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Ansgar Beckermann - Leib-Seele-Problem-Folien Funktionalismus
Ansgar Beckermann - Leib-Seele-Problem-Folien Funktionalismus
Ryle
Grundkurs Mit dem Cartesischen Bild der Seele ist etwas
Theoretische Philosophie grundfalsch.
Es beruht auf einer völligen Verkennung der wirk-
2 Hat der Mensch eine Seele? lichen Zusammenhänge – ihm zufolge ist der Geist so
etwas wie ein Gespenst in der Maschine.
2.4 Funktionalismus und
phänomenales Bewusstsein
Erinnerung Erinnerung
Probleme der offiziellen Lehre Probleme der offiziellen Lehre
• Der offiziellen Lehre zufolge soll der Geist in • Wenn nur der Geist selbst wissen kann, ‘was in ihm
gewisser Weise im Körper sein; aber die Bedeutung vorgeht’, bleibt unklar, wie man jemals wissen kann,
dieses ‘in’ bleibt völlig unklar, da Geister nicht räum- was andere denken und fühlen bzw. ob sie
lich sind. überhaupt einen Geist haben.
• Der offiziellen Lehre zufolge soll der Geist auf den
Körper und der Körper auf den Geist kausal ein-
wirken. Die Möglichkeit dieser Kausalbeziehung
bleibt jedoch völlig im Dunkeln, da sie weder zum
Bereich des Geistigen noch zum Bereich des
Körperlichen gehören kann.
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Erinnerung Erinnerung
Der Kategorienfehler der Offiziellen Lehre Konkreter
Der Kategorienfehler der offiziellen Lehre besteht Mentale Ausdrücke bezeichnen keine mysteriösen
nach Ryle in der Annahme, dass mentale Ausdrücke privaten Vorgänge, die irgendwo im Innern einer
wie ‘sich erinnern’, ‘denken’, ‘wahrnehmen’, ‘glauben’ Person ablaufen.
und ‘wollen’ auf (verborgene) Ereignisse im Innern Mentale Ausdrücke treffen auf eine Person zu, deren
oder im Geist eines Menschen beziehen, die sein Verhalten auf eine bestimmte Weise organisiert ist.
äußeres Verhalten verursachen.
Mentale Ausdrücke bezeichnen Dispositionen, sich
unter bestimmten Umständen auf bestimmte Weise
zu verhalten.
Mentale Erklärungen sind dispositionelle und keine
kausalen Erklärungen.
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Arten mentaler Zustände Arten mentaler Zustände
Intentionale Zustände Intentionale Zustände
Überzeugungen Bei allen intentionalen Zuständen muss man Art (Über-
Wünsche zeugung, Wunsch, Befürchtung, etc.) und Inhalt (das, was
geglaubt, gewünscht, befürchtet wird) unterscheiden.
Hoffnungen
Hans glaubt, dass morgen die Sonne scheint
Befürchtungen
Hans wünscht, dass morgen die Sonne scheint
Alle intentionalen Zustände haben einen Inhalt, der durch
Zwei intentionale Zustände unterschiedlicher Art
‚dass‘-Sätze ausgedrückt wird.
mit demselben Inhalt.
Frieda glaubt, dass die Erde rund ist.
Frieda wünscht, dass morgen die Sonne scheint.
Frieda hofft, dass sie im Lotto gewinnt.
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Arten mentaler Zustände Arten mentaler Zustände
Phänomenale Zustände Fragen
Phänomenale Zustände haben – anders als intentionale Sind intentionale Zustände Verhaltensdispositionen?
Zustände – in der Regel keinen Inhalt. Sind phänomenale Zustände Verhaltensdispositionen?
Aber sie haben so etwas wie einen qualitativen oder
Erlebnischarakter.
Es fühlt sich in je spezifischer Weise an, in einem be-
stimmten phänomenalen Zustand zu sein.
Blau- und Roteindrücke
Der Geschmack verschiedener Eissorten
Sie sind mit je unterschiedlichen Erlebnisqualitäten – so
genannten Qualia – verbunden.
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Intentionale Zustände und Verhalten Intentionale Zustände und Verhalten
Aber ist der Zusammenhang zwischen intentionalen Beispiel
Zuständen und Verhalten eng genug, damit man sie als
reine Verhaltensdispositionen auffassen kann? „x möchte ein Bier trinken“
Erinnerung Definitionsversuch
Jede Disposition ist durch eine (oder mehrere) gesetzes- x möchte genau dann ein Bier trinken, wenn gilt:
artige Aussagen definiert.
wenn Bier im Kühlschrank ist, holt sich x ein Bier aus
x ist wasserlöslich gdwdef. dem Kühlschrank, und
x sich auflöst, wenn x in Wasser gegeben wird
wenn x in der Kneipe ist, bestellt er sich ein Bier, und
Wie könnten die gesetzesartigen Aussagen aussehen,
wenn man x ein Bier anbietet, nimmt er es sofort an,
durch die intentionale Zustände definiert sind?
usw.
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Intentionale Zustände und Verhalten Intentionale Zustände und Verhalten
Verbesserte Definition Verbesserte Definition
Problem x möchte genau dann ein Bier trinken, wenn gilt:
Im Definiens tauchen selbst mentale Ausdrücke auf. x holt sich ein Bier aus dem Kühlschrank, wenn er
glaubt, dass sich Bier im Kühlschrank befindet,
x bestellt in der Kneipe ein Bier, falls er keinen wichtige-
ren Wunsch hat, der damit unvereinbar ist,
x nimmt jedes angebotenes Bier an, falls er keinen
Grund hat, das Bier abzulehnen, usw.
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Intentionale Zustände und Verhalten Intentionale Zustände und Verhalten
Beispiel: Die Überzeugung, dass es draußen regnet Beispiel: Die Überzeugung, dass es draußen regnet
Typische Ursachen Typische Wirkungen
Man sieht selbst, dass es draußen regnet. Man klagt über das Wetter.
Es wird einem erzählt, dass es draußen regnet. Wenn man außerdem den Wunsch hat, nicht nass zu
werden, nimmt man einen Schirm mit, wenn man raus
Wechselwirkungen mit anderen mentalen Zuständen
geht.
Man wird deprimiert.
Man antwortet auf die Frage, wie das Wetter ist: „Es
Man entwickelt den Wunsch nach besserem Wetter. regnet.“
Frage Weiter
Wie plausibel ist diese Definition? Wenn sich zwei Personen unter allen Umständen
genau gleich verhalten, was kann dann noch dafür
sprechen, dass sie sich in ihren intentionalen Zu-
ständen unterscheiden?
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Intentionale Zustände und Verhalten Intentionale Zustände und Verhalten
Überlegung Fazit
Angenommen, eine Person ist in einem Zustand, der Die Annahme, dass intentionale Zustände allein
dadurch verursacht wird, dass sie selbst sieht, dass es durch eine kausale Rolle definiert sind, ist sehr
draußen regnet, oder dass man ihr das erzählt, plausibel.
der dazu führt, dass die Person deprimiert ist und den
Wunsch nach besserem Wetter entwickelt,
und der dazu führt, dass sie über das Wetter klagt,
beim Rausgehen einen Schirm mitnimmt und auf die
Frage nach dem Wetter mit „Es regnet“ antwortet.
Kann man von dieser Person trotzdem sagen, dass sie
nicht glaubt, dass es draußen regnet?
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Phänomenale Zustände und Verhalten Phänomenale Zustände und Verhalten
Denken wir an jemanden, der Zahnschmerzen hat. Anders gefragt
Ist es wirklich denkbar, dass eine Person, die sich Sind auch Zahnschmerzen allein durch eine kausale
genauso verhält, trotzdem keine Zahnschmerzen Rolle definiert?
hat? Durch ihre typischen Ursachen
Karies oder andere Verletzungen der Zähne.
Ihre Wechselwirkung mit anderen mentalen Zuständen
Unkonzentriertheit, Wunsch nach Linderung.
Ihre typischen Wirkungen
Stöhnen, Wangehalten, Einnehmen von Tabletten,
Gang zum Zahnarzt.
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Phänomenale Zustände und Verhalten Phänomenale Zustände und Verhalten
Vertauschte Qualia Vertauschte Qualia
John Locke
Es könnte doch sein, „daß dasselbe Objekt im Geist verschie-
dener Menschen gleichzeitig verschiedene Ideen erzeugen
würde. Nehmen wir zum Beispiel an, die Idee, die ein Veilchen
im Geist des einen Menschen vermittels der Augen erzeugt, sei
dieselbe, die im Geist eines anderen durch die Ringelblume
erzeugt werde und umgekehrt.“
(Versuch über den menschlichen Verstand. Buch II, Kapitel 32,
Abschn. 15)
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Phänomenale Zustände und Verhalten Phänomenale Zustände und Verhalten
Roteindruck Roteindruck
Grüneindruck Grüneindruck
Normalfall Normalfall
Grüneindruck
Roteindruck
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Philosophische Zombies Phänomenale Zustände und Verhalten
Problem
Die Erlebnisqualitäten phänomenaler Zustände
scheinen sich einer funktionalistischen Analyse zu
entziehen.
Andererseits
Wie kann man feststellen, ob bei anderen (oder
vielleicht sogar bei mir selbst) die Erlebnisqualitäten
vertauscht sind?
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Phänomenale Zustände und Verhalten Phänomenale Zustände und Verhalten
Beispiel Noch einmal Locke
Ist es unter diesen Umständen überhaupt noch „Nehmen wir zum Beispiel an, die Idee, die ein Veilchen im
sinnvoll zu bestreiten, dass auch dieses Wesen Geist des einen Menschen vermittels der Augen erzeugt, sei
dieselbe, die im Geist eines anderen durch die Ringelblume
echte Schmerzen hat? erzeugt werde und umgekehrt.
Jedenfalls Dies wäre jedoch nie zu erkennen; denn der Geist des einen
Menschen könnte unmöglich in den Körper des anderen
Wie will man unter diesen Umständen feststellen, übergehen, um wahrzunehmen, welche Erscheinungen durch
ob es echte oder nur Ersatzschmerzen hat? dessen Organe erzeugt werden.“ (Locke, ebd.)
Fragen
(1) Charakterisieren Sie den Unterschied zwischen
intentionalen und phänomenalen Zuständen.
(2) Welche Gründe sprechen dagegen, dass phänome-
nale Zustände allein durch eine kausale Rolle defi-
niert werden können?
(3) Glauben Sie, dass vertauschte Qualia möglich sind?
Begründen Sie Ihre Antwort.
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