Als pdf oder txt herunterladen
Als pdf oder txt herunterladen
Sie sind auf Seite 1von 46

Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Skript
zum Thema
Thema E 1082

Finanzbuchhaltung
- Jahresabschluss -

Kaufmann/-frau für IK und Büromanagement

Unterscheidung zwischen Finanzierung und Investition


die unterschiedlichsten Formen der Finanzierung
Kapitalbedarfsberechnungen durchzuführen
Arten von Krediten und der Kreditsicherung
Finanzierungsformen Leasing und Factoring
Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Finanzierungsformen

➢ Darstellung der Themen Finanzierung und Investition


➢ Kapitalbedarfsrechnung für Anlage- und Umlaufvermögen
➢ Darstellung der Kreditarten und deren Kosten
➢ Arten der Kreditsicherung
➢ Finanzierungsarten Leasing und Factoring
➢ Sicherung von Forderungen durch verschiedene Methoden der Zahlungssicherung
➢ Außergerichtliches und gerichtliches Mahnverfahren, Forderungsmanagement
➢ Arten der Zahlungssicherung im In- und Auslandsgeschäft
➢ Fallbeispiele und handlungsorientierte Situationsaufgaben zur Festigung

Übungen und Übersichten

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 1


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Finanzierung und Investition im Unternehmenskreislauf

1. Investitionsanlässe

Das Zusammenspiel von Investition und Finanzierung lässt sich am Beispiel einer
Unternehmensgründung aufzeigen.
Zur Ingangsetzung der Geschäftsprozesse muss Kapital bereitgestellt werden. Die
Kapitalbeschaffung erfolgt durch

Einlagen der Eigentümer (Eigenkapital) und


Kredite (Fremdkapital).

Diese Mittel werden zur Beschaffung von Gütern des Anlage- (u. a. Maschinen, Büro- und
Geschäftsausstattung) und Umlaufvermögens (Rohstoffe, Warenvorräte) eingesetzt. Das
bereitgestellte Kapital wird also in Sachwerte investiert. Dieser Sachverhalt drückt sich in der
Struktur der Bilanz eines Unternehmens aus. Das Kapital wird auf der Passivseite geführt,
während das Anlage- und Umlaufvermögen auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesen wird.

Im weiteren Verlauf der Geschäftstätigkeit wird das in Sachwerten gebundene Kapital durch den
Verkauf der eigenen Erzeugnisse oder durch Warenabsatz wieder freigesetzt.
Die Einnahmen aus der Geschäftstätigkeit führen dem Unternehmen Kapital von innen zu
(Innenfinanzierung).
Mit dem freigesetzten Kapital können jetzt wieder neue Investitionen durchgeführt werden.

Unternehmenskreislauf

AK, Rohstoffe
Waren
Güterstrom
Güterstrom
Beschaffungsmarkt Absatzmarkt

Rohstoffe Unternehmen

Geldstrom Geldstrom

Ausgaben Einnahmen

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 2


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Von Außenfinanzierung wird dann gesprochen, wenn Kapital durch neue Einlagen der
Gesellschafter oder durch weitere Kreditaufnahmen von außen in die Unternehmung fließt. Das
geschieht in den Fällen, wenn eigene Mittel zur Finanzierung von Investitionen oder fälligen
Verbindlichkeiten nicht ausreichen.

Gegenüber diesem Kapitalzufluss von innen und außen entsteht ein Kapitalabfluss durch
Gewinnausschüttungen an die Eigenkapitalgeber, die Rückzahlung von Krediten oder Erfüllung
von Verbindlichkeiten (u. a. Zahlung der Löhne und Gehälter, Energie, Steuern).
Somit entsteht ein Kreislauf von Investition und Finanzierung.

Kapital im betriebswirtschaftlichen Sinne sind Mittel, - Geld- und Sachmittel-, die für produktive
Zwecke bereitgestellt werden.
Kapitalbeschaffung bedeutet Finanzierung, Kapitalentzug bedeutet Entfinanzierung.

Die Anlage von Kapital in Vermögensgegenstände für produktive Zwecke heißt Investition.

Investition beinhaltet Kapitalbindung.

Art der Eigenschaften Erläuterung


Finanzierung

Außenfinanzierung Eigen- und Fremdkapital werden dem Einlagen der Eigentümer als
Unternehmen zugeführt Eigenkapital.
Kredite als Fremdkapital

Innenfinanzierung Kapital freisetzende Einnahmen Gewinne werden wieder im


Unternehmen investiert.

Realinvestition Kapitalbindung in Sachwerten Beschaffung von Betriebsmitteln


und Werkstoffe

Uminvestition Umschichtung von Vermögenswerten Werkstoffe werden zu


Fertigprodukten verarbeitet.

Finanzinvestition Forderungen und finanzielle Verkauf von Fertigerzeugnissen,


Beteiligungen an anderen Unternehmen Verkauf von alten Betriebsmitteln,
Beteiligung durch Einlagen
Ersatzinvestition Ersatz abgenutzter Betriebsmittel Freigesetzte finanzielle Mittel
werden für den Austausch alter
gegen neue Betriebsmittel
genutzt.

Entfinanzierung Kapitalentzug aus dem Unternehmen Privatentnahmen,


Gewinnausschüttung,
Kreditrückzahlung

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 3


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Zur Kapitalbindung gehören die Beschaffung, der Einkauf, die Produktion und die
Lagerung.

Beispiel:

• Bezahlung von Lieferrechnungen für bezogene Rohstoffe


• Anschaffung neuer Maschinen
• Bezahlung von Löhnen

Zur Kapitalfreisetzung gehört der Verkauf. Er führt zu Einnahmen.

Beispiel:

• Eingehende Kundenzahlungen für verkaufte Fertigprodukte


• Eingehende Zahlung für den Verkauf einer alten Maschine

Die Bereitstellung von Kapital (Finanzierung) überbrückt die Zeitspanne zwischen Kapital
bindenden und Kapital freisetzenden Zahlungsströmen.

Finanzierungsarten

…nach der Herkunft der Mittel

Innenfinanzierung Außenfinanzierung
➢ die Mittel stammen ➢ Mittel werden
aus dem von außen
Leistungsprozess zugeführt

Eigenfinanzierung Selbst- oder Finanzierung durch


Nach der Überschussfinanzierung Einlagen
Rechtsstellung Zuführung von Rückflussfinanzierung
der Kapitalgeber Eigenkapital,
nicht rückzahlbar

Fremdfinanzierung Finanzierung durch Finanzierung durch


Rückstellungen Kredite
Zuführung von
Fremdkapital,
rückzahlbares
Gläubigerkapital

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 4


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Übersicht der
Finanzierungsarten
Außenfinanzierung Innenfinanzierung
(Mittel von außen) (Mittel aus dem betrieblichen Leistungsprozess)

Einlagen- bzw. Finanzierung durch Finanzierung durch


Fremdfinanzierung Selbstfinanzierung
Beteiligungsfinanzierung Abschreibungen Rückstellungen

Langfristige Kredite = neues Eigenkapital = nicht ausgeschüttete Abschreibung = Kosten Insbesondere


(Darlehen, Hypothek) Kapitalerhöhung durch Inhaber Gewinne erhöhen als Pensionsrückstellungen
oder Gesellschafter Rücklagen das Eigenkapital Kalkulationsbestandteil
Umsatzerlöse
Kurzfristige Kredite Neue Gesellschafter -Offene Selbstfinanzierung
(Lieferanten-, -Stille/verdeckte Flüssige Mittel
Kontokorrent,-, Ausgabe von Aktien Selbstfinanzierung
Wechselkredite) Erneuerungsfond

Investition

Beurteilung

- Hohe Zinsen, - Langfristiges Kapital - Gleiche Vorteile wie bei - Keine zusätzlichen Mittel - zinsfreies, langfristiges
unabhängig von der - Keine festen Einlagen- und Fremdkapital
Ertragslage Zinsverpflichtungen Beteiligungsfinanzierung

- Finanzielle - Finanzielle Unabhängigkeit - jedoch keine zusätzlichen - Vermögens-


Abhängigkeit Gesellschafter umschichtung
AV – UV - AV
- Kreditwürdig? - Mitsprache der Gesellschafter
- Steuervorteile
- Steuervorteile - Verbesserung der
Kreditwürdigkeit
Eigenfinanzierung

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 5


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Die Wahl der Finanzierungsart

Entscheidungskriterien:

Kriterium Eigenfinanzierung Fremdfinanzierung

Dauer der EK ist unbegrenzt verfügbar, FK ist nur für die Zeit der Ausleihe
Verfügbarkeit keine Tilgungslasten verfügbar,
Tilgungslasten schränken die
Liquidität ein

Zinsverpflichtung Keine Zinszahlung Feste Zinsverpflichtungen,


Tilgungslasten schränken die
Liquidität ein

Weitere Kosten Nur bei Kapitalgesellschaften z.B. Bankprovisionen, Notar-,


Gerichtskosten, Kosten für
Bestellung der Sicherheiten

Haftung EK haftet für die Schulden des FK haftet nicht


Unternehmens

Sicherheiten Nicht erforderlich Kreditgeber verlangen Sicherheiten,


Folge: eingeschränkte
Verfügungsgewalt über die
Gegenstände

Verlustbeteiligung EK ist am Verlust beteiligt FK ist nicht am Verlust beteiligt

Steuerliche Liegt nicht vor Aufwendungen für FK wirken


Absetzbarkeit steuermindernd

Entscheidungsfreiheit Die Aufnahme von Keine Einschränkungen durch FK


Gesellschaftern kann die
Entscheidungsfreiheit des
Inhabers einschränken.

Gewinnbeteiligung Neue Gesellschafter haben FK ist nicht am Gewinn beteiligt


Recht auf Gewinnanteile

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 6


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Die Bilanz als Spiegel von Investition und Finanzierung

Aktivseite:

• zeigt die Verwendung der eingesetzten finanziellen Mittel


• zeigt die Investitionen in Vermögenswerte – Anlagevermögen, Umlaufvermögen
• wird Vermögens- oder Investitionsseite genannt
• enthält flüssige Mittel

Passivseite:

• Zeigt die Herkunft der finanziellen Mittel


• Eigenkapital stammt vom Eigentümer
• Fremdkapital stammt von Gläubigern
• Mittel können von außen zugeführt worden sein – Kredite, Einlagen
• Mittel können aus dem Geschäftsprozess stammen – Gewinne Rückstellungen

Investition

Sachinvestition Finanzinvestition

Anlageinvestition Vorratsinvestition Finanzanlagen Forderungen

Beteiligungen,
Sachanlagen, Werkstoffe, Halb- Mittel aus
Wertpapiere des
Betriebsmittel und Fertigerzeugnisse Verkäufen
Anlagevermögens

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 7


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Außenfinanzierung mit Fremdkapital

Kreditfinanzierung

Investitionsanlässe
Investitionsanlässe beinhalten die Frage, aus welchem Anlass Kapital eingesetzt werden muss.

Zu den immateriellen Investitionen zählt der Erwerb von Lizenzen, Rechten


(Nutzungsrechte an Softwareprogrammen) oder Forschungs- und Entwicklungsarbeiten.
Bei Sachinvestitionen ist in Anlageinvestitionen (Sachanlagen) und Vorratsinvestitionen
(Werkstoffe, Halb- und Fertigerzeugnisse) zu unterscheiden.
Unter Finanzinvestitionen fallen beispielsweise Beteiligungen an Unternehmen und der
Erwerb von Wertpapieren.

Eine andere Betrachtungsweise verweist auf den Investitionszweck.

Erst- oder Neuinvestitionen erfolgen bei der Gründung des Unternehmens oder bei
erstmaliger Investition in einem anderen Bereich. Hierbei werden hauptsächlich Anlagen
und Vorräte benötigt (Bsp.: Kauf einer Maschine für ein neu entwickeltes
Produktionsverfahren). Sie sind einmalig und haben den Zweck, den Geschäftsbetrieb in
Gang zu setzen.
Erweiterungsinvestitionen in einem bestehenden Unternehmen führen zu einer Erhöhung
der Kapazität durch zusätzliche oder größere Betriebsmittel.
Eine andere Gruppe bilden die Ersatzinvestitionen. Im Rahmen der Ersatzinvestition im
engeren Sinne werden verbrauchte Betriebsmittel durch neue Betriebsmittel ersetzt.
Bei Rationalisierungsinvestitionen werden vorhandene Betriebsmittel durch neue
Betriebsmittel ersetzt, die kostengünstiger oder leistungsfähiger sind

Investitionsentscheidungen
Die Entscheidung eines Unternehmens für eine Investition hängt dabei von vielen
Faktoren ab:

Wie sieht die aktuelle Auftragslage des Unternehmens aus?


Wie wird sie sich mittelfristig entwickeln?
Die Auftragslage steht im engen Zusammenhang mit der allgemeinen Wirtschaftslage
(konjunkturelles Umfeld). Wie wird sich dieses entwickeln?
Wie kann die Investition finanziert werden? Wie sieht die aktuelle Gewinnsituation aus
(Selbstfinanzierung)?
Wie sehen die Kreditzinsen auf dem Kapitalmarkt aus (Fremdfinanzierung)?
Werden Investitionen steuerlich gefördert?
Welche anderen kostenrechnerischen Gesichtspunkte sind zu berücksichtigen?

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 8


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

2. Eigenfinanzierung

2.1 Interne Eigenfinanzierung

Fließen dem Unternehmen Geldmittel aus der Geschäftstätigkeit zu, handelt es sich um eine
Innenfinanzierung. Die Innenfinanzierung ist eine interne Eigenfinanzierung. Es können drei
Quellen der Innenfinanzierung unterschieden werden.

Zum einen verbleiben Geldmittel in der Unternehmung, wenn Gewinne nicht ausgeschüttet
werden.

Ein Jahresüberschuss wird ganz oder teilweise nicht ausgeschüttet, sondern einbehalten
und in Posten der Gewinnrücklagen eingestellt.
Bilanziell werden Rücklagen aus dem versteuerten Jahresüberschuss gebildet.
Diese Form der Innenfinanzierung wird als offene Selbstfinanzierung bezeichnet.
Sie bildet den Kern der Innenfinanzierung.

Demgegenüber wird von stiller Selbstfinanzierung gesprochen, wenn Werte nicht offen in der
Bilanz als Gewinn ausgewiesen sind.

Dies geschieht durch eine Unterbewertung von Aktiva (zum Beispiel durch zu hohe
Abschreibungen) oder
eine Überbewertung von Passiva (zum Beispiel durch zu hohe Rückstellungen).

Weiterhin ist in den Betriebsmitteln Kapital gebunden. Die Wertminderung der Betriebsmittel durch
ihren Gebrauch wird durch Abschreibungen erfasst. Die Abschreibungen werden wie alle anderen
Kosten (Handlungskosten) in die Verkaufspreise einkalkuliert.

Damit sollen über die Verkaufserlöse Abschreibungswerte der Unternehmung wieder zufließen.
Idealerweise sollte am Ende der Nutzungsdauer so viel Kapital zurückgeflossen sein, dass eine
Ersatzinvestition durchgeführt werden kann.

Diese Form der Innenfinanzierung wird als Rückfluss- oder Abschreibungsfinanzierung


bezeichnet.

Die interne Eigenfinanzierung gleich welcher Art bietet folgende Vorteile:

Sie führt der Unternehmung Mittel zu, ohne Verpflichtungen gegenüber Kapitalgebern
einzugehen.
Die Erhöhung des Eigenkapitals am Gesamtkapital stärkt die Finanzkraft der
Unternehmung und lässt sie unabhängiger gegenüber Fremdkapitalgebern werden.
Erweiterungsinvestitionen lassen sich ohne zusätzliche Kosten für Kredite durchführen.
Sie berührt die Stellung der bisherigen Gesellschafter in keiner Weise. Nachteile der
Innenfinanzierung bestehen darin, dass Eigenkapitalgeber eine entsprechende Verzinsung
(Gewinnbeteiligung) ihres Eigenkapitals erwarten. Bleiben Teile des Gewinns in der
Unternehmung, verringert sich die Ausschüttung der Gewinnanteile an die Gesellschafter.

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 9


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Innenfinanzierung

Selbstfinanzierung Rückflussfinanzierung

Offene Selbstfinanzierung Stille Selbstfinanzierung

2.2 Externe Eigenfinanzierung

Bei einer Eigenfinanzierung von außen fließen dem Unternehmen nicht durch eigene
Geschäftstätigkeit finanzielle Mittel zu. Eigenfinanzierung von außen erfolgt meist als Einlagen-
oder Beteiligungsfinanzierung.
Durch Zuführung von weiterem Kapital von außen erhöht sich das Eigenkapital des
Unternehmens. Eine externe Eigenfinanzierung ist also eine Form der Außenfinanzierung.
Die Zuführung von weiterem Eigenkapital von außen kann erforderlich sein bei

Erweiterung des Geschäfts,


Modernisierungs- bzw. Rationalisierungsmaßnahmen,
Sanierung der Unternehmung (Ausgleich von Verlusten),
Änderung der Rechtsform der Unternehmung,
Stärkung des Eigenkapitals.

Das Kapital kann der Unternehmung von den bisherigen oder neu aufgenommenen
Gesellschaftern in Form der Einlagen-/Beteiligungsfinanzierung (Geld- oder Sachwerte) zugeführt
werden.
Die Möglichkeiten einer Beteiligungsfinanzierung durch die Aufnahme neuer Gesellschafter
hängen von der Rechtsform der Unternehmung ab.

Unternehmensform Finanzierungsformen

➢ Aufnahme eines stillen Gesellschafters (keine


Einzelunternehmen
Mitwirkungsrechte)

➢ Neue vollhaftende Gesellschafter bei der OHG bzw.


Personengesellschaften Komplementäre bei der KG
➢ Aufnahmen neuer Kommanditisten bei der KG

➢ Nachschusspflicht laut Vertrag für die Gesellschafter


GmbH
➢ Aufnahme neuer Gesellschafter

AG ➢ Ausgabe neuer (junger) Aktien

Ein Nachteil dieser Form der Außenfinanzierung kann darin bestehen, dass sich durch die

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 10


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Aufnahme neuer Gesellschafter die Stellung der „alten“ Gesellschafter im Unternehmen verändern
kann.

3. Fremdfinanzierung

Bei Fremdkapital, das der Unternehmung zur Verfügung gestellt wird, handelt es sich i. d. R. um
Kredite.
Eine Kreditfinanzierung liegt dann vor, wenn die Gläubiger einen Rückzahlungsanspruch haben.
Für die Zeit der Kreditgewährung wird die Zahlung von Zinsen zwischen Kreditgeber und
Kreditnehmer vereinbart.

Fremdkapitalgeber sind vornehmlich Banken und Lieferanten. Banken geben Geldkredite.


Lieferanten geben Sachkredite, indem sie Sachanlagen oder Waren liefern.

Die Aufnahme von Krediten bei Banken, Sparkassen oder Lieferanten ist für Unternehmen die
gebräuchlichste Form der Außenfinanzierung. Die Banken bieten vom Avalkredit bis zum
Investitionskredit eine Vielzahl von Kreditformen an. Aber auch andere Finanzierungsformen,
besonders das Leasing, gewinnen zunehmend an Bedeutung.

Nach dem Kreditgeber kann man unterscheiden zwischen Bankkrediten, Lieferantenkrediten,


Kundenanzahlungen und Leasing.

Abgrenzung der Fremdfinanzierung zur Eigenfinanzierung

Im Gegensatz zum Eigenkapital ist die Fremdfinanzierung in der Regel eine


Außenfinanzierung.
Unter Fremdfinanzierung fallen alle Maßnahmen zur Beschaffung von Finanzmitteln, die
dem Unternehmen im Gegensatz zur Eigenfinanzierung zeitlich nur begrenzt zur Verfügung
gestellt werden.
Durch die Fremdfinanzierung wird dem Unternehmen Kapital von außen durch
o kurz-,
o mittel- oder
o langfristige Kredite von
o externen Gläubigern (Banken, Lieferanten) zugeführt.
Die Fremdfinanzierung führt zu Tilgungs- und Zinszahlungen.

Das zugeführte Fremdkapital erscheint in der Bilanz als Verbindlichkeit, unterteilt in kurz- und

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 11


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

langfristige Verbindlichkeiten. Das Fremdkapital ergibt sich dabei aus der Differenz zwischen den
Vermögenswerten Anlage- und Umlaufvermögen auf der Aktivseite und dem Eigenkapital auf der
Passivseite.

Kredite können nach verschiedenen Merkmalen unterschieden werden:

Merkmal Kreditarten
➢ Geldkredit
Nach dem Gegenstand
➢ Sachkredit

➢ Kurzfristige Kredite (bis 1 Jahr)


Nach der Fristigkeit ➢ Mittelfristige Kredite (bis 5 Jahre)
➢ Langfristige Kredite (über 5 Jahre)

➢ Kontokorrent (kann in wechselnder Höhe bis zu einer bestimmten


Nach der Verfügbarkeit Grenze in Anspruch genommen werden)
➢ Darlehen (bestimmter Darlehensbetrag und festgelegte Laufzeit)
➢ Bankkredit
➢ Lieferantenkredit
Nach der Herkunft
➢ Kundenkredit (Anzahlung)
➢ Kredite der öffentlichen Hand (Förderprogramme)

Vor- und Nachteile der Fremdfinanzierung

Die Vorteile der Fremdfinanzierung sind, dass der Kapitalgeber keinen unmittelbaren
Einfluss auf die Unternehmensleitung ausüben kann und nicht am Gewinn beteiligt ist.
Die Zinsleistungen für Fremdkapital können als betrieblicher Aufwand gebucht werden.

Die Nachteile der Fremdfinanzierung liegen in der eingeschränkten Verfügbarkeit des


Fremdkapitals.
Die Zinsen fallen unabhängig vom Geschäftserfolg an.
Bei nachhaltiger Unfähigkeit, den Zins- und Tilgungszahlungen nachzukommen, besteht
darüber hinaus die Gefahr eines Liquiditätsengpasses, der in eine Insolvenz einmünden
kann.

Unter einem „Kredit“ versteht man die Unterlassung von Geld oder anderen vertretbaren
Sachen mit der Vereinbarung, dass am Ende der vereinbarten Laufzeit Sachen gleicher
Art, Güte und Menge zurückerstattet werden.

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 12


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Kreditarten:

Nach der Verwendung: • Betriebskredit Deckung eines vorübergehenden Geldbedarfs

• Saisonkredit Zur Finanzierung von Saisongeschäften

• Investitionskredit Zur Finanzierung von Anlagegegenständen

• Zwischenkredit Zur Vorfinanzierung eines langfristigen Kredits

Nach Fristigkeit: • Kurzfristiger Kredit 3 Monate bis ein Jahr

• Mittelfristiger Kredit bis 5 Jahre

• Langfristiger Kredit Über fünf Jahre

Nach der Herkunft • Bankkredit Kontokorrentkredit, Darlehen, Diskontkredit,


Lombardkredit, Kreditleihe

• Kredit von Schuldscheindarlehen, Obligationen


Privatpersonen und
Betrieben
• Lieferantenkredit Zahlungsziele

• Kundenkredit Leistung einer Anzahlung

• Kredite der
Förderprogramme
öffentlichen Hand

Nach der rechtlichen • Personalkredit Blankokredit – ohne besondere Sicherung


Zessionskredit – durch Abtretung von Forderungen
Sicherung des Kredits Bürgschaftskredit – Bürgschaft eines Dritten

• Realkredit Durch Sicherungsübereignung


Lombardkredit – durch Verpfändung von
Wertpapieren oder sonstigen beweglichen Sachen
Grundschuld- und Hypothekarkredit – durch
Grundpfandrechte gesichert
Durch Eigentumsvorbehalt gesicherter Kredit

Nach dem • Sachkredit Dem Kreditnehmer fließt ein Sachwert zu

übertragenen
Kreditgegenstand
• Geldkredit Dem Kreditnehmer fließt ein Geldwert zu

• Kreditleihe Der Kreditnehmer erhält Sicherheiten, mit denen er


Sach- und Geldkredite aufnehmen kann,

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 13


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

4. Kreditarten im Einzelnen

4.1 Kurzfristige Kreditarten

Lieferantenkredit

Bei einem Lieferantenkredit handelt es sich um einen Sachkredit. Die Warenlieferung muss nicht
sofort bezahlt werden. Der Lieferant gewährt dem Käufer ein vereinbartes Zahlungsziel
(Fälligkeit), bis zu dessen Ablauf der Rechnungsbetrag bezahlt werden muss. Das Zahlungsziel
kann beispielsweise 30 oder 60 Tage betragen.

Der Lieferantenkredit stellt für den Käufer eine kurzfristige Fremdfinanzierung dar. Sie gibt dem
Käufer die Möglichkeit, die beschafften Waren zu verkaufen und mit dem erzielten Verkaufserlös
den Kredit zu bezahlen.
Die Sicherung des Kredits erreicht der Gläubiger im Regelfall mit dem Eigentumsvorbehalt an den
gelieferten Materialien.
Aus dem Lieferantenkredit entstehen dem Käufer keine zusätzlichen Zinszahlungen. Der Lieferant
hat aber bereits eine Verzinsung bei der Kalkulation des Verkaufspreises berücksichtigt. Zahlt der
Kunde vorzeitig innerhalb einer bestimmten Frist den Rechnungsbetrag, gewährt der Lieferant
einen Barzahlungsrabatt (Skonto).
Der Vorteil für beide Vertragspartner – der Lieferant erhält schneller sein Geld, der Käufer erzielt
einen Finanzierungsgewinn – wird ersichtlich, wenn der Skontosatz in einen vergleichbaren
Jahreszinssatz umgerechnet wird.

Der Kontokorrentkredit
Zur Abwicklung ihres laufenden Zahlungsverkehrs unterhalten Unternehmungen bei Banken
Konten, auf denen alle Aus- und Einzahlungen erfasst werden. Mit einem Betriebsmittelkredit
werden einem Betrieb Mittel zur Verfügung gestellt, damit der Produktions- oder
Dienstleistungsprozess finanziert werden kann.
Er dient damit der Finanzierung des Umlaufvermögens und als Liquiditätsreserve. Er ist die
Überziehungsmöglichkeit für die Firmenkunden.

Der Kontokorrentkredit ist eine kurzfristige Form der Finanzierung. Die Bank räumt eine
festgelegte Kreditlinie ein, bis zu deren Höhe ein Kredit in Anspruch genommen werden kann.
Innerhalb des vereinbarten Kreditrahmens kann der Unternehmer hinsichtlich der Höhe, des
Zeitpunktes und der Verwendung des Geldes frei disponieren.
Auch ein kurzfristiges Überschreiten der Kreditlinie kann geduldet werden.

Sowohl für die Bereitstellung des Kredits als auch bei Überziehungen berechnet die Bank Zinsen.
Die Kreditzinsen sind variabel und werden nur auf den tatsächlich beanspruchten Kreditbetrag für
die Dauer der Inanspruchnahme berechnet.
Die Rückzahlung erfolgt aus Umsatzerlösen. Die Zinsen orientieren sich an den
Kapitalmarktzinsen sowie an der Bonität des Kunden und der Werthaltigkeit seiner Sicherheiten.
Der Kontokorrentkredit dient in der Regel zur Deckung eines kurzfristigen Finanzbedarfs
(u.a. Lohn- und Gehaltszahlungen, Ausgleich von Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten unter
Skontoabzug, Vorfinanzierung eines Bauvorhabens bis zur Ablösung eines langfristigen
Darlehens).
Auszahlungen im Rahmen des Kontokorrentkredits werden durch Einzahlungen getilgt.

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 14


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Über zurückgezahlte Beträge kann jederzeit neu verfügt werden. Im Gegensatz zu Darlehen
unterliegt der Kontokorrentkredit keiner zeitlichen Beschränkung. Allerdings kann er von den
Vertragsparteien gekündigt werden.
Der Kontokorrentkredit ist jedoch in der Regel günstiger als der Lieferantenkredit. Er kann deshalb
genutzt werden, um Skontozahlungen in Anspruch zu nehmen.

Anzahlung des Kunden


Die vom Kunden erhaltene Anzahlung beinhaltet nicht nur eine Pflicht zur Lieferung bzw. Leistung,
sondern stellt neben der Risikoabsicherung auch eine Kreditgewährung des Kunden dar.

Beispiel:
Für einen Großauftrag über die Lieferung von Büromöbeln vereinbart die Meister GmbH
eine Anzahlung von 20 % auf den gesamten Leistungspreis von 180.000,00 EUR.

Mit der Anzahlung können Material- und Personalaufwendungen bestritten werden, die sonst mit
eigenen oder Fremdmitteln erbracht werden müssten. Dadurch schont eine Unternehmung die
eigene Liquidität bzw. kann sie für andere Geschäftsvorgänge einsetzen.

4.2 Langfristige Kreditarten

Ein Darlehen ist ein Kredit in Form einer einmaligen Auszahlung in festgelegter Höhe.
Über die Modalitäten zur Rückzahlung, dem zu leistenden Zins, der Laufzeit des Darlehens und
der Fälligkeit der Raten können die Vertragspartner frei verhandeln.

Zu den bekanntesten Darlehensformen zählen:

Fälligkeitsdarlehen (Festdarlehen)
Abzahlungsdarlehen
Annuitätendarlehen

Fälligkeitsdarlehen

Beim Fälligkeitsdarlehen erfolgt erst am Ende einer bestimmten Laufzeit die Rückzahlung des
Darlehens in voller Höhe.
Zwischenzeitlich werden nur Zinszahlungen geleistet. Der Zins kann dabei je nach vertraglicher
Vereinbarung variabel oder fest sein.

Abzahlungsdarlehen

Die Tilgung des Abzahlungsdarlehens erfolgt über die gesamte Laufzeit zu einem vereinbarten
gleich hohen Betrag zur Tilgung des Darlehens und einem Zinsanteil auf die entfallende
Restschuld.
Während der Laufzeit verringert sich mit jeder Rate die Restschuld. Damit fällt der Zins für die
Restschuld immer geringer aus. Insgesamt sinkt mit jeder Zahlung die Höhe der Rate.
Im Idealfall besteht die letzte Rate nur aus dem Tilgungsbetrag.

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 15


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Annuitätendarlehen

Beim Annuitätendarlehen erfolgt die Zahlung einer festen Rate über den gesamten Zeitraum der
Darlehenslaufzeit. Im Gegensatz zum Tilgungsdarlehen werden stets gleich hohe Raten gezahlt,
die aus einem Anteil Tilgung und einem Anteil Zinsen bestehen.
Während der Laufzeit des Darlehens steigt mit jeder Rate der Anteil der Tilgung, während die
Zinsleistungen sinken. Am Ende der Laufzeit ist die Schuld vollständig getilgt.
Im Gegensatz zum Abzahlungsdarlehen wird beim Annuitätendarlehen nicht die Höhe der Tilgung
vereinbart, sondern die Höhe der Rate von Tilgung und Zins insgesamt.
Aufgrund ihrer langen Laufzeit dienen Darlehen zur langfristigen Finanzierung des
Anlagevermögens. Im Gegensatz zum Kontokorrentkredit können die zurückgezahlten Beträge
eines Darlehens nicht wieder in Anspruch genommen werden.

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 16


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Finanzierung über Darlehen

Darlehen: Längerfristiger Kredit, bei dem ein fester Betrag ausgezahlt wird.
Mögliche Kosten: Zinsen, Provisionen, Gebühren, Disagio

Nach der Art der Rückzahlung werden verschiedene Darlehensarten unterschieden:

Fest- oder Kündigungsdarlehen Annuitätendarlehen Abzahlungsdarlehen

Tilgung erst am Rückzahlungstermin


Tilgung
Zinsen

Tilgung

Zinsen Zinsen

Die komplette Tilgung erfolgt zum Zahlung eines jährlich gleich bleibenden Die Tilgung erfolgt in gleich bleibenden
Rückzahlungstermin am Ende der Betrages (Annuität) Raten (Ratentilgungsdarlehen).
Kreditlaufzeit.
(Fest- oder Fälligkeitsdarlehen) Wegen der fallenden Restschuld
sinken die Zinsen.

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 17


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Disagio, Damnum oder Abgeld

ist ein Abschlag vom Nennwert, der bei Kreditgewährung oder Ausgabe eines Wertpapiers oder
von Sorten vereinbart werden kann.

Das Gegenteil des Disagios ist das Agio oder Aufgeld.


Das Disagio wird entweder in Prozent des Kreditbetrages inkl. Disagio angegeben, z. B. „9 %
Disagio“ oder als Auszahlungsbetrag oder Auszahlungskurs, z. B. „91 % Auszahlungskurs“, d. h.
von 100 Euro Kreditbetrag werden in beiden Fällen nur 91 Euro Kreditbetrag ausgezahlt, die dem
Kreditnehmer zur Verfügung gestellt werden. Er muss aber insgesamt 100 Euro verzinsen und
zurückzahlen.

Grund eines Disagios für einen Kredit ist die Vereinbarung eines niedrigeren
Nominalzinssatzes, weil das Disagio als vorausbezahlter Zins gilt. Hierdurch wird die monatliche
Tilgung - über den Zeitraum der Zinsbindung - niedrig gehalten. Wegen des nicht ausgezahlten
Disagios ist jedoch ein höherer Kreditbetrag aufzunehmen, zu verzinsen und zurückzuzahlen als
bei einem Kredit ohne Disagio. Die Darlehensaufnahme mit einem Disagio ermöglicht einen
niedrigeren Nominalzinssatz für die zu zahlenden Raten während des Zeitraumes, für den das
Disagio vorausbezahlt wurde. Der effektiv zu zahlende Zinssatz für diesen Zeitraum bleibt aber
(bei sonst unveränderten Bedingungen) gleich.

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 18


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Wichtige Finanzierungsziele und Finanzkennziffern

Ziele:

I.
Liquidität:

➢ ist die Fähigkeit eines Unternehmens, mit vorhandenen Vermögensbestandteilen allen


Zahlungsverpflichtungen fristgerecht nachkommen zu können.
➢ Man unterscheidet die strukturelle oder strategische Liquidität, die sich aus dem
Nettoumlaufvermögen (Net Working Capital) sowie aus den freien Kreditlimiten ableitet,
➢ sowie die dynamische Liquidität, die mit dem Zahlungsbereitschaftsplan zur kurzfristigen
Steuerung der Geldbestände (Cash Management) herangezogen wird.
➢ Das Nettoumlaufvermögen ist die Differenz zwischen dem Umlaufvermögen und dem
kurzfristigen Fremdkapital und stellt die finanzielle Manövriermasse des Unternehmens dar.

Illiquidität:
➢ Zustand, in dem das finanzielle Gleichgewicht eines Unternehmens derart gestört ist, dass
Zahlungsunfähigkeit besteht.
➢ Der Bestand liquider (flüssiger, d. h. unmittelbar verfügbarer) Mittel reicht nicht aus, um alle
fälligen Forderungen termingerecht zu bezahlen.
➢ Ist die Illiquidität eines Unternehmens von Dauer, führt dies i. d. R. zum Konkurs oder
Vergleich.
Überschuldung:
➢ Juristische Personen sind überschuldet, wenn ihre Bilanz negativ ist – das heißt die Aktiva
sind kleiner als ihr Fremdkapital –
➢ und bei einer Prognose aufgrund der bisherigen Entwicklung des Vermögens nicht erwartet
werden kann, dass die Unterbilanz in absehbarer Zukunft überwunden werden kann.
II.
➢ Eigenschaften von Wirtschaftsgütern, sich in Bargeld umwandeln zu lassen

III.
➢ Schaffung von Liquiditätsreserven – leicht verwertbare Vermögensgegenstände wie Aktien,
Wertpapiere, Termineinlagen

IV.
➢ Nicht ausgeschöpfte Kreditlinien – Kontokurrentkredit, Wechseldiscountkredit …

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 19


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Darlehensvergleich

Zwei Banken bieten Ihrem Unternehmen ein kurzfristiges Darlehen über 60.000,00 Euro für eine
Laufzeit von zwei Jahren zu folgenden Konditionen an:

1. Bank: Auszahlung 100 % = 60.000,00 Euro


Nominalzins = 6,5 %
Bearbeitungsentgelt = 0,5 % von der Darlehenssumme

2. Bank: Disagio = 2 %
Auszahlung = 98 % = 58.800,00 Euro
Nominalzins = 6 %

Die Effektivverzinsung kann folgendermaßen errechnet werden:

Sämtliche Kosten, die über die Laufzeit des Kredites entstehen, werden addiert:
(Zinsen, Bearbeitungsentgelte, Spesen, Disagio)
und dann als Jahreszinssatz zum eingesetzten Kapital ausgedrückt.

Lösung:

1. Bank 2. Bank

6,5 % Zinsen auf 2 Jahre 6,0 % Zinsen auf 2 Jahre


von 60.000,00 Euro 7.800,00 € von 60.000,00 Euro 7.200,00 €
(3900*2) (3600*2)

0,5 % Bearbeitungsentgelt 2 % Disagio


von 60.000,00 Euro 300,00 € von 60.000,00 Euro 1.200,00 €

Kosten des Kredites 8.100,00 € Kosten des Kredites 8.400,00 €

Effektiver Zinssatz = Kosten des Kredites * 100 * 1


Darlehensbetrag * Kreditzeitraum

Ze = 8.100 * 100 * 1 Ze = 8.400 * 100 * 1


60.000 * 2 58.800 * 2

Ze = 6,75% Ze = 7,14%

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 20


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Leasing / Finanzierungsleasing

Erwerb von beweglichen (Mobilien) oder Erstellung/Erwerb von unbeweglichen (Immobilien)


Wirtschaftsgütern nach den Vorstellungen bzw. Anforderungen eines potenziellen Nutzers
(Leasingnehmer) von einem Hersteller/Lieferanten/Ersteller durch den Leasinggeber, der in jedem
Fall rechtlicher Eigentümer bleibt. Der Leasinggeber kann Gewährleistungsansprüche gegen den
Lieferanten an den Leasingnehmer abtreten (§§ 903 ff BGB, § 39 AO).

Welche Beteiligten treten beim Leasing auf?

Beim direkten Leasing ist der Hersteller auch gleichzeitig der Leasingpartner.
Beim indirekten Leasing ist eine Leasinggesellschaft zwischen Hersteller und
Leasingnehmer geschaltet.

Auf den Leasingnehmer werden zusätzliche Aufgaben übertragen, die üblicherweise in den
Verantwortungsbereich des Eigentümers fallen, wie beispielsweise

➢ Wartungs- oder Instandsetzungsleistungen,


➢ Reparaturen oder
➢ Versicherungen.

Mobilien oder Immobilien werden dem Leasingnehmer zur wirtschaftlichen Nutzung auf Zeit gegen
Entgelt zur Verfügung gestellt. Der Leasingnehmer trägt das Investitionsrisiko des
Leasingobjektes. Der Leasinggeber trägt das Amortisationsrisiko (§§ 535 ff BGB).

➢ Die monatlichen Leasingraten sollen durch die Nutzung des Anlagegutes verdient werden.
➢ Leasing ist eine Investition ohne Kapitaleinsatz.
➢ Die monatlichen Leasingraten können vollständig als Betriebsausgaben gebucht
(Aufwendung) und die zu zahlende Umsatzsteuer kann als Vorsteuer verrechnet werden.

❖ Eine steuerrechtliche Zurechnung des Leasingobjektes beim Leasinggeber erfolgt dann,


wenn die Grundmietzeit mindestens 40 % und höchstens 90 % der betriebsgewöhnlichen
Nutzungsdauer des Leasingobjektes beträgt. Bei sogenannten Vollamortisationsverträgen
(full-pay-out-leasing) ist der Vertrag während der Grundmietzeit unkündbar. Für das Ende
der Vertragslaufzeit kann eine Kaufoption bzw. Mietverlängerungsoption vereinbart werden.

Die Zahlung des Kaufpreises bei Erwerb eines Anlagegutes entfällt, sodass die gesparten
finanziellen Mittel für andere Zwecke eingesetzt werden können.
Da die Laufzeit eines Leasingvertrages zeitlich begrenzt ist und bei Ablauf im Regelfall das Gut an
den Leasinggeber zurückfällt, kann eine Entscheidung über den Kauf des Leasingguts zum
Restwert getroffen werden.

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 21


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Denkbar ist auch die Möglichkeit, ein technisch weiterentwickeltes Gut erneut zu leasen.
Leasingraten

Die Leasingraten können entsprechend einem linearen, progressiven, degressiven oder


intervallstufigen Verlauf gestaltet werden.

Phasen des Vertragsablaufes:


➢ Voranfrage und Vorprüfung
➢ Leasingberatung und Finanzierungsentscheidung
➢ Bestellung des Investitionsobjekts, Zustandekommen des Leasingvertrages nach
Prüfung des Vertragsinhaltes, des Objektes, des Lieferanten und des
Leasingnehmers durch allgemeine Prüfung und individuelle Bonitätsprüfung
➢ Lieferung, Abnahme und Bezahlung des Leasingobjektes
➢ Bedienung (Zahlung der Leasingraten) und Verwaltung des Leasingvertrages
➢ Beendigung des Leasingvertrages durch Rücknahme und Verwertung bzw.
Ausübung verschiedener Optionen

Beim Immobilienleasing:
➢ Erwerb von Grundstücken oder Erbbaurechten, Planung, Errichtung,
Bauüberwachung eines Gebäudes, dessen Finanzierung, Wartung und Verwaltung
(eigenes Baumanagement ggfs. durch Tochtergesellschaft des Leasinggebers).

Beim Absatzleasing:
➢ Vertriebsunterstützung durch Werbung und Marketing, Schulung des
Verkaufspersonals, Service rund um das verleaste Wirtschaftsgut (Kundenbindung,
Kundenbetreuung) nach dem Grundsatz "alles aus einer Hand". Häufig anzutreffen
bei einem Großproduzenten oder einer Gruppe von Produzenten oder
Fachhändlern.

Beim Kfz-Leasing:
➢ Neben dem Verleasen des Fahrzeugs werden häufig Nebenleistungen erbracht, wie
Vertragsverwaltung, Überwachung der Wartungen, Verbrauchsabrechnungen, bis
hin zum Full-Service-Vertrag, der nur noch das Tanken durch den Leasingnehmer
vorsieht.

Spezialitäten
➢ Flotten-Leasing: Beratung, Beschaffung mit Einkaufsoptimierung, Verwaltung,
Management des gesamten Fuhrparks eines Unternehmens
➢ Pool-Leasing: Vertragliche Vereinbarung einer Fahrzeugklasse mit
Wechselmöglichkeit des Fahrzeugtyps bzw. der Kfz-Marke
➢ Dienstwagen-Leasing an Mitarbeiter (z. B. Dienstwagennutzung gegen
Gehaltsverzicht)
➢ Verfügbarkeitsgarantie (interessant z. B. bei Nutzfahrzeugen, indem bei evtl.
Fahrzeugausfällen innerhalb einer garantierten Frist Ersatzfahrzeuge gestellt
werden)
➢ Kilometer-Vertrag: Fahrzeug-Leasingverträge mit Teilamortisation sehen
Kilometer-Begrenzungen vor. Wird die Begrenzung über- bzw. unterschritten, dann
werden Mehr- bzw. Minder-Kilometer abgerechnet.
➢ Sale-and-lease-back: Verkauf von eigenen Immobilien oder Groß-Mobilien durch
den Eigentümer (auch Kommunen) an einen Leasinggeber, der das Objekt über

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 22


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

komplizierte Verträge an den früheren Eigentümer, neuen Leasingnehmer, verleast.


Dadurch können Kosten- und insbesondere Liquiditätsvorteile für den früheren
Eigentümer erreicht werden. Er kann das Objekt zu einem vertraglich vereinbarten
Preis und Zeitpunkt zurückkaufen.

Bemerkungen:
Leasing hat sich vom vorwiegenden Charakter eines Finanzierungsgeschäftes zwischenzeitlich zu
einem Serviceangebot einschließlich Finanzdienstleistungen entwickelt.

Leasinggesellschaften können grundsätzlich in hersteller-/händlerabhängige und hersteller-


/händlerunabhängige Unternehmen unterschieden werden.

Beim Kfz-Leasing sind in der Regel drei Vertragstypen üblich:

➢ Kilometergeldabrechnung (Abrechnung nach fest vereinbarten Jahreskilometern,


Verpflichtung des Leasingnehmers zum Differenzausgleich bei höheren
Kilometerleistungen)
➢ Gebrauchtwagenabrechnung mit Andienungsrecht (Teilamortisationsvertrag über eine
bestimmte Laufzeit mit der Verpflichtung des Leasingnehmers, den Wagen nach Ablauf des
Vertrages zu einem fest vereinbarten Restwert zu übernehmen)
➢ Gebrauchtwagenabrechnung ohne Andienungsrecht (Teilamortisationsvertrag mit dem
Wahlrecht des Leasingnehmers, den Wagen nach Ablauf der Vertragszeit zu einem fest
vereinbarten Preis zu übernehmen oder zurückzugeben und mit der weiteren Verpflichtung,
einen evtl. Differenzbetrag zu einem niedrigeren Markterlös auszugleichen. Ein evtl.
Mehrerlös am Markt wird mit 75 v.H. auf den Leasingnehmer und mit 25 v.H. auf den
Leasinggeber aufgeteilt.

Bei Leasing entfällt der Kostenfaktor Gewerbesteuer für den Leasingnehmer, während bei
konventioneller Finanzierung bei Kreditlaufzeiten von mehr als 12 Monaten für Fremdmittel
Dauerschuldzinsen anfallen, die dem Gewerbeertrag des Investors zuzurechnen sind und damit
der Gewerbeertragsteuer unterliegen. Der Leasinggeber befreit sich entweder durch Organschafts-
und Erlösabführungsvertrag oder durch Forfaitierung seiner Forderung an Banken.

Fungibilität:

Die Fungibilität bzw. Drittverwendbarkeit des Leasingobjekts ist erforderlich, um Wirtschaftsgüter


im Fall von Leistungsstörungen oder nach Ablauf der Vertragslaufzeit verwerten zu können. Die
Drittverwendbarkeit ist eine der Grundlagen für die Annahme, dass es sich nicht um Spezial-
Leasing handelt, d.h., dass das Leasingobjekt im wirtschaftlichen und rechtlichen Eigentum des
Leasinggebers bleibt.

Kostenvergleich:

Ob Leasing günstiger ist als ein Kauf mit konventioneller Finanzierung kann grundsätzlich nur
individuell, also unter Berücksichtigung der jeweils gegebenen Prämissen des einzelnen Kunden
berechnet und beurteilt werden.
Dabei spielt insbesondere die kalkulatorische Verzinsung des bei der Eigen- bzw.
Fremdfinanzierung erforderlichen Eigenkapitalanteils, die Fremdkapitalzinsen sowie die
Steuersituation und die Abschreibungspraxis des Unternehmens eine Rolle.

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 23


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Mietkauf:

Mietkauf liegt vor, wenn die Aktivierung des Leasingobjekts sowie die Passivierung einer
Darlehensverbindlichkeit beim Leasingnehmer (Mietkäufer) erfolgt. Dies ist der Fall, wenn die für
das klassische Leasing gemäß Leasing-Erlassen erforderlichen Kriterien nicht gegeben sind. In
diesem Fall aktiviert der Leasinggeber alle Darlehensforderungen gegenüber dem Mietkäufer und
teilt die bei ihm eingehenden Leasing- bzw. Mietkaufraten nach einem Tilgungsplan in Zins- und
Tilgungsanteile auf.
Da es sich bei einem Mietkauf um einen Verkauf des Objektes auf Raten handelt, ist die
Mehrwertsteuer auf die gesamte Mietkaufforderung einschließlich Zinsen mit der ersten
Mietkaufrate zu zahlen. Das Eigentum geht nach Eingang der letzten Mietkaufrate voll auf den
Mietkäufer über.

5. Absicherung gegen den Kreditausfall

5.1 Personalkredit

Der Kreditgeber prüft vor Gewährung eines Kredites die Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers zum
Schutz vor Forderungsausfällen. Für Informationen über die Kreditwürdigkeit eines Kreditnehmers
können herangezogen werden:

Bilanzen und Geschäftsberichte des Kreditnehmers,


Auszüge aus öffentlichen Registern (Handelsregister, Grundbuch),
Auskünfte von Industrie- und Handelskammern,
Auskünfte von Auskunfteien (Creditreform, Schimmelpfennig, Bürgler).

Bei größeren Krediten werden auch Betriebsprüfungen oder Prüfungen der Geschäftsbücher
durchgeführt. Die Vorlage von Bilanzen, GuV-Rechnungen, Debitorenlisten, Finanzierungs- und
Investitionsplänen sollen Auskunft über die Kreditwürdigkeit des Unternehmens geben. Bei
Personengesellschaften können zusätzlich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Vollhafter geprüft
werden.

Bei einem einfachen Personalkredit erfolgt keine weitere Kreditabsicherung. Der Kredit wird
aufgrund der persönlichen Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers gegeben. Der Schuldner haftet für
sich selbst. Insbesondere bei nicht überzeugender Kreditwürdigkeit können jedoch neben dem

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 24


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Kreditnehmer entweder noch weitere Personen oder Sachen als Sicherheit dienen. Zu den
klassischen Arten von verstärkten Personalkrediten zählen:

der Bürgschaftskredit,
der Zessionskredit.

Bürgschaft

Eine Bürgschaft entsteht, wenn sich eine Person (Bürge) gegenüber dem Gläubiger eines anderen
vertraglich versichert, für die Verbindlichkeiten des anderen einzustehen (§ 765 BGB).

Bei der Ausfallbürgschaft ist der Bürge erst dann zur Leistung verpflichtet, wenn der
Hauptschuldner eine Rückzahlung des Kredits nicht leisten kann (u. a. durch erfolglose
Zwangsvollstreckung). Dem Bürgen steht das Recht der Einrede der Vorausklage zu, d. h.,
der Gläubiger muss den Ausfall des Hauptschuldners durch eine erfolglos betriebene
Zwangsvollstreckung nachweisen.

Wird aber eine selbstschuldnerische Bürgschaft eingegangen, haftet der Bürge wie der
Hauptschuldner. Der Gläubiger kann sich sofort an den Bürgen zur Erfüllung seiner
Forderung halten.
Das Recht zur Einrede der Vorausklage hat der Bürge bei einer selbstschuldnerischen
Bürgschaft nicht.

Die Bürgschaft eines Kaufmanns, wenn sie ein Handelsgeschäft darstellt, ist immer
eine selbstschuldnerische Bürgschaft (§ 349 HGB).

Zession

Eine Forderung kann durch Vertrag auf eine andere Person übertragen werden (§ 398 BGB,
Abtretung oder Zession). Beim Zessionskredit tritt der Schuldner eigene Forderungen zur
Sicherung eines Kredits an den Gläubiger ab. Dieser hat nun dieselben Rechte. Er muss aber
auch alle Einreden des Schuldners gegen sich gelten lassen.

Die Zession kann offen oder still erfolgen. Bei der stillen Zession leistet weiterhin der Schuldner an
den Kreditnehmer. Auf diese Weise wird das Geschäftsverhältnis zwischen Drittschuldner und
Kreditnehmer nicht beeinflusst. Der Kreditnehmer leistet seinerseits an den Kreditgeber.

Zur Sicherung des Kredits vereinbaren Kreditgeber und Kreditnehmer im Zessionsvertrag, dass
der Kreditnehmer Zahlungen des Drittschuldners an den Kreditgeber weiterleitet. Der

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 25


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Drittschuldner leistet Zahlungen an den Kreditnehmer. Der Kreditnehmer leistet bei der stillen
Zession aber nicht gegenüber dem Kreditgeber.

Die Abtretung der Forderung kann jedoch für den Kreditgeber wertlos sein im Falle des
Kreditausfalls. Und wenn der Drittschuldner seine Forderung an den Kreditnehmer beglichen hat,
der Kreditnehmer die Forderung jedoch nicht an den Kreditgeber weiterleitet. Der Drittschuldner
handelte gutgläubig, als er an den Kreditnehmer zahlte. Mit der Zahlung befreite sich der
Drittschuldner von weiteren Verpflichtungen (§ 407 BGB).

Dieses Risiko kann durch eine offene Zession vermieden werden. Bei der offenen Zession wird
dem Schuldner die Abtretung mitgeteilt. Die Forderung geht in diesem Fall auf den Zessionar über.
Der Drittschuldner leistet dann ausschließlich an den Kreditgeber.

5.2 Realkredit

Eine weitergehende Sicherheit bietet der Realkredit. Hierbei überträgt der Kreditnehmer Rechte an
Sachen auf den Kreditgeber (dingliche Sicherung). Rechtliche Sicherungen von Krediten sind der
Eigentumsvorbehalt, die Sicherungsübereignung oder Grundpfandrechte.

Ein Realkredit wird auch als Sachkredit bezeichnet. Er ist ein Kredit, der im Gegensatz
zu den herkömmlichen Kreditarten durch Sach- oder Vermögenswerte gesichert wird.

Die Sicherung eines Realkredites kann auf zwei Arten erfolgen:

Der Realkredit kann durch unbewegliche Sachen, wie bei einer Hypothek oder
Grundschuld, gesichert werden oder
bewegliche Sachen, wie zum Beispiel bei einem Lombardkredit, können den Realkredit
sichern.

Einteilung der dinglich gesicherten Kredite nach der Art der rechtlichen Sicherung:

➢ Sicherungsübereignung
➢ Lombardkredit
➢ Grundpfandrechte
➢ Eigentumsvorbehalt

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 26


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Die Sicherungsübereignung

Eine Sicherungsübereignung liegt vor, wenn der Schuldner dem Gläubiger zur Sicherung der
Forderung (Kredit) das Eigentum an einer Sache überträgt (übereignet).

Der Schuldner bleibt im Besitz der Sache und kann diese nutzen. Das Eigentum an der
Sache aber geht auf den Kreditgeber über. Der Schuldner wird wieder Eigentümer an
seiner Sache, wenn der Kredit vollständig bezahlt ist.

Gerät der Schuldner mit seinen Zahlungen in Verzug, kann der Kreditgeber die Herausgabe der
übereigneten Sache verlangen und diese verkaufen.

Der Lombardkredit

Beim Lombardkredit wird ein Kredit dadurch gesichert, dass der Kreditnehmer wertbeständige,
leicht verkäufliche Sachen beim Kreditgeber hinterlegt (z. B. Aktien, Edelmetalle).
Der Kreditnehmer bleibt bei dieser Art der Kreditsicherung Eigentümer der Sachen, der
Kreditgeber wird Besitzer der Sachen. Gerät der Schuldner mit seinen Zahlungen in Verzug, kann
der Kreditgeber die Sachen verkaufen.

Grundpfandrechte

Hypothek und Grundschuld sind Pfandrechte an Grundstücken. Da Grundstücke nicht übergeben


werden können, wird die Übergabe durch eine Eintragung in das Grundbuch ersetzt. Die
Bestellung der Grundschuld/Hypothek bedarf der notariellen Beurkundung.
Es handelt sich meist um hohe, oftmals objektgebundene Kredite, die über lange Laufzeiten
abgeschlossen werden.
Die Kreditlaufzeit im Fall eines Realkredites liegt in der Regel zwischen 5 bis 30 Jahren.

Die Hypothek ist ein Pfandrecht an einem Grundstück, das stets zur Sicherung einer Forderung
eingetragen wird (§ 1113 BGB). Für die Hypothekenschuld haften einerseits
das Grundstück (dingliche Haftung) und andererseits der Schuldner selbst mit seinem
gesamten Vermögen (persönliche Haftung).

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 27


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Die Grundschuld ist ein Grundpfandrecht, aufgrund dessen an den Kreditnehmer eine
bestimmte Geldsumme aus dem Grundstück gezahlt wird (§ 1191 BGB).
Eine bestehende Forderung, wie bei der Hypothek, wird nicht vorausgesetzt Für die Grundschuld
haftet nur das Grundstück (dingliche Haftung), nicht der Schuldner selbst.

Bei einer Insolvenz des Schuldners steht dem Gläubiger das Absonderungsrecht zu. Der
absonderungsberechtigte Gläubiger kann Befriedigung seiner Forderung allein für sich aus dem
ihm zur Sicherheit gegebenen Gegenstand fordern.

Eigentumsvorbehalt

Kaufverträge werden häufig mit der Vertragsklausel des Eigentumsvorbehalts geschlossen. Der
Eigentumsvorbehalt ist ein Sicherungsmittel für den Warenkreditgeber und ist Bestandteil der
AGB.

Beim Verkauf unter einfachem Eigentumsvorbehalt wird der Käufer erst bei vollständiger
Kaufpreiszahlung Eigentümer des Kaufgegenstandes.
„Der Kaufgegenstand bleibt so lange Eigentum des Verkäufers, bis der Käufer den Kaufpreis
vollständig bezahlt hat.“

Da der Besitzer einer Sache, auch wenn er noch nicht Eigentümer ist, die Sache weiterveräußern
oder weiterverarbeiten kann, wird der einfache Eigentumsvorbehalt häufig durch verschiedene
Regelungen ergänzt.
Eine Form des Eigentumsvorbehalts, bei dem das Eigentum an der Sache erst unter weiteren
Bedingungen übergehen soll, ist der erweiterte Eigentumsvorbehalt.

Der Kaufgegenstand bleibt so lange Eigentum des Verkäufers, bis der Käufer alle entstandenen
Forderungen des Verkäufers beglichen hat.

In den meisten Fällen wird dabei der Eigentumsübergang von der Bezahlung sämtlicher
Forderungen des Verkäufers gegen den Käufer abhängig gemacht. Der Käufer wird erst
Eigentümer an der Sache, wenn er alle aus der Geschäftsbeziehung bestehenden Forderungen
beglichen hat.

Bei einer Insolvenz des Käufers steht dem Verkäufer das Aussonderungsrecht zu. Er kann
verlangen, dass sein Eigentum aus der Insolvenzmasse herausgenommen wird.

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 28


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Factoring
Gekaufter Schutz vor Zahlungsausfällen

Das Factoring ist eine Finanzdienstleitung, bei der offene Forderungen an einen Factoring-
Anbieter verkauft werden können, um kurzfristig Geld zu erhalten und das Risiko von
Zahlungsausfällen zu minimieren.

Definition: Was ist Factoring?

Factoring bezeichnet den Verkauf beziehungsweise Kauf von Geldforderungen eines


Unternehmens an einen Kunden durch eine Factoring-Gesellschaft, auch Factor genannt.

Der Factor übernimmt i.d.R. drei kostenpflichtige Funktionen für das auftraggebende
Unternehmen:

1. Servicefunktion
2. Finanzierungsfunktion
3. Kreditsicherungsfunktion

Servicefunktion

Das Finanzierungsinstitut übernimmt als Dienstleistung die Debitorenbuchhaltung, das


Mahnwesen und das Rechnungsinkasso für das beauftragende Unternehmen.

Finanzierungsfunktion

Die Finanzierungsfunktion steht beim Factoring für die meisten Unternehmen im Mittelpunkt des
Interesses. Das beauftragende Unternehmen erhält eine Vorauszahlung auf die angekauften
Forderungen. Somit wird das Factoring zu einem Mittel der kurzfristigen Außenfinanzierung. Der
Vorteil aus der Finanzierungsfunktion ergibt sich für ein Unternehmen, wenn die Mittel zur Tilgung
bestehender Schulden eingesetzt werden. Das führt zu einer Verbesserung der Eigenkapitalquote
und daraus folgend zu einer verbesserten Bonität des Unternehmens. Außerdem lassen sich
Zinszahlungen einsparen, falls das Unternehmen die Mittel zur Rückführung von
Bankverbindlichkeiten verwendet.

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 29


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Kreditsicherungsfunktion

Der Factor übernimmt das Risiko eines möglichen Zahlungsausfalls einer Forderung bzw. der
Zahlungsunfähigkeit eines Kunden. Als Delkredere wird die Haftung des Factors für den teilweisen
oder vollständigen Ausfall einer Forderung aufgrund der Zahlungsunfähigkeit eines Kunden
bezeichnet.

Die Delkrederefunktion (auch Versicherungsfunktion) des Factors bietet dem Unternehmen die
Möglichkeit, das Risiko des Forderungsausfalls aufgrund der Zahlungsunfähigkeit bzw. Insolvenz
des Kunden an den Factor abzutreten.

Allerdings wird der Factor im Voraus die Bonität des Abnehmers sorgfältig prüfen, bevor dieser das
Ausfallrisiko überhaupt übernimmt. Sollten im Rahmen der Bonitätsprüfung irgendwelche
negativen Merkmale auftreten, wird der Factor sich auf reines Inkasso beschränken. In diesem Fall
wird das Forderungsausfallrisiko auch nicht übernommen (unechtes Factoring).

Ein Unternehmen stellt eine Rechnung an einen Kunden und hat somit eine Forderung gegen
diesen. Wird die Rechnung nicht (oder nicht schnell genug) bezahlt, kann das Unternehmen solch
offene Forderungen an einen Factoring-Dienstleister verkaufen.
Im Gegenzug erhält das Unternehmen von diesem Anbieter innerhalb kurzer Zeit (meist binnen 24
bis 48 Stunden) unter Abzug von Factoring-Zinsen und einer Factoring-Gebühr den Großteil der
Forderungen ausbezahlt.

So kann die Liquidität des Unternehmens kurzfristig gesichert werden. Der Factor kümmert sich
dann um den Rest und verdient an Zinsen und der Gebühr. Diese Übertragung von
Geldforderungen wird als Abtretung bezeichnet, es kommt somit zum Gläubigerwechsel.

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 30


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Diese Abtretung kann ohne Wissen des Abnehmers vonstattengehen. Sofern kein
Abtretungsverbot besteht, kann jede Geldforderung abgetreten werden. Dabei gibt es
verschiedene Factoring Arten:

Echtes Factoring
Diese Form beinhaltet den Ausfallschutz des Factoring-Kunden durch den Factor, falls der
Abnehmer nicht zahlt. Der Factor übernimmt hier das sogenannte Delkredererisiko, es
handelt sich also um einen Rundumschutz. Beim Standardfactoring wird vom Factor die
Finanzierungs-, Dienstleistungs- und Delkrederefunktion übernommen.

Unechtes Factoring
Von unrechtem Factoring hingegen ist die Rede, wenn der Factoring-Kunde haftet, falls der
Schuldner den Forderungen nicht nachkommt. Wird ein Vertrag zuvor derart gestaltet, liegt
das Hauptaugenmerk auf der Kreditgewährung.

Beispiel und Rechnung

Angenommen, ein Catering-Service beliefert ein Unternehmen, das eine große Weihnachtsfeier
ausrichtet. Die Kosten für diese Veranstaltung belaufen sich auf 12.500 Euro. Der Catering Service
benötigt sofort Geld, um Lieferanten und Köche bezahlen zu können.

Er verkauft seine offene Forderung für diese Dienstleistung und Waren an einen Factor. Der
Catering Service wird somit zum Factoring-Kunden. Bei der Bonitätsprüfung prüft der Factoring-
Anbieter seinerseits die Kreditwürdigkeit des Abnehmers, das ist das Unternehmen, welches die
Weihnachtsfeier ausgerichtet hat.
Anschließend zahlt der Factor üblicherweise zwischen 80 und 90 Prozent sofort. Das restliche
Geld erhält der Factoring-Kunde vom Factor, wenn der Abnehmer die Forderung beglichen hat.
Die Gebühr für das Factoring hängt unter anderem vom Jahresumsatz ab; die Zinsen fallen auf die
Bevorschussung des Factors an und können unterschiedlich hoch ausfallen.

Rechnung
Der Catering Service erhält 80 Prozent des Forderungsgegenwertes, macht 10.000 Euro. Die
Laufzeit der Forderung beträgt vier Monate, die Factoring-Zinsen 5 Prozent, die Factoring-Gebühr
0,5 Prozent. Die Laufzeit beträgt bei Inlandsforderungen für gewöhnlich vier Monate, bei
Auslandsforderungen kann sie bis zu fünf Monate betragen.

• Zinsen: 10.000 x 0,05 x 4 Monate / 12 Monate = 166,67 Euro


• Gebühr: 12.500 x 0,005 = 62,50 Euro

Die Factoring-Kosten betragen insgesamt 229,17 Euro, die von den 10.000 Euro abgezogen
werden; das heißt, der Factoring-Kunde erhält 9.770,83 Euro.
Für den Abnehmer ändert sich außer der Rechnungsadresse nichts.

Zielgruppe: Kleine und mittelständige Unternehmen

Die Bedeutung von Factoring ist gerade für Existenzgründer und kleine beziehungsweise
mittelständische Unternehmen groß. Liquidität ist der Motor eines jeden Unternehmens, denn sie
bedeutet, Verbindlichkeiten gegenüber Dritten jederzeit fristgerecht begleichen zu können.
Das heißt, allein das Guthaben auf dem Konto entscheidet darüber, ob Verpflichtungen gegenüber
dem Finanzamt, Banken und Sozialkassen erfüllt werden können. Die Auftragslage mag noch so

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 31


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

gut sein, solange es sich dabei nur um offene Forderungen handelt, helfen diese noch nicht dabei,
eigene Rechnungen zu begleichen.
Je größer das Unternehmen, desto größer in der Regel auch die finanziellen Rücklagen.
Selbstständige oder kleine Firmen verfügen jedoch nicht über solche Mittel, was das Factoring zu
einer attraktiven und teils sogar notwendigen Finanzdienstleistung macht. Ist ein Unternehmen
nämlich nicht ausreichend liquide, droht die Insolvenz.

Ist ein Unternehmen eher knapp bei Kasse, muss das nicht auf eine Krise hindeuten Gefahren für
die Liquidität eines Unternehmens sind beispielsweise auch:
➢ starkes Umsatzwachstum
➢ verzögerte Zahlungseingänge und Forderungsausfälle
➢ nicht kalkulierte Steuernachzahlungen und Steuervorauszahlungen
➢ zu hohe Privatentnahmen

Mithilfe von Factoring kann insbesondere verzögerten Zahlungseingängen und


Forderungsausfällen entgegengewirkt werden. Kommen gut kalkulierte Finanzen und mäßige
Privatentnahmen hinzu, sinkt das Risiko einer Insolvenz erheblich.

Vor- und Nachteile von Factoring für Unternehmen

Vorteile

➢ Unmittelbare Liquidität
Bis zu 90 Prozent der Bruttorechnungssumme werden sofort beglichen, so dass
Liquiditätsengpässen vorgebeugt werden kann. Das gibt gerade kleinen Unternehmen
einen größeren Handlungsspielraum, da offene Forderungen kein Hindernis mehr für
künftige Investitionen darstellen. Der Liquiditätszufluss garantiert die Stabilität des
Unternehmens. Rechnungen von Lieferanten und die Gehälter der Mitarbeiter können
pünktlich bezahlt werden.
➢ Verbesserte Finanzplanung
Der Liquiditätszufluss ermöglicht einem Unternehmen, aus eigener Kraft Investitionen zu
tätigen. Es müssen keine zusätzlichen Kredite aufgenommen werden, somit steigt die
Unabhängigkeit von Banken. Das trägt wiederum zur eigenen Kreditwürdigkeit bei.
➢ Stärkeres Wachstum
Die Kombination aus stetiger Liquidität und der Übernahme von Forderungsausfällen durch
den Factoring-Dienstleister sind gerade für Existenzgründer gute Voraussetzungen für ein
starkes Wachstum. Der Factoring-Anbieter trägt dabei das Risiko, während der Factoring-
Kunde vom Schutz vor Zahlungsausfällen profitiert.
➢ Buchhalterische Entlastung
Der Factoring-Kunde kann sich komplett auf sein Unternehmen konzentrieren, da der
Factor die Debitorenbuchhaltung und das Mahnwesen übernimmt. Unternehmen können so
wertvolle Zeit einsparen, die anderenfalls für Verwaltungsaufgaben aufgewandt werden
müsste.
➢ Besseres Rating
Durch dieses Vorgehen bleibt für den Factoring-Kunden in der Bilanz seines Unternehmens
lediglich ein nicht bevorschusster Restbetrag von zehn Prozent als offene Forderung
stehen. Das führt dazu, dass die Bilanzsumme sinkt, während gleichzeitig die
Eigenkapitalquote steigt. Dies führt zu einem besseren Rating, so dass im Falle größerer
Investitionen Banken dringend benötigten Krediten eher zustimmen.

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 32


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Nachteile

➢ Höhere Ausgaben
Gehört der Kunde eher zu denjenigen, die erst spät ihre Rechnungen begleichen, hilft
Factoring zwar Engpässe zu vermeiden. Aber der Factoring Anbieter muss logischerweise
auch von etwas leben. Factoringzins und Factoringgebühr kommen auf den Factoring-
Kunden als Kosten hinzu. Letzteres bezieht sich auf den Umsatz der eingereichten
Rechnung.
➢ Bestimmte Branchen
Auch wenn vor allem KMU von Factoring profitieren, so liegt der Schwerpunkt derzeit noch
eher bei der produzierenden Industrie und dem daran angegliederten Großhandel. Als
wichtigste Factoring-Kunden nennt der Deutsche Factoring Verband folgende Branchen:
o Handel- und die Handelsvermittlung
o Metallverarbeitung und Fahrzeugbau
o Ernährungsgewerbe
o Herstellung von Maschinenerzeugnissen
o Gewerbe rund um den Maschinenbau
o verarbeitendes Gewerbe
o Herstellung von chemischen Erzeugnissen
o Elektronik/elektronische Bauelemente
o Papier-, Verlags- und Druckgewerbe

➢ Angeknackstes Image
Niemand lässt sich gerne in die Karten schauen – dem Kunden (im Falle von Factoring:
dem Abnehmer) gegenüber zuzugeben, dass man auf das Geld dringend angewiesen ist,
weil sonst alles zum Stillstand kommt, mag nicht jedem Unternehmer schmecken. Zumal
manche Branchen recht überschaubar sind und dann Gerüchte entstehen könnten, die sich
womöglich ungünstig auswirken. Auch könnte ein Kunde vermuten, man wolle ihm generell
geringe Zuverlässigkeit bei der Begleichung seiner Rechnungen unterstellen.

Schutz vor Zahlungsausfällen: Weitere Möglichkeiten

Der Schutz vor Zahlungsausfällen ist für kleine und mittelständische Unternehmen ein wichtiges
Thema, da unbeglichene Geldforderungen eine Bedrohung der Existenz bedeuten.
Um dieses Risiko zu minimieren, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Auch wenn es keine
hundertprozentige Garantie geben kann, sollten Unternehmen zuvor gründlich recherchieren, mit
wem sie Geschäfte treiben.

Folgende Möglichkeiten bieten sich an:


➢ Handelsregister
Umfangreiche Daten über Gewerbetreibende erhalten Unternehmer durch die Register der
Handwerkskammern wie auch aus dem Handelsregister. Die Einsicht in das
Handelsregister ist kostenfrei. Allerdings sind nicht alle Gewerbetreibenden in diesem
Register verzeichnet.
➢ Firmendatenbank
Eine kostenpflichtige Alternative liefert die Bisnode-Firmendatenbank. Ehemals in
gedruckter Form auch als „Hoppenstedt“ bekannt, ist über diesen Service die Recherche
bequem über das Internet möglich.

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 33


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

➢ Einzelauskunft
Darüber hinaus kann auf Antrag eine Einzelauskunft aus dem Schuldnerverzeichnis beim
Amtsgericht beantragt werden, wenn ein Unternehmer darlegen kann, dass er oder sie
wirtschaftliche Nachteile abwenden will, wenn ein Schuldner seiner Zahlungsverpflichtung
nicht nachkommt.
➢ Selbstauskunft
Alternativ könnte ein Unternehmen seinen Geschäftspartner bitten, ihm eine
Selbstauskunft der Schutzgemeinschaft für Allgemeine Kreditsicherung (Schufa)
vorzulegen.
➢ Vereinbarung zur Vorkasse
Die Lieferung der Ware beziehungsweise der Dienstleistung erfolgt erst dann, wenn der
Geschäftspartner die Rechnung beglichen hat.

Unterschied zum Inkassounternehmen

Geht es um Geldforderungen oder offene Rechnungen, tauchen Begriffe wie Factoring und
Inkasso oftmals gleichzeitig auf und werden synonym verwendet. Es besteht allerdings ein
Unterschied, wenngleich beide Maßnahmen für ein Unternehmen eine Verbesserung der Liquidität
bedeuten.

➢ Während ein Factor unmittelbar nach Erstellen der Rechnung beauftragt werden kann, wird
ein Inkassounternehmen erst tätig, wenn bereits begründete Forderungen fällig sind. Das
ist vor allem dann der Fall, wenn ein Schuldner seinerseits nicht liquide ist oder eine
schlechte Zahlungsmoral hat.
➢ Ein weiterer Unterschied ist, dass das Inkassounternehmen zwar im Auftrag des
Gläubigers handelt und über entsprechende Vollmachten verfügt. Jedoch übernimmt das
Inkassounternehmen nicht das Risiko für den Fall, dass der Schuldner die Forderungen
nicht begleichen kann.
➢ Der Gläubiger bleibt also zu jedem Zeitpunkt das Unternehmen, das offene Forderungen
hat. Das Unternehmen kann beim Schuldner die Kosten für das Inkassounternehmen und
weitere wie etwa Gerichtskosten oder Auslagen geltend machen. Ist der Schuldner jedoch
zahlungsunfähig, fallen am Ende sämtliche Kosten auf das Unternehmen.

Zahlungsverhalten von Kunden beachten


Die Sicherung von Forderungen

Unternehmen liefern Waren oder erbringen Dienstleistungen.


Im Geschäftsverkehr ist es dabei üblich, dass die Lieferung auf Rechnung erfolgt und die
erbrachten Leistungen innerhalb einer bestimmten Zahlungsfrist beglichen werden.
Der Lieferant trägt dabei das Risiko des Forderungsausfalles.

Neben dem Eigentumsvorbehalt bietet sich dem Verkäufer eine Vielzahl von Möglichkeiten zur
Sicherung des Forderungsausfalls an.

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 34


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Anzahlung

Mit einer Anzahlung oder Teilzahlung wird das Entgelt für eine Leistung bereits voll oder teilweise
entrichtet, bevor die Gegenleistung vollständig erbracht wurde. Vor allem bei Neukunden oder
größeren Aufträgen wird oft eine Anzahlung verlangt.

Anzahlungen sind beim empfangenden Unternehmer (Leistender) stets mit dem Empfang der
Zahlung der Umsatzsteuer zu unterwerfen.

Anzahlungen beim zahlenden Unternehmer ermöglichen korrespondierend dazu den


Vorsteuerabzug bereits dann, wenn eine Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis über
die Anzahlung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist.

Bei der Endabrechnung über die Leistung ist deutlich zu machen, dass bereits eine Anzahlung
berechnet wurde, damit es nicht zu einem doppelten Abzug der Umsatzsteuerbeiträge als
Vorsteuer kommen kann.

Inkasso

Unternehmen können auch den Weg einer gewerblichen Forderungseintreibung bei überfälligen
Forderungen wählen. Dies geschieht über Inkassounternehmen. Inkassobüros sind häufig
Abteilungen großer Rechtsanwaltspraxen.

Ein Gläubiger bevollmächtigt also ein Inkassobüro, die Forderungen an seiner Stelle einzutreiben.
Das Risiko, dass die Forderung nicht ausgeglichen werden kann, verbleibt beim Gläubiger.
Inkassobüros schlagen auf den Rechnungsbetrag eine Gebühr auf, die dem Schuldner in
Rechnung gestellt werden. Häufig führen die Inkassobüros auch ein gerichtliches Mahnverfahren
im Auftrag des Gläubigers durch.

Unternehmen und Inkassobüro können sich auch auf einen Eigentumswechsel der Forderung
einigen. Dann hat das Inkassobüro die Forderung gekauft. Das Risiko, dass die Forderung nicht
realisiert wird, verbleibt dann beim Inkassobüro als neuen Eigentümer.

Factoring

Fehlt es einem Unternehmen an Geduld oder will es einfach Kosten durch säumige Schuldner
sparen, kann es überlegen, ob es sein Forderungsmanagement einem Dienstleister übergibt.

Factoring ist ein Vertrag zwischen einem beauftragenden Unternehmen und einem
Finanzierungsinstitut.

Der Factor übernimmt im Regelfall drei kostenpflichtige Funktionen für das Auftrag gebende
Unternehmen:

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 35


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Sicherung der Forderung bei Exportgeschäften

Bei Exportgeschäften werden zur Zahlungsabwicklung und Zahlungssicherung das


Dokumenteninkasso und das Dokumentenakkreditiv angewendet.

Dokumenteninkasso

Das Dokumenteninkasso ist eine Zahlungsabwicklungs- und Zahlungssicherungsform, bei der


dem Zahlungspflichtigen unter Mitwirkung von Kreditinstituten Dokumente ausgehändigt werden
gegen Zahlung des Gegenwertes (Dokumente gegen Kasse) oder Akzeptierung eines Wechsels
(Dokumente gegen Akzept).

Beteiligte bei einem Dokumenteninkasso:

Der Auftraggeber (Exporteur) erteilt seiner Bank (Einreicherbank) den Inkassoauftrag.

Die Einreicherbank prüft die Dokumente auf Vollständigkeit und Plausibilität. Dann beauftragt sie
die Inkassobank mit dem Inkasso der Papiere. Später verrechnet sie den Zahlungsbetrag mit der
Inkassobank und schreibt dem Auftraggeber den Betrag abzüglich Spesen und Gebühren gut.

Die Inkassobank erhält die Papiere i. d. R. per Post. Nach Prüfung der Dokumente auf
Vollständigkeit und Plausibilität legt sie dem Bezogenen die Papiere vor. Zahlt der Bezogene,
händigt die Bank die Papiere aus und verrechnet den Betrag mit der Einreicherbank.

Der Bezogene (Importeur) ist derjenige, dem die Papiere vorgelegt werden. Er erhält sie gegen
Zahlung und kann damit die Waren in Empfang nehmen.

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 36


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Vorteile für den Exporteur Nachteile für den Exporteur

Keine Eigentumsübertragung ohne Bezahlung Zahlung erst nach Annahme der Dokumente
(Zug-um-Zug-Geschäft) Zahlung ist nicht garantiert
Leichte Weiterveräußerung bei Wechsel wird nicht eingelöst
Zahlungsausfall Zusätzliche Kosten durch Lagerung, Verderb,
Rückverschiffung bei Nichtannahme der Ware
Vorteile für den Importeur Nachteile für den Importeur

Sofortige Warenleistung bei Bezahlung (Zug- Zahlung trotz mangelhafter Qualität der Ware
um-Zug-Geschäft)
Barzahlung erst bei Dokumentenvorlage
Gewisse Sicherheit hinsichtlich
Qualität/Herkunft der Ware

Oft ist der Exporteur daran interessiert, dass seine Ware nur dann den Besitzer (Eigentümer)
wechselt, wenn er dagegen den Kaufpreis tatsächlich erhält. Ebenso möchte der Importeur nur
dann die Ware bezahlen, wenn er in den Besitz (das Eigentum) der Ware bzw. von Dokumenten
kommt, die die Rechte an der Ware verbriefen.

Dokumentenakkreditiv

Das Dokumentenakkreditiv ist eine vertragliche Verpflichtung eines Kreditinstituts im Auftrag


und für Rechnung sowie nach Weisung eines Kunden gegen Übergabe bestimmter Dokumente
eine bestimmte Geldzahlung zu erbringen.
Die eröffnende Bank haftet gegenüber dem Begünstigten für die Zahlung des Akkreditivbetrages.

In der Praxis ist das unwiderrufliche Akkreditiv (irrevocable Letter of Credit – L/C) die häufigste
Akkreditivform.
Ein unwiderrufliches Akkreditiv kann nur mit Zustimmung aller Beteiligten abgeändert oder
annulliert werden.

Beteiligte beim Dokumentenakkreditiv:

Akkreditivauftraggeber ist der Importeur, der seine Bank beauftragt, das Akkreditiv zugunsten des
Exporteurs zu eröffnen.
Eröffnende Bank ist die Bank des Importeurs. Sie gibt ein Zahlungsversprechen zugunsten des
Exporteurs ab.
Avisierende Bank/Bestätigende Bank ist die Bank, die dem Exporteur das Akkreditiv bekannt gibt.
Begünstigter ist der Exporteur, zu dessen Gunsten sich die eröffnende Bank zur Zahlung
verpflichtet.

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 37


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Verlauf beim Dokumentenakkreditiv:

Vorteile für den Exporteur Nachteile für den Exporteur

Garantierte Zahlung Länderrisiko, Bonitätsrisiko,


Devisenrestriktionsrisiko

Vorteile für den Importeur Nachteile für den Importeur

Fristsetzung durch bestimmte Verladefristen Im Vergleich zum Dokumenteninkasso teurer


Mögliche Qualitätsrisiken, da die Ware vorher
nicht geprüft werden kann

Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zwischen Akkreditiv und Inkasso besteht darin, dass das
Akkreditiv ein vom Kaufvertrag losgelöstes abstraktes Zahlungsversprechen ist. Dagegen wird
beim Inkasso der Importeur erst bei Zahlung/Abholung Eigentümer der Ware.

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 38


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Das kaufmännische Mahnverfahren

Eine Hauptpflicht aus einem rechtsgültig abgeschlossenen Kaufvertrag ist die rechtzeitige Zahlung
des vereinbarten Kaufpreises durch den Käufer.

Die gesetzliche Regelung sieht vor, dass der Käufer (Geldschuldner) seine Verpflichtung dann
erfüllt hat, wenn er an seinem Wohnort die Zahlung spätestens bei Fälligkeit veranlasst
(Geldschulden sind Schickschulden).

Voraussetzungen für den Zahlungsverzug:


Schuldner erfüllt Zahlungspflicht nicht – er gerät ab Fälligkeitstag in Verzug, wenn der
Zahlungstermin kalendermäßig genau bestimmbar ist.
Schuldner erfüllt Zahlungsverpflichtung nach Mahnung mit Fristsetzung nicht – im Falle,
dass der Zahlungstermin nicht kalendermäßig bestimmbar ist.

Eintritt des Zahlungsverzugs

Der Schuldner gerät nach Ablauf des Im Falle, dass der Zahlungstermin nicht
Fälligkeitstages in Verzug, wenn der kalendermäßig bestimmbar ist, gerät der
Zahlungstermin kalendermäßig genau Schuldner nach Mahnung mit Fristsetzung in
bestimmbar ist (z. B. „fällig am 30.11.2017“). Verzug (z. B. „zahlbar 30 Tage nach
Rechnungsdatum“).

Unabhängig davon kommt der Schuldner grundsätzlich innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und
Zugang einer Rechnung in Verzug.
Dies gilt beim Verbrauchsgüterkauf nur unter der Voraussetzung, wenn der Verbraucher auf
diese Folgen in der Rechnung besonders hingewiesen wird.

Sehr geehrte Frau Sonnenschein,


wir stellen Ihnen für die Lieferung Nr. 79462 vom 05.09.2017 in Rechnung:

Anzahl Artikel Bezeichnung Einzelpreis € Rabatt % Gesamt €


200 8451 Bürostuhl „Elite“ 162,50 – 32.500,00
Gesamtbestellwert netto 32.500,00
+ 19 % Umsatzsteuer 6.175,00
Rechnungsbetrag 38.675,00

Zahlbar bis 15.09.2017 unter Abzug von 2 % Skonto 37.901,50 EUR


Zahlbar bis 05.10.2017 ohne Abzug 38.675,00 EUR

Rechte des Verkäufers bei Zahlungsverzug:

Ohne Nachfristsetzung: Zahlung verlangen oder Zahlung und Schadenersatz verlangen


(Verzugszinsen und Kosten der Mahnung).
Mit Nachfristsetzung: Zahlung ablehnen und Rücktritt vom Vertrag oder Zahlung ablehnen
und Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen.

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 39


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Es kommt im Geschäftsleben häufig vor, dass Kunden ihre Rechnungen nicht fristgerecht
begleichen und in Zahlungsverzug geraten.
Oft haben Sie „nur“ die rechtzeitige Zahlung (Überweisung) vergessen. Allerdings kann in
Einzelfällen auch eine beabsichtigte Verweigerung der Zahlung ihr Verhalten begründen.
Die gebräuchlichste Form, einen Kunden zur Zahlung seiner Rechnung aufzufordern, ist die
schriftliche Mahnung.

Mahnungen sollten individuell beurteilt werden und dementsprechend vorsichtig erfolgen, will der
Verkäufer das Geld erhalten und den Kunden womöglich nicht verlieren.
Das kaufmännische Mahnverfahren kennt daher eine Abstufung von der Zahlungserinnerung bis
zur Androhung des gerichtlichen Mahnverfahrens oder der Weitergabe der Forderung an ein
Inkassobüro.

Das kaufmännische Mahnverfahren zeichnet sich durch seine „Dreigliedrigkeit“ aus.

In der 1. Mahnstufe bleiben Sie überaus freundlich. Der Mahnbrief dient lediglich der
Zahlungserinnerung.

Zahlungserinnerung – Rechnung Nr.: 6623 vom 05.09.2017

Sehr geehrte Frau Sonnenschein,

wir lieferten pünktlich am 05.09.2017. Wir gehen davon aus, dass Sie mit unserer Leistung zufrieden sind.
Leider ist für die Rechnung Nr. 6623 – fällig am 05.10.2017 – bis heute kein Zahlungseingang erfolgt.
Bitte prüfen Sie Ihre Unterlagen und überweisen Sie den ausstehenden Rechnungsbetrag von 38.675,00 €
bis zum 19.10.2017 auf eines der angegebenen Konten. Einen vorbereiteten Überweisungsträger erhalten
Sie mit diesem Schreiben.

Wenn Sie zwischenzeitlich bezahlt haben, betrachten Sie dieses Schreiben als erledigt.

Freundliche Grüße
Wikinger AG

Zu den inhaltlichen Scherpunkten der Zahlungserinnerung gehören:

➢ Im Betreff steht Zahlungserinnerung, die Rechnungsnummer, das Rechnungsdatum,


➢ höfliche Bezugnahme auf die nicht beglichene Rechnung,
➢ Wiederholung des Rechnungsbetrags und des Zahlungsziels,
➢ Aufforderung zur Zahlung ohne Fristsetzung,
➢ bei langjährigen Kunden Verweis auf die bisherigen guten Geschäftsbeziehungen,
➢ eine Kopie der Rechnung in der Anlage.

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 40


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Auch in der 2. Mahnstufe bleiben Sie überaus freundlich. Allerdings weisen Sie darauf hin, dass
Sie das Verhalten des Kunden nicht teilen, und verweisen darauf, dass Sie Mahngebühren und
Verzugszinsen erheben.

2. Mahnung – Rechnung Nr.: 6623 vom 05.09.2017

Sehr geehrte Frau Sonnenschein,

am 10.10.2017 haben wir Sie an einen Zahlungsrückstand von 38.675,00 EUR erinnert.

Auf unsere Zahlungserinnerung haben Sie bis heute nicht reagiert. Sie befinden sich weiterhin in Verzug.
Bitte überweisen Sie den Rechnungsbetrag bis zum 31.10.2017 auf eines der genannten Konten.
Sollten wir bis zum 31.10.2017 keinen Zahlungseingang feststellen, werden wir zusätzlich Mahngebühren
und Verzugszinsen berechnen.

Wir hoffen, dass dies nicht nötig sein wird.

Freundliche Grüße
Wikinger AG

Zu den inhaltlichen Scherpunkten der Mahnung gehören:

➢ Im Betreff steht „Mahnung“, die Rechnungsnummer, Rechnungsdatum,


➢ Bezugnahme auf die Zahlungserinnerung,
➢ Aufforderung zur Zahlung, mit Fristsetzung,
➢ bei langjährigen Kunden Verweis auf die bisherigen guten Geschäftsbeziehungen,
➢ Androhung von Verzugszinsen und Mahnkosten.

Erst der Ton in der 3. Mahnstufe lässt dann darauf schließen, dass Ihre Geduld erschöpft ist.

12.11.2017

Letzte Mahnung – Rechnung Nr.: 6623 vom 05.09.2017


Sehr geehrte Frau Sonnenschein,

am 23.10.2017 haben wir einen Zahlungsrückstand von 38.675,00 EUR angemahnt.

Auf unsere Mahnung haben Sie bis heute nicht reagiert. Sie befinden sich weiterhin in Verzug. Bitte
überweisen Sie den Rechnungsbetrag bis zum 20.11.2017 auf eines der genannten Konten.
Sollten wir bis zum 20.11.2017 keinen Zahlungseingang feststellen, werden wir das gerichtliche
Mahnverfahren einleiten.

Bitte nutzen Sie diese letzte Frist einer außergerichtlichen Lösung.

Freundliche Grüße
Wikinger AG

Diese Reihung muss aber im Einzelfall nicht eingehalten werden. Auch die Fristsetzungen zum
zwischenzeitlichen Ausgleich der Forderung können individuell bestimmt werden. Ebenso ist über
den Vorschlag einer Teil- oder Ratenzahlung im Einzelfall zu entscheiden.

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 41


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Verzugszinsen

Verzugszinsen und Mahnkosten können bei Zahlungsverzug schon bei der Zahlungserinnerung
verlangt werden, wenn der rechtliche Zustand des Zahlungsverzugs eingetreten ist.

Dies unterbleibt meist in der Praxis aus Gründen der Kulanz, um die Kundenbeziehung zu diesem
Zeitpunkt aufrechtzuerhalten.

Spätestens in ihrer dritten Mahnung wird die Wikinger AG Verzugszinsen für den Zeitraum der
Fälligkeit bis zur Versendung der 3. Mahnung berechnen (37 Tage, 30/360-Methode).
Handelt es sich um einen zweiseitigen Handelskauf, wird die Wikinger AG Verzugszinsen zu
einem Zinssatz von 9 %über dem geltenden Basiszinssatz berechnen.

seit Juli 2014 ergänzt:(5) … Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro.
(gilt nicht für Verbraucher)

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 42


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Das gerichtliche Mahnverfahren

Scheitert das kaufmännische Mahnverfahren daran, dass der Schuldner eine Bezahlung der
Forderung verweigert, dann kann der Gläubiger durch ein gerichtliches Mahnverfahren
versuchen, zu seinem Geld zu kommen.

Darüber hinaus gilt es für den Gläubiger, die regelmäßige Verjährung zu beachten. Mit Schluss
des Jahres (31.12.), in dem die Forderung entstanden ist, beginnt die regelmäßige
Verjährungsfrist von drei Jahren.

Mit Ablauf dieser Zeit kann der Gläubiger nicht mehr auf gerichtlichem Wege seine Forderung
gegenüber dem Schuldner durchsetzen.
Dem Schuldner steht das Recht der Einrede der Verjährung zu. Ob der Gläubiger irgendwann
doch seine Forderung erhält, bleibt seiner Hartnäckigkeit überlassen.
Privat kann er weiterhin versuchen, die Forderung vom Schuldner einzutreiben.

Das gerichtliche Mahnverfahren hat zunächst zum Ziel, einen gerichtlichen Mahnbescheid zu
erwirken, der vom zuständigen Amtsgericht dem Schuldner zugestellt wird.
Im Rechts-deutsch wird der Gläubiger „Antragsteller“, der Schuldner „Antragsgegner“ genannt.

Das Verfahren läuft folgendermaßen ab:

▪ Der Antragssteller beantragt den Erlass eines Mahnbescheids beim zuständigen


Amtsgericht. Das ist immer der allgemeine Gerichtsstand des Antragsstellers, d. h. das
zuständige Mahngericht (Amtsgericht).
▪ Der Antrag ist ein offizielles Formular, in dem der Antragsteller seine Angaben einträgt (u.
a. zuständiges Gericht, Antragsteller/Antragnehmer, der Forderungsbetrag, und die
Bezeichnung der Forderung). Das maschinell ausgefüllte Formular muss handschriftlich
unterschrieben werden.
▪ Der Gläubiger beantragt einen Mahnbescheid bei dem für seinen Bezirk zuständigen
Mahngericht. Das Mahngericht prüft, ob das Formular korrekt ausgefüllt ist. Es prüft nicht,
ob die Forderung auch wirklich berechtigt ist.
▪ Der Schuldner hat drei Möglichkeiten auf einen Mahnbescheid zu reagieren:
o widersprechen (innerhalb von 14 Tagen),
o zu zahlen oder
o zu schweigen.

Zu zahlen ist der einfachste Weg, denn der Schuldner erkennt die Schuld an und zahlt die Schuld
plus entstandene Kosten (Zinsen, Rechtsanwalt, Gerichtskosten).

Wenn der Schuldner schweigt, kann der Gläubiger nach 14 Tagen (Widerspruchsfrist des
Schuldners) einen Vollstreckungsbescheid beim Mahngericht beantragen. Dieses stellt dem
Schuldner den Vollstreckungsbescheid zu.

Wieder hat der Schuldner 14 Tage Zeit, Widerspruch einzulegen.


Kommt es nach dieser letzten Frist wiederum nicht zur Zahlung oder zu einem Einspruch, erhält
der Gläubiger vom Mahngericht einen sogenannten Vollstreckungstitel.

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 43


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Mit dem Vollstreckungstitel kann der Gläubiger mittels eines Gerichtsvollziehers eine Pfändung
beim Schuldner durchführen lassen.

Die Forderung wird mit Hilfe des Gerichtsvollziehers eingetrieben. Das Geld- und Sachvermögen
wird gepfändet und zwangsversteigert. Die Forderung des Gläubigers und die Gerichtskosten
werden aus dem Erlös beglichen.

Ist beim Schuldner nichts zu pfänden, so muss er eine eidesstattliche Versicherung über seine
nicht vorhandenen Vermögensverhältnisse abgeben. In diesem Fall verjährt der Rechtstitel des
Vollstreckungsbescheids erst nach 30 Jahren. Sollte der Schuldner also einmal zu Vermögen
kommen, so wird es zum Ausgleich der Forderung und der Gerichtskosten herangezogen.

Widerspricht der Schuldner dem Mahnbescheid oder dem Vollstreckungsbescheid


verändert sich die Situation völlig.
Mit dem Widerspruch verliert der Mahnbescheid seine rechtliche Kraft. Das Mahngericht informiert
den Antragssteller über den Widerspruch.
Will der Gläubiger seine Forderungen durchsetzen, bleibt ihm nur der Klageweg in einem
ordentlichen Zivilprozess vor dem zuständigen Gericht.

Dabei werden in einer mündlichen Verhandlung der Kaufvertrag und alle relevanten
Geschäftsunterlagen geprüft.
Welches Gericht zuständig ist, richtet sich danach, welches Gericht örtlich und sachlich zu-ständig
ist.

Nach der gesetzlichen Regelung der Erfüllungsorte der jeweiligen Kaufvertragspflichten ist das
zuständige Gericht am Geschäftssitz des Käufers zu suchen. Dieser hat seine Zahlungspflichten
verletzt. Liegt der Streitwert des Kaufvertrags unter 5.000 €, findet der Prozess vor einem
Amtsgerichtstatt (höherer Streitwert = Landgericht) –jeweils am Wohnsitz des Käufers.
Ist mit dem Vertragsgeschäft als Erfüllungsort der Geschäftssitz des Verkäufers vereinbart, muss
an dem dortigen Gericht Klage erhoben werden.

✓ Es findet ein normaler Zivilprozess statt mit Rechtsanwälten, Richtern und einem Urteil.
✓ Lautet das Urteil „Die Forderung ist unrechtmäßig“, ist die Sache für den Schuldner wieder
erledigt.
✓ Lautet das Urteil „Die Forderung ist rechtmäßig“, kann der Schuldner zunächst
Widerspruch gegen das Urteil einlegen. Dann gehen die Verhandlungen in die nächste
gerichtliche Instanz.

Kommt das Klageverfahren irgendwie im Sinne des Gläubigers zu einem Ende und der Schuldner
zahlt immer noch nicht bzw. kann nicht zahlen –bleibt der Gläubiger auf einem 30 Jahre „gültigen“
Vollstreckungstitel sitzen.

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 44


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

Hemmung der Verjährung

Von einer Hemmung der Verjährung spricht das Gesetz, wenn der hemmende Zeitraum bei
Berechnung der Verjährungsfrist nicht berücksichtigt wird (§ 209 BGB).
Welche Umstände die Verjährung hemmen, regelt das Gesetz in den §§ 204ff. BGB.

Hierzu zählen u.a.:


➢ Verhandlungen (§ 203 BGB) zwischen den Parteien,
➢ Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren,
➢ Rechtsverfolgung (§ 204 BGB), z. B. Klageerhebung, Einleitung des gerichtlichen
Mahnverfahrens oder eines selbstständigen Beweisverfahrens.

Die Hemmung der Verjährung durch Aufnahme von Verhandlungen beträgt drei Monate (§ 203
Satz 2 BGB). Sie beginnt, wenn beide Parteien Kenntnis von den Verhandlungen haben. Sie
endet, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert.
Bei gerichtlichen Maßnahmen nach § 204 Abs. 2 BGB endet die Verjährung sechs Monate nach
Rechtskraft des Urteils bzw. nach der letzten Verfahrenshandlung (durch eine der Parteien oder
das Gericht), falls das Verfahren nicht mehr betrieben wird.

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 45


Roland Reichert Ausbildungsunterlagen

A hat aus dem Jahr 2018 einen Anspruch gegen B, der der regelmäßigen Verjährung unterliegt
und damit am 31.12.20021 verjähren würde. Um die Anspruchshöhe festzustellen, lässt A im
Sommer 2021 ein selbstständiges Beweisverfahren durchführen, das von der Zustellung des
Antrags bis zum Beweistermin drei Monate dauert. Gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 2 BGB
endet die Hemmung sechs Monate nach Abschluss des Beweisverfahrens, dadurch wird die
Verjährung für insgesamt neun Monate gehemmt. Ablauf der Verjährungsfrist ist daher der
30.09.20022.

Anders verhält es sich, wenn die Verjährung nach Eintritt eines bestimmten Ereignisses anfängt,
neu zu laufen (§ 212 BGB).

Das BGB nennt hierfür unter anderem:


➢ Anerkenntnis der Forderung durch eine Abschlags-, Zinszahlung, Sicherheitsleistung des
Schuldners,
➢ Vornahme oder Beantragung einer gerichtlichen oder behördlichen
Vollstreckungshandlung.

Bei Neubeginn der Verjährung beginnt die Verjährung nicht erst mit dem 1. Januar des Folgejahres
zu laufen, sondern unmittelbar nach dem Tag des Ereignisses, das zum Neubeginn der Verjährung
geführt hat (z. B. Anerkenntnis des Anspruchs durch Zahlung einer Abschlagszahlung).

Die Wikinger AG hat eine Forderung an den Einzelhändler Hans & Sachs KG, die am 24.10.2018
fällig ist. Am 08.05.2019 leistet die Hans & Sachs KG eine Abschlagszahlung an die Wikinger AG.

Die neue Verjährungsfrist beginnt erst in voller Länge zu laufen, wenn die Unterbrechung beendet
ist (§217BGB). Die bis dahin verstrichene Zeit kommt nicht in Betracht. Im oben genannten
Beispiel beginnt die Verjährung am 09.05.2019 neu und endet am 09.05.2022.

Ein außergerichtliches Mahnverfahren hat dagegen keinen Einfluss auf den Ablauf der Verjährung.

© Roland Reichert Jahresabschluss IK / KSL / KGA / KIG 01.01.2022 Seite 46

Das könnte Ihnen auch gefallen