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Aktualisierte Roadmap I40 Data
Aktualisierte Roadmap I40 Data
Deutsche Normungsroadmap
Industrie 4.0
Version 4
Herausgeber
In der Konsequenz ist es nun an der Zeit, Industrie 4.0 weiter denken: Wie wird ein globa
les digitales Wertschöpfungssystem aussehen? Wie können wir die richtigen normativen
Rahmenbedingungen dafür identifizieren und umsetzen? Das aktuelle Leitbild 2030 der
Plattform Industrie 4.0 formuliert hierzu bereits einen ganzheitlichen Ansatz zur Gestal
tung digitaler Ökosysteme und richtet die Entwicklung von Industrie 4.0 neu aus. Drei
zentrale strategische Handlungsfelder sind dabei maßgebend: (1) Souveränität, (2) Inte
roperabilität und (3) Nachhaltigkeit. Diesen Gedanken greift das „Standardization Council
Industrie 4.0“ (SCI 4.0) auf und setzt sich zum Ziel, die Zusammenführung dieser Lösungs
ansätze gemeinsam mit DIN und DKE, mittels der Formulierung von normativen Empfeh
lungen, voranzutreiben.
Mit der Ausgabe „Version 4“ möchten wir eine Vision für Industrie 4.0 formulieren: das
Erreichen der Interoperabilität. Darunter verstehen wir, dass Maschinen in vernetzten
digitalen Ökosystemen interoperabel miteinander kommunizieren. Nur ein hohes Maß
an Interoperabilität, sichert die Vernetzung über Unternehmens- und Branchengrenzen
hinweg. Dazu braucht es Standards und Integration, einen einheitlichen regulatorischen
Rahmen sowie dezentrale Systeme und Künstliche Intelligenz.
Als Vorsitzender des Beirates freut es mich zu sehen, dass das Standardization Council
Industrie 4.0 eine bedeutende und bündelnde Funktion wahrnimmt, um diese Rahmen
bedingungen zu identifizieren. Mittels der Normungsroadmap Industrie 4.0 als „lebendes
Dokument“ sollen ambitionierte, durchführbare Handlungsempfehlungen für alle Akteure
erarbeitet und adressiert werden. Dies beinhaltet dabei ebenso die internationale Dimen
sion, d. h. die internationale Initiierung und Koordination geeigneter Normen.
1
welcher mit deutlicher Mehrheit angenommen wurde. Damit sind die Weichen gestellt,
um die Verwaltungsschale zum zentralen „Integrationsstecker“ für digitale Ökosysteme zu
machen. Dies sind nur einige prominente Beispiele der Erfolgsgeschichte.
Natürlich widmen wir uns auch in der aktuellen Ausgabe, neuen, in der Vergangenheit
nicht betrachteten Themen. Aufgrund der Vielfältigkeit der bestehenden und möglichen
Anwendungsgebiete von Künstlicher Intelligenz (KI) und der aktuelle Fokus von Politik,
Wissenschaft und Anwendern auf das Thema, gibt es hohe Erwartungen an ihren Einsatz
in der Industrie 4.0.
Das Kapitel stellt eine mögliche „vertikale“ Einteilung der Wirkung von KI in der industriel
len Produktion – also Industrie 4.0 – in Aussicht und versucht die noch offenen Antworten
in Form von Handlungsempfehlungen zu geben.
Der Mensch und sein Wissen spielen bei der Erstellung der Normungsroadmap immer
noch die Hauptrolle. Ich bin immer wieder fasziniert von dem hohen Grad der Beteiligung
und der Bereitschaft der Experten sich diesem „Projekt Normungsroadmap“ zu widmen.
Ohne die Bereitschaft Ihr Wissen und Engagement einzubringen, würden wir heute nicht
unsere „Version 4“ feiern können. In diesem Sinne, möchte ich mich, auch im Namen des
SCI 4.0-Beirates, an dieser Stelle bei allen Autoren und Beteiligten für den unermüdlichen
Einsatz bedanken.
Nun gilt es, die Handlungsempfehlungen umzusetzen und den Boden für die nächste
Ausgabe bereits heute zu bereiten.
Ihr
Prof. Dr. Dieter Wegener
Vorsitzender SCI 4.0 Beirat
DKE Vizepräsident
Sprecher ZVEI-Führungskreis Industrie 4.0
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Zusammenfassung
In der Tradition der bisherigen Normungsroadmaps zeigt die vorliegende Ausgabe, neben
dem aktuellen Normungsstand zu Industrie 4.0, insbesondere die Normungslücken und
normativen Inkonsistenzen auf, die es schnellstmöglich zu überarbeiten bzw. anzupassen
gilt. Dies resultiert in den zum Ende jeden Kapitels formulierten Handlungs- und Anwen
dungsempfehlungen.
Seit der Veröffentlichung der Ausgabe 3 vor zwei Jahren konnten wichtige Normungs
projekte zunächst national initiiert und nachfolgend auf internationaler Ebene umgesetzt
werden.
Die Rolle des Menschen ist zunächst die des Entwicklers und Nutzers, der die laufenden
Prozesse kontrolliert, überwacht und, falls erforderlich, steuernd eingreift. Die Inter
aktion und Kommunikation zwischen den Fabriken mit ihren Maschinen jedoch, geht
über Betriebs- und Unternehmensgrenzen hinaus. Firmen verschiedener Branchen, wie
beispielsweise Zulieferer, Logistikunternehmen und Hersteller, sind auf diese Weise in
einem Wertschöpfungssystem miteinander vernetzt. Verschiedenste Systeme müssen
miteinander kommunizieren und interagieren. Damit das gelingt, müssen Schnittstellen
harmonisiert werden. Dies setzt wiederum voraus, dass sich die Ausgestaltung dieser
Schnittstellen an möglichst international abgestimmten Normen und Standards orientiert.
Der nächste große Schritt besteht in der Definition geeigneter Datenstrukturen zum Aus
tausch von Daten und deren festgelegter Bedeutung. Diesen standardisierten Austausch
von Daten und deren festgelegter Bedeutung bezeichnet man als semantische Interopera
bilität. Für diesen Austausch wurde in Deutschland das Konzept der Verwaltungsschale
entwickelt [1]. Hard- und Softwarekomponenten in der Produktion, vom Produktions
system über die Maschine oder Station bis hin zur einzelnen Baugruppe innerhalb einer
Maschine, werden Industrie-4.0-fähig, indem sie diese Eigenschaften erfüllen. Zu diesen
Eigenschaften zählt die Kommunikationsfähigkeit der realen Objekte und die dazuge
hörigen Daten und Funktionen. Das Modell beschreibt so die Voraussetzungen für Indus
trie-4.0-konforme Kommunikation zwischen den einzelnen Hard- und Softwarekomponen
ten in der Produktion. Um der in Deutschland definierten Struktur der Verwaltungsschale
in der internationalen Normung zum Durchbruch zu verhelfen, erfolgte unter Koordination
3
des Standardization Council Industrie 4.0 (SCI 4.0) eine Vor-Abstimmung des Konzepts mit
Partnern u. a. aus Frankreich, Italien und China.
Mit der Annahme des Normungsantrages zur IEC 63278-1 ED1 „Asset administration shell
for industrial applications – Part 1: Administration shell structure“ bei IEC/TC 65, ist ein
erster wichtiger Schritt getan. Damit sind die Weichen gestellt, um die Verwaltungsschale
zum zentralen „Integrationsstecker“ für digitale Ökosysteme zu machen. Die Projektarbei
ten begannen im Februar 2020.
Mit dem Förderprojekt GoGlobal Industrie 4.0 unterstützt das BMWi seit Dezember 2017
die globale Harmonisierung nationaler Industrie 4.0-Konzepte durch das SCI 4.0. Auf diese
Weise können die in der Normungsroadmap formulierten Handlungsempfehlungen in den
internationalen Diskurs getragen werden. Die kooperierenden Länder sind in aller Regel
in der internationalen Normung aktiv vertreten, sodass eine frühzeitige, konsensuale
Zusammenarbeit zielführend ist. Die Stabilisierung der Konzepte durch den bi- und trilate
ralen Gesprächskanal ist aus deutscher Perspektive unerlässlich, um diese Arbeiten mit
den entsprechenden internationalen Normungsgremien zu synchronisieren. Im Einzelnen
sind hier bilaterale Kooperationskanäle mit China, Japan, Südkorea und den USA geöffnet
worden und aktiv im Harmonisierungsprozess begriffen. Für den europäischen Kontext hat
sich eine trilaterale Kooperation zwischen Frankreich, Italien und Deutschland konsoli
diert, die ebenso auf die weitere europäische Industrie-4.0-Community zuarbeitet und den
Weg für einen gemeinschaftlichen europäischen Weg bereitet.
Anders formuliert, es gehört zum Auftrag des Standardization Council, zusammen mit
Experten und den internationalen Partnerländern, die passenden Lösungen zu ent
wickeln und als gemeinsamen, harmonisierten Ansatz mit IEC und ISO zu koordinieren.
Diesen Ansätzen folgend, wurden zur Gewährleistung einer besseren und effizienteren
Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Disziplinen, zuletzt zwei weitere Gremien ins
Leben gerufen, die Deutschland stark unterstützt und forciert hat: die Gründung des
IEC System Committee „Smart Manufacturing“ (IEC SyC SM) sowie die Arbeitsgruppe
IEC/TC 65/WG 24, in der zukünftig die Aspekte zur Verwaltungsschale eingebracht werden.
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In allen Kooperationen sind Erweiterungen der Zusammenarbeit über die bisherigen
Themen hinaus vorgesehen. Die tief greifende Veränderung findet Schritt für Schritt in der
Veränderung der Organisations- und Wertschöpfungsstrukturen der Unternehmen statt.
Die Wertschöpfung verlagert sich durch die Auswertung von Daten auf Plattformen oder in
Services. Der bevorstehende Durchbruch von Technologien der Künstlichen Intelligenz (KI)
erweitert die Möglichkeiten, Daten zu analysieren und Produktionsabläufe zu beaufsich
tigen.
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1.1 Deutsche Normungsstrategie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1.1.1 Handlungs- und Anwendungsempfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
1.2 Bedeutung der Digitalisierung der Normung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
1.3 Zusammenarbeit mit der Plattform Industrie 4.0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
1.3.1 Digitale Ökosysteme gestalten – Leitbild 2030 für Industrie 4.0. . . . . . . . . . . . . . 12
1.3.2 Umsetzung des Digitalen Ökosystems: Vernetzung der zentralen Akteure. . . . . 15
1.4 Bedeutung von Anwendungsszenarien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
1.4.1 Exemplarische Anwendungsfälle (Use Cases). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
1.5 Technischer Hintergrund – Struktur der Kapitel 2 und 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
2 Normungsbedarf in Kernthemen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
2.1 Use Cases . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
2.1.1 Status und Fortschritte seit Version 3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
2.1.2 Laufende Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
2.1.3 Handlungs- und Anwendungsempfehlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.2 Referenzarchitekturmodelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.2.1 Status und Fortschritte seit Version 3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.2.2 Laufende Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
2.2.3 Handlungs- und Anwendungsempfehlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
2.3 Systeme und deren Eigenschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
2.3.1 Fortschritte seit Version 3 und laufende Entwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
2.3.2 Handlungs- und Anwendungsempfehlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
2.4 Interoperabilität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
2.4.1 Status und Fortschritte seit Version 3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
2.4.2 Laufende Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
2.4.3 Handlungs- und Anwendungsempfehlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
2.5 Integration. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
2.5.1 Status und Fortschritte seit Version 3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
2.5.2 Laufende Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
2.5.3 Handlungs- und Anwendungsempfehlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
2.6 Kommunikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
2.6.1 Status und Fortschritte seit Version 3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
2.6.2 Laufende Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
2.6.3 Handlungs- und Anwendungsempfehlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
2.7 Mensch und Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
2.7.1 Status und Fortschritte seit Version 3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
2.7.2 Laufende Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
2.7.3 Handlungs- und Anwendungsempfehlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
3 Normungsbedarf in Querschnittsthemen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
3.1 Open Source . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
3.1.1 Status und Fortschritte seit Version 3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
3.1.2 Laufende Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
3.1.3 Handlungs- und Anwendungsempfehlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
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3.2 Industrielle Sicherheit (Industrial Security) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
3.2.1 Status und Fortschritte seit Version 3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
3.2.2 Laufende Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
3.2.3 Handlungs- und Anwendungsempfehlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
3.3 Datenschutz/Privacy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
3.3.1 Status und Fortschritte seit Version 3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
3.3.2 Laufende Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
3.3.3 Handlungs- und Anwendungsempfehlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
3.4 Vertrauenswürdigkeit/Trustworthiness der Wertschöpfungsnetze . . . . . . . . . 104
3.4.1 Status und Fortschritte seit Version 3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
3.4.2 Laufende Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
3.4.3 Handlungs- und Anwendungsempfehlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
3.5 Funktionale Sicherheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
3.5.1 Status und Fortschritte seit Version 3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
3.5.2 Handlungs- und Anwendungsempfehlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
Abkürzungsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
Autorenteam. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
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1 Einleitung
Eines erscheint gewiss: Das Gelingen des Zukunftsprojekts Industrie 4.0 erfordert eine
nie dagewesene Integration der Systeme über Domänengrenzen, Hierarchiegrenzen und
Lebenszyklusphasen hinweg. Dies ist nur auf der Grundlage von konsensbasierten Nor
men und Standards möglich. Mit der nun erscheinenden Normungsroadmap Industrie 4.0
hat das Standardization Council Industrie 4.0 (SCI 4.0), gemeinsam mit DIN und DKE ein
strategisches und technisch orientiertes Dokument vorgelegt, in dem Experten aus Wirt
schaft, Forschung, Wissenschaft und Politik, disziplinübergreifend den aktuellen Entwick
lungsstand von Industrie 4.0 beschreiben, die Anforderungen an Normen, Spezifikationen
und Industriestandards skizzieren und Impulse für eine erfolgreiche Umsetzung geben.
Das SCI 4.0 bündelt für eine erfolgreiche Umsetzung die interessierten Fachkreise in
Deutschland, entwickelt gemeinsam mit Experten aus Industrie, Forschung und den
Normungsorganisationen DIN und DKE eine konsolidierte nationale Grundposition
(Nationale Harmonisierung), die sich in den formulierten Handlungs- und Anwendungs
empfehlungen widerspiegelt. Am Ende des Prozesses steht das Ziel, Standards der
digitalen Produktion zu initiieren und diese national und abschließend international zu
koordinieren.
DIN und DKE stellen auf deutscher Seite die von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft
anerkannten Institutionen dar, die durch Normung zur globalen Wettbewerbsfähigkeit
der Wirtschaft und des Standortes Deutschland beitragen. Im Rahmen der Deutschen
Normungsstrategie (DNS) betonen beide deutschen Normungsorganisationen die
internationale Relevanz und Anerkennung von ISO und IEC und stärken diese beiden
internationalen Institutionen.
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Eine weitere tragende Säule der Normung ist in diesem Zusammenspiel die Wirtschaft.
Wirtschaftsunternehmen engagieren sich dauerhaft und kompetent und verstärken mit
ihren Technologieexperten die nationale, europäische und internationale Normung. Die
Normung und Standardisierung wird von den Führungskräften als strategisches Mittel zur
Erreichung der Unternehmensziele genutzt; die Mitarbeit in Gremien wird in den Unter
nehmen gefördert und gewürdigt.
Im Fokus der Normungsstrategie stehen ebenso die Installation effizienter Prozesse und
Instrumente wie auch die Vermeidung von Fortschrittsverzögerungen. In bestimmten
Bereichen kann durch einen länger andauernden Normungsprozess allerdings der Fort
schritt verzögert werden. Für dynamische Zukunftsmärkte wie z. B. der Industrie 4.0 oder
der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) sind daher Veröffentlichungs
formen erforderlich, die in einer kurzen Zeitspanne erarbeitet und der breiten Öffentlich
keit zugänglich gemacht werden können. Hier wird bereits versucht über den forcierten
Einsatz von Anwendungsregeln, Richtlinien und Spezifikationen entgegenzusteuern.
Jedoch benötigen auch diese Publikationsformen schlussendlich eine gewisse Konsistenz
und Abstimmung ihrer inhaltlichen Arbeiten, um mit ihren Eigenschaften zu helfen, die
nationale Normungsarbeit konsolidiert vorzubereiten [siehe HE 1.1.1].
Diese Möglichkeit bieten die folgenden Publikationsformen, die helfen, die nationale
Normungsarbeit vorzubereiten:
→→ DIN SPEC
→→ VDE Anwendungsregeln
→→ VDI Richtlinien
→→ VDMA Einheitsblätter
Diverse Forschungsprojekte beschäftigen sich mit zentralen Fragen zum Thema Indust
rie 4.0 und haben einen Bezug zu Normung und Standardisierung. DIN und DKE begleiten
zum Beispiel Projekte der Bundesministerien für Bildung und Forschung (BMBF) sowie
für Wirtschaft und Energie (BMWi) als Partner bei der Erarbeitung von Standards. Für den
Erfolg von Industrie 4.0 und zur Umsetzung von Handlungsempfehlungen sind entspre
chende Förderprogramme zwingend notwendig.
DIN-Connect
Mit DIN-Connect haben DIN und DKE 2016 ein Programm zur Innovationsförderung ins
Leben gerufen. Insbesondere fördern DIN und DKE hier Projekte, die sich Standardisie
rung als Ziel gesetzt haben. Das Förderprogramm richtet sich vornehmlich an Start-ups
und KMUs mit dem Ziel, Innovationen mithilfe von Normen und Standards in den Markt
zu überführen.
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Die Normungsroadmap soll auch in Zukunft auf Basis neuer Erkenntnisse – beispielsweise
aus den Forschungsprojekten, der Arbeit in den Normungsgremien und der stärkeren
Einbindung von Klein- und mittelständischen Betrieben – regelmäßig weiterentwickelt
werden.
1.1-1 Normen und Standards sollten bevorzugt bei internationalen Organisationen erar
beitet und veröffentlicht werden, um eine weltweite Akzeptanz zu erreichen. Nationale
Publikationsformen können im Sinne von Vorab-Standards angebracht sein, um die natio
nale Meinungsbildung zu unterstützen. Mögliche Publikationsformen sind z. B. DIN SPEC,
VDE Anwendungsregel, VDI Richtlinien, VDMA Einheitsblätter oder andere. Sofern natio
nale Publikationsformen vorgesehen sind, so ist darauf zu achten, dass die Lizenz- und
Nutzungsbedingungen eine spätere reibungslose Internationalisierung ermöglichen.
Die Entwicklung und Etablierung solcher „digitaler Normen“ ist das übergeordnete Ziel
aktueller nationaler und internationaler Bestrebungen zur digitalen Transformation
der Normung. Aufgrund der Komplexität der Thematik existieren zahlreiche Projekte
mit unterschiedlichen Schwerpunkten oder Ansätzen. So beschäftigen sich z. B. zwei
strategische internationale Gruppen bei ISO und IEC (siehe Anhang B.3) mit der gene
rellen Umsetzbarkeit der digitalen Transformation der Normung. Die europäische
CEN-CENELEC Taskforce „Digital Content“ sammelt durch Pilotprojekte erste prakti
sche Erfahrungen mit digitalen Normen. Auf nationaler Ebene existieren Pilotprojekte,
Workshops, Förderprojekte und Toolentwicklungen von DIN und DKE, um sich der
Thematik aus unterschiedlichen Richtungen und mit verschiedenen Partnern zu nähern.
Die Anfang des Jahres 2020 gegründete Initiative Digitale Standards (IDiS) treibt die
Digitalisierung der Normung durch eine Bündelung von IT- und Transformationsthemen
innerhalb der Normungsorganisation voran. Ziel ist neben der Identifizierung relevanter
Aktivitäten die Begleitung, Entwicklung und Initiierung von Projekten, die einen Beitrag
zur Digitalisierung der Normung leisten können.
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von Klein- und mittelständischen Betrieben – regelmäßig weiterentwickelt werden. Wir
möchten daher dazu aufrufen und motivieren, sich aktiv an diesem Prozess zu beteiligen.
Als Impulsgeber und Moderator unterschiedlicher Interessen und in der Rolle als Bot
schafter sorgt die Plattform Industrie 4.0 für den vorwettbewerblichen Austausch aller
relevanten Akteure aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Gewerkschaften und Verbänden.
Vor diesem Hintergrund haben sich die Akteure der Plattform Industrie 4.0 dazu ent
schlossen einen ganzheitlichen Ansatz zur Gestaltung digitaler Ökosysteme zu formulie
ren. Kerngedanke für die Gestaltung digitaler Ökosysteme sind dabei drei strategische
Handlungsfelder, die wir nachfolgend genauer für ihre Bedeutung in der Normung von
Industrie 4.0 einordnen wollen: Souveränität, Interoperabilität und Nachhaltigkeit (siehe
Abbildung 1) [3].
Zwar betrachtet das Leitbild primär den Industrie- und Wirtschaftsstandort Deutschland,
hebt jedoch explizit Offenheit und Kooperationsorientierung für Partner in Europa und der
Welt hervor.
Mittels des Dialogs mit allen Akteuren der Industriegesellschaft soll so der Handlungs
rahmen geschaffen werden, um aufbauend auf der weltweit herausragenden Ausgangs
position der deutschen Industrie die digitale Transformation des Standortes nachhaltig
zu gestalten und Industrie 4.0 in der Breite des deutschen Mittelstandes wirtschaftlich
erfolgreich zu etablieren.
Alle drei genannten strategischen Handlungsempfehlungen sind eng mit den ent
sprechenden Industrie 4.0-Normungsaktivitäten verbunden und werden an den entspre
chenden Stellen miteinander verknüpft.
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Abbildung 1: Leitbild 2030: Gestaltung digitaler Ökosysteme
Souveränität
Der Leitgedanke der Souveränität betont die Freiheit aller Akteure am Markt (Unter
nehmen, Mitarbeiter, Wissenschaft, Einzelpersonen), selbstbestimmte, unabhängige
Entscheidungen zu treffen und im fairen Wettbewerb miteinander zu agieren – von der
Definition und Gestaltung des individuellen Geschäftsmodells bis zur Kaufentscheidung
des Einzelnen innerhalb der Industrie 4.0 Ökosysteme. Dies erfordert:
→→ Digitale Infrastruktur: diese Infrastruktur muss für alle Teilnehmer gleichermaßen
offen zugänglich sein und ohne Einschränkungen zur Verfügung stehen.
→→ Sicherheit: Datenschutz, IT- und Informationssicherheit stellen einen fest etablierten
industriellen und gesellschaftlichen Wert dar. Sie sind eine Grundvoraussetzung für
Industrie 4.0 und die Kooperation innerhalb digitaler Ökosysteme. Damit ist industrielle
Sicherheit (siehe Kapitel 3) ein wichtiges Qualitätsmerkmal.
→→ Technologieentwicklung: Souveränität bei Industrie 4.0 setzt technologie-offene For
schung, Entwicklung und Innovationen in den Kernbereichen der digitalen industriellen
Wertschöpfung voraus. Neben der technologischen Führungsrolle der Entwicklungen
gilt es dabei insbesondere Datenschutz und Security „by Design“ zu realisieren, genau
so wie Nachhaltigkeit und Interoperabilität.
Interoperabilität
Die flexible Vernetzung unterschiedlicher Akteure zu agilen Wertschöpfungsnetzen ist
einer der zentralen Kernbausteine. Ein hohes Maß an Interoperabilität, zu der sich alle
Partner eines Ökosystems bekennen und gleichermaßen beitragen, ist eine Voraussetzung
für die direkte operative und prozessuale Vernetzung über Unternehmens-und Branchen
grenzen hinweg. Umgekehrt ermöglichen interoperable Strukturen und Schnittstellen
sowohl Herstellern als auch Kunden die unbeschränkte Teilhabe an digitalen Wertschöp
fungsnetzen und damit schließlich die Gestaltung neuer Geschäftsmodelle.
→→ Standards und Integration: die Integration von Einzel- zu Systemlösungen von Indus
trie 4.0 basiert in wesentlichen Teilen auf intensiven und langjährigen Anstrengungen
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bei der Entwicklung von Standards. Dies erleichtert die Integration wesentlich und
stellt daher eine Basis für Interoperabilität dar. Nicht zuletzt durch branchenüber
greifende Referenzarchitekturen und die Etablierung des Konzepts der Verwaltungs
schale als digitalem Abbild der realen Welt im Digitalen liegen neue Ansätze vor, deren
weitere Ausarbeitung nun konsequent in Richtung eines „Integrationssteckers für
Industrie 4.0“ vorangetrieben wird. (siehe Kapitel 2.3)
→→ Konnektivität: Assets nutzen gemeinsame Kommunikationsprotokolle und den
gleichen „Stecker“ zwischen der analogen und der virtuellen Welt.
→→ Eindeutige Semantik: Assets verstehen Sinn und Inhalt einer Information einheitlich.
Sie nutzen das gleiche Vokabular, verstehen die Nachrichten eindeutig, die sie digital
austauschen und können so kommunizieren, dass sie autonom interagieren und die
zu erfüllenden Aufgaben erledigen. (siehe Kapitel 2.4)
→→ Einbezug von KI-Ansätzen: alle Akteure können Maschinen- und Nutzerdaten koope
rativ nutzen und verknüpfen. Sie können außerdem Künstliche Intelligenz nutzen, um
den Weg zu neuen Lösungsansätzen und Geschäftsmodellen zu gehen. Hierzu gehören
vor allem dezentrale Systeme und Künstliche Intelligenz. (siehe Kapitel 4)
Nachhaltigkeit
Ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit stellen einen fundamentalen
Eckpfeiler der gesellschaftlichen Wertorientierung dar. Diese Aspekte fließen einerseits
in Industrie 4.0 ein, andererseits ermöglicht Industrie 4.0 bei Erreichung von Nachhaltig
keitsbestrebungen erhebliche Fortschritte. Das Ökosystem aus Innovation und Umset
zung von Industrie 4.0 liefert damit den Nährboden für Nachhaltigkeit durch Industrie 4.0
genauso wie für eine nachhaltige Industrie 4.0 selbst.
→→ Gute Arbeit und Bildung: Mit dem Menschen im Zentrum leistet Industrie 4.0 im
sozialpartnerschaftlichen Dialog signifikante Beiträge zur weiteren Verbesserung der
Arbeitsbedingungen (siehe Kapitel 2.7).
→→ Gesellschaftliche Teilhabe: Industrie 4.0 stellt einen gesamtgesellschaftlichen Trans
formationsprozess dar. Damit gehen weitreichende Veränderungen für die Beteiligten
einher. Übergeordnetes Ziel ist, dass Industrie 4.0 im Sinne einer industriellen und
sozialen Innovation diesen Beteiligten nicht nur Herausforderungen auferlegt, sondern
vor allem neue Chancen eröffnet.
→→ Klimaschutz: Industrie 4.0 ermöglicht es, zusätzliche Potenziale der Ressourceneffi
zienz zu heben. In Kombination mit konstruktiven und prozessualen Ansätzen können
Stoffkreisläufe über den gesamten Produktlebenszyklus geschlossen werden. Indus
trie 4.0 ist so ein maßgeblicher Enabler für Kreislaufwirtschaft sowie Umwelt- und
Klimaschutz insgesamt. (siehe Kapitel 2.3.1)
In der Verknüpfung der Handlungsfelder Souveränität und Interoperabilität hat die Platt
form Industrie 4.0 in einem internationalen Netzwerk eine wichtige Grundlage geschaffen:
das Projekt GAIA-X [4], eine verteilte, offene Dateninfrastruktur für Europa. Auf das Pro
jekt GAIA-X nehmen wir später in Kapitel 4 im Kontext zu Künstliche Intelligenz in indust
riellen Anwendungen Bezug.
14
1.3.2 Umsetzung des Digitalen Ökosystems: Vernetzung
der zentralen Akteure
In Deutschland existiert, bis dato als weltweit einmaliger Ansatz, ein reaktionsschnelles
Gefüge bestehend aus Strategieentwicklung und Konzeption sowie Umsetzung durch
Erprobung und Standardisierung.
Das Labs Network Industrie 4.0 (LNI 4.0) ermöglicht speziell den klein- und mittelstän
dischen Unternehmen (KMU) die Umsetzung der strategischen Handlungsempfehlungen,
neuen Technologien und Anwendungsszenarien (Use Cases) in Pilotprojekten. LNI 4.0
ermöglicht somit die Erprobung und technische und ökonomische Realisierbarkeit von
Industrie 4.0-Konzepten vor der Markteinführung. Durch das Zusammenwirken in ver
schiedenen Testzentren können marktrelevante Anforderungen generiert und validierte
Ergebnisse an das SCI 4.0 transferiert werden, um direkt in den Normungsprozess ein
gebracht werden zu können.
15
Im Bereich der Internationalisierung treibt die Plattform Industrie 4.0 mit ihren Partnern
Standardization Council Industrie 4.0 (SCI 4.0) und Labs Network Industrie 4.0 (LNI 4.0)
über zahlreiche bilaterale und multilaterale Kooperationen den nationalen und internatio
nalen Austausch voran.
So ergibt sich ein systematisches Bild der Gestaltung von Industrie 4.0 und es entsteht
eine Übersicht, die zeigt, wo und welche Entwicklungen in Form von Anwendungsbei
spielen auf die Umsetzung der strategischen Ziele der Vision 2030 einzahlen, und so
erste Umsetzungsschritte in den Industrieunternehmen hin zu einer Verwirklichung der
entwickelten Vision illustrieren. Umfassende Sammlungen von Industrie 4.0-spezifischen
Anwendungsfällen finden sich u. a. beim Labs Network Industrie 4.0 und der Arbeits
gruppe 2 der Plattform Industrie 4.0 [5].
Aus Sicht der Standardisierung wird also ein Ökosystem betrachtet, das aus einem Wert
schöpfungsnetz von Firmen besteht, die untereinander Wertversprechen anbieten und
dafür eine Gegenleistung wie beispielsweise Geld erhalten. Im Kontext von Industrie 4.0
sind dies:
→→ Firmen der produzierenden Industrie, die dem Konsumenten oder anderen Firmen
physische Produkte anbieten.
→→ Firmen, die Software und Dienstleistungen anbieten und damit dazu beitragen, Wert
schöpfungsprozesse zu unterstützen (beispielsweise Anbieter von Logistik-Dienst
leistungen, Software-Applikationen, Engineering- oder Wartungs-Dienstleistungen)
bzw. technische Integrationsaufgaben wahrnehmen (wie beispielsweise Systeminte
gratoren).
16
Abbildung 3: Illustration des firmenübergreifenden Wertschöpfungsnetzes
Anwendungsfall 1: „Produktionsmarktplatz“
Im ersten Beispiel wird postuliert, dass sich zukünftig im Markt ein neuer geschäftlicher
Spieler etabliert, beispielsweise ein Marktplatzbetreiber, der auf Anfrage einen Anbieter
von 3-D-Druck vermittelt. Die wesentlichen Wertschöpfungsbeziehungen zwischen den
beteiligten Firmen sind in Abbildung 4 dargestellt.
17
Abbildung 4: Etablierung eines Marktplatzbetreibers
Der Nutzen für den Einkäufer von 3-D-Druck besteht darin, dass er diese Kompetenz am
Markt einkaufen kann, ohne bei sich entsprechende Investitionen in Maschinen und Know-
how-Aufbau tätigen zu müssen. Der Nutzen für den Anbieter von 3-D-Druck besteht darin,
dass ihm über den Marktplatz ein größerer Marktzugang gewährt wird.
Dieses Beispiel ist insofern relevant für die Normungsroadmap, da in Abhängigkeit vom
Standardisierungsgrad der Anfragen die Verhandlungen zwischen den Geschäftspartnern
automatisiert ablaufen können. Dadurch besteht das Potenzial, derzeit stark verschränkte
Wertschöpfungsprozesse zu entkoppeln, wie beispielsweise die Produktentwicklung und
das Anlagenengineering, die heute oft über das „design for manufacturing“ eng miteinan
der verzahnt sind.
Im zweiten Anwendungsfall wird illustriert, wie durch eine Standardisierung von Ferti
gungseigenschaften von Maschinen die Integration dieser Maschinen bei einem Anwender
vereinfacht werden kann. Die wesentlichen Wertschöpfungsbeziehungen zwischen den
beteiligten Firmen sind in Abbildung 5 dargestellt.
Ein Konsortium, wie beispielsweise die OPC-Foundation [6], entwickelt eine Spezifikation.
Eine Branche, wie beispielsweise die Hersteller von Werkzeugmaschinen einigt sich, den
Standard OPC UA, welcher auch als Normenreihe IEC 62541 vorliegt, für ihre Branche
auszuprägen, indem sie eine OPC UA Companion Specification für ihre Branche ent
wickelt. Die einzelnen Hersteller von Werkzeugmaschinen unterstützen dies und bieten
dann am Markt Werkzeugmaschinen an, die diese OPC UA Companion Specification imple
mentiert haben, aber zusätzlich noch Alleinstellungsmerkmale besitzen. Der Anwender
18
von Werkzeugmaschinen hat anschließend den Nutzen einer vereinfachten Integration von
Werkzeugmaschinen in seiner Anlage, aber auch herstellerübergreifende Zustandsüber
wachung und prädiktive Wartung, eine technologieoffene Optimierung der Produktion oder
ein vereinfachtes Retrofit von Bestandsmaschinen.
Anwendungsfall 3: „Assistenzsystem“
In Kapitel 2.7 wird dies am Beispiel der Endmontage des Innenraumes bei der Auto
mobilproduktion durch einen Montagemitarbeiter exemplarisch konkretisiert. Dieser
Anwendungsfall verweist auf die Tatsache, dass auch in Wertschöpfungsnetzwerken
menschliche Arbeit weiterhin eine Schlüsselrolle spielt und deshalb soziotechnische
Aspekte bei Systemgestaltung und Systembetrieb eine entscheidende Rolle spielen.
19
1.5 Technischer Hintergrund – Struktur der
Kapitel 2 und 3
Diese technischen Systeme sind in der Regel aus anderen technischen Systemen aufge
baut und stehen in vielfältigen Wechselbeziehungen zueinander. Viele dieser technischen
Systeme sind ein Träger unterschiedlicher Informationen und über Technologien wie
beispielsweise Kommunikationstechnologien oder Cloud-Plattformen werden Möglich
keiten geschaffen, um solche Informationen zwischen den technischen Systemen entlang
entsprechender Wechselbeziehungen zu übertragen. Dies ist in Abbildung 7einerseits
schematisch und allgemein ohne Anspruch auf Vollständigkeit illustriert und andererseits
sind in blauer Schrift exemplarisch mögliche Interpretationen dieser technischen Systeme
und deren Wechselbeziehungen dargestellt:
Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass Standards zu erarbeiten sind, die es
ermöglichen, verschiedene Systeme unabhängig voneinander zu entwickeln und dabei
trotzdem eine Interoperabilität zwischen ihnen sicherzustellen (siehe Kapitel 2.4). Außer
dem ist es dann aufgrund der Standards möglich, Einzelkomponenten eines Gesamtsys
tems aufwandsarm austauschen zu können und so aus einer installierten Basis heraus,
in Schritten in eine Ziellandschaft zu migrieren. Dabei müssen die Standards dafür Sorge
20
tragen, die Souveränität über die eigenen Systeme zu behalten, sodass dadurch insgesamt
die Basis für Nachhaltigkeit geschaffen wird.
Aus den Gestaltungsprinzipien des digitalen Ökosystems und aus der Perspektive der
nationalen Normung, angelehnt an die Struktur des Referenzarchitekturmodells RAMI 4.0,
leiten sich die einzelnen Gesichtspunkte der Normungsroadmap gemäß Kapitel 3 aus den
folgenden Überlegungen ab. Das betrachtete Wertschöpfungsnetz ist komplex und es ist
notwendig, ein Verständnis von den charakteristischen und repräsentativen Ausprägungen
dieses Wertschöpfungsnetzes zu haben. Es hat sich bewährt, dies über sogenannte Use
Cases zu beschreiben. Da diese Use Cases von verschiedenen Interessengruppen unab
hängig voneinander entwickelt werden, ist es zielführend, einen allgemeinen Rahmen für die
Beschreibung von Use Cases zu schaffen, was nachfolgend in Kapitel 2.1 beschrieben ist.
Die zum Einsatz kommenden und betrachteten technischen Systeme gemäß Abbildung 7
sind vielfältig und teilweise auch sehr komplex. Da diese Systeme unabhängig voneinan
der entwickelt werden, ist es sinnvoll, sich auf allgemeine Modelle zu einigen, nach denen
solche Systeme im Sinne einer Referenzarchitektur aufgebaut sind. Neben der System
betrachtung befassen sich die Architekturen auch mit der Einbettung in ihren Kontext
und berücksichtigen nicht nur die dazugehörigen Prozesse, sondern ebenso die an diesen
Prozessen beteiligten Akteure. Dies ist in Kapitel 2.2 beschrieben.
Für die vielfältigen eingesetzten Systeme gemäß Abbildung 7 ist es zielführend, diese nach
allgemeinen Prinzipien zu klassifizieren und die charakteristischen Eigenschaften dieser
verschiedenen Systeme übergreifend zu standardisieren, was in Kapitel 2.3 beschrieben ist.
Damit Systeme überhaupt interagieren können, müssen die einzelnen Systeme interope
rabel gestaltet werden. Die zwischen den Systemen ausgetauschten Daten und Informati
onen sind einerseits vielfältig und andererseits teilweise sehr komplex wie beispielsweise
Produktbeschreibungen. Deshalb ist es zielführend, sich über Prinzipien zu verständigen,
auf deren Basis die Struktur und Bedeutung dieser Informationen formalisiert sind. Die
Interaktionen setzen zwar Kommunikationssysteme voraus, sollten jedoch von der tech
nologischen Umsetzung der Kommunikation unabhängig sein. In Kapitel 2.4 wird darauf
näher eingegangen.
Wie in Abbildung 7 illustriert, sind technische Systeme aus anderen technischen Systemen
aufgebaut, die in der Regel von anderen Firmen zur Verfügung gestellt werden. Deshalb
ist es zielführend, sich auf Schnittstellen zu einigen, nach denen solch eine Integration
erfolgt. Das betrifft insbesondere auch die Integration aus der Perspektive der IT, was in
Kapitel 2.5 und spezifisch für die industrielle Sicherheit in Kapitel 3 beschrieben ist.
21
In die diversen Wertschöpfungsprozesse (siehe Abbildung 2) ist auf der planenden und
ausführenden Seite der Mensch beteiligt, sei es als Ingenieur oder Arbeiter. Die Definition
und Ausarbeitung von Empfehlungen und Standards für die menschengerechte Arbeits-,
Prozess- und Produktgestaltung in der Industrie 4.0 ist in Kapitel 2.7 beschrieben. Es
sollen dabei bereits bestehende Normen erfasst, überprüft und bei Bedarf aktualisiert
sowie gegebenenfalls neue Arbeitsfelder aufgezeigt werden. Dazu zählen vor allem
Themen wie neue Formen der Arbeitsorganisation, adaptive Gestaltung von Arbeitssys
temen der Industrie 4.0 und Software Usability.
22
→→ Bei der Implementierung von Software-Anwendungen setzen Unternehmen verstärkt
auf Open Source-Software. Damit lassen sich Kosten sparen, Innovationen vorantrei
ben, der Wissenstransfer beschleunigen und die Interoperabilität verbessern. Neben
der Unabhängigkeit von einzelnen Software-Anbietern spielen hierbei außerdem zeit
nahe Updates und die eigene Anpassungsmöglichkeit der Software eine wesentliche
Rolle. Deshalb wird in Kapitel 3.1 auf aktuelle Open Source-Projekte näher eingegan
gen.
→→ Der Schutz der Informationssicherheit ist unabdingbar für das verlässliche Funktio
nieren einer Industrieanlage. Angriffe auf Kontrollgeräte oder die zu verarbeitenden
Daten können zu erheblichen Schäden an Menschen und Umwelt führen, Infrastruk
turen lahmlegen oder die Know-how-Basis eines Unternehmens schädigen. Im Kon
text von Industrie 4.0 wird durch die zunehmende Interaktion der beteiligten Firmen
der Schutzbedarf deutlich erhöht. Kapitel 3.2 widmet sich den dadurch entstehenden
zusätzlichen Handlungsempfehlungen zur Industrial Security.
→→ Im Industriekontext kam Privacy bislang vor allem als Arbeitnehmerdatenschutz vor,
weil die eingesetzten Systeme Mitarbeiteraktivitäten erfassen. Industrie 4.0 erweitert
das Anwendungsfeld von Privacy, weil Business-to-Consumer-Wertschöpfungspro
zesse mit Fertigungssystemen verknüpft werden, beispielsweise bei der Fertigung
individualisierter Produkte. Darum müssen Normen mit regulatorischen Vorgaben
verträglich sein, sodass Privacy-Funktionen von vornherein in die Prozesse zu integrie
ren sind. Entsprechende Handlungen empfiehlt Kapitel 3.3.
→→ Die Vertrauenswürdigkeit (im Englischen Trustworthiness) aller Geschäftspartner
und ihrer Beiträge entlang der gesamten Wertschöpfungskette entscheidet letztlich
über die Qualität und Verlässlichkeit des Endergebnisses. Vertrauenswürdigkeit wirkt
sich insbesondere auf Eigenschaften wie Reliability, Security, funktionale Sicherheit
und Privacy aus. Jeder Beteiligte ist auf die Vertrauenswürdigkeit seiner zugelieferten
Komponenten angewiesen und kann ein Werteversprechen über seinen eigenen Werte
beitrag abgeben. Vertrauenswürdigkeit kann mittels Standards und Prozessen zur
Konformitätsbewertung im gewissen Rahmen messbar und verifizierbar werden. Aktu
elle Entwicklungen und Handlungsempfehlungen werden in Kapitel 3.4 dargestellt.
→→ In Kapitel 4 gehen wir erstmals auf den Einsatz von KI in industriellen Anwendungen
ein. Dieser kann, je nach Anwendungszweck und Funktion der KI, Einfluss auf die
Erfüllung von in Normen beschriebenen Anforderungen beeinflussen. Wird beispiels
weise KI-Technologie eingesetzt, um das Verhalten automatisierter Funktionen
anzupassen, muss der Einfluss der Handlungen der KI auf das automatisierte System
bei der Konformitätsbewertung berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere auch
für industrielle Anwendungen mit Anforderungen hinsichtlich funktionaler Sicherheit.
Demzufolge ist es notwendig, stets die Erfüllung normativer Rahmenbedingungen zu
prüfen und sicherzustellen, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Funktion
und Einfluss von KI. Eine objektive Bewertung des Einflussbereichs der KI ist vor allem
auch in diesem Zusammenhang notwendig.
23
2 Normungsbedarf
in Kernthemen
Es setzt sich mittlerweile international verstärkt die Einschätzung durch, dass neue
Standardisierungsaktivitäten insbesondere dann sinnvoll sind, wenn die dahinter liegen
den treibenden Use Cases formuliert und klar verstanden sind. Insofern ist ein interna
tional einheitliches Verständnis von Use Cases im Kontext von Industrie 4.0 ein zentraler
Ausgangspunkt in der Normungsarbeit. Use Cases sind hierbei ein Instrument, um eine
Brücke zu schlagen von den treibenden Herausforderungen, denen sich die produzieren
de Industrie konfrontiert sieht, bis hin zu den entsprechenden möglichen technischen
Lösungsansätzen. Use Cases bieten dann auch die Möglichkeit, neue Anforderungen an
eine Normung und Standardisierung abzuleiten.
Das „moderne“ Verständnis des Begriffes Use Cases entstammt dem 2011 veröffentlichten
Konzept Use Case 2.0 [5]. Es beschreibt eine skalierbare, agile Technik zur Entwicklung
von Anforderungen, mit denen die inkrementelle Systementwicklung gesteuert werden
kann. Für viele Unternehmen bilden sie das Mittel der Wahl für die Stakeholder-Kom
munikation. Sie helfen dabei zu verstehen, wie ein System dazu beiträgt, die vom Anwen
der angestrebten Ziele zu erreichen und die gewünschten Ergebnisse zu erzeugen. Der
Mehrwert von Use Cases liegt in der Integration etablierter Techniken des Requirements
Engineering in eine agile Vorgehensweise. Damit bieten Use Cases auch in agilen Projek
ten viele Vorteile.
Die Bedeutung der Use Cases wurde von der Plattform Industrie 4.0 ebenfalls sehr früh
erkannt und evaluiert. Beispielsweise wurden in Deutschland Use Cases in Form von
Umsetzungsbeispielen gesammelt, aufbereitet und auf einer Online-Landkarte dargestellt
[6]. Diesen Ansatz haben andere Länder ebenfalls aufgegriffen und umgesetzt.
Andererseits wurde dabei immer mehr bewusst, dass der Begriff „Use Case“ doch sehr
unterschiedlich verstanden und benutzt wurde. Dies hat u. a. dazu geführt, dass in der
Version 3 der Normungsroadmap Industrie 4.0 erstmalig ein eigenständiges Kapitel „Use
Cases“ formuliert wurde. Kern dieser Empfehlung ist ein Vorschlag, grundsätzlich drei
unterschiedliche Kategorien von Use Cases zu unterscheiden:
→→ Business Szenarien, bei denen aus einer geschäftlichen Perspektive Wertschöpfungs
beziehungen zwischen Firmen sowie deren Geschäftsmodelle beschrieben werden.
→→ Use Cases, bei denen ein technisches System in seinem Anwendungskontext beschrie
ben wird, und zwar wie Akteure außerhalb des technischen Systems mit diesem und
untereinander interagieren.
→→ Praxisbeispiele, bei denen ein konkreter Lösungsansatz beschrieben wird.
24
Dieser Vorschlag wurde sowohl national, beispielsweise bei ausgewählten Use Cases von
Labs Network Industrie 4.0, als auch international, insbesondere im Rahmen der Koopera
tionen mit USA, China und Japan, aktiv aufgegriffen und umgesetzt.
Die Nutzung des Instruments der Use Cases hat in der letzten Zeit ein zusätzliches
Momentum erhalten und wird in einer größeren Breite diskutiert als noch vor zwei Jahren
im Zusammenhang mit der Erstellung der Version 3 der Normungsroadmap. Das hat
naturgemäß dazu geführt, dass das Verständnis, was unter einem Use Case im Einzelnen
verstanden wird, sich keineswegs konsolidiert hat, sondern die Thematik ist eher noch
vielschichtiger geworden.
Bei der Beschreibung von Use Cases hat die Diskussion um das benutzte Template oft
einen hohen Stellenwert, allerdings wird nach einer Einigung auf ein Template dieses
manchmal nicht sehr „gewissenhaft“ ausgefüllt. Generell ist die Formulierung konkreter
qualitativ hochwertiger Use Cases aufwendig. Dieses notwendigen Aufwands sollte man
sich vorab immer bewusst sein.
Allgemein scheint – aufgrund der zur Verfügung stehenden Ressourcen – der Schwer
punkt auf der Formulierung von Use Cases zu liegen, die eher „einfach“ oder „leichtge
wichtig“ zu formulieren sind. Dies mag der Grund dafür zu sein, dass sich die Anwen
dungsszenarien der Plattform Industrie 4.0 nicht signifikant weiterentwickelt haben, weil
einerseits die Repräsentanz der vorhandenen Anwendungsszenarien bereits recht gut
ist – und somit kein akuter Handlungsbedarf existiert – und andererseits die Entwicklung
eines qualitativ hochwertigen Anwendungsszenarios sehr aufwendig ist. Auch das
Template gemäß IEC 62559-2 setzt sich derzeit im Umfeld von Industrie 4.0 nicht flächen
deckend durch, da es einen großen Aufwand bedeutet, einen Use Case in dieser Detailtiefe
gewissenhaft auszufüllen – und erschwerend kommt hinzu, dass aufgrund der Breite des
Themas Industrie 4.0 viele solcher unterschiedlichen Use-Case-Beschreibungen notwen
dig wären, um insgesamt eine repräsentative Sammlung von Use Cases zu erhalten.
In diesem Umfeld ist es nun die Aufgabe der Normung und Standardisierung, einen ziel
führenden Weg für sich zu finden [siehe HE 2.1-A1]. Deshalb ist es zwingend notwendig,
sich darüber zu verständigen, weshalb im Kontext der Normung und Standardisierung Use
Cases zusammengetragen und konsolidiert werden sollen:
In der Vergangenheit wurden Normungsaktivitäten oft erst dann initiiert, wenn sich
Lösungskonzepte im praktischen Einsatz bewährt hatten. Im Gegensatz dazu werden ins
besondere im Umfeld der IT-Standardisierungsaktivitäten oft zu einem Zeitpunkt initiiert,
in dem Lösungskonzepte erst noch in den Markt getragen werden müssen. Deshalb ist es
wichtig, dass man sich aus Sicht der Normung ein klares Bild von zukünftigen Anwendun
gen machen muss. Um Standards unter der Prämisse von einerseits Marktrelevanz und
25
andererseits Verbindlichkeit zu schaffen, müssen solche Use Cases hinreichend präzise
und repräsentativ sein.
Selbstverständlich kann die Normung Impulse von Aktivitäten aufgreifen, in denen unter
diversen Zielen Use Cases gesammelt und beschrieben werden. Es ist aber die ureigenste
Aufgabe der Standardisierung, diesen Input im Hinblick auf die notwendige Präzision zu
konsolidieren. Dies stellt aus Standardisierungsperspektive eine zwingende Notwendigkeit
dar.
Der Wert einer konsolidierten Zusammenstellung von Use Cases für die Standardisierung
stellt sich wie folgt dar:
→→ Konsolidierung der Vision Industrie 4.0: über die Use Cases werden die grundlegen
den Prinzipien von traditionellen und zukünftigen Wertschöpfungsprozessen in der
produzierenden Industrie beschrieben und systematisch zusätzliche Möglichkeiten
postuliert, die durch Digitalisierung ermöglicht werden. Konsolidierung von Begriffen
und Konzepten: Über die Use Cases kann man sich auf grundlegende Begriffe und
Konzepte verständigen und diese in einem Anwendungskontext in ihren Wechselbe
ziehungen erläutern.
→→ Rechtfertigung eines generellen Bedarfs an Normung und Standardisierung: über die
Use Cases können grundsätzliche Lücken in der Normung und Standardisierung iden
tifiziert werden, die geschlossen werden sollen. Allerdings können gewisse Potenziale
bereits durch eine konsequente Anwendung bereits existierender Normen und Stan
dards gehoben werden.
→→ Formulierung der Anforderungen an die Normung und Standardisierung: über die Use
Cases werden Anforderungen – und keine Lösungsansätze – identifiziert. Daraufhin
initiierte Maßnahmen zur Weiterentwicklung oder Neuentwicklung von Normen und
Standards können dann durchgängig mit den Anforderungen dazu verknüpft werden.
Folglich sind Use Cases ein zentrales Element im Hinblick auf die Ausgestaltung der
zukünftigen Normung. Im Hinblick auf die originären Ziele der Normung und Standari
sierung wird deshalb empfohlen, die Vorstellung über ein gemeinsames Verständnis von
Use Cases gemäß Abbildung 10 fortzuschreiben.
Zum besseren Verständnis und Einordnung in den Kontext soll kurz der Blick auf die
relevanten Arbeiten hierzu gerichtet werden. Bereits im Jahr 2016 hatten die Plattform
Industrie 4.0 gemeinsam mit dem Industrial Internet Consortium (IIC) ein Whitepaper
erstellt [7], welches die Komplementarität der beiden Referenzarchitekturen in den Mittel
punkt gerückt hatte. Das Konzept des Industrial Internet Reference Architecture (IIRA) [8],
betont die branchenübergreifenden Gemeinsamkeiten sowie Interoperabilität über die
Branchen hinweg, während RAMI 4.0 sich auf die Wertschöpfungsketten in der produzie
renden Industrie – und damit eine Branche – konzentriert. (siehe Abbildung 10)
26
RAMI 4.0 fokussiert dabei im Wesentlichen auf den Functional Viewpoint gemäß IIRA,
sodass der Business und Usage Viewpoint gemäß IIRA zusätzliche Blickwinkel sind, die
man auf ein IIoT-System in der produzierenden Industrie einnehmen und beschreiben
kann und sollte.
Abbildung 10: Beschreibung von Use Cases aus verschiedenen Perspektiven heraus
Darüber hinaus lautet eine der zentralen Empfehlungen – zwischen Business Szenarien,
Use Cases und Praxisbeispielen zu unterscheiden. Gerade im Hinblick auf die Normung ist
ein umfassendes Verständnis der geschäftlich treibenden, business-orientierten Anwen
dungen für Industrie 4.0 notwendig. Aufgrund der Vielschichtigkeit der Wertschöpfungs
prozesse in der produzierenden Industrie sind allerdings die bisher empfohlenen Tem
plates gemäß IIRA bzw. IEC 62559-2 zu mächtig, sodass zunächst einmal im Sinne einer
systematischen top-down-Vorgehensweise die Benutzung des IEC TC65 WG23 Template
vorgeschlagen wird [siehe HE 2.1-1].
Man beachte, dass zwischen den verschiedenen Templates für den Usage Viewpoint wohl
definierte Beziehungen existieren, die in Abbildung 11 dargestellt sind. Das IIRA Template
ist eine Verfeinerung des IEC TC65 WG23 Template und das IEC 62559-2 Template eine
Verfeinerung des IIRA Template.
27
Abbildung 11: Verfeinerungsbeziehungen zwischen den verschiedenen Templates
Nachfolgend seien noch ausgewählte Referenzbeispiele für Business Szenarien und Use
Cases benannt, bei denen dieses Gesamtverständnis zugrunde liegt:
→→ Business Viewpoint: hier sind einerseits die Anwendungsszenarien der Plattform
Industrie 4.0 [9] sowie die detaillierten Beschreibungen der Anwendungsszenarien
„Value-based Service“ [10] und „Durchgängiges und dynamisches Anlagen-Enginee
ring (Seamless dynamic plant engineering)“ [11] erwähnenswert. Daneben sei auf die
Business Szenarien, die gemäß der Methodik der Arbeitsgruppe „Digitale Geschäfts
modelle“ der Plattform Industrie 4.0 [12] hingewiesen, die gerade insbesondere in
der Zusammenarbeit mit China in mehreren Arbeitsgruppen zur Anwendung kommt
[siehe HE 2.1-A2].
→→ Usage Viewpoint gemäß IIRA Template: wie eingangs erwähnt, findet die Usage View
nicht nur im Austausch mit dem IIC ihre Beachtung. Die Ausgestaltung der Usage View
wird derzeit in bilateralen Länderkooperationen vertieft und verfeinert. So wurden
gemeinsame Beschreibungen zu „Usage view mass customization“ und „Usage view
equipment lifecycle management“ [13] im Rahmen der Chinesisch-Deutschen Unter
arbeitsgruppe Industrie 4.0/Intelligent Manufacturing [14] vertieft und evaluiert. Im
Rahmen der japanisch-deutschen Kooperation zwischen dem SCI 4.0 und der japani
schen Robot Revolution & Industrial IoT Initiative wurden Beschreibungen, wie „Usage
view value-based service“ [15] und „Usage view asset administration shell“ [16],
entwickelt. Ergänzt werden diese Arbeiten durch die von Labs Network Industrie 4.0
in der Ausarbeitung befindliche Beschreibung „Usage view edge configuration“ [siehe
HE 2.1-2].
→→ Usage Viewpoint gemäß IEC 62559-2 Template: hier sind die Beschreibungen
„Plug-and-produce for adaptable factories“ von der Plattform Industrie 4.0 [17] und
„Functional View Value-based Service“ von der Robot Revolution & Industrial IoT
Initiative und der Plattform Industrie 4.0 [18] zu erwähnen.
28
2.1.3 Handlungs- und Anwendungsempfehlungen
2.1-1 Die Taskforce „Smart Manufacturing Use Cases“ der IEC TC65 WG23 sollte aus
Deutschland heraus aktiv unterstützt werden, um über diesen Weg eine konsistente und
repräsentative Use Cases Sammlung für Industrie 4.0 zu erhalten. So wird dieser Task
force geholfen, sich als zentrale Drehscheibe einer systematischen Konsolidierung der
vielfältigen Use Cases im Umfeld von Industrie 4.0 zu etablieren.
2.1-2 Die diversen Aktivitäten, die Use Cases auf Basis detaillierterer Beschreibungen
wie beispielsweise dem IIRA-Template formulieren, sollten weiter fortgesetzt werden.
Beispiele hierfür sind die gemeinsamen Aktivitäten mit China und Japan, ausgewählte
Aktivitäten von Labs Network Industrie 4.0, aber auch Aktivitäten auf Ebene der Euro
päischen Union, wie sie insbesondere im Kontext von Künstlicher Intelligenz im Rahmen
des AI-PPP geplant sind.
2.1-A1 Es sollte weiterhin versucht werden, den Begriff „Use Case“ nicht unnötig zu
überladen. Es ist nicht das Ziel, ein einheitliches Verständnis vorzugeben, aber es wird
empfohlen, dass sich Aktivitäten bezüglich des in der Normungsroadmap formulierten
Verständnisses positionieren, sodass dieses weiter geschärft werden kann.
2.1-A2 Es wird empfohlen, die Formulierung von Business Szenarien, wie sie insbeson
dere in Kooperationen mit China forciert wird, weiter zu promoten, da Business Szenarien
mangels Zuständigkeit – zumindest im Moment – nicht im Scope der WG23 von IEC TC65
liegen.
2.2 Referenzarchitekturmodelle
2.2.1 Status und Fortschritte seit Version 3
Die Modellierung von Referenzarchitekturen ist ein effektiver Ansatz zur Systematisierung
und vereinfachten Nachbildung wesentlicher und oft komplexer Strukturen und Funkti
onen. Ziel der Normung in diesem Themenbereich ist es, ein standardisiertes Rahmen
werk zu erschaffen, zu dem technische Komponenten verschiedener Hersteller konform
sind. Dies soll nicht nur einen effizienten Datenaustausch im industriellen Umfeld,
sondern auch eine unkomplizierte Nutzung von Daten über verschiedene Infrastrukturen
hinweg, ermöglichen.
29
Das Rahmenwerk soll im Wesentlichen zur reibungslosen Zusammenarbeit der verschie
denen Stakeholder in digitalen Ökosystemen beitragen. Übertragen auf den Anwendungs-
fall 1: „Produktionsmarktplatz“, sollen in einem Referenzarchitekturmodell alle Akteure
und deren Wechselbeziehungen, inklusive Hard- und Software-Komponenten, Anwender-
und Anbieterbranchen sowie Produktdesign bis zum Produktrecycling eines 3-D-Produkts
betrachtet werden.
In der Informatik fungiert eine Referenzarchitektur als ein Referenzmodell für eine Klasse
von Architekturen. Eine Architektur (z. B. Unternehmens-IT-Architektur, Cloud-Architektur,
IoT-Architektur u. a.) bestimmt die Struktur eines Systems auf zwei Ebenen: (1) Gegen
standsebene, u. a. durch die Strukturierung des Systems in bestimmte Subsysteme und (2)
Regelebene, die bei der Entwicklung des Systems einzuhalten sind. Damit definiert sie die
Metaebene der Entwicklung, z. B. durch Muster. Das bedeutet, dass eine Referenzarchitek
tur als ein spezifisches Modellmuster, d. h. ein idealtypisches Modell für eine bestimmte
Klasse (z. B. „IoT“, „Cloud“, „IT“) der zu modellierenden Architekturen, betrachtet wird.
Dabei umfasst sie operationale sowie funktionale Aspekte dieser bestimmten Klasse. Aus
diesem Grund spezifiziert ein Referenzarchitekturmodell nicht „die“ Architektur schlecht
hin, sondern lediglich den Rahmen mit Mindestanforderungen bzw. -aspekten.
Im Folgenden geht dieses Kapitel näher auf die bisherigen und aktuellen Standardisie
rungsaktivitäten ein und erläutert die wesentlichen Anwendungs- und Handlungsempfeh
lungen zu diesem Themenbereich. In den vergangenen Jahren wurden mehrere Standards
für Referenzarchitekturmodelle für verschiedene Zwecke im Umfeld von Industrie 4.0 vor
gestellt, u. a. das Referenzarchitekturmodell Industrie 4.0 (RAMI 4.0) (siehe Abbildung 12).
30
Working Group 21 (ISO/IEC JWG 21), um die auf ISO- und IEC-Seite laufenden zahlreichen
nationalen Normungsaktivitäten (Frankreich, China, Japan, USA, Südkorea, Schweden) zu
Referenzarchitekturmodellen konsistent zu gestalten und zusammenzuführen.
Mit der derzeitigen Erarbeitung des Technical Reports (TR) Smart Manufacturing Meta-
Model „A Meta-modelling analysis approach to Smart Manufacturing Reference Models
(SMRM)“, erfolgt bei IEC/TC 65/JWG 21 die Umsetzung der 2018 formulierten Handlungs
empfehlungen aus Version 3 der Roadmap. Die zusätzlichen laufenden Normungsentwick
lungen weiterer Referenzarchitekturmodelle richten nun ihre Aktivitäten auf die Verzah
nung mit der IoT-Welt. Einige dieser Aktivitäten werden in der nachfolgende Übersicht
aufgezeigt und verdeutlichen nochmals den Grad der Vernetzung und somit auch den Grad
steigender Komplexität.
Das Hauptziel dieser Aktivitäten ist die Entwicklung einer Strategie zur Harmonisierung
der aktuellen Normen für Referenzarchitekturen, um ein gemeinsames Verständnis über
die Eigenschaften von Referenzarchitekturmodellen und verwandten Normen zu errei
chen.
Diese Aktivitäten umfassen so wichtige Themen wie Big Data, Federal Cloud Computing,
sicherer Datenaustausch, Systemarchitekturen u. a. So werden immer wieder neue Refe
renzarchitekturen in Umlauf gebracht, die sich möglicherweise einem bereits existieren
den Referenzarchitekturmodell zuordnen ließen. Ebenso werden neue Referenzarchitek
turmodelle mit den bestehenden oft nicht verglichen bzw. abgestimmt [siehe HE 2.2-1,
HE 2.2-2].
Da noch kein breites und tieferes Verständnis für die wesentlichen Unterschiede zwischen
den Begriffen wie „Referenzarchitektur“ und „Referenzarchitekturmodell“ gegeben ist –
herrscht aktuell eine Verwirrung bei der Anwendung dieser Begrifflichkeiten und Benen
nung neuer Standards. Hierzu ist eine Harmonisierung anzustreben [siehe HE 2.2-3].
31
Harmonisierung und Kompatibilität neuer und bestehender
Referenzarchitekturmodelle
Die Verzahnung von RAMI 4.0 mit der IoT-Welt stand von Beginn an im Zentrum der Über
legungen der Arbeitskreise der Plattform Industrie 4.0, die weiterhin neue Dokumente
zu diesem Themenkomplex erarbeiten. Hier werden umfassende technische Grundlagen
zur Realisierung von Industrie 4.0-Wertschöpfungsnetzwerken, in denen Gegenstände der
physischen Welt gemäß RAMI 4.0 für ihre Repräsentation und Verwaltung in der Informati
onswelt als Industrie 4.0-Komponenten beschrieben, vermittelt.
Bereits in der vergangenen Ausgabe der Normungsroadmap wurde auf die Heterogenität
der Lösungen für Referenzarchitekturmodelle hingewiesen. Besonders im Industrie 4.0-
Umfeld bestand und besteht weiterhin ein Harmonisierungsbedarf. International befassen
sich damit Arbeitsgruppen und Ausschüsse, wie ISO/IEC JTC1/AG8, ISO/IEC JWG 21 und
ISO/IEC JTC 1/SC41. Das Hauptziel dieser Aktivitäten ist die Entwicklung einer Strategie
zur Harmonisierung der aktuellen Normen für Referenzarchitekturen, um ein gemein
sames Verständnis über die Eigenschaften von Referenzarchitekturmodellen und ver
wandten Normen zu erreichen.
32
→→ ISO/IEC JTC 1 SC41 Industrial Internet of Things IIoT
Reference Architecture for IoT
Eine zentrale Rolle im Industrial IoT übernehmen Sensoren, Aktoren und technische
Systeme, die Produktionsdaten sammeln und über das Netzwerk weiterverteilen,
wo diese auf der Ebene des Cloud Computing mittels Algorithmen weiterbearbeitet
werden können.
Eine der wichtigsten Normen im Bereich IoT ist die ISO/IEC 30141 Reference Architec-
ture for IoT, veröffentlicht von ISO/IEC JTC 1 SC41. Die Norm bietet eine standardisier
te IoT-Referenzarchitektur, basierend auf dem Vokabular (ISO/IEC 20924) und einem
generischen Design unter Verwendung industrieller Best Practice-Anwendungen. Die
Norm dient als Grundlage für die Entwicklung kontextspezifischer IoT-Architekturen
und damit auch industrieller Sensoren, Maschinen, Anlagen und anderer technischer
Systeme. Das generische Design des Konzepts lässt sich mit Hinblick auf andere bran
chenspezifische Bereiche ausweiten sowie spezifische technologische Anforderungen
und national-spezifische Anwendungen einschließen.
→→ ISO/IEC JTC 1/SC41/AG 20 Industrial IoT
Standardkartierung für Referenzarchitekturmodelle
Zur Unterstützung der Harmonisierungsaktivitäten auf der internationalen Ebene
werden aktuell in der ISO/IEC JTC 1 SC 41 AG 20 Industrial IoT diverse Aktivitäten mit
dem Ziel zur Standardkartierung bzw. -Mappings durchgeführt. Dabei werden die rele
vanten IoT-Standards auf die entsprechenden RAMI 4.0-Layer und andere relevanten
Bereiche in Kontext von Industrie 4.0 aufgeteilt. Die Kartierung soll den Überblick über
die aktuelle Normenlandschaft verschaffen und die möglichen Normungslücken im
Bereich Industrial IoT aufdecken. Solch eine Aktivität verlangt eine sehr gute Zusam
menarbeit zahlreicher Gremien und soll durch andere Aktivitäten, etwa industrielle
Praxis und Forschung, unterstützt werden [siehe HE 2.2-A1].
33
2.2-3 Harmonisierung und Kompatibilität neuer und bestehender Referenzarchitektur-
modelle
Aufgrund heterogener Lösungen für Referenzarchitekturmodelle im Industrie 4.0-Umfeld
besteht derzeit ein Harmonisierungsbedarf. Empfohlen wird, dass die Referenzarchitek
turmodelle (sowohl bestehende als auch die neuen) kritisch auf funktionale und operative
Aspekte geprüft werden, d. h., ob diese durch bestehende Modelle bereits abgedeckt sind.
Falls die funktionalen und operativen Aspekte keine Übereinstimmung aufweisen, sollten
aber auch keine weiteren Harmonisierungsaktivitäten unternommen werden. Eine Abstim
mung ist somit zwischen den Aktivitäten von ISO/IEC JTC1 AG08 und ISO/IEC JWG 21
herbeizuführen.
Assets können physische Gegenstände sein wie Geräte, Leitungen usw., aber auch nicht
greifbare Dinge, wie z. B. Software, Konzepte, Patente, Ideen, Verfahren und Prozesse. Es
kann ein einfaches Asset sein (z. B. ein Rohr) oder ein modulares Asset (z. B. Maschine,
Anlage, Fabrik). Zum Beispiel sollte die (Selbst-)Beschreibung der Werkzeugmaschine aus
Anwendungsfall 2 in Kapitel 2.1.1 in der Verwaltungsschale dieser Maschine abgebildet
sein.
34
Abbildung 13: Industrie 4.0-Komponente mit Asset und Verwaltungsschale
Der Begriff „Verwaltungsschale“ basiert auf der Idee, dass die Informationswelt das
Asset (z. B. Bestandteil einer Industrie 4.0-Komponente) wie eine Schale umschließt [4].
(siehe Abbildung 14)
Die ursprüngliche konzeptionelle Struktur der Verwaltungsschale wurde von der AG Refe-
renzarchitekturen, Standards und Normung in Kooperation mit dem ZVEI in dem Ergebnis
papier „Struktur der Verwaltungsschale“ [79] vorgestellt. Das Ergebnispapier enthält
keine endgültige IT-Spezifikation oder Implementierungsanforderung und wurde zunächst
verwendet, um zu klären, welche Merkmale, Daten und Funktionen typischerweise in einer
Verwaltungsschale gespeichert sind.
35
Das Dokument „Details of the Asset Administration Shell“ (Teil 1, Version 1.0) [86]
beschreibt die Aufbereitung und Strukturierung von Informationen in der Verwaltungs
schale. Ziel dieses Dokuments ist es, die Struktur der Verwaltungsschale so zu spezifi
zieren, dass Informationen über Assets und Industrie 4.0-Komponenten zwischen Indus
trie 4.0-Komponenten in einem Wertschöpfungsnetzwerk ausgetauscht werden können.
In dem Dokument wird die Struktur, also das Serialisierungs- und Austauschformat einer
Verwaltungsschale definiert. Der Der Teil 1 von VWSiD befasst sich im Schwerpunkt mit
der exakten Definition des Datenmodells durch ein UML-Diagramm, seiner Serialisie
rung in XML und JSON und der Definition eines einfachen und sicheren Transportes von
Verwaltungsschalen zwischen zwei technischen Infrastrukturen in einem Container (siehe
Abbildung 15).
Die Erweiterung Version 2.0 [28] der im Jahr 2018 veröffentlichten ersten Fassung
beschreibt wie Unternehmen Informationen in der Verwaltungsschale aufbereiten und
strukturieren können. Die aktualisierte Version informiert über eine Vielzahl interessanter
Themen wie RDF-Implementierung und AML- und OPC-UA-Mappings, die gemeinsam
mit AutomationML e. V. und der OPC Foundation entwickelt wurden.
Der inhaltliche und wesentliche Teil einer Verwaltungsschale sind die Teilmodelle.
Es gibt unterschiedliche Klassen von Teilmodellen, die nachfolgend näher erläutert
werden. Welche Teilmodelle eine Verwaltungsschale trägt, hängt im Wesentlichen von der
Art des Assets, vom Lebenszyklus und vom Einsatzszenario ab. Teilmodelle haben eine
eindeutige Zuordnung zur Verwaltungsschale, eine eindeutige ID und damit auch einen
eindeutigen Bezug zu einem konkreten Asset.
36
des Teilmodells selbst sind. Teilmodelle sollten nach Möglichkeit eine abgeschlossene
Sicht auf einen Aspekt des Assets und einen gewissen Nutzen haben oder ein Szenario
bedienen. Als Beispiel sei hier das Energiemanagement genannt, sodass im Teilmodell
Energiemanagement alle dafür relevanten Merkmale über Schnittstellen bereitgestellt
werden können.
Neben den Inhalten der Verwaltungsschale spielen die Mechanismen zur Kommunikation
und der Integration eine entscheidende Rolle. Die Interoperabilität von Industrie 4.0-Kom
ponenten hängt entscheidend von den Inhalten der Verwaltungsschale ab. So ist es
Hauptaufgabe der Verwaltungsschale, die Daten und Funktionen aller relevanten Assets –
einschließlich den Produkten und ganzer Produktionssystemen – standardisiert über
ihren Lebenszyklus zu registrieren und zur Verfügung zu stellen. Bei IEC/TC 65 wurde das
Projekt IEC 63278-1 ED1 „Asset administration shell for industrial applications – Part 1:
Administration shell structure“ in der neu gegründeten IEC/TC 65/WG 24 gestartet, um
diese Konzepte in einer internationalen Norm zu beschreiben. Damit sind die Weichen
gestellt, um die Konzepte der Verwaltungsschale zu einer internationalen Norm bzw.
Normenreihe zu entwickeln. Der Normungsantrag greift die Dokumente „Trilateral Per
spectives: Structure of the Administration Shell“ und „Usage view of Asset Administration
Shell“ auf. Die Plattform Industrie 4.0 und das SCI 4.0 haben diese zusammen mit inter
nationalen Partnern (Frankreich, Italien, China und Japan) entwickelt. Weitere Teile der
IEC 63278-Reihe sowie weiterer Normen zur Internationalisierung des Konzepts der Ver
waltungsschale sind erforderlich [siehe HE 2.3-2]. Dabei geht es sowohl um die Beschrei
bung der Infrastruktur-Mechanismen wie z. B. der Industrie 4.0-Sprache als auch um die
Beschreibung von Teilmodellen für bestimmte Klassen von Assets [siehe HE 2.3-8].
Die aktuellen nationalen und internationalen Aktivitäten haben zum Ziel, die Verwaltungs
schale im Detail weiter auszuarbeiten. So veröffentlichte die Arbeitsgruppe der Plattform
Industrie 4.0 in der Zwischenzeit mehrere Spezifikationen, welche die spezifischen Aspek
te und praxisbezogene Hilfestellungen enthalten.
Die Publikation „Verwaltungsschale in der Praxis“ [29] dagegen fasst die wesentlichen
inhaltlichen Aspekte der Verwaltungsschale zusammen und zeigt, wie Unternehmen
Daten in der Industrie 4.0 standardisiert nutzen und verwalten können sowie diese konkret
in die Praxis umsetzen können. Das zentrale Ziel hierbei ist, dem Anwender einen Leitfa
den an die Hand zu geben wie man Teilmodelle, beispielhafte Teilmodelle und Interaktion
zwischen Verwaltungsschalen spezifiziert.
Das Konzept der Verwaltungsschale sollte für einen reibungslosen Datenaustausch mit
und zwischen Assets durchgehend verwendet und standardisiert werden [siehe HE 2.3-1].
In der weiteren Entwicklung sollten auch agentenbasierte Systeme auf Industrie 4.0-Kom
ponenten übertragen werden. Die einzelnen Spezifikationen und Beschreibungen werden
in Kapitel 2.5.1 aufgegriffen.
Digitale Fabrik
Der internationale Standard IEC 62832 „Digital Factory“ dient als Vorlage für die Beschrei
bung von Assets in der Verwaltungsschale (siehe oben). IEC 62832 ist in drei Teile geglie
dert und definiert ein Rahmenwerk für die Nutzung von Wörterbucheinträgen (dictionary
entries, z. B. Klassen und Merkmale) für die Beschreibung von Asset-Typen und für die
Beschreibung von spezifischen Assets. Sie bietet damit eine international verbindliche
37
Grundlage für die Verwendung von Merkmalen sowohl für das konventionelle Engineering
als auch für das Smart Manufacturing.
Spezifische Assets („PS Asset“, reale oder logische Gegenstände) werden durch Asset-
Beschreibungen („DF-Asset“, Virtuelle Repräsentation) beschrieben (siehe Abbildung 16).
Typen von Assets werden durch sogenannte Asset-Klassen modelliert und stehen damit
jeweils für ein oder mehrere Assets, welche den gleichen Satz von Eigenschaften teilen
(z. B. Produkttypen), zur Verfügung. Wenn die beschriebenen Assets eine modulare Struktur
haben, können die entsprechenden Asset-Beschreibungen (oder Asset-Klassen) ebenfalls
eine modulare Struktur beschreiben. Beziehungen zwischen spezifischen Assets werden
durch Asset-Links repräsentiert. Datenelemente können genutzt werden, um statische
Eigenschaften oder variable Daten von Assets zu beschreiben. Durch diese Struktur legt
die Normenreihe zur Digitalen Fabrik wichtige Grundlagen für Industrie 4.0-Systeme fest.
Die Konsistenz zur Beschreibung der Verwaltungsschale ist eine wichtige Voraussetzung
für eine widerspruchsfreie Beschreibung [siehe HE 2.3-3].
Abbildung 16: Digital Factory und DF Asset beschreiben Produktionssystem und PS Asset
Die Norm IEC 62832 definiert Datentypen, die solche Beschreibungen unterstützen. Die
Bedeutung der konkreten Daten (z. B. Produktbeschreibung, Modulbeschreibung, Schnitt
stellenbeschreibung, Funktionsbeschreibung) wird aus den zugrunde liegenden Wörter
bucheinträgen abgeleitet. Diese Wörterbucheinträge können in Wörterbüchern (wie dem
common data dictionariy, CDD oder der CDP des eCl@ss e. V.) entsprechend IEC 61360
oder ISO 22745 definiert werden.
38
Eigenschaften und semantische Merkmale
Der Umfang und die Detailtiefe der Eigenschaften legen fest wie genau ein Asset beschrie
ben ist. Es hat sich für die Eigenschaften mit einer standardisierten Beschreibung der
Begriff Merkmal etabliert. Mit der Spezifikation der Verwaltungsschale liegt eine Spezifi
kation vor, die konsequent auf der Nutzung von Merkmalen zur Informationsmodellierung
setzt. Für die Beschreibung von Produkten, Fertigungsmitteln, Komponenten und Einzel
teilen als Basis für die Realisierung von Industrie 4.0 müssen Fertigungseinheiten befähigt
werden, standardisierte Merkmale kombiniert mit standardisierten Übertragungsformaten
zu übertragen. Dadurch wird es für empfangende Systeme möglich, die Daten korrekt
zu verstehen und sie in Folgeprozessen wie Bestellungen, Fertigungsaufträgen und
Wartungshinweisen zu nutzen. Dieses Konzept wird auch unter dem Begriff „semantische
Interoperabilität“ zusammengefasst.
Betrachtet man ein Merkmal detailliert, so hat dieses wiederum Eigenschaften, z. B.
einen Datentyp und einen Defaultwert. Um sich zwischen dem Merkmal eines Assets und
der/n Eigenschaft(en) des Merkmals zu unterscheiden, spricht man bei den letzteren von
Attributen (siehe Kapitel 2.4.1). Merkmale und deren Attribute bilden die Grundlage für
Integration und Interoperabilität. Jedes einzelne Merkmal wird benannt und mit seinen
Attributen als Daten zusammengetragen. Diese Merkmale werden in vielfältigen Phasen
des Engineerings in entsprechenden Systemmodellen verwendet. Die vorliegende Nor
mungsroadmap vertieft die Modellierung und die Verwendung der Merkmale in weiteren
Kapiteln, insbesondere bei dem Thema Integration (siehe Kapitel 2.5). Aktuell haben sich
Merkmale im Einkaufsprozess bereits gut etabliert und im Engineering sind erste Anwen
dungsfelder zu erkennen.
Die Merkmalnutzung in operativen Phasen des Lebenszyklus macht deutlich, dass zusätz
lich Merkmale, die für individuelle Assets von Bedeutung sind (z. B. Seriennummer) und
Merkmale für Planungsunterlagen aufgenommen werden müssen [siehe HE 2.3-5]. Auch
werden Eigenschaften benötigt, die sich im Asset in Abhängigkeit von dessen Interaktion
mit der Maschine oder Anlage dynamisch ändern [siehe HE 2.3-6, 2.4-1].
Dies bewirkt, dass weitere Eigenschaftsmerkmale, wie z. B. Zeitstempel und Gültigkeits
aussagen des Wertes von Bedeutung sind. Die DIN SPEC 92000 (Property Value State
ments) zeigt hierfür einen vielversprechenden Weg auf [siehe HE 2.3-7].
Die Beschreibung von funktionalen Anforderungen wird in der IEC 62832 unterstützt. Sie
ist im Bereich der Prozessgeräte (OLOP in der IEC 61987) bereits üblich, wird aber von
anderen Bereichen bisher noch nicht umgesetzt [siehe HE 2.3-9]. In der vorliegenden
Roadmap werden vertiefende Aussagen zum Thema Merkmale z. B. im Kapitel 3.4 gege
ben.
Die besondere Stellung der Merkmale in Industrie 4.0-Systemen wird auch an den zahl
reichen Projekten und Aktivitäten zur Weiterentwicklung der Nutzung und Methodik von
39
Merkmalen deutlich, aus denen sich zukünftige Anforderungen und Tendenzen ableiten
lassen. In dem vom BMWi geförderten Projekt „Semantische Allianz für I4.0“ – SemAnz40“
wurde gezeigt, wie mithilfe von Merkmalen eine geeignete semantische Basis für den
Informationsaustausch in den Anwendungsfällen von Industrie 4.0 gebildet werden kann
[30]. Weitere Aktivitäten stellen z. B. der VDMA-Leitfaden „Interoperabilität durch stan
dardisierte Merkmale“ [24] des Arbeitskreises NA 060-30-04-05 „Klassifikationssysteme,
Produktmerkmale und entsprechende Bibliotheken“, die Aktivitäten zu NAMUR Open
Architecture und die ZVEI-Aktivität zum Antrieb 4.0 [31] dar.
Geometrische Produktspezifikation
Für die Umsetzung der Industrie 4.0-Konzepte ist es erforderlich, die Anforderungen an
die Produkte präzise, vollständig und eindeutig zu definieren und zu kennzeichnen. Vor
diesem Hintergrund wurde das ISO–System für „Product specification and -verification“
(GPS) entwickelt, welches nicht mit dem Global Positioning System (ebenfalls GPS) ver
wechselt werden darf. Die Grundlagen sind in der ISO 14638 beschrieben. Das ISO-System
wurde entwickelt, um Standards für die Herstellung der Produkte zu beschreiben, die sich
weitestgehend auf GPS-Symbole in den Zeichnungen/Modellen beziehen.
Digitales Typenschild
Für die Verknüpfung der physikalischen Objekte und deren digitalen Abbildungen ist eine
robuste, eineindeutig Kennzeichnung zwingend notwendig. Traditionelle maschinenles
bare Kennzeichnungen aus mehreren Datenelementen und Steuerzeichen aus dem
Bereich der „nicht-druckbaren ASCII-Zeichen“ wie FNC1 oder RS, GS und EOT sind dafür
zu komplex, nur bedingt eineindeutig und bieten keine direkte Verknüpfung zum Internet.
Mit der DIN SPEC 91406 liegt ein Ansatz vor, der mit einer eineindeutigen URL in einem
prägnant erkennbaren QR-Code diese Herausforderung löst. Diese radikale Vereinfachung
ist allerdings im Normenwerk revolutionär und erfordert neben der Internationalisierung
der DIN SPEC 91406 an sich auch Anpassungen in fast allen Anwendungsnormen zur
maschinenlesbaren Kennzeichnung.
40
Vornorm DIN VDE V 0170-100 veröffentlicht. Die erarbeiteten Konzepte sind universell
anwendbar und lassen sich daher auf praktisch alle Industriezweige übertragen und
erweitern [siehe HE 2.3-11, 2.3-12].
System-Lebenszyklus, Lebenslaufakte
Sowohl in der Produktion als auch im gesamten Lebenszyklus der Produkte, der tech
nischen Anlagen und der ganzen Produktionssysteme fallen viele Daten an, die nutzbar
gemacht werden können. Im Idealfall werden die gesamten Lebenslaufdaten von techni
schen Anlagen und allen Industrie 4.0-Komponenten in gleicher Form in Verwaltungsscha
len gesammelt und über den gesamten Lebenszyklus (mit spezifischen Zugriffsrechten)
hinweg zur Verfügung gestellt. Dabei sind die Inhalte in Typ- und Instanz-Lebenslaufdaten
zu unterscheiden.
Die Norm DIN 77005-1 für „Lebenslaufakten für technischen Anlagen“ legt fest, wie
Informationen zu Anlagen und ihren Teilen strukturiert verwaltet werden. Hierfür stehen
verschiedene Arten von Lebenslaufakten zur Verfügung, die hierarchisch gegliedert sind.
Metadaten helfen den Anwenderinnen und Anwendern bei der Zuordnung von Verantwort
lichkeiten, der Suche nach Informationen sowie Definition von Beziehungen zwischen den
Informationen. Eine Anwendungsmethode stellt sicher, dass Lebenslaufakten einheitlich
geführt, stets aktuell und vollständig sind. Lebenslaufakten nach DIN 77005-1 sind
selbstbeschreibend und damit für alle Beteiligten in allen Lebensphasen verständlich. Sie
können als Grundlage für Lebenslaufakten für alle Industrie 4.0-Komponenten dienen.
Teil 1 der Normenreihe DIN 77005 ist bewusst technologieneutral gehalten. Das Grund
prinzip von Lebenslaufakten ist auch ohne umfassenden Einsatz von IKT möglich und
sinnvoll. Die Mehrwerte der beschriebenen Strukturen und Methoden lassen sich jedoch
vorwiegend durch den Einsatz moderner Informationstechnologie erschließen.
Als wichtige zu integrierende Modelle sind IEC 82045-2, IEC/TS 62771, W3C SOSA und
IEC 62507 zu nennen. Das Modell der Lebenslaufakte muss weiterhin die in IEC 62890 zum
Lifecycle-Management eingeführte Trennung zwischen Typ und Instanz sowie den unter
schiedlichen Lebenszyklusmodellen konsequent abbilden. Der Aufbau des Objektes muss
unter Einbindung der verschiedenen Aspekte nach IEC 81346 chronologisch nachvollzieh
41
bar abgebildet werden. Sämtliche Informationen müssen mit dem Objekt bzw. dessen Teile
verknüpft sein.
Neben der Integration und Aggregation von Informationen stellt die digitale Lebenslauf
akte die langfristige Verfügbarkeit dieser Daten sicher. Die Datenintegration muss
so robust sein, dass die Anforderungen an die Langzeitspeicherung der Informationen
gewährleistet ist.
Bei den Arbeiten zur Lebenslaufakte steht der Mensch mit seinen individuellen Informa
tions- und Entscheidungsbedürfnissen im Mittelpunkt. Sichten auf Lebenslaufakten und
den darin enthaltenen Informationen sind hierfür von besonderer Bedeutung. Sichten
helfen den Menschen aber auch bei der Bewertung der Informationen mit Bezug auf ihren
rollenspezifischen Kontext und unterstützen durch die Anbindung von Hintergrundwissen
die Einleitung notwendiger Maßnahmen. Diese erweiterten Betrachtungsweisen sollten
auf Industrie 4.0-Komponenten und deren Verwaltungsschalen übertragen werden [sie
he HE 2.3-13]. Demnach hilft die digitale Lebenslaufakte den Akteuren, Informationen und
(automatisiert getroffene) Entscheidungen zusammengefasst zu bewerten und bei Bedarf
zu korrigieren. Die Struktur der Lebenslaufakte stellt dabei eine durchgängige Nachvoll
ziehbarkeit sicher.
Wartbarkeit (Maintainability)
Eine wichtige Eigenschaft eines technischen Systems ist wie gut seine Instandhaltung
ermöglicht und unterstützt wird. Dies bezeichnet man als „Wartbarkeit“ (engl. maintaina
bility). Die hieraus resultierenden Anforderungen, wie die Möglichkeit zur Fehlerdiagnose
und zur vorbeugenden Wartung, die Austauschbarkeit von Komponenten, Modularität usw.
sind bereits bei der Planung und Konzeption von technischen Systemen zu beachten.
Ein weiterer Aspekt zur Wartbarkeit von Industrie 4.0-Systemen ist die Berücksichtigung
der unterschiedlichen Lebenszyklen der jeweiligen Teilsysteme. Die Obsoleszenz
(Veralten) eines Teilsystems darf nicht zur Obsoleszenz des integrierten Gesamtsystems
führen, da sonst die Instandhaltbarkeit des Gesamtsystems nicht mehr gegeben ist.
42
Normen für Industrie 4.0-Systeme sind folglich auch unter diesem Aspekt zu verfassen
[siehe HE 2.3-19].
Grundlage für dieses Zusammenspiel ist eine gemeinsame „Sprache“ der jeweiligen
Komponenten und Akteure. Eine solche gemeinsame „Sprache“ basiert u. a. auf einem
einheitlichen Begriffsverständnis sowie abgestimmter Prozesse für die Instandhaltung.
Objektneutrale Grundlagennormen zur Instandhaltung liefern die Basis für fach-
oder branchenspezifische Normen in Instandhaltungs-Aspekten. Dabei ist mit der
DIN EN 13306: 2018-02 eine einheitliche Definition der Grundbegriffe für alle Arten der
Instandhaltung und des Instandhaltungsmanagements formuliert worden, unabhängig
von der Art der betrachteten Objekte und der Instandhaltungsakteure [siehe HE 2.3-15].
43
möglichen Störungen noch bevor sie auftreten. Basis hierfür bilden die Technologien
des Condition Monitoring, bei denen möglichst umfassend Daten einer Anlage mittels
entsprechender Sensorik erfasst und ausgewertet werden. Normative Grundlage für das
Condition Monitoring bildet die ISO 13374 zur Zustands-Überwachung und -Diagnostik
von Maschinen bei Verarbeitung, Austausch und Darstellung von Daten. Ferner beschreibt
die ISO 13381 die Grundlagen zur Prognose im Rahmen der Zustands-Überwachung und
-Diagnostik von Maschinen.
Ein Ziel des 2018 gegründeten iiRDS-Konsortiums ist die Spezifikation von standardisier
ten Mechanismen und eines standardisierten Vokabulars, die es im Kontext von Indus
trie 4.0 ermöglichen, situationsbezogene kontext-spezifische Information für die im Pro
duktlebenszyklus vorkommenden Fälle zu erzeugen. Als Empfänger werden dabei zwar
oft nur Menschen genannt, die Mechanismen sind aber auch zur Information zwischen
Maschinen erforderlich. Dabei sollen u. a. folgende Funktionen Industrie 4.0-konform
erfüllt werden [32]:
→→ sich dynamisch an Benutzer und Anwendungskontext anpassen
→→ zielgerichtete Informationen für alle Lebenszyklusphasen liefern, von der Spezifikation
bis zur Wartung
→→ zum ausgelieferten System passen, auch nach Konfigurationsänderungen und Updates
→→ Assistenz- und Sensorinformationen sowie Betriebsparameter dynamisch integrieren
→→ vielfältige Such- und Filterfunktionen unterstützen.
Die Metadaten des iiRDS bilden damit ein standardisiertes Vokabular für die technische
Dokumentation ab [siehe HE 2.3-18]. Das iiRDS-Konsortium kooperiert derzeit mit dem
Richtlinienausschuss des VDI 2770 „Digitale Herstellerinformationen für die Prozessin
dustrie“, um die Kompatibilität der Standards zueinander zu sichern [siehe HE 2.3-19].
44
Auch beim Thema Predictive Maintenance ist zu beachten, wie die Handlungen mensch
licher Akteure in einem solchen System Berücksichtigung finden. So ist es im Falle der
Zustandsüberwachung von Anlagen grundsätzlich wichtig, dass Verhaltensänderungen
der Anlage auf die jeweilige Ursache zurückgeführt werden können. Dafür müssen auch
manuelle Einwirkungen wie Ölwechsel, dem System so aktuell wie möglich mitgeteilt wer
den. Die in den letzten Monaten entwickelte Richtlinie VDI/VDE 3711 Blatt 1 zur „Eingabe
und Übertragung von Instandhaltungsinformationen für das Condition Monitoring – Digi
talisierung von Offline-Informationen“ standardisiert die Schnittstelle zwischen mensch
lichen Akteuren und Condition-Monitoring-Systemen und muss auch in Ansätzen der
Predictive Maintenance berücksichtigt werden. Der Anwendungsbereich der VDI/VDE 3711
Blatt 1 erstreckt sich von den Systemherstellern von Zustandsüberwachungssoftware
und Datenanalysetools über die Anlagenhersteller bis zum Kunden/Anwender. Für die
angestrebte Internationalisierung der VDI/VDE 3711 Blatt 1 wird derzeit geprüft, sie über
DKE/K 931 „Systemaspekte der Automatisierung“ bei der IEC als Projektvorschlag ein
zureichen [siehe HE 2.3-21].
Die CISP-Tests finden im besten Fall viele Fehler, die korrigiert werden können; erfolg
reiche Tests sind aber kein Beleg für die Abwesenheit von Fehlern, was der Verifikation mit
formalen Methoden vorbehalten ist. Im Prinzip ist Testing eine Form der Validierung, weil
unter bestimmten Annahmen und Voraussetzungen, eine Reihe von Tests durchgeführt
werden können, mit welchen man die Annahmen als falsch oder richtig prüfen, also vali
dieren, kann. Validierung geht genauso gut, wenn nicht besser, mit einem semantischen
Werkzeug zur Simulation von Modellen.
Das Technische Komitee TC ‚Methods for Testing and Specification – Testing Working
Group (MTS – TST WG) in ETSI, entwickelt Richtlinien, Testkataloge und Testspezifikationen
für IC-Technologien [33]. Dabei nutzt die Arbeitsgruppe TST die Erkenntnisse aus bereits
im Einsatz befindlichen Testentwicklungssprachen und -methoden [siehe HE 2.3-22].
45
Testziele eines von IEC 62443 abgeleiteten Profils erstellt. Die aktuelle Entwicklung und
der Status ist einsehbar in ETSI Portal unter [34].
Umweltsimulation/Produktqualifikation
Die Umweltsimulation ist eine ingenieurwissenschaftliche Disziplin, die breit und inter
disziplinär angelegt ist. Sie ist ein wesentliches Werkzeug zur Verbesserung und Bewer
tung der Qualität von Produkten und kann als Baustein im Produktentwicklungsprozess
wesentlich zur Ressourceneffizienz und zur Nachhaltigkeit eines Produkts in den einzel
nen Lebensabschnitten (Life Cycle Engineering) beitragen. Sie umfasst die Teilschritte:
→→ Messen und Bewerten von Umwelteinflüssen,
→→ Simulieren der Umwelteinwirkungen unter kontrollierten Randbedingungen, sowohl
im Labor wie auch virtuell,
→→ Beurteilen der Wirkungen der Umwelt auf ein Objekt,
→→ Beurteilung der Wirkungen eines Objekts auf die Umwelt.
Der Ablauf und die Anforderungen an die Methodik einer Produktprüfung, sind z. B. in der
DIN EN 60068-2 definiert und dargelegt.
Die Umweltsimulation ist ein systematisches Werkzeug zur Technologie wie auch zur
Methodik, um Daten zu erfassen und auszuwerten, bezogen auf die Funktionalität und die
Lebensdauer von Produkten unter Berücksichtigung aller relevanten Umwelteinflüsse.
Durchgeführt wird die Umweltsimulation von der Gesellschaft für Umweltsimulation
GUS e. V. [26].
46
(z. B. Luftfeuchtigkeit, Temperatur, Emissionen, UV-Strahlung, multispektrale Bilder)
notwendig. Derartige Umweltsensoren liefern Umweltsensordaten zumeist mit Zeit- und
Ortsbezug, die in Zeitreihen und Karten (auch kombiniert) dargestellt werden können.
Diese werden dann mit den Produktions- und Qualitätsinspektionsdaten aus der industri
ellen Produktion und Logistik fusioniert.
Hier steht die Normung vor der herausfordernden Frage der richtigen Prozessempfeh
lung, d. h. wie sie für Industrie 4.0-Systeme interoperabel gestaltet werden können.
Die vertikale Integration wird durch das Zusammenspiel diverser Prozesse in Abhängigkeit
unterschiedlicher Unternehmensebenen, wie in der Automatisierungspyramide (siehe
Abbildung 18) dargestellt. Industrie 4.0 fordert die Auflösung solcher unbeweglichen
Hierarchien, die über die letzten Jahrzehnte historisch gewachsen sind. Dies geschieht
mit dem großen Ziel im Hintergrund, eine durchgehende Vernetzung aller Produktionssys
teme, -prozesse und -services in einem Unternehmen, von der Feldebene bis zur Unter
nehmensebene hinweg, zu erreichen. Dabei dürften in Zukunft Cloud-Plattformen eine
entscheidende Rolle spielen, da diese die nötigen Werkzeuge zur Verfügung stellen, um
eine schnelle Migration zu flexiblen IT-Architekturen umzusetzen.
47
Abbildung 18: Automationspyramide
48
2.3.2 Handlungs- und Anwendungsempfehlungen
2.3-6 Es müssen Voraussetzungen geschaffen werden, dass neben den Stammdaten auch
Parameter und Zustandsvariablen in standardisierte Dictionaries aufgenommen werden
können, was ebenso für die Nutzung semantischer Methoden gilt, die sich auf die Darstel
lung und Analyse von Eigenschaften beziehen.
2.3-7 Erweiterte Instanz bezogene Attribute müssen durch Standards abgedeckt werden.
Dazu ist z. B. eine Überführung der DIN SPEC 92000 in die Serie IEC 61360 geeignet.
2.3-8 Es sind vorbereitende Tätigkeiten für die Standardisierung von Teilmodellen der Ver
waltungsschale zu initiieren. Die Einbindung sollte in Abstimmung mit IEC/TC 65/WG 24
49
erfolgen. Ein Teilmodell muss in Grundzügen standardisiert sein, das bedeutet, dass
es sowohl Basis/Pflicht-Merkmale und Basis/Pflicht-Funktionen geben muss, die über
individuelle Merkmale und Funktionen durch einen Industrie 4.0-Partner erweitert werden
können. Dies bedeutet, dass zum Beispiel bei Energiebetrachtungen für verschiedene
Assets gleiche verpflichtende Merkmale und Funktionen vorliegen müssen, sodass man
zum Beispiel für alle Komponenten einer Anlage oder Anlagen eines Werkes diese einfach
konsolidieren oder gleich ansteuern kann. Spezifische Ergänzungen bleiben möglich.
2.3-10 Eine standardisierte Struktur mit grundlegenden, essenziellen Basis- sowie Kon
textinformationen sollte allen Daten, die in Industrie 4.0-Systeme integriert werden, beige
fügt sein und klare Mindestanforderungen für die Integration enthalten. Die Festlegung
der Struktur und Mindestanforderungen sollte genormt werden. Die notwendige, systema
tische Verknüpfung mit den Modellen ist dabei zu bedenken.
Digitales Typenschild
2.3-11 Die Ansätze für ein Digitales Typenschild gemäß DIN SPEC 91406 (nach dem
PAS-Verfahren) und der VDE V 0170-100 sind fortzuführen und in geeigneter Form inter
national umzusetzen.
50
2.3-12 Anpassungen in allen Anwendungsnormen zur maschinenlesbaren Kennzeichnung
in Anlehnung an DIN VDE V 0170-100 und unter Verwendung von DIN SPEC 91406
System-Lebenszyklus, Lebenslaufakte
2.3-13 Das Modell zur digitalen Lebenslaufakte basierend auf der DIN 77005-1 ist als
Teilmodell der AAS (Asset Administration Shell, Verwaltungsschale) zu betrachten. Mit der
seit Ende 2018 verfügbaren Spezifikation des Metamodells der AAS liegen die notwendigen
Grundlagen hierfür vor. Es wird empfohlen, das Teilmodell zur Lebenslaufakte weiter
auszuarbeiten und in die internationalen Normungsarbeiten zur Verwaltungsschale in
IEC/TC65 WG 24 einfließen zu lassen. (siehe HE 2.3-1, HE 2.3-2)
Wartbarkeit
2.3-14 Beachtung der Instandhaltungsaspekte sowohl aus Hersteller- wie auch aus Sicht
des Betreiber- bzw. Nutzers-, auch und insbesondere bezüglich Normen zu Predictive
Maintenance
2.3-20 Aktive Mitarbeit deutscher Experten im Normungsprojekt IEC 63270 ED1 „Indus
trial Automation Equipment and Systems – Predictive maintenance“ unter chinesischer
Koordination
2.3-21 Internationalisierung der VDI/VDE 3711 Blatt 1 „Eingabe und Übertragung von
Instandhaltungsinformationen für das Condition Monitoring – Digitalisierung von Offline-
Informationen“. Eine rechtzeitige Prüfung der Internationalisierungsbestrebungen ist
durch das nationale Spiegelgremium DKE/K 931 durchzuführen.
51
Industrielle Cloud-Plattformen
2.3-23 Offenes, verteiltes, echtzeitfähiges und sicheres Betriebssystem
Standardisierungsaktivitäten für eine flexible und erweiterbare Architektur für zukünftige
Anforderungen von kognitiven Diensten, Echtzeitanwendungen und Datenmarktplätzen
sollen bei relevanten Gremien aufgenommen werden. Als Kernelemente empfiehlt es sich,
hybride Cloud-Plattformen, IIoT-Anwendungen sowie cyber-physische Architekturen zu
untersuchen. Ein einheitliches Lifecycle-Management aller IT-Ressourcen, Produktions
mittel und der technischen Gebäudeausstattung gehören ebenso dazu wie die Schaffung
einer durchgängigen Infrastruktur für echtzeitfähige domänenübergreifende Wertschöp
fungsnetzwerke für die KI-gestützte, autonome Produktion der Zukunft.
2.4 Interoperabilität
2.4.1 Status und Fortschritte seit Version 3
Bei einer vernetzten Produktion müssen sich alle Akteure eines dynamischen und offenen
Ökosystems über die zu verfolgenden Ziele und die entsprechenden Begrifflichkeiten
im gegenseitigen Informations- und Wissensaustausch untereinander einigen. Solche
komplexen, dezentral organisierten Strukturen müssen so aufgebaut sein, dass sie den
Bedürfnissen einer Industrie 4.0-konformen Kommunikation entsprechen und letztendlich
eine nahtlose Zusammenarbeit [74] zwischen allen beteiligten Akteuren ermöglichen
[75] – dies wird als Interoperabilität bezeichnet. Als Beispiel sei hier der Anwendungsfall 2
in Kapitel 1.4.1 genannt.
Auf der Grundlage der IEC PAS 63088 und der Struktur der Verwaltungsschale wurde
diese gemeinsame Sprache anhand von Interaktionsmustern, die aus semantisch
wohldefinierten Nachrichten bestehen, entwickelt und in den Richtlinien VDI/VDE 2193
Teil 1 und 2 definiert [siehe HE 2.4-5].
Für die strukturierte Darstellung der Entstehung von Wissen kann die Wissenspyramide
nach Fuchs-Kittowski (siehe Abbildung 19) als grundlegendes Paradigma herangezogen
werden. Das System kann in der Zusammenarbeit nicht nur Daten (Syntax) als Rohmate
rial bieten und verarbeiten, sondern auch Informationen und Wissen. Dafür ist es wichtig,
Bedeutungen und Kontextinformationen bereitzustellen.
52
Abbildung 19: Wissenspyramide nach Fuchs-Kittowski (Quelle: nach [19]).
Aus der Vernetzung von Informationen (Semantik) kann dann Wissen (Pragmatik) ent
stehen, aus dem automatisiert und kontinuierlich optimierend Aktionen (Handlung oder
Entscheidung) abgeleitet werden. Wie die Informationen mit logischen Relationen ver
knüpft sind, wird durch Ontologien festgelegt. Diese sollen explizit die formale Entstehung
einzelner Begriffe spezifizieren, um so Wissen im jeweiligen Kontext abzubilden.
Datenmodelle
Daten werden in Datenbanksystemen gespeichert, die vor allem anhand des eingesetzten
Datenmodells klassifiziert werden. Während Daten Objekte sind, entsteht ‚Information‘
durch Beobachtung und ist daher eng mit dem Begriff des ‚Ereignisses‘ verknüpft. Ein
Ereignis ist z. B. der Wurf einer Münze mit den möglichen Ergebnissen ‚Kopf‘ oder ‚Zahl‘.
Aus der, aus dem Wurf sich zufällig ergebenden Lage der Münze erhält man also die
Information ‚K ODER Z‘, wobei ‚K‘, ‚Z‘ Repräsentationen, d. h. Datenelemente aus dem
Alphabet des Münzwurfs sind. In der Nachrichtentechnik sind ‚K‘ und ‚Z‘ Nachrichten,
die für die Kommunikation zwischen einem Sender (die Münze) und einem Empfänger
(der Zuschauer) sind. Es ist also sinnvoll, zwischen Kodierung, Daten und Informationen
zu unterscheiden. Dieses Prinzip der Differenzierung kann auch auf ‚höherer Ebene der
Kommunikation‘ beibehalten werden. So können Daten und Informationen typisiert oder
zu einem Datenmustermodell zusammengefasst werden. Datentyp- und Datenmuster
53
modelle können mithilfe von Expertenwissen zur Analyse von Systemzuständen oder zur
Prüfung der Interoperabilität zwischen Systemkomponenten, verwendet werden.
Semantik
Semantik ist die Lehre von der Bedeutung von Zeichen. Im semiotischen Dreieck (siehe
Abbildung 20) wird dies dargestellt über die Beziehung zwischen der beschreibenden
ontologischen Domäne und der semantischen erklärenden Domäne. In allgemeinen
Worten beschäftigt sich dieses Wissensgebiet mit der Beschreibung von Worten, Zeichen
(z. B. emojis, Verkehrsschilder), Zeichenketten, Sätzen und anderen Darstellungsformen
von Dingen des Interesses.
Semantik wird also benötigt, wenn zwei oder mehrere Partner (z. B. Sender und Empfän
ger) Informationen austauschen. Ohne gemeinsame Semantik wären zwar Signale vor
handen, die Partner könnten aber deren Bedeutung nicht verstehen. Menschen arbeiten
gemeinsam an Aufgaben. Dabei kommunizieren sie mit Worten (Symbolen). Sie verstehen
sich dann, wenn sie die gleichen Begriffe (Definitionen) für die verwendeten Benennungen
haben. Sie haben sich also auf eine Semantik der Dinge, über die sie sich austauschen,
geeinigt.
54
die Daten mit zusätzlichen Beschreibungen, zum Teil auch in Form von maschinenles
baren Daten, angereichert werden. Aus Daten werden so Informationen.
Informationsmodelle
Im mathematisch-algebraischem Sinne ist ein Informationsmodell ein zusammenge
setzter Abstrakter Datentyp (ADT) mit mehreren Grundmengen (Sorten), Variablen und
Axiomen, Regeln und Funktionen zwischen den Sorten. Es repräsentiert daher die Bedeu
tung zusammengesetzter Daten als Abstrakter Datentyp (mathematisch: Termalgebra),
wobei nur der Anteil der Bedeutung im Modell enthalten ist, der auch in die Beschreibung
aufgenommen worden ist. In einem digital vorliegenden Informationsmodell mit für
Menschen verständlicher textuellen Form des Modells, wäre diese nur schwer maschinen
interpretierbar. Eine mathematische Form ist für beide, die Maschine und den Menschen
verständlich, d. h. interpretierbar. Deshalb ist eine mathematische Form des Informations
modells, z. B. als ADT vorzuziehen.
Die Anleitungen zur Erstellung von Informationsmodellen sind vielfältig und reichen von
Glossaren und Thesauri über objektorientierte Klassifikationen (z. B. AutomationML) bis
zu Modellen auf formaler Logik (z. B. Ontologien) und semantischer Darstellungen. Die
Informationsmodelle bilden eine Brücke zwischen semi-formalen oder formalen Modellen
und der linguistischen Repräsentation der Semantik, d. h. Morphismen im Semiotischen
Dreieck (siehe Kapitel 2). Zum Schluss bildet die Semantik eine Basis zur Erzielung von
Interoperabilität zwischen Systemen in heterogenen Kontexten.
Ein Informationsmodell ist ein Satz von Datenobjekttypen und deren Abhängigkeitsbezie
hungen, die alle zusammen als ADT beschrieben, ihre mathematisch-algebraische Bedeu
tung definieren. Ein Informationsmodell ist dann gleich seinem semantischen Daten
modell. Es sind bereits eine Vielzahl von Informationsmodellen erstellt worden. Markante
Beispiele sind Feldbusprofile (Festlegung von Parametern und Verhalten von Mess- und
Stellgeräten mit industriellem Kommunikationsanschluss), OPC UA Companion Specifica
tions, aber auch abstrakte Modelle, wie z. B. EDDL (Electronic Device Description Lan
guage) und AutomationML, die ein Beschreibungsmittel für Informationsmodelle bereit
stellen. Aus Sicht der Semantik ist hier Domänenwissen in Informationsmodelle überführt
worden und dies stellt damit einen wichtigen Beitrag für die Interoperabilität dar.
Ontologien
Als formales Mittel zur Herstellung von Interoperabilität zwischen Informationssystemen
beschreiben Ontologien zentrale Entitäten und Aspekte als übergreifend zu verstehende
Informationsmodelle. Daher widmen sich verschiedene Akteure der Bereitstellung von
Ontologien für unterschiedliche Anwendungsbereiche und -zwecke.
55
Begriffe
Die VDI/VDE-Gesellschaft Mess- und Automatisierungstechnik (GMA) und der VDMA
begleiten und unterstützen ihre Mitglieder auf dem Weg zu Industrie 4.0 und setzen sich
bereits seit einigen Jahren für die Erarbeitung der in Industrie 4.0-relevanten Begriffe
ein. So entstanden im Zusammenhang mit dem Thema Industrie 4.0 bereits viele Begriffe,
z. B. Industrie 4.0-Komponente, Industrie 4.0-System oder Industrie 4.0-Plattform.
Aktuelle Trends in Standardisierung in Bezug auf Interoperabilität befassen sich mit weite
ren Herausforderungen, wie semantische Interoperabilität und Ausdruck von Bedeutung,
Anwendung von semantischen Netzen und Data Lakes für die Abbildung von Informationen
aus dem gesamten Datenbestand, Entwicklung standardisierter Mechanismen und Werk
zeuge für die Übersetzung von Interoperabilität in technische nutzbare Artefakte sowie
Standardisierung neuer Begrifflichkeiten im Kontext von Industrie 4.0.
Semantische Interoperabilität
Im Auftrag des MSB (Marketing Strategic Board) des IEC wurde das Whitepaper „Semantic
interoperability – Challenges in the digital transformation age“ [80] entwickelt. Dieses
Whitepaper bietet eine Bewertung der aktuellen und zukünftigen Herausforderungen im
Zusammenhang mit der semantischen Interoperabilität in Industriebereichen und ver
wandten branchenspezifischen Standards.
Das Hauptziel des Papiers ist es, Bedingungen zu identifizieren, unter denen die Anwen
dung semantischer Technologien zusammen mit bereits vorhandenen Informations
modellen zur Verbesserung der Interoperabilität innerhalb und zwischen Anwendungen
und Domänen verwendet werden kann, und Empfehlungen auf der Grundlage einer
Überprüfung von Use Cases im Vergleich zu bestehenden Technologien und Standards
zu formulieren.
56
IoT-Interoperabilität
Das internationale Gremium ISO/IEC JTC 1/SC 41 befasst sich mit horizontalen Aspekten
von Internet of Things (IoT). Die ISO/IEC 21823-Normenreihe soll ein gemeinsames Ver
ständnis von Interoperabilität aufbauen. Ziel der ISO/IEC 21823-1 Norm ist es, technische
Systeme in einem Framework so zu entwickeln, dass diese in der Lage sind, Informatio
nen auszutauschen und effizient miteinander zu nutzen. Zurzeit werden weitere Entwürfe
aus der Reihe erarbeitet: ISO/IEC 21823-2 [82] für Interoperabilität und Transportmecha
nismen sowie Kompatibilität der Kommunikationsinfrastruktur und ISO/IEC 21823-4 für
syntaktische Interoperabilität, Ontologien und Datenformate.
Insbesondere die Norm ISO/IEC 21823-3 [83] definiert semantische Interoperabilität als
die „Fähigkeit, Daten, die von Systemen gemeinsam genutzt werden, auf der Ebene voll
ständig definierter Domänenkonzepte zu verstehen (siehe ISO 18308-1). In dieser Spezifi
kation wird ein ontologiegetriebener Ansatz für die semantische Interoperabilität ange
geben, damit die Sensoren, Geräte, Systeme und Dienste ihre Kontextinformationen und
Daten durch Anwenden der Ontologien zum Erreichen der semantischen Interoperabilität
ausdrücken können. [siehe HE 2.4-3]
Die Arbeit basiert auf ISO/IEC 30141, die als Ontologie modelliert ist und sich auf die fünf
Facetten der semantischen Interoperabilität von ISO 21823-1 konzentriert, nämlich Trans
port-, syntaktische, semantische, Verhaltens- und Richtlinieninteroperabilität. Motivation
für diesen Standard ist es, die vielfältigen bereits existierenden IoT-Plattformen und die
unterschiedlichen vertikalen Domänen (z. B. Smart Factory, Smart Cities usw.) in eine
IoT-Referenzarchitektur einordnen zu können. Der Hauptbeitrag dieses Teils der semanti
schen Interoperabilität ist ein domänenbasiertes IoT-Referenzmodell mit einer OWL-Spe
zifikation der IoT-Referenzarchitektur. Außerdem werden bereits vorhandene Ontologien
beschrieben.
Das Folgende sind allgemeine Erkenntnisse aus der vom IEC/SC 65E erarbeiteten
IEC PAS 63178 „Smart manufacturing service platform – Service-oriented integration
requirements of the manufacturing resource/capability“:
→→ Die Heterogenität der domänenübergreifenden Informationsmodelle muss über
wunden werden.
→→ Bevorzugt werden die Multi-Ontologie- und Hybrid-Ontologie-Ansätze mit einer
domänenspezifischen Top-Level-Ontologie und einem entsprechenden Basiswert.
→→ Das domänenbasierte IoT-Referenzmodell wird von einer formalen maschinenlesbaren
Beschreibung begleitet.
Die IEC PAS 63178 legt den Fokus auf die vertikale Integrations- und Systembetriebsphase
im Hinblick auf die semantische Interoperabilität in der Industrie. Die Normungsroadmap
zeigt, dass mehrere Lebenszyklusphasen durch semantische Interoperabilität abgedeckt
werden müssen (siehe Kapitel 2.3 und siehe HE 2.4-2]. Einen entsprechenden Einblick
in Anforderungen, Herausforderungen und potenzielle Handlungsfelder zur semantischen
Interoperabilität gibt das zuvor genannte IEC Whitepaper „Semantic Interoperability –
Challenges in the digital transformation age“. [80]
International werden derzeit weitere Standards für die Interoperabilität von IoT-Systemen
entwickelt. Beispielsweise der ETSI Bericht TR 103 535 V0.2.2 (2019-03) SmartM2M [81]
fokussiert sich auf die Richtlinien für die Verwendung der semantischen Interoperabilität
57
und beschreibt das Ziel wie folgt: „Das Hauptziel dieses Dokuments besteht darin, die
semantische Interoperabilität im Internet der Dinge voranzutreiben, um das Bewusstsein
für ihre Bedeutung für die Industrie zu schärfen und den potenziellen wirtschaftlichen
Wert zu erschließen Ein Hauptaugenmerk liegt auf der Entwicklung von Richtlinien zur
Verwendung der semantischen Interoperabilität in der Industrie.“
Der Bericht beschreibt den Stand der Technik und verweist auf vorhandene Lösungen aus
Wissenschaft, Normung und Industrie, mit Schwerpunkt auf europäischen Projekten und
Konsortialprojekten. Es werden nur einige Standards erwähnt. Die Autoren kommen zu
dem Schluss, dass die Vorteile der semantischen Interoperabilität noch nicht so genutzt
werden, dass sie zur Reifung der erforderlichen Technologie beitragen. Sie beschreiben
meist organisatorische und subjektive Gründe für diese Situation und geben Empfehlun
gen zur Überwindung der Einschränkungen. Die Analyse kann als Beitrag in die Diskus
sion in den relevanten Gremien aufgenommen werden. Die Ergebnisse des ETSI TR sind
jedoch nicht ausreichend.
Abbildung 20: Semantische Aspekte des Verstehens bei der Erzeugung von Wissen
über Dinge im sog. Big Data Lake Concepts (Quelle: ETSI GS ISI 006 v1.1.1(82019-02) –
ISI Enrichment Process (Data Lake)
58
Ontologien
Weltweit gibt es verschiedene Aktivitäten im Bereich von Ontologien. So adressieren
verschiedene Gremien (z. B. OMG, W3C, IDSA, oder die Industrial Ontologies Foundry am
NIST) mit unterschiedlich hohem Abstimmungsgrad standardorientierte Ontologien, die
aus Sicht des jeweiligen Gremiums einen domänenspezifischen Standard und somit eine
Basis für Interoperabilität darstellen sollen. Für derartige Szenarien der verteilten Ent
wicklung von Ontologien existieren zwar Mechanismen, Prozesse und Vorgehensmodelle,
jedoch kann im Moment die Integration mehrerer solcher zugelieferter Ontologien in einen
Wissensraum anhand dieser Artefakte nicht formal abgesichert werden, ob alle Akteure
denselben Prozess befolgen, ob dieselben Muster zur Wissensmodellierung verwendet
und ob Ergebnisontologien nach demselben Prozess verwendet und weiterentwickelt
werden können. Treffen so verschiedene Domänen aufeinander, was ein wesentliches
Merkmal von Industrie 4.0 darstellt, so führt dies zu erhöhten und vermeidbaren Integra
tions- und Wartungsaufwänden.
Entwickeln sich diese Domänen weiter, so werden Veränderungen langfristig schwer nach
vollziehbar. Dies offenbart eine Lücke im Lebenszyklus aus Ontologieerstellung, -verwen
dung und -weiterentwicklung, da selbst bei abgestimmten Erstellungsprozessen für eine
Domäne die resultierenden Aufwände bei Kombination mit anderen Domänen nur schwer
erkannt werden können [siehe HE 2.4-2].
Begriffe
Zahlreiche Aktivitäten wurden angestoßen, um die neuen Begriffe im Umfeld von Indus
trie 4.0 zu definieren. Beispielsweise, im Fachausschuss VDI/VDE-GMA 7.21 „Industrie 4.0“
wird aktuell in der Arbeitsgruppe »Begriffe« weiter an einem einheitlichen Verständnis der
grundlegenden Begrifflichkeiten, Referenzmodelle und Architekturkonzepte für Indus
trie 4.0 gearbeitet. Ziel ist es, die Begriffe in Abstimmung mit den relevanten Arbeitsgrup
pen aus nationalen Gremien, Verbänden und industriellen Konsortien zu entwickeln und so
ein gemeinsames Verständnis der grundlegenden Begriffe zu erreichen. Das erarbeitete
Glossar [78] wurde zweisprachig (Deutsch/Englisch) publiziert und ist öffentlich über die
Plattform Industrie 4.0-Webseite zugänglich [85].
Die Gruppe ist beständig aktiv und erweitert den Umfang des Glossars sowie konsolidiert
die Einträge mit nationalen und internationalen Gremien wie z. B. IEC/TC 65/WG 23
TF Terms and definitions und IEC/TC 65/WG 1 Terms and definitions.
Auf internationaler Ebene wurden neue Begriffe im Zusammenhang mit IoT unter
ISO/IEC 20924 veröffentlicht. Die Norm enthält eine Reihe von Begriffen, die eine fundierte
terminologische Grundlage für das IoT bilden. Weiterhin hat IEC/TC 65/WG 1 ein Vorschlag
für die Erarbeitung von Begriffen zur Informationstechnik vorgeschlagen.
59
2.4.3 Handlungs- und Anwendungsempfehlungen
2.4-1 Analyse der Ergebnisse des ETSI TR 103 535 V0.2.2 (2019-03)
Die Analyse kann als Beitrag in die Diskussion in den relevanten Gremien mit Schwerpunkt
„Semantische Interoperabilität“ aufgenommen werden:
→→ Viele semantisch relevante Informationsmodelle existieren bereits in Branchen-,
öffentlichen oder Konsortialstandards, die eine Grundlage für die semantische Inter
operabilität bilden. Diese Modelle fallen nicht in den Geltungsbereich des ETSI TR.
→→ Der Begriff der semantischen Interoperabilität im ETSI TR spiegelt nur die Infor
mationswelt wider. Es scheint, dass sich der Bericht nur auf den vertikalen Informa
tionsfluss zu datenintensiven Anwendungen konzentriert. Der Industriebereich umfasst
auch den horizontalen Datenfluss und muss auch die realen Reaktionen berücksichti
gen (siehe Abbildung 18).
→→ Der ETSI TR scheint sich ausschließlich auf die Betriebszeit zu konzentrieren. Der
Lebenszyklus von Produkten und Anlagen, der von der Planung über den Betrieb bis
zur Wartung reicht, spiegelt sich nur teilweise wider.
→→ Die Zusammenarbeit zwischen IT-Ontologie und OT-Informationsmodellierung ist noch
nicht gegeben. Dies wäre jedoch dringend erforderlich.
Als Beispiel eines domainübergreifenden IoT-Dienstes ist im „ETSI TR 103 545 SmartM2M;
Pilot test definition and guidelines for testing cooperation between oneM2M and Ag
equipment standards“ verschiedenen Standards wie AEF ISO 11783, ETSI EN 302 637-3
und oneM2M ausgeführt. Diese Aktivitäten gilt es zu beachten und bei Bedarf zu harmoni
sieren.
60
2.4-5 Empfehlung der VDI/VDE 2193 Teile 1 und 2 zur IEC Standardisierung
Die bestehende VDI/VDE 2193 (Sprache von Industrie 4.0-Komponenten) steht seit Januar
2020 als Weißdruck zur Verfügung. Zusammen mit dem Teil 1 der Verwaltungsschale
im Detail bildet diese eine wesentliche Grundlage für die Interoperabilität zwischen
Industrie 4.0-Komponenten. Deshalb sollte diese Richtlinie ebenfalls in den Kanon der
IEC Standards der Verwaltungsschale aufgenommen werden. Bei bestehenden Konzepten
wie der VDI/VDE 2193 sind soziotechnische Aspekte bei der Interaktion zu berücksichtigen
(beispielsweise Human Asset Administration Shell, Verwaltungsschalen von Menschen).
Es wird empfohlen, dies in einem Forschungsvorhaben auszuarbeiten.
2.5 Integration
2.5.1 Status und Fortschritte seit Version 3
So kann z. B. der Einkäufer aus Anwendungsfall 1 die 3-D-Druck-Anfrage an den Lieferan
ten vermitteln und im Nachgang einen Fertigungsauftrag (z. B. in Form von CAD-Daten)
automatisiert über eine standardisierte Schnittstelle an 3-D-Drucker versenden. Die Inte
gration ist aber nicht allein für die effektive und erfolgreiche Vernetzung verantwortlich,
sondern ist immer im Zusammenhang mit Interoperabilität (siehe Kapitel 4) und Kommu
nikation (siehe Anhang B) zu sehen.
61
Die Verbindungen zwischen den beteiligten Systemen und Prozessen werden in der
Informationswelt durch entsprechende Merkmale beschrieben. Die Merkmale, welche die
jeweiligen Schnittstellen eindeutig beschreiben, werden miteinander in Beziehung gesetzt
und dementsprechend in der Verwaltungsschale, formal und maschinenverarbeitbar,
abgebildet [57]. Die Rolle des Engineerings übernimmt an dieser Stelle eine zunehmende
Bedeutung. Oft müssen die vorhandenen Engineering-Lösungen für so eine nahtlose
Integration angepasst, erweitert und standardisiert werden, wie die folgenden Kapitel
aufzeigen.
Das Engineering liefert bei der Entwicklung normativer Integrationskonzepte einen Bei
trag, bei denen die wichtigen Beziehungsinformationen zwischen den einzelnen Systemen
als Industrie 4.0-konforme Informationselemente für weitere Systeme und deren Kompo
nente bereitgestellt werden sollen. Integrationsstandards sind dabei von großer Bedeu
tung, da sie die Brücke zwischen der physischen Welt und der Informationswelt darstellen.
Ein technisches System ist in der Regel durch die Summe der erkennbaren Eigenschaften,
d. h. Merkmale, gekennzeichnet. Diese werden als maschinenlesbare Begriffe zwischen
den an der Kommunikation beteiligten Komponenten ausgetauscht (siehe Abbildung 22).
Daher sind Merkmale das Hauptkriterium für die Beschreibung der relevanten Eigen
schaften einer Industrie 4.0-Komponente. Die umfassende Definition der Merkmale, z. B.
in einem Wörterbuch zur Beschreibung der beteiligten Komponenten und ihrer Prozesse,
hilft sowohl dem Hersteller als auch dem Anwender, die Systemeigenschaften strukturiert
in seiner Umgebung anzuwenden. Gleichzeitig entfällt an den Schnittstellen aufgrund der
übergreifenden und genormten Semantik der Merkmale die bislang übliche „Übersetzung“
vom einen Datenmodell auf das andere. Für derartige Kommunikation bedarf es aber auch
62
einer strukturunabhängigen Abstraktion, sodass verschiedene aber semantisch gleiche
Strukturen kein Hindernis im Kommunikationsprozess darstellen. Das leistet die heutige
Merkmalsbeschreibung noch nicht.
Werden die Prozesse mit dem RAMI 4.0-Modell einheitlich strukturiert und die standar
disierten Formate von Merkmalen genutzt, entstehen zueinander kompatible Prozess
beschreibungen, die mittels der RAMI 4.0-Zeitachse auch zeitlich zueinander in Beziehung
gesetzt werden können. Da in Industrie 4.0 die Forderung nach „automatisiertem Enginee
ring“ besteht, ist eine solche Lösung von fundamentaler Bedeutung. Beispielsweise wird
es künftig nicht genügen, einem vorkonfigurierten MES einen Auftrag aus dem ERP-Sys
tem zu erteilen. Vielmehr benötigt das MES zusätzliche Informationen zur Identifikation
der produktgerechten Fertigungslinie und weitere Parameter wie max. Preis der Ferti
gung, geforderte Lieferzeit u. a., damit der Production Manager des MES daraus die erfor
derlichen Aktionen ableiten kann, was bis zur Ablehnung des Auftrags führen kann.
Weitere Normen bildeten eine Grundlage für die Strukturierung und Merkmalsbeschrei
bung der Produktdatentechnologien, wie z. B. IEC 61987-Reihe, für die Beschreibung von
Prozesskontrollgeräten, Mess-, Steuer- und Regelgeräten sowie deren Betriebsumgebun
gen und Betriebsanforderungen, sowie IEC 61360 Common Data Dictionary (IEC CDD) für
ein gemeinsames Repository von Konzepten für alle elektrotechnischen Bereiche, der auf
der Methodik und dem Informationsmodell der IEC 61360-Reihe basiert. Die CDD Daten
bank, IEC-Referenzsammlung von Standarddatenelementtypen und Komponentenklassen
ist über den IEC Webstore frei zugänglich und wird vom IEC Unterkomitee 3D (IEC SC 3D)
betreut. Darüber hinaus bietet IEC 61360 eine detaillierte Einführung in die Struktur des
Vokabulars und seine Verwendung (IEC 61360-1), spezifiziert das detaillierte Datenmodell
(IEC 61360-2) und legt wichtige Qualitätskriterien für den Inhalt des Vokabulars fest
(IEC 61360-6).
Darüber hinaus hat sich eCl@ss international als eine der wichtigsten ISO/IEC-konformen
Industrienormen (gemäß IEC 61360/ISO13584-41) etabliert und ist derzeit einer der wich
tigsten Referenzdatenstandards für die Klassifizierung und eindeutige Beschreibung von
Produkten und Dienstleistungen. Durch den Einsatz eines zentralen Produktstammdaten
servers und den Aufbau einer einheitlichen Klassifizierungsstruktur auf Basis von eCl@ss
wird der Pflegeaufwand für Materialstammdaten und Datenduplikate reduziert und mehr
Transparenz über die Daten geschaffen [43].
Das Thema „Integration“ und die Standardisierung von Merkmalsystemen und weiteren
Integrationskonzepten für industrielle IoT-Plattformen und -Anwendungen beschäftigen
63
verschiedene internationale Gruppen, wie z. B. IEC, ISO, eCl@ss und W3C. Auf der natio
nalen Ebene beschäftigen sich insbesondere der VDI/VDE, insbesondere dessen Gesell
schaft für Mess- und Automatisierungstechnik GMA, sowie der Fachverband Automation
des Zentralverbands Elektrotechnik und Elektronikindustrie (ZVEI) und die Arbeitsgruppe
„Referenzarchitekturen, Standards und Normung“ der Plattform Industrie 4.0 mit den
Fragen zur Systemintegration und Integrationsaspekten durch Merkmale. Diese und wei
tere Aktivitäten werden im Folgenden erläutert.
IEC und eCl@ss kooperieren seit 2015 mit dem Ziel, eine nachhaltige Harmonisierung der
sich überschneidenden Inhalte im IEC CDD und in eCl@ss zu erreichen. Obwohl Standards
für die beschreibenden Eigenschaften von Assets bereits in IEC und ISO existieren, sind
diese noch nicht im ausreichenden Maß gegeben [siehe HE 2.5-1 und HE 2.5-2].
Das „Thing“-Architekturmodell nach WoT wird anhand von fünf wesentlichen Elementen
klassifiziert: (1) Verhalten, (2) Interaktionsformen, (3) Datenschemen sowie (4) Sicher
heitskonfigurationen und (5) Protokollanbindungen [46]. Die Integration wird als Muster,
z. B. (Integrations-) Pattern (siehe Implementierungsmorphismen im semiotischen
Dreieck (siehe Abbildung 24), angesehen und wird in unterschiedlichen Beziehungen, wie
etwa thing-to-thing oder cloud-to-gateway, abgeleitet. Dabei ist die Bereitstellung,
insbesondere für Maschinen verständliche (Meta-)Daten in Form von Beschreibungen
(WoT Thing Descriptions) und die Fähigkeit zur Selbsterklärung dieser Daten (Inhärenz)
bei den Interaktionsformen von zentraler Bedeutung (siehe Abbildung 23).
64
Anwendungen integriert werden können. Beispielsweise soll das WoT die Anwendungs
methoden (Vorgehensstrukturen) zur formalen Beschreibung von Schnittstellen definie
ren. Auf Grundlage dieser formalen Beschreibung können IoT-Endgeräte und -Dienste
(ggf. auch Microservices) ohne Wissen über bzw. Rücksicht auf die dabei zugrunde liegen
de Implementierung, als auch über mehrere Netzwerkprotokolle hinweg, kommunikativ
miteinander interagieren. Darüber hinaus bietet das WoT eine standardisierte Möglichkeit,
das IoT-Verhalten zu definieren und daraus eine Programmerstellung abzuleiten. Eine
der Herausforderungen dabei ist die Entwicklung standardisierter Schnittstellen, die im
Gegensatz zu den „klassischen“ Integrationsschnittstellen auf den verbindenden (gegen
über dem trennenden) Charakter von Elementen in einem (Integrations-) Pattern [siehe
HE 2.5-3] fußen.
Das WoT im W3C referenziert hierfür normativ die folgenden existierenden RFC’s
(Requests-for-comments) als Basis zur Implementierung [47–61].
Abbildung 23: Gesamtschaubild zur Interaktion der Dinge über semantische Aspekte des
Verstehens von „Interaktionsformen“
Im Hinblick auf die Anwendung in der Arbeitswelt, die aus Sicht der Industrie 4.0 in
Zukunft immer mehr IIoT-basiert sein wird, erscheint eine entsprechende Standardisie
rung zwingend erforderlich – Insbesondere die Ausarbeitung normativer Vorgaben zur
Interoperabilität und den Aspekt der Semantik, abgestimmt auf das natürliche Verhalten
eines Menschen im Web.
65
giedomäne (zur sprachlichen Darstellung von Merkmalen bzw. Eigenschaften) sowie der
Semantikdomäne (zur Darstellung und Kalkulation der Bedeutung eines Werkstücks, in
Form mathematischer Calculi, hier Graph und algebraische Datentyptheorien), erstellt
[62]. Alle drei Relationen, graphisch als Linie zwischen 2 Domänen dargestellt, sind im
Semiotischen Dreieck veranschaulicht (siehe Abbildung 24) und können als standardi
sierte „Guidelines zur Implementierung“ verstanden werden. D. h., es werden Standards,
die die Vergleichbarkeit für drei miteinander in Bezug stehende „Implementierungen“
hergestellt.
Abbildung 24: Semantische Aspekte des Verstehens der Interaktion zwischen den drei
Domänen Ontologie – Technik – Semantik im Semiotischen Dreieck (Quelle: DINCONNECT
Vorhabenspezifikation (09-2018)).
Nationale Aktivitäten
Auf der nationalen Ebene finden zahlreiche Aktivitäten zum Thema „Integration“ statt.
Beispielsweise der DIN NA 043-01-41 AA, der in Deutschland die Arbeiten der JTC1/SC 41
„Internet of Things and related technologies“ spiegelt, trägt regelmäßig zu den aktuellen
66
Integrationskonzepten auf Basis der IoT Referenzarchitektur (ISO/IEC 30141) sowie Har
monisierungsaktivitäten mit Expertenwissen bei (Verweis auf den NIA Jahresbericht 2019).
Der ZVEI Arbeitskreis Systemaspekte, der sich aus Teilnehmern aus den Mitgliedsunter
nehmen des Fachverbands Automation und Experten aus der Forschung zusammensetzt,
widmet sich seit mehreren Jahren den Themen und Herausforderungen aus Sicht von
Herstellern und Nutzern von Produkten und Systemen der Automatisierungstechnik.
Bereits im Jahr 2010 stellte der Arbeitskreis im Leitfaden „Life-Cycle-Management für
Produkte und Systeme der Automation“ die Definition allgemeingültiger Modelle, Begriffe,
Abläufe und Strategien vor, die eine grundlegende Basis für ein gemeinsames Verständ
nis zwischen Betreibern und Herstellern zum Thema Life-Cycle-Management darstellen.
Die Ergebnisse flossen später nicht nur in die internationale Normung (IEC 62890) ein,
sondern fanden auch wesentliche Anwendung im Referenzarchitekturmodell Industrie 4.0
(RAMI 4.0).
In der Prozessleittechnik (PLT) arbeitet seit Jahren die NAMUR in Fortführung der Projekt
gruppe, PROLIST (Project Group „Lists of Characteristics“) mit dem Ziel, die Merkmale und
Merkmalleisten aus der PLT-Community zu spezifizieren, um diese sowohl in die inter
nationale Normung einzuführen als auch der Öffentlichkeit aus der industriellen Branche
zur Verfügung zu stellen [63]. Die Ergebnisse sind heute in der eCl@ss-Datenbank in den
zugehörigen Sachgruppen der Produkte niedergelegt. Ferner ist ein großer Teil dieser
Merkmale in der IEC CDD verfügbar.
2.5-1 Bestehende Standards (ISO 13585-1 bzw. IEC 61360) für Semantik ergänzen
Die in der Informationswelt erforderlichen Datenformate sind der ISO 13585-1 bzw.
der IEC 61360 entnommen. Auch die Merkmale von eCl@ss sind auf dieser Basis codiert.
Verwaltungsschalen bzw. Submodelle erfordern jedoch für den operationalen Betrieb
gegenüber den reinen beschreibenden Eigenschaften eines Assets weitere Merkmals
typen. Solche sind Zustände und Parameter der Assets sowie deren Mess- und Aktorwerte
(dynamische Daten). Auch Kommandos und ganze Funktionen (oft auch fachliche Funktio
nen genannt) müssen mit denselben Konzepten beschrieben werden. Der Merkmalsbegriff
in heutigen Standards ist, um solche Semantik in den Datenmodellen zu erweitern, um
dynamische Werte einwandfrei darstellen zu können. Beispielsweise kann dies mit ent
sprechenden neuen Attributen im Datenmodell der ISO 13584/IEC 61360 erfolgen. Modelle
für Funktionen/Befehle sind zu entwickeln bzw. vorhandene in Normen festzuschreiben.
67
Die Aktivitäten zur Harmonisierung der Merkmale müssen bei den beteiligten Gremien von
eCl@ss und IEC beschleunigt werden. Insbesondere sollen die existierenden Merkmale
auf die gleiche semantische und syntaktische Ebene gebracht und angepasst werden.
Hierbei sollte insbesondere aufgrund der Komplexität dieses Themas auf eine intensiv
verstärkte Zusammenarbeit durch Liaisons zwischen den Standardsetzern aber auch
Kategorie-C, Liaisons zwischen Standardsetzern und Open Source und Industriekonsor
tien geachtet werden.
2.6 Kommunikation
2.6.1 Status und Fortschritte seit Version 3
Ein wesentlicher Aspekt der Umsetzung von Industrie 4.0 ist die Vernetzung aller an der
Wertschöpfung beteiligten Instanzen. Das betrifft beispielsweise die Realisierung von
Produktmarktplätzen (siehe Anwendungsfall 1,siehe Kapitel 1.4.1) oder von Assistenzsys
temen (siehe Anwendungsfall 2, siehe Kapitel 1.4.1).
Bei der Realisierung von Produktmarktplätzen steht zunächst die globale Kommunikation
zwischen Dienstnutzer, Marktplatz und Dienstleister im Vordergrund. Ein durchgängiges
Datenkonzept erfordert aber auch eine nahtlose Kommunikation bis in den Fertigungsbe
reich.
68
Zukünftige Assistenzsysteme erfordern zusätzlich Breitbandkommunikation z. B. für
Augmented Reality Anwendungen und deterministische Kommunikation für eine möglichst
große Synchronität zwischen Produktionsprozess und Assistenzfunktionen.
Bezüglich der Topologie gibt es heute zwei Welten. Zum einen die in der Industrieautoma
tion gängige, aktive, lineare Topologie, bei der in jedem Teilnehmer ein Switch vorhanden
ist, der sowohl die ankommende, die abgehende Leitung als auch die interne Verbindung
zum Gerät herstellt. Demgegenüber haben wir in der strukturierten Gebäudeverkabe
lung eine sternförmige Verkabelung mit den drei Hierarchiestufen Campus, Gebäude und
Etage.
69
Ausgangssituation funkbasierte Kommunikation
Die Kommunikationsressourcen für funkbasierte Kommunikation können nicht im
gleichen Maße erweitert werden, wie es für die Sicherstellung der schnell wachsenden
Kommunikationsanforderungen erforderlich wäre. Insbesondere das Funkspektrum
ist sehr begrenzt. Heute nutzt die Funkkommunikation Funkspektren, die in der Regel
nicht exklusiv für eine einzige Anwendung zur Verfügung stehen. Eine Priorisierung von
Funkanwendungen findet gegenwärtig nur durch die Frequenzvergabe durch die Regu
lierungsbehörden statt. Die Flexibilität der Produktionsprozesse und die Mobilität der
Instanzen ermöglichen allerdings auch die Anpassung von Kommunikationsbeziehungen
an das jeweils erforderliche Maß. Mit der Norm IEC 62657-2 wird beispielsweise ein fre
quenzunabhängiges Koexistenzmanagement beschrieben, das manuell oder automatisiert
umgesetzt werden kann. Management- und Steuerungsdienste werden durch flexible
Kommunikationssysteme (wie Mobilfunksysteme) angeboten, um das Kommunikations
system im Betrieb an die jeweiligen Kommunikationsanforderungen anzupassen.
Mit der 5G Alliance for Connected Industries and Automation (5G-ACIA) hat sich in
Deutschland ein internationales Fachgremium etabliert, in dem Mobilfunkausrüster,
Mobilfunkbetreiber, Automatisierer und Anwender industrieller funkbasierter Kommuni
kation sich austauschen und Standardisierungsvorhaben für die 5. Mobilfunkgeneration
vorbereiten [siehe HE 2.6-A1].
Netzwerkmanagement
Die industrielle Kommunikation ist geprägt durch unterschiedlichste Netzwerke mit
jeweils eigenen Geräte- und Netzwerkmanagementlösungen. Die Erkenntnislage reicht
derzeit nicht aus, um eine Standardisierung von Managementdiensten für 5G, Ethernet,
Internet, TSN, WLAN usw. für die industrielle Kommunikation anzustoßen. Zunächst wäre
zu klären, welchen Gerätetypen und welche Parameter bei einem interoperablen Manage
ment zu berücksichtigen sind. Insbesondere für 5G-Netze ist unklar, inwieweit eine
Standardisierung diesbezüglich möglich ist. Darauf bezieht sich [siehe HE 2.6-2].
Für das Koexistenzmanagement industrieller Funklösungen stehen die Teile 1 [65] und 2
[66] der IEC 62657 zur Verfügung. Die Teile 3 und 4 der Normenreihe sind in Arbeit.
70
Integration in Industrie 4.0
Die Anforderungen an die einheitliche Handhabung von Kommunikationssystemen unter
schiedlichster Technologien im Lebenszyklus von Produktionsanlagen wirken sich auch
auf die Rolle dieser Kommunikationssysteme aus. Sie sind nicht nur Mittel zum (Kommu
nikations-)Zweck, sondern auch Bestandteil der Produktionsanlage. Im Gegensatz zur
Bürokommunikation kommen von der Automatisierungsanwendung wechselnd Anforde
rungen an die industrielle Kommunikation aufgrund des flexibler werdenden Produktions
prozesses.
Datenverkehrsmodelle
Beim Mobilfunk werden für die Auslegung der Netzwerke Datenverkehrsmodelle verwen
det. Das ist bei der industriellen Kommunikation bisher nicht üblich. Mit Industrie 4.0 wer
den auch vermehrt Video-Übertragungen, Augmented Reality Anwendungen und taktile
Steuerungen zum Einsatz kommen. Deshalb wird auch für die industrielle Kommunikation
die Spezifikation von Datenverkehrsmodellen erforderlich werden. Darauf basierend
können für beispielsweise TSN, 5G-Network-Slices, Ethernet und WLAN die erforderlichen
Einstellungen für unterschiedliche Datenverkehrsklassen vorgenommen werden. In einem
5G-ACIA Whitepaper [67] werden erste Konzepte dazu vorgestellt. [siehe HE 2.6-4] schlägt
die Fortsetzung dieser Arbeiten als Vorbereitung einer Normung vor.
Zuverlässigkeitsbewertung
Die verstärkte Orientierung auf Kommunikationstechnologien für Massenmärkte sowie die
mit Industrie 4.0 wachsende Komplexität der Kommunikationsnetze sorgt für eine s tärkere
Trennung zwischen Anbieter und Nutzer von Kommunikationsdienstleistungen. Damit
ergibt sich auch die Notwendigkeit, Anforderungen an die Bereitstellung von Kommunika
tionsdiensten klar und abrechenbar zu formulieren, zu ermitteln und zu prüfen, vor allem,
wenn die Bereitstellung der Kommunikationsdienste kostenpflichtig ist.
71
VDI/VDE-Richtlinie 2185 [69] für industrielle Funkkommunikationssysteme. [sie
he HE 2.6-6]
Es liegt ein Whitepaper [70] der 5G-ACIA vor, in dem Aspekte des Tests von 5G Komponen
ten diskutiert werden. Die Schlussfolgerungen sind auch auf andere Kommunikationstech
nologien anwendbar. Darüber hinaus ist die Erkenntnislage für eine Normung noch nicht
hinreichend. [siehe HE 2.6-7]
Security
In der AG3 der Plattform Industrie 4.0 wird das Thema Informationssicherheit (IT-Security)
auch für die Kommunikation diskutiert. Zusätzliche Anforderungen ergeben sich beispiels
weise aus der Flexibilität der Anwendungen und der damit notwendigen Agilität der Kom
munikation und den Eigenschaften der Kommunikationstechnologien (z. B. Notwendigkeit
von Zellwechsel, Adaptivität der Verbindungen). Aktuelle Entwicklungen, Handlungs- und
Anwendungsempfehlungen zur Security werden in Kapitel 3.2 behandelt.
Frequenzspektren
Die Arbeiten zur weltweiten Zuweisung von Frequenzspektren für die Nutzung durch
industrielle Automatisierungsanwendungen wurden aktiv durch Experten der Mess- und
Automatisierungstechnik begleitet. Die 5G-ACIA erarbeitete einen Technical Report, um
die Harmonisierung des Frequenzspektrums für die industrielle Automatisierung auf der
World Radio Conference 2019 (WRC-19) zu unterstützen. Es wurden 14 neue Anwendungs
fälle der industriellen Automation beschrieben. Die Einreichung der Ergebnisse dieser
Arbeiten bei der ITU-R (WP5A, WP5D) und bei RSPG (Advisory Body to EU Commission)
wurde vorbereitet. Dies geschah in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen staat
lichen Stellen und Verwaltungen.
72
Industrielle Weitverkehrsnetze
Network-Slicing-Konzepte sollen ermöglichen, dass nicht-öffentliche, industrielle
5G-Subnetze in öffentlichen 5G-Netzen virtualisiert werden können. Das Konzept sieht
vor, dass mehrere logische Netzwerke mit zugeschnittenen Qualitätsgarantien die gleiche
physikalische Infrastruktur nutzen können. Damit sollen die unterschiedlichen Kommu
nikationsanforderungen der industriellen Automation bedient werden können.
Industrielles Lokationsmanagement
Die Lokalisierung von Objekten gehört gegenwärtig zu den vordringlichen Anforderungen
der industriellen Automation. Es ist eine Vielzahl von Lösungsansätzen unterschiedlicher
Auflösung und Genauigkeit bekannt. Offen ist der Punkt des Austausches der Positions
daten und damit zusammenhängender Informationen. Es ist zusammenzutragen, welche
Anforderungen an die Übertragung von Positionsdaten bestehen, welche Dienste- und
Parameterspezifikationen es gibt. Der Stand der Technik ist zu bewerten und passende
Spezifikationen zu wählen bzw. weiterzuentwickeln. Trotz des Bedarfs der Lokalisierung
ist im Moment wenig Interesse der Industrie zur Normung festzustellen. Dadurch besteht
die Gefahr vieler individueller und proprietärer Lösungen, die nicht einheitlich in Automa
tisierungssystemen genutzt werden können [siehe HE 2.6-11].
Die Kommunikation innerhalb und zwischen den Hierarchieebenen der Fabrik wird
erheblich zunehmen. Die Kommunikation zwischen räumlich und organisatorisch verteil
ten Instanzen muss oft aus Flexibilitätsgründen oder wegen der Mobilität der Instanzen
drahtlos erfolgen.
73
Netzwerkmanagement
Im Work Item „5G Network Exposure Interface for Enterprises“ der 5G-ACIA werden Maß
nahmen diskutiert, um einheitlich auf die Netzwerkressourcen nicht-öffentlicher Netz
werke oder dedizierter Netzwerkdienste von Mobilfunkbetreibern zugreifen zu können. Der
Zugriff auf das Netzwerk über eine gut spezifizierte und einfach zu bedienende Schnitt
stelle soll die Verwaltung der Geräteverbindungen, die Konfiguration und Verwaltung von
Kommunikationsdiensten unterstützen. Managementfunktionen wie beispielsweise zum
Netzwerkanlauf oder zum Verbindungsaufbau (Plug and Work) sind anzugleichen. In der
in Entwicklung befindlichen DIN SPEC 16593-2 „Mechanismen für Bootstrap, Bekannt
machung und Auffinden von industriellen IoT-Komponenten“ z. B. soll ein einheitlicher
Mechanismus für die dynamische Vermittlung von Kommunikationspartnern in Industrial
IoT definiert werden. Hierdurch können sich Kommunikationspartner – unabhängig von
einer konkreten Umsetzungstechnologie der IIoT-Komponente in einem Industrie 4.0-Sys
tem finden.
Im Zuge der Aktivitäten dieser DIN SPEC wird neben der konzeptionellen Spezifikation
eines einheitlichen Mechanismus für eine dynamische Vermittlung von IIoT-Komponenten
eine detaillierte, für eine Umsetzung vollständige Spezifikation der technologischen
Umsetzung festgelegt, sodass der Standard für Entwickler als Spezifikation für die Umset
zung des Mechanismus genutzt werden kann. Dabei soll der DIN SPEC Workshop als Mög
lichkeit angeboten und genutzt werden, alle aktuell parallel in Entwicklung befindlichen
Lösungen inhaltlich gegenüberzustellen und als Ausgangslage für die Spezifikation zu
nutzen. Auch sollen hierdurch die Expertise unterschiedlicher Fachbereiche (IT, Security
und Cloud, Maschinen- und Anlagenbau etc.) vereint werden, wodurch eine definierte
Lösung für die hier zugrunde gestellte Fragestellung (interdisziplinär) konsolidiert werden
kann. Diese DIN SPEC soll sich ferner in die existierende Normlandschaft und Empfehlun
gen entsprechender Gremien, wie z. B. der Plattform Industrie 4.0, einbinden.
Ausgehend davon leitet sich HE 2.6-2 ab. Die „VV Lokales Breitband“ (Verwaltungs
vorschrift) sieht für die lokalen Frequenznutzungen im Frequenzbereich 3.700–3.800
74
MHz Absprachen zwischen benachbarten Nutzern vor. Hier wird geprüft werden, ob die
IEC 62657-2 diesen Prozess unterstützen kann.
Zuverlässigkeitsbewertung
Das Work Item „Key Performance Indicator (KPI) for 5G technology enabled connected
industries.“ der 5G-ACIA adressiert auch die Zuverlässigkeitsbewertung. Zusammen
mit der VDI/VDE-Richtlinie 2192 könnten das die Grundlagen für eine standardisierte
Zuverlässigkeitsbewertung industrieller Kommunikationslösungen sein [siehe HE 2.6-5]
formuliert.
Frequenzspektren
Die Diskussionen zur Weiterentwicklung der Frequenzregulierungen (d. h. Bedingungen
der gegenwärtigen und künftigen Zuweisung von Frequenzspektrum) sowie die Erörterung
des Einflusses auf die Industrie werden in der 5G-ACIA fortgeführt. Ein weiteres Thema
sind Optionen der Ressourcennutzung, um 5G Industrie 4.0-Lösungen zu ermöglichen,
einschließlich Network-Slicing. Verschieden Modelle zur Bereitstellung von Spektrum für
Industrie 4.0 werden in Europa und global diskutiert. [siehe HE 2.6-8]
Die bestehenden, bzw. in Entwicklung befindlichen Normen sind bzgl. ihrer Anwendbarkeit
zu prüfen. Gegebenenfalls sind Profile zu spezifizieren, die eine Konformitätsprüfung und
somit die Interoperabilität der Produkte verschiedener Hersteller ermöglichen.
Hier sollte untersucht werden, wie eine ideale Netzwerkstruktur für Industrie 4.0 aus
sieht, wobei auch die drahtlose Kommunikation mit betrachtet wird. Dies umfasst Kom
munikation innerhalb von Industrie 4.0-Komponenten als auch die Vernetzung zwischen
den verschiedenen, teilweise mobilen, Industrie 4.0-Komponenten, die Kommunikation
mit übergeordneten Automatisierungsgeräten sowie die Anbindung an die Office-ITEDV,
bis hin zur Cloud für die Datenablage und Cloud-basierten Diensten. Die gefundenen
Lösungen sind zu standardisieren. Um Diagnose- und Überwachungsfunktionen in einem
Industrie 4.0-Netzwerk realisieren zu können, benötigen die Infrastrukturkomponenten
der leitungsgebundenen Kommunikationssysteme, aktive (Router, Switches, Repeater
etc.) wie passive (Leitungen und Stecker) eine virtuelle Repräsentanz. Die Merkmale
(produktbeschreibende und einsatzbezogene Daten) und die Zustandsinformationen der
Infrastrukturkomponenten sind zu standardisieren, um eine einheitliche Sicht darauf zu
ermöglichen.
75
Mobilität und wegen des Determinismus der Anwendungen Dienste zur Ortung und zur
Zeitsynchronisation bereitstellen.
2.6-1 Normen für globale mobile Netztechnologien sollten so gestaltet oder ergänzt
werden, dass ein nahtloser Übergang zwischen lokalen Industrienetzen und industriellen
Mobilfunkfunknetzen möglich ist. Ausgangspunkte für die Standardisierung solcher
heterogenen, industriellen Netzwerke können die Dokumente der 5G-ACIA zur Integration
von Ethernet, TSN und OPC-UA in 5G sein.
2.6-2 Dienste und Schnittstellen für das Management der verschiedenen industriellen
Kommunikationsnetze sollten einheitlich und aus der Anwendungssicht heraus spezifiziert
werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zwischen Netzbereitstellung (Management
Services) und Bereitstellung von Kommunikationsdiensten (Control Services) zu unter
scheiden ist.
2.6-4 Für die Planung von Kommunikationsnetzen (leitungsgebunden und drahtlos) ist ein
Modell zu entwickeln, mit dem industrielle Datenkommunikationsszenarien spezifiziert
werden können.
2.6-8 Die Arbeiten zur weltweiten Harmonisierung von Frequenzspektren für die Nutzung
durch industrielle Automatisierungsanwendungen sollten weiter aktiv durch Experten der
Mess- und Automatisierungstechnik begleitet werden. Industrieverbände und Plattform
Industrie 4.0 sollten Argumente und Anforderungen für die Verwaltungen (z. B. BNetzA in
Deutschland) zur Berücksichtigung bei der Frequenznutzungsplanung formulieren. Diese
Ausführungen sollten international abgestimmt werden. Die für Deutschland geltende
Regulierung für Frequenzzuteilungen für lokale Frequenznutzungen im Frequenzbereich
3.700–3.800 MHz sollte im Sinne der internationalen Harmonisierung weltweit gelten. Es
76
wird empfohlen auch die Konzepte für den nicht-öffentlichen industriellen Netzbetrieb und
für den kooperativen Netzbetrieb mit einem öffentlichen Netzbetreiber zu harmonisieren.
2.6-9 Normen für globale mobile Netztechnologien sollten so gestaltet oder ergänzt
werden, dass auch eine Nutzung als nicht-öffentliches lokales Industrienetz möglich ist.
Ausgangspunkt sollte das 5G-ACIA Whitepaper „Non-public Networks“ [72] sein.
2.6-A1 Mit Bezug auf den schnell fortschreitenden Spezifikationsprozess für Mobilfunk
systeme in der 3GPP entstehen in der 5G-ACIA Veröffentlichungen zu vielen Kommuni
kationsaspekten. Diese Veröffentlichungen können auch dazu beitragen, die industrielle
Kommunikation unter dem Gesichtspunkt des Einsatzes für Industrie 4.0 neu zu bewerten.
Themen wie die Integration von TSN und OPC-UA in 5G, die Datenverkehrsmodellierung
oder die Bewertung der Zuverlässigkeit von Kommunikationsnetzen und Kommunikations
diensten können Informationsquelle für künftige Normungsprojekte sein. Es wird deshalb
empfohlen, der Arbeit der 5G-ACIA Aufmerksamkeit zu schenken.
In Arbeitsprozessen der Industrie 4.0 ist der Mensch mit verschiedenen Aufgaben als
Akteur im sozio-technischen Arbeitssystem einbezogen, z. B. als Bediener von Maschinen,
als Instandhalter, Produktionsplaner oder Programmierer. Bei der Neu- und Umgestal
tung von Arbeitssystemen können die Kriterien menschengerechter, nachhaltig erfolg
reicher Arbeit vorausschauend in der Planung berücksichtigt werden. Wenn man den
Menschen mit seinen Fähigkeiten, Fertigkeiten, seinem Leistungsvermögen und seinen
Leistungsgrenzen in die Gestaltung einbezieht, dann entstehen ergonomische, effiziente
und flexible Arbeitssysteme.
77
Abbildung 25: Kriterien menschengerechter Arbeit nach Hacker (2005)
Die Kriterienhierarchie menschengerechter Arbeit (siehe Abbildung 25) ist für die Nor
mungsarbeit im Bereich der Ergonomie handlungsleitend. Das grundlegende Kriterium
ist die Ausführbarkeit von menschlicher Arbeit im Rahmen des physischen und psychi
schen Leistungsvermögens des Menschen. Darüber hinaus muss Arbeit schädigungslos
sein, Unfälle und Gesundheitsschäden, aber auch Fehlhandlungen sind also durch eine
angemessene Gestaltung zu vermeiden. Werden Assistenzsysteme und Automatisierungs
lösungen in die ergonomische Gestaltung integriert, ermöglichen sie heute und in Zukunft
die Übernahmen von oder Unterstützung bei ansonsten nicht ausführbaren oder gesund
heitsschädigenden Aufgaben. Adaptive und adaptierbare Technologien erlauben, diese
Unterstützung individuell auf den jeweiligen Beschäftigten anzupassen. Ist Arbeit beein
trächtigungsfrei, ist sie belastungsoptimal gestaltet, sodass Über-, aber auch Unterforde
rung physischer und psychischer Art vermieden werden.
78
Arbeitsraum bzw. am Arbeitsplatz und einer Arbeitsumgebung (siehe Abbildung 26). Ihre
Inhalte haben Gültigkeit für verschiedene Arbeitssysteme, d. h. beispielsweise für Systeme
in der Produktion, bei Dienstleistungs- und Wissensarbeit oder in der Logistik. In ihr
sind grundsätzliche Konzepte von menschzentrierter Gestaltung eines Arbeitssystems
und Gebrauchstauglichkeit von gegebenen Arbeitsmitteln verankert. Zudem sind zentrale
Begriffe für die ergonomische Arbeitsgestaltung definiert und auch die wesentlichen
Bestandteile eines Arbeitssystems benannt, die gestaltet werden müssen.
In Ländern der Europäischen Union spielt diese Aufteilung eine besondere Rolle, da in
zugrunde liegenden Regelwerken zur weiteren Information und Konkretisierung auch auf
sogenannte harmonisierte Normen verwiesen werden kann, die dann eine Vermutungs
wirkung für eine erfolgreiche Umsetzung auslösen können. So sind sicherheitstechnische
und ergonomische Anforderungen in der Maschinenrichtlinie beschrieben und mithilfe
von Verweisen auf Normen spezifiziert. Orientiert sich nachweislich die ergonomische
Gestaltung von Arbeitsaufgaben an der Reihe DIN EN 614 und von Interaktions- und Infor
mationsschnittstellen an der Reihe DIN EN 894, so sind damit wesentliche Anforderungen
an die Gestaltung von Arbeitsaufgaben und Tätigkeiten an Maschinen umgesetzt. Natürlich
können zur Gestaltung auch andere Anforderungen oder nicht-harmonisierte Normen
(z. B. Reihe DIN EN ISO 9241) herangezogen werden, wenn bei Bedarf auch der Nachweis
der Vergleichbarkeit erbracht wird. Im Bereich der Gestaltung der Sicherheit von Maschi
nen wird daher empfohlen, sich von den ergonomischen Anforderungen aus Normen der
Maschinenrichtlinie leiten zu lassen.
79
Als Technologie kommen ein Exoskelett als dynamische Sitzunterstützung, ein hand
habungsunterstützender, kollaborativer Roboter zum Handling und Einbau großer Teile
der Fahrzeuginneneinrichtung und eine situativ nutzbare Datenbrille zum Einsatz. Diese
dient der Informationsbereitstellung für variantenspezifische Montage- und Qualitäts
sicherungshinweise und gleichzeitig durch Kameratechnik zur Prozessdokumentation
sowie situativ zur Aufnahme (auch verbal) von Verbesserungsvorschlägen oder ähnlichen
Informationen durch das Montagepersonal. Zusätzlich sind Kommunikationsmöglichkeiten
mit Vorgesetzten, Spezialisten etc. enthalten.
Fahrzeug und Innenraumbauteil stehen am Band zur Verfügung und werden von einer
Person mit Exoskelett-Stuhl und Handhabungsroboter kraftunterstützt ins Fahrzeug
geführt. Die Grob- und Feinpositionierung des Bauteils erfolgt mittels Mensch-Roboter-
Kollaboration. Für die Verschraubungen können optional variantenspezifische Informa
tionen mittels einer Datenbrille abgefragt werden, die gleichzeitig auch zur Erfassung von
Verbesserungsvorschlägen per Bild oder Sprache genutzt werden kann. Die Dokumenta
tion des Arbeitsschritts erfolgt ebenfalls über das Kamerasystem der Datenbrille.
80
→→ Ein isoliertes Arbeiten von Arbeitenden ohne Gelegenheiten zu sozialen und fachbe
zogenen Kontakten vermeiden.
→→ Arbeitenden einen angemessenen Grad an Entscheidungsfreiheit hinsichtlich Vorrang
von Aufgaben, Tempo und Vorgehensweise einräumen.
Smart Devices, Wearables und ähnliche Technologien, die mit Diensten vernetzt sind,
führen zu einer Aufweichung der Grenzen zwischen Produkt, System und Diensten. In der
Folge können neue Interaktionen zwischen Menschen und Maschine oder technischer
Anlage entstehen, die eine Herausforderung für die Beurteilung möglicher Gefährdungen
sowie die ergonomische Gestaltung darstellen. Themen wie „Bring-your-own-device“
oder „User Experience“, die einen verstärkten Raum in der Diskussion und auch in der
Normung (siehe Definition von „User Experience“ in ISO 9241-210) einnehmen, belegen,
dass eine erfolgreiche und wirtschaftliche Anwendung von Systemen in hohem Maß von
der erlebten Qualität der Benutzung dieser Systeme abhängt.
Der Arbeitsraum ist der Raum, der einer oder mehreren Personen innerhalb des Arbeits
systems zur Durchführung der Arbeitsaufgabe zugeordnet wird. Der Arbeitsplatz bezeich
net die Kombination und räumliche Anordnung der Arbeitsmittel innerhalb der Arbeits
umgebung unter den durch die Arbeitsaufgaben erforderlichen Bedingungen. In der Norm
sind u. a. folgende Anforderungen an die Gestaltung von Arbeitsraum und Arbeitsplatz
festgelegt:
→→ Einnahme einer stabilen als auch einer beweglichen Körperhaltung ermöglichen
81
→→ Bereitstellen einer sicheren und stabilen Basisfläche, von der aus Körperkräfte ange
wendet werden können
→→ Körpermaße, Körperhaltung, Muskelkraft und Körperbewegungen berücksichtigen.
82
Die DIN EN ISO 6385-12 definiert die Gestaltung von Arbeitssystemen als einen iterativen
und strukturierten Prozess, der eine Anzahl von Gestaltungsphasen umfasst und zu einer
Neugestaltung oder einer Umgestaltung führt. Neben ihr sind in verschiedenen weiteren
Normen relevante Einzelaussagen zum Prozess der Arbeitssystemgestaltung enthalten:
So benennen z. B. die Normen DIN EN ISO 27500:2017-07, DIN ISO 45001:2018-06 oder
DIN EN ISO 9000 ff. Rahmenbedingungen zur Arbeitssystemgestaltung, während z. B. die
Norm DIN EN 16710-2:2016-10 Analysemethoden zur Arbeitssystemgestaltung vorstellt.
Konkrete Hinweise für die betriebliche Umsetzung fehlen aufgrund der Komplexität des
Themas in allen Normen, sodass diese betriebsspezifisch abgeleitet werden müssen.
Wichtige Impulse sind im März 2019 durch den internationalen ISO Normungsworkshop
„Ergonomics standards for robotic, intelligent and autonomous systems“ entstanden.
Ergebnisse der Arbeitsgruppen zur Robotic, intelligent, Autonomous Systems fließen in
die zu novellierende ISO/TR 9241-810 ein. Zudem wird diese Gruppe die verschiedenen
Aktivitäten im Bereich von Ergonomie, Smart Manufacturing und Exoskeletten evaluie
ren. National ist innerhalb des Normenausschusses Ergonomie der Arbeitsausschuss
„Arbeits- und Produktgestaltung in der Industrie 4.0“ damit befasst, den Novellierungs
bedarf der Ergonomienormung detailliert zu ermitteln [siehe HE 2.7-1 und HE 2.7-2].
83
über Präsenz in virtuellen Räumen bis hin zu eingeschränkter Erreichbarkeit abdecken
und die informatorische Reichhaltigkeit jeweils genutzter Kommunikationswege bzw.
-medien berücksichtigen.
Die Nutzung digitaler Technologien erfordert eine Interaktion des Menschen mit diesen
Technologien. Ersetzt die Interaktion mit Technik die Interaktion mit Menschen in hohem
Maße, so wird befürchtet, der Mensch könne sozial isoliert werden. Dies erscheint bspw.
bei mobiler Arbeit, im Rahmen der Mensch-Roboter-Kollaboration oder bei vernetztem
Arbeiten an/mit mehreren Maschinen möglich. Im Hinblick auf den Arbeits- und Gesund
heitsschutz ist die Vermeidung sozialer Isolation Teil der Organisationspflicht des Arbeit
gebers. [siehe HE 2.7-4]
Die Aufbauorganisation bzw. -struktur ist so zu gestalten, dass sie vor dem Hintergrund
der hohen Entwicklungsdynamik im Bereich der Digitalisierung Entscheidungen auf
kurzen Wegen ermöglicht werden. Dezentrale und funktionsorientierte Ansätze bieten
sich dazu an und unterstützen kooperationsorientierte, projektbezogene Arbeitsweisen.
Dies bedeutet auch, dass Veränderungen an Prozessen Anpassungen an Aufbaustrukturen
erfordern können. Die Aufbauorganisation in Unternehmen, die digitale Transformations
prozesse erfolgreich durchgeführt haben, wird geprägt sein durch Querschnitts-Arbeits
gruppen. [siehe HE 2.7-7, HE 2.7-8, HE 2.7-9]
84
tige Zuordnung von Aufgabenfunktionen zu Maschinen und Aufträgen sowie Rückmeldun
gen über aktuelle Zustände und Veränderungen sind für den Beschäftigten erforderlich.
Es ist davon auszugehen, dass sich vermehrt Überwachungs-, Kontroll-, Planungs- und
Steuerungsaufgaben für den Menschen ergeben werden. Dadurch ergeben sich neue
Anforderungen an Funktionsteilung, an die Interaktionen und die Informationsbereitstel
lung.
85
Neben den harmonisierten Normen sowie spezifischen Produktnormen bietet die Nor
menreihe DIN EN ISO 9241 eine mögliche Orientierung für das Themenfeld der Gestal
tung von Produkten, Arbeitsmitteln und Schnittstellen. Die Norm DIN EN ISO 9241-210
beschreibt die Aktivitäten bei der menschzentrierten Gestaltung von Mensch-System-
Interaktionen im vorgegebenen Nutzungskontext: sie fordert u. a. das iterative, agile
Vorgehen, das auf dem regelmäßigen Einbezug und Rückmeldung der Benutzer beruht.
Daneben liefert DIN EN ISO 9241-112 umfangreiche Prinzipien der Informationspräsen
tation, die so grundlegende Gültigkeit haben, dass sie auch in virtuellen oder augmen
tierten Schnittstellen Anwendung finden können. Die Übertragbarkeit dieser Prinzipien
der Informationsdarbietung auf Produkte wie kollaborative Roboter, die sich neben der
Schnittstelle vor allem auch durch eine physische Interaktion und daraus resultierende
Besonderheiten sowie auch Gefährdungen auszeichnen, wird aktuell in der Forschung
untersucht. [siehe HE 2.7-19]
86
wie beschrieben auf zahlreiche Normen verteilt, sodass es dem betrieblichen Planer
erschwert wird, diese aufzufinden und bei der Planung von Lösungen der Industrie 4.0
adäquat zu berücksichtigen. Hierzu sollte zudem die Übersichtlichkeit der Zusammen
hänge in der Ergonomienormung verbessert werden.
2.7-2 Vor diesem Hintergrund wird empfohlen, dem betrieblichen Planer ein Dokument
zur Verfügung zu stellen, in dem alle prozessrelevanten Aussagen zur Industrie 4.0
zusammengefasst werden. Dies sollte zunächst in einem Leitfaden zur Arbeitssystem
gestaltung für Lösungen der Industrie 4.0 realisiert werden.
Es ist für eine vorausschauende Arbeitsgestaltung wertvoll, Use Cases zur Beschreibung
und Abschätzung möglicher physischer und psychischer Gefährdungen und ihrer Vorbeu
gung zu nutzen.
2.7-5 Die Führung von Beschäftigten wird sich unter den Rahmenbedingungen der Indus
trie 4.0 verändern. Um menschzentrierte Aspekte der Führung in diesem Kontext zu orga
nisieren, weiterzuentwickeln und zu schulen, erscheint die Schaffung einer organisationa
len Rolle in Unternehmen hilfreich. Zu ihren Aufgaben zählt es, Akzeptanz für Industrie 4.0
im Unternehmen zu schaffen und eine Digitalisierungsstrategie aus der Vision und Mission
des Unternehmens herzuleiten. Ergänzungs- bzw. Änderungsbedarf ergibt sich z. B. bei
den Normen Entwurf DIN EN ISO 27500, ISO 9241 ff. und ISO 26800.
2.7-6 Sammlung, Speicherung und Verarbeitung von Daten in großem Umfang wird ein
wesentlicher Bestandteil der Industrie 4.0 sein. Schutzziele sind in diesem Zusammen
hang u. a. die Verfügbarkeit, die Integrität, die Vertraulichkeit und der rechtskonforme
87
Umgang mit den Daten. Ergänzungs- bzw. Änderungsbedarf entsteht daher z. B. bei den
Normen Entwurf DIN EN ISO 27500, ISO 924 ff. und ISO 26800.
2.7-7 Die zunehmenden Möglichkeiten, Arbeit unabhängig von Zeit und Ort zu organisie
ren, führen zu einer weiteren Verbreitung mobiler Arbeit. Deren Gestaltungsmöglichkeiten
unterscheiden sich wesentlich von denen stationärer Arbeit. Ergänzungs- bzw. Ände
rungsbedarf besteht z. B. bei DIN EN ISO 9241-1:1997.
2.7-10 Das Verständnis einer Organisation und ihres Umfeldes sollte aufgrund des sich
verändernden Kontextes in Industrie 4.0 bzw. erweiterter Rahmenbedingungen erweitert
werden. Prozesse, die möglicherweise rein digital ablaufen, erfordern es, auch die virtuel
le Umgebung einer Organisation zu betrachten. Ergänzungs- bzw. Änderungsbedarf kann
sich z. B. bei der Norm DIN EN ISO 9001:2015 ergeben.
88
2.7-14 Es ist zukünftig zu berücksichtigen, dass Maschinen und andere technische
Systeme auch Beschreibungsmerkmale des Menschen (z. B. Größe, Körperhaltung,
Gesichtsausdruck) erkennen und sich daran anpassen können sollen. Als Reaktion darauf
ändern Menschen ihre Verhaltensweisen. Dadurch ergeben sich neue Anforderungen
an die Gestaltung von Aufgaben und Tätigkeiten. Anpassungsbedarf entsteht für z. B.
DIN EN ISO 6385, DIN EN 614-2, DIN EN 894-1, DIN EN ISO 29241-2.
2.7-17 Assistenzsysteme können die Reihenfolge der Abarbeitung von Aufgaben bzw. dem
dahinterstehenden System, im Sinne betriebsorganisatorischer Ziele, wie Wegoptimie
rung, Zeitersparnis, Auftragsreihenfolge o. Ä., vorgeben. Die Schnittstellengestaltung soll
den Beschäftigten entscheiden lassen, wann er den nächsten Auftrag annehmen möchte,
wie er den nächsten Auftrag durchführen möchte usw. Der Beschäftigte muss Kontrolle
über den Prozess haben und entscheiden können. Anpassungsbedarf entsteht z. B. für
DIN EN 614-2, DIN EN ISO 10075-2, C-Normen für Maschinen.
2.7-20 Im Kontext von Industrie 4.0 wollen statische bis hin zu dynamischen Interaktio
nen und Informationsdarstellungen mit geeigneten Schnittstellen ausgestaltet werden.
89
Arbeitssysteme mit eigendynamischen Komponenten technischer Systeme machen
auch dynamische Interaktionen und Informationen erforderlich. Überarbeitungsbe
darfe sind zu finden bei den Normen: Reihe DIN EN 894, DIN EN ISO 9241-110, -112,
DIN EN ISO 11064-5.
2.7-25 Der Prozess des Anlernens bzw. Teachens von kollaborativen Robotern durch
Beschäftigte sollte ergonomisch gestaltet (z B. erwartungskonform, fehlertolerant und
selbstbeschreibungsfähig) sein. Überarbeitungsbedarf entsteht z. B. für ISO/TS 15066,
DIN EN ISO 10218-2.
2.7-27 Der Einsatz von körpergetragenen Assistenzsystemen wie z. B. Exoskeletten kann
kraftaufwendige Tätigkeiten reduzieren. Neue Risiken für den einmaligen oder variieren
90
den lang- und kurzfristigen Einsatz solcher Systeme sollten vermieden werden. Überar
beitungsbedarf entsteht z. B. für DIN 33411 und DIN EN 1005.
2.7-29 Bei Konstruktion und Design der technischen Systeme, insbesondere bei der
Gestaltung der Mensch-Maschine-Schnittstellen, sind die Aspekte einer lernförderlichen
Gestaltung zu berücksichtigen. Hierbei gilt es, vorausschauend die betrieblichen Prozesse
(Steuerungs- und Informations-/Kommunikations- sowie Feedbackprozesse) zu berück
sichtigen.
91
3 Normungsbedarf
in Querschnittsthemen
Allerdings darf Open Source auch nicht mit Standardisierung gleichgesetzt oder verwech
selt werden. In Open Source-Projekten wird kollaborativ Quellcode erstellt und Software
entwickelt, die dann als quelloffene Software dem Markt bereitgestellt wird. Die Veröffent
lichung erfolgt unter bestimmten Lizenzbedingungen, die sich über die Jahre am Markt
etabliert haben und die auf die spezifischen Bedingungen und Anforderungen von Open
Source-Projekten zugeschnitten sind. Wer Open Source-Software verwenden oder sogar
verändern oder erweitern möchte, muss sich diese verschiedenen Lizenzbedingungen
genauer anschauen, da sie festlegen, was der Anwender mit der Software machen darf.
Ein in diesem Zusammenhang wichtiger Begriff ist das sogenannte Copyleft, nach dem
Open-Source-Lizenzen kategorisiert werden. Starkes Copyleft besagt, dass sämtliche
Änderungen und Weiterentwicklungen einer Open Source-Software nur unter der gleichen
Lizenz weitergegeben werden dürfen. Neben starkem Copyleft (Lizenzen, die keine Abwei
chung von diesem Prinzip erlauben), gibt es auch weniger restriktive (schwaches Copyleft)
und solche, die ganz auf das Copyleft verzichten (siehe Tabelle 1 mit einer Auswahl an
Beispielen). Möchte der Anwender unterschiedliche Open Source-Software zu einer neuen
Software erweitern, so muss er darauf achten, dass sich die Lizenzen in einem Quelltext
miteinander kombinieren lassen. Beispielsweise könnte er nicht den Quelltext aus einem
GPL-Projekt in einem Eclipse-Projekt verwenden.
Open Source-Projekte ergänzen die Normung und Standardisierung auf verschiedene Art
und Weise.
→→ Die Norm/der Standard wird in Open Source-Software umgesetzt: Open Source ist
zunehmend ein Weg, um Technologien schnell am Markt zu positionieren – inklusive
der Normen und Standards, die dabei jeweils in Open Source implementiert sind
(Beispiel: open62541/Eclipse Milo).
→→ Die Spezifikation wird im Rahmen eines Open Source-Projekts entwickelt: Im Bereich
von Interoperabilitätsschnittstellen und ähnlichen Interoperabilitätstechnologien
finden Entwicklungen in Open Source statt, die zum einen, wie oben erläutert, direkt
in quelloffener Form dem Markt zur Verfügung stehen oder wiederum in die Normung
und Standardisierung zurückfließen.
92
→→ Gemeinsame Entwicklung von Norm- und Open Source-Implementierung: Neben
der Verbreitung der Technologien über Open Source fließt im Gegenzug Information
über Funktionalitäten und insbesondere über funktionale Lücken in die Normung
und Standardisierung zurück, worauf aufbauend sehr schnell und gezielt seitens der
Normung reagiert werden kann. Ein derartiges Vorgehen kann in Form des in Abbil-
dung 27 dargestellten Ansatzes der „Agilen Normung“ strukturiert werden. Dieser
Ansatz wird auch vom LNI 4.0 durch Tests und Validierungen verfolgt, um Feedback
in die Standardisierung zu geben (beispielhaft AASX Package Explorer, BaSys/BaSyx).
[siehe HE 3.1-1]
Für sämtliche Änderungen Um die Verbreitung freier Diese freien – auch permissive
und Weiterentwicklungen Bibliotheken zu fördern, genannten – Lizenzen schrei
einer Software gelten die wurde mit der LGPL eine abge ben nicht vor, unter welchen
selben Lizenzbedingungen schwächte Copyleft-Lizenz Bedingungen Änderungen und
wie für den Original-Code, kreiert. Sie gestattet das Zu- Weiterentwicklungen weiter
d. h. auch diese müssen im sammenlinken von freier und gegeben werden müssen, d. h.
Quellcode zur Verfügung proprietärer Software. Zu sie können als Open Source
gestellt werden. GPL spielt dieser Kategorie gehören auch oder proprietär lizensiert wer
insofern eine besondere Rolle, MPL und EPL. Hier unterliegen den. Eine Besonderheit der
weil Linux unter ihr geschrie Änderungen an bestehendem Apache 2.0 Lizenz ist, dass sie
ben wurde. Generell haben Code dem Copyleft, unabhän die Erteilung von Patentrech
Copyleft-Lizenzen für die gige Erweiterungen und Neu ten bei der Nutzung, Änderung
Verwendung im Rahmen einer entwicklungen dürfen jedoch oder Verbreitung ausdrücklich
kommerziellen Nutzung eher unter einer anderen Lizenz festlegt.
abgenommen. verteilt werden.
93
3.1.2 Laufende Entwicklungen
Projekt: BaSyx
Im Forschungsprojekt BaSys 4.0 ging es um die Entwicklung eines Basissystems für
Produktionsanlagen, das die effiziente Wandelbarkeit eines Produktionsprozesses reali
siert. Die im Rahmen des Projektes entwickelten Konzepte wurden im Open Source-Pro
jekt BaSyx umgesetzt. BaSyx implementiert eine Middleware, die Verwaltungsschalen,
Kommunikationsdienste und Submodelle für dienstbasierte Produktion implementiert.
In BaSyx sind Dienste für Registry und Discovery definiert, die als Basis für Teil 2 und
Teil 3 der Verwaltungsschale im Detail dienen. BaSyx stellt SDKs zur Vereinfachung der
Implementierung in den Programmiersprachen Java, C++ und C# zur Verfügung. BaSyx
ist unter Eclipse EPL-2.0 lizensiert und kann in GitHub [92] heruntergeladen werden. Das
Folgeprojekt BaSys 4.2, bei dem es um die Weiterentwicklung der BaSyx Middleware im
Hinblick auf das kontinuierliche Engineering von Produktionsprozessen geht, ist Mitte
2019 gestartet.
94
Vereinheitlichung dieser Technologie notwendig, woran in unterschiedlichen Standardisie
rungsorganisationen aktuell gearbeitet wird. Besonders sei hier auf DIN NA 043-02-04 AA:
Blockchain und Technologien für verteilte elektronische Journale, Spiegel-Komitee zu
ISO TC 307 hingewiesen. Ein guter Überblick über diese Tätigkeiten findet sich in Kapi
tel 4.4 der „Blockchain-Studie: Automation und Digitalisierung“ des ZVEI [93].
An dieser Stelle sei auf die Entstehung erster Marktplätze für Daten auf Basis dieser Tech
nologie hingewiesen. So gibt es Ansätze, Verwaltungsschalen für die Interaktion zwischen
Wertschöpfungspartnern mit Blockchains zu nutzen. Über solche Marktplätze lassen
sich Daten von IoT-Geräten verkaufen, Fahrzeugdaten können sicher erfasst werden und
Maschinen unterschiedlicher Hersteller werden miteinander vernetzt.
Ergänzend zu den zuvor genannten Projekten wurde zur Pilotierung der Zusammenarbeit
von Normung und Standardisierung mit Open Source sowohl bei DIN und DKE als auch bei
CEN-CENELEC Initiativen zur Zusammenarbeit von Normung und Standardisierung mit
Open Source gestartet. Bei CEN-CENELEC wurde ein Pilotprojekt im Bereich eInvoicing
bei CEN/TC 434 gestartet. Parallel zur Normungsarbeit, haben Experten aus dem Techni
schen Komitee eine Open Source-Validierungssoftware entwickelt. Im Rahmen des Pilot
projektes wird überprüft, inwieweit die Software durch CEN-CENELEC als Arbeitsergebnis
des Komitees anerkannt werden kann und welche Regeln dafür gelten müssen. Außerdem
analysiert die Gruppe, welche Veröffentlichungs- und Erarbeitungsform sich am besten für
die Zusammenarbeit mit Open Source-Communities eignet.
Hinweise auf notwendige Änderungen bei den Rahmenbedingungen gibt auch die JRC
Studie „The relationship between Open Source-Software and Standard Setting“, die Emp
fehlungen für Normungsorganisationen ausspricht, sowie der Bericht der IEC SMB ahG 76
Masterplan Implementation – „New ways of working“. [siehe HE 3.1-2]
3.1-1 Es wird empfohlen, die agile Normung durch Pilotprojekte weiter auszubauen und
somit die Zusammenarbeit von Normung und Standardisierung mit Open Source zu ver
stärken. Dabei können Spezifikationen (bspw. DIN SPEC oder VDE SPEC) im Rahmen von
Industrie 4.0 eine gute Möglichkeit für die Pilotierung bieten.
3.1-2 Um die Verbreitung von Industrie 4.0 zu beschleunigen, sollte die Entwicklung von
Beispielimplementierungen als Open Source noch stärker vorangetrieben werden. Mithilfe
von Lizenzempfehlungen und Rechtsgutachten ist sicherzustellen, dass der Einsatz und
speziell die Mitarbeit an Open Source-Projekten einfach möglich sind.
95
ration innerhalb digitaler Ökosysteme. Bei allen damit verbundenen Herausforderungen
schaffen sie das weltweit hohe Vertrauen in Industrie 4.0 und sind wichtige Aspekte der
Vertrauenswürdigkeit entlang der Wertschöpfungsketten. Dieses Kapitel fokussiert das
Thema Sicherheit im Sinne von „Industrial Security“, d. h. auf den ganzheitlichen Schutz
von Informationstechnik in Produktionssystemen sowie von Maschinen und Anlagen vor
Sabotage, Spionage oder Manipulation. Datenschutz (Privacy) und funktionale Sicherheit
sind keine typischen Schutzziele der Industrial Security. Diese Themen werden in den
Kapitel 3.4 und Kapitel 3.5 behandelt.
Zukünftige Normen müssen mit regulatorischen Vorgaben verträglich sein, welche sowohl
nationalen Charakter (siehe „Deutsches IT-Sicherheitsgesetz“) als auch europäischen
Ursprungs sein können. Hier hat insbesondere der „European Cyber Security Act“ das
Ziel, über einheitliche Regulierung ein EU-weites Cyber Security Rahmenwerk zur EU-
weiten Zertifizierung von digitalen Produkten, Diensten und Prozessen zu definieren und
damit die Voraussetzung für einen europäischen „Digital Single Market“ für Produkte mit
vergleichbaren Sicherheitsniveaus zu schaffen. In besonderer Hinsicht wird hier zukünftig
das Verhältnis zwischen New Legislative Framework (NLF) und EU Cybersecurity Act zu
beurteilen sein. Kernkonzept des NLF ist, in entsprechenden europarechtlichen Richtlinien
nur die grundlegenden Anforderungen an Produkte festzulegen, wohingegen die Konkreti
sierung der technischen Rahmenbedingungen durch harmonisierte Normen erfolgt. Der
EU Cybersecurity Act greift den NLF bisher selbst nicht explizit auf, sodass das Zusam
menspiel zwischen beiden Regulierungsansätzen weiterer Klärung bedarf. Dies erfordert
zeitnah eine konstruktive und umfassend angelegte Abstimmung zwischen Behörden,
Gesetzgeber und Normungsorganisationen. Internationale Standardisierungsaktivitäten,
die zukünftigen Zertifizierungen im Umfeld Industrial Security unterstützen, finden insbe
sondere bei IEC/TC65, IECEE CMC WG31 und ISO/IEC JTC1/SC27 statt. [siehe HE 3.2-1]
Seit der Veröffentlichung der Normungsroadmap Industrie 4.0 Version 3 haben sich beson
ders im Bereich der Industriellen Sicherheit und Datenschutz wichtige neue Entwick
lungen ergeben. Demzufolge besteht die Erkenntnis, dass für industrielle Anwendungen
klassisch verfügbare Security-Lösungen aus dem IT- und Office-Bereich unpassend oder
nicht ausreichend sind. Die unterschiedlichen Anforderungen an die Security werden
insbesondere durch Echtzeit- und Robustheitsanforderungen (siehe Kapitel 2.6), Lebens
zyklen von Industriekomponenten (siehe Kapitel 2.3.1), und Anforderungen an die durch
gehende Verfügbarkeit industrieller Anlagen bestimmt.
96
zu beobachten, dass ein stetig steigender Bedarf existiert, industrielle Anwendungen und
Systeme direkt (d. h. auf Anwendungsebene) zu schützen und sich nicht auf das alleinige
Abschotten mithilfe von Netzsicherheitsmechanismen zu verlassen. Damit können bei
Bedarf Ende-zu-Ende Sicherheit oder z. B. auch Maßnahmen für Know-how-Schutz, Lizen
sierungsschutz oder Datenschutz realisiert werden.
Insbesondere der Schutz von Anwendungen, die durch Mechanismen Künstlicher Intelli
genz unterstützt werden, erzeugt neue Anforderungen: Hier sollten Sicherheitsfunktionen
dafür sorgen, dass eine Anwendung im Sinne der Vertrauenswürdigkeit genau die Funktio
nalität liefert, die der Benutzer erwartet, ohne dass durch mutwillige Manipulationen von
Eingabedaten oder Funktionskomponenten das Ergebnis verfälscht werden kann. Dadurch
wird der klassische Integritätsschutz von Daten oder Komponenten und Systemen vor
ganz neue Herausforderungen gestellt (siehe ISO/IEC JTC 1/SC42).
Für Industrielle Sicherheit hat die Erwartung an die Vertrauenswürdigkeit (engl. Trust
worthiness) entlang der Wertschöpfungskette an Bedeutung zugenommen. Damit werden
Schutz und Nachweis der Integrität von Daten, Systemen und Prozessen entlang einer
„Supply-Chain“ von hoher Wichtigkeit, was sich in zukünftigen Standards niederschlagen
wird (ISO/IEC JTC1 WG13).
97
3.2.2 Laufende Entwicklungen
98
3.2-3 Sicherheit für agile Systeme
Definition von Standards zur technischen Aushandlung von Sicherheitsprofilen (auf der
Basis von Fähigkeiten und Eigenschaften) für Industrie 4.0-Kommunikation bzw. Koopera
tion von Entitäten in verschiedenen Sicherheitsdomänen.
Dies enthält:
→→ Identifikation und Authentifizierung der beteiligten Partner (Anforderungen und
Lösungen)
→→ Bewertung des Grades der Vertrauenswürdigkeit der Kooperationspartner
→→ Die technische Unterstützung der Informationsklassifizierung und Anforderungen
an den Umgang mit entsprechend klassifizierten Daten
→→ Insbesondere bei Anwendung von KI-Methoden: deren Qualität muss sichergestellt
werden; Methoden der Bewertung sind wichtig und müssen entwickelt werden
(Forschung)
→→ Thema Qualitäts-Zertifikate
→→ Definition Trustworthiness Profile – Capabilities, Supply Chain, Traceability,
(Cloud Trustworthiness), JTC 1/SC41 Trustworthiness Framework
99
3.2-8 Generische Schnittstelle für Sicherheitselemente in Embedded Systemen
Die Implementierung kryptographisch basierter Sicherheitsfunktionen in Industrie 4.0-
Geräten muss gegen Angriffe geschützt werden. Durch die Integration geeigneter Sicher
heits-Hardware können dabei hohe Sicherheitsniveaus erzielt werden. Die Verschiedenheit
und Komplexität der im Markt erhältlichen Baugruppen mit ihren speziellen Randbe
dingungen führt allerdings zu hohen Integrationsaufwänden und damit zu einer relativ
hohen Anwendungsschwelle für Hersteller und Integratoren, insbesondere bei KMU. Ein
„Generisches Trust Anchor API“, welches als einheitliche Programmierschnittstelle von
vielen Hardwareherstellern unterstützt werden würde, kann Abhilfe schaffen.
Neue Features und Möglichkeiten von 5G erfordern die Möglichkeit dynamischer, flexibler
und skalierbarer Sicherheitsarchitekturen. Auf der Basis geeigneter industrieller Anwen
dungsfälle müssen die Security-Anforderungen unter Berücksichtigung bestehender
Security-Standards wie ISO/IEC 27001 und IEC 62443 im Rahmen der 5G-Standards abge
leitet werden können.
→→ Industrielle Security Richtlinien müssen umsetzbar sein, insbesondere für Indus
trie 4.0-basierte unternehmensübergreifende Kommunikation
→→ Anwendung von IEC 62443 und ISO/IEC 27001 muss möglich sein, insbesondere auch
im Eigenbetrieb
→→ Der Schutz von Meta-Daten der Kommunikation von Geräten, Maschinen und Anlagen
muss gewährleistet. Dies betrifft insbesondere auch Daten, die über den Signalisie
rungskanal vom Telko-Anbieter erfasst werden können.
→→ Es sollen industrietaugliche Security-Anforderungen aktiv in den 5G-Standardisie
rungsprozess eingebracht werden.
100
→→ Security Event Handling
→→ Supply Chain Security
3.3 Datenschutz/Privacy
3.3.1 Status und Fortschritte seit Version 3
Der Schutz persönlicher Daten nutzt nicht nur dem Einzelnen, sondern auch der Gesell
schaft: Menschen, die wissen, was mit ihren Daten passiert und darauf Einfluss haben,
können souveräner mit Digitalisierung umgehen. Im Kontext industrieller Prozesse ist
Datenschutz bislang vorwiegend als Arbeitnehmerdatenschutz vorgekommen, weil digita
lisierte Prozesse und Systeme Daten über Mitarbeiteraktivitäten erfassen und diese auch
zur Leistungsüberwachung genutzt werden können. Industrie 4.0 erweitert das Anwen
dungsfeld, weil Business-to-Consumer-Aspekte und -Systeme mit den industriellen
Fertigungssystemen verknüpft werden. Am augenfälligsten ist dies bei industrialisierter
Fertigung maßgeschneiderter und/oder individualisierter Produkte (Losgröße 1). Beispiele
sind Zahnprothesen, für deren Produktion eine Vielzahl persönlicher Gesundheitsdaten
benötigt wird, oder individualisierte Kleidung, die z. B. mit privaten individuell erstellten
Fotos bedruckt wird. In beiden Fällen werden den Fertigungssystemen persönliche Daten
übergeben, die zu schützen sind.
Entsprechend müssen Normen mit regulatorischen Vorgaben verträglich sein und sollten
diese unterstützen. Im wissenschaftlichen Diskurs wird inzwischen wie für Security auch
für das Thema Privacy die Bezeichnung bzw. Implementierung „…by Design“ allgemein als
Entwicklungsprinzip akzeptiert. Dies hat auch für Privacy-Funktionen die Konsequenz, von
Anbeginn in den Entwicklung- und Herstellungsprozess sukzessive integriert zu werden,
wodurch auch für Privacy passende Prozess- und Zertifizierungsstandards erforderlich
sind. In der Datenschutznormung, speziell bei ISO/IEC JTC 1/SC 27/WG 5 hat sich dieses
Prinzip auch bereits in Normprojekten und „Standing Documents“ niedergeschlagen.
Seit der Veröffentlichung der Normungsroadmap Version 3 haben sich im Bereich des
Datenschutzes wichtige neue Entwicklungen ergeben. Ausgehend von den damals formu
lierten HE sind dies:
Die General Data Protection Regulation (GDPR) der EU ist im Mai 2018 in Kraft getreten.
Sie enthält nicht nur Anforderungen im Bereich Privacy by Design, sondern wirkt über
das Marktortprinzip auch über die EU hinaus, nämlich überall dort, „wo“ Unionsbürger
101
als Leistungsempfänger auf Leistungsanbieter treffen. Damit sind auch Anbieter mit
Sitz außerhalb der EU betroffen. Entsprechend werden internationale Normen von
ISO/IEC JTC 1 und ISO erarbeitet.
Geräte des „Internet der Dinge“ kommen in privaten Haushalten an, einerseits als Haus
haltsgeräte, andererseits als Spielzeuge (für Kinder wie für Erwachsene). Viele dieser
Geräte brauchen grundsätzlich oder zur Erweiterung des Funktionsumfanges den Kontakt
zum Hersteller oder einem „Cloud“-Dienstleister und liefern Daten aus dem Haushalt
heraus dorthin. Besonders augenfällig war das bislang bei Spielzeugen, etwa der Puppe
Cayla, die „intelligent“ auf Kinderfragen antwortet, indem sie diese an eine Spracherken
nung im Internet weiterleitet und die Antwort einholt. Weitere Spielzeuge, etwa Roboter
mit Kameras liefern „Bilder aus dem Kinderzimmer“ an die jeweiligen Kontaktpartner
oder Plattformen. Der Bezug zu Industrie 4.0 ergibt sich aus dem Trend zu „Servitisation“:
Ehemals isoliert arbeitende Geräte nutzen vernetzte Dienste und liefern Daten dorthin.
Oft sind die entsprechenden Schnittstellen nicht oder nur ungenügend dokumentiert und
abgesichert. Gleichzeitig feiern aus Ressourcengründen primitive und unsichere Proto
kolle, wie z. B. Telnet „Wiederauferstehung“, was die Schutzprobleme vergrößert.
Arbeiten zu Normen zum Thema Privacy im Kontext von Industrie 4.0 wurden in den
letzten Jahren (seit der Veröffentlichung der Normungsroadmap Industrie 4.0 Version 3)
in folgenden Gremien aufgenommen und teilweise abgeschlossen sowie in neuen Arbeits
kreisen/Gremien mit angepassten Erweiterungen thematisiert.
→→ DIN und DKE: Spiegelung der internationalen Gremien aus IEC, ISO und IEC/ISO JTC1
→→ ISO/IEC JTC 1/SC 27 „Information security, cybersecurity and privacy protection“
→→ ISO/IEC JTC 1/SC 27/WG 5 „Identity management and privacy technologies“
→→ ISO/PC 317 „Consumer protection: Privacy by design for consumer goods and
services“
→→ CEN-CENELEC/JTC 13 „Cybersecurity and Data protection“
→→ CEN-CENELEC/JTC 13/WG 5 „Data Protection, Privacy and Identity Management“
102
3.3.3 Handlungs- und Anwendungsempfehlungen
103
3.4 Vertrauenswürdigkeit/Trustworthiness der
Wertschöpfungsnetze
Nach JTC1 korrespondiert „Trustworthiness“ zur Fähigkeit, die Erwartungen der betrof
fenen „Stakeholder“ auf verifizierbare Weise zu erfüllen. Trustworthiness kann Eigen
schaften, wie z. B. Verlässlichkeit, Verfügbarkeit, Resilienz, Security, Privacy, Safety,
Zurechenbarkeit/Accountability, Transparenz, Integrität, Authentizität, Qualität oder
Bedienfreundlichkeit/Usability betreffen. Vertrauenswürdigkeit/Trustworthiness kann
gemäß JTC1 als Attribut sowohl für Produkte, Technologien, Services/Dienste, Daten
und Informationen als auch im Kontext von Governance für Organisationen zutreffen.
Für Industrie 4.0 ist Trustworthiness insbesondere entlang der Wertschöpfungskette
von besonderer Bedeutung: Ein Hersteller will seinem Kunden ein Qualitätsversprechen
für eine der genannten Eigenschaften (z. B. Security) geben, ist dabei aber auch von der
Zusicherung der Qualität durch seine Lieferanten abhängig. Streng genommen kann ein
Hersteller lediglich die Qualitätssicherung für die eigene Wertschöpfung an der Indus
trie 4.0-Komponente/dem Industrie 4.0-System garantieren. Zur Beurteilung der Qualität
der zugelieferten Anteile/Komponenten benötigt er nachvollziehbare und beweisbare
Kriterien.
Demnach bildet „Trustworthiness“ die Basis für Entscheidung zur Nutzung einer Zulie
ferung/Komponente oder eines Gerätes/Systems oder auch für die Zusammenarbeit im
Rahmen einer Geschäftsbeziehung (z. B. Vertragsschlüsse oder auch Einstellung von
Mitarbeitern). Es geht dabei immer um risikobehaftete Entscheidungen, die letztendlich
oberhalb einer Basis von nachprüfbaren/beweisbaren Fakten getroffen werden. Damit
entstehen für die (zukünftige) Standardisierung zwei Handlungsstränge:
→→ Die Basis der nachprüfbaren Fakten so hoch wie möglich zu halten, etwa durch
Prozess- oder Zertifizierungsstandards
→→ Den risikobehafteten Prozess oberhalb dieser Basis zu organisieren.
Bei Mechanismen zur Nachprüfbarkeit sind solche für Authentizität und Integrität beson
ders wichtig. Allerdings ist jeder klassischen Kontrolle einer Logistik-Kette vor der Zulie
ferung (=„Up-Stream“) naturgemäß Grenzen bzgl. Aufwand oder auch Datenschutz/Privacy
der Geschäftspartner gesetzt: Welcher Lieferant will schon seinem Kunden seinen Busi
ness-Case vollständig offenlegen. Hier kommen allerdings durch die Digitalisierung im
Rahmen von Industrie 4.0 auf Methoden wie Track & Trace oder Distributed Ledgers neue
Einsatzmöglichkeiten zu, die auch zu Normierungsprojekten führen werden. Auch sind
allgemeine Management-Prozesse zur Sicherheit für Supply Chain von hoher Bedeutung,
damit auch alle damit verbundenen Standardisierungsaktivitäten; Vertrauenswürdigkeit/
104
Trustworthiness betrifft alle Phasen eines Use-Cases über den gesamten Lebenszyklus,
von der Vertragsgestaltung bis zur Dekommissionierung eines Produktes. Bei Letzterem
ist es zum Beispiel wichtig, die unautorisierte Wiederverwendung (z. B. von sicheren
Identitäten, oder auch von verunreinigten Komponenten) außerhalb eines kontrollierten
Recyclings zu verhindern. Bei KRITIS oder Verbraucherschutz werden dabei Standardisie
rungsprojekte mit nationalen und internationalen Regulierungen abzustimmen sein.
Einen Schwerpunkt bilden die Arbeiten bei JTC1 WG 13. Andere Aktivitäten existieren bei
JTC1 in verschiedenen SCs sowie bei ISO TC 292, IIC, ZVEI, VDMA, Industrie 4.0-Projekten
mit Japan und NIST.
Hinsichtlich der Sicherheit (engl. safety) von Maschinen und Anlagen auch im Kontext
der Industrie 4.0 sind die Aspekte Produkt- und Betriebssicherheit zu berücksichtigen.
Die Auslegung und Bewertung der Sicherheit von Maschinen und Anlagen ist ein grund
sätzliches, komplexes Unterfangen, welches unter Berücksichtigung aller anwendbaren
Vorschriften und Gefährdungen zu erfolgen hat. IEC Guide 116/CENELEC Guide 32 refe
renziert z. B. grundlegende Gefahren, welche auch im Hinblick auf Industrie 4.0 Use Cases
zu betrachten sind.
Die häufig referenzierte funktionale Sicherheit (nach Grundnorm IEC 61508) [94], als
Maßnahme zur Risikominderung (insbesondere im Maschinenumfeld IEC 62061 oder
ISO 13849), hat durch ihren Einsatz von Software und programmierbarer Hardware eine
105
natürliche Nähe zu Techniken im Zusammenhang der Industrie 4.0, ist aber nur ein Teilbe
reich von Anlagen und Arbeitssicherheit.
Die Funktionale Sicherheit stellt einen wichtigen Baustein der Risikoreduzierung dar. Die
Systeme der funktionalen Sicherheit dienen dem Ziel, in Fällen, in welchen das betrieb
liche Risiko einer Einrichtung zu hoch ist, dies so weit zu reduzieren, dass das akzeptable
Betriebsrisiko (Grenzrisiko) unterschritten wird. Die Anforderungen an Systeme der funk
tionalen Sicherheit erstrecken sich über alle Lebenszyklen einer Einrichtung, beginnend
mit den ersten Design-Überlegungen bis hin zur Außerbetriebnahme und Entsorgung
einer Einrichtung. Die im Zusammenhang mit der Funktionalen Sicherheit zu betrachten
den Funktionseinheiten erstrecken sich auf den gesamten, für eine Risikoreduzierung
notwendigen Funktionsumfang inkl. der Aktuatoren, der Logikverarbeitung (Steuerung),
der Sensorik sowie aller notwendigen Interfaces und Installationen. Darüber hinaus sind
funktionshemmende externe Einflüsse, wie z. B. Ausfall der Hilfsenergieversorgung (Elek
trik aber auch Hydraulik und Pneumatik) zu berücksichtigen.
Entsprechend der Thematik fordern die Normen zur Funktionalen Sicherheit die Ein
haltung diverser Methoden und Strategien zur Beherrschung von Fehlern innerhalb von
Systemen für den Einsatz als Sicherheitseinrichtungen an Maschinen und Anlagen. Grund
sätzlich gilt im Hinblick auf Einrichtungen der Funktionalen Sicherheit, dass eine aus der
jeweiligen Anwendung abgeleitete Risikoreduzierung erreicht werden muss, und zwar
unabhängig von der für die jeweilige Applikation gewählten Technologie.
All diesen Normen ist gemeinsam, dass für Entwicklung und Anwendung von Kompo
nenten für die funktionale Sicherheit Maßnahmen gegen das Auftreten von zufälligen und
systematischen Fehlern gefordert wird. Darüber hinaus sind Maßnahmen vorzusehen, um
die Konsequenzen des Auftretens von Fehlern beherrschen zu können.
Die im Einzelfall anzuwendenden Maßnahmen richten sich nach der jeweils angestrebten
Risikoreduzierung sowie der zum Einsatz kommenden Technologie. Details sind in den
einschlägigen Grundnormen, wie ISO 13849-1, IEC 61508-1, IEC 62061 oder IEC 61131
beschrieben.
106
Darüber hinaus gibt es anwendungsspezifische Anforderungen an Sicherheitseinrich
tungen und deren Einsatz, wie z. B. in DIN EN 81, DIN EN 201, DIN EN 692/DIN EN 693,
DIN EN 746-1/DIN EN 746-2, DIN EN 50156-1 oder IEC 61511 formuliert. Diese reflektieren
anwendungsspezifische Besonderheiten. Weitere Erläuterungen und Darstellung sind im
Anhang A dargestellt und zusätzlich erläutert. Die ISO 12100 bildet dabei den Ausgangs
punkt der Risikobetrachtung und leitet u. a. Anforderungen an die Funktionale Sicherheit
ab.
Die heutigen sicherheitstechnischen Konzepte (vor allem bezüglich Safety) sowie die
Methoden zur Sicherheitsnachweisführung beruhen bislang zentral auf der Annahme
eines deterministischen, vorhersagbaren Systemverhaltens [97]. Von diesem determinis
tischen Verhalten konnte bisher ausgegangen werden, wenn in der Konstruktions- und
Designphase definierte Anlagen zugrunde gelegt werden, in denen zwar variable aber vor
ab klar definierte Prozesse ablaufen. Die sicherheitstechnischen Standards gehen heute
davon aus, dass ein System vor seiner sicherheitstechnischen Abnahme und Zulassung
vollständig entwickelt und konfiguriert ist (siehe DIN EN 61508-3/VDE 0803-3:2011-02).
Danach dürfen keine sicherheitsrelevanten Veränderungen (auch Reparaturen) vorgenom
men werden, ohne dass eine erneute sicherheitstechnische Überprüfung und Abnahme
zumindest der betroffenen Teilsysteme erfolgt [98].
Dadurch ergeben sich zur Laufzeit der Anlage Systeme aus (Teil-)Systemen, die zu einer
grundlegenden Steigerung der kombinatorischen Komplexität des Gesamtsystems führen.
Die Struktur und das Gesamtverhalten sowie die Abhängigkeiten der Systemkomponen
ten untereinander können zur Entwicklungszeit der Einzelsysteme nicht oder nur schwer
vorhergesagt werden. Diese Eigenschaften führen zu Unsicherheiten in der Aussage über
das zu erwartende Gesamtsystemverhalten. Dadurch kommen die heute üblichen Metho
den zur Analyse und Bewertung von Safety-Risiken und der Funktionalen Sicherheit an
ihre Grenzen, da solche dynamischen Systeme und Szenarien von den aktuellen Sicher
heitsnormen nicht erfasst bzw. in deren Anwendungsbereich explizit ausgeschlossen
werden [96].
107
bar. Daher ergibt sich der Bedarf, die heutigen sicherheitstechnischen Methoden an die
neuen bzw. geänderten Anforderungen wandlungsfähiger Fertigungsanlagen anzupassen
oder weiterzuentwickeln [siehe Abbildung 28 und HE 3.5-1].
Exemplarisch sei hier die Rückwirkung von Industrie 4.0 Use Cases auf klassische
Sicherheitsarchitektur aufgezeigt. Die dynamische Konfiguration von Anlagen in einer
Fertigungshalle, also die physikalische Auswahl und Anordnung von Maschinen könnte
Auswirkungen haben auf z. B.:
→→ Flucht- und Rettungswege in einer Anlage oder Rückwirkung auf Brandschutz
konzepte,
→→ Veränderung von Sicherheitsabständen zwischen Anlagenteilen, Einrichtung und
Gebäudeteilen oder Menschen im Fertigungsbereich,
→→ Rückwirkung auf den Explosionsschutz, durch Auswahl und Verortung von unzu
reichend qualifizierten Teilen oder Prozessen,
→→ Veränderung von Gefährdungen durch falsche Kombination von Werkstücken und
Fertigungsprozessen bzw. Chemikalien und Prozessen,
→→ nicht bestimmungsgemäßer Einsatz von Maschinen- oder Anlagenteilen bzw.
Sicherheitseinrichtungen.
Daher ist es notwendig, dass Industrie 4.0 Use Cases, bezogen auf deren Umsetzung in
einer Anlage, mit den Methoden zu Risikomanagement (wie z. B. HAZOP oder Risikoana
lyse nach IEC/ISO 12100) bewertet werden. Insbesondere die Herausforderungen der
höheren Komplexität, Vernetzung und schnelleren Konfigurationsanpassungen verlangen
neue Ansätze, zu Risikomanagement und Informationsbereitstellung, über den kompletten
Lebenszyklus von Systemen.
108
erörtert. Mit dem dort erstellten „SINO-German Whitepaper on Safety for Industrie 4.0
and Intelligent Manufacturing“ wurde ein Denkansatz präsentiert, welcher es erlaubt, die
Sichtweise beider Bereiche zu verstehen und anzuwenden. Das Whitepaper schlägt eine
Erweiterung des Konzepts der Verwaltungsschale um das Merkmal „funktional sicher“/
„nicht funktional sicher“ vor. Abhängig von der Ausgestaltung dieser Verwaltungsschale
(funktional sicher/nicht sicher) besteht die Möglichkeit Sicherheitsfunktionen nebst zuge
hörigem Engineering und Überwachungsfunktionen innerhalb eines Industrie 4.0-Work
space zu verteilen und somit flexibel auf notwendige Anpassungen reagieren zu können.
Somit können Aspekte der funktionalen Sicherheit Merkmal semantischer Interoperabili
tät modelliert und im gesamten Lebenszyklus berücksichtigt werden [siehe HE 3.5-2].
Ein erster Entwurf einer gemeinsamen Anwendung von Normen zur Funktionalen Sicher
heit und Informationssicherheit wurde durch die IEC mit dem Technical Report TR 63069
vorgelegt. [siehe HE 3.5-4] Die in diesem Report umrissene Strategie beschreibt ein
Vorgehen, dessen Ziel es ist, durch aus der Risikoanalyse abgeleiteten Maßnahmen zur
Informationssicherheit ein „Security Environment“ zu schaffen, welches es ermöglicht,
eine Produktionsanlage inklusive ihrer Sicherheitseinrichtungen ausreichend sicher
(„secure“) zu betreiben. Technische Anforderungen werden in diesem Zusammenhang in
der IEC 62443 beschrieben.
3.5-3 Die Auswirkungen der Verwendung von KI-Systemen im industriellen Umfeld auf
die Anlagensicherheit sollten betrachtet werden. Hierbei sollen aktuelle Erkenntnisse
109
der KI-Forschung und Anwendung, wie z. B. explainable AI daraufhin betrachtet werden,
inwieweit beim Einsatz von KI-Anforderungen an die Sicherheit erfüllt werden können und
wie diese Anforderungen normativ beschrieben werden können.
3.5-4 Die Arbeiten zu Safety und Security sollten weiter vertieft und konkretisiert werden.
Dies sollte im Rahmen der Überarbeitung der IEC TR 63069 geschehen. Eine Weiter
entwicklung zu Publikationsformen Technical Specification (TS) oder International Stan
dard (IS) ist zu diskutieren.
110
4 Künstliche Intelligenz in
industriellen Anwendungen
In ISO/IEC 2382 wird Künstliche Intelligenz als ein Zweig der Informatik beschrieben, der
sich der Entwicklung von Datenverarbeitungssystemen widmet, die Funktionen ausführen,
die normalerweise mit der menschlichen Intelligenz verbunden sind, wie z. B. logisches
Denken, Lernen und Selbstvervollkommnung. Aus Sicht der Industrie sind Technologien
der KI als „Methoden und Verfahren zu verstehen, die es technischen Systemen ermög
lichen, ihre Umwelt wahrzunehmen, das Wahrgenommene zu verarbeiten, selbständig
Probleme zu lösen, neue Lösungswege zu finden, Entscheidungen zu treffen, insbesonde
re aus Erfahrungen zu lernen, dadurch besser Aufgaben zu lösen und zu handeln“ (Russell
und Norvig 1995).
In Deutschland hat das Thema Normung von Künstlicher Intelligenz – nicht zuletzt
aufgrund der nationalen Strategie Künstliche Intelligenz der Bundesregierung – einen
wesentlichen Stellenwert. Aus diesem Grund wird das Thema Künstliche Intelligenz
nun auch erstmals im Rahmen der hier vorliegenden Version 4 der Normungsroadmap
Industrie 4.0 explizit und dediziert adressiert.
111
Abbildung 29: Beziehung der horizontalen und vertikalen Normung
Ein verbreitetes Teilgebiet der KI ist das Maschinelle Lernen. Es gibt aktuell einige
Herausforderungen, wie beispielsweise die Auswahl geeigneter Daten für die Lernver
fahren [siehe HE 4.1-4A, HE 4.1-8A]. Die Datenqualität, deren Beschaffung geeigneter
Daten und deren Integrität, Sicherheit und Souveränität spielen beim Einsatz von KI eine
grundlegende Rolle. National wie auch international werden diese Aspekte beispielsweise
durch verschiedene Zusammenschlüsse, wie z. B. der europäischen öffentlich-privaten
Partnerschaft Big Data Value Association betrachtet und im internationalen Gremium
ISO/IEC JTC 1/SC 42 „Artificial Intelligence“ behandelt. Im Zuge des Projekt GAIA-X soll
eine vernetzte Dateninfrastruktur zur Stärkung des europäischen Ökosystems entstehen.
Normen können gerade hierbei eine grundlegende Rolle spielen, um die Anforderungen
an Interoperabilität, Datenintegrität, Souveränität und Sicherheit zu konkretisieren und
deren technische Umsetzung zu formulieren, um letztendlich einer erfolgreichen Anwen
dung von KI den Weg zu ebnen [siehe HE 4.1-9]. So kann auch die Schnittstelle zwischen
regulatorischen Rahmenbedingungen eines GAIA-X Ökosystems und privatwirtschaftlich
erarbeiteten Normen im europäischen Rechtsrahmen definiert werden.
Obwohl die Projektarbeiten am GAIA-X Ökosystem noch andauern, zeigen sich bereits
Handlungsfelder ab. Zum Jahresbeginn 2019 wurde unter Führung der Arbeitsgruppe 2
„Technologie- und Anwendungsszenarien“ (AG2) der Plattform Industrie 4.0 eine arbeits
112
gruppenübergreifende Projektgruppe KI initiiert. Die Projektgruppe beschäftigt sich mit
der allgemeinen Aufarbeitung und Positionierung des Themas „Künstliche Intelligenz“
im Kontext von Industrie 4.0 auf Basis von Anwendungsszenarien. Die definierten Anwen
dungsszenarien der Plattform Industrie 4.0 und deren Weiterentwicklung im Rahmen der
Arbeiten der AG 2 und der Projektgruppe KI der Plattform Industrie 4.0 stellen einen Aus
gangspunkt zur Ableitung konkretisierter Handlungsempfehlungen, Standardisierungs-
und Normungsbedarfe dar. Eine weitere Verfeinerung sowohl der (technologieunabhängi
ge) Anwendungsszenarien als der Anwendungsbeispiele mit konkretem Technologiebezug
ist notwendig [siehe HE 4.1-2].
Im Rahmen der Aktivitäten der Projektgruppe KI der Plattform Industrie 4.0 wurde ferner
der Bedarf eines allgemeinen, für Industrie 4.0 geeigneten Verortungsrahmen für Techno
logien und Methoden der Künstlichen Intelligenz identifiziert. Der Verortungsrahmen soll
(technologieneutral) die Auswirkung der Anwendung von Künstlicher Intelligenz als auch
ein Rahmenwerk bilden, um mögliche, einzusetzende Technologien (wie z. B. das durch
BITKOM erarbeitete Periodensystem KI) in einen Zusammenhang setzen zu können, wie
zum Beispiel eine zunehmend mögliche Autonomie in Form von Autonomieklassen [siehe
HE 4.1-3, HE 4.1-4A].
Das derzeitig hohe Interesse an KI führt zu einer Vielzahl unterschiedlicher Aktivitäten bei
verschiedenen Verbänden, Institutionen, Konsortien und Vereinen hinsichtlich Anwendung
und Normung von KI. Um parallele Mehrarbeit im Kontext der Normung von KI für indus
trielle Anwendungen zu vermeiden, den Austausch zwischen diesen verschiedenen Aktivi
täten zu fördern und letztendlich ein möglichst harmonisiertes nationales Meinungsbild zu
erarbeiten, wurde durch Standardization Council Industrie 4.0 (SCI 4.0) der Expertenrat für
Künstlicher Intelligenz in industrielle Anwendungen ins Leben gerufen. Die Zielstellung:
nationale Koordination und Harmonisierung der Normungsaktivitäten, zur Entwicklung
eines konsolidierten Bildes der Anforderung und Normungsbedarfe im Kontext von KI in
Industrie 4.0 der deutschen Wirtschaft und Koordination geeigneter Normungsaktivitäten
(siehe Abbildung 30).
113
nationale Normungsroadmaps, als auch die Koordination nationaler und internationaler
Standardisierungsaktivitäten [siehe HE 4.1-1, HE 4.1-7].
Um die Ziele der KI-Strategie der Bundesregierung im Kontext der Normung geeignet zu
adressieren, wurden zwei Normungsroadmaps initiiert, die die verschiedenen Aspekte der
KI detailliert und fortwährend beleuchten. Im November 2018 wurde ein Projekt zur Identi
fikation von Ethikaspekten in der Normung und Standardisierung für KI in autonomen
Maschinen und Fahrzeugen initiiert. Das Projekt soll einen Überblick geben, wie ethische
Regeln in der Normung und Standardisierung von Anforderungen an Technik, Prozessen
und Dienstleistungen einfließen können. Die Ergebnisse dieses Projektes gehen in die
DIN/DKE Normungsroadmap Künstliche Intelligenz ein, die im Herbst 2020 in einer ersten
Version erscheinen soll.
Die Normungsroadmap Künstliche Intelligenz soll vor allem die folgenden sieben Themen
betrachten: Grundlagen (Daten, Terminologie, Klassifikation, KI-Elemente), Ethik/
Responsible AI, Qualität und Zertifizierung, IT-Sicherheit bei KI-Systemen, industrielle
Automation, Mobilität und Logistik, KI in der Medizin. Die vorliegenden Ergebnisse werden
anschließend weiter bearbeitet und in die Normungsroadmap Künstliche Intelligenz inte
griert.
Aktuell werden national bereits einige horizontale Aspekte in Form von DIN SPEC Stan
dards erarbeitet, diese und die im weiteren beschriebenen Zusammenhänge der Gremien
werden in Abbildung 30 dargestellt. Die DIN SPEC 92001-Reihe befasst sich mit dem
Lebenszyklus und den Qualitätsanforderungen von Künstlicher Intelligenz. Teil 1 der
DIN SPEC 92001-Reihe bietet ein allgemeines Qualitätsmetamodell für Künstliche Intel
ligenz, das in erster Linie die wichtigsten Aspekte der KI-Qualität beschreibt; Teil 2 der
DIN SPEC 92001-Reihe konzentriert sich auf das Thema Robustheit und stellt die KI-spe
zifischen Qualitätsanforderungen des Qualitätsmodells aus Teil 1 dar. Die DIN SPEC 13266
beschreibt einen Leitfaden für die Entwicklung von Deep-Learning-Bilderkennungssyste
114
men und wird voraussichtlich in Q2/2020 veröffentlicht. Die DIN SPECs konzentrieren sich
auf allgemeine KI-Aspekte und können im Nachgang genutzt werden, um Industrie 4.0
spezifische Standards und Normen zu erarbeiten. Im Rahmen des DKE/AK 801.0.8 wird
eine VDE-Anwendungsregel VDE-AR-E 2842-61-1 „Spezifikation und Entwurf autonomer/
kognitiver Systeme“ entwickelt, in der Begriffe und Konzepte für den Umgang mit autono
men/kognitiven Systemen definiert werden. Es wird dabei ein Referenzmodell für System-
und Applikationsarchitekturen erarbeitet, das den gesamten Lebenszyklus betrachtet,
mit dem Ziel, vertrauenswürdige Systeme zu erhalten. Einige Ansätze aus dem Bereich
der Funktionalen Sicherheit werden auf dieses Referenzsystem übertragen, so z. B. Safety
Integrity Level (SIL) oder Lambda (Ausfallwahrscheinlichkeit). Dabei adressiert die Anwen
dungsregel horizontale Aspekte, wie z. B. Management-Anforderungen, die Entwicklung
von AI-Blueprints sowie Aspekte der Marktüberwachung.
In der Entwicklung und dem Betrieb von Komponenten, Maschinen und Anlagen spielt die
Einhaltung von in Normen beschriebenen Anforderungen wie z. B. dort definierten Grenz
werten, Vorgehen oder Richtwerten eine grundlegende Rolle. Aktuell liegen Normen und
Standards zumeist in Dokumentenform vor, mit dem Ziel von Menschen gelesen, verstan
den und geeignet berücksichtigt zu werden. Daher sind eine maschinelle Verarbeitung und
Interpretation der normativen Informationen aktuell nur eingeschränkt möglich. Sollen
normative Informationen beim Einsatz von Methoden der Künstlichen Intelligenz effizient
berücksichtigt werden, müssen diese in geeigneter Weise vorliegen und für eine maschi
nelle Verarbeitung vorbereitet sein. Dazu sind Datenstrukturen, (Austausch-)Formate, eine
Formalisierung bzw. Mathematisierung der Inhalte sowie entsprechende Zugriffmöglich
keiten zu schaffen [siehe HE 4.1-8A].
Es bleibt festzuhalten, dass das Thema „digitale Normen“ über die Anwendung von KI
hinaus von wichtiger Bedeutung ist. Industrie 4.0 kann eine Vorreiterrolle in der Anwen
dung digitaler Normen einnehmen; KI stellt hierbei eine mögliche Applikation dar, welche
hiervon profitieren kann [siehe HE 4.1-8A]. Im Gegensatz zur bisherigen Betrachtung ver
ändert sich in diesem Fall der Blickwinkel der Normung: Während bisher Normen über die
KI betrachtet wurden, wird in diesem Kontext (auch) die Anwendung und Auswertung von
Normen durch KI betrachtet. In unterschiedlichen Gremien wird das Thema KI oder damit
in Beziehung stehende Aspekte betrachtet.
Im Gemeinschaftskomitee ISO/IEC JTC1 wurde im April 2018 das Gremium SC42 „Artificial
Intelligence“ gegründet. Als Schwerpunkt der Standardisierung der KI innerhalb von ISO
und IEC betrachtet die Programmarbeit von SC 42 das gesamte KI-Ökosystem. Darüber
hinaus ist das SC 42 als Orientierungshilfe für ISO- und IEC-Komitees gedacht, die Anwen
dungen der Künstlichen Intelligenz entwickeln. Das aktuelle Portfolio des Gremiums
umfasst u. a. die Standardisierung in den Bereichen Terminologie und Konzepte der KI,
Machine Learning, Big Data, KI-Vertrauenswürdigkeit (z. B. security, safety, privacy,
robustness, resiliency, reliability, transparency, controllability), Anwendungen und Anwen
dungsfälle von KI, Governance-Implikationen von KI, Rechenansätze von KI, ethische und
gesellschaftliche Anliegen, Risikomanagement, Datenqualität in Bezug auf KI und Quali
tätsanforderungen. (siehe Abbildung 30).
Die Motivation für die Entwicklung solcher Standards besteht darin, eine hochrangige
Beschreibung des Gebiets und der verschiedenen Komponenten zu geben und ein grund
115
legendes Verständnis und eine gemeinsame Sprache für eine Vielzahl von Interessen
gruppen zu vermitteln.
Das Gremium ISO/IEC JTC 1/SC 27 befasst sich mit den Themen Informationssicherheit,
Cybersicherheit und Schutz der Privatsphäre. In diesem Kontext werden aktuell zwei
Studien erabeitet: Eine Studie zum Einfluss von KI auf die Privatsphäre sowie eine weitere
Studie zum Thema Vertrauenswürdigkeit.
Das IEC/SEG 10 befasst sich mit Ethikaspekten in autonomen Anwendungen und KI als
wichtigen Ansatz zur Technikakzeptanz. Hierbei werden insbesondere gesellschaftlich
relevante Aspekte betrachtet und Empfehlungen an das IEC Standardization Management
Board (SMB) erarbeitet.
Die Taskforce „Usage of new technologies“ des IEC/TC 65/WG 23 führt eine Evaluation
neuer Technologien und deren Normungsrelevanz im Bereich „Smart Manufacturing“
durch.
Das nationale Spiegelgremium von ISO/IEC JTC 1/SC 42 „Artificial Intelligence“ und
der CEN CENELEC Focus Group on AI ist der Arbeitsausschuss Künstliche Intelligenz
(NA 043-01-42 AA) im Normenausschuss Informationstechnik und Anwendungen bei
DIN. Industrie 4.0 wird hier – wie in der horizontalen Normung üblich – als einer von
vielen Anwendungsbereichen gesehen, dessen Anforderungen über Use Cases abgedeckt
werden. Der SCI 4.0 Expertenrat KI für industrielle Anwendungen wurde als Bindeglied
zwischen diesem horizontalen Gremium und den Gremien der industriellen Anwendung –
speziell von IEC/TC 65 – eingerichtet [siehe HE 4.1-7].
Im Rahmen des durch die EU im Rahmen von Horizon 2020 geförderten Konsortialprojek
tes Stand.ICT.eu wird ein Überblick über laufende Aktivitäten im Umfeld der KI-Normung
und Standardisierung auf europäischer und internationaler Ebene erarbeitet. Eine aktuali
sierte Version des Dokuments ist in Vorbereitung [siehe HE 4.1-6, HE 4.1-7].
116
4.3 Handlungs- und Anwendungsempfehlungen
Die Standardisierung von KI-relevanten Technologien sollte bestrebt sein, ausgewogen
zwischen horizontalen Themen (z. B. Terminologie) und sektorspezifischen Notwendig
keiten zu differenzieren.
117
4.1-7 Synchronisation, Abstimmung und Austausch mit (nationalen und internationalen)
Normungsroadmaps und Guidelines
Der gremienübergreifende Austausch zwischen den Normungs- und Standardisierungs
aktivitäten im Kontext von Künstlicher Intelligenz, die Wahrung und Sicherstellung der
Anforderungen der industriellen Automation in horizontalen Normungsgremien sowie
die Koordination und Harmonisierung von Anforderungen und Normungsaktivitäten von
Künstlicher Intelligenz für Industrie 4.0 im Sinne einer vertikalen Normung muss gestärkt
werden. Insbesondere der Austausch zwischen horizontalen Normungsgremien (wie z. B.
ISO/IEC JTC/1 SC/42) und vertikalen Bedarfen und Anforderungen aus dem Bereich in
Industrie 4.0 ist notwendig und kann lediglich durch eine Beteiligung industrieller Ver
treter in diesen Gremien sowie nationaler, institutioneller Vertreter vertikaler und hori
zontaler Normungsorganisationen sichergestellt werden. Mit dieser Aufgabe sollte ein
Gremium zur Koordination und Harmonisierung von Normungsaktivitäten im Kontext von
Industrie 4.0 betraut werden, welches in enger Abstimmung mit Gremien der horizontalen
Normung arbeitet und explizit das Thema Künstliche Intelligenz adressieren.
4.1-8A Digital formulierte Normen und Standards für eine automatisierte Auswertung
Industrie 4.0 und hierbei speziell der Einsatz von KI kann eine Vorreiterrolle bei der
Anwendung digital formulierter Normen und Standards einnehmen. Hierzu ist sowohl die
Verfügbarkeit digital formulierter Normen notwendig als auch geeignete Auswertungsver
fahren. Die Anwendung digital formulierter Normen für eine automatisierte Auswertung
sollte untersucht und vorangetrieben werden. Beispielsweise können maschineninterpre
tierbare Normen zur automatischen Auswertung in der Entwicklung von Komponenten-,
Maschinen- und Anlagen eingesetzt werden, um automatisiert die Normkonformität der
Entwicklungen zu prüfen (siehe hierzu HE 4.1-4A).
118
Anhang A Weiterführende Infor
mationen funktionale Sicherheit
1. Es wird eine Risikoanalyse ausgeführt, in welcher das zu erwartende Risiko einer Einrichtung
abgeschätzt wird.
Diese Sequenz von Aktivitäten wird als Sicherheitslebenszyklus (safety Lifecycle) bezeichnet.
119
Abbildung 31: Sicherheitslebenszyklus nach IEC 61508-1
120
Im Schritt 1 des Lebenszyklus wird eine Risikoanalyse vorgenommen. Beispielhaft sei hier
der der ISO 12100 zugrunde liegende Prozess betrachtet.
121
Werden gemäß eines solchen Prozesses (neben dem oben beschriebenen gibt es eine
Reihe von Alternativen) technische Risikoreduzierungen gefordert, so gibt es verschiedene
Möglichkeiten, die notwendigen technischen Anforderungen zu formulieren.
Bei der Anwendung dieser Methoden ist es wichtig, eine entsprechende Kalibrierung der
Entscheidungsparameter vorzunehmen. Beim Abschluss der Lebenszyklusphasen 2 bis 6
ist jeweils ein Assessment gefordert, um nachzuweisen, dass die im vorangegangenen
Schritt definierten Anforderungen erfüllt wurden. In den Schritten 5 und 6 sind zusätzlich
Funktionsprüfungen statt. Im Schritt 7 des Lebenszyklus finden regelmäßige Prüfungen
der korrekten Funktionalität einer Sicherheitseinrichtung statt. Im Schritt 8 des Lebens
zyklus ist es erforderlich neben dem technischen Änderungsprozedere einen Entschei
dungsprozess zu etablieren, welcher es erlaubt, die Lebenszyklusphasen zu identifizieren,
welche im Falle einer Änderung zu betrachten sind. In den Schritten 9 und 10 ist sicher
stellen, dass die Wirksamkeit einer Sicherheitseinrichtung bis zum kompletten Rückbau
der Risikoquelle in angemessener Weise aufrechterhalten bleibt.
122
Tabelle 3: Gegenüberstellung normativer Anforderungen
Beim Vergleich der technischen Forderungen beider Normen sind primär folgende Aspek
te zu beachten:
Die Gliederung der Anforderungen nach ISO 13849 (Performance Level PL) und IEC 61508
(Safety Integrity Level SIL) unterscheiden sich dadurch, dass bei der Festlegung des
PL eine Spreizung der Festlegungen erfolgte (PL b und c), welche den Bereich häufiger
Anwendungen fokussiert, während die IEC 61508 eine lineare Aufteilung der betrachteten
Risikoreduzierung vornimmt.
Die IEC 61508 unterscheidet zwei Betriebsarten von Sicherheitseinrichtungen. Dies trägt
dem Umstand Rechnung, dass es Anwendungsbereiche gibt, in welchen davon ausgegan
gen wird, dass die jeweilige Sicherheitsfunktion im Rahmen des Normalbetriebes nicht in
Tätigkeit gesetzt wird. Aus dieser Überlegung resultieren sowohl anders zu betrachtende
Fehlermodelle als auch andere Anforderungsparameter (Fehler je Anforderung vs. Fehler
je Betriebsstunde).
Die Grundnormen formulieren Anforderung und Entwurf, Entwicklung und Fertigung von
Komponenten für Sicherheitsfunktionen.
Diese Anforderungen umfassen Maßnahmen zur Vermeidung von Fehlern, Erkennung von
Fehlern und Beherrschung von Fehlern um die generischen, in Tabelle 3 formulierten
Anforderungen zu erfüllen.
Zu betrachten sind dabei sowohl zufällige als auch systematische Fehler. Darüber hinaus
sind sowohl Hard- wie Softwarefehler als auch externe Einflüsse wie Ausfall der Hilfsener
gie zu betrachten. Die o. g. Anforderungen beziehen sich sowohl auf Einzelkomponenten
als auch auf applikationsspezifische Kombinationen von Geräten.
123
Abbildung 34: Abgrenzung einer Sicherheitseinrichtung
Die zu betrachtende Abbildung 34 erstreckt sich von der Verbindung der Sensoren mit
dem Überwachungsbereich bis zur Verbindung der Aktoren zur Risikoquelle. Da der Aus
gangsparameter die erforderliche Risikoreduzierung der Gesamtanordnung ist, besteht
die Notwendigkeit alle Komponenten sowohl einzeln als im Zusammenspiel zu betrachten.
In einfachen Konfigurationen, kann die Zuverlässigkeit der Gesamtanordnung durch Addi
tion der Zuverlässigkeit der Einzelkomponenten erfolgen. Neben den beteiligten Kompo
nenten sind auch die Interfaces zu betrachten.
124
Abbildung 35: Softwareentwicklungsprozess nach IEC 61508-1 zeigt den von IEC 61508-3
vorgegebenen Softwareentwicklungsprozess.
Für die Ausgestaltung der einzelnen Aktivitäten finden sich in IEC 61508-3 Vorschläge
für die Definition individueller Maßnahmenbündel zu Sicherstellung eines hinreichenden
Qualitätsniveaus für die zu erstellende Software.
125
Anhang B Übersicht
Normungsumfeld Industrie 4.0
126
B.2 Europäische und internationale Normungs- und
Standardisierungsorganisationen
IEC – International Electrotechnical Commission
ISO/IEC
127
ISO/TC 299 Robotics
ETSI
Cyber Cybersecurity
oneM2M
ITU-T
IECEE
IECEE Test Report Forms (TRFs) TRFs for IEC 62443 parts 2-4, 3-3, 4-1 and 4-2
128
B.3 Koordinierende Gremien
CEN-CENELEC ETSI
ISO
IEC
129
B.4 Industrie 4.0-Initiativen
Standardization Council Industrie 4.0
www.sci40.de
Plattform Industrie 4.0
www.plattform-i40.de/
Arbeitsgruppe 1: Referenzarchitekturen, Standards und Normung
Arbeitsgruppe 2: Technologie- und Anwendungsszenarien
Arbeitsgruppe 3: Sicherheit vernetzter Systeme
Arbeitsgruppe 4: Rechtliche Rahmenbedingungen
Arbeitsgruppe 5: Arbeit, Aus- und Weiterbildung
Arbeitsgruppe 6: Digitale Geschäftsmodelle in der Industrie 4.0
GAIA – X
www.data-infrastructure.eu
130
B.5 Standards Setting Organizations (SSO)
OPC – Unified Architecture
AutomationML
Offener Standard für neutrales, XML-basiertes Datenformat für die Speicherung und zum
Austausch von Anlagenplanungsdaten
ecl@ss
Datenstandard für die Klassifizierung und eindeutige Beschreibung von Produkten und Dienst
leistungen mithilfe von standardisierten ISO-konformen Merkmalen
Namur
WebAssembly Ein neuer Anspruch als Ersatz für JavaScript im Browser, verbunden auch
schon mit Entwicklungen dieses auch außerhalb von Browsern verfügbar
zu machen (Spinoff:) und somit Performanz für browser-basierte Anwen
dung in die Leistungsdomäne klassischer Webanwendungen zu bringen.
Immersive AR/VR Integration im Webkontext auch ebenfalls autark für Dinge aber
auch zwischen Dingen und Menschen
Extensible Web Die Einführung der/von Erweiterbarkeit als integrales Konzept für
Browser, später über WASI (WebAssembly System Interface) auch für
nicht browserbasierte Applikationsentwicklungen als Alternative zu Java
(Bytecode) Generierung
131
B.6 Übersicht Politik (Deutschland, Europa)
BMWi – Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
Europäische Kommission
132
Abkürzungsverzeichnis
133
HE Handlungsempfehlung
HTTP Hypertext Transfer Protocol
IACS Industrial Automation and Control System
IEC International Electrotechnical Commission
IEC System of Conformity Assessment Schemes for Electrotechnical Equipment
IECEE
and Components
IEEE Institute of Electrical and Electronics Engineers
IKT Informations- und Kommunikationstechnologie
IML Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik
IOSB Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung
ICT Fraunhofer-Institut für Information und Kommunikationstechnologie
IoT Internet of Things
IPA Fraunhofer-Institut für Prozessautomation
IIoT Industrial Internet of Things
IPA Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung
IP45G Informationsplattform für 5-G – Industrielles Internet
ISA International Sociological Association
ISO International Organization for Standardization
IT Informationstechnik
ITA Industry Technical Agreement
ITG Informationstechnische Gesellschaft im VDE
ITU International Telecommunication Union
ITU-R International Telecommunication Union, Radiocommunication Sector
JETI JTC1 Emerging Technology and Innovation
JIS Joint Initiative on Standardization
JTC Joint Technical Committee der IEC und ISO
JSON JavaScript Object Notation
JWG Joint Working Group
KI Künstliche Intelligenz
KMU Klein- und Mittelständische Unternehmen
LGPL Lesser General Public License
LNI 4.0 Labs Network I 4.0
M2M Machine-2-machine
MOM Manufacturing operations management
MPL Mozilla Public License
MRK Mensch-Roboter-Kollaboration
Normenausschuss/Normung und Standardisierung in der Informationstechnik
NA/NIA
im DIN
NAMUR Interessengemeinschaft Automatisierungstechnik der Prozessindustrie
NIST National Institute for Standards and Technology (USA)
NLF New Legislative Framework
DNS Deutsche Normungsstrategie
OGC Open Geospatial Consortium
OMG Object Management Group
OPC-UA Open Platform Communications – Unified Architecture
OpenAAS Open Asset Administration Shell
134
OT Operational Technologies
PAiCE Platforms, Additive Manufacturing, Imaging, Communication, Engineering
PAS Public Available Specification
PPP Public Private Partnership
prEN Draft European Standard [englisch], europäischer Norm-Entwurf [deutsch]
RAMI 4.0 Referenzarchitekturmodell I 4.0
RDF Resource Description Framework hinzufügen
RoboPORT Crowd-Engineering-Plattform für Robotik
RM-SA Referenzmodell-Systemarchitektur
ROSIN Qualitätsgesicherte ROS-Industrial-Softwarekomponenten
SC Standards committee
SCI 4.0 Standardization Council I 4.0
SDO Standards Developing Organization
SDK Software Development Kit
SemAnz40 Semantische Allianz 4.0
SeRoNet Service Roboter Netzwerk
SG Strategiegruppe/Strategy Group
SIL Safety Integrity Level
SMCC Smart Manufacturing Coordinating Committee (ISO)
SMB Standardization Management Board (IEC)
SOA Service-orientierte Architektur
SSO Standards Setting Organization
SyC SM System Committee Smart Manufacturing (IEC)
TACNET 4.0 Taktiles Internet – Konsortium
TC Technical Committee
TCP Transmission Control Protocol
TR Technical Report
TS Technical Specification
UK Unterkomitee
UML Unified Modelling Language
VDE Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik e. V.
VDE AR VDE Anwendungsregel
VDI Verein Deutscher Ingenieure e. V.
VDI/VDE GMA VDI/VDE Gesellschaft Mess- und Automatisierungstechnik
VDMA Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V.
VV Verwaltungsvorschrift
VWS Verwaltungsschale
VWSiD Verwaltungsschale im Detail
W3C World Wide Web Consortium
WG Working Group
WTO World Trade Organisation
WoT Web of Things
XML Extensible Markup Language
ZDKI Zuverlässige drahtlose Kommunikation
ZVEI ZVEI Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e. V.
135
Autorenteam
136
Leboucher, Yves SCI 4.0 – Standardization Council Industrie 4.0, Frankfurt am Main
Legat, Dr. Christoph Hekuma GmbH, Hallbergmoos
Löwen, Prof. Dr. Ulrich Siemens AG, Erlangen
Metzger, Theo BnetzA – Bundesnetzagentur Mainz
Meurer, Dr. Doris UBA – Umweltbundesamt, Dessau
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung
Meyer, Olga
IPA, Stuttgart
VDMA – Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V.
Mosch, Dr. Christian
Frankfurt am Main
Müller, Andreas Schaeffler Technologies AG & Co. KG, Nürnberg
Nickel, Peter Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA), Sankt Augustin
Orzelski, Andreas Phoenix Contact GmbH & Co KG, Blomberg
Petschulies, Anna DIN – Deutsches Institut für Normung e. V., Berlin
Rannenberg, Prof. Dr. Kai Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Rauchhaupt, Dr. Lutz ifak – Institut für Automation und Kommunikation e. V., Magdeburg
Reischle-Schedler, Gunther IBM Deutschland GmbH, Düsseldorf
Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS,
Rennoch, Axel
Berlin
Rohrmus, Dr. Dominik LNI 4.0 – Labs Network Industrie 4.0, Berlin
Sammer, Robert SGS-TÜV Saar GmbH, Saarbrücken
Schmidt, Johannes InfAI – Institut für Angewandte Informatik e. V., Leipzig
Schrundner, Robert ident.one, Bruchsal
Sehnert, Katharina DIN – Deutsches Institut für Normung e. V., Berlin
Sieber, Peter HIMA Paul Hildebrandt GmbH, Brühl
Refa – Verband für Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und
Stock, Petra
Unternehmensentwicklung, Darmstadt
Tenhagen, Detlef Harting Stiftung & Co. KG, Espelkamp
BAuA – Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin,
Tausch, Alina
Dortmund
Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildaus
Usländer, Dr. Thomas
wertung (IOSB), Karlsruhe
Uslar, Dr. Matthias OFFIS – Institut für Informatik, Oldenburg
BAuA – Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin,
Voß, Dr. Stefan
Dortmund
Weber, Ingo Siemens AG, Karlsruhe
Wegener, Prof. Dr. Dieter Siemens AG, München
137
Quellen- und
Literaturverzeichnis
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Saatwinkler Damm 42/43 Stresemannallee 15 · 60596 Frankfurt am Main
10787 Berlin Telefon: +49 69 6308-0
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