwie eingibt
und auslesen kann.
Was ist also molekulare Elektronik? Man kann den Begriff vielleicht so definieren: Zu
molekularer Elektronik gehören Phänomene und Prozesse, bei denen organische mole-
kulare Materialien eine aktive Rolle beim Verarbeiten, Weiterleiten und Speichern von
Informationen spielen. Man kann auch Molekularelektronik noch enger definieren: als
die Kunst, einzelne Moleküle herzustellen, die sich ähnlich verhalten wie herkömmliche
Transistoren, Dioden, Leitungsdrähte und andere wesentliche Komponenten heutiger in-
tegrierter Schaltkreise.
Wenn man sie so definiert, dann gibt es molekulare Elektronik im eigentlichen Sinne
noch kaum. Ob es sie einmal geben wird und wie sie dann aussehen wird, wissen wir
heute noch nicht. Man kann sich aber mit Vorarbeiten als Grundlagenforschung beschäf-
tigen, mit Arbeiten, bei denen mögliche Anwendungen in einer ferneren Zukunft in die
Fragestellung eingehen und im Hintergrund stehen. Hier sind der Festkörperphysiker,
der Molekülphysiker und der Chemiker angesprochen, und so kann der Begriff Mole-
kulare Elektronik zu einem Stimulans für vielfältige interdisziplinäre Forschungsarbeit
werden. Es gibt auch schon bemerkenswerte Ergebnisse. Man hat Moleküle gefunden,
die elektrischen Strom leiten, die als Schalter fungieren und die Information speichern
können.
Doch mit der Herstellung einzelner Bauelemente ist es nicht getan. Für einen funk-
tionsfähigen Rechner müssen viele Millionen molekularelektronische Bauteile verschie-
denster Art auf einer Oberfläche befestigt und geeignet verschaltet werden. Dies ist eine
Aufgabe, von der man noch nicht weiß, ob man sie jemals wird bewältigen können.
Überblicke und neue Ergebnisse hierzu findet man in den Referenzen [1–5]1 .

22.2 Moleküle als Schalter


Die Möglichkeit, eine bestimmte physikalische Eigenschaft eines molekularen Systems
mit Hilfe einer äußeren Anregung, z. B. mit Licht oder mit einem elektrischen Feld,
zu modulieren ist von zentraler Bedeutung, wenn man molekulare oder supramoleku-
lare Bauelemente herstellen möchte. Deshalb gibt es erhebliche Anstrengungen, dyna-
mische molekulare Systeme zu finden, die reversibel zwischen verschiedenen Zustän-
den geändert werden können, so daß sie eine Funktion als molekulare Schalter ausüben
können. Sie müssen erlauben, durch eine gezielte (kurzzeitige) Einwirkung, etwa mit ei-
nem Lichtpuls, eine andere physikalische Eigenschaft des Supermoleküls oder Gesamt-
systems reversibel abzuändern. Wenn die Moleküle nur sich selber und nicht eine andere
Eigenschaft oder einen anderen Teil des Gesamtsystems schalten, dann sind sie zwar
als optische Speicher interessant. Als Schalter sollen sie hier jedoch nicht verstanden
werden.
Ein solches aktives System soll hier als molekularer Schalter, speziell mit Licht als
Photoschalter, bezeichnet werden. In diesem Zusammenhang sind photochrome organi-
sche Verbindungen von besonderem Interesse. Sie lassen sich zum Ausgangspunkt bi-
stabiler Supermoleküle machen, deren physikalisches Verhalten durch Licht gesteuert
werden kann.
1 Die Zahlen in eckigen Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis auf S. 516 ff. zu
Kap. 22
22.2 Moleküle als Schalter 475

λA Abb. 22.1. Photochromie: Ein


Molekül der Konfiguration A
wird durch Licht der Wel-
lenlänge λA in eine Konfigu-
A B ration B umgewandelt. Licht
der Wellenlänge λB bringt
λB das Molekül wieder in den
Ausgangszustand A

Wenn man Moleküle als mit Licht betriebene Schalter benutzen will, dann braucht
man also ein Molekül A, das durch Licht der Wellenlänge λA in eine Konfiguration B
umgewandelt wird (Abb. 22.1), und der Prozeß soll durch Licht der Wellenlänge λB
reversibel sein. Ein solches Verhalten heißt Photochromie. Man braucht dazu bistabile
Moleküle. Die Konfigurationen A und B müssen ohne das entsprechende Licht stabil
sein, der Prozeß muß schnell sein, und er muß ohne photochemischen Abbau der Mo-
leküle vielfach wiederholbar sein.
Ein Beispiel hierfür sind die Fulgide, bei denen die Photochromie auf einer Valenz-
isomerisierung beruht: Eine π-Bindung wird unter Ringschluß in eine σ-Bindung um-
gewandelt (Abb. 22.2). Solche Moleküle sind als Schalter beispielsweise deshalb in-
teressant, weil man bei ihnen nur in einem der beiden Schaltzustände, nämlich in der
geschlossenen „C“-Konfiguration, eine Kette konjugierter Doppelbindungen durch das
Molekül senkrecht zu seiner Längsachse hindurchführen kann. Dies kann dann das phy-
sikalische Verhalten von Substituenten beeinflussen, die an beiden Enden des Fulgid-
Moleküls angebunden sein können. Durch Substitution mit unterschiedlichen Seiten-
gruppen kann man die spektrale Lage der Fulgid-Absorption, die Stabilität des Moleküls
und seine Anbindbarkeit an andere Systeme in weiten Grenzen variieren. Abb. 22.2. Moleküle als Schal-
ter: Das Molekül Thiophenfulgid
ist photochrom und läßt sich
durch Licht zwischen den bei-
den gezeigten Valenz-isomeren
Konfigurationen reversibel hin-
und herschalten. Die Einzelstri-
che an den Molekülen bedeuten
CH3 -Gruppen, die aus Platz-
gründen nicht eingezeichnet
wurden

Wie ein solches Verfärben und Ausbleichen spektral aussieht, zeigt die in Abb. 22.3
dargestellte Messung am Thiophenfulgid. Man erkennt beim Verfärben mit UV-Licht
eine Abnahme der UV-Absorption und, wegen des Ringschlusses und der verlänger-
ten Kette konjugierter Doppelbindungen, ein Auftauchen einer neuen Absorption im
Sichtbaren bei etwa 600 nm. Die vorher fast farblose Substanz wird dadurch farbig.
Das Ausbleichen, d. h. das Bestrahlen mit Licht dieser Wellenlänge, stellt den alten Zu-
stand wieder her. Der Prozeß kann viele Male wiederholt werden. Die Quantenausbeute
liegt bei etwa 20% bei Raumtemperatur. Sie wird für die Verfärbungsreaktion nur we-
nig kleiner wenn man zu tiefen Temperaturen übergeht. Der Ausbleichprozeß bedeu-
tet Ringöffnung und Übergang des Moleküls in einen nicht-planaren Zustand. Wegen
des geänderten Raumbedarfes ist er allerdings thermisch aktiviert. Die Quantenausbeute
hierfür sinkt deshalb mit sinkender Temperatur, und wird bei tiefer Temperatur sehr
klein.
476 22. Molekulare Elektronik und andere Anwendungen

Abb. 22.3. Verfärben und Aus-


bleichen des Moleküls Thio-
phenfulgid (in Lösung) von
Abb. 22.2. Oberes Teilbild:
Optische Dichte. Unteres Teil-
bild: Veränderung der optischen
Dichte durch Licht der mit
Pfeil bezeichneten Wellenlänge.
Aus [4]

Die reversible Photochromie bleibt auch erhalten, wenn die Fulgid-Moleküle sich in
einer festen Matrix, z. B. Plexiglas PMMA, gelöst befinden. Auch amorphe Schichten
sind reversibel schaltbar. Im geordneten Kristall ist die reversible Photochromie jedoch,
offenbar wegen der sterischen Probleme bei dem Isomerisierungs-Prozeß, jedenfalls bei
den Fulgiden, auf Oberflächenbereiche beschränkt.
Die Geschwindigkeit für den Einzelschritt liegt im Picosekunden-Bereich [6]. Ful-
gide erscheinen also als Lichtschalt-Moleküle gut geeignet.
Einen so realisierten molekularen Licht-betriebenen Schalter, mit dem man den
gerichteten Transport von Anregungsenergie zwischen einem „Donator“ D und ei-
nem „Akzeptor“ A reversibel unterbrechen kann, zeigt Abb. 22.4. Dabei kann in der
E-Konfiguration eine optische Anregung von D auf A übertragen werden, da der nie-
derste Anregungszustand S1 des E-Isomers zwischen denjenigen von D und A liegt. In
der Konfiguration C wirkt das Fulgidmolekül dagegen als Falle für die Anregungsener-
gie, weil sein Zustand S1 jetzt der tiefste Anregungszustand des gesamten Systems ist.
Das Ein- und Ausschalten der Energieübertragung zwischen D und A wird durch das
Auftreten bzw. das Verschwinden der Akzeptor-Fluoreszenz, nach Donator-Anregung,
gemessen. Die Energieübertragung erfolgt sehr schnell. Es wurde hierfür ca. 1 ps ge-
messen [7].
Eine andere Gruppe photochromer Moleküle, die sich als molekulare Schalter eig-
nen, sind die Diaryl-Ethene, Dithienyl-Ethene und ähnliche Moleküle, bei denen der
photochrome Prozeß ebenfalls eine Isomerisierung mit Öffnen und Schließen eines
Ringes bedeutet (Abb. 22.5). Auch hier schaltet Licht geeigneter Wellenlänge eine
Ringschluß-Reaktion zwischen zwei Isomeren, bei denen die Heterozyklen entweder
22.2 Moleküle als Schalter 477

Abb. 22.4. Molekularer Schal-


ter: Als E-Isomer überträgt
das Fulgid-Molekül Anregungs-
energie vom Donator (einer
Anthryl-Gruppe) auf den Ak-
zeptor (eine Rhodamin-Gruppe).
Deren Fluoreszenz wird beob-
achtet, wenn D optisch angeregt
wird. – Wenn das Fulgid durch
Licht geeigneter Wellenlänge
in seinen C-Zustand versetzt
wird, wirkt der S1 -Zustand
des Fulgids als Falle und der
Akzeptor wird nicht angeregt.
Dieser Prozeß läßt sich vielfach
wiederholen. Aus [8]

konjugiert (geschlossener Ring, farbig, Absorption im Sichtbaren) oder nicht-konjugiert


(offener Ring, farblos, UV-Absorption) sind. Dadurch entsteht bzw. verschwindet eine
Absorption im sichtbaren Spektralbereich zu Gunsten einer solchen im UV (Abb. 22.5).
Auch bei dieser Verbindungsgruppe lassen sich die physikalischen und auch die che-
mischen Eigenschaften in weiten Grenzen variieren durch Variation der möglichen
Substituenten an den beiden Aryl-, Thienyl- oder sonstigen Gruppen. So ist z. B. im
Molekül von Abb. 22.5 das Ausbleichen mit Licht um 800 nm, d. h. mit einem Dioden-
laser möglich.
Trotz der auch beim Diarylethen vorhandenen sterischen Probleme bei der Isome-
risierung wurde hier auch schon von photochromer Reaktion in einem Diarylethen-
Einkristall berichtet [11]. Andere wichtige Fragen betreffen die Möglichkeit eines
Lesens der Schalterstellung, ohne daß sie dabei geändert wird. Das gelingt bei man-

Abb. 22.5. (Oben) Beispiel für


ein Dithienyl-Ethen-Molekül.
Links die offene, rechts die
geschlossene Konfiguration. Die
geschlossene Konfiguration ent-
hält intramolekular eine längere
Kette konjugierter Doppelbin-
dungen. Daraus resultiert die
neue Absorption bei 800 nm.
Das untere Teilbild zeigt die
Änderung der Absorption A
durch Bestrahlung der offenen
Konfiguration mit Licht bei
365 nm. Nach [9, 10]
478 22. Molekulare Elektronik und andere Anwendungen

chen Molekülen dadurch, daß sie auch Absorptionsbanden ohne photochrome Reaktion
besitzen. Im übrigen ist dies jedoch im allgemeinen anhand charakteristischer Mole-
külschwingungen mit der Infrarotspektroskopie möglich.
Es gibt zahlreiche Systeme und Phänomene, die mit photochromen Molekülen mo-
duliert werden können. Wenn man etwa ein geeignetes Molekül aus der Gruppe der Dia-
rylethene in eine längere Polyenkette einbaut, dann kann man alle Eigenschaften modu-
lieren, d. h. aus- und einschalten, die auf einer durch die Polyenkette vermittelten Wech-
selwirkung zwischen Donator- und Akzeptorgruppen an den Kettenenden beruhen [9].
Eine solche Eigenschaft ist z. B. ein durch Licht oder durch elektrochemisches Schalten
induzierter Elektronenfluß entlang der als „molekularer Draht“ dienenden Polyenkette.
Einen anderen Lichtschalter, bei dem der Elektronenfluß durch das Molekül hindurch
kontrolliert werden kann, zeigt das Diarylethen in Abb. 22.6. Die beiden Pyridinium-
Ringe am linken und am rechten Ende des Moleküls sind in der Offen-Ring-Form
voneinander isoliert, und es gibt keine nennenswerte Wechselwirkung zwischen ih-
nen. Wenn jedoch durch einen Lichtpuls geeigneter Wellenlänge (UV) der zentrale
Ring geschlossen wird, verbindet das delokalisierte π-Elektronensystem beide Enden
des Moleküls. Das Maximum der optischen Absorption ändert sich dabei von 352 zu
662 nm. Nur in diesem „geschlossenen“ Zustand ist ein Elektronenfluß möglich.
Von besonderer Bedeutung können schließlich photochrome Moleküle bei biologi-
schen Prozessen werden. Ein Einbau photoisomerisierbarer Moleküle in Biomakromole-
küle ermöglicht es, deren Funktion wie Biokatalyse, Elektronentransfer oder spezifische
Substrat-Bindung ein- und ausschaltbar zu machen [12]. Darauf kann hier nicht näher
eingegangen werden. Es sei aber an die Wirkung der cis-trans-Reaktion des Retinals im
Bakteriorhodopsin und beim Sehprozeß erinnert (Abschn. 20.5).

Abb. 22.6. Schematische Dar-


stellung des Aus- und Einschal-
tens eines Elektronenflusses
durch das gezeigte Molekül
aus der Gruppe der Dithienyl-
Ethene. Nach [19]
22.3 Molekulare elektrische Leiter 479

Es gibt eine ganze Anzahl weiterer Moleküle, die man als mit Licht betriebe-
nen Schalter in supramolekulare Systeme einbauen kann. Die Schaltung von mo-
lekularen Systemen kann auch durch andere Eingriffe erfolgen, etwa durch elektri-
sche Felder. Man spricht dann von Elektrochromie. Dieses Gebiet ist sicher noch sehr
zukunftsträchtig.

22.3 Molekulare elektrische Leiter


Gibt es organische Verbindungen, die als elektronische Leiter zur leitfähigen Verknüp-
fung anderer Moleküle oder Substrate geeignet sind? Dabei kann man an Molekulare
Drähte denken, die wir in Abschn. 22.4 behandeln. Oder aber man denkt an die soge-
nannten Organischen Metalle.
Das sind kristalline Verbindungen, die im allgemeinen aus zwei Partnern aufgebaut
sind, von denen einer als Elektronen-Donator und der andere als Elektronen-Akzeptor
wirkt. Die organischen Partner sind häufig in Stapeln angeordnet, so daß sich eine eindi-
mensionale oder niederdimensionale Leitfähigkeit ergibt, wenn die Leitung durch Über-
lappung der π-Orbitale benachbarter Moleküle zustande kommt (Abb. 22.7).
Als Beispiel nehmen wir die Radikalanionensalze des Dicyanochinondiimins
(DCNQI). Das Strukturbild (Abb. 22.7) zeigt die Stapelanordnung der organischen
Bausteine. Dabei gibt es aber, außer der für die elektrische Leitfähigkeit in erster Li-
nie verantwortlichen Wechselwirkung längs der Stapel, auch die Möglichkeit einer
elektronischen Verbindung zwischen den Stapeln über die zentralen Metallionen, d. h.
zwischen dem zentralen Metall und dem Stickstoff der CN-Gruppe des DCNQI. Eine
solche Brückenfunktion zwischen den DCNQI-Stapeln kann insbesondere das Cu+ -Ion
mit seinen d-Elektronen ausüben. Dadurch kann die eindimensionale Leitfähigkeit zu
einer dreidimensionalen werden. Man kann die Metall-Ionen im Salz (Cu, Ag, Li und
andere) und die Seitengruppen im DCNQI-Molekül (z. B. CH3 , Cl, Br, J) in weiten
Grenzen variieren, ohne daß sich die Kristallstruktur wesentlich ändert.
Die extrem hohe Leitfähigkeit und der metallische Charakter auch bei tiefsten Tem-
peraturen von einer dieser Verbindungen, dem in Abb. 22.7 und Abb. 22.8 in der ober-
sten Kurve gezeigten Kupfersalz mit 2 Methylgruppen am DCNQI, zeigt, warum man
von organischen Metallen spricht. Die Leitfähigkeit dieses Salzes ist bei tiefer Tempe-
ratur so hoch wie die von Kupfer bei Zimmertemperatur, und sie nimmt mit abneh-
mender Temperatur stetig zu, wie das für Metalle typisch ist. Wenn man nun die Frage
nach der Natur des Leitungsmechanismus stellt und warum man einen metallischen Cha-
rakter beobachtet, dann muß man zur Beantwortung eine ganze Reihe verschiedener
Meßmethoden der Molekülphysik und Festkörperphysik zu Hilfe nehmen. Eine davon
ist die Methode der magnetischen Resonanz-Spektroskopie. Durch sie weiß man z. B.,
daß die hohe Leitfähigkeit überwiegend entlang der Stapel, und zwar denen der organi-
schen Bausteine, erfolgt. Dies erkennt man insbesondere am Einfluß der beweglichen
Ladungsträger-Spins auf das Relaxationsverhalten der Protonenspins in den DCNQI-
Molekülen.
Es ist interessant, das Leitfähigkeitsverhalten verschiedener Salze dieser Gruppe mit-
einander zu vergleichen, die sich entweder hinsichtlich des Metall-Ions oder hinsichtlich
der Seitengruppen am DCNQI-Molekül voneinander unterscheiden. Dabei ist wichtig,
daß die verschiedenen Salze prinzipiell die gleiche Kristallstruktur besitzen, lediglich
etwas unterschiedliche Abstände zwischen den Molekülen und geringfügig geänderte
480 22. Molekulare Elektronik und andere Anwendungen

Abb. 22.7. Kristallstruktur des


Radikal-Anionen-Salzes 2,5-
Di-methyl-Dicyanochinondiimin
(DCNQI) mit Kupfer als anor-
ganischem Partner. Man erkennt
in der Mitte eine Kette von
Cu-Ionen, die jedoch nicht
für die Metall-ähnliche Leit-
fähigkeit verantwortlich sind,
sowie vier Stapel des organi-
schen Partners. Längs dieser
Stapel erfolgt die elektrische
Leitung. Über CN-Gruppen
zum zentralen Cu sind die
Stapel miteinander verbunden,
so daß die Eindimensionalität
nicht mehr gegeben ist (nach
P. Erk, S. Hünig, J. U. v. Schütz,
H. P. Werner, H. C. Wolf: An-
gew. Chem. 100, 286 (1988)).
Im Molekülschema links oben
sind die H-Atome nur als
Punkte gezeichnet

Orientierungen. Aber kleine Änderungen dieser Strukturgrößen können zu großen Än-


derungen in den physikalischen Eigenschaften führen.
Die meisten der Salze zeigen ein Verhalten ähnlich dem der beiden untersten Kurven
in Abb. 22.8. Auf eine recht gute Leitfähigkeit bei Zimmertemperatur folgt mit abneh-
mender Temperatur zunächst noch eine geringfügige Zunahme, dann aber eine starke
Abnahme in den halbleitenden oder isolierenden Bereich hinein zu tiefen Temperaturen
hin. Dieses Verhalten eines „metallischen Halbleiters“ ist typisch für eindimensionale
Leiter, bei denen ein Phasenübergang bei tieferer Temperatur („Peierls-Übergang“) den
Metall-ähnlichen Zustand beendet. Als „molekulare Drähte“ kommen diese Verbindun-
gen jedenfalls bei tiefer Temperatur kaum in Frage.
Die demgegenüber leicht geänderte geometrische und elektronische Konfiguration
der in der obersten Kurve von Abb. 22.8 gezeigten Kupfer-Verbindung reicht offenbar zu
einer teilweisen Aufhebung der Eindimensionalität durch vermehrte Interstapelwechsel-
wirkung über die Bindungen zwischen zentralem Cu und den CN-Gruppen des DCNQI
aus. Dadurch wird der Peierls-Phasenübergang unterdrückt, und die hohe metallähnliche
Leitfähigkeit bleibt bis zu tiefen Temperaturen erhalten. Es genügt also eine geringfü-
gige Änderung im Aufbau der molekularen Bausteine, um entscheidende Änderungen
im physikalischen Verhalten zu erwirken [13].
22.3 Molekulare elektrische Leiter 481

Abb. 22.8. Temperaturabhängige


Leitfähigkeit einiger Cu-Verbin-
dungen von DCNQI. Die Ver-
bindungen unterscheiden sich
durch die Substituenten am
DCNQI-Molekül (vgl. Abb.
22.7). Me bedeutet eine CH3 -
Gruppe (Methyl), I und Br ein
I- oder Br-Atom als Substituent
an Stelle der CH3 -Gruppen
(siehe dazu das Molekülbild in
Abb. 22.7). Die Kristallstruktur
ist in allen Fällen sehr ähnlich.
Das Leitungsverhalten reicht
vom organischen Metall auch
hinab zu tiefsten Temperaturen
(oberste Kurve) bis zum Metall-
ähnlichen Halbleiter (die beiden
untersten Kurven, eine davon
gehört zu einer Legierung).
Aus [4]

Dies Beispiel zeigt deutlich, wie vorsichtig mit Begriffen wie „molekularer Draht“
umgegangen werden muß. Es ist gerade die Abweichung von der Eindimensionalität,
die hier wichtig ist. Für eine molekulare Elektronik bedeutet dies, daß man bei derar-
tigen molekularen Drähten die laterale Ausdehnung nicht zu klein machen darf. Man
braucht für eine Metall-ähnliche elektrische Leitfähigkeit also nicht nur einen Molekül-
Stapel, sondern mehrere, die untereinander verbunden sind. Man muß weiterhin aus der
Vielzahl der chemisch möglichen Substanzen die wenigen heraussuchen, bei denen die
strukturellen und durch sie bestimmt die elektronischen Eigenschaften zu dem zu ent-
werfenden Konzept passen. Man kennt seit einigen Jahren eine ganze Anzahl von or-
ganischen Metallen, ja sogar von organischen Supraleitern. Eine reizvolle Aufgabe der
Molekülphysik und der Quantenchemie ist es, Bauprinzipien für Moleküle zu finden,
die solche Eigenschaften aufweisen.
Der Einfluß der Dimensionalität auf das Leitungsverhalten von „molekularen Lei-
tern“ läßt sich an den Cu-Salzen des DCNQI sehr schön im einzelnen verfolgen.
Der Peierls-Übergang tritt bei tieferen Temperaturen bei den meisten DCNQI-
Kristallen auf. Dabei wird die äquidistante Anordnung der DCNQI-Moleküle in den
Stapeln durch eine Dimerisierung (oder auch Trimerisierung) aufgehoben, so daß jeweils
zwei Moleküle als Paar von den benachbarten Paaren durch etwas größere Abstände
getrennt sind. Diese Strukturänderung macht aus dem metallisch leitenden Kristall
einen Isolator (oder einen Halbleiter mit größerer Bandlücke), der Widerstand ändert
sich bei einer kritischen Temperatur um viele Größenordnungen, und zwar reversi-
bel. Dabei kann eine Hysterese auftreten. Ein Beispiel zeigt Abb. 22.9. Ein solcher
Peierls-Übergang kann nur bei eindimensionalen Leitern auftreten.
Wenn bei einem Cu-Salz des DCNQI ein Peierls-Übergang auftritt, bedeutet
dies, daß die zentralen Cu-Atome nicht mehr für eine hinreichende Interstapel-
Wechselwirkung über die CN-Gruppen und damit für eine Mehr-Dimensionalität sorgen
482 22. Molekulare Elektronik und andere Anwendungen

Abb. 22.9. Leitfähigkeit als


Funktion der Temperatur für
Kristalle des (Me-Me-
DCNQI)2 Cu. h 8 bedeutet un-
deuteriert, d6 bedeutet die
beiden CH3 -Gruppen sind
voll deuteriert, weiterhin zwei
Legierungen. Man erkennt
den Phasenübergang bei den
deuterierten Substanzen, eine
Hysterese und den Wiederein-
tritt in die leitende Phase bei
tiefsten Temperaturen (Reentry).
Aus [14]

können. Dieser Fall kann bei Temperatur-Erniedrigung und der dabei stattfindenden
geringfügigen Verzerrung der Kristallstruktur eintreten [13]. Für eine hinreichende
Interstapel-Wechselwirkung ist eine sehr subtile geometrische und energetische Über-
lappung der Orbitale des Cu-Ions und der CN-Gruppen nötig. Diese kann bei Tempera-
turerniedrigung reduziert werden. Übrigens kann sie bei noch tieferer Temperatur unter
Umständen wieder auftreten, sogenanntes reentry-Verhalten, weil diese Überlappungen
sich bei weiter abnehmender Temperatur mit der Kontraktion des Kristalls weiter ändern
können. Ein Beispiel hierfür zeigt Abb. 22.9. Ein sehr guter Überblick über Strukturen
und Eigenschaften von DCNQI-Salzen wird in [15] gegeben.
Eine interessante Frage ist, ob die Änderung der molekularen Wellenfunktionen bei
optischer Anregung der Moleküle einen beobachtbaren Einfluß auf die kritische Über-
lappung der Molekülfunktionen mit den Cu-Orbitalen haben kann. Mit anderen Wor-
ten: Kann man einen Peierls-Übergang aufheben, indem man die Moleküle im Kri-
stall in einen optisch angeregten Zustand versetzt? Oder noch anders ausgedrückt: Kann
man den Peierls-Übergang durch Licht-Anregung ein- und ausschalten und damit den
Kristall zwischen einem metallisch leitenden und einem isolierenden Zustand hin- und
herschalten?
Um einen solchen inversen Peierls-Übergang nachzuweisen, muß man die elektri-
sche Leitfähigkeit des Kristalls im optisch angeregten Zustand messen. Der Anregungs-
zustand lebt nur kurz, wenige Nanosekunden. In diesem Zeitraum muß man eine Än-
derung der Leitfähigkeit messen können.
Das geschieht mit der in Abb. 22.10 skizzierten Methode der Optisch Induzierten
Transienten Elektrischen Leitfähigkeit (OITEL). Ein Meßbeispiel zeigt Abb. 22.11. Nach
Anregung mit einem kurzen Lichtpuls im Temperatur-Bereich des Phasenüberganges er-
hält man eine Änderung der Leitfähigkeit vom isolierenden in den hochleitfähigen Be-
22.3 Molekulare elektrische Leiter 483

Abb. 22.10. Schematische


Anordnung zur Messung der
optisch induzierten transienten
elektrischen Leitung (OITEL)
in einem Legierungskristall aus
nicht- und aus 6fach deute-
riertem (Me-Me-DCNQI)2 Cu.
Die optische Anregung erfolgt
mit einem ps-Lichtblitz, die
Änderung der Leitfähigkeit
wird zeitaufgelöst gemessen.
Nach [16]

reich. Diese geänderte hohe Leitfähigkeit bleibt für einen Zeitraum von vielen Nano-
sekunden bestehen. Das ist die Zeit, in der Kristall wieder in den Zustand relaxiert, in
dem er sich ohne Lichtanregung befand.
Natürlich muß man sich experimentell versichern, daß es sich nicht nur um einen
rein thermischen Effekt, d. h. um eine Erwärmung des Kristalls durch den Lichtpuls han-
delt. Man muß weiter den (sehr viel kürzer lebenden und sehr viel kleineren) Effekt ei-
ner normalen Photoleitung abtrennen, bei dem neue Ladungsträger im Kristall erzeugt
werden. Deshalb zeigt Abb. 22.11 auch zum Vergleich die transiente Leitfähigkeit bei

Abb. 22.11. Transiente Leit-


fähigkeit, d. h. Leitfähigkeit
als Funktion der Zeit nach
einem Lichtblitz, in Kristal-
len von (Me-Me-DCNQI)2 Cu,
legiert aus h 6 und d6 , (siehe
dazu Abb. 22.9) nach opti-
scher Anregung mit einem
ps-Lichtblitz. Die Messung
erfolgt bei drei verschiedenen
Temperaturen. Arbeitspunkte
OP1 und OP3 liegen im Be-
reich der Phasenübergänge bei
höherer Temperatur bzw. bei
niederer Temperatur (Reentry,
vgl. Abb. 22.9). OP2 ist eine
Messung im nichtleitenden
Bereich zwischen den beiden
Phasenübergängen. Während bei
OP1 und OP3 die hohe metall-
ähnliche Leitfähigkeit während
einer Zeitdauer von ns bis ms
wiederhergestellt ist, werden
im Bereich OP2 nur kurzlebige
Ladungsträger erzeugt, die zu
einer wesentlich kürzeren und
kleineren Leitfähigkeit Anlaß
geben. Nach [16]
484 22. Molekulare Elektronik und andere Anwendungen

Anregung in einem isolierenden Zustand außerhalb des Bereiches der Phasenübergänge.


Wegen dieser Fragen sei auf die Originalliteratur verwiesen [16].
Jedenfalls zeigen die Experimente, daß die hier vorgestellten organischen Metalle
auch als Schalter dienen können, bei denen durch einen Lichtpuls die elektrische Leit-
fähigkeit rasch und reversibel um viele Größenordnungen geändert werden kann. Hier
beruht das Schalten auf einem Licht-induzierten Phasenübergang.

22.4 Molekulare Drähte


Vielleicht das einfachste Element eines integrierten elektronischen Systems ist die Ver-
bindung der Komponenten untereinander und mit der Außenwelt – ein „Draht“. Übli-
cherweise ist seine Aufgabe, Ladung oder Anregungsenergie von einem Teilbereich der
Funktionseinheit zu einem anderen zu transportieren. Man kennt Photonische Moleku-
lare Drähte zum Transport von Anregungsenergie, und Elektronische Molekulare Drähte
zum Transport von elektrischer Ladung.
Wenden wir uns zunächst den Drähten für elektrische Ladung zu. Die Grundlagen
dazu haben wir bereits vorne in Abschn. 21.5 und 22.3 behandelt. Die Leitfähigkeit
in einem als „Draht“ wirkenden Molekül ist danach das kombinierte Ergebnis von
drei Faktoren: dem Fermi-Niveau und der Zustandsdichte beider Elektroden und der
Transmissions-Fähigkeit des Moleküls.
Es gibt viele langgestreckte Moleküle, in denen Elektronen, insbesondere π-
Elektronen in konjugierten Systemen von Doppelbindungen über einen größeren Bereich
und über viele Bindungen delokalisiert sind. Diese delokalisierten Elektronen können
prinzipiell Ladung von einem Ende einer molekularen Funktionseinheit zum anderen
Ende transportieren, haben also die Funktion von molekularen Drähten. Solche Mo-
leküle sind beispielsweise Polyene, Polythiophene, Polypyrrole und andere Polymere.
Will man das elektrische Leitungsvermögen von molekularen Drähten quantitativ ver-
stehen, dann trifft man auf die Probleme, die wir bereits weiter vorne in Abschn. 21.5
erwähnt haben: Die Leitung hängt wesentlich von den Kontakten ab, d. h., man muß
wissen wie man die Ladungsträger in das leitende Molekül bringen kann, und man muß
wissen, um welche Art der Leitung es sich handelt. Inkohärentes Hüpfen von Atom
zu Atom im Molekül oder kohärentes Tunneln unter Verwendung der Molekülorbitale
sind, wie oben ausgeführt, die beiden Grenzfälle für den Leitungsmechanismus in ei-
nem molekularen Draht. Man weiß, daß man zum Verständnis realer Systeme diese
Modelle modifizieren und verfeinern muß. Darauf kann hier nicht näher eingegangen
werden.
Die quantitative Messung und Analyse der Leitfähigkeit molekularer Drähte ist
besonders wegen der Nano-Dimensionen schwierig und erst in wenigen Fällen mög-
lich gewesen. Die einfachste Anordnung (Abb. 22.12), nämlich das Molekül als
lange dünne Verbindung zwischen den zwei Elektroden eines Metall/Molekül/Metall-
Nanokontaktes, ist schwer zu realisieren.
Wir wollen uns deshalb hier auf die Diskussion einiger charakteristischer Experi-
mente beschränken.
Man kann einen Ladungsfluß im „Draht“ elektrisch durch eine Strom-Spannungs-
Abb. 22.12. Einfachstes Schema
messung nachweisen. Ein sehr einfaches Beispiel, bei dem der Draht nur aus einem
für einen molekularen Draht Molekül besteht, zeigt Abb. 21.20. Der Strom durch ein C60 -Molekül zwischen einer
zwischen zwei Elektroden Gold-Elektrode und einer RTM-Spitze aus Wolfram steigt linear mit der angelegten
22.4 Molekulare Drähte 485

Spannung. Bei einem Elektrodenabstand von 11,4 Å errechnet man hier einen Wider-
stand von 5,5 MΩ. Dieser hohe Widerstand entspricht jedoch immer noch einer Anzahl
von ca. 1011 Elektronen, die pro Sekunde über das Molekül fließen. Eine noch größere
Anzahl, nämlich 1012 Elektronen fließen pro Sekunde durch das Benzol-Dithiolat Mo-
lekül im Bruchkontakt (siehe Abschn. 21.5).
Der Leitungsmechanismus durch ein einzelnes Molekül kann, wie vorne (Ab-
schn. 21.5.1) bereits erläutert, sehr verschiedene Ursachen haben. Man spricht deshalb
auch allgemein von der „elektronischen Transparenz“ des Moleküls. Wenn diese Durch-
lässigkeit auf einem Elektronen-Austausch über die Orbitale im Molekül beruht, dann
nimmt die Transparenz mit der Länge des Moleküls exponentiell ab. Wie stark diese
Abnahme ist, hängt von der Energielücke zwischen dem LUMO und dem HOMO der
Moleküle ab. Darüber hinaus ist die elektronische Wechselwirkung zwischen Mole-
kül und Elektrode wichtig. Es wurde abgeschätzt, daß durch ein 10 nm langes Polyen,
also C90 H92 , ein Stromfluß von 100 pA bei einer Spannung von 100 mV möglich sein
sollte. Das würde einem Widerstand von 1010 Ω entsprechen. Messungen an ähnlichen
Molekülen stützen diese Abschätzung (vgl. [2] sowie [17] in Kap. 21).
Man kann einen Elektronenfluß durch molekulare Drähte auch chemisch nachwei-
sen. Dies gelang beispielsweise mit der in Abb. 22.13 gezeigten Anordnung. Hier dienen
Carioviologene als Draht. Das sind langkettige Moleküle vom Carotin-Typ, die an den
Enden substituiert sind mit einer Pyridinium-Gruppe, die Elektronen aufnehmen oder
abgeben kann. Diese Carioviologen-Moleküle werden in die Membranen eines Vesikels
aus Phospholipid-Molekülen eingelagert. Der Nachweis eines Elektronentransfers zwi-
schen einer äußeren reduzierenden und einer inneren oxidierenden Phase durch das ein-
gelagerte Carioviologen wurde durch die Beobachtung einer Reduktion von internem
Hexacyanoferrat (III) zu Hexacyanoferrat (II) nachgewiesen. Die Carioviologene sind
also funktionierende molekulare Drähte in einem supermolekularen System.
Ein weiteres interessantes und weites Gebiet der Forschung ist die Licht-induzierte
Ladungstrennung in Molekülen und Molekülketten. Wenn durch Lichtabsorption an ei-
nem Ende der molekularen Einheit, dem Donor D, ein Elektron freigesetzt wird, dann
kann dieses durch den als Brücke dienenden molekularen Draht zum anderen Ende des
Moleküls gelangen, wenn dieses ein Elektron aufnehmen, also als Akzeptor A wirken
kann, Abb. 22.14. Man erreicht einen Ladungs-getrennten Zustand, d. h. das Molekül

Abb. 22.13. Carioviologen-


Moleküle als molekulare Drähte
in einer zum Vesikel geformten
Membran. Nach [18]
486 22. Molekulare Elektronik und andere Anwendungen

Abb. 22.14. Schema einer Licht-


induzierten Ladungstrennung in
einer Triade aus Donator-
Brücke-Akzeptor

trägt an einem Ende ein ungepaartes Elektron, am anderen Ende das zugehörige Loch.
Das Supermolekül D-Draht-A besitzt während der Lebensdauer der Ladungstrennung
ein großes Dipolmoment. Die Messung dieses Dipolmoments kann zum Nachweis der
Ladungstrennung dienen.
Eine andere Möglichkeit zur Messung der Ladungstrennung ist die Messung der tran-
sienten Absorption des ionisierten Donators D+ oder des Elektronen-aufnehmenden Ak-
zeptors A− . Nach einem sehr kurzen Lichtpuls zur Bildung von D+ mißt man mit ei-
nem Weißlichtpuls, der meßbar geringfügig gegenüber dem ersten Lichtpuls verzögert
ist, die Absorption von D+ und möglichst auch von A− . Wegen der kurzen Lebensdauer
dieser Zustände ist dazu allerdings eine sehr hohe Zeitauflösung nötig. – Solche Mes-
sungen wurden an Molekülen in Lösung durchgeführt. Für eine molekulare Elektronik
besonders interessant wird diese Ladungstrennung, wenn die Moleküle als Langmuir-
Blodgett-Schicht einheitlich orientiert auf einem Substrat angeordnet sind. Auch dies
konnte im Experiment bereits realisiert werden [17].

22.5 Moleküle als Energieleiter


Ein weiteres Problem aus der Molekülphysik mit Blick auf molekulare Elektronik ist die
Möglichkeit einer gerichteten Weiterleitung von Anregungsenergie in Molekülen. Hier-
bei geht es um den Wunsch, Moleküle zu finden, in denen Energie, die an einem Ende
absorbiert wurde, intramolekular gerichtet an eine Endgruppe transportiert wird, die am
anderen Ende des Moleküls sitzt (siehe dazu Abb. 22.15). In einem solchen Supermole-
kül wirkt der mittlere Teil also wie ein Draht, allerdings kein Draht für elektrische Lei-
tung, sondern ein Draht für Leitung von elektronischer Anregungsenergie ohne Strom-
transport. Da die Anregung durch Photonen erfolgt, kann man auch von einem photo-
nischen Draht sprechen.
Messungen an Polyen-Molekülen, die an einem Ende mit einer Anregungsgruppe
wie Anthryl (A) und am anderen Ende mit einer Nachweisgruppe wie Tetraphenyl-
Porphyrin (TPP) substituiert sind (Abb. 22.16), scheinen zu zeigen, daß so etwas mög-
lich ist. Messungen der Absorptions-, Fluoreszenz- und Anregungsspektren dieser Mo-
leküle (Abb. 22.17 und 22.18) ergeben folgendes:
– Die verschiedenen miteinander verbundenen molekularen Partner behalten auch nach
der Verknüpfung zum Supermolekül in einem hohen Grade ihre Identität: die elek-
tronischen Zustände und die vibronische Struktur bleiben für die Bausteine des Su-
permoleküls spezifisch. Eine lokalisierte Anregung der aromatischen Endgruppen ist
22.5 Moleküle als Energieleiter 487

Abb. 22.15. Schema eines


molekularen Photonendrahtes.
Lichtanregung eines Donators
kann bei Energieübertragung
durch eine Brücke zu Photonen-
Emission des Akzeptors führen.
Als Brücke ist hier ein Molekül
mit konjugierten Doppelbin-
dungen, z. B. Polyen, gewählt.
Das anregende Licht wird in
Fluoreszenzlicht des Akzeptors
konvertiert
möglich. In Abb. 22.17 sieht man z. B. im Absorptionsspektrum eine Anregungs-
bande, die charakteristisch für die Anthryl-Endgruppe ist (im Bereich um 250 mm),
man sieht Absorptionsbanden, die für den anderen Substituenten, das Tetraphenyl-
Porphyrin (TPP), charakteristisch sind (am auffälligsten die starke Absorptionsbande
bei ca. 430 mm, die sogenannte Soret-Bande), sowie die Absorptionsbanden der Po-
lyene, die sich in charakteristischer Weise mit zunehmender Kettenlänge der Moleküle
nach langen Wellenlängen hin verschieben.
– Es gibt allerdings auch deutliche Änderungen von Absorptions-Intensität und elektro-
nischen Energien der Teil-Moleküle, abhängig von der Art der Substitution und Länge
des Polyens. Diese Änderungen zeigen, daß durch die Bindung auch eine wechsel-
seitige Beeinflussung der elektronischen Orbitale, eine teilweise Amalgamierung, er-
folgt, ohne daß aber die Identität der Partner ganz verloren geht.
– Es gibt einen intramolekularen gerichteten Energietransport von einem Ende, dem An-
thryl, zum anderen Ende, dem TPP. Dieser Energietransport wird als Beispiel augen-
fällig in Abb. 22.18. Hier ist das Anregungsspektrum der TPP-Emission gezeigt. Man
sieht, daß die TPP-Emission im Absorptionsbereich der Anthryl-Gruppe, im Bereich
des TPP und eventuell auch im Polyen-Bereich angeregt werden kann.

Abb. 22.16. Moleküle als Ener-


gieleiter. An Polyen-Molekülen
unterschiedlicher Kettenlänge,
hier mit 5 bzw. 9 Doppelbin-
dungen, werden als R bzw. R1
Molekülgruppen gebunden, die
als Donator bzw. Akzeptor für
elektronische Anregungsenergie
dienen. Donatoren sind hier
die Anthryl-Gruppe A, die
in verschiedenen Positionen
substituiert werden kann, oder
die Naphthyl-Gruppe N. Ak-
zeptor ist Tetraphenyl-Porphyrin
(TPP). Im obersten Teilbild ist
ein nur einseitig substituiertes
Molekül gezeigt, den Abschluß
am anderen Ende bildet eine
CHO-Gruppe. Die CH3 -Gruppe
dient einer Stabilisierung der
Ketten
488 22. Molekulare Elektronik und andere Anwendungen

Abb. 22.17. Absorptionsspek-


trum (—) und Emissionsspek-
trum (....) der Moleküle 9-An-
thryl-Pn -Tetraphenyl-Porphyrin
in Lösung bei 180 K. Pn be-
deutet n Doppelbindungen in
der Polyen-Kette. Oben n = 5,
unten n = 9. 9-Anthryl bedeu-
tet, daß die Anthryl-Gruppe in
9-Stellung substituiert ist (vgl.
Abb. 22.16). Die Anregung
der Fluoreszenz erfolgte bei
257 nm. (Aus F. Effenber-
ger, H. Schlosser, P. Bäuerle,
S. Maier, H. Port, H.C. Wolf:
Angew. Chem. 100, 274 (1988))

– Der gerichtete Energietransport kann in diesen Molekülen wohl mit dem Förster-
Mechanismus (vgl. Abschn. 20.4) verstanden werden. Es bleibt aber eine interes-
sante Frage, ob hier auch elektronische Zustände zum Energietransport beitragen, die
dem gesamten Supermolekül angehören und deshalb durch innere Umwandlung (Ab-
schn. 15.2) vom Absorber über die Brücke zum Emitter zur Bevölkerung des tiefsten
S1 -Zustandes im Gesamtmolekül führen (siehe Abb. 22.19, vgl. auch [18]).
Damit sind diese Moleküle wie Polyene oder Polythiophene interessante Kandidaten
oder wenigstens Modelle für ein weiteres Studium von Molekülen und Funktionseinhei-
ten, die für Zwecke der molekularen Elektronik wichtig sein können. Insbesondere kann
man beispielsweise daran denken, daß man durch Einbau von molekularen Schaltern in
die Ketten den Energietransport beeinflussen kann [17]. Man kann auch daran denken,
die Polyen-Ketten in monomolekulare Schichten oder in Membranen einzubauen und sie
für einen Transport von elektronischer Anregungsenergie durch die Schicht oder Mem-
bran hindurch zu verwenden.

Abb. 22.18. Anregungsspektren


von 9-Anthryl-Pn -Tetraphenyl-
Porphyrin bei 180 K in Lösung,
n = 5 (....), n = 9 (—). Auf-
getragen ist die Intensität der
TPP-Emission bei 665 nm als
Funktion der Wellenlänge des
Anregungslichtes. Das Maxi-
mum bei ca. 250 nm entspricht
einer Absorption durch die
Anthryl-Gruppe (S3 -Anregung)
und weist besonders augenfäl-
lig auf einen Energietransport
zum TPP hin. (Aus S. Maier,
H. Port, H.C. Wolf, F. Effenber-
ger, H. Schlosser: Synth. Met.
29, E 517 (1989))
22.5 Moleküle als Energieleiter 489

Abb. 22.19. In einer Triade An-


thracen-Oligothiophen-Porphyrin
kann die Anregung vom Donator
über die Brücke zum Akzeptor
auch durch eine Mitwirkung
der Anregungszustände des Oli-
gothiophens und nachfolgende
innere Umwandlung erfolgen.
Dies ist ein mögliches Schema
für gerichteten innermolekularen
Energietransport. Die relative
Lage der Oligothiophen-Anre-
gungszustände hängt von der
Kettenlänge n ab. Nach [21]

Ein sehr schönes Beispiel für gerichteten Energietransport zeigt Abb. 22.20 [21].
Hier sind 4 Anthracengruppen über Thiophen-Moleküle mit einem zentralen Porphyrin
verbunden. Das von den 4 Anthracenen absorbierte Licht gelangt zu dem als Lichtsamm-
ler dienenden zentralen Porphyrin und regt dieses zur Lichtemission an. Beim quantitati-
ven Vergleich der Anregungsspektren von Anthryl-Thiophen-Porphyrin-Supermolekülen
mit 1, 2, 3 und 4 Anthryl-Thiopen-Ketten (Abb. 22.21) wird deutlich, daß die An-
regungswahrscheinlichkeit der Porphyrin-Emission proportional mit der Anzahl ab-
sorbierender Anthryl-Gruppen zunimmt, wie man dies beim Energietransfer-Modell
erwartet.
Die Anthryl-Gruppen wirken gewissermaßen als Antennen zur Anregung der
Porphyrin-Gruppe im Molekül. Das spektakulärste Beispiel für eine Antennen-Funktion

Abb. 22.20. Lichtsammel-Mo-


lekül aus einer zentralen Por-
phyrin-Einheit, die emittiert,
wenn das von den vier Anthryl-
gruppen absorbierte Anregungs-
licht über die Quinquethiophen-
Ketten in das Zentrum des
Moleküls übertragen wurde.
Nach [21]
490 22. Molekulare Elektronik und andere Anwendungen

Abb. 22.21. Absorptions (—)-,


Anregungs (—)- und Fluo-
reszenz-Spektren von Porphyrin-
Molekülen mit 1,2,3,4 Anthryl-
Quinquethiophen-Seitengruppen.
Das Material mit 4 Gruppen
ist in Abb. 22.20 gezeigt.
Der Nachweis des Anregungs-
spektrums erfolgt auf dem
Maximum der Fluoreszenz.
Die relative Höhe der Anthryl-
Absorption (bei 40 000 cm−1 )
zur Porphyrin-Absorption (bei
23 000 cm−1 ) nimmt in der
Folge von 1 bis 4 Anthryl-
Absorbern um den Faktor 4 zu.
Nach [21]

von Molekülen mit gerichtetem Energietransport zum Reaktionszentrum stellen die An-
tennenkomplexe der pflanzlichen oder bakteriellen Photosynthese dar (Abb. 22.22). Bei
ihnen wird das von zahlreichen Chlorophyll-Molekülen absorbierte Licht mit hoher
Effizienz zum zentralen Ort geleitet, an dem dann mit der primären Ladungstrennung
Abb. 22.22. Schema der zur die Photosynthese beginnt (siehe dazu Abschn. 20.7).
Lichtsammlung dienenden An-
tennenkomplexe im Reaktions-
zentrum der bakteriellen Pho-
tosynthese. Man sieht hier
die molekulare Anordnung im
Antennen-Protein LH2 der Pur-
purbakterie R. acidophila. Man
sieht links den Ring der bei
800 nm absorbierenden Bakteri-
ochlorophyll α-Moleküle, rechts
die Lage der bei 850 nm ab-
sorbierenden BChl α-Moleküle
zwischen den Protein-Helices,
die das Grundgerüst für die
Licht-sammelnden Moleküle
aufbauen. W. Kühlbrandt:
Nature 374, 497 (1995) und
G. McDermott et al.: Nature
374, 517 (1995)
22.6 Molekulare elektronische Funktionseinheiten 491

Abb. 22.23. Querschnitt durch


ein System von LB-Schichten.
Das System wird mit UV-Licht
bestrahlt, das nur von den
Donatoren D absorbiert wird. In
der ersten Zone sind die Akzep-
toren A 50 Å entfernt. Es erfolgt
gerichteter Energietransport und
gelbe Fluoreszenz. Wenn die
A-Moleküle 150 Å weit entfernt
sind, können sie die von D
absorbierte Energie nicht mehr
erhalten. Man sieht die blaue
Fluoreszenz der „Donatoren“,
die jetzt einen Abnehmer für
ihre Anregungsenergie haben. –
Im Bereich 3 gibt es gar keine
Fluoreszenz, da die Akzepto-
ren das Anregungslicht nicht
absorbieren. Nach [22]

Übrigens wurde der gerichtete Transport von Anregungsenergie von einem Donator-
oder Sensibilisator-Molekül über eine in der Länge variierbare Brücke aus Fettsäuren-
molekülen zu einem Akzeptor-Molekül bereits 1971 von Kuhn und Möbius [22] (vgl.
Abb. 22.23) untersucht. Die Moleküle waren in Langmuir-Blodgett-Schichten orien-
tiert, der Nachweis der Energieübertragung (nach Förster) erfolgte über die Akzeptor-
Fluoreszenz. Die Richtung der Energieleitung wird hierbei durch die geometrische
Anordnung der Moleküle bestimmt. Die Fettsäure-Moleküle dienen nur der Fixierung
von A und D zueinander und relativ zur Unterlage.

22.6 Molekulare elektronische Funktionseinheiten


Es ist eine hochinteressante und sehr aktuelle Herausforderung für die Forschung,
die Grundidee der molekularen Elektronik in die Praxis umzusetzen und elektroni-
sche Funktionseinheiten zu bauen, die als Elemente in praktischen elektronischen oder
optoelektronischen Anordnungen genutzt werden können. Solche Funktionseinheiten
sind supramolekulare Strukturen, die zum Erreichen spezifischer Funktionen entworfen
werden. Als größtes Hindernis erweist sich dabei die mangelnde Stabilität von Anord-
nungen, in denen organische Moleküle das aktive Element sind. Organische Moleküle
sind ungleich empfindlicher gegen Umwelteinflüsse wie Sauerstoff oder andere Gase,
Feuchtigkeit, Temperatur und weniger photostabil als die anorganischen Materialien,
die man in der modernen Elektronik und Optoelektronik mit so großem Erfolg benutzt.
Deshalb sind die Fortschritte beim Entwickeln elektronischer molekularer Funktions-
einheiten trotz großer Bemühungen zahlreicher Forschergruppen sehr langsam, siehe
hierzu auch [3] und [5].
Zur Herstellung einer elektronischen Funktionseinheit aus Molekülen bedarf es meh-
rerer Schritte. Zuerst muß man die Vorstellung von geeigneten Molekülen haben, diese
synthetisieren und ihre Eigenschaften untersuchen. Der zweite Schritt besteht darin, daß
man diese Moleküle in supramolekulare Architekturen einbaut, auch in Membranen oder
492 22. Molekulare Elektronik und andere Anwendungen

dünne Schichten und daß man untersucht, ob die entstandene Einheit die gewünschten
Eigenschaften besitzt. Schließlich geht es darum, mit dem dritten Schritt die erhaltene
Grund-Einheit (basic unit) mit anderen Komponenten eines elektronischen Systems zu
verbinden, um die Ansprechbarkeit durch andere Moleküle oder durch ein äußeres phy-
sikalisches Signal zu ermöglichen.
Ein altes und wichtiges Ziel der molekularen Elektronik ist die Realisierung eines
unimolekularen molekularen Gleichrichters. Darunter versteht man ein Molekül, durch
das ein elektrischer Strom sehr asymmetrisch fließt – bei dem also die elektrische Leit-
fähigkeit etwa von der linken Seite zur rechten Seite erheblich größer ist als in umge-
kehrter Richtung.
Eine derartige molekulare Funktionseinheit ist schematisch in Abb. 22.24 gezeigt.
Sie enthält an einem Ende ein Molekülteil A, das als Elektronen-Akzeptor dient – bei-
spielsweise ein Molekül mit CN-Gruppen als Substituenten. Auf der anderen Seite be-
findet sich ein Molekülteil D mit Donator-Eigenschaften, das also Elektronen leicht
abgibt. Das kann z. B. eine Amino-Gruppe sein. Der mittlere Teil, die Brücke zwi-
schen A und D, ist isolierend. Diese kann jedoch wegen ihrer geringen Ausdehnung
Abb. 22.24. Strukturformel ei- von den auf den beiden Enden befindlichen Ladungsträgern durchtunnelt werden. Da
ner molekularen Funktionsein- die A-Einheit die Tendenz hat, Elektronen aufzunehmen, wird ein auf die D-Einheit
heit, die als „Molekularer aufgebrachtes oder von ihr freigesetztes Elektron die Tendenz haben, von D nach A
Gleichrichter“ wirken soll. A ist zu gelangen. Im Endeffekt wird die gesamte Funktionseinheit einen polaren Charakter
eine Elektronen-Akzeptor-Grup-
pe, D eine Donator-Gruppe.
haben.
Siehe dazu auch D. Haarer. In- Man hat seit dem Beginn der Beschäftigung mit molekularer Elektronik versucht,
formationstechnik 34, 4 (1992) diese vergleichsweise einfache Idee in die Praxis umzusetzen und damit molekulare
Gleichrichter herzustellen. Als schwierig zu überwindende Hindernisse bei der Reali-
sierung dieses Gedankens erwiesen sich insbesondere die Anbindung des Moleküls an
eine Metall- oder Halbleiter-Grenzfläche als Elektrode, aber auch die irreversible Än-
derung von Molekülteilen durch Oxidation oder Reduktion, d. h. durch Aufnahme oder
Abgabe eines Elektrons.
Erfolgreich war man nach vielen Bemühungen offenbar mit dem Molekül HDQ-
3CNQ (Hexadecyl-Chinolinium-Tricianochinondimethanid) [23] (Abb. 22.25). Sche-
matisch kann man es mit T-D+ -π-A− beschreiben. Dabei ist D+ Chinolinium, der
Elektronen-Donator, π eine pi-Elektronenbrücke und A− Tricyanochinondimethanid,
der Elektronen-Akzeptor. T steht für die Hexadecyl-Gruppe. Sie ist an das eigentliche
Gleichrichtermolekül angehängt, damit man mit Hilfe der Langmuir-Blodgett-Technik
monomolekulare Filme herstellen kann, in denen die Moleküle einheitlich orientiert
sind.

Abb. 22.25. Struktur des Mole-


küls HDQ-3CNQ, das als mole-
kularer Gleichrichter wirken
kann [23]
22.6 Molekulare elektronische Funktionseinheiten 493

Abb. 22.26. Meßanordnung für


molekulare Gleichrichtung durch
HDQ-3CNQ [23]. Die elektri-
sche Ankopplung erfolgt über
eine Ga/In-Legierung, um glei-
che elektrische Verhältnisse an
beiden Elektroden zu erreichen.
Nach [23]

Die Moleküle wurden als Langmuir-Blodgett-Schicht in einer oder in wenigen La-


gen auf eine Al-Elektrode aufgebracht. Die Gegenelektrode, ebenfalls aus Al, wurde
aufgedampft (Abb. 22.26). Mit dieser Anordnung wurden Strom-Spannungskurven nach
Abb. 22.27 gemessen, die Gleichrichter-Charakteristik aufweisen. Aus den Meßdaten er-
rechnet man eine Elektronen-Transfer Rate von etwa kET = 0,5 Elektronen pro Molekül
und Sekunde.
Hiermit ist die Möglichkeit der Realisierung einer unimolekularen Gleichrichtung
wohl aufgezeigt. Eine Anwendung ist aber in weiter Ferne, alleine schon wegen der ge-
ringen Stabilität der molekularen Filme.
Eine andere Funktionseinheit, die man auch mit organischen Molekülen zu realisie-
ren sucht, ist der Transistor. In einem Feldeffekt-Transistor (Abb. 22.28), kann man den
Strom, der in einem dünnen Halbleiter oder einer halbleitenden Schicht zwischen zwei
Elektroden (Quelle (source) und Senke (drain)) fließt, durch ein elektrisches Feld steu-

Abb. 22.27. Strom-Spannungs-


Kennlinie für einen molekula-
ren Gleichrichter entsprechend
Abb. 22.26. Nach [23]
494 22. Molekulare Elektronik und andere Anwendungen

ern, das als Spannung an einer dritten Elektrode (Gatter oder gate) angelegt wird. Die
gate-Elektrode ist vom Halbleiter isoliert, sie wirkt durch den Feld-Effekt und regelt
den Elektronenstrom im leitenden Kanal des Transistors. Der Transistor, besonders der
Dünnfilm-Feld-Effekt Transistor (TFT), ist das wichtigste Bauelement in der Mikro- und
Nanoelektronik. Von organischen Feldeffekt-Transistoren (OFET) spricht man, wenn zu-
mindest die aktive Halbleiterschicht aus organischem Material besteht.

Abb. 22.28. Feldeffekt-Transis-


tor aus organischen Dünnfilmen,
mit metallischen Kontakten. Das
organische Halbleitermaterial ist
das Oligothiophen α-6T. Nach
Garnier et al.: Adv. Mat. 2, 592
(1990) und [24]

Die Funktion des Transistors ist ein interessantes Problem der Festkörperphysik, und
es soll hier nicht näher darauf eingegangen werden. Dazu müßten wir uns auch mehr
mit den Eigenschaften organischer Moleküle im festen Zustand, besonders ihrer Leit-
fähigkeit, auseinandersetzen. Hier sei nur erwähnt, daß organische Transistoren insbe-
sondere auf der Basis von Oligothiophen-Molekülen bereits hergestellt werden konnten,
und die Aussichten für eine praktische Anwendung sind gut. Man kann als Elektroden
auch leitfähige Polymere verwenden und damit vollorganische Transistoren herstellen,
die biegsam, robust und klein (einige µm) sind [24]. Allerdings sind sie im Vergleich
zu Transistoren aus anorganischen Halbleitern langsam, besonders wegen der kleineren
Ladungsträger-Beweglichkeit in den organischen Schichten. Auch über Einzelmolekül-
Transistoren (mit einem zentralen Co-Atom) wurde berichtet: J. Park et al., Nature 417,
722 (2002). Die aktuelle Forschung betrifft das Auffinden weiterer geeigneter organi-
scher Materialien sowie die Präparationstechnik zur Herstellung möglichst guter und de-
finierter dünner Schichten aus diesen Materialien. Mehr dazu siehe in [3].
Es gibt zahlreiche weitere mögliche Anwendungsgebiete, bei denen die physikali-
schen und besonders die photophysikalischen Eigenschaften organischer Moleküle in-
teressant erscheinen. Hier soll insbesondere auf die auf Elektrolumineszenz beruhenden
Leuchtdioden verwiesen werden. Auf diese wird in Abschn. 22.9 näher eingegangen.

22.7 Nanoröhrchen

Bei der Herstellung und Untersuchung von Fullerenen (vgl. Abschn. 4.5 und 15.4)
wurde eine weitere interessante Phase des Kohlenstoffes entdeckt, zylindrische Fulle-
rene oder Nanoröhrchen. Man kann sie als aufgerollte Graphitebenen verstehen, die als
konzentrische Zylinder ineinander gestellt sind. Ein bis zehn oder mehr dieser Zylinder
bilden ein Röhrchen. Die Außendurchmesser der Röhrchen liegen zwischen 1,5 und
40 nm. Sie können mehrere Mikrometer lang werden [25, 26].
Es gelingt auch, gezielt einwandige Röhrchen herzustellen. Ihre Struktur ist diejenige
von aufgerollten Graphitebenen, die mit fullerenartig abgerundeten Kohlenstoffnetzen
22.7 Nanoröhrchen 495

an den Enden verschlossen sind (Abb. 22.29). Man kann Graphitebenen unter verschie-
denem Winkel zu einem Zylinder aufrollen. Dementsprechend kann man auch mit dem
Raster-Kraftmikroskop die beiden in Abb. 22.29 gezeigten Strukturen unterscheiden, die
Sessel- und die Zickzack-Struktur.

Abb. 22.29. Schema einer Na-


noröhre aus C in den beiden
möglichen Konformationen, die
metallisch bzw. halbleitend sind.
Nach [25]

Bei einem Durchmesser von beispielsweise 1,4 nm kann die Länge bis zu einigen
µm betragen. Bei der Herstellung sind die Röhrchen im allgemeinen in Bündeln oder
weniger geordnet wie Spaghetti zusammengelagert. Mit den modernen Methoden der
Nanomanipulation gelingt es jedoch, einzelne einwandige Röhrchen herauszupräparie-
ren. Diese sind besonders wegen ihrer elektrischen Eigenschaften hochinteressant: Es
sind lange molekulare Drähte, wenn man ein Röhrchen als ein Makromolekül betrach-
tet [27].
Die beiden Konfigurationen unterscheiden sich stark in ihrer Leitfähigkeit: Nanoröhr-
chen in der Sessel-Konfiguration sind metallische Leiter, die Zickzack-Konfiguration er-
weist sich als halbleitend. Man kann also alleine durch Ändern des Aufrollwinkels Me-
talle oder Halbleiter aus demselben Material herstellen.
Diese eindimensionalen Leiter erleiden wegen der rigiden Struktur auch bei Abküh-
lung keinen Peierls-Übergang. Wie bei den kleinen Strukturen zu erwarten, sind die
zur Leitung längs der Achse beitragenden elektronischen Zustände im Röhrchen quanti-
siert. Man erhält deshalb (siehe Abb. 22.30), diskrete Stufen in Strom-Spannungskurven.
Sie beruhen darauf, daß die Anzahl diskreter elektronischer Zustände für den Ladungs-
transport bei Erhöhung der Spannung zunimmt. Mit diesem resonanten Tunneln durch
diskrete Elektronenzustände kann man die diskreten elektronischen Zustände im Röhr-
chen ausmessen. Es ergeben sich in guter Näherung die Zustände eines Kastenpotentials
mit der Fermi-Wellenlänge der Elektronen (z. B. λF = 0,35 nm) und Energiestufen von
0,06 eV.
496 22. Molekulare Elektronik und andere Anwendungen

Abb. 22.30. Strom-Spannungs-


Kennlinie für ein C-Nanoröhr-
chen, aufgenommen bei 5 mK.
Nach [26]

Abbildung 22.31 zeigt eine Meßanordnung für die Leitfähigkeit von Nanoröhr-
chen. Die photolithographisch hergestellten Pt-Elektroden haben hier einen Abstand
von 140 nm. Mit einer Gatter-Spannung VG an einer dritten Elektrode ohne Kontakt
zum Nanoröhrchen kann man das elektrostatische Potential des Röhrchens relativ zum
Fermi-Niveau der Pt-Elektroden verschieben und damit die resonanten Zustände für
Elektronen im Röhrchen ausmessen. Resonantes Tunneln erfolgt dann, wenn die dis-
kreten Zustände der Elektronen im Kastenpotential des Röhrchens isoenergetisch mit
der Fermi-Energie der Elektroden sind. Mit Nanoröhrchen kann man auch einen Einzel-
Elektronen Feld-Effekt Transistor realisieren [28].
Nanoröhrchen erweisen sich also als molekulare Drähte mit faszinierenden elektro-
nischen Eigenschaften, auch für eine Molekulare Elektronik.

Abb. 22.31. Zur Leitfähigkeits-


messung an C-Nanoröhrchen mit
zwei Pt-Elektroden. Diese An-
ordnung läßt sich auch als mo-
lekularer Transistor verwenden.
Nach [28]

22.8 Molekulare Speicher, Lochbrennen


Kann man Moleküle auch als Speicher von Informationen benutzen? Kann man z. B.
molekulare Systeme durch Licht in einen gegenüber dem Ausgangszustand messbar ver-
änderten, aber stabilen Zustand versetzen und diese gespeicherte Information durch ein
zweites Lichtquant auslesen oder löschen? Kann man so eine Funktionseinheit mit einer
hohen Speicherdichte erreichen, d. h. mit vielen voneinander unterscheidbaren Informa-
tionen auf engem Raum?
Ein interessanter Ansatz hierzu beruht auf dem Prozeß des photochemischen oder
photophysikalischen Lochbrennens (Abb. 22.32). Während ein isoliertes Molekül häu-
fig sehr scharf definierte Absorptionslinien aufweist, besteht das Emissions- und Ab-
sorptionsspektrum von Molekülen in fester Matrix, z. B. in einem anorganischen oder
organischen Glas, im allgemeinen aus breiten Banden. Die Einzelmolekül-Linien wer-
den dadurch inhomogen verbreitert, daß es in der Matrix für die Moleküle eine Vielzahl
22.8 Molekulare Speicher, Lochbrennen 497

Abb. 22.32. Inhomogene Ver-


breiterung von molekularen
Spektrallinien in einer Matrix
als Grundlage für den Prozeß
des Lochbrennens. In einem
amorphen oder ungeordneten
Gitter sind die elektronischen
Anregungsterme und damit die
Übergangsfrequenzen eines Mo-
leküls über einen größeren
Energiebereich verteilt, weil die
Moleküle unterschiedliche lo-
kale Umgebung haben (lin-
kes Teilbild ). Jede Einzel-
unterschiedlicher lokaler Umgebungen gibt. Diese individuellen lokalen Umgebungen Konfiguration hat ein bestimm-
verschieben die Energieniveaus der Moleküle um individuelle Beträge (Lösungsmittel- tes Absorptionsspektrum, be-
Verschiebung). Das beobachtete Spektrum ist dann eine Überlagerung vieler individu- stehend aus Null-Phononenlinie
und Phononen-Seitenbande. Die
eller scharfer Linien, die sich spektral nicht auflösen und unterscheiden lassen. Gesamtabsorption ergibt sich
Wenn man durch Absorption eines Lichtquants ein Molekül in seiner Struktur oder als Überlagerung der Einzel-
in seiner Wechselwirkung mit der Umgebung so verändern kann, daß es ein Lichtquant absorptionen (rechtes Teilbild ).
gleicher Energie nicht noch einmal zu einem späteren Zeitpunkt absorbieren kann, so (Nach J. Friedrich u. D. Haarer:
Angew. Chem. 96, 96 (1994))
scheidet dieses Molekül aus der Gesamtheit der die inhomogene Absorptionslinie erge-
benden Moleküle aus. In der breiten Absorptionslinie erscheint ein „Loch“ an der Stelle
der individuellen Absorption der gebleichten Moleküle. Darauf beruht die Methode des
Lochbrennens (vgl. Abb. 22.33). Diese Umlagerung (Tautomerie) kann zum Lochbren-
nen führen, wenn man die molekulare Umgebung berücksichtigt, in die die Moleküle
eingelagert sind. Relativ zu dieser können die beiden tautomeren Konfigurationen in-
äquivalent sein und sich durch unterschiedliche Lösungsmittelverschiebung mehr oder
weniger spektral unterscheiden. Das erste organische Molekül, an dem dieses Verfahren
mit Erfolg untersucht wurde, war das Porphin. Hier erfolgt durch Lichteinstrahlung eine
Umlagerung der zentralen H-Atome (Abb. 22.34). Dadurch wird die Absorption an der
zur Ausgangskonfiguration des Gesamtspektrums gehörenden Stelle vermindert (das ist
das Lochbrennen), an einer anderen Stelle des Spektrums außerhalb der hier betrachteten

Abb. 22.33. Zum photoche-


mischen Lochbrennen. In eine
inhomogene verbreiterte Spek-
trallinie wird mit Laserlicht
schmalbandig eingestrahlt. In
die Absorptionslinie wird mit
der spektralen Breite des Laser-
lichtes oder mit der homogenen
Linienbreite Γhom ein Loch
gebrannt. Dafür erscheint an
anderer Stelle im Spektrum die
Absorption des Photoproduktes.
(Nach S. Völker: Ann. Rev.
Phys. Chem. 40, 499 (1989))
498 22. Molekulare Elektronik und andere Anwendungen

Abb. 22.34. Im Molekül Por-


phin (freie Base) können die
beiden zentralen H-Atome durch
Licht zwischen zwei Konfigu-
rationen hin- und hergeschaltet
werden (Photo-Isomerisierung).
Das führt in fester Lösung zu
einem „Loch“ im Absorptions-
Spektrum. An diesem Molekül
wurde das optische Lochbren-
nen mit organischen Molekülen inhomogen verbreiterten Linie entsprechend erhöht. Je nachdem, ob das Lochbrennen
erstmals untersucht. Nur bei auf einer Umlagerung im Molekül oder in seiner Umgebung beruht, unterscheidet man
Tieftemperatur erfolgt die Iso-
merisierung durch Licht. Bei zwischen photochemischem oder nicht photochemischem Lochbrennen.
Raumtemperatur sind die zen- Auch in Gläsern oder in fester Matrix mit stark inhomogen verbreiterten Absorpti-
tralen Protonen zwischen beiden onslinien von gelösten Molekülen kann man so mit schmalbandigem Laserlicht scharfe
Konfigurationen beweglich. Das Molekül-Absorptionslinien erhalten. Wenn man die Quantenenergie des Laserlichtes in
kann mit Protonenspin-Resonanz
nachgewiesen werden
kleinen Schritten ändert, kann man in eine breite Absorptionslinie viele Löcher neben-
einander brennen. Damit kann man auch versuchen, Informationsspeicherung mit mo-
lekularen Systemen zu erreichen. Ein wichtiges Problem der Molekülphysik ist es, sol-
che Speicher zu finden, die unempfindlich gegen Alterung und Strahlenschädigung sind.
Entscheidend wichtig für eine mögliche Anwendung sind die Stabilität und die Rever-
sibilität solcher Speicher.
In diesem Zusammenhang ist auch das natürlich vorkommende und aus Bakterien
zu gewinnende Bakteriorhodopsin sehr interessant. Es eignet sich für stabile und rever-
sible Speicherung von optischer Information, damit auch zur Holographie. Dies haben
Oesterhelt, Bräuchle und Hampp [29] in eindrucksvollen Experimenten gezeigt.
Man kann die Methode des Lochbrennens aber nicht nur zur Informationsspeiche-
rung, sondern auch zur molekularen Spektroskopie verwenden. Wenn es gelingt, in eine
inhomogene Absorptionslinie ein scharfes Loch zu brennen, dessen Breite in der Grenze
der homogenen Linienbreite des betreffenden Überganges entspricht, dann kann man
diesen mit viel größerer Genauigkeit als mit konventioneller Absorptions-Spektroskopie
energetisch bestimmen. Moleküle können mit ihren scharfen Absorptionslinien dann
auch als Sonden dienen, mit denen man ihre lokale Umgebung in Gläsern oder auch in
biologischer Matrix analysieren kann. Die Lochbreite ist im Grenzfall durch die Lebens-
dauer des Anregungszustandes bestimmt, die so meßbar ist. Mehr dazu wurde bereits
weiter vorne (in Abschn. 21.4.5) behandelt.
Man hat auch zeigen können, daß man das spektrale Lochbrennen in Systemen mit
inhomogen verbreiterten Absorptionslinien zur optischen Holographie und für moleku-
lare Computer verwenden kann. Dabei werden die Eigenschaften des Lichtes in photo-
chemische Veränderungen im bestrahlten Material umgesetzt. Die gespeicherten Muster
können dann durch logische Operationen nach Wunsch weiterverarbeitet werden. Äu-
ßere elektrische Felder stehen als weitere Parameter für die Dynamik solcher Systeme
zur Verfügung (siehe dazu [30]).

22.9 Elektrolumineszenz, Leuchtdioden, Photovoltaik


Als Elektrolumineszenz bezeichnet man eine Lichtemission von Materialien, die nicht
wie die Photolumineszenz durch Licht angeregt wird, sondern durch Anlegen eines elek-
trischen Feldes. Dieses Feld kann bei Anwendung von geeigneten Elektroden zur Injek-
22.9 Elektrolumineszenz, Leuchtdioden, Photovoltaik 499

tion von Elektronen und Löchern in das elektrolumineszierende Material führen. Die
Rekombination dieser Ladungsträger erzeugt angeregte Zustände im Material, die unter
Lichtaussendung wieder in ihren Grundzustand zurückkehren.
Als Leuchtdioden (LED) kommt elektrolumineszierenden Anordnungen große prak-
tische Bedeutung zu. Insbesondere in der integrierten Optoelektronik sind sie das wich-
tigste Bauelement zur Umwandlung von elektrischen in optische Signale.
Auch organische Moleküle und Polymere lassen sich hierfür verwenden. Man spricht
dann von OLEDs, Organischen Licht-emittierenden Dioden. Wenn man an praktische
Anwendungen denkt, ist die Langzeit-Stabilität solcher Anordnungen entscheidend
wichtig. Hier erscheint das Polymer Polyparaphenylen (PPV) als ein interessanter Kan-
didat, wie zuerst in der Arbeitsgruppe von R.H. Friend gezeigt wurde (Abb. 22.35).
Abbildung 22.35 zeigt eine Anordnung, mit der diese Elektrolumineszenz beobachtet
und untersucht werden kann. Die lichtemittierende PPV-Schicht befindet sich zwischen
einer Elektrode, die Elektronen injiziert – hier Calcium – und einer Löcher-injizierenden
Elektrode – hier eine dünne, lichtdurchlässige Schicht von Indium-Zinn-Oxid (ITO) auf
Glas. In der Halbleitertechnik kennt man solche Anordnungen als Schottky-Kontakte.
Ein elektrischer Strom durch einen solchen Kontakt, also von der metallisierten Glas-
fläche zur Deckschicht aus Calcium (oder Aluminium), regt das PPV zur Emission von
Licht an. Die injizierten Löcher und Elektronen gehen als Excitonen eine schwache Bin-
dung ein und zerfallen unter Ausstrahlung von Licht. Dieses wird durch den Glasträger
nach unten abgestrahlt. Hierzu genügt eine Spannung von wenigen Volt.
Um hohe Lichtausbeuten und gute Stabilität zu erzielen, sind an der einfachen
Prinzip-Anordnung von Abb. 22.35 zahlreiche Verbesserungen vorgenommen worden,
über die zu berichten hier zu weit führen würde. Alternativ zu dem Polymer werden
auch andere kleine organische Moleküle in einer geeigneten Matrix mit Erfolg zur
Herstellung von Leuchtdioden verwendet.
Polymere als aktive Materialien für Elektrolumineszenz sind deshalb so vielverspre-
chend, weil ihre Lumineszenzfarbe durch geringe Veränderung der chemischen Zusam-
mensetzung in weiten Grenzen variierbar ist und weil sich diese Materialien auch groß-
flächig herstellen und verwenden lassen. Es gibt bereits kommerzielle Anwendungen
von OLEDs, und es ist absehbar, daß solche Anwendungen in naher Zukunft rasch
zunehmen werden. – Hier öffnet sich ein interessantes Anwendungsgebiet von mole-
kularen Systemen und Polymeren in vielen Gebieten der Technik, der Elektronik und
Abb. 22.35. Rechtes Teilbild:
der Nachrichtenübertragung. Mehr über Elektronenlumineszenz und OLEDs findet man Prinzip-Anordnung zur Erzeu-
in [3]. gung von Elektrolumineszenz.
Der zur Elektrolumineszenz inverse Prozeß heißt Photovoltaik. Hierbei wird Zwischen zwei Elektroden mit
das Halbleitermaterial, das sich zwischen zwei Elektroden mit unterschiedlicher unterschiedlicher Austrittsarbeit
für Elektronen bzw. Löcher
Ladungsträger-Affinität befindet, mit Licht geeigneter Wellenlänge optisch angeregt. (hier Ca bzw. ITO, d. h. mit
Bei geeigneter Wahl der Materialen zerfallen die primär erzeugten Excitonen in Elek- Indium-Zinnoxid beschichtetes
tronen und Löcher. Diese entstehen an oder wandern zu den jeweiligen Elektroden. Glas) befindet sich das Polymer
So wird eine Spannung erzeugt. Organische Photovoltaik-Anordnungen haben bisher PPV. Durch Rekombination der
nur relativ geringe Ausbeuten (maximal 3%) und recht begrenzte Lebensdauern. Eine injizierten Ladungsträger im
PPV entsteht Licht, das durch
das als Träger dienende Glas
austreten kann. Linkes Teilbild:
Einzelbaustein des Polymeren
PPV. Siehe dazu: R.H. Friend
et al.: Nature 347, 539 (1990)
und P.L. Burn et al.: Nature
356 (1992)
500 22. Molekulare Elektronik und andere Anwendungen

Anwendung in Konkurrenz zu anorganischen Photovoltaik-Materialien erscheint noch


recht schwierig.

22.10 Ausblick: Intelligente molekulare Materialien


Die wenigen Beispiele sollen zeigen, wie man die Photophysik und Photochemie organi-
scher molekularer Systeme bei der Suche nach einem Weg zu einer molekularen Elektro-
nik nutzbar machen kann. Es wird deutlich, daß hier ein weites und faszinierendes Feld
für subtile Grundlagenforschung offen liegt. Es wird weiter deutlich, daß man nicht nur
das einzelne Molekül untersuchen muß, sondern das Molekül in seinem Verbund mit
anderen Molekülen oder Funktionseinheiten. Es zeigt sich deshalb, daß nur aus einer
engen Zusammenarbeit zwischen Organischen Chemikern, Molekülphysikern und Fest-
körperphysikern nützliche und interessante Ergebnisse hervorgehen können und daß eine
solche Zusammenarbeit deshalb sehr notwendig ist. Eine mögliche Anwendung ist ein
schönes, aber noch fernes Ziel. Man spricht heute auch schon von „Intelligenten Mate-
rialien“, „Intelligenten Funktionseinheiten“, „Intelligenten Übermolekülen“. Man meint
damit molekulare Systeme mit Eigenschaften, wie wir sie aus biologischen Systemen
kennen. Die Selbst-Reproduzierung, die eigenständige Behebung von Defekten, selb-
ständige Justierung und Kontrolle, selbständige Anpassung an unterschiedliche externe
Situationen gehören zu dem, was eine Funktionseinheit „intelligent“ macht, was mole-
kulare Systeme in der belebten Natur können und was Molekülphysikern und Quanten-
chemikern im Labor für die Zukunft vorschwebt.

Aufgaben
22.1 Wenn man das Prinzip des photochemischen Lochbrennens auf einen optischen
Datenspeicher anwendet, kann man dessen Funktionalität um eine Dimension erweitern:
zu den beiden räumlichen Dimensionen kommt der Frequenzraum hinzu.
Im Absorptionsspektrum von Chinizarin in glasartiger Matrix (Ethanol/Methanol)
bei 1,3 K beträgt die inhomogene Linienbreite der 0,0-Bande 700 cm−1 (λmax ≈
515 nm). Mit einem extrem schmalbandigen Laser kann man darin Löcher von
0,55 cm−1 Breite brennen. Wie viele „optische Bits“ kann man also theoretisch in
die inhomogen verbreiterte Linie schreiben?
Die beugungsbegrenzte optische Informationsdichte liegt bei λ = 500 nm in der Grö-
ßenordnung von 108 bits/cm2 . Welchen Wert kann man durch Anwendung des spektra-
len Lochbrennens maximal erreichen? Wo sehen Sie die praktischen Probleme dieses
Verfahrens? Wie könnte man die optische Datenspeicherung auf eine vierte Dimension
ausweiten?
22.2 Unter Photochromie versteht man die Änderung des Absorptionsspektrums eines
bestimmten Moleküls unter Bestrahlung mit sichtbarem oder UV-Licht. Die Ursache für
dieses intramolekulare Phänomen ist eine photochemische Reaktion, bei der das Mole-
kül vom Zustand A in den Zustand B übergeführt wird.
a) Solche bistabilen Moleküle können als optische Datenspeichermedien verwendet
werden. Das Schreiben der Daten geschieht durch die Photoreaktion A → B, das Lesen
durch die Rückreaktion B → A. Formulieren Sie Kriterien, die die Substanzen, die für
solche Datenspeicher in Frage kommen, erfüllen müssen.
Aufgaben 501

b) Fulgide zeigen photochromes Verhalten, das auf einer photoinduzierten Ring-


schluß-/Ringöffnungsreaktion zwischen E- und C-Isomer beruht (Abb. 22.36). Man
kann z. B. die Zyklisierung des Furanfulgids unter Bestrahlung mit UV-Licht mitverfol-
gen, wenn man zwischen je zwei Bestrahlungsintervallen ein Absorptionsspektrum der
Probe aufnimmt (Bild rechts). Das Anwachsen der Absorptionsbande bei 20 000 cm−1
signalisiert das Entstehen des zyklisierten C-Isomers.
Als isosbestische Punkte bezeichnet man solche Punkte eines Bestrahlungsverlaufs,
in denen sich alle Spektren schneiden. Begründen Sie ihre Existenz. Im dargestellten
Bestrahlungsverlauf gibt es, zumindest bei genauer Betrachtung, keine wohl definierten
isosbestischen Punkte. Was schließen Sie daraus?

Abb. 22.36. Links: Strukturen


und Absorptionsspektren zweier
Isomere des Furanfulgids.
Rechts: Furanfulgid in Toluol;
Änderung der Absorption un-
ter Bestrahlung mit UV-Licht
(λ = 366 nm; Ausgangszustand
E-Isomer)
Anhang

A1 Die Berechnung von Erwartungswerten für Wellenfunktionen,


die durch Determinanten dargestellt sind
A1.1 Berechnung von Determinanten

Wir erinnern zunächst kurz an die aus der Theorie der linearen Gleichungen bekannte
Definition einer Determinante, die zu der Matrix
A = (a jk ) (A1.1)
gehört. Die Indizes j und k durchlaufen dabei die Zahlen 1, 2, . . . , N. Diese Determi-
nante bezeichnen wir mit Det A und stellen sie in der üblichen Form dar:
 
 a11 a12 · · · a1N 
 
 a21 a22 · · · a2N 
 
Det A =  .  .
 (A1.2)
 .. 
 
a 
N1 · · · · · · a NN

Wir befassen uns als erstes mit der Berechnung einer solchen Determinante. Dazu be-
trachten wir eine Permutation, die aus dem N-Tupel
(1, 2, . . . , N) (A1.3)
hervorgeht und bezeichnen diese mit
(k1 , k2 , . . . , k N ) . (A1.4)
Insgesamt gibt es N! = 1 · 2 · 3 · . . . · (N − 1)N solcher Permutationen. Ist N = 5, so
gibt es also 5! = 1 · 2 · 3 · 4 · 5 = 120 Permutationen der Zahlen (1, 2, 3, 4, 5). Einige
Beispiele sind in (A1.5) angegeben:

(1, 2, 3, 4, 5)⎪⎬
(2, 1, 3, 4, 5) . (A1.5)


(1, 2, 5, 4, 3)
Die Determinante (A1.2) besteht nun aus einer Summe von Produkten der Form
a1k1 a2k2 . . . a Nk N . (A1.6)
Je nachdem, ob die Anzahl der Schritte, die von (A1.3) nach (A1.4) führen, gerade oder
ungerade ist, spricht man von einer geraden oder ungeraden Permutation. Diese Zahl
504 22. Molekulare Elektronik und andere Anwendungen

der Schritte bezeichnen wir mit P. In der Determinantenberechnung sind die einzelnen
Produkte (A1.6) mit dem Faktor
(−1) P (A1.7)
zu multiplizieren, also mit (+1), falls P gerade, und mit (−1), falls P ungerade ist. So-
dann ist über alle Permutationen (A1.4), einschließlich der ursprünglichen Form (A1.3),
aufzusummieren. Wir erhalten damit als Vorschrift zur Berechnung der Determinante

Det A = (−1) P a1k1 a2k2 . . . a Nk N . (A1.8)
P(k)

P(k) unter dem Summenzeichen heißt, daß über alle Permutationen von k aufzusum-
mieren ist.

A1.2 Berechnung von Erwartungswerten


Wir wenden uns der Berechnung von quantenmechanischen Erwartungswerten zu, wo-
bei die Wellenfunktion eines Moleküls mit mehreren Elektronen durch eine Determi-
nante von Wellenfunktionen der einzelnen Elektronen dargestellt wird. Wir ersetzen da-
bei die Matrixelemente a jk durch Wellenfunktionen, wobei der Index j sich auf den In-
dex des Elektrons bezieht und der Index an der Wellenfunktion k auf die Quantenzahl:
a jk → χk (r j ). Der Einfachheit halber nehmen wir an, daß die Quantenzahlen von 1− N
durchnumeriert sind. Natürlich läßt sich das ganze Verfahren auch auf beliebige Quan-
tenzahlen anwenden. Um Formel (A1.8) anzuwenden, betrachten wir Permutationen von
den Quantenzahlen k und benutzen dann die Ersetzung
a jk → χk j ( j) , (A1.9)
wobei wir der Kürze halber χ( j) statt χ(r j ) schreiben. √
Wir schreiben also die Determinante der Gesamtwellenfunktion Ψ = 1/ N! der
Form

Det χ = (−1) P χk1 (1)χk2 (2) . . . χk N (N) . (A1.10)
P(k)

Den Normierungsfaktor wollen wir erst später noch berücksichtigen. Es geht uns nun
darum, Erwartungswerte der Wellenfunktion bezüglich eines Operators Ω auszurechnen.
+ ,

Det(χ )Ω Det(χ) dV1 . . . dVN , (A1.11)

wobei die eckigen Klammern die Erwartungswerte bezüglich der Spinvariablen ange-
ben. Ω werden wir im folgenden näher spezifizieren. Wir setzen als erstes
1) Ω = 1 (A1.12)
ein. Durch die Berechnung von (A1.11) mit Ω = 1 erhalten wir den Normierungsfaktor.
Setzen wir die Determinante für Ψ und für Ψ ∗ in (A1.11) mit (A1.12) ein und multipli-
zieren die in (A1.10) stehenden Summen aus, so müssen wir zunächst Ausdrücke der
Form
A1 Die Berechnung von Erwartungswerten für Wellenfunktionen 505
+ , + , + ,
χk∗
(1)χk1 (1) dV1 χk∗
(2)χk2 (2) dV2 ... χk∗
(N)χk N (N) dVN (A1.13)
1 2 N

berechnen. Dabei haben wir das Integral über die Koordinationen aller Elektronen in ein
Produkt von Integralen über die Koordinaten der einzelnen Elektronen aufgespalten. Die
von der linken Determinante in (A1.11) stammenden Quantenzahlen haben wir mit ei-
nem Strich versehen. Da die Wellenfunktionen der einzelnen Elektronen aufeinander or-
thogonal und normiert sind, geben nur solche Ausdrücke in (A1.13) einen nichtversch
windenden Beitrag, und zwar den Beitrag = 1, bei denen die Quantenzahlen jeweils
übereinstimmen, d. h. wenn
k1
= k1 , k2
= k2 , . . . , k
N = k N (A1.14)
gilt. Da es aber N! Permutationen der Quantenzahlen k = 1, . . . , N gibt, erhalten wir
sofort das Resultat
+ ,

Det χ Det χ dV1 . . . dVN = N! . (A1.15)

Wir wenden uns nun dem Fall zu, wo der Operator Ω sich nur auf ein einzelnes Elek-
tron, und zwar mit dem Index j0 bezieht.
2) Ω = H( j0 ) . (A1.16)
j0 ist dabei eine Zahl aus dem Satz der Indizes j = 1, 2, . . . , N, die die Elektronen
numerieren. Führen wir die Abkürzung
+ ,
-  .
χk
χk dV = k
 k

(A1.17)

ein, so läßt sich das dem früheren Ausdruck (A1.13) entsprechende Glied in der Form
-
 .-
 . -
  . -  .
k1 k1 k2 k2 . . . k j0  H( j0 )k j0 . . . k
N k N (A1.18)
schreiben. Wegen der Orthogonalität der Wellenfunktionen müssen hier für alle Quan-
tenzahlen mit Ausnahme derjenigen, die sich auf den Index j0 bezieht, die Relationen
k1
= k1 , k2
= k2 , . . . , j0 , . . . k
N = k N (A1.19)
gelten. Da aber die gestrichenen Quantenzahlen sich von den ungestrichenen Quanten-
zahlen nur durch eine Permutation unterscheiden, aber alle Quantenzahlen bis auf die
mit dem Index j0 übereinstimmen müssen, folgt automatisch, daß auch das letzte Paar
von Quantenzahlen noch übereinstimmen muß. Damit reduziert sich in dem Falle, wo
(A1.19) erfüllt ist, (A1.18) auf
+ ,
-   .
 
k j0 H( j0 ) k j0 ≡ ∗
χ j0 H(r)χ j0 dV . (A1.20)

Halten wir den Index j0 fest, so gibt es noch (N −1)! Permutationen der Quantenzahlen.
Damit reduziert sich der Ausdruck (A1.11) mit (A1.16) auf

N
(A1.11) = (N − 1)! k|H( j0 )k . (A1.21)
k=1
506 22. Molekulare Elektronik und andere Anwendungen

Bei späteren Anwendungen ist Ω oft eine Summe aus den Beiträgen H( j0 ), wobei die
H( j) sich nur bezüglich der Elektronenkoordinate, nicht aber in der Form voneinander
unterscheiden:

N
H( j) = H . (A1.22)
j=1

Wir betrachten als nächsten Fall denjenigen, in dem der Operator Ω durch

3) Ω = H( j) (A1.23)
j

dargestellt ist. Da die Indizierung der Elektronenkoordinaten aber keinerlei Einfluß auf
den Wert des sich ergebenden Erwartungswertes hat, bedeutet die Ersetzung von H( j)
durch (A1.22), daß das Resultat (A1.21) lediglich mit der Zahl der Summanden in
(A1.22), d. h. N, zu multiplizieren ist. Wir erhalten damit als endgültiges Resultat
+ , 

Det(χ )Ω Det(χ) dV1 . . . dVN = N! k|H|k . (A1.24)
k

Nehmen √ wir an, daß die Wellenfunktionen Ψ aus der von χ durch den Normierungs-
faktor 1/ N! hervorgeht, so erhalten wir als abschließendes Resultat
+ , 
Ψ ∗ ΩΨ dV1 . . . dVN = k|H|k . (A1.25)
k

Wir wenden uns nun der Berechnung von Erwartungswerten zu, wenn der Operator Ω
eine Wechselwirkung zwischen einem Elektron mit der Koordinate rl und einem Elek-
tron mit der Koordinate rm beschreibt
4) Ω = V(l, m) . (A1.26)
Als explizites Beispiel nennen wir die Coulombsche Wechselwirkung in der Form
e2
V(l, m) = . (A1.27)
4πε0rlm
Wegen der Symmetrie der Wechselwirkung dürfen wir annehmen, daß
l<m (A1.28)
gilt. Wir greifen in Analogie zu (A1.13) wieder ein einzelnes Element, das sich bei der
Ausmultiplikation der beiden Determinanten ergibt, heraus, und schreiben in Erweite-
rung von (A1.18) dieses Element in der Form
k1
|k1 k2
|k2  . . . (l) . . . (m) . . . k
N |k N  , (A1.29)
wobei an den mit (l), (m) bezeichneten Stellen die Faktoren kl
|kl , km

|k  wegzulas-
m
sen sind. An deren Stelle tritt das folgende Matrixelement
+  ,
∗ ∗
χk
(l)χk
(m)V(l, m)χkl (l)χkm (m) dVl dVm . (A1.30)
l m
A1 Die Berechnung von Erwartungswerten für Wellenfunktionen 507

Mit Ausnahme der Indizes l und m müssen die Orthogonalitätsrelationen erfüllt sein,
was unmittelbar zu den Beziehungen
k1
= k1 , . . . , (l), . . . , (m), . . . k
N = k N (A1.31)
führt, wobei lediglich die Stellen mit den Indizes l und m ausgespart sind. Da die ge-
strichenen Quantenzahlen sich von den ungestrichenen nur um eine Permutation unter-
scheiden, führen die Relationen (A1.31) zu der Aussage, daß entweder die Beziehungen
1) kl
= kl , km

= km (A1.32)
oder
2) kl
= km , km

= kl (A1.33)

gelten müssen. Eine zwar einfache aber etwas langwierige Überlegung zeigt nun, daß
(A1.33) durch eine ungerade Permutation aus (A1.32) hervorgeht. Da es bei festgehal-
tenen l und m (N − 2)! Permutationen gibt, erhalten wir für den Erwartungswert der
Gesamtdeterminante das Resultat
+ , 

Det(χ )V(l, m) Det(χ) dV1 . . . dVN = (N − 2)! (Vkk
,kk
− Vkk
,k
k ) ,
k =k

(A1.34)
wobei wir die Abkürzungen
+  ,
∗ ∗
Vkk
,kk
= χk (1)χk
(2)V(1, 2)χk (1)χk
(2) dV1 dV2 (A1.35)

und
+  ,
Vkk
,k
k = χk∗ (1)χk∗
(2)V(1, 2)χk
(1)χk (2) dV1 dV2 (A1.36)

in leicht ersichtlicher Weise verwendet haben. Das Minuszeichen im zweiten Glied der
Summe rührt dabei von der obengenannten ungeraden Permutation her. Im Hamilton-
Operator (7.6) kommt die Coulombsche Wechselwirkung aller Elektronen (7.5) vor. Wir
berechnen daher noch
< =

∗ 1
Det(χ ) V(l, m) Det(χ) dV1 . . . dVN . (A1.37)
2
l =m

Da die Integrale in (A1.36) und


(A1.37) von den Indizes l, m der Elektronenkoordinaten
unabhängig sind, können wir l=m durch den Faktor N · N − N = N(N − 1) ersetzen,
wobei der Abzug −N von der Bedingung l = m herrührt. Damit erhalten wir endgültig
1 
(A1.37) = N! (Vkk
,kk
− Vkk
,k
k ) . (A1.38)
2
k =k

Das Resultat (7.15) entsteht aus der Summe von (A1.24) mit (A1.23) und (A1.38) nach
Division durch den Normierungsfaktor N! (vgl. (A1.15)).
508 22. Molekulare Elektronik und andere Anwendungen

A2 Berechnung der Dichte von Lichtwellen


Wir bestimmen zunächst die Zahl der Moden dN in dem Volumen V und in dem
Wellenzahl- oder Frequenzintervall dk(dν). Dabei gehen wir von einem endlichen Nor-
mierungsvolumen V aus. Wir beginnen mit dem eindimensionalen Fall als Beispiel und
nehmen die Feldstärke in der Form
E = E 0 sin(kx) (A2.1)
an. Wir legen die Werte von k fest, indem wir verlangen, daß E an den Grenzen x = 0
und x = L (L = Länge des Normierungsvolumens) verschwindet. Dies wird erreicht,
indem wir

k= , n = 1, 2, 3, . . . (A2.2)
L
wählen. Die Wellenzahl der elektromagnetischen Welle ist mit ihrer Frequenz über die
Lichtgeschwindigkeit gemäß
ω = ck (A2.3)
verknüpft. Andererseits gilt natürlich
ω = 2πν . (A2.4)
Von diesen Relationen erhalten wir
cn
ν= . (A2.5)
2L
Da n eine ganze Zahl ist, können wir die Wellen numerieren. Mit Hilfe von (A2.5) er-
halten wir so als Zahl der erlaubten Wellen im Intervall dν
2L
dn = dν . (A2.6)
c
Auf diese Weise haben wir unsere Aufgabe gelöst, die Zahl der Wellen in dem Frequenz-
intervall dν zu bestimmen, zumindest in einer Dimension. In Wirklichkeit haben wir es
natürlich mit drei Dimensionen zu tun. Hier sind dann die Wellenzahlen ki durch
πn i
ki = , n i = 1, 2, 3, . . . , i = x, y, z (A2.7)
L
 
gegeben. Wir definieren k = k2x + k2y + k2z und n = n 2x + n 2y + n 2z . In vollständiger
Analogie zu (A2.5) erhalten wir die Beziehung
cn
ν= . (A2.8)
2L
Um die Zahl der möglichen Wellen zu bestimmen, die zu dem Frequenzbereich
ν, ν + dν gehören, betrachten wir ein Koordinatensystem, in dem die Achsen den Zah-
len n x , n y , n z entsprechen. Jeder Punkt in diesem Raum mit ganzzahligen Koordinaten
stellt einen möglichen Zustand der Schwingungen des elektromagnetischen Feldes dar.
Wenn wir das Frequenzintervall genügend groß wählen, dürfen wir annehmen, daß die
Punkte berechnet werden können, indem man sie als kontinuierlich verteilt betrachtet.
A2 Berechnung der Dichte von Lichtwellen 509

Die Zahl der Punkte in einer sphärischen Schale der Dicke dn ist durch 4πn 2 dn ge-
geben. Da alle Zahlen n j positiv sein müssen, muß das Resultat durch die Zahl der
Oktanten, das ist 8, geteilt werden. Und da wir zwei Polarisationsrichtungen haben, die
getrennt gezählt werden müssen, müssen wir unser Resultat mit 2 multiplizieren. Wir
erhalten so als Zahl der möglichen Zustände in einer räumlichen Schale

dN = πn 2 dn . (A2.9)
Indem wir in dieser Formel n gemäß (A2.8) ausdrücken, erhalten wir die Zahl der mög-
lichen Wellen in dem Frequenzintervall ν, ν + dν
8πL 3 2
dN = ν dν . (A2.10)
c3
Indem wir ähnliche Argumente auf ebene, laufende Wellen anwenden, deren Wellen-
zahlvektoren in dem Raumwinkel dΩ liegen, erhalten wir
V 2
dN = k dk dΩ (A2.11)
(2π)3
und daher
 
V
... = . . . k2 dk dΩ . (A2.12)
(2π)3
λ
Literaturverzeichnis zur Ergänzung und Vertiefung

1. Lehrbücher der Physik und Physikalischen Chemie


Alonso, M., Finn, E. J.: Fundamental University Physics (Addison-Wesley, Reading
1992). Deutsche Ausgabe: Physik, Inter European Editions, Amsterdam 1990,
2. Aufl.
Atkins, P. W.: Physikalische Chemie, 3. Aufl. (VCH Verlags-GmbH, Weinheim 2002)
Atkins, P. W.: Physical Chemistry, 5. Ed (Oxford Univ. Press, Oxford 1994)
Barrow, G. M.: Physikalische Chemie, 6. Aufl. (Vieweg, Braunschweig 1984)
Bergmann, L., Schäfer, C.: Lehrbuch der Experimentalphysik, Bd. 4: Teilchen, Bd. 5:
Vielteilchensysteme (de Gruyter, Berlin 1992)
Kuhn, H., Försterling, H. D.: Principles of Physical Chemistry (Wiley, Chichester 1999)

2. Lehrbücher der Atom- und Molekülphysik


Atkins, P. W.: Molecular Quantum Mechanics, 2. Aufl. (Oxford Univ. Press, Oxford
1983)
Haken, H., Wolf, H. C.: Atom- und Quantenphysik, 8. Aufl. (Springer, Berlin, Heidel-
berg, New York 2003)
Eisberg, R., Resnick, R.: Quantum Physics of Atoms, Molecules, Solids, and Particles,
2. Aufl. (Wiley, New York 1985)
Levine, R. D., Bernstein, R. B.: Molekulare Reaktionsdynamik (Teubner, Stuttgart 1991)
Banwell, C. N., McCash, E. M.: Molekülspektroskopie (Oldenbourg, München 1999)
March, N. H., Mucci, J. F.: Chemical Physics of Free Molecules (Plenum, New York
1993)
Svanberg, S.: Atomic and Molecular Spectroscopy, 2nd Ed. (Springer, Berlin, Heidel-
berg 1992)
Weissbluth, M.: Atoms and Molecules (Academic Press, New York 1980)

3. Lehrbücher der Quantentheorie und Quantenchemie


Blochinzew, D. I.: Grundlagen der Quantenmechanik, 9. Aufl. (H. Deutsch, Frank-
furt/Main 1988)
Cohen-Tannoudji, C., Diu, B., Lalöe, F.: Quantenmechanik, 2 Bände (de Gruyter, Berlin,
New York 1997)
Fick, E.: Einführung in die Grundlagen der Quantentheorie, 6. Aufl. (AULA Verlag
GmbH, Wiesbaden 1988)
Flügge, S.: Lehrbuch der theoretischen Physik, Bd. 4: Quantentheorie (Springer, Berlin,
Heidelberg, New York 1964)
512 Literaturverzeichnis

Flügge, S.: Rechenmethoden der Quantentheorie (Springer, Berlin, Heidelberg 1993)


Franz, W.: Quantentheorie, Heidelberger Taschenbücher, Bd. 102 (Springer, Berlin, Hei-
delberg, New York 1971)
Grawert, G.: Quantenmechanik, 5. Aufl. (AULA GmbH, Wiesbaden 1989)
Greiner, W.: Theoretische Physik, 10 Bände, Bd. 4: Quantenmechanik, Teil 1: Einfüh-
rung, 5. Aufl. (1992); Bd. 4a: Quantentheorie, Spezielle Kapitel, 3. Aufl. (1988);
Bd. 5: Quantenmechanik, Teil 2: Symmetrien, 3. Aufl. (1990) (Verlag H. Deutsch,
Frankfurt/Main)
Landau, L., Lifschitz, E.: Lehrbuch der theoretischen Physik, Bd. 3: Quantenmechanik,
9. Aufl. (Akademie Verlag, Berlin 1991)
Messiah, A.: Quantenmechanik, Bd. 1: 2. verb. Aufl. (1991); Bd. 2: 3. verb. Aufl. (1990)
(de Gruyter, Berlin)
Mitter, H.: Quantentheorie, BI-Hochschultaschenbücher, 2. Aufl. (Bibliographisches In-
stitut, Mannheim 1979)
Schwabl, F.: Quantenmechanik, 5. Aufl. (Springer, Berlin, Heidelberg 1998)

4. Spezielle Literatur, soweit nicht bereits erwähnt:

Kapitel 1
Hund, F.: Geschichte der physikalischen Begriffe, Teil I und Teil II, BI-
Hochschultaschenbücher (Bibliographisches Institut, Mannheim 1978)
Laue, M. v.: Geschichte der Physik, Bonn 1950

Kapitel 2
Bergmann-Schaefer: Lehrbuch der Experimentalphysik, Bd. 4: Teilchen (de Gruyter,
Berlin 1992)
Robertson, J. M.: Organic Crystals and Molecules (Cornell University Press, Ithaca
1953)

Kapitel 3
Kopitzki, K.: Einführung in die Festkörperphysik, 3. Aufl. (Teubner, Stuttgart 1993)
Pohl, R. W.: Elektrizitätslehre, 20. Aufl. (Springer, Berlin, Heidelberg 1967)

Kapitel 4
Flygare, W. H.: Molecular Structure and Dynamics (Prentice-Hall, Inc., Englewood
Cliffs, N. J. 1978)
Lorenz, I: Gruppentheorie und Molekülsymmetrie (Attempto, Tübingen 1992)
Naaman, R., Vager, Z.: The Structure of Small Molecules and Ions (Plenum Press, New
York 1988)

Kapitel 5
Wagniere, G.: Lecture Notes in Chemistry (Springer, Berlin, Heidelberg, New York
1976)
Literaturverzeichnis 513

Kapitel 6
Hamermesh, M.: Group Theory and Its Application to Physical Problems (Dover, New
York 1989)
Hargittai, L., Hargittai, M.: Symmetry through the Eyes of a Chemist (VCH Verlagsge-
sellschaft mbH, Weinheim 1986)
Hollas, J. M.: Die Symmetrie von Molekülen (Walter de Gruyter, Berlin, New York 1975)
Weyl, H.: Gruppentheorie und Quantenmechanik (1931) Ein klassisches Werk, leider
vergriffen. Jedoch englische Übersetzung:
Weyl, H.: The Theory of Groups and Quantum Mechanics (Dover, New York 1950)

Kapitel 7
Atkins, P. W.: Solution Manual for Molecular Quantum Mechanics (Oxford University
Press 1983)
Christofferson, R. E.: Basic Principles and Techniques of Molecular Quantum Mecha-
nics (Springer, Berlin, Heidelberg, New York 1989)
Haken, H.: Quantenfeldtheorie des Festkörpers, 2. Aufl. (B. C. Teubner, Stuttgart 1993)
Koch, W., Holthausen, M. C.: A Chemist’s Guide to Density Functional Theory (Wiley-
VHC, Weinheim 2000)
Kryachko, E. S., Ludeña, E. V.: Energy Density Functional Theory of Many-Electron
Systems (Kluwer Academic Press, Dordrecht 1990)
McWeeny, R.: Methods of Molecular Quantum Mechanics, 2nd ed. (Academic Press Li-
mited 1978)
Szabo, A., Ostlund, N. S.: Modern Quantum Chemistry (McGraw-Hill, Inc., New York
1989)
Wagnière, G.: Lecture Notes in Chemistry (Springer, Berlin, Heidelberg, New York
1976)
Wilson, S.: Electron Correlation in Molecules (Clarendon Press, Oxford 1984)

Kapitel 8
Hollas, J. M.: Moderne Methoden in der Spektroskopie (Vieweg, Braunschweig 1995)
englisch: Modern Spectroscopy (Wiley & Sons, Chichester)

Kapitel 9 und 10
Banwell, C. N., McCash, E. M.: Molekülspektroskopie (Oldenbourg, München 1999)
Demtröder, W: Laser Spectroscopy, 2. Aufl. (Springer, Berlin, Heidelberg, New York
1996) Deutsche Ausgabe: Laserspektroskopie, 3. Aufl. (1993)
Flygare, W. H.: Molecular Structure and Dynamics (Prentice Hall, USA 1978)
Graybeal, J.: Molecular Spectroscopy (McGraw-Hill 1988)
Herzberg, G.: Molecular Spectra and Molecular Structure, 3 Bände (D. van Nostrand,
Princeton, New York 1964–1966); Einführung in die Molekülspektroskopie (Stein-
kopff, Darmstadt 1973)
Hollas, J. M.: High Resolution Spectroscopy (Butterworths, London 1982)
Steinfeld, J. I.: Molecules and Radiation (Harper & Row, New York, London 1974)
Townes, C. H., Schawlow, A. L.: Microwave Spectroscopy (McGraw-Hill, New York
1975)
Wilson, E. B., Decius, J. C., Cross, P. C.: Molecular Vibrations (Dover, New York 1980)
514 Literaturverzeichnis

Kapitel 12
Atkins, P. W.: Physikalische Chemie, 3. Aufl. (VCH Verlags-GmbH, Weinheim 2002)
Banwell, C. N., McCash, E. M.: Molekülspektroskopie (Oldenbourg, München 1999)
Barrow, G. M.: Physikalische Chemie, 6. Aufl. (Vieweg, Braunschweig 1984)
Demtröder, W.: Laser Spectroscopy, 2. Aufl. (Springer, Berlin, Heidelberg, New York
1996) Deutsche Ausgabe: Laserspektroskopie, 3. Aufl. (1993)
Herzberg, G.: Molecular Spectra and Molecular Structure, 3 Bände (D. van Nostrand,
Princeton, New York 1964–1966)
Hollas, J. M.: High Resolution Spectroscopy (Butterworths, London 1982)
Steinfeld, J. I: Molecules and Radiation (Harper & Row, New York, London 1974)
Struve, W. S.: Fundamentals of Molecular Spectroscopy (Wiley, London)

Kapitel 13, 14 und 15


Atkins, P. W: Physikalische Chemie, 3. Aufl. (VCH Verlags-GmbH, Weinheim 2002)
Barrow, G. M.: Physikalische Chemie, 6. Aufl. (Vieweg, Braunschweig 1984)
Demtröder, W: Laser Spectroscopy, 2. Aufl. (Springer, Berlin, Heidelberg, New York
1996) Deutsche Ausgabe: Laserspektroskopie, 3. Aufl. (1993)
Herzberg, G.: Molecular Spectra and Molecular Structure, 3 Bände (D. van Nostrand,
Princeton, New York 1964–1966); Einführung in die Molekülspektroskopie (Stein-
kopff, Darmstadt 1973)
Klessinger, M., Michl, J.: Lichtabsorption und Photochemie organischer Moleküle (Ver-
lag Chemie, Weinheim 1989)
Klessinger, M.: Elektronenstruktur organischer Moleküle (Verlag Chemie, Weinheim
1982)
Steinfeld, J. I: Molecules and Radiation (Harper & Row, New York, London 1974)
Struve, W. S.: Fundamentals of Molecular Spectroscopy (Wiley, London)
Turner, D. W., Baker, C., Baker, A. D., Brundle, C. R.: Molecular Photoelectron Spec-
troscopy (Wiley, London 1970)

Kapitel 16
Haken, H.: Licht und Materie I, Elemente der Quantenoptik, 2. Aufl. (BI Wissenschafts-
verlag, Mannheim, Wien, Zürich 1989) Haken, H.: Quantenfeldtheorie des Festkör-
pers, 2. Aufl. (B. G. Teubner, Stuttgart 1993)

Kapitel 18 und 19
Abragam, A.: The Principles of Nuclear Magnetism (Oxford University Press, Oxford
1989)
Carrington, A., McLachlan, A. D.: Introduction to Magnetic Resonance (Harper & Row,
New York, London 1969)
Ernst, R. R., Bodenhausen, G., Wokaun, A.: Principles of Nuclear Magnetic Resonance
in one and two Dimensions (Clarendon Press, Oxford 1988)
Freyman, R.: A Handbook of Nuclear Magnetic Resonance (Longman, Sci. and Techn.
1988)
Sanders, J. K. M., Hunter, B. K.: Modern NMR Spectroscopy (Oxford University Press,
Oxford 1993)
Literaturverzeichnis 515

Slichter, C. P.: Principles of Magnetic Resonance, Springer Ser. Solid-State Sci., Vol. 1,
3. Aufl. (Springer, Berlin, Heidelberg 1990)
Weil, J. A., Bolton, J., Wertz, J. E.: Electron Paramagnetic Resonance (Wiley, New York
1994)

Kapitel 20
Dickerson, R. E., Geis, I: Chemie (VCH Verlags-GmbH, Weinheim 1986)
Hoppe, W., Lohmann, W., Markl, H., Ziegler, H. (Eds.): Biophysik, 2. Aufl. (Springer,
Berlin, Heidelberg, New York 1982)
Lehn, J. M.: Supramolecular Chemistry (VCH Weinheim 1995)
Vögtle, F.: Supramolekulare Chemie, 2. Aufl. (Teubner, Stuttgart 1992)

Kapitel 21
(Da in den Kapiteln 21 und 22 überwiegend aktuelle Forschung im Vordergrund steht
erfolgt hier die Auflistung der wichtigen Literatur durch Einzelreferenzen.)

1. Basché, T., Moerner, W. E., Orrit, M., Wild, U. P. (eds.): Single-Molecule Optical
Detection, Imaging and Spectroscopy (VCH Weinheim 1997)
2. Rigler, R., Orrit, M., Basché, T. (eds.): Single Molecule Spectroscopy, Springer. Ser.
Chem. Phys. Vol. 67 (Springer, Berlin, Heidelberg 2001) Single Molecule Spectros-
copy: Science 283 (Sonderheft März 1999)
3. Moerner, W. E.: Physical Principles and Methods of Single Molecular Spectroscopy
in Solids, in [1] p. 1
4. Tamarat, Ph., Maoli, A., Lounis, B., Orrit, M.: Ten Years of Single Molecule Spec-
troscopy. J. Phys., Chem. A 104, l (2000)
5. Nie, S., Chiu, D. T., Zare, R. N.: Probing individual Molecules with Confocal Fluo-
rescence Microscopy Science 266, 1018 (1994)
6. Ha, T., Enderle, Th., Chemla, D. S., Selvin, P. R., Weiss, S.: Single Molecule Dy-
namics studied by Polarisation Modulation, Phys. Rev. Lett. 77, 3979 (1996)
7. Ha, T., Enderle, Th., Chemla, D. S.: Dual-Molecule Spectroscopy: Molecular Ru-
lers for the Study of Biological Macromolecules, IEEE J. Quantum Electr. 2, 1115
(1996)
8. Weiss, S.: Fluorescence Spectroscopy of Single Biomolecules, Science 283, 1676
(1999)
9. Tinnefeld, P. Sauer, M.: Neue Wege in der Einzelmolekül-Fluoreszenzspektrometrie,
Angew. Ch. 117, 2698 (2005)
10. Brown, R., Lounis, B., Orrit, M.: Optical Detection and Spectroscopy of Single Mo-
lecules, Europhys. News, p. 174 (1997)
11. Basché, T., Kummer, S., Bräuchle, C.: Excitation and Emission Spectroscopy and
Quantum Optical Measurements, in [1], p. 31
12. Kummer, S., Matzke, R., Bräuchle, C., Basché Th.: Single Molecule Optical Swit-
ching of Terrylene in p-Terphenyl, Nature 387, 688 (1997)
13. Wrachtrup, J., Borczyskowski, C. v., Köhler, J., Schmidt, J.: Magnetic Resonance
of Single Molecular Spins, in [1], p. 159
14. Wrachtrup, J., Gruber, A., Fleury, L., Borczyskowski, C. v.: Chem. Phys. Lett. 267,
179 (1997)
516 Literaturverzeichnis

15. Ratner, M. A. et al.: in Molecular Electronics, ed. by Aviram, A., Ratner, M., Acad.
Sci., New York 1998; sowie in Molecular Electronics, ed. by Jortner, J., Ratner, M.
(Blackwell, Oxford 1997) p. 5
16. Landauer, R.: Electrical Resistance of disordered one-dimensional Lattices, Phil.
Mag. 21, 863 (1970)
17. Reed, M. A., Zhou, C., Deshpande, M. R., Miller, C. J., Burgin, T. P, Jones, L., Tour,
J. M.: The Electrical Measurement of Molecular Junctions, in [15] p. 133 and p. 197
18. Cui, X. D. et al.: Reproducible Measurement of Single-Molecule Conductivity,
Science 294, 571 (2001)
19. Smit, R. H. M., Noat, Y., Untiedt, C., Lang, N. D., van Hemert, M. C., van Ruiten-
beek, J. M., Nature 419, 906 (2002)
20. Fink, H. W., Schönenberger, Ch.: Electrical Conduction through DNA Molecules,
Nature 398, 407 (1999)
21. Leatherman, G. et al.: Conducting Atomic Force Microscopy, J. Phys. Chem. B103,
4006 (1999)

Kapitel 22
1. Jortner, J., Ratner, M. (eds.): Molecular Electronics (Blackwell Sci., Oxford 1997)
2. Aviram, A., Ratner, M. (eds.): Molecular Electronics (New York Acad. Sci. 1998)
3. Schwoerer, M., Wolf, H. C.: Organische Molekulare Halbleiter (Wiley-VHC, Wein-
heim 2005)
4. Wolf, H. C.: Organische Moleküle als Leiter und Schalter, Nachr. Chem. Techn.
Lab. 37, 350 (1989)
5. Malliaras, G., Friend, R.: An Organic Electronics Primer. Physics Today, (May
2005) 53
6. Port, H. et al.: Ultrafast Photochromic Reactions of Fulgide Photoswitches. Mol.
Cryst. Liqu. Cryst. 430, 15 (2005)
7. Handschuh, M., Seibold, M., Port, H., Wolf, H. C.: Dynamics of the Cyclization Re-
action in Photochromic Fulgides, J. Phys. Chem. A101, 502 (1997)
8. Walz, J., Ulrich, K., Port, H., Wolf, H. C., Effenberger, F.: Fulgides as Switches for
Intramolecular Energy Transfer, Chem. Phys. Lett. 213, 321 (1993)
9. Gilat, S. L., Kawai, St. H., Lehn, J.-M.: Light-Triggered Molecules, Chem. Eur. J. 1,
275 (1995)
10. Kawai, St. H., Gilat, S. L., Ponsinet, R., Lehn, J.-M.: A Dual Mode Molecular Swit-
ching Device, Chem. Eur. J. 1, 285 (1995)
11. Irie, M., Lifka, Th., Uchida, K.: Photochromism of Single Crystalline Diarylethenes,
Mol. Cryst. Liqu. Cryst. 297, 81 (1997); Irie, M.: Photochromism of Diarylethene
Single Crystals + Single Molecules, Mol. Cryst. Liqu. Cryst. 430, 1 (2005)
12. Willner, L, Rubin, Sh.: Steuerung der Struktur und Funktion von Biomakromolekü-
len durch Licht, Angew. Ch. 108, 419 (1996)
13. Schütz, J. U. von, Bauer, D., Sinzger, K., Wolf, H. C.: Copper (2+) States as Me-
diators for Metallic Conductivity in DCNQI Radical Anion Salts, J. Phys. Chem.
97, 12030 (1993); Sinzger, K. et al.: J. Am. Chem. Soc. 115, 7696 (1993)
14. Goméz, D., Schmitt, H., Schütz, J. U. von, Wachtel, H., Wolf, H. C.: Pressure and
Light Effects on the Phase Transition of deuterated Cu(DCNQI)2 , J. Chem. Phys.
104, 4198 (1996)
15. Hünig, S., Herberth, E.: N,N
-Dicyanoguinone Diimines (DCNQI)s. Chem. Rev. 104
5535 (2004)
Literaturverzeichnis 517

16. Karutz, F. O., Schütz, J. U. von, Wachtel, H., Wolf, H. C.: Optically Reversed Peierls
Transition in Crystals of Cu(DCNQI)2 , Phys. Rev. Lett. 81, 140 (1998)
17. Kuhn, H., Möbius, D.: Investigations of Surfaces and Interfaces, Part B. Rossiter,
B., Baetzold, R. C. (eds.) Physical Methods of Chemistry Series, 2nd ed. Vol. IX B
(Wiley 1993)
18. Blanchard-Desce, M. et al.: Chem. Phys. Lett. 243, 526 (1995)
19. Tsivgoulis, G. M., Lehn, J. M.: Photoswitched Sexithiophenes: Towards Switchable
Molecular Wires, Advanced Mat. 9, 39 (1997)
20. Effenberger, F., Wolf, H. C.: Terminally Substituted Conjugated Polyenes: Synthesis
and Energy Transfer Properties, New J. Chem. 15, 117 (1991)
21. Vollmer, M., Würthner, F., Effenberger, F., Emele, P., Meyer, D. U., Stümpfig, Th.,
Port, H., Wolf, H. C.: Chem. Eur. J. 4, 259 (1998)
22. Kuhn, H., Möbius, J.: Angew. Chem. internat. Ed. 10, 621 (1971)
23. Metzger, R. M., Cava, M. P.: Rectification by a Single Molecule . . . in [2] p. 95;
Metzger, R. M. et al.: J. Am. Chem. Soc. 119, 10460 (1997)
24. Horowitz, G.: Organic Field Effect Transistors, Advanced Mat. 10, 365 (1998)
25. Wildoer, J. W. G., Venema, L. C., Rinzler, A. G., Smalley, R. E., Dekker, C.: Elec-
tronic Structure of atomically resolved carbon nanotubes, Nature 391, 59 (1998)
26. Dekker, C.: Carbon Nanotubes as Molecular Quantum Wires, Physics Today (1999)
27. Tans, S. J., Devoret, M. H., Gerlings, L. J., Dai, H., Thess, A., Smalley, R. E., Dek-
ker, C.: Individual single-wall carbon nanotubes as quantum wires, Nature 386, 474
(1997)
28. Tans, S. J., Verschueren, A. R. M., Dekker, C.: Single nanotube molecule transistor
at room temperature, Nature 393, 49 (1998)
29. Bräuchle, C., Hampp, N., Oesterhelt, D.: in Molecular Electronics ed. by M. Schnei-
der, Decker-Verlag (1996)
30. Wild, U. P. et al.: Pure and Appl. Chem. 64, 1335 (1992)
Sachverzeichnis

Abelsche Gruppe 100 Aromatische Moleküle 293


Abklingdauer 303 Astrophysik 7, 175
Abkühlung, adiabatische 305 Atommolekül 256
Abschattierung eines Bandenspektrums 284, 285 Atom-Orbital 123, 148, 256, 257, 344
Abschirmkonstante 371, 372 Austausch, chemischer 378, 390–392
Abschirmung, diamagnetische 371, 372 Austausch-Verschmälerung oder Bewegungs-
Absorption, zuständiges Matrixelement 332 Verschmälerung 379, 380
Absorptions-Spektrum des Benzol-Moleküls 292, Austauschintegral 54, 65, 66, 77
309 Austauschwechselwirkung 67, 135, 136
Absorptions-Spektrum eines anharmonischen Auswahlgesetze 275
Oszillators 188 Auswahlregel 160, 165, 188, 190, 200, 244, 280,
Absorptionsbande der Polyene 487 281, 283, 321, 322, 346, 350, 359, 362
Absorptionskoeffizient 159, 299, 300, 339 – für das Auftreten von Schwingungs-Spektren
– , molarer 300 182
– , molarer dekadischer oder Extinktionskoeffizient – für elektrische Dipolstrahlung 194
300 – , elektronische 274
– , querschnitt 463 – für optische Übergänge 171
Absorptionsübergänge 190 – im Rotations-Schwingungs-Spektrum 194
Adenin 442 – für Schwingungs-Raman-Übergänge 360
Ähnlichkeitstransformation 107–109, 112 Avalanche-Diode 159
Akzeptor-Übergänge 296 Avogadro-Zahl 17, 26
Alkalimetall-Ionen 308
Aminosäure 440, 441 Bahndrehimpuls-Quantenzahl 259
Ammoniak 125 Bakteriorhodopsin 478, 498
Ammoniak-Maser 203 Banden 155, 255, 274
Anharmonizität 193, 195, 246, 285 – Ursprung, Nullinie 284
– in der potentiellen Energie 232 Bandenkanten 280, 288
Anharmonizitätskonstante 185 Bandenlinien 255
Anisotropie Bandenspektrum 156, 181, 255, 276, 280, 289
– der magnetischen Polarisierbarkeit 39 Bandensystem 156, 255, 274, 277, 279
– der Polarisierbarkeit 35 Bandkanten 277, 288
Anregung, elektronische 287 Basiswellenfunktionen für irreduzible Darstellun-
Anregungsspektroskopie 302, 457 gen 121
Anregungsspektrum 309, 488 Benzol 3, 16, 39, 81, 84, 85, 104, 108, 148, 292,
Anschlußbedingung für Wellenfunktion 75 311, 403, 434
Antennen-Funktion von Molekülen 490 – Struktur 5
Anthracen 295, 436 – Molekül 81, 82, 173, 292, 309, 372
Anthryl 486, 488 – Radikal-Anion 403
Anthryl-Endgruppe 487 – Radikal-Kation 403
Antibündelung 466 Benzolring
Antiferro-Magnetismus 42, 423 – , Energien der π-Elektronen 95
Antigen-Antikörper Assoziation 432 – , Wellenfunktion der π-Elektronen 95
Antistokes-Linien 239–241 Besetzungswahrscheinlichkeit 324
Antistokes-Raman-Linien 354 Beugungsmethoden 452
Äquivalenz Bewegungs-Verschmälerung 379, 380
– , chemische 402, 403 Bindung
– , magnetische 402, 403 – , heteropolare oder ionische 1, 45, 51
Aromaten 16 – , homöopolare oder kovalente 1, 5, 45, 51, 211
520 Sachverzeichnis

– , π- 293 – Abstoßung 67, 138


– , σ- 293 – Abstoßungsenergie 56, 64
Bindungs-Alternierungs-Defekte 431 – Anziehungsenergie 57
– Hybridisierung 427 – Anziehungskraft 51, 52
Bindungselektron 375, 376 – Austauschwechselwirkungsenergie 132
Bindungsenergie 51, 68, 215 – Wechselwirkung 62, 67, 129, 131, 133, 507
Bindungszustände der Kerne 214 – Wechselwirkungsenergie 54, 59, 64, 67, 77,
Biomolekül 2 132, 140
Birge-Sponer-Diagramm 297 – Wechselwirkungskraft 59
Bohr-Magneton (Bohrsches Magneton) 41, 367, Curie-Gesetz 31, 41
400, 413 Cytochrom 441, 446
Bolometer 179 Cytosin 442
Boltzmann
– Faktor 189, 192 Darstellung 107
– Konstante 19 – , antisymmetrische 114
– Verteilung 31, 192 – , irreduzible 111–115, 118, 234, 237, 347, 362
Born-Oppenheimer-Näherung 209–211, 216, 273, – , reduzible 114, 115, 120, 122, 237
322, 343, 350, 358 – , symmetrische 113
Boson 247, 249, 250 Darstellungsmatrizen 112, 119, 122, 350
Bra- und ket-Bezeichnung 332 – , Theorie der Gruppen 109, 110, 232, 237
Brechungsindex 25, 30, 33, 34 Debye-Gleichung 32
– , komplexer 34 Deformationsschwingung 196
Brom-Substituent 304 Dehnungskonstante 174
Bruch-Kontakt 470 Dehnungsschwingung 180
Buckminster-Fulleren 74, 308 Dehnungsterm im Rotationsspektrum des
Bündelung 466, 467 nicht-starren Rotators 167
Butadien-Molekül 94 Delokalisierung der π-Elektronen 39
Depolarisation 36, 304
Carbene 413 Desaktivierung 304
Carbonyl-Gruppe 292 Desaktivierungsprozeß 434
Carboxyl-Gruppe 440 Deslandres-Formel 282, 284
Carcinotron 159 Desoxyribonucleinsäure (DNS, englisch DNA)
Carotin 295, 318, 438 2, 427, 441
– Molekül 471, 472 Desoxyribose 441
Carotinoide 295, 438 Detektor, thermischer 179
– Triplett-Zustand 438 Determinante 137
Charakter 110–112, 117, 120 Diagonalisierung 228
– der Darstellung eines direkten Produkts 347 Diagonalmatrix 229
Charaktere, Orthogonalitätsrelationen der Diamagnetische Stoffe 37
126–128 Diamagnetismus 39, 296
Charaktertafel 111–113, 118, 120 Diaryl-Ethene, Dithienyl-Ethene 476
Charge-Transfer-Übergänge 296 Dichte, optische 300
Chinon 446 Dichte-Funktional 144–146
Chlathrat 433, 434 Dicyanochinondiimin (DCNQI) 479, 480
Chlorophyll 2, 437, 438, 446 Dielektrizitätskonstante 25
– , Dimer 3, 446 Dielektrizitätskonstante oder Dielektrizitätszahl
– , Triplett-Zustand 438 27, 29, 32, 34, 171, 328
Chromophor 292 Diffusion 10
– , Absorptionsspektren 292 Dimension einer irreduziblen Darstellung 113
cis-trans-Isomerisierung 438 Dimer-Bildung 430
Clausius-Mosotti-Gleichung 29, 32 Diphenyl-Picryl-Hydrazyl (DPPH) 399
Cluster 3, 299, 308, 427 Diphenyl-Polyene 294
Codon 442 Dipol-Dipol-Wechselwirkung 374, 408
Coriolis-Kopplung 196 – der Kernmomente 379
Coronen 413 – magnetische 384
COSY 384–388 Dipolmatrix-Element oder Übergangsmoment
Coulomb-Potential 2, 52, 183, 257, 258 347, 349, 350, 365
Coulomb-Wechselwirkungsenergie 210, 212 Dipolmoment 360
Coulombsche – , elektrisches 25, 26
Sachverzeichnis 521

– , induziertes 27, 256 Einquanten-Prozeß 286


– , magnetisches 40 Einschlußverbindung 427, 433
– , permanentes 27, 30 Einstein-Koeffizient 321, 322, 333, 339, 342, 350
– , permanentes elektrisches 30, 160 – für die induzierte Emission von Photonen 338
Dipolmomentenoperator 341 – für die spontane Emission 335
Dipolnäherung 340, 341 Einstein-Relation 338
Dipolstrahlung, elektrische 171 Einzelmolekül-Experimente 451, 452
Dipolübergang Einzelmolekül-Spektren 463
– , elektrischer 204, 269, 301, 370 Einzelmolekülspektroskopie 457, 463, 464, 467
– , magnetischer 370 – , experimentelle Methoden 458
Dipolwechselwirkungsoperator 410 – , Materialforschung 464
Dispersion 30, 33, 34, 360 – , ODMR 467
Dispersionstheorie 342, 360 – , Quantenoptik 465
Dissoziationsenergie 51, 67, 184, 187, 188, 273, – , räumliche Selektion 457, 459
288 – , spektrale Selektion 458, 460
– für schweren Wasserstoff 188 Eisen-Komplex 446
Dissoziationsenergien 297 Electron spectroscopy for chemical analysis kurz
Dissoziationsgrenze 286 ESCA 314
Dissoziations-Kontinuum 186, 277, 286, 289, 297 Elektrische Leitfähigkeit von Molekülen 468
Donator-Übergänge 296 Elektrochromie 479
Doppelbindung 74, 263, 292, 293, 295, 431 Elektrolumineszenz 498
– , konjugierte 39, 437, 475 Elektron
Doppelhelix 16, 442 – , antibindendes 290, 291
Doppler-Effekt 280 – , bindendes 290, 291
Doppler-freien Zweiphotonen- – , delokalisiertes 291
Absorptionsspektroskopie 309 – , g-Faktor 400
Dopplerverbreiterung 309 – , nicht-bindendes 291
Dotieren 431 – , π-, des Benzols 81, 84, 88, 89, 91, 93, 293,
Draht, molekularer 467, 473, 478, 481, 484, 495 406
– , elektronisch 484 – , σ- 88, 89, 407
– , photonisch 484 Elektron-Loch-Paar 431, 445
Drehachse 97, 98, 101 Elektronen
Drehimpuls-Eigenfunktion 163, 224 – , Bandenspektren 284
Drehimpuls-Kopplung 269 – , Beugung 11, 16
Drehimpulsoperator 47, 84, 213, 218, 220 – , Dichteverteilung 11
Drehimpulsquantenzahl 48, 224, 258 – , Konfiguration 269
Drehoperation 82, 83, 86, 87, 348 Elektronen, 1s 89
Drehoperator 82, 84 Elektronen-Kern-Doppel-Resonanz kurz ENDOR
Drehspiegelachse 98, 99, 104 417, 418, 446
Drehspiegeloperation 103 Elektronen-Laufzeit-Röhren 159
Drehspiegelung 99 Elektronen-Wellenfeld 141
Drehsymmetrie 97–99 Elektronenaustausch 211
Drehsymmetrieoperation 103 Elektronenbeugungsdiagramm 11
Drehung 98, 99, 111, 112 Elektronengas 294
Dreifachbindung 372 Elektronenkonfiguration 270, 271
Durchstrahlungs-Elektronenmikroskop 12 Elektronenorbitale, π-, des Benzols 97
Durchstrahlungs-Elektronenmikroskopie 5 Elektronenpolarisation 27, 29
Elektronenschalen 267
Effekt-Modulation 159 Elektronenspektren 155
Eigenfunktionen des Drehimpulsoperators 84 Elektronenspin-Resonanz siehe ESR
Ein-Photonen-Absorption 365 Elektronenzustände H2 271
Einelektronenaustauschintegral 65 Elektronik, molekulare 473–475
Einfachbindung 295 Elektrophorese 19
Einheitsfrequenzintervall 338 Element, molekulares, logisches 473
Einheitsmatrix 230 Emission von Licht durch Moleküle 321
Einheitsoperation 111, 112, 122 – , induzierte 202, 322, 336, 350
Einheitsraumwinkel 338 – , spontane 289, 322, 333, 342, 350
Einheitsvolumen 338 – , zuständiges Matrixelement 333
Einphotonen-Spektroskopie 246 – , 2-Photonen 321
522 Sachverzeichnis

Emissionsrate Farbstoff-Laser 299, 306, 308


– , induzierte 337, 339 Feinstruktur 280
– , spontane 339 – , der ESR-Spektren 407–409
Emissionswahrscheinlichkeit, spontane und – der Kernspinresonanz-Spektren 374, 375
induzierte 338 Feinstrukturaufspaltung 378
Endgruppe Feinstrukturkonstante 412, 413
– , hydrophile 14, 443 Feinstrukturtensor 411, 412
– , hydrophobe 14, 443 – von Triplettzuständen 409, 411
ENDOR 417, 446 Feldeffekt-Transistor 493, 496
Energie Feldemissions-Mikroskop 12
– , der Kernbewegung 226, 227, 229 Feldstärke, elektrische 25
– , kinetische 45, 59, 129 Femtochemie 313
– , kinetische für die Rotationsbewegung 222 Fermi-Kontakt-Wechselwirkung 375
– , Leitung durch Moleküle 486 – , isotroper Teil der Hyperfein-Wechselwirkung
– , mittlere kinetische, von Molekülen 19 405
– , potentielle 46, 86, 129 Fermi-Resonanz 201
Energie-Erwartungswert 62, 63, 65, 130, 137 Fermion 247, 250
Energieübertragung 436, 476 Fermis Goldene Regel 326
Energieflußdichte 339 Ferninfrarot 154, 155
Energiekontinuum 325 Ferro-Magnetismus 42
Energielücke 485 Festkörper-Polymerisation von Diacetylen 430,
Energieniveau-Schema des linearen Kreisels 161 431
Energietransport 488 Fettsäure
Entartung 163 – , Molekül 14, 444
– , l- 71 – n- 434
Entartungsgrad 164, 165, 174, 192 Feynman-Diagramm 357, 363
– der Rotationsniveaus 174
Flip-flop-Prozeß 377
Entelektrisierungsfaktor 29
Fluoreszenz 299, 301, 302, 304, 436
Erhöhungsoperator für die z-Komponente des
– , sensibilisierte 436
Gesamtspins 137
Fluoreszenz-Anregungsspektroskopie 302, 457
Erkennungs-, Transport- und Regulationsprozesse
Fluoreszenz-Resonanz-Energie-Transfer (FRET)
432
460
Erstreckung der Elektronenhülle, räumliche 9
Fluoreszenzspektrum von photosynthetisierenden
Erwartungswerte 47
Bakterien 420
– des Impulses 47
– der kinetischen Energie 47 Fluorophor 459
– des Ortes 47 Förster-Energie-Transfer 448
– der potentiellen Energie 47 Förster-Energieübertragung 460
Erzeugung oder Vernichtung von Schwingungs- Förster-Mechanismus 488
quanten 362 Förster-Prozeß 435
Erzeugungsoperatoren 141, 142, 223 Förster-Radien 435
– von Lichtquanten 328 Fortrat-Diagramm 282, 284
– für Schwingungsquanten 232 – , Zweig, Q-, P- und R- 284
– für die z-Komponente des Drehimpulses 222 Fortrat-Parabel 284
ESCA 314 Fourier-Analyse 196
ESR (Elektronenspin-Resonanz) 37, 153, Fourier-Spektrometer 179
399–401, 446 Fourier-Synthese 11
ESR-Hyperfeinstruktur 404 Fourier-Transformation 383, 384
ESR-Spektrum 402, 403, 405, 407, 413 Fourier-Transformations-Kernresonanz 383, 384
Ethylalkohol 371 Franck-Condon-Integral 275
Ethylen 73, 108, 148 Franck-Condon-Prinzip 273, 275–277, 286–288,
Ethyl-Proprionat 316 303, 315, 321–323, 343, 344, 350
Europium (III)-Cryptat 434 – und Absorptionsspektrum 278, 279
Excimer 260, 290 Freiheitsgrade 196, 218, 219
Excimerlaser 290 – , innere 6
EXSY 385 – des Moleküls 322
Extinktionskoeffizient siehe Absorptionskoeffizi- – der Molekülschwingungen und Rotationen 321
ent, molarer dekadischer – der Rotation 196
Extremalprinzip 117 – der Translation 196
Sachverzeichnis 523

FRET 460 Hartree-Fock-Verfahren (Hartree-Fock-Näherung)


Fulgide 475 132, 138, 139, 149, 150, 345
Fulleren 12, 74, 308 – bei einer abgeschlossenen Schale 133
Fundamentalübergänge 362 Haupt-Polarisierbarkeiten 243
Funktionseinheiten, molekulare 14, 427, 443 Hauptachse 219, 222
– , elektronische 491 Hauptquantenzahl 48, 71, 258
Hauptträgheitsachse 20
γ -Strahlung 153, 154 Hauptträgheitsmomente 237
g-Faktor Heisenbergbild 386, 387, 396
– des Elektrons 400 Heisenbergsche Bewegungsgleichung 396, 397
– des Kerns 368 Heitler-London-Methode (Heitler-London-
Gasentladung 51 Verfahren) 59–61, 69
Gasgesetz, ideales 19 Helium-Dimer 307
Gastheorie, kinetische 4 Helix 441
Hertzscher Oszillator 239
Gesamtdrehimpuls 220
Hochfeld-ODMR 422
Gesamtintensität eines elektronischen Überganges
Hochtemperatur-Näherung 32
300
Holographie, optische 498
Gesamt-Kernspin-Quantenzahl 247
HOMO 91, 468, 485
Gesamt-Spinquantenzahl 304, 399, 408
Hückel-Verfahren (Hückel-Methode) 84, 88, 91
Gesamt-Übergangswahrscheinlichkeit 327
Hund-Mulliken-Bloch-Methode (Hund-Mulliken-
Gesetz der konstanten und multiplen Proportionen
Bloch-Verfahren) 59, 69, 74, 85, 89
4
Hundsche Regel 257, 263, 269, 407
Gitter-Spektralphotometer 179
Hybrid-Orbitale 85
Gleichgewicht, thermisches 249
Hybridisierung 45, 71, 72, 293
Gleichgewichtsabstand 269, 273
– , digonale 73
Gleichgewichts-Magnetisierung 381
– , Ladungsschwerpunkte bei 79
Gleichrichter, molekularer 492
– , maximale Dichte bei 79
Gleitspiegelebene 99
– , trigonale 73
Gleitspiegelung 99, 100 Hydroxyl-Protonen 378
Globar 179 Hyperfein-Kopplungskonstante 401
Glycin 441 Hyperfein-Wechselwirkung 401, 417
Golay-Zelle 179 – isotroper Anteil, anisotroper Teil 405
Graphit 308 Hyperfeinaufspaltungsenergie 405
Grundschwingungskonstante 187 Hyperfeinstruktur 247, 401
Gruppe 100, 102, 103, 109–111 Hyperfeinterme 401
– , chromophore 291 Hyperpolarisierbarkeit 28
Gruppencharaktere 110–112
Gruppenspektrum 278
Identität 98, 99
Gruppentafel 117, 119
Identitätsoperation 98, 101, 105, 107, 110
Gruppentheorie 115, 123, 230, 234, 346, 350 Impuls und kinetische Energie von Molekülen
Guanin 442 19
Gunn-Oszillator 159 Impuls, kanonisch konjugierter 45
Impulsoperator 331, 347
Hamilton-Funktion 46 Infrarot-Laser 202
– der Kernschwingungen 233 Infrarot-Resonanz-Spektroskopie 443
Hamilton-Operator Infrarot-Schwingungs-Spektrum 179, 245
– der Dipolwechselwirkung 409 Infrarot-Spektrometer 198
– der Rotation, Eigenwerte und Eigenfunktionen Infrarot-Spektroskopie 4, 15, 239, 241, 289
des Operators 222 Interkombination 302–304
– der spontanen und induzierten Emission, Interkombinationsverbot 269, 304
der Absorption von Licht durch Moleküle Intersystem crossing 304
327–329 Inversion 99, 100, 112
– eines Elektrons in einem Kernfeld 211 Inversionsschwingung 203
– für das Mehrelektronenproblem 139 – des NH3 -Moleküls 203
– für Kernschwingungen 226–228 Inversionszentrum 92, 98, 101, 110, 241
– für Spins 414 Ionenbindung 1
Hämoglobin 441 Ionenkristall 400
Hartree-Fock-Gleichung 129, 132, 133, 136, 137 Ionenmoleküle 256
524 Sachverzeichnis

Ionenpolarisation 27, 29 Konfiguration


Isomerisierung 295 – , alltrans- 295
Isosbestischer Punkt 501 – , cis- 295
Isotope 170 – , tetragonale 72
– , Rotationslinie 169 Konfigurationswechselwirkung 138
Isotopenmasse 169 Konvergenzstelle des Grenzkontinuums 288
Isotopie-Effekt 168 Koopman’s Theorem 138
Korrelations-Diagramm 261
J-Kopplung 384, 386–388 Korrelationseffekte 149
Jablonski-Diagramm 301 Korrelationsenergie 138
Jordansche Regel 46, 220 Korrelationsspektroskopie 313
Kovolumen 9
Kantenschema 277, 279 Kraft-Mikroskop 13
Kasha-Regel 302 Kraftkonstante 195
Kastenpotential 74 Kramers-Kronig-Relation 34
Katalyse 307 Kreisel
Kern-Boson 247 – , asymmetrischer 209, 222
Kern-Fermion 247 – , gestreckter linearer 174
Kern-g-Faktor 368 – , symmetrischer 221
Kernkoordinaten 218 – , unsymmetrischer 237
Kernladungszahl 47 Kreisel-Molekül, lineares 160
Kernquadrupol-Moment 382 Kreuzrelaxation 390–392
Kernresonanz siehe Kernspin-Resonanz Kronecker-Symbol 361, 362
Kern-Resonanz-Spektrometer 370 Kronenether 2, 433
Kernresonanzspektroskopie siehe Kernspin- Kugelkreisel, Trägheitsmomente 174
Resonanz-Spektroskopie
Kernschwingungen 237 Ladungstrennung, lichtinduziert 485
Kernspin 247, 249, 383 Ladungsübertragungs-Übergänge siehe auch
Kernspin-Kernspin-Kopplung Charge-Transfer-Übergänge296
– , direkte 374 Lagrange-Parameter 134
– , indirekte, zwischen 2 Kernen 374 Laguerresche Polynome 49
Kernspinquantenzahl 368 Lambert-Beersches Gesetz 299, 301, 340
Kernspin-Relaxation 418 Landé-g J -Faktor 368
Kernspin-Resonanz 325, 367–369, 382, 394 Langevin-Funktion 31, 42
– von Protonen 370 Langmuir-Blodgett-Schicht 14, 445
Kernspin-Resonanz-Frequenz 371 Laplace-Operator 46, 60, 210, 216
– von Ethylalkohol 370 – der Kernkoordinate 216
Kernspin-Resonanz-Spektroskopie 379, 382, 383, Larmor-Präzessionsfrequenz 369
443 Larmorfrequenz 400
Kernspin-Resonanzspektroskopie, zwei- – des Kerns 374
dimensionale 382–384 Laser 179, 202
Kernspin-Tomographie 394 – , CO2 - 202
Kerr-Effekt, elektrooptischer 27, 36 – , Excimer 290
Klasse 109–111 – , Infrarot siehe Infrarot-Laser
Kleinheitsparameter 352 – , N2 - 290
Kleinwinkel-Streuung von Röntgenstrahlen und Laser-Resonator 309
Neutronen 18 Laser-Spektroskopie 447
Klystron 159 Lebensdauer 464
Kochsalz-Molekül 51 Lebensdauer eines angeregten Zustands 313, 335,
Koeffizientendeterminante 225 378, 379, 498
Kohärenz von Spins 396 – , optische 335
Kohlenstoff-Atom 71–73 Leiter, molekulare 479
Kohlenstoff-Kohlenstoff-Brücke 74 Leitfähigkeit
Kohlenstoffoxysulfid 169 – des DCNQI-Moleküls 479
Kohlenstoff-Wellenfunktion 73 – , elektrische 431
Kohn-Sham Gleichungen 146–148 – , optisch induzierte transiente elektrische
Kolloide 307 (OITEL) 482
Kombinationsschwingung 200 Lenzsche Regel 370
Kommutativität 118 Leuchtdioden 498
Sachverzeichnis 525

Leuchtelektron 269 Mikrowellen-Spektroskopie 4, 159, 289


Lichtabsorption von Molekülen 325 Mittelwert
Lichtfeldoperatoren 331 – für Drehimpuls 76
Lichtquantenenergie 329 – für Impuls, H-Atom 75
Lichtquelle, thermische 325 – für Ort, H-Atom 75
Ligand 434 Mixing Koeffizienten 392
Linearkombination von atomaren Wellenfunktionen Mol-Refraktion 30
(LCAO) 69, 72, 84, 87, 94, 117, 140, 148, 344 Molekül
Linie, inhomogen verbreitert 461 – , diamagnetisches 39
Linienbreite 336, 379 – im Magnetfeld 36
– , inhomogene 379 – , mehratomiges 171, 217, 232
– , natürliche 460, 464 – – , Hauptträgheitsmomente 171
Lochbrennen 496, 497 – , oligomeres 430
– , photochemisches oder photophysikalisches – , polares 27
496 – , unpolares 27
– , spektrales 462 – , 2-atomiges 209, 212, 218, 237
Lorentz-Lorenz-Gleichung 30 – , 3-atomiges 217, 232
Lösungsmittel-Verschiebung 497 Molekulare Elektronik 473, 475
Lumineszenz 434 Molekularer Computer 498
LUMO 91, 468, 485 Molekulargewicht 14
Lyddane-Sachs-Teller-Relation 44 Moleküle als Energieleiter 486
Molekülgröße 9, 11, 15
Magnetische Resonanz, optischer Nachweis Molekülorbital (MO) 69, 123, 148, 256, 257, 269
418–420 – , bindendes 261
– , ADMR 421 – , Energieschema für das H2 -Molekül 260
– , Doppelresonanz 421 – , für N2 , O2 261
– , FDMR 421 Molekülradien 9
– , ODMR 418–420 Molekülschwingungen 116
Magnetische Waage 37 Molekulare Elektronik 474
Makromolekül 2 Molekularer Draht siehe Draht
– , biologisches 16, 18 Molrefraktion 30
Makrozyklus des Porphyrin-Ringes 437 Moment, magnetisches 25, 37, 368, 369
Masse, reduzierte 182 – , - der Elektronenhülle 39
Massenspektroskopie 4, 17 Momente, magnetische, von Atomkernen 374
Matrixelement 54, 330 Monomere 429
– , optisches 346, 347 Monomolekulare Schicht 14
Maxwell-Beziehung 34 Morse-Potential 184, 191, 193
Maxwellsche Verteilungsfunktion 10 Multiplizität 264, 269
McConnell-Beziehung 406 Multipole, magnetische 340
Mehrelektronenproblem 129, 136, 139, 140, 149 Multipolstrahlung 340
Mehrfach-Resonanzverfahren 380 Myoglobin 440
Mehrkörperproblem 210
Mehrquantenabsorption 286 Nabla-Operator 46, 60
Mehrteilchen-Schrödingergleichung, Lösung 78 Näherung, harmonische 180
Mehrzentrenintegrale 141 Nahfeld-Mikroskopie 458
Membran Nahinfrarot 153
– , biologische 14 Nahordnung der Moleküle 11
– , molekulare 443 Nanoporen 308
Methan 71 Nanoröhrchen 494
Mikropore 19 Naphthalin 295, 413
Mikroskopie, konfokale 458 Naphthalin-Molekül 304
Mikrowellen 153 Naphthalin-Radikal-Anion 403
Mikrowellenabsorption 171 Naphthalin-Triplett-Zustand 413, 416, 417
Mikrowellen-Diode 159 Nernst-Stift 179
Mikrowellengeneratoren 159 Neutronenbeugung 12, 15
Mikrowellen-induzierte Absorption 422 Neutroneninterferenz 12
Mikrowellen-Maser 203, 204 NMR (nuclear magnetic resonance) 369
Mikrowellenofen 175 NOESY 385, 390–392
Mikrowellen-Spektrometer 159 Normalkoordinate 232, 236, 237
526 Sachverzeichnis

Normalschwingung 196, 273, 361 – , ungerade 93


– , symmetrische, des Wasser-Moleküls 197 Paritätsauswahlregeln 281
Normierungsintegral 63, 66 Pascalsches Dreieck 378, 403
Nukleinsäure 440, 441 Paschen-Back-Effekt 264, 270
– , speziell DNS, Desoxyribonucleinsäure 441 Pauli-Prinzip (Pauli-Verbot) 60, 62, 91, 138, 247,
Nullfeld-Aufspaltung eines Triplett-Zustandes 257, 266, 268, 375
409 Peierls-Übergang 480
Nullfeldfunktionen 414, 415 – , inverser 482
Nullfeld-Resonanzübergänge 419 Pentacen 293, 464
Nullfeld-Zustände 415 Periodisches System der Elemente 1
Nullinie einer Bande auch Bandenursprung 284 Permanganat-Gruppe 296
Nullpunktsenergie 182, 186, 187 Permeabilität 25, 33, 36, 40
– der Schwingungen 182, 232 Permeabilitätskonstante 30
Permutation 503, 504
Oberton-Bande 201 Phaeophytin-Monomer 446
ODMR (Optischer Nachweis der magnetischen Phenyl-Gruppe 295
Resonanz) auch ADMR 418–420, 467 Phosphoreszenz 303, 304, 421
– am Anthracen-Molekül 420 Phosphoreszenz-Mikrowellen-Doppelresonanz
– , Meßanordnung 419 422
OLED 499 Photo-Rezeptor 437
Oligothiophen 494 Photochromie 475, 500, 501
Opsin 438 Photodioden 179
Optik, nichtlineare 321, 351 Photodissoziation 286, 312
Optische Spektroskopie einzelner Moleküle 457 Photoelektronen 314
Orbital Photoelektronen-Spektroskopie 154, 299,
– , antibindend 260, 263 313–315
– , nicht-lokalisiertes 293 Photoelektronen-Spektroskopie, hochauflösende
– , π- 263, 479 316
– , σ- 85, 261 – ,-ZEKE-PES 299, 316, 318
Orbitalwellenfunktion 259 Photoelektronen-Spektrum 315
Ordnung der Gruppe 109, 116 Photographie 307
Organische Metalle 479 Photoleitungs-Detektoren 179
Orientierungsenergie der Dipole 31 Photonen 141
Orientierungspolarisation 30–32, 40 Photonenemission und -absorption 356
Ortho-H2 247–249 Photonenstreuung, unelastische 244
Orthogonalitätsrelation 115, 230, 231 Photonenzustand 332
Osmose durch Membranen 19 Photoreaktionen in der Biologie 437
Oszillationsenergie 215 Photosynthese 295, 445
Oszillator – , bakterielle 2
– , anharmonischer 183–185, 188, 192 – , pflanzliche 6
– , gedämpfter harmonischer, Schwingungsglei- Photovoltaik 498
chung 33 Phytochrom-Molekül 439
– , harmonischer 141, 181, 185–187, 194, 235, Phytolschwanz 437
329, 332, 361 π-Bindung siehe Bindung
– , klassischer 182 π-Orbital siehe Orbital
– , rotierender 190 π-Puls 383
Oszillator-Hamilton-Operator 238 π/2-Pulse, nicht selektiv 391
Oszillatorenstärke 300, 301, 340, 350 Pigment-Moleküle 438
Oszillatorfrequenz, klassische 182 Pigment-Protein-Komplex 446
Oszillatorwellenfunktion 361, 362 Plancksche Formel 335
Overhauser-Effekt, nuklearer 390–392 Plasma-Resonanz 307
Ozon 298 Polarisation 2, 28
– , elektrische 26
Para-H2 248, 249 – , magnetische 37
Paraffine 16, 434 Polarisationsrichtung 141, 327, 332
Paramagnetische Stoffe 37 – emittierter Photonen (der ausgestrahlten
Paramagnetismus 31, 41, 263, 399 Lichtquanten) 334, 335
Parität 92, 164, 235, 246, 248–250, 265, 365 Polarisationstensor 28
– , gerade 93 Polarisationsterme, nichtlineare 28
Sachverzeichnis 527

Polarisierbarkeit 25, 27 Rabi-Oszillationen 466


– , anisotrope 35, 36 Radialanteil der Wellenfunktion beim Wasserstoff-
– , magnetische 38 problem 213
– , eines Moleküls 29, 240 Radikal-Anionen-Salz 479
– , statische 30 Radiofrequenzen 153
Polarisierbarkeits-Tensor 243, 360 Raman-Effekt 239, 241–243, 351, 354, 356,
Polarisierbarkeits-Volumen 27, 28 361–363
Polarkoordinaten, sphärische 338 Raman-Spektroskopie 155, 241, 246
Polyacene 293, 294 Raman-Spektrum 239–241, 246, 247
Polyacetylen 2, 428–430 Raman-Streuung 321
Polydiacetylen 428, 429 – , resonante 363
Polyene 294, 295, 298, 475, 476, 478 Raman-Verschiebung 240, 242
– , lineare 295, 486 Raster-Elektronenmikroskop 452
– π-Elektronensystem 94 Raster-Kraft-Mikroskop (AFM) 13, 455, 456
Polyethylen 427, 428 Raster-Tunnel-Mikroskop (RTM, STM) 5, 12, 13,
Polymere 2 453
– , leitfähige 431 Raumwinkel 334–336, 343, 358
Polymerisation 430 Rayleigh-Linie 240
Polymerisierungsreaktion 428 Rayleigh-Streuung 36, 240
Polyparaphenylen 499 – , elastische 239
Polypeptide 441 Reaktion, enzymatisch gesteuerte 432
Polypeptidkette, Sekundär- und Tertiärstruktur Reduktion (einer Darstellung) 107, 114
441 Reihenspektrum 278
Polypyridin, makrobizyklisches 434 Relativkoordinate 212, 216, 218
Polystyrol 427 Relaxation, transversale 381
Potentialtopf 75 Relaxationsprozeß 34
Prädissoziation 286, 289 Relaxationsverhalten der Protonenspins in
Präzessionsbewegung von Spins 387–389 DCNQI-Molekülen 479
Präzessionsfrequenz 385 Relaxationszeit 381
Prinzip, topochemisches 431 Reorganisationsenergie 138
Produkt, direktes 346, 349 Replikation und Transkription des genetischen
Projektionsoperator 120, 122, 127, 128 Codes 432
Prolatelliptische Koordinaten 77, 78 Resonanz des Wasserstoff-Kerns (Protonen-
Proteine, Polymere aus Aminosäuren 440 Resonanz) 367
Proteinkomplex 2, 432 – , in vivo- 394
Protonen-Resonanzspektrum 370–372 – , kovalent-ionische 59, 68
Prozeß, strahlungsloser 302 Resonanz-Raman-Effekt 247
Resonanz-Raman-Streuung, Zeitaufgelöste 363
Puls/Abfrage Technik 311
Resonanz-Spektroskopie, magnetisch siehe
Punktgruppe 100, 101, 103, 112
auch Elektronenspin-Resonanz, Kernresonanz,
Punktsymmetrieoperation 98, 99
Magnetische Resonanz, optischer Nachweis4
Pyren 290
Reststrahlen 44
Pyridin-Molekül 175
Retinal 295, 438, 478
Rezeptor 432
Quadrupol-Feld, elektrisches 204 Rezeptor-Substrat-Einheit 443
Quadrupolmoment 25 Rhodopsin 295, 438
– , elektrisches 382 Ribonucleinsäure (RNS) 441
Quadrupolseparator 204 Ringsystem, aromatisches 39
Quantendraht 94 Röntgenbeugung 16
Quantenzahl 47, 140, 142 Röntgen-Strahlung 154
– des End- bzw. Anfangszustandes von Molekül Roothaans Wellenfunktion 150
und Lichtfeld 333 Rotating wave approximation 397
– , magnetische 48, 163, 258, 368 Rotationsbewegung 232, 237
– der Rotation 155, 165, 190, 199, 215, 284 – bei mehratomigen Molekülen 237
– , vibronische 361 Rotationsfreiheitsgrad 20
Quantisierung, 2. 141–143 Rotationsfrequenzen 239
Quantisierungsvorschriften 209 Rotationsfunktion 248
Quasikontinuum 325 Rotationsgruppe 101, 103
Quecksilber-Hochdrucklampe 179 – , reine 104
528 Sachverzeichnis

Rotationskonstante 163, 164, 191, 193, 195, 199, – , harmonische 196, 226
282, 285, 309 – , innere 232
Rotationslinien 164, 246 Schwingungsbanden 281
Rotationsquanten 163, 243, 244, 321 – symmetrischer Kreisel-Moleküle 199
Rotationsquantenzahl 165, 190, 199, 215, 284 Schwingungsenergie 156
Rotations-Ramaneffekt 243–245 Schwingungs-Freiheitsgrad 20
Rotations-Ramanspektrum von O2 245 Schwingungsfreiheitsgrade eines Moleküls 361
Rotationsschwingung 191–193 Schwingungsfrequenz 182, 239
Rotations-Schwingungs-Anregung 286 – des anharmonischen Oszillators 186
Rotations-Schwingungs-Bande 156, 201 – des harmonischen Oszillators 184–186
Rotations-Schwingungsspektrum 154–156, 181, Schwingungskonstante 182
190, 192, 194, 195, 198, 202, 245, 247, 283 Schwingungsniveau 285
Rotations-Schwingungsübergänge 183 Schwingungsquanten 246, 279, 280, 345
Rotations-Schwingungszustand 289 Schwingungsquantenzahl 182, 190, 274, 275, 345,
Rotationsspektrum 155–157, 181, 191, 209, 239, 359, 361
244, 247, 255, 285 Schwingungs-Raman-Effekt 240, 241
– , Anwendungen 175 – , Auswahlregel 240
Rotationsstruktur 280, 283, 294 Schwingungs-Raman-Spektrum 240, 245
– , P-Zweig 282–284 – von Sauerstoff 245
– , Q-Zweig 282–284 Schwingungs-Ramanübergänge 362
– , R-Zweig 282–284 Schwingungsspektren 179, 181, 189, 209, 240
– der Banden 190 Schwingungsspektroskopie 179, 201
– der Bandenspektren 282 Schwingungs-Temperatur 307
– von elektronischen Bandenspektren 280 Schwingungsterm 182
Rotationstemperatur 307 Schwingungsübergänge 274
Rotator Schwingungszustände 273
– , nicht-starrer 166 Sedimentation 19
– , nicht-starrer, Trägheitsmoment 166 Self-assembly 470
– , starrer 160, 191 Self-consistent-field-Orbital 138
– , starrer, Trägheitsmoment 161 Separationsansatz 212, 213
Russell-Saunders-Kopplung 264, 401 σ-Bindung siehe Bindung
Rydbergzustände 318 σ-Orbital siehe Orbital
Signal-Rausch-Verhältnis 159
Säkulardeterminante 125, 225, 416 Singulett-Singulett-Übergänge 304
Säkulargleichung 125 Singulett-Triplett-Übergänge 304
SCF-Methode (self-consistent-field-Methode) Singulett- und Triplett-System 266, 269, 302
132, 135, 138 Singulett-Zustand 266
– für offene Schalen, eingeschränkte 136 – von Sauerstoff 438
– für offene Schalen, unbeschränkte 135 Slater-Determinante 92, 129–131
Schalter 484 – für Ortswellenfunktionen 346
– , molekularer 473 Slater-Erwartungswerte 149, 150
Schalter, molekularer 474, 475 Soliton 431
Schmidtsches Orthogonalisierungsverfahren 134 Speicher, molekularer 474, 496, 498
Schönflies, Symbolik von 101 Spiegelebene 97–99, 101, 104, 114
Schraubenachse 98 Spiegel-Symmetrie 236
Schraubung 98, 99 Spiegelung 97–99, 111, 112
Schrödingerbild 386, 396 Spin 60, 69, 130
Schrödinger-Gleichung – , ungepaarter 407, 408
– des harmonischen Oszillators 214 Spin-Bahn-Kopplung 264, 269, 281, 302, 304
– des symmetrischen Kreiselmoleküls 172 Spin-Bahn-Wechselwirkung 62
– des unsymmetrischen Kreiselmoleküls 172 Spin-Bahn-Wechselwirkungsenergie 264
– der zeitabhängigen Störungstheorie 322 Spindichte 406
– , zeitunabhängige, für den starren Rotator 162 Spindiffusion 377, 390–392
Schumann-Runge-Bande 297 Spin-Entkopplung 380
Schurs Lemma 126 Spinfunktion 61, 62, 69, 131, 133
Schwefelisotope 170 Spin-Gitter-Relaxation 381, 400
Schwerpunktkoordinate 212 Spinmatrizen 137
Schwingungen Spin-Polarisation 382, 407
– drei- und mehratomiger Moleküle 226 Spinquantenzahl 258, 263, 400, 406
Sachverzeichnis 529

– , magnetische 259 – des Ethylens 93


Spin-Spin-Kopplung 374, 382 – des H2 -Moleküls 267
– , anisotrope 380 – , Triplett-Terme von Naphthalin 416
– , indirekte magnetische 375 Tetracen 295, 436
Spin-Spin-Kopplungskonstante 375 Tetracyano-Benzol 296
Spin-Spin-Wechselwirkung (-Kopplung) 62 Tetramethylsilan, Si(CH3 )4 kurz TMS 373
– , anisotrope 380 Tetraphenyl-Porphyrin (TPP) 486, 488
– , direkte 374–376 Thiol 470
– , isotrope indirekte 379 Thiophenfulgid 475
Spinvariable 139 Thymin 442
Spin-Wellenfunktion 61, 78, 247, 409–411 Trägheitsellipsoid 20
Störungstheorie 330 Trägheitsmoment 215, 221, 222
Stark-Effekt 163, 170, 171, 174, 257 – der Molekülrotation 161
– periodischer 160 Trägheitstensor 219
Stickstoff-Molekül-Orbitale 261 Transistor 494
Stokes-Linien 239, 241, 242 Trans-Konformation des Butadien 101
Stokes-Verschiebung 354 Translations-, Rotations-, Schwingungsbewegung
Störoperator 322, 327, 329, 356, 364 und Quantisierung 232
– für die Kerne 331 – und 3-atomiges Molekül 237
Störungsglied 216 Translations-Freiheitsgrad 20
Störungsrechnung 350 Transmissions-Elektronen-Mikroskop 12
Störungstheorie 54, 58, 360, 416 Transmissions-Elektronenmikroskop 452
– , zeitabhängige 351 Transportphänomene 10
– mit Entartung 53, 71 Trans-Retinal 295
– , zeitabhängige 165, 352, 354 Tripelmonochromator 240
Stoßquerschnitt 15 Triplett-Wellenfunktion 136
Strahler Triplett-Zustand 40, 136, 264, 304, 399–401, 409
– thermischer 179 – , von Sauerstoff 438
Streckschwingung 196 Tunneleffekt 12
– , asymmetrische 197 Tunneln, kohärentes resonantes 468
– Biegeschwingung 197 Tunnelstrom 12
– , CO2 -Molekül 197
– , Rotations-Schwingungsbanden 197
– , symmetrische 197 Übergang, strahlungsloser 289
Streuung von Licht, unelastische 239 – , virtueller 354
– , elastische 361 Übergänge, elektrische 293
Struktur, supermolekulare 3 – , elektronische 350
Stufenoperatoren für Spins 78 – , erlaubte 299
Supermolekül 427, 488 – , verbotene 299
Supraleitende Magnete 369 Übergangs
Supraleiter, organische 481 – dipolmoment 300, 301, 341
Supramolekulare Chemie 434 – element 322, 350
Suszeptibilität 26, 37, 38, 41, 422 – Matrixelement 274, 275, 300, 321, 322
– , diamagnetische 39, 296 – moment 341, 350
– , magnetische 25 Übergangswahrscheinlichkeit 249, 321, 324, 325,
Symmetrie-Operationen 333
– bei gleichseitigem Dreieck 125 – für induzierte Emission von Photonen 338
– bei kolinearen äquidistanten Punkte 125 – pro Sekunde 337, 340
– bei Quadrat 125 – pro Sekunde für die Absorption 339
– der Punktgruppe 348, 362 Überlappungsintegral 56, 63, 65, 77
Symmetrieauswahlregeln 362 – der Kernschwingungs-Funktion 276
Symmetrieelement 97–99, 101, 103 Übermolekül 427, 432, 433
Symmetriegruppe 234 Ultra-Kurzzeit-Spektroskopie 311, 313
Symmetrieoperation 81, 97–99 Ultrazentrifuge 19
Synchroton-Strahlung 314 Umklappvorgänge bei optischen Übergängen 304
Umwandlung, innere 302
Tautomerie 497 Umwelttechnik 7
Teflon 427 Unschärfe-Relation 381
Termschema UV-Photoelektronen-Spektroskopie 314
530 Sachverzeichnis

Vakuumzustand 142, 357 Wechselwirkungsoperator zwischen Lichtfeld und


Valenz-Elektronen 71, 88, 154, 314, 399 Elektron 329
Valenzschwingung 196 Wellenfunktion
Valin 441 – , antisymmetrische 56, 61, 62
Van der Waals-Kräfte 427 – , entartete 104
Van der Waals-Moleküle 256, 307 – beim Ethylen 92
Van der Waals-Zustandsgleichung 9, 15 – des Radialteils des H-Atoms 50
Variationsprinzip 58, 78, 89 – , symmetrische 56, 61
Vektorpotential 328 – , 2 pz -, des Kohlenstoffs 89, 93
Vereinigte-Kerne-Atom 259, 269 Wellenzahlvektor 141
Vererbung 432 Winkelanteil der Wellenfunktion beim Wasserstoff-
Vernichtungsoperatoren 141, 223 problem 213
– von Lichtquanten 328 Wirbelströme, molekulare 39
– für Schwingungsquanten 232 Wirkungsquerschnitt 300
– für die z-Komponente des Drehimpulses 222 – für die Lichtabsorption 300
Verschiebung – für Stöße 307
– , chemische 370–372, 382, 383, 388
– , dielektrische 25 Xenon-Hochdrucklampe 179
Verschiebungspolarisation 27–29 XPS 314
Vertauschungsrelation 141, 220
Vibrationsrelaxation 301
Viskosität 10 Zeeman-Effekt 270
ZEKE-Elektronen 318
Wahrscheinlichkeitsamplitude 324 ZEKE-PES 299, 316, 318
Wärme, spezifische 20, 21 Zentrifugal-Dehnungskonstante 167, 309
Wärmeleitung 10 Zirkulardichroismus 36
Wasserstoff-Atom 47, 48, 57, 58, 97, 119 Zustand
Wasserstoffbindung nach Hund-Mulliken-Bloch – , antibindender 51, 57
69 – , bindender 51, 57
Wasserstoffgrundzustand 54 – , lockernder 51, 57
Wasserstoff-Kohlenstoff-Brücke 74 – , vibronischer 354, 359
Wasserstoff-Molekül 45, 51, 58, 66, 92, 209, 248, 2D-Austausch-Spektroskopie 390–392
256, 260, 289 Zwei-Photonen-Absorption 309, 351, 363–365
Wasserstoff-Molekülion 45, 51, 57, 58, 69, 122, Zwei-Photonen-Emission 363
209, 256 Zwei-Photonen-Ionisation 310
– , Energie 77, 486–488 – , resonanzverstärkte 310
– , Wellenfunktion 76 Zwei-Photonen-Spektroskopie 310
Wasserstoff-Moleküls 67 – Doppler-freie 309
Energie-Umrechnungstabelle

J eV cm−1 K

1 Joule (J) =
1 6,24146 · 1018 5,03404 · 1022 7,24290 · 1022
1,60219 · 10−19 1
1 eVolt (eV) = 8,06548 · 103 1,16045 · 104
1 cm−1 1,98648 · 10−23 1,23985 · 10−4 1
= 1,43879
1K =
1,38066 · 10−23 8,61735 · 10−5 6,95030 · 10−1 1

Erläuterung

Die Energie E wird in Joule (J) oder Wattsekunden (W s) angegeben

1J = 1Ws.

In der Spektroskopie gibt man häufig die Termwerte in Wellenzahlen ν̄ = E/hc


an.

Der Umrechnungsfaktor ist


E J
= hc = 1,98648 · 10−23 .
ν̄ cm−1
Ein anderes Energiemaß, besonders bei Stoßversuchen, ist das Elektronenvolt
(eV). Man gibt dabei die Spannung U in Volt an und erhält aus E = eU den
Umrechnungsfaktor
E J
= e = 1,60219 · 10−19 .
U V
Bei thermischer Anregung mit der Wärmeenergie kT gibt man die absolute
Temperatur T (K) an. Aus E = kT erhält man den Umrechnungsfaktor
E J
= k = 1,38066 · 10−23 .
T K

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