Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
(Springer-Lehrbuch) Hermann Haken, Hans C. Wolf - Molekuelphysik Und Quantenchemie-Springer (2002)
(Springer-Lehrbuch) Hermann Haken, Hans C. Wolf - Molekuelphysik Und Quantenchemie-Springer (2002)
Vier Viren sind mit je einem fluoreszenzfähigen Farbstoffmolekül markiert. Dieses wirkt wie eine molekulare
Lampe und erlaubt es, mit Hilfe der Einzelmolekülspektroskopie den Weg der markierten Viren mit hoher
Ortsauflösung (40 nm) und hoher Zeitauflösung (10 ms) sichtbar zu machen. Spur 1: Ein Virus diffundiert
in der Pufferlösung außerhalb der Zelle. Spur 2: Ein Virus diffundiert entlang der Zellwand und sucht dort
vergeblich einen Rezeptor zum Eindringen in die Zelle. Spur 3: Ein Virus ist sofort beim Auftreffen auf
die Zellwand in die Zelle eingedrungen. Spur 4: Ein Virus war bei Aufnahmebeginn bereits in der Zelle,
diffundiert zum Zellkern und gelangt vermutlich durch den Kernporenkomplex in den Zellkern. Siehe auch
Abschn. 21.4.3. Mehr dazu bei C. Bräuchle et al.: Science 294, 1929 (2001). Mit freundlicher Genehmigung.
Hermann Haken Hans Christoph Wolf
Molekülphysik
und Quantenchemie
Einführung in die experimentellen
und theoretischen Grundlagen
123
Professor Dr. Dr. h.c. Hermann Haken
Universität Stuttgart
Institut für Theoretische Physik
Pfaffenwaldring 57
70550 Stuttgart
Deutschland
Wiederum wurde eine neue Auflage erforderlich. Wir haben dies genutzt, um den ge-
samten Text kritisch durchzuarbeiten. Außerdem haben wir neuen Entwicklungen Rech-
nung getragen. Die Untersuchung der spektroskopischen und elektrischen Eigenschaf-
ten einzelner Moleküle ist ein Gebiet, auf dem es weiterhin viele neue Ergebnisse gibt,
z. B. auch in Anwendungen auf Probleme der Biologie. Entsprechend haben wir hier
Neues aufgenommen (Kap. 21). Dasselbe gilt für das mit dem Oberbegriff Molekulare
Elektronik gekennzeichnete Forschungsgebiet zur Anwendung organischer Materialien
(Kap. 22). Des weiteren haben wir in mehreren Abschnitten die Grundzüge der Dichte-
Funktional Theorie dargestellt, da diese in der modernen Quantenchemie immer mehr
eine zentrale Rolle spielt. Hierzu trägt wesentlich ihre oft hervorragende Genauigkeit
und Ökonomie bei den Berechnungen bei.
Frau Petra Mayer danken wir für das sorgfältige Schreiben unserer Ergänzungen und
den Mitarbeitern des Springer-Verlags für die traditionell gute Zusammenarbeit.
Das weiterhin große Interesse von Professoren und Studenten an diesem Lehrbuch ist
Anlass für die vorliegende neue Auflage. Wir benutzen die Gelegenheit, um die aktu-
ellen neuen Entwicklungen aufzunehmen. Besondere Fortschritte wurden bei den spek-
troskopischen und elektrischen Untersuchungen einzelner Moleküle gemacht. Deshalb
wird diesem Gebiet ein neues Kapitel (Kap. 21) gewidmet. Auch auf dem Gebiet der
Molekular-Elektronik und anderer Anwendungen gibt es wichtige Fortschritte. Daher
musste das bisherige Kap. 21 als neues Kap. 22 stark überarbeitet und erweitert wer-
den.
Um den Umfang des Buches nicht weiter anwachsen zu lassen, haben wir die Lösun-
gen zu den Übungsaufgaben herausgenommen. Diese sind nun über www.springer.de/
phys-de/lehrbuch/435514_ls.html zugänglich.
Den Herren C.-D. Bachem und Dr. H. J. Kölsch danken wir für die jederzeit sehr
erfreuliche Zusammenarbeit.
Dank der überaus günstigen Aufnahme, die die 1. Auflage dieses Buches bei Dozen-
ten und Studenten fand, wurde bereits nach zwei Jahren eine Neuauflage erforderlich.
Wir haben diese Gelegenheit genutzt, um unser Lehrbuch weiterhin auf dem neuesten
Stand zu halten. Neben zahlreichen kleineren Verbesserungen haben wir die hochauflö-
sende Zweiphotonenspektroskopie sowie die Ultrakurzzeitspektroskopie mit aufgenom-
men. Als weiteres wichtiges, sehr modernes Gebiet findet die hochauflösende Photoelek-
tronenspektroskopie Berücksichtigung. Weiterhin stellen wir die optische Untersuchung
einzelner Moleküle in kondensierter Phase dar, wo es in der Tat gelungen ist, einzelne
Moleküle spektroskopisch zu untersuchen. Als weiteres neu aufgenommenes Gebiet sei
die Elektrolumineszenz genannt, wo es vielversprechende mögliche Anwendungen für
Leuchtdioden gibt.
Damit soll das Buch auch in Zukunft dem doppelten Zweck dienen, nämlich ei-
nerseits in die wohl etablierten Grundlagen des Gebietes einzuführen, andererseits aber
auch an die neuesten Forschungsergebnisse heranzuführen.
Kollegen und Studenten danken wir für eine Reihe wertvoller Verbesserungsvor-
schläge. Insbesondere möchten wir an dieser Stelle all den Kollegen danken, die uns
durch Bildvorlagen ihrer Forschungsergebnisse halfen, dieses Buch weiter zu verbes-
sern. Der Leser sei hier ausdrücklich auf die Quellenverweise, die sich bei den jeweili-
gen Abbildungen befinden, verwiesen. Es sei noch angemerkt, daß das vorliegende Lehr-
buch auf unser vorangegangenes Lehrbuch Atom- und Quantenphysik Bezug nimmt, das
in diesem vorliegenden Buch stets als I zitiert wird.
Das vorliegende Lehrbuch wendet sich an Studenten der Physik, der Physikalischen
Chemie und der Theoretischen Chemie. Dabei werden Grundkenntnisse der Atom-
und Quantenphysik vorausgesetzt, wie sie etwa in den ersten Kapiteln unseres Bu-
ches „Atom- und Quantenphysik“ vermittelt werden. Für den Physikstudenten wird
der Stoff vermittelt, der zum Grundwissen eines jeden Physikstudenten gehören sollte.
Der Student der Physik kann dabei auch ein Gefühl dafür bekommen, daß die Welt
der Moleküle groß und vielfältig und ein faszinierendes Zukunftsgebiet physikalischer
Forschung ist.
Für den Studenten der Chemie bedeuten die in diesem Buch vorgestellten Konzepte
das theoretische Grundgerüst für sein Fachgebiet. Mit diesem Konzept wird es wenig-
stens grundsätzlich möglich, den ungeheuren Erfahrungsschatz der Chemie auf wenige
Prinzipien, nämlich die der Quantentheorie, zurückzuführen. Weiterhin werden in der
Chemie moderne physikalische Methoden, deren Grundlagen in diesem Buch dargelegt
werden, immer wichtiger und stellen ein unverzichtbares Handwerkszeug dar. Als Bei-
spiele seien besonders die Strukturaufklärung komplizierter organischer Verbindungen,
die spektroskopische Untersuchung sehr schneller Reaktionsabläufe oder, aus der Pra-
xis, die Fernanalyse von Schadstoff-Immissionen genannt.
Das vorliegende Lehrbuch widmet sich zwei untrennbar miteinander verknüpften
Themenbereichen: der chemischen Bindung und den physikalischen Eigenschaften der
Moleküle. Beide Fragenkomplexe sind erst durch die Quantentheorie, die bereits bei der
Erklärung des Aufbaus von Atomen ihre Triumphe feiern konnte, grundsätzlich behan-
delbar geworden. Ist die Frage der chemischen Bindung vornehmlich mit dem Grundzu-
stand der Elektronen und dessen Energie in Abhängigkeit von den Kernabständen ver-
knüpft, so brauchen wir zur Erklärung der übrigen physikalischen Eigenschaften zumeist
auch die Anregungszustände. Diese können sich sowohl auf die Elektronen- als auch auf
die Kernbewegung beziehen.
Zu deren Untersuchung dienen theoretisch die Methoden der Quantentheorie, experi-
mentell vornehmlich die der Spektroskopie, wobei elektromagnetische Wellen in einem
großen Frequenzbereich als Sonden dienen. So wird es möglich, Aufschluß über den
Aufbau eines Moleküls, seine Elektronen-Wellenfunktionen und seine Rotationen und
Schwingungen zu erhalten. Hierzu gehört auch die theoretische und experimentelle Be-
stimmung der Bindungsenergie und der Energien angeregter Zustände. Bei der theoreti-
schen Behandlung begegnen wir sowohl aus der Atomphysik bekannten als auch neuen
Konzepten. Dazu zählen die Hartree-Fock-Näherung, die Born-Oppenheimer-Näherung,
sowie die Ausnutzung von Symmetrie-Eigenschaften in der Gruppentheorie. Diese Ideen
bilden dann auch die Grundlage der Quantentheorie des Festkörpers, die sich so nahtlos
an die Molekülphysik anschließen läßt.
Trotz der zentralen Bedeutung, die die Molekülphysik und Quantenchemie in dieser
Kombination haben, gab es bisher kein Lehrbuch mit der hier gebotenen Zielsetzung.
XII Vorwort zur ersten Auflage
Dies und die äußerst positive Aufnahme, die unsere Einführung Atom- und Quantenphy-
sik bei Studenten, Professoren und Rezensenten gefunden hat, haben uns bewogen, das
vorliegende Lehrbuch zu schreiben. Dabei konnten wir uns auf Vorlesungen, die wir seit
Jahren an der Universität Stuttgart halten, stützen. Wir haben uns auch diesmal bemüht,
den Stoff in einfach verständlicher Form und systematisch darzulegen, die Fragen so-
wohl vom experimentellen als auch vom theoretischen Standpunkt aus anzugehen und
die enge Verzahnung zwischen Theorie und Experiment aufzuzeigen.
Jeder, der sich mit Molekülphysik und Quantenchemie befaßt hat, weiß, daß es sich
hier um schier unermeßliche Gebiete handelt. Eine wichtige, ja zentrale Aufgabe bestand
daher für uns in der Auswahl des Stoffes. Dabei haben wir versucht, das Grundlegende
und Typische herauszuarbeiten. Wir hoffen, daß es gelungen ist, dem Studenten einen
Überblick über dieses so wichtige und reizvolle Gebiet zu vermitteln, der es ihm auch
ermöglicht, tiefer in dieses Gebiet anhand der Fachliteratur einzudringen. Für denjeni-
gen, der die große Vielfalt der Forschungsfelder näher kennenlernen will, werden Hin-
weise auf weiterführende Literatur am Ende des Buches gegeben. Hier findet der Le-
ser auch Literatur über das Gebiet der Reaktionsdynamik, das sich in einer stürmischen
Entwicklung befindet, wegen der inneren Geschlossenheit des Buches jedoch hier noch
unberücksichtigt blieb. Darüber hinaus vermitteln wir einige Ausblicke auf ganz neue
Entwicklungen, etwa die Erforschung der Photosynthese, die Physik supramolekularer
Funktionseinheiten und die molekulare Mikroelektronik.
Die Zeichnungen wurden von Frau Christa Müller angefertigt. Die umfangreichen
Schreibarbeiten führten Frau Sylvia Fuchs und Frau Irmgard Möller aus. Ihnen sei
für ihre wertvolle Hilfe herzlich gedankt. Dem Springer-Verlag, insbesondere Herrn
Dr. Helmut K. V. Lotsch und Frau Ilona Kaiser, danken wir für die stets ausgezeichnete
Zusammenarbeit.
1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.1 Was ist ein Molekül? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.2 Ziele und Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.3 Historische Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.4 Bedeutung von Molekülphysik und Quantenchemie
für andere Disziplinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
9. Rotationsspektren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
9.1 Mikrowellen-Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
9.2 Zweiatomige Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
9.2.1 Das Spektrum des starren Rotators (Hantel-Modell) . . . . . . . . . . 160
9.2.2 Intensitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
9.2.3 Der nicht-starre Rotator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166
9.3 Isotopie-Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
9.4 Stark-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
9.5 Mehratomige Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
9.6 Einige Anwendungen der Rotationsspektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503
A1 Die Berechnung von Erwartungswerten für Wellenfunktionen,
die durch Determinanten dargestellt sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503
A1.1 Berechnung von Determinanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503
A1.2 Berechnung von Erwartungswerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504
A2 Berechnung der Dichte von Lichtwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519
Liste der wichtigsten verwendeten Symbole
a Hyperfein-Kopplungskonstante (ESR)
Einstein-Koeffizient
ak+ , ak Erzeugungs- und Vernichtungsoperator für Fermi-Teilchen
(7.50) f.
A Eindimensionale irreduzible Darstellung
A Vektorpotential
b Einstein-Koeffizient
b+
k , bk Erzeugungs- und Vernichtungsoperator für Bose-Teilchen (7.47) f.
B Magnetische Feldstärke
Magnetische Flußdichte
B Rotationskonstante (9.13)
Eindimensionale irreduzible Darstellung
Bk+ , Bk Erzeugungs- und Vernichtungsoperator für Schwingungsquanten
(11.131) ff.
c Lichtgeschwindigkeit
c, C Konzentration
ci Entwicklungskoeffizient
C, Cϕ , Cn (Drehung um 2π/n) Drehoperatoren
C̄n Schraubungsoperator
d Elektronenzustand im Atom
D Determinante
Feinstrukturkonstante (19.35)
Dehnungskonstante (9.25)
D, De , D0 Dissoziationsenergie
e Elementarladung
e Einheitsvektor
E Feinstrukturkonstante (ESR)
Energie
Identitätsoperator
E Elektrische Feldstärke
Ē Erwartungswert der Energie
E el Elektronische Energie
E kin , E pot Kinetische bzw. potentielle Energie
E rot Rotationsenergie
E vib , E V Schwingungs-Energie
∆E Energiedifferenz
f Oszillatorenstärke
Zahl der Freiheitsgrade
Elektronenzustand im Atom
XX Liste der wichtigsten verwendeten Symbole
F Schwingungsterm
Fl,m Kugelflächenfunktion
g g-Faktor (magnetisch)
G Rotationsterm
h Ordnung einer Gruppe
h = h/2n Plancksche Konstante (h = Plancksches Wirkungsquantum)
H Hamilton-Funktion, Hamilton-Operator
Hk,k Matrixelement des Hamilton-Operators (7.16)
i Imaginäre Einheit
i Inversionsoperator
I Intensität
I Kernspin
J Rotations-Quantenzahl
Spin-Spin-Kopplungskonstante (NMR)
k Boltzmann-Konstante
Federkonstante, Kraftkonstante
Komponente eines Wellenvektors, ganze Zahl
k Wellenvektor
l mittlere freie Weglänge
Drehimpulsquantenzahl
L Drehimpuls
Drehimpulsoperator
L l+m Laguerresches Polynom (4.33)
L± Erzeugungs- bzw. Vernichtungsoperator für die z-Komponente des
Drehimpulses
m Masse, magnetische Quantenzahl
m magnet. Moment
m0 Ruhemasse des Elektrons
mr reduzierte Masse
M magnetische Quantenzahl
Molekulargewicht
n Brechungsindex
Hauptquantenzahl
ni Anzahl, mit der eine i-te irreduzible Darstellung in einer reduziblen
Darstellung auftritt (6.47)
nλ Anzahl von Quanten im Zustand λ
N Anzahl je Volumeneinheit
N Drehimpuls der Molekül-Rotation
NA Avogadro-Zahl
p Druck
Elektronenzustand im Atom
Impuls, Impulsoperator
p elektr. Dipolmoment
Impuls, Impulsoperator
pµκ Impuls-Matrixelement (16.113)
p̄ Erwartungswert des Impulses
P Impuls, Projektionsoperator (6.58)
P Impulsoperator
Liste der wichtigsten verwendeten Symbole XXI
Pl0 Kugelfunktion
Plm (m = 0) zugeordnete Kugelfunktion
Q Klasse einer Gruppe
r Abstand, bes. von Elektronen
r Abstandsvektor
R Abstand von Kernen
Gaskonstante
allgemeine Gruppenoperation
R̂ reduzible Darstellungsmatrix
Re Gleichgewichtsabstand
S Überlappungsintegral (4.43)
Spin-Quantenzahl
S Resultierender Spin (13.8)
Spinoperator
Sm Drehspiegelungsoperator
Sm ( j) (m = ±1/2) Spinfunktion
S+ Erhöhungsoperator für die z-Komponente des Gesamtspins (7.34)
T Temperatur
elektronischer Term
T1 , T2 Relaxationszeiten
v Geschwindigkeit
Schwingungs-Quantenzahl
V Potential
Potentielle Energie
Volumen
wµκ Übergangswahrscheinlichkeit pro Sekunde
W Energie
Gesamtübergangswahrscheinlichkeit
xe Anharmonizitätskonstante
x̄ Erwartungswert des Ortes (4.16)
Z Kernladungszahl, Zahl der Anfangszustände
α Absorptionskoeffizient
Polarisierbarkeit
Funktion von Trägheitsmomenten (11.72)
Spinfunktion
Winkel
β Hyperpolarisierbarkeit
Magnetische Polarisierbarkeit (3.36)
Optische Polarisierbarkeit (3.14)
Korrektur für Dehnungskonstante (10.24)
Funktion von Trägheitsmomenten (11.72)
zeitbezogene Entwicklungsfunktion
Spinfunktion
γ Gyromagnetisches Verhältnis
Γ Darstellung einer Gruppe
Linienbreite
δ chemische Verschiebung (NMR)
δ(x) Diracsche Deltafunktion
XXII Liste der wichtigsten verwendeten Symbole
δij Kronecker-Symbol
∆ Laplace-Operator, Differenzsymbol
ε Dielektrizitätszahl
Extinktionskoeffizient
Kleinheitsparameter
η Quantenausbeute
ϑ Sphärische Polarkoordinate
Θ Trägheitstensor, Trägheitsmoment (11.52)
Θµκ Übergangsdipolmoment (16.120) f.
λ Quantenzahl für Bahndrehimpuls (13.2)
Eigenwert einer Determinante; Index, der individuelle ebene Wellen mit
dem Wellenvektor kλ unterscheidet
Λ Gesamt-Bahndrehimpuls (13.4)
µ Übergangs-Matrixelement (15.6)
magnetisches Moment
Permeabilitätskonstante
ξi Auslenkung aus der Ruhelage
π (-Orbital) Molekülorbital (Linearkombination, insbesondere aus
pz -Funktionen)
(E) Energiedichte
Dichte
Spindichte (ESR)
σ Spiegelungsoperator, Spinmatrizen
Diamagnetische Abschirmung (NMR)
σ̄
Gleitspiegelungsoperator
Summenzeichen
Σ Molekül-Termsymbol (13.7)
ϕ Wellenfunktion, sphärische Polarkoordinate
Φ Wellenfunktion
χ Wellenfunktion (insbesondere Oszillatorwellenfunktion)
χ(R), χ1 (R) Charakter von R in einer reduziblen bzw. irreduziblen Darstellung
ψ Wellenfunktion
ψ Wellenfunktion von mehreren Elektronen
ω Kreisfrequenz 2πv
Ω Elektronischer Gesamtdrehimpuls
Ω Raumwinkel
∇ Nabla-Operator
1. Einleitung
Wenn sich zwei oder mehr Atome miteinander zu einer neuen Einheit verbinden, so
nennt man das entstehende Teilchen ein Molekül. Der Name ist aus dem lateinischen
Wort molecula, kleine Masse, abgeleitet. Ein Molekül ist die kleinste Einheit einer che-
mischen Verbindung, die noch deren Eigenschaften aufweist, ebenso wie wir das Atom
als die kleinste Einheit eines chemischen Elementes kennengelernt haben. Ein Molekül
läßt sich durch chemische Methoden in seine Bestandteile, in Atome, zerlegen. Die Viel-
gestaltigkeit unserer stofflichen Welt beruht auf der ungeheuren Vielfalt von Kombina-
tionsmöglichkeiten beim Zusammenbau von Molekülen aus den relativ wenigen Atom-
sorten des Periodischen Systems der Elemente.
Die einfachsten Moleküle sind zweiatomig und homonuklear, also aus zwei gleichen
Atomen aufgebaut, wie H2 , N2 , O2 . Hier hat man sich, wie in Abb. 1.1 (oben) ange-
deutet, die Elektronenverteilung so vorzustellen, daß es Elektronen gibt, die zu beiden
Atomen gehören und so die chemische Bindung herstellen. Die nächst einfache Gruppe
ist diejenige der aus zwei verschiedenen Atomen bestehenden, sogenannten heteronu-
klearen Moleküle, wie LiF, HCl, CuO, siehe Abb. 1.1 (unten). Bei diesen Molekülen
wird außer einer Bindung durch gemeinsame Elektronen – der sogenannten homöopo-
laren oder kovalenten Bindung – auch ein anderer Bindungstyp wichtig: die heteropolare
oder Ionenbindung.
Einige Grundbegriffe der Molekülphysik wollen wir bereits hier am Beispiel des
NaCl-Moleküls (im Gaszustand) erläutern. In Abb. 1.2 ist die potentielle Energie des
Systems Natrium und Chlor als Funktion des Abstandes der Atomkerne aufgetragen. Bei
großen Abständen ist die Wechselwirkung zwischen einem neutralen Na- und einem Cl-
Atom sehr klein, die potentielle Energie der Wechselwirkung also praktisch gleich Null.
Nur über eine schwache gegenseitige Polarisation der Ladungswolken kann eine geringe
anziehende Wechselwirkung erzeugt werden. Wenn wir die neutralen Atome sehr nahe
zusammenbringen, tritt bei einem Abstand von ca. 0,6 nm Abstoßung ein. So kommt
man zu einer Definition der Größe von Atomen, wie in I näher ausgeführt. – Mit I be-
zeichnen wir hier und im folgenden das Buch H. Haken und H. C. Wolf, Einführung in
die Atom- und Quantenphysik. Wir setzen die Kenntnis der dort behandelten Atomphy-
sik voraus und verweisen darauf.
Bei einem Abstand von ca. 1,2 nm wird jedoch ein Zustand energetisch günstiger,
bei dem ein Elektron vom Na-Atom auf das Cl-Atom übergeht und so durch Ladungs-
übertragung ein System Na+ /Cl− entsteht. Das Wechselwirkungspotential nähert sich
bei weiter abnehmendem Abstand dem anziehenden Coulomb-Potential zwischen die-
sen Ionen. Ein Gleichgewichtsabstand von 0,25 nm ergibt sich schließlich aus der Kon-
kurrenz dieser Anziehung mit der Abstoßung zwischen den Atomkernen und den abge-
schlossenen Elektronenschalen der Ionen, die bei noch kleineren Abständen überwiegt.
Dieser Gleichgewichtsabstand bestimmt mit der dazugehörenden Elektronenverteilung
die Größe des Moleküls.
Von den mehratomigen Molekülen wie H2 O (Wasser), NH3 (Ammoniak), C6 H6
(Benzol), die aus 3, 4 oder 12 Atomen bestehen, geht es weiter zu großen Molekülen
wie Chlorophyll oder Kronenether, zu Makromolekülen oder Polymeren wie Poly-
acetylen, deren Atom-Anzahl viele 1000 betragen kann und deren Abmessungen nicht
mehr im Nanometer – sondern schon fast im Bereich von Mikrometern liegen können.
Schließlich sind auch Biomoleküle wie die für die Vererbung verantwortlichen Riesen-
moleküle der Desoxyribonucleinsäuren (DNS, englisch DNA), siehe dazu Abschn. 20.6,
oder molekulare Funktionseinheiten wie der Proteinkomplex des Reaktionszentrums der
bakteriellen Photosynthese Gegenstand der Molekülphysik, vergleiche hierzu die sche-
matische Darstellung in Abb. 1.3. Diese Moleküle werden in späteren Abschnitten
dieses Buches vorgestellt. Wir verweisen besonders auf Kap. 20.
Das letzte Beispiel gehört bereits zu den supermolekularen Strukturen, Übermolekü- Abb. 1.3. Das Reaktionszentrum
len oder Funktionseinheiten, deren eminente Bedeutung besonders für biologische Pro- der Bakteriellen Photosynthese
zesse in den letzten Jahren immer klarer und verständlicher wird. Lagern sich Moleküle als molekulare Funktionseinheit.
Die Schemazeichnung zeigt die
der gleichen Art oder auch verschiedene Moleküle zu größeren Einheiten zusammen, so photoaktiven Moleküle, die in
entstehen schließlich die sogenannten Cluster und die Festkörper. eine größere Protein-Einheit ein-
gebettet sind. Diese wiederum
ist in eine Zellmembran einge-
baut. Lichtabsorption durch ein
1.2 Ziele und Methoden zentrales Chlorophyll-Dimer ist
der erste Schritt einer Ladungs-
Warum gibt es das Molekül H2 , nicht jedoch (unter normalen Bedingungen) das Mo- trennung, die die chemischen
Prozesse der Photosynthese
lekül H3 ? Warum ist NH3 tetraedrisch, Benzol flach gebaut? Welche Kräfte halten die einleitet. Mehr dazu in Ab-
schn. 20.7. Das Bild nach der
Röntgenstrukturanalyse von
Deisenhofer, Huber und Michel
(Nobelpreis 1988) stammt aus
der „Zeit“
4 1. Einleitung
Moleküle zusammen? Wie groß sind Moleküle, und welche elektrischen und magneti-
schen Eigenschaften haben sie? Warum ist das optische Spektrum eines Moleküls um
viele Größenordnungen linienreicher als das eines Atoms? – das sind einige der noch
vergleichsweise einfach zu beantwortenden Fragen, wenn wir uns mit der Physik der
Moleküle zu befassen beginnen.
Ziel der Molekülphysik ist es, die Struktur, die Bindungsverhältnisse und die physi-
kalischen Eigenschaften der Moleküle in ihrer Vielfalt kennen zu lernen und zu verste-
hen. Daraus möchte man dann das Verständnis für Funktion, Reaktion und Wirkung in
Physik, Chemie und Biologie ableiten.
Die ungleich größere Mannigfaltigkeit der Moleküle bringt es mit sich, daß man
nicht wie bei den Atomen aus der Kenntnis des einfachsten, nämlich des Wasserstoffs,
ein gutes Grundverständnis aller anderen Moleküle ableiten kann. Bei der physikali-
schen Untersuchung von Molekülen kommt ebenso wie bei den Atomen auch der Spek-
troskopie eine besondere Bedeutung zu. Man braucht aber ungleich mehr spektrosko-
pische Methoden, besonders weil es im Unterschied zu den Atomen auch innere Frei-
heitsgrade wie Rotation und Schwingung gibt. Im folgenden wird deutlich werden, wie
vielfältig und unterschiedlich die Untersuchungsmethoden sind, die uns in der Molekül-
physik zur Verfügung stehen.
Wir werden sehen, wie wichtig Mikrowellen- und Infrarot-Spektroskopie sind,
wie feine Details der Struktur man mit den Methoden der magnetischen Resonanz-
Spektroskopie der Elektronen und der Kerne gewinnen kann. Uns steht aber auch der
umfangreiche Erfahrungsschatz der Chemie zur Verfügung, die vielfältigen Rechen-
methoden der Quantenchemie und viele weitere experimentelle Methoden, allen voran
Struktur-Untersuchung mit Röntgen- oder Neutronenstrahlen, die Massenspektroskopie
und die Spektroskopie der Photoelektronen.
Ziel der Quantenchemie ist es, das Rüstzeug bereitzustellen, mit dem man die Elek-
tronenverteilung in Molekülen, ihre Bindungsverhältnisse und ihre Anregungszustände
berechnen kann. Die Grenze zur Molekülphysik kann dabei natürlich nicht scharf defi-
niert werden.
ten. Loschmidt errechnete so erstmalig im Jahre 1865 Zahlenwerte für die Größe von
Molekülen, die im Rahmen der Fehlergrenzen auch heute noch gültig sind.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts versuchten viele Chemiker – genannt sei
nur Kékulé, der Entdecker der Benzolstruktur – aus chemischen Reaktionen Aufschluß
über den atomaren Aufbau und die räumliche Struktur von Molekülen zu gewinnen.
Mit der modernen Atom- und Quantenphysik im 20. Jahrhundert beginnen auch die
Versuche zum exakten Verständnis der chemischen Bindung. Nach den Pionierarbeiten
von Kossel zur heteropolaren und von Lewis und Langmuir zur homöopolaren Bindung
(1915–1920) waren es dann seit 1927 Hund, Heitler, London und andere, die die Grund-
lagen für eine quantitative Quantentheorie der chemischen Bindung und damit für die
Quantenchemie formulierten. Seither wurde in zahlreichen Arbeiten von einer Vielzahl
von Forschern an einer immer weiteren Verfeinerung dieser theoretischen Möglichkeiten
gearbeitet.
Auf die zahllosen instrumentellen und experimentellen Fortschritte, die zu einer
immer detaillierteren Analyse der physikalischen Eigenschaften unzähliger Moleküle
geführt haben, soll in den Kapiteln dieses Buches eingegangen werden, die sich mit die-
sen Methoden im einzelnen befassen. Daß uns solche Meßmethoden vieles über den Bau
von Molekülen zwar indirekt aber genau zeigen, wird am besten deutlich, wenn eine di-
rekte Abbildung von Molekülen geschieht. Mit den Methoden der Röntgenstreuung und
-interferenz ist dies mit hoher Genauigkeit dann möglich, wenn hinreichend große peri-
odisch wiederkehrende Bausteine gleichzeitig untersucht werden können, also besonders
in Einkristallen. Ein Beispiel dafür wird im nächsten Kapitel bei der Messung der Größe
von Molekülen erläutert, vergleiche Abb. 2.2. – Eine Abbildung einzelner Moleküle ist
mit den modernsten Methoden der Durchstrahlungs-Elektronenmikroskopie (Abb. 1.4)
und besonders mit dem Rastertunnel-Mikroskop möglich (Abb. 1.5). Die Existenz von
Molekülen und das Verständnis ihrer physikalischen Eigenschaften sind schon lange
nicht mehr Hypothese, sondern eine fest fundierte Erfahrungstatsache und Grundlage
unseres Verständnisses von vielen Strukturen und Prozessen nicht nur in der Chemie,
sondern in vielen anderen Gebieten wie Biologie, Materialwissenschaft und Technik.
nen, dann müssen wir deshalb dem Bereich der Mikrowellen und des Infraroten, wo die
Frequenzen der Rotationen und Schwingungen liegen, vermehrte Beachtung schenken.
Die Wechselwirkung der Moleküle untereinander und mit anderen Molekülen führt
schließlich zur Physik der Flüssigkeiten, zur Festkörperphysik und zu den physikali-
schen und strukturellen Grundlagen der Biologie. Hier werden wir von diesen Gebieten
nur so weit Gebrauch machen, wie wir sie zum Verständnis der Moleküle brauchen.
Umgekehrt werden wir in noch viel größerem Maße Methoden und Tatsachen kennen
lernen, die zum Verständnis der Vorgänge in den genannten Gebieten wesentlich sind.
Unser Ziel wird es auch hier wie in I sein, vom Experiment und der Beobachtung aus-
zugehen und die Grundprinzipien der Molekülphysik und Quantenchemie herauszuar-
beiten. So soll das Buch kein Spezialwissen vermitteln, sondern den Zugang zur um-
fangreichen Spezialliteratur ebnen.
Eine wichtige Anwendung findet die Molekülphysik in der aktuellen Umwelttech-
nik. Die Untersuchung der molekularen Zusammensetzung unserer Atmosphäre, deren
Änderung durch die Verbrennung von Holz, Kohle und Öl auf der Erde, durch Autoab-
gase und andere Produkte unserer modernen Industrietechniken sowie die Aufklärung
der in der Atmosphäre durch Sonnenlicht verursachten photochemischen Prozesse sind
für Untersuchungen mit dem Ziel eines Schutzes unserer Umwelt von elementarer Be-
deutung. Es sei nur an das sogenannte Ozonloch und dessen dramatische Folgen für das
menschliche Leben auf der Erde erinnert.
In der Astrophysik versucht man, Moleküle im Weltall zu identifizieren. Ziel solcher
Untersuchungen ist das Auffinden kleiner Moleküle, die als Urbausteine für die Ent-
stehung von Biomolekülen und damit des Lebens auf unserer Erde angesehen werden
können.
2. Mechanische Eigenschaften von Molekülen, Größe, Masse
Moleküle kann man nur in günstigen Fällen und erst seit kurzem mit speziellen Mikro-
skopen direkt abbilden. Zur Bestimmung von Größe, Masse und Form von Molekülen
gibt es jedoch viele weniger direkte, einfache und ältere Wege, auch aus dem Bereich
der klassischen Physik. Dies ist Gegenstand der folgenden Abschnitte.
2.1 Größe
Wenn man unter Größe eines Moleküls nicht den Abstand der Atome im Molekül, son-
dern die räumliche Erstreckung seiner Elektronenhülle versteht, dann kann man zur
Bestimmung der Größe eines kleinen, aus wenigen Atomen aufgebauten Moleküls mit
einer einfachen Überlegung beginnen. Wir wissen nach Avogadro, daß 1 Mol eines idea-
len Gases unter Normalbedingungen ein Volumen von 22,4 · 10−3 m3 einnimmt und NA
Moleküle enthält. Dabei ist NA die Avogadrosche Zahl, 6,02205 · 1023 Mol−1 . Wenn wir
das Gas zu einer Flüssigkeit oder einem Festkörper kondensieren, so nimmt dabei des
Volumen um etwa den Faktor 1000 ab. Wenn wir nun weiter annehmen, daß sich in
kondensierter Phase die Moleküle gegenseitig berühren, dann erhalten wir aus diesen
Daten als Größenordnung der Molekülradien 10−10 m, also 0,1 nm oder 1 Å. In ähnli-
cher Weise kann man aus der Dichte einer Flüssigkeit das vom einzelnen Baustein
eingenommene Volumen errechnen, wenn man dichteste Kugelpackung der Moleküle
annimmt oder aber die Packungsart, das heißt die räumliche Anordnung der Bausteine
kennt.
Weitere und genauere Methoden zur Bestimmung der Molekülgrößen aus makrosko-
pischen Meßgrößen sind die gleichen, die wir auch schon in der Atomphysik kennen-
gelernt haben. Sie sollen hier nur kurz wiederholt werden:
– Aus Messungen der pV -Isothermen realer Gase erhält man mit Hilfe der Van der
Waalsschen Zustandsgleichung für Druck p und Volumen V
a
p + 2 (V − b) = RT (2.1)
V
Tabelle 2.1. Meßwerte für das – Aus der Messung sogenannter Transportphänomene wie Diffusion (Transport von
Kovolumen b in der Van der Masse), Viskosität (Transport von Impuls), Wärmeleitung (Transport von Energie)
Waalsschen Zustandsgleichung
(2.1) in liter Mol−1 und daraus
erhält man die mittlere freie Weglänge l von Molekülen1 im Gas und daraus den
berechnete Durchmesser d in Moleküldurchmesser in folgender Weise:
Å von einigen Gasmolekülen. Es gilt für die Viskosität oder innere Reibungen eines Gases
Nach Barrow
1
Molekül b d η = l v2 (2.2)
3
H2 0,0266 2,76 = Dichte, v2 = mittleres Geschwindigkeitsquadrat der Moleküle, von denen wir
H2 O 0,0237 2,66 wissen, daß sie keine einheitliche Geschwindigkeit besitzen, sondern daß für ihre Ge-
NH3 0,0371 3,09 schwindigkeiten die Maxwellsche Verteilungsfunktion gilt.
CH4 0,0428 3,24 Mit der Gleichung
O2 0,0318 2,93
N2 0,0391 3,14 1 2
p= v
CO 0,0399 3,16 3
CO2 0,0427 3,24
für den Gasdruck p kann man (2.2) in direkt meßbare Größen umformen. So kommt
C6 H6 0,155 4,50
man zu
3
l=η . (2.3)
p
Man kann also aus Messung von Druck, Dichte und innerer Reibung eines Gases die
mittlere freie Weglänge errechnen. – Ein anderer Weg führt über die Wärmeleitzahl.
Für die Wärmeleitzahl λ gilt
1 CV
λ= N l v2 (2.4)
3 NA
(N = Zahl der Moleküle je Volumeneinheit, C V = spezifische Wärme bei konstantem
Volumen, NA = Avogadrosche Zahl).
Geringe Wärmeleitfähigkeit wird also mit schweren Molekülen erreicht, da dann v2
bei gegebener Temperatur klein ist.
Aus der mittleren freien Weglänge l erhält man den Wirkungsquerschnitt und damit
die Größe von Molekülen, wie in Abschn. 2.4 von I gezeigt. Es gilt
1
l=√ (2.5)
2πNd 2
Tabelle 2.2. Durchmesser d (in
Å) einiger kleiner Moleküle aus (N = Zahl der Moleküle je Volumeneinheit, d = Durchmesser des Moleküls bei An-
gaskinetischen Wirkungsquer- nahme eines kreisförmigen Querschnittes). Einige so gewonnene Meßwerte enthält Ta-
schnitten belle 2.2.
Molekül d Für N2 (Stickstoff) unter Normalbedingungen gilt N = 2,7 · 1025 m−3 , l =
0,6 · 10−7 m und damit als Größe des Moleküls d = 3,8 · 10−10 m. Für die mittlere
H2 2,3
Zeit zwischen zwei Stößen ergibt sich mit
O2 3,0
CO2 3,4 τ v2 = l der Wert τ = 1,2 · 10−10 s .
C2 H6 3,8
1 In I wird die mittlere freie Weglänge mit λ bezeichnet
2.1 Größe 11
Bei allen genannten Methoden betrachtet man das Molekül in der einfachsten Nähe-
rung als Kugel. Zur Bestimmung der wirklichen Gestalt und Form der Moleküle sind
anspruchsvollere physikalische Methoden erforderlich.
Die ebenfalls in I bereits erwähnten Interferenzmethoden der Streuung von Röntgen-
oder Elektronenstrahlen erlauben eine Bestimmung der Molekülabstände im Festkörper,
und damit auch der Molekülgröße unter Einschluß einer Anisotropie der Moleküle, das
heißt bei Abweichung von der Kugelgestalt, siehe hierzu I, Abschn. 2.4. Allerdings be-
nötigt man hierzu Kristalle oder wenigstens Festkörper mit einer gewissen Ordnung.
Wenn die Moleküle sich in ungeordneter Umgebung befinden, zum Beispiel in einer
Flüssigkeit oder in einem Glas, so erhält man nur weniger deutlich ausgeprägte Inter-
ferenzerscheinungen aufgrund einer eventuell auch im Glas oder in der Flüssigkeit vor-
handenen Nahordnung der Moleküle. Eine Nahordnung bedeutet, daß bestimmte zwi-
schenmolekulare Abstände besonders häufig auftreten.
Die Abstände von Atomen innerhalb eines Moleküls, das heißt zwischen den das
Molekül aufbauenden Atomen, können aus der Beugung von Elektronenstrahlen an Mo-
lekülen bestimmt werden. Man muß dazu die Intensitätsverteilung im Elektronenbeu-
gungsdiagramm ausmessen. Mit den Annahmen, daß die Atome als Zentren im Molekül
unabhängig voneinander streuen und daß die zur Interferenz führenden Phasendifferen-
zen in der Streustrahlung nur vom Abstand der Streuzentren abhängen, erhält man Werte
für charakteristische Kernabstände in Molekülen, wie in Abb. 2.1 gezeigt wird.
Wenn man aus Röntgeninterferenzen an Einkristallen mehr als nur die Kristallstruk-
tur und die Abstände der Molekül-Schwerpunkte, nämlich auch die genaue Verteilung
der Elektronendichte kennenlernen will, dann muß man die relativen Intensitäten der
Interferenz-Maxima auswerten. Maßgeblich für die Streuung der Röntgenstrahlung am
Kristall ist die dreidimensionale Ladungsverteilung seiner Elektronen. Diese kann man
aus den gemessenen Reflexintensitäten mit Hilfe der sogenannten Fourier-Synthese re-
konstruieren. Damit kommt man zu Karten der Elektronendichte-Verteilung in Molekü-
len wie in Abb. 2.2 dargestellt. Auf den Kristall geschossene Elektronen werden eben-
falls an der Elektronenhülle der Atome oder Moleküle gestreut und liefern so ebenfalls
zwischen Spitze und Oberfläche meßbar wird. Dieser sogenannte Tunnelstrom ist sehr
stark vom Abstand abhängig. Die Spitze wird nun über die zu messende Oberfläche
hinweg bewegt. Dabei wird die Höhe z der Spitze durch eine Rückkopplungs-Schaltung
so variiert, daß der an sich mit dem Abstand zwischen Spitze und Fläche stark vari-
ierende Tunnelstrom konstant bleibt. Ein Bild der Oberfläche entsteht, indem man die
Höhe z als Funktion der Flächenkoordinaten x und y aufträgt. Dies ist im unteren Teil
von Abb. 2.4 schematisch gezeigt. Mit diesem Mikroskop ist es auch möglich, einzelne
Moleküle auf der Oberfläche zu sehen. Ein Meßbeispiel mit molekularer Auflösung
zeigt Abb. 1.5. Mehr dazu und neue Entwicklungen werden in Abschn. 21.3 behandelt.
Eine Weiterentwicklung des Raster-Tunnel-Mikroskopes ist das Raster-Kraft-
Mikroskop. Hier ist die Meßgröße nicht ein Tunnelstrom, sondern die von Ort zu Ort
wechselnde Kraft zwischen Spitze und Unterlage. Es kann deshalb auch bei isolierenden
Unterlagen angewandt werden. Mit solchen Raster-Mikroskopen lassen sich Strukturen
von Molekülen und ihre Anordnung auf Oberflächen sichtbar machen. Man kann auch
Moleküle sind nur in seltenen Fällen kugelförmig. Um ihre räumliche Struktur zu un-
tersuchen, muß man sowohl die Struktur des Kerngerüstes wie auch die räumliche Er-
streckung der Elektronenhülle messen. Dies wird in Abb. 2.8 an zwei einfachen Bei-
spielen erläutert.
Das Kerngerüst, d. h. die Abstände der das Molekül aufbauenden Atomkerne und
ihre relative Orientierung zueinander, kann man sehr genau bestimmen. Außer der
Röntgen-, Elektronen- und Neutronenbeugung benötigt man dazu spektroskopische
Methoden wie Infrarot-Spektroskopie und Magnetische Kernspin-Resonanz, die erst
später im einzelnen behandelt werden.
16 2. Mechanische Eigenschaften von Molekülen, Größe, Masse
Die Meßgenauigkeit, mit der man diese Daten aus einer Analyse der Elektronen- und
Röntgenbeugung an geordneten Strukturen angeben kann, ist sehr groß. Abstände kön-
nen sicher auf ±0,01 Å genau angegeben werden, Winkel auf ±1◦ . Zwar ist die Ausdeh-
nung der Elektronenhülle von Molekülen wie bereits erläutert nicht genau definiert, da
die Elektronendichte kontinuierlich nach außen hin abfällt. Man kann jedoch Flächen
gleicher räumlicher Elektronendichte angeben und daraus Flächen minimaler Elektro-
2.3 Masse 17
2.3 Masse
Die Masse eines Moleküls erhält man am einfachsten wie bei den Atomen durch Wä-
gung, 1 Mol einer Substanz, d. h. 22,4 l Gas unter Normalbedingungen enthalten NA =
6,022 · 1023 Moleküle. Aus dem Gewicht eines Mols kann man also die Masse eines
Moleküls bestimmen, indem man durch die Anzahl der Moleküle im Mol, die Avogadro-
Zahl, teilt.
Eine besonders wichtige Methode zur Bestimmung von Molekülmassen ist die Mas-
senspektroskopie mit Hilfe der Ablenkung von Strahlen ionisierter Moleküle in elektri-
schen und magnetischen Feldern. Die Grundlagen des Verfahrens sind in I, Abschn. 3.2
beschrieben. Während man die Massenspektroskopie in der Atomphysik zur genauen
Bestimmung von Atommassen und zur Untersuchung der isotopischen Zusammenset-
zung einer Probe benutzt, wird sie in der Molekülphysik darüber hinaus zur Analytik
und zur Bestimmung von Molekülstrukturen wichtig. Durch Beschuß mit Elektronen
kann man viele Moleküle in Bruchstücke zerlegen. Aus der im Massenspektrometer
bestimmten Natur der Bruchstücke kann man auf die Struktur des Ausgangsmoleküls
18 2. Mechanische Eigenschaften von Molekülen, Größe, Masse
schließen, indem man gedanklich den Versuch macht, wie in einem Puzzle die Bruch-
stücke wieder zusammenzusetzen. Ein Beispiel zeigt Abb. 2.10.
Andere Methoden werden besonders bei biologischen Makromolekülen wichtig.
Zum Beispiel kann man aus der Verteilung der Moleküle in radialer Richtung in einer
Zentrifuge die Masse von Molekülen bestimmen. Wenn die Wellenlänge des Lichtes
mit der Größe der streuenden Moleküle vergleichbar wird, dann kann auch aus der Win-
kelabhängigkeit der Intensität des an den Molekülen gestreuten Lichtes auf Größe und
Form und damit indirekt auch auf seine Masse geschlossen werden. Es tritt Lichtstreu-
ung an verschiedenen Teilen des Moleküls auf, und die dadurch mögliche Interferenz
von Strahlung, die innerhalb eines Moleküls abgebeugt wurde, führt zu einer Win-
kelabhängigkeit der Streustrahlung, die nicht mehr der einfachen Rayleigh-Streuung
entspricht. Das Prinzip zeigt Abb. 2.11.
Mit den Methoden der sogenannten Kleinwinkel-Streuung von Röntgenstrahlen und
auch von Neutronen (SAXS, SANS für Small Angle X-Ray oder Neutron Scattering)
ist insbesondere bei größeren Molekülen häufig eine Ausmessung oder wenigstens Ab-
schätzung ihrer räumlichen Erstreckung möglich.
Bei Makromolekülen können die genannten Methoden aus mehreren Gründen ver-
sagen, besonders dann, wenn man die Form, Größe und Masse eines Moleküls in seiner
natürlichen Umgebung untersuchen will, das heißt häufig in flüssiger Phase. Einerseits
können sich Form und Größe von Molekülen mit der Umgebung ändern, andererseits
beruhen die genannten Verfahren wenigstens zum Teil darauf, daß die Moleküle von
ihrer Umgebung isoliert wurden. Hier verwendet man andere Methoden wie die Os-
mose durch Membranen, Gleichgewicht oder Geschwindigkeit von Sedimentation im
Schwerefeld der Erde oder im Zentrifugalfeld einer Ultrazentrifuge, als Elektrophorese
bezeichneter Transport unter der Wirkung eines elektrischen Feldes in Papier oder in
einem Gel, Filtration durch Mikroporen. Auf diese auch bei biologisch wichtigen Mo-
lekülen angewandten Verfahren soll hier nicht näher eingegangen werden.
rücksichtigen ist. Entsprechend größer sind die spezifischen Wärmen mehratomiger Mo-
leküle in Temperaturbereichen, in denen diese Schwingungen thermisch angeregt wer-
den können.
Bei all diesen Überlegungen ist zu berücksichtigen, daß die Zustände der Schwin-
gungen wie auch die der Rotationen gequantelt sind. Die Energie-Quanten sind verschie-
den groß, je nach Molekülstruktur, und generell für die Rotationen kleiner als für die
Schwingungen. Sie werden thermisch nur angeregt, wenn die thermische Energie kT
hinreichend groß im Vergleich zur Quantenenergie hv ist. Insgesamt erhält man des-
halb für Moleküle eine Temperaturabhängigkeit der spezifischen Wärmen C V und C P
wie schematisch in Abb. 2.12 gezeigt. Bei ganz tiefen Temperaturen tragen nur die
Translations-Freiheitsgrade zur spezifischen Wärme bei und man mißt deshalb den Wert
C V = 32 R. Mit zunehmender Temperatur werden zusätzlich die Freiheitsgrade der Ro-
tation angeregt, und bei noch höheren Temperaturen mißt man mit C V auch die thermi-
sche Anregung von Molekülschwingungen. Man kann also bereits aus Messungen der
spezifischen Wärmen Rückschlüsse auf Anzahl und Bewegungszustände der Atome in
Molekülen ziehen.
Aufgaben
2.1 Die Potentialkurven von zweiatomigen Molekülen lassen sich empirisch beschrei-
ben. Für Ionenmoleküle eignet sich die Näherung:
e2
Pi (r) = − + β exp(−r/) + I E .
4πε0r
Für Moleküle, die aus neutralen Atomen bestehen, verwendet man z. B.:
C
Pn (r) = − + β exp(−r/) .
r6
Hierbei ist r der Abstand der Teilchen voneinander, etwa die Summe der Ionenra-
dien und I E die potentielle Energie eines unendlich weit getrennten Ionenpaares (Na+
+ Cl− ). Wie nah müßte man z. B. Natrium- und Chloratome zusammenführen, damit
Na+ Cl− entsteht?
Hinweis: vereinfachen Sie C = 0, und bedenken Sie, daß das abstoßende Potential
β exp(−r/) erst für sehr kleine Abstände wirksam wird. I E = 1,42 eV.
2.2 Die Abbildung organischer Moleküle mit dem Transmissionselektronenmikroskop
gelingt nur unter günstigen Bedingungen. Nach Freyer2 gilt folgende Ungleichung für
die Auflösung dp eines Moleküls:
S/N
dp ≥ √ .
C· f · Ncr
Hierbei bedeuten:
dp Punktauflösung in Å (1 Å = 10−10 m)
S/N gefordertes Signal-Rauschverhältnis (ca. 5)
2 J. R. Freyer: Mol. Cryst. Liq. Cryst. 96, 275 (1983)
22 2. Mechanische Eigenschaften von Molekülen, Größe, Masse
moleküle. Ist vp das besetzte Volumen, um das ein Molekül den Bewegungsraum der
anderen verringert, so gilt
1
α= NA vp .
2
Der osmotische Druck von Polysterol-Lösungen in Toluol wird bestimmt, indem man
die Höhe h einer Lösung der Dichte 0,867 g/cm3 mißt, die den osmotischen Druck ge-
rade kompensiert. In Abhängigkeit von der Gleichgewichtskonzentration c
erhält man
bei 25 ◦ C die folgenden Werte:
c
[mg/cm3 ] 3,2 4,8 5,7 6,9 7,8
h [cm] 3,11 6,22 8,40 11,73 14,90
Berechnen Sie daraus die Molekülmasse des Polymeren. Welchen Radius ermittelt man,
wenn man die Moleküle näherungsweise als Kugeln betrachtet?
2.6 Die Schallgeschwindigkeit in einem Gas ist bestimmt durch die spezifischen Wär-
mekapazitäten C V und C P entsprechend
γ RT
cS =
M
mit γ = C P /C V und dem Molekulargewicht M der Gasmoleküle. Leiten Sie die Schall-
geschwindigkeit in einem perfekten Gas mit (a) zweiatomigen, (b) linearen dreiatomi-
gen und (c) nichtlinearen dreiatomigen Molekülen bei hohen Temperaturen ab (T sei
nicht hoch genug für die Besetzung von Schwingungsniveaus). Schätzen Sie die Schall-
geschwindigkeit in Luft (bestehend aus N2 und O2 ) bei 25 ◦ C ab.
3. Moleküle in elektrischen und magnetischen Feldern
unabhängig. Bei parelektrischen Stoffen kann ε viel größer als 1 sein und nimmt mit
steigender Temperatur ab. Wir werden im folgenden sehen, daß parelektrische Stoffe
solche sind, bei denen die molekularen Bausteine ein permanentes elektrisches Dipol-
moment besitzen. Bei dielektrischen Stoffen wird ein Dipolmoment erst im angelegten
elektrischen Feld induziert.
Einige Zahlenwerte für ε von dielektrischen und von parelektrischen Stoffen gibt Ta-
belle 3.1.
Tabelle 3.1. Zahlenwerte für ε (unter Normalbedingungen). Die Stoffe in der linken Spalte sind dielek-
trisch, die anderen parelektrisch
Weiter wird auch die elektrische Polarisation P definiert, und zwar durch die Glei-
chung
P = Dm − D oder Dm = ε0 E + P , (3.2)
wobei Dm die Verschiebung im Medium, D im Vakuum bedeutet.
P mißt den Beitrag der Materie zur dielektrischen Verschiebung und hat die Dimen-
sion und die anschauliche Bedeutung eines elektrischen Momentes je Volumeneinheit.
Aus (3.1) und (3.2) folgt
P = (ε − 1)ε0 E = χε0 E . (3.3)
Die Größe ε − 1 bezeichnet man auch als dielektrische Suszeptibilität χ.
Die Polarisation läßt sich molekular deuten. Sie setzt sich additiv aus den Dipolmo-
menten p der N im Volumen V befindlichen Moleküle zusammen. Es gilt deshalb
1
N
P= pi = p
N , (3.4)
V
i=1
wenn mit p
der Beitrag bezeichnet wird, der im räumlichen Mittel von jedem der mo-
lekularen Dipolmomente zu P geleistet wird. Bei vollkommener Ausrichtung der Di-
polmomente in Feldrichtung gilt P = N p.
In (3.4) ist zu beachten, daß die Anzahldichte N (Zahl der Moleküle im Volumen)
mit der Avogadro-Zahl NA (Anzahl der Moleküle im Mol) durch die Beziehung N =
NA (/M ) zusammenhängt, wobei die Dichte und M die Molmasse der Substanz be-
deuten. So ist nach (3.3) und (3.4) eine Beziehung zwischen der makroskopischen Meß-
größe ε und der Moleküleigenschaft Dipolmoment p hergestellt.
Abb. 3.1. Das elektrische Dipol- Von einem elektrischen Dipolmoment eines Moleküls spricht man dann, wenn die
moment zweier Ladungen +q
und −q im Abstand d beträgt
Schwerpunkte von positiver und negativer Ladung nicht zusammenfallen. Zum Beispiel
p = qd, die Richtung geht von haben zwei Punktladungen +q und −q im Abstand d (Abb. 3.1) das Dipolmoment
der negativen zur positiven La-
dung p = qd [A s m] . (3.5)
3.2 Unpolare Moleküle 27
Der Vektor des Dipolmomentes ist von der negativen zur positiven Ladung gerich-
tet. Außer der Einheit [A s m] ist auch noch die Einheit Debye (D) üblich, 1 D =
3,336 · 10−30 A s m. Zwei Elementarladungen im Abstand 1 Å = 10−10 m haben als
Dipolmoment 1,6 · 10−29 A s m = 4,8 D. Dies ist die Größenordnung molekularer Di-
polmomente. Moleküle mit von Null verschiedenem Dipolmoment heißen polar. Polare
Moleküle wie HCl, NaCl haben ein permanentes Dipolmoment p, das sich im Falle
überwiegend ionischer Bindung sogar als Produkt von Ladung mal Abstand der Atom-
kerne recht gut berechnen läßt. Das Dipolmoment von HCl beträgt 1,08 D, dasjenige
von H2 O 1,85 D. Mehr über polare Moleküle folgt in Abschn. 3.3. Zunächst behandeln
wir jedoch in Abschn. 3.2 unpolare Moleküle.
In starken elektrischen Feldern, wie sie zum Beispiel in Laserstrahlen bestehen, sind
zusätzlich zu dem linearen Term in (3.6) auch nichtlineare Polarisationsterme zu be-
rücksichtigen, die der zweiten, dritten oder auch höheren Potenzen von Eloc proportional
2 . Den Koeffizienten
sind. Am wichtigsten ist in der Praxis der Term proportional zu Eloc
β im Term β Eloc 2 nennt man Hyperpolarisierbarkeit.
Die Dimension von α ist nach (3.6) [A s m2 V−1 ]. Einfacher ist die Dimension von
α : Sie ist diejenige eines Volumens. Bei Molekülen mit axialer Symmetrie genügt die
Angabe von zwei Werten des Polarisationstensors, nämlich parallel und senkrecht zur
Hauptachse. Die Polarisierbarkeit gibt Auskunft darüber, wie stark die Elektronenvertei-
lung durch ein angelegtes elektrisches Feld deformiert wird. Wenn das Molekül schwe-
rere Atome enthält, bei denen Elektronen vom Kern weiter entfernt sind, dann ist die
Elektronenverteilung relativ zu den Kernen weniger starr und die elektronische Polari-
sierbarkeit deshalb entsprechend größer.
Einige Zahlenwerte für Polarisierbarkeiten einfacher Moleküle gibt Tabelle 3.2.
ᾱ
α⊥ α
In Gasen bei nicht zu hohem Druck beeinflussen sich die Moleküle gegenseitig nicht.
Die Gesamtpolarisation P des Meßvolumens ergibt sich deshalb nach (3.4) additiv als
Summe der Polarisationen aller im Volumen enthaltenen Moleküle. Es gilt somit, wenn
man nur induzierte Momente zu berücksichtigen hat, für die Polarisation von Molekülen
mit einer Teilchenzahldichte N bei vollkommener Ausrichtung der induzierten Momente
im Feld
P = N pind = NαEloc . (3.7)
Mit
NA
N= (3.7a)
M
( = Dichte, M = Molekulargewicht)
erhält man für die Verschiebungspolarisation
NA
P= αE . (3.8)
M
Bei verdünnten Gasen ist das lokale Feld Eloc am Ort jedes Moleküls natürlich gleich
dem angelegten Feld E.
3.2 Unpolare Moleküle 29
in das Sichtbare erhöht wird, d. h. wenn sie größer ist als diejenige der wichtigen Mo-
lekülschwingungen. Die Kerne mit ihrer Ladungsverteilung im Molekül sind bei höhe-
ren Frequenzen zu träge, um dem polarisierenden Lichtfeld folgen zu können. Bei den
Frequenzen des sichtbaren Lichtes können nur noch die leichten Elektronen dem umpo-
larisierenden Wechselfeld folgen. Es bleibt damit in diesem Frequenzbereich nur noch
der elektronische Anteil der Verschiebungspolarisation wirksam.
Aus der Maxwell-Beziehung εµ = n 2 (µ = Permeabilitätskonstante, n √=
Brechungsindex) folgt, da bei Molekülen in der Regel µ 1 und deshalb n = ε
ist, nach (3.13) die Lorentz-Lorenz-Gleichung
n2 − 1 M 1
= N A β ≡ RM . (3.14)
n +2
2 3ε0
RM ist die Mol-Refraktion. Die optische Polarisierbarkeit β (nicht zu verwechseln mit
der oben eingeführten Hyperpolarisierbarkeit) ist die Polarisierbarkeit bei der Frequenz
des (sichtbaren oder ultravioletten) Lichtes. Sie ist, wie oben erläutert, verschieden von
der statischen Polarisierbarkeit α, und sie ist von der Frequenz des Lichtes abhängig.
Diese Frequenzabhängigkeit nennt man Dispersion. Dazu ein Beispiel: der Brechungs-
index n von Wasser bei 20 ◦ C hat den Wert n = 1,340 bei λ = 434 nm und n = 1,331
bei λ = 656 nm. Die Mol-Refraktion RM eines Moleküls kann man in guter Näherung
in die Beiträge einzelner Gruppen und Bindungen im Molekül aufteilen. Dies ist bei der
Struktur-Aufklärung von Molekülen interessant.
α
= 10−24 cm3 , d. h. αε0 = 10−40 A s m2 /V zu pind = αε0 E = 10−33 A s m, also 3
Zehnerpotenzen kleiner als typische permanente Dipolmomente, wie Tabelle 3.3 zeigt.
Ein Blick auf Tabelle 3.3 zeigt schon, daß man aus der Messung von molekularen
permanenten Dipolmomenten wichtige Strukturdaten ermitteln kann: Während man bei-
spielsweise für das CO2 -Molekül das Dipolmoment 0 mißt und daraus auf eine lineare
Anordnung O−C−O der Atome im Molekül schließt, ist das von Null verschiedene Di-
polmoment des Wassermoleküls nur mit einer gewinkelten Struktur des Moleküls H2 O
verträglich.
Während also die Verschiebungspolarisation, siehe (3.7)
pind
Pind = (3.15)
V
nicht oder nur wenig von der Temperatur abhängt, und wenigstens teilweise sogar bis
zu hohen Frequenzen (UV!) wegen der geringen Trägheit der ausgelenkten Elektronen
dem Feld folgt (und damit einen Beitrag zum Brechungsindex n leistet), ist die Orien-
tierungspolarisation
pp
Por = = N p
p (3.16)
V
von der Temperatur (und von der Frequenz) abhängig. Die Ausrichtung der permanen-
ten Dipole pp im elektrischen Feld E geschieht nämlich in Konkurrenz zwischen der
Orientierungsenergie Wor = − pp · E, die eine völlige Ausrichtung der Dipole in Feld-
richtung anstrebt, und der thermischen Energie Wth kT , die eine Gleichverteilung der
Richtungen anstrebt. Jeder Dipol leistet im zeitlichen Mittel deshalb nur einen Beitrag
p
< p zur Gesamtpolarisation.
Dabei stellt sich ein Gleichgewicht ein, das annähernd einer Boltzmann-Verteilung
entspricht. Die Rechnung (Langevin 1900) gibt für höhere Temperaturen, nämlich für
kT pp · E = pE cos ϑ, wenn ϑ der Winkel zwischen den Richtungen von p und E
ist und unter der Voraussetzung einer zu vernachlässigenden Wechselwirkung zwischen
den Dipolen, für den Mittelwert von cos ϑ
pp E p2p E
cos ϑ = und Por = N , (3.17)
3kT 3kT
das Curie-Gesetz, das in dieser Form zuerst für den temperaturabhängigen Paramagne-
tismus abgeleitet wurde. Danach ist die Orientierungspolarisation der reziproken Tem-
peratur proportional.
(Die genauere Rechnung ergibt für den Mittelwert von p die Gleichung
pE
p = p cos ϑ = pL
kT
mit der Langevin-Funktion
ex + e−x 1 1
L(x) = − = coth x − .
ex − e−x x x
Bei Zimmertemperatur ist kT 5 · 10−21 W s, die Orientierungsenergie der Dipole im
Feld Wor beträgt bei E = 105 V/cm 10−22 W s. Die Bedingung pE/kT 1 ist
32 3. Moleküle in elektrischen und magnetischen Feldern
also erfüllt, man kann deshalb die Funktion L in einer Reihe entwickeln und nach
dem 1. Glied abbrechen. So ergibt sich p
= p2 E/3kT . Dies ist die sogenannte
Hochtemperatur-Näherung.)
Nachdem wir nun den Beitrag der permanenten Dipole zur Polarisation kennen, wol-
len wir die Dielektrizitätskonstante in einem verdünnten System (mit ε − 1 1) ange-
ben, indem wir die gesamte Polarisation additiv aus Verschiebungs- und Orientierungs-
polarisation zusammenfassen. Wir beziehen uns auf (3.3), (3.9) und (3.17) und erhalten
so
α p2p
ε=1+ N + =1+χ. (3.18)
ε0 3ε0 kT
Wenn die Wechselwirkung der Dipole nicht mehr vernachlässigt werden darf, d. h. be-
sonders in kondensierter Phase, gilt demnach anstatt der Clausius-Mosotti-Gleichung
(3.13) nun die Debye-Gleichung
ε−1 M 1 p2p
= NA α + ≡ PM . (3.19)
ε+2 3ε0 3kT
Experimentell bestimmt man α und pp aus der Messung von ε als Funktion der Tem-
peratur. Wenn man die Molpolarisation PM gegen 1/T aufträgt, ergibt sich nach (3.18)
eine Gerade. Deren Steigung liefert p, ihr Achsenabschnitt α. Bei unpolaren Molekü-
len beträgt die Steigung Null. Meßbeispiele hierzu zeigt Abb. 3.3. Für Gase findet man
(ε − 1) = 1 . . . 10 · 10−3 , für flüssiges H2 O bei Zimmertemperatur ε = 78,5.
Die mit der trägen Masse des ganzen Moleküls belastete Orientierungspolarisation
kann schon bei geringeren Frequenzen als die Verschiebungspolarisation einem Wech-
selfeld nicht mehr folgen, weil nicht nur die äußeren Elektronenwolken relativ zu den
Atomrümpfen, oder die Atomrümpfe im Molekül gegeneinander, sondern die ganzen
Moleküle der umorientierenden Frequenz des Wechselfeldes folgen müssen. Wenn man
annimmt, daß die typische Zeit für die Rotation eines Moleküls in einer Flüssigkeit etwa
10−12 s dauert, dann kommen die Moleküle bei Frequenzen oberhalb etwa 1011 s−1 (im
Bereich der Mikrowellen) nicht mehr bei der Feldänderung mit. Die Debye-Gleichung
(3.19) geht dann über in die Clausius-Mosotti-Gleichung (3.13) bzw. in die Lorentz-
Lorenz-Gleichung (3.14).
. (3.24)
Entsprechend gilt für das Dipolmoment p = ex (Ladung e und Abstand x) und damit
nach (3.9) und (3.7a)
N N ex
ε=1+ α=1+ (3.25)
ε0 ε0 E 0
ε = ε
− iε
(3.26)
34 3. Moleküle in elektrischen und magnetischen Feldern
= n + ik .
wenn mit χor der Beitrag der Orientierungspolarisation bezeichnet wird. Dieser Beitrag
wird häufig auch mit χdip (für dipolar) bezeichnet. Die Frequenzabhängigkeit dieses An-
teils wird nicht durch eine Resonanzgleichung wie bei χel und χion beschrieben. Es han-
delt sich vielmehr um einen Relaxationsprozeß. χor nimmt mit wachsender Frequenz ab,
weil für die Neuorientierung der Dipole im Wechselfeld eine bestimmte Zeitspanne, die
Relaxationszeit benötigt wird. In Abb. 3.5 ist die gesamte Frequenzabhängigkeit von
ε schematisch dargestellt. In Abb. 3.6 werden für ein spezielles Molekül, nämlich für
H2 O, also Wasser, Meßwerte der Dielektrizitätskonstanten ε und des Absorptionskoef-
fizienten k im Bereich kleinerer Frequenzen wiedergegeben. Dies ist der Bereich der
Orientierungspolarisation.
Vom statischen Wert ε = 78,5, der sich bis zu einer Frequenz von etwa 1010 Hz kaum
ändert, kommt man bei zunehmender Frequenz in die Bereiche, in denen die Schwin-
gungen und schließlich die Elektronenwolken der anregenden Frequenz nicht mehr fol-
gen können, mit n = 1,33 =
ε = 1,76 für sichtbares Licht.
Wir haben gesehen, daß die Größe ε komplex ist und stark von der Meßfrequenz
abhängen kann. Deshalb muß man zu ihrer Messung viele verschiedene Meßmetho-
den heranziehen außer der einfachsten, der Kapazitätsmessung eines Kondensators. An-
muß man die Moleküle orientieren, zum Beispiel durch Einbau in einem Molekülkri-
stall. Man mißt dann an diesen Kristallen eine unter Umständen starke Anisotropie der
Dielektrizitätszahl ε.
Eine andere Möglichkeit bietet der bereits 1875 entdeckte elektrooptische Kerr-
Effekt. Als elektrooptischen Kerreffekt bezeichnet man die Beobachtung, daß viele mo-
lekulare Substanzen im starken elektrischen Feld doppelbrechend werden. Dies kommt
in folgender Weise zustande. Im elektrischen Feld tritt eine bevorzugte Ausrichtung der
Moleküle in der Weise ein, daß sie bestrebt sind, sich so zu lagern, daß ihr Dipolmo-
ment in Feldrichtung fällt. Sind nun die Moleküle hinsichtlich α anisotrop, so hat das
wegen des zwischen α und ε bzw. dem Brechungsexponent n bestehenden Zusammen-
hanges zur Folge, daß n für Licht mit elektrischem Feldvektor senkrecht zur Richtung
des äußeren Feldes anders ist als für Licht, dessen Feldvektor parallel zur Richtung des
äußeren Feldes schwingt.
Eine weitere wichtige Konsequenz anisotroper Polarisierbarkeit ist die Depolarisa-
tion von an Molekülen gestreutem Licht durch eine Anisotropie oder eine Bewegung
der Moleküle. Abbildung 3.7 zeigt zur Erläuterung das Richtungsdiagramm der Streu-
strahlung eines kugelsymmetrischen Moleküls für unpolarisiertes und für polarisiertes
Primärlicht. Dieses ist das Richtungsdiagramm eines Hertzschen Dipoloszillators. Wenn
Abb. 3.7. Die Rayleigh- das Molekül nicht mehr kugelsymmetrisch ist, oder wenn es sich während des Streupro-
Streuung hängt in charakteristi- zesses bewegt, treten Abweichungen von dieser Richtungscharakteristik auf. Polarisier-
scher Weise vom Streuwinkel
ϑ ab. Das Diagramm zeigt die tes Primärlicht wird bei der Streuung um so stärker depolarisiert, je unsymmetrischer
räumliche Verteilung (in einer die Elektronenhülle der streuenden Moleküle ist. Sehr lange oder sehr flache Moleküle
Ebene) der Lichtintensität, die ergeben einen hohen Depolarisationsgrad. So kann man Information über Molekülbau
an einer isotropen kugelför- und Molekülbewegung erhalten.
migen Probe gestreut wurde.
Die ausgezogene Kurve gilt für
unpolarisiertes, die gestrichelte
Kurve für polarisiertes Primär-
licht. Das Strahlungsdiagramm
gilt für ein kugelsymmetrisches
Molekül. Es kann sich auch än-
dern, wenn die streuenden Teil-
chen sich bewegen. So kann
man Bewegungsvorgänge von
Molekülen oder Molekülteil-
chen untersuchen, indem man
die Anisotropie der Rayleigh-
Streuung mißt
Schließlich ist hier noch die optische Aktivität von manchen organischen Molekülen
zu erwähnen. Darunter versteht man die Verschiedenheit des Brechungsindex für links-
und rechtspolarisiertes Licht, den sogenannten Zirkulardichroismus. Er wird durch die
asymmetrische Anordnung der Atome im Molekül bestimmt. Besonders in großen Mo-
lekülen lassen sich damit Rückschlüsse über die Unsymmetrie der Elektronenanordnung
erhalten.
J = (µ − 1)B . (3.32)
µ0 M
J= . (3.33)
V
Im molekularen Bild deutet man das Moment M als die Summe der zeitlich gemittelten
Beiträge m
von n Molekülen, also
n
J = µ0 m
= µ0 m
N . (3.34)
V
Aus (3.32) und (3.34) folgt für m
J B(µ − 1)
m
= = . (3.35)
µ0 N µ0 N
m µ−1 κ
β= = = . (3.36)
B µ0 N µ0 N
Verwendet man die Beziehungen (3.35), (3.36), (3.39) und (3.40), so findet man nach
leichten Umformungen für den paramagnetischen Beitrag zur magnetischen Polarisation
∗
1 m p µ0 N B
2
m
J = µ0 = , (3.41)
V 3 kT
und
1 µ0 m p N
2
κ= . (3.42)
3 kT
Dies ist das Curiesche Gesetz, das die Temperaturabhängigkeit des Paramagnetismus
beschreibt.
Mit Hilfe der aus (3.41) und (3.36) folgenden Gleichung
m p = β3kT , (3.43)
kann man also aus der mit Hilfe von (3.36) bestimmten magnetischen Polarisierbarkeit
β das permanente magnetische Moment eines paramagnetischen Moleküls berechnen.
Für O2 erhält man aus dem Meßwert von κ in Tabelle 3.4
A m4
β = 5,5 · 10−26 ,
Vs
und daraus bei T = 300 K aus (3.43) den Zahlenwert
m p = 2,58 · 10−23 A m2 ,
für das magnetische Moment. Dieser Zahlenwert ist von der Größenordnung des Bohr-
schen Magnetons µB . Andere so gemessene magnetische Momente sind beispielsweise
1,70 · 10−23 A m2 für das NO-Molekül und 4,92 · 10−23 A m2 für das Eisen-Ion Fe+++ .
Hier wurde das magnetische Moment allerdings aus der klassischen Formel des Cu-
rieschen Gesetzes abgeleitet. Zur quantenmechanischen Formel kommt man, indem man
in (3.42) das Quadrat des magnetischen Moments m 2p durch seinen quantenmechani-
schen Erwartungswert gF2 µ2B F(F + 1) ersetzt. Vgl. dazu I, insbesondere Abschn. 13.3.5
und 20.5. Für O2 erhält man damit als magnetisches Moment 2µB .
Die gesamte Suszeptibilität einer Substanz setzt sich additiv aus dem diamagneti-
schen und – falls vorhanden – dem paramagnetischen Anteil zusammen.
Es gilt
µ = 1 + κdia + κpara
µ0 m 2p
= 1 + N µ0 βdia + =1+κ. (3.44)
3kT
Man bestimmt die molekularen Größen βdia und mp , indem man die makroskopischen
Meßgrößen κ oder µ gegen 1/T aufträgt, wie wir das vorne im elektrischen Verhalten
der Materie bereits gesehen haben, vergleiche Abb. 3.3.
Es gibt auch zahlreiche Moleküle, die im Grundzustand diamagnetisch sind, jedoch
paramagnetische elektronische Anregungszustände besitzen. Besonders wichtig und in-
teressant sind die Triplett-Zustände vieler organischer Moleküle. Mehr darüber folgt
später, besonders in Abschn. 15.3 und in Kap. 19.
42 3. Moleküle in elektrischen und magnetischen Feldern
Bei tiefen Temperaturen kann es bei manchen Stoffen, bevorzugt in fester Phase,
auch schon ohne äußeres Magnetfeld, das heißt spontan, zu einer bevorzugt parallelen
oder antiparallelen Ordnung der Spins und damit verbunden der magnetischen Momente
der Moleküle kommen. Man spricht dann von Ferro- oder Antiferro-Magnetismus. Im
Bereich der Moleküle überwiegt die antiferromagnetische Ordnung, d. h. die parama-
gnetischen Moleküle ordnen sich mit ihren Spins bei tiefen Temperaturen so, daß diese
paarweise abwechselnd antiparallel orientiert sind.
Nachdem wir in den bisherigen Kapiteln eine Reihe von wichtigen Grundgrößen der
Molekülphysik vornehmlich vom experimentellen Standpunkt aus kennengelernt haben,
wenden wir uns nun in den vier folgenden Kapiteln der Theorie der chemischen Bin-
dung zu. Hierbei sind die Kap. 4 und 5 von allgemeinem Interesse, während die Kap. 6
und 7 weitergehende theoretische Ansätze bringen und bei einer ersten Lektüre auch
ausgelassen werden können.
Aufgaben
3.1 a) Moleküle mit permanentem elektrischem Dipolmoment neigen in einem äuße-
ren elektrischen Feld dazu, sich in Feldrichtung zu orientieren; dem wirkt die thermische
Unordnung entgegen. Gemäß den Regeln der Statistischen Mechanik läßt sich die Wahr-
scheinlichkeit dafür angeben, daß sich ein molekularer Dipol p im Feld E vom Winkel
ϑ zwischen Dipol- und Feldrichtung nach ϑ + ∆ϑ dreht. Versuchen Sie, daraus den
thermischen Mittelwert cos ϑ = L( pE/kT ) abzuleiten. Dabei ist L(x) die Langevin-
Funktion
1
L(x) = coth x − .
x
b) Wie groß muß die elektrische Feldstärke sein, um ein Wassermolekül ( p =
6,17 · 10−30 A s cm) bei Raumtemperatur exakt in Feldrichtung zu orientieren?
c) Wasser sei in sehr niedriger Konzentration in (unpolarem) n-Hexan gelöst. Wel-
che Feldstärke benötigt man, um bei Raumtemperatur 50% der theoretisch möglichen
Orientierungspolarisation zu erhalten? (Überschlagsrechnung)
d) Welcher Orientierungsgrad läßt sich bei einer realistischen Feldstärke von E =
105 V/cm bei Kühlung auf die Temperatur flüssigen Heliums (T = 4,2 K) erreichen?
3.2 Wie orientiert sich ein Wassermolekül (Dipolmoment p = 1,85 D) in der Nähe
eines Anions? Welches lokale elektrische Feld erzeugt das Wassermolekül am Ort des
Ions, wenn die Entfernung seines Zentrums vom Zentrum des Ions (a) 1,0 nm, (b)
0,3 nm, (c) 30 nm beträgt?
3.3 Wie groß ist das induzierte Dipolmoment pind in Benzol (a) in einem elektrischen
Feld, das der Durchschlagfestigkeit von Luft (106 V/m) entspricht; (b) im Fokus eines
Lasers mit Leistung P = 107 W und Fläche A = 100 µm2 ?
3.5 Für die Kapazitäten C und C0 eines Plattenkondensators mit und ohne Dielek-
triukum (relative Dielektrizitätskonstante εr ) gilt die Relation
C ε0 εr
= = εr .
C0 ε0
Für eine Versuchsreihe an Campher bei verschiedenen Temperaturen wurde ein Kon-
densator mit C0 = 5,01 pF verwendet; ermitteln Sie aus den folgenden Meßdaten das
Dipolmoment und das Polarisierbarkeitsvolumen des Moleküls (M = 152,23 g/cm3 ).
Anmerkung: Die über pind = αE definierte Polarisierbarkeit besitzt die sehr unanschau-
liche Einheit A2 s2 m2 /J; daher wird sie oft durch das sog. Polarisierbarkeitsvolumen α
ersetzt:
α
α
=
4πε0
in Einheiten von 10−30 m3 = 1 Å3 . Der Wert von α
in SI-Einheiten [10−30 m3 ] ent-
spricht dann exakt α in cgs-Einheiten [10−24 cm3 ].
3.6 Wie groß ist das Polarisierbarkeitsvolumen von Wasser für Licht der Wellenlänge
589 nm, wenn sein Brechungsindex bei 20 ◦ C für 589 nm den Wert 1,3330 besitzt?
3.7 Nach einem einfachen Modell entsteht das Dipolmoment von Wasser ( p =
1,85 D) durch die Addition der Dipole zweier Bindungen unter einem Winkel von
104,5◦ . Wie lautet dann die Funktion für das Dipolmoment von Wasserstoffperoxid
H2 O2 in Abhängigkeit vom Azimutwinkel zwischen den beiden OH-Gruppen, wenn
der OOH-Winkel 90◦ ist? Welchen Winkel berechnen Sie aufgrund von Messungen,
die ein Dipolmoment von 2,13 D ergeben?
3.8 Kann man Wasserdampf in der Luft durch Messung der Dielektrizitätszahl ε be-
stimmen? Beachten Sie, daß der Sättigungsdampfdruck von Wasser in Luft bei 40 ◦ C
50 mbar beträgt und die Dielektrizitätskonstante von N2 ε = 1 + 5,8 · 10−4 . Bei wel-
cher relativen Luftfeuchtigkeit liefert Wasserdampf denselben Beitrag zu εLuft wie N2 ?
3.9 Ermitteln Sie das Polarisierbarkeitsvolumen und das Dipolmoment des Chloro-
form-Moleküls CHCl3 , für das man in Abhängigkeit von der Temperatur die folgenden
statischen Dielektrizitätskonstanten mißt (Schmelzpunkt −64 ◦ C)?
mit
ε(0) Ω2
= LO (Lyddane-Sachs-Teller-Relation) .
ε(∞) ΩTO
2
Skizzieren Sie die Funktion mit folgenden Parametern: ε(0) = 5,62, ε(∞) = 2,25,
ΩTO = 3,1 · 1013 rad s−1 . Wie groß ist ε(ω) für ΩTO < ω < ΩLO ? Was sind Reststrah-
len in diesem Zusammenhang?
4. Einführung in die Theorie der chemischen Bindung
In diesem Kapitel stellen wir als erstes die wichtigsten Konzepte der Quantenme-
chanik zusammen und erläutern dann den Unterschied zwischen heteropolarer und
homöopolarer Bindung. Sodann behandeln wir das Wasserstoff-Molekülion und das
Wasserstoff-Molekül, wobei wir am letzteren verschiedene wichtige Verfahren vor-
führen. Schließlich behandeln wir die vor allen Dingen für Kohlenstoffverbindungen
wichtige Hybridisierung.
schreiben läßt. Die potentielle Energie können wir als ein vom Ort abhängiges Potential
gemäß
darstellen, wobei r = (x, y, z) ist. Der Energie-Ausdruck (4.1) läßt sich damit in die
Hamilton-Funktion
1 2
H= p + V(r) (4.6)
2m 0
umschreiben. Diese stellt den Ausgangspunkt für die Quantisierung dar. Gemäß der
Jordanschen Regel haben wir den Impuls p durch den Impulsoperator gemäß
h ∂ h ∂ h ∂
px = , py = , pz = (4.7)
i ∂x i ∂y i ∂z
oder in vektorieller Schreibweise
h
p= ∇ (4.8)
i
zu ersetzen. Damit wird die Hamilton-Funktion (4.6) zum Hamilton-Operator
2
1 h
H= ∇ + V(r) . (4.9)
2m 0 i
Rechnen wir das Quadrat des Nabla-Operators ∇ aus, so erhalten wir den Laplace-
Operator ∇ gemäß
∂2 ∂2 ∂2
∇2 = ∆ ≡ + + . (4.10)
∂x 2 ∂y2 ∂z 2
Damit läßt sich abschließend der Hamilton-Operator in der Form
h2
H=− ∆ + V(r) (4.11)
2m 0
schreiben. Mit Hilfe dieses Operators können wir die zeitabhängige Schrödinger-
Gleichung formulieren. Diese bezieht sich auf eine orts- und zeitabhängige Wellen-
funktion ψ(r, t)
∂
Hψ(r, t) = ih ψ(r, t) . (4.12)
∂t
In vielen Fällen ist der Hamilton-Operator selbst nicht explizit von der Zeit abhängig.
In einem solchen Fall kann man die zeitabhängige Schrödinger- Gleichung (4.12) ver-
einfachen, indem man den Ansatz
i
ψ(r, t) = exp − Et ψ(r) (4.13)
h
4.1 Eine Erinnerung an die Quantenmechanik 47
macht, d. h. eine Zeitfunktion in Form der Exponentialfunktion von ψ(r) abspaltet. Set-
zen wir (4.13) in (4.12) ein, führen die Differentiation nach der Zeit aus und dividieren
durch die in (4.13) vorkommende Exponentialfunktion auf beiden Seiten, so erhalten
wir die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung
Hψ = Eψ . (4.14)
Sowohl bei der Lösung von (4.12) als auch (4.14) sind Randbedingungen für ψ in Ab-
hängigkeit von dem Ortsvektor r zu beachten. Im allgemeinen lauten diese, daß ψ ver-
schwindet, wenn der Ortsvektor r gegen unendlich geht. Wie nun ganz allgemein gezeigt
werden kann, liefert die Schrödinger-Gleichung (4.14) gemeinsam mit den Randbedin-
gungen einen Satz von sogenannten Eigenwerten E v und Eigenfunktionen ψv , wobei v
ein Index ist, der die sogenannten Quantenzahlen kennzeichnet. Wir können daher an
Stelle von (4.14)
Hψv = E v ψv (4.15)
schreiben. Nach dem Grundpostulat der Quantenmechanik sind die bei einer Messung
erhaltenen Werte gerade die, die als Eigenwerte in (4.15) auftreten. Bei Messungen, die
sich nicht auf die Energie beziehen, können bei jeder einzelnen Messung jeweils ver-
schiedene Werte auftreten. In einem solchen Fall kann die Theorie im allgemeinen nur
Erwartungswerte, z. B. des Ortes, des Impulses, der kinetischen oder der potentiellen
Energie voraussagen. Diese Erwartungswerte sind durch
x̄ = ψ ∗ (r, t)xψ(r, t)dV (4.16)
p̄x = ψ ∗ (r, t) px ψ(r, t)dV (4.17)
h2
E kin = ψ ∗ (r, t) − ∆ ψ(r, t)dV (4.18)
2m
E pot = ψ ∗ (r, t)V(r)ψ(r, t)dV (4.19)
definiert. Die Größen px , x, . . . sind hierbei Operatoren geworden. Mit ihrer Hilfe lassen
sich weitere Ausdrücke für Operatoren bilden, z. B. für den Drehimpulsoperator gemäß
der Vorschrift
L = [r, p] oder in anderer Schreibweise L = r× p
oder wenn wir (4.8) verwenden,
h
L = r, ∇ . (4.20)
i
Betrachten wir nun das Wasserstoffatom oder allgemeiner ein Atom, das die Kern-
ladungszahl Z hat und um das nur noch ein Elektron kreist. Hier ist der Hamilton-
Operator explizit durch
h2 1 Ze2
H=− ∆− (4.21)
2m 0 4πε0 r
48 4. Einführung in die Theorie der chemischen Bindung
gegeben. Da der Hamilton-Operator nur vom Abstand, nicht aber von dem Winkel in ei-
nem sphärischen Polarkoordinatensystem abhängt, ist es zweckmäßig, in (4.21) zu sphä-
rischen Polarkoordinaten gemäß
r → r, ϑ, ϕ (4.22)
überzugehen. Wie sich zeigen läßt, kann dann die Wellenfunktion in der Form
ψnlm (r) = Rnl (r)Plm (cos ϑ) ei m ϕ (4.23)
geschrieben werden, wobei die Indizes nlm die Bedeutung von Quantenzahlen haben,
und zwar ist n die Hauptquantenzahl, l die Drehimpulsquantenzahl und m die magneti-
sche Quantenzahl. Die Wellenfunktion läßt sich also in einen von r abhängigen Teil R
und einen von den Winkeln abhängigen Teil Plm ei m ϕ aufspalten. Es soll hier nicht
unsere Aufgabe sein, die Quantentheorie des Wasserstoffatoms im einzelnen zu ent-
wickeln. Dies ist in I, Kap. 10, ausgeführt. Wir wollen vielmehr den Leser nur an einige
Grundresultate erinnern. So ergibt sich die Energie zu
m 0 Z 2 e4 1
En = − . (4.24)
2h 2 (4πε0 )2 n 2
Sie hängt also nur von der Hauptquantenzahl n ab, die die Werte 1, 2, 3, . . . annehmen
kann. Damit sind die gebundenen Zustände gekennzeichnet.
Für das Folgende ist noch die Winkelabhängigkeit von ψ von Interesse. Wir erin-
nern daher an die einfachsten Drehimpulszustände, Abb. 4.1. Für l = 0 ergibt sich ein
Zustand, der nicht vom Winkel abhängt, d. h. also rotationssymmetrisch ist. Für l = 1
erhalten wir für den winkelabhängigen Faktor in (4.23), den wir mit
Fl,m (ϑ, ϕ) ≡ Plm (cos ϕ) ei m ϕ (4.25)
1 m 0 Ze2
κn = (4.31)
n h 2 4πε0
2l+1
gegeben. Die Funktion L n+l ist dabei als Ableitung von den Laguerreschen Polynomen
L n+l gemäß
2l+1
L n+l () = d 2l+1 L n+l /d2l+1 (4.32)
definiert, wobei die Laguerreschen Polynome selbst wieder mit Hilfe von Differentiati-
onsvorschriften gemäß
L 1 () = − + 1 (4.34)
und daraus
L 11 = dL 1 /d = −1 , (4.35)
gegeben ist. Einige Beispiele für Rn,l sind in Abb. 4.2 dargestellt.
50 4. Einführung in die Theorie der chemischen Bindung
zwei Wasserstoffkernen, d. h. Protonen, aber nur einem Elektron zu tun. Die beiden
Kerne unterscheiden wir durch die Indizes a und b (vgl. Abb. 4.3). Sind die Kerne sehr
weit voneinander entfernt, so können wir uns vorstellen, daß das Elektron entweder um
den einen oder um den anderen Kern herum lokalisiert ist. Die Wellenfunktionen sind
dann die des Wasserstoffgrundzustandes. Im folgenden bezeichnen wir den Abstand
des Elektrons vom Kern a bzw. b mit ra bzw. rb . Bezeichnen wir die Wellenfunktion
des Wasserstoffgrundzustandes, die zum Kern a gehört, mit ϕa , so genügt diese der
Schrödinger-Gleichung
Abb. 4.3. Übersichtsskizze zum h2 e2
Wasserstoff-Molekülion. Die bei- − ∆− ϕa (ra ) = E a0 ϕa (ra ) , (4.37)
2m 0 4πε0ra
den Kerne sind mit a und b be-
zeichnet, ihr Abstand mit Rab . Ha
ra bzw. rb geben den Abstand
des Elektrons zum Kern a bzw.
zum Kern b an und das Entsprechende gilt für die Wellenfunktion ϕb , wobei die Energien E a0 und E b0
einander gleich sind:
E a0 = E b0 = E 0 . (4.38)
Nähern wir nun die Kerne einander, so wird das Elektron, das z. B. zunächst am Kern a
saß, die Coulombsche Anziehungskraft des Kerns b spüren. Entsprechend wird ein Elek-
tron, das am Kern b saß, die Coulombsche Anziehungskraft des Kern a spüren. Wir
müssen daher eine Schrödinger-Gleichung aufstellen, die das Coulomb-Potential bei-
der Kerne enthält (Abb. 4.4). Außerdem müssen wir, um die Gesamtenergie zu berech-
nen, die Coulombsche Abstoßung zwischen beiden Kernen berücksichtigen. Bezeichnen
wir den Abstand zwischen den beiden Kernen mit Rab , so lautet diese Zusatzenergie
e2 /4πε0 Rab .
Da sich diese Zusatzenergie nicht auf die Energie der Elektronen bezieht, bedeutet
sie lediglich eine Verschiebung des Energieeigenwerts E um einen konstanten Betrag.
Wir werden daher diese Konstante zunächst weglassen, um sie dann erst am Schluß zu
berücksichtigen.
Dies führt uns auf die Schrödinger-Gleichung
h2 e2 e2
− ∆− − ψ = Eψ , (4.39)
2m 0 4πε0ra 4πε0rb
Abb. 4.4. Zum Wasserstoff-
Molekülion. Aufgetragen ist in der die Wellenfunktion ψ und die zugehörige Energie noch zu berechnen sind.
die potentielle Energie V , die
das Elektron aufgrund der
Anziehungskraft der Kerne
a und b vorfindet. Die ge-
strichelten Kurven geben die
potentielle Energie des Elek-
trons wieder, die von einem
Kern a bzw. b herrührt. Die
ausgezogene Kurve ist die ge-
samte potentielle Energie. Nach
rechts ist die Ortskoordinate x
aufgetragen. Ferner ist die Bin-
dungsenergie E 0 des Elektrons
im Feld eines einzelnen Kerns
eingezeichnet
4.3 Das Wasserstoff-Molekülion H+
2 53
Wir wollen nun die Wellenfunktion ψ genähert bestimmen. Dabei lassen wir uns von
einer Idee leiten, die der Störungstheorie mit Entartung entlehnt ist. Im Prinzip könnte
ja das Elektron in der Nähe des Kerns a oder des Kerns b sitzen (vgl. Abb. 4.5), wobei
jeweils die Energie die gleiche wäre, vgl. (4.37) und (4.38). Diese beiden Zustände ϕa
und ϕb sind also miteinander entartet. Nun wirkt aber jeweils der andere Kern, an dem
das Elektron gerade nicht sitzt, mit einer Störung auf das Elektron ein. Wir werden also
erwarten, daß durch diesen Effekt die Entartung aufgehoben wird. Genau wie bei der
Störungstheorie mit Entartung bilden wir zur Lösung von (4.39) eine Linearkombination
in der Form
ψ = c1 ϕa + c2 ϕb , (4.40)
wobei die beiden Koeffizienten c1 und c2 noch zu bestimmen sind. Zu deren Festlegung
verfahren wir in der üblichen Weise. Wir setzen als erstes den Ansatz (4.40) in die Gl.
(4.39) ein und erhalten
h2 e2 e2
− ∆− − c1 ϕa
2m 0 4πε0ra 4πε0rb
Ha
h2 e2 e2
+ − ∆− − c2 ϕb = E(c1 ϕa + c2 ϕb ) . (4.41)
2m 0 4πε0rb 4πε0rb
Hb
In den einzelnen Klammern in (4.41) haben wir die Glieder so zusammengefaßt, daß
jeweils der Operator Ha auf ϕa und der Operator Hb auf ϕb wirken. Wir können dann
sofort mit Hilfe von (4.37) und der entsprechenden Gleichung mit Hb die entsprechen-
den Ausdrücke vereinfachen, indem wir z. B. an Stelle von Ha ϕa den Ausdruck E a0 ϕa
benutzen.
Wenn wir noch die rechte Seite von (4.41) auf die linke hinüberbringen, erhalten wir
e2 e2
E0 − E − c1 ϕa + E 0 − E − c2 ϕb = 0 . (4.42)
4πε0rb 4πε0ra
∆E ∆E
Während ϕa und ϕb Funktionen des Ortes sind, sollen die Koeffizienten c1 und c2 orts-
unabhängig sein. Um eine ortsunabhängige Gleichung für die c’s zu finden, multiplizie-
ren wir, wie wir es ja von der Störungstheorie her kennen, Gl. (4.42) mit ϕa∗ bzw. ϕb∗
und integrieren über die Elektronenkoordinate. Wir nehmen dazu im folgenden an, daß
die Funktionen ϕa und ϕb reell sind, wie das bei der Funktion des Wasserstoffgrundzu-
standes der Fall ist. Im folgenden müssen wir berücksichtigen, daß die Funktionen ϕa
und ϕb nicht zueinander orthogonal sind, d. h. daß das Integral
ϕa ϕb dV = S (4.43)
nicht verschwindet. Wenn wir (4.42) mit ϕa multiplizieren und dann über die Elektro-
nenkoordinate integrieren, so erhalten wir Ausdrücke, die die Gestalt von Matrixelemen-
ten haben, nämlich die Integrale
e2
ϕa (ra ) − ϕa (ra )dV = C , (4.44)
4πε0rb
e2
ϕa (ra ) − ϕb (rb )dV = D , (4.45)
4πε0ra
die wir mit den Buchstaben C und D abgekürzt haben. Die Bedeutung des ersten
Integrals erhellt sich sofort, wenn wir uns daran erinnern, daß −eϕa2 die Bedeutung
einer Ladungsdichte des Elektrons hat. Gleichung (4.44) ist dann nichts anderes als
die Coulombsche Wechselwirkungsenergie zwischen der Elektronenladungsdichte und
der Kernladung e (vgl. Abb. 4.6). Im Integral (4.45) hingegen tritt statt der Elektro-
nenladungsdichte der Ausdruck −eϕa ϕb auf. Dies bedeutet, daß das Elektron sich
gewissermaßen teilweise im Zustand ϕa , teilweise aber im Zustand ϕb aufhält oder,
mit anderen Worten, ein Austausch zwischen diesen beiden Zuständen vorkommt.
Man bezeichnet daher ϕa ϕb auch als Austauschdichte und Integrale, in denen solche
Austauschdichten ϕa ϕb auftreten, als Austauschintegrale (vgl. Abb. 4.7). Diese stel-
len einen ganz spezifisch quantentheoretischen Effekt dar. Multiplizieren wir (4.42)
mit ϕb statt mit ϕa und integrieren, so werden wir auf ganz ähnliche Ausdrücke wie
(4.44) und (4.45) geführt, wobei lediglich die Indizes a und b vertauscht sind. Da
Abb. 4.6. Zur Veranschaulich-
ung des Integrals (4.44). Dies-
es stellt die Coulombsche
Wechselwirkungsenergie einer
Elektronenwolke mit der Wahr-
scheinlichkeitsverteilung ϕa2 im
Coulomb-Feld des Kerns dar.
Aufgetragen ist die Dichte-
verteilung ϕa2 (schraffierter
Bereich) und dazu als aus-
gezogene Kurve der Verlauf
der potentiellen Energie einer
Punktladung im Coulomb-Feld
des Kerns b. Zur Berechnung
des Integrals ist bei jedem
Raumpunkt der Wert von ϕa2
mit dem zugehörigen Wert von
−e2 /4πε0 rb zu multiplizieren
und dann über den gesamten
Raum aufzuintegrieren
4.3 Das Wasserstoff-Molekülion H+
2 55
das Problem aber völlig symmetrisch bezüglich der Indizes a und b ist, haben die
neuen Integrale die gleichen Werte wie die alten. Fassen wir alle Glieder, die wir bei
der Multiplikation und Integration mit ϕa erhalten, zusammen, so geht (4.42) in die
Gleichung
(∆E + C)c1 + (∆ES + D)c2 = 0 (4.46)
über, und entsprechend erhalten wir nach Multiplikation von (4.42) mit ϕb und Inte-
gration die Gleichung
(∆ES + D)c1 + (∆E + C)c2 = 0 . (4.47)
Dies sind zwei ganz einfache algebraische Gleichungen für die unbekannten Koeffizi-
enten c1 und c2 . Damit die Gleichungen eine nichttriviale Lösung ergeben, muß die
Determinante verschwinden, d. h.
(∆E + C)2 − (∆ES + D)2 = 0 . (4.48)
Dies ist eine quadratische Gleichung für die Energieverschiebung ∆E, die wir im vor-
liegenden Falle besonders einfach auflösen können, indem wir das 2. Glied in (4.48)
auf die rechte Seite bringen und beiderseits die Wurzel ziehen
(∆E + C) = ±(∆ES + D) . (4.49)
Dabei ergeben sich durch das Wurzelziehen die beiden Vorzeichen ±. Verwen-
den wir (4.49) in (4.46) oder (4.47), so erhalten wir sofort beim oberen Vorzei-
chen
c2 = −c1 ≡ −c . (4.50)
In diesem Falle erhält man also die Gesamtwellenfunktion
ψ = c(ϕa − ϕb ) . (4.51)
Die Konstante c ist noch durch die Normierung der Gesamtwellenfunktion ψ festzu-
legen. Die zugehörige Wellenfunktion ist in Abb. 4.8 dargestellt. Gilt in (4.49) das
untere Vorzeichen, so erhalten wir für die Koeffizienten: c2 = c1 = c und somit als
Gesamtwellenfunktion
ψ = c(ϕa + ϕb ) (4.52)
(vgl. Abb. 4.9). Berechnen wir aus (4.49) die zu (4.51) und (4.52) gehörigen Energien,
wobei E = E 0 − ∆E.
Zur antisymmetrischen Wellenfunktion gehört also die Energie des Elektrons
C−D
E = E0 + (4.53a)
1−S
und zur symmetrischen Wellenfunktion die Energie des Elektrons
C+D
E = E0 + . (4.53b)
1+S
Wie man sich anhand der Abb. 4.6 und 4.7 veranschaulichen kann, hängen die Grö-
ßen S, C und D vom Abstand der beiden Kerne ab, wobei 0 < S ≤ 1 und C, D < 0
sind. Nähert man die beiden Kerne einander, so spaltet die Elektronenenergie E gemäß
(4.53a), (4.53b) auf. Um zu entscheiden, ob eine Bindung zwischen den beiden Proto-
nen auf dem Weg über das Elektron zustandekommt, müssen wir zu (4.53a) bzw. (4.53b)
noch die Coulombsche Abstoßungsenergie zwischen den Protonen e2 /4πε0 Rab hinzu-
fügen. Ferner müssen wir die Energie bei endlichem Abstand mit der bei unendlichem
Abstand, wo C und D Null sind, vergleichen. Wir haben also
C±D
E Bindung = + e2 /4πε0 Rab (4.54)
1±S
zu untersuchen. Wie die numerische Rechnung zeigt, ändert das Überlappungsintegral S
nichts an dem Ergebnis, ob es zur Bindung kommt oder nicht, so daß wir es bei unserer
Diskussion weglassen.
Betrachten wir als erstes das Verhalten von C in seiner Abhängigkeit vom Ab-
stand Rab . Ist Rab groß gegenüber der Erstreckung der Wellenfunktion ϕa (oder ϕb ),
so ist C praktisch gleich der potentiellen Energie E pot einer punktförmigen Ladung
im Potentialfeld des anderen Kernes, also gleich −e2 /4πε0 Rab . Für große Abstände
Rab kompensieren sich also C und das letzte Glied in (4.54). Während aber für kleine
Abstände Rab → 0 das letzte Glied in (4.54) gegen unendlich geht, strebt C einem
endlichen (negativen) Wert zu. Man kann dies direkt aus (4.44) entnehmen, da für
Rab → 0 der Abstand rb in ra übergeht und (4.44) dann identisch wird mit dem
Erwartungswert der potentiellen Energie des Elektrons im Wasserstoffatom, der be-
kanntlich endlich ist. Die Summe C + e2 /4πε0 Rab ist also positiv und es ergibt sich
keine Bindung.
Das Zünglein an der Waage in der Frage einer Bindung bildet also D (4.45), das
die Austauschdichte enthält. Für Rab → 0 geht ϕb in ϕa über, so daß dann D mit C
übereinstimmt und somit den Beitrag von e2 /4πε0 Rab nicht kompensieren kann. Wächst
nun Rab an, so nehmen sowohl e2 /4πε0 Rab als auch D, die entgegengesetzte Vorzei-
chen haben, dem Betrage nach ab. Dabei zeigt die numerische Rechnung, daß dabei
in einem bestimmten Bereich E Bindung < 0 wird (vgl. Abb. 4.10). Der zugehörige
Zustand (4.52) wird als bindender Zustand bezeichnet. Umgekehrt tritt keine Bindung
für den Zustand (4.51) ein; dieser Zustand heißt daher lockernder oder „antibindender“
Zustand.
Wie unsere Diskussion erhellt, beruht der Bindungseffekt ganz entscheidend auf dem
Auftreten der Austauschdichte ϕa ϕb in D. Die Bindung des Wasserstoff-Molekülions ist
also ein typisch quantenmechanischer Effekt. Trotzdem kann man sich den Bindungs-
und Lockerungseffekt anschaulich verdeutlichen.
Wie aus der Abb. 4.9 ersichtlich, ist bei dem gebundenen Zustand die Aufenthalts-
wahrscheinlichkeit des Elektrons zwischen den beiden Kernen relativ groß. Es kann also,
energetisch gesehen, von der Coulombschen Anziehungsenergie beider Kerne profitie-
ren, wodurch die potentielle Energie des Gesamtsystems abgesenkt wird. Im lockernden
Zustand (Abb. 4.8) ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons zwischen den
beiden Kernen klein, in der Mitte sogar 0, was bedeutet, daß das Elektron fast nur die
Anziehungskraft jeweils eines Kerns spürt.
Wir wenden uns nunmehr dem Problem der chemischen Bindung zu, wenn mehrere
Elektronen beteiligt sind. Bevor wir uns aber konkret mit dem einfachsten Beispiel,
nämlich dem H2 -Molekül, befassen, machen wir noch eine allgemeine Vorbemerkung,
die von grundsätzlicher Bedeutung auch für andere Probleme der Quantentheorie ist.
Unsere Aufgabe ist es immer wieder, eine Schrödinger-Gleichung der allgemeinen
Gestalt
HΨ = EΨ (4.55)
zu lösen, was aber oft gar nicht in geschlossener Form möglich ist. Neben der bisher be-
sprochenen Lösungsmethode der Störungstheorie gibt es noch eine grundsätzlich andere,
sehr wichtige, die sich auf ein Variationsprinzip stützt. Um diese zu erläutern, denken
wir uns die Schrödinger-Gleichung (4.55) mit Ψ ∗ multipliziert und über alle Koordina-
ten, von denen Ψ abhängt, integriert. Wir erhalten dann
∗
Ψ HΨdV1 . . . dVn
E= ∗ . (4.56)
Ψ ΨdV1 . . . dVn
n ist die Zahl der Elektronen, während dV j , j = 1, . . . , n das Volumenelement bzgl.
des Elektrons j bei der Integration über dessen Koordinaten darstellt.
Da der Hamilton-Operator H der Operator ist, der zur Gesamtenergie gehört, steht
hier nichts anderes als der Erwartungswert der Energie, der im vorliegenden Fall mit
dem Energie-Eigenwert der Schrödinger-Gleichung identisch ist. Was passiert aber,
wenn wir für Ψ nicht die Lösung der Schrödinger-Gleichung verwenden, sondern eine
4.4 Das Wasserstoff-Molekül H2 59
andere Funktion? Dann hat der Ausdruck (4.56) wieder die Dimension einer Energie,
muß aber nicht mit dem richtigen Eigenwert der Schrödinger-Gleichung, den wir ja
eigentlich suchen, übereinstimmen. In der Mathematik wird nun eine äußerst wichtige
Beziehung bewiesen. Wenn wir nämlich nicht die richtige Eigenfunktion Ψ für den
Grundzustand verwenden, sondern eine andere, so liegt deren zugehöriger Energie-
Erwartungswert stets höher als der Eigenwert der Lösung von (4.55). In diesem Sinn
können wir also ein Kriterium angeben, wie gut genähert Wellenfunktionen sind. Sie
sind um so besser, je tiefer der zugehörige Energiewert liegt.
Wir werden an späterer Stelle dieses Kriterium mehrmals heranziehen. Jetzt wollen
wir uns aber auf den Weg machen, die Wellenfunktion und die Energie des Wasserstoff-
Moleküls im Grundzustand wenigstens näherungsweise zu bestimmen. Bei der Aus-
wahl einer geeigneten, genäherten Wellenfunktion spielt die physikalische Intuition eine
wesentliche Rolle. Je nachdem, welchen Gesichtspunkt man dabei besonders beach-
tet, gelangt man zu bestimmten Ansätzen, die nach Namen ihrer Urheber benannt sind,
nämlich Heitler-London bzw. Hund-Mulliken-Bloch. Neben diesen Ansätzen werden
wir noch Verbesserungen kennenlernen, wie die sog. kovalent-ionische Resonanz (Ab-
schn. 4.4.3) sowie eine Wellenfunktion, die alle genannten als Spezialfall enthält und
so einen ersten Weg zu einer allgemeinen Behandlung des Mehrelektronenproblems bei
Molekülen weist (Abschn. 4.4.5).
h2 2 h2 2
Hkin = − ∇1 − ∇ . (4.61)
2m 0 2m 0 2
Das Quadrat des Nabla-Operators drücken wir wieder durch den Laplace-Operator aus
∂2 ∂2 ∂2
∇12 = ∆1 ≡ + + (4.62)
∂x12 ∂y12 ∂z 21
und entsprechend für den Index 2. Fügen wir zum Operator der kinetischen Energie
(4.61) noch die verschiedenen Beiträge zur Coulombschen Wechselwirkungsenergie
hinzu, so erhalten wir als Hamilton-Operator den Ausdruck
h2 e2 h2 e2
H =− ∆1 − − ∆2 −
2m 4πε0ra1 2m 0 4πε0rb2
0
H1 H2
e2 e2 e2 e2
− − + + . (4.63)
4πε0rb1 4πε0ra2 4πε0 Rab 4πε0r12
Wiederum nehmen wir an, daß die Kerne selbst unendlich schwer sind. Unsere Aufgabe
ist es, die Schrödinger-Gleichung
mit dem Hamilton-Operator (4.63) zu lösen. Wären die Kerne unendlich weit vonein-
ander entfernt, so würde es genügen, diese für sich zu betrachten, d. h. die Gleichungen
h2 e2
− ∆1 − ϕa (r1 ) = E 0 ϕa (r1 ) , (4.65)
2m 0 4πε0ra1
h2 e2
− ∆2 − ϕb (r2 ) = E 0 ϕb (r2 ) (4.66)
2m 0 4πε0rb2
zu lösen. Da wir es hier mit einem Zwei-Elektronen-Problem zu tun haben, müssen wir
das Pauli-Prinzip berücksichtigen, d. h. wir müssen insbesondere der Tatsache Rechnung
tragen, daß die Elektronen einen Spin besitzen. Würden sich die beiden Wasserstoff-
Atome nicht gegenseitig beeinflussen, so ließe sich mit Hilfe der in (4.65) und (4.66)
auftretenden Wellenfunktionen ϕa und ϕb sofort die gesamte Wellenfunktion nieder-
schreiben. Wie man sich durch Einsetzen in eine Schrödinger-Gleichung mit H = H1 +
H2 überzeugt, wäre
eine Lösung.
Um die Existenz des Spins zu berücksichtigen, müssen wir diese Lösung noch mit
Spinfunktionen multiplizieren. Der Leser, der nicht mit dem Spinformalismus vertraut
ist, braucht sich hieran nicht zu stoßen, da wir nur einige ganz wenige Eigenschaften
4.4 Das Wasserstoff-Molekül H2 61
dieser Spinfunktionen brauchen und dann im weiteren Verlauf unserer Rechnung auf sie
völlig verzichten können.
Wir bezeichnen die Funktion, die ein Elektron mit dem Spin nach oben darstellt,
mit α. Eine solche Spinwellenfunktion wurde in I, Abschn. 14.2.2 mit ϕ↑ bezeichnet.
Handelt es sich um das Elektron 1, so nennen wir diese Funktion α(1). Zeigen beide
Spins in die gleiche Richtung nach oben, so lautet jetzt unsere Wellenfunktion
Diese genügt aber nicht dem Pauli-Prinzip. Dieses besagt nämlich in seiner mathema-
tischen Fassung, daß eine Wellenfunktion in allen Koordinaten (d. h. Orts- und Spinko-
ordinaten) der Elektronen antisymmetrisch sein muß, d. h. mit anderen Worten, daß die
Wellenfunktion ihre Vorzeichen umkehrt, wenn wir überall die Indizes 1 mit den Indi-
zes 2 vertauschen. Das tut aber die Wellenfunktion (4.68) nicht. Dies wird hingegen von
der Wellenfunktion
erreicht. Indem wir α(1) und α(2) ausklammern, reduziert sich die Wellenfunktion auf
die einfache Gestalt
also einem Produkt aus einer Spinfunktion und einer Wellenfunktion, die sich nur auf
den Ortsanteil bezieht. [In der Quantentheorie bezeichnet man Wellenfunktionen, die ge-
genüber der Vertauschung der Elektronen-Ortskoordinaten symmetrisch sind, als gerade
(„g“), solche, die antisymmetrisch sind, als ungerade („u“).]
Im Hinblick auf einen wichtigen allgemeinen Ansatz für die Wellenfunktionen bei
mehreren Elektronen, den wir später brauchen werden, schreiben wir (4.69) noch in ei-
ner anderen Form. Gleichung (4.69) läßt sich nämlich als die Determinante
ϕ (r )α(1) ϕa (r2 )α(2)
D = a 1 (4.71)
ϕb (r1 )α(1) ϕb (r2 )α(2)
so erhalten wir gerade (4.69). Die Determinante hat einen sehr übersichtlichen Aufbau.
Die Zeilen beziehen sich auf die Zustände a bzw. b, während sich die Spalten auf die
Numerierung 1, 2 der beiden Elektronen beziehen.
Während sich (4.70) auf zwei Elektronen bezieht, deren Spins parallel sind und nach
oben zeigen, lassen sich auch Wellenfunktionen für parallele Spins konstruieren, die
nach unten zeigen. Bezeichnen wir die Spinfunktion eines einzelnen Elektrons, dessen
Spin nach unten zeigt, mit β, so lautet die Gesamtwellenfunktion
Ψ = β(1)β(2)Ψu . (4.72)
62 4. Einführung in die Theorie der chemischen Bindung
Der Vollständigkeit halber geben wir noch die dritte Wellenfunktion an, die zu dem „Tri-
plett“ gehört, bei dem die Spins parallel sind. Diese hat die z-Komponente des Gesamt-
spins = 0 und lautet
1
Ψ = √ [α(1)β(2) + α(2)β(1)]Ψu . (4.73)
2
Wie die nachfolgende Rechnung zeigt, stellt die Wellenfunktion Ψ nicht den energetisch
tiefsten Zustand dar, da hier die Spins parallel stehen. Wir müssen uns vielmehr eine
Wellenfunktion überlegen, bei der die Spins antiparallel sind, in der also ein Elektron
durch eine „Spin nach oben“-Funktion α und das andere Elektron durch eine „Spin nach
unten“-Funktion β beschrieben wird. Hier gibt es nun ganz verschiedene Möglichkeiten
in Erweiterung von (4.68). Eine solche wäre
Andere Ansätze gehen aus (4.74) hervor, indem wir die Koordinaten r1 und r2 oder
die Argumente von α bzw. β, nämlich 1, 2 miteinander vertauschen oder alles mitein-
ander vertauschen. Keine dieser Kombinationen für sich ist selbst antisymmetrisch. Wir
versuchen nun, eine Kombination aus (4.74) und ähnlichen eben besprochenen Funkti-
onsansätzen zu finden, die antisymmetrisch ist und die es gestattet, die Wellenfunktion
wieder in einen Spinanteil und einen reinen Ortsanteil [ähnlich wie (4.70)] aufzuspal-
ten. Dies ist in der Tat, wie man nach einigem Probieren findet, möglich, und es ergibt
sich als Wellenfunktion der Ansatz
Ψ = [ϕa (r1 )ϕb (r2 ) + ϕa (r2 )ϕb (r1 )][α(1)β(2) − α(2)β(1)] . (4.75)
Ψg
Die Spinfunktion ist hier ersichtlich antisymmetrisch, während der Ortsanteil symme-
trisch ist. Wenn wir alle Orts- und Spinkoordinaten der beiden Elektronen gleichzeitig
vertauschen, kommt im Einklang mit dem Pauli-Prinzip wieder eine antisymmetrische
Wellenfunktion zustande.
Die Spinfunktionen waren uns eben nur ein Hilfsmittel, um die eben genannte Sym-
metrieeigenschaft der Gesamtwellenfunktion sicherzustellen. Nachdem aber in dem
Hamilton-Operator der Schrödinger-Gleichung (4.64) keine Operatoren vorkommen,
die in irgendeiner Weise auf den Spin wirken, können wir beim Einsetzen von (4.70)
oder (4.75) in diese Gleichung die Spinfunktionen wie eine Zahl behandeln, durch
die wir beide Seiten der Schrödinger-Gleichung dividieren dürfen. Die sich so erge-
bende Gleichung bezieht sich also lediglich auf Ψg bzw. Ψu . Dies bedeutet, daß in der
hier gerechneten Näherung die Wechselwirkung der Spins untereinander (Spin-Spin-
Wechselwirkung) und der Spins mit der Ortsfunktion (Spin-Bahn-Wechselwirkung)
nicht berücksichtigt werden. Wir befassen uns daher von nun an nur noch mit den Wel-
lenfunktionen Ψu und Ψg und berechnen den zu diesen Wellenfunktionen gehörigen
Energie-Erwartungswert.
Nach der grundlegenden Idee von Heitler und London denken wir uns also diese
Wellenfunktionen Ψg bzw. Ψu als genäherte Lösungen der Schrödinger-Gleichung
mit dem Hamilton-Operator (4.63), der alle Coulombschen Wechselwirkungen zwi-
schen Elektronen und Protonen enthält, und stellen uns vor, daß durch sie im Sinne
des Variationsprinzips die exakte Energie mit Hilfe von (4.56) angenähert wird.
4.4 Das Wasserstoff-Molekül H2 63
Wir stehen daher vor der Aufgabe, den Energie-Erwartungswert für diese Wellen-
funktion zu berechnen. Diese Rechnung ist nicht schwierig, erfordert aber etwas
Geduld.
Als Vorübung zur Ausrechnung dieses Erwartungswerts betrachten wir das im Nen-
ner von (4.56) auftretende Normierungsintegral. Dieses hat die Gestalt
|Ψ(r1 , r2 )|2 dV1 dV2
= [ϕa (r1 )ϕb (r2 ) ± ϕa (r2 )ϕb (r1 )]∗
· [ϕa (r1 )ϕb (r2 ) ± ϕa (r2 )ϕb (r1 )]dV1 dV2 . (4.76)
Nach Ausmultiplikation erhalten wir (wobei wir annehmen, daß ϕa und ϕb reell sind)
ϕa dV1 ϕb dV2 + ϕa dV2 ϕb2 dV1
2 2 2
± ϕa (r1 )ϕb (r1 )dV1 ϕa (r2 )ϕb (r2 )dV2
± ϕa (r2 )ϕb (r2 )dV2 ϕb (r1 )ϕa (r1 )dV1 . (4.77)
Die ersten beiden Ausdrücke reduzieren sich wegen der Normierung der Wellenfunk-
tionen ϕa und ϕb auf
ϕa2 dV1 = ϕb2 dV2 = 1 , (4.78)
sind. Damit läßt sich das Normierungsintegral (4.76) in der einfachen Form
2(1 ± S2 ) (4.80)
schreiben.
Bei der Auswertung des Zählers des Energie-Erwartungswertes (4.56) stoßen wir in
Analogie zu (4.77) auf insgesamt vier Ausdrücke, von denen je zwei einander gleich
sind.
Wir beginnen mit dem Ausdruck
e2 e2 e2 e2
ϕa (r1 )ϕb (r2 ) H1 + H2 − − + +
4πε0rb1 4πε0ra2 4πε0 Rab 4πε0r12
· ϕa (r1 )ϕb (r2 )dV1 dV2 . (4.81)
64 4. Einführung in die Theorie der chemischen Bindung
Da der Hamilton-Operator H1 in (4.81) nur auf ϕa wirkt, können wir zur weiteren Aus-
wertung die Tatsache benutzen, daß ϕa der Schrödinger-Gleichung (4.65) genügt. Ver-
fahren wir entsprechend mit H2 , so können wir (4.81) zu dem Ausdruck
ϕa (r1 )2 ϕb (r2 )2
e2 e2 e2 e2
· 2E 0 − − + + dV1 dV2 (4.82)
4πε r 4πε r 4πε0 Rab 4πε0r12
0 b1 0 a2
1) 2) 3) 4) 5)
vereinfachen. Für das Folgende ist es zweckmäßig, die Bedeutung der einzelnen Glieder
gesondert zu untersuchen.
1) Wegen der Normierung der Wellenfunktionen ϕa und ϕb reduziert sich der Ausdruck
ϕa (r1 )2 ϕb (r2 )2 2E 0 dV1 dV2
auf
2E 0 , (4.83)
5) Das Integral
e2
ϕa (r1 )2 ϕb (r2 )2 dV1 dV2 = E WW (4.87)
4πε0r12
stellt die abstoßende Coulombsche Wechselwirkungsenergie zwischen den beiden
Elektronenwolken dar.
Fassen wir die Beiträge (4.83) bis (4.87) zusammen, so erhalten wir als Beitrag zum
Energie-Erwartungswert von (4.81) (den wir mit Ê abkürzen)
e2
Ê = 2E 0 + 2C + E WW + . (4.88)
4πε0 Rab
Dies ist allerdings noch nicht das Gesamtergebnis, da ja beim Einsetzen von Ψg bzw.
Ψu in den Energie-Erwartungswert (4.56) auch Austauschglieder der Gestalt
± ϕb (r1 )ϕa (r2 ){ . . . }ϕb (r2 )ϕa (r1 )dV1 dV2 (4.89)
vorkommen, wobei der Klammerausdruck { . . . } der gleiche wie in (4.81) ist. Explizit
lautet also (4.89)
± ϕb (r1 )ϕa (r2 )ϕa (r1 )ϕb (r2 )
e2 e2 e2 e2
· 2E 0 − − + + dV1 dV2 . (4.90)
4πε0rb1 4πε0ra2 4πε0 Rab 4πε0r12
1) 2) 3) 4) 5)
reduziert sich mit Hilfe der Definition des Überlappungsintegrals S (4.79) auf
±2E 0 S2 . (4.91)
Dies ist die Energie der beiden getrennten Wasserstoff-Atome multipliziert mit dem
Quadrat des Überlappungsintegrals S.
2) Das Austauschintegral
e2
± ϕa (r2 )ϕb (r2 )dV2 ϕb (r1 ) − ϕa (r1 )dV1 (4.92)
4πε0rb1
S D
3) Das Austauschintegral
e2
± ϕb (r1 )ϕa (r2 ) − ϕa (r1 )ϕb (r2 )dV1 dV2
4πε0ra2
reduziert sich in völliger Analogie zu (4.92) auf
±SD . (4.93)
4) Das Austauschintegral
e2
± ϕb (r1 )ϕa (r2 ) ϕa (r1 )ϕb (r2 )dV1 dV2
4πε0 Rab
reduziert sich unmittelbar auf
e2
±S2 , (4.94)
4πε0 Rab
d. h. auf das Überlappungsintegral S im Quadrat multipliziert mit der Coulombschen
Wechselwirkungsenergie zwischen beiden Atomkernen.
5) Das Austauschintegral
e2
± ϕb (r1 )ϕa (r2 ) ϕa (r1 )ϕb (r2 )dV1 dV2 = ±E AW (4.95)
4πε0r12
stellt die Coulombsche Wechselwirkung zwischen den beiden Elektronen dar, wo-
bei aber nicht die normale Ladungsdichte auftritt, sondern die Austauschdichte.
Man spricht daher bei diesem Integral auch von der Coulombschen Austausch-
Wechselwirkung.
abkürzen) lautet
Der von (4.91) – (4.95) herrührende Gesamtbeitrag, (den wir mit E
somit
= ± 2E 0 S2 ± 2DS ± E AW ± e2
E S2 . (4.96)
4πε0 Rab
Wir erinnern uns jetzt an unsere eigentliche Aufgabe, nämlich den Zähler von (4.56)
zu berechnen, und zwar mit Hilfe der Wellenfunktionen Ψg bzw. Ψu . Multiplizieren wir
alle Funktionen, die in Ψg bzw. Ψu stehen, miteinander aus, so erhalten wir, wie schon
bemerkt, zweimal Beiträge der Gestalt (4.81) und zweimal Beiträge der Gestalt (4.89).
Schließlich müssen wir noch das Ergebnis durch das Normierungsintegral dividieren.
Somit erhalten wir für die Gesamtenergie des Wasserstoff-Moleküls
Ê ± E
E g,u = 2 , (4.97)
|Ψ | dV1 dV2
2
wobei je nach Wellenfunktion Ψg bzw. Ψu das obere bzw. untere Vorzeichen zu wählen
ist:
2C + E WW 2DS + E AW e2
E g = 2E 0 + + + , (4.98)
1 + S2 1 + S2 4πε0 Rab
2C + E WW 2DS + E AW e2
E u = 2E 0 + − + . (4.99)
1 − S2 1 − S2 4πε0 Rab
4.4 Das Wasserstoff-Molekül H2 67
trägt nach der Rechnung, die auf der oben benutzten Wellenfunktion basiert, 3,14 eV.
Die beobachtete Bindungsenergie, die gleich der Dissoziations-Energie ist, ist hinge-
gen 4,48 eV, wobei aber noch zu berücksichtigen ist, daß die Kerne selbst auch noch
einen Beitrag durch ihre kinetische Energie liefern. Zieht man diesen Beitrag, den
wir hier nicht berechnen, ab, so wäre die Bindungsenergie sogar 4,75 eV. Wie wir
sehen, ist also noch eine erhebliche Diskrepanz zwischen der berechneten und der tat-
sächlichen Bindungsenergie vorhanden. Dies bedeutet, daß die Wellenfunktionen des
Heitler-London-Modells noch relativ grob sind. Während sie uns zeigen, daß die Bin-
dung des Wasserstoff-Moleküls theoretisch verstanden werden kann, können sie den
exakten Verlauf der Wellenfunktion nur genähert wiedergeben. Zur Verbesserung der
Wellenfunktion sind noch einige weitere Effekte genauer zu berücksichtigen, von de-
nen wir hier einen besonders typischen besprechen, der als kovalent-ionische Resonanz
bezeichnet wird.
Neben der Heitler-London-Methode, die wir oben besprochen haben, wird in der Mole-
külphysik oft noch ein zweites Verfahren verwendet, das zwar i. allg. bezüglich der Ge-
samtbindungsenergie nicht so gute Resultate wie das Heitler-London-Verfahren liefert,
bei dem sich aber besser der Aufenthalt der einzelnen Elektronen verfolgen läßt. Dies
ist insbesondere für spektroskopische Untersuchungen von Molekülen von Interesse, da
sich hier meist jeweils nur ein einziger Elektronenzustand ändert und man gerade diese
Änderung theoretisch behandeln will.
Bei diesem Verfahren sieht man zunächst davon ab, daß gleichzeitig zwei Elektro-
nen vorhanden sind. Wir betrachten vielmehr die Bewegung eines einzelnen Elektrons
im Feld der Atomkerne oder, mit anderen Worten, wir gehen von der Lösung des Pro-
blems des Wasserstoff-Molekülions aus. Die Lösung hatten wir in Abschn. 4.3 herge-
leitet. Sie hatte die Gestalt
ψg (r) = N[ϕa (r) + ϕb (r)] . (4.106)
Die Idee besteht nun darin, nacheinander die beiden Elektronen des Wasserstoff-
Moleküls in diesen Zustand (4.106) hineinzusetzen. Zur Lösung der Schrödinger-
Gleichung mit dem Hamilton-Operator (4.63) für die beiden Elektronen machen wir
daher den Ansatz
Ψ(R1 , R2 ) = ψg (r1 )ψg (r2 ) · Spinfunktion , (4.107)
wobei R1 , R2 die Ortsvariablen r1 , r2 und die Spinvariablen umfaßt. Wir konzentrieren
uns hier auf den Fall, daß die Spins antiparallel sind, die Spinfunktion also antisymme-
trisch ist und somit die Form
1
Spinfunktion = √ [α(1)β(2) − α(2)β(1)] (4.108)
2
hat. Die Gesamwellenfunktion (4.107) ist ersichtlich antisymmetrisch bezüglich der
Elektronen und Spinvariablen. Mit dem Ansatz (4.107) läßt sich wieder der Erwar-
tungswert der Gesamtenergie ausrechnen. Er ergibt sich als energetisch höher gelegen,
also als nicht ganz so günstig wie bei der Heitler-London-Methode. Das hier geschil-
derte Verfahren wird als das der Linearkombination von atomaren Wellenfunktionen
oder auf Englisch „Linear combination of atomic Orbitals“ bezeichnet und mit LCAO
abgekürzt. Eine solche Linearkombination, wie z. B. (4.106), stellt die Wellenfunktion
eines einzelnen Elektrons im Molekül dar und wird daher auch als Molekülorbital (MO)
bezeichnet.
Dieses Verfahren läßt sich auch auf andere komplizierte Moleküle ausdehnen, wor-
auf wir später noch zurückkommen werden. Es bedarf allerdings bei einer Reihe von
Molekülen noch Änderungen, von denen wir einige der wichtigsten und markantesten
aufführen.
In späteren Kapiteln wird es sich darum handeln, geeignete Ansätze für Wellenfunktio-
nen zu finden, wenn die Moleküle mehr als zwei Elektronen haben. Wir betrachten dazu
die sich nach den jeweiligen Ansätzen ergebenden Wellenfunktionen des H2 -Moleküls
70 4. Einführung in die Theorie der chemischen Bindung
im Grundzustand, wobei die Spins antiparallel sind. Der Übersichtlichkeit halber lassen
wir bei der Angabe der Wellenfunktion Ψg den Normierungsfaktor auf der rechten Seite
der nachfolgenden Gleichungen weg, da es uns ja nur auf die Struktur der Wellenfunk-
tion ankommt. Die Ansätze lauten dann im einzelnen
Heitler-London
Ψg = ϕa (1)ϕb (2) + ϕa (2)ϕb (1) (4.109)
Heitler-London + ionisch
Ψg = ϕa (1)ϕb (2) + ϕa (2)ϕb (1) + c[ϕa (1)ϕa (2) + ϕb (1)ϕb (2)] (4.110)
Hund-Mulliken-Bloch
Ψg = [ϕa (1) + ϕb (1)][ϕa (2) + ϕb (2)] . (4.111)
Wir zeigen nun, daß alle diese verschiedenen Ansätze (4.109) – (4.111) als Spezialfälle
in einer Wellenfunktion enthalten sind, die wir wie folgt konstruieren. Dabei versehen
wir die Wellenfunktion, die sich ursprünglich auf das Atom a bezog noch mit einem
Anteil, der von der Wellenfunktion des Atoms b herrührt, und das gleiche tun wir in
symmetrischer Weise für die Wellenfunktion des ursprünglich am Ort b lokalisierten
Elektrons. Wir machen also die Ersetzung (Abb. 4.13).
ϕa → ϕa + dϕb , ϕb → ϕb + dϕa , (4.112)
wobei d ein konstanter Koeffizient mit d < 1 ist.
Damit definieren wir eine neue Wellenfunktion gemäß
Ψg (1, 2) = [ϕa (1) + dϕb (1)][ϕb (2) + dϕa (2)]
+ [ϕa (2) + dϕb (2)][ϕb (1) + dϕa (1)] . (4.113)
Diese läßt sich in einfacher Weise zu
Ψg (1, 2) = (1 + d 2 )[ϕa (1)ϕb (2) + ϕa (2)ϕb (1)]
+ 2d[ϕa (1)ϕa (2) + ϕb (1)ϕb (2)] (4.114)
umrechnen. Setzen wir d = 0, so ergibt sich der Ansatz (4.109) nach Heitler-London.
Setzen wir d = 1, so ergibt sich der Ansatz von Hund-Mulliken-Bloch (4.111). Klam-
mern wir auf der rechten Seite von (4.114) 1 + d 2 aus, was in den gemeinsamen Nor-
mierungsfaktor hineingeht, so liefert der Vergleich zwischen (4.114) und (4.110) die Be-
ziehung
2d
=c. (4.115)
1 + d2
4.5 Die Hybridisierung 71
Mit anderen Worten, der Ansatz (4.110), bei dem der Ansatz von Heitler-London durch
den ionischen Teil verbessert worden ist, ist ebenfalls in dem Ansatz (4.113) enthalten.
Der Ansatz (4.112) und (4.113) kann noch weiter verbessert werden, wenn man auch
noch angeregte Atomzustände in (4.112) in die dort angegebenen Linearkombinationen
mit hineinnimmt. Damit ist schon ein erster wichtiger Weg für die Formulierung von
Wellenfunktionen von Molekülen mit mehreren Elektronen gewiesen.
ψ+ = ψs + ψ px
ψ− = ψs − ψ px (4.116)
Aufgaben
4.1 Betrachten Sie ein Teilchen der Masse m, das sich in einer Dimension im Potential
⎧
⎪
⎨V0 für x < −a (Bereich I)
V(x) = 0 für |x| ≤ a (Bereich II) Kastenpotential
⎪
⎩V für x > a
0 (Bereich III)
Wie hängen k und κ mit der Energie E zusammen? Zeigen Sie, daß k und κ die Be-
ziehung
k2 + κ 2 = C 2 (1)
Hinweis:
– Stammfunktionen: vgl. Aufgabe 4.2
– Prolatelliptische Koordinaten:
Rab
x= (ξ 2 − 1)(1 − η2 ) cos ϕ
2
Rab
y= (ξ 2 − 1)(1 − η2 ) sin ϕ
2
Rab
z=− ξη .
2
4.4 Man beweise das Variationsprinzip der Quantenmechanik:
∗
Ψ HΨdV1 . . . dVn
≥E,
Ψ ∗ ΨdV1 . . . dVn
wobei die Schrödingergleichung
HΦ = EΦ (5)
gilt und E der tiefste Eigenwert von (5) ist. Ψ sei dabei eine Funktion, die nicht notwen-
dig Eigenfunktion von (5) ist, aber den gleichen Randbedingungen wie diese genügt.
Hinweis: Man entwickle Ψ nach den Eigenlösungen der Schrödingergleichung (5).
4.5 Zeigen Sie, daß sich die allgemeine Lösung Ψ der Mehrteilchen-Schrödinger-
gleichung HΨ = EΨ als Produkt von Einteilchenwellenfunktionen ϕ, Ψ = Πi ϕi schrei-
ben läßt, wenn der Hamiltonoperator H als Summe von Einteilchen-Hamiltonoperator-
en Hi dargestellt werden kann, d. h. es gelte H = Σi Hi mit Hi ϕi = E i ϕi , und wenn
[Hi , ϕi ] = 0 für i = j. Wie bestimmt sich E als Funktion der E i ?
4.6 Unter der Voraussetzung, daß die Spinwellenfunktionen eines nach oben gerich-
teten Spins des Teilchens j mit α( j) und die eines nach unten gerichteten mit β( j) be-
zeichnet werden, zeige man, daß die Wellenfunktionen
1 1
√ [α(1)β(2) + β(1)α(2)]Ψu und √ [α(1)β(2) − β(1)α(2)]Ψg
2 2
zum Gesamtspin 1 (mit verschwindender z-Komponente) beziehungsweise zum Gesamt-
spin 0 gehören. Ψu/g ist dabei die (un)gerade Superposition der Produkte zweier Ein-
teilchenwellenfunktionen beim H2 -Molekül.
Hinweis: Für die Komponenten des Gesamtspins gilt Sz = S1z + S2z (y, z-Komponenten
analog). Bestimmen Sie die Matrixelemente von S2 = Sx2 + S2y + Sz2 bzgl. der Basis
{|α(1)α(2), |α(1)β(2), |β(1)α(2), |β(1)β(2)}. Benutzen Sie dazu die Stufenoperato-
ren:
S1± = S1x ± iS1y und S2± = S2x ± iS2y
mit
S1+ |α(1) = S1− |β(1) = 0
S1− |α(1) = h|β(1)
S1+ |β(1) = h|α(1) .
Aufgaben 79
4.7 Vor allem im Fall organischer Moleküle werden Bindungen häufig durch Hybri-
disierungen beschrieben. Zu diesem Zweck werden alle entarteten Orbitale von Valenz-
elektronen der an der Bindung beteiligten Atome linear kombiniert. Im folgenden gehe
man von wasserstoffähnlichen Wellenfunktionen ψ zur Hauptquantenzahl n = 2, also
von 2s- und 2 p-Zuständen aus.
a) Bestimmen Sie die Punkte maximaler (Ladungs-)Dichte bei diagonal oder sp hy-
bridisierten Elektronen. Gehen Sie von Wellenfunktionen der Form
1
ψ1/2 ≡ ψ± = √ (ψs ± ψ pi )
2
aus, mit ψs ∝ (1 − γr) exp{−γr} sowie ψ pi , ∝ γxi exp{−γr}, (xi = x, y, z), und maxi-
mieren Sie die Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte als Funktion des Ortes.
b) Vergleichen Sie das Ergebnis aus (a) mit den jeweiligen Ladungsschwerpunkten.
Um die Schwerpunkte bzw. die Ortmittelwerte zu bestimmen, muß die Wellenfunktion
inklusive der Normierungsfaktoren integriert werden:
1 r r !
ψs = √ 1− exp −
8πα3 2α 2α
1 x r !
ψ px = √ exp − .
8πα 3 2α 2α
gilt.
5. Symmetrien und Symmetrieoperationen.
Ein erster Einblick
In diesem Kapitel vermitteln wir erste Grundbegriffe und Ansätze, mit Hilfe derer wir
unter anderem die Wellenfunktionen und Energien der π-Elektronen des Benzols be-
stimmen. Ein weiteres Beispiel bezieht sich auf das Ethylen.
getauscht haben, und machen dann die beiden Protonen wieder ununterscheidbar. Man
kann es also nach Ausführung der Drehung dem Wasserstoffmolekül gewissermaßen
nicht mehr ansehen, daß es gedreht worden ist. Bei einer solchen Drehung um einen
Abb. 5.2. H2 O Winkel ϕ werden natürlich die Koordinaten der Atomorte gedreht. In Übereinstim-
mung mit der bei Molekülen üblichen Notation bezeichnen wir die Drehoperation mit
C. Um dabei anzugeben, um welchen Winkel ϕ die Drehoperation erfolgt, können wir
ϕ als Index an C anhängen: Cϕ . Dies werden wir in diesem Abschnitt gelegentlich tun.
Üblicher aber ist es, diejenige Zahl n an C als Index anzufügen, die angibt, wie viele
Drehungen n man ausführen muß, um den alten Zustand wieder zu erreichen. Das heißt
nichts anderes als nϕ = 2π. Ist also z. B. ϕ = 60◦ oder im Winkelmaß ϕ = π/3, so
ergibt sich n = 6. Beim Benzolmolekül (Abb. 5.1a) läßt sich also die Drehsymmetrie
durch C6 beschreiben.
Betrachten wir nun die Auswirkung einer Drehung auf die Kartesischen Koordina-
Abb. 5.3. NH3
ten. Die Koordinaten kürzen wir durch den Koordinatenvektor
⎛ ⎞
x
r = ⎝ y⎠ (5.1)
z
ab. Durch die Drehung um den Winkel ϕ entsteht ein neuer Koordinatenvektor r
. Der
Zusammenhang zwischen r und r
lautet dann
Abb. 5.4. JCl−
4
r
= Cϕ r , (5.2)
wobei Cϕ also bedeutet: führe eine Drehung von r um den Winkel ϕ aus. Wie wir aus
der Schulmathematik her wissen, ist das gestrichene und das ungestrichene Koordina-
Abb. 5.5. HCN tensystem durch die Beziehungen
x
= x cos ϕ + y sin ϕ
y
= −x sin ϕ + y cos ϕ (5.3)
z =z
miteinander verknüpft. Um die Bezeichnungsweise nicht zu sehr zu beladen, lassen wir
im folgenden den Drehwinkel ϕ oder die Zahl n am C weg
Cϕ → C . (5.4)
Da bei einer Drehung der Abstand vom Ursprung erhalten bleibt, finden wir sofort die
Relationen
C r2 ≡ (C r)2 = r
= r2
2
(5.5)
als gültig, d. h. wir können auch
r
= r (5.6)
schreiben. Die Drehoperation können wir nun auf die Koordinaten aller möglicher Teil-
chen anwenden, also nicht nur auf die Protonen im Wasserstoff, sondern auch z. B. auf
ein Elektron im Wasserstoffatom. Die Anwendung des Drehoperators C auf die Wellen-
funktion des Wasserstoffatoms ψ(r) bedeutet dann, einfach die Koordinate r zu drehen,
d. h. es soll
Cψ(r) = ψ(C r) = ψ(r
) (5.7)
5.1 Einige Grundbegriffe 83
gelten. Betrachten wir, wie sich die Wellenfunktion unter der Drehung C gemäß (5.7)
transformiert. Fangen wir mit der 1 s-Funktion des Wasserstoffs an, die ja die Form
ψ(r) = N e−r/r0 (5.8)
hat (vgl. Abb. 4.1), wobei N der Normierungsfaktor ist. Gemäß der Definition (5.7) und
unter Berücksichtigung der Beziehung (5.6) erhalten wir dann
des gleichen Satzes von Wellenfunktionen übergeführt. Dabei wird die Frage auch auf-
tauchen, ob es nicht auch den einfachen Fall gibt, wo die Wellenfunktionen schon in
sich selbst übergehen, wenn auf sie eine Symmetrieoperation angewendet wird. Im vor-
liegenden Fall ist es tatsächlich so, wenn wir als Ausgangspunkt nicht die reellen Wel-
lenfunktionen des p-Zustandes wählen, sondern Linearkombinationen. Diese sind dann
komplex und Eigenfunktionen des Drehimpulsoperators in der z-Richtung. Diese Wel-
lenfunktionen sind durch
gegeben, wobei N wieder ein Normierungsfaktor ist. x + iy können wir als komplexe
Variable in der komplexen Ebene auffassen und die hierfür üblichen Polarkoordinaten
gemäß
x + iy = r eiϕ (5.16)
über. In der komplexen Ebene bedeutet die Drehung um einen Winkel ϕ0 , daß der ur-
sprüngliche Winkel ϕ durch ϕ + ϕ0 ersetzt wird. Daher erhalten wir
und somit
Die Beziehungen (5.19) und (5.20) bedeuten natürlich, daß die Anwendung des Dreh-
operators die Funktionen ψ+ und ψ− bis auf einen konstanten Zahlenfaktor, eiϕ0 bzw.
e−iϕ0 , so unverändert läßt.
wir zunächst für ein einzelnes Elektron die Wellenfunktion im Feld aller Atomkerne,
hier also insbesondere im Feld aller 6 Kohlenstoffkerne. Im Prinzip haben wir es dann
mit einer Verallgemeinerung des Wasserstoffmoleküls zu tun, wobei aber das Elektron
jetzt nicht auf zwei, sondern auf sechs Plätze verteilt sein kann.
Wir stellen uns also vor, daß alle Wellenfunktionen (Orbitale) des Kohlenstoffs, die
in der Ebene des Benzolrings liegen, also die Orbitale 1 s und die Hybrid-Orbitale aus Abb. 5.6. Die pz -Funktion ϕ(r)
geht durch Verschiebung um den
2s, 2 px , 2 p y , mit Elektronen von niederen Energien an aufgefüllt worden sind. Die Vektor R j in ϕ(r − R j ) über
Hybrid-Orbitale aus 2s, 2 px , 2 p y heißen beim Benzol σ-Orbitale (Abb. 5.1b). (Nähe-
res zur Orbital-Bezeichnung wird in Kap. 13 ausgeführt.) Es bleiben dann, ähnlich
wie beim Ethylen, noch Elektronenwellenfunktionen übrig, die von den 2 pz -Zuständen
herrühren, die also noch senkrecht aus der Benzolebene herausragen und an den ein-
zelnen Kohlenstoffatomen lokalisiert sind. Wir nehmen an, daß diese Elektronen, die
vom Kohlenstoffatom zur Verfügung gestellt werden, sich unabhängig voneinander
im Felde der Atomrümpfe und der schon besetzten σ-Elektronenzustände bewegen.
Wir werden diese Annahme später noch näher rechtfertigen. Für den Moment handelt
es sich also darum, die Wellenfunktion eines Elektrons in einem Felde, das symme-
trisch gegenüber Drehungen um 60◦ um die zur Ebene des Moleküls senkrechte Achse
ist, zu bestimmen. Dabei wollen wir ganz in Anlehnung an das Wasserstoffmolekül
nach der Methode von Hund, Mulliken und Bloch vorgehen. Wir stellen also die ge-
suchte Wellenfunktion als Linearkombination von an den Kohlenstoffatomen lokali-
sierten Wellenfunktionen, und zwar genauer der 2 pz -Funktionen, dar. Diese sich so
ergebenden Molekülorbitale heißen π-Orbitale. Um unsere Symmetriebetrachtungen
anwenden zu können, untersuchen wir zunächst das Verhalten einer solchen Funktion,
die zum Kohlenstoff mit dem Index j gehört. Gemäß Abb. 5.6 können wir diese Funk-
tion als
darstellen, wobei wir konkret an eine Darstellung der Funktion (5.13) denken wol-
len. Üben wir eine Drehung um 60◦ aus (Abb. 5.7), so erhalten wir die Beziehun-
gen
wobei wir die Definition (5.21) benutzt haben. Wegen der Symmetrie des Problems
kann der Vektor R j , der vom Mittelpunkt des Moleküls zum Kernort j weist, auch als
ein gedrehter Vektor aufgefaßt werden, der aus dem Vektor R j−1 durch eine Drehung
um 60◦ hervorgegangen ist (Abb. 5.7):
C6 R j−1 = R j . (5.23)
schreiben.
Von der in (5.24) stehenden Differenz können wir aber die Operationsvorschrift C6
ausklammern, so daß wir statt (5.24) Abb. 5.7. Bei einer Rotation um
60◦ (kleine Pfeile) gehen die
C6 ϕ j (r) = ϕ[C6 (r − R j−1 )] (5.25) Vektoren R j ineinander über
86 5. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein erster Einblick
schreiben. Nun wird aber die z-Richtung von der Drehung um die z-Achse überhaupt
nicht beeinflußt und außerdem bleibt der Abstand r − R j−1 bei einer Drehung erhalten.
Daher geht (5.25) in
über und mit Hilfe dieser mathematischen Umformungen erhalten wir die Aussage, daß
eine pz -Wellenfunktion bei der Drehung um 60◦ innerhalb des Moleküls gerade in die
entsprechende Wellenfunktion an einem anderen Kohlenstoffatom übergeht
Nach diesen elementaren Vorbereitungen können wir nun zeigen, wie hilfreich Sym-
metriebetrachtungen in der Molekülphysik sein können. Dazu betrachten wir die schon
angekündigte Wellenfunktion ψ(r) des Elektrons, das sich im oben beschriebenen Felde
des Gesamtmoleküls, des Benzols also, bewegt. Die zugehörige Schrödinger-Gleichung
lautet
wobei der Hamilton-Operator H die kinetische Energie des Elektrons und dessen po-
tentielle Energie im genannten Felde enthält. Die Drehung C um den Winkel 60◦ läßt
den Hamilton-Operator unverändert, d. h. wir erhalten die Relation
C H(r) = H(r
) = H(r) . (5.29)
Wenden wir nun die Drehoperation C auf beide Seiten von (5.28) an, d. h.
Wegen (5.29) wirkt die Operation C noch auf die dahinterstehende Wellenfunktion
Vergleichen wir die linken Seiten von (5.30) und (5.31) und berücksichtigen, daß diese
für alle beliebigen ψ(r) einander gleich sind, so können wir durch Subtraktion beider
Seiten voneinander auch die Operatorrelation
C H − HC = 0 (5.32)
gewinnen. Die Drehoperation C und der Hamilton-Operator vertauschen also. Dies ist
ein anderer Ausdruck dafür, daß der Hamilton-Operator H invariant unter der Dreh-
operation C ist. Aus (5.31) folgt, daß nicht nur ψ(r) eine Lösung der Schrödinger-
Gleichung ist, sondern auch Cψ(r) eine ebensolche.
Nehmen wir nun fürs erste an, daß zur Energie E nur eine einzige Wellenfunktion
gehört, d. h. daß die Energie nicht entartet ist. Wenn in einem solchen Falle zwei schein-
bar verschiedene Wellenfunktionen zur gleichen Energie gehören, so stellt dies einen
Widerspruch dar, wenn nicht sich die Wellenfunktionen lediglich um einen konstanten
Zahlenfaktor, den wir λ nennen wollen, unterscheiden. Wir erhalten somit die Relation
Mathematisch läßt sich ganz allgemein zeigen, daß bei Drehoperationen die Relation
(5.33) immer gefordert werden darf. Dies hängt damit zusammen, daß es bei Drehopera-
tionen immer eine Zahl M gibt, so daß nach M-maliger Anwendung der Drehoperation
auf die Wellenfunktion ψ diese völlig in sich übergeht. Dies bedeutet formal
CM = 1 . (5.34)
Die Anwendung einer Drehung auf die Wellenfunktion ϕ j bedeutet aber, wie wir schon
oben gesehen haben, einfach eine Vertauschung der zugehörigen Indizes des „Heimat“-
Kohlenstoffatoms. Damit geht (5.36) über in
c1 = λc6
c2 = λc1
c3 = λc2
..
.
c6 = λc5 . (5.38)
c j = λ j c0 , (5.39)
wobei c0 noch eine Normierungskonstante ist. Wenden wir die Drehoperation in unse-
rem Fall des Benzols sechsmal an, so geht das Molekül in seinen identischen Zustand
über. Daraus folgt
λ6 = 1 . (5.40)
Die Gl. (5.40) besitzt nach Grundregeln der komplexen Zahlen die Lösung
λ = e2πki/6 , (5.41)
88 5. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein erster Einblick
Dies ist die Wellenfunktion der π-Elektronen des Benzols (vgl. Abb. 5.1c). Damit ist es
uns gelungen, die Schrödinger-Gleichung zu lösen, ohne daß wir irgendwelche Rech-
nungen mit Hilfe des Hamilton-Operators haben durchführen müssen. Die Symmetrie
allein genügte, um die Koeffizienten eindeutig festzulegen, wobei lediglich der Normie-
rungsfaktor c0 noch zu bestimmen ist.
wobei sich die Summe über n von 1–6 gemäß den sechs π-Elektronen, die die Koh-
lenstoffatome mitbringen, erstreckt. Ersichtlich besteht (5.44) aus einer Summe von
Hamilton-Operatoren, von denen sich jeder nur auf ein einzelnes Elektron bezieht. Da-
her kann die zu (5.44) gehörige Schrödinger-Gleichung gelöst werden, wenn wir die
Wellenfunktionen der Einzelelektronen gemäß der Schrödinger-Gleichung
h2
− ∆ + V(r) ψ(r) = Eψ(r) (5.45)
2m 0
5.3 Nochmals das Hückel-Verfahren. Die Energie der π-Elektronen 89
dar. Die Koeffizienten c j sind darin noch unbekannt und können mit Hilfe des Variati-
onsprinzips bestimmt werden, nach dem die linke Seite von
∗
ψ HψdV
=E (5.48)
ψ ∗ ψdV
durch geeignete Wahl der Koeffizienten zu minimalisieren ist. Setzen wir (5.47) in den
Zähler von (5.48) ein, so erhalten wir
c∗j c j
ϕ j Hϕ j
dV , (5.49)
jj
H jj
wobei wir die dort eingeführte Abkürzung verwenden wollen. Entsprechend ergibt sich
für den Nenner von (5.48)
∗
c j c j ϕ j ϕ j
dV . (5.50)
jj
S jj
Die Energie auf der rechten Seite ist eine Funktion der Koeffizienten, so daß wir schrei-
ben
E = E c1 , c∗1 , c2 , c∗2 , . . . . (5.51)
Eine notwendige Bedingung für das Erreichen eines Minimums von E ist, daß die Ab-
leitungen nach den Koeffizienten c j und c∗j verschwinden:
∂E ∂E
= ∗ =0. (5.52)
∂c j ∂c j
Aus rechnerischen Gründen ist es praktischer, wenn wir die Gleichung (5.48) mit dem
Nenner auf beiden Seiten multiplizieren und daher den Ausdruck
c∗j c j
H jj
= E c∗j c j
S jj
. (5.53)
jj
jj
betrachten. Von diesem bilden wir die Ableitung nach c∗j , wodurch wir
H jj
c j
= E c j
S jj
(5.54)
j
j
erhalten. Die Ableitungen von E nach c∗j haben wir wegen (5.52) dabei bereits gleich
Null gesetzt. Gleichung (5.54) ist ein Gleichungssystem für die Koeffizienten c j
, das
wir nochmals explizit in der Form
(H11 − S11 E)c1 + (H12 − S12 E)c2 + . . . + (H1N − S1N E)c N = 0
(H21 − S21 E)c1 + (H22 − S22 E)c2 + . . . + (H2N − S2N E)c N = 0
.. .. (5.55)
. .
(HN1 − S N1 E)c1 + . . . + (HNN − S NN E)c N = 0
hinschreiben. Da dieses ein homogenes Gleichungssystem ist, muß natürlich die Deter-
minante
H11 − ES11 H12 − ES12 . . . H1N − ES1N
.. .. ..
. . . =0 (5.56)
H − ES ... HNN − ES NN
N1 N1
verschwinden, wenn wir eine nichttriviale Lösung erhalten wollen. Dies ist ersichtlich
kein einfaches Problem, weil es sich hier bereits um eine 6 · 6 Determinante handelt.
Mit Hilfe von Symmetriebetrachtungen kann man aber das Problem äußerst einfach
lösen! Wir haben ja bereits im vorangegangenen Abschnitt gesehen, daß die Koeffizi-
enten bekannt sind (vgl. 5.43). Damit erübrigt es sich, die Determinante (5.56) zu be-
stimmen; wir können anstelle dessen direkt in das Gleichungssystem (5.55) mit den uns
bekannten Koeffizienten eingehen. Damit können wir die Energie E für das allgemeine
System (5.55) explizit bestimmen. Um aber das Wesentliche hervortreten zu lassen, neh-
men wir die Vereinfachungen
S jj = 1 , S jj
= 0
(5.57)
H jj = A , H j, j±1 = B , sonst = 0
an. Diese bedeuten, daß die Überlappung zwischen den Wellenfunktionen vernachläs-
sigt werden kann, und daß Wechselwirkungsenergien nur am gleichen Atom und mit den
nächsten Nachbaratomen bestehen. Setzen wir die Vereinfachung (5.57) und die Form
der Koeffizienten c j gemäß
auflösen läßt. Alle übrigen Zeilen von (5.55) ergeben dasselbe Resultat. In reeller
Schreibweise lautet (5.60)
2πk
E = A + 2B cos . (5.61)
6
Hierin darf k die Werte gemäß (5.42), d. h.
k = 0, ±1, ±2, +3 (5.62)
annehmen. Berücksichtigen wir noch, daß das Austauschintegral B negativ ist,
B<0, (5.63)
so erhalten wir das in Abb. 5.8 angegebene Termschema der π-Elektronen des Benzols.
Dieses kann unter Beachtung des Pauli-Prinzips von unten her mit einzelnen Elektronen,
die von den Kohlenstoffatomen mitgebracht werden, angefüllt werden. Es ergeben sich
dann die in Abb. 5.9 gezeigten Energien. Das unterste unbesetzte Molekülorbital (Eng-
lisch: lowest unoccupied molecular orbital) wird in der Literatur als LUMO bezeichnet,
das oberste besetzte Molekülorbital (Englisch: highest occupied molecular orbital) mit
HOMO.
Die Anwendung der Symmetriebetrachtung hat eine wesentliche Vereinfachung ge-
genüber der herkömmlichen Methode gebracht. Wir haben nämlich von vorneherein die
Koeffizienten explizit bestimmen können, ohne das Gleichungssystem (5.55) zu lösen.
Wir brauchten insbesondere auch nicht die Determinante (5.56) zu berechnen und deren
Eigenwerte zu bestimmen, was natürlich explizit sonst gar nicht möglich wäre. Ersicht-
lich bietet unsere Methodik mit Hilfe des Hückel-Verfahrens den Vorteil, daß wir auch
Anregungszustände gemäß dem Termschema von Abb. 5.8 berechnen können, da ja hier
die Energien gemäß (5.60) bereits vorgegeben sind.
92 5. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein erster Einblick
5.4 Slater-Determinanten
Kehren wir zur Lösung des Mehrelektronenproblems, etwa beim Benzol, zurück. Hierzu
benutzen wir zwei Erfahrungen, die wir schon früher gemacht haben. Besteht nämlich
der Hamilton-Operator aus einer Summe von Operatoren, so läßt sich – in Verallge-
meinerung des Ansatzes beim Wasserstoffmolekül – die Wellenfunktion aller Elektro-
nen als ein Produkt aus Wellenfunktionen der einzelnen Elektronen ansetzen. Hierbei
ist es wichtig, daß der jeweilige Spin durch die Wellenfunktionen α (Spin nach oben)
und β (Spin nach unten) berücksichtigt wird. Damit aber die gesamte Wellenfunktion
nach dem Pauli-Prinzip in Orts- und Spin-Koordinaten der Elektronen antisymmetrisch
wird, setzen wir für die Wellenfunktion des Grundzustands in Verallgemeinerung des
Ansatzes von (4.71) eine Determinante an. In einer solchen Determinante treten als In-
dex für die Zeilen der jeweilige Index eines Elektrons und als Index für die Spalten
die jeweilige Quantenzahl des von einem Elektron besetzten Zustands auf. Eine solche
Determinante lautet also:
ψ1 (r1 )α(1) ψ1 (r1 )β(1) ψ2 (r1 )α(1) ψ2 (r1 )β(1) . . .
ψ1 (r2 )α(2) ψ1 (r2 )β(2) ...
Ψ(1, 2, . . ., 6) = .. . (5.64)
.
ψ (r )α(6) ... ψ2 (r6 )β(6) . . .
1 6
ψj → ψjα , ψ̄ j → ψ j β (5.66)
vornehmen, wobei ein ψ ohne Querstrich eine Wellenfunktion mit Spin nach oben, ein
ψ mit Querstrich eine Wellenfunktion mit Spin nach unten bezeichnen sollen.
oder wie man auch sagt, ψ hat gerade Parität (oberes Vorzeichen) oder ungerade Parität
(unteres Vorzeichen).
Die Wellenfunktion der einzelnen π-Elektronen setzen wir wie beim Wasserstoff-
Molekülion als Linearkombination aus den 2 pz -Wellenfunktionen der beiden Kohlen-
stoff-Atome an (vgl. Abb. 5.11)
ϕ1 (r) = ϕ(r − R1 ) , ϕ2 (r) = ϕ(r − R2 ) Abb. 5.11. Schemazeichnung
ψ(r) = c1 ϕ1 (r) + c2 ϕ2 (r) . (5.68) zur Definition von R1 , R2
5.6 Zusammenfassung
In den Kap. 4 und 5 haben wir anhand von konkreten Beispielen grundlegende Konzepte
kennengelernt, um die Elektronenwellenfunktionen von Molekülen, d. h. die Molekülor-
bitale, zumindest näherungsweise, zu berechnen. Ziehen wir das Fazit, so ergeben sich
die folgenden Grundideen:
94 5. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein erster Einblick
1) Die Wellenfunktion aller Elektronen eines Moleküls wird durch ein Produkt oder
eine Determinante aus den Wellenfunktionen von einzelnen Elektronen angenähert.
2) Die Einzelwellenfunktion (Molekülorbital) wird als Linearkombination aus atoma-
ren Wellenfunktionen aufgebaut (LCAO-Methode).
3) Die Koeffizienten der LCAO-Wellenfunktion werden durch Symmetriebetrachtun-
gen bestimmt, wobei sich eine erhebliche Reduzierung des Rechenaufwandes ergibt.
An die Punkte l)–3) schließen sich offensichtlich einige wichtige Fragen an:
1) Warum darf man die Näherung 1) vornehmen? Dies führt uns zum Hartree-Fock-
Verfahren und Erweiterungen, die wir in Kap. 7 behandeln.
2) und 3) Wie lassen sich die Symmetrie-Betrachtungen verallgemeinern? Dies werden
wir in Kap. 6 vornehmen, wo wir Molekülsymmetrien ganz allgemein behandeln
werden.
Mit den Kap. 6 und 7 erhält der Leser somit eine umfassende Einführung in die mo-
derne Elektronentheorie der Moleküle, die es ihm ermöglicht, in die Fachliteratur ein-
zudringen.
Aufgaben
5.1 Untersuchen Sie das π-Elektronensystem der Polyene (vgl. Skizze bei den Lösun-
gen). Gehen Sie hierzu von einem festen σ-Bindungsgerüst mit vorgegebenen Bindungs-
längen d aus, während sich die π-Elektronen quasi frei zwischen den Kohlenstoffatomen
bewegen können. (Die σ-Elektronen stammen aus den sp2 -hybridisierten Kohlenstoffor-
bitalen, die π-Elektronen aus den nicht hybridisierten 2 p-Orbitalen.) Das heißt in un-
serem Modell entspricht die Bewegung der π-Elektronen entlang der Bindungsachsen
der Bewegung in einem Quantendraht. Als Bewegungsgleichung ergibt sich:
h2 d2
φ(x) + (E − Vab )φ(x) = 0 .
2m dx 2
Dabei ist Vab ein konstantes Potential entlang der Bindung a − b. φ(x) ist die Mole-
külorbitalwellenfunktion für ein π-Elektron.
a) Welche Randbedingungen ergeben sich bei einer einfachen Verknüpfung (vgl.
Skizze)?
b) Welchen Randbedingungen muß die Wellenfunktion des π-Elektrons am Mole-
külende genügen?
c) Betrachten Sie nun explizit das Butadien-Molekül, das zwei Doppelbindungen und
somit 4π-Elektronen besitzt. Der effektive Hamiltonoperator lautet:
h2 d2
Heff = + V(x)
2m dx 2
mit
&
0 für 0 ≤ x ≤ 5d
V(x) = .
∞ sonst
5.2 Wie in Kap. 5 gezeigt wird, sind von den jeweils 4 Elektronen der Kohlenstoff-
atome im Benzolring je 3 zu trigonal hybridisierten Wellenfunktionen kombiniert, so
daß alle 6 pz -Zustände energetisch gleichberechtigt bleiben, über die gesamte Ringstruk-
tur delokalisiert werden und sogenannte π-Orbitale bilden. Ausgehend von der LCAO-
Methode gewinnt man unter Ausnutzung der zyklischen Symmetrie als Ansatz für die
Wellenfunktionen dieser π-Elektronen:
6
ψ = c0 e2πki j/6 ϕ j (r) (k = 0, ±1, ±2, 3) . (1)
j=1
ergeben.
Hinweis: Die Energien lassen sich aus der Gleichung
H jj
c j
= E c j
S jj
j
j
Dieses Kapitel vermittelt einen systematischen Zugang zur Anwendung der Gruppen-
theorie auf die Bestimmung von Wellenfunktionen von Molekülen. Wir besprechen mo-
lekulare Punktgruppen, die Auswirkung von Symmetrieoperationen auf Wellenfunktio-
nen und behandeln dann die Grundbegriffe der Darstellungstheorie der Gruppen. Die
Methode wird explizit am H2 O-Molekül erläutert.
6.1 Grundbegriffe
Im vorigen Kapitel hatten wir gesehen, wie wir die π-Elektronenorbitale des Benzols
in sehr eleganter Weise bestimmen konnten, indem wir die Drehsymmetrie des Mole-
küls ausnützten. Hier wollen wir uns nun systematisch mit Symmetrien und Symme-
trieoperationen befassen. Dabei haben wir jeweils ganz konkrete Moleküle im Auge.
Die Symmetrieeigenschaften eines Moleküls sind durch die möglichen Symmetrieope-
rationen, z. B. eben die Drehung, gekennzeichnet. Bei einer solchen Symmetrieoperation
wird jeder Punkt des Raums in einen anderen Punkt übergeführt, wobei die Länge je-
der Strecke unverändert bleibt, und wir das Objekt vor und nach der Abbildung nicht
unterscheiden können.
Wir wählen als Beispiel das NH3 -Molekül, das sich als trigonale Pyramide darstellen
läßt (Abb. 6.1). Die drei Wasserstoffatome sitzen an den Ecken des gleichseitigen Ba-
sisdreiecks, das Stickstoffatom senkrecht über dem Schwerpunkt des Dreiecks. Dreht
man das Molekül um eine durch N und den Schwerpunkt gehende Achse um 120◦
im mathematisch positiven Sinn (d. h. entgegen dem Uhrzeigersinn), so wechseln die
H-Atome folgendermaßen ihre Plätze: H3 → H1 , H1 → H2 , H2 → H3 (vgl. Abb. 6.2).
Das N-Atom behält seine Lage bei. Der nach jeder Drehung erreichte Zustand ist vom
Anfangszustand nicht zu unterscheiden, da die drei H-Atome gleichberechtigt sind. Bei
dieser Operation werden weder Längen noch Winkel innerhalb des Moleküls verändert;
die Operation kann daher als eine Symmetrieoperation aufgefaßt werden. Analoge Be- Abb. 6.1. NH3 -Molekül. Die
trachtungen gelten für die in Abb. 6.3 skizzierten Spiegelungen. Die Spiegelebenen ste- Zahlen l, 2, 3 dienen der
hen senkrecht zu dem Basisdreieck und enthalten jeweils eine Winkelhalbierende des Bezeichnung der Plätze
Dreiecks. So wechseln bei der Spiegelung an der Ebene σ1 die Atome H2 und H3 ihre
Plätze, während H1 und N unverändert bleiben.
Symmetrieoperationen dürfen nicht mit den sogenannten Symmetrieelementen ver-
wechselt werden. Beim obigen Beispiel des NH3 -Moleküls gibt die Symmetrieoperation
C3 die Vorschrift an, nach der eine Drehung um 120◦ durchgeführt wird. Die Menge
der Punkte, die bei dieser Symmetrieoperation ihre Lage im Raum nicht ändern, bil-
den das Symmetrieelement „Drehachse“, das ebenfalls mit C3 bezeichnet wird. Bei den Abb. 6.2. Wirkung der Symme-
Spiegelungen an σ1 , σ2 und σ3 ist das jeweilige Symmetrieelement die Spiegelebene. trieoperation C3 , d. h. Rotation
Allgemein gilt: Ein Symmetrieelement ist die Menge der Punkte, an der die Symmetrie- um senkrechte Achse um 120◦
98 6. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein systematischer Zugang
E „Identitätsoperatoren“ Identität
Cn Drehung um 2π/n n-zählige Drehachse
σ Spiegelung Spiegelebene
i Inversion (Spiegelung am Inversionszentrum
Inversionszentrum)
Sn Drehung um 2π/n mit anschließender n-zählige
Spiegelung an zur Drehachse senkrechter Drehspiegelachse
Ebene
σ̄ Gleitspiegelung (Translation mit Gleitspiegelebene
anschließender Spiegelung)
C̄n Schraubung (Translation mit Schraubenachse
anschließender Drehung um 2π/n)
operationen auftreten, die der Periodizität der Molekülkette oder des Gitters Rechnung
tragen: die Schraubung (Translation + Drehung) und die Gleitspiegelung (Translation +
Spiegelung). In Tabelle 6.1 sind zunächst die vier einfachen Punktsymmetrieoperationen
Identität E, Spiegelung σ, Drehung C, und Inversion i sowie die zusammengesetzten
Punktsymmetrieoperationen Drehspiegelung S, Gleitspiegelung σ̄ und Schraubung C̄n
mit den zugehörigen Symmetrieelementen aufgeführt.
Die einzelnen Symmetrieoperationen können wir uns nochmals veranschaulichen, in-
dem wir ein gleichseitiges Dreieck gemäß Abb. 6.2 bis 6.4 betrachten. Die Symme-
trieoperationen wirken sich hier in einer bestimmten Vertauschung der Zahlen, wie in
den Abbildungen angegeben, aus. Wir wollen an einigen Beispielen zeigen, wie durch
Hintereinanderschalten von zwei Symmetrieoperationen eine neue Symmetrieoperation
entsteht, die im vorliegenden Falle der Abb. 6.4 sogar wieder durch eine bereits be-
kannte ausgedrückt werden kann. Betrachten wir dazu Abb. 6.4a, wobei wir zuerst die
Spiegelung σ2 vornehmen und sodann die Drehung C3 . Das rechts angegebene Endpro-
dukt können wir aber auch so erreichen, daß wir das Dreieck, von dem wir ursprüng-
lich ausgegangen sind, gemäß σ1 spiegeln (Abb. 6.4b). Wir erhalten damit die Relation
C3 σ2 = σ1 . Man beachte dabei, daß auf der linken Seite dieser Gleichung die Faktoren
von rechts nach links gelesen werden! Was passiert nun, wenn wir die Reihenfolge von
Spiegelung und Drehung vertauschen, d. h. erst eine Drehung und dann eine Spiegelung
gemäß Abb. 6.5a vornehmen? Das sich ergebende Dreieck kann auch so entstanden ge-
dacht werden, daß wir in dem ursprünglichen Dreieck eine Spiegelung an der Ebene σ3
vorgenommen haben (Abb. 6.5b). Wir erhalten damit die Relation σ2 C3 = σ3 . Verglei-
chen wir das Resultat von Abb. 6.4a mit dem jetzigen, Abb. 6.5a, so erkennen wir, daß
die Endergebnisse von der Reihenfolge der Ausführung von Drehung und Spiegelung
abhängen. Mit anderen Worten, die Symmetrieoperationen sind im vorliegenden Falle
nicht miteinander vertauschbar. Ganz allgemein kann man sich davon überzeugen, daß
das Produkt aus zwei Drehungen wieder durch eine Drehung, eine Spiegelung mit an-
schließender Drehung durch eine Spiegelung und eine Drehung mit anschließender Spie-
gelung durch eine Spiegelung wiedergegeben werden können. Zwei aufeinanderfolgende
Spiegelungen können durch eine Drehung ersetzt werden. Fassen wir alle diese Resul-
tate zusammen, so ergibt sich eine sog. Gruppentafel, die wir in Tabelle 6.2 dargestellt
haben.
Operation A
C3v E C3 C32 σ1 σ2 σ3
Operation B E E C3 C32 σ1 σ2 σ3
C3 C3 C32 E σ3 σ1 σ2
C32 C32 E C3 σ2 σ3 σ1
σ1 σ1 σ2 σ3 E C3 C32
σ2 σ2 σ3 σ1 C32 E C3
σ3 σ3 σ1 σ2 C3 C32 E
Damit kommen wir zu dem Begriff einer Gruppe. Eine Gruppe besteht aus einem
Satz einzelner Operationen mit folgenden Eigenschaften. Durch Verknüpfung von zwei
Operationen A und B ergibt sich eine neue Operation, die ebenfalls der Gruppe angehört
gemäß AB = C. Der Satz von Symmetrieoperationen enthält eine Identitätsoperation
E derart, daß E A = AE = A ist. Zu jeder Operation A gehört eine inverse Operation
A−1 , so daß A A−1 = E ist. Es läßt sich dann zeigen, daß auch A−1 A = E ist. Für die
Operation A, B und C gilt das assoziative Gesetz (AB)C = A(BC).
Sofern die Operationen alle miteinander vertauschen, d. h. AB = BA gilt, spricht
man von einer Abelschen Gruppe. Anhand der Gruppentafel kann man leicht nachprü-
fen, daß die Symmetrieoperationen E, C3 , C32 , σ1 , σ2 , σ3 eine Gruppe bilden. Gemäß ei-
ner Bezeichnungsweise, die wir weiter unten systematisch darstellen werden, heißt diese
Gruppe C3v . Aus den eine Gruppe darstellenden Symmetrieoperationen eines Moleküls
können wir oft bestimmte Operationen auswählen, die ihrerseits die Bedingungen ei-
ner Gruppe erfüllen. Diese Symmetrieoperationen werden in einer Untergruppe der ur-
sprünglichen Gruppe zusammengefaßt. Der Multiplikationstafel der Tabelle 6.2 können
wir entnehmen, daß die Operationen E, C3 und C32 eine Untergruppe von C3v bilden.
Abb. 6.6. Symmetrieelemente
Neben NH3 ist ein weiteres Beispiel für die Punktgruppe C3v das Molekül Methylchlo-
der Punktgruppe C3v . Beispiel: rid. Dies ist, zusammen mit den Symmetrieelementen der Punktgruppe C3v , in Abb. 6.6
Methylchlorid dargestellt.
6.2 Molekulare Punktgruppen 101
Gruppen unter einem Winkel, der kein Vielfaches von π/3 sein darf, zueinander
gestaffelt sind.
Dnh : Diese Punktgruppe enthält zusätzlich zu den Symmetrieelementen der Punkt-
gruppe Dn eine Ebene σh senkrecht zur Hauptachse (horizontal). Durch Ver-
knüpfung der Drehoperationen der Rotationsgruppe Dn mit den Spiegelungen
σh ergeben sich n Drehspiegeloperationen Sn (Sn = σh Cn ) und n Spiegelungen
σv (σv = C2 σh ) zusätzlich zu den Operationen von Dn . Ist n gradzahlig, so
werden die n Spiegelebenen in n/2 Ebenen σv (enthalten eine C2 -Achse senk-
recht zur Hauptachse) und in n/2 Ebenen σd (enthalten die Winkelhalbierenden
zwischen zwei C2 -Achsen senkrecht zur Hauptachse) unterteilt. Auch hier liegt
bei geradem n wegen S2 ≡ i ein Inversionszentrum vor. Weiterhin sind hier die
linearen Moleküle mit Symmetriezentrum (D∞ h ) zu nennen.
Dnd : Diese Punktgruppe enthält neben den Symmetrieoperationen der Gruppe Dn
n Spiegelungen σd an Ebenen, welche die Cn -Achse enthalten und den Win-
kel zwischen zwei benachbarten C2 -Achsen halbieren. Durch Verknüpfung von
C2 σd = σn C2n = S2n (C2 − Cn ) werden zusätzlich noch n Drehspiegelungen
k (k = 1, 3 . . . 2n − 1) erzeugt. Bei dieser Punktgruppe liegt ein Inversions-
S2n
zentrum vor, wenn n eine ungerade Zahl ist. Beispiel für die Punktgruppe D3d :
H3 C–CH3 , wenn die H-Atome der beiden CH3 -Gruppen zueinander auf Lücke
stehen. Abb. 6.8. Oben: gleichseitiger
Tetraeder in einem Würfel, un-
ten: regulärer Oktaeder in einem
Als nächstes betrachten wir Moleküle, die mehr als eine Symmetrieachse mit einer
Würfel
Zähligkeit von n > 2 besitzen. Die wichtigsten dieser Punktgruppen sind jene, die sich
vom gleichseitigen Tetraeder und vom regulären Oktaeder ableiten (Abb. 6.8). Ihre rei-
nen Rotationsgruppen – dies sind Gruppen von Operationen, die nur in Drehungen um
Symmetrieachsen bestehen – werden mit T und O bezeichnet. Die Gruppe des regulä-
ren Oktaeders ist zugleich die des Würfels, da letzterer dieselben Symmetrieelemente
besitzt. Außerdem kann ein regulärer Oktaeder so in einen Würfel eingezeichnet wer-
den, daß Flächen und Ecken des Würfels in bezug auf den Oktaeder äquivalent sind. O
ist also die reine Rotationsgruppe des Würfels. Auch ein gleichseitiger Tetraeder kann
in einen Würfel eingezeichnet werden. Die Ecken des Würfels sind nun jedoch nicht
mehr äquivalent (vier Würfelecken sind zugleich Ecken des Tetraeders). Der gleichsei-
tige Tetraeder hat also eine niedrigere Symmetrie als der Würfel; T muß eine Unter-
gruppe von O sein. Abbildung 6.9 zeigt die zu den Gruppen T und O gehörigen Dreh-
achsen.
T: Symmetrieelemente sind die 4 dreizähligen und 3 zweizähligen Achsen des re-
gulären Tetraeders, die 12 Drehsymmetrieoperationen erlauben. Die 4 C3 -Achsen
dieser Rotationsgruppe gehen durch den Schwerpunkt und jeweils eine Ecke des
Tetraeders. Die C2 -Achsen laufen durch die Mitten der gegenüberliegenden Kan-
ten des Tetraeders.
O: Die 3 vierzähligen, die 4 dreizähligen und die 6 zweizähligen Drehachsen bilden
die Symmetrieelemente der Rotationsgruppe des regulären Oktaeders und ermög-
lichen 24 Drehsymmetrieoperationen. Die C4 -Achsen laufen durch die gegenüber-
liegenden Ecken, die C3 -Achsen durch die Schwerpunkte der gegenüberliegenden
Flächen und die C2 -Achsen durch die Mitten der gegenüberliegenden Kanten des Abb. 6.9. Beispiele für Drehach-
sen des gleichseitigen Tetraeders
Oktaeders. (Rotationsgruppe T ) (oben) und
Td : Die vollständige Symmetriegruppe des gleichseitigenTetraeders besteht aus den des regulären Oktaeders (Rotati-
Rotationselementen der Gruppe T sowie aus 6 Spiegelungen an σd und 6 vierzäh- onsgruppe O) (unten)
104 6. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein systematischer Zugang
darstellen lassen. Dabei sind die Koeffizienten a1m Konstante, während natürlich die
Wellenfunktionen von den Elektronen-Koordinaten abhängen. Eine Relation der Form
(6.2) gilt nicht nur für Ψ1 , sondern für jede beliebige aus dem Satz (6.1), so daß wir
M
AΨ j = a jm Ψm (6.3)
m=1
erhalten. Hierbei hängen die Koeffizienten a jm einerseits von den Indizes der Wellen-
funktionen, die links auftreten, ab, andererseits von den Indizes der dahinter stehenden
6.3 Die Auswirkung von Symmetrieoperationen auf Wellenfunktionen 105
Wellenfunktionen Ψm : In diesem Sinne können wir sagen, daß der Einfluß des Operators
A auf Ψ die Multiplikation des Vektors (6.1), der dann als Spaltenvektor zu schreiben
ist, mit einer Matrix (a jm )
A → (a jm ) (6.4)
entspricht. Die Identitätsoperation, bei der also der Vektor (6.1) unverändert bleibt. be-
zeichnen wir mit E.
Sehen wir uns an, was passiert, wenn wir erst die Operation A und dann die Opera-
tion B auf Ψ j anwenden. Wir untersuchen also, was das Produkt BA, angewendet auf
Ψ j , bewirkt, wobei wir in Analogie zu (6.3) annehmen dürfen, daß
M
BΨ j = b jl Ψl (6.5)
l=1
gilt.
Setzen wir in BAΨ j ≡ B(AΨ j ) zuerst die rechte Seite von (6.3) ein, was
M
BAΨ j = B(AΨ j ) = B a jm Ψm (6.6)
m=1
ergibt. Da aber B nichts mit den Koeffizienten zu tun hat, sondern nur auf die Funktion
Ψ , die dahinter steht, wirkt, können wir rechts in (6.6) schreiben:
M
a jm BΨm (6.7)
m=1
und dann (6.5) verwenden:
M
M
a jm bml Ψl . (6.8)
m=1 l=1
Die beiden Summationen über l und m können wir schließlich vertauschen und erhalten
damit anstelle der Gl. (6.6)
M
M
BAΨ j = a jm bml Ψl . (6.9)
l=1 m=1
cjl
Die Anwendung des Produktes BA auf Ψ j ergibt also wieder eine Linearkombination
aus Ψ j wobei aber neue Koeffizienten cjl auftreten. Wir können also dem Produkt BA
der Operatoren eine Matrix gemäß
BA → (cjl ) = C (6.10)
zuordnen, wobei gemäß (6.9) die Koeffizienten c jl mit den Koeffizienten a jm und bml
durch
M
c jl = a jm bml (6.11)
m=1
106 6. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein systematischer Zugang
verknüpft sind. Dies ist aber die Produktregel für die Matrizen A
= (a jm ), B
= (bml ),
C
= (c jl ), wobei A
B
= C
ist. Damit gelangen wir zu der grundlegenden Erkenntnis,
daß die Operatoren A, B, . . . einschließlich der Produktregeln durch Matrizen darge-
stellt werden können, wobei dem Produkt der Operation BA das Matrizenprodukt A
B
,
also in umgekehrter Reihenfolge, entspricht.
Sehen wir uns nun an, was die Inverse von A bewirkt. Dazu bilden wir zunächst
M
−1 −1
A AΨ j (r) = A a jm Ψm (6.12)
m=1
und machen für A−1 Ψm auf der rechten Seite von (6.12) den Ansatz
M
A−1 Ψm (r) = f ml ψl . (6.13)
l=1
erhalten wir
M
a jm f ml = δ jl , (6.17)
m=1
wobei man nur darauf achten muß, daß sich die Reihenfolge der entsprechenden Matri-
zen umkehrt. Der Inversen der Operation A, d. h. A−1 , entspricht die Inverse der Matrix
A
, d. h. A
−1 . Ferner entspricht natürlich der Identitätsoperation E die Einheitsmatrix
E
. Schließlich ist aus der Algebra bekannt, daß Matrizen das assoziative Gesetz erfül-
len, d. h. (A
B
)C
= A
(B
C
). Wir erkennen somit, daß sich alle Eigenschaften der
Operationen der ursprünglichen Gruppe A, B, C in den Eigenschaften der zugeordne-
ten Matrizen A
, B
, C
, . . . wiederfinden. Die Matrizen A
, B
, C
, . . . bilden selbst eine
Gruppe. Man bezeichnet die Gruppe der Matrizen A
, B
, C
, . . . als eine Darstellung
der (abstrakten) Gruppe mit den Elementen A, B, C, . . . .
M
M
bk j = (C
−1 )kl alm cm j (6.26)
l=1 m=1
eingeführt. Der mit Matrizen vertraute Leser wird erkennen, daß auf der rechten Seite
nichts anderes als eine Multiplikation von Matrizen ausgeführt wird. Fassen wir näm-
Abb. 6.10. Typischer Aufbau
mit den Elementen bk j zusammen, so läßt sich (6.26) in die
lich bk j zu einer Matrix A
einer ausreduzierten Matrix.
Außerhalb der Kästchen stehen
Form
Nullen
= C
−1 A
C
A (6.27)
A → C
−1 A
C
= A (6.28)
B → C
−1 B
C
= B
gilt. Dann können bei Gruppenelementen, die nicht vertauschen, Fälle eintreten, wo wir
C
nicht so wählen können, daß alle Matrizen A
, B
, . . . gleichzeitig diagonal werden.
Es gibt nun aber einen sehr wichtigen Zweig der Mathematik, nämlich die Dar-
stellungstheorie der Gruppen, in der gezeigt wird, daß eine Minimaldarstellung von
A
, B
, . . . mit Hilfe der Ähnlichkeitstransformation (6.28) erreicht werden kann. Was
bedeutet eine solche Darstellung? Sie bedeutet, daß man eine Basis der Wellenfunktio-
nen χk so wählen kann, daß bei Anwendung aller Symmetrieoperationen der Gruppe
nur ein bestimmter Teilsatz der χk in sich transformiert wird. Mit anderen Worten, die
Basis der χk zerfällt in einzelne Teile. Diese Teile haben natürlich im allgemeinen ein
viel einfacheres Transformationsverhalten als die ursprünglichen Ψ j . Und nun kommt
eigentlich die wunderbarste Erkenntnis aus der Verknüpfung von Quantentheorie und
Gruppentheorie. Unseren Überlegungen hatten wir ja eine Basis Ψ j bzw. χk zugrunde-
gelegt. Das Transformationsverhalten der χk hängt aber überhaupt nicht mehr von dem
konkreten quantenmechanischen Problem ab, sondern nur von der zugrundeliegenden
Symmetriegruppe.
Statt also die Wellenfunktionen direkt aus der Lösung von Schrödinger-Gleichungen,
die auch sehr kompliziert sein können, zu bestimmen, genügt es oft, in der Gruppen-
theorie nachzusehen, welches Transformationsverhalten die Basisvektoren in ihren Dar-
stellungen haben. Dieses Symmetrieverhalten können wir dann auch den gesuchten Wel-
lenfunktionen auferlegen, genauso wie wir das schon im Falle des Ethylens oder Ben-
zols getan haben (vgl. Kap. 5). Damals ließen sich ja bei einer Darstellung von ψ aus
6.5 Grundbegriffe der Darstellungstheorie der Gruppen 109
Für unsere späteren Anwendungen eignen wir uns einige Grundbegriffe aus dieser Theo-
rie an. Die Zahl der Elemente einer Gruppe heißt die Ordnung der Gruppe und wird oft
mit dem Buchstaben h bezeichnet. So ist h = 4 für C2v und h = 6 für C3v . Zwei Ele-
mente A, B einer Gruppe heißen zueinander konjugiert, falls es ein Element C gibt, so
daß
B = C −1 AC (6.29)
gilt. Wenn wir die Gruppenoperationen durch Matrizen darstellen, so bedeutet (6.29)
nichts anderes als eine Ähnlichkeitstransformation. Deshalb spricht man auch bei ab-
strakten Gruppenbeziehungen bei (6.29) von einer Ähnlichkeitstransformation. Multi-
plizieren wir (6.29) von links mit C und von rechts mit C −1 , so erhalten wir
A = C BC −1 , (6.30)
was nichts anderes bedeutet, als daß die Beziehung des Konjungiertseins reziprok ist.
Unter einer Klasse verstehen wir einen vollständigen Satz von Elementen der Gruppe,
die zueinander konjungiert sind. Um nachzuprüfen, welche Operationen zur gleichen
Klasse gehören, muß man alle Ähnlichkeitstransformationen untersuchen. Betrachten
wir als Beispiel die Gruppe C3v , wählen E fest und gehen die Transformationen C
durch, so erhalten wir
E −1 E E = E , (6.31)
C3−1 EC3 =E (6.32)
und entsprechende Beziehungen, bei denen jedesmal auf der rechten Seite wieder E er-
scheint, da E multipliziert mit einem Element der Gruppe das Element der Gruppe er-
gibt. Aus diesen Beziehungen folgt aber, daß E eine Klasse für sich selbst ist. Greifen
wir als zweites Beispiel σv heraus und sehen nach, welche Elemente in der gleichen
Klasse wie σv sind. Dazu bilden wir
E −1 (σv E) = σv , (6.33)
was wegen der Eigenschaft von E sofort die rechte Seite ergibt. Um das nächste Beispiel
in der Gleichung
C3−1 σv C3 = C3−1 σv
= C32 σv
= σv
(6.34)
110 6. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein systematischer Zugang
zu verifizieren, ziehen wir die Gruppentafel der Gruppe C3v zu Hilfe (Tabelle 6.2) und
erhalten zunächst das an der zweiten Stelle stehende Resultat in den Gleichungen. Da
C33 = E ist, und wir die linke Seite als C3 C32 schreiben können, ergibt sich C3−1 = C32 .
Schließlich ziehen wir wieder die Gruppentafel zu Hilfe. Damit können wir das Resultat
der Gl. (6.34) nachvollziehen. In ganz ähnlicher Weise erhalten wir die Resultate
−1
C32 σv C32 = σv
, (6.35)
σv−1 (σv σv ) = σv , (6.36)
σv
−1 σv σv
= σv
, (6.37)
σv
−1 σv σv
= σv
. (6.38)
Offensichtlich gehören die Elemente σv , σv
und σv
Ein zentrales Werkzeug in der Darstellungstheorie der Gruppen ist der „Charakter“. Wie
wir gesehen haben, können wir jedem Element der Gruppe eine Matrix zuordnen. Als
Charakter bezeichnet man die Spur, oder mit anderen Worten, die Summe der Diago-
nalelemente, die zu dieser entsprechenden Matrix gehört.
Bei der Matrix
⎛ ⎞
a11 a12 . . .
⎝a21 a22 . . . ⎠ (6.39)
. . . . . . akk
gilt also
k
Charakter = Spur = all . (6.40)
l=1
Abb. 6.11. N2 H2 Betrachten wir, wie man den Charakter einer Darstellung, die zunächst durchaus redu-
zibel sein kann, bestimmt. Als Beispiel diene das N2 H2 Molekül, das in seiner geome-
Tabelle 6.3. Gruppentafel
trischen Anordnung in Abb. 6.11 wiedergegeben ist. Man macht sich leicht klar, daß die
C2h E C2 σ i
Symmetrieoperationen der Gruppe C2h (vgl. Abschn. 6.2) dieses Molekül invariant las-
sen. Dies sind die folgenden Operationen (Abb. 6.12): Identitätsoperation E, Drehung
um 180◦ um eine Achse, die senkrecht zur Papierebene steht und durch den Schwer-
E E C2 σ i
C2 C2 E i σ
punkt des Moleküls geht, Spiegelung an der Ebene, die senkrecht zu dieser Achse steht
σ σ i E C2
und in der Atome des Moleküls liegen, und schließlich Inversion am Schwerpunkt des
i i σ C2 E
Moleküls, der zugleich Inversionszentrum ist. Die Gruppentafel ist in Tabelle 6.3 wie-
dergegeben.
6.5 Grundbegriffe der Darstellungstheorie der Gruppen 111
Wir suchen nun eine spezielle Darstellung, indem wir die Längen der Verbindungs-
linien N/H in den jeweiligen Lagen betrachten und mit ∆R1 bzw. ∆R2 bezeichnen
(vgl. Abb. 6.13). Dieses Beispiel macht zugleich deutlich, daß die Objekte, auf die sich
die Symmetrieoperationen beziehen, nicht nur Wellenfunktionen (vgl. 6.1) sein können,
sondern z. B. auch geometrische Gebilde. Bei der Einheitsoperation E ändert sich nichts
am Molekül, so daß wir sofort die Darstellung
∆R1 10 ∆R1
E = (6.41)
∆R2 01 ∆R2
erhalten. Bei der Drehung um eine zur Buchebene senkrechten Achse durch den Mit-
telpunkt der beiden N-Atome, geht ∆R1 in ∆R2 und ∆R2 in ∆R1 über. Wir erhalten
somit
∆R1 01 ∆R1 Abb. 6.13. Abstände ∆R1 und
C2 = . (6.42) ∆R2 im N2 H2
∆R2 10 ∆R2
In ähnlicher Weise lautet das Resultat bei der Inversion Tabelle 6.4. Ganz links in
der Spalte stehen die Sym-
∆R1 01 ∆R1 metrieoperationen, sodann die
i = . (6.43)
∆R2 10 ∆R2 jeweiligen Darstellungsmatrizen
und schließlich die zugehörigen
Schließlich geht das Molekül bei einer Spiegelung, die an der Ebene, die mit der Ebene Charaktere
dieser Buchseite übereinstimmt, stattfindet, in sich über. Somit erhalten wir
C2h Charakter
∆R1 10 ∆R1
σh = . (6.44)
∆R2 01 ∆R2 1 0
E = 2
0 1
Die in ((6.41)–(6.44)) auftretenden Matrizen sind bereits die von uns gesuchten speziel-
0 1
len Darstellungsmatrizen, zu denen wir auch sofort die Summe der Hauptdiagonale als C2 = 0
1 0
den Charakter jeweils angeben können. Wir erhalten so die Tabelle 6.4.
Wie wir weiter unten zeigen werden, ist die Darstellung, die durch die Matrizen in 0 1
i = 0
Tabelle 6.4 gegeben ist, noch reduzibel. In der Mathematik gelingt es systematisch, die 1 0
irreduziblen Darstellungen aufzufinden und durch Charaktertafeln zu charakterisieren. 1 0
σh = 2
Hierbei zeigt es sich, daß zu dem jeweiligen Satz der Elemente einer Gruppe nicht nur 0 1
112 6. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein systematischer Zugang
C2h E C2 i σh
Vorläuf. Name
Γ1 1 1 1 1
Γ2 1 −1 1 −1
Γ3 1 1 −1 −1
Γ4 1 −1 −1 1
ein Satz von Darstellungsmatrizen gehört, sondern daß man die Gruppe in verschiede-
ner Weise, d. h. durch verschiedene Sätze von Darstellungsmatrizen, realisieren kann.
Diese verschiedenen Darstellungsmöglichkeiten unterscheidet man formal durch Buch-
staben Γ1 , Γ2 , usw. Wir erhalten so die folgende Charaktertafel (Tabelle 6.5):
In der linken oberen Ecke dieser Tafel steht die Symmetriegruppe, im vorliegenden
Fall also C2h . Rechts schließen sich dann in der gleichen Zeile die Symbole für die
Gruppenoperationen an, also die Einheitsoperation E, die Drehung um die zweizählige
C2 -Achse, die Inversion i und die Spiegelung an der horizontalen Ebene σh . In der näch-
sten Zeile stehen dann die Charaktere, die zu der Darstellung Γ1 , und zu den jeweiligen
Gruppenoperationen gehören. Genauso ist es dann mit den nächstfolgenden Zeilen für
Γ2 , . . . .
Wie groß ist nun die Zahl der irreduziblen Darstellungen einer Gruppe? Diese ist,
wie in der Mathematik gezeigt wird, gleich der Zahl der Klassen in dieser Gruppe. Grei-
fen wir eine irreduzible Darstellung heraus, so ist der Charakter für alle Operationen
der gleiche in der gleichen Klasse. Dies ist leicht verständlich, da sich die Elemente
der gleichen Klasse ja nur durch eine Ähnlichkeitstransformation unterscheiden. Bei ei-
ner Ähnlichkeitstransformation bleibt aber die Spur der Matrizen erhalten, d. h. aber die
Charaktere bleiben unverändert. Wie man bei der Gruppe C2h zeigen kann, bilden alle
4 Elemente je für sich eine Klasse. Es gibt also 4 Klassen, von denen jede nur ein ein-
zelnes Element enthält.
Betrachten wir noch ein weiteres Beispiel, nämlich die Charaktertafel für die Punkt-
gruppe C3v . Diese ist durch Tabelle 6.6 gegeben. Wie wir aber oben gesehen haben, bil-
den C3 und C32 eine Klasse für sich, ebenso σv , σv
, σv
. Insofern
Tabelle 6.6. Charaktertafel für C3v Tabelle 6.7. Charaktertafel für C3v
C3v E C3 C32 σv σv
σv
Γ1 1 1 1 1 1 1 Γ1 1 1 1
Γ2 1 1 1 −1 −1 −1 Γ2 1 1 −1
Γ3 2 −1 −1 0 0 0 Γ3 2 −1 0
6.5 Grundbegriffe der Darstellungstheorie der Gruppen 113
enthält die Tafel 6.6 zu viel Information; man kann diese in der folgenden Gruppentafel,
Tabelle 6.7, kondensieren.
Hierbei zeigen die Zahlen 2 und 3 vor C3 bzw. σv an, wie viele Operationen es in
der jeweils gegebenen Klasse gibt. Wir bemerken noch, daß E und i immer jeweils eine
Klasse für sich bilden.
Wir lernen hier noch einen weiteren Begriff kennen, nämlich den der Dimension ei-
ner irreduziblen Darstellung. Diese ist gerade gleich der Dimension von irgendeiner ih-
rer Matrizen. Da der Charakter von E gerade die Zahl der Elemente in der Hauptdia-
gonale ist und damit auch gleich der Dimension der zugehörigen irreduziblen Darstel-
lung, ersehen wir, daß der Charakter von E gerade die Dimension der zugehörigen ir-
reduziblen Darstellung ist. In der Literatur wird zurückgehend auf Mulliken noch eine
etwas andere Schreibweise der Charaktertafel verwendet, die wir für die Gruppe C3v
wie folgt angeben.
A1 1 1 1 z x 2 + y2 , z 2
A2 1 1 −1 Rz
E 2 −1 0 (x, y)(Rx , R y ) (x 2 − y2 , xy)(xz, yz)
Die erste Zeile beginnt mit C3v und die Bezeichnungen für die Gruppenoperation
sind uns geläufig, ebenso der unter diesen Gruppenoperationen stehende Block der Cha-
raktere. Neu sind die Bezeichnungen A1 , A2 , E für die irreduziblen Darstellungen. Da-
bei darf das hier auftretende E für die irreduzible Darstellung nicht mit dem in der
ersten Zeile auftretenden E für die Gruppenoperation verwechselt werden. Die Buch-
staben A und E beziehen sich auf bestimmtes Symmetrieverhalten, das wir gleich dis-
kutieren werden. Die dritte Spalte, die z, Rz enthält, zeigt an, welche Koordinaten (z)
oder (Rz ) das Symmetrieverhalten aufweisen, das in der gleichen Zeile durch A1 , . . .
gekennzeichnet ist. So macht man sich leicht klar, daß die z-Koordinate in einem karte-
sischen System bei den Operationen von A1 unverändert bleibt, also jeweils die Trans-
formationsmatrix sich auf den Faktor 1 reduziert, der dann zugleich identisch mit dem
Charakter der Darstellung der jeweiligen Symmetrieoperationen ist. In der letzten Zeile
dienen dann etwa x und y als eine Basis. In der letzten Spalte der Tabelle 6.8 werden
schließlich Basiselemente angegeben, die sich aus Quadraten oder quadratischen oder
bilinearen Ausdrücken aus x, y, z ergeben.
Betrachten wir nun, was es mit dem Wechsel der Bezeichnungsweise von Γ zu A1 , A2 ,
usw. auf sich hat. Der Zweck ist, daß man durch die Bezeichnung der entsprechen-
den Darstellung bereits zum Ausdruck bringen möchte, ob die irreduzible Darstellung
ein- oder mehrdimensional ist und welche speziellen Symmetrieeigenschaften sie hat.
So beziehen sich die Buchstaben A und B auf eindimensionale irreduzible Darstellun-
gen, wobei in A die Darstellung symmetrisch bezüglich der Rotation um die höchst-
114 6. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein systematischer Zugang
1 1 1 A
1 −1 B
2 2 E
3 3 T
1 Ag Bg E g Tg
−1 Au Bu E u Tu
1 A
B
−1 A
1 A1 B1
−1 A2 B2
C2h E C2 i σh
Ag 1 1 1 1 Rz x 2 , y2 , z 2 , xy
Bg 1 −1 1 −1 Rx , R y xz, yz
Au 1 1 −1 −1 z
Bu 1 −1 −1 1 x, y
Eine wichtige Frage ist natürlich, wie wir eine reduzible Darstellung reduzieren können,
und wie wir wissen, welche irreduziblen Darstellungen in ihr stecken. Dazu helfen uns
6.5 Grundbegriffe der Darstellungstheorie der Gruppen 115
die Charaktere. Betrachten wir etwa die in Abb. 6.10 angegebene Matrix A, so können Tabelle 6.11. Zerlegung der
wir von dieser einerseits den Charakter angeben, indem wir die Summe aller Haupt- Charaktere einer reduziblen
Darstellung
diagonalelemente bilden. Andererseits besteht diese Matrix aber auch aus den Matrizen
der einzelnen irreduziblen Darstellungen, die selbst ihre Gruppencharaktere haben, und E C2 i σh
wir sehen sofort, daß der Charakter der reduziblen Darstellung gleich der Summe der
Charaktere der in ihr auftretenden irreduziblen Darstellungen ist. Dies gilt natürlich für
Ag 1 1 1 1
jedes Element der Gruppe, denen die Matrizen zugeordnet sind.
Bu 1 −1 −1 1
Betrachten wir die Charaktere, die in dem Beispiel der Symmetrieoperationen an-
hand der Längen ∆R1 , ∆R2 am N2 H2 -Molekül auftraten. Diese Charaktere sind ge- Summe
mäß Tabelle 6.4 durch 2, 0, 0, 2 gegeben. Die Frage ist, wie wir diese Charaktere aus Ag + Bu 2 0 0 2
den in der Tafel 6.5 angegebenen Charakteren der irreduziblen Darstellungen wiederfin-
den können. Dies bedeutet, daß für jede Gruppenoperation, E, C2 , i, σh eine passende
Summe aus den Charakteren der Darstellungen gefunden werden muß. So finden wir
Tabelle 6.11, d. h. gerade die gewünschte Kombination (2, 0, 0, 2).
Wie in der Gruppentheorie gezeigt wird, und was wir unten auch gleich nachvollzie-
hen werden, ist die Zerlegung eindeutig. Neben dem Ausprobieren, durch welche Kom-
binationen aus den einzelnen irreduziblen Darstellungen man die gegebene reduzierbare
Darstellung aufbauen kann, kann man aber auch systematisch vorgehen. Wie wir eben
schon sagten, ist für jede Gruppenoperation der Charakter ihrer (reduziblen) Darstellung
gleich der Summe der Charaktere der in ihr enthaltenen irreduziblen Darstellungen. Dies
kann durch die folgende Formel ausgedrückt werden:
χ(R) = n i χi (R) . (6.45)
i
Hierbei ist χ der Charakter der im allgemeinen reduziblen Darstellung, die zu der Grup-
penoperation R gehört, wobei R irgendeine der Symmetrieoperationen ist. Auf der rech-
ten Seite wird über die verschiedenen irreduziblen Darstellungen, die durch den Index i
unterschieden werden, auf summiert, wobei n i die Zahl der jeweils gleichen irreduziblen
Darstellungen ist, also die Zahl der jeweils gleichen Kästchen in der Matrix (Abb. 6.14).
Die Gl. (6.45) hat eine gewisse formale Ähnlichkeit mit Beziehungen etwa aus der
Quantenmechanik, wo ja eine beliebige Wellenfunktion ψ in eine Linearkombination
aus den Wellenfunktionen ψi zerlegt werden kann. In der Tat gilt auch hier eine Ortho-
gonalitätsrelation von der Form
1
χ j (R−1 )χi (R) = δij , (6.46)
h
R
wobei die Summation über alle Symmetrieoperationen R auszuführen ist. An die Stelle
der komplex konjugierten Wellenfunktion ψ ∗j in der Quantenmechanik ist jetzt χ j mit
dem Argument R−1 getreten. Bezüglich der Herleitung der Relation (6.46) verweisen
wir auf die Aufgaben am Schluß dieses Kapitels. In völliger Analogie zur Quantenme-
chanik können wir mit Hilfe von (6.45) und (6.46) herleiten, wie oft eine irreduzible
Darstellung i in der reduziblen Darstellung enthalten ist. Dazu multiplizieren wir (6.45)
mit χi (R−1 ) und summieren über die einzelnen Elemente der Gruppe auf. Wir erhalten
dann
Abb. 6.14. Beispiel für die Aus-
1
χi (R−1 )χ(R) .
reduktion einer Matrix mit zwei
ni = (6.47) gleichen irreduziblen Darstellun-
h
R gen
116 6. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein systematischer Zugang
Wir haben oben gesehen, daß die Charaktere der irreduziblen Darstellungen gleich
sind, wenn diese zu den Elementen einer Gruppe gehören, die der gleichen Klasse ange-
hören. Aus diesem Grunde genügt es, wenn wir nicht über alle Elemente aufsummieren,
sondern nur über Elemente, die verschiedenen Klassen angehören, und dann angeben,
wie viele Elemente jeweils in der betreffenden Klasse sind. Wir kommen damit auf die
Formel
1
ni = Nχ(R)χi (R−1 ) . (6.48)
h
Q
Hierbei ist also die Summation über alle Klassen auszuführen. Die Bedeutung der ein-
zelnen Größen ist in der Tabelle 6.12 zusammengefaßt.
Betrachten wir nochmals das Beispiel der Gruppe C2h (Tabelle 6.10) und betrachten
wir die Darstellung Γ1 , die die Charaktere 2, 0, 0, 2 besitzt. Die Ordnung der Gruppe ist
h = 4. Durch Anwendung der Formel (6.48) erhalten wir die folgenden Beziehungen
1
n Ag = 1·2·1+1· 0 ·1+1·0·1+1· 2 ·1 =1 (6.49)
4 E C2 i σh
und
1
n Bg = {1 · 2 · 1 + 1 · 0 · (−1) + 1 · 0 · 1 + [1 · 2 · (−1)]} = 0 , (6.50)
4
die leicht nachzuvollziehen sind. In entsprechender Weise ergibt sich
n Au = 0 (6.51)
n Bu = 1 . (6.52)
Wir erhalten somit das Resultat, daß die Darstellung Γ1 in die Darstellungen Ag und
Bu zerlegt werden kann. Wir können aber noch einen wesentlichen Schritt weitergehen.
Letztlich ist unser Ziel ja, entweder Elektronenwellenfunktionen (oder Molekülschwin-
gungen) zu konstruieren, die einer irreduziblen Darstellung entsprechen. Das ist dann
der kleinste Satz von miteinander entarteten Funktionen, die also zur gleichen Energie
gehören.
6.7 Ein Beispiel: das H2 O-Molekül 117
6.6 Zusammenfassung
Die Methode, die wir in diesem Kapitel kennengelernt haben, läßt sich wie folgt zu-
sammenfassen:
Viele Moleküle weisen Symmetrien auf. Bei einer Symmetrieoperation geht das Mo-
lekül in sich über. Die Symmetrieoperationen bilden eine Gruppe, wobei das Produkt
zweier Operationen durch die Gruppentafel dargestellt wird. Wendet man die Symme-
trieoperationen auf einen Satz miteinander entarteter Wellenfunktionen an, so erfahren
diese eine lineare Transformation unter sich. Die Transformationskoeffizienten bilden
eine Matrix, und die Gruppe der Symmetrieoperationen kann durch Matrizen dargestellt
werden. Durch eine geeignete Wahl der Basis von Wellenfunktionen können die Matri-
zen auf eine einfachste Form gebracht werden: die Darstellung wird in ihre irreduziblen
Darstellungen zerlegt. Dabei sind die Charaktere (= Spur jeder Matrix) ein wichtiges
Hilfsmittel.
Wollen wir diese Methode auf die exakte oder zumeist genäherte Berechnung von
Elektronenwellenfunktionen eines bestimmten Moleküls anwenden, so genügt die fol-
gende Quintessenz: Es genügt, solche Wellenfunktionen zu berechnen, die jeweils zu
einer bestimmten irreduziblen Darstellung der Symmetrie-Gruppe des betreffenden Mo-
leküls gehören. Damit gelingt es z. B. bei der LCAO-Methode, die unbekannten Koef-
fizienten ganz zu bestimmen oder zumindest deren Zahl drastisch zu vermindern. Dies
werden wir am Beispiel des H2 O erläutern.
Die Koeffizienten c j sind dabei mit Hilfe eines Extremalprinzips, das wir schon in Ab-
schn. 5.3 kennengelernt haben, zu bestimmen, wobei wir den Leser an die Formel
∗
ψ HψdV
= Extremal! (6.54)
ψ ∗ ψdV
erinnern. Setzen wir (6.53) in (6.54) ein und nehmen an, daß die Atomorbitale praktisch
aufeinander orthogonal sind, so erhalten wir das uns schon geläufige Resultat
(Hij − E α δij )c(α)
j = 0. (6.55)
j
Wie wir wissen, handelt es sich hier um einen Satz linearer homogener Gleichungen,
die nur dann lösbar sind, wenn die Determinante der Koeffizientenmatrix verschwindet.
Damit wird ein Satz von Eigenwerten, die identisch mit den Energiewerten E sind, und
den jeweils zugehörigen Wellenfunktionen festgelegt.
Wir knüpfen nun an den Grundgedanken von Abschn. 5.2 an, wo wir sahen, daß die
Koeffizienten c j ganz oder teilweise mit Hilfe von gruppentheoretischen Überlegungen
118 6. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein systematischer Zugang
festgelegt werden können, ohne daß wir die im allgemeinen ja komplizierten Gln. (6.55)
zu lösen haben. Als konkretes Beispiel greifen wir das H2 O-Molekül heraus. Unser Ziel
ist es, die Molekülorbitale ψ so zu bestimmen, daß sie zu den irreduziblen Darstellun-
gen der Symmetrieoperationen des Moleküls, in unserem Falle des H2 O, gehören. Dazu
gehen wir in mehreren Schritten vor:
1) Wir bestimmen die Symmetriegruppe des Moleküls.
2) Wir treffen eine Auswahl der Atomorbitale, aus denen die Molekülorbitale gemäß
(6.53) aufgebaut werden sollen.
3) Die Atomorbitale sollen als Basis dienen, aus denen die Darstellung der Symmetrie-
gruppe erzeugt wird. Wie dies im einzelnen geht, werden wir unten explizit sehen.
4) Die so gewonnene Darstellung wird nun in irreduzible Darstellungen zerlegt. Damit
erhalten wir dann die möglichen Linearkombinationen der Atomorbitale, die zur Bil-
dung von Molekülorbitalen benützt werden können.
Das H2 O-Molekül ist in Abb. 6.15 dargestellt, wo auch die verschiedenen Symmetrie-
elemente eingezeichnet sind. Das Molekül können wir ersichtlich in ein kartesisches Ko-
ordinatensystem einbetten, so daß die H-Atome in die von der x- und z-Achse aufge-
spannte Ebene zu liegen kommen. Die xz-Ebene stellt eine Symmetrieebene dar, an der
die Spiegeloperation σv
ausgeführt werden kann. Die zur xz-Ebene senkrechte yz-Ebene
ist ebenfalls eine Symmetrieebene, an der die mit σv bezeichnete Spiegelung durchge-
führt wird. Daneben gibt es noch als Symmetrieelement die z-Achse, um die herum eine
zweizählige Drehung, die die H-Atome ineinander überführt, ausgeführt werden kann.
Insgesamt stellen diese Symmetrieoperationen die Symmetriegruppe C2v dar. Die Mul-
tiplikationstafel ist durch die Tabelle 6.13 dargestellt.
Aus dieser Multiplikationstafel lassen sich leicht die folgenden Eigenschaften her-
leiten: Die Gruppe ist eine kommutative Gruppe, d. h. für je 2 Elemente A, B gilt die
Multiplikationsregel AB = BA. Aus der Kommutativität folgt sofort, daß jedes Element
eine Klasse bildet, und da es 4 Elemente gibt, gibt es auch 4 Klassen. Diesen 4 Klas-
sen entsprechen 4 irreduzible, und zwar inäquivalente, Darstellungen. Dann ergibt sich,
daß jede irreduzible Darstellung eindimensional ist. Die in der Mathematik hergeleitete
zugehörige Charaktertafel ist durch Tabelle 6.14 wiedergegeben.
Wir müssen uns nun überlegen, welche Atomorbitale wir zugrundelegen. Da vor der
Bindung die Wasserstoffatome im Grundzustand sind und es einer sehr großen Anre-
gungsenergie bedürfte, um zum ersten angeregten Zustand mit der Hauptquantenzahl
n = 2 zu kommen, liegt es nahe, für die Wellenfunktionen, die von den Wasserstoff-
6.7 Ein Beispiel: das H2 O-Molekül 119
Tabelle 6.13. Gruppentafel von C2v Tabelle 6.14. Charaktertafel von C2v
C2v E C2 σv σv
C2v E C2 σv σv
E E C2 σv σv
A1 1 1 1 1 z x 2 , y2 , z
C2 C2 E σv
σv A2 1 1 −1 −1 Rz xy
σv σv σv
E C2 B1 1 −1 1 −1 x, R y xz
σv
σv
σv C2 E B2 1 −1 −1 1 y, Rx yz
Betrachten wir das Verhalten der Wellenfunktionen der H-Atome genauer. Diese
bilden also eine Basis s1 , s2 . Dabei handelt es sich, ganz so wie wir es schon beim
Wasserstoff-Molekülion gelernt haben, um zwei Funktionen, die um die Protonen herum
lokalisiert sind und ansonsten den s-Funktionen des Wasserstoffatoms entsprechen (vgl.
Abschn. 4.3). Wir sehen uns an, wie diese Wellenfunktionen unter den Symmetrieopera-
tionen transformiert werden. Zum Beispiel geht bei der Operation E die Wellenfunktion
Abb. 6.17. Darstellungsmatrix s1 in sich über und ebenso die Wellenfunktion s2 . Anders ist es z. B. bei einer Spie-
für die Basis 6.16. Die zu H gelung an der σv -Ebene, wo die beiden Wasserstoffatome ihre Plätze vertauschen und
bzw. O gehörigen Funktionen somit auch die beiden Wellenfunktionen s1 und s2 ineinander übergeführt werden. Füh-
werden unter sich transformiert
ren wir diesen Gedankengang auch für die anderen Symmetrieoperationen durch, so
erhalten wir rasch die Relationen
s 10 s1 s 01 s1
E 1 = C2 1 =
s2 01 s2 s2 10 s2
s 01 s1 s 10 s1
σv 1 = σv
1 = , (6.56)
s2 10 s2 s2 01 s2
aus denen also die Matrizen der reduziblen Darstellung sofort abgelesen werden kön-
nen. Bilden wir die jeweiligen Spuren der Matrizen, so erhalten wir die Charaktere, die
in Tabelle 6.15 angegeben sind.
Ähnlich wie im vorigen Abschnitt zerlegen wir die in (6.56) auftretenden reduziblen
Darstellungen in irreduzible, wobei wir in zweierlei Weise vorgehen können, nämlich
mit Hilfe der uns schon bekannten Formel (6.47), d. h.
1
ni = χ(R)χi (R−1 ) (6.57)
h
R
oder durch direkten Vergleich mit der Charaktertafel. Wir überlassen beides dem Leser
als Übungsaufgabe, da dieses im vorigen Abschnitt im Detail vorgeführt worden ist, und
geben hier nur das Resultat in Tabelle 6.16 an.
Damit ist klar, daß die reduzible Darstellung in (6.56) in die irreduziblen Darstel-
Tabelle 6.15. Die Charaktere der
lungen A1 und B2 zerfällt.
in (6.56) angegebenen Darstel- Wie kann man aber den Satz von Matrizen, die zu einer reduziblen Darstellung ge-
lung hören, explizit in einen Satz von Matrizen, die zur irreduziblen Darstellung gehören,
transformieren? Dazu erinnern wir uns daran, daß wir uns in Abschn. 6.4 überlegt ha-
C2v E C2 σv σv
ben, daß wir eine Matrix auf eine Art Diagonalform, bei der nur noch Kästchen auf-
treten, überführen können, indem wir eine Ähnlichkeitstransformation ausführen. Eine
2H(1s) 2 0 0 2 Ähnlichkeitstransformation bedeutet aber nichts anderes, als daß wir zu einer neuen Ba-
sis übergehen. Der Übergang von der Basis der reduziblen zur Basis der irreduziblen
Tabelle 6.16. Charaktere von Darstellungen ist natürlich eine im allgemeinen komplizierte Aufgabe. Glücklicherweise
A1 und B2 und deren Summe, gibt es aber hier eine ganz allgemeine Formel, wie man eine irreduzible Darstellung aus
die jeweils die Charaktere von einer gegebenen Basis erzeugt. Dazu benutzt man einen sogenannten Projektionsopera-
2H(1s) ergeben tor Pi . Dieser projiziert, anschaulich gesprochen, die Basis der reduziblen Darstellung
auf eine Basis der irreduziblen Darstellung. Die Herleitung dieser folgenden wichtigen
C2v E C2 σv σv
Formel behandeln wir in einer Aufgabe am Schluß dieses Kapitels und der zugehöri-
gen Lösung. Hier geben wir sie nur an und erläutern ihre Wirkungsweise dann an einem
A1 1 1 1 1
Beispiel. Die Formel lautet
B2 1 −1 −1 1
2H(1s) = 2 1
0 0 2
Pi = χi (R−1 ) R̂ . (6.58)
A1 + B2 h
R
6.7 Ein Beispiel: das H2 O-Molekül 121
Hierbei ist P i der Projektionsoperator, der also die ursprüngliche Basis, nämlich in un-
s
serem Falle 1 , auf eine neue Basis projiziert, die zur irreduziblen Darstellung, die
s2
mit dem Index i bezeichnet wird, gehört. Wie dies „funktioniert“, werden wir sogleich
sehen, h ist wieder die Ordnung der Gruppe, R sind die Gruppenoperationen, χi ist der
Charakter, der zu der Darstellung i der Gruppenoperation R−1 gehört. R̂ ist die im allge-
meinen reduzible Darstellungsmatrix, die zu der Gruppenoperation R gehört. Betrachten
wir zunächst die irreduzible Darstellung, A1 . Der Index i in (6.58) bedeutet also „Dar-
stellung A1 “. Setzen wir für R die Operationen E, C2 , σv und σv
ein, benutzen die Cha-
raktere gemäß der Tafel 6.14, und bezeichnen die zu E, C2 , σv , σv
gehörigen Matrizen
mit Ê, Cˆ2 , σ̂v , σ̂v
so erhalten wir
1' (
PA 1 = 1 · Ê + 1 · Ĉ2 + 1 · σ̂v + 1 · σ̂v
. (6.59)
4
Setzen wir hierin gemäß (6.56) die Matrizen ein, so ergibt sich,
1 10 01 01 10
PA 1 = 1· +1· +1· +1· (6.60)
4 01 10 10 01
d. h.
1 11
PA 1 = . (6.61)
2 11
Entsprechend erhalten wir für die irreduzible Darstellung B2 das Resultat
! 1
1
ˆ 1 −1
PB2 = Ê − C2 − σ̂v + σ̂v
= . (6.62)
4 2 −1 1
Was bedeutet das Resultat
(6.61)
bzw. (6.62) für die Basis? Dazu wenden wir PA1 auf
s1
die ursprüngliche Basis an. Wir erhalten dann das Resultat
s2
s1 1 11 s1 1 s1 + s2
PA 1 = = . (6.63)
s2 2 11 s2 2 s1 + s2
Wir erhalten, von welcher Wellenfunktion wir auch ausgehen, d. h. von s1 oder s2 , im-
mer die Projektion auf eine bestimmte neue Linearkombination, nämlich s1 +s2 . Wenden
wir hingegen PB2 an, so wird das Pluszeichen in (6.63) durch ein Minuszeichen ersetzt:
s1 1 1 −1 s1 1 s1 − s2
PB2 = = . (6.64)
s2 2 −1 1 s2 2 −s1 + s2
Hieraus lesen wir ab, daß die Basiswellenfunktionen für die irreduziblen Darstellungen
A1 und B2 durch
1
A1 : ψ1 = (s1 + s2 )
2
1
B2 : ψ2 = (s1 − s2 ) (6.65)
2
122 6. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein systematischer Zugang
gegeben sind. Wie man ferner feststellt, ergeben die Projektionsoperatoren, die zu A2
oder B1 gehören, Null, d. h. (6.65) sind die eigentlichen Basisfunktionen für die irredu-
ziblen Darstellungen, die zu der Gruppe C2v gehören und aus s1 , s2 hervorgehen. Das
Ergebnis (6.65) ist natürlich für uns überhaupt nicht neu und überraschend. Erinnern
wir uns an das Wasserstoff-Molekülion, bei dem ja ganz ähnliche Symmetrieverhältnisse
herrschten, so hatten wir auch da die zwei Wellenfunktionen gefunden, nämlich symme-
trisch und antisymmetrisch; dort allerdings nicht unter Verwendung der Gruppentheorie,
sondern durch direkte Lösung der Gleichungen für die Koeffizienten.
Wenden wir uns dem etwas komplizierteren Falle der Basiswellenfunktionen beim
Sauerstoffatom zu. Die Basis besteht hier, wie erinnerlich, aus 2s, 2 px , 2 p y , 2 pz . Wir
haben so zunächst eine 4-dimensionale reduzible Darstellung vor uns. Betrachten wir die
Auswirkung der Symmetrieoperationen im einzelnen. Hierbei gehen wir wieder davon
aus, daß das Sauerstoffatom im Ursprung des kartesischen Koordinatensystems liegt.
Die Anwendung der Einheitsoperation E ergibt natürlich die Einheitsmatrix. Bei der An-
wendung der Drehung um die z-Achse um 180◦ , müssen wir berücksichtigen, daß px
und p y bei einer solchen Drehung ihr Vorzeichen ändern, während die s-Funktion und
die pz -Funktion bei einer solchen Drehung nicht verändert werden. Bei einer Spiege-
lung an der σv -Ebene ändert lediglich px das Vorzeichen, während bei der Spiegelung
an der σv
-Ebene p y sein Vorzeichen ändert, alle anderen Funktionen hingegen unver-
ändert bleiben. Die Darstellungsmatrizen lassen sich somit sofort niederschreiben. Wir
fassen dies in den Formeln (6.66) zusammen.
⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞
2s 1000 2s
⎜2 p ⎟ ⎜0 1 0 0⎟ ⎜2 px ⎟
E ⎝ x⎠ = ⎝
2 py 0 0 1 0⎠ ⎝2 p y ⎠
2 pz 0001 2 pz
⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞
2s 1 0 00 2s
⎜2 p ⎟ ⎜0 −1 0 0⎟ ⎜2 px ⎟
C2 ⎝ x ⎠ = ⎝
2 py 0 0 −1 0⎠ ⎝2 p y ⎠
2 pz 0 0 01 2 pz
⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞
2s 1 000 2s
⎜2 p ⎟ ⎜0 −1 0 0⎟ ⎜2 px ⎟
σv ⎝ x ⎠ = ⎝
2 py 0 0 1 0⎠ ⎝2 p y ⎠
2 pz 0 001 2 pz
⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞
2s 10 00 2s
⎜2 p ⎟ ⎜0 1 0 0⎟ ⎜2 px ⎟
σv
⎝ x ⎠ = ⎝
0 0 −1 0⎠ ⎝2 p y ⎠
(6.66)
2 py
2 pz 00 01 2 pz
Es ist nun wieder ein leichtes, die Charaktertafel der in (6.66) wiedergegebenen re-
duziblen Darstellungen aufzustellen und zum Beispiel durch Probieren zu versuchen, die
irreduziblen Darstellungen, die in dieser reduziblen Darstellung enthalten sind, ausfindig
zu machen. Oder wir können, wie schon früher, die Formel (6.57) anwenden, was wir
hier dem Leser wieder als Übungsaufgabe überlassen können. Als Resultat ergibt sich,
daß die Darstellung (6.66) in die Darstellungen 2A1 + B1 + B2 zerlegt werden kann.
Durch Anwendung des Projektionsoperators (6.58) können wir auch die Basis angeben,
6.7 Ein Beispiel: das H2 O-Molekül 123
die jeweils zu den irreduziblen Darstellungen gehört. Wir erhalten dann das folgende Tabelle 6.17. Basisfunktionen
für die irreduziblen Darstellun-
Schema: gen
A1 : 2s, 2 pz
O-OrbitaleH-Orbitale
A2 : −
B1 : 2 p y A1 2s, 2 pz ψ1 = 12 (s1 + s2 )
B2 : 2 px . (6.67) A2
B1 2 py
Der leergebliebene Platz bei A2 zeigt, daß es keine Wellenfunktion gibt, die sich aus B2 2 px ψ2 = 12 (s1 − s2 )
der ursprünglichen Basis aufbauen läßt, und die sich gemäß den Symmetrieoperationen
in der Darstellung A2 verhält.
Fassen wir unsere Resultate bezüglich der neuen Basisfunktionen der Molekülorbi-
tale sowohl beim Sauerstoff als auch beim Wasserstoff zusammen, so finden wir die
nebenstehende Tabelle 6.17.
Aus den 6 ursprünglichen Atomorbitalen ist eine Basis von 6 neuen Molekülorbita-
len entstanden.
Was leistet nun die Gruppentheorie und was nicht? In Tabelle 6.17 haben wir solche
Wellenfunktionen zusammengestellt, die jeweils das gleiche Symmetrieverhalten haben.
So hat bei der irreduziblen Darstellung B1 nur die Wellenfunktion, die zum Zustand 2 p y Abb. 6.18. Die zur Darstellung
gehört, das entsprechende Symmetrieverhalten (Abb. 6.18). Im Falle der irreduziblen B1 gehörende 2 p y -Funktion des
Darstellung B2 haben dagegen die beiden Wellenfunktionen 2 px und ψ2 das gleiche Sauerstoffs
Symmetrieverhalten (Abb. 6.19). Der Vorteil besteht nun darin, daß wir bei der Auswahl
der Wellenfunktionen, die jetzt als Basis in der Formel (6.53) einzusetzen sind, nur die-
jenigen zu berücksichtigen brauchen, die zur gleichen irreduziblen Darstellung gehören;
d. h. im Falle von B1 reduziert sich das gesamte Molekülorbital ψ auf die Wellenfunk-
tion, die vom Sauerstoff im 2 p y -Zustand herrührt, d. h. ψ = ϕ2 p y . Es handelt sich hier
ganz ersichtlich um ein nichtbindendes Molekülorbital. Im Falle der Darstellung B2
müssen wir aber immer noch eine Linearkombination aus den beiden Wellenfunktionen
2 px und ψ2 in Betracht ziehen; d. h. ψ = c1 (2 px )+c2 ψ2 . Setzen wir diese Wellenfunk-
tion in das Extremalprinzip (6.54) ein, so ergeben sich 2 Gleichungen für die unbekann-
Aufgaben
6.1 a) Welche Symmetrie-Operationen lassen
1) ein gleichseitiges Dreieck,
2) ein Quadrat,
3) drei kolineare äquidistante Punkte (∼ Gerade)
invariant? Betrachten Sie hier alle Objekte zweidimensional. Unter der Voraussetzung,
daß die Schwerpunkte von Quadrat und Dreieck (Gerade) zusammenfallen, bestimme
man die Orientierung vom Dreieck (Gerade) relativ zum Quadrat, bei der die Zahl ge-
meinsamer Symmetrie-Operationen maximal ist.
b) In allen unter (a) genannten Fällen zeige man, daß die Symmetrie-Operationen
jeweils eine Gruppe bilden.
c) Die Eckpunkte bzw. die Punkte auf der Geraden stellen Atome dar, zwi-
schen denen Wechselwirkungspotentiale V jk herrschen, die invariant gegenüber obigen
Symmetrie-Operationen sein sollen.
126 6. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein systematischer Zugang
Wie groß ist jeweils abhängig von der Lage des Dreiecks (der Geraden) im Quadrat
die Minimalzahl verschiedener V jk , durch die sich das Gesamtpotential V := jk V jk
ausdrücken läßt?
d) Wie lauten die Bedingungen für energetisch ausgezeichnete Lagen? Bestimmen
Sie dazu die Gesamtpotentiale V in den vier Fällen maximaler Symmetrie explizit und
vergleichen Sie die Ergebnisse numerisch für V jk ∝ exp(−αr jk ) sowie V jk ∝ r2jk . Die
auftretenden Parameter (α und die Bindungslängen in den drei Objekten) sollen geeignet
gewählt werden. Bei welcher Anordnung wird die potentielle Energie minimal?
wobei über alle Elemente R der Gruppe summiert wird. Dann bleibt A unter der fol-
genden Transformation unverändert:
Was folgt hieraus, wenn ckl willkürlich gewählt wird (z. B. nur ein ckl = 0)? In ähnlicher
Weise verfahren wir mit Teil II des Theorems und erhalten so das erste Hauptresultat:
&
1 1
für i = m, k = l
u ik (R)û lm (R) = g (9)
h 0 sonst
R
für zwei beliebige irreduzible Darstellungen R → U(R), R → V(R). Mit Hilfe der
Definition der Charaktere
u ii (R) = χ(R) (11)
i
und
û ll (R) = χ̂(R) (12)
l
bzw.
v̂ll (R) = χ̂
(R) (13)
l
erhalten wir
1
χ(R)χ̂(R) = 1 . (14)
h
R
6.3 Als Vorbereitung zur Aufgabe 6.4 behandeln wir den Begriff des Projektionsope-
rators. Wir benutzen dabei Diracs bra- und ket-Schreibweise (vgl. Band I). Ein Vektor-
raum sei durch die Vektoren |k, m, k = 1, . . . , K , m = 1, . . . , M K „aufgespannt“, d. h.
128 6. Symmetrien und Symmetrieoperationen. Ein systematischer Zugang
jeder beliebige Vektor |v in diesem Raum läßt sich als Linearkombination von |k, m
wiedergeben. Die |k, m seien orthonormiert im folgenden Sinne
km|ln = δkl δmn , (18)
wobei die δ’s die Kroneckersymbole sind. Zeigen Sie, daß
|kmkm| (19)
m
ein Projektionsoperator ist, der auf den Unterraum k, der von den Vektoren |km, k fest,
aufgespannt wird.
Veranschaulichen Sie sich diesen Sachverhalt, indem Sie |km mit den Vektoren vk,m
eines euklidschen Raumes identifizieren.
Hinweis: Stellen Sie |v als Linearkombination von |k, m dar und benutzen Sie (18)
und (19).
6.4 Beweisen Sie, daß der Projektionsoperator (6.58) die dort behauptete Eigenschaft
hat
1
Pj = χ̂ j (R) R̂ , (20)
h
R
wobei χ̂ j (R) = χ j (R−1 ). Für R̂ kann dabei die Matrixdarstellung des Symmetrieope-
rators R mit Hilfe einer beliebigen, aber vorgegebenen Basis benutzt werden.
Hinweis: Führen Sie neue Basisvektoren |k, m ein, in denen die Matrixdarstellung voll-
ständig ausreduziert ist (Kästchendarstellung von Abb. 6.14, und k die Nummer des
Kästchens und m der Index der Basisvektoren in diesem Kästchen). Setzen Sie nun den
Einheitsoperator
I= |k, mk, m| (21)
k,m
im Projektionsoperator vor und hinter R̂ ein und benutzen die Form der ausreduzierten
Matrix von R̂. Benutzen Sie χ̂ j (R) in der Form
χ̂ j (R) = δµν û µν
j
(22)
µν
In diesem Kapitel lernen wir mehrere Ansätze zur Behandlung des Mehrelektronenpro-
blems der Molekülphysik und Quantenchemie kennen. Hierzu gehört der Ansatz der
Slater-Determinante und die daraus resultierenden Hartree-Fock-Gleichungen, die wir
sowohl für abgeschlossene als auch offene Schalen diskutieren werden. Ein wichtiges
Konzept ist die Korrelationsenergie zwischen Elektronen, zu deren Behandlung allge-
meine Ansätze vorgestellt werden.
In diesem Kapitel knüpfen wir an die früheren Kap. 4 und 5 an, in denen wir anhand
einfacher Moleküle bereits wichtige Lösungsansätze kennengelernt haben. Wir befas-
sen uns nun mit Ansätzen für die Elektronenwellenfunktionen eines beliebigen, auch
komplexen, Moleküls. Hierbei sollen sich N Elektronen mit den Koordinaten r j , j =
1, . . . , N, im Coulombfeld der M Kerne mit den Koordinaten RK , K = 1, . . . , M, und
den Kernladungszahlen Z K bewegen und untereinander durch die Coulombsche Wech-
selwirkung gekoppelt sein. Die Kerne denken wir uns an ihren Gleichgewichtslagen RK ,
die sie in dem betrachteten Molekül einnehmen, festgehalten. Für das Elektron mit der
Koordinate r j ergibt sich somit ein Gesamtpotential
V(r j ) = VK (r j ) , (7.1)
K
e2
W jl = (7.4)
4πε0 |r j − rl |
dargestellt ist. Die Wechselwirkungsenergie aller Elektronen läßt sich dann durch
1 e2
HWW = (7.5)
2 4πε0 |r j − rl |
j =l
darstellen. Dabei sorgt der Faktor (1/2) dafür, daß die Coulombsche Wechselwirkungs-
energie zwischen einem Paar von Elektronen nicht doppelt gezählt wird, weil die Indi-
zes j und l unabhängig voneinander laufen dürfen mit der einzigen Maßgabe, daß das
Elektron nicht auf sich selbst wirkt, d. h. j = l.
Nach diesen Vorbereitungen können wir den Hamilton-Operator des Gesamtsystems
in der Form
N
H= H( j) + HWW (7.6)
j=1
zur Verfügung. Für das Folgende ist es zweckmäßig, eine einheitliche Bezeichnung für
die Wellenfunktion mit Spin nach oben und Spin nach unten einzuführen. Wir nennen
diese sm und vereinbaren die Relation
s1/2 = α
s−1/2 = β . (7.10)
Der Index m = 1/2 bedeutet ersichtlich Spin nach oben, der Index m = −1/2 Spin
nach unten. Damit lassen sich (7.8) und (7.9) in der Form
χk ( j) = ψq (r j )sm ( j) (7.11)
zusammenfassen. Die hier stehende rechte Seite der Gl. (7.11) haben wir mit der Wel-
lenfunktion χk ( j) abgekürzt. k ist dabei eine Quantenzahl, die die Quantenzahlen
k = (q, m) (7.12)
umfaßt.
Um die Bezeichnungsweise unseres Vorgehens nicht zu sehr zu überladen, wollen
wir vereinbaren, daß der Index k die Werte 1, . . . , N annehmen darf. Dies genügt völ-
lig zur Unterscheidung der verschiedenen Quantenzustände und kann durch eine geeig-
nete Umnumerierung zu (7.12) in Verbindung gesetzt werden, wobei wir uns aber mit
dieser rein formalen Zuordnung nicht näher befassen wollen. Mit Hilfe der Wellenfunk-
tionen χk läßt sich die Slater-Determinante in der einfachen Form
χ1 (1) . . . χ N (1)
1 χ1 (2) . . . χ N (2)
Ψ = √ .. (7.13)
N! .
χ (N) . . . χ (N)
1 N
schreiben. Wie wir früher schon in einzelnen Beispielen in Abschn. 4.4 gesehen haben,
berücksichtigt die Slater-Determinante die Coulombsche Wechselwirkung der Elektro-
nen untereinander in einer pauschalen Weise. Dies wollen wir nun ganz allgemein nach-
weisen. Dazu bilden wir zunächst mit Hilfe des Hamilton-Operators (7.6) und der De-
terminante (7.13) den Erwartungswert für die Energie
+ ,
∗
Ē = Ψ HΨdV1 , . . . , dVN , (7.14)
wobei die eckige Klammer sich auf die Spinfunktionen bezieht. Die Auswertung der
Integrale auf der rechten Seite stellt eine langwierige Aufgabe dar, die wir daher in den
Anhang A1 verlegen. Wir begnügen uns, hier das Endresultat anzugeben:
1
Ē = Hk,k + (Vkk
,kk
− Vkk
,k
k ) . (7.15)
2
k k,k
Darin stellt
+ ,
∗
Hk,k = χk H(r)χk dV (7.16)
132 7. Das Mehrelektronenproblem der Molekülphysik und Quantenchemie
Seite in ein Integral über die Ortsfunktionen und ein Matrix-Element bzgl. der Spin-
funktionen aufspalten;
Vkk
,kk
≡ Vqq
,qq
sm (1)sm (1)sm
(2)sm
(2) ,
wobei
e2
Vqq
,qq
= ψq∗ (r1 )ψq∗
(r2 ) ψq (r1 )ψq
(r2 )dV1 dV2 . (7.19)
4πε0 |r1 − r2 |
Da die Spinfunktionen normiert sind, ergibt sich sofort
sm sm = 1 . (7.20)
Vkk
,k
k = Vqq
,q
q sm (1)sm
(1)sm (2)sm
(2) ,
wobei
e2
Vqq
,q
q = ψq∗ (r1 )ψq∗
(r2 ) ψq
(r1 )ψq (r2 )dV1 dV2 . (7.21)
4πε0 |r1 − r2 |
Aber jetzt gilt
sm sm
= 0 nur für m = m
. (7.22)
Die Austauschwechselwirkung tritt also nur zwischen Elektronen mit gleichem Spin
auf.
Im folgenden wollen wir, wie schon angekündigt, einige Spezialfälle des allgemeinen
Energieausdrucks (7.15) untersuchen und dabei auch das Hartree-Fock-Verfahren ken-
nenlernen. Wir befassen uns zunächst mit dem Problem sogenannter abgeschlossener
Schalen. Hierbei handelt es sich darum, daß die Elektronenniveaus, die durch die Quan-
tenzahlen q gekennzeichnet sind, jeweils paarweise mit Elektronen antiparalleler Spins
aufgefüllt werden. Es gibt also N/2 Elektronen mit Spin nach oben, N/2 Elektronen mit
Spin nach unten. Betrachten wir unter diesem Aspekt die Energieausdrücke in (7.15) ge-
nauer. Der Energieausdruck (7.16) kommt zweimal mit der gleichen Quantenzahl q vor,
da er sich ja einmal auf den Spin nach oben und einmal auf den Spin nach unten be-
zieht. Statt der Summe über alle Quantenzahlen k können wir daher in (7.15) die erste
Summe durch Quantenzahlen über q ersetzen, wenn wir die Summe mit dem Faktor 2
multiplizieren. Da es sich bei der Coulombschen Wechselwirkung (7.19) um Elektronen
mit Spin nach oben oder Spin nach unten handeln kann, gibt die doppelte Summe
kk
in (7.15) den Faktor 4. Bei der Austauschwechselwirkung (7.21), die in (7.15) mit dem
negativen Vorzeichen auftritt, müssen aber die Spinquantenzahlen, die zu k und k
ge-
hören, jeweils gleich sein, so daß sich wegen einmal „Spin nach oben“, einmal „Spin
134 7. Das Mehrelektronenproblem der Molekülphysik und Quantenchemie
nach unten“, hier nur der Faktor 2 ergibt. Diese Überlegungen machen es verständlich,
daß sich im Falle einer abgeschlossenen Schale der Energieausdruck (7.15) auf
Ē = 2 Hqq + (2Vqq
,qq
− Vqq
,q
q ) (7.23)
q qq
reduziert.
Der Ausdruck (7.23) kann zum Ausgangspunkt eines Variationsverfahrens genom-
men werden, wobei wir (7.23) minimalisieren unter der Nebenbedingung, daß die ein-
zelnen Elektronenwellenfunktionen normiert sind. Die Nebenbedingung, daß diese auch
untereinander orthogonal sind, braucht nicht extra getroffen zu werden, da man zeigen
kann, daß innerhalb einer Determinante die Wellenfunktionen selbst immer orthogonal
gewählt werden können. Dies folgt daraus, daß man Zeilen oder Spalten zueinander ad-
dieren darf, ohne den Wert der Determinante zu ändern, und man kann sich dann mit
Hilfe etwa des Schmidtschen Orthogonalisierungsverfahrens überlegen, daß die Wellen-
funktionen immer aufeinander orthogonal gewählt werden können, sofern sie von vor-
neherein linear unabhängig waren. Wir fordern also
- ∗ .
Ψ Hges Ψ = Min! (7.24)
und wählen als Nebenbedingung
ψq∗ ψq dV = 1 , q = 1, . . . , N , (7.25)
4πε0r12
q
e2
− ψq∗
(2)ψq (2) dV2 ψq
(1) = εq ψq (1) , (7.27)
4πε0r12
q
verstehen. Wichtig und neu hingegen ist der Ausdruck (7.27), der die Coulombsche Aus-
tauschwechselwirkung wiedergibt. Hier befindet sich das Elektron 1 in einer Wellen-
funktion ψq , und ist in dieser Wellenfunktion der Austauschdichte des Elektrons 2 aus-
gesetzt, wobei die Austauschdichte durch
eψq∗
(2)ψq (2) (7.29)
gegeben ist. Aus der physikalischen Bedeutung der eben diskutierten Ausdrücke auf der
linken Seite von (7.27) folgt, daß εq in (7.27) als die Energie eines Elektrons im Quan-
tenzustand q anzusehen ist. Die Gln. (7.27) unterscheiden sich von einer herkömmlichen
Schrödinger-Gleichung durch die in ψq , ψq
nichtlinearen Ausdrücke.
Die Gln. (7.27) werden nach einer Methode, die als „self-consistent field“-Methode
bezeichnet wird, gelöst. Hierbei nimmt man in einem ersten Schritt an, daß man die Wel-
lenfunktionen ψq bereits, zumindest näherungsweise, kennt. Im nächsten Schritt setzt
man dann diese so angenommenen Wellenfunktionen in die Ladungsdichte (7.28) und
in die Austauschdichte (7.29) ein, während die Wellenfunktionen, die hinter H und hin-
ter den Integralen stehen, noch als neu zu bestimmend angesehen werden. Man löst nun
den damit linearisierten Satz von Gln. (7.27) nach den ψq und gewinnt damit verbes-
serte Ladungsdichten (7.28) und (7.29). Dieses Verfahren wird so lange, wenigstens im
Prinzip, fortgesetzt, bis die neu gewonnenen Wellenfunktionen sich von den Wellenfunk-
tionen des vorangegangenen Schritts praktisch nicht mehr unterscheiden. Damit ist also
das Verfahren selbstkonsistent geworden, was der englische Ausdruck „self-consistent
field“-Methode erhellt.
wobei sich die Funktionen ψ1 . . . ψ M auf Elektronen mit Spin nach oben, die Funktionen
ψ̄ M+1 . . . ψ̄ M+N auf Elektronen mit Spin nach unten beziehen. Im folgenden werden wir
auch zulassen, daß Wellenfunktionen, die zu verschiedenen Spins gehören, die gleiche
Ortsabhängigkeit besitzen. Wir lassen also auch den Fall zu, daß einige der Bahnquan-
tenzahlen aus der Gruppe M + 1, . . . , M + N mit solchen der Gruppe 1, . . . , M über-
einstimmen. Da die Spins verschieden sind, verschwindet die Determinante (7.30) auch
dann nicht. Der Normierungsfaktor vor der Determinante ist durch
gegeben.
136 7. Das Mehrelektronenproblem der Molekülphysik und Quantenchemie
Durch geeignete Wahl der ψ’s soll der Erwartungswert der Energie des Hamilton-
Operators des Moleküls minimalisiert werden. Wir nehmen an, daß die Wellenfunktio-
nen in (7.30) aufeinander orthogonal sind. Dieser Erwartungswert kann direkt aus (7.15)
durch Spezialisierung ähnlich zu Abschn. 7.2 gewonnen werden, so daß wir gleich das
Resultat angeben. Es lautet
M+N
1
M+N M+N
Ē = Ψ | H |Ψ = H jj + Vij,ij
2
j=1 i=1 j=1
⎛ ⎞
⎜M M ⎟
1⎜⎜ M+N ⎟
M+N
⎟
− ⎜ Vij, ji + Vij, ji ⎟ . (7.32)
2 ⎜ ⎟
⎝ i=1 j=1 i=M+1 j=M+1 ⎠
↑-Spins ↓-Spins
Betrachten wir hierin die einzelnen Glieder. Die in der ersten Summe stehenden H jj
sind durch (7.16a) definiert. Es handelt sich hier, wie erinnerlich, um den Erwar-
tungswert der Energie eines einzelnen Elektrons im Zustand j, wobei die Energie
aus der kinetischen Energie des Elektrons und seiner potentiellen Energie im Felde der
Atomkerne besteht. In der darauffolgenden Doppelsumme stellen die Größen Vij,ij die
Coulombsche Wechselwirkungsenergie zwischen den Ladungsdichten der Elektronen
im Zustand i bzw. j dar. Dieser Energiebeitrag kommt sowohl durch die Wechsel-
wirkung von Elektronen gleichen als auch antiparallelen Spins zustande. Die näch-
sten beiden Summen stellen Ausdrücke für die Austauschwechselwirkung dar. Diese
tritt nur zwischen Elektronen jeweils gleichen Spins auf. Variieren wir die Energie Ē
(7.32), indem man eine Wellenfunktion ψ j oder ψ̄ j variiert, wobei die Normierungs-
bedingung (7.25) zu beachten ist, so erhalten wir die entsprechenden Hartree-Fock-
Gleichungen.
tere Index −1 zeigt an, daß die z-Komponente des Gesamtspins die Quantenzahl = −1
hat. Diese Wellenfunktion läßt sich als Determinante in der abgekürzten Form
Ψ
3 n
−1 m = ψ ψ̄
1 1 . . . ψ ψ̄ ψ̄ ψ̄
g g m n (7.33)
schreiben, wobei noch der Normierungsfaktor hinzuzufügen wäre. Um von diesem Zu-
stand auf einen mit der z-Komponente des Gesamtspins Sz = 0 zu kommen, brauchen
wir lediglich den Erhöhungsoperator für die z-Komponente des Gesamtspins anzuwen-
den, der durch
S+ = [σx ( j) + i σ y ( j)] (7.34)
j
gegeben ist. Hierin sind σx und σ y die üblichen Spinmatrizen, wobei die Argumente j
die Elektronen numerieren, auf deren Spinwellenfunktionen die Spinmatrizen einwirken.
Eine elementare aber längere Rechnung ergibt dann (bis auf den Normierungsfaktor) die
Wellenfunktion
!
Ψ
3 n
0 m = ψ ψ̄
1 1 . . . ψ ψ̄ ψ ψ̄
g g m n − ψ ψ̄
1 1 . . . ψ g g n m ,
ψ̄ ψ ψ̄ (7.35)
die zum Gesamtspin S = 1 und zur z-Komponente Sz = 0 gehört. Wenden wir den
Erhöhungsoperator für die z-Komponente des Spins nochmals an, so erhalten wir die
Wellenfunktion
Ψ
3 n
1 m = ψ 1 ψ̄1 . . . ψ g ψ̄ g ψm ψn . (7.36)
Wie schon beim uneingeschränkten offenen Schalenmodell können wir auch hier die
Energie unschwer ausrechnen. Wir erhalten dann den folgenden Ausdruck
g
g
g
3
Ē = 2 Hkk + {2Vkl,kl − Vkl,lk }
k=1 k=1 l=1
geschlossene Schale
+Hmm + Hnn + Vmn,mn − Vmn,nm
offene Schale
g
g
+ {2Vkm,km − Vkm,mk } + {2Vkn,kn − Vkn,nk } , (7.37)
k=1 k=1
Wechselwirkung offene-geschlossene Schale
7.6 Korrelationsenergie
Hat man bei einem Molekül mit geschlossener Schale die Elektronenwellenfunktionen
und zugehörigen Energien nach dem SCF-Verfahren berechnet, so läßt sich, zumin-
dest genähert, auch die Ionisierung des Moleküls behandeln. Dies geschieht nach Koop-
man’s Theorem, das eigentlich besser Koopman’s Näherung heißen müßte. Dieses lau-
tet: Die Ionisierung durch Entfernen eines Elektrons aus einem Molekül mit geschlos-
sener Schale kann dargestellt werden als die Entnahme eines Elektrons aus einem gege-
benen self-consistent field Orbital, wobei die anderen Elektronen unbeeinflußt bleiben.
Dies stellt im allgemeinen eine gute Näherung dar, obwohl Koopman’s Näherung fol-
gende Effekte vernachlässigt:
1) die Reorganisationsenergie der Elektronen im Ion
2) die Differenz zwischen der Korrelationsenergie des neutralen Moleküls und der des
Ions.
Der zweite Punkt ist klar, da bei dem Hartree-Fock-Verfahren die Korrelationsenergie
vernachlässigt wird. Der erste Punkt ergibt sich daraus, daß die Ladungsverteilung der
Elektronen zu einem effektiven Potential für ein herausgegriffenes Elektron Anlaß gibt.
Wird nun ein Elektron weggenommen, so ändert sich natürlich damit auch dieses ef-
fektive Potential. Koopman’s Theorem besagt nun, daß diese Änderung im allgemeinen
klein ist.
7.8 Konfigurationswechselwirkung
Wie wir oben bemerkt haben, läßt das Hartree-Fock-Verfahren einen wichtigen Effekt
außer acht, indem es die Korrelationseffekte zwischen den Elektronen nicht berück-
7.8 Konfigurationswechselwirkung 139
sichtigt. Aus diesem Grunde sind Verfahren entwickelt worden, um diesen Effekt zu-
mindest teilweise zu berücksichtigen. Dabei gehen wir aus von einer einzelnen Slater-
Determinante
1
Ψk1 ,... ,k N = √ χk1 (r1 )χk2 (r2 ) . . . χk N (rN ) , (7.38)
N!
wobei wir im Gegensatz zum Hartree-Fock-Verfahren annehmen wollen, daß die Wel-
lenfunktionen χk bereits vorgegeben sind. Die Indizes k kennzeichnen natürlich die
Quantenzahlen der einzelnen Elektronen. Der Einfachheit halber repräsentieren wir
diese Quantenzahlen durch jeweils eine einzige Zahl, was aber keine Beschränkung
der Methodik ist. Da die Wellenfunktionen Ψ gleich bleiben (eventuell bis auf einen
Faktor, −1), wenn wir die Indizes k j permutieren, dürfen wir annehmen, daß die Quan-
tenzahlen k schon in einer bestimmten Weise geordnet sind, z. B. in der Form
machen, dann läßt sich die gesuchte Wellenfunktion bestimmen, wenn die Koeffizienten
Ck1 ,k2 ... festgelegt sind. Im Prinzip unterscheidet sich das Lösungsverfahren beim Meh-
relektronenproblem von dem beim Einelektronenproblem, bei dem wir eine gesuchte
Wellenfunktion als Überlagerung von bekannten Wellenfunktionen darstellen, überhaupt
nicht, nur daß eben jetzt die Indexkombinationen etwas komplizierter werden. Wir set-
zen (7.40) in die Schrödinger-Gleichung
HΨ = EΨ (7.41)
ein, wobei H der Hamilton-Operator für die kinetische Energie der Elektronen und de-
ren potentiellen Energie im Felde der Atomkerne und untereinander ist (vgl. 7.6). Da-
bei versehen wir die Indizes k in (7.40) mit Strichen, multiplizieren dann die sich so
ergebende Gleichung mit Ψk∗1 ...k N , integrieren über alle Elektronenkoordinaten und neh-
men die Erwartungswerte bezüglich der Spinvariablen. Dabei erhalten wir Ausdrücke
der Form
+ ,
∗
Ψk1 ,... ,k N HΨk1 ,... ,k N dV1 . . . dVN ,
(7.42)
wobei die eckigen Klammern die Bildung des Erwartungswertes bezüglich der Spin-
variablen darstellen. Die Auswertung von (7.42) ist in Anhang A für den Spezialfall
dargestellt, daß der Satz von Quantenzahlen k1
, . . . , k
N mit dem Satz k1 , . . . , k N über-
140 7. Das Mehrelektronenproblem der Molekülphysik und Quantenchemie
einstimmt. Es ist nicht schwer, die derartige Auswertung auf den Fall (7.42) zu verall-
gemeinern, so daß wir sogleich das Endresultat angeben.
N
Hk j k
j Ck1 ...k
j ...k N
j=1 k
j
N
+ Vki k j k
j k
j Ck1 ...ki
...k
(r1 )ψk
sk
|sk
. (7.45)
und Vkk
,k
(1)ϕ j
b+ + + +
k bk
− bk
bk = 0 (7.47)
bkbk
− bk
bk = 0 (7.48)
bkb+ +
k
− bk
bk = δkk .
(7.49)
Nun wissen wir aber, daß Elektronen eine Wellennatur besitzen, die durch die Schrö-
dinger-Gleichung wiedergegeben ist. Quantisiert man dieses Elektronen-Wellenfeld, so
kommt man hier zum Teilchencharakter der Elektronen. So wie vorher beim Lichtfeld
die Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren die Erzeugung bzw. die Vernichtung eines
Lichtteilchens beschrieben, beschreiben nun Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren
die Erzeugung bzw. Vernichtung von Elektronen. Bezeichnen wir den Elektronenzustand
durch eine Quantenzahl, z. B. k oder j, so postulieren wir nun die folgenden Vertau-
schungsrelationen
ak a j + a j ak = 0 (7.51)
ak+ a j + a j ak+ = δ jk . (7.52)
Diese unterscheiden sich von den für Photonen durch das + Zeichen in der Mitte, was
daher rührt, daß im Gegensatz zu Photonen zwei Elektronen nicht im gleichen Zustand
142 7. Das Mehrelektronenproblem der Molekülphysik und Quantenchemie
sitzen dürfen. Gleichung (7.50) trägt dieser Forderung Rechnung; ist nämlich j = k, so
folgt aus (7.50)
Wollen wir also zwei Elektronen im gleichen Zustand erzeugen, so ergibt die doppelte
Erzeugung, auf welchen Zustand wir auch diese Operationen anwenden, immer 0. Die
anderen Vertauschungsrelationen mit dem + Zeichen folgen dann aus Selbstkonsistenz-
gründen, auf die wir aber hier nicht näher eingehen können. Das Verfahren ist nun wie
folgt: Die Schrödinger-Gleichung
HΨ = EΨ (7.54)
wobei die Matrixelemente durch (7.44) und (7.45) gegeben sind. Die Form (7.55) hat
den Vorteil, daß diese für beliebig viele Elektronen gilt. Hat man ein spezielles Pro-
blem, bei dem eine feste Zahl von Elektronen N vorliegt, so läßt sich die Schrödinger-
Gleichung, zumindest im Prinzip, lösen, indem man Ψ als eine Linearkombination aus
allen möglichen Funktionen aufbaut, in denen genau N Elektronen vorhanden sind. Be-
zeichnen wir den Vakuumzustand mit Φ0 , der durch die Beziehung
a j Φ0 = 0 (7.56)
gekennzeichnet ist, so läßt sich ein Zustand mit N Elektronen mit den Quantenzahlen
k1 . . . k N durch N-fache Anwendung der Erzeugungsoperatoren auf Φ0 darstellen
Der vollständige Ansatz für die Wellenfunktion ist dann durch eine Linearkombination
über die Funktionen (7.57) gegeben
Ψ = Ck1 ...k N ak+1 ak+2 . . . ak+N Φ0 . (7.58)
Darin sind die Koeffizienten C noch unbekannte Größen, die z. B. durch ein Mini-
malproblem für den Erwartungswert von E zu bestimmen sind. In dem Ansatz (7.58)
darf über die einzelnen Quantenzahlen k unabhängig voneinander aufsummiert wer-
den. Wenn zwei Quantenzahlen übereinstimmen, so verschwindet die Wellenfunktion
(7.58) wegen (7.53) automatisch. Sind außerdem Sätze von Quantenzahlen einander
gleich, so kann man diese durch Umstellung der Operatoren a+ immer in eine spezi-
elle Form, z. B. gemäß (7.39) bringen, wobei je nach gerader oder ungerader Zahl von
Permutationen das Vorzeichen bleibt oder wechselt.
Schließlich behandeln wir noch die Berechnung von Matrixelementen in der
2. Quantisierung. Hierzu bedienen wir uns der bra und kets nach Dirac. Ist Ω ein
Operator, der, wie z. B. (7.55), durch Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren aus-
7.9 Die 2. Quantisierung∗ 143
zu schreiben, wobei die Vernichtungsoperatoren nach rechts wirken (vgl. hierzu auch
die Aufgabe 7.5).
Wie man durch einen Vergleich der Methode der 2. Quantisierung mit dem Verfahren
in Abschn. 7.8 sieht, sind beide Verfahren äquivalent, aber das Verfahren der 2. Quanti-
sierung hat eine größere Eleganz, weil man die sich durch Einsetzen von (7.58) in (7.54)
ergebenden Gleichungen sehr einfach bestimmen kann, und es von Anfang an klar ist,
welche Quantenzahlen man mitzunehmen wünscht. Die 2. Quantisierung erlaubt darüber
hinaus neuartige explizite Lösungsansätze.
Weiterhin lassen sich ganz neue Konzepte wie der Dichte-Funktional-Formalismus
entwickeln, den wir sogleich besprechen werden. Als Grundlage hierfür stellen wir den
in (7.54) auftretenden Hamilton-Operator (7.55) in einer anderen Form dar. So wie die
Operatoren ak+ , ak die Erzeugung bzw. Vernichtung eines Elektrons im Zustand k be-
schreiben, so können wir auch Operatoren einführen, die deren Erzeugung bzw. Ver-
nichtung am Orte r beschreiben. Wir nennen diese Operatoren
ψ + (r) (Erzeugung am Orte r)
und
ψ(r) (Vernichtung am Orte r) .
Ist ϕk (r) die übliche Ortswellenfunktion eines Elektrons im Zustand k, so ist der Zusam-
menhang zwischen den Operatoren ak+ , ak und ψ + (r), ψ(r) durch die Überlagerungen
ψ(r) = ak ϕk (r) , (7.61)
k
ψ + (r) = ak+ ϕk∗ (r) (7.62)
k
gegeben. In diesen Formalismus lassen sich die Spinzustände einbeziehen, wenn sich
die Quantenzahlen k und die Wellenfunktionen ϕk auch auf die Spinzustände beziehen.
Um die Eleganz der Methodik zu zeigen, formulieren wir den Hamiltonoperator
H = T +V +U (7.63)
mit Hilfe von ψ + (r), ψ(r) als Summe aus der kinetischen Energie
h2
T =− ψ + (r)∆ψ(r)dr , (7.64)
2m
144 7. Das Mehrelektronenproblem der Molekülphysik und Quantenchemie
wobei ρ die Teilchendichte ist. Diese Interpretation inspiriert Lösungsansätze – man darf
sich aber hier nicht darüber hinwegtäuschen, dass ψ + , ψ Operatoren sind, wobei deren
Reihenfolge wegen ihrer Nichtvertauschbarkeit essentiell ist (vgl. Aufgabe 7.7). Die Lö-
sung der Schrödingergleichung (7.54) mit (7.63) besteht wiederum in der Bestimmung
von Ψ , wobei die feste Anzahl der Elektronen als Nebenbedingung auftritt.
7.10 Dichte-Funktionale
Was ist ein Funktional?
Der Begriff einer Funktion ist uns gut geläufig. Zum Beispiel ordnet die Funktion
f(x) = x 2 jeder Zahl x eine andere Zahl – hier den Quadratwert – zu, was zu einer
Parabel führt. Bei einem Funktional F( f(x)) wird einer ganzen Funktion f(x) ein Zah-
b
lenwert zugeordnet. Zum Beispiel ist F( f(x)) = f(x)dx ein Funktional, aber auch
a
b b
F( f(x)) = f(x) f(x
)g(x, x
)dxdx
ist ein Funktional von f(x), wobei g(x, x
) noch
a a
eine bestimmte, vorgegebene Funktion ist. Viel kompliziertere Ausdrücke sind ebenfalls
denkbar.
Vertauschen wir die gestrichenen und die ungestrichenen Größen, so ergibt sich analog
E < E
+ (v(r) − v
(r))ρ(r)dr . (7.71)
Durch Addition von (7.70) und (7.71) ergibt sich der Widerspruch
E + E
< E + E
. (7.72)
Daher ist v(r) (bis auf eine additive Konstante) ein eindeutiges Funktional von ρ(r). Da,
umgekehrt, v(r) den Hamiltonoperator H festlegt, ist der Grundzustand Ψ ein eindeu-
tiges Funktional von ρ(r) (Theorem I von Hohenberg und Kohn). Wir legen nun das
Theorem II, das Variationsprinzip, von Hohenberg und Kohn dar. Da Ψ ein Funktional
von ρ(r) ist, müssen dies auch die Erwartungswerte der kinetischen und Coulombschen
Wechselwirkungsenergie sein. Daher wird der Ausdruck
F(ρ(r)) ≡ Ψ|(T + V )Ψ (7.73)
eingeführt, der ein universelles Funktional ist, der für eine beliebige Teilchenzahl und
ein beliebiges äußeres Potential gilt. Die Form des Hamilton-Operators (7.63) mit (7.64),
(7.66) legt es nahe, bei gegebenem v(r), das Energie-Funktional
E v [ρ] ≡ v(r)n(r)dr + F[ρ] (7.74)
146 7. Das Mehrelektronenproblem der Molekülphysik und Quantenchemie
einzuführen. Für das richtige ρ(r) ist E v [ρ] gerade die Energie des Grundzustands. Es
läßt sich leicht zeigen, daß E v [ρ] seinen Minimalwert für das richtige ρ(r) annimmt,
wenn die zulässigen Funktionen der Nebenbedingung
ρ(r)dr = N (7.75)
genügen, wobei N die vorgegebne Teilchenzahl ist. Damit gelangen wir zum Kernpunkt
von Hohenberg und Kohn:
Falls F[ρ] ein bekanntes und genügend einfaches Funktional der Dichte ρ wäre, wäre
die Lösung des Problems der Bestimmung der Energie des Grundzustands und Dichte
in einem gegebenen äußeren Potential ziemlich einfach, da es lediglich die Minimierung
eines Funktionals der Dichtefunktion erfordert.
Wie wir von Abschn. 7.3, in dem (7.76) näherungsweise mit Hilfe einer Slater-
Determinante in der herkömmlichen Weise ausgewertet wurde, her wissen, enthält
(7.76) nicht nur die Wechselwirkungsenergie zwischen zwei Ladungsdichten ρ(r1 ),
ρ(r2 ), sondern auch die Austauschwechselwirkung. Darüber hinaus enthält (7.76) auch
Korrelationseffekte (vgl. Abschn. 7.8), die auf der gegenseitigen Bewegung der Elektro-
nen beruhen sowie eine Selbstwechselwirkung einer Ladung mit sich (vgl. Aufgabe 7.8).
Wenn wir daher das exakte E Coul. durch
e2 1
J(ρ) = ρ(r1 )ρ(r2 ) dr1 dr2 (7.77)
4πε0 r12
E
XC = E Coul. − J(ρ) . (7.78)
Der Übergang von (7.76) zu (7.77) bedeutet insbesondere, daß wir den Erwartungswert
eines Produkts durch ein Produkt von zwei Erwartungswerten (7.68) ersetzen.
Kommen wir nun zum Kohn-Sham Ansatz, dessen zentrales Ziel es ist, die kinetische
Energie gut zu approximieren. Dazu gehen wir, diesen Autoren folgend, in folgenden
Schritten vor.
7.12 Die Kohn-Sham Gleichungen 147
1. Wir führen eine Art Ersatz-System aus N Teilchen ohne gegenseitige Wechselwir-
kung ein, das wegen der Wechselwirkungsfreiheit durch eine Slaterdeterminante Θ S
in der Form
ϕ1 (r1 ) ϕ2 (r1 ) . . . ϕ N (r1 )
1 ϕ1 (r2 ) ϕ2 (r2 ) . . . ϕ N (r2 )
Θ S = √ .. (7.79)
N! . ...
ϕ (r ) ϕ (r ) . . . ϕ (r )
1 N 2 N N N
beschrieben wird. Um die Darstellung nicht zu überladen, sehen wir von der Mit-
nahme der Spinvarablen ab (vgl. aber Aufgabe 7.9). Die Einzelwellenfunktionen ϕ j
sollen dabei den Schrödingergleichungen
h2
− ∆ + VS (r) ϕ j = ε j ϕ j , (7.80)
2m
genügen. Durch das weitere Verfahren (s. w. u.) wird dann das effektive Potential VS
so berechnet, daß die durch
N
ρ S (r) = |ϕi (r)| 2 (7.82)
i=1
berechnet sowie die klassische Coulombsche Abstoßenergie der Elektronen J(ρ) ge-
mäß (7.77) hinzugefügt. Gegenüber der eigentlich zu berechnenden, exakten Energie
des Grundzustands E ergibt sich ein Fehler, den wir mit E XC bezeichnen und des-
sen wichtigsten Anteil (neben dem Fehler durch die nur genäherte kinetische Ener-
148 7. Das Mehrelektronenproblem der Molekülphysik und Quantenchemie
gie (7.84)) wir schon in (7.78) aufgeführt hatten. Der Kohn-Sham Ausdruck für die
Energie lautet also
E(ρ) = TS + J + E Ne + E XC (7.86)
mit den Beiträgen (7.84), (7.77), (7.85). Dabei ist jeder dieser Ausdrücke entweder
als Funktion der ϕ j , aber auch – in anderer Interpretation – von ρ(r) aufzufassen.
Um aus (7.86) Bestimmungsgleichungen für die ϕ j zu erhalten, benutzen wir das
Variationsprinzip mit der Nebenbedingung (7.81) und erhalten, so wie wir das auch
von der Herleitung der Hartree-Fock Gleichungen her kennen,
2
h2 e ρ(r
)
Aufgaben
7.1 a) Warum erfüllt die Slater-Determinante als Ansatz für die Produktwellenfunk-
tion |Ψ automatisch das Pauli-Prinzip und die Schrödingergleichung, wenn sich der Ha-
miltonoperator als Summe von Einteilchenoperatoren schreiben läßt? Es gilt also
1
N
Ψ = √ Det (χ) und H= H( j) .
N! j=1
e2 e2
Ω = V(l, m) = =
4πε0 |rl − rm | 4πε0rlm
1 1
V(l, m) = (Vkk
,kk
− Vkk
,k
k )
2 l,m 2
k,k
l=m k=k
ergibt.
Zeigen Sie, daß die Durchführung der Variation bei abgeschlossenen Schalen auf fol-
gende Hartree-Fock-Gleichungen führt:
2
H(1)ψq (1) + 2 ψq
(2) 2 e dV2 ψq (1)
4πε0r12
q
e2
− ψq∗
(2)ψq (2) dV2 ψq
(1) = εq ψq (1) . (3)
4πε0r12
q
Hinweis: Es genügt, von den Ergebnissen der Aufgabe 7.1b auszugehen und nach ψq∗
zu variieren.
Zur Lösung von (3) berechnet man mit Hilfe der Testfunktionen ψq(0) die Ladungs-
(0) ∗(0) (0)
dichte e|ψq
(2)|2 sowie die Austauschdichte eψq
(2)ψq (2). Setzt man anschließend
diese Ausdrücke in die jeweiligen Integrale der Gleichung (3) ein und ersetzt ψq (1)
durch ψq(1) (1), so erhält man eine Bestimmungsgleichung für die erste Approximation
ψq(1) (1). Deren Lösung ist dann die erste Verbesserung an ψq und Ausgangspunkt für
den nächsten Iterationsschritt. Der Iterationsprozeß wird so lange durchgeführt, bis die
Approximationen konvergieren. Zeigen Sie, daß das Verfahren selbstkonsistent ist. Das
heißt, was ergibt sich für ψq(n+1) , wenn ψq(n−1) = ψq(n) gilt?
7.3 Formulieren Sie Roothaans Wellenfunktionen für den Triplett-Zustand mit Hilfe
der 2. Quantisierung (Abschn. 7.9).
Hinweis: Ersetzen Sie die dortigen Indizes k etc. durch k ↑ bzw. k ↓, wobei sich jetzt k
auf die Quantenzahlen des Ortsanteils der Wellenfunktion und die Pfeile auf den Spin-
zustand beziehen. Schreiben Sie die Wellenfunktion der aufgefüllten Schale in der Form
1
g
+ +
ak↑ ak↓ Φ0 , Φ0 : Vakuumzustand .
k=1
Hinweis: Gehen Sie davon aus, daß gemäß Abb. 7.1 ein Elektron mit Spin ↑ im Zu-
stand m vernichtet wird (Vernichtungsoperator) und anschließend im Zustand n ↓ neu
geschaffen wird (Erzeugungsoperator). Dem Spinerhöhungsoperator (7.34) entspricht
a+j↑ a j↓ .
j
(Warum?) Benutzen Sie die Vertauschungsrelationen (7.50) und (7.51) sowie (7.56).
7.4 Wie lauten in der 2. Quantisierung die
Lösungen und Energie-Eigenwerte der
∞ +
Schrödinger-Gleichung HΨ = EΨ mit H = k=1 E k ak ak für Wellenfunktionen Ψ
mit jeweils N Elektronen?
7.5 Berechnen Sie im Rahmen der 2. Quantifizierung die folgenden Matrixelemente
/ 0 / 0
Ψk1
Ω Ψk1 , Ψk1
k2
Ω Ψk1 k2
mit
Ω = E k ak+ ak , Ω= E k ak+ ak , Ω = a+j
a+j
V j1
j2
; j1 j2 a j1 a j2 .
1 2
k
E k und V j1
j2
; j1 j2 sind vorgegebene Zahlenwerte („c-Zahlen“).
Hinweis: Bringen Sie alle Vernichtungsoperatoren unter Beachtung der Vertauschungs-
relationen nach rechts und benutzen Sie (7.56).
7.6 Berechnen Sie (7.37) mit Hilfe der 2. Quantisierung.
Hinweis: Führen Sie wie in Aufgabe 7.2 im Hamiltonoperator (7.55) die entsprechenden
Indizes ein und machen für Ψ die Ansätze von Aufgabe 7.3.
7.7 Beweisen Sie die Vertauschungsrelationen
ψ (r)ψ + (r
) + ψ + (r)ψ + (r) = 0
+
ψ(r)ψ(r
) + ψ(r
)ψ(r) = 0
ψ + (r)ψ(r
) + ψ(r
)ψ + (r) = δ(r − r
) ,
wobei δ die Dirac-Funktion ist und die Wellenfunktionen ϕk (r) ein vollständiges System
mit
ϕk∗ (r)ϕk (r
) = δ(r − r
)
k
bilden.
7.8 Formen Sie das Coulombglied in (7.76) so um, daß die Operatoren der Teilchen-
dichte in der Anordnung
ψ + (r1 )ψ(r1 )ψ + (r2 )ψ(r2 )
entstehen. Welches Zusatzglied entsteht?
7.9 Formulieren Sie die Ausdrücke von Abschn. 7.12, falls auch die Spin-Variablen
berücksichtigt werden.
8. Methoden der Molekülspektroskopie, Übersicht
8.1 Spektralbereiche
Hier soll zunächst ein Überblick über die Spektralbereiche gegeben werden, vergleiche
dazu Abb. 8.1.
Man kann die Spektralgebiete, beginnend bei kleinen Energien, in der im folgen-
den beschriebenen Weise einteilen und kennzeichnen, wobei zu bemerken ist, daß diese
Grenzen nicht scharf definiert werden können. Sie sind auch durch die zu Erzeugung,
Fortleitung und Nachweis der Strahlung in den verschiedenen Bereichen verwendeten
unterschiedlichen Geräte und Methoden und durch Konvention bestimmt.
– Im Gebiet der Radiofrequenzen, d. h. im Bereich von kHz bis einige 100 MHz, liegen
die Kernspin-Resonanz-Übergänge.
– Als Mikrowellen bezeichnet man elektromagnetische Wellen im Frequenzbereich von
etwa 1 bis 100 GHz. Dies ist der Bereich der Elektronenspin-Resonanz-Spektroskopie,
zugleich aber auch der Bereich der Rotationsspektroskopie, besonders an kleinen Mo-
lekülen in der Gasphase. Hier beginnt auch schon der Spektralbereich des Ferninfra-
roten.
– Der infrarote Spektralbereich erstreckt sich vom Gebiet der Mikrowellen bis an die
Grenze des sichtbaren Spektralbereiches, bei 800 nm. Während der langwellige Be-
reich, das Ferninfrarot (λ = 0,1−1 mm), der Bereich der Rotationsspektren ist, ist die
Mitte und das kurzwellige Ende des Infrarot (das Nahinfrarot, λ = 10−3 −10−1 mm)
der Bereich, in dem die charakteristischen Schwingungsspektren der Moleküle beob-
achtet werden, die sogenannten Rotations-Schwingungs-Spektren.
– Die elektronischen Übergänge der Valenzelektronen beginnen bereits im Infrarot. Sie
liegen jedoch überwiegend im Bereich des Sichtbaren und des UV. Diese geben An-
laß zu den Bandenspektren der Moleküle im engeren Sinne, das heißt zu Spektren,
die aus Elektronenübergängen und überlagerten Änderungen der Rotations- und der
Schwingungsniveaus bestehen.
– Jenseits des kurzwelligen Ultravioletten und dieses überlappend beginnt das Gebiet
der Röntgen- und der γ -Strahlung. Mit Strahlung derart hoher Quantenenergie unter-
sucht man Übergänge und Zustände der inneren Elektronen in inneren Schalen, be-
sonders auch in der Photoelektronen-Spektroskopie.
In verschiedenen Bereichen der Spektroskopie und auch in unterschiedlichen Berei-
chen der Naturwissenschaften sind teils aus sachlichen, teils aus historischen Gründen
unterschiedliche Einheiten zur Messung der Frequenzen oder Wellenlängen der Strah-
lung üblich. Einige wichtige Umrechnungsfaktoren für Einheiten, in denen Energien ge-
messen werden, lauten:
wenn el, vib und rot die Abkürzungen für Elektronen-Anregung, Schwingung und Ro-
tation sind.
8.2 Übersicht über die optischen Molekülspektren 155
In Abb. 8.2 sind die Schwingungs- und Rotationsniveaus in zwei verschiedenen elek-
tronischen Anregungszuständen I und II eines Moleküls sowie die verschiedenen Arten
von Übergängen schematisch dargestellt. Dementsprechend kann man drei Arten von
optischen Spektren unterscheiden, und wir werden das im folgenden auch tun:
– Rotationsspektren sind Übergänge zwischen den Rotationsniveaus eines gegebenen
Schwingungsniveaus in einem bestimmten Elektronenzustand. Es ändert sich dabei
nur die Quantenzahl der Rotation, die wir mit J bezeichnen. Diese Spektren liegen im
Gebiet der Mikrowellen bzw. des Ferninfrarot. Von ihnen handelt das folgende Kap. 9.
Sie bestehen typischerweise aus einer größeren Zahl eng benachbarter, nahezu äquidi-
stanter Linien. Rotationsspektren lassen sich auch mit der Raman-Spektroskopie be-
obachten, Kap. 12.
– Rotationsschwingungsspektren bestehen aus den Übergängen von den Rotationsni-
veaus eines bestimmten Schwingungsniveaus zu den Rotationsniveaus eines anderen
Schwingungsniveaus im gleichen Elektronenzustand. Der elektronische Anregungs-
zustand bleibt also erhalten. Es ändern sich die Quantenzahlen J und v, wobei wir
mit v die quantisierten Schwingungsniveaus kennzeichnen. Diese Spektren liegen
im Infraroten. Die Rotationsschwingungsspektren sind Gegenstand von Kap. 10.
Rotationsschwingungsspektren bestehen aus einer Vielzahl von „Banden“, das sind
Gruppen von eng beieinander liegenden Linien, den sogenannten Bandenlinien. Auch
diese Spektren lassen sich außer mit der Infrarot-Spektroskopie auch mit der Raman-
Spektroskopie untersuchen.
– Elektronenspektren sind Übergänge zwischen den Rotationsniveaus der verschiede-
nen Schwingungsniveaus eines Elektronenzustandes und den Rotations- und Schwin-
gungsniveaus eines anderen Elektronenzustandes. Man nennt dies ein Bandensystem.
oder v
, zu bezeichnen.
Die Spektrallinien in Molekülspektren als Übergänge zwischen je zwei Termen las-
sen sich also in folgender Weise beschreiben:
Es gilt
Für Schwingungsterme
E vib (J )
≡ G(v) . (8.11)
hc
Für elektronische Terme
E el (J )
≡ T el . (8.12)
hc
Ein gesamter Term eines Moleküls läßt sich damit schreiben als
E ges /hc ≡ T ≡ T el + G(v) + F(v, J ) . (8.13)
Spektrallinien lassen sich dann bezeichnen durch
ν̄ = ∆T el + ∆G + ∆F [cm−1 ] . (8.14)
Aufgaben
8.1 Nehmen Sie an, ein Molekül zeige strahlende Übergänge zwischen den beiden
angeregten Zuständen a und b und dem Grundzustand. Die Lebensdauern der angereg-
ten Zustände seien τa = 10 s und τb = 1 ns. Berechnen Sie die Energieunschärfen der
angeregten Zustände sowie die Linienbreiten der zugehörigen Übergange (in cm−1 ).
8.2 Die Energiedifferenz zwischen zwei Rotationsniveaus eines Moleküls betrage
20,15 cm−1 . Ein Ensemble enthalte 105 Moleküle; wie groß ist die thermische Beset-
zung des höheren Zustands bei einer Temperatur von (a) 29 K, (b) 290 K, (c) 2900 K?
Wie ändern sich die Besetzungen, wenn die Energiedifferenz mit 20 150 cm−1 im Be-
reich elektronischer Übergänge liegt?
9. Rotationsspektren
Die Rotationsenergien von Molekülen sind gequantelt, das heißt sie können sich nur
durch Aufnahme oder Abgabe von Energiequanten ändern. Die Rotationsspektroskopie
erlaubt deren Messung. Daraus erhält man Informationen über Struktur und Bindung
von Molekülen. Die wesentlichen Grundbegriffe lassen sich an den einfachsten, nämlich
den zweiatomigen Molekülen erklären und verstehen. Dem dienen die Abschn. 9.1–9.3.
Die Vielfalt der Rotationsmöglichkeiten von größeren Molekülen kann hier nur ange-
deutet werden, dies geschieht in Abschn. 9.5.
9.1 Mikrowellen-Spektroskopie
Die Rotationsspektren von Molekülen werden fast ausschließlich in Absorption be-
obachtet, weil die spontane Übergangswahrscheinlichkeit für Emission wegen der
geringen Übergangsfrequenz extrem klein ist, vergleiche dazu auch Kap. 16 sowie
in I Abschn. 5.2.3. Da die Rotationsspektren im Frequenzbereich der Mikrowellen lie-
gen, braucht man zu ihrer Messung ein Ferninfrarot-(Fourier)-Spektrometer oder ein
Mikrowellen-Spektrometer.
Zur Mikrowellen-Erzeugung benutzt man häufig das Reflex-Klystron. Damit kann
man Frequenzen zwischen 1 und 100 GHz erzeugen. Klystrons sind rauscharm. Sie
lassen sich allerdings nur in engen Grenzen spektral abstimmen. Abstimmbar als
Oszillator ist der Rückwärts-Wellen-Generator, auch Carcinotron genannt. Dies sind
Elektronen-Laufzeit-Röhren, bei denen die Frequenz im GHz-Bereich durch Änderung
der elektrischen Betriebsdaten über einen größeren Bereich geändert werden kann. Ein
anderes abstimmbares Gerät ist das sogenannte Magnetron. Zunehmende Bedeutung
als Mikrowellen-Generatoren gewinnen der Gunn-Oszillator (z. B. aus GaAs) und die
Avalanche-Diode (aus InP), mit denen man ebenfalls Strahlung im Bereich zwischen
1 und 150 GHz erzeugen kann.
Der Nachweis erfolgt meistens mit einer Mikrowellen-Diode. Wegen der geringen
Absorptionskoeffizienten und besonders wegen der Notwendigkeit, bei geringem Gas-
druck und damit unter weitgehender Reduzierung von Druckverbreiterung zu arbeiten,
verwendet man möglichst große Absorptions-Wege (Meter). Für Quantenenergien, die
größer als einige 10 cm−1 sind, kann man auch Fourier-Infrarot-Spektrometer zur Aus-
messung von Rotationsspektren benutzen.
Zur Verbesserung der Nachweis-Empfindlichkeit und zur genaueren Frequenzmes-
sung wird im allgemeinen eine Effekt-Modulation verwendet. Darunter versteht man
eine Modulation der zu untersuchenden Energieniveaus in der Weise, daß die Intensi-
tät der Absorption und damit das zu beobachtende Signal moduliert werden. So kann
man das Signal-Rausch-Verhältnis und damit die Meßgenauigkeit verbessern. In der
Mikrowellen-Spektroskopie läßt sich dies erreichen, indem man ein elektrisches Wech-
160 9. Rotationsspektren
selfeld so auf die Moleküle einwirken läßt, daß die Energieniveaus eine periodische Ver-
schiebung durch einen periodischen Stark-Effekt erfahren. Diese Modulation mit typi-
schen Feldstärken von 100 V cm−1 und Frequenzen zwischen 50 Hz und 100 kHz nennt
man deshalb Stark-Modulation. Im Nachweisteil der Apparatur werden nur die modu-
lierten Signale verstärkt und nachgewiesen. Damit läßt sich Stör- und Untergrundstrah-
lung von der Strahlung abtrennen, die gemessen werden soll. Die Resonanz zwischen
dem Licht und dem untersuchten Niveau wird also periodisch an- und abgeschaltet. So
kann man die Frequenz der Mikrowellenstrahlung und damit der Rotationsübergänge
mit einer relativen Genauigkeit von besser als 10−6 bestimmen.
Entsprechend den Auswahlregeln für die Wechselwirkung von Molekülen mit Licht
können nur von Molekülen mit permanentem elektrischen Dipolmoment Rotationsspek-
tren beobachtet werden. Diese Auswahlregel für elektrische Dipolstrahlung ist anschau-
lich verständlich: Ein polares Molekül scheint für einen ortsfesten Beobachter ein ver-
änderliches Dipolmoment zu haben, wenn es rotiert. Deshalb ist die Rotation solcher
Moleküle hinsichtlich der optischen Absorption aktiv, das heißt, ihre Rotation führt zur
Absorption elektromagnetischer Strahlung, wenn beide Frequenzen übereinstimmen. Für
homonukleare zweiatomige Moleküle wie H2 , N2 , O2 gilt dies nicht, weil sie kein Di-
polmoment besitzen. Sie zeigen deshalb kein Rotationsspektrum. Das gleiche gilt für
alle größeren Moleküle ohne permanentes Dipolmoment, zum Beispiel CCl4 – es sei
denn die Rotation führt zu einer Verzerrung und damit zu einem rotationsinduzierten
Dipolmoment, oder aber das Molekül führt gleichzeitig eine unsymmetrische Schwin-
gung aus und besitzt dadurch ein Dipolmoment, an dem ein elektrisches Feld angreifen
kann.
Als typisches Rotationsspektrum eines zweiatomigen Moleküls zeigt Abb. 9.1 das Spek-
trum von HCl. Abbildung 9.2 zeigt schematisch ein Rotationsspektrum eines anderen
linearen Kreisel-Moleküls mit kleinerem Linienabstand zusammen mit dem zugehöri-
gen Energietermschema, das wir jetzt ableiten wollen. Das Spektrum besteht aus einer
größeren Anzahl fast äquidistanter Linien mit einer charakteristischen, temperaturabhän-
gigen Intensitäts-Verteilung. Dieses Spektrum läßt sich als das Spektrum eines starren
Rotators verstehen, das heißt als das Spektrum eines Systems, das rotiert und bei dem
die beiden Atome starr miteinander verbunden sind. Dieses sogenannte Hantel-Modell
ist das einfachste Modell für die Rotationsbewegung eines zweiatomigen Moleküls. In
der klassischen Mechanik berechnet man die Rotationsenergie eines solchen Rotators
nach der Gleichung
1
E rot = Θω2 [Joule] , (9.1)
2
wo Θ das Trägheitsmoment um die Rotationsachse senkrecht zur Verbindungslinie der
Massen m 1 , m 2 und ω die Winkelgeschwindigkeit ist, vergleiche Abb. 9.3.
Das Trägheitsmoment Θ dieser Hantel bezüglich des Massenschwerpunktes S be-
trägt
Θ = m 1 R12 + m 2 R22 = m r R2 , (9.2)
wenn R1 und R2 die Abstände der Massen m 1 , m 2 von S und R = R1 + R2 bedeuten.
m r ist die sogenannte reduzierte Masse
m1m2
mr = . (9.3)
m1 + m2
Der Drehimpuls (in Richtung senkrecht zur Molekülachse) beträgt
|L| = Θω , (9.4)
wenn L als Abkürzung für den Drehimpuls und |L| oder einfach L für seinen Betrag Abb. 9.3. Rotation eines zwei-
verwendet werden. atomigen Moleküls um seinen
Hier zunächst eine Abschätzung: Führt man versuchsweise als Quantenbedingung Schwerpunkt. Beim nicht-starren
Rotator (unteres Teilbild ) kön-
für den Drehimpuls nen die beiden Atome mit der
Federkonstante k gegeneinander
|L| = nh(n = 0, 1, 2 . . . ) (9.5) schwingen
162 9. Rotationsspektren
ein, so erhält man als kleinsten möglichen Wert für die Rotations-Frequenz ω = 2πν
nach (9.4)
L h
ωn=1 = = . (9.6)
Θ m r R2
Setzt man für das HCl Molekül als Beispiel die bekannten Massen von H und Cl und
als Abstand den aus gaskinetischen Messungen bekannten Wert R = 1,28 · 10−10 m ein,
so ergibt sich
νn=1 = 6,28 · 1011 Hz =
λ = 0,47 mm .
Diese halbklassisch berechnete Rotationsfrequenz ist der kleinsten tatsächlich gemesse-
nen Absorptions-Frequenz im Rotationsspektrum sehr nahe: Diese beträgt
νMin beob. = 6,25 · 1011 Hz =
λ = 0,48 mm .
Diese einfache Überlegung gibt zwar die Größenordnung der Frequenz erstaunlich rich-
tig wieder, sie ist allerdings zu einfach, wenn man das ganze Rotationsspektrum verste-
hen will. Für die Energiezustände des Rotators erhält man nämlich nach (9.1) und (9.4)
L2
E rot = . (9.7)
2Θ
Mit L = nh wird daraus
n2h2
E rot = . (9.8)
2Θ
Dieser Ausdruck liefert kein mit dem Experiment übereinstimmendes Ergebnis, wenn
man annimmt, daß Rotationslinien im Spektrum durch Übergänge zwischen benach-
barten Quantenniveaus zustande kommen. Man muß das Problem vielmehr quantenme-
chanisch behandeln und für die Rotation die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung
lösen. Weil man den Bahn-Drehimpuls L eines Teilchens der Masse m r , das im Ab-
stand R um den Ursprung rotiert, genau so berechnen kann wie denjenigen eines Elek-
trons im Wasserstoff-Atom, können wir hier wieder die Berechnung der Drehimpuls-
Eigenfunktionen des H-Atoms (siehe dazu in I Abschn. 10.2 sowie auch Kap. 11 in die-
sem Buch) heranziehen. Für den starren Rotator erhält man so die Energie-Eigenwerte
h2
E rot = n(n + 1) , (9.9)
2Θ
das heißt, wir müssen für den Drehimpuls anstelle von (9.5) wieder die Quantenbedin-
gung
|L| = h n(n + 1) (9.10)
einführen.
Bei der Rotation ist es üblich, die Quantenzahl nicht n, sondern J zu nennen, es
heißt also für die Rotationsniveaus des starren Rotators an Stelle von (9.8)
h2
E rot = J(J + 1) [Joule] (J = 0, 1, 2, . . . ) . (9.11)
2Θ
9.2 Zweiatomige Moleküle 163
Wenn man statt dessen Termwerte F(J ) einführt, die man wie in der Spektroskopie üb-
lich in der Einheit cm−1 mißt, so erhält man, indem man (9.11) durch hc teilt
E rot
F(J ) = = BJ(J + 1) [cm−1 ] (9.12)
hc
mit der sogenannten Rotationskonstanten B
h
B= [cm−1 ] . (9.13)
8π 2 cΘ
Diese Konstante ist die wichtige für das betreffende Molekül charakteristische Meß-
größe, die man aus den Spektren entnehmen kann. Sie ist dem Trägheitsmoment des
Moleküls umgekehrt proportional. Ihre Messung liefert deshalb eine grundlegende In-
formation über Aufbau und Struktur des untersuchten Moleküls.
Zu jedem der Rotations-Eigenwerte (9.11) und (9.12) gehören charakteristische
Drehimpuls-Eigenfunktionen, deren Quadrate die Aufenthaltswahrscheinlichkeit ange-
ben, das heißt hier die Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Drehwinkel ϑ und ϕ im Win-
kelbereich dΩ = sin ϑdϑdϕ angetroffen werden. Es sind dies die gleichen, die wir be-
reits in I bei der Lösung der Schrödinger-Gleichung für das Wasserstoff-Atom kennen-
gelernt haben (vergleiche dazu Kap. 10 in I). Zu jeder Funktion mit der Quantenzahl J
gehören 2J + 1 Funktionen mit der „magnetischen“ Quantenzahl M = J, J − 1 . . . − J,
jeder durch die Quantenzahl J charakterisierte Zustand ist also (2J + 1)fach entartet,
wenn keine zusätzliche Wechselwirkung zur Aufhebung der Entartung einwirkt.
Die Quantenzahl M mißt die Komponente des Drehimpulses bezüglich einer Vor-
zugsrichtung, die zum Beispiel von außen durch ein elektrisches Feld gegeben wird.
Damit wird dann – siehe beim Stark-Effekt, Abschn. 9.4 – die Entartung nach M bis
auf das Vorzeichen aufgehoben.
Insgesamt erhalten wir also für den starren Rotator
– einen gequantelten Drehimpuls
|L| = J(J + 1)h
mit der gequantelten z-Komponente L z = Mh
– Energie-Eigenwerte E rot = BhcJ(J + 1) mit der in (9.13) definierten Rotationskon-
stanten
h
– B= [cm−1 ] .
8π 2 cΘ
Die Abstände zwischen zwei Energieniveaus mit um 1 unterschiedlicher Quantenzahl J,
das heißt die Rotationsquanten E(J + 1) − E(J ), nehmen mit J zu. Das bedeutet grö-
ßere Rotationsenergie bei konstantem Abstand der Kerne, und damit ein Termschema
wie in Abb. 9.2 und in Abb. 9.4 gezeigt.
Wenn wir jetzt noch als Auswahlregel für optische Übergänge (elektrische Dipol-
strahlung) die Drehimpuls-Auswahlregel ∆J = ±1 (und ∆M = 0, ±1, mit unterschied-
licher Polarisation als σ- und π-Übergänge) einführen, erhalten wir für die Quantenener-
gie der Linien im Rotationsspektrum für einen Übergang zwischen einem Niveau mit
der Quantenzahl J und einem solchen mit J + 1, also nach (9.12) für die Termdifferenz
FJ+1 − FJ die Bedingungs-Gleichung
hν = E J+1 − E J . (9.14)
164 9. Rotationsspektren
chem J, der thermischen Besetzung der Rotationsniveaus sowie aus den Auswahlregeln.
Jedes Niveau mit der Quantenzahl J ist, wie bereits erwähnt, (2J + 1)fach entartet
hinsichtlich der magnetischen Quantenzahl M. Der Entartungsgrad ist also 2J + 1.
Entsprechend groß ist das statistische Gewicht der Zustände, wenn die Entartung nicht
aufgehoben ist. Die Auswahlregeln ergeben sich aus der Symmetrie der Wellenfunk-
tion und mit Hilfe der zeitabhängigen Störungstheorie, vergleiche Kap. 16 in I sowie
Kap. 16 in diesem Buch.
Anschaulich verständlich sind jedenfalls die beiden bereits oben verwendeten wich-
tigsten Auswahlregeln:
– Nur polare Moleküle, das heißt Moleküle mit einem permanenten Dipolmoment, ha-
ben ein spektroskopisch beobachtbares Rotationsspektrum.
– Optisch erlaubt sind Übergänge mit ∆J = ±1 √ d. h. Übergänge,
√ bei denen sich der
Drehimpuls des Moleküls um ∆|L| J→J±1 = h| J(J + 1) − (J ± 1)(J ± 1 + 1)|
ändert. Für große J ist diese Änderung näherungsweise h. Diese Drehimpuls-
Änderung entspricht dem Drehimpuls des Lichtquants, das bei Absorption auf-
genommen und bei Emission abgegeben wird, so daß hierdurch der Drehimpuls-
Erhaltungssatz erfüllt wird.
Um schließlich die Intensitätsverteilung im Spektrum ganz zu verstehen, muß man wis-
sen, welche Ausgangszustände für eine Absorption bei der betreffenden absoluten Tem-
peratur T besetzt sind. Die thermische Energie bei Raumtemperatur entspricht ungefähr
1/40 eV oder 200 cm−1 , sie ist also im allgemeinen groß gegen die Rotationskonstante B
und damit gegen den Abstand der untersten Rotationsterme. Im thermischen Gleichge-
wicht sind deshalb bei Raumtemperatur viele Rotationsniveaus besetzt. Quantitativ gilt
für die Besetzungszahlen N J der Niveaus mit der Rotationsquantenzahl J
Nj g J −(E J −E0 )/kT
= e = (2J + 1) e−BhcJ(J+1)/kT . (9.16)
N0 g0 Entartungs- Thermische Besetzung
grad
Darin bedeuten g J und g0 die Gewichtsfaktoren der Zustände mit der Quantenzahl J
und sie entsprechen dem Entartungsgrad 2J + 1 mit g0 = 1. Das Intensitäts-Verhältnis
der Linien in den Absorptionsspektren ist dem Verhältnis der Besetzungszahlen N J ge-
teilt durch N0 proportional. Insgesamt ergibt sich deshalb aus Gl. (9.16) ein Absorpti-
onsprofil wie in Abb. 9.1 und 9.2. Für kleinere J wächst im Absorptionsprofil die Li-
nienintensität mit zunehmenden J wegen des anwachsenden Gewichtsfaktors, für grö-
ßere J überwiegt die Abnahme der Exponentialfunktion in (9.16). Dazwischen liegt ein
Intensitätsmaximum. Für die dem Maximum der Besetzung entsprechende Quantenzahl
Jmax gilt, wie sich leicht durch Differentiation von (9.16) ableiten läßt,
kT 1
Jmax ≈ − , (9.17)
2hcB 2
wenn Jmax diejenige ganze Zahl ist, die dem aus (9.17) berechneten Zahlenwert am
nächsten liegt. Die Lage des intensivsten Überganges gibt (9.16) nur näherungsweise
an, weil die Intensitätsverteilung nicht nur von der Besetzung alleine, sondern auch vom
Quadrat des aus Ausgangs- und Endzustand zu berechnenden Übergangsmomentes ab-
hängt. Dies hängt ebenfalls von J ab. Ein komplettes Rotationsspektrum, wie in Abb. 9.1
gezeigt, kann im allgemeinen wegen des zu großen Frequenzbereichs nicht mit einer
einzigen Apparatur aufgenommen werden. Der Anschluß von Meßdaten verschiedener
166 9. Rotationsspektren
Apparaturen ist hinsichtlich des Intensitätsvergleichs nicht immer einfach. Besser ist das
Intensitätsverhältnis der Absorptionslinien mit verschiedenem J deshalb im Rotations-
Schwingungsspektrum zu sehen, siehe dazu Abschn. 10.4.
Wenn man die Spektrenanalyse mit größerer Genauigkeit vornimmt, stellt man fest, daß
die Absorptionslinien nicht exakt äquidistant sind. Die Abstände werden vielmehr mit
zunehmender Quantenzahl J kleiner. Um dies zu verstehen, muß man annehmen, daß
sich die Abstände der Kerne im Molekül mit zunehmender Rotationsquantenzahl J än-
dern. Sie nehmen mit zunehmender Energie der Rotation, das heißt wachsender Quan-
tenzahl J, wegen einer Zentrifugaldehnung der Moleküle zu. Das Trägheitsmoment wird
bei dieser Verformung größer. So kommt man vom starren zum nicht-starren Rotator,
bei dem die beiden Kerne mit einer elastischen Federkonstanten k aneinander gebun-
den sind. Er wird besonders wichtig bei der Analyse von Rotationsspektren, bei de-
nen zusätzlich Schwingungen des Moleküls beteiligt sind, den sogenannten Rotations-
Schwingungs-Spektren. Wenn das Molekül nicht nur rotiert, sondern auch schwingt, ist
nämlich diese Abweichung von der Starrheit von der Art und von der Frequenz der
Schwingung abhängig und häufig wesentlich größer als bei reiner Rotation.
Doch zunächst zur alleinigen Rotation des zweiatomigen Moleküls, das heißt zum
Modell der rotierenden nicht-starren Hantel. Zur quantitativen Beschreibung muß man
also annehmen, daß der Rotator nicht starr ist, das heißt daß zwischen den Atomen eine
elastische Bindung mit der Federkonstanten k vorliegt (vergl. Abb. 9.3). Die Rotation
und die damit verbundene Zentrifugalkraft führen deshalb zu einer Dehnung des Mole-
küls. Für den neuen Abstand R gilt klassisch
L2 1
E rot = 2
− k(R − Re )2
2m r Re 2
ergibt sich damit in dieser klassischen Modellrechnung
L2 L4
E rot = 2
− (9.22)
2m r Re 2km 2r Re6
nach einer einfachen Zwischenrechnung. Geht man nun von der klassischen Mechanik
zur Quantenmechanik über und ersetzt wie oben L 2 durch J(J + 1)h 2 , so erhält man
für die Energie der Rotation
h2 h4
E rot = J(J + 1) − J 2 (J + 1)2 [Joule] (9.23)
2m r Re2 2km 2r Re6
und für die Rotationsterme
E rot
F(J ) = = BJ(J + 1) − DJ 2 (J + 1)2 [cm−1 ] , (9.24)
hc
wenn man analog zur Rotationskonstante B die durch (9.23) definierte Zentrifugal-
Dehnungskonstante einführt. Gleichung (9.24) gilt für ein einfaches harmonisches
Kraftfeld. Bei anharmonischer Kraft sind noch Terme mit höheren Potenzen von J
zu berücksichtigen. D ist viel kleiner als B. Aus (9.23) folgt nämlich
h3
D= [cm−1 ] . (9.25)
4πkΘ 2 Re2 c
Durch Einsetzen der Zahlenwerte in (9.25) und Vergleich mit (9.13) erhält man für das
Größenverhältnis von D/B den ungefähren Wert 10−3 bis 10−4 . Der Dehnungsterm
DJ 2 (J + 1)2 in (9.23) ist deshalb für kleine Werte von J fast zu vernachlässigen, für
größere J-Werte kann er wichtig werden. – Aus einer Messung von D erhält man mit
(9.25) auch die Kraftkonstante k der Bindung und daraus die Frequenz
1 k 1 k
ν= [s−1 ] bzw. ν̄ = [cm−1 ] (9.26)
2π m r 2πc m r
9.3 Isotopie-Effekte
Die große Genauigkeit, mit der man die Trägheitsmomente von Molekülen aus der Mes-
sung der Rotationskonstanten B bestimmen kann, führt zu einer wichtigen Anwendung
9.3 Isotopie-Effekte 169
(RO , RC und RS sind die Abstände der Atome O, C und S zum Schwerpunkt), definiert
(siehe dazu Abb. 9.7), so ergibt sich das Trägheitsmoment nach
Θ = m O RO
2
+ m C RC2 = m S RS2 , (9.29)
außerdem gilt für die Abstände
RO = RCO + RC RS = RCS − RC (9.30)
RCO , RCS = Bindungsabstände zwischen O und S gegenüber dem zentralen C.
Gleichung (9.30) in (9.28) eingesetzt ergibt:
MRC = m S RCS − m O RCO , (9.31)
wenn M = m O + m C + m S die Gesamtmasse bedeutet.
Gleichung (9.30) in (9.29) eingesetzt ergibt:
Θ = m O (RCO + RC )2 + m C RC2 + m S (RCS − RC )2
= MRC2 + 2RC (m O RCO − m S RCS ) + m O RCO
2
+ m S RCS
2
. (9.32)
Mit Hilfe von (9.31) erhält man schließlich für das Trägheitsmoment den Ausdruck
(m O RCO − m S RCS )2
Θ = m O RCO
2
+ m S RCS
2
− . (9.33)
M
Für ein Molekül mit anderen Isotopen erhält man ein anderes Θ wegen der geänderten
Masse.
Gleichung (9.33) verbindet eine Meßgröße, nämlich das Trägheitsmoment Θ mit
zwei Unbekannten, nämlich mit den Abständen RCO und RCS . Wenn man diese beiden
zunächst unbekannten Bindungsabstände bestimmen will, dann muß man das Trägheits-
moment Θ für zwei Moleküle mit unterschiedlicher Isotopenzusammensetzung messen.
Man erhält dann zwei Meßgrößen Θ1 , Θ2 mit zwei Unbekannten, nämlich den genann-
ten Bindungsabständen. So hat man bei dem genannten Molekül durch Verwendung der
Schwefelisotope 32 und 34 die Bindungsabstände RCO und RCS zu 1,16 bzw. 1,56 Å
bestimmen können.
9.4 Stark-Effekt
Die Beeinflussung der Quantenenergie von Spektrallinien oder die Aufspaltung von
Energieniveaus durch statische elektrische Felder kennen wir aus der Atomphysik unter
dem Namen Stark-Effekt. In der Molekülphysik führt ein statisches elektrisches Feld
zu einer Aufhebung der (2J + 1)fachen Entartung der Rotationsniveaus, da die unter-
schiedlichen Zustände mit gleichem J, aber mit verschiedenen magnetischen Quanten-
zahlen M verschiedenen Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Ladungsdichte in bezug
auf die Molekülachse und damit verschiedenen Polarisationen durch ein elektrisches
Feld entsprechen. Für 2-atomige Moleküle ergibt sich die Energieverschiebung zu
p2 E 2 J(J + 1) − 3M 2
∆E J,M = · , (9.34)
2hcB J(J + 1)(2J − 1)(2J + 3)
wobei jetzt die Richtung des E-Feldes die Vorzugsrichtung für M ist.
9.5 Mehratomige Moleküle 171
Dabei ist p das elektrische Dipolmoment des Moleküls, E die elektrische Feldstärke.
In (9.34) geht die Quantenzahl M nur quadratisch ein. Man erhält deshalb eine Aufspal-
tung in (J + 1) Unter-Niveaus, wie in Abb. 9.8 gezeigt. Als Auswahlregel für optische
Übergänge gilt ähnlich wie in der Atomphysik, daß es Übergänge mit ∆M = 0, soge-
nannte π-Übergänge, und Übergänge mit ∆M = ±1, sogenannte σ-Übergänge gibt. Im
übrigen gilt die Auswahlregel für elektrische Dipolstrahlung ∆J = ±1. Die Aufspal-
tung ist sehr klein. Typisch sind Werte von ∆ν/ν zwischen 10−4 und 10−3 bei einer
elektrischen Feldstärke von 103 V/cm.
Der Stark-Effekt ist wichtig, weil man ihn verhältnismäßig leicht als Hilfsmittel zum
Ausmessen von Spektren anwenden kann. Man bringt einfach in dem Hohlleiter, in dem
die Mikrowellenabsorption des Gases stattfindet, eine Mittelelektrode an und legt die
entsprechende elektrische Feldstärke an. Damit lassen sich die zu messenden Energie-
terme verschieben oder, bei Verwendung eines elektrischen Wechselfeldes, zeitlich mo-
dulieren. Einige wichtige Anwendungen des Stark-Effekts in der Molekülphysik sind
folgende
– Bestimmung der Quantenzahl J aus dem Aufspaltungsbild einzelner Rotationslinien
nach (9.34).
– Bestimmung von Molekül-Dipolmomenten p aus der Größe der Aufspaltung bzw. der
Termverschiebung im E-Feld. Dies ist eine wichtige Methode zur Bestimmung der
Dipolmomente von Molekülen. Sie ergänzt die sonst übliche, in Abschn. 3.3 behan-
delte Messung der Dielektrizitätskonstanten ε zur Messung von Dipolmomenten.
– Für die experimentelle Spektroskopie ist der Stark-Effekt deshalb sehr wichtig, weil
man ihn zur Effekt-Modulation und entsprechend zur Erhöhung der Meßgenauigkeit
beim Messen von Rotations-Absorptions-Spektren verwenden kann.
Symmetrieachse hat, dann ist diese eine Hauptträgheitsachse. Einige wichtige Typen von
mehratomigen kleinen Molekülen zeigt Abb. 9.9.
Wenn wir das Molekül-feste Koordinatensystem x, y, z nennen, wird die kinetische
Energie für die Rotation eines solchen Moleküls gegeben durch:
L 2x L 2y L2
E kin = + + z , (9.35)
2Θx 2Θ y 2Θz
wobei L x , L y und L z die Komponenten des Drehimpulses um die betreffenden Haupt-
achsen sind.
Wenn man die Rotationsniveaus eines mehratomigen Moleküls berechnen will, dann
muß man die verschiedenen Achsen und Hauptträgheitsmomente berücksichtigen. Im
allgemeinen Fall, dem sogenannten unsymmetrischen Kreiselmolekül, sind alle drei
Hauptträgheitsmomente voneinander verschieden. Ein Beispiel ist das Molekül H2 O.
Die Lösung der Schrödinger-Gleichung für ein solches Molekül ergibt 2J + 1 verschie-
dene Eigenfunktionen und Eigenwerte für jedes J. Es gibt jedoch keine allgemeine
Formel für solche Moleküle, und jedes Molekül muß gesondert analysiert werden.
Keine Richtung ist ausgezeichnet, und daher ist keine der Hauptdrehimpulsrichtun-
gen L x , L y , L z quantisiert. Wir werden auf dieses Problem in Abschn. 11.2 nochmals
genauer eingehen. Der allgemeine Fall des unsymmetrischen Kreiselmoleküls wird
deshalb hier noch nicht weiter behandelt.
Einfacher wird es beim symmetrischen Kreiselmolekül. Darunter versteht man ein
Molekül, bei dem aus Symmetriegründen zwei der drei Hauptträgheitsmomente gleich
sind. Beispiele hierfür sind NH3 , CH3 Cl, C6 H6 . Auch in diesem Fall ergibt die Lösung
der Schrödinger-Gleichung wieder quantisierte Gesamt-Drehimpulse entsprechend
|L| = h J(J + 1) , J = 0, 1, 2, . . . . (9.36)
9.5 Mehratomige Moleküle 173
Es ist im Molekül jetzt aber aufgrund der Ladungsverteilung im Molekül eine Vorzugs-
richtung festgelegt. Ist die Trägheitsachse x diejenige, deren Trägheitsmoment verschie-
den ist von dem um y und um z, so ist x die Vorzugsrichtung und es gilt als zweite
Quantisierungsbedingung für die Komponente des Drehimpulses bezüglich der x-Achse
des Moleküls
|L x | = K · h . (9.37)
Die hier eingeführte Quantenzahl K kann die Werte 0, ±1 . . .± J annehmen. Sie ist auf
eine Molekülachse bezogen, die früher eingeführte Quantenzahl M dagegen auf eine von
außen vorzugebende Vorzugsrichtung z.
Es gibt also jetzt eine zweite Quantenbedingung für den Drehimpuls relativ zur x-
Achse. Vergleiche hierzu auch Abschn. 11.2. Für die Energie der Rotationsniveaus erhält
man
h h 1 1
E rot = BhcJ(J + 1) + ChcK 2
mit B = , C= − .
8π 2 cΘ y 8π 2 c Θx Θy
(9.38)
Die (2J + 1)fache Entartung ist aufgehoben. Jedoch bleibt für K = 0 noch die 2fache
±|K |-Entartung übrig, da K in (9.38) quadratisch eingeht. Das bedeutet gleiche Ro-
tationsenergie für +K und −K , weil sich diese Zustände nur durch die Drehrichtung
unterscheiden. Man kann nun weiter unterscheiden zwischen
– zigarrenförmigen Molekülen, Θx < Θ y = Θz . Ein Beispiel ist CH3 Cl, wo x die Rich-
tung der 3zähligen Symmetrieachse von Cl zu C ist. Hier ist C > 0, die Niveaus sind
mit wachsendem K nach größeren Energien verschoben
– diskusförmigen Molekülen, Θx > Θ y = Θz . Ein Beispiel ist das Benzolmolekül. Hier
ist C < 0, die Niveaus sind mit wachsendem K zu kleineren Energien verschoben.
Mit den Auswahlregeln ∆J = ±1, ∆K = 0, erhält man als Spektrum des symmetri-
schen Kreiselmoleküls aus (9.38), sofern es starr ist, das gleiche Spektrum wie für den
linearen Rotator. Dies ist anschaulich verständlich, weil Änderungen der Rotation um
die Symmetrie-Achse nicht mit einem Dipolmoment verbunden sind. Die zweite Quan-
tenzahl K führt erst dann zu einem geänderten Spektrum, wenn Zentrifugaldehnung zu
berücksichtigen ist. Beim starren Rotator fällt nach (9.38) das Glied mit K bei der Bil-
dung der Termdifferenzen zwischen J und J + 1 heraus.
Für den nichtstarren symmetrischen Kreisel ergeben sich die Energieterme E rot zu
wurde. Der Grund dafür ist, daß das Trägheitsmoment um diese Achse wegen der Mas-
senverteilung praktisch gleich 0 ist. Die Rotationskonstante B wird deshalb sehr groß,
größer als die Bindungsenergie des Moleküls, und diese Rotation tritt spektroskopisch
nicht in Erscheinung. Die Quantenzahl K ist gleich Null.
Mit welch großer Genauigkeit man auch bei etwas größeren Molekülen Struktur-
Daten aus der Analyse von Rotationsspektren bestimmen kann, soll schließlich noch
in Abb. 9.11 am Beispiel des Pyridin-Moleküls gezeigt werden. Alle innermolekula-
ren Abstände und die Winkel in nicht zu großen Molekülen sind mit spektroskopischen
Methoden exakt meßbar. Mehr über Molekül-Rotationen folgt bei der Behandlung der
Rotations-Schwingungs-Spektren in Abschn. 10.4 und beim Ramaneffekt (Kap. 12).
Aufgaben
9.1 An welchen Molekülen beobachtet man ein reines Mikrowellen-Rotationsspek-
trum: H2 , H2 O, H2 O2 , CH4 , CH3 Cl, CH2 Cl2 , NH3 , NH4 Cl, HCl, Br2 , HBr, CS2 ?
176 9. Rotationsspektren
9.2 a) Ermitteln Sie die Rotationskonstante B sowie das Trägheitsmoment und die
Bindungslänge von 79 Br19 F, in dessen Rotationsspektrum eine Serie äquidistanter Linien
im Abstand von jeweils 0,7143 cm−1 auftritt. Welche Linie besitzt bei Raumtemperatur
die größte Intensität? Wie ist die spektrale Lage des Übergangs J = 9 → J = 10 (in
Wellenzahlen)?
b) Wieviel mal pro Sekunde rotiert das BrF-Molekül im Zustand (i) J = 0, (ii)
J = 1, (iii) J = 10? (Beachten Sie: E = 12 Θω2 .)
9.3 Berechnen Sie die Rotationskonstanten der Moleküle H37 Cl und 2 D35 Cl, die sich
durch die Beteiligung anderer Isotope von H35 Cl mit B = 10,5909 cm−1 unterscheiden.
9.4 Das Übergangsmoment zwischen zwei Rotationsniveaus eines linearen Moleküls
hängt näherungsweise nur vom elektrischen Dipolmoment des Moleküls ab und kann
somit für alle reinen Rotationsübergänge als konstant angesehen werden. Im reinen Ro-
tationsspektrum von H35 Cl-Gas detektiert man gleiche Intensitäten für die beiden Li-
nien bei 106,0 cm−1 und 233,2 cm−1 . Wie hoch ist die Temperatur des Gases (B =
10,6 cm−1 )?
9.5 Das Mikrowellen-Rotationsspektrum von H79 Br enthält bei 84,544 cm−1 ,
101,355 cm−1 und 118,112 cm−1 drei aufeinanderfolgende Linien. Zu welchen Über-
gängen J
→ J
gehören diese jeweils? Wie groß sind die Rotationskonstante B sowie
die Zentrifugal-Dehnungskonstante D? Bestimmen Sie die Bindungslänge und nähe-
rungsweise die Schwingungsfrequenz des Moleküls.
9.6 Die Bindungslängen im linearen dreiatomigen Molekül H–C≡N sind 0,1063 nm
für CH und 0,1155 nm für CN. Berechnen Sie das Trägheitsmoment Θ und die Ro-
tationskonstante B unter Verwendung der relativen Atommassen H = 1, C = 12 und
N = 14.
9.7 Die Geometrie eines Ammoniakmoleküls NH3 entspricht einem symmetrischen
Kreisel mit der Bindungslänge 101,2 pm und dem HNH-Winkel 106,7◦ . Ermitteln Sie
die rotatorischen Energieniveaus und die Übergangsfrequenzen.
Beachten Sie dabei, daß für die Hauptträgheitsmomente des symmetrischen Kreisels
mit Bindungslänge R und Bindungswinkel ϑ parallel zur Symmetrieachse
Θ|| = 2m H R2 (1 − cos ϑ)
gilt und senkrecht dazu
mHmN 2
Θ⊥ = m H R2 (1 − cos ϑ) + R (1 + 2 cos ϑ) .
mH + mN
9.8 Berechnen Sie die Frequenz der Valenzschwingung von HCl parallel zur Mole-
külachse (B = 10,591 cm−1 , D = 5,3 · 10−4 cm−1 ). Wie ist die Abweichung vom ex-
perimentellen Wert 2991 cm−1 zu begründen?
9.9 Im Rahmen eines Raumfahrtprogramms soll die Saturn-Atmosphäre auf CO un-
tersucht werden. Dabei soll von der Umlaufbahn eines Satelliten mit einer Mikrowellen-
apparatur gearbeitet werden. Bei welchen Frequenzen liegen die ersten vier Rotations-
übergänge für 12 C16 O bei einer Bindungslänge von 112,82 pm? Um die relative Häu-
figkeit des 13 C-Isotops bestimmen zu können, muß der 1 → 0-Übergang der entspre-
chenden Moleküle noch aufgelöst werden können. Welche Auflösung muß die Apparatur
besitzen?
Aufgaben 177
Anders als Atome haben Moleküle innere Freiheitsgrade. Sie können zu Schwingungen
angeregt werden. Die Spektroskopie dieser Schwingungen liefert Auskunft zur Struktur
und zur Bindung in Molekülen. Auch hier lassen sich die grundlegenden Erscheinungen
an zweiatomigen Molekülen am besten studieren, auch die Kopplung zwischen Schwin-
gung und Rotation (Abschn. 10.1–10.4). Nach einem Ausblick auf das weite Feld der
Schwingungen größerer Moleküle in Abschn. 10.5 wird in den Abschn. 10.6–10.8 noch
auf Anwendungen in Lichtquellen und Lasern eingegangen.
10.1 Infrarot-Spektroskopie
In den Molekülen können die Atome Schwingungen um ihre Gleichgewichtslagen aus-
führen, in denen sie sich im bisher betrachteten elektronischen Grundzustand befinden.
Diese Schwingungen können im optischen Spektrum in Erscheinung treten. Die Fre-
quenzen dieser Schwingungen liegen im infraroten Spektralbereich. Die Messung von
Spektren im Infraroten erfolgt heute entweder mit Gitter-Spektralphotometern oder in
zunehmendem Maße mit Fourier-Spektrometern. Als Infrarot-Lichtquellen benutzt man
meistens thermische Strahler wie den Nernst-Stift (85% ZrO2 , 15% Y2 O3 ) oder das so-
genannte Globar. Das ist ein Stab aus SiC, der durch Stromdurchgang auf etwa 1500 K
aufgeheizt wird. Das spektrale Maximum seiner thermischen Strahlung liegt dann bei
3000 cm−1 . Im Bereich des fernen Infrarot sind Gasplasmen als Lichtquelle überle-
gen. Man verwendet zum Beispiel das Plasma einer Quecksilber- oder eine Xenon-
Hochdrucklampe.
Zum Nachweis von Infrarot-Strahlung gibt es thermische Detektoren wie Bolometer
oder die auf der Erwärmung eines Gasvolumens durch absorbiertes IR-Licht beruhende
Golay-Zelle. Die leistungsfähigsten Strahlungsempfänger sind jedoch spezielle Infrarot-
empfindliche Photoleitungs-Detektoren und Photodioden aus geeignetem Halbleiter-
Material, das je nach Wellenlängenbereich, gewünschter Empfindlichkeit, Schnelligkeit
und anderen Parametern ausgesucht werden kann. Schwingungsspektren werden mei-
stens als Absorptionsspektren untersucht. Die Wahrscheinlichkeit für spontane Emission
aus angeregten Schwingungszuständen ist sehr klein, so daß eine Schwingungsspektro-
skopie kaum in Emission möglich ist, wohl aber in induzierter Emission. Eine andere
Methode zur Messung von Schwingungsspektren ist die Raman-Spektroskopie. Diese
wird in Kap. 12 behandelt.
Man kann sich leicht und anschaulich klar machen, in welchem Spektralbereich Mo-
lekülschwingungen liegen. Das möge eine einfache Abschätzung für das HCl-Molekül
zeigen. Wir nehmen an, im HCl-Molekül seien die Ionen H+ und Cl− durch ihre elek-
trische Anziehung nach dem Coulomb-Gesetz im Gleichgewichtsabstand Re aneinander
180 10. Schwingungsspektren
gebunden. Wenn wir den Abstand auf R dehnen, erzeugen wir eine rücktreibende Kraft
FR von der Größe
FR = −k(R − Re ) . (10.1)
Der Index e steht hier für Gleichgewicht, englisch equilibrium.
Die Kraftkonstante k können wir für dieses Modell ausrechnen. Es gilt bei Annahme
reiner Coulomb-Kraft
dF 2e2
k= = . (10.2)
dr 4πε0 Re3
Abb. 10.2, ebenfalls für CO. Diese Struktur hat große Ähnlichkeit mit den in Kap. 9 be-
handelten Rotationsspektren und beruht darauf, daß die schwingenden Moleküle auch
rotieren, und daß Schwingung und Rotation gekoppelt sind. Man nennt solche Spektren
deshalb Rotations-Schwingungs-Spektren oder auch Bandenspektren, weil jeweils Grup-
pen von Linien auftreten, die eine „Bande“ bilden. Schwingungsspektren freier Mole-
küle ohne Rotationsstruktur gibt es nicht. Allerdings tritt die Rotationsstruktur nicht in
Erscheinung, wenn die spektrale Auflösung nicht ausreicht oder wenn, wie in konden-
sierter Phase, Wechselwirkung mit gleichen oder anderen Molekülen die Linien so stark
verbreitern, daß inhomogen verbreiterte Schwingungsbanden ohne aufgelöste Rotations-
Struktur entstehen.
Zunächst lassen wir die Rotationsstruktur bei der Diskussion einmal unberücksich-
tigt und behandeln nur die Schwingung. Die Energieniveaus der Schwingungen eines
zweiatomigen Moleküls berechnen wir zunächst im Hantel-Modell wie oben als dieje-
nigen eines harmonischen Oszillators mit der Federkonstanten k in Richtung der Ver-
bindungslinie zwischen den Kernen. Wir nähern das Potential V der Bindung also als
Parabelpotential mit
k
V = (R − Re )2 an , (10.4)
2
wenn R die Auslenkung aus dem Ruhe-Abstand Re mißt. Die quantenmechanische Be-
rechnung ergibt für die möglichen Energieniveaus, siehe dazu Abschn. 9.4 in I:
1
E vib = hω v + , v = 0, 1, 2 . . . [Joule] . (10.5)
2
Darin ist ω die klassische Oszillatorkreisfrequenz nach (10.3). Die tiefste Energie (für
v = 0) ist die Nullpunktenergie (E vib )0 = hω/2.
Wenn man von den Energieniveaus zu Termen, gemessen in cm−1 , übergeht, muß
man die Energie-Werte von E vib aus (10.5) mit hc dividieren. In der Molekülspektro-
skopie ist es weiterhin üblich, diese Schwingungsterme mit G v zu bezeichnen und zu
schreiben
E vib 1
Gv = = ωe v + [cm−1 ] . (10.6)
hc 2
Die hier eingeführte und in der Molekülspektroskopie häufig so bezeichnete Schwin-
gungskonstante
hω
ωe = = ν̄e (10.7)
hc
ist die Wellenzahl zur klassischen Schwingungsfrequenz, wie sie sich nach (10.3) ergibt.
Wir wollen im folgenden die Bezeichnung ωe nicht übernehmen, um Verwechslun-
gen mit der Bedeutung von ω als Kreisfrequenz zu vermeiden, sondern wir werden
durchweg die Bezeichnung ν̄ für in Wellenzahlen gemessene Energiegrößen verwenden.
Die Eigenfrequenz des harmonischen Oszillators nach (10.5) bezeichnen wir dement-
sprechend im folgenden mit νe , die zugehörige Wellenzahl mit ν̄e .
Mit (10.5) ist eine neue Quantenzahl v eingeführt. Sie mißt die Quantisierung der
Schwingungen. Mit zunehmender Quantenzahl v = 2, 3 . . . werden Schwingungszu-
stände mit höherer Energie bezeichnet. Für v = 0 ergibt sich nach (10.5) die klassisch
nicht verständliche Nullpunktsenergie (E vib )0 = hω/2. Ihre Existenz folgt aus der Un-
schärferelation für Ort und Impuls (vgl. I, Abschn. 7.3). Selbst im niedrigsten Schwin-
gungsniveau (v = 0) ist die Schwingungsenergie also nicht Null, sondern sie hat den
Wert hω/2. Die Schwingungsfrequenz ω = 2πνe läßt sich wieder wie oben berech-
nen zu
k
ω= [s−1 ] . (10.8)
mr
Hierbei ist wichtig, daß die Schwingungsfrequenzen von der reduzierten Masse des Mo-
leküls abhängen. Bei Molekülen aus Partnern sehr ungleicher Masse m 1 m 2 ist m r
nicht sehr verschieden von m 2 . Das ist anschaulich verständlich, denn in einem solchen
Molekül bewegt sich fast nur die leichte Masse m 2 , indem sie fast wie gegen eine feste
Wand schwingt.
Die Energieniveaus nach (10.5) im Parabelpotential und die zugehörigen Aufent-
haltswahrscheinlichkeiten |ψ|2 des Oszillators zeigt Abb. 10.3. Aus Abb. 10.3 wird auch
deutlich, daß bei hohen Schwingungsquantenzahlen die quantenmechanisch berechne-
ten Aufenthaltswahrscheinlichkeiten denen des klassischen Oszillators ähnlich werden.
Wenn wir als Auswahlregel für optische Übergänge bereits vorwegnehmen, daß nur sol-
che Übergänge erlaubt sind, bei denen sich die Schwingungsquantenzahl um 1 ändert,
also ∆v = ±1, dann erwarten wir im Spektrum wegen der Äquidistanz der Energieni-
veaus nur eine Linie mit der Quantenenergie E v+1 − E v = hve bzw. mit der Wellen-
zahl ν̄e (cm−1 ).
Als allgemeine Auswahlregel für das Auftreten von Schwingungsspektren gilt wieder
wie bei der Rotation, daß mit der Schwingung des Moleküls ein elektrisches Dipolmo-
10.3 Zweiatomige Moleküle. Der anharmonische Oszillator 183
ment verbunden sein muß, das sich bei dem entsprechenden Übergang ändert. Das ist
die Auswahlregel für elektrische Dipolstrahlung.
Bei der Schwingung gleichartiger Atome gegeneinander, zum Beispiel in allen ho-
monuklearen zweiatomigen Molekülen wie H2 , N2 , O2 ist kein Dipolmoment vorhan-
den, und es ändert sich kein Dipolmoment. Für solche Moleküle sind deshalb Schwin-
gungs- bzw. Rotations-Schwingungsübergänge im optischen Spektrum verboten. Die
Schwingungsfrequenzen dieser Moleküle bezeichnet man deshalb als optisch inaktiv.
Trotzdem sind diese Frequenzen beobachtbar. Einerseits werden wir bei der Be-
sprechung des Raman-Effektes in Kap. 12 und 17 sehen, daß sie wegen einer mit der
Schwingung verbundenen Änderung der Polarisierbarkeit im Raman-Spektrum auftreten
können. Andererseits lassen sich die Frequenzen auch im Infrarot-Spektrum – allerdings
mit um mehrere Größenordnungen geringerer Intensität – beobachten, weil die Dipol-
freien Moleküle doch im allgemeinen elektrische Momente höherer Ordnung besitzen.
Man muß dann entsprechend größere Schichtdicken des absorbierenden Gases verwen-
den, weil die entsprechenden Übergänge eine erheblich kleinere Übergangswahrschein-
lichkeit aufweisen.
Tatsächlich verwendet man zur Auswertung der experimentellen Daten häufig eine Ver-
allgemeinerung von (10.10), bei der man weitere Glieder mit höherer Potenz von (v +
1/2) hinzufügt, insbesondere das Glied +ye hωe (v + 1/2)3 .
Man beachte, daß hier das Symbol ωe für die Kreisfrequenz 2πνe verwendet wird,
das nicht mit der in der Molekülspektroskopie häufig verwendeten Schwingungskon-
stante ωe verwechselt werden darf, vergleiche (10.6) und (10.7).
In (10.10) ist ωe = 2πνe ein Wert für die Schwingungsfrequenz, den wir gleich noch
näher definieren müssen, und xe die sogenannte Anharmonizitätskonstante, die sich auch
durch den Ausdruck
hωe
xe = (10.11)
4De
definieren läßt. xe ist also der Quotient aus der (klassischen) Schwingungsenergie und
der vierfachen Dissoziations-Energie. xe ist immer positiv und typischerweise von der
Größenordnung 0,01.
Strenggenommen gehören, wie bereits erwähnt, zu (10.10) noch weitere Terme mit
höheren Potenzen von (v + 1/2). Dabei handelt es sich jedoch um sehr kleine Korrek-
turterme, die nur bei sehr großen Werten von v zu beachten sind und hier vernachlässigt
werden.
Die Bedeutung von ωe ergibt sich aus dem Vergleich von (10.10) mit den Termen
des harmonischen Oszillators (10.5). Wir können (10.10) umschreiben in
1 1
E v = hωe v + 1 − xe v + (10.12)
2 2
und sehen durch Vergleich mit (10.5), daß wir die Schwingungsfrequenz ω in (10.5)
durch
1
ωv = ωe 1 − xe v + (10.13)
2
186 10. Schwingungsspektren
ersetzen müssen, wenn wir vom harmonischen zum anharmonischen Oszillator über-
gehen. Beim anharmonischen Oszillator nimmt also die Schwingungsfrequenz nach
(10.13) mit zunehmender Quantenzahl v ab. – In dem wegen der Nullpunktsenergie
hypothetischen Fall E v = 0, das heißt v = −1/2, das heißt, wenn sich das Molekül im
schwingungslosen Gleichgewichtsabstand, in Ruhe, befinden würde, wäre
ω = ωe . (10.14)
Die Schwingungsfrequenz ωe des harmonischen Oszillators ist als hypothetische
Schwingungsfrequenz ohne Nullpunkt-Schwingung, das heißt mit unendlich kleiner
Amplitude, beim anharmonischen Oszillator eine reine Rechengröße. Der Index e steht
auch hier für equilibrium.
Die größte tatsächlich realisierte Schwingungsfrequenz ergibt sich für v = 0. Sie
beträgt
xe
ωv=0 = ωe 1 − . (10.15)
2
Die Nullpunktsenergie des anharmonischen Oszillators ist also geringfügig kleiner als
diejenige des harmonischen.
Durch Gl. (10.10) wird also in mit der Erfahrung übereinstimmender Weise das
Zusammenrücken der Energieniveaus mit wachsender Quantenzahl v beschrieben. Das
höchste diskrete gebundene Niveau liegt bei der Energie De . Oberhalb von De gibt es
nur noch ein Kontinuum nicht gebundener Zustände, das Molekül ist dissoziiert. Dieser
Bereich heißt das Dissoziations-Kontinuum.
Der mittlere Kernabstand eines anharmonischen Oszillators nimmt wegen der un-
symmetrischen Potentialkurve im Gegensatz zum harmonischen Oszillator mit zuneh-
mender Schwingungs-Quantenzahl v zu. Aus Abb. 10.5 und 10.6 wird dies deutlich.
Diese Abstandsänderung ist übrigens auch die Ursache für die Wärmeausdehnung fe-
ster Körper: Bei höherer Temperatur befinden sich die molekularen Oszillatoren im Zeit-
mittel in Schwingungszuständen mit größerer Quantenzahl v, das heißt mit größerem
innermolekularem Abstand R.
Wie Abb. 10.5 schematisch zeigt, muß man auch bei der Dissoziationsenergie un-
terscheiden, ob man sie vom Minimum der Potentialkurve oder vom tiefsten möglichen
Term mit v = 0 aus rechnet. Wir unterscheiden diese beiden Größen durch die Symbole
De und D0 . Aus der experimentell bestimmten Abb. 10.6 sind die Zahlenwerte für das
H2 -Molekül ersichtlich.
Zur Erläuterung einige Zahlen. Beim Molekül 1 H35 Cl mißt man als Wellenzahl für
die Dehnungsschwingung ν̄ = 2900 cm−1 und xe = 0,0174. Daraus erhält man nach
(10.10) De = 5,3 eV. Dieser Wert sollte um die Nullpunktenergie (hier 0,2 eV) größer
sein als die tatsächlich gemessene Dissoziationsenergie D0 , siehe dazu Abb. 10.5. Man
mißt empirisch D0 = 4,43 eV. Die Übereinstimmung ist also nicht sehr exakt. Die Ge-
samtzahl von diskreten Schwingungsniveaus zwischen der Nullpunktsenergie und den
Energiewert D0 ergibt sich als größte mögliche Quantenzahl vmax hier mit
2 3
1 1 2
hωe vmax + − xe vmax + = De zu vmax = 22 , (10.16)
2 2
wobei sich die relativen Intensitäten etwa wie 1 : xe : xe2 : xe3 . . . verhalten.
Da xe eine kleine Zahl ist (vgl. die Zahlenwerte in Tabelle 10.1, aus denen sich nach
(10.11) xe errechnen läßt), nehmen die Intensitäten in der angeführten Reihenfolge rasch
ab. Dies sind die vorne bereits erwähnten „Obertöne“, vgl. auch Abb. 10.1. Für ihr Auf-
treten ist also die Anharmonizität im Molekül verantwortlich.
Die Quantenenergien der Übergänge mit ∆v = ±1 sind nicht mehr für alle Zahlen-
werte von v, das heißt zwischen allen Schwingungstermen in der Potentialkurve gleich
10.3 Zweiatomige Moleküle. Der anharmonische Oszillator 189
groß, sie nehmen vielmehr mit wachsendem v ab. Während sich bei der harmonischen
Näherung für das Schwingungsspektrum (ohne Obertöne) nur eine einzige Linie mit ν̄e
ergab, erhält man jetzt, mit der Erfahrung übereinstimmend, eine Folge von Linien ab-
nehmender Intensität, die für großes v mehr oder weniger konvergieren.
Am weitaus wichtigsten sind die Übergänge aus dem Grundzustand mit v = 0, da –
wie weiter unten noch erläutert wird – höhere Schwingungszustände im thermischen
Gleichgewicht kaum besetzt sind und deshalb als Ausgangsniveaus für Absorptionspro-
zesse nicht in Frage kommen.
Für die Energie der intensivsten Schwingungslinie von v = 0 zu v = 1 gilt nach
(10.10)
∆E = E v=1 − E v=0
und für die Wellenzahl ergibt sich durch Einsetzen
∆E
ν̄v←0 = = vν̄e [1 − xe (v + 1)] (10.18)
hc
und damit
∆E Tabelle 10.2. Schwingungsüber-
ν̄1←0 = = ν̄e (1 − 2xe ) . (10.19) gänge für 1 H35 Cl, zu beschrei-
hc ben nach (10.18) mit ν̄e =
Für die als „Obertöne“ bezeichneten Absorptionsübergänge mit ∆v = 2 und ∆v = 3 2988,9 cm−1 und xe =
0,0174 cm−1
erhalten wir entsprechend
ν̄2←0 = 2ν̄e (1 − 3xe ) v ν̄
und v
einer Schwingung bezeichnen wir durch eine nachgestellte Klammer, also
ν̄(v
, v
). Mit ν̄e wird wie bereits erwähnt beim anharmonischen Oszillator eine Rechen-
größe bezeichnet, die man nach (10.19) aus den beobachteten Schwingungsübergängen
errechnet, jedoch nicht direkt beobachten kann.
Die Besetzung der Energieniveaus E v mit verschiedenen Schwingungsquantenzahlen
v ist im thermischen Gleichgewicht nach Boltzmann proportional zu dem Besetzungs-
faktor e−Ev /kT von der Temperatur abhängig. Da Zimmertemperatur nach der Umrech-
nung kT/hc einem Energieäquivalent von 200 cm−1 entspricht, ist der Besetzungsfaktor
für HCl-Moleküle mit einer Schwingungsquanten-Energie von 2886 cm−1 bei Zimmer-
temperatur sehr klein. Deshalb befinden sich bei Zimmertemperatur die meisten HCl-
Moleküle im Grundzustand mit v = 0. Im Absorptionsspektrum sieht man deshalb, wie
oben schon erwähnt, überwiegend den Übergang von v = 0 nach v = 1. Es ist üblich,
190 10. Schwingungsspektren
einen solchen Übergang mit 1 ← 0 zu bezeichnen, also den höheren Zustand zuerst zu
nennen. Um die Absorptionsübergänge aus Niveaus mit höherer Schwingungsquanten-
zahl v zu beobachten, muß man die Moleküle entweder auf höhere Temperatur bringen,
oder aber man muß sie durch gezielte Lichteinstrahlung oder durch eine chemische Re-
aktion in einen Zustand mit höherer Quantenzahl anregen. Dann kann man übrigens in
manchen Fällen die Übergänge zwischen den Zuständen mit höherer Schwingungsquan-
tenzahl v auch in Emission beobachten. Meistens wird das thermische Gleichgewicht
jedoch durch strahlungslose Prozesse rasch wieder hergestellt.
= 0, v
= 1, J
= J
= 0)
ist hier mit v0 bezeichnet. Er
wird auch „Nullinie“ genannt.
Diese Linie wird nicht beobach-
tet, weil hier der Q-Zweig nicht
erlaubt ist. Man beobachtet
die Spektren in Absorption.
Im thermischen Gleichgewicht
ist im allgemeinen nur der
niedrigste Schwingungszustand
mit v
= 0 besetzt
Für ein Morse-Potential sind diese Rotations- und Schwingungsterme in Abb. 10.8
schematisch dargestellt. Die entsprechenden Übergänge sind bereits in Abb. 10.7
für einen Ausschnitt aus einem typischen Rotations-Schwingungsspektrum gezeigt.
Man beobachtet verschiedene „Zweige“ im Spektrum eines Schwingungsüberganges
(v + 1) ← v, das heißt in einer Bande. Im vereinfachten Falle des harmonischen Os-
zillators sind dies
= −1. Mit (J
= J, J
= +1. Mit (J
= J +1, J
ν̄1←0 , dem sogenannten Bandenursprung, sonst aus einer Folge von dicht beieinander
liegenden nahezu äquidistanten Linien. In vielen Fällen, so bei HBr (Abb. 10.7) ist
der Q-Zweig nicht erlaubt.
Wie wir bereits gesehen haben, erfolgen die Schwingungen der Moleküle viel schnel-
ler als deren Rotationen. Während einer einzigen Rotation schwingt ein Molekül einige
1000 mal. Der Rotator sieht deshalb einen über viele Schwingungen gemittelten Kern-
abstand R. Beim anharmonischen Oszillator nimmt aber der mittlere Kernabstand R
mit wachsender Quantenzahl v, d. h. mit zunehmender Schwingungsanregung zu (s. Ab-
schn. 10.3), damit wächst das Trägheitsmoment und die Rotationskonstante B wird klei-
ner. Zu der bereits oben (Abschn. 10.3) behandelten Rotationsdehnung kommt also eine
Schwingungsdehnung des Moleküls.
Dies führt dazu, daß auch für das zeitlich gemittelte Trägheitsmoment gilt
, J
. (10.28)
hc
Unter Weglassung der Dehnungsglieder in (10.25) ergibt sich
2 3
1 2
1 2
ν̄ = ν̄e (v − v ) − xe ν̄e v + − v +
2 2
+ Bv
J
(J
+ 1) − Bv
(J
+ 1) . (10.29)
Die Auswahlregeln für elektrische Dipolstrahlung lauten
∆J = ±1 , ∆v = 0, ±1, ±2 . . . ,
wobei für den harmonischen Oszillator ∆v > 1 nicht erlaubt und xe = 0 ist. Für ∆v = 0
erhalten wir das reine Rotationsspektrum in einem Schwingungszustand mit der Quan-
tenzahl v
= v
.
Wegen der Auswahlregel ∆J = ±1 gibt es im Rotationsschwingungsspektrum zwei
Zweige. Als P-Zweig bezeichnet man wie oben die Folge der Übergänge mit ∆J = −1,
als R-Zweig diejenige mit ∆J = +1.
Die Spektrallinien im P-Zweig (J
= J, J
) − 2Bv
(J + 1) − (Bv
− Bv
)J(J + 1) (10.30)
und im R-Zweig (J
= J + 1, J
= J)
ν̄ R = ν̄(v
, v
) + 2Bv
(J + 1) − (Bv
− Bv
)(J + 1)(J + 2) . (10.31)
Die Spektrallinien einer Bande liegen also im P-Zweig auf der langwelligen, im R-
Zweig auf der kurzwelligen Seite der reinen Schwingungslinie ν̄(v
, v
), der sogenann-
ten Null-Linie, die selbst nicht beobachtet wird. Die Linien sind wegen der letzten Glie-
der in (10.30), (10.31) nicht mehr äquidistant. Die Linien im P-Zweig rücken mit zuneh-
mendem J auseinander, die im R-Zweig konvergieren. Damit ist die Spektrenstruktur
in Abb. 10.7 verständlich.
10.4 Rotations-Schwingungs-Spektren zweiatomiger Moleküle. 195
) − xe ν̄e v
2 − v
2 . (10.32)
Das erste Glied in (10.32) ergibt die Wellenzahlen der Grundschwingung und der durch
die Anharmonizität bedingten Oberschwingungen ∆ν > 1 als Vielfache der Wellen-
zahl (ν̄e − xe ν̄e ). Das zweite, weitaus kleinere Glied führt zu einem Zusammenrücken
der Oberschwingungen, vgl. Abb. 10.5. Die Wellenzahlen der reinen Schwingungsli-
nien müssen aus den Rotations-Schwingungs-Spektren nach (10.30), (10.31) abgeleitet
werden.
Im Experiment kann man danach in erster Linie drei für das untersuchte Mole-
kül charakteristische Größen bestimmen: Die reine Schwingung mit der Wellenzahl
ν̄(v
, v
folgt Be = 10,591 cm−1 und α = 0,303 cm−1 . Die Eigenfrequenz ν̄e beträgt 2989 cm−1 .
Aus B0 und Be kann man weiter, wie bereits in Abschn. 9.2 gezeigt, den Kernab-
stand R bestimmen, aus ν̄e die Kraftkonstante und die Schwingungsfrequenz νe des Mo-
leküls. Man erhält hier R0 = 1,2838 · 10−8 cm als Kernabstand im Zustand v = 0 und
die Rechengröße Re = 1,2746 · 10−10 m im (hypothetischen) Zustand ohne Nullpunkts-
schwingung. Die Kraftkonstante k ergibt sich zu 4,8 · 102 N m−1 , die Schwingungsdauer
T1 = ν1 = (cν̄e )−1 = 1,17 · 10−14 s.
Dies sind die Meßgrößen, die uns die Molekülspektroskopie im Bereich des Infra-
roten über zweiatomige Moleküle liefert. Aus den Kraftkonstanten und den Anharmo-
196 10. Schwingungsspektren
nizitäten kann man den Verlauf der Potentialkurve bestimmen und daraus Rückschlüsse
auf die chemische Bindung ziehen.
Strenggenommen müßten noch weitere Einflüsse auf die Energien der Niveaus und
der Übergänge berücksichtigt werden: Der Einfluß der Zentrifugalstreckung auf die Ro-
tationskonstante B, deren Rückwirkung auf das Schwingungs-Potential, die Coriolis-
Kopplung. Diese Effekte sind bei der erreichbaren spektralen Auflösung jedoch häufig
zu vernachlässigen. Ihre Erörterung soll der Spezialliteratur vorbehalten bleiben.
Normalschwingungen sind dadurch definiert, daß alle Massenpunkte des Systems mit
der gleichen Frequenz und mit fester Phasenbeziehung schwingen. Das Auslenkungsbild
des Gesamtsystems führt eine rein harmonische Schwingung aus. Man kann eine Nor-
malschwingung anregen, ohne daß zugleich auch eine andere Normalschwingung ange-
regt wird, d. h. man kann sie vollständig voneinander entkoppeln, solange man sich auf
kleine Auslenkungen beschränkt und damit Nichtlinearitäten vermeidet.
Die Anzahl f der Normalschwingungen eines Systems ist die Zahl seiner Freiheits-
grade, die noch nicht für andere Bewegungen verbraucht sind. Ein System von N Mas-
senpunkten hat zunächst 3N Freiheitsgrade. Sind die Massenpunkte als Atome in einem
Molekül miteinander gekoppelt, so gibt es 3 Freiheitsgrade der Translation und 3 Frei-
heitsgrade der Rotation (bei einem linearen Molekül nur 2, weil die Rotation um die
10.5 Schwingungsspektren vielatomiger Moleküle 197
Längsachse nicht zu zählen ist) des Gesamtmoleküls, und wir erhalten für die inneren
Bewegungen des Moleküls als Rest
f = 3N − 6 (10.33)
Freiheitsgrade der Schwingungen, bzw. beim linearen Molekül f = 3N − 5.
Bei einem zweiatomigen Molekül ist damit f = 3·2−5 = 1, es gibt nur eine Normal-
schwingung, nämlich die Streckschwingung. Bei einem dreiatomigen linearen Molekül
ist f = 9 − 5 = 4. Als Beispiel möge das lineare CO2 -Molekül dienen. Hier kann man
das gesamte Schwingungsverhalten als eine Überlagerung der vier in Abb. 10.10 skiz-
zierten Eigenschwingungen mit den Frequenzen ν1 , ν2 und ν3 beschreiben. Diese Ei-
genschwingungen werden auch beobachtet. Die Schwingungsbilder sind in Abb. 10.10
angegeben. Eine der Schwingungen, die Biegeschwingung, ist dabei zweifach entartet,
also doppelt zu zählen, weil die Biegung in der Zeichenebene und senkrecht dazu zu
berücksichtigen ist. – Die Frequenzen der Schwingungen lassen sich relativ zueinander
abschätzen. Die höchste Frequenz, nämlich ν̄3 = 2349 cm−1 , hat die asymmetrische
Streckschwingung, weil hierbei die Federbeanspruchung am größten ist. Die symmetri-
sche Streckschwingung hat eine Wellenzahl von ν̄1 = 1337 cm−1 , die Biegeschwingung
ν̄2 = 667 cm−1 . Generell sind die Frequenzen von Streckschwingungen größer als die-
jenigen von Biegeschwingungen.
Allerdings läßt sich auch am CO2 -Molekül leicht einsehen, daß nicht alle Schwin-
gungen im Infrarot-Spektrum auftreten, d. h. infrarot-aktiv sind. Zur Infrarot-Aktivität
ist ja die periodische Änderung eines elektrischen Dipolmomentes nötig. Das symme-
trisch gebaute CO2 -Molekül hat im Ruhezustand kein elektrisches Dipolmoment. Wenn
es in der symmetrischen Streckschwingung ν1 schwingt, bleibt seine Symmetrie erhalten
und es ist ebenfalls kein Dipolmoment vorhanden. Im Gegensatz dazu sind die asym-
metrische Streckschwingung ν3 und die Biegeschwingung ν2 infrarot-aktiv. Da das Di-
polmoment bei der Schwingung ν2 senkrecht zu dem bei der Schwingung ν3 und damit
auch senkrecht zur Figurenachse auftritt, bezeichnet man die entsprechenden Rotations-
Schwingungs-Banden als Parallel-Bande (für ν3 ) bzw. als Senkrecht-Bande (für ν2 ).
Als Beispiel für ein nichtlineares drei-atomiges Molekül zeigt Abb. 10.10 auch die
Normalschwingungen des Wasser-Moleküls, H2 O. Auch hier ist die Frequenz der De-
formationsschwingung ν2 wieder kleiner als diejenige der beiden anderen Schwingun-
gen, bei denen die Federkonstanten stärker beansprucht werden. Bei den Schwingun-
gen ν1 und ν2 geht durch die Schwingung die zweizählige Symmetrie-Achse des Mo-
leküls nicht verloren. Diese Schwingungen heißen deshalb im Gegensatz zu ν3 symme-
trisch. – Man macht sich anhand von Abb. 10.10 leicht klar, daß sich bei allen drei Nor-
malschwingungen von H2 O das Dipolmoment des Moleküls periodisch ändert. Sie sind
198 10. Schwingungsspektren
deshalb alle drei infrarot-aktiv. Wegen der Gegenwart dieser Moleküle in der Zimmer-
luft beobachtet man H2 O- und CO2 -Infrarot-Linien in jedem Infrarot-Spektrum, sofern
man den Strahlengang im Infrarot-Spektrometer nicht evakuiert.
Als weiteres Meßbeispiel zeigt Abb. 10.11 einen Ausschnitt aus dem Infrarot-
Spektrum des HCN-Moleküls. Man sieht hier die zu zwei Normalschwingungen ν2
und ν3 gehörenden Rotationsschwingungs-Banden sowie eine Oberton-Bande 2ν2 . Als
kann der Fall eintreten, daß eine Normalschwingung fast die gleiche Frequenz hat wie
ein Oberton oder eine Kombinations-Schwingung von anderen Normalschwingungen.
Eine solche sogenannte Fermi-Resonanz kann dazu führen, daß die Oberton-Bande oder
die Bande der Kombinationsschwingung beträchtlich an Intensität gewinnt.
Je mehr Kerne ein Molekül enthält, um so mehr Normalschwingungen gibt es. Um
sie aufzulösen und zu klassifizieren, braucht man Symmetrie-Überlegungen, die wir hier
übergehen. Vergleiche hierzu jedoch Kap. 5 und 6. Abbildung 10.14 zeigt die Nor-
malschwingungen des Benzol-Moleküls. Darunter sind auch Schwingungen, die nicht
infrarot-aktiv sind. Darauf und auf die Möglichkeit, sie doch zu beobachten, werden
wir im Kap. 12, Ramaneffekt, noch einmal zurückkommen. Wenn man nicht auf Isolie-
rung der Moleküle, d. h. Messung im verdünnten Gaszustand, und hohe spektrale Auf-
lösung achtet, dann beobachtet man auch bei mehratomigen Molekülen anstelle der Ro-
tationsschwingungsbanden mit ihrer ausgeprägten Struktur für jeden Schwingungsüber-
gang nur eine „Linie“, die die gesamte Rotationsstruktur unaufgelöst enthält. Dies gilt
besonders in kondensierter Phase.
Wenn in einem Molekül zwei Gruppen vorhanden sind, die, wenn sie alleine vor-
kommen, ähnliche Schwingungsfrequenzen haben, kann Resonanz zwischen den Fre-
quenzen auftreten mit der Folge von Frequenzverschiebungen ähnlich wie die Fermi-
Resonanz, siehe Abschn. 10.5. Bekanntes Beispiel sind die Gruppenfrequenzen der
Carbonyl-Gruppe C=O mit 1715 cm−1 und der Doppelbindung C=C mit 1650 cm−1 .
202 10. Schwingungsspektren
10.7 Infrarot-Laser
Die Grundprinzipien des Lasers, einer Lichtquelle mit außergewöhnlichen und für viele
Zwecke revolutionären Eigenschaften, wurden bereits in I, Kap. 21, behandelt. Auch in
der experimentellen Molekülphysik hat der Laser viele neue Möglichkeiten eröffnet. Es
gibt wichtige Laser, bei denen das Laser-aktive Material aus Molekülen besteht. Ein sol-
ches Gerät ist der CO2 -Laser. Während wir bisher nur von Absorption der Rotations-
Schwingungs-Spektren gesprochen haben, machen wir jetzt davon Gebrauch, daß die
Übergänge auch in Emission möglich sind, insbesondere in induzierter Emission.
Die Schwingungsspektren des CO2 -Moleküls werden im CO2 -Laser zur Erzeugung
von infrarotem Laserlicht verwendet. Die Laser-Röhre enthält eine Mischung von N2
und CO2 Molekülen als aktives Material. In einer Gasentladung wird der Schwingungs-
übergang der Stickstoff-Moleküle bei 2360 cm−1 mit den zugehörigen Rotationsniveaus
durch Stöße mit Elektronen und Ionen angeregt. Wie in Abb. 10.15 skizziert, können
die N2 -Moleküle ihre Anregungsenergie an CO2 -Moleküle strahlungslos durch Stoß ab-
geben. Dies erfolgt mit großer Ausbeute, weil die asymmetrische Streckschwingung ν̄3
von CO2 bei 2349 cm−1 liegt. Es besteht deshalb Resonanz zwischen den Rotations-
Schwingungsniveaus der Moleküle N2 und CO2 . Außerdem handelt es sich beim Anre-
gungszustand von N2 um einen metastabilen und damit langlebigen Zustand, weil ein
strahlender Übergang in den Grundzustand verboten ist.
Von den Rotations-Schwingungsniveaus des CO2 im Bereich um 2349 cm−1 ist indu-
zierte Emission in die Rotations-Schwingungsniveaus der symmetrischen Streckschwin-
gung ν̄1 von CO2 (1390 cm−1 ) möglich. Alle Übergänge zwischen den in ν̄3 angereg-
ten CO2 -Molekülen in die Rotations-Niveaus von ν̄1 unter Beachtung der Auswahlregel
∆J = ±1 sind möglich und stehen für den Laser-Prozeß zur Verfügung. Es gibt deshalb
viele (etwa 100) diskrete Laserfrequenzen in einem Bereich von ca. 1000 cm−1 , dem
Abstand zwischen ν̄1 und ν̄3 . Dies entspricht einer Infrarot-Strahlung mit einer Wel-
lenlänge von ca. 10,6 µm. – Der CO2 -Laser ist besonders in der Material-Bearbeitung
wichtig, weil man mit ihm verhältnismäßig einfach hohe Energiedichten erreichen kann.
10.8 Mikrowellen-Maser
Das Laserprinzip, nämlich die Erzeugung von kohärentem Licht durch induzierte Emis-
sion, wurde zuerst mit Mikrowellen unter Verwendung der Inversionsschwingung des
NH3 -Moleküls verwirklicht. Im Jahre 1955 berichteten Gordon, Zeiger und Townes über
den Ammoniak-Maser. Das Wort Maser ist die Abkürzung für Microwave Amplification
by Stimulated Emission of Radiation. Als dann wenig später das Prinzip auch auf sicht-
bares Licht angewandt wurde, entstand das Wort Laser, das heißt Licht-Verstärker durch
induzierte Strahlungsemission, light amplifier by stimulated emission of radiation.
Das NH3 -Molekül gehört zu den symmetrischen Kreiseln. Es ist eine Pyramide mit
den drei H-Atomen als Basis und dem N-Atom als Spitze. Eine der Normalschwin-
gungen dieses Moleküls, die Schwingung mit der Frequenz ν2 , ist diejenige Schwin-
gung, bei der sich durch gegensinnige Bewegung der N-Spitze gegen die H3 -Basis die
Höhe der Pyramide periodisch ändert. Die Frequenz ν2 ist 1,22 · 1013 s−1 entsprechend
950 cm−1 . Der Potentialwall für den Weg des N-Atoms von einer Seite zur anderen Seite
der Ebene der H-Atome ist so hoch, daß es in der klassischen Physik einer Anregung von
3hν2 =
0,3 eV bedarf, damit das N-Atom diesen Übergang machen kann. Man nennt
diese Schwingung deshalb Inversionsschwingung, weil sie zu einer Inversion, das heißt
einem Umklappen des Moleküls ähnlich dem Umklappen eines Regenschirmes im Wind
führt. Abbildung 10.16 zeigt die Struktur des NH3 -Moleküls, das Doppelpotential und
die Schwingungs-Niveaus.
Abb. 10.16. (a) Struktur des
NH3 -Moleküls. Das N-Atom
kann sich oberhalb und unter-
halb der aus den drei H-Atomen
gebildeten Ebene aufhalten. Das
führt zu Tunnelaufspaltung und
der Inversions-Schwingung.
(b) Potentialkurve für ein NH3 -
Molekül. Mit r ist der Abstand
des N-Atoms von der H3 -Ebene
bezeichnet, nicht masstäblich. V
ist die Potentialbarriere. Die ge-
strichelten horizontalen Linien
sind die Schwingungsniveaus,
die sich für die Schwingung im
Ein zelpotential ergeben. – Die
Inversionsaufspaltung wächst
stark mit wachsender Quanten-
zahl v. Nach G. Herzberg
204 10. Schwingungsspektren
Eine solche Inversionsverdopplung gibt es bei allen Molekülen XY3 mit der Struk-
tur eines nicht-ebenen Kreisels. Die beiden Konfigurationen mit X über oder unter der
Y3 -Ebene können nicht durch eine Rotation des ganzen Moleküls ineinander überführt
werden. Sie sind energetisch in Resonanz. Daraus folgt die Aufspaltung in jeweils zwei
Niveaus, die Inversionsverdopplung. Um diese zu verstehen braucht man allerdings die
Quantenmechanik.
In der Quantenmechanik kann mit Hilfe des Tunneleffektes (vgl. I, Abschn. 23.3) er-
klärt werden, daß das N-Atom bereits mit kleinerer Anregungsenergie als 0,3 eV den Po-
tentialwall der aus den drei Wasserstoff-Atomen gebildeten Ebene überwindet. Es kann
also ständig zwischen den beiden Seiten der H3 -Ebene oszillieren. Wäre der Potential-
wall unendlich hoch, so gäbe es zwei miteinander entartete Wellenfunktionen für das
N-Atom auf der einen bzw. auf der anderen Seite der Ebene aus den H-Atomen. Diese
Entartung heißt Inversions-Entartung. Bei nur endlicher Höhe des Potentialwalles wird
die Entartung aufgehoben, wobei eine symmetrische oder antisymmetrische Wellenfunk-
tion aus den vorherigen lokalisierten Wellenfunktionen entsteht. Die Schwingungsnive-
aus spalten in jeweils zwei neue Niveaus auf. Das nennt man Inversionsverdopplung.
Dies ist völlig analog zur Bildung solcher Wellenfunktionen beim H+ 2 -Molekülion aus
den zuvor miteinander entarteten H2 -Wellenfunktionen, vergleiche I, Abschn. 23.4. Bil-
det man aus diesen neuen Wellenfunktionen zu einer Anfangszeit t = 0 ein Wellenpaket,
so beschreibt dieses im Laufe der Zeit ein Hin- und Her-Schwingen des N-Atoms zwi-
schen den beiden lokalisierten Zuständen, wobei die Oszillationsfrequenz durch ω =
∆E/h gegeben ist, wenn ∆E die in Abb. 10.16 ebenfalls eingezeichnete Aufspaltungs-
energie ist. Diese Frequenz heißt Inversionsfrequenz. Beim NH3 -Molekül im Grundzu-
stand hat diese Frequenz νi , (i steht für Inversion) den Zahlenwert 23 870 MHz, also
ν̄i = 0,796 cm−1 . Sie liegt also im Bereich der Mikrowellen. Zwischen dem symmetri-
schen und dem antisymmetrischen Zustand ist ein elektrischer Dipolübergang mit der
genannten Frequenz erlaubt. Dies ist der im Maser verwendete Übergang.
Zur Verwirklichung des Masers (siehe Abb. 10.17) erzeugt man einen Strahl von
NH3 -Molekülen und schickt ihn durch ein inhomogenes elektrisches Quadrupol-Feld.
Das elektrische Feld induziert im an sich unpolaren Molekül ein elektrisches Dipolmo-
ment und erzeugt einen quadratischen Starkeffekt. Der Quadrupolseparator unterschei-
det und trennt dabei Moleküle im symmetrischen und im antisymmetrischen Zustand
der Inversionsschwingung. Bei geeigneter Dimensionierung läßt sich erreichen, daß nur
die letzteren durch das elektrische Quadrupolfeld hindurch fliegen können und in einen
Resonator für die Frequenz 23 870 MHz gelangen.
In dem Resonator baut sich zunächst durch spontane und dann durch induzierte
Emission von Mikrowellenquanten aus dem antisymmetrischen in den zunächst dort
Aufgaben 205
unbesetzten symmetrischen Zustand ein Strahlungsfeld auf, und man erhält einen selbst-
erregten Oszillator. Diese Anordnung kann man auch als sehr schmalbandigen Verstär-
ker für die Inversions-Frequenz benutzen. Die Frequenzgenauigkeit ν/∆ν eines solchen
Molekularverstärkers (∆ν ist die Frequenzunschärfe) ist sehr hoch, größer als 1010 .
Aufgaben
10.1 Welche der folgenden Moleküle zeigen im Infrarot ein Schwingungsabsorptions-
spektrum: H2 , HCl, CO2 , OCS, H2 O, CH4 , C2 H4 , C2 H6 , CH3 Cl, C6 H6 , N2 , N−
3?
10.2 Wieviele Schwingungsfreiheitsgrade gibt es für (a) HBr, (b) OCS (linear), (c)
SO2 (nichtlinear), (d) H−O−O−H (nichtlinear), (e) H−C≡C−H (linear) und (f) C6 H6 ?
10.3 Welche Wellenlänge besitzt ein Photon, das einen Übergang zwischen zwei be-
nachbarten Niveaus eines harmonischen Oszillators mit folgenden Eigenschaften indu-
ziert: reduzierte Masse m r = m Proton , Kraftkonstante k = 855 N/m?
10.5 Bei einer Messung an 14 N16 O findet man die Zentralfrequenzen der ersten bei-
den Schwingungsübergänge bei 1876,06 cm−1 („Grundschwingung“) und 3724,20 cm−1
(„erster Oberton“). Bestimmen Sie die Schwingungskonstante ν̄e , die Anharmonizitäts-
konstante xe , die Nullpunktsenergie sowie die Kraftkonstante der Bindung.
Das Maximum der Schwingungsenergie E v kann analytisch berechnet werden, falls
man die Schwingungsquantenzahl v als kontinuierliche Variable betrachtet. Bestimmen
Sie daraus die Dissoziationsenergie von NO und bewerten Sie diese Methode.
10.6 Für die Moleküle HCl, DCl, HD und D2 beobachtet man im Zustand v = 0 die
folgenden Schwingungsfrequenzen: HCl: 2885 cm−1 ; DCl: 1990 cm−1 ; HD: 3627 cm−1 ;
D2 : 2990 cm−1 . Wie lautet die Energiebilanz (in kJ/mol) der Reaktion
HCl + D2 → DCl + HD ,
wenn die Nullpunktsenergien der beteiligten Moleküle berücksichtigt werden? Handelt
es sich also um eine exotherme oder um eine endotherme Reaktion?
10.8 Für das Jodmolekül I2 mißt man eine Schwingungskonstante von ν̄e = 215 cm−1
und eine Anharmonizitätskonstante von xe = 0,003. Welches Intensitätsverhältnis der
„heißen Bande“ (v = 1 → 2) zur Grundschwingungsbande (v = 0 → 1) erwarten Sie
bei einer Temperatur von 300 K?
10.9 Zahlreiche funktionelle Gruppen weisen charakteristische Schwingungsfrequen-
zen auf, die von der Art der chemischen Anknüpfung kaum beeinflußt werden. So liegt
die Streckschwingung der O−H-Gruppe bei 3600 cm−1 , die der C−O-Einfachbindung
bei 1150 cm−1 und die der C=S-Doppelbindung bei 1100 cm−1 . Schätzen Sie daraus
die Frequenzen der Streckschwingungen von O−D und C−S ab.
10.10 Die experimentell für das 1 H35 Cl-Molekül gefundenen Strukturdaten sind
Bindungslänge: 127,5 pm
Kraftkonstante der Bindung: 516,3 N/m
Atommassen: 1 H: 1,673 · 10−27 kg; 35 Cl: 58,066 · 10−27 kg.
Ermitteln Sie daraus
a) die Nullpunktsenergie und die Energie ν0 der Grundschwingung,
b) die Rotationskonstante B,
c) die spektralen Lagen (in cm−1 ) der jeweils innersten drei Linien von P- und R-
Zweig,
d) Können Sie die Unterschiede zwischen dem in (c) berechneten und dem tatsäch-
lich gemessenen Spektrum begründen?
10.11 Die Auswahlregeln für Rotations-Schwingungsübergänge lauten ∆v = 0, ±1,
±2, . . . , ∆J = ±1 und ∆M J = 0, ±1. Bestimmen Sie die Anzahl der in einem Über-
gang mit J
− J
.
Geben Sie die Intensitätsverteilung der Rotationslinien in einer Schwingungsbande
unter der Annahme an, daß jeder „Teilübergang“ denselben Beitrag zur Intensität liefert.
10.12 Ermitteln Sie für die Grundschwingungsbande von 1 H35 Cl die Wellenzahl
ν̄ R (JK ) der Bandenkante des R-Zweiges. Dabei ist JK derjenige Werte von J, bei dem
mit wachsendem J die Rotationslinien anfangen, auf der Wellenzahlskala umzukehren.
Hinweis: Der Abstand der J = 0-Zustände der Schwingungsniveaus v = 0 und
v = 1 von 1 H35 Cl beträgt ν̄(1, 0) = 2885,9 cm−1 ; die Rotationskonstanten unter-
scheiden sich für v = 0, 1 aufgrund der Schwingungsdehnung: B0 = 10,440 cm−1 ,
B1 = 10,137 cm−1 .
10.13 Für RbH findet man experimentell ν̄e = 936,8 cm−1 und xe ν̄e = 14,15 cm−1 ;
die Länge der Bindung beträgt Re = 236,7 pm. Skizzieren Sie das Morse-Potential V(R)
für den elektronischen Grundzustand.
Wenn das Molekül rotiert, kommt zur potentiellen Energie der Rotationsterm hinzu,
so daß man ein effektives Potential Veff (R) erhält:
Veff (R) = V(R) + B(R)J(J + 1)
Aufgaben 207
Anhand des 2-atomigen Moleküls wird die Born-Oppenheimer-Näherung und damit die
genäherte Auftrennung der Wellenfunktion in die der Elektronen und die der Kerne ein-
geführt, wobei bei den letzteren Rotations- und Schwingungsbewegungen auftreten. So-
dann behandeln wir die Rotation drei- und mehratomiger Moleküle, wobei wir sowohl
auf den symmetrischen als auch auf den asymmetrischen Kreisel näher eingehen. Bei der
Behandlung der Schwingungen von Molekülen spielt das Konzept der Normalkoordina-
ten eine wesentliche Rolle; auch hierbei erweisen sich wieder Symmetriebetrachtungen
als nützlich.
Im vorangegangenen Kapitel beschäftigten wir uns mit den Rotations- und Schwin-
gungsspektren von Molekülen und behandelten diese „halbklassisch“. Dies bedeutet,
daß wir die Bewegungen der Kerne des Moleküls zuerst mit Hilfe der klassischen Me-
chanik untersuchten und dann empirisch gewonnenen Quantisierungsvorschriften unter-
warfen. In diesem Kapitel rechtfertigen wir die dortige Vorgehensweise, indem wir eine
strenge quantenmechanische Rechnung, die sich von Anfang an auf die Schrödinger-
Gleichung stützt, durchführen. Dabei werden auch die verschiedenen Näherungen noch-
mals deutlich gemacht.
Wir beginnen mit 2-atomigen Molekülen, wobei wir wichtige Konzepte kennenler-
nen werden, die wir dann später auf Moleküle mit mehr als zwei Atomen anwenden
können. Im ersten Schritt zeigen wir, wie sich die Kernbewegung von der Elektronen-
bewegung trennen läßt. Wie sich zeigt, kommt auf dem Weg über die Elektronenbewe-
gung, die der Quantenmechanik gehorcht, eine direkte Wechselwirkung zwischen den
Kernen zustande. Deren Bewegung läßt sich in guter Näherung in die der Rotation und
die der Schwingung auftrennen, wobei die Quantenmechanik auch die Kopplungsglieder
zwischen diesen Bewegungen liefert.
Die einfachsten Beispiele für 2-atomige Moleküle sind das Wasserstoff-Molekül-
ion H+2 und das Wasserstoffmolekül H2 . Denken wir an Isotope des Wasserstoffs, so
können diese Atome auch verschiedene Massen m 1 und m 2 haben. Die Koordinaten
der Atomkerne bezeichnen wir mit R1 und R2 . Unsere folgenden Überlegungen las-
sen sich genauso gut auch auf Moleküle mit mehreren Elektronen, deren Koordina-
ten dann r1 , r2 , . . . , rn heißen, anwenden. Um aber das Verfahren so durchsichtig wie
möglich und die Schreibweise so einfach wie möglich zu machen, wählen wir hier
als explizites Beispiel das Wasserstoff-Molekülion mit einer einzigen Elektronenkoor-
dinate r. Die Wellenfunktion Ψ hängt dann von den entsprechenden Koordinaten ab,
210 11. Quantenmechanische Behandlung von Rotations- und Schwingungsspektren
Setzen wir ihn in die Schrödinger-Gleichung (11.1) ein, so müssen wir die Produktregel
der Differentialrechnung benutzen, da ja die Kernkoordinaten auf der rechten Seite von
(11.2) sowohl in ψ als auch in Φ vorkommen
∂2 ∂2 ∂ψ ∂Φ ∂2
(ψΦ) = ψ Φ + 2 + Φ ψ. (11.3)
∂X 21 ∂X 21 ∂X 1 ∂X 2 ∂X 21
Hierbei haben wir die einzelnen Glieder bereits in einer für uns physikalisch leicht zu
interpretierenden Weise zusammengefaßt. Die geschweifte Klammer in der ersten Zeile
ist ersichtlich der Hamilton-Operator eines Elektrons, das sich im Felde fest vorgegebe-
ner Kernkoordinaten R1 und R2 bewegt.
Wir wählen nun die Wellenfunktion des Elektrons ψ so, daß sie der entsprechenden
Schrödinger-Gleichung
h2 e2 e2
− ∆− − ψ = Wψ (11.5)
2m 0 4πε0 |r − R1 | 4πε0 |r − R2 |
genügt. Wie wir von der Theorie der Schrödinger-Gleichung her wissen, läßt eine sol-
che Gleichung im allgemeinen eine ganze Reihe von Eigenwerten oder Energiewerten
W zu, die wir dann durch die entsprechenden Quantenzahlen unterscheiden können. Fer-
ner hängt die Energie W aber auch von den Kernkoordinaten R1 und R2 ab, die als feste
Parameter in (11.5) eingehen. Wir schreiben daher
W = W(R1 , R2 ) . (11.6)
Nehmen wir in (11.5) eine Koordinatenverschiebung
r → r + R1 (11.7)
vor, die lediglich die Verschiebung des Nullpunkts des Koordinatensystems bedeutet, so
erkennen wir, daß das ganze Problem, einschließlich der Bestimmung von W, nur von
der Differenz der Kernkoordinaten
R1 − R2 (11.8)
abhängt. Wir können daher W als Funktion dieser Kernkoordinatendifferenz auffassen
W = W(R1 − R2 ) . (11.9)
Wie wir weiter unten näher zeigen werden, ist die letzte Zeile auf der linken Seite
von Gl. (11.4) ein Störglied, das gegenüber dem ersten Glied um den Faktor m 0 /m 1
bzw. m 0 /m 2 kleiner ist. Wir werden daher zunächst dieses Glied vernachlässigen.
Das hier geschilderte Vorgehen bezeichnet man, wie bereits oben erwähnt, als Born-
Oppenheimer-Näherung.
Ersetzen wir nun in der ersten Zeile der Gl. (11.4) die linke Seite der Gl. (11.5) durch
ihre rechte Seite, so erhalten wir eine Schrödinger-Gleichung, die sich auf die Kernko-
ordinaten alleine bezieht
h2 h2 e2
− ∆1 − ∆2 + W(R1 − R2 ) Φ = EΦ . (11.10)
2m 1 2m 2 4πε0 |R1 − R2 |
Wie wir sehen, kommt über die Elektronenenergie, die in (11.5) auftritt, eine direkte
Wechselwirkungsenergie zwischen den Atomkernen zustande. Dies ist eigentlich nicht
verwunderlich, da wir ja schon von der Theorie, z. B. der homöopolaren Bindung (vgl.
Abschn. 4.3, 4.4), her wissen, daß durch den Elektronenaustausch zwischen den beiden
Atomkernen eine direkte Kraft zwischen diesen Kernen hervorgerufen wird.
Die Schrödinger-Gleichung (11.10) weist eine formale Analogie zu dem Problem der
Bewegung eines Elektrons um einen Atomkern mit endlicher Masse auf. Wie wir aus
212 11. Quantenmechanische Behandlung von Rotations- und Schwingungsspektren
der Atomphysik wissen, können wir bei einem solchen Zweikörperproblem neue Koor-
dinaten einführen, nämlich die Schwerpunktkoordinate
RS = (m 1 R1 + m 2 R2 )/(m 1 + m 2 ) (11.11)
und die Relativkoordinate
R = R1 − R2 . (11.12)
Zur Umrechnung der Schrödinger-Gleichung auf diese neuen Koordinaten brauchen wir
ferner die Schwerpunktmasse m S
mS = m1 + m2 (11.13)
und die reduzierte Masse m r
m1m2
mr = . (11.14)
m1 + m2
Mit den entsprechenden Umrechnungsformeln können wir sofort die dann entstehende
S , R) = Φ(R1 , R2 ) hinschreiben
Schrödinger-Gleichung für die Wellenfunktion Φ(R
h2 h2
− ∆S − ∆r + V(R) Φ (RS , R) ,
(RS , R)E Φ (11.15)
2m S 2m r
wobei der Operator der potentiellen Energie durch
e2
V(R) = + W(R) (11.16)
4πε0 R
explizit gegeben ist. V setzt sich also aus der Energie des Elektrons im Felde der bei-
den Atomkerne und der Coulombschen Wechselwirkungsenergie der beiden Atomkerne
zusammen.
Die Auftrennung der Koordinaten in Schwerpunkt- und Relativkoordinaten ermög-
licht es uns, für die Wellenfunktion der Schrödinger-Gleichung (11.15) einen Separati-
onsansatz im Hinblick auf die Schwerpunkt- bzw. Relativbewegung zu machen
(RS , R) = eiK RS χ(R) .
Φ (11.17)
Der Energieeigenwert von (11.15) nimmt dann die Gestalt
2 2
h K
E=E (11.18)
2m S
an, wobei E von der Relativbewegung herrührt, während das danebenstehende zweite
Glied die kinetische Energie der Schwerpunktbewegung darstellt.
Wir wenden uns nun der Diskussion der Relativbewegung zu. Wie wir von der Elek-
tronentheorie 2-atomiger Moleküle wissen, hängt die potentielle Energie V(R) nur vom
Betrag des Abstandsvektors ab; mit anderen Worten, V ist kugelsymmetrisch. In Analo-
gie zur Behandlung der Elektronenbewegung im Wasserstoffatom führen wir daher auch
hier Polarkoordinaten R, ϑ, ϕ ein, wobei natürlich sich diese Polarkoordinaten auf die
Relativbewegung der beiden Atomkerne beziehen, und wir hier lediglich eine formale
Analogie mit dem Wasserstoffproblem ausnützen. Transformieren wir den Operator der
11.1 Das 2-atomige Molekül 213
kinetischen Energie auf diese Polarkoordinaten, und führen wir ferner sogleich den vom
Wasserstoffproblem her bekannten Separationsansatz in Radial- und Winkelanteil durch
Dabei haben wir die bei Molekülen üblichen Bezeichnungen für die Drehimpulsquan-
tenzahl J und M benutzt, die an die Stelle von l bzw. m beim Wasserstoff-Elektron
treten. Hier wie dort gilt dann:
J = 0, 1, 2, . . . (11.20c)
sowie
−J ≤ M ≤ J , M ganzzahlig . (11.20d)
Die Winkelabhängigkeit von F ist in I, Abb. 10.2, sowie hier in Abb. 4.1 für einige
Fälle veranschaulicht. Wegen (11.20a) können wir in (11.20) L2 durch h 2 J(J +1) erset-
zen und die dann resultierende Schrödinger-Gleichung durch F dividieren. Wir erhalten
dann anstelle von (11.20) die Schrödinger-Gleichung
h2 ∂2 h2 1 ∂ h 2 J(J + 1) f ,
− − + + V(R) f = E (11.21)
2m r ∂R2 m r R ∂R 2m r R2
die sich nur noch auf die Bewegung in radialer Richtung bezieht. Da die Quantenzahl M
in (11.21) nicht vorkommt, es aber wegen (11.20d) zu einem festen Wert J 2J + 1 ver-
schiedene M-Werte und damit Wellenfunktionen gibt, ist die Energie E (2J + 1)fach
entartet. In (11.21) haben wir gegenüber (11.20) den Operator der kinetischen Energie
ein klein wenig umgeformt.
Die Schrödinger-Gleichung (11.21) ist eine lineare Differentialgleichung 2. Ordnung,
die man nach Standardmethoden der Theorie der Differentialgleichungen numerisch auf-
integrieren könnte. Hier liegt es uns aber mehr daran, den physikalischen Gehalt von
(11.21) zu beleuchten, um gleichzeitig die Verbindung mit Kap. 9 und 10 herzustellen.
Hierzu machen wir zwei Näherungen, die bei dem vorliegenden konkreten Problem gut
gerechtfertigt sind. Zum einen sehen wir nämlich den Ausdruck
h2 1 ∂
− (11.22)
m r R ∂R
214 11. Quantenmechanische Behandlung von Rotations- und Schwingungsspektren
als eine kleine Störung an. Ferner suchen wir eine geeignete, explizite Darstellung für
den Verlauf des Potentials V(R). Diese wird uns in der Tat aus der Theorie der Mo-
lekülbindung geliefert. In einem solchen Falle hat das Potential den in Abb. 4.12 an-
gegebenen Verlauf. Nachdem wir uns natürlich für stabile Bindungszustände der Kerne
interessieren, haben wir nur solche Kernkoordinaten zu betrachten, deren Abstand in der
Gegend des Minimums liegt. Den entsprechenden Gleichgewichts-Abstand bezeichnen
wir mit Re . Entwickeln wir die Potentialfunktion V nach der Abweichung R − Re , so
erhalten wir in der Umgebung des Minimums den Ausdruck
1
V(R) ≈ V(Re ) + k(R − Re )2 . (11.23)
2
Betrachten wir zunächst den Fall für den Drehimpuls J = 0. Mit der Vernachlässigung
von (11.22) und der Näherung (11.23) geht (11.21) in
h2 ∂2 1
− + k(R − Re ) f = E v f
2
(11.24)
2m r ∂R2 2
über, wobei wir E = E v + V(Re ) gesetzt haben. Gleichung (11.24) ist aber nichts ande-
res als die uns bestents bekannte Schrödinger-Gleichung des harmonischen Oszillators,
dessen Ruhelage um die Strecke Re gegenüber dem Ursprung des Koordinatensystems
verschoben ist. Die Grundzustandswellenfunktion lautet somit
1
f(R) = N exp − (R − Re ) /R0 ,
2 2
(11.25)
2
wobei N ein Normierungsfaktor ist und R0 durch
h
R0 = (11.26)
mrω
gegeben ist. Die Energiewerte für den Grundzustand und die angeregten Zustände sind
dann durch die Quantenzahl v = 0, 1, . . . unterschieden; diese Energiewerte lauten
1
Ev = v + hω , (11.27)
2
wobei die Frequenz durch
k
ω= (11.28)
mr
gegeben ist. Wir sehen also, daß die beiden Atomkerne längs ihrer Verbindungsachse
eine harmonische Schwingung ausführen können. Da die Amplitude dieser Schwingung,
wie wir von Experimenten her wissen und auch aus der Theorie berechnen können, viel
kleiner als der Kernabstand ist, ist es sicher eine gute Näherung, wenn wir den Beitrag,
der von der Rotationsenergie herrührt und der proportional zu 1/R2 ist, dadurch annä-
hern, daß wir R2 durch Re2 , ersetzen. Nehmen wir also auch Zustände mit J = 0 mit,
so lautet die Energie
1 h 2 J(J + 1)
E = V(Re ) + v + hω + . (11.29)
2 2m r Re2
11.1 Das 2-atomige Molekül 215
Dieser Energieausdruck ist bis auf den ersten Summanden identisch mit dem von
(10.20), wobei die Konstanten sich sofort identifizieren lassen. Darin rühren der erste
Beitrag von der Bindungsenergie der Kerne im Gleichgewichtsabstand (und unendlicher
großer Massen) und der zweite Beitrag von der Oszillationsenergie her, während der
dritte Beitrag von der Rotation stammt. Die Rotationsquantenzahl durchläuft dabei wie
üblich die Werte J = 0, 1, . . .
Führen wir noch das Trägheitsmoment Θ gemäß
Θ = m r Re2 (11.30)
ein, so läßt sich (11.29) auch in der Form
1 h 2 J(J + 1)
E = V(Re ) + hω v + + (11.31)
2 2Θ
wiedergeben. Der letzte Ausdruck in (11.31) ist das quantenmechanische Analogon zu
dem klassischen Ausdruck für die kinetische Energie einer rotierenden Hantel, die zwei
Massen m r /2 im Abstand 2Re hat. Damit haben wir die Eigenschaften bei der Dyna-
mik eines 2-atomigen Moleküls wiedergefunden, die in den vorangegangenen Kapiteln
über die Experimente bereits modellmäßig erfaßt worden ist (vgl. 10.20). Hier haben wir
aber gesehen, wie die systematische, quantentheoretische Behandlung zu den richtigen
Ausdrücken für die Wellenfunktionen und Energien führen, wobei auch die Näherun-
gen deutlich geworden sind. Diese können dann in einem nächsten Schritt, z. B. durch
ein Störungsverfahren, verbessert werden. Hierbei ergeben sich dann Ausdrücke, die in
Kap. 9 und 10 eingeführt und diskutiert worden sind und z. B. die Anharmonizität be-
rücksichtigen. Im folgenden Abschnitt wollen wir lediglich zeigen, daß die im jetzigen
Kapitel vernachlässigten Ausdrücke klein sind. Der eilige Leser kann diese Abschätzun-
gen, ohne daß er an Verständnis für das Weitere verliert, überschlagen.
Wir beginnen mit dem Ausdruck (11.22). Dieser Operator wird auf eine Wellenfunk-
tion angewendet, so daß wir, um die Abschätzung vorzunehmen, jeweils den Gesamt-
ausdruck, Operator angewendet auf Wellenfunktion, betrachten müssen. Wir vergleichen
den sich dann ergebenden Beitrag, der von (11.22) herrührt, mit dem kinetischen Ener-
giebeitrag von dem Hamilton-Operator (11.24). Wie wir aus der Oszillatortheorie her
wissen, ist die kinetische Energie von der gleichen Größenordnung wie die gesamte
Energie, so daß wir unmittelbar als Abschätzung für das erste Glied in (11.24)
h2 ∂2
− f ≈ hω f (11.32)
2m r ∂R2
erhalten.
Für den entsprechenden Ausdruck, der aus (11.22) folgt, erhalten wir durch Verwen-
dung der expliziten Form (11.25) die Abschätzung
h2 1 ∂ h2 1 mrω
− f ≈ (R − Re ) f, (11.33)
m r R ∂R m r Re h
216 11. Quantenmechanische Behandlung von Rotations- und Schwingungsspektren
die sich zu
(R − Re )
= hω f (11.34)
Re
umformen läßt. Hierbei wird die Variable R mit der Verteilungsfunktion (11.25) gewich-
tet, wobei R − Re auf einer Strecke R0 gemäß (11.26) quadratisch exponentiell abfällt.
Wie man anhand numerischer Beispiele leicht sieht, gilt dann die Relation
R − Re Re , (11.35)
(11.34) hω f (11.36)
erhalten, womit gezeigt ist, daß dieses Glied wesentlich kleiner als das Glied (11.32)
ist. Diese Art von Abschätzungen ermöglicht es uns auch zu rechtfertigen, daß wir in
dem Ausdruck für die Rotationsenergie die Größe R2 durch Re2 ersetzt haben. Wenden
wir uns nun schließlich der Rechtfertigung der Born-Oppenheimer-Näherung zu.
Betrachten wir hierzu die Auswirkung des Laplace-Operators der Kernkoordinate R1
auf die Elektronenwellenfunktion
∆1 ψ . (11.37)
Hierbei wollen wir so explizit wie möglich vorgehen und benutzen dazu die aus der
Theorie der Molekülbindung bekannte Wellenfunktion (vgl. Abschn. 4.3)
ψ = ϕ1 (r − R1 ) + ϕ2 (r − R2 ) , (11.38)
∆1 ψ = ∆ψ . (11.39)
Wir erinnern uns nun daran, daß im Mittel die kinetische Energie von der Größenord-
nung der Gesamtenergie W ist
h2
− ∆ϕ ∼ Wϕ . (11.40)
2m 0
Da aber in der Gl. (11.4) das Störungsglied nicht den Faktor 1/m 0 , sondern 1/m 1 ent-
hält, multiplizieren wir (11.40) mit m 0 /m 1 und erhalten somit (11.41)
h2 m0
− ∆ϕ ∼ Wϕ . (11.41)
2m 1 m1
Daraus wird aber ersichtlich, daß der Energiebeitrag, der von dem Störglied herrührt, um
einen Faktor m 0 /m 1 kleiner ist als derjenige, der von der Energie des Elektrons gemäß
(11.40) stammt. Wird m 1 hinreichend groß, so wird dieses Glied (11.41) beliebig klein.
Hierbei haben wir noch zu berücksichtigen, daß W unabhängig von den Kernmassen
m 1 , m 2 ist. Da der Laplace-Operator ∆ de facto größenordnungsmäßig Multiplikation
11.2 Die Rotation drei- und mehratomiger Moleküle 217
der Wellenfunktion mit 1/Länge2 bedeutet, können wir formal aus der linken Seite die
Wurzel ziehen. Wir erhalten dann eine Abschätzung für den Betrag von h∇ψ, gemäß
h|∇ψ| ≈ m 0 W|ψ| . (11.42)
In genau der gleichen Weise erhalten wir für die Funktion der Kernkoordinaten eine
Abschätzung von der Größenordnung
h|∇ R1 Φ| ≈ m 1 E κ |Φ| (E κ : Energie der Kernbewegung) . (11.43)
Unter Verwendung von (11.42) und (11.43) können wir die linken und rechten Seiten
wie folgt miteinander jeweils ausmultiplizieren
h2 m0
|∇ψ||∇ R1 Φ| ≈ WE κ |ψΦ| . (11.44)
2m 1 m1
Wir erinnern uns nun daran, daß die Kerne Schwingungen ausführen, deren Energie von
der Masse gemäß
1
E κ ∼ hω ∼ √ (11.45)
m1
abhängt. Erinnern wir uns ferner an das Wasserstoffproblem, so wissen wir, daß die
Elektronenenergie proportional zur Elektronenmasse m 0 ist
W ∼ m0 . (11.46)
Führen wir noch (11.45) und (11.46) in (11.44) ein, so erkennen wir, daß die linke Seite
3/4
proportional zu m 0 /m 1 ist, d. h., daß auch dieses Glied gegenüber den anderen Glie-
dern, die wir in der Gleichung (11.4) berücksichtigt haben, vernachlässigt werden kann,
wenn nur die Masse der Kerne hinreichend groß ist, was ja schon für die Protonenmasse
in guter Näherung der Fall ist.
Die Abschätzungen, die wir soeben vorgenommen haben, mögen dem präzise den-
kenden Leser vielleicht etwas zu oberflächlich erscheinen, da wir hier immer Operato-
ren angewendet auf Wellenfunktionen in ihrer Größe abgeschätzt haben. Man kann diese
Abschätzung aber ganz exakt machen, indem man zu Erwartungswerten übergeht.
Ausgangspunkt für unsere Überlegungen ist auch hier wieder die Schrödinger-
Gleichung, die wir für das Beispiel eines 3-atomigen Moleküls anschreiben, wobei
wir im vorliegenden Kapitel nur die Bewegung der Kernkoordinaten berücksichtigen.
Die potentielle Energie hängt dabei nur von den Relativkoordinaten ab, die wir durch
R1,3 ≡ R3 − R1 , R2,3 ≡ R3 − R2 (11.47)
abkürzen. Hierbei ist R j , j = 1, 2, 3, wie bisher auch, der Koordinatenvektor des Kerns
mit dem Index j. Wie schon aus der klassischen Mechanik bekannt ist, gilt für ein der-
artiges System der Erhaltungssatz des Gesamtimpulses. Dies gilt auch für die Quan-
tenmechanik; in ihr sind solche Größen bekanntlich gleichzeitig scharf meßbar, deren
zugeordnete Operatoren miteinander vertauschbar sind. In unserem Falle ist der Impuls-
operator P, der durch
h
P= pj = ∇j (11.48)
i
j j
Moleküls befindet. Die Ebene kann selbst noch in zwei Richtungen rotieren, so daß wir
2 Freiheitsgrade haben; hinzu kommt noch eine Rotation der gesamten Kernkoordinaten
in der Ebene. Es bleiben dann auch bei dieser Betrachtung 3 Oszillationen in der Ebene
übrig.
Wenden wir uns der Untersuchung der Drehbewegung und der zugehörigen Energie
zu. Dabei können wir an Abschn. 9.4 anknüpfen. Wie wir aus der klassischen Mechanik
her wissen, spielt bei Drehbewegungen der sogenannte Trägheitstensor
⎛ ⎞
Θxx Θxy Θxz
Θ = ⎝Θ yx Θ yy Θ yz ⎠ (11.52)
Θzx Θzy Θzz
eine grundlegende Rolle. Seine einzelnen Komponenten sind durch die Beziehungen
Θxx = m i Yi2 + Z i2
i
Θ yy = m i X i2 + Z i2
i
Θzz = m i X i2 + Yi2
i
Θxy = − m i X i Yi
i
Θxz = − mi Xi Zi
i
Θ yz = − m i Yi Z i (11.53)
i
gegeben. Da die Kerne als punktförmig angenommen werden, erstreckt sich die Summe
über die drei Kerne mit punktförmig verteilten Massen m i . Hierbei nehmen wir in Ana-
logie zum 2-atomigen Molekül an, daß die Kernkoordinaten in der hier betrachteten Nä-
herung an den Minima des Potentials liegen und keine Oszillationen durchführen. (Diese
untersuchen wir erst weiter unten.) Wählen wir im Falle des 3-atomigen Moleküls ein
Koordinatensystem, so daß die xy-Ebene mit der Ebene des Moleküls zusammenfällt
und die z-Achse darauf senkrecht steht, so sind alle Koordinaten Z i = 0. Damit redu-
ziert sich aufgrund der Definitionen (11.53) der Trägheitstensor auf
⎛ ⎞
Θxx Θxy 0
Θ = ⎝Θxy Θ yy 0 ⎠ . (11.54)
0 0 Θzz
Durch eine Drehung des Koordinatensystems um die z-Richtung können wir ferner er-
reichen, daß die Nichtdiagonalelemente in (11.54) verschwinden, so daß wir also auf
diese Weise den Trägheitstensor auf seine Hauptachsen bringen können
⎛ ⎞
Θx 0 0
Θ = ⎝ 0 Θy 0 ⎠ . (11.55)
0 0 Θz
220 11. Quantenmechanische Behandlung von Rotations- und Schwingungsspektren
(Diese Form des Trägheitstensors läßt sich auch für mehratomige Moleküle immer er-
reichen.)
In der klassischen Physik ist der Drehimpuls mit dem Vektor der Winkelgeschwin-
digkeit ω durch die Beziehung
L = Θω (11.56)
verknüpft. Dabei sind L und ω Vektoren, während Θ eine Matrix ist. Die kinetische
Energie läßt sich dann in der Form
1
E rot = ωΘω (11.57)
2
schreiben, wobei ω der zu ω transponierte Vektor ist. Falls Θ diagonal ist, gelten na-
türlich die Beziehungen
L x = Θx ωx
L y = Θy ωy
L z = Θz ωz . (11.58)
Lösen wir diese nach den Komponenten von ω auf und setzen das Resultat in (11.57)
ein, so erhalten wir als Ausdruck für die kinetische Energie
1 L 2x 1 L 2y 1 L 2z
E rot = + + . (11.59)
2 Θx 2 Θy 2 Θz
Der Gesamtdrehimpuls L setzt sich in der klassischen Mechanik aus den Drehimpulsen
der einzelnen Atome gemäß
L= Li ≡ [Ri , Pi ] (11.60)
i i
h
Pk → ∇k (11.61)
i
ersetzt. Für die Drehimpulse der einzelnen Kerne gelten dann die bekannten Vertau-
schungsrelationen
Sehen wir uns an, was die Quantisierung des Drehimpulses für die Energie E rot (11.59)
bedeutet. Betrachten wir zunächst den Fall, daß für die Trägheitsmomente
Θx = Θ y (11.63)
gilt. Wegen der Beziehung
L2 = L 2x + L 2y + L 2z , (11.64)
die auch für Operatoren gültig ist, können wir (11.59) auch in der Form
1 1 2 1 1
Hrot = L − L 2z + L2 (11.65)
2 Θx 2 Θz z
schreiben, wobei wir gleichzeitig H (Hamilton-Operator) statt der Energie E geschrie-
ben haben. Da die Operatoren L2 und L z untereinander und mit dem Energie-Operator
vertauschen, können wir die Wellenfunktion in der Schrödinger-Gleichung so wählen,
daß diese gleichzeitig Eigenfunktion zu den genannten Operatoren wird. Wir gelangen
so wieder zu den Gln. (11.20a, 11.20b), wobei wir, der Konvention folgend, die zu L z
gehörigen Quantenzahlen mit k bezeichnen, wobei wiederum gilt −J ≤ k ≤ J und k
ganzzahlig ist. Oft setzt man K = |k|. Die Größe hk kann als die Komponente des Ge-
samtdrehimpulses in Richtung der z-Richtung, die mit der z-Hauptachse des Moleküls
gewählt wurde, aufgefaßt werden. Stellen wir uns also nun vor, daß der Operator E rot
schließlich auf die entsprechende Wellenfunktion FJ,k wirkt, so können wir die Opera-
toren L2 und L 2z durch ihre zugehörigen Eigenwerte h 2 [J(J + 1)] und h 2 K 2 ersetzen.
Damit geht (11.65) in
1 h2 ' ( 1 K2
E rot = J(J + 1) − K 2 + h 2 , 0≤ K ≤ J, (11.66)
2 Θx 2 Θz
über, und es ist uns somit gelungen, die Rotationsenergie auszurechnen.
Da zu jedem Wert K die Quantenzahlen k = K und k = −K und damit die ent-
sprechenden Wellenfunktionen gehören, ist die Energie für K = 0 zweifach entartet
und nur für K = 0 nicht entartet. Während sich die Quantenzahl k auf die Projektion
des Drehimpulses auf die molekülfeste z-Achse bezieht, bezog sich die Quantenzahl M,
die uns in (11.20b) begegnete, auf die raumfeste Achse (die wir jetzt als z
-Achse be-
zeichnen wollen). Dies führt zu der Frage, ob es auch im vorliegenden Falle eine solche
Quantenzahl M gibt. Betrachten wir hierzu diejenige Drehung des Koordinatensystems,
die zwischen dem raumfesten System x
, y
, z
und dem molekülfesten System x, y, z
vermittelt. Insbesondere gilt für die z
-Komponente L z
des Drehimpulses
L z
= aL x + bL y + cL z , (11.66a)
wobei die Konstanten a, b, c von den Drehwinkeln abhängen. Die Relation (11.66a) gilt
zunächst für die klassischen Vektoren, läßt sich dann aber sofort in die Quantentheorie
übertragen, so daß sie nun für die Drehimpulsoperatoren gilt.
Wir fragen uns nun, ob wir neben dem Quadrat des Drehimpulses (mit dem Ope-
rator L2 ) auch seine Komponente in z
-Richtung (mit dem Operator L z
) gleichzeitig
scharf messen können. Wie wir von I, Abschn. 10.2, her wissen, vertauscht L2 nicht
222 11. Quantenmechanische Behandlung von Rotations- und Schwingungsspektren
nur mit L z , sondern auch mit L x und L y und somit auch mit der Linearkombination
(11.66a). L2 und L z
sind also gleichzeitig scharf meßbar. Der Eigenwert zum Operator
L2 ist natürlich wieder h 2 J(J +1), während wir die Eigenwerte zu L z
jetzt in Überein-
stimmung mit früher h M nennen. Wie wir in I zeigten, folgt aus der Operatoralgebra für
L x , L y , L z (oder gleichwertig für L x
, L y
, L z
) und aus Stetigkeitsbedingungen für die
Wellenfunktion, daß 0 ≤ J und ganzzahlig ist, während gilt: −J ≤ M ≤ J, wobei auch
M ganzzahlig ist. Die Quantenzahl M kann gemessen werden, indem man das Molekül
einem elektrischen oder magnetischen Feld in z
-Richtung aussetzt. Da aber L z
nicht
mit L 2z vertauscht werden kann (sofern nicht a = b = 0), und der Energieoperator von
L 2z abhängt, ist in diesem Falle die Energie (11.65) nicht mehr scharf meßbar.
Betrachten wir nun den Fall, daß alle Trägheitsmomente längs der Hauptachsen von ein-
ander verschieden sind. Die kinetische Energie für die Rotationsbewegung läßt sich dann
in der Form
Hrot = A x L 2x + A y L 2y + A z L 2z (11.67)
schreiben, wobei wir die Abkürzung
1
A j = Θ −1 , j = x, y, z (11.68)
2 j
benutzt haben. Wir führen Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren für die z-Kompo-
nente des Drehimpulses ein, die wir gemäß I, Abschn. 10.2 mit Hilfe von
L ± = L x ± iL y (11.69)
definieren. Die Anwendung des Operators L + auf eine Wellenfunktion mit der Drehim-
pulsquantenzahl k führt diese in eine mit einer um 1 erhöhten Quantenzahl über, ent-
sprechend verringert der Operator L − diese Quantenzahl um 1. Die Gl. (11.69) läßt sich
nach L x und L y gemäß
1
L x = (L + + iL − ) (11.70)
2
und
1
Ly = (L + + iL − ) (11.71)
2i
auflösen. Setzen wir L x und L y gemäß dieser Beziehungen in (11.67) ein, ordnen um
und verwenden noch die Abkürzungen
1 1
α = (A x − A y ) , β = (A x + A y ) , (11.72)
4 4
so erhalten wir als Ausdruck für den Hamilton-Operator der Rotation
Hrot = α L 2+ + L 2− + β(L + L − + L − L + ) + A z L 2z . (11.73)
11.2 Die Rotation drei- und mehratomiger Moleküle 223
Wir benutzen nun die Eigenschaft, daß (11.69) die Quantenzahl k um 1 erhöht bzw.
erniedrigt. Bei zweimaliger Anwendung der entsprechenden Operatoren auf die Eigen-
funktionen FJ,k des Drehimpulses erhalten wir dann
und
gegeben, wie man anhand der Formeln von (10.36) und (10.37) von I nachrechnen kann.
Ferner gilt natürlich
1
(L + L − + L − L + )FJ,k = h 2 [J(J + 1) − k2 ]FJ,k . (11.78)
2
Unsere Aufgabe ist es nun, die Eigenwerte und Eigenfunktionen des Operators (11.73)
zu finden, d. h. wir haben die Schrödinger-Gleichung
zu lösen. Hierbei haben wir den Eigenwert auf der rechten Seite in die spezielle Form
h 2 λ gebracht. Wegen des Auftretens der Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren in
Hrot (11.73) können wir nicht mehr damit rechnen, daß k eine gute Quantenzahl ist.
Vielmehr haben wir jetzt eine Linearkombination in der Form
+J
f = ck FJ,k (11.80)
k=−J
anzusetzen. Dabei können wir uns aber auf Funktionen FJ,k mit festem J beschränken,
da L2 mit Hrot vertauscht. Setzen wir (11.80) in (11.79) ein, so erhalten wir unter Ver-
wendung der Beziehungen (11.74)–(11.78) die Relation
+J
[αck a J,k FJ,k+2 + αck b J,k FJ,k−2
k=−J
+ (2β(J(J + 1) − k2 ) + A z k2 − λ)ck FJ,k ] = 0 , (11.81)
wobei wir den Eigenwert λ auf die linke Seite gebracht und die Gleichung durch den
Faktor h 2 dividiert haben. Die Koeffizienten α, β und A z entstammen dem Hamilton-
224 11. Quantenmechanische Behandlung von Rotations- und Schwingungsspektren
Operator Hrot . a J,k und b J,k sind in (11.76) definiert. Im folgenden benützen wir noch
die Abkürzung
Betrachten wir J = 2. Die Gln. (11.84) zerfallen in solche für gerade k und solche für
ungerade k. Für gerade k erhalten wir die drei miteinander gekoppelten Gleichungen
J = 2 (g2 − λ)c2 + αc0 a0 = 0
αb2 c2 + (g0 − λ)c0 + αc−2 a−2 = 0
αc0 b0 + (g−2 + λ)c0 = 0 , (11.88)
wobei
g2 ≡ g2,2 = 4β + 4A z , g0 ≡ g2,0 = 12β , g−2 ≡ g2,−2 = 4β + 4A z ,
√ √
a0 ≡ a2,0 = 2 6 , a−2 ≡ a2,−2 = 2 6 ,
√ √
b0 ≡ b2,0 = 2 6 , b2 ≡ b2,2 = 2 6 .
Diese sind nur dann nicht-trivial lösbar, wenn die Determinante
g2 − λ αa0 0
αb2 g0 − λ αa−2 = 0 (11.89)
0 αb0 g−2 − λ
verschwindet, was, wie immer, eine Säkulargleichung für die Eigenwerte λ bedeutet.
Mit den bekannten Koeffizienten läßt sich die Gleichung 3. Grades für λ leicht lösen.
Im Falle, daß k ungerade ist, zerfallen die Gln. (11.84) in zwei ungekoppelte Glei-
chungen
(g1 − λ)c1 = 0 (11.90)
und
(g−1 − λ)c−1 = 0 , (11.91)
wobei
g1 ≡ g2,1 = 10β + A z
g−1 ≡ g2,−1 = 10β + A z ,
aus denen wiederum die Eigenwerte λ sofort zu entnehmen sind. Im Falle J = 3 schließ-
lich zerfällt das Gleichungssystem (11.84) in die geraden und ungeraden k’s. Für die un-
geraden k-Werte erhalten wir ein Gleichungssystem, dessen Koeffizientendeterminante
die Gestalt
x − λ x 0 0
x x−λ x 0
0 =0
x x − λ x
(11.92)
0 0 x x−λ
hat. Die x-Zeichen sollen dabei andeuten, daß an den entsprechenden Stellen von 0 ver-
schiedene Koeffizienten vorkommen. Aus dieser Form wird schon das allgemeine Bil-
dungsgesetz für die Gleichungen und die zugehörige Säkulardeterminante ersichtlich. Es
treten von 0 verschiedene Glieder nur in der Hauptdiagonalen und in den beiden links
und rechts benachbarten Diagonalen auf. Dies ermöglicht es übrigens, das Gleichungs-
system Schritt für Schritt zu lösen. Die letzte Gleichung stellt eine Selbstkonsistenzbe-
dingung dar, die äquivalent mit dem Verschwinden der Determinante (11.92) ist. Auf
226 11. Quantenmechanische Behandlung von Rotations- und Schwingungsspektren
diese Weise wird es möglich, die Energiewerte h 2 λ sowie die zugehörigen Eigenfunk-
tionen für jede gewünschte Quantenzahl J zu berechnen. Damit ist unsere Aufgabe, die
Rotationsenergien des Moleküls zu berechnen, beendet.
Im nächsten Abschnitt wenden wir uns den Molekül-Schwingungen zu.
j, j ,l,l
j, j ,l,l
11.3 Die Schwingungen drei- und mehratomiger Moleküle 227
übrig. Um W in einer einfachen Form schreiben zu können, führen wir neue Variable η
gemäß
ξ j,x → η3( j−1)+1
ξ j,y → η3( j−1)+2
ξl,z → η3( j−1)+3 (11.97)
ein, wobei wir ersichtlich die Durchnumerierung ändern müssen, so daß der Index k von
ηk gemäß
k = 1, . . . , 3M = M (11.98)
läuft. Für W erhalten wir so einen Potentialausdruck in der Form
1
W= ηk Akk
ηk
, (11.99)
2
k,k
wobei
∂2 V
Akk
= . (11.100)
∂ηk ∂ηk
gegeben ist. Es liegt nahe, auch hier die neuen Bezeichnungen (11.97) einzuführen, was
mit Hilfe der Relation
k = m [(k−1)/3+1]
m (11.102)
geschehen kann. Die eckige Klammer hierin bedeutet, daß man in ihr die größte ganze
Zahl, die der Bruch (k − 1)/3 darstellt, nehmen soll.
k−1 0
Für k = 1 gilt ≡ = 0,
3 3
1
für k = 2 gilt = 0,
3
2
für k = 3 gilt = 0 und erst
3
3
für k = 4 erhalten wir = 1,
3
4
für k = 5 gilt = 1 etc.
3
k läßt sich die kinetische Energie der
Mit Hilfe der durch (11.102) definierten Massen m
Kernschwingungen in leicht ersichtlicher Weise in der Form
228 11. Quantenmechanische Behandlung von Rotations- und Schwingungsspektren
1
E kin = k η̇2k
m (11.103)
2
k
schreiben. Mit Hilfe von (11.99) und (11.103) erhalten wir als erstes wichtiges Ergebnis
die Hamilton-Funktion
1
H = E kin + W = k η̇2k + W ,
m (11.104)
2
k
wobei wir, im Sinne des Hamilton-Formalismus, die Geschwindigkeiten η̇k noch durch
die Impulse pk = mk η̇k auszudrücken haben. Da W quadratisch oder bilinear in den
Auslenkungen ηk ist, stellt (11.104) die Energie gekoppelter Oszillatoren dar. Deren Be-
wegungsgleichungen lauten
∂W
k η̈k = −
m (11.105)
∂ηk
oder, wenn wir W (11.99) einsetzen
3M
k η̈k = −
m Akk
ηk
, (11.106)
k
=1
wobei Akk
durch (11.100) gegeben ist.
Die Koeffizienten Akk
in (11.99) fassen wir gemäß
A = (Akk
) (11.107)
in (11.103) zu der Diagonal-
zu einer Matrix A zusammen und ebenso die Massen m
:
matrix m
⎛ ⎞
m1
⎜ 2 ⎟
=⎝ m
m ⎠. (11.108)
..
.
W und E kin nehmen dann die einfache Gestalt
1
W = ηT Aη (11.109)
2
bzw.
1
E kin = η̇T m
η̇ (11.110)
2
an.
Unser weiteres Ziel ist es, eine Transformation des Vektors η auf einen neuen Vektor
durchzuführen, so daß sich W in einem Ausdruck darstellen läßt, der analog zu (11.109)
ist, wobei aber dann auch A zu einer Diagonalmatrix gemacht wird. Die Schwierigkeit
ist zunächst dabei, daß mit einer solchen Transformation von η zu neuen Koordinaten
als Diagonal-
nicht ohne weiteres gewährleistet ist, daß E kin in der Form (11.110) mit m
matrix erhalten bleibt. Um diese gleichzeitige Diagonalisierung von W und E kin durch-
führen zu können, greifen wir zu einem Trick, indem wir die folgende Transformation
zu dem neuen Vektor ζ vornehmen
11.3 Die Schwingungen drei- und mehratomiger Moleküle 229
1/2 η = ζ .
m (11.111)
Die Wurzel aus der Diagonalmatrix m definieren wir dabei einfach als eine neue Dia-
gonalmatrix, deren Elemente gerade die Wurzeln aus den ursprünglichen sind
⎛ 1/2 ⎞
1
m
⎜ 2
1/2 ⎟
1/2 = ⎝
m m ⎠. (11.112)
..
.
−1/2 A
m m −1/2 = B (11.114)
abkürzen. Wie man leicht nachrechnet, ist mit A auch B eine symmetrische Matrix.
Nach diesen Transformationen nehmen (11.109) und (11.110) die Gestalt
1 T
W= ζ Bζ (11.115)
2
bzw.
1
E kin = ζ̇ 2 (11.116)
2
an.
Bei all diesen Betrachtungen müssen wir berücksichtigen, daß η bzw. ζ nichts an-
deres sind als zeitabhängige Vektoren, wie sie uns früher in Form der ξ begegnet sind.
Wie man leicht nachrechnet, gehen die Bewegungsgleichungen (11.106) für die ηk in
die folgenden Gleichungen für ζk über:
ζ̈k = − Bkk
ζk
(11.117)
k
ζ̈ = −Bζ . (11.118)
Zur Lösung dieser Differentialgleichungen machen wir den Ansatz
ζ(t) = eiωt ζ(0) + konj. komplex (11.119)
Da die Gln. (11.118) linear sind, genügt es, wenn wir den ersten Teil von (11.119) in
(11.118) einsetzen, ω und ζ(0) bestimmen und erst dann die konjugiert komplexe Lö-
sung in (11.119) hinzufügen, damit ζ reell wird. Wir setzen also ζ = eiωt ζ(0) in (11.118)
ein, führen die Differentiation nach der Zeit aus und kürzen durch eiωt durch. Es ver-
bleiben die linearen algebraischen Gleichungen
Diese sind dann nicht trivial lösbar, wenn die zugehörige Determinante
Det(B − ω2 1) = 0 (11.121)
schreiben. Wie eine genauere Analyse ergibt, verschwinden drei Eigenfrequenzen, was
daher rührt, daß die Gleichungen Lösungen erlauben, die einer gleichförmigen Trans-
lationsbewegung aller Kerne entsprechen. Im folgenden wollen wir diese Frequenzen
und zugehörigen Eigenfunktionen nicht mehr berücksichtigen, da dies ja schon bei der
Behandlung der Schwerpunktbewegung erfolgt ist.
Wie wir schon bemerkten, sind A und damit auch B symmetrische Matrizen. Die Ei-
genfunktionen solcher symmetrischer Matrizen haben die Eigenschaft, daß für sie die
Orthogonalitätsrelationen
&
1 für j = k
ζ Tj · ζk = δ jk = (11.123)
0 für j = k
gelten.
Wir entwickeln den allgemeinen Vektor ζ(t) in eine Überlagerung der Eigenvekto-
ren ζ(0)
ζ(t) = β j (t)ζ j (0) . (11.124)
j
Da mit einem positiven Wert von ω auch ein negativer Wert von ω Eigenwert zu (11.120)
ist, müssen wir die Zeitfunktion β j in der allgemeinen Form
annehmen. Rechnen wir nun den Ausdruck für die kinetische Energie E kin mit Hilfe der
Entwicklung (11.124) auf die Variablen β j um. Wir erhalten dann
1 1 1
E kin = ζ̇ 2 = ζ̇ T · ζ̇ = β̇ j ζ Tj (0) β̇k ζk (0) (11.126)
2 2 2
j k
In entsprechender Weise gehen wir bei W vor, indem wir auch hier (11.124) in (11.115)
einsetzen und damit
1
W= β j (t)ζ Tj (0)B βk (t)ζk (0) (11.128)
2
j k
erhalten. Wir berücksichtigen, daß für jeden Index k die Relationen (11.120), d. h.
bringen.
Betrachten wir den Ausdruck für die Gesamtenergie, der sich aus der Summe von
E kin und W zusammensetzt, Hvib = E kin + W, so erhalten wir mit Hilfe von (11.127)
und (11.130) das Resultat
1
Hvib = β̇k2 + ω2k βk2 . (11.131)
2
k
Dieser Ausdruck hat eine sehr einfache Bedeutung. Wir erkennen, daß die Gesamtener-
gie sich als eine Summe von unabhängigen Oszillatoren schreiben läßt. Dieser Zusam-
menhang wird besonders deutlich, wenn wir βk mit der Koordinate Q k eines Oszillators
und β̇k mit dem Impuls Pk dieses Oszillators identifizieren, wobei wir die Masse formal
m = 1 zu setzen haben:
⎫
βk → Q k ⎪ ⎬
β̇k → Pk . (11.132)
⎪
⎭
m=1
Fassen wir zusammen: Wir haben gesehen, daß sich im Falle elastischer Bindungen zwi-
schen den Kernen die kinetische und potentielle Energie mit Hilfe einer Koordinaten-
transformation so schreiben läßt, daß sie als eine Summe ungekoppelter harmonischer
Oszillatoren erscheint.
232 11. Quantenmechanische Behandlung von Rotations- und Schwingungsspektren
Jetzt können wir noch den letzten Schritt vollziehen. Wie wir wissen, können wir die
Energie des harmonischen Oszillators sofort quantisieren. Die Schrödinger-Gleichung
lautet damit
Hvib Φ = E vib Φ ,
wobei Hvib durch
1
Hvib = Pk2 + ω2k Q 2k
2
k
gegeben ist. Oft is es noch eleganter, statt Q k , Pk die Erzeugungs- und Vernichtungs-
operatoren für Schwingungsquanten einzuführen:
Bk+ = (ωk Q k − iPk )/ 2hωk
Bk = (ωk Q k + iPk )/ 2hωk .
Damit geht Hvib über in
+ 1
Hvib = hωk Bk Bk + ,
2
k
1
wobei 2 k hωk die Nullpunktsenergie der Schwingungen darstellt.
Einige Bemerkungen sind noch angebracht. Ganz ersichtlich sind wir bei der Be-
handlung von drei- und mehratomigen Molekülen nicht mehr ganz so konsequent wie
beim zweiatomigen Molekül vorgegangen, wo wir von der Schrödinger-Gleichung aus-
gingen, die wir dann mit Hilfe geeigneter Koordinatentransformationen auf eine Form
brachten, die deutlich zeigte, wie hier Translationsbewegung, Rotationsbewegung und
innere Schwingung quantisiert sind. Genau den gleichen Weg hätten wir auch bei dem
drei- oder mehratomigen Molekül gehen können, doch sind dann die einzelnen Schritte
der Koordinatentransformationen sehr aufwendig in der Darstellung. Hier haben wir also
einen etwas einfacheren Weg gewählt, bei dem wir uns von der klassischen Mechanik
haben leiten lassen, und wo wir auch zu dem richtigen Resultat kommen. Natürlich ha-
ben wir bei einer genaueren Behandlung, wie schon beim zweiatomigen Molekül, wei-
tere Effekte zu berücksichtigen, wie z. B. Anharmonizitäten in der potentiellen Energie
bei größeren Auslenkungen der Kernkoordinaten aus ihren Ruhelagen, usw.
in (11.136) ein, so erkennen wir sofort, daß die potentielle Energie V unverändert ge-
blieben ist.
Wir prüfen nun nach, wie sich die Bewegungsgleichungen unter der genannten Spie-
gelung verhalten. Die zur Energie (11.133) gehörigen Bewegungsgleichungen lauten
Γ1 bzw. Γ2 gehörigen Darstellungen lassen sich mit Hilfe der Formel (6.58) sofort kon-
struieren, aber auch direkt – im vorliegenden Falle – einsehen. Wie wir nämlich schon
in Kap. 5 bei der Besprechung der Parität gesehen haben, lassen sich die Funktionen
durch gerade bzw. ungerade Parität beschreiben. Setzen wir
m 1 ξ̈1 = 0 , (11.150)
ξ2 = ξ1 = a + bt (11.151)
also die Gleichung eines harmonischen Oszillators. Die Lösung läßt sich sofort mit Hilfe
des Exponentialansatzes ξ1 (t) = ξ1 (0)eiωt finden. Für die Frequenz ω ergibt sich die
Gleichung
2K
m 1 ω2 = 2K , also ω = ± . (11.153)
m1
11.5 Zusammenfassung
In diesem Kapitel haben wir die Kernbewegung mit Hilfe der Quantentheorie behan-
delt. Am Beispiel des 2-atomigen Moleküls sahen wir, wie sich die Bewegung in
Translations-, Rotationsbewegung und Schwingungen aufspalten läßt. Während die
Translationsbewegung keiner Quantisierungsbedingung unterliegt, konnten wir die
quantisierten Energien für Rotation und Schwingung herleiten und erkannten auch
die hier eingehenden Näherungen. Wir untersuchten dann die Rotationsbewegung bei
mehratomigen Molekülen, wobei wir auch den unsymmetrischen Kreisel behandelten,
d. h. ein Molekül, bei dem alle drei Hauptträgheitsmomente voneinander verschieden
sind. Schließlich untersuchten wir die Kernschwingungen, wobei das Problem in zwei
Teilprobleme aufgeteilt werden kann, nämlich ein klassisches Problem, bei dem man
die Normalkoordinaten bestimmt und das Problem der Quantisierung. Wir erläuterten
die Auffindung der Normalkoordinaten am Beispiel eines 2-atomigen Moleküls, das
nur längs der x-Richtung Schwingungen ausführen kann, sowie in gewissem Umfange
an einem 3-atomigen Molekül in der Ebene. Hierbei ist die Darstellungstheorie der
Gruppen von wesentlichem Nutzen.
238 11. Quantenmechanische Behandlung von Rotations- und Schwingungsspektren
Nachdem die Normalkoordinaten klassisch bestimmt sind, kann nun der Hamilton-
Operator in sehr einfacher Weise aufgebaut werden, indem er nämlich aus einer Summe
einzelner Oszillator-Hamilton-Operatoren besteht, so daß das quantenmechanische Pro-
blem sofort lösbar wird. Die Wellenfunktion besteht aus einem Produkt von einzelnen
Oszillator-Wellenfunktionen, von denen sich jede auf eine bestimmte Normalkoordinate
bezieht. Bei der Bestimmung der Normalkoordinaten stellt sich heraus, daß hier einige
Freiheitsgrade automatisch insofern herausfallen, als sie nicht zu Schwingungen Anlaß
geben, sondern zu Translations- und Rotationsbewegungen. Da wir dies nicht explizit
am allgemeinen Falle gezeigt haben, sei dies hier noch ergänzend angefügt.
Aufgaben
11.1 Gegeben sei ein M-atomiges Molekül, wobei die Atomkerne mit den Koordina-
ten R j die Massen m j haben. Die Massen der Kerne sind im allgemeinen wesentlich
größer als die der Elektronen, d. h. die Elektronen können den Kernbewegungen unmit-
telbar folgen. Daher läßt sich in guter Näherung die Bewegung der Kerne unabhängig
von der der Elektronen betrachten, wobei man in Analogie zur klassischen Mechanik
zwischen Translations- und Rotationsbewegung unterscheidet. Sei im folgenden L der
Gesamtdrehimpuls des Moleküls, d. h.
L := L j , L j ist hier der Drehimpuls des Atomkerns j.
j
12.2 Schwingungs-Raman-Spektren
Zunächst berücksichtigen wir einmal keine Molekülrotationen und nehmen an, daß das
Molekül nur schwingt. Bei freien Molekülen müssen wir diese Annahme natürlich spä-
ter fallen lassen.
Die klassische Erklärung des Schwingungs-Raman-Effektes geht von der Erklärung
der Rayleigh-Streuung aus. Bei dieser wird angenommen, daß das streuende Molekül
keine Schwingungen oder Rotationsbewegungen ausführt. Trifft nun Primärlicht mit der
Frequenz νp (oder auch mit ν0 bezeichnet) und der Feldstärke E = E 0 cos(2πνp t)
auf das Molekül, so wird in der Elektronenhülle des Moleküls ein Dipolmoment indu-
ziert, das mit der gleichen Frequenz νp wie der E-Vektor des Primärlichtes schwingt.
Es gilt also
p(t) = αE 0 cos(2πνp t) . (12.1)
Wenn das Molekül dagegen bereits in einer seiner Eigenschwingungen schwingt,
dann wird das induzierte Moment zusätzlich mit der Frequenz νvib der Schwingung
Amplituden-moduliert, sofern sich die Polarisierbarkeit α des Moleküls mit dem Ab-
stand R der schwingenden Atomkerne ändert. Man kann die Polarisierbarkeit als Funk-
tion des Kernabstandes R in eine Reihe entwickeln,
Abb. 12.2. Meßanordnung zur
dα
Beobachtung des Raman-Ef- α(R) = α(R0 ) + (R − R0 ) + Glieder höherer Ordnung . (12.2)
fektes. Die Beobachtung erfolgt dR
vorzugsweise senkrecht zur Ein-
strahl-Richtung, um die Intensi- Durch die Schwingung wird R zeitabhängig. Es gilt
tät des Primärlichtes möglichst
klein zu halten R = R0 + q cos(2πνvib t) . (12.3)
12.2 Schwingungs-Raman-Spektren 241
Schwingungszustand beginnt und in einem Zustand mit kleineren v, zum Beispiel dem
Grundzustand endet, siehe hierzu Abb. 12.3. Es gilt also für Stokes-Linien ohne Berück-
sichtigung von Rotationen für die Wellenzahl des gestreuten Lichtes
Als Raman-Verschiebung bezeichnet man die Differenz ν̄p − ν̄. ν̄p ist, wie bereits vorne
eingeführt, die Wellenzahl des anregenden Primärlichtes, mit ν̄vib wird die Wellenzahl
der Schwingung des Moleküls bezeichnet.
Bei der Stokes-Raman-Streuung hat das Molekül Energie vom Photon aufgenom-
men, bei der Antistokes-Streuung gibt das Molekül Energie ab. Die Intensitätsverhält-
nisse zwischen Stokes- und Antistokes-Linien ergeben sich danach aus den Beset-
zungswahrscheinlichkeiten n der Ausgangszustände, und diese kann man im thermi-
schen Gleichgewicht nach Boltzmann ausrechnen. Sie sind jedenfalls für Stokes- und
Antistokes-Übergänge verschieden groß. Natürlich muß bei sinkender Temperatur die
Intensität der Anti-Stokes-Linien abnehmen, weil ja der Anti-Stokes-Prozeß ein Mole-
kül im Anregungszustand voraussetzt, und mit sinkender Temperatur nimmt die Anzahl
angeregter Moleküle ab.
Es muß dann für die Intensitäten I gelten
IAntistokes n(v = 1)
= = e−hνvib /kT . (12.7)
IStokes n(v = 0)
Setzen wir hier für ν̄vib den Wert 1000 cm−1 und für T 300 K ein, so erhalten wir in
(12.7) den Zahlenwert e−5 , das heißt 7 %0.
Quantentheoretisch gilt auch beim Schwingungs-Raman-Effekt die Auswahlregel
∆v = ±1, (und ±2, ±3, mit viel kleinerer Wahrscheinlichkeit, weil hierfür die nicht-
linearen Beiträge zur Polarisierbarkeit verantwortlich sind). Näheres hierzu wird in
Abschn. 17.2 abgeleitet werden.
12.3 Rotations-Raman-Spektrum
Nun zum Rotations-Raman-Effekt (Abb. 12.4 und 12.5). Auch hier sieht man zu beiden
Seiten der Rayleigh- (also Primär-)Linie eine Folge von Streulinien, jedoch mit Nun
zum Rotations-Raman-Effekt (Abb. 12.4 und 12.5). Auch hier sieht man zu beiden Sei-
ten der Rayleigh- (also Primär-)Linie eine Folge von Streulinien, jedoch mit Abständen,
die Rotationsquanten entsprechen. Auch hier kann man den Effekt in vielen Aspekten
klassisch verstehen. Die Polarisierbarkeit eines nicht-kugelsymmetrischen Moleküls ist,
wie wir bereits in Abschn. 3.2 gesehen haben, anisotrop und muß als Tensor mit den
Haupt-Polarisierbarkeiten α|| und α⊥ behandelt werden, wenn parallel und senkrecht die
lange und die kurze Achse des Polarisierbarkeits-Tensors, das heißt meistens die Figu-
renachse und eine Richtung senkrecht dazu bedeuten. Die Rotation eines Moleküls führt Abb. 12.4. Schema zum Zu-
deshalb ebenfalls zu einer periodischen Modulation des im E-Feld des Primärlichtes in- standekommen des Rotations-
duzierten Dipolmomentes und damit zu einer Modulation der Frequenz der Streustrah- Raman-Spektrums. Links und
lung. Die Frequenzmodulation erfolgt jedoch mit 2νrot , weil bereits nach einer Drehung rechts der Rayleigh-Linie (ν̄p )
des Moleküls um 180◦ die gleiche Polarisierbarkeit vorliegt wie zu Beginn, wegen der
liegen die Stokes- und die
Antistokes-Linien des Raman-
Tensor-Symmetrie. Man erhält also Begleiter der Linie des Primärlichtes bei der dop- Spektrums
pelten Rotationsfrequenz.
Dies kann ein einfacher Schauversuch verdeutlichen, der in Abb. 12.6 veranschau-
licht wird. Das Licht einer mit 50 Hz betriebenen Lampe wird an einem Hantelmodell
von zwei weißen Kugeln reflektiert, die um eine Achse senkrecht zu ihrer Verbindungs-
achse drehbar angeordnet sind und das lineare Hantel-Molekül darstellen. Das reflek-
Abb. 12.5
tierte Licht enthält dann außer der unverschobenen Komponente mit 50 Hz zwei Sei-
tenbänder bei den Wechselfrequenzen (50 ± 2νrot ) Hz. Dies kann mit einem einfachen
Frequenzmesser gezeigt werden.
Mit diesem klassischen Modell erhält man eine zumindest qualitativ weitgehend be-
friedigende Erklärung des Rotations-Raman-Effektes. Er ist bestimmt durch die Dif-
ferenz α|| − α⊥ , das heißt durch die Anisotropie der Polarisierbarkeit des Moleküls,
und tritt nur auf, wenn die Differenz α|| − α⊥ = 0 ist. Diese Bedingung ist für alle
zweiatomigen Moleküle erfüllt, auch für die unpolaren wie H2 , N2 , sowie für CO2 .
Bei symmetrischen Tetraedermolekülen wie CH4 oder CCl4 ist dagegen α|| = α⊥ , es
gibt deshalb keinen Rotations-Raman-Effekt. Die klassische Erklärung für das Auftre-
ten der doppelten Rotationsfrequenz im Abstand der Raman-Linien von der Primärfre-
quenz findet sich quantenmechanisch wieder in veränderten Auswahlregeln, die einem
Zweiphotonen-Prozeß entsprechen.
Die quantentheoretische Behandlung des Rotations-Raman-Effektes als unelastische
Photonenstreuung unter Aufnahme oder Abgabe von Rotationsquanten führt beim linea-
ren Rotator zur Auswahlregel ∆J = ±2. Für den starren Rotator mit den Energieniveaus
F(J ) = hcBJ(J + 1) erhält man damit für die Verschiebung der Rotations-Raman-
Linien gegenüber dem Primärlicht
Bei einem Übergang mit ∆J = +2 wird das Molekül durch den Streuprozeß in
einen höheren Rotationszustand gebracht. Die Wellenzahl des gestreuten Lichtes ist des-
halb kleiner als die des Primärlichtes ν̄p . Die Stokes-Linien des Spektrums erscheinen
also auf der niederfrequenten Seite des Primärlichtes. Für die Antistokes-Linien mit
∆J = −2 gilt entsprechend das umgekehrte.
Das Rotations-Raman-Spektrum eines linearen Moleküls hat dann die in Abb. 12.4
gezeigte Struktur. Die erste Raman-Linie mit J = 0 befindet sich im Abstand 6B von
ν̄p , der Primärlinie, dann folgen weitere Linien im Abstand von jeweils 4B. – Die Inten-
sitätsverteilung im Rotations-Raman-Spektrum ist wie beim früher behandelten Rotati-
onsspektrum durch die thermische Besetzung und durch die Multiplizität der J-Terme
gegeben. Sie wird in Abb. 12.5 verdeutlicht. Abbildung 12.5 soll ferner deutlich ma-
chen, daß wegen der Kleinheit der Rotationsquanten die Anzahl der Rotationsbegleiter
im Raman-Spektrum recht groß sein kann. Der Besetzungsunterschied benachbarter Ni-
veaus ist wegen der Kleinheit der Rotationsquanten im Vergleich zu kT gering, deshalb
ist auch der Intensitätsunterschied zwischen Stokes- und Antistokes-Linien klein.
Die Auswahlregeln hängen von der Symmetrie der Moleküle ab. Beim symmetri-
schen Kreisel, z. B. CH3 Cl, gilt ∆J = 0, ±1, ±2 und ∆K = 0. Das Rotations-Raman-
Spektrum wird linienreicher als das des linearen Rotators, soll hier jedoch nicht weiter
erörtert werden. Im Falle K = 0 gilt ∆J = ±2.
Nun können wir auch die Rotations-Struktur im Schwingungs-Raman-Spektrum
verstehen. Jede Schwingungs-Raman-Linie ist von Rotationsbegleitern umgeben, die
man unter Berücksichtigung der geänderten Auswahlregeln wie die Rotationsstruk-
tur im Rotations-Schwingungsspektrum der Moleküle verstehen kann. Abbildung 12.7
12.3 Rotations-Raman-Spektrum 245
zeigt als Beispiel für eine Meßkurve einen Ausschnitt aus dem Raman-Spektrum von
16 O , nämlich die Schwingungslinie für ν̄ = 1556 cm−1 und die Rotationsbegleiter.
2 e
Die Struktur dieses Raman-Spektrums entspricht der Rotationsstruktur im Infrarot-
Schwingungsspektrum, jedoch gelten jetzt die Auswahlregeln ∆v = ±1(±2, . . . ),
∆J = 0, ±2. Daraus ergeben sich im Vergleich die Unterschiede eines Rotations-
Schwingungsspektrums mit einem Rotations-Schwingungs-Raman-Spektrum. Dies ist
in Abb. 12.8 schematisch erläutert.
Vergleichen wir nun anhand von Abb. 12.8 das Rotations-Schwingungsspektrum
(ohne Raman-Effekt!) mit dem entsprechenden Raman-Spektrum.
Im Rotations-Schwingungsspektrum eines zweiatomigen Moleküls gibt es für
∆v = 1
den R-Zweig , ν̄vib + ν̄rot , ∆J = 1 , ν̄rot = 2B(J + 1)
den P-Zweig , ν̄vib − ν̄rot , ∆J = −1 , ν̄rot = 2BJ
und evtl.
Hierbei steht ν̄rot als Abkürzung für die Rotationsenergie B(4J + 6), siehe dazu (12.8).
Hier wurde durchweg die Anharmonizität und die Kopplung weggelassen, siehe dazu
Kap. 9. Beides führt zu geringfügigen Verschiebungen in den Spektren, wie wir sie be-
reits vorne in den Abschn. 9.2.3 und 9.5 kennengelernt haben, und wie sie im Raman-
Spektrum meistens weniger genau gemessen werden können. Bei größeren Molekülen
ist die Rotations-Feinstruktur der Raman-Spektren kaum auflösbar.
Das gesamte Raman-Spektrum eines Moleküls ist bereits schematisch in Abb. 12.1
gezeigt und wird jetzt verständlich. Unmittelbar neben der Rayleigh-Linie, der Linie des
primären anregenden Lichtes, sieht man die Rotationslinien. Im Abstand der Schwin-
gungslinie ν̄vib beobachtet man den Stokes- und mit kleinerer Intensität auf der anderen
Seite den Antistokes-Bereich der Rotationsschwingungslinien. Dies wiederholt sich mit
abnehmender Intensität als „Obertöne“ im Bereich ±2ν̄vib .
Die Raman-Spektroskopie ist also eine zweite Methode zur Messung von molekula-
ren Rotations- und Schwingungsquanten. Worin liegen nun die Vorteile oder wenigstens
die Unterschiede?
– Man kann durch die Wahl des Primärlichtes die Untersuchung von Rotations- und
Schwingungsspektren aus dem Bereich der Mikrowellen oder des Infraroten in beque-
mer zugängliche Spektralbereiche verlegen, nämlich in den Bereich des Sichtbaren.
– Es gibt Schwingungen und Rotationen von Molekülen, die im Raman-Spektrum auf-
treten, im Infrarot- oder Mikrowellen-Spektrum dagegen nicht. So können zweiato-
mige homonukleare Modelle wie H2 , N2 , O2 nur im Raman-Spektrum untersucht wer-
den, da ihre Rotationen und Schwingungen Infrarot-inaktiv sind.
– Aus dem Polarisationsverhalten der Raman-Spektren erhält man Auskunft über
den Polarisierbarkeits-Tensor der Moleküle. Aus einer Depolarisation des Raman-
Spektrums gegenüber dem Anregungslicht lassen sich Bewegungen der Moleküle in
einem umgebenden Medium, besonders in Flüssigkeiten während des Streuprozes-
ses studieren, wobei die Moleküle nicht nur ihre Lage, sondern auch ihre Orientie-
rung ändern. Wenn sich nämlich das streuende Molekül während des Streuprozesses
bewegt, kann das Polarisationsdiagramm der Streustrahlung sich wegbewegen von
demjenigen, das man für ein unbewegtes Molekül erwartet.
– Beim Raman-Effekt bleibt im Gegensatz zur üblichen Einphotonen-Spektroskopie die
Parität des Zustandes erhalten. Der Grund dafür ist die Beteiligung von zwei Photo-
nen am Gesamtprozeß. Bei Einphotonen-Dipolprozessen ändert sich die Parität, bei
Zweiphotonenprozessen ändert sie sich zweimal, d. h. sie behält ihren Ausgangswert.
– Die Intensität des Raman-Effektes ist von der Frequenz des Primärlichtes weitge-
hend unabhängig, sofern seine Quantenenergie sich von der Anregungsenergie eines
elektronischen Überganges hinreichend stark unterscheidet. Das Lichtquant der An-
regung des Raman-Effektes hνp endet in einem sogenannten virtuellen Niveau, vgl.
12.4 Kernspin-Einflüsse auf die Rotationsstruktur 247
Abb. 12.3. Wenn man sich mit der Quantenenergie des Primärlichtes der Anregungs-
energie eines elektronischen Überganges, das heißt einem reellen Anregungs-Niveau
nähert, wird die Raman-Streuwahrscheinlichkeit größer. Eine solche Verstärkung des
Raman-Spektrums bezeichnet man als Resonanz-Raman-Effekt.
Mit dem Resonanz-Raman-Effekt kann man z. B. bei komplizierten größeren Mole-
külen gezielt bestimmte schwingungsfähige Teile des Moleküls untersuchen, indem man
das Raman-Spektrum mit Primärlicht anregt, dessen Frequenz in der Nähe eines reel-
len Anregungs-Niveaus dieser Molekülteile liegt. Dann ist das Teil-Raman-Spektrum,
das zu diesen Gruppen gehört und ihre charakteristischen Rotationen oder Schwingun-
gen enthält, wesentlich intensiver als die Raman-Spektren anderer Molekülteile.
tisymmetrisch gegen Vertauschung. Man spricht dann von Para-Wasserstoff, p-H2 . Das
statistische Gewicht beider Konfigurationen verhält sich wie 3:1, wie Tabelle 12.1 zeigt.
Die Gesamtwellenfunktion des Moleküls ist das Produkt aus Ortsfunktion (ein-
schließlich Rotation) und Spinfunktion. Vertauschung der Kerne bedeutet beim Han-
telmolekül ein Umdrehen der Hantel, also eine Inversion im Ortsraum. Dabei ändern
die Rotationseigenfunktionen (vgl. Abschn. 11.1) für J = 1, 3, 5, . . . ihr Vorzeichen,
sie haben negative Parität, sind antisymmetrisch gegen Vertauschung. Die Rotations-
funktionen mit J = 0, 2, 4, . . . bleiben unverändert, ihre Parität ist positiv, sie sind
symmetrisch.
Die Gesamtparität ergibt sich als Produkt der Paritäten der am Gesamtsystem betei-
ligten Funktionen. Für Teilchen mit halbzahligem Spin muß sie negativ sein. Zu o-H2 ,
also Wasserstoff-Molekülen mit I = 1, und damit positiver Parität der Spinfunktion,
gehören also Rotationszustände mit negativer Parität, das heißt J = 1, 3, 5 . . . mit dem
statistischen Gewicht 3, wenn die restliche Ortsfunktion positive Parität hat, wie dies
im Grundzustand von H2 verwirklicht ist. Wir werden in Abschn. 13.3 und 13.4 sehen,
daß dies bei der mit dem Quantensymbol 1 Σg+ bezeichneten Grundzustandsfunktion des
Wasserstoff-Moleküls der Fall ist. Der Para-Wasserstoff mit I = 0 und negativer Parität
I MI Wellenfunktion Charakter
o-H2 1 1 ↑↑
1
0 √ (↑↓ + ↓↑) Triplett
2
−1 ↓↓
1
p-H2 0 0 √ (↑↓ − ↓↑) Singulett
2
12.4 Kernspin-Einflüsse auf die Rotationsstruktur 249
symmetrisch gegen Vertauschung wird (16 O ist ein Boson), muß dann die Rotations-
funktion ebenfalls negative Parität haben. Deshalb fehlen im Spektrum die Rotations-
Linien mit geradem J, vgl. Abb. 12.7. – Für 14 N mit J = 1 beobachtet man im Spek-
trum des Moleküls N2 alle Linien in den Raman-Rotationszweigen, aber mit dem Inten-
sitätswechsel im Verhältnis 1:2, wie er sich aus dem Häufigkeitsverhältnis der beiden
möglichen Spineinstellungen im Molekül, nämlich parallel, Iges = 2 und antiparallel,
Iges = 0, ergibt, vgl. Abb. 12.11. Bei N2 -Molekülen mit zwei unterschiedlichen Isoto-
pen, also 14 N15 N, fehlt dieser Intensitätswechsel im Raman-Rotationsspektrum.
Hierzu noch eine historische Anmerkung. Der beobachtete Intensitätswechsel im
Rotations-Ramanspektrum von 14 N wurde bereits 1929 von Heitler und Herzberg da-
mit erklärt, daß der 14 N-Kern ein Boson sein muß und nicht ein Fermion, wie es bis
dahin nach den Vorstellungen über den Aufbau der Kerne aus Protonen und Elektronen
angenommen wurde. Das Neutron war noch nicht bekannt, ebenso wie der Kernspin
I = 1 von 14 N.
Aufgaben
12.1 Berechnen Sie den Linienabstand im reinen Rotationsspektrum von H2 , dessen
Bindungslänge 74,14 pm beträgt. Welchen Meßverfahrens würden Sie sich zur Beob-
achtung des Spektrums bedienen?
12.2 Für welches der Moleküle H2 , H2 O, HCl, CH4 , CH3 Cl, CH2 Cl2 , CH3 CH3 , SF6
kann man ein reines Rotations-Ramanspektrum erwarten?
12.3 Welche der folgenden Moleküle zeigen Infrarot-aktive und welche Raman-
aktive Schwingungsmoden: N2 , C2 H4 , CH3 OH, HD, CCl4 , CS2 , SO2 , NH3 , BeCl2 ,
CH3 COCH3 (Aceton), (CO)5 Re–Re(CO)5 (anorganischer Komplex)?
cm−1 IR Raman
3374 – stark
3287 sehr stark; PR-Struktur –
1973 – sehr stark
729 sehr stark; PQR-Struktur –
612 – schwach
Auf welche Molekülstruktur schließen Sie aus diesen Daten? Weisen Sie die beob-
achteten Spektrallinien den einzelnen Schwingungsmoden zu, und berücksichtigen Sie
die bekannten Schwingungsfrequenzen häufig vorkommender Bindungen, um das Mo-
lekül A2 B2 zu identifizieren.
b) Die IR- und Ramanspektren eines Moleküls AB2 weisen folgende Spektrallinien
auf:
252 12. Raman-Spektren
cm−1 IR Raman
12.10 Der gesamte Kernspin Iges eines zweiatomigen homonuklearen Moleküls mit
I A = I B = I ergibt sich durch Vektoraddition zu
Iges = 2I, 2I − 1, . . . , 0 .
Iges = 2I, 2I − 2, . . . , 0
Aufgaben 253
Nach der Behandlung der im Spektralbereich der Mikrowellen bzw. des Infraroten gele-
genen Rotations- und Rotationsschwingungsspektren von Molekülen in den Kap. 9 und
10 wollen wir uns in diesem und im folgenden Kapitel den elektronischen Übergän-
gen in Molekülen und damit den Bandenspektren im weiteren Sinne zuwenden. Hier-
bei handelt es sich um Spektren im Nahinfrarot sowie im sichtbaren und ultravioletten
Spektralbereich, die aus einer sehr großen Anzahl von Linien mit häufig sehr schwer
zu analysierender Struktur und Ordnung bestehen. Sie erscheinen bei geringerer Auflö-
sung des verwendeten Spektralapparates auch als strukturlose bandartige Spektren, da-
her der Name Bandenspektren. In diesem Kapitel werden die Grundlagen zum Verständ-
nis der Molekülquantenzahlen behandelt. Auch hier folgt einer ausführlicheren Diskus-
sion der zweiatomigen Moleküle in Abschn. 13.3 ein Ausblick auf größere Moleküle in
Abschn. 13.4.
el + G
v
− G
+ Fv
J
− Fv
. (13.2)
256 13. Elektronen-Zustände
13.2 Bindungstypen
Wegen der großen Vielfalt der Moleküle und der großen Unterschiede in ihrem Auf-
bau aus den im Molekül gebundenen Atomen ist es zweckmäßig, drei Grenzfälle der
chemischen Bindung und damit drei Typen von Molekülen zu unterscheiden:
– Ionenmoleküle wie zum Beispiel die Alkalihalogenide NaCl oder LiF sind stark polar,
das heißt, ein Elektron geht mehr oder weniger ganz von einem Partner der Bindung
zum anderen über. Die Moleküle sind hinsichtlich ihrer elektronischen Anregungs-
zustände den Atomen oder Ionen, aus denen sie aufgebaut sind, ähnlich. In Lösung
dissoziieren sie leicht in Ionen, also zum Beispiel NaCl zu Na+ + Cl− .
– Van der Waals-Moleküle wie Hg2 oder Cd2 entstehen bevorzugt durch Bindung zwi-
schen neutralen Atomen, die nur abgeschlossene Elektronenschalen besitzen und
deshalb nur schwache Bindungen, durch induzierte Dipolmomente, mit anderen Ato-
men eingehen können. Die Bindung erfolgt durch sogenannte Van der Waals-Kräfte,
die rasch mit der Entfernung abnehmen. Die Atomzustände bleiben noch stärker
als bei den Ionenmolekülen erhalten. Die Moleküle dissoziieren in die neutralen
Atome.
– Am wichtigsten und physikalisch interessantesten sind schließlich die Atommoleküle
wie H2 , N2 , O2 oder AlH als Beispiele für zweiatomige Moleküle. Bei ihnen fin-
det die Bindung als sogenannte homöopolare oder kovalente Bindung dadurch statt,
daß Elektronen in nichtabgeschlossenen Elektronenschalen der Partner-Atome aus
ihren Atom-Orbitalen neue, beiden Atomen gemeinsame Orbitale bilden, die Mole-
külorbitale. Sie können aus dem Grundzustand in neutrale Atome dissoziieren. Zu
dieser Gruppe gehört eine Vielzahl von Molekülen aus dem Bereich der Organischen
Chemie.
von ihren ganz- oder teilweise aufgefüllten Schalen mit in das Molekül ein. Wir müs-
sen uns daher überlegen, wie diese verschiedenen atomaren Orbitale sich ändern oder
zu Linearkombinationen zusammenfügen, wenn wir die Atome einander nähern.
Folgendes Vorgehen wird eingeschlagen:
Um nun die Molekülorbitale zu verstehen, sehen wir wie schon in den Kap. 4–7 zu-
nächst einmal von Schwingungen und Rotationen ab und betrachten ein festes Kernge-
rüst. Während wir uns dort vorwiegend mit dem Aufbau der Molekülorbitale aus atoma-
ren Wellenfunktionen befaßten, wollen wir hier vornehmlich die Definition und Herlei-
tung der hier maßgeblichen Quantenzahlen kennenlernen. Als einfaches Molekül bauen
wir ein homonukleares zweiatomiges Molekül AB aus den beiden Atomen A und B
nach dem Schema A + B → AB auf. In jedem der beiden Atome sind die Elektronen
bestimmten Atomorbitalen A, B zugeordnet. Aus den getrennten Atomen im Abstand
R = ∞ machen wir durch gegenseitige Annäherung der Atome zunächst das Molekül
mit dem Gleichgewichtsabstand Re . In dieser Konfiguration sind die Elektronen zusätz-
lich zu dem jeweiligen Coulombpotential des ihnen ursprünglich zugeordneten Kerns
dem elektrischen Feld des anderen Kerns ausgesetzt. Dieses ist bezüglich der Kernver-
bindungslinie rotationssymmetrisch. Wenn wir in Gedanken den Kernabstand weiter bis
zum Zusammenfallen der Kerne verkleinern, also nach dem Schema AB → (AB), dann
müssen die Elektronenzustände des Moleküls in diejenigen eines Atoms übergehen, des-
sen Kernladung gleich der Summe der Ladungen der das Molekül aufbauenden Atom-
kerne ist. So kommt man durch gegenseitige Annäherung zum Vereinigten-Kerne-Atom
mit Molekülorbitalen (AB).
Das einfachste Beispiel für ein „Molekül“ ist das H+2 -Ion bestehend aus zwei Pro-
tonen und einem Elektron. Das zugehörige Vereinigte-Kerne-Atom wäre das He+ -Ion,
die Trennung bei R = ∞ ergibt das Atom H und das Ion H+ . Potentialkurven für die
Moleküle H2 und H+ 2 sind in Abb. 13.1 dargestellt.
Die energetische Reihenfolge der Elektronenterme von normalen, stark gebundenen
Molekülen mit kleinem Kernabstand kann man auch verstehen, indem man vom verei-
nigten Kerne-Atom ausgeht. Wenn man die Kerne etwas trennt, also vom He+ zum H+ 2
übergeht, herrscht zwischen ihnen ein starkes elektrisches Feld in Richtung der Kern-
verbindungslinie. Dieses wirkt auf die elektronischen Terme wie vom Stark-Effekt bei
Atomen her bekannt. Bei schwächer gebundenen Molekülen mit großem Kernabstand ist
die bessere Näherung diejenige, die von den getrennten Atomen ausgeht. Diese beiden
Grenzfälle können als Orientierung und Hilfsmittel beim Verständnis der Termschemata
von Molekülen und der Bildung von Molekülorbitalen aus Atomorbitalen dienen.
Wir beginnen mit der Vorstellung, daß wir durch Annäherung der Atome A und B
das Molekül AB realisieren, wobei gleichzeitig die Atomorbitale A, B in Molekülorbi-
tale AB überführt werden. Dadurch ergeben sich für die Atome folgende Änderungen
(vgl. Kap. 4):
258 13. Elektronen-Zustände
– Die Zentralsymmetrie des Coulombpotentials wird aufgehoben. Es wirkt auf die Elek-
tronen zusätzlich ein elektrisches Feld in Achsen (z)-Richtung.
– Die Elektronen gehören gleichzeitig zu beiden Atomen.
– Die ursprünglich miteinander entarteten Terme spalten auf.
Dies hat die folgenden Konsequenzen. Zunächst einmal zu den Quantenzahlen,
die die Zustände charakterisieren: Während bei unendlichem Abstand der Atome die
Atomelektronen durch Eigenfunktionen mit den 4 Quantenzahlen n (Hauptquantenzahl),
l (Drehimpuls), m l (magnetische Quantenzahl) und m s (Spinquantenzahl) charakteri-
siert werden können, ist nun wegen der Abweichung von der Zentralsymmetrie des
Coulombfeldes die Drehimpulsquantenzahl l keine gute Quantenzahl mehr, hingegen
jedoch noch die magnetische Quantenzahl m l , bezogen auf die Kernverbindungslinie
als Vorzugsrichtung. Der Bahndrehimpuls l der Elektronen präzediert um die Kernver-
bindungslinie z mit einer gequantelten z-Komponente. Für diese gilt
lz = ml h , mit m l = l , l − 1, . . . − l . (13.3)
Die Energie dieser Zustände ist im axialsymmetrischen elektrischen Feld der Kerne im
Gegensatz zum Verhalten im Magnetfeld gleich groß für die Orientierungen von l z in
Feldrichtung und gegen die Feldrichtung, weil die Wirkung eines elektrischen Feldes
auf ein präzedierendes Elektron unabhängig von dessen Umlaufsinn ist. Diese Entartung
kann allerdings durch eine Störung wie die Rotation des Moleküls aufgehoben werden.
Sonst gilt also für die Energie, daß sie nur geraden Potenzen von m proportional sein
kann, das heißt es geht nur der Betrag von m l ein.
Deshalb führt man in der Molekülphysik als weitere Quantenbedingung die Größe λ
ein:
λ = |m l | = l, l − 1, . . . 0 . (13.4)
13.3 Einelektronenzustände zweiatomiger Moleküle 259
Obwohl die Bahndrehimpuls-Quantenzahl l keine gute Quantenzahl mehr ist, hat sie
dennoch ihre Bedeutung. Einmal nämlich bei den inneren, ohnehin abgeschirmten Scha-
len wird sie noch annähernd gültig sein, aber auch in dem Falle, wo es zu einer stärkeren
Wechselwirkung kommt, wird sie uns noch Auskunft darüber geben können, woher das
spezielle Atomorbital, das in das Molekülorbital eingeht, herrührt. Deshalb behält man
in der Molekülphysik diese Bahndrehimpuls-Quantenzahl l bei. Wir besprechen nun die
Bezeichnungen der Elektronenzustände mit Quantenzahlen näher.
Bahnwellenfunktionen von Elektronenzuständen mit λ = 0, 1, 2, . . . nennt man
σ, π, δ . . . Orbitale in Analogie zur Bezeichnung s, p, d, f , die für Elektronen in Ato-
men mit l = 0, 1, 2, 3 gilt. Molekülorbitale mit λ = 0 sind zweifach entartet entspre-
chend den Quantenzahlen ±m. Die Entartung kann durch eine weitere Störung wie die
Rotation des gesamten Moleküls aufgehoben werden. Wie bei den Atomelektronen gel-
ten die Beziehungen l ≤ n − 1 und λ ≤ l. Die verschiedenen Drehimpulszustände
bezeichnet man also nach folgendem Schema:
ml : 0 ±1 ±2 ±3
λ: 0 1 2 3
Symbol : σ π δ ϕ.
Mit Ausnahme der σ-Zustände sind alle Drehimpulszustände zweifach entartet, außer-
dem gibt es für jeden dieser Zustände noch zwei Einstellungsmöglichkeiten des Spins
relativ zur Vorzugsachse, m s = ± 12 . σ-Zustände können also 2 Elektronen aufnehmen,
die übrigen Zustände je 4 Elektronen.
Zur weiteren Kennzeichnung von Orbitalen mit gleichem λ benutzt man die Quan-
tenzahlen, die in den völlig getrennten Atomen gelten. Sie stellt man dem Symbol für
λ nach, und man bezeichnet den Herkunftsterm mit einem Index, also zum Beispiel
σ1s A , σ2 p B , um damit auszudrücken, daß es sich um Elektronen mit der Quantenzahl
λ = 0 handelt, die ursprünglich, d. h. vor der Molekülbildung, zu den Atomen A und B
als 1s- bzw. 2 p-Elektronen gehört haben. Wir kennzeichnen also die molekularen Elek-
tronenzustände durch die Symbolik λnl.
Man kann die Orbitale mit gleichem λ auch dadurch unterscheiden, daß man die
ursprünglichen Quantenzahlen n und l, aus dem der Elektronenzustand des Moleküls
hervorgeht, dem Molekülorbitalsymbol mit kleinen griechischen Buchstaben voranstellt,
also z. B. 1sσ, 2sσ, 2 pσ, 2 pπ. Diese Bezeichnungsweise ist besonders dann üblich,
wenn man vom Vereinigten-Kerne-Atom ( AB) ausgeht. n und l sind dann die Quan-
tenzahlen von ( AB). Zum Beispiel ist ein 3dπ-Elektron eines Moleküls ein Elektron
mit den Quantenzahlen n = 3, l = 2, λ = 1. Nähert man sich dem realen Molekül von
den beiden Grenzfällen, unendlicher Kernabstand bzw. Kernabstand = 0, so sind die
Quantenzahlen n, l, die zu einer bestimmten Elektronenfunktion des Moleküls führen,
für das Vereinigte-Kerne-Atom in vielen Fällen verschieden von denen der ursprüng-
lich weit getrennten Atome. Die Quantenzahl λ ist dagegen im gesamten Bereich von
sehr kleinen bis zu sehr großen Kernabständen eine „gute“ Quantenzahl. Während
der Drehimpuls um die als Vorzugsrichtung dienende Kernverbindungslinie präzediert,
bleibt seine Projektion auf diese Richtung erhalten.
Schließlich kennzeichnet man noch die Symmetrie. Als „gerade“, Index g, oder „un-
gerade“, Index u, bezeichnet man Orbitalwellenfunktionen, je nachdem ob sie symme-
trisch oder antisymmetrisch relativ zu einem Symmetriezentrum des Moleküls, also zu
einer Inversion sind. σg ist also eine gerade, σu eine ungerade Funktion mit λ = 0. Das
ist besonders bei homonuklearen Molekülen wichtig.
260 13. Elektronen-Zustände
Wenn man etwa aus zwei 1s-Orbitalen der getrennten Atome A und B durch Linear-
kombination Molekülorbitale bildet, so gibt es die symmetrische und die antimetrische
Kombination, also
1
σg 1s = √ (σ1s A + σ1s B )
2
1
σu 1s = √ (σ1s A − σ1s B ) . (13.5)
2
Die Funktion σu entspricht einem antibindenden Zustand, wie in Abschn. 4.4 und 6.7 ge-
∗
√ Zustände bezeichnet man auch mit einem Stern, also σu . In
zeigt. Solche nichtbindende
(13.5) ist der Faktor 1/ 2 ein Normierungsfaktor, wie bereits in Kap. 4 eingeführt, wo-
bei wir das Überlappungsintegral S vernachlässigen. Für das Wasserstoff-Molekül sind
diese beiden Elektronen-Konfigurationen in Abb. 13.2 dargestellt. Jedes dieser Mole-
külorbitale kann mit maximal zwei Elektronen besetzt werden, die sich in ihrer ma-
gnetischen Spinquantenzahl m s = ±1/2 unterscheiden. Die beiden Elektronen des H2 -
Moleküls können beide im bindenden Orbital σ untergebracht werden. Damit hat das
Molekül H2 einen stabilen Grundzustand mit der Konfigurationsbezeichnung 1sσ 2 . (σ 2
bedeutet, daß es sich um 2σ-Elektronen handelt.) Anders ist es beim Molekül He2 ,
wie in Abb. 13.3 gezeigt. Von den 4 Elektronen müssen zwei im antibindenden Orbital
σ ∗ sitzen, die Elektronenkonfiguration lautet also 1sσ 2 1sσ ∗2 . Weil die nichtbindende
Wirkung der beiden σ ∗ -Elektronen die bindende der beiden σ-Elektronen überwiegt,
ist der Grundzustand insgesamt nicht stabil. Wenn dagegen eines der Elektronen aus
dem antibindenden Zustand 1σ ∗ in einen bindenden Zustand 2σ angeregt wird, dann
überwiegt insgesamt wieder der bindende Beitrag. Das im Grundzustand nicht stabile
Molekül He2 hat deshalb einen bindenden Anregungszustand. Ein solches Molekül be-
zeichnet man als Excimer (für excited dimer). Die Elektronenkonfiguration lautet dann
1sσ 2 1sσ ∗ 2sσ.
Wenn man zweiatomige Moleküle mit mehr Elektronen betrachtet, so muß man
die möglichen Orbitale unter Beachtung des Pauli-Prinzips der energetischen Reihen-
folge nach mit Elektronen besetzen. Je zwei Elektronen in einem Molekül müssen sich
nach dem Pauli-Prinzip in mindestens einer der vier Quantenzahlen (n, l, λ und m s )
unterscheiden. Alle Elektronen mit gleichem n, l und λ werden zu einer Elektronen-
schale zusammengefaßt. Abgeschlossene Elektronenschalen besitzen keinen Spin- oder
Bahndrehimpuls. Tabelle 13.1 gibt eine Übersicht über die möglichen Elektronenzu-
stände und -schalen für n = 1 und 2.
Abbildung 13.4 zeigt als weiteres Beispiel die niedersten möglichen Elektronenkon-
figurationen für das Stickstoff-Molekül, N2 , im MO-(Molekülorbital)-Diagramm. Die
möglichen Elektronenzustände werden sukzessive mit den 14 Elektronen besetzt, die zur
Verfügung stehen. Man beachte hierbei jedoch, daß die Reihenfolge der vier obersten
Orbitale in Abb. 13.4 nicht mit derjenigen in Tabelle 13.1 übereinstimmt. Während in
Tabelle 13.1 die Term-Reihenfolge nach dem Modell der getrennten Atome eingetra-
gen ist, ist bei dem N2 -Molekül eine etwas andere Reihenfolge der Molekülorbitale aus
den 2 p-Atomorbitalen realisiert. Diese ist durch bisher nicht berücksichtigte Einflüsse
der übrigen (inneren) Elektronen bedingt. Mehr dazu noch im Korrelationsdiagramm,
Abb. 13.5.
Je zwei Elektronen in Abb. 13.4 besetzen die Orbitale 1sσ und 1sσ ∗ , 2sσ und 2sσ ∗ .
Von den übrig bleibenden sechs Elektronen besetzen vier das Orbital 2 pπ, die beiden
letzten das Orbital 2 pσ. Die sechs obersten Elektronen im Energiediagramm sind für
die Bindung verantwortlich. Sie besetzen 3 bindende Molekülorbitale. Dem entspricht
in der Chemie das Symbol der Dreifachbindung N≡N.
Wenn wir vom N2 -Molekül zum O2 -Molekül weitergehen (ebenfalls in Abb. 13.4
dargestellt), sind zwei weitere Elektronen unterzubringen. Für sie steht das Orbital 2 pπ ∗
262 13. Elektronen-Zustände
3 1
Ω =2− = .
2 2
Wegen der Multiplizität 4 sind auch die Konfigurationen
4
∆7/2 , 4 ∆5/2 , 4 ∆3/2
möglich.
Weiter wird noch in der Termsymbolik berücksichtigt, ob eine Molekülfunktion sym-
metrisch oder antisymmetrisch gegenüber einer Spiegelung an einer Ebene durch die
Kernverbindungslinie ist. Σ + und Σ − bedeutet in diesem Sinne symmetrisch oder an-
tisymmetrisch. Die Symbole g und u schließlich bezeichnen die Parität, das heißt, die
Wellenfunktion behält oder ändert ihr Vorzeichen bei Inversion an einem Symmetrie-
zentrum des Moleküls.
Als weiteres Beispiel betrachten wir ein System von zwei Elektronen, von denen ei-
nes ein σg , das andere ein πu Orbital besetzt. Für Λ erhalten wir 1, es muß sich also ein
Π-Zustand ergeben. Da zwei Spins vorhanden sind, ist ein Triplett-Zustand mit S = 1
oder ein Singulett-Zustand mit S = 0 möglich. Da eines der Elektronen mit dem Index
gerade, das andere mit ungerade gekennzeichnet ist, muß die Gesamtwellenfunktion un-
gerade sein, wir erhalten also die Zustände 3 Πu und 1 Πu als mögliche Zustände für die
Elektronenkonfiguration σg πu . In gleicher Weise kann man zum Beispiel ableiten, daß
zu einer Konfiguration π 2 , das heißt zwei π-Elektronen, die Quantenzahlen Λ = 2 und 0
und die Gesamtzustände 1 Σ + , 1 Σ − , 1 ∆, 3 Σ + , 3 Σ − und 3 ∆ gehören können. Wenn
wir weiter das Pauli-Prinzip berücksichtigen, ergeben sich etwa für die Konfiguration
(2 pπu )2 nur noch die drei Möglichkeiten 3 Σg− , 1 ∆g und 1 Σg+ . Dies ist in Tabelle 13.2
und in Abb. 13.9 am Beispiel der Elektronenkonfiguration des O2 -Moleküls verdeutlicht.
Für das H2 -Molekül zeigt Abb. 13.10 einige mögliche angeregte Elektronenkonfigura-
tionen und dazu das tatsächlich beobachtete (vereinfachte) Termschema der niedersten
Anregungszustände. Ein vollständiges Termschema für das Singulett- und das Triplett-
System von H2 zeigt Abb. 13.11.
Um einen Molekülterm vollständig zu charakterisieren, setzt man schließlich noch
die Quantensymbole der Einzelelektronen vor diejenigen des Gesamtterms.
Den Grundzustand des H2 -Moleküls, das aus zwei Elektronen mit den Molekül-
Quantenzahlen 1sσ aufgebaut ist, können wir also mit den Symbolen (σg 1s)2 1 Σg+ kenn-
zeichnen. Andere Elektronenkonfigurationen der Grundzustände homonuklearer zwei-
atomiger Moleküle zeigt Tabelle 13.3. Hierbei fällt auf, daß viele, aber nicht alle Grund-
zustände von Molekülen Singulett-Zustände mit S = 0 sind. In Tabelle 13.3 sind B2 und
O2 dagegen mit der Gesamtspin-Quantenzahl S = 1 paramagnetisch.
λ1 λ2 s1 s2 Λ Σ Zustand
1 1 + + Pauli verboten –
1 1 + − ⎫
2 0 ⎪
1 1 − + ⎬
1∆
⎪
−1 −1 + − ⎭
−2 0
−1 −1 − +
1 −1 + + ⎫
0 1 ⎪
−1 1 + + ⎬
3Σ−
⎪
1 −1 − − ⎭
0 −1
−1 1 − −
7
1 −1 + − 0 0
1Σ+
1 −1 − + 0 0
13.4 Mehrelektronenzustände und elektronische Gesamtzustände von zweiatomigen Molekülen 267
nen, müssen wir überlegen, wie wir die Elektronen auf die möglichen Orbitale zu vertei-
len haben. Wenn wir alle vorhandenen Elektronen der energetischen Reihenfolge nach
und unter Berücksichtigung des Pauli-Prinzips in die Orbitale verteilen, erhalten wir
den Grundzustand des Moleküls. Für das H2 -Molekül ist das der Zustand 1 Σg+ , bei
dem beide Elektronen in 1sσ-Orbitalen sitzen. Der Grundzustand des O2 -Moleküls ist
in Übereinstimmung mit den aus der Atomphysik bereits bekannten Hundschen Re-
H+2 ↑ 2Σ
g
H2 ↑↓ 1Σ
g
He+ 2 ↑↓ ↑ 2Σ
u
(He2 ) ↑↓ ↑↓ 1Σ
g
Li2 ↑↓ ↑↓ ↑↓ 1Σ
g
(Be2 ) ↑↓ ↑↓ ↑↓ ↑↓ 1Σ
g
B2 ↑↓ ↑↓ ↑↓ ↑↓ ↑↑ 3Σ
g
C2 ↑↓ ↑↓ ↑↓ ↑↓ ↑↑↓↓ 1Σ
g
N2 ↑↓ ↑↓ ↑↓ ↑↓ ↑↑↓↓ ↑↓ 1Σ
g
O2 ↑↓ ↑↓ ↑↓ ↑↓ ↑↑↓↓ ↑↓ ↑↑ 3Σ
g
F2 ↑↓ ↑↓ ↑↓ ↑↓ ↑↑↓↓ ↑↓ ↑↑↓↓ 1Σ
g
(Ne2 ) ↑↓ ↑↓ ↑↓ ↑↓ ↑↑↓↓ ↑↓ ↑↑↓↓ ↑↓ 1Σ
g
13.4 Mehrelektronenzustände und elektronische Gesamtzustände von zweiatomigen Molekülen 269
geln über die sukzessive Auffüllung von Schalen mit Elektronen jedoch paramagnetisch,
3 Σ + . Siehe hierzu auch Abb. 13.9.
g
Um die energetische Reihenfolge der Molekülorbitale zu erhalten, gehen wir von
den Atomorbitalen in den beiden Grenzfällen des Vereinigten-Kerne-Atoms und der ge-
trennten Atome aus und stellen die Verbindung zu den Molekülorbitalen her. Das ist in
Abb. 13.5 für homonukleare zweiatomige Moleküle gezeigt. Bei kontinuierlicher Ver-
größerung des Kernabstandes müssen die Orbitale am linken Rand von Abb. 13.5 in
diejenigen rechts übergehen. Bei der (qualitativ gemeinten) Einzeichnung der Korre-
lationslinien zwischen den beiden Grenzfällen muß man darauf achten, daß Orbitale
gleicher Symmetrie zusammengehören. Linien zwischen Zuständen gleicher Symme-
trie dürfen sich nicht schneiden, das wird in der Quantentheorie gezeigt (Aufhebung
der Entartung!). In Abb. 13.5 sind auch die ungefähren Lagen einiger Moleküle in die-
sem Diagramm eingezeichnet. H2 liegt nahe bei dem Vereinigten-Kerne-Atom, N2 da-
gegen viel näher beim Grenzfall der getrennten Atome. Die in Tabelle 13.3 angegebe-
nen Elektronen-Konfigurationen einer Anzahl homonuklearer Moleküle können wir jetzt
noch besser verstehen.
Natürlich ergeben sich aus den hier beschriebenen Elektronenkonfigurationen au-
ßer den Grundzuständen der betrachteten Moleküle auch deren mögliche Anregungs-
zustände. Für das H2 -Molekül zeigt Abb. 13.11 ein so abgeleitetes Termschema mit
Singulett- und Triplett-Systemen. Es enthält auch die Bezeichnungen der Terme und der
Elektronen-Konfigurationen.
Da die Elektronenanordnung auch die Bindungsverhältnisse zwischen den Atomker-
nen maßgeblich beeinflußt, ist es leicht verständlich, daß zu jeder verschiedenen Elek-
tronenanordnung, das heißt zu jedem angeregten Elektronenzustand des Moleküls, eine
eigene Potentialkurve gehört. Meistens ist das äußerste, das sogenannte Leuchtelek-
tron, an der Bindung beteiligt. Seine Anregung wirkt meistens bindungslockernd. Des-
halb wird der Gleichgewichtsabstand Re der angeregten Zustände meistens größer, die
Dissoziationsenergie D kleiner als die entsprechenden Werte des Grundzustandes. Ab-
bildung 13.12 zeigt als Beispiel Potentialkurven des angeregten H2 -Moleküls. Solche
Kurven berechnet man aus den Meßwerten für Dissoziationsenergie und Schwingungs-
quanten.
Ohne nähere Begründung seien hier noch die Auswahlregeln für elektrische Dipol-
übergänge genannt: Es muß gelten ∆Λ = 0, ±1, ∆S = 0, d. h. es gilt ein Interkombina-
tionsverbot zwischen Zuständen verschiedener Multiplizität, das allerdings wie bei Ato-
men mit schweren Kernen durch Spin-Bahn-Kopplung gelockert wird. Ein Beispiel für
solche Interkombinationsbanden sind die in der Atmosphäre beobachteten Sauerstoff-
Banden des Überganges 3 Σ → 1 Σ des Moleküls O2 , siehe auch Abb. 13.9. Weiterhin
sind nur Übergänge mit Paritätswechsel u → g oder g → u erlaubt.
Die Elektronenzustände größerer Moleküle werden nach den gleichen Prinzipien
klassifiziert wie die der hier behandelten kleinen. Darauf wollen wir hier nicht im
einzelnen eingehen.
Bei der Behandlung der Drehimpuls-Kopplung nach dem Schema
Λ+Σ →Ω ,
wobei der Vektor L um die Kernverbindungsachse und S um das durch Λ gegebene
Magnetfeld präzedieren, haben wir, wie bereits weiter oben erwähnt, allerdings noch
nicht den Drehimpuls N der Molekül-Rotation berücksichtigt. Tatsächlich ergibt sich
der gesamte Drehimpuls des Moleküls aus der Wechselwirkung von N mit dem gesam-
270 13. Elektronen-Zustände
Aufgaben
13.1 Welche Informationen sind in den Termsymbolen 1 Σ + , 1 Σu+ , 3 Φ3 , 3 Φ3− und
3 Φ − enthalten?
g3
c) Wie ändern sich die Elektronenkonfiguration und das Termsymbol beim energe-
tisch tiefsten erlaubten Übergang von O2 ?
13.4 Der angeregte Zustand 3 Πu des Wasserstoffmoleküls H2 ist stabil gegenüber den
beiden H-Atomen, die bei der Dissoziation aus diesem Zustand entstehen. Von den bei-
den neutralen Dissoziationsprodukten befindet sich eines in einem angeregten, das an-
dere im Grundzustand.
Welche Elektronenkonfiguration hat das Molekül in dem beschriebenen Zustand?
14. Elektronenspektren von Molekülen
besonders leicht verständlich. Die Frequenz der Dehnungsschwingung wird ja durch die
Bindungskraft zwischen den beiden Kernen bestimmt, und diese ändert sich bei elek-
tronischer Anregung. Die Schwingungsquantenzahl v wird bei der Kennzeichnung von
Übergängen mit v
(v
) → E
(v
). Ferner ist diesen Schwin-
el
gungsübergängen zusätzlich noch eine Rotationsstruktur überlagert, mehr dazu siehe im
nächsten Abschnitt. Die Intensität derartiger elektronisch-vibronischer Übergänge wird
durch die sogenannten Übergangs-Matrixelemente (und die elektronischen Auswahl-
regeln) bestimmt, die wir insbesondere in Abschn. 16.4 näher kennenlernen werden.
Hierbei ergibt sich, daß der rein elektronische Anteil zu diesen Matrixelementen von
= 0) erfolgen Übergänge
in verschiedene Schwingungs-
niveaus mit den Quantenzahlen
v
= 0, 1, 2 . . . mit unterschied-
licher Intensität. Dazu kommt
die Rotationsstruktur. Rechtes
Teilbild: Die Schwingungsstruk-
tur bei der Absorption aus dem
elektronischen Grundzustand E
vom Niveau v
= 0 in einen
elektronischen Anregungszu-
stand E
mit den Schwingungs-
niveaus v
= 0, 1, . . . , 6, wie
im Spektrum zu beobachten,
schematisch
14.1 Schwingungsstruktur der Bandensysteme kleiner Moleküle, Franck-Condon-Prinzip 275
= 0 und
len v
und v
gibt es keine strengen Auswahlgesetze. Es gibt vielmehr nur Regeln, die für v
= 6 eingezeichnet
durch das wichtige und sehr anschauliche Franck-Condon-Prinzip formuliert werden.
Dieses macht Aussagen über Wahrscheinlichkeiten der einzelnen vibronischen Über-
gänge und damit über die Intensitäten im Bandenspektrum und über die Grobstruktur
dieses Spektrums.
Dieses Franck-Condon-Prinzip wird anhand von Abb. 14.3 erläutert, wobei wir die
Rotationsterme zunächst noch weglassen und nur die Schwingungen berücksichtigen. Es
macht in sehr anschaulicher Weise von der Tatsache Gebrauch, daß die Elektronenbewe-
gung schnell im Vergleich mit der Kernbewegung erfolgt. Während eines elektronischen
Überganges werden sich deshalb Lage und Geschwindigkeit der Kern-Koordinaten
nicht merklich ändern. Elektronenübergänge erfolgen dementsprechend überwiegend
senkrecht im Diagramm der Abb. 14.3 unter Erhaltung des Kernabstandes R und mit
größter Wahrscheinlichkeit zwischen den Bereichen der Schwingungsfunktion, in denen
die Amplitude der Funktion und damit die Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Kerne am
größten ist.
Im klassischen Bild halten sich die Kerne in den Umkehrpunkten, d. h. auf den
Schnittpunkten zwischen Schwingungsniveau und Potentialkurve, am längsten auf (mit
Ausnahme des tiefsten Schwingungsniveaus v = 0 gilt dies auch quantentheoretisch,
dort ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit in der Mitte am größten). Die Übergänge
erfolgen also mit der größten Wahrscheinlichkeit von und zu diesen Schnittpunkten
(bzw. dem Zentrum des tiefsten Schwingungsniveaus v = 0). Wegen der endlichen
Breite der Wahrscheinlichkeitsbereiche gibt es jedoch nicht einen scharfen Übergang
mit definierter Schwingungs-Anregung, sondern man erhält mit unterschiedlicher Wahr-
scheinlichkeit Übergänge zu benachbarten Schwingungsniveaus. Die quantenmechani-
sche Formulierung (siehe Abschn. 16.4) besagt, daß die Übergangswahrscheinlichkeit
durch das Franck-Condon-Integral bestimmt wird:
χv
(R)χv
dVKerne (14.1)
276 14. Elektronenspektren von Molekülen
= 0 beginnt. Im Spektrum
bedeutet das maximale Intensität
für den 0,0-Übergang (links),
für einen höheren Schwingungs-
zustand (Mitte), und fast für die
Dissoziation (rechts)
= Re
, liegen die beiden Potentialkurven mit ihren Minima senkrecht übereinander.
Der senkrechte Übergang von v
= 0 zu v
= 0 ist dann am stärksten, alle anderen vi-
bronischen Übergänge sind schwächer, wenn wir annehmen, daß das Molekül sich an-
fänglich im elektronischen Grundzustand mit v
< Re
, das heißt, die Anregung wirkt Bindungs-lockernd. Wenn im elektronischen
Grundzustand nur der Ausgangszustand v
= 0 in mehrere v
-Niveaus
des elektronischen Anregungszustandes entsprechend den Franck-Condon-Integralen.
Die Energiedifferenzen zwischen Ausgangs- und Endzustand, also die Quantenenergie
der vibronischen Linien im Bandenspektrum, lauten
2 2 3
1 1
∆E = hν = E el + hνe
v
+ − xe
v
+
2 2
& 2 37
1 2
− E el + hνe v + − xe v + . (14.2)
2 2
, E
die elektronische Energie im Grundzustand (
) und im elektroni-
Hierbei ist E el el
schen Anregungszustand (
), hνe
und hνe
die sogenannten Nullinien der Banden. Sie kann auch zur Darstellung der Bandkanten
(siehe Abschn. 14.2) verwendet werden.
Insgesamt kann man die verschiedenen möglichen Intensitätsverteilungen in Banden-
spektren nach Abb. 14.4 verstehen. Wenn der Gleichgewichts-Kernabstand Re in beiden
Elektronenzuständen gleich groß ist, dann sind die Banden mit v
→ v
= 0 → 0,
1 → 1, 2 → 2 am intensivsten. Wenn der elektronische Anregungszustand einen etwas
größeren Bindungsabstand (Re
> Re
= 0 → v
= 0 (0,0-Linie), Linien mit v
= 1, v
= 2 usw., die jedoch
intensiver sind als die 0,0-Linie.
Diese nach dem Franck-Condon-Prinzip verständliche Intensitätsverteilung in den
Bandensystemen kann man mit einem zweidimensionalen Schema deutlich machen, in-
dem man die Übergänge zwischen zwei Schwingungstermsystemen in ein Koordinaten-
system v
, v
→ v
oder v
→ v
gehören-
den Banden auf. Wenn die Potentialkurven im oberen und unteren Zustand senkrecht
übereinanderliegen (Abb. 14.4, links), liegen die intensivsten Banden auf der Diagona-
len des Kantenschemas, sonst (Abb. 14.4, Mitte und rechts) auf einer Parabel, die mehr
oder weniger gekrümmt ist, wobei der in Abb. 14.5 linke Ast der Parabel bevorzugt zur
Absorption, der rechte Ast zur Emission gehört. In ein solches Kantenschema kann man
statt der Intensität der beobachteten Übergänge auch ihre Quantenenergien eintragen. So
kann man in übersichtlicher Weise die Termdifferenzen der Schwingungsterme auftra-
gen und bestimmen.
= 2, 3, 4 . . . ), der
untere für Absorption (v
=
const, v
= 2, 3, 4 . . . )
278 14. Elektronenspektren von Molekülen
Aus dem Franck-Condon-Prinzip folgt ein ganz verschiedenes Aussehen des Ban-
densystems, je nachdem wie sich der Kernabstand bei der Anregung ändert. Beson-
ders wichtig sind die beiden Extremfälle, nämlich Kernabstandsänderung bei Anregung
gleich Null oder groß. Diese beiden als Gruppenspektrum und als Reihenspektrum be-
zeichneten Grenzfälle werden mit Abb. 14.6 erklärt.
Im Falle Re
= Re
Wie schnell eine solche Relaxation im Anregungszustand und eine erneute Ther-
malisierung abläuft, hängt entscheidend von der Wechselwirkungs-Möglichkeit mit der
Umgebung, d. h. in Gasen vom Druck ab. Ein isoliertes Molekül im Weltraum hat nur
sehr wenig Möglichkeit, seine Überschußenergie an Schwingung gegenüber der Umge-
bung abzugeben, weil die Wahrscheinlichkeit für die Abgabe von Schwingungsquanten
durch Strahlung mit der Frequenz der Schwingung klein ist, und weil Stöße mit an-
deren Molekülen und dadurch möglicher Energieaustausch nicht stattfinden. Bei einem
Molekül in kondensierter Phase geschieht die Thermalisierung, das heißt die Rückfüh-
rung der Schwingungsenergie des Moleküls auf einen mittleren Wert kT , wenn T die
Temperatur ist, jedoch im Zeitraum von Picosekunden. Das Emissionsspektrum eines
Moleküls hängt also nicht nur von der Temperatur ab, sondern auch von der Möglich-
keit des Moleküls, Schwingungsquanten mit v
= 0 abzugeben, bevor eine Emission –
dann bevorzugt aus dem Zustand v
= 0 – erfolgt. In Abb. 14.8 ist dies schematisch
gezeigt. Es wird dabei auch deutlich, daß sich auf diese Weise eine Art von Spiegelbild-
lichkeit zwischen Absorptionsspektrum und Emissionsspektrum mit dem 0,0-Übergang
(v
= v
T = T el + G v + Fv,J (14.3)
gilt
ν̄ = T
− T
= T
− T
+ G
v
− G
+ Fv
,J
− Fv
,J
el el
= ∆T el + ∆G + ∆F . (14.4)
14.2 Rotationsstruktur von elektronischen Bandenspektren kleiner Moleküle 281
Das Spektrum, das man bei einer Änderung der Elektronenenergie ∆T el erhält, enthält
alle Schwingungsbanden ∆G v mit ihrer Rotationsstruktur ∆F. Die Bandensysteme lie-
gen vorzugsweise im sichtbaren und ultravioletten Spektralbereich und bilden für alle
Elektronenübergänge zusammen das Bandenspektrum des Moleküls.
Wenn wir nun vorzugsweise den Rotations-Anteil betrachten, gelten für elektrische
Dipolübergänge als wichtigste Auswahlregeln
∆J = J
− J
= 0, ±1 (außer J
= J
= 0) , außerdem (14.5)
∆Λ = ±1 und ∆Σ = 0 (14.6)
(sofern die Spin-Bahn-Kopplung nicht sehr stark ist), ferner die Paritätsauswahlregeln,
wonach nur Übergänge zwischen Gesamtzuständen verschiedener Parität erlaubt sind.
282 14. Elektronenspektren von Molekülen
ν̄ = A ± 2Bm + Cm 2 . (14.7)
Dabei wird die Laufzahl m = 1/2, 3/2, 5/2, . . . von einer als Nullstelle ausgezeich-
neten Lücke in der Linienfolge gezählt, die beiden Vorzeichen vor dem zweiten Glied
bezeichnen den R-Zweig (+) und den P-Zweig (−). Für B = 0 erhält man den Q-
Zweig.
Die Erklärung für die Rotationsstruktur der Bandenspektren ist nach dem, was wei-
ter vorne über Rotationsspektren bereits ausgeführt wurde, naheliegend und soll anhand
von Abb. 14.10 erläutert werden. Zu jedem Schwingungsniveau mit den Quantenzahlen
v
oder v
gehören Rotations-Niveaus
E J
= B
hcJ
(J
+ 1)
und
E J
= B
hcJ
(J
+ 1) ,
wenn wir uns auf die Näherung des starren Rotators beschränken. Dabei ist aber zu be-
rücksichtigen, daß die Rotationskonstante B
und E
und Zuständen mit den Quantenzahlen v
, J
wenn mit E el die elektronische und mit E vib die vibronische Energie bezeichnet werden.
Für einen Übergang zwischen zwei Zuständen gilt dann, vereinfacht ausgedrückt,
ν̄ = ν̄(v
,v
wobei ν̄(v
,v
= 0 zwi-
schen den Zuständen (E
, v
) und (E
, v
) bezeichnet. Dieser 0,0-Übergang mit J
=
J
= 0 ist also der Bezugspunkt der Rotationsstruktur. Man bezeichnet ihn auch als die
Nullinie einer Bande, siehe Abschn. 14.1. Die Auswahlregeln für J hängen von der Art
des elektronischen Überganges ab.
Wenn beide, der obere und der untere, der beteiligten elektronischen Zustände kei-
nen resultierenden Drehimpuls relativ zur Molekülachse haben, also für Zustände 1 Σ,
gilt die Auswahlregel
∆J = ±1 ,
sonst jedoch
= 0 zu J
= 0 .
ν̄ = ν̄(v
,v
) + B
J
(J
+ 1) − B
(J
+ 1) . (14.11)
P-Zweig , ∆J = −1 , J
= J
+ 1
ν̄ P = ν̄(v
,v
) − (B
+ B
)(J
+ 1) + (B
− B
)(J
+ 1)2
mit J
= 0, 1, 2 . . . (14.12)
R-Zweig , ∆J = +1 , J
= J
+ 1
ν̄ R = ν̄(v
,v
) + (B
+ B
)(J
+ 1) + (B
− B
)(J
+ 1)2
mit J
= 0, 1, 2 . . . (14.13)
Q-Zweig , ∆J = 0 , J
= J
ν̄ Q = ν̄(v
,v
) + (B
− B
)J
+ (B
− B
)J
mit J
= 1, 2, 3 . . . . (14.14)
Anzumerken ist noch besonders, daß keine Linie am Banden-Ursprung ν̄(v
, v
) erlaubt
ist.
Die Ausdrücke für die möglichen Rotationsübergänge (14.12)–(14.14) haben also die
Form der empirischen Gl. (14.7) und erklären die dort eingeführten Parameter A–C. Wir
erkennen damit die alte Deslandres-Formel (14.7) wieder, wenn wir m durch J ersetzen.
Die graphische Darstellung von (14.12)–(14.14) ergibt bei einer Auftragung im ν̄/J-
Diagramm Parabeln, die sogenannten Fortrat-Parabeln, Abb. 14.11, weil ν̄ eine qua-
dratische Funktion von J ist. Das Fortrat-Diagramm erleichtert den Überblick über ein
Bandenspektrum, weil es die im Spektrum beobachteten und zum Teil durcheinander
liegenden Linien der verschiedenen Zweige und Rotationsquantenzahlen räumlich ge-
trennt darstellt. Umgekehrt erhält man aus dem Fortrat-Diagramm das beobachtete Spek-
trum der Bande, indem man die Diagrammpunkte auf die ν̄-Achse projiziert, siehe dazu
Abb. 14.9 und 14.10.
Der Banden-Ursprung ν̄(v
,v
und damit Θ
> Θ
, also Re
< Re
und Θ
< Θ
Für den Sonderfall, daß sich bei der elektronischen Anregung der Kernabstand nicht
ändert und damit B
= B
und dar-
aus die Trägheitsmomente der Molekülrotation bei den Gleichgewichtsabständen Re
in den beiden am Übergang beteiligten elektronischen Zuständen sowie die Schwin-
gungsdehnung α (vgl. Abschn. 10.4), schließlich die Kernabstände Re
und Re
für
diese Zustände,
– die Schwingungswellenzahlen für die Molekülschwingungen in den beiden beteilig-
ten elektronischen Zuständen einschließlich ihrer Anharmonizitäten, das heißt auch
die Rechengrößen ν̄e
und ν̄e
sowie xe
und xe
,
– den Abstand ν̄(v
= 0, v
.
Wenn man Übergänge zu und zwischen einer Vielzahl von elektronischen Anre-
gungszuständen untersuchen kann, dann lassen sich damit eine Vielzahl möglicher Po-
tentialkurven eines Moleküls und damit dessen Anregungszustände analysieren.
Übrigens können Elektronen-Bandenspektren mit der vollständigen Rotations- und
Schwingungsstruktur natürlich auch bei symmetrischen Molekülen wie H2 , N2 und O2
beobachtet werden, bei denen wegen des fehlenden elektrischen Dipolmomentes reine
Rotations- und Rotations-Schwingungs-Spektren nicht oder nur mit geringer Intensität
zu beobachten sind. Im Zusammenhang mit erlaubten elektronischen Übergängen wird
auch die Rotations- und Schwingungsstruktur beobachtbar.
286 14. Elektronenspektren von Molekülen
Schließlich soll noch erwähnt (aber nicht näher ausgeführt) werden, daß die Inten-
sitätsverteilung zwischen den Linien eines Bandenspektrums zur bandenspektroskopi-
schen Messung der Temperatur des untersuchten Gases dienen kann. Die Besetzung
der Rotations- und Schwingungszustände ist im thermischen Gleichgewicht ja durch
die Temperatur bestimmt und ist gleichzeitig bestimmend für die relative Intensität der
Übergänge im Spektrum.
hcν̄ K = D
+ E At . (14.16)
oder D
, das heißt die Dissoziationsenergie im Grund- oder im Anregungs-
zustand bestimmen. Dabei ist zu beachten, daß man zwischen der rechnerischen Dis-
soziationsenergie, die vom Minimum der Potentialkurve ausgeht, und der tatsächlichen
Energie D unterscheiden muß, die im Schwingungszustand v = 0 beginnt, siehe dazu
Abschn. 10.3. Jedenfalls wurden auf diesem Wege die Dissoziationsenergien zahlreicher
zweiatomiger Moleküle wie H2 , O2 , J2 bestimmt. – Die molekulare Anregungsenergie
E Mol in Abb. 14.14 findet man direkt aus dem Übergang von v
= 0 zu v
= 0 im
Bandensystem. Daraus folgt dann die Dissoziationsenergie im angeregten Zustand
D
= hcν̄ K − E Mol . (14.17)
= 1,54 eV.
Wenn man die Konvergenzstelle nicht direkt oder nicht genau messen kann, trägt
man den Abstand ∆ν̄ benachbarter Bandkanten als Funktion von v
für die Übergänge
aus v
ν̄ = C0 + C1 v
− C2 v
2
(14.18)
also ein linearer Abfall von ∆ν̄ mit wachsendem v. Die Extrapolation zu ∆ν̄ = 0 lie-
fert die Quantenzahl vk für den der Kante entsprechenden Schwingungsterm und daraus
nach der Kantenformel
K
= C0 + C1 vk − C2 vk2 . (14.20)
hc
Erfolgt die Anregung mit einem Energiebetrag E > K , so kann der überschüssige Ener-
Abb. 14.15. Zur Erklärung der giebetrag als kinetische Energie der Bruchstücke nach der Beziehung
Prädissoziation: Zwei sich kreu-
zende Potentialkurven a und b E kin = E − K oder AB + E → A + B∗ + E kin (14.21)
eines kleinen Moleküls mit
Schwingungstermen und Disso-
ziationskontinua. Im Kreuzungs- in Erscheinung treten.
punkt der beiden Kurven ist ein Bisweilen beobachtet man Bandenzüge, die schon in einiger Entfernung von der Dis-
strahlungsloser Übergang des soziationsgrenze, d. h. in dem Bereich, der unterhalb der Konvergenzstelle der Schwin-
Moleküls vom Zustand a in den gungsquanten liegt, verwaschen sind und keine Rotationsstruktur mehr aufweisen. Man
elektronischen Anregungszu-
stand b möglich, der bei ge- kann chemisch nachweisen, daß durch Lichteinstrahlung in diese verwaschenen Banden
ringerer Energie dissoziiert. Dissoziationsprodukte entstehen. Diese Möglichkeit einer Dissoziation durch Licht, das
Das führt zu einer Verkürzung
der Lebensdauer vibronischer
Zustände in a und damit zu Li-
nienverbreiterung im Spektrum.
Wenn zum Beispiel Licht-
absorption aus einem (nicht ge-
zeichneten) tieferen Zustand a
langwelliger ist als das des Dissoziationskontinuums, bezeichnet man als Prädissozia-
tion. Unter Prädissoziation versteht man einen strahlungslosen Übergang eines Moleküls
aus einem diskreten Rotations-Schwingungszustand (v
, J
Zunächst einmal gibt es die Absorption durch nicht-bindende, also nicht für den Zu-
sammenhalt des Moleküls entscheidend wichtige Gruppen im Molekül, die an einen
mehr oder weniger großen Molekülkomplex angehängt oder dort eingebaut sind. Man
spricht von chromophoren (griechisch: Farb-Träger) Gruppen mit lokalisierten, also sich
nur über wenige Kerne erstreckenden Elektronenorbitalen, wenn diese Gruppen eine
charakteristische Lichtabsorption aufweisen, die durch den Rest des Moleküls nur ver-
gleichsweise wenig geändert wird und dem Molekül zu einer charakteristischen Farbe
verhelfen kann.
Beispiele hierfür gibt es im Bereich der anorganischen Moleküle bei Komplexen von
Übergangsmetallen wie Fe, Ti, Co, wo die Anregungsmöglichkeit von Atom-Elektronen
auch im Molekül erhalten bleibt. Diese Atomelektronen-Spektren können allerdings in
charakteristischer Weise verändert werden durch die anderen Elektronen des Moleküls
mit ihren typischen Symmetrie-Eigenschaften. Bei Molekülen mit Atomen, deren Licht-
absorption durch Elektronen innerer Schalen, nicht durch Valenzelektronen, erfolgt wie
bei den Salzen der seltenen Erden, beobachtet man elektronische Spektren, die man als
durch chemische Bindung wenig gestörte Spektren dieser Atome oder Ionen verstehen
kann.
292 14. Elektronenspektren von Molekülen
CH3 −C−CH3 ,
=
O
Abb. 14.19.
Methan oder Ethan mit σ-Bindungen erfolgt in σ ∗ -Orbitale, es handelt sich also um
(σ ∗ ← σ)-Übergänge. Man benötigt dazu relativ viel Energie. Die Absorption liegt ty-
pischerweise im kurzwelligen Ultraviolett bei etwa 120 nm.
Besonders interessant ist schließlich die Absorption durch Elektronen in nicht-
lokalisierten Orbitalen, die aber nicht für den Zusammenhalt des Moleküls maßgeblich
sind.
Hier ist ein bekanntes und wichtiges Beispiel das Benzol, vergleiche hierzu auch
Kap. 5. Beim Benzol läßt sich nicht mehr jedes Elektronenpaar eindeutig einer bestimm-
ten Bindung zwischen zwei Atomen zuordnen. Da im Benzolring jedes C-Atom ein H-
Atom bindet, bleiben 3 Elektronen pro C-Atom für weitere Bindungen übrig. Zwei da-
von bilden als sp2 -Hybride mit den jeweils benachbarten C-Atomen lokalisierte soge-
nannte σ-Bindungen. Hybridisierung bedeutet, daß mit der chemischen Bindung eine
Umordnung der Elektronen des Kohlenstoffs von 2s2 2 p2 zu 2s2 p3 verbunden ist. Der
dazu nötige Energieaufwand von 4,2 eV wird bei der chemischen Bindung wieder ge-
wonnen. Die dann im Benzol noch übrigen insgesamt 6 Valenzelektronen der 6 C-Atome
könnten 3 lokalisierte Doppelbindungen herstellen. Aus dem empirischen Befund, daß
im Benzol alle sechs Bindungen zwischen den C-Atomen gleichwertig sind, wurde die
Erkenntnis abgeleitet, daß diese Elektronen als 2 pz -Elektronen sogenannte π-Bindungen
eingehen, d. h. Bindungen, bei denen die Elektronen mit einem Knoten der Aufenthalts-
wahrscheinlichkeit in der Molekülebene über das ganze Molekül delokalisiert sind. π-
Bindungen sind weniger stark als die σ-Bindungen und werden schon mit geringerer
Quantenenergie angeregt als σ-Bindungen. Als (π ∗ ← π)-Übergänge bezeichnet man
solche Anregungen, bei denen ein π-Elektron durch Licht in ein π ∗ -Orbital angehoben
wird. Sie sind die tiefsten elektronischen Anregungen aromatischer Moleküle. Solche
Übergänge zeigen eine ausgeprägte Schwingungsstruktur, weil die Anregung zwischen
294 14. Elektronenspektren von Molekülen
gebundenen Zuständen des Moleküls erfolgt, bei der die Bindung als solche und damit
die Möglichkeit der Schwingung erhalten bleibt.
Die Absorptionsspektren des Benzols (Abb. 14.18) weisen deshalb in verschiedenen
elektronischen Anregungsstufen eine für das Molekül charakteristische Schwingungs-
struktur auf. Diese bleibt auch erhalten, wenn das Molekül nicht in der Gasphase, son-
dern in Lösung oder im Festkörper angeregt wird. Allerdings werden die Spektrallinien
in kondensierter Phase verbreitert. Insbesondere ist auch keine Rotationsstruktur mehr
vorhanden, da die gesamte Rotationsstruktur, sofern die Moleküle noch rotieren kön-
nen, in der Linien- bzw. Bandenbreite verschmiert oder verborgen ist. In Abb. 14.18
ist der langwelligste Absorptionsbereich des Benzols im festen Zustand (Kristall) mit
dem gleichen Spektrum in Lösung und in der Gasphase verglichen – beides allerdings
mit schlechter spektraler Auflösung gemessen. Die Ähnlichkeit der Spektren ist offen-
sichtlich.
In Abb. 14.19 sind zum Vergleich auch noch die Absorptionsspektren der in
Abb. 14.20 gezeigten größeren Aromaten-Moleküle wie Naphthalin, Anthracen, Tetracen
gezeigt. Sie verschieben sich mit zunehmender Ausdehnung des π-Elektronensystems,
das heißt mit zunehmender Größe des aromatischen Ringes, nach längeren Wellenlän-
gen. Das gleiche gilt für die Emissionsspektren (Abb. 14.21), die spiegelbildlich zum
Abb. 14.23. Das Retinal-Mole-
längstwelligen Absorptionsübergang sind. Anhand der Abb. 14.19 soll hier noch darauf kül kann durch Lichtabsorption
hingewiesen werden, daß auch die Übergangs-Wahrscheinlichkeiten für verschiedene von der all-trans-Konfiguration
elektronische Übergänge unterschiedlich groß, das heißt die mit der Absorptionskon- (oben) in cis-Retinal (unten)
stante ε gemessenen Absorptionsstärken für das gleiche Molekül in verschiedenen übergehen. Dies ist der erste
Schritt des Sehvorganges im Au-
Spektralbereichen unterschiedlich groß sind. Darauf soll hier nicht näher eingegangen ge. Zur Vereinfachung sind
werden. CH3 -Gruppen durch Striche ge-
Der Benzolring ist ein besonders gut bekanntes und untersuchtes Beispiel für die kennzeichnet, die H-Atome am
im Bereich der organischen Chemie wichtige und häufige konjugierte Doppelbindung. konjugierten System sind nicht
eingezeichnet
Hier sind aufeinanderfolgende C-Atome in einem Ring oder in einer Kette abwechselnd
durch Einfach- und Doppelbindungen verknüpft, wobei Resonanz zwischen diesen Bin-
dungen besteht, so daß die Doppelbindungen im Effekt delokalisiert sind. Eine isolierte,
also nicht konjugierte C=C-Doppelbindung absorbiert Licht im Ultravioletten bei ca.
7 eV. Doppelbindungen in konjugierten Ketten absorbieren bei längeren Wellenlängen.
Wichtige Vertreter dieser Gruppe von Molekülen, mit mehr oder weniger delokali-
sierten Molekülorbitalen, die man auch „konjugiert“ nennt, sind in der organischen Che-
mie die linearen Polyene. Das sind lineare Systeme von n konjugierten Doppelbindun-
gen −C=C−C=, und zwei abschließenden Endgruppen. Abbildung 14.22 zeigt die Ab-
sorptionsspektren der Polyene mit n = 1 bis 7 und zwei Phenyl-Gruppen an den Enden.
Man erkennt die stetige Verschiebung der Absorption nach langen Wellenlängen mit zu-
nehmender Konjugationszahl n. Dies kann man mit dem Modell des frei längs der Kette
beweglichen Elektrons erklären, wie wir gleich zeigen werden.
Ein prominenter Vertreter dieser Klasse von Verbindungen ist das Retinal,
Abb. 14.23. Dieser Farbstoff, an ein bestimmtes Protein gebunden, bildet das Rho-
dopsin, das für den Elementarprozeß des Seh-Vorganges im Auge verantwortlich ist.
Während Retinal in Lösung bei 380 nm absorbiert, ist das Absorptionsspektrum des am
Protein gebundenen Retinals nach längeren Wellenlängen mit Maximum bei 500 nm
verschoben. Das Absorptionsspektrum erstreckt sich über den gesamten sichtbaren
Spektralbereich. Absorption des Photons im Auge durch das Retinal (als (π ∗ ← π)
oder (π ∗ ← n)-Übergang) führt zu einer Isomerisierung des Moleküls von der cis-
in die all-trans-Konfiguration (siehe Abb. 14.23). Diese Isomerisierung führt letzt-
lich zu dem Nervenpuls, der als Sehvorgang empfunden wird. Mehr dazu in Ab-
schn. 20.4.
Ein anderes Molekül aus der Gruppe der Polyene, das große Bedeutung in der Biolo-
gie hat, ist das β-Carotin, Abb. 14.24, mit 11 konjugierten Doppelbindungen, von dem
die Karotten ihre Farbe haben. Dieses und ähnliche Moleküle, die Carotinoide, spielen
beispielsweise bei der Photosynthese, das heißt bei der Umsetzung von Sonnenenergie
in Biomasse, eine wichtige Rolle.
Die elektronischen Anregungszustände der Polyene und ähnlich strukturierter Mo-
leküle können in einer anschaulichen ersten Näherung mit dem Modell von Elektronen
im Kasten oder im eindimensionalen Potentialtopf verstanden werden, siehe dazu auch
296 14. Elektronenspektren von Molekülen
n2h2
En = , mit n = 1, 2, 3 . . . . (14.22)
8m 0 a2
Wenn wir ein solches Potential-Schema mit den 22 Elektronen aus der konjugierten
Kette des β-Carotins mit den 11 Doppelbindungen besetzen und berücksichtigen, daß
in jedes Niveau n nur zwei Elektronen (mit entgegengesetztem Spin) passen, dann sind
die Niveaus n = 1 bis n = 11 im Grundzustand besetzt. Die beobachtete längstwellige
Absorption des Moleküls bei 450 nm würde dann einem Übergang von n = 11 nach
n = 12, das heißt in den tiefsten nicht besetzten Zustand entsprechen. Dies bedeutet
einen Energieunterschied von
h2
∆E = (E 12 − E 11 ) = 122 − 112 . (14.23)
8m 0 a2
Mit der beobachteten Absorption bei ∆E = 450 nm errechnet man daraus als Länge des
Potentialtopfs, also als Länge der konjugierten Kette, a = 17,7 Å. Dies ist die richtige
Größenordnung für die mit anderen Methoden genauer meßbare Moleküllänge. Diese
Abb. 14.24. Struktur des Caro- Übereinstimmung weist darauf hin, daß das Modell des über die ganze Länge deloka-
tin-Moleküls. Im linken Teilbild lisierten Elektrons eine gute Näherung darstellt.
ist angedeutet, wie die Molekül Die Delokalisation oder freie Beweglichkeit der π-Elektronen längs konjugierter
struktur mit C- und H-Atomen Doppelbindungen ist mit der metallischen Leitfähigkeit in festen Stoffen verwandt. Sie
sowie CH3 -Gruppen vollständig
aussieht. In der Struktur-Skizze
führt zu großer und stark anisotroper elektrischer Polarisierbarkeit der Moleküle, ferner
des Moleküls werden diese auch zu stark anisotropem Diamagnetismus. Die den Diamagnetismus charakterisieren-
Symbole zur Vereinfachung den Induktionsströme bei Anlegen eines magnetischen Feldes sind beispielsweise in der
weggelassen Ebene eines aromatischen Moleküls sehr viel stärker als senkrecht dazu. Dementspre-
chend ist die diamagnetische Suszeptibilität aromatischer Moleküle für ein Magnetfeld
senkrecht zur Ringebene mindestens dreimal so groß wie in der Ringebene, vergleiche
dazu Abschn. 3.7.
Wir können hier nicht auf die vielerlei Spektren und Anregungszustände im ein-
zelnen eingehen, die es bei großen Molekülen gibt. Wichtig und besonders auch für
den Physiker interessant ist noch die Gruppe der als Ladungsübertragungs-, Donator-
Akzeptor- oder Charge-Transfer-Übergänge bezeichneten Anregungen. Dabei wird
durch Lichtanregung ein Elektron ganz oder teilweise (im Sinne der Quantenmechanik)
von einem Teil des Moleküls auf einen anderen übertragen. Dadurch ändert sich die
gesamte Ladungsverteilung im Molekül, sein Dipolmoment und damit im allgemei-
nen auch seine Struktur und seine Ankopplung an die Umgebung. Die Spektren sind
wenigstens in kondensierter Phase häufig sehr breit und unstrukturiert wegen dieser
Kopplung. Aus dem Bereich der anorganischen Moleküle sei als Beispiel das bekannte
tief violette MnO− 4 -Ion (die Permanganat-Gruppe) mit Absorption zwischen 430 nm
und 700 nm genannt. Hier erfolgt der Übergang eines Elektrons zwischen den Ligan-
den, das heißt den das Mn-Ion umgebenden O-Atomen und den inneren d-Orbitalen des
Zentralatoms. Beispiele aus dem Bereich der organischen Chemie sind die Komplexe
zwischen Aromaten wie Anthracen und dem als Elektronen-Akzeptor dienenden Mole-
kül Tetracyano-Benzol. Dies ist ein Benzol-Molekül, bei dem vier der sechs H-Atome
durch CN-Gruppen ersetzt sind.
Aufgaben 297
Aufgaben
ν̄e xe
v 0 5 10 30 50 70 75 80
8π 2 m 0 ν21
f = |Θ21 |2 . (15.7)
3 he2
Die Oszillatorenstärke kann also bei Kenntnis der Wellenfunktionen berechnet werden.
Sie ist im Spektrum auf eine mehr oder weniger große Zahl von vibronischen und rota-
torischen Übergängen verteilt. Vergleiche hierzu Kap. 16, insbesondere Abschn. 16.3.6.
Das Übergangsdipolmoment Θ21 ≡ µ = e · r ist ein Maß für die Ladungsverschiebung,
die zu dem Elektronenübergang 2-1 gehört. Aus (15.7) folgt, in Einheiten Debye,
f
Θ21 = 0,25249 · 109 [D] .
ν21
also bei sehr starker Absorption. Allerdings ist eine quantitative Messung von Absorp-
tionskoeffizienten in dieser Weise im allgemeinen nicht möglich, weil eine quantitative
Beziehung zwischen absorbierten und emittierten Quanten nur dann leicht herzustellen
ist, wenn Störeffekte wie Sättigung der Absorption und Reabsorption des Fluoreszenz-
lichtes ausgeschlossen sind.
Besondere Bedeutung hat die Anregungsspektroskopie als eine sehr empfindliche
Methode zur Messung schwacher Absorptionen. In solchen Fällen muß man in der Ab-
sorptionsspektroskopie das Verhältnis zweier wenig voneinander verschiedener Werte
messen, nämlich von einfallender und durchgelassener Intensität. Demgegenüber mißt
man im Anregungsspektrum den emittierten Quantenstrom. Bei schwacher Absorption
ist das mit erheblich höherer Genauigkeit möglich. Ein Beispiel für ein Anregungsspek-
trum folgt später, Abb. 21.8.
= 0 und v
= 0.
Relativ dazu erstrecken sich die Absorptions- und die Fluoreszenzspektren spiegel-
bildlich nach höheren und nach niedrigeren Frequenzen, siehe auch Abb. 14.8, 14.19
und 14.21. Wenn bei höherer Temperatur auch vibronische Niveaus des elektronischen
Grundzustandes mit v
Hierunter versteht man in der Molekülphysik die Emission aus einem angeregten
Triplett-Zustand, das heißt aus einem Zustand mit der Gesamt-Spinquantenzahl S = 1,
während man früher – und so auch heute noch manchmal in der Festkörperphysik –
mit Phosphoreszenz allgemein Lichtemission langer Abklingdauer bezeichnet. Die län-
gere Abklingdauer ist eine Folge des Interkombinationsverbotes für einen Übergang
vom angeregten Triplett- in den Singulett-Grundzustand, also des Verbotes von Spin-
Umklappvorgängen bei optischen Übergängen. Die Triplett-Natur dieser Zustände wird
durch Elektronen-Spinresonanz nachgewiesen, siehe dazu Kap. 18.
Wir diskutieren nun, wie es trotz des Übergangsverbotes zu strahlenden Übergängen
zwischen den Termen T1 und S0 kommen kann. Die meisten Moleküle sind im Grund-
zustand diamagnetisch, weil alle Elektronen mit ihren Spins paarweise abgesättigt sind.
Dies gilt auch für viele Anregungszustände, und die bisher besprochene Fluoreszenz
entspricht deshalb Singulett-Singulett-Übergängen, das heißt Übergängen zwischen Zu-
ständen mit S = 0. – Wie wir bereits in der Atomphysik gesehen haben, werden die
verbotenen Singulett-Triplett-Übergänge, bei denen mit der Lichtanregung das Umklap-
pen eines Elektronenspins verbunden ist, jedoch durch Spin-Bahn-Kopplung möglich.
Das nennt man in der Atomphysik Interkombination oder in der Molekülphysik, wenn
der Prozeß strahlungslos erfolgt, häufig intersystem crossing. Deshalb gibt es eine ge-
wisse – meist sehr kleine – Wahrscheinlichkeit für die Anregung von Molekülen durch
Licht aus dem Singulettzustand S0 in den Triplett-Zustand T1 oder umgekehrt für die
Emission aus dem Triplett- in den Singulettzustand. Diese Wahrscheinlichkeit wird –
wie wir es in der Atomphysik (siehe I. Abschn. 12.8) gelernt haben – durch die Ge-
genwart von Atomen mit hoher Kernladungszahl Z im Molekül oder in der Umgebung
erhöht. In der Molekülphysik nennt man dies den innermolekularen oder – wenn auf
Wechselwirkung mit der Umgebung beruhend – zwischenmolekularen Schweratomef-
fekt. Er ist dafür verantwortlich, daß beispielsweise das Molekül Dibrom-Naphthalin,
also ein Naphthalin-Molekül, bei dem zwei Protonen durch Brom-Atome ersetzt sind,
eine um mehrere Zehnerpotenzen stärkere S0 −T1 Absorption besitzt als das Naphthalin-
Molekül ohne Brom-Substituenten. Dementsprechend ist auch die Lebensdauer des me-
tastabilen T1 -Zustandes, soweit sie durch strahlende Desaktivierung begrenzt ist, im Br-
substituierten Naphthalin-Molekül verkürzt.
Ein in einem höheren Triplett-Zustand angeregtes Molekül gibt nun wenn möglich
seine vibronische und rotatorische Energie schnell strahlungslos an die Umgebung ab.
Wenn es sich dann schließlich in seinem tiefsten elektronischen Triplett-Zustand T1 be-
findet, kann es seine Energie nach Maßgabe der Spin-Bahn-Kopplung durch einen ver-
botenen, also langsamen strahlenden Übergang abgeben wie in Abb. 15.2 gezeigt. Der
Triplett-Zustand ist also metastabil, die Lebensdauer und damit die Abklingdauer für
die Phosphoreszenz-Emission kann Minuten betragen.
Eine weitere spektroskopische Meßgröße für die Untersuchung von Molekülen ist die
Messung der Polarisation von Absorption, Fluoreszenz und Phosphoreszenz. Die Pola-
risation jedes Überganges zwischen zwei verschiedenen elektronischen Zuständen läßt
sich ausrechnen, wenn man die Symmetrien der Zustände kennt. Sie läßt sich messen,
wenn man die Moleküle räumlich fixiert oder wenn man mit polarisiertem Licht Re-
lativmessungen zu Übergängen bekannter Polarisation ausführt. Ein Verlust des Polari-
sationsgrades zwischen Absorption und Emission – eine sogenannte Depolarisation –
kann zum Beispiel durch eine Bewegung des Moleküls oder eines Molekülteils zwischen
diesen beiden Prozessen verursacht werden. So kann man Polarisationsmessungen zum
Studium molekularer Bewegungen verwenden.
15.4 Kalte Moleküle 305
Während in kondensierter Phase die Spektren von Molekülen aus relativ breiten inho-
mogenen Linien oder Banden mit nichtaufgelöster Rotationsstruktur bestehen und des-
halb keine Ausmessung der feinen spektralen Eigenschaften von Molekülen erlauben,
ist die Analyse der ungeheuer linienreichen Spektren von Molekülen in der Gasphase
besonders bei etwas komplexeren Molekülen wegen der großen Linienzahl und der ge-
genseitigen Überlagerung zahlreicher Teilspektren aus vielen Rotations- und Schwin-
gungszuständen fast unmöglich. Ein einfaches Abkühlen auf tiefe Temperaturen, um zu
erreichen, daß die Anzahl besetzter rotatorischer und vibronischer Energieniveaus ab-
nimmt, ist nur begrenzt möglich, weil die Untersuchungen ja in der Gasphase erfolgen
müssen. Hier wurde im letzten Jahrzehnt ein erheblicher Fortschritt durch das Abkühlen
von Molekülen im Überschall-Strahl erzielt.
Wenn man ein Gas von einem Bereich höheren Druckes (einige Atmosphären) durch
eine geeignete Düse mit hoher Geschwindigkeit (Überschall) in das Vakuum expandie-
ren läßt, erfolgt eine adiabatische Abkühlung mit Umsetzung thermischer Energie der
Moleküle in kinetische Energie der Expansion. Dies ist in Abb. 15.3 ausführlich erläu-
tert.
Im Düsenbereich erfolgt zwischen den Molekülen durch Stöße Austausch von Ener-
gie mit dem Ergebnis einer Abkühlung der Translationsenergie (d. h. der Breite der
Geschwindigkeitsverteilung), der Rotations- und der Schwingungsenergie der Moleküle
zugunsten der Geschwindigkeitskomponente in Strahlrichtung. Die Breite dieser Ge-
schwindigkeitsverteilung (Abb. 15.3) ist ein Maß für die Temperatur.
Um ein molekulares Gas zur spektroskopischen Untersuchung abzukühlen, mischt
man eine kleine Menge dieses Gases mit einer großen Menge eines einatomigen Trä-
gergases, z. B. Helium. Bei der Expansion dieser Mischung durch die Düse werden
zunächst die Atome des Trägergases translationsmäßig abgekühlt. Die Moleküle geben
= 8,
K a = 0, K c = 8 in den Zustand
mit N
= 9, K a
= 0, K c
beim Stoß mit den kalten Atomen ihre Rotations- und Schwingungsbewegung ab in das
„kalte Bad“ des einatomigen Gases.
Die erreichbare Abkühlung hängt vom Wirkungsquerschnitt für Stöße mit Rotations-
und mit Schwingungs-Energieaustausch ab und führt dazu, daß die Temperaturen Tt , Tr
und Tv für Translation, Rotation und Schwingung drastisch gegenüber der Umgebungs-
temperatur gesenkt werden können. Man erreicht Tt = 0,5 bis 20 K, Tr = 2 bis 50 K und
Tv = 10 bis 100 K. Das heißt, die Freiheitsgrade für Translation, Rotation und Schwin-
gung der zu untersuchenden Moleküle sind so stark „abgekühlt“, wie es der genannten
jeweiligen Temperatur im thermischen Gleichgewicht entsprechen würde. Zur Ausmes-
sung der linienreichen Spektren benutzt man die Anregungsspektroskopie. Dabei wird
die Absorption des Lichtes eines durchstimmbaren schmalbandigen Lasers als Intensität
der Emission der Moleküle nachgewiesen.
Bei derart kleinen Rotations- und Schwingungs-Temperaturen sind nur noch die nie-
dersten Rotations-Schwingungs-Zustände im elektronischen Grundzustand besetzt. Da-
mit reduziert sich die Zahl möglicher Ausgangszustände für Absorptionsübergänge und
damit die Anzahl der Linien im Spektrum beträchtlich, und das Spektrum ist zwar im-
mer noch sehr linienreich, wird aber leichter analysierbar. Eindrucksvolle Beispiele für
die Erhöhung des Auflösungsvermögens in der Molekülspektroskopie durch diese Tech-
nik zeigen die Abb. 15.4 und 15.5. In Abb. 15.4 ist ein Ausschnitt aus dem NO2 -
Absorptionsspektrum mit konventioneller Meßtechnik, und darunter das hochaufgelöste
Spektrum im Überschallstrahl, als Anregungsspektrum gemessen. Abbildung 15.5 zeigt
eine weitere Verfeinerung der Meßtechnik und die daraus resultierende ungeheuer große
Anzahl meßbarer Linien.
Übrigens ist diese Überschalldüsen-Spektroskopie noch aus einem anderen Grund
sehr interessant: man kann im Strahl auch schwach gebundene molekulare Komplexe,
sogenannte Van der Waals-Moleküle oder Cluster beobachten, die bei höherer Tempe-
ratur (z. B. Raumtemperatur) sofort dissoziieren würden. Dies sind Zusammenlagerun-
gen von wenigen Molekülen zu schwach gebundenen Komplexen. Man hat auch schon
Cluster mit 105 Atomen oder Molekülen als Bausteine gefunden. Damit wurde eine
neue Möglichkeit zur Untersuchung von Wechselwirkungspotentialen zwischen Mole-
külen und zum Übergangsbereich zwischen Molekül- und Festkörperphysik eröffnet.
Die Physik der Cluster ist alt. Früher sprach man von Kolloiden. So weiß man zum
Beispiel schon lange, daß fein verteiltes, kolloidales Gold Glas rubinrot färbt. Durch Än-
derung der Größe von fein verteilten Metall-Clustern in Gläsern kann man diese sehr
unterschiedlich färben. Diese Phänomene wurden bereits 1908 durch Mie mit der grö-
ßenabhängigen Plasma-Resonanz der Metallelektronen erklärt. Seit etwa 1980 nimmt
das Interesse am Studium solcher Cluster stark zu. Man kann damit in vielen Gebieten,
so bei der Katalyse, der Photographie, der Struktur amorpher Substanzen, der Bildung
großer Moleküle im Weltall wichtige Erkenntnisse gewinnen.
Heute ist der Überschall-Düsenstrahl eine wichtige Quelle besonders für molekulare
Cluster. Eine experimentelle Anordnung zur Untersuchung von Clustern zeigt Abb. 15.6.
Man kann im kalten Düsenstrahl sehr ungewöhnliche Moleküle entdecken. So gelang
es bei einer Strahltemperatur von 0,3 mK, das Helium-Dimer He2 (siehe Abb. 13.3) zu
identifizieren. Seine Bindungsenergie entspricht einer Temperatur von 1 mK (J. Chem.
Phys. 98, 3564 (1993)). Dieses Molekül hat erstaunliche Eigenschaften: Wegen seiner
geringen Bindungsenergie beträgt der mittlere Kernabstand 55 Å, und es kann nur im
Grundzustand ohne Schwingungs- und Rotationsanregung existieren. Eine direkte Mes-
sung der Größe dieses ungewöhnlichen Moleküls gelang mit einer Anordnung, bei der
308 15. Weiteres zur Methodik der Molekülspektroskopie
die Durchlässigkeit von Nanoporen für Helium-Dimere (und Monomere) eines kalten
Düsenstrahls gemessen wurde (J. Chem. Phys. 104, 1151 (1996)). Damit ergab sich der
mittlere Kernabstand zu 62 ± 10 Å.
Es gibt auch stabile Cluster und große Moleküle, die in solchen Düsenstrahlen ent-
stehen. Ein besonders bemerkenswertes in dieser Weise entdecktes Molekül ist das aus
60 C-Atomen bestehende Molekül C60 , Buckminsterfulleren, das wie ein Fußball aus-
sieht und Ikosaeder-Symmetrie hat (siehe dazu Abb. 4.18). Inzwischen kann man die-
ses Molekül auch anders herstellen, nämlich durch Verdampfen von Graphit in einer
Helium-Atmosphäre. Besonders aufsehenerregend war die Entdeckung, daß das Molekül
C60 im festen Zustand bei Dotierung mit Alkalimetall-Ionen supraleitend wird, und zwar
bei überraschend hohen Sprungtemperaturen. Inzwischen kennt man auch noch größere
Moleküle, so C70 .
In den wenigen Jahren seit der Entdeckung der Fullerene wurden in diesem neuen
Gebiet der Molekülphysik eine Vielzahl interessanter neuer Entdeckungen gemacht.
Man hat gefunden, daß es außer C60 und C70 noch andere, verwandte und kompli-
ziertere Strukturen gibt. Man hat mit allen spektroskopischen Methoden die Struktur
und die Bindungsverhältnisse in den Molekülen untersucht. Insbesondere hat man auch
zeigen können, daß sich in die C60 - oder C70 -Bälle auch kleinere Atome oder Mole-
küle einschließen lassen. Damit wurde ein neues Kapitel der chemischen Physik von
Molekülen eröffnet.
15.5 Farbstoff-Laser
Zur hochauflösenden Molekülspektroskopie an kalten Molekülen mit sehr scharfen
Abb. 15.7. Termschema eines Energietermen braucht man hochauflösende Spektrographen, oder aber spektral durch-
organischen Farbstoffes für stimmbare extrem schmalbandige Lichtquellen. Damit kann man die Absorption der
einen Farbstoff-Laser. Der Moleküle als Anregungsspektren messen, indem man etwa die Emission als Funktion
Emissionsbereich aus den vibro- der Anregungs-Wellenlänge mißt. Wenn deren spektrale Breite nicht größer ist als die
nischen Zuständen des elektro-
nischen Anregungszustandes S1 energetische Term-Breite der Moleküle, dann kann man diese spektral auflösen.
in die vibronischen Zustände Die wichtigste kontinuierlich über einen größeren Frequenzbereich spektral durch-
des Grundzustandes S0 liegt stimmbare Lichtquelle ist der Farbstoff-Laser, siehe I, Abschn. 21.1. Hier benutzt man
je nach Farbstoff bei einigen als Laser-Medium geeignete organische Farbstoff-Moleküle in Lösung. Das zugehörige
1000 cm−1 . Interkombination
in den Triplett-Zustand T1 ,
Termschema zeigt Abb. 15.7.
vermindert die Laserleistung. Der Farbstoff wird optisch vom Grundzustand S0 in höhere vibronische Zustände des
Weitere Erklärung im Text elektronischen Anregungszustandes S1 gepumpt. In Lösung liegen diese, gekoppelt mit
15.6 Hochauflösende Zweiphotonen-Spektroskopie 309
Farbstoff-Laser mit relativ großer Frequenzbreite stammt, wird das angeregte Molekül
ionisiert. Daher der Name Resonanzverstärkte Zweiphotonen-Ionisation. Die entstehen-
den Ionen werden in einem Massenspektrometer nach ihrer Masse selektiert und nach-
gewiesen. Als Meßbeispiel zeigt Abb. 15.11 die Struktur des Van der Waals-Komplexes
zwischen Benzol und Argon, C6 H6 -Ar2 , wie sie aus einer Analyse der Schwingungs-
und Rotationsstruktur dieses nur im Überschall-Strahl untersuchbaren Komplexes abge-
leitet werden konnte.
15.7 Ultra-Kurzzeit-Spektroskopie
Die Untersuchung der Geschwindigkeit molekularer Vorgänge oder Reaktionen hat sich
in den letzten Jahrzehnten enorm entwickelt. Vor mehr als 40 Jahren wurden erstmals
mit Blitzlicht-Pulsen im Mikrosekunden-Bereich chemische Umlagerungen und Reak-
tionen mit optischer Spektroskopie untersucht, wofür der Nobelpreis an Norrish und Abb. 15.11. Experimentell
Porter sowie an Eigen ging. ermittelte Struktur des Van der
Die Zeitskala, auf der die schnellsten molekularen Bewegungen ablaufen, kann Waals-Komplexes C6 H6 –Ar2 –
über die Periode der höchsten beobachteten Schwingungsfrequenzen in Molekülen (ca. als Beispiel für die Leis-
3000 cm−1 ) zu 10 fs abgeschätzt werden. Experimentelle Methoden mit einer Auflösung tungsfähigkeit dopplerfreier Mo-
lekülspektroskopie. Der (kurz-
in diesem Zeitbereich sind daher in der Lage die Dynamik von molekularen Systemen lebige) Komplex entsteht im
im Detail aufzuklären. Bisher ist es nur mit optischen Techniken möglich eine derart Düsenstrahl. Der Nachweis
hohe Zeitauflösung zu erzielen. Mit solchen Methoden konnten in den letzten Jahren erfolgt mit Hilfe des Massen-
grundlegende Reaktionstypen untersucht werden, wie z. B. intra- und intermolekularer spektrometers. Siehe dazu auch
H. J. Neusser u. E. W. Schlag,
Energie- und Elektron-Transfer, Schwingungs-Relaxation oder photochemische Reak- Angew. Chem. 104, 269 (1992)
tionen von kleinen Molekülen bis hin zu komplexen biologischen Systemen wie dem
Reaktionszentrum der bakteriellen Photosynthese., vgl. Abschn. 20.7.
Die dabei überwiegend verwendete Technik ist die Anreg-Abfrage-Spektroskopie
(engl. excite-probe oder pump-probe spectroscopy). Die grundlegende Idee dabei ist
es, in den untersuchten molekularen Systemen mit einem ersten kurzen Licht-Impuls,
dem Anreg-Impuls, einen kurzlebigen Nicht-Gleichgewichts-Zustand zu präparieren,
z. B. eine chemische Reaktion auszulösen. Die Moleküle haben nun in diesem elek-
tronisch angeregten Zustand im allgemeinen veränderte optische Eigenschaften. Daher
kann die weitere zeitliche Entwicklung der Probe hin zu einem neuen Gleichgewichts-
Zustand über die Messung der Absorption eines zweiten Licht-Impulses, dem Abfrage-
Impuls, verfolgt werden. Die Dauer von Anreg- und Abfrage-Impuls bestimmt dabei
die Zeitauflösung des Experiments. Die im sichtbaren Spektralbereich gegenwärtig er-
reichte Kurzzeit-Grenze solcher Untersuchungen liegt bei ca. 5 fs. Ein Licht-Impuls
dieser Dauer entspricht einem Wellenzug von unter 2 Wellenlängen.
Kurze, sehr intensive Licht-Impulse (< 10 fs) werden zur Zeit von speziellen breit-
bandigen Lasersystemen meist im nahen infraroten Spektralbereich erzeugt. Diese Licht-
Impulse (siehe Abb. 15.12) werden über einen teildurchlässigen Spiegel in einen Anreg-
und Abfrage-Impuls aufgespalten und erreichen nach unterschiedlich langen Weg-
strecken die Probe. Je nach der Wegstreckendifferenz zwischen Anreg- und Abfrage-
Impuls ergibt sich somit eine definiert einstellbare Verzögerungszeit der beiden Licht-
Impulse am Ort der Probe. Dadurch kann die Absorption der Probe zu einem bestimm-
ten Zeitpunkt nach der optischen Anregung gemessen werden. Wiederholt man dieses
Experiment mehrmals für unterschiedliche Wegstreckendifferenzen kann somit die zeit-
liche Entwicklung der Transmissionsänderung der molekularen Probe bestimmt werden.
312 15. Weiteres zur Methodik der Molekülspektroskopie
15.8 Photoelektronen-Spektroskopie
Mit der Spektroskopie im infraroten, sichtbaren und nahen ultravioletten Spektralbe-
reich, wie wir sie bisher besprochen haben, untersucht man mehr oder weniger aus-
schließlich die äußeren, schwach gebundenen Elektronen der Moleküle. Bei der Unter-
suchung der inneren Elektronenschalen von Molekülen wurden mit den Methoden der
Photoelektronen-Spektroskopie in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt. Hierbei
verwendet man den Photoeffekt, d. h. die Tatsache, daß durch Bestrahlung mit Licht hin- Abb. 15.14. Grundlage der
reichend großer Quantenenergie Elektronen aus ihrer Bindung freigesetzt werden kön- Photoelektronen-Spektroskopie
nen, siehe I, Abschn. 5.3. Man bestrahlt die Probe mit monochromatischem UV- oder ist der Photoeffekt. Ein an-
kommendes Photon mit der
Röntgenlicht und mißt die kinetische Energie E kin der freigesetzten Photoelektronen in Energie hν ionisiert ein Atom
einem Geschwindigkeits-Analysator für Elektronen. Im einfachsten Falle gilt für diese oder Molekül (Ionisierungsener-
die Grundgleichung des Photoeffektes gie I). Die restliche Energie
erscheint als kinetische Energie
E kin = hν − E B , (15.9) des freigesetzten Elektrons
314 15. Weiteres zur Methodik der Molekülspektroskopie
wenn hν die Quantenenergie des anregenden Lichtes und E B die Bindungsenergie der
Elektronen ist, siehe dazu auch Abb. 15.14.
Zur Anregung braucht man intensives monochromatisches Licht. Da schon für die
äußeren Valenzelektronen die Ionisierungsenergien einige eV betragen, muß es Licht im
ultravioletten oder Röntgenbereich sein. Man arbeitet entweder mit dem Linienspektrum
einer Gasentladung (z. B. mit der He(I)-Linie 1s2 p → 1s2 bei 58,43 nm =
21,22 eV)
oder, wenn man noch fester gebundene Elektronen untersuchen will, mit charakteristi-
schen Röntgen-Linien. Besonders gut als Lichtquelle für dieses Verfahren eignet sich
die Synchroton-Strahlung (I, Abschn. 5.1), die in einem weiten Frequenzbereich durch-
stimmbar ist.
Zur Energiemessung der Elektronen benutzt man die Ablenkung der Elektro-
nen in einem elektrostatischen oder magnetischen Analysator, wie wir sie bei der
e/m 0 −Bestimmung des Elektrons und bei der Massenspektroskopie in I, Abschn. 3.2
und 6.4 bereits kennengelernt haben. Mit solchen Energieanalysatoren kann man heute
Energie-Spektren der Photoelektronen mit einer Auflösung von besser als 2 meV, d. h.
10 cm−1 messen. Eine schematische Versuchsanordnung zeigt Abb. 15.15.
Man spricht von UPS (UV-Photoelektronen-Spektroskopie), wenn die Anregung mit
UV-Licht, von XPS (X für Röntgenlicht), wenn sie mit Röntgenstrahlung erfolgt. Bei
der Freisetzung innerer Elektronen mit Röntgenlicht beobachtet man natürlich in erster
Näherung auch bei Molekülen die atomaren Bindungsenergien der Elektronen in den in-
neren Schalen, weil für die Atome in ihrem jeweiligen Ionisierungszustand diese durch
die chemische Bindung nur wenig beeinflußt werden. Die charakteristischen Elektronen-
Bindungsenergien der Atom-Elektronen können damit zur Analyse der atomaren Zu-
sammensetzung einer Probe dienen – daher der Name „ESCA“ = „electron spectroscopy
for chemical analysis“ für diese Methode. Es gibt jedoch auch Einflüsse der chemischen
Bindung, besonders auf die äußeren Elektronen.
Als Beispiel zeigt Abb. 15.16 das Photoelektronenspektrum des N2 -Moleküls und
zum Vergleich dazu das bereits früher (Abschn. 13.3) besprochene Molekülorbital-
Schema. Hier kann man – allerdings mit unterschiedlich guter Energieauflösung –
Photoelektronen der Reaktion N2 + hν → N+ −
2 + e + Ekin aus allen Orbitalen der
14 Elektronen des Moleküls analysieren. Damit werden auch alle inneren Orbitale
– nicht nur die Valenzelektronen – der Untersuchung zugänglich. Abbildung 15.17 ver-
deutlicht am Beispiel des O2 -Moleküls, daß das durch Photoionisation erzeugte Ion bei
O
Abb. 15.19. Photoelektronen-
spektrum von Ethylproprionat verdeutlichen. Hier gibt es O in zwei und C in vier unterschiedlichen Bindungszu-
als Gas. Es handelt sich ständen, wovon bei C zwei sehr ähnlich sind. Tatsächlich kann man im Photoelektro-
um Rumpfelektronen 1s von nenspektrum der 1s-Elektronen zwei Gruppen von Elektronen aus dem O-Atom und 3
Kohlenstoff (Bindungsenergie
um 293 eV) und Sauerstoff Gruppen aus dem C-Atom unterscheiden, die man den verschiedenen Gruppen im Mo-
(um 538 eV). Die Aufspaltung lekül zuordnen kann, siehe dazu Abb.15.19. Auch in der Photoelektronen-Spektroskopie
der beiden Elementlinien ent- gibt es den Begriff der Chemischen Verschiebung, der in der Kernspin-Resonanz (siehe
spricht der unterschiedlichen Kap. 18) und in der Mössbauerspektroskopie wichtig ist. Ein weiteres Beispiel dafür
chemischen Verschiebung der
Atome je nach ihrer Bindung
zeigt Abb. 15.20.
im Molekül. Sauerstoff ist als Die Photoelektronen-Spektroskopie ist also eine wichtige Ergänzung der optischen
C=O Gruppe und in der Kette Spektroskopie zur Erforschung von Struktur und Bindungsverhältnissen der Moleküle.
vorhanden, Kohlenstoff als
C=O, CH2 und CH3
detektiert, die mit keiner oder nur sehr geringer kinetischer Energie das Molekül ver-
lassen. Diese sehr niederenergetischen Elektronen (ZEKE-Elektronen) entstehen dann,
wenn die Energie des Photons gerade einem Übergang zwischen dem Anfangszustand
des neutralen Moleküls und dem Endzustand des Ions entspricht, d. h. keine Überschuß-
energie auf das emittierte Elektron übertragen wird.
Die Unterscheidung zwischen unerwünschten Elektronen mit kinetischer Energie
und „echten“ ZEKE-Elektronen erfolgt durch einen zeitlich verzögerten Abzug der frei-
gesetzten Elektronen mit Hilfe eines elektrischen Feldpulses. Während der feldfreien
Wartezeit entfernen sich die kinetischen Elektronen vom Entstehungsort und können so
von den ZEKE-Elektronen diskriminiert werden, da beide Gruppen zu unterschiedlichen
Zeiten am Detektor eintreffen. Eine zweite Variante, die Feldionisation hochliegender
Rydbergzustände, die zu (ro)vibronischen Zuständen des Molekülions konvergieren
(Pulsed Field Ionization, PFI), ist im allgemeinen noch einfacher zu handhaben und
ermöglicht eine höhere Auflösung. Während die ZEKE-Technik jedoch allgemein auf
neutrale Moleküle und Anionen angewandt werden kann, steht die PFI-Technik für
letztere nicht zur Verfügung, da dort keine Rydbergzustände existieren. Als Beispiel
für das exzellente Auflösungsvermögen der ZEKE-Photoelektronen-Spektroskopie zeigt
Abb. 15.21 ein vollständig rotationsaufgelöstes Spektrum des Benzol-Kations C6 H− 6.
Aufgaben
15.1 a) Die Transmissionsmessung einer 0,005-molaren Benzollösung in einer han-
delsüblichen Quarzglasküvette mit 1 cm Weglänge ergibt bei 256 nm eine Transmission
von 16%. Berechnen Sie die Optische Dichte und den Extinktionskoeffizienten ε von ge-
löstem Benzol bei der genannten Wellenlänge. Welche Transmission derselben Lösung
mißt man in einer 1 mm-Küvette?
b) Die Absorptionsbande der Benzollösung bei 256 nm weist eine Breite von
4000 cm−1 auf. Wie groß ist die Oszillatorenstärke des Übergangs. Welches Über-
gangsdipolmoment berechnet man daraus?
15.2 Mit zunehmender Tiefe nimmt der Pflanzenbewuchs des Meeresbodens stark ab.
In welcher Tiefe stehen den Unterwasserpflanzen 50% bzw. 10% der Lichtintensität an
der Wasseroberfläche zur Verfügung, wenn der Extinktionskoeffizient des Seewassers
im sichtbaren Wllenlängenbereich 6,2 · 105 l/mol cm beträgt?
15.3 Die Oszillatorenstärke eines elektronischen Übergangs kann aus den Molekülor-
bitalen der beiden miteinander verknüpften Zustände berechnet werden. Betrachten Sie
ein Elektron in einem eindimensionalen Potentialtopf der Länge L und berechnen Sie
die Oszillatorenstärke der Übergänge n → n + 1 und n → n + 2.
Schätzen Sie durch Verwendung des Potentialtopfmodells die Anregungsenergie von
β-Carotin ab. Dabei kann eine mittlere Bindungslänge in der Polyenkette von R =
140 pm angenommen werden. Der Chromophor sei auf die konjugierten π-Bindungen
beschränkt. Siehe dazu Abb. 20.16. Bewerten Sie Ihr Ergebnis.
15.4 a) Um die Zahl der Linien im Absorptionsspektrum von gasförmigem H2 zu
verringern, kühlt man dieses ab. Bei welchen Temperaturen frieren die Rotations- und
Schwingungsfreiheitsgrade ein?
b) Wie lauten die Ergebnisse für HCl?
Aufgaben 319
c) Welche Methode würden Sie jeweils anwenden, um die Gase auf die erforderliche
Temperatur abzukühlen? (Hinweis: Kondensationspunkt für H2 : TK = 20,3 K; für HCl:
TK = 188,2 K)
15.5 Aus dem optischen Spektrum von Sternen kann man Informationen über ihre
Oberflächentemperatur und Fluchtgeschwindigkeit gewinnen. Berechnen Sie diese bei-
den Daten für ein Objekt, bei dessen Beobachtung Sie eine Verschiebung der Spektral-
linie des Ions 48 Ti8+ von 654,2 nm nach 706,5 nm bei einer Linienbreite von 0,618 Å
feststellen.
15.6 a) Im Absorptionsspektrum eines organischen Moleküls erkennt man den S0 -S1 -
und den S0 -S2 -Übergang. Für welche der beiden Absorptionslinien erwarten Sie eine
größere Linienbreite, wenn Sie vibronische und rotatorische Unterstrukturen im Spek-
trum abtrennen (Idealisierung)?
b) Warum sind Triplett-Absorptionslinien (z. B. S0 -T1 ) im allgemeinen schmaler als
Singulett-Absorptionslinien (z. B. S0 -S1 )?
15.7 Im Photoelektronenspektrum von CO beobachtet man bei Bestrahlung mit der
He-Linie bei 58,4 nm die folgenden Maxima (angegeben ist jeweils die kinetische Ener-
gie der Photoelektronen):
7,2 eV
4,9 eV (mit Schwingungsprogression, Abstand 0,2 eV)
1,7 eV (mit Schwingungsprogression, Abstand 0,3 eV) .
Skizzieren Sie das Spektrum und ordnen Sie die Linien den konkreten Ionisierungspro-
zessen zu. Aus welchen Orbitalen stammen die ausgelösten Elektronen? Welche Infor-
mationen gewinnt man aus der Schwingungsstruktur der Banden?
15.8 Das Photoelektronenspektrum von Wasser enthält bei Verwendung der
21,21 eV-He-Linie Banden bei 9,0 eV und bei 7,0 eV; es existieren jeweils Schwin-
gungsbegleiter mit Linienabständen von 0,41 eV für die hochenergetische und 0,125 eV
für die niederenergetische Bande.
Welche Auswirkung hat jeweils das Auslösen eines Photoelektrons auf die Vibratio-
nen des Moleküls? Welchen Bindungscharakter haben die Orbitale, aus denen die Elek-
tronen stammen? (Hinweis: Schwingungskonstanten von nicht-ionisiertem H2 O: ν̄1 =
3657 cm−1 für symmetrische Streckschwingung; ν̄2 = 1595 cm−1 für Biegeschwin-
gung).
16. Wechselwirkung von Molekülen mit Licht:
Quantentheoretische Behandlung
Nach einem Abriß der zeitabhängigen Störungstheorie behandeln wir im Detail die
spontane und induzierte Emission sowie die Absorption von Licht durch Moleküle.
Hierbei leiten wir insbesondere die Übergangswahrscheinlichkeiten und die Einstein-
Koeffizienten her. Eine wichtige Rolle spielt weiterhin die Herleitung des Franck-
Condon-Prinzips und die Diskussion von Auswahlregeln.
Wir stellen die gesuchte Lösung von (16.1) als eine Überlagerung von ungestörten Wel-
lenfunktionen in der Form
∞
Ψ(t) = cν (t)ψν0 (16.5)
ν=1
dar, wobei die Koeffizienten cν (t) von der Zeit abhängen und noch zu bestimmen sind.
Da die Wellenfunktionen ϕν einen vollständigen Satz bilden, ist der Ansatz (16.5) im
Sinne der Mathematik exakt. Es kommt nun darauf an, die Koeffizienten cν zu berech-
nen. Dazu setzen wir (16.5) in (16.1) ein und erhalten unter Berücksichtigung von (16.3)
das Resultat
ih ċν ψν0 + cν E ν ψν0 = cν H0 ψν0 + cν H S ψν0 . (16.6)
ν ν ν ν
Wegen (16.2) und (16.4) heben sich aus (16.6) das zweite Glied auf der linken Seite und
das erste Glied auf der rechten Seite gegenseitig heraus. Um zu Gleichungen für die Ko-
effizienten cν zu gelangen, multiplizieren wir in völliger Analogie zur zeitunabhängigen
Störungstheorie die Gl. (16.6) mit ψµ0∗ und integrieren über die in ϕν stehenden Koordi-
naten. Diese können im allgemeinen sowohl Elektronen- als auch Kernkoordinaten der
Moleküle sein. Wir erhalten damit
1
ċµ (t) = cν (t)Hµν
S
, (16.7)
ih ν
verwendet haben. Da es uns interessiert, welche Zustände infolge der Störung neu be-
setzt werden, betrachten wir den Fall µ = κ, also einen vom Anfangszustand κ verschie-
denen Endzustand µ. Unter dieser Annahme können wir das Zeitintegral in (16.11) mit
Hilfe von (16.12)–(16.14) sofort berechnen und erhalten
−1
S
cµ (t) = exp iωµκ t − 1 Hµκ (0) für µ = κ . (16.15)
hωµκ
Ein genaues Maß, wie stark der Zustand µ = κ aufgrund der Störung bevölkert wird,
ist durch das Quadrat der Wahrscheinlichkeitsamplitude cµ (t), d. h.
cµ (t)2 (16.16)
gegeben. Einsetzen von (16.15) in (16.16) liefert nach einer kleinen Umformung der
Exponentialfunktion in eine Sinusfunktion das Resultat
cµ (t)2 = 4 sin (ωµκ t/2) H S (0)2 .
2
µκ (16.17)
h 2 (ωµκ )2
Statt die Besetzungswahrscheinlichkeit (16.16) zu berechnen, ist es oft zweckmäßi-
ger, die Übergangswahrscheinlichkeit pro Sekunde, d. h. die Zahl der Übergänge pro
Sekunde, zu bestimmen. Die Übergangswahrscheinlichkeit pro Sekunde ist durch die
Zeitableitung von (16.16) bzw. (16.17) gegeben:
d|cµ (t)|2
wµκ = , (16.18)
dt
oder expliziter:
2 S
wµκ = sin(ωµκ t) H (0)2 . (16.19)
µκ
h 2 ωµκ
16.2 Zeitabhängige Störungstheorie 325
Wenn wir diese Formel auf die Lichtabsorption von Molekülen anwenden, so tritt
eine eigentümliche Schwierigkeit auf: Wie wir von der Absorption von Licht durch Mo-
leküle wissen, wird pro Sekunde eine bestimmte Zahl von Molekülen aus dem Aus-
gangszustand κ in den Zustand µ gebracht, wobei die durch (16.18) gegebene Über-
gangsrate experimentell von der Zeit unabhängig ist. Trägt man aber die berechnete
Übergangswahrscheinlichkeit (16.19) gegenüber der Zeit auf, so erhalten wir eine pe-
riodisch oszillierende Funktion der Zeit, die also keineswegs zeitunabhängig ist. Hier
scheint ein Widerspruch zwischen Experiment und Theorie vorzuliegen. Dieser löst sich
aber, wenn wir an die genauen experimentellen Bedingungen denken. Tatsächlich findet
man ein derartiges periodisches Hin- und Hergehen, wenn die eingestrahlte Welle sehr
monochromatisch, d. h. kohärent, ist. Dies kann oft bei der Kernspin-Resonanz ange-
nommen werden, aber auch bei einigen Experimenten mit Laserlicht. Bei unseren jetzi-
gen Überlegungen wollen wir aber die Eigenschaften des Lichts herkömmlicher Lampen
(d. h. thermischer Lichtquellen) zugrundelegen, das eine endliche Frequenzbreite besitzt.
Auch sind oft die Zustände der Moleküle, z. B. durch die endliche Lebensdauer angereg-
ter Niveaus, verbreitert. Die Annahme, daß die Übergangsfrequenz ωµκ unendlich scharf
ist, ist also nicht gerechtfertigt. Wir müssen vielmehr annehmen, daß der Anfangs- oder
der Endzustand, oder beide, einem kontinuierlichen Spektrum angehören.
Betrachten wir zuerst den Fall, daß die Endzustände einem kontinuierlichen Spek-
trum angehören. Hierbei gehen wir in zwei Schritten vor. Im ersten denken wir uns
das kontinuierliche Energiespektrum durch eine Folge eng beieinanderliegender, diskre-
ter Energiewerte angenähert. Wir nennen dies ein Quasikontinuum. Im zweiten Schritt
machen wir dann den Grenzübergang zum Kontinuum. Wir bilden also zunächst die
Summe wµκ der Übergangswahrscheinlichkeiten über Endzustände aus einem Quasi-
kontinuum, d. h. wir ersetzen (16.19) durch
W= wµκ . (16.20)
µ∈Ω
Die Summe erstreckt sich also über alle Quantenzahlen µ von Zuständen, die einem In-
tervall Ω aus diesem Quasikontinuum angehören. Hierbei ist es oft günstig, wenn wir
die Quantenzahl µ, die im allgemeinen für einen ganzen Satz einzelner Quantenzahlen
steht, durch die Energie E und einen weiteren Satz von Quantenzahlen q ersetzen
µ → E, q . (16.21)
Wir betrachten nun die Zahl der Zustände µ ∈ Ω. Insbesondere sollen diese Zustände
einem Energiekontinuum
E . . . E + dE (16.22)
angehören. Die Zahl Z der Zustände in diesem Intervall (16.22) schreiben wir in der
Form
Z = (E)dE . (16.23)
Dabei berücksichtigen wir, daß die sogenannte Zustandsdichte (E) noch von den üb-
rigen Quantenzahlen q abhängen kann
(E) = q (E) . (16.24)
326 16. Wechselwirkung von Molekülen mit Licht: Quantentheoretische Behandlung
Mit derartigen Überlegungen erhalten wir anstelle von (16.20) den Ausdruck
2 sin [(E − E κ ) t/h] S 2
W= q (E) qκ dE ,
H (0) (16.25)
q
h E − E κ
Die δ-Funktion in (16.28) sorgt dafür, daß die Energie E des Endzustands gleich der
des Anfangszustands E κ ist. Sie garantiert also den Energie-Erhaltungssatz. Nach Aus-
führung der Integration über E ergibt sich
2π S 2
W= q (E κ ) Hqκ (0) , (16.29)
q
h
wobei die Funktion q (E) an der Stelle E = E κ zu nehmen ist. Das Resultat (16.29)
wird in der Literatur oft als Fermis Goldene Regel bezeichnet. Am Beispiel der Licht-
emission von Molekülen werden wir in Abschn. 16.3 sehen, wie die Zustandsdichte
q (E) explizit berechnet werden kann.
Für manche Anwendungen ist es praktischer, die Quantenzahlen µ der Endzustände
nicht explizit durch E, q gemäß (16.21) zu ersetzen, sondern formal die Summe über µ
in (16.20) stehenzulassen, wobei wir uns im klaren sein müssen, daß die Summe schließ-
lich durch ein Integral über kontinuierlich verteilte Quantenzahlen aufzufassen ist. Wir
erhalten dann die sehr einfache Formel
2π
S 2
W= δ E µ − E κ Hµκ (0) . (16.30)
h
µ∈Ω
16.3 Die spontane und induzierte Emission sowie die Absorption von Licht durch Moleküle 327
mit
Z= q (E)dE , (16.32)
q ∆E
In diesem Abschnitt kommt es darauf an, die Ausdrücke für die Übergangswahrschein-
lichkeit pro Sekunde (16.29) und (16.30) des vorigen Abschnitts mit physikalischem
Inhalt zu erfüllen. Dabei richten wir unser Augenmerk zuerst auf die Auswertung des
Matrixelements Hµκ S (0). Zu seiner Berechnung brauchen wir die Wellenfunktionen des
Anfangs- und Endzustandes und die explizite Form des Störoperators. Ausgangspunkt
unserer Überlegung ist die Schrödinger-Gleichung (16.1), die wir zunächst in der all-
gemeinen Form
ih Ψ̇ = HΨ , (16.33)
schreiben, wobei wir den Hamilton-Operator und die Wellenfunktionen genauer zu spe-
zifizieren haben. Wir betrachten ein Molekül, das N Elektronen mit den Koordinaten
r1 . . . rN besitzt. Falls nötig können wir hierbei auch die Spinvariablen mit einbeziehen,
was wir im folgenden aber nicht explizit tun wollen. Des weiteren hängt die Wellenfunk-
tion von den M Kernkoordinaten ab, die wir mit R1 . . . RM bezeichnen. Ferner soll die
Wellenfunktion auch das Lichtfeld enthalten, das wir durch die Zahl der Photonen n k,e
beschreiben, die zu einer Welle mit dem Ausbreitungsvektor k und der Polarisationsrich-
tung e gehören. Im folgenden wollen wir k, e zu einem Index λ zusammenfassen und n λ
statt n k,e schreiben. Schließlich hängt Ψ noch von der Zeit t ab, so daß wir allgemein
zu schreiben haben
Ψ = Ψ(r1 , r2 , . . . , rN ; R1 , R2 , . . . , RM ; n λ ; t) . (16.34)
Der Hamilton-Operator H in (16.33) ist durch
H = HEl−K + HL + H S (16.35)
328 16. Wechselwirkung von Molekülen mit Licht: Quantentheoretische Behandlung
gegeben. Darin ist HEl−K der Hamilton-Operator, der die kinetische Energie der Elektro-
nen und Kerne enthält, sowie alle in Frage kommenden Coulombschen Wechselwirkun-
gen zwischen diesen Teilchen. Eventuell kann man hier auch noch die Spinbahnkopp-
lung einbeziehen, was wir aber nicht explizit tun wollen. HL ist der Hamilton-Operator
des Lichtfeldes und H S die Störung, die aus der Wechselwirkung zwischen dem Licht-
feld einerseits und dem Molekül mit seinen Elektronen und Kernen andererseits besteht.
Als H0 , d. h. als ungestörten Hamilton-Operator, fassen wir denjenigen Anteil in
(16.35) auf, der sich auf die Elektronen und Kerne und deren Wechselwirkung unter-
einander bezieht und additiv den Energie-Operator des Lichtfelds enthält, d. h.
H0 = HEl−K + HL . (16.36)
Der Hamilton-Operator HEl−K ist uns in Kap. 11 begegnet. Wir brauchen ihn hier nicht
zu wiederholen. Den Hamilton-Operator des quantisierten Lichtfelds haben wir in I, Ab-
schn. 15.5, hergeleitet. Wir erinnern hier den Leser an die wichtigsten Schritte. Hierzu
gehen wir vom elektromagnetischen Feld aus, wobei die klassische elektrische Feld-
stärke E(r, t) zu einem Operator E(r) gemäß
E(r, t) ⇒ E(r) (16.37)
wird. Um dessen Eigenschaften zu erkennen, zerlegen wir die ortsabhängige Feldstärke
in eine Reihe nach Wellen mit der Polarisationsrichtung eλ und dem Ausbreitungsvek-
tor kλ :
: ;
E(r) = eλ Nλ ibλ exp (ikλ · r) − ib+
λ exp (−ikλ · r) . (16.38)
λ
bλ b+ +
λ
− bλ
bλ = δλλ
bλ bλ
− bλ
bλ = 0
b+ + + +
λ bλ
− bλ
bλ = 0 , (16.41)
die uns, lediglich mit anderen Indizes, schon in (7.47)–(7.49) begegnet sind. Sie sind in
Anlehnung an die Vertauschungsrelation des uns wohlbekannten quantenmechanischen
harmonischen Oszillators gebildet. In diesem Formalismus stellt sich die Energie des
elektromagnetischen Feldes als eine Summe über die Energien ungekoppelter harmoni-
scher Oszillatoren dar:
HL = hωλ b+
λ bλ . (16.42)
λ
Gleichung (16.42) kann aufgefaßt werden als eine Summe über Anzahloperatoren b+ λ bλ ,
die jeweils mit der Energie eines Lichtquants hωλ multipliziert sind.
Wir müssen uns nun näher mit der Form des Störoperators H S auseinandersetzen.
Haben wir es nur mit einem Elektron zu tun, das sich in einem Atom bewegt, so genügt
oft die Dipolnäherung
H S = er · E(r0 ) , (16.43)
bei der e die elektrische Ladung, r die Koordinate des Elektrons und E(r0 ) die Feld-
stärke des Lichtfeldes am Orte des Atoms ist. Diese Dipolnäherung muß aber bei großen
Molekülen nicht unbedingt gültig sein, weshalb wir hier die exakte Behandlung zugrun-
delegen, die auf der Verwendung des Vektorpotentials beruht. Betrachten wir hierzu als
Beispiel den Hamilton-Operator eines einzelnen Elektrons, das sich im Potentialfeld V
der Atomkerne des Moleküls und im Feld des Vektorpotentials A des Lichts bewegt.
Nach I, Kap. 14, ist dieser Hamilton-Operator durch
1
HEl = ( p − eA)2 + V (16.44)
2m 0
gegeben, wobei V und A Funktionen der Elektronenkoordinate sind. Im folgenden neh-
men wir an, daß, wie das beim elektromagnetischen Feld immer gemacht werden kann,
die Divergenz verschwindet
div A = 0 . (16.45)
Multiplizieren wir die Klammer in (16.44) aus, so erhalten wir
1 2 e e2 2
HEl = p +V − A· p+ A , (16.46)
2m 0 m0 2m 0
wobei wir wegen (16.45) nicht auf die Reihenfolge der Operatoren A und p zu ach-
ten hatten. Die ersten beiden Glieder in (16.46) stellen die Operatoren der kinetischen
und potentiellen Energie dar, das dritte und vierte Glied geben die Wechselwirkung des
Lichtfeldes mit dem Elektron wieder. Ist die Lichtfeldstärke nicht zu groß, so können
wir das quadratische Glied in A vernachlässigen, so daß wir als Wechselwirkungsope-
rator zwischen Lichtfeld und Elektron den Ausdruck
e
HS = − A(r) · p (16.47)
m0
330 16. Wechselwirkung von Molekülen mit Licht: Quantentheoretische Behandlung
erhalten. In all diesen Ausdrücken ist natürlich der Impulsoperator p durch die Vor-
schrift
h
p= ∇ (16.48)
i
gegeben.
Bisher haben wir nur die Wechselwirkung eines einzelnen Elektrons mit dem Licht-
feld betrachtet. Bei einem Molekül wirkt das elektromagnetische Feld sowohl auf den
Satz der Elektronen als auch auf den der Kerne ein. Aus diesem Grunde müssen wir
den Störoperator (16.47) durch eine Summe über die Elektronen-Indizes und die Kern-
Indizes ersetzen. Wir erhalten somit z. B. für die Elektronen die Ersetzung r → r j ,
p → p j . Als Störoperator haben wir daher die Summen über die Elektronen-Indizes
und die Kern-Indizes einzuführen, so daß der Störoperator
N
M
e eZ K
H =
S
− A(r j ) · p j + A(RK ) · PK (16.49)
m0 MK
j=1 K =1
lautet. Z K ist hierin die Kernladungszahl des Kerns mit dem Index K . Damit haben wir
alle Bestandteile des Hamilton-Operators für das Molekül (d. h. Elektronen- und Kern-
bewegung), das Lichtfeld und deren Wechselwirkung bestimmt.
Bevor wir die Störungstheorie von Abschn. 16.1 anwenden, müssen wir uns über die Art
der Anfangs- und Endzustände, die wir betrachten wollen, verständigen. Diese brauchen
wir zur Auswertung der Matrixelemente und zur Bestimmung der zugehörigen Ener-
gien. Als Anfangszustand benutzen wir einen, in dem das Lichtfeld und das Molekül
noch nicht in Wechselwirkung getreten sind. Da der ungestörte Hamilton-Operator H0
(16.36) aus einer Summe besteht, läßt sich der gesamte Anfangszustand ϕκ (gemäß den
Bezeichnungen von Abschn. 16.1) als ein Produkt aus dem Anfangszustand des Mole-
küls ϕ Q a (r; R) und dem Anfangszustand des Lichtfeldes Φa wiedergeben:
Der Index Q a faßt dabei alle Quantenzahlen, die den Anfangszustand des Moleküls be-
schreiben, zusammen, wobei sich diese Quantenzahlen sowohl auf die Elektronen als
auch auf die Kerne beziehen. Mit r haben wir die Gesamtheit der Elektronenkoordina-
ten, mit R die der Kernkoordinaten abgekürzt. Den Endzustand ϕµ können wir in einer
zu (16.50) analogen Weise schreiben:
Unsere Aufgabe besteht darin, die Matrixelemente Hµκ S (0) (vgl. (16.14)) zu berech-
nen. Dazu betrachten wir den Wechselwirkungsoperator H S (16.49) genauer, indem wir
(16.40) in (16.49) einsetzen und die Definition von Nλ (16.39) verwenden. Gemäß der
16.3 Die spontane und induzierte Emission sowie die Absorption von Licht durch Moleküle 331
Aufspaltung von (16.49) in die beiden Summen ergeben sich für H S zwei Anteile, H S =
S + H S , von denen wir beispielhaft den ersten Teil explizit angeben
HEl K
1 1
S
HEl = bλ √ Oλ (kλ ) + b+
λ √ Oλ (−kλ ) . (16.52)
λ
V λ
V
In analoger Weise setzt sich der Störoperator HKS für die Kerne zusammen.
Wie wir weiter unten sehen werden, beschreiben die Ausdrücke (16.54) die Vernich-
tung eines Photons, (16.55) hingegen dessen Erzeugung. Wir betrachten im folgenden
diejenigen Teile des Störoperators, die auf die Elektronenkoordinaten einwirken, d. h.
(16.54) und (16.55). Wie wir wissen, gilt gemäß (16.28) der Energiesatz. Strahlen wir
also mit Licht entsprechend hoher Frequenz ein, bei dem Elektronenübergänge auftre-
ten, oder beobachten wir nur solches Licht bei der Emission, so kommen diese Teile des
Störoperators zum Tragen. Setzen wir die Wellenfunktionen (16.50) und (16.51) sowie
die Teile des Störoperators (16.54) oder (16.55) in das Matrixelement (16.14) ein! Da
sowohl die Wellenfunktionen als auch der Störoperator jeweils aus einem Produkt von
Funktionen bzw. Operatoren bestehen, die sich entweder auf das Licht oder die Mo-
lekülkoordinaten (d. h. Elektronen- oder Kernkoordinaten) beziehen, läßt sich das Ma-
trixelement (16.14) bezüglich der einzelnen Teile (16.54) bzw. (16.55) ebenfalls in ein
Produkt aufspalten. Bezüglich (16.54) gilt dann
∗ 1
ϕµ bλ √ Oλ (kλ )ϕκ dV = MMolekül MLicht . (16.56)
V
Hierbei ist MMolekül durch
1
MMolekül = ϕ∗Q e √ Oλ (kλ )ϕ Q a dVEl dVKerne (16.57)
V
gegeben.
Die Integration, die durch dVEl dVKerne angedeutet wird, bezieht sich dabei auf alle
Koordinaten der Elektronen und Kerne des Moleküls. Mit der Auswertung dieses Ma-
trixelements werden wir uns in Abschn. 16.4 befassen.
332 16. Wechselwirkung von Molekülen mit Licht: Quantentheoretische Behandlung
Zunächst wenden wir uns aber dem zweiten Faktor in (16.56), nämlich MLicht , zu.
Hierbei verwenden wir die bra- und ket-Bezeichnung, wie sie uns vom harmonischen
Oszillator her geläufig ist (vgl. I, Abschn. 9.4, Übungen). Diese lautet:
MLicht = Φe bλ Φa , (16.58)
falls der Störoperator (16.54) verwendet wird, und
- .
MLicht = Φe b+λ Φa , (16.59)
falls der Störoperator (16.55) verwendet wird.
Um diese Matrixelemente auszuwerten, erinnern wir uns daran, daß die Wellenfunk-
tionen Φa und Φe Eigenzustände des ungestörten Hamilton-Operators, d. h. von (16.42),
sein müssen. Im einfachsten Falle liegt der Vakuum-Zustand vor, in dem kein Photon
vorhanden ist, Φa = Φ0 . Im Matrixelement (16.58) wirkt der Vernichtungsoperator bλ
auf den Vakuumzustand, was bekanntlich Null ergibt, so daß (16.58) verschwindet. Im
Matrixelement (16.59) wird hingegen ein Photon im Zustand λ (mit dem Ausbreitungs-
vektor kλ und der Polarisationsrichtung eλ ) erzeugt. Wie wir vom quantenmechanischen
harmonischen Oszillator her wissen, verschwindet das Matrixelement (16.59) genau
dann nicht, wenn der Endzustand Φe dieses eine Photon enthält:
Φe = b+
λ Φ0 . (16.60)
Diese Resultate lassen sich auf allgemeine Anfangs- und Endzustände ausdehnen, wo-
bei es für unsere Zwecke genügt, einen bestimmten Photonenzustand λ zu betrachten,
der mit n λ Photonen (n λ : ganzzahlig) besetzt ist. Φa oder Φe haben dann die allgemeine
Form
1
+ n λ
Φ=√ b Φ0 . (16.61)
nλ! λ
Wir erhalten dann das folgende Schema:
Absorption. Die Zahl
1
+ n λ
nλ in Φa = √ b Φ0 (16.62)
nλ! λ
erniedrigt sich um eins:
1
+ n λ −1
Φe = √ b Φ0 . (16.63)
(n λ − 1)! λ
Wie aus der Theorie des quantenmechanischen harmonischen Oszillators bekannt ist, ist
das für die Absorption zuständige Matrixelement (16.58) durch
√
MLicht = n λ (16.64)
gegeben.
Emission. Die Zahl n λ in (16.60) erhöht sich um eins:
1
+ n λ +1
Φe = √ b Φ0 . (16.65)
(n λ + 1)! λ
16.3 Die spontane und induzierte Emission sowie die Absorption von Licht durch Moleküle 333
ist, bleibt von der ganzen Summe über λ nur das Glied mit λ = λ0 übrig. Erinnern wir
uns ferner daran, daß bλ Φ0 = 0 ist, so fällt der Teil des Matrixelements, der von der
ersten Summe in (16.52) herrührt, ganz weg.
Fassen wir diese Ergebnisse zusammen, so läßt sich das Matrixelement (16.14) für
den Störoperator (16.52) in der folgenden Form schreiben
1
S
Hµκ (0) = √ ϕ∗Q e (r, R)Oλ+0 ϕ Q a (r, R)dVEl dVKerne . (16.68)
V
Auf der linken Seite sind die Indizes µ, κ Abkürzungen für die Quantenzahlen des
End- bzw. Anfangszustandes von Molekül und Lichtfeld. Wir haben daher die folgende
Zuordnung:
Molekül Licht Energie
Anfangszustand µ = Qa , Vakuum, 0 E µ = E Q a ,Mol.
Endzustand κ = Qe , Photon λ0 E κ = E Q e ,Mol. + hωλ0 .
(16.69)
E Q a ,Mol. , E Q e ,Mol. sind die Energie-Werte des Moleküls in den betreffenden Quanten-
zuständen. Wir bezeichnen wegen (16.69) das Matrixelement (16.68) expliziter als
1
HQ e ,λ0 ;Q a ,0 = √
S
ϕ∗Q e (r, R)Oλ+0 ϕ Q a (r, R)dVEl dVKerne . (16.70)
V
334 16. Wechselwirkung von Molekülen mit Licht: Quantentheoretische Behandlung
Wir wenden uns nun der Berechnung der Übergangswahrscheinlichkeit pro Sekunde, W,
(16.30) zu. Da die Quantenzahlen Q a , Q e des Moleküls festgelegt sind, brauchen wir
nur noch über die Endzustände des Lichtfeldes aufzusummieren und in (16.70) den In-
dex λ0 durch λ ersetzen. Schreiben wir noch ∆E = E Q a ,Mol. − E Q e ,Mol. , so erhalten wir
2π S 2
W= HQ e ,λ;Q a ,0 δ (hωλ − ∆E) . (16.71)
h
λ
Wir müssen nun die Summe über λ mit Hilfe der darin stehenden δ-Funktion auswerten
(wobei wir aber die Polarisationsrichtung e der ausgestrahlten Lichtquanten festhalten).
In der Tat gehören die Wellenzahlvektoren kλ der Lichtquanten einem Kontinuum an.
Die Vektoren kλ variieren bezüglich Länge und Richtung kontinuierlich. Wie wir in
Abschn. 16.1 sahen, gilt der Energiesatz. Besitzen Anfangs- und Endzustand des Mole-
küls diskrete Energiewerte, so ist die Lichtquantenenergie ebenfalls auf einen diskreten
Energiewert hω festgelegt. Da aber ω = ck, liegt auch der Betrag von k fest. Hingegen
ist die Richtung von k noch kontinuierlich veränderlich.
Wie wir im Anhang A2 explizit ausführen, können wir bei der Berechnung der
Übergangswahrscheinlichkeit pro Sekunde, W, folgendermaßen vorgehen. Wir gehen
zunächst von Lichtwellen u√ λ (r) ∝ exp(ikλ · r) aus, die in einem endlichen Volumen V
mit Hilfe des Vorfaktors 1/ V auf 1 normiert sind, d. h.
|u λ |2 dV = 1 . (16.72)
V
Das Volumen V soll die Form eines Würfels mit der Kantenlänge L haben. Die Wel-
len werden einer periodischen Randbedingung unterworfen, d. h. z. B. in x-Richtung soll
gelten:
ausdrücken, d. h.
E
k= ,
hc
so daß die rechte Seite von (16.75) in
V 1
. . . E 2 dEdΩ (16.76)
(2π)3 (hc)3
übergeht.
Unter dem Integral in (16.30) bzw. (16.76) steht aber die δ-Funktion, die gerade die
Lichtquantenenergie hω aussondert, die durch den Energie-Erhaltungssatz
E Q a = E Q e + hω (16.77)
festgelegt wird.
Damit erhalten wir
2π V 1 2
W= (hω)2 HQ e ,λ0 ;Q a ,0 dΩ . (16.78)
h (2π) (hc)
3 3
Um zum endgültigen Resultat vorzustoßen, setzen wir (16.68) und (16.70) mit (16.53)
in (16.78) ein. Dies ergibt
2
1 1 1 ω
e2
W= ϕ ∗
(r, R) exp(ik r )e · p ϕ (r, R)dV dV dΩ .
h 8π 2 c3 m 20 ε0 Q e λ j j Q a El Kerne
j
(16.79)
W gibt die Zahl der pro Sekunde spontan in den Raumwinkelbereich dΩ und mit der
Polarisationsrichtung e emittierten Photonen an. Dies ist aber genau die Größe, die Ein-
stein bei seiner Herleitung der Planckschen Formel über die spontane Emission phäno-
menologisch einführte.
1 für die spontane Emission (Polarisationsrichtung e) er-
Der Einstein-Koeffizient a2,e
gibt sich durch Vergleich von
W = a2,e
1
dΩ (16.80)
(angeregten) Anfangszustands a ist dann mit Hilfe der Summe über die Übergangswahr-
scheinlichkeiten in alle energetisch tieferliegenden Molekülzustände wie folgt gegeben:
1
= W(a → e, e, dΩ) .
τ
Die Summe erstreckt sich über alle eben genannten Endzustände des Moleküls, über
den gesamten Raumwinkel und die jeweils 2 Polarisationsausrichtungen der Photonen.
Mit der optischen Lebensdauer ist eine endliche Linienbreite verknüpft (vgl. I, Ab-
schn. 16.2).
Wir behandeln nun die induzierte Emission.
Wir nehmen zuerst an, daß eine bestimmte Zahl n von Lichtquanten, die zu einer
bestimmten Lichtwelle mit dem Index λ0 (d. h. Wellenzahlvektor kλ0 und Polarisations-
richtung eλ0 ) gehören, vorhanden sind. Der normierte Anfangszustand des Lichtfeldes,
Φa , ist dann durch
1 + n
Φa = √ bλ0 Φ0 (16.81)
n!
gegeben.
Lassen wir den Störoperator (16.52) auf (16.81) in dem Matrixelement Hµκ S (0)
(16.14) wirken und berücksichtigen wir nur solche Störungen, bei denen sich die Licht-
quantenzahl erhöht, so erkennen wir, daß es zwei Arten von Endzuständen gibt: Näm-
lich abhängig davon, ob der Index λ in der Summe in (16.52) gleich λ0 ist oder nicht,
erhalten wir
n+1
(α) λ = λ0 : Φe ∝ b+λ0 Φ0 (16.82)
oder
n
(β) λ = λ0 : Φe ∝ b+ +
λ bλ0 Φ0 . (16.83)
Im Falle (α) wird ein Lichtquant von der gleichen Sorte wie die des Anfangszustands
dem Lichtfeld hinzugefügt. Im Falle (β) wird ein Lichtquant einer anderen Sorte spon-
tan emittiert. Um die gesamte Übergangswahrscheinlichkeit in alle diese Endzustände
zu berechnen, müssen wir die Matrixelemente Hµκ S (0) bezüglich (16.82) und (16.83)
gemeinsam mit den Wellenfunktionen ϕ Q a bzw. ϕ Q e des Moleküls bilden, das Absolut-
quadrat der Matrixelemente nehmen und über alle Endzustände gemäß (16.30) aufsum-
mieren. Dabei haben wir die Bedeutung von E µ − E κ , das in der δ-Funktion auftritt,
zu klären.
Im Falle (α) ist E κ als Energie des Anfangszustandes durch die Summe aus der Ener-
gie des Anfangszustandes des Moleküls E a,Mol. und der Energie der n Lichtquanten, d. h.
nhωλ0 gegeben:
E κ = E a,Mol. + nhωλ0 . (16.84)
Die Energie E µ des Endzustands lautet in entsprechender Weise
E µ = E e,Mol. + (n + 1)hωλ0 . (16.85)
Wir erhalten damit
E µ − E κ = E e,Mol. − E a,Mol. + hωλ0 . (16.86)
16.3 Die spontane und induzierte Emission sowie die Absorption von Licht durch Moleküle 337
Gemäß den Fällen (α) und (β) enthält die Übergangswahrscheinlichkeit pro Sekunde W
(16.30) zwei Anteile:
2π
2
S
W = δ hωλ0 − ∆E (n + 1) HQ e ,λ0 ;Q a ,0
h
2π S 2
+ Q e ,λ0 ;Q a ,0 δ (hωλ − ∆E) .
H (16.91)
h
λ =λ0
Der Faktor (n + 1) im ersten Summanden rührt von (16.66) her, da das Matrixelement
quadriert auftritt. Wir zerlegen den Faktor (n + 1) in n und 1 und schlagen den bei der
1 in (16.91) als Faktor stehenden Ausdruck der in (16.91) stehenden Summe zu. Damit
ergibt sich aber genau die Summe (16.71), die wir für die spontane Emission erhalten
hatten. Der dann in (16.91) übrigbleibende Ausdruck
2π S 2
Win = HQ e ,λ0 ;Q a ,0 nδ hωλ0 − ∆E (16.92)
h
ist die induzierte Emissionsrate.
In (16.92) erscheint keine Summation über λ. Andererseits ist es nötig, über ein Kon-
tinuum zu integrieren, so daß die δ-Funktion ausgewertet werden kann. Auf diese Weise
zwingt uns der Formalismus, mit einem realistischeren Anfangszustand zu beginnen, der
aus einem Wellenpaket besteht. Wir nehmen an, daß dieses von ebenen Wellen gebildet
wird innerhalb einer Region ∆k x , ∆k y , ∆k z mit einer entsprechenden Frequenzbreite
∆ω = c∆k. Wenn M Moden vorhanden sind, lautet die normierte Wellenfunktion
1 1
+ n
Φa = √ √ bk Φ0 . (16.93)
M n! ∆k
Um ganz explizit zu sein, benutzen wir in (16.93) den Index k anstelle von λ. Die in
(16.93) auftretende Summation über k überträgt sich auf eine Summation über λ0 in
(16.92):
2π 1 S 2
Win = HQ e ,λ0 ;Q a ,0 nδ (hωk − ∆E) . (16.94)
h M
∆k
338 16. Wechselwirkung von Molekülen mit Licht: Quantentheoretische Behandlung
Mit
2πm i
M = mx m ymz , ∆ki = , i = x, y, z , (16.95)
L
wobei L die Kantenlänge des Normierungswürfels ist, finden wir
L3 V 2
M= ∆k x ∆k y ∆k z = k ∆kdΩ , (16.96)
(2π) 3 (2π)3
wobei wir im 2. Schritt von kartesischen Koordinaten zu sphärischen Polarkoordinaten
mit dem Raumwinkelbereich dΩ übergegangen sind. Indem wir die Gln. (16.95) und
(16.96) und ∆E = hω benutzen, erhalten wir für die Übergangswahrscheinlichkeit für
die induzierte Emission von Photonen in einem Raumwinkelbereich dΩ
2π S 2
Win = n 2 HQ e ,λ0 ;Q a ,0 . (16.97)
h ∆ω
Wegen (16.53) und (16.68) läßt sich (16.97) auch in der Form
⎛ ⎞2
nπe2 N
Win = 2 ⎝ exp(ikr j )eP j Q ,Q ⎠ (16.97a)
m 0 ε0 ∆ωhωV j=1 e a
schreiben, wobei das Matrixelement (. . . ) Q e ,Q a bzgl. ϕ∗Q e und ϕ Q a auszuwerten ist (vgl.
(16.97)).
Wir schreiben Win in der Form
Win (dΩ) = e (ω, dΩ)b12,e dΩ , (16.98)
wobei
2
πe2 N
b12,e = exp(ikr )eP j Q ,Q (16.99)
(hω)2 ε0 m 0 j=1
2 j e a
der Einstein-Koeffizient für die induzierte Emission von Photonen mit der Polarisation e
in dΩ ist.
nhω
e (ω, dΩ) = (16.100)
∆ωdΩV
ist die gesamte Energie der n Photonen geteilt durch die Frequenzbreite, den Raumwin-
kel und das Volumen, oder in anderen Worten, e ist die Energiedichte pro Einheitsfre-
quenzintervall, Einheitsraumwinkel und Einheitsvolumen. Ein Vergleich zwischen den
Gln. (16.78)–(16.80) und (16.99) ergibt die wichtige Einstein-Relation für das Verhält-
nis zwischen spontaner und induzierter Emissionswahrscheinlichkeit als Funktion der
Frequenz (Vergleiche auch (5.22) in I. Man beachte hierbei, daß wir für die Einstein-
Koeffizienten in I große Buchstaben, hier jedoch kleine verwenden.)
1
a2,e hω3
= . (16.101)
b12,e (2π)3 c3
16.3 Die spontane und induzierte Emission sowie die Absorption von Licht durch Moleküle 339
Ein weiterer Vergleich zwischen spontaner und induzierter Emissionsrate ergibt sich wie
folgt: Die Beziehung (16.92) kann auch anders ausgedrückt werden. Wir bestimmen die
pontane Emissionsrate P pro Zahl von Moden (nicht Photonen!) (vgl. Anhang A2), in
dem Volumen V , dem Winkelbereich dΩ und dem Frequenzbereich ∆ω(ω̄, ω̄ + ∆ω),
welche wir bis jetzt betrachtet haben. Indem wir (16.78) durch diese Zahl
k2 ∆kVdΩ ω2 ∆ωVdΩ
Nm = = (16.102)
8π 3 8π 3 c3
dividieren, finden wir
= W = 1 Win ,
W (16.103)
Nm n
so daß das Verhältnis zwischen induzierter Emissionsrate zu spontaner Emissionsrate
gleich n, also der Gesamtzahl der Photonen in diesem Bereich ist.
Absorption. Die Berechnung der Übergangswahrscheinlichkeit Wabs für Moleküle, die
von ihrem Grundzustand zu dem angeregten Zustand durch Absorption übergehen, in-
dem sie ein Quant aus einem Wellenpaket, dessen Wellenzahlvektoren innerhalb eines
Raumwinkelbereichs dΩ liegen, absorbieren, kann in Analogie zu der induzierten Emis-
sion durchgeführt werden. Der wesentliche Unterschied besteht darin, daß wir nun mit
einem Molekül in seinem Grundzustand anstelle im angeregten Zustand beginnen, und
daß aus der Welle mit dem Index λ0 ein Photon entfernt wird. Die explizite Form von
E µ und E κ ändert sich entsprechend:
E µ − E κ = E e,Mol. − E a,Mol. − hωλ0 . (16.104)
Ferner ist im ersten Glied in (16.91) der Faktor (n + 1) gemäß (16.64) (anstelle von
(16.66)) durch n zu ersetzen, während die zweite Summe in (16.91) ganz wegfällt. Wie-
derum müssen wir über den Anfangszustand des Lichtfelds mitteln. Wir erhalten dann
für die Übergangswahrscheinlichkeit pro Sekunde für die Absorption
Wabs = e (ω̄, dΩ)b21,e dΩ , (16.105)
wobei b21,e = b12,e ist, so daß der Einstein-Koeffizient für Absorption gleich dem für in-
duzierte Emission ist (vgl. Abschn. 5.18 in I). Die Absorptionsrate ist proportional zu
der in (16.100) definierten Energiedichte e des einfallenden Lichts.
Indem wir
n̄hωc
I(ω) = (16.108)
∆ω
einführen (n̄ = n/V : Photonendichte) und dies in Gl. (16.107) einsetzen, erhalten wir
2
b1,e Nhω
dI(ω)
= −I(ω) . (16.109)
c dt c V∆ω
Indem wir dx = c dt schreiben, erhalten wir als Gleichung für die räumliche Absorption
dI(ω)
= −I(ω)αC , (16.110)
dx
wobei C = (N/V ) die Konzentration der Moleküle bedeutet und der Absorptionskoef-
fizient α durch
b21,e hω
α= (16.111)
c∆ω
gegeben ist. Damit haben wir den in Abschn. 15.1 eingeführten Absorptionskoeffizien-
ten durch den Einstein-Koeffizienten b21,e ausgedrückt. Gleichzeitig erkennen wir, daß
die Formel des Lambert-Beerschen Gesetzes (15.1) gerade die Lösung der Differential-
gleichung (16.110) darstellt.
Da Wabs und Win eine vollständig symmetrische Rolle spielen, finden wir ganz all-
gemein für ein System von nicht wechselwirkenden, teilweise invertierten Molekülen
dI N2 − N1
=I αC , (16.112)
c dt N
wobei N2 die Zahl der Moleküle im angeregten Zustand, N1 die der Moleküle im Grund-
zustand ist. Die Beziehung (16.112) ist übrigens grundlegend für die Lasertätigkeit von
Molekülen. Wenn nämlich N2 − N1 > 0 ist, so findet eine Verstärkung der Intensität I
statt und Licht wird erzeugt statt absorbiert.
a) Übergangsmomente und Dipolnäherung Wir erläutern noch den Begriff des Über-
gangsmoments, der in dem Ausdruck für die optische Übergangswahrscheinlichkeit pro
Sekunde auftritt. Wie wir gesehen haben, ist die Übergangswahrscheinlichkeit pro Se-
kunde durch das Matrixelement (16.70) bestimmt, wobei der Operator Oλ durch (16.53)
gegeben ist. Da sich alles für das folgende Wesentliche bereits für ein einzelnes Elek-
tron herleiten läßt, betrachten wir nur ein Glied der Summe über j und lassen dann den
Index j weg. Wir nehmen an, daß die Lichtwellenlänge groß gegenüber der Erstreckung
des Moleküls ist. Der Faktor exp(ikλ · r) ändert sich dann nur wenig in diesem Bereich.
Legen wir das Koordinatensystem mit dem Ursprung in den Schwerpunkt des Mole-
küls, so dürfen wir die Exponentialfunktion durch 1 ersetzen. Dies ist die sogenannte
Dipolnäherung, die wir nun näher betrachten wollen. (Entwickeln wir statt dessen die
Exponentialfunktion in eine Potenzreihe nach (kλ · r), so ergeben sich Matrixelemente
für die sog. Multipolstrahlung, wobei sowohl elektrische als auch magnetische Multi-
pole auftreten können.)
16.3 Die spontane und induzierte Emission sowie die Absorption von Licht durch Moleküle 341
wobei die Wellenfunktionen und die Integration dV sich auch auf mehrere Teilchen be-
ziehen dürfen. Gleichung (16.113) ist also ein Integral, das zwischen dem Anfangs- und
Endzustand zu nehmen ist, wobei als Operator der Impuls p auftritt. Matrixelemente des
Impulsoperators lassen sich, wie wir nun zeigen wollen, in solche des Ortsoperators r
oder des DipolDipolmomentenoperators
Θ = er (16.114)
umrechnen. Hierbei ist e die elektrische Ladung und r die Koordinate des Teilchens.
Um die Beziehung zwischen r und p klarzumachen, erinnern wir uns an die klassische
Relation zwischen Impuls und Geschwindigkeit, die durch
p = m 0 ṙ (16.115)
gegeben ist. Hierbei ist m 0 die Masse des Teilchens. Die von der klassischen Mecha-
nik geläufige Beziehung (16.115) läßt sich in der Quantenmechanik als eine Beziehung
zwischen Matrixelementen in der folgenden Weise interpretieren:
∗h d
pµκ ≡ ψµ ∇ψκ dV = m 0 ψµ∗ rψκ dV . (16.116)
i dt
(Die Integrale können sich dabei, wie eben bemerkt, auch über mehrere Teilchenkoordi-
naten erstrecken.) Wir nehmen dabei an, daß in dem Matrixelement die Zeitabhängigkeit
der Wellenfunktionen explizit auftritt, d. h. daß
ψλ (r, t) = e−iEλ t/h ϕλ (r) , λ = µ, κ . (16.117)
Wir können dann sofort die Differentiation nach der Zeit ausführen und erhalten damit
pµκ = m 0 ( ṙ)µκ = m 0 iωµκ rµκ , (16.118)
wobei
1
ωµκ = (E µ − E κ ) .
h
Das Matrixelement rµκ ist dabei natürlich durch
∗
rµκ = ϕµ rϕκ dV (16.119)
definiert. Multiplizieren wir rµκ mit der elektrischen Ladung e, so erhalten wir das Di-
polmoment Θ (16.114). Wegen der Beziehung (16.116) können wir überall das Matrix-
element bezüglich p durch eines bezüglich des Dipolmoments Θ ersetzen, wobei also
gilt
e pµκ = m 0 iωµκ Θµκ . (16.120)
∗
Θµκ = ϕµ erϕκ dV wird als Übergangsmoment oder auch als Übergangsdipolmoment
bezeichnet.
In den Einsteinkoeffizienten dürfen wir also in der Dipolnäherung statt der Im-
pulsmatrixelemente die Übergangsmomente verwenden, wobei in (16.120) wegen des
Energie-Erhaltungssatzes ωµκ = ω gilt.
342 16. Wechselwirkung von Molekülen mit Licht: Quantentheoretische Behandlung
8π 2 m 0 2
f Q a →Q e = 2
ν Θ Q a ,Q e . (16.121)
3he
Aus (16.121) läßt sich (15.4) wie folgt herleiten. Wir gehen dazu von dem integralen
Absorptionskoeffizienten A (15.3) aus, der sich aus ε(ν) = Cα(ω)/(ln 10) (vgl. (15.3))
durch Integration über das ganze Absorptionsband ergibt:
A = ε(ω)dν . (16.121a)
Drücken wir in (15.3) α gemäß (16.111) durch den Einsteinkoeffizienten b21,e = b12,e
aus und führen die Integration über das Intervall ∆ν ≡ ∆ω/2π durch, so erhalten wir
Mit Hilfe von (16.99) drücken wir den Einsteinkoeffizienten durch das Absolutqua-
drat des Dipolmatrixelements, d. h. |Θ Q a ,Q e |2 , aus, wobei wir die Dipolnäherung und
(16.120) verwenden und die Mittelung über die räumliche Molekülorientierung durch-
führen (s. w. u. (16.126)), was zu einem Faktor 1/3 vor |Θ Q e ,Q a |2 führt. Damit erhal-
ten wir
ω
A=C Θ Q ,Q 2 . (16.121c)
e a
6chε0 ln 10
Lösen wir diese Gleichung nach |Θ Q e ,Q α |2 auf und setzen das Resultat in (16.121) ein,
so erhalten wir nach Wegheben von Faktoren
4m 0 cε0 ln 10
f = A, (16.121d)
Ce2
d. h. die gewünschte Gl. (15.4). Unter den gleichen Näherungen ergibt sich eine direkte
Beziehung zwischen der Oszillatorenstärke f und dem Einstein-Koeffizienten b21 (bei
räumlicher Mittelung) in der Form
2ε0 ωm 0 h 2
f Q a →Q e = b1 . (16.122)
πe2
c) Räumliche Mittelung über die Polarisationsrichtungen bei der spontanen Emission
Der in (16.79) und (16.80) angegebene Einstein-Koeffizient bezieht sich auf die Emis-
sion von Photonen einer festen Polarisationsrichtung e. Oft wird der Einstein-Koeffizient
16.4 Das Franck-Condon-Prinzip 343
angegeben, wenn über alle Polarisationsrichtungen des emittierten Lichts gemittelt wird.
Dazu benutzen wir die Dipolnäherung und betrachten den Ausdruck
e · rµκ 2 , (16.123)
wobei der Mittelstrich die räumliche Mittelung bedeutet. Um diese auszuführen, den-
ken wir uns ein Koordinatensystem, bei dem die z-Richtung mit der Richtung des Vek-
tors rµκ zusammenfällt. (Die Tatsache, daß es sich bei dem Matrixelement rµκ um einen
komplexen Vektor handelt, spielt dabei keine Rolle, da dann einfach die Komponen-
ten komplexe Zahlen sind.) Der zunächst beliebig gewählte Polarisationsvektor e bildet
dann gemäß Abb. 16.3 den Winkel ϑ mit rµκ , d. h. gegenüber der z-Achse. Die räum-
liche Mittelung können wir nun nach elementaren Überlegungen der Geometrie durch-
führen, indem wir über das Raumwinkelelement dΩ mitteln. Dies läßt sich durch
dΩ = sin ϑdϑdϕ (16.124)
ausdrücken. Die Mittelung (16.123) lautet dann explizit
2π π Abb. 16.3. Die relative Lage von
dϕ |rµκ |2 cos2 ϑ sin ϑdϑ
e und rµκ
e · rµκ 2 = 0 0
. (16.125)
π
2π
sin ϑdϕdϑ
0 0
Das Absolutquadrat von rµκ hängt nicht mehr von den Winkeln ab und kann vor das In-
tegral gezogen werden. Die Integrale lassen sich elementar auswerten, und wir erhalten
als Endresultat
e · rµκ 2 = 1 rµκ 2 . (16.126)
3
Um den Einstein-Koeffizienten für die spontane Emission bei einer Mittelung über die
Polarisationsrichtung zu erhalten, müssen wir also lediglich (16.79) und (16.80) mit dem
Faktor 1/3 multiplizieren.
ersetzen. Wir können also die Integration, die sich über die Kern- und Elektronenko-
ordinaten erstreckt, in eine, die sich auf die Elektronen alleine, und eine, die sich auf
die Kerne alleine erstreckt, ersetzen. Der Übergang von (16.129) zu (16.129a) läßt sich
übrigens mit Hilfe des Mittelwertsatzes der Integralrechnung mathematisch streng recht-
fertigen.
Untersuchen wir als erstes das sich auf die Kernbewegung beziehende Integral
χ K∗ e qe (R)χ K a qa (R)dVKerne . (16.130)
16.4 Das Franck-Condon-Prinzip 345
Hierbei müssen wir uns an ein Resultat bei der Born-Oppenheimer-Näherung erinnern,
das sich auf die Kerne bezog. Die Kraft zwischen den Kernen besteht demnach nicht nur
aus der direkten Coulombschen Abstoßungskraft zwischen den Kernen, sondern kommt
auch über die Elektronen zustande. Die hierfür maßgebende Elektronenenergie W (11.9)
hängt dabei von den Elektronenwellenfunktionen, die gerade besetzt sind, ab. Dies im-
pliziert insbesondere, daß die Kernkoordinaten vor und nach dem optischen Übergang
nicht die gleichen Ruhelagen haben müssen, sondern sich gegenseitig verschoben ha- Abb. 16.4. Verschiebung der
ben können, je nachdem welcher Elektronenzustand jeweils vorliegt. Diese Verschie- Ruhelagen der Kerne (und der
bung der Ruhelage der Kerne wird anschaulich durch eine sog. Konfigurationskoordinate Wellenfunktionen) vor und nach
erfaßt (vgl. Abb. 16.4 sowie 14.3 und 14.4). Selbst wenn die Oszillatorwellenfunktio- dem optischen Übergang des
Elektrons, veranschaulicht durch
nen der Kerne vor und nach dem optischen Übergang z. B. im Grundzustand sind, ist die Konfigurationskoordinate X
dennoch das Integral (16.130) im allgemeinen kleiner als 1, da die Ruhelagen verscho-
ben sind und nur eine endliche Überlappung zustandekommt. Aufgrund der Verschie-
bung der Kernruhelagen sind selbst bei verschiedenen Quantenzahlen K e und K a die
Wellenfunktionen in (16.130) nicht mehr aufeinander orthogonal. Verschiedene Quan-
tenzahlen bedeuten aber, daß im Anfangs- und Endzustand die Zahl der Quanten der je-
weiligen Schwingungen voneinander verschieden sind. Dies besagt, daß bei einem derar-
tigen Übergang Schwingungsquanten entstehen oder vernichtet werden können. Es gibt
also keine strengen Auswahlregeln für die Änderung der Schwingungsquantenzahl beim
elektronischen Übergang, wie schon in Kap. 14 bemerkt.
Betrachten wir nun den sich auf die Elektronenkoordinaten beziehenden Anteil des
Matrixelementes (16.129a), d. h.
Ψq∗e (r, R0 ) eikλ ·r j eλ · p j Ψqa (r, R0 )dVEl . (16.131)
j
Wir nehmen an, daß die Wellenlänge des Lichts groß gegenüber der Erstreckung der
Molekülorbitale ist, so daß wir von der räumlichen Variation der Exponentialfunktion
exp(ik · r) absehen und diese durch exp(ik · r0 ) ersetzen können, wobei r0 sich auf eine
mittlere Koordinate im Molekül bezieht. (Dies ist die uns schon bekannte Dipolnähe-
rung.) Diesen konstanten Faktor können wir vor das Integral in (16.131) ziehen und dann
im folgenden weglassen, da er bei der Bildung der Absolutquadrate der Matrixelemente
herausfällt. Der also noch zu untersuchende Teil des Matrixelements (16.131) lautet
Ψq∗e (r, R0 ) e · p j Ψqa (r, R0 )dVEl . (16.132)
j
geschrieben werden kann. Der Einfachheit halber haben wir die Slater-Determinante für
Ortswellenfunktionen ohne Spin-Anteil geschrieben. Gemäß Abschn. 7.1.2 können wir
aber auch sehr leicht die Spinabhängigkeit berücksichtigen. Hierbei haben wir die Ge-
samtquantenzahl der Elektronen qa in die einzelnen Quantenzahlen q1 , q2 , . . . der Zu-
stände, in denen die einzelnen Elektronen sich befinden, aufgeteilt. Die Quantenzahlen
des Endzustandes unterscheiden wir von denen des Anfangszustandes, indem wir einen
Strich daran hängen:
qa = (q1 , q2 , . . . , q N )
qe = q1
, q2
, . . . , q
N . (16.134)
Wie wir wissen (vgl. auch den Anhang), wird eine Determinante durch eine Summe
über Produkte über alle möglichen Kombinationen der Indizes dargestellt, wobei noch
der Faktor + oder − auftritt, je nachdem ob es sich um eine gerade oder ungerade Per-
mutation handelt. Gemäß (16.133) und dem entsprechenden Ausdruck für Ψqe treten in
(16.132) zwei Determinanten auf, die dann miteinander zu multiplizieren sind. Sodann
sind die Integrationen über die Elektronenkoordinaten auszuführen. Da die ins einzelne
gehende Auswertung nur wenig physikalische Einblicke gewährt, geben wir gleich das
Resultat an und verweisen den an den Details interessierten Leser auf den Anhang. Es
ergibt sich: Der Satz qa der Quantenzahlen (16.134) muß mit dem Satz qe übereinstim-
men bis auf ein Paar, wo ql = ql
ist, und l eine Zahl aus 1 . . . N ist (N: Anzahl der
Elektronen). Anders ausgedrückt bedeutet dies, daß beim optischen Übergang nur ein
Elektron seinen Zustand ändert, alle anderen bleiben in ihrem jeweiligen Anfangszu-
stand. Wegen der Ununterscheidbarkeit der Elektronen kann es sich bei dem einen um
ein beliebiges Elektron handeln. Damit reduziert sich das Matrixelement (16.132) auf
den Ausdruck
(16.132) = eλ · pql
,ql = e · ψq∗
(r) pψql (r)dV . (16.135)
l
Auf (16.135) lassen sich nun gruppentheoretische Überlegungen anwenden, die dann
zeigen, ob das Matrixelement prinzipiell von Null verschieden sein kann oder ob es
aufgrund von Symmetrien verschwinden muß. Lassen wir das Hartree-Fock-Verfahren
fallen, so kann es beim optischen Übergang eventuell auch Anregungen von mehre-
ren Elektronen geben, und die Energie kann in komplizierterer Weise auf Anregungszu-
stände der Elektronen verteilt werden.
16.5 Auswahlregeln
Ob ein optischer Übergang erfolgen kann oder nicht, darüber entscheiden die optischen
Matrixelemente. Mit Hilfe der Gruppentheorie läßt sich feststellen, welche Matrixele-
mente verschwinden, d. h. welche Übergänge verboten sind, bzw. welche Matrixele-
mente von Null verschieden sein können (aber nicht müssen!). Über die Größe der Ma-
trixelemente macht die Gruppentheorie allerdings keine Aussage.
Um diese Methodik kennenzulernen, betrachten wir als erstes das sog. direkte Pro-
dukt. In Kap. 6 hatten wir die Wellenfunktionen Ψ j als Basis für die Darstellung ei-
ner Transformationsgruppe eingeführt. Wir betrachten jetzt neben einer solchen Basis,
die wir Ψ j(1) nennen, noch eine zweite, Ψ j(2) . Dabei können wir auch zulassen, daß der
16.5 Auswahlregeln 347
auffassen, wobei die Integration sich über alle in den Ψ ’s vorkommenden Variablen er-
streckt, z. B. also über die Koordinaten eines oder auch mehrerer Elektronen. Wir kön-
nen nun die Basis (16.136) bezüglich der Symmetrie-Operationen des jeweiligen Mole-
C2v E C2 σv σv
A1 1 1 1 1
A2 1 1 −1 −1
B1 1 −1 1 −1
B2 1 −1 −1 1
A1 A1 1 1 1 1 = A1
A1 A2 1 1 −1 −1 = A2
A2 B1 1 −1 −1 1 = B2
A2 B2 1 −1 1 −1 = B1
B1 B2 1 1 −1 −1 = A2
348 16. Wechselwirkung von Molekülen mit Licht: Quantentheoretische Behandlung
A1 1 1 1
A2 1 1 −1
E 2 −1 0
A2 A2 1 1 1 = A1
A2 E 2 −1 0 =E
EE 4 1 0 = A1 + A2 + E
küls in ihre irreduziblen Darstellungen zerlegen. Bezüglich eines jeden solchen Anteils
wird in der Mathematik gezeigt, daß das entsprechende Integral (16.137) verschwindet,
sofern nicht der Integrand invariant unter allen Symmetrie-Operationen der Punktgruppe
ist. Wir erläutern dies an zwei einfachen Beispielen:
(1) In dem eindimensionalen Integral
+a
f(x)dx (16.138)
−a
sei f(x) nicht invariant gegenüber der Spiegelung x → −x, sondern es gelte
f(−x) = − f(x). Wir ersetzen x durch (−x) in (16.138), was den Wert des In-
tegrals nicht ändert, und erhalten
+a a a
f(x)dx = f(−x)dx = − f(x)dx ,
−a −a −a
woraus folgt
a
2 f(x)dx = 0 ,
−a
also das Verschwinden des Integrals.
(2) In den beiden zweidimensionalen Integralen (Grenzen ±∞)
Ij = f j (x, y)dxdy , j = 1, 2 (16.139)
Da die Determinante
cos α − 1 sin α
− sin α cos α − 1
nicht verschwindet, folgt unmittelbar I1 = I2 = 0.
Um zu prüfen, ob Integrale der Form (16.137) für gegebene Basisfunktionen (und
Operatoren) von Null verschieden sein können, können wir wie folgt vorgehen: Wir zer-
legen das Produkt (16.136) in seine irreduziblen Darstellungen. Dann können Integrale
nur dann von Null verschieden sein, wenn unter den irreduziblen Darstellungen sich die
identische Darstellung befindet. Folgende mathematische Sätze sind nützlich:
Satz. Die Darstellung eines direkten Produkts (von 2 Basissätzen) enthält die vollstän-
dig symmetrische Darstellung nur, wenn die ursprünglichen Basisfunktionen zu der glei-
chen irreduziblen Darstellung der Punktgruppe gehören. Bei einem dreifachen Produkt
kann das Integral nur dann nicht verschwinden, wenn die Darstellung des Produkts
von zwei Funktionen gleich der Darstellung der dritten Funktion ist oder die Darstel-
lung der dritten Funktion enthält. Hierbei können die Funktionen bzw. Operatoren pas-
send geschickt zusammengefaßt werden. Zum Beispiel kann man die Darstellungen von
Ψ j(1) · Operator · Ψk(2) zuerst bezüglich Ψ j(1) Ψk(2) bestimmen und dann nachsehen, ob in
ihr die Darstellung vom Operator (z. B. px , p y , pz ) enthalten ist.
Erläutern wir die Anwendungen dieser Sätze an dem Beispiel der Punktgruppe C2v ,
die uns beim H2 O, Abschn. 6.7, begegnet sind, und betrachten wir das Dipolmatrixele-
ment
Ψµ∗ (r)rΨκ (r)dV . (16.140)
Dabei identifizieren wir also Ψµ∗ mit Ψi(1) in (16.137), r mit Ψ j(2) und Ψκ mit Ψk(3) in
(16.137). Wir nehmen dabei an, daß Ψµ∗ und Ψκ bereits zu einer irreduziblen Darstel-
lung gehört, deren Symmetrieeigenschaften in Tabelle 16.1 aufgeführt sind. Nun brau-
chen wir noch die irreduziblen Darstellungen von r = (x, y, z), die wir hier als kleine
Tabelle 16.3.
⎧ ⎫ ⎧ ⎫ ⎧ ⎫⎧ ⎫
⎪
⎪ x⎪⎪ ⎪
⎪ x⎪⎪ ⎪
⎪ 1 0 0⎪⎪ ⎪
⎪ x⎪⎪
⎪
⎪ y⎪⎪
⎪=⎪ ⎪ ⎪
⎪ ⎪
⎪ ⎪
⎪ ⎪
⎪ ⎪
E ⎪
⎪
⎪ ⎪ ⎪
⎪ y ⎪
⎪ = ⎪
⎪ 0 1 0 ⎪
⎪ ⎪
⎪ y⎪⎪
⎪, χ = 3
⎩ ⎪ ⎭ ⎪ ⎩ ⎪ ⎭ ⎪ ⎩ ⎪
⎭⎪⎩ ⎪ ⎭
z z 001 z
⎧ ⎫ ⎧ ⎫ ⎧ ⎫⎧ ⎫
⎪
⎪ x⎪⎪ ⎪
⎪−x ⎪ ⎪ ⎪
⎪ −1 0 0⎪ ⎪⎪⎪x ⎪⎪
⎪
⎪ y⎪⎪
⎪=⎪ ⎪
⎪−y⎪ ⎪
⎪=⎪ ⎪
⎪ 0 −1 0⎪ ⎪⎪⎪ y⎪⎪ , χ = −1
C2 ⎪
⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪
⎪ ⎪
⎪ ⎪
⎪
⎪ ⎪ ⎪
⎩ ⎭ ⎩ ⎭ ⎩ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪
⎭⎩ ⎪ ⎭
z z 0 01 z
⎧ ⎫ ⎧ ⎫ ⎧ ⎫⎧ ⎫
⎪
⎪ x⎪⎪ ⎪
⎪−x ⎪ ⎪ ⎪
⎪ −1 0 0⎪ ⎪ ⎪x ⎪
⎪ ⎪
⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪⎪
⎪ ⎪ ⎪
⎪ ⎪
⎪
σv ⎪
⎪ y ⎪
⎪ = ⎪
⎪ y ⎪
⎪ = ⎪
⎪ 0 1 0 ⎪
⎪ ⎪
⎪ y⎪⎪, χ = 1
⎪ ⎪ ⎪
⎩ ⎭ ⎩ ⎭ ⎩ ⎪ ⎪ ⎪
⎭⎪⎩ ⎪ ⎭
z z 001 z
⎧ ⎫ ⎧ ⎫ ⎧ ⎫⎧ ⎫
⎪
⎪ x⎪⎪ ⎪
⎪ x⎪⎪ ⎪
⎪ 1 0 0⎪ ⎪ ⎪
⎪ x⎪⎪
⎪
⎪ ⎪
⎪ ⎪
⎪ ⎪
⎪ ⎪
⎪ ⎪
⎪ ⎪
⎪ ⎪
σv
⎪
⎪
⎪ y ⎪
⎪
⎪ = ⎪
⎪
⎪−y ⎪
⎪
⎪ = ⎪
⎪
⎪ 0 −1 0 ⎪
⎪
⎪
⎪
⎪ y⎪⎪
⎪, χ = 1
⎩ ⎭ ⎩ ⎭ ⎩ ⎪
⎭⎩ ⎪ ⎭
z z 0 01 z
350 16. Wechselwirkung von Molekülen mit Licht: Quantentheoretische Behandlung
Tabelle 16.4. Obere Reihe: Cha- Zwischenübung bestimmen (aber auch aus Tabelle 6.13 direkt entnehmen können). Wie
raktere zur Darstellung von r, man sich anhand von Abb. 6.15 leicht klarmacht, gelten die folgenden Transformations-
untere Reihen: Charaktere der
irreduziblen Darstellungen, die
regeln für die Symmetrie-Operationen (s. Tabelle 16.3).
zu Γ beitragen In der letzten Spalte sind die jeweiligen Charaktere, die als Spur der Darstellungsma-
trizen aus diesen direkt zu entnehmen sind, angegeben. Wie diese Darstellung Γ in die
E C2 σv σv
irreduziblen Darstellungen zerfällt, läßt sich mit Hilfe dieser Charaktere χ und durch
Anwendung von Formel (6.47) oder Probieren leicht angeben. Letzteres läßt sich mit
Γ 3 −1 1 1 Hilfe von Tabelle 16.3 und den eben angegebenen χ’s leicht nachvollziehen, wie aus
Tabelle 16.4 sofort abzulesen ist. Wir erhalten damit
A1 1 1 1 1
B1 1 −1 1 −1 Γ = A1 + B1 + B2 . (16.141)
B2 1 −1 −1 1
Kehren wir nun zu unserer eigentlichen Aufgabe zurück und wenden den obigen ma-
thematischen Satz auf (16.140) an. Fassen wir Ψµ∗ , Ψκ als erstes zusammen, so können
Tabelle 16.5. Linke Spalte: wir Tabelle 16.1 anwenden und suchen, welche Produkte der unteren linken Spalte eine
r und seine irreduziblen Dar-
stellungen. Rechte Spalte: Ψµ∗ Ψκ
der irreduziblen Darstellungen in (16.141), d. h. A1 , B1 oder B2 , ergeben. Wir erhalten
und deren Darstellungsprodukte, so Tabelle 16.5.
die A1 , B1 , B2 ergeben Die zweite Spalte gibt also an, zwischen welchen Wellenfunktionen ein optischer Di-
polübergang möglich, d. h. erlaubt, ist. Alle anderen Übergänge sind verboten. In Ab-
r Ψµ∗ Ψκ schn. 6.7 können wir dann Beispiele für LCAO Wellenfunktionen finden, die die ent-
sprechenden Symmetrieeigenschaften haben.
A1 A1 A1 Mit Hilfe von Tabelle 6.14 können wir ablesen, daß z zur Darstellung A1 , x zur Dar-
B1 A2 B2 stellung B1 und y zur Darstellung B2 gehören. Damit wird es möglich sogar anzuge-
B2 A2 B1 (oder B1 A2 ) ben, in welcher Polarisationsrichtung des Lichts ein optischer Dipolübergang jeweils er-
laubt (oder verboten) ist. So ist z. B. nur in der Polarisationsrichtung x der Übergang
A2 → B2 erlaubt. Wir überlassen es dem Leser als eine kleine Übungsaufgabe, sich
davon zu überzeugen, daß x, y, z jedes für sich schon eine Basis für die jeweiligen ir-
reduziblen Darstellungen A1 , B1 , B2 sind.
Wir stellen als erstes die zeitabhängige Störungstheorie höherer Ordnung dar und wen-
den dann diese auf eine quantentheoretische Behandlung des Raman-Effekts und der
Zwei-Photonen-Absorption an.
Die im vorangegangenen Kap. 16 entwickelte Methodik setzt uns in den Stand, nun-
mehr auch den Raman-Effekt quantentheoretisch zu behandeln, nachdem wir ihn in
Kap. 12 bereits vom Standpunkt des Experiments aus diskutiert haben. Darüber hinaus
können wir jetzt z. B. auch Zwei-Photonen-Prozesse der nichtlinearen Optik behandeln.
Bei der mathematischen Formulierung wird es sich im folgenden als zweckmäßig erwei-
sen, wenn wir uns zunächst nicht auf spezielle Wechselwirkungen beschränken, sondern
den Formalismus allgemein entwickeln. Zur Veranschaulichung können wir uns jedoch
folgendes Problem vorstellen. Wir denken uns ein Elektron, das sich in einem vorge-
gebenen Potentialfeld, z. B. eines Atomkerns oder aber auch eines ganzen Moleküls,
bewegt. Dieses Elektron wird einem Lichtfeld ausgesetzt. Ist das Lichtfeld schwach,
so kann es als eine kleine Störung betrachtet werden. Damit läßt sich, wie wir in Ab-
schn. 16.3 zeigten, die Emission und Absorption eines Moleküls behandeln.
In der Kernspin-Resonanz war es schon lange möglich, auch Mehrquantenübergänge
zu beobachten. Durch den Laser ist es möglich geworden, auch im sichtbaren oder UV-
Spektralbereich so hohe Lichtintensität zu erzeugen, daß Mehrquantenübergänge be-
obachtbar werden. Bei Mehrquantenprozessen, die auch bei der Lichtstreuung vorlie-
gen, genügt es nicht mehr, nur die erste Näherung der zeitabhängigen Störungstheorie
(vgl. 16.2) zu betrachten. Man muß vielmehr systematisch auch Glieder höherer Ord-
nung in dieser Störung berücksichtigen. Wie dies ganz allgemein geschehen kann legen
wir nunmehr dar, wobei wir an Abschn. 16.2 anknüpfen und auch die dortige Bezeich-
nung verwenden. Ausgangspunkt ist die Schrödinger-Gleichung (16.1). Die gesuchte
Lösung entwickeln wir nach denen der ungestörten Schrödinger-Gleichung (16.2) in der
Form (16.5), d. h.
∞
Ψ(t) = cν (t)Ψν0 . (17.1)
ν=1
Für die Koeffizienten ergaben sich die Gln. (16.7), die wir nochmals angeben:
1
ċµ (t) = cν (t)Hµν
S
(17.2)
ih ν
352 17. Theoretische Behandlung des Raman-Effektes und Elemente der nichtlinearen Optik
Hierbei haben wir noch die allgemeine Anfangszeit t0 geschrieben. Das Kronecker-
Symbol δµκ sorgt dafür, daß die Anfangsbedingung (17.3) realisiert wird. Bei der Aus-
wertung des Integrals (17.6) haben wir zu berücksichtigen, daß Hµκ S (vgl. (16.8) mit
(16.3)) zeitabhängig ist. Die Koeffizienten (17.6) geben uns eine Verbesserung gegen-
über den Koeffizienten (17.4).
Es liegt nahe, das eben begonnene Verfahren fortzusetzen, indem wir den nunmehr
verbesserten Ausdruck für c(1)
ν rechts in (17.2) einsetzen, um dadurch auf der linken
Seite einen nochmals verbesserten Koeffizienten c(2)
µ zu gewinnen. Indem wir uns dieses
Verfahren fortgesetzt denken, gelangen wir bei dem l+ ersten Schritt zu der Beziehung
t
(l+1)
cµ (t) = c(0)
µ (−i/h)
S
Hµκ (τ)cν(l) (τ)dτ . (17.7)
µ t
0
(Zu dieser Relation können wir auch in einer mathematisch wohldefinierten Weise ge-
langen, indem wir die Störung H S mit einem „Kleinheitsparameter“ ε ausstatten, cµ in
eine Reihe nach ε entwickeln, d. h.
∞
(l)
cµ = εl cµ
l=0
setzen, dies in (17.2) einsetzen, einen Koeffizientenvergleich durchführen und das Re-
sultat über die Zeit von t0 bis t integrieren.) Die Beziehung (17.7) hat die Bedeutung
17.1 Zeitabhängige Störungstheorie höherer Ordnung 353
(l+1)
einer Rekursionsformel. Mit ihrer Hilfe können wir cµ berechnen, sofern wir in ei-
nem vorangegangenen Schritt cν(l) bestimmt haben.
Viele der hierbei wichtigen Gesichtspunkte können wir bereits am Fall l = 1 ken-
nenlernen. In diesem Fall haben wir statt (17.7) natürlich
t
−i
c(2)
µ (t) = S
Hµµ1
(τ)c(1)
µ1 (τ)dτ + δµκ . (17.8)
h µ
1 t0
Für l = 0 kommen wir auf den bereits behandelten Fall (17.6) in einer leicht verallge-
meinerten Schreibweise zurück (vgl. ((17.3), (17.4))!)
t
−i
c(1)
µ1 (t) = HµS1 µ2 (τ)dτc(0) (0)
µ2 + cµ1 . (17.9)
h µ
2 t0
(0)
Wie wir bereits sahen, müssen wir uns cµ als zur Zeit t = t0 vorgegeben denken, so
daß diese Größen als bekannt angesehen werden können. Es ergibt sich somit die Auf-
gabe, den Koeffizienten in 2. Näherung c(2) (0)
µ durch cµ auszudrücken. Dies ist dadurch
(1)
möglich, daß wir die in (17.8) auftretenden Koeffizienten cµ1 mit Hilfe von (17.9) durch
c(0)
µ ausdrücken. Wir setzen dementsprechend (17.9) in (17.8) ein und erhalten damit
t
−i
c(2)
µ (t) = c(0)
µ + S
Hµµ1
(τ)dτc(0)
µ1
h µ
1 t0
t τ
−i 2
+ S
dτ1 Hµµ (τ )
1 1
dτ2 HµS1 µ2 (τ2 )c(0)
µ2 . (17.10)
h µ1 µ2 t
0 t0
In ganz entsprechender Weise können wir mit dem allgemeinen Ausdruck (17.7) ver-
(l)
fahren, indem wir sukzessive alle Zwischenresultate cµ eliminieren.
(l+1)
In (l + 1)-Näherung ist cµ gegeben durch
t
(l+1) −i
cµ (t) = c(0)
µ + S
Hµµ1
(τ)dτc(0)
µ1
h µ
1 t0
t τ2
−i 2
+ S
dτ1 dτ2 Hµµ (τ )HµS2 µ1 (τ1 )c(0)
2 2 µ1
h µ1 µ2 t
0 t0
+ ... + ... + ...
l+1 t τl+1τl τ2
−i
+ ... dτ1
h µ1 µ2 ... ,µl+1 t
0 t0 t0 t0
. . . dτl+1 Hµµ
S
HS
l+1 µl+1 µl
. . . HµS2 µ1 c(0)
µ1 . (17.11)
354 17. Theoretische Behandlung des Raman-Effektes und Elemente der nichtlinearen Optik
Die ursprünglich gesuchten Koeffizienten cµ (t) erhalten wir, indem wir die Störungs-
theorie zu unendlich hoher Ordnung treiben:
(l)
cµ (t) = lim cµ (t) . (17.12)
l→∞
wiedergeben. Der Einfachheit halber nehmen wir die Anfangszeit t0 = 0. Wir interes-
sieren uns nun für denjenigen Koeffizienten, der einen Übergang zweiter Ordnung be-
schreibt, d. h. etwa die Absorption eines Photons und die Aussendung eines anderen. In
der Bezeichnungsweise (17.13), (17.14) ist dieser Koeffizient durch den dritten Teil auf
der rechten Seite von (17.10) gegeben, wobei wir diesen Teil mit c(2)
µ bezeichnen:
t τ1
1
c(2)
µ =− 2 exp(iωµµ1 τ1 )dτ1 exp(iωµ1 κ τ2 )dτ2 Hµµ
S
1
(0)HµS1 κ (0) . (17.15)
h µ
1 0 0
Die beiden in (17.16) auftretenden Summanden haben eine ganz verschiedene Bedeu-
tung und Größenordnung. Der Faktor ( eiωµκ t −1)/ωµκ im ersten Summanden in (17.16)
ist uns bereits in (16.15) begegnet. Wie wir dort sahen, führt dieser Ausdruck schließlich
zur δ-Funktion, die den Energiesatz garantiert. In der Umgebung von ωµκ ≈ 0 tritt hier
eine Singularität auf, die, wenn wir nicht über ein Frequenzspektrum integrieren, dazu
eingeführt haben. Die Abkürzung (17.18) gestattet es uns, einen direkten Vergleich zwi-
schen dem Koeffizienten (17.17) und dem uns früher begegneten Koeffizienten (16.15)
durchzuführen. Ersichtlich ist das damalige Matrixelement nun durch (17.18) zu erset-
zen, alle anderen Betrachtungen bleiben aber gleich. Damit können wir sofort die Über-
gangswahrscheinlichkeit pro Sekunde in der Form
2π
S, eff 2
W= δ(E µ − E κ ) Hµκ (17.19)
h
µ∈Ω
angeben, wobei die Quantenzahlen µ des Endzustandes (oder die Quantenzahlen κ des
Anfangszustandes) sich über ein Kontinuum Ω erstrecken.
Um diese allgemeine Formel auf den Raman-Effekt anzuwenden, müssen wir die
einzelnen hier auftretenden Zustände und deren Energien näher betrachten, wobei wir
356 17. Theoretische Behandlung des Raman-Effektes und Elemente der nichtlinearen Optik
zunächst unser Augenmerk auf die Zustände des Lichtfeldes richten. Die Wellenfunk-
tion des Anfangszustandes mit dem Index κ schreiben wir wie schon in Kap. 16 in der
Form eines Produkts aus der Wellenfunktion ϕ Q a des Moleküls (d. h. Elektronen und
Kerne) und der des Lichtfelds Φa im Anfangszustand:
κ : ϕ Q a Φa . (17.20)
Der Index Q a faßt dabei alle Quantenzahlen von Elektronen und Kernen des Moleküls
im Anfangszustand zusammen. Der Anfangszustand des Lichtfeldes soll im allgemeinen
Fall mit n Photonen der Sorte λ0 besetzt sein
1 + n
Φa = √ bλ0 Φ0 . (17.21)
n!
Die zu (17.20) gehörige Energie können wir in leicht ersichtlicher Weise in der Form
E κ = E Q a, Mol. + nhωλ0 (17.22)
wiedergeben, wobei ωλ0 ≡ 2πν0 .
Um die Matrixelemente auszuwerten, brauchen wir den Störoperator, der uns in
(16.52) begegnet war und den wir hier nochmals kurz angeben:
1 1 +
HS = bλ √ Oλ + b+
λ √ Oλ . (17.23)
λ
V λ
V
Darin ist V das Normierungsvolumen der Wellen des Lichtfeldes, während Oλ in (16.53)
definiert wurde und ein Operator ist, der sich auf die Elektronenbewegung bezieht. Den
Endzustand mit dem Index µ schreiben wir in der Form
µ : ϕ Q e Φe , (17.24)
wobei der Endzustand des Lichtfeldes sich von dem von (17.21) dadurch unterschei-
det, daß nun ein Photon der Sorte λ0 weniger vorhanden ist, hingegen ein Photon der
Sorte λ1 erzeugt worden ist. Das ist ja gerade die Aussage des Raman-Effekts. Der
Störoperator H S enthält sowohl die Erzeugung bzw. Vernichtung von Photonen. Da
der Störoperator aber zweimal in (17.18) eingeht, können nun zwei verschiedene Pro-
zesse stattfinden, die sich durch die Reihenfolge der Photonenemission und -absorption
unterscheiden.
Diese beiden Wege lassen sich am besten durch die sogenannten Feynman-Diagram-
me (Abb. 17.2 und 17.3) veranschaulichen, und wir empfehlen dem Leser, den fol-
genden Text mit den entsprechenden Abbildungen zu vergleichen. Der erste Weg
(Abb. 17.2) geht folgendermaßen: Im ersten Schritt wird ein Photon der Sorte λ0 ab-
sorbiert. Dies führt zu einem Zwischenzustand mit dem Index µ1 , der die Form
µ1 : ϕ Q z Φz (17.25)
hat, wobei Q z die Quantenzahlen des Moleküls im Zwischenzustand zusammenfaßt,
während die Wellenfunktion des Lichtfeldes sich von dem Anfangszustand dadurch un-
terscheidet, daß ein Photon der Sorte λ0 weniger vorhanden ist
1 n−1
Φz = √ b+ Φ0 . (17.26)
(n − 1)! λ0
17.2 Theoretische Behandlung des Raman-Effektes 357
Die Struktur von (17.18) beinhaltet aber auch einen zweiten Weg (vgl. Abb. 17.3), da
S eingeht, sowohl Photonen erzeugen als
ja der Operator, der in die Matrixelemente Hµκ
auch vernichten kann. Hier wird in einem ersten Schritt zuerst ein Photon der Sorte λ1
erzeugt, das dann im Endzustand vorhanden ist, wodurch der Zwischenzustand mit dem
Index µ1 gegeben ist durch
µ1 : ϕ Q z Φz . (17.30)
Dabei ist der Zwischenzustand des Lichtfeldes jetzt durch
1 + n
Φz = b+ λ1 √ bλ0 Φ0 (17.31)
n!
erhalten. Die Summen in (17.35) laufen über alle Zwischenzustände des Moleküls. Die-
ses Ergebnis ist dann in (17.19) einzusetzen, wobei über die Endzustände zu summieren
und über die Anfangszustände zu mitteln ist. Die Summation über die Endzustände kann
dann wieder genau wie bei der spontanen Emission, die wir in Abschn. 16.3.4 behan-
delt haben, über Wellenzahlvektoren, die in einem Raumwinkelbereich dΩ liegen, aus-
geführt werden. Die Mittelung (oder Summation) über die Anfangszustände entspricht
genau derjenigen, die wir bei der Absorption von Licht in Abschn. 16.3.4 durchgeführt
haben.
Bis jetzt sind unsere Betrachtungen noch sehr allgemein, da sie nichts über die in-
nere Struktur der Elektronen- und Kernzustände des Moleküls annehmen. Wir müs-
sen aber, um zu mit dem Experiment vergleichbaren Resultaten vorzustoßen, uns nun
näher mit der Bedeutung dieser Zustände und der sie beschreibenden Quantenzahlen
Q a , Q e , Q z auseinandersetzen. Um dies tun zu können, stützen wir uns auf die Born-
Oppenheimer-Näherung, die wir in Abschn. 16.4 kennengelernt hatten. Hierbei wird die
Wellenfunktion des Moleküls, die ja von allen Koordinaten der Elektronen und allen
Koordinaten der Kerne abhängt, in einer speziellen Weise aufgespalten, nämlich ge-
mäß
ϕ Q a (r, R) = ψqa (r, R)χqa ,v (R) , (17.36)
ϕ Q z (r, R) = ψqz (r, R)χqz ,v
(R) , (17.37)
ϕ Q e (r, R) = ψqa (r, R)χqa ,v
(R) . (17.38)
Hierbei bezieht sich jeweils der erste Faktor ψ auf die Bewegung der Elektronen bei
festgehaltenen Kernkoordinaten R während die Funktionen χ sich auf die Bewegung
der Kerne mit den Koordinaten R beziehen. Wie erinnerlich, sind die Wellenfunktio-
nen χ und die zugehörigen Energien sowohl von dem Elektronenzustand abhängig, der
17.2 Theoretische Behandlung des Raman-Effektes 359
durch die Quantenzahl qa , etc. gekennzeichnet wird, als auch von der Quantenzahl v
der vibronischen Anregung. Die zu ((17.36)–(17.38)) gehörigen Energien können wir
in der Form
E Q a ,Mol. = E qa ,El + E qa ,v (17.39)
E Q z ,Mol. = E qz ,El + E qz ,v
(17.40)
E Q e ,Mol. = E qe ,El + E qe ,v
(17.41)
schreiben. Dabei haben wir die Quantenzahl Q wie schon in ((17.36)–(17.38)) in die
des Elektronenzustandes q und die des vibronischen Zustandes v aufgespalten, v, v
,
v
sind hierbei, wie schon zu Beginn dieses Abschnitts eingeführt, die Schwingungs-
quantenzahlen im Anfangs- bzw. Zwischen- oder Endzustand. E Mol. ist die Energie des
Moleküls, E El die seiner Elektronen und E v die seiner Schwingungen. Mit den Spe-
zialisierungen ((17.36)–(17.41)) läßt sich das effektive Matrixelement (17.35) in der
Form
∗
· χ Θ χ χ ∗ Θ χ
S, eff √ e1 qe ,v
q a z qz ,v
q
dV K qz ,v
q q
z a q a ,v dV K e0
HQ e ,Q a
= n
E qz ,El − E qa ,El + E qz ,v
− E qa ,v − hωλ0
qz ,v
∗
· χ Θ χ χ ∗ Θ χ
√ e0 qe ,v
q q
a z q z ,v
dVK
qz ,v
q q
z a q a ,v dV K e1
+ n
qz ,v
(17.42)
wiedergeben. Dabei ist dVK ≡ dVKerne . e0 und e1 sind die Polarisationsvektoren der
eingestrahlten bzw. gestreuten Lichtwelle. Mit Θqz qa = Θq∗a qz haben wir das uns schon
aus Abschn. 16.3.4 geläufige Matrixelement
e h
Θqz qa = − ϕq∗z (r, R) p j ϕqa (r, R)dVEl (17.43)
m 0 2ε0 ω
j
− E qa ,v ≈ 0 (17.45)
verwenden und ferner nochmals auf die Näherung (17.44) zurückgreifen. Wegen (17.45)
tritt die Quantenzahl v
Dies ermöglicht uns, eine sehr schöne Vereinfachung durchzuführen. Wie nämlich
in der Mathematik gezeigt wird, gilt für einen vollständigen Satz von Wellenfunktionen
eine sog. Vollständigkeitsbeziehung, die in unserem Falle lautet:
χqz ,v
(R)χq∗z ,v
(R
) = δ(R − R
) . (17.46)
v
Die δ-Funktion auf der rechten Seite ist hier genauer durch
δ R − R
= δ R1 − R1
δ R2 − R2
. . . δ RM − R
M (17.47)
zu ersetzen, wobei R j , R
j die Koordinaten der Kerne sind. Dabei können wir diese Ko-
ordinaten auch von vornherein als Normalkoordinaten wählen, wie wir sie im folgenden
auch benutzen werden.
Mit Hilfe von (17.46) geht das doppelte Integral, das in der ersten bzw. zweiten
Summe in (17.42) auftritt, in ein einfaches über, so daß wir (17.42) in die sehr einfache
Form
HQ e ,Q a = e1 · χq∗a ,v
αχqa ,v dVK e0
S, eff
(17.48)
bringen können. Dabei haben wir den sog. Polarisierbarkeits-Tensor α eingeführt, der,
wie ein Vergleich mit (17.42) zeigt, die folgenden Komponenten hat:
(Θqa qz )i (Θqz qa ) j (Θqa qz ) j (Θqz qa )i
αij = + , (17.49)
q
E qz ,El − E qa ,El − hω E qz ,El − E qa ,El + hω
z
p = αE .
Da die Richtung von p von der von E verschieden sein kann, ist α im allgemeinen ein
Tensor. Wie die ausführliche quantenmechanische Berechnung von α in der Dispersi-
onstheorie mit Hilfe der Störungstheorie zeigt, ergibt sich für α gerade der Ausdruck
(17.49). Da die Wellenfunktionen der Elektronen, die in die Berechnung von α einge-
hen, von den Kernkoordinaten R abhängen, d. h. ϕ Q = ϕ Q (r, R), hängt natürlich auch
α von diesen ab.
Um zu Auswahlregeln für Schwingungs-Raman-Übergänge zu gelangen, entwickeln
wir den Polarisierbarkeits-Tensor nach den Normalkoordinaten Ri der Kerne um deren
Gleichgewichtslagen im Molekül. Dies ergibt
∂α 1
2
∂ α
α = α0 + Ri + Ri R j + . . . . (17.50)
∂Ri 0 2 ∂Ri ∂R j 0
ij
17.2 Theoretische Behandlung des Raman-Effektes 361
Setzen wir dies in (17.48) ein, so sind die Auswahlregeln durch das Verschwinden bzw.
Nichtverschwinden des Ausdrucks
∂α
χq∗a ,v
αχqa ,v dVKerne = α0 δvv
+ χq∗a ,v
Ri χqa ,v dVKerne + . . .
∂Ri 0
i
(17.51)
gegeben. Das Kronecker-Symbol δvv
auf der rechten Seite rührt von der Orthogonalität
der Wellenfunktionen χqa ,v , χqa ,v
her.
Diskutieren wir die einzelnen Glieder auf der rechten Seite von (17.51). Gemäß dem
ersten Glied, α0 δvv
, bleibt die Schwingungsquantenzahl erhalten, d. h. es liegt gar kein
Raman-Effekt vor, sondern eine elastische Streuung. Beschäftigen wir uns daher mit
dem nächsten Glied in (17.51) und betrachten einen typischen Summanden, den wir in
der Form
∂α
χq∗a ,v
Ri χqa ,v dVKerne (17.52)
∂Ri 0
schreiben können, da der erste Faktor nicht von den Kernkoordinaten abhängt und so-
mit vor das Integral gezogen werden konnte. Die Funktionen χqa ,v , χqa ,v
hängen von
allen Normalkoordinaten der Kerne ab. Wie wir in Abschn. 11.3 sahen, gestatten die
Normalkoordinaten, den Hamilton-Operator für die Kernschwingungen als eine Summe
über Hamilton-Operatoren für einzelne harmonische Oszillatoren (der jeweiligen Nor-
malschwingungen) darzustellen. Als Konsequenz hiervon läßt sich z. B. χqa ,v (R) in der
Form eines Produkts wiedergeben (wobei wir den Index qa überall weglassen)
χv = χv1 (R1 )χv2 (R2 ) . . . χv M (R M ) , (17.53)
wobei M die Zahl der Schwingungsfreiheitsgrade des Moleküls ist. Entsprechend gilt
χv
= χv1
(R1 )χv2
(R2 ) . . . χv
M (R M ) . (17.54)
Setzen wir (17.53), (17.54) in (17.52) ein und spalten das Mehrfachintegral in (17.52)
auf, so erhalten wir
χv∗
(R1 )χv1 (R1 )dV1 . . . χv∗
(Ri )Ri χvi (Ri )dVi
1 i
. . . χv∗
(R M )χv M (R M )dVM . (17.55)
M
Bis auf das Integral mit dem Index i handelt es sich um Orthogonalitätsintegrale, so daß
v
j = v j , j = i
gilt, d. h. diese vibronischen Quantenzahlen bleiben erhalten. Setzen wir in das verblei-
bende Integral
χv∗
(Ri )Ri χvi (Ri )dVi (17.56)
i
für χ die üblichen Oszillatorwellenfunktionen ein, so erhalten wir nach der Theorie des
quantenmechanischen harmonischen Oszillators die Auswahlregel
vi
= vi ± 1 .
362 17. Theoretische Behandlung des Raman-Effektes und Elemente der nichtlinearen Optik
das Molekül ein Symmetriezentrum hat. Diese Tatsache wird als Nachweis für spezielle
Molekülgeometrie benutzt.
Eine spezielle Situation, die resonante Raman-Streuung genannt wird, kommt vor,
wenn die Frequenz des einfallenden Laserlichts ν0 nahe der Resonanz von einer der
molekularen Eigenzustände (d. h. elektronisch und vibronisch) ist. Der Energienen-
ner in (17.42) wird dann sehr klein verglichen mit seinem Wert in normaler Raman-
Streuung und die Übergangswahrscheinlichkeit wird enorm groß. In dieser Grenze
können die Vibrationsenergiedifferenzen (17.45) im Vergleich zu den anderen Aus-
drücken in dem Energienenner nicht mehr vernachlässigt werden, so daß die Über-
gangsamplitude (17.42) sich nicht länger auf die symmetrische Form ((17.48), (17.49))
zurückführen läßt. Dies hat zur Folge, daß die gewöhnlichen Raman-Auswahlregeln
nicht mehr für Resonanz-Raman-Übergänge gelten. Es stellt sich heraus, daß einige
Übergänge, die im normalen Raman-Effekt verboten sind, im resonanten Raman-Effekt
erlaubt werden. Die Zeitaufgelöste Resonanz-Raman-Streuung wurde zu einer nützli-
chen Technik entwickelt, um die Populationen von großen Molekülen in elektronisch
angeregten Zuständen zu beobachten.
17.3 Zwei-Photonen-Absorption
Betrachten wir die Störungen zweiter Ordnung, die von der Wechselwirkung zwischen
Licht und Molekülen hervorgebracht werden, so gehören hierzu nicht nur der im vor-
angegangenen Abschnitt behandelte Raman-Effekt, bei dem ein Photon vernichtet und
ein anderes erzeugt wird, sondern auch die Prozesse der Zwei-Photonen-Absorption und
-Emission (vgl. die Feynman-Diagramme von Abb. 17.4a,b). Wir behandeln hier als Bei-
spiel die Zwei-Photonen-Absorption, wobei wir uns auf die Behandlung der Absorption
zweier Photonen der gleichen Lichtwelle beschränken. In diesem Falle wird also durch
den Störoperator (17.23) ein Photon vernichtet und dann in einem zweiten Schritt noch-
mals ein weiteres.
Die Berechnungen können wir ganz in Analogie zum vorigen Abschnitt durchführen,
so daß wir hier nur die entscheidenden Änderungen anzugeben haben. Der Anfangszu-
stand κ besteht wieder aus einem Produkt aus dem Molekülzustand ϕ Q a und dem des
Lichtfeldes Φa
κ : ϕ Q a Φa . (17.57)
Im Lichtfeld sollen sich n Photonen befinden
1 n
Φa = √ b+ Φ0 . (17.58)
n λ0
√ √ S
HQ HS
S, eff e ,λ0 ;Q z ,0 Q z ,λ0 ;Q a ,0
HQ e ,λ0 ;Q a ,λ0
= n n−1 . (17.67)
E Q z ,Mol. − E Q a ,Mol. + hω0
Qz
proportional zum Quadrat der eingestrahlten Intensität ist. Dies wurde von Kaiser und
Garrett verwendet, um die Dauern ultrakurzer Laserimpulse zu messen. Daneben ist
wichtig, daß für die Zwei-Photonen-Absorption andere Auswahlregeln als für die nor-
male Ein-Photonen-Absorption gelten. Während sich bei letzteren bei den Dipolmatrix-
elementen („Übergangsmomenten“) in den Wellenfunktionen von Anfangs- und Endzu-
stand die Parität ändert (gerade → ungerade oder ungerade → gerade), bleibt bei Zwei-
Photonen-Übergängen die Parität erhalten. Dies wird sofort aus (17.67) ersichtlich, wo
sich vom Anfangs- zum Zwischenzustand die Parität ändert und dann nochmals vom
Zwischenzustand zum Endzustand. Insgesamt bleibt sie also erhalten.
18. Magnetische Kernresonanz
In diesem und im folgenden Kapitel soll gezeigt werden, welchen Beitrag zur Physik
der Moleküle die Methoden der magnetischen Resonanz-Spektroskopie leisten können.
Wir begeben uns dazu in der Energieskala (vgl. Abb. 8.1) an das unterste Ende der spek-
troskopischen Methoden. Mit den Methoden der magnetischen Resonanz-Spektroskopie
benutzen wir die Spins und magnetischen Momente von Kernen und von Elektronen als
Sonden zum Studium von elektronischer Struktur, Dynamik und Reaktivität von Mole-
külen. Die Untersuchungen erfolgen überwiegend in kondensierter Phase, das heißt in
Lösung oder im Festkörper.
In der magnetischen Kernresonanz benutzt man den Kernspin als Sonde, um Struk-
tur und Dynamik von Elektronenwolke um ihn herum und von anderen Kernen in sei-
ner Nachbarschaft zu erforschen. Seit ihrer Entdeckung im Jahre 1946 hat sich diese
Methode der Spektroskopie zu der vielleicht wichtigsten und aussagekräftigsten unter
allen Molekül-Spektroskopien entwickelt. Hier können nur die Grundlagen des Verfah-
rens (Abschn. 18.1) und die wichtigsten Grundtatsachen der Resonanz des Wasserstoff-
kerns (Protonen-Resonanz) in Molekülen behandelt werden (Abschn. 18.2). Untersu-
chung dynamischer Prozesse (Abschn. 18.3), anderer Kerne als H (Abschn. 18.4) sowie
Anwendungen für zweidimensionale und ortsauflösende Spektroskopien (Abschn. 18.5
und 18.6) zeigen die weitreichenden Möglichkeiten dieser spektroskopischen Methode.
Hiermit ist der Kern-g-Faktor g I = (γh/µK ) definiert, eine dimensionslose Zahl, mit
der man ebenfalls die magnetischen Eigenschaften von Kernen beschreiben kann. Der
Faktor g I kann im Gegensatz zum Landé-g J -Faktor der Elektronenschalen nicht aus an-
deren Quantenzahlen berechnet werden, sondern er ist eine empirische, für jedes Nuklid
mit von Null verschiedenen Spin I charakteristische Meßgröße.
Für den Drehimpuls des Kerns gilt
|I| = I(I + 1)h . (18.3)
Die hier definierte Kernspinquantenzahl I – kurz auch „Kernspin“ genannt – ist ganz-
oder halbzahlig. Sie ist eine charakteristische Nuklid-Eigenschaft und kann je nach Nu-
klid Werte zwischen 0 und bis zu 8 (für das metastabile Nuklid 178 72 Hf ) annehmen.
Beobachtbar ist von Spin und magnetischem Moment nur die Komponente in einer
Vorzugsrichtung, die sogenannte z-Komponente. Die Vorzugsrichtung kann insbeson-
dere die Richtung eines angelegten Magnetfeldes B0 sein. Es gilt
(I)z = m I h mit m I = I, I − 1, . . . − I (18.4)
und
(µ)z = γhm I = g I µK m I . (18.5)
Für die magnetische Quantenzahl m I und damit für die Einstellung von Drehimpuls und
Kernmoment relativ zur Vorzugsrichtung gibt es also 2I + 1 Möglichkeiten. Als Kern-
moment µ I bezeichnet man vereinfachend häufig den größten möglichen Wert von (µ)z ,
also µ I = g I Iµk .
Das Magnetische Moment µ I und der g I -Faktor können positives oder negatives Vor-
zeichen haben. Positives Vorzeichen bedeutet, daß µ I und I gleiche Richtung haben, wie
es nach der klassischen Elektrodynamik für eine rotierende positive Ladung gilt. Bei ne-
gativem Vorzeichen sind die Vektoren einander entgegengerichtet. Die Werte für I, g I
und µ I für einige in der Resonanz-Spektroskopie wichtige Nuklide gibt Tabelle 18.1.
In einem äußeren Magnetfeld B0 hat ein Kern wegen seines magnetischen Momentes
die magnetische Wechselwirkungsenergie
V = −µ I B0 = −g I µK B0 m I , (18.6)
mit der magnetischen Quantenzahl m I = I, I − 1 . . . − I, siehe Schema 18.1.
Kern I gI µ I (in µK )
sorptions-Signal verantwortlich. Der andere Bruchteil der Kernspins macht unter der
Wirkung des Strahlungsfeldes die gleiche Anzahl Übergänge in Absorption wie in in-
duzierter Emission, also ohne Netto-Effekt für die Messung. Erhöhung des äußeren
Magnetfeldes und damit der Resonanzfrequenz um einen Faktor 10 erhöht deshalb die
Nachweisempfindlichkeit der Apparatur um diesen Faktor.
Die experimentelle Realisierung eines Kern-Resonanz-Spektrometers ist in I,
Kap. 20 ausführlicher beschrieben. Dort wird auch darauf eingegangen, daß und warum
man in der Kernspin-Resonanz heute meistens mit gepulstem Hochfrequenzfeld und an-
schließender Fourier-Transformation der Signale aus dem Zeit- in den Frequenzraum
arbeitet. Dies soll hier nicht wiederholt werden.
Die Kernresonanz-Spektroskopie unterscheidet sich von der optischen Spektroskopie
in einigen charakteristischen Punkten:
– Die Energiequanten sind sehr klein (10−4 –10−8 eV)
– man beobachtet magnetische und nicht elektrische Dipolübergänge
– die Wellenlänge der verwendeten Strahlung ist groß gegen die Probendimensionen.
Das führt auch dazu, daß alle Kerne in der Probe kohärent angeregt werden können.
Besonders wichtig ist die Kernspin-Resonanz von Protonen, das heißt an den vom
Wasserstoff-Atom H in die Moleküle eingebrachten Kernen, und ihre Anwendung zur
Untersuchung der ungeheuren Vielzahl von Molekülen aus dem Bereich der Organi-
schen Chemie. Man kann mit ihrer Hilfe die Kernspins als Sonden zur Untersuchung
von Struktur und Bindungsverhältnissen in Molekülen verwenden. Dabei sind zwei
Meßgrößen besonders wichtig: die chemische Verschiebung und die Kopplungskon-
stanten. Diese werden wir im folgenden Abschnitt am Beispiel der Protonenresonanz
besprechen.
Die herausragende Bedeutung der Kernspin-Resonanz für die Molekülphysik liegt darin,
daß man mit ihrer Hilfe sehr detaillierte Strukturdaten von Molekülen erhalten kann.
Dies soll hier am Beispiel des Ethylalkohols oder Ethanol, CH3 CH2 OH, erläutert wer-
den. Wir werden im folgenden sehen, daß man an diesem Spektrum viele der wich-
tigsten Eigenschaften der Kernresonanz an Molekülen und den Wert der Methode für
die Molekülphysik erläutern und verstehen kann. Abbildung 18.2 zeigt ein Protonen-
Resonanzspektrum von dieser Verbindung. Die 3 Gruppen von Protonen in den Mole-
külteilen CH3 , CH2 und OH geben Anlaß zu 3 Gruppen von Signalen mit den relativen
Intensitäten (das heißt Fläche der Absorptionskurve) 3:2:1 bei etwas unterschiedlicher
Resonanzfrequenz beziehungsweise, wenn die Meßfrequenz fest ist, bei etwas unter-
schiedlichem Magnetfeld. Das beruht auf der Chemischen Verschiebung. Darunter ver-
steht man folgendes:
Für die Resonanz nach Gl. (18.8) ist in Wirklichkeit nicht das angelegte Magnet-
feld B0 allein maßgeblich, sondern das lokale Feld am Ort des untersuchten Kerns. Die-
ses ist nicht gleich B0 , weil durch das Anlegen eines äußeren Feldes B0 im Atom oder
Molekül ein Strom und damit ein magnetisches Moment der Elektronen induziert wird,
das nach der Lenzschen Regel dem angelegten Feld entgegengerichtet ist. Man spricht
18.2 Protonenresonanz in Molekülen 371
Das O-Atom ist ein besserer Elektronen-Akzeptor als das C-Atom. Deshalb ist die Elek-
tronendichte am H-Atom in der O–H-Bindung kleiner als an der C–H-Bindung. Das
führt zu einer größeren diamagnetischen Abschirmung und damit zu einer größeren che-
mischen Verschiebung für die C–H-Protonen. Es gilt für die lokalen Felder
BCH = B0 (1 − σCH ) < BOH = B0 (1 − σOH ) .
Bei fester Frequenz des hochfrequenten B1 -Feldes erfolgt deshalb die Resonanz der CH-
Protonen in einem etwas größeren angelegten Feld B0 als die der OH-Protonen, siehe
Abb. 18.4. Energieniveaus der
Protonen der Methyl-Gruppe
dazu Abb. 18.4.
und der OH-Gruppe von
CH3 OH, Methylalkohol, im
äußeren Feld B0 . Die unter-
schiedliche chemische Verschie-
bung in beiden Gruppen hat zur
Folge, daß die Kernresonanz-
Signale beider Gruppen bei ver-
schiedenen Werten von B0 er-
scheinen. Bei einer festen Meß-
frequenz von 100 MHz liegt
die Resonanzfeldstärke im Be-
reich von 2,35 T, der Abstand
der Signale von OH und von
CH3 beträgt ca. 3,2 µT, nach
Banwell. Da die Abschirm-
konstante für Protonen in der
OH-Bindung kleiner ist als in
der CH3 -Bindung, erscheint die
Resonanz der OH-Protonen bei
kleinerer äußerer Feldstärke als
die der CH3 -Protonen (unten)
Eine diamagnetische Abschirmung und chemische Verschiebung kann nicht nur, wie
in unserem Beispiel, durch die unmittelbaren Bindungselektronen hervorgerufen wer-
den, sondern sie kann auch durch andere Elektronen in der Nachbarschaft des untersuch-
ten Kernes erfolgen. Dabei kann das induzierte Magnetfeld am Ort des Kerns dem ange-
legten Feld B0 nicht nur entgegengesetzt, sondern es kann auch gleichgerichtet sein und
dieses damit verstärken. Beispiele zeigt Abb. 18.5. Im Acetylen (Ethin)-Molekül erfah-
ren die Protonen durch die Elektronen der C≡C-Dreifachbindung eine Abschirmung, im
Benzol-Molekül dagegen induzieren die in der Ringebene delokalisierten π-Elektronen
am Ort der Protonen ein Feld, das dem Felde B0 gleichgerichtet ist, es also verstärkt.
Während die Abschirmkonstante σ eine für das Molekül charakteristische Größe ist
und nicht vom angelegten Feld abhängt, ist die Verschiebung dem Feld proportional.
Auch das ist ein Grund für die Wahl hoher Felder in der Kernresonanz: man erhöht
so das spektrale Auflösungsvermögen, indem man durch höhere Magnetfeldstärke den
Linienabstand zwischen den Resonanzen verschiedener Gruppen mit verschiedener che-
mischer Verschiebung vergrößert.
Nach ihrer Definition bezieht sich die chemische Verschiebung auf die Resonanz-
frequenz eines gänzlich freien, unabgeschirmten Protons ohne Elektronenumgebung als
Standard. Für dieses wäre σ = 0. Da sich ein solches Proton meßtechnisch jedoch nicht
leicht realisieren läßt, bezieht man die chemische Verschiebung auf die Resonanzfre-
quenz der Protonen in einem leicht reproduzierbaren Standard. Man mißt sie als Ver-
18.2 Protonenresonanz in Molekülen 373
BStandard − BProbe
δ= · 106 [ppm] . (18.12)
BStandard
δ ist also nach (18.12) mit dieser Definition eine dimensionslose Zahl. Als Standard be-
nutzt man Tetramethylsilan, Si(CH3 )4 (kurz TMS), eine in vielen Lösungsmitteln (aller-
dings nicht in Wasser) leicht lösliche Verbindung mit 12 äquivalenten Protonen. Man ist
weniger am Absolutwert von σ interessiert, den man im Prinzip zwar ausrechnen kann,
wenn man die Elektronendichteverteilung um den betrachteten Kern herum kennt. Ge-
naue Rechnungen gibt es jedoch kaum.
Wichtiger für analytische Zwecke und zur Bestimmung von Molekülstrukturen sind
Relativ-Messungen gegen eine Standard-Substanz, weil die Werte der Verschiebung für
Gruppen und Bindungen spezifisch und zumeist wenigstens empirisch bekannt sind.
Wenn man in einer Probe unbekannter Zusammensetzung Protonen mit einer bestimm-
ten Chemischen Verschiebung beobachtet, kann man daraus Rückschlüsse auf in der
Probe vorhandene Molekülbindungen oder -Gruppen ziehen. Werte für die chemische
Verschiebung von Protonen, die mit verschiedenen in der organischen Chemie wichti-
gen Gruppen verbunden sind, zeigt Abb. 18.6. Auch andere Bindungen wie NH3 , SiH4 ,
H2 haben ihre charakteristischen δ-Werte der Chemischen Verschiebung.
Die in Abb. 18.2, unten sichtbare weitere Aufspaltung innerhalb der durch chemische
Verschiebung unterschiedenen Liniengruppen im Spektrum von Ethanol nennt man
Feinstruktur – nicht zu verwechseln mit der „Feinstruktur“ in den optischen Spek-
tren von Atomen. Während es sich dort, bei den optischen Spektren von Atomen,
um die magnetische Spin-Wechselwirkung von Elektronen handelt, beruht die Fein-
struktur der Kernspin-Resonanz-Spektren auf der magnetischen Wechselwirkung zwi-
schen den Momenten der Atomkerne. Dabei kann es sich um eine direkte Dipol-Dipol-
Wechselwirkung zwischen den magnetischen Momenten von je zwei Atomkernen oder
um eine durch Polarisation der Elektronenhülle verursachte indirekte Wechselwirkung
handeln. Man nennt diese Wechselwirkung auch vereinfachend Spin-Spin-Kopplung.
Die direkte magnetische Dipol-Dipol-Wechselwirkung zwischen den Momenten von
zwei Kernen A und B läßt sich leicht berechnen. Das Feld B A , das der Kern A mit der
Orientierung m I im Abstand r am Ort des Kernes B erzeugt, hängt von der Richtung ϑ
der Kern-Verbindungslinie zur Feldrichtung B0 ab (zur Erläuterung siehe Abb. 18.7).
Seine z-Komponente hat den Wert
µ0 1
B A = − g I µK m I (1 − 3 cos2 ϑ) . (18.13)
4π r3
Wenn wir annehmen, daß es sich bei dem Kern A um ein Proton mit dem Spin 1/2 han-
Abb. 18.7. 2 Kerne A und B in delt, gibt es zwei mögliche Einstellungen m I = ±1/2, nämlich α (in Feldrichtung) und
einem sphärischen Polarkoor- β (gegen Feldrichtung). Der Kern B sieht deshalb ein effektives Feld B0 ± B A . Für den
dinatensystem zur Erklärung der Kern B gibt es deshalb zwei Resonanzfelder mit dem Abstand 2B A , das Resonanz-
magnetischen Dipol-Dipol- Signal wird ein Dublett. Dasselbe gilt umgekehrt auch für das Resonanzsignal des
Wechselwirkung. Das Ma-
gnetfeld, das das magnetische Kernes A. Den Energieabstand beziehungsweise Frequenzabstand der beiden Dublett-
Moment eines Kernes A am Ort Komponenten nennt man J, und man definiert damit die Spin-Spin-Kopplungskonstante,
des Kernes B erzeugt, hängt die meistens als Frequenz in Hz angegeben wird.
nach (18.13) vom Winkel ϑ Wenn man Zahlen für typische Kernmomente einsetzt, erhält man für B A Werte von
zwischen Kernverbindungslinie
und Richtung des äußeren 10−4 T im Abstand von 0,2 nm der Kerne. Solch große Spin-Spin-Wechselwirkungs-
Feldes B0 ab. Wenn das werte J werden in fester Phase tatsächlich beobachtet. In Festkörpern kann man die
Molekül rotiert, durchläuft ϑ direkte Spin-Spin-Wechselwirkung von Kernen sogar zur Messung des Abstandes zwi-
alle möglichen Werte, und der schen den Kernen nach (18.13) verwenden.
Orientierungsfaktor (1 − cos2 ϑ)
ergibt im zeitlichen Mittel den
In flüssiger Phase ändert sich jedoch normalerweise der Winkel ϑ zwischen den
Wert 0. Damit mittelt sich diese wechselwirkenden Kernen relativ zu B0 rasch im Vergleich zur Kernresonanzfrequenz
Wechselwirkung zu 0 heraus oder zur Larmorfrequenz des Kernes. Dadurch ergibt sich für (1 − 3 cos2 ϑ) und da-
mit für das Feld BKern am Ort eines anderen Kerns im Zeitmittel der Wert 0, die di-
rekte Dipol-Dipol-Wechselwirkung wird dann also ausgemittelt. Die räumliche Mitte-
lung über cos2 ϑ ergibt, wie wir in Kap. 16 sahen, gerade den Wert 1/3. Anders kann
es allerdings bei Molekülen sein, die sich nur hinreichend langsam bewegen, zum Bei-
spiel bei großen biologisch wichtigen Molekülen.
18.2 Protonenresonanz in Molekülen 375
Dagegen wird die durch Bindungselektronen zwischen den Kernen vermittelte indirekte
magnetische Spin-Spin-Kopplung der Kerne durch deren Bewegung nicht ausgemit-
telt. Grundlage hierfür ist die bereits in I, Abschn. 20.3 besprochene Fermi-Kontakt-
Wechselwirkung zwischen Elektron und Kern. Die daraus resultierende indirekte Spin-
Spin-Kopplung der Kerne ist 102 bis 104 mal kleiner als die direkte Wechselwirkung
und isotrop.
Diese Kopplung läßt sich an einem System von zwei Kernen mit Spin 1/2 und zwei
Abb. 18.8. Zur indirekten
Bindungselektronen mit einander entgegengesetztem Spin am einfachsten erläutern. Zur magnetischen Spin-Spin-Kop-
Erläuterung dient Abb. 18.8. Die beiden Kerne A und B mit den Spins I A und I B kön- plung, zum Beispiel im H2 -
nen verschiedene Kerne sein – zum Beispiel 13 C und 1 H in der CH-Bindung – oder aber Molekül, oder bei der Bindung
13 C–1 H. Das Proton mit dem
gleiche Kerne mit unterschiedlicher chemischer Verschiebung, so daß man ohne Kopp-
Spin I A polarisiert den Spin
lung im Spektrum zwei Resonanz-Linien erhält, Abb. 18.9. Nehmen wir als Beispiel die S A von einem Bindungselektron
Bindung 13 C–1 H. Ohne Kopplung erhält man eine Resonanzlinie für das Proton und eine in seiner Nähe. Nach dem
andere, bei einer anderen Resonanzfeldstärke, für 13 C. Für das dem 13 C-Kern nächste Pauli-Prinzip ist dann die Spin-
Bindungselektron S A ist die zum 13 C-Spin entgegengesetzte Spineinstellung energetisch einstellung des zweiten Elek-
die günstigere. Damit ist nach dem Pauli-Prinzip die Spineinstellung des zweiten Bin- trons der Bindung S B entge-
gengesetzt zu S A , und damit
dungselektrons S B festgelegt, nämlich entgegengesetzt zur Richtung von S A , und von ist wieder die Einstellung des
den beiden möglichen Spineinstellungen des Protons I B ist diejenige antiparallel zum zweiten Kernspins I B entge-
zweiten Elektron S B , damit also auch antiparallel zum 13 C-Kern, energetisch günstiger gengesetzt zu I A energetisch
als die parallele Einstellung. günstiger als die parallele Ein-
stellung der Kernspins, oberes
Der Energieabstand zwischen beiden Einstellungen der Kern-Spins wird mit der und unteres Teilbild. Der Ener-
Spin-Spin-Kopplungskonstante J in Hz gemessen. Während es für die Kerne 13 C und gieabstand zwischen beiden Ein-
1 H ohne Kopplung jeweils eine NMR-Linie gibt, spaltet jede dieser Linien bei Vorliegen stellungen wird mit der Kopp-
der durch die Bindungselektronen vermittelten Spin-Spin-Kopplung in ein Linienpaar lungskonstanten J gemessen,
die in diesem Falle positiv ist
mit dem Abstand J auf, nach dem in Abb. 18.9 erläuterten Schema. Im Gegensatz zur
chemischen Verschiebung ist diese auf einem Molekül-eigenen Zusatzfeld beruhende
Aufspaltung unabhängig von der angelegten Feldstärke B0 . Diese indirekte Spin-Spin-
Kopplung liegt auch beim H2 -Molekül vor, wo die Spins der beiden Protonen über die
beiden Bindungselektronen gekoppelt sind.
Man beachte hierbei jedoch, daß die gegenseitige Einstellung der Spins I A und I B in-
folge der indirekten Spinkopplung nicht etwa in der Form ↑↓ fixiert ist. Die Kopplung
sorgt lediglich dafür, daß die beiden in Abb. 18.8 skizzierten Kernspinorientierungen
antiparallel, ↑↓, und parallel, ↑↑, sich um einen sehr kleinen Energiebetrag unterschei-
den. Beide Konfigurationen kommen deshalb gleich häufig vor, man erhält jedoch eine
kleine Aufspaltungsenergie und damit eine Meßmöglichkeit für die indirekte Spin-Spin-
Kopplung.
Wenn wie in der CH2 -Gruppe von Ethanol zwei Protonen an das gleiche C-Atom Abb. 18.9. Zur magnetischen
gebunden sind, findet ebenfalls eine Kopplung der beiden Protonenspins über das C- Kopplung zweier Kerne A
Atom statt. Dieses spielt dabei aber nur indirekt durch die beteiligten Elektronen eine und B. Die durch unterschiedli-
che chemische Verschiebung ∆δ
Rolle. Zur Erläuterung vergleiche Abb. 18.10. Das eine Proton richtet den Elektronen- unterschiedenen Resonanzlinien
spin des ihm näheren Elektrons der CH-Bindung so aus, daß dessen Spin dem Proto- (oberes Teilbild ) spalten bei
nenspin entgegengerichtet ist. Das zweite, C-nahe Elektron der ersten CH-Bindung hat einer gegenseitigen Kopplung in
seinen Spin entgegengesetzt. Es ist nun seinerseits dafür verantwortlich, daß das C-nahe je zwei Resonanzlinien auf. Aus
dem Aufspaltungs-Wert erhält
Elektron der zweiten CH-Bindung die Tendenz hat, seinen Spin dem des ersten C-nahen man die Kopplungskonstante J.
Elektrons parallel zu stellen. Dafür ist die Hundsche Regel verantwortlich. Sie besagt, Hier ist der Fall J < ∆δ ange-
daß die Parallel-Anordnung der Spins für zwei sonst äquivalente Elektronen am glei- nommen
376 18. Magnetische Kernresonanz
chen Atom energetisch günstiger ist. Damit ist nun wieder über die Spin-Spin-Kopplung
eine Vorzugsrichtung für die Einstellung des zweiten Protonenspins vorgegeben, wie in
Abb. 18.10 ersichtlich. Insgesamt führt diese indirekte Spin-Spin-Kopplung dazu, daß
für die beiden Protonen eine Einstellung mit parallelen Spins energetisch bevorzugt und
verschieden von der antiparallelen Einstellung ist. Für diese Spin-Spin-Kopplung ist des-
halb die Konstante J negativ. Im übrigen gilt das gleiche, was bereits im vorigen Absatz
über die tatsächliche Realisierung der beiden möglichen Kernspin-Einstellungen ausge-
führt wurde.
Die über Bindungselektronen vermittelte Wechselwirkung zwischen zwei Protonen
kann auch noch über mehrere Bindungen hinweg meßbar sein. So gilt für die Proton-
Proton-Kopplung in der Konfiguration H–C–H für die Protonen-Kopplungs-Konstante
Abb. 18.10. Zur Spin-Spin- J = −10 bis −15 Hz, bei H–C–C–H hingegen J = +5 bis +8 Hz. Für die Konfigura-
Kopplung mit negativer Kopp- tion H–C–C–C–H, also über drei C-Atome hinweg, wird die Spin-Spin-Kopplung der
lungskonstante zwischen zwei
Protonen, die an dasselbe C-
Protonen jedoch unmeßbar klein.
Atom gebunden sind, beispiels- Einige Zahlenwerte für Kopplungskonstanten J gibt Tabelle 18.2.
weise in einer CH2 -Gruppe.
Die Einstellung der beiden Tabelle 18.2. Kopplungskonstanten J in Hz für
Protonenspins IH parallel zu- einige Kerne in Molekülen bzw. Bindungen
einander (schwarze Pfeile) ist
energetisch gegenüber einer Kerne Molekül J [s−1 ]
antiparallelen Einstellung bevor-
zugt. Diese Kopplung wird über
H–H H2 276
die Bindungselektronen ver-
mittelt, der Kern des C-Atoms H–C CH4 125
ist nicht direkt beteiligt. Nach H–O H2 O 73
der Hundschen Regel ist die H–Si SiH4 −202
Parallelstellung der beiden am C–C CH3 CH3 35
C-Atom gezeichneten Elektro-
C–F CF4 −259
nen energetisch günstiger als
die antiparallele. So kommt eine H. . . H H–C–H −(10–15)
Umkehr der Kernspin-Kopplung H–C–C–H 5–8
gegenüber Abb. 18.8 zustande H–C–C–C–H ∼0
Das Verhalten äquivalenter Kerne bei NMR ist besonders einfach. Von chemischer
Äquivalenz spricht man dann, wenn gleiche Kerne auch die gleiche chemische Verschie-
bung haben, von magnetischer Äquivalenz, wenn auch die durch die direkte Kern-Kern-
Wechselwirkung hervorgerufene Winkelabhängigkeit der Energieterme im Magnetfeld
dieselbe ist. Die beiden Protonen in der CH2 -Gruppe oder die drei Protonen in der CH3 -
Gruppe von CH3 CH2 OH (Abb. 18.2) sind jeweils chemisch äquivalent. Für die magne-
tische Äquivalenz gilt das bei hinreichender Drehbarkeit der Gruppen, zum Beispiel in
flüssiger Phase, so daß sich die Anisotropie herausmitteln kann.
Hier beobachtet man – jedenfalls bei mäßiger spektraler Auflösung – nur jeweils eine
Linie für die beiden Protonen-Gruppen. Eine isolierte CH3 -Gruppe, oder eine isolierte
CH2 -Gruppe, hat deshalb jeweils nur eine Protonen-Resonanzlinie. Die Kopplung inner-
halb einer Gruppe magnetisch und chemisch äquivalenter Kerne hat keinen Einfluß auf
das Spektrum und führt deshalb nicht zu einer Aufspaltung wie oben (Abschn. 18.2.3).
Hier erfolgt auch ein rascher Austausch zwischen den Kernen durch sogenannte Spin-
diffusion oder flip-flop-Prozesse, bei denen nicht die ganzen Teilchen, sondern nur die
Spin-Einstellung ausgetauscht werden. Dadurch wird eine an sich mögliche Aufspaltung
ausgemittelt und nicht beobachtbar. Eine isolierte CH3 -Gruppe oder eine isolierte CH2 -
Gruppe gibt also jeweils nur Anlaß zu einer Resonanzlinie.
Anders ist es dagegen, wenn es im Molekül mehrere zueinander inäquivalente Grup-
pen gibt, z. B. im Ethanol die untereinander äquivalenten CH2 -Protonen einerseits und
die untereinander äquivalenten CH3 -Protonen andererseits. Die Gruppen sind dann nicht
mehr isoliert, sondern treten miteinander in Wechselwirkung. Die Protonen in der CH2 -
Bindung unterscheiden sich, wie oben gezeigt, durch die chemische Verschiebung ener-
getisch etwas von den Protonen in der CH3 -Gruppe. Die beiden Gruppen von Protonen
sind also untereinander nicht äquivalent. Die CH3 -Resonanz in Abb. 18.2 ist in 3 Li-
nien mit dem Intensitätsverhältnis 1:2:1 durch die Spin-Spin-Kopplung mit den CH2 -
Protonen aufgespalten. Die Kopplung mit einem der CH2 -Protonen spaltet nämlich die
Linie der CH3 -Protonen in zwei Linien auf, die Kopplung mit dem anderen CH2 -Proton
mit der gleichen Kopplungskonstante nochmal in zwei, die mittleren Linien fallen zu-
sammen. So ergibt sich das Aufspaltungsbild der CH3 -Protonen, siehe dazu Abb. 18.11.
Man kann das auch so ausdrücken: Es gibt für die beiden CH2 -Protonen bei ihrer Wech-
selwirkung mit den CH3 -Protonen die Spineinstellungen ↑↑, ↑↓ ↓↑, ↓↓. Dabei sind die
beiden mittleren Konfigurationen energetisch äquivalent.
Um nun die Aufspaltung der Gruppe der CH2 -Protonen zu verstehen, muß man um-
gekehrt die verschiedenen Einstellungsmöglichkeiten der 3 Protonen der CH3 -Gruppe
untersuchen. Hier gibt es 8 Möglichkeiten, von denen nur 4 energetisch verschieden
sind: ↑↑↑; ↑↑↓ ↑↓↑ ↓↑↑; ↑↓↓ ↓↑↓ ↓↓↑; ↓↓↓. So erklärt sich das Intensitätsverhält-
Abb. 18.12. Das Pascalsche
Dreieck. N äquivalente Proto- nis 1:3:3:1 der vier Komponenten der CH2 -Resonanz in Abb. 18.2 gemäß dem in
nen spalten die Resonanz ei- Abb. 18.11 erläuterten Schema. Allgemein gilt, daß N äquivalente Protonen die Reso-
ner benachbarten Gruppe in nanz einer benachbarten Gruppe in N + 1 Linien aufspalten. Die Intensitätsverhältnisse
N + 1 Linien auf. Ihre Intensi- ergeben sich nach der Anzahl der Realisierungsmöglichkeiten der einzelnen energetisch
tätsverhältnisse können dem
Pascalschen Dreieck entnommen unterschiedlichen Konfigurationen aus den Binomialkoeffizienten, die sich mit Hilfe des
werden. Die Zahlen in einer Pascalschen Dreiecks, Abb. 18.12, darstellen lassen. Dies ist eine Zahlenanordnung, bei
Zeile ergeben sich durch Ad- der man die Zahlen einer Zeile durch Addition der beiden nächstbenachbarten Zahlen
dition der beiden benachbarten in der darüber stehenden Reihe erhält.
Zahlen in der darüber stehenden
Zeile
Schließlich fehlt noch die Resonanz der Protonen der OH-Gruppe in Abb. 18.2 und
Abb. 18.11. Eigentlich müßten wir nach den bisherigen Erklärungen erwarten, daß die-
ses Proton wegen möglicher Parallel- und Antiparallel-Stellung seines Spins zu einer
Zweifach-Aufspaltung aller Linien von CH2 und CH3 führt, und daß die eigene Reso-
nanzlinie der OH-Gruppe durch die CH2 -Protonen in ein Triplett und diese Linien dann
wieder durch die CH3 -Protonen in ein Quartett aufgespalten wird. Diese Aufspaltungen
sind im allgemeinen, auch in Abb. 18.2, nicht sichtbar, weil Ethanol meistens geringe
Beimengungen von Wasser enthält.
Für das Verschwinden der eigentlich zu erwartenden Aufspaltung ist chemischer
Austausch der Hydroxyl-Protonen mit den Protonen von Wasser als Lösungsmittel ver-
antwortlich. Wenn die Protonen zwischen Molekülen ausgetauscht werden, ist durch die
Austauschbarkeit die Lebensdauer einer Konfiguration begrenzt. Die vom Lösungsmittel
Wasser gelieferten Protonen, die mit den Protonen der OH-Gruppe von Ethanol in ra-
schem chemischen Austausch stehen, haben zufällige Spin-Orientierungen und können
so die Lebensdauer einer bestimmten Spin-Orientierung der OH-Protonen verkürzen.
Da die besprochenen Feinstrukturaufspaltungen von der Größenordnung J = 1 Hz
sind, genügt eine Austauschfrequenz von J/2π 0,1 s−1 , um durch Lebensdauer-
verbreiterung nach der Gleichung JAustausch < 1/2πδν die Aufspaltung δν unbeob-
achtbar zu machen. Unter Austausch ist hier der chemische Austausch verstanden.
Nur wenn das Proton länger als diese Zeit τ = 1/2πδν unausgetauscht am Molekül
verbleibt, kann es zu einer Aufspaltung der anderen Linien von Protonen-Gruppen
im Molekül Anlaß geben. In Wasser als Lösungsmittel für Ethanol erfolgt der Aus-
tausch aber wesentlich schneller. Nur in extrem Wasser-freiem Alkohol CH3 CH2 OH
ist der Austausch so langsam, daß die Aufspaltung der OH-Resonanz und die durch
die OH-Protonen bewirkte Aufspaltung der beiden anderen Liniengruppen in Abb. 18.2
beobachtbar werden. Das Auftreten oder Nichtauftreten von Linien-Aufspaltungen,
beziehungsweise allgemeiner eine Verbreiterung von Linien kann also zur Kenntnis
einer Protonen-Austauschfrequenz beitragen. Dies ist zugleich ein Beispiel dafür, daß
Kernspin-Resonanzen auch zur Messung dynamischer Prozesse und von deren Ge-
schwindigkeit geeignet sind.
18.3 Dynamische Prozesse, Relaxationszeiten 379
Während die chemische Verschiebung wie in Abschn. 18.2.1 gezeigt der äußeren
Magnetfeldstärke B0 proportional ist, ist die auf indirekter oder direkter Dipol-Dipol-
Wechselwirkung der Kernmomente beruhende Feinstruktur-Aufspaltung vom Feld un-
abhängig. Das erleichtert eine Analyse von Kernresonanz-Spektren, indem man bei
mehreren unterschiedlichen Feldstärken mißt und so die beiden Effekte unterscheiden
kann. Auch ist dies ein weiterer Grund für die Bevorzugung großer Feldstärken in
der Kernresonanz-Spektroskopie. Man kann so die verschiedenen Mechanismen, die
für die Frequenzen der Linien in einem mit hoher Auflösung gemessenem Spektrum
verantwortlich sind, besser voneinander trennen und analysieren, indem man bei ver-
schiedenen äußeren Feldstärken B0 und damit in verschiedenen Frequenzbereichen mißt.
Häufig sind allerdings chemische Verschiebung und Spin-Spin-Kopplung von gleicher
Größenordnung. Dann wird wie oben ausgeführt eine Analyse schwieriger.
also
1
τ= . (18.15)
∆ν
Wenn sich nun die Resonanzfrequenz in kürzeren Zeiten als 1/∆ν ändert, das heißt,
sich das Molekül schneller bewegt, dann kann man die Variation der Resonanzfrequenz
nicht mehr feststellen. Man mißt vielmehr einen zeitlichen Mittelwert der Frequenz. Die
breite Resonanzlinie wird dadurch scharf. Das nennt man Bewegungs-Verschmälerung.
Für Protonen gilt bei ∆B = 1 mT
γ
∆ν = ∆B 4,3 · 104 s−1 (18.16a)
2π
und
(∆ν)−1 2,5 · 10−5 s . (18.16b)
Die Umorientierungszeiten von Molekülen in Flüssigkeiten niederer Viskosität sind viel
kürzer, typischerweise 10−10 s. Dadurch wird die anisotrope Spin-Spin-Kopplung ausge-
mittelt, und man erhält im Kernresonanzspektrum scharfe Linien wie im unteren Teilbild
von Abb. 18.2.
In gleicher Weise kann eine anisotrope Wechselwirkung auch durch raschen Aus-
tausch von Kernen zwischen den Molekülen ausgemittelt werden, z. B. zwischen
den Protonen von Wasser und der OH-Gruppe von Alkoholen im Beispiel von Ab-
schn. 18.2.3. Wenn dieser Austausch rasch genug erfolgt, d. h. rascher als es der aus-
zumittelnden Frequenzbreite entspricht, führt das bei zunehmender Austauschfrequenz
zunächst zu einer Lebensdauer-Verbreiterung und bei hinreichend raschem Austausch
zu einer Austausch-Verschmälerung der Signale. Geschwindigkeiten von Konfigura-
tionsänderungen in Molekülen, das heißt von Umlagerungen von Gruppen innerhalb
eines Moleküls, können in analoger Weise gemessen werden, wenn durch diese Ände-
rungen die unterschiedliche chemische Verschiebung der verschiedenen Konfigurationen
ausgemittelt wird, vgl. Abb. 18.13.
Allgemein eröffnet die Linienbreite der Kern-Resonanz-Signale einen Zugang zur
Messung von Bewegungs- oder Austauschprozessen im molekularen Bereich. Auf sol-
chen Prozessen beruhen auch viele Temperatur-Abhängigkeiten in Resonanzspektren. In
vielen Fällen ist beispielsweise bei Tieftemperatur eine Ausmittelung von Anisotropien
durch Bewegung noch nicht möglich, kann aber mit steigender Temperatur möglich wer-
den und so zu einer Linienverschmälerung im Spektrum führen.
Im Festkörper, wo wegen der starren gegenseitigen Orientierung der Kerne diese
Bewegungs-Ausmittelung nicht möglich ist, kann eine dynamische Ausmittelung der
anisotropen Wechselwirkung durch Mehrfach-Resonanz und Pulsmethoden möglich
sein. Bei Mehrfach-Resonanzverfahren mit zwei oder mehr etwas unterschiedlichen
Frequenzen oder Feldern kann man zum Beispiel die Spins einer Sorte von Kernen
direkt gezielt ansteuern und sie rasch zwischen ihren verschiedenen Einstellungen
hin- und herklappen. Dadurch können sie von einer zweiten Sorte von Kernen ent-
koppelt werden. So kann man mit speziellen Pulsprogrammen die anisotrope Wech-
selwirkung mit anderen Kernen und die darauf beruhende Linienverbreiterung unter-
drücken.
Darauf beruht die Spin-Entkopplung als Methode der hochauflösenden Kernresonanz.
So kann man z. B. die Kopplung der CH3 -Protonen mit den CH2 -Protonen in Ethanol
18.3 Dynamische Prozesse, Relaxationszeiten 381
im Spektrum (vgl. Abb. 18.2 und 18.11) aufheben, indem man durch intensive Einstrah-
lung einer zweiten Radiofrequenz die eine der beiden Protonen-Gruppen so häufig und
rasch umklappt, daß die andere Gruppe nur noch eine mittlere Orientierung spürt. Das
Quartett oder das Triplett in Abb. 18.11 kollabiert dann zu einer einzigen Linie. Solche
Spin-Entkopplungsmethoden finden in vielen Varianten Anwendung in der hochauflö-
senden Kernresonanz-Spektroskopie.
Linienbreiten in Resonanzspektren können häufig durch die beiden Relaxationszei-
ten T1 und T2 beschrieben werden. Diese Zeiten sind bereits in I, Abschn. 14.5 defi-
niert und eingeführt worden. T1 mißt die Zeit, in der ein angeregter Spinzustand durch
Wechselwirkung mit der Umgebung (Erzeugung von Wärme) oder mit anderen Spins
wieder in den Gleichgewichtszustand zurückkehrt. T2 mißt die Zeit, in der Phasenbezie-
hungen zwischen den Spins in einem bestimmten Spinsystem verlorengehen. Man kann
Relaxationszeiten sehr direkt mit Puls-Verfahren wie dem ebenfalls in I beschriebenen
Spin-Echo-Verfahren messen, indem man die zeitliche Entwicklung der Magnetisierung
nach einer raschen Störung der thermischen Gleichgewichts-Magnetisierung mißt.
Die longitudinale oder Spin-Gitter-Relaxation mit der Zeitkonstante T1 kommt vor-
zugsweise durch Fluktuationen der von Nachbar-Molekülen oder von paramagnetischen
Verunreinigungen erzeugten lokalen zeitlich fluktuierenden Magnetfelder am Ort der un-
tersuchten Kerne zustande. Sie mißt das Umklappen der Kerne relativ zur Feldrichtung z
von B0 und damit ihre Energieabgabe an die Umgebung. Typische Zeiten in der Kern-
resonanz liegen zwischen 10−4 und 10 s in Flüssigkeiten und 10−2 und 103 s im Fest-
körper.
Die transversale Spin-Spin-Relaxation mit der Zeitkonstante T2 ist ein Maß für die
Änderung der Phasenbeziehung zwischen den Spins im übrigen äquivalenter Kerne in
der xy-Ebene senkrecht zur Feldrichtung z. Das kann durch etwas unterschiedliche lo-
kale magnetische Felder verursacht werden. Oder aber der Phasen-Austausch erfolgt
durch Spin-Spin-Wechselwirkung äquivalenter Kerne. Beide Prozesse tragen zu der T2
genannten Zeitkonstanten bei. Da natürlich auch die longitudinale Relaxation die Pha-
senbeziehungen zerstört, gilt für die gesamte transversale Relaxation einer einzelnen
Kernsorte mit Spin 1/2
1 1 1
=
+ . (18.17)
T2 T2 2T1
Typische Werte für T2 liegen im Festkörper bei 10−4 s. In Flüssigkeiten ist T2 ähnlich
groß wie T1 , siehe oben.
Wenn man mit so hoher Resonanzfrequenz-Leistung einstrahlt, daß die T1 -Relaxa-
tionsprozesse den durch die thermische Energie kT gegebenen Besetzungsunterschied
zwischen den Resonanz-Niveaus nicht mehr aufrechterhalten können, nimmt die Signal-
intensität nicht mehr proportional zur eingestrahlten Leistung zu und die Resonanzli-
nien werden verbreitert. Außerhalb dieser Sättigungsverbreiterung wird die Linienbreite
durch T2 bestimmt, sofern nicht zusätzliche Mechanismen zu einer inhomogenen Ver-
breiterung der Linien führen. Es gilt nach der Unschärfe-Relation für die durch T2 be-
stimmte Energieunschärfe einer Resonanzlinie ∆E = h/T2 . Daraus folgt für die Fre-
quenzbreite einer homogenen Linie
1
δν = . (18.18)
2πT2
382 18. Magnetische Kernresonanz
Bei einem Wert von 1 s für T2 ergibt sich für die Linienbreite also die Größenordnung
0,1 s−1 .
Durch Messung von Relaxationszeiten eröffnet sich ein weites Feld der Untersu-
chung dyamischer Prozesse von Spins und damit von den Molekülen, zu denen sie ge-
hören.
Die Möglichkeit der Fourier-Transformation besteht auch für Spins die in Wechselwir-
kung stehen. Der Grund hierfür ist, daß die Schrödinger-Gleichung linear ist. Diese
Methode ist gut geeignet für die Messung von chemischen Verschiebungen. Sie gibt
aber keine Information über räumliche Beziehungen. Deshalb wenden wir uns nun
der 2-dimensionalen Fourier-transformierten Spektroskopie zu. Die zugrundeliegenden
Paar-Wechselwirkungen sind
1) die J-Kopplung
Hkl = 2πJkl Ik Il , (18.24)
die zu Multiplett-Aufspaltungen bei hoch-aufgelösten Spektren in Flüssigkeiten
führt. Hier tritt ein oszillatorischer Transfer von Spin-Ordnung zwischen 2 Spins
Ik und Il auf, d. h. die Richtungen der beiden Spins klappen hin und her, wie wir
noch weiter unten sehen werden;
2) die magnetische Dipol-Dipol-Wechselwirkung, die durch einen Tensor Dmn be-
schrieben wird. Seine zeitliche Modulation, etwa durch die Bewegung der Kerne,
verursacht Relaxationsprozesse (auch in isotropen Lösungen). Hieraus resultiert
ein multi-exponentielles Streben ins thermische Gleichgewicht, was Anlaß zu ei-
ner Kreuzrelaxation zwischen Spins gibt, wie wir ebenfalls weiter unten sehen
werden. Dies ermöglicht dann die Rekonstruktion einer 3-dimensionalen Molekül-
struktur.
Diese Wechselwirkungen beeinflussen zwar 1D-Spektren, aber es ist unmöglich zwi-
schen 2 unabhängigen Signalen und einem Dublett zu unterscheiden, das von der Spin-
Spin-Wechselwirkung herrührt. Eine erste Antwort gibt die 2-dimensionale Spektrosko-
pie mit Hilfe von Doppelresonanz-Experimenten.
Wir wollen uns hier hingegen der wichtigen zweiten Antwort zuwenden, nämlich
einer Methode, die unter dem Schlagwort COSY bekanntgeworden ist. Der Vorschlag
stammt ursprünglich von Jean Jeener (1971) und wurde von R. R. Ernst 1974 experimen-
tell realisiert. Die Computerverfahren zur Bestimmung von Molekül-Strukturen wurden
insbesondere von K. Wütherich (1986) entwickelt. Das folgende Diagramm zeigt den
grundsätzlichen Verlauf einer Messung:
π π
→ → .
2 t1 2 t2
Zunächst wird, wie schon oben besprochen, ein π/2-Puls angewendet, wodurch die
Spins aus der z-Richtung in die x,y-Ebene klappen und hier ihre Präzessionsbewegung
durchführen. Nach einer bestimmten Zeit t1 wird ein weiterer π/2-Puls angewendet und
nach dem Verlauf einer weiteren Meßzeit t2 das ausgestrahlte Signal bestimmt. Offen-
sichtlich hängt das ausgestrahlte Signal s sowohl von der Zeit t1 als auch von der Zeit
t2 ab. Bei der Messung müssen also sowohl t1 und t2 variiert werden. Indem man die
18.5 Zwei-dimensionale Kernspinresonanzspektroskopie 385
und damit
die sich auf die beiden Spins mit den Indizes k und l bezieht. Die Ω sind die Präzessi-
onsfrequenzen, die auch die chemische Verschiebung beinhalten und zu dem Hamilton-
operator H0 Anlaß geben, während das Wechselwirkungsglied uns schon oben begeg-
net ist und hier als zweiter Teil des Hamiltonoperators, nämlich als H1 , auftritt. Diese
Schrödinger-Gleichung stellt insofern ein Modell dar, als die Wechselwirkung zwischen
den Spins, genauer durch
Jkl Ik Il , (18.28)
beschrieben werden müßte. Wie man aber mit Hilfe des Übergangs zu einem rotie-
renden Koordinatensystem zeigen kann, heben sich die Wechselwirkungsglieder, die
sich auf die x- und y-Richtung beziehen, weitgehend weg, so daß (18.27) zumin-
dest eine gute Näherung darstellt. Hierbei sind die I die Spinoperatoren, wobei wir
aber der Einfachheit halber den Faktor h weglassen, um die folgenden Formeln nicht
übermäßig kompliziert zu machen. Die Operatoren H0 und H1 vertauschen mitein-
ander. Die Spins entwickeln sich zwar unter der Gesamtwirkung von H0 und H1 ,
aber die Reihenfolge dieser Einflußnahme auf die Spins ist gleichgültig, so daß wir
im folgenden zuerst die eine Einwirkung und dann die andere behandeln können. H0
bewirkt, wie wir wissen, die Präzession, wir müssen uns also insbesondere mit H1
befassen.
Im folgenden nehmen wir an, daß wir bereits einen Übergang zu einem rotierenden
Koordinatensystem gemacht haben, so daß Ωk , Ωl nur noch die chemischen Verschie-
bungen sind. Zu einer Anfangszeit wird nun ein Puls
HPuls = const. Bx (Ikx + Ilx ) (18.29)
angewendet, wobei im rotierenden System Bx zeitunabhängig ist. Die Behandlung
der verschiedenen Effekte ist nun in der hier gewählten Darstellung der Schrödinger-
Gleichung zwar nicht sehr schwierig, führt aber doch zu sehr länglichen Formeln, die
man insbesondere auch nicht sehr gut physikalisch deuten kann. Wir führen deshalb
statt dem hier benutzten Schrödingerbild das Heisenbergbild ein, das wir in den Aufga-
ben am Schluß des Kapitels näher besprechen werden. Hier genügt es, die wichtigsten
Eigenschaften des Schrödingerbilds bzw. des Heisenbergbilds darzustellen. Im Schrö-
dingerbild wird die zeitabhängige Lösung Ψ der Schrödinger-Gleichung bestimmt, und
18.5 Zwei-dimensionale Kernspinresonanzspektroskopie 387
die Verbindung mit gemessenen Werten wird mit Hilfe von Erwartungswerten darge-
stellt, z. B. in den Schreibweisen
Ψ ∗ (x, t)exΨ(x, t)dx oder Ψ(t)(|D|Ψ(t) . (18.30)
die zusätzlich zur Bewegung (18.35) auftritt. Setzen wir also (18.37) in (18.35) ein, so
erhalten wir das Resultat
Ht1 : ;
Ikx −→ Ikx cos(Ωk t1 ) + Iky sin(Ωk t1 ) cos(πJkl t1 )
1
: ;
+ 2 Iky cos(Ωk t1 ) − Ikx sin(Ωk t1 ) Ilz sin(πJkl t1 ) . (18.38)
2 2
Hierin beziehen sich die Komponenten der Spins auf die Anfangszeit, t = 0
Ik = Ik (0) , Il = Il (0) . (18.39)
Da nur die Transversalkomponente des Spins an das elektromagnetische Wechselfeld
koppelt, nicht aber die z-Komponente, würde bei einer Messung die Präzessionsfre-
quenz Ω1 des Spins k „aufleuchten“.
Ikx = 0 , (18.40)
Ilz = 0 . (18.41)
Jetzt kommt aber die entscheidende Einwirkung. Wir wenden noch einmal einen π/2-
Puls an, wobei das Magnetfeld in die x-Richtung zeigt. Wir präparieren also damit
einen neuen quantenmechanischen Anfangszustand im rotierenden Koordinatensystem.
Die Anwendung des π/2-Pulses führt, wie wir wissen, wiederum zu einer Drehung um
die x-Achse gemäß den Regeln
Ikx → Ikx
Iky → Ikz (18.42)
Ilz → Ily .
(Vgl. hierzu auch die Aufgaben.) Die Regel (18.42) gibt insbesondere Anlaß zur Erset-
zung
Iky Ilz → −Ikz Ily , (18.43)
die wir nun in (18.38) durchzuführen haben.
Betrachten wir was jetzt weiter mit der Zeitentwicklung von Ikx geschieht. Der
Beitrag 1 in (18.38) enthält keine Kopplung zwischen l und k und ist im Zusammen-
hang mit unserer Behandlung uninteressant. Das Glied 2 bringt nach dem π/2-Puls
einen neuen Anfangszustand für die weitere Zeitentwicklung. Dieser Anfangszustand
lautet
−2Ikz Ily cos(Ωk t1 ) sin(πJkl t1 ) . (18.44)
Er entwickelt sich unter der hemischen Verschiebung und
H1 = 2πJkl Ikz Ilz (18.45)
weiter, wobei wir
2πJkl Ikz Ilz t2
Ikz Ily −−−−−−−→ Ikz Ily cos(πJkl t2 ) (18.46)
18.5 Zwei-dimensionale Kernspinresonanzspektroskopie 389
erhält die Drehimpulskomponente in x-Richtung ein Zusatzglied von der Form (vgl.
(18.35))
Iky Ilz · f(Ωk t1 ) , (18.53)
das also, grob gesprochen, die Präzession des Spins k mit der Frequenz Ωk im ersten
Zeitabschnitt wiedergibt. Wenden wir dann den zweiten π/2-Puls an, so wird die Rolle
zwischen k und l vertauscht (vgl. (18.43)). Die Ausstrahlung, die auf der y-Komponente
des Spins l beruht, wird nun sichtbar und damit auch die mit der Präzessionsbewegung
verknüpfte Frequenz Ωl (vgl. (18.48))
∼ g(Ωl t2 ) . (18.54)
In beiden Fällen treten aufgrund der Spin-Spin-Wechselwirkung noch zusätzliche Os-
zillationen mit der Kreisfrequenz πJkl auf. Das Gesamtsignal ist also
∝ f [(Ωk ± πJkl )t1 ]g[(Ωl ± πJkl )t2 ] (18.55)
und stellt die gesuchte Verknüpfung zwischen den Spins dar.
Der Vollständigkeit halber diskutieren wir noch die weiteren Glieder. Das Glied
−2Ikz Ily (t2 ) cos(Ωk t1 ) sin(πJkl t1 ) · cos(πJkl t2 ) (18.56)
kann ebenso wie das eben diskutierte Glied behandelt werden. Das noch in der obigen
Formel (18.38) auftretende Glied
2Ikx Ily sin(Ωk t1 ) sin(πJkl t1 ) (18.57)
ist in unserem Zusammenhang uninteressant. Es bleibt gegenüber
2πJkl Ikz Ilz (18.58)
invariant und beschreibt nur noch eine Präzession in der Zeit t2 . Dies wird bei einer
2D-Fourier-Transformation nicht beobachtet, da die zugehörigen Frequenzen entweder
nahe bei Null oder doppelt so groß sind, nicht aber bei Ω liegen, wobei Ω die gesamte
Präzessionsfrequenz, d. h. also im nichtrotierenden System, ist.
Bei unseren vorangehenden Ableitungen hatten wir Beziehungen zwischen Spin-
Operatoren hergeleitet. Diese Relationen können wir zum einen sehr anschaulich deu-
ten, sie aber auch in solche zwischen klassischen Größen „übersetzen“, indem wir Er-
wartungswerte mit Hilfe von Wellenfunktionen bilden, die dem Problem angepaßt sind,
nämlich kohärenten Spinfunktionen (vgl. die Aufgaben am Schluß dieses Kapitels).
In diesem Abschnitt haben wir die kohärente, durch die J-Kopplung vermittelte,
Wechselwirkung besprochen. Daher rührt auch der Name COSY (coherent spectro-
scopy). Im nächsten Abschnitt wenden wir uns der inkohärenten Wechselwirkung zu,
wobei insbesondere die Relaxationsprozesse berücksichtigt werden, die wir in diesem
Abschnitt außer Acht gelassen haben.
sation mit Hilfe der 2D-Spektroskopie hat, wie wir schon besprochen haben, eine An-
zahl von Vorteilen gegenüber der 1D-Technik, insbesondere dann, wenn das System ein
ausgedehntes Netzwerk von Austauschprozessen enthält, die gleichzeitig vorkommen.
Der nukleare Overhauser-Effekt besteht im Transfer der Magnetisierung zwischen Kern-
spins. Die Kreuzrelaxation führt zu einem Übertrag der Magnetisierung zwischen den
Spins und zu Intensitätsänderungen. Die Kreuzrelaxation hängt sowohl von dem Cha-
rakter des Bewegungsprozesses als auch von der Entfernung der miteinander wechsel-
wirkenden Spins ab. Die 2D-Methoden sind besonders nützlich für das Studium lang-
samer dynamischer Vorgänge mit Raten, die zu langsam sind, um die Linienformen
zu beeinflussen. Die 2-dimensionale Austausch-Spektroskopie ist daher besonders gut
geeignet für das Studium von Kreuzrelaxationen, dem transienten Overhauser-Effekt
und der Spindiffusion in Festkörpern. Bei Anwendung auf den hemischen Austausch
ist der Informationsgehalt der 2D-Austausch-Spektren am größten, wenn die Tempe-
ratur so gewählt wird, daß die Austauschrate groß gegenüber der longitudinalen Rela-
xation und klein ist verglichen mit den Spektralparametern, die durch den Austausch
beeinflußt werden. Die grundlegende Idee der 2D-Austausch-Spektroskopie besteht in
der Frequenzmarkierung der longitudinalen Magnetisierung der verschiedenen Plätze
bevor der Austausch stattfindet, so daß nach dem Austausch die Wege der Magneti-
sierung zurück zu ihrem Ursprung verfolgt werden können. Während die Magnetisie-
rung in einen Nichtgleichgewichtszustand versetzt wird, bleiben die Konzentrationen der
chemischen Spezies im dynamischen Gleichgewicht während des ganzen Experiments
konstant.
Betrachten wir die grundlegende Sequenz in Abb. 18.16. Dabei wird ein Paar von
nichtselektiven π/2-Pulsen benutzt. Nichtselektiv bedeutet dabei, daß diese Pulse in
gleicher Weise auf alle hier betrachteten Spins wirken. Ein Paar solcher nichtselektiver
π/2-Pulse, die durch die Evolutionsperiode t1 getrennt sind, wird benutzt, um die
Nichtgleichgewichts-Bevölkerung zu dem Beginn der Mixing-Zeit τm vorzubereiten.
Der Einfachheit halber betrachten wir einen symmetrischen chemischen Austausch
zwischen zwei Stellen mit gleichen Konzentrationen (k AB = k BA = k), gleichen Spin-
gitterrelaxations-Raten (R1A = R1B = R1 ) und gleichen transversalen Relaxationszeiten
(T2A = T2B = T2 ). Die transversale Magnetisierung, die durch den ursprünglichen
π/2-Puls in y-Richtung angeregt wird, präzediert frei in dem t1 -Intervall. Wenn der
Austausch langsam ist, können wir seine Wirkung auf die Linienbreite während dieser
Periode vernachlässigen, und wir erhalten zwei komplexe Komponenten der Magneti-
sierung, die als klassische Größe aufgefaßt wird:
M+
A (t1 ) = M A0 e
(iΩ A t1 −t1 /T2 )
, (18.59)
M+
B (t1 ) = M B0 e
(iΩ B t1 −t1 /T2 )
. (18.60)
Wenn der zweite Puls entlang der y-Achse angewendet wird, werden die reellen Kom-
ponenten der transversalen Magnetisierung in solche der longitudinalen Magnetisie-
rung
M Az (τm = 0) = −M A0 cos Ω A t1 e−t1 /T2 , (18.61)
−t1 /T2
M Bz (τm = 0) = −M B0 cos Ω B t1 e (18.62)
verwandelt. Die y-Komponente bleibt bei dem Puls unverändert und wird üblicherweise
durch ein inhomogenes magnetisches Feld zerstört. Im Falle, daß der zweite Puls nicht
392 18. Magnetische Kernresonanz
Die Wege, die zu den diagonalen und Kreuzpeaks führen, sind schematisch in Abb. 18.17
dargestellt. Man beachte, daß für Systeme ohne aufgelöste Kopplungen die Erschei-
nung eines Kreuzpeaks genügend Beweis dafür ist, daß ein Austausch stattfindet. In
dem Fall, wo die beiden Plätze symmetrisch sind und der hier diskutiert wird, d. h. für
M A0 = M B0 , kann die Austauschrate von dem Verhältnis der Gipfelintensitäten oder
Peakintensitäten bestimmt werden
IAA aAA 1 + e−2kτm 1 − kτm
= = −2kτ
≈ . (18.71)
I AB a AB 1− e m kτm
Diese Ausdrücke können zu dem Fall, wo Austauschprobleme mit M-Plätzen auftreten,
wobei gleichzeitig chemischer Austausch und Kreuzrelaxation vorkommen, verallge-
meinert werden. Der große Vorteil des 2D-Schemas liegt in der Möglichkeit, Netzwerke
mit einer großen Zahl von Plätzen zu studieren. Obgleich eine große Zahl von Expe-
rimenten mit verschiedenen t1 -Werten in der 2D-Methode nötig sind, resultiert eine
bedeutende Empfindlichkeit aus der Tatsache, daß alle Prozesse gleichzeitig untersucht
werden, was bei der 1D-Methode nicht der Fall ist.
Der hier besprochene nukleare Overhauser-Effekt liefert eine einzigartige Informa-
tion über molekulare Strukturen in Lösung, die nicht mit irgendeiner anderen bekannten
Technik erhalten werden kann. Solche Messungen sind von zentraler Wichtigkeit in der
Molekularbiologie geworden, wo sie die vollständige Bestimmung der 3D-Struktur
großer Biomoleküle gestatten. Die auf dem nuklearen Overhauser-Effekt beruhende
2-dimensionale Spektroskopie wird auch mit NOESY abgekürzt.
aber auch für Polymere und für große biochemisch und biophysikalisch wichtige Funk-
tionseinheiten in der Biologie. Sowohl für Analytik wie für Strukturaufklärung ist die
Methode durch keine andere zu ersetzen, und sie gehört zu den unentbehrlichen spek-
troskopischen Hilfsmitteln des Chemikers.
Man kann sie weiter zum Studium von dynamischen Prozessen, von Bewegun-
gen von Molekülen oder Molekülteilen, und von molekularen Reaktionen verwenden.
In den letzten Jahren gewinnt die ortsauflösende Kernspin-Resonanz, die Kernspin-
Tomographie, und allgemein die in vivo-Resonanz zunehmend Bedeutung in Biologie
und Medizin. Wie in I, Abschn. 20.7 näher aufgeführt, wird bei der Tomographie in
einem räumlich inhomogenen Magnetfeld die Lage der Spins durch ihre Aufspaltung
und damit Resonanzfrequenz markiert. So gelingt es, Moleküle und ihre Reaktionen
auch in Innern von Lebewesen zu untersuchen, ohne diese zu beschädigen. Als wichtige
Anwendungen seien die Untersuchung von Stoffwechselvorgängen und vom Wirkme-
chanismus von Medikamenten genannt.
Außer Protonen werden, wie bereits in Abschn. 18.4 erwähnt, besonders die Kerne
13 C, 19 F, 31 P als Sonden verwendet. Die Methode der Kernresonanz erlaubt jedoch eine
Untersuchung aller Kerne, die einen Spin besitzen. Zusätzliche Informationen bekommt
man aus Kernquadrupol-Resonanzen bei Kernen mit I ≥ 1 im elektrischen Feldgradi-
enten der chemischen Bindung.
Aufgaben
18.1 a) Obwohl der Kernspin eine rein quantenmechanische Größe ist, läßt er sich auf
klassische Weise als Drehimpuls beschreiben. Stellen Sie seine Bewegungsgleichung im
Magnetfeld B auf, und leiten Sie daraus die Larmorfrequenz seiner Präzessionsbewe-
gung ab.
b) Das Erdmagnetfeld besitzt am Äquator eine Stärke von 1,3 · 10−5 T. Wie groß ist
die Larmorfrequenz, mit der der Spin eines Protons um die Feldrichtung präzediert?
18.2 a) Für ein NMR-Labor an der Uni Stuttgart soll ein Gerät beschafft werden, mit
dem Experimente zur Protonenspinresonanz durchgeführt werden können. Der Vertreter
einer Herstellerfirma schlägt ein Spektrometer mit einem festen Magnetfeld von 2,166 T
und durchstimmbarer Frequenz vor. Ein Diplomand denkt kurz nach und rät dann vom
Kauf ab. Warum?
b) Man folgt dem Rat des Diplomanden und kauft ein anderes Spektrometer, das bei
einer Festfrequenz von 30,256 MHz arbeitet. Bei welchen Magnetfeldern kommt es zur
Resonanz von Protonen bzw. 13 C-Kernen?
18.3 Im NMR-Spektrum eines Moleküls AB beobachtet man vier Linien bei δ =
5,8, 5,7, 1,1 und 1,0 ppm. Dabei wurde ein 100 MHz-Spektrometer verwendet und TMS
als Standard. Bestimmen Sie die chemischen Verschiebungen der Kerne A und B (in δ)
sowie die Kopplungskonstante J zwischen ihnen (in Hz) für den Fall J δ.
18.4 Die Elektronendichte an einem Atom wird durch den induktiven Effekt eines be-
nachbarten Atoms X beeinflußt. Ordnen Sie die so verursachten chemischen Verschie-
bungen der X-Methylgruppen N–CH3 , O–CH3 und C–CH3 nach ihrer Größe.
18.5 Beschreiben Sie das NMR-Spektrum des Fluor-Kerns im Vinylfluorid H2 C=CHF.
Das Molekül enthält drei nicht äquivalente Protonen Ha , Hb und Hc ; die Differenzen
Aufgaben 395
der chemischen Verschiebungen der einzelnen Protonen sind wesentlich größer als ihre
Kopplungskonstanten mit den angegebenen Werten.
JHa Hb = 5 Hz JHa F = 85 Hz
JHb Hc = −3 Hz JHb F = 50 Hz
JHc Ha = 13 Hz JHc F = 20 Hz
18.6 Wie sieht das Protonenresonanzspektrum von 1,1,2-Trichlorethan CH2 Cl–CHCl2
in Deuterochloroform CDCl3 aus (qualitativ)?
18.7 Im Molekül 1-Nitropropan Ha3 C–CHb2 –CHc2 –NO2 liegen drei Sorten inäquivalen-
ter Protonen vor (Ha , Hb , Hc ). Im NMR-Spektrum erkennt man Tripletts bei 1,03 ppm
und 4,38 ppm sowie ein Sextett bei 2,07 ppm (relative Intensitäten 1:5:10:10:5:1). Be-
stimmen Sie die chemischen Verschiebungen δa , δb und δc . Welche Aussagen über die
Kopplungskonstanten Jab , Jac und Jbc können Sie machen?
18.8 a) Welches Protonenresonanzspektrum erwarten Sie für Acetaldehyd CH3 CHO
(JHH = 2,9 Hz), wenn die chemischen Verschiebungen der Protonen 2,20 und 9,80 ppm
betragen?
b) Es wird ein äußeres Feld von 1,5 T bzw. 7,0 T angelegt. Wie stark unterscheiden
sich jeweils die lokalen Magnetfelder zwischen den beiden Bereichen des Moleküls?
18.9 Beschreiben Sie das Protonenresonanzspektrum von CD3 COCD2 H, das oftmals
als Verunreinigung im vollständig deuterierten Lösungsmittel Aceton CD3 COCD3 ent-
halten ist. Nehmen Sie dabei an, daß keine Kopplung zwischen CD3 und CD2 H besteht.
18.10 Mit Hilfe eines einfachen Modells gelangt man zu einem Ausdruck für die Be-
wegungsverschmälerung von NMR-Linien.
Am Ort eines magnetischen Dipols (Spins) fluktuiere das B-Feld statistisch zwischen
den beiden Zuständen B0 + Bi und B0 − Bi (z. B. durch eine Änderung der anisotropen
Dipol-Dipol-Wechselwirkung). Dies gibt Anlaß zu einer Phasenverschiebung des Spins
gegenüber seinen Nachbarn und somit zur transversalen Relaxation in der Zeit T2 .
Wie hängt T2 von der mittleren Fluktuationszeit τ ab? Benutzen Sie dazu die Analo-
gie zwischen der Phasenverschiebung φ und dem Weg L, der bei einem „random walk“
in n Schritten der Schrittweite 5 zurückgelegt wird: L 2 = ns2 (mittl. quadrat. Weg-
länge). Bedenken Sie, daß Spins mit einer Phasenverschiebung von φ > 1 nicht mehr
zum Resonanzsignal beitragen.
Wie lautet der Zusammenhang zwischen der Linienbreite ∆ν und der Breite ∆ν0 =
(1/2π)γBi in einem starren Gitter?
18.11 Warum weisen NMR-Spektren von Festkörpern im allgemeinen größere Lini-
enbreiten auf als Spektren von Flüssigkeiten?
18.12 a) Bei einer NMR-Messung mit einem 60 MHz-Spektrometer liegen die Re-
sonanzen der beiden Methylgruppen von N,N-Dimethylnitrosamin (CH3 )2 N–NO in ei-
nem Abstand von 39 Hz. Die Rotation der NO-Gruppe führt zu schnellen Änderungen
der magnetischen Umgebung und damit zu einer Austauschverschmälerung dieser Re-
sonanz. Bestimmen Sie die Austauschfrequenz, ab der man nur noch eine Linie findet.
b) Im Protonenresonanzspektrum von Methyl-Cyclohexan sieht man bei niedriger
Temperatur zwei Gruppen von Linien, die sich den Methylprotonen zuordnen lassen.
Erklären Sie, warum diese beiden Gruppen bei höheren Temperaturen zusammenfallen.
396 18. Magnetische Kernresonanz
18.19 Zerlegen Sie das elektromagnetische Feld in seine Moden ∝ eikx und zeigen
Sie, daß der Wechselwirkungsoperator zwischen einem Spin 12 und einer Mode von der
Form
Hww = hgb+ I− + hg∗ bI+ (3)
ist, wobei g eine Kopplungskonstante ist. Wie lautet diese? In (3) sind nur resonante
Glieder berücksichtigt („rotating wave approximation“). Diskutieren Sie diese Nähe-
rung.
Hinweis: Gehen Sie von der Wechselwirkungsenergie eines Spins 12 mit einem Ma-
gnetfeld aus, drücken dieses durch das Vektorpotential aus, das gemäß (16.40) in seine
Moden zerlegt wird.
18.20 Der Hamiltonoperator für einen Spin 12 in einem konstanten Magnetfeld, der
mit einer Mode des elektromagnetischen Feldes in Wechselwirkung steht, lautet
hΩIz + hωb+ b + hg(b+ I− + bI+ ) .
Wie lautet die Heisenberg-Gleichung für b+ ? Fügen Sie dieser ein Dämpfungsglied
−κb+ hinzu und lösen Sie diese für einen präzedierenden Spin, indem Sie zu Erwar-
tungswerten für einen präzedierenden Spin mit einer kohärenten Spinfunktion überge-
hen. Was folgt hieraus für die Operatorgleichungen von Abschn. 18.5.2?
19. Elektronenspin-Resonanz
19.1 Grundlagen
Die Elektronenspin-Resonanz-Spektroskopie (ESR) ist in der Molekülphysik zwar we-
niger wichtig als die Kernspin-Resonanz, weil Moleküle im allgemeinen diamagnetisch
sind und somit keinen Anlaß zur Elektronenspin-Resonanz geben. Es gibt dagegen nur
wenige Moleküle, die nicht wenigstens einen Kern mit von Null verschiedenem Spin
enthalten und somit der Untersuchung mit der Kernspin-Resonanz zugänglich sind. Die
ESR-Spektroskopie ist in der Molekülphysik andererseits auf die relativ wenigen Mo-
leküle beschränkt, die ein ungepaartes Elektron enthalten und damit paramagnetisch
sind. Dort ist sie allerdings eine wichtige Untersuchungsmethode, mit der man viel über
Struktur, Bindungsverhältnisse und Dynamik von Molekülen lernen kann.
Welche Moleküle sind paramagnetisch? Die wichtigsten Gruppen sind
– Moleküle mit paramagnetischen Atomen als Bausteinen, insbesondere dann, wenn
wie etwa bei den Seltenen Erden oder wie bei den Übergangs-Elementen der Para-
magnetismus durch innere Elektronen zustande kommt, zum Beispiel die Ionen Fe3+
oder [Fe(CN6 )]3− . Die äußeren Valenzelektronen können trotzdem paarweise abge-
sättigt, also diagmagnetisch sein.
– Moleküle mit einem ungepaarten äußeren Elektron, sogenannte Radikale. Es gibt
stabile Radikale, z. B. das als Standard zur Magnetfeld-Eichung mit gut bekann-
tem und genau meßbarem g-Faktor (siehe unten) oft verwendete DPPH (Diphenyl-
Picryl-Hydrazyl). Es gibt aber auch Radikale, die durch Lösungsmittel-Einfluß, durch
chemische Reaktionen oder durch Bestrahlung aus einem diamagnetischen Molekül
entstehen und durch Rekombination mit dem abgespaltenen Bruchstück wieder ver-
schwinden können.
– Moleküle im Triplett-Zustand, sei es – wie bei O2 , NO, NO2 – der Grundzustand, sei
es, wie bei Naphthalin, ein metastabiler Triplett-Anregungszustand, vgl. dazu auch
Abschn. 13.4. Bei Lebensdauern von ca. 10−6 s oder länger lassen sich auch diese
Anregungszustände mit stationärer ESR untersuchen.
400 19. Elektronenspin-Resonanz
Schema 19.1. Energiezustände ist die Grundgleichung der ESR. Strahlt man nämlich senkrecht zur Richtung von B0
eines Elektrons im Magnetfeld elektromagnetische Strahlung mit dieser Frequenz ν ein, so ist für ein freies Elektron
B0 . Das magnetische Moment die Resonanzbedingung erfüllt, und man kann Übergänge zwischen den beiden Einstel-
des Elektrons ist negativ, sein lungen des Elektronspins, also ESR beobachten. In Zahlen gilt
Vektor dem Spin (Pfeil) entge-
gengerichtet. Im Zustand m s = Hz
−1/2 ist das magnetische Mo- ν = 2,8026 · 1010 B0 (19.2)
ment parallel zu B0 ausgerichtet, T
dies ist der tiefere Zustand. für die Frequenz der erlaubten magnetischen Dipolübergänge mit ∆m s = ±1. Man
Für die Kernspin-Resonanz,
Abschn. 18.1, gilt das gleiche wählt für B0 häufig Felder in der Größenordnung 0,1 bis 1 T und kommt so mit der
Schema, wenn man m s durch m t Frequenz in den Bereich der Mikrowellen, d. h. zu Frequenzen im Bereich von GHz.
ersetzt. Jedoch ist beim Proton Die Intensität der Signale in ESR-Spektren ist, wenn man Sättigungseffekte vermei-
das magnetische Moment posi- det (das heißt bei nicht zu langen Relaxationszeiten T1 und nicht zu hoher Mikrowellen-
tiv, deshalb liegt der Zustand
m I = +1/2 energetisch tiefer leistung) proportional zur Anzahl der in der Meßprobe vorhandenen ungepaarten Spins.
als m I = −1/2. Man muß also Dabei trägt zum Signal wie bei der Kern-Resonanz nur der temperaturabhängige Beset-
die Richtungen der beiden Pfeile zungsunterschied zwischen den Einstellungen parallel und antiparallel zum Feld B0 bei.
umkehren Die Nachweisbarkeits-Grenze ist der Linienbreite umgekehrt proportional und liegt bei
Verwendung konventioneller ESR-Spektrometer bei 1010 Spins, wenn man eine Linien-
breite von 1 G = 104 T annimmt.
Die Spin-Gitter-Relaxation wird wie bei den Kernen durch zeitlich variable magne-
tische Störfelder mit einer Korrelationszeit von der Größenordnung der Larmorfrequenz
bestimmt. Solche Störfelder können durch die Bewegung benachbarter magnetischer
Momente in der Lösung oder im Festkörper hervorgerufen werden. T1 10−7 s bei
Zimmertemperatur ist ein typischer Wert für Moleküle in Lösung, bei abnehmender
Temperatur wird T1 länger. Für T2 beobachtet man ähnliche oder kürzere Zeiten.
In Molekülen, die Atome mit paramagnetischen Elektronen auf inneren Schalen ent-
halten, ebenso auch in Ionenkristallen, gibt es jedoch auch g-Faktoren, die sich aus Spin-
und Bahndrehimpuls-Quantenzahlen ergeben und sehr viel größer als 2 sein können.
Hier gehört das paramagnetische Elektron tatsächlich noch als lokalisiertes Elektron zu
einem Atom, und man muß die Kopplung zwischen Spin und Bahnmoment berücksich-
tigen. Wie sich Spin- und Bahnmoment zu einem Gesamtmoment zusammensetzen, und
wie der entsprechende g J -Faktor definiert ist, haben wir bereits in I, Abschn. 12.7 und
12.8 sowie 13.3.5 erläutert. Es gibt jedoch auch bei solchen Molekülen Elektronenzu-
stände mit g = 2, das heißt mit praktisch reinem Spin-Magnetismus. Das kann daran
liegen, daß das Atom oder Ion eine Elektronenkonfiguration mit L = 0 hat, wie z. B.
Fe3+ mit 5 ungepaarten d-Elektronen und S = 5/2, L = 0, also der Konfiguration 6 S5/2 .
Oder aber es erfolgt eine Aufhebung der Russell-Saunders-Kopplung durch das starke
innere elektrische Feld der Bindung im Molekül oder Kristall, und die Quantenzahl L
ist nicht mehr definiert.
Übrigens enthält der g-Faktor, wie er hier durch Gl. (19.1) definiert wird, auch die
„chemische Verschiebung“ durch lokale Ströme, die durch das angelegte Feld am Ort
des magnetischen Momentes induziert werden.
19.3 Hyperfeinstruktur
Weiterhin mißt man in der ESR die Wechselwirkung zwischen dem mit dem Spin ver-
bundenen magnetischen Moment des paramagnetischen Elektrons und den Spins bzw.
Momenten von Kernen mit nicht verschwindendem Spin I. Die Energieterme und die
Resonanzlinie des Elektrons werden durch Hyperfein-Wechselwirkung mit dem Spin I
eines Atomkerns in ein Multiplett von 2I + 1 Hyperfeintermen oder eine dementspre-
chende Anzahl von Linien aufgespalten. Die Hyperfeinwechselwirkung ist der wichtig-
ste Beitrag der Elektronenspin-Resonanz zur Molekülphysik. Man kann sie in folgender
Weise verstehen. Der Spin bzw. das magnetische Moment des Kerns erzeugt ein Ma-
gnetfeld, das zu dem angelegten Feld B0 je nach Orientierung zu addieren oder von
ihm zu subtrahieren ist. Ein dipolarer Anteil der Wechselwirkung wird, wenn die Mo-
leküle sich in Lösung befinden oder sonst in allen Richtungen beweglich sind, durch
die Bewegung der Moleküle ausgemittelt. Es bleibt aber die skalare oder Kontakt-
Wechselwirkung erhalten. Diese magnetische Wechselwirkung mit kugelsymmetrisch
um den Kern verteilten s-Elektronen läßt sich nicht als Dipol-Dipol-Wechselwirkung
beschreiben. Sie ist isotrop und wird durch Bewegung nicht ausgemittelt. Das Feld am
Ort des Elektrons lautet dann
Bloc = B0 + am I , (19.3)
Wegen der Auswahlregel ∆m s = ±1, ∆m I = 0 spaltet ein Proton die ESR-Linie ei-
nes Elektrons also in zwei Linien auf, wie wir es bereits für das H-Atom in I, Kap. 20,
behandelt haben. Die Energieaufspaltung beträgt
∆E Hfs = a , (19.5)
wenn wir die Hyperfein-Kopplung als Energie ebenfalls mit a bezeichnen. Die Umrech-
nung erfolgt nach (19.1) (1 Gauss =
2,8 MHz). Jeder Term des Elektrons verschiebt sich
um den Betrag
∆E Hfs = am I . (19.6)
Bei der Wechselwirkung des paramagnetischen Molekül-Elektrons mit einem Kern mit
Spin I beträgt die Anzahl der Hyperfeinstruktur-Niveaus 2I + 1 mit gleichem statisti-
schem Gewicht, da ein solcher Kern 2I + 1 mögliche Einstellungen relativ zum magne-
tischen Moment des Elektrons bzw. zum angelegten Feld hat. Die typische Größenord-
nung für diese Hyperfein-Wechselwirkung ist 10−3 –10−4 T, wenn wir sie als Magnet-
feld messen. Abbildung 19.2a zeigt dies für einen Kern mit I = 3/2.
Wenn der paramagnetische Elektronenzustand mit mehreren äquivalenten Kernen in
Wechselwirkung steht, dann muß man zur Erklärung der zu beobachtenden Hyperfein-
struktur die Anzahl und die Häufigkeit der Spineinstellungen dieser Kerne berücksich-
tigen. Bei N äquivalenten Protonen erhält man N + 1 Hyperfeinstruktur-Linien. Ihre In-
tensitätsverteilung erhält man wieder, wie schon bei der früher behandelten Kern-Kern-
Kopplung, aus dem Pascalschen Dreieck, siehe Abb. 18.12. Unter Äquivalenz versteht
man hier, daß ihre magnetische Wechselwirkung mit dem Elektron gleich groß ist. Dies
wird anhand des ESR-Spektrums des Methyl-Radikals CH− 3 erläutert, Abb. 19.2b. Das
Spektrum besteht aus 4 äquidistanten Linien mit dem Intensitätsverhältnis 1:3:3:1. Die-
ses ergibt sich, wie in Abb. 19.2b gezeigt, aus dem statistischen Gewicht mit der die
m s -Werte von +3/2 bis −3/2 für die 3 äquivalenten Protonen möglich sind.
19.3 Hyperfeinstruktur 403
Als weiteres Beispiel zeigt Abb. 19.3 das ESR-Spektrum eines Benzol-Radikal-
Anions (C6 H6 )− , wie man es durch Elektronenübertragung von Alkaliatomen auf
neutrales Benzol in Lösung leicht erzeugen kann. Das ungepaarte Elektron ist, wie
man aus dem hier besprochenen Hyperfein-Aufspaltungsbild der ESR ableiten kann,
gleichmäßig über den Benzol-Ring verteilt. Seine Hyperfein-Wechselwirkung mit den 6
Protonen führt zu 7 Linien mit dem Intensitätsverhältnis 1:6:15:20:15:6:1 (Abb. 19.4).
Daraus folgt, daß alle 6 Protonen äquivalent sind. Übrigens kann man auch Benzol-
Radikal-Kationen (C6 H6 )+ elektrolytisch oder durch Elektronen-Entzug mit konzen-
trierter Schwefelsäure erzeugen. Das ESR-Spektrum des Kations ist dem des Radikal-
Anions sehr ähnlich. Ein überschüssiges Elektron ist im Benzol-Ring also ähnlich
verteilt wie ein fehlendes.
Beim Naphthalin-Radikal-Anion (Abb. 19.5) ist die Spin-Verteilung des freien Elek-
trons über die C-Atome und damit die Hyperfein-Wechselwirkungsenergie mit den 8
Protonen nicht mehr gleichmäßig. Wären alle 8 Protonen äquivalent, dann würde man
ein ESR-Spektrum mit 2I + 1 = 9 Linien mit einem aus dem Pascal-Dreieck ablesba-
ren Intensitätsverhältnis 1:8:28:56:70:56:28:16:1 beobachten. Das tatsächlich beobach-
tete Spektrum ist folgendermaßen zu verstehen: Die C-Atome in α-Stellung, d. h. in den
a = R , R = 50 mT (19.8)
Das Elektron hält sich also zu etwa 5% an jedem der Protonen als 1s-Elektron auf, zu
85% im Bereich des zugehörigen C-Atoms.
Die gemessene Kopplungskonstante a ist nach (19.8) der Spindichte und damit der
Elektronendichte am Ort des betrachteten Kerns proportional. Je größer die Aufenthalts-
wahrscheinlichkeit des Elektrons am Ort eines Kerns, das heißt die Elektronendichte, ist,
um so größer ist die mit a gemessene Aufspaltung. Aus der Messung an Benzol ent-
nimmt man zum Beispiel mit der Annahme einer gleichmäßigen Verteilung des unge-
paarten Elektrons über den Ring mit seinen sechs C-Atomen, daß 1/6 Elektron zu einer
Kopplungskonstante −0,375 mT führt. Ein ganzes Elektron als π-Elektron in der Nähe
eines C-Atoms führt dann beim daran gebundenen Proton zu a = 6(−0,375) mT =
−2,25 mT. Nach (19.8) bedeutet dies, daß seine Aufenthaltswahrscheinlichkeit an al-
len 6 Protonen 5% beträgt, die restlichen 95% befinden sich gleichmäßig an den C-
Atomen. Für solche CH-Bindungen gilt die McConnell-Beziehung. Diese besagt, daß
die isotrope Hyperfeinstruktur-Kopplungskonstante ai des Protons in einer CH-Bindung
und die zugehörige Spindichte i des ungepaarten π-Elektrons an den jeweils benach-
barten Kohlenstoff-Atomen einander proportional sind und daß gilt
Mit Hilfe dieser wichtigen Beziehung kann man aus gemessenen Hyperfein-Aufspal-
tungen von Protonen die Elektronendichte am Ort der verschiedenen C-Atome in ei-
nem Molekül berechnen, wenn man Spindichte und Elektronendichte gleichsetzt. Die
C-Atome treten selber im Resonanzspektrum als Hyperfeinstruktur nicht in Erschei-
nung, wenn es sich um das bei weitem häufigste Kohlenstoff-Isotop 12 C handelt. Die-
ses hat die Spinquantenzahl I = 0. Das mit der natürlichen Häufigkeit 1% vorhandene
stabile Isotop 13 C mit I = 1/2 gibt jedoch selbst Anlaß zu entsprechender Linien-
Aufspaltung. Seine Hyperfein-Wechselwirkung mit dem paramagnetischen Elektron
des Radikals ist in Abb. 19.3 und 19.5 wegen der geringen natürlichen Häufigkeit
von 13 C nicht zu sehen.
Abb. 19.6. Indirekte Kopplung Hier muß allerdings noch auf einen weiteren wichtigen Wechselwirkungs-Mechanis-
zwischen dem Spin eines un- mus hingewiesen werden, der die in den vorhergehenden Abschnitten behandelte
gepaarten Elektrons und einem Hyperfein-Aufspaltung in den C−H-Bindungen erst möglich macht. Bei den nicht
Kernspin in der Nachbarschaft gepaarten Elektronen, wie wir sie im CH3 -Radikal und im Benzol-Radikal betrach-
am Beispiel des CH3 -Radikals.
Das ungepaarte Elektron im tet haben, handelt es sich ja um Elektronen aus p-Orbitalen des C-Atoms, verglei-
pz -Orbital polarisiert den Spin che dazu Abb. 19.6. Elektronen in p-Orbitalen sollten aber keine isotrope Hyperfein-
eines der beiden σ-Elektronen Wechselwirkung mit den C-Atomen oder den in einer Ebene senkrecht zum p-Orbital
der CH-Bindung und damit liegenden H-Atomen haben, da ihre Spindichte am Kernort verschwindet. Die in
auch das andere, da deren
Spins antiparallel zueinander
sind. Dies führt zu einer Kopp-
lung mit dem Protonen-Spin.
In der Mitte ist der Fall der
„positiven“, rechts derjenige
der „negativen“ Kopplung über
zwei C-Atome dargestellt. Bei
negativer Kopplung spricht man
auch von negativer Spindichte
19.4 Feinstruktur 407
Abb. 19.3 und 19.5 gezeigte Hyperfeinstruktur aromatischer Radikale kommt jedoch
trotzdem, und zwar indirekt durch Spin-Polarisation zustande.
Diese wollen wir nach Abb. 19.6 am Beispiel des Methyl-Radikals erläutern. Das
ungepaarte Elektron befindet sich in einem pz -Orbital des C-Atoms und hat deshalb
am Ort des H-Atoms die Spindichte 0. Man erwartet in diesem Falle keine Hyperfein-
struktur. Da man jedoch eine solche beobachtet, muß es eine indirekte Kopplung zwi-
schen den Spins von Elektron und Protonen geben. Eine solche haben wir bereits in
Abschn. 18.2.3 und 18.2.4 kennengelernt. Das ungepaarte Elektron im pz -Orbital hat
die Tendenz, den Spin des einen der beiden σ-Elektronen des C-Atoms in der C−H-
Bindung vorzugsweise parallel zu seiner eigenen Einstellung zu stellen – das folgt aus
der Hundschen Regel. Das bedeutet für das jeweils zweite σ-Elektron in den drei C−H-
Bindungen entgegengesetzte Spin-Einstellung, nach dem Pauli-Prinzip. Die Kernspins
der Protonen werden nun ihrerseits bevorzugt antiparallel zu den ihnen benachbarten
Elektronenspins eingestellt, und damit letzten Endes parallel zu dem ungepaarten Spin
im pz -Orbital. Diese indirekte Wechselwirkung kann also dadurch beschrieben werden,
daß man annimmt, daß das Elektron mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Kontakt-
Wechselwirkung mit dem H-Atom erfährt. Dies bezeichnet man mit dem Begriff einer
Spindichte des ungepaarten Elektrons am Ort des Kohlenstoffs oder des Protons nach
(19.9). Man muß also zwischen Elektronendichte und Spindichte unterscheiden. Die ent-
sprechende Hyperfein-Wechselwirkung wird so also beobachtbar.
Auch hier gilt wieder wie schon bei der Kernspin-Kernspin-Wechselwirkung in
Kap. 18, daß die zur gegenseitigen Ausrichtung der Spins führenden Wechselwirkungs-
energien klein sind gegen die Quantenenergien der Elektronenspin-Resonanz. Wenn wir
also sagen, die Spins „haben die Tendenz, sich parallel oder antiparallel zu stellen“ (was
man auch Spinpolarisierung nennt), dann heißt das, daß beide Einstellungen realisiert
sind, aber mit einer (kleinen) Energiedifferenz.
Mit diesen Beispielen soll aufgezeigt werden, wie die Elektronenspin-Resonanz zur
Aufklärung der Elektronenverteilung auf einem Molekül und damit zum besseren Ver-
ständnis von Molekülstruktur und chemischer Bindung beitragen kann. Die Größe in
Gl. (19.8) und (19.9) ist wie erwähnt strenggenommen eine Spin- und keine Elektronen-
dichte. Durch den indirekten Mechanismus der Wechselwirkung wird übrigens auch ver-
ständlich, daß die Spindichte auch negative Werte annehmen kann. Wenn nämlich, wie
in Abb. 19.6 rechts gezeigt, die Kopplung über ein weiteres C-Atom läuft, führt die aber-
malige Anwendung der Hundschen Regel zu einer antiparallelen Einstellung zwischen
Spin des Protons und Spin des ungepaarten Elektrons. Offensichtlich ist dieser Spin-
Polarisations-Mechanismus demjenigen sehr verwandt, den wir früher in Abschn. 18.2.3
für die indirekte Kernspin-Kopplung kennengelernt haben.
Jedenfalls eröffnet die Beobachtung der Hyperfeinstruktur in ESR-Spektren von
Molekülen einen Weg zur experimentellen Bestimmung der Verteilung von Elektronen
in Molekülen, und damit zur Ausmessung der räumlichen Erstreckung von Molekülor-
bitalen.
19.4 Feinstruktur
Als Feinstruktur bezeichnet man in der ESR-Spektroskopie eine magnetische Wechsel-
wirkung zwischen den Spins und Momenten verschiedener Elektronen. Es gibt sie also
nur in Molekülen oder Molekülzuständen mit mehr als einem ungepaarten Elektronen-
spin.
408 19. Elektronenspin-Resonanz
Der paramagnetische Zustand des Moleküls kann – wie bisher angenommen – auf
der Existenz eines Elektrons mit ungepaarten Spin s = 1/2 im Molekül beruhen. Dies
ist ein Dublett-Zustand, da das Elektron zwei Einstellungsmöglichkeiten im Felde B0
hat. Es gibt, wie bereits erwähnt, aber auch molekulare Zustände, bei denen zwei Elek-
tronen parallele Spins haben. Solche Triplett-Zustände mit der Spinquantenzahl s = 1
treten zum Beispiel als metastabile Anregungszustände organischer Moleküle auf, vgl.
dazu Abb. 15.1.
Für√die ESR kann dieser Triplett-Zustand wie ein Teilchen mit Spin S = 1, d. h.
|S| = S(S + 1)h mit S = 1, behandelt werden. Im äußeren Feld B0 spaltet ein sol-
cher Zustand in 3 Zustände mit m s = 0 und ±1 auf. Die Aufspaltung ist äquidistant, und
man würde nur eine Resonanzlinie für Übergänge ∆m = ±1 erwarten. Nun kommt aber
zur Aufspaltung im Felde B0 noch die Dipol-Dipol-Wechselwirkung der beiden magne-
tischen Momente der Elektronen hinzu, die den Zustand mit S = 1 bilden. Diese führt
in einer vereinfachten Darstellung dazu, daß jedes der beiden Elektronen ein zusätzli-
ches Magnetfeld D vom jeweils anderen Elektron spürt, wie in Abb. 19.7 gezeigt. Eine
genauere Darstellung folgt in Abschn. 19.5.
Abb. 19.7. Für einen Zustand Im Zustand Sz = m s = +1, das heißt beide Einzelspins in Feldrichtung, verstärkt
mit der Gesamtspin-Quantenzahl dieses zusätzliche Feld das Feld B0 , im Zustand Sz = m s = −1 wird das Feld um den
S = 1, das heißt zwei paral-
lelen Elektronen-Spins, gibt
gleichen Betrag geschwächt, vergleiche Abb. 19.7. Dadurch wird die Energie beider Zu-
es im Magnetfeld (Mitte und stände um den gleichen Betrag relativ zu m s = 0 angehoben. Der mittlere Term bleibt
rechts) 3 Einstell-Möglichkeiten ungeändert, weil für m s = 0 das dipolare Zusatzfeld senkrecht zu B0 orientiert ist.
m s = +1, 0, −1. Im angelegten
Feld gibt das drei Terme. Die
Terme Sz = m s = ±1 erfahren
eine Verschiebung durch die
Dipol-Dipol-Wechselwirkung D,
der Term Sz = 0 bleibt un-
verschoben. Mit dem gleichen
Buchstaben D wird im allge-
meinen auch die Feinstruktur-
Energie bezeichnet
Wenn das angelegte Feld B0 kleiner als das Wechselwirkungsfeld D ist und im
Grenzfall gegen 0 geht, bleibt der Energieunterschied zwischen den Zuständen Sz = ±1
und Sz = 0 erhalten, und man erhält ein Termschema wie in Abb. 19.8 im linken Be-
reich des Diagramms gezeigt. Die Entartung im Zustand B0 = 0 ist durch die Dipol-
Dipol-Wechselwirkung aufgehoben. Für den Fall B0 = 0 erwartet und beobachtet man
im Spektrum 2 Resonanzlinien mit ∆m s = ±1. Ihr Abstand erlaubt die Bestimmung
des Wechselwirkungsfeldes D und damit der Wechselwirkungsenergie. Wenn es sich
um lokalisierte Elektronen handelt, läßt sich die Wechselwirkungsenergie der beiden
Elektronen-Momente im Abstand r als Dipol-Dipol-Wechselwirkung zweier Punkt-
Dipole in guter Näherung nach (19.10) ausrechnen. Für das Magnetfeld, das die beiden
Elektronen im Abstand r aufeinander ausüben, erhält man in der Hochfeldnäherung
und für ϑ = 90◦
µ0 3 1
D= ge µB 3 [V s m−2 ] = [Tesla] . (19.10)
4π 2 r
Aus einer Messung von D erhält man damit den Abstand r der beiden Elektronen, die
den Triplett-Zustand bilden, im Rahmen des Modells der lokalisierten Elektronen, dem
sogenannten Punkt-Dipol-Modell.
19.5 Berechnung von Feinstrukturtensor und Spinwellenfunktionen von Triplettzuständen 409
Die Feinstruktur führt also dazu, daß es bereits ohne äußeres Feld eine Aufspaltung
des Triplett-Elektronenzustandes gibt, die sogenannte Nullfeld-Aufspaltung mit drei er-
laubten Übergängen. Im Hochfeld erhält man, wie in Abb. 19.8 gezeigt, zwei Über-
gänge. Das im vorigen und in diesem Abschnitt diskutierte Modell zweier lokalisierter
Elektronen mit festem Abstand r ist insofern zu einfach, als die Elektronen über einen
größeren Bereich im Molekül verteilt oder delokalisiert sind. Die exakte Berechnung
der Feinstruktur-Wechselwirkung erfolgt deshalb ausführlich in Abschn. 19.5.
hat. Das Dach über S soll dabei andeuten, daß es sich hier um Operatoren handelt. Da-
bei gilt, wie auch in Band I, Ŝ2 = h 2 S(S + 1). Der Dipolwechselwirkungsoperator in
(19.11) ist explizit durch
⎧ ⎫
⎨
1 µ0 2 2 Ŝ1 · Ŝ2 3 Ŝ1 · r12 Ŝ2 · r12 ⎬
HS = 2 · ge µB − (19.14)
h 4π ⎩ r12
3 5
r12 ⎭
wobei sich der erste Faktor auf die Bahnbewegung des Triplett-Zustandes alleine be-
zieht, während der zweite Faktor σ sich auf die Spins 1 und 2 bezieht.
Unser Ziel soll es sein, einen Hamilton-Operator herzuleiten, der sich auf die Spin-
wellenfunktion alleine bezieht, nicht aber auf die Bahnwellenfunktion der Elektronen.
Da, wie sich im einzelnen zeigen läßt, die Bahnbewegung durch die Spinwechselwir-
kung nur wenig beeinflußt wird, ist der obige Ansatz nach wie vor eine gute Näherung,
und es genügt, die Wechselwirkungsenergie H S (19.14) durch den quantenmechanischen
Mittelwert
H = 3 Ψ ∗ (r1 , r2 )H S 3 Ψ (r1 , r2 ) dV1 dV2
S (19.15)
zu ersetzen. Gleichung (19.15) bedeutet also, daß der Abstand r12 zwischen den beiden
Elektronen mit Hilfe der Wahrscheinlichkeitsverteilung 3 Ψ ∗3 Ψ gemittelt wird. Betrach-
ten wir die Ausdrücke, die sich durch Einsetzen von (19.14) in (19.15) ergeben, etwas
genauer und schauen uns denjenigen Ausdruck an, der von dem ersten Ausdruck unter
der Klammer in (19.14) herrührt. Da das Integral eine skalare Größe ist, können wir es
auch zwischen das Skalarprodukt aus Ŝ1 und Ŝ2 schreiben, so daß wir erhalten
1 µ0 2 2 3 ∗ 1 3
· g µ Ŝ Ŝ
1 2 Ψ Ψ dV 1 dV 2 = Ŝ1 · . . . dV1 dV2 Ŝ2 . (19.16)
h 2 4π e B 3
r12
Damit wir auch in dem zweiten Ausdruck, der in der geschweiften Klammer in
(19.14) steht, die Spinoperatoren nach links und rechts herausziehen können, schreiben
wir den entsprechenden Anteil von (19.15) in der Form
1 µ0 2 2 r12 · r12 3 ∗
−3 2 · ge µB Ŝ1 · 3 Ψ ∗ 5
Ψ dV1 dV2 Ŝ2 . (19.17)
h 4π r
12
Ŝ1 · r̂12 r̂12 · Ŝ2
Darunter ist noch einmal durch geschweifte Klammern angedeutet, wie dieser Aus-
druck zu interpretieren ist. Zuerst ist das Skalarprodukt zwischen Ŝ1 und r12 zu nehmen,
ebenso dann das entsprechende zwischen r12 und Ŝ2 . Der in der Mitte stehende Aus-
19.5 Berechnung von Feinstrukturtensor und Spinwellenfunktionen von Triplettzuständen 411
druck r12 · r12 hat, wie aus der Mathematik bekannt ist, die Eigenschaften eines Tensors,
der sich explizit in der Form
⎧ ⎫
⎪ x12 · x12 x12 · y12 x12 · z 12 ⎪
⎪
⎪ ⎪
⎪
⎪y · x
r12 · r12 = ⎪ y12 · y12 y12 · z 12 ⎪⎪
⎪
⎪ 12 12 ⎪
⎪ (19.18)
⎩ ⎭
z 12 · x12 z 12 · y12 z 12 · z 12
schreiben läßt. Mit Hilfe dieser formalen Tricks können wir (19.15) in der einfachen
Weise
1 µ0 ∗ 1 3r12 · r12
H S = Ŝ1 · 2 g µ
2 2 3
Ψ − 3
Ψ dV1 dV2 Ŝ2 (19.19)
h 4π e B 3
r12 5
r12
2F
schreiben, wobei also die Spinoperatoren bezüglich der Elektronen 1 und 2 nach links
bzw. rechts herausgezogen sind. Das in der Mitte stehende Integral hat die Eigenschaf-
ten eines Tensors, den wir mit 2F abgekürzt haben. Der Deutlichkeit halber schreiben
wir diesen Tensor nochmals mit seinen Komponenten hin
1 µ0 2 2 3 ∗ δij 3r12,i · r12, j 3
Fij = 2 g µ Ψ − Ψ dV1 dV2 , (19.20)
2h 4π e B 3
r12 5
r12
wobei gilt
i, j = x, y, z (19.21)
und
r12,x = X 12 , r12,y = y12 , ... . (19.22)
Wie man anhand dieser expliziten Darstellung sieht, ist Fij symmetrisch. Ein solcher
Tensor kann durch eine geeignete Wahl des Koordinatensystems auf Diagonalform ge-
bracht werden, so daß die nichtdiagonalen Elemente verschwinden
Fij = 0 für i = j . (19.23)
Im folgenden wollen wir somit immer annehmen, daß Fij schon diagonalisiert ist. In
diesem Koordinatensystem haben dann die Diagonalelemente von F die folgende Ge-
stalt:
2 − 3x 2
1 µ0 2 2 3 ∗ r12
Fxx = 2 g µ Ψ 12 3
Ψ dV1 dV2 (19.24)
2h 4π e B 5
r12
2 − 3y2
1 µ0 2 2 ∗ r12
Fyy = 2 g µ 3
Ψ 12 3
Ψ dV1 dV2 (19.25)
2h 4π e B 5
r12
2 − 3z 2
1 µ0 2 2 r12
Fzz = 2 g µ 3
Ψ∗ 12 3
Ψ dV1 dV2 . (19.26)
2h 4π e B 5
r12
412 19. Elektronenspin-Resonanz
Wie man durch Einsetzen direkt nachprüft, ist die Spur, d. h. die Summe der Diagonal-
elemente = 0
Fxx + Fyy + Fzz = 0 . (19.27)
Für den Wechselwirkungs-Operator des Spins (19.15) erhalten wir so abschließend die
Form
H S = 2 Ŝ1 F Ŝ2 = 2Fxx Ŝ1x Ŝ2x + 2Fyy Ŝ1y Ŝ2y + 2Fzz Ŝ1z Ŝ2z . (19.28)
Wir wollen nun zeigen, daß sich (19.28) auch direkt durch den Gesamtspin
Ŝ = S1 + Ŝ2 (19.29)
ausdrücken läßt, d. h. daß gilt
H S = ŜF Ŝ . (19.30)
Dazu setzen wir (19.29) in (19.30) ein und multiplizieren die Summe in (19.29) aus,
was uns unmittelbar auf
H S = Ŝ1 F Ŝ1 + Ŝ2 F Ŝ2 + Ŝ1 F Ŝ2 + Ŝ2 F Ŝ1 (19.31)
führt. Betrachten wir den ersten Summanden auf der rechten Seite, so läßt sich dieser
in der Form
Ŝ1 F Ŝ1 = Fxx Ŝ1x
2
+ Fyy Ŝ1y
2
+ Fzz Ŝ1z
2
(19.32)
schreiben. Wie aber von den Spinmatrizen bekannt ist, gilt
h2
2
Ŝ1x = Ŝ1y
2
= Ŝ1z
2
=
. (19.33)
4
Gleichung (19.32) geht damit in
h2
(Fxx + Fyy + Fzz ) =0 (19.34)
4
über, was aber wie schon hingeschrieben = 0 ist, da die Spur von F verschwindet.
Ebenso kann man zeigen, daß das zweite Glied auf der rechten Seite von (19.31) ver-
schwindet. Wegen der Symmetrie des Tensors F stimmen die letzten beiden Glieder aber
überein und ergeben gerade den Ausdruck (19.28). Damit ist unsere kleine Nebenrech-
nung, die zeigte, daß wir (19.28) durch (19.30) ersetzen können, beendet.
Wir kommen nun zu dem wichtigen Begriff der Feinstrukturkonstanten. Da die Spur
des Tensors verschwindet, können wir den Tensor durch zwei Konstanten kennzeichnen.
Aus Gründen, die uns später erst näher einleuchten werden, wählen wir als Konstanten
die Größen
1
D = h Fzz − (Fxx + Fyy )
2
(19.35)
2
und
1 2
E= h (Fxx − Fyy ) . (19.36)
2
19.5 Berechnung von Feinstrukturtensor und Spinwellenfunktionen von Triplettzuständen 413
Setzen wir für die Hauptdiagonalkomponenten von F die Größen (19.24)–(19.26) ein,
so lassen sich D und E explizit in der Form
2 − 3z 2
3 µ0 2 2 3 ∗ r12
D= g µ Ψ 12 3
Ψ dV1 dV2 (19.37)
4 4π e B 5
r12
und
2 − x2
3 µ0 2 2 ∗ y12
E= g µ 3
Ψ 12 3
Ψ dV1 dV2 (19.38)
4 4π e B 5
r12
schreiben.
Wie sich aus der Definition von D und E ableiten läßt, entspricht die Größenord-
nung der Feinstruktur-Wechselwirkung der Dipol-Wechselwirkungsenergie zweier Elek-
tronen, also zweier Bohr-Magnetonen in einem Abstand, der der Dimension des be-
treffenden Moleküls entspricht. Für den Naphthalin-Triplett-Zustand ergeben Messun-
gen D = 0,1012 cm−1 , E = 0,0141 cm−1 . Wie man ferner für D aus der Klammer in
(19.37) entnimmt, tritt hier ein Maß für die Abweichung von der Kugelsymmetrie auf,
während in E in der Klammer ein Maß für die Abweichung der Erstreckung der Wel-
lenfunktion in der y-Richtung von der in der x-Richtung auftritt. Offensichtlich haben
(19.37) und (19.38) etwas mit der Erstreckung der Wellenfunktionen und damit mit der
Form des Moleküls zu tun.
Die Feinstrukturkonstanten D und E, die man aus den ESR-Spektren erhält, liefern
also Informationen über die Mittelwerte von quadratischen Abständen der Elektronen,
die durch die Ortswellenfunktionen beschrieben werden, siehe auch (19.10). Die Haupt-
achsen x, y, z des Feinstrukturtensors sind bei symmetrischen Molekülen identisch mit
den Hauptachsen x, y, z der Moleküle. x, y, z werden durch die Wellenfunktionen be-
stimmt, die ihrerseits an das Molekülgerüst gebunden sind. Mit Ω kürzen wir das In-
tegral 3 Ψ ∗ Ω 3 Ψ dV1 dV2 ab, wobei Ω = x 2 , y2 , z 2 , und können damit Tabelle 19.1
leicht verstehen.
Wir können uns nun nach diesen Vorbereitungen unserer weiteren Aufgabe zuwen-
den, nämlich die Spinwellenfunktionen und die zugehörigen Energien zu berechnen,
wenn die Dipolwechselwirkung und ein äußeres Magnetfeld vorliegen. Der grundle-
gende Hamilton-Operator für die Spins hat dann die Form
1 1
Hspin = ge µB B0 · Ŝ + 2 D Ŝz2 + E Ŝx2 − Ŝ2y , (19.39)
h h
wobei Ŝ der Spinoperator für den Gesamtspin der beiden Elektronen ist. In (19.39) ist
angenommen, daß die Koordinaten sich auf die Hauptachsen des Feinstrukturtensors be-
ziehen. Gegenüber dem Hamilton-Operator (19.30) haben wir dabei das Glied
D 2 2
− Ŝ /h (19.40)
3
weggelassen, da dieses für den Triplett-Zustand lediglich eine Konstante ist. Unsere
Aufgabe ist es nun, die Schrödinger-Gleichung für die Spinwellenfunktion σ zu lösen.
Diese lautet
HSpin σ = εσ . (19.41)
Ŝx τ y = ihτz
Ŝ y τz = ihτx (19.45)
Ŝz τx = ihτ y
Ŝ y τx = −ihτz
Ŝz τz = −ihτx (19.46)
Ŝx τz = −ihτ y
19.5 Berechnung von Feinstrukturtensor und Spinwellenfunktionen von Triplettzuständen 415
sowie
Ersichtlich bewirkt die Anwendung einer Komponente des Spinoperators auf eine der
Spinwellenfunktionen eine Transformation dieser in eine andere.
Betrachten wir zunächst den Fall, daß das äußere Magnetfeld B0 = 0 ist. Wir be-
haupten, daß dann die in (19.42)–(19.44) eingeführten Wellenfunktionen bereits die Ei-
genfunktionen zu dem Hamilton-Operator (19.39), der in der Schrödinger-Gleichung
(19.41) auftritt, sind. Dazu sehen wir nach, wie die Operatoren Ŝx2 , . . . auf die einzelnen
Spinwellenfunktionen wirken. Wie man anhand der Relationen (19.45), (19.46) leicht
nachrechnet, findet man
Ŝz2 τx = Ŝz Ŝz τx = Ŝz ihτ y = h 2 τx , (19.48)
Ŝ2y τx = Ŝ y Ŝ y τx = Ŝ y (−ihτz ) = h 2 τx , (19.49)
Wenden wir uns nun dem allgemeinen Fall zu, in dem ein von 0 verschiedenes Ma-
gnetfeld mit den Komponenten
B0 = 0 B0 = (B0x , B0y , B0z ) (19.54)
angelegt wird. Wie man sich durch Einsetzen der Wellenfunktionen τx , τ y , τz überzeugt,
sind diese nun nicht mehr Eigenfunktionen zu dem Spinoperator. Wir müssen deshalb
Linearkombinationen aus diesen Wellenfunktionen bilden, d. h.
σ = c x τ x + c y τ y + cz τz . (19.55)
Hierin sind cx , c y und cz Konstanten, die noch bestimmt werden müssen. Setzt man nun
(19.55) in die Spin-Schrödinger-Gleichung (19.41) mit (19.39) ein und multipliziert die
Gleichung jeweils mit τx , bzw. τ y , bzw. τz und bildet die Matrixelemente bezüglich der
Spins, so erhält man, wie wir das aus der Störungstheorie gewohnt sind, ein Säkular-
gleichungssystem, das wir in der Form
⎧ ⎫⎧ ⎫
⎪ D − E − ε −ige µB B0z ige µB B0y ⎪ ⎪cx ⎪
⎪
⎪ ⎪
⎪ ⎪ ⎪
⎪ ige µB B0z
⎪ D + E − ε −ige µB B0x ⎪ ⎪⎪ ⎪c y ⎪
⎪ ⎪=0
⎪ (19.56)
⎪
⎩ ⎭⎪
⎪ ⎩ ⎪ ⎭
−ige µB B0y ige µB B0x −ε cz
schreiben können. Durch Nullsetzen der Determinante, die sich aus der Matrix aus der
linken Seite direkt ergibt, können wir die Eigenwerte ε bestimmen. In dem Spezialfall,
daß das äußere angelegte Magnetfeld B0 mit einer der Hauptachsen übereinstimmt, las-
sen sich die Gln. (19.56) leicht lösen, da dann die Säkulardeterminante zu einer Glei-
chung zweiten Grades in ε führt. Die Resultate sind in Tabelle 19.2 und Abb. 19.10
für
B0 x , B0 y , B0 z (19.57)
dargestellt.
Man erhält ein Termschema wie in Abb. 19.10 am Beispiel des Naphthalin-Triplett-
Zustandes gezeigt. Es wird deutlich, daß es wegen der Nullfeld-Aufspaltung für einen
Triplett-Zustand zwei ESR-Linien bei unterschiedlichen Resonanzfeldstärken gibt. Mes-
sung dieses ESR-Spektrums als Funktion des Winkels zwischen dem angelegten Ma-
gnetfeld und den molekularen Hauptachsen erlaubt die Bestimmung des Feinstruktur-
Tensors und damit eine Untersuchung der Verteilung der beiden Triplett-Elektronen auf
dem Molekül.
Es muß schließlich noch erwähnt werden, daß eine Ausmessung des Feinstruktur-
Tensors nur möglich ist, wenn die Moleküle ausgerichtet sind – das heißt in fester
Matrix.
Tabelle 19.2. Die Energie-Eigenwerte ε der Schrödinger-Gleichung (19.41) mit (19.39) für B0 x, B0 y, B0 z
B0 x B0 y B0 z
ε+1 (D + E) / 2 + (D + E)2 / 4 + (ge µB B0 )2 (D − E) / 2 + (D − E)2 / 4 + (ge µB B0 )2 D + E 2 + (ge µB B0 )2
ε0 D−E D+E 0
ε−1 (D + E) / 2 − (D + E)2 / 4 + (ge µB B0 )2 (D − E) / 2 − (D − E)2 / 4 + (ge µB B0 )2 D − E 2 + (ge µB B0 )2
19.6 Doppelresonanzverfahren: ENDOR 417
mit aus ihrem Unterschied die Messung der Hyperfein-Wechselwirkung mit dem Pro-
ton ist jedoch in vielen Fällen nicht mit hinreichender Genauigkeit möglich, beispiels-
weise dann, wenn durch Wechselwirkung mit weiteren Kernen die ESR-Linien inho-
mogen verbreitert sind, also eine Überlagerung mehrerer Übergänge mit verschiedener
Hyperfein-Wechselwirkung sind, so daß eine Auflösung der einzelnen ESR-Linien nicht
mehr möglich ist.
Auch die direkte Messung der Kernresonanz-Übergänge ∆m I = ±1, also der Über-
gänge von 1 nach 2 oder von 3 nach 4 in Abb. 19.11, die die gleiche Information liefern
würde, ist oft schwer oder unmöglich. Man braucht dazu aus Gründen der geringeren
Nachweisempfindlichkeit der Kernspin-Resonanz viel mehr Spins als zur ESR-Messung,
und die Resonanzlinien können wegen der Kernspin-Relaxation unter dem Einfluß der
Elektronenmomente stark verbreitert sein.
ENDOR besteht nun darin, daß man die Intensität des ESR-Signals zum Nachweis
der Kernresonanz benutzt. Dazu strahlt man resonante Mikrowellen so hoher Leistung
ein, daß eine ESR-Linie, zum Beispiel der Übergang 1–3, teilweise gesättigt, das heißt
in ihrer Intensität vermindert ist, weil der Bevölkerungsunterschied zwischen den Ter-
men 1 und 3 vermindert wird. Wenn man nun gleichzeitig resonante Strahlung für einen
der beiden Protonen-Resonanzübergänge, zum Beispiel 3–4 einstrahlt, erreicht man eine
Änderung in der Besetzung der beiden beteiligten Kern-Niveaus und eine Verminderung
der Besetzung von 3. Dies führt zu einer Entsättigung des ESR-Signals, da nun der Be-
setzungsunterschied zwischen den Niveaus 1 und 3 wieder größer ist. Das heißt, die
Intensität des ESR-Absorptionssignals für den Übergang 1–3 nimmt bei gleichzeitiger
Einstrahlung der Kernresonanz-Frequenz 3–4 zu.
Bei der ENDOR-Spektroskopie beobachtet man also die Kernresonanz – hier den
Übergang 3–4 –, indem man die Intensität des ESR-Signals – hier 1–3 – als Nach-
weis verwendet. Damit kann man die Nachweisempfindlichkeit für Kernresonanz um
viele Zehnerpotenzen erhöhen, und man kann die Hyperfein-Wechselwirkungen des
Elektrons mit verschiedenen Kernen einzeln durch Einstrahlen ihrer jeweiligen Kern-
Resonanzfrequenz messen, die im ESR-Spektrum in einer inhomogen verbreiterten
Resonanzlinie verborgen sind.
ENDOR-Spektroskopie wird mit großem Erfolg zur Aufklärung von Hyperfeinstruk-
turen und damit zur Strukturaufklärung in der Molekülphysik und in der Festkörperphy-
sik eingesetzt.
Bein hinreichend tiefen Temperaturen kann man damit auch die Ausbildung magne-
tischer Ordnung in kondensierter Phase beobachten. Die ungepaarten Spins in vielen
organischen Radikalen haben bei tiefer Temperatur und hinreichend kleinem gegensei-
tigem Abstand die Tendenz zu antiferromagnetischer Kopplung.
Aufgaben
19.1 Wieviele Linien findet man in den ESR-Spektren der Radikale [12 CF2 H]• ,
[13 CF2 H]• , [12 CF2 D]• und [12 CClH2 ]• ?
19.2 a) Ordnen Sie die Hyperfeinstruktur-Linien des ESR-Spektrums des Naphthalin-
Radikals (siehe Abbildung) den möglichen Einstellungen der Protonenspins zu (aα =
0,495 mT, aβ = 0,186 mT).
a) Ermitteln Sie mit Hilfe der Angaben in Aufgabe 19.2 die Spindichte des unge-
paarten Elektrons im Naphthalin-Radikalion.
b) Die Spindichten an den drei inäquivalenten Kohlenstoffpositionen des einfach ne-
gativ geladenen Anthracenmoleküls sind 0,193, 0,097 und 0,048. Wie sieht das zuge-
hörige ESR-Spektrum aus?
19.5 In einem ESR-Spektrometer, das bei einer festen Frequenz von 8,5002 GHz ar-
beitet, findet man das Resonanzsignal für atomaren Wasserstoff in Form eines Dubletts
bei 277,97 mT und 328,67 mT. Berechnen Sie daraus den g-Faktor des Elektrons im
Wasserstoffatom. Wie groß ist die Hyperfeinstruktur-Kopplungskonstante?
19.7 Führt die Rotation des Benzol-Radikalanions um seine senkrecht zur Molekül-
ebene stehende Symmetrieachse zu einer Ausmittelung der Hyperfeinstruktur im ESR-
Spektrum? Wenn ja: bei welcher Rotationsfrequenz ist dies der Fall? Welchem Rota-
tionszustand (Quantenzahlen J, K ) entspricht dies? (Hinweis: Hauptträgheitsmomente
Θ = 2,96 · 10−45 kg m2 , Θ⊥ = 1,47 · 10−45 kg m2 .)
19.8 Im ESR-Spektrum von Natriumnitrit NaNO2 erwartet man eigentlich eine Hy-
perfeinstruktur aufgrund der Wechselwirkung des Triplett-Elektronenspins mit dem
Kernspin des Stickstoffs. Erklären Sie, warum man diese Hyperfeinstruktur im Einkri-
stall nicht beobachtet. (Hinweis: was sind Exzitonen?)
Dabei ist 3 Ψ die Triplett-Wellenfunktion und r12 der Abstand der beiden Elektronen
2 = x 2 + y2 + z 2 ; die Integration erfolgt über den gesamten Ortsraum. Durch
mit r12 12 12 12
Messung der Aufspaltung des Triplettzustands im Nullfeld (B0 = 0) können D und E
experimentell bestimmt werden.
Für das planare Pyrazin-Molekül findet man D = 0,3 cm−1 . Berechnen Sie daraus
den mittleren Abstand r der beiden Elektronen im Triplettzustand.
Aufgaben 425
(Hinweis: die Ausdrücke für D und E sind hier wie üblich in cgs-Einheiten
gegeben; um zum SI-System überzugehen, müssen Sie die rechten Seiten
mit dem Faktor µ0 /4π multiplizieren. Beachten Sie auch, daß im allge-
meinen Zahlenwerte für D/hc und E/hc angegeben werden.)
19.10 In der Literatur erscheinen die Ausdrücke für D (19.37) und E (19.38) oft in
etwas anderer Form. Wie lauten diese Ausdrücke im cgs-System?
19.11 Leiten Sie das Gleichungssystem (19.56) her, sowie die Tabelle 19.2.
19.12 Aus ODMR-Messungen an Benzol, Naphthalin, Anthracen und Tetracen kennt
man die jeweiligen Werte für die Feinstrukturkonstanten D und E der Triplettzustände.
a) Ordnen Sie die vier genannten Moleküle jeweils nach der Größe ihrer D- und
E-Werte. Wie groß ist E für Benzol?
b) Für D mißt man Werte zwischen 0,06 cm−1 und 0,15 cm−1 . Wie groß ist der mitt-
lere Abstand der beiden Triplettelektronen in diesen beiden Extremfällen?
19.13 Bei der Meßmethode der ADMR (absorption detected magnetic resonance)
weist man Mikrowellenübergänge zwischen den einzelnen Triplett-Subniveaus durch
eine Änderung der optischen Absorption des Singulett-Grundzustands nach. Dies be-
ruht auf einer Umbesetzung zwischen Triplettunterzuständen mit unterschiedlichen Zer-
fallskonstanten (Spinpolarisation): wird durch die Einstrahlung von Mikrowellen zum
Beispiel Besetzung von einem kurzlebigen in ein langlebiges Subniveau gepumpt, so er-
höht sich die gesamte Triplettbesetzung, während sich die Bevölkerung des Singulettzu-
stands verringert.
a) Skizzieren Sie ein ADMR-Spektrum, bei dem die Änderung ∆I/I der Transmis-
sion einer Probe bei fester Beobachtungsfrequenz über der eingestrahlten Mikrowellen-
frequenz aufgetragen ist. Nehmen Sie dabei an, daß stets eine Umverteilung zu einem
schneller zerfallenden Subniveau stattfindet.
b) Leiten Sie einen linearen Zusammenhang her zwischen der relativen Transmissi-
onsänderung ∆I/I und der Änderung des Anteils S0 der Moleküle im S0 -Zustand.
c) Für eine Probe des photosynthetisierenden Bakteriums Rhodobacter sphaeroides
G A mißt man bei 894 nm eine Optische Dichte von 0,23. Im ADMR-Spektrum bei
10 K findet man bei Einstrahlung der Mikrowellenfrequenz 659 MHz (D+ E-Übergang)
eine relative Transmissionsänderung von −440 ppm. Berechnen Sie daraus die Ände-
rung ∆S0 der Besetzung des S0 -Zustands.
20. Große Moleküle, Biomoleküle, Übermoleküle
Dieses Kapitel soll dem Physiker den Blick öffnen für die ungeheure Vielfalt der großen
Moleküle, für ihre Bedeutung in Physik, Chemie, Biologie (Abschn. 20.1) und dafür,
was der Molekülphysiker als Forscher hier beigetragen hat und beitragen kann. Dieser
Einblick muß hier naturgemäß sehr oberflächlich bleiben. Er wendet sich in erster Linie
auch an den Physik-Studenten, in dem beim Studium eines Lehrbuches der Molekül-
physik der Gedanke aufkommen könnte, zweiatomige Moleküle seien die wichtigsten
Moleküle. Daß dies nicht so ist, und daß das Studium komplexer molekularer Funkti-
onseinheiten (Abschn. 20.5 bis 20.7) dem Molekülphysiker viele faszinierende ungelöste
Fragen bietet, soll dieses Kapitel deutlich machen.
In der Molekülphysik stehen aus guten Gründen zunächst die kleinen Moleküle im Vor-
dergrund. Als Physiker möchte man die physikalischen Eigenschaften der untersuchten
Objekte möglichst genau und möglichst vollständig messen, verstehen und berechnen
können. Das ist bei einem kleinen zweiatomigen Molekül wie z. B. bei HCl ungleich
leichter als bei einem großen Molekül wie beim Chlorophyll oder gar bei einem Ma-
kromolekül aus dem Bereich der Proteine.
Die Vielfalt der Moleküle ist jedoch ungeheuer groß, und sie wird um so größer,
je größer die Moleküle werden. Hierzu trägt wesentlich die Bindungs-Hybridisierung
am Kohlenstoffatom und die daraus resultierende Möglichkeit zum Eingehen vielfältiger
kovalenter Bindungen bei. Makromoleküle gibt es überall, sie sind die stoffliche Basis
aller biologischen Strukturen und Prozesse. Das Leben und alle biologischen Prozesse,
die Vorgänge in der Zelle, im Organismus und die Wechselwirkungen mit der Umwelt
sind zu einem großen Teil eine Chemie der Makromoleküle. Neben den natürlichen Ma-
kromolekülen wie den Proteinen, der DNS, der Zellulose, gibt es in unserem heutigen
Leben eine Fülle von synthetischen Makromolekülen wie Polyethylen, Polystyrol oder
Teflon. Diese Stoffe sind aus unserem täglichen Leben kaum mehr wegzudenken.
Wenn Makromoleküle durch Bindung zwischen vielen – meist gleichen – kleinen
Einheiten, den Monomeren gebildet werden, dann spricht man von Polymeren. Makro-
moleküle können aber auch dadurch entstehen, daß gleiche oder verschiedene Moleküle
durch zwischenmolekulare Kräfte, vornehmlich Van der Waals-Kräfte, neue Einheiten
bilden. Dann erhält man Übermoleküle, Cluster und Einschlußverbindungen. Moleküle
können sich auch durch kovalente Bindungen zu größeren Einheiten, zu Supermole-
külen, zusammenschließen. Wenn ihre Funktion z. B. in biologischen Systemen nur in
Form dieser spezifisch organisierten Supermoleküle möglich ist, nennt man das Gebilde
eine Molekulare Funktionseinheit.
428 20. Große Moleküle, Biomoleküle, Übermoleküle
20.2 Polymere
Zu den größten künstlich hergestellten „Molekülen“ zählen die sogenannten Polymere.
Ein typisches und aus dem täglichen Leben gut bekanntes Polymer ist das Polyethylen,
ein gesättigter Kohlenwasserstoff, mit der Formel (CH2 )n (Abb. 20.1 oben), wobei n
zwischen 5000 und 50 000 liegt. Das Polymer-Molekül besteht aus langen gesättigten
Kohlenwasserstoff-Ketten mit uneinheitlicher Kettenlänge. Im Polymer-Material gibt es
zwischen diesen Ketten keine strenge gegenseitige Ordnung, jedenfalls nicht über klei-
nere Bereiche parallel orientierter Moleküle hinaus.
Für den Physiker ist das Polymer Polydiacetylen von besonderem Interesse
(Abb. 20.1 unten), da die Polymerisierungsreaktion im Einkristall der Untereinhei-
den Polymerisierung. Diese Prozesse können mit den Methoden der optischen und der
ESR-Spektroskopie Schritt für Schritt messend verfolgt und aufgeklärt werden. Abbil-
dung 20.4 zeigt als Beispiel Absorptionsspektren der Oligomeren bei fortschreitender
Polymerisierung. Oligomere Moleküle, das heißt Moleküle, die nur aus wenigen Ein-
heiten aufgebaut sind, werden so der Untersuchung zugänglich und können zugleich
als Sonden für die Aufklärung des Polymerisationsprozesses dienen.
Die Festkörper-Polymerisation des Diacetylens ist übrigens ein gutes Beispiel für
das „topochemische Prinzip“. Es besagt, daß Festkörper-Reaktionen von Molekülen mit
einem Minimum an molekularer Bewegung ablaufen. Die Monomer-Moleküle müssen
innerhalb des Kristalls so angeordnet sein, daß sie durch eine nur geringe Verdrehung
eine chemische Bindung mit ihrem Nachbarn eingehen können. Das wird im Diacetylen
durch geeignete Seitengruppen erreicht. Bei der Reaktion dürfen sich die Gitterparame-
ter des Kristalls nur geringfügig ändern. Nur so ist es möglich, daß der Einkristall bei
der Festkörper-Polymerisation erhalten bleibt.
Ein anderes für die Molekülphysik interessant gewordenes Molekül ist das Polyace-
tylen, (CH)n , Abb. 20.1 Mitte. Dieses Polyen großer Kettenlänge mit alternierenden
Doppel- und Einfach-Bindungen läßt sich wie fast alle Polymere nur in un- oder teil-
weise geordneter Form herstellen. Das wird aus Abb. 20.5 deutlich. Polyacetylen ist ein
Polymer, das sich durch „Dotieren“ elektrisch leitfähig machen läßt: Zusatz von Oxi-
dationsmitteln wie AsF5 , FeCl3 oder Reduktionsmitteln wie Alkalimetallen, das heißt
Herstellung eines Überschusses oder eines Mangels an Elektronen, erhöht die elektri-
sche Leitfähigkeit um viele Zehnerpotenzen auf Werte der Größenordnung 105 S cm−1 .
Der „Rekord“ liegt heute bei 800 000 S cm−1 . So kommt man zu leitfähigen Polymeren.
Zum Verständnis des Leitungsverhaltens in Polyacetylen wurde ein Konzept ent- Abb. 20.6. Neutraler und gelade-
wickelt, bei dem die Leitfähigkeit durch einen Defekt entsteht, der in der theoretischen ner „Soliton“-Defekt in der kon-
Physik als Soliton bezeichnet wird. Dabei sind sogenannte Bindungs-Alternierungs- jugierten Kette der π-Elektronen
von Polyacetylen. Im oberen Teil-
Defekte wichtig, wie sie in Molekülen vom Typ des Polyacetylens vorhanden sind, bild ist ein neutrales Soliton dar-
oder wie sie bei Aufbrechen einer Doppelbindung und damit verbundener Bildung eines gestellt. Es besteht aus Bindungs-
Elektron-Loch-Paares entstehen können. Abbildung 20.6 zeigt als Beispiel die Abspal- Alternierungs-Defekt und einem
tung eines eingebrachten Elektrons durch die Dotierung und ein fehlendes Elektron, ein ungepaarten Elektron (freies Ra-
dikal), das sich längs der konju-
Loch, an einem solchen Defekt. Dieses ist über mehrere Kohlenstoff-Atome im Molekül gierten π-Elektronenkette bewe-
verteilt und kann sich wegen der energetischen Äquivalenz gemäß der Quantenmecha- gen kann. – Im unteren Teilbild ist
nik längs der Molekülkette als Welle ausbreiten. Auch ein Austausch mit benachbarten vom neutralen Soliton durch Oxi-
Ketten ist möglich. So kann man die Leitfähigkeit in solchen molekularen Systemen dation ein Elektron entfernt wor-
den. Das zurückbleibende positiv
verstehen. – Die Suche nach den Bedingungen, unter denen man leitfähige Polymere geladene Soliton ist ebenso längs
und allgemein molekulare Systeme mit einer hohen elektrischen Leitfähigkeit finden der Kette delokalisiert und beweg-
kann, ist eines der aktuellen Forschungsprobleme der Molekularen Physik. lich
432 20. Große Moleküle, Biomoleküle, Übermoleküle
Für molekulare Erkennung können Übermoleküle verantwortlich sein. Das sind nach
K. L. Wolf Moleküle, die hinsichtlich ihrer kovalenten Bindungsmöglichkeiten abge-
sättigt sind und durch zwischenmolekulare Kräfte zusammengehalten werden. Hierbei
bezeichnet man die kleinere Komponente als „Substrat“, die größere als „Rezeptor“.
Man kommt so zu „Übermolekülen“, wie in Abb. 20.7 skizziert. – Die Bindung zwi-
schen Substrat und Rezeptor muß selektiv und spezifisch sein. Molekulare Erkennung
beruht dann auf Speicherung und Auslesen von Information mit Hilfe von Übermolekü-
len, die aus selektiver Wechselwirkung von geeigneten Molekülen hervorgehen. Dabei
muß/kann das Zusammenpassen von Substrat und Rezeptor elektronisch wie auch geo-
metrisch bedingt sein – entsprechend der berühmten Vorstellung von E. Fischer, 1894,
wonach die Moleküle wie Schlüssel und Schloß zusammenpassen müssen.
Als Beispiel sei ein Molekül aus der Reihe der in diesem Gebiet der Molekülphysik
sehr wichtigen Kronenether gezeigt, Abb. 20.8. Hier bildet der Ring der sechs O-Atome
Abb. 20.8. Zwei Kronenether-
Moleküle. C-Atome sind nicht und der 12 C-Atome einen Hohlraum, der so groß ist, daß gerade ein K+ -Ion optimal
bezeichnet, H-Atome nicht ein-
getragen. Zur Bezeichnung: Die
Ringgröße, das heißt die Zahl
der Bindungen im Ring, wird
in eckigen Klammern angege-
ben, dann folgt „Krone“ oder
C für die Molekülklasse, zum
Schluß die Anzahl der Donor-
stellen. Das sind hier jeweils 6
Sauerstoff-Atome
20.3 Molekulare Erkennung, Molekularer Einschluß 433
hineinpaßt (Abb. 20.9). Ein größeres Alkali-Ion paßt nicht mehr hinein, ein kleineres
ist weniger fest gebunden. Will man ein Übermolekül mit einem anderen Alkali-Ion in
der Mitte herstellen, dann gibt es andere Kronenether mit spezifisch geeigneter Hohl-
raumgröße, Tabelle 20.1.
Tabelle 20.1. Vergleich des Durchmessers verschiedener
Alkalimetall-Kationen und Kronenverbindungen∗
∗ nach Vögtle
In den letzten Jahren sind viele Moleküle hergestellt worden, die zur selektiven Bin-
dung von Substraten mit ganz unterschiedlicher Form, Größe und Struktur geeignet sind.
Sie sind für Reaktionen, für Katalyse, für Transportvorgänge und besonders als Modelle
für Bioprozesse von eminentem Wert. Diese neue supramolekulare Chemie muß von
Molekülphysikern gemeinsam mit Chemikern bearbeitet werden, wenn man das große
Potential ausschöpfen will, das sich hier für die Forschung eröffnet.
Als Einschlußverbindungen oder Chlathrate sind Übermoleküle oder molekulare
Strukturen aus zwei oder mehr verschiedenen Molekülen schon lange bekannt. Solche
Verbindungen können andere Moleküle geeigneter Größe in Hohlräume der eigenen
Struktur oder des eigenen Gitters aufnehmen und darin festhalten, wobei nicht nur
Bindungskräfte entscheidend sind, sondern in erster Linie der räumliche Einschluß.
Dabei kann es sich um einen molekularen Einschluß wie bei den Kronenethern oder
um einen Einschluß in das Kristallgitter handeln, Abb. 20.10. Als Beispiel für einen
Gitter-Einschluß zeigt Abb. 20.11 die Gitterstruktur des Harnstoffes, eines Moleküls
mit der Formel
H2 N−C−NH2
=
O
In den Hohlräumen des Gitters lassen sich z. B. n-Paraffine, n-Fettsäuren und halo-
genierte Kohlenwasserstoffe, ja sogar Benzol-Moleküle unterbringen. Die kanalartigen
Hohlräume im Gitter des Harnstoffes haben einen Durchmesser von 520 pm. Dadurch
ist der Durchmesser der einzubauenden Moleküle begrenzt.
Man kennt eine Vielzahl von Wirtsubstanzen für Chlathrate mit einer Fülle von
anderen Molekülen. Solche molekularen Strukturen sind von großem praktischem wie
theoretischem Interesse. Wenn der Einschluß durch die spezifische Gitterstruktur mög-
lich wird, dann schlagen diese molekularen Strukturen auch eine Brücke zur Festkör-
Abb. 20.11. Das Gitter der perphysik.
Harnstoff-Moleküle ermöglicht Der Begriff des Übermoleküls wurde insbesondere durch die Arbeiten von J. M. Lehn,
den Einschluß von Paraffin-
Molekülen. Nach Vögtle
erweitert zu dem des Supermoleküls und zu dem Gebiet der supramolekularen Che-
mie. Von einem Supermolekül oder einer molekularen Funktionseinheit spricht man
allgemein, wenn sich verschiedene Moleküle so miteinander verbinden, daß sie eine
neue Funktion erfüllen. Im engeren Sinne versteht man darunter Verbindungen infolge
von zwischenmolekularen Kräften, also auch Wirt-Gast-Komplexe, selbstorganisierte
Assoziate und molekulare Filme. Im weiteren Sinne sind dies jedoch auch kovalent
zu neuen Einheiten verbundene Molekülverbände. Die Bedeutung solcher Systeme in
Chemie, Biologie und Physik ist immens. Man braucht nur an die vielfältigen Anwen-
dungsmöglichkeiten als Katalysatoren, als Sensoren oder für neuartige Werkstoffe zu
denken. Mehr dazu auch Abschn. 20.7 und in Kap. 21.
zwischen Fluoreszenz f D des Donators und Absorption εA (in [l · mol−1 · cm−1 ]) des Ak-
zeptors beinhaltet. Das Fluoreszenzspektrum ist hierbei normiert:
∞
f D (ν)dν = 1 .
0
Typische Zahlenwerte für Förster-Radien R0 , d. h. für Abstände, über die diese Ener-
gieübertragung wichtig ist, liegen für organische Moleküle bei 50 Å.
Eine wichtige Anwendung für Energieübertragung in der Photophysik ist die sen-
sibilisierte Fluoreszenz. Sie ist dafür verantwortlich, daß festes Anthracen (vergleiche
Abb. 14.21) nicht blauviolett wie reines Anthracen, sondern grüngelb fluoresziert, wenn
es nur 10−5 Teile des Moleküls Tetracen als Beimischung oder „Gast“ enthält. Die vom
Anthracen absorbierte Energie wird mit hoher Ausbeute auf die Verunreinigung Tetra-
cen übertragen und von dieser emittiert, Abb. 20.15.
Man kann das auch so ausdrücken: Durch Lösen in Anthracen wird die Wahrschein-
lichkeit der Lichtanregung von Tetracen um viele Zehnerpotenzen erhöht. Man kann
durch geeignete Energieübertragungs-Systeme also dafür sorgen, daß man Energie be-
vorzugt auf bestimmte Moleküle lenkt, zum Beispiel auf Moleküle, an denen eine pho-
tochemische Reaktion stattfinden soll.
Solche Prozesse spielen bei biologischen Systemen, zum Beispiel bei den soge-
nannten Antennenkomplexen zum Lichtsammeln für die Photosynthese (vergleiche Ab-
Abb. 20.15a–d. Sensibilisierte
schn. 20.6) und in der Technik, zum Beispiel bei der Photographie, eine wichtige Rolle.
Fluoreszenz, schematisch. (a) Der
Wirt-Kristall W enthält eine ge-
ringe Konzentration von Gastmo-
lekülen G. Der Kristall wird mit
Licht angeregt, das überwiegend
vom Wirt absorbiert wird. Die
Fluoreszenz enthält überwiegend
Gast-Licht. (b) Die emittierten
Fluoreszenz-Lichtquanten von
Wirt und Gast, Q W und Q G un-
terscheiden sich spektral, in ihrer
Farbe, und lassen sich deshalb
voneinander getrennt messen. Das
Quantenverhältnis Q G /Q W wird
über die Gast-Konzentration CG
aufgetragen, (c) Das Anregungs-
licht wird im Kristall vom Wirt
absorbiert. Die Anregungsenergie
diffundiert als S1 -Exziton im Kri-
stall. Wenn das Exziton während
seiner Lebensdauer zu einem
Gast-Molekül G gelangt, wird
es dort eingefangen und G-Licht
wird emittiert, (d) Anregungs-
energie aus dem Exzitonenband
S1W des Wirtes wird auf das
im Gitter isolierte Gastmolekül
übertragen. Emission erfolgt aus
dem Anregungszustand S1G des
Gastes. (Nach H. C. Wolf, Die
feste Materie, Umschau Verlag,
Frankfurt (1973))
20.5 Moleküle für Photoreaktionen in der Biologie 437
Das Leben auf der Erde braucht das Sonnenlicht. Ohne dieses wäre die belebte Na-
tur, wie sie uns umgibt, nicht möglich. Die Sonne liefert die Energie für die Photo-
synthese, das heißt für den Prozeß, der zum stofflichen Aufbau und zur Funktion der
uns umgebenden Natur unerläßlich ist. Viele andere lebenswichtige Prozesse verwenden
Licht – genannt seien nur das durch Licht gesteuerte gerichtete Wachsen von Pflanzen,
der sogenannte Phototropismus, und im Bereich der Tiere und beim Menschen der Seh-
prozeß.
All diese chemischen Grundprozesse der Biologie verlaufen über Photo-Rezeptoren.
In ihnen enthaltene Moleküle sind für die Primärprozesse der Photochemie und Photo-
physik der Lebewesen verantwortlich. Sie absorbieren das Licht und transportieren die
absorbierte Energie an die Stelle, an der die chemischen Primärprozesse einsetzen. Um
sie in ihrer Funktion zu verstehen, bedarf es der Methoden der Molekülphysiker. Mehr
dazu in Abschn. 20.7.
Das wichtigste dieser Moleküle ist wohl das Chlorophyll, Abb. 20.16. Es besteht aus
einem großen Ring, dem Makrozyklus des Porphyrin-Ringes mit delokalisierten Elek-
tronen, d. h. konjugierten Doppelbindungen, der für die charakteristische Lichtabsorp-
tion verantwortlich ist, und einem sogenannten Phytolschwanz, der nicht der Lichtab- Abb. 20.16. Molekülstruktur
sorption, sondern der Löslichkeit in der Membran und dem richtigen Einbau in das von Chlorophyll b und β-
zugehörige Protein dient. Die Absorptionsspektren von zwei etwas unterschiedlichen Carotin. Der Bereich konjugier-
ter Doppelbindungen, der für
Chlorophyll-Molekülen und von Carotin, also von der Lichtaufnahme dienenden Mo- die Lichtabsorption maßgeblich
lekülen, zeigt Abb. 20.17. – Durch leichte Modifikationen am Molekül sowie durch un- ist, ist schraffiert. Die C-Atome
terschiedlichen Einbau in die sie tragenden Proteine kann man die Absorptionsspektren sind in den Ketten und Ringen
spektral etwas verschieben. Davon machen Lebewesen Gebrauch, die unter Bedingun- nicht bezeichnet, die H-Atome
nicht eingezeichnet. Striche
gen leben, bei denen sie Licht anderer spektraler Zusammensetzung ausnützen müssen, ohne Atom-Bezeichnung führen
als sie das normale Sonnenlicht bietet – beispielsweise in sumpfigem Wasser. Im Prozeß zu (nicht eingezeichneten)
der Photosynthese haben Chlorphyllmoleküle mindestens zwei Funktionen: als Anten- CH3 -Gruppen. Nach Dickerson
nen dienen sie der Lichtabsorption, und im Reaktionszentrum sind sie für den Primär- und Geis
prozeß der Photosynthese, nämlich die primäre Ladungstrennung, also die Abspaltung
eines Elektrons zuständig, siehe auch Abschn. 20.7.
Eine andere Gruppe von Pigment-Molekülen, die bei der Photosynthese in Pflan-
zen und Tieren wichtig sind, sind die Carotinoide. Ein Vertreter dieser Gruppe, das
β-Carotin, ist ebenfalls in Abb. 20.16 und 20.17 gezeigt. Hier ist die für die Photo-
Reaktion verantwortliche elektronische Struktur eine lineare Kette alternierender Dop-
pelbindungen, eine Polyen-Struktur, siehe Abschn. 14.6. Carotinoide, das heißt Mole-
küle mit einer ähnlichen Grundstruktur wie das β-Carotin, sind im Photosyntheseapparat
vieler photosynthetisierender Pflanzen und Bakterien enthalten.
Das Absorptionsspektrum von Carotinoiden (Abb. 20.17) ergänzt die Chlorophyll-
Absorption spektral und ermöglicht damit eine bessere Ausnutzung des Sonnenlicht-
spektrums in den für die Lichtaufnahme verantwortlichen „Antennen“ des Photosyn-
theseapparates. Darüber hinaus ist der im Infraroten bei ca. 8000 cm−1 liegende tiefste
angeregte Triplett-Zustand dieses Moleküls wichtig. Er sorgt für eine strahlungslose Ab-
fuhr überschüssiger Energie, wenn mehr Lichtquanten vom Chlorophyll absorbiert wer-
den, als vom Photosynthese-Apparat verarbeitet werden können. Er schützt damit das
Lebewesen vor Schaden, wenn zu viel Licht einfällt, insbesondere vor Bildung des sehr
reaktionsfreudigen angeregten Singulett-Zustandes von Sauerstoff, 1 O∗2 , vgl. Abb. 13.9
und 14.1.
Dieser kann nämlich durch strahlungslose Umwandlung aus dem Triplett-Grundzu-
stand 3 O2 entstehen, nach dem Schema
3O
2 + 3 Chlorophyll∗ → 1 O∗2 + 1 Chlorophyll ,
wenn der Abbau der Anregung des Chlorophyll-Moleküls in seinem Triplett-Grundzu-
stand 3 Chlorophyll wegen zu starker Lichteinstrahlung nicht vollständig erfolgt. Nach
dem Schema
3
Chlorophyll∗ + 1 CAR → 1 Chlorophyll + 3 CAR∗
eröffnet das Carotinoid einen zusätzlichen Kanal für die Entvölkerung des angeregten
Chlorophyll-Moleküls und verhindert damit die oben erwähnte Konkurrenz-Reaktion,
bei der 1 O∗2 entsteht. So ermöglichen die Carotinoide einen schnelleren Abbau von zu
starker Anregung des Zustandes 3 Chlorophyll∗ . (Mit Stern sind hier elektronisch ange-
regte Zustände bezeichnet.) Gebildeter Singulett-Sauerstoff wird nach dem Schema
1 O∗
2 + 1 CAR → 3 O2 + 3 CAR∗
Dabei ist R eine von vielen möglichen Seitengruppen, die etwas unterschiedliche
chemische Eigenschaften haben können. Ist R einfach ein H-Atom, so heißt die Ami-
nosäure beispielweise Glycin, mit der Seitengruppe
CH3
−CH
CH3
heißt sie Valin. Aminosäuren können über ihre reaktiven Enden unter Abspaltung von
H2 O zu sogenannten Polypeptiden polymerisieren (Abb. 20.20). Dabei ist die Sequenz
(Reihenfolge) der hinsichtlich ihrer Seitengruppen R unterschiedenen Aminosäuren
für die biologischen Eigenschaften der Polypeptide entscheidend. Diese Ketten bilden
schließlich bei typischen Längen von 60 bis 600 Aminosäuren durch Schraubung und
Faltung eine dreidimensionale Protein-Struktur, Abb. 20.21. Die Molekülmassen liegen
bei solchen Molekülen zwischen 10 000 bis 200 000. In der Natur kommen 20 verschie-
dene Aminosäuren mit unterschiedlichen Seitengruppen vor. Die Reihenfolge (Sequenz)
dieser Seitengruppen längs der Polypeptidkette ist durch den sogenannten genetischen
Code festgelegt, das heißt durch eine Bauvorschrift, die bei der Duplizierung von Zellen
weitergegeben wird. Sie bestimmt zunächst einmal, um welches Protein es sich handelt
und wie die molekulare Struktur dieses Proteins, die Primärstruktur, aussieht. Weiterhin
falten sich Bereiche der Polypeptidkette zunächst zu einer Schraubenstruktur (Helix),
und diese Helices falten sich ihrerseits wieder zu einem dreidimensionalen Molekül.
Man spricht von Sekundär- und Tertiärstruktur. Ein Beispiel hierfür zeigt Abb. 20.21.
Hier wird gleichzeitig deutlich, wie ein solches Protein einen geometrisch und elek-
tronisch genau definierten Platz für ein anderes Molekül – z. B. eine Eisen enthaltende
Verbindung Häm in Abb. 20.21 – schaffen kann.
Ein Protein ist also ein gefaltetes Polymer aus Aminosäuren mit spezifischer Sequenz
dieser Molekülgruppen. Es gibt viele Möglichkeiten für die Tertiärstruktur und für die
Funktion von Proteinen. Sie können zum Beispiel als Träger für Metall-Atome oder
kleine organische Moleküle fungieren. Solche globulären Proteine mit einem Durchmes-
ser von 2 bis 20 nm können vielfache Funktionen in der Biochemie erfüllen: als kata-
lytisch wirkende Enzyme, als Sauerstoffüberträger (Hämoglobin), als Elektronenüber-
träger (Cytochrom) und viele andere mehr. Proteine können aber auch aus Polypeptid-
ketten bestehen, die sich in Form von Kabeln oder Strängen umeinander winden. Sie
werden dann als Struktur- und Stützelemente wichtig und heißen Faserproteine und bil-
den Haare, Haut, Muskeln.
Der wichtigste Informationsträger im Leben aber sind die Nukleinsäuren, speziell die
DNS, die Desoxyribonukleinsäuren. Sie bilden den zentralen Informationsspeicher im Abb. 20.22. Das Rückgrat der
Zellkern, von dem aus mit Hilfe von Ribonukleinsäuren (RNS) die gespeicherten Infor- Desoxyribonukleinsäure, kurz
mationen weitergegeben und bei der Biosynthese von Proteinen benutzt werden. DNS, ist ein langes Polymeres,
Die Aufklärung der Strukturen und die Erklärung der zwischenmolekularen Bindun- das abwechselnd aus Phosphat-
und Desoxyribose-Molekülen
gen ist der primäre Beitrag, den die Molekülphysik bei der Aufklärung dieser Grund- aufgebaut ist. Diese sind in
elemente des Lebens leistet. den mit 3
und 5
bezeichneten
DNS, Desoxyribonukleinsäure, Abb. 20.22 und 20.23, ist die wichtigste Nuklein- Positionen des Zuckers mitein-
säure, weil sie in der Regel die genetische Information enthält und weitergibt. Sie ist ein ander durch eine Ester-Bindung
verknüpft. Die schraffierten
langkettiges Polymer aus dem Zuckermolekül Desoxyribose (allgemeine Summenformel Kästchen bedeuten jeweils eine
von Zucker-Molekülen Cx (H2 O) y , mit x und y 5 bzw. 6) und Phosphat-Gruppen, die der vier möglichen Basen. Nach
abwechselnd miteinander zu einer Kette verbunden sind, siehe Abb. 20.22. Jedes der Dickerson und Geis
442 20. Große Moleküle, Biomoleküle, Übermoleküle
Einzelmoleküle ist kovalent mit einer von 4 Purin- oder Pyrimidin-Basen verbunden,
die mit A (Adenin), C (Cytosin), G (Guanin) bzw. T (Thymin) bezeichnet werden, und
in Abb. 20.23 einzeln gezeigt sind. Längs der Polymerkette sind also in regelmäßigem
Abstand diese Seitengruppen angeordnet.
Die genetische Information wird durch die Reihenfolge der Basen im DNS-Strang
codiert. Drei aufeinanderfolgende Basen – ein Codon – charakterisieren eine Amino-
säure, geben also für die Anordnung der Aminosäuren in den Proteinen die Bauvor-
schrift. Es gibt für die Codierung der 20 verschiedenen Aminosäuren, aus denen Pro-
teine bestehen, 43 = 64 verschiedene Codons, weil in jeder Position vier verschiedene
Basen angeordnet sein können. Ein zweiter Strang, der mit dem ersten Strang zu einer
Doppelhelix vereinigt ist (über Wasserstoffbrücken zwischen den Basen) enthält eben-
falls die gleiche Information, vergleiche Abb. 20.24. Sie kann durch die ähnlich auf-
gebaute sogenannte Boten-RNS (Ribonukleinsäure) abgefragt und als Bauvorschrift für
zu synthetisierende Proteine weitergegeben werden. Dabei bedeutet, wie erwähnt, immer
eine Dreiergruppe von Basen, ein Codon, die Vorschrift, eine bestimmte Aminosäure im
Proteinstrang anzubringen. Die Boten-Ribonukleinsäure ist ähnlich wie die DNS auf-
gebaut. Die in der Basensequenz der DNS, den Codons, gespeicherte Information kann
also auf die Boten-RNS übertragen und zum Ort der Proteinsynthese transportiert wer-
den. – In Abb. 20.24 ist die Struktur der DNS noch einmal sehr schematisch darge-
stellt. Der Beitrag der Physiker zur Erforschung dieser Gesetzmäßigkeiten war bedeu-
tend. Am wichtigsten war dabei die Strukturaufklärung der Doppelhelix von DNS mit
Hilfe der Röntgeninterferenz-Technik durch Crick und Watson im Jahre 1960. Wichtige
Beiträge der Physiker sind weiter Messungen und Rechnungen über innere Bewegungen
der Biomoleküle, über Faltungen, Schwingungen, ferner über die Dynamik beim Ein-
bau und Umbau in lebenden Systemen. Hier gibt es auch wichtige Beiträge von seiten
der Infrarot- und der Kernspin-Resonanz-Spektroskopie.
z. B. in der Zelle oder als Matrix für aktive molekulare Einheiten wie Proteine, und er-
möglichen so gerichtete und räumlich getrennte Reaktionen und Transportprozesse, s.
Abb. 20.25.
Man kann solche Membranen künstlich herstellen, indem man sogenannte amphi-
phile langkettige Moleküle auf eine Flüssigkeitsoberfläche (Abb. 2.6) bringt. Darunter
versteht man Moleküle, deren beide Enden in unterschiedlichen Lösungsmitteln lösbar
sind. Eine häufig verwendete Molekülgruppe sind Fettsäure-Moleküle, beispielsweise
die Stearinsäure, chemische Formel C17 H35 COOH. Sie bestehen aus einer langen Zick-
Zack-Kette von CH2 -Gruppen und einer Endgruppe von COOH an einem Ende und ei-
ner CH3 -Gruppe am anderen Ende. Die COOH-Endgruppe ist wasserlöslich, das üb-
rige Molekül nicht. Bereits 1891 beobachtete die Amateur-Forscherin Agnes Pockels,
daß sich diese Moleküle auf einer Wasseroberfläche zweidimensional lösen, ohne in das
Volumen aufgenommen zu werden. Die polaren Köpfe der Moleküle zeigen nach un-
ten und tauchen ins Wasser. Die Kohlenwasserstoff-Schwänze zeigen nach oben in die
Luft. Wenn man mit einem Schieber auf der Wasseroberfläche den Bereich, auf dem die
Moleküle zweidimensional gelöst sind, einengt, kann man eine geschlossene monomo-
lekulare Schicht von Fettsäure-Molekülen auf der Wasseroberfläche herstellen.
Solche Filme kann man durch Eintauchen und wieder Herausziehen einer Glas- oder
Metallplatte, wie in Abb. 20.26 gezeigt, auf diese Platte als monomolekulare Schicht
aufziehen. Durch Wiederholung des Vorganges und geeignete Versuchsführung kann
man mehrere solcher Schichten in gleicher oder in entgegengesetzter Orientierung der
Moleküle aufeinanderpacken und damit Mono- oder Multischichten auf fester Unterlage
erzeugen. So erhält man sogenannte Langmuir-Blodgett-Schichten, die als molekulare
Membran-Modelle dienen können. Übrigens kann man so auch wie vorne (Abschn. 2.1)
gezeigt die Größe der Moleküle messen. Man kann gezielt Moleküle in die Membra-
nen einbauen und hat so Moleküle mit bekanntem Abstand und in bekannter Orientie-
rung zueinander für Experimente zur Verfügung. Die Technik der Langmuir-Blodgett-
Schichten eröffnet viele Möglichkeiten zur physikalischen Untersuchung großer Mole-
küle und zum Aufbau molekularer Architekturen. Den Physiker interessieren zum Bei-
spiel Fragen nach der Ordnung und nach den Möglichkeiten der Differenzierung in sol-
chen Strukturen.
Eine andere sehr erfolgreiche Methode zur Herstellung geordneter monomoleku-
larer oder oligomolekularer Schichten ist die Methode der Selbst-Organisation, self
assembly. Sie beruht auf der Chemisorption von Molekülen aus einer Lösung an der
Oberfläche eines Substrates, das in diese Lösung eingetaucht wird. Bringt man bei-
spielsweise eine Goldoberfläche Au(111) in Kontakt mit der Lösung eines n-Alkanthiols
CH3 −(CH2 )n−1 −SH (allgemein R−SH, R steht für organischer „Rest“) in Hexan, dann
bilden sich unter Abspaltung von Wasserstoff kovalente Gold-Thiolat-Bindungen R-S-
Au, so daß die Alkylketten über die Schwefelatome an die Goldoberfläche angeknüpft
sind. Im thermodynamischen Gleichgewicht entsteht dadurch nach einer gewissen Zeit
eine geordnete Monoschicht von Alkylketten auf der Goldoberfläche, die mit ihrer Be-
deckung aus der Lösung herausgenommen werden kann. Mit Silanen auf Silicium kann
man ebenfalls solche Schichten herstellen.
Mehr über die Herstellung monomolekularer geordneter Schichten aus organischen
Molekülen findet man in M. Schwoerer und H. C. Wolf, Organische molekulare Fest-
körper, Wiley-VCH 2005, Kap. 2.
Eine der wichtigsten molekularen Funktions-Einheiten, ohne die Photosynthese und
damit viele Arten von Leben nicht möglich wäre, ist das bereits in Abschn. 20.5 er-
wähnte Reaktionszentrum photosynthetisierender Systeme. Die Struktur desjenigen von
photosynthetisierenden Bakterien konnte in den letzten Jahren durch Röntgenbeugungs-
Messungen an Reaktionszentren-Einkristallen aufgeklärt werden. Abbildung 20.27
zeigt, wie die Reaktionszentren-Komplexe in Membranen im Inneren von Bakterien
angeordnet sind. In eine Proteinumgebung eingelagert sind in genau bestimmter Ori-
entierung und wohl definiertem Abstand eine kleine Anzahl von Molekülen. Ihre Auf-
gabe ist es, das absorbierte Licht der Sonne im primären Schritt der Photosynthese
in eine Ladungstrennung über die Membran hinweg, d. h. in ein räumlich getrenntes
Elektron-Loch-Paar umzusetzen. Die chemische Natur der Moleküle und ihre Orientie-
rung zueinander muß dabei so beschaffen sein, daß eine Ladungstrennung rasch und
mit hoher Quantenausbeute erfolgt, daß eine Rekombination der getrennten Ladungen
unterbleibt, damit die Photosynthese möglich ist, und daß diese Prozesse derart in der
Membran erfolgen, daß die getrennten Ladungen als Ausgangspunkt für die chemischen
Prozesse der Photosynthese zur Verfügung stehen. Dies wird im folgenden anhand von
Abb. 20.27 erläutert.
446 20. Große Moleküle, Biomoleküle, Übermoleküle
hν
6 CO2 + 6 H2 O → C6 H12 O6 + 6 O2
Aufgaben
20.1 Fluoreszierende Moleküle können ihre Anregungsenergie nicht nur über das
Strahlungsfeld, d. h. durch Emission und Reabsorption, auf benachbarte Moleküle über-
tragen, sondern auch über direkte Coulomb-Wechselwirkung ihrer Übergangsdipolmo-
mente. Diesen strahlungslosen Prozeß nennt man auch Förster-Mechanismus.
Die Wahrscheinlichkeit eines Energietransfers vom angeregten Donator D∗ zum Ak-
zeptor A, der sich im Grundzustand befindet, also für den Prozeß D∗ + A → D + A∗
ist nach Förster gegeben durch
∞
9 ln 10κ 2 c4 d ν̄
kET = f D (ν̄)εA (ν̄) 4 .
128 π n NA τer 0
5 4 6 ν̄
448 20. Große Moleküle, Biomoleküle, Übermoleküle
Dabei ist
kET : Rate für strahlungslosen Energietransfer;
κ: von der Orientierung der Moleküle abhängige Konstante; statistischer Mittelwert
in Lösung: κ̄ 2 = 2/3;
c: Vakuum-Lichtgeschwindigkeit;
n: Brechungsindex des Mediums;
NA : Avogadrozahl;
τe : mittlere natürliche Fluoreszenzabklingdauer;
r: Abstand zwischen D und A;
εA (ν̄): Extinktionskoeffizient von A (Absorptionsspektrum);
f D (ν̄): Fluoreszenzspektrum von D.
a) Erklären Sie das Auftreten der Terme κ 2 , 1/r 6 und f D (ν̄)εA (ν̄).
b) Man definiert einen kritischen Abstand R0 („Förster-Radius“), bei dem die Wahr-
scheinlichkeiten für Förster-Transfer und Fluoreszenz von D∗ gleich groß sind:
Berechnen Sie den Abstand R0 für eine wässrige Lösung von Fluorescein (Jν̄ =
1,3 · 1018 cm3 /mol2 , ν̄0 = 19 700 cm−1 ; n = 1,34; τ = 5,1 · 10−9 s; κ̄ 2 = 23 ).
c) Bei einer Konzentration von c0 = 3,1 · 10−3 mol/l ist die Wahrscheinlichkeit, daß
sich zwei Fluoresceinmoleküle im Abstand r ≤ r0 befinden, etwa 64%. Wie hängt die
Ausbeute φ des Energietransfers von der Konzentration c ab für c c0 und für c c0 ?
Akzeptor (D−Kn −A) aufbaut, so daß der Abstand r zwischen D und A durch die
Anzahl n der Kettenglieder gegeben ist:
r = n · a + b mit a = 3,1 Å und b = 8,9 Å .
Für ein Molekül, das zwölf Kettenglieder enthält, findet man eine Effizienz des Förster-
Transfers von φ = 15% (d. h. kET /(kET + kEmission ) = 0,15). Wie groß ist demnach der
Förster-Radius R0 ? Wie lang ist die zugehörige Polymerkette?
20.3 Eine Methode zur Herstellung geordneter organischer Schichten ist die soge-
nannte Self-Assembly-Technik. Darunter versteht man die Chemisorption von gelösten
Molekülen an der Oberfläche eines Substrats, das in die Lösung eingetaucht ist. Bringt
man beispielsweise eine Goldoberfläche Au(111) in Kontakt mit der Lösung eines n-
Alkanthiols CH3 −(CH2 )n−1 −SH (allg. R−S−H) in Hexan, dann bilden sich unter Ab-
spaltung von Wasserstoff kovalente Gold-Thiolat-Bindungen Au−S−R, so daß die Al-
kylketten über die Schwefelatome an die Oberfläche geknüpft werden. Im thermodyna-
mischen Gleichgewicht entsteht dadurch nach einer gewissen Zeit eine geordnete Mo-
noschicht von Alkylketten auf dem Goldsubstrat.
a) Man kann den Prozeß der Schichtbildung „in situ“ mitverfolgen. Im oben be-
schriebenen Experiment [M. Grunze: Physics Scripta T49, 711 (1993)] mißt man mit der
oberflächensensitiven Methode der Second Harmonic Generation eine Dauer von 10 min
für die Schichtbildung, während Ellipsometriemessungen eine Zeit von 40 min ergeben.
Können Sie, auch ohne die beiden Meßmethoden genauer zu kennen, diese Diskrepanz
erklären?
b) Aus systematischen NEXAFS-Messungen (near edge X-ray absorption fine struc-
ture) schließt man, daß die Alkanthiole erst ab einer bestimmten Länge (n ≥ 12) wohl-
geordnete Schichten bilden, in denen alle Alkylketten gestreckt sind und (für n = 22)
in einem Winkel von 35◦ zur Oberflächennormalen stehen. Versuchen Sie, diesen Effekt
zu begründen.
c) Bei einer Untersuchung der Schicht mit dem Rastertunnelmikroskop erkennt man
Löcher von 20–60 Å Durchmesser und 2,5 Å Tiefe. Worauf sind sie zurückzuführen?
21. Experimente an und mit einzelnen Molekülen
und die gegenseitige Anordnung der Moleküle bzw. der Molekül-Bausteine, also Größe,
Form und Aufbau abgebildet. Diese Methode gestattet es insbesondere auch, große bio-
molekulare Funktionseinheiten mit einer Auflösung von bis zu 1 Å darzustellen. Bei-
spiele hierfür zeigen die Abb. 1.3 und 20.28.
tronischen Zustandsdichte mit einer räumlichen Auflösung, die durch die Schärfe der
Spitze begrenzt ist. Er hängt aber auch von der lokalen Zustandsdichte der Elektro-
nen auf der untersuchten Oberfläche ab. Hierzu tragen in unterschiedlichem Umfang
die Orbitale der Moleküle in der untersuchten Schicht oder in den adsorbierten Mole-
külen, diejenigen der Unterlage und die Wechselwirkung zwischen beiden bei. Insofern
ist die Tunnelspektroskopie eigentlich eine spektroskopische Technik. – Man muß al-
lerdings beachten, daß die eigentlich interessierenden molekularen Zustände der unter-
suchten Probe bei den extrem kleinen Abständen auch von der Spitze sowie von den
elektronischen Zuständen der Unterlage beeinflußt werden. Man mißt das elektronische
Gesamtsystem Spitze/Adsorbat/Unterlage und muß daraus die gesuchten molekularen
Informationen ableiten.
Abbildung 21.1 zeigt zur Erläuterung der Möglichkeiten der STM-Technik für die
Molekülphysik Moleküle von Kupfer-Phthalocyanin auf einer MoS2 -Unterlage. Man
kann deutlich erkennen, wie die „aktive“ Elektronendichte innerhalb des Moleküls ver-
teilt ist. Die Auflösung ist atomar, d. h. die unterschiedlichen Atome oder Gruppen in
einem Molekül lassen sich unterscheiden. Ein weiteres Beispiel für eine Molekülabbil-
dung mit dem Raster-Mikroskop wurde bereits vorne in Abschn. 2.1 besprochen (siehe
Abb. 2.5).
Inzwischen wurden große Fortschritte im Experiment erzielt bei dem Bestreben,
aus dem Gesamtsystem Unterlage/Adsorbat/Spitze die elektronischen Eigenschaften
des Adsorbates herauszupräparieren. Ein eindrucksvolles Beispiel zeigt Abb. 21.2. Hier
gelang die getrennte Abbildung der HOMO- und der LUMO-Orbitale eines Pentacen-
Moleküls auf einer Kupferunterlage. Durch eine Zwischenlage von zwei atomaren
Schichten NaCl gelang es, die elektronischen Zustände des Moleküls von denen des
Abb. 21.5. 6 Moleküle von Der Mechanismus der Bild-Entstehung im AFM ist komplex. Er hängt von spezi-
Cu-DTBPP (Kupfer-tetra-butyl-
phenyl-porphyrin) auf einer
fischen Eigenschaften der Oberfläche und der physikalischen Natur der Wechselwir-
Cu(100)-Oberfläche vor (links) kungspotentiale ab. Van der Waals-Kräfte, ionische, magnetische und elektrostatische
und nach einer Sequenz von Kräfte können zur Abbildung beitragen. Da die meisten makromolekularen Systeme
lateralen Verschiebungen mit elektrische Isolatoren sind, ist das AFM besonders gut geeignet zur Abbildung von
Hilfe der STM-Spitze, Bild- Polymeren und von Biomolekülen. Die Rastersondenmikroskope STM und AFM sind
größe 26 × 26 nm. Nach J. K.
Gimzewski, C. Joachim: Science in vieler Hinsicht komplementär und ergänzen sich gegenseitig bei der Untersuchung
283, 1683 (1999) molekularer Strukturen.
Mit dem STM oder dem AFM lassen sich unter Umständen auch einzelne Mole-
küle auf geeigneten Unterlagen bewegen. Beispiele, nämlich die Bewegung des kleinen
Moleküls CO und eines größeren organischen Moleküls zeigen die Abb. 21.4 und 21.5.
Man kann so auch die Kristallisation von Molekülen auf Substraten im zeitlichen Ver-
lauf verfolgen.
nächst der Wunsch im Vordergrund, daß man die Eigenschaften eines Moleküls nicht
nur aus einer Mittelung über viele Moleküle gewinnen möchte, wie das bei einer gleich-
zeitigen Messung an vielen Molekülen der Fall ist. Man kann dann nämlich die dazu
nötige Annahme, daß zum Beobachtungssignal alle Moleküle gleichmäßig beitragen,
überprüfen und vielleicht korrigieren. Es hat sich darüber hinaus gezeigt, daß einzelne
Moleküle als spektroskopische Sonden zur Untersuchung von Prozessen in der jeweili-
gen Matrix wertvolle Dienste leisten können. In gewisser Weise ist die Einzelmolekül-
Spektroskopie ein eigener Zweig der Spektroskopie geworden. Mit ihr kann man Li-
nienlagen, Linienform, Linienbreite, deren Änderung durch Temperatur oder durch äu-
ßere elektrische und magnetische Felder studieren und so Informationen über die Mo-
leküle oder über die Matrix erhalten, in die sie eingelagert sind. Eine gute Übersicht
über Möglichkeiten und Ergebnisse findet man in [2–4]. Aber auch für Bemühungen
um eine molekulare Elektronik, Kap. 22, ist es sehr wichtig, gezielt einzelne Moleküle
anzusprechen.
Um ein einzelnes Molekül spektroskopisch auf dem Hintergrund der Wirtsubstanz, in
der es sich befindet, isolieren zu können, muß man experimentelle Bedingungen herstel-
len, bei denen jeweils ein und nur ein Molekül im beobachteten Volumen in Resonanz
mit der untersuchenden Strahlung ist. Besonders geeignet hierzu ist die Methode der
Anregungsspektroskopie, bei der die Lichtanregung des untersuchten Moleküls zur Fluo-
reszenz mit Hilfe eines durchstimmbaren Lasers sehr schmalbandig, also sehr selektiv
erfolgen kann. Zudem läßt sich das in der Probe gestreute oder nicht absorbierte Anre-
gungslicht spektral leicht vom Fluoreszenzlicht trennen. Wenn man das Laser-induzierte
Fluoreszenzlicht aus dem kleinen angeregten Volumen mit Linsen oder Spiegeln sam-
melt und auf den Empfänger konzentriert, kann man ein Signal beobachten, das nur von
einem Molekül stammt.
Zur Spektroskopie von einzelnen Molekülen benötigt man also
– ein kleines Untersuchungs-Volumen, das nur wenige der zu untersuchenden Moleküle
enthält,
– eine geringe Konzentration der „Verunreinigung“ oder „Gäste“ in der Matrix,
– hohe spektrale Selektivität um sicherzustellen, daß jeweils nur eine „Sorte“ von Mo-
lekülen vom Laserstrahl angeregt wird,
– eine experimentelle Anordnung mit hoher Empfindlichkeit, um das optische Signal
(z. B. die Fluoreszenz) eines einzelnen Moleküls mit hinreichend gutem Signal/
Rausch-Verhältnis nachzuweisen und zwar getrennt von Untergrund-Signalen, die
z. B. von gestreutem Anregungslicht herrühren. In Abwesenheit von Untergrund-
strahlung ist Einzelmolekül-Fluoreszenz in geeigneten Systemen so intensiv, daß
man leicht 1000 Photonen pro Sekunde erhält. Ein solches Signal läßt sich ohne
große Schwierigkeit nachweisen.
Das untersuchte Probenvolumen ist durch Brennfleck-Größe des Lasers (einige µm2 )
und Probendicke limitiert. Meistens ist es nicht größer als 10 bis 100 µm3 , also we-
nige pico-liter. Bei einer 1 molaren Lösung befinden sich in diesem Volumen noch ca.
1012 Moleküle. Will man nur 1 Molekül im Probenvolumen vorfinden, benötigt man des-
halb sehr kleine Konzentrationen von ca. 10−12 mol/mol. Die Matrix muß im übrigen
frei von anderen Molekülen sein, die unerwünschte Untergrund-Signale geben können.
– Dies sind die Verhältnisse, unter denen die Einzelmolekül-Spektroskopie mit räumli-
cher Selektion, d. h. insbesondere jede Einzelmolekülspektroskopie bei Raumtemperatur,
arbeitet.
458 21. Experimente an und mit einzelnen Molekülen
Weniger kleine Konzentrationen, im Bereich von 10−7 –10−9 mol/mol, sind ausrei-
chend, wenn man zur räumlichen auch noch die spektrale Selektion hinzunimmt. Wenn –
wie später gezeigt – die dann im Probenvolumen befindlichen 104 an sich gleichen Mo-
leküle sich spektral auch nur minimal unterscheiden, kann mit Hilfe eines sehr schmal-
bandigen Lasers jeweils nur eines dieser 104 Moleküle angeregt werden. Hierzu müssen
die Spektralterme der Moleküle jedoch sehr scharf sein, und deshalb ist diese Untersu-
chungsmethode nur bei tiefer Temperatur erfolgreich anwendbar.
Mehr hierzu findet man auch in [5].
vorne in diesem Buch. Die Viren sind dabei jeweils mit einem einzigen Farbstoffmolekül
markiert, dessen Fluoreszenz wie eine molekulare Lampe den Infektionsweg des Virus
in allen Details zeigt, von der ersten Berührung an der Zelloberfläche bis zur Ablegung
der Virus-DNA im Zellkern. C. Bräuchle und Mitarbeitern gelang es, diese Prozesse in
Echtzeit mit hoher Empfindlichkeit und hoher Orts- (40 nm) und Zeitauflösung (10 ms)
zu verfolgen und so die Bahn des Virus im Detail zu beobachten. Mehr Einzelheiten
gibt die Abbildungsunterschrift zum Frontispiz.
Eine interessante Anwendungsmöglichkeit der Einzelmolekül-Spektroskopie be-
sonders bei Bio-Makromolekülen macht Gebrauch von der Förster-Energieübertragung
(s. Abschn. 20.4) zwischen Donor D und Akzeptor A. Mit der Methode des Fluoreszenz-
Resonanz-Energie-Transfers (FRET) kann man Abstände zwischen Donor und Akzeptor
und zwar innermolekular oder zwischenmolekular, im Bereich von 1,5 bis 8 nm mes-
sen: aus der Effizienz der resonanten Energieübertragung zwischen dem absorbierenden
Fluorophor D und dem emittierenden Fluorophor A kann man nach (20.1) Information
über Abstand und relative Orientierung von D und A erhalten. Wenn man D und A
als Einzelmoleküle beobachtet, kann man Konformationen und Wechselwirkungen in
großen Molekülen, z. B. in Proteinen, ausmessen, wenn sie mit diesen Fluorophoren
markiert sind. Mehr dazu findet man in [1, 2] und [9].
Auch in der analytischen Chemie lassen sich mit Fluorophoren markierte Moleküle
oder Molekülteile (beispielsweise DNA-Stücke) mit einer bisher unbekannten Empfind-
lichkeit, nämlich als Einzelmoleküle nachweisen. Die ultimative analytische Nachweis-
grenze von einem Molekül wird so erreichbar.
Eine ausführlichere Darstellung von Methoden und Ergebnissen findet man in [1]
und [2], Anwendungen auf biologische Systeme besonders in [8] und [9].
Hierauf beruht auch die Methode des spektralen Lochbrennens. Mehr darüber wird
in Abschn. 22.5, Molekulare Speicher, besprochen. Schon hier sei zur weiteren Erläu-
terung auf Abb. 22.32 und 22.33 verwiesen.
Die inhomogene Verbreiterung ermöglicht nun die spektrale Selektion einzelner
Moleküle. Da nämlich verschiedene Gast-Moleküle in der Matrix etwas unterschied-
liche Resonanz-Frequenzen aufweisen, kann man bei hinreichend geringer Gesamt-
Konzentration die Durchstimmbarkeit eines schmalbandigen Laser benutzen, um die
verschiedenen Moleküle im Meßvolumen einzeln und getrennt voneinander anzuregen.
Dies ist die spektrale Selektion. Man muß lediglich dafür sorgen, daß die Anzahl der
Moleküle je Frequenzbreite γH im Anregungslicht des Lasers nicht größer als 1 ist –
d. h. man arbeitet am besten bei niedriger Dotierung oder in den Ausläufern des Fre-
quenzspektrums der inhomogenen Verbreitung. Abbildung 21.11 zeigt als Beispiel die
Einzelmolekülspektren von 3 Molekülen in einer Kristall-Matrix. Hier wird deutlich,
mit welch gutem Signal/Rausch-Verhältnis sich einzelne Moleküle getrennt voneinan-
der beobachten lassen und wie eine optische Ansprechbarkeit einzelner Moleküle auch
bei größeren Konzentrationen möglich ist.
Für diese Art der Einzelmolekülspektroskopie benötigt man Moleküle und Matrizen
mit sehr spezifischen Eigenschaften. Deshalb ist die Anwendung bisher auf eine verhält-
nismäßig kleine Anzahl von Systemen beschränkt. Insbesondere müssen die untersuch-
ten Gast-Moleküle einen intensiven optischen Übergang mit starker O-Phononen-Linie
und eine hohe Fluoreszenz-Quantenausbeute haben. Die extrem scharfen Linien ergeben
Absorptionsquerschnitte, die um ein Vielfaches größer sein können als die physikalische
Größe des Moleküls. Der maximale Absorptionsquerschnitt σ p eines Moleküls ist defi-
niert durch die Wahrscheinlichkeit, daß ein einzelnes Molekül ein einfallendes Photon
aus dem Pumplaserstrahl absorbiert. Sie beträgt σ p /A, wenn A die Querschnittsfläche
des fokussierten Laserstrahls ist. Deren Grenze beträgt λ2 .
Wie Moerner in [3] zeigt, erhält man bei Molekülen mit stark erlaubter 0,0 Linie im
niedersten elektronischen Übergang und bei tiefer Temperatur Werte für den maximalen
Absorptionsquerschnitt σ p von bis zu 10−11 cm2 , das heißt das 4000fache der Van der
Waals-Fläche eines Moleküls. Diese Zahlen gelten zum Beispiel für Pentacen.
Die Messungen mit spektraler Selektion sind auf tiefe Temperaturen, unterhalb ca.
50 K, beschränkt, weil die zum Nachweis benutzten O-Phononen-Linien nur bei tiefer
Temperatur scharf und beobachtbar sind. Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe
wie Pentacen sind gut geeignet (Abb. 21.12). Als Matrizen kommen organische Kri-
stalle, wie p-Terphenyl, sog. Schpolski-Matrizen oder Polymere wie Polyethylen in
Frage. Abbildung 21.13 zeigt eine Meßanordnung für Einzelmolekülspektroskopie.
Was kann man mit der Einzelmolekül-Spektroskopie lernen? Es gibt viele interessante
Anwendungen in der Molekülphysik, in der Materialphysik, aber auch zu grundlegen-
den Fragen der Quantenoptik. Hier tritt die Einzelmolekül-Spektroskopie gleichwertig
neben die ebenfalls in rascher Entwicklung stehende Spektroskopie einzelner Atome in
464 21. Experimente an und mit einzelnen Molekülen
der Gasphase. Schließlich läßt sich auch die magnetische Spinresonanz auf Einzelmo-
leküle anwenden.
Für die Molekülphysik interessant ist die Möglichkeit der Messung der natürlichen
Linienbreite, die im Grenzfall durch die natürliche Lebensdauer des angeregten Zu-
standes bestimmt ist. So wurde für Pentacen-Moleküle bei 1,6 K und geringer Anre-
gungsintensität eine homogene Linienbreite von ∆ν = 7,8 ± 0,2 MHz gemessen (siehe
Abb. 21.14). Dieser Wert entspricht nach der Beziehung ∆ν = 1/(2π · t) einer Le-
bensdauer von t = 20,4 ns. Messungen der Lebensdauer mit Hilfe von Photonen-Echo-
Experimenten an Proben mit einer Vielzahl von Pentacen-Molekülen ergaben in guter
Übereinstimmung damit den Wert t = 21,7 ns.
Mit zunehmender Anregungsintensität beobachtet man – genau wie in der magneti-
schen Resonanz – eine Sättigungs-Verbreiterung (siehe Abb. 21.15). Hieraus kann man
die von den Blochschen Gleichungen (vgl. Abschn. 14.5 in Atomphysik) her bekannte
Relaxationszeit T2 ableiten. Sie mißt die Zeit, in der die Phasenkohärenz zwischen re-
sonantem Anregungslicht und dem molekularen Zweiniveau-System (S0 /S1 ) verloren
geht, also die Phasenrelaxation.
Man kann mit sehr hoher spektraler Auflösung auch die vibronische Struktur des mo-
lekularen Übergangs auflösen, und damit die Frequenzen der intramolekularen Schwin-
gungen im elektronischen Grundzustand (siehe Abb. 21.16). Dabei mißt man nicht, wie
in der Anregungsspektroskopie meistens üblich, die spektral nicht aufgelöste Gesamt-
Fluoreszenz als Funktion der schmalbandigen Anregung. Man mißt vielmehr die spek-
tral aufgelöste Fluoreszenz nach dieser Anregung. Diese besteht im Falle schwacher
Elektron-Phonon-Kupplung für ein einzelnes Molekül ebenfalls aus sehr schmalen Li-
nien und erlaubt eine genaue Schwingungs-Analyse des untersuchten Moleküls in seiner
spezifischen Umgebung.
Weitere Anwendung findet die Einzelmolekül-Spektroskopie in der Materialfor-
schung. Man kann die extrem scharfen Spektrallinien der Gastmoleküle als Sonden für
die unmittelbare Umgebung, die Nanoumgebung der Moleküle im Wirt bzw. der Matrix
und für die interne Dynamik der Matrix benutzen. Auch bei tiefsten Temperaturen gibt
gesammelt werden. Man kann auch die zeitliche Abfolge dieser einzelnen Emissionspro-
zesse verfolgen. Dabei findet man die charakteristischen Eigenschaften der Bündelung
und der Antibündelung, die jetzt erklärt werden sollen.
Die photophysikalische Dynamik eines typischen Moleküls bei kontinuierlicher ko-
härenter Anregung mit fester Laserfrequenz ist schematisch in Abb. 21.17 dargestellt.
Die Photonen werden nicht in statistischer Zeitfolge emittiert, man beobachtet viel-
mehr ein charakteristisches Zeitverhalten, das man als Bündelung (bunching) und Anti-
Bündelung (antibunching) bezeichnet. Aus diesem Zeitverhalten erhält man weitere In-
formationen über das emittierende System.
Zunächst zur Anti-Bündelung, d. h. zum Auftreten von charakteristischen Zeit-
Intervallen zwischen den emittierten Photonen im Zeitbereich der Lebensdauer des
Anregungszustandes (typisch τ S1 = 10 ns) bzw. bei der inversen Rabi-Frequenz. Dies
ist ein typisch quantenoptischer Effekt bei der Wechselwirkung von Licht mit elektroni-
schen 2-Niveau-Systemen. Er wurde ursprünglich in der Resonanzfluoreszenz einzelner
Na-Atome entdeckt. Er bedeutet, daß die Wahrscheinlichkeit für das gleichzeitige Ein-
treffen von zwei Photonen am Detektor verschwindend klein ist und läßt sich leicht
verstehen:
Unmittelbar nach der Emission eines Photons zur Zeit t befindet sich das Quantensy-
stem im Grundzustand und die Wahrscheinlichkeit für die Emission eines zweiten Pho-
tons zu diesem Zeitpunkt ist Null. Im Mittel muß bei kontinuierlicher Anregung die Zeit
einer halben Rabi-Periode vergehen, bis das Molekül wieder mit endlicher Wahrschein-
lichkeit ein Photon emittieren kann. Die Fluoreszenz-Photonen erscheinen daher mehr
oder weniger in geordneter Folge eines nach dem anderen wie Wassertropfen – und nicht
in zufälligen Abständen, wie man es bei einer klassischen Lichtquelle oder bei schwa-
cher Anregungsintensität erwarten würde.
Bei hinreichend hoher Laserintensität können also Rabi-Oszillationen beobachtet
werden während der Laser das Einzelmolekül zwischen Grund- und Anregungszustand
hin- und herpumpt. Unter kohärenter Anregung führt der „Pseudospin“ zwischen den
beiden Zuständen des Zweiniveau-Systems eine Rabi-Oszillation aus. Deren Frequenz
beträgt Ω = |µ12 EL |/h, wobei µ12 das Übergangsdipolmoment und EL die elektri-
sche Feldstärke des Laserlichtes ist. Zur Erklärung der Begriffe Rabi-Oszillation und
Rabi-Periode vgl. Abschn. 22.6 in Haken, Wolf: Atom und Quantenphysik. Inkohä-
rente Übergänge beispielsweise zu intramolekularen vibronischen Moden bestimmen
die Relaxationszeit T .
Das Auftreten der Anti-Bündelung mit der Rabifrequenz wird natürlich überdeckt,
wenn mehr als ein Molekül zum emittierten Licht beitragen. Erst die Einzelmole-
21.5 Elektrische Leitfähigkeit von Molekülen 467
Am interessantesten ist der Grenzfall des kohärenten resonanten Tunnelns der La-
dungsträger durch die Brücke. Dieser Prozeß ist dann möglich, wenn die Leitungsbänder
oder vielmehr das Fermi-Niveau dieser Bänder für beide Elektroden isoenergetisch mit
einem Molekülorbital des Brückenmoleküls sind. Dabei wird angenommen, daß sich in
dem Orbital Elektronen (oder Löcher) bewegen können, daß es also eine Art von „Lei-
tungsband“ des Moleküls ist. Dies gilt insbesondere für ein LUMO, das tiefste unbe-
setzte Orbital (vgl. Abschn. 5.3 und 13.3). Man erwartet eine „Leitfähigkeit“, die unab-
hängig von der Länge der Brücke – also von der Moleküllänge – ist. Einen „Widerstand“
gibt es nur an den Kontakten zwischen Elektroden und Molekül.
Als Leitungselektronen aus den Metall-Elektroden stehen, wie man aus der Festkör-
perphysik weiß, die Elektronen an der Fermigrenze des Metalles zur Verfügung. Sie ha-
ben eine Fermigeschwindigkeit vF und eine zugehörige Wellenlänge λF . Diese liegt bei
typischen Metallen im Bereich von atomaren Dimensionen, ist also ähnlich groß wie die
relevanten Molekül-Abmessungen. Im Molekül stehen für die Elektronen die Molekülor-
bitale als Leiterbahnen zur Verfügung, jedes Orbital ist ein Leitungs-Kanal. Den Leit-
wert (d. h. den reziproken Widerstand) eines Kanals berechnet man nach Landauer [16]
quantenmechanisch aus der Streuung des Elektrons am Kanal zu G = G 0 · T , wobei
G 0 = 2e2 /h (
= 12 900 Ω−1 ) das Leitwert-Quantum und T der Transmissionskoeffizi-
ent ist. T kann zwischen 1, d. h. vollständige Transmission mit dem Leitwert 2e2 /h, und
0, d. h. vollständige Rückstreuung, liegen. Die Transmission mißt die Effizienz, mit der
das Molekül die metallischen Wellenfunktionen der Elektroden ausdehnt.
Der gesamte Leitwert ergibt sich als die Summe der Einzel-Leitwerte G = G 0 ΣTn ,
wenn N die Anzahl der aktiven Kanäle und Tn die Transmissions-Wahrscheinlichkeit
des n-ten Kanals ist. Die Anzahl der aktiven Kanäle ergibt sich aus der Anzahl der Mo-
lekülorbitale, die bei gegebener angelegter Spannung in Resonanz mit der Fermi-Energie
des Metalls sind. Wichtig ist also: wie liegen die HOMO- und LUMO-Niveaus des Mo-
leküls relativ zum Fermi-Niveau des Elektroden-Metalls. Durch Ändern der angelegten
Vorspannung (bias) lassen sich diese Niveaus relativ zueinander verschieben. Dadurch
ändert sich die Transmission.
Wenn die Energiezustände der für ein Tunneln verfügbaren Elektronen in den Elek-
troden (also im allgemeinen deren Fermi-Niveaus) weit entfernt sind von denen der Mo-
lekülorbitale, dann ist hauptsächlich eine nichtresonante, aber kohärente, Bewegung der
Elektronen durch Austausch über die Orbitale im Molekül möglich. Abbildung 21.18
zeigt den Fall eines Moleküls mit großer Lücke zwischen HOMO und LUMO mit Elek-
troden, deren Fermi-Niveau in der Mitte der Energielücke liegt. Dies trifft z. B. für kurze
– Wie liegen die HOMO- und LUMO-Niveaus des Moleküls relativ zum Fermi-Niveau
des Elektroden-Metalls? Die Energie-Unterschiede zwischen diesen Niveaus bestim-
men die Transmission von Elektronen durch den Draht als Funktion der angelegten
Vorspannung (bias). Durch Ändern dieser Vorspannung läßt sich die Transmission än-
dern, indem andere Molekülorbitale zur Leitung beitragen.
– Wie ist das organische Molekül elektronisch an die Elektroden angekoppelt und wie
erfolgt die Ladungsinjektion in den Draht?
Der Transport von Ladungsträgern durch das Brückenmolekül kann schließlich auch in-
kohärent oder dissipativ werden, wenn eine unelastische Streuung der Ladungsträger
in der Brücke stattfindet. Streuzentren können etwa innere Schwingungen des Mole-
küls sein, falls diese mit den elektronischen Zuständen im „Draht“ hinreichend stark
gekoppelt sind. Nur in diesem Falle gleicht der molekulare Draht dem, was man übli-
cherweise unter einem elektrischen Draht versteht. Die Leitfähigkeit gehorcht dann dem
Ohmschen Gesetz und der Leitwert ist umgekehrt proportional zur Länge der Brücke.
Abbildung 21.19 erläutert die Grenzfälle der kohärenten und der dissipativen Leitung.
Der dissipative Mechanismus der Leitfähigkeit ist sicher dann bevorzugt zu erwarten,
wenn die Moleküle länger und die Temperaturen höher werden.
Jedenfalls kann man die Leitfähigkeit eines Moleküls zwischen zwei Elektroden
nur verstehen, wenn man beachtet, daß sie durch die Fermi-Niveaus beider Elektro-
den, durch die Kontakte und durch die „Durchlässigkeit“ des Moleküls selbst bestimmt
sind. Bei allen Messungen muß man beachten, daß man immer eine Kombination aus
Elektroden- und aus Molekül-Eigenschaften mißt.
Die Auswertung realer Messungen ist schwieriger als diese einfachen Modelle. Un-
gleiche Elektroden-Materialien, mangelnde Homogenität des angelegten elektrischen
Feldes und die Vielfalt möglicher Orbitale bei größeren Molekülen machen eine ein-
deutige Auswertung selbst dann schwierig, wenn die experimentellen Probleme, ins-
besondere das Anbringen der Elektroden, befriedigend beherrschbar sind. Dies gelingt
meistens nur teilweise, und es gibt deshalb kaum wirklich befriedigende, das heißt
vollständig verstandene Leitwert-Messungen einzelner Moleküle.
21.5.2 Meßergebnisse
Zur Messung der elektrischen Leitfähigkeit eines einzelnen Moleküls liegen erst wenige
Ergebnisse vor. Das zentrale Problem ist es, an einem Molekül beidseitig elektrische
Kontakte anzubringen. Wie läßt sich ein Einzelmolekül kontaktieren? Und weiterhin:
„Wie läßt sich ein einzelnes Molekül zwischen zwei Kontakten platzieren?“
Man kann dieses Problem dadurch lösen, daß man das Molekül mit Endgruppen,
z. B. Thiol-Gruppen, versieht, die mit einer Metalloberfläche, z. B. Au, leicht eine che-
mische Bindung eingehen, so daß das Molekül sich zunächst einseitig mit der Metall-
Elektrode verbindet. Der wesentliche Schritt im Experiment besteht dann darin, daß
man eine saubere Gold-Oberfläche mit einer Lösung in Kontakt bringt, in der sich die
zu untersuchenden Moleküle mit einer Thiol-Endgruppe (SH) befinden. Die Moleküle
ordnen sich selbständig als Monoschicht (sog. self-assembly-Verfahren) auf der Gold-
Oberfläche an, indem der Wasserstoff von der SH-Gruppe durch eine kovalente Bindung
zwischen S und Au ersetzt wird, (Abb. 21.20). Damit hat man den Gold-Kontakt als
Elektrode gewonnen.
Der zweite Kontakt für eine Widerstandsmessung kann die Spitze eines Rasterson-
denmikroskops sein. An diese sind die Moleküle nur schwach angekoppelt, man kann
aber verschiedene Moleküle auf der Gegenelektrode ansteuern. Ein anderer eleganter
Weg, der zudem den Vorteil hat, daß er eine symmetrische Anordnung ergibt, ist der
Bruch-Kontakt (break-junction) (Abb. 21.20). Darunter versteht man eine durch Nano-
manipulation erzeugte Lücke in einem extrem dünn ausgezogenen Draht. Der Draht
wird kontrolliert bis zum Zerreißen gedehnt. Man kann so Lücken kontrolliert erzeu-
gen, deren Breite kleiner als 10 Å ist. – In eine solche Lücke in einem Au-Draht passt
z. B. ein 1,4-Dithiol-Benzol-Molekül, das an beiden Enden mit den Au-Elektroden ver-
bunden ist. In dem in Abb. 21.20 gezeigten Beispiel ist die gemessene Breite der Lücke,
8,5 Å, so groß, daß dieses Molekül gerade hineinpasst [17].
Aus einer Strom-Spannungskurve an einem solchen Molekül zwischen zwei Au-
Kontakten läßt sich (stark vereinfacht) ein Widerstand der Größenordnung 25 MΩ er-
rechnen [16]. Andere Messungen ergeben 900 MΩ [18]. Hierbei ist jedoch große Vor-
sicht geboten. Man mißt, wie oben ausgeführt, das Gesamtsystem Elektrodenkontakt-
Molekül-Elektrodenkontakt, und man kann nicht mit Sicherheit sagen, zu welchem Teil
des Systems der Widerstand gehört. Darüber hinaus ist die Strom-Spannungskurve nicht
einfach – wie bei einem Ohmschen Widerstand – eine Gerade. Offenbar spielt hier die
Quantisierung der Ladung und die Quantisierung der Transportwege in Gestalt der Mo-
lekülorbitale, also die Leitwert-Quantisierung, eine Rolle. Hierauf kann hier nicht näher
eingegangen werden. Es sollte in erster Linie gezeigt werden, daß elektrische Messun-
gen auch an einzelnen relativ kleinen Molekülen möglich sind.
Es ist sogar gelungen, den Leitwert G eines H2 -Moleküls zwischen zwei Platin-
Elektroden zu messen. Hier ergibt sich, wie nach [16] zu erwarten, recht genau als Leit-
wert G = G 0 = 2e2 /h, also eine Quanteneinheit [19].
Eine andere Meßanordnung ist in Abb. 21.21 gezeigt: Ein Fulleren-Molekül C60 be-
findet sich zwischen einer planaren Gold-Elektrode und der Spitze eines Rastersonden-
21.5 Elektrische Leitfähigkeit von Molekülen 471
Man erhält hier ein Ohmsches Verhalten mit einem Widerstand von 4,2 ± 0,7 GΩ.
Die Leitfähigkeit des Carotin-Moleküls mit seinen konjugierten Doppelbindungen (vgl.
Abschn. 14.6) ist dabei mehr als 106 mal besser als diejenige der Alkan-Ketten gleicher
Länge. Man kann das Carotin-Molekül deshalb als molekularen Draht in einer isolie-
renden Matrix betrachten. Mehr dazu folgt in Abschn. 22.3.
Auch hier ist jedoch Vorsicht geboten. Es ist noch ganz unklar, was der Mechanis-
mus der elektrischen Leitung ist, ob hier ein Widerstand in der Einheit Ohm überhaupt
definiert ist, ob andere Prozesse den Ladungstransport bestimmen, und auch bei den ex-
perimentellen Ergebnissen gibt es noch große Kontroversen. Eine Einführung in die Pro-
blematik findet sich in [15].
Zum Abschluß dieses Buches sei noch ein Ausblick auf ein Gebiet gestattet, das in
seinen Zielen ebenso faszinierend wie in seinen Möglichkeiten und Grenzen noch un-
klar ist.
Es geht hier um die Frage der Anwendbarkeit organischer Halbleiter in der elek-
tronischen Technik. Attraktive Eigenschaften sind neben der Löslichkeit in organischen
Lösungsmitteln beispielsweise die Farbe der Licht-Emission, die mit Hilfe chemischer
Synthese in weiten Grenzen variiert werden kann, ferner die Möglichkeiten der Verar-
beitung. Man kann polymere Schichten leicht über größere Flächen verteilen, auch über
solche, die mechanisch flexibel sind. Das eröffnet auch die Aussicht auf vergleichsweise
billige Produktion von selbst großflächigen Funktionseinheiten oder Bildschirmen. Die
Anzahl verschiedener organischer Moleküle ist praktisch unbegrenzt.
Seit einigen Jahren wird die Phantasie der Molekül- und Festkörperphysiker durch eine
neue Idee oder ein neues Schlagwort zu neuen Überlegungen angeregt: Molekulare
Elektronik. Was ist das? Molekulare Elektronik ist die gemeinsame Überschrift für
Bemühungen oder Spekulationen, unsere auf Silizium und verwandten anorganischen
Halbleiter-Materialien beruhende moderne Elektronik, speziell die Mikroelektronik, in
einer vielleicht nicht zu fernen Zukunft durch eine Elektronik zu erweitern, die mit
Molekülen und molekularen Funktionseinheiten unter Ausnutzung der spezifischen Ei-
genschaften molekularer Substanzen arbeitet. Faszinierend an solchen Ideen ist die
Aussicht auf eine weitere Miniaturisierung gegenüber dem Silizium, auf die große
Vielfalt der Moleküle, d. h. die mögliche ungeheuer große Variabilität, wie sie die orga-
nische Chemie bietet, und vielleicht auf die leichte Zugänglichkeit und Herstellbarkeit
solcher Materialien.
Wenn man daran denkt, elektronische Bauteile aus Molekülen aufzubauen, dann
braucht man
Wenn man Moleküle als mit Licht betriebene Schalter benutzen will, dann braucht
man also ein Molekül A, das durch Licht der Wellenlänge λA in eine Konfiguration B
umgewandelt wird (Abb. 22.1), und der Prozeß soll durch Licht der Wellenlänge λB
reversibel sein. Ein solches Verhalten heißt Photochromie. Man braucht dazu bistabile
Moleküle. Die Konfigurationen A und B müssen ohne das entsprechende Licht stabil
sein, der Prozeß muß schnell sein, und er muß ohne photochemischen Abbau der Mo-
leküle vielfach wiederholbar sein.
Ein Beispiel hierfür sind die Fulgide, bei denen die Photochromie auf einer Valenz-
isomerisierung beruht: Eine π-Bindung wird unter Ringschluß in eine σ-Bindung um-
gewandelt (Abb. 22.2). Solche Moleküle sind als Schalter beispielsweise deshalb in-
teressant, weil man bei ihnen nur in einem der beiden Schaltzustände, nämlich in der
geschlossenen „C“-Konfiguration, eine Kette konjugierter Doppelbindungen durch das
Molekül senkrecht zu seiner Längsachse hindurchführen kann. Dies kann dann das phy-
sikalische Verhalten von Substituenten beeinflussen, die an beiden Enden des Fulgid-
Moleküls angebunden sein können. Durch Substitution mit unterschiedlichen Seiten-
gruppen kann man die spektrale Lage der Fulgid-Absorption, die Stabilität des Moleküls
und seine Anbindbarkeit an andere Systeme in weiten Grenzen variieren. Abb. 22.2. Moleküle als Schal-
ter: Das Molekül Thiophenfulgid
ist photochrom und läßt sich
durch Licht zwischen den bei-
den gezeigten Valenz-isomeren
Konfigurationen reversibel hin-
und herschalten. Die Einzelstri-
che an den Molekülen bedeuten
CH3 -Gruppen, die aus Platz-
gründen nicht eingezeichnet
wurden
Wie ein solches Verfärben und Ausbleichen spektral aussieht, zeigt die in Abb. 22.3
dargestellte Messung am Thiophenfulgid. Man erkennt beim Verfärben mit UV-Licht
eine Abnahme der UV-Absorption und, wegen des Ringschlusses und der verlänger-
ten Kette konjugierter Doppelbindungen, ein Auftauchen einer neuen Absorption im
Sichtbaren bei etwa 600 nm. Die vorher fast farblose Substanz wird dadurch farbig.
Das Ausbleichen, d. h. das Bestrahlen mit Licht dieser Wellenlänge, stellt den alten Zu-
stand wieder her. Der Prozeß kann viele Male wiederholt werden. Die Quantenausbeute
liegt bei etwa 20% bei Raumtemperatur. Sie wird für die Verfärbungsreaktion nur we-
nig kleiner wenn man zu tiefen Temperaturen übergeht. Der Ausbleichprozeß bedeu-
tet Ringöffnung und Übergang des Moleküls in einen nicht-planaren Zustand. Wegen
des geänderten Raumbedarfes ist er allerdings thermisch aktiviert. Die Quantenausbeute
hierfür sinkt deshalb mit sinkender Temperatur, und wird bei tiefer Temperatur sehr
klein.
476 22. Molekulare Elektronik und andere Anwendungen
Die reversible Photochromie bleibt auch erhalten, wenn die Fulgid-Moleküle sich in
einer festen Matrix, z. B. Plexiglas PMMA, gelöst befinden. Auch amorphe Schichten
sind reversibel schaltbar. Im geordneten Kristall ist die reversible Photochromie jedoch,
offenbar wegen der sterischen Probleme bei dem Isomerisierungs-Prozeß, jedenfalls bei
den Fulgiden, auf Oberflächenbereiche beschränkt.
Die Geschwindigkeit für den Einzelschritt liegt im Picosekunden-Bereich [6]. Ful-
gide erscheinen also als Lichtschalt-Moleküle gut geeignet.
Einen so realisierten molekularen Licht-betriebenen Schalter, mit dem man den
gerichteten Transport von Anregungsenergie zwischen einem „Donator“ D und ei-
nem „Akzeptor“ A reversibel unterbrechen kann, zeigt Abb. 22.4. Dabei kann in der
E-Konfiguration eine optische Anregung von D auf A übertragen werden, da der nie-
derste Anregungszustand S1 des E-Isomers zwischen denjenigen von D und A liegt. In
der Konfiguration C wirkt das Fulgidmolekül dagegen als Falle für die Anregungsener-
gie, weil sein Zustand S1 jetzt der tiefste Anregungszustand des gesamten Systems ist.
Das Ein- und Ausschalten der Energieübertragung zwischen D und A wird durch das
Auftreten bzw. das Verschwinden der Akzeptor-Fluoreszenz, nach Donator-Anregung,
gemessen. Die Energieübertragung erfolgt sehr schnell. Es wurde hierfür ca. 1 ps ge-
messen [7].
Eine andere Gruppe photochromer Moleküle, die sich als molekulare Schalter eig-
nen, sind die Diaryl-Ethene, Dithienyl-Ethene und ähnliche Moleküle, bei denen der
photochrome Prozeß ebenfalls eine Isomerisierung mit Öffnen und Schließen eines
Ringes bedeutet (Abb. 22.5). Auch hier schaltet Licht geeigneter Wellenlänge eine
Ringschluß-Reaktion zwischen zwei Isomeren, bei denen die Heterozyklen entweder
22.2 Moleküle als Schalter 477
chen Molekülen dadurch, daß sie auch Absorptionsbanden ohne photochrome Reaktion
besitzen. Im übrigen ist dies jedoch im allgemeinen anhand charakteristischer Mole-
külschwingungen mit der Infrarotspektroskopie möglich.
Es gibt zahlreiche Systeme und Phänomene, die mit photochromen Molekülen mo-
duliert werden können. Wenn man etwa ein geeignetes Molekül aus der Gruppe der Dia-
rylethene in eine längere Polyenkette einbaut, dann kann man alle Eigenschaften modu-
lieren, d. h. aus- und einschalten, die auf einer durch die Polyenkette vermittelten Wech-
selwirkung zwischen Donator- und Akzeptorgruppen an den Kettenenden beruhen [9].
Eine solche Eigenschaft ist z. B. ein durch Licht oder durch elektrochemisches Schalten
induzierter Elektronenfluß entlang der als „molekularer Draht“ dienenden Polyenkette.
Einen anderen Lichtschalter, bei dem der Elektronenfluß durch das Molekül hindurch
kontrolliert werden kann, zeigt das Diarylethen in Abb. 22.6. Die beiden Pyridinium-
Ringe am linken und am rechten Ende des Moleküls sind in der Offen-Ring-Form
voneinander isoliert, und es gibt keine nennenswerte Wechselwirkung zwischen ih-
nen. Wenn jedoch durch einen Lichtpuls geeigneter Wellenlänge (UV) der zentrale
Ring geschlossen wird, verbindet das delokalisierte π-Elektronensystem beide Enden
des Moleküls. Das Maximum der optischen Absorption ändert sich dabei von 352 zu
662 nm. Nur in diesem „geschlossenen“ Zustand ist ein Elektronenfluß möglich.
Von besonderer Bedeutung können schließlich photochrome Moleküle bei biologi-
schen Prozessen werden. Ein Einbau photoisomerisierbarer Moleküle in Biomakromole-
küle ermöglicht es, deren Funktion wie Biokatalyse, Elektronentransfer oder spezifische
Substrat-Bindung ein- und ausschaltbar zu machen [12]. Darauf kann hier nicht näher
eingegangen werden. Es sei aber an die Wirkung der cis-trans-Reaktion des Retinals im
Bakteriorhodopsin und beim Sehprozeß erinnert (Abschn. 20.5).
Es gibt eine ganze Anzahl weiterer Moleküle, die man als mit Licht betriebe-
nen Schalter in supramolekulare Systeme einbauen kann. Die Schaltung von mo-
lekularen Systemen kann auch durch andere Eingriffe erfolgen, etwa durch elektri-
sche Felder. Man spricht dann von Elektrochromie. Dieses Gebiet ist sicher noch sehr
zukunftsträchtig.
Dies Beispiel zeigt deutlich, wie vorsichtig mit Begriffen wie „molekularer Draht“
umgegangen werden muß. Es ist gerade die Abweichung von der Eindimensionalität,
die hier wichtig ist. Für eine molekulare Elektronik bedeutet dies, daß man bei derar-
tigen molekularen Drähten die laterale Ausdehnung nicht zu klein machen darf. Man
braucht für eine Metall-ähnliche elektrische Leitfähigkeit also nicht nur einen Molekül-
Stapel, sondern mehrere, die untereinander verbunden sind. Man muß weiterhin aus der
Vielzahl der chemisch möglichen Substanzen die wenigen heraussuchen, bei denen die
strukturellen und durch sie bestimmt die elektronischen Eigenschaften zu dem zu ent-
werfenden Konzept passen. Man kennt seit einigen Jahren eine ganze Anzahl von or-
ganischen Metallen, ja sogar von organischen Supraleitern. Eine reizvolle Aufgabe der
Molekülphysik und der Quantenchemie ist es, Bauprinzipien für Moleküle zu finden,
die solche Eigenschaften aufweisen.
Der Einfluß der Dimensionalität auf das Leitungsverhalten von „molekularen Lei-
tern“ läßt sich an den Cu-Salzen des DCNQI sehr schön im einzelnen verfolgen.
Der Peierls-Übergang tritt bei tieferen Temperaturen bei den meisten DCNQI-
Kristallen auf. Dabei wird die äquidistante Anordnung der DCNQI-Moleküle in den
Stapeln durch eine Dimerisierung (oder auch Trimerisierung) aufgehoben, so daß jeweils
zwei Moleküle als Paar von den benachbarten Paaren durch etwas größere Abstände
getrennt sind. Diese Strukturänderung macht aus dem metallisch leitenden Kristall
einen Isolator (oder einen Halbleiter mit größerer Bandlücke), der Widerstand ändert
sich bei einer kritischen Temperatur um viele Größenordnungen, und zwar reversi-
bel. Dabei kann eine Hysterese auftreten. Ein Beispiel zeigt Abb. 22.9. Ein solcher
Peierls-Übergang kann nur bei eindimensionalen Leitern auftreten.
Wenn bei einem Cu-Salz des DCNQI ein Peierls-Übergang auftritt, bedeutet
dies, daß die zentralen Cu-Atome nicht mehr für eine hinreichende Interstapel-
Wechselwirkung über die CN-Gruppen und damit für eine Mehr-Dimensionalität sorgen
482 22. Molekulare Elektronik und andere Anwendungen
können. Dieser Fall kann bei Temperatur-Erniedrigung und der dabei stattfindenden
geringfügigen Verzerrung der Kristallstruktur eintreten [13]. Für eine hinreichende
Interstapel-Wechselwirkung ist eine sehr subtile geometrische und energetische Über-
lappung der Orbitale des Cu-Ions und der CN-Gruppen nötig. Diese kann bei Tempera-
turerniedrigung reduziert werden. Übrigens kann sie bei noch tieferer Temperatur unter
Umständen wieder auftreten, sogenanntes reentry-Verhalten, weil diese Überlappungen
sich bei weiter abnehmender Temperatur mit der Kontraktion des Kristalls weiter ändern
können. Ein Beispiel hierfür zeigt Abb. 22.9. Ein sehr guter Überblick über Strukturen
und Eigenschaften von DCNQI-Salzen wird in [15] gegeben.
Eine interessante Frage ist, ob die Änderung der molekularen Wellenfunktionen bei
optischer Anregung der Moleküle einen beobachtbaren Einfluß auf die kritische Über-
lappung der Molekülfunktionen mit den Cu-Orbitalen haben kann. Mit anderen Wor-
ten: Kann man einen Peierls-Übergang aufheben, indem man die Moleküle im Kri-
stall in einen optisch angeregten Zustand versetzt? Oder noch anders ausgedrückt: Kann
man den Peierls-Übergang durch Licht-Anregung ein- und ausschalten und damit den
Kristall zwischen einem metallisch leitenden und einem isolierenden Zustand hin- und
herschalten?
Um einen solchen inversen Peierls-Übergang nachzuweisen, muß man die elektri-
sche Leitfähigkeit des Kristalls im optisch angeregten Zustand messen. Der Anregungs-
zustand lebt nur kurz, wenige Nanosekunden. In diesem Zeitraum muß man eine Än-
derung der Leitfähigkeit messen können.
Das geschieht mit der in Abb. 22.10 skizzierten Methode der Optisch Induzierten
Transienten Elektrischen Leitfähigkeit (OITEL). Ein Meßbeispiel zeigt Abb. 22.11. Nach
Anregung mit einem kurzen Lichtpuls im Temperatur-Bereich des Phasenüberganges er-
hält man eine Änderung der Leitfähigkeit vom isolierenden in den hochleitfähigen Be-
22.3 Molekulare elektrische Leiter 483
reich. Diese geänderte hohe Leitfähigkeit bleibt für einen Zeitraum von vielen Nano-
sekunden bestehen. Das ist die Zeit, in der Kristall wieder in den Zustand relaxiert, in
dem er sich ohne Lichtanregung befand.
Natürlich muß man sich experimentell versichern, daß es sich nicht nur um einen
rein thermischen Effekt, d. h. um eine Erwärmung des Kristalls durch den Lichtpuls han-
delt. Man muß weiter den (sehr viel kürzer lebenden und sehr viel kleineren) Effekt ei-
ner normalen Photoleitung abtrennen, bei dem neue Ladungsträger im Kristall erzeugt
werden. Deshalb zeigt Abb. 22.11 auch zum Vergleich die transiente Leitfähigkeit bei
Spannung. Bei einem Elektrodenabstand von 11,4 Å errechnet man hier einen Wider-
stand von 5,5 MΩ. Dieser hohe Widerstand entspricht jedoch immer noch einer Anzahl
von ca. 1011 Elektronen, die pro Sekunde über das Molekül fließen. Eine noch größere
Anzahl, nämlich 1012 Elektronen fließen pro Sekunde durch das Benzol-Dithiolat Mo-
lekül im Bruchkontakt (siehe Abschn. 21.5).
Der Leitungsmechanismus durch ein einzelnes Molekül kann, wie vorne (Ab-
schn. 21.5.1) bereits erläutert, sehr verschiedene Ursachen haben. Man spricht deshalb
auch allgemein von der „elektronischen Transparenz“ des Moleküls. Wenn diese Durch-
lässigkeit auf einem Elektronen-Austausch über die Orbitale im Molekül beruht, dann
nimmt die Transparenz mit der Länge des Moleküls exponentiell ab. Wie stark diese
Abnahme ist, hängt von der Energielücke zwischen dem LUMO und dem HOMO der
Moleküle ab. Darüber hinaus ist die elektronische Wechselwirkung zwischen Mole-
kül und Elektrode wichtig. Es wurde abgeschätzt, daß durch ein 10 nm langes Polyen,
also C90 H92 , ein Stromfluß von 100 pA bei einer Spannung von 100 mV möglich sein
sollte. Das würde einem Widerstand von 1010 Ω entsprechen. Messungen an ähnlichen
Molekülen stützen diese Abschätzung (vgl. [2] sowie [17] in Kap. 21).
Man kann einen Elektronenfluß durch molekulare Drähte auch chemisch nachwei-
sen. Dies gelang beispielsweise mit der in Abb. 22.13 gezeigten Anordnung. Hier dienen
Carioviologene als Draht. Das sind langkettige Moleküle vom Carotin-Typ, die an den
Enden substituiert sind mit einer Pyridinium-Gruppe, die Elektronen aufnehmen oder
abgeben kann. Diese Carioviologen-Moleküle werden in die Membranen eines Vesikels
aus Phospholipid-Molekülen eingelagert. Der Nachweis eines Elektronentransfers zwi-
schen einer äußeren reduzierenden und einer inneren oxidierenden Phase durch das ein-
gelagerte Carioviologen wurde durch die Beobachtung einer Reduktion von internem
Hexacyanoferrat (III) zu Hexacyanoferrat (II) nachgewiesen. Die Carioviologene sind
also funktionierende molekulare Drähte in einem supermolekularen System.
Ein weiteres interessantes und weites Gebiet der Forschung ist die Licht-induzierte
Ladungstrennung in Molekülen und Molekülketten. Wenn durch Lichtabsorption an ei-
nem Ende der molekularen Einheit, dem Donor D, ein Elektron freigesetzt wird, dann
kann dieses durch den als Brücke dienenden molekularen Draht zum anderen Ende des
Moleküls gelangen, wenn dieses ein Elektron aufnehmen, also als Akzeptor A wirken
kann, Abb. 22.14. Man erreicht einen Ladungs-getrennten Zustand, d. h. das Molekül
trägt an einem Ende ein ungepaartes Elektron, am anderen Ende das zugehörige Loch.
Das Supermolekül D-Draht-A besitzt während der Lebensdauer der Ladungstrennung
ein großes Dipolmoment. Die Messung dieses Dipolmoments kann zum Nachweis der
Ladungstrennung dienen.
Eine andere Möglichkeit zur Messung der Ladungstrennung ist die Messung der tran-
sienten Absorption des ionisierten Donators D+ oder des Elektronen-aufnehmenden Ak-
zeptors A− . Nach einem sehr kurzen Lichtpuls zur Bildung von D+ mißt man mit ei-
nem Weißlichtpuls, der meßbar geringfügig gegenüber dem ersten Lichtpuls verzögert
ist, die Absorption von D+ und möglichst auch von A− . Wegen der kurzen Lebensdauer
dieser Zustände ist dazu allerdings eine sehr hohe Zeitauflösung nötig. – Solche Mes-
sungen wurden an Molekülen in Lösung durchgeführt. Für eine molekulare Elektronik
besonders interessant wird diese Ladungstrennung, wenn die Moleküle als Langmuir-
Blodgett-Schicht einheitlich orientiert auf einem Substrat angeordnet sind. Auch dies
konnte im Experiment bereits realisiert werden [17].
– Der gerichtete Energietransport kann in diesen Molekülen wohl mit dem Förster-
Mechanismus (vgl. Abschn. 20.4) verstanden werden. Es bleibt aber eine interes-
sante Frage, ob hier auch elektronische Zustände zum Energietransport beitragen, die
dem gesamten Supermolekül angehören und deshalb durch innere Umwandlung (Ab-
schn. 15.2) vom Absorber über die Brücke zum Emitter zur Bevölkerung des tiefsten
S1 -Zustandes im Gesamtmolekül führen (siehe Abb. 22.19, vgl. auch [18]).
Damit sind diese Moleküle wie Polyene oder Polythiophene interessante Kandidaten
oder wenigstens Modelle für ein weiteres Studium von Molekülen und Funktionseinhei-
ten, die für Zwecke der molekularen Elektronik wichtig sein können. Insbesondere kann
man beispielsweise daran denken, daß man durch Einbau von molekularen Schaltern in
die Ketten den Energietransport beeinflussen kann [17]. Man kann auch daran denken,
die Polyen-Ketten in monomolekulare Schichten oder in Membranen einzubauen und sie
für einen Transport von elektronischer Anregungsenergie durch die Schicht oder Mem-
bran hindurch zu verwenden.
Ein sehr schönes Beispiel für gerichteten Energietransport zeigt Abb. 22.20 [21].
Hier sind 4 Anthracengruppen über Thiophen-Moleküle mit einem zentralen Porphyrin
verbunden. Das von den 4 Anthracenen absorbierte Licht gelangt zu dem als Lichtsamm-
ler dienenden zentralen Porphyrin und regt dieses zur Lichtemission an. Beim quantitati-
ven Vergleich der Anregungsspektren von Anthryl-Thiophen-Porphyrin-Supermolekülen
mit 1, 2, 3 und 4 Anthryl-Thiopen-Ketten (Abb. 22.21) wird deutlich, daß die An-
regungswahrscheinlichkeit der Porphyrin-Emission proportional mit der Anzahl ab-
sorbierender Anthryl-Gruppen zunimmt, wie man dies beim Energietransfer-Modell
erwartet.
Die Anthryl-Gruppen wirken gewissermaßen als Antennen zur Anregung der
Porphyrin-Gruppe im Molekül. Das spektakulärste Beispiel für eine Antennen-Funktion
von Molekülen mit gerichtetem Energietransport zum Reaktionszentrum stellen die An-
tennenkomplexe der pflanzlichen oder bakteriellen Photosynthese dar (Abb. 22.22). Bei
ihnen wird das von zahlreichen Chlorophyll-Molekülen absorbierte Licht mit hoher
Effizienz zum zentralen Ort geleitet, an dem dann mit der primären Ladungstrennung
Abb. 22.22. Schema der zur die Photosynthese beginnt (siehe dazu Abschn. 20.7).
Lichtsammlung dienenden An-
tennenkomplexe im Reaktions-
zentrum der bakteriellen Pho-
tosynthese. Man sieht hier
die molekulare Anordnung im
Antennen-Protein LH2 der Pur-
purbakterie R. acidophila. Man
sieht links den Ring der bei
800 nm absorbierenden Bakteri-
ochlorophyll α-Moleküle, rechts
die Lage der bei 850 nm ab-
sorbierenden BChl α-Moleküle
zwischen den Protein-Helices,
die das Grundgerüst für die
Licht-sammelnden Moleküle
aufbauen. W. Kühlbrandt:
Nature 374, 497 (1995) und
G. McDermott et al.: Nature
374, 517 (1995)
22.6 Molekulare elektronische Funktionseinheiten 491
Übrigens wurde der gerichtete Transport von Anregungsenergie von einem Donator-
oder Sensibilisator-Molekül über eine in der Länge variierbare Brücke aus Fettsäuren-
molekülen zu einem Akzeptor-Molekül bereits 1971 von Kuhn und Möbius [22] (vgl.
Abb. 22.23) untersucht. Die Moleküle waren in Langmuir-Blodgett-Schichten orien-
tiert, der Nachweis der Energieübertragung (nach Förster) erfolgte über die Akzeptor-
Fluoreszenz. Die Richtung der Energieleitung wird hierbei durch die geometrische
Anordnung der Moleküle bestimmt. Die Fettsäure-Moleküle dienen nur der Fixierung
von A und D zueinander und relativ zur Unterlage.
dünne Schichten und daß man untersucht, ob die entstandene Einheit die gewünschten
Eigenschaften besitzt. Schließlich geht es darum, mit dem dritten Schritt die erhaltene
Grund-Einheit (basic unit) mit anderen Komponenten eines elektronischen Systems zu
verbinden, um die Ansprechbarkeit durch andere Moleküle oder durch ein äußeres phy-
sikalisches Signal zu ermöglichen.
Ein altes und wichtiges Ziel der molekularen Elektronik ist die Realisierung eines
unimolekularen molekularen Gleichrichters. Darunter versteht man ein Molekül, durch
das ein elektrischer Strom sehr asymmetrisch fließt – bei dem also die elektrische Leit-
fähigkeit etwa von der linken Seite zur rechten Seite erheblich größer ist als in umge-
kehrter Richtung.
Eine derartige molekulare Funktionseinheit ist schematisch in Abb. 22.24 gezeigt.
Sie enthält an einem Ende ein Molekülteil A, das als Elektronen-Akzeptor dient – bei-
spielsweise ein Molekül mit CN-Gruppen als Substituenten. Auf der anderen Seite be-
findet sich ein Molekülteil D mit Donator-Eigenschaften, das also Elektronen leicht
abgibt. Das kann z. B. eine Amino-Gruppe sein. Der mittlere Teil, die Brücke zwi-
schen A und D, ist isolierend. Diese kann jedoch wegen ihrer geringen Ausdehnung
Abb. 22.24. Strukturformel ei- von den auf den beiden Enden befindlichen Ladungsträgern durchtunnelt werden. Da
ner molekularen Funktionsein- die A-Einheit die Tendenz hat, Elektronen aufzunehmen, wird ein auf die D-Einheit
heit, die als „Molekularer aufgebrachtes oder von ihr freigesetztes Elektron die Tendenz haben, von D nach A
Gleichrichter“ wirken soll. A ist zu gelangen. Im Endeffekt wird die gesamte Funktionseinheit einen polaren Charakter
eine Elektronen-Akzeptor-Grup-
pe, D eine Donator-Gruppe.
haben.
Siehe dazu auch D. Haarer. In- Man hat seit dem Beginn der Beschäftigung mit molekularer Elektronik versucht,
formationstechnik 34, 4 (1992) diese vergleichsweise einfache Idee in die Praxis umzusetzen und damit molekulare
Gleichrichter herzustellen. Als schwierig zu überwindende Hindernisse bei der Reali-
sierung dieses Gedankens erwiesen sich insbesondere die Anbindung des Moleküls an
eine Metall- oder Halbleiter-Grenzfläche als Elektrode, aber auch die irreversible Än-
derung von Molekülteilen durch Oxidation oder Reduktion, d. h. durch Aufnahme oder
Abgabe eines Elektrons.
Erfolgreich war man nach vielen Bemühungen offenbar mit dem Molekül HDQ-
3CNQ (Hexadecyl-Chinolinium-Tricianochinondimethanid) [23] (Abb. 22.25). Sche-
matisch kann man es mit T-D+ -π-A− beschreiben. Dabei ist D+ Chinolinium, der
Elektronen-Donator, π eine pi-Elektronenbrücke und A− Tricyanochinondimethanid,
der Elektronen-Akzeptor. T steht für die Hexadecyl-Gruppe. Sie ist an das eigentliche
Gleichrichtermolekül angehängt, damit man mit Hilfe der Langmuir-Blodgett-Technik
monomolekulare Filme herstellen kann, in denen die Moleküle einheitlich orientiert
sind.
ern, das als Spannung an einer dritten Elektrode (Gatter oder gate) angelegt wird. Die
gate-Elektrode ist vom Halbleiter isoliert, sie wirkt durch den Feld-Effekt und regelt
den Elektronenstrom im leitenden Kanal des Transistors. Der Transistor, besonders der
Dünnfilm-Feld-Effekt Transistor (TFT), ist das wichtigste Bauelement in der Mikro- und
Nanoelektronik. Von organischen Feldeffekt-Transistoren (OFET) spricht man, wenn zu-
mindest die aktive Halbleiterschicht aus organischem Material besteht.
Die Funktion des Transistors ist ein interessantes Problem der Festkörperphysik, und
es soll hier nicht näher darauf eingegangen werden. Dazu müßten wir uns auch mehr
mit den Eigenschaften organischer Moleküle im festen Zustand, besonders ihrer Leit-
fähigkeit, auseinandersetzen. Hier sei nur erwähnt, daß organische Transistoren insbe-
sondere auf der Basis von Oligothiophen-Molekülen bereits hergestellt werden konnten,
und die Aussichten für eine praktische Anwendung sind gut. Man kann als Elektroden
auch leitfähige Polymere verwenden und damit vollorganische Transistoren herstellen,
die biegsam, robust und klein (einige µm) sind [24]. Allerdings sind sie im Vergleich
zu Transistoren aus anorganischen Halbleitern langsam, besonders wegen der kleineren
Ladungsträger-Beweglichkeit in den organischen Schichten. Auch über Einzelmolekül-
Transistoren (mit einem zentralen Co-Atom) wurde berichtet: J. Park et al., Nature 417,
722 (2002). Die aktuelle Forschung betrifft das Auffinden weiterer geeigneter organi-
scher Materialien sowie die Präparationstechnik zur Herstellung möglichst guter und de-
finierter dünner Schichten aus diesen Materialien. Mehr dazu siehe in [3].
Es gibt zahlreiche weitere mögliche Anwendungsgebiete, bei denen die physikali-
schen und besonders die photophysikalischen Eigenschaften organischer Moleküle in-
teressant erscheinen. Hier soll insbesondere auf die auf Elektrolumineszenz beruhenden
Leuchtdioden verwiesen werden. Auf diese wird in Abschn. 22.9 näher eingegangen.
22.7 Nanoröhrchen
Bei der Herstellung und Untersuchung von Fullerenen (vgl. Abschn. 4.5 und 15.4)
wurde eine weitere interessante Phase des Kohlenstoffes entdeckt, zylindrische Fulle-
rene oder Nanoröhrchen. Man kann sie als aufgerollte Graphitebenen verstehen, die als
konzentrische Zylinder ineinander gestellt sind. Ein bis zehn oder mehr dieser Zylinder
bilden ein Röhrchen. Die Außendurchmesser der Röhrchen liegen zwischen 1,5 und
40 nm. Sie können mehrere Mikrometer lang werden [25, 26].
Es gelingt auch, gezielt einwandige Röhrchen herzustellen. Ihre Struktur ist diejenige
von aufgerollten Graphitebenen, die mit fullerenartig abgerundeten Kohlenstoffnetzen
22.7 Nanoröhrchen 495
an den Enden verschlossen sind (Abb. 22.29). Man kann Graphitebenen unter verschie-
denem Winkel zu einem Zylinder aufrollen. Dementsprechend kann man auch mit dem
Raster-Kraftmikroskop die beiden in Abb. 22.29 gezeigten Strukturen unterscheiden, die
Sessel- und die Zickzack-Struktur.
Bei einem Durchmesser von beispielsweise 1,4 nm kann die Länge bis zu einigen
µm betragen. Bei der Herstellung sind die Röhrchen im allgemeinen in Bündeln oder
weniger geordnet wie Spaghetti zusammengelagert. Mit den modernen Methoden der
Nanomanipulation gelingt es jedoch, einzelne einwandige Röhrchen herauszupräparie-
ren. Diese sind besonders wegen ihrer elektrischen Eigenschaften hochinteressant: Es
sind lange molekulare Drähte, wenn man ein Röhrchen als ein Makromolekül betrach-
tet [27].
Die beiden Konfigurationen unterscheiden sich stark in ihrer Leitfähigkeit: Nanoröhr-
chen in der Sessel-Konfiguration sind metallische Leiter, die Zickzack-Konfiguration er-
weist sich als halbleitend. Man kann also alleine durch Ändern des Aufrollwinkels Me-
talle oder Halbleiter aus demselben Material herstellen.
Diese eindimensionalen Leiter erleiden wegen der rigiden Struktur auch bei Abküh-
lung keinen Peierls-Übergang. Wie bei den kleinen Strukturen zu erwarten, sind die
zur Leitung längs der Achse beitragenden elektronischen Zustände im Röhrchen quanti-
siert. Man erhält deshalb (siehe Abb. 22.30), diskrete Stufen in Strom-Spannungskurven.
Sie beruhen darauf, daß die Anzahl diskreter elektronischer Zustände für den Ladungs-
transport bei Erhöhung der Spannung zunimmt. Mit diesem resonanten Tunneln durch
diskrete Elektronenzustände kann man die diskreten elektronischen Zustände im Röhr-
chen ausmessen. Es ergeben sich in guter Näherung die Zustände eines Kastenpotentials
mit der Fermi-Wellenlänge der Elektronen (z. B. λF = 0,35 nm) und Energiestufen von
0,06 eV.
496 22. Molekulare Elektronik und andere Anwendungen
Abbildung 22.31 zeigt eine Meßanordnung für die Leitfähigkeit von Nanoröhr-
chen. Die photolithographisch hergestellten Pt-Elektroden haben hier einen Abstand
von 140 nm. Mit einer Gatter-Spannung VG an einer dritten Elektrode ohne Kontakt
zum Nanoröhrchen kann man das elektrostatische Potential des Röhrchens relativ zum
Fermi-Niveau der Pt-Elektroden verschieben und damit die resonanten Zustände für
Elektronen im Röhrchen ausmessen. Resonantes Tunneln erfolgt dann, wenn die dis-
kreten Zustände der Elektronen im Kastenpotential des Röhrchens isoenergetisch mit
der Fermi-Energie der Elektroden sind. Mit Nanoröhrchen kann man auch einen Einzel-
Elektronen Feld-Effekt Transistor realisieren [28].
Nanoröhrchen erweisen sich also als molekulare Drähte mit faszinierenden elektro-
nischen Eigenschaften, auch für eine Molekulare Elektronik.
tion von Elektronen und Löchern in das elektrolumineszierende Material führen. Die
Rekombination dieser Ladungsträger erzeugt angeregte Zustände im Material, die unter
Lichtaussendung wieder in ihren Grundzustand zurückkehren.
Als Leuchtdioden (LED) kommt elektrolumineszierenden Anordnungen große prak-
tische Bedeutung zu. Insbesondere in der integrierten Optoelektronik sind sie das wich-
tigste Bauelement zur Umwandlung von elektrischen in optische Signale.
Auch organische Moleküle und Polymere lassen sich hierfür verwenden. Man spricht
dann von OLEDs, Organischen Licht-emittierenden Dioden. Wenn man an praktische
Anwendungen denkt, ist die Langzeit-Stabilität solcher Anordnungen entscheidend
wichtig. Hier erscheint das Polymer Polyparaphenylen (PPV) als ein interessanter Kan-
didat, wie zuerst in der Arbeitsgruppe von R.H. Friend gezeigt wurde (Abb. 22.35).
Abbildung 22.35 zeigt eine Anordnung, mit der diese Elektrolumineszenz beobachtet
und untersucht werden kann. Die lichtemittierende PPV-Schicht befindet sich zwischen
einer Elektrode, die Elektronen injiziert – hier Calcium – und einer Löcher-injizierenden
Elektrode – hier eine dünne, lichtdurchlässige Schicht von Indium-Zinn-Oxid (ITO) auf
Glas. In der Halbleitertechnik kennt man solche Anordnungen als Schottky-Kontakte.
Ein elektrischer Strom durch einen solchen Kontakt, also von der metallisierten Glas-
fläche zur Deckschicht aus Calcium (oder Aluminium), regt das PPV zur Emission von
Licht an. Die injizierten Löcher und Elektronen gehen als Excitonen eine schwache Bin-
dung ein und zerfallen unter Ausstrahlung von Licht. Dieses wird durch den Glasträger
nach unten abgestrahlt. Hierzu genügt eine Spannung von wenigen Volt.
Um hohe Lichtausbeuten und gute Stabilität zu erzielen, sind an der einfachen
Prinzip-Anordnung von Abb. 22.35 zahlreiche Verbesserungen vorgenommen worden,
über die zu berichten hier zu weit führen würde. Alternativ zu dem Polymer werden
auch andere kleine organische Moleküle in einer geeigneten Matrix mit Erfolg zur
Herstellung von Leuchtdioden verwendet.
Polymere als aktive Materialien für Elektrolumineszenz sind deshalb so vielverspre-
chend, weil ihre Lumineszenzfarbe durch geringe Veränderung der chemischen Zusam-
mensetzung in weiten Grenzen variierbar ist und weil sich diese Materialien auch groß-
flächig herstellen und verwenden lassen. Es gibt bereits kommerzielle Anwendungen
von OLEDs, und es ist absehbar, daß solche Anwendungen in naher Zukunft rasch
zunehmen werden. – Hier öffnet sich ein interessantes Anwendungsgebiet von mole-
kularen Systemen und Polymeren in vielen Gebieten der Technik, der Elektronik und
Abb. 22.35. Rechtes Teilbild:
der Nachrichtenübertragung. Mehr über Elektronenlumineszenz und OLEDs findet man Prinzip-Anordnung zur Erzeu-
in [3]. gung von Elektrolumineszenz.
Der zur Elektrolumineszenz inverse Prozeß heißt Photovoltaik. Hierbei wird Zwischen zwei Elektroden mit
das Halbleitermaterial, das sich zwischen zwei Elektroden mit unterschiedlicher unterschiedlicher Austrittsarbeit
für Elektronen bzw. Löcher
Ladungsträger-Affinität befindet, mit Licht geeigneter Wellenlänge optisch angeregt. (hier Ca bzw. ITO, d. h. mit
Bei geeigneter Wahl der Materialen zerfallen die primär erzeugten Excitonen in Elek- Indium-Zinnoxid beschichtetes
tronen und Löcher. Diese entstehen an oder wandern zu den jeweiligen Elektroden. Glas) befindet sich das Polymer
So wird eine Spannung erzeugt. Organische Photovoltaik-Anordnungen haben bisher PPV. Durch Rekombination der
nur relativ geringe Ausbeuten (maximal 3%) und recht begrenzte Lebensdauern. Eine injizierten Ladungsträger im
PPV entsteht Licht, das durch
das als Träger dienende Glas
austreten kann. Linkes Teilbild:
Einzelbaustein des Polymeren
PPV. Siehe dazu: R.H. Friend
et al.: Nature 347, 539 (1990)
und P.L. Burn et al.: Nature
356 (1992)
500 22. Molekulare Elektronik und andere Anwendungen
Aufgaben
22.1 Wenn man das Prinzip des photochemischen Lochbrennens auf einen optischen
Datenspeicher anwendet, kann man dessen Funktionalität um eine Dimension erweitern:
zu den beiden räumlichen Dimensionen kommt der Frequenzraum hinzu.
Im Absorptionsspektrum von Chinizarin in glasartiger Matrix (Ethanol/Methanol)
bei 1,3 K beträgt die inhomogene Linienbreite der 0,0-Bande 700 cm−1 (λmax ≈
515 nm). Mit einem extrem schmalbandigen Laser kann man darin Löcher von
0,55 cm−1 Breite brennen. Wie viele „optische Bits“ kann man also theoretisch in
die inhomogen verbreiterte Linie schreiben?
Die beugungsbegrenzte optische Informationsdichte liegt bei λ = 500 nm in der Grö-
ßenordnung von 108 bits/cm2 . Welchen Wert kann man durch Anwendung des spektra-
len Lochbrennens maximal erreichen? Wo sehen Sie die praktischen Probleme dieses
Verfahrens? Wie könnte man die optische Datenspeicherung auf eine vierte Dimension
ausweiten?
22.2 Unter Photochromie versteht man die Änderung des Absorptionsspektrums eines
bestimmten Moleküls unter Bestrahlung mit sichtbarem oder UV-Licht. Die Ursache für
dieses intramolekulare Phänomen ist eine photochemische Reaktion, bei der das Mole-
kül vom Zustand A in den Zustand B übergeführt wird.
a) Solche bistabilen Moleküle können als optische Datenspeichermedien verwendet
werden. Das Schreiben der Daten geschieht durch die Photoreaktion A → B, das Lesen
durch die Rückreaktion B → A. Formulieren Sie Kriterien, die die Substanzen, die für
solche Datenspeicher in Frage kommen, erfüllen müssen.
Aufgaben 501
Wir erinnern zunächst kurz an die aus der Theorie der linearen Gleichungen bekannte
Definition einer Determinante, die zu der Matrix
A = (a jk ) (A1.1)
gehört. Die Indizes j und k durchlaufen dabei die Zahlen 1, 2, . . . , N. Diese Determi-
nante bezeichnen wir mit Det A und stellen sie in der üblichen Form dar:
a11 a12 · · · a1N
a21 a22 · · · a2N
Det A = . .
(A1.2)
..
a
N1 · · · · · · a NN
Wir befassen uns als erstes mit der Berechnung einer solchen Determinante. Dazu be-
trachten wir eine Permutation, die aus dem N-Tupel
(1, 2, . . . , N) (A1.3)
hervorgeht und bezeichnen diese mit
(k1 , k2 , . . . , k N ) . (A1.4)
Insgesamt gibt es N! = 1 · 2 · 3 · . . . · (N − 1)N solcher Permutationen. Ist N = 5, so
gibt es also 5! = 1 · 2 · 3 · 4 · 5 = 120 Permutationen der Zahlen (1, 2, 3, 4, 5). Einige
Beispiele sind in (A1.5) angegeben:
⎫
(1, 2, 3, 4, 5)⎪⎬
(2, 1, 3, 4, 5) . (A1.5)
⎪
⎭
(1, 2, 5, 4, 3)
Die Determinante (A1.2) besteht nun aus einer Summe von Produkten der Form
a1k1 a2k2 . . . a Nk N . (A1.6)
Je nachdem, ob die Anzahl der Schritte, die von (A1.3) nach (A1.4) führen, gerade oder
ungerade ist, spricht man von einer geraden oder ungeraden Permutation. Diese Zahl
504 22. Molekulare Elektronik und andere Anwendungen
der Schritte bezeichnen wir mit P. In der Determinantenberechnung sind die einzelnen
Produkte (A1.6) mit dem Faktor
(−1) P (A1.7)
zu multiplizieren, also mit (+1), falls P gerade, und mit (−1), falls P ungerade ist. So-
dann ist über alle Permutationen (A1.4), einschließlich der ursprünglichen Form (A1.3),
aufzusummieren. Wir erhalten damit als Vorschrift zur Berechnung der Determinante
Det A = (−1) P a1k1 a2k2 . . . a Nk N . (A1.8)
P(k)
P(k) unter dem Summenzeichen heißt, daß über alle Permutationen von k aufzusum-
mieren ist.
Den Normierungsfaktor wollen wir erst später noch berücksichtigen. Es geht uns nun
darum, Erwartungswerte der Wellenfunktion bezüglich eines Operators Ω auszurechnen.
+ ,
∗
Det(χ )Ω Det(χ) dV1 . . . dVN , (A1.11)
wobei die eckigen Klammern die Erwartungswerte bezüglich der Spinvariablen ange-
ben. Ω werden wir im folgenden näher spezifizieren. Wir setzen als erstes
1) Ω = 1 (A1.12)
ein. Durch die Berechnung von (A1.11) mit Ω = 1 erhalten wir den Normierungsfaktor.
Setzen wir die Determinante für Ψ und für Ψ ∗ in (A1.11) mit (A1.12) ein und multipli-
zieren die in (A1.10) stehenden Summen aus, so müssen wir zunächst Ausdrücke der
Form
A1 Die Berechnung von Erwartungswerten für Wellenfunktionen 505
+ , + , + ,
χk∗
(1)χk1 (1) dV1 χk∗
(2)χk2 (2) dV2 ... χk∗
(N)χk N (N) dVN (A1.13)
1 2 N
berechnen. Dabei haben wir das Integral über die Koordinationen aller Elektronen in ein
Produkt von Integralen über die Koordinaten der einzelnen Elektronen aufgespalten. Die
von der linken Determinante in (A1.11) stammenden Quantenzahlen haben wir mit ei-
nem Strich versehen. Da die Wellenfunktionen der einzelnen Elektronen aufeinander or-
thogonal und normiert sind, geben nur solche Ausdrücke in (A1.13) einen nichtversch
windenden Beitrag, und zwar den Beitrag = 1, bei denen die Quantenzahlen jeweils
übereinstimmen, d. h. wenn
k1
= k1 , k2
= k2 , . . . , k
N = k N (A1.14)
gilt. Da es aber N! Permutationen der Quantenzahlen k = 1, . . . , N gibt, erhalten wir
sofort das Resultat
+ ,
∗
Det χ Det χ dV1 . . . dVN = N! . (A1.15)
Wir wenden uns nun dem Fall zu, wo der Operator Ω sich nur auf ein einzelnes Elek-
tron, und zwar mit dem Index j0 bezieht.
2) Ω = H( j0 ) . (A1.16)
j0 ist dabei eine Zahl aus dem Satz der Indizes j = 1, 2, . . . , N, die die Elektronen
numerieren. Führen wir die Abkürzung
+ ,
- .
χk
χk dV = k
k
∗
(A1.17)
ein, so läßt sich das dem früheren Ausdruck (A1.13) entsprechende Glied in der Form
-
.-
. -
. - .
k1 k1 k2 k2 . . . k j0 H( j0 )k j0 . . . k
N k N (A1.18)
schreiben. Wegen der Orthogonalität der Wellenfunktionen müssen hier für alle Quan-
tenzahlen mit Ausnahme derjenigen, die sich auf den Index j0 bezieht, die Relationen
k1
= k1 , k2
= k2 , . . . , j0 , . . . k
N = k N (A1.19)
gelten. Da aber die gestrichenen Quantenzahlen sich von den ungestrichenen Quanten-
zahlen nur durch eine Permutation unterscheiden, aber alle Quantenzahlen bis auf die
mit dem Index j0 übereinstimmen müssen, folgt automatisch, daß auch das letzte Paar
von Quantenzahlen noch übereinstimmen muß. Damit reduziert sich in dem Falle, wo
(A1.19) erfüllt ist, (A1.18) auf
+ ,
- .
k j0 H( j0 ) k j0 ≡ ∗
χ j0 H(r)χ j0 dV . (A1.20)
Halten wir den Index j0 fest, so gibt es noch (N −1)! Permutationen der Quantenzahlen.
Damit reduziert sich der Ausdruck (A1.11) mit (A1.16) auf
N
(A1.11) = (N − 1)! k|H( j0 )k . (A1.21)
k=1
506 22. Molekulare Elektronik und andere Anwendungen
Bei späteren Anwendungen ist Ω oft eine Summe aus den Beiträgen H( j0 ), wobei die
H( j) sich nur bezüglich der Elektronenkoordinate, nicht aber in der Form voneinander
unterscheiden:
N
H( j) = H . (A1.22)
j=1
Wir betrachten als nächsten Fall denjenigen, in dem der Operator Ω durch
3) Ω = H( j) (A1.23)
j
dargestellt ist. Da die Indizierung der Elektronenkoordinaten aber keinerlei Einfluß auf
den Wert des sich ergebenden Erwartungswertes hat, bedeutet die Ersetzung von H( j)
durch (A1.22), daß das Resultat (A1.21) lediglich mit der Zahl der Summanden in
(A1.22), d. h. N, zu multiplizieren ist. Wir erhalten damit als endgültiges Resultat
+ ,
∗
Det(χ )Ω Det(χ) dV1 . . . dVN = N! k|H|k . (A1.24)
k
Nehmen √ wir an, daß die Wellenfunktionen Ψ aus der von χ durch den Normierungs-
faktor 1/ N! hervorgeht, so erhalten wir als abschließendes Resultat
+ ,
Ψ ∗ ΩΨ dV1 . . . dVN = k|H|k . (A1.25)
k
Wir wenden uns nun der Berechnung von Erwartungswerten zu, wenn der Operator Ω
eine Wechselwirkung zwischen einem Elektron mit der Koordinate rl und einem Elek-
tron mit der Koordinate rm beschreibt
4) Ω = V(l, m) . (A1.26)
Als explizites Beispiel nennen wir die Coulombsche Wechselwirkung in der Form
e2
V(l, m) = . (A1.27)
4πε0rlm
Wegen der Symmetrie der Wechselwirkung dürfen wir annehmen, daß
l<m (A1.28)
gilt. Wir greifen in Analogie zu (A1.13) wieder ein einzelnes Element, das sich bei der
Ausmultiplikation der beiden Determinanten ergibt, heraus, und schreiben in Erweite-
rung von (A1.18) dieses Element in der Form
k1
|k1 k2
|k2 . . . (l) . . . (m) . . . k
N |k N , (A1.29)
wobei an den mit (l), (m) bezeichneten Stellen die Faktoren kl
|kl , km
|k wegzulas-
m
sen sind. An deren Stelle tritt das folgende Matrixelement
+ ,
∗ ∗
χk
(l)χk
(m)V(l, m)χkl (l)χkm (m) dVl dVm . (A1.30)
l m
A1 Die Berechnung von Erwartungswerten für Wellenfunktionen 507
Mit Ausnahme der Indizes l und m müssen die Orthogonalitätsrelationen erfüllt sein,
was unmittelbar zu den Beziehungen
k1
= k1 , . . . , (l), . . . , (m), . . . k
N = k N (A1.31)
führt, wobei lediglich die Stellen mit den Indizes l und m ausgespart sind. Da die ge-
strichenen Quantenzahlen sich von den ungestrichenen nur um eine Permutation unter-
scheiden, führen die Relationen (A1.31) zu der Aussage, daß entweder die Beziehungen
1) kl
= kl , km
= km (A1.32)
oder
2) kl
= km , km
= kl (A1.33)
gelten müssen. Eine zwar einfache aber etwas langwierige Überlegung zeigt nun, daß
(A1.33) durch eine ungerade Permutation aus (A1.32) hervorgeht. Da es bei festgehal-
tenen l und m (N − 2)! Permutationen gibt, erhalten wir für den Erwartungswert der
Gesamtdeterminante das Resultat
+ ,
∗
Det(χ )V(l, m) Det(χ) dV1 . . . dVN = (N − 2)! (Vkk
,kk
− Vkk
,k
k ) ,
k =k
(A1.34)
wobei wir die Abkürzungen
+ ,
∗ ∗
Vkk
,kk
= χk (1)χk
(2)V(1, 2)χk (1)χk
(2) dV1 dV2 (A1.35)
und
+ ,
Vkk
,k
k = χk∗ (1)χk∗
(2)V(1, 2)χk
(1)χk (2) dV1 dV2 (A1.36)
in leicht ersichtlicher Weise verwendet haben. Das Minuszeichen im zweiten Glied der
Summe rührt dabei von der obengenannten ungeraden Permutation her. Im Hamilton-
Operator (7.6) kommt die Coulombsche Wechselwirkung aller Elektronen (7.5) vor. Wir
berechnen daher noch
< =
∗ 1
Det(χ ) V(l, m) Det(χ) dV1 . . . dVN . (A1.37)
2
l =m
Das Resultat (7.15) entsteht aus der Summe von (A1.24) mit (A1.23) und (A1.38) nach
Division durch den Normierungsfaktor N! (vgl. (A1.15)).
508 22. Molekulare Elektronik und andere Anwendungen
Die Zahl der Punkte in einer sphärischen Schale der Dicke dn ist durch 4πn 2 dn ge-
geben. Da alle Zahlen n j positiv sein müssen, muß das Resultat durch die Zahl der
Oktanten, das ist 8, geteilt werden. Und da wir zwei Polarisationsrichtungen haben, die
getrennt gezählt werden müssen, müssen wir unser Resultat mit 2 multiplizieren. Wir
erhalten so als Zahl der möglichen Zustände in einer räumlichen Schale
dN = πn 2 dn . (A2.9)
Indem wir in dieser Formel n gemäß (A2.8) ausdrücken, erhalten wir die Zahl der mög-
lichen Wellen in dem Frequenzintervall ν, ν + dν
8πL 3 2
dN = ν dν . (A2.10)
c3
Indem wir ähnliche Argumente auf ebene, laufende Wellen anwenden, deren Wellen-
zahlvektoren in dem Raumwinkel dΩ liegen, erhalten wir
V 2
dN = k dk dΩ (A2.11)
(2π)3
und daher
V
... = . . . k2 dk dΩ . (A2.12)
(2π)3
λ
Literaturverzeichnis zur Ergänzung und Vertiefung
Kapitel 1
Hund, F.: Geschichte der physikalischen Begriffe, Teil I und Teil II, BI-
Hochschultaschenbücher (Bibliographisches Institut, Mannheim 1978)
Laue, M. v.: Geschichte der Physik, Bonn 1950
Kapitel 2
Bergmann-Schaefer: Lehrbuch der Experimentalphysik, Bd. 4: Teilchen (de Gruyter,
Berlin 1992)
Robertson, J. M.: Organic Crystals and Molecules (Cornell University Press, Ithaca
1953)
Kapitel 3
Kopitzki, K.: Einführung in die Festkörperphysik, 3. Aufl. (Teubner, Stuttgart 1993)
Pohl, R. W.: Elektrizitätslehre, 20. Aufl. (Springer, Berlin, Heidelberg 1967)
Kapitel 4
Flygare, W. H.: Molecular Structure and Dynamics (Prentice-Hall, Inc., Englewood
Cliffs, N. J. 1978)
Lorenz, I: Gruppentheorie und Molekülsymmetrie (Attempto, Tübingen 1992)
Naaman, R., Vager, Z.: The Structure of Small Molecules and Ions (Plenum Press, New
York 1988)
Kapitel 5
Wagniere, G.: Lecture Notes in Chemistry (Springer, Berlin, Heidelberg, New York
1976)
Literaturverzeichnis 513
Kapitel 6
Hamermesh, M.: Group Theory and Its Application to Physical Problems (Dover, New
York 1989)
Hargittai, L., Hargittai, M.: Symmetry through the Eyes of a Chemist (VCH Verlagsge-
sellschaft mbH, Weinheim 1986)
Hollas, J. M.: Die Symmetrie von Molekülen (Walter de Gruyter, Berlin, New York 1975)
Weyl, H.: Gruppentheorie und Quantenmechanik (1931) Ein klassisches Werk, leider
vergriffen. Jedoch englische Übersetzung:
Weyl, H.: The Theory of Groups and Quantum Mechanics (Dover, New York 1950)
Kapitel 7
Atkins, P. W.: Solution Manual for Molecular Quantum Mechanics (Oxford University
Press 1983)
Christofferson, R. E.: Basic Principles and Techniques of Molecular Quantum Mecha-
nics (Springer, Berlin, Heidelberg, New York 1989)
Haken, H.: Quantenfeldtheorie des Festkörpers, 2. Aufl. (B. C. Teubner, Stuttgart 1993)
Koch, W., Holthausen, M. C.: A Chemist’s Guide to Density Functional Theory (Wiley-
VHC, Weinheim 2000)
Kryachko, E. S., Ludeña, E. V.: Energy Density Functional Theory of Many-Electron
Systems (Kluwer Academic Press, Dordrecht 1990)
McWeeny, R.: Methods of Molecular Quantum Mechanics, 2nd ed. (Academic Press Li-
mited 1978)
Szabo, A., Ostlund, N. S.: Modern Quantum Chemistry (McGraw-Hill, Inc., New York
1989)
Wagnière, G.: Lecture Notes in Chemistry (Springer, Berlin, Heidelberg, New York
1976)
Wilson, S.: Electron Correlation in Molecules (Clarendon Press, Oxford 1984)
Kapitel 8
Hollas, J. M.: Moderne Methoden in der Spektroskopie (Vieweg, Braunschweig 1995)
englisch: Modern Spectroscopy (Wiley & Sons, Chichester)
Kapitel 9 und 10
Banwell, C. N., McCash, E. M.: Molekülspektroskopie (Oldenbourg, München 1999)
Demtröder, W: Laser Spectroscopy, 2. Aufl. (Springer, Berlin, Heidelberg, New York
1996) Deutsche Ausgabe: Laserspektroskopie, 3. Aufl. (1993)
Flygare, W. H.: Molecular Structure and Dynamics (Prentice Hall, USA 1978)
Graybeal, J.: Molecular Spectroscopy (McGraw-Hill 1988)
Herzberg, G.: Molecular Spectra and Molecular Structure, 3 Bände (D. van Nostrand,
Princeton, New York 1964–1966); Einführung in die Molekülspektroskopie (Stein-
kopff, Darmstadt 1973)
Hollas, J. M.: High Resolution Spectroscopy (Butterworths, London 1982)
Steinfeld, J. I.: Molecules and Radiation (Harper & Row, New York, London 1974)
Townes, C. H., Schawlow, A. L.: Microwave Spectroscopy (McGraw-Hill, New York
1975)
Wilson, E. B., Decius, J. C., Cross, P. C.: Molecular Vibrations (Dover, New York 1980)
514 Literaturverzeichnis
Kapitel 12
Atkins, P. W.: Physikalische Chemie, 3. Aufl. (VCH Verlags-GmbH, Weinheim 2002)
Banwell, C. N., McCash, E. M.: Molekülspektroskopie (Oldenbourg, München 1999)
Barrow, G. M.: Physikalische Chemie, 6. Aufl. (Vieweg, Braunschweig 1984)
Demtröder, W.: Laser Spectroscopy, 2. Aufl. (Springer, Berlin, Heidelberg, New York
1996) Deutsche Ausgabe: Laserspektroskopie, 3. Aufl. (1993)
Herzberg, G.: Molecular Spectra and Molecular Structure, 3 Bände (D. van Nostrand,
Princeton, New York 1964–1966)
Hollas, J. M.: High Resolution Spectroscopy (Butterworths, London 1982)
Steinfeld, J. I: Molecules and Radiation (Harper & Row, New York, London 1974)
Struve, W. S.: Fundamentals of Molecular Spectroscopy (Wiley, London)
Kapitel 16
Haken, H.: Licht und Materie I, Elemente der Quantenoptik, 2. Aufl. (BI Wissenschafts-
verlag, Mannheim, Wien, Zürich 1989) Haken, H.: Quantenfeldtheorie des Festkör-
pers, 2. Aufl. (B. G. Teubner, Stuttgart 1993)
Kapitel 18 und 19
Abragam, A.: The Principles of Nuclear Magnetism (Oxford University Press, Oxford
1989)
Carrington, A., McLachlan, A. D.: Introduction to Magnetic Resonance (Harper & Row,
New York, London 1969)
Ernst, R. R., Bodenhausen, G., Wokaun, A.: Principles of Nuclear Magnetic Resonance
in one and two Dimensions (Clarendon Press, Oxford 1988)
Freyman, R.: A Handbook of Nuclear Magnetic Resonance (Longman, Sci. and Techn.
1988)
Sanders, J. K. M., Hunter, B. K.: Modern NMR Spectroscopy (Oxford University Press,
Oxford 1993)
Literaturverzeichnis 515
Slichter, C. P.: Principles of Magnetic Resonance, Springer Ser. Solid-State Sci., Vol. 1,
3. Aufl. (Springer, Berlin, Heidelberg 1990)
Weil, J. A., Bolton, J., Wertz, J. E.: Electron Paramagnetic Resonance (Wiley, New York
1994)
Kapitel 20
Dickerson, R. E., Geis, I: Chemie (VCH Verlags-GmbH, Weinheim 1986)
Hoppe, W., Lohmann, W., Markl, H., Ziegler, H. (Eds.): Biophysik, 2. Aufl. (Springer,
Berlin, Heidelberg, New York 1982)
Lehn, J. M.: Supramolecular Chemistry (VCH Weinheim 1995)
Vögtle, F.: Supramolekulare Chemie, 2. Aufl. (Teubner, Stuttgart 1992)
Kapitel 21
(Da in den Kapiteln 21 und 22 überwiegend aktuelle Forschung im Vordergrund steht
erfolgt hier die Auflistung der wichtigen Literatur durch Einzelreferenzen.)
1. Basché, T., Moerner, W. E., Orrit, M., Wild, U. P. (eds.): Single-Molecule Optical
Detection, Imaging and Spectroscopy (VCH Weinheim 1997)
2. Rigler, R., Orrit, M., Basché, T. (eds.): Single Molecule Spectroscopy, Springer. Ser.
Chem. Phys. Vol. 67 (Springer, Berlin, Heidelberg 2001) Single Molecule Spectros-
copy: Science 283 (Sonderheft März 1999)
3. Moerner, W. E.: Physical Principles and Methods of Single Molecular Spectroscopy
in Solids, in [1] p. 1
4. Tamarat, Ph., Maoli, A., Lounis, B., Orrit, M.: Ten Years of Single Molecule Spec-
troscopy. J. Phys., Chem. A 104, l (2000)
5. Nie, S., Chiu, D. T., Zare, R. N.: Probing individual Molecules with Confocal Fluo-
rescence Microscopy Science 266, 1018 (1994)
6. Ha, T., Enderle, Th., Chemla, D. S., Selvin, P. R., Weiss, S.: Single Molecule Dy-
namics studied by Polarisation Modulation, Phys. Rev. Lett. 77, 3979 (1996)
7. Ha, T., Enderle, Th., Chemla, D. S.: Dual-Molecule Spectroscopy: Molecular Ru-
lers for the Study of Biological Macromolecules, IEEE J. Quantum Electr. 2, 1115
(1996)
8. Weiss, S.: Fluorescence Spectroscopy of Single Biomolecules, Science 283, 1676
(1999)
9. Tinnefeld, P. Sauer, M.: Neue Wege in der Einzelmolekül-Fluoreszenzspektrometrie,
Angew. Ch. 117, 2698 (2005)
10. Brown, R., Lounis, B., Orrit, M.: Optical Detection and Spectroscopy of Single Mo-
lecules, Europhys. News, p. 174 (1997)
11. Basché, T., Kummer, S., Bräuchle, C.: Excitation and Emission Spectroscopy and
Quantum Optical Measurements, in [1], p. 31
12. Kummer, S., Matzke, R., Bräuchle, C., Basché Th.: Single Molecule Optical Swit-
ching of Terrylene in p-Terphenyl, Nature 387, 688 (1997)
13. Wrachtrup, J., Borczyskowski, C. v., Köhler, J., Schmidt, J.: Magnetic Resonance
of Single Molecular Spins, in [1], p. 159
14. Wrachtrup, J., Gruber, A., Fleury, L., Borczyskowski, C. v.: Chem. Phys. Lett. 267,
179 (1997)
516 Literaturverzeichnis
15. Ratner, M. A. et al.: in Molecular Electronics, ed. by Aviram, A., Ratner, M., Acad.
Sci., New York 1998; sowie in Molecular Electronics, ed. by Jortner, J., Ratner, M.
(Blackwell, Oxford 1997) p. 5
16. Landauer, R.: Electrical Resistance of disordered one-dimensional Lattices, Phil.
Mag. 21, 863 (1970)
17. Reed, M. A., Zhou, C., Deshpande, M. R., Miller, C. J., Burgin, T. P, Jones, L., Tour,
J. M.: The Electrical Measurement of Molecular Junctions, in [15] p. 133 and p. 197
18. Cui, X. D. et al.: Reproducible Measurement of Single-Molecule Conductivity,
Science 294, 571 (2001)
19. Smit, R. H. M., Noat, Y., Untiedt, C., Lang, N. D., van Hemert, M. C., van Ruiten-
beek, J. M., Nature 419, 906 (2002)
20. Fink, H. W., Schönenberger, Ch.: Electrical Conduction through DNA Molecules,
Nature 398, 407 (1999)
21. Leatherman, G. et al.: Conducting Atomic Force Microscopy, J. Phys. Chem. B103,
4006 (1999)
Kapitel 22
1. Jortner, J., Ratner, M. (eds.): Molecular Electronics (Blackwell Sci., Oxford 1997)
2. Aviram, A., Ratner, M. (eds.): Molecular Electronics (New York Acad. Sci. 1998)
3. Schwoerer, M., Wolf, H. C.: Organische Molekulare Halbleiter (Wiley-VHC, Wein-
heim 2005)
4. Wolf, H. C.: Organische Moleküle als Leiter und Schalter, Nachr. Chem. Techn.
Lab. 37, 350 (1989)
5. Malliaras, G., Friend, R.: An Organic Electronics Primer. Physics Today, (May
2005) 53
6. Port, H. et al.: Ultrafast Photochromic Reactions of Fulgide Photoswitches. Mol.
Cryst. Liqu. Cryst. 430, 15 (2005)
7. Handschuh, M., Seibold, M., Port, H., Wolf, H. C.: Dynamics of the Cyclization Re-
action in Photochromic Fulgides, J. Phys. Chem. A101, 502 (1997)
8. Walz, J., Ulrich, K., Port, H., Wolf, H. C., Effenberger, F.: Fulgides as Switches for
Intramolecular Energy Transfer, Chem. Phys. Lett. 213, 321 (1993)
9. Gilat, S. L., Kawai, St. H., Lehn, J.-M.: Light-Triggered Molecules, Chem. Eur. J. 1,
275 (1995)
10. Kawai, St. H., Gilat, S. L., Ponsinet, R., Lehn, J.-M.: A Dual Mode Molecular Swit-
ching Device, Chem. Eur. J. 1, 285 (1995)
11. Irie, M., Lifka, Th., Uchida, K.: Photochromism of Single Crystalline Diarylethenes,
Mol. Cryst. Liqu. Cryst. 297, 81 (1997); Irie, M.: Photochromism of Diarylethene
Single Crystals + Single Molecules, Mol. Cryst. Liqu. Cryst. 430, 1 (2005)
12. Willner, L, Rubin, Sh.: Steuerung der Struktur und Funktion von Biomakromolekü-
len durch Licht, Angew. Ch. 108, 419 (1996)
13. Schütz, J. U. von, Bauer, D., Sinzger, K., Wolf, H. C.: Copper (2+) States as Me-
diators for Metallic Conductivity in DCNQI Radical Anion Salts, J. Phys. Chem.
97, 12030 (1993); Sinzger, K. et al.: J. Am. Chem. Soc. 115, 7696 (1993)
14. Goméz, D., Schmitt, H., Schütz, J. U. von, Wachtel, H., Wolf, H. C.: Pressure and
Light Effects on the Phase Transition of deuterated Cu(DCNQI)2 , J. Chem. Phys.
104, 4198 (1996)
15. Hünig, S., Herberth, E.: N,N
-Dicyanoguinone Diimines (DCNQI)s. Chem. Rev. 104
5535 (2004)
Literaturverzeichnis 517
16. Karutz, F. O., Schütz, J. U. von, Wachtel, H., Wolf, H. C.: Optically Reversed Peierls
Transition in Crystals of Cu(DCNQI)2 , Phys. Rev. Lett. 81, 140 (1998)
17. Kuhn, H., Möbius, D.: Investigations of Surfaces and Interfaces, Part B. Rossiter,
B., Baetzold, R. C. (eds.) Physical Methods of Chemistry Series, 2nd ed. Vol. IX B
(Wiley 1993)
18. Blanchard-Desce, M. et al.: Chem. Phys. Lett. 243, 526 (1995)
19. Tsivgoulis, G. M., Lehn, J. M.: Photoswitched Sexithiophenes: Towards Switchable
Molecular Wires, Advanced Mat. 9, 39 (1997)
20. Effenberger, F., Wolf, H. C.: Terminally Substituted Conjugated Polyenes: Synthesis
and Energy Transfer Properties, New J. Chem. 15, 117 (1991)
21. Vollmer, M., Würthner, F., Effenberger, F., Emele, P., Meyer, D. U., Stümpfig, Th.,
Port, H., Wolf, H. C.: Chem. Eur. J. 4, 259 (1998)
22. Kuhn, H., Möbius, J.: Angew. Chem. internat. Ed. 10, 621 (1971)
23. Metzger, R. M., Cava, M. P.: Rectification by a Single Molecule . . . in [2] p. 95;
Metzger, R. M. et al.: J. Am. Chem. Soc. 119, 10460 (1997)
24. Horowitz, G.: Organic Field Effect Transistors, Advanced Mat. 10, 365 (1998)
25. Wildoer, J. W. G., Venema, L. C., Rinzler, A. G., Smalley, R. E., Dekker, C.: Elec-
tronic Structure of atomically resolved carbon nanotubes, Nature 391, 59 (1998)
26. Dekker, C.: Carbon Nanotubes as Molecular Quantum Wires, Physics Today (1999)
27. Tans, S. J., Devoret, M. H., Gerlings, L. J., Dai, H., Thess, A., Smalley, R. E., Dek-
ker, C.: Individual single-wall carbon nanotubes as quantum wires, Nature 386, 474
(1997)
28. Tans, S. J., Verschueren, A. R. M., Dekker, C.: Single nanotube molecule transistor
at room temperature, Nature 393, 49 (1998)
29. Bräuchle, C., Hampp, N., Oesterhelt, D.: in Molecular Electronics ed. by M. Schnei-
der, Decker-Verlag (1996)
30. Wild, U. P. et al.: Pure and Appl. Chem. 64, 1335 (1992)
Sachverzeichnis
Rotationskonstante 163, 164, 191, 193, 195, 199, – , harmonische 196, 226
282, 285, 309 – , innere 232
Rotationslinien 164, 246 Schwingungsbanden 281
Rotationsquanten 163, 243, 244, 321 – symmetrischer Kreisel-Moleküle 199
Rotationsquantenzahl 165, 190, 199, 215, 284 Schwingungsenergie 156
Rotations-Ramaneffekt 243–245 Schwingungs-Freiheitsgrad 20
Rotations-Ramanspektrum von O2 245 Schwingungsfreiheitsgrade eines Moleküls 361
Rotationsschwingung 191–193 Schwingungsfrequenz 182, 239
Rotations-Schwingungs-Anregung 286 – des anharmonischen Oszillators 186
Rotations-Schwingungs-Bande 156, 201 – des harmonischen Oszillators 184–186
Rotations-Schwingungsspektrum 154–156, 181, Schwingungskonstante 182
190, 192, 194, 195, 198, 202, 245, 247, 283 Schwingungsniveau 285
Rotations-Schwingungsübergänge 183 Schwingungsquanten 246, 279, 280, 345
Rotations-Schwingungszustand 289 Schwingungsquantenzahl 182, 190, 274, 275, 345,
Rotationsspektrum 155–157, 181, 191, 209, 239, 359, 361
244, 247, 255, 285 Schwingungs-Raman-Effekt 240, 241
– , Anwendungen 175 – , Auswahlregel 240
Rotationsstruktur 280, 283, 294 Schwingungs-Raman-Spektrum 240, 245
– , P-Zweig 282–284 – von Sauerstoff 245
– , Q-Zweig 282–284 Schwingungs-Ramanübergänge 362
– , R-Zweig 282–284 Schwingungsspektren 179, 181, 189, 209, 240
– der Banden 190 Schwingungsspektroskopie 179, 201
– der Bandenspektren 282 Schwingungs-Temperatur 307
– von elektronischen Bandenspektren 280 Schwingungsterm 182
Rotationstemperatur 307 Schwingungsübergänge 274
Rotator Schwingungszustände 273
– , nicht-starrer 166 Sedimentation 19
– , nicht-starrer, Trägheitsmoment 166 Self-assembly 470
– , starrer 160, 191 Self-consistent-field-Orbital 138
– , starrer, Trägheitsmoment 161 Separationsansatz 212, 213
Russell-Saunders-Kopplung 264, 401 σ-Bindung siehe Bindung
Rydbergzustände 318 σ-Orbital siehe Orbital
Signal-Rausch-Verhältnis 159
Säkulardeterminante 125, 225, 416 Singulett-Singulett-Übergänge 304
Säkulargleichung 125 Singulett-Triplett-Übergänge 304
SCF-Methode (self-consistent-field-Methode) Singulett- und Triplett-System 266, 269, 302
132, 135, 138 Singulett-Zustand 266
– für offene Schalen, eingeschränkte 136 – von Sauerstoff 438
– für offene Schalen, unbeschränkte 135 Slater-Determinante 92, 129–131
Schalter 484 – für Ortswellenfunktionen 346
– , molekularer 473 Slater-Erwartungswerte 149, 150
Schalter, molekularer 474, 475 Soliton 431
Schmidtsches Orthogonalisierungsverfahren 134 Speicher, molekularer 474, 496, 498
Schönflies, Symbolik von 101 Spiegelebene 97–99, 101, 104, 114
Schraubenachse 98 Spiegel-Symmetrie 236
Schraubung 98, 99 Spiegelung 97–99, 111, 112
Schrödingerbild 386, 396 Spin 60, 69, 130
Schrödinger-Gleichung – , ungepaarter 407, 408
– des harmonischen Oszillators 214 Spin-Bahn-Kopplung 264, 269, 281, 302, 304
– des symmetrischen Kreiselmoleküls 172 Spin-Bahn-Wechselwirkung 62
– des unsymmetrischen Kreiselmoleküls 172 Spin-Bahn-Wechselwirkungsenergie 264
– der zeitabhängigen Störungstheorie 322 Spindichte 406
– , zeitunabhängige, für den starren Rotator 162 Spindiffusion 377, 390–392
Schumann-Runge-Bande 297 Spin-Entkopplung 380
Schurs Lemma 126 Spinfunktion 61, 62, 69, 131, 133
Schwefelisotope 170 Spin-Gitter-Relaxation 381, 400
Schwerpunktkoordinate 212 Spinmatrizen 137
Schwingungen Spin-Polarisation 382, 407
– drei- und mehratomiger Moleküle 226 Spinquantenzahl 258, 263, 400, 406
Sachverzeichnis 529
J eV cm−1 K
1 Joule (J) =
1 6,24146 · 1018 5,03404 · 1022 7,24290 · 1022
1,60219 · 10−19 1
1 eVolt (eV) = 8,06548 · 103 1,16045 · 104
1 cm−1
1,98648 · 10−23 1,23985 · 10−4 1
= 1,43879
1K =
1,38066 · 10−23 8,61735 · 10−5 6,95030 · 10−1 1
Erläuterung
1J = 1Ws.